(eo) Wiegandt & Hempel, # a a su al Inhalt des zweiten Bandes nach der im Text durch den Druck hervorgehobenen Wortfassung. Drittes Hauptstück: Der land- und forstwirthschaftliche Betrieb. Abschnitt XVI— XXVIM. XVI. Ueberbliek über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Gesichtspunkte der Landeskulturstatistik. Die Hauptfrage nach der Höhe der Pro- duktion und Konsumtion ist auch nicht annähernd zu beantworten. Nur Angaben über einzelne Beziehungen des wirthschaftlichen Betriebes möglich. Entwickelung des wirthschaftlichen Betriebes wird als schon im Beginn des Mittel- alters ziemlich abgeschlossen gedacht. Diese Anschauung ist nieht richtig. Die Dreifelder- wirthschaft. Die Feldgraswirthschaft. Der wesentlichste Zug: Gemeinschaftlichkeit, Flur- zwang; bei den aus älterer Zeit herstammenden Dorfgemeinden. Bei Kolonisation guts- oder landesherrlicher Ländereien. Einrichtung der Felder. Wo Gewanne bestanden. Fluren nach fränkischen oder flämischen Hufen. Sehr ungünstige Ausnutzung der Nebenländereien. Häufig durchaus kein gemeinschaftliches Land. Die raumen Hutungen. Die Forsten; nicht Jedem zur Verfügung. Auf die Nebennutzungen fiel besonderes Gewicht. Servitutare übten die Be- rechtigungen vielfach in unwirthschaftlicher Weise aus. — Der Kampf gegen diese Betriebs- gemeinschaft: a) Der Gartenbau. Der gartenmässige Anbau in grösserem, selbstständigem Betriebe: am Rhein; bei tiefer in Deutschland liegenden Städten; selbst sehr weit im Norden. Zahlreiche Schriften, die aus dieser Richtung hervorgingen. Einzelheiten der Technik. Naturwissenschaftliche Untersuchung. Oekonomische gelehrte Gesellschaften. b) Thätigkeit, die vom Grossbesitz ausging. Reformationszeit. Das Streben, haushälterische Ordnung zu schaffen. Gesindeordnungen, Unterthanenordnungen, Schäfereiordnungen. Rationeller Betrieb. Grosswirthschaft das Feld des Fortschritts. Kameralistik. Die grossen Staatsökonomen. Geläuterte Anschauungen über die Ackerbestellung. Kartoffelbau. Kleebau. Brachbestellung. Vereinigung wissenschaftlicher Erkenntniss und praktischen wirthschaftlichen Genies. Albrecht Thaer. Reformator der deutschen Landwirthschaft. Versammelt einen Kreis der bedeutendsten Männer um sich. Die Schriften Thaers. Mehrzahl aller Gutsbesitzer in höchst bedrängter Lage. Die feine Schafzucht. — Die wissenschaftliche Fortbildung fast ganz in den Händen Einzelner. Wirthschaftliche Statistik. Taxwesen. — Landwirthschaft- liche Unterrichtsinstitute. Kompendien der gesammten Landwirthschaftslehre. Monogra- phische Bearbeitungen einzelner Gebiete und Fragen. Gegensatz der Praktiker gegen die Theorie, Der Boden vorbereitet, 16 17 vI Wendepunkt. Rennvereine der ersten dreissiger Jahre. Die landwirthschaftlichen Vereine. Wanderversammlungen. — Rindviehzucht. Ent- und Bewässerungsanlagen, Gras- saat. — Rübenzuckerfabrikation. Tiefkultur, Ausdüngung und verbesserte Geräthe. Ein- heimische Maschinenfabrikation. — Lupine. Rotationen allgemeiner umgestaltet und inten- siverem Betriebe Genüge geleistet. — Errichtung zahlreicher neuer Lehranstalten. Entsprechende Stellung zur wissenschaftlichen Forschung. Gewinn geschichtlicher und statistischer Dar- stellung. Bedürfniss fortlaufender Repertorien. — Agrikultur-chemische Versuchsstationen. Wesen der Pflanzenernährung. Düngung. Davy. Humustheorie Thaers. Justus v. Liebig. Mineraltheorie. Stickstofftheorie. Guano. Die Drainkultur. Stassfurter Abraumsalze. Dünger- fabriken, XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Die Bodenmasse ein Faktor der Einnahme und Ausgabe. Die landwirthschaftliche Statistik vermag nur einzelne Hülfsmittel und Verhältnisszahlen beizubringen. A. Verwendung des Bodens zu den verschiedenen Kulturarten. Geschichtlich gewordene Verhältnisse. Genauere Angaben. Die ersten amtlichen Erhebungen. Resultate des Katasters. Nähere Merkmale für die Unterscheidung der Kulturarten. Auf je 1000 'Morg. Gesammtfläche berechnet. Hofstellen. Ackerland. Wiesen, Weiden, Forsten. Unnutzbare Flächen. Die westlichen Landstriche keineswegs die überwiegenden Flächen Kulturland. Verhältniss der frucht-, gras- und holztragenden Flächen. Verhältniss der Hauptbodenarten zum Kulturlande. Verhältniss der Kulturarten im Einzelnen. B. Verbrauch der Bodenmasse durch den Wirthschaftsbetrieb. Die minera- lischen Stoffe. Aus der Luft zugeführte Nahrungsstoffe, der Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlen- stoff. Der Stickstoff. Das Verhältniss der Pflanzennahrungsstoffe in den Hauptbodenarten. Analysen. Gehalt der wichtigsten landwirthschaftlichen Ausfuhrgegenstände. Berechnung für die bestimmte Art des Betriebes. Beispiel einer Dreifelderwirthschaft mit Brache. Bei- spiel einer Fünffelderwirthschaft. C. Bodenersatz und Bodenverbesserung durch Düngung. 1. Dungsalze, gebrannte und kohlensaure oder schwefelsaure Kalke. Mergelung. 2. Kali-, phosphorsaure oder stickstoffreiche Dungmittel. Salze. Aschen. Brennkultur. Knochenmehl. Guanoarten, 3. Gründüngung durch auf dem Boden selbst gewachsene Pflanzenmassen. Lupinengrün- düngung. Brache. 4. Stalldünger. Enthält fast alle festen Bestandtheile der Kulturpflanzen. Herrschaft als Dungmittel. Ein Ochse verbraucht und giebt täglich. Die Entleerungen der verschiedenen Thierarten. Einstreumittel. Die Düngermasse, Zersetzungen. Die Stickstoffverbindungen im Harne, deren Menge von dem Stickstoffreichthum der Nahrung abhängt. Verflüchtigung. Veränderung durch Verrottung. Zusatz von Bindemitteln. Güllebehälter und Dungstätten. 5. Kloakendünger. Düngerwerth. Stoffe unbenutzt verloren. Kanalsystem. Organisation einer regelmässigen Abfuhr. Regelmässige, von Tag zu Tag erfolgende Abnahme. Poudrette- fabriken. Verwendung des flüssigen Düngers. Das Müller-Schürsche Verfahren. 6. Abfalldünger. Organische Abfälle jeder Art. Werth und Verwendbarkeit. Stickstoff- gehalt. Kompost. Werth nicht fest; entgegengesetzte Bedürfnisse. Beispielsweise Verhältnisszahlen. D. Bodenbehandlung durch Bearbeitung, Entwässerung, Drainage. Zweck, die physikalische Beschaffenheit der Bodenmasse zu verbessern. Flache Pflugarbeit der älteren Zeit. Das Tiefpflügen. Untergrundspflügen. Verfahren der Entwässerung. Senkung der Stauhöhe. Die alte Kulturweise. Hohe Beete. Die neuere Wirthschaft. Flache Beete. Künstliche Drainage epochemachend. Ausbreitung der Drainkultur. Die 1863 drainirte Fläche. Preussen und Posen. Hinterpommern. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rhein. Hohenzollern. Förderung seitens des Staates. Anerkennung als nützliche Verwendung in die Substanz des Gutes. Gesetzgebung. Gewährung von Staatsdarlehnen. Die Wirkung der Drainkultur auf die Bodenmasse, Die physikalische Beschaffenheit des Bodens. Die chemischen Analysen des Drainwassers. Seite 18 19 20 wo TR S3} 180} © 62 vi ° XVIN. Die eräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. @eräthe. Handgeräthe. Spanngeräthschaften. Ausbildung des Pfluges. Der deutsche Pflug. Bei den slawischen Völkern der Gebrauch des Hakens. Preussische Zoche, Lit- tauische Stagutt. Verbesserungen an dem deutschen Pfluge. Gegenwärtig übliche Pflüge. Preussen. Pommern. Posen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rheinprovinz. — “ Eggen. Walzen. Maschinen. Säemaschinen. Drillmaschinen. Breitsäemaschinen. Mähemaschinen. Grasmähemaschinen. Dreschmaschinen. Dampfkräfte. Dampfmaschinen, Zum Betriebe von Dreschmaschinen. Die Kosten der Dampfkraft. Polizeiliche Prüfung. Gespanne. Anzahl der Gespannkräfte. Die landwirthschaftlich beschäftigten Pferde, Ochsen, Kühe. Auf die []Meile Gesammtfläche, Kulturland, fruchttragende Fläche. Die Pferdehaltung. Die Ochsenhaltung. Bedürfniss der Bespannung. Die Art der Spannarbeit. Preussen. Pommern. Posen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rheinprovinz. Die Arbeitsleistung des Spannviehes bei Pflügen, Hacken, Eggen, Walzen, Extirpiren, Hack- fruchtarbeit, Dünger- und Erntefuhren, Marktfuhren. Anschirrung. Wagenfahrt. Wagenspur. Körperbeschaflenheit. Kosten der Gespanne. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Mit der Landwirthschaft beschäftigte Personen. Eigentliche Arbeitskräfte. Die Höhe des Tagelohnes.. Die Bedürfnisse einer gewöhnlichen Arbeiterfamilie. Die ländliche Arbeiterfrage. Normalablösungssätze für Tagelöhnerarbeit. Die Lohnsätze, die Gesindehal- tung und die Lage der Arbeiterverhältnisse überhaupt. 1. Provinz Preussen. Die Lohnsätze des ländlichen Gesindes. Die Bespeisung des Gesindes mittelst Vertrages durch einen Kostgeber. Verheirathetes Gesinde, Instleute oder Gärtner. Im Regierungsbezirk Königsberg. Gumbinnen, Scharwerker, Freimänner. Hochland des Regierungsbezirks Danzig, Ochsenpflüger (Rattaier). Niederung der Weichsel. Marien- werder. Inlieger oder Einmiether. Völlig freie Arbeiter. Akkordarbeiten. Nothstand 1867/68. 2. Provinz Pommern. Die Löhne des Gesindes. Arbeiter auf das ganze Jahr in fester Löhnung. Kathenleute. Akkordsätze. Die freien Tagelöhner. Drescherlöhne. 3. Provinz Posen. Gesinde. Verheirathete Knechte (Fornals). Voigte und Vorwerks- schäfer. Komorniks (Miethsmänner). Rattaier (Pflüger). Akkordarbeiten. Die Löhne völlig freier Arbeiter. Akkordarbeiter. Drescherlohn. 4. Provinz Brandenburg. Gesindelohn. Dauernd angesetzte Tagelöhner. Drescher- lohn. Freie Arbeiter. Zuwandernde Arbeiter. 3. Provinz Schlesien. Lohnsätze des Gesindes. Verheirathete Knechte. Tagelöhner in Familienhäusern, Kontrakte. Freie Arbeiter. Nothstände unter der Arbeiterbevölkerung. 6. Provinz Sachsen. Das ländliche Gesinde. Für das ganze Jahr angenommene Arbeiter. Freie Arbeiterbevölkerung. Die zuwandernden Arbeiter. Ansässige Arbeiter. %. Provinz Westfalen. Das ländliche Gesinde. Arbeiterfamilien auf Jahresfrist. Kötter oder Heuerlinge. Die freien 'Tagelöhner. Akkorde. Arbeiter wandern jährlich, Hollandsgehen. ; 8. Rheinprovinz. Lohnsätze des Gesindes. Auf längere Zeit gebundene Arbeiter. Die freien Tagelöhner. Akkorde. Zuwanderung ländlicher Arbeiter, Stand der Kleinackerer. 9. Hohenzollernsche Lande. Das Gesinde. Die Kosten der verschiedenen wirthschaftlichen Handarbeiten. Steigerung des Lohnes. Art der Lohn- und Dienstverhältnisse. Freie ländliche Tagelöhner. Haus- und Hofgesinde. Gesindeordnung vom 8, November 1810. Die Hebung der Arbeiter. Verschiedenartige Mittel, Seite VI XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Die deutschen Dörfer. Die freie Stellung der Gebäude. Hausstätte oder Hofstelle. Das einzige servitutfreie Grundstück. Gartenrecht. Die Form. Einzelhöfe Westfalens und des Niederrheins. Zwischen Rhein und Elbe, Nach der nördlichen Ebene hin. In den flacheren Gegenden zwischen Weser und Elbe. Die Grundsteuerveranlagung. Von einer Veranlagung der Haus- und Hofräume zur Grundsteuer ist überhaupt abgesehen. Hausgärten. Zahl, Art und Nutzungswerth der Gebäude. Gegensätze. Nutzungswerth eines ländlichen Wohn- hauses. Zahl der Bewohner. Stall- und Scheunengebäude. Grossvieh, auf der DJ Meile Kulturland, Verhältniss der Gebäude und Gehöfte. Landesübliche Eigenthümlichkeiten des Hausbaues und der aus ihm folgenden wirthschaftlichen und häuslichen Einrichtung. Die Wohnungsfrage. Für die Statistik von Interesse. Die grossen gutsherrlichen Höfe. Schlösser. Bauernhöfe, sächsische oder westfälische. Vorzüge. Nachtheile. Erweiterungen, Die kleinen Häuser der Kötter. Verbreitung der sächsischen Bauweise. Das fränkische Haus. Bei kleinen Häusern. Lauben. Die volksthümlichen Reste slawischer Bauweise. Die Verbesserungen durch den Einfluss des Staates. Verhütung der Feuersgefahr. Höfe aus- einander zu bauen. Schwellen. Zäune. Brunnen. Öbrigkeitliche Baugenehmigung. Bau- polizeiordnungen. Stroh-, Rohr- und Holzschindeldächer. Rauchfangsanlagen. Einfluss der Feuerversicherungen. Die erhöhten Lebensansprüche. Uebelstände des ländlichen Wohnens. Gegenwärtige günstige Periode. Für Arbeiter bestimmte Wohnungen. Literatur. Bauliche Einrichtung der Wirthschaftsräume. Ziegelrohbau. Piseebau. Flache Pappdächer. Ver- besserungen bei Bauten. Hülfsmittel für die mehr landwirthschaftliche als bautechnische Beurtheilung. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anban. Ernte-Tabellen. Erdrusch-Tabellen. Oertliche Erhebungen über das Anbauverhältniss der einzelnen Fruchtgattungen in Aussicht. Die fruchttragende Fläche. 1. Provinz Preussen. Verhältniss der dem Ackerbau unterworfenen Fläche. Höhe. Terrassenland. Niederung. A. In Östpreussen: auf der Höhe des preussischen Landrückens; Littauen; am Abhange des Kurischen Plateaus; in Natangen und Ermland; Niederungen am Niemen und Pregel; Huntau. B. Westpreussen: auf dem linken Weichselufer; die west- preussischen Niederungen; im tiefen Weichseldelta; die höhere Niederung; von Montau auf- wärts; auf dem pommerischen Landrücken; im Netzegebiete. — Die Bruttoerträge der Haupt- früchte: Höhe, Terrassenland, Niederung. Die geschätzten Reinerträge: Höhe, Terrassenland, Niederungen. Die durchschnittliche Reinertragsschätzung der Anbauflächen. Schriften und Abhandlungen. 2. Provinz Pommern. Verhältnisse der Anbaufläche. A. Köslin: Höhe des pom- merischen Landrückens; Wrucken; die mittlen Stufen der Abdachung; Strandgegenden. B. Im Regierungsbezirk Stettin: südliche Kreise; Strandkreise. C. Regierungsbezirk Stral- sund; Güter der Universität Greifswald; Dars und die Insel Zingst. — Die Bruttoerträge. Köslin. Stettin. Stralsund. Die Reinertragsschätzung. Darstellungen der pommerischen Ackerwirthschaft. 3. Provinz Posen. Anbauverhältniss. A. Der Ackerbau des Bromberger Bezirks; im Netzebruch. B. Im Regierungsbezirk Posen; die grossen Gutskomplexe; die Rustikalen; Zweifelderwirthschaft. — Die Bruttoerträge. Roggen. Weizen. Hafer. Runkelrüben. Kar- toffelbau. Mohrrübe. Lupinen. Tabak. Hopfenbau. Die Reinerträge des Ackerlandes. Abhandlungen. 4. Provinz Brandenburg. Die Grösse der Anbaufläche. Die Oder- und Warthe- Niederungen. Höhenlagen. Die Binnenschläge. Aussenländereien. Lupine. Graskultur. Die Rustikalen. Spatenkultur. Spreeniederung. Bruchkolonien. — Bruttoerträge. Getreide. Kartoffeln. Futterbau. Zuckerrübenbau. Teltower Rübe. Tabaksbau. Grundsteuerrein- erträge. Literatur. 5. Provinz Schlesien. Das Anbauverhältniss. A. Der Wirthschaftsbetrieb in Ober- schlesien; auf dem rechten Oderufer; die grösseren Güter; die Rustikalen; das linke Oder- Seite 123 126 130 136 143 147 151 153 154 156 162 IX ufer; die grossen Güter; die Rustikalen. B. Im Regierungsbezirk Breslau; auf den grösseren Gütern; die Rustikalen. C. Der Regierungsbezirk Liegnitz; die grösseren Güter; die Rusti- kalen. — Bruttoerträge. Getreidearten. Oelfrüchte. Futterbau. Kartoffeln. Leinbau. Tabak. Feldgemüsebau. Reinertragsdurchschnitte. Literatur. 6. Provinz Sachsen. Anbauverhältniss. Wirthschaftsbetrieb. A. Im nördlichen Theile des Regierungsbezirks Magdeburg; die grösseren Güter; Wische; Höhe; die Rusti- kalen; im südlichen Theile. B. Schwemmlandsgebiet des Regierungsbezirks Merseburg; am Fusse des Gebirges. ©. Im Regierungsbezirk Erfurt. — Bruttoerträge. Getreidearten. Hülsen- früchte. Kartofieln. Futterrüben. Lupine. Klee. Handelspflanzen. Sämereien. Reinertrags- verhältnisse. Beschreibungen. 7. Provinz Westfalen. Verhältniss der Anbaufläche. Der Wirthschaftsbetrieb. A. Im Regierungsbezirk Münster. B. Im Regierungsbez. Minden. C. Im Regierungsbez. Arnsberg. In den 5 fruchtbaren Kreisen des Haarstranggebirges. In den 9 Hochgebirgskreisen. — Die Bruttoerträge. Der Weizenbau. Hülsenfrüchte. Oelfrüchte. Runkelrüben. Klee. Lein. Gemüse. Die Reinertragsverhältnisse. Beschreibungen. 8. Rheinprovinz. Das Anbauverhältniss. Der Wirthschaftsbetrieb. A. Im Regie- rungsbez. Düsseldorf; in den Ebenen und Niederungen; auf dem höherem Lande; Lennep. B. Im Regierungsbez. Köln; die Ebene; an den Abhängen des Gebirges; Gummersbach; Sieg; Waldbroel und Wipperfürth. ©. Im Regierungsbez. Aachen; die Ebene und der Abfall der Eifel; Malmedy, Montjoie und Schleiden. D. Im Regierungsbez. Koblenz. E. Im Re- gierungsbez. Trier. — Bruttoerträge. Körnerbau. Futter. Handelsgewächse. Feldgemüse. Die durchschnittlichen Reinerträge. Beschreibungen. 9. Hohenzollern. Anbauverhältniss. Wirthschaftsbetrieb. Getreide. Oelsamen. Futterkräuter. Düngerproduktion. Drainagen. Erträge. Beschreibungen. Die Anbau- und Ertragsverhältnisse des gesammten Staates. Das Verhältniss der Reinertragsschätzung. Acker. Gärten. Fruchttragende Fläche. XXI Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. A. Brotfrüchte. Getreidearten. Bau des Weizens. Gerste. Roggen. Hafer. Hirse. Buchweizen. Hülsenfrüchte. Erbsen. Linsen. Gemeine Bohnen. Analysen: Körner; Stroh; Spreu und Schoten; Grünfutter; Heu. Der wirthschaftliche Werth. Martinimarktpreise. B. Futtergewächse. a. Knollen und Wurzelgewächse: Kartoffel. Martinimarkt- preise. Erdbirne. Rübenarten. Runkelrübe. Zuckerrübe. Futterrunkelrübe. Rothe Rübe. Kohlrübe. Weisse Rübe. Steckrübe. Möhre. Kraut. Pastinak. Kürbis. — b. Die Klee- und Wickengewächse: Kleearten. Rother Klee. Weisser Klee. Inkarnatklee. Luzerne, Esparsette. Wundklee. Serradella. Wickengewächse. Pferdebohne. Sau- oder Puffbohne. Futter- oder Saatwicke. Futterwicke. Platterbse. Kicher. Lupine. — ce. Futtergräser: Mais. Grassaat. Bibernell, Spörgel. Werthsverhältniss der Futterpflanzen: Wurzeln; Körner; Stroh; Spreu und Schoten; Heu; Grünfutter. €. Handelsgewächse. a. Oelfrüchte: Raps. Rübsen. Awehl. Biewitz. Dotter. Mohn. Kresse. Sonnenblume. b. Gespinstpflanzen: Lein. Hanf. c. Fabrikpflanzen: Tabak. Cichorien. Weberkarde. Karnariensamen. Krapp. Safflor. Waid. Wau. Scharte. d. Gewürzpflanzen: Zwiebelarten. Safran. Koriander. Kümmel. Fenchel. Anis. Senf. Hopfen; Neutomysl. e. Die Arzneipflanzen: Beifuss. Wermuth. Königskerze. Baldrian. Alant. Angelika. Bärenklau. Eibisch. Arnica. Kalmus. Bertramwurz. Dosten. Ysop. Heil- distel. Lavendel. Salbei. Bittersüss. Malwe. Melisse. Rhabarber. Benediktenkraut. Sieben- zeiten. Schwarzkümmel. Pfeffermünze. Krausemünze. Enzian. Süssholz. Schierling, Bilsen- kraut, Kamille. XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Alterthum. Mittelalter. Gartenkulturen. Weinbau in den nördlichen Gegenden. Rückgang. Das 16. Jahrhundert. Feinerer Gemüse- und Obstbau. Zier- und Prachtanlagen. Vorbilder. Anlagen der Medizäer. Frankreich. Holland. In Deutschland. Botanische Gärten. Eindringen des französischen Geschmackes. Englischer Geschmack. Gärten und Seite 154 185 156 189 191 192 195 199 201 202 203 205 206 207 209 21l 215 I E74 1] [30 (oz) 250 234 256 241 245 247 x Parke um Berlin und Potsdam. Des Grossen Kurfürsten. Friedrich I. Friedrich Wil- helm I. Friedrich der Grosse. Handelsgärtnereien. Napoleonische Kriege, Neuer Auf- schwung. Lenne. Friedrich Wilhelm IV. Verein zur Beförderung des Gartenbaues. Die Landesbaumschule. Die Gärtner-Lehranstalt. Privatbaumschulen. Entwickelung der höheren Gärtnerei, der Handelsgärtnerei, der Obstzucht. Der deutsche pomologische Verein. Pomo- logische Institute. Gegenwärtiger Zustand der Nutzgärtnerei im preussischen Staatsgebiete. A. Zier- und Gemüsegärtnerei. In Preussen, Pommern, Posen, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westfalen, Rheinprovinz. B. Obstbau. Grenzlinie. Die Einfuhr von ausserhalb. Stand der Obstkultur. In Ostpreussen, Danzig, Westpreussen, Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westfalen. Am Rhein, Trier, Hohenzollern. C. Weinbau. Zu Steuerzwecken genauer festgestellt. Zollverein. Ausgleichungs- abgaben. Weinsteuer aufgehoben. Mit Wein bebaute Fläche. Anbau des Nordens. Werder und Potsdam. Grünberg. Erhebliche Verbesserung des Verfahrens. Provinz Sachsen. Rhein- land. Anbau. Produktion. Rheinthal von Bingen abwärts. 'Traubensorten. Nahe.. Mosel- weine. Trier. An der Saar. Im Ahrgebiete. Im Regierungsbezirk Aachen. Regierungsbez. Köln. Die Bewirthschaftung der Weinberge. Anlagekosten. Die Bearbeitung. Errichtung des Zollvereins. Künstliches Verfahren. Die Erträge. Klassenverhältnisse. XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Gunst des Klimas und der Bewässerungsverhältnisse. In älterer Zeit. Die Benutzung der Weiden. Die Wiesen. Wiesenpflege. Bewässerungen. Wiesenkultar und der Wiesen- bau. Im Siegenschen. 1835 lebhaft in Aufnahme. In Pommern. Zu Gramenz. Schule für Wiesenbau-Techniker. Die Theorie der Berieselung. Wiesendüngungen. Petersen. Drainage. v. St. Paul. Kompostdüngungen. Kultur des Weidelandes. Künstliche Anlagen. Förde- rung seitens der Staatsbehörden. Subventionirte Wiesenbaumeister. — Umfang und Erträge der Wiesen- und Weidenländereien. Grundsteuerveranlagung. 1. Provinz Preussen. Flächen- und Ertragsverhältnisse. Höhe. Terrassenland. Nie- derungen. Wiesen. Danziger Niederung. Fettweiden. Tilsiter Niederung. Die ansteigenden Kreise. Die Höhenkreise. Auf dem pommerischen Landrücken. Gesammtdurchschnitt, Durchschnittspreis. 2. Provinz Pommern. Umfang und Reinerträge. Hinterpommern. Im Regierungs- bezirk Stettin. Regierungsbezirk Stralsund. Salzwiesen. Rohrpläne. Gesammtdurchschnitts- erträge. Durchschnittsmarktpreis. 3. Provinz Posen. Flächen- und Ertragsverhältnisse. Wiesen. Gesammtdurchschnitt. Senkung von Seen und Meliorationen von Bruchterrains. Weiden. Gesammtdurchschnitt. 4. Provinz Brandenburg. Flächen und Reinerträge. Niederung. Höhe. Niede- rungsdistrikte der Oder und Warthe. Gesammtdurchschnittsertrag. Weideland. Fettweiden. Gesammtdurchsehnittsertrag. Die 24jährigen Durchschnittsmarktpreise. 5. Provinz Schlesien. Flächen und Durchschnittserträge. A. Hochgebirge. B. Die fruchtbaren Kreise und Klassifikationsdistrikte des linken Oderufers. ©. Der Kreis Glogau. D. Die übrige Provinz. Ertragsverhältnisse der Wiesen. Die Weideländereien. Gesammt- durchschnittsertrag des Weidelandes. Durchschnittspreise. 6. Provinz Sachsen. Flächen. Reinerträge. A. Schwemmland. B. Gebirgsland. Das Wiesenverhältniss: des Schwemmlandes; des Berglandes. Weiden. Gesammtdurchschnitts- ertrag. Durchschnittsmarktpreise für Heu. 7. Provinz Westfalen. Flächenverhältnisse. Erträge. Wiesen. Weideländereien. Gesammtdurchsehnittsertrag. Durchschnittsmarktpreis. 8. Rheinland. Die Flächen- und Ertragsverhältnisse. Fettweiden. Wiesen und Weiden im nördlichen Theile. Durchschnittserträge. Der südliche Abschnitt der Provinz. Gesammtreinertrag. Durchschnittspreise. 9. Hohenzollern. Gesammtüberblick. Vorhandene Futtermasse. Ein Fünftel des Bedürfnisses durch Wiesen- und Weidegras gedeckt. Beurtheilung der Richtigkeit. Wirthschaftlicher Werth. Verhältniss des grastragenden Landes. Wiesen. Weiden. Grastragende Fläche. Ss Seite 252 LS} | oo. sol 304 307 308 xI XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Spuren früherer Waldbedeckung. Aelteste Nachrichten. In den deutschen Volks- ländern: Genossenschaftlicher Besitz. In den früher slawischen Gebieten: Gutsherrliche Forsten. Aeltere forstliche Zustände. Holzgattungen. Preseka. Neue Gemarkungen. Waldhufen. Kommunalvermögen. Aelterer Betrieb der Forsten. Das Holz sehr früh Werth. Holzhandel. Unregelmässiger Plenterbetrieb. Eigener Anflug. Nebennutzungen. Zeidelei. Mast. Waldweide, Gräserei, Raff- und Leseholz und Streu. Recht auf alle Forstbäume. Durchführung bestimmter Grundsätze der Forstpflege. Die Reformationszeit. Kurfürst- liche Verordnungen. Seitdem dauernd eine Hauptquelle hoher finanzieller Einnahmen. Der Holzverkauf. Art der servitutarischen Benutzung. Waldkulturen. Rechnungswesen. Klafter- holz. Vorschriften über die Bewirthschaftung der Privatforsten. Vorschriften für den eigentlichen Waldbau. Ostpreussen. Friedrich der Grosse strebt regelmässige Schlag- wirthschaft einzuführen. Idee der nur geometrischen Schlageintheilung. Taxation der schle- sischen Gebirgsforsten. Gebirgsforstkommission zu Sc hmiedeberg. v.W Tedell sche Proportional- schlageintheilung. Hennert. Fachwerk. Jahresetat. Jageneintheilung. Verbesserungen der Waldpflege und des Waldschutzes. Bildung der Forstmänner. Gleditsch. Vortheile der neuen Methoden. Mängel. Gesellschaft für den Handel mit Nutzholz. Brennholzadministration für Berlin und Potsdam. Entwickelung des preussischen Forstwesens seit den Freiheits- kriegen. Areal erheblich gewechselt. In den alten Landestheilen: Landeskulturedikt vom 14. September 1811 unter Beseitigung aller Beschränkungen. In den vorübergehend fran- zösischen Landestheilen: Verordnung vom 24. Dezember 1316. Die Gemeinden und öffentlichen Anstalten. Oberaufsicht der Regierung. Ausbildung der Forstbeamten. Forstakademie zu Neustadt- Eberswalde. Prüfungen "und Anforderungen. Die Forstbewirthschaftung und der Waldbau. Ablösung der Forstservituten. Fortentwickelung der Forsttaxation und Betriebseinrichtung. Hartig. System des strengen Massenfachwerks. Summarische Ertragsermittelung. Kombinirung des Massenfachwerks der Instruktion von 1819 mit dem Flächenfachwerk. Das Abschätzungsv erfahren durch die Praxis noch weiter vereinfacht. Taxations - Revisionen. Kommunalforsten. Privatforsten. Verwerthung des Holzes. Holz- zurichtung. Verkauf des Holzes im Wege des Meistgebots. Kontrolmassregeln. Behandlung der Forstnebennutzungen. Privatforsten. Staatsforstverwaltung. Raff- und Leseholz- sammeln. Gräsereinutzung, Mast- und Waldweide. * Wiesen- oder Ackernutzung. Dienst- ländereien der Forstbeamten. Steinbrüche, Kies- und Mergellager. Waldstreunutzung, Beeren, Kräuter, Schwämme, Jagdnutzung. Die Ausdehnung des Forstareals. Die bestehenden Wirthschaftsverhältnisse und die Erträge der Forsten. Schätzungen der Grund- steuerveranlagung. Vorhandener Holzbestand unberücksichtigt. Beschreibung der forst- lichen Verhältnisse. Spezialtarife für die Holzungen. Gesammtklassifikationstarife von höchstens 8 Sätzen. Darstellungen O. v. Hagen's: 1. Provinz Preussen. Das Verhältniss der Waldungen. Die Grundsteuerreinerträge. Die vorherrschenden Waldarten in Ostpreussen; in Westpreussen. Kalamitäten. Wuchs des Holzes in Ostpreussen. Rauhheit des Klimas. Frass der Nonne. In Westpreussen. Der Kulturbetrieb. Devastation grosser Waldflächen. Die Holzabsatzverhältnisse. Die Ver- werthung des Kubikfusses Derbholz. Holztransport. Holzhandel: im Jahre 1864; im Jahre 1863. 2. Provinz Pommern. Waldverhältniss. Die Grundsteuerreinerträge. Die Witte- rungsverhältnisse, Waldarten. Waldkalamitäten. Die Holzabsatz- und Preisverhältnisse. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz. Holzhandel. 3. Provinz Posen. Das Verhältniss der Waldungen. Der Grundsteuerreinertrag. Waldarten. Die klimatischen Verhältnisse. Kalamitäten. Vernichtung der Privatwaldungen. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz. Holzhandel. ; 4. Provinz Brandenburg. Forstverhältniss. Die Grundsteuerreinerträge. Wald- arten. Die klimatischen Verhältnisse. Kalamitäten. Holzabsatzverhältnisse. Die Ver- werthung des Kubikfusses Derbholz. Brennmaterial in Berlin. Holzhandel. 5. Provinz Schlesien. Das Verhältniss des Forstlandes, Grundsteuerreinertrag. Waldarten. Kalamitäten. Das Klima. Absatz. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz, Holzhandel.. Verwendung von Holz. Sei 3 {SU} o B) 5} 5 D} ite 11 316 19 pl 97 329 390 XI 6. Provinz Sachsen. Verhältniss der Waldungen. Grundsteuerreinerträge. Holz- arten. Klimatische Verhältnisse. Forstkalamitäten. Die Holzabsatzverhältnisse, Die Ver- werthung eines Kubikfusses Holzmasse. Holzhandel. 3. Provinz Westfalen. Gesammtverhältnisse. Grundsteuerreinerträge. -Hauptwald- art. Buchenhochwald. Die Eiche, Die Nadelhölzer. Kalamitäten. Holzabsatzverhältnisse. Die Verwerthung des Kubikfusses Holzmasse. 8. Rheinprovinz. Waldverhältniss. Grundsteuerreinerträge. Waldarten. Witterung. Kalamitäten. Absatz- und Preisverhältnisse. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz. Holzhandel. Handel mit Lohe. 9. Hohenzollern. Das Klima. Hauptwaldarten. Gefahren. Absatzverhältnisse. Erträge der Staatsforsten im Einzelnen. Holz- und Geldertrag der sämmtlichen Wal- dungen. Die gesammte Jahresproduktion an Holz. Gesammter Brutto- und Netto- Geldertrag. Holzwerth auf den Kopf. Holzmasse auf den Kopf. Alle diese Zahlen haben nur sehr geringen Werth. Ausgleichung zwischen Nachfrage und Angebot, auch bezüglich des Holzes. 2 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. Für das Kataster entstanden 5 Kategorien der geringwerthigen oder ertraglosen Grundstücke. 1. Wasserstücke und Wasserläufe. Vorbehaltene Ergänzungen. Flächen und Reinerträge. Die Verschiedenheiten der einzelnen Provinzen. Preussen. Pommern. Rohr- nutzungen. Posen. Brandenburg. Wasserpest. Schlesien. Teichwirthschaften. Sachsen. Westfalen. Rheinland. Die Benutzung. 2. Oedland und Unland. Flächen- und Reinertragsverhältnisse. Preussen. Der Strand. Bernsteingewinnung. Dünen. Strand- oder Dünengräser. Die Vordüne. Kultur der alten losen Dünen. Ausdehnung und Beschaffenheit des Dünenterrains. Kurische Neh- rung. Frische Nehrung. Halbinsel Hela. Die Aufwendungen des Staates. Moosbrüche. — Pommern. Strand und Dünen. Im Regierungsbezirk Köslin; Stettin; Stralsund. UVebrige Provinzen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rheinland. Meliorations- bestrebungen. Festlegung und Anbau von Sandschellen. 3. Wegeland. Kirchhöfe und Begräbnissplätze. Die öffentlichen Gärten, Baum- schulen und Ablageplätze. Eisenbahn- und Chausseestrecken. Nebennutzungen der Wege. Gras-, Holz-, Laub- und Obstgewinn. Beschädigungen der Baumanlagen. XXVII. Landwirthschaftliche Nebengewerbe, Mühlen, Brennereien, Rübenzucker, Flachsbereitung. Reste reiner Naturalwirthschaft. Auf den grossen Meiereien: Arbeitstheilung. Hand- werker. Städte. Gewerbe auf dem Lande zu völliger Unbedeutendheit. Besondere landes- herrliche Verleihungen. Alte Zeit. Mühlenbetrieb. Wassermühlen. Mühlsteinhandel. Mahl- zwang. Brauereien. Schankberechtigungen. Brauurbar. Branntweinbrennen. Gutsherr- schaften übten das Zwangs- und Bannrecht. Neue Gewerbeverfassung, bei weitem nicht radikal. Altpreussische Provinzen. Mühlsteinregal aufgehoben. Der Mühlenzwang und der Brau- und Branntweinzwang. Ausschliessliche, vererbliche und veräusserliche Ge- werbeberechtigungen. In den neuen Landestheilen sehr verschiedene Rechte. Provinz Posen. Noch die Allgemeine Gewerbeordnung hat gewisse Rechte ohne Entschädigung auf- gehoben; nicht aufgehobene Zwangs- und Bannrechte wurden ablöslich. Verschiedene ge- werbliche Rechte gegen Entschädigung zur Aufhebung gebracht, nach dem Entschädigungs- gesetz vom 17. Januar 1845. Für den gewerblichen Nebenbetrieb der grossen Güter sehr veränderte Anschauungen und Ziele. Die Entwickelung des Mühlenbetriebes. Dampf- mühlen. Dauermehlmühlen. Die neuere Bierbrauerei. Verminderung der Brauereien. Der Aufschwung der Brennereien. Maischsteuer. Brennereibetrieb in der Zeit vor 1820. Die Einführung der Maischsteuer. Verbesserung der Technik. Dorn. Pistorius. Seite 344 347 350 354 358 389 XII Dampfheizung. Gall. Entfuselung. Falkmann. Stand der Brennereien von 1831 bis 1865. Kartoffeln. Nachtheil der Maischsteuer. Die Fabrikatbesteuerung. Die Rübenzuckerfabrikation. Marggraf. Aufschwung in den 31 Kampagnen 1336/37 bis 1866/67. Die Besteuerung. Rohzuckerausbeute. Verbesserungen an den Appa- raten. Sacharimetrie. Ackerbereitung. Produzirter Zucker, die Melasse und die Menge der Pressrückstände. Nutzen ohne Mehrbelastung der Konsumenten. Einfuhr und Ausfuhr an Zucker. Ausfuhrvergütung. Steuereinnahmen vom Zucker. Der inländische Konsum. Fabrikatsteuer. Fabrikation von Stärke, Stärkesyrup und Dextrin. Presshefe, Essig. Obstkraut. Cichorienfabriken. Oelmühlen, Flachsbereitung. Häusliche Winterbeschäftigung. Leinwand zum Verkauf. Eigent- liche Industrie. Unter Friedrich dem Grossen. Ueberseeische Handelsbeziehungen. Günstige Konjunktur. Konkurrenz der Engländer. Das Geschäft nahm eine nachtheiligere Gestalt. Die Mangelhaftigkeit der Fabrikation. Arbeiterbevölkerung. In Schlesien. Ueberaus ungünstig. Nothstand. Die Regierung. Gnadenfonds zur Beförderung der Bielefelder Leinen- manufaktur. Die Leggen. Versuche das belgische Flachsbereitungsverfahren einzuführen, Königliche Seehandlung. Erzeugung von Maschinengarn. Errichtung von Spinnschulen. Belgisches Rott- und Schwingverfahren. Ausbildung von Flachsbauern. Flachsbauschulen. Gesellschaft zur Beförderung des Flachs- und Hanfbaues. Flachsspinnerei. Seehandlungs- Etablissements. Flachsfaktoreien. Flachsbereitungs - Anstalten. Dampfrotte. Anstalten von geringerem Umfange. Krisis der Baumwollenfabrikation. Zahl der Faktoreien. Zahl der Maschinenspinnereien. Aus- und Einfuhr von Flachs. Steigerung der Produktion im Inlande. Ausdehnung der dem Flachsbau gewidmeten Fläche und des darauf gewonnenen Gesammtquantums. Preussen. Pommern. Posen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rheinprovinz. Im gesammten Staate. Bilanz der Flachsindustrie. Einfuhr. Ausfuhr. In steigendem Fortschritte vom Auslande überflügelt. Die Leinkultur hinreichend lohnend. Sehr reiche Literatur. Viertes Hauptstück: Thierhaltung und Viehzucht. Abschnitt XXVIIL—XXXIV. XXVIN. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. Die ältesten Nachrichten. Wild. Gestüte und Zuchtvieh. Gemeinweiden als Züch- tungsmittel. Die frühesten Bearbeitungen und Vorschriften. Merinoböcke. Theilung der Gemeinweiden. Stallfütterung. Beschälstationen. Bakewell. Vorbild der englischen Viehwirthschaft. Thaer. Heimische Viehzüchtung. Gebiet der Pferdezucht. Gebiet der Schafzucht. Gebiet der Rindviehzucht, Fragen der Ernährung. DBestandtheile der Futtermassen. Proust. Boussignault. J. Liebig. Experimente am lebenden Vieh mit genauer Messung und Wägung. Statik der Viehhaltung. Zahlenverhältnisse. Futtermittel. Grade der Verdaulichkeit. Verhältnisszahlen für das Bedürfniss der einzelnen Thiergattungen: Rinder; Schweine; Schafe. Wahrer Geldwerth der Futtermittel. Körperzuwachs des Thieres. Statistische Nachrichten über den Viehstand. Die Richtigkeit dieser Zahlen. Durch die Vornahme der Zählung am 3. Dezember ein gewisser Fehler. Wahrer Jahres- bestand. Gezählter Bestand am 3. Dezember 1864. Berechneter Durchschnittsbestand im Jahre 1864. Das Anwachsen des Viehstandes auf der DJMeile. Die Bestrebungen der Staatsregierung. Unterstützung der Selbstthätigkeit. Landes - Oekonomie - Kollegium. 408 410 412 415 415 423 425 427 431 436 ; Das Veterinärwesen des Staates. Die Ausübung thierärztlicher Praxis. Thierärzte I. oder I. Klasse. Die Departements -Thierärzte. Kreis- Thierärzte. Veterinär- Assessoren. Organe der Veterinärpolizei und der gerichtlichen Thierheilkunde. Gewährsmängel. Die Zahl der Thierärzte. Thierärzte in ziemlich unauskömmlicher Lage. Vorschriften über Aus- übung der Veterinärpolizei. Die Bestimmungen ziemlich streng. Beispiel der Rinderpest. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Aelteste Nachrichten. Kenntniss des alten Pferdematerials. Die ersten bekannten Versuche regelmässiger Gestütsanlagen in Östpreussen. Einwirkung der fürstlichen Gestüte auf die bäuerliche Pferdezucht. Begründung des Trakehner Gestüts. Bauernstuten unentgeld- lich von Trakehner Hengsten gedeckt. Graf Lindenau. Landgestüte. Friedrich - Wilhelms- Hauptgestüt zu Neustadt a. d. Dosse. So viel als möglich die Armee durch preussische Pferde remontirt. Im Friedensschluss das Hauptgestüt zu Graditz erworben. Der 'Pferde- bestand im ganzen Staate. Erweiterung der Landgestüte. Völlige Unabhängigkeit der Re- montirung vom Auslande. Die Remontemärkte. Kauf im frühen Alter von 31, Jahren. Remontedepots. Ausgaben in sämmtlichen 9 Depots. Hengstkörordnungen. Die Züchtungs- prinzipien. 1329 das erste Wettrennen. Thierschauen. Pferde-, Stuten- und Fohlenschauen. Mängel einer vorzugsweise auf die Reinheit des Blutes gerichteten Züchtung. Programm der festzuhaltenden Züchtungsgrundsätze. Ausführung dieses Programms. Welche Hengste 1565 auf den Landgestüten gewesen. Die Stutenbedeckung. Abfohlungsresultate. Die Bildung von Pferdezuchtvereinen. Das Verhältniss der Pferdezahl und ihr Anwachsen. Eigen- thümlichkeiten der Pferde und ihrer Haltung und Zucht. 1. Preussen: Östpreussen; Westpreussen; 2. Pommern; 3. Posen; 4. Bran- denburg; 5. Schlesien: Oberschlesien; Mittel- und Niederschlesien; 6. Sachsen; 3. Westfalen; Kleipferd; 8. Rheinprovinz; 9. Hohenzollern. XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Die deutschen Rindviehschläge. Zuchtversuche. Allgemeine Aufmerksamkeit. Erfolge der englischen Rindviehzucht. Zuchtvieh für die kleineren Rustikalwirthe, In den östlichen Provinzen. In den westlichen Provinzen und in Thüringen. Zuchtstier- Körord- nungen. Entwickelung der Zahl nach. Rindvieh. Ziegenhaltung. ; A. Charakteristik des Rindviehes, Anzucht und Ankauf. Charakterisirung der Rinder in den einzelnen Landestheilen. 9. Preussen. In Ostpreussen. In Westpreussen. Das Niederungsvieh. 2. Pommern. 3. Posen. 4. Brandenburg. _5. Schlesien. 6. Sachsen. 7. Westfalen. 8. Rheinprovinz. 9. Hohenzollern. — Einfuhr und Ausfuhr an Rindvieh. B. Schlachtviehverkehr und Fleischnutzung. Gewohnheiten des Publikums. Durchschnittspreis des Pfundes Rindfleisch. Preise des besten Mastviehes. Die Werths- unterschiede des Fleisches.. Nähere Verhältnisse der Fleischproduktion. Fettweiden der Provinz Preussen. Pommern. Posen. Schlesien. Berlin. Einfuhr und Ausfuhr von Schlachtvieh nach und von dem Berliner Markte: auf den Eisenbahnen; auf Landwegen. Auf dem Breslauer Viehhof aufgestellt zum Verkauf. Von Breslau mit der Niederschlesisch- Märkischen Bahn nach Berlin verfahren. Westfalen. Niederrhein. Hohenzollern. ©. Milchnutzung, Butter- und Käsebereitung. Werthverhältnisse der Molkerei- Produkte. Der Rahmgehalt der Milch, Der durchschnittliche Milchertrag. Milchpreise. Der Verkauf der Milch. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Entwickelung der Schafzucht. Schäfereigerechtigkeit. Selbstständiges Gewerbe der Schäferei. Schäfereiordnungen. Flämische Kaufleute. Mächtige Tuchmachergewerke. Schaf- stämme. Heidschnucke. Zaupelschafe oder Landschafe. Marktzwang für die Wolle. Die Einfuhr ausländischer wollener Waaren untersagt. Einigermassen vorbereiteter Boden. Ein- Seite XV führung der Merinos. Die erste Heerde Originalthiere, nach Stolpen. "Theodor v. Schoen. v. Vincke. Fürst Lichnowsky. Die Mögliner Heerde. Stammschäferei Frankenfelde. Schäfer- lehranstalt. Zahl der Schafe. Wollgewicht. Durchschnittspreise. Verschiedene Wollen. Gewisse Abwege. Thaer. 1823 Wollkonvent zu Leipzig. Die Ueberbildung begann. Traberkrankheit. Wollen aus Australien und Afrika. Ans den Mittelwollen Zeuge. Den Fruchtpreisen angemessen hoben sich die Preise der Grundstücke. Nothwendigkeit einer Vermehrung des Schurgewichtes. Negrettithiere. Rückschlag an Feinheit und Charakter. Wollwäsche. Untersuchungen über das Wollhaar. Gegenwärtiger Zustand der Schafzucht. Richtung auf Fleischproduktion. Verkehr mit Schafvieh über die Zollvereinsgrenzen. Schafe als Fleischwaare. Die Schwere. Die Preise für Hammelfleisch. — Entwickelung der Schafzucht in der einzelnen Provinz: 14. Preussen. Höheschaf. Vaggas, Marschschafe. 2. Pommern. 3. Posen. 4. Brandenburg. 5. Schlesien. Zackelschaf. Pirker. Die Hauptsitze der schlesischen Merinozucht. Die Einführung der Negrettis. 6. Sachsen. 7. Westfalen. Heideschaf. Klaubwollenschaf. Heilschaf. Land- schaf. Die Veredelung. Schafmärkte 8. Rheinprovinz. Eifelschaf. Das fränkische Schaf. 9. Hohenzollern. XXXI. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. In alter Zeit. Zahlenangaben über die Schweinehaltung. Arbeitstheilung bezüglich der Anzucht und der Ausmästung. Rassen -Erhaltung und Veredelung. In wenigen Genera- tionen vollständig umzugestalten. Drei Rassen. Wahre Rassen-Unterschiede. Die sonstigen Eigenthümlichkeiten. Die englischen Rassethiere. Die Beziehungen des Schweinehandels. Einfuhr und Ausfuhr von Schweinen. Best.ndsverhältnisse. Die Art und Weise des Ver- kaufs. Art des Fleisch- und Fettansatzes. Das deutsche Schwein. Das englische Schwein. Der Verkehr mit Schweinen auf dem Berliner und Breslauer Markte; in ausgeschlachtetem Fleisch. Auftreten der Trichinen. Schweinehaltung in den einzelnen Provinzen: 1. Preussen. Zwei Schläge. Ver- edelungen. Stammheerden. Steigerung des Mastviehverkaufes. Ausfuhr. Absatz an die Händler für den Landhandel. 2. Pommern. 3. Posen. 4. Brandenburg. 5. Schle- sien. 6. Sachsen. 7. Westfalen. Die vollkommenste Varietät des Hausschweines. Kreu- zung. Mexikanische Schweine. Englische Vollblutthiere. Schinken und Speck in den Handel. 8. Rheinprovinz. Eifeler Schwein. Veredelung durch fremde Rassethiere überall Anklang. 9. Hohenzollern. XXXIH. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. A. Federviehzucht. Die Gans. Handel mit ausgeschlachteten Gänsen. Federn. Die Ente. Der Schwan. Das Haushuhn. Fleisch des Huhnes. Die Truthühner. Tauben. Die Ausdehnung der Geflügelhaltung. Zählungen in Baden, Oldenburg, Braunschweig. Preise des Federviehs. Werth und Gewicht des Federviehfleisches. Eier. B. Bienenzucht. Aelteste Nachrichten. Zeidler. Verfall. Dzierzon. Scharfsinnige Untersuchungen. Die Zahl der Bienenstöcke. Preussen. Pommern. Posen. Brandenburg. Schlesien. Sachsen. Westfalen. Rheinprovinz. Staat. h C. Die Seidenzucht. China. Interesse Friedrich des Grossen. Verfall. v. Türck. Seidenbauvereine. Central-Haspelanstalten. Seidenraupenkrankheit. Ernährung. National- ökonomischer Nutzen. Der Betrieb. Reingewinn. Ein- und Ausfuhr. XXXIV, Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Verhältniss der Werthe, A. Jagd und Jagdwesen. Jagdrecht. Jagdregale.. In den Brandenburgischen Landen in ungewöhnlich schonender Weise ausgeübt. Jagdbare Thiere. Gegenstand des Thierfanges. Raubthiere. Vogelarten. Aufhebung aller Jagdrechte auf fremdem Grund und Boden. Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850. Ausübung des Jagdrechtes. Flächenraum von wenigstens 300 Morgen. Grosse Wälder. Auf die Person lautende Jagdscheine. Be- stimmung der Hege- und Schonzeit, Hofjagden, Die Jagdverwaltung in den Staatsforsten. xVI Gemeinde- und Privatjagden. Zahl der Jagdscheine. Die Bestände. Hohe Jagd seltener geworden. Niedere Jagd wesentlich gehoben. Preussen. Elchwild. Pommern. Posen. Brandenburg. Sehlesien. Sachsen. Westliche Provinzen. Westfalen. Rheinprovinz. An- zahl des Wildes und der Ertrag der Jagd an Fleisch und Fellen. Ueberschlagsrechnung. B. Fischerei und Fischzucht. Die stehenden Gewässer, die schiffbaren. Fischerei- gerechtigkeiten. Fischereiordnungen. Das Allgemeine Landrecht. Vorschriften über Fischereipolizei. Französisches Recht. — Beförderung der Fischzucht. Laich der Fische zu gewinnen und künstlich zu befruchten. Austern. Blutegelzucht. Die Ausdehnung der Fischerei in den einzelnen Theilen des Staates. Der Betrieb. Die Seefischerei an den Ostseeküsten. Heringe. Fischerei in den grossen Strandgewässern. Im Binnenlande, Die von Preussen und Pommern bis über den Norden von Posen und der Mark verbreiteten Seeflächen. Blutegel. In der Mark Stromfischerei. Oderbruch. Elbe. Schlesien und die Lausitz. Teichfischerei. Gebirgslagen. Forelle. Der Rhein. Hohenzollern. Seite 561 563 564 565 567 568 570 Drittes Hauptstück. Der land- und forstwirthschaftliche Betrieb. Boden d, preuss, Staates. Il. 1 XV. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. In ersten Bande ist gezeigt worden, was der preussische Staat der Natur seines Bodens verdankt, wie sein Gebiet bevölkert und besiedelt ist, und durch welche Ent- wickelung der Rechtsverhältnisse der die Landwirthsehaft betreibende Theil des Volkes zur freien Verfügung über seine persönlichen Kräfte und über seinen Grundbesitz ge- langt ist. Den folgenden Hauptstücken liegt ob, die Kulturarbeit selbst, den Betrieb der Wirthschaft in Haus und Hof, Feld und Wald, seine Hülfsmittel und Lasten und das Ergebniss für den Einzelnen wie für das Gesammtvermögen der Nation zu besprechen. Es kann dabei nicht Zweck der Darstellung sein, in die technischen Einzelheiten einzugehen; sie verfolgt wesentlich nur das Ziel, die Zustände unter den Gesichtspunkten der Landeskulturstatistik übersichtlich zusammenzufassen, soweit thunlich zahlenmässige Vergleichungen zu ermöglichen und das Verständniss dessen, was vom Staate und von den Privaten mit allgemeinerer Wirkung geschehen ist, zu erleichtern. Für den wünschenswerthen Abschluss und das eigentliche Ziel einer solchen sta- tistischen Betrachtung fehlen aber leider noch die meisten thatsächlichen Grundlagen. Die Hauptfrage nach der Höhe der Produktion und Konsumtion ist auch nicht an- nähernd zu beantworten. Die Lage des vorhandenen Materials gestattet über die Masse der verschiedenen landwirthschaftlichen Erzeugnisse, über den Umfang des durch die Er- zeugung selbst verursachten Verbrauches und über die entsprechenden, für andere volks- wirthschaftliche Zwecke übrig bleibenden Werthsmengen höchstens ganz allgemeine, durch- aus hypothetische Ueberschläge. Dieser Mangel ist, wie der einleitende Abschnitt des I. Bandes S. 12—ı4 gezeigt hat, in der Unsicherheit begründet, welcher jede positive Aufnahme nach dieser Richtung vor der Ausführung der Grundsteuerkatastrirung un- terlegen hätte. Erst das Kataster hat durch die Feststellung der Fläche der Grundstücke und ihrer besonderen Kulturarten, und durch die Unterscheidung verhältnissmässiger Werthsklassen den Weg zu einer Produktionsermittelung gebahnt, und es sind nunmehr schrittweise erweiterte Feststellungen zu erwarten. Theils werden zu diesem Zweck die Hülfsmittel der Steuerverwaltung nach und nach ausgebaut, theils gewisse Fragen, auf 1* A XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. welche der einzelne Wirth im Stande ist, bestimmte, der Prüfung zugängliche, zahlen- mässige Antworten zu geben, wie z. B. über das Anbauverhältniss, durch allgemeine Erhebungen zur Erledigung gebracht werden können; die Grundsteuerveranlagung hat bewiesen, dass Erhebungen dieser Art durch die entgegenkommende Mitwirkung der Land- wirthe in beträchtlichem Umfange der Durchführung und Ausbildung fähig sind. Aber erst im Anschluss an solche allgemeine Aufnahmen kann es durch vorsichtige Anwendung von Schätzungen, die sich auf einzelne passend gewählte Beispiele und auf die nach dieser Riehtung sehr eingehend durchgearbeiteten Sätze der landwirthschaftlichen Statik gründen, gelingen, die wirklichen Grössen der Produktion und Konsumtion mehr und mehr zu erfassen, Bis dahin ist es nur möglich, hinreichend bestimmte Angaben über einzelne Be- ziehungen des wirthschaftlichen Betriebes zu machen, und die Darstellung muss sich darauf beschränken, diese vereinzelten Angaben in ihrer Tragweite und ihrem thatsäch- lichen Zusammenhange zu würdigen und aus ihnen gewisse Züge des Gesammtbildes und genügend beglaubigte Verhältnisszahlen zu gewinnen, die als Vorarbeit und Hülfs- mittel für eine umfassendere Erledigung der Aufgabe dienen können. Soweit es unter diesen Gesichtspunkten die vorhandenen Mittel gestätten, soll zunächst im allgemeinen der Gang der landwirthschaftlichen Kulturentwickelung inner- halb des Staatsgebietes überblickt, in den folgenden Abschnitten die Verwendung des Bodens, die dafür zu Gebote stehenden technischen Hülfsmittel und die thierischen wie die menschlichen Arbeitskräfte besprochen, und dann im Anschluss an die Unterschei- dungen des Katasters das Bild der Häuser und Hausstellen, des Acker- und Garten- betriebes, der Wiesen und Weiden und der Forsten und sonstigen Kulturarten, sowie der landwirthschaftlichen Nebengewerbe nach den statistisch erheblichen Beziehungen gegeben werden. Ueber den Entwiekelungsgang des wirthschaftlichen Betriebes auf dem jetzt preussischen Boden hat lange die Meinung geherrscht, dass die Dreifelderwirthschaft schon zu den Zeiten der Römer das allgemein verbreitete Wirthschaftssystem der Deutschen gewesen und erst im Laufe des vorigen und jetzigen Jahrhunderts allmählich durch Brachbesömmerung und verbesserte Fruchtfolgen umgestaltet und verdrängt wor- den sei. Da man überdies wusste, dass von den Geräthen Pflug und Egge dieser ältesten Zeit gewiss angehören, und dass ebenso Dorfanlage, Gehöfte und Feldeintheilung im wesentlichen auf sie zurückgeführt werden müssen, so hat man den Kreis der auf uns überkommenen Betriebseinriehtungen als schon im Beginn des Mittelalters ziemlich abgeschlossen gedacht und die Fortbildung bis zur näheren Gegenwart sehr gering an- geschlagen. In solehem Umfange ist diese Anschauung, wie W. Roscher*) und G. Hanssen **) genügend nachgewiesen haben, nieht richtig. *) Ansichten der Volkswirthschaft aus dem geschichtlichen Standpunkte, Leipzig 1841. — Nationalökonomik des Ackerbaues, Stuttgart 1867 S. 70. *) Zur Geschichte der Feldsysteme in Deutschland, Tübinger Zeitschrift für Staats- wissenschaft, 1865 Heft I. und II., 1866 Heft III., 1868 Heft II. XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 5 Theils sagt die Stelle des Tacitus, auf die sich die Ansicht über die Dreifelder- wirthschaft vorzugsweise stützt: arva per annos mutant, et superest ager '), offenbar nur, dass in jährlichem Wechsel nicht die gesammte Feldflur, sondern nur ein Theil derselben der Bestellung unterworfen wurde; und wenn Plinius des Wintergetreides im Trierschen Erwähnung?) thut, geschieht es in einem Sinne, welcher zeigt, dass dort Sommerung zu bauen, etwas Fremdes war. Theils lässt sich überhaupt nicht denken, dass die landwirthschaftliche Kultur mit einem Wirthschaftssysteme begonnen habe, welches schon so bedeutende Betriebsmittel und Arbeitskräfte, eine so planmässige Ordnung des Anbaues und eine so bestimmte Tendenz zeigt, Getreide über den eigenen Bedarf zu erzeugen, Es finden sich auch auf den deutschen Gebirgen ebenso wie in dem Gebiete der Nordseemarschen und in graswüchsigen Niederungen die deutlichen Reste einer alten Feldgraswirthschaft, welche auf ein oder einige Jahre Getreidebau eine kürzere oder längere Reihe von Dreeschjahren folgen liess, die nach Bedürfniss durch Mähen oder Abweiden ausgenutzt wurden. Es wird Gelegenheit sein, zu zeigen, wo dieselbe auf preussischem Boden noch bis zur Gegenwart besteht und auch von der Natur dauernd geboten erscheint. Andererseits giebt es in den Niederungs-, wie in den Heidegegenden Landstriche, in denen seit sehr alter Zeit Roggen auf Roggen gebaut, und die Düngung aus reichen Wiesen, oder Streu und Plaggen bestritten wird. In besseren Gegenden sind Zweifelderwirth- schaften mit einem Wechsel von Getreide und Brache oder Futterfrüchten, auch Vier- felder- und Fünffelderwirthschaften dieser Art seit so lange herkömmlich, dass man die schwierige Umgestaltung aus der Dreifelderwirthschaft in keiner Weise vermuthen kann. Allerdings aber ergeben sowohl das Mergeln der Aecker, welches Cäsar bei den Ubiern fand °), als das Versenden von Gemüsen bis nach Italien, der rasch verbreitete Weinbau und das Bild, welches die Volksgesetze und die Kapitularien gewähren, dass die wirthschaftliche Entwickelung, wenigstens am Rhein, schon zur Römerzeit nicht niedrig anzuschlagen ist. Die Dreifelderwirthschaft, welche in mehreren römischen Provinzen bestand, war wahrscheinlich auch bei den Deutschen jener Zeit nicht durchaus unbekannt. Die erste Erwähnung einer Dreitheilung der Ackerfelder eines deutschen Landgutes am Rhein kommt schon in einer Urkunde von 771 vor‘). Jedenfalls beherrschte die Fruchtfolge: Wintergetreide, Sommergetreide, Brache, die Wirthschaftsführung des Mittel- alters und der neueren Zeit auf der bei weitem grössten Zahl aller Feldfluren der jetzt preussischen Länder und bildet noch bis heut die Grundlage der meisten, auch der entwickelteren Wirthschaftssysteme. — Indess ist die Einfachheit und grosse Uebereinstimmung in der Fruchtfolge, wenigstens überall da, wo die vermengten Feldlagen der geschlossenen Dörfer bestehen, nicht der wesentlichste Zug, durch den sich die ältere, bis auf unsere Zeit überkommene Wirthschaftsführung charakterisirt. Ihre durchgreifendste, das gesammte Wesen des Betriebes bestimmende Eigenthümlichkeit liegt vielmehr in der verschieden ausgebildeten, aber ganz allgemein hergebrachten Gemeinschaftlichkeit, die für die Ausnutzung der 1) Germania 26. 2) Historia naturalis XVII. 49, 4. 3) Plinius histor. natural. XVII. 8. 4) G. Hanssen a. a. OÖ. 1865, S. 83. Codex Laureshamensis No. 662. 6 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Flur bestand und die Verwendung der Grundstücke in engen, erst durch die Servitut- ablösungen und Separationen beseitigten Schranken hielt. Diese gemeinschaftlichen Nutzungen beruhten bei den aus älterer Zeit herstammen- den Dorfgemeinden unbestritten auf der Rechtsidee der Bd. I. S. 345 näher besprochenen Markgenossenschaften. Volksgesetze, Dorfbeliebungen und Urkunden lassen dies hin- reichend klar erkennen. In diesen Gemarkungen wurde bis in ziemlich späte Zeit die gesammte Flur, ein- schliesslich der Forsten, als ein gemeinschaftliches Weiderevier behandelt, in welches jeder Genosse seinem Antheil gemäss sein Vieh anfangs gewiss frei und wo möglich Tag und Nacht, später unter einem von der Gemeinschaft angenommenen Hirten eintrieb. Das bestellte Ackerland war gewissermassen nur eine Einbusse an dieser Weide, und wurde, so lange es mit Saat oder Frucht bestanden war, mit einem Zaune um- geben, von dem jeder Ackerbesitzer sein bestimmtes Loos zu fertigen und gegen den Durchbruch des Viehes zu sichern hatte, widrigenfalls er den übrigen zu Sühne und Schadenersatz verpflichtet war. Sobald die Ernte geräumt worden, trat das Vieh wieder in sein Recht. Die Zäune wurden weggenommen, und der Sachsenspiegel sagt B. II. Art. 48 ausdrücklich: „Lässet ein Maun sein Korn draussen stehen, wenn andere Leute ihr Korn eingeführt haben, wird es ihm zertreten oder gefressen, so wird es ihm von niemand vergolten.“ Damit war die Nothwendigkeit gleicher Fruchtfolge auf allen Aeckern derselben Feldlage geboten, alle dauernden Zwischenwege fielen als umnöthig in der Feld- eintheilung weg, und die ganze Wirthschaft erhielt den festen, unabänderlichen Charakter, den wir unter dem Flurzwange verstehen, und der sich immer strenger ausbildete, jemehr sich die Aecker ausbreiteten, und Brach- und Stoppelweide erhöhte Wichtigkeit erhielten. Auf denjenigen Dorfgemarkungen, welche nicht aus den Markgenossenschaften, sondern aus der Kolonisation guts- oder landesherrlicher Ländereien hervorgingen, war dieselbe Einrichtung theils das natürliche Ergebniss der Uebertragung der den Kolo- nisten gewohnten Wirthschaftsweise, theils wirkten dabei auch Vorrechte bestimmend, welche die Gutsherren entweder sich selbst oder den Bestbelehnten, namentlich den Seholtiseien, vorbehielten. Während dieselben nämlich häufig einen Theil ihres eigenen Landes ganz von der Hutung der gemeinschaftlichen Heerde ausschlossen, legten sie den übrigen die Verpflichtung auf, entweder überhaupt keine Schafe oder nur eine bestimmte Anzahl auf der Hufe zu halten, dagegen der Schafheerde des Gutsherrn oder des Scholzen die Hutung in bestimmter Folge offen zu stellen. Es hängt dies mit dem in älterer Zeit in Norddeutschland weit verbreiteten Betriebe der Schäferei als eines selbständigen Gewerbes zusammen, welches von dem Landesherrn, oder den von diesem Beliehenen mit mehr oder weniger klaren Rechten der Regalität genützt wurde. Damit war in ähnlicher Weise der Flurzwang festgestellt, und sogar nicht mehr von dem Beschlusse der Gemeinde abhängig. Die durch diese Rechtsverhältnisse bedingte Einrichtung der Felder ist leicht verständlich. Wo Gewanne bestanden, waren die gesammten Aecker in so viel grosse, in der Nähe des Dorfes beginnende und gegen die Aussengrenzen breiter werdende Abtheilungen zerlegt, als die Fruchtfolge Felder forderte; dabei war den leichter zu bestellenden Aeckern gewöhnlich etwas mehr, den schwerer zu bestellenden etwas weniger Fläche eingeräumt, jedenfalls aber darauf gesehen, dass die Gewanne entweder XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 7 gar nicht oder wenigstens nur so durchschnitten waren, dass jeder Hufenbesitzer in gleichem Verhältnisse, wie alle anderen in demselben Felde betheiligt war. Die Pläne von Domnowitz und Domslau (Bd. I. S. 362 und 363) zeigen dies deutlich, In Domno- witz bilden die Abschnitte I., II. und III.*) die 3 Felder, in Domslau das Gewann I., I. und III. das erste, IV., V. und VI. das zweite, und VII., VIII, IX. und X. das dritte Feld. Eine ähnliche fächerförmige Lage der Felder musste in der Regel auch bei Vier- und Fünffelderwirthschaften entstehen. Der Auftrieb in jedes Feld erfolgte un- mittelbar vom Dorfe aus. Wo aber die Flur nach fränkischen oder flämischen Hufen aufgetheilt war, wie es die Pläne von Schönbrunn und Zedlitz zeigen, also jeder Hufe nur ein langer vom Gehöft bis zur Aussengrenze der Gemarkung fortgesetzter Streifen zugehörte, konnte die Feldereintheilung, wenn sie zusammenhängende Hutung gestatten sollte, nur so geschehen, dass sie alle Streifen quer durchschnitt und dadurch die Felder hinter- einander, das erste am Dorfe, das zweite hinter dem ersten und so fort bis zum letzten an der Aussengrenze ordnete. Diese Einrichtung zeigt der Plan von Schönbrunn (Bd. 1. S.358) durch die Zahlen I., II., III., die sich auf jeder Seite der Dorflage für die dort belegenen Bauerngüter in gleicher Weise folgen”). Der Auftrieb musste desshalb auf besonderen Trieben, wie sie der Plan angiebt, geschehen. Aus der Anlage dieser Triebe, die sich auf allen Fluren mit fränkischen Hufen finden ”””), muss man schliessen, dass, wenn auch nicht die 3 Felder, so doch jedenfalls die Hutung mit der gemein- schaftlichen Heerde von Anfang an beabsichtigt gewesen ist. Als die Bauern von Sehönbrunn das gemeinschaftliche Hüten aufgaben, wurde das Dominium für sein Mithutungsrecht mit der Schafheerde durch das Recht ent- schädigt, seine Schafe auf einem Theile der Aecker ausschliesslich zu hüten. Dieses der Dominialschafhutung unterworfene Ackerland ist, wie der Plan anzeigt, in einem schmalen Streifen, der in jedem Felde quer über alle Hufenstücke läuft, angewiesen worden. — Für die Bestellung musste aus dieser Art der Feldeintheilung die grosse Unbe- quemlichkeit folgen, dass sich bei der bedeutenden Länge der Hufenstreifen die Entfernung für die Arbeit in den verschiedenen Jahren nicht ausgleichen konnte. Auch mussten die Erträge in allen den Feldmarken, welche, wie dies im Gebirge gewöhnlich ist, die Dorflage im Thale, die Aussengrenzen aber auf den Höhen der benachbarten Berge liegen haben, von Jahr zu Jahr sehr abweichend sein. Viele der Feldmarken des höheren Gebirges besitzen auf den Höhen nur Forst- nnd Bergweiden, und haben desshalb unzweifelhaft eine so geregelte Felderfolge, wie sie die Fluren der ebeneren Gegenden übten, niemals durchführen können. *) Die 3 Felder sind auf dem Plane von Domnowitz durch Linien -+.+.+.+. geschieden, und die grossen Kursivzahlen I., II., III. finden sich in der Mitte dieser drei Hauptabschnitte, die kleinen Kursivzahlen I., II., IIL, IV. bedeuten Bonitätsabschnitte, von denen nach der eigenen Schätzung der Betheiligten I., II., III. Wiese (die der Plan punktirt zeigt) = II., II., IV. Acker und ı Morgen Acker I. Klasse = ı'/; U., ıY/ III. oder 2 Morgen IV. ist. Ueber die Buchstaben vergl. die Berichtigungen zu Band I. am Schluss. **) Auf dem Plane von Zedlitz (Bd. I. S. 360) bedeutet die ı. Linie —_.__._—. den besten Boden am Dorf, die 2. Linie —..—..—.. den Mittelboden. Die Feldereintheilung ist von der Kartirung nicht berücksichtigt. **) In Zedlitz liegen die Triebe auf No. 38,9 und zwischen 20 u.21. — Die Nutzung, selbst die Ansetzung von Gärtnerstellen darauf, wurde häufig der Pfarrei eingeräumt. 8 XVIL Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Neben diesem Zwange für die Bewirthschaftung des Ackerlandes folgte aus der gemeinschaftlichen Hutung auch eine sehr ungünstige Ausnutzung der Nebenländereien, der Wiesen, Forsten und Oeden. Die Heerden wurden zwar meist nach einer gewissen Ordnung und zu bestimmten Zeiten in sie eingetrieben, die Viehweide galt aber so sehr als Hauptzweck, dass abgesehert von der Schonung des Heues auf den- grösseren und besseren Wiesengründen, die Hirten in der Regel freie Hand hatten. Es lässt sich nicht behaupten, dass die Dreifelderwirthschaft überall ausgedehnte Nebenländereien dieser Art zur Verfügung gehabt habe. Die fränkischen und flämischen Hufen waren als bestimmt abgegrenzte geschlossene Güter ausgelegt und ihre Streifen füllen die Flur meist vollständig aus. Gemeinschaft- liche Grundstücke sind bei den fränkischen Hufen so selten, dass im gesammten schlesischen Gebirge Gemeinheitstheilungen ebenso wie Zusammenlegungen bis auf wenige Ausnahmefälle gar nicht vorgekommen sind. Auch die Gewanneintheilungen Mittelschlesiens, bei denen die Hufen, wie Domslau zeigt, nach sehr knappem Masse morgenweise zugemessen sind, haben seit dem 14. Jahrhundert hänfig durchaus kein gemeinschaftliches Land besessen, die Bauern hätten dasselbe aus ihren Hufenflächen, für die sie Getreidezins zinsten, entbehren müssen. Dies ist eine nicht leicht verständ- liche Thatsache, welche für die Beurtheilung der Wirkungen der Dreifelderwirthschaft und des dauernden Körnerbaues der Beachtung sehr werth bleibt. In der Regel aber waren allerdings Nebenländereien vorhanden, häufig sogar sehr beträchtliche, Die raumen Hutungen wurden durch die auf Recht und Herkommen begründete Wirthschaftsweise nur besserer Benutzung entzogen, wirklicher und dauernder Beschä- digung aber waren durch sie die Waldungen ausgesetzt. Es ist augenscheinlich eine irrige Anschauung, wenn man meint, dass in älterer Zeit die Forsten als Wildnisse dagelegen, in die jeder Nachbar willkürlich eingegriffen, und dadurch nach und nach servitutarische Rechte erworben habe. Wenigstens stehen schon nach unseren ältesten Nachrichten die Wälder, die wir urkundlich kennen lernen, durchaus nicht Jedem zur Verfügung, sondern sind entweder Markenwaldungen, an welche die Genossen sehr bestimmte Anrechte haben, oder werden, falls sie nicht einem be- sonderen Grundherrn angehören, vom Kaiser oder Landesherrn im Besitz gehalten. Auch machen die Verleihungen von Weide- und Holzungsrechten, die mehrfach den Kolonisten ertheilt werden, und die Streitigkeiten und Bestimmungen über solche Rechte, die sich allenthalben in den Gerichtsbüchern und Dienstregistern finden*), keinesweges den Eindruck der Unklarheit über die Abgrenzung der verschiedenen servitutarischen Nutzungen. Jedenfalls lassen schon die ältesten kurbrandenburgischen Forstordnungen um die Mitte des 16. Jahrhunderts für die landesherrlichen Forsten eine strenge Ord- nung in dieser Beziehung erkennen**). Sie halten nicht allein jeden Unberechtigten fern, sondern gestatten auch dem Berechtigten die Ausübung nur unter unmittelbarer Anweisung durch die Forstbeamten. Ebenso ersieht man aus ihnen, dass die Waldungen als bestimmte, selbständige Wirthschaftskörper behandelt wurden, aus denen die *) z. B. Cod. dipl. Siles. IV. S. 273, 274, 277, 285. *) Holzordnung von 1547 (Mylius Corpus Const. Marchicar. Bd. IV. Abth. I. Cap. II. Anhang ı No. 1); 1551 und 1566 (Ebd. No. 4); 1590 (Ebd. Cap. II. No.3); 1593 (Ebd. No. 4 und 5); 1622 (Ebd. No. 9). XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 9 Kurfürsten, vermöge eines sehr geregelten Aufsichts- und Rechnungswesens, ansehnliche Einnahmen durch Holzverkauf und hohe Miethen für Schweinemast, Bienenweide und andere Nebennutzungen bezogen. Der jener Zeit angehörige, in Schlesien geborene J. Colerus, der 1639 als Pastor in Parchim starb, spricht schon von dem Aussäen von Bucheekern mit Roggen, als in Mecklenburg üblich, von Waldsaat mit dem Pfluge und vom Verpflanzen von Eichen, Schnitt beim Setzen der Waldbäume und dergl.*), und seit 1700 finden sich in den meisten der landwirthschaftlichen Schriften mehr oder weniger eingehende Anweisungen über Verbesserungen im Waldbau, Schonung mit Waldstreu und Weide, Schlageintheilung, Behandlung der Samen und Saatkämpe, Mittel- und Niederwald und selbst über die Bd. I. S. 349 und 458 gedachte Siegensche Hau- bergswirthschaft. x In der Regel standen indess die landesherrlichen, wie die Privat- und Gemeinde- forsten bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts nur im Plenterbetriebe. Gegenüber dem geringen Werthe des Holzes fiel auf die Nebennutzungen beson- deres Gewicht; alle weniger ausgedehnten Waldungen in der Nähe der bewohnten Orte dienten durch Gräserei, Plaggen- und Bültenhieb und Streu, ganz besonders aber dureh den mehr oder weniger geregelten Weidegang der Heerden, überwiegend der Vieh- und Ackerwirthschaft, und es lässt sich nicht bezweifeln, dass Eigenthümer, wie Ser- vitutare diese Berechtigungen vielfach in unwirthschaftlicher Weise ausübten. Friedrich der Grosse schränkte zwar in der Forstordnung von 1763 die Servitut- berechtigten allgemein auf ihren Bedarf ein, wirkliche Abhülfe aber konnte erst durch die Bd. I. S. 414 ff. besprochene Ablöslichkeit erreicht werden. So war also durch den herkömmlichen Bestand der gemeinen Hutung, welche alle Theile der Gemarkung überzog, die Aecker dem Flurzwang, Wiesen, Forsten und Weiden unzweckmässiger Verwendung unterwarf, der gesammte Wirthschaftsbetrieb durch ganz Deutschland im wesentlichen auf ein mittles Mass von Einsicht und Nutzbar- keit gebracht, welchem jeder Wirth folgen musste, sowohl der, der ohne diesen Ansporn dahinter zurückgeblieben wäre, als der, dem sein wirthschaftliches Verständniss und seine Energie eine viel reichere Entfaltung seiner Kräfte gestattet hätte. — Der Kampf gegen diese Betriebsgemeinschaft, gegen die Herrschaft eines lähmen- den Beharrens, ist sehr alt; zwar gelangte er erst in der neuesten Zeit durch das energische Eingreifen des Staates zum wirklichen Siege, wurde aber auch früher nicht überall ohne Erfolg geführt. Es begegneten sich in ihm zwei Strömungen, die auch heute noch die Träger der wirthschaftlichen Entwickelung sind. Die erste und älteste war die des Gartenbanes, welche wesentlich für den Klein- besitz der südlichen Provinzen wirksam wurde, die jüngere, aber mächtigere, die der intensiven Ackerwirthschaft des Grossbesitzes, welche hauptsächlich den Fortschritt des Nordens vertritt. Der Gemüsebau der Deutschen war, wie erwähnt, schon den Römern bekannt. Deutsche Früchte, namentlich Rettige und Siser”*) gingen auf die Tafeln der Grossen nach Italien. Karl der Grosse giebt in seinem Capitulare de villis ein Verzeichniss von 73 Garten- und Arzneigewächsen, ohne das Obst, welche auf jeder seiner Meiereien *) C. Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, München 1865 S.5o5 fl. *), Plinius historia natur. XIX. 26,4; XIX. 28. 40 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. gezogen werden sollten. Vom Rhein aus verbreiteten sich diese Pflanzen und die Kunde des gartenmässigen Anbaues überhaupt mit den Klöstern in alle Theile Deutschlands. In jener Zeit war der Klosterwirthschaft nur das gesichert, was hinter den festen Mauern lag, der Garten hatte also für den Unterhalt besondere Bedeutung, und stand unter sorgfältiger Behandlung. Es ist nicht gewiss, ob wir dem Garten- und Gemüse- bau auch unter den bäuerlichen Wirthen schon früher eine grössere Ausdehnung und Pflege zuschreiben dürfen, indess spricht dafür allerdings die oft erwähnte Kost an Obst und Kraut, und vor allem die aus den ältesten Zeiten hergebrachte, mehrfach schon erwähnte Sitte, für jede Hufenstelle einen von der gemeinen Hutung und über- haupt von jeder Beschränkung des Besitzes oder der Nutzung befreiten sogenannten Hausgarten auszuweisen, welcher durchschnittlich bis gegen 2 Magdeburger Morgen oder etwa Y;o der gewöhnlichen Hufe gross ist. Diese Hausgärten waren offenbar die Stätte, auf der der einsichtigere und fleissigere Wirth die Erfolge der gartenmässigen Kultur zu erproben vermochte, und sie werden, wo es der Boden irgend zuliess, ge- wiss mit denjenigen Bedürfnissen des Hauswesens bestellt worden sein, die eine sorg- fältigere Pflege und bessere Ausdüngung als das Feld forderten nnd lohnten. Der gartenmässige Anbau in grösserem, selbständigem Betriebe hat- naturgemäss durch die Beschaffenheit des Terrains und die Gunst des Klimas am Rhein die weiteste Ausdehnung gewonnen. Die Bürger der zahlreichen Städte, die zum grossen Theil aus römischen Kolonien hervorgegangen waren, bewirthschafteten die kleinen Grundstücke, in die ihre Flur zerfiel, wahrscheinlich von jeher frei und gartenartig,. Auch später förderte ihn hier die fränkische Zertheilung des Grundbesitzes in Parzellen, die viel- fach zu klein sind, um anders als mit dem Spaten bearbeitet zu werden; der Weinbau gab ihm den natürlichen Stützpunkt sowohl an Kenntnissen, als an Arbeitskräften; ebenso boten sich Anleitung und Hülfsmittel in der benachbarten, von jeher ausgezeichneten Gartenzucht der Niederlande dar. Sehr früh findet sich die Gartenkultur auch in der Umgebung der tiefer in Deutschland liegenden Städte, namentlich wird neben Würz- burg und Nürnberg Erfurt genannt, das in der nächsten Beziehung mit Mainz stand. Um Breslau liegen fünf Dorfschaften, die sogenannte Kräuterei, welche einen beson- deren Dialekt sprechen, und seit den ältesten Nachrichten Gemüse aller Art, sowie Farbe- und Handelspflanzen für das Bedürfniss der Stadt bauen. Selbst sehr weit nach Norden hat sich nach und nach der gartenmässige Anbau des Landes verbreitet, wie in die Umgebung von Stettin, Danzig und in die Niederungen des Kurischen Hafls. Er musste überall mit der herkömmlichen Ackerwirthschaft unverträglich sein, konnte indess auch bei den geringen Flächen, die er bedarf, allenthalben Raum erlangen. Wie bedeutend die Anregung war, welche die Landwirthschaft durch die garten- mässige Kultur erhielt, zeigt sich aus den zahlreichen Schriften, die aus dieser Richtung hervorgingen. Sieht man von den Zusammenstellungen kaum verarbeiteter Aeusse- rungen römischer und griechischer Autoren ab, die unter die frühesten Erzeugnisse der Buchdruckerei gehören, so waren die ersten deutschen Schriftsteller über Landwirth- schaft die Verfasser der sogenannten „Kräuterbücher“, die im Laufe des ı6. Jahr- hunderts Garten- und Arzneipflanzen beschrieben“). Auch für später darf man sagen, dass der Gartenbau die landwirthschaftliche Literatur vorwiegend beherrschte. Die *) Unter ihnen namentlich Tabernaemontanus (} 1590). Vergl. C. Fraas a. a. O. S. 34 fl. — Chr. Ed. Langethal Geschichte der teutschen Landwirthschaft, 1854—58. XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. {1 4 Bücher rei rusticae von Heresbach (157r), wie das Praedium rusticum des Sebizius (1588) entnahmen ihre landwirthschaftlichen, zum Theil sehr vorgeschrittenen Meinungen dem gartenmässigen Anbau der Rheingegenden, auch der Oeeonomus prudens et legalis des Florinus (des Pfalzgrafen Franz Philipp, 1702) entstand dort. Der Erfurter J. Chr. Reichardt war Gärtner, und sein wichtiger „Land- und Gartenschatz* (1750) ging in Pflanzenkunde und Bodenbehandlung von den im Garten gewonnenen Erfahrungen aus. Ebenso wissen wir über v. Münchhausen, dass er die Lehren seines „Hausvaters“ (1765 bis 1773) wesentlich den Beobachtungen verdankte, die er mit besonderer Vorliebe im Gartenbau machte. Allerdings führt die Gartenzucht zu einer besonderen Sorgfalt in den Einzelheiten der Technik, und nieht weniger zur Botanik und zur speziellen naturwissen- schaftlichen Untersuchung. Dagegen entfernt diese Beschäftigungsweise selbstredend von manchen Fragen der grösseren wirthschaftlichen Praxis. Eine verwandte, mehr der Naturwissenschaft und Technologie zugewendete, mit dem eigentlichen Betriebe der Oekonomie weniger vertraute Richtung verfolgten auch die um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zahlreich entstandenen, aber selten aus wirklichen Landwirthen zusammen- gesetzten ökonomischen gelehrten Gesellschaften, als deren bester Vertreter in der Lite- ratur J. Beekmann’s physikalisch-ökonomische Bibliothek angesehen werden darf, — Diesen auf ihrem besonderen Gebiete keinesweges erfolglosen Bestrebungen war die später erwachte, aber mächtiger gewordene Thätigkeit, die vom Grossbesitz ausging, von Anfang an entgegengesetzt. Grosse Güter und Herrenhöfe finden sich, wie erwähnt, in den deutschen Volks- ländern schon mit der ältesten Kunde von deutscher Dorfverfassung vielfach vor. In den kolonisirten Slawenländern waren, wie die Beispiele der Landbücher Karls IV. über die Mark und über das Fürstenthum Breslau-Neumarkt erweisen, gutsherrliche Hufen, Allodia und Vorwerke in den Gemarkungen in grosser Zahl vorhanden. Im südwestlichen Deutschland sind diese sogenannten Dominialgüter immer mehr aufgelöst worden, und nach und nach fast ganz verschwunden; im Nordosten traten sie, sobald mit der Refor- mationszeit höhere Bildung und geordnete Zustände die Oberhand gewannen, als ein höchst wichtiges wirthschaftliches Element auf. Was in jener Zeit die Thätigkeit der Landesherrn, sowohl Joachims als Ferdi- nands I., charakterisirt, das Streben haushälterische Ordnung zu schaffen, tritt auch für die grossen Landwirthschaften deutlich in den Vordergrund. Die Hufen der Unterthanen werden aufsemessen, Zinsen und Dienste nach dem Befunde der Hufenzahl den urkundlichen Verpflichtungen der Hufe entsprechend aufs neue festgestellt. Es ist schon gezeigt, dass man ohne näheren Beweis keinen Grund hat, darin ein Unrecht zu sehen. Es werden Zins- und Dienstregister angelegt, Drei- dingsordnungen erlassen, die Unterthanen durch Beamte zur genauen Pflichterfüllung angehalten, namentlich die Dienste streng in Anspruch genommen und alle vorhandenen Hülfsmittel nutzbar gemacht. Der Adel zieht auf die Höfe und wirthschaftet selbst. Die Wirthschaft muss, den erhöhten Lebens- und Luxusansprüchen entsprechend, höhere Einnahmen erzielen, In der Literatur bleibt zunächst diese Richtung weniger bemerkbar, sie zeigt sich mehr in den Gesindeordnungen, Unterthanenordnungen, Schäfereiordnungen, welche vom 16. Jahrhundert an von den Ständen aller Territorien in Anregung gebracht wurden, und bei der Bearbeitung meist zu umfangreichen, das Bild der Bewirthschaftung und ihrer praktischen Ziele deutlich zeichnenden Schriftwerken anwuchsen, 12 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Zunächst kam es für die Wirthschaftsweise mehr darauf an, mit den verfügbaren Mitteln und überkommenen Einrichtungen zu leisten, was mit ihnen möglich war. Wie weit sich dabei aber doch ein rationeller Betrieb Bahn brach, das spiegelt sich genü- gend in dem vorzugsweise die märkische Landwirthschaft seiner Zeit darstellenden „Hausbuche“ des schon gedachten Colerus. Er empfiehlt statt der üblichen 3 Felder 4, 5, 6 und $schlägige Fruchtfolgen, allerdings bei der damaligen Armuth an Futter- und Handelspflanzen ohne grosse Auswahl, aber doch mit der bestimmten Warnung, wo irgend möglich nicht Korn auf Korn folgen zu lassen. Seine 8 Felder sind: 1. Gerste, 2. Wicken, 3. Dinkel, 4. Erbsen und Wicken, 5. Korn, 6. Hafer, 7. Erbsen und Wicken, 3. Brache*). Für eine solche Wirthschaft musste also der Bann des Flurzwanges schon gebrochen sein, und sie konnte der Forstservituten und des grössten Theils der Weiden entbehren. Auch in anderen norddeutschen Schriften, in der von dem Kanzler des Kurfürsten August von Sachsen von Thumbshirn um 1580 bearbeiteten Oekonomia**), in Boeelers Haus- und Feldschule 1666, in ‚Joh. Joach. Bechers klugem Hausvater 1702, zeigt sich, dass hier in jener Zeit der Haushalt der adligen 6rosswirthschaft das Feld des Fortschritts ist. Der Betrieb erhielt in diesen Bearbeitungen praktische, allerdings mit vielem Abergläubischen und Absonderlichen gemischte Regeln zu empirischer Ausübung, in den Vordergrund aber trat die Verwaltung. Der grundbesitzende Adel hatte damals in den verschiedenen ständischen Verbänden erheblichen Einfluss auf Steuer- und Polizeieinrichtungen, auch die meisten höheren Beamten gehörten ihm an, die finanzielle und juridische Seite der Gutsverwaltung und die politischen Beziehungen der gutsherrlich-bäuerlichen Verhält- nisse kamen desshalb unmittelbar zur Aussprache und erlangten ihre eingehendere Un- tersuchung in der Deutschland eigenthümlichen Kameralistik, die bald aus dem Kreise der Ständeversammlungen und Beamtenkollegien in Lehrbücher und auf die Katheder der Universitäten überging. In diesem Sinne las seit etwa 1700 zuerst, und als völlige Neuerung in deutscher Sprache, Thomasius in Halle Cameralia und Landwirthschaft. 1727 berief König Friedrich Wilhelm I. als Professoren in Oekonomie-, Polizei- und Kammersachen v. Gasser nach Halle und Dithmar nach Frankfurt a. 0. Um die Mitte des Jahrhunderts lehrten Schreber (1755), Stisser, Zink (1742), von Justi (1752), Schlettwein (1777), Eckhardt, Reinhold, Gleditsch ***). Derselben kameralistischen Schule gehören auch die grossen Staatsökonomen an, welche seit den ersten Jahrzehnten des ı8. Jahrunderts in immer erweitertem Kreise die Abschaffung der Gemeinheiten, Theilung oder Verpachtung der Gemeingründe, und die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Frohnen thatsächlich zur Durchführung brachten. Preussen ist berechtigt in erster Reihe unter denselben seine Könige Frie- drich Wilhelm I. und vor allem Friedrich II. aufzuführen, welche aus eigener Bewe- gung und mit umfassender persönlicher Sachkenntniss in diese grossartige Reform ein- griffen. Dieselbe hatte, wie Bd. I. S. 395 nachweist, schon von Friedrich I. durch die Flecken-, Dorf- und Ackerordnung vom 16. Dezember 1702 die erste Anregung für alle seine Lande erhalten. *) Nach Colerus redividus (Beyer, Frankfurt a. M., 1640) ans der Praxis der Jahre 1569— 1572. — Fraas a. a. O. S. 63. *) Als Manuskript verbreitet und erst 1675 durch Caspar Jügel in Druck gebracht. **) Auch v. Benckendorf vertrat, obschon unter fast unglaublich retrograden Gesichts- punkten, die Kameralien, XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 43 Vom Gesichtspunkte des Wirthschaftsbetriebes kam in dieser Ideenrichtung im ganzen mehr das Streben nach Tüchtigkeit und Freiheit der üblichen landwirthschaft- lichen Arbeit, als nach neuen Grundsätzen und Methoden zur Geltung. Dass sich indess die geläuterten Anschauungen über die Ackerbestellung, die Pilugfurchen, Bodenreinigung, Düngung, Saat und Erntearbeit, über die Wiesenpflege dureh Ascheaufbringen, Ansaat und Bewässerung, den Garten-, Gemüse-, Flachs- und Tabacksbau, die Vieh- und Pferde- zucht, die Hütungen u. a. m. schon so sicher festgestellt hatten, dass sie Gegenstand amtlicher Anordnungen werden konnten, zeigt die bekannte und öfter schon als Bild der damaligen Wirthschaftsführung wiedergegebene Instruktion Friedrich II. an den Landrath von Massow vom 23. April 1756*). Eine durchgreifende Neuerung des Betriebes bereitete Friedrich II. durch die Einführung des Kartoffelbaues vor. Berlin war einer der ersten Orte in Deutschland, wo die Kartoffel, nachdem sie in England in den letzten Dezennien des 16. Jahrhunderts be- kannter geworden, gebaut wurde. Friedrich Wilhelm I. liess sie unter anderem für die Kranken und Armen in der Charite zu Berlin anwenden und schenkte dem Kranken- hause ein Stück Land zum Anbau. Aber die allgemeine Verbreitung begann erst seit der Hungersnoth von 1745, in welcher Friedrich II. den einzelnen Ortschaften Wagen- ladungen von Kartoffeln zusandte, und die Grundbesitzer über den Gebrauch und Anbau belehren liess. Nur mit Widerstreben ging man an Versuche, zunächst wurde die Durchführung unter strengen Ermahnungen und fast mit Zwang in Pommern erreicht, später in Schlesien und in der Kurmark, und erst die Theuerungen von 1770 und 1771 beseitigten die Vorurtheile nachhaltig. Seitdem ist die Kartoffel mehr und mehr aus dem Garten und aus der Brache in die Fruchtfolgen als wesentliches Glied der Wechselwirthschaft eingerückt; den kleinen Parzellen aber hat sie eine nie geahnte Nutzbarkeit verliehen. Aehnlich durch praktische Erfahrung und zum Theil durch die fördernde Mit- hülfe der Verwaltungsbehörden gewann auch der Kleebau seine Verbreitung. Der Klee wird schon von Colerus als Einsaat mit Hafer auf Wiesen erwähnt, und um dieselbe Zeit war auch Esparsette und Luzerne in Deutschland bereits bekannt. J. G. Leopold (1750) und Zink lehrten den Anbau des Klees in der Brache im Grossen. Auch hierfür, wirkte Friedrich II. in ausgebreiteter Thätigkeit, wie schon die vor- gedachte Instruktion von 1756 beweist. Schönberg von Brenkenhoff, der, wie Bd. I. S. 448 erwähnt, einen grossen T'heil der Meliorationsunternehmungen Friedrichs leitete, v. Bork (Stargardsche Wirthschaft) und v. Podewils führten den Kleebau auf ihren Gütern mit besonderem Erfolge durch. Namentlich aber widmete J. L. Schubart, der desshalb zum Edlen von Kleefeld erhoben wurde, seit 1769 von seinem Gute Würchwitz bei Zeitz aus alle seine Kräfte der Idee, den Brachanbau mit Klee und die Stallfütterung möglichst und namentlich auch bei den kleineren, bäuerlichen Wirthen zu verbreiten **). Eine gewisse Brachbestellung war auch damals nicht neu***), In einer rheinischen *) Annalen der Landwirthschaft Bd. 26, S. 93. — W. Löbe, Handbuch der rationellen Landwirthschaft, Leipzig 1858 S. 7. j ”) C. Fraas, Geschichte der Landwirthschaft, Prag 1852 S. 477. — Ch. E. Langethal a. &. O. Bd. 4 S. 377. **) G. Hanssen, Zur Geschichte der Feldsysteme in Deutschland, Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaft, 1865 Heft II. 44 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Urkunde von 1250 wird sogar schon einem Pächter die Pflicht auferlegt, in der Brache einige Morgen mit Wicken zu bestellen. Aber auch im Norden, wo sich der Anbau überhaupt nicht so früh von der Dreifelderwirthschaft entfernte, wurde Brachbestellung geübt. Die Braunschweigische Landesordnung von 1647 sagt z. B.: „in dem Brachfelde wird ausser dem Flachs und etwas weissem Kohl, auch etwas Erbsen und Bohnen, — jedoch dass darin ein Mass gehalten und nicht zu viel bestellt werde, — nichts bestellt, sondern solches zur gemeinen Weide ganz freigelassen.“ Im ı8. Jahrhundert war die theilweise Brachbestellung allgemeine Sitte. Auf den nach Gewannen eingetheilten Fluren wurde dazu von einem gut gelegenen Gewanne ein quer über alle Hufenstücke lau- fender, gleich breiter Streifen ausgewiesen; dadurch war für alle Besitzer Gleichheit her- gestellt*). Jede Brachbestellung verbietet noch die gedachte Instruktion Friedrichs II. von 1756; 1783 aber ertheilte die Akademie der Wissenschaften zu Berlin in der Preisfrage über die ausgedehnteste und zweckmässigste Ausnutzung des Futterbaues den Preis an Schubart, der durch Klee die Brache ganz zu beseitigen vorschrieb, und dessen Rathschlägen inzwischen schon die Kunde der von Holstein aus seit etwa 1750 nach Mecklenburg vordringenden Koppelwirthschaft entgegenkam, — Um diese Zeit der grossen, durchgreifenden Umgestaltungen auf dem Boden der Agrarverhältnisse traf in einem Manne eine Vereinigung wissenschaftlicher Erkenntniss und praktischen wirthschaftlichen Genies zusammen, wie sie im entscheidenden Momente wiederzufinden, nur wenige Zeiten hoffen können. Albrecht Thaer war Arzt und Gelehrter von Bedeutung, stand auf der Höhe der Naturwissenschaft seiner Zeit und erfasste den Gartenbau völlig unter den Gesichts- punkten der voraussetzungslosen Prüfung der vegetativen Prozesse. Neigung und die Ahnung, was durch Uebertragung dieser Erkenntniss auf dem Gebiete der grossen Ackerwirthschaft geschaffen werden könne, trieb ihn dazu, sich in einer Laufbahn, die ihn bald eng an Preussen knüpfte, dem Grossbesitz und damit allen jenen nicht blos ökonomischen, sondern auch sozialen und politischen Problemen zuzuwenden, deren Ent- scheidung durch seine Mitwirkung in epochemachender Weise bestimmt werden sollte. Thaer’s Einfluss auf die Reform der Agrarverhältnisse und der Landeskultur- gesetzgebung ist schon näher gezeichnet“), Reformator der deutschen Landwirthschaft wurde er namentlich durch die jede Einzelheit des Betriebes erfassende Klarheit, mit der er für die Verwendung aller Mittel der Wirthschaft, des Bodens, wie des Kapitals und der Arbeit, ein gegeneinander riehtig abgewogenes, die Kräfte dauernd steigerndes und den höchstmöglichen Rein- ertrag verbürgendes Verhältniss forderte, und in wirthschaftlichen Erfolgen nach- wies. Durch seine Idee von der Statik des Betriebes war er Schöpfer der neueren Wirthschaftsführung. Die Elemente, diese Idee praktisch zu gestalten, Fruchtwechsel, Futterbau, Hackfruchtkultur, Wiesenpflege waren, wie gezeigt, seinen Zeitgenossen allerdings nicht mehr unbekannt, ebenso die Zweckmässigkeit der Stallfütterung, der sorgfältigen Dünger- bereitung und der Auswahl eines leistungsfähigen Viehinventars, das kräftige Fütterung entsprechend zu ersetzen vermag. Es war auch anerkannt, dass mit wenigen freien, gut bezahlten und wohlangestellten Arbeitern mehr und billiger gearbeitet werden *) Cod. dipl. Siles. Bd. IV. Einl. S. 39. **) Bd. I. S. 398 und 420. XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 15 kann, als mit vielen gezwungenen und kärglich und] in niedriger Lage gehaltenen, und dass gut durchdachte und genau ausgeführte Geräthe, wie sie schon 100 Jahre, seit den genialen Konstruktionen des englischen Gärtners Tull, vorhanden waren, das Viel- fache ihres Preises durch bessere Wirkung und Steigerung der Intelligenz des Arbeiters ersparen. Aber Thaer prüfte alle dadurch gestellten Probleme vorurtheilslos, förderte ihre Lösung durch seine ausgebreiteten Beziehungen im In- und Auslande, wie durch nie rastende eigene Beobachtungen und Versuche, und vor allem war ihm der durch- dringende Blick gegeben, diese zerstreuten Gedanken und Erfahrungen an dem Mass der Rechnung und der wissenschaftlichen Logik zu einem harmonischen Baue zu ordnen. Unverzagt und mit kräftiger Hand führte er seine Ueberzeugungen ins Leben, und die Gesetze der Wirthschaft, die er entwickelte, werden bei allem Wechsel in der Erkenntniss der einzelnen Faktoren, für immer die Richtschnur des wohlverstandenen Betriebes bleiben. Dabei war er glücklicherweise auch der Mann, seine Erkenntniss Anderen zugäng- lich zu machen. Er hatte alle Voraussetzungen einer Persönlichkeit, die Andere so unmittelbar an sich fesselt, dass die Lehre kaum der Beweise bedarf. Er versammelte einen Kreis der bedeutendsten Männer um sich, die mit dem grössten Interesse seiner Thätigkeit folgten und sie auf ihre eigenen Besitzungen übertrugen; sie bildeten den ersten landwirthschaftlichen Verein, der durchaus der landwirthschaftlichen Praxis an- gehörte, und sie im höchsten Sinne wissenschaftlicher Erkenntniss auffasste. Hier entsprang der Gedanke der Landesökonomiekollegien und die Annalenliteratur, 'Thaer’s Institute zu Celle und zu Möglin waren der erste massgebende Versuch einer landwirth- schaftlichen Lehranstalt. Im Gegensatz zu den vorher eingeführten kameralistischen Fakultäten*) und einzelnen Lehrstühlen an Universitäten war der Unterricht zum ersten Male an die unmittelbare Anschauung der Wirthschaft und die Mitbetheiligung an den Arbeiten ihres Leiters geknüpft. Auch die Schriften Thaer’s zeichneten sich nicht allein durch ihre wissenschaftliche und praktische Bedeutung und ihre gediegene Kraft aus. Seine zahlreichen Werke**), durch die er sich zum Theil Hülfe in der Noth des Krieges schaffen musste, sind zugleich mit einer eigenthümlichen Herrschaft über den Ausdruck und in einer so anziehenden, energischen Sprache geschrieben, dass sie überall Verständniss finden und Hülfsmittel von der belebenden Wirkung werden konnten, die ihnen noch die Gegenwart zuerkennt. So lange Thaer lebte, bildete er den Mittelpunkt der landwirthschaftlichen *) 1777 zu Giessen, bald auch zu Landshut und Stuttgart; 1774 wurde eine Kameral- hochschule zu Kaiserslautern errichtet und 1784 nach Heidelberg verlegt. (Fraas a. a. 0, S.. 100.) *) Thaer schrieb: Einleitung zur Kenntniss der englischen Landwirthschaft, Hannover, 1798— 1804, 3 Bände, 3. Aufl. 1816; Annalen der niedersächsischen Landwirthschaft, Celle, 1799— 1804, 6 Bde.; Beschreibung der nutzbarsten, neuesten Ackergeräthe, Hannover, 1803 bis 1806, 3 Hefte; Annalen des Ackerbaus, 6 Jahrgänge, Berlin, 18505—ı810; Grnndsätze der rationellen Landwirthschaft, Berlin, 1809 ff., 4 Bde., 4. Aufl. 1848; Annalen der Fort- schritte der Landwirthschaft, 2. Jahrg., ebd. ıgıı ff.; über die feinwollige Schafzucht ı$11; Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin, ebd. 1815; Leitfaden zur allgemeinen landwirth- schaftlichen Gewerbslehre, ebd. 1816; Möglinische Annalen der Landwirthschaft, ebd. 1817 bis 1824, 4 Bde. Das Nähere stellt dar Wilhelm Körte: Albrecht Thaer, sein Leben und Wirken als Arzt und Landwirth, Leipzig 1839. 46 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Bewegung. In allen Zweigen der Wirthschaft knüpfte der Fortschritt sich an seine An- regungen an. Gleichwohl kann man sagen, dass die Saat, die er ausstreute, ihre volle Kraft erst ein Jahrzehnt nach seinem Tode gezeigt hat. Trotz der Bedeutung der Männer, die als seine nächsten Gehülfen und Schüler ihr volles Streben der Landwirthschaft zuwendeten, waren die Verhältnisse einem raschen und grossartigen Aufschwunge, wie er zu anderer Zeit wohl zu erwarten gewesen wäre, keineswegs günstig. So wie Thaer selbst die Kriegsjahre nur mit äusserster An- strengung und Verlust fast seiner gesammten Betriebsmittel überstanden hatte, war die grosse Mehrzahl aller Gutsbesitzer in höchst bedrängter Lage und nur durch die Mora- torien vor dem Verluste ihrer Besitzungen geschützt. Die Provinz Preussen namentlich hatte durch den Feind, durch Viehkrankheiten und Vereinigung anderer Umstände so gelitten, dass trotz namhafter Unterstützungen die Indulte für die Pfandbriefsinstitute bis 1832 ausgedehnt werden mussten *). Als man kaum die Inventarien wieder beschafft und den geregelten Wirthschafts- gang hergestellt hatte, traten Getreidepreise ein, welche den Scheffel Roggen bis 20 Sgr. und niedriger sinken machten, und auch dann noch, als sie sich wieder zu genügenderer Höhe erhoben hatten, den Kredit, in der Furcht vor ähnlicher Entwerthung, in hohem Grade beschränkten. In dieser Zeit erregten die Separationen und Dienstablösungen sehr begreiflich grössere Besorgnisse, als es bei regelmässigen Zuständen der Fall gewesen wäre. Die bäuerlichen Besitzer suchten nach der Ausführung der Auseinandersetzung zunächst und so einfach als möglich, den alten Wirthschaftsgang*wieder herzustellen, sie waren selten intelligent genug, die Krisis zu einer Umgestaltung ihres Betriebes zu benutzen. Die grossen Güter konnten ohne Betriebskapital nur mit grosser Behutsamkeit den Getreide- bau einschränken, in dem sie trotz der niedrigen Preise immer noch ihre Hauptstütze zu sehen hatten. Aus dieser Lage half theils der Kartoffelbau, der unter rascher Vermehrung der Brennereien einen überaus lebhaften Aufschwung nahm, theils der beginnende Oelfrucht- bau, vor allem aber die feine Schafzucht, die seit dem Frieden eine schnell anwachsende Zahl edler Stammheerden schuf, und der sich, als Thaer 1823 den Wollzüchterkonvent nach Leipzig berief, vorwiegend das Interesse und die Hoffnungen zuwandten, Nach und nach stärkten sich die Kräfte wieder, der englische Markt gab dem Getreide und der Wolle Preise, die vielleicht gerade wegen ihrer Unregelmässigkeit grössere ungewöhnliche Aufwendungen ermöglichten. Die politischen Stürme der Juli- revolution führten noch einmal einen Rückschlag herbei; bald darauf aber blühte uner- wartetes Leben auf. — Bis dahin hatte die wissenschaftliche Fortbildung fast ganz in den Händen Einzelner gelegen. Mit bedeutender Energie arbeitete die nächste Schule Thaer’s an der speziellen Ausbildung der wirthschaftlichen Statik. v. Thünen, v. Wulffen, Nebbien, v. Voght bildeten sie mit der grössten Schärfe in allen Einzelheiten, zum Theil wie in v. Thünen’s isolirtem Staat bis zur Höhe philosophisch-nationalökonomischer Anschauung aus. Wie in Thaer’s Arbeiten selbst wurde diese Richtung nicht blos in der wirthsehaftlichen *) Kab.-Order vom 13. September 1832 (G.-S. S. 215) und vom 26. Dezember 1832 (G.-S. 1833, 8. 2). XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 17 Buchführung, welche sich mehr und mehr als Nothwendigkeit jeder höheren Wirth- schaftsleitung erwies und Stoff der Lehrbücher wurde, sondern auch im Gemeinheits- theilungsverfahren und im Taxwesen unmittelbar praktisch, Die Oekonomiekommissare bedurften bei der Berechnung der verschiedenen Entschädigungen für die servitutarischen Berechtigungen und für die Leistungen an Naturalien und Hand- und Spanndiensten des eingehendsten Verständnisses der einzelnen im Wirthschaftsgange auftretenden Werthe. Aus der Absicht, ihnen einen Anhalt zu gewähren, gingen die technischen Instruktionen der Generalkommissionen*) hervor, die in J. F. Meyer’s „Gemeinheitstheilung* (1801) ihren Vorgang fanden. Aehnliche Anhaltspunkte wurden für die Taxen der über die meisten Provinzen verbreiteten landschaftlichen Kreditinstitute und der gerichtlichen Nachlass- und Subhastationsgeschäfte nöthig. Diese Taxationslehre bearbeiteten nament- lich Schmalz (1829), v. Monteton (1838), Block (1840). Eine andere Gruppe bildeten die nach dem Thaerschen Vorbilde rasch vermehrten landwirthschaftlichen Unterrichtsinstitute, und die meist ihrem Lehrerkreise angehörigen Schriftsteller der Landwirthschaftslehre. Schon 1803 war Weihenstephan durch Schön- leutner und 1804 Hofwyl durch Fellenberg begründet worden. 1818 folgten Hohen- heim unter v. Schwerz und Jdstein (Hofgeisberg) unter Albrecht, 1829 'Tharand unter *) Diese Instruktionen sind durch $ ı8 der Verordnung vom 30. Juni 1834 (G -S. S. 96) angeordnet und sollen veröffentlicht werden. In Folge dessen sind erschienen: a. Die von der Generalkommission für die Kurmark Brandenburg als technische In- struktion für ihr Departement angenommene Anleitung zu den landwirthschaftlichen Veran- schlagungen bei den Auseinandersetzungen im Ressort der Königlich Preussischen Weneral- kommissionen mit besonderer Rücksicht auf die Kurmark Brandenburg von Fr. Frh. v. Mon- teton (Berlin, 1. Ausg. 1838, 2. umgearbeitete 1856). b. Instruktion der Generalkommission zu Posen vom $. Dezember 1840 zur Bildung und Anwendung technischer Grundsätze (Posen 1841 bei Scherk). ce. Technische Instruktion der Generalkommission zu Stargard vom 28. Dezbr. 1841 für die von der Generalkommission von Pommern beauftragten Oekonomiekommissare (Star- gard 1342 bei Hendesz). d. Technische Instruktion für die Auseinandersetzungsangelegenheiten im Frankfurter Regierungsbezirk (Frankfurt a. O. und Berlin, 1. Aufl. 1842, 2. 1851, bei Trowitzsch u. S.). e, Instruktion der Regierungsabtheilung des Innern zu Gumbinnen vom Mai 1844, zur Anwendung technischer Grundsätze bei Auseinandersetzungsangelegenheiten (Gumbinnen 1844 bei Krauseneck). f. Technische Grundsätze der Königl. Generalkommission zu Münster (Münster 1844 bei Regensberg). g. Technische Instruktion der Generalkommission zu Stendal vom 29. Septbr. 1845 für die Auseinandersetzungskommissare der Provinz Sachsen, 1. Aufl. 1845, 2. 1855, auf Grund der neueren Erfahrungen und Gesetze mit Anmerkungen versehen von A. Oesten (Stendal bei Franzen und Grosze). h. Technische Instruktion der Generalkommission zu Breslau vom ı1. Novbr. 1845, 2. vervollständigte Ausgabe 1846 (Breslau bei Schuhmann). i. Technische Instruktion für die Kommissare im Königsberger Regierungsdeparte- ment. (Ohne Jahreszahl.) Vergl. auch die Geschäftsinstruktion für die Spezialkommissare und Feldmesser im Ressort der Generalkommission in Merseburg (Magdeburg 1856). (J. Greiff, Landeskultur- gesetze. Breslau 1866, S. 427.) Boden d, preuss. Staates. II. 2 48 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Schweitzer, 1831 Darmstadt unter Pabst, 1835 Eldena unter Schulze, der indess schon 1838 nach Jena zurückkehrte und sein 1826 dort errichtetes Institut wieder aufnahm. Koppe, v. Schwerz, Pabst, Schweitzer, auch Burger schrieben, wie Thaer, zu- sammenfassende Kompendien der gesammten Landwirthschaftslehre; die spätere Zeit hat diesen Zweig der Literatur fast ganz verlassen. Neben diesen Lehrbüchern traten als Zeichen der wachsenden Vertiefung in immer grösserer Zahl die durch Thaers Arbeiten über die Schafzucht, über Geräthe, über einzelne Kulturpflanzen und Aehnliches vorgebildeten monographischen Bearbeitungen ein- zelner Gebiete und Fragen auf. Theils waren sie landwirthschaftlich - geographischer Natur wie die Reiseberichte von v. Schwerz und v. Lengerke*), theils behandelten sie spezielle Themata, wie Schübler, die Grundsätze der Agrikulturchemie (1817), Keller, den Siegener Wiesenbau (1821), Block, Erzeugung und Gewinnung des Düngers (1823), v. Weckherlin, Abbildungen der Rindviehracen (1827), v. Wulffen, Anbau der weissen Lupine (1828), Medicus, Geschichte des künstlichen Futterbaus (1829), Hundes- hagen, Bodenkunde (1830), Zeller, Drillkultur des Rapses (1831), v. Pannewitz, An- leitung zum Anbau der Sandflächen (1832) u. a. m. Im ganzen aber schienen alle diese Stimmen der Masse der Landwirthe gegen- über zu verhallen. Es zeigte sich ein Gegensatz der Praktiker gegen die Theorie, der durch verunglückte Experimente und den in der wissenschaftlichen Erkenntniss selbst eintretenden Wechsel verschärft ward. Dass die Männer der ersten Versuche sich nicht frei von Irrthümern halten konnten, ist indess erklärlicher, als dass sie nicht in höhe- rem Grade fehl gingen, denn Chemie, Geognosie und Physiologie fingen gleichzeitig erst an, aus den ersten empirischen Versuchen herauszuwachsen. Wie die geistige Arbeit dieser ersten Periode aber gleichwohl nicht ungenutzt geblieben war, sondern auch in weiteren Kreisen den Boden vorbereitet hatte, zeigte sich in dem lebhaften Interesse, mit dem die durch sie angeregten Fragen von dem grossen landwirthschaftlichen Publikum aufgenommen wurden, sobald eine fühlbare Erleichterung gegen den Druck der vorhergegangenen schweren Zeiten eintrat. Es scheint, als könne man den Rennvereinen der ersten 30 ger Jahre das Verdienst zuschreiben, durch ihre zum Theil mit Thierschau- und bald auch mit Gerätheaus- stellungen verbundenen Rennfeste diese Bewegung eingeleitet und wach gerufen zu haben. Diese heiteren Veranstaltungen gaben den landwirthschaftlichen Vereinen, die wohl theilweis vorhanden, aber mit Ausnahme der weltbekannten Schafzüchtervereine bis dahin kaum bemerkbar geworden waren, einen thatsächlichen, gemeinverständlichen Zweck und vermehrten die Zahl der Mitglieder derselben auf die natürlichste Weise beträchtlich. Das Vereinswesen wuchs bald so an, dass ıg42 das Landes-Oekonomie- Kollegium als ein Centralpunkt für dasselbe geschaffen, und in jeder Provinz Provinzial- vereine mit stehenden, meist unter Staatszuschuss besoldeten Sekretairen gebildet werden konnten, die bis zur Gegenwart organisirt geblieben sind. 1837 bestanden nur 65, 1348 schon 317 landwirthschaftliche Vereine im Staate. Um dieselbe Zeit, im Jahre 1837, wurden die Wanderversammlungen deutscher Land- und Forstwirthe angeregt, die seitdem mit seltenen Unterbrechungen jährlich je in einer anderen deutschen Stadt tagten, und ihren Mitgliedern Gelegenheit gaben Gedanken und Erfahrungen auszutauschen und die landwirthschaftlichen Zustände der, »)1S.10..Bd..l. Sy217. XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 19 Gegend durch das Entgegenkommen der einheimischen Landwirthe hinreichend kennen zu lernen. In ihren Verhandlungen spiegeln sich deutlich die Fragen, die im Fort- schritt der Zeit wechselnd die vaterländische Landwirthschaft bewegten. — In naheliegender Gegenwirkung mit dieser gesteigerten Theilnahme der Land- wirthe an ihren gemeinsamen Bestrebungen, stehen sehr eingreifende Erscheinungen auf dem Felde des praktischen Betriebes, die ihre Anfänge aus derselben Zeit herschreiben. Zunächst begann das Interesse an der Schafzucht vor dem an der Rindviehzucht in den Hintergrund zu treten; es zeigten sich die ersten Bedenken wegen der Traber- krankheit und der australischen Konkurrenz; auch war die grosse Zahl der Landwirthe ausser Stande, an der hochfeinen Schafzucht Theil zu nehmen, dagegen schien die Rind- viehzucht Jedem Mittel zur Verbesserung zu bieten; der Rieselwiesenbau, der die natür- lichen Wiesen zu ersetzen versprach, zog desshalb die grösste Aufmerksamkeit auf sich. Die Darstellung des Meliorationswesens (Bd. I. S. 459) hat gezeigt, dass Friedrich Wilhelm IV. 1840 die Ent- und Bewässerungsanlagen in grossem Maasstabe wieder auf- nahm, und dass der Staat seitdem durch Gesetzgebung und praktisches Eingreifen un- ausgesetzt in dieser Richtung thätig ist. Die nicht überall günstigen Resultate der Rieselwiesen förderten wenigstens das klare Verständniss der Grassaat, und beschleu- nigten die Verbreitung der mecklenburgischen, oder doch der sogenannten märkischen Koppelwirthschaft, welche je nach den Umständen modifizirt ein oder zwei Klee- oder Grasschläge in die Fruchtfolge einlegt. In denselben Wendepunkt fällt der mächtige Anstoss, den die Rübenzuekerfa- brikation brachte. Die ersten Zuckerfabriken in der Provinz Sachsen und in Schlesien entstanden in den Jahren 1835, 36 und 37 und mit ihnen begann die Fabrikation im Grossen sowohl in Preussen als im übrigen Deutschland. Die reichen Erträge des Rübenbaues machten Aufwendungen für Tiefkultur, Ausdüngung und verbesserte Geräthe möglich, wie sie bei keiner andern Frucht rentabel geschienen hätten. Der Gewinn kam nicht allein den immerhin noch beschränkt angebauten Rüben zu gut; auch bei den Oelfrüchten zeigten sich bald gleiche Vortheile. Die Drillkultur, die verbesserten Pflüge, Häufel-, Säe-, Dresch- und Reinigungsmaschinen müssen mit Recht auf die Anregung zurückgeführt werden, welche die Rübenzuckerfabrikation und die ihr ver- wandten auf Dampfkraft basirten Unternehmungen, allerdings auch der bald beginnende und schnell verbreitete Eisenbahnbau mit seinen verschiedenen Bedürfnissen der einhei- mischen Maschinenfahrikation gaben. So lange die Ackermaschinen nur aus England oder Belgien zu beziehen und Reparaturen fast unmöglich waren, musste der Gebrauch sehr beschränkt bleiben. Mit dem Maschinenbedürfniss der grossen Etablissements konnten die heimischen Maschinenfabriken sich ausbreiten und ihre Geschäfte auch auf länd- liche Geräthe ausdehnen. Dadurch wurde nach und nach der grösseren Zahl der Land- wirthe die Einführung ermöglicht. Endlich büssten auch seit dem Jahre 1845 die Kartoffeln das bis dahin bestehende Vertrauen ein, und gingen in der That, selbst ohne erhebliche Krankheit, meist in den Ernten zurück. Klee, Rüben, Oelfrucht aber sind ihrer Natur nach auf kräftigere Aecker angewiesen, Desshalb wurde, jemehr sich die Gutspreise steigerten, und die Forstrodungen auf viele ungünstige Böden übergingen, eine Aushülfe für das geringe Land immer dringender. v. Wulffen hatte schon 1828 auf die Lupine hingewiesen, die neuere Periode nahm diese Kultur mit voller Energie auf und Beobachtungen über Gründüngung, Braunheu, eingesalzenes Futter und ähnl. wurden Gegenstand vieler 2* 20 XVL Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. Vereinsverhandlungen. Seit 1838 war auch der Verkauf von Viehsalz Bedürfniss geworden (s. Bd.1. S. 203.). Ersichtlich war also jetzt die Zeit gekommen, in der sich die Rotationen allge- meiner wmgestalten und intensiverem Betriebe Genüge leisten mussten. Nicht blos die grossen Güter, auch die bäuerlichen Besitzer begannen in den verschiedensten Oertlich- keiten vielschlägige Fruchtwechsel- oder völlig freie Wirthschaften zu versuchen. Der ausgebildetere Betrieb forderte klarere Einsicht der Besitzer, wie der Aufsichtsbsamten. Wesentlich die Anregung der landwirthschaftlichen Vereine führte desshalb seit etwa 1845 zur Errichtung zahlreicher neuer Lehranstalten. Die akade- mischen Institute vervollständigten sich noch durch Proskau (1847), Poppelsdorf (1848), Waldau (1857). Auch an Universitäten wurden Institute errichtet: Berlin (1859), Halle (1862). Hauptsächlich aber entstanden nach dem Vorgange von Regenwalde (1842) zahlreiche, zum Theil nur auf wenige Jahre für das bestehende Bedürfniss er- richtete und dann an andere Orte verlegte Spezialschulen für Ackerbau, Wiesenbau, Baumpflege, allgemeine Fortbildung, oder auch Musterwirthschaften, Anstalten für die Anleitung zur Butter- und Käsefabrikation, Flachsbau, Flachsbereitung, zum Karden- bau u. ähnl. Endlich nahm auch die Landwirthschaft seit dem gedachten Wendepunkte mehr und mehr eine dem Wesen der Sache entsprechende Stellung zur wissenschaftlichen Forschung. Zunächst wurde der Gewinn geschichtlicher und statistischer Darstellung erreicht. Die Anton’sche Geschichte der Laudwirthschaft (1799— 1802) hat nur einen durchaus antiquarischen Charakter. Langethal (1847—55) aber bearbeitete die Vorgänge bis auf Schubart, Fraas (1852, 1865) behandelte ausführlich die gesammte neuere Zeit. Die erste Statistik der Landwirthschaft Preussens hat v. Lengerke 1340 gegeben, ihm sind Schubert 1848, Kotelmann 1853, v. Viebahn 1858 gefolgt. Neben diesen fast neu geschaffenen Gebieten wuchs die monographische Behand- lung der meisten die Landwirthschaft interessirenden Fragen in Vereinsblättern, Zeit- schriften und selbständigen Werken, auf die zum Theil spezieller zurückzukommen sein wird, zu höchst bedeutendem Umfange an. Wie in anderen Diseiplinen, entstand auch hier das Bedürfniss fortlaufender Repertorien; grössere Arbeiten werden seit 1853 in dem landwirthschafttichen Centralblatt für Deutschland von A. Wilda, und seit 1861 in der Zeitschrift des statistischen Büreaus verzeichnet, vierteljährliche Zusammenstellungen in einer auf den Inhalt der meisten Vereinsschriften ausgedehnten Vollständigkeit sind seit demselben Jahre bei dem Wochenblatte der Annalen der Landwirthschaft durch das Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten angeordnet. Besonders charakteristisch aber und eine neue Errungenschaft der letzten De- zennien ist, dass durch die Anregung der landwirthschaftlichen Vereine und zum grossen Theil aus ihren Mitteln in den gegenwärtig bestehenden sieben landwirth- schaftlichen oder agrikultur-chemischen Versuchsstationen Anstalten geschaffen wurden, welche lediglich das Ziel verfolgen, dem auftretenden wissenschaftlichen Bedürfnisse der Landwirthschaft Genüge zu leisten und speziell auf den Gebieten Forschungen und Versuche zu machen, deren wissenschaftliche Erweiterung zur Zeit wünschenswerth erscheint. Chemisch-physiologische Laboratorien bestanden bis dahin wesentlich nur bei den grösseren Lehranstalten. Die selbständige Errichtung solcher Anstalten und ihre XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 21 Besetzung mit eigens angestellten Chemikern wurde namentlich 1855 von der 17. Wander- versammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu Kleve betrieben und fand bei Privaten, wie beim Staate bereitwillige Unterstützung. Die Arbeiten, die sie bis jetzt durchgeführt haben, sind aus den Jahresberichten von Rob. Hoffmann und E. Peters: über die Fortschritte der Agrikulturchemie (I. Jahrg. 1858— 1859, Berlin 1860), und von Fr. Nobbe: ‘die landwirthschaftlichen Versuchs- stationen, (Chemnitz, I. Heft 1858) ersichtlich. Sie sind theils mit Bodenanalysen, theils Vegetations- oder Aklimatisationsversuchen und mit Untersuchungen über die Ernäh- rung der Thiere, die Erfolge der verschiedenen Nahrungsmittel, die Güte der Produkte und Aehnlichem, vor allem aber mit der Frage nach der Zusammensetzung und Wirkung der verschiedenen Düngungsmittel und dem Wesen der Pflanzenernährung überhaupt beschäftigt gewesen. Dieses letzte Problem erfasst ganz unmittelbar das Hauptziel und den eigent- lichsten Kern des Wirthschaftsbetriebes. Die Kenntniss von der Verbesserung des Bodens durch künstliche Düngung war, wie erwähnt, schon den frühesten Zeiten nicht fremd. Des animalischen Düngers ge- denkt Tacitus zwar nur als Decke unterirdischer Wohnungen !), und erst Urkunden aus dem 12, Jahrhundert erwähnen ausdrücklich die Verwendung für den Pflanzenbau. Das hohe Alter seiner Benutzung kann indess schon nach der Art dieser Erwähnungen kaum bezweifelt werden?). Mergel, Asche, Kalk, Knochen und Kompostanlagen werden in Sebizius Praedium rusticum (1559) empfohlen, und die Düngerbereitung wie die Grün- düngung sind in mehreren der folgenden landwirthschaftlichen Schriften sehr eingehend und zum Theil recht gut behandelt. Mit dem Klee verbreitete sich auch das Gypsen desselben, für das namentlich Mayer von Kupferzell (geb. 1718) lebhaft eintrat und zu- gleich vielerlei unorganische Materien empfahl. Im wesentlichen wurden indess die Wirkungen nur empirisch aufgefasst. Selbst Davy (1813, Elements of agrieultural chemistry), der als bahnbrechender Chemiker die meisten Leichtmetalle entdeckte, die Luft und ihren Gehalt an Wasserdunst und Koh- lensäure untersuchte, und neben dem Humus auch letztere ebenso wie die Aschenbe- standtheile für Grundlagen der Pflanzenernährung erklärte, war doch der Meinung, dass in der Hauptsache schleimige, gallertartige, zuckerartige, öligte und extraktive Stoffe, überhaupt die extraktartige Substanz der Gartenerde, von zersetzten Vegetabilien her- rührend und aus der Erde vom Wasser angezogen, als eine der vorzüglichsten Ursachen der Bodenfruchtbarkeit zu erachten sei°). Noch bestimmterer Anhänger dieser sogenannten Humustheorie war Thaer. Er lehrte die Ansicht‘): „dass die eigentliche Befruchtung des Erdbodens zur Nahrung der Pflanzen durch die Beimischung verwesender organischer Körper bewirkt werde; dass die mineralischen Beimischungen nur entweder dienten, dem Erdboden eine bessere Konsistenz zu geben, oder als auflösende und die Verwesung fördernde Mittel wirkten, die allemal solche Bestandtheile, welche aufgelöst und zur Pflanzennahrung verwendet werden könnten, voraussetzten. Auch durch die Zersetzung des Wassers !) Germania 16, 2) Ch. E. Langethal, Geschichte der teutschen Landwirthschaft, Bd. II. S. 356 fl. ») C. Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft 1865, S. 242. *) Engl. Landwirthschaft Bd. I. S. 179. Rationelle Landwirthschaft, Bd. I. $. 250, 349. 92 XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. und der gasförmig in der Atmosphäre enthaltenen Stoffe und deren Verbindung, na- mentlich durch die Kohlensäure könnten die Pflanzen einen Theil ihrer Nahrung er- halten; vermehrte Bearbeitung aber könne den Mangel an Dünger nieht ersetzen, das Höchste könne nur da erreicht werden, wo Boden, Arbeit, Düngung und die ausge- wählte Frucht im gerechten und im möglichst besten Verhältnisse gegen einander stehen.“ Der Thaerschen Anschauung folgten noch Schübler, Zierl, Hlubeck, Sprengel u. a. in allem Wesentlichen, obwohl sie mehr und mehr den mineralischen Bestandtheilen und dem Stickstoff eine gewisse, wenn auch meist sehr untergeordnete Mitwirkung ein- räumten. 1840 stellte Justus v. Liebig zuerst seine sogenannte Mineraltheorie auf. Zu- nächst wurde aus derselben nur der Nachweis des grossen Ammoniakgehaltes der Luft Allgemeingut. Schon Saussure hatte 1802 auf denselben als bei der Pflanzenernährung mitwirkend hingewiesen. Boussingault bildete die Lehre von der Bedeutung des assi- milirbaren Stickstoffes im Boden aus, und die Wirkungen des um diese Zeit allgemeiner zur Anwendung kommenden Guano unterstützten die Stickstofftheorie in hohem Grade. Der 6uano war schon im Beginn des Jahrhunderts bekannt und wurde von Davy sehr vollständig gewürdigt, aber grössere Aufmerksamkeit erregte er erst, als ihn Lord Stanley ı841 in Liverpool der Gesellschaft für Ackerbau empfahl. Ein Jahrzehnt später wurde er in Deutschland allgemein gebraucht, und Stöckhardt kämpfte für ihn und für die Stickstofitheorie in den „Feldpredigten“ (1851) und im „Guanobüchlein* (1853). 1856 trat Liebig wieder für seine Lehre von der Pflanzenernährung in der Schrift: „Ueber Theorie und Praxis der Landwirthschaft* und 1859 in den „naturwissenschaftlichen Briefen über die moderne Landwirthschaft* auf. In so Thesen erklärte er: dass die Pflanzen im allgemeinen ihren Kohlenstoff und Stickstoff aus der Atmosphäre, den Kohlenstoff in der Form von Kohlensäure, den Stickstoff in der Form von Ammoniak empfingen; dass Wasser und Ammoniak den Pflanzen ihren Wasserstoff lieferten; der Schwefel der schwefelhaltigen Bestandtheile der Gewächse aber von Schwefelsäure herstamme; dass die Pflanzen aber ferner eine gewisse Anzahl von Mineralsubstanzen und zwar immer die nämlichen enthielten und bedürften, deren Natur und Beschaffenheit sich aus ihrer Asche ergebe, und welche die Bestandtheile des Bodens gewesen seien. Die mechanische Bearbeitung des Feldes hat nach seiner Auffassung den Zweck, die chemischen Widerstände im Boden zu überwinden und die in chemischer Verbin- dung befindlichen Nahrungsmittel frei und verwendbar zu machen. Dies geschieht durch Mitwirkung der Atmosphäre, der Kohlensäure, des Sauerstoffs und des Wassers. Ein Boden ist fruchtbar für eine gegebene Pflanzengattung, wenn er die für diese Pflanzen nothwendigen mineralischen Nahrungsstoffe in gehöriger Menge, in dem richtigen Ver- hältnisse und in der zur Aufnahme geeigneten Beschaffenheit enthält. Den Uebergang vermittelt das Wasser. Ein Feld, dem diese mineralischen Nahrungsmittel fehlen, wird durch Brachliegen und mechanische Bearbeitung nicht fruchtbar. Wenn der Boden seine Fruchtbarkeit dauernd bewahren soll, so müssen ihm nach kürzerer oder längerer Zeit die entzogenen Bodenbestandtheile wieder ersetzt werden. Ohne Ersatz aller Mineralstoffe, die dem Boden entzogen werden, ist die Landwirthschaft ein Raubsystem und zehrt ihr eigenes Bodenkapital auf. Die Verurtheilung der modernen Landwirthschaft verletzte, und gegen den Kern der Theorie schienen mancherlei Zeugnisse der Geschichte und Erfahrung zu sprechen. XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. 93 Aber Liebig’s Forschung fand die höchste Anerkennung, und zwar gerade in dem Kreise der Agrikulturchemiker, die sich mehr und mehr dem vollen Ernste ihrer Aufgabe gegenübergestellt sahen, Es war um diese Zeit die Drainkultur allgemeiner geworden, zahlreiche Schriften besprachen und lehrten sie, grosse Kapitalien wurden darin angelegt; die Frage nach dem Nutzen und der dauernden Wirkung der Drainage regte alle Untersuchungen über die physikalische Natur der Ackerkrume an. Seit 1859 traten auch die Stassfurter Abraumsalze (s. Bd. I. S. 206) auf und versprachen durch ihren Kalireichthum die nach- lassenden Rübenfelder wieder zukräftigen. Zugleich entstanden allenthalben Düngerfabriken mit zum Theil sehr zweifelhaften Fabrikaten. Dabei steigerten eigenthümliche Verhält- nisse des Geldmarktes, eine Reihe ziemlich günstiger Ernten und einzelne Beispiele glücklichen, in der Regel auf grosse Intelligenz und starkes Kapital begründeten Wirth- schaftsbetriebes den Begehr nach Landgütern, und die Spekulation verwerthete in un- erwartet rasch ansteigenden Preisen in voraus die Hoffnungen, welche die kaum er- rungenen Hülfsmittel allerdings in sich tragen, aber nur da verwirklichen, wo sich rich- tige Erkenntniss in ihrer Wahl mit den nöthigen Kräften für ihre Anwendung vereinigt. Bei dem starken Gutswechsel, welchen die Konjunktur hervorrief, sah sich eine Ueber- zahl der Landwirthe sehr bald ihren Kauf- und Pachtpreisen gegenüber in bedenklichen Verlegenheiten und forderte Auskunft und Rath für die schleunige Erhöhung ihrer Ernte- erträge und Sicherheit für die Nützlichkeit ihrer Meliorationen und für die Rückeinnahme ihres meist sehr spärlichen Betriebskapitals. Man darf sagen, dass dem allen gegenüber die Versuchsstationen und die wenn auch noch kleinen Kreise ihren Arbeiten nahe stehender Chemiker, Physiologen und wissenschaftlich forschender Landwirthe ihre Aufgabe klar erfasst und treu erfüllt haben. Der Kampf für und gegen Liebig ist allerdings nicht völlig zum Austrage ge- bracht. Der Ursprung und die Umwandlungen des Stickstoffs als des charakterischen Baustoffes der pflanzlichen Proteingebilde sind noch nicht genügend klar gestellt. Aber es ist erwiesen, dass sich das einzelne Individuum unserer Kulturpflanzen zu kräftiger Entwiekelung und reicher keimfähiger Frucht lediglich in wässerigen Lösungen der seiner Asche entsprechenden, theilweis salpetersauren Mineralsalze unter vollstän- digem Ausschluss aller anderen Einwirkungen als der der Luft und des Lichtes erziehen lässt“). Es scheint auch Thatsache, dass diese mineralischen Lösungen unmittelbar und ohne vorherige Veränderung in den Organismus der Pflanze aufgenommen werden **), dass also organische Verbindungen zu der Ernährung nicht, oder wenigstens nicht nothwendig beitragen, die Pflanze vielmehr recht eigentlich die organische Nahrung des Thiers durch Erzeugung aus den unorganischen Stoffen vermittelt. Endlich scheint ebenso, wie man es für die Rübenmüdigkeit längst anerkannte, auch die Kleemüdig- keit und die anderwärts beobachtete Erbsenmüdigkeit, ja die Kartoffelkrankheit und die Maulbeerkrankheit auf eine wegen mangelnder Stoffe anomale Ernährung zurück- zuführen”**), so dass nicht mit Unrecht im rationellen Betriebe Fürsorge für voll- ständigen Ersatz gefordert und die Wechselwirthschaft, deren Schwerpunkt darin liegt, *) Nobbe: Die landwirthschaftlichen Versuchsstationen, Bd. 7 8.68. — Jahresbericht von R. Hoffmann und E. Peters, Jahrgang VII. S. 183 ff. *) W. Wolff. Ebd. Bd.7 S. 193 und Jahrg. VII. S. 187 und 185. **) Edb. VII. S. 198 ff. 9A XVI. Ueberblick über die Entwickelung des Betriebes der Land- und Forstwirthschaft. dass sie das statische Gleichgewicht der Wirthschaft durch den richtigen Frucht- wechsel versprechen zu können glaubte, als grundsätzlich unhaltbar und durch die allein schonende Stoffersatzwirthschaft überholt erklärt wird *). Jedenfalls begann mit den Untersuchungen der chemischen und physikalischen Bodeneigenschaften, den Vegetationsversuchen an Pflanzen, den Fütterungsversuchen an Thieren, den Düngungs- und Kulturproben, die aus dieser Polemik hervorgingen, eine Vertiefung in den Gegenstand selbst, die wesentlich auf Liebig’s Resultate und Voraussetzungen fussend, das Experiment, wie es von den Versuchsstationen auf- genommen wurde, zu einer den früher gestellten Anforderungen weit überlegenen wissen- schaftlichen Schärfe erhob. Ihre praktischen Aufgaben erfüllten diese Institute desshalb nicht weniger, aber es traten die hochgehenden Hoffnungen unmittelbar technischer Hülfeleistungen, die bei der Begründung wesentlich mitgewirkt hatten, auf ihr richtiges Maass zurück. Das landwirthschaftliche Publikum sah ein, dass je schwieriger, verwickelter und mannigfaltiger die Probleme der organischen und unorganischen Natur sind, von denen sich die Landwirthschaft mehr als irgend eine andere gewerbliche Thätigkeit bei ihren Anstrengungen beeinflusst sieht, die Praxis um so weniger berechtigt ist, ihrer empi- rischen Erfahrung zu vertrauen und aus dem äusseren Anschein gleicher Verhältnisse gleiche Wirkungen zu erwarten; dass vielmehr zur Lösung der auftretenden Fragen schlechterdings der Weg der ernstesten Forschung eingeschlagen und mit aller Geduld und Resignation, die er fordert, verfolgt werden muss. Die Versuchsehemiker und Physiologen aber fühlten aus demselben Grunde fortan festen Boden unter ihren Füssen. Sie empfanden mit Befriedigung, dass sie im Verein mit den hervorragendsten Männern des landwirthschaftlichen Berufes trotz der geringen Genüge, die die Arbeit des täglichen Bedarfes in der engen Begrenzung der augen- blieklichen Aufgaben bietet, die Träger einer neuen, den anderen angewandten Disci- plinen ebenbürtigen Wissenschaft wurden. — Dies ist in sehr allgemeinen Zügen das Bild, welches die Entwiekelung des land- wirthschaftlichen Betriebes nach den Hauptwendepunkten in der Praxis und der Theorie bis zur Gegenwart gewährt. Die Forstwirthschaft hat sich seit dem Ausgang des vorigen Jahrhunderts mehr und mehr von der Unterordnung unter die Ackerwirthschaft und den beeinträchtigenden Beziehungen zu den Bedürfnissen derselben befreit. Lehre und Ausübung haben dem Waldbau in neuerer Zeit Selbständigkeit des Betriebes gesichert. Der Gang dieser Entwickelung soll in dem Abschnitt, der die Forsten behandelt, besprochen werden. *”) H. Settegast: Die Thierzucht. Berlin 1868, S. 23. XV Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Der Boden hat als Standort und als stoffliche Masse durch den Fortschritt wirth- schaftlicher Freiheit und die erweiterte Erkenntniss von dem Wesen der Pflanzenernäh- rung eine durchaus veränderte Stellung für die Gesichtspunkte des Betriebes gewonnen. Während man früher mit Recht auf ein gewisses Verhältniss zwischen Acker-, Gras- und Waldland besonderen Weg legte, hat der Futterbau mit der Stallfütterung und die überall erleichterte Zufuhr billiger mineralischer Brennstoffe die Möglichkeit, den Bedarf an Heu und Holz vom eigenen Grunde zu gewinnen, nur noch zu einer Bequemlichkeit gemacht, die da, wo sie nicht in der Bodenbeschaffenheit begründet ist, als ein wirklicher Vortheil nieht erachtet werden darf. Die Bodenmasse aber, die früher als ein dauerndes unverzehrbares Grundkapital erschien, hat sich als ein Vorrath von Nahrungsstoffen erwiesen, der von jeder vegeti- renden Pflanze angegriffen wird, und der je nach der Masse der Ernte dem Wiesenlande und dem Forste, wo wir den Ausfall nicht so leicht bemerken, ebenso ersetzt werden muss, wie dem Acker und Garten, wo er uns oft in sehr kurzer Zeit erheblich fühlbar wird. Für den Wirthschaftsbetrieb ist also die Bodenmasse ein Faktor der Einnahme und Ausgabe, der theils durch die Art der Verwendung zu mehr oder weniger zeh- renden und mehr oder weniger zum Konsum ausserhalb der Wirthschaftsgrenzen be- stimmten Kulturpflanzen, theils durch das Verfahren, den Ersatz zu beschaffen regulirt wird, ob nämlich durch Düngung dem Boden die verzehrten Nahrungsstoffe wirklich von neuem zugeführt, oder nur durch verbesserte Behandlung, durch vermehrte Bearbeitung oder Entwässerung, die bereits vorhandenen Stoffe besser benutzt, aber auch schneller und eingreifender erschöpft werden. Die landwirthschaftliche Statistik sieht sich trotz der anerkannt hohen national- ökonomischen Bedeutung dieses Verhältnisses ausser Stande, in geschlossenen Summen gewissermassen die Rechnung der Ein- und Ausgabe für den Bodenvorrath des Staates anzulegen. Sie vermag nur einzelne Hülfsmittel und Verhältnisszahlen beizubringen, an welche sich mehr oder weniger ausgedehnte Schätzungen knüpfen lassen. Es soll 26 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. in Folgendem versucht werden, das was sich über die bestehende Verwendung des Bo- dens zu den einzelnen Kulturarten, den Verbrauch, den die verschiedenen Kultur- pflanzen im Boden hervorrufen, die Düngungsstoffe, die sich als Ersatz darbieten, und den Einfluss, den Bodenbearbeitung und Entwässerung ausüben, zahlenmässig angeben lässt, nach Werth und Zusammenhang klar zu stellen, A. Verwendung des Bodens zu den verschiedenen Kulturarten, In der Art der Kultur, zu welcher das einzelne Grundstück benutzt wird, ob es dem Anbau als Acker, Garten, Wiese oder Forst unterliegt, übernimmt jede Zeit ein Vermächtniss der vorhergehenden, das nicht schlechthin von der Bodenbeschaffenheit, sondern vielfach von den Besonderheiten der Bevölkerung und des Verkehrs, von dem Umfang des Besitzstandes oder der vorhandenen Mittel, überhaupt von geschichtlich gewordenen Verhältnissen und äusseren Bedingungen mannigfacher Art abhängt. Wie auf den jetzt preussischen Gebieten die Verwendung des Bodens im Laufe der Zeit von niederen zu höheren Kulturarten fortgeschritten ist, davon gewährt die Entwickelung der Besiedelung und Kolonisation, die in allgemeinen Umrissen im Ab- schnitt X. und XI. zu zeichnen versucht wurde, ein hinreichendes Bild. Alle älteren Nachrichten sprechen von grossen Wald- und Weidemassen in Deutschland. Mit der Ausbreitung der Dorfanlagen und dem Aufschwung der Grosswirthschaft griffen Aecker und Wiesen immer mehr in die Wälder und Oeden ein, Einzelne Rückschläge sind denkbar. Es wird aus Ackerbeeten, deren Spuren hier und da in Forsten nachweisbar sind, geschlossen, dass zu Zeiten auch die höhere Kultur der geringwerthigeren ge- wichen, und man darf namentlich mit hinreichendem Rechte dem zojährigen Kriege eine grössere Vereinödung zuschreiben. Seitdem aber ist mit Sicherheit bekannt, dass irgend erhebliche Verminderungen des Kulturlandes nicht mehr stattgefunden haben. Vielmehr führte in neuerer Zeit das Anwachsen der Bevölkerung und die Auftheilung der Gemeinheiten eine bedeutende Vergrösserung des Ackerareals auf Kosten der Weiden und des Oedlandes herbei, und viele Privatforsten sind mit den steigenden Güterpreisen selbst in nicht immer wirthschaftlicher Weise zu Acker gerodet worden. Genauere Angaben würden sich in einigen Landestheilen wie in Schlesien und Westpreussen aus den Grundsteuerveranlagungen Friedrich des Grossen (s. Bd. I. S. 18) herleiten lassen. Einige Vergleichungen gestatten auch Krugs Betrachtungen über den Nationalreichthum des preussischen Staats”), indess bedürfen seine Flächennach- weise so durchgreifender Klarstellungen, Reduktionen und Berichtigungen, dass sie nicht ohne Weiteres verwendbar sind. Die späteren Zusammenstellungen in v. Lengerke’s landwirthschaftlicher Statistik (Berlin 1840 Bd. I. S. 392) und in Schuberts Staatskunde Preussens (Königsberg 1848 Bd. II. S. 9) beruhen nur auf Privatschätzungen. Die ersten amtlichen Erhebungen (vergl. Bd. I. S. 5 unter f.) wurden 1849 bei Gelegenheit der Volkszählung gemacht. Ihr Ergebniss ist in den Mittheilungen des statistischen Büreaus von 1852 No. 5 bis 6 wiedergegeben. Auch sie konnten jedoch bei dem Mangel einer Landesvermessung nur aus mehr oder weniger lückenhaften Angaben der Besitzer geschöpft und nicht ohne berichtigende Annahmen zusammengestellt *) S. a. ang. O. Bd. I. 8. 33 ff. und 131 ff. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 97 werden*). Die in den Zahlen der Grundsteuerveranlagung hervortretenden grossen Abwei- chungen von dieser Erhebung sind desshalb in keiner Weise als der Ausdruck der in- zwischen vorgegangenen Veränderungen zu betrachten, vielmehr bieten die Resultate des Katasters zum erstenmal eine zuverlässige Grundlage. Tabelle A. der Anlagen ergiebt, wie viel Fläche bei der Katastrirung in jedem Kreise an grundsteuerfreien Hausstellen, Ackerland, Gärten, Wiesen, Weiden, Holzungen, Wasserstücken, Oedland, Unland und den zu öffentlichen Zwecken benutzten und dess- halb als ertraglos erachteten Grundstücken an Land, (Wegen, Bahnen) oder an Wasser (Gewässern, Kanälen) vorgefunden worden ist, und zeigt zugleich in den Kolonnen 53—63 das obwaltende Prozentverhältniss. a den näheren Merkmalen für die Unterscheidung der Kultnrarten, wie sie Bd.I. S. 27 angiebt, wird ersichtlich, dass eine ganz scharfe Trennung der einzelnen De nduneweisen dem Zwecke des Verfahrens nach allerdings nicht erreichbar war. Unter den Hofstellen sind die Hausgärten von ı Morgen Grösse und weniger (Bad. I. S. 22) mit einbegriffen, welche theils als Garten, theils als Acker oder als Wiese nutzbar sein können. Der schwierig abzugrenzende Begriff des Gartenlandes ist streng landwirthschaftlich aufgefasst worden. Die Bedingung der Einfriedigung ist als zu wenig zutreffend ganz ausser Rücksicht geblieben, auch sind Parkanlagen, Forst und Lustgärten in die nach der Besonderheit der vorgefundenen Nutzung vorwiegende Kul- turart eingeordnet; alsGärten sind desshalb ausschliesslich solche Ländereien veranlagt, welche der Hauptsache nach zum Anbau von Gemüsen, Hackfrüchten, Handelsgewächsen, Sämereien, Obst, Wein, Blumen oder als Baumschulen benutzt werden. Die übrigen Bezeichnungen stehen dem gewöhnlichen Wortgebrauche näher. Alle Flächenabsehnitte aber sind stets derjenigen Kulturart zugeschrieben, deren Merkmale sie ihrer haupt- untergeordnete Theile derselben, welche nicht als können desshalb auch anderen Nutzungen sächlichsten Nutzung nach besitzen; besondere Abschnitte ausgeschieden wurden, angehören. Grundsätzlich waren Kulturmassen von einer geringeren Grösse als r Morgen zu der umschliessenden Kulturmasse, oder falls sie von verschiedenen Kulturarten be- grenzt waren, zu derjenigen der letzteren zu ziehen, welcher sie nach ihrer Beschaffen- heit und ihrem Ertrage am nächsten kommen. Die kleinen Abweichungen von der Wirklichkeit aber, welche aus diesen Aushülfs- mitteln, zu denen jede Katastraleinschätzung greifen muss, folgen, sind selbstredend für die Genauigkeit der Hauptergebnisse durchaus verschwindend. Auf je 1000 Morgen Gesammtfläche berechnet lässt sich das Verhältniss der Ver- wendung des Bodens und forstwirthschaftlichen Nutzungsweisen für die einzelnen Provinzen und den gesammten Staat zu umstehender innerhalb der verschiedenen land- einfachen Uebersicht [a] zusammenziehen: *) Die früheren Angaben schätzen den Staat: Totalfläche in| Aecker Weinberge | Wiesen | Waldungen Produktive Wasser, Wege, Morgen u. Gärten | Weiden Fläche Unland v. Malchus 1826 | 108 065 658/42 767 900 (Wein 54000), 20436000) 25754000| 91051900 17013758 Schubert... .. | 112 899 356 46 500000 850 000) 22 500000 24.900 000) 94750000 18149356 Dieteriei ... . | 10066 967| 49124742| 1450 988) 17 260 882|23 705 557 91542169 18524798 v. Lengerke (ohne | | Pr. Preussen u. Posen) | 72 437 845, 32862691] 792738 17516584 15783713) 68188950) 4613900 DieGrundsteuer| 108 829 750 55 146 079| 778 024 1834777526 800029 101071907| 7757 843 ergiebt dafür || 72071070, 36 047902, 643 139| 11485 320| 19446 822| 67623 183| 4.447 887 28 XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Von je ro0oo Morgen Gesammtfläche waren Haus- Wegen und Benutzung zu Hof- % ge Was- öffentlichen Acker-| Wein- | Gär- - Holz- Br Oed- Zwecken 2 a stellen in der Provinz | una | land |gärten| ten ungen ertraglose, Haus- Grundstücke gärten stücke| land Land |Wasser Mrg. Mrg. Mrg. “ Mrg. Mrg. | Mrg. 3. 4. Preussen Brandenburg Schlesien... . Sachsen ee Westfalen ... Rheinland DHHBHHOH RB oOoOo0o Oo oo +A—=s im Staate | 10 Den einzelnen Kulturarten nach nehmen also die Hofstellen gegenwärtig in den südlichen Provinzen ungefähr "/mal mehr Fläche als in den nördlichen ein. Das meiste Ackerland besitzt Posen, demnächst Sachsen, dann folgen Pommern, Schlesien, Preussen, Brandenburg, dann erst Rheinland und zuletzt Westfalen. Die grosse Fläche von etwa ı80 Morgen auf je 1000, um welche die südlichen Provinzen im Ackerlande gegen die nördlichen zurückstehen, wird durch das Gartenland durch- aus nicht ersetzt; dasselbe steigt in den südlichen Provinzen nur auf die doppelte verhältnissmässige Ausdehnung, die es in den nördlichen besitzt. Die meisten Wiesen enthält Preussen, demnächst Pommern und Brandenburg, dann Sachsen, Schlesien und Posen, die wenigsten Westfalen und der Rhein. Dagegen zeigt Westfalen so viele Weiden, dass es alle Provinzen weit überragt. Mit um mehr als die Hälfte weniger Weiden folgen dann Preussen, Rheinland und Pommern. Sehr wenig Weideland besitzen Sachsen, Posen und Brandenburg und in Schlesien ist es beinahe ganz beseitigt. Die meisten Forsten enthält Brandenburg, dann folgen Rheinland, Schlesien, Westfalen, Posen, Sachsen, Preussen, die wenigsten Pommern. Unnutzbare Flächen sind in Preussen, demnächst in Pommern und Brandenburg am grössten, sehr viel geringere Ausdehnung haben sie in Sachsen, Posen, Rheinland und Schlesien, die geringste in Westfalen. Preussen und Pommern zeigen also ein starkes Acker- und Wiesen- und ein geringes Forstverhältniss, Posen besitzt besonders viel Acker, Brandenburg wenig Acker und die verhältnissmässig grössten Forsten. Schlesien und Sachsen haben viel Ackerland, wenig Wiesen und mittlen Forstbestand, Westfalen ist besonders arm an Acker, beson- ders reich an Weiden, die Rheinprovinz erreicht nur ein mittles Acker- und Wiesen- verhältniss, dagegen besitzt sie viel Forst. Wenn man bei Vergleichung dieser Zahlen bedenkt, dass die Rolle der äusser- sten Kulturgrenze, welche dem Rhein schon unter den ersten römischen Kaisern zufiel, XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 29 der Elbe erst 800 Jahre später unter den Karolingern, dem Niemen kaum 1250 unter dem deutschen Orden vorbehalten war, so überrascht es, dass die westlichen Land- striche keineswegs die überwiegenden Flächen Kulturland besitzen. Selbst das Mehr des ertraglosen Landes ist dem Nordosten nicht anzurechnen, weil es sich auf den Meeresstrand und die grossen Seeflächen zurückführt. Gleichwohl bleibt noch heut die Bevölkerungszahl des Nordostens gegen die des Südwestens weit zurück, und die Reinerträge des Bodens haben nahezu dasselbe Verhältniss wie die Bevölkerung. Es hat sich also die Vermehrung der Volkszahl und die entsprechende Entwickelung der Bodenausnutzung den niederen Kulturarten und namentlich dem Forst nicht in dem Grade feindlich erwiesen, als es nach allgemeinen Gesichtspunkten angenommen werden könnte. — Zieht man die gewonnenen Zahlen mit Rücksicht auf den landwirthschaftlichen Charakter der Nutzung, also das Verhältniss der frucht-, gras- und holztragenden Flächen zu einem einfacheren Bilde zusammen, so ergeben sich folgende Verhältnisse: [b] Es kommen auf ıooo Morgen Gesammtfläche Fruchttragende Grastragende Fläche Fläche Holz- Fast ARTE tragende |ertraglose in der Provinz -- unter unter - . Spaten- Acker- Müheland | Weidelana | Fläche Fläche kultur kultur — Preussen Pommern Posen Brandenburg Schlesien Sachsen Westfalen 77 250 Rheinland 76 | 174 | 514 9 | 531 172 Leider lässt sich nicht feststellen, wie sich die Kulturarten auf die im Ab schnitt IX. und der Tabelle D. der Anlagen gemachten Unterscheidungen des Bodens in Lehm-, Thon-, Sand-, Moor- und Kalkboden vertheilen. Indess ist das Verhältniss der Hauptbodenarten zum Kulturlande wenigstens in den Gesammtzahlen vergleichbar. Nach den Bd. I. S. 298 gemachten Unterscheidungen umfassen je rooo Morgen Ge- sammtfläche: 30 XVH. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. fe] GünstigeLehm- nnd Thon- | Ge- Ungtinstige Thonböden und Kalk- böden mischte| Sand- und Moorböden lager na sandige unter In den grauer] Lehm- B | 5 den Lehm | Lehm Lehm und |raner NIESEE günsti- gen Lehm | Sand- | Moor- ee Böden Fluss- | SAnd- auf der) boden | boden nen böden | Höhe Böden Provinzen J,ufder| (Thon) | lehmige | Thon) Höhe ‚in den | niederungen I 4. 5. 6. | Preussen ... | ıııı 18 | 7| 4517| 33 |299 | 44 | 37 | (n)| 587 | 735 | 7919 Pommern... 6 2 2| 448 | — | 354 | 102 30 | (14)| 509 | 748 | 68,1 Posen..... 53, 14 m2| 4890| 15 336 | zo| 20 | (0.)| 559 | 744 | 75, Brandenburg. | 48 | — | 4ı| 355 14 | 425 87 | 30 | (0) | 444 | 623 | 71,3 Schlesien... | 229 | 46 | 31 | 285 | 62 | 313 | 221 12 | (23)| sgr | 669, | 88,4 Sachsen......1,272.11 1,82 | 26 | 195 | 228 | 251 | 331 13 | (42)| 575 | 757 | 76° Westfalen .. | 430 | 40 | ıt | 105 | 124 | 246 | 43 ı | (118) 586 | 689 | 85,x Rheinland .. | 236 | 44 | 34 | 217 360.12,885 10.77, 3 | (59)| 531 | 656 | 81,0 Staat | 158 | 27 | 20 | 344 | 77 | 300 | 52 | 22 | @a] 549 | 703 | 78 Das Kulturland an Acker, Wiese und Weide erstreckt sich also in allen Pro- vinzen in ziemlich grosser Ausdehnung auch über die ungünstigeren Böden. Dies ist indess in Pommern und Brandenburg in viel höherem Grade der Fall, als in Schlesien und Westfalen. Posen und Sachsen einerseits und Preussen und Rheinland andererseits stehen darin dem Durchschnitt des Staates näher. Wie sich die Frage nach dem Verhältniss der Kulturarten im Einzelnen be- antwortet, in welchen Flächengrössen und auf welchen Bodenarten sich Holz- und Grasland gegenüber dem Ackerlande in den verschiedenen grösseren und kleineren‘ Ab- schnitten des Landes vertheilen, darüber stehen vorläufig nur die erwähnten Verhältniss- zahlen der Tabelle A. zu Gebote, welche zum Theil in sehr nahe benachbarten Distrikten sehr grosse Verschiedenheiten nachweisen und bei der speziellen Besprechung des Ackerbaues und der Wiesen- und Forstwirthschaft in Betracht zu ziehen sind. B. Verbrauch der Bodenmasse durch den Wirthschaftsbetrieb. Der durch die verschiedenen land- und forstwirthschaftlichen Betriebsweisen im Boden entstehende Verbrauch an Pflanzennahrungsstoffen ist für jedes Grundstück hin- reichend genauer Berechnung fähig, dessen Ernte man nach Qualität und Quantität kennt, Die Stoffe. die sich als Inhalt einer solchen Erntemasse nach den einzelnen Pflanzen- gattungen und den verschiedenen Theilen des pflanzlichen Organismus berechnen, stehen genügend fest. Sie müssen entweder dem Boden oder der Atmosphäre entnommen sein. Als Mineralmassen, welche die Vegetabilien je nach ihrer Art für den Zweck ihrer Ernährung in sich aufnehmen, finden sich in der Asche der verschiedenen Pflanzen- körper: Kali, Natron, Kalk, Talkerde, Eisen- und Manganoxyde, 'Thonerde, Phosphor- säure, Schwefelsäure, Kieselsäure, Chlor und zuweilen auch Jod und Brom; an so- genannten organischen, d. h. verbrennbaren und flüchtigen Bestandtheilen *) enthalten die *) Der Begriff der organischen Stoffe, der auf der Idee beruhte, dass dieselben schlechterdings nur unter Einwirkung der organischen Lebensakte erzeugt werden könnten, ist seit der auf unorganischem Wege erreichten Herstellung von Harnstoff, Oxalsäure u. a. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 31 Pflanzen in der einfachen Form des Elements oder als Verbindungen: Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff und zuweilen Phosphor und Schwefel. Das Verhältniss, in welchem sich die mineralischen Stoffe in den ursprünglichen Ge- steinen, die den Kulturboden bilden, vorfinden, ergiebt sich aus der Bd. I. S. 176 mit- getheilten Uebersicht. Je nach der Menge, in der diese einfachen Gesteine im Boden vorhanden sind, und je nachdem ihre Verwitterung mehr oder weniger vorgeschritten ist, werden sie, wie Abschnitt VII. eingehender besprochen hat, in der Bodenmasse ungelöst, oder mehr oder weniger fein zertheilt und gelöst vorgefunden werden, oder auch schon in verschiedener Art verbraucht, ausgewaschen und fortgeführt sein. Einige derselben, Brom, Jod, Thonerde, wahrscheinlich auch das in der Regel durch Kali vertretbare Natron scheinen zum Bestehen der Pflanzen nicht unumgänglich nöthig zu sein. Alle übrigen haben physiologisch darin gleiche Bedeutung, dass sie der Pflanze als unentbehrliche Nahrungsmittel zur Verfügung stehen müssen, wenn sie normal gedeihen soll. Thatsächlich aber erhalten sie durch ihr mehr oder weniger häufiges, oft ungenügendes Vorkommen in der Natur, und je nach dem leichter ein- tretenden Mangel verschiedenen Werth, und in diesem Sinne ist es z. B. wichtiger Kali und Phosphorsäure, die selten besonders reich auftreten, im Boden nachzuweisen, als Kieselsäure oder Eisen, die sich, wie die Gesteinzusammensetzungen zeigen, überall in genügender Masse vorfinden. Für die aus der Luft zugeführten Nahrungsstoffe ist die Atmosphäre bezüglich des Sanerstoffs, Wasserstoffs und Kohlenstofls eine unerschöpfliche und jederzeit er- schlossene Quelle. An sich ist die Luft zwar nur ein mechanisches Gemenge von, dem Gewicht nach, 76, dem Volum nach, 79 Theilen Stickstoff und nach Gewicht 23 ;, nachV olum 21 Theilen Sauerstoff. Sie enthält indess stets gewisse Mengen Wasser beigemischt, dessen Beziehung zur Temperatur in Band I. 8. 138 besprochen ist“). Ebenso finden sich immer geringe gasförmige Mengen Kohlensäure (CO?) der Luft eingemengt, durchschnittlich in der freien, trockenen Luft 0,0, pÜt. dem Gewicht, 0,5 pCt. dem Volumen nach. Die Luft im Regenwasser und im Boden ist jedoch bedeutend reicher an Kohlensäure, denn das Volumen der letzteren beträgt in der dem Regenwasser bei- gemischten Luft bis 2,46 pCt. und der Kohlensäuregehalt der Luft in den Poren des Bodens ist 22 bis 23 Mal grösser, als jener der freien Luft; in der frisch gedüngten Erde steigt er sogar bis auf das 245fache. Ueberall vermehrt sich mit der Menge der Verwesungs-, Verbrennungs- und Athmungsvorgänge der Kohlensäuregehalt; ein ausgewachsener Mensch athmet stündlich etwa 55 Gramme Kohlensäure aus. Diese Mischungsverhältnisse stellen, abgesehen von vorübergehender Trockenheit, das Be- dürfniss der Vegetation an Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenstoff auch ohne Rücksicht auf die Bodenbestandtheile sicher. Nieht das gleiche Verhältniss besteht bezüglich des Stiekstofls. Derselbe durch- dringt zwar die Pflanze überall als Theil der Luftmasse, er geht aber ausserordentlich schwer in Verbindungen irgend welcher Art ein, und kann gleichwohl, wie es scheint, nur aus solchen Verbindungen in den pflanzlichen Organismus selbst aufgenommen werden. nicht mehr scharf; für die Analyse organischer Körper aber ist es üblich geworden, Alles, was nach der Trocknung der Verbrennung nicht widersteht, als organische Stoffe oder orga- nische Substanz zusammenzufassen. *) Das Wasser in der Luft wird bei 12°Reaum. Wärme nicht eher als Nebel sicht- bar, ehe es nicht 1,7 pCt., bei + 24°, ehe es nicht 3,7 pCt. des ganzen Volumens beträgt. 32 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Eine dieser Verbindungen, das Ammonium (NH‘) in seiner Oxydation zu Ammo- niak (NH O), findet sich allerdings, mit Kohlensäure!) vereinigt, den niederen Schich- ten der Luft in erheblicher Verbreitung gasförmig beigemengt, ist aber in diesem Auf- treten mit grosser Bestimmtheit auf den Durchgang durch Organismen, auf Fäulniss-, Verbrennungs- und Athmungsprozesse zurückzuführen. Je nach der Nähe soleher Vor- gänge schwankt die Menge des Ammoniaks in der Luft sehr bedeutend. Nach Grouven ?) giebt ein Mann täglich etwa 50, ein Zugochs 300, ein Mastochs 700, eine Kuh 150, ein Schwein 200, ein Hammel oder eine Ziege 38 Milligr. an die Luft ab. Der Ammoniak- gehalt der Luft wird o, bis 43,0 in einer Million Gewichtstheile derselben angeschlagen. Die Quelle aber, aus der die Organismen dies Ammoniak erlangt haben, bleibt der elementare Stickstoff der Atmosphäre. Nach den Schönbeinschen Unter- suchungen geht derselbe bei der Verdunstung von Wasser, durch Zerfallen äusserst ge- ringer Quantitäten Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, mit diesen die Verbindung zu salpetrigsaurem Ammoniak ein*®); letzteres wird dann durch Aufnahme von freiem Sauerstoff aus der Luft zu salpetersaurem Ammoniak‘). Beide Verbindungen finden sich im Regenwasser. Auch ist erwiesen, dass Salpetersäure unter günstigen Umstän- den durch Vermittelung des Blitzes in der Luft entstehen kann. Die elektrischen Ent- ladungen modifiziren, wie man annimmt, den Sauerstoff in das knoblauchartig rieehende Ozon, in weleher Modifikation er die Eigenschaft besitzt, Verbindungen leichter als in seiner gewöhnlichen Form einzugehen, und durch diese grössere Aktivität, wie es scheint, den Stickstoff zu der Bildung von Salpetersäure bestimmt, die sich an die ge- dachten Ammoniakgase bindet und im Regen niederfällt. Dass die Pflanze salpetersaure Salze als Nahrung in sich aufnimmt, ist erwiesen °), ob sie auch Ammoniak aufzunehmen ‘) In der Regel als doppeltkohlensaures (N H 'O) + (C 0°)? [oder, wenn Ammoniak als NH3 + HO aufgefasst wird, NH? + (CO?)? + HO]; anderthalbkohlensaures (NH 0)? + (C O2)3 hält sich an der Luft nicht, 2) Jahresb. a. a. O. Jahrg. VII. S. 322. — 2. Bericht von Salzmünde, Berlin 1864. °) 2 Gewichtstheile Stickstoff (N) der Luft gestalten sich mit 4 Gewichtstheilen Wasser (HO) zu NH:O + NO? [oder, wie in Note r zu NH? + NO3 + HO]. 4) NH:O + N O3 tritt mit 2 O zu NH'O + NO> zusammen. 5) Jahresbericht a.a. O. Jahrg. VO. S. 165, 177. VIII. 185: Die grosse Bedeutung der Salpetersäure für die Lösung und Oxydation der Pflanzennahrungsstoffe ergiebt sich aus ihrem Verhalten zum Sauerstoff. Mit einer metallischen oder unvollkommen oxydirten Base in Berührung gebracht, zerfällt die Salpetersäure, soweit dies zur Oxydation der Base nöthig, in Stickstoffoxyd (Salpetergas) NO® und in (3 Theile) Sauerstoff O3. Letzterer geht an die Base, NO? besteht fort und hat die Eigenschaft, bei Berührung mit der Luft einen Theil Sauerstoff aus derselben aufzunehmen, sich also in N O3 d.h. salpetrige Säure zu verwandeln. Diese zerfällt mit Wasser wieder in Salpetersäure und Stickstoffoxyd z. B. 3 NO3 + Ag. werden 2 NO? -+ NO5 + Aq. Auf diesem Wege wird nach und nach der Sauerstoffverlust der Salpetersäure wieder ergänzt. Im Boden sind die Vorgänge in Gegenwart zahlreicher Agentien komplizirter, aber gleichwohl energischer. Das bei der regelmässig verlaufenden Gährung stickstoffhaltiger, organischer Körper sich bildende Ammoniak steht zwar einem Alkali im Verhalten gleich, findet aber, wenn keine anderen Mittelglieder wirksam werden, wie es scheint, durch die Verdichtung der Gase in den Poren leicht die nöthigen Mengen Sauerstoff zu seiner Ueberführung in Salpetersäure. Gehen aber stickstoffhaltige, organische Körper bei hinreichendem Luftzutritt unter Gegenwart einer Base in Fäulniss über, so bilden sich unmittelbar salpetersaure Salze. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 33 vermag, ist zweifelhaft, dass sie aber den elementaren Stickstoff zu verbrauchen vermöchte, erscheint höchst unwahrscheinlich, und ist jedenfalls nur unter sehr seltenen Verhält- Es darf also bei dieser Sachlage der Stickstoffgehalt der Pflanzen im wesentlichen als ebenso wie der Gehalt an Mineralbestandtheilen durch die Bodenmasse nissen möglich, vermittelt angesehen werden, die ihn vor der Verwendung aufsammeln muss. Nach allem ist der den Werth der Bodenmasse, soweit sie nicht überreich ist, entschieden verringernde Verlust durch die Ernte als Regel gleich dem Verbrauch an Stickstoff und den selteneren Mineralstoffen zu setzen, die sich in der geernteten Pflanzen- masse vorfinden. Das Verhältniss dieser Pflanzennahrungsstoffe in den Hauptbodenarten lässt sich nur durch Beispiele verdeutlichen. Die umstehende Uebersicht [e] giebt die Stoffe zugleich nach ihrer Löslichkeit und nach den Veränderungen, welche durch den Ver- brauch im landwirthschaftlichen oder forstlichen Betriebe herbeigeführt worden sind*). *) Die in die erste Kolonne der Uebersicht gestellte Bezeichnung der Bodenart schliesst sich den für die Bodenkarte Bd. I. S. 187 und 297 gemachten Unterscheidungen an. 'Thaer, in der rationellen Landwirthschaft S. 163, stellt als Anhalt für die Abstufung und durchschnittliche Mischung der allgemeinen Bodenarten folgende Tabelle auf: [d] Bodenarten Prozentverhältniss |[Werths- = verhält- nach der Zusammensetzung nach der Hauptfrucht Thon Sand Kalk |Humus | niss I. Humoser 'Thonboden .| starker Weizenboden. ..| 74 Io 4,5 | II, | Ioo 2. Humoser strengerBoden desgl. 81 6 4 8,66) 98 B: desgl. desgl. 79 10 4 6,5 96 4. Reicher Mergelboden . desgl. .| 40 22 36 4 (70) 5. Humoser loser Boden. | Wiesen- oder Aueboden..| 14 49 Io 27 ? 6. Humoser Sandboden .| starker Gerstenboden ..| 20 67 3 Io 78 7. Reicher Thonboden. .| starker Weizenboden 58 36 2 4 77 8. Mergelboden. ... . . Weizenboden ....... 56 30 12 2 75 9. Thonboden.. ....» despl Eee 60 38 Eee 2 70 10. Lehmboden.....: . degli a ee 48 5o deu- 1 2 65 Br deseli@l 21... 0er desolsule 3) re 68 30, |),tend { 2 60 Borndeselui nceeuie- Gerstenboden I. Art ..| 38 16 _ 2 60 rdesmlis in. er2nän..eie Gerstenboden II. Art ..| 33 65 _ 2 50 14. Sandiger Lehmboden . desgl. 28 70 E 2 PTe) 15. desgl. “| Haferboden „....... 23:5. 75 _ L,5 30 16. Lehmiger Sandboden . des Er: 18,5 | 80 _ INS 20 17. desgl. Roggenboden „.......| 14 85 _ I 15 18. Sandboden ....... dee nuccee. 9 90 = I 16) ou adesplEi nn... nen 6jähriger Roggenboden . 4 95 _ 0,75 5 ZoSsdenplr 2. gjähriger Roggenboden . 2 9715 zn 0,5 2 Die Bearbeiter der Bodenkunde haben dieses Schema vielfach ausgebaut; im ganzen aber lässt sich kaum bezweifeln, dass, bei der Unsicherheit über die sonstigen Mineral- bestandtheile und ihre Löslichkeit wie über die physikalisch begründete Tragbarkeit, der Gesammteindruck sicherer, als das Verhältniss der abschlämmbaren Thon- oder Humustheile darüber entscheidet, welcher dieser in allgemeine Uebung gekommenen Hauptunterscheidungen der örtliche Boden seinem Charakter nach zuzurechnen ist. Boden d. preuss, Staates. II. 3 34 XV. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. [Le] In je r00000 Theilen der Bodenart, Lage Dres nische und Darin Phos- | Schwe- brenn- | Stick- Kali | Natron phor- fel- Kulturverhältnisse. liche 3 > und stoff säure säure flüch- tige) 1. 2: 3. 4. 3. % % 8. 9. 10. Lehm- I. Weizenböden | a. Seitendorfer fin Wasserlöslich 231) 4 4 I boden , von Frankensteinin | Ackerkrume, in verdünnt. Sal- auf | Schlesien welche weissen | petersäure lösl.|) 3 520 B 38. 5 64 7 der Weizen erzeugt | Gesammtmasse & 139 . Höhe b. Lampersdor- [inWasser löslich 18 *) Spur I 2 II I fer Ackerkrume, [in verdünnt. Sal- in welcher erfpetersäure lösl.| 4130 . 67 3 39 13 nicht weiss bleibt| Gesammtmasse 144 d 2. Rübenbödenvon | a. Erdfallbreite | inWasser löslich 24 3 5,5| wenig, Spur Schlanstedt (r'/a M. in Salzsäure lösl.| . E 203 46 | 107 61 W. v. Oschersleben) Gesammtmasse | 7236| ııı \1929 1166 a tragen seitigJahren | p, Bartelsbreite |in Wasser löslich 79 85 4 | Spur | wenig fast jedes 2. Jahr inSalzsäurelösl.| . & 185 | 123 | 85 44 Zuckerrüben. Klee Gesammtmasse | 4322) 68 |18ı3 [1537 sedeihuz jetzt nicht ce. Eilsdorfer- JinWasser löslich 71 Io 5,5| etwas | etwas mehr, Luzerne und breite in Salzsäure lösl. E - 149 46 | ı31 198 BR Bee Gesammtmasse | 3903| 81 791 844 . treftlich 3. Hopfenböden | a. Kyllburg 2/2 | inWasser löslich 82 . . . ö Untergrund ausdem |Fuss. Beste Ho-| Gesammtmasse 1 820 I0Io 159 37 | wenig Banne Bitburg pfenlage a.Rhein b. Berlenborn | inWasser löslich 76 . . . . 2Fusstief, inder | Gesammtmasse | 2 300 2815 621 92 | wenig Krume viel Kalk- stein Lehm- I. Weserfluss- | von Förste (2M.| Gesammtmasse | 1300 400 | 800 | 470 Io und | marschboden unterh. Höxter) Thon-| ,, Marschboden a. Wühlerde desgl. 6. 012 1929 |123I 41 | 3043 boden | aus dem Oldenbur- | sehr fruchtbar in den | gischen b. Knick sehr desgl. 4221 2316 |1563 | Spur | Spur Kluss- unfruchtbar, un- Rz durchlassend, er- nn härtend ce. Pulvererde desgl. 8571 2171 |1642 | Spur 640 undurchl., sauer 3. Seemarschboden | von Dornum in desgl. 900 Ioo | 200 | 300 100 der Nordsee Ostfriesland *) Ammoniak-Niederschlag. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 35 trockenen Bodenmasse sind enthalten: Wasser Kieselsäure Auch Zu- han nachge- sammen = Kohlen- Magne- Thon- | Eisen- | Eisen- | wiesene tende | Analytiker. Mineral-| Ohne Chlor Kalk stoffe Kraft säure sia un- erde oxyd | oxydul (meist den ’ löslich löslich Be ea) Nidy lösliche Silikate) | verlust 16. 20. Spur . 6 I 2 5 . E. Peters (Chemi- scher Ackersmann 1860 8. 223. — R. 24I 67 6o 450 996 . . Hoffmanns Jahres- z R 95 533 |r00 000 44 bericht, Jahrg. IV. 8. 34). Spur 10 | Spur 8 202 7 74 540) 1881 - $ : 92 964 |toocoo| 44,8 ET mn Spur 5 2,5 4,5 ‘ 6,6 . v. Jarriges (ebend. 1861 8.83 u. Jahrg. s 346| 226 | 113 5.070 - IV. 8. 36). . 3 e 83 726 |Ioo000| 61 wenig) . 16 3,5 85 85 . . 755| 234 | 100 4 860 5 3 2 ® ö 86 241 |1ooo00| 66 etwas . 79 5,5 30 2,5 . . ö h 2808| 417 | 103 4129 B o a s ß < 86 576 JIrooc00| 53 u u . . . . . . . 54 . . C. Kamrodt (Jahres- wenig | Spur 157| 722 [12596 8327|) 4312 69 240| 98 380 5 a Jhrg. VIIT. ; 3 z - : x : Sallmar : wenig | Spur 940 1888 |36040 14 956| 10440 22 940| 93 532 2 | ———— 20 1 000 | I 200 81 000 7200| 6300 99 980 - | Sprengel (R. Hoffm. —— — Agrikulturchemie 8. 55.) Spur | 2496| 5341/1506 |1259 |62 131] 10000) 4028| 1534 100 551 - | Wicke (Journal für Landwirthsch. 1862 S. 374. Jahresbe- Spur | 188] 9goo|ı363 | 640 |70456| ı1044| 6949 862 100502| . richt, Jahrg. V.S. 49). Spur | 251] 646|1078 | 575 |67009| 10920) 6547| 832 100 882 s ee ze 30 1000| 700 87 400 2800| 5 300 98 830 - 36 VXU. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. [e] In je 100000 Theilen der Bodenart, Lage Diez; nische Stofle P und en Darin Phos- | Schwe- brenn- | Stick- Kali | Natron | phor- fel- Kulturverhältnisse. liche : | E E und stofl säure | säure flüch- tige) I 2. 3. 4. BalRe: 7: .| 28. |asaEn WAHRE ' Ge- | Lehmiger Waldbo-) a. Lange von|inWasserlöslich 720 | 5 misch- den des Königlich | Streurechen ge- | in Salzsäure lösl. 5 E 1532| . | 16 61 ter | sächsischen Werms- | schonter Ober-| Gesammtmasse | 10400) 865 IR [Re . | San 2) san- | dorfer Forstreviers | grund | icer | S mer | = rn) lan ee | diger | (4 M.S. v. Torgau) | ». Kurze Zeit|inWasser löslich 780er ar C . Lehm geschonter in Salzsäure lösl. b - 1670|, 7% und | Gesammtmasse |II400) 955 KR | leh- | = r en 5 | ec. Nicht ge- JinWasserlöslich 530 | I. 3 3 iger | GER a 2 | S | schonter in Salzsäure lösl. 0 E 144 | 159 75 and- | | Gesammtmasse | 9900| 710 3 Ale B S boden | = Sand- | r. Sandboden aus | von Königssaal | inWasser löslich 33,2 - 2,ı | 0,9 | Spur | Spur boden) dem Moldauthal (S. v. Prag) in Säure löslich |! 2143| > 128,6 . | in Säure unlösl. b a 200,8 a h S | Gesammtmasse | 2100) 126 4172 0,9 128,6| Spur 2. Heidesand-Wald-| a. von Streu- | inWasser löslich 220 0 ä © 6 a ion. i® ® N - .- | boden des Königl. | rechen geschont | in Salzsäure lösl. B 50 2 42 27 sächsischen Reud- Gesammtmasse | 2780| 129 - . - . De TR b. Nicht ge-[inWasser löslich Gola: : - 8 0 2M.S.v. ZEN Rt: = @: v. Torgau) | „chont in Salzsäure lösl. ; e 34 ® 35 16 Gesammtmasse | 1010) 66 se o B 5 | uhr —— u 3. Heideboden der | von Steinhof(2V2} Gesammtmasse [14790 - 6o | 10 20 Lüneburger Heide | M.S. v. Gifhorn) | = | | 4. Dünensand von Meppen Gesammtmasse b 0 3 ö R | | I | Moor-| Torfboden | von Tieehobus | inWasser löslich 230 . 21 | 24 | Spur| x boden |in Böhmen in Säure löslich| . | . . | ı13 | 210 2 | in Säure unlösl. letz = 734 5 s | Gesammtmenge [427000 q4or) 21 | 921 | 210 ıL Kalk- | r. Hopfenboden Un- | Nattenheim inWasserlöslich 31) 2 5 © - . boden |tergrund aus dem | 2 Fuss tief Gesammtmasse 1748 - 185 wenig| 35 | wenig r B * | Kreise Bitburg | | | 2. Kreide-Klaibo- |Itenb.Lüneburg, | Gesammtmasse . . 324 64 94 . den(Nordd. Kreide) | sehr fruchtbar XVII. Bodenverwendung. Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 37 trockenen Bodenmasse sind enthalten: | { Wasser Kieselsäure Nicht Zu- hal- 4 nachge- sammen Kohlen- Magne- 'Thon- | Eisen- | Eisen- nn ne tende | Analytiker. Chlor Kalk stoffe Kıafi = B R d i 1 Kraft säure sia Ds un erde oxyd | oxydul (meist den löslich löslich | un- Wasssr- pCt. lösliche | |Silikate)| verlust 5 reellen SE ERPE 23. ee ee a . B . . . . . 96 . . Stöckhardt (Taran- 67 22, 64 a N R R R R P der Jahrbuch 1363 S. 309 und 1864 8. . . . . . . . ° 89 068 |100 000 82 230. Jahresbericht Jahrg. VII. 8. 34). . . . I20 78 | 28 | 68 i . . . 87 970 JI00000f 85 ö B 64 b 62 18 120 : - 6 89 522 |tooo0o0o| 75 Spur I 2,4) Spur . . 39,6 R. Hoffmann (Agri- 1139 Spur | £ 4073| 3 644 8 199 kulturchem, $. 55). | ; 1772 |’ . |85745) 886) - 88 604 Spur 1 |1914 857451 4959 | 3 644 98 910 s 5 u 80 Stöckhardt (w. ob.) 28 IO 28 . . . 97 135 |toooco| 47 R e a 36 c h 32 4) 4 | ; $ : © & 2 98 821 |jrooc00| 34 10 130 30 71 500 7830| 640 ß 99 980 Sprengel (R. Hoffm. Agrikulturchemie | | 8.55). 100 Ioo 98 800 600 300 & 99 990 Desgl. | ——— E 3 92 44 Io . 2 425 R. Hoffmann (Agri- 421 1921 210| 192 > 10.213 13 280 kulturchem. 8.55). | . 87 147 - 129377 8 000 38 395 | 425 | 2100| 4o1| 202 |29377 18215 94 570 | | . . . . 58 ©. Karmrodt (w. ob.) wenig 39 200 49 245| 1440 1855 5420| 99 138 a ronlens: ! 95 606 | 2 734| 793 297 99 912 Gerstenberg Jahres- ber. Jahrg.V.S. 49. 38 XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Die Berechnung der dem Boden durch die Pflanzen entzogenen Nahrungsstoffe kann für ein Wirthschaftsganzes, welches einen beträchtlichen Theil der Ernte durch eigene Konsumtion verzehrt und nur einen gewissen Ueberschuss theils durch Markt- produkte, theils durch ernährte Thiere oder erzeugte Fabrikate aus seinen Grenzen ausführt, selbstredend auch für diese Ausfuhr angelegt, und dadurch der wirklich ent- standene Verlust festgestellt werden. Die nachstehende Tabelle stellt auf Grund sorgfältiger Durchschnittsanalysen den Gehalt der wichtigsten landwirthschaftlichen Ausfuhrgegenstände zusammen, und vermag ebenso den speziellen Wirthschaftsberechnungen als den allgemeinen Ueberschlägen der landwirthschaftlichen Statik zu dienen. Die Spalte ıo grösstentheils, sowie Abschnitt B. sind der Agrikulturchemie von R. Hoffmann (Prag 1866, 8. 228), der Abschnitt A. Sp. 1—9g einer besonderen Bearbeitung von Rautenberg*) entnommen. Danach sind an den für die Vegetation wesentlichsten Bodenbestandtheilen in 100 Pfund enthalten: Ge- [f) sammt- Feuch- Phos- | Kiesel- | menge Natron B a s, der pior saure [Mineral- sub- Stanzen Pfd. . L b h B Pfd. 2. 100 Pfd. enthalten: kigkeit säure A. Weizen (Körner) . | 14,4 | 0,33 | 0,082 | Oyaız | 0,063 | O,859 | Ojoa2 | I,go | 2,20 Roggen (Körner) ....| 143 O,455 | 0,194 | 0,209 | 0,096 | O,g13 | Oyo28 | 1,93 1,70 Hafer mit Spelzen ... | 143 0,376 | O,o6g | 0,203 | 0,089 | 0,476 I,297 2,61 I,7e Gerstenn. ee 14,3 0,403 0,113 0,195 0,056 0,793 0,581 222 I,6o Buchweizen .......| I4o 0,168 | 0,099 | O,114 | Oyogr | 0,448 | 0,006 | 0,92 2,00 Wiesenheu ....... 14,3 1,553 | 0,675 | 0,349 | 0,813 | O,900 | 2,882 8,37 1,60 Kleehenarencrescenee 16,7 I,043 O,301 0,680 2,141 0,602 0,236 6,71 2,10 Erbsen (Körner). ....| 14,3 I,ora | O,ısı | O,190 | O,139 | 0,869 | O,oaı 2,45 3,50 Bohnen (Vicia faba, Kör- G) oe ae | I,ı6o 0,490 | O,zı1 0,187 I,369 0,032 3,68 4,00 Wicken (Vieia sativa, Körner). ce 14,3 0,584 0,292 O,140 0,135 0,714 0,032 2,11 4,00 Bingenate ce ale here 14,3 0,493 0,175 0,035 0,090 O,515 0,019 1,77 3,50 Raps ollallel ein iujelei er ee II,o 0,766 0,070 0,458 O,721 I,531 0,058 3,95 3,00 Rapskuchen .......| Io 1,366 | — 0,825 | 0,608 | 2,060 | 0,487 | 5,59 | 4,32 Rübsen (Körner) .... | IL,o 0,778 — 0,471 | 0,529 | 0,648 _ 4,27 3,00 einsamen. ee... ..| 123 I,ıg5 0,067 | 0,388 | O,500 1,572 | 0,041 3,90 3,50 Beinkuchens ara. . 2 .LY,5 1,445 | 0,092 | Or | 0,538 | 2,197 | — 716 | 4,2 Flachs (ganze ne) . | 14,0 0,732 | 0,160 | 0,276 | 0,466 | 0,330 | I,67ı | 4,30 I,oo Hanfsamen ..... . I2,2 0,967 0,040 0,271 I,ı29 I,745 0,569 4,81 2,60 Hanf (ganze Pflanze). . | 14,0 0,696 | O,ı20 | 0,366 | 1,653 | 0,434 | 0,308 3,96 I,oo Mohnsamen .......| 147 | 0,953 | Oyor2 | 0,664 | 24475 | 2,169 | Ojaa7 | 7,00 | 2,50 Mohnkuchen ....... | IOo 0,070 | 0,375 | 0,364 | 2,359 | 3,176 | 0,497 8,40 5,10 Runkelrübe (Beta vul- garis) . 2.610 87,4 0,360 | 0,279 | O,o27 | 0,024 | O,o62 | 0,023 I,ız 0,17 Zuckerrübe (Beta eicla) 80,2 0,364 | O,o6r | 0,068 | 0,048 | O,114 | O,o25 0,75 0,10 Weisse Rübe (Turnips) | 92,0 0,223 | O,060 | 0,014 | O,o6r | O,067 | O,oro | O,6o 0,20 Weisser Kohl ...... 89,0 0,504 0,042 0,040 I,ı56 O,165 0,012 I,ız 0,24 Kartoffeln (Knollen) 2 75,0 0,704 0,005 0,042 0,017 0,173 0,011 I,o7 0,50 Kartoffelschlempe ejelerie 94,8 O,231 0,940 0,044 0,027 O,1or 0,017 0,60 0,24 Gerstenschlammmehl ... | 11,3 0,943 | 0,070 | 0,382 | O,r23 | I,44r | 0,998 | 4,99 I,8o *, Journal für Landwirthschaft Bd. 8 S. 207. Jahresbericht von R. Hoffmann und E Peters VII. 1864 S. 50. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 39 Ge- [ff sammt- Feuch- Magne- Phos- Kiesel- | menge phor- = der Säure | Saure |Mineral- sub- stanzen Pfd. Pfd. Pfd. 7 RS} 100 Pfd. enthalten: tigkeit SEmot Pressrückstände vou Zuckerrüben ..... 0,22 Biertreber (feucht) ... 0,75 Biertreber (lufttrocken). 2,77 13 6.0, 0.08 00.20.00: 0,05 Vnklı co 5 o0 050 mBAD 0,63 ImFleisch Kalb (Lebendgewicht) . 2,47 Ochs Goweea 2,57 Schaf docam-b2 02. 1,29 Schwene dor teee 221 VYONG 58:0 Go oo ano 12,60 Eier (g— 10 Eier = ı Pfd). 2,10 Buchenholzasche*) ... Eichenholzasche.. . Fichtenholzasche .. Kiefernholzasche . IHOEmIStEN nee ei B. Weizen (Stroh) . Roggen (Stroh) ... . Gersteerdor 7 San Hafer OR: Mais (Kömer)..... Mais (Stroh)... .. Buchweizen (Stroh). Hirse (Körner) .... Hirse (Stroh) .... Erbsen do. .. Bohnen do. Wicken do. Linsen do. Mohn do. Raps dom: Tabak, Blätter u. Stengel Hopfen, Blüthe Weisse Rüben, Blätter ETISCHRr N ee Zuckerrübe, Blätterfrisch 0,320 Kartoffeln, Blätter frisch 0,060 Unzernheur: cs Hate 0,646 Esparsettheu....... 0,336 I,20 *) 100 Gewichtstheile frisch gefällten Holzes enthalten nach Schübler und Hartig durchschnittlich von Rothbuchen 39,7, von 'Traubeneichen 34,7, von Fichten 45,2, von Kiefern 39,7 Wasser. Davon bleiben auch im lufttreckenen Zustande dem Holze noch durchschnittlich 2opCt. Die Asche beträgt in der Regel ;,o, zuweilen aber mehr, so- gar bis "so des verbrannten Holzes. 100 Gewichtstheile der chemisch reinen, (voll- kommen trockenen) Holzfasermasse enthalten 52,65 Kohlenstoff, 5,25 Wasserstoff und 42,10 Sauerstoff. AO XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Es ist thunlich, danach über den Verbrauch an Pflanzennährstoffen annähernde Berechnungen für jede bestimmte Art des Betriebes aufzustellen. So ergiebt sich der Erfolg einer Dreifelderwirthschaft auf den Morgen in folgender Weise*): [s] Ernte- Eh gammt- MR £ 8 R s 1% manse Beispiel einer Drei- menge Kali | Natron Magne Kalk phor- SEE a felderwirthsehaft mit | auf den SE sänre | Säure |Mineral- Morgen sub- Brache Pfad. Pfad. Pfd. Ffd. Pfd. Pfd. Pfd. 7. Il | Körner I 000,00 5133 0,82 | 2,12 0,6 | 859 | Opa: | 18,00 | 2. „ Weizen ! Stroh . 2 000,00 9,60 6,40 | 2156 | 4416 | 64, Beste a 900,00, 3,63 | Io | Iyr6 | Oso | 7 | 5123 | 19,98 | Stroh „| 500,00 | II,7o | 4,50 | 35 | 20170 | 45,00 | In 3 Jahren also dem Te a ea Boden entzogen... . 2 32,09 15,91 19,64 | 70,31 | 146,98 In Marktprodukten wer- | den in diesen 3 Jahren ausgeführt, wenn Kör- ner verkauft und Stroh verfüttert wird .... . | || 7 | || Saar In Marktprodukten wer- den ausgeführt in 3 Jah- ren, wenn die Gerste verbraut und Bier und | Weizen ausgeführtwird, die Abfälle von der Biererzeugung und das Stroh aberin der Wirth- schaft bleiben*) ..... N] Izı | 2,37 | 0,70 | 10,3 O,22 | 24,00 | 22,00 Wenn Körner und Stroh verfüttert werden, kommen alle Stoffe bis auf einen geringen Theil je nach der Nutzung der Thiere wieder in den Boden zurück **), *) Hierbei ist angenommen, dass von den Stoffen der Gerste etwa 70 pCt. Phosphor- säure, 52 pCt. Kali, 86 pCt. Kalk und Talkerde der Wirthschaft in Form von Abfällen zukommen. **) Nach Stöckhardt werden einem Quantum von 350 Otr. Stroh, 45 Ütr. Getreide, 100 Ötr. Heu, 35 Ctr. Hülsenfrüchten, 200 Ctr. Kartoffeln, 350 Ctr. Rüben und 35 Otr. Oelfrüchten entzogen: Phosphorsäure Kali Kalk und Talkerde Stickstoff beim Verfüttern an Milchvieh.. 38 Pfd. 8 Pfd. 5 Pfd. 8 Pfd. a = „ Aufzuchtvieh ı0 „ 2 5 el Er 5 m „ Mastvieh .. 3 2 5% 21/2 6% *) Die Beispiele sind nach R. Hoffmann a. a. O. S. 379 aufgestellt. Berechnungen längerer Wirthschaftsführungen verschiedener Güter enthält der Jahresbericht von R. Hoft- mann und E. Peters VIII. 1865 S. 49, 52; VII. 1864 S. 51. 53, 54, 58, 60; darunter Schlan- stedt, Proskau, Nedlitz u. a. XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 41 Ebenso stellt sich der Verbrauch bei der Fünffelderwirthschaft wie folgt: Ge- [h] Ernte- Phos- sammt- Fa = menge Magne- ö Kiesel- | menge | Stick- Beispiel einer Fünf- auf den An ron sia phor) säure Aal stoff . 2 säure Mineral- felderwirthschaft Morgen oe stanzen Pfad. Pfd. le b ö B b 5 IPHRE Körner. | 1250 0,88 3 or | 19,14 [e) o 1. Jahr Raps . 50,0 9158 ’ 5173 | 9 9 ı73 49,37 | 3715 !Stroh..| ı 500,00 17,10 13,50 | 35 4,50 45,00 7,50 a, Weizen \ Körner I 000,00 5,33 | 0,82 2,12 0,63 | 8,59 0,22 Iß,oo | 22,00 ne Stroh .| 2 000,00 9,60 | 6,40 | 2156 | 44,16 | 64,0) 5,00 Rüben! Wurzeln 13 300,00| 29,66 | 7,98 1,86 | 811 8,91 1,33 | 79,80 | 26,60 3242 ! Blätter -| 4 500,00 18,00 13,50 | I,80o 3,15 45,00 I3,50 4 Gerste ) Körner 900,00 3,63 | I, 1,76 | Oo | 7114 5,23 19,98 | 14,40 a. ! Stroh . I 500,00 II,70 | 4,50 I,35 20,70 45,00 5,00 5. „ Klee.......| 3000,0| 31,29 | 9,03 | 20,40 | 64,23 | 18,06 7188 | 20I,30 | I8,oo I m Tu In den 5 Jahren dem Boden entzogen .. ae 155,62 | 152,25 70,70 | 87,10 | 567,45 | 149,50 In 5 Jahren in Körnern | | | und Wurzeln ausge- | | fuhren: : 4870 | 10,70 | 11,97 In 5 Jahren, wenn nur Körner verkauft wer- | | | | 18,25 43,78 715% 167,15 TOO,50 den, in Marktproduk- | | ten ausgeführt ... 5 1854| 2,7 9,61 10,14 | 34,87 | 6,18 | 87,35 | 73,90 Aehnliche Berechnungen lassen sich für jede Art des land- und forstwirthschaft- lichen Betriebes und selbst für die Einfuhr und Ausfuhr grösserer Landstriche und Gebietstheile anlegen, sofern man dabei gewisse weitere, nicht durchaus unbekannte Faktoren, wie die Ausfuhr in Fabrikaten u. ähnl. genügend in Rücksicht zieht. Ueber den Verlust der Flussgebiete durch die im Wasser fortgeführten Lösungen spricht Bd. I. S. ı18, 174, 220, 271, 290. . Bodenersatz und Bodenverbesserung durch Düngung. Alle Körper, welche dem Boden absichtlich als Ersatz oder als Vermehrung der Pflanzennahrungsstoffe zugeführt werden, bezeichnet man als Dünger. Je mehr die Düngung auf Lösung der vorhandenen Bodenbestandtheile oder auf Verbesserung der physikalischen Eigenschaften der Ackerkrume berechnet wird, steht sie den Zwecken der Bodenbearbeitung näher. Bezüglich der Art des Ersatzes, den sie gewähren, sind die einfachen, sogenannten chemischen Dungmittel am leichtesten einer unmittelbaren und zahlenmässigen Beurthei- lung zugänglich. Die, ihrem Preise nach, verwendbarsten dieser Stoffe nach gewissen Hauptklassen geordnet, zeigen folgende Zusammensetzung”). *) Nach R. Hoffmann a. a. O. S. 369. — Vergl. Erschöpfung und Ersatz bei dem Acker- bau von W. Schumacher, Berlin 1866. 42 XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 1. Dungsalze, gebrannte, und kohlensaure oder schwefelsaure Kalke, (1 Dre Darin Koh- E Darin | Sal- Anden! 100 Gewichtstheile [nische | Stick- Ber 50 | ERO IMO® weite sauren| sauren fel- Saures : Stoffe | st enthalten: a Kalk | Kalk | säure | Kali SeNt a. Dungsalz von Wie- Iozkanee 2,00 . . 90,00 . . 0,50 B . . 715° b. Abfallsalz bei Er- zeugung von Kali- salpetern. le... E . 2 1(92:c0, | Mr 6 6 P 20| - 6,00 e. Kalkofenbruch. ..| . 5 ® s 850 |21,50| . ; > . 170,00") d. Muschel- und Schneckenschalen .| . 0 ® 5 «| 95,00 5 6 . 0,50 | 4,50 e. Kalk aus dem Koh- lensäure-Apparat einer Zuckerfabrik .|27,© | O5 | - . 3,00 | 59,00 | O0 | . 5 . | IO,5o f. Scheideschlamm einer Zuckerfabrik |44,© | I,o| . . |17,0|160| . © E . | 23,00 EGaskalken nn. D r 5 “146,00 | 25,00 |23,00 | - B 6,00 h. Gyps aus Katharein| . . | 1950| -» : 1,00 [73,50 |43,)0| .» - 6,00 i. Künstlicher Gyps . B . « | IO,oo «| 50,00 | 29,50 - «| 40,00 k. Gyps einer Stearin- kerzenfabrik .... F 5 B . | 22,00 | 5I,0o | 30,00 : . | 27,00 1 Pfannstein ....r R ; > B 5 1,00 ı 62,00 |39,0 | . .. [37,00*) m. Oppelsdorfer Schwefelkohle A (Braunkohle, TU M. Schwefelsaures Eisenoxydul O. von Zittau)... .|I0o| . d . ö 5,00 | O,50 | 8,50 16,00 68,50 Schwefelsaures | Natron. n. Salpeterbrote....| . . B o 2 “154,00 96,00 4,00 ') Meist Sand und Thon. *) Mit viel Kochsalz und etwas Kalisalz. Der Werth dieser Stoffe als Dünger beruht zum wesentlichen Theile darauf, dass sie als Aetzmittel auf andere bereits vorhandene Bodenbestandtheile wirken und die gelösten Stoffe durch leicht nutzbare Verbindungen vor Verflüchtigung schützen. Ihrer ätzenden Kräfte wegen ist aber die Anwendung häufig nicht ohne Gefahr. ı Centner Kochsalz macht nach Liebig bei sehr starker Verdünnung 6 Pfund Phosphorsäure löslich*). Aller Kalk, schwefelsaurer leichter als kohlensaurer und im höchsten Masse der Aetzkalk, bindet Säuren im Boden, befördert die Salpeterbildung und wird von Klee, Hülsenfrüchten, Mohn, Buchweizen und anderen Kalkpflanzen stark konsumirt**). *) Düngung mit Kochsalz. Annalen Bd. 27 S. 349 und Bd. 35 S. 281. *) Wirkung des Gypses auf Klee. Annalen Bd. 37 S. 217. — Jahresbericht a. a. O. VIH. S. 264. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 43 Wo es möglich ist, zur Mergelung kalkarmer Ackerböden zu schreiten, muss die aufzufahrende Menge durch den von 4 bis 20 und mehr Prozent schwankenden Kalk- gehalt des Mergels bestimmt, zugleich aber darauf Rücksicht genommen werden, dass durch die überwiegend beigemengten Thone, Silikate und sonstigen Bestandtheile die Gesammtmisehung der Krume überhaupt einer beträchtlichen, den Erfolg beeinflussenden Veränderung unterliegt. Der Anwendung des Mergelns ist schon Bd. II. $.5 gedacht. In der Mark wurde dasselbe, soweit bekannt, zuerst im Nieder-Barnim nach Auffinden der Mergellager von Lanke und Prenden versucht'). Seit Friedrich der Grosse 1765 Prämien darauf setzte, verbreitete es sich allgemeiner, und ist in der Mark so in Uebung gekommen, dass es auf den Feldern mancher Güter schon mehrmals Wiederholung gefunden hat. In neuerer Zeit haben namentlich in Posen und Westpreussen die Mergelungen bedeutende Ausdehnung erlangt). Für zähe Thonböden und für schwammige Torfböden wird auch der reine Sand als Düngung benutzt °). 2. Kali-, phosphorsäure- oder stickstoffreiche Dungmittel. Ihre Zusammensetzung ist durchschnittlich folgende °): Orga- Schwe- Wasser] nische | Stick- Kali |Natron) phor- | fel- und Stoffe Stoffe | stoff a säure | säure | Talk 3. 8. a. Stassfurter Abraumsalz, vgl. BABIES SE200.0 Me ee. : 2 . | 2-200% b. Holzasche mittler Zusammen- setzung, vgl. oben Bd. II. S.39 | 4,o| 10,0 | « 5,00 . | 3,00 | 1,33 | 25,00 | 51,66 c. Torfasche von Gratzen.... | 4o| 1000| . O,50 o 0,30 | Spur | 3,00 | 82,20 desgl. von Lüneburg... | 40] — z O,50 o — | 9,00! 18,00 | 68,50 d. Braunkohlenasche mittler Zu- sammensetzung „2... 0... 4,0| 5,0] » 0,50 B 0,10 | O,50 | 20,00 | 69,90 e. Steinkohlenasche von Kladno | 4,o| 5,0| - Spur - | Spur | 0,33 | 5,00 | 85,66 Kohlen- saurer Kalk f. Seifensiederasche ....... 4oo| 50| - 0,75 o 4,00| 0,33 | 40,00 | 46,00 g. Rübenmelassenschlempe der Spiritusfabriken .... 02... 92,10| 5,60 | O,45 I,70 . 0,025 | O,025 | O,05 | O,50o eingedampft und verkohlt . e . |24-42°/0 Wasser u. Ver- unrei- SR nigung h. Kalisalpeter, Handelswaare . | 5,00 | 50,00 | 13,00| 45,00 . ') Berghaus, Landbuch der Mark Brandenburg Bd.I. S. 182. — Riedel, Uebersicht der Einrichtungen, welche Friedrich der Grosse für das Gedeihen des landwirthschaftlichen Gewerbes in der Mark Brandenburg getroffen. Annalen 1853, Bd. 2ı S. 428. 2) Mergeldüngung von Liebig. Annalen Bd. 24 S. 170. 3) Annalen Bd. 29 S.256. ‘) R. Hoffmann a. a. O. S. 343 fl. AA XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. ° = Orga- | Darin Schwe- 100 Gewichtstheile Wasser| nische |Stick-| Kali [Natron fel- enthalten: S stoff ä säure ılz : 4. i. Natron- (Chili-) Salpeter, dgl. k. SchwefelsauresAmmoniak, dgl. h ö ö Phos- in | Schwe- Aauren | phor- |sanren Kalk | säure | Kalk Gutes Knochenmehl ..... : 52,00 o| - Faulendes (fermentirtes) dgl. 56,001 2550| -» . Gedämpftes desgl. ...... i , 60,0| 28,0| - Mit etwa 15 Gewichtsprocent Schwefelsäure aufgeschlosse- nes desgl. (Superphosphat). . Ä 15,00 Unbrauchbar gewordene ab- on gesiebte Knochenkohle, (Spo- >20) diumstaub) . 33,00 . Ausgelaugter Guano, Baker- one gUANO ...... . 40,00 Peicnen ° 8,50 Desgl., Sombreroguano.. . ‚o| 31,00 | 3,20 21,80 . Englische Koprolithen (ver- steinerte Exkremente) .... | 2,50 | Spur etwas 2,80 34,7° . Phosphorit (phosphors. Kalk) von Hörde (ı M. südöstl. von Dortmunder. ..cerruen. Desgl. von Logrosan in Estre- madura Desgl. aus Schweden (phos- phorsaurer Kalk) Bester Peruanischer Guano (Angamos) . Gewöhnlicher guter Peruguano Sardinischer,Fledermausguano . Fischguano, mittel ...... ‚Schlechter, aber nicht ver- fälschter Peruguano...... | 12 45*) *) Einschliesslich phosphorsaurer Magnesia. **) Mit ziemlich gleich viel Schwefelsäure und kohlensaurem Kupferoxyd. Alle diese Stoffe setzen dem Boden seltene, meist mangelnde Nahrungsstoffe zu. Die reinen Salze können nur als Beimischungen mit Nutzen verwendet werden. Die stickstoffreichen Dungmittel führen durch Umsetzung in Salpetersäure die rasche Lösung von phosphorsaurem Kalk, von schwer löslichem Alkali und anderen Verbindungen Sie wirken schnell aber nicht nachhaltig. *) Annalen Bd. 31 S. 26, 114, 120. Bd. 34 S. 198. Jahresbericht VII. S. 272. VII. S. 230 über verschiedene Düngungen mit Kalisalzen, Guano etc. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 45 Die Aschen verbessern schwere und feuchte Thonböden, und Wiesen und Klee- äcker um so bemerkbarer '), weil sie ihres meist geringen Preises wegen in beträchtlichen Massen verwendet werden können, Der Aschendüngung steht die Brennkultur nahe, welche seit den ältesten Zeiten in Deutschland bekannt, und ebenso auf den Höhen der Rheinischen Gebirge wie in den grösseren Torfmooren in ziemlich verbreiteter Uebung ist. Sie bringt alle Aschenbestand- theile der Heide- oder Torfvegetation als leicht löslichen Dünger zur Wirksam- keit. Zugleich aber oxydirt der Prozess des Brennens die schädlichen Eisenoxydul- salze höher, der Zusammenhang des Bodens vermindert sich, schwere Thonarten werden, sofern die Hitze nicht zu heftig wirkt, porös, und viele der unlöslichen Bestandtheile gehen in löslichere Form über, der aus dem kohlensauren Kalk entstehende Aetzkalk aber schliesst die Kiesel- und Kaliverbindungen auf”). Ueberdies kommt die Erwär- mung der gesammten Öberlage in Betracht. Nachstehende Zahlen zeigen die Wirkung deutlicher ®). 1 Davon vor dem Glühen | nach dem Allihen Lufttrockener Thon enthält nach Struckmann über- löslich durch löslich darch in 100 Gewichtstheilen: haupt Salz- Salz- Wasser 5 Wasser eo säure säure Eisenoxydul als kohlensaures Salz... .. 5,094 5,094 Eisenoxyd theilweise als Schwefeleisen . . 1,287 _ Manganoxydul als kohlensaures Salz... 0,247 0,247 Thonerde an Kieselsäure gebunden .. . 3,349 1,078 Kali als Silikat ..... elhehiefieelalie. ie» . 1,530 0,750 Natron, im Thon als Silikat.......... 0,230 Spur Kalk, kohlensauer und als Silikat ..... . 1,885 1,871 Magnesia an Kieselsäure gebunden... . 2,845 2,673 IEhosphorsaurene ce... -Heger re een een read 0,043 Spur Auflösliche Kieselsäure ....2....... 0,029 —_ Schwefelsäure als Schwefeleisen ....... 0,767 0,010 Kohlensäure an Kalk, Mangan und Eisen Eee Kino 10-0,0,0, 8 040,0 oa on 4,735 4,735 Organischeu Stoffe... lemeheleerntane ne. 0,210 —_ Hyproskopisches Wasser... . ec. . 0,630 —_ Glühverlust (an Schwefel, chemisch gebunde- nem Wasser und organischen Stoffen) .. 3,810 Verlustspeizder Analyse, ao cr enne een. In Wasser und Säuren unauflöslich ..... — —_ —_ Zusammen ..o | IOO,o00 | 0,790 16,458 | 0,884 4,119 Die Asche einer Moorerde ergab nach dem Bremnen: pCt. der ” Fr Kali und | Phosphor- | Schwefel- | Eisenoxyd 5 "Kohlensäure Aschen- nn Sit Natron säure säure u. Thonerde Sand und Verlust bestand- theile. . | 45,7 | 375 | 7° !) Annalen Bd. 34 S. 391. 2) F. A. Pinkert: Die vollständige Brennkultur in der Landwirthschaft in Bezug auf Torf-, Moor-, Rasen- ete. Brennen, zum Behuf der Beurbarung, Verbesserung und Düngung der Kulturländereien, Berlin 1861. 3) R. Hoffmann a. a. O. S. 218. 4b XV. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage, Das Knochenmehl ist aufgeschlossen') leicht löslich. Von gewöhnlichem, unaufge- schlossenem nimmt man an, dass im ı. und 2. Jahre je 25 bis 30 pCt. im 3. zo bis 25 und im 4. ıo bis ı5 pCt. zur Wirkung kommen. ı Pferd oder Rind über 2 Jahr alt liefert 50 Pfd. trockene Knochen, ı Schaf über ı Jahr alt 6 Pfd., r Schwein ebenso ıo Pfd. und ı Ziege 8 Pfd. Als Handelswaare sind die Knochen nicht so weit aus- getrocknet und desshalb um Ys bis Ys schwerer. Die Anwendung von Knochendüngung ist in England und Deutschland seit 1775 bekannt, und hat in England schnell bedeu- tende Ausdehnung gewonnen. Auf preussischem Boden hat der Gebrauch erst in den ersten Jahrzehnten des laufenden Jahrhunderts begonnen, und in den goger Jahren be- sondere Verbreitung gefunden. Durch den Bedarf der Zuckerfabriken aber hat sich der Preis der Knochen so gesteigert, dass der Verbrauch zur Düngung mehr und mehr zurücktritt ?). Die 6uanoarten werden nach ihrem Gehalt an Stickstoff, Phosphorsäure -und Kali beurtheilt. Der Peruguano oder Stickstoffguano hat den Vorzug, dass er durch die Eigenthümlichkeit des Klimas, unter dem er abgelagert ist, die ursprünglichen Bestand- theile der thierischen Exkremente fast unzersetzt und ohne Verlust enthält, und dess- halb das stickstoffreichste Dungmittel ist, das wir besitzen. Den ersten Guano aus Peru mit der Kunde von seinem Gebrauch brachten A. v. Humboldt und Bonpland, als sie 1804 aus Mittelamerika nach Paris zurückkehrten. Später wurden in England mit gutem Erfolge Versuche gemacht. Wie erwähnt aber, regte erst 1841 Lord Stanley zu dem bedeutenden Verbrauche an, der aus dem Guano einen der wichtigsten Handelsartikel Amerikas machte°). Die seit 1941 nach Europa verfahrene Menge von Peruguano wird auf 400 Millionen Centner angeschlagen. Die Guanomassen, welche sich auf verschiedenen Inseln Afrikas und Amerikas (Baker, Jarvis, Howland, Sombrero, den Schwaneninseln u. a.) finden, haben mehr oder weniger durch die vom Regen bewirkte Auslaugung einen Theil ihrer löslichen organi- schen und unorganischen Stoffe verloren und werden desshalb hauptsächlich durch ihren Gehalt an Phosphorsäure nutzbar. Den künstlichen Guano (Granat-, Fisch-, Saladero- Guano) sucht man aus Seethieren und Fleischabfällen zu einem dem Peruguano nahe- kommenden Stickstoffgehalte herzustellen. In Preussen besteht seit 1854 die Fabrik von Fischguano zu Labagienen bei Labiau, welche die Abfälle der Fischerei im Kurischen Haff verarbeitet. !) Knochenmehl oder Knochen werden durch das bei Vorsicht selbst in der Wirth- schaft ausführbare Besprengen mit 15—25 Pfd. Schwefelsäure oder Salzsäure auf den Centner in den leicht löslichen sauerphosphorsauren Kalk und in Gyps beziehentlich in Chlorkaleium (sogen. salzsauren Kalk) umgewandelt. Fermentirtes Knochenmehl wird durch faulige Gäh- rung vermöge Blut oder Jauche erlangt. Zusatz von stickstoffreichen Substanzen zum Knochen- mehl giebt das guanisirte oder Nitrophosphat. 2) Annal. Bd.ıg $. 431. Bd.25 S. 276. Bd.42 S. 65. Bd. 46 S. 278. Jahresbericht VII. S. 224. 3) Ueber Geschichte und Gebrauchsweise des Guano bei den Peruanern, vergl. Annalen Bd. 5 S. 464. Verschiedene Untersuchungen und Bemerkungen über Guano finden sich: An- nalen Bd. 20 S. 285. Bd. 2ı S. 62. Bd. 22 S. gr. Bd. 24 S. 200, 414,487. Bd. 29 S. 256. Bd. 31 S. 134, 499. Bd. 33 S. 410. Bd. 35 S.497. Bd. 36 S. 103, 210, 324. — Stöckhardt, Guanobiüchlein, Leipzig 1853. — Kirschstein, der künstlich bereitete Guano, Glogau 1857. — Der Jahresbericht von R. Hoffmann und E. Peters giebt zahlreiche Analysen von natürlichem und künstlichem stickstoffreichem Dünger und der käuflichen Waare verschiedener Fabriken. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 47 3. Gründüngung durch auf dem Boden selbst gewachsene Pflanzenmassen. Da jede Pflanze einen erheblichen Theil der ihren Körper bildenden Stoffe aus der Luft nimmt, ist das Unterbringen einer Pflanze unter die Krume, auf der sie gewachsen ist, stets eine Bereicherung dieser Krume. Die Wirkung dieser Düngung ist um so grösser, weil die dem Boden entzogenen Nahrungsbestandtheile demselben in lös- licherer und thätigerer Form zurückgegeben werden, als sie die Pflanze in ihm vorfand, überdies aber die Masse der organischen Gebilde die physikalischen Eigenschaften des Bodens erheblich verbessert. Die Zusammenstellung unter [e], S. 38, hinreichende Berechnungen über den stofflichen Mehrgewinn, der durch Einackern verschiedner Früchte je nach ihrem Bestande erzielt wird. Zur Gründüngung regte namentlich v. Wulffen-Pietzpuhl in Rücksicht auf die Lupine seit 1828 an. Der Umschwung, den die Lupinengründüngung in den letzten Dezennien in die Benutzung der Aussenfelder und leichten Böden gebracht hat, ist darauf zurück zu führen, dass die Lupine ihre starken, fleischigen, vorzugsweise der Atmosphäre entnommenen Gebilde auf sehr leerem, trockenem Sande zu entwickeln ver- mag, und in ihnen, wie alle Papilionaceen, verhältnissmässig grosse Mengen Stickstoff aufsammelt. Auf besseren Böden werden am Rhein vielfach als Nachfrucht gezogene Wicken zur Gründüngung benutzt*). Selbstredend wirkt auch jede Brache mehr oder weniger kräftig als Gründüngung. Indem sie das Ackerunkraut vertilgt, benutzt sie zugleich die durch dessen Vegetation aufgesammelten Stoffe und erhöht dadurch die ihr zukommende physikalische Bedeutung. Wird die Brache beweidet, so lässt das Weidevieh wenigstens den grössten Theil der entnommenen festen Stoffe durch den Dünger zurück. Auch alle Wurzeln, Blätter und Stoppeln, die dem Acker bei der Ernte belassen werden, fallen unter ähnliche Gesichtspunkte. Der Einfluss, welchen diese im Acker gelassenen Reste der Ernte als Dünger ausüben, lässt genauere Berechnungen zu. Boussignault giebt an, dass diese Rückstände betragen: [m] | Gewicht der auf den Morgen ent- | Die auf den Morgen entfallenden nach der Ernte fallenden Rück- Rückstände enthalten an von stände unge- trocknet. Stickstoff Asche Pra. Pra. Pfad. Kartofelue. ee oc ces - Kraut I 300 7“ 55,4 IRunkelrubenel.tere leere arete Blättern 4750 23,6 II4,o Weizen Wehelte alayere Stoppeln 635 1,9 32,9 MEN E00 0008 RAR Stoppeln 414 I,z 15,0 LICH D-01010.0.0 DR 0.00 Wurzeln 907 12,7 88,3 Aehnlich lassen sich andere Ernterückstände nach der Zuzammensetzung der Pflanzen berechnen, welche die Uebersicht [e] zu B. ergiebt. Die Kleewurzeln haben den Vorzug besonders leichter Zersetzbarkeit. *) Beitrag zur Theorie der Gründüngung, Annalen Bd. 22 S.91; mit weisser Lupine Bd. 16 S. 373. — v. Schlicht, Ausführliche Darstellung derLupinendüngung. Berlin 1838. — Gropp, Anleitung zum Lupinenbau. Leipzig 1857. 48 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 4. Stalldünger. Kein Dünger vermag seiner Natur nach den Zweck der Düngung in jeder Be- ziehung so sicher zu erreichen, als der Stalldünger. Die Entleerungen der Thiere enthalten fast alle festen Bestandtheile der Kulturpflanzen, welche zur Fütterung ver- wandt worden sind, und sie werden dem Acker in einer Form zurückgegeben, in der sie in lebhafter chemischer Bewegung sind und diese Thätigkeit auf andere Verbin- dungen im Boden übertragen. Zugleich ist die Masse, in der diese Stoffe wegen der Vermischung mit Einstreu in die Krume gebracht werden, verhältnissmässig sehr gross, unterstützt durch ihren wässerigen Gehalt die Lösbarkeit kräftig und erhöht durch günstige Vereinigung eines gewissen bündigen Zusammenhanges mit grosser Porosität die Lüftung, das Absorbtionsvermögen und die Wärme und Milde des Ackers beson- ders vortheilhaft. Der Stalldünger kann desshalb je nach der Art der Thiere und der Fütterung und je nach den verwendeten Streumitteln höhere oder geringere Wirkungen erzielen, oder bei unzweckmässiger Verwendung im Erfolge hinter seinem wahren Werthe zurück- bleiben, aber nie gänzlich täuschen. Dies sowie die in der Wirthschaft selbst statt- findende Produktion des Dungstoffs sichern ihm eine Herrschaft als Dungmittel, die früher und bis auf die neueste Zeit eine fast ausschliessliche war. Das Verhältniss, in welchem sich die thierischen Entleerungen aus den Pflanzen- stoffen des Futters zusammensetzen, ist durch die Versuche Hennebergs und Stoh- manns*) näher festgestellt. Danach verbraucht und giebt ein Ochs täglich folgende Stoffe: [m] nn In der Trockensubstanz D Trok- avon Aufje 1000 Pfund |frischen |, _ E | als J Zu Wasser | ken- | stick- |Kohlen- Wasser- | Sauer- | Mineral- Bois Lebensgewicht substanz| stoff stoff stoff stofl stoffe San stande faser täglich: Pfd. Pfd. Pfd. Pfd. Pfd. Pfd. Prfd. Pfd. Pfad. Futterverbrauch. . . | Entleerungen: feste... ° . 61,0 51,9 0,147 flüssige 19,4 I,4 | O,158 zusammen 81,8 713 IO,; 0,305 | T,47 | Ueberschuss y % durch Daher Verlust durch anhaftenden Athmungs- u. Aus- Staub dünstungsprozesse IO,s | O;oor | 0,71 O,or Es bleiben also der gesammte Stickstoff, sowie die sämmtlichen Mineralstoffe der Nahrung dem Gewichte nach im Dünger zurück. Die Verminderung liegt wesent- lich nur in den aus der Atmosphäre leicht ersetzbaren Stoffen. Die Entleerungen der verschiedenen Thierarten zeigen als mittle Zusammensetzung: *%) Die Fütterung der Wiederkäuer. Braunschweig 1860. — R. Hoffmann a. a. O. S. 258 ff. — Vergl. Jahresb. a. a. O. VII. 285. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 49 Wirthschaftlich ernährte Thiere Jährliche Menge der Entleerung Pfd. A. Harn 8 000 In rooo Pfund sind enthalten: Gesammt- menge an trockenen Stoffen Pfd. 62 darin Darin stoff Pfd. Stick- Gesammt- mineral- stoffe Plıos- phor- säure Pfd. Schwe- felsäure Kalk-u. Talkerde P£d. 110 135 25 3 000 380 I 200 B. Frischer Mist 20 000 I2 000 760 I 800 300 200 Schwein. . ıoo Hühner ıoo Tauben . ...o Dabei sind ausgewachsene Thiere vorausgesetzt. So lange das Wachsthum dauert, ist der Dünger sehr viel geringer. ıooo Pfd. des Harns eines durch Milch ernährten Kalbes enthalten nur ı Pfd. Stickstoff und ı Pfd. feste Stoffe, rooo Pfd. des Harns einer Kuh, 8 Pfd. Stickstoff und 8o Pfd. feste Stoffe. Auch wird dem Milchvieh durch die Milch etwa Ys bis Ys der flüssigen und festen Entleerungen entzogen. Das mittle Verhältniss der Pflanzennährstoffe in den gebräuchlichsten Einstreu- mitteln ist folgendes: [p) in 1000 Gewichtstheilen sind enthalten: darin r an orga- - Einstreumittel h Erwendung nischen | darin Be täglich Bromen ralstofle Ken Phos- ZUu- (Natron) or sammen Baus I. Strohstreu Weizenstroh .... |; ı Rind s—6 Pfd. | 960 4 go ! 6 2, 3 Jungvieh 2-3 Pfd. Gerstenstroh „... |\ ı Pferd 4—6Pfd. | 955 3 45 | 12 2 5 Haferstroh ..... | Schaf Pfd. 950 3,5 so | 14 2 5,5 Roggenstroh ..... . |\ Schwein 2-3 Pfd. | 970 3 30 5,5 1,25 3,5 2. Teichstreu Rohrkolben..... |von vorst. zu I. | 950 6 50 | 1075 | 2,75 | 16 Grosse Binsen.... || das 2fache 980 5,5 20 0,6 | I 4,86 3. Waldstreu Nadelstreu ..... desgl. das 8fache | 875 7 25 I I,; Io Laubstreu ..... „ das 7fache | 9490 | 12 60 | 10 3 12 4. Hackstreu „ das $fache | 857 7 25 I 4 8 SB KOristreuger er enerenge 2 M dee | „» das ıo bis en 3 be 3 5 . Moorerdestreu. . .. . || 7, fache 400 6 500 3 3 15 Boden d. preuss. Staates. II. 4 50 XVII Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Sandstreu enthält auch im leeren Sande einige Spuren löslicher Kieselsäure. Plaggenstreu ist je nach der Menge der organischen Stoffe und der Beschaffenheit des Bodens sehr verschieden zusammengesetzt. Auf preussischem Gebiete ist sie be- sonders in den westlichen Sandgegenden Westfalens gebräuchlich '). Die Düngermasse selbst, oder die Mischung der Entleerungen und der Einstreu ist erfahrungsmässig bei mittlerem Zersetzungszustande auf etwa 75 pCt. Wassergehalt und im Ganzen auf das doppelte Gewicht der Trockensubstanz der verbrauchten Nah- rungs- und Einstreumittel anzuschlagen. Ueberschläglich wird angenommen, dass der Dünger von ı Stück Rindvieh für 3 Morgen, der von ı Pferd für 2 Morgen und der von ıo Schafen für ı Morgen zur Bedüngung wirthschaftlich ausreicht. Auch werden durch- schnittlich ro Ctr. Stalldünger einem Scheffel Roggen an Werthe gleichgestellt ?). In dem frischen mehr oder weniger mit Streu gemischten Dünger gehen sehr schnell Zersetzungen vor sich. Die Stickstoffverbindungen im Harn °), deren Menge von dem Stickstoffreichthum der Nahrung abhängt, verwandeln sich beim Gähren der Jauche je nach der Temperatur in ız bis ı6 Tagen, im Winter in etwas längerer Zeit, in Ammoniak, zum Theil auch in Schwefelammonium und andere stickstoffhaltige Fäulniss- produkte, die sich verflüchtigen, falls sie nicht durch Säuren, am einfachsten als salz- saures oder schwefelsaures Ammoniak, gebunden werden. Dazu reichen für Jauche Y, Gewichtsprocent Salzsäure oder ı pCt. Gyps hin, Die Verflüchtigung ist ohne solche Bindung so stark, dass in einem offenen Gefässe die Menge des Ammoniaks in 4 Tagen auf Yı sinken kann. Auch der feste Mist zersetzt sich rasch; am schnellsten der trockene Pferdedünger, der desshalb ebenfalls Bindung fordert, wenn er nicht erheblich verlieren soll. Am wenigsten verliert trockener Dünger der Rinder‘). Die Veränderung durch Verrottung zeigt die in der folgenden Uebersicht [q] nachgewiesenen Verhältnisse. Da der frische Dung schon der Zeit nach selten verwendbar ist, auch wegen der mangelhaften Zertheilung und Zersetzung und wegen der Hindernisse, die er bei der Einackerung darbietet, meist seine mittle Verrottung abgewartet werden muss, so er- geben die nachstehenden Zahlenverhältnisse sehr deutlich die Ersparniss, welche durch Zusatz von Bindemitteln und Einrichtung genügend geschlossener, die Verflüchtignng verhindernder &üllebehälter und Dungstätten erreicht werden kann. Schon das Be- decken der Düngergruben gegen den Einfluss der Witterung vermag den Werth des Düngers nach Ernteversuchen um Ys zu erhöhen). Zugleich zeigt die Masse der 1) Ihre Einführung seit dem Ende des 16. Jahrhunderts und ihre erheblichen wirth- schaftlichen Nachtheile stellt Frh. v. Schorlemer in: Die Plaggendüngung im Reg.-Bez. Münster (Annalen Bd. XLVI. S. 30) dar. Es wird gesucht, sie durch Mergelungen zu verdrängen. Zahlreiche Mergellager sind auf Veranlassung der landwirthschaftlichen Vereine erbohrt. Vergl. die Berathungen über die Erdstreu, Annalen Bd. XXXV. S. 300. 2) Ueber die genaue Werthsberechnung vergleiche: Dr. Hellriegel, Methode der Be- rechnung des thierischen Düngers. Annalen Bd. XXXIX. S. 497. 3) Sie sind mit ihrer Zusammensetzung folgende: Kohlenstofl | Wasserstoff | Sauerstoff | Stickstoff Wasser Harnstoff (H4C2N?02%........ 20,0 6,6 26,7 467 _ Harnsäure (H#C10N109) ....... 35,7 I,z 19,0 33,4 10,7 Hippursäure (HSC'NO>+HO)... 60,3 4,5 22,4 7,8 5,0 4) R. Hoffmann a. a. O. S. 259. — Jahresber. V. S. 157. 5) Jahresbericht a. a. O. VII. S. 275. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 51 festen Stoffe, verglichen z. B. mit dem Peruguano, den ausserordentlich bedeutenden Werth, den, ganz abgesehen von dem physikalischen Nutzen, die Düngerproduktion des im Staate bestehenden Viehstandes selbst bei sehr mässiger Fütterung jährlich erreicht*). Darin Davon Orga- | Stick- \a- 10000 Pfd. "BR | off in| Stick- Kalk Da [Wasser| nische R : Phos- |Schwe- tron, frischen Düngers Ba are Di Sole Tosılrac | er Oo scher | Ammo- pP Talk- enthielten Verbin- | pnjak säure]| säure oxyd erde dung etc. Pfd. Pfd. h ! . | pra. | Pia. | Pfa. Bei frischem Dung .... Im verrotteten Dung ... . Demnach Verlust 10000 Pfd. des verrotteten enthalten ........ 7976| 1285| 42,: I,ı2 57,0 | 278 | 9,54 | 116,0 | 30,6 | 188 | 257 Eine andere Probe ergab in frischem Dung ... [6617| 2824 64,33 67,5 | 31,5 | ı1,; | 192 | $o [176,5 davon in Wasser löslich . | — 248 15,0 5733| 13,5 | 515 | 7175| 46,16 | 23,75 In 10000 Pfd. verrottetem [7 542| ı 653 60,5 49 | 45 | ı2 | 276 | 154 | 269 davon in Wasser löslich .| — 371 30 44 | 1715| 5175| 16,5 | 37,75 | 25,5 5. Kloakendünger. Aehnliche Gesichtspunkte gelten auch für die menschlichen Entleerungen oder für den Kloakendünger. Der Mensch liefert an solchen Stoffen nach Mittelzahlen: In 1oo00o Pfund sind enthalten: Der Mensch 0 Darin Menschliche liefert jähr- Orga Lac Entleerungen lich Wasser | nische DS Phos- |Kalk- u. Stofle Alkalien| phor- | Talk- säure erde Pfad. . . . Pfä. Pfd. in T000Eimern (zu je 95 Pfund) gemischt sind enthalten .. . 1000 Kubikfuss (zu je 52 Pfund)**) ge- mischt enthalten *) Annalen Bd. XXVI. S. 335, 378. XXVII. 162. XXIX. 215, 278. XXX. 240. Ueber die neuesten vergleichenden Versuche, siehe die Jahresberichte a. a. O. unter Düngungs- versuchen. Vergl. auch: Was kostet ein Wagen voll Stalldünger, mit den Heu- und Milch- preisen rechnungsmässig verglichen. Annalen Bd. XXIH. S. 492. *) Der Kubikfuss Harn wiegt etwa 58 Pfund, der Kubikfuss Exkrete go Pfd. 4* 52 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Je nach der Nahrungsweise der Bevölkerung kann der Gehalt an Nahrungsstoffen und damit der Düngerwerth sehr schwanken, indess werden nach den Erfahrungen, die bei dem in Belgien ausserordentlich verbreiteten Gebrauche des Kloakendüngers gemacht worden sind, 35 Eimer oder 62 Kubikfuss gemischter menschlicher Entleerungen zur Erzeugung einer Roggenernte von ı 600 Pfd. oder je nach den anzubauenden Früchten ı2o bis 220 Kubikfuss Kloakendüngung als zur Ausdüngung eines Morgens Landes ausreichend erachtet, und der Eimer — 1,7, Kubikfuss in der Regel mit etwa 5 Sgr. bezahlt. ’ Wie gross desshalb die Verluste der Landwirthschaft und des Volksvermögens sind, wenn diese Stoffe unbenutzt verloren gehen, bedarf keines näheren Nachweises*). Auf dem Lande ist die Verwendung durch Untermischung unter den Stalldünger in allen Wirthschaften einfach und üblich, auch ein Theil des in den Städten erzeugten Düngers ist von jeher den Stadtfluren und ihrer nächsten Nachbarschaft durch Ausfuhr zugekommen, und hat die reiche humose Bodenmischung und die Möglichkeit der garten- mässigen Bearbeitung begründet, welche in der Regel in der Umgebung der Städte gefanden wird. Gleichwohl ist selbst aus den ländlichen Ortschaften, sehr allgemein aber aus den Städten, je nachdem die Gefällverhältnisse geeignet waren, eine beträcht- liche Masse dieser Stoffe nutzlos den Gewässern zugeführt worden. Je grösser die Städte anwachsen, desto ersichtlicher wird die Verschwendung und desto höher steigern sich zugleich die Schwierigkeiten eines genügenden Abzuges und der von der Gesundheit geforderten Reinhaltung der Kanäle, die die Kloaken in das fliessende Wasser leiten. Es ist desshalb für viele Städte zur brennenden Frage geworden, ob das bestehende Kanalsystem in ausreichenderer Weise ausgebaut, oder versucht werden soll, durch Organisation einer regelmässigen Abfuhr den Kloakeninhalt aus dem Bereich der Wohnungen fortzuschaffen. Obwohl das Beispiel von England zeigt, dass die Verunreinigung der Flüsse eine Höhe erreichen kann, welche auch für die Städte selbst zu unerträglichen Zuständen führt, werden doch die Stadtverwaltungen zunächst und in der Regel ihre Entscheidung nach der grösseren Leichtigkeit und Billigkeit treffen, mit der den bestehenden Uebelständen zu begegnen ist. Dagegen muss im Interesse der Landwirthschaft erstrebt werden, die Kloakenstoffe möglichst voll- ständig für die Bodenkultur zu gewinnen. Es ist genügend erprobt**), dass die Aufsammlung des Kloakeninhalts in den Häusern, und die Abfuhr aus dem Bereiche der Wohnungen ohne Belästigung des Ver- kehrs und geruchlos erfolgen kann, dass dabei zugleich möglich wird, Desinfektionen vorzunehmen und überhaupt der Fürsorge für die Gesundheit in höherem Grade Rech- nung zu tragen, als bei der Kanalisirung, dass ferner der wahre Werth des Kloaken- düngers die Kosten der Abfuhr mindestens deckt, voraussichtlich nicht unbeträchtlich übersteigt, und diese Kosten sich desshalb einschliesslich des Aufwandes für veränderte Abtritteinrichtungen in den Häusern und Höfen weit niedriger stellen können, als die *) Benutzung der menschlichen Exkremente als Düngung, Annalen Bd. 38 S. 92. — v. Lengerke, der Ackerbau im Landgebiete der Städte, Berlin 1850. — Anwendung des eng- lischen Verfahrens der flüssigen Düngung, Annalen Bd. 33 S. 453. — Flüssige Düngung mit- telst Röhrenleitung in der deutschen Praxis, Annalen Bd. 40 S. 20, Bd. 38 S. 416. **) Abfuhr und Verwerthung der Dungstoffe in verschiedenen deutschen und ausser- deutschen Städten und bezügliche Vorschläge für Berlin, von v. Salviati, Röder und Eich- horn, Berlin 1865; vergl. Annalen Bd. 46 S. ı. XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 53 Kosten genügender Kanalsysteme mit Spülungen und hinreichender Reinhaltung. Auch würden die Städte in der Regel geneigt sein, selbst mit Opfern Einrichtungen zu treffen, durch welche die regelmässige Ausfuhr gesichert und unter Anordnung übereinstimmender Transportmittel, gleicher Gefässe, und genauer Aufsicht erleichtert und minder kost- spielig würde. Die Schwierigkeit der Entscheidung für die Einrichtung des Abfuhrsystems liegt für die Stadtverwaltungen vorzugsweise darin, dass dieselben sich einer dauern- den und regelmässigen, von Tag zu Tag erfolgenden Abnahme der Dungstoffe seitens der Landwirthe zu einem Preise versichert sehen müssen, der den nothwendigen Auf- wand wenigstens so weit deckt, dass die Kosten hinter denen der verbesserten Kanal- systeme zurückbleiben. Die Anlagen grosser Pondrettefabriken, welche diese Sicherheit zu geben schienen, sind mit sehr wenigen Ausnahmen an ihrer Kostspieligkeit gescheitert. Indess vermag diese Zwecke nach den bisherigen Erfahrungen die unmittelbare Verwendung des flüssigen Düngers bei direkter Abfuhr zn erreichen, welehe in Belgien allgemein verbreitet ist, und bei Gras- und Kleebau, so wie bei jährlicher mässiger Düngung armer und tiefer Sandböden sehr grosse Erfolge zeigt. Ebenso hat sich seit lange in Leipzig die Aufsammlung der Exkrete in grossen, undurchlassenden Senkgruben als rentabel ergeben, in welchen durch Zusatz von Schwefelsäure der Verflüchtigung des Ammoniaks vorgebeugt, und im übrigen die Verdickung nur durch das allmähliche Verdunsten des Wassers unter immer erneutem Zutritt von Kloakenmasse erreicht wird. Der Inhalt wird zuletzt ausgestochen, und an der Luft so hart getrocknet, dass er zer- mahlen und ähnlich wie Guano verwendet werden kann. Auch das Müller -Schürsche Verfahren, das in Stettin durchgeführt ist, scheint sich zu bewähren*). Nach dem- selben werden schon in den Rlosets die festen Exkremente von den flüssigen getrennt, und durch Aufstreuen von Kalk und Kohlenpulver in einer Weise desinfizirt, dass ihre Ausfuhr bei Tage polizeilich gestattet ist, und die Verwendung als Pulver durch Aus- streu erfolgen kann. Jedenfalls aber sind alle Ausfuhrstoffe mit Erde oder Abfällen aller Art zur Bildung von Kompostmassen mit Nutzen verwendbar, welche sich bei Zusatz von Gyps, Eisenvitriol oder Aetzkalk dauernd werthvoll erhalten, und zugleich ohne erhebliche Entwickelung nachtheiliger oder übelriechender Gase bleiben. Es kommt also darauf an, dass sich die landwirthschaftliche Industrie dieser oder ähnlicher Verwendungsweisen unter Bedingungen bemächtigt, welche die städtischen Verwaltungen zur Herbeiführung von Abfuhreinrichtungen und nöthigenfalls zum Erlass für diesen Zweck wirkender Polizei-Verordnungen zu berechtigen vermögen. R. Hoffmann berechnet unter mässigen Sätzen die Masse und die Bestandtheile des Kloakendüngers von Berlin auf einen Werth von 1500000 Thlr. und als zur Erzeu- gung einer jährlichen Roggenernte von 2/2 Millionen Scheffel hinreichend. 6. Abfalldünger. Das organische Leben hat eine ausgesprochene Tendenz, die elementaren Stoffe in anderen und weniger einfachen Atom-Verhältnissen untereinander zu gruppiren und in diesen Gruppen als dauernde Körper zusammen zu halten, als sie sich ohne diesen besonderen Einfluss, ihrer chemischen Verwandschaft nach anzuordnen pflegen. Gleich- *) Polytechnisches Centralblatt 1865 S. 1575. — Jahresbericht a. a. O. VIII. S. 236. — Annalen Bd. 46 S. 29. 54 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. wohl sind die Atome der so gebildeten Stoffe sehr leicht geneigt, wieder nach den ein- facheren Verhältnissen zusammen zu treten, unter denen sie in der unorganischen Natur bestehen, und der Prozess dieser Verwandlung geht bei dem Ausscheiden aus dem lebenden Organismus, oder nach dem Absterben desselben als Verbrennung, Verwesung oder Fäulniss schneller oder langsamer, in der Regel aber unausgesetzt und unaufhalt- sam vor sich. Dies ist der Grund, weshalb die organischen Abfälle jeder Art, ganz abgesehen von ihrer chemischen Zusammensetzung, als Dünger Werth und Verwendbarkeit besitzen. Sie sind der Sitz einer dauernden chemischen Bewegung und ziehen in ihre Umwandlung die ihnen benachbarten Körper mehr oder minder hinein. Die meisten Abfallmassen, Küchen- und Fabrikationsreste, Lumpen, Kehricht, Schutt, Koth und Schmutz aller Art, wozu auch Moder und Teichschlamm gerechnet werden darf, er- geben aber zugleich grössere oder geringere Mengen nicht überall aus der Atmosphäre oder der Bodenmasse zu erlangender Pflanzennahrungsstoffe. Namentlich erzeugen sich, wie erwähnt, wenn stickstoffhaltige organische Substanzen bei hinreichendem Luftzutritt und Gegenwart von Basen in Fäulniss übergehen, salpetersaure Salze. Selbst an sich wenig nutzbare Massen, wie Sand, Thon, Schlacken, Scherben, können wenigstens die physikalischen Eigenschaften des Gemenges verbessern. Ueber das Verhältniss des Stiekstoffgehaltes verschiedener dieser Stoffe lässt sich angeben*), dass Haare, trockenes Blut, Federn, Hornmehl, Flockwolle, Flockseide, Crieyenek. ı: SPAR SNAR- © . 15—ıo plt. Wolllumpen, Tedärabuchniteel, Häars aus erbereien, Oelkusken 2 105 Fleisch, Malzkeime, Blut, Wollstaub, Maikäfer, Leimkäe . . . 5— 2 Russ, Fische, Weintrester, Fukusarten . . . i oe Gaswasser, Moose, Wasser vom Einquellen des Weizens, Modkree Hopfentreber, Häringslake . . . . s . 105 „ Schlamm, Seesand, Austernschalen, Kaffodlager, Räbenpressliagel SERIE Bm Mo oulnnon dar ono or ‚6 10,0 OR m Stickstoff enthalten. Genauer ist die Zusammensetzung einiger dieser Stoffe folgende: S Ge- [ ] 5 Ge; Koch- Es enthalten ! sammt- | Darin | sammt- ; ni, || le 5 J Orga- | Stick- |Mineral- = Bu EDn, an! E00 nische | stoff | stoffe oLlEen DE und Gewichtstheile Stoffe ä Kiesel- | Thon säure Blut der Säuge- thiere .... - 37 Fleisch h 40 Wolllumpen .. ® 100 Hornmell ... . 130 Malzkeime... 5 40 Oelkuchen . . so u 60 Oel *) R. Hoffmann a. a. O. S. 362, 322 ff. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 55 Der Jahresbericht von R. Hoffmann und E. Peters weist unter den laufenden Abschnitten „Dünger und Düngungskulturversuche* die Angaben über Zusammensetzung und Wirkung verschiedener derartiger zur Düngererzeugung verwendbarer Massen nach. Die Benutzung muss vorzugsweise als Kompost durch Vermischung mit Erde ge- schehen, in der die verschiedenen Stoffe durch öfteres Umstechen möglichst vertheilt werden und vor der Anwendung schon erheblich verrotten. — Wenn man die unter B. näher gezeigte Verschiedenheit des Verbrauches und die entgegengesetzten Bedürfnisse, welche durch die Beschaffenheit des Bodens und der von ihm entnommenen Ernten entstehen, erwägt, so liegt es nahe, dass je weiter sich der Dungstoff von der universellen Natur des Stalldüngers entfernt, desto nothwendiger eine genaue Kenntniss der Verhältnisse zur richtigen Wahl gehört, und dass, wo diese Kenntniss nicht vorhanden ist, die widersprechendsten Erfolge, ja erhebliche Nachtheile von der Anwendung entstehen können. Dieser Umstand, sowie die Unsicherheit über ihren wahren Gehalt, ihre häufige Verdorbenheit und die absichtlichen Fälschungen und übertriebenen Anpreisungen haben die nicht thierischen und namentlich die chemischen Dungmittel mehr diskreditirt, als ihre Wichtigkeit verdient. Nach und nach beginnt jedoch der Fortschritt der Wissen- schaft mit ihrer richtigen Verwendung auch den vollen Werth nachzuweisen, der ihnen inne wohnt. Diesen Werth rechnungsmässig nach Verhältnissen des Ersatzes eines Centners Stalldünger gegenüber einer gewissen Quantität Kali, Stickstoff oder Phosphor- säure im Allgemeinen zu vergleichen, ist nach dem Vorbesprochenen selbstredend ganz unmöglich, weil der Erfolg von den im speziellen Grundstücke bestehenden Bedürfnissen bezüglich der geforderten Kulturpflanze abhängt. Beispielsweise Verhältnisszahlen aber, welche bei speziellen Versuchen in dem- selben Boden für dieselben Pflanzen und bei gleichen Umständen und Kulturen gewonnen worden, sind in den mehrgedachten Jahresberichten unter dem Abschnitt Düngungs- und Kulturversuche zu finden. Ausführliche Arbeiten in dieser Richtung haben Grouven und Pingen in der Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereines für Rheinpreussen, 1860, S. 77 (Jahresber. a. a. O. IH. S. 214) geliefert. D. Bodenbehandlung durch Bearbeitung, Entwässerung, Drainage. Die Beziehungen, in welchen die Bodenbearbeitung zu dem Werthe und den Bestandtheilen der Bodenmasse steht, lassen sich in Zahlenverhältnissen, welche Be- rechnung und statistische Vergleichung erlauben, nur für wenige untergeordnete Gesichts- punkte ausdrücken. Im wesentlichen hat alle Bodenbearbeitung den Zweck, die physikalische Beschaffen- heit der Bodenmasse zu verbessern*). Sie will den Boden dureh Lockerung und Pulverung, durch Austrocknung und Untermischung für die gasförmigen und wässrigen Bestand- theile der Luft, für Kondensirung von Gasen, Kapillarthätigkeit, Einflüsse der Wärme *) Die Physik des Bodens in ihren theoretischen und praktischen Beziehungen zur Landwirthschaft von W. Schumacher, 1864. 56 XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. und für die Wurzelorgane der Pflanzen zugänglich machen, und zugleich die Zersetzung der organischen Reste und die Möglichkeit der Lösung der vorhandenen Mineral- nahrungsstoffe befördern. Die dauernde Vegetation von Forst und Wiese entsteht nur da, wo die Natur selbst einen hinreichenden Theil dieser Zwecke der Bearbeitung bereits erfüllt hat, beide aber erhöhen in der Regel nur so langsam und unvollkommen den Zustand des Bodens zu einem solehen, wie ihn die Brotfrüchte verlangen, dass sich der Neubruch in seinem physikalischen Verhalten stets sehr fühlbar von dem in alter Kultur stehenden Boden unter- scheidet, selbst wenn sich in ersterem gleiche Massen organischer und mineralischer Nahrungsstoffe vorfinden. Die flache Pflugarbeit der älteren Zeit beliess den Boden unter 3 oder 4 Zoll in ähnlich rohem, nur durch die eigene Kraft der Pflanzenwurzeln mehr oder weniger verändertem Zustande. Tiefere Kultur reichte nicht weiter, als die Spatenarbeit des gartenmässigen Anbaus herrschte. Selbst anerkannte Landwirthe empfahlen, die Pflug- furche nicht über 2 Zoll einzusenken. Das Tiefpllügen regte in Deutschland zuerst um 1749 der preussische Kammerrath Kretschmer*) mit der lebhaften Zustimmung Reicharts und anderer an, und erst Thaer führte es rationell in die Wirthschaft ein. Seitdem hat es mehr und mehr Verbreitung gewonnen, und seit den vierziger Jahren ist die tiefe Furche von etwa 6 Zoll so allgemein, dass gegenwärtig unzweifelhaft die doppelte Bodenmasse gegen den Beginn unseres Jahrhunderts vom Pfluge in Arbeit genommen und der unmittelbaren Konsumtion durch die Kulturpflanzen ausgesetzt ist. Eben so wie das Tiefpflügen war das Untergrunds- pflügen im vorigen Jahrhundert nicht völlig unbekannt. Zur wirklichen Anwendung aber kam es erst, seitdem Smith 1836 die Durchführung bis zu einer Tiefe von 14 bis 20 Zoll dem landwirthschaftlichen Komitee des Unterhauses gezeigt hatte**). Von England aus gewann es in Preussen mit der Verbreitung des Rübenbaues Anerkennung. Der folgende Abschnitt wird bei der Besprechung der Geräthe auf die in den verschiedenen Landestheilen des Staates üblichen Ackerinstrumente und die Art ihrer Arbeit zurückkommen. Für die Wirkungen auf die Bodenmasse ist ausser der grösseren Vertiefung der Krume eine andere Methode als die altherkömmliche des Brechens und Wendens, des Eggens und Walzens nicht angenommen worden. Es ist überall, wo verbesserte Instru- mente für die Bodenbereitung in Anwendung kamen, die Verbesserung der Hauptsache nach nur auf grössere Sicherheit, Leichtigkeit und Gleichmässigkeit der Arbeit und ihr zweckdienliches Anpassen an die Oertlichkeit gerichtet. Dagegen ist ein bedeutsamer Fortschritt in dem Gedanken und in dem prakti- schen Verfahren der Entwässerung des Bodens gemacht worden. So wenig die Lösung der Stoffe im Boden und die Entwickelung der vegetativen Organe ohne eine gewisse Feuchtigkeit in der Bodenmasse gedacht werden können, so gefährlich ist doch andererseits jede Wasseransammlung für alle diejenigen Bodenschichten, von denen sie den Luftzutritt abschliesst. Ohne Luftzutritt ist keine genügende Oxy- dation und desshalb keine Entsäuerung möglich. Nur die Durchfeuchtung ist erwünscht, *) P. Kretschmers ökonomische Praktik. — Fraas, Geschichte der Landwirthschaft, Prag 1852, S. 391. *) Fraas a. a. O. S. 396. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 57 Stau stets schädlich. Je milder und tiefer aber der Boden ist, desto mehr wird selbst bei anscheinend grosser Trockenheit durch Kapillarität und durch Gasabsorption das für die Ernährung der Pflanzen nöthige Wasser im Boden erhalten. Je roher er da- gegen geblieben, und je flacher die Krume, desto weniger ist er durchdringlich, desto leichter finden sich feste oder zähe, thonige und undurehbrochene Schichten, die selbst bei sehr geringer Mächtigkeit dem Durchzug des Wassers widerstehen, und desshalb die atmosphärischen Niederschläge, wie die Quellwässer an der Oberfläche sammeln, und den Boden versumpfen oder beim Abtrockenen verhärten. Die Nachtheile des als Bodennässe mehr oder weniger sichtbaren Staues werden von einigen Pflanzen weniger stark empfunden und lassen sich vorübergehend durch Binden der überschiessenden Säuren einigermassen mildern, im wesentlichen aber bleibt jedes andere Mittel unwirksam, als Senkung der Stauhöhe durch genügenden und recht- zeitigen Abzug und sorgfältiges Lüften der bis dahin überstauten stockenden Boden- schichten. Die alte Kulturweise zog offene Gräben, und suchte sich gegen das Niederschlags- wasser durch 6- oder $furehige schmale und hohe Beete zu schützen, zwischen denen je eine tiefe Wasserfurche als Sammel- und Abzugsgraben liegen blieb. Hier und da, obwohl selten, wurden auf Berglagen, wo man das Durchreissen der offenen Gräben fürchtete, die schon den Römern bekannten Steindrains angewandt. Die neuere Wirthschaft beseitigte mehr und mehr das alte Verfahren. Es wurde auf den meisten Fluren, namentlich aber bei den Separationen, viel für gute Abzugs- gräben gethan. Die Anlage und genügende Räumung solcher Gräben wurde, wie Ab- schnitt XIII. genauer gezeigt hat, gesetzlich erzwingbar und durch die Mithülfe der ländlichen Polizei ausführbar; selbst der kleine Wirth ging desshalb, wo der Boden nicht besonders nass, oder der gartenmässige Anbau zahlreiche Zugangswege fordert, nach und nach zu ruthenbreiten flachen Beeten über, welche einen genügend raschen Wasserabzug ohne erheblichen Land- und Saatverlust gestatten und die Bestellungs- und Ernte- arbeiten nicht behindern. Wo es möglich, suchten namentlich grosse Güter völlig ebene für Quarree- und Maschinenarbeit geeignete Felder durchzuführen. Diese Fortschritte würden, indess vielfach gehemmt und von viel geringerem Er- folge geblieben sein, wenn in der ausgebildeten künstlichen Drainage mit Thonröhren nicht ein Mittel der Entwässerung und Lüftung aufgefunden worden wäre, welches sich mehr und mehr als epochemachend für den gesammten neueren Ackerbau erweist, und namentlich für den wechselnden, kalten und häufig undurchlässigen Untergrund des norddeutschen Schwemmlandes von der grössten Bedeutung ist. Die Idee der Röhrendrainage wurde erst 1833 von Smith veröffentlicht und durch ihn, Parkes, Baxter u. a. in allem Wesentlichen praktisch festgestellt. Sie gewann in England und Belgien schnell Anerkennung und Verbreitung. In Preussen wurde sie seit etwa 1847 durch die Versuche einzelner intelligenter Wirthe, wie Gropp-Isterbies, Robert, v. Vincke-Olbendorf, Peyer und durch die Thätigkeit des Landes-Oekonomie- Kollegiums Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Seitdem haben die Drainanlagen in den meisten Provinzen überaus regen Aufschwung gewonnen. Es ist schwierig, die Ausbreitung der Drainkultur in bestimmten Zahlen zu ver- folgen. Das Königliche Landes-Oekonomie-Kollegium hat versucht, ein Bild der Thätig- keit im Jahre 1855 zu erhalten. Das Ergebniss ist umstehende Uebersicht [t]. 58 XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. a9) Zahl der > Grösse der Name des Zahl | Besitzer | zur Drainirung besti g bestimmten B : - ee a en Fläche bereits drainirten Fläche Ort- “ = = 5 grösserer kleinerer grössere kle gu ar schaften|grössere|kleinere| Besitzer Be Summe Br ae Summe \ Provinz Morgen Morgen Morgen Morgen Morgen Morgen | 1 j } : 5. 6. T 8. 9. - | ı. Königsberg. . 23 14 9 9817 633 Io 450 3.409 221 3 630 2. Gumbinnen. . 12 II I 125 c 125 563 30 593 3. Danzig .... 17 14 5 5 700 5 5 700 1396 5 1396 4. Marienwerder 20 17 6 8 574 22 8 596 1 582 60 1642 Preussen .. 72 56 21| 24216 655 24 871 6 950 311 7 261 BKöslin.... 46 43 2| 27228 58 27 286 9318 12 9 330 6. Stettin .... | 77| ı3| 50132 263 | 50395 | 29340 zıı | 29651 7. Stralsund... 49 43 I 11571 22 11593 6 000 I2 6012 Pommern... 191| 163 16| 88951 343 89 274 44658 339 44 933 8. Bromberg .. 4 2 2 6 4 Io 173 22 195 9. Posen..... 34| 27 2| 25920 16 | 25936 4921 9 4.930 Posen «l.... 38 29 4| 25926 20 25 946 5094 31 5125 10. Frankfurt. . . 108 82 37| 29552 417 29 969 15 910 468 16 378 ır. Potsdam ... 78 67 17| 13048 345 13 393 6798 226 7024 Brandenburg 1866| 149 54| 42600 762 43562 | 22708 94 23 402 12. Oppeln... .. 130 gı|l 175| 28163 574 28737 11 080 835 IT 9I5 13. Breslau. ... 2382| ı88| 246| 43274 2.426 45700 | 28220 2347 30 567 14. Liegnitz ... 220| ı160| 217| 26325 2.095 28 420 15 976 1956 17 932 Schlesien . . 632| 439| 6538| 97762 5095 \ 102857 55.276 5138 60 414 15. Magdeburg . . 256| 1320| 5ı5| 16972 | 3096 20 068 25 171 5 467 30 638 16. Merseburg . . 122. 00L13 102 9961, 918 10 879 7 100 1113 8213 17. Erfurt..... 97 53| 288 4764 845 5 609 2.360 1064 3 924 Sachsen. . . 475| 296| 3905| 31697 4859 36 556 | 35131 7644 42775 18. Minden .... 75 33 112 2139 781 2 920 3 208 2 181 5389 19. Münster ... 67 34| 146 3535 1929 5.464 1564 1450 3 014 20. Arnsberg... . 42 12 88 350 265 615 791 684 1475 Westfalen . 184 79| 346 6.024 2975 8999 5.563 4315 9878 21. Düsseldorf . . 28 Ta 38 2333 356 2.689 239 447 686 22. Köln. .....: 18 mar Ne} 741 | 257 998 422 182 604 23. Aachen.... 47 SA 1010 175 1185 1827 558 2385 24. Koblenz ... 16 3) 832| nicht angegeben — 34 997 I03I 28H Drierz no. - 19 8 22 182 93 | 275 IIo 225 335 Rheinprovinz 128 33| 953 4266 | 881 5147 2632 2409 5041 ee u) Staat... | 1906| 1264| 2937| 321422 | 15590 | 337012 | 178012 | 20877 | 198889 Entfernung der Röhrenstränge XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 59 Gefälle der Röhrenstränge auf 10 Ruthen Tiefe der Röhrenlage am häufigsten vorkommende Mittelzahlen Ruthen 3—4 3 34 5) 3—4 ll 3—4 4 4 2—4 25 23—5 2—5 3—4 2—5 2—4 2—4 2—4 3—4 2—4 2) 2—4 2—4 3—4 2—4 3—4 3—4 2—4 3—4 2—3 !ı 2—6 34 Fuss Zoll 13. 4 ur) 3—4!/2 SIR 3—4"2 I-_—ı2 Ele IN 3—4!a 1 —12 4—6 I —ıo 3—4 3 6 4 I — 2!h 4 1 —10 3—4'8 au ei) 2, RA 3—5 2 —4 2—5 1 —6 3—4 1a —Io 23—5 1 —10 3—4 I —ıIo 3—4 I -—Io 3—5 In 3—4 1 —10 2—4 I -—ıo 2—5 I —Io 3—4 2 —ıo 2—4 1 —10 3—4 5) 3—4 2 —Io 3—4 2 —I2 34 2 —12 3—4 !p—10 3—4 I —ıo 33a | 18 2—4 2 —I5 3-4 I! —20 3—4 1 —10 Preisetaer Röhrenfabriken Röhren Zahl Jährliche für 1000 der Fabrikation an Ma- Röhren Thlr. sehinen Stück De 39 15 6 — ı2 6 4 — 40 Io 1a 27 %8 14 11a — 40 45 4 — 4 2 Gi >) 39 4 — 45 14 4 —49 80 Sie 4 2 — 20 13 2 —20 17 3 — 50 25 4'/a— 40 18 3 — 50 43 2 —— 46; 38 2 —I$o 58 21/a— 40 33 2 —180 129 22/3 — 40 61 31a — 60 16 5 — 21 22 22; — 60 99 3a — 18 17 4 — 20 13 4 —7 10 31a— 20 40 3, —rAys 4 3118,35 2 3 — 20 6 n srl 5 3 — 18 1Ya—180 471 16. I 310 000 190 000 I 150 000 302 460 2952460 1 407 100 6 640 000 1 600 000 9647 100 200 000 1080 00 1280 800 2.663 000 2, 430 000 5.093 000 5 848 000 8 476 000 4 279 450 18 603 450 8 556 000 902 500 1979 800 11 438 300 I 129 300 3 182 200 980 850 5292 350 2 400 000 1750 000 1 540.000 90 000 5 780 800 69 087 460 Kosten des Gra-| bens und Legens ——— | auf die Ruthe Gesammtkosten inel. Röhren, Aufsicht etc. auf den Morgen am häufigsten vorkommende Mittelzahl Sgr. Zu 5 3 3 '/ 2,75 3 —5 1a —4 21a —5 2 —4!a 15 2 a re) 2 —5 ı —6 2/3 1 6, 2a —5 2 —3ih 2'h- 5 21a—5 21a —5 2 —5!a 2,5=5 Due, 215 A) 2, 7 2 —5 15 2. —6 3/4 5 3 —4a 15 9 —ı2 8a —ı2512 8 —1575 7a—ı2 Br 5; —ı2 8 —ı2 8 —ı2 87 —12 II 6 —ı5 6. ,—15 BMLL5 6 —ı4 5 —15 7 —ı2 SE —I5 ee) 5 —15 8 —20 8 —15 5 —ıI2 8 —20 6 —ıo 6 —ı2 1 A4 6 —14 II —ı4 Io —ı5 Io —ı3 3a —TO 8. —ı2 10 —15 & —15 60 XV. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Die Mittheilungen, auf welche sich die vorstehenden Zahlen gründen '), sind zwar unvollständig, theils fehlen solche für 38 Kreise überhaupt, theils haben sie nicht alle Drainirungen aufgenommen, andrerseits umfassen sie mehrfach auch Ausführungen im Jahre 1856 und gehen mitunter sogar auf frühere Jahre zurück: im ganzen aber dürfte die Summe annähernd einer Jahresarbeit entsprechen. Die Zusammenstellung ist durch die Angabe der Art der Legung, der Durchschnitte der Röhren- und Arbeits- preise und der Vertheilung auf grossen und mittlen Besitz besonders werthvoll. Ausführlichere Darstellungen der Gesammtlage der Drainkultur im Preussischen Staate finden sich im 26. Bande der Annalen S. 299 für die Zeit vor 1855 und als Auszug einer auf amtliche Erhebungen gegründeten Denkschrift des Dr. A. Thaer im 45. Bande der Annalen $. ı für 1863. Letztere nimmt auf Grund der Nachrichten der landwirthschaftlichen Central- vereine und Auseinandersetzungsbehörden an, dass die 1863 drainirte Fläche im Staate ı Million Morgen nahezu erreichte, und dass sich die Herstellungskosten auf durch- schnittlich 10— ı2 Thlr. vom Morgen stellten. In Preussen und Posen ist, wie die Besprechung der örtlichen Beschaffenheit des Kulturbodens Band I. Abschn. IX. gezeigt hat, ein sehr beträchtlicher Theil .der Län- dereien der Drainkultur in hohem Grade bedürftig. Indess sind die Anlagen bis 1864 auf die grösseren Güter der Kreise des besseren Bodens beschränkt geblieben; die Zahlenangaben erreichen in der Provinz Preussen etwa 35 000°), in der Provinz Posen nur etwa 12000 Morgen. In Hinterpommern, wo besonders die Höhe des Land- rückens durch Drainkultur verbesserungsfähig ist, war die Thätigkeit grösser und hatte sich schon auf 60.000 Morgen erstreckt. Weniger lebhaft ist, mit Ausnahme des Krossener Kreises, in der Provinz Brandenburg drainirt worden, indess hatten doch in einigen Kreisen, wie in Sorau, Luckau, Lübben, selbst kleine Besitzer Drainanlagen nicht gescheut. Schlesien hat die Drainkultur schon früh und sehr verbreitet ange- wendet, die ausgeführten Drainanlagen sollen gegen Ys der bedürftigen Fläche erreichen. In Sachsen sind sie in der Altmark, Magdeburg und im Regierungsbezirk Merseburg sehr allgemein, im Regierungsbezirk Erfurt dagegen nur selten. In Westfalen haben die ebenen Theile darin grosse Fortschritte gemacht, besonders wo Spezialseparationen stattfanden. 1856 waren bereits 80 Pressen im Münsterlande und an seinen Grenzen in Thätigkeit. In den westfälischen Gebirgen dagegen ist wenig drainirt; hier besteht aber auch seltener Veranlassung®). Am Rhein wird das Bedürfniss als sehr verbreitet anerkannt, indess haben grössere Anlagen nur an wenigen Orten stattgefunden. Die meisten sind, wie es scheint, im Regierungsbezirk Aachen ®), nächstdem in Trier aus- geführt. In Hohenzollern leidet besonders der Bezirk Sigmaringen an stagnirender Nässe ; hier ist etwa der 4. Theil aller der Drainirung bedürftigen Flächen wirklich drainirt und zwar meist als Gegenstand genossenschaftlicher Unternehmungen. — 1) Vergl. Annalen Bd. XXXII. S. 249. 2) In Ostpreussen sind im Mangel an Material häufig Stein- und Faschinendrains ge- legt worden; im Reg.-Bez. Danzig fabrizirten 14 Ziegeleien etwa ı Million Röhren jährlich. 3) Es wird angegeben, dass bis 1863 im Kreise Steinfurt von 67 5oo der Drainage bedürftigen Morgen 15000, in Herford von 40000 5000, in Soest von 50000 5800, in Hamm, Dortmund undBochum von 90000 20 500, in Brilon 5 100, in Iserlohn etwa 10000 drainirt waren. 4) Der Haupttechniker führte hier 1853—1863 13 470 Mrg. Drainage mit 108 352 Thlr. Kosten aus. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 61 Als Förderung seitens des Staates ist Vieles geschehen, um Draintechniker auszu- bilden, und hinreichend sichere Anschauungen über die Anwendbarkeit, die Kosten und die praktischen Erfolge der Drainkultur zu verbreiten. Die Reiseberichte der zu diesem Zweck nach England, Belgien und Frankreich gesendeten Techniker und die Angaben über angestellte Versuche und ausgeführte Ar- beiten sind in den Annalen mitgetheilt*). Die Zahl der Draintechniker betrug 1855 schon 154, die zum Theil als Draineure und Wiesenbaumeister auf Staatskosten oder mit Staatsunterstützung stationirt waren. Auf den Wiesenbauschulen erhielten die Zöglinge Unterricht in der Drainkultur, und die Direktoren der landwirthschaftlichen Akademien hatten es öffentlich bekannt zu machen, wenn Drainarbeiten auf den zur Akademiewirthschaft gehörigen Feldern ausgeführt wurden, damit Personen, die sich mit der Technik vertraut machen wollten, dazu Gelegenheit fänden. In der ersten Zeit schaffte der Staat Röhrenpressen nach verschiedenen Systemen an, die Verleihung derselben geschah so lange auf Staats- kosten, bis die Zahl der Pressen im Lande soweit vermehrt war, dass man die weitere Verbreitung der Röhrenfabrikation der Privatindustrie überlassen zu können glaubte. Indess sind ausnahmsweise auch noch in den letzten Jahren einzelne Röhrenpressen nach Distrikten verliehen worden, wo ohne solche Unterstützung die Fabrikation nicht in Gang zu kommen schien. Mehrfache Förderung ist der Verbreitung der Drainage dadurch geworden, dass die auf sie verwandten Kosten Anerkennung als nützliche Verwendung in die Substanz des Gutes im Sinne des $ ıro zu b. des Reallastenablösungsgesetzes vom 2. März 1850 (G.-S. S. ıro) bei den Auseinandersetzungsbehörden fanden. Die ihre Realberechtigungen ablösenden Gutsbesitzer konnten, wie Bd. I. S. 415 und 428 gezeigt ist, ohne Zuziehung ihrer Gläubiger die festgesetzten Abfindungskapi- talien nicht ausgezahlt erhalten. Obwaltender Einsprüche und Weiterungen wegen wurden bedeutende Summen in Rentenbriefen gerichtlich deponirt, weil den Besitzern in der Regel die Verwendung zur Tilgung von Hypotheken wenig wünschenswerth war. Durch die Anerkennung der Drainkultur als Substanzverbesserung wurden diese Depo- siten ohne Einwilligung der Gläubiger in Höhe derjenigen Kosten frei, welche von der Auseinandersetzungsbehörde nach technischer Prüfung als angemessen angewendet beurtheilt wurden. Zahlreiche Drainanlagen sind namentlich in Schlesien auf diesem Wege durch Rentenbriefe gedeckt worden. Zugleich entstand in diesem amtlichen Ver- fahren die Nothwendigkeit, klare Grundsätze für die prüfenden Techniker aufzustellen. Dies rief sehr eingehende Untersuchungen hervor, und wirkte unmittelbar auf Sorgfalt und Tüchtigkeit bei der Ausführung”). Dass der Staat die Drainkultur auch unmittelbar im Wege der Gesetzgebung zu fördern suchte, ist schon bei der Besprechung des Gesetzes vom ıı. Mai 1853 (G.-8. S. 182) Bd. I. S. 457 gezeigt, welches die Vorschriften über Anlage von Entwässerungs- gräben durch fremde Grundstücke auch auf Ableitungen des Wassers unter der Erde in bedeckten Kanälen oder in Drains ausdehntee Zur Abänderung des $ 2 dieses *) Annalen Bd. XIX. S.ı, XX. 81, XXI. 68, XXIII. 248, 372, XXIV. 219, XXV. 441, XXVI. 161. **) Instruktion der Königl. General-Kommission für Schlesien für Feldmesser und Drain- techniker zur Entwerfung und Ausführung von Drainplänen, (W. Wäge) Berlin 1857. 62 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. Gesetzes, welcher jeden Zwang zum Beitritt zu Drainagegenossenschaften ausschliesst, ist auch später ein irgend lebhafteres Bedürfniss nicht hervorgetreten. Wo Drainage- genossenschaften zusammengetreten sind, ist dies auf Grund freiwilliger Vereinigung geschehen *). Der Staat hat sich zur ewährung von Staatsdarlehnen an Drainagegenossenschaf- ten nach Massgabe der Mittel des Central-Meliorationsfonds und unter den Gesichts- punkten, wie solche Darlehne andern Meliorationsgenossenschaften zugänglich werden, (Bd. I. S. 462) bereit erklärt. Auch bestehen für die Gewährung von Darlehnen an einzelne Grundbesitzer gewisse, schon Bd. I. S. 459 gedachte und in dem Abschnitte über das Kreditwesen genauer zu besprechende Meliorationsfonds und Provinzialhülfskassen, deren allerdings beschränkte Mittel sich theilweis für solche Zwecke darbieten. In der Regel verhindert aber die allgemeine Lage ihrer Schuld- und Kreditver- hältnisse die Grundbesitzer nach der Aufnahme erheblicher Anleihen zum Zwecke der Drainirungen zu streben. Wenn die Drainirungen auch erfahrungsmässig in 4 oder 5 Jahren ihre Kosten vollständig ersetzen, so fordern sie doch durch die Erhöhung der Produktion eine gleichzeitige Verstärkung des gesammten Betriebskapitals, und es hält schon die vorübergehende Vermehrung der Zinszahlung, und die Möglichkeit der Kündigung von Kapitalien, leicht von der Aufnahme neuer Schuldposten für diese Zwecke ab. Sehr wirksam könnten sich allmählich amortisirbare Darlehne erweisen. Eine Aktien-Drainage-Gesellschaft, die sich 1862 in Schlesien zu diesem Zweck zu bilden versuchte, hat indess im landwirthschaftlichen Publikum nicht die erforderliche Unter- stützung gefunden. — Die Wirkung der Drainkultur auf die Bodenmasse zeigt sich nach den Beobach- tungen, wie sie die gedachten Denkschriften wiedergeben, überaus günstig. Die Ver- eine und sonstigen Berichterstatter aus den verschiedensten Theilen des Staates stimmen über die ganz unerwarteten und glänzenden Ergebnisse überein. Sie bekunden Ertrags- steigerungen, die von 30 bis zu 200 pÜt. betragen, wo nicht ersichtliche Fehler im technischen Verfahren der Anlage stattgefunden haben, Die physikalische Beschaffenheit des Bodens“*) gewinnt unmittelbar durch den raschen Abzug des Wassers. Die Frühjahrsnässe weicht bei drainirten Aeckern je nach der Bodenart um ro bis 20 Tage früher als bei undrainirten. Gleichwohl leiden erstere keineswegs an Trockenheit. Die grössere Durchlüftung, der Luftzug, der durch das Ablaufen des Wassers und das Nachdrücken der atmosphärischen Luft erzeugt wird, führt in die Poren des Bodens Wassergase ein, die sich dort an den kühleren Boden- schichten kondensiren. Je milder mit der Zeit der Boden wird, desto mehr ist er gegen *) Vergl. Annalen Bd. XXVI. S. 425. XXXV. 307, 429, 437. Auch aus den am meisten parzellirten Gegenden ist in der Regel nur beantragt worden, dass zu $$ 15 fl. des Vorfluth- gesetzes vom 15. November 1811 (s. Bd. I. S. 451) die Vermuthung geltend werde, die Ser- vitut der Durchleitung verdeckter Abzugsdrains gereiche bis auf Gegenbeweis auch dem zu belastenden Grundstücke zum Vortheil. *) Annalen Bd. XXV. S. 299; XXVO. 426; XXXIV. 138; XXXV. 514. Vergl. Zeit- schrift für deutsche Drainirung v. Dr. E. John, 1853 ff. — Die Regenverhältnisse Deutsch- lands und die Anwendbarkeit der Regenbeobachtungen bei Ent- und Bewässerung und ge- werblichen Anlagen v. G. v. Möllendorf, Görlitz 1862. — Jahresbericht a. a. O. II. S. 171 ff; VI. S. 145. — R. Hoffmanns Agrikulturchemie S. 197 — 217. XVII. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. 63 Trockenheit sicher gestellt. Auch seine Wärme erhöht sich beträchtlich. Man hat beobachtet, dass der Schnee auf drainirten Aeckern erst einige Wochen später liegen blieb, als auf undrainirten. Die Gasverdichtungen und die eingedrungene erwärmte Luft erhalten ihm länger eine hohe Temperatur, als sie bei Ueberschuss an Wasser und starker Verdunstung möglich sein würde. Die Temperatursteigerung ist im Mittel verschiedener Beobachtungen auf 4,5 °R. gefunden worden, Diese Umstände sind aller Orten, namentlich aber im Norden, bei der Kürze der dortigen Bestellungszeit, von sehr grosser Bedeutung (S. o. Bd. I. S. 156). Die chemische Wirkung liest vor allem in dem Eintritt der Bestandtheile und Beimischungen der atmosphärischen Luft, des Sauerstoffs und der beigemischten Gase. Während das Wasser ohne Luftzutritt die Verwesung der organischen Stofie so sehr hindert, dass sie entweder überhaupt konservirt, oder in schädliche für die meisten Pflanzen unbrauchbare Verbindungen übergeführt werden, bewirkt der Zutritt des Sauer- stoffes die erwünschte lebhafte Oxydation. Ein Theil der entstehenden löslichen Verbindungen wird dem Boden allerdings durch den raschen Durchzug des Wassers entführt. Die Analysen des Drainwassers lassen darüber keinen Zweifel. So ergab“) u Koh- | Koh- | Koh- | Koh- |, |Schwe- [ ] Orga- | Jen- len- len- 1en- | Chlor- | ge1- Eisen- | Kiesel- nische saure na- in 0000 Theilen Store | ruren Marne“ saures | saures | „;,], | Saures oxyd | säure Kalk E Kali |Natron Kali sim A. Drainwasser nach Wolff I. eines Roggenfeldes 0,257 | 2,193 | O,310 | O,o25 | 0,194) O,23ı | O,118 0,077 0,068 Spur 2. einer Weide... . | 0,324 | 0,435 | 0,142 | 0,053 | O,142 | Spur | Spur | O,osg | 0,041 | 0,187 | Spur B. ein Brunnen in der Näheres 0,104 | 2,249 | 0473| — 0,020 | O,232 | 0,187 0,149 0,186 | Spur . Schwe- | Salpe- |Kohlen- C. Drainwasser nach GEN IE ter ül| Banzen Krocker Balll|Natron sauren | sauren | Eisen- Kalk Kalk |oxydul am I. April 1853 .. O,250 | O,840 | O,700 | O,020 | O,ııo | 0,080 | 2,080 0,020 | O,040 | O,070 am ı. Mai 1853 nach vielem Regen “2 | 0,240 | 0,840 | 0,690 | O,020 | O,ı50 | O,0go | 2,100 | O,020 | O,040 | O,070 Oktober 1853 neben dem vorigen Felde. | 0,160 1,270 | 0,470 | O,o20 | O,130 | O,o70 | I,ıgo | O,oro | O,040 | O,o6o Von einem mit Guano gedüngten Felde ... | 0,060 | 0,790 | 0,270 | O,o20 | O,100 | O,030 | O,170 | O,0o20 | O,020 | O,oso Von anderem Felde Juni 1853 ©... 0. | 0,630 | O,710 | O,270 | 0,040 | O,o5o | O,oro | O,770 | O,o20 | O,o20 | O,o6o August 1853 » » » . | 0,560. | 0,840 | O,160 | O,060 | O,040 | O,oro | 0,720 | O,o20 | O,oro | O,050 Dieser Verlust wird erwiesenermassen um so geringer, je tiefer die Drains liegen, namentlich werden Ammoniak, Phosphorsäure und Kali desto leichter zurückgehalten, je mächtiger die zwischenliegenden Schichten sind. Tiefe Drainage bis 4 Fuss, wo sie des Gefälles wegen möglich ist, empfiehlt sich überhaupt schon wegen der viel *) R. Hoffmann, Agrikulturchemie S. 214 ff. — Ueber die Gesammtheit der Erschei- nungen, welche bei dem allmählichen Einsinken der durch Wasser aufgelösten Nährstoffe in den Untergrund sich zeigen, vergl. W. Schumacher: Der Nährstofiverlust der Ackerkrume durch Regen. Annalen Bd. XLV. S. 178. 64 XVI. Bodenverwendung, Kulturarten, Stoffverbrauch, Düngung, Bearbeitung, Drainage. grösseren Fläche, für welche jeder Drainstrang wirksam wird. Jedenfalls aber ist der Stoffverlust, der durch das Drainwasser entsteht, das langsam von Bodenschicht zu Bodenschicht die aufgenommenen Bestandtheile immer wieder absetzt, und nur den Rest der aus den untersten Lagen ablaufenden Verbindungen wegführt, bei weitem nicht so gross, als der, den die längere oder kürzere Zeit die obere Lage bedeckenden und dann zu Tage abfliessenden Grabenwässer verursachen. Dieses Wasser enthält vorzugsweise organische Substanzen und die leicht löslichen Alkalien, verschwendet also die nutz- barsten Pflanzennahrungsmassen und lässt sie selbst beim Abtrocknen zum Theil ver- dunsten, zum Theil in ungünstige Verbindungen übergehen. Die Luft, die aus den Drainröhren ausströmt, enthält auf r10000 Volumtheile, bei grosser Schnelligkeit des Durchzuges, 13 bis 17, bei geringerer bis zu 38 Theile Kohlen- säure. Die Verhältnisse des Stickstoffs und des Sauerstoffs schwanken etwas, theils zu Gunsten des einen, theils zu Gunsten des anderen gegenüber dem Verhältnisse in der atmosphärischen Luft, und die Temperatur der Drainluft ist selbst in den heissesten Sommermonaten beträchtlich wärmer, als die tiefste Temperatur der Atmosphäre *), *) Jahresbericht a. a. O. II. S. 175. — Vergl. oben Bd. I. S. 144. XV. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Die mechanischen Hülfsmittel, welche die körperliche Arbeitsleistung des Men- schen verstärken, beschleunigen oder mannigfacher verwendbar machen, pflegt man in Geräthe, Maschinen und sogenannte bewegende Kräfte zu unterscheiden. Unter Geräthen werden Werkzeuge verstanden, deren Arbeitsleistung unmittelbar von der Körperkraft, dem Willen und der Gewandtheit Dessen abhängig bleibt, der sie ge- braucht; die Maschinen dagegen führen die geforderte Arbeit selbstthätig aus, und bedürfen in der Hauptsache nur einer richtig geleiteten Triebkraft; die bewegenden, d. h. allein auf mechanische Fortbewegung gerichteten Kräfte können, abgesehen von der menschlichen, physikalische und chemische sehr verschiedener Art, oder auch thierische durch Ziehen, Tragen, Stossen u. dgl. benutzte sein, und bedürfen nur der nöthigen Aufsicht. Geräthe Alle wesentlichen Formen der heutigen landwirthschaftlichen Handgeräthe, als Sehaufel, Grabscheit, Gabel, Rechen, Schlägel, Flegel, Hacke, Karre u. s. w. sind so sehr Gemeingut aller auch der ältesten Völker, dass von ihrer geschichtlichen Ueber- tragung kaum gesprochen werden kann; für einzelne unserer Geräthe liegt aber die Annahme römischer Vorbilder sehr nahe. Alle Handgeräthe wandeln sich leicht nach dem Bedürfnisse der Arbeit um, und lassen selbst bei sehr ursprünglicher Gestalt nicht nothwendig auf Mangel an technischer Ausbildung und Geschicklichkeit schliessen. Im allgemeinen aber lässt sich nicht verkennen, dass der feine Sinn, der das Alterthum auch in der Herstellung von Geräthen auszeichnete, für die deutsche Landwirthschaft des Mittelalters in hohem Grade verloren gegangen ist. Selbst in der Neuzeit hat sich die Aufmerksamkeit viel früher der Herstellung von Maschinen, als der Verbesserung der Geräthe zugewandt. Thaer hat das Verdienst, die Anforderung guter landwirthschaftlicher Boden d. preuss. Staates. II. 5 66 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Werkzeuge zuerst in Deutschland in ihrer vollen Wichtigkeit erfasst, und durch die Schrift „Abbildung und Beschreibung der nutzbarsten neuen Ackergeräthschaften * (Hannover 1803— 1806. 3 Hefte), den Landwirthen näher gelegt zu haben. Die Schwierigkeit der Herstellung zweckmässigen, Zeit und Kraft. ersparenden Arbeitszeuges liegt in der Nothwendigkeit, dasselbe verschiedenen Arbeiten und den durchschnittlichen Ansprüchen einer Mehrzahl von Gebrauchsfällen anzupassen. Aber wenn sich auch der Konstrukteur nur auf die gemeingültigsten Elemente beschränkt, auf die Vermeidung jeder unnöthigen Reibung, die stärkste Hebelwirkung gegenüber der Körper- stellung, die Verwendung von Eisen und Stahl für Schärfen, Spitzen und dem Bruch ausgesetzte Verbindungen und ähnliche einfache Verbesserungen der üblichen Werkzeuge, so vermögen sich gleichwohl die Maschinenfabriken nicht früher mit der Anfertigung zu befassen, als sie nicht im landwirthschaftlichen Publikum Zeichen der Bereitwillig- keit bemerken, bessere Geräthe entsprechend theurer zu bezahlen. Erst in der neusten Zeit ist das Vorurtheil mehr und mehr geschwunden, dass für den gewöhnlichen Ar- beiter nur die rohesten Geräthe passen, dass er die bessern nicht sorgfältig genug handhabe, und wenigstens nicht so viel mehr damit ausrichte, als die erhöhten Kosten betragen. Dieser Umschlag der öffentlichen Meinung ist der grösseren Verbreitung der ländlichen Maschinen und dem fast in allen Oertlichkeiten besonders anschaulich auf- getretenen Beispiele der Wiesenbau- und Drainwerkzeuge zuzuschreiben, die sich in der Hand unserer Arbeiter durchaus zweckmässig erwiesen haben. Auch hat die Lon- doner Industrie-Ausstellung von 1851, deren Geräthemuster der „amtliche Bericht von Dr. K. H. Rau“ (Berlin 1853) eingehend darstellt, viel gewirkt. Sie gab einer bedeu- tenden Zahl unserer Landwirthe sehr erweiterte Anschauungen davon, wie grosses Gewicht in England auf Erleichterung gerade der gewöhnlichsten Handarbeiten durch gutes Arbeitszeug gelegt wird, und mit welcher Zuversicht man von jedem Handarbeiter bessere und billigere Leistungen nicht blos durch überhaupt besser hergestellte Werk- zeuge, sondern auch durch den Gebrauch verschiedener Gattungen desselben Instruments je nach der Verschiedenheit des Zwecks erwartet, wie man also trotz der Kostspielig- keit die Anschaffung grösserer Sortimente des einzelnen Geräths nicht scheut. Ein erfreuliches Zeichen, dass sich diese Ueberzeugungen auch bei uns mehr und mehr Bahn gebrochen haben, tritt in der grossen Zahl verbesserter Werkzeuge hervor, die seitdem auf den verschiedenen deutschen landwirthschaftlichen Ausstellungen von den einheimischen Fabrikanten als gangbare Artikel vorgeführt werden konnten !). — Früherer Beachtung als die der Handgeräthe haben sich in Deutschland die Ver- besserungen der Spanngeräthschaften, Pflug, Egge, Walze, zu erfreuen gehabt. Wie früh die Walze, die den Römern ebenso bekannt war, wie Esge und Pflug, auch in Deutschland Anwendung gefunden hat, steht nicht näher fest. Die Egge wird häufig erwähnt, sie kommt schon in den Volksgesetzen als allgemein im Gebrauch vor °). Genauer bekannt ist die Ausbildung des Pfluges, der als ein heilig geachtetes Symbol des Ackerbaues bei allen Völkern schon in den ältesten, durch Schrift und Skulp- tur erhaltenen Ueberlieferungen erscheint. K.H. Rau’s Geschichte des Pfluges °) zeigt, 1) Ueber die einfacheren Geräthe vergl. Dr. Schneitler und J. Andree: „Die neueren und wichtigen landwirthschaftlichen Maschinen und Geräthe“, Leipzig 1861. 2) Lex Salica XXXVII. $ 2. Lex Alamannorum Tit. XCVI. $ 4. 3) Heidelberg 1845. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 67 Fig. 1. dass wir auch von dem dentschen Pfluge der älteren Zeit einen ziemlich deutlichen Begriff haben. Wir wissen aus den Volksgesetzen und aus frühen uns überlieferten Zeichnungen, deren eine aus dem rı. Jahrhundert vorstehend (Fig. ı) skizzirt ist!), dass derselbe ein Räderpflug war, wie ihn das Alterthum nicht gebrauchte. Nach dem Zeugniss des Pli- nius?) kamen die Räderpfläge nicht lange vor seiner Zeit im Rhätischen Gallien auf. Gegenüber der deutschen Sitte fand sich zur Zeit der Einführung des Christen- thums als charakteristischer Gegensatz bei den slavischen Völkern der Gebrauch des Hakens (radlo). Die Chronisten wie die ältesten Synoden, die den Kirchenzehnt be- riethen ®), wissen nicht anders, als dass dieser Unterschied national ist; deutsches Land wird nach dem aratrum, slawisches nach dem uncus berechnet, und in den ältesten, in das ıı. Jahrhundert hinaufreichenden Nachrichten, ebenso wie in den Steuerveranschla- gungen des 17. Jahrhunderts, die in Pommern bis auf die neuste Zeit in Geltung ge- wesen sind, wird der Haken in der Regel auf ?s der Leistungsfähigkeit des Pfluges, und demgemäss auch der Umfang der slawischen Hakenhufe auf etwa % der gewöhn- lichen deutschen Landhufe angenommen. Häufig wird ausgesprochen, dass erst die Deutschen mit ihrem grossen Pfluge die schweren Böden des Slawenlandes urbar zu machen vermochten (s. Bd. I. S. 305, 370). Mit den Kolonisten verbreitete sich dieser Pflug, der unzweifelhaft durch das ganze Mittelalter und bis in das vorige Jahrhundert unverändert geblieben ist, über den ge- sammten Nordosten. Indess hat er keineswegs eine so allgemeine Herrschaft erlangt, als man nach der sonst durchgreifenden Uebertragung der deutschen Wirthschaftsführung erwarten sollte. In Preussen, Pommern und Posen haben sich vielmehr nicht blos bei slawischen, sondern auch bei deutschen Landwirthen verschiedene Arten des Hakens er- halten und neben denselben zwei andere Instrumente, die prenssische Zoche und die litthauische Stagutt, die beide ebenfalls auf das Mittelalter zurückzuführen sind, Den Haken zeigt die umstehende Abbildung, Fig. 2, in seiner brauchbarsten Form, als sogenannten mecklenburgischen Haken. Er besitzt kein Streichbrett, die Schaar ist eine reine Hakenschaar. Wie weit der herkömmliche schlesische Ruhrhaken noch auf die älteste Zeit zurückzuführen ist, ist nicht genauer bekannt. Er hat in der Ebene die Form Fig. 3, im Gebirge die Form Fig. 4. 1) Vergl. Anton’s Geschichte der deutschen Landwirthschaft, Thl. I. Taf. II. nach Joseph Strutt, Horda Angel-eynnan, or a complet view of the manners, ceustoms, arms, habits ete., of the inhabitants of England, III. Vol. London 1775 — 1776, 4. 2) Histor. natur. XVII. 48. 3) Cod. dipl. Siles. IV. Einl. S. 58, 88, rıo. — Tschoppe und Stenzel, Urkunden- sammlung, Hamburg 1832, S. 171. b* 68 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Fig. 2. Fig. 4. Fig. 6. Die Zoche und die Stagutt gehören einer in den Östseeprovinzen, in Polen und Russland und bis nach Sibirien und China hin allgemein verbreiteten Familie von Ackerinstrumenten an, welche Rau in der Abhandlung „über die Zochen und über die Entstehung der Pflüge überhaupt“ (Annalen Bd. XXXVI. S. 327) besprochen und abgebildet hat. Sie zeigen eine gabelförmige Schaar, die in der Regel in einem sehr leichten Gestell eingespannt und mit einem kleinen als Streichbrett wirkenden schaufel- förmigen Holzstück verbunden ist. Die Stagutt (Fig. 5) hat die ältere und leichtere Grundform fast ganz beibehalten. Ihre beiden Gabelschaare stehen in derselben Ebene und sind zugespitzt. Die Zoche dagegen (Fig. 6) hat sich durch die senkrechte Stellung einer Gabelzacke, die dem Sech ent- spricht, und zwei feste, einigermassen der Schraubenform entsprechend gebogene, schmale Streichbretter dem Pfluge genähert. Sie ist demselben in der Wirkung sehr ähnlich, und hat in Östpreussen in der Hand geschickter Pflüger bei Preispflügen verschiedentlich XVIII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte, 69 Fig. 7. Fig. S. den Sieg über andere moderne Pfluginstrumente sowohl wegen der vorzüglichen Lockerung des Bodens, als wegen der erheblichen Ersparniss an Zugkraft davon getragen, in der bei den schweren Böden und der kurzen Bestellungszeit in Preussen ein grosser Vorzug liegt*). Die ersten Verbesserungen an dem deutschen Pfluge sind auf den Engländer Lummis zurückzuführen, der denselben 1730 mathematisch so konstruirte, dass er von Paschley ausgeführt, als Rotherhammer, holländischer oder Patentpflug in England grosse Verbreitung fand. Durch Bailey und andere verbessert, wurde er namentlich auch von Thaer angewendet und lebhaft empfohlen. Er war, wie vorstehend Fig. 7 skizzirt, ein Schwing- pflug. Schwerz führte mit einigen Verbesserungen den brabanter Stelzpflug (Fig. 8) ein. Beide verfolgten als Hauptprinzip eine gebogene Stellung des Streichbrettes, die dem Ausschnitt aus einer Schraubenwindung entspricht, so dass der Pflug den Boden bohrerartig aus der Furche hebt und mit möglichst geringem Anstoss umwendet. Diesem Prinzip gegenüber kam seit 1838 in ganz Deutschland der von den Ge- brüdern Wewerka in Böhmen konstruirte böhmische Pflug oder Ruchadlo (Fig. 9) zu sehr allgemeiner Geltung, bei welchem das eiserne Streichbrett mit seiner unteren Kante die Schaar bildet, und wenn auch gebogen, doch so steil steht, dass es den Boden zwar wendet, zugleich aber, wie das gerade Streichbrett, einen starken Druck auf die Scholle übt, der sie zur Krümelung bringt. *) Möglinsche Annalen, I. Supplem.-Band, Tafel I. und II. — Preussische Statistik VII. S. 24. — Annalen Bd. 45 S. 161. 70 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Fig. 10. Der Ruchadlo wurde von Albrecht durch eine bewegliche Befestigung der auf beiden Seiten gleich geformten Schaar an der Griessäule in den sogenannten böhmisch- nassauischen Wendepflug (Fig. 10) umgestaltet, der sich ebenso wie der am Rhein seit länger bekannte Hunspflug (Fig. ır) mehr und mehr in den gebirgigen Lagen verbreitete. Auch der Hunspflug ist durch Umsetzen des Streichbrettes als Wendepflug benutzbar. Seitdem trat, namentlich durch den Rübenbau, das Bedürfniss schwerer, gut wir- kender Untergrundspflüge (Bd. II. S. 19) und andererseits der Behack- und Häufelpflüge, sehr fühlbar auf, und die Bekanntschaft mit den von englischen und amerikanischen Maschinenfabriken gebauten, zum Theil sehr künstlichen Konstruktionen, führte auch bei den Beetpfligen zur Erfindung und Einführung immer neuer auf mehr oder weniger spezielle Zwecke berechneter Modelle !), in denen die gedachten Grundformen auf höchst mannigfache Weise ausgebildet wurden. Wesentlich neue Gedanken sind indess selbst für die Pflugkarren der Dampfpflüge) nicht zur Geltung gekommen. Auf den zahlreichen, im letzten Jahrzehnt stattgehabten landwirthschaftlichen Ausstellungen, den Wanderversammlungen der Land- uud Forstwirthe, und auf eigens für Maschinen eingerichteten Märkten wurden die verschiedenen Muster, mehrfach auch Dampfpflüge, dem landwirthschaftlichen Publikum vorgeführt, zum Theil durch Wett- pflügen erprobt, und durch die Thätigkeit der Vereine und den Handel verbreitet. Es haben dabei namentlich amerikanische Pflüge als weniger künstlich und für unsere Boden- und Arbeiterverhältnisse mehr als die englischen geeignet, besondere Anerkennung ge- funden; in der Mehrzahl aber ziehen unsere Landwirthe bis jetzt einfache, oft nur von einheimischen Landschmieden ersonnene, durch Billiskeit und leichte Reparaturfähigkeit empfohlene Instrumente vor, die die Aufgabe erfüllen, unter den auf den meisten unserer Landgüter sehr wechselnden Arbeitsbedingungen eine genügende durchschnitt- liche Leistung zu sichern. Dampfpflüge werden im Staate noch nirgends benützt. Im allgemeinen lässt sich nach den Berichten der landwirthschaftlichen Vereine, bezüglich der gegenwärtig üblichen Pflüge, sagen, dass in der Provinz Preussen auf der Weichselniederung der Grignonpflug®), auf den höheren Lagen aber vorzugsweise amerikanische Schwingpflüge Verbreitung gefunden haben. Auch wird die Zoche ihrer schwierigen Herstellung, grossen Zerbrechlichkeit und unbequemen Führung wegen 1) Vergl. E. Perels Handbuch landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe. Leipzig und Jena 1862—67. Heft V. Bodenbearbeitungsgeräthe, 1866. Heft VI. desgl. und Dampf- pflüge 1866. 2) Ihre Geschichte und Konstruktion stellt der Aufsatz: Der Howardsche Dampfpflug von E. Perels in den Annalen der Landwirthschaft, Bd. 46 S. 320— 340 dar. 3) Perels a. a. O., Heft V. S. 80. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. zul auf den leichteren Böden theilweise durch andere verbesserte Pflüge eingeschränkt, von den schwereren Böden aber würde sie, wie man annimmt, nur der Mangel an tüchtigen Pflügern oder an geeignetem Nutzholz verdrängen können, In Pommern, besonders in Hinterpommern, hat sich der Regenwalder Ruchadlo, der die guten Eigenschaften des mecklenburger Hakens mit denen des Pfluges ver- bindet, zur Bearbeitung selbst des schweren Bodens der Strandgegenden gut geeignet erwiesen. Neuerdings hat ein Dreeschreisser von Labuhn zur Bearbeitung der Erbsen- und Kleestoppeln viel Verbreitung gefunden, der mit etwa Y, der bisher nöthigen Ge- spannkraft die erste Dreeschfurche ersetzt und zugleich die Saat unterbringen kann. Auch in Vorpommern verdrängen gut konstruirte Pflüge, namentlich zum Unterbringen des Düngers, den mehr erwähnten, dazu wenig geeigneten landesüblichen Haken. Es wird dabei das Vordergestell des Hakens zum Pfluge verwendet. Auch wird in den nässeren und sauren Böden den Pflügen mit kurzem Streichbrett, wie dem Ruchadlo, welche den Acker nicht platt umlegen, sondern hoch aufrichten und der Luft und dem Frost möglichst Zugang verschaffen, der Vorzug gegeben. Dagegen behauptet sich der Haken weit überwiegend zur Bearbeitung der Brache. In der Provinz Posen herrscht der schlesische Ruhrhaken und als Pflug der Ruchadlo fast allgemein, doch hat auch namentlich um Krotoschin der Otto’sche ver- besserte Ruchadlo grössere Verbreitung, der an Stelle des Sechs eine kleinere, das Unkraut abschälende Schaar trägt. In der Mark Brandenburg ist im Norden der meeklenburgische Haken noch vielfach gebräuchlich, auch an dem alten Karrenpfluge mit steilem Balken, steilem, hölzernem Streichbrett und schmaler eiserner Sohle hält unter dem Namen des Uckermärkischen namentlich die Uckermark fest, weil er die Ackerkrume besser als andere Pfllüge ver- theilen soll. Im ÖOderbruch sind der Beleger und der grosse Ruchadlopflug zum Unterpflügen der Saaten, und in ganz reinem Acker der dreischaarige Schrödersche Pflug am verbreitetsten. Exstirpatoren und Krümmer kommen dort nur selten vor. In der übrigen Provinz aber sind selbst bei den Bauern die Eckertschen Ruchadlo’s*) und ähnliche verbesserte Pflüge sehr verbreitet. Der Provinz Schlesien ist der Gebrauch des schlesischen Ruhrhakens neben dem des Pfluges in allen Theilen des Landes eigenthümlich. Als Pflüge sind in den kleinen Wirthschaften die alten Karrenpflüge, in allen grösseren, auch bäuerlichen, aber die böhmischen oder örtlich erprobte Räderpflüge mit eisernem Streichbrett in Anwendung. Im Grossbetriebe, namentlich dem mit Fabrikation verbundenen, werden schon seit zwei Dezennien mannigfache Kunstpflüge benutzt; besonders verbreitet sind amerikanische Untergrundspflüge. Die Provinz Sachsen hat um Magdeburg auf dem Gebiete der grossen landwirth- schaftlichen Industrie die verschiedensten komplizirten Konstruktionen des Aus- und Inlandes versucht und zum Theil noch in Anwendung. Für Tiefkultur haben sich die amerikanischen Pflüge bewährt und erhalten, für Kultur von Runkelrüben und Mais wird namentlich der dreischaarige Damenpflug als eine grosse Verminderung der Menschenarbeit bezeichnet. In den übrigen Theilen der Provinz hat der böhmische Pflug den alten thüringischen fast gänzlich verdrängt, auch sind verschiedene Ver- besserungen an ersterem durchgeführt, und viele andere gute Konstruktionen versucht *) Perels a. a. O. Heft V. S. 84. 72 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte, worden; doch scheint wegen der örtlich allerdings sehr wechselnden Bodenbeschaffen- heit eine allgemeiner befriedigende Pflugform noch nicht gefunden zu sein, In Westfalen sind im wesentlichen noch die Pfllüge im Gebrauch, welche Schwerz in seiner Beschreibung der dortigen Landwirthschaft') bespricht. Besonders wird im Norden der Provinz der übliche Räderpflug mit ausgehöhltem hölzernen Streichbrett als für flaches, wie tiefes Pflügen gut geeignet festgehalten. Im westlichen Theile des Münsterlandes, gegen den Rhein hin, sind die doppelschaarigen Klever Pflüge vielfach in Anwendung. In den letzten Jahren aber haben besonders für die schweren Böden die Grignonpflüge aus der Hütte zu Dülmen schnelle Verbreitung gewonnen. In der Rheinprovinz ist im gesammten Norden, von Koblenz aus bis gegen Kleve, der obenerwähnte Hunspflug mit versetzbarem Streichbrett das landesübliche, sehr vor- theilhaft arbeitende Werkzeug?). Für schweren Boden hat jedoch der doppelschaarige Klever Pflug und ein verbesserter rheinischer Pflug des Schmieds Küpper zu Krefeld grosse Verbreitung gefunden. In den mit Fabrikation verknüpften grösseren Wirth- schaften sind Kunstpflüge der verschiedensten Art in Anwendung. Die südlicheren Gebirgsgegenden sind, soweit sie nicht überhaupt nur Hackkultur treiben, vorzugsweise auf den Haken angewiesen. Auf schwerern Böden sind Wendepflüge, namentlich der sogenannte Umgänger, in Brauch. — Was die landesüblichen Eggen °) betrifft, so sind in allen Theilen des Staates die Gitter der herkömmlichen Eggen schon im Laufe des vorigen Jahrhunderts für die besseren Wirthschaften statt der hölzernen mit eisernen Zähnen besetzt worden. Später führten sich mit der beginnenden Verbesserung der Pflüge zur Krümelung, Lockerung und Reinigung des Bodens und zur Frühjahrsbestellung der vor Winter gepflügten Sommerfelder leichte, mehrschaarige Haken und mit dem wachsenden Streben nach Tief- kultur Exstirpatoren, Krimmereggen und Grubber ein. Der Grubber wird für das tiefere Durcharbeiten des Bodens in den nördlichen Landestheilen dem üblichen Landhaken vorgezogen. Als eigentliche Eggen finden die schottischen, namentlich in Posen und Pommern, viele Verbreitung. Von den Walzen‘) haben sich die Ringelwalzen in kurzer Zeit so allgemeine Anerkennung errungen, dass sie, soweit es ihre Kostspieligkeit irgend zulässt, auch von denjenigen grösseren Gütern angeschafft werden, welche im übrigen andere Maschinen nicht zur Anwendung bringen. Besonders beliebt ist Croskill’s Schollenbrecher. In Sachsen fertigt man die Ringelwalzen da, wo die massiv eisernen zu schwer erscheinen, aus Holz mit Eisenbelag an. Maschinen Schon die Kunstpflüge haben den Charakter der Maschinen, denn sie erheben sich zu dem Zweck, die richtige und schnelle Arbeitsleistung durch die Art der Kon- struktion sicher zu stellen und unabhängig von der Einsicht des Arbeiters zu machen. 1) Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und Rheinpreussen, Stuttgart 1836, Ba. I. S. 117, 146, 192, 353. 2) Vergl. Schwerz a. a. O. Bd. II. S. 30, 94. 3) Perels a. a. O. Heft VI. S. 1— 194. 4) Perels a. a. O. Heft VI. S. 195 fl. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 73 In demselben Sinne sind landwirthschaftliche Maschinen besonders nach drei Richtungen, als Säe-, Mähe- und Dreschmaschinen, ausgebildet worden. Die Anwendung solcher Maschinen ist kein durchaus neuer Gedanke; das Säen mit der Maschine und die Drillkultur sind in Persien, Indien, China und Japan seit den ältesten Zeiten in Gebrauch, und waren auch den Römern nicht unbekannt. Mähe- maschinen beschreiben Plinius ') und Palladius?) als auf den grossen Gütern in Gallien in Anwendung, und ebenso benutzten die Römer schlitten- und walzenartige Dresch- maschinen °). Indess können die Maschinen unserer Zeit gleichwohl auf das Verdienst selbst- ständiger Erfindungen Anspruch machen, Die ersten Versuche für die neueren Säemaschinen ‘) wurden als Dibbelmaschinen, Drillmaschinen und Säepflüge im 17. Jahrhundert von Gabriel Platte, im 18. von Loca- telli, Tull und Anstruther gemacht. Die erste Drillmaschine, nach dem noch heut ge- bräuchlichen, von Garrett verbesserten Löffelsystem, konstruirte Cooke gegen Ende des vorigen Jahrhunderts; brauchbare Breitsäemaschinen mit Bürsten führten Schmidt, mit Walzen Thaer und Alban, mit Säerädern Drewitz und Rudolph zu Thorn ein. Die Dibbelmaschinen sind auch in den neuesten Konstruktionen noch zu keiner so genügen- den und vollkommenen Ausbildung gelangt, dass sie mehr als versuchsweise in Anwendung gekommen wären; Drill- und Breitsäemaschinen aber haben seit den dreissiger Jahren bis zur Gegenwart unausgesetzt an Gebiet gewonnen. Die Drillmaschinen °) kamen mit ihrem Gefolge von Behack- und Häufelmaschinen zuerst da in allgemeinere Anwendung, wo der Rapsbau in bedeutender Ausdehnung betrieben wurde. Später erst ging man zum Drillen des Getreides über. In Schlesien, Posen, Pommern und der Mark, namentlich aber in Sachsen, hat sich die Drillkultur überall verbreitet, wo nicht die kupirte Bodenlage der Anwendung der Maschinen hin- derlich ist; man darf ihrer Einführung einen wesentlichen Einfluss auf die bessere Be- handlung des Ackers überhaupt zuschreiben. In Sachsen wird in den Bezirken von Halberstadt, Neuhaldensleben, Köthen, Alsleben, im Saal- und Mansfelder Seekreis, Rosslau, Merseburg der überwiegende Theil der Aecker selbst bei bäuerlichen Wirthen, die sich zur Beschaffung von Maschinen vereinigen, gedrillt. Vielfach aber hält man den Roggen auf leichteren Böden noch durch Drillen gefährdet und bestellt, wie im Bezirk Oebisfelde, nur die schwereren Böden in Reihen. Auch sind, je nördlicher die Lage, die Stimmen selbst für Oelfrüchte weniger ungetheilt zu Gunsten der Reihen- kultur, und neigen sich oft wegen des grösseren Schutzes der Pflanzen und der auf harten Böden häufigen Unanwendbarkeit der Maschinenhackarbeit mehr der Breitsaat zu, Die Breitsäemaschinen °), namentlich die von Drewitz und Rudolph, sind in der Provinz Preussen, in Posen und Hinterpommern sehr weit verbreitet und verdrängen auf den grösseren Gütern zum Theil die Handsaat. Ebenso kommen sie in Brandenburg in Gebrauch. Auch die Berliner Oentrifugalsäemaschine hat sich hier wie in der Pro- vinz Preussen Anerkennung erworben. — ) XVII. 72. 2) VI. 2. ») Columella 2, 20, 4. Virgil Georg. 1. 164. s. Tribula bei Columella, Tribulum bei Varro, Virgil, Plinius. ‘) Perels a. a. O. Heft II. S. 124. 5) Perels a. a. O. Heft II. S. 179. — C. J. Eisbein: Die Drillkultur, Leipzig 1863. 6) Perels a. a. ©. Heft II. S. 155. 74 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Die erste Konstruktion von Mähemaschinen ') stellte Boyse 1799 auf. Sie beruhte, wie lange Zeit alle folgenden, auf dem Prinzip der Kreissäge, das sich nicht bewährte, Auch in England blieben wegen der Herrschaft dieser Idee bis zur Londoner Industrie - Ausstellung von 1851 wirksamere Vorrichtungen unbekannt. Auf dieser aber konkurrirten die Amerikaner Mae Cormick aus Chicago und Hussey aus Baltimore mit Maschinen, die auf dem Prinzip einer Reihe nebeneinander wirkenden Scheeren beruhten. Diese brachen sich nach verschiedenen Verbesserungen so weit Bahn, dass Amerika und England bereits die jährliche Fabrikation nach Tausenden zählen, und auch der Osten, namentlich Ungarn und Russland von ihnen schon in grosser Ausdeh- nung Gebrauch macht. Auf preussischem Boden ist bei den bestehenden Arbeitslöhnen der Nutzen gegenüber der Handarbeit noch zu gering, als dass die Anwendung solcher Maschinen weit über den Versuch hinausginge. Auch hat man beim Gebrauch theils den Mangel geeigneter Leiter, theils schnell eintretende Reparaturen und die geringe Brauchbarkeit bei den im allgemeinen nicht völlig steinfreien Ackerböden als nachtheilig empfunden. Indess haben sich diese Maschinen doch in Sachsen, namentlich in Neu- haldensleben, Halberstadt, Genthin und Oebisfelde in mehreren Wirthschaften bewährt und dauernd Eingang verschaflt, ebenso sind in Westpreussen deren Mehrere von Scehneitler und Andree gefertigte mit gutem Erfolg im Gebrauch, und auch für Schle- sien ist auf der Ausstellung von Maschinen zu Breslau am ı3. und 14. Mai 1864 eine Anzahl verkauft worden. In Sachsen, Preussen und Vorpommern haben von Erntemaschinen auch Gras- mähemaschinen?) Anwendung gefunden, und Heuwender und Rechen, letztere namentlich für die Ernte der Lupinen, scheinen sich dauernd in mehrere grössere Wirthschaften eingeführt zu haben. — Ausser Vergleich allgemeiner als die Erntemaschinen haben die Dreschmaschinen im ganzen Staate in kurzer Zeit Anerkennung und Verbreitung gewonnen. Die erste Dreschmaschine ®), deren Prinzip bis zur Gegenwart das herrschende ist, konstruirte der Schotte Meikle am Ende des vorigen Jahrhunderts. Sie beruht auf einer schnell rotirenden Trommel, die das Getreide gegen ihren Mantel ausschlägt. Leitenberger in Prag liess später die Körner durch darüber laufende Walzen ausreiben, und Wigfall wandte die eine Zeit lang ziemlich beliebten beweglichen Schlagstäbe an; gegenwärtig ist das Prinzip der Schlagstäbe aufgegeben, dagegen für das Trommel- system streitig, ob die Halme, um das Stroh weniger zu beschädigen, zweckmässiger, wie bei den Barrettschen und Garrettschen Maschinen, quer über die Trommel einzu- legen und der Länge nach dem Schlage derselben auszusetzen, oder, wie bei den Maschinen von Pintus und von Cumming, der Länge nach der Trommel vorzulegen, also seitwärts zu treffen sind. In der Provinz Preussen werden gegenwärtig schon die Dreschmaschinen in allen grösseren Wirthschaften für unentbehrlich erachtet. In Ost- wie in Westpreussen sind eine Anzahl Dampfmaschinen für diesen Zweck im Gange; es wird aber darüber geklagt, dass die weiten und im Herbst sehr früh unzugänglichen Wege die Vermiethung von Lokomobilen oft unausführbar machen. 1) Perels a. a. O. Heft III. Erntemaschinen, Leipzig 1863. 2) Perels a. a. O. Heft III. S. 350, 359. ») E. Perels a. a. OÖ. Heft I. Die Dreschmaschinen, Leipzig 1862. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 7%) In Pommern waren 1863 ı5 Dampfdreschmaschinen zum Vermiethen aufgestellt, und wurden vom Fabrikanten zu ı6 Thlr. für den Winter-, und zu 20 Thlr. für den Sommertag oder zu 2 Thlr. für die Stunde verliehen. In Posen und Brandenburg, namentlich aber in Schlesien und Sachsen, hat der Ausdrusch auf dem Felde durch Lokomobilen bedeutende Ausdehnung gewonnen. In- dess macht sich im allgemeinen die grössere Einfachheit und Billiskeit der Göpel- maschinen, namentlich der 2spännigen, geltend. Diese kleineren Dreschmaschinen finden sich fast in allen grösseren Wirthschaften. In Sachsen beginnen selbst die Bauern sie zu beschaffen; in manchen Landstrichen, wie in Apenburg, Neuhaldensleben Oschers- leben, bilden sich für diesen Zweck Nachbarvereine oder Aktiengesellschaften. In Westfalen waren 1862 noch keine Dampfdreschmaschinen vorhanden, 1863 wurden g aufgestellt, dagegen hatten sich die Göpelmaschinen schon vorher weit ver- breitet. Diese sind auch am Rhein, etwa nur mit Ausnahme der Eifel, selbst in sehr kleinen Wirthschaften unentbehrliches Bedürfniss, und werden in Fabriken und von ge- wöhnlichen Schmieden angefertigt. — Im gesammten Staate sind Fruchtreinigungs- und Häckselmaschinen ') sehr ge- bräuchlich. Die Kartoffelsaatmaschinen, Getreidequetschmaschinen, Oelkuchenbrecher, Wurzelschneidemaschinen, Mohnmühlen, Kleeenthülsungsmühlen, Wägungsvorrichtungen für die Ernte und ähnliche mehr oder weniger komplizirte Maschinen, werden nament- lich von den grossen mit Fabrikation verknüpften Landwirthschaften Sachsens und Schlesiens benutzt. Dampfkräfte Von den bewegenden Kräften ist Wind zu unberechnenbar und unstät, Wasser aber zu sehr an die Stelle und die bestimmte Masse des Wasserzuflusses gebunden, um dem nach Zeit, Ort und Art der Wirkung überaus wechselnden Arbeitsbedürfnisse der Landwirthschaft in irgend befriedigender Weise nutzbar werden zu können. Soweit also Handarbeit nicht genügt, hat die Landwirthschaft zur Zeit nur zwischen den Dampf- oder den Gespannkräften die Wahl. Die Verwendung von Dampfmaschinen zum landwirthschaftlichen Betriebe?) hat, abgesehen von Mühlen, Fabriken und anderen Nebenindustriezweigen, seit kaum drei Dezennien, zuerst in England, Boden gewonnen. Die in Preussen für solche landwirthschaftliche Zwecke benutzten Dampfkräfte sind seit 1846 gezählt worden. Ihre Zahl lässt sich indess nur bis zum Jahre 1861 an- geben, weil seitdem Aufnahmen der gewerblichen Anstalten (Bd. I. S. 5) nicht statt- gefunden haben, Es waren danach vorhanden °): ') Perels a, a. O. Heft IV. Die Maschinen zur Bearbeitung der geernteten Früchte, Leipzig 1864. 2) Vergl. E. Perels a. a. OÖ. Heft VII. Die Lokomobilen, Jena 1866. ») Ueber die Entwickelung der Dampfkraft in der Landwirthschaft Preussens vergl. Dieteriei, Mittheilungen des statistischen Büreaus, Jahrg. V. S. 14 —46. — Zeitschrift des statistischen Büreaus, Jahrg. III. S. 74. — Annalen der Landwirthschaft, Bd. XNXXVI. S. 499; AXXVIO. 175; XL. 334; XLVI. 320. 76 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Dampfmaschinen (einschl. Lokomobilen) zur Ent- und Bewässerung und zu landwirth- schaftlichen Zwecken: 1846 | 1849 | 1852 | 1855 | 1858 | 1861 Im gesammten Staate Zahl der Maschinen 63 74 97, 101270242 Zahl der Pferdekräfte derselben (zu 480 Fuss- pfund für die Sekunde !) 836 |1262 |1347 |4172 Die durchschnittliche Leistungsfähigkeit je einer Maschine war nach Pferdekräften . c II, 13; RLE,T 17,2 Seit 1861 hat sich ihre Zahl in voraussichtlich viel höherer Progression gesteigert. Bezüglich der Beschaffenheit der Maschinen sind zur Zeit nur bei den Ent- und Bewässerungsanlagen stationäre Dampfmaschinen zu denken. Bei der grossen Ersparniss an Brennmaterial und Nebenkräften, welche in den stationären Maschinen liegt, und der Möglichkeit die Wirkung derselben durch transportable Drathleitungen in verschiedene Gebäude und zu wechselnden Zwecken auf nicht unbeträchtliche Entfernungen zu übertragen ?), lässt sich ihre spätere Einführung auf grösseren Wirthschaftshöfen nieht bezweifeln. Für Arbeiten auf dem Felde aber werden die Lokomobilen durch ihre Beweglichkeit stets einen Vorzug besitzen, der ihnen gegenwärtig noch die ausschliess- liche Herrschaft sichert. Zur Zeit findet der überwiegende Gebrauch dieser Lokomobilen zum Betriebe von Dreschmaschinen statt. Leider ist indess die Kostspieligkeit noch immer ein wesentliches Hinderniss der allgemeineren Anwendung. Die Kosten der Dampfkraft für deutsche Preise lassen sich zwar annähernd dahin anschlagen ®), dass bei gleicher Kraftäusserung die Dampfkraft ı, die thierische Pferde- kraft 2, und die menschliche Handarbeit 36 kostet. Diese Sätze treffen indess überall da nicht zu, wo die Dampfkraft, wie beim Ausdrusch, nur auf kurze Zeit zur Ver- wendung kommt, die Maschinen in der Regel nur miethsweise geliehen, an Ort und Stelle geschafft und wieder weggeschafft werden, und überdies neben der Maschinen- arbeit eine sehr grosse Anzahl zur Zeit der Verwendung sehr theurer Menschenkräfte mitwirken muss. In der Regel stellt sich bei miethsweiser Benutzung auch der gut konstruirten Dreschmaschinen der Ausdrusch etwa um den fünften Theil theurer als bei Handarbeit, so dass der Vortheil nur in der raschen Beschaffung von Saat- und Marktkorn liegt. Einige Angaben, namentlich aus den westlichen Provinzen, berechnen dagegen ı Sgr. und mehr Gewinn am Scheffel. Mit der Zeit wird offenbar die rasch zunehmende Zahl der Maschinenfabriken und Maschinenstationen die Höhe dieses Auf- wandes überall wenigstens in soweit erniedrigen, als sie in den Entfernungen, in dem 1) Diese nach preussischen Maassen anzulegende Berechnung ist durch Reskript vom 14. Februar 1859 (Minist.-Bl. für die innere Verwaltung S. 55) als Norm vorgeschrieben. Auch ist danach für die Ventilbelastung der Druck‘einer Atmosphäre, d. h. einer Quecksilber- säule von 29 Zoll Höhe, je auf den Quadratzoll als gleich ı4 Pfund des allgemeinen Landes- gewichtes anzunehmen. 2) Solche von Lokomobilen ausgehende Drathleitungen sind durch den Landes- Oekonomierath Dr. Lüdersdorf auf seinem Gute Weissensee bei Berlin nach Eckertschem System in ausgedehnte Anwendung gebracht. *) Annalen Bd. 38 S. 184. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 717 Mangel an geeigneten Maschinisten, oder im Gebrauch alter, kleiner und wenig brauch- barer Maschinen begründet ist. Ueberhaupt aber wird sich die der Handarbeit wie der Gespannarbeit überlegene Billigkeit des Dampfes als ein wesentliches Mittel für den Aufschwung der Landwirthschaft um so leichter geltend machen können, je mehr sich die Anwendung von Maschinenarbeit für wirthschaftliche Zwecke verallgemeinert. Erwähnenswerth ist, dass in den Bromberger Forsten schon seit einigen Jahren eine Lokomobile mit dem Abrücken der Stämme aus dem Walde beschäftigt ist, und dass die Gesellschaft Weichselthal eine Strassenlokomotive für den Braunkohlentransport zwischen Slopska und Bromberg benutzt. Für den landwirthschaftlichen Betrieb aber sind bis jetzt Lokomobilen mit der Einrichtung, sich neben der Arbeitsleistung auch selbst fortbewegen zu können, nirgends in Anwendung. Die weit erhöhte Kostspielig- keit, Reparaturbedürftigkeit und schwierigere Leitung einer solchen Konstruktion fallen viel mehr ins Gewicht, als der Aufwand, die Lokomobilen in den ländlichen Wirth- schaften mit Gespann an den jedesmaligen Arbeitsort zu schaffen. — Die Lokomobilen unterliegen wie jede Dampfkesselanlage nach dem Gesetze vom 1. Juli 1861 (Ges.-S. S. 749), über die Errichtung gewerblicher Anlagen, mit dem zu- gehörigen Regulativ vom 31. August 1861 (Ministerialbl. für die innere Verw. S. 177) einer polizeilichen Prüfung auf ihre Brauchbarkeit, indess sind für dieselben die übrigen bei stationären Dampfmaschinen geltenden Bestimmungen über die Art der Kesselanlage selbstverständlich unanwendbar und nach dem Handesminist.-Resk. vom 13. März 1855 (Ministerialbl. für die innere Verw. 8. 49)”) soweit vereinfacht, dass beim Gebrauch einer geprüften Lokomobile im wesentlichen nur die nothwendige Vorsicht bezüglich ihrer Feuergefährlichkeit gefordert ist. Gespanne. Ueber die im Staate wirkende Anzahl der Gespannkräfte sind durch die Vieh- zählungen genauere, in die Tabelle G. der Anlagen kreisweise aufgenommene An- gaben vorhanden. Es sind bereits 1861 und 1864 die landwirthschaftlich beschäftigten Pferde im Alter von mehr als 3 Jahren besonders gezählt worden. Ebenso ergeben diese Viehzählungen die am 3. Dezember vorgefundene Anzahl der Ochsen, von der angenommen werden darf, dass sie im Ganzen ziemlich richtig mit der Anzahl der bei den Bestellungsarbeiten benutzten Zugochsen übereinstimmt. Das auf Sommerweiden gehaltene Schlachtvieh ist um diese Zeit nicht mehr vorhanden, die Arbeitsochsen dagegen finden sich noch vor, weil die zum Abschlachten bestimmten zur Halb- oder Ganzmast stehen. Leider lässt sich damit die Anzahl der zum Zuge benutzten Kühe nieht zusam- menhalten, weil diese Zahl bis jetzt in Rücksicht der erheblichen Schwierigkeiten nicht festgestellt worden ist, die einer richtigen Zählung wie einer einigermassen genügenden Beurtheilung der mehr oder minder grossen Arbeitsleistung entgegenstehen. Provinzenweise ergeben die Zählungen von 1861 und 1864 an landwirthschaftlichen Pferden und Ochsen, auf eine DJMeile berechnet, folgende Uebersicht, in der für die Hauptsumme je 3 Ochsen gleich 2 Pferden zum Ansatz gebracht worden sind: *) Vergl. auch Annalen Bd. 25 S. 323. 7s XVIII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Rhein- Auf die DMeile Se alles West | pro- | Staat Jahre | sen mern s dalenY Muiz Gesammtlläche Landwirthschaftliche Pferde | 1861 216 | 222 | 209 192 1864 233 | 235 | 220 190 Ochsen | 1861 60 | 160 | 113 175 1864 54 | 155 | 121 177 Zusammen Pferdekräfte | 1861 256 | 329 | 285 309 1864 | 469 | 269 | 338 | 301 308 Kulturland. Landwirthschaftliche Pferde | 1861| 439 | 289 | 299 | 336 | 315 | 346 | 356 | 292 | 346 1864 | 445 | 312 | 317 | 353 | 340 | 346 | 355 | 290 | 358 Ochsen | 1861| 273 | 80 | 216 | 182 | 196 | 137 | 70 | 267 | 193 ı864| 285 | 72 | 208 | 194 | 213 | ıst | 72 | 270 | 199 Zusammen Pferdekräfte | 1861 | 621 | 342 | 443 | 457 | 446 | 437 | 423 | 470 | 474 1864 | 635 | 360 | 456 | 482 | 482 | 446 | 422 | 469 | 490 Frachttragende Fläche. Landwirthschaftliche Pferde | 1861| 625 | 387 | 365 | 440 | 375 | 428 | 560 | 399 | 458 1864| 634 | 419 | 387 | 463 | 405 | 428 | 558 | 396 | 474 Ochsen | 1861| 390 | 108 | 264 | 239 | 233 | 169 | 105 | 364 | 255 1864| 406 | 96 | 254 | 255 | 254 | 187 | 106 | 368 | 263 Zusammen Pferdekräfte | 1861 | 885 | 459 | 541 | 599 | 531 | 5qr | 630 | 642 | 628 1864 | 904 | 483 | 556 | 633 | 574 | 553 | 629 | 641 | 649 Es ergiebt sich aus dieser Zusammenstellung, dass die Gespannkraft an Pferden und Ochsen in dem geringen Zeitraum von 3 Jahren in den östlichen Provinzen erheb- lich gewachsen, in den westlichen Provinzen dagegen etwas gesunken, mindestens nur stehen geblieben ist. Im ganzen Staate hat sie sich um etwa 3 Prozent gehoben. Dabei ist die Landwirthschaft der Provinz Preussen auf die gleiche Arbeitsfläche fast doppelt so stark bespannt, als die von Pommern; von den übrigen Provinzen stehen Posen, Schlesien und Sachsen unter sich, und ebenso Brandenburg, Westfalen und Rheinland unter einander fast gleich, und bilden Mittelstufen. Auf je r 000 Morgen Acker, Gärten und Hausstellen besitzt der ganze Staat 31, Pommern nur 23, Posen, Schlesien uud Sachsen 27, Brandenburg, Westfalen und Rheinland 30, die Provinz Preussen aber 43 landwirthschaftlich benutzte Pferdekräfte. Unter diesen Pferdekräften aber sind wie im ganzen Staate, in Posen, Brandenburg und Schlesien je 8 durch Ochsen vertreten, in der Rheinprovinz je ı1, in Preussen sogar je 13, in Sachsen aber nur je 6 und in Westfalen und Pommern sogar nur je 3. Die Zahl der landwirthschaftlichen Pferde ist von 1861 zu 1864 in Sachsen stehen geblieben, in Westfalen und Rheinland hat sie um etwa '/; Prozent abgenommen, in allen übrigen Provinzen ist sie gewachsen. Die Zahl der Ochsen ist in Posen und Pommern, in letzterem sogar um ıı Prozent gesunken, in den westlichen Provinzen beinahe gleich geblieben, in den übrigen Pro- vinzen und im Durchschnitt des Staates gestiegen. Für eine längere Reihe von Jahren lässt sich nicht die Zahl der landwirthschaftlieh XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 79 benutzten, sondern nur die Gesammtzahl der Pferde (ausschliesslich der Füllen) mit der Zahl der Ochsen vergleichen *®). nn Preussen | Pommern ig Schlesien | Sachsen len Pferde- zahl .| 1816 |309 869| 96 627| 66.082 139. 039| 139 002| 106. 499, 102 298| 81913] 1 041 329 1822 | 367 o1o| 101463| 78 066! 145 941| 142 105) L15 502| 107 819] 88 7705| 1 145 6ıı 1831 [359 988) 103 695| 99.000) 143 943| 144.906] 122 174 102174, 96 131] ı 172 011 1840 | 356 483| 110 763| 119 610| 156. 033| 156. 403| 124 587| 104 385| 107 112| I 235 376 1849 | 380 815| 126. 048 130. 042| 166 867 165 705 131.254) 106 353) 107 310| 1 314 394 1858 | 374 043| 130 108| 128 034| 171 026 174.996 126 806, 99 527 107 416| 1 311 956 1864 |426.981| 145 781| 145 322| 201 551| 203 712| 143 969) 102 957| 117 148| 1 487 421 117 II2| 49154 62 512) 64710 446 092 182 250° 69795 128 276| 107 II2 727 561 210415 65052 II5 504| 115 335 742 003 201983] 52782 98 914, 105 713 695 780 232 125) 50541 101 834. 105 786 741571 222.455| 39 582 89 340, 97 400 676 395 229 131| 39336 89.946, 97 108 695 604 | 237355 29263 87 707, 104 354 695 519 mehr . | weniger Auf je hundert Pferde | mehr Ochsen | mehr Während sich nach diesen Zahlen im ganzen Staate die Pferdehaltung um 43 Pro- zent gesteigert, die Ochsenhaltung um 44 Prozent vermindert hat, ist das Verhältniss in den einzelnen Provinzen ganz entgegengesetzt. Preussen, für welche Provinz die sehr bedeutend angewachsene Pferdezucht Ostpreussens in Betracht kommt, hat dennoch seine ohnehin starke Pferde- und Ochsenzahl gleichmässig um etwa '/s gesteigert; ähnlich wenn auch nicht in demselben Grade hat die Zahl der Ochsen in Westfalen zugenommen, die Zahl der Pferde aber ist hier dieselbe geblieben. In Sachsen sind die Pferde um Ya, die Ochsen um etwa "s gestiegen. In allen übrigen Provinzen sind die Ochsen vermindert. In Posen, welches seine Pferde um 120 Prozent vermehrt hat, und in Schlesien, welches wie durchschnittlich die übrigen Provinzen Pommern, Brandenburg und Rheinland die Pferde nur um 46 Prozent vermehrte, ist die Ochsenzahl nur wenig zurückgegangen; am Rhein ist der Rückgang beträchtlicher, indess nur ro Prozent; in Brandenburg aber beträgt er 32 Prozent und in Pommern 58 Prozent der 1816 vor- handenen Ochsenzahl, Es hat sich also seit 1816 in Preussen, Posen, Schlesien und Sachsen das Be- dürfniss der Bespannung beträchtlich erhöht, und ist in Preussen und Sachsen theils *) Vergl. Zeitschrift des Königl. statistischen Bureaus, Jahrg. I. 1861. S. 217. 80 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. durch Pferde, theils durch Ochsen befriedigt worden, in Posen und Schlesien hat man vorzugsweise Pferde angeschafft. In den übrigen östlichen Provinzen ist das Be- dürfniss stärkerer Bespannung nur unbedeutend empfunden worden, dagegen hat sich hier der Gebrauch augenscheinlich sehr durchgreifend umgestaltet, man ist von der Ochsenbespannung zur Pferdebespannung übergegangen, was allerdings an sich schon eine Verstärkung bedeutet. In den westlichen Provinzen endlich hat Rheinland die Pferde vermehrt und die Ochsen nur theilweis abgeschafft; Westfalen dagegen hat die geringe Verstärkung seiner Gespannkraft allein durch Ochsen bewirkt. — Nach den bei der Grundsteuerveranlagung gesammelten genaueren Nachrichten über die Art der Spannarbeit wird in der Provinz Preussen in der Regel in jeder grösseren Wirthschaft mit 2 Ochsen gepflügt, aber vierspännig gefahren. Gewöhnlich hält auch bei den kleineren Wirthen eine Kulmische Hufe 4 Pferde und 2 Ochsen. Jedoch können in den Weichselniederungen Ochsen fast gar nicht angewendet werden, hier wird wegen der Nothwendigkeit, den schweren Boden schnell zu bewältigen, meist mit 4 Pferden, selbst mit 6 Pferden gepflügt. In Litthauen sind bei der überwiegenden Pferdezucht Ochsen weniger im Gebrauch, in Masuren aber überwiegen sie, und auf dem pommerischen Landrücken findet sich in manchen Dörfern des Kassubenlandes überhaupt kein Pferd, sondern nur Ochsen- und Kuhanspannung. Auch in Pommern arbeiten die kleinen Leute der Höhe häufig mit Kühen. In ärm- lichen Orten Hinterpommerns kann man selbst Menschen gemeinschaftlich mit Kühen den Pflug ziehen sehen. Auf den Bauerwirthschaften des,pommerischen Landrückens werden sehr viele Ochsen gehalten. Gegen die Strandgegend vermindern sich die Ochsen gegenüber den Pferden und statt des zweispännigen Fahrens ist das Viergespann verbreitet. Auch in Neuvorpommern wird in der Regel vierspännig gefahren, in den Odergegenden aber zwei- auch dreispännig. Ochsen aber werden in dem gesammten Vorpommern sehr selten und nur auf grösseren Gütern benutzt. In Posen finden sich in den nordöstlichen Theilen mehr Ochsen als im Süd- westen. Hier kommen sie fast nur auf grossen Gütern vor. Sie werden selten im Wechsel gebraucht. Die Anspannung auch der Pferde ist meist zweispännig. In der Provinz Brandenburg werden im Oderbruch gar keine, in der Uckermark und Priegnitz sehr wenige, dagegen im Sternberger Lande und in der Spreeniederung, überhaupt im Bezirk Frankfurt, ziemlich viele Ochsen gehalten. Die grösseren Güter aber benutzen sie überall nur, wenn sie Brennereien im Betrieb haben. In der Ucker- mark und auf dem Fläming wird vierspännig gefahren und zwar spannen auf letzterem die Bauern 4 Pferde breit. In der übrigen Provinz ist nur Zweigespann üblich. In Schlesien fährt man im allgemeinen zweispännig und die Ochsenhaltung ist in der gesammten Ebene auf grosse Güter mit Fabrikationsbetrieb beschränkt. Dagegen sind Ochsen auf dem schles häufiger; es giebt hier Dörfer, welche vorzugsweise nur Rindvieh und sehr wenige schen Landrücken, namentlich in den polnischen Theilen, Pferde halten. Gleichwohl wird in diesen Landstrichen häufiger vierspännig gefahren. In ganz Schlesien werden von den kleinen Besitzern die Kühe angespannt, und auf dem Gebirge verrichten dieselben nicht selten mit Menschenkräften gemeinsam die Arbeit. Im Uebrigen sind in den Waldenburger und den östlicheren Bergen keine Ochsen, sondern fast ausschliesslich Pferde im Gebrauch, am oberen Bober aber und westlich im Hochgebirge werden Ochsen mit Nutzen gezüchtet, und überwiegend als Gespann benutzt. XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 81 Auch in der Provinz Sachsen beschränkt sich im allgemeinen die Ochsenhaltung auf die grossen Güter mit Mastereien. Indess ist das Ochsengespann rechts der Elbe und im hohen Fichsfelde wie im Thüringerwalde häufiger. Die Anspannung mit Pferden ist meist zweispännig, zum Theil mit sehr schweren Thieren. Nur in der Wische wird vierspännig gefahren und mit 4 oder 6 Pferden gepflügt. Die Bauern auf dem Fläming fahren auch im sächsischen Theile mit 4 Pferden breit, und in der Stadt Burg hat sich die Gewohnheit erhalten, alle einigermassen schwere Fuhren durch 5 Pferde ziehen zu lassen. In der gesammten Provinz werden von den kleinen Besitzern die Kühe eingespannt, und diese Benutzung derselben nimmt immer grössere Ausbreitung an. Namentlich in Thüringen werden Besitzungen bis zu 40 Morgen mit Zugkühen bestellt, von denen man nicht selten 4 zusammengespannt sieht. Im nördlichen Westfalen, im Mindenschen und im Münsterlande, auch auf dem Haarstrang und Hellweg werden, etwa mit Ausnahme der Gegend von Ahaus, sehr wenige Ochsen gehalten, weil es das Gesinde unter seiner Ehre findet, mit Ochsen zu fahren, Die Ochsenhaltung beginnt in den Gebirgen südlich der Ruhr, und nimmt hier gegen das Siegensche mehr und mehr zu, so dass in Olpe und Siegen die Ochsen an Zahl die Pferde weit überwiegen, im Kreise Wittgenstein aber überhaupt nur auf den fürst- lichen Domainen landwirthschaftliche Pferdegespanne zu finden sind. Dagegen werden überall in Westfalen die Kühe von den kleinen Besitzern sehr viel benutzt, auch Kühe und Pferde zusammengespannt, und in der Senne ist es häufig, dass eine Kuh und einige Menschen, oder Menschen allein den Pflug ziehen. Die Anspannung der Pferde ist nördlich der Ruhr gewöhnlich vierspännig. In den schweren Böden muss sogar vierspännig gepflügt werden. Im Mindenschen kommt auch die dreispännige Anspan- nung vor, bei der ein sogenannter Schwepper oder Pferdejunge das Vorderpferd an der Leine führt. Um Koesfeld fährt man wegen der engen ausgefahrenen Wege ohne Deichsel im sogenannten Stall, um Recklinghausen ohne Deichsel das gesammte Gespann hintereinander gespannt. Durch die Kreise Hagen und Bochum sind die einspännigen Sehlagkarren überwiegend im Gebrauch. In der Rheinprovinz werden in der nördlichen Ebene nur auf den sandigen Strichen um Geldern und Rees zum Theil Ochsen gehalten. Als Regel fährt und pflügt man hier nur mit Pferden und zwar meist einspännig mit sehr schweren Thieren. Auch die Wagen sind zweirädrige, kurze oder lange Karren, welche einspännig oder durch mehrere hintereinander gespannte Thiere gezogen werden“). Um Aachen auf dem Kreide- boden wird dreispännig gepflügt, wobei die Thiere ebenfalls vor einander ziehen. Auf dem Westerwalde und der Eifel, auch auf dem Hunsrück und in Wetzlar überwiegen bei weitem die Ochsen; in Waldbroel, Gummersbach, Malmedy herrschen sie fast aus- schliesslich, im Rheinthal, auf dem Mayfeld und im Nahe- und Saarthal die Pferde. Jen- seits der Saar auf dem Gaugebirge ist der Boden so schwer, dass mit 4 Pferden gepflügt wird und Ochsen unanwendbar sind. In den Thälern sind überall die zweirädrigen einspännigen Karren verbreitet, auf den Gebirgen werden vierrädrige Wagen gebraucht und meist zweispännig gefahren. Allgemein ist auch hier die Verwendung von Kühen, die auf den Bergen nicht selten von den Nachbarn zu einem Zwei- oder sogar Vier- gespann vereinigt werden. — *) Ueber die Vorzüge des zweirädrigen Karrens für Kraftwirkung, Charakter und Ge- sundheit des Zugthieres vergl. Annalen Bd. 33 S. 396. Boden d, preuss, Staates, II. 6 82 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. Als "Arbeitsleistung des Spannviehes an einem vollen Arbeitstage der besseren . Jahreszeit können nach Durchschnittsanschlägen*), die je nach der Milde des Bodens nnd der Stärke der Zugthiere schwanken, folgende Sätze angenommen werden: Morgen preussisch Arbeiten a. Pfligen, gewöhnlich zweispännig, auf schwerem Boden auch drei- und vierspännig, auf sehr leichtem Boden und bei seichter Pflugarbeit mit Pferden auch einspännig: ı. mit Pferden mit einem Pfluge auf den Arbeitstag . . ». .. - I — 2% Dmıtänschtswechselnden2Ochsene 2 u er ne 3a— Is 3 En aVViechselochgenie ee See ee Is — 2% 4. Rajolpflügen (r2— ı6 Zoll) mit Wechselochsen und vierspännig . ı — ı' b. Haken, im Durchschnitt 10—ı2 Prozent mehr unter den gleichen Ver- hältnissen als der Pflug. e. Eggen, bei einmaligem Ueberziehen mit 2 kleineren 4—5 Fuss breiten BosenfaufsdassRaarsPferdem.; Sle-uke euu el oe ee NS bei einer schweren Egge . . » - NEE || 8 in beim Eggen über’s Kreuz oder in Schlengenlinien) N ee Te ee TAN LH desWalzen, Beinspanniefur. ge nee el celige Lei a, Lei ae 0 ee E02 ZYLEISPANDISE Mer Lehe ie epkienn, dei hierhin Ka pres zror ve ee | TO e. Exstirpiren oder krümmern, 2 Pferde mit einem 7- oder gschaarigen IExsbhrpatorämachenstarlichitertigr . 2 a. ee Eee 6 —ıo 4 Pferde mit einem ır— I3schaarigen bearbeiten . . > ä .| ro —ı6 f. Haeckfrüchte in 1'/a—2'Ya Fuss entfernten Reihen kultivirt das Pferd .1 3 —6 g. Dünger- und Erntefuhren mit Wechselwägen unter Y; Stunde Entfer- HUNSWLAClICHW A. Erruhee tel Sinne ae ee Lee TOT über. !/, bis %5 Stunde Entfernung . . 20 ee 0.0.2 .20.779 (Die auf ein Pferd oder einen Ochsen zu rechnende Last verhält sich zwischen 5 und 15 Centnern nach Maassgabe der Stärke des Ge- spanns und der Beschaffenheit der Wege.) h. Marktfuhren, eine Meile Entfernung. . ». .». » 22.0... 2 BEINE RE NO a oe i. Leistungen mit verschiedenen landwirthschaftlichen Maschinen und Kultivatoren. INaähemaschmen Dre ra Se RE re: 20—30 Garreitsche2Saemaschine@rne. In. Brink zus ale hehe Ze iTEe EL NEEr 12—I8 AlbanscheuSaemaschinespr. nie fee ee ee 20—30 Dreiflaschige Rapssäemaschine « ... 2 nn 0 enelahe ci Io—I5 Kleesäekarren (schottisch) bei 12 Fuss Säebreite. . . » 2... 10H Cookesche Säemaschine. . . Non: ie over © 6— 8 Möhlsche Handkarren (Hohenheim), EHE VER, Ol ı— I! Chambers Düngervertheiler für Guano, Knochenmell etc. . . . . 12 —20 Kammformerserüntseihie De ee 20—25 do. GRAF era nat a ae lo: 0 I0o—I2 do. doppelter? un Urn Be he ek 4— 6 *) Nach dem Hülfsbuch in ©. Mentzels und v. Lengerke’s Landwirthschaftlichen Ka- lender (OÖ. Mentzel und Dr. Lüdersdorf, Berlin seit 1847). XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 83 Morgen Arbeiten preussisch Skarifikator . . . Felgpflüge, doppelt do. einfach Häufelpflüge, doppelt. do. einfach . Garrettsche Pferdehauen . Bezüglich der Ansehirrung war in den gemischt slawischen Landestheilen die Anspannung der Pferde im Sielengesehirr durch blossen Brustriemen aus ungegerbtem Fell und die Leitung des Gespanns durch ein einziges Seil landesüblich. Mehr und mehr haben sich auch hier Kummte und Kreuzzügel verbreitet. Weniger gleichartig ist der Gebrauch für die Anspannung der Ochsen. Physi- kalisch steht zwar für jeden Vierfüssler fest, dass der wirksamste und einzig richtige Punkt für den Ansatz der Zugstränge an der Schulter liegt. In der Regel aber werden für Rindvieh lederne, dem Pferdegeschirr entsprechende Kummte für zu theuer und wegen der Hörner und des öfteren Wechsels der Thiere nicht ohne Anstände erachtet. Am Rhein ist der südländische Gebrauch der Anspannung durch Stirnkissen noch landesüblich, der auf dem Vorurtheil beruht, dass das Thier, wie beim Stoss, auch beim Zuge mit der Stirn wirke. Wenigstens aber ist die geradezu peinigende Sitte des Zusammenspannens der Thiere in ein gemeinschaftliches Stirnjoch meist abgekommen, In Pommern und Preussen findet die gemeinschaftliche Einspannung noch sehr allgemein statt, indess wie oben $. 68 Fig. 6 die Abbildung der Zoche zeigt, durch ein grosses hölzernes Stangenjoch, welches, auf dem Widerrüst liegend, weniger lästig ist. In den mittleren Provinzen ist es überall üblich, jedem Thier einzeln ein kummt- ähnliches, hölzernes Joch um den Hals zu legen, welches durch die krumme, ausge- schweift geschnittene Form seiner Haupthölzer dem Widerrüst und der Brust einiger- massen angepasst werden kann. — Auch zweckmässigere Wagenfahrt gehört zu den Verbesserungen, die in neuerer Zeit erkennbar hervorgetreten sind. Schon in den ersten Dezennien unseres Jahr- hunderts hat das gesteigerte Interesse an der Viehzucht die Aufmerksamkeit auf die Schonung der Kraft und Gesundheit gelenkt, die dem Zugthiere aus gutem Fuhrwerk erwächst. Lehranstalten, Ackerbauschulen und landwirthschaftliche Vereine haben seit- dem dieses Ziel vielfach in den Kreis ihrer Thätigkeit gezogen, und durch den ver- mehrten Verkehr und die besseren Wege ist es jedem Landwirthe nahe gelegt worden. Sehr wesentlich hat in dieser Richtung der Staat durch die Bestimmungen über die Strassenpolizei eingewirkt. Die Einführung der gleich breiten Wagenspur von 4 Fuss 4 Zoll wurde durch besondere Verordnungen zuerst unter dem 21. Juli 1827 (G.-S. 1828 S. 25) für die Provinz Preussen vorgeschrieben; darauf ebenso unter dem 30. Juni 1829 (G.-S. 8. 27) für Westfalen (wo auch 5 Fuss 9 Zoll erlaubt wurden); unter dem 23. August 1829 (G.-S. S. 103) und ı2. Mai 1835 (G.-S. S. 93) für Brandenburg; unter dem ro. Juni 1830 (G.-S. $. ııı) für Sachsen (mit Ausnahme der Kreise Ziegenrück und Schleusin- gen); unter dem 21. August 1830 (G.-S. S. ı19) für Posen; unter dem 30. Oktober 1830 6*r 84 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. (G.-8. S. 248) für Pommern; und endlich unter dem 7. April 1838 (G.-S. S. 258) für . Schlesien (mit Ausnahme der Gebirgskreise Glatz, Habelschwert, Waldenburg, Landshut, Hirschberg, Schönau und Neisse). Von der Verkündigung ab durften die Stellmacher und sonstigen Handwerker bei Strafe keine schmäleren Achsen anfertigen, und die Eigenthümer bereits vorhandenen schmäleren Gefährtes dasselbe nach Ablauf von 6 bezügl. ı2 Jahren nicht weiter gebrauchen. Die Folge war die Nothwendigkeit, die Wagen nicht blos breiter, sondern auch besser zu bauen, weil schlechte Achsen und Räder die breite Spur nicht aushalten. Mehr und mehr führte man seitdem eiserne Achsen ein. Weiter noch griff die auch für die Rheinprovinz geltende, durch die Kab.-Order von ı2. April 1840 (G.-S. S. 108), das Regulativ vom 7. Juni 1844 (G.-S. $. 167) und das Gesetz vom 17. Mai 1856 (G.-S. $S. 547) ergänzte und nach dem Minist.-Reskript vom 16. Februar 1840 (Ministbl. für die innere Verw. Jahrg. I. S. 130) auch für land- wirthschaftliches Fuhrwerk geltende Verordnung vom 17. März 1839 (G.-S. 8. 80) über den Verkehr auf den Kunststrassen. Sie gab genaue, zunächst allerdings den Schutz der Kunststrassen bezweckende, aber desshalb nicht weniger allgemein einwirkende Be- stimmungen über die bei bestimmter Belastung geforderte Radbreite und den Rad- beschlag, sowie über den zulässigen Hufbeschlag bei Zugthieren. Das Gesetz vom 12. März 1853 (G.-S. 8. 87) erklärte alle Bestimmungen für den Schutz der Kunst- strassen auch auf andere Strassen und Wege für anwendbar. In der Rheinprovinz darf im Regierungsbezirk Düsseldorf die Spurweite 6 Fuss 2 Zoll, in den übrigen Regierungs- bezirken 5 Fuss 8 Zoll nicht übersteigen. Verschiedene Lokalpolizeiverordnungen, namentlich in Sätdten, haben überdies Ver- bote gegen das Fahren mit dem blossen Lenkseil, den Gebrauch ungeeigneter Hemm- vorrichtungen, oder das Fahren mit Fahrzeugen ohne Deichsel, und ähnliche durch bessere Einrichtungen abzustellende Uebelstände an Geschirr und Gefährt ausgesprochen. Endlich hat das Strafgesetzbuch (G.-S. 1851 S. 171) auch den, der öffentlich Thiere boshaft quält oder roh misshandelt, mit der Strafe der Uebertretung bis zu so Thlr. oder 6 Wochen Gefängniss bedroht, und die Polizeibehörden, wie die seit etwa 1840 in Preussen aufgetretenen Thierschutzyereine haben nicht allein gegen ab- sichtliche Grausamkeiten, sondern auch gegen quälende Unsitten, wie das Umbinden der Ohren mit dem Leitseil, das schlechte Maulzeug der Pferde, den Mangel an Aufhalte- riemen und Aehnliches erfolgreiche Wirksamkeit gezeigt. — Bezüglich der Körperbeschaffenheit, der Racen- und Züchtungsverhältnisse der Zugthiere, darf hier auf die später folgende Darstellung der Viehhaltung und Viehzucht hingewiesen werden. — Es bleibt nur noch übrig, auf die Kosten der Gespanne soweit einzugehen, als darüber nähere Angaben zu Gebote stehen. Es ist anerkannt eine überaus schwierige Aufgabe, zu bestimmen, wie hoch sich wirthschaftlich die Kosten der Gespannhaltung belaufen. Schon der Anschlag des Fut- ters, wie des Düngers ist den verschiedensten Bedenken unterworfen. Achnlich schwan- kend werden in jedem einzelnen Fall manche andere Faktoren. Um so zweifelhafter sind Durchschnittsangaben für ganze Landstriche. Die landwirthschaftliche Statistik kann nur dann erwarten, für Fragen von so kom- plizirter Natur Antworten von hinreichender Richtigkeit zu erlangen, wenn sie die nach Zeit und Oertlichkeit bestimmter ermittelten einzelnen Faktoren, die Preise der Thiere und des Futters, Stallungswerth, Lohnsätze u. ähnl. im speziellen Fall unter den XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. 5 Gesichtspunkten in Rechnung stellt, welche die Wirthschaftsstatik aufgesucht und zum Theil schon in einfacheren, für Durchschnitte geeigneten Verhältnisszahlen zum Aus- druck gebracht hat“). Der Werth und die genügende Vergleichbarkeit von Erhebungen, die nicht auf diese einzelnen Grundlagen, sondern unmittelbar auf das Gesammtresultat gerichtet sind, hängt nothwendig von der sicher gestellten Anwendung völlig gleicher Grundsätze oder von der Mitwirkung solcher örtlich Sachkundiger ab, denen gleiches Interesse ein Uebermass des Zuviel wie des Zuwenig zu verhüten inne wohnt. Diese selten zutreffenden Bedingungen dürften bei den Bd.I. $. 423 gedachten Festsetzungen der Kommissionen des Jahres 1849 für die bei den Reallastenablösungen geltenden Normalpreise und bei den Angaben der Grundsteuerveranlagungskommissionen, welche in den Kreisbeschreibungen niedergelegt sind, annähernd erfüllt worden sein. Nachstehend folgt desshalb eine Uebersicht der nach den Normalpreisen für den zehnstündigen Arbeitstag eines zweispännigen Pferdegespannes in den Monaten Mai, Juni, Juli und August wirthschaftlich ohne Beziehung auf Dienstpflichtigkeit anzu- schlagenden Kosten. Die Zahlen sind aus dem Durchsehnitte der betreffenden Kreise, soweit für dieselben Feststellungen getroffen worden sind, unter Reduktion auf die ange- gebene gleiche Zeit berechnet**). Damit sind die Angaben der Grundsteuerveranlagungs- *) Solche Verhältnisszahlen von einer gewissen amtlichen Gültigkeit finden sich in allen, Bd. II. S. 17 nachgewiesenen technischen Instruktionen der Auseinandersetzungsbehörden. Auch bietet sich zur Vergleichung die Zusammenstellung von Anschlägen der massgebendsten landwirthschaftlichen Schriftsteller in J. v. Kirchbachs Handbuch für Landwirthe (bearbeitet von Birnbaum, 6. Aufl. Berlin 1864, Bd. II. S. 514 fi.), das unter der Voraussetzung genügen- der Berücksichtigung der Zeit und des Ortes, von denen aus die verschiedenen Landwirth- schaftslehrer ihre Anschläge angelegt haben, für solche Fragen der landwirthschaftlichen Statistik ein übersichtliches Hülfsmittel ist. **) In den Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, Aachen, Koblenz und Trier sind Normalpreise überhaupt nicht festgestellt worden. Für die einzelnen Kreise der übrigen Regierungsbezirke sind dieselben publizirt: für Köslin in den Beilagen zu Nr. 31, 32, 33 und 34 des Kösliner Amtsblattes von 1850, für Kreis Schivelbein aber in der Ausserordent- lichen Beilage zu Nr. 32 des Stettiner Amtsblattes von 1850; für Stettin ebd. zu Nr. 32, 34, 35, 36, 37 und 38; für Stralsund in Nr. ı9 des Stralsunder Amtsblattes von 1852; für Brom- berg in der Ausserordentlichen Beilage zu Nr. 39 des Bromberger Amtsblattes von 1850; für Posen desgl. zu Nr. 36 des Posener Amtsblattes von 1850; für Frankfurt desgl. zu Nr. 43 des Frankfurter Amtsblattes von 1850; für Potsdam in der Beilage zu Nr. 49 des Potsdamer Amtsblattes von 1850; für Oppeln in der Ausserordentlichen Beilage zu Nr. 30 des Oppelner Amtsblattes von 1850, für Kreis Kreuzburg aber in der Ausserordentlichen Beilage zu Nr. 52 des Breslauer Amtsblattes von 1850; für Breslau ebd. zu Nr. 29 und 52; für Liegnitz, für den Kreis Landshut ebd. des Breslauer A. zu Nr. 52, für den übrigen Bezirk in den Ausser- ordentlichen Beilagen zu Nr. 29, 39 und 46 des Liegnitzer Amtsblattes von 1850 und zu Nr. 5 desselben Amtsbl. von 1851; für Magdeburg in der Ausserordentlichen Beilage zu Nr. 29 des Magdeburger Amtsblattes von 1850; für Merseburg desgl. zu Nr. 28 des Merseburger Amts- blattes von 1850; für Erfurt in der Beilage zu Nr. 28 des Erfurter Amtsblattes von 1850; für Minden in den Beilagen zu Nr. 31 von 1850 und zu Nr.4 von 1851 des Mindener Amts- blattes; für Münster in Nr. 23, 25, 29, 30 und 48 des Münsterschen Amtsblattes von 1850; für Arnsberg in Nr. 31 und 40 des Arnsberger Amtsblattes von 1850, in dem Extrabeiblatte zu Nr. 2 und im Hauptblatte Nr. 5 und ıo desselben Amtsblattes von 1851; für Düsseldorf in Nr. 62 und 69 des Düsseldorfer Amtsblattes von 1850; endlich für Köln in Nr. 47 des Kölner Amtsblattes von 1850. 86 XVII. Die Geräthe und Maschinen, die Dampf- und Gespannkräfte. kommissionen über die Höhe der jährlichen Kosten, welche die Haltung eines Zwei- “ gespannes von Pferden, sowie eines solchen von Ochsen erfordert, zusammengestellt. Normalpreis für | Jährliche Kosten der Hal- den ıostündigen tung eines Zweigespannes 5 g Regierungsbezirke Arbeitstag eines Zweigespannes Pferde Ochsen Pferde im Sommer Sgr. Thlr. Thlr. Königsberg . . . . RE A 172—260 66—103 Gumbınnen@e re 0 152—230 62—109 RAR orte Blogs 8 oo 197—297 84—126 Marienwerder.ue. ehe 199— 301 79—134 tagllin 0'000 0 no oe ae 254—360 9I— 152 Sana ot yo) drang ala ra 232—338 9I—I59 Sl 200 log voran. oa © 317—400 150—200 Brombersenee ES er een 210— 262 83—122 OS er a: 72 191— 264 88— 126 Er ar KH, 2 277—361 136—183 POS AI 215—300 122—183 Oppelnelrenet men nr in el: 209—266 102—146 ESTER TATEN Muse re 236—311' 107—154 TULSOTIE ZH Nee ei se eelleell ee 253—339 103 —ı162 MaSdeDUnDy RER Se Le 328 —474 165—235 Mean, a oo aan auan 263—385 120—179 TDraser a Eee 273—386 148— 214 Mind onuapen bo erst. Mr In El, 283—405 158—229 UNE, oO: 30, ar oa oe s 239— 348 90—152 ENTDSDENTA En en ie Meike. 294—371 144—190 HDUSSeld orte: 60. 350—450 260—350 Kto We ge se ea ee einspännig 35,0 392—473 200— 272 INKANST Vor on oa oa 3 308—404 159— 223 IKOhlenZE a ee een E 378—446 145—207 ET N ec oglere - 285—367 135—200 AIX. 3 Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Ass mit der Landwirthschaft beschäftigte Personen wurden, wie der Abschnitt X. (Bd. I. S. 335) gezeigt hat, unter den 18 491 220 Bewohnern, welche damals der preussische Staat besass, am 3. Dezember 1861 folgende gezählt: ı. die Landwirthschaft ausschliesslich be- treibende Eigenthümer ........ 753 579 GesolgRächterie ep ee ee 30 194 2. die Landwirthschaft als Nebengewerbe betreibende Eigenthümer ....... 357 039 GESSlPRächtergen ee regen . 30 445 | | deren Angehörige 3 440 746 desgl. 1481304 4 922 050 3. Hülfspersonal und Gesinde: Inspektoren, Verwalter und Aufseher 32 647 Wirthschafterinnen ....... Sr 13 734 Knechte und Jungen ...2.:.... 556 773 Marder...» een eeleke ee 498 865 Tagelöhner: männliche ........ 574 332 desgl. weiblicher ser sten an: 565 064 3 412 672 zusammen mit den oben aufgeführten Angehörigen ........ 8 334 722. Dass dabei nicht die Grundeigenthümer, sondern nur die wirklich mit der Land- wirthschaft gewerbsmässig Beschäftigten gezählt worden sind, hat sich Bd. I. S. 520 als genügend sicher ergeben. Die Angehörigen der Kategorien unter 3 sind bei der Zählung nicht besonders nachgewiesen worden, ein grosser Theil der Knechte, Tagelöhner und Aufsichtsbeamten aber ist verheirathet; werden die von dem gesammten Hülfspersonal abhängigen Fa- milienglieder nur auf die gewiss erheblich zu niedrig gegriffene Zahl von 1089 112 Seelen 83 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. angeschlagen, so ergiebt sich schon, dass die Hälfte der gesammten Bevölkerung des Staates in ihrer Lebensstellung auf den Betrieb der Landwirthschaft angewiesen ist. Wie viele aus dieser Gesammtheit als eigentliche Arbeitskraft zu betrachten sind, lässt sich nicht feststellen. Ein nicht unbedeutender Theil der Angehörigen wie der Eigenthümer und Pächter müsste nach der Zeit, die sie Nebenbeschäftigungen widmen, in Abrechnung gebracht werden. Der Umfang und die volkswirthschaftliche Bedeutung der ländlichen Arbeitermasse kommt gleichwohl genügend zur Anschauung. Von allen diesen Betheiligten sind der Natur der landwirthschaftlichen Arbeit nach bei weitem die meisten als solche anzusehen, die dem Wirthschaftsbetriebe nur ihre rohe Körperstärke ohne wesentliche Schulung ihrer Fertigkeiten und ihrer Intelligenz gegen Tagelohn, oder einen dem Tagelohn entsprechenden Gewinn zur Verfügung stellen. Es fällt unter dieseKlasse ausser den eigentlichen Tagelöhnern, das gesammte niedere Gesinde an Knechten, Jungen und Mägden und eine sehr beträchtliche Zahl der Eigenthümer und Pächter kleiner Landgüter oder Parzellen. Der durchschnittliche Verdienst dieser drei Gattungen ländlicher Arbeiter dart in derselben Gegend in der Regel als ziemlich übereinstimmend betrachtet werden. Wo nicht ungewöhnliche Umstände eingreifen, fliessen diese Klassen ineinander über und gleichen ihre Verhältnisse durch die Konkurrenz gleicher Befähigung aus. Der Tagelohn steht anscheinend höher als der Gesindelohn, wird aber durch die unberechnenbaren Risiko’s, die der freie Tagelöhner an Arbeitsunterbrechung und anderen Ausfällen selbst tragen muss, unter die Einnahmen des in ausgebildeter Körperkraft stehen- den gewöhnlichen Gesindes herabgedrückt. Der Betrag, um den er sich schlechter, als fleissiges Gesinde steht, ist das Opfer, welches der Tagelöhner seiner Selbständigkeit und seinem Familienleben bringt, und welches er allerdings durch besondere Anstrengungen und gesteigerte Betriebsamkeit zu ersetzen vermag, selten aber zu einer reichlicheren Befriedigung der täglichen Bedürfnisse steigert, als sie sich dem Gesinde bietet. Aehnlich, wie die der Tagelöhner, ist die Lage der grossen Mehrzahl der kleinen Eigenthümer und Pächter. Es kommt auf die Leichtigkeit des Grunderwerbs oder der Pachtung nach Lage der örtlichen Verhältnisse an, ob der Tagelöhner zum Pächter oder Eigenthümer wird. Die Neigung des Deutschen, seine Familie auf eigener Scholle zu begründen, ist ein segensreicher Zug von den gewichtigsten moralischen Vortheilen. Es ist genügend gezeigt, wie die Möglichkeit solchen Erwerbes die Hoffnungen, die Energie und die nützliche Betriebsamkeit nicht ermatten lässt. Viele dieser kleinen Besitzer erheben sich durch grosse, von der Liebe zum Eigenthum und zur Familie eingegebene Anstrengungen rasch und nachhaltig in ihren Einnahmen über den Stand der gewöhnlichen Tagelöhner; durchschnittlich aber bleibt allerdings der wirkliche Ge- winn für die Einnahmen des Bearbeiters aus dem Anbau einer sehr bedeutenden Masse dieser kleinen Grundstücke ein sehr geringer. Die Erträge der kleinen Parzellen werden durch den Kleinbetrieb in der Regel erheblich gesteigert, aber der Wirth selbst hat diese Steigerung meist als Kaufgeld oder Pachtzins in voraus bezahlt. Ihm selbst bleibt nur ein Entgelt für seine Arbeit, das er nicht so kärglich anschlägt, wie es in Wahrheit ist, weil er gegenüber den üblichen Löhnen, seine Mehranstrengungen, seine grössere Sorgsamkeit und die billigen Mehr- ansprüche seiner gesteigerten Intelligenz nieht in Rechnung bringt. Vielfach sind auch seine höheren Einnahmen in keiner Weise landwirthschaftliche, sondern ein Händler- gewinn an seinen Produkten, den er sich durch eigenen Vertrieb in Städten oder an XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 89 anderen günstigen Absatzorten verschafft, der aber dem Durchschnitt der kleinen Wirthe nicht zufällt. Die Zahl dieser auf der Lebensstufe der Tagelöhner stehenden Eigenthümer und Pächter ist schwer genauer zu ermitteln, Besitzgrösse sowenig, als Katastralschätzung sind für sie massgebend. Sie muss aber hoch angeschlagen werden, wenn man in Betracht zieht, dass es schon ziemlich umfangreiche Wirthschaften giebt, auf denen der Wirth nur wie ein Tagelöhner lebt, und dass nach , Abschnitt XV (Bd. I. 8. 519) bei den Erhebungen des Jahres 1858 etwa die Hälfte aller Landbesitzungen in der Grösse von 5 Morgen und darunter, und nur "; zu 30 Morgen und darüber verzeichnet wurden. Die Höhe des Tagelohns wird dadurch ein Faktor von der grössten national- ökonomischen Wichtigkeit, denn er bestimmt ebenso über die Kosten, welehe die Land- wirthschaft für ihre Hauptarbeitskräfte aufwenden muss, als über die Leichtigkeit der Lebenserhaltung und die Masse der Genussmittel, die ein höchst bedeutender Theil der Bevölkerung zu erringen vermag. Wenn man nach Block*) r14—ı5 Handarbeitstage auf den Morgen bei der ge- wöhnlichen Feldwirthschaft zu rechnen hat, das Kataster aber den Reinertrag von 12 pCt. aller Ackergrundstücke des Staates nur auf ı5 Sgr. und darunter vom Morgen schätzt, so muss das mehr oder weniger allgemeine Steigen des Tagelohns um nur einen Silbergroschen, so weit es sich nicht durch eine Steigerung der Produktenpreise auszugleichen vermag, einen beträchtlichen Theil der Aecker überhaupt des Rein- ertrages berauben, bei anderen denselben wenigstens in verhältnissmässig hohem Grade erniedrigen. Andererseits muss die Höhe der Löhnung, die sich bei der gleichmässigen Ver- breitung der Landwirthschaft für eine so bedeutende Arbeitermenge feststellt, auch für alle übrigen Gewerbe unter Berücksichtigung der sonstigen Verhältnisse nahezu bestimmend werden, so weit dieselben sich ähnlich unvorgebildeter, hauptsächlich auf ihre Körper- kraft angewiesener Arbeiter bedienen. Der städtische Tagelohn wird sich, wenn sonstige Schranken der Ausgleichung nicht vorhanden sind, mit dem ländlichen stets in ein gewisses Verhältniss setzen, welches die Mehrkosten und Mehransprüche des städtischen Lebens gegen das ländliche nieht ohne Ausdruck lässt, aber auch nicht übersteigt. Die Höhe des Tagelohns ist desshalb schon häufig Gegenstand des staatlichen Interesses, des statistischen, wie des polizeilichen gewesen, und Notizen über denselben, die sich dureh ausgedehntere Bearbeitung zu einem Bilde vereinigen liessen, sind nicht selten. Bei näherer Erwägung jedoch wird durch die blosse Geldangabe des zur Zeit üblichen Tagelohnes für die Aufwendungen der Landwirthschaft eine hinreichend klare Anschauung kaum irgendwo erreicht, weil an den meisten Orten die thatsächlich in Geldbeträgen gezahlten Löhne nur vereinzelte und vorzugsweise die ungewöhnlichen Fälle betreffen, die richtigen Durehschnittsbeträge dagegen eimer ziemlich schwierigen Reduktion aus den Naturaleinnahmen und den oft kaum bekannten Nebenvortheilen der Arbeiter bedürfen. Aus diesem Grunde sind andere Ermittelungen unmittelbar auf die Bedürfnisse einer gewöhnlichen Arbeiterfamilie und die nothwendigen Kosten der Befriedigung der- selben gerichtet worden. *) Landgüterschätzungskunde I. 358. III. 222, 347. 90 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage.‘ In den Jahren 1848 und 1349 haben die landwirthschaftliechen Vereine auf Ver- anlassung des Landes-Oekonomie-Kollegiums die Frage erörtert und speziell beantwortet: „was bedarf eine ländliche Arbeiterfamilie, deren Bestand im Durchschnitt auf 5 Per- sonen anzunehmen ist, nämlich Mann und Frau, 2 bis 3 Kinder unter ı4 Jahr alt und eine alte Person (Vater oder Mutter des Mannes oder der Frau), zu ihrem aus- kömmlichen Unterhalte nach der üblichen Lebensweise dieser Klasse von Leuten in einer bestimmten Gegend, und zwar für Wohnung, Feuerung und Erleuchtung, Nahrung, Kleidung, Viehfutter, Unterhaltung der Arbeitswerkzeuge und des Hausgeräthes, Salz und Gewürze, Abgaben an Staat, Kirche und Schule, alles nach den Preisen der be- treffenden Gegend zu Geld gerechnet? und ist der Arbeiter nach den dortigen Ver- hältnissen im Stande, für diese Bedürfnisse durch seinen Verdienst auskömmlich und nachhaltig zu sorgen ?* Die Ergebnisse bearbeitete A. v. Lengerke in dem Werke: „Die ländliche Arbeiter- frage, beantwortet durch die bei dem Königlichen Landes-Oekonomie-Kollegium aus allen Gegenden der preussischen Monarchie eingegangenen Berichte landwirthschaftlicher Vereine“, Berlin 1849. Die hierin benutzten Berichte sind später noch durch eine be- trächtliche Anzahl nachträglich eingegangener ergänzt und durch v. Lengerke zu einer weiteren Zusammenstellung vereinigt worden, die sich im Auszuge in den Dieteriei’schen Mittheilungen des statistischen Bureaus, Jahrgang 5, 1852, S. 270 bis 327 findet. Zu derselben Zeit, in welcher diese Erhebungen stattfanden, wurden wegen der Sinleitung der definitiven Ablösung der gutsherrlich-bäuerlichen Reallasten bei den im vorigen Abschnitte (s. o. $. 85) näher erwähnten Feststellungen von Normalpreisen auch Normalablösungssätze für Tagelöhnerarbeit ausgesprochen. Es handelte sich dabei nicht ausschliesslich um Festsetzung der Entschädigung, gegen welche die bisher den Ver- pflichteten tageweise obliegenden Dienste wegfallen sollten. Waren vielmehr die Dienste nicht nach Tagen, sondern nach dem Umfange der zu leistenden Arbeit bestimmt, oder überhaupt ungemessen, so war nach $ ıı des Gesetzes vom 2. März 1850 (@.-8. 8. 77) ein schiedsrichterlicher Ausspruch darüber vorgesehen, welche Kosten der Dienst- berechtigte unter Berücksichtigung der minderen Vollkommenheit der Arbeit der Dienst- pfliehtigen aufzuwenden habe, um die dem Dienstpflichtigen obliegende Arbeit durch Gesinde oder Tagelöhner zu bestreiten. Die Kosten des Gesindes und der Tagelöhner waren für diese Fälle ebenfalls durch Normalpreise festzustellen. Da der Minderwerth des Zwangsdienstes im Schiedsspruche zur Berücksichtigung kommen sollte, sich auch nach der Art der Berechnung nicht voraussehen liess, zu wessen Vortheil hohe oder niedrige Annahmen ausschlagen würden, so können diese von amtlichen Kommissionen der Berechtigten und der Verpflichteten vereinbarten Sätze, welche in den Verzeich- nissen der Normalpreise als Kosten der freien Handarbeit aufgeführt werden, zwar als mässige, aber doch als im gleichen Verhältnisse stehende und bestimmte und scharf- gefasste Angaben des üblichen, damals geltenden Tagelohnes erachtet werden. Sie sondern genau männliche und weibliche Arbeiter, sowie die Zeiten der Arbeit im Jahre und ihren Zweck und ihre Dauer am Tage, und sind auch mit wenigen Ausnahmen in jedem Kreise des Staates besonders erhoben. Bi Die nachstehende Uebersicht ergiebt die nach den Resierungsbezirken und Pro- vinzen zusammengefassten Mittelsätze der Ermittelungen über die Bedürfnisse einer ländlichen Arbeiterfamilie nach v. Lengerke, und die auf ırstündige Arbeit reduzirten Normalsätze des Tagelohnes nach dem Durchschnit der amtlich publizirten Normalpreise. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 91 Il sttindige Handarbeit in der Zeit von Mai, Juni, Juli and August Ab- gaben Feue- Unter- rung Vieh- [nalt der| Salz Nah- | Klei- 7 (Er- fütter- [Arbeits-| (ae | Mann Frau rung dung Regierungs- Woh- Staat, | Summe würze) | Schule nung z 2 3 in der zu in der zu Ernte- Janderen| Ernte- Janderen etc. arbeit |Arbeiten] arbeit Arbeiten leuch- werk- bezirk mittel, tung) zeuge Thlr, ® Tihr. Thlr. . Sgr. v. Sgr. Sgr. 1& . 3 s . . a I. S D. 11. B 13. 1. Königsberg . IIO,o 2. Gumbinnen . 85,4 3.Danzig.... 94,6 4. Marienwerder 105,4 Preussen 5,8 3,8 : 98,9 5.Köslin .... < III,s; 6. Stettin ... . 138,1 7. Stralsund. . . 2 2 © 2 131,6 Pommern ) B 5 126,3 8. Bromberg .. 80,0 gABosener..... 0 76,6 Posen } 3 { , 36 2 78,3 ıo. Frankfurt . . 5 114,6 ı1. Potsdam... 94,5 Brandenburg d B ; { 5 108,5 12. Oppeln... . 2 88,6 13. Breslau... . o|;5 89,7 14. Liegnitz .... c 101,5 Schlesien : 50, 1 5 / , 93,3 15. Magdeburg. . 3 107,6 16. Merseburg . . 100,8 17. Erfurt .... 5 108,r Sachsen | 5 3 } : E 105,5 ı8.Minden.... 76,2 19.Münster ...| 7 84,4 20. Arnsberg. . . 2 105,4 Westfalen I 8 ! 3,6 ; 4: 88,7 21. Düsseldorf. . 139,2 22 KO. nur. . 4,2 2 152,9 23. Aachen... .. 107,7 24. Koblenz ... 3 E 2 184,9 DSASIERU = 1072 s 0 117,7 Rheinprovinz LH 21,2 9, 140,5 ! Staat...| 85 33,5 3; 105,1 92 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Diese Zahlen sind indess gegenwärtig nur noch zu Vergleichen geeignet; die Verhältnisse haben sich inzwischen wesentlich geändert. Obwohl die Dienstablösungen einen erheblichen Einfluss auf die Steigerung der Tagelöhne nicht geübt haben, hat doch die Industrie, der Eisenbahn- und Wegebau, und vor allem das allgemein an- wachsende Bedürfniss der Landwirthschaft selbst, einschliesslich der Deich- und Me- liorationsanlagen, die Löhne bedeutend erhöht. Gleichzeitig sind namentlich im Klein- verkehr die Produktenpreise erheblich höhere geworden. Neben der Preissteigerung der nothwendigen Bedarfsmittel sind aber auch die Ansprüche der Arbeiterbevölkerung an bessere Wohnung, Kleidung und Nahrung rasch und ersichtlich gewachsen. Was sich für die Gegenwart aus den für die Zwecke der Grundsteuer gesam- melten Angaben, den Kreis- und Bezirksbeschreibungen und namentlich aus ausführ- lichen für den vorliegenden Zweck gemachten Mittheilungen der Mitglieder des Landes- Oekonomie-Kollegiums über die Lohnsätze, die Gesindehaltung und die Lage der Arbeiter- verhältnisse überhaupt ergiebt, ist in seinen wichtigsten Zügen nachstehend provinzen- weise zusammengefasst worden. l. Provinz Preussen. Die Lohnsätze des ländlichen Gesindes betragen in der gesammten Provinz für einen unverheiratheten Knecht in der Regel 20 bis 30 Thlr.; in den besseren Gegenden wie in der Weichselniederung und auf intensiven Wirthschaften mit Fabrikbetrieb, wird ein Lohn bis zu 35 Thlr. gegeben. Als Lohn einer Magd werden ı2 bis 20 Thlr., in den besser gestellten Wirthschaften des Regierungsbezirks Danzig auch 25 Thlr. und in der Weichselniederung bis 30 Thlr. jährlich gezahlt. Kämmerer, Wirthe, Hofleute, Grossknechte, Schäfer und ähnliche Aufseher und Vorarbeiter auf den grösseren Gütern sind im Lohn nach Verhältniss der Leistung be- trächtlich höher gestellt. In den kleineren bäuerlichen Wirthschaften wird zwar den Dienstboten ein ge- ringerer Lohn, dafür aber ein Deputat an Kleidungsstücken und Wäsche gegeben. Die Beköstigung der Dienstboten besteht gewöhnlich im Sommer aus 4 und im Winter aus 3 Mahlzeiten, und zwar: des Morgens Milch oder Mehlsuppe, oder Grütze und graue Erbsen und Kartoffeln; Mittags dickgekochtes Gemüse, Erbsen, Klösse ab- wechselnd mit und ohne Fleisch; zum Vesperbrot Milchsuppe oder dieke Milch mit Brot oder auch Branntwein; Abends Kartoffeln mit Heringen und Suppe; und an Feier- tagen: Braten und Weiss- oder Feinbrot. In den Masurischen Kreisen und auf der Höhe des Danziger Regierungsbezirkes bilden Milch und Kartoffeln die Hauptnahrung. In der Weichselniederung ist die Kost zu Mittag: 2 Gerichte, bestehend in Klössen, Erbsen, Grütze, oder Gemüse mit Fleisch oder Fett; Abends: ein Gemüse- gericht; zur Vesper, in der Zeit von dem Tage der ersten Gersteneinsaat bis zu deren beendigter Einfuhr: Brot mit Käse oder Butter nebst Milch zum Trinken. Auch ist, wenn auch nicht allgemein, an vielen Orten üblich, täglich frisches Backwerk während der Heu- und Getreideernte zu geben. Allgemein in der Provinz wird 2 bis 3mal Fleisch in der Woche und zwar für die Mahlzeit nicht unter '/ Pfund, in der Regel aber auch nicht über %, Pfund gegeben; XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 93 nur in den Niederungen des Danziger Regierungsbezirkes wird das Fleisch und Fett reichlicher zugemessen. Es wird hier auf den Kopf des Gesindes gewöhnlich für's Jahr oo Pfund frisch eingeschlachtetes Fleisch und 75 Pfund an Fett und Talg ge- rechnet, An Brod wird dem Knecht in den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen wöchentlich 14 Pfund, im Regierungsbezirk Danzig und Marienwerder aber für ge- wöhnlich nur ro Pfund, während der Ernte aber eine Zulage von 4 bis 5 Pfund ge- geben. In den beiden Werdern wird dagegen das Brod nicht zugemessen, sondern von dem ersten Knechte beim Essen vorgeschnitten. Eine solche Kost wird auf jährlich 60 Thlr., in den Werdern aber auf go bis 90 Thlr. veranschlagt. Die Verpflegung einer Magd, welche gewöhnlich nur wöchentlich ro Pfund Brod aber sonst gleiche Kost erhält, rechnet man auf 5o Thlr. Auf den grösseren Gütern wird jedoch nicht selten vom Gutsherrn die Bespeisung des Gesindes mittelst Vertrages einem Kostgeber, dem Aufsicht führenden Hofmanne, Schäfer, o. ähnl., überwiesen und ihm die nöthigen Naturalien nach vereinbarten, aber von Gut zu Gut wechselnden Sätzen geliefert. Diese Lieferungen betragen im Regie- gierungsbezirk Königsberg für einen Knecht: 7 Scheffel Roggen; 7 Scheffel Gerste; 2, Scheffel Erbsen; 12 Scheffel Kartoffeln; 2'/ Scheffel Mastgetreide; '/); Rind als Fleisch oder baar 7 Thlr.; '/; mageres Schwein oder 5 Thlr.; an Herings-, Topf- und Salzgeld 4 Thlr.; an Milch im Winter täglich '/, im Sommer ı Quart; frei Brennholz; und an den grossen Feiertagen Bier und Branntwein. Auf 4 Personen und mehr wird dasselbe Deputat zur Haltung einer Magd gewährt. Im Regierungsbezirk Gumbinnen beträgt ein Deputat dieser Art für einen Knecht: 3 Thlr. 15 Sgr. baar; ro Scheffel Roggen; ı Scheffel Gerste; r Scheffel Hafer; 2 Scheffel Erbsen; ıo Scheffel Kartoffeln; '% Rind und %% Schwein, oder, wo kein Fleisch ver- abfolgt wird, 6 Thlr. baar; ro Scheffel Roggen; 2 Scheffel Gerste; 2 Scheffel Hafer; 3 Scheffel Erbsen; ı5 Scheffel Kartoffeln. Das Mehr an Geld und Getreide wird zum Ankauf von Fleisch und zur Mastung von Schweinen, die auf gemeinschaftliche Rech- nung erfolgt, verwendet. Im Regierungsbezirk Danzig finden sich zwar nach der Oertlichkeit sehr ab- weichende Bewilligungen dieser Art, doch gleichen sie sich in der Gesammtheit aus. Sie bestehen durchschnittlich in: 12—ı8 Scheffel verschiedenen Getreides, und zwar an Weizen meist gar nichts, oder doch nur zum Backwerk für die hohen Festtage ı Scheffel auf die gesammte Kostgenossenschaft; an Roggen Jedem 9 bis ı2 Scheffel, der höchste Satz im Werder, oder wenn dem Speisewirth die Mastung der Schweine ob- liegt; an Gerste 1/a—3 Scheffel; an Erbsen 1 )a—2 Scheffel und an Hafer ı /„—2 Scheffel; (von der stärkeren Getreidebewilligung kommen 2" bis 3 Scheffel auf die zu besor- gende Schweinemastung); an Kartoffeln ro bis 25 Scheffel in Ausgleichung eines ge- ringeren Deputats an Getreide; an Fleisch ı'/% Pfund für die Woche auf jede Person, oder nach der Oertlichkeit 2 Merzschafe, oder ı Merzschaf und °/; Rind, oder ıoo Pfund Fleisch überhaupt auf jede Person für das Jahr; an Fett ein halbes Mastschwein im Gewicht von 1oo Pfund oder ein halbes mageres Schwein im Werthe von 5—6 Thlr., dessen Mast durch Benutzung der verschiedenen Abfälle dem Speisewirth obliegt; die Nutzung einer halben Kuh oder je einer auf 2 Leute, welehe Winter und Sommer freies Futter erhält; an Geld zu Geschirr und Heringen ı5 Sgr. bis r Thlr.; an 94 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Salz 6 Metzen oder "/ Centner; an Holz zum Kochen ı Fuhre Reisig oder ı Klafter Holz; an Mädchenlohn 5 Thlr. für jede Person, oder bei deren grösserer Zahl zur Haltung einer Magd das gesammte für eime Person ausgesetzte Deputat nebst einem Lohn von ı5 Thlrn. Im allgemeinen werden ı2 Scheffel Getreide und 25 Scheftel Kartoffeln oder 18 Scheffel Getreide und nur ıo Schefiel Kartoffeln auf die Speisung einer Person jährlich verwendet. Im Regierungsbezirk Marienwerder werden dem Speisewirth für einen unverhei- ratheten Knecht durchschnittlich überwiesen: g Scheffel Roggen; 3'/ Scheffel Erbsen; 1" Scheffel Gerste; 24 Scheffel Kartoffeln; ı2 Metzen Salz; '/ mageres einjähriges Schwein; 2 Merzschafe und 's Kuh in freiem Futter. — Auch die Besitzer grösserer Güter entschliessen sich ungern, verheirathetes Gesinde anzunehmen. An verschiedenen Orten des Regierungsbezirks Gumbinnen aber, be- sonders um Darkehmen, und in einigen Gegenden des Regierungsbezirks Danzig, in denen die Zahl der Unverheiratheten, die sich zum Gesindedienst anbieten, zu gering ist, oder zuverlässigere und stetigere Leute gesucht werden, sind trotz ihrer kost- spieligeren Haltung verheirathete Knechte häufig. Im Regierungsbezirk Gumbinnen erhalten solche Kneehte einen Lohn von 20—25 Thlr. jährlich und an Stelle der Kost ein Deputat von 20 Scheffel Roggen; 3—4 Scheffel Gerste; 4—5 Hafer; 1» Scheffel Erbsen; ı Morgen Kartoffelland nach gedüngter Winterung und !/ Scheffel Leinaussaat in derselben Fruchtfolge; Futter und Weide für ı Kuh und 2 Schafe mit ihren Lämmern bis zum Herbst; freie Weide für 2 Schweine; einige Ruthen Gartenland und freie Wohnung und Brennmaterial. Ein solcher verheiratheter Knecht ist aber für gewöhnlich verpflichtet, einen zweiten weib- lichen Arbeiter zu gestellen, für den ihm ein Tagelohn von 2 bis 3 Sgr. bewilligt wird. Im Regierungsbezirk Danzig erhalten jedoch die verheiratheten Knechte nur 18— 20 Scheffel Getreide nebst freier Wohnung, Brennmaterial, Garten und freie Hal- tung eines Stücks Rindvieh, eines Schweines und einiger Gänse. Der Knecht selbst wird dadurch gut bezahlt, das Bedürfniss der Familie aber ist je nach ihrer Stärke nicht immer voll berücksichtigt. — Als Hülfskräfte für die Landwirthschaft sind Tagearbeiter, die nur vorübergehend zu Arbeiten gebraucht und durch Geld abgelohnt werden, verhältnissmässig selten; vielmehr ist allgemein in der gesammten Provinz die Sitte verbreitet, unter dem Namen „Instleute“ oder „Gärtner“ Arbeiterfamilien in Wohnung und Deputat zu nehmen, welche dauernd durch Kontrakte gebunden sind. Diese erhalten im Regierungsbezirk Königsberg: freie Wohnung; Brennmaterial, frei oder gegen geringe Entschädigung; Futter und Weide für ı Kuh, ı Schaf und Zuwachs; Weide für 2 Schweine; Ys Scheffel Leinaussaat; >, Morgen Kartoffelland; ıo bis ı5 Scheffel Deputatgetreide für die Sommermonate; im Winter für das Dreschen mit dem Flegel den ıo. bis ır., mit der Maschine den 13. bis 16. Scheflel; ausserdem an Lohn der Mann 3 Sgr. 4 Pf. bis 4 Sgr., die Magd oder die Frau, welche der Inst- mann zu gestellen hat, 2 bis 3 Sgr. für den Tag. Für die Gestellung eines dritten Arbeiters, auch eines weiblichen, erhält der Instmann in der Regel das höhere Tagelohn des Mannes. Das Einkommen einer solehen Familie wird auf 130 bis 140 Thlr. jährlich geschätzt. Für den Regierungsbezirk Gumbinnen wird die kontraktliche Ablöhnung der Inst- leute auf jährlich 9—ı2 Thlr. baar; 9—ız Scheffel Roggen, 3—4 Scheffel Gerste, XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 95 4—5 Scheffel, Hafer 1—2 Scheffel Erbsen; Wohnung und Brennmaterial und an Land und Viehhaltung auf dasjenige berechnet, was für einen verheiratheten Knecht angegeben ist. Hierfür müssen sie vom ı. April bis ı5. Oktober zwei Arbeiter ohne weitere Bezahlung gestellen, und der dritte Arbeiter, gewöhnlich die Hausfrau, ist ausserdem verpflichtet, so oft er gebraucht wird, gegen ein Tagelohn von 2'/, bis 4 Sgr. in Arbeit zu kommen. Im Winterhalbjahr erhalten sie an Drescherlohn den ır. und bei der Maschine den 15. bis 16. Scheffel; bei anderen Arbeiten der Mann 2Y, bis 4 Sgr., der zweite Arbeiter ı Sgr. 8 Pf. bis 3 Sgr. Die Kosten des Unterhalts einer solchen Familie werden auf 150— 200 Thlr. jährlich veranschlagt. Die Stellung dieser Arbeiter hat jedoch in der letzten Zeit vielfache Aenderungen erlitten; theils weil es den Instleuten oder Gärtnern häufig nicht möglich war, den zweiten Arbeiter (Scharwerker) zu beschaffen, theils weil in einem solchen Verhältnisse nicht die Arbeitsleistung oder die Arbeitszeit bezahlt wird, und desshalb für den Ar- beiter die Versuchung nahe liegt, sich unter allerlei Vorwänden der Arbeit unnöthig zu entziehen, endlich auch, weil die für den Arbeitgeber wie den Arbeitnehmer gün- stigste Arbeitsweise der Akkordarbeiten dabei fast unmöglich bleibt. Der Uebergang in ein entsprechenderes Verhältniss wird erst gesucht, vielfach indess in dem der so- genannten Freimänner gefunden. Diesen pflegt man freie Wohnung, Kartoffelland und Weide für ein Schwein, auch freie ärztliche Behandlung und Medizin zu gewähren, und der Mann ist dafür ver- pflichtet, das ganze Jahr hindurch gegen ein Tagelohn von 5—ıo Sgr. und die Frau gegen 4—6 Sgr. den Sommer hindurch zur Arbeit zu kommen. Je nach den sonst in der Gegend üblichen Lohnsätzen ist an einigen Orten dieses Geldverhältniss auch so einge- führt, dass die Familie nur Landnutzung und Wohnung bei einem Tagelohn von 7—8 Sgr. für den Mann und 4—5 Sgr. für den weiblichen Arbeiter erhält. An anderen Orten dagegen ist die Haltung des Nutzviehes beibehalten, und es wird ein Tagelohn von 4—5 bezügl. 3—4 Sgr. oder für jeden Arbeitstag ein bestimmtes Quantum Getreide gewährt. Dabei ist aber das Drescherverhältniss fast überall bestehen geblieben. Auf dem Hochlande des Regierungsbezirks Danzig erhalten die Instleute: Wohnung, Stallung für r Kuh und einige Schweine, wofür 5—8 Thlr. vom Verdienst abgezogen werden; Brennmaterial durchschnittlich 1, Klafter Holz, oder 2—3 Klafter Stubbenholz, oder 3 Fuhren Reisigholz, oder auch 3—4 Klafter Torf; Gartenland gegen ı Morgen; Leinsaat etwa ', Scheffel, und zu Kartoffeln so viel Land, als der Mann mit dem Dünger seines Viehes überdüngen kann, wobei die Beackerung stets durch das Guts- gespann geschieht; ferner Weide und Winterfutter für ı Kuh und Weide für ı oder 2 Schweine und einige Schafe, sowie in einigen Gegenden auch für Gänse gegen Abgabe des zehnten Theils. Drescherlohn ist der ır. oder 12. Scheffel; bei der Dreschmaschine der 16., hin und wieder auch nur der 20. Scheffel.e. Auch diese Arbeiter sind ver- pfliehtet, täglich mit dem sogenannten Scharwerker (Magd oder Jungen), in Arbeit zu kommen; ebenso ist die Frau verbunden, sich auf Erfordern auf halbe Tage zur Arbeit zu stellen. An Tagelohn wird vom ı. April bis ı. Oktober für den Mann 4—4'. Ser., für die Frau, Magd oder Jungen 21 — 31, Sgr.; vom ı. Oktober bis r. April für den Mannstag 3 Sgr., für den Frauentag 2—2'/) Sgr. gerechnet, Da die den Arbeitern eingeräumten Aecker durchschnittlich eine geringere Ernte als die Felder des Gutes ergeben, so nimmt der Gebrauch, den Arbeitern Land zu 96 XIR. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. bewilligen, immer mehr ab, und wird ihnen statt dessen der nöthige Strohbedarf für das Vieh und 15 bis 30 Scheffel Kartoffeln von der Ernte des Gutes gegeben. Die Erhaltung eines solehen Instmanns mit dem Scharwerker wird der Gegend nach auf 160— 200 Thlr. jährlich veranschlagt. Neben den Instleuten werden hier sogenannte Ochsenpflüger (Rattaier) gehalten, die ein Ochsengespann beim Pflügen zu leiten haben. Sie dreschen im Winter den Instleuten gleich auf Antheil und arbeiten um Tagelohn. Im Sommer sind sie von Ostern bis Michaeli auf festen Lohn nebst Getreidedeputat gestellt, und erhalten an Lohn 6 Thlr., an Deputat 15 Scheffel Roggen, 2 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Erbsen, 15 Scheffel Kartoffeln; ferner Wohnung, Feuerung, Garten und freie Haltung für eine Kuh. — In den Werdern und in der Niederung der Weichsel sind die Vertragsbedingungen für die festangesiedelten Arbeiter nicht gleichartig und weniger auskömmlich wie auf der Höhe. Das Verhältniss der Instleute ist hier überhaupt seltener. Es wird ihnen in der Regel nur freie Wohnung bewilligt, nebst einem Garten von etwa go D]Ruthen; freie Feuerung aus Stoppeln; die Haltung einer Ziege und eines Schweines, für die sie das Futter selbst zu beschaffen haben; und beim Dreschen der ı2. oder auch nur der 15. Scheffel, bei der Maschine der zo. Scheffel. Da in der Niederung üblich ist, dass die in Arbeit kommenden Arbeiter im Hause des Arbeitgebers gespeist werden, so erhalten sie an Tagelohn im Sommer 6 Sgr. und im Winter 5 Sgr., oder auch im Sommer nur 5 Sgr. und im Winter 3 Sgr.; dann aber 6 Scheffel Getreide unentgeltlich und ı5—2o Scheffel zu ermässigten Preisen. Das Futter für die Kuh dagegen beziehen sie sehr selten ohne Bezahlung, sondern sind angewiesen, sich die Weide und das Heu miethsweise zu beschaffen. Nur die Heu- werbung an den Wegen, Gräben und Dämmen wird ihnen theilweise ohne Entgelt ein- geräumt. Es werden desshalb hier viele Ziegen gehalten, die der Familie die Milch bei einem geringeren Kostenaufwande liefern. Als Brennmaterial werden ihnen häufig die hohen Stoppeln überwiesen und angefahren, welche beim Schneiden des Getreides, das wegen der starken schilfigten Halme meist mit der Sichel geschehen muss, stehen bleiben und nachträglich kurz geschnitten werden. Im allgemeinen aber wird in der Niederung die Ansiedelung verheiratheter Ar- beiter der möglichen Armenverpflesungspflichten wegen ängstlich vermieden, und in der Zeit der Heu- und Getreideernte bei stärkerem Bedürfniss Hülfe durch Zuzug von vorübergehend zuwandernden, auf der Höhe ansässigen Arbeitern gesucht. — Im Regierungsbezirk Marienwerder kommen die Instleute, wenigstens auf den grösseren Gütern, überall vor. Sie müssen sammt einem Mädchen täglich auf Arbeit gehen und während der Heu- und Getreideernte ausserdem ihre Frau zu % der Ar- beitszeit des Mannes gestellen, wofür sie aber das volle Lohn des Mannes empfängt. Sie erhalten hier landesüblich: freie Wohnung nebst 120 DJRuthen Gartenland, 3 Klafter Torf und ı Klafter Holz, freie Weide und Winterfutter für r Kuh, auch die Erlaubniss, Gänse auf herrschaftliche Weide gegen Abgabe der Hälfte zu treiben; an Arbeitslohn vom ı. April bis ıı. November für den Mann täglich 4 Sgr. und für das Mädchen 3 Sgr., für die übrige Zeit aber 3 und bezüglich 2 Sgr., überdies als Ersatz für während der Ernte zu verabreichenden Branntwein auf die Familie 2 Scheffel Roggen und ı Scheffel Erbsen. An Drescherlohn wird der ız. Scheffel und bei der Maschine der 25. Scheffel gegeben. In Krankheitsfällen wird ausserdem unentgeltlich XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 97 Arzt und Arznei gewährt, und beim Sterben einer Kuh wird von der Herrschaft die Hälfte des Verlustes getragen. Das Verhältniss der Instleute ist übrigens in der gesammten Provinz nieht auf die grossen Güter allein beschränkt, es findet sich auch auf Bauerngütern. Im allge- meinen sucht man aut r00— 150 Morgen Acker und Wiese eine festengagirte Arbeiter- familie zu halten. Die kleinen Wirthschaften begnügen sich meist damit, sogenannte Inlieger oder Einmiether in Wohnräume, die sie dazu einrichten, mit der Bedingung aufzunehmen, dass sie die Miethe durch Arbeitshülfe, die sie in der Ernte leisten, abverdienen. — Wo völlig freie Arbeiter vorkommen, beträgt ihre Löhnung meist bei zwölt- stündiger Arbeit: in der Erntezeit für das Mähen 12—ı5 Sgr. auf den Tag; bei sonstigen Erntearbeiten g8—ı2 Sgr. für den Mann und 6—ıo Sgr. für die Frau; ausser der Ernte im Sommer 6— 10 Sgr. für den Mann und 5—6 Sgr. für die Frau; im Winter dagegen bei einer achtstündigen Arbeit 5— 7! Sgr. für den Mann und 3—5 Sgr. für die Frau, ohne Beköstigung. Nur in den besseren Gegenden und in der Nähe der grossen Städte uud ge- werblichen Anlagen erfahren diese Sätze eine Steigerung, ganz besonders aber in der Marienburger und Elbinger Niederung, wo für ein 12—14stündiges Mähen 25—30 Sgr., bei sonstigen Erntearbeiten 20—25 Sgr. für den Mann und ro Sgr. für die Frau; ausser der Ernte im Sommer 16 Sgr. für den Mann und 8 Sgr. für die Frau, und im Winter 8—ıo Sgr. für den Mann und 6—8 Sgr. für die Frau gezahlt werden. Akkordarbeiten kommen nur bei der Heuwerbung, beim Grabenziehen, Mergel- düngen, Rodungen, Torfstechen, Mähen, Dreschen und ähnl. vor und wird je nach der verkehrsreicheren Gegend dabei gezahlt: für Mähen vom Morgen 5—7!% Sgr., für Kar- toffelausnehmen 6 Pf. bis ı Sgr. vom Scheffel, für Torfstechen 12—14 Sgr. von der Klafter, für ı Morgen Mergeln 3 Thlr., für ı Morgen Modern 6 Thlr., für Moderkarren auf die Schachtruthe bei zo Schritt Entfernung 7Y, Sgr. — Im allgemeinen ist in der Provinz Preussen für die Arbeiterbevölkerung starkes Essen durch das Klima bedingt, und jede Steigerung äusserer Behaglichkeit in Woh- nung und Kleidung durch grosse Kälte und langen Winter sehr erschwert. Gleichwohl berechnen sich die Löhnungen in Naturalien und Geld verhältnissmässig hoch. Die Noth, über welche in den Jahren 1844 bis 1847 unter der Arbeitermasse der Provinz geklagt wurde, ist durch den Einfluss besonderer Verhältnisse hervorgerufen worden*). Es wird angegeben, dass das Gesetz vom 31. Dezember 1842 (G.-8. 1843 S. 3) über die Armenpflege, dessen Abänderung übrigens nicht gewünscht wird, nach seinem Erscheinen viele Gutsbesitzer veranlasst habe, die bis dahin auf den Gütern vorhandenen Instleute zu entlassen, so dass sie sich in den Dörfern zusammengedrängt und ohne regelmässige Beschäftigung durch eine Reihe von Missernten und die hinzu- tretende Kartoffelkrankheit in den folgenden Jahren vielfach sehr verkommen seien. Dies habe sich aber schon in den fünfziger Jahren ausgeglichen. Theils durch häufigeres Arbeitssuchen in Russland, theils durch Eisenbahn-, Chaussee- und andere öffentliche Bauten, theils endlich durch die ungewöhnlich starke Forstarbeit, die der Raupen- frass in jener Zeit nothwendig gemacht, seien zusammentreffend mit dem anwachsenden Bedürfnisse der Landwirthschaft mehr und mehr Kräfte in Anspruch genommen worden, *) Preuss. Statistik Heft VII. S. 27. Boden d, preuss. Staates. II. 7 98 XIK. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. so dass bald überall Arbeitermangel hervorgetreten sei. Namentlich aber habe die reiche Ernte des Jahres 1861, welche mit so nasser Witterung zusammenfiel, dass alle Mittel, sie einzubringen, aufgeboten werden mussten, und dennoch vieles Getreide auf dem Felde verloren ging, die Löhne bis auf das Doppelte der früheren Sätze gesteigert, so dass nicht blos in keiner Beziehung von Noth bezüglich des Zustandes der Arbeiter die Rede sein könne, sondern vielmehr die Arbeitsgeber mit den grössten Schwierig- keiten zu kämpfen hätten*). Man sucht jetzt, wie erwähnt, durch Akkordarbeiten wenigstens die Masse der Leistung zu steigern; indess widerstreben die Gewohnheiten der Bevölkerung dieser Art der Thätigkeit; sie zieht eine kärgliche aber mit Ruhe ver- bundene Lebensweise dem nur mit besonderen Anstrengungen zu erreichenden grösseren Verdienste vor, misstraut den Anerbietungen, zeigt auch Mangel an Verständniss für die Arbeit selbst und lässt sich schwer über ihren Vortheil belehren. Namentlich wird in Westpreussen über die Trägheit und Unordnung der Frauen geklagt. ‘Dagegen scheinen die Versuche, die man mit Uebersiedlung von Arbeitern aus der Mark ge- macht hat, zu beiderseitiger Zufriedenheit geglückt zu sein. Diese Translokationen sind besonders vom Kreisverein Angerburg vorgenommen worden. Die Kosten haben sich für die Familie auf durchschnittlich zo Thlr. belaufen. Für diese Auslage hat sich der Familienvater verpflichtet, 3 Jahre am Orte zu bleiben und ist in den üblichen Kontrakt der Instleute eingetreten. *) Die im Winter 1867/68 in Östpreussen leider wieder in erschreckender Höhe auf- getretenen Nothstände haben vorzugsweise die Instleute und die freien Tagelöhner betroffen. Die Noth derselben hängt nahe mit den Verhältnissen der grossen Grundbesitzer zusammen. Jahre strichweise sehr kümmerlicher Ernten sind in Östpreussen durch die Besonder- heiten des Klimas bedingt. Der kleine Eigenthümer lebt gut, wenn er gut erntet, und darbt mit den Seinigen, wenn die Ernte schlecht ist. Er hat wenig oder gar keine Schulden, der Ausfall wirkt also nur auf seinen Lebensgenuss, vor dem äussersten Hunger schützt ihn sein Grundstück und die gegenseitige Aushülfe. Dagegen wird der grosse Grundbesitzer sehr empfindlich berührt, wenn er die Zinsen seiner hohen Hypothekarbelastung nicht zu zahlen vermag. Dieser Fall tritt um so leichter ein, je mehr eine Reihe günstiger Jahre das starke Risiko vergessen gemacht hat, dem der ostpreussische Boden unterliegt, und je höher wie vor der gegenwärtigen Krisis die Konjunktur die Güterpreise gesteigert hat. Die Pfand- belastung hat sich in dem letzten Jahrzehnt besonders durch rückständige Kaufgelder, die zur Erleichterung des Gutswechsels für den Vorbesitzer haften blieben, schnell und sehr beträcht- lich erhöht. Die Sorge für die Zinsen nöthigt die Besitzer bei geringen Ernten die Meliorations- arbeiten einzustellen, die nicht auf feste Kontrakte stehenden Arbeiter nicht weiter zu be- schäftigen und möglichst alles entbehrliche Gesinde, namentlich aber die Instleute, zu ent- lassen, deren Verträge von Martini zu Martini laufen. Soweit diese Leute einiges Land in Pacht erhalten haben, sind sie von schlechten Ernten kaum im Stande, das Pachtgeld zu zahlen. Unvorsorglich und zu jeder Zeit in ihren Bedürfnissen ausser einer massenhaften Kost auf das geringste Mass beschränkt, sehen sie sich ohne Arbeit sofort dem Mangel gegenüber. Die Unterstützung, welche ihnen Angehörige und Gemeinden gewähren, fällt auf kleine oder grosse Eigenthümer zurück, und wenn der Ernteausfall grosse Verbreitung hat, und ungenügende Zufuhr theure Preise erzeugt, nehmen Bettelei und Drohungen in einer Weise überhand, dass auch die Mittel der Grundbesitzer erschöpft werden. Wie weit aber wirklich Noth, Hunger und Krankheit und die Nothwendigkeit der Staatshülfe eintreten, das vorherzusehen ist sehr schwer, weil der Grad des Mangels von der gar nicht festzustellenden Summe der kleinen häuslichen Vorräthe, dem Gange der Witterung und den unberechnenbar sich öffnenden kleinen täglichen Arbeitsquellen abhängt. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 99 2, Provinz Pommern. Die Löhne des Gesindes im Regierungsbezirke Köslin stehen niedriger als in dem übrigen Theile Pommerns; sie betragen bei einem Knecht 18—25, bei einem Jungen 8—ı5 Thlr. und bei einer Magd 12—ı8 Thlr.; nur in den Kreisen Fürsten- thum und Dramburg erhöhen sich die Sätze für Knechte und Jungen auf 32 und be- züglich ı8 Thlr. Im Regierungsbezirke Stettin betragen die Löhne, mit Ausnahme des um Stettin gelegenen Kreises Randow, wo Knechte 30—50 Thlr. jährlich erhalten, durch- schnittlieh 20o—30 Thlr. für den Knecht, 15— 20 für den Jungen und 15—25 Thlr. für die Magd. Im Regierungsbezirk Stralsund steigen sie am höchsten und stellen sich für den Knecht auf 40— 50 Thlr., für die Magd auf 20— 30 Thlr., überdies noch auf 20 Ellen Leinwand oder 4 Metzen Leinaussaat und 2 Pfund Wolle. Das Gesinde wird, wenn es nicht verheirathet ist, von der Gutsherrschaft be- köstigt; sind Knechte verheirathet und haben Familie, so tritt das für festengagirte Ar- beiter angenommene Verhältniss ein. Die Beköstigung ist in der gesammten Provinz im allgemeinen gut und besteht für Morgens gewöhnlich in Milchsuppe mit Klössen oder Grütze; Mittags in Milch- suppe und Kartoffeln, Gemüse, Erbsen, Bohnen, Kohl mit Speck gekocht; Abends in Milchsuppe und Kartoffeln mit Hering oder Kartoffelsuppe. Dazu kommt 3—4 mal Fleisch in der Woche, und zwar '/, Pfund Speck oder '/ Pfund sonstiges Fleisch, und am Sonntage zu Mittag Backobst mit Klössen. Brot wird dem Knechte in der Woche ı4 Pfund mit ı Pfund Butter oder Schmalz und einer Magd ıo Pfund mit 24 Loth Butter oder Schmalz verabfolgt. Diese Beköstigung wird auf etwa 70 Thlr. jährlich berechnet. — Ausser dem Gesinde müssen fast auf allen Gütern zur Bewältigung der land- wirthschaftlichen Arbeiten %4 der nöthigen Arbeiter auf das ganze Jahr in fester Löhnung gehalten werden. Sie werden unter einer sechsmonatlichen Kündigung zu Ostern und Martini angenommen. Diese Arbeiter haben im Regierungsbezirk Köslin in der Regel freie Wohnung, freie Feuerung, freie Haltung von ı Kuh, 3—4 Schafen, oft auch 1—2 Schweinen, Garten und Ackerland bis zu 2 Morgen und mehr oder weniger Naturalien, wofür sie gewisse Diensttage unentgeltlich leisten und sämmtliche vorkommenden wirthschaftlichen Arbeiten zu einem niedrigeren Lohnsatze verrichten müssen. Im Regierungsbezirk Stettin erhalten sie meist freie Wohnung; Durchfütterung einer Kuh; 100 Scheffel Kartoffeln; 26 Scheffel Roggen; ı Scheffel Erbsen; ı Scheffel Gerste; 6 Scheffel Hafer und Yı Scheffel Leinaussaat. An manchen Orten dürfen die Arbeiter ausserdem Gänse halten und erhalten Weide und Futter für 2—3 Schafe, freies Brennmaterial und sehr häufig auch freien Arzt und Arznei. Ausser dieser für ı Jahr geltenden Einnahme wird dem Mann ein durchschnittlicher Tagelohn von 5 Sgr. und der Frau 2). Sgr. gezahlt; in der Regel muss indess der Mann wie die Frau je 5o Tage im Jahre unentgeltlich arbeiten. Im Unvermögensfalle bezahlt der Gutsherr das Schulgeld für die Kinder und erhält die Familie, wenn dieselbe erwerbsun- fähig wird, IE 400 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Im Regierungsbezirk Stralsund werden diese Arbeiter „Kathenleute‘ genannt und erhalten freie Wohnung mit der nöthigen Stallung, Garten, Kartoffel- und Leinland von 170—230 [JRuthen, auch überdies einige Ruthen Kartoffel- oder Leinland gegen einen billigen Zins; ferner Futter für ı Kuh und 2—3 Schafe; Weide für 2 Zucht- gänse mit Weide für Zuwachs; Brennmaterial (ro Tausend Torf und 2—3 Fuder Holz, oder 25 Tausend Torf und ı Fuder Holz); für jeden Arbeiter r Scheffel Gerste zu Bier; der Mann für ı2 Arbeitstage ı Scheffel Roggen und ı Scheffel Gerste oder den Markt- preis dafür, und an Tagelohn 3 Sgr. 9 Pf. bis 4 Sgr.; endlich Arzt und Apotheker. In anderen Kontrakten erhalten sie auch wohl Wohnung und Garten; Futter für ı Kuh; Weide für Gänse; Holz und Torf; Roggen nach Bedürfniss zu je r Thlr., Gerste zu 2o Sgr., Erbsen zu ı Thlr. und Hafer zu ı5 Sgr. für den Scheffel; und einen Tagelohn von 5 Sgr.; beim Dreschen im Winter aber den ı13., 15. bis 17. Scheffel, und beim Maschinendrusch den 20. bis 24. Scheffel; überdies Kartoffel- und: Leinland. Verdienst durch Arbeit wird ihnen das ganze Jahr hindurch gewährt. Wenn Akkordsätze mit diesen Arbeitern vereinbart werden, so fällt während dieser Zeit die Lieferung der Naturalien fort; ist Einigung nicht möglich, so geht die Arbeit im Tagelohn weiter. i Arbeitsleistungen der Hausfrau werden mit Ys Sgr. für die Stunde bezahlt. Ueberall wird arbeitsunfähigen Arbeitern Unterstützung gewährt. — Die freien Tagelöhner erhalten in den Gegenden der besseren Böden zwischen Köslin und Stettin, ebenso im Kreise Randow und Anklam durchschnittlich für Mähen der Mann ı5—20 Sgr.; für andere Erntearbeiten bei r2—ı4 Stunden der Mann 12a —20 Sgr., die Frau 7'a—ıo Sgr.; für Sommerarbeiten bei 10—ız Stunden Arbeits- zeit der Mann 10—ı5 Sgr., die Frau 5—7Y2 Sgr.; für Winterarbeiten bei achtstündiger Arbeit der Mann 71%—ı2 Sgr., die Frau 5—7 Ser. In den übrigen Kreisen der Regierungsbezirke Köslin und Stettin erniedrigen sich die Sätze bis auf %% dieser Lohnbeträge. Im Regierungsbezirk Stralsund sind die Löhne besonders hoch und gewähren bei freier Beköstigung und bei einer 12—ı4stündigen Arbeitszeit für die Erntearbeiten dem Manne 12. —ı7 Sgr., der Frau 8—ıo Sgr.; für Sommerarbeiten bei r2— 14 stün- diger Arbeitsdauer dem Manne 7'.— 12". Sgr., der Frau 5—7 Sgr.; für Winterarbeiten und 8$—ıostündiger Arbeitsdauer dem Manne 5s—7Y2 Sgr., der Frau 3—5 Sgr. Im allgemeinen reicht, besonders im Regierungsbezirke Köslin, die Arbeiter- bevölkerung aus, da in den kleineren Wirthschaften die Arbeiten durch Familienglieder und Gesinde ausgeführt werden. Im Regierungsbezirke Stettin würde sie als aus- reichend zu betrachten sein, wenn nicht die vielen Ziegeleien und Torfstiche, sowie der Handel und die Schifffahrt Stettins der Landwirthschaft viele Kräfte entzögen, so dass Hülfsarbeiter- aus dem Netze- und Warthebruch angenommen werden müssen. Neu- vorpommern muss mindestens für die Erntezeit Arbeiter aus den benachbarten Kreisen, sowie aus Mecklenburg und Schlesien heranziehen. Die auf der Insel Rügen für die Erntezeit beschäftigten fremden Arbeiter erhalten im Akkord den Betrag von 12—ı8 Thlr. bei freier Beköstigung; sonstige Akkordarbeiten kommen nur auf städtischen Feld- marken vor. Die Drescherlöhne sind verschiedenartig; in Neuvorpommern und auf Rügen wird der 14. bis 17. Scheffel, im Regierungsbezirk Stettin und in Hinterpommern der 16. bis 17. Scheffel und bei der Maschine der 21. bis 25. Scheffel. gegeben. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 101 3. Provinz Posen. In der Provinz Posen stehen die Löhne verhältnissmässig niedrig. Sie betragen bei dem Gesinde für einen Knecht zwischen 20—26 'Thlr., nur in den Kreisen Bromberg und Wirsitz bis 30 Thlr,; für einen Jungen g—ı8 Thlr., im Kreise Bromberg bis 24 Thlr.; für eine Magd ı2— 24 Thlr., welcher letztere Satz auch in Bromberg und Wirsitz nicht überstiegen wird. Sofern dieses Gesinde unverheirathet ist, wird es von der Dienstherrschaft be- köstigt. Auf den Vorwerken erhält die Wirthin zur Bespeisung ein Deputat, welches auf den Kopf jährlich in 9 Metzen Weizen, 9 Scheffel Roggen, 2'/; Scheffel Gerste, 2'/; Scheffel Erbsen, 18 Scheffel Kartoffeln, und Kraut und Kohlrüben wie Fett nach Bedarf besteht. Sauerkraut und Schlippermilch sind Hauptbestandtheile der Kost und letztere darf bei keiner Mahlzeit fehlen. Fleisch wird selten verabreicht. Der Unterhalt eines Dienstboten wird auf 50—6o Thlr. jährlich veranschlagt. Ausser den unverheiratheten Knechten werden jedoch in allen Theilen der Provinz auch verheirathete Knechte (Fornals) gehalten; diese empfangen neben einem Lohn von 16— 25 Thlr. jährlich ein Deputat von ı Scheffel Weizen, 13% — 13% Scheffel Roggen, 3—4 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Erbsen; Brennholz im Werthe von 5 Thlr. und 1— 1! Morgen gedüngtes und vorbereitetes Land zu Kartoffeln, Kraut und Flachs. Meistens wird ihnen auch die Haltung von 2 Schweinen und etwas Federvieh erlaubt. Neben der eigenen Arbeitsleistung ist der Fornal aber hierfür verpflichtet, 4—5 Tage in der Woche eine Magd gegen Tagelohn auf Arbeit zu schicken. Das Einkommen eines verheiratheten Knechtes wird auf 120—130 Thlr. berechnet. Auf denjenigen Gütern, die einen Voigt oder Vorwerksschäfer annehmen, erhält derselbe jährlich 30—40 Thlr. baaren Lohn und ein für sich und seine Familie aus- reichendes Deputat, bestehend in der Nutzung einer herrschaftlichen Kuh, und 1, Schfl. Weizen, 18 Scheffel Roggen, 4 Scheffel Gerste, 2 Scheffel Erbsen, den Bedarf an Brenn- holz und ı!/, Morgen Land, — An Hülfskräften der Landwirthschaft wird auf fast allen grösseren Gütern der grösste Theil der erforderlichen Arbeiter für das ganze Jahr gemiethet. Sie werden als „Komorniks‘“‘ (Miethsmänner) und sofern sie ein herrschaftliches Ochsengespann leiten, als „Rattaier‘ (Pflüger) bezeichnet und erhalten ausser freier Wohnung die Berechtigung, sich Leseholz in den herrschaftlichen Waldungen zu suchen, oder wo diese nieht vorhanden, den Bedarf an Brennmaterial; ı Morgen Land zum Anbau von Kartoffeln und ‘, Morgen zu Flachs; ferner die Berechtigung zur Haltung von 2 Schweinen und einer Anzahl Federvieh. Dafür arbeiten sie um ı Sgr. den Tag billiger, als die freien Arbeiter, oder leisten eine gewisse Anzahl von Tagen als Miethe unent- geltlich und haben die Verpflichtung täglich, mit Ausnahme des Sonnabends, auch die Frau auf Arbeit zu schicken. Auf einigen Gütern ist es ihnen gestattet, sich gegen einen Lohnabzug von 6 Thlrn. für die Futterkosten eine Kuh zu halten; doch kommt neuer- dings auch diese Kuhhaltung mehr und mehr in Wegfall. Wenn diese Komerniks zu Akkordarbeiten verwandt werden, stellen sich die Lohnsätze folgendermassen: r Morgen Winterung zu mähen und abzuraffen 7—9 Sgr., ı Morgen Sommerung zu mähen 5 Sgr., ı Morgen Klee oder Wiese 4—5 Sgr. und 102 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. wird auch das Heumachen mit besorgt 13—ı5 Sgr., ı Scheffel Roggen und Weizen zu dreschen 3 Sgr., ı Scheffel Gerste zu dreschen 2 Sgr., ı Scheffel Hafer zu dreschen ı Sgr., ı Schock Strohseile zu machen 3 Sgr., ı Scheffel Kartoffeln hinter dem Haken aufzulesen 1%, — ı Sgr., Schafscheeren das Stück '»—ı Sgr., beiBöcken 2a —5 Sgr. — Die Löhne völlig freier Arbeiter stehen in der Provinz Posen in den meisten Kreisen ziemlich gleich. Sie betragen: beim Mähen für einen Mann 10—ı5 Sgr.; in Bromberg und in der Netzeniederung (Inowraclaw, Schubin und Czarnikau) bis 20 Sgr.; bei an- deren Erntearbeiten von 12—ı4stündiger Dauer für den Mann 713 —ı2!, Sgr., für die Frau 5—8 Sgr.; bei Sommerarbeiten von ırstündiger Dauer für den Mann 7',—ıo Sgr., für die Frau 5—8 Sgr., bei Winterarbeiten von $—gstündiger Dauer für den Mann 4— 7", Sgr., für die Frau 3—6 Sgr. In dem Kreise Czarnikau erhöhen sich die Löhne der männlichen Arbeiter bei den Sommer- und Winterarbeiten um 21% Sgr. In den südwestlichen Kreisen Schildberg, Adelnau, Krotoschin, Kosten, Bomst, Meseritz dagegen stehen die Löhne am niedrigsten. Hier wird beim Mähen für einen Mann 6— ıo Sgr. gezahlt, bei anderen Erntearbeiten von 12— ı4stündiger Dauer für den Mann 5—7Y, Sgr., für die Frau 3—5 Sgr.; bei Sommerarbeiten von 1r —ı2stündiger Dauer für den Mann 5—6 Sgr., für die Frau 3—4 Sgr.; bei Winterarbeiten von 8—9 stün- diger Dauer für den Mann 5 Sgr., für die Frau 21%—3 Sgr. Bei Akkordarbeiten wird für Mähen und Abraffen des Wintergetreides 6—7 1% Ser. bewillist und mit Binden, Trocknen und Laden ro Sgr. vom Morgen, und für Kartoffel- aufnehmen für den Sack von 2 Scheffeln 1—2 Sgr. An Drescherlohn wird der 12. bis 14. (Schubin), ro. bis 16. (Samter) und 14. bis 18. Scheffel, und bei der Maschine der 22. bis 26. Scheffel abgegeben. Im allgemeinen reichen die vorhandenen Arbeitskräfte aus. Eine grosse Anzahl Männer aus den an der polnischen Grenze liegenden Kreisen wandert aber nach Polen auf Arbeit und bei vielen anderen überwiegt die Neigung, in den Städten, bei Festungs- bauten, Ziegeleien und Chausseen beschäftigt zu werden; dieser Ausfall muss desshalb für die Erntezeit an manchen Orten durch Heranziehung von Arbeitern aus dem Oder- und Warthebruch und aus den benachbarten schlesischen Kreisen ersetzt werden. 4. Provinz Brandenburg. In der Provinz Brandenburg steht durch die Kreise des Regierungsbezirks Pots- dam der Gesindelohn der unverheiratheten Knechte ausser Wohnung und Kost auf 30 bis 5o Thlr., der der Mägde auf 24— 40 Thlr. Die höchsten Lohnsätze werden in Berlin, in dessen Umgebung und in den besseren Kreisen, als Angermünde, Prenzlau und Templin gezahlt. Die Löhne im Regierungsbezirk Frankfurt stellen sich dagegen etwas niedriger, fast in allen Kreisen gleichmässig für einen Knecht auf 24—30 Thlr. und für eine Magd auf 16—24 Thlr. Wo der Lohn nicht ganz in baarem Gelde gezahlt wird, wie namentlich in den bäuerlichen Wirthschaften, erhält das Gesinde etwas Land zu Kartoffel- oder Lein- aussaat, oder Leinwand und Wolle zur Kleidung. Bei der Beköstigung haben früher Hülsenfrüchte einen Hauptbestandtheil aus- gemacht, jetzt nehmen die Kartoffeln deren Stelle ein. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 103 Im allgemeinen erhält das Gesinde auf den Kopf zu jeder Mahlzeit ein Berliner Quart roggene Mehlsuppe und Kartoffelgerichte in verschiedener Form und genügender Portion. An Fleisch wird im Regierungsbezirk Potsdam wöchentlich 2—3 Mal Y, Pfd., und ausserdem an Brot für einen Knecht 14 Pfd. mit %ı Pfd. Butter oder Schmalz, und für eine Magd ı2 Pfd. Brot mit '/. Pfd. Butter oder Schmalz verabreicht; im Regierungs- bezirk Frankfurt wird nur je 10—ı2 Pfd. Brot für Magd und Knecht und wöchentlich zweimal '/» Pfd. Fleisch gegeben. An Festtagen werden jedoch Kuchen, Bier und Brannt- wein ausgetheilt. Die verheiratheten Knechte erhalten freie Wohnung und Feuerung und statt der Beköstigung 18—2o Scheflel Roggen und 5—6 Sgr. täglich. — Dauernd angesetzte Tagelöhner finden sich auf allen grösseren Gütern. Die bestgestellten erhalten freie Wohnung; freies Brennholz und Waldstreu; '/a Mrg. Land zu Roggen; ıY Mrg. Land zu Kartoffeln; ' Mrg. Gartenland; "% Mreg. Kohlland; ıY Mrg. Wiese; ' Mrg. Hütung zu Grünfutter; Land zu 4 Metzen Lein- aussaat; freien Arzt und Medizin, sowie Fuhren zum Holen der Hebamme; endlich Erlaubniss, eine Kuh zu halten. Meist müssen die Frauen für die Wohnung r—z Hofe- tage in der Woche leisten, und in Stelle der Kuh darf nur eine Ziege gehalten werden. An Lohn erhalten die Männer dieser Arbeiterklasse im Sommer bis 7 Sgr., im Winter bis 5 und 6 Sgr., und die Frauen im Sommer bis 5 Sgr. und im Winter bis 3 und 4 Sgr. An Drescherlohn wird der 14. bis 16., bei der Maschine der 20. bis 24., bei der Lokomobile dagegen der 28. bis 30. Scheffel gewährt. — Diese kontraktmässig gebundenen Arbeiter finden sich jedoch selten in auskömm- licher Zahl vor. Meist muss zur Bewältigung der Arbeiten auf freie Arbeiter des Ortes und auf Zuwanderung aus der Warthe- und Netzegegend gerechnet werden. Die bäuerlichen Wirthe suchen sich gegen Mangel an Arbeitern dadurch zu schützen, dass sie Wohnhäuser bauen, die sie an Tagelöhner mit dem Beding ver- miethen, auf Erfordern gegen bestimmten Lohn und andere Vortheile in Arbeit zu treten. Die Anzugszeit der zuwandernden Arbeiter, die sich fast über alle Theile der Provinz verbreiten, beginnt im Monat Mai. Wo Akkordarbeiten nicht zulässig sind, erhalten Männer, Frauen und Mädchen täglich 7Ys Sgr., freie Wohnung, Holz und Kartoffeln; bei Erntearbeiten wird ihnen der Körnerertrag der 16. Mandel, bei Klee- und Grasmähen für den Morgen 7, Sgr. bewilligt, so dass sie auf einen täglichen Ver- dienst von 2o Sgr. kommen. Im allgemeinen herrscht gleichwohl ein Mangel an Arbeitskräften, da die Torf- und Braunkohlengräbereien, Ziegeleien, Eisenbahnbauten und die Bauten in Berlin stets eine grosse Zahl landwirthschaftlicher Arbeiter an sich ziehen, — 5. Provinz Schlesien. Durch den gesammten Regierungsbezirk Oppeln weichen die Lohnsätze des @esindes wenig ab. Die der unverheiratheten Knechte betragen je nach dem Alter 16— 20 Thlr. jährlich; nur in einigen Kreisen, wie Grottkau und Rybnick, erhöhen sie sich bis zu 24 Thlr. Ebenso steht der Lohn einer Magd im ganzen Regierungsbezirk zwischen 8—ı4 Thlr. jährlich, nur in den Kreisen am Abhange des Altvatergebirges und der Oder- und Neisseniederung erreicht er eine Erhöhung auf 14— 16 Thlr. 404 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. In Betreff der Kost bestimmt leider die Gewohnheit der unteren Bevölkerung, von frühester Jugend an fast ausschliesslich und in grossen Massen Kartoffeln, Sauer- kraut und anderes Gemüse zu essen, sowohl Mass wie Beschaffenheit. Auch einsichtige Wirthe vermögen wegen des Widerstandes der Dienstleute eine Umwandlung in gerin- gere Quantitäten nahrhafterer Stoffe nicht herbeizuführen. Das Gesinde glaubt sich benachtheiligt, wenn nieht die örtlich zwar verschiedene aber in der einzelnen Gegend seit lange hergebrachte Folge der für jeden Wochentag üblichen Gerichte erscheint, und zieht Fleisch keinesweges vor. In der Regel wird auf Tag und Kopf gerechnet: 8 Pfund Kartoffeln; ı Loth Butter oder Fett; 1" Loth Salz; Quart Zuspeise, Graupe, Grütze, Mehl zu Klössen, oder Erbsen; ı Quart saure Milch; ı Pfund Roggenbrot; dazu zweimal in der Woche 16 Loth Fleisch auf den Kopf; endlich an den hohen Festtagen, Kirmess und Erntefest, Kuchen von Weizenmehl und ı Quart Bier. Gemüse, als Kraut, Kohl oder Mohrrüben u. dgl., wechseln vielfach untereinander. In dem Hügellande des rechten Oderufers gegen die polnische Grenze, besonders im Kreise Beuthen, ist eine Art Suppe, „Zur“ genannt, gebräuchlich, die aus halb- gegohrenem Sauerteig bereitet und mit Kartoffeln, Kraut, Klössen, Buchweizengrütze u. a. vermischt, genossen wird, und als landesüblich angesehen werden kann. In dieser Gegend wird auch nur an Sonn- und Festtagen Fleisch und zwar Y bezügl. r Pfund verabreicht. Der Werth der Kost wird auf 45 Thlr. jährlich veranschlagt. — Im Regierungsbezirk Breslau betragen die Löhne des Gesindes in der mittel- schlesischen Ebene im allgemeinen 12—24 Thlr. für einen Knecht und 8—20 Thlr. für einen Jungen oder eine Magd. In den nördlichen Kreisen Trebnitz, Namslau und Warten- berg werden die höheren Sätze nicht erreicht, namentlich steht Wartenberg niedrig, dagegen steigen die Löhne in der Nähe der Stadt Breslau auf 30—40 Thlr. für einen Knecht und 16—24 Thlr. für eine Magd, und stehen in den verkehrsreicheren Theilen des Breslauer, Schweidnitzer und Striegauer Kreises auf 18—26 Thlr. für den Knecht und ı2—ı$g Thlr. für die Magd. In den Hochgebirgskreisen Habelschwerdt, Glatz, Neurode und Waldenburg, wo die Industrie vorherrschend ist, sind die Löhne meist noch höher und betragen für einen Knecht 20— 30 Tihlr., im letzteren Kreise sogar 35 Thlr., für eine Magd 10—ı6 Thlr. Der Lohn eines Schäferknechts steht überall 20— 36 Thlr. Die Kost besteht aus Kartoffeln, Kraut, Erbsen, Graupe, Hirse, Klössen und Milch nebst ı bis 3 Mal in der Woche einem Gericht von Fleisch; in den wohlhaben- deren Gegenden weicht sie nur durch die grössere Fleisehverabfolgung ab. In der Regel wird auf ein Gesinde jährlich 12 Scheffel Brotgetreide gerechnet. — Im Regierungsbezirk Liegnitz wird im Hochgebirge für einen Knecht 18-30 Thlr., für einen Jungen 12—ı$ Thlr., für eine Magd rs—2o Thlr. und für eine Grossmagd 18—30 Thlr. gezahlt. Ein Voigt erhält 30—40 Thlr. und ein Grossschäfer 40—60 Thlr. Die Oberlausitz und die flacher gelegenen Kreise unterscheiden sich darin von dem der Hochgebirge nicht wesentlich. Nur auf dem Katzengebirge in den Kreisen Lüben, Glo- gau, Freistadt und Grünberg sind die Löhne geringer und betragen für den Knecht 14 — 20 Thlr., für einen Jungen 8—ı2 Thlr. und für eine Magd 10—ı4 Thlr. jährlich. Eine landesübliche Kost für das Gesinde kann nicht angegeben werden, da un- verheirathete Knechte sehr schwer zu haben sind, und fast ausschliesslich für die XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 105 kleineren Wirthschaften durch erhöhten Lohn gewounen werden. Auf allen grössern Gütern wird meist nur verheirathetes Gesinde gehalten, welches Wohnung und Deputat erhält. — Verheirathete Knechte, deren Frauen auf den Gütern Magd- oder Tagelöhner- Dienste leisten, sind überhanpt in der ganzen Provinz sehr verbreitet. Sie erhalten in Oberschlesien in der Regel neben der freien Wohnung ein De- putat von ro Scheffel Roggen, 4 Scheffel Gerste, ı2 Metzen Erbsen, 8 Metzen Weizen, 4 Scheffel Kartoffeln, 4 Quart Butter und 3 Thlr. als Fleisch- und Salzgeld; — oder auch ro Scheffel Roggen, ro Scheffel Gerste, 2 Scheffel Weizen oder Erbsen, 4—6 Metzen Salz, ı2 Quart Butter, 4 Schock Gebundholz, täglich r Quart saure Milch, 40 DRuthen Kartoffelland; — und haben meist das Recht, sich ein Schwein zu halten. Auch wird ihnen statt der Butter 1a —2 Thlr. Buttergeld, ferner ein Kirmess- und Weihnachts- auch ein Erntegeschenk gegeben. Ein solches Deputat wird auf 80 Thlr. veranschlagt. Die Frau erhält als Magd ausser ihrem Lohn von 1o0—ı2 Thlrn. und ı Thlr. Miethsgeld, Wohnung und an Deputat 9 Scheffel 8 Metzen Korn, 2 Scheffel Gerste, 2 Metzen Erbsen, und 5 Thlr. Salz- und Buttergeld. Die höheren Dienstleute der grösseren Güter Oberschlesiens, wie Schaffer, Schäfer, Schmiede und Stellmacher, beziehen ausser der Wohnung ein Lohn von 24—30 Thlr. und auch ein grösseres Deputat, meist 20 Scheffel Brotgetreide, 40 Scheffel Kartoffeln, Nutzung einer Kuh, einen kleinen Garten und Erlaubniss zur Haltung eines Stückes Schwarzvieh. — Im Regierungsbezirk Breslau erfolgt die Bespeisung des Gesindes meist durch die Gutsherrschaft selbst. Das Deputat verheiratheter Knechte stellt sich auf etwa 10—12 Scheffel Roggen, 30 Scheffel Kartoffeln, 8 Scheffel Kuchelspeise, 50—6o Pfund Fleisch und 6 Metzen Salz jährlich. Dies erhalten auch die Schafmeister für die Schäferknechte, welche überall bei ihnen in der Kost sind. — Im Regierungsbezirk Liegnitz wird, wie erwähnt, auf allen grossen Gütern ganz überwiegend verheirathetes Gesinde gehalten. Das Deputat eines verheiratheten Knechtes beträgt dabei etwa goo—ıooo Pfund guten Roggenbrots, 150 Pfd. Weizen-, Roggen- und Gerstenmehls, ı Scheffel Erbsen, ı Scheffel Gerste, 4 Metzen Hirse, 4 Metzen Salz, 6—7'/ Quart Butter preuss. Mass, 54Ys Quart süsser Milch, 54% Quart saurer Milch, 18 Quart Bier, 14. Quart weichen Käses, ı Thlr. 5 Sgr. bis ı Thlr. ro Sgr. zu Fleisch, 3 Beete zu Kartoffeln oder statt deren 16— 24 Scheffel Kartoffeln, und 2 Beete zu Lein. Nach Umständen treten noch Zulagen, je nachdem die Knechte Vertretungen haben und ihre Leistungen beschaffen sind, ein. Das Deputat der verheiratheten Mägde kommt dem der Knechte ziemlich gleich. — Als Hülfe neben dem Gesinde sind die grossen Grundbesitzer Schlesiens mehr und mehr dazu übergegangen, auf den Gütern eine gewisse Anzahl von Tagelöhnern in Familienhäusern, welche für diesen Zweck gebaut werden, anzusetzen. In Oberschlesien ist dies nur mit grossen Schwierigkeiten zu erreichen gewesen, weil die Arbeiter in einem festen Engagement die frühere Robotpflichtigkeit zu erblicken glaubten. In manchen Kreisen, wie in Tost-Gleiwitz, hat ein solches Verhältniss über- noch gar nicht durchgeführt, in anderen haben nur Einzelne durch Bewilligung be- sonderer Nebenvortheile dazu bewogen werden können. Solche Arbeiter sind unter 106 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. der Benennung „Kontrakter‘ bekannt und erhalten ausser Wohnung, einem Stück Gar- tenland und der Erlaubniss zum Suchen von Raff- und Leseholz, meist auch ein Stück Pachtacker. Andere empfangen auch, wenn ihnen kein Acker gewährt wird, ein Deputat von 16 Scheffel Roggen und Gerste, 16-20 Scheffel Kartoffeln, 2 Scheffel Weizen, 2 Scheffel Erbsen, 2 Schock Kraut, und Knechtslohn für den Sommer. Ausserdem wird Allen von der Gutsherrschaft die Gelegenheit gegeben, sich eine Kuh und einige Schweine zu halten. Ihr Tagelohn ist gewöhnlich bei dem Manne ı Sgr. und bei der Frau /, Sgr. niedriger als bei den in eigenen Wohnungen lebenden Arbeitern, so dass sich die Tagelöhne von Michaeli bis George bei dem Manne auf 3—4 Sgr., bei der Frau auf 2,—3 Sgr.; und von George bis Michaeli bei dem Manne auf 4/a— 5 Sgr., bei der Frau 31% —4 Sgr. stellen. Zugleich hat die Gutsherrschaft die Verbindlichkeit, sie dauernd zu beschäftigen. In industriellen Kreisen, wie in Beuthen, erhöhen sich die Löhne um 1—z Sgr. Neben der Lohnarbeit fällt diesen Arbeitern fast der gesammte Drusch im Winter zu, wofür sie den ı5. bis 17. Scheffel erhalten. Wenn sie aber im Akkord beschäftigt werden, erhalten sie beim Abmähen des Wintergetreides 6—1o Sgr., des Sommer- getreides 6—7 Sgr., des Heus und Klees 4 Sgr. vom Morgen, so dass sich ihr täglicher Verdienst zwischen 7—1o Sgr. bewegt. Ein solcher männlicher Arbeiter kommt in Oberschlesien auf 65 — 70 Thlr. jährlich zu stehen. — Dasselbe Verhältniss findet sich auch fast auf allen grossen Gütern Mittelschlesiens. Arbeiter dieser Art erhalten hier in der Regel ausser freier Wohnung ein Stück Garten- oder Ackerland von Y, bis ı Morgen, und die Erlaubniss, ein Schwein zu halten. In der Arbeit werden sie grösstentheils auf Akkord beschäftigt und für die Erntearbeiten mit 10—ı2 Sgr. auf den Morgen bezahlt. Als Drescherlohn empfangen sie den 15. oder 16. Scheffel oder 2a —3 Sgr. vom Scheffel. Die übrigen Arbeiten ver- richten sie für ein Tagelohn von 5—8 Sgr., und deren Frauen für 4—5 Sgr., dasselbe ist etwas niedriger, als das der freien Arbeiter, normirt. In den Fabrikdistrikten steigern sich die angegebenen Lohnsätze bedeutend. — Ganz ähnlich ist die Stellung dieser dauernd gemietheten Arbeiter im Regierungs- bezirk Liegnitz, nur kommt hier häufiger vor, dass ihnen lediglich Wohnung zugewiesen wird, und sie im übrigen für den üblichen Tagelohn arbeiten. Es wird ihnen dabei freie oder fast freie Anfuhr des Brennmaterials gewährt, Gartenland oder Haltung von Nutz- und Mastvieh aber in der Regel nicht verstattet. — Freie Arbeiter sind zwar in der Provinz überall zahlreich vorhanden, aber in der Erntezeit gleichwohl schwer zu erlangen. In Oberschlesien wird vorzugsweise über Mangel an Erntearbeitern geklagt, weil theils eine beträchtliche Anzahl Männer jährlich aus den Grenzdistrikten nach Polen und Galizien zur Arbeit hinüberzieht, theils die Landwirthschaft die Konkurrenz mit den Industrielöhnen nicht bestehen kann. Auch gestatten die im ganzen günstigen Erwerbsverhältnisse den tüchtigeren Ar- beitern leicht aus Dismembrationen grösserer Bauerngüter eigenen Grundbesitz zu er- werben, oder doch wenigstens durch Pachtung eigene Wirthschaft zu treiben, so dass ihre Arbeitskräfte in der Bestellungs- und Erntezeit in Anspruch genommen sind. Die Löhne betragen in Oberschlesien im allgemeinen für Mähen 6—ıo Sgr.; für andere Arbeiten erhält bei r2stündiger Sommerarbeit der Mann 5—7 Sgr., die Frau 3— 5 Sgr.; bei $stündiger Winterarbeit der Mann 4— 5 Sgr., die Frau 2—4 Sgr. In XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 407 den Industriebezirken, in der Nähe grösserer Städte, und in der Oder- und Neisse- niederung erhöht sich dieser Lohn um ein geringes, Ein Mähetag wird hier mit 8—ı5 Ser. bezahlt. — In Mittelschlesien beträgt der Lohn eines freien Arbeiters durchschnittlich für Mähen 10— 15 Sgr.; und für Sommerarbeiten bei r10—12stündiger Dauer für den Mann s— 8 Sgr., für die Frau 3—5 Sgr.; im Winter bei g—-rostündiger Dauer für den Mann 3—6 Sgr., für die Frau 21, —4 Sgr. In den Kreisen Namslau und Wartenberg gelten hiervon die niedrigsten Sätze, wogegen sie in dem Industriekreise Waldenburg in den Sommermonaten für den Mann 11 —ı2 Sgr., für die Frau 6 Sgr.; in den Wintermonaten für den Mann $ Sgr., für die Frau 5 Sgr. betragen. — & Auch in Niederschlesien sind im allgemeinen freie Arbeiter in hinreiehender Zahl vorhanden, Der Ausfall, der zeitweilig durch Beschäftigung bei Eisenbahn- und Melio- rationsbauten, durch die Industrie oder auch durch Aufsuchen von Arbeit in Polen und Russland entsteht, wird durch Zuwanderung aus den Gebirgskreisen und anderen Ge- genden gedeckt. Die Löhne der freien Arbeiter schwanken nach dem grösseren Bedürfniss der Industrie und der Städte in den verschiedenen Gegenden für Mähen zwischen 6—ı5 Sgr., in Stadt Liegnitz auch 20 Sgr.; für sonstige Erntearbeiten bei 12 — 14 stündiger Beschäftigung für den Mann 6— 12'/, Sgr., für die Frau 4—7 Sgr.; für andere Som- merarbeiten bei ı2stündiger Beschäftigung für den Mann 5—ı2 Sgr., für die Frau 3—7 Sgr.; im Winter bei einer $stündigen Arbeit für den Mann 4—9 Sgr., für die Frau 3—4 Sgr. Grösstentheils werden jedoch die Erntearbeiten in Akkord gegeben, wo alsdann für das Abmähen, Abraffen und Binden der Winterung und Sommerung 8— ıı Sgr., in den Industriebezirken sogar 14 —ı5 Sgr. vom Morgen; für Grasmähen 6— 7 Sgr., für Kleemähen 5— 6 Sgr. vom Morgen und für Kartoffelausnehmen 9g— ı2 Pf. vom Scheffel gezahlt werden. An vielen Orten wird am Schlusse der Ernte noch ein Deputat an Brotgetreide verabreicht. An Drescherlohn wird der 16. bis 18. Scheffel gegeben. — Die in der Provinz Schlesien in den Jahren 1846 und 1847, sowohl in Ober- schlesien wie im Mittel- und Niederschlesischen Gebirge aufsetretenen Nothstände unter der Arbeiterbevölkerung beruhten in beiden Oertlichkeiten auf besonderen Ausnahmever- hältnissen. In Oberschlesien traf matter Betrieb des Eisen- und Kohlenbergbaues und des Hüttenwesens mit der Kartoffelkrankheit zusammen. In den untersten Schichten der vorzugsweise polnischen Arbeiterbevölkerung aber sind die Männer mit Vorliebe ge- wöhnt, bei der Bergbauindustrie, den Bauten oder dem Frachtfuhrwesen auswärtige, möglichst ungebundene Beschäftigung gegen Tagelohn zu suchen; Frau und Kinder leben zu Hause in jämmerlichen Hütten fast ausschliesslich von dem Ertrage kleiner eigener oder gepachteter, mit Kartoffeln bebauter Grundstücke. Als die Kartoffeln verdarben, griffen diese Familien, im höchsten Grade indolent und der Sorge für Arbeit ungewöhnt, zu den untauglichsten Nahrungsmitteln, bis der Typhus sich erzeugte und die öffentliche Hülfe einschreiten musste. Im schlesischen Gebirge überstand die Leinenindustrie in dieser Zeit eine Krisis, welche wegen ihrer Beziehungen zum Flachsbau und der Flachsbereitung an anderer Stelle näher zu besprechen sein wird. Die ungünstigen Verhältnisse, in denen sich die 408 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. einem Wechsel der Beschäftigung sehr abgeneigte Weberbevölkerung an ein äusserst kärgliches, den Körper abschwächendes Stubenleben gewöhnt hat, wurden auch hier durch die Stockung der Industrie und die Kartoffelkrankheit bis zu Nothständen ge- steigert, welche Unterstützung durch die öffentliche Wohlthätigkeit erforderlich machten, eine Abhülfe aber im wesentlichen in dem von Staat und Privaten möglichst geförderten, allmählichen Erwachen grösserer Energie und Intelligenz in den bedrohten Familien selbst fanden. Die landwirthschaftlichen Arbeiter betraf diese Noth so wenig, dass wenigstens die grossen Güter gleichzeitig über Mangel an brauchbaren Hülfskräften klagten. — 6. Provinz Saehsen. In der Provinz Sachsen haben sich die Lohnsätze des ländlichen Gesindes in den letzten ıo Jahren bedeutend gesteigert und behaupten in der ganzen Provinz beinahe dieselbe Höhe; sie bewegen sich bei einem Knechte zwischen 30—45 Thlr., bei einem Enken (Kleinknechte) zwischen 18—30 Thlr. und bei einer Magd zwischen 17 — 30 Thlr. In den Kreisen auf dem rechten Elbufer stehen die Löhne etwas niedriger. - Hier er- hält ein Knecht 24— 36 Thlr., ein Enke ı1s— 25 Thlr. und eine Magd ı5— 24 Thlr. Die Löhne der Mägde stehen auch im Regierungsbezirk Erfurt dem letzteren Satze gleich. Hier und da an einzelnen, besonders abgelegenen Orten bestehen indess noch die niedrigsten Sätze, welche in den benachbarten Provinzen vorkommen, in den Gegenden dagegen, wo die Industrie herrschend ist, steigern sie sich für einen Knecht auf 50— 52 Thlr., und um Magdeburg werden überhaupt die höchsten, diese Sätze noch übersteigenden Löhne gezahlt. Die Kost des Gesindes besteht Mittags in warmer, in Gemüseform gekochter Suppe und Abends in Kartoffeln oder Milchsuppe, dabei in wöchentlich drei Mal ' Pfd. Fleisch, 14— ı6 Pfd. Brot, %, Pfd. Butter und etwa 2—3 Pfd. Käse. Diese Kost wird auf jährlich go Thlr. berechnet. Verheirathetes Gesinde wird überall vermieden. Dagegen erhalten Aufseher und Hirten Wohnung für ihre Familie und ein Deputat, das ausser einem Lohn von bezügl. 60o— 100 Thlr. und 50— 60 Thlr. gewöhnlich in 10—ı4 Scheffel Roggen, 10—ı2 Scheffel Gerste, 1—2 Scheffel Weizen, ı Scheffel Erbsen, '» Scheffel Saatkorn, 2 Schock Kohl, 2 Schock Kohlrüben, '/ Morgen Land, r freien Holzfuhre, einem halbjährigen Schweine, einem Brackschaf und freier Wohnung besteht, und dessen Werth sich meistens auf 80o—ı00 Thlr. berechnet. Die Verträge des Gesindes laufen in der Regel von Martini zu Martini oder von Ostern zu Ostern. — Auf sehr vielen grösseren Gütern werden feste, für das ganze Jahr angenommene Arbeiter angetroffen. Sie erhalten gegen billigen Zins Wohnung, bei welcher sich Stallung für eine Ziege und ein bis zwei Schweine befindet, ferner a —ı Morgen Deputatland und freie Kohlen- und Holzanfuhr und haben Anspruch auf Beschäftigung durch das ganze Jahr. Rindvieh zu halten wird ihnen selten gestattet. Die Arbeiten verrichten sie meist im Akkord und erhalten für das Mähen vom Morgen der Winterung 15—22Y, Sgr., der Sommerung 6/,—ı2 Sgr. und von Gras und Klee 8—ı2 Sgr., für das Dreschen aber den 14. bis 16. Scheffel. — Indess tritt dies Verhältniss auch in manchen Theilen der Provinz mehr zurück, weil neben den sesshaften Arbeitern, eine zahlreiche theils ansässige, theils zuwandernde XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage 409 freie Arbeiterbevölkerung vorhanden ist, die sich von solchen bindenden Verträgen fern zu halten sucht, so dass von diesen Arbeitern zwar Wohnungen auf den Gütern be- zogen werden, aber ohne dass eine Abhängigkeit von dem Gutsherrn bedingt ist. Beson- ders in den Kreisen des rechten Elbufers sind bindende Verhältnisse wenig üblich. Die zuwandernden Arbeiter, welche im Harz, dem Eichsfelde und dem Weser- distrikte heimisch sind, und Arbeit aufsuchen, erhalten von dem Arbeitsgeber in der Regel neben freier Wohnung, Heizung und Licht zweimal täglich warme Speisen, zum Theil auch Brot und einen Tagelohn von 6—ıo Sgr. je nach ihren Leistungen.. Sie kommen im Frühjahr bei Beginn der Feldarbeiten und gehen, wenn sie nicht Arbeit für den Winter in den Fabriken finden, um Martini in ihre Heimath zurück. Die Tagelöhne der ansässigen Arbeiter betragen ohne alle Emolumente beim Mähen und einer 12—ı3stündigen Arbeit für den Mann 12'.—20o Sgr., und bei einer ı6stündigen Arbeit bis r Thlr.; bei sonstigen Erntearbeiten und gleicher Arbeitszeit für den Mann 7Y%—ı5 Sgr., für die Frau 5—ız Sgr.; bei Sommerarbeiten mit ır—ı2stündiger Beschäftigung für den Mann 6—15 Sgr., für die Frau 5—ıo Sgr.; bei Winterarbeiten mit $stündiger Arbeitsdauer für den Mann 6» —ıı Sgr., für die Frau 4—7 Sgr. Die höheren Löhne kommen, wie überall, in den grösseren Städten und deren Umgebung, sowie in den Fabrikorten vor. 7. Provinz Westfalen. In der Provinz Westfalen herrscht hinsichtlich der Lohnsätze und der Bekösti- gung des ländlichen Gesindes, je nach den Landestheilen, grosse Verschiedenheit. Im Regierungsbezirk Münster, wo fast ausschliesslich mehr oder weniger grosse Bauerngüter vorhanden sind, wird das Gesinde nicht nur hoch im Lohn, sondern auch in sehr guter Kost gehalten, so dass die Bewirthschaftung sehr vertheuert wird. Auf den grössern Gütern gelten neben freier Station als Lohnsätze: für den Grossknecht, Bauermeister . . . . 50—70 Thlr., n, Bferdeknechtr euere ll oalaele 40—50 n Rz] » » Ochsenknecht u. zweiten Pferdekuecht, 30—40 9 » » Pferdejungen (Kleinknecht) . . . . 20—30 „ „rndie, Grossmagdie: Worth ke ln. 1:22 30 " Viehmagd 1.0... 0 18—25 Die freie Station besteht hier zum zweiten Frühstück in Kaffee oder Suppe mit Butterbrot; das Mittagsessen ist meist täglich Fleisch mit Suppe und Gemüse; Nach- mittags Kaffee mit Butterbrot oder Knappel (einer Art Schiffszwieback); das Abendessen Suppe und Gemüse oder Salat mit Pfannkuchen u. dgl. Brot (Pumpernickel) und Butter werden meist nicht zugewogen, sondern freigestellt. In vielen Wirthschaften wird noch täglich ein Deputat Bier, namentlich in der Ernte, gegeben. Auf den kleineren bäuerlichen Gütern sind die Lohnsätze an baarem Gelde etwas geringer, dafür treten aber Naturalvergütungen, und zwar für den Knecht ı Paar Schuhe und 3 Hemden, und für die Magd Leinsaat zu 2 oder 3 Hemden und ı Paar Schuhe hinzu. Die Beköstigung ist wie auf den grösseren Gütern, nur wird weniger Kaffee und Weizenbrot und seltener frisches Fleisch und Butter gegeben. Das Schwarz- brot, der Pumpernickel, der sehr kräftig und nahrhaft ist, wird auch hier nicht 410 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. zugewogen, ebensowenig in der Regel Butter und Schmalz, oder letztere werden in landes- üblichen Portionen reichlich verabreicht. Da es Landessitte ist, nur 2 oder 3 Mal im Jahre Wäsche zu waschen, bedarf das Gesinde einer reichen Ausstattung an Leinenzeug, — Im Regierungsbezirk Minden stellen sich die Lohnsätze und Verpflegungskosten in den Kreisen mit vorherrschend landwirthschaftlichem Betriebe etwas geringer. Es erhält durchschnittlich der Grossknecht 30—40 Thlr., der Kleinknecht 20—30 Thlr., die Magd 1ı8—24 Thlr. Die Kost ist einfach und besteht Morgens in Suppe; Mittags in gutem steif- gekochtem Gemüse und dreimal Fleisch in der Woche zu je Y, Pfund Speck oder 3, Pfund Fleisch; Abends im Sommer in der Regel in saurer Milch oder Suppe, ein- mal in der Woche Pellkartoffeln mit Specksauce und einmal im Monat Pfannkuchen. Dabei erhält der Knecht 14 Pfund, die Magd ı2 Pfund Brot in der Woche. Das Gemüse wird fett gekocht. Getränk wird nicht gegeben. Nur im Pader- borner Lande besteht vielfach die Unsitte, dass des Morgens das Gesinde statt Suppe nur Schnaps erhält, ein Uebelstand, der mit dazu beiträgt, dass die Bevölkerung im allgemeinen den Schnaps als ein unbedingtes Bedürfniss betrachtet. — Im Regierungsbezirk Arnsberg gehen im Herzogthum Westfalen die Lohusätze etwas höher als im Mindenschen und steigen in der Grafschaft Mark und im Bergischen so hoch, dass die Wirthschaften häufig genöthigt sind, das männliche Dienstpersonal aus anderen Landestheilen kommen zu lassen. Jahreslöhne bei freier Station von 70— 80 Thlr. für einen Knecht sind dort keine Seltenheit. Dazu ein häufiger Wechsel von Leuten. Abgesehen von diesen, dem stärksten Industriebetriebe angehörigen Gegenden, zahlt man sonst im Arnsbergischen in der Regel an Jahreslohn bei freier guter Station einem Grossknecht 45—5o Thlr., einem Kleinknecht 28—36 Thlr., und einer Magd 24—30 Thlr. An Kost wird Morgens Suppe, gewöhnlich Milchsuppe; Mittags Suppe und Ge- müse; Abends Suppe oder Gemüse; dreimal in der Woche %Ys Pfund Fleisch und wöchentlich pro Mann 14 Pfund Brot, und in manchen Wirthschaften auch wohl noch 1 Pfund Butter oder Schweinesehmalz verabreicht. In den bäuerlichen Wirthschaften erhält das Gesinde häufig neben dem etwas geringer normirten Jahreslohn noch Schuhe, Kittel und leinene Beinkleider, welche Deputate als landesüblich betrachtet werden können. Die grösseren selbstbewirthschafteten Güter halten Schäfer, Kuh- und Schweine- hirten, Pferdeknechte, Kuh-, Hof- und Hausmägde, zuweilen auch Schmiede und Wagner für den Bedarf der Wirthschaft in Jahreslohn. Die Zeitdauer ist ein Jahr, dessen Anfangs- und Endtermin in der Regel der ır. November ist. Stillschweigend wird die Dienstzeit nicht auf das folgende Jahr übertragen, sondern es bedarf einer alljährlichen Zusage und Annahme beiderseits. Von diesen Leuten wird gewöhnlich nur den Schäfern, Schmieden und Wagnern, zuweilen auch wohl dem Bauermeister oder Hofmeister Wohnung für Familie, auch wohl Holz und ein grösseres Deputat an Land und Weide gegeben. Den Schäfern wird häufig gestattet, eine gewisse Anzahl Schafe auf dem Hofe zu durchwintern und mitzuhüten. Alles übrige Gesinde aber ist in der Regel unverheirathet. — An Hülfskräften der Landwirthschaft werden auf den grösseren Gütern im Her- zogthum Westfalen und um Paderborn so viel als möglich Arbeiterfamilien in besondere Familienhäuser mindestens auf Jahresfrist durch kündbare, oder stillschweigend fort- XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 111 laufende Kontrakte aufgenommen. Die Arbeiter erhalten dadurch gegen mässige Miethe Wohnung und Garten, etwa 2 Morgen Acker und einiges Futter in Pacht, und sind verpflichtet, im Sommer ırstündige Arbeit der Mann für ır Sgr., die Frau für 6, das Kind für 4 Sgr., im Winter gstündige Arbeit ebenso für 7, 5 und 3 Sgr. Lohn, unter Vergütung der über diese Zeit am Tage gearbeiteten Stunden, zu leisten, Weizen gegen den ı6., andere Früchte gegen den ı5. Scheffel zu dreschen und Gras und Klee gegen 9 Sgr., Weizen, Roggen, Bohnen gegen ı5 Sgr., Hafer gegen ı2Y, Sgr. für den Morgen zu mähen und bezügl. zu binden und aufzustiegen. Im allgemeinen besteht indess wenig Neigung unter den Arbeitern, auf solche bindende Verhältnisse einzugehen, und der südliche Theil der Provinz ist desshalb grösstentheils auf freie Tagelöhner angewiesen. Anders dagegen sind die Verhältnisse nach altem Herkommen im Münsterlande und im Minden-Ravensbergischen gestaltet. Hier finden sich allgemein auf den grösseren Gütern, wie auf den Bauernhöfen neben dem nur zum Theil für die Wirthschaft aus- reichenden Gesinde ein oder mehrere Kötter oder Heuerlinge, welche in kleinen, ab- getrennt, aber in der Nähe des Haupthofes liegenden Hausstellen (Köttereien, Heuer- häusern) Wohnung für sich und ihre Familien in Zeitpacht von verschiedener Länge, 4—ı2 Jahren, besitzen. Die Wohnung besteht aus Stube, 2—3 Kammern, Stallung für 1—2 Kühe und Schweine, Dreschdeele und Bodenraum; dazu erhalten sie /» Morgen Garten- und 4—5 Morgen Ackerland, und zahlen für das Ganze 20—25 Thlr. jährliche Pacht. Sie sind verpflichtet, auf dem Hofe des Gutsherrn, bei eigener Kost, der Mann für 5 Sgr., die Frau oder Magd für 3 Sgr.; bei freier Kost der Mann für 21 Sgr., die Frau für 2 Sgr., das ganze Jahr hindurch auf Verlangen zu arbeiten. Meist, wenn der Heuerling nicht seine Kuh anspannt, wird ihm das Gespann für die Bestellung der kleinen zu- gehörigen Ackerfläche vom Gute aus gestellt. Als Regel gilt, dass der Heuerling wenigstens eine Kuh hält und ein Schwein mästet. Das so geschilderte Verhältniss ist für die Betheiligten günstig und wird behaglich, nicht selten durch mehrere Generationen in derselben Heuerfamilie fortgesetzt”). — Die freien Tagelöhner sind, wie erwähnt, im Gebirge überwiegend, indess auch im nördlichen Theile der Provinz nicht selten. Die Löhne derselben stellen sich im Regierungsbezirk Münster beim Mähen für den Mann auf 121% — 20, auch 25 Sgr.; bei sonstigen Erntearbeiten unter ıostündiger Arbeit für den Mann auf 10—17'/ Sgr., für die Frau 6-12 Sgr.; bei Sommerarbeiten bei rostündiger Arbeit für den Mann auf $—15 Sgr., für die Frau 6—ır Sgr.; bei Winter- arbeiten bei $stündiger Arbeit für den Mann auf 71%—ı2 Sgr., für die Frau 5—8 Sgr. Im Regierungsbezirk Minden stehen die Löhne etwas niedriger. Es wird für Mähen 10—ı5 Sgr. den Tag gezahlt; für andere Erntearbeiten und bei einer 10— 12 stün- digen Arbeit dem Manne 10—12Ys Sgr., der Frau 5—8 Sgr.; für Sommerarbeiten bei derselben Arbeitsdauer dem Manne 71%—ıo Sgr., der Frau 5—8 Sgr.; für Winter- arbeiten und bei einer $stündigen Arbeitsdauer dem Manne 71,—ıo Sgr., der Frau 4— 7". Ser. Im Regierungsbezirke Arnsberg übersteigen dagegen diese Löhne selbst die des *) Vergl. indess G. L. W. Funke: Ueber die Lage der Heuerleute im Fürstenthume Osnabrück, Bielefeld 1847. 442 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Regierungsbezirks Münster. Sie betragen auf den Tag bei Mäharbeit 1s—25 Sgr., selbst ı Thlr.; bei sonstigen Erntearbeiten und einer ı10—ı2stündigen Arbeitsdauer für den Mann 121,—20 Sgr., für die Frau 6—ı5 Sgr.; bei anderen Sommerarbeiten von ıo bis ııstündiger Dauer für den Mann 10—20 Sgr., für die Frau 6—ı5 Sgr.; bei Winterarbeiten von $stündiger Dauer für den Mann g8—ı5 Sgr., für die Frau 5—ı2 Sgr. Die höheren Sätze werden in den industriellen Kreisen und Städten gezahlt, auch an manchen Orten noch gesteigert. Viele Arbeiten werden gewöhnlich in Akkord gegeben. Man zahlt auf den Morgen im Münsterlande für Mähen des Roggens 15—20 Sgr., für Binden und Aufsetzen 6—8 Sgr., für Grasmähen 20— 25 Sgr., für Pflügen und Eggen ı Thlr. zo Sgr.; für den Ausdrusch der Sommerung auf den Scheffel 3—4 Sgr., für den Ausdruch der Winterung auf den Scheffel 5—6 Sgr. Im Mindenschen steht der Drescherlohn auf dem 16. Scheffel, oder 6—7 Sgr. vom Scheffel Roggen und 4 Sgr. vom Scheffel Gerste. Im Regierungsbezirk Arnsberg werden an Drescherlohn vom Scheffel Roggen 8 Sgr., von Hafer 4 Sgr. bewilligt. Das Mähen des Roggens wird hier in der Regel mit 25 Sgr., und Wiesenhauen mit ı5 Sgr. vergütigt, im Siegenschen und in den Industriegegenden aber Roggenhauen mit ı Thlr. 5 Sgr., Sommerfrucht mit 28 Sgr. bis ı Thlr., Wiesenhauen mit ı Thlr. 5 Sgr. bis ı Thlr. 15 Sgr. — Im allgemeinen sind die nothwendigen Arbeitskräfte in der Provinz vorhanden und fliessen zum Theil in andere Gegenden ab, ohne jedoch dauernd ihre Heimath aufzugeben. Es wandern jährlich Arbeiter, wie schon erwähnt, zur Heu- und Getreide- ernte nach dem Rhein. Im nördlichen Theile der Provinz aber ist seit langer Zeit das sogenannte Hollandsgehen verbreitet. Die Arbeiter ziehen auf 6 Wochen zur Heuernte, oder auf 8 Wochen zum Torfstechen nach Holland, und sind zur Getreideernte wieder zu Hause. Früher war ihr Verdienst dabei nicht unbeträchtlich. Mit den gestiegenen persönlichen Ansprüchen aber lässt sich diese Lebensweise weniger vereinigen, und kommt in neuerer Zeit mehr ab, oder wird durch Untüchtige, die sich ihr hingeben, zum Missbrauch. 8. Rheinprovinz. Die Lohnsätze des Gesindes in der Rheinprovinz sind in letzter Zeit bedeutend gestiegen. In den nördlichen Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln stehen sie, je nach- dem die Industrie in der Umgegend des Ortes überwiegt, besonders hoch, so dass in der Regel der Gesindelohn eines ersten Knechtes 60—70 und 80, selbst 100 Thlr., eines zweiten Knechtes 40—50, auch 60 Thlr., eines Jungen 15—25 Thlr., einer ersten Magd 35—45 Thlr., einer zweiten Magd 25—35, auch 45 Thlr., beträgt. Die Kost ist eine gute und besteht Morgens aus Kaffee oder Suppe mit Butterbrot; Mittags aus Suppe, Ge- müse, Kartoffeln und Speck; Nachmittags aus Kaffee oder Bier mit Butterbrot; und Abends aus Milchsuppe, Kartoffeln und nach der Jahreszeit Salat. In der Regel wird täglich Fleisch verabfolgt. Sonntags Weissbrot zum Kaffee und hier und da zweierlei Fleisch. In den gebirgigeren, an die Eifel anstossenden Kreisen der Bezirke Köln und Aachen sind die Löhne niedriger. Sie betragen hier bei einem Meister-, Acker- oder XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 113 Pferdeknecht 40—60 Thlr., bei einem zweiten Knecht (Öchsenknecht) 20—40 Thlr., und bei einer Magd 20—30, auch 40 Thlr. Die Kost ist reichlich und besteht im Sommer aus 4, im Winter aus 3 Mahlzeiten: Morgens aus Kaffee, oder Milchbrei, mit Brot, Butter und Käse (auf einigen Gütern, wo Milchverkauf stattfindet, ist statt Butter auch ein Surrogat aus Schweineschmalz, Nierenfett, Rüböl und Mehl üblich); Mittags aus Suppe, frischem oder eingemachtem Gemüse; 4 und 5 Mal wöchentlich Fleisch, meist Schweinefleisch, 3 und 2 Mal aber statt dessen Butter, Brot und Käse; Nachmittags vom ı5. April bis 15. September Kaffee, Brot, Butter und Käse, die in den übrigen Monaten wegfallen; Abends Gemüse oder frische Kartoffem, Brot, Butter und Käse. Der Aufwand für diese Beköstigung wird auf 6—8 Sgr. täglich veranschlagt. In den südlicheren Regierungsbezirken Koblenz und Trier stehen die Löhne im allgemeinen etwas niedriger. Der Knecht erhält hier 350—40, auch bis 50, selten aber 6o Thlr., eine Magd 20— 30 Thlr. Da, wo die geringsten Löhne, wie im Kreise Zell und Simmern, gezahlt werden, erhält das Gesinde meist ein Deputat, und zwar ein Knecht: ı Paar Stiefel, ı Paar Schuhe, ı Paar Sohlen, 2 Paar leinene Hosen, r leinene Jacke, 2 Hemden, 2 Paar Strümpfe, ı Mütze und ı Halstuch, zusammen etwa an Werth 12 —ı5 Thlr. Eine Magd erhält ı Rock, 2 Paar Schuhe, r Paar Sohlen, 2 Hemden, 2 Paar Strümpfe und 2 Schürzen, zusammen etwa 8 Thlr. an Werth. ; Die Kost ist gut. Es wird selten unter 2 bis 3 Mal in der Woche Fleisch ge- geben; an Brot wird täglich 2 Pfund verabreicht. In bäuerlichen Wirthschaften isst das Gesinde am Tische des Brotherrn. In den der Kohlenindustrie näher liegenden Theilen des Regierungsbezirks Trier steigen die Löhne je mit dem vermehrten Bedürfniss. Ein Knecht wird mit 40—80 Thlr., in der Gegend von Merzig auch mit go Thlr.; ein Junge mit 20—36 Thlr., und eine Magd mit 20—5o Thlr. bezahlt. Die Beköstigung besteht hier Morgens in Kaffee mit Butterbrot oder Käse; Mittags Suppe, Gemüse, 3 Mal wöchentlich Fleisch, sonst Milch- und Mehlspeisen; Nachmittags, so lange der Sommer dauert, Kaffee wie des Morgens oder Branntwein; Abends Suppe, Kartoffeln, saure Milch und Brot. — Ausser dem Gesinde giebt es feste, kontraktmässig auf längere Zeit gebundene Arbeiter nur in wenigen Gegenden der Provinz. In der Regel wird denselben keine Wohnung, Gartenland oder Gelegenheit zur Haltung von Nutzvieh eingeräumt. Indess kommt dies häufiger in der Umgebung von Moers vor. Hier wird den Arbeitern, wenn sie die Wohnung frei haben, ein Durchschnittslohn von ıo Sgr. im Sommer und 8 Sgr. im Winter gezahlt, oder sie erhalten r10— ız Sgr. durchschnittlich, wogegen sie die Wohnung mit 24 Thlr. vergüten müssen. In der Umgegend von Gummers- bach, Bonn und Bergheim zahlt man ähnlich auf längere Zeit angenommenen Leuten 8—ı2 Sgr. mit Kost, oder 16—ıg Sgr. ohne Kost im Sommer, und 4—5 Ser. mit Kost im Winter; im Kreise Düren 8 Sgr. mit Kost und 14 Sgr. ohne Kost. Im Gebirge werden ro Sgr. für den Mann und 6 Sgr. für die Frau; im Kreise Simmern durchschnittlich 7 Sgr. und in Neuwied g—ıo Sgr. neben der Kost gezahlt. In Ött- weiler erhält ein solcher kontraktmässiger Tagelöhner 1z—ı5 Sgr. und eine Tagelöhnerin 7—ıo Sgr. den Tag ohne Kost. — Die freien Tagelöhner haben zum Theil ein kleines Besitzthum, das sie entweder selbst bearbeiten oder von ihren Angehörigen bearbeiten lassen. Boden d, preuss. Staates. II 8 414 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Die Löhne dieser Arbeiter betragen im Regierungsbezirk Düsseldorf ohne Kost bei Mähearbeit 15—24 Sgr.; bei anderen Erntearbeiten und 12 stündiger Arbeit für den Mann 10—23 Sgr., für die Frau 6-12 Sgr.; bei Sommerarbeiten und 12 stündiger Dauer für den Mann 10—ı3 Sgr., für die Frau 6-12 Sgr.; bei Winterarbeit und 8—ıostündiger Dauer für den Mann 7—12'/, Sgr., für die Frau 5—8 Sgr. Im Regierungsbezirk Köln wird bei Mähearbeit 20—4o Sgr.; bei anderen Erntearbeiten und 12stündiger Dauer für den Mann 10—20 Sgr., für die Frau g—ı2 Sgr.; bei Sommerarbeiten und ı2stündiger Beschäftigung für den Mann ro—ı6 Sgr., für die Frau g—ı2 Sgr.; bei Winterarbeiten und $stündiger Dauer für den Mann 6—ı2 Sgr., für die Frau 4—7 Sgr. gezahlt. In den übrigen Regierungsbezirken Aachen, Koblenz und Trier bewegen sich die Löhne zwischen denselben Sätzen. Die höheren Beträge werden überall nur in der Umgebung grosser Städte und in den Fabrikdistrikten gezahlt. — ; Die Erntearbeiten werden jedoch in der gesammten Provinz ganz überwiegend in Akkord gegeben. Durchschnittlich wird auf diese Weise in Düsseldorf für Mähen, Binden und Auf- setzen von Getreide vom Morgen ı—ıY, Thlr. gezahlt, für Grasmähen ı .Thlr., für Kleemähen 25 Sgr. und an Drescherlohn für den Scheffel Weizen 5—6 Sgr., für den Scheffel Roggen 4—5 Sgr., für den Scheffel Sommergetreide 21. —3 Sgr. Im Regierungsbezirk Köln zahlt man für Mähen des Getreides 25 Sgr. bis ı Thlr. 5 Sgr., für Kleemähen 14—20o Sgr. vom Morgen und an Drescherlohn 4 Sgr. vom Scheffel. Im Regierungsbezirk Aachen stehen die Akkorde für Mähen auf zo Sgr. bis ı Thlr. 5 Sgr., im Kreise Malmedy sogar nur auf 12 Sgr.; für Binden auf 6—ıo Sgr. und als Drescherlohn gilt der 16. Scheffel. Im Regierungsbezirk Trier wird für das Getreidemähen einschliesslich dem Binden und Aufsetzen 25 Sgr. bis ı Thlr. 15 Sgr., für Gras- und Kleemähen bis ı Thlr. zo Sgr., für das Behacken der Kartoffeln 2—3 Thlr. und für das Ausmachen derselben 3 bis 4 Thlr. vom Morgen gewährt. — Ueberall sind Arbeiter trotz der hohen Löhne schwer zu bekommen. Die Zuwanderung ländlicher Arbeiter aus Westfalen, besonders aus der Gegend von Minden und’ von Paderborn, auch aus dem niederländischen Herzogthum Limburg und anderen benachbarten Landstrichen ist zwar jährlich ziemlich bedeutend, sie wenden sich aber meist sehr bald der Industrie zu, mit deren Lohnsätzen die Landwirthschaft nicht kon- kurriren kann, Bei der in der Rheinprovinz herrschenden Theilbarkeit des Bodens vermag sich ein thätiger Tagelöhner leicht durch Ankauf oder Pachtung in den Stand der Kleinackerer emporzuschwingen. Indess setzen ungünstige Ernten, namentlich Ausfälle in den Kar- toffeln und schwacher Verdienst in der meist industriellen Nebenbeschäftigung die weniger intelligenten dieser kleinen Besitzer leicht Gefahren aus, so dass ihr Wohlstand nach den Gegenden und Jahren schwankt, und wenn ihre Zahl sich in einigen Kreisen vermehrt, sie in anderen auch leicht durch Zurücktreten in die Lage der gewöhnlichen Tagearbeiter vermindert wird. Im allgemeinen aber verstärkt sich diese Klasse der steigenden Bevölkerung entsprechend. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 115 9, Hohenzollernsche Lande. In den Hohenzollernschen Landen erhält das Gesinde, und zwar das männliche zwischen 66— ı00 Fl. und das weibliche 30— 60 Fl. jährlich. Deputate werden nicht verabreicht. Die landesübliche Kost besteht in der Regel zum Frühstück in Suppe, zu Mittag in Suppe, Fleisch und Gemüse, zum Nachtessen in Suppe und Milch, auch Vesper wird verabreicht, alles in ausreichendem Maasse. Grössere, wirklich umfangreiche Güter, ausser den Sr. Königl. Hoheit dem Fürsten Carl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen gehörigen, giebt es in Hohenzollern nicht. Hier wurden die Dienstboten, männliche wie weibliche, ebenfalls für das ganze Jahr gemiethet, erst in der neuesten Zeit ist es auf Wunsch der Arbeitsuchenden theilweise üblich geworden, dass die männlichen Dienstboten auf Wochen gedungen werden. Hin- sichtlich des Vertragsverhältnisses ist die allgemeine Dienstbotenordnung vom 31. Januar 1843 für Hohenzollern massgebend. Auf grösseren und kleineren Gütern wohnen die Dienstboten im Hause des Dienst- herrn. Dem Gesinde die Haltung von Nntzvieh zu gewähren, ist ganz unbekannt. Ueberblickt man diese Zahlenangaben*), so zeigt sich für die Gesammtheit des Staates, dass in der durchschnittlichen Höhe der Lohnsätze die Provinz Posen am niedrigsten steht, dann aber Schlesien, Pommern, Preussen, Brandenburg, Sachsen, Westfalen und endlich Rheinland die Reihenfolge der geringeren zu den höheren Löh- nungen bilden. Der Südwesten hat die höchsten, aber nicht der Nordorsten sondern der Südosten die niedrigsten Unkosten für eine Handarbeitskraft aufzuwenden. Ueber den Jahreswerth dieser Unkosten für einen Arbeiter lassen die gemachten Angaben unschwer Schätzungen in Mittelsätzen für mehr oder weniger ausgedehnte Theile des Staatsgebietes zu. Die Kosten der verschiedenen wirthschaftlichen Hand- arbeiten, so weit sie sich nicht aus den mitgetheilten Akkordsätzen ergeben, können aus nachstehender Zusammenstellung**) über die Zeitdauer, welche für jede Arbeit durch eine bestimmte Anzahl Personen aufzuwenden ist, beurtheilt werden. Einige als Ueber- schlag nutzbare Kostenansätze sind derselben beigefügt. *) Es lassen sich mit denselben in vielen Punkten die Mittheilungen vergleichen, welche das Jahrbuch für die amtliche Statistik Jahrg. I., Berlin 1867, S. 265 ff. nach den landräth- lichen Kreisbeschreibungen aus den Jahren 1858— 1866 über die Lage der arbeitenden Klassen im allgemeinen giebt. Die ebenda S. 231 ff. geführten statistischen Nachweisungen über das Anwachsen der männlichen und weiblichen Arbeiter, die zum Theil bis 1gro zurückgehen, vermochten wegen der Art der Erhebung die landwirthschaftlich Beschäftigten nicht auszu- sondern. Zusammenstellungen der Lohnverhältnisse nach den Kreisbeschreibungen der Grund- steuerveranlagungskommissionen enthält der erste Jahrgang desselben Jahrbuchs 1863, S. 238 bis 242. Das bez. Ergebniss der Berichte der landwirthschaftlichen Vereine aus den Jabren 1862 und 1863 findet sich im Heft VII. der Preussischen Statistik S. 23—29 und 95 — 97. ** Dem Hülfsbuche des landwirthschaftlichen Kalenders von Mentzel und v. Lengerke entnommen, g* 116 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. Es fertigen an einem Kot Sommer- bezügl. Herbst- ae Arbeitstage ab auf den Morgen Bezeichnung der Arbeit Preussisehe Morgen Sgr. Personen . Aussaat von Getreide oder Lein . A OR ı Mann Desgl. von feinem Samen . . . © aeg ı Mann . Pflanzen von Rüben und dergl.. » . . . . „| ı Person Behackenlund, Behaufelne sun en ı Frau 4. Getreideernte: a. Langgewachsenes Wintergetreide zu mähen . [ıIM.u.ı Fr. | 16% b. Kurzgewachsenes Winter- und Sommergetreide zußmähenr. ir. ELSE ı Mann °. Getreide mit der Sichel zu schneiden . 2.524 Frauen | . Getreide zu binden, einschl. Aufrechen und Zu- tragen. ° a ı Person . Getreide auf- und Abaulagen a zu ıKuder von 4Ctr. . . . . 0... 3—4 Sgr. . Ioo Strohbund zu machen . . . 1/2 Sgr. . Getreidestoppel mit der Schleppharke zu über- ZICH en ee a Täkerson 5. Dörrfutterernte: a. GrasoKleerete.tzulmahen! I run meer ı Mann b. Heu zu dörren . . ud ı Frau 6. Bearbeitung und Ernte der Hackfrüchte: . Kartoffeln hinter dem Pflug zu legen . . . |r—2Frauen*) Rübernkerneszulesen 7. 10, up u ll nee ı Person Reihenwziehensdazun. un ae ı Person mit der Handrolle überziehen . . . . ı Person . Verschiedene Setzlinge ohngefähr 2 Fuss weit von einander zu pflanzen. . . . 2... 4 Frauen . Behacken der Rüben, das 1. Mal. . . . . _ das 2. Mal. rer — dasia3 «Mala IE: _ > Vierziehen der Rüben .' 2... .1 .19.lserne suliss—6rBers. . Gewöhnliche Hackfrüchte mit der Hand zu hacken oder zu behäufen . . . . . . .»14—6 Frauen g. Kartoffeln auszuthun und aufzuladen. . . . | 10—ı5Fr.*) . Desgl. für den preuss. Scheffel 6—ıo Pfennige oder für den Wispel zu 24 Schffl. 12—20 Sgr. i. Runkel- oder Kohlrüben auszuthun, das Kraut abzuschneiden und aufzuladen . Dreschen: Drei Mann dreschen in einem Herbst- oder Wintertage 60— 70 grosse oder 160— 180 kleine Garben aus. Gewöhnlich wird das Dreschen mit is bis Yıs, auch mit Yıı bis Yıs der Frucht be- *) oder grosge Kinder. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 417 Es fertigen an einem Sommer- bezügl. Herbst- Arbeitstage ab auf den Morgen Kosten Bezeichnung der Arbeit Preussiche Personen Morgen Sgr. zahlt. Der Drescherlohn stellt sich hierbei, sowie auf den bei dem Akkorddreschen für baares Geld: Scheffel sefursWieizen, aa en en ee _ _ 2a —3 De RELEN, Pro arneo _ —_ 2— 22 a: ERTL DI oe oe oee —_ —_ Lg —I”/s (ib sep leere 0, oe on aa an ES —_ _ I —I!a ORRAESPEIZEIE ES Ta PT DET _ —_ I—I)ı Fe ERaps RübsenircHein een et re. —_ _ ıla—2 3. Dünger aufladen und breiten: Surahs a. Aufladen kann der Mann täglich 8—ıı Fuder Fuder zu 20 Centner. . . ae _ — Ya—?/a b. Breiten kann die Frau täglich een so viel . _ — 1a— 1a 9. Grabenarbeit: Eu a. Ausheben lockeren Wiesenbodens . ı Mann 4 21a —2 5 sandigen Bodens . . . . .... ı Mann 3 3—4 5 festen Lehmbodens ı Mann 2 5—6 b. In Handkarren zu 2 Kubikfuss Inhalt ar karren: 2 Tolasch Festigkeit bei ro Ruthen Entfernung — — 4—6 des Bodens ae 2 ”. En 7: 3 ” 30 ” » Fre — 8—Io Bei grösserer Entfernung ist in der Regel Gespannarbeit wohlfeiler. anctdıa ıo. Draingrabenarbeit: lauf. Ruthe a. Ausheben für jeden Fuss Tiefe . . ... _ _ a—’/s b. Zuwerfen . .. _ — 1/94 c., Ausheben, Abwägen, Miele der Röhren, Zu. werfen für jeden Fuss Tiefe, je nachdem der Boden leichter oder schwerer. . . . .. —_ —_ Se —ı!/ı ı1. Schafschur: a. Einweichen und Waschen von Ioo Stück . . 78 —_ — b. Scheeren. . . ao ee = —_ e. Vliessen auf es Sn unen a ER 2 Mann u — d. Lockensammeln und andere Hülfsleistungen .| 3 Kinder _ _ Ueberall stimmen die Angaben darin überein, dass in dem letzten Jahrzehnt eine sehr erhebliche Steigerung des Lohnes eingetreten ist. Diese Lohnsteigerung bedeutet eine Verbesserung der Kultur und des Wohlstandes der ländlichen Arbeiterbevölkerung. Sie ist nicht in dem Grade wie bei den industriellen Arbeitern von der Preissteigerung des unabweisbar Nothwendigen hervorgerufen. Die Mehrzahl der ländlichen Arbeiter ist bei den Arbeitsgebern frei aufgenommen, oder gegen billige Bedingungen einge- miethet, und die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise, welche die Stadtbewohner als hauptsächliche Mehrlast empfinden, ist ihnen weniger fühlbar, weil sie theils durch die 418 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. nöthige Beköstigung abgelohnt werden, theils sie selbst erzeugen, oder leicht billig zu beschaffen vermögen. Ihre höhere Forderung geht vielmehr wesentlich aus erhöhten Ansprüchen an Genussmittel, an Kleidung und Reinlichkeit und an die Möglichkeit, einen eigenen Heerd zu begründen, hervor. So weit sich nicht die bei Ostpreussen und Schlesien besprochenen aussergewöhnlichen Umstände geltend gemacht haben, sind desshalb auch Klagen oder Unzufriedenheit der ländlichen Arbeiter in keinem Theile des Staates bekannt geworden, und wenn gleichwohl in manchen Gegenden die Aus- wanderung solcher Arbeiter besonders bemerkbar gewesen, so ist dieselbe im wesent- lichen auf die Schwierigkeit der Erwerbung eigenen Landbesitzes zurückzuführen *). — In der Art der Lohn- und Dienstverhältnisse besteht ein bemerkenswerther Gegen- satz zwischen Nord und Süd oder Nordost und Südwest des Staatsgebietes. Im Norden und namentlich im Nordosten beschäftigt die Landwirthschaft vorzugsweise auf mindestens ein Jahr gebundene Arbeiter, unverheirathetes und verheirathetes Gesinde, Instleute, Gärtner, Miethsmänner und andere kontraktlich angenommene Dienstleute, im Süden, und ganz besonders im Südwesten überwiegen bei weitem die freien Tagelöhner. Diese freien ländlichen Tagelöhner, welche wie jeder andere Gewerbtreibende ihren genügenden Verdienst der Intelligenz verdanken müssen, mit der sie sich für ihre Arbeitsleistungen Kundschaft zu verschaffen und zu erhalten wissen, sind eine Klasse der Bevölkerung, für welche das Mittelalter und selbst noch das vorige Jahr- hundert kaum anderswo, als in den Städten, Raum bot. Dagegen reicht die Sitte, zahlreiches, sowohl männliches als weibliches Haus- und Hofgesinde zu halten, in die frühesten Zeiten zurück. Die Namen der fürstlichen Beamten bezeugen dies bis zur Gegenwart. Für die niedere Dienerschaft war selbstverständlich das Leben im Hausstande des Dienstherrn zu jeder Zeit in allen wesentlichen Zügen gleich. In den Urbarien finden sich meist ganz ähnlich,’ wie vorstehend, die Gesinde- löhne, sowohl an Geld, als an Kleidungsstücken und Geschenken angegeben, ebenso die Kost für diejenigen, die am Gesindetische essen, das Quantum für den Kopf an Brot, Fleisch, Gemüse und die Folge der Gerichte für die einzelnen Wochen- und Feiertage, auch Deputat an Land, Feuerung, Kostgetreide u. dgl. für die Verheiratheten. Von besonderem Interesse ist, wie trotz der Auflösung der Dienstbarkeiten in den dauernd angesetzten Arbeiterfamilien eine Form der Arbeitshülfe wieder aufgelebt ist, und sich allgemein verbreitet hat, welche schon im Mittelalter nicht allein unter überraschend gleichen Bedingungen bekannt war, sondern auch, soweit es sich um den Betrieb der Grosswirthschaft handelt, unzweifelhaft als das für die Betheiligten, wie für die Landeskultur günstigste Arbeiterverhäliniss bezeichnet werden konnte. Wenn man den oben Bd. I. S. 387 mitgetheilten, aus dem 14. Jahrhundert her- rührenden Vertrag über Ansetzung schlesischer Dreschgärtner vergleicht, so fehlt in der That kaum ein Zug dieses bis auf die neueste Zeit in Schlesien allgemein her- kömmlichen Verhältnisses, welches in anderen Provinzen in den Instleuten, Hausleuten, Komorniks, Arbeiterfamilien oder Heuerleuten im wesentlichen nur unter anderen Namen auftritt. Allerdings ist für die Gegenwart in der Beurtheilung sowohl dieser Arbeiter- als der Gesindezustände der tiefgreifende Unterschied in Betracht zu ziehen, der durch die Aufhebung der früheren persönlichen Zwangsverhältnisse überall eingetreten ist. Die Hörigkeit und unabänderliche, erniedrigende Gebundenheit raubte *) v. Puttkammer: Statistische Beschreibung des Demminer Kreises, Demmin 1866, S. 17. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 119 diesen Beziehungen offenbar die Bedingungen guten Gedeihens. Alle Gesindeordnungen früherer Zeit gehen von der Unfreiheit aus, fordern Gesindedienst von allen Kindern der Unterthanen, und zeigen auf der einen Seite, wie sehr es nöthig war, diesen Zwang durch harte Bestimmungen aufrecht zu erhalten, auf der andern Seite, wie dringend das Gesinde des Schutzes durch genaue Bestimmungen über die Haltung in Lohn und Kost bedurfte. Auch die später als Zeitkontrakte häufig wieder hergestellten Dreschgärtner- verhältnisse waren durch den dauernden Zwang, der sowohl den Gutsherrn als den Arbeiter band, theils wirthschaftlich hinderlich, theils persönlich vielfach unleidlich, so dass sie, ehe noch ihre Auflösung durch das Reallastenablösungsgesetz erzwingbar wurde, in sehr grosser Zahl durch freiwillige Uebereinkommen zur Aufhebung kamen, Schon das Allg. Landreeht suchte die Unterthanen- und Gesindeverhältnisse durch die Gesichtspunkte des Vertragsrechtes möglichst zu mildern. Mit der Auf- hebung der Erbunterthänigkeit durch das Edikt vom 9. Oktober 1807 (Bd. I. S. 397) hörte auch, wie das Publikandum vom 8. April 1809 (G.-S. 8. 559) ausdrücklich erläuterte, der Gesindezwang nach allen Richtungen auf. Zum Ersatz aber und zur Beruhigung der wach gewordenen Befürchtungen erging die Gesindeordnung vom 8. No- vember 1310 (G.-S. S. ror), welche alle lokalen Vorschriften über die Verhältnisse des gemeinen Gesindes aufhob und sich selbst als eine neue, nunmehr allgemein und allein- gültige Redaktion der $$ ı bis 176 Th. II., Tit. 5 des Allg. Landrechtes ankündigte. Diese Gesindeordnung hat sich so bewährt, dass sie noch heut in allen wesentlichen Bestimmungen in Wirksamkeit ist und auf die Rheinprovinz und Neuvorpommern durch die besonderen Gesindeordnungen vom 19. August 1844 (G.-S. S. 410) und vom ı1. April 1845 (G.-8. S. 391) in fast ganz übereinstimmendem Sinne ausgedehnt werden konnte. Nach der Gesindeordnung von ıgro besteht der Gesindevertrag ohne schriftliche Abfassung zu Recht, und ist ohne nähere Bestimmung in Städten vierteljährlich, auf dem Lande jährlich nach einer 6 Wochen bezügl. 3 Monat vorhergegangenen Aufkün- digung löslich; Kontrakte aber, welche auf unbestimmte Zeit oder unwiderruflich abge- schlossen sind, sind jährlich kündbar. Die Ziehzeit auf dem Lande ist der 2. April*). Die Fälle, in denen der Vertrag wegen Unbrauchbarkeit des Dienstboten, oder Leistungs- unfähigkeit der Herrschaft, oder wegen Mangel an Gehorsam, oder an Schutz, oder wegen sonst ungehöriger Vorgänge auf einer oder auf beiden Seiten sofort oder nach kürzerer Kündigung gelöst werden darf, und die Folgen bezüglich des Schadenersatzes, sind genau bestimmt. Reizt das Gesinde die Herrschaft durch ungebürliches Betragen ”) Für die Provinz Brandenburg und die Niederlausitz hat die Allerh. Kab,-Order vom 28. Juli 1842 (G.-S. S. 247) und ebenso in den Theilen der Provinz Sachsen, welche ganz vom Auslande umschlossen sind, die Allerh. Kab.-Order vom 20. Februar 1846 (G.-S. S. 150) den 2. Januar als Umzugstermin für das ländliche Gesinde festgesetzt. Am Rhein ist es bei der Ortsgewohnheit belassen, jeder Vertrag aber nach 3 Jahren kündbar. In Neuvorpommern gilt im Mangel andrer Festsetzung der Vertrag auf dem Lande ı Jahr, in der Stadt Y» Jahr und die Kündigungsfrist ist 3 Monat. Bezüglich der Schäfer gelten nach dem Gesetz vom I. Juni 1820 (G.-S. S. 109) für Posen und die früher polnischen Distrikte Westpreussens verschiedene besondere Bestimmungen, welche das Gesetz vom 13. Mai 1822 (G.-S. S. 147) mit der Kab.-Order vom 26. August 1835 (G.-S. S. 196) auch für Schlesien, Sachsen, West- falen, Kottbus und die früher sächsischen Theile der Regierungsbezirke Potsdam, Frankfurt und Liegnitz ausdehnte. Ihre Ziehzeit ist danach in Posen, Westpreussen, Schlesien, der Oberlausitz und Westfalen der 24. Juni, in den übrigen Landestheilen meist der 25. Mai. 120 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. zum Zorn, und wird in selbigem von ihr mit Scheltworten, oder geringen Thätlichkeiten . behandelt, so kann es dafür keine gerichtliche Genugthuung fordern. Ein eigentliches Züchtigungsrecht steht der Dienstherrschaft aber nicht zu. Beleidigungen gegen die Herrschaft können die Polizeibehörden mit Geld oder Gefängnissstrafe ahnden. Streitig- keiten über die Kost entscheidet die Polizeibehörde definitiv. Gesinde, welches vor Ablauf der Dienstzeit ohne gesetzmässige Ursache den Dienst verlässt, wird auf Er- fordern durch Zwangsmittel zu dessen Fortsetzung angehalten, oder bestraft. Eigent- liche Vergehungen unterliegen dem Kriminalrecht. (Strafgesetzbuch von ı851 G.-S. S. 144, Gesetz vom 14. April 1856 G.-S. S. 2ı2). Für Kur und Verpflegung bei Verletzungen oder Krankheiten, die bei Gelegenheit des Dienstes zugezogen sind, hat die Herrschaft zu sorgen, für andere nur eventuel im Mangel anderer Verpflichteten und bis Ablauf der Dienstzeit. Als wesentliche Ergänzungen sprechen die Gesetze vom 31. Dezember 13842 (G.-S. S. 8) und vom 2ı. Mai 1855 (G.-S. S. 313) die Verbindlichkeiten bezüglich der Kur und Verpflegung durch die Dienstherrschaft und subsidiär durch die Ortsgemeinde bestimmter aus. Die Verordnung vom 29. September 1846 (G.-S. S. 467) führte statt der einzelnen bei Entlassung des Gesindes von der Herrschaft auszustellenden Zeugnisse Gesindedienstbücher ein, welche die Reihenfolge dieser Zeugnisse zu einem polizeilich kontrolirten Ganzen verbinden. Nach 2jähriger vorwurfsfreier Führung kann die Polizei ungünstige Zeugnisse beseitigen. Endlich bestimmte das Gesetz, betreffend die Verletzungen der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter vom 24. April 1854 (G.-S. S. 214), dass Gesinde, welches hartnäckigen Ungehorsam oder Widerspänstigkeit gegen die Befehle der Herrschaft oder der zu seiner Aufsicht bestellten Personen sich zu Schulden kommen lässt, oder ohne gesetzmässige Ursache den Dienst versagt oder verlässt, auf Antrag der Herrschaft, der bis zur Strafvollstreckung zurückgezogen werden kann, polizeiliche zur Ortsarmenkasse fliessende Geldstrafe bis zu 5 Thlr. oder Gefängniss bis zu drei Tagen verwirkt hat. Wenn die Herrschaft oder ein von ihr bestellter Stellvertreter oder Beamter die Lokalpolizei verwaltet, tritt an deren Stelle der Land- rath. Gesinde, welches die Arbeitsgeber oder die Obrigkeit zu gewissen Handlungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen sucht, dass es die Einstellung der Arbeit oder die Verhinderung derselben bei einzelnen oder mehreren Arbeitsgebern verabredet, oder zu einer solchen Verabredung Andere auffordert, verwirkt Gefängniss bis zu ı Jahre, Unter Ausnahme der Stellung der Hausoffizianten wurde in diesem Gesetz dem Gesindeverhältnisse gleichgestellt: a. das Verhältniss zwischen den Personen, welche von den zu Diensten verpflichteten bäuerlichen Besitzern zur Verrichtung dieser Dienste gestellt werden, und den Dienstberechtigten oder den von ihnen bestellten Aufsehern; b. das Verhältniss von solchen Handarbeitern, welche sich zu bestimmten land- oder forstwirthschaftlichen Arbeiten, wie z. B. Erntearbeiten auf Acker und Wiese, Melio- rationsarbeiten, Holzschlagen u. s. w. verdungen haben, und dem Arbeitsgeber oder den von ihm bestellten Aufsehern; endlich auch ce. das Verhältniss zwischen dem Besitzer eines Landgutes oder einer anderen Acker- oder Forstwirthschaft, sowie den von ihm zur Aufsicht über die Wirthschaftsarbeiten bestellten Personen und solchen Dienstleuten, welche gegen Gewährung einer Wohnung in den ihm gehörigen aber auf dem Gute befind- lichen Gebäuden und gegen einen im voraus bestimmten Lohn behufs der Bewirthschaftung angenommen sind, wie Instleute, herrschaftlishe Tagelöhner, Einlieger, Kathenleute u. dergl. XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 121 Allerdings sind alle Mittel, welche diese Gesetzgebung darbietet, sehr schwach, um ein gutes Verhältniss zwischen den Dienstherrschaften und den Dienenden zu sichern. Es ist unzweifelhaft, dass der Dienst- oder Gesindevertrag sich durch keinerlei gesetzliche Bestimmung von einem ersichtlichen Mangel an Erzwingbarkeit be- freien lässt. Das Gesinde ist zum geldwerthen Schadenersatz in der Regel ausser Stande, der Zwang zur Erfüllung aber kann selten zum Ziel, viel leichter aber zu grösseren Belästigungen und Beschädigungen des Dienstherrn führen. Ebenso wird da, wo nicht der richtige Takt der Herrschaft und das eigene Ehrgefühl und der Wunsch getreuer und förderlicher Pflichterfüllung die Handlungsweise des Dienenden bestimmen, die Aussicht auf Polizeistrafen so wenig als die etwaige Möglichkeit körperlicher Züch- tigung das Verhältniss zu einem nutzenbringenden und erträglichen gestalten. AIl- gemein hat man desshalb bei den häufig aufgetretenen Klagen erkannt, dass zur Beseitigung der Missstände vor allem die Hebung des Arbeiters selbst zu erstreben ist, dass es darauf ankommt, das höhere Selbstbewusstsein, welches Schule und Militärdienst und der Fortschritt der Zeit überhaupt in ihm wachrufen, zu verwerthen, nicht herabzudrücken, dass man nicht meinen kann, ihn durch Beseitigung der Aus- sichten auf erhebliche Verbesserung seines Zustandes zu fesseln, vielmehr seine Hoffnun- gen und Ansprüche als Sporn seiner Energie und Sorglichkeit zu nützen hat, dass er endlich zum gemeinsamen Heile aller Betheiligten möglichst mit Kenntnissen und Fertigkeiten und richtigen Anschauungen über seine Lebenslage auszustatten ist. In diesem Sinne haben sich vielfach die landwirthschaftlichen Vereine und die Privaten wie die Behörden bemüht, verschiedenartige Mittel, die sich als förderlich darzubieten schienen, zu praktischer Anwendung zu bringen. Die ersten unmittelbar auf diese Ziele gerichteten Bestrebungen werden mit Recht auf Pestalozzi und Fellenberg zurückgeführt, welche zu Bruchsee und Hofwyl arme und verwahrlosete Kinder für den landwirthschaftlichen Beruf vorbereiteten, indem sie in diesem zugleich das geeignetste Mittel der Erziehung fanden. Unmittelbar aus dem Gedankengange Pestalozzi’s suchte Blochmann in Wachau seinen Gutshof zu einer Bildungsanstalt für seine Dienstboten zu gestalten*). Dasselbe Prinzip trug sich auf eine grössere Zahl später errichteter Waisen- und Rettungshäuser über. 1838 wurde in Ranis bei Erfurt durch den Rittergutsbesitzer von Breitenbauch der erste Dienstbotenbelohnungs- und Besserungsverein begründet, welcher durch Be- lobigungen und Prämien Dienstboten, welche längere Zeit treu ihre Pflicht erfüllen, Anerkennung zu gewähren und andere durch dieses Beispiel aufzumuntern beabsich- tigte. Solche Vereine breiteten sich besonders in Thüringen und Sachsen rasch ans. Aehnliche wurden 1846 in Münster als eine Stiftung zum Andenken des Oberpräsidenten v. Vinke und ungefähr um dieselbe Zeit in Breslau begründet. Gleiche Zwecke ver- folgten verschiedene Veranstaltungeu der landwirthschaftlichen Vereine. Nach demselben Ziele, wenn auch nicht so unmittelbar, sondern durch verbesserte Jugenderziehung und Erleichterung guter Hauswirthschaft, wollten Kleinkinderbewahr- anstalten auf dem Lande wirken. Die ersten solcher Anstalten entstanden in Preussen seit 1834 vorzugsweise in den Städten und waren 1853 bis zur Zahl von 382 mit 25 630 Zöglingen, also auf 1,07 pCt. aller im Staate vorhandenen Kinder, angewachsen. Darunter aber waren 23 Anstalten mit 748 Zöglingen auf dem Lande begründet. *) Blochmann: Das Rittergut und Dorf Wachau bei Redeberg, Dresden 1845. 422 XIX. Die ländlichen Arbeiter, Gesinde, Tagelöhner, ihre Löhnung und Lebenslage. 1845 wurde auch eine Fortbildungsschule für ländliche Kinder in der Parochie Jauernik- Cunnerwitz bei Görlitz errichtet. Die später zu besprechenden zahlreichen Ackerbau- schulen beabsichtigen mehr die Ausbildung von Wirthschaftern und Aufsehern, werden aber auch dadurch der besseren Haltung und Anleitung der unteren Arbeiter förderlich. Sparkassen, die vorzugsweise für die dienende Bevölkerung Vorsorge treffen wollten, verbreiteten sich schon am Ende des vorigen Jahrhunderts von England her nach Deutschland, die erste, wie es scheint, bildete sich 1778 zu Hamburg. Auch bestand schon 1787 eine Zinskasse für Dienstboten in Bern. 1818 wurde die erste Sparkasse in Preussen zu Berlin errichtet, 1819 die zu Brieg, Schweidnitz und Magde- burg; 1829 bestanden im Staate schon 36, 1839 76, darunter 5 Kreiskassen in den Re- gierungsbezirken Liegnitz, Merseburg und Erfurt, 1849 war die Zahl der Sparkassen über- haupt auf 212, 1859 auf 454 angewachsen, darunter die der Kreiskassen auf 33 und bezügl. 109'). Die Kreiskassen hatten ganz besonders die ländliche Arbeiter- und 'Gesinde- Bevölkerung im Auge, überall aber dienten derselben ebenso die städtischen Kassen, und machten durch ihr Bestehen meist die Errichtung besonderer Kreiskassen unnöthig. Mehrmals wurden auch Preise für Schriften ausgesetzt, welche bestimmt waren, den Dienstherrschaften theils die richtigen Gesichtspunkte über den Kreis ihrer Pflichten zu erschliessen theils die Mittel und Wege, die sich für eine Verbesserung der länd- lichen Dienstbotenverhältnisse darbieten, näher zu bringen. Unter ihnen ist besonders die von der XIV. Wanderversammlung der deutschen Land- und Forstwirthe gekrönte Preisschrift von William Löbe?) hervorzuheben, welche die Statuten der vorerwähnten Anstalten, passende Kontrakte mit Gesinde und Arbeitern und Rathschläge aller Art in eingehender Weise zusammengestellt hat. Es lässt sich schwer genauer nachweisen, wie weit diese Bestrebungen gewirkt haben. Niemand wird ohne den wohlthuendsten Eindruck die Zeugnisse über bestehende vortreffliche Verhältnisse zwischen Dienstherren und Gesinde und die warmen Aus- sprüche des Vertrauens und der Ueberzeugung, dass sich dieselben mehr und mehr ge- bessert haben und bessern werden, lesen, die aus der Feder Koppe’s und des Landes- * Oekonomieraths A. Rothe in den Annalen der Landwirthschaft?) niedergelegt sind. Gleichwohl lässt sich gewiss nicht leugnen, dass nach dieser Richtung noch sehr viel geschehen kann und geschehen muss, und dass die oft ausgesprochene Mahnung nicht unberechtigt ist, die Hoffnung zufriedenstellender und immer gesteigerter Verbesserung der Gesinde- und Arbeiterverhältnisse beruhe vor allem auf der humanen und religiösen Bildung der Dienstherrschaften und auf der Fähigkeit und dem Entschlusse derselben, in dem Untergebenen stets den Menschen zu sehen, dessen moralische Erziehung ihnen in die Hände gelegt ist. — 1) Vergl. Zeitschr. des Königl. statistisch. Büreaus Jahrg. I. S.85 ff. die Literatur S. gr. 2) Zweite Aufl. Leipzig 1855. Vergl. K. F. Schnell: Vorschläge zur Verbesserung der Arbeiterverhältnisse auf dem Lande, Berlin 1849. 3) Supplementbd. Jahrg. 9, S. 48 und Bd. 13, S. 98, vergl. Supplementbd. zu Jahrg. ı1. Das Königl. Landes- Oekonomie-Kollegium in seiner ıojährigen Wirksamkeit 1853 S. 167. Annalen Bd. 27. S. 432. — Vergl. auch Fhr. v. d. Goltz im „Arbeiterfreunde“ für 1868, Heft 2. AX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Di. Sitte, die Gehöfte in den ländlichen Ortschaften frei, innerhalb eines einge- friedeten Grundstückes von ı bis 2 Morgen anzulegen, welches theils als Hofraum, theils als Hausgarten benutzt wird, ist, wie die verschiedenen Arten der Flureintheilung (Abschnitt IX., Bd. I. S. 345 ff.) übereinstimmend gezeigt haben, in allen Theilen des Staates allgemein. Diese Eigenthümlichkeit, welche bis zur Gegenwart die deutschen Dörfer von den südländischen unterscheidet, hat schon Taeitus hervorgehoben, indem er in der oft er- wähnten Stelle der Germania Kap. 16 sagt: „die Deutschen dulden nicht einmal zusammen- gebaute Häuser; die Dörfer legen sie nicht in unserer Weise aus verbundenen und zusammenhängenden Gebäuden an; jeder umgiebt sein Haus mit einem Hofraum, sei es gegen Feuersgefahr oder aus Unkunde des Bauwesens.* Die freie Stellung der Gebäude ist für die ländlichen Orte Deutschlands so charakteristisch, dass wir bis auf die jüngste Zeit die Bauart Mauer an Mauer im wesentlichen nar den Städten zuschreiben, und wo wir sie in Dörfern, Flecken, oder sonst auf dem Lande, ja selbst in Vorstädten, finden, mit ziemlicher Sicherheit sagen können, dass sie erst Ergebniss einer sehr neuen Umgestaltung sei. Es ist augenscheinlich, dass zwischen der Auslegung der besonderen, für eine Hausfläche allein viel zu umfangreichen Hof- und Gartengrundstücke und der getrennten Lage der Gebäude die nächste Wechselbeziehung besteht, und dass beide auf gemein- samer Grundidee beruhen. Diese konnte geschichtlich darin nachgewiesen werden, dass dem Wesen der volks- thümlichen Agrarverfassung nach Haus, Hof und Garten oder die sogenannte Hausstätte oder Hofstelle ursprünglich das einzige Sondereigenthum des Wirthes in der Flur war, und dass auch später, als sich die festen Besitzrechte des Einzelnen an Aeekern und Wiesen oder überhaupt an der gesammten Gutsfläche ausgebildet hatten, die Hofstelle in der Regel bis auf die neueste Zeit das einzige servitutfreie Grundstück des Besitzers blieb. 124 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Sie besass das sogenannte Gartenrecht, d. h. sie war der gemeinen Hutung und dem - Flurzwange nicht unterworfen, und es galt als Ausnahme, wenn irgend ein anderer Theil der Flur ebenfalls Gartenrecht in Anspruch nehmen durfte *). Die Form der die Hofstellen bildenden Grundstücke und die Art wie die Ge- bäude auf ihnen angeordnet sind, ist desshalb auch je nach der verschiedenen Weise der Flureintheilung verschieden. Die Hauptmasse der Einzelhöfe Westfalens und des Niederrheins zeigt in Hof und Garten keine bestimmte Form, die Gehöfte liegen in der Regel auf einem mehr runden als eckigen, von buschigen Wallhecken umschlossenen Grasplane, der ausser einem Gartenfleck auch einiges hochstämmige Holz umschliesst. In den alten geschlossenen Dörfern zwischen Rhein und Elbe drängen sich meist die Hofstellen dem Wortsinn der Bezeichnung „Dorf“ entsprechend, einem Haufen ähn- lich, wie es die Skizze von Saarhölzbach (Bd. I. S. 353) ersichtlich macht, nebeneinander. Strassen und Nebenwege durchkreuzen sich in einem planlosen Netze, Häuser und Nebengebäude stehen zufällig nach dem Raum. Oft ist der kleine unzureichende Garten durch ein abgesondert in der Nähe belegenes Stück ergänzt. Nach aussen wird die Dorflage zwar durch die Zäune der Gärten von den Feldern geschieden, jedoch durch keine bestimmt gerichtete Linie abgeschlossen. Je weiter nach der nördlichen Ebene dagegen, desto häufiger finden sich regel- mässige Dorfpläne, in denen die Hofstellen nach einem deutlich ausgesprochenen Ge- danken geordnet sind. Die Skizzen von Schönbrunn und Zedlitz (Bd. I. S. 358 und 360) zeigen die langen Strassen der Kolonistendörfer. Gleichwohl herrscht in der Lage der Gehöfte, die innerhalb der Gärten als geschlossene Vierecke erscheinen, entsprechend dem Ver- laufe der Hufenstreifen, noch eine gewisse Freiheit. Je nach der spitzeren oder breite- ren Form, in welcher der Hufenstreifen an die Strasse anstösst, ist auch Gestalt und Grösse des Gartens verschieden, und nur je mehr die Hufenanlage die Regelmässig- keit und den bestimmten Parallelismus der Moorkolonien gewinnt, desto gleich- mässiger werden die Hofstellen. In ganz anderer Weise aber und nach ersichtlich festem Plan begründet sind die Dorflagen, von denen die Skizzen von Domnowitz und Domslau (Bd. I. S. 362 und 363) Beispiele geben. Beide haben das Eigenthümliche, dass alle Gehöfte gleichmässig einen inneren Dorfplatz umschliessen. In Domnowitz ist dieser Dorfplatz rund**), und die Hofstellen laufen fächerförmig nach ihm zusammen, in Domslau bildet er ein oblonges Viereck, an dessen beide Langseiten die Hofstellen rechtwinklich mit unter einander parallelen Grenzen als eine breite, durchaus regelmässige Strasse anstossen. Beide Arten der Dorflage sind nach Aussen durch eine bestimmt fortlaufende von Zäunen oder Hecken und Gräben gebildete Linie abgegrenzt. Die fächerförmigen Dorflagen werden unbestritten da am häufigsten gefunden, *) G. Landau: Territorien, Hamburg 1854. S. ı2 f. G.L. v. Maurer: Einleitung zur Geschichte der Mark, Hof-, Dorf- ete. Stadt-Verfassung, München 1854. S. 20, 108 ff. *) Die auf dem Nebenplan mit No. VIL, VIII., 5—7, 17 und 9—ı3 bezeichneten Hof- stellen sind erweislich ein späterer Ausbau. Vergl. Cod. dipl. Siles. Bd. IV. Einl. S. 63 ff, wo die Zeichnung genauer erläutert ist. — Vergl. auch H. Otte: Geschichte der deutschen Baukunst, Bd. I. S. 252, und die Karte eines Theils des Wendlandes im Atlas der Celler Säcular-Festschrift, 1854. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 125 wo sich wendische Volkstämme niedergelassen haben*). In der Altmark, in der Mark Brandenburg, im Königreich Sachsen und in den beiden Lausitzen herrschen sie überall, soweit die Dörfer nicht der deutschen Kolonisation des ı2. Jahrhunderts oder der späteren Zeit angehören. In Schlesien sind diese sogenannten Rundlinge sehr selten, ebenso in Posen, Die Dörfer der oblongen Form, wie Domslau, reichen ebenfalls in sehr frühe Zeit hinauf. Die meisten Dörfer Mittelschlesiens, deren Bestand aus der slawischen Zeit überliefert wird, gehören ihr an. Der letztern Form entsprechen aber auch zahlreiche, urkundlich vor dem 12. Jahr- hundert genannte Dörfer in den flacheren Gegenden zwischen Weser und Elbe, selbst wie es scheint, im Münsterlande. Auf diese alten regelmässigen Dörfer der deutschen Volksländer, die sich auch in Dänemark in derselben Gestalt finden, bezieht sich eine Reihe urkundlicher Angaben und rechtlicher Bestimmungen, welche für andere Dorf- anlagen nur einen sehr gezwungenen oder überhaupt gar keinen Sinn haben, z. B. über die Erhaltung des Haingrabens, der das ganze Dorf umzieht, von dem Kreuzwege im Dorf, und dem Schluss desselben durch vier Gatterthore nach den vier Weltgegenden, von der eigenen Ausfahrt aus jedem Hofe auf die Dorfstrasse und den Nutzungsrechten an dem zwischen diesen Ausfahrten liegenden Dorfanger, von der Erhaltung der Zäune zur rechten Hand und ähnl.**). Nieht mit Unrecht hat man die runden wie die oblongen Dörfer in ihrer regel- mässigen Form mit der Idee eines Lagers verglichen; jedenfalls geben sie das Bild der zweckmässigsten und zugleich einfachsten Anordnung der Niederlassung eines zu- wandernden Stammes: nach Aussen geschlossen und fest, kann auf dem innern Raum nächtlich das Vieh zusammen getrieben werden, dort befinden sich ausgegrabene Wasserbehälter, sowie die Dingstätte und das gemeinsame Heiligthum, und um diesen Platz sind die Hausstellen der Ordnung nach so nebeneinander gereiht, dass jede Fa- milie ihr kleines Grundstück zum Anbau der nöthigsten Bedürfnisse noch unter dem *) Vergl. Vietor Jacobi: Agrarwesen des Altenburgischen Osterlandes, Illustrirte Leipziger Zeitung 1845. Auch besonders abgedruckt. — Desselb. Slawen und Teutschthum, Hannover 1856. — Cod. dipl. Sil. Bd. IV. S. Einl. 104. **) y. Maurer: Einleitung zur Geschichte der Dorf- und Hofverfassung. München 1854. S. 36—39, 277. — G. Hanssen: Ansichten über das Agrarwesen der Vorzeitin Falks neuem staatsbürgerlichem Magazin Bd. III. 1835, S. 77 und Bd. IV. 1837 S. 1. — Ueber die überall von Deutschen begründeten rostförmig angelegten Städte Norddeutschlands vergl. A. Meitzen: Die Kulturzustände der Slawen in Schlesien vor der deutschen Kolonisation, in den Ab- handlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur, 1864, Heft II. S. g0 und 95 Note 29. Es ist hier näher durch Beispiele belegt, welche Schwierigkeiten aus den Hofstellen erwuchsen, wenn eines der bestehenden Dörfer mit Stadtrecht beliehen wurde, und dass in Schle- sien nur 2 Fälle ermittelt sind, in denen solche Dörfer mit Mauern umgeben und in ihrer alten Anlage zu Städten umgeschaffen wurden, dass dagegen fast ausnahmslos das alte Dorf als Alt- stadt, oder Vorstadt, oder Schlossgemeinde liegen blieb, und die neue Stadt auf freiem Felde nach dem rostförmigen Plane, in welchem das leere mittelste Quadrat den Marktplatz bildet, an- gelegt wurde. Dieser Plan schloss die möglichst grösste Zahl Stellen für Bürgerhäuser in einen verhältnissmässig kleinen Mauerkreis ein. Die Area eines Bürgerhauses wurde bei 2 bis 4 Fen- ster Front und etwa 1oo Schritt Länge so klein bemessen, dass sie kaum den 24. Theil des Raumes der üblichen Hofstelle einer Hufe auf dem Dorfe einnahm. Der übergrosse Marktplatz und die Laubenhäuser, die man rings um ihn anlegte, zeigen den Bedacht auf das Marktrecht. 126 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. gemeinsamen Schutze der Hauptwehren besitzt. Beachtenswerth ist, dass bei den run- den Dörfern eine Vergrösserung der Zahl der Familienstätten nur dureh Theilung schon bestehender, bei den oblongen dagegen ohne solche Störung durch weitere Fortführung der Dorfstrasse möglich ist. Die Generalstabskarten (Bd. I. $. ız) lassen durch die Art, wie sie die Dörfer verzeichnen, diese Formen der Dorflage und deren Verbreitung in den verschiedenen Ge- bieten des Staates für den allgemeinen Ueberblick hinreichend unterscheiden, für die nähere Beurtheilung ist die Einsicht der Gemarkungskarten erforderlich. — Für die Grundsteuerveranlagung stellten die angegebenen Eigenthümlichkeiten in dem Bestande der Hofstellen gewisse Schwierigkeiten in Aussicht. Nicht immer lässt sich Gebäude- und Hofraum von Garten- und Grasland genügend sondern, häufig hat der Anbau der zugehörigen Grundstücke in gewisser Ausdehnung keinerlei landwirth- schaftliche Natur, findet mehr des Vergnügens als des Nutzens wegen statt‘ und ge- staltet sich im wesentlichen nur als ein Mittel, die Annehmlichkeit oder Vermiethbar- keit der Wohnungen zu erhöhen. Andererseits ist der durchschnittliche Umfang der Hofstellen gleichwohl gross genug, um neben dem unmittelbar zum Hause gehörigen Zubehör meist eine nicht unbeträchtliche Fläche zur Nutzung als Garten-, Acker- oder Grasland frei zu lassen. Um die Anstände zu vermindern, die für die Katastrirung aus solchen in ihrer Kleinheit schwer zu ermittelnden Verhältnissen erwachsen konnten, hat die Grundsteuer- regulirung, wie in Bd. I. 8. 28 näher gezeigt worden ist, von einer Veranlagung der Haus- und Hofräume zur Grundsteuer überhaupt abgesehen, und die bei den Hausstellen befindlichen Hausgärten nur soweit zur Reinertragsschätzung und Besteuerung durch die Grundsteuer mit herangezogen, als sie einen Morgen an Fläche überschreiten. Die Hausgärten von über einen Morgen Flächeninhalt sind desshalb zumeist als Garten, zum Theil auch als Acker oder Wiese ihrem Reinertragswerthe nach veranlagt und sind nach Fläche und Ertrag unter den betreffenden Kulturarten Kolonne 7 bis 36 der Tabelle A. der Anlagen mit inbegriffen. Die Hauptmasse der Hofstellen aber, die Gebäudegrundflächen, Hofräume und Hausgärten bis zu einem Morgen Fläche erscheinen zwar in Tabelle A. Kolonne 6, indess nur ihrer Fläche nach. Ihr Reinertragswerth ist nicht ermittelt, ihr Nutzungswerth als Zubehör der Gebäude aber in den Gebäude- nutzungswerth für die Gebäudesteuer mit eingerechnet und nur soweit festgestellt, als die Besteuerung der betreffenden Baulichkeiten überhaupt (s. Bd. I. S. 47) in der Absicht des Gesetzes liegt. Soweit desshalb für den Zweck der gegenwärtigen Darstellung eine landwirth- schaftliche Nutzung der Hofstellen in Betracht kommt, darf auf die später folgende Behandlung des Anbaues in den betreffenden Kulturarten, namentlich des gartenmässigen Feldbaues, verwiesen werden; der vorliegende Abschnitt beabsichtigt nur die eigentlichen Gehöfte, die Haus- und Hofeinrichtungen näher zu besprechen. — Ueber Zahl, Art und Nutzungswerth der Gebäude hat die Gebäudesteuer einen Kreis statistischer Angaben erschlossen, welcher in den Tabellen B. und K. der An- lagen regierungsbezirks- und kreisweise zur Mittheilung gebracht ist. Das unter landwirthschaftlichen Gesichtspunkten erhebliche Ergebniss, welches zwischen Stadt und Land je nach der Vertretung auf den Kreis- und Provinzialland- tagen geschieden worden ist (s. Bd. I. 8.72), lässt sich provinzenweise in der Weise überblicken, wie es die auf Seite 128 und ı29 folgende Nachweisung zeigt. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 427 Die Gegensätze, welche sich bei näherer Vergleichung dieser Zahlen ergeben, sind sehr gross, zum Theil überraschend. Der jährliche durchsehnittliche Nutzungswerth eines ländlichen Wohnhauses ist in Brandenburg mit 21,1. Thlr. am grössten im Staate, in Schlesien mit 13,3; am kleinsten; Rheinland, Pommern und Preussen stehen mit ungefähr 17,; gleich. Die durchsehnitt- liche Zahl der Bewohner in jedem ländlichen Wohnhause ist in Posen die höchste mit 10,1, am Rhein die niedrigste mit 6,, der Nutzungswerth der Wohnung einer Person beträgt in Posen mit 1,6; Thlr. am wenigsten, am Rhein mit 2,9 Thlr. am meisten, im Staate durchsehnittlich 2,6 Thlr. Auf der DJMeile Kulturland stehen in Preussen nur 317, am Rhein dagegen 1 476, im Staate durehschnittlich 621 Wohnhäuser. Bei jedem ländlichen Wohngebäude besitzt Brandenburg mit 1,9 die meisten Stall- und Scheunengebäude, ihm steht Posen und Sachsen mit je 1,3 nahe, Pommern, Schlesien und Rheinland haben je 1,4, Westfalen aber in weitem Abstand von allen anderen Provinzen nur o,7 Stall- und Scheunengebäude auf ein Wohnhaus. Grossvieh wird bei jedem Wohngebäude in Preussen 8,9, am Rhein nur 2,;, im Staate durchschnittlich 5,; Haupt gehalten. Auf jedes Stall- und Scheunengebäude aber fällt im Staate nur 4,: Haupt Grossvieh, am wenigsten am Rhein mit nur 2,4, am meisten aber in Westfalen mit 6,3, und nächstdem in Pommern mit 6,,. Auf der TDMeile Kulturland finden sich Stall- und Scheunengebäude am wenigsten in Pommern mit nur 433, am meisten am Rhein mit 1720; Sachsen und Schlesien stehen ziemlich gleich mit 1150 und 1190, der Durchschnitt des Staates ist 805, Westfalen aber er- reicht nur 523. Wenn man diese Vergleichung in die Regierungsbezirke verfolgt, werden die Gegensätze noch beträchtlich schroffer. Der durchschnittliche Nutzungswerth eines ländlichen Wohnhauses beträgt in Oppeln 11,9, in Potsdam 25,74, in Arnsberg 24,59 Thlr. Einwohner hat ein solches Haus in Bromberg ır,, in Köln 5,;. Der Nutzungswerth des Wohnraums eines Einwohners ist in Köslin 1,4, in Düsseldorf 3,4; Thlr. jährlich. Auf der DMeile Kulturland stehen in Köslin nur 278, in Köln r 84r ländliche Wohn- häuser. Bei jedem solchen Wohnhause besitzen Frankfurt und Erfurt je 2,, Minden nur 0, Stall- und Scheunengebäude. Auf jedes Wohngebäude werden in Königsberg 10,0, in Düsseldorf nur 2,2, auf jedes Stall- und Scheunengebäude in Minden g,;, in Trier und Erfurt nur 1,9 Haupt Grossvieh gehalten, und auf der DJMeile Kulturland finden sich in Köln 2 080, in Stralsund nur 374 Stall- und Scheunengebäude. Es ist unmittelbar klar, dass in diesen Zahlen der Gross- und Kleinbesitz, und die starke oder schwache Bevölkerungszahl einen beachtenswerthen Ausdruck finden. Wenn man aber als die Regel anzunehmen hat, dass mit der Dichtigkeit der Bevölkerung sowohl die Zahl und der Werth der Häuser, als die Durchschnittszahl der Einwohner in jedem Hause wächst, und andererseits mit der Parzellirung die Zahl der Ställe sich mehrt, die Menge des Viehs in jedem Stalle aber erheblich abnimmt, so zeigt sich, dass manche Zahlen mit diesen Verhältnissen gradezu im Widerspruch stehen. Der Rhein und Sachsen müssten danach sehr viel Einwohner mehr auf ein Haus zählen, als Posen oder Pommern; Potsdam könnte seine Häuser nicht beträchtlich höher nutzen, als der Rhein, und Westfalen müsste mindestens das Doppelte an Stall- und Scheunen- gebäuden und sehr viel weniger Grossvieh in jedem dieser Gebäude zählen, als die Liste nachweist. In diesen Abweichungen treten mancherlei der näheren Betrachtung werthe Besonderheiten der Landesitte in Bau- und Lebensart hervor, 128 2. Wohngebäude: a. Zahl . Wohngebäudes Gesammtfläche Kulturland *) 3. Ställe und Scheunen: a. Zahl . Wohngebäude gebäude . oder Stallgebäude Bewässerung: Zahl 5. Gewerbliche Gebäude: a, Zahl . *) Hausstellen, 1. Gebäude sind vorhanden b. Jährlicher durchschnittlicher N eines Wohngebäudes in Thalern . c. Durchschnittliche Zahl der Einwohner 25 . Aecker, Verhältniss der Gebäude und Gehöfte. d. Wie viel durchschnittlicher Nutzungswerth für jeden Einwohner, Thaler e. Wie viel Wohnhäuser auf ı Quadratmeile f. Wie viel Wohnhäuser auf ı Quadratmeile g. Wie viel Wohnhäuser auf r Quadratmeile fruchttragende Fläche**) . b. Wie viel Ställe und Scheunen auf c. Wie viel Stück Geo auf jedes Nat d. Wie viel Stück Grossrich anf jedes Sehauee e. Wie viel Stall- und Scheunengebänds Auf ı Quadratmeile Gesammtfläche, f. Wie viel Stall- und Scheunengebäude auf ı Quadratmeile Kulturland . g. Wie viel Stall- und Scheunengebäude auf ı Quadratmeile fruchttragende Fläche . 4. Landwirthschaftliche Gebäude zur Ent- oder b. Durchschnittlicher jährlicher Nutzungswerth jedes gewerblichen Gebäudes in Thalern . XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Preussen Pommern Posen Städte Land Städte Land Städte Land 2. 4. 5. Sr e 0 . 0. 1 98028 | 623 929 | 89 306 | 253 280 | 78 328 | 314 392 überhaupt 726 957 342 506 392 720 | “20202. 1 44260 |236 125 | 34062 | 98 245 | 33 355 | 109 625 überhaupt 280 385 142, 980 Yutzungswerth 103,50 | 17,33 | 95,50 | 17,52 | 64,50 | 16,6 99 12,3 IO,ı 5125 1,65 63 208 ren 271 SEE 85 280 überhaupt 365 ao 105 344 überhaupt 449 2.202. | 30552 | 364.297 | 37 912 | 139 273 | 26 423 | 192 923 überhaupt 394 849 219 346 0,8 1,8 8,3 5,4 . 5° | 368 A 418 ERS 68 | 493 überhaupt 561 83 605 überhaupt 688 te I 4 überhaupt 5 . 2... 1 20010 | 16231 | 14 942 | 7 570 | 16.043 | 6 808 überhaupt 36 241 22. 512 22 851 25,00 | 9,9 24,50 8,85 T2,50 IT,5o Gärten, Wiesen und Weiden, **) Hausstellen, Aecker und Gärten. Vergl. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 129 Brandenburg Schlesien Sachsen Westfalen Rheinland Städte Land Städte Land Städte Land Städte Land Städte Land Städte Land 9. 10. 17. 18. 165 685| 474 616 | 111 420 937 481 | 187 100| 571 213 | 65 504 | 314 619 | 174 851| 914 985 | 970 222| 4.409 515 640 301 1.048 gor 758 313 380 123 1.089 836 5,379 73760) 68 105 | 154296 | 54. 641 | 371 926 | 80 100 | 190 509 | 45 048 | 176 464 | 107 212| 363 047 | 466 783| ı 700 237 222 401 426 567 270 609 221 512 479259 2,167 020 236,35 | 2lıı | 11450] 13,85 | 60,75 | 1905 | 64,70 | 19,02 | 10075 | 17,54 | I0940| 17,38 19,2 8,5 14,2 714 9,7 6,6 9,7 7 10,6 6,0 12,8 77 12,30 2,49 8,10 1,87 6,26 2,89 6,68 2,70 9,50 2,90 8,55 2,26 94 | 213 75.102509, 01750 |,416. ©1723. 1|u 482. 2201| 746 94 342 307 584 591 605 966 436 151 342 III | 760 231 550 178 700 336 1140 134 487 493 871 781 878 1476 621 198 449 133 | 905 285 | 678 280 1 IoI 456 1549 177 644 647 1038 963 1381 2,005 821 64.439| 296 190 | 36 684 | 527 642] 63 063 | 347 720| ır 105 | 121222 | 37 188) 512 385 |307 366| 2 501 652 360 629 564 326 410 783 132 327 549 573 2 809 018 9,9 19 07 14 0,8 18 03 97 94 Ta 07 Is 6,7 4,6 4,4 4,7 2,8 5,4 4 315 2,9 6,8 2,4 4X 89 409 50 722 138 | 759 30 33T 76 1055 62 503 498 772 897 361 1131 565 143 657 75 1079 182 1004 44 479 117 1 609 88 77, 800 1154 1 186 523 1726 805 187 861 89 1286 224 1239 69 753 158 2,182 117 948 1048 1375 1463 822 2.340 1065 6| 2 21 145 2ı | 43 2 | 33 12 | 293 70 | 848 48 166 64 35 305 918 29492| 11796 | 16321| 24729 | 39552| 19033 | 7308| 11459 | 26746| 26523 | 170414) 124 149 41288 41 050 58 585 18 767 53 269 294 563 540 | 22,04 | 35,50 | I5175 19,0 | 17,53 | 37,50 | 20,85 47,5°| 17129 | 32,36 1373 Tabelle A. der Anlagen. ***) Sämmtliche Zahlen sind nach Tabelle B. der Anlagen berechnet. Boden d, preuss. Staates. II. 9 130 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Es ist ein Verdienst der jüngsten Zeit, erkannt zu haben, wie sehr grade die landesüblichen Eigenthümliehkeiten des Hausbanes und der aus ihm folgenden wirthschaft- liehen und häuslichen Einrichtung für die Kulturentwickelung wie für die Gesundheits- und Sittlichkeitspflege die eingehendste Berücksichtigung fordern. Die Wohnungsfrage ist nicht in den Städten allein ein wichtiger Gegenstand der öffentlichen Fürsorge geworden. Auf dem Lande ist die Aufgabe ungleich schwieriger zu lösen, weil sie unmittelbar verknüpft ist mit dem seit fast einem Jahrtausend be- stehenden Herkommen, welches sich zwar der vorgeschrittenen Kultur gegenüber vielfach überlebt hat, zu dessen Ersatz aber theils Verbesserungen nur mit Aufwand vieler nicht leicht vorhandener Mittel zu erlangen, theils auch wirklich in jeder Beziehung zweck- mässigere Anordnungen noch immer nicht gefunden worden sind. Jedenfalls ist es für die Statistik von Interesse, die in den einzelnen Landes- theilen bis zur Gegenwart herrschenden herkömmlichen Bauweisen in ihren, charak- teristischen Zügen zu kennen. — Der Natur der Verhältnisse nach unterschieden sich die grossen gutsherrlichen Höfe, auf welchen der Besitzer selbst wohnt, schon sehr früh von den gewöhnlichen Wirthschaftsgehöften der mehr oder weniger abhängigen Bauern. Schon die Volks- gesetze sind reich an Beziehungen auf die Einrichtung der Höfe der Grossen. Häufig tritt insbesondere das Wohnhaus des Besitzers die curia oder sala hervor. Neben ihr werden Ställe, Scheunen, Speicher, vorzugsweise für Frauen bestimmte Arbeitsgebäude, Wohnhäuser des Gesindes und ebenso der Beamten als gesonderte Baulichkeiten er- wähnt®). Im Laufe des Mittelalters erlangte der Adel in immer grösserer Ausdehnung das früher sehr beschränkte Recht der Befestigung seiner Kurien. Sie wurden desshalb zwar möglichst auf die Gipfel von Anhöhen, und die Wirthschaftshöfe an den Fuss derselben unter den unmittelbaren Schutz der Burg verlegt, wo aber die Ebene solche von Natur feste Punkte nieht darbot, blieben die Herrensitze in der Regel in der Reihe der Dorfstellen und wurden nur von Mauer und Graben umgeben. Namentlich aus den ruhiger gewordenen Zeiten des 16. Jahrhunderts rührt eine sehr grosse Zahl dieser weniger vertheidigungsfähigen, aber für die damals allgemein aufkommende eigene Wirthschaft sehr zweckmässig belegenen sogenannten Schlösser her. Sie sind für Nord- deutschland eine charakteristische Eigenthümlichkeit der meisten Dörfer. Wall und Graben sind jetzt bis auf wenige Reste verschüttet, und in Park und Garten umge- wandelt; aber es ist ein eigenthümlich behagliches Verhältniss zwischen Wohnhaus und Wirthschaftshof als landbräuchlich übrig geblieben, nahe genug, dass der Hof völlig genau übersehen werden kann, und geräumig genug, um nicht mit den Ställen und Wirthschaftsgebäuden in zu unmittelbarer Berührung zu sein. Diese Lage kann man, wenn man will, als allgemeine Sitte bezeichnen; die Bauart selbst hat überall so viel Individuelles gewonnen“*), dass sie nicht zu charakterisiren ist, selbst der Styl der Schlösser büsst durch Umbau und erhöhte Ansprüche mehr und mehr die historischen Züge ein. — *) G. Landau: Das Salgut, Kassel 1862. — G. W. v. Maurer a. a. O. S. 251 fi. und: Geschichte der Frohnhöfe, der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland, Erlangen 1862, Bd.I. S. 241, Bd. I. S. 147 ff. — H. Otte: Geschichte der deutschen Baukunst. Leipzig 1860. S. 94. Der Hof von St. Gallen. — Ueber die mit Dünger gedeckten Arbeitskeller der Frauen vergl. Ch. Hostmann: Altgermanische Landwirthschaft. Göttingen 1855. 8.18 u. 50 fi. **) Abbildungen s. A. Duncker: Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser ete. Berlin 1863. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 431 Von einer vorherrschend volksthümlich begründeten Bauweise lässt sich dagegen bei den Banernhöfen mit hinreichender Bestimmtheit sprechen. Es sind im wesentlichen zwei entgegengesetzte Typen, das westfälische oder sächsische und das thüringische oder fränkische Haus, in denen in Norddeutschland bis jenseits des Mains die volksthümliche Idee ihren Ausdruck gefunden hat. Im weiteren Süddeutschland breitet sich bis in die Alpen das schwäbische oder Schweizerhaus in verschiedenen Abarten aus '). Von den norddeutschen Bauweisen ist die sächsische oder westfälische die am meisten besprochene. Schon Justus Möser?) und später Schwerz®) haben die Auf- merksamkeit der Landwirthe und der Kulturhistoriker auf dieselbe gelenkt. Sie dürfte dureh die nachstehend auf $. 132 und 133 wiedergegebenen Skizzen mit ihrer Zeichen- erklärung hinreichend verdeutlicht sein. Die Eigenthümlichkeit des sächsischen Hauses besteht darin, dass es Wohnung, Stall, Tenne, Scheuer, im wesentlichen das ganze Gehöft unter demselben Dach ge- wissermassen wie einen gemeinschaftlichen Wohnraum umschliesst. Die Vorzüge dieses Hauses sind in dem äusserst nahen und übersichtlichen mit vielen Ersparnissen an Zeit, Arbeitskraft und Futterabfällen verknüpften Zusammenfassen der gesammten Wirthschaft begründet. Die Nachtheile liegen, abgesehen von der Anforderung eines nicht allzurauhen Klimas und einer sehr leichten Bedachung, in der Enge und schweren Zugänglichkeit der Viehstände, der Schwierigkeit, die Thiere zu melken und rein zu halten und den Dünger gut zu behandeln, sowie in dem Geruch und dem Ungeziefer, die sich von dem Vieh in den Wohnraum verbreiten. Allem dem ist vielfach in neuerer Zeit, strichweise auch schon in älterer, durch Erweiterungen der Viehstände vermöge an die Langseiten angesetzter Abseiten, durch Oeffnung besonderer Stallthüren und Anlage von Futtergängen längst der Diele, ebenso dadurch abgeholfen worden, dass man die Wohnräume zu einem abgeschlossenen Gan- zen von ein oder zwei Stockwerken ausgebaut hat, welches an der Stelle des Heerdes mit der Diele in Verbindung steht. Auch ist die Unbequemlichkeit des Zurück- ziehens der abgeladenen Wagen durch eine Seitenausfahrt bei 72 vermieden worden. Meist reicht indess der Raum trotz der leicht ausführbaren Vergrösserungen zum Unterbringen der gesammten Ernte nicht aus, und es finden sich desshalb auf den west- fälischen Höfen neben den Hauptgebäuden noch mehr oder weniger grosse Scheunen; ebenso liegen alle Schafställe, auch wohl die Schweineställe und die Pferdeställe für Gast- und Einquartirungspferde in abgesonderten Gebäuden. Es ist aber klar, dass deren Zahl erheblich hinter der anderer Landstriche zurückbleiben muss, so dass sich daraus ebenso das niedrige, oben angegebene Verhältniss der Ställe und Scheunen zu den Wohnhäusern, als die bei der herrschenden Kleinwirthschaft unverhältnissmässig hohe Zahl des Grossviehs auf jedes dieser Stall- oder Scheunengebäude erklärt. Letz- teres steht grösstentheils in den Hauptgebäuden, die als Wohnhäuser gezählt sind, und man darf annehmen, dass im Gegentheil die Zahl des in gesonderten Gebäuden 1) H.Otte a. a. O. Bd.I. S. 43. 2) Patriotische Phantasien III. S. 144 fi. 3) Schwerz: Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen etc. Stuttgart 1836. 'Th. I. S. 40. g* 132 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. a Grosses Eingangsthor; — b Diele (Tenne) 6—8 Zoll hoch mit Lehm aus- geschlagen (ce) oder gepflastert; — d Stand für das Rindvieh, und e Stand für die Pferde. Das Vieh wird von der Diele aus in den Krippen ‚ff gefüttert; — gg sind Oeffnungen zum Herausschaffen des Düngers nach den aussen anstossenden Dungstätten; hh offene mit Leitern zu ersteigende Verschläge, Bühnen, auf denen über d die Mägde, über e die Knechte schlafen, auch Futter aufbewahrt und geschnitten wird; — i oberer mit Bohlen gedielter Bodenraum, auf dem durch Luken das Getreide auf- gebanset wird; — %k eine Vorrathskammer; — / offener auf beiden Seiten bei 7 durch grosse Fenster erhellter und durch eine oder zwei Glasthüren von aussen zu- gänglicher Hausraum (Fleet); — 2 der kaum fusshohe Heerd, in neuerer Zeit mit einem grossen Schornstein, in älterer nur mit einem gemauerten oder geklebten Gewölbe als Funkenfang versehen, während der Rauch in den Bodenraum zog; — 0 der Waschort mit Waschfass und in manchen Häusern mit Pumpe, die von aussen herein- geleitetes Wasser giebt; — p der Speiseort mit Tisch und Bank; — g in älteren untergebrachten Viehes in Westfalen erheblich kleiner, als in jeder anderen Provinz des Staates ist. Die kleinen Häuser der Kötter, Heuer, Gärtner oder Altsitzer unterscheiden sich in ihrem Plane in nichts Anderem von den grossen Höfen, als in der dem Bedürfniss angemessenen Verkleinerung der Wirthschaftsräume, besonders der Viehstände. Neben der genaueren Beschreibung der einzelnen Haustheile und ihrer Abweichun- :h G. Landau die Ermittelung der örtlichen Verbreitung der sächsischen Bauweise zur besonderen Aufgabe gestellt, und seine zunächst auf Hessen bezogenen Angaben gen hat s über letztere in der Beilage zum Korrespondenzblatt des deutschen Geschichtsvereins (September 1859) lassen sich aus der sonst vorhandenen Literatur genügend ergänzen. Die Scheidelinie gegen den fränkischen Bau beginnt danach im Regierungsbezirk Düssel- dorf an der Maas, ungefähr auf der Grenze des alten Hattuariergaus, jedenfalls so, XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 133 und einfacheren Häusern, die wie 7 keinen weiteren Raum enthalten, die Schlaf- bühne des Wirthes und der Wirthin, die von hier die gesammte Wirthschaft, Heerd, Gesinde und Vieh im Auge haben. — Grössere und bessere Einrichtungen besitzen, wie €, die Bühne y nicht, sondern «hinter dem Heerde noch Räume: 7 die Schlafkammer mit dem Ehebett s, aus welchem durch eine schrankartige Oeffnung nach o der Hausraum übersehen wird. # Kammer für die Kinder oder Mägde, « Wohnstube, unter welcher der Keller liegt, der vom Waschort aus zugänglich ist; ® in besseren Häusern eine bewegliche Holzwand zwischen Fleet und Diele. Auch vorn ist das Haus erweitert, durch den Fohlen- stall, © den Kälberstall, y den Schweinstall, x den Gänsestall, so dass vor der Thür eine Halle, der Vorschuppen, entsteht. Das Gebälk ist von schwerem Holz, die Konstruktion aber, wie A zeigt, sehr einfach und leicht, die Dachsparren sind nur bei «« aufgepinnt, und auf jeder Dach- seite durch ein von der unteren zur oberen Ecke diagonal über die Sparren laufendes, aufgenageltes Dachband verbunden. dass sie die Umgegend von Mörs umfasst, das Jülicher Land aber ausschliesst, sie zieht sich dann Essen einschliessend längs der Grenze zwischen Rheinland und West- falen bis auf die Wasserscheide des Rothhaargebirges im Süden von Olpe. Diese verfolgt sie nordöstlich genau auf der alten Volksgrenze der Sachsen und Franken bis nach Astenberg, schreitet von hier wieder bis zu den alten Grenzfesten Sachsenburg und Sachsenhausen vor, und zieht sich dann, den Habichtswald ausschliessend, über Zierenberg nach Münden. Von Münden verfolgt sie die Weser stromab, überschreitet die rechte Seite des Stroms bis zur Wasserscheide des Sollinger Waldes und bis nach Elze und Hildesheim und läuft nun, das lüneburger und altmärkische Wendenland einschliessend, zur Elbe, etwa in die Gegend von Tangermünde. Jenseits der Elbe ist die Grenzlinie dureh Mecklenburg und Pommern nicht genauer verfolgt, indess hat sich das sächsische Haus dort mit der niederdeutschen Kolonisation ziemlich weit 134 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. verbreitet. In den Strandgegenden, z. B. auf Rügen, begegnet man es häufig. A. v. Haxt- ‚hausen hat dasselbe von dem fränkischen rund umgeben noch zwischen der Neumark und Konitz in einem auch in der Tracht an Westfalen erinnernden, wenn auch zum Theil polnisch sprechenden Landstriche gefunden, und theilt die Abbildung eines solchen aus Landeck mit. Auch im nördlichen Theile der Mark Brandenburg sind Reste beobachtet). In der Gegend von Moers herrschen allgemein die sogenannten „im T gebauten“ Häuser, deren Plan nachstehend nach der Zeitschrift für Bauwesen “*) mitgetheilt wird. 70 5 0 10 20 so +0 7} 60F Lurlennl l | : | | — © ist dem Plan des westfälischen Hauses entsprechend die Diele und der grosse Futterraum; 72 der Stall für 12 Kühe, hinter welchem regelmässig ein auf dem ge- wölbten Jauchekeller stehender Ausbau für einen Rinderstall 2 und für die Schweinställe 00 angebracht ist, die den kleinen Futterraum y vor sich haben. Die Jauchenpumpe steht in der Nebenkammer am Hausgiebel. 7 ist Pferdestall mit & der gegen 7 offenen *) Die erforderlichen Nachweisungen finden sich in: Die Bauernhäuser der Grafschaft Mörs, Zeitschrift für Bauwesen von Erbkam, Berlin 1860. Jahrgang 10 8. 616. — Schwerz a. a. O. Thl. II. S. 100. — Landau a. a. OÖ. — Grenzboten, Jahrgang 1864 No. 14: Die Bauernhäuser des Drömlings. — A. v. Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den Provinzen Ost- und Westpreussen, Königsberg 1839, S. 72. *) Jahrg. ıo S. 116, siehe vorst. Note, XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 135 Knechtsstube. — e ist der Flurraum, von welchem aus f die Mägdestube und 4 die sogenannte Spinde, allein zugänglich sind. Letztere dient als Wasch- und Spülküche, enthält die Wasserpumpe und neben sich » den Milchkeller. — g der Heerd ist an die Scheidewand zwischen e und 7 vorgerückt. g ist eine gewöhnlich nur aus Back- steinen, in neuster Zeit aber meist aus Eisen erbaute sogenannte Fournaise zum Kochen im Sommer. Darüber öffnet sich ein grosser Rauchfang zum Räuchern der Fleischvorräthe, sowie zur Bereitung des Brühfutters während der Räucherzeit, welches hier über offenem Holzfeuer kocht. Ist das Räuchern beendet, so wird das Futter in dem grossen Topf bei 4 gekocht, neben welchem eine tiefe umfangreiche mit Bohlen abge- deckte Grube zum Einsalzen des Grünfutters im Boden angebracht ist. — a h e bil- den die dem Hause quer vorliegenden zweistöckigen Wohnräume. « ist die Gesinde- stube, in welcher in der Scheidewand gegen b ein grosser Ofen mit Kochvorrichtungen steht, der im Winter zum Kochen ausreichend ist, und zugleich ) die Wobnstube der Familie heizt, weil in dieser die Röhren des Ofens geführt sind. e ist ein Gast- zimmer. Im zweiten Stock sind die Schlafräume der Familie. — Ueber 2 ist der Heuspeicher, von ihm durch eine Brandmauer geschieden über e und d der Frucht- speicher. Für Federvieh bestehen kleine Verschläge in 72 und /. Ihre Einrichtung wird so zweckmässig gefunden, dass noch in der neuesten Zeit %ıo der alten eingerissenen Höfe wieder nach demselben Muster neu aufgebaut worden sind. Sie sind, wie die illustrirte Leipziger Zeitung, Jahrg. 1855 Nr. 634 $. 133 zeigt, auch im Klevischen landüblich. Aus dem wendischen Theile der Altmark gestatten Ermittelungen, welche in den verschiedenen Provinzen des Staates in den Jahren 1829 und 1930 seitens der König- lichen Oberbaudeputation stattfanden“), die Mittheilung des nachstehenden dort all- gemein verbreiteten Hausplanes. Die äussere Ansicht des Hauses ist auf der folgenden Seite 136 wiedergegeben. a Thor. 5 Dreschdiele. ce Kuhställe. dd Kammern. e Mägdekammer. F hölzerne Scheidewand. g Hausflur und Küche. % Heerd mit gemauertem oder geklebtem Funkenfang ohne Schornstein. 2 Wasch- oder Futterkessel an einem Krahn vom Deckbalken hängend. %& Wohnstube. / Schutzdach. — In den Rundlingen (Bd. II. S. 125) liegt z gegenüber am Dorfplatz ein Thorhaus mit dem Schafstall und nahe dabei Pferde- und Schweineställe, auch wohl eine besondere Scheuer. *) Die Resultate dieser Erhebungen bilden gegenwärtig in 8 Heften und 21 Zeichnungen pag. 21, Nr. 133, Tit. 10 des Inventars der Königl. Allgemeinen Bauschule zu Berlin, Es finden sich darin zum Theil sehr eingehende Berichte der Baubeamten über den Bau auf grossen und kleinen Gütern und über die üblichen Konstruktionsweisen. 136 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Je mehr man sich nach Westen und Norden von dem eigentlichen Sachsenlande in die friesischen und albingischen Gebiete entfernt, desto mehr finden sich, ähnlich wie am Niederrhein und im Wendlande, Erweiterungen und Abweichungen in der Haus- anlage, obwohl im wesentlichen auch hier der gleiche Grundgedanke erkennbar bleibt. Eingehend beschrieben und abgebildet sind die Bauten dieser Gegenden in der Fest- schrift der Landwirthschaftsgesellschaft zu Celle, Hannover 1864; in Westermann’s illu- strirten deutschen Monatsheften Bd. ıg (neue Folge Bd. 2) 1865 S. 604, „die Bauern- häuser in Schleswig-Holstein v. W. Hamm“; in der Leipziger illustrirten Zeitung, Jahrg. 1853, Nr. sır $. 247, in den Grenzboten, Jahrg. 1864 Nr. ı2 (März) und Nr. 14 (April) „das Haus des nordalbingischen Sachsen“, endlich in der Festgabe zur XI. Wander- versammlung, Altona 1847, und spezieller von J. J. H. Lütgens, Hamburg 1847. — Auf dem grossen Gebiete, welches sieh östlich der vorbezeichneten Grenzlinie der sächsischen Bauweise südlich bis zur Rheinpfalz und dem Mainthale, nördlich bis zur Ostsee erstreckt, herrscht in allen deutschen Dörfern die von der des sächsischen durchaus verschiedene Idee des fränkischen Hauses. Während der Sachse das gesammte Gehöft in ein einziges Gebäude vereint, und zum Mittelpunkt und Wohnraum den Platz vor dem Heerde macht, legt der Franke einen unbedeckten, grossen, von Zaun und Gebäuden im Viereck umschlossenen Hof- platz an; errichtet für die verschiedenen Wirthschaftszwecke besondere Baulichkeiten oder wenigstens ganz geschiedene Räume, wohnt auch in abgesonderten Zimmern, und weist der Küche nur eine höchst untergeordnete Stelle an. Die charakteristischen Züge der einfachsten und ursprünglichsten Bauweise, die in den ärmeren und weniger vorgeschrittenen Gegenden am wenigsten erweitert und verwischt ist, verdeutlichen die nachfolgenden Skizzen. Sie sind zunächst Vorbildern aus der schlesischen Ebene entnommen, kehren aber in allem Wesentlichen vom Rhein bis zur Memel wieder, auf engem Raum allerdings in der Lage der Gebäude oft gedrängt und weniger regelmässig. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen, 137 EN N un Mr a eg Die Hausthür des Wohnhauses liegt an seiner Breitseite, man tritt in dasselbe vom Hofe aus ein und befindet sich zunächst auf einem Hausflur mit enger, gemauerter, ziemlich finsterer Küche oder eigentlich einem grossen gemauerten Schornstein, in dessen Höhlung meist nur im Sommer gekocht wird. Vom Flur aus öffnet sich auf der Seite der Dorfstrasse die viereckige, mit einem Kochofen versehene Wohnstube und dahinter eine ebenso lange und etwa halb so breite Kammer. Auf der entgegen- gesetzten Seite des Flurs liegen zunächst einige zum Theil unterkellerte Kammerräume, dann der Kuh- oft auch der Pferdestall unter demselben Dach. Gegenüber dem Hause stehen die übrigen Ställe, im Hintergrunde des Hofes die Scheune, und gegen die Dorfstrasse ist das Gehöft durch ein Thorgebäude, Speicher, Schuppen oder Auszügler- stube oder durch einen Zaun mit grossem und kleinem Eingangsthore geschlossen. Dieser Plan ist oft im Erdgeschoss durch Umgestaltung der Vorderkammer (Fig. € h) in eine Stube, durch Einrichtung des hinteren Theils des Flurs in eine grössere, bequeme Küche, durch Herausrücken des Backofens ins Freie, oder Fortschaffen desselben in ein besonderes Backhaus verbessert, auch hat man den Giebelraum in eine Dachstube umgeschaffen, oder das Dach gehoben und Kammern für das Gesinde angelegt, die häufig von aussen durch einen kurzen Altan mit Treppe zugänglich sind, endlich hat man den Oberstock ganz ausgebaut, und Putz-, Wohn-, Fremdenzimmer und Schütt- böden unter dem Dache angebracht. Selten aber sind die Ställe gänzlich verlegt, und immer lässt sich deutlich die alte Einrichtung von Haus und Hof erkennen. *) Sie kehrt auch bei den kleinen Häusern mit voller Regelmässigkeit wieder, je *) Bestimmend ist der feste Brauch, die Deckbalken von der Vorder- bis auf die Hinter- mauer des Hauses zu legen, diesem also nur 30— 40 Fuss Tiefe zu geben. Das schwäbische Haus kennt diese Beschränkung nicht; quadratisch, gross, mehrstöckig, birgt es viele Zimmer und Kammern, deren Zugänglichkeit von aussen durch ringsum laufende Altane hergestellt wird, unter ein breites, unförmliches Dach. Am fränkischen Hause liegt der hie und da mit Brettern verschlagene Gang oder „Wandel“ zur Stallthür auf ebener Erde unter der Dachtraufe. Im Gebirge wird oft die Rückseite ebenso geschützt. Hier finden sich auch die Ställe häufig in dem massiven Unterbau, der an Abhängen nach vorn nöthig wird. 138 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Im Gehöft Fig. 4 liegt das Wohnhaus bei a; 5b ist der Pferde- und der Kuhstall; ce die Dungstätte; d die Scheune; e ein Schuppen oder die Futterkammer; / der Schafstall mit dem Heuboden darüber; g Schweineställe; 4 das Thorhaus der ersten, oder der offene 'Thorweg der zweiten Skizze; 2 und % Schüttboden und Aus- zugshaus nach der ersten, oder nach der zweiten Skizze der Ort des sogenannten „Lehms“, eines Vorrathshauses für Getreide u. dgl., welches durch dieken Lehm- beschlag feuerfest gemacht ist; das Dach liegt auf der Lehmeinwölbung nur als Regen- schutz; 2 Brunnen an beliebiger Stelle. Fig. 2 zeigt den Hausaufriss und die Stuben- und Feuerungseinrichtung. kleiner aber die Wirthschaft, desto häufiger ist nicht blos der Stall, sondern auch Tenne und Scheuer jenseits des Stalles unter dasselbe Dach angehangen, und wenn die Dorf- strasse, wie bei den Gebirgsdörfern in der Regel, weitläufig ist, ist das kleine Haus häufig mit seiner Breitseite der Strasse zugewendet und hat den Platz bis zur Strasse als Hof mit der Düngergrube vor sich. Solche breit gewendete Häuser, namentlich aber die Kretschamhäuser, bei denen die Familie durch die Schankgäste gestört ist, besitzen nicht selten eine sogenannte Laube, wie sie die folgende Zeichnung zeigt. Dieselbe dient als Fremdenzimmer, besonders aber als Wochenstube der Hausfrau. Diese Lauben vor der Breitseite sind am Rhein und in der Provinz Sachsen ebenso häufig, wie in Schlesien und in der Danziger Niederung. XX, Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 139 Das Haus selbst, Fig. € enthält bei « den Flur; Küche mit Sommerheerd und Backofen, unter einem starken, gemauerten Rauchfange; e Wohnstube mit d Koch- ofen und Ofenbank und e Heerdnische für Leuchtkiehn; ‚f Schlafkammer; g Mägde- kammer, darunter der einige Fuss über den Boden erhöhte Keller; % Vorderkammer oder Stube; 2 Gang zum Stall; Z Pferdestall; &% Schlafbühne im Stall, auf der der Knecht schläft, und unter der den Futterkasten steht; 722 Kuhstall; »2 Einquartierungs- stall, der zugleich als Futter- und Schirrkammer benutzt wird. Am Rhein, wo der fränkische Bau bis gegen Neuss hinabreicht, hat der Mangel an starkem Holz und das unbedeutende Raumbedürfniss der Parzellenwirthschaft dazu geführt, die kleinen Häuser häufig auf eine sehr geringe Tiefe zu beschränken, so dass sie nur einen Flur mit Küche und auf beiden Seiten desselben eine Stube enthalten. Der Stall ist unter demselben Dache angehangen, oder mit der Tenne zu einem Neben- gebäude verbunden. Umfangreichere Häuser dagegen haben wegen des allgemeinen Bedürfnisses an Miethswohnungen vorherrschend den Charakter der städtischen Gebäude angenommen. Aehnliche Verhältnisse haben sich auch in Thüringen geltend gemacht. Hier indess nicht in dem Grade, dass nicht aller Orten die hergebrachte Bauweise noch an zahlreichen Beispielen, namentlich an den grösseren Bauernhöfen, ersichtlich geblieben wäre. Am fränkischen Rhein aber bestehen solche grössere Höfe überhaupt nur noch wenige, und die erhaltenen sind in der überwiegenden Zahl gutsherrliche oder bis zur Säkularisation den geistlichen Stiftungen angehörige Freihöfe, welche 140 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Die Räumlichkeiten sind: # Flur mit der Küche unter dem gemauerten Schlotte, bh Stube (bei a ein Wandschrank zu ebener Erde, der früher wohl Kamin war, jetzt steht ein eiserner Ofen in der Zwischenwand), ce Kammer, e Mägdekammer, d Schlafzimmer und Kammern, f Speisekammer, % Polterkammer, 2 Pferdestall, durch eine Luke von d aus zu übersehen, in welche die Lampe gesetzt wird, % (schon im Nebengebäude) Schweinställe, 7 Federviehstall, 72 Kuhstall, y Kohlenraum, » Scheune für Hülsenfrüchte, an welche sich ein Stall und im Hintergrund des Gehöfts die grosse Scheune anschliesst, die wieder mit dem Kuhstall 72 zusammenstösst. Unter 5 und e befindet sich der Milchkeller und unter 4, wo der Fussboden 2" Fuss über dem Sockel liegt, der Gemüsekeller. Die Eingänge sind bei zur. Die Flurdecke unterstützt der hölzerne Pfeiler x, an dem ein Klapptisch und eine Laterne befestigt sind, die ihren Schein bis jenseits des Hofs in die Dreschtenne wirft. Das Backhaus ist ausserhalb des Gehöfts verlegt. Im Dachgeschoss liegt über 5 ce das Mehlbeutelzimmer, über dem Heerde und ‚v die Räucherkammer, über e die Ersteknechts-Kammer, über d,f A Kornspeicher, über i die Knechtkammer, durch die besondere Treppe von da zugänglich. - Ob hier oder überhaupt bei allen fränkischen Gehöften das grosse Einfahrtsthor auf die ursprüngliche Idee des Thorhauses zurückführt, ist fraglich; jedenfalls aber fordert die Sitte diese festen, oft im leichten Zaun stehenden Thore, und deutet da- mit wohl auf die Bespannung, vielleicht auch auf das Hausrecht des Freien. XX. Die Gehöfte, Horräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 14 nicht zweifellos als der Ausdruck volksthümlicher Sitte betrachtet werden können. Grleich- wohl finden sich, besonders in den abgelegenen Gegenden, noch die alten charakteristi- schen Anlagen. Eine solche, der Hofenerhof im SW. von Brühl, konnte in vorstehender Skizze (S. 140) mitgetheilt werden. Aehnliche Bauten bespricht v. Lengerke in seinen Bemerkungen über Rhein- preussen '). Das Haus in Thüringen und Hessen ist von G. Landau in der Beilage zum Korrespondenzblatt des deutschen Geschichtsvereins, Jahrgang 1857/58 und 62, „das nordfränkische Bauernhaus“ von G. Brückner im Globus, Bd. 7 S. 59, und „das mittel- deutsche Bauernhaus“ von Peez in den Westermannschen illustrirten Monatsheften, Okto- ber 1858, behandelt ?). — Da seit einem halben Jahrtausend die wirthschaftlichen Anschauungen bis an die äussersten Ostgrenzen des jetzigen Staatsgebietes fast ausschliesslich durch die deut- schen Bauern bestimmt worden sind, so ist erklärlich, dass gegenwärtig auch slawische Dörfer, selbst über Deutschland hinaus, in deutscher Art ausgebaut und die volksthüm- lichen Reste slawischer Bauweise selbst in den Greuzstrichen Polens unsicher sind. Indess sind gewisse Spuren nicht so selten, dass sie nicht Aufmerksamkeit verdienten. In den Kreisen Krotoschin, Adelnau und Pleschen findet sich in den polnischen Dörfern unter den älteren Gebäuden häufig das umstehend auf S. 142 skizzirte Haus, welches jenseits der Grenze sehr allgemein verbreitet ist. Auch hat schon v. Haxthausen °) darauf hingewiesen, dass bei den Bauern in Hinter- pommern zwischen Stolpe und Lauenburg ein von der westlichen Sitte abweichender Bau der Bauernhäuser mit Vorhallen am Giebel beginnt und in dem nordwestlichen Theile Westpreussens weit verbreitet ist. Selbst die elendesten Hütten haben nach seiner Angabe wenigstens eine Ecke des Hauses auf diese Weise offen, die auf einem Pilaren rubt und eine kleine Halle bildet. Unter dieser Halle liegt der Eingang. Ansicht und Grundplan dieser Häuser sind nach angestellten Ermittelungen der Regel nach die S. 143 angedeuteten. Das gesammte Haus ist also dem Beispiele aus Posen sehr ähnlich. Die Uebereinstimmung wird noch grösser, wenn man in Betracht zieht, dass der gemauerte Schornstein in der gezeichneten Gestalt jedenfalls eine erst in jüngster Zeit in das Haus aufgenommene Einrichtung ist, die früher wahrscheinlich der des unbe- zweifelt polnischen Hauses auf S. 142 entsprechender war. Es lässt sich also bei beiden slawische Sitte mit Grund vermuthen. 1) Bd. 5 S. 18 der Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft im preussischen Staate. 2) Die Anwendung schwarzer Abfärbung des Holzwerkes, die bunte, meist gothische Bemalung der Fensterläden, die Sinnsprüche über der Thür oder am Giebel, die Pferdeköpfe an der sich kreuzenden Verschalung des Dachgiebels, sowie der Gebrauch der Hausmarken als wappenartiger, meist unter Rücksicht auf Familienverwandtschaft gewählter Zeichen der Höfe sind der sächsischen wie der fränkischen Bauweise gemeinsam und finden sich in allen Landestheilen wieder. Der angegebenen Literatur sind bezüglich der Sinnsprüche Wander's Sprüchwörterlexikon, Leipzig 1863 ff., und „Deutsche Inschriften“, Berlin 1865, beizufügen. Ueber die Pferdeköpfe, welche auf Gespannhaltung und Spannpflicht zu deuten scheinen, s. Ch. Petersen, Kiel 1860, über Hausmarken G. Homeyer „über die Heimath bes. das Hand- gemal“, Berlin 1852; Michelsen, 1853; Lisch, 1855; Kosegarten, Balt. Studien XV. 166; Scheffer, Inschriften zu Halberstadt 1864; Anzeiger f. Kunde d. D. Vorzeit 1864, S. ı61 fl. Für die Trierischen Gehöferschaften vergl. OÖ. Beck: Der Regierungsbezirk Trier 1868, Bd.I. Anl. 3) A. a. O. S. 70, wo auch eine leichte Skizze. 142 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. : = N\ a Strassenseite, ) Vorhalle, e Flur mit d Leiter auf den Boden, e Gesinde- bett, f Stein zum Getreideschroten, g Wohnstube, % Backofen, über welchem der Schlott, 2 ein offener kaum ı Fuss erhöhter Heerd zum Kochen und Einheizen, mit einer Kappe darüber, die auf das Holz / gestützt ist (dieser Heerd ist in neuerer Zeit meist durch einen Kochofen in derselben Stellung ersetzt, den eine Ofenbank umgiebt.) k ein kleines in der Höhe von 3 Fuss angebrachtes Sommerkamin, auf dem der Leuchtkiehn brennt, mit kleiner Kappe; 72 Nachofen (naprezypiecko), erhöhter Ruhe- platz vor und über dem Backofen, 72 grosses, o kleines Bett, a Tisch und Bank, g Spül- fass auf Füssen, 7 Spind, s Kammer, Z Stall. 2 mit Schoben eingedeckte als Keller dienende Gruben. Die Scheune steht meist dem Stall gegenüber. Kleine Wirthe nehmen das Schwein und selbst die Kuh in die Stube, die dann auf dem Platz bei #» », meist innerhalb eines etwa 2 Fuss hohen leichten Zaunes stehen, während die Betten nach » gerückt sind. Der Mangel der Dachgiebel und der Gebrauch blosser Dachstangen sind sehr verbreitet. Ob auch einige andere örtlich auftretende Eigenthümlichkeiten, wie z. B. der Kamin zwischen den Fenstern der grossen Wohnstube, der in Preussen vorkommt, oder die dem Nachofen ganz ähnliche, besonders grosse sogenannte „Hölle“ hinter dem Ofen, die in Oberschlesien Sitte ist, überhaupt die Idee, den Backofen in die Stube hineinzubauen, und zum Lager zu benutzen, den Slawen angehören, lässt sich nicht leicht entscheiden; anscheinend haben aber die Polen den fränkischen Charakter des Hauses, den die slawischen Dörfer in Schlesien und Masuren zeigen, ebenso vollständig von den Deutschen angenommen, wie dies oben bezüglich des sächsischen Hauses von den alt- märkischen Wenden gezeigt werden konnte. — XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 143 HRNYARN GALT N? GI? a Strassenfront; ) Halle mit quer geschnittener Thür nach e dem Flur; d Bodentreppe, e Schornstein, von dem aus die Oefen ff gefeuert werden, und dessen Raum zu häuslichen Verrichtungen, Waschen u. dgl. benutzt wird, gg kleine Kamine zu Leuchtkiehn, Ah Ofenbank (Ehrenplatz), 7 Stube des Altsitzers, £ Wohn- stube, / Kammer, 7» Stall. Die Verbesserungen, die im Laufe der Zeit im ländlichen Bauwesen durch den Einfluss des Staates bewirkt worden sind, haben ihre nächste Beziehung vorzugsweise auf die Verhütung der Fenersgefahr gehabt. Schon die Feuerordnung auf dem Lande der Kurmark und Mark Brandenburg vom 26. Januar 1701!) forderte, „dass in jedem Hause, in dem Feuer gehalten wird, ein Schornstein gemacht werde, wie bereits an einigen Orten der Anfang gemacht worden, auch sollen die Backöfen nicht mehr in den Häusern, noch dicht bei den Häusern sein.“ Diese Bestimmungen wurden von der Flecken-, Dorf -und Ackerordnung vom 16. Dezember 1702 und später in zahlreichen Feuerordnungen wiederholt?). Wo in bestehenden schlechten Häusern kein Schornstein angelegt werden kann, soll ein ge- wölbter Funkenfang, oder wenigstens eine Lehmwandung angelegt werden, die Schorn- steine selbst aber sollen steinern oder lehmern, ohne Holz oder Stroh errichtet sein °). 1) Mylius, Corp. Constitut. Marchicar. V. I. 170. 2) C. C.M. V. II. 230, V. I. 227, 247, 265, 312, 347, Nor. C. C.M.II. 89, IV. 285. — I. 771, VI. 923, IV. 7204, 7293, 7420. 3)\C. °C. M. V. TI. 227, 239,247. 444 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Ebenso wurden Anordnungen, abgebrannte Höfe auseinander zu banen, gegeben '), um die Zugänglichkeit beim Löschen zu ermöglichen und die rasche Verbreitung des Feuers zu hemmen, namentlich enthält ein Edikt vom ı5. Juni 1795?) sehr ausführliche Besimmungen, wie zu diesem Zweck bei der Wiederherstellung abgebrannter Dörfer verfahren werden soll; und das Edikt vom 19. April 1804 °) gab auch ohne statt- gehabtes Feuer dem Besitzer, wie dem Gutsherrn oder der Obrigkeit, ein Provoka- tionsrecht auf den Auseinanderbau feuergefährlicher Gehöfte. Bezüglich der Bedachung dehnte das Reglement vom 18. Januar 1772°) die nach dem Patent vom ı2. August 1720°) für alle Städte geltende Bestimmung, dass bei Neu- bauten kein Stroh- oder Schindeldach zu gestatten, auf das platte Land des Herzog- thums Magdeburg aus. Auch nach anderer Richtung forderte die Fleeken-, Dorf- und Ackerordnung, dass jeder ein Gebäude neu Aufführende die Schwelle 1Y, Fuss hoch von der Erde legen und die Verbindung tüchtig machen lassen, sowie sein Gehege (seine Zäune) bessern solle. Eine Deklaration dazu) befahl überdies gute Herstellung der Brunnen, und ein Reglement vom 7. März 1765”) ordnete für Kleve und Mark mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse den durchaus massiven Bau an. 2 Das Allgemeine Landrecht, als noch gegenwärtig geltendes Recht, führte ®) die in den Städten schon länger geltende Bestimmung auch für das Land ein, dass eine be- sondere obrigkeitliche Baugenehmigung nachzusuchen, wenn eine neue Feuerstelle er- richtet, oder eine alte an einen anderen Ort verlegt werden solle. Es belegte Bauherren, wie Baumeister, welche dawider handeln, selbst dann mit Strafen, wenn der Bau un- tadelhaft befunden würde. Das Strafgesetzbuch vom 14. April ıg5r $ 347 und das Er- gänzungsgesetz dazu vom 14. April 1856 (G.-S. S.217) haben diese Bestimmung wiederholt. Dieselbe wurde besonders desshalb von grossem Einflusse, weil dadurch jeder irgend erhebliche Bau in einem in Zeichnung entworfenen Plane zur Kenntniss der Polizeibehörde und zur Prüfung durch den Kreisbauinspektor kommt. Dieser höhere Techniker ist dadurch in der Lage, Abänderungen theils vorzuschreiben, theils vor- zuschlagen, und um so mehr Einfluss auf Einführung von Verbesserungen zu üben, als bei ländlichen Bauten die Anlage der Feuerung für den Gesammtplan in hohem Grade bestimmend ist, und es ihm selbstverständlich obliegt, auch jeder sonst aus dem Plane hervorgehenden bedenklichen Konstruktion entgegenzutreten. Die Polizeibehörde hat die Macht, die Veränderung oder Hinwegnahme einer den Vorschriften zuwiderlaufenden Bauanlage sowohl anzuordnen, als die Anordnung zu vollstrecken (Th. I. Tit. VIII. $ 66, $ 71—72 und Th. I. Tit. XVII. $ 10-17 Allg. Land- rechts). Gegen ihre Entscheidung ist nur der Rekurs an die vorgesetzte Behörde zulässig (Verordnung vom 26. Dezember 1808 $ 39, G.-S. für 1817 S. 284). 1) C. €. M. IV. IL. 3, 5. V.I.231, V. II. 231. N.C.C.M. IX. 2546, X. 621, X. 2549. 2) Rabe: Sammlung preuss. Gesetze, Bd. III. S. 77. 3) Rabe: a. a. O. Bd. VIIL. S. 34. 4) N. C. C.M. V.b. S.23 Nr.4; Rabe a. a. O. Bd. I. Abth.4 S. 224. 5) C.C.M. V.I. 2 Nr. 36; Rabe a. a. O. Bd. I. Abth. ı S. 587. 9 EIG. MW. IT. 17T. er FIENSEICZTITZ6TO. s) Th. I. Tit. VIII, $ 69, 70. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 445 Als eigentliche Baupolizeiordnungen, wie sie für die Städte dem Bedürfnisse nach in allen Landestheilen seit lange bestehen *), sind für die ländlichen Orte nur die wenige Jahrzehnte alte Baupolizeiordnung und Feuer- und Löschordnung für das platte Land der Provinz Brandenburg und der Kreise Dramburg und Schivelbein vom ıı. Oktober 1847 (Minist.-Bl. f. d. i. Verw. 1847 8. 7) mit dem modifizirenden Erlasse vom 17. Januar 1859 (ebd. 1859 $. 132) und die Polizeiverordnung wegen Einführung einer neuen Baupolizei- ordnung für das platte Land im Regierungsbezirk Danzig vom 6. Dezember 1858 (ebd. 1859 S. 55) erlassen. Nach der Kab.-Order vom 2. Juli 1836 (v. Kamptz Annalen XX. 431) dürfen aber Stroh-, Rohr- und Holzschindeldächer am Rhein wie in den öst- lichen Provinzen, und nach dem Reskript vom 7. September 1836 (Annalen XX. 433) auch in Westfalen überall, wo in Flecken, Dörfern, Weilern oder sonst mehrere Häuser zusammenstehen, bei Neubauten unter Strafe des Niederlegens nicht mehr angewendet werden. Ausnahmen sind nur auf landräthliche Genehmigung bei einzelnen Gebäuden und zusammenhängenden Gehöften eines und desselben Besitzers, welche mindestens 2000 Fuss von anderen entfernt stehen, oder in Ueberschwemmungsgebieten oder bei durchaus unzureichenden Vermögensumständen des Besitzers statthaft. Auch Haupt- reparaturen sollen bei Strafe in Stroh oder Rohr nicht mehr ausgeführt werden. Ueber die Rauchfangsanlagen sind neuerdings in dem Allerh, Erlasse vom ı2. April 1853 und in der Bekanntmachung vom 10. September 1853 (G.-S. S. 753), sowie in der Cirkular- verfügung vom 15. September 1860 (Minist.-Bl. S. 207) genauere Bestimmungen gegeben. Verschiedene polizeilich ergangene Empfehlungen gewisser Konstruktionsweisen von Dächern, Decken, Back- und Hausöfen, von Mitteln gegen Feuchtigkeit und Hausschwamm, und Anweisungen über die zweckmässige Zeitfolge für Bauten giebt L. v. Rönne’s und H. Simon’s Baupolizei des preussischen Staates, Breslau 1846, mit Nachtrag von 1853 wieder. Neben den Bestrebungen der Polizei hat sich für die Umgestaltung der ländlichen Bauten auch der Einfluss der Feuerversicherungen besonders geltend gemacht, deren interessante Entwickelung noch Gegenstand besonderer Darstellung sein wird. Die älteste Feuerversicherungsgesellschaft in Preussen, die im Grossen Weichselwerder ge- gründet wurde, führt ihr Bestehen bis 1623 zurück. Allgemein wurde die Einrichtung durch die mehrgedachte Flecken-, Dorf- und Ackerordnung von 1702 anbefohlen, und bald darauf für den gesammten Staat soweit durchgeführt, dass trotz des bald erfolgten Zerfalls dieses grossen Staatsinstitutes doch zahlreiche örtliche Feuerversicherungsver- bände von jener Anregung ihr Bestehen datiren. So lange dieselben ausschliesslich auf Gegenseitigkeit beruhten, förderten sie wenigstens das grössere Interesse an der Durch- führung der polizeilich vorgeschriebenen Sicherungsmassregeln, seitdem sie aber im zweiten und dritten Dezennium unseres Jahrhunderts als kaufmännische Gesellschaften und in der Gestalt der Aktienunternehmungen auftraten, und die Normirung der Bei- träge nach der mehr oder weniger feuergefährlichen Bauart der Häuser allgemein wurde, wirkten ihre Reglements höchst wesentlich für die Verbreitung des Massivbaues und für *) Für die Städte gehen Baupolizeivorschriften bis in sehr frühe Zeit zurück. Sie er- scheinen schon in. den Gründungsurkunden und ältesten Statuten und sind im ı6. und 17. Jahrhundert fast in jeder grösseren Stadt zu umfangreichen Erlassen erweitert, auch die der Hauptstädte vielfach durch die Landesherren auf die kleineren Städte ausgedehnt worden. Die noch gegenwärtig geltenden finden sich bei L. v. Rönne und H, Simon a. a. O. Boden d, preuss. Staates. IL 10 146 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. die Abschaffung der Stroh- und Schindeldächer, als nothwendige Folge aber überhaupt für eine durchgehends solidere und kunstgerechtere Ausführung der Bauten. — Mehr und mehr sind auch die erhöhten Lebensansprüche und die raschen Fort- schritte der Wirthe in sozialer und wirthschaftlicher Kultur mächtige Hebel für das Bauwesen geworden. In den letzten Dezennien hat die Zahl der Neubauten in allen Theilen des Staats- gebietes auf den bäuerlichen Besitzungen in überaus hohem Grade zugenommen, und es ist dabei allgemein in der Ausführung und im Material, wie in der Herstellung erweiterter Räumlichkeiten und in der Sorge für die Bedürfnisse der Familie und der Wirthschaft ein wesentlicher Fortschritt gegen die Zustände der früheren Zeit eingetreten. Fraglicher ist allerdings, ob diese unverkennbare Verbesserung der ländlichen Gebäude überall in wirklich zweekmässiger und mit den aufgewendeten Mitteln in richtigem Verhältniss stehender Weise erreicht worden ist. Leider bieten die Dorf- bauten den Baumeistern in der Regel zu wenig Aufforderung zu eingehenderen Studien, die Wirthe selbst aber sind über ihre Zwecke, ihre Wünsche und den Werth der Ver- wendung des Baukapitals selten in genügendem Maasse klar. Die Gebäude nehmen desshalb, wie sich in wohlhabenden Dörfern an zahlreichen Beispielen ersehen lässt, leicht einen städtischen, äusserlich stattlichen Charakter an, sie enthalten eine Menge Zimmerräume, sind gross, hoch, hell und fest, aber die Zahl der Stuben überschreitet in der Regel das Bedürfniss, viele werden nur als Vorrathskammern benutzt, ihre sorg- fältige Unterhaltung ist zu kostspielig, sie gerathen in Verfall, und die Einrichtungen tragen wenig dazu bei, mancherlei in der herkömmlichen Bauweise begründete, aber desshalb nicht weniger nachtheilige Uebelstände des ländlichen Wehnens abzustellen. Aufenthalt auf kalten, nassen, auf die blosse Erde gelegten Fussböden, Wohnstuben und Schlafstuben, in welchen durch den grössten Theil des Jahres und mindestens im Winter gekocht und Wasser in grossen Massen erhitzt wird, so dass sich der Dampf tropfenweis an den Wänden niederschlägt, Mangel eines geeigneten Raums für das Gesinde und die Kinder, Schlafstätten, die für die Gesundheit und die körperliche Reinlichkeit ebenso bedenklich sind, wie für die Sittlichkeit, kalte Nebenräume, bei keineswegs sparsamer Feuerung, sind bekannte, fast allgemeine Mängel. Häufig ist für die Thiere verhältnissmässig weit besser gesorgt, als für die Menschen. Die Gründe dafür sind mit dem gesammten Wirthschaftsgange, und mit herkömmlichen Rücksichten und Erspamissen so eng verknüpft, dass die Mehrzahl der Wirthe sie kaum bemerkt, und sie sich auch in verschwenderisch gebauten Häusern fortsetzen, wenn die Sorgfalt des Baumeisters der allerdings überaus schwierigen Aufgabe nicht gewachsen gewesen ist, die durch die Anlage der Wohnung beabsichtigten Verbesserungen zugleich leicht durchführbar, annehmlich und vortheilhaft zu gestalten, Es ist gewiss von der grössten Wichtigkeit, dass die gegenwärtige günstige Pe- riode, in der nach Durchführung der Gemeinheitstheilungen die rasch entwickelte Wirthschaft und Kultur zur Erweiterung der Baulichkeiten drängt, und der über- raschend gesteigerte Werth der Bauerngüter die Mittel für Neubauten gewährt, nicht ungenutzt vorübergehe. Zugleich hat unsere Zeit auch eine Aufforderung für zweckmässigen Bau kleiner, ländlicher, für Arbeiter bestimmter Wohnungen Fürsorge zu treffen. Sie liegt in dem im Abschnitt XIX. besprochenen, mehr und mehr gewachsenen Bedürfnisse der grossen Güter, Wohnungen für verheirathete, auf längere Zeit kontraktlich gemiethete Tage- XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 447 löhner zu beschaffen. Es ist ersichtlich, dass durch die Art dieser Bauten auf eine weite Reihe von Jahren hinaus ein wesentlicher Theil der Bedingungen körperlichen, wie geistigen und sittlichen Wohlseins für diese Arbeiterklasse bestimmt wird, und dass mit ihnen zugleich eine nicht unwichtige finanzielle Frage für die Grundbesitzer ver- knüpft ist, die nicht ausschliesslich in den Kosten der Erbauung und deren wahr- scheinlicher Verzinsung, sondern auch in den ökonomischen Wirkungen angemessener Verpflegung der Arbeiter wurzelt. Alle diese Rücksichten haben dazu geführt, dass sich die landwirthschaftlichen Vereine mit besonderem Interesse mit dieser Frage beschäftigt haben, mehrfach von ihnen sowie von staatswegen Preisaufgaben in dieser Riehtung gestellt worden sind, und die Literatur dieselbe zum Gegenstand eingehender Behandlung zu machen begonnen hat. Es kann für diese Richtung hingewiesen werden auf: Ländliche Arbeiterwohnungen von Dr. Frhr. v. d. Goltz und W. Kinzel. Königs- berg 1865. Gekrönte Preisschrift. G. Linke: Die Einriehtung und Bauart ländlicher Tagelöhnerwohnungen betreffend, Annalen Band XXI. S. gı. Graf Itzenplitz: Die angemessene Einrichtung ländlicher Arbeiterwohnungen, Annalen Band XXI. S. 408. Ueber Oefen für ländliche Arbeiterwohnungen, Annalen Bd. XX. S. ı21. — Bezüglich der Ställe, Scheunen und Vorrathsgebäude, überhaupt bezüglich der gesammten baulichen Einrichtung der Wirthschaftsräume selbst haben unzweifelhaft die grossen Güter mit ihren reichen Mitteln in den letzten Jahrzehnten eine ähnliche Be- wegung in ihrem Bauwesen hervorgerufen, wie sie auch in der Benutzung der Werkzeuge und Maschinen und der Anwendung der theoretischen Wissenschaften nachgewiesen werden konnte. Schon Meister, wie Gilly, die am Anfang unseres Jahrhunderts die ländliche Baukunde lehrten und übten, strebten danach, die Ueberzeugung zu befestigen, dass selbst für beschränkte Mittel der dauerhafte, auf lange reparaturfreie Bau der billi- gere und trotz grösserer Auslagen vorzuziehende sei. Die Werthssteigerung der Güter, die seit den dreissiger Jahren eintrat, und die höhern Preise der Produkte beförderten den besseren Ausbau der Dominialhöfe. In verhältnissmässig kurzer Zeit verbreiteten sich die massiven Gehöfte mit Ziegel- bedachung*). Nicht ohne Einfluss der auf den Staatsdomainen ausgeführten Bauten wurde der im Innern mit Ziegeln verkleidete Bruchsteinbau und der Ziegelrohban häufig. Auch der Piseebau, der die Mauern aus Erde, Sand und Kalk zu einem einzigen Stück formt, kam auf, und wird noch in der neuesten Zeit empfohlen**). Der hohe Werth *) Die Lehmschindeldächer, welche auch von Gilly als feuersicherer Ersatz für die Strohdächer vorgeschlagen wurden -und der Vorzüge der letzteren weniger ermangelten als das Ziegeldach, fanden gleichwohl nur kurze Zeit Eingang, weil sie sehr schwer und der Zerstörung durch die Witterung ausgesetzt waren. Ueber ihre Konstruktion s. Gilly’s Be- schreibung der feuerabhaltenden Lehmschindeldächer, Berlin 1796, und Teichmann: Das Ganze der Lehmschindelbedachung. **) Wulfer: Der verbesserte Piseebau, Weimar 1835. — Lehmann: Der Piseebau, Quedlinburg 1837. — F. Engel: Kalk-, Sand- und Piseebau und die Kalksandziegelfabrika- tion, Leipzig 1865. — Annalen der Landwirthschaft Bd. V. S. 66. — Der Nachtheil besteht nur in der Schwierigkeit von Veränderungen an den Piseegebäuden. 10* 148 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. der edlen Schäfereien liess namentlich grösseres Gewicht auf gesunde und besser aus- gestattete Stallräume und trockene von der Ausdünstung der Thiere befreite Gebäude legen, und namentlich der Feuerschäden wegen, die bei auserwählten Heerden unersetz- lich bleiben, begann man allgemeiner die Stallungen einzuwölben. Eine durchgreifende, auch die hergebrachten Gebäudepläne umgestaltende Wen- dung aber brachten die flachen Pappdächer. Pappe durch Behandlung mit Kalk, Alaun, Leim und Oel zu sogenanntem künstlichen Schiefer zu verarbeiten, zeigte zwar schon 1785 Arfried Faxe in ÖOarlskrona und ähnlich war das Fabrikat von Hirsch 1819 und der Köpenicker Schiefer von Neander 1837. Auch die schwedischen oder finnländischen Dächer aus Papier oder dünner Pappe, die mit Theer getränkt und bestrichen und mit Sand bedeckt wurden, kamen schon 1829 in Stockholm auf und fanden besonders in Finnland, aber auch in Ostpreussen und um Düsseldorf eine gewisse Verbreitung. Indess erst dem Papierfabrikanten Ebart zu Spechthausen bei Neustadt-Eberswalde ge- lang es um 1840, geschmeidigere Steinpappen zu fertigen und ihnen durch Einübung von Arbeitern für die zweckmässige Nagelung und Fugendeckung, sowie durch den Nachweis der Feuersicherheit allgemeineres Vertrauen zu gewinnent). Die Behandlung er- leichterte sich wesentlich, als in den funfziger Jahren die Maschinen für Papier ohne Ende auch auf diese Pappenfabrikation Anwendung fanden. Entscheidend aber für den prak- tischen Erfolg wurde die flache Konstruktion des Pappdaches, welche sich durch immer mehr verbesserte Befestigung und Dichtigkeit des Pappbelages als möglich erwies. Ein flaches Dach hat statt eines zeltförmigen Bodens mit dreieckigem Durchschnitt einen kubischen Raum mit vierseitigem Durchschnitt unter sich, und vermag desshalb trotz der geringeren Dachfläche fast die doppelte Fruchtmasse des Zeltdaches zu bergen. Seine Konstruktion war indess bis dahin nur in Zink ausführbar und desshalb theuer und wegen des starken Temperatureinflusses, den Zinkdächer gestatten, für die Früchte unvortheilhaft. Die seit 1830 versuchten Dornschen Dächer?) waren zu schwer und undicht, die in den vierziger Jahren erfundenen, in vieler Beziehung empfehlenswerthen Häuslerschen Cementdächer ®) aber noch weniger leicht und mehr für städtische Zwecke anwendbar. In allen Beziehungen gewährten flache Pappdächer grössere Vortheile und erlaubten die denkbar leichteste Konstruktion des Holzverbandes. Die schweren Hölzer ' konnten fast ganz vermieden werden; es war nicht mehr wie früher nöthig für die Tiefe der Gebäude besondere Rücksicht auf die Balkenlänge zu nehmen, und trotz erheblich billigeren Holzwerkes war es ausführbar, viel grössere Räume zu überspannen. Dieser wichtigen Errungenschaft kam die beginnende flache Einwölbung der Decken in Eisenschienen entgegen. Dadurch wurde ein fester und doch leichter, die Zwischenlage wenig verstärkender Abschluss jedes Raumes möglich und die Wirth- schaftsgebäude konnten nunmehr jede beliebige Grundform und jede gewünschte Thei- lung in Etagen erhalten ‘). Bald gewöhnte man sich, vor Verbesserungen bei Bauten der Kostspieligkeit wegen nicht leicht zurückzuschrecken, 1) Vergl. M.-R. v. 29. Juli 1848 und v. 20. Januar 1850 (Minist.-Bl. f. d. i. Verw. 1848, S. 381; 1850 S. 70. —L. v. Rönne u. H. Simon: Die Baupolizei, Nachtrag, Breslau 1853, S. 125 ff.). 2) G. Linke: Der Bau der Dornschen Lehmdächer, Braunschweig 1840. ») C. S. Häusler: Die Lehre von der Anwendung der Holzcemente, Hirschberg 1851. 4) Vergl. Ueber Stalldecken v. Fr. Engel, Jahrgang ıı. 1863. Bd.I. S. 204 des land- wirthschaftlichen Centralblattes für Deutschland, von A. Wilda und A. Krocker. XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. 449 Ställe auf Stein oder Eisen gewölbt, steinerne oder eiserne Krippen, steinerne Futtergänge, eiserne Raufen und Fensterrahmen, ebenso gemauerte eementirte Dungstätten und Dächer ohne Streben von verschiedener Konstruktion kann man überall im Um- kreis weniger Meilen sehen '). Auch Versuche mit Stalleinrichtungen, in denen das Vieh bei beweglichen Krippen frei laufen kann, oder mit Stallungen und Scheunen in über- einanderliegenden Stockwerken, selbst mit dem Zusammenbau ganzer Vorwerke unter ein einziges Dach von 50— 100000 Quadratfuss Fläche, wobei der Kuhstall vermöge verschiedener Ventilationen die Mitte einnimmt, sind hier und da gemacht. In letzter Zeit haben namentlich Vorrichtungen zum Aufsetzen des Getreides in Feimen statt der festen aber kostspieligen Scheunen allgemeineres Interesse in Anspruch genommen ?); ebenso die Einrichtung und Eintheilung der Höfe zu Maschinenarbeit mit Wellen- und Drahtseil- leitungen u. dgl.; wie denn überhaupt der Einfluss der Maschinen, namentlich des Dampf- dreschens, mit den veränderten Bedürfnissen auch einen Umschwung im Bauwesen nach sich ziehen muss. Manche Wirthe sind in der Lage, den vorzüglichen Ausbau ihrer Gehöfte als ihr Vergnügen zu betrachten und die Erträge des Baukapitals dabei ausser Acht zu lassen. Im allgemeinen aber gründen sich die kostspieligeren Bauausführungen der Gegenwart auf die immer mehr anerkannte Ueberzeugung, dass auch die Bauten unter dem Ge- sichtspunkt der Meliorationen aufzufassen sind, und es auch für sie nicht auf die Höhe des Aufwandes, sondern auf die Sicherheit ankommt, mit der der Ersatz und der höchst- mögliche Ueberschuss erwartet werden darf. Gleichwohl birgt die Verwendung der Baukapitale schon wegen ihrer meist sehr beträchtlichen Höhe und der nur mittelbaren, schwer zu berechnenden Verzinsung unzweifelhaft bedenkliche Gefahren und Schwierig- keiten®). Grade im ländlichen Bauwesen hat die Technik besondere Veranlassung über die gewöhnliche Aufgabe der rechnungsmässigen Anschläge hinauszugehen, und in die Bilanz der gesammten Wirthschaft mit überzugreifen. Da für die Wirthschaftsgebäude weder von Mieths-, noch von bestimmten Fabrikationserträgen die Rede sein kann, nach denen sich die Angemessenheit des Aufwandes berechnen liesse, so dürfen landwirth- schaftliche Bauprojekte mit Grund nur aus Kombinationen entstehen, die das vorhandene und möglicherweise noch zu erwartende Bedürfniss und den wirthschaftlichen Werth der mehr oder weniger zureichenden Befriedigung desselben mit der Dauer und der Kostspieligkeit der verschiedenen anwendbaren Arten der dem Erfordernisse ausreichend genügenden baulichen Einrichtungen zusammenhalten. Hülfsmittel für diese mehr landwirthschaftliche als bautechnische Benrtheilung können von den Baumeistern so wenig, als von den bauenden Wirthen entbehrt werden. Die dahin einschlagenden Fragen haben durch die Bedürfnisse der gutsherrlich- bäuerlichen Auseinandersetzungen und Servitutenablösungen besondere Anregung ge- funden, weil es sich hier um genaue Feststellung und Entschädigung streitiger, oft sehr ins Einzelne gehender Rechte handelte. Es war hier häufg der Werth von Bau- pflichten sowohl bezüglich ganzer Gebäude, als der Leistung einzelner Arbeiten oder Materialien in jährlichen, nach dem möglicherweise eintretenden Bedürfnissfall berechneten 1) Vergl. ebd. S. 366 über Fussböden in den Ställen, von Fr. Engel, und Bd. II. S. 321, über Rindviehkrippen von demselben. 2) Annalen Bd. XXVII. S. 46. 3) Vergl. J. Manger: Etwas über landwirthschaftliche Baukunde. Annalen Bd. 40 S. 198. 450 XX. Die Gehöfte, Hofräume, Hausgärten und das ländliche Bauwesen. Durchschnittsgeldbeträgen auszusprechen. Diese Zahlenfeststellungen mussten von sehr umsichtiger Durcharbeitung aller der Voraussetzungen ausgehen, die für die angemessenste Ausführung der auftretenden wirthschaftlichen Zwecke der Baulichkeit, und ihrer Dauer im Ganzen, wie in den einzelnen Theilen, gemacht werden dürfen. Es wandten sich desshalb die Statiker der Landwirthschaft und die Auseinandersetzungsbehörden der Aufgabe, solche Hülfsmittel zu schaffen, ebenso eingehend zu, als mehrere unserer be- kanntesten Bautechniker. Ausser den schon oben (Bd. II. S. 17) erwähnten technischen Instruktionen der Auseinandersetzungsbehörden haben in diesem Sinne namentlich: F. A. Eytelwein, in der Anleitung zur Ermittelung der Dauer und Unterhaltungs- kosten der Gebäude und zur Bestimmung der Bauablösungskapitalien und jähr- lichen Renten, Berlin 1831, A. Block, in den Mittheilungen landwirthschaftlicher Erfahrungen, Breslau 1841, Bd. II. S. ı5 ff, Frhr. v. Monteton, in der Anleitung zu den landwirthschaftlichen Veranschlagungen, Berlin 1856, rechnungsmässige Anhaltspunkte gegeben. Von speziell bautechnischen Gesichtspunkten aus sind für das Tandwirtlischaftitep® Bauwesen besonders folgende Bearbeitungen berechnet: D. Gilly: Handbuch der Landbaukunst, 3 Bände, Berlin 1798, Halle ıgrr. G. Heine: Handbuch der landwirthschaftlichen Baukunde. Dresden 1838. Fr. Engel: Handbuch des landwirthschaftlichen Bauwesens, unter Mitwirkung A.P, Thaers und nach dem Nachlasse von A. Thaer, Wrietzen 1852. C. J. Huth: Bauanschläge. 3. Aufl. von Cremer. Braunschweig 1858. ©. Schubert: Handbuch der landwirthschaftlichen Baukunde. Berlin 1864. J. Manger: Hülfsbuch zur Anfertigung und Feststellung von Bauanschlägen, Berlin 1866, 3. Aufl. Der Verbreitung erprobter neuer Ideen widmen sich die landwirthschaftlichen und bautechnischen Zeitungen. Von letzteren sind zu nennen: die auf Veranlassung des Königl. Landes-Oekonomie -Kollegiums veranstaltete Samm- lung landwirthschaftlicher und ländlicher Bauausführungen von F. Engel, 9 Hefte 1851—65; die Zeitschrift für landwirthschaftliches Bauwesen von Dr. F, ©. Schubert, Bonn, g Hefte 1858 —61; die Zeitschrift für Bauwesen von G. Erbkam, Berlin, Ernst & Korn, seit 1850. XXI. Das Ackerland und sein feld- und garten- mässiger Anbau. Auf keinem Gebiete sind die gegenwärtig noch vorhandenen Lücken der land- wirthschaftlichen Statistik Preussens fühlbarer als auf dem der eigentlichen Agrarstatistik. Was in dieser Richtung vor der Durchführung der Grundsteuerregelung ge- schehen, ist S. 4 und ı4 des I. Bandes angedeutet. Nachdem die früheren, aller- dings sehr mangelhaften Erhebungen über Aussaat und Ernte im Sinne der von .J. @. Hoffmann durchgeführten Organisation des statistischen Bureaus als allzu unzuverlässig aufgegeben worden waren, suchte zuerst wieder das Landes-Oekonomie-Kollegium diesen Fragen auf dem Wege regelmässiger Berichterstattung der landwirthschaftlichen Vereine näher zu treten. Seit dem Jahre 1846 sprechen sich diese Vereine durch die sogenannten Ernte- Tabellen über das Ergebniss der Ernte in den von ihnen vertretenen Gegenden in der Weise aus, dass sie den örtlich herrschenden Begriff einer Durchschnitts- oder Mittel- ernte als eine Einheit annehmen, in deren Bruchtheilen sie den nach ihrem Ermessen wirklich eingetretenen Ausfall der Ernte für jede Fruchtgattung bezeichnen. Eine die Mittelernte nicht erreichende Ernte erscheint also als ein in Dezimalen ausgedrückter Bruch unter 1,0, eine die Mittelernte übersteigende Ernte spricht sich durch die zu dieser Einheit hinzutretenden mehr oder weniger hohen Dezimalstellen aus. Neben diesen Zahlen werden seit 1856 in besonderen Erdruschtabellen Berichte über den durchschnittlichen Erdrusch vom Morgen der verschiedenen Körnerfrüchte eingezogen. Das Ergebniss beider Tabellen wird in den Annalen der Landwirthschaft und im Königl. Preussischen Staatsanzeiger, sowie durch besondere den landwirthschaftlichen Vereinen zugehende Cirkulare bekannt gemacht. Da aber eine Fesstellung der Flächen, die dem Anbaue der verschiedenen Hauptfrüchte gewidmet sind, zur Zeit noch gänzlich fehlt, so lässt sich der Ertrag der Ernte seiner Masse nach auf Grund dieser Durchschnittszahlen nieht schätzen. Dieselben erfüllen vielmehr ihren nächsten Zweck darin, dass die im September eingehende Erntetabelle anzeigt, ob und wo Mangel oder Ueberfluss 452 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anban. erwartet wird, und die im Dezember erfolgende Erdruschtabelle, in wie weit sich diese Erwartung bezüglich des Erdrusches bestätigt. Die auf die Resultate der Grundsteuerveranlagung gestützte, vielseitige Kritik der Ernte- und Erdruschtabellen in den Abhandlungen: „Die Getreidepreise, die Ernte- erträge und der Getreidehandel im preussischen Staate“, und „Wie hoch belastet in Preussen die Grundsteuer die Landwirthschaft“ (Dr. Engel, in der Zeitschrift des Königl. statistischen Büreaus, Jahrgang I. S. 249 und VII. S. 93) kommt unter lehrreicher Be- leuchtung des Materials im wesentlichen zu dem Schluss, dass die Angaben der Ernte im allgemeinen als etwas unter dem Durchschnitte stehend, die des Erdrusches dagegen als durch die günstigeren, den Berichterstattern vorschwebenden Beispiele beeinflusst und als bedeutend zu hoch zu beurtheilen seien. Die durch v. Lengerke, Schubert, Gauss, Dieterici, Hübner, v. Lingenthal, v. Viebahn versuchten Schätzungen über das Verhältniss der einzelnen Fruchtarten und ihre Erträge sind nur ganz allgemeine, vorzugsweise auf die wahrscheinliche Konsum- tion und die Ausfuhr gestützte Ueberschläge. Als erster und wichtigster Schritt für die Beseitigung der vorhandenen Lücken sind seitens des Ministeriums für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten zunächst örtliche Erhebungen über das Anbauverhältniss der einzelnen Fruchtgattungen in Aussicht genommen. Bis diese durchgeführt sind, ist es nur möglich, für die Vergleichung der Ackerbauverhältnisse des Staats die Flächen- und Reinertragszahlen des Katasters und den, namentlich über die Fruchtfolgen ziemlich reichen Inhalt der Kreisbeschrei- bungen, sowie eine Anzahl Berichte der landwirthschaftlichen Vereine und diejenige amtliche und ausseramtliche beschreibende Literatur zu benutzen, deren schon Bd. ]. S. zıı gedacht ist. Es wird im vorliegenden Abschnitte versucht werden, provinzenweise und nach den Hauptabschnitten des Terrains ein Bild des Anbaues zu geben, der nächste Ab- schnitt soll sich dann mit den verschiedenen Kulturpflanzen im einzelnen beschäftigen. In beiden wird zwar die eigentliche Gartenzucht$ der Gemüse- und Obstbau aus- zuschliessen sein, wohl aber müssen nach den Bd. II. S. 27 und 126 gemachten Angaben über den vom Kataster gebrauchten Begriff des Gartenlandes unter dem Ackerbau sowohl der Feldbau, als die spatenmässige Kultur zusammengefasst, und desshalb auch die als Gärten und als Hausgärten bezeichneten Flächen mit in Betracht gezogen werden. Aus dem nur zur Gebäudesteuer veranlagten Flächenbetrage der Hausgärten und Hof- stellen lassen sich allerdings die von den Gebäuden selbst eingenommenen Hausflächen nicht ausscheiden, indess findet dieser unvermeidliche Fehler eine gewisse Ausgleichung darin, dass die Hausgärten in der Regel wirthschaftlieh vorzugsweise nutzbare und werthvolle Grundstücke bilden. Die Hausgärten ganz ausser Rechnung zu lassen, würde eine erheblich grössere und zugleich höchst ungleichmässig auftretende Unrichtigkeit hervorrufen, weil dieselben in gewissen Gegenden, in Gebirgsthälern oder Niederungen und Bruchlandstrichen, oft einen sehr beträchtlichen Theil der zum Anbau benutzten Fläche ausmachen. Es ist desshalb, um allen diesen Verhältnissen möglichst Rücksicht zu tragen, da, wo es auf solche Vergleichungen ankam, die gebäudesteuerpflichtige Fläche mit Acker- und Gartenland unter dem Begriffe der fruchttragenden Fläche zusammen- gezogen und für erstere bezüglich des Reinertrages, sofern ein solcher der Uebersicht wegen in Ansatz gebracht werden musste, der durchschnittliche Reinertrag des Garten- landes des betreffenden Schätzungsbezirkes in Rechnung gestellt worden. XXI, Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 153 l. Provinz Preussen. Die Besonderheiten des Ackerbaues in der Provinz Preussen tragen naturgemäss dieselben Gegensätze in sich, welche in der örtlichen Gestaltung des Kulturbodens (Bd. I. S. 214), also den Höhenverhältnissen nach in den Abstufungen des baltischen Landrückens, dem ausgebreiteten Terrassenlande und den tiefen Niederungen, und der klimatischen Lage nach in dem östlichen und westlichen Abschnitte oder in Ost- und Westpreussen, d. h. den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen einerseits und Danzig und Marienwerder andererseits, nachzuweisen waren. Im Anhalt an diese Unterschiede der Lage lässt sich das Verhältniss der dem Ackerbau unterworfenen Fläche zur Gesammtfläche in den einzelnen Landstrichen der Provinz in folgender Gegenüberstellung überblicken: Ge Acker Verhältniss sarmmt- Ver- Verhältniss Ver- fläche in |hältniss| in den einzelnen| zieh hältniss Extreme der Pi Klassifikati F äche in DOMei- zur Ge- assifikations zur Ge- Anbauflächen DMeil. sammt- distrikten u sammt- Distrikte 1 ä E „ en fläche niedrig-| höch- Morgen fläche pCt. stes stes pCt. 4973, | 26405 | 53, i 55 146.079 I. Höhe. . oRannlEHure> . Neidenburg. Dermgeussen.. .... 235,3 | 1100 2335 200 . Konitz. Westpreussen.... | 1527| 71,9 1 524 300 . Löbau. zusammen | 388,0| 181,9 3 859 500 ll. Terrassen- . Höhe von Heide- land. Eruk: 2 * . Stallupönen. Ostpreussen..... | 415,4| 224,7 4721095 N etadk Westpreussen. . . | 266,2] 150,8 3 192 526 . Kulm, Höhe. zusammen 7 913 621 i. Labiau. D x. Tilsiter Niede- III. Niederung. rung. . Uneingedeichte Östpreussen.... . S 94 400 von Kulm. 2 RL Eu Westpreussen. .. | 478 300 B DENE Niede zusammen | 64,3| 27, 572 700 Provinz Preussen |1133,9| 585,4 | 51,7 74,0 |12 345 821 Es ergiebt sich aus dieser Uebersicht, dass die Provinz im allgemeinen ein un- erwartet hohes Verhältniss des Ackerbaues wie der fruchttragenden Fläche überhaupt besitzt; denn sie erreicht trotz ihrer beträchtlichen dem Anbau unzugänglichen Strand-, See- und Oedlandsflächen nahezu den Durchschnitt des Staates. Auch weichen darin die einzelnen .Hauptabschnitte nicht wesentlich ab. Nur die wenig umfangreichen *) Ohne Einrechnung der grossen Strandgewässer. Bd. I. S. 123. **) Vergl. S. 152, sowie Spalte 29 in Tabelle A. der Anlagen. 454 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. ostpreussischen Niederungen gehen zu sehr geringen Prozentantheilen herab. Die Niederung im Kreise Labiau besitzt das niedrigste Anbauverhältniss unter allen Klassifi- kationsdistrikten im Staate; dabei gehören hier als Besonderheit von den überhaupt nur 7,6 Prozent der Gesammtfläche, welche Frucht tragen, 4, dem Gartenlande, o, den Hofstellen und nur 2,; dem Ackerlande an. Den höchsten Prozentsatz mit 74 Prozent der Gesammtfläche erreicht der Anbau auf dem Höhenabschnitte des Kreises Kulm. — In der gesammten Provinz ist der Betrieb durch die klimatischen Bedingungen, welehe in ihrem Einflusse auf die dortige Landwirthschaft im Bd. I. S. 156 ff. genauer geschildert worden sind, überaus erschwert. Weniger nachtheilig ist die Boden- beschaffenheit, indess zeigt sie örtlich grosse Gegensätze, und ihre Verbindung mit eigenthümlichen Terrainbildungen bewirkt, dass die Provinz neben sehr vozüglichen und reichen Gegenden, zugleich die unzweifelhaft unfruchtbarsten und ärmsten Theile des Staatsgebietes umfasst. A. In Ostpreussen vereinigen sich in den auf der Höhe des preussischen Landrückens belegenen Kreisen, welche ungefähr mit Masuren zusammen fallen, Klima und Terrain zu vorzugsweiser Ungunst. Der Anbau ist hauptsächlich auf weite, schroff zerschnittene, allem Unbill der Witterung offen liegende Hochebenen, oder auf Thalgründe ange- wiesen, die in der Nachbarschaft von Seen und Brüchen der Nässe ausgesetzt, und durch Wiesen und Wasserzüge in unregelmässige Parzellen zertheilt sind. Dabei sind die Ortschaften überwiegend im Thal angelegt, die Felder aber ziehen sich die steil abfallenden Abhänge hinauf und dehnen sich wegen der Einschränkung durch die zahl- reichen Seegewässer bis zu sehr weiten Entfernungen aus. Die grösseren Güter stützen hier ihren Betrieb in der Regel auf starke Schafzucht. Sie betreiben dabei eine verschieden gestaltete Schlagwirthschaft, in der Roggen, Erbsen, Hafer, Buchweizen und Kartoffeln wechseln und, wo es der Boden zulässt, einjähriger Klee oder auch Futterrüben und Möhren gebaut werden. Die Winterung ist indess von der Kälte gefährdet, die Sommerung schiesst zwar üppig in die Halme, hat aber meist zu wenig Zeit zur guten Ausbildung der Körner. Weizen kann nur sehr wenig, Gerste fast gar nicht gebaut werden. Am meisten Nutzen geben graue, weisse und rothe Erbsen, welche auch Gegenstand der Ausfuhr sind. Weniger vortheilhaft zeigt sich schon Buchweizen, und Kartoffeln bleiben auf den Hausbedarf und die Brennerei- güter beschränkt. Dem Klee werden meist nur halbe Felder eingeräumt; er ist selbst einjährig nur auf besonders tiefen und warmen Aeckern hinreichend sicher. Die Rustikalen führen in der Regel die hergebrachte Dreifelderwirthschaft fort und lassen dabei von ihrem grossen, meist 2 bis 4 Kulmische Hufen betragenden Besitze beträchtliche Flächen geringeres Land 3 oder 6 Jahre nach der Sommerung ruhen. Manche aber bebauen überhaupt nur eine mässige, in der Nähe ihrer Gehöfte belegene Fläche, die sie im Dünger halten, unausgesetzt mit Winterung und Sommerung. Bessere Wirthschaften haben in die drei Felder einen vierten Schlag mit Klee eingelegt. In Allenstein, Ortelsburg, Mohrungen und Rössel ziehen die Rustikalen beson- ders viel Lein, theils zu Bast, theils zu Samen. Er wird meist im Lande selbst zu Hausleinen verarbeitet und als solches an Händler für Königsberg und Warschau ab- gesetzt. Auch wird Hirse und Buchweizen zu Grütze vermahlen und von den Bauern nach Königsberg verfahren. Ein besonderes Produkt des Kreises Ortelsburg sind die als Passenheimer bekannten sehr wohlschmeckenden weissen Rüben. — Auf den Abstufungen des ostpreussischen Höhenlandes zur See durch das XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 155 gesammte Litthauen sind im Gegensatz zu Masuren der mehrjährige Klee und die Feld- graswirthschaft auf allen irgend geeigneten Böden allgemein. In der Regel wird nach Brache die Winterung in frischen Dünger gesäet, dann folgen Klee, 2—3 jährige Dreesch und Weide und auf diese Kartoffeln und Sommergetreide. Andere Wirthschaften nehmen Hackfrüchte und Sommerung unmittelbar nach Wintergetreide und lassen dann Klee und Weide folgen. Als Sommerung ist auf den milderen Böden Gerste sehr ver- breitet. Die sandigen Höhen am Abhange des kurischen Plateaus können dagegen auch in den besseren Lagen weder Klee, noch selbst Lupinen mit Nutzen bauen. Ersterer ist zu unsicher und letztere reifen nicht. Es wird desshalb viel Buchweizen selbst zur Gründüngung gesäet, auch werden den Futterrüben, namentlich im Bruchland, besonders aber den Kartoffeln grosse Flächen eingeräumt. In ganz Litthauen wird der Leinbau, sowohl auf Bast als besonders auch auf Samen stark betrieben und liefert als Rohprodukt und verarbeitet als Hausleinen erheb- liche Ausfuhr. Bei Tilsit und Ragnit besteht etwas Tabaksbau. In den südlich des Pregels belegenen Theilen Ostpreussens, in Natangen und Ermland, findet sich, wo nicht vorzüglich reiche Wiesen vorhanden sind, in allen Frucht- folgen Klee in Mähe- und Weideschlägen, der meist mit Timotheegras gemischt wird. Sein Anbau hat in den Mergelmassen, die sich, wie gezeigt, in grosser Verbreitung unter den Lehmböden finden, eine besondere Stütze. Neben ihm sind auch Futterrüben beliebt. Als Winterung herrscht überall Weizen vor; Hauptsommerung auf den tieferen Böden ist Gerste. Auch der Bau des Rübsen gewinnt grössere Ausdehnung. Auf den kräftigen sehr kultivirten Böden, wie im Königsberger Kreise, wird Rübsen als Vor- frucht vor Weizen gebraucht, um das starke Lagern des Weizens abzuwenden. Im allgemeinen aber ist man jeder Vorfrucht und selbst der Johannisbrache abgeneigt, weil man davon weniger Vortheil erwartet, als sich Ausfall an der Winterung bemerk- bar macht. Lein wird als Handelsfrucht, vorzugsweise um Mehlsack, in den Kreisen Preussisch-Holland uud Braunsberg gezogen; zum Bedarf aber wird er in allen Kreisen gebaut. Sehr verbreitet ist auch der Anbau von Weisskohl für den nach Landes- gewohnheit überall starken Küchenverbrauch. — Die ostpreussischen Niederungen am Niemen und Pregel sind, obwohl geringer als die westpreussischen, in ihren allerdings auf ein Viertheil des Bodens beschränkten anbau- fähigen Flächen doch dem höhern Lande nicht unbeträchtlich an Fruchtbarkeit überlegen. Die höheren Theile der Memelniederung macht die grosse Feuchtigkeit der Luft zum Futterbau ganz besonders geeignet. In ihrer üblichen Fruchtfolge wird zur Som- merung gedüngt, darauf Roggen mit Klee gesät, und dann bleibt der Schlag 2 Jahre zu Mäheklee und 2 bis 3 Jahre zu Weide liegen. Weizen baut man meist in Dünger. In die umgebrochenen Weideschläge wird häufig auch sogenannte Dreeschgerste gesät, deren Bestellung im Frühjahr zuerst beginnt, und die in der Regel mit dem Winter- getreide gleichzeitig reif wird. Auf sie folgt dann Roggen und wieder gedüngte Som- merung. Die Futterschläge sind sehr ergiebig und werden zum Theil als Fettweiden ausgenutzt. Die tiefere, schon im Stau des Haffes liegende Niederung ist durch die Nässe und den leichten Charakter ihrer Böden in der Wirthschaftsweise sehr beschränkt. Sie kann nur ausnahmsweise Weizen bauen. Meist besteht in ihr eine Zweifelder- wirthschaft, in welcher ohne Brache auf zweiführige gedüngte Sommerung einführige Winterung, dann wieder die gleiche Sommerung und dieselbe Winterung unausgesetzt 156 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. folgen. Auch finden sich inmitten der tiefgelegenen Wiesenländereien einzelne zusam- mengeschwemmte, ziemlich wasserfreie sandige Höhen, welche jährlich ausserordentlich stark gedüngt ohne jeden Wechsel Roggen von gutem Erdrusch tragen und desshalb Kornberge genannt werden. Wo wegen des tiefen Niveaus nur Sommergetreide gesät werden kann, wechseln ohne bestimmte Rotation Lein, Kartoffeln, Gerste, Hafer und durch Timotheesaat oder auch ohne Ansamung erzielte Wiese. Mit grosser Sorgfalt betreiben die Bewohner der Ortschaften am Haff, wo Ge- treide nicht gedeihen kann, gewerbsweise den Gemüse-, vornehmlich den Zwiebelbau. Die Erträge desselben führen sie za Wasser und zu Lande mit der Ausbeute des Fischfanges, mit Stinten, Kaulbarsen, Thran u. a. m. bis in grosse Entfernungen, selbst bis nach Polen zu Markt, und verschaffen sich durch Tausch und Verkauf solcher Ladungen das erforderliche Brotgetreide, die Kartoffeln zum Bedarf des Jahres und das nothwendige Material an Hanf und Flachs für ihre kostspieligen Netze. Des eigenthümlichen Anbaues von Kartoffeln und Gemüse an den Kanälen des Moosbruches ist oben Bd. I. S. 218 bereits Erwähnung geschehen. Auch die Niederungen an der Deime und am Pregel bauen Gemüse oder treiben eine mehr oder weniger regelmässige Feldgraswirthschaft mit mehrjährigen Mäh- nud Weideschlägen. Der beste Theil der ostpreussischen Niederungen ist die nicht sehr ausgedehnte aber überaus fruchtbare Huntan am Frisching (Bd. I. S. 219), welche wegen ihres äusserst milden und warmen Bodens unter die wenigen Striche der Provinz gehört, die durchgehends keine reine Brache halten. — B. Westpreussen erstreckt sich von den Grenzen Ostpreussens so weit nach Westen, dass den Hauptabschnitten nach die klimatischen Unterschiede dem Betriebe sehr be- merkbar werden. Auf dem linken Weichselufer wird von den Besitzern der grösseren Güter das Halten reiner Brache noch allgemein als ein nothwendiges Bedürfniss erachtet. Die Rustikalen führen zwar fast ohne Ausnahme die Dreifelderwirthschaft mit ganz oder zum grösseren Theile besömmerter Brache, indess zeigt sich selbst in den Kreisen, die, wie Graudenz, ein günstigeres Wiesenverhältniss besitzen, dass sie im Dünger sehr zurückbleiben und nur diejenigen Wirthe Fortschritte in Kultur und Wohlhabenheit machen, welche dem Futterbau und den reinen Weidebrachen mehr Stelle einräumen. Die Hauptfläche der Abdachung vom preussischen Landrücken zur Weichsel ist durch den reichen Kalkgehalt des Bodens ganz besonders zu Klee geeignet, und alle Frucht- folgen der grösseren Güter haben mehrere Schläge rothen Klee, auf leichteren Böden wenigstens weissen Klee mit Timotheegras aufgenommen. Man darf annehmen, dass 2%; und mehr des Ackergrundes mit Mähe-, Weideklee und Brache, 's bis % mit Winterung und nur der Rest mit Sommerung, Gerste, Erbsen und Hafer, bestellt wird. Der Oelfrucht werden etwa 2. bis 3Y. Prozent der Fläche eingeräumt. Kartoffeln und Hackfrüchte sind wegen der grossen Arbeitskosten beschränkt. In der Winterung überwiegt Weizen. Roggen wird auf den bündigeren Böden nur in 4—5 Tracht, wo Weizen nicht mehr gedeiht, gebaut. Ausgedüngt werden die Böden nur im sechsten, höchstens im fünften Jahre. Es wird aber viel Moder und Gyps verwendet, und in aus- gedehnter Weise gemergelt, obwohl man die Nützlichkeit des Mergelns auf den bün- digen, meist erheblich kalkhaltigen Böden anscheinend mit Recht bezweifelt. Im Kul- mer und Thorner Kreise breitet sich die Sommerstallfütterung des Rindviehes mehr und mehr aus, bei der man neben Kartoffeln und Rüben und trockenem Klee oder Luzerne XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 457 auch etwa '% Centner auf den Morgen der Fläche Oelkuchen zu reichen pflegt. Sie hat namentlich in Thorn den Düngungszustand in einem Jahrzehnt sehr fühlbar gehoben. Die westpreussischen Niederungen gehören sämmtlich dem Weichselthal an und sind, wie Bd. I. $. 220 gezeigt ist, durch den vorzüglichen Schlick, den der Strom mit sich führt, in hohem Grade begünstigt. In dem tiefen Weichseldelta lässt sich eine Linie von Jankendorf in der Nähe von Rothebude (Bd.I. S. ıro) über Pietzkendorf nach Tiegenhof und zur Einlage ziehen, jenseits welcher nach dem Haff zu allgemein Wiesenwechselwirthschaft in der Weise getrieben wird, dass ', des Areals zu Sommerung, Y; zu Heu und Y; zu Weide mit zwei oder dreijähriger Aufeinanderfolge jeder Kulturart bestimmt bleibt, und nur an wenigen trockeneren Stellen etwas Winterung zum Bedarf eingeschaltet wird. Die- selbe Wiesenwirthschaft wird auch innerhalb des Marienburger Werders vom Drausensee westlich bis Brodsende an der Sorge, Markushof und Thienshof an der Thiene ge- trieben. Die Sommerung ist überwiegend Hafer. Die höhere Niederung*) übt in der Regel schwarze Brache, welche im Herbst beginnt, während des nächstfolgenden Jahres durchgeführt und gedüngt wird, und erst im zweiten Jahre eine Frucht, und zwar gemeinhin Gerste erhält. Dann folgt Winterung, meist Weizen, darauf Klee, dann wieder Winterung, und endlich Hafer, oder das fünfte Feld wird in Winterung und Hafer getheilt. Mehr und mehr aber hat sich ein- geführt, den Gerstenschlag im vorhergehenden Herbst zum Theil mit Oelfrucht zu be- stellen; im oberen Werder geschieht dies bis zu 's, im unteren Werder, wo die Frische des Bodens und die Graswüchsigkeit und Neigung zum Verquecken grösser wird, obne Gefahr nur zu Y;. Im mittlen und unteren Werder werden auch Hülsen- früchte, namentlich Pferdebohnen, eingeschoben. Die Brache zu Gerste wird vorzugs- weise gut geackert und erhält häufig 5 Pflug- und 5 Haken-, ja nicht selten zusammen 14 Furchen. Zu Roggen wird 2mal gepflügt und 2mal mit dem Haken gefahren. Hafer wird gern in die festeren Böden der neugebrochenen Wiesen genommen, und erhält auf geackertem Lande nur eine Furche. Bohnen und Oelfrucht werden vor- herrschend gedrillt. Die Düngung erfolgt allgemein nur zur Brache mit etwa ı2 vier- spännigen Fudern auf den preussischen Morgen, und ihre Ausfuhr beginnt nach altem Werderbrauche nicht vor erfolgtem Eisgange. Die vollständige Durchdüngung findet nur unter günstigeren Verhältnissen alle 5 Jahre statt. Man pflegt auch wohl Bohnen als Gründüngung unterzupflügen. Die Stuhmer Niederung folgt noch ganz und gar der Wirthschaft des höheren Werders. In den Niederungen des eigentlichen Stromthales von Montau aufwärts besteht wegen der Ueberschwemmungen eine völlig freie Wirthschaft. Die Güter sind klein, oft stark parzellirt, Wiese und Weide erlauben einen sehr grossen, kräftig genährten Viehstand, und der an sich humose Boden ist in alter Kultur. Es wird desshalb viel Oelfrucht, in der Marienwerderschen Niederung erheblich Tabak, im allgemeinen aber Sommerung, besonders Gerste und Hafer, oft in drei Körnersaaten hintereinander gebaut, und dann als Wechsel zwei- oder dreijähriger Klee. Winterung kommt nur auf den höchsten, fast wasserfreien Stellen vor. Der Graswüchsigkeit des Bodens wegen muss eine sehr energische Bearbeitung durchgeführt werden. Es wird zur Gerste gestürzt, dreimal mit dem sogenannten Karrhaken gehakt, zur Saat gepflügt, und zwei- bis *) Die Provinz Preussen, Festgabe 1863, 8. 235. 158 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. dreimal doppelt geeggt und gewalzt. Zu Raps, Rübsen und Kartoffeln wird vierfuhrig, zu Hirse sogar fünffuhrig bestellt. Strichweise, namentlich in der Ostrometzkoer und Thorner Niederung, finden sich aber auch leichte Moor- und Sandböden, welche zum Theil in geringer Kultur sind. — : Die hohen Lagen Westpreussens links der Weichsel auf dem pommerischen Land- rücken sind weder so ausgedehnt, wie die Ostpreussens, noch klimatisch in gleichem Grade benachtheiligt. Sie erheben sich von den Werdern aus ziemlich schroff zu ihrer vollen Höhe, besitzen indess auf diesen Abhängen von der Dirschauer Gegend an bis auf die höchsten Lagen um Berent und Karthaus theils grössere, theils wenigstens untermischte Flächen hinreichend guten, selbst vorzüglichen Lehm- und Mergelbodens, so dass hier der beste Theil dieses Abschnittes liest. Um Dirschau besteht sehr inten- sive Fruchtwechselwirthschaft mit Mähe- und Weidekleeschlägen und Stallfütterung; aber auch auf den hohen und rauhen Rücken um Stargard und Karthaus führen die grösseren Güter eine Schlagwirthschaft, in die neben reiner Brache womöglich mehr- jähriger Klee bis zu einem Dritttheil der Fläche aufgenommen ist. Ist klimatische Lage und Boden zu unsicher, so wird der Klee auf ein Jahr mit folgender Weide beschränkt. Wo Brennereien bestehen und auf den leichteren Böden sind Kartoffeln bis zu einem Sechstheil des Areals üblich; auch Erdrüben werden als Futterfrucht gebaut, und Lu- pinen haben sich auf Sand bewährt. Die Rustikalgüter, die in ziemlich gutem Zustande sind, haben meist die Dreifelderwirthschaft fortgesetzt und halten theils reine, theils mit Klee oder Erbsen theilweis besömmerte Brache. Flachs gedeiht nur mittelmässig. Als Düngung ist Gyps sehr allgemein, auch Mergel und Moder. Die Rustikalen benutzen in den Sandgegenden Waldstreu und Plaggen. Stallfütterung für anderes Vieh, als Pferde, besteht hier nirgend. — Die breiten Stufen von Berent nach Süden und Südwesten stehen dagegen in ihrer Bodenbeschaffenheit durchsöhnittlich noch hinter Masuren zurück. Auch abgesehen von den weiten Heiden und Mooren dieser Abdachung ist der Ackerboden meist so leichter und lettiger Sand, dass Klee nur sehr ausnahmsweise fortkommt. Die Rusti- kalen vermögen in diesen Strichen ihr Land nirgends völlig unter dem Pfluge zu halten, und es liegen auf allen grösseren Gütern bedeutende Aussenschläge als drei-, sechs- und selbst neunjähriges Roggenland. In der Kassubei (Bd.I. S. 224) bestellen die Bauern in der Regel nicht den zehnten Theil ihrer oft 1500 Morgen grossen Güter. Ueberall fehlt hier Zugvieh. Manche Dörfer besitzen kein Pferd. Grosser Vieh- stand ist wegen Mangels an Winterfutter unmöglich; im Sommer aber nutzen die weni- gen durehwinterten Viehstücke die Weiden nicht genügend aus. Kartoffeln und Roggen sind die einzigen Früchte. Hafer wird nur auf den besseren Böden gebaut und muss wegen der Nachtfröste sehr spät gesät werden. Lupinen sind, wie im grössten Theile der Provinz, fast ganz ausgeschlossen, weil sie nur auf warmem Sandboden genügend zeitig untergebracht werden können, die Reife bleibt so mangelhaft, dass der Same nie- mals gedeckt wird. — Weiter südwestlich im Netzegebiete erst nähern sich die wirthschaftlichen Bedin- gungen mehr denen der Neumark. Deutsch-Krone kennt die Schlagwirthschaft mit Klee- und Futterbau schon seit 1820, in Flatow hat sie ungefähr seit 1845 Eingang gefunden. Die Kleeschläge sind indess nur selten mehrjährig. Allgemein wird auf den besseren Böden zu Hackfrüchten gedüngt, dann folgt Gerste mit Klee oder Erbsen, dann Winterung. Die Rotationen sind vielschlägig mit ziemlich starkem Brachverhältnisse XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 159 die Düngung erfolgt alle 5 oder 6 Jahre, und zwar nicht zu Weizen, weil er lagert. Hier und da wird der Weizen desshalb im Frühjahr durch Schweine abgehütet. Auf den besseren Böden schreitet auch die Wirthschaft der Rustikalen fort. Von dem landwirthschaftlichen Vereine für Westpreussen ist ein besonderer Wander-Instruktor angestellt, durch welchen allein im Jahre 1864 90 bäuerliche Wirthschaften mit 5004 Morgen Fläche aus dem Dreifelder- in das Fruchtwechselsystem übergeführt worden sind. Bei weitem der grössere Theil aller Ackergründe ist indess auch hier so leich- ter Sandboden, dass vielfach ausgedehnte Aussenschläge als drei-, sechs- und neun- jähriges Roggenland liegen bleiben müssen. In diesen Sandböden wird überall, wo sich Mergel erreichen lässt, stark gemergelt. Stallfütterung findet sich nur auf den besten Böden, namentlich in Deutsch-Krone, immer aber mit der Massgabe, dass die Weidekleeschläge, sowie die Stoppeln und die Brachschläge bis zur Beackerung mit Rindvieh und Schafen behütet werden. — Die Bruttoerträge der Hauptfrüchte sind selbstverständlich in allen Theilen der Provinz in hohem Grade schwankend, und Angaben darüber können nur durch Bezie- hung auf bestimmte Oertlichkeiten, deren Bodenbeschaffenheit und Kultur bekannt ist, thatsächlichen Werth gewinnen. Die nur allgemeinen Zahlen der Kreisbeschreibungen besagen den einzelnen Hauptabschnitten des Terrains nach Folgendes: Bruttoertrag Weizen | Roggen | Gerste Hafer Erbsen |Kartoffeln| Klee auf den Morgen | gcneftel Scheffel Scheflel Scheffel Scheffel Scheffel Centner I. Höhe. Östpreussen . . 3—ıo| 3—-—ıo| a —z | 3—ı2| 3—ı0o | 20—70 | 10— 25 Westpreussen . A—ıX ı—-ııl 4 —z| 3—15 _ 16—60 | 4— 20 II. Terrassen- land. Ostpreussen ..| 3—ı12 2a—ı2| 3—13 | 3—18| 3—9 |s5—g| 5—25 Westpreussen .| 3— 14 | 2— 14 | 4—z0| 3—20 | 2—ı0 | 20—$80 | 5— 30 III. Niederung. 1 Ostpreussen..| 4—ı2 3—ıo| 3—ı8 | 3—15 _ 30—bo | 6— 20 Westpreussen .| 6—ı8 | 3—ı18 | 5—24 | 5—25 | 4—ı5 | 2180 | 5—24 Erfahrungsmässig ist der Körnerertrag in Ostpreussen verhältnissmässig schwach, Jahrgänge mit günstiger Witterung geben reiches und gut ausgebildetes Getreide. Sie treten aber im Durchschnitt sehr selten ein, meist macht sich irgend eine der verschie- denen Gefahren des Klimas geltend. Ein sprechender Beweis, wie wenig gut das Ge- treide schüttet, ist die schon angeführte Sitte, als Drescherlohn in der Regel den ıo. Scheffel abzugeben, während schon links der Weichsel nieht leicht mehr als der 15. und in weiterer Entfernung meist nur der 16. und 17. und noch weniger als Hebe bewilligt werden. Noch südlich des Pregels wird nur ausnahmsweise in den guten Kreisen Rastenburg und Gerdauen der ır. Scheffel, in Braunsberg dagegen sogar der 9. beim Drusch mit dem Flegel abgegeben. Auch in Deutsch-Krone ist übrigens der Weizen von geringer Qualität, und in Konitz und Schlochau fehlt oft das nöthigste Brotgetreide. Dagegen ist der westpreussische Weizen von der rechten Seite der 160 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Weichsel geschätzt, namentlich der von Graudenz. Die sorgsameren Wirthe benutzen hier Sendomirer Saat, und das Produkt zeichnet sich durch Schwere, feine Schale und Farbe so vortheilhaft aus, dass es dem guten polnischen Weizen in Danzig gleichge- stellt wird. — Die geschätzten Reinerträge der Ackerböden giebt die Tabelle A. für die ein- zelnen Kreise an, und die Tabelle E. hat die Fläche und das Prozentverhältniss jeder Reinertragsstufe, die in der Provinz vorgefunden worden ist, zusammengestellt. Sucht man aus diesen Grundlagen die Schätzungsresultate, wie sie sich für die vorstehend innerhalb der Provinz gemachten Hauptterrainabschnitte ergeben haben, auf, so lassen sich dieselben in folgender Uebersicht zusammenstellen: Durchschnitt- Durchschnitt- . [Unter je 1000 Morgen licher Reinertrag licher Die Gesammtfläche vom Morgen Ackerreinertrag | beste |befinden sich Morgen hältnisse in den einzelnen [Acker- | Acker, die geschätzt dd frucht- Klassifikations- klasse sind Extreme Distrikte tragen- | Acker distrikten ist ge-| g Be r IN der edge sch- hä A über | über ckerlandes a niedrig-| höc schätzt| un 3bis6l 6 Fläche aer ster dar- 2 Ser. Ser. Ser. unter | Thlr. | Thlr. Reinertragsver- Staat | 45 11 : ; 48 . Neidenburg.Ortelsburg, en Johannnisburg. I. Höhe. b. Osterode, Sensburg. . Lautenbur; r. Strass- Östpreussen .. burg). 5(K Westpreussen . ! ’ . Konitz. zusammen II. Terrassen- e. Gumbinnen,Angerburg. land. ! . Königsberg (Landkr.), Rastenburg. Östpreussen . . ; 2 . Neustadt. Westpreussen . 2 2 2 . Kulm, Stuhm. zusammen ji. Labiau, Niederung. III. Niederungen . Tilsit, Niederung. . gen. { : . Kulm, nicht einge- deichte Niederung. Pepe ne . Kleiner Werder (Kreis Westpreussen . h E Marienburg). zusammen Prov. Preussen 108 | 165 | 72 Die durchschnittliche Reinertragsschätzung der Anbauflächen erreicht also in der Provinz Preussen nur 25,3 Sgr., während die des Staates 45, ist. Innerhalb der Pro- vinz aber sinkt die gesammte Höhe bis zu 13,9 durehschnittlichen Reinertrags herab, ein ganzer Schätzungsdistrikt steht im Acker auf einem Durchschnitt von 8 Sgr., keiner aber steigt über ı8 Sgr. Der beste Acker ist nur zu go Sgr. geschätzt und unter 1 000 Morgen Acker findet sich auf dem preussischen wie dem pommerischen Land- rücken nur ı, der über 3 Thlr. geschätzt ist, dagegen 160, die unter 6 Sgr. zu ver- anlagen waren. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 461 Das Terrassenland steht mit 28 dem Durchschnitt der Provinz näher, seine Kreise schwanken zwischen 18 und 44 Sgr.; der beste Acker erreicht 165 Sgr. und auf 1000 Morgen Gesammtfläche ist zwar nur je einer, der über 3 Thlr. geschätzt ist, aber auch nicht mehr als 28, welche nur 6 Sgr. erreichen. Indess zeigt sich dabei Westpreussen gegen Östprevssen erheblich im Nachtheil, während es in den Niederun- gen vorzugsweise begünstigt ist. Die Anbaufläche dieser Niederungen ergiebt zusammen einen Ertragsdurchschnitt von 71,0. Sgr.; der beste Klassifikationsdistrikt erhebt sich im Acker zu 108 Sgr.; keiner sinkt unter 31 Sgr. Durchschnitt; der beste Acker ist 165 Sgr. geschätzt, und unter 1 000 Morgen der Gesammtfläche befinden sich nur 2, die 6 Sgr. und darunter, dagegen 82, welche 3 Thlr. und darüber geschätzt sind. — Eingehendere Darstellungen des Ackerbaues und des Wirthschaftsbetriebes in der Provinz Preussen finden sich ausser in den amtlichen Kreisstatistiken in folgenden Schriften und Abhandlungen: A. v. Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den Provinzen Ost- und Westpreussen. Königsberg 1839. K. J. Gebauer: Kunde des Samlandes oder Geschichte und statistisch -topographi- sches Bild der ostpreussischen Landschaft Samland. Königsberg 1844. A. v. Lengerke: Die Provinz Preussen in landwirthschaftlicher Beziehung. Berlin 1852. Band 4 der Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft. F. W. Schubert: Statistische Darstellung der fortschreitenden Entwickelung der Land- wirthschaft und des auswärtigen Handelsverkehrs in der Provinz Preussen in den letzten ıo Jahren. Archiv für Landeskunde Bd. IV. 1856, 8. 247. Die Provinz Preussen, Festgabe für die XXIV. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe. Königsberg 1863. Namentlich die Abschnitte: Uebersicht der land- wirthschaftlichen Entwickelung der Provinz von A. Richter auf Schreitlacken; der Acker- und Wiesenbau der Provinz von Conrad auf Maulen; und die Skizze vom Weichseldelta von Oberamtmann Schwieger. H. Oelrichs: Ueber die Entwickelung der landwirthschaftlichen Verhältnisse in West- preussen seit der Besitznahme durch Friedrich den Grossen. Zeitschrift des statistischen Büreaus, Jahrgang VII. 1868, Nr. 7—J9. Die Annalen der Landwirthschaft enthalten: Notizen über die Wirthschaft und insbesondere die Ackerwerkzeuge des Gutsbesitzers Alsen zu Dreweshof bei Elbing. (Bd. 6 S. 14). — Die landwirthschaftlichen Zustände im Graudenzer Kreise 1843. (Bd. 8 S. 49). — Bemerkungen über eine Reise durch Litthauen, Masuren etc. im Jahre 1846. [Mentzel.] (Bd. 9 S. 316). — Bericht über die Bereisung der Provinz Preussen. [Lette.] (Bd. ro $. r). — Ueber die landwirthschaftlichen Verhältnisse und Zustände im Kreise Memel. (Bd. ıı $. 396). — Bericht über eine agronomisch- technologische Reise in die Provinzen Posen, Preussen und Pommern, (Ebd. S. 1). — Die landwirthschaftlichen Verhältnisse des Labiauer Kreises. (Bd. ı3 $. 113). — Landwirthschaftliche Nachrichten über einige Güter in der Gegend von Kulm an der Weichsel. (Bd. 20 $. 161). — Reisebericht über Ostpreussen. [Gr. Itzenplitz.] (Bd. 32 S. 321). — Landwirthschaftliche Skizzen aus dem Regierungsbezirk Danzig. [Dullo]. (Bd. 39 S. 85). — Desgl. Regierungsbezirk Marienwerder. (Bd. 40 8. 44). — Desgl. aus Masuren (Ebd. S. 248). Boden d. preuss. Staates. I. 11 162 XXL Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 2. Provinz Pommern. Nach der im Abschnitt IX. (Bd. I. 8. 229) gegebenen Bodenbeschreibung dürfen in der Provinz Pommern die Regierungsbezirke, wie für das Terrain, so auch für die Eigenthümliehkeiten des Anbaues als charakteristische Hauptabschnitte gelten. Nach dem Verhältniss der Anbaufläche unterscheiden sie sich folgendermassen: Fruchttragende Fläche Acker Ge- — Verhältniss sammt- Verhält-| Verhältnis Verhält- der fläche in niss zur Inden einzelnen | pj;che |niss zur Extreme Ger Klassifikations- Ge- Dr, e Er Distrikte Anbauflächen Da il UMei- | .ammt- | _ distrikten an samnt- eil. s 1 len fläche | niedrig-| höch- Morgen fläche a) 2 stes stes pCt. Staat | 4973, | 2640, | 53 | | 913 | 55146079 | 514] A. Köslin......| 2550| 134,6 | 52,8 |43,1a.| 64,4 0.|2 859 663 | 52,0 | a. Bütow. b. Schievelbein. B. Stettin......| 2187| 122,0 | 55,8 | 23,5 c.| 73,1d.|2 573 073 |, 54,5 | © "Uckermünde. d. Pyritz. G#Stralsuna er 73,2 48,4 | 66,1 61,6 e.| 70,0 £.| 1 020 129 64,6 | e- Fransburg. f. Rügen. Provinz Pommern | 546,9 | 305,0 | 55,8 | 23,5 | 73,x [6452 868 | 547 l Die Provinz besitzt also im allgemeinen einen sehr bedeutenden Umfang des dem Ackerbau gewidmeten Landes; selbst Köslin steht dem Durchschnitt des Staates gleich, Stralsund übersteigt denselben sehr beträchtlich. Die einzelnen Kreise weichen in dem Bezirke von Stralsund, wie indem von Köslin wenig untereinander ab. Dagegen be- stehen im Regierungsbezirk Stettin durch den Einfluss der Dünen und Bruchflächen, die das Haff umgeben, so grosse Differenzen, dass in Pyritz von ı ooo Morgen Ge- sammtfläche 731, in Uckermünde dagegen nur 235 als fruchttragende Fläche zu be- rechnen sind. — A. Im Regierungsbezirk Köslin ist die Höhe des pommerischen Landrückens klima- tisch so wesentlich benachtheiligt, dass auch der an sich günstigere Boden nur gering aus- genutzt werden kann. Weizen und Gerste gedeihen in dieser Region nur auf besonders guten, geschützten Stellen und decken in keinem der Höhenkreise den Bedarf. Auch Erbsen sind überall gefährdet; die Bewirthschaftung stützt sich auf Roggen, Hafer, Kartoffeln und mehrjährige Futterschläge. Indess ist rother und selbst weisser Klee meist nicht sicher und leidet oft starke Ausfälle. Die Lupine gedeiht zwar und hat sich seit etwa 1857 sehr verbreitet, indess kommt sie nur in guten Sommern zur Reife, und die Schwierigkeit der Samenbeschaffung giebt mehr und mehr dem Buchweizen das Uebergewicht. Serradella hat sich seit 1861 eingeführt. Der Bau von Oelfrüchten ist eine Zeit lang, namentlich von fremden Wirthen, versucht, aber nach und nach fast gänzlich eingestellt worden. Auch Zuckerrüben werden nur in Gramenz dauernd ge- baut, dagegen sind die landesüblichen Wrucken (Kohlrüben oder Steckrüben, Brassica oleracea napobrassica) auf grossen und kleinen Gütern allgemein, und in ganz Hinter- *) Ohne Einrechnung der grossen Strandgewässer. Bd.TI. S. 123. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 163 pommern eine besonders beliebte, dem Boden zusagende und ergiebige Feldfrucht. Sie werden am häufigsten nach Lein gepflanzt, der zeitig das Feld räumt. Lein und Wrucken sind in der kalten Region des Landrückens die einzige Folge, in der man auf demselben Grunde zwei Ernten im Laufe des Sommers gewinnen kann. Das Land wird für die Wrucken, nachdem der Lein abgebracht, frisch gegraben, und sofort be- pflanzt. Die beste Pflanzzeit fällt 14 Tage vor bis ı4 Tage nach Johannis. Die Pflanzen stehen ı bis ı'/, Fuss von einander, so dass auf einen Morgen 150— 200 Schock kommen. Das Aufnehmen folgt der Kartoffelernte, nachdem gewöhnlich das Weidevieh den Kohl schon ab- und die Rüben angefressen hat. Man beeilt sich nicht mit der Einheimsung, da nach der herrschenden Meinung der Frost die Rübe noch wohl- schmeckender macht, und geht desshalb auch mit der Aufbewahrung nicht besonders sorgsam zu Werke. Sie werden in Erdkellern, oft aber auch nur in Ställen oder Vor- rathsorten zu Haufen aufgeschüttet. Die Erträge auf der Höhe sind sehr verschieden von 5o bis r5so Scheffel vom Morgen“). Ihr Anbau erreicht nur desshalb nicht weit grössere Ausdehnung, weil sie ohne Stalldünger den gehegten Erwartungen nicht ent- sprechen, und dieser nicht leicht übrig ist. Die Fruchtfolgen der Höhe sind in der Regel für die örtlichen Verhältnisse nicht schonend genug, und trotz der günstigen Graswüchsigkeit tritt der Mangel an Dünger allgemein hervor. Die Rustikalen, die zum Theil sehr grosse Ackerflächen besitzen, haben in einigen Strichen, besonders um Neu-Stettin, die Dreifelderwirthschaft mit be- sömmerter Brache beibehalten, meist aber schieben sie vor der Brache einen Kleeschlag ein, oder bauen den Winterroggen abtragend nach gedüngten Kartoffeln, Sommerung und Klee. Ihr Düngungszustand ist sehr dürftig. Die grossen Güter haben etwa seit 1845 die Dreifelderwirthschaft in Schlagwirth- schaften umgestaltet, welche '. bis % der Fläche zu Frucht, den Rest zu Weide und Brache widmen. Sie halten bei 6, 7 und mehr Schlägen entweder Brache und düngen zu Winterung, der sie Kartoffeln und Erbsen, dann Sommerung und Mähe- und Weide- klee folgen lassen; oder sie düngen zu Kartoffeln, denen Sommerung, mehrjähriger Klee und dann abtragender Roggen folgt, auch wechseln beide lolgen hintereinander. Daneben bestehen meist Aussenschläge, in denen Kartoffeln, Lupine und Roagen bei mehrjähriger Dreesch und Brache gebaut werden. Höherer als sechsjähriger Dünzungs- zustand ist selten, Dagegen wird, wie Bd. Il. S. 60 erwähnt, viel für Drainage gethan. — Die mittlen Stufen der Abdachung zur See sind, wie Bd. I. $. 230 gezeigt ist, trocken und ziemlich mager. Der rothe Klee hat desshalb auf ihnen keinen genügend günstigen Stand und wird mit weissem Klee vertauscht, dem man Timotheegras bei- zumengen pflegt. Dies steht zwar unvortheilhaft als Vorfrucht vor Roggen, ersetzt aber den Ausfall im Spätsommer, wenn der Klee nachlässt, in der Weide hinreichend und ist desshalb sehr geschätzt. Auch Raygras, Schafschwingel und Künmel wird ange- wendet. Dem sorgsamen Futterbau und dem verhältnissmässig warmen Boden verdanken diese Lagen ihre ergiebigen und ziemlich gleichmässigen Roggenernten. Der Betrieb der grossen Güter stützt sich meist auf starke Schafzucht und sucht den Düngungszustand möglichst zu verbessern. Pferdedünger aus Stolp wird für Monat und Pferd mit zo Sgr. bis ı T'hlr. bezahlt. Mit ersichtlichem Nutzen wird gemergelt. *) v. Lengerke, Beiträge Bd. III. Abth. I. S. ı17 (Berlin 1849). 164 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Die besonders kalkhaltigen Mergel von Wutzkow, Glatz, Lekow u. a. O. werden weit- hin verfahren. Auf guten Roggenböden lässt man bei reichem Dünger 1. gedüngte Brache, 2. Roggen, 3. Hafer, 4. gedüngte Hackfrucht, 5. Gerste, 6. u. 7. Weideklee; bei weniger Dünger nach der Winterung Kartoffeln, dann Hafer, Lupinen und Kleeweide in 6 bis 7jährigem Turnus folgen. Auf geringem Boden wird statt Gerste Hafer, Sommerroggen oder Buchweizen, statt Klee Gras gesät. Grössere Aussenschläge tragen ohne Dünger nach 3—7Jjähriger Ruhe 1. Roggen, 2. Hafer, oder 1. Winter-, 2. Sommerroggen. An Gerste kann nur die kleine mit angemessenem Erfolge gebaut werden. Weizen und Raps bleiben höchst untergeordnet. Die Kartoffeln sind seit der Zeit der Krankheit erheblich eingeschränkt worden und befriedigen oft den Bedarf der Brennereien kaum. Von den grossen Heiden dieser Stufe sind in wenig Jahren sehr beträchtliche Strecken durch Lupinen und Roggen in Kultur genommen. Die Rustikalen haben aus der Dreifelderwirthschaft meist eine freie Wirthschaft gestaltet, die möglichst mit Halm- und Blattfrüchten, bei den ganz kleinen und leichten Grundstücken auch nur mit gedüngten Kartoffeln und Roggen wechselt. Es giebt sogar Parzellen, welche seit 20 Jahren Kartoffeln ohne Wechsel getragen haben. Jeden- falls bekommt die Kartoffel in kleinen Wirthschaften allen Dünger, der oft durch Wald- streu und Moorerde vermehrt wird. — In den Strandgegenden überwiegt der Weizen; auch die grosse Gerste und der rothe Klee sind ziemlich sicher. Das sogenannte wendische Gerstland im NO. von Stolp, zwischen der unteren Leba und Lupow, ist seiner vorzüglichen Körner wegen bekannt. Dagegen bleibt im Kreise Lauenburg und in den Lagen westlich von Kolberg der Roggen die Hauptfrucht. Die grossen Güter führen meist eine Wirthschaft von 7 oder 8 Schlägen und 2 Düngungen, wie z. B.: 1. Brache, 2. Rübsen gedüngt, 3. Weizen, 4. Gerste, 5. '/; Kar- toffeln, '» Erbsen gedüngt, 6. Y» Sommerung, Y» Winterung, 7. und 8. Klee. Statt Gerste wird auch Roggen in den 4. Schlag gebaut. Auf Hafer ist nur in den besseren Strichen und bei frühzeitiger Saat zu rechnen. Raps oder Rübsen sind sehr häufig, indess nicht in alle Wirthschaften aufgenommen. Sehr verbreitet aber ist Stallfütterung des Rindviehs. Im W. und NW. von Stolp ist Lein allgemein. Der Zuckerrübenbau hat sich nicht vortheilhaft gezeigt, auch sind selbst auf den besten Strandböden die sehr intelligent geleiteten Versuche, Luzerne und Esparsette einzuführen, gescheitert. Im allgemeinen wird überall eine fleissig bearbeitete, im Herbst vorher gestürzte und kräftig gedüngte Schwarzbrache als nothwendig geachtet. Die Rustikalen pflegen einen Kleeschlag vor die Brache der Dreifelderwirthschaft einzuschieben und das Vieh in die Kleeschläge einzukoppeln. Im Stolper Lehmort ist es Sitte: 1. Brache gedüngt, 2. Winterung, 3. rothen Klee, 4. Winterung, 5. Sommerung zum Theil mit Erbsen folgen zu lassen. Welchen Einfluss die grossen Heumassen der Brüche üben, zeigt das gedachte Gerstland. Es verdankt seine Früchte wesentlich der tiefen, sehr humosen Krume, die durch den Dünger der Moore in dem nur wenig lebmhaltigen Boden erreicht werden konnte. — B. Im Regierungsbezirk Stettin haben die landeinwärts auf den besseren, zum Theil sehr guten Böden belegenen südlichen Kreise in der Bewirthschaftung erhebliche Vor- züge gegen die dem Strande angrenzenden, XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 465 In Pyritz, Greifenhagen, Randow und Demmin wird in beträchtlichem Umfange Oelfrucht gebaut. Das Getreide, namentlich die Winterung, ist sehr sieher. Pyritz baut etwas Spelz. Die Gegend zwischen Stargard und Reetz ist wegen guten Roggens und Gerste bekannt. Zuckerrüben sind dagegen sehr eingeschränkt. Die Fabrik zu Garden baut damit unter Strohankauf den 5. Theil ihrer Fläche an. Die Fruchtfolgen zeigen auf grossen und kleinen Gütern Fruchtwechsel mit Mähe- und Weideklee, bis zur Feldgraswirthschaft. Eigentliche Brache ist selten. Wo eine modifizirte Dreifelder- wirthschaft besteht, bauen namentlich die Rustikalen Tabak und Erbsen ins Brachfeld, Gerste, Hafer und Kartoffeln ins Sommerfeld. Die grösseren Güter haben sehr verschiedenartige, 4 bis 13 schlägige Rotationen, In Greiffenhagen ist unter anderen sehr häufig: 1. Brache, 2. Weizen, 3. Erbsen, 4. Roggen, 5. Kartoffeln, 6. Gerste, 7. Mäheklee, 8. desgl. und Weide, 9. Weide und Brache, 10. Roggen, 11. Hafer. In Demmin ist die übliehste Folge: 1. Raps gedüngt, 2. Win- terung (Weizen und Roggen), 3. Sommerung (Hafer), 4. Erbsen, Kartoffeln, Runkel- rüben (gedüngt), 5. Roggen und Hafer, 6. oder 6. u. 7. Klee, dann 7. oder 8. Brache. Es besteht überall viel Futterbau; auch ist die volle Stallfütterung nicht selten. In der ÖOderniederung und im Greiffenhagener Kreise ist die Spatenkultur zu Tabak, Rüben und Gemüse sehr ausgebreitet. Die torfhaltigen Niederungen im Plöne- bruch werden mit vielem Erfolge gebrannt. — In den tieferen, weniger günstigen Strandkreisen strebt man vorzugsweise dahin, dem Winterkorn eine gute Stellung und gut bearbeiteten und gedüngten Boden zu geben, weil die langen Winter und die oft späten und rauhen Frühjahre grosse Vor- räthe an Rauhfutter fordern, und desshalb allgemein reichliches Winterungsstroh als erstes Bedürfniss erscheint. Dabei nimmt man an, dass den Boden- und klimatischen Ver- hältnissen nach die Erträge durchaus eine von Zeit zu Zeit eintretende Ruhe fordern. Diese wird neben der Brache durch Kleeweiden erzielt. Ausser in der Nähe der Städte werden die Weideschläge wegen der geringen Einträglichkeit der Rindviehhaltung meist durch Schafe ausgenutzt. Mäheklee ist in trockenen Jahren nicht sicher genug. Die grösseren Güter liegen der Bodenbeschaffenheit angepasst in 5—ız Schlägen. Unter günstigen Umständen bei kräftigem Düngungszustande tragen %% der Ackerfläche, meist indess nur 5, Frucht. Ohne Brache wirthschaftet selten ein Gut, und ebenso ist die volle Stallfütterung selten. Beliebte Fruchtfolgen sind z. B. 1. Brache gedüngt, 2. Winterung, meist Roggen, 3. Hafer, 4. ' Hackfrucht, ‘a Erbsen, 5. Ya Sommerung, '/a Winterung, 6. Mäheklee und Weide, 7. Weide. Neuerdings ist eine 5 schlägige Wirth- schaft häufiger in Aufnahme gekommen, welche 1. Winterung, 2. Hack- und Hülsenfrucht, 3. theils Sommerung, theils Winterung, 4. Mäheklee und Weide, 5. Weide mit Johannis- brache durchführt. Güter in höherer Kultur mit besserem Boden und einer Beihülfe an Wiesen pflegen wohl 'ı bis '/ Schlag Rübsen in die Brache vorweg zu nehmen und brechen dann, um Brache zu halten, das Jahr vorher schon soviel im Weideschlag auf, oder säen Rübsen auch in den Winterungsschlag und lassen Winterung folgen. Fast alle grösseren Güter haben ausser der Hauptrotation noch Aussenschläge oder besondere Vorwerke, die aus leichterem Boden bestehen und sehr wenig in Kultur sind. Sie werden in der Regel nur spärlich zu Winterung, mitunter auch ganz und gar nicht gedüngt, und liegen dann mehrere Jahre als natürliche oder angesäete Weide, um durch lange Ruhe den Mangel des Düngers zu ersetzen. Für die Sandgegenden ist die Lupine ein in grosser Ausdehnung angewandtes Hülfsmittel, Bauern bauen auch 166 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Buchweizen. Der Anbau von Esparsette, Luzerne und Serradella geschieht nur ver- suchsweise. i Bei den Rustikalen besteht als Fruchtfolge fast allgemein noch Dreifelderwirthschaft ; doch kommen vier Felder mit Mäheklee nach der Sommerung vor. Die Brache wird von kleinen Wirthen vielfach halb besömmert. Indess erachtet man in den Gegenden des gemischten kälteren Bodens wegen der Graswüchsigkeit des Landes und wegen des überall hervortretenden Mangels an Dünger Brache vor Winterroggen allgemein für nöthig und giebt ihr eine drei- bis vier-, mitunter sogar fünfmalige Bearbeitung mit Pflug und Egge. Die Aecker in der Niederung am Dammschen See und an der Ihna werden ein Jahr um das andere gedüngt und tragen im ersten Kartoffeln, Runkelrüben und Wrucken, im zweiten abtragend Roggen, Gerste und Hafer. — C Auf den grossen Ackerflächen des Regierungsbezirks Stralsund ist die Wirth- schaftsführung nothwendig auf umfangreichen Futterbau hingewiesen, und diese Rich- tung ist durch das verhältnissmässig feuchte Klima und die Graswüchsigkeit des Bodens unterstützt. Obgleich die Brache weder durch die in allen Kreisen ziemlich gleich- artige Bodenbeschaffenheit noch durch den Mangel an Arbeitskräften gefordert ist, wird sie doch sehr allgemein für nothwendig gehalten und, weil es der lange Herbst ge- stattet, meist schon vor dem Winter gestürzt. Auf manchen Gütern aber werden die Brachschläge auch mit Futterrüben, Mais, Wickengemenge oder Lupine besömmert oder auch die Kleestoppeln umgebrochen und zum Herbst noch mit Winterung bestellt. Der Oelfruchtbau ist nicht sehr verbreitet, weil er wegen Unsicherheit im Ertrage gegen die Halmfrüchte zurücksteht. Wo Oelfrüchte gebaut werden, kommen sie als Vorfrucht vor Weizen in den Dünger. Zuckerrüben werden nur auf der städtischen Feldmark Stral- sund und in Lussow, Voigdehagen und Devin gebaut. Die letzte Kartoffelbrennerei im Bezirke ist 1865 aufgehoben worden. Als das herrschende System der grossen Güter ist die mecklenburgische Schlag- wirthschaft in meist 7jährigem Turnus anzusehen. Es folgen: 1. Brache gedüngt, 2. Winterung, hie und da zum Theil Rübsen, 3. Gerste und hinter Rübsen Win- terung, 4. Erbsen, Wicken, Kartolfeln, Rüben, Flachs, ganz oder zum Theil ge- düngt, 5. Hafer und Roggen mit Klee, 6. und 7. Kleedreesch. Wo die starke Düngung nicht möglich ist, werden im 3. Jahre Gerste, Kartoffeln, Erbsen und Wicken, im 4. Hafer, im 5. Kleedreesch und mitunter Sommerung hinter den Hackfrüchten des 3. Schlages, im 6. Kleedreesch, auch bei 5 Schlägen im 4. "» Hafer, '/ Kleedreesch und im 5. Klee- dreesch genommen. Hackfrüchte werden wegen Mangel an Arbeitskraft wenig gebaut. Auf dem kräftigen Boden von Wittow pflegt man in 7 Schlägen folgen zu lassen: 1. Ys oder % Rübsen, den Rest Brache, 2. Winterung, besonders Weizen, 3. Gerste, 4, Erbsen, Wieken, Kartoffeln, Rüben, 5. Roggen und Hafer mit Klee, 6. Mäheklee, 7. Weideklee und Brache zur Oelfrucht. Auch bei den Bauern ist die Dreifelderwirthschaft überall ähnlichen Schlag- wirthschaften gewichen. Ebenso haben diese ein früher sehr beliebtes sechsfeldriges System mit 3 aufeinander folgenden Kornsaaten verdrängt. Für die auf den zahlreichen Gütern der Universität Greifswald bestehenden Zeit- pachtbauergüter, welche bei 250—300 Morgen Grösse nicht bestbietend, ‚sondern nach Anschlag meist an die früheren Pächter verpachtet werden, die sich dabei in guten Ver- hältnissen befinden, ist kontraktlich ein System von 5 Schlägen vorgeschrieben, in XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 167 denen nur 2%, Saaten zu nehmen sind, und es wird nur ausnahmsweise bei besonders guter Wirthschaft 3 zu nehmen erlaubt. Die Fruchtfolge ist 1. ; Weide und Sommer- brache, ', Brache gedüngt, y, Rübsen, 2. Winterung, meist Weizen, 3. Kartoffeln, Erbsen, Gerste, Rüben, schwach gedüngt, 4. Gerte, Roggen, Hafer mit Klee, 5. Klee ein Schnitt, dann Weide und !/ Brache zu Rübsen gedüngt. Im allgemeinen haben indess die Rustikalen zu geringen Futterbau und desshalb bei zu schwacher Ernährung des Viehes zu wenig Dünger. Auf sehr vielen Fluren ist das Mergeln verbreitet. Es ist etwa seit 1830 in Uebung gekommen, und die meisten Felder in der weit überwiegenden Zahl der Ge- markungen haben bereits eine Mergelung erhalten, nicht selten ist sie mit gutem Er- folge zum zweiten Male wiederholt worden. In neuerer Zeit sind auch grössere Drai- nagen mit sehr grossem Nutzen auf vielen Gütern, und besonders im Greifswalder Kreise zur Ausführung gekommen. — Der Ackerbau auf dem Dars und der Insel Zingst ist wenig lohnend. Am meisten wird Sommerroggen und Hafer gebaut. Boden, der Winterroggen trägt, gilt für be- sonders gut. Die Bauern von Prerow auf dem Dars finden es selten der Mühe werth, ihr Getreide zu dreschen, sondern verfüttern es ungedroschen. Auf Zingst werden auf den aus einer Mischung von Sand und Torf bestehenden Feldern Pferdebohnen und einige Gartengewächse gebaut. Viele Stranddörfer können Seegras zur Düngung benutzen. Die See wirft meh- rere Chara- und Fukusarten, besonders den sogenannten Thürs in nicht unbedeu- tender Menge auf flachen Stellen an den Strand, auch werden dieselben an den Orten der Anschwemmung aus dem Wasser gefischt. — Die Bruttoerträge mindern sich in der Provinz von Westen nach Osten und damit übereinstimmend von den tiefen zu den hohen Lagen sehr fühlbar. Die Angaben der Kreisbeschreibungen sind für die einzelnen Landestheile folgende: Bruttoertrag Weizen | Roggen | Gerste Hafer Kartoffeln] Klee auf den Morgen Scheffel Scheffel Scheffel Scheffel Scheffel Centner A. Köslin. B 1a —8 B ıla —8 | 20— 50 Abdachung & ı1a—8 4—ı2 | 25 — 60 Strand 11/a — Io 5—14 | 5 —75 B. Stettin. Südliche Kreise... .. 4—ı2 | 20—75 | Strandkreise 4—1I5 |20— 120 c. Stralsund. 5. —181630.— 75 Auf dem pommerischen Landrücken oder dem sogenannten Busche sind die Er- träge, wie auch diese Angaben zeigen, besonders niedrig. Der Gutsbesitzer Rust auf Gontzkow*) giebt an, dass nach seiner langen Erfahrung die klimatischen Einflüsse sich *) Praktische Grundlagen für den Landgüterhandel in Mecklenburg und Pommern mit besonderer Beziehung auf Hinterpommern. Kolberg 1843, S. 62. 168 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. im Regierungsbezirke Köslin so geltend machten, dass gegen die Nettoerträge, welche die Strandgegend zwischen Kammin und Kolberg gewährt, bei sonst ganz gleicher Be- schaffenheit in der Gegend von Stolp bis Lauenburg eine Verminderung um 6 Prozent, in der Dramburger und Falkenberger Gegend um ı5 Prozent, in der Rummelsburg- Bütower um 23 Prozent und in der höchsten Gegend längs der westpreussischen Grenze um 31 Prozent anzuschlagen sei. Man nimmt an, dass auch in den besten Böden der Strandgegend des östlichen Hinterpommerns ein Erdrusch von ı6 Metzen Weizen von der Stiege, wie ihn die Gegenden westlich des Gollenbergs als Regel kennen, nur ausnahmsweise zu erwarten ist, die gewöhnlichen Jahrgänge sich vielmehr auf 10 bis 12 Metzen von der Stiege stellen. Ueberall macht sich das Bedürfniss häufigen Saatwechsels geltend, am meisten Viel wird Weizen wählt man aus Danzig und Polen; Hafer aus Rügen. Bei Hafer tritt auf der Höhe des Landrückens die seltene Erscheinung auf, dass schlechter, leichter, grauer Hafer aus anderen Gegenden den schweren, weissen Hafer wiedergiebt. Kleesamen wird aus Schlesien beschafft. Besonders auffallend ist der Erfolg beim Roggen. Für stärkeren Boden wird Saat vom leichteren genommen. aus Holstein bezogen. der frischen russischen Leinsaat. ; Der schönste Weizen wird in Wittow erzeugt, und die Rügensche Gerste ist als besonders gut zur Saat auch in sehr entfernten Absatzorten geschätzt. Für Rübsen wird der Ertrag in den bessern Kreisen von Stettin auf 5—9g Scheffel, im Regierungsbezirk Stralsund auf 6—14 Scheffel angegeben. Lein wird in Stralsund nur zum Bedarf, im Osten der Provinz sehr viel gebaut, Hanf aber sehr wenig gezogen. Tabaksbau ist an der Oder von Greiffenhagen hinauf über Fiddichow bis an die märkische Grenze bei Nipperwiese, auch bei Pyritz und um das 2 Meilen südlicher am Ziethener See belegene Marienwerder ziemlich beträchtlich. Von anderen Handelspflanzen ist nur der Cichorienbau auf der Insel Zingst zu bemerken, der in den Dörfern Pramort, Sündische Wiese, Müggenburg, Zingst und Born in tiefem Sandboden in Uebung ist. — Die Reinertragsschätzung, welche die Tabellen A. und E. der Anlagen mittheilen, giebt den Regierungsbezirken nach folgendes Bild: Durchschnitt- Durchschnitt- a ; Unter je 1000 Morgen B licher Die Reinertragsver- |licher Reinertrag| Ackerreinertrag | beste Gesammtfläche hältnisse vom Morgen Jin den einzelnen| Acker- befinden sich Morgen Klassifikations- klasse | Acker, die geschätzt sind Extreme des frucht- distrikten ie tragen- fadrresl nacht [er su lrers üb übe Distrikte der Acker |niedrig öch- | senätzt 6 Sgr. über r Ackerlandes nn sen ster a laend © Sgr. Sgr. Sgr. Sgr. Sgr. |[darunter| Thaler Thaler Staat | 45,8 44,0 11 214 | 420 37 48 6 ——— A. Köslin....| 217 21 I2a 33b.| 120 127 4 0 a. Rummelsburg. b. Fürstenthunı. B. Stettin.... 379 37 2Ic 564.| 180 24 7 . c. Uckermünde. d. Demmin. C. Stralsund... | 63,0 62 57e| 73£.| 180 7 58 ö e. Franzburg. f. Rügen Prov. Pommern | 34,8 34 12 73 | 180 | 72 13 ö | XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 169 Der Reinertrag der Anbaufläche der Provinz erreicht also nur °%4 der Durch- schnittszahl des Staates; der Unterschied zwischen Köslin und Stralsund aber beträgt das Dreifache, In Köslin fällt der Ackerreinertrag eines ganzen Kreises auf ı2 Sgr. und keiner steigt höher als 33 Sgr., in Stralsund zeigt der geringstwerthige Kreis- durchschnitt noch 57, der höchste 73 Sgr. Stettin und Stralsund haben zwar beide 180 Sgr. als Reinertragswerth der besten Ackerklasse, in Stettin aber sind davon nur 3 Morgen, in Stralsund 5000 gefunden. Unter 1000 Morgen Gesammtfläche sind in Köslin 127 zu 6 Sgr. und darunter, in Stralsund nur 7 gefunden, dagegen zu 3 bis 6 Thlr. in Köslin nur 4, in Stralsund 58. — Als eingehendere Darstellungen der pommerischen Ackerwirthschaft sind neben den amtlichen Kreisbeschreibungen zu nennen: Dr. C. Cranz: Beiträge zur Kenntniss der Provinz Neuvorpommern und der Insel Rügen, Berlin 1834. Bericht über eine agronomisch-technologische Reise in die Provinz Pommern. Annalen BaliırS. Tr. Beiträge zur Kunde Pommerns, Stettin 1848. A. v. Lengerke: Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft, Bd. IV., 1852. D. Gäde: Die gutsherrlich-bäuerlichen Besitzverhältnisse in Neuvorpommern und Rügen, Berlin 1863. Vogel: Inwiefern gehört Pommern zu den wichtigsten Erwerbungen des Hauses Hohenzollern, (Archiv für Landeskunde Bd. V., 1858, $. 219). Die Landwirthschaft in Neuvorpommern und der baltische landwirthschaftliche Central- verein, Annalen Bd. 39 8. 257. A. Padberg: Die ländliche Verfassung der Provinz Pommern, Stettin 1861. W. Ferd. Gadebusch: Chronik der Insel Usedom, Anklam 1864. 3. Provinz Posen. Die beiden Regierungsbezirke Bromberg und Posen, die sich ziemlich genau nach den natürlichen Abschnitten des Netze- und Warthegebietes scheiden, zeigen folgendes Anbauverhältniss: Fruchttragende Fläche Acker Verhältniss ach Verhält-| Verhältniss Verhält- saramE, in nisse in den einzelnen Fläche |niss zur Extreme der fläche Ge- | Klassifikations- Ge- Distrikt Anbauflächen in EIMei- | „ammt- distrikten an sammt- une ÜMeil. len fläche niedrig-| höch- Morgen fläche pCt. stes stes pCt. Staat | 4973,41 | 26405 | 534 | 7% 9» | 55146079 | 514 A. Bromberg... 2077| 152,2 71,5 b.|2 554 383 . Czarnickau . Mogilno. 31717 | 238,3 75,9 d.|4 195 973 . Birnbaum. » Wreschen, Provinz Posen ... | 52514 | 390,5 | 61,0 | 35,0 175,9 |6750356 | 59,6 Die Ausdehnung der fruchttragenden Fläche wie des eigentlichen Ackerlandes ist also in der Provinz erheblich stärker, als im Staate überhaupt und auch die acker- 170 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anban. ärmsten Kreise in Bromberg gehen nicht unter 35 Prozent, in Posen nieht unter 42 Prozent der Gesammtfläche hinab. A. Der Ackerbau des Bromberger Bezirks ist klimatisch weniger begünstigt, als der des Posener. Die Wechsel zwischen Kälte und Hitze sind im Osten sehr stark. Die schon erheblich warmen Tage des Frühjahrs üben auf die Vegetation früh eine kräftige Wir- kung aus, und gleichwohl ist die Lage zu nördlich und gegen die kalten Nordost- und Östwinde zu wenig geschützt, um dem Einfluss der letzteren nicht sehr fühlbar zu unterliegen. Es wird je nach der Bodenbeschaffenheit über die nachtheiligen Wirkun- gen von Trockenheit und späten Frösten auf die Sommersaaten sehr geklagt. In den Kreisen Inowraclaw, Bromberg und Wirsitz rechnet man nur auf das vierte, in Schubin, Mogilno, Wongrowiec, Gnesen sogar erst auf das fünfte Jahr eine gute Sommerungs- ernte. Viele grössere Güter haben desshalb das Sommergetreide unverhältnissmässig be- schränkt, und fast ganz aufgegeben. Auch der Klee, obwohl er des Wiesenmangels wegen allgemein gebaut wird, ist nur auf besonders warmen Böden sicher, und die Versuche, ihn nach dem vorhandenen Bedürfnisse mehrjährig und auf jedem Boden der Rotation durchzuführen, haben schon grosse Verluste verursacht und vielfach das gänz- liche Verwerfen der angenommenen rationelleren Fruchtfolgen nach sich gezogen. Die in beträchtlicher Anzahl vorhandenen grösseren Güter treiben meist eine Fruchtwechselwirthschaft, die sich aus verschiedenen Rotationen mit zahlreichen Schlägen zusammenstellt. Es wird in allen Kreisen auf den besseren Böden Raps, Rübsen, auch Senf und Dotter in verhältnissmässig grosser, vielleicht hie und da zu grosser Aus- dehnung gebaut. Erbsen sind häufig. Lein wird allgemein zum Bedarf, im Süden von Chodziesen auch in ziemlich bedeutendem Umfange zum Verkauf gezogen. Klee, Luzerne, Mais müssen auf schwerem, Lupine, Buchweizen auf leichtem Boden das mangelnde Heu ersetzen. Ueberall findet Weidegang statt; die reine Stallfütterung des Rindviehes ist sehr selten; wo “es aber die Futtermittel erlauben, wird das Vieh etwas später als üblich auf die Weiden und etwas früher in den Stall genommen. Güter ohne Wiesen bauen etwa ') Körner. Die Rustikalbesitzer halten im allgemeinen die Dreifelderwirthschaft mit theilweis zu '/ bis Ya besömmerter Brache fest. Wo sie indess nicht genügende Wiesen und Weiden zur Aushülfe haben, machen ihre Wirthschaften dabei keine Fortschritte. Es ist desshalb versucht worden, sie durch Einrichtung von Musterwirthschaften, deren Kosten theils die landwirthschaftlichen Vereine, theils der Staat getragen haben, zu einer zweckmässigeren Betriebsweise überzuführen. Namentlich durch die Bemühungen des Oekonomie-Raths Schwarz in Jordanowo sind in den Kreisen Inowraclaw 19 und in Mogilno 12—14 Musterwirthschaften eingerichtet worden. Ermöglicht durch den günstigen kujawischen Boden ist ihre Fruchtfolge eine eilfschlägige: 1. gedüngte Brache, 2. / Raps, Y» Winterung, 3. Y Winterung, 2 Sommerung, 4. und 5. Klee, 6. Klee- brache, 7. Winterung, 8. Kartoffeln, 9. Erbsen, 10. Winterung, 11. Sommerung oder Stoppelroggen. Diese ır Schläge haben auch viele Vorwerke jener Gegenden ange- nommen. Einige der Musterwirthschaften sind nach ihrer Oertlichkeit auch auf 5 oder 7 Schläge beschränkt. — Das Ackerland im Netzebruch erfordert eine eigenthümliche, freie Wirthschaft, und wird durch die längs der hohen Ufer der Netze seit der Zeit Friedrichs des Grossen und noch im laufenden Jahrhundert angesetzten Hauländer angebaut. Die Häuser dieser Kolonisten folgen sich auf den Uferhöhen in kleinen Abständen, so dass sie auf beiden XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 171 Seiten des Netzethals fast eine weitläufige Strasse bilden. Im Bruche selbst liegen nur ganz ausnahmsweise einige Ansiedelungen. Den einzelnen Wirthen war ursprünglich in der Regel nur die Hausstelle, der Abhang des hohen Ufers und ein anstossender Streifen von 30—4o Morgen Wiese und Torfland von der Netzebruchfläche zugetheilt; ein grosser Theil derselben bat aber auch von den benachbarten Sandländereien der Höhe ro—2o Morgen zugekauft. Die Wirtbschaften sind sämmtlich sehr ähnlich eingerichtet. Am Hause ist ein kleiner Garten, hinter demselben eine Weidekoppel von geringem Umfange und einige Morgen dauernde Wivsenflächen, die übrigen Ländereien werden in 4 Schlägen je nach Dung- vorrath und Witterung mit 1. Kartoffeln und Kohlrüben nebst ausgedehntem Zwiebel- und Gemüsebau unter Gartenkultur und starker Düngung, 2. Halmfrüchten als Winterung, Roggen als Sommerung und Hafer, 3. Grasschnitt mit Heuwerbung und 4. Weide bewirth- schaftet. In nassen Jahren überwuchert dabei das Unkraut leicht die Früchte. Die Sandflächen der Höhe werden in zwei Feldern, im ersten Jahre zu Getreide unter be- deutender Düngung und im zweiten zu Kümmel, Anis, Hirse und Kartoffeln benutzt. Die Melioration des Bruchbodens hängt von der Verwendung von Sand ab, der den porösen Boden fester macht, aber darin mit der Zeit versinkt und erneuert werden muss. Es wird desshalb mit Sand besonders gedüngt und dem Vieh, welches diese Wirthschaften in starkem Verhältnisse halten, auch Sand untergestreut. Die Hauländer Wirthe kaufen ihr Vieh vor dem Einwintern zu billigen Preisen an, besonders Kühe, zum Theil auch Pferde geringen Schlages, wintern sie mit dem gewonnenen Heu und Wurzelwerk durch, erzielen dadurch grosse Mengen Dünger und verkaufen die überzähligen Viehstücke im Frühjahr mit Nutzen. Ihre durchweg herr- schende grosse Mässigkeit und einfache Lebensweise, ihr Fleiss und ihre Intelligenz erhalten sie trotz des geringen Landes leistungsfähig. Zu einer gewissen Wohlhaben- heit können sie es indess nur bringen, wenn sie kein Unglück an Vieh oder Ernte trifft. Ihre freie Zeit verwenden sie vielfach, um auswärts auf Handarbeit zu gehen. Sehon im Regierungsbezirk Bromberg wird durch Kolonisten aus Neutomysl in Czernijewo in Ausdehnung von 15— zo Morgen mit gutem Erfolge Hopfen gebaut, und Versuche damit sind auch in Chodziesen auf Moorland gemacht. Tabaksbau kommt in geringem Umfange im gesammten Bezirke zerstreut vor. — B. Im Regierungsbezirk Posen übertrifft der Sommer an Wärme den von Schlesien. Indess leiden die Höhen südlich der unteren Warthe durch rasche Wechsel und Rauheit und stehen gegen den übrigen Bezirk merkbar zurück. Die ausgedehnten Bruchgegenden sind durch kalte Nebel benachtheiligt. Für die Art der Kultur des Bezirks werden die ausserordentlich grossen Guts- komplexe, die ihm eigenthümlich sind, besonders bestimmend. Bis vor kurzem wurden nicht selten 4000 Morgen und mehr, wenn auch nicht von demselben Vorwerke, doch in demselben Betriebe und wegen ungenügendem Inventar, schwacher Arbeitskraft und sehr geringem Betriebskapital in hohem Grade extensiv bewirthschaftet. In neuester Zeit sind indess die Hofbauten erheblich verbessert und vermehrt, und die über- mässigen Gutsflächen zum Theil unter Eigenthümer oder Pächter zertheilt worden, so dass die Ausnutzung entsprechend gewonnen hat. Auf den meisten Gütern bestehen verschiedene Rotationen der Binnen- und Aussen- schläge, und die letzteren werden mit wenig oder gar keiner Düngung durch Roggen und Hafer und mehrjährige Dreeschweide benutzt. Indess kommt auch auf ganzen 172 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anban. Gütern, namentlich in Pleschen und Schroda, der Turnus von '/; Winterung, "« Som- merung, Yı Klee, Weide und Hackfrucht, und '/ Brache vor. Sommerstallfütterung des Rindviehes ist sehr selten versucht worden. Wo nicht natürliche Weiden be- stehen, geben Weideschläge und Brache hinreichende Gelegenheit zur. Hütung. Im allgemeinen sind die Wirthschaften mit besseren Böden nur auf Körner, Oelfrucht und Schafzucht basirt, düngen zu Raps oder Weizen, und haben meist ein starkes Dritttheil mit Wintergetreide bestellt, dagegen besteht, wie in Bromberg, überall schwacher Sommer- getreidebau. Auf den leichteren Böden wird vorzugsweise Kartoffelkultur mit Brennerei getrieben, zu Kartoffeln gedüngt und ihnen aller Fleiss zugewendet, Winterung aber erst nach Sommerung und mehr oder weniger Kleeschlägen gebaut. Wo es wegen eines günsti- geren Wiesenverhältnisses möglich ist, namentlich in den Kreisen Sehrimm, Pleschen, Posen, haben die grösseren Güter auch die Dreifelderwirthschaft mit ganz oder theil- weis besömmerter Brache beibehalten. Häufiger vorkommende Fruchtfolgen sind im Fraustädter Kreise: 1. Brache, 2. gedüngter Raps, 3. Weizen, 4. Gerste, 5. Klee, 6. Roggen, 7. Hafer; im Kostener Kreise: 1. Brache, 2. gedüngte Winterung, 3. Somme- rung, 4. Futterklee, 5. Weide, 6. Winterung, 7. Hackfrüchte gedüngt, 8. Erbsen, 9. Winte- rung; in Buk: 1. Brache gedüngt, 2. Roggen, 3. Kartoffeln, 4. Erbsen, 5. Sommerung mit Klee, 6. Klee; in Bomst: 1. Kartoffeln gedüngt, 2. Sommerung mit Klee oder Gras, 3. Klee, 4. Weide, 5. Winterung gedüngt, 6. Erbsen, 7. Winterung, 8. Hafer. Oel- frucht ist auf allen besseren Böden, besonders aber in Fraustadt, Kosten und Kröben verbreitet. Als Futter werden in grosser Ausdehnung rother Klee, Gras, Runkelrüben, Pferdezahnmais, auch hie und da auf ausgesuchten Stücken Luzerne und Esparsette, auf leichteren Böden aber Lupine, Möhren und weisser Klee gebaut. Die Düngung ist selten vierjährig, meist nur sechsjährig. Es ist dazu vielfach Streu zur Verfügung, auch wird Lupine untergepflügt, und zu Klee der Gyps von Wapno, der an der Grube ıo Ser. der Ctr. kostet, verwandt. Guano hat sich nament- lich durch die längere Reihe der trockenen Jahre im Verhältniss zu seinen Kosten zu wenig wirksam gezeigt, und es ist mehr und mehr Aufmerksamkeit auf die Mergelung gewendet worden, für welche in den meisten Kreisen das Material gut und häufig vor- handen ist. In Krotoschin berechnet man 100 Karren auf 100 Schritt auf 71, Ser. Kosten, hält aber bei jeder Mergelung noch eine reichliche natürliche Düngung für nöthig. Im Adelnauer Kreise besteht noch mehrfach Teichwirthschaft. In der grossen Fürst Radziwillschen Grafschaft Przygodzice werden die Karpfenteiche alle 6—8 Jahre abgelassen und mit Sommergetreide bestellt. Die Rustikalen haben ganz überwiegend die Dreifelderwirthsehaft mit ganz oder theilweis besömmerter Brache beibehalten, sie bauen Kartoffeln, Rüben, Kraut, Tabak und Lein in die Brache. Einige gehen auch dadurch in die Fruchtwechselwirthschaft über, dass sie die Kartoffeln mit in das Sommerfeld nehmen. Sie lassen z. B. im Kreise Bomst gewöhnlich 1. Roggen gedüngt, 2. Y. Hafer und Y, Kartoffeln gedüngt, 3. a Brache und Y, Erbsen nach den Kartoffeln folgen; oder auch 1. Roggen halb gedüngt, 2. Kartoffeln halb gedüngt, 3. Erbsen oder Gerste, 4, Roggen, 5. Hafer mit Klee, 6. Klee. Im Kreise Samter besteht eine Musterwirthschaft zu Senkowo, welche gänzliche Stallfütterung durchgeführt hat, und 1. Winterung gedüngt, 2. Erbsen, 3. Win- terung, 4. Hafer, 5. Kartoffeln gedüngt, 6. Gerste, 7. Klee, 8. Mähe- und Weideklee baut. Die Wiesen sind entwässert und liegen sechs Jahre zu Wiese, dann aber werden XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 173 sie umgegraben und gedüngt und Kohl und Rüben hineingepflanzt, im folgenden Jahre aber Dotter mit eingesätem Gras. Bei den kleinen Wirthen ist es auch üblich 1. Kartoffeln in Dünger, 2. Erbsen, Hirse oder Lein, 3. Roggen zu bauen, oder nur zwei Felder zu haben. Im Kreise Schildberg treibt ein Theil der Rustikalen da, wo sie viel Weiden besitzen, oder leicht Waldstreu erhalten können, die Zweifelderwirthschaft in der Weise, dass sie alle drei bis sechs Jahre ihre sandigen Aecker ganz schwach düngen und 1. Kartoffeln, 2. Roggen und Heidekorn hintereinander bauen. Auch in Obornik sind bei den Städten die Zweifelder in der Weise üblich, dass 1. Winterung, 2. Y Kartoffeln und Y, Sommerung gebaut wird. Die Hauländereien im Meseritzer Kreise bauen ebenso %, Erbsen und Y Kartoffeln in Dünger und dann Roggen. Im Kreise Birnbaum aber wird in einigen Orten des rechten Wartheufers und in Kaezlin 1. Winterroggen, 2. Sommerroggen, Hafer, Erbsen und Kartoffeln gebaut. Der Grund liegt in dem vorherrschenden Sand- boden und dem Mangel der Grundstücke, welehe sich überhaupt zum Roggen eignen, so dass die vorhandenen in dieser übermässigen Weise ausgenützt werden. — Die Bruttoerträge werden von den Kreisbeschreibungen folgendermassen an- gegeben: Bruttoertrag Weizen | Roggen| Gerste | Hafer |Kartoffeln| Klee | Raps | Rüben auf den Morgen Scheffel | Scheffel | Scheffel | Scheflel Scheffel Centner | Scheffel Centner A. Bromberg ... |J5— 122 — 1214 — 15|3 —ı4 | 25 — 80 |5—25|5— 10 — B. Posen .....14— 10|2— 10/3 — 10|4— ı2| 20— 80 |5— 24 |4— 980 — 120 Der Roggen des Kreises Wirsitz hat ein besonders feinhülsiges, mehlreiches und vollwiehtiges Korn; auch der Weizen hat hier auf den gehaltreichen Lehmböden diese Eigenschaften, ist niemals glasig und gedeiht in allen Farben, weiss, gelb, braun und bunt, jedoch ohne besonders aushaltend in der weissen Farbe zu sein, wesshalb zur Erzielung hellerer Färbung ein öfterer Saatwechsel erforderlich ist. Besonders im Kreise Meseritz hat man sich bemüht, weissen Weizen und Staudenroggen zu kultiviren; ersterer wird aber auch hier trotz schnellen Saatwechsels sehr bald bräunlich. Auf allen besseren Böden der höheren Lagen giebt der Hafer ein schweres, mehl- reiches, abgestumpftes, bis ins Dunkelgelbe übergehendes Korn. Die nur ausnahmsweise nicht moorigen Niederungen der Provinz aber erzeugen in der Regel nur die blassen, leichten, diekhülsigen und langspitzigen Körner des Bruch- oder Blotthafers. In den sandigen Gegenden, wie im Kreise Chodziesen, bleibt der Hafer von sehr geringer Qualität, und wird sogar für das Militär Einfuhr erforderlich. Von Gerste ist in der Regel nur die kleine Spätgerste, die mit leichterem Boden vorlieb nimmt, hinreichend sicher. Runkelrüben werden nur zu Futter gebaut. Einige im Kröbener, Posener, Kostener und Krotoschiner Kreise angelegte Zuckerfabriken sind seit 1858 eingegangen. Der Kreis Fraustadt versucht Rüben in die Beuthener Fabriken zu liefern, doch sollen sie wenig Zuckergehalt haben, und werden durch den Transport zu theuer. Bei dem früher sehr beträchtlichen Kartofelbau der Provinz hat sich die Krank- heit besonders nachtheilig geltend gemacht. Von den der Krankheit weniger unter- 474 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. liegenden Arten hat besonders die sächsische Kartoffel Anerkennung gefunden, welche gesund blieb, während andere, z. B. auch die Bonifaciokartoffel, krank wurden. In grossen Massen wird seitdem die Mohrrübe angebaut. Sie dient namentlich als Hauptnahrungsmittel der Pferde im Winter und für die jüngeren Aufzuchtsthiere. Es werden auch die Pohlsche Riesen-, die runde Leutowitzer Runkel- und die Quedlin- burger runde, gelbe oder rothe Klumpenrübe gebaut. Auf trockenen Böden hat die Sand- oder rheinische Luzerne, gelb oder gemischt, guten Erfolg gezeigt. Sowohl gelbe, wie blaue Lupinen haben sich als Schaffutter, wie als Gründüngung für die leichteren Böden gut bewährt. Die blauen gewinnen allmählich immer mehr die Oberhand, weil sie bei der Ernte weniger leicht ausfallen. Von Handelspflanzen wird etwas Tabak im Fraustädter, Schrodaer, Bomster und Meseritzer Kreise, hier namentlich in Kuschten, Gr. Dammer, Rogsen und Kutschkau (SO. 3—5 Meilen) gebaut. Weniger nennenswerth noch ist der früher ausgedehntere Kardenbau auf einigen bäuerlichen Feldmarken des Kreises Bomst. Dagegen ist der Hopfenbau, der sich aus der näheren Umgebung von Neutomysl in den Kreisen Buk, Bomst und Meseritz schon nach Wreschen, Samter, Birnbaum, Krotoschin und Schrimm zu verbreiten beginnt, von sehr erheblicher Bedeutung, und soll im folgenden Abschnitte genauer und im Zusammenhange besprochen werden. — Die geschätzten Reinerträge des Ackerlandes sind folgende: Durchschnitt- Durchschnitt- licher Die Unter je 1000 Morgen Reinertragsver- hältnisse licher Reinertrag vom Morgen Ackerreinertrag in den einzelnen Klassifikations- Gesammtfläche befinden sich Morgen beste Acker- Extreme Acker, die geschätzt sind frucht- | distrikten tragen- ST der Acker, I niedrig-) höch- | schätzt Fläche Sgr. klasse a . ; i Distrikte 6 Sgr. | über |, über [3vis6| 6 | darunter! Thaler | Thaler Ackerlandes ster ster und Sgr. Sgr. Sgr. . Czarnikau, Chodziesen. A. Bromberg.. | 28,7 . Inowraclaw. Be Rosen. .nr . Meseritz. . Kröben. Provinz Posen . 26,7 | 26,5 a5 | | 120 | 35 Beide Bezirke stehen danach beträchtlich unter dem Reinertragsdurchschnitte des Staates, weichen aber untereinander wenig ab. Durchschnitt des Staates. in Bromberg haben indess dazu 7300 Morgen, die bis auf wenige Hunderte dem Von den Kreisen erreicht keiner den Die beste Ackerklasse ist in beiden Bezirken gleich hoch, schwarzen Boden des Kreises Inowraclaw angehören, in Posen nur 33 Morgen veranlagt Das Verhältniss der zu 6 Sgr. geschätzten Aecker ist dem des Staates gleich. Die höheren Schätzungen über 3 Thlr. aber fehlen fast gänzlich. — An Abhandlungen, welche den Ackerbau der Provinz darstellen, besteht die umfassende Schrift: J. Klebs: Die Landeskulturgesetzgebung, deren Ausführung und Erfolge im Gross- herzogthum Posen. Berlin 1860. ı. Aufl, 1855. werden können. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 175 Ferner sind aus den Annalen der Landwirthschaft zu erwähnen: Bericht über die Untersuchung des Zustandes der Landwirthschaft in Posen vom Landes-Oekonomie-Rath Koppe. (Bd. 6 S. 161). Ueber die landwirthschaftlichen Zustände der Provinz Posen von Klebs. (Bd. 8 S. 360). Bemerkungen zu der vorstehenden Abhandlung vom Landes-Oekonomie-Rath Koppe. (Ebd. S. 402). Bericht über eine agronomisch-technologische Reise in Posen, Preussen und Pommern. (Bd. ır S, r). Schilderungen landwirthschaftlicher Zustände in der Provinz Posen (Meseritz, Birn- baum und Bromberg. Ebd. S. 409). Eine landwirthschaftliche Skizze aus dem Grossherzogthum Posen. (Bd. 46 8. 136). 4. Provinz Brandenburg. Das Terrain der Provinz Brandenburg wird, wie in Band I. S. 92 und 249 ge- nauer gezeigt ist, durch ein flachwelliges Hügelland gebildet, welches ausgebreitete Niederungen inselartig zerschneiden. Beide Bodengestaltungen nehmen annähernd gleichviel Fläche ein und liegen sehr untermengt. Die Niederungen füllen an den zahlreichen Gewässern ungewöhnlich aus- gedehnte Thalbecken, die Hügel treten in zusammenhängenderen Massen nur nördlich, in den Ausläufern des baltischen Rückens, südlich im Fläming, und zwischen beiden in den das linke Ufer der Oder begleitenden Wasserscheiden auf. Der Bodencharakter des Hügellandes oder der Höhe, (wie hier der Ausdruck im Gegensatz zur Niederung gebraucht wird, und danach auch in die Grundsteuerklassifikationen und die Boden- bestimmung der Tabelle D. der Anlagen, Kolonne 3 und 5, übergegangen ist), erscheint im allgemeinen ziemlich übereinstimmend, obwohl im Norden der Provinz mehr der Lehm, im Süden mehr der Sand überwiegt. Unter den Niederungen aber besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den tiefen Stromthälern der Oder, der Wartbe und der unteren Elbe und den übrigen, von der Havel, Spree, Elster und ihren kleineren Zuflüssen durchzogenen Einsenkungen. Erstere gehören zu den ertragreichsten Land- strichen des Staates, letztere sind überwiegend torfige Bruchflächen, die an Werth dem Höhenlande höchstens gleichstehen. Die Elbauen Brandenburgs in der Westpriegnitz sind zu wenig ausgedehnt, als dass sie zur Aussonderung eines besonderen Klassifikationsdistriktes bei der Grund- steuerveranlagung Veranlassung gegeben hätten, sie lassen sich also auch für die vor- liegende Darstellung nicht ausscheiden. Die Oder- und Wartheniederungen aber sind grösstentheils in den betreffenden Kreisen als solche besondere Distrikte behandelt worden, und können, soweit sie den Kreisen Frankfurt, Lebus, Sternberg, Königsberg, Oberbarnim und Angermünde“) angehören, den übrigen Ländereien der beiden Regierungs- bezirke in Zahlenverhältnissen entgegen gestellt werden. Die Grösse der Anbaufläche berechnet sich dann folgendermassen: *) Obwohl die Niederung von Oberbarnim und Angermünde zum Regierungsbezirk Potsdam gehört, steht doch auch hier nach dem Ministerial-Reskript vom 2. Januar 1816 die gesammte Wasser-, Deich- und Wegebaupolizei wie für das übrige Oderbruch der Regie- gierung zu Frankfurt zu. 176 XXL Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Fruchttragende Fläche Acker Ge- sammt- Verhältniss Verhält- Verhältniss Verhält- ab 2 niss in den einzelnen] Fläche niss Extreme fläche zur Ge-| Klassifikations- = zur Ge- Distrikt Anbauflächen 2 sammt- distrikten ın sammt- ıstrikte DMeit. fläche | nöch- |niedrig-| Morgen | fläche pCt. stes stes pCt. Staat | 4973, | 7 | 55.146.079 . Lebus, Niede- A. Oder- u. Warthe- rung. 2 . Angermünde, Niederungen ... 9,6 b.| 292% 500 Niederung. B.Die übrigen Theile Be des Reg.-Bezirks Y I Frankfurt 33,5 a.| 3 198 488 . Lübben. . Prenzlau, Desgl. von Potsdam 33,5 £. | 3 690 900 . Beeskow-Stor- kow. Prov. Brandenburg | 724,4 | 344,0 7 181 888 Das Anbauverhältniss ist danach in den Niederungen durchschnittlich sehr stark, obwohl auch grössere Theile derselben bis auf sehr geringe Prozente sinken, in der übrigen Provinz steht es in keinem Kreise unter dem Dritttheil der Gesammtfläche, ist aber durchschnittlich etwas geringer, als der Durchschnitt des Staates. Von je 1000 Morgen sind 475 fruchttragend. Die Mitte der Provinz gehört klimatisch zu den wärmsten Lagen des Staats- gebietes. (Vergl. Berlin in Tabelle ©. 3 der Anlagen). Dabei steht sie im Regen- fall durchschnittlich den Strandgegenden der Ostsee gleich, und ist nach ihrer Terrain- beschaffenheit überwiegend feucht belegen und reich bewässert. Die vorwiegend san- dige Bodenbeschaffenheit wird» desshalb nicht in dem Masse nachtheilig geltend, als man erwarten könnte. Ein grosser Theil der Ackerflächen ist trotz ihrer leichten Be- ıchaffenheit so weit kleefähig, dass die sogenannte märkische Koppelwirthschaft in 6 bis ro Schlägen mit zweijährigem Klee zum Mähen und Weiden in allen Theilen der Provinz schon seit einem halben Jahrhundert bedeutende Verbreitung hat. In kupirten und nassen Terrainlagen gewährt der gartenmässige Anbau vielfach eine gegen- über der Ungunst des Bodens sehr hohe Ausnutzung. — A. Die Art, wie die Oder- und Wartheniederungen der Kultur gewonnen worden, und die wirthschaftliche Entwickelung, die sie seitdem erreicht haben, ist als Beispiel der bedeutenden Meliorationsthätigkeit Friedrich des Grossen im XIII. Abschnitt (Bd. I. S. 446) eingehend besprochen. Das Ackerland hat mit den vorschreitenden Eindeichun- gen mehr und mehr an Ausdehnung gewonnen, grössere Strecken am Niederoderbruch, und die gesammte Niederung im Frankfurter Stadtbezirk sind kaum seit ro Jahren urbar., In der älteren Wirthschaft, welehe die Bruchgüter in den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts führten, war, soweit das Land ackerbar war, die Fruchtfolge 1. Kar- toffeln, 2. Gerste, 3. Winterung, 4. Hafer sehr verbreitet. Jetzt ist sie durch zusam- mengesetzte Fruchtwechsel- oder Feldgraswirthschaften verdrängt. Es wird z. B. 1. Rüben oder Kartoffeln gedüngt, 2. Gerste, 3. Roggen, 4. Klee, 5. /» Rüben, Vs. Raps oder Kümmel gedüngt, 6. Weizen, 7. Hafer, oder 1. Sommerung, 2. Winterung mit ein- gesäetem Gras, 3. Mähegras, 4—6. Weide gebaut, je nachdem die Wirthschaft mehr auf Zuekerrüben- und Oelfruchtbau oder auf Viehhaltung gerichtet ist. Vielfach aber XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 177 ist die Wirthschaft eine ganz freie, und überall wird der Boden in hohem Grade in Anspruch genommen. Im Oderbruch ist der Rübenbau so bedeutend, dass er ro Zuckerfabrikeu beschäftigt. Es wird Weizen weit über den Bedarf, zweizeilige und sechszeilige Gerste, Probsteier und Riesenstaudenroggen, Rispen- und Fahnenhafer und Oelfrucht aller Gattungen gebaut. Im Warthebruch ist zwar die Winterung nicht ausgeschlossen, meist aber be- schränkt sich der grössere Anbau auf den sehr lohnenden Hafer und auf Wurzel- gewächse; je mehr nach Osten, desto mehr überwiegt das Heu. — B. Auf den Höhenlagen, namentlich im Regierungsbezirk Frankfurt und in der südöstlichen Hälfte des Regierungsbezirks Potsdam, ist in der Regel die Bodenbeschaffen- heit den schmalen Terrainwellen entsprechend auf derselben Flur so wechselnd, dass für die meisten Wirthschaften die Unterscheidung von Binnen- und Aussenschlägen als zweckmässig erscheint. Die Binnenschläge werden von den grossen Gütern mit 2 Winterungs-, 2 Som- merungs- und 3 Kleeschlägen, von denen einer zur Hälfte Raps, Kartoffeln und Erbsen aufnimmt, bewirthschaftet. Bei Brennereien sind r und selbst 2 Kartoffelschläge nöthig. In der Regel ist die Düngung dreijährig zu Raps, Winterung oder Kartoffeln. All- gemeiner verbreitete Rotationen sind in der Neumark 1. Winterung, 2. Hackfrucht, 3. Gemenge, 4. Winterung, 5. Kartoffeln, 6. Sommerung mit eingesäetem Klee, 7. und 8. Klee; in der Niederlausitz 1. Hackfrucht gedüngt, 2. Sommerung, 3. und 4. Klee und Gras, 5. Winterung. Auf den leichteren Böden des Flämings herrscht die Folge 1. Kartoffeln gedüngt, 2. Hafer oder Gerste mit Klee und Gras, 3. und 4. Weide, 5. Winterung gedüngt, 6. Lupine, Futterpflanzen, Buchweizen, 7. Roggen. Je weiter nach Westen und Nordwesten desto mehr vermehren sich die Mähekleeschläge. Hier wird auch als Oelfrucht meist Rübsen statt des sonst verbreiteten Rapses eingeschoben. Vielfach sind die Rotationen durch wechselnde Untertheilung der Schläge für Oel- oder Hülsenfrüchte zu sehr zusammengesetzten Folgen entwickelt. Auf den bessern Aussenländereien lässt man 1. Kartoffeln in Dünger, 2. Roggen, 3. Sommerung, 4. Brache, oder vorher einige Weidejahre, auf den schlechteren nur Lupine, Roggen und Dreesch folgen. Besondere Beachtung verdienen die Anstrengungen, auch geringe Ländereien theils durch Lupine, theils durch Grassaat in Kultur zu setzen. Seit dieselben nament- lich durch v. Wulften angeregt wurden, hat sich die Lupine allgemein in der Mark ver- breitet. Besonderen Anstoss zur Graskultur aber hat die Wirthschaftsweise des Oeko- nomieraths Fleck zu Beerbaum gegeben. Schon im Anfange der vierziger Jahre begann derselbe im Gegensatz zu der bestehenden Praxis unter Anwendung starker Aussaaten, die den leichten Boden dicht zu beschatten und mit erheblichen Düngerrückständen zu kräftigen vermochten, in Verbindung mit Mergelung und Hackfruchtbau den Grasbau in grossem Masstabe. Die Folge ist dabei auf den besseren Böden 1. Gras zu Heu, 2. zu Weide oder Samen, 3. Roggen, 4. Hackfrucht gedüngt, 5. Schotenfrucht, 6. Roggen, 7. Hackfrucht gedüngt, 8. Sommerung mit Klee und Gras eingesäet. Auf den leich- testen Aeckern werden Grasweiden zu dreijähriger Nutzung niedergelegt. Bei allen Saaten wird die Mischung so gehalten, dass früh, mittel und spät vegetirende, und tief und flach wurzelnde Gräser sich gegenseitig ergänzen *). Prns *) Die Gräflich Brandenburgischen Beerbaumer Güter (r M. O. von Biesenthal) besitzen nach Mittheilungen des Genannten keine Wiesen. Der starke Viehstand von 110—120 Holländer Boden d, preuss. Staates. II, 12 178 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Die Rustikalen führen in der Regel eine modifizirte Dreifelderwirthschaft mit be- sömmerter Brache. Reine oder nur zum T'heil besömmerte Brache ist selten und ausnahmsweise durch besonders leichten Boden bedingt. Verbreitet kommt sie nur um Prenzlau vor, wo sie wegen des spröden Bodens den besten Winterroggen geben soll; auch in Belzig, im Glin und in der Priegnitz findet sie sich, meist aber wird der Brach- schlag hier mit Klee, Hülsenfrüchten und Lupinen, sowie auch mit Mengekorn oder mit einer zweiten Roggensaat bestellt. In Templin ist eine Vier- auch Fünffelderwirth- schaft mit einem reinen Brachschlage als Schafweide, und um Berlin eine Folge: 1. Kartoffeln, 2. Ya Winterung und '» Sommerung, 3. /. Sommerung und Y» Winterung üblich. Vielfach indess haben die Rustikalen Fruchtwechselwirthschaften oder ganz freie Wirthschaft durchgeführt, besonders in der Nähe der Städte. In der Lausitz ist Spatenkultur auch über die Stadtfluren hinaus verbreitet. Die Verhältnisse des Spreewaldes sind in dieser Beziehung schon Bd. I. S. 249 erwähnt. Für den Gemüsebau auf den gartenmässig bewirthschafteten Grundstücken in der Spreeniederung ist der Fruchtwechsel ebenso Bedingung der Tragbarkeit, wie bei den Aeckern. Eine bestimmte Fruchtfolge besteht indess nicht, doch wird in der Regel daran festgehalten, dass auf den besseren Gartengrundstücken erster bis dritter Klasse bei trockenen Lagen, namentlich südlich von Lübbenau nach den Höhen des Flämings zu, im ersten Jahre Gurken, im zweiten Majoran, Rüben- und Runkelrübensamen und sonstige Sämereien, im dritten Zwiebeln; in dem niedriger gelegenen Gebiete nördlich von Lübbenau auf den feuchteren Aeckern und den Horsten in den Wiesen Gurken und Zwiebeln in zweijährigem Turnus folgen. Gedüngt wird hierbei zu den Gurken und zwar sehr stark, auf den Morgen 24 Fuhren Kuhmist mit Grasstreu. Auf dem minder guten, mehr sandigen Gartenlande (4. Klasse) findet des hier thunlichen Meer- rettigbaues wegen meist eine fünfjährige Rotation statt, nämlich: 1. Meerrettig mit starker Düngung, 2. Kartoffeln, 3. Gurken mit halber Düngung, 4. Zwiebeln, 5. Sämereien. Die Gartengrundstücke werden sämmtlich mindestens zwei Spatenstiche tief ge- graben und hierbei zu schmalen Beeten geformt, welche mit Einschluss des zwischen ihnen hindurchlaufenden Fussteiges eine halbe Ruthe breit sind. Nach dem Säen werden Kühen, 42 Zugochsen, 46 Mastochsen und 3000— 3500 Schafen ist allein auf Ackerheu und Ackerweide angewiesen. Auf 3225 Morgen Binnenschlägen in 4 Rotationen, und 1 120 Morgen Aussenschlägen in 2 Rotationen zu Lupinenbau werden durchschnittlich 120 Morgen Luzerne, 300 Morgen Lupinen, 40 Morgen Serradella, 20 Morgen Mais und 750 Morgen Kartoffeln an- gebaut. Klee- und Grasbau, einschliesslich Luzerne und Brache, umfasst 36 pCt. der Acker- fläche, auf der durchschnittlich 34 Ctr. Klee- und 68 tr. Grassamen ausgesäet, und etwa 200 Ctr. Grassamen gewonnen werden. Auf besseren graswüchsigen Aeckern zu Heugewinn werden auf den Morgen 7 Pfuud Trifolium pratense (rother Klee), 2 Pfd. Trifolium repens (weisser Klee) und 8 Pfd. Phleum pratense, oder an dessen Stelle 12 Pfd. gemischte Gräser gesäet. Zu Heugewinn allein wird das Phleum pratense in mehr feuchtem Boden allen anderen Gräsern für Gemisch mit Klee vorgezogen, als Weidegras hat es, spät vegetirend, geringen Werth. Für Weideschläge wird auf leichtem Acker mehr Medicago lupulina (gelber Klee) genommen, und dazu, wo dem Heu- gewinn Weide folgen soll, r Pfd. Kümmel, ı Pfd. Poterium. Zu Weideanlagen dient ı Pfd. Medicago lupulina, 2 Pfd. weisser Klee, 2 Pfd. Kümmel, ı Pfd. Phleum pratense, 4 Pfd. Lollium perenne, 3 Pfd. Dactylus glomerata, 2 Pfd. Festuca ovina, 2 Pfd. Avena elatior, ı Pfd. Agrostis stolonifera. Diese Gräser eignen sich namentlich für trockene Aecker. (Vergl. auch Mentzel und Lüdersdorf: Landwirthschaftlicher Kalender Jahrg. 1862 S. 88). XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 179 die Beete fest getreten, geharkt und mit Brettern geschlagen, um ihnen eine gleich- mässige Form zu geben. Bei einigen Früchten, namentlich Gurken und Zwiebeln, ist in Folge der Graswüchsigkeit des Bodens ein mehrmaliges Jäten des Unkrautes nöthig. Auch die Ernte der Gurken ist sehr zeitraubend, da das Abnehmen derselben von Mitte Juli bis Anfang September jede Woche auf den Morgen 2—3 Lohntage erfor- dert. An diesen Niederungen sind vorzugsweise die Kreise Lübben und Kalau betheiligt, doch erstreckt sich ähnlicher Anbau auch auf die tieferen Lagen des Kottbusser, Sprem- berger und bis in den Gubener Kreis. Ueberall wird in diesen Gegenden von den kleineren Wirthen selbst auf den ge- ringeren Moorgrundstücken in der Regel zweimal Frucht vom Acker im Jahre genom- men. Sie bauen entweder nach der Winterung noch Spörgel oder Rüben an, oder säen, was besonders in den Spreedörfern üblich ist, in die Sommerung Mohrrüben ein. Dies ist nur durch die überaus starken Düngungen möglich, welehe dem Lande durch zahl- reichen Viehstand, günstiges Wiesenverhältniss und Streu aus den Forsten zukommen, Die meisten in der gesammten Provinz zerstreuten Dörfer der Bruchkolonieen vermögen ein festes Wirthschaftssystem wegen der niedrigen Lage ihrer Grundstücke nicht durchzuführen, weil sie sich im Anbau vielfach nach der Jahreswitterung und dem Wasserstande der Bruchgewässer richten müssen. Im Gegensatze dazu haben sich an manchen Orten, wie in den kleinen Stellen des Züllichauer Kreises und in den Ortschaften Rübehorst und Sieversdorf im Ruppiner Kreise, aus älterer Zeit hergebrachte Zweifelderwirthschaften erhalten, die ohne Brache eine Hälfte mit Winterung, die andere Hälfte mit Sommerung, Gerste, Hafer, Hirse, Kartoffeln und Rüben bestellen. Im Kalauer Kreise aber halten die Rustikalen neben völlig freier Wirthschaft noch vielfach an der früher in der Lausitz üblichen Bestellung mit Roggen während mehrerer Jahre hintereinander fest. — Als Bruttoerträge geben die Kreisbeschreibungen an: Bruttoertäge Weizen |Roggen | Gerste | Hafer |Kartoffeln| Klee | Raps | Rüben auf den Morgen | geneitel | Schefiel | Scheftel | Scheffel | Scheffel Centner | Scheffel Centner A.Die Öder-u.War- the-Niederungen . | 8 — 16 | 3 — 16 |I0—24 |8— 30 | 20— 96 |10—25 B. Der übrige Theil des Reg.-Bezirks Frankfurt ....|4— 122 — 12) 4-20|4—25| 30— 96 | 5-35 | 10 Desgl. Potsdam ..|4— 12 |2— ı2 5—ı8|4—20| 32—ı00 | 6-30 | 3 — ıo Das Getreide der Neumark und Uekermark ist als besonders gut bekannt, im allgemeinen ist es üblich, das Korn vor seiner völligen Reife zu hauen*). Im Havellande sucht man in neuerer Zeit höheren Mehlreichthum durch Schneiden in der Gelbreife zu erreichen. Der Roggen des Flämings geht in grossen Quantitäten nach Sachsen. Die Kartoffeln sind eine Hauptfrucht der Mark, und ihre Erkrankung hat mehr und mehr nachgelassen, indess haben die früheren Erträge noch nicht wieder erreicht werden können. Der Anbau beschränkt sich, den gemachten Erfahrungen gemäss, in der Regel auf die leichteren Böden, auch hat sich die Fruchtfolge von Kartoffeln hinter grün untergepflügten Lupinen, die im Herbst in die Roggenstoppel gesäet werden, bewährt. *) Vergl. Ueber die Erntemethoden im Staate, Annalen Bd. IV. S. 406 ff. VII. S. 279 fi. 12* 180 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Die Lupine hat wie zur Düngung so auch als Schaffutter allgemeine Verbreitung. Der starke Futterbau erfordert Einfuhr von Kleesamen aus Schlesien und der Alt- mark. Von Luzerne wird besonders Sandluzerne angebaut und hat auf besseren Böden gute Erfolge, auf geringeren bedarf sie der Mergelung. Der Mais breitet sich als spätes Grünfutter aus. Zucekerrübenbau ist nur im Oderbruche vortheilhaft. Hier verbreitet sich auch die Kultur der früher nicht beachteten Pferdebohnen, welche gedrillt und behackt werden. Dagegen sind Kohlrüben und Runkelrüben als Futter allgemein beliebt, und verdrängen den Möhrenbau, der dem Acker viel Kraft entzieht, geringen Futterwerth liefert und starke Arbeitskraft zur ungelegenen Zeit verlangt. Eine Eigenthümlichkeit ist der Anbau der bekannten Teltower Rübe, der sich indess auf die Stadt Teltow und die Gemarkungen Sputendorf, Gütergotz, Stahnsdorf, Stolpe und Deutsch-Wusterhausen und auf solche Wirthe beschränkt, welche die Bear- beitung selbst ausführen und die Ernte unmittelbar verhandeln können. Von einem Morgen erntet man etwa 8—ı6 Scheffel Rüben und der Preis ist 50—66 Sgr. vom Scheffel. Sehr lohnend aber ist ihr Anbau nicht; sie darf nur 2—2'/ Zoll Länge und höchstens 3, Zoll Dicke erreichen und erfordert bedeutende Arbeit und alten Dünger.- Auf feuch- tem Sande wird sie am schmackhaftesten, auf lehmigem Sande aber gewinnt sie an Masse. Ausserhalb der gedachten Spreeniederungen baut die Provinz nur um die Städte, namentlich um Werder, Potsdam und Berlin, Feldgemüse. Im Norden ist in der Ucker- mark der Tabaksbau erheblich verbreitet. — Die geschätzten Grundsteuerreinerträge zeigen folgendes Verhältniss: Durchschnitt- « Durchschnitt- Die Unter je 1000 Morgen Reinertragsver- hältnisse des Ackerlandes Staat | A. Oder u. War- theniederungen. B. Die übrigen Theile des Re- gierungsbezirks Frankfurt... . Dgl. Potsdam .. Provinz Branden- burger. licher Reinertrag vom Morgen frucht- tragen- der Fläche Sgr. 45,8 Acker 9A 34,8 377 373 licher Ackerreinertrag in den einzelnen Klassifikations- distrikten höch- ster niedrig- ster Sgr. 494. 60 £. 136 beste Acker- klasse ist ge- schätzt Sgr. 165 180 Gesammtfläche befinden sich Morgen Acker, die geschätzt sind über über 3 bis 6 6 Thaler | Thaler 6 Sgr. und darunter Extreme Distrikte . Frankfurt. b. Königsberg. . Lübben. . Landsberg. . Beeskow-Stor- kow. . Prenzlau. Der Reinertrag der Anbaufläche erreicht also in der Provinz Brandenburg nur 81,; Prozent vom Durchschnitt des Staates, von den einzelnen Terrainabschnitten aber ergeben die Niederungen der Oder und Warthe gegen die Höhen ungefähr das Drei- fache. In der Niederung sinkt kein Distrikt im Acker unter durehsehnittlich 47 Sgr., XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 481 auf der Höhe ein ganzer Kreis auf 13 Sgr.; ebenso erhebt sich vom Höhenlande im Re- gierungsbezirk Potsdam kein Kreis über 60, im Regierungsbezirk Frankfurt sogar kein Kreis über 49, während von den Niederungsdistrikten der des Kreises Königsberg 136 Sgr. vom Morgen Acker erreicht. Unter ro00 Morgen Gesammtfläche ist in der Oder- und Wartheniederung über- haupt kein Ackerland, welches nur zu 6 Sgr. Ertrag geschätzt ist, dagegen 221 Morgen, welche über 3 Thlr., und 42, welche über 6 Thlr. Ertrag gewähren; auf der Höhe aber sind unter rooo Morgen Gesammtfläche in Potsdam nur 10, in Frankfurt sogar nur 9, deren Reinertrag 3 Thlr. übersteigt, dagegen in beiden gegen 33 Morgen, die zu 6 Sgr. geschätzt sind. Als Literatur der Märkischen Ackerwirthschaft ist zu nennen: K. A. Noeldechen: Oekonomische und staatswirthschaftliche Briefe über das Nieder- Oderbruch, Berlin 1800, und Annalen der Landwirthschaft in derKur- und Neumark Brandenburg, Berlin 1803. I. Heft. A. Thaer: Geschichte meiner Wirthschaft zu Möglin, Berlin 1813. Der Verein der Oderbrücher, Annalen der Landwirthschaft Bd. 5 S. 181. J. G. Koppe: Darstellung der landwirthschaftlichen Verhältnisse der Mark Branden- burg, Berlin 1839. A. v. Lengerke: Beobachtungen auf landwirthschaftlichen Reisen in Preussen, Berlin 1846. Bd. I. S. 1— 95. Monatsschrift des landwirthsch, Provinzialvereins, red, v. E. v. Schlicht, Berlin 1845—62. 5. Provinz Schlesien, Das Anbauverhältniss der Provinz Schlesien stellt sich nach Tab. A. der Anlagen etwas höher, als das des Staates; 56,ı Prozent ihrer Fläche sind als fruchttragend zu berechnen, darunter 54 als Ackerland. Für die 3 Regierungsbezirke betragen diese beiden Verhältnisszahlen in Oppeln 55,9 und 54,:, in Breslau 64,4 und 61,5 und in Liegnitz 48, und 46,1. Indess geben die Durchschnittszahlen der Bezirke in Schlesien, wie für die Bodenbeschaffenheit, so auch für die Ertrags- und Werthsverhältnisse des Anbaues, kein hinreichend gutes Bild. Theilt man, wie Bd. I. S. 255 geschehen ist, die Kreise und Klassifikations- bezirke der Provinz in drei den Hauptterrainunterschieden entsprechende Gruppen, so, dass I. aus dem Regierungsbezirk Breslau: Habelschwerdt, Glatz, Neurode und Wal- denburg, und aus dem Regierungsbezirk Liegnitz: Landeshut, Bolkenhain, Schönau, Hirschberg und der Löwenberger Distrikt Friedeberg als Hochgebirge, ferner II. aus dem Regierungsbezirk Oppeln: Ratibor, Kosel, Leobschütz, Neustadt, Neisse und Grott- kau, aus dem Regierungsbezirk Breslau: Brieg, Ohlau, Strehlen, Münsterberg, Franken- stein, Reichenbach, Nimptsch, Breslau, der Trebnitzer Höhendistrikt, Neumarkt, Schweid- nitz und Striegau, und aus dem Regierungsbezirk Liegnitz: Jauer, Liegnitz, Goldberg, der Löwenberger Distrikt Löwenberg, Lauban und der Görlitzer Gebirgsdistrikt, als gute Lagen des linken Oderufers zusammengestellt, und diesen III. als dritte Gruppe die übrige Provinz gegenüber gehalten wird, aus welcher nur IV. der Kreis Glogau als eine besonders begünstigte Ausnahme auszuscheiden ist, so ergeben sich folgende Ver- hältnisszahlen: 182 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Fruchttragende Fläche Acker Verhältniss E Verhält-| Dies Verhältniss Verhält- niss zur| in den einzelnen Fläche niss zur Extreme der i nen Ge- assifikations- 3 Ge- ER: sammt- distrikten in Distrikte sammt- fläche | höch- |niedrig-| Morgen fläche pc stes stes pCt. 531 | 915 7 | 55146079 | 514 I. Hochgebirge .. 732918 | 479 |“ Bolkenhain. II. Die fruchtbaren b. Löwenberg & 5 (Bez.Friedeberg). Kreise u. Klassi- fikationsdistrikte des linken Oder- ufers .| 42,9 d.| 3 572 016 . Leobschütz. III. Die übrige Pro- . Görlitz. vinz . F 3 981 777 . Kreuzburg. IV. Glogau . Hoyerwerda. Schlesien | 731,2 4106 | 56, | 88,3 | 26,4 |8 515899 | 54,0 Es zeigt sich also, dass III. der nördliche, dem rechten Oderufer, dem Katzen- gebirge und der Oberlausitz angehörige Haupttheil der Provinz unter je 1000 Morgen nur 478 fruchttragende besitzt, noch weniger als I. das Hochgebirge, welches sich wenigstens auf 505 Morgen erhebt, dass dagegen aber II. das linke Oderufer, soweit es dem Fusse des Gebirges und der mittelschlesischen Ebene angehört, auf je 1000 Mor- gen 7ır dem Fruchtanbau widmet. — A. Der Wirthschaftsbetrieb in Oberschlesien ist je weiter nach Osten, desto mehr durch Ungunst des Klimas und des Bodens erschwert. Auf dem wenig fruchtbaren rechten Oderufer bilden die grösseren Güter in der Mehrzahl Theile grosser Herrschaften, denen weder Geldmittel noch Intelligenz mangeln, um den Betrieb auf eine möglichst hohe Stufe zu bringen. Die Schwierigkeiten der klimatischen Lage, wie der Verkehrs- und Bevölkerungsverhältnisse sind indess sehr be- trächtlich. Die Hauptstütze dieser Wirthschaften ist in der Regel die edle Schafzucht; da aber die überwiegend nassen Böden und der rasche Wechsel der Witterung dieselbe oft gefährden und die gewöhnlichen Brach- und Dreeschhutungen leicht zeitweise un- brauchbar machen, so erfordert die Reservirung sicherer und gesunder Weide- und Futterschläge in der Regel ziemlich komplizirte und nicht immer leicht durchführbare Rotationen. Vielfach liegt diesen Fruchtfolgen das allgemeine System einer Vierfelder- wirthschaft zu Grunde. 1. Winterung, 2. Hackfrucht, 3. Sommerung, 4. Weide- oder Mäheklee; oder es folgen: 1. Raps, Hackfrüchte, Futtergewächse, 2. Winterung und Sommerung, 3. Sommerung und Klee, 4. Schafhutung und Hafer. Häufig aber tritt auch die Dreifelderwirthschaft in modifizirten Formen selbst mit halben Brachfeldern auf. Im allgemeinen gedeiht Weizen und Gerste auf der rechten Oderseite nur aus- nahmsweise, allgemeiner verwendbar ist die Oelfrucht, und bei den verbreiteten Kalk- böden der rothe Klee, Luzerne und Esparsette, auch Grassämereien verbreiten sich. Auf den Sandböden wird überall Lupine gebaut. Die Hauptfrucht ist die Kartoffel, auf welche zahlreiche Brennereien begründet sind. Im Kreuzburger und Lublinitzer Kreise wird erheblicher Leinbau betrieben. Sehr zurück sind rechts der Oder durchschnittlich die Rustikalen. Im allgemeinen XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 183 herrscht auf den grösseren Flächen derselben die Dreifelderwirthsehaft mit bebauter Brache, die auf bündigeren Böden mit 1. Winterung, 2. Sommerung, 3. Kartoffeln, auf dem Sandboden aber entweder mit 1. Kartoffeln, 2. Roggen, 3. Hafer oder Heidekorn; oder 1. Roggen, 2. Stoppelroggen, 3. Kartoffeln getrieben wird. Futterbestellung oder Brachweide wird von den meist nur auf die nächste Zukunft bedachten Wirthen nicht für nützlich oder möglich gehalten, sie meinen zu wenig Land und Dünger zu besitzen, um tragfähiges Feld brach liegen zu lassen. Die Folge sind dürre Flächen, auf denen der Sand durch die unausgesetzte Lockerung mehr und mehr beweglich und die Frucht nothreif nnd von den Queeken unterdrückt wird. Nicht selten bauen sie auch zweimal Winterung hintereinander, verwenden den etwa überflüssigen Dünger Anfang Mai zu Buchweizen, und säen hinter ihm wieder Roggen. Auf geringeren Böden und in klei- neren Wirthschaften wird in der Regel die halbe Fläche den Kartoffeln eingeräumt und nur mit Roggen, Gerste oder Hafer Jahr um Jahr gewechselt. Dabei ist Stallfütterung fast unbekannt, das Vieh wird kümmerlich auf raumen Hutungen, Stoppeln, Wegen und Dorfweiden ernährt. — Das linke Oderufer Oberschlesiens ist in jeder Beziehung begünstigter und zum lohnenden Bau aller Früchte geeignet. Die Fruchtfolgen der grossen Güter nehmen hier Raps in starkem Verhältniss auf. Im Kreise Kosel folgen in der Regel: 1. Zucker- rüben oder Kartoffeln gedüngt, 2. Sommerweizen oder Gerste mit Kleeeinsaat, 3. Mähe-, Weide- oder Samenklee, 4. stark gedüngte Brache zu Raps, 5. Raps, 6. Winterung, meist Weizen, 7. Sommerfrüchte, wie Wicken, Erbsen, Mohrrüben, Futtermais oder Hirse, auch Kartoffeln, 8. Roggen oder Sommerung. In Grottkau und Neisse werden in 4 oder 8 Schlägen, aber auch in sehr zusammengesetzter Wechsel- oder ganz freier Wirthschaft etwa: 1. % Winterung, 's Raps, 2. /» Weizen, "2 Hackfrucht, 3. Som- merung, 4. Futter- und Hülsenfrüchte gebaut. Besonders ergiebig ist der Anbau indess in keinem Theile des Regierungsbezirks, mit Ausnahme des unmittelbar am Fusse des Gebirges sich entlang ziehenden Landstriches, namentlich des Kreises Leobschütz. Dieser Kreis sowie der mittle Theil von Neustadt sind durch ihre vorzügliche Gerste be- kannt, auch der Leobschützer Hafer und Weizen sind sehr gut, obwohl letzterer nur ausnahmsweise weisser ist. In diesen Lagen ist die Folge: 1. Brache, Raps und Hülsen- früchte, 2. Winter-, 3. Sommerhalmfrucht, 4. Klee und Hackfrucht, üblich. Der Halm- frucht bleibt mindestens die halbe Fläche eingeräumt. Zuckerrüben werden in grösserer Ausdehnung nur um ÖOttmachau, in Roswadze bei Gr.-Strehlitz und um Hultschin, hier zum Verbrauch auf österreichischen Zuckerfabriken, gebaut. Die Rustikalen des linken Oderufers führen in der Regel eine modifizirte Drei- felderwirthschaft mit besömmerter Brache und bauen nicht selten Raps. Auch findet sich bei ihnen wie bei den grösseren Gütern ein Kleeschlag als viertes Feld eingelegt. Diese Vierfelderwirthschaft scheint keine neue Einrichtung, vielmehr schon am Sehluss des vorigen ‚Jahrhunderts aus der damals zwischen Dominien und Gemeinden vor- genommenen Theilung der grossen Gemeinhutungen hervorgegangen zu sein. Für die schlechteren Böden sind die Rustikalwirthschaften meist zu erschöpfend, sie sind nicht gehörig im Dünger, weil das Vieh nicht kräftig genug genährt wird. Die Stallfütterung aber führen sie mehr und mehr ein. Sie füttern bis zur Ernte Rothklee und Gemenge, hüten dann bis Mitte Oktober auf Stoppeln und Wiesen, und erhalten das Vieh den Winter durch mit Stroh, Wasserrüben und Kartoffeln. — 184 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. B. Im Regierungsbezirke Breslan finden sich auf den zahlreichen grösseren Gütern in der Regel Fruchtwechselsysteme, welehe nur selten noch an die frühere Dreifelder- wirthschaft erinnern, von der märkischen Koppelwirthschaft aber, der sie sich mög- lichst nähern, insofern abweichen, als der Boden und das Klima Mittelschlesiens kaum irgendwo mehr denn einen Mähe- und einen Weidekleeschlag gestattet, und häufig schon in dieser Folge zur Begründung von Rotationen zu wenig Sicherheit bietet. Meist passt sich der Betrieb in ziemlich zusammengesetztem, 7—ı2- und mehrschlägigem Fruchtwechsel den Anforderungen der Oertlichkeit an. Die Unterschiede beruhen vor- zugsweise darin, ob die Wirthschaft vorwiegend auf Schafzucht oder auf Rindvieh- haltung oder endlich auf Zuckerrübenbau, der in Mittelschlesien 32 Fabriken beschäftigt, begründet ist. Die Schafzucht, die auf den geringeren Böden der nördlichen Hälfte des Bezirkes vorherrscht, dehnt die Weiden aus, die Rindviehzucht bedarf statt Weide- schlägen Futterfrüchte, und der Zuekerrübenbau, der meist über ungewöhnliche Dün- gungskräfte gebietet, räumt den Hackfrüchten so grosse Flächen ein, dass er nicht selten Rüben auf Rüben folgen lässt. Diese überaus intensiven Wirthschaften gehen zu völlig freier Berücksichtigung der Konjunkturen über; wie denn überhaupt die mehr und mehr verbreitete Sitte, schwach aber sehr häufig zu düngen, dem Betriebe. auf einem grossen Theile der mittelschlesischen Ebene eine freiere Bewegung erleichtert. Im nörd- lichen, weniger fruchtbaren Theile des Bezirks herrschte früher der Kartoffelbau so sehr, dass er in der Regel der Winterung an Ausdehnung gleich kam; nachdem derselbe aber auf den vielfach nassen und lettigen Böden seine Sicherheit, wie es scheint, dauernd ver- loren hat, wird auf den meisten Gütern den Hackfrüchten sammt der Sommerung nur gegen ein Dritttheil, dem Wintergetreide ein volles Dritttheil, und der Rest der Fläche den Hülsenfrüchten, dem Mengefutter, Klee, Gräsern, Lupinen und der reinen Brache eingeräumt, A Beispiele im Bezirke üblicher Fruchtfolgen sind: auf guten Böden 1. Raps, 2. Winterung, 3. Sommerung, 4. Klee, 5. Winterung, 6. Kartoffeln, 7. Sommerung, 8. Schaf- weide; auch: 1. Y» Raps, "2 Winterung, 2. '/. Blattfrucht, '/ Weizen, 3. Sommerung, 4. Klee und Gras, 5. Weide; oder zusammengesetzter: 1. Hackfrucht, 2. Sommerung, 3. Mäheklee, 4. Weide, 5. Winterung, 6. Hafer, 7. Brache, 8. Raps, 9. Winterung, 10. Hülsenfrüchte oder Gemenge, 11. Winterung und Sommerung, und ähnliche durch Ausfall von Brache oder Einsehieben von Halm- oder Hackfrüchten mehr oder weniger verstärkte Systeme; auf den geringeren: 1. Kartoffeln, 2. Winterung, 3. Dreeschweide, 4. Brache, 5. Winterung, oder auch noch 6. Lupinen, 7. Winterung. Der schlechte Sand wird mit Roggen und Kartoffeln unter mehrjähriger Dreeschweide bebaut, auch mit Lu- pinen grüngedüngt. Die starken Rotationen setzen sich in die offenen Thäler der Hochgebirgskreise, wenngleich mit geringerem Erfolge fort. In den höheren Lagen des Gebirges ist: 1. Roggen oder Weizen, 2. Gerste und Hafergemenge, 3. Hülsen-, Hackfrüchte und Lein, 4. Hafer, 5. Mäheklee ohne oder mit einem oder mehreren Weidejahren üblich. Im Hochgebirge selbst wird etwa Yıs Roggen, Yıs Hafer, 'ıs Kartoffeln und Hülsenfrucht, #6 Mäheklee und Gras, ”ıs Weideklee und Gras gerechnet. Für die Rustikalen kann im gesammten Regierungsbezirk, soweit es sich nicht um den Anbau kleiner, mehr oder weniger gartenmässig bestellter Parzellen handelt, die Dreifelderwirthschaft mit durchweg besömmter Brache als das allgemein gültige System gelten, aus dem nur wenige mittle Güter zu weniger erschöpfenden Rotationen, XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 185 namentlich durch Einlegung eines Futterschlages, übergehen. Im Gebirge führt Terrain und Witterung auch in grösseren Wirthschaften häufiger eine ziemlich freie Benutzung herbei. In bedeutender Höhe finden sich nur noch Hafer, Kartoffeln und einige Gemüse. Die Stallfütterung des Rindviehes ist, abgesehen von Stoppel- und Herbstweiden, auch bei den Rustikalen allgemein, soweit nicht ausnahmsweise, wie im Hochgebirge oder in den Waldungen des Landrückens, noch hinreichende Hutungen zur Ausnutzung bestehen. — C. Der Regierungsbezirk Liegnitz umfasst im Liegnitzer und Jauerschen Kreise die besten Ackerländereien Schlesiens. Die grösseren Güter zeigen indess von der in den übrigen fruchtbaren Theilen Mittelschlesiens übliehen Wirthschaftsweise keine Ab- weichungen. Der Zuekerrübenbau hat nur geringen Umfang. Es bestehen nur wenige Fabriken. Auch nach dem Gebirge zu finden sich die unter B. erwähnten Fruchtwechsel- wirthschaften mit möglichst starkem Futterbau; indess sind die Vorberge sehr abschüssig, schluchtenreich und dem Anbau ungünstig. Die breiten Thäler in der Nähe der Haupt- kette der Sudeten um Landshut, Hirschberg, Greifenberg und Friedeberg liegen um einige Hundert Fuss höher und erheblich rauher, als die ähnlichen Thäler der Graf- schaft Glatz. Die Dominien sind hier wenig zahlreich; eine übliche Fruchtfolge dersel- ben ist: 1. Winterung, 2. Kartoffeln, 3. Sommerung, 4. Klee, 5. Kleebrache, 6. Roggen, 7. Hafer, 8. Brache und Raps. Zum Theil sind sie in Parzellen verpachtet. In den im Liegnitzer Regierungsbezirk der Gruppe III. angehörigen Kreisen ist die Bodenbeschaffenheit zwar durchschnittlich ziemlich gering, indess sind theils in den Flussniederungen, theils auch streckenweis auf dem Hügellande gute und kräftige Böden in genügender Ausdehnung vorhanden, um auf den meisten Gütern wenigstens Binnen- schläge mit den starken Rotationen einer intensiven Fruchtwechselwirthschaft zu ge- statten. Daneben aber liegen oft beträchtliche Flächen früheren Heide- und Forst- grundes unter dem Pfluge, die nur mit Roggen und Lupinen oder Kartoffeln und Hafer bestellt werden können, und sich in ihrem Ertrage schwerlich über die Forstnutzung erheben, Auf den kräftigen Böden folgen z. B.: 1. Hackfrucht, 2. Gerste mit Klee, 3. Mäheklee, 4. Winterung, 5. Erbsen oder Raps, 6. Hafer. Für die mittleren Böden wird meist daran festgehalten, dass auf gedüngte Kleebrache Winterfrucht, dann Hack- frucht, dann Sommergetreide mit Kleeeinsaat und darauf wieder Kleebrache folgt; in diesen Turnus werden je nach der Ertragfähiskeit des Bodens oder dem vorhandenen Dünger Hülsenfrüchte, Winterung und Hackfrüchte eingeschoben. Auf feuchten Sand- böden baut man: 1. Kartoffeln, 2. Buchweizen oder Spörgel, 3. Roggen, 4. Hafer, oder: 1. Winterroggen gedüngt, 2. Kartoffeln, 3. Futterkräuter schwach gedüngt und 4. Roggen; oder es folgt nur Roggen auf Roggen, auch wenn der Dünger fehlt, zeit- weise Heidekorn, und je geringer das Land ist, eine immer grössere Zahl von Dreeschweidejahren. Die Rustikalen in der fruchtbareren Ebene halten in der Regel einen Roggen-, einen Gersten-, einen Hafer-, einen Kartoffel-, einen Klee- und einen Brachschlag, in welchem letzteren sie unter beliebigem, freiem Wechsel etwas Lein, Rüben, weissen Klee u. ähnl. aufnehmen; auch bauen sie hie und da Raps. Die Ortschaften im Ge- birge, welche kein Wintergetreide mehr bauen können, nehmen nur: 1. Kartoffeln in Dünger, 2. Hafer mit Klee oder Timotheegras, 3. Weide, oder schieben vor 2. Gerste ein. Wo der Klee unsicher wird, bleibt das Land nach Kartoffeln und Hafer einige Jahre zum Graswuchs liegen. Ueber ı 500 Fuss bedürfen die Kartoffeln schon eines 186 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. günstigen Herbstes. In den kleinen Gartengrundstücken werden Lein und Breehbohnen, Zwiebeln, Kohl und Rüben als Gemüse gezogen. Die Gebirgsbauden treiben ausschliess- lich Heu- und Weidewirthschaft. Die hohen Gebirgswiesen können in der Regel nur jedes zweite Jahr gemäht werden. Das gesammte Gebirge legt das Hauptgewieht auf Viehwirthschaft. Rindvieh und Ziegen weiden bis auf die höchsten Kämme. Die Schaf- zucht ist höchst untergeordnet. In dem zur II. Gruppe gehörigen nördlichen und westlichen Theile des Regie- rungsbezirks halten die Rustikalen überwiegend das System der Dreifelderwirthschaft fest, und bauen Kartoffeln in die Brache, wenn der Boden für Blattfrucht ungeeignet ist. Sie suchen den Dünger durch Waldstreu zu beschaffen und haben wenigstens in der Lausitz in der Regel Stallfütterung durchgeführt. Auf Mittelböden bauen sie häufig als Herbst- frucht Knörig oder Wasserrüben in die Roggenstoppeln. In den Heidegegenden lassen sie unausgesetzt Roggen, Kartoffeln, Hafer oder Heidekorn folgen. Wo es der feuchte oder moorige Boden erlaubt, bauen sie Kraut, auf milderen Sandböden, wie im Grün- berger Kreise, Lein. — Als Bruttoerträge verzeichnen die Kreisbeschreibungen folgende Mitimal- und Maximalangaben: Bruttoertrag Weizen Roggen Gerste | Hafer |Kartoffeln Klee | Raps | Rüben auf den Morgen Scheflel | Scheffel | Scheffel | Scheffel Scheffel | Centner | Scheffel | Centner I. Hochgebirge ..|4— ı2 30 — Ioo II. Gute Lagen des linken Oderufers [4 — ı5 24 — 120 III. Die übrige Pro- 10— 65 Schlesien baut selbst in seinen unfruchtbareren Kreisen alle Getreidearten, nur in sehr wenigen Lagen sind Weizen und Gerste gänzlich ausgeschlossen; in den Sand- gegenden und auf den Gebirgen bleiben sie aber ‚sehr beschränkt. Dagegen sind die Ebenen und das Hügelland des linken Oderufers durch bedeutende Getreideausfuhr bekannt. Den besten weissen Weizen erzeugt Frankenstein und Münsterberg, indess hat der geeignete Boden (Bd. I. S. 259) keine bedeutende Ausbreitung und umfasst auch in der einzelnen Gemarkung in der Regel nur bestimmte Lagen. Vorzügliches Getreide, sowohl Weizen, als Gerste und Hafer, liefern auch Leobschütz, Striegau, Jauer und Haynau. Weizen von ganz guter Farbe wird indess hier nur ausnahmsweise er- reicht. Glogau führt vorzugsweise schönen Roggen aus. Weizen wie Roggen der höheren Gebirgslagen, soweit sie noch Winterung bauen, ist in der Regel dickschalig und wenig mehlreich. Oberschlesien führt viel Getreide aus Polen, Galizien und Ungarn ein. Der Anbau von Erbsen ist beschränkt und namentlich im Südwesten Schlesiens wegen starken Befallens mehr und mehr aufgegeben. An ihre Stelle sind Rüben und hie und da Pferdebohnen getreten. Oelfrucht, namentlich Raps, ist ein Haupterzeugniss der Provinz. Auch die Rustikalen nicht allein in Mittelschlesien, sondern auch in Oberschlesien, in Ratibor, Leobsehütz und selbst in den hohen Gebirgslagen, wie im Landshuter Kreise, nehmen am Anbau Theil. Weniger allgemein ist er in der Oberlausitz. XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 187 Das grosse Bedürfniss des Futterbaues hat rothen und weissen Klee überall ver- breitet, auch dahin, wo er nur dürftig gedeiht. Bei den im ganzen sehr geringen Flächen kalkhaltiger Böden ist Düngekalk, der in hinreichender Masse gewonnen wird, allgemein in Anwendung. Von Liegnitz aus wird ein sehr bedeutender Handel mit Kleesamen getrieben. Einsaat der verschiedensten Gräser wird auf immer erneute Weise versucht, ebenso Senf, Knörig, Mais und Spörgel angebaut. Auf allen geringeren Böden hat sich in den letzten Jahrzehnten die Lupine, und zwar vorzugsweise die gelbe und blaue, rasch und nachhaltig verbreitet. Im wesentlichen aber dienen in der gesammten Provinz Kartoffeln und Rüben als Futterfrüchte. Die starke Aufnahme des Kartoffel- baues in den zoger und 30ger Jahren bezeichnet einen Wendepunkt in der wirthsehaft- lichen Entwiekelung Schlesiens. Die Zahl der Brennereien stieg 1834 auf über 4000. Nach dem Auftreten der Kartoffelkrankheit hat man sich wieder mehr dem Futterrüben- bau zugewendet, der schon in alter Zeit durch die weisse Rübe stark vertreten war, gegenwärtig aber auf besseren Böden auch Runkelrüben verschiedener Arten in grosser Ausdehnung verwendet. Der Leinbau ist in Schlesien bei den Rustikalen noch strichweise verbreitet, indess nur für ihren Bedarf. Als Handelsgewächs wird er von grossen Gütern in Oberschlesien um Lublinitz und Kreuzburg, auch im westlichen Theile von Neustadt und um Leob- schütz, sowie im Zinna- und Trojathal im Ratiborer Kreise, endlich in Niederschlesien besonders im Glogauer und Freystädter, in einiger Ausdehnung auch im Goldberger Kreise gebaut. Hanf ist auf wenige Orte, z. B. Binkowitz bei Ratibor, beschränkt. Von gartenmässig angebauten Pflanzen hat in Schlesien der Tabak eine gewisse Bedeutung. Abgesehen von kleinen Anpflanzungen in verschiedenen Ortschaften bildet er um Ohlau und Wansen die Beschäftigung einer zahlreichen Arbeiterbevölkerung und die Grundlage einer lebhaften Industrie, welche den inländischen Tabak theils rein, theils mit amerikanischen und Pfälzer Blättern verarbeitet. Der Feldgemüsebau ist vorzugsweise auf die Umgegend von Liegnitz und auf die Bd. II. S. ro erwähnten Kräutereien bei Breslau beschränkt. Letztere erzielen auf einem nassen, seit Jahrhunderten tief ausgedüngten, lehmigen Sande durch unaus- gesetzte Arbeit, Zwischensaat und Einpflanzen zahlreiche verkäufliche Ernten, man be- hauptet, auf demselben Beete bis 9 im Jahre, und sind wesentlich für die Bedürfnisse der Hauptstadt beschäftigt. Der starke Gemüsebau um Liegnitz dient mehr der Ausfuhr, er versieht das Gebirge und selbst Oberschlesien mit seinen Produkten namentlich dess- halb, weil er sie frühzeitiger liefern kann, als die örtlich erzeugten; er ist indess auf die nächste Umgebung der Stadt, etwa den Umkreis einer Meile, und vorzugsweise auf die Auenböden der Katzbach beschränkt. Die schlesischen Theile der Lausitz bauen nur wenig Gartenfrüchte, und auf den meist sehr geringen Böden, welche von Beuthen ab- wärts durch die Kreise Freistadt, Grünberg und Sagan verbreitet sind, findet zwar der näher zu erwähnende starke Obst- und Weinbau statt, das Gemüse aber wird wegen Mangels an Dünger meist von Liegnitz eingeführt. In Bobernig (OSO. 21% M. von Grünberg) findet ein ziemlich umfangreicher Anbau von Teltower Rüben statt. Um Glogau wird der Mohnbau, zwischen Breslau, Kanth und Strehlen der Anbau von Cichorien, von Krapp und Weberkarden betrieben, — Die Reinertragsdurchschnitte des Ackerlandes berechnen sich den oben angege- benen Terrainabschnitten nach folgendermassen: 488 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Durchschnitt- Durchschnitt- Erz ; Unter je 1000 Morgen 5 8 h licher Die & Reinertragsver- licher Reinertrag Ackerreinertrag | beste Gesammtfläche hältnisse vom Morgen Jin den einzelnen| Acker- befinden sich Morgen 5 = Extreme Frucht Klassifikations- | Kjasge | Acker, die geschätzt sind rucht- Foren - er: des Re distrikten dee Bu a Br Distrikte . “odri Pr Sgr. e Ackerlandes Tor Acker |niedrig-| höch- | genätzt 5 Ey ) Fläche ster Btor un 3 bis 6 6 Sgr. Ser. Ser Ser. Ser. darunter) Thaler | Thaler Staat | 45,8 I. Hochgebirge | 39,3 | 37 243.| 55v.| 165 3,9 16,7 « | Landeshut. II. Die frucht- Ban euzous: baren Kreise und Klassifikations- distrikte des lin- c. Ratibor, Lau „ Ra ‚ - ken Oderufers . 73,0 71 54e.| 104a.| 180 7,6 | 1467 P “ban. II. Die übrige dsl gean, R Jauer Provinzi...... 32,4 31 16e.| 451| 135 | 14,4 8,2 le Dublinitz. IV. Kr.Glogau | 56,3 55 55 165 | 13,7 | 115,0 ° |f. Oels. Schlesien | 506 | 49 16 104 | ı80 | 10,9 | 53,8 | 5 Der geschätzte Reinertragswerth der Anbaufläche der Provinz ist danach durch- schnittlich ro pCt. höher, als der des Staates. Von den einzelnen Abschnitten erhebt sich aber die Ebene des linken Oderufers auf mehr als das Doppelte. Das Hochgebirge und die übrige Provinz stehen dagegen beträchtlich zurück. Der Reinertragsdurchschnitt der Anbaufläche in den einzelnen Regierungsbezirken berechnet sich für Oppeln auf 42, für Breslau auf 102 und für Liegnitz auf 48,7 Sgr. vom Morgen. — z Als Literatur über die schlesische Ackerwirthschaft sind zu nennen: A. v. Lengerke: Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft in den preussischen Staaten, Berlin 1846, Bd.]1. 8. 359 ff. Th. Schück: Statistik des Regierungsbezirks Oppeln, mit besonderer Berücksichtigung der Landwirthschaft ete., Iserlohn 1860, mit der Industriekarte von A. Zannert. H. Solger: Der Kreis Beuthen in Oberschlesien, mit besonderer Berücksichtigung der durch Bergbau und Hüttenbetrieb in ihm hervorgerufenen eigenthümlichen Ar- beiten und Gemeindeverhältnisse, Breslau 1860. L. Jacobi: Der Grundbesitz und die landwirthschaftlichen Verhältnisse in der preussi- schen Oberlausitz, Görlitz 1860. Ferner in den Annalen der Landwirthschaft: Bericht über die Bewirthschaftung der Rosnochauer Güter des Grafen Harrach (Bd. 4 8. 117, 133). Auszüge aus Reiseberichten [v. Beckedorf] (Bd. 6 S. 188). Beschreibung der Wirthschaft in Chutow, Kreis Beuthen (Bd. 6 S. 366). Oberschlesische Zustände (Bd. 7 8. 58). Bericht über eine Reise nach Oberschlesien von Dr. Koppe (Bd. 23 8 57). Sehr reich an Abhandlungen über zeitgeschichtliche Fragen der Landwirthschaft sind die Schlesischen Provinzialblätter, Breslau 1785—1849. 64 Jahrgänge. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 189 6. Provinz Sachsen. Den Nordosten der Provinz Sachsen nimmt das ebene und überwiegend sandige Schwemmland, den Südwesten das im Brocken und Thüringerwald bis zu 3000 Fuss ansteigende Bergland ein. Jeder der beiden Abschnitte umfasst ungefähr eine Hälfte der Provinz. Dem Schwemmlande, an dem nur die Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg Theil haben, sind, wie Bd. I. S. 265 zeigt, die Kreise Jerichow I. und II., Gardelegen, Stendal, Osterburg, Salzwedel, Wittenberg, Schweinitz, Liebenwerda, Torgau, Delitzsch und Bitterfeld zuzurechnen. Das Anbauverhältniss der Hauptabschnitte ist folgendes: Fruchttragende Fläche Acker = Verhält-| Dies Verhältniss Verhält- A\ mar in niss |in den einzelnen| Fläche niss Extreme er fläche zur Ge-| Klassifikations- zur Ge- iD. in UOMei- | gammt- distrikten au sammt- Distrikte OMeil.| len | fläche |edrig-| höch- Morgen | fläche pCt. stes stes pOt. Verhältniss Anbauflächen 49734 5 | 915 | 55146079 | 51, A. Magdeburg. re I1$,o a.| 86,6 v. 2468 031 . Jerichow II. b. Wanzleben B. Merseburg aller.a .| 88,6 d.| 2 520 389 e. Liebenwerda. d. Mansfeld (See- kreis). GHErfuntar 0% .| 842 £.| 847 092 e. Schleusingen. . Weissensee.‘ Provinz Sachsen | 458, | 280,4 | 612 |252 |886 |5835 513 | 59,1 g. Jerichow II. h. Delitzsch. Schwemmland. ...| 223,3 | 115,2 | 53,9 | 38,0 g.| 78,7 1.2405 059 | 52,1 | i. Schleusingen. Bergland.......| 2349| 1652| 67,8 | 2521. | 88,6x.[3 430454 | 65,r | K- Mansfeld (See- kreis). Darin Danach steht das Schwemmland im Durchschnitt nur dem Staate gleich, der Anbau im Berglande ist beträchtlich ausgebreiteter. Dagegen zeigt sich zwischen den einzelnen Distrikten des Berglandes eine erheblich grössere Differenz, als zwischen denen des Schwemmlandes. Die Zahlen der Regierungsbezirke sind nothwendig etwas mehr aus- geglichen; im ganzen besitzt die Provinz unter je 1000 Morgen Gesammtfläche 612 dem Anbau von Früchten gewidmete und davon 591 Morgen Ackerland. — Im Wirthschaftsbetriebe der Provinz lassen sich im wesentlichen die bedeutenden Gegensätze des Terrains und der Fruchtbarkeit wiedererkennen, Der sandige Nord- osten steht der Mark Brandenburg in allen Eigenthümlichkeiten sehr nahe, das süd- westliche Bergland ist vielfach für Grosswirthschaft ungeeignet, in hohem Grade par- zellirt und auf gartenmässige Kultur hingewiesen, zwischen beiden liest am Fuss der Gebirge ein breiter Streif vorzugsweise fruchtbaren Landes, auf welchem die Gross- wirthschaft, gestützt auf eine bedeutende Industrie, zu der reichsten Entwickelung ge- langt ist, ohne die durch das Klima ebenso wie durch die Bedürfnisse der Industrie- bevölkerung begünstigte Kleinwirthschaft gänzlich zu verdrängen. A. Im nördlichen Theile des Regierungsbezirks Magdeburg, in der Altmark, treiben die grösseren Güter überall eine Fruchtwechselwirthschaft, die sich bei Brennereibetrieb 190 XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. besonders auf Stallfütterung mit ausgedehntem Hackfruchtbau, sonst vorzugsweise auf Schafzucht richtet. Die besseren Böden werden zu Getreide, Oel- und Hackfrüchten mit mehreren Weide- und Brachschlägen, der höhere und leichtere Boden zu Roggen, Kartoffeln, Lupinen und als Schafweide benutzt. Auf Sandboden ist überall gelbe und weisse Lupine sowohl zu Futter wie zu Gründungung stark verbreitet. Der schwere Niederungsboden der Wische gestattet keinen Rapsbau und liegt in der Regel in der Fruchtfolge: 1. Brache, 2. Weizen, 3. Klee, 4. Weizen, 5. Hafer, 6. Weide. Auf den von der Niederung zur Höhe ansteigenden Mittelböden pflegt man 1. Rapsbrache mit Düngung, 2. Raps, 3. Weizen, 4. Sommerung, 5. Pahlkorn (d. h. Erbsen) gedüngt, 6. Weizen mit Klee, 7. Mäheklee folgen zu lassen, wobei im 7. Jahre zum künftigen Raps einmal im Herbst und im nächsten Jahre wenigstens noch dreimal ge- pflügt wird. Bei besonders guten Böden wird auch in einem ähnlichen achtjährigen Turnus mit zweimaliger starker Düngung dreimal Weizen gebaut, Auf den breiten Flächen des hohen, meist geringen Landes bauen grössere und kleinere Güter: 1. Winterung (meist Roggen) in Dünger, 2. Hackfrüchte, Erbsen, Heide- korn, 3. Sommerung (meist Hafer) mit untergesäetem rothen oder Weideklee, der durch das 4. und womöglich 5. Jahr genützt wird. Die Rustikalen halten in der Regel noch an der Dreifelderwirthschaft fest, be- sonders gegen die Absenkung des Fläming hin, wo die Wirthschaft in vieler Beziehung am meisten zurücksteht. Die Niederungen wirthschaften häufig ganz frei und sehr intensiv. Links der Elbe hat man mehr und mehr angefangen, zur Vierfelderwirth- schaft überzugehen und Weidegräser einzusäen; auch bestehen hier häufig Fruchtfolgen wie 1. Futterkräuter, Hülsenfrüchte, Lupinen oder Kartoffeln, 2. Roggen, mitunter Weizen, 3. Kartoffeln, an den feuchten Stellen Turnips oder Kohlrüben, 4. Hafer, mitunter Gerste oder Sommerroggen. Auf schlechten Höhenlager, wie um Arendsee, herrscht gewissermassen eine Ein- feldwirthschaft. Es wird ein Jahr wie das andere auf demselben Boden Roggen ge- baut, soviel sich bis Weihnachten bestellen lässt; was an Acker übrig bleibt, wird dann im Frühjahr zu Hafer oder Kartoffeln genommen. Dabei wird der Acker alljährlich, wenn auch nur schwach gedüngt. Es giebt in solchen Gegenden Aecker, auf denen schon seit undenklichen Zeiten alljährlich Roggen und nichts anderes als Roggen angebaut worden ist. Für den Moorboden des Drömlingsgebietes ist die Brennkultur in Uebung. Die Rasennarbe wird abgeplaggt und auf Haufen zu Asche gebrannt; dann der Moor- grund so tief gepflügt, dass eine Mischung mit der thonigen oder sandigen Unterlage statt- findet, und die Asche auf den gepflügten Boden gestreut. In erster Tracht wird Oel- frucht eingesäet, dann folgt Roggen oder Hafer, nach Befinden auch Hackfrucht, und zur neuen Berasung geschieht mit dem Getreide die Ansaat von Klee oder Timotheegras. Im südlichen Theile des Regierungsbezirks Magdeburg hat die Verwendung grosser Betriebskapitale, die starke Vieh- und Gespannhaltung, die tiefe und gleichmässige Arbeit mit verbesserten landwirthschaftlichen Geräthen und Maschinen, und die Zufuhr bedeutender Quantitäten angemessener künstlicher Dungmittel den Kulturzustand und die Ertragfähigkeit des Ackerlandes auf eine sehr hohe Stufe gehoben. In der Regel bleiben hier dem Interesse des Zuckerrübenbaues die anderen Frucht- und Getreide- arten untergeordnet. Diesem Prinzip folgen sowohl die Besitzer und Pächter der grösseren Güter, als auch die kleineren Wirthe, welehe die Rüben zum Verkauf an die Fabriken zu bauen und bei der grossen Zahl der Etablissements leicht abzusetzen Gelegenheit haben. XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 191 Die Kreise Wollmirstedt, Wanzleben, Magdeburg, Kalbe, Aschersleben und Oschers- leben besitzen auf 50Y []Meilen 70 Zuckerfabriken und das benachbarte Anhalt ver- sorgt sich zum Theil ebenfalls aus Preussen. Es giebt Wirthschaften, welehe die Zucker- rübe bei kräftiger Düngung der Halmvorfrucht ein Jahr um das andere bauen. Doch geschieht dies allerdings nur ausnahmsweise, falls es den Fabriken an geeignetem Acker fehlt; in der Regel wird die Zuckerrübe in drei- oder vierjährigem Turnus gebaut. Im Kreise Wanzleben, im Mittelpunkte des Rübenbaues, ist die übliche Folge: 1. Futter- kräuter, Hülsenfrüchte u. dgl., 2. Winterung (Roggen, Weizen, Raps), 3. Hackfrucht (Zuckerrüben, Kartoffeln, Cichorien), 4. Sommerfrucht (Gerste, Hafer u. dgl.). Vielfach aber ist die Wirthschaft ganz frei. Stallfütterung und Mastung sind allgemein. In den weniger fruchtbaren Strichen, in denen der Rübenbau nicht so überwiegend die Herrschaft gewinnen kann, sucht man dem ziemlich allgemein vorhandenen Mangel an Wiesenheu durch Klee, oder wo dieser nicht in grosser Masse vortheilhaft angebaut werden kann, durch ausgebreitete Saaten von perennirenden Futterkräutern abzuhelfen; mehrfach gelingt dabei die Stall- und Hürdenfütterung der Schafe durch die Sommer- monate. Häufig binden sich hier auch die Fruchtfolgen an die verbesserte Dreifelder- wirthschaft mit Brachbestellung, innerhalb welcher bei dem starken Nahrungsverhält- nisse des Viehes eine sehr intensive Ausnutzung unter Anbau von Handelsfrüchten möglich ist. — B. Auf dem Sehwemmlandsgebiete des Regierungsbezirks Merseburg führen die grösseren Güter überall ein Fruchtwechselsystem mit Stallfütterung dureh. Wo der Boden den Rapsbau gesattet, wie in der Elbaue oder um Delitzsch, wird auf diesen besonderer Werth gelegt, und 1. Brache, 2, Oelfrucht stark gedüngt, 3. Winterung, 4. Hackfrucht, 5. Gerste oder Hafer, 6. Klee, oder auf der Höhe Lupine, 7. Winterung, schwach ge- düngt, 8. Sommerung, die abträgt, gebaut; oder auch nur: 1.Brache, 2. Raps, 3. Winte- rung, 4. Hackfrucht, 5. Sommerung mit Klee, 6. Klee. In den Sandstrichen lässt man 1. Brache, 2. Roggen, 3. Kartoffeln, 4. Hafer, oft mit eingesäetem Klee, 5. Weide folgen; auch finden sich leichte Bodenklassen, auf denen dreijähriges Roggenland vorkommt. Die Rustikalen halten überwiegend an der Dreifelderwirthschaft mit besömmerter Brache fest, oder führen eine nicht immer vortheilhafte freie Wirthschaft. Stallfütterung ist überall in Uebung, und es wird auf die Rindviehhaltung besonderes Gewicht gelegt. In den schon dem Fusse des Gebirges angehörenden Kreisen des Regierungs- bezirks Merseburg bestehen auf etwa 6o DMeilen 35 Zuckerfabriken; der Rübenbau bestimmt desshalb auch hier die Fruchtfolgen wesentlich. In der Regel ist der Turnus: 1. Winterung, 2. Zuckerüben, 3. Sommerung, 4. Rübsen, Hülsenfrüchte, Klee und andere Futterkräuter; oder auch nur 1. Winterung, 2. Zuckerrüben, 3. Sommerung. Wo die Zuckerindustrie noch keinen Eingang gefunden hat, wird vorzugsweise Raps etwa in der Folge: 1. Raps oder Rübsen, 2. Weizen oder Roggen, 3. Gerste, Kartoffeln, Erbsen, 4. Klee, 5. Roggen, 6. Hafer gebaut; auch wohl: 1. Winterung, 2. Sommerung mit Klee, 3. Mäheklee und Brache, 4. Raps, 5. Winterung, 6. Sommerung. Vielfach bleibt indess die Wirthschaft ganz frei, oder hält sich mit oder ohne Rapsbau an das allgemeine System der drei Felder. Aehnlich wirthschaften auch die Rustikalen oder bestellen in vier Feldern unter Fruchtwechsel. Im Norden von Querfurt, in der Gegend von Öster- hausen, Rothenschirmbach u. a. besteht die Vierfelderwirthschaft in der Folge: 1. Brach- früchte, 2. Wintergetreide, 3. Gerste, 4. Hafer, — 192 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. €. Im Regierungsbezirke Erfurt ist ein erheblicher Theil der Gemarkungen noch nicht separirt und muss dem Flurzwange, auch wo er rechtlich antiquirt ist, nach wie vor folgen, weil bei der grossen Zerstückelung und Vermengung die Zugänglichkeit nicht herzustellen ist. Die Fluren liegen desshalb in der Regel in der Dreifelderwirthschaft mit Brache vor Roggen oder Brachfutter vor Weizen. Auch giebt es Vierfelderwirthsehaf- ten, wie 1. Kartoffeln, 2. Sommergetreide mit Klee, 3. Klee, 4. Winterung. Solche Vier- felderwirthschaften haben auscheinend schon in alter Zeit mit Flurzwang bestanden; so kommt im Kreise Ziegenrück häufiger die Folge: 1. besömmerte oder reine Brache, 2. Roggen oder Weizen, 3. Gerste oder Sommerkorn, 4. Hafer, vor; im Kreise Erfurt findet sich auf manchen Fluren: 1. Sehoten und Hackfrüchte, oder auf dem geringeren Lande reine Brache, 2. Roggen und Weizen gemischt, 3. Gerste oder Wickgerste, 4. Hafer. Wo es sich thun liess, sind indess mehrschlägige Fruchtwechsel- oder ganz freie Wirthschaften durchgeführt. Die Niederungen suchen dabei überall dem Rapsbau eine Stelle einzuräumen. In den Ortschaften um Erfurt im Gera- und Unstrutthal wird die Brache mit Handelsgewächsen, Anis u. dgl. bestellt. In der Höhe, wie auf den Gebirgsfluren des Eichsfeldes bleiben dagegen die Brachen fast gänzlich rein oder werden doch nur ausnahmsweise mit etwas Klee oder Kartoffeln bebaut. Die kleineren Wirthe in den Gebirgen, die nicht so viel Land besitzen, um davon ihre Familien ernähren zu können, wechseln im 2jährigen Turnus mit Kartoffeln und Roggen, und die kleinsten, haupt- sächlich die Bewohner der Walddörfer, bauen Jahr aus Jahr ein nur Kartoffeln. Wo nicht Forst und Berghutungen vorhanden sind, ist Stallfütterung allgemeine Regel. — Die Bruttoerträge sind nach den Kreisbeschreibungen folgende: Bruttoertrag |Weizen| Roggen | Gerste | Hafer |Kartoffeln| Klee | Raps | Rüben auf den Morgen | scheftel Scheffel Scheffel | Scheflel Scheffel Centner | Scheffel | Centner A. Magdeburg . B. Merseburg (N 4-15 |4 14 | 4—24 | 5—20 | 24—120 | 5—25 | 4—ı2 | 40—200 6—ı5 | ı1Ya—ı6 | 6—20 | 4—26 | 36— 96 |10—30| 8—ı5 | 70—ı80 2—13 6—ı8 | 3—20 | 10— 84 | 10—35 . |T20—200 zz Schwemmland . | 4—ı2 | ıa—ı2 | 4—ı8 | 4—ı8 | 24— 96 | 5—30 | 4—ı5| 40—I50 und 200 en ven. |4—ı5 | 4 —ı6 | 5—24 | 5—26 | 36—ı20 | 8—30| 5—ı2 | 70—200 Die Provinz erzeugt alle Getreidearten im Ueberfluss. Gleichwohl ist der Ge- treidebau sowohl auf den sandigen und trockenen Höhenländereien der Altmark, wo Weizen und Gerste fast gar nicht gedeihen, als auch in den hohen Gebirgen des Südens und Südwestens der Provinz beschränkt. Auf letzteren kann je nach der Höhe Winterung überhaupt nicht, oder wenigstens nieht mit sicherem Erfolge gebaut werden, und Kar- toffeln, Hafer und Sommerroggen bleiben die Hauptfrüchte. Zu ‘diesen Lagen gehört namentlich die gesammte Enklave Beneckenstein, die Walddörfer Vesser, Schmiedefeld, Stüterbach, Frauenwald, Schleusingen, Neundorf, Goldsaater, Heidersbach, Langenbach und Schönau im Schleusinger, und alle Höhen im Ziegenrücker Kreise. Auf den hoch- gelegenen Plateaus in dem Thalbecken zwischen Harz und Thüringerwald, im Mühl- hauser, Langensalzaer und Erfurter Kreise, ist überall, wo der Muschelkalk herrscht, der Anbau von Weizen, und in den geringeren Bodenarten der von Dinkel und Hafer XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 193 bei weitem ausgebreiteter, als der von Roggen und Gerste. Ebenso werden in den hoch- gelegenen Fluren der unteren Keuperregion, namentlich auf dem Alacher Plateau, statt Roggen, welcher auswintert, nur Gemengekorn, halb Roggen, halb Weizen, und statt der Gerste Wicken gebaut. Im Mühlhauser Kreise giebt es grosse Flächen, die selbst den Anbau des Weizens nicht gestatten, und auf denen desshalb in 3 Jahren nach Brache zweimal Hafer folgt. An Hülsenfrüchten sind Erbsen und Wicken ziemlich verbreitet, auch Linsen werden namentlich im Regierungsbezirk Erfurt häufiger gebaut. Indess sind dieselben auf den gypshaltigen Böden, wie z. B. in Tungenhausen im Weissenseer Kreise, zum Kochen nicht zu gebrauchen, und können nur als Viehfutter zur Verwendung kommen. Die Kartoffelkrankheit ist in den letzten Jahren in Sachsen in geringem Grade aufgetreten, und namentlich hat sich die sogenannte grüne oder Heiligenstädter Kar- toffel, welche in der Provinz weit verbreitet ist, aber tiefen schwarzen Boden verlangt, durch Gesundheit und hohe Erträge ausgezeichnet. Auf den Hochflächen der südlichen Kreise bleiben die Kartoffeln des rauheren Klimas wegen in der Ausbildung sehr zurück und unterliegen desshalb der Krankheit erheblich leichter. Der Bedeutung der Zuckerrüben für die Provinz ist gedacht. Es hat sich bei ihnen in den letzten Jahren Abnahme des Ertrages und des Gehaltes und das Erkranken in verstärktem Grade und vorzugsweise bei vorherrschender Stickstoffdüngung gezeigt. Bei dem grossen Futterbedarf sind Futterrüben allgemein verbreitet, und es wer- den nicht allein die Wurzeln, sondern auch die Blätter, nachdem sie eingesalzen und eingemietet, mit Häcksel vermischt dem Milchvieh gereicht. In der Gegend von Hal- berstadt werden als Futterfrucht auf schwerem Boden die Leutowitzer und Oberndorfer Runkeln mit grossem Erfolge gebaut, während die langen, gelben und rothen Futter- runkeln für Bruchboden den Vorzug haben. Um Sondershausen findet die Riesen- Flaschenrunkel, die möglichst früh und sorgfältig behackt, aber nieht gedüngt wird, immer weitere Ausbreitung. Für die Gegend von Schildau hat sich auf leichtem Boden bei tiefer Kultur und Reihenpflanzung die grosse weisse Riesenmohrrübe bewährt. In Schleusingen wird die grünköpfige Riesenmohrrübe auf den sandigen Böden des Bunt- sandsteins mit grossem Erfolge gebaut. Auch sonst ist der Mohrrübenbau verbreitet. Im Weissenseer Kreise werden Mohrrüben zu Saft eingekocht. Im gesammten Norden der Provinz ist die Lupine als Futter und zur Gründüngung allgemein hochgeschätzt, und zwar ganz besonders die gelbe. Sie wird grün und getrocknet den Schafen verfuttert und an manchen Orten gewöhnt sich auch das Rindvieh an sie. In den südlicheren Kreisen ist sie nur um Schleusingen besonders verbreitet. Auf den besseren Böden der Ebenen herrscht rother, auf den trockenen Lagen, namentlich in der Altmark, weisser Klee als Futterpflanze. Den letzteren bauen auch die Gebirgs- lagen vorzugsweise, soweit sie nicht, wie z. B. Beneckenstein, für den Klee zu rauh sind. Die südlicheren Gebirge ziehen den gelben Klee vor, der schon im Mansfelder Seekreise besser gedeiht, als der rothe. Auf den Kalkböden wird Esparsette gebaut; vom Kalber Kreise südlich findet sie sich auf allen Gebieten des Muschelkalks. Im Magde- burgischen ist die Luzerne allgemein, dagegen der Klee seltener. (Vergl. Bd. II. S. 34.) Als sonstige Futterpflanzen werden Mais, Spörgel, auch die Pferdebohne gebaut, welche letztere mehr und mehr Verbreitung findet und in Sangerhausen selbst auf hohen Berglagen gut gedeiht. Um Apenburg und an anderen Orten säen die kleineren Wirthe seit einigen Jahren viel Serradella als Weide unter Roggen oder zum Grünabfuttern im Herbst. Boden d, preuss. Staates. IL 13 194 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. An Handelspflanzen ist der Lein von einiger Bedeutung. Seit alter Zeit wird im westlichen Theile des Erfurter Kreises ein ziemlich starker Flachsbau getrieben. Aut den grösseren Wirthschaften wird etwa "is, auf den kleineren ein noch bedeutenderer Theil der Fläche mit Lein bestellt; im Weissenseer Kreise wird der beste Lein in den höher gelegenen Gegenden Frömmstedt, Oberbösa, Kutzleben u. a. erzeugt. Auch in Langensalza wird viel Lein gezogen, indess bleibt er hier nicht fein im Bast. Im übrigen Theil des Gebirges, namentlich in Schleusingen, gedeiht er des feuchten Klimas wegen gut, obwohl er nicht reif wird. Im Norden ist der Leinbau namentlich im Salzwedeler und im Schweinitzer Kreise in den sogenannten Buschdörfern (Neuerstadt, Pusch, Kuhns- dorf, Reicho, Korga) erheblich. Der bedeutende Cichorienbau der Provinz ist vorzugs- weise in der Umgebung von Ma«deburg, in Jerichow I., Wolmirstedt, Kalbe und Wernigerode verbreitet, kommt aber auch in Osterburg, Erfurt und Nordhausen vor. Es sind Versuche gemacht, die Cichorienblätter als Braunheu zu verwerthen. Tabak wird in kleinen Partieen an verschiedenen Orten, am meisten um Gardelegen, indess nirgend in erheblicher Ausdehnung gebaut. Ebenso wenig bedeutend ist der Hopfenbau der Provinz, Dagegen ist ihre Produktion an Sämereien vorzugsweise wichtig, und ein grosser Theil derselben gehört mehr dem feldmässigen als dem eigentlichen Gartenbau an. Der Hauptsitz dieser am Welthandel Theil nehmenden Kultur ist seit alter Zeit Erfurt. Von dort hat sich dieselbe in weitere Kreise, namentlich nach Weissensee und auch nach dem Nordfusse des Harzes verbreitet. Hier besitzen Halberstadt, Quedlinburg mit Westerhausen, sowie Aschersleben und Oschersleben Handelsgärtnereien, welche wie die Erfurter und manche Geschäfte im oberen Saalthal die, theils von ihnen selbst, theils nach ihren Weisungen von bäuerlichen Wirthen gebauten Produkte sammeln, sorgfältig prüfen und sortiren, und kaufmännisch versenden. Auch Wittenberg, Bitter- feld, Delitzsch, Nordhausen, Sangerhausen und der Saalkreis nehmen einigen Antheil an diesem Anbau. Neben dem auf diese Weise erlangten Saatgut für verschiedene Brot- und Hülsenfrüchte und Futterpflanzen werden an Handels- und Arzneigewächsen Mohn, Senf, Dotter, Kanariensamen, Kümmel, Fenchel, Anis, Koriander, Siebenzeiten, schwarze Malwen, alle Zwiebelsorten und eine Menge der verschiedensten Gemüsesämereien gezogen. Durchschnitt- Durchsehnitt- Die Unter je 1000 Morgen Reinertrags- licher Reinertrag Alena beste Gesammtfläche verhältnisse vom Morgen |jn den einzelnen | Acker- befinden sich Morgen Extreme frucht- Klassifikations- | xjasse | Acker, die geschätzt sind i Distrikte ren- distrikten F: r des een x ist ge- | 6 Sgr. über über der Acker |niedrig-| höch- h A Fläche ster ster schätzt und 3 bis 6 6 Ser. darunter Thaler | Thaler Ackerlandes Sgr. Sgr. Sgr. Sgr. Staat | 45,5 a. Gardelegen. A. Magdeburg Ö 76,0 75 27 a. . 25,7 |b. Wanzleben. | ce. Schweinitz. B. Merseburg . .| 892 | 89 28 c. ß 16,1 |d. Meratcl (See- | ire1S). 2 e. Schleusingen. GC. Erfurt: ... .| 689 24 e. 3 11,6 | Brfurt, Provinz Sachsen | 80,3 80 24 148 279 5,3 | 205,6 | 19,8 Darunter g. Gardelegen. Schwemmland. .| 46,4 456| 27g.| 934.| 195 6,0 56,9| I,o |h. Delitzsch. i. Schleusingen. Bergland. ....|104,6 | 104,0 | 24i.| 148x.| 270 A,6, 1733710 |, 30,81 wesen XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau, 195 Daraus ergiebt sich, dass die drei Regierungsbezirke unter sich und vom Durch- sehnitte der Provinz nicht sehr wesentlich abweichen; zwischen Schwemmland und Berg- land aber besteht ein so bedeutender Gegensatz des Werthes, dass auf je 1000 Morgen Bergland 337 zu 3 bis 6 Thlr. und 36 über 6 T'hlr. geschätztes, auf je ro00 Morgen Schwemmland dagegen nur 57 Morgen über 3 Thlr, und ı Morgen über 6 Thlr. ge- schätztes Land kommen; der Zahlenunterschied würde noch erheblich schroffer sein, wenn im Berglande die Kreise des Eichsfeldes, sowie Ziegenrück und Schleusingen ausser Rechnung blieben, welche durch ihre hohe und unfruchtbare Lage sehr bedeutend gegen das übrige Gebirge zurückstehen. — Als genauere Beschreibungen der Wirthschaftsweise der Provinz sind zu nennen: A. v. Lengerke: Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft in den Königl. preuss., Staaten, Berlin 1846, Bd. I. S. 96 — 358. J. Schadeberg: Skizzen über den Kulturzustand des Reg.-Bez. Merseburg, Halle 1852. Eine landwirthschaftliche Skizze, Salzmünde, Annalen d. Landw. Bd. 39 8. 53. Die Gutswirthschaft des Königl. Amtsrathes Fischer auf der Domaine Kalbe a. d. Saale, Annalen der Landw. Bd45 8.65 u. 203. Ö.Beck: Das Eichsfeld und seine Bewohner, Archiv preuss. Landeskunde Bd. 3 S. 114. Zeitschrift des landwirthschaftl. Centralvereins, d. Dr. Stadelmann, Halle seit 1833. 7. Provinz Westfalen. Den Terrainunterschieden nach zerfällt, wie Bd. I, S.276 gezeigt ist, die Provinz Westfalen ungefähr den Grenzen der Regierungsbezirke Münster, Minden und Arnsberg entsprechend in Ebene, Hügelland und Gebirgsland. Im Regierungsbezirk Arnsberg aber begründet die verschiedene Bodenbeschaffenheit des Kreide- und des Grauwacken - gebirges einen Gegensatz der 5 nördlichen, ungefähr den Haarstrang einnehmenden Kreise Bochum, Dortmund, Hamm, Soest und Lippstadt, die vor der gesammten Pro- vinz durch besondere Fruchtbarkeit ausgezeichnet sind, gegenüber den 9 südlichen Kreisen, welche als sehr wenig fruchtbar gelten müssen, Das Verhältniss der Anbaufläche ist diesen 4 Hauptabschnitten nach folgendes: Acker Fruchttragende Fläche Ge- sammt- fläche in UMeil. Dies Verhältniss in den einzelnen Klassifikations- distrikten Verhältniss der Anbauflächen Verhält- niss zur Ge- sammt- fläche pCt. Extreme Distrikte niss zur Ge- sammt- fläche pCt. in Fläche OMei- len in höch- Morgen stes 91, niedrig- stes 4973,4 | 2640, | 55 146 079 a. Tecklenburg Bez. Ibbenbüren. b. Steinfurt, Bez, 131,6 \ 69,5 v.| 1 132.444 95,4 C. Kreis Bochum, Dortmund, Hamm, Lippstadt u. Soest D. Die übrigen neun Kreise des Reg.- Bez. Arnsberg .. 41,5 98,2 Provinz Westfalen .| 366,7 161,0 | 7I,sd. 79° f. 44,2 h. 1029 818 549 885 577 234 Altenberge. c. Lübbecke, Bez, Levern. d. Herford. e. Dortmund. f. Hamm. g. Wittgenstein. h. Hagen, Bez. Hagen. 496 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau Der Wirthschaftsbetrieb ist in den einzelnen Theilen Westfalens nicht allein wegen der grossen Gegensätze des Terrains und Fruchtbarkeit, sondern auch wegen der Bad. I. S. 346 näher dargestellten Eigenthümlichkeit sehr mannigfaltig, dass in der münsterländischen Ebene und einem grossen Theile des Regierungsbezirks Minden seit sehr alter Zeit nur höchst geringe Flächen Ackerland im Gemenge und unter Flurzwang gelegen haben. A. Durch diese Verhältnisse bestimmt, ist im Regierungsbezirk Münster eine fast ganz freie Wirthschaft als die allgemein gültige Form anzusehen. Die Güter haben hier, wie die Tabelle L. der Anlagen nachweist, höchstens mittlen Umfang, dabei hat das Ackerland kein hohes Verhältniss und wird durch den besprochenen Unterschied der Kämpe und Esche und die Sitte, die Kämpe dem Vieh zur Weide einzuräumen, nicht gleichartig nutzbar. Meist ist auch der strenge Klaiboden und der leichte Sandboden der Heideländereien so vertheilt, dass sie schwer unter besonderen Rotationen gehalten werden können, und überdies stören in der gesammten Ebene stauende Nässe und späte Frühjahrsfröste je nach den Jahrgängen sehr leicht einen auf lange voraus berechneten Fruchtwechsel. Allerdings aber scheint auch in mehreren Landstrichen der Provinz seit sehr alter Zeit eine Ein- oder Zweifelderwirthschaft üblich zu sein, welche sich ohne Flurzwang höchst einfach zu freier Wirthschaft gestalten kann. In den Sandböden des Emsgebietes unfern der westlichen Grenze von Tecklen- burg bis Borken wird häufig auf demselben Grundstücke Roggen auf Roggen, höch- stens in unbestimmten Jahrgängen durch Buchweizen oder Kartoffeln ersetzt, gebaut. ‘Die Tragfähigkeit wird dabei durch jährliche Plaggendüngungen erhalten, welche diese Aecker durch ihren Sand und Moder nach und nach ersichtlich aufhöhen, und be- deutende Heidestrecken von mindestens 3ofachem, meist viel bedeutenderem Umfange zur Ausnutzung erfordern, die sie bei sorgloser Behandlung leicht als wüsten Wehesand zurücklassen. Wie Bd. II. S. 5o erwähnt ist, soll sich die Plaggennutzung in diesen Gegenden erst seit der Zeit des dreissigjährigen Krieges in grossem Massstabe ver- breitet haben; damals waren nachweisbar die Grenzstriche gegen Holland noch überall mit weiten, schwer passirbaren Waldungen bedeckt. Mehr und mehr sucht man jetzt den Plaggenhieb durch Ablösung der Berechtigungen und durch Verbreitung der Merge- lungen einzuschränken. In diesem Sinne haben die landwirthschaftlichen Vereine mit Eifer Bodenuntersuchungen auf Mergel ins Werk gesetzt. Auf den hier vorhandenen ertragreicheren Lehmböden wird in der Regel nur en um das andere Jahr mit Plaggen gedüngt, und in steter Abwechselung zwischen Winterung und Sommerung fast aus- schliesslich Halmfrucht gebaut. Ohne Plaggen wird auf leichten Sandböden 1. Roggen, 2. Roggen, 3. Hafer und Buchweizen oder 1. Hafer, 2. Roggen, 3. Roggen gesät, und man geht mit der Folge 4., 5., 6. bis 7. Weide, in die reine Feldgraswirthschaft über, von welcher oben Bd. ]. S. 346 gezeigt ist, dass sie als.altes Herkommen auf den Vöhden oder dem Wechsel- lande bestand, und an die sich auch in der Bewirthschaftung der Kämpe überall An- klänge finden. Auf den schweren Klaiböden, die namentlich in Koesfeld, Ahlen und Beckum überwiegen, liegt wegen Mangels an Grünland alljährlich ein grosser Theil des Bodens zu Dreeschweide nieder. Will man hier in gewissen allgemeiner üblichen Folgen ein bestimmteres System erkennen, so pflegt man von einer Sechsfelderwirthschaft zu sprechen, Es folgt auf schweren Böden: 1. Roggen, 2. Weizen, 3. Gerste, 4. Klee, 5. Weizen, XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 197 6. Hafer, oder: 1. Weizen, 2. Roggen, 3. ). Hülsenfrüchte, '/» Brache, 4. Weizen, 5. Roggen, 6. Klee, "» Gerste oder Hafer, beides unter zweimaliger Düngung. Auf lehmigem Boden mit Kalkbeimischung oder Kalkunterlage pflegt man 1. Roggen, 2. Roggen, 3. Hafer oder Buchweizen, 4, Gerste, 5. Klee, 6, Roggen, unter womöglich dreimaliger Düngung folgen zu lassen, Der Weidegang des Rindviehes ist ganz allgemein. — B. Im Regierungsbezirk Minden besteht in den fast ohne Ausnahme geschlossenen Ortschaften der östlichen gebirgigen Kreise Höxter, Warburg und Büren vorherrschend, selbst auf den bereits separirten Feldmarken, die Dreifelderwirthschaft, bei der in den _ günstigeren Lagen die Brache vollständig besömmert wird, in den rauheren aber viel- fach rein anzutreffen ist, weil man ohne sie das Missrathen der Winterung fürchtet. Nordwestlich nach dem offenen Weserthale zu findet sich auch eine Vierfelderwirth- schaft: 1. reine Brache, 2. Winterroggen oder Weizen, 3. Gerste oder Hafer, 4. Hafer, Rauchfutter oder Kartoffenm; oder es bestehen fünf Felder, indem noch ein Schlag Hülsenfrüchte eingelegt ist. Mehrfach haben sich auch neuere Fruchtwechselsysteme eingeführt. Die grössereren Güter halten meist Schafe. Die letzterwähnte Fünffelderwirthschaft ist auch im Paderbornschen ziemlich ver- breitet, je nördlicher aber, desto mehr nimmt der Wirthsehaftsbetrieb einen freien Cha- rakter an, der bei dem starken Wiesenverhältniss seine Stütze in jedes 2. Jahr, ja selbst alle Jahre wiederholten Düngungen findet, und vorzugsweise auf Halmfruchtbau gerichtet ist. Auf schwerem Boden kommt als Fruchtfolge vor: 1. Roggen gedüngt, 2. Gerste mit Kleeeinsaat, gedüngt oder auf Schaflager, 3. Klee, 4. Weizen gedüngt, 5. Hafer, Kartoffen gedüngt, oder der ziemlich verbreitete Flachs, welchem indess frisch gedüng- tes Feld nicht zusagt, so dass er abtragend gebaut wird. Man sucht ihn besonders auf nicht zu kräftigen Lehmboden, sogenannten Mulllehm, zu bringen. Auch folgen 1. Winterung, 2. Kartoffeln oder Flachs, 3. Winterung, 4. Sommerung, oder zweimal Winterung und einmal Sommerfrucht mit Kleeeinsaat, die auch als Dreeschweide benutzt wird. Auf Sandboden wird 1. Roggen gedüngt, 2. Roggen gedüngt, 3. Buchweizen oder Hafer, 4. Kartoffeln gedüngt, bestellt. Wo bei gehöriger Feuchtigkeit noch Klee wächst, wird er eingesäet und in Dreeschweiden genützt. Häufig säet man auch hier theils mit, tbeils ohne Plaggen viele Jahre hintereinander Roggen und düngt dazu so oft als möglich. In den Marsehgegenden der Weserniederung ist die Aufeinanderfolge zweier Winterungen und die Besömmerung der Brache üblich. ©. Im Regierungsbezirk Arnsberg besteht in den genannten 5 fruchtbaren Kreisen des Haarstranggebirges in der Regel eine Fruchtwechselwirthschaft, die sich in drei- bis sechsjährigen Folgen dem freien Betriebe sehr nähert. Es wird im wesentlichen nur nach Möglichkeit auf eine günstige Vorfrucht und thunlichst starke Ausdüngung gesehen. Indess sind auch modifizirte Dreifeldersysteme üblich, wie: 1. Brache, 2. Roggen, 3. Gerste, zum Theil mit eingesäetem Klee, auch theilweis durch Kartoffeln ersetzt, 4. Blattfrucht mit halber Düngung, 5. Weizen, 6. Hafer. Auf den lehmigen Sandböden findet sich vielfach: 1. Kartoffeln, 2. Roggen, 3. Hafer, ohne Brache. Ueberhaupt wird die Brache auf der Höhe in der Regel nur noch theilweis, wesentlich vor Raps, festgehalten; in der Soester Börde dagegen, wo sie ebenfalls in Abnahme gekommen war, weil man sie durch reichliche Düngung und sorgfältige Bearbeitung ersetzen zu können glaubte, nahm in Folge dessen das Unkraut sehr überhand, der Körnerertrag 198 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau, aber merklich ab, so dass sie zur Zeit dort wieder die Regel bildet. Auf der Haar pflegt man oft sehon das 5. Jahr zu brachen. In den an Wiesen armen Gegenden kommt die halbe Brache, d. h. die Bestellung des halben Brachlandes mit weissem Klee zur Hutung häufig vor, die ein desto zeitigeres Brachen der anderen Hälfte ge- stattet; auch wird die halbe Brache mit Rübsamen bestellt. In den 9 Hochgebirgskreisen des Regierungsbezirks Arnsberg sind die für den Ackerbau günstig gelegenen Ländereien in der Regel sehr beschränkt. Es bleiben zwar die rauhen und schwer zugänglichen Bergflächen nur in geringer Ausdehnung gänzlich dem Forstbetriebe überlassen, aber sie werden bis auf wenige besonders geeignete Strecken nur sehr extensiv benutzt. Im Süden des Bezirks, in den Kreisen Siegen und Olpe und zum Theil Wittgen- stein, besteht auf den unfruchtbareren Höhen vorherrschend die Bd. I. S. 349 gedachte Haubergswirthschaft, welche in ihrem in der Regel ı$jährigen Turnus das Land nur einmal dem Roggenbau zwischen den stehengebliebenen Wurzelstöcken unterwirft, ihrem Wesen nach also noch eine vorzugsweise forstliche Nutzung bleibt. In den nördlicheren Kreisen sind die Wild-, Heide- und Schiffelländereien überwiegend, welche ebenfalls periodisch je nach ihrer Beschaffenheit in ro bis zo Jahren ein oder zwei Jahre mit Roggen oder Hafer bestellt werden, und in der Zwischenzeit häufig einen natürlichen Forstanflug aufkommen lassen, im wesentlichen aber nur zu dürftiger Weide und hie und da zu Plaggenhieb dienen. Auch das dauernde Ackerland der Wirthschaften zerfällt in der Regel in Aussen- felder und in das sogenannte Dungland. Die Aussenfelder werden meist in einer Art Feldgraswirthschaft, dem sogenannten „Torfen“ bestellt; sie tragen 1. Roggen, 2. Hafer, 3. Hafer, und werden dann je nach der Beschaffenheit 3 bis ıo Jahre dreesch, theils zum Mähen, theils zur Weide benutzt. Wo es thunlich ist, pflegt man diese Ländereien vor der Bestellung dem Hürdenschlag zu unterwerfen, auch werden sie, wie die Wild- ländereien, durch Ausbrennen der Rasennarbe für die Halmfrüchte vorbereitet. Der selten genügende Dünger wird ausschliesslich dem sogenannten Dunglande zugewendet, welches nur insofern in einem bestimmteren Systeme bewirthschaftet wird, als bei der grossen Zerstückelung und der in der Regel mangelnden Zugänglichkeit der Parzellen die Nach- barn trotz Wegfall eines rechtlich begründeten Flurzwanges auf gleiche Bestellungs- zeiten angewiesen sind, und desshalb auch ähnliche Fruchtfolgen inne halten müssen. Es bestehen desshalb sogenannte Drei-, Vier-, Fünf- oder Siebenfelderwirthschaften, die sehr allgemeine Verbreitung haben und sich je nach den bestehenden Futtermitteln in solche unterscheiden, die ganz überwiegend Halmfrüchte folgen lassen, und in solche, welche mehrere Mähe- und Weidekleeschläge einlegen, also eine verbesserte Feldgraswirthschaft durchführen. Danach überwiegen um Marsberg, Kanstein, Medebach die gewöhnlichen drei Felder mit ganz oder theilweis besömmerter Brache; im Amt Balve ist 1. Brache, 2. Roggen, 3. Hafer, 4. Hafer oder Klee üblich; auf dem Briloner Plateau und um Arns- berg dagegen: 1. Winterfrucht, 2. Sommerfrucht, 3. Rauhfutter, d. h. ein Gemisch von Bohnen und Erbsen, oder Klee, 4. Hafer, 5. Brache. Im Wittgensteinschen wird in den besten Lagen 1. Kartoffeln stark gedüngt, 2. Gerste, 3. Hafer, 4. Roggen schwach gedüngt, 5. Hafer; oder 1. Roggen stark gedüngt, 2. Kartoffeln, 3. Hafer, 4. Gerste stark gedüngt, 5. Hafer, gebaut; im Siegenschen folgen in der Regel: 1. Kartoffeln gedüngt, 2. Roggen, 3. Hafer, hie und da auch 4. Hafer; oder: 1. '/s Kartoffeln, y Roggen nach Düngung, XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 199 2. Ya Roggen, Ys Hafer, 3. %ı Hafer, '/ı Klee; und um Olpe ist üblich: 1. Kartoffeln gedüngt, 2. Roggen halb gedüngt, 3. Hafer mit Kleeeinsaat, 4. und 5. Klee oder Gras- dreesch, 6. und 7. Hafer folgen zu lassen, oder: 1. Brache, 2. Roggen, 3. Gerste, Raps, Hülsenfrüchte oder Hafer, 4. Kartoffeln und sonstige Hackfrüchte gedüngt, 5. und 6, Hafer, 7. Klee zu bauen, — Die Bruttoerträge in den Hauptfruchtarten werden von den Kreisbeschreibungen in folgenden, nach den oben gemachten Hauptabschnitten der Provinz zusammengestellten Zahlen angegeben: Bruttoertrag Weizen | Roggen | Gerste | Hafer |Kartoffeln) Klee | Raps Rüben auf den Morgen Scheffel | Scheflel | Scheffel | Scheffel | Scheffel | Centner | Scheffel Centner — A. Münster ... . [2a —10 2— II |4—14|4— 18 | 15 — 120 | 8— 40 | 5 — Iv| I00—200 B. Minden .... [|2— 14 3— 12/4 — 16 6— 20 16— 80|5—36| — 30—I20 C. Die Kreise Bo- chum, Dortmund, Hamm, Lippstadt uud Soest ....15— 12/4 — 13 |5 — 20 | 5 — 20 | 30 — Ioo D. Die übrigen 9 Kreise des Reg.- Bez. Arnsberg .|4a— 1114 — 12 6— 15 5—20|20— 96 Der Weizenban ist auf den Hellweg, den Haarstrang und die Klaiböden der Münsterländischen Ebene beschränkt. Seit einem Jahrzehnt bürgert sich auf den Sand- böden im Westen der Provinz der Sandweizen mit Erfolg ein. In den Gebirgsgegenden wird fast gar kein Weizen gebaut; nur wo auf den besseren Böden die Fluren an Nässe leiden, so dass der Roggen gefährdet ist, pflegt man sogenanntes Mengekorn, Weizen- meng oder Weizkorn, d. h. Weizen und Roggen, zu bauen. Im Gebirge ist die Gerste etwas weiter verbreitet, im wesentlichen aber ist das- selbe auf Roggen und Hafer beschränkt und führt nur Hafer aus. Sehr verbreitet wird für Roggen und selbst für Hafer die Aussaat von auswärts bezogen, weil beide auf den Gebirgslagen leicht ausarten. Hülsenfrüchte können auf der Höhe nur wenig gebaut werden, in den Ebenen aber sind die Pferde- oder Vietz- (St. Veits-) Bohnen allgemein, sowohl als Gemüse wie als Futterpflanze. Velfrüchte, Raps und Rübsen werden um Paderborn, Hamm, Soest, auch in Brilon und im Mindenschen, indess nirgend in beträchtlicher Ausdehnung kultivirt. Die Zuckerrüben eignen sich des Klimas wegen nicht zur Zuckerfabrikation. Nur in dem nördlichen Minden besteht eine Zuckerfabrik. Im Siegenschen und auch im Wittgensteinschen verbreiten sich die rothen und gelben Runkelrüben als Futterpflanze; in den münsterländischen Sandgegenden wird besonders die weisse Kohlrübe gezogen. Hauptfuttergewächs ist überall der rothe Klee, der meist genügenden Kalk und die er- forderliche Feuchtigkeit im Boden findet. Auf den flachen Böden der Gebirge wintert er zwar leicht aus, indess bleibt er überall sicher genug, um Stallfütterung auf ihn zu begründen. Auf besonders kalkreichen Anhöhen ist die Esparsette verbreitet. Die Sandgegenden haben am Spörgel und hauptsächlich an dem ausgebreiteten Buchweizen- bau eine gute Stütze. Auch die Lupine verbreitet sich auf leichten Aeckern mehr und 200 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. mehr, namentlich findet sie als Gründüngung auf den mageren Sandböden des Regierungs- bezirks Münster immer grössere Anerkennung. An Leiu wird überall der ziemlich starke Hausbedarf erbaut. Sein Hauptgebiet aber liegt um Bielefeld. Allerdings ist auch hier der Bedarf nicht so gross, als es nach der Fabrikation scheinen könnte, und er ist gegen früher schwächer geworden, weil die Spinnereien starke Bezüge aus Russland, Irland und Belgien machen, gleich- wohl aber beträgt der Anbau im Kreise Halle etwa 1300 Morgen jährlich, und im Kreise Herford lässt man auf allen geeigneten Aeckern etwa im g. Jahre wieder Lein folgen. Im Kreise Wiedenbrück wird in ziemlich beträchtlicher Ausbreitung Hanf gebaut, auch die Kreise Paderborn und Warendorf nehmen am Hanfbau Theil. Gemüse wird, abgesehen vom häuslichen Bedarfe an Zwiebeln, Kohl, Sauerampfer, Bohnen u. ähnl., in der gesammten Provinz fast gar nicht gebaut. Um die Städte zieht sich gewöhnlich ein Kreis wohlgepflegter Gemüsegärten, namentlich sind sie-um Biele- feld, Herford, Münster, Hamm, Soest, Werl, Hagen, Schwelm von einer gewissen Aus- dehnung, zur weiteren Versendung aber zieht nur Gesecke Gemüse, welche nach Pader- born und dem Sauerlande gehen. — Die Reinertragsverhältnisse sind folgende: Durchschnitt- y Durchschnitt- licher Die Unter je 1000 Morgen Reinertragsver- |licher Reinertrag Ackerreinertrag | beste Gesammtfläche hältnisse vom Morgen [in den einzelnen | Acker- | befinden sich Morgen Extreme Klassifikations- klasse | Acker, die geschätzt sind des frucht- distrikten RER Distrikte tragen- ee R 18 2 Sr “ “ Ackerlandes der | Acker [niedrig-| höch- | schätzt | © Ser | über | über und |3 bis 6 6 Fläche ster ster 3 = darunter) Thaler | Thaler Sgr. Sgr. > Sgr. e- | . Borken. A. Münster ... 58,0 } . en. B. Minden.... 64,6 b ster. C. KreisBochum, Recklinghau- sen. Dortmund, . Paderborn. Hamm, Lipp- . Minden. stadt und Soest | 105,5 . Lippstadt. D. Die übrigen g . Soest. Kreise desReg.- . Wittgenstein. Bez. Arnsberg. | 37,6 b . Iserlohn. Prov. Westfalen | 64, Die Provinz steht also ziemlich hoch über dem Durchschnitt des Staates. Von den einzelnen Abschnitten kommt Minden dem Durchschnitte der Provinz ziemlich gleich, Münster sinkt etwas, die Zahl der 9 Gebirgskreise von Arnsberg aber höchst beträcht- lich unter diesen Durchschnitt. Wittgenstein zeigt einen Ackerreinertragsdurchschnitt von nur ı8 Sgr. Die Ausgleichung liegt allein in den 5 Kreisen des Haarstranges, deren Anbaufläche sich bis zu einem Durchschnitte von 105,; Sgr. und im Kreise Soest bis zu 116 Sgr. erhebt. Auf je rooo Morgen der Gesammtfläche finden sich im Arnsbergischen Gebirge nur 9, in Münster 39 und in Minden 95, in den 5 nördlichen Kreisen von Arnsberg aber 334 Morgen, die auf über 3 T'hlr. Reinertrag veranlagt worden sind. — XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 201 Als nähere Beschreibungen des Wirthschaftsbetriebes in der Provinz Westfalen sind zu nennen: A. Bruchhausen: Anweisung zur Verbesserung des Ackerbaues und der Landwirth- schaft des Münsterlandes, Münster 1790. J. N. v. Schwerz: Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und Rheinpreussen, Stuttgart 1836. Die Bewirthschaftung der kleinen Güter, besonders der Bauerngüter in den Gebirgen von Westfalen, Olpe 1842. Darstellung des Zustandes der Landwirthschaft im Regierungs-Bezirk Münster, Münster 1842. G. F.v. Gülich: Die Lage des Ackerbaues, des Handels und der Gewerbe im Regie- rungsbezirk Minden, Rinteln 1843. A. v. Lengerke: Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft in den preussischen Staaten, Bd. U. und III, Berlin 1345. A. v. Lengerke: Der Hellweg in der Grafschaft Mark, Annalen der Landwirthschaft Bd. 9 S. 349. Die Kultur der Tecklenburger Heideländereien, Annalen Bd. 23 $. 425. O. Mentzel: Wahrnehmungen über landwirthschaftliche Verhältnisse auf einer Reise durch Theile Westfalens, ebd. Bd. 30 S. 425. v. Strantz: Reise durch Westfalen, ebd. Bd. 32 $. 344. Beitrag zur Geschichte der landwirthschaftlichen Entwiekelung im Kreise Tecklen- burg, ebd. Bd. 35 $. 381. Land- und forstwirthschaftliche Zustände des Siegener Landes, ebd. Bd. 38 $. 371. Freih. v. Schorlemer: Die Plaggendüngung im Regierungsbezirk Münster, ebd. Bd. 46 S. 30. Die landwirthschaftlich-statistische Beschreibung des Kreises Siegen zum Zwecke der Grundsteuerveranlagung. Matthei in Berleburg. A. Krämer: Gemeinfassliche Briefe an die Landwirthe des Kreises Wittgenstein. Ein Beitrag zur Förderung der Landwirthschaft in rauhen Gebirgsgegenden, Arns- berg 1864. $. Rheinprovinz. Wie für Westfalen, so hat Bd. I. 8. 288 auch für die Rheinprovinz näher gezeigt, dass in den landwirthschaftlichen Verhältnissen weniger der Gegensatz zwischen dem Gebirge und der Ebene geltend wird, als vielmehr der zwischen den rauhen Grau- wackengebirgen, die den südlichen grösseren Theil der Provinz einnehmen, und dem fruchtbaren, theils Gebirgs-, theils Schwemmlande, welches den nördlichen kleineren Theil derselben bildet. Dem südlichen Abschnitte sind die Regierungsbezirke Trier und Koblenz voll- ständig, ausserdem aber vom Regierungsbezirk Aachen die Kreise Malmedy, Montjoie und Schleiden, vom Bezirke Köln die Kreise Gummersbach, Sieg, Waldbroel und Wipperfürth, und vom Bezirke Düsseldorf der Kreis Lennep zuzurechnen. Das Anbauverhältniss der Provinz und dieser einzelnen Unterabschnitte ist nach folgenden Zahlen zu überblicken: 202 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Fruchttragende Fläche Acker Verhältniss $ Ver- | Dies Verhältniss We Ei E i hältniss | in den einzelnen Fläche hältniss Extreme er ; . | zur Ge- | Klassifikations- zur Ge- r sammt- distrikten in Anne Distrikte Anbauflächen Datei. Ela f e koch niedrig- | höch- orgen pCt. stes stes pCt. Staat 55 146 079 a. Rees A. Düsseldorf. ..| 993| 586| 59,0 | 37,2 a.| 88,3 b.| 1175 89I | 54,9 | b. Grevenbroich, | c. Waldbroel. . Kön ......| 722| Al | 5717 | 392 e.| 83,44.| 843 378 | 54,2 | d. Köln, Landkreis. | e. Eupen. B ©. Aachen... ...| 754| 343 | 454 | 76e.| 9U38.| 709783 | 43,6 | 5 Trkelenz (Erke- D. Kobl Old OR 8, lenz). 5 = 109,3 | 444 407 | 17 8.|7501.| 894760 | 3719 g. Mosel (Zell). E. Trier ......|[ 1303| 557) 42,6 | 22,4i. | 63,4%.|1 150541 | 40,9 | h. Andernach | (Mayen). i. Prüm. Rheinprovinz | 486,6}| 234,6 | 48» | 76 |913 |4774352| 455 |Y Arne, 8 1. Eupen. Davon m. Erkelenz (Erke- a. der nördl. Theil] 1742 | 107,8 | 61,9 | 7,61. | 91,3m.|2282273 | 57,6 | „ nn (zen). b. der südl. Theil.| 312,4 | 126,8 | 40,7 | 17,1 n.| 75,5 0.|2 592 079 | 38,4 | as Der Wirthschaftsbetrieb der Rheinprovinz erhält seinen Charakter durch die starke Parzellirung der Acker- und Gartenflächen, bei der selbst die Grundstücke der wenigen grösseren Güter meist ausser Schluss liegen. Ein beträchtlicher Theil des ackerbaren, im ganzen in keinem hohen Verhältnisse vorhandenen Bodens wird desshalb mehr oder weniger mit dem Spaten bearbeitet; zugleich gestattet das Klima, in vielen Lagen doppelte Früchte im Jahre von demselben Grunde zu nehmen. Es ist also in der Regel eine freie Wirthschaft geboten, oder mindestens jeder Wechsel so leicht durehführbar, dass feste Fruchtfolgen mehr zufällig, als von der Natur der Verhältnisse gefordert, bestehen. A. Im Regierungsbezirk Düsseldorf ist in den fruchtbaren Ebenen und Niederungen freie Wirthsehaft mit mehrjährigen Weideschlägen allgemein. Der Weide werden ' des Ackers eingeräumt und daneben noch Klee- und Futterpflanzen gebaut. Obwohl man sich an eine bestimmte Fruchtfolge nicht bindet, beobachtet man doch gewisse, durch die Erfahrung bewährte Regeln, von denen man nicht leicht abweicht. Man baut jedes 7. bis 8. Jahre Klee, im übrigen herrschen Halmfrüchte vor, und Brache bleibt nur zu Raps und zu Brachrüben liegen. Es folgt also z. B. auf schwerem Boden: 1. Brache, 2. Raps, 3. Weizen, 4. Roggen, 5. Klee, 6. Hafer, 7. Rüben oder Kartoffeln, 8. Weizen; oder auf leichterem Boden: 1. Klee, 2. Roggen, 3. Hafer, 4. Kartoffeln, 5. Roggen, 6. Buchweizen, 7. Hafer. In den eigentlichen Flussniederungen hält man häufigere Brache für nothwendig. Ueberall ist der Boden durch starke Düngungen sehr kultivirt, und es wird Weizen und Klee auch auf sandigen Aeckern gebaut, auf denen ihr Gedeihen unter anderen Verhältnissen kaum denkbar wäre. Ihren sicheren Erträgen gegenüber la— Ya vermindert sich der Rapsbau in neuerer Zeit. Auf dem höheren Lande wird nur selten Brache gehalten, dagegen fast zu jeder Frucht gedüngt. Eine ziemlich verbreitete Fruchtfolge grösserer Güter ist hier: 1. Klee, 2. Hafer und Gerste, 3. Kartoffeln und Rüben, 4. Weizen, 5. Roggen und Stoppel- XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 203 rüben, 6. Kartoffeln und Buchweizen, 7. Roggen oder Weizen; oder auch nur: 1. Kar- toffeln, 2. Roggen oder Weizen, 3. Klee, 4. Hafer. Ueberall ist Stallfütterung eingeführt. Im Kreise Lennep wird in der Regel das Dreifeldersystem mit theilweis besöm- merter Brache, oder eine Folge 1. Kartoffeln, 2. Winterroggen, 3. Klee, 4. und 5. Hafer, festgehalten, bei der indess der letzte Hafer in der Regel nicht sehr ergiebig ist. — B. Im Regierungsbezirk Köln ist die Ebene überwiegend gartenmässig angebaut. Um Köln und Bonn haben die Handelsfrüchte und Gemüse, namentlich Kappes, in der Nähe der Städte grosse Ausbreitung, auch besteht Zuckerrübenkultur. Es ist all- gemein durchführbar, auf die Körnerfrucht noch eine Stoppelfrucht folgen zu lassen. Auf den grösseren Gütern baut man z. B.: 1. Frühkartoffeln und Futterroggen, wozu stark gedüngt wird, 2. Wintergerste, 3. Weizen oder Roggen mit Klee auf neuer Düngung, 4. Klee, 5. Hafer, 6. Winterfrüchte, Roggen oder Weizen, in deren Stoppeln Rüben gesäet werden. Auf kleineren Besitzungen findet sich häufig: 1. Winterhalmfrucht, 2. Winterung mit Klee, 3. Klee, 4. Winterung mit Stoppelrüben, 5. Hafer. An den Abhängen der Gebirge ist der Boden sehr wechselnd und der Betrieb der Aecker wird ein völlig freier. Die Wirthschaft ist überall sehr intensiv, es wird fast zu jeder Frucht mehr oder weniger stark gedüngt und starker Halmfruchtbau mit ein- jährigem Klee getrieben. Meist hält man indess auf den besseren Böden etwa in jedem 9. oder 12., auf den schlechteren oft schon in jedem 4. Jahre Brache, um das Unkraut zu beseitigen. In der Regel übersteigt die Halmfrucht ” des Feldes und die Winterung nimmt nahezu die Hälfte desselben ein. In den Kreisen des höheren Gebirges Gummersbach, Sieg, Waldbroel und Wipper- fürth setzt sich die intensivere Wirthschaft nur noch auf den besten Thalländereien fort. Es bleibt viel Land als Weide liegen. Ueberall bestehen mehr oder weniger ausgedehnte Schiffelländereien, welche schon im Kreise Rheinbach beginnen. Je höher und rauher die Hochflächen des Gebirges werden, desto weniger Ertrag gewähren die zwei oder drei Jahre, in denen das Schiffelland mit Roggen und Hafer bestellt wird, und die Weide, zu der es ı5 bis 20 Jahre liegen bleibt, ist fast ohne Werth. In den dauernden Ackerlagen besteht vielfach die Dreifelderwirthschaft, die sich wegen der mangelhaften Zugänglichkeit der zahlreichen Parzellen, in welche alle Fluren zerfallen, erhält. Der Roggen reicht gleichwohl nicht für das nöthigste Bedürfniss aus und ist auf allen Gebirgslagen bei später Binsaat sehr wenig sicher. An manchen Orten, wie in den Bürgermeistereien Eckenhagen und Mosbach im Kreise Waldbroel, wird eine wilde Wirthschaft geübt, welche Hafer auf Hafer und Roggen auf Roggen bis zur Er- schöpfung folgen lässt. Intelligentere Wirthe suchen aber überall Fruchtwechsel und Kleebau soweit durchzuführen, als es Klima und Boden gestatten. — C. Im Regierungsbezirk Aachen gehört ähnlich wie im Regierungsbezirk Köln die Ebene und der Abfall der Eifel höchst intensiver Ackerkultur an. Die Fruchtfolge besteht in einem freien Wechsel zwischen Körnerfrüchten, Hack- früchten und Futterkräutern mit oder ohne Brache. In den kräftigeren Böden ist die Brache seltener, ja häufig ganz verschwunden. Auf den minder kräftigen Böden der Braunkohlenbildungen rechnen vorsichtige Wirthe, um tüchtige Saaten zu erzielen, auf mindestens ein Sechstheil, selbst ein Fünftheil Brachfeld. Näher nach dem Gebirge zu reicht die Brache bis zu einem Dritttheil, und es besteht desshalb die Dreifelder- wirthschaft in der ursprünglichen Form als der Oertlichkeit angemessen. In der Ebene hängt der Fruchtwechsel davon ab, über wie viele Dungkräfte der Wirth augenblicklich 204 XXI Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. zu verfügen hat, oder ob die Fruchtpreise bei Anwendung künstlicher Dungstoffe Ge- winn in Aussicht stellen. Meist wird nach 1. Brache und vollständiger Düngung 2. Wei- zen, auch Raps oder Gerste, 3. Roggen, jedoch nur auf den besten Aeckern ohne neue Düngung gebaut und in ihn entweder Klee eingesät, der im folgenden 4. Jahre zum Mähen benutzt wird, oder der Schlag wird ohne Kleeeinsaat dazu bestimmt, unmittelbar nach der Roggenernte umgeworfen und rasch mit Stoppelrüben besät zu werden, auf welche dann 4. Hafer, 5. Kartoffeln, Brachrüben oder reine Brache folgen. Auf Klee folgt in der Regel Hafer oder mit neuer Düngung Weizen; Sommerweizen nur auf Brachrüben oder Kartoffeln; man nimmt an, dass er zu viel Dungkraft verzehrt und gewöhnlich eine schlechte Nachsaat hat. Eine Folge für die Jülicher Mittelböden ist: 1. Kartoffeln oder Bohnen in Dünger, 2. Weizen, 3. Roggen, 4. Klee, 5. Hafer, 6. Brache, 7. gedüngter Raps, 8. Weizen, 9. Roggen, 10. gedüngter Buchweizen, 11. Roggen, 12. Klee, wobei auf mehrere Zwischendüngungen gerechnet ist. Fintsprechend der Anforderung sehr starker Düngungen besteht überall Stallfütterung, nur auf einigen Gemeinweiden an der Roer und auf Weideschlägen kommt Weidegang des Rindviehs vor. — Die Eifelkreise des Regierungsbezirks Aachen Malmedy, Montjoie und Schleiden bilden den schlechtesten Landstrich der Provinz. Es besteht eine mehr oder weniger extensive Feldgraswirthschaft, welche nur auf den besten Ackerböden in die regelmässige Dreifelderwirthschaft übergeht. Dem grössten Theil des Ackerlandes wird 8 bis ro Jahre Ruhe gegeben. Erst nach Verlauf dieser Zeit pflügt man es im Frühjahre um und lässt es dann so lange in diesem Zustande, bis der Rasen in etwas gefault ist. Hierauf werden die Brach- furchen mit dem Pfluge gesplissen, dann querüber gehörig mit der Egge bearbeitet, und wenn diese Arbeit nach Bedürfniss ein oder zweimal geschehen ist, wird der Dünger im Monat September aufgefahren, untergepflügt und demnächst das Stück mit Roggen bestellt. Dem Roggen folgt zwei oder dreimal Hafer und dann wieder 8—ıojährige Dreesch. Bessere Stücke werden nach dem zweiten Haferjahre ein Jahr ohne Frucht geackert und bei tüchtiger Düngung im nächsten Frühjahr mit Kartoffeln bestellt. Auf die Kartoffeln folgt gedüngter Roggen in der Regel mit Kleeeinsaat, auf ein Jahr Klee- weide wieder zweimal Hafer und dann ebenso 8— ıo Jahre Dreesch. : Auf den am weitesten entlegenen Grundstücken, und da, wo der Dünger gänzlich fehlt, wird der Wildboden gebrannt. Die Krume wird abgeschält, die Haufen des an der Sonne getrockneten Rasen- und Heideschorfes auf untergelegtem Ginsterreisig vor dem Winde angezündet, und in die ausgebreitete Rasenasche Roggen gesät. Wenn diesem im zweiten Jahre Hafer gefolgt ist, ist der Acker schon so entkräftet, dass er wieder ı2 bis 20 und mehr Jahre ruhen muss, ehe er zu ähnlicher Benutzung tauglich ist. Er gewährt in der Zwischenzeit nur eine geringe Weide und etwas Ginsterstreu. In manchen Gemeinden wird bei der letzten Bestellung Ginstersamen mit dem Hafer ausgesät, damit sich der Boden schneller bedeckt. Indess giebt das Schiffelland den reinsten zur Saat sehr gesuchten Roggen. Auf etwas kalkhaltigem Boden kommen beim Schiffeln auch wohl 3 Saaten (Roggen, Kartoffeln, Hafer) vor, die dritte Saat ist indess selten lohnend. Auf der Grauwacke kann nur eine Saat gemacht werden. Bessere Böden, und solche Grundstücke, welche regelmässig ausgedüngt werden können, werden dreifelderig mit 1. Roggen oder Mengekorn, 2. Hafer, 3. reiner Brache benutzt. Kleine Parzellen bauen Kartoffeln und Hafer, Stallfütterung findet nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen statt. — = XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 205 D. Im Regierungsbezirk Koblenz besteht bei dem starken Wechsel der Terrain- beschaffenheit eine sehr grosse Mannigfaltigkeit in der Bewirthschaftung. Durch die Eifel und den Hunsrück ist das Schiffelland auf allen Hochflächen und Abhängen verbreitet, so dass nur die ziemlich engen Thäler und einige besonders be- günstigte Lagen für das regelmässige Ackerland übrig bleiben. Der Ackerbau kommt fast ausschliesslich in Verbindung mit dem ungleich ausgebreiteteren Rottbau und dem Weinbau vor. Der Rottbau oder die Lohhecken, die mit den Siegenschen Haubergen in der Regel auch bezüglich des genossenschaftlichen Besitzes (Bd. I. S. 348) überein- kommen, scheinen für die mittlere und geringere Klasse der Bevölkerung eine Lebens- bedingung. Der Turnus dieser Kulturweise ist durchschnittlich ı5jährig, Nach ı2 Jahren Holzwuchs kommen die Rotthecken zum Abtrieb und dann zur 3jährigen Fruchtbenutzung in der Folge: 1. Roggen, 2. Kartoffeln, 3. Hafer, etwas Gerste, Sommer- raps u. dgl. Auf schlechteren Böden ist die Nutzung auch allein auf Hafer oder Roggen und oft auf r Jahr beschränkt. Die Gemeinden nnd Genossenschaften überlassen viel- fach die Loh-, Holz- und Fruchtnutzung den ärmeren und unangesessenen Einwohnern gegen eine Pacht. Der Rottbau ist höchst beschwerlich und kann in der Regel nicht anders als mit der Hand ausgeführt werden. Gespannvieh ist wenig anwendbar und bei dieser Art der Bewirthschaftung nur selten vorhanden, Aller Dünger wird lediglich den Weinbergen und dem dauerndem Ackerlande zuge- wendet, ist aber auch für letzteres selten in gehörigem Masse ausreichend. Auf diesen Ackerländereien wird, so weit sie nicht gartenmässig bestellt werden, häufig die Drei- felderwirthschaft geführt. In der Brachflur werden Klee, Kartoffeln, Erbsen und Linsen, auch Futtergemüse, Kohlrabi, Runkeln, weisse und gelbe Rüben, zuweilen auch Flachs gezogen, so dass wenig Land zu reiner Brache übrig bleibt. Im Winterfeld wird Roggen, Weizen oder Spelz, seltener Gerste gebaut; im Sommerfeld hauptsächlich Hafer, zu- weilen auch Kartoffeln und verschiedene Brachfrüchte, bei deren ausgedehnterem Bau Jährlich gedünst wird. Winterraps oder Winterkohl werden in solche Strecken des Winterfeldes genommen, die im Brachfelde als reine Brache liegen geblieben sind. An manchen Orten ist diese Dreifelderwirthschaft in die 4 Felder 1. Kartoffel und Hack- frucht in Dünger, 2. Roggen, 3. Hafer, 4. Klee und Brache umgestaltet. Auf dem be- sonders fruchtbaren Mayfelde ist die übliche Fruchtfolge: 1. Roggen gedüngt, 2. Klee, 3. Hafer oder gedüngte Kartofteln; oder auch 1. Roggen gedüngt, 2. Klee, 3. Weizen, 4. Kohl, Rüben und Runkelrüben gedüngt, 5. Gerste, 6. Kartoffeln. In dem minder rauhen Gebirge wird an manchen Orten schon die pfälzische Zweifelderwirthschaft geltend, bei der jährlich Getreide mit Gemüse und Hackfrüchten wechselt. Sie kommt bis in den Kreis Adenau in der Nähe der Wohnplätze vor; süd- licher, namentlich im Kreise Bochum, ist sie auf ganze Fluren ausgebreitet. Eine solehe Flur erscheint dann in zwei Abtheilungen getheilt, in eine für die Winterfrüchte, Weizen, Roggen und Gerste, und eine für die Sommerfrüchte. Erstere erhalten voll- ständige Düngung, die indess erst nach dem zweiten oder dritten Wechsel wiederkehrt. In diesen südlicheren Theilen des Bezirks ist auch in der Regel noch das Stoppel- weiderecht im Gebrauch, welches zugleich auf die Wiesen im Herbst, Winter und Frühling ausgedehnt ist. Es ist überall durch Herkommen und Lokalgebrauch regulirt, Beginn und Verlauf auf bestimmte Tage festgesetzt, und gewisse Ackerfluren und Wiesen- auen in der Nähe der Ortschaften sind ausgeschlossen. Auch kann sich Jeder nach den Bestimmungen des Ruralgesetzes dagegen schützen, was rücksichtlich der mit Klee 206 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. bestellten Stoppelflur durch Aufstecken von Strohsignalen geschieht. Es müssen aber andererseits die Besitzer der Schafe je nach der Unzulänglichkeit des vorhandenen Weidelandes einen bestimmten Flächeninhalt Kleeland nach Massgabe der von ihnen gehaltenen Anzahl Schafe für die allgemeine Stoppelweide frei hergeben. Auch von Schweinen wird diese gemeinschaftliche Heerde gebildet, Rindvieh nimmt selten daran Theil. Für Milchvieh besteht in der Regel die Stallfütterung. In Wetzlar herrscht, mit Ausnahme der Stadtflur, noch überall der volle, durch die Schelle des Dorfvorstandes regulirte Flurzwang unter Dreifelderwirthschaft und meist vollständig durch Kartoffeln, Klee, Lein, auch Raps oder Rüben bestelltem Brachfelde. Auf den Rheinauen in Koblenz, Neuwied, Mayen besteht dagegen freier, durch starke Düngungen unterstützter Fruchtwechsel. Es folst z. B.: 1. Kartoffeln, Runkeln oder Rüben in frischem Dünger, 2. Weizen oder Roggen in halber, oder Hafer ohne Düngung, 3. Klee, 4. Weizen mit Jauchedüngung, oder Roggen. Die halben Düngungen werden meist durch Befahren mit Jauche ausgeführt. — E. Auch im Regierungsbezirk Trier steht dem erfolgreichen Wirthsehaftsbetriebe vielfach die Ungunst der Terrain- und Bodenverhältnisse und die herkömmliche Gestalt der agrarischen Einriehtungen entgegen. , Auf den Höhenlagen liegen ausgedehnte Strecken Wild- und Schiffelland, welche grossentheils zu einer dauernden Verwendung als Ackerland ungeeignet sind und theils den Gemeinden, theils den Genossenschaften (Bd. I. S. 348 ff.) gehören. Sie werden auch hier in der Regel durch 3 Jahre mit 1. Roggen, 2. Kartoffeln oder Hafer und 3. Hafer bestellt, und bleiben dann je nach der Güte des Landes oder der grösseren oder geringeren Ausdehnung des Wildlandes 10—ı3 Jahre, hier und da indess auch beträchtlich länger, als Weide- und Ginsternutzung liegen. Wo es angeht, wird selbst Raps und Klee und überhaupt möglichst dieselbe Fruchtfolge, wie auf dem dauernden Acker, in der Zeit des Anbaues durchgeführt. Das beste Wildland zu Losheim wird mit 1. Raps unter Düngung mit Kalk und Stalldünger, 2. Roggen, 3. Kartoffeln, 4. Hafer, 5. Heidekorn, 6. Erbsen und dann 6 oder 7 Jahre Schafweide, bewirthschaftet. Auf allen eigentlichen Kalkböden ist die Behandlung des Wildlandes durch Rasenbrennen ausgeschlossen, weil die thonige Kalkscholle durch das Brennen hart wie Ziegel wird und sich nicht als Pulver über die Krume ausbreiten lässt. Auch in den Trierschen Kreisen ist die gemeinschaftliche Stoppelweide (vaine päture) sehr verbreitet, und bei den zahllosen Parzellen ist so grosser Mangel an Wegen, dass sich desshalb der Flurzwang und die Dreifelderwirthschaft in grosser Ausbreitung herkömmlich erhalten. Letztere ist namentlich in den Gebirgen der Kreise Saarburg, Bernkastel und Wittlich fast allgemein, in Daun, Bitburg und dem Trierer Landkreise vorherrschend und in den Saarkreisen ist sie wenigstens im Kalkgebirge überall zu finden. Für die Kalkböden wird auch reine Brache nöthig gehalten. In den übrigen Lagen wird das Brachfeld meist besömmert und überhaupt eine sehr intensive Wirth- schaft geführt, die durch die Wärme und starke Feuchtigkeit des Klimas begünstigt ist. Da die Dreifelderwirthschaft durch die Waldweide überall Unterstützung findet, zeigt sie sich im allgemeinen nicht nachtheilig, und wenn auch vielleieht aus irrigen An- schauungen, so giebt es doch Gemeinden (wie Baumholder, Kr. St. Wendel), die sie unter Einführung gemeiner Schafweide wieder herzustellen suchen. In den vorge- schritteneren Gemeinden der Kreise Prüm, Daun und Trier sucht man sie durch Ein- schub eines Kleeschlages in eine örtlich sehr angemessene Vierfelderwirthschaft XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 207 umzugestalten. Wo es die Lage und Zugänglichkeit zulässt, folgen einigermassen grössere und im Zusammenhange liegende Wirthschaften einem durch die örtlichen Bedürfnisse und die Bodenbeschaffenheit bedingten Fruchtwechsel. In der Trierer Niederung ist 1. Gerste, 2. Roggen und Stoppelrüben, 3. Kartoffeln, 4. Gerste, 5. Roggen, 6. Klee, 7. Gerste, 8. Roggen und Stoppelrüben, 9. Kartoffeln unter voller Düngung im r. und 4., und halber Düngung im 3., 7. und 9. Jahre üblich. Auf den Kalkgebirgen des Kreises Saarlouis bauen die grösseren Höfe: 1. Weizen (wenig Roggen) mit Stalldüngung zu 160—200 Ütr., 2. Gerste, Hafer oder Mischel (Hafer und Gerste), sogenannte Lenzfrucht, 3. ”/s Brache, ‘s Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Klee. Auf besseren Böden wird hier jedes 6., sonst jedes 3. Jahr gedüngt. Im Kreise Merzig werden die kalkreichen Gauböden mit 1. gedüngter Brache, 2. Mischel- frucht mit Klee, 3. Klee, 4. Weizen, 5. Hafer benutzt, und die steilen Abhänge überall mit Luzerne und Esparsette bestellt. Bei weitem der grössere Theil der Thalniederungen aber und der fruchtbareren Böden überhaupt wird in kleinen Parzellen gartenmässig unter völlig freien, vom Düngungsvorrath abhängigen Folgen bestellt. — Die durehsehnittlichen Bruttoerträge sind nach den Kreisbeschreibungen folgende: Bruttoertrag Weizen Roggen| Gerste | Hafer Kartoffeln] Klee | Raps Rüben auf den Morgen Scheffel | Scheffel | Scheffel | Scheffel Centner Centner | Scheflel Centner A. Düsseldorf .. |4— 15 |3 — 13 |4— 21 |4— 27 | 24— 90 |10— 40) 5 — ı2| 120—180 et 6—15|5—15/|4—25|7—30| 24 — 72 |8— 40 100— 150 C. Aachen .... |4—15|4— 15 |3 —22|3 —24| 20 — 80 |8 — 30 12 —_ D. Koblenz. ... 14 — 72 14— 12/5 — 16 |5— ıg8| 16 — 60 |8 — 30 EasTrieran. io. . 2—11|2—I1|2—20|4—ı8| 155 —90 |)5—40| — _ a. im nördl. Theil [14 — ı5 |3 — ı5 |3 — 25 |5 — 30| 20— 90 |8— 40 |5 — I2| IOO—I80 b. im südl. Theil. |]a— ı2 2 — 212 — 203 —24| 15 —90 15 —40| — — der Provinz. Der Körnerbau des Rheinlandes verwendet, namentlich in den südlichen Lagen, neben dem Weizen, Spelz oder Dinkel (tritieum spelta). In den nördlichen Ebenen ist der Bau der Wintergerste ziemlich verbreitet. Ueberall ist Mengekorn, namentlich Weizen mit Roggen, sehr beliebt; die Länge der Wirthschaftszeit gestattet genügend frühe Saat und desshalb gleichmässige Reife. Als Futter steht allgemein Klee und auf den Kalkböden auch Luzerne und Espar- sette in erster Reihe; mehr und mehr aber breiten sich Runkel- und Futterrüben aus. Der Lupinenbau wird nur sporadisch von intelligenteren Besitzern leichter Böden betrie- ben; dagegen sind die anspruchsvolleren Pferdebohnen auf besseren Böden landesüblich. Von Handelsgewächsen baut die Eifel viel Hanf. Tabak gewinnt bei Wittlich, Bitburg, Trier, Merzig, Saarlouis und Saarbrücken einige Ausbreitung. Karden sind in den Kreisen Aachen und Düren eingeführt. Ueberall, besonders aber in der Rheinebene und im Nahethal, wird Feldgemüse, namentlich Kappes (Kopfkohl, Brassiea oleracea capitata) in grosser Ausdehnung ge- zogen, auch Samen für den Handel, selbst auf Fluren der Eifel wie Nürburg, Kelberg, Bodenthal (Kreis Adenau), Basem, Dreiborn (Kreis Schleiden), erzeugt. Gleichwohl 208 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. genügt der Gemüsebau den günstigen Absatzverhältnissen nicht; es findet von Mastricht und Lüttich noch Einfuhr statt. Im Süden steht ihm das starke Dünger- und Arbeits- bedürfniss entgegen, welches die Weinberge in Anspruch nehmen. Um Düsseldorf wer- den neben den Gartengemüsen verschiedene Kohlarten, Zwiebeln, Meerrettig, Bohnen, Gurken, Kürbis, Dill und Fenchel, Saturei, Anis, Koriander, Kümmel, Senf, Wermuth, Esdragon, Majoran, Thymian und andere Gewürz- und Arzneipflanzen gebaut. Auch die Rheinebene bis Bonn und die Umgebung von Aachen nehmen an diesen Kulturen einigen Theil. Die durehschnittlichen Reinerträge der Anbauflächen sind folgende: Durchsehnitt- Durchsehnitt- Unter je 1000 Morgen Di J g s 2 licher Reinertrag licher ie Gesammtiläche Reimertr BESNET vom Morgen Ackerreinertrag | beste befinden sich Morgen hältnisse in den einzelnen|Acker-| Acker, die geschätzt tree frucht- | Rlassifikations- | kJasse sind er des tragen- distrikten : Distrikte de Acker Bes Ser über | über Ackerlandes Kor niedrig-| höch- |schätzt Ss a £ Fläche Ban Sr unddar-| 3 bis 6 6 Ser. Ser. Bor unter | Thlr. | Thlr. gr. Sgr. Sgr. Ser. Sgr. Staat | “ | a. Lennep. “ A. Düsseldorf... .| 109,5 98 43 a.| I8Ob.| 270 . 194,3 | 50,9 | b. Grevenbroich. BSARO Tee. | 707, LETOT 25c.| 155d.| 300 3,8 | 182,2 | 82,8 s N. . olin, Lan r. @. Aachen... . . |7IO2,2 98 Iße.| 175 f.| 300 5,4 | 1382 | 77,6 | e. Malmedy. D. Koblenz ...:| 63| 57| 1552.) ı08n.| 330 | 20,1 53,2 | 10,9 | f. Jülich. Besen . 6 ” 2 g. Adenau. ES 4ı Ig i. 2k.| 270 8,0 28,4 2,8 |}. Koblenz. i. Daun, Prüm. k. Saarbrücken. Rheinprovinz | 81,7 77 Davon l. Mühlheim, m. Adenau. n. Grevenbroich. o. Koblenz. a. der nördl. Theil | ı19,: | 113% b. der südl. Theil.| 50,5 | 45,9 Die grosse Differenz in den Erträgen des nördlichen und südlichen Theiles wird hier ersichtlich; der gesammte südliche, fast /s der Rheinprovinz umfassende Abschnitt erhebt sich nur äusserst wenig über dem Durchschnitt des Staates. — An Beschreibungen der rheinischen Landwirthschaft sind zu nennen: J. N. v. Schwerz: Bäuerliche Verhältnisse und Landwirthschaft im Herzogthum Jülich ete., Möglinsche Annalen 1820; und: Beschreibung der Landwirthschaft in Westfalen und Rheinpreussen, Stuttgart 1836. Mittheilungen über landwirthschaftliche Zustände in der Saargegend, Annal. Bd. 3 S.417. Einige Notizen über die landwirthschaftlichen Verhältnisse und Zustände in der Gegend von Bonn, Annalen Bd. 9 S. 336. A. Lette: Bemerkungen über eine Reise durch dieRheinprovinz, Annalen Bd. 17 S. 260. E. Hartstein: Statistisch-landwirthschaftliche Topographie des Kreises Bonn, Bonn 1850. Tabellarische Uebersicht der Bestandtheile und Kulturfähigkeit der sämmtlichen Ge- meindebänne im Regierungsbezirk Trier, 1852. A. v. Lengerke: Beiträge zur Kenntniss der Landwirthschaft, Rheinpreussen, Bd. 5,1853. Ueber die Vegetation der hohen und der vulkanischen Eifel, von Dr. Wirtgen, Bonn 1865. (Verhandlungen des naturhistorischen Vereins für Rheinland und Westfalen.) Zahlreiche Darstellungen enthält die Zeitschrift des landwirthschaftlichen Vereins für Rheinp reussen, hg. d. J. N. C. Thilmanny, Bonn seit 1832. XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 209 9, Hohenzollern. Das Anbauverhältniss von Hohenzollern ergiebt sich aus dem Inhalt der Ta- belle F. der Anlagen. Auf preussisches Mass berechnet, besitzt Hohenzollern danach: oder auf je 1000 Morgen Gebäude- Gärten Zusammen = i Gebäude- A flächen, Aecker van frucht- Aächen, Gärten | frucht- Haus- und tragende Haus- Aecker und tragende Oberamtsbezirke | Hofräume Länder | Fläche und Länder | Fläche Hofräume in preussischen Morgen Morgen | Morgen | Morgen | Morgen Sigmaringen .. Gammertingen . Hechingen ... Haigerloch ..... Hohenzollern . | ıgı0 | 189923 197 376 | | 425,0 Da die der Tabelle F. zu Grunde liegende Berechnung der Gesammtfläche von Hohenzollern der Berichtigung von 20,5 [Meilen auf 21,1; (Bd. I. S. 66) bedarf, sind die Verhältnisszahlen nicht ganz genau; wenn indess der Staat auf je 1000 Morgen, einschliesslich 514 Morgen Acker, 531 Morgen fruchttragende Fläche besitzt, so zeigt sich, dass seinem Durchschnitt nur das Oberamt Gammertingen nahe kommt, alle übrigen aber, namentlich das besonders bergige Hechingen, erheblich geringere Anbau- flächen als der Staat enthalten, und dass sich das Verhältniss durch die grössere Ge- sammtfläche in Wirklichkeit noch niedriger gestaltet. Hechingen und Sigmaringen bleiben in diesen Zahlen hinter allen Hauptabschnitten der verschiedenen Provinzen mit Ausnahme der ostpreussischen Niederungen und der 9 Gebirgskreise des Regierungs- bezirks Arnsberg zurück. — Der Wirthschaftsbetrieb ist in der Regel durch die schwierige Zugänglichkeit der Parzellen bedingt, deren Folgen dem Flurzwange gleichkommen. Das Ablösungsgesetz vom 28. Mai 1860 (Bd. I. S. 417) hat zwar gestattet, bei Ablösung der Reallasten die vermengte Lage abzuändern, indess ist dabei freie Vereinbarung vorausgesetzt, und es erstrecken sich desshalb die Regulirungen in der Regel nur auf Herstellung der noth- wendigsten Haupt- und Nebenfeldwege. Wo diese gelungen, oder wo die örtliche Lage an sich günstig ist, namentlich auf den wenigen grösseren Gütern, besteht freie Wirthschaft. Im Uebrigen gilt die herkömmliche Dreifelderwirthschaft als Regel. Sie wird im sogenannten Unterlande, d. h. in Hechingen vom Fusse der Alp bis an die Grenze des Schwarzwaldes, soweit das Klima gemässigter ist, mehr mit besömmerter Brache, im Oberlande, auf dem besonders rauhen Rücken der Alp und der Abdachung zum Bodensee, mehr mit reiner Brache geübt. An Getreide ist für die Winterung Dinkel überwiegend. Weizen und Roggen wird selten gebaut. Auf den besseren Gemarkungen und besonders auf den grösseren Gütern, die in guter Bodenkraft stehen, folgt in zweiter Frucht Gerste, auf geringeren Grundstücken Hafer oder Hülsenfrucht. Bohnen, Erbsen, Linsen sind häufig. Auf Boden d. preuss. Staates. II. 14 210 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau, der Alp ist namentlich die Haferproduktion sehr bedeutend. Kartoffeln werden nur als Nahrungsmittel für Menschen und Vieh, in Brennereien dagegen wenig verwendet. Der Anbau der Oelsamen ist nicht unbedeutend und liefert einen guten Ertrag. Die Tabakskultur besteht nirgends, während der Hopfenbau immer mehr'an Ausdehnung gewinnt. Auch Hanf- und Flachsbau wird in beschränkter Weise betrieben, und ist bei der Bereitung meist nur die Thauröste in Anwendung. Die Kultur der Futterkräuter, namentlich der Esparsette, der Luzerne uud des rothen Klees, breitet sich besonders auf den hohen Plateaus, wo die natürlichen Wiesen fehlen, aus; sie wird durch die Flurregulirungen wesentlich begünstigt. Die Düngerproduktion steht namentlich auf der Alp, wo die Aeeker von den Gütern zum Theil sehr entfernt liegen, nicht immer in genügendem Verhältnisse zur urbaren Fläche, indess wird allenthalben unter lebhafter Anregung durch die landwirthschaft- lichen Vereine nach guter Behandlung des animalisch -vegetabilischen Düngers gestrebt. Gebrauch reiner und vermischter Gülle als flüssiger Dung und Kompostbereitung sind sehr in Aufnahme. Von künstlichen Düngern werden die Gypslager bei Dettingen und Langerdingen beträchtlich ausgebeutet und die Hallerde aus der Saline Stetten, die sich vortrefflich bewährt, kommt in sehr grosser Menge zur Verwendung.. Im Unter- lande wird gesucht, ihren Bezug gemeindeweise zu organisiren, und für das Oberland ist die Einrichtung besonderer Niederlagen in Aussicht genommen. Weniger verbreitet ist die Anwendung des Mergelns. Dagegen haben die Drainagen auf dem Abfall der Alp gegen die Seen sehr grosse Ausdehnung gewonnen, weil die Molasseformation hier in dem sonst fruchtbaren sandigen Lehmboden häufig undurchlassenden Untergrund und Versumpfungen mit sich bringt. Die Erträge sind auf der Höhe der Alp, wo der Winter besonders streng ist und bedeutende Schneemassen den Saaten oft grossen Schaden thun, ziemlich be- schränkt. Ueberhaupt ist das Klima des gesammten Landes wegen der beträchtlichen Höhe bis auf die geschützteren Thäler erheblich rauh. Der Winter beginnt in der ersten Hälfte des Novembers mit stärkeren Frösten und vom Dezember an ist oft bis in den März gute, anhaltende Schlittenbahn. Die Ackerarbeiten beginnen gewöhnlich Ende März und April, im März herrschen scharfe Nord- und Ostwinde, Nachtfröste kommen häufig vor. Der Frühling und der Sommer haben einen unbeständigen Charakter; die warmen Monate bringen heftige Gewitter mit häufigem Hagelschlag, welche die Tem- peratur oft auf mehrere Tage hinaus stark abkühlen. Im August beginnt meistens die Wintergetreideernte, der die des Sommergetreides folgt, und nach welcher die Winterungs- aussaat sofort in Angriff genommen wird. Erst der Herbst ist warm und schön. Das Erzeugniss, namentlich an Brotfrüchten, übersteigt indess beträchtlich den Bedarf, und es werden ansehnliche Mengen nach der Schweiz ausgeführt; auch machen die vorhandenen Futtermittel namhafte Fleischproduktion zur Ausfuhr möglich. Vergleichbare Grundsteuerreinerträge lassen sich nicht angeben, weil die altlän- dische Grundsteuerverfassung vom 21. Mai 1861 auf Hohenzollern nicht ausgedehnt ist. Als Beschreibungen sind neben der amtlichen Statistik zu nennen: G. v. Viebahn: Erinnerungen aus Hohenzollern, Berlin 1853. Landwirthschaftliche Zustände in Hohenzollern, Annalen Bd. 38. $. 10. Göriz: Die im Königreich Württemberg üblichen Feldsysteme und Fruchtfolgen, Tübingen 1848. — XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. 211 Sueht man schliesslich die Anbau- und Ertragsverhältnisse des gesammten Staates nach den Hauptabschnitten des Terrains in einem einfachen Zahlenbilde zu überblicken, so kann dafür folgende Zusammenstellung dienen: Durchschnitt- Unter je 1000 Morgen BruchliveponuE Acker- [licher Reinertrag| Die Gesammtfläche Ge- Fläche 3 vom Morgen befinden sich Morgen sammt- |— —— [rerhält- ———— | beste | Acker, die geschätzt fläche Verhält-| niss Acker- sind Verhältniss der Anbauflächen ih in niss |zur Ge-| frucht- klasse Bee IT OMei- | OMei- |?" Ge- | sammt- [tragende] Acker | ist ge- |® SEr- | iner über len sammt- | fläche | Fläche schätze | und |, el 8 vn dar- | pnaer TI pCt. pCt. Sgr. Sgr. | unter HB REaG: . Ostpreussen, Höhe. ...... 235,3 R = Terrassenland 415,4 28,4 28,1 120 II T. > Niederung 20,8 590| 60,.| 108 I 5 Westpreussen, Höhe... .. . 152,7 13,9 13,7 81 | 201 3 = Terrassenland . | 266,2 279| 2777| 135 | 55 [e) = Niederung ... 43,5 741| 732| 165 3 | ı1g . Reg.-Bez. Köslin...... . 255,0 2177| 21.| 120 | 130 2 ö a Stettiner oh ee 218,7 379| 37,| ı80 | 25 7 Pr Stralsund ...... 73,7% "63, | 62,0| 180 8 58 . Reg.-Bez. Bromberg. .....| 207,7 2387| 280| 120 | 42 2 n Bogeneren-ueree 317,7 265| 26,.| 120 | 30 (6) . Oder- und Warthe-Niederun- gen in Brandenburg ... . Die übrigen Theile des Reg.- Bez./Krankfürt .... 0... Desgl. Potsdam ........ . Schlesisches Hochgebirge. . - Die fruchtbaren Kreise und Klassifikationsdistrikte des linken Oderufers einschl. des Kreises Glogau ... . Die übrige Provinz Schlesien . Provinz Sachsen: Schwemmland........ 223,3 Bergland. ..... 5 234,9 Reg.-Bez. Münster... .. .8|7 1316 7 Minden. .....=..% 95,4 Die Kreise Bochum, Dortmund, Hamm, Lippstadt und Soest Die übrigen 9 Kreise des Reg.- Bez. Arnsberg . Rheinprovinz: der nördliche Theil... . der südliche Theil 2.649,ı | ') Ohne Berücksichtigung der Stadtfluren. 38,4 51,4 45,8 44,0 ®) Mit Berücksichtigung der Stadtfluren. 212 XXI. Das Ackerland und sein feld- und gartenmässiger Anbau. Das Verhältniss der Reinertragsschätzung des Ackerlandes, der Gärten, so wie der fruchttragenden Fläche überhaupt lässt sich im Anschluss an Tabelle E. der Anlagen in folgender Weise auf einfachere Zahlen bringen: Rheinprovinz Staat . Gärten. Rheinprovinz Von je 1000 Morgen der Gesammtfläche sind eingeschätzt zu Breussenn.... Pommern .... Bogen se ce Brandenburg .. Schlesien .... Sachsen ..... Westfalen .... Bemeuen über über aber über über über über über | über | über | über verhältnisse |, | 1-6 16-15 ae 1-2 | 2-3 | 3-4 | 4-5 | 5-6 | 6-7. | 7—.10 |1o-26| Summe | Ser. | Ser. “= | Phlr. | Thlr. | Thlr. | Thlr. | Thlr. | Thir. | Thlr. |Thr. 1 Thlr. Acker. Preussen... ..| . | 72,30 | 126,60 | 175,40 | IO6,30 | 18,80 | 4,50 I,o | 0,10 s ® «| 505,00 Pommern ....| . | 72,00 | TO8,go | 144,40 | 143,80 | 65,20 720 5,10 0,50 Ö : «| 547,00 Bogen learn: 35,00 93,30 | 321,50 136,20 9,10 0,90 . . . . . 596,00 Brandenburg eusil re 36,20 84,40 | II4,10 155,10 | 52,80 IO,s;o 2,10 2,50 I,ıo | O,20 . | 459,00 Schlesien ....| . | 10,90 | 56,80 | 141,60 | 185,60 | 91,30 | 43,50 | 9,30 I,oo 5 © «| 549,00 Sachsen ....o.|. 5,30 |ı 63,10 | IO4,60 | IIT,30 | 1,30 96,00 56,40 | 53,20 | 16,80 3,0] . | 59I,oo Westfalen ....| . 8,70 45,10 86,50 113,90 | 80,10 | 47,00 | I&,oo | I2,60 3,00] I,oo » | 416,00 Staat... Fruchttragende Fläche*). Preussen... ..| . | 72,30 | 127,86 | 178,37 | IIO,41 | 20,84 5,58 I,39 0,16 | 0,6| 0,3] ..| 517,00 Pommern va. elle 72,00 | IOQ,og 146,42 I47n0 68,02 8,85 5,32 I,os 0,04 | O,ıı «| 558,00 Bosens: - en . 35,00 94,79 | 325,25 | I4I,88 | II,ı4 I,49 0,39 0,03 0,03 . . 610,00 Brandenburg ..| . | 36,20 | 85,60 | 116,26 | 161,24 | 56,50 | 12,08 | 2,36 | 2,88 | 1,24 | 0,42 | 0,22 | 475,00 Schlesien ....| . | 10,90 | 57,38 | 143,86 | 191,24 | 96,39 | 47,23 | II, 1,84 | 0,88) 0,63 | .» | 561,00 Sachsen .....|. 5,3° 64,36 107,17 | 115,85 | 84,73 | 99,9 | 58,22 | 55,46 | 17,47 | 3,70 | 9,05 612,00 | Westfalen ....| . 8,70 | 45,15 | 87,11 | 117,58 | 83,68 | 51,60 | 21,93 | 14,75 | 4,82) 3,48 | O,32 | 439,00 Rheinprovinz ..| . 810 | 55,9 | gı,ı4| 97,7| 66,64 | 56,58 | 29,02 | 31,6x | 23,25 | 20,66 | 2,65 | 482,00 Staat ...| . | 36,90 | 86,57 | 153,74 | 137,05 | 56,18 | 29,61 | 12,81 | 10,22 | 4,56| 3,00 | 0,36 | 531,00 *) Vergl. Bd. II. S. 152 und Tab. A. der Anlagen, Kolonne 29. AA. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Oekonomische Verwendung, wie botanischer Charakter der verschiedenen im preussischen Staatsgebiete kultivirten Nutzpflanzen sind so mannigfaltig, dass der Ver- such einer genügend systematischen Zusammenstellung vergeblich bleibt. Es werden desshalb nachfolgend als Brotfrüchte die grasartigen Getreide, der Buchweizen und solche Hülsenfrüchte unterschieden, von denen vorzugsweise die Samen zur mensch- lichen und thierischen Nahrung dienen; als Futtergewächse solche, die man ihrer Blätter, Stängel und Wurzeln oder Knollen wegen vorwiegend zum Zweck der Vieh- haltung baut, obwohl viele von ihnen auch ganz oder theilweise zur menschlichen Nahrung und zu anderweiter Verwendung dienen; endlich als Handels- oder Gewerbs- pflanzen eine grössere Anzahl solcher Vegetabilien, welche, nur ausnahmsweise zur unmittelbaren Nahrung für Menschen oder Vieh nutzbar, hauptsächlich für verschiedene gewerbliche Bedürfnisse verarbeitet oder auch als Gewürze und Arzneien serbraucht werden, A. Brotfrüchte. Von den den Gräsern zugehörigen eigentlichen Getreidearten nimmt als Haupt- nahrungsmittel an Brot und Mehl für die Bevölkerung des preussischen Staates der Roggen die erste Stelle ein. Ihm zunächst steht an Masse der Produktion der Hafer. Sein Anbau wird der Fläche nach auf etwa die Hälfte, dem Scheffelertrage nach auf etwa ”ı von dem des Roggens angeschlagen. Für Weizen wird in Preussen, verglichen mit Roggen, nur ungefähr der sechste Theil der Fläche oder der vierte Theil des Scheffel- ertrages, verglichen mit Hafer, ein Dritttheil nach Fläche wie nach Ertrag berechnet, und den Anbau und das Erzeugniss an Gerste nimmt man etwa auf die Hälfte gegen den Weizen an. Der Verbrauch des Hafers findet fast ausschliesslich als Pferdefutter statt, zu Grütze und Mehl wird nur ein sehr geringer Bruchtheil verwendet. Der Weizen geht überwiegend den Stadtbevölkerungen und dem Auslande zu, die Gerste aber dient 244 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. im wesentlichen zu Malz und Gegräupe und wird in wenig grösserem Verhältnisse aus- geführt, als Roggen und Hafer. Der Roggen ist trotz seiner gegenwärtigen Bedeutung die in Deutschland zuletzt bekannt gewordene dieser Halmfrüchte. Dem Alterthum war er fremd. Er wurde, wie es scheint, erst von den vordringenden Slawen nach Europa gebracht*). Als den deutschen Stämmen in der älteren Zeit eigenthümlich werden an Getreidearten nur Gerste, Hafer und Hirse bekundet, und diese Früchte scheinen von ihnen in der Form von Brei oder Klössen genossen worden zu sein, weil sie zu festem Brote wenig brauchbar sind. Das Bedürfniss eines leicht transportablen und auf längere Zeit dauerbaren festen Gebäckes macht erklärlich, dass die norddeutschen Stämme den Roggen, die süd- deutschen Stämme, welche das Weizen- und Spelzbrot der Römer kennen lernten, Weizen und Spelz als Brotfrucht annahmen; und wie wenig dieser Unterschied durch Boden und Klima bedingt ist, zeigt sich darin, dass die Thüringer Roggenbrot essen, obwohl sie ihres Bodens wegen, den Roggen überwiegend im Gemenge mit Weizen bauen müssen. In den nur gerösteten Mehlbroten der nordischen Völker und gewissen englischen Brotarten, sowie dem kaum gegohrenen mit der Kleie gebackenen Roggenbrote, das als Pumpernickel in Westfalen, Osnabrück und am Niederrhein neben dem Weizenbrot volksthümlich geworden ist, auch dem am Harze heiss genossenen platten Rundbrote, scheinen sich Reste alter Zubereitungsweisen des Getreides erhalten zu haben**), — Der Bau des Weizens (Triticum) nimmt vorzugsweise die besten Böden des Staatsgebietes in Anspruch. Im wesentlichen wird er auf allen Lehmböden und allen gemischten Böden der Tabelle D. der Anlagen gefunden, soweit sie nicht in zu grosser Höhe liegen, indess stehen seine Erträge auf den leichteren und milden gemischten Böden gegen die des Roggens in der Regel zurück. In neuerer Zeit hat die Verbrei- tung des Oelfruchtbaues und die eingetretene grössere Konkurrenz im Getreidehandel zu einiger Beschränkung seines Anbaues geführt. Er wird vorzugsweise als Winter- frucht, indess in einigen Gegenden, namentlich in höheren Lagen im schlesischen Ge- birge und in Westpreussen auch als Sommerfrucht gebaut. Von seinen verschiedenen Arten wird ganz überwiegend gemeiner Weizen (Trit. vulgare) und zwar Bart- oder Grannenweizen ebenso, wie der grannenlose Kolbenweizen verwendet. Weniger häufig ist der Bau von englischem Weizen (Trit. turgidum). Der englische Sandweizen, der sich sehr ergiebig und frei vom Befallen gezeigt hat, ist in der Altmark wieder auf- gegeben worden, weil er zu leicht auswintert, hat sich dagegen im westlichen Westfalen heimisch gemacht. Spelz oder Dinkel (Trit. spelta) ist in der Rheinprovinz sehr verbreitet, und wird *) C. E. Langethal a. a. O. I. S. 25. **) An Mahlgut werden von einem Scheffel Roggen mit einem Gewicht von go Pfd., nach Abzug von 5 Pfund als des Müllers Mahlmetze, 8 Pfd. ı1%ıo Loth Kleie, 3 Pfd. 187/io Loth Steinmehl und Staub und 63 Pfd. Reinmehl gewonnen; bei Brot aus Roggenmehl giebt ı Pfd. Mehl ı Pfd. 19 Loth Teig und daraus ı Pfd. 13 Loth Brot; indess hängt das Gewicht des Brotes aus einer gewissen Quantität Mehl nicht allein von der Beschaffenheit des Mehles und seinem Wassergehalt, sondern auch von dem üblichen Backverfahren ab. (Vergl. F. Knapp, Lehrbuch der chemischen Technologie, Bd. II. S. 109. Ueber Brotbereitung mit Kleienauszug handelt Annal. Bd. 24. S. 77). XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 245 auch in Thüringen und in der Umgegend von Pyritz vortheilhaft gefunden. Sehr selten, nur hier und da am Rhein kommt Emmer (Trit. dieoeeum) und in Thüringen Einkorn (Trit. monococeum) vor. Mit polnischem Weizen (Trit. polonieum) und Glas- oder Gerstweizen (Trit. durum) sind einzelne Versuche gemacht, ebenso mit weissem Öon- neetieut- und rothem französischem Sommerweizen; letzterer findet nur in den Rhein- gegenden genügend lange Vegetationszeit '). Bezüglich der Qualität ist der weisse Weizen von Frankenstein besonders schön; seine Beziehung zu den Bodenverhältnissen ist Bd. I. S. 259 und Bd. II. S. 34 näher besprochen. Auch Leobschütz und Wirsitz bauen weissen Weizen, der indess nicht aushaltend bleibt. Sehr vorzüglich im Korn ist der Wittkower Weizen, und der der Kreise Inowraclaw, Kulm, Graudenz und Pyritz; auch der des Hellweges und Haar- stranges in Westfalen steht in sehr gutem Rufe. Dagegen müssen die Höhen des preussischen und pommerischen Landrückens und das rechte Oderufer in Schlesien wegen des allzu häufigen Auswinterns fast ganz auf den Weizenbau verzichten. An Krankheiten ist der Weizen verschiedenen Formen des Brandes ausgesetzt. Der Korn- brand, Steinbrand, Schmierbrand, Stückbrand, Faulbrand und die Kornfäule werden durch die verschiedenen Wucherungsstufen des zu den Staubpilzen oder Coniomyceten, Gruppe der Ustilagineen gehörigen Tilletia caries hervorgerufen, der Staubbrand, Flug- brand, Nagelbrand, Russbrand, durch einen ähnlichen Pilz, Ustilago carbo; weniger gefährlich ist der Rost, ein Pilz aus der Gattung der Uredineen, sowie der des Mutter- korns, Claviceps purpurea. Alle diese Schmarotzer werden durch starke klimatische Wechsel begünstigt, dagegen durch Tiefkultur, gute Lüftung des Bodens und Auswahl brandfreien, eingebeizten Samens abgehalten oder doch beschränkt, An Thieren erzeugt das Weizenälchen, anguillula tritiei, durch seine Einstiche und Eier das sogenannte Gichtkorn. In neuerer Zeit sind 1858 die Hessenfliege, Weizenfliege, Weizenverwüster (Ceeidomya secalina und destruetor), und 1864 die gelbe Halmfliege (Chlorops taenio- pus), beide namentlich in Schlesien, jedoch auch in Posen und Ostpreussen, plötzlich und ziemlich nachtheilig aufgetreten, ohne nachträglich wieder erheblich bemerkbar ge- worden zu sein ?). Den durchschnittlichen jährlichen Ausfall an Winterweizen durch Unfälle veran- schlagt Block °) auf "2, den an Sommerweizen auf '/; des vollkommenen Ernteertrages. In Tabelle N. der Anlagen ist zu ersehen, in welchem Verhältnisse durch die Jahre 1846— 1866 nach den Ermittelungen des Königl. Landes- Oekonomie-Kollegiums die Weizenernten in den verschiedenen Provinzen zu einer Mittelernte gestanden haben, Ebenso findet sieh dort das Resultat der Angaben der landwirthschaftlichen Vereine über den Erdrusch an Weizen vom Morgen in den Jahrgängen 1859— 1866. In der Regel ist der Durchschnittsertrag auf geringeren Böden bei Winterweizen zu 6—7, auf besseren 8—ıo und auf den guten Weizenböden zu 12— 14 Scheffeln Körner und je nach der Graswüchsigkeit zu 10— 28 Ütr. Stroh vom Morgen anzunehmen. Sommer- 1) Ueber verschiedene Anbauversuche theils mit besonderen Weizensorten, theils unter abweichenden Kulturbedingungen sind Bd. 3 S. 267, Bd. 24 S. 175, 182, Bd. 33 S. 24, Bd. 38 S. 84, Bd. 39 S. 549, und Supplem.-Bd. Jahrgang IX. S. 23 der Annalen zu vergleichen. 2) Kühn: Krankheiten der Kulturpflanzen, Berlin r858. — Mittheilungen aus Halle, Halle 1863. — E.L. Taschenberg: Die Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, die in Deutsch- land den Feld-, Wiesen- und Weidekulturpflanzen schädlich werden, Leipzig 1865, Preisschr. 3) Mittheilungen landwirthschaftlicher Erfahrungen, Breslau 1841, Bd. I. S. 37 und 47. 2146 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. weizen giebt etwa '/ı weniger Körner und "Js weniger Stroh. Spelz gewährt 1o pCt. weniger Stroh als Winterweizen, sein Körnerertrag aber ist auf geringeren Böden 10o— ı5, auf besseren 20—30 und auf besonders guten 35—40 Scheffel durchschnitt- lich, wobei jedoch in Betracht kommt, dass sein Korn die Hülse nur etwa zur Hälfte bis zu % ausfüllt. Der Scheffel Winterweizen wiegt als Handelswaare g2—85 Zoll- pfund, Spelza 43 —49. Die Aussaat auf den Morgen ist bei Winterweizen von schwacher bis zur stärksten %ı, ı bis 1% Scheffel und muss bei Sommerweizen um ro— 5 pÜt., bei Spelz bis auf 2— 3 Scheffel vermehrt werden. Näheres über Schwere und Zusammensetzung der verschiedenen Weizensorten vergl. im Polytechnischen Oentral- blatt für 1853 8. 1379; und Annalen Bd. 23 S. 386. — An Gerste (Hordeum) wird vorzugsweise die zweizeilige oder grosse (Hordeum distichon) gebaut; von Unterarten kommen Chevalier- und Jerusalemsgerste nur hier und da, und die sechszeilige (Hordeum hexastichon) nur versuchsweise vor; dagegen ist die vier- zeilige oder kleine Gerste (Hordeum vulgare) auf mageren Böden in den nördlicheren Land- strichen und auf den bäuerlichen Ländereien weit verbreitet*). In der Regel wird alle Gerste als Sommergerste benutzt, nur der Rhein, namentlich die tiefen Rheinebenen zwischen Jülich und Kleve, und einige Striche Westfalens bauen Wintergerste. Als solche bedarf sie 230— 322 Tage Vegetationszeit, als Sommergerste die grosse zwei- zeilige 119— 154, die vierzeilige nur 63— 96 Tage. Im allgemeinen fordert die Gerste einen zu mürben, durchlassenden, warmen und gleichwohl nicht losen Boden, als dass ihre Bedingungen in der Ackerkrume Norddeutschlands häufig in hinreichendem Grade zu finden wären. Als Hauptgegenden ihres Anbaues sind das tiefere Litthauen und das Gerstland in Hinterpommern erwähnt. Auch die Weichselniederung, die Gegend von Stargard in Vorpommern und die Insel Rügen, sowie die schlesischen Kreise Leobschütz und Neustadt, sind durch vorzügliche Gerste bekannt. Dagegen kommt auf dem preussi- schen, pommerischen und schlesischen Landrücken Gerste fast gar nicht fort. Sachsen baut wenig, obwohl die Erfurter Gerste für die besten Graupensorten unersetzbar scheint und auch zu Malz besonders gesucht ist. Es wird hier von jeher die gewöhnliche zweizeilige angebaut, allerdings aber unter grosser Sorgfalt; erst seit 1864 hat Jühlke auch eine Gerstenart aus der Manschurei zur Verwendung gebracht, die bei roo Tagen Vegetation 20— 22 Scheffel liefert. Westfalen baut nur sehr wenig Gerste, und der Rhein benutzt sie, abgesehen von der Wintergerste, in der Regel als Mischelfrucht mit Hafer. Block**) nimmt an, dass die grosse Gerste nur auf ganz angemessenem Boden in 7 Jahren 6 vollkommene Ernten, die kleine sogar in 5 Jahren nur 4 mittelmässige Ernten bringe. Ueberall leidet die Gerste leicht vom Staubbrande, sowie vom Mutter- korn, geht durch nasskalte Witterung oder durch Dürre sehr bemerkbar zurück und wird bei nachlässiger Bestellung sehr leicht vom Unkraut überwuchert. Ueber Erträge und Erdrusch in den einzelnen Provinzen und Jahrgängen ist Tabelle N. der Anlagen zu vergleichen. Durchschnittlich gewährt im Staatsgebiete die grosse. zweizeilige Gerste bei 1—1"/2 Scheffel Aussaat auf geringem Gerstboden 7— 8, auf besserem 10— 13, auf gutem 14—ı8 Scheffel Korn und bezügl. 7, ınr—ız und ı$ Ütr. Stroh, die kleine Gerste erfordert dieselbe Aussaat, giebt aber nur 5—ıo Ütr. Stroh und auf geringem Lande 6— 10, auf gutem ı2—ı5 Scheffel Ertrag. An Wintergerste ist bei ı Scheffel *) Ueber peruanische Gerste vergl. Annalen Bd. 28 S. 190. ") a 270. Bd. I. T.68 u. 78. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 247 Aussaat auf 15 — 24 Schefiel Körner und 12—ı8 Ütr. Stroh zu rechnen, Die Schwere des Scheffels als Handelswaare schwankt bei grosser, kleiner und Wintergerste zwischen 58 und 73": Pfund, — Der Roggen (Secale cereale) ist nur in einer Art bekannt, in der er sowohl als Winter- wie als Sommerfrucht über alle Theile des preussischen Gebietes gebaut wird. Die Abarten, die als Staudenroggen bezeichnet werden, sind durch auserlesene Saat, guten Boden und lange Vegetationszeit zu stärkerer Bestockung erzogen, verlieren aber diese Eigenschaft wieder unter gewöhnlichen Verhältnissen. Der in der sogenannten Probstei um Eutin erzeugte Probsteier Roggen, der als Saatkorn viel Anerkennung findet, verdankt sein schweres Korn, wie man annimmt, der dortigen intensiven Feld- graswirthschaft!). Für die meisten Wirthschaften des Schwemmlandes ist der Roggen, wie die Fruchtfolgen gezeigt haben, die Hauptfrucht in allen Böden, die nicht zu schwer oder nass sind. Durchlässiger leichter Boden sagt ihm so zu, dass er selbst auf sehr leerem Sande noch den Anbau lohnt. Vorzüglicher Roggen wird um Wirsitz in Westpreussen, um Stargard in Pommern, um Glogau in Schlesien und in mehreren Theilen der Oberlausitz und des Flämings gebaut, wo die an sich guten Böden mehr für Roggen, als für Weizen geeignet sind. Die Vegetationszeit des Roggens ist 280— 290 Tage als Winter- und 140—154 Tage als Sommerfrucht. Seine Gefahren sind theils klimatische, wie die leichte Ver- nichtung der Blüthe durch Frühjahrsfröste, denen er schwer widersteht, obwohl seine Saat sehr starke Kältegrade erträgt?), theils Pilzbildungen, wie der Roggenbrand (Ustilago secalis), der Roggensteinbrand (Ureeystis occulta) und das Mutterkorn (ela- viceps purpurea), deren zerstörende Vegetation wesentlich durch vom Klima hervor- gebrachte Verletzungen der Oberhaut oder der Blüthentheile ermöglicht zu werden scheint. Thiere, welche dem Roggen gefährlich werden, sind besonders die Acker- schnecke und die beim Weizen erwähnte Roggen-Gallmücke (Cecidomya_ secalina). Gleichwohl ist der Roggen die sicherste Getreidefrucht. Block?) rechnet für Winter- roggen bei richtiger Bestellung den Ernteausfall durch ungünstige Witterung und andere Einflüsse durchschnittlieh nur auf 'so der vollkommenen Ernte, für Sommerroggen dagegen auf '/. Das Verhältniss der Roggenernten einer Reihe von Jahren sowohl an Körnern als Stroh zeigt die Tabelle N. der Anlagen. Die Angaben derselben über den Erdrusch müssen indess im Sinne von Bd. I. S. 152 vorzugsweise beim Roggen als zu hoch gegriffen betrachtet werden. Der Winterroggen giebt in der Regel im preussischen Staate je nach der Lage bei einer Aussaat von Yı bis 1Y4 Scheffel auf geringem Roggenlande 21, —4, auf besserem 5—6, und auf gutem Boden 8— 16 Scheffel Körner durchschnittlich, und entsprechend 5—30 Ütr, Stroh. Der Sommer- roggen erfordert etwas stärkere Aussaat und bleibt etwa 25 pCt. in den Körnern und 20 pÜt. im Stroh gegen den Winterroggen zurück. Für Gesammtdurchschnitte müssen überall die höchst geringen Ländereien, die nur im Wechsel mit Kartoffeln ') Ueber Versuche mit dem Anbau des Jerusalemer Roggens und des russischen Schneekorns, sowie mit früher Roggensaat überhaupt vergl. Annalen Bd. 22 S. 261, Bd. 27 S. 423 und Bd. 36 S. 149. Ueber Anbau des Waldroggens vergl. landwirthsch. Centralblatt Jahrgang 9, Bd. ı S. 153. ?) Vergl. Kühn a. a. O. S. 113. — Annalen Bd. 45 S. 148. — Landwirthschaftliches Centralblatt Jahrg. ı2., Bd. 2 S. 408, Jahrg. 13, Bd. ı S. 29. °®) a. a. O. Bd. I. S, 53 und 65. 218 XXIL Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. oder mit Weide als drei- oder sechsjähriges Roggenland bestellt werden und sich höchst selten auf 5 Scheffel erheben, wesentlich in Rechnung gebracht werden. Die Schwere des Roggens als Handelswaare ist 72" bis 81Y. Pfd. auf den Scheflel. — Der Hafer (Avena) kommt im Staatsgebiete vorzugsweise als gemeiner Rispen- hafer (Avena sativa) sowohl in seinen Spielarten mit Grannen, als ohne Grannen vor. Meist wird der weisse Hafer kultivirt, in hohen Lagen der Sudeten ist der Mohrhafer mit schwarzer Spitze am Korn, der härter ist und zeitiger reift, verbreitet; am Rhein kommt auf besseren Böden der Fahnenhafer (Avena orientalis) vor, und es werden hie und da Versuche mit Winterhafer gemacht. Den vorzüglichsten Hafer bauen die tiefe Weichselniederung, die Insel Rügen, der Warthe- und Oderbruch, auch die Obragegenden und in Schlesien Leobschütz. Die höheren Gebirge Schlesiens, die Muschelkalkplateaus in Sachsen und die Schiffelländereien Westfalens und der Rheinprovinz sind vorzugs- weise auf ihn angewiesen, und haben auch Ausfuhr, wenngleich in geringeren Sorten. Die Vegetationszeit des Hafers ist länger, als die der Gerste; er bedarf ı5o bis 160 Tage. Im ganzen ist er sehr sicher, übertrifft auf gering kultivirten und fehlerhaften Böden jedes andere Getreide an Ertrag und ist namentlich für Neubruchland eine besonders geeignete Frucht. Block ') nimmt von ro Ernten 9 als ganz vollkommen an. Angaben über Ernte und Erdrusch enthält Tabelle N. der Anlagen. Der Ertrag ist bei einer Aussaat von 1, —2 Scheffeln auf geringeren Haferböden zu 6—7 Scheffel Körnern, auf besseren zu 8—9 und auf guten Böden zu 1o—ı8 Scheffeln durch- schnittlich anzuschlagen; der Strohertrag schwankt dabei zwischen 5Y» und 22 Ütr. Die Schwere des Scheffels ist 39— 53 Pfund. — Von den übrigen Getreidegräsern ist für das preussische Staatsgebiet als mensch- liche Nahrung nur noch die Hirse (Panieum) zu nennen, welche als Rispenhirse (P. miliaceum) in geringem Umfange in allen Landestheilen angebaut wird. Die Kolben- hirse (P, italicum) kann wegen ihrer langen Vegetationszeit und ihrer Empfindlichkeit gegen Frühjahrsfröste nur in den wärmsten Lagen der Rheinprovinz gedeihen, Als Futterkraut sind Versuche mit dem Mohar (P. germanieum), der deutschen kleinen Kolbenhirse, ohne wesentlichen Erfolg gemacht*). Die Rustikalen von Masuren bauen ziemlich viel Hirse, ebenso auch die Kolonisten an der Netze, und in der Provinz Sachsen der Südabhang des Flämings, namentlich sind Malitzschkendorf und Jagsal im Kreise Schweinitz dadurch bekannt. Sie giebt nach Block ®) in 4 Jahren 3 ziem- lich vollkommene Ernten. Der Ertrag ist bei 2/"2— 3 Metzen Aussaat je nach der Lage auf durchschnittlich 8— 14 Scheffel Körner und 5— 20 Ütr. Stroh anzuschlagen; 's des Körnermasses ist auf die Hülsen zu rechnen, welche in besonderen Stampfmühlen entfernt werden müssen. Die Schwere des Scheffels im Handel ist 70— 73 Pfund, — Von erheblicherer Wichtigkeit für den menschlichen Bedarf ist in. den meisten Sand- und Moorgegenden des Staates, namentlich aber auf dem preussischen, pommeri- schen und oberschlesischen Landrücken und ganz besonders in Westfalen das Heide- korn oder der Buchweizen (Polygonum fagopyrum). Er ist, wie es scheint, erst durch die Sarazenen aus dem mittlen Asien nach Europa gekommen, hat hier aber seit dem 1) a. a. O.S. 75. 2) Ueber die Kultur verschiedener Hirsearten vergl. Annalen Bd. 23 S. 96, Bd. 35 S. 15, I7 und 350. 3) a. 2. 0. S. 96. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 219 Anfang des 16. Jahrhunderts ausgedehnte Verbreitung gefunden. Er gedeiht noch auf höchst mageren Sandfeldern. Sein Ertrag ist bei günstigem Verlaufe der Vegetation sehr bedeutend. Indess ist er durchschnittlich auf geringerem Boden nur zu 6—8 Scheffeln Körner, auf besserem zu 10—ı2 Scheffeln Körner anzuschlagen und giebt selten über ro Ötr. Stroh, Er leidet namentlich durch Nachtfröste sehr leicht, und diese Gefahr wird nur dadurch gemildert, dass seine Saat wegen ihrer schnellen Ent- wickelung leicht ein- auch zweimal ersetzt werden kann. Der weniger schmackhafte sibirische oder tatarische Buchweizen (Poligonum tatarieum) hat den Vorzug, etwas härter gegen Kälte und Nässe zu sein. Der Scheffel Buchweizen ist 60— 64‘; Pfund schwer. Auch über seine Ernten enthält Tabelle N. der Anlagen einige Angaben. — Die Hülsenfrüchte behaupten als menschliche Nahrung noch immer eine bedeu- tende Stelle, obwohl das Gewicht, welehes ihnen in früheren Jahrhunderten zukam, in der neueren Wirthschaft bedeutend vermindert worden ist. Am meisten angebaut wird die Erbse (Pisum sativum), welche fast ausschliesslich als rundsamige Erbse (Pisum globosum), selten als plattsamige, Markerbse (Pisum quadratum), vorkommt. Erstere hat zahlreiche Sorten, von denen indess die meisten nur als Gemüse im Gartenbau gezogen werden, im Feldbau kommt fast ausschliesslich die gemeine weisse Felderbse vor, jedoch ist in der Provinz Preussen, in welcher die Erbse vorzüglich gedeiht, die sogenannte grosse graue oder preussische Erbse, welche einen strengen Lehmboden liebt, das übliche Saatkorn*). Der Anbau in der Provinz Preussen ist sehr stark und über Masuren bis in den Regierungsbezirk Bromberg ver- breitet. In Pommern ist er schon erheblich beschränkt und in den übrigen Provinzen wegen seiner grossen Unsicherheit nur unbedeutend. Um Erfurt, wo man auf 12 Schfl. Ertrag vom Morgen rechnet, wird die Erbse im Handel als sehr begehrtes Saatgut kultivirt. Sie fordert im allgemeinen einen Feuchtigkeit anhaltenden, bündigen Boden, kann in Sandgegenden nur im Gemenge mit Sommerroggen gebaut werden, ist wenig empfindlich gegen Kälte und bedarf rıro—ı40 Tage Vegetationszeit. Der Stand in frischem Dünger macht sie als Küchenspeise hart. Gefährdet ist sie besonders durch Unkraut, namentlich Hederich. Auch wird sie leicht von Mehlthau befallen, einem Pilze (Erysiphe communis), der sich in Folge von Verletzungen der Pflanze durch rasche Temperaturveränderung einzustellen scheint; ebenso hemmen häufig Schild- und Blattläuse die Entwiekelung, von deren Ausspritzungen und Häutungen der sogenannte Honigthau herrührt. Die in allen Gegenden stark verbreitete Made der Erbsen rührt von dem aus Nordamerika stammenden Erbsenkäfer (Bruchus pisi) her, welcher indess die Keimkraft der Frucht nicht zerstört. Block rechnet auf zusagendem Boden nicht mehr als 3 gute Ernten in 4 Jahren, auf minder gutem auch nur eine in 2 Jahren. Der Ertrag, über welchen die Tabelle N. der Anlagen einige Angaben enthält, schwankt bei einer Aussaat von r— 1Yz Scheffel zwischen 7— 20 Ütr. Stroh und 4—ı5 Scheffel Körner. Der Durchschnitt der letzteren ist jedoch nur auf 6— 8 Scheffel anzunehmen. Der Scheffel Erbsen ist 78— 832 Pfd. schwer. — Die Linse (Ervum lens) ist als sehr nährende Kochfrucht weit verbreitet und ge- schätzt, wird aber wegen ihres unsicheren Körner- und Strohertrages nur in geringer Ausdehnung, vorzugsweise im Regierungsbezirk Erfurt und am Rhein gebaut. Um die *) Ueber Anbauversuche mit verschiedenen Erbsenarten vergl. Annalen Bd. 35 S. 398. 220 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Stadt Erfurt werden etwa 6000 Ütr. Saatgut gezogen, von dem der Centner auf 4Y» Thlr. und der Morgen auf 8 Scheffel berechnet wird*). Die Linse fordert warmes und trockenes Klima und einen losen, etwas kalkhaltigen Boden, auf dem sie noch bei sehr grosser Magerkeit lohnend fortkommt. Ihr Anbau ist fast ausschliesslich in den Händen kleiner Wirthe. Sie reift in 140—ı5o Tagen, verträgt starken Frost und kann auch als Winterfrucht und unter Wintergetreide eingesäet werden. An Aussaat erfordert sie etwa Ys weniger, als die Erbse, und bringt einen durchschnittlichen Ertrag von 6—7 Scheffeln Körner und 4—7 tr. Stroh. — Von Wichtigkeit als Nahrungsmittel ist auch die aus Südasien stammende und erst seit einigen Jahrhunderten in Deutschland bekannte gemeine Bohne, Zwergbohne, Veits-, Vietz- oder Schminkbohne (Phaseolus vulgaris und Phaseolus nanus) geworden. Sie wird sowohl unreif als Gemüse, als reif zu Nachfrucht und zu Mehl benutzt und in einer grossen Zahl von Sorten in allen Theilen des preussischen Gebietes, meist in Gärten, indess auch im Feldbau gezogen. Namentlich Nebra, und Gebesee und Schwerstedt im Weissenseer Kreise bauen sie im grossen. Als Saatgut ist auch für Bohnen Erfurt der Hauptort der Versendung. Es wird hier die Busch-Schwertbohne, welehe % Malter vom Morgen giebt, besonders aber die kleine runde oder sogenannte Erbsbohne, welche sehr beliebt und konstant ist und reichlich ı Malter vom Morgen trägt, gezogen, und jähr- lich ein Quantum von etwa 40000 Ütr. zu 3—4 Thlr. der Centner verkauft. Im all- gemeinen ist der Ertrag der Bohnen sehr schwankend, kann aber bis zu 2o Scheffeln und mehr vom Morgen steigen. — Das Werthsverhältniss der Brotfrüchte richtet sich nach dem Gehalt an Nah- rungsstoffen und nach der Löslichkeit, in der diese sich den Verdauungsorganen dar- bieten. Der thierische Körper ergänzt seine Proteingebilde aus den stickstoffreichen Theilen der Pflanzen; auch die Horn und Hautbildungen entnehmen ihre Nahrung aus gleichartigen stiekstoffhaltigen organischen Pflanzenstoffen (s. Bd. II. S. 30). Ungeeignet, in den thierischen Organismus aufgenommen zu werden, erscheint die eigentliche Holz- faser. Dagegen gehen von den mineralischen Aschenbestandtheilen gewisse Massen, wie z. B. phosphorsaurer Kalk, Eisen, als nothwendiges Bedürfniss in den Körper über. Das Verhältniss der Verdaulichkeit dieser Nahrungsstoffe ist durch die Zustände grösserer oder geringerer Reife bedingt und wird durch Aufbewahrung, Behandlung und Zubereitung verschiedenartig verändert. Die Zusammensetzung der Getreide- und Hülsenfrüchte nach dem Verhältnisse ihrer stickstoffhaltigen und stickstofffreien organischen Stoffe, sowie ihrer Holzfaser-, ihrer Aschen- und Wassermasse ist nach Angaben E. Wolffs vom Jahre 1863 **) folgendes *) Vergl. Landwirthschaftliches Centralblatt, Jahrg. 9, Bd. I. S. 47. *) Im Hülfsbuche des landwirthschaftlichen Kalenders von Mentzel und Lüdersdorf. E. Wolff hat diese Berechnungen gegenüber den ähnlichen Aufstellungen in seinen „Natur- gesetzlichen Grundlagen des Ackerbaues“, 1856, S 953, und der „Landwirthschaftlichen Fütte- rungslehre“, 1861, S. 441, den neueren Ergebnissen der Theorie gemäss umgestaltet. Ergän- zungen dazu bieten die späteren Arbeiten und Mittheilungen der Versuchsstationen, welche die Jahresberichte über die Fortschritte der Agrikulturchemie von R. Hoffmann und E. Peters Jahrg. IV. S. 533— 65; V. S. 59, 61, 65; VI. S. 44, 107; VII. S. 97, 100, 128, 152; VIII. S. 100— 104, 109, 120, 133, 309, 313, 314; IX. S. 104, Io6, 109. IIQ, 132, I34, 20I, 315 näher nachweisen. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Art der Futter- mittel I. Körner. Winterweizen . Weizenmehl, . Schlegeldinkel Kernen... .. Wintergerste . Sommergerste Winterroggen Roggenmehl Buchweizen . Erbsen... Linsen ..... II. Stroh. Winterweizen .... Winterdinkel .... Wintergerste .... Sommergerste .. . . Er mit Klee- durchwachsen .. Winterroggen .... Hafenereneen enene.er Erbsen .. Einsenweus er euee.0n II. Spreu uud Schoten. WEIZEN! el eerenre Dinkel... ... es Gerste. ee Roggen.n. Eier as Hafens afeinojelte.o irbseniche saemenorins IV. Grünfutter. Futterroggen .... Hafer, Anf.d. Blüthe Erbsen, jung .... Mohar, blühend... . Zuckermohrhirse . . SOrghorsn Vereine V. Heu. Erbsen in d. Blüthe 14,3 14,3 14,3 14,3 14,3 14,3 729 81,0 81,5 65,6 74,° 773 16,7 I =, Organische Sub- = stanz Stickstofffreie Nährstoffe fe) Nährstoffen Verhältniss 2 zwischen den stick- © AN stoffhaltigen und stickstofffreien Gesammtmenge der Nährstoffe I5,ıo 32,2 13,75 | 29,7 14,99 | 31,8 IO,9o 35,7 5.78 | 40,7 18,00 28,5 15,28 40,7 514 41,7 I,94 | 41,2 738 | 37,7 I1,34*| 35,7 12,90 | 4I,7 8,06 31,7 783 | 33,7 4,5» | 44,7 4,52 | 18,2 3,83 | II,ı 2,56 | II,4 2,54 | 20,9 6,12 1715 4,10 | I4,8 2,57 | 5T,r 3 Holzfaser w Verhältniss “. zwischen der Holz- ® faser und der Ge- - sammtmenge der . Nährstoffe z Fettsubstanz Q Phosphorsäure 221 Kalkerde 0,45 9,44 0,56 0,9 O,20 0,50 I,7o 2,05 0,80 0,70 0,72 222 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Die genauere Analyse der Aschenbestandtheile ist Bd. II. S. 38 angegeben. — Wie weit die nachgewiesenen Nahrungsstoffe ihrem Werthe entsprechend bei der Fütterung wirklich zur Geltung kommen, wird bei dem Abschnitt über die Vieh- haltung näher zu besprechen sein; im allgemeinen pflegt die Landwirthschaftslehre nach erfahrungsmässigen Sätzen ein Pfund Roggenkörner im wirthschaftlichen Werthe gleichzusetzen *): ‘ Pfund Weizen, 2/00 27,8 ..Gerste, 1%s0 „. Hafer, 89100 '„ Erbsen, 89 „a Hlhmse; I » Buchweizen, 6 » Weizen-, Roggen- oder Haferstroh, 5% »„ Gerstenstroh, 6 » Buchweizenstroh, 5 „» Erbsenstroh, 4 „ Hirsenstroh, Zahlen, die nothwendig örtlich schwanken und annähernd ihren Ausdruck auch in den Preisen finden. Die durchschnittlichen Martinimarktpreise der Jahre 1837 bis 1860 sind für Weizen, grosse und kleine Gerste, Roggen und Hafer und für Roggenstroh nach den in jedem Kreise bestehenden Hauptmarktorten in Tabelle G. der Anlagen, Spalte 65 bis 69 und 72 mitgetheilt. B.- Futtergewächse. Die nutzbaren Futtergewächse lassen sich nach den grossen Gruppen der Knollen und Wurzelgewächse, der Klee- und Wickenpflanzen und der Futtergräser unter- scheiden, deren jede fast ausschliesslich einem bestimmten Kreise botanisch verwandter Pflanzenfamilien angehört. A. Unter den Knollen- und Wurzelgewächsen ist für Norddeutschland unstreitig als Nahrungsmittel aller Klassen der Bevölkerung, wie als Viehfutter, die wichtigste Frucht die Kartoffel (Solanum tuberosum). Es ist bekannt, dass sie von den Spaniern auf dem Plateau von Peru vorgefunden und bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts in Europa nur als Zier- und als Arzneipflanze angebaut wurde**); auch ihrer Verbreitung in Preussen ist Bd. I. S. 13 gedacht. Die Zahl ihrer Sorten steigt über Tausend, die, ohne dass eine abweichende Art aufgefunden ist, nach Farbe, Form und Grösse der Knollen oder nach der Länge ihrer Vegetationszeit unterschieden werden. Früh- kartoffeln reifen in 70— 90, Spätkartoffeln in 180 Tagen. Unter Mittelfrühen ver- steht man 2 Mal mit frühen und späten Knollen tragende. Der wirthschaftliche Werth der Kartoffeln richtet sich wesentlich nach ihrem Gehalt an Stärkemehl, in welchem *) Vergl. über den Werth der Getreidesorten Annalen Bd. 23 S. 386. *) C. E. Langethal: Lehrbuch der landw. Pflanzenkunde, Jena 1853, Bd. IH. S. 120. XXII. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 223 sie von 9—24 pÜt, also weit erheblicher schwanken, als dies bei dem Körner- getreide der Fall ist‘). Der warmen und trockenen Heimath der Kartoffel entsprechend, gedeiht sie auf tiefem nicht zu leerem Sande, namentlich auch auf Dünensand beson- ders gut. Bündige, kalte, nasse Böden, auch die Stellung in frischen Dünger scheinen Erkrankungen wesentlich zu befördern?). Am meisten gefährdet wird die Kartoffel durch die sogenannte Kartoffelkrankheit, die bis zum Jahre 1843 unbekannt, schon 1845 über alle Theile des Staatsgebietes verbreitet war, und zwar nur in den ersten Jahren mit besonderer Heftigkeit auftrat, seitdem aber niemals wieder gänzlich ver- schwunden ist. Ihr Wesen ist als das Auftreten des Pilzes Peronospora infestans erkannt °), welcher, wie es scheint, in den Knollen überwintert, von innnen aus durch die Pflanze wandert, an den Blättern oder an verletzten Seitentrieben zum Vorschein kommt, und in Berührung mit der Luft und bei zusagender Witterung sich ausserordentlich rasch in wenigen Tagen über ganze Felder verbreiten kann. Die überaus reiche Masse der Sporen dieses Pilzes dringt, von der Feuchtigkeit begünstigt, durch den Boden in die Knollen und beginnt in diesen, je nach den Umständen schon im Acker oder später im Keller ihre zerstörende Vegetation, oder keimt erst auf, wenn die Knolle wieder als Saat ausgelegt ist. Trockenheit und Sonnenschein tödten diese wuchernde Entwickelung, Nässe und feuchte Wärme begünstigen sie. Das Beseitigen der erkrankenden Blätter, sofern dieselben völlig vertilgt werden, muss als das geeignetste Vorbeugungsmittel erachtet werden. Andere Krankheiten der Kartoffeln sind der Schorf oder Grind, eine Verkorkung der äusseren Schale von unbekannter Ursache und die sogenannte Kräusel- krankheit, ein ungefährliches Zusammenschrumpfen der Blätter, welches durch die Kartoffelschildlaus (Aphis solani) verursacht wird. Der durch die landwirthschaftlichen Vereine ermittelte Ertrag der Kartoffelernten seit dem Jahre 1846 ist nach dem Ver- hältniss zur Mittelernte in der Tabelle N. der Anlagen verzeichnet. Für die Ver- gleichung ist zu berücksichtigen, dass der Begriff einer Mittelernte vor der Periode der Krankheit ein beträchtlich höherer war. Block erklärte die Kartoffel noch für eine der sichersten Früchte, rechnete auf 13 Ernten 12 gute und schlug den Ertrag auf mittlem Boden durchschnittlich auf ır53 Scheffel oder ır 500 Pfund vom Morgen an. Gegen- wärtig kann man auf geringem Boden nur 50—72, auf mittlem g0— 100, auf gutem 100— 150 Scheffel durchschnittlich schätzen. ‚Zur Aussaat sind, je nach der Art und der Dicke der Saatknollen, 5— 15 Scheffel, meist 8—ıo auf den Morgen erforderlich. Die Martinimarktpreise der Kartoffeln nach dem Durchschnitt der Jahre 1837 bis 1860 in den Hauptmarktorten der einzelnen Kreise giebt Tabelle G. der Anlagen Spalte 71 an. — Den Kartoffeln in den Wurzelknollen ähnlich und desshalb oft als Ersatz für dieselben empfohlen und benutzt, ist die zu den Radiaten oder Strahlenblumen gehörige Erdbirne (Helianthus tuberosus), der Topinambur. Er kann im Herbst wie im Früh- 1) C. Fraas: Die Natur der Landwirthschaft, München 1857, Bd. I. S. 326. 2) Ueber den Anbau einer sehr grossen Zahl verschiedener Kartoffelsorten und ihre Kulturresultate handeln Annalen Bd. 22 S. 410, Bd. 23 S. 105, Bd.25 S. 492, Bd. 26 S.430, Bd. 33 S.328, Bd. 34 S.466, Bd.35 S.373, Bd.38 S. 108, Bd.38 S. 100, Bd.45 S. 194. — Landwirthschaftliches Centralblatt Jahrg. 14 Bd. I. S. 257. — Jahresbericht über Agrikultur- chemie von R. Hoffmann und E. Peters, Jahrg. V. S. 235, 238, VII. 101, 105, 134, 187—197, VIII. 295—300. Analysen ebd. VII. 90—91, 49, 50, VIN. 121, IX. 317—8. ») Kühn: Krankheiten der Kulturpflanzen, Berlin 1858, S. 193 f. — Vergl. Annalen Bd. 6 S. 1, Bd. 13 S. 25, Bd. 35 S. 80, 254. — Jahresber. a. a. O. V. 134—9, VI. 102—5. VIII. 139—7. 224 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Jahr gelegt werden, gedeiht auf jedem nicht zu nassem Boden und in jeder Höhenlage. Stängel und Kraut, von denen durchschnittlich 15—30 Ctr. vom Morgen gewonnen werden, sind sowohl getrocknet wie grün ein gutes Futter für Schafe und Rindvieh, und die Menge der Knollen, welche sogar über Winter im Boden gelassen und im Früh- Jahr geerntet werden können, steht der der Kartoffel gleich. Die gleichwohl geringe Ausdehnung des Anbaues rührt gegenüber den Vorzügen der Pflanze nur daher, dass die Knollen als menschliche Nahrung weichlich und wenig beliebt sind').“ Zur Aussaat sind 5—8 Scheffel auf den Morgen erforderlich. — Die Rübenarten haben die überwiegende Bedeutung, die sie in älterer Zeit als menschliche Nahrung besassen, durch den Einfluss der Kartoffel zum Theil verloren, bilden indess je nach den örtlichen Sitten als frische wie als eingesäuerte Kochgemüse noch immer einen beträchtlichen Bestandtheil in der gewöhnlichen Kost, namentlich der niederen ländlichen Bevölkerung, und haben dabei mehr und mehr als Futtermittel und zu den gewerblichen Zwecken der Brennerei und der Zuckerfabrikation neue Verwen- dung und Wichtigkeit erlangt?). Als Hauptgattungen werden im Gebiete des Staates folgende gebaut: Die Runkelrübe (Beta vulgaris), von der sehr verschiedene Arten bekannt sind. Beta rapacea altissima ist die vorzugsweise zur Zuckerbereitung geeignete Zuckerrübe, welche wieder nach zahlreichen Unterarten unterschieden wird; angemessener und ver- breiteter für die Zwecke der Futtergewinnung ist die Futterrunkelrübe (Beta rapacea alba); überwiegend als Gemüse und zu Salaten dient die durch ihren tief rothen Saft bekannte rothe Rübe (Beta rapacea rubra). Bei allen Runkelarten entscheidet der Zuckergehalt den Werth. Obwohl der Rübenbau über alle Theile des Staates verbreitet ist, haben sich bis jetzt doch nur der Oderbruch, die Ebenen um Breslau und Magdeburg und zum Theil der Nieder- rhein für den Anbau der Zuckerrübe zur Zuckerfabrikation besonders geeignet erwiesen. Die Zuckerrübe wird erst der Verarbeitung werth, wenn sie 6 pCt. Zucker enthält, er- reicht aber auf geeignetem Standort durchschnittlich 8 pCt. und steigt bis auf ıo, in besonders günstigen Jahren selbst bis ı2 pCt. Ihr Ertrag wird auf durchschnittlich 150— 200 Ctr. vom Morgen angenommen ®), Der Ertrag der Futterrübe ist neben 25 —50 Ütr. Blättern‘) 150— 400 Ütr. Wurzeln. Die Runkelrübe fordert einen kräf- tigen, die Feuchtigkeit anhaltenden und gleichwohl durchlassenden Boden und Rein- haltung des Ackers von Unkraut und Verschlämmung. Ihre Vegetation bis zur Reife der Wurzel dauert 1so—ı80o Tage. Alle Rübenarten schiessen erst im 2. Jahre in die Stängel, um zu blühen und Samen zu tragen. Da die Runkelrübenwurzeln den norddeutschen Winter nur ausnahmsweise überdauern würden, müssen sie im Herbst ausgehoben und im Frühjahr wieder in das Land gesetzt werden. Zur Aussaat sind bei Zuckerrüben 6—8 Pfd. Samen auf den Morgen erforderlich. Der Kleinbetrieb säet die Körner in Gartenbeeten aus und verpflanzt sie später. Im Grossbetriebe werden 1) Ueber die Analyse des Topinamburs, sowie über Kulturversuche und Verwerthung desselben vergl. Annalen Bd. 34 S. 7, Bd. 24 S. 26 u. 34. 2) Ueber die Wichtigkeit des Anbaues der Wurzel- und Kohlgewächse hat sich Koppe in den Annalen Bd. 13 S. 286 ausgesprochen. %) Die Rübenkultur des Oderbruchs im Lande Lebus (Archiv für Landeskunde Bd. I. 1856, S. 385). 4) Ueber das Einmachen der Rübenblätter als Futtermittel s. Annalen Bd. 40 S. 302. XXII. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 295 in der Regel die Körner zu Dreien in die vom Marqueur bezeichneten Saatlöcher ge- steckt, die zu viel aufgehenden Pflanzen ausgejätet und damit schwache Stellen nachge- pflanzt. Die Zuckerrübe wird leicht hohl, leidet von der sogenannten Rübenkrankheit, einer Art Zellenfäule, welche der der Kartoffeln analog ist und durch den Rübentödter, einen Pilz (Helminthosporium rhizoctonon), veranlasst wird. Durch einen Blattpilz (Depazea betaecola) entsteht die Blattdürre. Auch zahlreiche Insektenarten greifen die Rüben an; Engerlinge, die Larven von Sylpha atrata und von gewissen Spring-, Rüssel- und Schild- käfern, auch kleine Würmer anderer Art (Nematoden) bewirken das Absterben der Wurzeln, das Schwarzbraunwerden der jungen Pflanzen und andere Zerstörungen von Wurzel oder Kraut. Der Ausfall der Ernten in den letzten Jahren ist in Tabelle N. der Anlagen angedeutet. Näher wird die Zuckerrübenkultur bei der Darstellung der landwirthschaftlichen Nebengewerbe in Betracht kommen*). — Der Familie des Kohls gehört die Kohlrübe (Brassica campestris oder Napo- brassica), auch Wrucke oder Unterkohlrabi, mit mehreren wenig unterschiedenen Sorten an. Da die Kohlrübe mehr Kälte, als die Runkelrübe, und ungesunde Bodenarten von schwerem Thon bis zu ziemlich leichtem Sande verträgt und dabei Feuchtigkeit fordert, eignet sie sich besonders für den Norden, für Gebirgs- und Küstenklima und wird, wie Bd. II. S. 162 erwähnt, in Preussen und Pommern in so grosser Ausdehnung gebaut, als es der Düngervorrath erlaubt. Eine besonders sichere Frucht ist sie nicht; sie bedarf reinen Ackers. Block nimmt an, dass man in 5 Jahren nur 4 gute Ernten zu rechnen hat. Die Aussaat ist ı', bis 1, Pfd. Samen oder 150— 200 Schock Pflanzen auf den Morgen, die Ernte go—ı80 Ütr. Rüben und 20— 25 Ütr. Blätter. Die Rübe leidet durch Stockfäule, Verholzen und Hohlbleiben, auch durch Mehlthau, durch den Erdfloh, die Maden der Kohlfliege (Anthomya brassicae) und eine Sägewespe (Tenthredo spinarum), sowie durch die Raupen der Noctua graminis und des Weisslings (Pontia brassicae). — Die weisse Rübe (Brassica rapa communis) heisst je nach der Saatzeit Brach-, Stoppelrübe, Wasserrübe oder Turnips, Rutabaga oder schwedische Rübe; ihre Abart ist die Steekrübe (Br. r. sativa), Teltower Rübe, in vielen Varietäten. Die weisse Rübe ist als Herbstfrucht, die nach der Ernte gebaut wird und bis in den Januar als Grünfutter benutzt werden kann, sehr geschätzt, wird auch zu Gemüse in allen Lan- destheilen als Brachfrucht gebaut und erreicht bei ihrer verhältnissmässigen Sicherheit nur desshalb nicht die vollen Erträge, deren sie fähig ist, weil ihr in der Regel ebenso magere Böden, als höchst untergeordnete Stellen in der Fruchtfolge einge- räumt werden. Bei ı'/, bis 2 Pfund Samen werden 130 bis 260 Ütr. Wurzeln geerntet. — Die Möhre (Daucus carotta), die in Deutschland auch wild wächst, wird in die gewöhnliche und die Riesenmöhre, und diese wieder in mehrere Varietäten unterschieden, Sie bedarf kultivirten und gedüngten, reinen und nicht zu leichten Boden und gutes Jäten; ihre Ernte muss desshalb sehr reich sein, um die Kosten zu -lohnen. Ihre Sicherheit ist indess günstig; Block rechnet in g Jahren 8 vollkommene Ernten. Bei 21 — 3 Pfund Aussaat dürfen auf geringem Boden 80— 150, auf gutem 160— 175 Ütr. Wurzeln und etwa 8—1o Ötr. Blätter angenommen werden. Ihre Krankheiten sind der schon erwähnte Pilz Helminthosporium rhizoetonon und ein anderer, Polydesmus *) Analysen verschiedener Rübenarten s. Jahresber. a. a. O. V. 68; VI. 45; VII. 133; VIH. 106; IX. 109; Keimung und Abblattung behandeln VI. 57; IX. 155; Bodenerschöpfung und Düngung V. 212— 27; VI. 212—ı7; VII. 270—92; IX. 278. Boden d. preuss. Staates. II. 15 226 XXII Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. exitiosus, sowie die Maden der Fliege Psila rosae, die sogenannten Eisenmaden. Meist ist die Möhre nur Gegenstand des Gemüsebaues; neuerdings aber gewinnt sie als Futterfrucht, namentlich in Posen, der Mark und Sachsen, erhebliche Verbreitung*). Das Kraut (Brassiea oleracea), wird in sehr vielen Varietäten als Strunkkraut und Kopfkraut unterschieden. Ersteres, z. B. Braunkohl, schosst in offenen grossen Blättern, letzteres, z. B. Kopfkohl, Weisskraut, Rothkraut, bildet starke, eng zusammen- gefaltete Blätterknospen, welche sich erst im zweiten Jahre bei der Stängelentwickelung entfalten. Alle Krautarten bedürfen viel Dünger, und für den feldmässigen Anbau sind vorzugsweise die feuchten Niederungen günstig; doch giebt es dafür auf den meisten Dorfiluren besondere Stücke sogenanntes Krautland, das dem Wiesenboden nahe kommt. Das Kraut ist als Viehfutter von grosser Wichtigkeit**); es macht aber auch als gekochtes Gemüse in allen Landestheilen einen erheblichen Theil der Kost der ländlichen Arbeiterbevölkerung aus; namentlich bildet am Rhein der Kappes und in den überwiegend slawischen Landestheilen das gehobelte, eingesauerte Weisskraut (Kapusta) ein der Volkssitte nach unentbehrliches Nahrungsmittel. Solches Sauerkraut von besonderer Güte ist um Magdeburg ein bedeutender Fabrikations- und Handels- artikel, der für das Inland, wie für den Schiffs- und überseeischen Verbrauch sehr ge- sucht ist. Die Ernte des Krauts ist keineswegs sicher; Unkraut, Mehlthau, Erdflöhe und Raupen, besonders der Weissling zerstören es leicht. Block rechnet auf 4 Jahr höch- stens 3 sichere Ernten. Auf den Morgen werden 6 Loth Samen und ein Ertrag von 4000— 5000 Krautköpfen oder 200— 300 Ütr. gerechnet. — Der Pastinak (Pastinaca sativa) der im Staatsgebiete auf allen trockenen Wiesen wild wächst, bedarf beim Anbau wenig Pflege. Er wird an manchen Orten, beson- ders in der Provinz Preussen, als Futter und als Gemüse gebraucht, hat eine möhren- artige Wurzel und kommt auch im Ertrage der Möhre nahe. — Als den Wurzelgewächsen in der Art seines Fleisches ähnlich ist hier noch der Kürbis (Cucurbita pepo) zu erwähnen. Er wird in seinen zahlreichen, nach Grösse, Gestalt und Farbe der Frucht verschiedenen Varietäten zwar beim gartenmässigen Anbau und als Zwischenfrucht unter Mais und Kohl auch in die Felder gebracht, über- wiegend aber und durch alle Landstriche in Hausgärten, auf Komposthaufen, an Hecken und sonst unnutzbaren Orten zum Viehfutter, wie zur menschlichen Nahrung in nicht unbeträchtlicher Menge gezogen. Je nach der Art erlangt die einzelne Frucht nicht selten ein Gewicht von 20— 30 Pfund. — B. Die Klee- und Wickengewächse bilden als Papilionaceen eine |gemeinsame, durch verhältnissmässig fleischige Stängel- und Blattbildungen und stickstoffreiche Samen- schoten für den wirthschaftlichen Gewinn an Viehfutter, wie für die Bereicherung der Ackerkrume besonders wichtige Pflanzenfamilie. Keine der für die Kultur geeigneten Kleearten verträgt starke Kälte, sie win- tern leicht aus und werden in der Vegetationszeit durch Trockenheit und rauhe *) Eingehende Darstellungen praktischer Resultate des Mohrrübenbaues mit Kosten- ertrags- und Werthsbereehnungen finden sich in den Annalen Bd. 25 S. 392, Bd. 30 S. 386 und B.45 S. 1or. — Ueber den Anbau zu Beerbaum, Bd. 22 S. 410. — Ueber Karotin und Stärke in den Mohrrüben s. Jahresber. a. a. O. IX. 98, 104. **) Analysen des Futterkohls in verschiedenen Vegetationsperioden s. Jahresber. a. a. O. Jahrg. VII. S. 144, auch VIII. 310 die des roooköpfigen Futterkohls. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse, 227 Witterung erheblich benachtheiligt. Ihre genügende Entwickelung hängt von der Wärme, Milde und Tiefe des Bodens ab. Der rothe Klee (Trifolium pratense), dessen erstes Auftreten als Kulturpflanze Bd. II. S. 13 besprochen wurde, liebt besonders kalkreiche Gerstenböden. Begünstigt von der feuchten Seeluft dauert er auf allen besseren Böden der Provinzen Preussen und Pommern mehrjährig zu Mäh- und Weideschlägen aus; auch die Niederungen der Oder und der Elbgewässer der Mark Brandenburg, sowie die günstigen Lagen Sachsens und Westfalens vermögen ihn auf diese Weise zu nutzen. In der Rheinebene sind selbst sehr leichte Böden kleefähig. Alle trockenen Striche der westlichen Provinzen, sowie im allgemeinen die Lausitz, Schlesien und Posen dürfen dagegen mit Erfolg nur auf ein Mähejahr rechnen '), Samengewinnung ist sehr verbreitet, Handel mit Roth- kleesamen wird besonders von Schlesien aus getrieben, auch um Erfurt werden jährlich über 3000 Morgen zu Samen bestellt. Nächst dem Klima gefährden den Rothklee Erdfloh und Mäusefrass und in neuerer Zeit vielfach die Kleeseide (Cusceuta europaea) ?), deren Samen schwer von denen des Klees zu sondern sind. Block ®) nimmt auf 4 Jahre nur den Ertrag von 3 guten Ernten an. Je nach der Gunst der Lage lässt sich vom Morgen ein Mittelertrag von ıs—25 Ütr. Heu und 1'%, und 2", tr. Samen erwarten. Der Scheffel Kleesaat wiegt 78% —85Ys Pfd. Die Aussaat erfordert auf den Morgen 7—ı0 Pfd. Der Kleemüdigkeit gewisser Aecker ist Bd. II. S. 34 erwähnt‘). Der weisse Klee (Trifolium repens) ist zwar dem Ausfrieren und den sonstigen Gefahren des rothen Klees ebenfalls ausgesetzt, wird aber wegen der grösseren Trockenheit und Magerkeit des Bodens, die ihm genügen, auf den Absenkungen des pommerischen Landrückens und in Posen und Schlesien ziemlich allgemein zur Schaf- weide angebaut. Seine Felder werden den edlen Heerden zum schlagmässigen Ab- fressen der ganz jungen Schossen eingeräumt, so dass er sehr unscheinbar bleibt und nur in den Samenschlägen einige Höhe erreicht, gleichwohl vegetirt er bei dieser Nutzungsweise in den besseren Lagen auch mehrjährig. Sein Ertrag an Heu ist indess um beinahe die Hälfte geringer, als der des rothen. An Samen aber bringt er etwa Y; mehr. Die Aussaat erfordert auf den Morgen nur 4 bis 6 Pfund’). Er darf in der Fruchtfolge schon nach 4, selbst nach 3 Jahren an dieselbe Stelle gebracht werden, während der rothe Klee dies erst nach 6—9 Jahren gestattet. Der Inkarnatklee (Trifolium incarnatum) widersteht besonders der Trockenheit und wird statt des weissen Klees auf schlechten und leichten Böden angewendet, kann auch, weil seine Vegetationszeit nur 18—2o Wochen fordert, in Stelle anderer aus- gewinterter Kleearten angesäet werden; dagegen verträgt er keine Kälte und vermag !) Vergl. „Der Klee und dessen Anbau“ von C. v. Saenger, Bromberg 1862. — Klee- bau und Stallfütterung in Bauernwirthschaften, Annalen Bd. 35 S. 361. — Ueber den Einfluss eines einjährigen und eines zweijährigen Kleebestandes auf den nachfolgenden Weizen, Suppl.- Band Jahrg. 9 S. 23. — Ueber die Veränderungen des Heues von Rothklee durch Auswaschung vom Regen, Annnalen Bd. 26 S. 414. ?) Annalen Bd. 30 S. 494. — Ueber Befallen s. Jahresber. a. a. O. Jahrg. V. S. 140. 3) a. a. O. Bd.1I. S. 147. ‘) Ueber Kleemüdigkeit, Kleeboden und Düngungsversuche zu Klee s. Jahresber. a. a. O. V. 140— 142; VI. 219; IX. 204, 289. Analysen gesunden und kranken Rothklees, ebd. VII. 200. °) Vergl. Annalen Bd. 25 S. 21, Bd. 34 8. 195, Bd. 36 $.3r7. — Landwirthschaftliches Centralblatt Jahrg. 9 Bd. 2 S. 321. 15* 2338 XXL. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. nicht zu überwintern. Der Ertrag steht noch hinter dem weissen Klee zurück. Sein Samenbau um Erfurt ist fast aufgegeben. — Die Luzerne (Medicago sativa) mit den Abarten der schwedischen Luzerne oder des gelben Schotenklees (Medicago falcata), des Hopfenklees (Medieago lupulina) und der Sandluzerne (Medicago media) ') bedarf eines tiefen, warmen, nicht feuchten, wo- möglich kalkhaltigen Bodens, liebt nach ihrer medischen Heimath heisse Sommer und widersteht der Dürre besser als andere Kleearten; dagegen verträgt sie keinen strengen anhaltenden Winter und kann nicht abgeweidet werden; desshalb bleibt ihr Anbau auf den Rhein und einzelne passende Lagen der mittlen Provinzen beschränkt, obwohl das Heu ein vorzügliches und reiches Futter bietet. v. Wulffen-Pietzpuhl brachte die Luzerne besonders in Aufnahme). Luzerneschläge haben eine Dauer von 6—10 Jahren. ‚Die Pflanze kommt erst im dritten Jahre zur vollen Entwickelung, wird durch Unkraut leicht gefährdet und lohnt, wo sie nicht günstig steht, das reichkultivirte Land, das sie fordert, nicht genügend. Gute Ernten aber geben über 4o Ctr. Heu vom Morgen und in den letzten Jahren kann über 2 Otr. Samen gewonnen werden. Die Aussaat fordert 122— 16 Pfd. auf den Morgen. Esparsette (Hedysarum onobrychis) gedeiht auf Kalkboden, selbst bei sehr dürrer Lage und schwacher Krume, verträgt grosse Kälte, Trockenheit und rauhes Klima, und die Schläge dauern, je nach dem Boden, 7—ı2 Jahre aus; ohne Kalk aber ist ihr Anbau vergeblich °). Der Ertrag an Samen ist $—ı2 Scheffel, die Heumasse erreicht zwar nur etwa die Hälfte der der Luzerne; das Heu übertrifft aber jedes andere an Güte, hält sich jahrelang, bläht grün gefuttert nicht und gedeiht den Schafen vorzüglich. Zur Ansaat des Morgens sind 2—2?/,; Scheffel Samen nöthig. Um Erfurt werden jährlich etwa 2000 Morgen zur Samengewinnung bestellt. Wundklee oder gelber Tannenklee (Anthyllis vulneraria) wird vorzugsweise als Bestandtheil der gemischten Grassaat angewendet‘). ($. Bd. II. 8. 178.) Der Samen- bau um Erfurt ist nicht unbedeutend. Allein von Vieselbach und Umgegend kommen jährlich 5— 600 Ütr. auf den Markt. Die Serradella (Ornithopus sativa) hat sich in neuerer Zeit besonders in Sachsen und Pommern als Futtergewächs verbreitet’). Sie ist eine Pflanze des warmen, trockenen Sandbodens und fordert keinen Dünger, sondern nur Reinheit von Unkraut; wächst indess langsam, so dass sie mit Spörgel oder Buchweizen vermischt wird, kann aber 2 Mal zu Heu oder Grünfutter geschnitten werden. Ihr Ertrag ist ı5 Otr. Heu und 2— 3 Ötr. Samen. Zur Saat sind 20—25 Pfund auf den Morgen erforderlich. — Von den Wiekengewächsen ist über die westlichen Provinzen und Sachsen, sowie über den ÖOderbruch und das Tiefland der Ostseeküste, hie und da aber auch in ') Vergl. über gelbe oder Sandluzerne Annalen Bd. ıg 8.363, Bd. 2ı S.452, Bd. 22 S. 473, Bd. 27 S. 360, Bd. 29 S. 332. — Landwirthsch. Centralblatt Jahrg. 9 Bd. 2 8.53. — Ueber chinesiche und andere Luzernearten Bd. 34 S. 172 u. 349. 2) v. Lengerke: Preussische Landwirthschaft Bd. I. S. 98. Um Erfurt wird gegenwärtig fast ausschliesslich die deutsche Luzerne auf Samen gebaut, weil die französische in Deutsch- land selten gedeiht und desshalb wenig gefragt ist. 3) Vergl. Annalen Bd. 35 S. 487. “) Landwirthschaftliches Centralblatt Jahrg. 9 Bd. I. S. 243. — Analysen s. Jahresber. a. a. O. Jahrg. V. S. 58, VIIL S. 310. 5 Ueber den Anbau vergl. Annalen Bd. 19 S. 74, Bd. 22 S. 270 und Bd. 33 S. 150. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 229 Schlesien der Anbau der Pferdebohne oder Ackerbohne (Vieia faba minor), sowie ihrer grösseren Abart der Sau- oder Puffbohne (Vicia faba major) verbreitet. Ihr Genuss als Gemüse ist fast ausschliesslich auf Westfalen und den Niederrhein, wo das Klima eine zartere Ausbildung begünstigt, beschränkt, in anderen Gegenden dient sie nur als Futterpflanze und ist, wie es scheint, in ihrer Nahrhaftigkeit und als besonders für den schweren Boden passende, ertragreiche Hackfrucht noch nicht genügend anerkannt. Die spät gesäeten werden, wie alle Hülsenfrüchte, leicht vom Rost-, Mehl- und Honig- thau befallen und erheblich im Ertrage zurückgesetzt. Ihre Ernte fällt erst in den September, oder sogar Oktober; der Ertrag ist 10—2o Ctr. Heu und 7— 14 Scheffel Körner, im Gewicht von je 79— 87 Pfd. Die Saat erfordert 1) Scheffel auf den Morgen. Die Futter- oder Saatwicke (Vicia sativa) gedeiht auf jedem Boden und in allen Theilen des Staatsgebiets, missräth nicht leicht und giebt einen Ertrag von 5 — 8 Scheffeln Samen und 12— ı8 Ütr. Heu. Sie lässt sich zweckmässig zu °/ unter Hafer oder Gerste einsäen. Solches Wickengemenge verträgt mehrmaliges Abmähen zu Grünfutter. Der Scheffel Wicken wiegt 74— 80" Pfund. Die einblüthige Futterwieke (Vieia monanthos), die mit leichterem, trockenem Boden vorlieb nimmt, wird selten benutzt, ebenso die Platterbse (Lathyrus sativus) und die Kieher (Cicer arietinum). — Der überwiegenden Wichtigkeit, welche die Lupine (Lupinus) in allen Sand- gegenden Norddeutschlands gewonnen hat, ist schon Bd. U. S. 47 Erwähnung ge- schehen. Sie wurde, wie es scheint, besonders durch den Plantagen-Inspektor Catena aus Italien nach Preussen eingeführt und schon seit 1779 zu Versuchen mit Gründüngung ver- wendet. Friedrich II. empfahl in einer aus Graudenz datirten Kabinetsorder vom 7. Juni 1784 den Anbau. Sie sollte auf den 6—gjährigen Feldern ausgesäet und untergepflügt werden. Probesamen, den die Kriegs- und Domainenkammern erhielten, wurde aus England bezogen '). v. Wulffen regte diese Kultur in den zwanziger Jahren nach Beobachtungen, die er in Frankreich gemacht hatte, von neuem an?). Er baute die weisse Lupine (Lupinus albus), welche indess mehr und mehr durch die gelbe (Lupinus luteus) verdrängt worden ist®). Die gelbe Lupine hat sich von der Altmark aus verbreitet, wo um die Mitte der vierziger Jahre Ackerbesitzer und Bauern den Anbau begannen‘). Erst später ging sie auf die grossen Wirthschaften über. Neuerdings wird in Posen und Schlesien auch häufig die blaue (Lupinus angustifolius) benutzt. Mehrfach empfohlen ist ferner der Anbau von Lupinus termis, welche weniger bitter und desshalb zum Futter leichter verwendbar ist. Das Landes- Oekonomie-Kollegium ver- schrieb 1855 und 1856 ihren Samen aus Neapel, wo sie sehr allgemein zur menschlichen Nahrung dient, und die zahlreichen Kulturversuche erzielten in der Regel sehr günstige ') Vergl. Annalen Bd. 2ı S. 425. 2) Vergl. seinen Bericht Annalen Bd. 16 S. 373. ®) Die verschiedenen Anbauergebnisse besprechen Annalen Bd. ıg S. 360, Bd. 20 S. 4oı und 414, Bd. 2ı S. 224, Bd. 24 S. ı5r. Vergl. auch W. Kette: Die Lupine als Feld- frucht, Berlin 1853. Ueber die Wirkung grünuntergepflügter Lupinen im Verhältuiss zu reif eingeernteten bezüglich des nachfolgenden Roggens berichtet Koppe, Annalen Bd. 26 8. gı. Aehnliche rechnungsmässige Vergleiche s. Annalen Bd. 29 S. 367. Anbau der Lupine mit verschiedenen Früchten im Gemenge behandelt Bd. 30 .S 410 nach F. Günther's Lupinenban. Ueber die Ernte der Samen durch Auspflücken s. Bd.31 S. 282. ‘) Zuerst baute sie Altsitzer Borchardt zu Gr.-Ballenstaedt, Annalen Bd. 27 S. 366. 230 XXL. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Erfolge, obwohl man vermuthet, dass Lupinus termis in unserem Klima nach und nach die Eigenschaften von Lupinus albis annimmt, mit der sie in allem Wesentlichen über- einstimmt '). Schafe und Rindvieh und selbst Milchkühe haben sich an verschiedene Lupinenarten gewöhnen lassen ?). Besonders in Posen ist die Einführung in die Schäfe- reien gelungen. Die Ernte schwankt bei der gelben von 4—ı2 Schffl., bei der blauen von 5— 16 Schffl. Samen. Heu ist gegen ro Ctr. vom Morgen zu rechnen. Der Scheffel Lupinen wiegt 79—84 Pfd. Die gelbe Lupine bedarf breitwürfig '/ bis ı, gedrillt nur !/; Schffl. Aussaat auf den Morgen, die blaue fordert breitwürfig "/ Schfll. mehr. — €. Von den Futtergräsern hat für das preussische Staatsgebiet der Mais oder tür- kische Weizen (Zea mays) mehr und mehr Bedeutung gewonnen. Er giebt noch spät ein gesundes, kräftiges und reiches Grünfutter und ist auf allen nassen, ungünstigen Böden, die nicht flach und allzu leer sind, zu verwenden; neuerdings hat er sich desshalb bis an die Ostsee verbreitet. Die Reife der Samen tritt indess mit einiger Sicherheit nur für wenige geringwerthige Sorten und auf den günstigen Standorten der Ebenen von Posen, Schlesien, der Mark und Sachsens ein®). Für ergiebigere Maisarten, wie den amerikani- schen Pferdezahnmais, muss der Samen aus südlicheren Gegenden bezogen werden. Aus diesem Grunde hat sich nirgend eine Verwendung als Brotfrucht eingeführt ‘). Der Ertrag ist auf 10—30 Scheffel Körner und 20— 36 Ütr. Heumasse anzunehmen. Die Aussaat erfordert Yı—'/s Scheffel auf den Morgen. — Die übrigen Futtergräser werden in der Regel nieht selbständig im feldmässigen Anbau verwendet, sondern als sogenannte 6rassaat in der Weise gemischt gesäet, dass theils die leichter aufgehenden, werthloseren Gräser den werthvolleren, von denen sie später unterdrückt werden, einen anfänglichen Schutz gewähren, theils Fürsorge getroffen wird, dass bei jedem Gange der Witterung wenigstens eine oder die andere Grasart zu genügender Bestockung und, sicherer, ertragreicher Entwickelung gelange °). Die zur Aussaat am meisten benutzten Gräser sind nachfolgend mit der Angabe der für sie geeigneten Standorte zusammengestellt; genaueres ist oben Bd. II. S. 178 bezüglich der Grassaaten in der Provinz Brandenburg angegeben worden, worauf hier zurückgewiesen werden darf: 1) Annalen Bd. 29 S. ı5ı, Bd. 3r S. 278, Bd. 33 S. 405. 2) Annalen Bd. 29 S. 393 und 397, Bd. 30 S. 209, Bd. 32 S. 406, Bd. 33 S. 405. — Analysen der Lupine s. Jahresbericht a. a. OÖ. Jahrg. IX. S. 117. 3) Den amerikanischen Ursprung und die gesammte vegetative Entwickelung des Maises behandeln Annalen Bd. 27 S. ıgr und Bd. 39 S. ıgr u. 406; verschiedene Anbauversuche Bd. 22 S. 4ıo, Bd. 23 S. 97 u. 339, Bd. 24 S. 148 und Bd. 27 S. 184; und Versuche zu Königsborn, unter genauen Gewichts- und Werthsbestimmungen Bd. 17 S. 348, wo S. 366 auch die Zuckergewinnung aus Mais bespricht. — Analyse s. Jahresber. a. a. O, V. 65. ‘) Ueber das Verbacken des Maismehls sind auf Veranlassung des Ministeriums des Innern verschiedene Versuche veranlasst worden, welche ergeben haben, dass, wenn dasselbe nicht in grösserem Verhältniss, als bis zur Hälfte, unter feines oder grobes Roggenmehl ge- mischt wird, es vollkommen geeignet ist, ein gutes, schmackhaftes und besonders nahrhaftes Brot zu geben. Annalen Bd. 27 S. 184. 5) Ueber die Einführung der kleeartigen, der krautartigen Futtergewächse und der Gräser in den brittischen Ackerbau und die dortige Gemengekultur derselben handeln Annalen Bd. 22 S. 177 und Bd. 46 S. 59. — Vergl. F. A. Pinckert: Die einträglichsten Futtergräser und Gewürzkräuter, ihre Kultur und Benutzung, Bd, 3 der Kulturpflanzen, Berlin 1860 — 65. XXIL Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 231 Loleh (Lolium): englisches Raygras (perenne) fordert trockene, nicht zu geringe Böden, italienisches (italieum) Mittelböden; Ruchgras (Anthoxantum odoratum): mässig trockene Mittelböden; Fuchsschwanz (Alopeeurus): Wiesenfuchsschwanz (pratensis) feuchte, niedrige Böden, ebenso Knotenfuchsschwanz (genieulatus); Lieschgras (Phleum): Timotheegras (pratense) trockene Mittelböden bis feuchten Lehm; Glanzgras (Phalaris): Rohrglanzgras (arundinacea) nasse Böden; Kammgras (Cynosurus eristatus): feuchte Lehmböden; Straussgras (Agrostis): gemeines (vulgaris) leichte sandige Böden, Fioringras (sto- lonifera) leiehte trockene Mittelböden; Perlgras (Melica): grosses (nutans), nasse Bruchböden, blaues (caerulea) feuchte, niedrige, moorige Böden; Honiggras (Holeus): gemeines Wollgras (lanatus) dürren bis feuchten Sand, französi- sches Raygras (avenaceus) mässig feuchte Mittelböden; Schmiele (Aira): Rasenschmiele (caespitosa) feuchte Mittelböden, Haferschmiele (lexuosa) : trockene Höhenböden, graue Bocksbart, (flavescens) Sand bis Flugsand, kleine Nelkenschmiele (caryophyllacea) trockenen Sand, Wasserschmiele (aquatica) nasse Bruchböden, Torf; Hafer (Avena): Wiesenhafer (elatior) trockene Mittelböden, Goldhafer (flavescens) desgl. bis feucht, weicher Wiesenhafer (pubescens) desgl. mässig feucht; Rispengras (Poa): Mannaschwingel (fluitans) feuchte Niederungsböden, Viehgras, Wasserrispengras (aquatica) desgl., Sommerrispengras (annua) milde Lehmböden, Wiesenrispengras (pratensis) feuchte Mittelböden, gemeines (trivialis) desgleichen, schmalblätteriges (angustifolia) desgl.; Zittergras (Briza media): etwas feuchte Böden, gleich welcher Art; Knaulgras (Dactylis glomerata): trockene Mittelböden bis feuchte; Schwingel (Festuca): Schafschwingel (ovina) trockene Mittelböden bis zum magersten Sande, Wiesenschwingel (pratensis elatior) mässig feuchte Niederungsböden; Trespe (Bromus): weiche (mollis), trockenen sandigen Lehm, Riesentrespe (giganteus) schwere feuchte Lehmböden *). Schliesslich sind noch das Bibernell oder die Pimpinelle (Poterium sanguisorba), eine zu den Rosaceen gehörige Wiesenpflanze, die selbst unter dem Schnee noch grünt, und hie und da auf feuchtem Boden zu Grünfutter und Samengewinn angebaut wird, sowie der Spörgel, Knöterich (Spergula arvensis) eine Caryophyllee zu erwähnen. Letz- terer gedeiht auf leichtem wie auf ganz leichtem, aber von Unkraut freiem Sandboden, und tritt je nach dessen Beschaffenheit als kleiner oder grosser Spörgel auf. Er ist auch geeignet, in den Stoppel gesäet zu werden, wo er schon nach 14 Tagen zur vollen Weide aufschiesst. Er gewährt ein sehr gutes Grünfutter für Abhutung wie für den Stall und lässt sich auch zu Heu machen oder mit den Wurzeln gerauft verfüttern **). Sein Ertrag ist 8—ı2 Ctr. Heu und 3—4 Scheffel Samen. 3—6 Metzen desselben bilden die Aussaat auf einen Morgen. — Das Werthsverhältniss der Futterpflanzen bezüglich ihrer Nahrungskraft geht aus folgenden Zahlen hervor: *) Analysen des Kunstwiesenheus s. Jahresber. a. a. O. IX, 322. *) Vergl. Annalen Bd. 32 S. 46. 2332 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Art der Futter- mittel stanz Nährstoffe Nährstoffe Verhältniss = zwischen den stick- Nährstoffen Holzfaser Verhältniss 2, zwischen der Holz- = Nährstoffe Kalkerde Stickstofffreie 5 stoffhaltigen und A stickstofffreien Gesammtmenge der Nährstoffe Fettsubstanz Phosphorsäure (nach E. Wolff 1863) Organische Sub- Stickstoffhaltige © faser und der Ge- - sammtmenge der b=) be] = r kei Q : ke] = I. Wurzelfrüchte. Kartoffeln .......[750 Topinambur ......[80, Topinamburstängel . .| 80, Futterrunkel(ca 3 Pfd.) | 80,0 Zuckerrübe (1—2 Pfd.) | 81,5 Kohlrübe (ca. 3 Pfd.) . | 87, Weisskraut....... Krautstrunk Runkelrübenblätter . . Mohrrübenblätter ... : Mohrrübe (ca. ! Pfd.) | 85,0 Riesenmöhre (1—2 Pf.) | 87,0 Stoppelrübe ......[9I, Turnips. ........[92,0 Pastinak r.... 2 . © eu... 88,3 Kürbis wora eu erer. 94,5 Il. Körner. Saubohnen .......[145 Futterwicken ... 14,3 Wickgerstenschrot 17,0 Lupinen „une. e0e 0. - [114,5 Mais... ae .s ner, 14,4 II. Stroh. Bohnen | 1713 Futterwicken. .... 14,3 Lupmen .......702.| 14,2 Mais len, ra ETAF0 IV. Spreu u. Schoten. Saubohnen 15,0 Futterwicken 15,0 Lupinen 14,3 Entkörnte Maiskolben | 14,0 V. Heu. Futterwicken in der Blütheiin A:la.i0 N |267 Wickhafer in d. Blüthe | 16,7 Rothklee, volle Blüthe | 16,7 5 Samenklee .| 16,7 XXII. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Art der Futter- mittel (nach E. Wolfl' 1863) Weissklee, volle Blüthe Inkarnatklee i.d. Blüthe Hopfenklee in d. Blüthe Schwed. Klee in d. Bl. Schwed. Samenklee. . Luzerne, ganz jung. . " in der Blüthe Sandluzerne, Anf.d.Bl. Esparsette in d. Blüthe Serradella, Ende d. Bl. = vor d. Blüthe Englisches Raygras... Italienisches Raygras . Ruchgras . Wiesenfuchsschwanz Timotheegras .. Kammgras . Honiggras Französisches Raygras Goldhafer Kleines Rispengras . . Wiesenrispengras .. . Gemeines Rispengras . Zittergras. . Knaulgras B Harter Schwingel ..... Weiche Trespe .... Wiesengerste...... Mittel aller Gräser .. Ackerspörgel in der Bl. 5 abgeblüht Wiesenheu, mittl. Güte Grummet.... VI. Grünfutter. Rothklee vor d. Blüthe = volle Blüthe Weisskle ....... Schwed.Klee, Anf.d.Bl. = „. volleBl. . Luzerne, ganz jung. . ® in der Blüthe Sandluzerne, Anf.d.Bl. stanz S Organische Sub- Stickstoffhaltige Nährstoffe 313 317 315 3,3 313 4,5 415 4,0 Stickstofffreie Nährstoffe Verhältniss zwischen den stick- Nährstoffen stoffhaltigen und stickstofffreien £ o® fer 2,33 2,33 2,28 1,73 T,gı 1,73 1,56 I,65 Gesammtmenge der Nährstoffe Holzfaser d der Ge- = sammtmenge der ” Nührstoffe Verhältniss #2 zwischen der Holz- © faser un Fettsubstanz Phosphorsäure 233 Kalkerde 0,53 0,52 0,40 0,48 0,49 0,70 0,67 234 XXII. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Art der Futter- mittel stanz Nährstoffe Nährstoffen Holzfaser Verhältniss „zwischen der Holz- Nährstoffe Kalkerde Nährstoffe esammtmenge Stickstofffreie stickstofffreien der Nährstoffe Fettsubstanz Phosphorsäure (nach E. Wolff 1363) = Stickstoffhaltige {e Organische Sub- 2 stoffhaltigen und ® faser und der Ge- 7 sammtmenge der = EsparsetteinderBlüthe | 80,0 | 18,5| 5 | 32| 88| 2,75 | ı20| 651 1,8 | 0,6] 0,14 0,45 Inkarnatklee, desgl . .[81,5 169| 16 | 2,7) 6,7| 2,48 94| 7,5| Ins | 0,6| 0,12 | 0,56 Hopfenklee, desgl. ..|80,0| 18,5| 1,5 | 3,5| go| 2,57 | 1215| 60| 2,8 | o,8| 0, 0,45 Futterwicken, desgl. .|82,0| 162] ı,8| 3,2] 7,6| 2,45 | 1o7| 55| 194 | 0,6| 0,12 | 0,5: Serradella, desgl. .....|80,0|18,7| 1,3 | 3,6| 7,0| 19 | 1o6| 8x] 13: | 0,4 | 0,11) 0% Mais, spätreif, Ende August....2....[843)146| I | 09) 87| 9,6 961 5,0] I,gz | 0;5| 0,08 | 0,07 Mais, frühreifer, desgl.|82,2|16,7| 1, | 11] 1209| 9or | 1230| 47| 2,55 | 05| 0,08 | 0,07 Gras vor der Blüthe .|75,0|22,9| 2, | 3)0| 12,9] 430 [1590| 7,0! 22x | 0,8) 0,18 | 050 » Ende der Blüthe [69,0 |29,0| 2,0 | 2,5 | 15,0] 6,0 | 17,5 | IT| I,s2 | 0,7) 0,15 | 0,30 Ackerspörgel in d. Bl, |80,|180| 2,0| 23| 104 | 4, | 12,7| 53| 24 | 0,7| 000,3 Das genaue Verhältniss der Aschenbestandtheile ist bereits Bd. II. S. 38 be- sprochen. Im allgemeinen darf man im wirthschaftlichen Werthe einem Pfund Roggen- körner 6!/, Pfd. frische Kartoffeln bei 72 pCt. Feuchtigkeit, ebenso ı2 Pfd. Kartoffel- kraut, 9 Pfd. Runkelrüben bei 85 pCt. Feuchtigkeit, 3 Pfd. Kleeheu und 3 Pfd. gutes Wiesenheu gleichsetzen. C. Handelsgewächse. -* Unter den Handelsgewächsen pflegt man nach dem hauptsächlichen Gebrauche, für den sie angebaut werden, die Gruppen der Oel-, Gespinnst-, Fabrik-, Gewürz- und Arzneipflanzen zu unterscheiden. A. Der Bau besonderer Velfrüchte hat in Deutschland ziemlich spät begonnen. Das Bedürfniss an Oel, soweit es nicht durch das aus dem Süden bezogene Olivenöl befriedigt wurde, deckte bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts zumeist der Leinsamen. Auch Mohn galt hauptsächlich als Arznei und Gewürz. Gegenwärtig haben die kohlartigen Oelpflanzen eine sehr weit hervorragende Bedeutung gewonnen, Der Bezug des Olivenöls zu Speiseöl hat im gesammten Zollverein in den 5 Jahren 1860— 1864 eine Einfuhr von nur 108237 Ötr., dagegen eine Ausfuhr von 86510 Ctr, ergeben, der Verbrauch also jährlich kaum 4500 Ctr. betragen. Mit Terpentinöl dena- turirtes Olivenöl zum Fabrikgebrauche wurde durchschnittlich in Höhe von 100000 Ütr. jährlich bezogen. Vor 1860 ist Olivenöl in den Zolllisten nicht abgesondert geführt. Eine erhebliche Konkurrenz für das Rüböl ist in neuerer Zeit durch das Petroleum aufgetreten. Die Haupt-Oelpflanze Deutschlands ist der Raps (Brassica oleracea laciniata oder Brassica campestris oleifera). Mit Ausnahme der höheren Gebirge und des preussi- schen und pommerischen Landrückens ist er den besseren Böden in keinem Theile des Staates versagt, und kann auf ihnen meist als Winter-, wie Sommerfrucht gebaut werden. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 235 Bei der Stärke der Düngung aber, die er bedarf, und den geringen Rückständen, die er, wie alle Oelfrüchte der Wirthschaft liefert, muss der Anbau in gewissen be- schränkten Grenzen gehalten werden '). In der Regel wird er in Reihen kultivirt. Die Vegetation als Winterpflanze bedarf 302—350 Tage, die als Sommerpflanze 120 bis 185°). Seine Gefahren sind in beiden Kulturweisen so gross, dass Block °) in 5 Jahren nur 3 vollkommene Ernten anschlägt. Er leidet vielfach durch Auswintern und durch Wurzelfäule, auch wird er von Pilzen, dem Polidesmus exitiosus und dem sogenannten Rapsverderber, befallen, die sich bei günstiger Witterung rasch verbreiten. Von Thieren sind ihm der Erdfloh, der Engerling, die Schnecke und mehrere Käfer, der Glanzkäfer, der Pfeiffer, ein Rüsselkäfer gefährlich, welche jährlich fast überall einen Theil der Blüthen zerstören, in manchen Jahrgängen aber bis zur Vernichtung des Reinertrages überhand nehmen. Das Ernteverhältniss der letzten Jahrgänge, sowie den Erdrusch theilt Tabelle N. der Anlagen provinzenweise mit. Als durchschnittlicher Ertrag ist bei Winterraps 8—ı2 Scheffel Samen und 12 — 24 Ütr. Stroh bei 1—ıY, Metzen oder 4/z— 6! Pfd. Aussaat anzunehmen. Der Scheffel wiegt 40 — 43% Pfd., 4 Scheffel geben ı Ctr. Oel. Der Sommegraps macht grössere Ansprüche an Boden und Bestellung, bleibt in der Regel im Ertrage um etwa 's gegen den Winterraps zurück, und hat zugleich geringeren Oelgehalt, erst 6 Scheffel geben ı Otr. Oel, er bedarf aber auch nur um "ı schwächere Aussaat. Der Rübsen (Brassica napus oleifera oder Brassica rapa oleifera biennis) bedarf als Winterpflanze 280—315, als Sommerpflanze nur 84— ıı2 Tage Vegetationszeit, verträgt dabei ein rauheres, trockeneres Klima als der Raps, und verbreitet sich desshalb besonders in Ost- und Westpreussen, Auch in Betreff des Bodens, der Düngung und Bestellung und der Fruchtfolge ist er leichter zu befriedigen, giebt zwar als Winter- frucht bei 1—r!/ Metzen Aussaat nur 7—ıo Scheffel und 8—16 Ctr. Stroh; als Sommerfrucht sogar nur 5—7 Scheffel und selten über 8 Otr. Stroh; bleibt aber nach den örtlichen Verhältnissen und durch das bessere Futter, welches seine Stängel und Schoten geben, nicht ohne Nutzen ‘). 5 Scheffel Samen geben ı Ctr. Oel. Der Awehl (Brassica napus), eine Mittelform zwischen Raps und Rübsen, die an Oelgehalt dem Raps nahe kommt, kann wie dieser als Winter- und Sommerfrucht °) genutzt werden; er wird, weil er härter gegen das Klima ist und eine späte Saat zwi- schen Ende August bis Mitte September gestattet, häufig, um die Bestellung zu erleich- tern oder die Beweglichkeit der Fruchtfolge zu erhöhen, an Stelle des Rapses verwendet. Der Biewitz, der neuerdings aus Nordamerika eingeführt worden ist“), indess von vielen für identisch mit dem Awehl gehalten wird, hat vor diesem den Vorzug, sehr hart gegen den Winter zu sein und durch die Bitterkeit und die Stacheln seiner Blätter Schutz vor dem Wildfrass zu haben, — ') Ueber Raps und Rübsen und deren wissenschaftliche Unterscheidungsmerkmale s. Annalen Bd. ar S. 46. ?) Ueber die Entwiekelung der Rapspflanze s. Annalen Bd. 36 S. 444. — Analysen der Pflanze wie der Samen s. Jahresbericht a. a. O. Jahrg. VI. 47, 49; VII. ııo. 3) a. a. O. Bd. I. S. 100 und 103. ‘) Analyse s. Jahresbericht a. a. OÖ. Jahrg. IX. S. 118. 5) Ueber Sommerawehl vergl. Annalen Bd. 33 S. 123. ‘) Ueber Biewitzbau vergl. Annalen Bd. 30 S. 290 und 293. 236 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Der Dotter, Leindotter (Camelina sativa oder Myagrum sativum), ist ein Unkraut von nur 12—14 Wochen Vegetationszeit. Er zeigt sich auf mürbem, sandigem Lehm im Anbau sehr sicher, aber aussaugend und im Ertrage geringer als Raps, giebt bei 10—1ı2 Ötr. Stroh etwa 5—6 Scheffel Samen, auf den Centner aber nur '% Ctr. Oel; der Preis steht desshalb '/ niedriger als der des Rapses. Er wird besonders an Stelle ausgewinterten Rapses angewandt und um Erfurt, in der Geraniederung, im Saalethal, auch um Sangerhausen und Neuhaldensleben zu Saatgut gebaut. Der Mohn (Papaver somniferum), dessen Varietäten sehr zahlreich sind, wird wirthschaftlich besonders als Kopf-, Schliess- oder Dreschmohn mit geschlossenen Köpfen, und als Schüttel- oder Offenmohn mit offenen Samenköpfen unterschieden. Er kann auf milden und fruchtbaren, womöglich kalkhaltigen Böden in allen Landes- theilen Preussens gebaut werden. In grösserer Masse wird er in Schlesien, um Glogau, in Sachsen, um Erfurt und im Saale- und Gerathale, auch bei Sangerhausen, Neuhal- densleben und Magdeburg erzeugt. Er muss zeitig 'gesäet werden, bedarf 154— 180 Tage bis zur Reife, verträgt Hitze und Dürre und selbst leichten Frost und leidet im wesentlichen nur, wenn in der Erntezeit wegünstige Witterung, starker Wind oder Nässe eintreten. Der Morgen fordert ı Pfd. Aussaat und giebt 6—g Scheffel Samen und 1o—ı5 Ütr. Stroh. Der Scheffel Mohn wiegt 6ı Pfdl. Er wird theils zu Oel, theils der herrschenden Volkssitte nach zu bestimmten Festen, besonders um Weih nachten, und für gewisse Gebäcke in nicht unbeträchtlichen Quantitäten konsumirt, und zwar in Preussen, Posen und Schlesien blauer, in den übrigen Provinzen meist weisser Mohn. 100 Pfd. Mohn geben etwa 25 Pfd. Oel*). Die Kresse (Lepidium sativum) ist eine früh reifende Brachfrucht, die auf leichtem Boden gedeiht. Die Aussaat bedarf 6— 8 Pfd. Samen auf den Morgen, die Ernte sind 10— 14 Scheffel und ıo Ctr. Stroh; der Centner Samen giebt 56— 58 Pfd. gutes Brennöl. Stroh und Hülsen, nieht aber die Oelkuchen dienen als Futter. Die Sonnenblume (Helianthus annuus), in gemeine und kaukasische unterschieden, giebt in ihren Samen ein sehr gutes Oel, die Blätter sind ein gutes Viehfutter; die Stängel dienen als Brennmaterial. Die Pflanze ist bei ihrer grossen Genügsamkeit in Deutschland nicht genügend beachtet“*), findet sich aber doch hie und da in grösserer Ausdehnung auf kleinen, sonst wenig nutzbaren Grundstücken, Hecken und Grabenland, Eisenbahnkörpern u. dergl. vortheilhaft benutzt. Der Anbau im grossen ist mehrfach z. B. in Gr.-Wilkowitz (Kr. Beuthen), in Schedlau und Mahlendorf (Kr. Falkenberg), in Koselwitz bei Landsberg O.-S. versucht, fordert aber einen trockenen Herbst, wenn die Fruchtscheiben nicht faulen sollen. Das Oel wird aus Russland als Speiseöl in immer beträchtlicheren Quantitäten eingeführt; 1865 gegen 30000 Ütr. Der Ertrag vom Morgen wird auf r0—ı5 Scheffel zu je 85—go Pfd. Schwere und 40 pCt. Oel und auf 25 Ötr. Blätter und Stängel angegeben. B. Die Gespinnstpflanzen auf preussischem Boden beschränken sich auf Lein (Linum usitatissimum) und Hanf (Canabis). Beide dienen zugleich als Oelpflanzen und sind seit der ältesten Zeit in Deutschland bekannt. Namentlich ist der Lein durch das gesammte Mittelalter fast in allen Wirthschaften soweit gebaut worden, als es der häusliche Bedarf an Leinenzeug erforderte. Erst die neueste Zeit aber hat begonnen, ihn in Verbindung *) Ueber Mohnbau s. Jahresber. a. a. O. VIII. 105; Wochenbl. d. Annalen 1865. S. 105. *) Ueber den Anbau der kaukasischen Sonnenblume vergl. Annalen Bd. 27 S. 243. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 237 mit der sogenannten Flachsbereitung, d. h. dem fabrikähnlichen Rösten, Reinigen und Ausschwingen im Grossen in Anbau zu nehmen. Die Anbauverhältnisse werden desshalb bei der Darstellung der landwirthschaftlichen Nebengewerbe, zu denen die Flachsbereitung gehört, im Zusammenhange besprochen werden. €. Die Fabrikpflanzen dienen für Fabrikationszwecke, welche nieht mehr zu den landwirthschaftlichen Nebengewerben gerechnet werden können. Unter den im preussi- schen Staate gebauten ist die wichtigste der Tabak (Nicotiana tabago). Ueber den Umfang seines Anbaues im Staate lassen sich genauere Angaben machen, weil die mit Tabak bebaute Fläche nach dem durch die Kab.-Order vom 9. Januar 1822 (G.-S. S.40) und 29. März 1828 (G.-S. S. 39) abgeänderten Steuergesetze vom 18. Februar 1819 (G.-S. S. 79) einer besonderen Ab- gabe unterworfen ist. Je 6 Quadratruthen Tabakspflanzung sind nach vier, kreisweise geltenden Klassen mit 6, 5, 4 oder 3 Sgr. Steuer jährlich belegt. Welche Klasse für einen Kreis anzunehmen, unterliegt ministerieller Bestimmung und richtet sich nach der verhältnissmässigen Einträglichkeit des dort bestehenden Tabaksbaues. Grundstücke unter 6 Quadratruthen sind nicht steuerpflichtig. Sie sind in der Mehrzahl zum eigenen Gebrauch bestimmt. In manchen Landestheilen raucht die ländliche Bevölkerung den Tabak aus Pfeifen getrocknet und ungebeizt, oder nur mit Zuckerwasser eingesprengt. Nachweisungen über die in den verschiedenen Provinzen zum Tabaksbau bestimmten Flächen stehen indess erst seit 1843 zu Gebote und sind in 5jährigen Perioden nach- stehend auf S. 238 übersichtlich gemacht. Im ganzen hat darnach der Tabaksbau in allen Theilen des Staates, mit Ausnahme der Rheinprovinz, erheblich abgenommen. Am bedeutendsten blieb er jederzeit in der Mark, und zwar vorzugsweise in den Kreisen Angermünde und Königsberg, wo ihm noch gegenwärtig um Vierraden und Schwedt gegen 9000 Morgen gewidmet sind. Nächstdem baut Pommern einige Tausend Morgen um Greifenhagen, Pyritz und den Ziethensee, auch um Anklam und Ueckermünde, ebenso die Provinz Preussen in der Marienwerderer Niederung und um Tilsit und Ragnit, Sachsen um Gardelegen, Neu- haldensleben, in den Kreisen Jerichow I. und II. auch um Bitterfeld, Sangerhausen und bei Teistungen und Ecklingerode, Kreis Worbis; die Rheinprovinz hat um Emmerich, Kleve und Rees, im Kreise Mayen, in der Niederung von Wittlich und Saarlouis, auch bei Saarbrücken, Trier und Kreuznach einigen Anbau. Westfalen zieht fast gar keinen Tabak. In Schlesien endlich sind die Orte Ohlau, Wansen und Neumarkt durch eine mit dem Bau geringer Sorten verbundene starke Fabrikation von Rauch- und Schnupf- tabak bekannt, und ebenso baut Ratibor Tabak. Die schlesischen Tabake aber halten eine Fermentation, die sie haltbarer und besser und zum Export geeignet machen könnte, nicht aus. Nach wiederholten Versuchen sind sie dabei, was bei dem Uckermärker Tabak nicht der Fall ist, der Fäulniss unterworfen. Sie müssen desshalb bis zur Ver- arbeitung in luftigen Räumen hängen und können selbst hier nur durch künstliche Mittel für einige Monate vor dem Verderben gesichert werden. Das Produkt muss also schon des Platzes wegen unter allen Umständen im Laufe des Jahres verwerthet werden, und die Spekulation vermag die Preise so wenig zu halten, dass dem schlesischen Pflanzer auch bei guten Ernten geringer Nutzen bleibt*). *) Annalen Bd. 21 S. 351. 238 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Tabaksbau 1843. a. Steuerpflichtig: 1. Klasse Zusammen | I IQI; 1844. a. Steuerpflichtig b. Nichtsteuerpflichtig. Zusammen | 1 086,2 | 1849. a. Steuerpflichtig b. Nichtsteuerpflichtig . Zusammen 1854. a. Steuerpflichtig b. Nichtsteuerpflichtig. Zusammen 1859. a. Steuerpflichtig b. Nichtsteuerpflichtig. 1089,3| 1287,8| 4 390,4| 2238,61 8 898,7| 3 682,4| 2 971,6 263,7| 1 580,8 | 6 893,2| 2 347,3) 11 222,0| 3 158,0| 4 382,7 578,6 156,8 328,7 200,8 301,8 140,2 93 PER: VER: RR A ER EEE EEE 842,3, 1737,61 7 221,9 | 2 548,x| II 523,8| 3 298,2 4 392,0 355,2| 1776| 4.900,01 1672,9| 8344,11 2491,63 341,8 5822| 136,| 2948| 1968| 231,8| 141] 1809| Zusammen 1864. a. Steuerpflichtig b. Nichtsteuerpflichtig. Zusammen Menge des gewonnenen trockene Tabaks , Blätter a. Steuerpflichtig: 1. Klasse ae 2 Ben a 4. Summe b. Nichtsteuerpflichtig. Zusammen . Nichtsteuerpflichtig. Öst- Morgen 22,0 329,7 122,2 473,3 7173 438,1 2348 854,5 937,3 288,4 49913 78717 Centner 5 189 Morgen 252,4 451,4 793,8 Preussen Pom- West- Morgen mern Morgen I 365,7 5 883,9 31IT,o 7 560,6 267,5 167,0 154077 81,5 1 789,2 140,5 1929,7| 7 828,: 6 359,5 253,7) 6 613,2 15948 I4I,o 1141,94 130,4 260,0 1 912,7| 5 194,8 | 1766,9 4412736 209,8 | 1 894,5 | 5 511,11 Centner 34 113 Centner 10 988 Morgen | Morgen 4 1799 7278 748 4 982,3 201,9 81,9 I 695,5 II,3 I 788,7 | 128,9 I 9176| 5 184,2 I} Posen Morgen 57,9 4 361,1 28,5 4 44715 238,2 4 685,7 3 595,6 218,4| 3 814, 2 055,7 182,9 | 1 869,7 I 314,1 193,4 150715 Centner 6.665 Morgen 1 286,8 Bran- denburg Morgen I 388,5 17.463, 1 080,9 13 932,8 298,5 14 231,3 12 799,8 266,3 13 066,1 8 639,1 259,6 8 337,0 9 229,8 Centner 61038 Morgen 6 178,8 1 925,2 295,1 339911 215,7 8 614,8 Schle- sien Morgen O,1 3 972,1 268,1 4 240,3 43846. 3 363,9 3 498,1 3 545,1 13713 | 2 632,7 3 335,3 144,9, 3 480,2 Centner 20.096 Morgen 2448,5| 34715\ 2796,0| | 139,8 2 935,8 Sach- sen Morgen 522,4 2 851,7 | 1 275,4 776,x 5 425,6 5 44912 4 151,0 IO,9 3 360,01 3 348,8 II,3 3 360,1 Centner 24 072 Morgen 375,5 2 280,1 116,3 24315 IO,7 3 026,1 Morgen West- falen 19,5 14,7 14,8 Centner 150 Morgen 918 17 0,1 11,6 0,2 IL,g 'ı 916,3 35,911,x Rhein- lan Staat Morgen | Morgen I 846,1 5 882,0 28 852,5 7806| 3.456, 2 131,5 | 40 037,5 0,8 I 830,7 1 323,7 27% 1 913,2| 34 235,3 1554,8| 24 269,1 47| 1854,0 1559,5| 26 123,1 2 981,7| 32 89917 33,2 3 014,9| 34 649,4 2218,3| 25 159,8 18,0 2236,3| 26 780,5 1 620,7 2352,3| 26 609,3 15,5] 15448 2 368,3 28 154,1 Centner Centner 23 152| 185 423 Morgen | Morgen 1 430,8 771,6| 13 515,8 2283,7| 25 964,6 XXI Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 239 Im allgemeinen werden in Preussen zum Anbau fast ausschliesslich die gross- blätterigen amerikanischen Sorten verwendet'). Der Samen wird so selten genügend reif, dass für alle grösseren Anpflanzungen, mit Ausnahme günstiger Jahrgänge, amerikanische Tabakssamen bezogen werden. Die unerlässliche grosse Sorgfalt bei der Arbeit des Jätens, Giessens und Blattens macht die Kultur durch Lohnarbeiter fast unausführbar. Grössere Besitzer bestellen desshalb in der Regel die geeigneten Grundstücke nur, düngen sie aus und verpachten sie gegen die halbe Ernte in kleinen Parzellen an solche Arbeiter, die den Bau mit ihren Familien zu bestreiten vermögen. Die einzelne Pflanze bedarf 2—3 Quadratfuss Raum, wächst bei geringerem Raum um so dürftiger, reift aber um so schneller. Jede Berührung der Blätter, wenn sie nass sind, bewirkt Rost- flecke und verdirbt sie. An Aussaat sind auf die Quadratruthe ein Loth Samen, oder auf den Morgen 120— 180 Schock Pflanzen erforderlich. Der durchschnittliche Ertrag vom Morgen kann, obwohl von 2 bis zu 30 tr. schwankend, auf 6— 10 Ütr. je nach der nördlicheren Lage angenommen werden. Nach der Ernte erfordert das richtige, weder zu rasche noch zu langsame Trocknen der Blätter, welche dazu an Schnüren aufgereiht werden müssen, noch viele Aufmerksamkeit. Selbst das Legen und Binden der trockenen Blätter zu verkaufsfähiger Waare ist nicht ohne Schwierigkeit. Der ge- wöhnliche Preis für schlesischen Tabak steht durchschnittlich auf 3—4 Thlr. für den Centner, während der Schwedter in Schlesien mit 9—ıo, der Pfälzer mit 18—ı9 Thlr. bezahlt wird. Die stehen gebliebenen Stängel sind, wie Bd. Il. $. 38 zeigt, eine sehr kalireiche Düngung und werden sogar zur Pottaschebereitung benutzt. Der Tabak kann 3 und mehr Jahre hintereinander auf demselben Felde angebaut werden und ist eine vorzügliche Vorfrucht für Wintergetreide ?). Die Cichorie (Ciehorium intybus), welche der schwarzburg-sondershausensche Hof- gärtner Thyme um die Mitte des vorigen Jahrhunderts als Surrogat für Kaffee in Auf- nahme brachte °), wird in Preussen, besonders um Magdeburg zwischen Wolmirstedt und Kalbe, auf etwa r10— 11000 Morgen mit einem Durchschnittsertrage von I00— 150, durchschnittlich 120 Ctr. vom Morgen kultivirt. Ein zweiter, wenn auch unbedeutenderer Hauptplatz des Cichorienbaues ist die unmittelbare Umgebung von Breslau, für welche etwa 2000 Morgen jährlich mit je go —ı20 oder durchschnittlich roo Centner Ertrag angenommen werden dürfen. Die sonstigen Kulturorte Osterburg, Hildesheim, Werni- gerode, Halle, Nordhausen und Erfurt, ferner Neuwied, Vallendar und Niederwerth am 1) Seitens des Königl. Landes-Oekonomie-Kollegiums sind vielfache Versuche mit ver- schiedenen Samen veranlasst worden. Annalen Bd. 23 S. 277, Bd. 33 $. 26. Eingehende Darstellungen der Kultur des Tabaks finden sich in Hermbstädt: Anleitung zur Kultur der Tabakspflanzen und zur Fabrikation des Rauch- und Schnupftabaks, Berlin 1822, und in den Annalen Bd. 20 S. 292, Bd. 23 8. 277, Bd. 24 S. 292 u. 384, Bd. 26 S. 21, Bd. 30 $. 488. — Vergl. Nitsche: Geschichte des Tabaks und seiner Schicksale, Prag 1845. — Fr. Tiede- mann: Geschichte des Tabaks und anderer Genussmittel, Frankfurt a. M. 1854. — Der Tabak, Anleitung zur Kultur, Behandlung und Benutzung als einträgliche Kulturpflanze v. F. A. Pinkert, Berlin 1860. 2) Die Analyse der Tabaksblätter nnd den Nikotingehalt verschiedener Sorten siehe Jahresbericht von R. Hoffmann und E. Peters Jahrg. VIII, S. 106. ») O. Teichert, Geschichte der Ziergärten und der Ziergärtnerei in Deutschland wäh- rend der Herrschaft des regelmässigen Gartenstyls, Berlin 1865, S. 180. 240 XXIL Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- uud Handelsgewächse. Rhein und mehrere Dörfer auf der Insel Zingst bauen zusammen kaum ro00 Morgen und erzielen je 60—ı20o Ütr. Ertrag. Das Gesammtprodukt ist auf ı 400000 bis 1500 000 Ütr. anzuschlagen, aus denen (3Y, Ötr. rohe Cichorienwurzeln auf ı Ütr. ge- dörrte gerechnet) 400 000— 420 000 Ötr. gedörrte Wurzeln gewonnen und unter Zusatz von 250000 Ütr. gedörrter Rüben (4'/; Ctr. rohe Rüben auf ı Ctr. gedörrte gerechnet) etwa 650.000 Ütr. fertiges Cichorienfabrikat geliefert werden. Fabriken bestehen um Magdeburg etwa zo, in Breslau 5, in Halle 2, in Nordhausen 2, in Berlin 2. Der Konsum wird zum Theil auch von Braunschweig und Holland aus gedeckt. Die Ciehorie*) wird mit 3 —4 Pfd. Samen auf den Morgen ausgesät, und kann auch als Futterpflanze mit Nutzen geschnitten werden. Sie hält den Schnitt eine Reihe von 6 und mehr Jahren aus. Die Weberkarde, Kardendistel (Dipsacus fullonum), wird auf preussischem Gebiet in mehreren nordöstlich an Aachen grenzenden Gemeinden, ferner um Euskirchen, Zülpich und Düren, auch in Sachsen um Halle, besonders aber in Ausdehnung von etwa 200 Morgen in mehreren zerstreuten Orten Mittelschlesiens, namentlich um Canth angebaut. Trotz mannichfacher Bemühungen vom Staate unterstützter Kultivateure und der Beschaffung von Avignoner Samen steht das Produkt an Elastizität und Halt- barkeit dem südfranzösischen weit nach, und gewährt, obwohl es wegen. der beson- ders feinen Haken für manche Fabrikationszwecke gesucht ist, nur eine unerhebliche Einnahme. Das Tausend Karden wird je nach der Reichlichkeit der Ernte mit ı bis 3 Thlr. bezahlt. Auf den Morgen werden 100—ı20 Schock Pflanzen gepflanzt, welche durch Aussaat von ı Pfd. Samen zu erzielen sind. Der Ertrag ist im zweiten Jahre 30 000— 80000 Karden von allen Grössen und 6—ı2 Ütr. Stroh, indess muss durch- schnittlich in 3 Jahren eine geringe und eine durch Auswintern ganz verlorene Ernte gerechnet werden, so dass jede reichliche Ernte die Kosten dreier Jahre zu decken hat. Der Kanariensamen (Phalaris canarieusis) wird in Sachsen besonders im Kreise Weissensee, z. B. bei Gebesete, Schwerstedt, Wundersleben, auf gutem lockeren Boden angebaut. Die Samen dienen zu Weberschlichte und Vogelfutter. Der Krapp oder die Färberröthe (Rubia tinetorum), im Mittelalter schon aus der Levante nach Deutschland gekommen, hat namentlich in der Umgebung von Breslau auf dem tiefen, humosen, sandigen Lehmboden der dortigen Kräuterei starken Anbau gefunden, und sich auch nach Liegnitz, Mühlhausen, Magdeburg, Düsseldorf und a. O. verbreitet. Seit etwa ıoo Jahren erst ist sein Anbau in Avignon eingeführt worden, und die Güte des dortigen Produkts macht dem deutschen gefährliche Kon- kurrenz. Beim Anbau werden verschiedene Sorten Färberröthe gewonnen. Die Fort- pflanzung geschieht durch die Keime vorjähriger, in besondere Gartenbeete gebrachter Röthewurzen. Wenn diese Keime eine Länge von 6—8 Zoll erreicht haben, werden sie als Stecklinge in die durchgegrabenen Furchen der Feldbeete reihenweise eingelegt und festgetreten, und die kleineren Wurzeln, die sich aus den beginnenden und zu diesem Zweck behäufelten Stängeln entwickeln, geben die „Streckröthe*; die im Herbst herausgenommene Hauptwurzel giebt die „Herbströthe* von gelbem Aussehen; die über Winter im Boden gelassene und erst im Frühjahr, nachdem man schon die gedachten Keime von ihr gewonnen hat, ausgeworfene Wurzel ist die „Sommer- oder Keimröthe* von dunkelrothem Aussehen. Bleibt aber die Wurzel noch während des Sommers des zweiten Jahres im Boden und wird erst im zweiten Herbst ausgenommen, so gewinnt *) Aschenanalyse s. Jahresbericht a. a. O. Jahrg. IX. S. 112. XXII. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 241 “ man den „Krapp“, welcher, gut gereinigt, von lebhaft braungelbem Aussehen ist*). Er hat vor der Röthe grössere Dauerhaftigkeit und Kraft des Farbestoffes voraus, bedarf im zweiten Jahre keiner Pflege mehr und erreicht einen um 's bis "» grösseren Ernte- ertrag und um 'ı höheren Preis. Alle diese Wurzelsorten müssen unmittelbar nach der Ernte getrocknet werden, was in der Regel im Rauch in Darrkammern geschieht, in denen 30— 32 Stein trockene Wurzeln in 30—40 Stunden mit einem Aufwande von " Klafter Holz gewonnen werden. Die gedarrten Wurzeln werden für den Handel mit dem Flegel in zolllange Stücke zerdroschen. Der Ertrag vom Morgen ist auf 4o Stein (48— 60 Wispel) getrocknete Röthe oder 60 Stein (54—72 Wispel) ge- trocknete Krappwurzel anzunehmen. Der Safflor (Carthamus tinetorius), dessen schon um 1241 bei Erfurt Erwähnung geschieht, wird in Thüringen auf sonnigen Lagen in leichtem, sandigem, humosem Lehm oder Lehmmergel in zweiter Frucht gebaut. Als Farbemittel dienen die Blumenblätter, welche, wenn sie dunkelroth geworden, abgezogen oder abgepflückt werden. Der Samen, den auch die berupften Blüthen geben, dient als Oelfrucht. Der sehr schwankende Ertrag ist durchschnittlich vom Morgen 40— 5o Pfd. Blumenblätter und ı5 Ctr. Streustroh. Der Waid (Isatis tinctoria), den die Erfurter Bürger schon 1290 als ihr Zeichen auf den Grund der von ihnen geschleiften Raubburgen säten und bis in das 17. Jahr- hundert in grosser Ausdehnung kultivirten, wird jetzt noch hauptsächlich zwischen Tröchtelborn und Langensalza und zwar auf gutem Lehmboden unter starker Düngung als Hackfrucht angebaut; in den Rheinthälern um Koblenz wächst er unbenutzt wild. Den Farbestoff geben die Blätter, welche vom Ende Juni an, sobald sie anfangen gelblich zu werden, in 3 Schnitten abgeschnitten werden; sie werden auf luftigen Böden getrocknet und in Bunden verkauft. Der Ertrag ist auf 160 Ütr. grüne, oder 15— 25 Ütr. trockene Blätter anzuschlagen. Der Morgen braucht 4 Pfd. Samen. Der Wau (Reseda luteola) kann in Deutschland in seiner kleinen französischen Unterart, die den feineren und theuereren Farbestoff liefert, nur als-Sommerfrucht kul- tivirt werden. Der deutsche Wau, der in den Rheinthälern wild wächst, wird im Erfurtischen über Winter gebaut, gedeiht in jedem Klima und auf jedem Boden, und gerade auf dem unfruchtbarsten Grunde wächst der beste, an Farbestoff reichste Wau, Mit grossem Vortheil wird er auf Holzschlägen gesät, wo er zugleich zur Beschattung der Holzsaat dient. Der blaue Farbestoff ist besonders aus den halbreif geernteten, an der Luft getrockneten Pflanzen zu gewinnen, Stängel und Blätter der reifen Samen- pflanzen sind wesentlich ärmer. Der Samen enthält viel Oel. Der Morgen fordert 6— 7 Pfd. Aussaat und giebt an Ertrag von zweijährigem deutschen Wau 15 — 32 Ctr. trockene Pflanzen und ı Ütr, halbreifen Samen. Die Seharte (Serratula tinetoria), die wild in Wäldern vorkommt und eine gelbe Farbe für wollene Zeuge giebt, wird hier und da in Schlesien und Thüringen, auch in der Altmark angebaut. D. Von den Gewürzpflanzen, welche im Staatsgebiete kultivirt werden, sind die wichtigsten und seit ältester Zeit benützten die Zwiebelarten. Am verbreitetesten in Feldern und Gärten ist die Hauszwiebel oder Sommerzwiebel (Allium cepa), welche in den Gärten und auch feldmässig in vielen Varietäten am *) Die Analyse des Krapps s. Jahresbericht a. a. O, Jahrg. VIII. S. 117. Boden d. preuss. Staates. I. 16 242 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Rhein, in Westfalen, in Thüringen, namentlich Gr.-Gottern (Kr. Langensalza), Schwer- stedt, Grossenballhausen, Gebesee und Straussfurt (Kr. Weissensee); ferner in der Lausitz und um Liegnitz, ebenso auch von den Kolonisten an der Netze und von den Umwohnern des Kurischen Haffs angebaut wird. Sie fordert einen mürben Mittelboden mit altem Dünger, wird im März in gegrabenes Land gesäet und ist im August oder September reif; über Winter muss sie ausgehoben werden und trägt im folgenden Sommer Samen. Kleine Zwiebeln, welche bei dichter Saat entstehen, können über Winter ge- . trocknet und im Frühjahr gesteckt werden. Auf 4 Pfd. Samenaussaat sind 50— 70 Ütr. Zwiebeln zu rechnen. Die Winterzwiebel (Allium fistulosum) kann, wie in ihrem Vater- lande Sibirien, auch bei der strengsten Kälte im Boden bleiben. Verwandt sind der Schnitt- lauch, Suppenlauch (Allium schoenoprasum) und die Chalotte, levantinischer Lauch (Allium ascalonicum), welche klein und von sehr feinem Geruch und Geschmack, mit meh- reren Zoll Dünger überdeckt über Winter ausdauert. Der Knoblauch, Gartenlauch (Allium sativum), der aus Sieilien stammt, aber an vielen Orten Südeuropas verwildert ist, wird in Deutschland seit Jahrhunderten gebaut, kann aber nicht gesät, sondern nur durch Zwiebelknospen vermehrt werden, weil der Same in unserem Klima nicht reift; wohl aber können, wie bei mehreren Alliumarten, die Zwiebelchen der Blüthendolde zum Säen benutzt werden, bedürfen aber dann zweier Jahre Zeit. Weniger kultivirt wird Rokambole (Allium ophioseorodon), spanischer Knoblauch, sowie Sandlauch (Allium scorodoprasum), welcher letzterer aber sehr häufig auf Wiesen und grasreichen Grabenrändern wild wächst und durch den Knoblauchgeruch seiner Blätter das Heu verdirbt; dagegen wird Porree (Allium porrum), gemeiner oder spanischer Lauch, als Küchengewächs sehr verbreitet angebaut. Eine als Liliacee den Zwiebeln verwandte und geschichtlich ebenfalls sehr früh bekannte Gewürzpflanze Deutschlands ist der Safran (Crocus sativus). Er ist im all- gemeinen auf die Gegenden des Weinbaues, namentlich die mässig breiten Flussthäler beschränkt, und fordert guten Weizenboden von tiefer Krume. Seine Zwiebeln, die sich durch Schossen (Kiele) vermehren, werden im Herbst nach der Ernte gelegt und dauern bis zu ro Grad Kälte in der Erde aus; im ersten Jahre trägt nur etwa der dritte Kiel Blumen, im zweiten und dritten Jahre ist die Ernte reichlicher. Die Blumen- kronen mit den den Safran gebenden Narben werden durch einen Druck mit den Fin- gern gelöst, die Narben binnen 3 Tagen abgesondert auf Haarsieben über gelindem Kohlenfeuer gedarrt und in verschlossenen Gefässen locker aufbewahrt. Die Krank- heiten der Safranzwiebel sind: Fäulniss, Auswuchs und sogenannter Brand, ein wolliger Schwamm, der schnell eine ganze Pflanzung verdirbt, wenn seine Verbreitung nicht durch fusstiefe Gräben abgeschnitten wird. Der Ertrag ist bei der ersten Ernte in der Regel nur 2 Pfd., im zweiten und dritten Jahre jedesmal 7—38 Pfd. gedörrten Safrans vom Morgen. Der Koriander (Coriandrum sativum), dessen Anbau in Erfurt schon ı5ı8 er- wähnt wird, wird auch gegenwärtig noch dort, sowie in Schwerstedt, Gross- und Klein- Ballhausen, Gunstedt, Gangloffsömmern (Kreis Weissensee), Bollstädt, Hängeda (Kreis Mühlhausen) und bei Kalbe kultivirt. Er fordert tiefgründigen, lockeren, reinen Thon- boden, der weder streng noch nass sein darf, erschöpft denselben sehr und darf erst nach einer Reihe von Jahren wiederkehren. Die als Gewürz dienenden Samenkörner müssen nach der Ernte an der Luft nachtrocknen. Der durchschnittliche Ertrag ist bei 24—30 Pfd. Aussaat 4—6 Centner Körner und 6—ıo tr, Streustroh. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 243 Der Kümmel (Carum carvi) wurde früher um Halle und Köthen stark gebaut. Seitdem die Zuckerrübe hier seinen Anbau verdrängt hat, ist der Samen sehr gefragt und wird auch bei Erfurt, namentlich aber in Griefstedt und Schilfa im Kreise Weissensee und um Kalbe wieder häufiger gebaut. Auch die Hauländer an der Netze kultiviren ihn, und hie und da wird er in Schlesien und Pommern auf mässig gebun- denen gemischten Böden als Futterpflanze benutzt. Er blüht und trägt erst im zweiten Jahre, überdauert aber selbst strenge Winter gut, darf indess auf demselben Acker frühestens nach ı2 Jahren wiederkehren und verträgt kein Unkraut. Er kann allein oder unter eine Sommerfrucht gesät, auch in besonderen Samenbeeten gezogen und mit etwa 30 ooo Pflanzen auf den Morgen ausgesetzt werden*). Die Dolden reifen ungleich- mässig und müssen in den Stiegen nachtrocknen. Er kann gerauft und geschnitten werden. Von geschnittenem Kümmel ist mehrjährige Benutzung möglich. Neben der Schwierigkeit der Arbeit unterliegt er der Gefahr des Mäusefrasses, den Engerlingen, Pfeifern und der Kümmelmotte. Der Ertrag wird bei 5—7 Pfd. Aussaat auf 4—ıo Ütr. Samen und ebenso viel Streustroh veranschlagt. Der Fenchel (Anethon feniculum), wird in Thüringen, um Erfurt, in der Gera- niederung, um Weissensee, auch um Sangerhausen und Neuhaldensleben in sonnigen Lagen auf leichtem, selbst scharfem Mittelboden in zweiter Frucht gebaut. Er kann breitwürfig gesät oder auf Samenbeeten gezogen und in 1s—ı8000 Pflanzen auf den Morgen verpflanzt werden und darf nicht bald wiederkehren. Im Süden dauert er mehrere Jahre, im Norden, wie schon in Sachsen, widersteht er nur in sehr günstigen Wintern dem Frost, wesshalb die jährigen Pflanzen ausgehoben, verschnitten, in Erd- gruben eingelegt und im Frühjahr wieder ausgesetzt werden. Der Same reift ungleich, fällt schnell aus und ist vor der Haupternte 2— 3 Mal abzunehmen. Die Pflanze leidet vom Befallen und Frost, der Ertrag ist bei 2— ro Pfd. Aussaat 4— 8 tr. Samen; das Stroh kann zu Häcksel geschnitten werden. Der Anis (Pimpinella anisum) wird in den für Koriander genannten Orten, im Weissenseer, Mühlhauser und Kalber Kreise und von den Netzekolonisten gebaut. Erfurt erzeugt allein gegen 3000 Ötr. jährlich. Er fordert lockeren, warmen, kräftigen und feuchten Lehmboden, steht gern in zweiter Frucht und darf erst nach einer längeren Reihe von Jahren wiederkehren. Er verträgt kein Unkraut, wird während der Blüthe und des Körneransatzes durch feuchte, neblige Witterung oder schwüle Gewitterluft schwarz und taub, und auch durch den Pfeifer und die Anismotte sehr gefährdet. Die Emte ist schwierig einzubringen, und darf nicht nass und nieht warm werden; auch der ge- trocknete und ausgesiebte Same verdirbt durch Eindringen von Feuchtigkeit. Der Ertrag ist 3—4 Ütr. Körner und 5 Ctr. Einstreustroh. Der Senf (Sinapis sativa), nur als weisser oder Gartensenf (Sinapis sativa alba) in einigen Spielarten von Wichtigkeit, ist den Kohlarten nahe verwandt. Die Samen werden für Speisen als Gewürz bereitet, geben auch ein treffliches, fettes Oel, welches zu Speisen und als Brennöl dient. Er ist indess ebenso anspruchsvoll und weniger ergiebig, als der Raps, und wird desshalb wesentlich nur als Gewürzpflanze, besonders um Erfurt, im Gera- und Saalthale, Sangerhausen und Neuhaldensleben gebaut. Ge- fahr droht allein dem spät gesäeten, durch Erdfloh und Unkraut. Der Morgen fordert Pfd. Saat und giebt etwa ı2 Scheffel Körner, welche 25— 32 pCt. Oel enthalten. *) Ueber den Anbau des Kümmels vergl. Annalen Bd. 27 S. go und Bd. 29 $. 383. 16* 944 XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Wahrscheinlich die jüngst benutzte einheimische Gewürzpflanze ist der Hopfen (FHumulus lupulus), der in den meisten Gegenden des preussischen Gebietes in Wäldern und an Hecken wild wächst, dann aber nur ein höchst geringes, zum Brauen kaum brauch- bares Produkt liefert. Die Benutzung des Blüthenstaubes seiner weiblichen Blüthen als Würze des Biers scheint erst um das Ende des 14. Jahrhunderts aufgekommen zu sein; in England wurde darin noch im Beginn des 17. Jahrhunderts ein schädlicher Zusatz gesehen, indess begann um diese Zeit die allgemeine Verbreitung. In der Mark, um Bukow ') und bei einigen Orten der Priegnitz, in Pommern bei Pölitz, in Sachsen bei Halberstadt, Hornburg, Gardelegen, Kalbe, ebenso um Bitterfeld wird seit lange Hopfen gebaut, auch bei Radis (Kr. Wittenberg) und in Frankenhayn, Oelsnig, Osterode, Sehlieben und Naundorf (Kr. Schweinitz), finden sich einige örtlich herkömmliche Kul- turen. In Schlesien hat sich der Hopfenbau seit dem vorigen Jahrhundert im Münster- bergischen verbreitet. Neuerdings ist er auch am Rhein, im Kreise Bitburg, in den Orten Kyllburg, Mahlburg, St. Thomas und St. Balduin, und im Kreise Neuwied in der Gemeinde Isenburg begründet worden. Der einzige Sitz der Hopfenkultur aber, der durch Masse und Güte des Produkts die Konkurrenz des böhmischen (Saatzer) und des fränkischen (Spalter) zu bestehen vermag, ist das in verhältnissmässig kurzer Zeit zu grosser Bedeutung gelangte Neutomysl im Kreise Buk?). Die ersten Anfänge dieses Anbaues sind auf hussitische Einwanderer zurückzuführen, welche um die Mitte des ı5. Jahrhunderts Chmielinka (Hopfendorf, 3 Meilen westlich von Buk) anlegten. Um 1700 siedelte der Grundherr von Tomysl auf seinem damals zu Polen gehörigen Grunde mehrere Schaaren evangelischer Flüchtlinge?) als Hauländer in und um die jetzige Ortschaft Neutomysl an, für welche er 1778 Erlaubniss zum Bau einer evan- gelischen Kirche und 1786 Stadtrecht erhielt. Diese Kolonisten griffen den für den dortigen Boden (Bd. I. S. 242) sehr geeigneten Hopfenbau auf, der sich bald auch auf die benachbarten Ortschaften verbreitete. Lange Zeit hatte indess das Produkt nur eine untergeordnete örtliche Bedeutung, weil die Bierkonsumtion jener Gegend dem Branntweingenuss gegenüber schwach ist, der Absatz nach Aussen aber bei den mangel- haften Kommunikationsmitteln durch Zwischenhändler vermittelt wurde, welche die Preise unverhältnissmässig niedrig hielten. Bis zum Jahre 1837 betrug der jährliche Hopfenertrag der gesammten Gegend durchschnittlich nur etwa 500 Otr. Der Kaufmann J. J. Flatau hat das Verdienst, sowohl den rationelleren Betrieb des Anbaues, als auch den Verkauf im Grosshandel hervorgerufen zu haben. Es gelang in wenigen Jahren durch sorgfältige Behandlung ein Erzeugniss hervorzubringen, welches nach sachverstän- digen Aussprüchen an Kraft und Haltbarkeit dem Spalter und an Feinheit dem Auschaer Hopfen nahe kam. Auch Seitens der Regierung wurde gesucht, die aufblühende Kultur durch Verbesserung der Kommunikationen, Beschaffung von Saatzer nnd Spalter Fech- sern, die sich indess wenig bewährt haben, und durch Anregungen und Aufmunterungen verschiedener Art zu fördern, und der Landrath des Buker Kreises, v. Saher, der 1) Historische Bemerkungen über den Hopfenbau in der Stadt Bukow und Umgegend von Kuchenbach, s. im 4. Jahresbericht des historisch-statistischen Vereins zu Frankfurt a./O. 2) Hopfenbau und Bierfabrikation im preussischen Staate von Helwing, Zeitschrift des statistischen Büreaus Jahrg. I. Nr. 3 und II. Nr. 101. — Ueber Hopfenbau von J. J. Flatau, Berlin 1861. 3) Vergl. oben Bd. I. S. 309 und Zeitschrift a. a. O. Jahrg, I. S. 83. XXI. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. 245 selbst Hopfenkultivateur ist, wirkte durch Wort und Schrift für die Vervollkommnung des Verfahrens*). Einen besonders günstigen Wendepunkt bildete das Jahr 1861, in welchem durch ein völliges Missrathen des Hopfens in den meisten europäischen Län- dern die Preise des Neutomysler Produktes bis auf das vierfache stiegen und der Gegend plötzlich ein Betriebskapital von etwa 2000000 Thlr. zufloss. 1860 waren in den Distrikten Neutomysl, Hammer, Rackwitz, Grätz, Tirschtiegel, Neustadt und Buk 133781 Schock Hopfenstöcke mit ungefähr 20000 Ötr. Produkt vorhanden, schon 1861 breitete sich die Kultur trotz der weit gesunkenen Preise auf 6000 Morgen aus. Sie bildet seitdem mehr und mehr einen wesentlichen Hebel für den Wohlstand der Pro- vinz. Bezüglich der Erträge wird angenommen, dass ro Schock Hopfenstöcke in der Regel ı Ctr. getrockneten Hopfen geben. Auf den geeigneten Böden des Distrikts Neutomysl steigt der Ertrag in guten Jahren auf ı Ötr. von etwa 6 Schock Stöcken. Auf den Morgen rechnet man etwa 7 Ctr. Ausbeute, im Durchschnitt der Gesammt- dauer einer Pflanzung von 16—20 Jahren darf man jedoch nur 4Ys Otr. annehmen. Wiederkehren darf Hopfen erst, wenn das Land 7—ıo Jahre mit anderen Früchten, die indess keiner Düngung bedürfen, bestellt worden ist. Die Fortpflanzung des Hopfens geschieht allein durch Wurzeltriebe, welche von mindestens 4 Jahr alten, möglichst edlen Hoffenstöcken als letztjährige Triebe so am Wurzelstocke abgeschnitten werden, dass sie bei 4—7 Zoll Länge und Fingerstärke 2 Reihen Augen oder Triebe haben, von denen die eine nach oben, die andere nach unten sprossen kann. 200 weibliche Pflanzen fordern ı männliche. Je 3 Fechser werden in durchschnittlich 3—4 Fuss Entfernung neben einen Pflock gesteckt, der später durch die Stange ersetzt wird. Das richtige Winden und Biegen der Ranken von links nach rechts an den Stangen, das Behacken, Ausbrechen der Zweige, Düngen und Nachdüngen, der Schutz gegen den Wind, die rechtzeitige Ernte, das Beschneiden und Ueberwintern erfordern sehr viel Zeit, Sorgfalt und eingewohnte Arbeitskräfte. Zur Ernte werden die Ranken 2 Fuss über der Erde abgeschnitten, von der ausgehobenen Stange abgestreift und die Samendolden gepflückt. Beim Trocknen dürfen sich diese anfangs nicht berühren und müssen auf den Böden täglich gewendet werden. Bei Anwendung von Horden oder Darren darf die Wärme nur allmählich steigen und höchstens 24 Gr. R. erreichen. Auch Frost schadet dem Samen. Nach allem dem ist der Ertrag den verschiedensten Wechselfällen unterworfen. Aehnlich schwanken auch die Preise von 15 und 30 bis 100, selbst 150 Thlr. vom Ctr. 2— 3 Pfd. Hopfen sind zu roo Pfd. Malz erforderlich **). E. Die Arzneipflanzen, welche landwirthschaftlich auf dem Staatsgebiete angebaut werden, sind in nicht unbeträchtlicher Zahl den in Deutschland wild wachsenden oder wenigstens den verwilderten Gewächsen entnommen. So wächst auf steinigen und sandigen Böden und auf Hecken und Schutthaufen der Beifuss (Artemisia vulgaris), Wermuth (Artemisia absinthium), die Königskerze (Verbascum thapsus), Baldrian (Va- leriana offieinalis). Sie können auf jedem geringen Lande kultivirt werden. In feuchter Lage, auf Waldwiesen und Grabenrändern wachsen Alant (Inula helenium), *) Der praktische Hopfenbau und der Hopfenhandel von v. Saher, Frankfurt a./O. 1860 und 1862. **) Analysen von Hopfen s. Jahresbericht a. a. O. V. 58, VII. 114, ı15, IX. 105. — Ueber den Einfluss des Hopfens auf die Würze, ebd. IX, 429. 246 XXU. Die im Staatsgebiete kultivirten Brotfrüchte, Futter- und Handelsgewächse. Angelika (Angelica offieinalis), Bärenklan oder Heilkraut (Heracleum sphondilium), Althee oder Eibisch (Althaea offieinalis), welche, auf frischen Mittelböden gebaut, gut gedeihen. Alle diese Kräuter werden vorzugsweise in Sachsen in der Umgegend von Erfurt, Baldrian und Artemisia besonders im Gleissethal kultivirt. Arnieca oder Wohl- verlei (Arnica montana), die auf feuchten Bergwiesen der höheren sächsischen Gebirge wild vorkommt, wird dort auch auf einschürigen schlechten Wiesen, welche umgearbeitet werden, mit dem Grassamen eingesät und eingewalzt und ist nach 3 Jahren stechbar '). Kalmus (Acorus calamus) wächst in Teichen, Bächen, ehemaligen Flussbetten und Sümpfen wild und wird hier und da an geeigneten Stellen durch eingelegte Wurzelstücke vermehrt. Von Arzneipflanzen, die von auswärts eingeführt worden sind, kommen auf schlechtem Boden die südeuropäische Bertramwurz (Anthemis pyretbram), Dosten (Ori- ganum ereticum) ebenso Ysop (Hysopus officinalis) ohne besondere Pflege fort; einiger- massen geschützte Lagen bedürfen Kardobenediktenkraut oder die Heildistel (Centaurea benedicta), Lavendel oder die Spike (Lavendula spica) und die Salbei (Salvia officinalis). Bittersüss (Solanum dulcamara) bedarf feuchter Lage, Abhänge oder Bach- und Teich- ufer. Guten Boden in trockener Lage fordert die Malwe (Malva nigra)?), die Melisse (Melissa offieinalis) und der Rhabarber (Rheum). Feuchte frische Böden von gewisser Bündigkeit fordern Benediktenkraut (Geum urbanum), Siebenzeiten oder Bockshorn (Trigonella foenum graecum)°), Schwarzkümmel (Nigella sativa), Pfeffermünze (Mentha piperita) Krausemünze (Mentha crispa offieinalis), Enzian (Gentiana lutea). Am besten auf Flussauen gedeiht Süssholz (Glyeyrrhiza). Die meisten dieser Arzneipflanzen wer- den nur auf kleinen geeigneten Grundstücken, vorzugsweise in der Provinz Sachsen, zum Theil aber auch am Östfusse des Riesenkammes im Hirschberger Thale von den sogenannten Laboranten angebaut, welche besonders in früherer Zeit allerhand Kräuter- säfte als Arzneimittel vertrieben. Bertramwurz, auch gefleckter Sehierling (Conium maculatum) und Bilsenkraut (Hyoseyamus) werden bei Magdeburg kultivirt. Am meisten feldmässig kommt von den Arzneipflanzen die Kamille vor. Man baut “unter diesem Namen 2 verschiedene Pflanzen, die römische Kamille (Anthemis nobilis) und die Feldkamille (Matriearia chamomilla). Erstere wird mit meist 4jähriger Dauer in besonderen Plantagen gezogen, behackt und bejätet und liebt einen fetten, lockeren Boden, den sie stark aussaugt. Die erste Ernte ihrer Blüthen erfolgt in der Regel im Juni; in günstigen Jahren können die Blumen fünfmal gesammelt werden. Die Feld- kamille wächst in Deutschland überall wild, ist sehr allgemein im Gebrauch und wird in mehreren Theilen der Provinz Sachsen und bier und da in Schlesien als Feldpflanze angebaut. Der Morgen liefert durchschnittlich 3 Ctr. getrockneter Blumen. 1) Analysen von Arnica, Aconit und Schierling s. Jahresber. a. a. O. VI. 53, VII. 100, VII. 120, IX. 122. 2) Versuche mit dem Anbau vergl. Annalen Bd. 35 S. 400. Sie wird besonders in Schilfa (Kreis Weissensee) gebaut. 3) Siebenzeiten oder foenum graecum wird besonders im Erfurtischen, in Andesleben, Dachwig, Ringleben und der Geraniederung, in Straussfurt, Schönstedt, Schilfa, Sömmerda, Klein-Ballhausen, Griefstedt (Kreis Weissensee), in Sangerhausen und Neuhaldensleben kultivirt. XXM. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Der feldmässige Anbau von Gartenfrüchten ist in dem das Ackerland behandeln- den Abschnitte XXI. besprochen worden, es sollen im folgenden die näheren Angaben zusammengefasst werden, welche über den eigentlichen Gartenbau d. h. den Anbau und die Verwendung von Zierpflanzen, sowie den Gemüse-, den Obst- und den Weinbau für das Gebiet des preussischen Staates zu Gebote stehen, — Schon das Alterthum kannte in den jetzt preussischen Landstrichen an der Mosel und am Rhein die von Ausonius besungenen schmuckvollen Gärten der römischen Villen*); und Gemüse, Obst und Wein wurden hier unbezweifelt theils durch Gallier und Deutsche (Bd. II. S. 9), theils durch die römischen Kolonisten künstlich angebaut. Der Kaiser Probus beschäftigte seine Legionäre mit ausgedehnten Weinbergsanlagen. Die praktische Seite dieser Kulturen hielt das Mittelalter in höherem Masse fest, als man anzunehmen pflegt. Die Volksrechte, die u. a. Strafen für den Baumfrevel fest- setzen, zeigen die schon damals grosse Verbreitung des Weins, der Aepfel, Kirschen, Birnen und anderer Obstbäume und der Kunde des Pfropfens**). Die mehrbesprochenen Hausgrundstücke mit Gartenrecht (Bd.I. S. 348, Bd. II. S. 123), die schon in ihrer Anlage auf die unmittelbaren Bedürfnisse des Hauses berechnet waren, tragen seit dem ältesten Gedächtniss landesübliche Gemüse und Obstarten. Auch lässt sich dem Ca- pitulare de villis seinem Wortlaute nach mindestens für die Rheinlande der Sinn einer Neuerung nicht beilegen. Der Anbau, der hier angeordnet wird, war allgemein be- kannt. Tiefer nach Deutschland hinein wurden indess die feineren Kulturpflanzen un- bestritten erst von den Klöstern verbreitet. *) Ausonius, Mosella. — Vergl. A. Bacmeister: Allemanische Wanderungen, Stutt- gart 1867. **) Lex salica VIII. $$ 1, 3, XXVII. $$ ı1, 21, 23. — Lex Bajuvariorum Tit. XII. cap. 12, $ 2, Tit. XXI. $$ 1, 4, 5. — Ch. E. Langethal: Geschichte der teutschen Landwirth- schaft, Jena 1847—1856, Bd. I. S. 55 fi. 248 XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Um 610 werden die 6artenkulturen des Columban ‚und Gallus bei Bregenz, um 724 die des Pirmin auf der Insel Reichenau rühmend erwähnt. Die noch heut überall in den Gärten der deutschen Bauern als Zier- und Arzneipflanzen beliebten Blumen: Rosen, Nelken, Thymian, Lavendel, Malwen, Münze, sowie die meisten feineren Obst- sorten führen sich auf die Klostergärten zurück. Für die Verbesserung des Gemüse- und Obstbaues waren die zahlreichen Mitglieder dieser Brüderschaften, die den Süden und seine Früchte kannten, von grossem beglaubigtem Einflusse,. Mit dem Aufblühen der Städte fand Gartenkultur auf ihren Weichbildsfluren eine durch das Bedürfniss gebotene und von den mächtigen Bürgerschaften geschützte lohnende Entwickelung. Von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung ist das allgemeine Auftreten des Weinbaues in den nördlichen Gegenden. Nachrichten über Weinberge in Sachsen finden sich schon 1073; bald auch über Anlagen in Thüringen und in der Altmark. Um 1285 wurde bei Stendal so viel Wein gewonnen, dass er in den Handelsbetrieb kam. Ebenso sind in der Mark Brandenburg Weinberge und Weinzehnten, namentlich bei der Stadt Brandenburg, bereits im ı2. Jahrhundert beglaubigt*). Im 13. und 14. bildete der märkische Wein einen wichtigen Nahrungszweig des Landes und wurde stark nach Sachsen, Thüringen, Böhmen, Preussen, Polen und Russland ausgeführt. In Schlesien wird des Weinbaues zuerst während der Regierung Heinrichs I. (1201— 1238) urkundlich mehrfach und zwar besonders für die Gegend um Trebnitz erwähnt. Eine päpstliche Bulle von 1245 nennt Weinberge der Johamniskirche in Breslau, und 1253 erhielt das Matthias-Hospital ebenda den Weinzehnten von Schlaup (Kr. Jauer). Auch gedenkt Herzog Bolko I. 1292 in der Stiftungsurkunde für das Kloster Grüssau der Weinländereien um Löwenberg; zahlreiche andere Weinberge sind durch die übrig gebliebenen Namen bezeugt. In Pommern pflanzte schon der Bischof Otto von Bamberg ı128 Reben an, und nach und nach erstreckte sich der Weinbau auch über Preussen bis Königsberg, ja sogar bis nach Tilsit. Die Chroniken rühmen u. a. das Jahr 1379 als eins der gesegnetsten Weinjahre jener Gegenden, in dem schon um Jacobi die Trauben eingesammelt wurden. Eine Sage lässt den Hochmeister Winrich von Kniprode dem Papst ein Fass preussi- schen Wein verehren, und unter den damals in Danzig zum Verkauf gestellten Weinen wird in der Regel auch der Thornische aufgeführt. Schon im 15. Jahrhundert aber wird der Rückgang bemerkbar. 1437 vernichtete der ausserordentlich strenge Winter alle Weinberge an der Weichsel, bei Mewe, Neuenburg, Schwetz, Kulm und Thorn, und aus dem Jahre 1568 wird ausdrücklich berichtet, dass sie nicht wieder angebaut worden seien. In Schlesien wurden 1427 die Anlagen bei Löwenberg durch die Hussiten gänzlich zerstört und seitdem nicht wieder hergestellt. Mit dem Jahre 1431 trat für alle schlesischen Landstriche eine lange Zeit der Missernten ein, 1453 erfroren um Grünberg die Reben bis an die Wurzel, und 12 Jahre hindurch war von einer Weinlese nicht mehr die Rede. Zum Theil be- wirkte dieser Verlust, dass viele edle Weinsorten aus Ungarn, Oesterreich und Franken zum Ersatz bezogen wurden; 1484 war wieder ein Weinjahr, in dem die Fässer fehlten, um den gekelterten Wein zu fassen. Indess nahm mit Ausnahme der günstigsten *) Das schlesische Weinland oder der Wein- und Obstbau im Kreise Grünberg von L. Jacobi, Breslau, Trewendt, 1866. XXIIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 249 Lagen der Anbau in allen schlesichen und posenschen Gegenden mehr und mehr ab, und selbst die erst 1576 bei Beuthen und 1634 bei Karolath gemachten Anlagen wurden allmählich bis auf ein Geringes beschränkt. Gleiches Schicksal hatte die Weinkultur in der Mark und der Provinz Sachsen. Allerdings wurden bei Guben 1544 noch 3 884 Fass weisser und 2 188 Fass rother Weine gewonnen, 1559 liess die Stadt Gardelegen noch 3 Frachtwagen Setzreben kommen, 1565 bestanden allein bei Berlin und Köln noch 92 Weinberge, und die Landweine gingen damals stark nach den Seehäfen, besonders nach Hamburg, um zur Verfälschung französischer Weine zu dienen. Auch wurden unter anderen noch 1578 und 1617 für die kurfürstlichen Weinberge, wie für den Rebenbau der Mark überhaupt Weinmeisterordnungen erlassen; die kurfürstlichen Keller waren mit einheimischen Weinen wohl versehen, und bis in das 17. Jahrhundert erlaubten die Polizeiordnungen bei Hochzeiten, Kindtaufen und anderen Festen hauptsächlich oder ausschliesslich nur märkischen Wein und duldeten daneben höchstens rheinischen. Nach und nach aber blieben allein einige Punkte an der Havel und selbst in Sachsen nur die vortheilhaftesten Lagen an der Elbe und Saale dem Weinbau erhalten. Hie und da kann zu dem Verfall desselben die Verringerung schützender Wal- dungen beigetragen haben; wollte man den Wechsel aber in grösserer Ausdehnung mit dem Klima in Verbindung bringen, so müsste man eine durch andere Thatsachen bis jetzt nicht hinreichend unterstützte, allgemeine ungünstige Wendung des letzteren für Norddeutschland annehmen. Näher liegt, dass die frühere Zeit auf das Verhältniss des Ertrages zu den Kosten und auf die zahlreichen ausfallenden Jahrgänge keine Rücksicht nahm, und wenig wählerisch mit dem Gewächs war, dessen Säure oft erwähnt wird und das vielfach mit Honig versetzt getrunken wurde. Wie es nach Öolers Zeugniss*) scheint, gab das 16. Jahrhundert, welches bei seinem weit entwickelten Handel und Luxus südlichere Weine zur Verfügung hatte, mit der mehrgedachten energischen Wendung zu einsichtiger Landwirthschaft das nutzlose Bestreben eigener Weinerzeugung auf, und wandte sich wesentlich dem feineren Gemüse- und Obstbau zu, der umsomehr Bedürf- niss und Sitte wurde, je allgemeiner der Adel dauernd auf seinen Gütern zu wohnen und für sein Hauswesen selbst zu sorgen begann. Der Gartenbau der Stadtfluren, den die Zeitgenossen in hohem Grade rühmen, und an welchen die verschwenderischen Tafeln jener Zeit unzweifelhaft grosse Ansprüche machten, war das naheliegende Vorbild. Heresbach führt 1571”*) in seinen 4 Büchern über die Landwirthschaft als im Garten zu bauende Gewächse, von denen der Gutsinspektor weniger, als seine Frau zu verstehen brauche, ausser den Möhren, Kohl- und weissen Rüben, Rettigen, Radisen, Pastinaken, Zuckerwurzeln, Rapunzeln, auch Kohl mit breiten, krausen und zarten kleinen Blättern auf, ferner Kappes, Spinat, Sauerampfer, Petersilie, Mangold und besonders Spargel. Als Küchenkräuter nennt er Lauch oder Porree, Winterzwiebeln, gemeine Zwiebeln, Schnittlauch, Knoblauch, Weinraute, auch Fenchel, Anis, Koriander, Dill, Kerbel, Senf, Mohn, Portulak, Boretsch, Salbei, Münze, Pimpinelle, Saturei, Basilikum, Ysop, Majoran und Thymian. An Salatpflanzen wurde Gartensalat als krauser Lattich und Knopflattich gezogen; ferner Endivien, Gartenkresse und Brunnenkresse. Ebenso wurden Gurken, Kürbisse in verschiedenen Arten, Melonen, Erdbeeren, Himbeeren, *) Langethal a. a. O. Bd. 3 S. 146. **) Vergl. Langethal a. a. O. Bd. 3 S. 244. 250 XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. und ‚Johannisbeeren gebaut, und eine Menge verschiedener Arzneipflanzen, Blumen und Ziergewächse. Coler sagt um 1590 von den Bauersleuten in der Mark Brandenburg allerdings, „dass sie sich nicht gross auf Garten befleissen, wohl ein kleines Flecklein Landes be- zäunen, dass sie nur ein wenig Kohl, Mohrrüben, Petersilien und dergl. nöthige Dinge darein haben; aber in den Garten hinter dem Hofe Getreide hinein säen, und wenig Bäume darinnen gefunden werden“. Für die Gutsgärten dagegen spricht er von dem Anbau fast aller vorgenannten Gartengewächse, und nennt von Obstsorten in der Mark, Sachsen und Schlesien: Borsdorfer Aepfel, Weinlinge, Glasäpfel, Adamsäpfel, Jungfern- äpfel, Melauner Süssäpfel, Sommeräpfel und Gewürzäpfel; ferner Honigbirnen, Speck- birnen, Waldbirnen, Winterbirnen, Muskatellerbirnen, Parisbirnen, Pfalzgrafenbirnen, Haferbirnen und Zuckerbirnen; von Pflaumen: Marunkeln, Spillinge, Zwetschen, unga- rische und Damascener Pflaumen; von Kirschen: Amarellen, Weichselkirschen oder rothe, schwarze, süsse und saure Kirschen; endlich Wallnüsse, rothe Lampertsnüsse, Pfirsich, Mandeln, Maulbeeren, Quitten, gute Kastanien, Mispeln und die meisten be- kannten Gartenbeeren. Obwohl diese Kulturen in Mitteldeutschland auf weite Strecken vom 30jährigen Kriege vernichtet wurden, zeigt doch die im XVI. Abschnitte (Bd. ILS: 10) be- sprochene Literatur, wie kräftig in ruhigerer Zeit das Interesse für den Gartenbau wieder erstand, und wie sich bald, namentlich in Erfurt, das schon Luther des heiligen römischen Reichs Gärtner nannte, die eigentliche Handelsgärtnerei als Gewerbe und kaufmännisches Geschäft entwickelte. In diesem neuen Aufschwunge wurde wesentlich auch das Streben nach der Ge- staltung grosser Zier- und Prachtanlagen lebendig. Allerdings beherrschte die Idee des reichen Pflanzenschmuckes schon im 12. und r3. Jahrhundert in Deutschland fast die gesammte bildende Kunst, und das Innere eines Kreuzganges konnte Anregung genug zu geschmackvoller Anordnung eines Gartens geben. Es wird erzählt, dass Albertus Magnus in seinem Kloster zu Köln im Winter 1255 dem Könige Wilhelm von Holland in einem blühenden Treibhause ein viel- besprochenes, glänzendes Festmahl gab. Indess ist die allgemeinere Entwickelung der höheren Gärtnerei in Deutschland unstreitig auf die Vorbilder Italiens, Frankreichs und Hollands zurückzuführen. Die Ausbildung der verfeinerten Gartenkunst in diesen Ländern ging von den grossartigen Anlagen der Medizäer aus, mit denen dieselben seit der Mitte des 15. Jahr- hunderts Toskana, und Florenz insbesondere schmückten. Dem Zeitalter der Renaissance entsprechend knüpften sie auch im Gartenbau an den Gedanken des Alterthums an, dem der Garten nur Schmuck und Ergänzung der Architektur des Hauses war. Sie erweiterten die prächtigen Fronten ihrer Paläste durch bestimmt und in strenger Re- gelmässigkeit anschliessende Terrassen und Parterres von Blumen, Wiesen und Teichen, die mit künstlichen Gruppirungen von Buschwerk, ausgewählten Bäumen, Lauben von Obst und Wein, mit Orangerien, Statuen, Grotten und Springbrunnen verziert und be- grenzt, die inneren Wohnräume harmonisch fortsetzten. Grössere Dimensionen und den Charakter selbstständiger von Baum- und Buschwerk gestalteter, von Lusthäusern und Wasserwerken unterbrochener Bauten, nahmen diese Anlagen in Frankreich an. In den Gärten von Versailles, Chantilly, St. Cloud, Meudon, Trianon, St. Germain u.a. XXI. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 251 erlangte diese Geschmacksrichtung durch Le Nötre ihre vollkommenste Ausbildung *). Holland ahmte die französischen Gärten namentlich in der Richtung nach, dass es, im allgemeinen getreu dem üblichen zum Gesetz gewordenen Hauptplane, gleichwohl be- sonderes Gewicht auf die Kultur der Blumen und des Obstes legte. Diese, die der französische Geschmack nur in wohlgeformten Beeten, Labyrinthen und Spalieren in die Hauptmassen des Gartens verflocht, wurden im holländischen zu einer leidenschaft- lieh mit Aufwand fast unglaublicher Mittel verfolgten Hauptsache, deren Pflege durch die Pflanzenschätze der fernen Kolonien und die beginnende wissenschaftlichere Be- handlung der Botanik und Pflanzenkreuzung immer neue Anregung erhielt. In Deutschland machte sich die Vorliebe für diese wissenschaftliche Richtung am frühesten und in unmittelbarer Beziehung zu den erweiterten Anschauungen geltend, welche die Zeit der grossen Seeentdeckungen brachte. Aller Orten entstanden Samm- lungen des Seltenen, Wissenswürdigen und Eigenthümlichen. Berühmte, von Gelehrten gepflegte private und öffentliche botanische Gärten werden 1525 zu Erfurt, 1530 zu Kassel und Marburg, 1541 zu Breslau, 1552 zu Königsberg und gleichzeitig zu Nürn- berg und Tübingen genannt. Sie wurden oft in kostbaren Werken beschrieben und fehlten nach und nach an keiner Universität oder Akademie. Daneben wird von man- chen absonderlichen und künstlichen Gärten und Gartenspielereien berichtet. Die Anlage geordneter, stylmässiger Ziergärten aber begann hier im wesentlichen erst mit dem Eindringen des französischen Geschmackes, der vom Hofe Ludwig XIV. aus alle Neigun- gen des Luxus und der Mode auf mehr als ein Jahrhundert zu beherrschen vermochte. Allerdings durchbrach bereits um 1700 William Kent diese Richtung durch einen Ge- danken, den schon Bako und Adisson ausgesprochen hatten und dem Pope und Horace Walpole beipflichteten. „Ein Lustgarten soll nichts anderes sein, als eine schöne Land- schaft zu einem Ganzen idealisirt vereinigt, in geschmackvoller und den Formen der Natur entsprechender Gestaltung.“ Nach diesem Grundsatze führte Kent den sogenannten englischen Geschmack in’s Leben und gewann damit in England Boden. In Deutsch- land aber fand er erst gegen Ende des Jahrhunderts die Anerkennung, die für die Gegenwart zu unbestrittener Geltung durchgedrungen ist. — Auf preussischem Boden entstanden die ersten Anfänge der heutigen Gärten und Parke um Berlin und Potsdam durch Joachim 11.**). Friedrich II. (r1440— 1470) hatte das erste Schloss in Berlin, Joachim I. (1499— 1535) eine Burg in Potsdam gebaut. Bei letzterer legte Joachim Il. (1535 — 1571) einen dreieckigen Schlossgarten an, auch wurde von ihm 1553 zu Berlin in der Köpenicker Vorstadt der grosse Spiegelsche Garten angekauft und die Anfänge zum Thiergarten auf dem Boden der heutigen Dorotheenstadt gemacht, zu welchen schon 1527 Terrain erworben worden war. Johann Georg (1571— 1598) versah den Spiegelschen Garten mit neuen Anlagen und liess den Potsdamer Schlossgarten mit Obstbäumen bepflanzen. Das dortige Amt besass damals einen sehr grossen Hopfen- und zwei Gemüsegärten, kleinere wurden ausserdem gegen *) F. Cohn: Geschichte der Gärten, ein Vortrag, Berlin 1856. — L. F. Dietrich: Ge- schichte des Gartenbaues, Leipzig 1863. *) O. Teichert: Geschichte der Ziergärten und der Ziergärtnerei in Deutschland wäh- rend der Herrschaft des regelmässigen Gartenstyls, Berlin 1865, S. 101. — Paul Sorauer: Geschichtliche Notizen über die Entwickelung der Gärtnerei in Berlin und Potsdam; Garten- flora, Monatsschrift, Erlangen 1866, Oktober- und Novemberheft $. 295, 326, 1867 S. 139. 252 XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Zins an die Bürger verpachtet. In Berlin, wo inzwischen der berüchtigte Thurneisser seinen kostspieligen Wundergarten am grauen Kloster eingerichtet hatte, legte Johann Georg 1573 durch den dazu berufenen Desiderius Korbianus den Lustgarten in der bis dahin wüsten und morastigen Gegend zwischen dem Schlosse und dem heutigen Dome an. Auch das Schloss wurde 1590 von ihm verschönert. Joachim Friedrich (1598 — 1608) und seine Gemahlin Katharina unterhielten neben anderen einen Garten an der Stelle des heutigen Monbijou, einen Weinberg auf dem Brauhausberge, und schmückten den erweiterten Spiegelschen Garten mit einem Lust- und Tanzhause; derselbe enthielt da- mals einen grossen, reihenweise besetzten Obstgarten und einen netzförmig angelegten Blumengarten, auf dessen Beeten Anemonen, Narzissen, Rosen, Nelken, Levkoyen, Lack, Lilien und Astern gezogen wurden. Im 30jährigen Kriege verwilderten alle diese Anlagen. Die Berliner Gärten wurden zum grossen Theile niedergebrannt und als Terrain zu den neuen Befestigungen verbraucht. Nach kaum gesichertem Frieden aber fanden sie schon durch den Grossen Kurfüsten besondere Förderung, die ebenso aus persönlicher Neigung für Gartenbau und Obstzucht, als aus der Ueberzeugung entsprang, dass auch in dieser Kulturrichtung ein wesentliches Hülfsmittel für die Wiederaufrichtung seines zerrütteten Landes liege. Er fasste dies so energisch auf, dass er bekanntlich verbot, die Trauung eines Ehe- paares vorzunehmen, ehe es nicht 6 Bäume gepflanzt habe, die überall, wo es anging, Obstbäume sein sollten*). In sorgsamer persönlicher Pflege der Gemüse, Sämereien und Fruchtbäume stand ihm nicht allein der Hausmeister v. Schwerin, sondern namentlich auch der Feldmarschall Derfflinger zur Seite, der in seinen Anlagen zu Gusow mit den kurfürstlichen in dem Gewinn früher Gemüse wetteiferte. Bis dahin mussten diese der Hoftafel mit der Post von Nürnberg oder Hamburg zugehen. Schon 1646— 1649 wurde der Lustgarten in Berlin und Monbijou neu eingerichtet, 1652— 1656 baute Meinhard in ersterem ein Pomeranzenhaus, und es wurden Springbrunnen und Statuen aufgestellt. 1660 wurde das neue Schloss zu Potsdam begonnen, die Orangerie seiner grünen Treppe erlangte bald Berühmtheit. Zu den Erweiterungen der Anlagen wurden viele Lände- reien angekauft, auch entstanden schon Lusthäuser in Glienicke und auf der Pfauen- insel, und die kurfürstlichen Weinberge waren sehr ausgedehnt. Man zählte über 1500 Obstbäume, 6 grosse, 36 kleine Springbrunnen und 27 Kaskaden. Damals sammelte auch Elsholz im botanischen Garten zu Schöneberg zahlreiche merkwürdige und kost- bare Pflanzen. 1665 baute Meinhard das Schloss Oranienburg, 1675 vollendete er das Schloss und den Schlossgarten zu Potsdam. 1680 pflanzte Dorothea von Holstein den ersten Baum zu den heutigen Linden, welche 1699 ihre sechsfache Reihe erhielten; sie verschönerte auch Schwedt. Die Gärten des Grossen Kurfürsten galten als die ersten und bewunderungswerthesten Deutschlands und regten zu zahlreichen Anlagen in der Nähe und Ferne an. Unter Friedrich I. baute Schlüter das Schloss von Charlottenburg, und Simon Godian legte nach Le Nötre’s Plänen den Park an. 1701 wurden bis in die Nähe desselben breite Alleen durch den Thiergarten geschlagen, auch Friedrichsfelde durch eine vierfache Lindenallee mit Berlin verbunden. Eosander von Göthe, der Charlotten- burg vollendete, baute in Oranienburg, dessen Garten nach Le Nötres Angaben ein- gerichtet worden war, ein Orangeriehaus. Der botanische Garten nahm unter Michelmann *) 1685 und 1691 Mylius, Cod. Const. March. Tbhl. 5, Abth. 3, Kap. 2. XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 253 neuen Aufschwung, und es wurde als Kulturversuch ein Klee- und ein Saffran- garten neben ihm eingerichtet. Die französischen Refugies, die damals in Berlin auf- genommen worden waren, begannen in der Stadtflur Gemüse- und Blumentreibereien, die sehr schnell einen beträchtlichen Erwerb bildeten; ein grosser Theil der Hofgärtner stammt aus diesen Familien. Friedrich Wilhelm I. legte an Nutzen und Kosten der Königlichen Gärten einen anderen Massstab als sein Vater. Er beschränkte den Gartenetat auf das äusserste, liess die Schlossgärten zu Berlin, Potsdam und Königsberg zu Exerzierplätzen ein- richten, forderte vom botanischen Garten, den sich Gundelsheimer zur Oberleitung und Benutzung bei seinen Vorlesungen erbat, die Versorgung der dorthin geschafften Orangerien, und legte neu nur den Marlygarten in Potsdam, in welehem gegenwärtig die Friedenskirche steht, als einen grossen, vom Bedürfniss geforderten Küchen- garten an. Friedrich der Grosse erkannte wieder im vollsten Masse die Ziele der Kunst im Gartenbau als berechtigt an. Schon 1736 hatte er Rheinsberg, seine Gemahlin 1740 Schönhausen angelegt. 1742, noch während des Krieges wurde der grosse Stern im Thiergarten geschlagen, und in Potsdam nach v. Knobelsdorfs Entwürfen der Lustgarten wieder eingerichtet, das Reithaus der Orangerie zurückgegeben und das Schloss mit Säulen verziert. Eine Kabinetsorder von 1744 endlich ordnete die Anlage von Sanssouci an. Es entstand von 1745 an in wenigen Jahren unter den Baumeistern Hildebrandt und Bühring, Manger war Architekt, Zacharias Salzmann Gärtner. Gleichzeitig über- gab er den botanischen Garten Gleditsch, und stattete ihn mit reichen Mitteln aus, dagegen kassirte er das Pommeranzenhaus im Berliner Lustgarten, weil er den Platz zu dem heut noch bestehenden Packhause ausersah. 1763 begann der Bau des Neuen Palais in Potsdam, und alle Königlichen Gärten wurden in den ersten Friedensjahren sorgfältig wieder hergestellt. Dem strengen französischen Styl, der in jenen herrschte, folgten noch lange die zahlreichen, zum Theil sehr prächtig ausgestatteten Gärten, die die Schlösser des Land- adels schmückten. Lübbenau, Gusow, Boitzenburg, Stargard, Montrepos, Heilsberg, Fouquees Garten bei Brandenburg waren Muster guter Ausführung. Die erste zum Theil im englischen Geschmack gemachte Anlage im Staate scheint 1777 Graf Kamecke in Proetzel bei Brandenburg unternommen zu haben. Von Königlichen Gärten wurde als erster in diesem Geschmacke der Neue Garten in Pots- dam von Eiserbeck 1783 für Friedrich Wilhelm II. angelegt. Nach dem Ableben Friedrich II. gestaltete Eiserbeck binnen kurzem die meisten älteren Anlagen in diesem Sinne um; die Terrassen von Sanssouci aber blieben erhalten. Bei den um 1800 eingerichteten Gärten der Fürsten zu Oettingen-Wallerstein und Bentheim - Stein- furt scheint der französische Styl die letzte Anwendung in Deutschland gefunden zu haben. Neben den Königlichen Gärten und den Ziergärten vieler Privaten standen mit dem Ablaufe des Jahrhunderts auch die Handelsgärtnereien von Berlin in grosser Blüthe. Während sich Erfurt mehr und mehr den Sämereien zugewendet hatte, war Berlin ein Hauptort für frische Gemüse und Blumen geworden. Beide hatten auf preussischem Gebiete keine nennenswerthe Konkurrenz. — Während der napoleonischen Kriege mussten für die Gartenzucht überaus un- günstige Verhältnisse eintreten, Es konnte so wenig an die Erhaltung der Königlichen 254 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Gärten gedacht werden, dass die Verwaltung es vorzog, bei der Abwesenheit des Hofes im Lustgarten Getreide zu bestellen, und er mehrmals den Truppen als Lagerplatz eingeräumt wurde. Langsam nur erhob sich Zier- und Handelsgärtnerei nach endlich eingetretenem Frieden wieder. Die Wiederherstellung der Königlichen Gärten, das erste Erwachen des neuen Aufschwunges, ist, wie die folgende Entwickelung bis zur heutigen Blüthe, wesentlich an den Namen Peter Joseph Lenne’s*) geknüpft. Seit 1816, seinem 27. Jahre, bis zu seinem Tode 1866 war es Lenne vergönnt, für seine genialen Entwürfe bei seinen Fürsten eingehende Anerkennung und bereitwillige Gewährung der bedeutenden Mittel der Ausführung zu finden. Zunächst begannen die Arbeiten für den Ausbau des neuen Gartens zum englischen Park und die Schöpfungen auf der reizenden Pfaueninsel, die Friedrich Wilhelm III. zu seinem Lieblingsaufenthalte wählte. 1818 wurde der Lustgarten am Potsdamer Schloss, 1825 Charlottenhof, das Friedrich Wilhelm III. dem aus Italien zurückkehrenden Kronprinzen geschenkt hatte, 1827 die Kolonie Alexandrowka angelegt. 1832 wurden endlich die bedeutenden Umgestaltungen und Verschönerungen des Berliner Thiergartens ins Werk gesetzt. Als Friedrich Wilbelm IV. die Regierung übernahm, fasste seine besondere künstlerische Begabung auf dem Gebiete des landschaftlichen Baues die Pläne lebhaft wieder auf, die schon dem Grossen Kurfürsten und Friedrich II. für die Vereinigung aller Anlagen zu Potsdam in ein grosses harmonisches Ganze vorgeschwebt hatten. Lenne und Persius wirkten zusammen diesen Gedanken zu verwirklichen. Schon 1842 war auf bisher fast wildem Terrain die Fasanerie und der Hippodrom angelegt, 1853 brachte Persius die Fontainen von Sanssouci in Gang. 1347—49 wurde der Schiff- fahrtskanal, der um Berlin gegraben war, auf die ansprechendste und grossartigste Weise mit den bis Charlottenburg erweiterten Anlagen des Thiergartens verknüpft. 1849 war die Friedenskirche und die Neuschöpfung des Marlygartens vollendet, der Ruinenberg undder Pfingstberg ausgebaut, und endlich um 1851 bis 1856 das neue Orangeriehaus zur Ausführung gebracht. Dabei schlossen sich in dieser Zeit in weiterem Kreise die reizenden Anlagen von Babelsberg, Glienicke, Saerow, Bornstedt, des Brau- hausberges, der Wildparkstation und des Wildparkes selbst an Potsdam als Mittel- punkt an. — Eine solche Reihe bedeutender Unternehmungen konnte nicht ohne ersichtliche Rückwirkung auf die Gartenzucht der Privaten bleiben; früh aber erwachte auch der Wunsch der zunächst an ihnen Betheiligten, sie durch einen geeigneten Organismus als einen Mittelpunkt der Anregung, der Belehrung und der Hülfeleistung für das all- gemeine Beste zu verwerthen. Dies gelang in unerwartet glücklicher Weise. 1822 trat der Verein zur Beförderung des Gartenbaues im preussischen Staate ins Leben, der durch ein reges Zusammenwirken geistiger Kräfte der verschiedensten praktischen und theoretischen Richtungen diese Idee verwirklichte. Die Begründer waren von höheren Beamten v. Vincke, Ludolf, Ransleben, von Professoren Hermbstädt und Link, von Gutsbesitzern Cranz und Werkmeister, von Gärtnern L. Bouche, Fintelmann, Otto, und namentlich Lenne. Die Kabinetsorder vom 4. Juli 1822 genehmigte ihn unter mancherlei Begünstigungen. Die Theilnahme war allgemein. Lenne legte in einer der *) P.J. Lenne, Generaldirektor der Königl. Gärten, (Koch) in der Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den preussischen Staaten, 1866, Nr. 6, 8. 57 fl. XXII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 2355 ersten Sitzungen den umfassenden Plan zur Landesbaumschule, Bethe den zur Gärtner- lehranstalt vor, 1825 hatte der Verein schon 838 Mitglieder, 3 000 Thlr. Stammyermögen, 3 675 Thlr. Einnahme, konnte seine Verhandlungen drucken, eine reiche Bibliothek sammeln und jährliche Ausstellungen mit Prämiirungen veranstalten. Die Landesbaumschule und die Gärtnerlehranstalt wurden beide durch die Kabinets- order vom 20. August 1823 begründet. Nur sehr grosse Baumschulen, die mit einer gewissen Freiheit von den Rück- sichten auf Betriebskapital und mögliche Verluste arbeiten, vermögen die Massen von Pflänzlingen und starken Bäumen jeder Art zu erzeugen, welche nothwendig werden, wenn, wie damals, in weiteren Kreisen der Sinn für Garten- und Parkeinrichtungen lebhaft erwacht. Schon die Anlage eines einzigen grösseren Parkes fordert eine so bedeutende Menge von Stämmen und Pflanzen, dass von der Ausführung abgestanden werden muss, wenn für die Beschaffung lediglieh gewöhnliche Privatbaumschulen von wenigen Morgen Umfang zu Gebote stehen. Privatgärtner können also nur auf die Voraussicht hin, dass eines der grossen Institute ihren Bedarf an Hauptbäumen und an Hölzern und Nutzpflanzen in allen verschiedenen nothwendigen Arten jeder Zeit zu ergänzen im Stande sein werde, Aufträge von Ausdehnung und höheren Ansprüchen ühernehmen. Grosse Baumgärten dieser Art bestanden im Staate aus älterer Zeit nur am Rhein zu Kleve, Köln und Engers; für die östlichen Provinzen boten sich die Bedingungen dafür nirgend anders, als in den Königlichen Parken zu Potsdam und Berlin. Zugleich konnte ein hier begründetes Institut auf weite Kreise für die Verbesserung der Obst- zucht durch die Versendung von Stämmehen und Pfropfreisern wirken, und von staats- wegen da helfend eintreten, wo in armen Gemeinden oder bei Unterrichtsanstalten die Mittel zum Beginn geeigneter Baumschulen nicht vorhanden waren. Endlich konnte ein solches Institut seine Arbeiten auch auf Ermittelung der besten zur Kultur geeig- neten Fruchtbäume und Waldhölzer richten und zur Förderung sowohl praktischer als wissenschaftlicher Kenntnisse Versuchsfelder und lebendige Beispielsammlungen kultur- würdiger Holzgewächse aufstellen. Aus diesen Erwägungen ging, wie das Statut. vom 27. September 1323 ausspricht*), die Errichtung der Landesbaumschule zu Geltow hervor, die von ursprünglich kleinen und später vertauschten Grundstücken nach und nach zu einem Umfange von 2371, Morgen, abgesehen von einigen Privatpacht- grundstücken, erwuchs. Zum Vertrieb der Pflanzen und Förderung der sonstigen Zwecke sollte sich die Anstalt auf den gedachten Verein stützen, welchem desshalb Einfluss bei der Leitung eingeräumt wurde, und der sich auch namhaft mit sogenannten Aktien betheiligte, d. h. im Sinne des Statuts mit Bestellungen, für welche das Geld sofort oder in laufenden jährlichen Beiträgen eingezahlt wurde, und welche dann von der Baumschule möglichst bald und unter einem erheblichen Rabatte durch Lieferung von Pflanzen ausgeführt wurden. Während die mit den Königlichen Gärten verbundenen Baumschulen in den Jahren 1790— 1822 zusammen nur 120000 veredelte und 20000 wilde Obstbäume geliefert hatten, betrug sehr bald allein der Bestand der Landes- baumschule nahezu dasselbe Quantum. In 25jährigem Betriebe bis 1847 gab dieselbe 3638 191 Stück Obst- und anderes Gehölz zu 141 278 Thlr. Werth und davon 122 719 Stück zu 5 989 Thlr. Werth unentgeldlich ab, und besass auf gı bis dahin in Betrieb genommenen Morgen etwa 46000 Stück veredelte Obstbäume, 157 380 Stück zum Veredeln *) Berlin, bei Decker 1823. 256 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. verpflanzte Obstwildlinge, 530 000 Stück Ziergehölze und eine nicht zählbare Masse von Sämlingen. Die Verbindung mit den Königlichen Parken erleichterte ihr zugleich den Bezug jedes beliebigen Pflanzensortiments. Die Gärtnerlehranstalt wurde für eine Anzahl von 12— zo Zöglingen berechnet, welche alle Stufen vom praktischen Gartenarbeiter zum wissenschaftlich gebildeten Gärtner und ‚bis zum Gartenkünstler durchmachen konnten. Für den Unterricht boten sich in dem Direktor der Anstalt, den Hofgärtnern und einigen besonderen Lehrern die geeigneten Kräfte dar. Durch das revidirte Statut vom ı2. März 1854*) wurden zwei ihrem Zwecke nach verschiedene Abtheilungen eingerichtet, in der ersten sollen Gartenarbeiter zu praktischen Gärtnern, jedoch nur in den niederen Stufen der Garten- kunst, in der zweiten Kunst- und Handelsgärtner und Gartenkünstler ausgebildet werden. Diese Anstalt, deren auf nicht unbeträchtliche Staatszuschüsse begründete Organisation in einem späteren Abschnitt näher zu besprechen bleibt, errang durch ihre Wirksamkeit sehr bald Anerkennung und ihre Zöglinge fanden, soweit sie nicht in die Königlichen Gärten übergingen, schnelle und gute Versorgungen. Sehr bald erhielt die Landesbaumschule Nacheiferer. Es entstanden die grossen Privatbaumschulen zu Harbke (Kreis Neuhaldensleben), zu Lubostron (Kreis Schubin), zn Althaldensleben und andere; letztere zählte 1827 schon 164000 Stück Parkbäumchen, 350 000 Stück Sämlinge und 100 000 veredelte Obstbäume. Die Centralanstalt vermochte unmittelbar die Entstehung vieler Unternehmungen gleicher Tendenz wesentlich zu erleichtern. Die grossen Anlagen zu Althaldensleben, zu Radekow, zu Witzleben bei Charlottenburg, mehrere zu Berlin, Potsdam und Spandau, die Provinzialbaumschulen zu Posen, zu Althoff-Ragnit, die Landesbaum- schulen zu Braunschweig, zu Dessau, die Baumschule des Verschönerungsvereins und die des landwirthschaftlichen Vereins zu Köslin, mehrere Handelsgärtnereien zu Köslin, Marienwerder, Stralsund, Tilsit,-Liegnitz, Bromberg wurden von ihr wesentlich unter- stützt, auch Unbemittelten durch Vorschüsse, Terminbewilligungen und Geschenke Beistand geleistet. Mehr und mehr wurde die verbesserte Lage der Landwirthschaft zugleich der Entwickelung der höheren Gärtnerei günstig. Mit den vermehrten Mitteln und der Ver- besserung der ländlichen Bauten überhaupt wurde auch der Wunsch nach Verschönerung ihrer Umgebung allgemeiner wach. Jede gelungene Anlage forderte zu neuen und schöneren auf. Schon in den zwanziger Jahren regten namentlich die Parke des Fürsten Pückler-Muskau, die selbst auf die Königlichen Gärten nicht ohne Einfluss blieben, noch mehr aber sein Rath in Schrift und Wort weite Kreise zum Schmuck der Schlösser und ländlichen Wohnhäuser an**). Auch in den Städten entstanden zahlreiche Privatgärten vom besten Geschmack, von den kostbaren Anlagen Borsigs bis zu den zierlichen Vorgärten der Villen und Häuser in den jüngeren Strassen der Hauptstadt. In Wechselwirkung damit stand der neue reiche Aufschwung der Handelsgärtnerei in Blumen und Sämereien. Die Massenerzeugung blühender Marktgewächse und Blatt- pflanzen wurde namentlich in Berlin von Bedeutung. Um 1820 wurden Kakteen, um 1825 Eriken, 1830 Kamelien, Rhododendren, Azaleen, Pelargonien, 1840 Fuchsien und *) Berlin, bei Decker 1854. **) Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, Stuttgart 1834- XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 257 Begonien Modepflanzen, und mit letzteren begannen die Gummibäume, Mimosen, Cureuligo- und Dracaenenarten die Reihe der Zimmerblattpflauzen zu eröffnen. Dem Hofgärtner Fintelmann gebührt das Verdienst, die Canna-, Farren- und Palmenarten in unseren Gegenden zuerst ins Freie gebracht und die Parke mit ihren südlichen Formen und ihren harmonisch abstufenden Laubfarben geschmückt zu haben. Die letzten Jahr- zehnte erst haben durch die Erleichterung der Versendung auf Eisenbahnen und Dampf- schiffen grössere Unternehmungen auf dem Gebiete des Handels mit Ziergewächsen möglich gemacht. In Erfurt gelangten schon vor den zwanziger Jahren eine Anzahl der seit der Reichartschen Zeit bestehenden Firmen, wie Platz und Schroeder, Fr. Ant. Haage und andere weniger kaufmännische für Samenzucht und Samenhandel, wie für Florblumen, Nelken, Aurikeln, Levkoyen, Astern wieder zu alter Kraft; eine Reihe neuerer wnrde durch Fr. Ad. Haage, Christoph Lorenz, den Levkoyenkönig Kolbe, Appelius und andere eröffnet, und dehnte ihren Betrieb über ganz Deutschland, zum Theil bis zu über- seeischen Geschäften aus!). Indess erwuchs gleichzeitig eine lebhafte Konkurrenz am Nordfusse des Harzes in Quedlinburg und Umgegend. M. J. Grasshof begründete hier 1825 von kleinen Anfängen aus seine noch jetzt blühende Gärtnerei und Samen- handlung?) und brach dem Geschäft in Sämereien und gewöhnlichen Blumen mit sol- cher Energie Bahn, dass es bald auch von Mette, Ziemann, Keilholz, Dippe, Gebhardt u. a, aufgenommen und in mehreren seiner Artikel Erfurt ebenbürtig wurde. Der Handel in sogenannten German Seeds, Levkoyen, Lack, Astern, Stroh- blumen, Reseda und einer grossen Anzahl Sämereien für Küchengewächse breitete sich allmählich auf Westerhausen, Halberstadt, Aschersleben, Oschersleben, auch Nord- hausen und eine Anzahl kleinerer Orte im Saalkreise aus. In den dreissiger Jahren kamen Gärtnereien und Samenhandlungen auch andrerorts allgemeiner zur Geltung, namentlich in Breslau und am Rhein. — 1853 begann endlich das lange wenig beachtete Gebiet der Obstzucht grössere Be- rücksichtigung zu finden. Das erwachte Vereinsleben hatte klar gemacht, wie viel im Obstbau nachzuholen und wie viel wirthschaftlich durch ihn zu erreichen sei. In dieser Ueberzeugung erfolgte die durch Professor K. Koch in Berlin angeregte Begründung des Deutschen pomologischen Vereins. Derselbe versammelte sich jedes dritte Jahr an einem der Hauptorte des Obstbaues, erlangte dadurch Kenntniss von Personen und Zuständen und stand für die Förderung seiner Zwecke in regem, durch die als ge- meinschaftliches Organ begründete Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau unterstütztem Verkehr °). Bei der ersten Zusammenkunft zu Naumburg 1853 beschränkte man sich auf die Auswahl und Empfehlung nur ıo guter Aepfel- und ro guter Birnensorten. Schon bei der zweiten Versammlung in Gotha 1857 konnte die Anzahl verdoppelt werden, und es wurde die Abfassung des illustrirten Handbuches von Jahn, Lucas und Oberdick ver- anlasst. 1860 kam zu Berlin die auch im Auslande sehr beachtete grosse Obstausstel- lung zu Stande, und schon bei der vierten Versammlung zu Görlitz 1863 erwies sich, dass die Steigerung der Nachfrage seitens der Händler und Gutsbesitzer die Zahl der ') Th. Rümpler: Erfurts Land- und Gartenbau. Erfurt 1865. ®2) Mart. Jac. Grasshof: Wochenschrift des Vereins für Gartenbau etc, 1866, S. 377. °) Annalen Bd. go S. 65. Boden d, preuss. Staates. IL. 17 258 XXIIN. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Obstbaumschulen mehr als verdoppelt und ihre Fläche bedeutend vergrössert hatte. Auch der Staat nahm sich des Obstbaues theils durch Geldgewährungen an den Verein, theils durch Einrichtung oder Unterstützung von Kreis- oder Kommunalbaumschulen und Förderung des Unterrichts der Lehrer in der Obstzucht, theils auch durch namhafte Summen an, die er zum Bepflanzen der Staats-Chausseen mit Obstbäumen verausgabte. Seit dem Jahre 1865 wurde bei der Trierschen Bezirksbaumschule durch Hülfe des Staats jähr- lich ein auf 15 — 20 Zöglinge berechneter sechswöchentlicher Kursus für den Unter- richt von Strassenaufsehern in der Behandlung der Obstbäume mit Erfolg durchgeführt. Die Kosten des Staats für jeden Zögling betrugen durchschnittlich 32 Thlr. Aus der Anregung des pomologischen Vereins gingen die bedeutenden pomeolo- gischen Institute zu Braunschweig und zu Reutlingen, wo der Verein 1867 seine fünfte Versammlung hielt, hervor. Vom ı. Oktober 1868 ab wird ein ähnliches Institut zu Proskau in Oberschlesien auf Staatskosten eröffnet, welches eine Gartenbauschule für Nutzgärtnerei und eine der Akademie angeschlossene höhere Lehranstalt für Gärtnerei und Pomologie, beide mit zweijährigem Kursus aber verschiedener Anforderung an Vorbildung, mit Lehrkursen für Lehrer, Obstgärtner und Obstwärter verbinden wird, die, wie an der Bezirksbaumschule zu Trier, auf wenige Wochen im Frühjahr be- rechnet sind. — Alle diese Bestrebungen für Gartenzucht behielten. zwar die Zwecke der Ver- schönerung möglichst im Auge, ersichtlich aber kamen für die Richtung des Garten- betriebes vorzugsweise die wirthschaftlichen Ziele des Gartenbaues nnd die hohe national-Öökonomische Bedeutung zur Geltung, die ihm in der bestmöglichsten Land- benutzung und den höchsten durch Pflanzenkultur erreichbaren Reinerträgen gesichert ist. Die Aufgabe, Vorarbeit und Vorbild für die Landwirthschaft zu sein, die, wie der Abschnitt XVI. zeigen konnte, dem Gartenbau von jeher innewohnt, ist der neueren Handels- und Versuchsgärtnerei “zu vollem Bewusstsein gekommen und hat, wie die gärtnerische und landwirthschaftliche Literatur in Zeitschriften und besonderen Dar- stellungen“) in reichem Masse beweist, eben so vielfache Früchte getragen, als auch mehr und mehr die Anerkennung und das Interesse der Landwirthe, sowie die Unter- stützung der landwirthschaftlichen Behörden zu gewinnen vermocht. — Es muss ohne speziellere Erhebungen darauf verzichtet werden, ein umfassendes Bild von dem gegenwärtigen Zustande der Nutzgärtnerei im preussischen Staatsgebiete zu erreichen. Die zu Gebote stehenden Angaben aber folgen nachstehend, geordnet nach den Hauptzweigen der Zier- und Gemüsegärtnerei, des Obstbaues und des Weinbaues. A. Zier- und Gemüsegärtnerei. Die Erhebungen zur Gewerbetabelle des Jahres 1861 ergeben nachstehende Zahlen über die Anzahl der Kunst-, Blumen- und Handelsgärtner mit ihren Gehülfen und Lehrlingen, der Handelsgärtnereien, Handelsbaumschulen, Gartenbauvereine und Gärtner- Lehranstalten. *) F. Jühlke: Die Fortschritte des landwirthschaftlichen Gartenbaues während der letz- ten ro Jahre. Berlin 1854. — R. Wörrmann: Der Gärtner und der Garten in landwirth- schaftlicher Beziehung. Bromberg 1860. — F. Dietrich: Eneyklopädie der gesammten niederen und höheren Gartenkunst. Leipzig 1860. XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, 259 Kunst-, Blumen- und Handelsgärtner Gärtner Zahl |Von den-| Zahl Zahl auf je der selben der der Meister B 1000 Handels- | besitzen | Garten- | Gärtner- Gehülfen zu- ig z oder Einwoh- f gärtne- Baum- bau- Lehr- Seh und f R Prinzi- sammen ner reien schulen vereine | anstalten pale Lehrlinge Preussen .. Pommern. . Posen. 4% Brandenburg Schlesien . . Sachsen... Westfalen .. Rheinland .. Hohenzollern > Staat ..| 4224 | 3380 7604 | 0,40 | 500 134 | 33 | I Diese Zahlen drücken zwar, wie es scheint, das Verhältniss der Betheilisung der einzelnen Provinzen an der eigentlichen Handelsgärtnerei ziemlich richtig aus, lassen indess den Umfang derselben keineswegs in genügender Vollständigkeit erkennen, weil sowohl die Zahl der Gärtner, als die der Handelsgärtnereien nur auf solche beschränkt ist, welche ausschliesslich in diesem Zweige der Gewerbthätigkeit be- schäftigt sind. In den Provinzen Preussen, Pommern und Posen hat die Nutzgärtnerei* grosse Schwierigkeiten des Klima’s und der auswärtigen Konkurrenz zu besiegen, dass so sie mit Ausnahme des gewöhnlichen feldmässigen Gemüsebaues nur mit Opfern erkauft werden kapn, welche einer erheblichen Entwickelung des Anbaues für Samen- und Pflanzenhandel entgegenstehen. Am meisten ausgebildet ist in den Hauptstädten die Treiberei und der Vertrieb von Zimmer- und Bouquetblumen und Blattpflanzen. Auf den grösseren Herrschaften sind indess ausgedehnte und wohlgepflegte Parkanlagen nicht selten. Die nördlichste Lage hoher Entwickelung gärtnerischer Thätigkeit ist erst in der Mark Brandenburg, in der Umgegend von Berlin, Potsdam und Werder zu finden. An sie schliesst sich nach Südosten der Gartenbau der Niederlausitz von Lübben bis Guben. Die Anzahl der Handelsgärtnereien in Berlin ist namhaft grösser als sie die Gewerbetabelle im Sinne ihrer Erhebung aufführt. Bedeutende Geschäfte werden von Kaufleuten und als Nebenbetrieb geführt; die Gesammtzahl wird auf etwa 500 an- geschlagen. Gegen 80 handeln nach auswärts, ganze Ladungen Dekorationsgewächse, namentlich Ficus elastica und Palmen gehen jährlich von Berlin nach Paris. Der Absatz an solchen Zimmerpflanzen wird ohne die Sommergewächse und Samen auf jährlich 200 000 Thlr. geschätzt. Etwa 32 grosse Geschäfte beschränken sich allein *) Vergl. K. Koch: Verhältnisse des Gartenbaues in den preussischen Staaten. Annalen Bd. 45 S. 219. — O. Teichert: Geschichte der Gemüse. Hamburger Gartenzeitung 1868. — F. Jühlke: Ueber den Zustand des Gartenbaus in Neuvorpommern und Rügen (in den Mitthei- lungen des Gartenbauvereins für Neuvorpommern und Rügen 1847 —52). — H.Jäger: In G. v. Viebahn’s Statistik des zollvereinten und nördlichen Deutschlands. Bd. II. S. 707. 1 ef 260 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. auf Zwiebelgewächszucht, Hyazinthen, Tulpen, Amaryllis, Lilien. Für diese Blumen- zwiebelkultur werden ungefähr 85 Morgen benützt und es kommen jährlich '/ Million Zwiebeln zum Verkauf. Selbst Holland bezieht zu Zeiten Hyazinthen von Berlin. Blüthensträucher gehen vorzugsweise nach dem Norden. Daneben ist auch der Gemüse- bau, namentlich die Spargeltreiberei von grosser Bedeutung. Im Südosten Berlins ist Gross-Machnow durch Gurkenzucht bekannt; es kommen deren jährlich ı'/, Millionen von dort in Handel; der Anbau in der Gegend um Lübbenau erzielt ausser 8 ooo Pfund Gurkenkörnern, 200 000 Schock frische Gurken zu etwa 35 000 Thlr. Werth, 50 000 Schock Meerrettig zu etwa 4o ooo Thlr. Werth, viel Majoran und beträchtliche Mengen anderer Gemüse. In Schlesien ist besonders Breslau ein nicht unbeträchtlicher Ort für Samen- handel und Schmuckgewächse; die Provinz zeichnet sich durch die grosse Zahl ge- schmackvoller Parkanlagen aus, die sich sowohl bei den bekannten Königlichen und fürstlichen Schlössern, als auch bei vielen Privatgütern und in der Umgebung der Städte finden. Der Bedarf dieser Anlagen belebt die Handelsgärtnerei, und die Baum- schulen Schlesiens sind nächst denen Sachsens die zahlreichsten. Hier und da werden aus den Gärtnereien der grossen Güter auch Spargel, Ananas und Blumengewächse zum Verkauf gebracht, Sachsen ist allen anderen Provinzen des Staates sowohl durch die Ausbreitung als durch den wirthschaftlichen Nutzen seiner Gartenzucht weit voraus. Von Erfurt*) werden jährlich über ı 000 Ütr. Gartensämereien versendet und durchschnittlich allein in Stadt- und städtischer Feldflur 50 000 Schock Brunnenkresse, 10038 Schock Blu- menkohl, 10904 Schock Sellerie, 9136 Schock Kohlrabi, 4 127 Schock Wirsing, 50426 Schock Gurken, 380 Ctr. Spargel, 5 264 Schock Weiss- und Rothkraut, 3 492 Schock Blaukohl, 1969 Schock Porree, 108 Schock Rettige und 260 Körbe Bohnen erbaut. Die Geschäfte in Florblumen sind sehr bedeutend; daneben hat sich seit einigen Jahren die Industrie ausgebildet, Blumen zu trocknen, zu färben oder chemisch zu verändern und sie zum Theil in Sträusse und Kränze gebunden zu Hunderttausenden zu versenden; ein Handel, welcher schon jetzt ein bedeutendes Kapital vertritt. Quedlinburg, welches sich neben Blumenzucht besonders auf Runkelrübensamen stützt, für den etwa 1500 Morgen benutzt werden, baut zu Samen von Mohrrüben 500 Morgen, von Bohnen 200, von Zwiebeln 200, von Salat T100— 250, vou Gurken 25—30, von verschiedenen Kohlarten 100 Morgen an, und versendet jährlich 3 000 Ütr. Spinatsamen, und viele Arzneipflanzen, wie schwarze Malven, Thymian, Salbei u. s. w. Ausserhalb der mehrgenannten Hauptorte sind in der Provinz für Wirsingkohl, Sellerie, Spargel, Zwiebeln und Gurken besonders Schwerstedt, Grossen - Ballhausen, Gebesee und Straussfurth, Kreis Weissensee, auch Schloss Heldrungen, Kreis Eckarts- berga, und Aue, Zangenberg, Krossen, Kreis Zeitz, bekannt. Naumburg baut vorzüg- 89 liche Sellerie, Heldrungen Meerrettig, Langensalza Spargel, Grossen-Gottern Gurken. Der Gurkenhandel von Kalbe a./S. geht bis nach Russland. Die Umgegend von Hal- berstadt ist durch Zwiebeln bekannt. In Westfalen ist der feinere Gemüsebau ebensowenig beträchtlich, als die Blu- menzucht. *) Th. Rümpler a. a. Ö. — v. Ukro: Ueber die Gartenkultur im Regierungsbezirk Erfurt bis 1860, in der Zeitschrift für preussische Geschichte und Landeskunde v. Fosz. Jahrg. II. 1865 August S. ı. XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, 261 Die Rheinprovinz führt zwar ihre Frühgemüse zum Theil aus Belgien und Lothringen, besonders Metz, ein, und der Spargel von Worms und Ulm wird durch die gesammte Provinz vertrieben; indess werden gleichwohl in der nördlichen Ebene um Düsseldorf in grosser Ausdehnung Savoyer- und Blumenkohl, Sellerie, Petersilie, Körbel, Meer- rettig, Spinat, Sauerampfer, Bohnen, Gurken, sowie Spargel und verschiedene Arten Zwiebeln erbaut. In ähnlicher Art ist ein starker, von zahlreichen kleinen Besitzern und Pächtern häufig nur als Nebengeschäft betriebener Gemüsebau in der Umgebung von Mörs, Düren, Aachen und um Köln, Siegburg und Bonn verbreitet. Auf der Eifel wird in Nienburg und in einigen benachbarten Orten vorzüglicher Weisskraut- und anderer Kohlsamen gewonnen. In grösserer Ausdehnung findet sich aber die Gemüsekultur im südlichen Theile der Provinz erst wieder in der offenen Niederung zwischen Trier und Saarlouis. Hier werden namentlich in der Nähe der Städte Spitzkohl, Wirsing und Blumenkohl und bei Wallerfangen besonders vorzügliche Spargel gebaut. Bei Trier*) steht die Rosenzucht in einigen Baumschulen in Blüthe. Der Verkauf wird hier auf jährlich 15— 20 000 Stück niederstämmige Rosenbäumchen angegeben. Neben den alten und wohlunterhaltenen Parkanlagen der Königlichen Gärten zu Düsseldorf, Benrath, Kleve und Brühl, denen neuerdings die zu Stolzenfels, Rheinstein u. a. hinzugetreten sind, haben in allen Theilen der Provinz Privaten und Kommunen zahlreiche Anlagen ausgeführt; überall sind die öffentlichen Plätze sorgfältig bepflanzt und verziert, die Gärten der Villen am Rhein sind oft ausgesucht ausgestattet, und es werden mehr als ı 000 grössere Treibhäuser in ihnen gezählt. Botanischen Ruf hat der berühmte Suceulentengarten des Fürsten zu Salm-Reifferscheidt-Dyck. Einige Handelsgärtnereien von Bedeutung bestehen in den Hauptstädten, zu Neuwied, Kre- feld u. a. OÖ. B. Obstbau Die Obstzucht findet auf preussischem Gebiete klimatisch ihr günstiges Gedeihen nur im Süden einer 6renzlinie, die sich von den nordöstlichen Thälern des Riesen- gebirges nach den Südhängen des Flämings und von diesen über das Elbthal nach der südöstlichen Hälfte des Harzes quer durch die Weserketten, und dem Fusse der west- fäliseh-rheinischen Gebirge entlang zum hohen Venn auf der Eifel ziehen lässt. Indess sind auch die tiefen Lagen am Nordfusse des Katzengebirges und des Flämings von Grünberg bis Werder, die feucht und heiss und durch warme Sandböden begünstigt sind, strichweise zur Obstzucht sehr geeignet; völlig ausgeschlossen aber ist auf einiger- massen geschütztem Standort ein noch hinreichend vortheilhafter Anbau von härteren Obstsorten selbst bis zum äussersten Norden des Staates nicht. Der Bedarf an Obst im Lande ist ein sehr bedeutender und der Anbau erreicht bei weitem nicht die Aus- dehnung, die ihm mit Nutzen gegeben werden könnte. Die Einfuhr von ausserhalb, namentlich aus Böhmen, ist beträchtlich; es lassen sich bezüglich derselben zwar nur die Zahlen des Zollvereins über getrocknetes Obst angeben, indess sind diese schon durch ihr Verhältniss beweisend, es betrugen im Durchschnitt der nachgenannten Jahre *) O. Beck: Statistik des Regierungsbezirks Trier. 1868. 262 XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. jährlich Einfuhr Ausfuhr Mehreinfuhr 1842—46 55745 tr. 5931 Ctr. 49 814 Ctr. 1847—50 65489 „ 12614 „ 52875 n 1851-54 104017 „ 23 838 „ 80179 1855—59 142756 „ 53724 n 89012 „ 1860—64 183506 „ 39774 » 143 732 „ 1865 282960 „m 100716 „ 182244 „ Die Einfuhr hat also in steter Steigerung zugenommen, rechnet man den Centner nur $ Thlr., so hat der Zollverein und ersichtlich besonders der Norden seines Gebietes jährlich gegen ı 200 000 Thlr. für trockenes Obst an das Ausland gezahlt. Ueber den Stand der Obstkultur in den einzelnen preussischen Provinzen ist wenig Genaueres bekannt*). In Ostpreussen werden um Insterburg, Tilsit und bis nach Memel nicht unerheb- liche Quantitäten saurer Kirschen an den Strassen gezogen und herkömmlich besonders von den Insterburger Schuhmachern gepachtet und in den Handel gebracht. Es giebt im Regierungsbezirk Gumbinnen 3 Baumschulen, welche in Obstpflänzlingen nieht un- beträchtliche Geschäfte nach Polen und den Ostseeprovinven machen. Königsberg und seine Umgebung ziehen einiges Tafelobst für den eigenen Bedarf. Elbing und Danzig dagegen sind klimatisch schon so begünstigt, dass sich ihre Gärten durch Obstbau aus- zeichnen, und bedeutender Export von Aepfeln nach Petersburg und Stockholm stattfindet. Die Obstbaumschulen bei Danzig sind in günstigem Betriebe und die Anzucht des Weichselthals nimmt von Jahr zu Jahr zu; auch von der oberen Weichsel, von Thorn und namentlich von der Toncynna werden grössere Mengen Aepfel zur Ausfuhr gebracht. In den übrigen Theilen Westpreussens aber tritt die Obstzucht sehr zurück; dagegen hebt sich dieselbe in Pommern, namentlich in der Umgegend von Stettin und auf den Höhen der Oderufer. Neuvorpommern ist für Obst schon wohlgeeignet, soweit dasselbe Schutz vor den Seestürmen zu erlangen vermag; auf Rügen sind sogar die Wallnuss- bäume ziemlich häufig. Die Provinz Posen zieht im allgemeinen wenig Obst, obwohl es Sitte der slawi- schen Bevölkerung ist, auf ihren Fluren, namentlich auf den Grenzen, vereinzelte Zwetschenbäume zu erhalten. Die Umgebung von Bomst aber, sowie von Unruhstadt, Rackwitz und Freistadt nimmt ziemlich lebhaft an dem Obstbau und Obsthandel Theil, dessen Mittelpunkt das benachbarte schlesische Grünberg ist. In der Mark Brandenburg bildet das Städtchen Werder bei Potsdam den Haupt- betriebsort für Obst. Unter seinen 2700 Einwohnern finden sich gegen 300 Weinbergs- besitzer; sie bebauen etwa 1200 Morgen Land und ernten jährlich durchschnittlich zur Ausfuhr 10 000 Scheffel Kirschen und ro 000 Scheffel anderes Obst. Allein mit dem von einer Gesellschaft unter ihnen angeschafften Dampfschiffe gingen 1865 an Obst und Gemüsen 42 750 Scheffel zum Werthe von 60— 70000 Thlrn. von Werder nach Berlin. Man rechnet ungefähr 142 Kirschbäume auf den Morgen und auf den rojährigen Kirsch- baum mittlerer Grösse durchschnittlich r Scheffel Kirschen im Preise von 2 Thlrn. Die Bäume werden kräftig im Dünger gehalten, der in Gruben in der Entfernung von *) H. Jäger in v. Viebahn’s Statistik ete. Bd. II. S. 716. — Annalen Bd. 28 S. 54, Bd. 30 S. 421, Bd. 32 S. 460, Bd. 36 8. 172, Bd. 40 S.65 u. 136, Bd, 45 S. 219. XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 263 2— 3 Fuss vom Stamme das eine Jahr auf zwei gegenüberliegenden Seiten, das folgende Jahr auf den beiden anderen Seiten eingebracht wird. Unter den Bäumen baut man Erd- und andere Gartenbeeren, Wein, Suppenspargel, Salat, selbst Bohnen und Kar- toffeln, und obwohl diese Früchte der Behandlung wegen in scheinbar grosser Unord- nung stehen, so herrscht doch die sorgfältigste Benutzung jedes Platzes und die grösste Reinlichkeit gegen Unkraut und Insekten. Der Reinertrag eines Morgens wird auf 280 Thlr. veranschlagt. Auch in Potsdam ist der Obstbau nicht unbeträchtlich. Berlin selbst zieht in seinen Gärtnereien an Obst vorzugsweise Erdbeeren, und hier wie in Charlottenburg bestehen einige grosse Ananastreibereien. Für die Niederlausitz, welche in stetiger Zunahme gewöhnliches Obst baut, ist Guben ein Hauptpunkt, von dem jährlich 60— 70000 Scheffel Kirschen in Handel kommen. Von den 1050 Morgen, welche die Stadtflur Guben zum Obstbau benutzt, ist ein Drittel Weinland mit Obstbäumen besetzt, auf einem Drittel wird Getreide und auf dem letzten Drittel Gemüse unter den Bäumen gebaut. Es werden hier gegen rooo Eimer Apfelwein bereitet. Jenseits der Oder ist weiter im Osten um Züllichau, Tschicherzig und anderen Orten längs des Grünberg gegenüberliegenden Stromufers der Obstbau sehr blühend. Der Grünberger Kreis, der hier zwischen die Mark und Posen einspringt, wird auch in Schlesien von keiner anderen Gegend an Obstkultur übertroffen. Grünberg ver- sendet frisches, sowie Backobst in sehr bedeutenden Quantitäten nach Stettin und in die nordischen Reiche. An seinem Obstbau nehmen Beuthen und Karolath vorzugs weise lebendigen Antheil. Grünberg ist zugleich der Sitz einer bedeutenden Apfel- weinfabrikation, welche hierher von Hirschberg im Riesengebirge durch C. S. Häusler eingeführt worden ist. Ebenso wird Obst in grossen Mengen zu Mus gekocht oder nach Art der Konditoreien eingemacht und versendet. Die jährliche Ausfuhr von Pflaumenmus wird auf 3—4000 Ctr., von Kirschenmus auf 1000 Ctr., von getrockneten Früchten gleichfalls auf 1000 Ütr. geschätzt. Die Zahl der tragenden Nussbäume in dem Gemeindebezirk Grünberg beläuft sich über 2000 und ihr jährlicher Durchschnitts- ertrag auf etwa ıo 000 Thlr, In der übrigen Provinz erzeugen die Trebnitzer Höhen, sowie eine grössere Zahl geschützter Lagen in den Vorbergen des Riesengebirges und am Zobten und Glatzer Gebirge so viel Aepfel, Birnen und Kirschen, dass dieselben in grösseren Mengen verfahren werden. Oberschlesien aber wird hinreichend durch den Obstbau von Ratibor und Pless versorgt, welcher bei genügendem Schutz durch die südliche Breite begünstigt ist und zum Theil in grossen einträglichen Plantagen geübt wird. Für feines Tafelobst besteht eine grössere Anzahl von Gärtnereien zu Breslau und auf verschiedenen Land- gütern. Namentlich besitzen mehrere grosse Güter Niederschlesiens und der Ober- lausitz ausgedehnte Ananastreibereien, von denen einzelne jährlich bis 18 000 Pfd., das Pfund durchschnittlich zu 25 Sgr., auf den Markt bringen; der Vertrieb der vorzüg- lichsten Früchte derselben geht bis in den Orient und der Umsatz Schlesiens und der Mark soll sich darin jährlich auf mehrere Hunderttausend Thaler belaufen. In der Provinz Sachsen bauen nördlich der Elbe nach dem Fläming zu nur die Städte Schlieben und Herzberg Obst zum Handel und über Magdeburg ‚hinaus sind höch- tens die süssen Kirschen von Neuhaldensleben zu nennen. Südlich aber gewinnt von der Elbe an bis auf die Höhen der Gebirge das gesammte Land durch die allgemeine Ver- breitung der Obstkultur ein freundliches Ansehen, die Dörfer sind von Gärten umgeben, Anger und Triften mit Obstbäumen bepflanzt. 264 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Die Elbauen von Kamitz, Kunzwerda, Pülswerda, Süptitz im Torgauer, Prühlitz, Hohndorf, Roskith, Kropstädt u. a. im Wittenberger Kreise, sind seit lange durch reiche Ernten bekannt und begünstigt. Das Obst wird frisch und getrocknet versendet. Seit etwa 1754 sind in den preussischen Elbforsten von Grüneberg und Barby etwa 700 Morgen zu Obstpflanzungen angelegt, die verpachtet werden. Vom Fusse des Harzes führen Halberstadt und die beiden Mansfelder Kreise besonders viel Obst aus, Gross-Oerne Pflaumen, Walbeck Süsskirschen, Closchwitz und die Saalaue auch Aprikosen und Pfirsichen. Um Naumburg stehen Pfirsichen als Bäume. Der Saalkreis, Sangerhausen, Eekartsberga, Zeitz und das Querfurter Unstrut- und Geissethal haben überall Obstzucht an die Stelle des Weinbaues gesetzt. Die ge- sammte Saalgegend bis gegen Weissenfels liefert fast ausschliesslich Pflaumen (Zwetschen) und führt das meiste Trockenobst aus. Vielfach, besonders im Naumburgischen sind selbst die Gemeindegrundstücke zu Gunsten der ÖOrtskasse mit Obstbäumen- besetzt und ihr Ertrag genügt in manchen Ortschaften zur Bestreitung aller Gemeindebedürf- nisse. Die Unstrut aufwärts zeichnen sich Straussfurt mit etwa 15 ooo edlen Stämmen, Kindelbrück, Kutzleben, Schilfa, Frömmstedt, Günstedt, Ottenhausen, Weissensee, Schallenberg, Sömmerda, Nausiss durch beträchtlichen Obstbau aus. Schwerstedt zieht gute Kernobstsorten, Reineklauden, Aprikosen u. dgl. Bis um Erfurt hat das Obst noch beträchtliche Bedeutung für den Wirthschaftsbetrieb. Tiefthal, Elsleben, Kühn- hausen ziehen noch starke Einnahmen aus dem Handel, und in Erfurt, wo der Kirschen- bau nicht sehr bedeutend ist, werden doch etwa 6000 Öentner zu Saft verarbeitet. Weiter in den höher gelegenen Kreisen aber wird nur wenig über den Hausbedarf hinaus gewonnen. Aus dem Nordosten des Langensalzaer Kreises und aus dem Werra- thal, namentlich aus Treffurt und Falken, auch aus dem Worbiser Kreise, vom Hahle- und Brehmethale und aus den Orten zwischen den Allenbergen besteht zwar einige Ausfuhr, sie erstreckt sich aber nyr auf gewöhnliche Kirschen und Pflaumen. Von der Werra kommen Wallnüsse in den Handel. Der Wallnussbaum ist zwar durch die ganze Provinz bis in die Vorberge des Harzes häufig; den nördlichsten Wallnussbau von Bedeutung aber besitzt das Saalthal zwischen Naumburg und Jena, und hier hat auch die Holznutzung zu Möbeln und Gewehren Wichtigkeit. Die essbare Kastanie wird noch bei Wernigerode mit Vortheil gebaut. Der Öentner wird bis zu ı8 Thlr, verwerthet. In Westfalen besteht wenig Obstzucht und es haben sich nur an einzelnen Punkten genügend lohnende Erfolge gezeigt, um ihr die Neigung der Bevölkerung in dem nöthigen Grade zuzuwenden. In den tiefen Thälern von Hagen, um Soest, auch um Höxter im Weser- und Nathethale, sollen die günstigen Ergebnisse der Anpflan- zungen an den Strassen Anregung zu erheblicher Aufnahme des Anbaues gegeben haben. Verbreiteter ist das Obst seit langer Zeit am Nordabhange des Wiehengebirges, wo es weniger stark dem Wechsel des Frühjahrs ausgesetzt ist. Als Besonderheit haben im im Kreise Recklinghausen um Lembeck die essbaren Kastanien solchen Boden gewonnen, dass jährlich gegen ı ooo Scheffel von dort nach Münster und Elberfeld gehen. Am Rhein wird in einer Anzahl der gedachten Treibereien feines Tafelobst er- zeugt und zum Theil nach Belgien und Holland ausgeführt, auch gedeiht Pfirsich und Aprikose in vielen Lagen vorzüglich, und selbst die Eifel bringt noch sehr gutes Obst, z. B. die Aepfel von Schalkenmehren hervor. Im ganzen aber ist die Obst- zucht durch den Weinbau benachtheiligt und nur von mässiger Ausbreitung, ihr XXIIN. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 265 meist geringes Produkt wird vorzugsweise zu Mus, Kraut, Saft oder Obstwein ver- arbeitet. Zu den vorzüglicheren Anbauorten gehören die Gegenden von Elberfeld, Essen, Dortmund und Solingen, wo der Obstbau seit längerer Zeit blüht und gedeiht; im übrigen Norden ist derselbe im Regierungsbezirk Düsseldorf durch die wechselnde Frühjahrswitterung klimatisch wenig begünstigt, erst die geschützten Thäler in den Vorbergen der Eifel um Aachen, Heinsberg und Bonn, sowie das Siegthal haben be- deutendere und lohnendere Anpflanzungen. Im Regierungsbezirk Koblenz werden im Rhein- und Nahethal an manchen für Wein weniger geeigneten Ufergehängen sowohl gewöhnliche Obstsorten, wie sehr schönes Tafelobst in solcher Menge erzeugt, dass der Erlös allein in der Umgegend von Koblenz auf '/» Million Thaler veranschlagt wird. Grosse Sendungen gehen nach England. Auch im unteren Saarthale, im Mosel- und im Glanthale, im Regierungsbezirk Trier, ist der Anbau von besonderer Bedeutung*). Auf dem linken Moselufer bei Trier und bei Kyliburg, und unterhalb bei Wehlen wird die Kirsche in grossen Massen gezo- gen, auch wird in Kyliburg Kirschwasser bereitet. Im Saar- und Moselthal gedeiht die Wallnuss besonders gut, und auf dem Sandboden des Moselthals, sowie an den Berg- hängen bei Igel, Ceven, Euern, Trier und Schweich die echte Kastanie. Unterstützt durch die schon erwähnte Bezirksbaumschule ist in sehr vielen Gemeinden Erhebliches für die Bepflanzung der Wege mit ÖObstalleen geschehen. Nur ein geringer Theil des gewonnenen Obstes wird zum eigenen Bedarf gedörrt, zu Kraut verarbeitet oder zur Branntwein- und Essigfabrikation verwendet; aus dem grössten Theile wird Obstwein bereitet, und es hat die Einfuhr an Obstwein allein in der Stadt Trier imrJahre 1860. 2 02 27.7, 277425 Buder, le ro oa ao N n N N DL 802 Sn re 517 9 ln ER 310 = a on gelan 652 = 5 1865 . 286 en R Re 0 also jährlich im Durchschnitt 622 Fuder betragen; der Konsum der Stadt aber lässt sich auf 1000 Fuder annehmen, weil grosse (Quantitäten wegen der städtischen Ein- gangssteuer in Trier selbst fabrizirt werden. Der Preis des Fuders von 13 Eimern stellte sich in den letzten Jahren auf 490—60 Thlr. Die Menge des an der Mosel bis Schweich hinab jährlich erzeugten Obstmostes (Viets) wird auf 2400 Fuder angeschlagen. Nicht unwichtig ist hier die Benutzung der ÖObstabfälle. Das gefallene Obst wird in reichen Obstjahren als Schweine-, Rindvieh- und Schaffutter verwerthet, auch die Obst- treber werden als Futter oder zur Branntweindestillation genützt. Aus den Kirschen- steinen gewinnt man Oel, welches, warm geschlagen, zum Brennen dient, kalt geschlagen aber als Speiseöl sehr geschätzt ist. Zwetschensteine geben nur Brennöl, dagegen werden die Nussöle aus Welschen- und Haselnüssen zu Speiseöl, wie zu Malerfirnissen sehr gesucht. Ueberall am Rhein werden neben dem Obst auch die gewöhnlichen Gartenbeeren gezogen, und vom Westerwald und namentlich aus der Umgegend von Hammerstein kommen sehr beträchtliche @Quantitäten Heidelbeeren (Vaceinium Myrtillis) zur Ver- sendung nach England. Hohenzollern baut sehr viel Obst sowohl zur Kost, als zur Cyderbereitung. *) O. Beck: Beschreibung des Regierungsbezirks Trier 1868, S.474 u. fl. 266 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. ec. Weinbau Die Ausdehnung und die Erträge des Weinbaues im preussischen Stsatsgebiete sind für die Zeit von 1820 bis 1865 zu Steuerzwecken genauer festgestellt worden. Im System der Bd. I. S. ı8 gedachten allgemeinen Organisation der Staatssteuern wurde durch das Gesetz vom 8. Februar ı819 $ 22 ff. (G.-S. S. 97) der auf der Kelter gewonnene Most, je nach der Verschiedenheit des Gewächses mit einer Abgabe von Yı, Ye, ”s oder ı Thlr. vom Eimer (zu 60 Quart) belegt. Das Gesetz vom 25. September 1820 (G.-S. S. 193) änderte diese Besteuerung dahin, dass der im Lande erzeugte Wein ihr Objekt wurde, auf den Eimer nach 6 Stufen ı'%, Thlr., 25 Sgr., 17Ys Sgr., 12% Sgr., 1o Sgr. oder 7) Sgr. zu zahlen waren, und nur die Menge des zu versteuernden Weines aus der Menge des erkelterten Mostes unter einem Abzuge von drei Zwanzigtheilen oder ı5 Prozent für den Abgang an Hefen und Weinstein zur Berechnung kam. Nach Bestimmung der Kab.-Ordern vom 28. September 1834 (G.-S. S. 165) und vom 19. Januar 1843 *) wurde die Steuer erst mit dem Verbrauche des Weines oder mit dessen Uebergang in fremde Hand fällig und dem Weinbauer blieb vom Jahres- gewinn ein Mass von 5 Eimern oder wenn die Hälfte der ganzen Kreszenz seines Wein- baues geringer war, die Hälfte seines Weingewinnes als Haustrunk steuerfrei. Bei den Verhandlungen über die Bildung des deutschen Zollvereins war zu einer gleichmässigen Besteuerung des Weins in allen Vereinsstaaten nicht zu gelangen. Wein und Traubenmost gehörten desshalb zu den Gegenständen, von welchen zur Ausglei- chung der Nachtheile, die bei freiem Verkehre aus der ungleichen Besteuerung den Produzenten des einen Vereinsstaates gegenüber denen anderer Vereinsstaaten erwachsen mussten, Ergänzungs- oder Ausgleiehungsabgaben vorgesehen waren. Da der Wein in den südlichen Vereinsstaaten einer Produktionssteuer nicht unterlag, wurde der Zwischenzoll bei dem Uebergange von Traubenmost oder Wein nach Preussen und den mit ihm dieserhalb in näherer Verbindung stehenden Staaten nach der ungefähren Höhe der diesseitigen inneren Steuer auf 20 Sgr. für den Centner Traubenmost und auf 25 Sgr. für den Centner Wein festgesetzt. Diese Sätze entsprachen auch noch dem Artikel 3 des Vertrages vom $. Mai 1841 über die Fortdauer des Zollvereins (G.-S. S. ı4r), welcher als Norm der Uebergangszölle an Stelle der bisher geltenden Differenz der beiderseitigen Besteuerung die volle Steuer im Lande des Bestimmungsortes fest- stellte, und wurden ebenso im Artikel rı des Zollvereinigungsvertrages vom 4. April 1853 (G.-S. 8. 406) aufrecht erhalten. Nach den Verhandlungen im Separatartikel 5s zu dem Vertrage über die Fort- dauer des Zollvereins vom 28. Juni 1864 und im Separatartikel 2 zu dem Vertrage vom 12. Oktober 1864 wegen des Beitritts von Bayern u.s. w. zu dem erwähnten Vertrage vom 28. Juni 1864 (G.-S. 1865 S. 523, 541) musste indess diese Uebergangs- abgabe vom 1. Juli 1865 ab wegfallen, und dies machte die an sich wenig ertrag- reiche und in der Erhebung lästige Weinsteuer unhaltbar; sie wurde durch das Gesetz vom 15. April 1865 (G.-S. S. 265) aufgehoben. Es gehen desshalb auch die steuer- lichen Angaben über die Statistik des Weinbaues nicht über den ı. Juli 1865 hinaus. Nach den Ergebnissen dieser Steuerverwaltung hat die produktive mit Wein be- baute Fläche im Staate den nachstehend zusammengestellten Umfang gehabt: *) F. G. Schimmelfennig: Die preussischen indirekten Steuern, Berlin 1858 S. 377. XXI Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 26 Posen Morgen Mit Wein bebaute Fläche in: Branden- burg Morgen 2,790 1890 2 905 3 291 3 303 3 397 3557 3 529 3 426 3 708 4.046 4039 4 090 4 098 4054 4081 4078 3 906 4 020 4 037 4038 4038 3.979 3 994 4 192 4189 4185 4184 4181 4 176 4187 4189 4.290 4 209 4 196 4 191 7176 4448 4429 4488 4410 4 398 Schlesien | Sachsen Morgen Morgen 4 515 3 025 4 520 3 034 4475 2898 4 501 3197, 4580 2739 4581 3 292 4585 3 265 4416 3 322 4603 3 162 4 603 2.981 4619 3 286 5 298 3 336 5 348 3 488 5.483 3 582 fehlen die Angaben 5 575 3 514 4969 3 515 4937 3 548 4 930 3 584 4999 3 597 4 907 3 620 4 975 3 591 4939 3 595 4 937 3 492 4 941 3474 4 946 3.479 4 947 3 477 4947 3471 4 948 3 428 4935 3 421 4 930 3 396 4 930 3 326 4928 3 266 5071 3 264 5 062 3 238 5 169 3 177 5311 3 172 5 348 3 163 5 348 3 164 5832 3 172 6028 3 137 6 021 3 130 6021 3 127 davon im Kr. Grünberg 5 263 Rheinland Morgen 32 887 33 497 33 220 36.455 38 275 38 644 40 561 40 845 40 930 43 136 48 632 48 632 48 632 49 575 51416 50 490 50 002 49 613 49 261 43 969 48 655 48 566 48 318 48 346 48 632 48 586 48 516 48 468 48 404 48 180 48 026 47 418 46 742 46 557 46 354 46 466 46.453 46 457 46 436 46 543 46 6o5 46 718 Zusammen im Staat Morgen 43 419 43 153 43 681 47 619 49 097 50.265 52 362 52 543 52 526 54 971 61 130 61944 62 222 63 448 65 298 63 808 63 329 62799 62 561 62 312 62.037 61 908 61 504 61496 62 002 61.933 61 885 61789 61705 61 466 61 280 60 627 60 200 59 956 59 746 59 998 60 000 60 277 60 729 61052 61026 61 122 ‘ 268 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Für die Weinkultur in den einzelnen Provinzen“) ergiebt sich aus dieser Ueber- sicht, dass der Anbau des Nordens, dessen frühere Ausdehnung und allmählichen Ver- fall der Eingang des Abschnittes gezeigt hat, um 1820 bis auf etwas weniger als roooo Morgen beschränkt war, seitdem aber in Posen, Brandenburg und Schlesien in stetem, nicht unbeträchtlichem Steigen begriffen gewesen ist. In der Provinz Sachsen ist diese Erweiterung unbedeutender; gleichwohl erreichte 1864 die produktive Fläche der Weinberge der vier gedachten Provinzen 14 405 Morgen. Die nördlichste Lage des Staates, die Umgebung von Werder und Potsdam, er- zeugt an gekeltertem Wein nur ein sehr geringes Quantum, obgleich die Fläche der Weinanlagen über einen erheblichen Theil des obenerwähnten Gartenlandes ausgedehnt ist. Der hier gewonnene Wein wird fast ausschliesslich in Trauben zum Verkauf gebracht. Dagegen hat sich 6rünberg zum Mittelpunkt einer sehr beträchtlichen Wein- produktion erhoben, es verbreitet sich der Weinbau von hier nordöstlich in das Gross- herzogthum Posen nach Bomst und einigen Orten der Kreise Meseritz und Birnbaum mit 860 Morgen. In der Mark sind rechts der Oder Züllichau, Tschicherzig und Pommerzig mit einigen Nachbarorten, links der Oder Krossen und besonders Guben, sowie mehrere Dorfschaften im Westen bis nach Kalau hin, zusammen mit über 3000 Morgen betheiligt. In Schlesien besitzen ausser Grünberg selbst die meisten Güter und Gemeinden des Grünberger Kreises grössere oder kleinere Weinberge; die besten be- stehen auf einigen Punkten der Stadtflur und zu Mautsch, nächstdem zu Kühnau, Sawade, Krampe, Lansitz und Jany. Die übrigen sind von geringerem Werthe; ebenso die Posener und Märkischen. Auch die entlegenen finden in Grünberg ihren Markt. Der Freistädter Kreis baut um Schlawa, Karolath und Beuthen, der Saganer Kreis um Sehöneich, Kosel, Neuwaldau, Georgenruh und Naumburg a. Bober Wein. Einige Anlagen im Hoyerswerdaer Kreise in Nardt, Hohenbucka und Guteborn keltern soge- nannten Gesindetrank. 4 Alle diese Weingärten sind fast ausschliesslich auf tertiären oder jüngeren dünen- artigen Sandhügeln angelegt, die wo sie grobkörniger höchstens zu Kiefern geeignet, der Mehrzahl nach aber als Flugsand völlig ertraglos waren. Der Bau ist Zwergbau, bei dem die Trauben fast an der Erde hängen. Die Stöcke werden den Sommer hin- durch dreimal behackt. Die hauptsächlichste Rebe ist der Gut- oder Schönedel, eine grossbeerige, lockere, saftreiche Traube, welche auch am meisten zur Versendung als Speisetraube angewendet wird. Sie kommt besonders weissgelb, aber auch blau zum Anbau. Verbreitet ist ferner der aus Oesterreich stammende, saftreiche Sylvaner (auch Scherraner genannt), der gut und reichlich auf Sand gedeiht, aber wenig gehaltreich ist. An schweren Sorten wird der aus Böhmen übertragene kleine Burgunder und der aus dem südlichen Tyrol hergeleitete, feurige und aromatische, aber wenig ergiebige Traminer kultivirt. Die steigende Ausbreitung des Grünberger Weinbaues ist zum Theil in den verhältnissmässig nicht sehr bedeutenden Kosten der Anlage und Unter- haltung der Weinberge, vorzugsweise aber darin begründet, dass das Produkt im Laufe der letzten Jahrzehnte durch erhebliche Verbesserung des Verfahrens in viel höherem Grade verwendbar geworden ist. Die ersten Versuche sachgemässer Kelterung begannen 1825**). 1826 wurde der Grünberger Weinbauverein gegründet, und Carl Samuel *) Der Weinbau in den preussischen Staaten von 1819—ı860. Zeitschr. des Königl. statistischen Büreaus, Jahrg. I. 1861, S. 303. — Annalen Bd. 26 S. 33. **) Das schlesische Weinland, von L. Jacobi, Breslau 1866. Heft g u. ıo der schlesi- schen Provinzialblätter von 1866. XXIII. Garten-, Gemüse, Obst- und Weinbau. 269 Häusler entschloss sich, die Fabrikation moussirender Weine, die er seit 1822 in Hirsch- berg mit Apfeleyder betrieben hatte, in Grünberg mit Trauben auszuführen. Schon im Jahre 1827 wurden von staatswegen Winzer in geeignete Weingegenden gesendet, um Weinbau und Weinbereitung zu lernen. Gleiche Zwecke verfolgte der Weinbauverein. Bald bildeten sich Weinhandlungen, welche nicht allein einen kaufmännisch geregelten Betrieb nach aussen einführten, sondern auch gelernte Küfer beriefen und eine Kelter- und Kellereiwirthschaft begründeten, wie sie vielleicht die erfahrensten Weingegenden nicht besser aufzuweisen haben. Die Bestrebungen des Kaufmanns Häusler, denen Grünberg auch die erste regelmässige Weinhandlung und die Einführung des Trauben- kaufs verdankt, gelangen für die Champagnerbereitung in so günstiger Weise, dass der Grünberger Champagner schon in den ersten Jahren ein fast europäisches Aufsehen machte, und gegenwärtig etwa 45 000 Flaschen jährlich abgesetzt werden. Dabei hat der Verkauf von Tischweinen, der Absatz zur Mischung mit französischen und süd- deutschen Weinen, sowie die Versendung von Trauben erheblich zugenommen; letztere beläuft sich in manchen Jahren auf 500 000 Pfd. zu 2—3 Sgr. Seit 1842 ist der Be- ginn der Weinlese, seit 1852 auch der Beginn des Ausschnitts von Trauben zur Ver- sendung polizeilich geordnet (vergl. Annalen Bd. 28 S. 117). — Der Weinbau der Provinz Sachsen ist zwar klimatisch wie in der Bodenbeschaffen- heit vor dem Grünberger bevorzugt, seiner weiteren Verbreitung aber stehen die höheren Erträge entgegen, welche die Weinlagen Sachsens durch Obst- und Gartenfrüchte er- zielen. Es ist desshalb eine Vergrösserung des Weinlandes in der Provinz nur bis zum Jahre 1842 eingetreten, und seitdem hat eine 13 pÖt. betragende Verminderung statt- gefunden. Dieselbe fällt vorzugsweise auf den Regierungsbezirk Erfurt, in welchem zur Zeit nennenswerthe Weinanlagen kaum mehr vorhanden sind. Die grösseren Weinberge Sachsens finden sich an der Elbe in Lüptitz und Bel- gern im Torgauer, Dabrun, Paschwig und einigen Höhen bei Schmiedeberg und Pretzsch im Wittenberger Kreise; nördlicher bestehen Weinberge an den Lehnen des Fläming in Schlieben, Berga, Jessen, Schweinitz, Arnsdorf, Neudeck und Freywalde im Schwei- nitzer Kreise. Auch um Liebenwerda wird etwas Wein gezogen. Selbst die Elborte aber erzielen nur in günstigen Jahren brauchbare Weine, und die Lagen am Fläming sehen sich in der Regel nur auf den gedachten Gesindewein beschränkt. Dagegen giebt der Weinbau um Naumburg in den meisten Jahrgängen ein trink- bares Produkt, welches bedeutenden Absatz nach Halle, Leipzig und Magdeburg findet. Der Weinbau für den Naumburger Markt erstreckt sich auf den hohen Uferhängen der Saale und Unstrut von Goseck, Eulau und Naumburg über Freyburg, Laucha, Dorn- dorf, Gleina, Carsdorf, Steigra bis Reinsdorf im Querfurter und weiter nach Günstedt und Sömmerda im Weissenseer Kreise. Hier und da wird auch in der Erfurter Gera- niederung noch gekeltert; im ganzen aber werden ausserhalb des Saalethales Trauben nur als Obst gezogen. Es bestehen um Langensalza bei Tennstedt noch Weinberge, auch an der Nordseite des salzigen Sees im Mansfeldischen sind einige Hundert Morgen erhalten; sie werden aber immer mehr eingeschränkt, und um Nordhausen sind alle Anlagen bereits gänzlich eingegangen, — Die Bedingungen eines wirklich guten Weines, welcher jedes Jahr trinkbar und zum Handel geeignet werden soll, sind in den alten preussischen Provinzen nur im Rheinland erfüllt und auch hier nur auf den Sonnenlagen der geschützten, tief einge- schnittenen Flussthäler des Rheins, der Nahe, der Mosel und Saar, der Ahr und einer 270 XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Anzahl kleinerer Gebirgsgewässer, namentlich der Glan, die zur Nahe, der Blies und Prims, die zur Saar, der Sauer, Our und Kyll, die zur Mosel fliessen, sowie weniger Lagen an der oberen Erft und Roer und der unteren Sieg”). Die Vertheilung der Weinberge auf diese Flussgebiete ist nach dem wenig veränderten Stande der Jahre 1849 bis 1853 in dem nachstehenden, aus „Jäger’s Darstellung des Weinbaues in G. v. Viebahn’s Statistik Bd. II. S. 782“ entnommenen Verzeichnisse übersichtlich gemacht. an den übrigen an der am |an der ‚an der|ander| kleine- in der preussischen e ren |. p Mosel | Rhein | Nahe | Ahr | Saar | Fiuss- | überhaupt Rheinprovinz gebieten Morgen Morgen | Morgen | Morgen | Morgen | Morgen | Morgen | Morgen Weinbau Summe davon waren ohne Ertrag Anbau im Jahre 1849 ...| 22506 | 12.056 3 588 960 | 48516 | 4316 1850... .| 22503 | 12030 3 588 956 | 48468 | 4128 I8SI ...| 22497 | 12.006 3 591 949 | 48404 | 4127 1852 ...| 22274 | 11983 3 591 945 | 48 180 | 3 676 1853 ...| 22343 | 11863 3 593 928 | 48026 | 3 900 Im Durchschnitt] 22425 | 11 988 3 590 947 | 48319 | 4029| 83 davon ohne Ertrag . 272 2319 972 107 4.029 6 B also Prozent 1,2 19,4 27,1 II, 83 Gesammtproduktion Produktion auf den Morgen Eimer Eimer Eimer Eimer | Eimer | Eimer Eimer Eimer im Jahre 1849 .....| 236404| 53 937| 55 562) 13 012|20675| 8608| 388 190 8,0 1850 ...| 192456) 8%4415| 58 117) 22861 10835| 7116| 374 800 77 1851 ...| 170886| 47 150] 63 3301 15 647| 8968| 4286| 310267 6,0 1852 ...| 246231] 64.963) 69 986| ı5 011] 13 461] 3633] 413 285| 8,6 1853 ....| 195445| 50231) 57 899| 13 493) 12421) 4002| 333 491 Zusammen |r 041 422| 299 696| 304 894 66 360| 27 645|1 820 033 Im Durchschnitt ...| 208 284| 59939) 60.979 13 272 5529| 364 008 Prozent am Ge- sammtertrage 1349 pet. pCt. pCt. tb pCt. pCt. pCt. bis 1853 57,2 16,5 16,8 3,6 T,5 100,0 oder auf den Morgen einschl. der ertrag- losen Fläche 1849 Eimer Eimer Eimer Eimer | Eimer | Eimer Eimer bis 1853 5,0 9,1 4,5 5,0 5,8 75 Die Schätzung zur Grundsteuer, die indess nur in den Regierungsbezirken Koblenz, Trier und Aachen Weinberge von Gartenland im allgemeinen unterscheidet, giebt den einzelnen Kreisen nach folgendes Bild: *, Durch die Erweiterung des Staatsgebietes im Jahre 1866 sind demselben im Herzog- thum Nassau 13 564,5; Morgen Weinbergsareal zugefallen, von denen 3881,9 im Amte Eltville uud 4670,6 im Amte Rüdesheim belegen sind. Vergl. Dr. Dünkelberg: Skizze der klimati- schen, Boden- und Kulturverhältnisse des Rheingaues, nebst Statistik der Weinerträge von 1834, 1846 und 1857— 1866, Wiesbaden 1867. XXI. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Sri: Durch- Durch: schnitts- Fläche | schnitts- ertrag . 2 Kreis der ertrag des Vorzugsweise Wein bauende Wein- der eigent- f (Distrikt) ie Wein- | lichen Gemeinden Ich berge Garten- landes Morgen Sgr. Ser. Koblenz . Adenau .... 34 25 68 Hönningen, Brück, Pützfeld, Denn und Kesse- . ling. Ahrweiler: = ifele- ern 2] 1320 52 103 Walportsheim, Bodendorf, Wadenheim, Ahr- Rheinerafsch 2.929 96 193 weiler, Laach und Altenahr. g .. St. Goar: Boppard ...| 3 535 IOI 169 ]Günstige Lagen in Seitenthälern des Ober- . \ Diebacher, Steeger- und der beiden Ober- Hunsrück ...| 1170 81 | 82 weseler Thäler. Koblenz .... 2.065 148 205 Cobern und Winningen. Kochem ....| 3 540 II2 I3I Fankel, Valwig und Ellenz-Poltersdorf. Kreuznach: Unt. Distrikt .| 9422 213 288 |" Wallkausen, Stromberg: Windesheii, Lan, er, Wallhausen, Stromberg, Windesheim, Lan- Ob. Distrikt . 72 138 116 genlösheim, Waldalgesheim, Kirn, Mün- ster b./B., Münster am Stein, Laubenheim, Mayen: Thalböchelheim, Boos. Andernach .. 494 | 163 | 152 Hatzenport, Loef, Cattenes, Lehnen u, Gödorf. Mayen .... 68 35 128 Neuwied: Neuwied ...| 3 237 IIZ 121 In der Rheinebene von der nördlichen Grenze stad [2 des Kreises bis zu dem Orte Izlich. (Leutes- Neustadt ... I0 | 15 7 dorf, Rheinbrohl, Ober- und Nieder-Ham- Zell: merstein, weisser Wein.) Mosele. .. 0.1 3.828 IIg 158 Traben, Enkirch und Merl. Trier. . . | Bernkastel: Bernkastel . . 5488 153 200 Oligsberg, Neuberg, Brauneberg, der Doktor bei Bernkastel, Josephshof bei Graach, Thron, Hofberg und Zeltingen. Die Ge- Bitb 2 markungen des Moselthales und dessen ItbUurg: Thalbuchten. Bitburg... . 13 23 | 90 Merzig... . 128, 077200 [63 Merzig, Beckingen. Saarbrücken . . IOo4 | 133 IIg Bliesransbach, Kleinblittersdorf, Auersnach, | Hanweiler, St. Arnual, Saarbrücken. Saarburg We cs 1932 | 120 IIg Wiltingen, Scherzhofberg, Bockstein, Eucha- | riusberg, Canzem, Wawern, Ayl, Schoden — an der Saar. Saarlouis... . 314 92 121 St. Barbe, Berus. Trier (Landkr.) : Konz.n. 2.11.4722 131 144 ) 7 eye Oberemmel, Akritziusberg, Grünhaus, Casel W elschbillig J 33 30 96 \ und Eitelsbach und Augenschein in Pfalzel. Hermeskeil II. 22 gI 77 . | Trier (Stadtkr.) le 469 183 | 255 Thiergarten, Avelsbach, Olewig, Geisberg. St. Wendel: | Grumbach .. 202 | 60 132 Im Glanthale, bei Grumbach, Langweiler und | | Schmidthachenbach. Wittlich ....| 2174 89 160 Piesport, Minheim, Monzel, Uerzig, Kinheim, Düren: | Croev, Reil, Wittlich, Platten, Osan, Dreis. Nideggen ... . qI 55 | II4 Einige Gemeinden an der Roer. 2372 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Die besten Weinlagen der preussischen Rheinprovinz umfasst das Rheinthal von Bingen abwärts, und zwar sind die vorzüglichsten auf der linken Rheinseite die Gelände von Bacharach, Ober-Wesel (Rothwein), St. Goar, Boppard, Koblenz, Andernach, Remagen, Godesberg, und auf dem rechten Ufer Kreuzberg bei Ehrenbreitenstein, Ham- mersteiner Berg, Hönniger Schlossberg, Linz (Rothwein), Erpeler Lay, Unkel (Roth- wein), Königswinter, Steng (Rheinbleichert). Sie liegen fast ausschliesslich auf Grau- wackenthonschiefer, nur einige Lagen von Linz und Königswinter haben einen besonders günstigen Standort auf verwittertem Trachyt von lehmiger Beschaffenheit. Den Sorten nach war früher im Rheinthal der Anbau der Orleanstraube oder des Harthengstes verbreitet, aus welcher seit der ältesten Zeit die bis in die ersten Dezennien unseres Jahrhunderts vorzugsweise gesuchten schweren und feurigen, mit Vor- theil lagernden Rheinweine gewonnen wurden. Seitdem sich der Geschmack von den alten, erst spät ihre Güte erreichenden Weinen abgewendet hat, ist die Orleanstraube wegen ihrer späten Reife und geringen Ergiebigkeit aufgegeben, und ein ziemlich ge- mischter Bestand frühtrinkbarer Sorten eingeführt worden, bei deren Auswahl man die Quantität nicht weniger, als die Qualität in Rücksicht zu ziehen pflegt. Unter ihnen über- trifft die Riesslingtraube alle anderen an Qualität und liefert die schwersten, feinsten, bouquetreichsten, weissen Weine der Gegenwart. Sie gedeiht auf jedem Boden, trägt regelmässig und treibt so spät in die Blüthe, dass sie nicht leicht erfriert, muss indess lange, bis gegen den November, am Stock hängen und giebt desshalb keine grosse Quan- tität; auch erhält sie die Eigenschaft, dem Weine Bouquet zu geben, nur auf thonigem Grunde. Aehnlich schwer, geistig und von eigenthümlichem Aroma ist der rothe Traminer, der auf warmen, reichen, gut gedüngten, aber nicht thonigen Böden gedeiht und zur Mischung mit Riessling, sowie mit geringeren Weinen sehr geeignet, indess ebenfalls wenig ergiebig ist. Werthvoll sind ferner die Klävner Sorten, welche beson- ders auf Thonboden süss, feurig ünd von lieblicher Blume, zugleich reichlichen Ertrag seben. Am verbreitetsten ist der blaue oder schwarze Klävner, der auch blauer oder schwarzer Früh-Burgunder oder Klebroth genannt wird. Aus ihm werden die besten Rothweine bereitet, auch ein angenehmer Weisswein, wenn der Most nicht auf den Schalen gährt, und fast alle moussirenden Weine. Früh reifende Abarten sind die Jakobs- oder Augusttraube auch Möhrchen, der schwarze Riessling, der schwarze Traminer auch Arbst, und der Ruländer auch grauer und rother Klävner genannt, welche sich sämmtlich für etwas kältere Lagen eignen. Einen haltbaren, starken und süssen weissen Wein, dem aber das Bouquet fehlt, giebt endlich der auf trocknen, geringen, aber geschützten Böden reichlich tragende Welschriessling. Wenig gehaltreiche, aber wegen ihrer grossen Quantität und der Genügsamkeit im Standort angebaute Sorten sind der Ortlieber oder Räuschling, der, süss und lieblich, von allen auf dem geringsten Boden vorlieb nimmt, der Klingeberger oder weisse Burgunder, der weisse Sylvaner oder Oesterreicher auch grüner Riessling, die ver- schiedenen schon oben erwähnten Gut- oder Schönedelarten und der Elben, Weiss- Elben oder Elbling, auch Kleinberger genannt, der unter allen Traubensorten wohl den meisten, aber auch den schlechtesten Wein liefert. Riessling, Kleinberger, Traminer und zu Rothwein schwarzer Klävner bilden die Hauptbestände des Rheinthals. — Den rheinischen Weinlagen kommen die an der unteren Nahe gleich, theilweis werden sie werthvoller geachtet. Der Kreis Kreuznach zeigt desshalb nach der Ueber- sicht von allen Kreisen den umfangreichsten Weinbau nnd hat auch die höchsten XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 273 Erträge. Tiefer landeinwärts werden die Naheweine zwar viel geringer, sind indess ziemlich säurefrei, und die Weinbergsanlagen verursachen auf dem sanfter hügeligen Terrain geringere Ausgaben und Arbeit, und können, nachdem sie 30 bis 5o Jahre ge- dauert, nach dem Ausroden der Stöcke bis zu ıo und ı2 Jahren mit ewigem Klee bebaut werden, welcher dem Wein im Ertrage gleich steht. Die rheinischen Weinberge werden in der Regel sofort unter Aufbringen von etwa 400 Ütr. Dünger und 300 Ütr, Rasen auf den Morgen\wieder angerodet. Als Bestand rechnet man für einen Morgen 2 500— 3.000 Stöcke, welche jedes 3. bis 5. Jahr gedüngt werden. — Das Gebiet der Moselweine ist, wie die Zusammenstellung zeigt, bei weitem das grösseste, indess werden dazu im engeren Sinne nur die Lagen unterhalb Schweich, wo das offene breite Thal von Trier abschliesst, gerechnet. Es wird hier ausschliesslich Weiss- wein erzeugt, der durch einen eigenthümlichen Erdgeschmack, eine oft feine Blume und helle Farbe kenntlich ist und, obschon er nicht so süss schmeckt wie guter Pfälzer- und Rheingauerwein, doch dem Magen keine Säure verursacht und desshalb beliebt und vielfach ärztlich empfohlen, durch seinen besonderen Charakter konkurrenz- fähig bleibt. Er wächst auf den Sonnenlagen der steilen, gewundenen Stromufer bis etwa zur Höhe von 600 Fuss auf stark talkhaltigem Thonschiefer. Die besten Moselweine werden zwischen Schweich und Kochem erzeugt, das Gewächs zwischen Kochem und Koblenz, wo die Elblingrebe vorherrscht, ist geringer. Oberhalb Kochem wird in den besseren Lagen Riessling mit Kleinberger (Elben) ver- mischt gebaut. Der Riessling bewährt sich hier nicht so gut, wie am Rhein, und auch der Kleinberger ist nicht besonders ergiebig, daher verbreiten sich mehr und mehr Tra- miner, Oesterreicher, Ruländer und weisser Burgunder. Die berühmtesten Weinorte sind: Laurenziusberg bei Leiwen, Taubergarten und Grosswingert bei Pisport, Neuberg und Oligs bei Winterich, Brauneberg bei Dusemond, ferner Griech, Wahlen, Grün- hausen, Casel, Trarbach, Josefshofen, Zeltingen, Uerzig, Erden, Oröf, Enkirch, Pün- derich, Zell, Moerl, Die Erziehungsart ist verschieden. Der sogenannte alte Moselbau, welcher viel Holz und Blätter erzeugt, ist nur noch von Kochem abwärts verbreitet. Meist haben ihn die besseren rheinischen Kulturweisen verdrängt, namentlich erreicht der sogenannte neue Moselbau mit weniger Holz eine gute, gleichmässige Ausbildung der Trauben. Der Weinbau an der oberen Mosel um Trier ist nicht sehr bedeutend; die Weinberge liegen mehr an den warmen Abhängen der Saar, Sauer, Ruwer, des Feller- bachs und kleinerer Seitengewässer. Auch an der Saar aufwärts erstreckt er sich in grösserer Ausdehnung nur bis Ponten, so weit das Grauwackengebirge reicht, und ist am stärksten unterhalb Saarburg. Das Quantum der Saarweine ist viel geringer, als das der Moselweine, dagegen übersteigt der Saarwein den Moselwein in guten Jahren an Werth, besonders rücksichtlich der grossen Dauer, der Frische und des Bouquets, während in mittleren und schlechten Jahren die Saarweine gegen die der Mosel zurück- bleiben. Auch sind an der Saar die Fehljahre häufiger, als im Moselthale. Der Wein von Saarburg kommt als Moselwein in den Handel, und man sucht ihn durch beson- ders sorgfältige Kultur in der Güte zu heben. Die Trauben sind meist Weisselben, hier und da wird Schwarzklävner gebaut, z. B. bei Könen und Kongem, die besseren Weine wachsen am Scherzberg und Scherzhofberg bei Oberemmel, am Bockstein bei Ofken, Wildungen, Kongem, Könen. Oberhalb Merzig in den Sand- und Kalkböden bestehen Weinberge nur vereinzelt. Von den Lagen um Saarlouis wird der Ihner Boden d. preuss. Staates. II. 18 2374 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Rothwein für den besten gehalten, sowie im allgemeinen Rothwein besser, als der weisse gedeiht. Der an der Nied gebaute Wein von bleichrother Farbe, sog. Paillet, hält sich höchstens 2 Jahre. Im Saarbrücker Kreise nehmen ausser der Kreisstadt auch Bliesransbach, Hanweiler, Auersmacher, Kleinblittersdorf und Arnual an der Produktion Theil*). — Der Weinbau im Ahrgebiete seht von den ziemlich sanft abfallenden Thälern um Sinzig die Ahr aufwärts bis Altenahr und Brück, wo der Anbau zwischen den schroffen, fast kahlen Thonschieferfelsen vielfach nur durch Aufführung von Mauern, in welche die Erde in Körben getragen wird, ermöglicht ist. Die besten Weine wachsen im Ober-Ahrthal bei Altenahr, Laach, Walportsheim und Ahrweiler auf Thonschiefer, Grauwacke und Basalt; unterhalb Ahrweiler, wo Lehmhügel beginnen, zeichnen sich Wadenheim, Heimersheinerberg und Bodendorf aus, im allgemeinen aber ist das Er- zeugniss geringer. Es wird fast ausschliesslich Rothwein produzirt, die besseren aus späten Frühburgunderreben (Klebroth), die geringeren im Unterthale aus Burgunder; die besten Weine sind dunkelroth, andere von heller Farbe, sogenannte Bleicherte (Ahr- bleichert). Sie sind von Geschmack besonders lieblich, süss und gutem Burgunder ähnlich; indess, wie man meint, wenig haltbar und kommen selten über den Rhein. Der Ahrwein gehört zu den billigsten, guten Rothweinen, der Preis als Most ist durchschnittlich 21 Thlr. für das Ohm; neuerdings wird viel zu Champagner verarbeitet. Der Weinbau an der Ahr ist im Steigen geblieben, er hat seit 1849 ungefähr 700 Morgen gewonnen. Der Morgen der besten Lagen wird mit 2000— 6000 Thlrn. be- zahlt. Der Anbau geschieht bei der schweren Arbeit vielfach von sogenannten Halb- winnern, welche die Hälfte der Kreszenz an den Eigenthümer abliefern. Dafür haben sie öfters ein Stück Acker oder Wiese zur alleinigen Benutzung, während der Eigen- thümer die Grundsteuer zahlt und die Weinbergsmauern im baulichen Stande erhält. — Im Regierungsbezirk Aachen wächst Wein auf den Bergabhängen längs der Roer in einigen Gemeinden des Kreises Düren. Die Trauben sind edler Qualität und Burgunder Ursprungs, doch bedarf ihre Reife besonders günstiger Witterung. Die Weinerzeugung im Regierungsbezirk Köln beschränkt sich auf den Kreis Bonn und den Siegkreis, und nimmt auf der linken Rheinseite 1784, auf der rechten 1935 Morgen ein. Im Kreise Bonn unterhalb Godesberg ist in den Jahren 1849 bis 1857 so viel Weinland in Gemüsegärten umgeschaffen worden, dass gegenwärtig kaum zwei Dritttheile der früheren Fläche als Weinberge benutzt* werden. Die noch be- stehenden liegen an den linksseitigen tertiären Gehängen von Friesdorf, Dottendorf, Kessenich, Duisdorf, Oedenkoven und Gielsdorf, einige auch in der Rheinebene bei Hersel, Bonn, Plittersdorf und Rüngsdorf, und auf der rechten Seite des Stroms bei Beuel und Schwarz-Rheindorf. Sie erzeugen meist einen rothen Wein von mässiger Güte. Der Siegkreis besitzt am Rhein ausser den schon gedachten Lagen bei Honnef und Königswinter auch in den benachbarten Orten Dollendorf und Oberkassel Wein- berge am Südhange des Siebengebirges; der Weinbau an der Sieg ist bei Bödingen und Blankenburg am ausgebreitetesten. — Was die Bewirthschaftung der Weinberge im Gebiete der Rheinprovinz betrifft, so bereehnen sich die Anlagekosten auf den Morgen unter günstigen Umständen auf etwa 297 Thlr.: 3600 Setzlinge (100 Stück 3Y Thlr.) erfordern 126 Thlr.; das Setzen *) Vergl. Saar und Mosel, Weinbaukarte für den Regierungsbez. /rier v. R. Clotten, 1868. XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. 275 20 Thlr.; dreimaliges Graben 10 Thlr.; der Dünger 14 Thlr.; Lohn für den dreijährigen Schnitt ız Thlr.; 3600 Pfähle go Thlr.; die Pflege bis zum 5. Jahre 16 Thlr.; endlich Lese- und Kulturkosten 9 Thlr. Unter ungünstigen örtlichen Umständen belaufen sich indess die Kosten ohne die der Mauern und Planirung auf 350 bis 360 Thlr. Die Weinpflanzungen sind ausser den gewöhnlichen Einflüssen der schwankenden Frühjahrs- und Sommerwitterung und den ebenfalls klimatischen Gefahren des Hagel- schlags und der Abschwemmungen, auch verschiedenen Krankheiten, wie dem Wolf, dem Eischimmelpilz, den sogenannten Windblasen ausgesetzt. Die Traubenkrankheit hat sich in Preussen nur unerheblich gezeigt. Die Bearbeitung der grösseren Weinberge geschieht durch Tagelöhner. Der bei den Ahrweinen übliche Halbbau verschwindet anderwärts mehr. Die kleinen Wein- berge werden von den Eigenthümern selbst kultivirt. Auf einen kräftigen Winzer, den eine gesunde Frau unterstützt, sind in der Regel nicht mehr als 2 Morgen zum Anbau zu rechnen. Bei ungünstiger Lage muss die Arbeitsfläche noch geringer sein. Nur die grösseren Besitzer und die wohlhabenderen Winzer pflegen selbst zu keltern, den Wein auf dem Lager zu behandeln und für den Verkauf den günstigen Zeitpunkt abzuwarten. Die Zahl der ärmeren Winzer, die dazu keine Mittel besitzen, beläuft sich auf etwa 12— 13000. Sie entäussern sich, um rasch baares Geld zu er- langen, der Trauben unmittelbar nach der Lese, und haben häufig den Traubengewinn schon vorher gegen Aufnahme von Vorschüssen verkauft. Die Masse der im Herbste des Jahres 1864 von dieser Klasse der Winzer an Weinhändler und Weinfabrikanten überlassenen Trauben geben die Steuerbehörden auf 69 405 Centner an. Die Lage der Produzenten ist in der Provinz im allgemeinen eine wenig günstige, namentlich ist der Anbau an der Mosel gedrückt. Dass dazu die Errichtung des Zoll- vereins nicht unwesentlich beigetragen habe, lässt sich nieht verkennen. Den Zollsätzen nach genossen die rheinischen Weine von 1818— 1865 gegen die fremden fast gleich hohen Schutz. Der Erlass ungefähr der halben Verbrauchssteuer, welchen der erste Zolltarif vom 26. Mai 1818 (A. u. B. No. 14, G.-S. S. 70 u. gr) den süddeutschen Franken-, Pfälzer- und Rheinweinen gewährte, wurde schon durch die Erhebungsrolle vom 25. Oktober 1821 (II. 23, G.-S. S. 165) aufgehoben und aller Wein und Most beim Eingang in die östlichen Provinzen mit 8 Thlr., bei dem in die westlichen mit 6 Thlr., und beim Uebergang von letzteren in erstere mit ı Thlr. ı0 Sgr. belegt. Die Kab.-Order vom 30. Oktober (G.-S. $. 130) erhöhte unter Aufhebung der Uebergangs- abgabe den Zoll auch in den westlichen Provinzen auf $ Thlr. An diesen Sätzen änderten die dureh die Kab.-Order vom 18. Novbr. 1833 (G.-S. 8. 129 ff.) publizirten Zollvereinsverträge allerdings nichts; es wurde nur der Öyder, der bis dahin 21, Thlr. gezahlt hatte, dem Wein gleichgestellt. Sie bestanden vielmehr in derselben Höhe bis zu dem Gesetz vom 2. Mai 1853 (G.-S. S. 166), welches den Zoll bei Einfuhr in Fässern auf 6 Thlr. ermässigte, und erst der Tarif vom ı. Mai 1865 (G.-S. S. 240) setzte sie für den Eingang in Fässern wie in Flaschen auf 4 Thlr. vom Centner herab. Aber seit den Verträgen von 1833 wirkte der Zoll nur noch gegen das Ausland, die süddeutschen Zollvereinsländer führten ihre Weine gegen Zahlung einer Aus- gleichungsabgabe (s. 0. S. 266) von nur 25 Sgr. vom Öentner ein. Offenbar wurde also der Rhein seitdem vou ihrer Konkurrenz erheblich getroffen. Unzweifelhaft zog indess die fremde Produktion aus dem Umstande vorzugsweise Nutzen, dass der Geschmack, der sich anfänglich nur von den schweren Rheinweinen abwendete, mehr und mehr 18* 276 XXI. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. auch die herberen Weissweine überhaupt verliess und theils zu den milderen Pfälzer- weinen, theils in immer wachsender Ausbreitung zu Rothweinen überging. Dies wurde vornehmlich dem Moselgebiet empfindlich, in welchem in Folge der früheren starken Nachfrage, wo es irgend thunlich war, zum Theil mit sehr grossen Kosten Weinberge angelegt und mancherlei Verbesserungen vorgenommen worden waren. Das gesammte Rheinland aber sah sich mehr und mehr zu einer wenig lohnenden Massenerzeugung billiger Mittelweine gedrängt, und musste zum Theil veränderten Besatz annehmen oder die Einführung von Rothweinen versuchen. Dem gegenüber erwiesen sich die Erträge der Gemüse- und Obstgärten in steter Steigerung und durchschnittlich durch grössere Sicherheit und geringe Auslagen und Gefahren nicht unerheblich höher, als die der Weinberge. Es würden desshalb die Rodungen der Weingärten, deren bezüglich der Bonner Umgegend Erwähnung geschehen ist, die aber auch an der Mosel, um Trier und in den Saargegenden um sich griffen, in viel beträchtlicherem Grade stattgefunden haben, wenn nicht die meist steilen, unverwendbaren Lagen jede andere Kultur verböten, In dem letzten Jahrzehnt ist indess die Hoffnung gestiegen, auch das Produkt geringerer Ernten durch künstliches Verfahren als hinreichend trinkbaren Wein ver- werthen zu können. Dem Geschmack erscheint ein Wein matt, der nicht 6 pCt. Wein- geist enthält, und durch mehr als ı pÜt. Säure wird er ungeniessbar sauer. "Schon am Anfang des Jahrhunderts hatte Chaptal in dem sogenannten Chaptalisiren den Most durch Zusatz von Zucker, der sich in Alkohol und Kohlensäure zersetzt, auf höheren Weingeistgehalt gebracht. H.L.L. Gall hat seit 1852 gelehrt '), den Most mit wissen- schaftlicher Genauigkeit zu prüfen, ihn gleich nach dem Pressen durch Zusatz von Zucker und Wasser auf den Gehalt eines guten Traubenmostes zu bringen und schliess- lich dem Weine durch angemessene Beimischung feiner Bouquetweine das entsprechende Aroma zu geben. Dies Verfahren, welches anfangs als Fälschung verdächtigt wurde, hat sehr bald Eingang und die Anerkennung als wichtige Erfindung gefunden und sich, allerdings unter der Voraussetzung, dass dazu nicht unreine Zuckergattungen, nament- lich nicht geringer Kartoffelstärkezucker verwendet werden, geeignet gezeigt, auch in ungünstigeren Jahren und Lagen aus der Ernte einen trinkbaren und gesunden Wein zu gewinnen und anderen bis dahin üblichen, zum Theil höchst gefährlichen Fälschungen entgegen zu wirken ?). In neuester Zeit hat Petiot in dem sogenannten Petiotisiren des Weines °) einen weiteren, zweifelhafteren Schritt gethan, indem er nach der ersten Kelterung den Trestern Wasser und Zucker zusetzt, um einen abermaligen Weingewinn zu erzielen. — Was endlich die Erträge betrifft, so sind dieselben beim Weinbau schwankender, als bei irgend einer anderen Kultur, und hängen ebenso von der Güte des Jahrgangs, als von der mit der Güte nicht immer in gleichem Verhältnisse stehenden Masse des Erzeugnisses ab. Das nachstehende Verzeichniss giebt die nach den einzelnen Provinzen und Jahrgängen von der Steuerbehörde ermittelte Produktion. ') Ueber Darstellung guter Mittelweine u. s. w. Trier 1852. — Nachricht über mein Weinbereitungs- und Weinveredelungsverfahren, Trier 1854. — Vgl. Annalen Bd. 23 S. 364. 2) Vergl. Annalen Bd. 23 S. 499, Bd.49 S. 103 fl. — Ueber die Zusammensetzung der verschiedenen Weine, ihren Säure-, Zucker- und Alkoholgehalt und die neuesten Fortschritte der Theorie der Gährung und Weinbereitung sprechen die Jahresberichte über die Leistungen der chemischen Technologie von J. R. Wagner, Leipzig, seit 1854, unter Gährungsgewerbe. 3) Friedr. Mohr: Der Weinstock und der Wein, Koblenz 1864, $. 188—195, und: Der Weinbau und die Weinbereitungskunde, Braunschweig 1865. XXIH. Garten-, Gemüse-, Obst- nnd Weinbau, Branden- burg Schlesien Eimer Eimer Sachsen Rheinland Eimer 24 868 469 211 235 831 206 972 362 319 711113 140 815 816 228 271088 41970 189 846 295 093 590 436 850 467 692 135 fehlen 257 567 173 835 412 831 236 722 189 070 466 993 122 007 229 094 275 9IL 706 910 550.465 439 628 388 198 374 800 310 267 413 285 333 491 97,299 212. 358 175 663 546 545 576 285 481 002 287 876 257 208 517 500 396 735 320 471 Zusammen Staat Eimer 24 907 486 014 245 909 233 621 390 281 768 284 228 597 861 183 271088 41970 201687 322, 961 641 074 960 327 302 603 294 236 175 040 447 266 266 723 190 946 501 339 145 046 243 121 329/313 832 162 628 303 492 257 426 843 412748 355.90 470.086 433 482 117 226 229 938 187 728 593 886 647 352 544 032 357 950 280 788 547 810 435 77% 331517 Weinertrag Eimer 0,69 II,ıg 5,70 5135 8,20 15,65 4,55 16,45 5,16 0,80 3,67 5,28 10,35 15,43 12,65 451 2,74 7,06 4,24 3,05 8,05 2,33 3,93 5,36 13,53 IO,og 7:95 6,90 6,68 5,77 7164 7197 1,93 3,8% 3,13 9,95 IO,79 9,7 5194 4,62 8,97 714 5,49 277 von Morg. Fläche im ganzen Staat 278 XXIII. Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau. Ueber das Verhältniss besserer und schlechterer Qualität steht nur die An- gabe des Klassenverhältnisses zu Gebote, wie es bei der obenerwähnten Unter- scheidung des Werthes der Weinberge für die Besteuerung aufgestellt worden ist; es weicht der Natur der Sache nach auch in längeren Zeiträumen wenig ab und wird hier nach der Zeitschrift des statistischen Büreaus Bd. I. S. 304 für die Jahrgänge 1840, 1850 und 1860 mitgetheilt. = Autler Branden- R : £ ; Zusammen De vom Klasse Tahr Posen Bar Schlesien | Sachsen |Rheinland Schr Durchschn 1851—1860 Morgen Morgen Morgen Morgen Morgen Morgen Eimer URREREF N VER RE 017 (oSToeaneE Ganz en SER HE Da a Ta SELEESFREG FE | I. Klasse | 1840 . ö . 5 284 284 1850 E 3 e . 245 245 | 3,49 1860 ö & 2 - 150 150 II. Klasse | 1840 . e & . 2.403 2.403 1850 2 5 0 : 2341 2,341 | 3,27 1860 . . . : 1251 1251 III. Klasse | 1840 S . . . | 10535 10 535 1850 3 5 . s | 10270 10 270 | 5,44 1860 6 B . e | 9147 9147 IV. Klasse | 1840 i 313 4.930 578 | 14704 | 20525 1850 . 313 4948 534 14 200 19'995 \ 7104 1860 & 313 5348 530 | 15312 21 503 V. Klasse | 1840 & 1178 . 324 | 12383 13 885 1850 . I 190 . 313 | 12409 13 9I2Z | 7,38 1860 : 1253 © 302 | 11609 13 164 VI. Klasse | 1840 766 2.415 5 2682 | 9305 15 167 1850 761 2.681 - 2, 581 9.003 15 026 \ 6,13 1860 860 2882 2 2332 |: 8988 15 062 | durchschnittlich 6,51 Bei der Grundsteuerveranlagung sind die Durchschnittspreise in den Kreisen und Klassifikationsdistrikten aus den Jahren 1837 bis 1860 für den Eimer ermittelt worden, und haben sich herausgestellt sge im Kreise Koblenz . 2. ... 2... „auf ıo'% Thlr., 5 SS Kochem® |. Hr) 3 SR, = ı » Kreuznach (oberer Dieiikl).. ec 5 „ Mayen (Distr. Mayen). n » Zell (Distr. Mosel) . Bernkastel (Distr. Bent) » 8 » » 6 Ys n 5) 5) ”» 9,16 ” ns 0 Saarburg nn, » 1159 5 e Trier (Stadt und Lane) ar Fa >02 Wittliche ums neg n een XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. In allen Theilen des preussischen Staatsgebietes bestehen erhebliche Flächen dauernder Wiesen und Weiden, welche weder zu nass noch zu dürr, mit Ausnahme des Winters in günstiger Vegetation bleiben und fast zu jederZeit des Jahres betreten werden können. Es ist dies eine Gunst des Klimas und der Bewässerungsverhältnisse, welche südlicheren Gegenden in der Regel versagt ist. In dem Ausrufe: Was wird mehr ge- rühmt als die Weidegründe Germaniens? hat uns Plinius®) den Eindruck bewahrt, den diese reiche Entwickelung auf die Römer machte. Sie trat ihnen zunächst am Nieder- rhein und im Südwesten Deutschlands entgegen, lässt sich aber ähnlich bis in den fernen Nordosten verfolgen, obwohl allerdings in den ebenen Theilen Schlesiens, Posens und der Mark, wo Trockenheit und Sandboden zusammenwirken, geringere Graswüchsig- keit fühlbar wird. Dass in älterer Zeit während der allgemeinen Herrschaft der Feldgemeinschaft die Weiden bei weitem überwogen und Wiesen erst nach und nach, theils als gemein- schaftlicher, theils als Einzelbesitz aus dem Weidelande ausgeschieden wurden, liest in der Bd. I. S. 348 ff. und Bd. II. S. 5 ff. dargestellten Gestaltung der Flurverhältnisse. Heuwerbung, Heudienste und Heuleistungen erscheinen indess schon in den frühesten Nachrichten”), und ergaben sich in allen Theilen Deutschlands aus dem Bedürfniss, Vieh im Winter zu füttern und in Städten, Burgen und ähnlichen geschlossenen Orten zu halten. Die fortschreitende Ausbreitung des Ackerbaues beschränkte die Weiden mehr und mehr und steigerte gleichzeitig den Werth des Wiesenlandes. Die Benutzung der Weiden blieb auf allen Fluren, so lange Flurzwang bestand, eine gemeinschaftliche und wurde im gesammten Verlaufe des Mittelalters und bis in das vergangene Jahr- hundert selbst zwischen den Heerden der Gutsherrschaften und der Rustikalgemeinden höchst selten gesondert. Weidegeld und Weidepacht, wo sie vorkommen, beziehen sich in der Regel nur auf die unberechtigten Viehstücken gestattete Theilnahme an der *, Hist. natur. XVII. 4. **) Ch. E. Langethal: Geschichte der teutschen Landwirthschaft 1847 Bd.I. S. 53, 161. — C, S. Anton: Geschichte der deutschen Landwirthschaft 1799 Bd.I. 108, 417. 280 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Gemeinweide, oder auf die Hutung in Forst-, Heide- oder Wildländereien, ausserhalb der eigenen Flur. Die Wiesen dagegen wurden unter ähnlichen Gesichtspunkten, wie das Ackerland behandelt. Feldwiesen waren in die Hufenstreifen oder Ackergewanne eingemessen. Sie fielen während der Ackerjahre der Nutzung des Einzelnen anheim, mussten aber im Brachjahre der gemeinschaftlichen Brachhutung offen gestellt werden; grössere Wiesenflächen dagegen wurden als besondere Flurtheile benutzt und von den betheiligten Wirthen entweder gemeinschaftlich gehauen, so dass eine Theilung des gewonnenen Heues nach dem Haufen oder der Kappe stattfand, oder sie wurden wie Ackergewanne in Stücke, Kaweln oder Schwadenbreiten abgemessen, welche in be- stimmter Folge oder durch periodische Verloosung dem Einzelnen im Wechsel zufielen. Solche genossenschaftliche Nutzungsweisen haben sich vielfach bis zur Gegenwart selbst auf im übrigen separirten Gemarkungen erhalten. Sie bestehen als sogenannte Gemein- wiesen, T'heilwiesen, Wechselwiesen fort. Auch bei Dismembrationen sind hier und da ähnliche Verhältnisse begründet worden. Als ihr Gegensatz können grosse, meist landes- herrliche Wiesenkomplexe, die Herzogswiesen, Kurfürstenwiesen u. ähnl. betrachtet werden, welche aus gerodeten Forstrevieren, Teichen oder anderem alten Besitz hervor- gegangen, ohne einer Ortschaft zuzugehören, seit lange eigene Gemarkungen ‘ohne Be- wohner bilden und durch Parzellenverpachtung genützt werden. Während also die Weiden ohne Kulturarbeit den Heerden überlassen blieben und gewissermassen ein Landvorrath waren, den man angriff, wenn das Bedürfniss überwog, unterlagen die ertragreichen Grasflächen der Wiesen in viel geringerem Masse dem Umbruch, und fanden mit der rationelleren Wirthschaft Schonung, Aufsicht und zum Theil sehr künstliche und kostspielige Verbesserungen. An sich bedingte schon die Heuwerbung eine gewisse Wiesenpflege, Reinigen von Steinen und Gestrüpp, Zerwerfen der Maulwurfshügel und Ebenung, Ablassen stehenden Wassers u. dgl. Auch die vor- theilhaften Wirkungen der Ueberstauungen und Bewässerungen, die der Augenschein in den Flussniederungen lehrte, konnten im Mittelalter so wenig unbeachtet bleiben, als im Alterthum; eine gewisse Kunde von den in Spanien, Süd-Frankreich und Ober-Italien bestehenden grossartigen Bewässerungseinrichtungen lässt sich mindestens in Süd-Deutsch- land voraussetzen; und bei den bedeutenden Dammbauten des 13. Jahrhunderts, welche sich auf alle norddeutschen Ströme ausdehnten (Bd. I. S. 442), musste sich das Ver- ständniss von dem Einflusse einer zweckmässigen Regulirung des Wasserzuflusses auf die Wiesen von selbst aufdrängen. Aber auch die eigentliche Wiesenkultur und der Wiesenbau blieben nicht lange unbekannt. Schon Sebizius (1588) lehrt in dem 7. Buche des Praedium rusticum unter Hinblick auf den Unterschied zwischen feuchten und trockenen Lagen den Wiesenneubau und die Wiesendüngung mit pulverförmigen Abfallstoffen, und giebt eine Anleitung zu Kompostanlagen*). De Serres (1600), v. Hohberg (1687) und Florinus (1701) behandeln Wässerungswiesen, Wiesenanlagen und An- und Einsaat schon sehr gut. Seit alter Zeit pflegte man im Siegenschen, wo in den engen, vom Bergbau stark bevölkerten Thälern die schmalen Wiesenstreifen längs der Flussläufe von jeher besonderen Werth hatten, geeignete Grundstücke zu planiren und durch Auflegen abgestochenen Rasens in Wiesen umzuschaffen, sowie Grasland durch Berieselung zu höherem Ertrage zu bringen. Die dort bestehenden, Bd. I. S. 349 besprochenen Genossenschaften der Grundbesitzer führten, wie für die *) O.Fraas: Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, München 1865, S. 54, 199. XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 2831 Hauberge, so naheliegend auch für die Wiesen zu genossenschaftlichen Arbeiten und Anlagen. Es bildete sich örtlich ein genossenschaftliches Wiesen- und Bewässerungs- recht aus, welches in den Bd. I. S. 456 näher gedachten älteren Wiesenordnungen und noch in dem neuesten Gesetze vom 28. Oktober 1846 (G.-S. S. 485) seinen Ausdruck gefunden hat. 1750— 1780 vervollkommnete der Bürgermeister Alb. Dressler die Sie- gener Wiesenanlagen und Bewässerungen durch Rückenbau, und die Kunde seiner Unter- nehmungen verbreitete sich in Deutschland und fand in den Schriften von JJ. Ch. Schreber (1763) '), M. J. Bertrand (1764) ?). J. Ch. Bernhard (1765)°) und anderen zum Theil noch heut brauchbare Behandlung. Später regte Thaer im 3. Bande der Englischen Landwirthschaft die Wiesenbewässerung und Ansaat, auch die Verbesserung durch Dün- gung und Aufschwemmung und verschiedene Arten des Ausbaues von neuem an. Lebhaft in Aufnahme aber kam der Wiesenbau erst im Beginn der dreissiger Jahre ‘). Er wurde damals von Siegen aus in die ziemlich ähnlichen Verhältnisse des Erzgebirges übertragen, bald auch durch Siegener Wiesenbauer in Pommern, z. B. Schönwerder, Kieckow versucht. Die Öberpräsidenten dieser Provinz, in der der Wiesenbau be- sonderes Interesse fand, vermittelten für die Techniker Schall und Vincent grössere Instruktionsreisen und bewilligten für Anlagen Darlehne aus dem Meliorationsfonds (Bd. I. S. 459). Rottnow, Rütznow (Kreis Greifenberg), Lietzow (Regenwalde), Arens- hagen (Stolp) und eine Anzahl Güter an der Zampel, Kniephof, Kütz, Jarchlin, Klein- Sabow, Maskow (Kr. Naugard), Schmelzdorf (Regenwalde), ebenso Schönberg (Kreis Dramburg), machten damals beträchtliche Anlagen. Von besonderem Einflusse aber wurden die Wiesenbauten des Freih. Senfft v. Pilsach zu Gramenz (Kr. Neustettin), der auf seinen umfangreichen Bauten am ı. März 1838 eine Schule für Wiesenbautechniker eröffnete, und wie Bd. I. S. 459 gezeigt hat, durch die höchst bedeutenden Meliorations- unternehmungen, mit deren Einleitung ihn Friedrich Wilhelm IV. betraute, in allen T'heilen des Staates Anregung und Beispiel gab. Neben den öffentlichen Bauten ge- hörten die grossen Rieselanlagen auf der Herrschaft Kamenz in Schlesien, ebenso zu Jeltsch (Kr. Ohlau), zu Lampersdorf, zu Gross-Strehlitz und zu Janowitz, (Kreis Hoyerswerda) zu den ältesten. Auch in ‚Janowitz bestand von 1840 bis 1842 eine Wiesenbauschule, 1843 wurde eine Schule für Wiesenbau von dem landwirthschaftlichen Verein in Siegen, 1844 eine andere von Fellenberg in Mettlach und etwa um dieselbe Zeit eine ähnliche in Bilstein bei Olpe eingerichtet. Auf die Organisation dieser An- stalten wird bei der Besprechung des Unterrichtswesens zurückzukommen sein, Die Theorie der Berieselung, die anfänglich noch wenig Unterstützung durch tiefere Einsicht in das Wesen der Pflanzenernährung finden konnte, und manchen son- derbaren und irrigen Anschauungen von der Wirkung des Rieselwassers Raum gab, führte nicht selten zu kostspieligen und dennoch ungenügenden Anlagen. Nach und nach aber fand sie bei der Ausübung selbst an Erfahrung und wissenschaftlicher Durch- dringung ihr richtiges Mass. Man überzeugte sich, dass auch der Einfluss der Berieselung auf die Beschaffung der für die Pflanzenentwickelung nothwendigen Stoffe ') Botanisch-ökonomische Abhandlung vom Grasbau, Leipzig 1763. — Vergl. O. Fraas: Geschichte der Landwirthschaft, Prag 1852, S. 496 ff. 2) Die Kunst, die Wiesen zu wässern, Nürnberg 1765. ») Vollständige Abhandlung vom Wiesenbau, 3. Aufl., Stuttgart 1798. R ‘) Die Schrift von Vorländer über den Wiesenbau erschien zuerst 1833, die von A. v. Lengerke 1836. 282 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. zurückgeführt werden muss, und dass es viel wesentlicher auf den Gehalt des Wassers, auf die den Wiesengräsern angemessene Bodenbeschaffenheit und hinreichende, von Stockung freie Feuchtigkeit, als auf eine peinliche Regulirung gleichmässiger Rücken- formen und Hanglagen, bestimmte Wassermengen, Ansaaten und Bestandsarten ankommt. Man suchte desshalb möglichst die natürlichen Verhältnisse des Wiesenterrains zu benutzen, wendete künstlichen Ausbau nur an, wo er unumgänglich erschien, sorgte dagegen dafür, da, wo die nöthigen Düngstoffe durch Bewässerung nicht erreichbar sind, die Kraft der Vegetation durch die schon im vorigen Jahrhundert dringend empfohlenen Wiesendüngungen ') hervorzurufen oder zu vermehren. Die in der Praxis der Wiesen- bauten und der grossen, Bd. I. S. 460 gedachten Landesmeliorationen beschäftigten Techniker J. C. Patzig?), L. Vincent®), W. Haffer‘) bearbeiteten die Ergebnisse ihrer Erfahrungen in Schriften, deren Tüchtigkeit Anerkennung fand. Auch die Versuchs- stationen wandten den einschlagenden Fragen ihr Streben zu; ihren Mittheilungen lässt sich der neueste Stand der wissenschaftlichen Untersuchungen auf diesem Gebiete entnehmen °). Besondere Aufmerksamkeit hat in neuerer Zeit die Wiesenkulturmethode von Petersen zu Witkyl in Schleswig erregt. Sie beruht auf dem Gedanken, eine Wiese nicht allein von oben zu berieseln oder zu überstauen, sondern ihr zugleich von unten durch Drainage Abzug zu verschaffen, und dabei diese Drainage so einzurichten, dass sie beliebig geöffnet und verschlossen, und nöthigenfalls auch dazu gebraucht werden kann, Wasser aus einem Reservoir, in welchem dasselbe aufgesammelt und mit Jauche oder anderen Dungstoffen gemischt werden kann, in die Drainröhren einzu- führen, und so vom Untergrunde aus die nöthige Feuchtigkeit für die Oberlage zu gewinnen oder auch durch angebrachte Steigeröhren theilweise und beliebig fortschrei- tende Berieselungen der Oberfläche zu bewirken. Es wird durch diese Röhrensysteme thunlich, selbst bei verhältnissmässig sehr geringer Wassermenge das beabsichtigte Ziel zu erreichen, und zugleich je nath Bedürfniss den Boden anzufeuchten oder zu einer Trockenheit zu bringen, die seine Bearbeitung, Düngung und Bestellung mit Ansaaten jeder Art gestattet. Die zur Berieselung dienenden Gräben sind nur Wasserfurchen, welche bei der Bestellung umgebrochen werden. Die Kosten einer solchen Anlage werden auf 37. Thlr. vom Morgen angegeben. Im Gegensatz zu dem Petersenschen Verfahren, bei welchem übrigens auf die geeigneten Düngungen ebenfalls grosses Gewicht gelegt wird, hat der Landrath von St. Paul auf Jäcknitz bei Zinthen in Ostpreussen Wiesenkulturen ohne jede Bewässerung, lediglich durch Kompostdüngungen zur Durchführung gebracht, welche seit Jahren sehr guten Erfolg gehabt haben und wasserarmen Gütern ganz besonders empfohlen werden. Er bringt jedes vierte Jahr gute Komposterde, welche etwa ein Jahr gelagert hat, auf die Wiesen, eggt dieselben im Frühjahr und verjüngt sie durch eine neue Grassaat°). 1) z.B. von Schreber a. a. OÖ. 2) Der praktische Rieselwirth, Leipzig (1840), 5. Aufl. 1862. Verbesserung der Wiesen durch Bewässerung, 3. Aufl. 1858. 3) Der Wiesenbau, 2. Aufl., Berlin 1858. 4) Wiesenkunde, Berlin 1858. 5) Vergl. Jahresberichte a. a. ©. über Wiesenberieselung Jahrg. VII. S.217, VIII. 222; über die Petersensche Methode spezieller V. 148, VI. 121, VIII. 225, IX. 226; über Wiesen- düngung I. 217, II. 310, IV. 281, V. 148, 255, VI. 174, 202, VIII. 298. 6) @. v. Kessel-Raake: Ueber Wiesenmeliorationen, Landwirth Jahrg. 3, 1867, No. 2 u. 3. XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 283 Was die Kultur des Weidelandes betrifft, so kommt eine eigentliche Bearbeitung und Pflege desselben allerdings nur schr ausnahmsweise in Frage. Die Anzahl der Fluren ist nicht unbeträchtlich, auf welchen seit der Theilung der Gemeinheiten und seitdem die Ausführbarkeit und die Vorzüge der Stallfütterung zu allgemeiner An- erkennung gelangten, die raumen Weiden bis auf unbedeutende Rinder- oder Stand- plätze gänzlich verschwunden oder auf Berghänge, Sandschollen, Flussbetten und Heiden beschränkt sind. Wo aber die Weiden noch in grösserer Ausdehnung bestehen, sind sie in der Regel von sehr geringer Beschaffenheit“), oder, wie auf den hohen Gebirgslagen und in der Provinz Preussen, klimatisch bedingt. Bd.]J. S. 158 hat näher gezeigt, wie sehr sich in nördlicher Lage die Zeit für die nothwendigsten Wirthschafts- arbeiten verkürzt und wie allgemein die Hutung für alles Nutzvieh ist, weil die Arbeits- kräfte für die Beschaffung des Sommerfutters nicht verwendbar bleiben. An Meliorationen des Weidelandes kann unter solchen Verhältnissen um so weniger gedacht werden. Die eigentlichen Fettweiden, welche durch Hutung besonders vortheilhaft ausgenutzt werden, und weil sie an Werth hinter guten Wiesen nicht zurückbleiben, auch gleich aufmerksame Behandlung erfahren, sind auf die tiefen Niederungen am unteren Laufe der Hauptströme beschränkt, und in ihrer Ausdehnung nur sehr unbedeutend. Indess ist allerdings in neuester Zeit das Streben lebendig geworden, werthvolle Weiden dieser Art auch durch künstliche Anlagen zu erzielen. So sind bei der Melioration der Boker Heide Kulturen von Fettweiden zum Theil auf schwerem Niederungsboden, zum Theil aber auch auf ziemlich geringem Sandboden mit gutem Erfolge gelungen. Die letztgedachten Weiden auf leichten von den Ueberstauungen der Lippe nieht mehr erreichten Grundstücken verdienen besondere Aufmerksamkeit. Sie liegen theils auf der Stadtflur theils in der Nachbarschaft von Lippstadt, längs des rechten Ufers des Flusses, und werden lediglich durch Düngung zum Ertrage gebracht. Der Boden wechselt von leerem, feinkörnigem bis zu lehmigem Sande, die Krume hat 4— 18 Zoll Tiefe, der Untergrund ist in der Regel eisenschüssig. Die Düngung wird, ausser durch den Weidegang selbst, durch Stallmist oder durch Kompost und Jauche be- schafft, Die Aufbringung geschieht im Frühjahr und zwar durchschnittlich in jedem dritten oder vierten Jahre. Zur Kompostbereitung werden gute Erde, Stallmist und Abfälle aller Art verwendet. Als sehr wesentlich ist anzusehen, dass man den Auf- trieb des Viehes nicht eher eintreten lässt, ehe nicht der an sich leichte und sehr zum Austrocknen geneigte Boden stark mit Gras bestanden ist, und Aussicht auf Erhaltung eines guten Rasens giebt, der sich den Sommer hindurch genügend feucht hält und in dauerndem Zuwachse bleibt. Die meisten dieser Weiden werden mit Melkvich be- trieben. Zu Fettweiden werden nur die besseren derselben benutzt. Zur vollständigen Ernährung einer friesischen Kuh während der Weidezeit ist eine Fläche von 194 — 3 Morgen erforderlich, und eine Kuhweide für das Jahr wird mit 18— 30 Thaler ge- pachtet, als Durchschnitt gelten für die Kuh 2 Morgen zu je ı2 Thlr. Pacht. — Mit wie grossem Interesse alle diese Bestrebungen Beachtung und Förderung seitens der Staatsbehörden fanden und wie dieselben möglichst durch die Gesetzgebung, *) Erhebliche Strecken dürftiger Weiden in Sachsen, Brandenburg und Posen bedingt der torfige Moorboden. Für ihn hat Rimpau auf Cunrau zuerst im Drömling die sog. Dammkultur angewendet, die sich mit Erfolg nach der Elster, der Randow u. a. O. verbreitet. Von 6 zu 6 Ruthen zieht er 4’ tiefe und 12 breite Gräben, und benutzt den Auswurf als mehrzöllige Sand- düngung. Eine Hafer- u. eine Roggensaat ersetzen meist schon die ca. 30 Thl. Kosten auf d. Morgen. 234 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. . wie durch technischen Beirath und unmittelbare Hülfeleistungen unterstützt worden sind, hat der Abschnitt XIII. über das Landesmeliorationswesen schon genauer zu zeigen die Aufgabe gehabt. Das Landes-Oekonomie-Kollegium veranlasste zahlreiche Versuche, Ermittelungen und Reisen, deren Ergebnisse in ausführlichen Bericht- erstattungen zur Klärung der Streitfragen und zur Anregung weiterer Unternehmungen veröffentlicht wurden*). Die Wiesenbaulehre wurde in die Unterrichtspläne aller Akademieen und Ackerbauschulen eingeführt. Die meisten der erwähnten Wiesen- bauschulen, deren Zahl noch 13862 durch eine zu Üzersk errichtete vermehrt wurde, erhielten Staatsbeihülfe. Auch wurden seit den vierziger Jahren an verschiedenen Orten Wiesenbautechniker auf Staatskosten gehalten, oder empfingen Staatsunterstützung, um dem Publikum für Anfragen und Rathschläge leichter zu Gebote stehen zu können. Noch gegenwärtig finden sich derartig subventionirte Wiesenbaumeister in Neidenburg Reg.-Bez. Königsberg, in Üzersk bei Konitz Reg.-Bez. Marienwerder, in Regenwalde Reg.-Bez. Stettin, in Heiligenstadt Reg.-Bez. Erfurt, in Lippstadt und: in Lindenberg Reg.-Bez. Arnsberg, in Stotzheim Kreis Rheinbach und in Wilkenroth Reg.-Bez. Köln, in Adenau Reg.-Bez. Koblenz, endlich in Guthenthal bei Morbach Reg.-Bez. Trier. — Was nun den Umfang und die Erträge der Wiesen- und Weidenländereien des Staatsgebietes betrifit, so sind ältere Ermittelungen darüber nicht vorhanden. Na- mentlich sind die Zahlen Krugs in den Betrachtungen über den Nationalreichthum des preussischen Staates (Berlin 1805, Bd. I. S. 102), welche dem Zeitpunkte nach wegen des Zustandes vor der Einwirkung der Separationen von besonderem Interesse sein würden, lediglich aus der damals vorhandenen Viehzahl berechnet**). Erst die Grund- steuerveranlagung von 1861 hat wie für alle Kulturarten überhaupt, so auch für Wiesen und Weiden einen genügenden Nachweis des Flächenumfanges und eine Unter- scheidung nach Werthsklassen gegeben. Sie hat dabei gemäss $ 5 der Anweisung zum Gesetz vom 21. Mai 1861 (G.-S. 8. 258) als Wiesen alle diejenigen Grundstücke be- trachtet, deren Graswuchs in der Regel abgemäht wird, und die nur ausnahmsweise beweidet oder aufgebrochen werden; als Weiden aber diejenigen, deren hauptsächlichste Benutzung darin besteht, dass ihr Graswuchs vom Vieh abgeweidet wird; letzterer Kulturart sind auch die Heiden und ähnliche Grundstücke beigezählt worden, deren Nutzung wesentlich in der Gewinnung von Streu und Dungmaterial besteht. Die Ergebnisse weist die Tabelle A. der Anlagen kreisweise nach. Zur besseren Verdeutlichung ist dem Atlas eine Karte beigegeben, welche die Wiesen in der Ver- theilung ihrer Flächen, so wie eine, welche sie nach Abstufungen ihrer Güte kreis- weise unterscheidet. Diese Zahlen und der Inhalt der Kreisbeschreibungen gestatten für die Hauptterrainabschnitte der einzelnen Landestheile einige eingehendere Bemer- kungen über das Verhältniss und die Beschaffenheit der grastragenden Flächen. *) Vergleiche solche Veröffentlichungen in den Annalen über den Wiesenbau im all- gemeinen und seinen Stand im Staate Bd. I. S. 60, V.74; XLVI. ı17; über den Bau in der Rheinprovinz bis auf den Hunsrück und der Eifel VIII. 217; über Gramenz VII. 35; Zarben in Pommern XVII. 12; Merzig und Besseringen XXX VIII. 267; über das Petersensche System XXXIX. 170, XL. 154, XLI. 81, 335; über den Wasserverlust auf Rieselwiesen IRRE TIT2, über den Gräseranbau und die Qualität des Rieselheues XXVII. ıo1, XXIX. 90, XXXIV. 3; den verschiedenen Futterwerth der Gräser XLVI. 59; endlich auch über Wiesendüngung und die Qualität des Heues nach verschiedenen Dungmitteln XXVII. 359; XXXIV. 177 u. 183. *) Für Schlesien geben die alten Grundsteuerkataster von 1743 einigen Anhalt. XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 235 1. Provinz Preussen. Die charakteristischen Gegensätze von Ost- und Westpreussen und von Höhe, Terrassenland und Niederung sind Bd. I. $S. 215 und Bd. II. S. 153 näher besprochen worden. — Die Flächen- und Ertragsverhältnisse des Wiesen- und Weidelandes überblicken sich diesen Terrainunterschieden nach folgendermassen: Verhältnis Extreme Prozent-Verhältnnisse | Durchschnittlicher |Durchschnittsreinertrag Rläche der H . a ee Reinertrag der extremen zur Gesammtlläche | einzelner Klassifikationsdistrikte aan Klassifikationsdistrikte Wiesen = 5 T Fe] er di Wiesen | Weiden |tragende 1.58 an een Tei Wie- Fläche |[Wie-|wei-| 83 [47 ER und Weiden | wiesen | Weiden [ie | _ 2 al, sEl&|s,|& |, sen 2 |» 2 |% 2 |&_ [sen | den | 2,1 2 |58| 4 52 = |#8| 32 |53| 285 re) Me KL IE e} "Sie e = 3 |3% on ala aa Morgen Morgen pCt. a |a a |3 a |R Sgr. | Sgr. | Sgr. |Sgr.| Sgr.| Sgr.| Sgr. Staat | 10209419 | 8138356 | 9, 62 | 0 | a6 | o | 70 | 0 I 45» | 14, | 314 J2ıı | 12 [1984| ı A. Höhe. Ostpreussen. .| 609931) 579 695] 12,0| 11,4 23,4 Westpreussen..| 156720) 605 519| 4,8 18,4| 23,2 zusammen | 766 65111 185 2141 9.2| 14,1| 23,3 B. Terrassen- land. Östpreussen. .|T 209 814| 834.431| 13,5, 9,3| 22,8 Westpreussen .| 358 061) 508701] 6,2 8,9| 15,r 1 zusammen [1 567 875|1 343 132] 10,7 C. Niederun- gen. ÖOstpreussen. .| 175059 33 935] 39,1 Westpreussen..| 229 990 42,481] 24,4 16 | 2 [6123 |44,9| 24,2 | 41,5| 77 | 38 | 38 | 16 14 | 4 |38 | 10175,7| 18,0 | 66,194 | st |3r | 3 zusammen | 405049] 76416[29,2| 5,5|34,7|56| 7 |16| 2 |61| 10[62,| 20,7| 55,5] 94 | 38 | 38 | 3 Prov. Preussen [2 739 575|2 604 762] ı1,2 | 10,7| 21,91 56 | 3 |31 2 61 10| 32, 7 19,|94 12 |38 2 Das Grasland nimmt danach in der Provinz beträchtlich grössere Flächen, als durchnittlich im Staate ein. Die Niederungen besitzen davon mehr als ein Dritttheil ihrer Gesammtfläche, auch die höheren Lagen erheben sich auf etwa 23 pCt., nur die Abdachungen Westpreussens bleiben erheblich gegen die übrigen Terrainabschnitte zurück. Indess deuten schon die geringen Durchschnittserträge, welche ausserhalb der Niederungen bestehen, darauf hin, dass trotz der grossen Flächen das Produkt gering ist, und nach Masse und Güte erheblich gegen das mittle Maas zurückbleibt. Die besten Wiesen mit 180 Sgr. Reinertrag liegen im kleinen Marienburger Werder und in den wenig ausgedehnten Niederungen des benachbarten Stuhmer Kreises. Sie geben 24 — 30 Ütr. gutes und bis go Ütr. geringeres Heu. Ihnen nahe stehen in den meisten Niederungen Wiesen, die zu 150 Sgr. angeschlagen sind. Die gesammte 286 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Danziger Niederung besitzt einen günstigen Lehmboden in sehr feuchter und gleichwohl nicht an Säure oder Stockung leidender Lage, und ist überwiegend zu reichem Wiesen- wuchs geeignet. Ihre Hauptflächen liegen indess in Wiesenwechselwirthschaft und sind den Aeckern zugeschlagen, so dass die Prozentzahlen kein genügendes Bild der aus- gedehnten Nutzung als Wiese und Fettweide geben, welche stattfindet. Ueberall aber bieten die Ländereien, welche dauernd als Wiese der besten Gattungen benutzt werden können, einen höheren Ertrag, als die Aecker mit Graswirthschaft. Die volle Sommer- weide einer Kuh erfordert auf diesen Wiesen nur r—ıY, Morgen und wird für das Stück Grossvieh mit 5—8 Thlr. Weidegeld bezahlt. Die Wiesen und Weiden der Niederungen am oberen Weichselstrom stehen stellenweise, wie bei Stuhm und Schwetz, dem Werder gleich, im allgemeinen aber sind sie zu häufig von geringerem Grasland unterbrochen, um ähnliche Durchschnitte zu erreichen. Auch das Thal des Frisching, landeinwärts der Domaine Brandenburg, besitzt vorzügliche Wiesen und der überwiegenden Nutzung nach als Fettweiden zum Ertrage von 150 und 120 Sgr. eingeschätzte Niederungsgrundstücke. Aehnliche Wiesen- und Weidenländereien finden sich bei Königsberg und bis gegen Wehlau im Flussthale des Pregels zwischen den Armen des Stroms. > Von den Wiesen und Weiden an der Memel sind die vorzüglichsten die der Tilsiter Niederung; 61 pCt. dieser Niederung tragen Gras. Das Wiesenland derselben erreicht Erträge bis ı5o und den Durchschnitt von 77 Sgr., das Weideland Erträge bis go und den Durchschnitt von 38 Sgr. Die ausgedehnten, nur aus Wurzelgeflecht und Schlamm gebildeten Moorflächen in den tieferen Niederungen zwischen Russ und Gilge und am Nemonin sind in nicht viel geringerem Verhältnisse von Wiesen und Weiden eingenommen, und liefern ausserordentlich grosse, den örtlichen Bedarf weit übersteigende Quantitäten Heu, welche bis auf bedeutende Entfernungen Absatz finden. Dasselbe ist nicht sauer, wohl aber rauh und schilfig, und wegen der sehr beschränkten Zugänglichkeit des Bodens und der häufigen Ueberstauungen durch das Haff so kost- spielig zu werben, dass der Ertrag nur gering ist. Es kann von manchen Stellen in ungünstigen Jahren nur auf dem Eise fortgeschafft werden. Weite Flächen, die eigene Gemarkungen bilden, sind wegen der Wasserverhältnisse ohne jeden Wohnplatz, auf anderen wird umfangreiche, indess durch Ueberschwemmungen und Insekten sehr er- schwerte Viehwirthschaft getrieben. Es giebt Höfe, welche dauernd Stallfütterung üben müssen, weil das Vieh auf der Weide den Stechfliegen erliegt. Die Durehschnittserträge berechnen sich bei Wiesen auf 39 Sgr., d. h. nach den Klassifikationen etwa gleich ıı Ötr. mittlem Kuhheu; bei Weiden in Heidekrug auf 16, in Niederung auf 28 Sgr. oder auf 5 und bez. 3 Morgen für eine Kuhweide. Der Preis des marktgängigen Heues stellte sich in 24jährigem Durchschnitte in der gesammten Niederung auf 20 Sgr. ıı Pf. für den Centner. Schon die ansteigenden Kreise zwischen der Niederung und der Höhe des preussi- schen Landrückens haben vielfach Mangel an Grasländereien. Die besseren zum Theil recht guten Wiesen liegen in den Flussthälern. An der Alle und Guber, am oberen Frisching, der Passarge und der Sorge giebt es Wiesen bis 120 Sgr. Ertrag vom Morgen; bei dem überwiegend plateauartigen Charakter des Landes und den tief ein- geschnittenen Gewässern sind indess die zu Wiesen geeigneten Thalsohlen überall sehr schmal, und die Thalabhänge zu schroff, um anders als zur Hutung nutzbar zu sein. Ausgedehntere Wiesenflächen finden sich desshalb nur auf den Hochilächen als stockende XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 287 Bruchgebiete, selbst die Feldwiesen haben diesen Charakter. Sie liegen überwiegend auf schwerem, zähem Lehm, der muldenartig von Sand und Grand bedeckt ist, oder bis zur Oberfläche ansteht. Dieses Bruchland nimmt namentlich in Pillkallen, Inster- burg, Angerburg, Friedland, Wehlau, auch in Rosenberg und Graudenz grosse Strecken ein. Vielfach ist es durch Entwässerungsanlagen meliorirt, indess erhebt sich selbst der Durchschnitt der Meliorationswiesen nicht über ı Thlr. Ertrag vom Morgen, und viele Gegenden ergänzen ihren Bedarf durch Ankauf aus den Niederungen. Die Höhenkreise endlich sind bezüglich des guten Heues fast ganz auf Einfuhr angewiesen. Ihre Wiesenländereien sind meist versumpft und erzeugen nur harte und saure Gräser. Futterheu wird von den Wirthen mit grossen Kosten und Schwierig- keiten, besonders aus Polen, angefahren. Man berechnet, dass sich dadurch der Centner bis auf ı Thlr. ro Sgr. stellt. Der Durehschnittsertrag Masurens von gegen 18 Sgr. für den Morgen Wiesenland ist desshalb diesen hohen Heupreisen zuzuschreiben. Die Ertragsschätzung der besten Wiesen steigt nur auf 75 Sgr. vom Morgen, Als Weide werden dagegen die trockenen Thalabhänge benutzt, und wo diese aus frischem und gutem Boden bestehen, steigen sie zu 60, im Kreise Johannisburg sogar bis zu 90 Ser. Ertrag, also höher als die Wiesen. Durchschnittlich aber erhebt sich das Weideland noch nicht bis zu 4 Sgr., was nach den Klassifikationsangaben einer Hutung gleich- kommt, von welcher etwa 20 Morgen zur Ernährung einer Kuh erforderlich sind. Ganz ähnliche Verhältnisse wie auf dem preussischen, bestehen auch links der Weichsel auf dem pommerischen Landrücken. Durch alle Lagen sind hier die Flächen geringer Weide ausserordentlich aus- gedehnt, der Kreis Karthaus besitzt davon 18,4, Berent 24,9, Neustadt 15,,, Konitz 18,0, Schlochau 21,;,, Deutsch-Crone r4, pCt. der Gesammtflächen, zusammen etwa 35 OMeilen, deren Ertrag vom Morgen noch nicht 3 Sgr. durchschnittlich erreicht. Wiesenland ist dagegen höchstens 4 pCt. der Gesammtfläche vorhanden; der Bedarf ist so gross, dass er zu den bedeutenden und kostspieligen Meliorationen der Tuchler Heide (Bd. I. S. 460) geführt hat. Dadurch sind gegen 6 000 Morgen bessere, künstliche Wiesen geschaffen, deren Wichtigkeit für die Gesammtkultur dieser Landstrecken unverkennbar ist. Diese Wiesen steigen bis 60 Sgr. Ertrag. Kleine Meliorationsflächen günstigen Bodens in den Flussthälern sind auf go und sogar zu 120 Sgr. geschätzt. Im Ganzen aber ist der Durchschnitt des Wiesenertrages trotz des grossen Bedürfnisses nur 20 Ser. Im Neustädter Kreise sind die Bd. I. S. go und 230 erwähnten, dem Meeresspiegel fast gleich liegenden grossen Moorbrüche auf mehreren Strecken zu Wiesen meliorirt, deren Ertrag ı —2 Thlr. vom Morgen erreicht. — Der Gesammtdurchsehnitt des Wiesenlandes ist im Regierungsbezirk Königsberg 31 Sgr., im Regierungsbezirk Gumbinnen 26 Sgr. Der Durchschnitt der Weiden ebenso ıı Sgr. und 7 Sgr. Vergleicht man die Zahlen mit den Schätzungsangaben der Klassi- fikationsprotokolle, so müsste man für die Wiesen des Königsberger Bezirkes durch- schnittlich einen Ertrag von ungefähr 7 Otr. gutem, 9 Ötr. mittlen oder 12 Ctr. geringen Heues, für die Wiesen des Bezirkes Gumbinnen einen Ertrag von 5—6 Ütr. guten, 7 ©tr. mittlen oder 10—16 Ctr. schlechten Heues, für die Weiden aber im Königs- berger Bezirke etwa 6 Morgen, im Bezirk Gumbinnen etwa ıo Morgen als zur Durch- weidung einer Kuh durch die Weidezeit erforderlich annehmen. Die Niederungswiesen Westpreussens würden in ihrem Durchschnitt von 76 Sgr. etwa zu einem durehschnittlichen Ertrage von ır Ötr. gutem Kuhheu, 14 mittlem oder 238 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 16— 20 geringerem Heu anzunehmen sein, und die Weiden mit 18 Sgr. zum Werthe einer Hutung, von der etwa 6 Morgen zur Ernährung eines Stückes Grossvieh erforderlich sind. Der Durchschnitt der übrigen westpreussischen Wiesen ist 25 Sgr. und bedeutet etwa 6 Ötr. mittles oder 8—ıo Ütr. geringes Heu; der Durchschnitt der Weiden ist nur 3,; Sgr. und steht kaum einer Hutung gleich, von der erst 24 Morgen eine Kuh ernähren. Der Durchschnittspreis des käuflichen Wiesenheues ist nach Ausweis der Tabelle G. der Anlagen Spalte 73 im Regierungsbezirk Königsberg im 24jährigen Durchschnitt der Jahre 1837— 1860 15,4, im Bezirk Gumbinnen 18, und im Regierungsbezirk Danzig 23,; Sgr. für den Centner gewesen. Für die Grundsteuerveranlagung ist, wie sich vorstehend ergiebt, der Wirthschaftswerth für den Centner mittles Heu erheblich niedriger angenommen worden, 2. Provinz Pommern. Umfang und Reinerträge der grastragenden Fläche der Provinz zeigen in der Gegenüberstellung der Regierungsbezirke die nachstehenden Zahlen: Wiesen und Weiden Regierungsbez. Köslin Stettin...» Stralsund... Fläche der Verhältniss zar Gesammtläche Extreme Prozent-Verhältnisse einzelner Klassifikationsdistrikte Durchschnittlicher Reinertrag vom Morgen Durchschnittsreinertrag der extremen Klassifikationsdistrikte Wiesen Morgen 10 209 419 493394 626 605 171 062 Weiden Morgen grastragende Fläche gras- Kayende Fläche Wiesen | Weiden © © - 7 P-| © niedrig stes > | höchstes höchstes G2 1 o = o ie- | Wei- den | grastragen der Fläche | Ser. 14,0 | = Wiesen Weiden höchster niedrig- ster uw 3 78 835] 19,8 Prov. Pommern |r 200 971|1 037 376] 10,2 Auch in Pommern besitzen die Niederungen um den Ausfluss der Oder das höchste Verhältniss der Wiesen, wie des Graslandes überhaupt; indess stehen dieselben den Niederungen der Provinz Preussen an Umfang, wie an Werth der Wiesen bei weitem nach. Mit Ausnahme des kleinen, in der Tabelle nicht berücksichtigten Stadt- kreises Stettin erhebt sich keiner der pommerischen Klassifikationsdistrikte in der grastragenden Fläche über 29 pÜt. des Gesammtumfanges; der Regierungsbezirke ein Distrikt unter 13 pÜt. herab. indess sinkt auch in keinem Die unmittelbar an den Strand Hinterpommerns und an das pommerische Haff anstossenden Kreise besitzen unter 100 Morgen durchschnittlich 20—26 Morgen Wiesen und Weiden, der pommerische Land- rücken hat in an das Ufer der Oder unter je 100 Morgen Gesammtfläche nur etwa 14 —ı7 Morgen Grasland und auch Neuvor- pommern erhebt sich trotz seiner insularen Lage nicht höher, ja Rügen besitzt nur 6,4 pCt. Wiesen und 7 pCt. Weiden, also von allen Bezirken Pommerns die kleinste Grasfläche. seinem Verlaufe von Rummelsburg bis XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 289 Im einzelnen ist in Hinterpommern die Vertheilung weniger nach dem Durch- schnitte der Kreise, als nach der örtlichen Lage unvortheilhaft. Wiesen und Weiden liegen überall in den tiefen Flussthälern und an ihren Uferabhängen zusammen; die zwischen denselben weit ausgebreiteten Flächen haben fast allenthalben Mangel. Auf der Höhe des Landrückens wird das Bedürfniss bei der grösseren Graswüchsigkeit und den wechselnderen feuchten Lagen weniger fühlbar. Am Bütowfluss und an einigen Gewässern um Neustettin und Dramburg giebt es natürliche Wiesen von 20— 24 Ütr. Ertrag. Der Durchschnittsreinertrag steht wenigstens bei den Wiesen auf 25 Sgr., bei den Weiden allerdings nur etwa auf 3 Sgr. vom Morgen. Der Durehsehnittspreis des in den Kreis- städten käuflichen Heues ist etwa 2o Sgr. für den Centner. Am meisten Mangel be- steht in der mittlen Zone (vergl. Bd. I. S. 230). Es wird desshalb hier vorzugsweise versucht, durch Anlage von Rieselwiesen Abhülfe zu schaffen. Die meisten derselben haben sich trotz ihrer grossen Kosten sehr gut bewährt. Manche erreichen 30, selbst 40 tr. Ertrag. Der Strand besitzt an der Stolpe, Wipper und Persante einige sehr gute natürliche, aber ziemlich beschränkte Flusswiesen, und hat in den grossen Sumpf- niederungen stellenweise Ueberfluss, wenn auch mehr in der Masse, als in der Güte des Heues. Gleichwohl erhebt sich der Reinertragsdurchschnitt der Fürstenthumer und Schlawer Wiesen auf 38 Sgr. vom Morgen, weil die Vegetation der Strandgegenden durch die salzigen Niederschläge, welche die Seeluft herbeiführt, besonders bevorzugt ist. Auch geringere Gräser werden durch diesen Einfluss gesünder und geniessbarer, und selbst auf den Dünen erzeugt derselbe natürliche, bleibende Weiden, welche trotz ihres kurzen, dürftigen Grases auffallende Nahrhaftiskeit besitzen. Die breiten, tief in das Land hineinreichenden, fast der Meeresfläche gleichen Flussthäler der Leba, Bebbrow, Grabow und ihrer Nachbargewässer sind auf grosse Strecken von sehr porösem und grobfasrigem Torfe ausgefüllt, auf welchem nur Moose oder einzelne Heidekraut- büschel ohne jeden Ertrag stehen, selbst bessere Strecken, welche überwiegend Heide- pflanzen tragen, bleiben kümmerliche Schafweide. Nur auf den sehr beschränkten Stellen, wo das Wasser etwas Sand und Schlamm anlandet, giebt es natürliche Wiesen, welche etwa 3—8, in den günstigsten Lagen höchstens 16 Ctr. Heu tragen. In diesen Brüchen schaffen die Meliorationen, welche wegen der grossen Ausdehnung der Flächen nur allmählich zur Durchführung kommen können, nicht ohne fühlbaren Einfluss der See- nähe, durch Aufwand von nur etwa 3—4 Thlr. Kosten Heumassen bis zu 24 Ütr. vom Morgen. Indess ist das Produkt überall von geringer Güte und durch Equiseten- und Ranunckelarten verunreinigt. Als die besten Wiesen des Reg.-Bez. Köslin sind| Riesel- und Flusswiesen zu 150 Sgr. geschätzt; die besten Weiden sind in der Umgegend von Belgard gefunden und als Hütung, von welcher wenig mehr als 2 Morgen hinreichen, eine Kuh zu ernähren, mit 42 Sgr. veranlagt. Durchschnittlich aber stehen die Wei- den des Bezirks nur auf 3 Sgr. Reinertrag vom Morgen. — Im Regierungsbezirk Stettin ist mit Ausnahme des südlichen Höhenlandes kein Mangel an Grasnutzung. Grosse Strecken aber sind nur T'orfwiesen von geringer Heu- güte. Die besten Wiesen finden sich in den Niederungen der Oder. Im Stettiner Stadtkreise und in Randow sind dieselben bis 210 Sgr. Reinertrag vom Morgen ge- schätzt. Diese Wiesen sind nicht eingedeicht. Der Boden ist ein humusreicher Thon aus den Sinkstoffen des Stromes. Die Heumasse erreicht 40, selbst 50 Ctr., und wird nur dureh die schwierige Abfuhr und die häufigen Ueberschwemmungsverluste auf die veranschlagten Geldsätze herabgedrückt. Die Durchschnitte dieser Kreise und des Boden d, preuss. Staates. I. 19 290 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. ebenfalls an die Oder anstossenden Kreises Greifenhagen erreichen 50—6o Sgr. Ihnen steht nur Demmin gleich, dessen beste Wiesen auf einem humosen, kalkhaltigen Boden liegen und zu 1$o Sgr. Ertrag geschätzt sind. Sehr viel geringer sind die Wiesen in den höher gelegenen südlichen Kreisen. Einzelne Feldwiesen erheben sich zwar auch hier zu guten Erträgen, im allgemeinen aber liegen sie auf stockendem, eisenschüssigem Grunde und haben einen Ertrag von durchschnittlich nur 25 Sgr. Am geringsten sind die Erträge der Wiesengrundstücke in den moorigen Brüchen der Umgebung des Haffs, die sich östlich in der Nähe der Küste durch die Kreise Kammin und Greiffenberg, und westlich durch den Kreis Anklam fortsetzen. Wo hier durch einmündende Ge- wässer ein schlammiger, mit thonigen Theilen gemengter Moder angesetzt wird, erheben sich die Wiesen bis zu 120 und ı50 S$gr. Ertrag, durchschnittlich aber sind sie höchst gering und verdanken ihren Durchschnittsertrag von etwa 20 Sgr. vorzugsweise den günstigen Absatzverhältnissen. Zum Theil sind sie nur Weide. Diese Torfwiesen bilden auch die Hauptwiesenflächen im Regierungsbezirk Stralsund. Sie liegen hier in den breiten Flussbetten der Peene, Tollense, Reckenitz und Ziese mit ihren Zuflüssen; überall: wuchert der Schachtelhalm auf ihnen. Am meisten zufrieden- stellend ist der Wiesenertrag in den Kreisen Greifswald und Franzburg. Es finden sich hier in den gedachten Flussläufen grössere Strecken zweischüriger Wiesen, die ein vorzügliches und sehr kräftiges Heu erzeugen. Auch der Ryckgraben und die Um- gegend von Stralsund besitzen gute Wiesen, Rügen dagegen hat weder Fluss- noch Thalwiesen, und Jasmund und Wittow leiden entschiedenen Mangel an Heu. Nur einige Moorstrecken und die sogenannten Salzwiesen geben einige Aushülfe. Diese Salzwiesen kommen auf Rügen, auf Zingst und um Barth, sowie auch am Greifswalder Bodden auf flachen, geschützten Stellen am Strande vor, und gehören zu dem besten Wiesenlande. Es wird auf ihnen ein ungemein kräftiges, nahrhaftes Futter gewonnen, welches vom Vieh begierig gefressen wird. Leider sind die Erträge aber nicht sehr reich und durch das Risiko des Ueberstauens so wechselnd, dass die Ernten oft um mehr als die Hälfte von einander abweichen. Die Bildung solcher Strandwiesen beginnt durch den Auf- schlag von Rohr. Nach der Wasserseite liegen den Wiesen desshalb weite Rohrpläne vor. Da diese hier bei der Schätzung nicht, wie in Preussen, zu den Wasserstücken, sondern zum Wiesenlande gerechnet worden sind, erhöhen sie durch ihre hohen Erträge den Durchschnitt des Regierungsbezirks im Wiesenertrage nicht unbeträchtlich. Als Weideländereien bestehen auch in Neuvorpommern vorzugsweise Torfbrüche und Dünen; indess kommen bei Stralsund und Barth und im Ryckgraben bei Greifswald auch Grasgründe vor, welche dauernd als Fettweiden genützt werden und auf 150 Sgr. angeschlagen sind, weil man rY» Morgen zur Ernährung einer Kuh genügend erachtet. Wenn man für die einzelnen Abschnitte der Provinz die &esammtdurchschnitts- erträge mit den Klassifikationsangaben vergleicht, so würde der Reinertragsdurchschnitt der Wiesen des Regierungsbezirks Köslin mit 30 Sgr. dem ungefähren Ertrage einer Wiese von 7 Ötr. mittlem Schafheu, 10 Ctr. haarmoosigem oder 14 Ctr. Rieselwiesenheu, der Durehschnitt des Regierungsbezirks Stettin von 36 Sgr. etwa ıo Ötr. mittlem Heu, oder 16— 20 Ütr. Sumpfgrasheu gleichbedeutend sein. Ebenso bedeutet der Durchschnitt der Kösliner Weiden von 3 Sgr. Reinertrag eine Weide, von der etwa 24 Morgen zur Ernährung einer Kuh oder von ro Schafen erforderlich sind. Von den Weiden des Regierungsbezirks Stettin würden dagegen bei dem Durchschnitte von ıo Sgr. schon 8 Morgen für die Kuhweide ausreichen. In Neuvorpommern steht dem höheren Boden- XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 291 werthe entsprechend der geschätzte Durchschnitt von 43 Sgr. nur einer Wiese von 6 Ötr. gutem oder 9 tr. mittlem Heu gleich, und der Reinertragsdurchschnitt des Weide- landes von ı7 Sgr. bedeutet nach Anhalt der Klassifikationsprotokolle eine Hütung, von der etwa 6 Morgen zur Durchweidung einer Kuh hinreichen. Der 24jährige Durchschnittsmarktpreis des Centners käuflichen Wiesenheues hat sich nach Tabelle G. der Anlagen für den Kösliner Regierungsbezirk auf 20,;, für den Stettiner auf ı6,: und für den Stralsunder auf 19,: Sgr. gestellt. 3. Provinz Posen. Das Terrain der Provinz Posen ist Bd. I. S. 239 nach den den Regierungsbezirken ungefähr entsprechenden Gebieten der Netze und Warthe unterschieden worden; für das Grasland ergeben sich für diese Trennung folgende Flächen- und Ertragsverhältnisse: 4 Verhältnis Extreme Prozent-Verhältnisse J Purchsehnitttlicher FDurchschnittsreinertrag Reinertrag der extremen vom Morgen Rlassifikationsdistrikte Fläche der zur Gesammtfläche I einzelner Klassifikationsdistrikte Wiesen und gras- Wiesen | Weiden | tragende Weiden Fläche [Wie- | Wei- Fläche Wiesen Weiden den Fläche | | grastragen- grastragende ster höchstes höchstes| höchstes niedrig er „ | niedrig- un [;} bu FA 5 FE 7} Sgr. 5 Morgen Morgen [2 = |% höchster niedrig- er} LG = ® Staat | 10209419 | 8133 356 Regierungsbez. Bromberg ..| 386 162 | 288 513 Posen 284 549 Provinz Posen | 945 054 Beide Abschnitte stehen in Wiesen und Weiden hinter dem Durchschnitte des Staates zurück; das stärkste Wiesenrverhältniss besitzen die Kreise Wirsitz, Adelnau und Kosten mit 13,; pCt., und Schubin, Chodziesen und Fraustadt mit etwa ır pCt.; dagegen sinken Gnesen, Birnbaum, Krotoschin, Posen, Samter, Pleschen auf nur etwa 5; pCt. Die ertragreichsten Wiesen besitzen Chodziesen und Czarnikau im Netzebruch und Birnbaum in der Wartheniederung; sie geben zo Ütr. gutes Heu und sind auf 180 Sgr. Reinertrag veranlagt. In den meisten anderen Kreisen finden sich ähnliche, etwas geringere Niederungswiesen, die zu ı50 Sgr. geschätzt sind. Nur in Adelnau und Schildberg erheben sich auch die besten Wiesen nicht über go Sgr. Den höchsten Durchschnittsreinertrag erreichen im Bromberger Bezirk Czarnikan mit 62 Sgr. vom Morgen, im Posener Schroda mit 53, Kröben mit 50. Die niedrigsten Durchschnitts- erträge haben im Bromberger Bezirk Wongrowiee mit 28 Sgr., im Posener aber Bomst und Meseritz mit ı8, und Adelnau mit zı Sgr. Der Gesammtdurchschnitt im Brom- berger Bezirk mit 38 Sgr. würde nach den Klassifikationsprotokollen ungefähr einer Wiese von 5—6 ÜÖtr. gutem, 7 tr. mittlem oder 8— 12 Ctr. saurem Heu gleich stehen, im Posener Bezirk ist der Gesammtdurchschnitt 32 Sgr., und würde ungefähr auf eine Wiese von 6 Ctr. mittlem oder ıo tr. schlechtem und saurem Heu anzuwenden sein, Der verhältnissmässig hohe Anschlag ist durch den Mangel an Heu bedingt, der trotz der grossen Bruchflächen wegen der geringen Güte ihrer Gräser besteht, 19* 2923 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Seit 1850 ist versucht worden, durch Senkung von Seen und Meliorationen von Bruchterrains diesem Mangel abzuhelfen. Der Anfang wurde unfern des Ursprungs der Netze bei Gembie und Kwieciezewo im Kreise Mogilno durch Entwässerung einer Fläche von 1500 Morgen und Umwandlung in Stauwiesen gemacht. Dann wurde der Goplosee um 4 Fuss gesenkt und dadurch unterhalb der Bachorzebruch von 30000 Morgen der Kultur zugänglich. Achnlich wurde dem grossen Parchaniebruch von 10700 Morgen im Kreise Inowraclaw durch einen Kanal in die Tonezyna Abzug verschafft. Ferner sind an der Netze oberhalb Labischin 8000 Morgen, unterhalb Labischin 14200 Morgen entwässert und mit Stauanlagen versehen, im eigentlichen Netzethal bei Behle und Fratzig 1800 Morgen, bei Pracz und Samostrzl 2500 Morgen zum Stau und 500 Morgen zur Berieselung eingerichtet, und ausserdem an verschiedenen anderen Stellen kleinere Anlagen mit Nutzen ausgeführt worden. Im allgemeinen aber hindert die Sterilität des Wassers besonders günstige Erfolge (Bd.I. S. 240). Es werden oft grosse Massen Gräser, aber von geringer Qualität erzielt. Von den grösseren Meliorationsflächen hat bisher nur ein Theil in Wiesen umgewandelt werden können. Sie haben bei etwa 12—ı5 Thlr. Kosten r0— 20, selbst ausnahmsweise 30 Ctr. grobes Heu ergeben. Wirklich gute Wiesen finden sich im Netzethal erst unterhalb Usz, wo die günstigen Bodenbestand- theile, welche die Küddow herbeiführt, sich soweit geltend machen, dass der Torf an die Ränder des Flussthales verdrängt ist, und im Netzebett selbst ein thoniger, mit Schlick durchsetzter Moorboden Wiesen bis zu zo Ötr. gesunden Heues erzeugt, die zu 180 Sgr. veranschlagt sind. Die Bruchflächen der verschiedenen Obraverzweigungen, der Landgräben und der Bartsch zeigen in kleinerem Massstabe ähnliche Verhältnisse, wie die Netze, Meist überwiegt das torfige Moorland. Die Wiesen der Lutinia, oberen Obra und des polni- schen Landgrabens sind die besseren, indess ist auch hier mit Ausnahme weniger gün- stiger Stellen nur durch grosse Meliorationsanlagen ein ausgiebiger Ertrag zu erzielen. Das Gras, welches die weitgedehnten Wiesenzüge an den höheren und trockeneren Seitenrändern geben, ist etwas besser aber spärlich, die tieferen Mittellagen sind Sumpf, und wo sie grössere Massen hervorbringen, ist ihr Futterwerth sehr gering. Der grosse Öbrabruch steht nach Beschaffenheit und Erträgen am meisten zurück. In ihm wurden 1796 die ersten Kanäle geschlagen. Jetzt geht das Unternehmen seiner Vollendung entgegen. Es ist auf 362000 Thlr. Kosten veranschlagt. Für die Verzinsung und Verwaltung werden jährlich 25 ooo 'Thlr. aufgebracht, zu denen der Morgen je nach der Güte 2'a bis 7% Sgr. beizusteuern hat. Der Bruch ist im Westen nur 1, im Osten 3 Fuss durchschnittlich tief. Die Kanäle, welche sämmtlich nach Westen ausmünden müssen, legten früher den Westen zu trocken, ohne den Osten genügend zu entwässern. Die neueren Projekte mussten desshalb eine tiefere Entwässerung des Ostens und eine künstliche Bewässerung des Westens ins Auge fassen. Die Vertheilung des Wassers und die richtige Behandlung der zum Theil schon in Acker umgeschaffenen alten Gras- ländereien ist sehr schwierig. Es sind indess schon viele gute Wiesen erzielt, wenn auch noch sehr grosse Flächen ohne genügenden Nutzen bleiben. Von allen Kreisen des Regierungsbezirks Posen besitzen nur etwa Schrimm und Kosten genügendes Heu. Grosser Mangel ist in Wreschen, Posen und Obornik. In letzterem Kreise sind gleichwohl die Rieselwiesen zu Kikowo durch Entfernung der Schleussen und Ebenung der Gräben wieder beseitigt worden, weil sie die Kosten der Unterhaltung nieht lohnten. Im Kreise Samter sind in Pinne, Lenkowo, Kotzenowo, XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 293 Jakubowo und anderen Orten mit besonders gutem Erfolge Kulturversuche mit den dortigen schlechten, sauren und torfigen Wiesen in der Art durchgeführt worden, dass man die Narbe umgeackert, ausgedüngt, im 1. Jahre mit Kohl oder Runkelrüben, im 2. mit Hafer unter starker Einsaat von Gras und Klee bestellt und dann den Boden wieder zur Wiese niedergelegt hat. Im Kreise Meseritz hat die mit 6000 T'hlr. Kosten erreichte Entwässerung des sogenannten grasigen Sees (1 M. N.) eine Fläche von 800 Morgen einer 2—3 Fuss tiefen Pflanzenmasse ergeben, die als unreifer Torf zu Dungmaterial verwendbar ist, und die abgeräumte Fläche kulturfähig hinterlässt. An Weiden besitzen die Kreise Chodziesen ı0,, Czarnikau 9,4 pCt., Birnbaum und Schrimm 6,: pCt. ihrer Gesammtfläche. Die kleinsten Weideflächen zeigt Fraustadt mit 1,8 pCt., Kröben, Krotoschin, Buk stehen auf 3,0, der Kreis Bromberg auf 4, pÜt. Die besten auf 60 Sgr. geschätzten Weideländereien besitzt der Kreis Kröben, nächst- dem finden sich im Kreise Posen Weiden von 54 Sgr., in Bromberg, Chodziesen, Czarnikau, Wirsitz von 48 Sgr. Reinertrag, von denen 2—3 Morgen zur Ernährung einer Kuh hinreichen. Das meiste Weideland ist indess nur gering an Werth, Den höchsten Durchschnittsertrag ergiebt Kröben mit 19, nächstdem Inowraclaw mit 16, Obornik, Wirsitz, Buk, Schroda, Schubin mit ı5 und 14 Sgr. vom Morgen. Die niedrigsten Durchschnittserträge zeigen Birnbaum, Meseritz, Pleschen, Samter, Schrimm mit 6, Charnikau mit 8 Sgr. vom Morgen. Dem Gesammtdurchschnitt des Regierungsbezirks Bromberg von r2 Sgr. steht nach den Klassifikationsangaben die Schätzung einer Hütung, von der etwa 9 Morgen, dem des Regierungsbezirks Posen von ıo Sgr. die einer Hütung, von der etwa ro Morgen für eine Kuhweide erforderlich werden, gleich. Der Durehschnittsmarktpreis für käuf- liches Wiesenheu stand 1837 — 1860 in der Provinz auf 22 —23 Sgr, 4. Provinz Brandenburg. Flächen und Reinerträge der Wiesen und Weiden der Mark sind nach der Unter- scheidung in Niederung und Höhe (Bd.I. S. 248 und Bd. I. S. ı75) folgende: Durchschnittlicher | Durchschnittszeinertrag Reinertrag der extremen vom Morgen [Klassifikationsdistrikte Verhältniss Extreme Prozent-Verhältnisse Fläche. der zur Gesammtfläche | einzelner Klassifikationsdistrikte Wiesen und + BLAST P en Int Wiesen | Weiden [tragende | Wiesen | Weiden Wie- | Wei- Weiden Wiesen Weiden Fläche | sen Pr © EA A höchstes | n höchster = grastragende 2 Morgen Morgen fe] [I] Staat | 10209419 | 8 138356 A. Niederung. Frankfurt .. Potsdam ... . zusammen B. Höhe. Frankfurt... Potsdam. ... zusammen |I 487 044 ı [70| 5 |39.| 14,5 31,5 [131] 21|39 | x a „ > > — an » D „ {et} Brandenburg |ı 587 344) 721 761 | IO,2]| 4, 294 - XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden, Wie die Unterschiede der Bodenbeschaffenheit gezeigt haben, hat schwerlich irgend ein Theil des Staatsgebietes in früherer Zeit mehr absolutes Weideland besessen, als die Mark. Fast aller Moorboden und grosse Strecken des Sand- und Niederungs- bodens waren nur zu Hutungen nutzbar. Der grösste Theil des Bruchlandes ist durch die im Bd. I. S. 443 ff. eingehend dargestellten grossen .Meliorationsunternehmungen, welche bis auf Friedrich den Grossen märkische Landstriche zum nächsten Gegenstand hatten, in Wiese und Acker umgeschaffen. Dadurch ist nach und nach die Weidefläche so verringert worden, dass sie gegenwärtig nur noch 4,6 pÜt. der Gesammtfläche ein- nimmt, und auch die Wiesen erreichen durchschnittlich nur 10. pCt. der Gesammt- fläche, so dass jetzt die Provinz im allgemeinen in der grastragenden Fläche hinter dem Durchschnitt des Staates zurücksteht. Ihrer tiefen und feuchten Lage nach treten indess die Niederungsdistrikte der Oder und Warthe noch immer im Wiesenverhältniss vor den übrigen Abschnitten der Provinz bei weitem hervor; sie umfassen zugleich die besten Wiesenländereien der Mark. Die reichste, wenn auch kleine Wiesenfläche der Niederung erhebt sich bis auf 240 Sgr. Grundsteuerreinertrag oder eine Erntemasse von 32 Otr. mittlen Kuhheues vom Morgen und trägt ro—ı4 Thlr. Pacht. Die Wiesen der nächst besten, schon sehr ausge- dehnten Klasse sind auf 210 Sgr. geschätzt und geben 20 Ütr. guten oder gegen 30 Ctr. mittlen Bruchheues. Sie liegen sämmtlich im Ueberschwemmungsgebiete des Stroms. Der Durchschnitt der Oder- und Warthebruchwiesen stellt sich mehr dureh die Reichhaltigkeit als durch die Güte des Zuwachses auf g2 Sgr. Das Heu der mittlen Klassen, namentlich das der innerhalb der Deiche eingeschlossenen Binnenwiesen, ist schon erheblich gemischt mit geringeren Gräsern, und die niedrig klassifizirten Wiesen sind überwiegend schilfig und sauer. Das Heu ist indess immer noch von gutem Futterwerth. Der Warthebruch führt sehr viel Heu aus, und trotz mässiger (Qualität ist die erzeugte Quantität so bedeutend, dass der Durchschnittsertrag auf ı 500 Morgen- des Sternberger Kreises ırı Sgr. beträgt; die Wiesen des Kreises Landsberg heben sich durch den Antheil am Bruch zum Durehschnitte von 92 Sgr. Dahinter bleibt der Oderbruch etwas zurück. Von den übrigen Theilen der Provinz enthalten zwar die Flussgebiete der Elbe, Havel und Spree ebenfalls sehr ausgedehnte und zum Theil auch sehr werthvolle Wiesen, Die Kreise Ost- und Westhavelland besitzen 24,; und 22,9 pCt. ihrer Fläche in Wiesen- land, und nördlich in Westpriegnitz und Ruppin, sowie südlich in Belzig, Kalau, Kottbus und Lübben erhebt sich das Verhältniss wenigstens zu ı2 pCt. Als die besten dieser Wiesen finden sich bei Potsdam einige Morgen mit besonders vorzüg- lichem süssem Heu, die bei 20 Utr. Ertrag zu 240 Sgr. veranlagt sind; in den übrigen Kreisen wenigstens solche zu 210 und 130 Sgr. Grundsteuerreinertrag, welche 24 bis 30 Ütr. eines mittelguten, aber sehr nahrhaften Futters liefern und nur, weil sie sämmtlich grosser Ueberschwemmungsgefahr unterliegen, nicht höher geschätzt sind. Ebenso giebt es bei Berlin Wiesen auf moorigem, humosem Sande, welche durch jähr- liche Düngung ein feines, sehr brauchbares Heu im Gewicht von 30 Ötr. geben und auf 210 Sgr. veranlagt sind. Endlich sind auch in vielen der zahlreichen Thalspalten und Wasserläufe des höheren Terrains mehr oder weniger künstliche Rieselwiesen an- gelegt, die durch Sicherheit und grosse, wenn auch weniger nahrhafte Heumassen den Niederungswiesen im Ertrage nahe kommen; die Stadt Perleberg hat an der Stepenitz trotz 30—5o Thlr. Kosten auf den Morgen mit reichem Erfolge Rückenbau auf XXIV, Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden, 295 ansehnlichen Flächen durchgeführt; auch an der Welse und Randow sind ertragreiche Entwässernngswiesen mit künstlichem Stau erzielt worden. Die geringen Wiesen aber drücken den Durchschnitt der Provinz, abgesehen von dem Oder- und Warthebruche auf nur 35 Sgr. herab. Die torfigen, von stockendem Stau leidenden Bruchwiesen überwiegen allgemein. Längs der Spree und Havel erweisen sich die Stauverhältnisse, welche theils im Interesse der Schifffahrt, theils in dem der Mühlen rechtlich begründet sind und nicht leicht Aenderungen unterliegen können, wegen des äusserst geringen Gefälles der Gewässer besonders nachtheilig. Schon wenige Zoll Sommerhochwasser genügen, um die Flächen weithin zu überstauen, unzugänglich zu machen und die Heuernten zu verderben. Andererseits ist wegen des torfigen, schlickbedürftigen Bodens der Ertrag nur durch Ueberschwemmung zu erhalten. Man rechnet, dass in drei Jahren ein Schnitt völlig verloren geht, und die Werbungskosten 25 pCt. beträchtlich übersteigen. Ueber den Spreewald ist Bd. I. $. 249 und Bd. II. S. 178 zu vergleichen, Der Gesammtdurchschnittsertrag des Höhenlandes von 35 Sgr. steht etwa 7 Otr, mittlem oder 9— ıo Ütr. geringem Heu gleich, der Durchschnittsertrag der Oder- und Wartheniederung von 92 Sgr. ist dagegen der Klassifikation nach etwa 18 Ctr. mittlen oder 24 Ctr. geringen Heues gleich zu achten. — Das Weideland nimmt in Westhavelland 13, in Osthavelland, Ruppin und Wen. priegnitz noch 9 pÜt. der Gesammtfläche ein, andere Kreise, wie Oberbarnim, Friede- berg, Soldin gehen bis auf 2 pCt. herab. Die besten Weiden des Regierungsbezirks Potsdam stehen auf 130 Sgr. Rein- ertrag vom Morgen. Sie befinden sich in der Westpriegnitz und zwar vorwiegend in der Niederung zwischen der Elbe und der Löcknitz in mildem Klaiboden und möglichst, jedoch nicht ganz wasserfreier Lage (Breetzer Ochsenweide). Sie sind ausschliesslich Fettweiden, von denen zur Ernährung einer Kuh während der Weidezeit ı Morgen zu genügen vermag. Die besten Weiden des Frankfurter Regierungsbezirks sind auf 90 Sgr. veranlagt; sie liegen in den Kreisen Frankfurt, Friedeberg, Guben, Lebus und Sternberg fast ausschliesslich ausserhalb der Verwallungen in der Oder- und Neisse- Niederung. Zur Ernährung einer Kuh während der üblichen Weidezeit werden 2 Morgen als erforderlich angegeben. Der Gesammtdurchschnittsertrag der Weiden im Regierungsbezirk Potsdam stellt sich auf 18 Sgr., der der Weiden im Regierungsbezirk Frankfurt aber nur auf 8 Sgr., so dass im ersteren nach Inhalt der Klassifikationsprotokolle durchschnittlich 6, im „letzteren aber etwa ı2 Morgen als zur Ernährung einer Kuh erforderlich gerechnet werden. — Die 24jährigen Durchschnittsmarktpreise des käuflichen Wiesenheues, die indess nicht ohne Lücken gesammelt werden konnten, haben sich nach Tabelle G. der Anlagen für den Regierungsbezirk Frankfurt auf 23,;, für den Regierungsbezirk Potsdam auf 27, und für Berlin auf 27 Sgr. gestellt, dagegen haben sie in Angermünde nur ır'/ı Sgr. erreicht. 5. Provinz Schlesien, Auf die Bd.I. S.256 und Bd. II. S. 181 zusammengestellten Hauptabschnitte der Provinz vertheilen sich die vorhandenen Flächen und die Durchschnittserträge des Graslandes folgendermassen: liche d Verhältnis Extreme Prozent -Verhältnisse en Durchschnitisreinertrag äche der © . son HER einertra; zur Gesammtlläche F einzelner Klassifikationsdistrikte 15 der extremen , vom Morgen | Klassifikationsdistrikte Wiesen und = zn 3 . gras- | » 2 | Wiesen | Weia I: a |waulisie Wiesen | Weiden |tragende| . |. | 3= en ken Weiden R Re altes Fläche. | Wie | Welle = en ieT; Wiesen | Weiden A rer Raten F7 EI 21% sen |den $&] 2 |% 2 |% 2 |®_ sen |dn|2,] a E5| 3 |#E85 ge [3 83|3|82 #8 5312 28] 3 |3# » 1338| 2 |38| 2 |8® “Sj=|8 | = | Morgen Morgen | pCt. | pCt. | pCt.I 2 | a|a ale Sgr. | Ser. | Sgr. |Sgr.| Sgr.| Sgr.| Ser. Staat | 10209419 | sı38356 | 9, | 7, | 164 [62 | 0 | 46 | o | 70 | o [45 12 |194 nn A. Hochgebirge. Breslau Liegnitz zusammen B. Die fruchtba- ren Kreise und Klassitikations - distrikte des lin- ken Oderufers. Oppeln. .....» 119 072| 14 007 7091| 93 Breslau ..... 175 754 18.997 74,9| 24,0| 69,9] 94. 62 Liegnitz ..... 126 909| 10725 68,1107 zusammen| 421745 0.DerKr.6logau| 41 193 D. Die übrige Provinz. Breslau Liegnitz 238 978 zusammen 786 748 43 729 7.999 1014391 7,8 45 777 | 106 67 9741 91: 215 190| 9,0 Schlesienlr 411418 293 76] 90) 09 2,2 9% 13,4 | o | 18 |® ver Im Gesammtverhältniss der Wiesen steht danach die Provinz hinter dem Staate nicht zurück. Mangel fühlbar würde. Indess ist die Vertheilung nicht so gleichmässig, dass nicht stellenweise Derselbe tritt namentlich in den ‚fruchtbareren Strichen auf. Das Hochgebirge erhebt sich im Wiesenlande zwar in keinem Kreise über 16,9 pCt. der Landeshut und Lauban besitzen in dieser Gruppe die meisten, Neurode und Friedeberg die wenigsten Wiesen. Unter den Kreisen der übrigen Abschnitte der Provinz zeigt der Höhendistrikt von Görlitz ebenfalls 16,: pCt. Wiesen unter seiner Gesammtfläche, kein anderer aber Gesammtfläche, sinkt aber auch in keinem derselben unter 8, pCt. erreicht mehr als 12,3pCt. Dagegen sinkt eine ziemlich beträchtliche Anzahl besonders in der Gruppe der fruchtbarsten Böden B. auf 5 pÜt., und Leobschütz sogar auf 3,9 pCt. herab. In der gesammten Ebene aber sind die Wiesen nur an den Wasserläufen in grösseren zusammenhängenden Flächen zu finden, ausserhalb der Flussthäler dagegen sehr spärlich verbreitet. Die in der Heumasse reichsten Wiesen der Provinz liegen in den Ueberschwem mungsgebieten der Oder, Katzbach und Neisse, Sie steigen in ihren Erträgen bis zu XXIV, Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 297 30 Ctr. eines vorzüglichen Heues, dessen Werbung überdies durch die ebene Lage des Auenbodens erleichtert ist. Da sie aber ihre Fruchtbarkeit dem Schlamme der Hoch- wässer verdanken und ausserhalb der Eindeichungen liegen, müssen sie das sehr erheb- liche Risiko der Ueberschwemmungen tragen. Namentlich ist ihnen das erwähnte um Johannis eintretende Hochwasser sehr gefährlich, weil es kurz vor oder in die Heuernte fällt. Auch werden sie oft von Wasser- und Eisrissen beschädigt. Trotz der grösseren Masse sind sie desshalb nicht höher veranlagt, als die Gebirgswiesen. Diese kommen in den Bachthälern, in den Schluchten und an quelligen Gehängen vor, und liegen auf abgeschwemmtem, sehr kräftigem, fettem Boden. Ihr Gras ist ganz besonders nahrhaft und die Ernte im ganzen sicher; sie sind aber selten ausgedehnt, meist sehr uneben und schwer zugänglich, wechseln auch mit Steinen und Gestrüpp, so dass ihre Werbung Schwierigkeiten hat. Der Bruttoertrag ist für Gebirgswiesen von 120 Sgr. Reinertrag auf 15s—ı6 Ötr. vorzüglichen Heues anzuschlagen. Je höher das Gebirge ansteigt, desto mehr wird er benachtheiligt. Auf allen höheren Lagen, wo die schützenden Thalwände und die reicheren Einlagerungen aufgelösten Bodens aufhören, werden auch die Grasländereien gering. Sie bieten zwar gutes aber wenig Futter. Die Lehnen und Bergrücken sind oft so nass, dass das Moos und die Heidelbeeren den Graswuchs völlig unterdrücken. Desshalb sinkt das Wiesenland auch in ganzen Distrikten des Hoch- gebirges wie in Landeshut auf durchschnittlich 34 Sgr., und selbst der höchste Durch- schnitt von 63 Sgr. (Neurode) bleibt hinter den geringsten Wiesendurchschnitten der fruchtbareren Kreise der Regierungsbezirke Oppeln und Breslau und den meisten des Regierungsbezirks Liegnitz zurück. Auf dem Riesenkamme wird auf den höchsten Lagen eine Art Sennwirthschaft geführt, zu der das Vieh im Sommer hinaufgetrieben wird; indess sind diese Wirthsehaften beschränkt. Die meisten der bekannten soge- nannten Bauden sind Viehwirthschaften, welche das ganze Jahr im Betriebe bleiben, und sich im Winter durch Stallfütterung erhalten, für welche auf den breiten, beraseten Gipfeln jedes zweite Jahr eine Heuschur vorgenommen wird. Die Gebirgsflüsse, wie der Bober, die Katzbach, die Weistritz, haben ihre besten Auenwiesen in der Nähe des Gebirges bei dem Austritt in die Ebene. Was genauer die Ertragsverhältnisse der Wiesen betrifft, so sind die besten Wiesenländereien Oberschlesiens bei einem Ertrage von 20—24 Ütr. guten Heues auf 210 Sgr., also zum höchsten in der Provinz vorkommenden Tarifsatze für Wiesen eingeschätzt. Sie finden sich in dem ebeneren Distrikte des Kreises Leobschütz, und ihre hohe Schätzung ist zum Theil durch den grossen Wiesenmangel des Leobschützer Kreises bedingt. Der Durchschnitt steht in diesem fruchtbareren Distrikte auf 93, im weniger fruchtbaren gebirgigen auf 70 Sgr. vom Morgen. Vorzügliche Wiesen von grösserer Ausdehnung besitzen in Oberschlesien‘ ferner Ratibor, Kosel, Neustadt, Neisse und Grottkau, die sämmtlich 70— 80 Sgr. Durchschnitt zeigen. Die geringsten Durehschnittserträge bis zu 30 und 20 Sgr. haben Lublinitz, Tost, Rybnik und Rosen- berg. Die besten Wiesen von Lublinitz haben nur zu 90 Sgr. Reinertrag vom Morgen angesprochen werden können. Sie sind theils Kunstwiesen von einem Ertrage von 18— 20 Ütr. geringeren Heues, theils natürliche Wiesen von etwa 16 Otr. Heu besserer Qualität. Der Durehsehnittssatz des Regierungsbezirks Oppeln von 47 Sgr. steht nach den Klassifikationsprotokollen g— ro Ütr. mittlem oder 12— 16 Ctr, geringerem Heu gleich. In Mittel- und Niederschlesien zeichnen sich besonders die Wiesen der Kreise Liegnitz, Striegau und Schweidnitz durch Durchschnittserträge über 3 Thlr. aus. 298 - XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Liegnitz erreicht 107 Sgr., und die besten Wiesen sind wie die Leobschützer mit 210 Sgr. vom Morgen veranlagt. Der Stadtkreis Breslau, die Höhe von Trebnitz, Nimptsch, Münsterberg, Reichenbach, Jauer, Löwenberg und der Gebirgskreis Görlitz stehen ihnen nahe, durchgängig also die Kreise in den fruchtbaren Lagen der Gruppe B. Die Kreise der Gruppe Ü. sind zwar nicht ganz ohne einige werthvollere Wiesen zu 150 und selbst 180 Sgr. Ertrag; sie bleiben aber in den Durchschnitten gegen Gruppe B. fast um die Hälfte zurück. Militsch erreicht nur 39, Sagan, Hoyerswerda 36, Warten- berg 33 und Rothenburg sogar nur 32 Sgr. vom Morgen. Der Durchschnittsreinertrag der Wiesen des Regierungsbezirks Breslau von 58'Sgr. ist nach den Klassifikationen etwa ıo Ctr. mittlem oder 12—ı4 Ütr. geringem, der Durchschnittssatz für den Bezirk Liegnitz von 5ı Sgr. etwa 8 Ctr. mittlem oder r10—ı2 tr. geringerem Heu gleich. — Die Weideländereien in Schlesien sind seit der Durchführung der Separationen in hohem Grade beschränkt. Sie stehen nicht im Reinertrage, wohl aber in der Fläche auffallend gegen den Durchschnitt des Staates zurück, Die Provinz enthält an Hutungen noch nicht 2 pCt. der Gesammtfläche. Abgesehen von dem kleinen Stadtgebiete von Breslau erreicht der im ganzen wenig fruchtbare Kreis Grünberg mit 4 pCt. das höchste Weideverhältniss unter allen Kreisen Schlesiens. Zugleich ist sein Durchschnittsertrag von 24 Sgr. vom Morgen beinahe der höchste aller Weideländereien der Provinz. Nur Leobschütz, Neumarkt und Breslau stehen darin höher, besitzen aber nur sehr kleine Flächen. Guhrau, Oppeln, Lublinitz, Pless, Beuthen nutzen etwa 3 pCt ihrer Fläche _ als Weide; ihre Durchsehnittserträge aber schwanken nur zwischen 6 und ı2 Sgr. Die Hochgebirgsweiden, deren äusserst geringe Fläche schon erwähnt ist, stehen auch in den Erträgen am niedrigsten, durchschnittlich nur auf 5 Sgr. Weiden von’ ı2o Sgr. Reinertrag sind in Neumarkt ı5 Morgen, von 90 Sgr. ebenda und in Jauer ı17 Morgen gefunden; die zusammen 4963-Morgen zu 60 Sgr. angesprochener Weiden gehören fast ausschliesslich der Oderniederung um Kosel, Breslau und Neusalz an. Der Gesammtdurchschnittsertrag des Weidelandes Oberschlesiens ist ıı Sgr. vom Morgen und würde nach den Klassifikationsprotokollen einer Hutung gleichzuachten sein, von welcher etwa ro Morgen zur Durchweidung einer Kuh erforderlich sind. Der Durchschnittsertrag der Weiden im Bezirk Breslau von ı5 Sgr. steht etwa einer Hutung gleich, von der für eine Kuhweide 8 Morgen und der Durchschnittssatz für den Bezirk Liegnitz von 13 Sgr. einer solchen, von der für eine Kuhweide ro Morgen zu rech- nen sind. Die Durchschnittspreise des marktgängigen Heues haben sich im Regierungs- bezirk Oppeln auf 211,, im Bezirk Breslau auf 22'/, im Bezirk Liegnitz auf 233, Sgr. gestellt, und zeigen in den einzelnen Kreisen nur geringe Differenzen, 6. Provinz Sachsen. Die Regierungsbezirke Magdeburg und Merseburg zerfallen nach der Bd. I. S. 265 und Bd. II. S. 189 näher besprochenen Grenzlinie in Schwemmland und Bergland; Erfurt gehört ganz dem Berglande an. Wiesen und Weiden überblicken sich in diesen verschiedenen Abschnitten bezüglich ihrer Flächen wie ihrer Reinerträge nach folgen- den Zahlen: XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 299 Durchschnittlicher |Durchschnittsreinertrag Reinertrag der extremen vom Morgen | Rlassifikationsdistrikte Verhältnis Extreme Prozent-Verhältuisse zur Gesammtfläche | einzelner Klassifikationsdistrikte Wiesen und = RER IErAT: Wiesen | Weiden |tragende Fläche [Wie-| Wei- Fläche der Wiesen | Weiden läche Weiden Wiesen Weiden sen | den ster grastragende 1 der R grastragen- niedrig- ster niedrig. stes höchstes höchstes [er {.) 3 [7 & höchster & niedrig- a ” . Sgr. | Sgr. 45,0 | 14» Morgen Morgen Staat | 10209419 | 8138 856 o nn o: © IS > - [X - A. Schwemm- land. Magdeburg . .| 358 000 | 340 000 Merseburg. . .| 255 000 | 45 000 zusammen | 613 000 |, 385 000 B. Gebirgs- land. Magdeburg . .| 116,105 Merseburg. . .| 102,891 Brfürtea.eore el 83.820 zusammen | 302 816 63,2| 14,81 45,8|168 63| 6 Prov, Sachsen | 915 816 | 513 374 | 93) 512 145|23 2,75 1 E 4 | Im allgemeinen bleibt das Verhältniss der grastragenden Fläche in der Provinz Sachsen nicht wesentlich hinter dem des Staates zurück, es sind aber vorzugsweise die Schwemmlandskreise, welche diesen Umfang bedingen. Das Gebirgsland besitzt im Ver- hältniss nur den 3. Theil der Grasfläche, die dem Schwemmlande zu Gebote steht; dagegen ist im Gebirgslande der Ertrag der Wiesen nahezu der doppelte, und auch die Weiden sind beträchtlich reicher. Das Wiesenverhältniss steigt im Schwemmlande in den Kreisen Liebenwerda bis zu 23,2 pCt. der Gesammtfläche, in Jerichow II., Salzwedel, Schweinitz auf etwa ı5 pÜt., und sinkt in keinem Kreise unter 8, pÜt.; im Gebirgslande erhebt es sich nur in Ziegen- rück zu 12,4, Schleusingen ı1,., Zeitz 9, pCt.; dagegen sinkt es im Mansfelder See- kreise auf r,,, in Mühlhausen auf 2,,, (Querfurt und Saalkreis auf 2,9, in mehreren anderen Kreisen bis 4 pÜt. In allen Kreisen des Schwemmlandes liegen die besten Wiesen in der Stromnie- derung der Elbe; sie haben desshalb hohe Reinertragssätze in den ersten Klassen. Der Umfang der Niederungen ist aber nicht überall bedeutend genug, um die schlechten sauren, häufig versumpften Wiesenländereien der Höhe zu übertragen. Es erreichen dess- halb im Norden Stendal, Jerichow II. nur 38— 39 Sgr., Osterburg, dessen Niederungen sehr ausgedehnt sind, 49 Sgr. Durchschnitt; Gardelegen mit 39 und Salzwedel mit 45 Sgr. besitzen an der Aller, Ohre und Jeetze auf aufgeschwemmter, humusreicher Sgr Heu tragen und wenig Risiko haben, ihre Rieselwiesen geben bis 25 Ctr. Südlich an der Dammerde Wiesen bis 180 . Ertrag, die in den besten Lagen 18$—20 Ütr. gutes oberen Elbe Schweinitz 31, Liebenwerda sogar nur 23 Sgr. Durchschnittsertrag, dagegen Torgau 48, Bitterfeld 58, Delitzsch 79 und Wittenberg, dessen Elbwiesen sehr ausge- dehnt sind, go Sgr. Wittenberg und Torgau nehmen an den besten Wiesen der Provinz 300 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. mit 240 Sgr. Theil. Liebenwerda hat durch die Regulirung der Elster erhebliche Wiesen- strecken gewonnen, auf denen sich indess erst seit der Grundsteuerschätzung der Uebergang von den Sumpfgräsern in günstige Futterkräuter vollzogen hat. Auch im Berglande liegen die Wiesen des höchsten Ertrags von 240 Sgr., die die Um- gebungen von Magdeburg, die Kreise Kalbe, Wollmirstedt, Neuhaldensleben und Aschers- leben besitzen, grösstentheils noch in der Elbniederung, einige auch an der Ocker, Bode, Holzemme und Saale. Ihr Einschnitt beträgt etwa 24 Ctr. des besten Heues und Grum- mets; in derselben Höhe sind auch Rieselwiesen im Kreise Oschersleben an der Holz- emme veranlagt, deren Einschnitt bis 40 Utr. beträgt, die aber Heu geringerer Güte, als die Elbwiesen erzeugen und sehr bedeutende Bau- und Unterhaltungskosten decken müssen. Die Wiesen im Harz tragen auf den besten Lagen 210 und selbst in den Mittelklassen noch 180, 150 und ı20 Sgr.; sie sind meist bewässerungsfähig und liegen in kleinen Parzellen in den Thälern und an den Abhängen auf festgelager- tem humosem Thon- oder Lehmboden. In erster Klasse geben sie 20— 24 tr. guten, bis 30 Ötr. geringen Heues. Im Mannsfeldischen erreichen sie ıı8, in Wernigerode 85 Sgr. Durchschnitt. Ihnen stehen die Wiesen des Thüringer Waldes in Schleusingen in.den höheren Klassen gleich, erreichen aber durchschnittlich nur 63 Sgr. Auf dem Eichsfelde liegen die besten Wiesen von 18— 20 Ütr. Heuertrag und 180 Sgr. Reinertragsschätzung auf dem kalkhaltigen Lehm der tieferen Flussthäler, der Durchschnitt ist in Worbis 78, in Heiligenstadt 32 Sgr. Der Kreis Ziegenrück auf der Grauwacke und dem Zechstein der oberen Saale steht in den einzelnen Klassen und im Gesammtertrage von allen Gebirgskreisen bei weitem am niedrigsten. Er erreicht nur 34 Sgr. Durchschnitt. Seine besten Thal- wiesen tragen nur durch Bewässerung 120— 150 Sgr. oder etwa 18— 20 Ütr. Rieselheu. In den mittlen Lagen des Gebirgslandes, welche die Gera, Helme und Unstrut bis zur Saale durchziehen, sind die besten Flusswiesen, durch welche sich namentlich die Unstrut auszeichnet, auf 210 Sgr. veranlagt, und die Tarife ziemlich überein- stimmend. Die Erträge sind auf 30 Ctr. gutes Heu zu berechnen, erniedrigen sich aber durch Ueberschwemmungsgefahr auf etwa 24 Ctr. Die Durchschnittserträge der Kreise schwanken nach dem Umfange der Wiesen, welche auf den höheren Flächen liegen und trotz ihrer meist günstigen Bodenbeschaffenheit wegen Mangels genügenden Abzuges leicht versumpfen. Den höchsten Durchschnittsertrag zeigen Langensalza, Weissensee, Naumburg und Zeitz mit 135 Sgr., die geringsten Nordhausen, Sanger- hausen, Mühlhausen, deren verhältnissmässig kleine Flächen sich nur auf 85 — go Sgr. Durchschnitt erheben. — Die Weiden der Provinz nehmen zwar in einigen Schwemmlandskreisen, wie in Salzwedel 15,, in Jerichow I. und II. 13,;, in Gardelegen ı1,, pCt. der Gesammtfläche ein, gehen aber in anderen auch auf sehr geringe Prozente, in Delitzsch, Bitterfeld, Lieben- werda bis auf 21— 1, pÜt. herab. Im Gebirgslande kommt ein höheres Verhältniss, als das in Worbis mit 5,, überhaupt nieht vor; die Weiden in den Kreisen Merseburg und Halle sinken aber sogar auf o,,, in zahlreichen anderen auf 1,,— 1,. pCt. der Gesammtfläche herab. Die besten Weiden der Provinz sind in Wolmirstedt gefunden und auf 130 Sgr. geschätzt. Sie liegen in der Elbniederung theils eingedeicht, aber dem Drangwasser ausgesetzt, theils ausserhalb der Deiche. Der Boden ist Auenboden, der aus reichem, schwer zu bearbeitendem, humosem Elbschlick von mindestens ı5 Zoll Tiefe besteht, und entweder auf gleichartigem durchlassendem Auenboden ruht oder Flusssand und XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 301 andere durchlässige Böden im Untergrunde hat. Es werden r—ı!, Morgen zur Er- nährung einer Kuh in der Weidezeit als hinreichend erachtet. 300 Morgen ähnlicher Weiden von ıs5o Sgr. Ertrag liegen benachbart im Kreise Jerichow II. in der Elbnie- derung. Dagegen befinden sich in Salzwedel, Jerichow I. und II. und Gardelegen zu- sammen über 280 000 Morgen Weiden zu einem Durchschnittsertrage von 13 Sgr., die fast durchgehends ziemlich gering sind. Werthvollere Weideländereien besitzt das ebenere Bergland. Die Weiden von Merseburg haben durchschnittlich 63 Sgr. Ertrag. Das Eichsfeld, Worbis, Heiligenstadt und die Harzkreise Wernigerode und Mansfelder Gebirgskreis enthalten im Berglande die verhältnissmässig grösste Fläche; der Durch- schnitt aber erreicht im Harze nur 16— 20, auf dem Eichsfeld 8— ıı Sgr., und selbst die besten Stücke sind nicht über go Sgr. vom Morgen veranlagt. Dem Gesammtdurchsehnittsertrage der Weiden der Provinz von ı5 S$gr. würde nach den Klassifikationsangaben eine Weide entsprechen, von der ro Morgen zur Er- nährung von einer Kuh oder 1o Schafen in der Weidezeit hinreichen. Der Durch- schnittsertrag der Wiesen mit 63. Sgr. ist etwa 9 Ötr. mittlem oder 12 Ütr. geringerem Heu gleichgestellt. Die Durehschnittsmarktpreise für Heu waren nach Tab. G. für den Bezirk Magde- burg 23, für Merseburg 21Y, für Erfurt aber 27‘; Sgr auf den Öentner, 7. Provinz Westfalen. Das grastragende Land zeigt in Westfalen in seinem Flächenverhältnisse zu den übrigen Kulturarten, wie in seinen Erträgen ähnliche im Terrain begründete Gegensätze, wie sie Bd. I. S. 276 und Bd. II. S. 195 für das Ackerland nachgewiesen wurden: Verhältniss Extreme Prozent-Verhältnnise | Durchschnittlicher FDurchschnittsreinertrag Reinertrag der extremen vom Morgen | Klassilikationsdistrikte | Fläche der zur Gesammtlläche | einzelner Klassifikationsdistrikte Wiesen gras- Wiesen | Weiden |tragende Wiesen | Weiden = we d d w | W |82 Fläche | Wie- |Wei Fe) [ei x ie- | Wei- | & äche ie-| Wei-| 20:8 GE: und Weiden Wiesen Weiden 82 l— m [Eu & EB 8 ER sen | den | %$& 1] 2 |» 2 |% E sen | den P „13[l582| a 58 S 2 |E83| 3 |#2 ES3135|2=| 5 |o% © 3 |oa ERZ >15 |5 = 1: Morgen Morgen pCt. | pCt. | pct.| = |5 E] Sgr. | Sgr. | Sgr. |Sgr.| Sgr.| Sgr.| Sg: Staat | 10209419 | 8138356 | 94 | 7, | 16» | 62 | 0 | 46 | 0 | 70 | 0 | 45. | 14 | 31, [au] 12 | 194| ı Regierungsbez. | | A. Minden . .| 205 037 | 272 977 10.| 13,3 B. Münster. .| 198 822 | 836 9170| 7,0| 29,5 C.Kr.Bochum, Dortmund, ; | Hamm, Lipp- stadt, Soest .| 44 800| 92200] 5,0 10; | 15,312 102,9|114 Der übrige Re- | gierungsbez. Arnsberg... 38,5|t15 41] 50 5 ı7| 54| 15 | 22,6] 74 40] 40 7 [59 | | 38,7 [07] Zusammen C.| 207 583 | 260 ııı Prov.Westfalen 2 | 52 | :o| 66 611 442 |1369998| 7,7| 173 302 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Danach übersteigt das Verhältniss des Weidelandes der Provinz das der anderen Provinzen im alten Staatsgebiete sehr weit; das Wiesenland dagegen tritt nicht un- bedeutend gegen den Durchschnitt des Staates zurück. Indess ist der Mangel an Wiesenland nur scheinbar, denn es giebt, wie schon die hohen Tarifsätze für die Weiden zeigen, in der Provinz höchst ausgedehnte Flächen, welche der bestehenden Wirthschaft nach zwar vorzugsweise zur Hütung von Fett- und Melkvieh benutzt werden und dess- halb als Weide angesprochen sind, indess ihrer gesammten Beschaffenheit nach auch gemäht und dem Wiesenlande zugerechnet werden könnten. Die vorzüglichsten Wiesen finden sich längs der Lippe, Emscher und Ahse von Bochum bis Büren, und in den von Süden nach diesen Gewässern sich öffnenden Gebirgsthälern. Die Flusswiesen, welche von periodischen natürlichen Ueberschwem- mungen erreicht werden, oder zur Bewässerung ausgebaut sind, überwiegen im Ertrage, werden aber häufig durch die Sommerfluthen stark benachtheiligt. Als die ertragreichsten Wiesen sind Bewässerungswiesen in Bochum vorgefunden. Sie sind auf 420 Sgr. ge- schätzt und geben 35 —40 Ctr. Heu vom Morgen. Dortmund hat ähnliche Wiesen von 360 Sgr. Ertrag; die meisten benachbarten Kreise von 330 Sgr. oder 24—36 Otr. Heumasse. Soest hat einen Durchschnitt von 161 Sgr., Bochum, Dortmund und Hamm von 130. Sie genügen indess ihrer nicht sehr ausgedehnten Flächen wegen der dort sehr entwickelten Viehwirthschaft kaum ausreichend; auf dem Hellwege und Haarstrange haben viele Gemarkungen Wiesenmangel und decken ihn durch Zufuhr aus dem Lippe-, Ruhr- und Möhnethal und durch Futterbau. Dagegen werden in manchen Lagen der benachbarten Gebirge ziemlich bedeutende Mengen Heu gewonnen und aus den höheren, wenig bevölkerten Theilen, z. B. aus der Umgegend von Winterberg auch ausgeführt. Die besten Lagen geben hier 180 und selbst 240 Sgr. Reinertrag, der Durchschnitt von Brilon, Olpe, Meschede, Wittgenstein aber erreicht noch nicht 5o Sgr. Je gewerb- reicher die Gegenden sind, desto weniger befriedigt der wenn auch an sich beträchtliche eigene Heugewinn den Bedarf. Selbst der Kreis Siegen, die oben näher besprochene Heimath der Kunstwiesen, muss Heu zukaufen. Er besitzt 9, pÜt. seiner Gesammt- fläche oder 23541 Morgen Wiesenland, erhebt sich aber nicht über 70 Sgr. Reinertrag vom Morgen. Bei der grossen Vorliebe und der eingelebten Gewohnheit der dortigen Bevölkerung wird in allen Thälern jede Gelegenheit zur Anlage von Wiesen benutzt. Es bestehen 400 Verbände mit 20 254 Morgen Fläche, welche den Zufluss des Wassers meist durch künstliche Schleussen und Wehrsysteme reguliren, und mit der grössten Sorgfalt die gute Unterhaltung überwachen; indess ist erklärlich, dass diese grossen Aufwendungen zwar fast unfruchtbare Grundstücke zu hohen Bruttoerträgen zu heben, dabei aber die Reinerträge natürlicher Wiesen von guter Lage nur unter den günstigsten Verhältnissen zu erreichen. vermögen. In der münsterländischen Ebene finden sich ertragreiche Wiesen in den flachen Flussthälern der Werse, Ems und Berkel. Die guten Striche sind indess wenig um- fangreich und erheben sich auch in der besten Klasse nicht über 180 Sgr. Reinertrag vom Morgen; die Durchschnitte stehen zwischen 40 und 6o Sgr. Die ausserhalb des Lippegebietes belegenen, zum Theil recht grossen Wiesenflächen, haben fast durchweg einen mageren, sandigen, häufig torfigen Boden, und sind in Folge der eigenthüm- lichen Wasserverhältnisse der Ebene, in welcher die Flussbeften durch die allmähliche Zuführung von Sinkstoffen nicht selten höher, als die entferntere Umgebung liegen sehr nass (Bd, I. S. 282). Fast in dem gesammten Gebiete der Ems findet die XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 303 Entwässerung besonders grosse Schwierigkeiten und die Emswiesen erzeugen desshalb mit wenigen Ausnahmen nur schlechte und saure Gräser. An der Bocholder Aa, der Berkel, Dinkel und Vechte sind theilweis bessere Wiesen; im ganzen aber leiden auch diese mehr oder minder an Versumpfungen, die durch häufige Mühlenstauwerke vermehrt werden. Den Verhältnissen des Münsterlandes sind die der Kreise Minden und Lübbecke jenseits des Teutoburger Waldes sehr ähnlich. Wo sich die Gelegenheit zu Meliorationen findet, wird sie nach Möglichkeit benutzt, indess sind die Gegenden an der oberen Lippe und an der Weser bei Minden dazu nach Wasser- und Bodenverhältnissen geeigneter, und ist desshalb auch dort mehr geschehen, als auf den grösseren, der Verbesserung sehr bedürftigen Flächen des Regierungsbezirks Münster, auf denen eine vortheilhafte Veränderung nur von durchgreifenden, ganze Flussgebiete umfassenden, aber leider äusserst kostspieligen Unternehmungen erwartet werden kann (Bd. 1. S. 472). Was die Weideländereien betrifft, so gehören die bedeutenden und besseren Flächen derselben, wie schon aus der Uebersicht hervorgeht, nieht dem Gebirgslande, sondern den Ebenen an. In den höheren Gebirgen sind die Weiden sogar ziemlich beschränkt. Siegen hat nur 1, pCt., Olpe 3,;, Hagen 3,7, Altena 3,9, pCt. der Gesammt- fläche Weideland; der Kreis Wittgenstein erhebt sich allerdings zu 22, pCt., Brilon zu 11,5, Meschede zu 10, pÜt. Der Ertrag ist indess überall in den Gebirgslagen sehr gering. Er erreicht durchschnittlich noch nicht 5 Sgr. vom Morgen, Manche dieser Hutungen werden als Wildländereien nach 12, ı5 oder mehr Jahren einmal um- gebrochen und mit Hafer bestellt, und sind als Weiden veranlagt, weil diese Nutzung zu unbedeutend erschien. Erst in den niedrigeren Vorbergen und weiter geöffneten Thälern werden die Weiden werthvoller. Die besten der gesammten Provinz sind im Ueberschwemmungsgebiet der Lippe und Emscher zu finden und erhöhen den Weiden- reinertragsdurehschnitt der 5 nördlichen Kreise des Arnsberger Regierungsbezirks auf 90 Sgr. vom Morgen, während der Durchschnitt des Weidelandes der drei übrigen Hauptgruppen der Provinz nur zwischen ı5 und 18 Sgr. schwankt. Die Weiden von Hamm, Soest und Dortmund stehen auf roo, die von Bochum auf ı2ı Sgr., von Hagen auf 124 Sgr. Durchschnittsertrag, Höxter wenigstens auf 5o Sgr. Die besten Weiden sind in allen diesen Kreisen auf 240 Sgr. eingeschätzt und bedeuten Fettweiden, auf welchen von einem Morgen ein Stück Grossvieh ernährt werden kann. Die obenerwähnten Weidekulturen bei Lippstadt sind der Düngungskosten wegen in geringere Klassen gerechnet. In den Thälern der Ruhr, Lippe, Ahse und Emscher werden die werthvollen Weidekämpe fest eingefriedigt und durch Vermiethung für Milchvieh oder an Metzger für Schlachtvieh benutzt. Sie liegen unmittelbar am Fluss und ihr Ertrag wird häufig durch die Nothwendigkeit kostspieliger Uferunterhaltung geschmälert. Von den Kreisen der münsterländischen Ebene nimmt Recklinghausen noch an den Fettweiden der Emscher Theil, welche meist durch die Melioration des Emscher Bruches geschaffen sind; Beckum und Lüdinghausen besitzen ähnlich werthvolle Weiden an der Lippe. Die grossen Hutungsflächen aber, durch welche sich der Regierungsbezirk Münster auszeichnet, gehören ganz überwiegend den Sand- und Heideböden an und sind so niedrig im Ertrage, dass sie als ein wirthschaftlicher Vorzug nicht gelten können. Ahaus, Steinfurt, Tecklenburg, Warendorf und die anschliessenden Kreise Wiedenbrück und Paderborn im Regierungsbezirk Minden besitzen zusammen 490 000 Morgen zu einem Durchschnittsertrage von nur 7,3 Sgr. vom Morgen, 304 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Der &esammtdurchschnittsreinertrag der Wiesen der Provinz von 66 Sgr. steht nach den Klassifikationsprotokollen etwa einem Ertrage von 12 Ctr. mittlem oder ı5 bis ı8 Ötr. geringem Heu gleich; der Durchschnitt der Weiden im Reinertrage von 21 Sgr. bedeutet eine Hutung, von der eine Kuh eine Fläche von etwa 5 Morgen zur Durchweidung bedarf. Der Durchschnittsmarktpreis des Heues war vom Üentner im Bezirk Minden 20Y und im Bezirk Münster 22'/, im Bezirk Arnsberg dagegen 29 Sgr. 8. Rheinland. Die Flächen- und Ertragsverhältnisse der Wiesen und Weiden in der Rhein- provinz lassen sich nach den Bd.]. S. 248 und Bd. II. S. 201 für die Terrainbildung gemachten Unterscheidungen in folgenden Zahlen überblicken: Verhältniss Extreme Prozent-Verhältnisse | Durchschnittlicher |Durchse üttsreinertrag Reinertrag der extremen vom Morgen Rlassifikationsdistrikte l IR: Fläche der zar Gesammtfläche | einzelner Klassifikationsdistrikte Wiesen "7 71 7% gras- Wiesen | Weiden |tragende Fläche [Wie- | Wei- | Wiesen | Weiden i | Wie- —— und Weiden Wiesen | Weiden 2% sen sen | den grastragende grastragen der Fläche. höchster| niedrig- ster F} © 7 © höchstes niedrig- stes höchstes Morgen | Morgen pCt. Ser. | Sgr. | 16 m E Staat | 10209419 | 8138356 | 94 a w = o 450 | 14. - Regierungsbez. Düsseldorf. .| 128 199 | 244.033] 6,0 | 11,4 38 831] 5,4 2,5 Aachen ,.. 293 250] 7,8 718,0 Koblenz ...[ ıgr 231 | 137 1968 8: | 5,5] 310 975] 9,5 | IIır Rheinprovinz | 797 799 |T 024 285] 7,6 98] ı 28 |194 davon: | dernördl. Theilf 217 799 | 335 285] 5,8 | 8,9 | ı |33| 4 |35 C 60 [194 der südl. 'Theilf 580 000 | 689 000| 8,6 | 10,2 4 |38| 0 |48 28| ıo Wie in einigen der anderen Provinzen sind auch in Rheinland Wiesen und Weiden nicht überall leicht auseinander zu halten. Ein grosser Theil grade des vorzüglichsten Wiesenlandes der Rheinauen kann durch Weiden höher genutzt werden, als durch Mähen. Es werden diese Weiden je nach der besonderen Nahrhaftigkeit ihres Futters entweder als Fettweiden für Ochsen, oder bei weniger fettem, wenngleich besonders gutem Grase für das Melkvieh benutzt. Die letzteren werden häufiger einem Schnitte unterworfen, die Fettweiden seltener, indess in der Regel einmal in jedem 3. oder 4. Jahre. Auf diese Weise gehen die besten Wiesen und besten Weiden in einander über. Da, wo besonders ausgedehnte Fettweiden bestehen, sind sie als Weiden tarifirt, und bilden die hohen Weideklassen, welche die Tabelle A. der Anlagen in den Kolonnen go und $ı für die Bezirke von Düsseldorf und Aachen nachweist. Aehnliche Grund- stücke finden sich indess auch in einer Anzahl Kreise, welehe nur. sehr niedrige Weide- tarife haben, sie sind aber in diesen unter das Wiesenland aufgenommen, XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 305 Die ausgezeichnetesten Grasländereien der Provinz, sowohl Wiesen als Weiden, liegen im nördlichen Theile in den Niederungen des Rheins und der Ruhr von Düssel- dorf abwärts bis zur holländischen Grenze; jedoch zeichnen sich auch Wiesen und Weiden in den Thälern von Elberfeld, Barmen und Mettmann auf der rechten, und von der Erft und Roer auf der linken Rheinseite aus. Von Eupen, Aachen und Rhein- bach über Erkelenz und Jülich- bis nach Heinsberg umfassen die breiten Flussthäler überall reiche Grasflächen, die indess häufig durch Bruchland unterbrochen sind. Dagegen ist auf dem höheren Lande zwischen den Einschnitten der Gewässer oft auf weite Strecken hin Grasland gar nicht zu finden. Die grasreichen Niederungen des Rheins sind entweder überhaupt nicht oder nur durch Sommerdämme eingedeicht und stehen dem Winterhochwasser offen, welches sie durch den immer erneuten Schlick ohne weitere Kulturarbeit in dauernder Fruchtbarkeit erhält. Besonders geschätzt werden diejenigen Weidegründe, welche so hoch liegen, dass sie nur das Winterwasser, nicht aber das Sommerwasser erreicht. Sie wässern sich früh ab und gestatten desshalb langen Weidegang. Fast alles bessere Wiesenland ausserhalb des Stromthales ist flössbar gemacht. Eigentlicher Kunstbau kommt aber nur ausnahmsweise in Anwendung, meist wird das Wasser in frei dem Terrain folgenden, von den Besitzern selbst ange- lesten Gräben geleitet. Indess entspringt eine nicht unbeträchtliche Zahl der kleinen Gebirgsgewässer den ausgedehnten Torf- und Bruchmassen der Eifel und ist zu leer und eisenhaltig, um von guter Wirkung zu sein. Andere Bäche, wie z. B. die von den Gerbereien von Malmedy benutzte Werch und die Bäche der Ebene sind dagegen sehr fruchtbar. Den grössten Erfolg zeigen überall die unmittelbar bei den Ortschaften belegenen Grundstücke, welche das Abzugswasser und die Jauche aus den Gehöften erhalten. Sie werden 3, 4 und mehrmal zu Grünfutter geschnitten und auch nicht selten eingehegt und zu Fettweiden benutzt. Namentlich sind solche Weiden in den Gebirgslagen um Eupen üblich. Das Vieh bleibt in ihnen durch 2 Monate Tag und Nacht auf der Hutung. Trotz der bedeutenden Düngermasse, welche diese Grund- stücke dadurch erhalten, dauern sie doch in der Regel nicht als Weiden aus, ohne noch überdies im 3. oder 4. Jahre mit Dünger vollständig überfahren zu werden. Viele Wiesen, namentlich auf dem Strich zwischen Moers und Aachen, sind mit Obstbäumen bestanden. Sie liefern, je nach der Güte des Untergrundes, an manchen Orten nur wenig Obstertrag, häufig aber wachsen die Bäume sehr üppig und tragen reich, ohne dass der Graswuchs unter ihnen zu leiden scheint. Die Wiesen des höchsten Grundsteuerreinertrages von 420 Sgr. auf den Morgen sind in Düsseldorf und Neuss gefunden, Sie tragen 24— 30 CUtr. Heu vorzüglicher oder 30—40 tr. mittlerer Qualität. Zahlreiche benachbarte Kreise besitzen Wiesen zu 360 und 330 Sgr. Reinertrag. Die werthvollsten Fettweiden finden sich in den Kreisen Düsseldorf und Kleve, sie sind zu 390 Sgr., die besten um Duisburg und Rees zu 360 Sgr. geschätzt. Im Ganzen beträgt die Fläche der Fettweiden zu 7— 13 Thlr. Reinertrag am Niederrhein und um Elberfeld und Aachen 59439 Morgen, die der Fettweiden zu 3—6 Thlr. Reinertrag 81 294 Morgen. Sie bedecken also zusammen 6% DJMeilen. Dazwischen finden sich Kreise, deren Wiesen und Weiden auch in den höchsten Klassen verhältnissmässig niedrig stehen. Die besten Wiesen in Kempen er- reichen nur 180 Sgr., in Geldern, Solingen, Overrath, Düren 210, und die besten Weiden in Overrath nur 4, in Kempen nur 9, in Mühlheim ı2, in Opladen ı5 Sgr. Ertrag. — Boden d, preuss. Staates. II. 20 306 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Die grössten Durehschnittserträge in Wiesen zeigen Barmen mit zır, Erkelenz mit 187, Opladen, Köln, Neuss, Aachen mit etwa 160, Elberfeld, Düsseldorf, Krefeld, Mettmann, Euskirchen, Immendorf mit 130—ı5o Sgr. Die geringsten Wiesendurchschnitte haben Kempen, Geldern mit 60; auch Rees erhebt sich nur zu 71 und Kleve zu 74, weil die vorzüglichen Niederungswiesen durch geringwerthiges Bruchland herabgedrückt werden. Die höchsten Durchschnittserträge des Weidelandes ergeben Aachen mit 194, Appeldorn mit 185, Kleve 166, Mörs 154, Immendorf 153, Eschweiler 152, bei zum Theil sehr bedeutenden Flächen, dagegen erheben sich die Weiden von Overrath nicht höher als auf 3, Kempen auf 5, Rheinbach auf 6, Solingen auf 8 Sgr. Durchschnitt. — - Der südliche Abschnitt der Provinz besitzt eine verhältnissmässig viel bedeutendere und im allgemeinen für das Bedürfniss zureichendere Wiesenfläche, als der nördliche. Die besten Wiesen zeigen Kreuznach, Trier, St. Wendel mit 360 Sgr.; Bernkastel, Neuwied, Mayen, Altenkirchen, Aarweiler erheben sich zu 300 Sgr. Die meisten anderen zu 270, Montjoie dagegen besitzt keine besseren als von ı$o Sgr. Reinertrag; die übrigen Eifelkreise steigen meist bis 210. Den Durchschnittserträgen nach erhebt sich Trier (Stadt) zu 167, Wetzlar, St. Wendel, Saarbrücken und Ottweiler zu 106— 109, Kreuznach zu 94 Sgr., Prüm aber nur zu 28, Malmedy zu 32, Montjoie zu’ 33, Much im Siegkreise zu 38 Sgr. Die Gebirgsbäche und feuchten Abhänge geben überall Gelegenheit zu einigem besonders guten Graslande. Die werthvollsten Grundstücke dieser Art sind die sogenannten Pesche, welche in der Nähe der Häuser liegen und mit Jauche oder Dorfstrassenwasser berieselt werden. Sie erzeugen frühzeitig grosse Massen Futter, wodurch die geringere Qualität desselben reichlich aufgewogen wird, und können 3—4 Mal geschnitten werden. Die Torfwiesen im hohen Venn und in der Nähe desselben werden einschürig oder als Weide benutzt; sie liefern nur schlechtes und saures Heu. Die Weiden des südlichen Theiles der Provinz sind so gering, dass ihr Durch- schnittsertrag sich nur auf 4 Sgr. vom Morgen stellt, während der Durchschnittsertrag der Weiden des nördlichen Abschnittes 93 Sgr. beträgt. Mit Ausnahme eines einzigen Morgens in Lennep erhebt sich keine Weide aller zu dem südlichen Abschnitte ge- rechneten Kreise über 24 Sgr. Reinertrag und durchschnittlich sind die besten Weiden nur zu 9—ı2 Sgr. veranlagt. Sehr grosse Flächen sind zu ı und 2 Sgr. vom Morgen geschätzt. Dem entsprechend steht auch Lennep mit dem höchsten Durchschnittsertrage nur auf 17 Sgr., Trier auf 10, und alle anderen Distrikte bleiben unter 8 Sgr.; Daun und Prüm stehen auf 4, Much auf 3 Sgr. Es ist dabei das vorhandene Schiffel- und Wildland (Bd. IH. S. 204) nur dann einbegriffen, wenn seine Ackererträge so selten wiederkehren und so unbedeutend sind, dass es im wesentlichen nur als Schafweide zu betrachten ist. In der Nähe der Weinberge ist das Abplaggen der Weideländereien, um die Rasenstücke in die Weinberge zu bringen, sehr gewöhnlich. Der durchschnittliche Gesammtreinertrag der Wiesen des nördlichen Theiles der Provinz von ıoı Ser. steht einem Ertrage von ı2 Ütr. gutem, 14 Ütr. mittlem oder etwa 18 Ötr. geringem Heu; der Durchschnittssatz des südlichen Theiles von 64 Sgr. nur etwa 8 Ütr. mittlem oder 10—ı2 Ctr. geringem Heu gleich. Eine Weide von 93 Sgr. Reinertrag ist nach den Klassifikationsprotokollen als eine solche anzunehmen, von der etwas weniger als 2 Morgen zur Ernährung einer Kuh in der Weidezeit hinreichen; ein Weidereinertrag von 4 Sgr. aber deutet auf eine Weide, von der erst 4 Morgen ein Schaf oder 4o Morgen eine Kuh zu ernähren vermögen. XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. 307 Die Durchschnittspreise des marktgängigen Heues haben sich in den Jahren 1837 — 1860 im Düsseldorfer Regierungsbezirk auf 29,, im Kölner auf 24, im Aachener auf 21, im Koblenzer auf 30'/, und im Trierer auf 23!/, Sgr. für den Centner gestellt. 9, Hohenzollern. In Ermangelung der Katastrirung fehlen nähere Angaben für Hohenzollern. Wiesen und Weiden, welchen letzteren die Oedungen zugerechnet sind, soweit sie nicht in Felsen, Weiden Zusammen Prozent - Verhältniss ' zur Gesammtfläc k Wiesen und grastragende un Oberamtsbezirke Oed # an an edungen Fläche an Weiden | grastra- wi und gender in preussischen Morgen en Fläche Sigmaringen... ...... 28 602 12,70 3,78 |. 16,48 Gamertingen. ........ 21309 3,05 | 13,50 | Id,s5 Hechiungenat. stehe shelere 25 551 14,71 13,00 | 27,71 Haiserlochnns nd era 8.969 12,90 3,95 16,85 EEE EA EEE FACH BEER Hohenzollern . . | 46 392 37 939 84 331 | 10,38 8,49 18,97 Darunter befinden sich ungefähr 50 000 Morgen Gemeinde-Eigenthum (Allmanden), welche theils zu Schafweiden verpachtet, theils an die Ortsbürger auf Lebenszeit oder bestimmte Zeitabschnitte unentgeldlich oder gegen einen geringen Miethszins überlassen sind. Ausser in den Flussbetten liegen die ausgedehntesten und besten Wiesen im Oberamtsbezirk Hechingen. (Annalen Bd. 38 S. ıo.) Ein Gesammtüberbliek über die im Staatsgebiete in Wiese und Weide erzeugten oder vorhandenen Futtermassen lässt sich selbstredend auch für Durchschnittszahlen nicht mit annähernder Sicherheit gewinnen. Setzt man indess die vorstehend ange- gebenen, nach den Klassifikationsprotokollen den Zahlen der Reinertragsdurchschnitte entsprechenden Heu- und Weidemengen als für einen allgemeinen Ueberschlag ge- eignete Grundlage voraus, so lässt sich die umstehend auf Seite 308 und 309 ver- zeichnete Berechnung aufstellen und mit der Anzahl des Grossviehes nach Tabelle G. der Anlagen Spalte 5r zusammenhalten. Es werden danach im Staate vom Morgen grastragender Fläche durchschnittlich 5,9 Centner mittles Heu, für jedes Stück Grossvieh aber durchschnittlich 9,13 Ctr., und zwar 7,40 Ötr. in Mähegras, 1,7; Ötr. aber als Weide geworben, wobei die Wiesenweide überall dem Mäheheu zugeschlagen ist. Ein Stück Grossvieh ist im Sinne der gedachten Tabelle G. einem Stück Rindvieh oder % Pferden, ro Schafen, 4 Schweinen oder 12 Ziegen gleichgereehnet. Wird der Futter- und Streu- bedarf des Stückes Grossvieh mit Gauss (Zeitschr, des stat. Büreaus, Jahrg. I. 1861 S. 279) auf jährlich 46 Ctr. Heuwerth angenommen, so wäre fast genau "/,; des Bedürf- nisses durch Wiesen- und Weidegras gedeckt anzusehen, % würden theils durch Dreesch-, Brach- und Stoppelweide und durch Hutung und Streugewinn auf Forstterrains und Wasserstücken, theils durch angebaute Futterkräuter und Wurzelgewächse und durch die gesammte Masse des Körner- und Strohfutters, theils endlich durch das Nebenfutter aus Wirthschafts- und Fabrikationsabfällen beschafft, 20° 308 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. DerMorgen Der Morgen ” Der Morgen 2 hat durch- trägt Die N hat durch- Es i Wiesen- schnittlich| durch- | Wiesenfläche Weiden- schnittlich | gehören Buevzeitk däche Grund- |schnittlich also fläche Grund- zur ; steuer- Centner Zusammen steuer- Kuhweide reinertrag | mittles reinertrag Morgen Sgr. Heu Centner u Sgr. Morgen rn 1: 2. 38 4. 5. m 8. Koonigsbergue Melone 973 764 31 9 8 763 876 809 430 II 6 Gumbinnen ....... 1021040 26 7 7 147 280 638 631 7 Be) Westpreussen: a. Niederung . ...- 229 990 76 14 3.219 860 42481 | 18 6 b. Höhenlage. .... 514781 25 6 3.088 686 I 114 220 315 24 Kösling nnaerser uter: 403 304 30 7 2823 128 631789 3 30 Stettin enewelkde, one nelıe 626 6o5 36 10 6. 266 050 326 752 10 8 Stralsund ..oo.... 171 062 43 9 1539 558 78 835 17 6 Bromberg nn u rer. 386 162 38 7 2703 134 288 513 12, 9 ROSEN BR nee 558 892 32 6 3 353 352 284 549 Io Io Mark Brandenburg: a. Niederung... .. 100 453 92 18 1808 154 b; Frankfurt . u... 557 062 7 3 899 434 82 027, 8 22 en Botsdamfncrre .ue 929 829 | 35 | 7 6 508 803 440 744 28 . Oppeln......0.-.... 392 909 47 9 3 536 ıg1 115 446 II 10 Bresiateeeen.. ee Wanne 486 102 58 Io 4 861 020 81.036 15 8 TIegnitzU externe 532 407 5I 8 4.259 256 97 254 13 Io Sachsen I. „ad. .lll 915 816 63 9 8 242 344 513 374 I5 Io Westfalen... ..... 611442 66 12 7 337 304 1 369 998 21 5 Rheinland: ” i 3 Nord... eye eaneıe 217 799 101 14 3 049 186 335 285 93 1,25 DASUd En eaee 580 000 64 8 4 640 000 689 000 4 40 Staat | 10209419 45 &5 87 046 606 8138 354 14 12,9 Spätere Abschnitte werden zur Aufgabe haben, nähere Angaben zur Beurtheilung der Richtigkeit dieses Verhältnisses beizubringen. im Anhalt an das von Engel in der Zeitschrift des stat. Büreaus Jahrg. VIII. S Zieht man aber nur im allgemeinen 103 aufgestellte Anbauverhältniss in Betracht, dass etwa 7230000 Morgen, die in den alten Provinzen mit Hafer bebaut werden, ungefähr 150 000 000 Ctr., und 3 140 000 Morgen Klee und andere Futterkräuter ungefähr 120 000 ooo Ütr. Heuwerth hervorbringen, und dass das Stroh von 19 900 000 Morgen Getreide-, Hülsen- und Oelfrüchten auf etwa 100000000 Ütr. Heuwerth anzuschlagen ist, wozu noch gegen 37 000000 Morgen Dreesch, Brach- und Stoppelweide und der Antheil an der Ernte von 7 230 000 Morgen Kartoffeln und Rüben kommt, Resultat, der für dass die grastragende Fläche nur das Vieh verfüttert wird, ersichtliche Unwahrscheinlichkeit zu liegen. Von Interesse ist der Geldausdruck für den wirthschaftliehen Werth eines Cent- ners mittlen Heues, der sich als Resultat der Aufstellungen 4 und 5 sowie 8 und 9 der Uebersicht ergiebt. des Futterbedürfnisses deckt, so scheint in dem keine Dass er hinter den Verkaufspreisen des marktgängigen Heues sehr wesentlich zurückbleibt, liegt theils im Handelsvertriebe, theils in der Beschaffenheit Es sind also Kuhweiden vorhanden 9. 134 905 63 863 7 080 46 426 21.060 40 843 13 139 32 057 28 454 23 423 73 457 II 545 10 129 9725 51337 273 999 I9I 523 16 222 1.049 187 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden, oder zu je | _ Di | ll) Diei Zahl Gips Darunter DE 20 Centner Dean Wert ds re des we Weide a za ana osfrähre Grossviehs auf ein Weide bildet in Heu im Jahr |\sich nach |1837-1860] Bar Stück H “ | vom vorhanden ale ee 1864 Grossvich = gras Ein Centner Centner Sgr. Ser. im Jahr Cr. Ctr. pCt. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. PER EEE BERN RE BE ER VER RE EEE EEE EEE 2698 100 | 11461976 | 3,5 15,42 915303 | 12,5 | 97 | 2,95 | 23,4 1277260 | 8424540 | 3,8 18,47 657728 | 12,8: | 107 | Lg | 15a 141 600 3 361 460 5,4 te 232 200000 | I6,gı 16,09 0,7 43 928 520 4 017 206 41 £3 714 173 5,62 4133 1,29 23,1 421 200 3 244 328 43 20,25 437 009 7,42 6,46 0,96 13,0 816 860 7 082 gIo 3,6 16,08 512711 | 13,8: | I2, 1,6x 11,6 262780 | 1802338 | 4,8 19,08 182 888 9,85 842 | 1 | Is 641140 | 3344274 | 54 | 22,08 437999 | 7,5 | 67 | 146 | 19,2 569080 | 3922432 | 53 | 23,00 742621 | 52 | 45 | 076 | 145 468460 | 6176048 | 5x | 23,5 717493 | 86: | 716 | 065 76 z469140 | 797793 | Se | 2m 766279 | 104 | 8 | In | 18,4 230 900 3 767 081 5,2 21,16 625 093 6,02 5,66 0,36 6,1 202580 | 5063600 | 5,8 | 22,58 746747 | 6 | 6: | Oo 40 194 500 | 4453756 | 6, 23,75 603 720 | 7,38 7,6 | 0132 44 1026 740 9 269 084 7,0 23,25 1 200 636 772 6,87 0,85 Il,ı 5479890 | 12817284 | 5, 24,42 904 260 | 14,7 8,09 | 68 | 4218 3830460 | 6879646 | 72 | 245 626966 | 1097 | 4,87 | Go | 55,7 324440 | 4964440 | 80 27,0 678589 | 732 | 6185 | 07 6,5 20 983 740 | 108 030346 | 53 22,6 | 11769815 | 9,8 7 | 178 | 194 des Heues. In sich scheint die Abstufung ebenso den von Nordosten nach Südwesten zum Vortheilhafteren fortschreitenden Bedingungen des Verkehrs und der Viehhaltung überhaupt, wie der längeren und nutzbareren Vegetation der Wiesengräser*) ziemlich entsprechend. Näheres, zugleich mit den Beziehungen zur Stallfütterung, wird die Dar- stellung der Viehhaltung zu besprechen haben. *, Beginn und Kraft der Vegetation hängen von den Anreizen der Temperatur ab, die nach Bd. I. S. 142 in den einzelnen Landestheilen verschieden auftreten. Rückschläge der Kälte sind für Wiesen weniger gefährlich, weil ihr Bestand an Pflanzenarten sich nach dem Klima gestaltet. Die technischen Instruktionen (Bd. II. S. 17) geben meist eine Vegetationsskala, der die J. F. Meyersche (Ueber Gemein- heitstheilungen, 1801, Bd. III. S. 27) zu Grunde liegt, welche nach der hessischen Gemeinheits- theil.-Ord. vom 9. Juli 1808 für das Herzogthum Westfalen gesetzlich galt. Nur die Instruk- tion für Gumbinnen (S. 59) weicht ab. Diese Skalen sind folgende: 16—30 | 1—12| 13—31 | Juni | Juli |August[|Septbr.| Oktbr. | 1—11 | 12. Nov. Massgebende Beobachtungen aber mangeln. Gesammtwachsthum im Jahr | vom Frost nach in 700 |bis15. April | April | Mai | Mai Nov. |bis Frost J. F. Meyer Theile 8 |25 | ı00 |250|125|75|97ı3|7 0 Instr. f. Gumbinnen | getheilt Io 100 |250|ı50| go 79 20 Io Theile 310 XXIV. Vertheilung, Kultur und Erträge der Wiesen und Weiden. Das Verhältniss des in jeder Provinz auf je 1000 Morgen der Gesammtfläche vorgefundenen grastragenden Landes nach den auch für den Acker gebrauchten Haupt- schätzungsklassen ist folgendes: Von je ıooo Morgen der Gesammtfläche sind eingeschätzt zu: Reinertrags- = 2 über | . =, " = © cs & 5 über | über über | über | über | über | über | über | über | über verhältniss |1 gr. 1-6 6-15 we 1—2|2—3|3—4 | 4-5 | 5-6 | 6-7 |7—10 |10-26 | summe Ser. | Sgr. Thlr | Thlr. | Thlr. | Thlr. | Thir. | Thlr.) Thir. | Thir. | 1 Thlr. Wiesen Preussen .. 34,90 | 26,20 Pommern... 35,30 | 35,30 Posen. ... 36,60 | 18,10 Brandenburg 38,40 | 25,50 Schlesien . . 26,60 32,10 Sachsen... 25,30 | 17,10 Westfalen. . 15,50 | 2I,5o Rheinprovinz .. I2,80 | 20,20 Staat . Weiden Preussen ... Pommern. . Bosenei. en. Brandenburg . Schlesien... . Sachsen... . Westfalen. . Rheinprovinz Staat... Grastragende Fläche. Preussen . . Pommern. . BosenY. % 12% Brandenburg Schlesien . . Sachsen... .. Westfalen. . . Rheinprovinz. 29,00 | IO,50 | 5,60 AXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Norddeitschland ist nach Klima und Bodenbeschaffenheit dem Waldaufschlag in hohem Grade günstig. Steppen oder Prairien sind unbekannt. “Selbst für die jetzt schwer wieder einzuforstenden Heiden finden wir überall Ueberlieferungen und Spuren früherer Waldbedeckung. Mit unwesentlichen Ausnahmen war also aller Anbau auf dem jetzigen Staatsgebiete, in so hohe Zeit hinauf wir auch die ersten vorgeschicht- lichen Kulturversuche versetzen wollen, ein Krieg gegen den Wald. Wie eng die Benutzung der Forsten in der ursprünglichen Form des landwirth- schaftlichen Betriebes mit dem Ackerbau und der Viehhaltung verknüpft war, hat der Abschnitt XVI. (Bd. II. S. 8) gezeigt, und zugleich auf die Spärlichkeit unserer Kunde von den Anfängen einer geordneten Forstbewirthschaftung hingewiesen. Schon in den ältesten Nachrichten erhält indess ein Gegensatz einiges Licht, der sich noch in der Gegenwart zwischen den ursprünglich deutschen Volksgauen und den bis in das Mittelalter slawischen Landstrichen ausspricht. #* In den dentschen Volksländern gestaltete der genossenschaftliche Besitz die forst- lichen Verhältnisse. Die Marken waren, wie Bd. I. S. 345 und Bd. I. S. 6 näher darlegt, hinreichend bestimmt abgegrenzte Waldflächen, innerhalb welcher die Mark- genossen von einem gewissen Mittelpunkte aus und nach bestimmten Grundsätzen all- mählich die nöthigen Ländereien in Kultur setzten. Der Rest blieb genossenschaftlicher Forst. Nur besondere Verhältnisse führten zur Ausscheidung von Sondereigen an Wald; grosse Flächen blieben als Erbenwaldungen, als Hauberge oder Wildland in wechseln- der Nutzung, andere wurden als Eigenthum der Gemeinde betrachtet. Die Bannforsten des Kaisers, die zwischen den Marken lagen, gingen zwar zum Theil durch Beleihungen in gutsherrliches oder bäuerliches Sondereigen über, zum Theil blieben sie aber, wie z. B. die Hauptmasse des Harzes, landesherrlich, zum Theil mag auch die alte Ge- meindeverfassung in sie übertragen worden sein; jedenfalls standen sie an Ausdehnung gegen die alten Markenwaldungen erheblich zurück. Unbestritten stammt aus der Ent- wickelung der letzteren die bedeutende Masse der Gemeinforsten her, die in Rheinland, 312 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Westfalen und Sachsen bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts überall bestanden, und in grosser Ausdehnung bis auf die Gegenwart erhalten geblieben sind. In den früher slawischen Gebieten herrschte dagegen seit der deutschen Koloni- sation der gutsherrliche Forst vor; hier und da besass der einzelne Bauer ein Forst- stück, die Gemeinden aber waren bis auf die Zeit der Separationen fast ausnahmslos nur Servitutare. Die Gründe liegen in der Bd. I. S. 367 dargestellten Entwiekelung der Dominien. Alle Provinzen rechts der Elbe zeigen darin eine nahe Aehnlichkeit. In Schlesien lassen sich die älteren forstlichen Zustände urkundlich genauer verfolgen '). Bis tief in das 12. Jahrhundert waren hier die Gebirgs- und Hügelstriche bis auf wenige Thäler, und selbst die Ebenen, soweit sie nicht leicht zu bearbeitende Böden besitzen, von Wäldern bedeckt. Die Ausbreitung und Mächtigkeit dieser Baummassen, die zum Theil auf sehr fruchtbarem Grunde standen und von reichen Gewässern durch- zogen waren, sind durch Urkunden und Ortsnamen beglaubigt. Für viele Oertlichkeiten sind sogar die Holzgattungen angedeutet. Die Umgegend von Jauer trug Ahornwälder, von dem Fusse des Eulengebirges über das Thal von Reichenbach und Frankenstein erstreckte sich ein bedeutender Eichenforst, die Lehne des Gebirges war, wie noch heut, yon Fichten eingenommen. Die der Oder näher gelegenen Höhen bedeckten, nach den oft wiederkehrenden Namen, Buchen, Linden und Birken, auch Eichen waren häufig, und längs der Ufer der Oder finden sie sich in den Niederungen noch gegenwärtig als ausgedehnte Stromforsten. Am meisten geschlossen und in meilenweiter unwegsamer Ausdehnung lagen die Waldungen gegen die Grenzen hin. Hier war ihre Unzugäng- lichkeit durch die sogenannte Preseka?) künstlich erhöht. Es war dies ein Verhau von etwa einer Viertelmeile Breite, der nach dem Zeugniss des Heinrichauer Grün- dungsbuches ganz Schlesien umzog. In der Nähe von Heinrichau lief er den Kamm des Eulengebirges entlang und war auf weite Entfernung hin nur auf einem einzigen Fussstege zu durchschreiten.. Wahrscheinlich wurden die Bäume angehauen und ge- stürzt. Da streng verboten war, darin Holz zu schlagen, so wuchs der junge Aufschlag durch die verhauenen Stämme hindurch und musste das Ganze zu einer für Reiterei völlig undurchdringlichen und selbst für Fussvolk schwer zu durchbrechenden Schutz- wehr gestalten. Der Herzog verfügte, wie es scheint, als alleiniger Herr über alle Forsten; selbst Verleihungen an seine Hofleute und Beamten hatten nur für die Lebens- zeit des Einzelnen Wirkung. Ob andere Grosse vollberechtigtes Forsteigenthum hatten, steht nicht fest. Seit dem Beginn des ı3. Jahrhunderts aber wurden den Klöstern und den Unternehmern, welche das Recht zur Ansiedelung deutscher Bauern erhielten, die Waldmassen in grossen Stücken von in der Regel 50 oder roo Hufen oder dem Mehrfachen davon vom Herzoge überwiesen. Die Abgrenzung der neuen Gemarkungen wurde von Berggipfeln aus durch den aufsteigenden Rauch starker Feuer festgestellt, auf den man im Dickicht unter Anhauen von Zeichen in die Bäume zuging°). Erst bei der Anlage selbst wurden die Hufen mit dem Seile gemessen. Die auf diese Weise urkundlich verliehenen Forsten wurden freies Eigenthum des Empfängers und die Pri- S) Ueber die Kulturzustände der Slawen in Schlesien vor der deutschen Kolonisation. Abhandl, der Schles. Gesellsch. für vaterländische Kultur, 1864 Heft II. S. 76. 2) Von przeeinac presekati, zerhauen; deutsch wird sie hach (nicht hag) genannt. Nachrichten über ähnliche Landesbefestigungen sind a. a. O. S. 76 und 94 angegeben. 3) G. Stenzel: Gründungsbuch des Klosters Heinrichau, Breslau 1854, S. 59. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 313 vilegien eigener eximirter Gerichtsbarkeit, die er für die zu begründende Ansiedelung erhielt, machten ihn zum Guts- oder Dominialherrn über das erworbene Territorium. Häufig theilte er sein Areal ganz und gar in Hufen und trat diese an die Bauern und ihren Scholzen ab, häufig behielt er auch ein eigenes Gut, ein sogenanntes Allodium, und grösseren Forstbesitz übrig. Fast alle Klöster besassen umfangreiche Waldungen. Das alte polnische Staatsland, wie man den herzoglichen Besitz anzusehen genöthigt ist, ging auf diesem Wege gänzlich unter. Auch der Herzog machte sich, wie Bd. I. S. 367 gezeigt hat, bei seinen Ansiedelungen zunächst zum deutschen Dominialherrn und blieb nur in höherer Instanz Landesherr. So entstanden die gutsherrlichen Forsten. Den Bauern wurden gemeinschaftliche Waldungen oder grössere, für die politische Gemeinde bestimmte Forststücke nur äusserst selten überwiesen. Bei den Waldhufen kommen sie, wie Bd. I. S. 356 gezeigt hat, gar nicht vor, sondern jeder Bauer konnte nur so viel Holz besitzen, als er für gut fand auf seiner Hufe stehen zu lassen; bei den in Gewannen eingetheilten Fluren aber finden sich zwar sogenannte Bauernwälder, sie sind jedoch*) wenigstens in späterer Zeit in der Regel in die Hufenfläche einge- rechnet, bilden also nur ein als Wald genutztes Gewann. Jedenfalls ist der wirklich genossenschaftliche Waldbesitz in den Provinzen rechts der Elbe noch gegenwärtig ganz ausser Verhältniss unbedeutender, als der in den Landestheilen links der Elbgrenze. Selbst die landesherrlichen Forsten erwuchsen hier nachweislich ganz überwiegend aus erworbenen Rittergütern und aus säkularisirtem geistlichem Besitze, der den Rittergütern gleich stand. Dagegen kam in allen Ostpro- vinzen nicht selten vor, dass Gemeinden, namentlich die grösseren Städte, benachbarte gutsherrliche oder landesherrliche Güter oder Forsten in ziemlich grossem Umfange durch Pfandbesitz und Kauf erlangten, die sie bis zur Gegenwart als ihr Kämmerei- vermögen verwalten. Das städtische, zum wesentlichen Theil aus Forsten bestehende Kommunalvermögen beträgt desshalb in beiden Hälften des Staats ziemlich gleich grosse Prozente der Gesammtfläche, im Osten 1,9, im Westen 1, pCt. Der Besitz der länd- liehen Gemeinden dagegen ergiebt in den Provinzen Preussen, Pommern, Posen, Bran- denburg und Schlesien nur O3: pCt., in den Provinzen Sachsen, Westfalen und Rhein- land 773: pCt. der Gesammtfläche, in letzteren also im Verhältniss 24mal mehr als in ersteren, und es ist überdies der für die Westprovinzen sehr erhebliche Besitz der dortigen Genossenschaften, die mit der Gemeinde nicht zusammenfallen, nicht mit ein- gerechnet, während derselbe in den Östprovinzen, auch wo er bestand, durch die Sepa- rationen fast gänzlich aufgelöst ist. — Was nun den älteren Betrieb der Forsten anbetrifft, so ist schon im Zusammen- hange mit der Entwickelung der Landwirthschaft gezeigt worden, wie irrig es wäre, selbst für die Zeiten des frühen Mittelalters, eine beliebige und rücksichtslose, jedem Nachbar freistehende Verfügung über die Wälder anzunehmen. Eine solche Voraus- setzung ist mit den geschilderten Verhältnissen durchaus unvereinbar und schlägt die wirthschaftliche Entwiekelung, den Handel und das Bauwesen jener Zeiten viel zu niedrig an. Es hatte vielmehr das Holz sehr früh Werth. s Man darf sich, abgesehen von dem Ausbau so vieler Städte und Dörfer, nur die schon erwähnten Deich-, Wehr- und Mühlenbauten, oder den Schiffsbedarf auf *) Cod. dipl. Siles. Bd. IV. Finl. S. 47, 50, 89, 9I, auch $. 88, wo zugleich gezeigt ist, in wie weit bei den Lasten der Zinshufen der Geldwerth des Holzes berücksichtigt er- scheint. — Heinrichauer Gründungsbuch S. 58 u. 79. 314 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. der Elbe und Oder und für Ost- und Nordsee*), ja nur die Masse des wohlgezim- merten Gerüstholzes vergegenwärtigen, die eine einzige der in der Öttonenzeit ent- standenen schmuckvollen romanischen Kirchen zu Goslar, Halberstadt, Quedlinburg oder Magdeburg erforderte, um ‘zu erkennen, dass die Stämme damals hinreichende Kaufpreise haben mussten, um wirthschaftlich beachtet zu werden. Von Boleslaus dem Langen wird ausdrücklich berichtet, dass er seine Holz- schläger in die Wälder schiekte und selbst in die obengedachte Preseka eingriff. Um die Mitte des ı3. Jahrhunderts werden schon Erleichterungen der Zölle erwähnt, mit denen der Holzhandel auf der unteren Elbe belegt war, und Spree und Havel wurden damals in solehem Umfange zum Flössen von Holz nach Hamburg benutzt, dass Berlin 1298 die Erlaubniss, von dem durch die Stadt gehenden Flössholze Zoll erheben zu dürfen, mit 200 Pfd. brandenburgisch erkaufte. Allerdings hat man an eine geordnete Forstbewirthschaftung für die gutsherrlichen und landesherrlichen Forsten in nicht erheblich höherem Grade zu denken, als für die bäuerlichen, deren grosse Unterordnung unter die Bedürfnisse des Ackerbaues und der Viehhaltung den unregelmässigen Plenterbetrieb und alle Nachtheile der vorwiegenden Hutungs-, Gräserei- und Streunutzungen als selbstverständlich erscheinen .liess. Auch alle grösseren Forsten blieben bis in sehr späte Zeit völlig dem eigenen Anfluge über- lassen, und es wurde auf die Nebennntzungen ein sehr erhebliches, vielleicht die eigent- liche Holznutzung überwiegendes Gewicht gelegt. Eine der Haupteinnahmequellen unter denselben war die Zeidelei, welche gegen Honig-, Wachs- oder andere Abgaben an einzelne Hintersassen oder an Zeidlergesellschaften überlassen wurde. Ebenso bildete in allen Eichen- und Buchenwaldungen die Mast eine bedeutende Nutzung, zu welcher die Schweine gegen einen Stückzehnt oder gegen Geldabgaben eingenommen wur- den. Es sind Zeugnisse darüber da, dass die Mastjahre in früherer Zeit viel häufiger, als in der Gegenwart waren; ‚allerdings haben aber die Laubwaldungen durch die allmählich fortschreitenden Rodungen mehr und mehr die besseren Standorte verloren. Waldweide, Gräserei, Raff- und Leseholz und Stren waren den gutsherrlichen Insassen häufig seit früher Zeit als Berechtigungen verliehen. Gewiss gestalteten sich die Servituten auch häufig durch den festen Charakter, den die für die Ausübung auferlegte Zinsung annahm. Die Idee, dass das Nutzholz selbst dem Grundherrn, den Unterthanen aber nur gewisse servitutarische Nebennutzungen zuständen, kam zu so durchgreifender Geltung, dass in der Kurmark nicht allein die Gutsherren, namentlich bei lassitischen Bauern, das Recht auf alle Forstbäume in Anspruch nahmen, sondern auch auf den landesherrlichen Domainen den Unterthanen nach dem Zeugniss der Forstordnung vom 1. Februar 1622 (©. ©. March. IVp. Ic. IIN. IX.) verboten wurde, Bäume auf ihren ver- strauchten Aeckern zu fällen; besonders mussten alle Eichen und Mastbäume auch auf den Aeckern sorgfältig geschont werden (vgl. auch die Forstordn. von 1590; ebd. N. 3). — Die einsichtigere Forstwirthschaft, das Auftreten und die Durehführung bestimm- ter Grundsätze der Forstpflege und der nachhaltigen Nutzung fand auch in Preussen das unzweifelhafte Vorbild in den landesherrlichen Forsten, und im wesentlichen ist die Geschichte der staatlichen Forstverwaltung die der forstlichen Entwickelung des gesammten Landes. Die Privaten machten sich meist nur allmählich und nachträglich die Fortschritte des Staatsforstwesens zu eigen. 2 *) Klöden: Beiträge zur Geschichte des Oderhandels, Berlin, I. 1845 S. 14, 19 fi, VIII. 1852 S. 49 #. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 315 Für die Ordnung dieser Forstverwaltung wurde die Reformationszeit entscheidend, die schon in so vielen Richtungen als der Wendepunkt der wirthschaftlichen Erkenntniss bezeichnet werden konnte. Für das Verständniss der damaligen Verhältnisse stehen uns die kurfürstlichen Verordnungen zu Gebote, welche W. Pfeil in seiner „Forst- geschichte Preussens bis zum Jahre 1806“ (Leipzig 1839) mit anderen Nachrichten zur Grundlage einer eingehenden Darstellung gemacht hat. Schon im Beginn des 16. Jahrhunderts suchten die brandenburgischen Kurfürsten auf den landesherrlichen Aemtern eine wirthschaftlichere Verwerthung des Holzes herbeizuführen. Ihre Forstpflege war wesentlich auf Schutz gegen Verwüstungen und Erhaltung des Ertrages gerichtet. Die Forsten wurden seitdem dauernd eine Hauptquelle hoher finanzieller Einnahmen und ihre Behandlung stand so sehr unter diesem Gesichtspunkte, dass Nebenrücksichten, wie z. B. der Jagd, darauf jeder Zeit nur höchst geringer Einfluss eingeräumt wurde. Allerdings blieb, wie Pfeil eingehend nachweist, bei den grossen, höchst unfrucht» baren, ganz überwiegend mit Nadelholz bestandenen und dem Verkehr schwer zu- gänglichen Revieren die Anwendbarkeit höherer Kulturweisen nothwendig ausgeschlossen; der Mittelwaldbetrieb, der sich schon damals in Süddeutschland nach italienischen und französischen Vorbildern zu entwickeln begann, ist noch gegenwärtig für die Marken fast gänzlich unanwendbar. Wenn man hier aber weniger früh Fortschritte in der Holzzucht und den eigentlichen Försterkenntnissen machte, als in manchen südlicheren Staaten, so war man dagegen im administrativen Theile, dem Rechnungswesen, der Kontrole, der Anordnung zweckmässig abgetheilter Wirkungskreise der Beamten u. ähnl. anderen Staaten weit voraus. Dies tritt schon in der ältesten bekannten brandenburgischen Forstordnung vom ıo. Oktober 1547 hervor'). Sie ist vorzugsweise gegen den Schaden durch Wald- brände gerichtet, ordnet aber auch an, zu welchen Preisen der Holzverkauf in den üblichen mehr als 20 Sorten stattfinden soll, dass der Kauf zuvor dem Amtsschreiber angezeigt, vom Heidereiter aber ausgeführt wird, auch dass der Heidereiter die Hol- zungsberechtigten anzuweisen hat, u. ähnl. Die ausführlichen Holzordnungen von 1551, 1566 und 1590?) regeln ausdrücklich auch die Art der servitutarischen Benutzung, beschränken sie auf den Bedarf und ver- bieten den Verkauf des Geworbenen. Namentlich untersagt die Ordnung von 1590 streng die Entnahme von Bau-, Brenn- oder Lagerholz ohne ausdrückliche Anweisung durch die Forstbeamten, auch seitens der zum Bezuge Berechtigten, und bestimmt Tax- preise, welche im Vergleich zum Geldwerthe jener Zeit sehr hoch erscheinen. Wie weit damals schon die Kenntniss der Waldkulturen vorgeschritten war, zeigen die im XVI. Abschnitte (Bd. II. S. 9) aus Coler gemachten Angaben. Die Holzordnung vom 23. Mai 1593 °) führt ein genaues Rechnungswesen ein, und die Ordnung Georg Wilhelms vom 1. Februar 1622‘) nimmt so eingehende Rücksicht auf alle Beziehungen einer sorg- liehen Wirthschaft, auf genaue Vermessung, Haupt- und Nebennutzungen, genügende Forstbeamte, geeigneten Verkauf und kontrolirte Rechnungslegung, dass sie das Muster ist, nach dem alle späteren entworfen sind. 1) Mylius: Corp. Const. Marchie. Bd. IV. Abth. I. Kap. IL, S. 771, Anhang I. No. ı. 2) Ebd. Anhang I. No. 4 und Kap. II. No. 3. 3) Ebd. No. 4 und 5. #) Ebd. No. 9. 316 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Bis zur 2. Hälfte des ı6. Jahrhunderts scheint nur Nutzholz, seitdem auch Klafterholz eingeschlagen worden zu sein. In der Holzordnung von 1593 ist von Klaf- tern zu 144 Kubikfuss die Rede, und die Holzordnung von 1622 schreibt den Förstern den im Edikte selbst eingedruckten, mit dem rheinischen übereinstimmenden Normal- fuss vor. Die Forstordnungen des 16. Jahrhunderts galten jedoch ausschliesslich für die kurfürstlichen Amtsforsten. Vorschriften über die Bewirthschaftung der Privatforsten sind nur in sehr beschränkten Grenzen ergangen. Gegen die Idee, in die Rechte selbst nur ihrer eigenen Vasallen eingreifen zu wollen, verwahren sich die Fürsten oftmals ausdrücklich. Die wenigen bezüglichen Bestimmungen begnügen sich, die Verwüstung der Privatforsten zu untersagen, die auf Domainen und adligen Forsten gemeinschaftlich haftenden Belastungen zu trennen, die berechtigten Unterthanen auf die eigenen Forsten jedes Grundherrn einzuweisen, und namentlich seit Friedrich dem Grossen dem Bauer des Edelmannes denselben Schutz zuzusprechen, wie den Domainenbauern. Ein Bedürfniss, Vorschriften für den eigentlichen Waldbau zu erlassen, wurde bei den bestehenden Verhältnissen selbst für die landesherrlichen Forsten wenig fühlbar, und es gab dafür im wesentlichen erst die Forstordnung Friedrich Wilhelms I. vom 20. Mai 1720*), welche noch fortdauernd in Geltung ist, einige allgemein massgebende Normen. Gewisse, speziell für Ostprenssen berechnete Anordnungen traf die renovirte Holz-, Jagd- und Forstordnung vom 23. Mai 1739. Es musste hier wegen des nörd- licheren Klimas, der geringen Dichtigkeit der Bevölkerung und der Abgelegenheit vom Verkehr Manches unausführbar erscheinen, was für die Marken vorgeschrieben werden konnte. Ueberdies waren die Forsten in Ostpreussen im 16. und 17. Jahrhundert so unpfleglich behandelt worden, dass man dem Holzmangel nicht anders als durch Patente über den Holzhandel*) und endlich durch das Brennholzreglement vom 21. Sept. 1702 für Königsberg steuern zu können glaubte, nach welchem der für jeden dortigen Bürger festgesetzte Bedarf demselben auf dem landesherrlichen Holzhofe zu einem Preise be- schafft wurde, der zwar für hoch galt, indess als Schutz gegen den Wucher angesehen wurde, — Als Friedrich der Grosse die Regierung übernahm, versuchte er sehr bald die bis dahin in den Hochwaldungen allein herrschende ungeordnete Plenterwirthschaft ab- zustellen und eine regelmässige Sehlagwirthschaft einzuführen. Jedes Forstrevier sollte in drei gleich grosse Haupttheile und jeder Theil in gleich grosse, regelmässige Schläge getheilt werden, von letzteren aber jährlich einer zum Abtrieb kommen; dabei sollte nur das etwa noch nicht haubare wüchsige Holz für den nächsten Umtrieb geschont werden. Die Verordnung vom 6. Januar 1764 wiederholte die desshalb ergangenen Vorschriften mit näherer Anweisung. Diese erste, aus dem Niederwald hergenommene Idee der nur geometrischen Schlageintheilung passte indess für die im Staate weit über- wiegenden Hochwaldungen nicht. Sie hätte nach vollständiger Durchführung in den ausgedehnten Revieren sehr grosse Schläge gleicher Altersklassen in gleichmässig fort- laufender Aufeinanderfolge ohne genügende Rücksicht auf Bodenverschiedenheit und auf Vertheilung der Abfuhr und des Absatzes herbeigeführt, auch erwies sie sich schon in der Einrichtung als nicht genügend wirthschaftlich, und fand besonders daran Anstand, *) A. a. ©. Kap. II. No. 104. *) Von 1687 und 1692. C.C.M. XXV. Die Forsten naeh Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 317 dass die Erträge der einzelnen in Angriff genommenen Jahresschläge wegen der Alters- verschiedenheit der in ihnen vorhandenen Bestände nach Masse und Qualität höchst ungleich werden mussten. Für die Verbesserung des Verfahrens wurde die Taxation der schlesischen Gebirgs- forsten von grossem Einflusse. Der König, der durch Kolonisation beträchtliche Forst- strecken zum Neubruch brachte, forderte gleichwohl die sorgfältige Erhaltung der für örtliche Zwecke wohl gelegenen Waldungen. Er stellte desshalb die Kommunalforsten, für deren Schonung erfahrungsmässig sehr geringe Fürsorge getroffen wurde, unter die Kontrole der Kriegs- und Domainenkammern, und hielt es in demselben Gedanken für nothwendig, der damals sehr bedeutenden Leinwandindustrie des schlesischen Gebirges ihren Holzbedarf durch zweckmässige Wirthschaftseinrichtung in den Gebirgsforsten und und namentlich in den im Riesengebirge ausserordentlich ausgedehnten Waldungen der Gräflich Schafgottscheschen Standesherrschaft dauernd zu sichern. Er liess desshalb diese Forsten. durch den späteren Landjägermeister v. Wedell schätzen und eintheilen, und übertrug die Leitung der richtigen Wirthschaftsführung über alle Besitzer ohne Unterschied einer unter dem 8. September 1777 für Schweidnitz, Jauer, Liegnitz, Gold- berg und Glatz niedergesetzten @ebirgsforstkommission zu Schmiedeberg. Das durch v. Wedell angewendete Verfahren, nach welchem bis 1790 gegen 800 000 Morgen schlesischer Waldungen abgeschätzt wurden, wird nach ihm die v. Wedellsche Proportional- schlageintheilung genannt. Auch seine Schläge hatten zwar möglichst gleich grosse Flächen; er führte aber grundsätzlich den Hieb nur im haubaren Holze. Er unter- schied desshalb 3 Altersklassen von angemessen scheinender ungleicher Jahreszahl. In der ältesten fasste er das Holz über 5o Jahre zusammen uud rechnete auf die Fläche derselben so viel Schläge, als auf sie im Verhältniss zur Gesammtfläche des Revieres und zur Umtriebszeit kommen mussten. Ferner bestimmte er den einzelnen Schlag innerhalb dieser ersten Altersklasse nicht nach dem Flächenmass, sondern nach annähernd gleichen Jahreserträgen, wie sie eine Bestands- und Zuwachsschätzung ergab. Dasselbe Verfahren war auf die beiden jüngeren Altersklassen anzuwenden. Der Erfolg musste eine etwas mannigfaltigere Theilung der Schläge, vor allem aber annähernd gleicher Ertrag während der Ueberführung in die neue Wirthschaft sein. Angeregt durch diese Methode und von ähnlichen Grundsätzen ausgehend, bildete der Geh. Forstrath Hennert in den letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts das Taxationswesen in den Marken und in Pommern zu dem sogenannten Fachwerk, d. h. dem Aufgeben spezieller Jahresschläge aus. An die Stelle der Eintheilung in solche Jahresschläge setzte er als Norm für den jährlichen Einschlag den für jede Abtriebs- periode ermittelten Jahresetat. Abtriebsperiode nennt er die Zahl der für den Abtrieb der einzelnen Altersklasse festgestellten Jahre. Der ‚Jahresetat ergiebt sich aus dem geschätzten und auf jedes Jahr der Abtriebsperiode gleich berechneten Holzertrage der fraglichen Altersklasse. Zum Anhalte für die Begrenzung und Aneinanderreihung der Schläge sollte die Jageneintheilung dienen, eine Eintheilung in regelmässige, von grade verlaufenden Schneissen (Gestellen, Gestellwegen) begrenzte Vierecke, wie solche in den Forsten der Ebene sich schon vielfach für jagdliche Zwecke angelest vorfanden. Die Hennertsche Methode unterschied sich darin vortheilhaft von der v. Wedell- schen, dass sie eine freiere Bewegung der Wirthschaft, namentlich mit Rücksicht auf die in den Hochwaldungen damals allgemein übliche Verjüngung in Samenschlägen. ge- stattete, und doch eine genügende Kontrole zuliess. — 318 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Neben diesen Hauptgrundlagen der Taxation und der Forstbewirthschaftung such- ten gleichzeitig mehrere zum Theil sehr vorzügliche Forstordnungen auch die spezielleren, theilweis schon früher angeregten Verbesserungen der Waldpflege und des Waldschutzes ins Leben zu führen oder zu verallgemeinern. In Schlesien wurde die Forstordnung von 1756, welche zuerst Eichelkulturen und Fichten- und Kiefernpflanzungen berücksichtigt und für ein Zehntheil der Fläche Schonung eingeführt hatte, durch das ausführliche, in vieler Beziehung vortrefiliche und noch gültige Regulativ vom 26. März 1788!) ergänzt. Für Littauen erging die Forstordnung vom 3. Dezember 1775?) und wurde mit der ostpreussischen Forstordnung von 1739 in den 1772 u. 1793 an Preussen gefallenen polnischen Landen eingeführt, in denen indess nur wenige Domainenforsten bestanden, weil die polnischen Staatsgüter fast ohne Ausnahme als Starosteien oder Gratialgüter im lebenslänglichen Niessbrauch einzelner Adligen waren. Für Westpreussen und den Netzedistrikt kam endlich die Forst- und Jagdordnung vom 8. Oktober 1805 zur Ein- führung, welche vor allen übrigen ganz besondere Anerkennung gefunden hat °). Die Verfügungen des Alle. Landrechts im Th. I. Tit. 17. und Tit. 22. $$ 170—174 setzten sehon überall eine regelmässige Schlageintheilung und die nothwendige wirth- schaftliche Forstschonung voraus. — Auch für die Bildung der Forstmänner, an welche das vorgeschrittene System allerdings neue und sehr grosse Anforderungen stellte, geschahen wesentliche Schritte. Die Minister Freiherren v. Hagen und v. Fürst verfolgten den Plan der Errichtung einer Forstakademie zu Berlin. 6leditsch, der in Folge dessen schon 1774 seine „systema- tische Einleitung in die Forstwissenschaft* herausgab, wurde berufen, den Forstbeflissenen Botanik zu lesen, auch Mathematik wurde ihnen gelehrt, und die Fähigeren wurden zu dem gräfl. Stollbergischen Oberforstmeister v. Zanthier nach Ilsenburg zur Ausbildung geschickt. Nach Gleditschs Tode 1786 übertrug der Minister Graf v. Arnim dem zu- gleich als Oberforstmeister fungirenden v. Burgsdorf die Leitung der Vorträge, die dieser bis zu seinem Tode 1802 fortsetzte. — Die Vortheile der neuen Methoden v. Wedells und Hennerts waren schon in der tiefern Durcharbeitung der forstlichen Grundsätze, in der Herstellung neuer meist sehr vorzüglicher Forstkarten, und der Anleitung zahlreicher jüngerer Kräfte unverkennbar. In beiden Systemen aber hing die Höhe des jährlichen Einschlags lediglich von den jedesmal vorhandenen Vorräthen an haubarem Holze ab, sie nahmen keine genügende Rücksicht auf die Verbesserung des vorhandenen Altersklassenverhältnisses, vielmehr fehlte ihnen die nothwendige Hinwirkung auf eine bestimmte wirthschaftliche Bestands- ordnung. Diese wesentlichen Mängel machten ihre dauernde Anwendung unthunlich. Um so mehr konnte ihre Durchführung von den älteren Praktikern, wie dem verdienst- vollen Kropf, bekämpft werden. Ueberdies standen denselben die ungenügende Aus- bildung der untergeordneten Organe und mancherlei äussere Verhältnisse entgegen. Zu letzteren gehörte unter anderen die seit dem 23. Dezember 1765 monopoli- sirte Gesellschaft für den Handel mit Nutzholz, deren Geschäfte der Staat 1771 über- nahm, ebenso die 1766 als monopolisirte Handelsgesellschaft eingerichtete und seit 1785 1) Korns Neue schles. Ediktensamml. Bd. I. S. 30. 2) Rabe, Sammlung preuss. Gesetze Bd. I. Abth. 6. S. 81. 3) Rabe a. a. O. Bd. 8 S. 354. XXV, Die Forsten naca Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 319 vom Staate übernommene Brennholzadministration für Berlin und Potsdam, welche unter einer nicht unbeträchtlichen Finanzeinnahme für den Staat die Residenzen zu gleich- mässigen Preisen und bei stets genügenden Vorräthen mit Brennholz, für welches man seit lange Theuerung und Wucher befürchtete, versorgen sollte. Die Uebelstände, die sich in diesen ausschliesslichen, auf die Zufuhr aus sehr entfernten Oberförstereien ein- wirkenden Verwaltungen, namentlich auch für die wirthschaftliche Behandlung der For- sten erzeugten, wurden zum Theil erst bei ihrer unter nicht unbeträchtlichen Verlusten erfolgenden Aufhebung bemerkbar. Endlich aber unterbrachen auch die beginnenden kriegerischen Bewegungen die Pläne und Bestrebungen für eingreifendere Verbesserungen und schädigten ebenso die bereits erreichten Erfolge. — Nach abgeschlossenem Frieden fand sich die Staatsregierung sehr veränderten Verhältnissen gegenüber. Ueber die Entwiekelung des preussischen Forstwesens seit den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart giebt das Werk des Oberlandforstmeisters O. v. Hagen: „Die forstlichen Verhältnisse Preussens“, Berlin 1867, umfassenden Aufschluss. Die fol- genden Angaben sind demselben grösstentheils entnommen. Zunächst waren die alten Staatsforsten, deren Fläche sich nach Krug '), abge- sehen von den später wieder an das Königreich Polen zurückgefallenen Landestheilen, für die Jahre 1796—98 auf 7265 502 Morgen berechnete, durch die Staatsforsten der neu erworbenen Territorien und die der säkularisirten geistlichen Körperschaften vermehrt, andererseits aber durch starke Veräusserungen um nahezu den Betrag dieser Vermehrung, wieder vermindert). Es hatte also das Areal erheblich gewechselt, und es waren viele neue Einrichtungen zu treffen. In den alten Landestheilen hatten ferner seit der Emanation des Allg. Landrechts die Bestimmungen der $$ 83 ff. Thl. I, Tit. 8 in Wirksamkeit gestanden, wonach jeder Eigenthümer, also sowohl die Privaten wie die Kommunen, Wälder und beträchtliche Holzungen, die nach ihrer Beschaffenheit und Umfang einer forstmässigen Bewirthschaf- tung fähig sind, nur dergestalt benutzen durfte, dass dadurch keine den Grundsätzen der Forstwirthschaft zuwiderlaufende Holzverwüstung entstehe°). Wer sich einer nach den Provinzialforstordnungen zu beurtheilenden Holzverwüstung schuldig machte, nament- lich das Bedürfniss seines eigenen Gutes und das seiner Dorfeinwohner nicht berück- sichtigte, konnte in der Benutzung seines Waldes bis zur Wiederherstellung einge- schränkt werden, eine offenbare Verwüstung oder ein Ungehorsam gegen die wegen der Einschränkung seines Holzschlages ihm ertheilten besonderen Anweisungen der Landespolizei-Instanz aber zog Geld- oder Gefängnissstrafe nach .sich. Diese Vor- schriften hatte der $ 4 des Landeskulturedikts vom 14. September 1811 unter Beseiti- gung aller Beschränkungen gänzlich aufgehoben (Bd. I. 8. 398). Seitdem bestand für Privaten gar keine, für Gemeinden nur in soweit eine Kontrole, als sie aus der Bd. 1. S. 524 näher gedachten Anfordernng höherer Genehmigung zu Erwerbungen, Veräusse- rungen und Verpfändungen oder dem allgemeinen Aufsichtsrecht über die Finanzver- ') Betrachtungen über den Nationalreichthum des preussischen Staates, Berlin 1805. Thal; SH13E HH: 2) Vergl. Domainen-Veräusserungs-Instruktion v. 25. Oktober ı8ro ($ 20) in Koch’s Agrargesetzen, Bresl. 1850, 8. 273 ff. “ 3) Zur Kritik dieser Bestimmungen vergl. Krugs a. a. ©. IL. $. 442. — Pinder, Juristische Zeitschr. 1832 S. 994. — L. v. Rönne, Domainen-, Forst- u, Jagdwesen, Berlin 1854, 8. 583. 320 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. waltung der Kommunen herzuleiten ist. Erst der $ 5o der Städteordnung für die 6 östlichen Provinzen vom 30. Mai 1853 (G.-8. S. 261) machte bestimmter die Ver- änderung in Genüssen von Gemeindenutzungen (Wald, Weide u. dgl.) von der Genehmi- gung der Regierung abhängig, und ähnlich sprach der $ 15 des Gesetzes, betr. die ländlichen Ortsobrigkeiten der 6 östlichen Provinzen vom 14. April 1856 (G.-8. S. 356) aus: Gemeindewaldungen sind auch fernerhin dieser Bestimmung zu erhalten; eine Verwandelung derselben in Acker und Wiese, sowie ausserordentliche Holzschläge, können nur mit Genehmigung der Regierung vorgenommen werden. In den vorübergehend französischen Landestheilen und überhaupt in der Haupt- masse der in den westlichen Provinzen übernommenen Gebiete war das seit alter Zeit bestehende Verhältniss überwiegender Kommunal- und Genossenschaftsforsten wenig ge- ändert worden. Zwar hatte in Kleve und Mark Friedrich der Grosse durch Ordern vom 26. Juli 1748, 13. Juli 1765 '), 30. Januar 1769 und 29. Oktober 1779, sowie vom 21. Juni 1753) für Lingen eine bessere Handhabung der Forstwirthschaft und Forst- polizei herzustellen gesucht, und dabei seit 1763 auf eine Theilung der Marken, an denen der Fiskus häufig Mitberechtigter war, hingewirkt. In Folge dessen wurde hier die Theilung grösstentheils durchgeführt, obwohl im Mangel der Beseitigung der aus- gedehnten Weideservituten ohne günstige Folgen. In den übrigen Landestheilen be- standen im wesentlichen die alten Zustände fort. Wohl aber hatte die fremdländische Gesetzgebung allgemein eine strenge Aufsicht und Einwirkung des Staates auf die Bewirthschaftung der Kommunalforsten eingeführt °). Diese Einrichtung war so wenig Gegenstand der Beschwerde, dass sie im Gegensatz zu der altländischen Verfassung durch die Verordnung vom 24. Dezember 1816 (G.-S. S. 57) für die Provinzen Sachsen, Westfalen und Rheinland aufrecht erhalten wurde und bis zur Gegenwart fortbesteht. Nach $ 2 und 3 dieser Verordnung werden den Gemeinden und öffentlichen Anstalten ihre Forstländereien zwar zur eigenen Verwaltung überlassen; beide sind jedoch der Oberaufsicht der Regierung unterworfen und müssen sich nach den Anweisungen derselben behufs eines regelmässigen Betriebes und der vortheilhaftesten Benutzungsart genau richten. Sie sind verpflichtet, nach den von der Regierung genehmigten Etats zu wirthschaften, und solche Wälder und beträchtliche Holzungen, die nach Beschaffenheit und Umfang zu einer forstmässigen Bewirthschaftung geeignet sind, durch gehörig ausgebildete Forstbediente administriren zu lassen; auch dürfen sie ausserordentliche Holzschläge, Rodungen und Veräusserungen nur mit Ge- nehmigung der Regierung vornehmen. 1) Skotti: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in den Herzogthümern Jülich, Kleve und Berg ergingen. Düsseldorf 1821, Th. III. S. 1649. — Vergl. Stieglitz: Geschichtliche Darstellung der Eigenthumsverhältnisse über Wald und Jagd. Leipzig 1832 S. 124 ff. — Freimüthige Gedanken über verschiedene Fehler bei bem Forsthaushalte, Ehren- breitenstein 1805. 2) Mylius N. C. C. March. Bd. I. p. 509. 3) Dekret vom 29. April 1803 und 22. Juni 1811; Verordnung des Generalgouverne- ments für Nieder- und Mittelrhein vom 17. August 1814 und der österreichisch -baierischen Administrationskommission vom ı5. Dezember ıgr4. Es ist streitig, ob danach das Recht, einen Wald zu roden, noch jetzt von einem gewissen Flächenmasse und der Genehmigung des Staates abhängt. Vergl. v. Daniels Handbuch der für die preuss. Rheinprovinz verkündigten Gesetze u. s. w. Th. V. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen, 321 Als Ergänzung setzte später der Landtagsabschied vom 18. August 1835 für die Regierungsbezirke Koblenz und Trier, und die Kab.-Order vom 28. Mai 1836 für die Regierungsbezirke Minden und Arnsberg (in den betrefl. Amtsblättern) fest, dass in Er- mangelung freiwilliger Zustimmung der Gemeinden zur Bildung der von der Regierung für angemessen erachteten Kommunalforstverwaltungsverbände das Ministerium sowohl über das Bedürfniss desfallsiger Assoziationen, als auch über die Bildung der Ver- waltungsbezirke und die Anstellung geeigneter Forstbeamteter Entscheidung zu treffen habe. Besondere Instruktionen über die Verwaltung wurden für Koblenz unter dem 31. August 1839, für Arnsberg und Minden unter dem 19. Mai 1857 erlassen '). Für die Rheinprovinz bestimmte ferner der Artikel 23 der Gemeindeordnung vom 15. Mai 1856 (G.-S. S. 435), dass die Gemeinden, wo ein dringendes Bedürfniss der Landeskultur dazu vorliegt und ihre Kräfte es gestatten, nach Anhörung der betrefienden Gemeinde- vertretung und des Kreistages angehalten werden können, unkultivirte Gemeindegrund- stücke, namentlich durch Anlagen von Holzungen und Wiesen, in Kultur zu setzen, und die Bd. I. S. 459 gedachte Verordnung vom ı. März 1858 gab dem einzelnen Gemeinde- gliede eine unter geeigneten Verhältnissen erzwingbare Provokation auf solche Forst- kulturen. Dieser Einfluss der Staatsverwaltung hatte bei der im Eingange dieses Ab- schnittes nachgewiesenen grossen Ausdehnung der Kommunalforsten in den Westprovinzen besondere Bedeutung’). — Gleichzeitig mit den ersten Schritten für die Herstellung der den veränderten Verhältnissen angepassten Organisation der Forstverwaltung erhielt auch die Thätigkeit für die Ausbildung der Forstbeamten neue Anregung. Mit dem Eintritt des späteren Oberlandforstmeisters G. L. Hartig in den preussi- schen Staatsdienst ıgrr wurden zunächst die Vorträge für die Forsteleven wieder auf- genommen und mit der Universität Berlin der forstwissenschaftliche Unterricht im Sinne einer Akademie verbunden. Diese Verbindung erwies sich indess dem Zwecke wenig förderlich, so dass 1830 zur Errichtung einer besonderen Forstakademie zu Neustadt- Eberswalde geschritten wurde, wo sie bis 1859 unter dem seit 1821 in Berlin und seit 1824 an der Forstlehranstalt zu Neustadt-Eberswalde lehrenden Oberforstrath W. Pfeil, von 1859 bis 1866 unter dem Oberforstmeister Grunert und seitdem unter dem Ober- forstmeister Danckelmann mit entschiedenem Erfolge besteht. Ihre Einrichtung ist aus dem Regulative für die Königliche Forstakademie vom 7. Februar 1864 °) zu ersehen. — Auch der praktische Ausbildungsgang der Forstverwaltungsbeamten, ihre Prüfungen und die Anforderungen an dieselben wurden unter Regelung ihrer Beziehungen zu der veränderten militairischen Organisation Preussens neu festgestellt. Die bezüglichen Be- stimmungen sind zuerst durch die umfangreichen Instruktionen für die Oberförster, Revierförster, Unterförster und die Forstkassen vom 21., und für die Forstinspektoren vom 22. April 1817‘), sowie durch die Reskripte vom 18. Juli 1820 und vom 21. März 1831°) gegeben und gegenwärtig ohne wesentliche Abänderung der Grundsätze revidirt 1) v. Hagen a. a. O. S. 55. ?) In Sigmaringen hat das Gesetz vom 2. August 1848 alle Beschränkungen der freien Disposition über die Privatwaldungen aufgehoben, in Hechingen ist nach dem Gesetz vom 25. September 1848 nur noch zu gänzlicher Rodung und Urbarmachung von Waldungen die Genehmigung des Staates erforderlich. 3) v. Hagen a. a. OÖ. Anhang K. 4) Berlin,:bei Decker. °) v. Kamptz Annalen IV. S. 5sır und XV. 8.23. Das Genauere vergl. in L. v. Rönne: Boden d, preuss. Staates. II. 21 322 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. worden. Sie sind in den „Allgemeinen Bestimmungen über die Ausbildung und Prüfung für den Königlichen Forstverwaltungsdienst* vom 7. Februar 1864 '), dem Regulativ über Ausbildung, Prüfung und Anstellung für die unteren Stellen des Forstdienstes in Verbindung mit dem Militairdienste im Jägerkorps vom ı. Dezember 1864, dem Regle- ment für die Jägerprüfung vom ı. Dezember 1864 und dem Reglement für die Förster- prüfung vom 4. März 1865 ?) niedergelegt. Für die Ausbildung und die Anforderungen an die im Kommunaldienste der westlichen Provinzen anzustellenden Forstbeamten wurden in dem Regulativ vom 24. Dezember 1862 über die Prüfung der Kandidaten für den Gemeindeforstverwaltungsdienst in den Regierungsbezirken Trier und Koblenz °) besondere Normen aufgestellt. Seitdem hat sich trotz der keineswegs hohen Besoldungen eher ein Ueberfluss als ein Mangel an qualifizirten Bewerbern für den Staatsforstdienst gezeigt. — Was endlich die Forstbewirthschaftung und den Waldbau selbst betrifft, so wurde unmittelbar nach den Freiheitskriegen die längst gewonnene Ueberzeugung von der Nothwendigkeit, die Ablösung der Forstservituten gesetzlich zu ermöglichen, ins Leben geführt. Die Feststellung einer Ablösungsordnung war bis dahin wesentlich an den verschiedenen Gesichtspunkten der betheiligten Behörden über das dem Grundbesitzer allein oder auch dem Servitutberechtigten einzuräumende Provokationsrecht gescheitert. Schon das Landeskulturedikt vom 14. September ıgıı (Bd. I. $. 398) gab ausführ- liche Regulirungsvorschriften, überliess indess noch den Antrag auf ein einzuleitendes Verfahren lediglich dem Waldbesitzer. Eine eingreifendere Ausgleiehung zwischen den Befugnissen der verpflichteten Forsteigenthümer und der Servitutberechtigten versuchte die Gemeinheitstheilungsordnung vom 7. Juni 1821. Das Genauere dieser Bestimmungen und die Gründe ihres in der Hauptsache nur untergeordneten Erfolges, sowie die wirk- sameren Grundsätze des Ergänzungsgesetzes vom 2. März 1850 hat der Abschnitt XI. (Bd.1.S.413 ff.) eingehend besprochen, auch der namentlich seit 1850 lebendig gewordenen Thätigkeit für die völlige Beseitigung der Forstservituten gedacht. Die Tabelle H. 2. der Anlagen weist den Fortgang dieser Ablösungen in Zahlen nach. — Gleichzeitig mit der Gemeinheitstheilungsordnung wurden auch neue Grundzüge für die Fortentwickelung der Forsttaxation und der Betriebseinriehtung bearbeitet. Wesentlich aus Hartig’s Feder ging die Instruktion vom 13. Juli 1819, nach wel- cher bei spezieller Abschätzung der Königl. preussischen Forsten verfahren werden soll, hervor. Seine Methode sonderte nach vorgängiger Feststellung der generellen Wirth- schaftsgrundsätze und der Eintheilung in Hauptwirtbschaftstheile (Blöcke) und Wirth- schaftsfiguren (Jagen) die Bestände innerhalb jeder Wirthschaftsfigur nach Boden, sowie nach Alter und Bestandsqualität in Abtheilungen, und vertheilte sie derart auf die gleich langen 2ojährigen Perioden der für jeden Block festgestellten allgemeinen Umtriebszeit, dass sich der berechnete Holzertrag der einzelnen Perioden annähernd gleich oder von Periode zu Periode ansteigend reguliren musste. Dabei sollte gesucht werden, auch für jede einzelne Holzart annähernd gleiche Periodenerträge zu erlangen, wenn dies ohne beträchtlichen Verlust an Zuwachs geschehen, und der Ertragsausfall nieht durch eine andere Holzgattung gleicher Gebrauchsfähigkeit gedeckt werden konnte. Für die das Domainen-, Forst- und Jagdwesen des preuss, Staates, Berlin 1854 Th. IX. Abth. I. der Verfassung und Verwaltung des preuss. Staates. !) v. Hagen a. a. O. Anhang K. 2) v. Hagen a. a. O. Anhang J. a. b. c. 3) Vergl. v. Hagen a a. O. S. 59. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 323 Form der Schläge hielt Hartig noch für zweckmässig, die einzelnen Abtheilungen eines Jagens möglichst derselben Periode zum Abtriebe zu überweisen und die für die ein- zelnen Perioden zum Abtriebe bestimmten Jagen so viel möglich aneinander zu schliessen. Wie zur Erreichung dieser Ziele der Betriebsregulirung Abweichungen von dem all- gemeinen Umtriebsalter bei den einzelnen Beständen nothwendig wurden, so liess die Instruktion für die Feststellung des Abtriebsalters auch noch andere Rücksichten zu, und bestimmte, dass in den Jagen, wo die allgemeine Umtriebszeit nicht passend sei, ein dem Boden und Holzbestande angemesseneres Abtriebsalter angenommen werden solle. Eine Gleichstellung der periodischen Abtriebsflächen verlangte die Instruktion nicht, ordnete vielmehr die Flächenvertheilung völlig der periodischen Ertragsausgleichung unter. Der jährliche Etat ergab sich lediglich als der 20. Theil des für die erste Periode berechneten Massenertrages an haubarem und an Durchforstungsholze. Die Methode ist desshalb als das System des strengen Massenfachwerks zu bezeichnen. Eine dauernde Vergleichung der in einem besonderen Kontrolbuche verzeichneten wirklich erlangten mit den geschätzten Erträgen sollte dazu dienen, die Fehler der Schätzung und damit auch die Berechnung des Jahresetats verbessern und berichtigen zu können, Die Abschätzung der Staatsforsten nach der Hartigschen Instruktion nahm indess wegen der vorgeschriebenen genauen Vermessung und Abschätzung nur langsamen Fort- gang. Um in kurzer Zeit zu einer Uebersicht über die Ertragsfähigkeit sämmtlicher Staatsforsten, zu einer zuverlässigen Grundlage für die Etatsfertigung und zu einem Urtheil über etwa zu veräussernde Forstparzellen, mögliche Verstärkung des Holz- einschlags oder Verminderung des Personals zu gelangen, wurde auf Anordnung des Finanzministers v. Motz in den Jahren 1826—1827 in Verbindung mit einer theilweisen Aenderung der Abgrenzung der Verwaltungs- und Schutzbezirke eine summarische Er- tragsermittelung für die Rheinprovinz und Westfalen unternommen, und in den folgenden 9 Jahren in allen Provinzen des Staates durchgeführt. Das dabei angewandte Verfahren hat in der 1830 ergangenen „Anleitung zur summarischen Ertragsermittelung der einzelnen Forstschutzbezirke**) eine nähere Dar- stellung gefunden. Im wesentlichen erzielte dasselbe auf Grund eines „Situationshand- risses“ in einer „Beschreibung und Ermittelung des Naturalertrages* für jede Bestands- abtheilung eine Schätzung der Masse der einzelnen Holzarten nach Nutz-, Kloben- und Knüppelholz nebst den Zuwachsprozenten. Danach wurden die zu erwartenden Holz- erträge im Hochwalde für jede 2ojährige Periode des ı20jährigen Berechnungszeit- raums, im Mittel und Niederwalde für jede rojährige Periode des 20 oder 3ojährigen Berechnungszeitraums berechnet, und zwar die Betriebserträge für die der Altersklasse entsprechende Periode. Die Summe aller Erträge des ganzen Berechnungszeitraums, getheilt durch die Zahl der Jahre desselben, ergab den der Wirthschaft und Abnutzung zu Grunde zu legenden Jahresetat. Der beabsichtigte Zweck wurde dadurch erreicht, die spezielle Betriebsregulirung und Ertragsermittelung aber nicht unnöthig gemacht. Zu ihrem Behufe wurde vielmehr unter dem 24. April 1836 eine weitere, von dem Oberlandforstmeister v. Reuss bear- beitete Anweisung zur Erhaltung, Berichtigung und Ergänzung der Forstabschätzungs- und Einrichtungsarbeiten**) erlassen, welche nur im allgemeinen in einer die Hartigsche mit der Cotta’schen Taxationsmethode verschmelzenden Richtung Anleitung für das bei *) Berlin bei Decker. **) Berlin bei Decker. 21* 324 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. den Betriebsregulirungen und Abschätzungen zu 'befolgende System einer Kombinirung des Massenfachwerks der Instruktion von 1819 mit dem Flächenfachwerk gab, dabei aber vorwiegend Rücksicht auf die Herstellung zweckmässiger Eintheilung, auf Vorbereitung entsprechender Bestandesordnung und unbedingte Sicherstellung der Nachhaltigkeit in der Abnutzung durch annähernd gleiche Regulirung der periodischen Abtriebsflächen nahm. Die bis in die spätesten Perioden ausgedehnte Berechnung des Holzertrages nach den einzelnen Sortimenten des Derbholzes wurde beseitigt, indem man sich darauf beschränkte, eine solche Zerlegung nur für die erste Periode zu verlangeu, für die ferneren Perioden dagegen lediglich die in Massenklaftern ausgeworfenen Erträge an haubarem Holz von den Durchforstungserträgen zu trennen. Letztere wurden für die periodische Gleichstellung rücksichtlich der Erträge nur nebensächlich noch berück- siehtigt. Endlich wurde den mannigfachen Nachtheilen und Gefahren, welche das Aneinanderschliessen der für dieselbe Periode bestimmten Jagen wegen der daraus ent- stehenden grossen Schlagfächen, und der Anhäufung grosser Schonungskomplexe namentlich im Nadelholze mit sich führt, durch die Anordnung der Auseinander- lesung und Abwechselung der Periodenflächen nach bestimmten, im wesentlichen bis zur Gegenwart beibehaltenen Grundsätzen begegnet. - In neuerer Zeit ist das Abschätzungsverfahren durch die Praxis noch weiter ver- einfacht worden. Belehrt durch die Erfahrung, dass die Vorausbestimmungen für die ferne Zukunft nur im seltenen Falle zutreffen und durch mannigfache nicht vorher- zusehende Vorkommnisse, wie Veränderungen des Arealbestandes, Ablösung der Be- rechtigungen, Kalamitäten, Aenderung der Absatzverhältnisse u. ähnl. durchkreuzt und ihrer Unterlagen beraubt werden, beschränkte sie die speziellen Berechnungen der Holz- erträge, sowie die speziellen Wirthschaftsvorschriften mehr und mehr auf die nächste Zeit. Dabei konnte das Flächenfachwerk dauernd an Gebiet gewinnen, je allgemeiner sich in Folge der bisherigen Wirth$ehaft die Bestandsverhältnisse verbesserten und gleich- mässiger gestalteten, und je leichter man von einer ängstlichen Gleichstellung der berech- neten periodischen Materialerträge absehen zu dürfen glaubte. Es wird desshalb neuer- dings das Hauptgewicht bald auf die Flächen, bald auf die Masse, je nach Massgabe des Bestandes gelegt, und das nur in seinen Grundlagen feststehende Abschätzungsverfahren in jedem einzelnen Falle den Verhältnissen angepasst, dabei aber stets als Ziel der Betriebseinriehtung vorzugsweise im Auge behalten, durch den in den Grenzen der Nachhaltigkeit zu führenden Hieb und die demselben folgende Verjüngung eine zweck- mässige Bestandesordnung, d. h. ein geordnetes Altersklassenverhältniss in angemessen abgegrenzten und gruppirten Beständen zu erreichen. Um endlich die vorhandenen Abschätzungs- und Einrichtungswerke durch Be- richtisung als eine dauernd zweckentsprechende Grundlage zu erhalten, und gleich- zeitig eine Kontrole der gesammten Forstverwaltung zu erzielen, sind die Taxations- Revisionen nach einer Anleitung vom 20. November 1852 angeordnet. Solche Revisionen sollen in den einzelnen Regierungsbezirken resp. Fortsrevieren möglichst in rojährigem Turnus unter Leitung eines Ministerial-Kommissars eintreten. Seit dem Erlass der Anweisung vom 24. April 1836 sind die speziellen Forst- vermessungs- und Einrichtungsarbeiten den vorgeschriebenen Grundsätzen gemäss für sämmtliche Staatsforsten durchgeführt, und die Taxations-Revisionsarbeiten einmal, für einen grossen Theil der Forsten auch schon zweimal zur Ausführung gebracht, so dass der Wirthschaftsbetrieb gegenwärtig überall auf der Grundlage spezieller Betriebs- XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 325 Regulirungswerke geführt und dureh vorschriftsmässige Kontrol- und Taxationsnotizen- bücher geregelt und fortgebildet wird. Für die Kommunalforsten der westlichen Provinzen ist die Verwaltung im wesent- lichen nach denselben Grundsätzen geordnet. Was spezieller für ihre Kultur geschehen, ist schon Bd. I. $. 470 unter den Landesmeliorationen besprochen, Für die kleineren Privatforsten und Kommunalforsten der östlichen Provinzen wären derartige Bewirthschaftungsnormen unanwendbar, Die Besitzer der grösseren Forsten aber, die von ihren höheren Betriebsbeamten in der Regel dieselbe Vorbildung und Laufbahn, wie der Staat fordern, erwarten von denselben auch entweder völlige Beachtung der vom Staate als zweckmässig erkannten Anordnungen oder doch wenig- stens eine den Verhältnissen angepasste ähnliche Betriebsführung. Wo die Forsten einen wissenschaftlich genügend vorgebildeten Oberbeamten nicht tragen oder nicht besitzen, bietet die erhebliche Zahl der mit der Oertlichkeit genau vertrauten Staats- forstbeamten den Eigenthümern in der Regel Gelegenheit, sich durch Zuziehung der- selben in den Besitz zweckentsprechender Wirthschaftspläne zu setzen, — Bezüglich der Verwerthung des Holzes befasst sich in allen Staatsforsten die Forst- verwaltung mit der Holzzurichtung nur in soweit, dass sie aus den gefällten Stämmen die Nutzstücke in der für den Absatz vortheilhaftesten Form und Länge ausschneiden und das Nutzholz sowie das Brennholz in Klaftern zu 108 Kubikfuss Raum aufsetzen, in manchen Gegenden auch das Reiserholz in Wellen binden lässt. Eine weitere Aus- arbeitung des Nutzholzes findet nicht statt, und ein Schälen oder Bewaldrechten erfolgt nur, wenn es zur Nutzung der Rinde oder zur Verhütung der Insektenvermehrung oder zur ausnahmsweisen längeren Aufbewahrung nothwendig wird. Die Scheitlängen für das Klafterholz sind nach den lokalen Absatzverhältnissen verschieden. Die gewöhn- liche Länge ist 3 Fuss. Grundsatz und Regel ist in allen Theilen des Staates der Verkauf des Holzes im Wege des Meistgebots in kleinen Partieen auf Grund einer vorher aufgestellten Taxe. Den Zuschlag ertheilt der Oberförster und darf ihn nicht vorenthalten, wenn das Gebot die Taxe erreicht, kann aber auch nach pflichtmässigem Ermessen annehmbare Minder- gebote zulassen. Grössere Untergebote und freihändige Verkäufe müssen mit seltenen dringenden Ausnahmen von der Regierung genehmigt werden. Durch die Erfahrung hat sich die Einrichtung als durchaus zweckmässig und keineswegs den Geschäftsgang erschwerend oder die Holzempfänger zu sehr belästigend bewiesen, dass als Kontrolmassregel zu jeder Abgabe von Holz oder anderer Wald- produkte die gesonderte Thätigkeit von 3 Beamten erforderlich ist, und zwar r. des Oberförsters für die Bestimmung der Person des Empfängers und seiner zu leistenden Zahlung, 2. des Forstrendanten für die Erhebung des Geldes und die Quittungsleistung darüber, 3. des Försters für die Naturalübergabe der bezahlten Produkte, die dem Oberförster durchaus verboten ist. — In der Behandlung der Forstnebennutzungen ist der Staat den Privaten insofern nicht in gleichem Masse, wie im eigentlichen Waldbau, vorangegangen, als sich die Privatforsten schneller und allgemeiner von den Forstservituten befreit haben. Sie waren in den meisten Fällen nicht, wie der Staat, lediglich einseitig belastete Forst- eigenthümer, sondern es begegnete sich in ihrer Person in der Regel das Interesse des Belasteten und des Berechtigten. Unter den schon berührten gesetzlichen Bestimmungen wurden desshalb alle Privatwaldungen, welche zur Theilung kamen, in der Regel auch 326 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. von Servituten befreit, bei den Dienstablösungen und Eigenthumsregulirungen kamen nicht selten wenigstens die lästigeren Forstberechtigungen zur Kompensation, bei zahl- reichen Gemeinheitstheilungen wurden mit den Ackerservituten auch die Forstservituten zur Ablösung gebracht, und ebenso gaben auch die Reallastenablösungen häufig Anstoss . zu gänzlicher Auseinandersetzung. Dass indess die Privaten trotz der Befreiung nicht überall wirthschaftlich mit der Ausnutzung verfahren sind, davon giebt allerdings der Zustand ‘mancher dieser Waldungen deutliches Zeugniss. Namentlich ist in den getheilten Markenwaldungen, welche, wie gezeigt wurde, seit ältester Zeit vorwiegend als Aushülfe für die Vieh- und Ackerwirthschaft dienten, die Nutzung zu Weide, Gräserei, Streu und Plaggen für die Eigenthümer vielfach bis zur Gegenwart noch in den Vordergrund getreten, und um so weniger Werth auf den wirthschaftlichen Holzanbau gelegt worden, als die Theilstücke häufig zu klein oder zu schmal sind, um genügenden Ersatz der Kosten zu versprechen. Die Staatsforstverwaltung hat auch in Betreff der Forstnebennutzungen möglichst wirthschaftlich zu verfahren gesucht. Sie betrachtet dieselben keineswegs ausschliesslich unter dem Gesichtspunkte der zur Staatskasse fliessenden Einnahmen, sondern es ist wesentlich die Absicht massgebend, sie auch dem allgemeinen volkswirthschaftlichen Interesse nach Möglichkeit nutzbar zu machen. Den Oberförstern, welchen für die Verwerthung der Nebennutzungen freie Hand gelassen ist, ist zwar für die Zulässigkeit und Ausdehnung derselben als Grundsatz aufgestellt, dass dadurch der Hauptzweck der Forstwirthschaft, die Holzproduktion, nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf, aber es ist ihnen zugleich die Rücksicht vorgeschrieben, dass der Landwirthschaft, der Industrie und der ärmeren Bevölkerung in der Nähe der Waldungen die Unterstützung, welche sie durch jene Nebennutzungen finden, nicht vorenthalten werden soll, soweit nicht überwiegende Nachtheile für die Forsten daraus erwachsen. ” Demgemäss wird das Raff- und Leseholzsammeln, soweit es nicht Servitutaren zusteht, den unbemittelten Waldanwohnern gegen einen billigen Miethszins, theilweise auch unentgeltlich gestattet, und die Regierungen haben die Ermächtigung, während des Winters an Arme kleine Quantitäten Brennholz und Torf der geringeren Sortimente gegen einen bis auf \ı der Taxe ermässigten Preis verabfolgen zu lassen. In solcher Weise sind nach dem Durchschnitte der Jahre 1861— 1865 jährlich zo ıı8 Freizettel zum Raff- und Leseholzsammeln, mit einem Erlass an taxmässigem Zettelgelde (Miethe) von 11342 Thlr., und 304 Klafter Knüppelholz und 14 466 Klafter Reiser- und Stock- holz mit einem Erlass von 5 557 Thlr. an dem taxmässigen Preise abgegeben worden. Ebenso werden 6räsereinutzung, Mast- und Waldweide, wo solche nicht den Be- rechtigten noch zukommen, meist gegen einen billigen Zins, der unter Umständen durch Arbeitsleistung für Wegebauten, Kulturen u. ähnl. abgegolten werden kann, an die Waldanwohner überlassen und nur ausnahmsweise meistbietend verpachtet. Dabei wird der Eintrieb von Schweinen in die Forsten nach Möglichkeit begünstigt, um von den- selben für die Insektenverminderung Nutzen zu ziehen, übrigens aber ausschliesslich für Rindvieh und nur sehr ausnahmsweise für Schafe die Waldweide vermiethet. Soweit in den Staatsforsten Flächen sich finden, welche ihrer Beschaffenheit und Lage nach weniger zur Holzerziehung als zur Wiesen- oder Ackernutzung sich eignen, werden dieselben zum Wiesen- oder Ackerbau in der Regel meistbietend auf mehrere Jahre, unter Bedingungen, welche ihre Melioration zu fördern oder doch der Deterioration XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 397 vorzubeugen geeignet sind, verpachtet. Für grössere Flächen, deren Einrichtung zum Wiesenbau nach einem Gesammtmeliorationsplane erfolgen muss, wird auch von der Forstverwaltung selbst die Ausführung der Melioration in die Hand genommen und das Gras zur Werbung jährlich in kleinen Loosen meistbietend verkauft. Von dem gesammten Forstareale werden gegenwärtig etwa 318000 Morgen, oder 3%, pCt. der Totallläche, einschliesslich der Dienstländereien der Forstbeamten, dauernd landwirthschaftlich benutzt. Eine Ackernutzung von der zur Holzzucht bestimmten Fläche als Vorbereitung zur Holzkultur wird auf r—3 Jahre gestattet, wo der Boden nicht von so leichter Beschaffenheit ist, dass die landwirthschaftliche Vornutzung dem späteren Holzwuchse nachtheilig werden könnte, Der Eröffnung und regelrechten Ausbeutung von Steinbrüchen, Kies- und Mergel- lagern u. ähnl. leistet die Verwaltung sowohl zur Förderung des volkswirthschaftlichen Interesses als auch in Absicht auf die Erhöhung der Forsteinnahmen gern Vorschub, wobei die Verpachtung auf längere Zeit an zuverlässige Unternehmer Regel ist. Für die Waldstreunutzung, deren Beseitigung als Servitut die Verwaltung sich besonders angelegen sein lässt, gilt im allgemeinen der Grundsatz, sie in möglichst engen Grenzen zu halten, und nur in soweit zu dulden, als die Rücksicht auf das un- abweisbare Bedürfniss der kleinen Leute es durchaus nothwendig macht. An grössere Ackerwirthe darf nur ausnahmsweise in Nothjahren, und zwar dann in der Regel nur durch meistbietenden Verkauf der von der Verwaltung selbst geworbenen Streuquanta, Waldstreu überlassen werden. Die ausserdem noch vorkommenden Waldnebennutzungen aus Beeren, Kräutern, Schwämmen u. dgl. werden in der Regel nieht zum Gegenstande einer Einnahmequelle für die Forstkasse gemacht, sondern unter den für die Aufrechthaltung der Ordnung im Walde erforderlichen Bedingungen gegen Lösung von Erlaubnissscheinen unter einer geringen Rekognitionsgebühr den Sammlern überlassen. Bezüglich der Jagdnntzung darf hier auf den sie betreffenden späteren Abschnitt verwiesen werden. In der Regel wird die hohe Jagd nach einem besonderen Beschuss- plane von den Oberförstern für Rechnung der Staatskasse ausgeübt, die niedere aber ihnen gegen ein periodisch regulirtes Pachtgeld überlassen. — Die Ausdehnung des Forstareals im Staatsgebiete ist bisher nur bezüglich der Staatswaldungen genauer bekannt gewesen. Versuche, auch die Fläche der Kommunal- und Privatforsten festzustellen, haben die Bd. I. S. 5 gedachten statistischen Erhebungen und private Ermittelungen gemacht*). Vergleiche lassen deren Ergebnisse nicht zu, Die Grundsteuerkatastrirung hat zwar im allgemeinen die Fläche der Holzungen mit sehr grosser Genauigkeit festgestellt. Indess hat sie nach den Bd. I. S. 27 ge- gebenen Definitionen alle diejenigen Grundstücke zu den Holzungen gezogen, deren hauptsächlichste Benutzung in der Holzzucht besteht, dagegen sind z. B. Heiden und ähnliche Grundstücke, deren Nutzung wesentlich in der Gewinnung von Streu und Dungmaterial besteht, zu den Weiden zu rechnen gewesen. Es fällt also das bei an- deren Ermittelungen angenommene Forstland nicht nothwendig mit den Holzungen des Katasters überall genau zusammen. Ebenso sind grundsätzlich die Forstwiesen, die Dienstländereien und die Hauptwege und grösseren Gewässer auszuscheiden gewesen, *) Est ist die Forststatistik der sämmtlichen Wälder Deutschlands von F. W. Maron, Berlin 1862, zu nennen, sowie für Schlesien, v. Pannewitz in den Verhandl. des schlesischen Forstvereins, 1856 S. 214; vgl. F. W. Schneiders Forst- u. Jagdkalender 1858 S. 2ı, 328 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. welehe sonst gewöhnlich in die Fläche der Forsten mit eingerechnet werden und auch bei den Staatsforsten wenigstens in der sogenannten unnutzbaren Fläche mit erscheinen. Andererseits haben die bisherigen Katasterarbeiten bei den Zusammenstellungen, welche in Tabelle K. der Anlagen (Spalte 38— 40) abgedruckt sind, die Staatsforsten besonders ausgeworfen und überdies durch die Trennung des steuerfreien von dem steuerpflichtigen Forstareale den Umfang des Forstbesitzes in der todten Hand ziemlich genau angegeben. Nach den angemessensten Ausgleichungen aller hieraus hervorgegangenen, unter sich nothwendig um gewisse Flächen differirenden Zahlen ergiebt sich nach v. Hagen folgende Uebersicht über die Antheile des Staates, der Gemeinden,, Institute und Pri- vaten an der gesammten Waldfläche der einzelnen Regierungsbezirke: Privat- und Interessenten- forsten Instituts- Staatsforsten Gemeindeforsten forsten Gesammte Wald- fläche Regierungs- bezirk ganzen ganzen Waldfläche ganzen Waldfläche Waldfläche der Stadt- | der Land- zu- Morgen Morgen gemeinden | gemeinden | sammen 's von der von der ganzen Waldfläche Q = von der Q 3 von der Q x Morgen Morgen Morgen Morgen Königsberg. .| 695 530 „ 94731| 140739| 235 470 708 990 1651 147 gır3] 44985] 54098 . » | 284832] 27 | 1065 976 27760| 7154| 34914 214 862| 6 | 598983 58697] 4910) 63607 . » | 853 864| 53 | 2 587 969 745891 226391 97228 936 996| 77 | 1219 814 90736| 11686] 102422 370047| 42 890 852 10184 6397| 16581 93 091| 42 223 463 Bromberg . .| 366 578 21981] 23366| 45347 B 6 582 874| 59 994 799 AL 199 326 17 301 9360, 26661 1223 514| 84 | 1454333 Frankfurt ...| 682 160| 25 | 149215| 142330| 291 545 1660 234| 62 | 2678 587 Potsdam ....| 791802| 33 | 176010] 312 561] 488 571 1072953| 45 | 2363 272 Oppeln... .| 296799| 18 45392| 35699] 8rogı 1222391] 76 | 1601318 Breslau....| 214069| 19 52 025 3978| 56003 841 136| 75 | 1118 349 Liegnitz ,. . . 83 444| 4 | 230973| 136.689! 367 662 1476126] 75 | 1950284 Magdeburg. . 239 412| 27 32027| 12 5357 44 562 605 962| 67 903 167 Merseburg . .| 285875 | 38 22312| 174331 39745 405 671| 55 743 92T Erfurt ....| 137492| 41 26014| 52452] 78466 109 272] 34 323 202 Minden. .... gr464| 22 20082| 34 9281 55 0IO 263 322| 62 420 230 Münster ... 8228| 2 3 574 3 623 7197 500 022] 96 520 277 Arnsberg... 74240| 6 64896| 30684| 145 580 1024056) 8ı | 1261877 Düsseldorf. . 62573 | 16 217 3 600 3 817 324 623| 82 393 149 Kölniner Ne 46 198 | 10 3588| 25733)| 29321 391 422| '82 474 652 Aachen... .| 109956 26 9552| 135 509] 145 061 160 747| 38 420 620 Koblenz .. .| 100057 | 10 54712| 514.092| 568 804 296 gı6| 30 979 779 ren 241 482 11983| 455 655 | 467 638) 241655| 25 954 509 Summe |7 169 189 | 27 [1307 664| 2238 737 59 |26 800 029 np oo» Gumbinnen .| 727 046 Danzig.....| 345 281 Marienwerder|f 670498 Köslin ....| 185376 Stettin... .]| 411623 Stralsund... 99 680 in SI p wo HORALRH ANKoaKn Hohenzollern Summe [7 169 189 7 | r . 3620905| 13 [24 ::3| I [535 802) 59 [5 950 0° XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 329 Was genauer die bestehenden Wirthschaftsverhältnisse und die Erträge der Forsten betrifft, so waren die Schätzungen der Grundsteuerveranlagung, der Idee der Katastrirung entsprechend, bei allen Kulturarten dahin gerichtet, den Reinertrag zu ermitteln, welcher der Oertlichkeit des einzelnen Grundstückes gemäss durchschnittlich aus der üblichen Wirthschaft erzielt werden kann. Es konnten deshalb bei den Forsten die zeitigen Bestände so wenig in Rücksicht gezogen werden, als bei anderen Grund- stücken die der Aberntung unterliegenden Früchte. Im $ 3 und 5 der Anweisung für das Verfahren der Reinertragsermittelung und $ 9 der allgemeinen Grundsätze dazu (G.-S. 1861 8. 257 und 312) war vorgeschrieben, dass der Reinertrag der Holzungsgrund- stücke nach der Produktionsfähigkeit des Bodens und nach den sich vorfindenden do- minirenden Holz- und Betriebsarten, mit Berücksichtigung der Umtriebszeit und unter einem Abzuge für mögliche Unglücksfälle sowie unter Abrechnung der Kosten der Ver- waltung, des Schutzes, der Holzhauer-, Rücker- und Fuhrlöhne und der nothwendigen Kulturarbeit zu bemessen, dabei aber der Werth des zur Zeit der Abschätzung vorhandenen Holzbestandes unberücksichtigt zu lassen sei. Als Reinertrag war der nach Abzug der Bewirthschaftungskosten vom Rohertrage verbleibende Ueberschuss an- zusehen, welcher aus der Holznutzung erzielt werden kann. Die Nebennutzungen an Weide, Gräserei, Streu u. dergl. oder von der zeitweisen, zur Vorbereitung des Holz- anbaues dienenden landwirthschaftlichen Benutzung einzelner Forstflächen hatten für den Rohertrag ausser Rücksicht zu bleiben. Dagegen waren aber auch Zinsen von dem Holzbetriebskapitale, oder Zinsen von dem Forstkulturkapitale unter den Wirth- schaftskosten nicht zu berechnen. Zur Vorbereitung dieser Art des Anschlages wurde den Bd. I. $. 29 gedachten forsttechnischen Beiräthen der Veranlagungskommissionen durch eine „Technische An- leitung bezüglich der Ermittelung des Reinertrages der Holzungen* vom 17. Juni 1861 (Berlin, Decker) zunächst die Anfertigung einer generellen Beschreibung der forstlichen Verhältnisse des ihnen zugewiesenen Kreises aufgegeben. Dieselben hatten sich über die Grösse, Lage und Vertheilung der einzelnen Waldflächen, die Boden- und Stand- ortsverhältnisse, die Holz- und Betriebsarten, Umtriebszeit und übliche Kulturweisen, die Arbeiterlöhne und Kulturkosten, den Forstschutz, die Kalamitäten, die Holzabsatz- verhältnisse und die Holzpreise, sowie über das angemessenerweise erforderliche Be- amtenpersonal und seine Kosten auf den Morgen, endlich über die zu Gebote stehen- den auf die Reinerträge bezüglichen Thatsacken auszusprechen, Auf diesen Grundlagen hatte der Forsttechniker dann für die verschiedenen vorhandenen Waldarten die Stand- ortsgüten in Klassen bis zu 5 (sehr gut, gut, mittelmässig, gering und schlecht) zu sondern, für jede derselben den Rohertrag unter den den obwaltenden Gefahren ent- sprechenden Abzügen und nach den Durchschnittspreisen der Jahre 1837—ı13860 zu be- rechnen, und daraus durch Abrechnung der Verwaltungs-, Schutz-, Kultur- und Ernte- kosten den der Umtriebszeit entsprechenden jährlichen Reinertrag vom Morgen zu gewinnen. Aus der Revision dieser Beschreibungen und Berechnungen ging der soge- nannte Spezialtarif für die Holzungen vom 27. Mai 1862 hervor, welcher als Waldarten: 1. Eichen-, 2. Buchen-, 3. Birken- und Erlen-, 4. Fichten- und Tannen-, 5. Kiefern- und Lärchenhochwald, 6. gemischten Mittelwald, 7. gemischten Erlen-, Birken- und Buchenniederwald, 8. Eichenschälwald, 9. Weidenheeger, und in jeder dieser Waldarten die oben gedachten fünf Standortsgüten unterscheidet, und ihre Reinerträge in der Weise auf Silbergroschen reduzirt, dass sich alle diese Spezialtarifsätze zu dem in 330 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Tabelle A. der Anlagen mitgetheilten Gesammtklassifikationstarife von höchstens 8 Sätzen für jeden Kreis vereinigen. Die Forsttechniker hatten nach den Spezialtarifen Vorein- schätzungen aller bedeutenderen Waldungen auszuführen. An diese Voreinschätzungen waren zwar die Veranlagungsdeputirten nicht gebunden, die Bezirkskommissionen aber nahmen, wie erwähnt, aus erheblichen Abweichungen Veranlassung, die Richtigkeit durch die ihnen beigegeben Forstbeamteten nochmals prüfen zu lassen. Auf diesem Wege wurde ersichtlich ein sehr reiches Material an Beschreibungen und Berechnungen gewonnen, jedoch vermag nur eine fachmännische Bearbeitung von sehr grossem Umfange den Inhalt zu beherrschen. Die im Kataster allein erscheinen- den Grundsteuerreinerträge sind nichts anderes als ein einfacher, jede Spezialisirung ausschliessender Ausdruck für die Abstufung der günstigeren oder ungünstigeren Ver- hältnisse des Bodens, des Klimas, der Arbeitskosten und des Absatzes, gewissermassen unter der Voraussetzung, dass die in Betracht gezogene Forstfläche devastirt sei. Während nun in anderen Kulturarten die von den Erntebeständen geräumte Fläche überall in ziemlich gleicher Weise in wenigen Jahresläufen zu den veranschlagten Er- trägen der üblichen Wirthschaft gebracht werden kann, wird dagegen für die Forst- fläche der auf dem raumen Grundstück anschlagsmässig erreichbare Ertrag von dem thatsächlich bestehenden, oder zunächst wirklich eintretenden auf lange hinaus in sehr viel verschiedenartigerer Weise je nach dem Alter und der Güte der bereits vorhandenen Bestände, oder je nach dem Beginn oder der Unterlassung der Kultur der Blössen ab- weichen müssen. Die Forststatistik bleibt desshalb auch für die Fragen nach den Arten des Bestandes und der Wirthschaftsführung und nach dem Rohertrage und den Pro- duktions- und Absatzkosten der preussischen Forsten auf die in so hohem Grade sach- kundigen und lichtvollen Darstellungen v. Hagens in dem mehrgedachten Werke „Die forstlichen Verhältnisse Preussens“, fast auschliesslich angewiesen. Die nachstehenden nach der Reihe der Provinzen folgenden Angaben sind demselben, namentlich dem Ab- schnitt 2 und 3 $. 8 und 3 ff, in allem wesentlichen auszugsweise entnommen, l. Provinz Preussen. Das Verhältniss der Waldungen zur Gesammtfläche der Provinz beträgt, ohne dass derselben das Kurische und Frische Haff zugerechnet werden, gleichwohl nur 20, pCt. Preussen gehört desshalb zu den waldärmsten Provinzen, nur Pommern geht etwas tiefer, bis zu 19,5, gegen den Staatsdurchschnitt von 25 pCt. herab. Von den vier Bezirken besitzt Gumbinnen den wenigsten Wald, 17,2 pCt., Marienwerder den meisten, 23» pCt. Von den einzelnen Kreisen stehen Labiau mit 34,5 und Schwetz mit 34,0 pÜt. am höchsten; nächstdem drängt sich, wie die dem Atlas beigegebene Karte der Vertheilung der Holzungen zeigt, die grösste Forstmasse auf den Hängen des pommerischen Land- rückens in Preussisch-Stargard, Konitz, Schlochau, Deutsch- Krone und nördlich in Neustadt mit je 25—33 pCt. zusammen; ein ähnlich hohes Verhältniss haben in Ostpreussen nur die vereinzelten Kreise Wehlau, Goldapp und Johannisburg. Den ge- ringsten Forst mit nur 2,ı pCt. enthält der Marienburger Kreis; das gesammte Weichsel- werder, dem er angehört, ist fast waldlos; zwischen 5 und ıo pCt. stehen indess auch Kulm, Lötzen, Gumbinnen, Stallupönen, Tilsit und Memel. Durchsehnittlich ist, abge- sehen von der Weichselmündung, die Höhe des preussischen Landrückens am wenigsten XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 331 bewaldet. Von der gesammten Forstfläche Ostpreussens sind etwa 1400000 Morgen auf das Hügelland, r 317 000 Morgen auf die Ebene, von der Forstfläche Westpreussens etwa 1055000 Morgen auf das Hügelland und 1132000 Morgen auf die Ebene zu rechnen. Die Grundsteuerreinerträge, also die Standortsgüte und der mögliche Produk- tionswerth, bleiben in der gesammten Provinz überaus gering. Der Durchschnitt von Ostpreussen steht nur auf 6 Sgr., der von Westpreussen sogar nur auf 5 Sgr. vom Morgen. Grosse Strecken, wie die Kreise Johamnisburg, Ortelsburg, Neidenburg auf dem preussischen und Stargard, Berent, Konitz und Deutsch-Krone auf dem pomme- rischen Landrücken sinken auf 3 und 2 Sgr. vom Morgen. Mehr als 10 Sgr. Durch- schnitt ergeben nur Kreise, welche sehr wenig Forst besitzen, wie Kulm, Gumbinnen und Danzig Stadtkreis; Elbing zeigt ı5 Sgr.; und allein der Kreis Marienburg, welcher im wesentlichen auf Weidenheger beschränkt ist, erhebt sich bis zu 24 Sgr. vom Morgen, weil die Faschinen im Werder hohen Werth haben. — Die vorherrschenden Waldarten Ostpreussens sind Kiefer- und Fichtenhochwald, theils in reinen, theils in gemischten Beständen. Die Kiefer ist überwiegend auf dem sandigen Boden des südlichen Theils, die Fichte vorherrschend auf dem lehmigen Boden des mittleren und nördlichen Theils, und namentlich sehr stark im Gumbinner Bezirke vertreten. Die Lärche findet sich nur selten. Das Nadelholz nimmt ohngefähr ®/; der Waldungen ein. Von dem vierten Viertel gehört der grössere Theil Erlen- und Birken- beständen an, die meist im gojährigen Schlagholzumtriebe stehen, ein geringer Theil dem Buchen- und Hainbuchenhochwalde, und ein kleiner Theil dem Eichenhochwalde; den noch ziemlich umfangreichen Rest desselben bilden gemischte Niederwaldungen, in welchen sich Saal- und Werftweiden, Linden, Ebereschen, Aspen, Birken, Erlen und Hainbuchen neben verschiedenen Straucharten finden. Eingesprengt kommen in den Laubholzbeständen auch Eschen, Spitz- und Bergahorn, seltener die Rüster vor. Die Rothbuche erreicht in Preussen als dominirende Holzart ihre nördlichste Grenze bei 54° 35 nördlicher Breite und 37° 35 östlicher Länge im sogenannten Pilzen- walde bei Pillau, und ihre östliche Grenze bei 53° 5o nördlicher Breite und 38° 40 östlicher Länge bei Bischofsburg in der Oberförsterei Sadlowo. Die Eiche findet sich in den Waldungen Östpreussens auf besserem Boden fast überall eingesprengt, zeigt einen befriedigenden, oft vorzüglichen Wuchs, und es wird auf ihre Nachzucht besonderes Augenmerk gerichtet. Hainbuchen, Birken und Aspen erscheinen auch den Nadelholzbeständen überall da reichlich beigemischt, wo die besseren Bodenklassen vorherrschen. Hier halten namentlich Birken und Aspen lange aus, und erreichen eine bedeutende Entwickelung und Stärke. — In Westpreussen ist der Kiefernhochwald die weitverbreitetste Waldart, auf welche %ıo der Waldfläche zu rechnen sind. Eingesprengt in den Kiefernwaldungen auf den besseren Bodenklassen finden sich Eiche, Buche, Birke und auf den zahlreich vorkom- menden feuchten Einsenkungen die Erle. Von dem letzten Zehntel besteht der grösste Theil in Buchenbeständen, die theils rein, theils mit Eichen auch Kiefern und Hain- buchen gemischt vorzugsweise im nördlichen Theile des Danziger Bezirks und in einigen kleineren Flächen des Marienwerderschen Bezirks, in den Kreisen Deutsch-Krone, Flatow und Marienwerder, auftreten. Der Rest vertheilt sich auf Eichenhochwald, der in der Weichselniederung und in einigen Theilen der Kreise Berent, Karthaus, Neustadt und 332 XXV, Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Flatow (Oberförsterei Vandsberg) vorkommt, sowie auf Erlen- und Birkenbestände und Weidenheeger. Esche, Ulme und Ahorn finden sich nur selten, Aspe und Hainbuche aber sehr häufig als eingesprengte Holzarten, denen sich auf den besseren Bodenklassen Hasel, Faulbaum und andere Straucharten beigesellen. Vereinzelt kommt auch Taxus auf dem ' frischen Lehmboden am Libagosehsee vor. Die Fichte erscheint in höheren Altersklassen nur an der Grenze mit Ostpreussen theils in Beständen geringen Umfanges, theils in die Kiefern eingesprengt, wird aber in neuerer Zeit auch in den übrigen Gegenden Westpreussens auf besserem Boden meist als eingesprengte Holzart und zum Bodenschutz häufiger angebaut. Lärche und Weiss- tanne kommen nur an wenigen Orten in einzelnen Exemplaren und als Zöglinge der neueren Kulturen vor. — Die Waldungen der Provinz unterliegen manchen Kalamitäten. Die Erhebungen des Terrains äussern anf den Wuchs des Holzes nirgends merk- lichen Einfluss, soweit nicht die Höhen in der Nähe der Seeküste unter dem Einflusse des Windes zu leiden haben. Belebend auf den Holzwuchs wirkt die Frische der Atmosphäre, welche durch die nahe Ostsee mit ihren Haffen, sowie durch zahlreiche Seen, Flüsse und Bäche erzeugt wird. In Ostpreussen macht sich aber die Rauhheit des Klimas durch Seltenheit der Samenjahre bei den Hauptholzarten, Fichte und Kiefer, geltend, von denen erstere hier ihr südlichstes Vorkommen als Baum der Ebene hat. Späte Fröste im Früh- ahr werden besonders der Fichte selbst bis zum ıojährigen Alter, die mitunter schon im August eintretenden frühen Fröste im Herbst den jungen Kiefern- und Fichten- saaten verderblich; auch Schneedruck und heftige Winde sind Aeusserungen der Un- gunst des Klimas, welche die Holzzucht erschweren, und bei der Kürze der Vegetations- periode die Massenproduktion schmälern. Etwas günstiger gestaltet sich das Klima im Königsberger Bezirke, namentlich in der Nähe der Ostsee, wo die Dauer und Strenge des Winters geringer ist; allein auch hier treten Frostschäden, Schneedruck und Stürme oft sehr empfindlich auf und bedingen Rücksichtnahme beim Waldbau. Ganz besonders vernichtend wirken schwer zu begrenzende Insektenschäden. Unter den Insekten sind Nonne und Borkenkäfer am verheerendsten aufgetreten. Der in den Jahren 1853 und 1854 plötzlich in grosser Ausdehnung in Folge massenhaften Ueber- fliegens der Falter aus den russischen Wäldern ausgebrochene Frass der Nonne, welcher sich fast ausschliesslich auf die Fichte beschränkt und sogar die eingesprengten Kiefern meist verschont hat, gewann, von Nordost nach Südwest vorschreitend, in den folgenden Jahren bis 1857 eine Ausdehnung, die, nachdem das Zerstörungswerk durch die Borkenkäfer, namentlich Bostrichus typographus, chaleographus und pityographus und Hylesinus polygraphus und pusillus, eifrig bis zum Jahre 1862 fortgesetzt worden, zur Vernichtung fast aller haubaren und angehend haubaren Fichtenbestände Ostpreussens geführt hat. Nach ungefährem Ueberschlage sind auf etwa 550000 Morgen die Fichten mit einer Derbholzmasse von gegen 5Ys Millionen Klaftern abgestorbenen Holzes dieser Kalamität verfallen. Das Insektenfrassholz hat jedoch über Verhoffen seine Nutz- barkeit noch auf mehrere Jahre nach dem Absterben wenigstens in soweit konservirt, dass, abgesehen vom Stock- und Reiserholz, die Verwerthung, wenn auch zu geringen Preisen, möglich geworden und vom Derbholze nur verhältnissmässig wenig im Walde verfault ist. Der Wirthschaftsbetrieb hat aus diesen der Fichte erwachsenen Gefahren XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 333 Veranlassung genommen, den Anbau und die Einsprengung der Kiefer und der Eiche nach Möglichkeit weiter als früher auszudehnen, Aussergewöhnliche Erschwerung findet der Waldbau in Ostpreussen durch starken Graswuchs und durch das Wuchern mancher Unkräuter, zu denen in dieser Beziehung auch die schnellwüchsigen verdämmenden Weichhölzer zu rechnen sind. Letztere haben jedoch in sehr willkommener Weise dazu beigetragen, die Folgen der vorerwähnten Insektenverheerung zu mildern. Sie haben sich, namentlich Aspe, Birke und Hainbuche, auf den vom Nadelholz entblössten Flächen erhalten und ausgebreitet, gewähren dem Boden Schutz und Decke, und bis dahin, wo der Anbau edlerer Holzarten beendet sein kann, liefern sie immerhin eine Massenproduktion, welche, wenn auch von geringerem Werthe, doch sehr wesentlich zur Ausgleichung des Ausfalles am Holzertrage der nächsten Zeit beitragen und demnächst die Durchforstungserträge sehr verstärken wird. In Westpreussen steht die nordöstliche Höhe des pommerisehen Landrückens den ostpreussischen Lagen klimatisch nahe, die südlichen Abhänge aber sind dem Wald- bau nicht ungünstig. Hier sind von Waldschäden die Waldbrände am verderblichsten und in der Tuchelschen Heide fast ein chronisches Uebel. Bei der grossen Ausdehnung gleichalteriger, ohne Unterbrechung zusammenliegender Kiefernbestände und der geringen Bevölkerung, welche die Mittel zum Löschen eines Waldbrandes sehr beschränkt, sind einzelne Waldfeuer zuletzt noch im Jahre 1863 auf einen Umfang von 5000 Morgen, in früheren Zeiten sogar bis zu 10000 Morgen angewachsen. Die Betriebsregulirung hat auf diese Gefachr durch zweckmässige Eintheilung, kahlgehaltene Gestelle, thun- liehste Einsprengung von Laubholz, sowie durch Auseinanderlegen der Altersklassen besondere Rücksicht zu nehmen, und der Verwaltung erwächst mit der Aufgabe steter Wachsamkeit und Anwendung aller Vorbeugungs- und Sicherungsmittel die Nothwendig- keit eines verhältnissmässig starken Forstpersonals. In der gesammten Provinz wird der Kulturbetrieb durch die Kürze der Zeit zwischen Abgang des Winters und Eintritt der vollen Vegetation erschwert und vertheuert, weil die im allgemeinen nur dünne Bevölkerung die Kulturarbeitskräfte nur sparsam zur Dis- position stellt und die Landwirthschaft zu derselben Zeit die Arbeitskräfte gleichfalls zur schleunigsten Ausführung der Bestellung in der kurzen Frühjahrsperiode vollauf in An- spruch nimmt. Günstig ist dagegen die Strenge des Winters und der Schneefall mit längerer Dauer für den Holzeinschlag und die Holzabfuhr, namentlich in den Gegen- den mit schwerem und bruchigem Boden, welche nur bei Frost und Schnee den Zu- gang und die Abfuhr gestatten. Zu beklagen ist es, dass die mit den verbesserten Kommunikationswegen gestie- genen Holzpreise im letzten Jahrzehnt für viele Privatforstbesitzer Veranlassung ge- worden sind, eine Raubwirthschaft zu treiben, welche zu völliger Devastation grosser Waldflächen, zu umfangreichen Versandungen und zu allgemeiner Benachtheiligung der Landeskulturinteressen geführt hat. Der Staat hat manche der verwüsteten Flächen durch Kauf und Tausch erworben und dem Wiederanbau durch Holz zugeführt, — Die Holzabsatzverhältnisse sind in Preussen sesenwärtig noch von allen Provinzen am wenigsten entwickelt. Das Zusammenliesen der Waldungen in grossen geschlossenen Komplexen, Schwierigkeit des Transports bei Mangel an Chausseen und meist schlechten Land- und Waldwegen, geringe Bevölkerung, Konkurrenz des Torfs und in den grösseren Küstenstädten der englischen Kohlen sowie der Holzeinfuhr aus Russland und Polen wirken im ganzen drückend auf die Holzpreise und üben ein verhältnissmässig stärkeres 334 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Gewicht aus, als der auf hohe Holzpreise hindeutende Umstand, dass die Waldfläche, wie gezeigt, nur gering ist. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz stellte sich für die Staatsforsten im Jahre 1865 durchschnittlich im Regierungsbezirk Königsberg auf 1,66 Sgr., in Gumbinnen auf 1,2; Sgr., in Danzig auf 1,3; Sgr., in Marienwerder auf r,49 Sgr. Ein direkter Schluss auf den Stand der Holzpreise und deren Verhältniss in den einzelnen Regierungsbezirken lässt sich jedoch mit Sicherheit hieraus nicht entnehmen, da auf jene Durchschnittssätze neben dem Stande der Preise auch die Verschiedenheit der Sortimentsverhältnisse, namentlich des Nutzholzantheils und des Stock- und Reiserholzantheils, wesentlich ins Gewicht fällt. Einen besseren Anhalt gewährt die Angabe, dass die Preise für Nadel- holz vor 30 Jahren und gegenwärtig folgende waren: für den Kubikfuss Nutzholz für die Klafter Scheitbrennholz im Bezirk von 1836 1366 1836 1866 Königsberg 1, Sgr. 2,3 gr. 34 Ser. 67 Sgr. Gumbinnen ae Ne RR) 312 > boge> Danzig 16. y sn 34m 72 nm Marienwerder 10 „ rn 3I y 77» Die Steigerung hat danach beim Nutzholze in Königsberg 77, in Danzig $0, in Marienwerder ıro, in Gumbinnen ı18 pÜt., und beim Brennholze in Gumbinnen go, in Königsberg 97, in Danzig 112, in Marienwerder 148 pÜt. betragen. Es sind also die Brennholzpreise verhältnissmässig mehr gestiegen, als die Nutzholzpreise, eine Er- scheinung, die wohl hauptsächlich aus den verbesserten Kommunikations- und Trans- portmitteln zu erklären ist, da der Einfluss dieser Verbesserung für die Brennholzver- werthung verhältnissmässig noch stärker ist, als für den Nutzholzabsatz. Für den Holztransport bilden die Weichsel, der Pregel und der Memelstrom mit ihren Nebenflüssen die Hauptstrgssen. In Ostpreussen haben die vorhandenen Seen dadurch Wichtigkeit erlangt, dass man in neuerer Zeit einen grossen Theil derselben mit den natürlichen Wasserläufen in Verbindung gebracht und so ein Netz von Wasser- strassen geschaffen hat, welches man noch weiter zu ergänzen bemüht ist. Auf diesen weitverzweigten Gewässern gelangt das Holz aus den waldreicheren südlichen Theilen in die waldärmeren und zahlreicher bevölkerten nördlichen Gegenden und in die grösseren Städte und Seehäfen. Namentlich ist in dieser Beziehung der oben Bd. I. S. ııo ge- dachte Elbing-Oberländische Kanal von Bedeutung. Die Hauptplätze für den Holzhandel, sowohl zur inländischen Verwendung, namentlich von Schiftsbauholz auf den Werften der Östseehäfen, als auch zur Ausfuhr nach Dänemark, England und Frankreich sind Memel, Tilsit, Insterburg, Königsberg, Elbing, Danzig und Thorn. Die dortigen Handelshölzer haben indess zum grossen Theil ihren Ursprung in Russland und Polen. Im Jahre 1864, in welchem der dänische Krieg das Handelsgeschäft beschränkte, betrug die Holzausfuhr aus Memel in 416 Schiffen 63351 Schiffslasten, 2929860 Thlr. an Werth (gegen 3305348 im Jahre 1863), in Danzig 348 Ladungen 3555000 Thlr. an Werth (gegen 5310000 im Jahre 1863). — Im Jahre 1863 wurden aus Königsberg 1372 Schiffslasten Bretter, meist nach dem Zollverein und nach England ausgeführt. Die Zufuhr nach Elbing durch den ober- ländischen Kanal betrug im Jahre 1863 33 413 Kubikfuss beschlagenes Eichenholz, 628 Schock Schirrholz, 1439 Stück Eichenrundholz, 18 230 Stück Kiefernrundholz, XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 335 16089 Sleepers, 48 830 Kubikfuss geschnittene Hölzer, 9 844 Klafter Brennholz, und 20 Klafter Eichenrinde; 64 890 Ctr. Holz führte die Ostbahn der Stadt zu. Die Ausfuhr aus Memel bestand im Jahre 1863 in: a. Eichenholz. TA0620 0 m A ERINDeny En enure a Y, Thlr. 4673 Stück Balken... ... a ı2 Thlr. 6it96n ne, Lattenen. men: A SET Barkbölzeugerenn ans SOHRSSPIENeN RR ce ENTE 4517 „2 Wagenschos ..220 ,„ I512 5A nn atteng an. elgen. a 17 Sgr. Dream eblankenmesn.. 0: Ela, ra Zar em Masteny- ee a so Thlr. 260 „ . Plankenender ..& 11, 20, m, Stangen area EREIS 8570Schock Piepenstäbe .. a 42 „ 836,391, 20. Dielen. ne .um.a, 2m 6243 » Tonnenstäbe.. a 2ı „ 49603, „, ,.Dielenender...& 5, 1042 „ Branntweinstäbeä 31 „ ıq4ıo Schock Schiffsnägel .. a % “ 3163 Bodenstäbe BETA 223 Splittholz ZEN T5T6 Oxhoftstäbe .. 427 „ 1 175 Faden Splittholz ... AN2S, 5 6ayay Böttcherstäbe .a ı5 „ ZAy man Brennholzeens. Mar ızar 10488 Blamiserstäbe .a 5 „ 397 496 Stück 3 u. 4“ Planken .& 15% „ OEN ) Klappholz ...a55 „ 2038, 7 „ Plankender & ıı Sgr. Sad, Klappholzender ä 362% „ 2IIII6 „ ganze Sleepers .&A %, Thlr. 53790 „ halbe n a sy b. Nadelholz. 379 Schock Tonnenbänder .ä Yı „ 135 987 Stück Balken... .. . a ıo Thlr. 784 Stück Rumpftonnenstäbe a 4; „ 1699 „ Balkenklötze ..a 2Y,, 384 „ Rumpfbodenstäbe &_ "ko „ 3964 „ Mauerlatten ...a 6%, 2, Provinz Pommern. Das durchschnittliche Waldverhältniss Pommerns ist, wie erwähnt, das niedrigste von allen Provinzen. Es beträgt auch ohne Rücksicht auf die grossen Strandgewässer nur 19,8 pCt., von den Regierungsbezirken aber besitzen in ihren Gesammtflächen Köslin 22,2, Stettin 19,9 und Stralsund sogar nur 14, pÜt. Forstland. Unter den ein- zelnen Kreisen zeigt Uckermünde mit 53,9 pCt. bei weitem das stärkste Forstverhältniss, ihm zunächst stehen Rummelsburg mit 35,r, und Naugard, Bütow, Dramburg, Lauen- burg und Usedom-Wollin mit zwischen 25 und 33 pCt. Das niedrigste Verhältniss hat Pyritz mit 5,; pÜt., auch Fürstenthum, Greiffenberg und Demmin aber erheben sich nicht über 10, Schievelbein, Regenwalde, Freienwalde, Anklam, Greifswald, Grimmen und Rügen nicht über 15 pCt., so dass die Vertheilung ziemlich unregelmässig ist. Zum Hügellande dürfen von der Waldfläche der Provinz etwa 1414000 Morgen, und zur Ebene 920000 Morgen gerechnet werden. Die Grundsteuerreinerträge des Forstlandes, als Ausdruck der Produktionsfähig- keit, erheben sich im Durchschnitt der Provinz zu 9 Sgr. vom Morgen, stehen aber für Köslin nur auf 4 Sgr., für Stettin auf ı2, für Stralsund dagegen auf 20 Sgr. durch- schnittlich. Von den einzelnen Kreisen erhebt sich im Bezirk von Köslin kein einziger über 6 Sgr., Lauenburg aber sinkt bis auf 2 Sgr. vom Morgen. Im Bezirk Stettin erreichen nur die Weidenheeger des Stettiner Stadtkreises und der Kreis Anklam 20 Sgr., der gesammte Osten nördlich der Ihna steht nur auf 7—9 Sgr. Im Stralsunder Bezirk 336 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. dagegen hat Grimmen mit 24 Sgr. den höchsten, Rügen mit 16 Sgr. den niedrigsten Reinertragsdurchschnitt auf den Morgen Holzung. Für die Witterungsverhältnisse der Provinz wird die Oder als Klimascheide an- gesehen, und nachtheilige klimatische Einwirkungen auf den Waldbau kommen westlich der Oder weniger vor, als östlich derselben. Die landeinwärts gelegenen Theile der Regierungsbezirke Stettin und Stralsund sind für die Waldvegetation überall günstig. Dagegen haben die in einer Längenausdehnung von etwa 75 Meilen an der Ostseeküste gelegenen Landstriche der Provinz zwar gelindere Winter und frisches Seeklima, die Waldvegetation wird aber von Stürmen und oft sehr schroffen Temperaturwechseln nachtheilig berührt, und in einigen Lagen an der Küste namentlich im Stralsunder Bezirke machen sich, wo schützende Dünen fehlen, die anhaltenden Seewinde als Hinder- niss des Höhenwuchses sehr fühlbar und erschweren den Waldbau in hohem Grade. Einige Theile von Rügen, namentlich Hiddensöe, Wittow und Umanz, sind völlig baum- los, und es gelingt der Stürme wegen keine Art der Holzkultur. Nach Hiddensöe müssen alle Bedürfnisse an Holz bis zum kleinsten Stabe eingeführt werden. — Unter den Waldarten nimmt in den Regierungsbezirken Köslin und Stettin der Kiefernhochwald die erste Stelle ein, indem er sich ungefähr auf *%ı der Waldfläche er- streckt; er ist auf den besseren Bodenklassen mit Eichen, Buchen, Birken durchsprengt, und in den feuchten Einsenkungen mit Erlenniederwald durchzogen. Von dem letzten Viertel gehört der grössere Theil dem Buchenwalde, ein kleiner Theil dem Eiehenhoch- walde und der Rest den theils als Hochwald, theils als Niederwald behandelten Erlen- und Birkenbeständen an. Eigentlicher Mittelwaldbetrieb kommt, wie in der Provinz Preussen, so auch in Pommern, nicht vor, wenn von einigen mittelwaldartigen Be- ständen in den Kreisen Anklam und Demmin abgesehen wird. Die Buchen- und Eichenwaldungen finden sich hauptsächlich auf dem vorerwähn- ten Küstenstriche im Kösliner, Bezirke z. B. zwischen Zanow und Regenwalde gegen 55 000 Morgen, ähnlich auch auf dem südlichen sogenannten Busche, ferner in Pyritz und Greiffenhagen und in Anklam, Demmin und Usedom-W ollin. Der Regierungsbezirk Stralsund besitzt zu fast gleichen Theilen Kiefernhochwald und Laubholz, letzteres ziemlich gleich vertheilt auf Eichen- und Buchenhochwald, neben einigen Flächen mit gemischtem Mittelwalde und mit meist als Schlagholz behandelten Erlen und Birkenbeständen. Das Nadelholz findet sich im Stralsunder Bezirke haupt- sächlich an dessen östlicher und nordwestlicher Grenze und auf den sandigen Land- engen Rügens, während der mittlere Theil des Bezirks Eichen- und Buchenbestände von vorzüglicher Beschaffenheit anfzuweisen hat. Berühmt sind der Rothbuchenwald auf Stubbnitz und der uralte Eichenforst der Insel Vilm. Im Uebrigen kommen in der Provinz Pommern Fichten und Lärchen, theils in kleinen reinen Beständen, theils eingesprengt in die Kiefern sowie in die Laubbestände, meist aber erst dem Anbau der neueren Zeit entstammend, nicht selten vor, und Esche, Rüster, Ahorn, Hainbuche, Aspe, auch Linde, nebst Haseln und anderen Straucharten finden sich ziemlich häufig eingesprengt. Namentlich im Stralsunder Bezirke zeigen sich neben der fleissig angebauten Esche diese Holzarten so reichlich in den Eichen- und Buchenbeständen und von so üppigem Wuchse, dass sie einerseits die Massen- produktion erheblich vermehren und zur Steigerung des Geldertrages nicht unwesentlich beitragen; andererseits aber auch zu frühzeitig beginnenden und häufig wiederkehrenden Läuterungshieben nöthigen, um die edleren Holzarten vor Verdämmung zu schützen. — XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 337 Aussergewöhnliche Waldkalamitäten hat die Provinz neben den klimatischen nicht zu beklagen, wenn von dem auf der Insel Rügen sehr häufig wiederkehrenden, aber wenig nachtheiligen Frasse der Phalaena bombyx pudibunda abgesehen wird. Zwar ist namentlich der Kösliner Bezirk in den Jahren 1862—64 von dem Frasse des Kiefern- spanners stark heimgesucht worden, und der nachfolgende Käferfrass, besonders von Hylesinus piniperda, hat die Nachtheile des Raupenfrasses noch vermehrt; allein es sind daraus keine sehr erheblichen Verluste erwachsen; auch die in einigen Gegenden der Provinz öfter wiedergekehrte besorgliche Vermehrung des Kiefernspinners und der Rüsselkäfer ist den dagegen angewendeten Mitteln gewichen. — Die Holzabsatz- und Preisverhältnisse haben sich in der Provinz Pommern schon seit längerer Zeit, namentlich für die Bezirke Stettin und Stralsund, erheblich günstiger gestaltet, als in der Provinz Preussen. Dies liegt theils in der verhältnissmässig geringen Waldfläche Pommerns, namentlich Neuvorpommerns, und den zahlreichen bedeutenderen Städten, theils in den ziemlich weit verbreiteten Wasserstrassen, welche die Verbindung mit der Ostsee, wie mit Berlin vermitteln. Leba, Lupow, Stolpe, Wipper, Grabow, Persante mit Radue, Rega, Stepenitz, Ihna, Ucker, Peene und Ziese sind sämmtlich für den Holztransport aus dem Innern zur See oder in das Haff nutzbar, dem Verkehr nach Süden in das Binnenland aber liegt die Oder mit ihren grossen Kanalverbindungen, in die auch die Drage und Küddow münden, sehr günstig. Der Holzabsatz würde noch vortheilhafter und der Preis höher sein, wenn nicht beträchtliche Torflager und die Heranfuhr von Steinkohlen zur See dem Holze Konkurrenz machten. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz stellte sich in den Staatsforsten im Jahre 1865 durchschnittlich auf 2,74 Sgr. im Stettiner, ı,3 Sgr. im Kösliner und auf 2,43 Sgr. im Stralsunder Bezirke, mit einer Steigerung von nur 58 resp. 59 und 47 pÜt. gegen 1850. Die Preise des Nadelholzes berechneten sich folgendermassen: für den Kubikfuss Nutzholz für die Klafter Scheitholz im Reg.-Bez. 1836 1866 Steigerung 1836 1866 Steigerung Köslin .. 14, Sgr. ı,9Sgr. 36 pCt. 35 Sgr. 62 Sgr. 77pÜt. Stettin... 19 „ 30.9 58 „m GORIEnE HRTZAS 106 „ Stralsund 2, „ Zinn 391.1 680 250 12300, San Für das beträchtliche Steigen des Brennholzes im Stettiner Bezirke findet sich die Erklärung in dem zunehmenden Absatze nach Berlin, abgesehen hiervon geht die Preiserhöhung wohl nur wenig über das Verhältniss hinaus, in welchem der Geldwerth im allgemeinen gesunken ist. Der Hauptstapelplatz für den Holzhandel ist Stettin, sowohl in Schiffsbauholz als Stabholz. Die Ausfuhr im Jahre 1863 stellte sich auf einen Holzwerth von ı 718 050 T'hlr., im Jahre 1864 auf 1 860 249 Thlr. und ging mit Stabholz nach Frankreich, im übrigen überwiegend nach England. Neben der Zufuhr aus der Provinz wird Stettin hauptsächlich mit polnischen und schlesischen Handelshölzern durch Oder und. Warthe versorgt. 3. Provinz Posen. Das Verhältniss der Waldungen gegenüber der Gesammtfläche ist im Durchschnitt der Provinz 21,6 pÖt., im Regierungsbezirk Bromberg 22,, im Regierungsbezirk Posen 213 pCt. Den einzelnen Kreisen nach ist der Wald vorzugsweise an der Grenze West- preussens und der Mark, also im Westen der Provinz zusammengedrängt; der Kreis Boden d, preuss. Staates. UI. 22 338 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Czarnikau besitzt mit 42, pÜt. die meisten Forsten, ihm nahe stehen Bromberg und Birnbaum mit über 35 pCt., Chodziesen, Samter, Meseritz, Bomst, Züllichau besitzen sämmtlich zwischen 25 und 33 pOt. Dagegen erstreckt sich durch die gesammte Mitte der Provinz eine Fläche, welche sich nicht über 15 pCt. erhebt, und die Kreise Wirsitz, Wongrowiee, Mogilno, Gnesen, Posen, Wreschen, Schroda, Kosten und Kröben umfasst. Mogilno hat mit ro,g pCt. den wenigsten Forst, weiter gegen Osten besonders längs der schlesischen Grenze erheben sich einige Kreise wieder zu 20 pÜt. Forstland. Der Grundstenerreinertrag erreicht für die Provinz nur 7 Sgr. durchschnittlich vom Morgen, und schwankt in den einzelnen Kreisen zwischen 4 und ı4 Sgr. Diesen höchsten Satz zeigt Krotoschin, ihm nahe stehen Kröben mit ı2, Fraustadt, Mogilno und Wirsitz mit 10 Sgr. Dagegen erreichen Chodziesen, Birnbaum und Samter nur 5, Czarnikau und Schildberg sogar nur 4 Sgr. Der Ebene sind von der Waldfläche etwa 2105000 Morgen, dem Hügellande nur etwa 343000 Morgen zuzurechnen. — Die dominirende Waldart der Provinz ist Kiefernhochwald. Er nimmt im Brom- berger Bezirke, an vielen Orten mit Eichen, Birken, auch Buchen durchsprengt, fast ausschliesslich die Waldflächen ein, weil hier Eichen, Buchen, Erlen und Birkenbestände nur noch auf einzelnen kleinen Flächen vorkommen und einige Eichenschälwaldanlagen im Netzdistrikte erst als Versuche im Entstehen sind. Im Posener Bezirke finden sich dagegen fast in allen Kreisen, namentlich aber in Obornik und in sämmtlichen südlich von Posen gelegenen, auch Buchen- und Eichenhochwaldungen von grösserem Umfange und zum Theil vorzüglichster Beschaffenheit. Erlen und Birkenbestände, meist im Schlagholzbetriebe, nehmen gleichfalls nicht unerhebliche Flächen ein, während im Mittelwaldbetriebe stehende gemischte Laubholzwaldungen, Eichenschälwald und Weiden- heeger nur in geringer Ausdehnung vorkommen. Im übrigen sind als eingesprengte Holzarten Ulme, Esche, Ahorn, Aspe, Hainbuche und die gewöhnlichen Straucharten vielfach vertreten. — ’ Die klimatischen Verhältnisse sind nicht ungünstig und bereiten dem Waldbau keine Erschwerungen. Die früher bestehenden ausgedehnten Strecken Bruchland wur- den in neuerer Zeit durch die Ausbreitung der Meliorationen mehr und mehr be- schränkt. Diese Förderung des landwirthschaftlichen Interesses mindert indess mit der Frische und Feuchtigkeit der Lage auch im gewissen Grade das Gedeihen der Eichen- bestände, für welche die kräftigeren Bruchböden besonders geeignet waren. Mit aussergewöhnlichen Kalamitäten haben die Waldungen der Provinz Posen nicht zu kämpfen. Gewitterstürme haben einige Male, jedoch nicht erhebliche Ver- heerungen angerichtet, und von Insekten haben Kiefernspinner und Kiefernspanner ein- zelne Waldungen der Provinz heimgesucht, aber beträchtlichen Schaden nicht verursacht. Empfindlicher sind die Verwüstungen, welche die Maikäferlarve in neuerer Zeit den Kulturen zugefügt hat. Es sind daher zu deren Abwehr die verschiedenartigsten Ver- suche unternommen, über deren Erfolg aber ein Abschluss noch nicht erlangt ist. Die rücksichtslose Verniehtung der Privatwaldungen auch auf absolutem Holz- boden hat in Posen einen noch. grösseren Umfang als in Westpreussen erlangt und macht durch Veräusserung der ausgedehnten Waldflächen grosser Rittergüter an Holz- händler immer weitere, nicht zu hemmende Fortschritte. In den Kreisen Birnbaum und Schildberg haben die Holzeinschläge den Flugsand so vermehrt, dass mehrfach Rustikalstellen wegen Verschüttung ihrer Ländereien verlassen wurden. Im Kreise Samter liegen im Norden von Wronke über 30 000 Morgen kahle Blösse. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 339 Die Provinz Posen mit 21,6 pCt. bewaldeter Fläche besitzt zwar verhältuissmässig mehr Wald, als die Provinz Preussen, während in beiden Provinzen bei durchschnittlich 1,6 Morgen Wald auf den Kopf das Bevölkerungsverhältniss gleich ist; dennoch sind in der Provinz Posen die Holzabsatzverhältnisse im ganzen etwas günstiger, theils weil in ihr die Forsten weniger in grossen Massen zusammenliegen und die vorhandenen grösseren Waldungen sich vorzugsweise an den Wasserstrassen befinden, theils weil die Brennholzsurrogate hier weniger Konkurrenz machen, und endlich weil sich in den letzten Jahren die Kommunikationsmittel durch den Bau zahlreicher Chausseen, Wege und Eisenbahnen sehr gehoben haben. Die Verwerthuug des Kubikfusses Derbholz stellte sich im Bezirk Bromberg im Jahre 1850 auf 0,89 Sgr. und 1865 auf 1,79 Sgr.; im Bezirk Posen im Jahre 1850 auf 0,94 Sgr. und 1865 auf 2, Sgr., es zeigte sich also in den letzten ı5 Jahren eine Steigerung von etwa Ioo pÜt. Vergleicht man die Taxpreise in Tabelle O.ı. der Anlagen für das Nadelholz von 1836 mit denen von 1866, so ist der Kubikfuss Nutzholz in Posen von 1,; Sgr. auf 2,6 Sgr., in Bromberg von 1, Sgr. auf 2, Sgr.; die Klafter Scheitholz in Posen von 38 Sgr. auf 98 Sgr., in Bromberg von 32 Sgr. auf gı Sgr. gestiegen, also das Nutzholz nur um 73 bezügl. rıo pÜCt., das Brennholz aber um 158 bezügl. 184 pÜt. Die fortschreitende Verminderung der Privatforsten und die Hebung der Industrie und des Wohlstandes der Provinz finden in diesen Zahlen einen entsprechenden Ausdruck. In den Kreisen Buk, Bomst und Meseritz verwerthet der Hopfenbau die Durchforstungs- hölzer gut, und findet durch die Billigkeit der Stangen seinerseits bedeutende Förderung. Für den Holzhandel kommen als Wasserstrassen die Netze, der Brombergeı Kanal und vorzugsweise die Warthe in Betracht, welche als schiffbarer Fluss die Pro- vinz in einer Länge von 35 Meilen durchfliesst und mit der Oder in Verbindung steht, somit den Holzhandel einerseits nach der Ostsee, andererseits nach Berlin vermittelt. Als wichtigere Marktorte für das Holzgeschäft sind Posen, Bromberg und Schwerin zu nennen. Ueber Posen wird ein nicht unbedeutender Einfuhrhandel aus Polen be- trieben, welcher sich im Jahre 1864 auf 20 860 Stück Blöcke oder Balken hartes Holz, 99 ııı Stück Blöcke oder Balken weiches Holz und 15 697 Schiffslast Bohlen, Bretter und Latten belaufen hat. 4. Provinz Brandenburg. Die Mark Brandenburg ist die waldreichste Provinz des Staates, ihr Forstver- hältniss beträgt 32,3; pCt. der Gesammtfläche, übersteigt also das durchschnittliche des Staates sehr beträchtlich. Von den beiden Regierungsbezirken besitzt Frankfurt 35,6, Potsdam aber nur 29,ı pÖt. Wald. Den einzelnen Kreisen nach ist der Südosten der Provinz bei weitem mehr bewaldet, als der Nordwesten. Der Kreis Spremberg hat mit 53,5; pCt. die grösste Waldfläche, ihm nahe stehen Krossen, Sorau, Lübben, Beeskow und Jüterbog, welche sämmtlich zwischen 40 und 50 pÜt. ihrer Gesammtfläche Forst besitzen. Am wenigsten bewaldet ist Prenzlau mit nur 5, pCt., bildet aber darin eine so einzelnstehende Ausnahme, dass die nächst niedrigste Verhältnisszahl Westhavellands schon 19,6 pCt. ist und sich alle anderen Kreise über 20 pCt. erheben. 4503000 Mor- gen der Waldfläche der Provinz lassen sich auf die Ebene, 538 ooo Morgen auf das Hügelland rechnen, 22” 340 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Die Grundstenerreinerträge des Forstlandes stehen für die Provinz durchschnitt- lich und für den Bezirk Potsdam auf ıo, für den Bezirk Frankfurt auf g Sgr. vom Morgen. Von den Kreisen heben sich Angermünde mit 18, Prenzlau mit 17, Soldin mit 16 Sgr. vom Morgen am höchsten. Indess ist in einzelnen, den Niederungen an- gehörigen Klassifikationsdistrikten der Einfluss der Weidenheeger bei sonst wenig be- waldeten Flächen so bedeutend, dass der Durchschnitt im Oder- und Warthebruch etwa 25 Sgr., in der Lebuser Niederung sogar 35 Sgr. beträgt. Die geringsten Durchschnitts- sätze zeigen Züllichau, Sternberg, Sorau mit nur 6 Sgr., Krossen, Guben, Jüterbog, Teltow, Ostpriegnitz mit 7 Sgr. — Die herrschende Waldart ist überall die Kiefer, die indess auf den besseren Böden mit Eichen, Buchen, Birken, im südlichen Theile des Frankfurter Bezirks hin und wieder auch mit Fichten und vereinzelt mit Tannen durchsprengt ist. Auch Lärche und Weihmuthskiefer kommen in einzelnen kleinen Beständen und eingesprengt vor. Etwa %ıo der Waldfläche darf auf das Nadelholz gerechnet werden. Von dem letzten Zehntel ist der grössere Theil Buchenhochwald. Derselbe findet sich theils rein, theils mit Eichen und anderen Holzarten durchsprengt und nicht selten von vorzüglichem Wuchse hauptsächlich in Friedeberg und Landsberg, und links der Oder in den nach Pommern und der Mecklenburger Grenze sich hinziehenden Kreisen. In den Elb- und Oderniederungen bestehen vorzügliche Weidenheeger. Eichen- Hoch- und Mittelwaldungen mit Eschen, Rüstern, Aspen und allen im Auboden gewöhn- lichen Straucharten als Unterholz finden sich hier nur in geringem Umfange. Eine grössere Gesammtfläche nehmen die vielfach in einzelnen Parzellen, im Spreewalde aber auch in grösseren Komplexen vorkommenden gemischten Erlen- und Birkenbestände ein, welche, nicht selten mit Eichen, Eschen, Rüstern und anderen Laubhölzern durch- sprengt, meist als Schlagholz bewirthschaftet werden. Endlich hat auch der Eichen- schälwald in neuerer Zeit, namentlich im Frankfurter Bezirke, einige Ausdehnung gewonnen. — Die klimatischen Verhältnisse der Provinz können fast durchweg als dem Wald- bau günstig bezeichnet werden, soweit nicht in einigen Sandgegenden allzugrosse Trockenheit dem Gedeihen der Kulturen hinderlich wird. An Kalamitäten, welche den Wald bedrohen, haben sich in manchen Theilen der Provinz neben Dürre namentlich Insektenschäden nachtheilig gezeigt. Von den Insekten sind Kiefernspinner, Eule und Spanner, auch Nonne, nicht selten in grosser Vermehrung aufgetreten, haben aber Bestandsvernichtungen in grösserem Umfange nicht herbeigeführt. Dagegen haben die Schäden durch Maikäferlarven in neuerer Zeit eine sehr zu be- klagende Ausdehnung gewonnen; es wurden selbst auf grösseren Flächen voll bestandene Kiefernanlagen noch bis zum rojährigen Alter zerstört. Die Waldwirthschaft in der Provinz ist daher eifrig bemüht, dieser Gefahr entgegen zu wirken. — Die Provinz Brandenburg hat sehr günstige Holzabsatzverhältnisse und hohe Holzpreise. Während die Kornpreise ziemlich genau den Durchschnittssatz für die Monarchie bilden, stehen die Holzpreise, namentlich für Brennholz, weit über dem Durchschnitte des Staates. Wesentlich bestimmend ist dafür der enorme Nutz- und Brennholzbedarf der Stadt Berlin. Dieser Einfluss ist um so stärker, als die Provinz ausserdem eine Anzahl grösserer Städte mit entwickelter Industrie enthält, welche die Konkurrenz für den Holzabsatz steigern. Dazu kommt, dass dem Transporte durch Landstrassen und Eisenbahnen, namentlich aber durch Wasserwege, Mittel von grösserer XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthsehaftung und Nutzungen. 34 Vollständigkeit und weitgreifenderer Verzweigung geboten sind, als sie andere "Theile des Staatsgebietes besitzen. Nicht nur dass Elbe und Oder die Provinz berühren oder durchschneiden und nebst Havel und Spree durch Kanalsysteme mit Berlin ver- bunden sind, es erleichtert auch eine grosse Anzahl kleinerer, meist wenigstens flöss- barer Nebenflüsse und schiffbarer Gräben, welche die Waldungen der Provinz nach vielen Richtungen durehkreuzen, die Abfuhr ausserordentlich. Das Holz hat daher, ungeachtet der beträchtlichen Konkurrenz durch Torf, Braun- und Steinkohlen, seinen Preis nicht nur behauptet, sondern bis in die neueste Zeit mehr und mehr gesteigert. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz ergab im Jahre 1865 im Frankfurter Bezirke in den Staatsforsten 2,73 Sgr. gegen 1,4 Sgr. für 1850, und im Potsdamer Be- zirke durchschnittlich 3,23 Sgr. gegen 1,3; Sgr. für 1850; so dass in diesen 15 Jahren eine Steigerung um 77 bezügl. 72 pCt. stattgefunden hat. Die Preise des Nadelholzes erhöhten sich seit 1836 in folgender Weise: Es galt der Kubikfuss Nutzholz die Klafter Scheitholz im Reg.-Bez. 1836 1866 Steigerung 1836 1866 Steigerung Frankfurt 2, Sgr. 3,3 Sgr. 65 pCt. sg Sgr. 130 Sgr. 124 pCt. Potsdam 2,5 „ allen B2S SSe> Tos m, 98 „ Die Preise stehen zur Zeit in Berlin für Scheitholz besserer Qualität bei Buchen auf 13 — 14, Eichen ı2, Birken ı2, Elsen ıı, Kiefern ıo Thlr. für die Klafter, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass durch loses Setzen der Klaftern deren Holz- massengehalt um 15 — 20 pÜt. geringer ist, als im Walde. Die Erscheinung, dass die Brennholzpreise verhältnissmässig weit mehr sich erhöht haben, als die Nutzholzpreise, ist um so auffallender, wenn man berücksichtigt, wie sehr sich die Kohlenzufuhr aus Böhmen, Schlesien und Westfalen durch die Eisenbahnen vermehrt, und wie beträchtlich die Förderung von Braunkohlen innerhalb der Provinz selbst zugenommen hat. Nach Abzug der wieder ausgeführten Quantitäten ist an Brennmaterial in Berlin eingeführt worden: Auf Land- und Wasserwegen Auf Eisenbahnen Zusammen Im Stein- und Bieon Stein- und Stein- und renn- Jahre Brennholz Torf Braunkohlen hol Torf |Braunkohlenf Brennholz Torf Braunkohlen olz und Coaks und Coaks | und Coaks Klafter Klafter Tonnen Klafter | Klafter Tonnen Klafter Klafter | Tonnen 183 686 | 125 492 | 1567 3241 850| ı15 | 4291761 184 536| 125 607 IR; 996 500 169 724 | 109780 1292796] 705| 15 | 667773] 170429 | 109795 | 1 960 569 167011 | 100287 1479230| 899| 14 |1083 570| 167 9710| 100301 | 2 562 800 170642 118314 | 1114049| 761, 3 |1366621| 171403 | 118317 | 2480 670 208 846 | 118894 | 599 276| 1013 | 5 |2147 7764| 209859 | 118 899 | 2 747 040 148739 | 102427 | 927489| 1006 5 |2279541| 1497745 | 102.432 | 3 207 030 l I \ j Die Brennholz- und Torfzufuhr ist hiernach, wenn man für das Holz die bei- den letzten Jahre zusammenfasst, um etwas gesunken, im Jahre 1865 hauptsächlich wohl in Folge der durch Wassermangel herbeigeführten Erschwerung der Schifffahrt, die Kohlenzufuhr dagegen ist gestiegen, und aus dem eben erwähnten Grunde in den letzten beiden Jahren hauptsächlich durch die Eisenbahnen übernommen. Dass gleich- 32 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. wohl diese Konkurrenz das Brennholz kaum etwas zurückzudrängen vermocht hat, dass vielmehr die Brennholzpreise im Walde noch gestiegen sind, findet seine Erklärung theils in dem Umstande, dass für manche industrielle Bedürfnisse Berlins das Brenn- holz unentbehrlich, für Zimmerfeuerung aber nach hergebrachter Gewohnheit immer noch sehr gesucht ist, theils in dem Umstande, dass in den Forsten selbst für die Er- leichterung des Holztransports nach den Einschiffungsplätzen Manches geschehen, der Trausportaufwand also vermindert und diese Ersparniss den Waldpreisen zu Gute ge- kommen ist. Einigen Einfluss mag auch der Umstand üben, dass gegenwärtig mehr Nutzholz ausgehalten und, auch wenn es nicht ganz fehlerfrei ist, doch noch als Nutz- holz verwerthet, hierdurch aber das Scheitholzangebot etwas vermindert wird. In dem Rückgange der durchschnittlichen Qualität des Nutzholzes und in auswärtiger Konkur- renz wird man aber den Grund dafür suchen müssen, dass die Preise desselben ver- hältnissmässig weniger gestiegen sind, als die des Brennholzes. Theils ist die Wahr- nehmung gemacht worden, dass die Stärke der Nutzstämme, welche nach Berlin gelangen, seit ro Jahren in dem Verhältnisse von 3 zu 2 abgenommen hat, und dass die Hölzer für feine Tischlerarbeiten, welche bei der umfangreichen Möbelfabrikation Ber- lins besonders gesucht sind, immer seltener werden; theils wird gegenwärtig in Berlin viel Fichtenholz aus Mähren und Galizien verbaut, weil es billiger ‚als das einhei- mische Kiefernholz ist. Die Hauptplätze für den Holzhandel der Provinz sind Berlin, Liepe a. d. Oder, Spandau und Brieskow. Ueber Berlin geht ein nicht unbedeutender Handel mit Schiffs- bauholz nach Hamburg. 5. Provinz Schlesien. Das Verhältniss des Forstlandes in Schlesien ist zwar für die Provinz durch- schnittlich 29,7 pCt. der Gesammtfläche, und Oberschlesien steht mit 31,. pCt. diesem Durchschnitt nahe, der Regierungsbezirk Breslau aber sinkt bis auf 21, während der Regierungsbezirk Liegnitz 36,6 pCt. erreicht. Die Gegensätze zwischen den einzelnen Kreisen lassen sich im allgemeinen dahin zusammenfassen, dass die stärkste Bewaldung in Oberschlesien auf dem schlesischen Landrücken und dem Kohlengebirge, in Nieder- schlesien in den ausgedehnten Heidegegenden der Oberlausitz und auf dem Riesenkamme besteht, dass dagegen die geringste Waldfläche überall in dem zusammenhängenden Striche der fruchtbarsten Kreise von Leobschütz bis nach Hainau, welche Bd.I. S. 256 nennt, zu suchen ist. Die ausgedehntesten Forsten besitzt Rothenburg mit 54, und das an- grenzende Hoyerswerda mit 54,1: pÜt., auch Sagan und Lublinitz erheben sich über 51, Hirschberg auf 49 pCt. Dagegen zeigt Leobschütz trotz seiner Gebirgslage die bei weitem geringste Waldfläche von nur 5 pCt., und ihm stehen nur Strehlen, Nimptsch, Breslau und Striegau mit 65—1o pCt, nahe. Etwa 732 000 Morgen der schlesischen Waldungen lassen sich als Gebirgsforsten, ı 560 000 Morgen als im Hügellande, und 2378 000 Morgen als in der Ebene belegen, bezeichnen. Der Grundstenerreinertrag des Forstlandes der Provinz ist durchschnittlich ır Sgr. vom Morgen, Oberschlesien und Niederschlesien erreichen nur 10, der Regie- rungsbezirk Breslau dagegen ı4 Sgr. Von den einzelnen Kreisen steht Breslau mit 31 Sgr. am höchsten, ihm kommen nur Neumarkt und Striegau mit 28 Sgr. nahe. Die obengedachten waldarmen aber fruchtbaren Kreise zwischen Leobschütz und Hainau XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 343 stehen durchschnittlich zwischen 20 und 24 Sgr. Reinertragsschätzung vom Morgen. Die geringsten Werthe treten in Lublinitz mit 5 und Rosenberg mit 6 Sgr. auf. Pless, Rybnik, Gleiwitz, Gr.-Strehlitz in Oberschlesien, Wartenberg und Glatz in Mittelschle- sien, und Hirschberg, Rothenburg, Hoyerswerda, Sprottau, Sagan, Freistadt und Grün- berg in Niederschlesien schwanken nur zwischen 7 und g Sgr. vom Morgen. — Die in der Provinz im grössten Umfange auftretende Waldart ist der Kiefernhoch- wald. Auf dem gesammten schlesischen Landrücken und in den Heidedistriekten zwi- schen Sagan, Sprottau, Bunzlau, Görlitz und Rothenburg herrscht er unbedingt. In Oberschlesien stehen die besonders rechts der Oder zusammengedrängten Kiefernwal- dungen in grösserer Ausdehnung auf frischerem Boden und sind desshalb mehr mit Fichten oder Tannen gemischt, vielfach auch mit Eichen und Birken durchsprengt. In den Gebirgsforsten herrscht die Fichte. Der Beginn der Knieholzregion schwankt auf dem Kamme des Hochgebirges zwischen 3 400 und 3 800 Fuss und es finden sich hier Torfmoore, kahle Steintrümmer und beraste Gipfel, welche der Wald- kultur unzugänglich sind. Die Fichte kommt in allen Theilen des Gebirges häufig rein, nicht selten aber mit Tannen und Kiefern gemischt, vor. In den milderen Lagen treten neben den Nadelhölzern Eichen, Buchen und Birken auf, und die Vorberge des Lieg- nitzer und Breslauer Bezirks haben an einigen Orten vorzügliche reine Buchenwal- dungen aufzuweisen. Erle und Birke sind als Bestand zahlreicher Bruchflächen über die gesammte Provinz verbreitet. Die Flussthäler, namentlich der Oder und Neisse, ent- halten ziemlich umfangreiche Mittelwaldungen, in denen die Eiche neben Esche und Ulme und den übrigen Holzarten des Aubodens vorzügliches Gedeihen zeigt. Ausser den zwischen der Oder und dem Hochgebirge häufig vorkommenden ge- mischten Niederwaldungen, welche meist aus Hainbuchen, Buchen, Birken, Erlen, Eichen, Haseln- und anderen Sträuchern bestehen, finden sich im Liegnitzer und Breslauer Be- zirke, in den Kreisen Jauer, Schönau, Bolkenhain, Waldenburg, Breslau, auch Eichen- schälwaldungen von ziemlichem Umfange und recht guter Beschaffenheit. Ebenso fehlt es in den Stromgebieten nicht an vorzüglichen Weidenheegern. — Aussergewöhnliche Kalamitäten treten der Holzzucht und Forstpflege in Schle- sien nicht entgegen. Das Klima äussert im wesentlichen nur im Hochgebirge erschwerenden Einfluss auf die Waldwirthschaft. Es bleibt auch in Oberschlesien trotz der höheren Lage und trotz des ungünstigen Einflusses der gegen Süden vorliegenden mährischen Gebirge für den Waldbau ohne fühlbare Nachtheile, die Ebenen und das Hügelland des Breslauer und Liegnitzer Bezirkes aber sind erheblich milder und für Zuwachs und Forstkul- turen förderlicher. — In Betreff des Absatzes erfreut sich die Provinz schon seit längerer Zeit ziemlich günstiger Verhältnisse. Das grössere Angebot einer Waldfläche von 29,7 pCt. wird zum Theil ausgeglichen durch die aus der dichten Bevölkerung und ausgedehnten Industrie folgende stärkere Nachfrage und durch gut entwickelte Verkehrswege. Auch schliesst die die ganze Provinz der Länge nach durchströmende Oder mit ihren zahlreichen Nebenflüssen und einigen künstlichen Flussstrassen die grösseren Waldkomplexe der Ebene wie der Gebirge für den Holzabsatz auf. Diese Zugänglichkeit gleicht den Druck ziemlich aus, den der Steinkohlenreichthum der Provinz auf die Brennholzkon- sumtion übt, zumal der Bergbau und die Eisenbahnen in grösserem Masse die Nutz- holzkonsumtion vermehren, 344 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz aus den Staatsforsten stellte sich im Jahre 1865 durchschnittlich für den Regierungsbezirk Breslau auf 2, Sgr., Liegnitz auf 3,03 Sgr., Oppeln auf 1,36 Sgr., und im Vergleich gegen das Jahr 1850 um 43, 83 und 13 pCt. höher. In den Preisen für Nadelholz ergab sich gegen 1836 folgende Steigerung: Es stand der Kubikfuss Nutzholz die Klafter Scheitholz im Reg.-Bez. 1836 1866 Steigerung 1836 1366 Steigerung Oppeln 1, Sgr. 2, Sgr. 47 pCt. 63 Sgr. 107 Sgr. 70 plt. Breslau 16 „ 30 9» 8 „ RE) IIO „ 43005 Liegnitz 17 » 35» 106 „ 73 n 143 nm 96 „ Während im Breslauer und Liegnitzer Bezirke das Nutzholz im Preise mehr ge- stiegen ist, als das Brennholz, trat im Oppelner das umgekehrte Verhältniss ein. Jenes findet seine Begründung in der Steinkohlenzufuhr und in dem vermehrten Bauholzkon- sum, dieses lässt sich nur daraus erklären, dass die Hauptmasse der betreffenden Staatsforsten rechts der Oder dem Kohlengebiete weniger nahe liegt, und durch die dortigen Flössanstalten Transportmittel besitzt, die für den Nutzholzabsatz erheblich weniger nutzbar sind, als für das Brennholz; auch hat hier die Verwerthung des letz- teren bisher durch das Bestehen industrieller Anlagen mit starkem Brenn- nnd Kohl- holzverbrauch Unterstützung gefunden. Ueberhaupt aber ist in Betracht zu ziehen, dass die bedeutende Waldfläche Oberschlesiens in grossen Massen in Kreisen zusammen liegt, deren Bevölkerungs- und Verkehrsverhältnisse am wenigsten entwickelt sind, und dass ausserdem die Konkurrenz der polnischen und österreichischen Hölzer für den Oppelner Bezirk, namentlich auch bei den Grubenhölzern, mehr ins Gewicht fällt, als für die übrigen Theile Schlesiens. Daraus wird auch die erhebliche Steigerung in der Differenz der Preise zwischen den drei Bezirken erklärlich. Als Hauptplätze für den Holzhandel sind Breslau und Gleiwitz zu nennen. Die Verwendung von Holz zu verschiedenen industriellen Zwecken, namentlich zu Holz- schachteln und zu Streichhölzern, ebenso zu Holzpantoffeln und zu garnirten Stöcken, ist in den schlesischen Gebirgsgegenden beträchtlich; auch die Verarbeitung für die Papierfabrikation ist hier sehr bedeutend. Die Provinz zählt ı5 Fabriken von Holzmehl und Holzmasse, die Preise stellten sich im Jahre 1864 für den Centner Holzmehl auf ı—ı'Y, Thlr., für den Centner Holzmasse 4Y/»—5 Thlr. Endlich ist auch die Holz- stiftfabrikation namentlich in Schweidnitz erwähnenswerth. Die grössere dortige Fabrik verarbeitete im Jahre 1864 etwa 5 300 Kubikfuss Ahorn zu 42000 Metzen oder 84 000 Pfund Stiften und zahlte dafür 2 200 Thlr. Arbeitslohn. Eine andere Fabrik fertigte 5 892 Metzen oder 11 792 Pfund Stifte und verkaufte das Pfund durchschnittlich zu 3 Sgr. Ein Kubikfuss Ahorn ergab durchschnittlich 5, Metzen oder ı0Y, Pfund Stifte. Der Absatz geht nach allen Provinzen Preussens und nach Russland. 6. Provinz Sachsen. Das Verhältniss der Waldungen zur Gesammtfläche ist in der Provinz 20 pCt., im Bezirk Magdeburg 20,:, im Bezirk Merseburg 18,6, im Bezirk Erfurt 23,; pCt. Von den einzelnen Kreisen besitzen Schleusingen 59, und Wernigerode 51,4 pCt. Alle übrigen stehen dagegen weit zurück, selbst Ziegenrück und die Kreise am Harz und Fläming XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 345 haben nicht über 34 pCt. Von der Hauptmasse der fruchtbarsten Kreise aber, Weissen- see, Eckartsberga, Weissenfels, Merseburg, Halle, Saalkreis, Halberstadt, Wanzleben, erhebt sich keiner über 5 pCt., viele erreiehen nicht 3 pCt., der Mansfelder See- kreis nur 1,3. Sämmtliche Waldungen der Provinz vertheilen sich mit etwa 273 000 Morgen auf das Gebirge, 431 000 Morgen auf das Hügelland und 1271000 Morgen auf die Ebene. Die Grundsteuerreinerträge des Forstlandes sind im Durchschnitt der Provinz 18 Sgr. vom Morgen, und zwar im Bezirk Magdeburg 16, in Merseburg 20, in Erfurt 23. Den einzelnen Kreisen nach sind sie der oft sehr geringen Flächen wegen sehr ver- schieden. Die höchsten Sätze zeigen Halle mit rır Sgr., Magdeburg mit 87, Wanz- leben mit 60, Merseburg mit 53 Sgr., und auch Kalbe, Oschersleben, der Saalkreis und Zeitz erheben sich über 45 Sgr., Weissensee, Langensalza, Erfurt, Eckartsberga, der Mansfelder Gebirgskreis, Halberstadt und Wernigerode über 30 Sgr. Dagegen erreichen Jerichow II. nur 8 Sgr., Salzwedel und Schweinitz nur 9, und Gardelegen, Jerichow I., Osterburg, Stendal, Liebenwerda stehen zwischen ro und 14 Sgr.; Schleusingen zeigt ı5 Sgr. Durehschnitt vom Morgen. — Die herrschende Holzart ist in den Ebenen die Kiefer, die nicht selten mit Eichen, häufig mit Birken und in den Einsenkungen mit Erlen gemischt steht. Ausserdem nehmen Erlen- und Birkenniederwald mit verschiedenen Straucharten namentlich Faul- baum durehwachsen in den tiefer gelegenen Gegenden nicht unbedeutende Flächen ein. Die Waldungen der Flussthäler sind meist Eichen-Hochwald oder Mittelwaldungen, in denen Eiche und Rüster dominiren, Esche, Ahorn, Aspe und die gewöhnlichen Strauch- arten den Neben- und Unterstand bilden. Umfangreiche Weidenheeger, welche an der Elbe, Mulde und Saale ein Material von vorzüglicher Beschaffenheit sogar für den über- seeischen Handel liefern, bedecken die tiefer gelegenen Stellen der Stromwaldungen. Im Hügelland ist der Buchen-Hochwald die herrschende Waldart, häufig mit Eichen und Ahorn durchsprengt und in Mittelwald übergehend, dem Buche, Hainbuche, Hasel und andere Straucharten zum Schlagholz dienen. Auch der Eichenschälwald ist in einigen Gegenden der Provinz, jedoch nur in geringem Umfange vertreten. Das Gebirge zeigt in den Vorbergen noch Buchen-Hochwald, dem die Fichte sich beigesellt; in den höheren Lagen gelangt die Fichte ausschliesslich zur Herrschaft, in Thüringen häufig mit Weisstannen durchsprengt. Am Harz geht der Buchenhhochwald, der sich überall durch besondere Schönheit auszeichnet, nur bis zu 1600, auf der Süd- seite auch bis 1800 Fuss, am Thüringerwalde noch bis zu 2500 Fuss Meereshöhe. Die Fichte bewaldet hier selbst die höchsten Punkte, während sie am Harze bei 3000 Fuss und in exponirten Lagen schon früher anfängt strauchartig zu werden und an der Höhe des Brockens ganz verschwindet. Von der gesammten Waldfläche der Provinz ist ungefähr die Hälfte auf den Kiefernhochwald und von der anderen Hälfte '\; auf die Fichte und %, auf das Laub- holz zu rechnen. — Die Klimatischen Verhältnisse der Provinz sind zwar im allgemeinen dem Waldbau vortheilhaft; in den höheren Theilen des Harzes und des Thüringer Waldes aber hat er mit den natürlichen Schwierigkeiten der Lage zu kämpfen; am wenigsten günstig ist auch für die Waldwirthschaft das rauhe Klima des Eichsfeldes, welches häufig nachtheilige Spätfröste herbeiführt. Auch manche beondere Forstkalamitäten treten in grösserer Ausdehnung auf 346 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Im Flachlande des Merseburger Bezirks rechts der Elbe ist es namentlich der Kiefern- spinner, welcher aller dagegen angewandten Mittel ungeachtet auf dem ärmeren Boden der Kiefernforsten wiederholt bedeutende Flächen des Holzbestandes beraubt hat. Daneben machen sich im gesammten Flachlande der Provinz Maikäferschäden in empfind- licher Weise bemerkbar. In den Flussniederungen erschweren Ueberschwemmungen und Eisgang den Wirthschaftsbetrieb, sind aber für den Wuchs des Holzes mehr förderlich als nachtheilig. Im Hügellande haben die West- und Südhänge, namentlich auf Sand und Kalk, durch aushagernde Winde, Wegwehen des Laubes und Spätfröste zu leiden, und die steil geneigten Abhänge bedürfen eines steten, unter Umständen durch Plenter- oder Niederwaldbetrieb zu erhaltenden Waldschutzes, um nieht durch Bodenabschwemmung und Wasserrisse verödet zu werden. . Im Harze wird der Holzwuchs der exponirten Höhenlagen besonders durch die heftigen und andauernden Winde gefährdet, und hier sowohl als im Thüringerwalde sind Sturmschäden, Schnee- und Eisbruch und in ihrem Gefolge der Borkenkäfer Uebel, denen die Aufmerksamkeit des Forstwirths unausgesetzt zugewendet sein muss. — Die Holzabsatzverhältnisse und Holzpreise in der Provinz Sachsen haben schon seit längerer Zeit einen sehr günstigen Stand eingenommen, so dass sie zu den besten in der Monarchie zählen. Es sind daher die schon früher gut entwickelten Preise in den letzten Jahren nicht so beträchtlich, wie anderwärts gestiegen. Die Verwerthung eines Kubikfusses Holzmasse in den Staatsforsten ist im Regierungsbezirk Magdeburg für 1850 mit 2,9, für 1865 mit 3,57 Sgr. » » Merseburg „ 5 » 243» » 292 nm = 5 Erfurt, N ee En) erfolgt, es hat also die Steigerung 25 bezügl. 19 und 81 pÜt. betragen. Die stärkere Erhöhung im Erfurter Bezirke ist eine Fofge allmählicher Beseitigung der aus früherer Zeit her- rührenden unzweckmässigen Holzverkaufsweise mit sehr weitgehenden freihändigen Holz- abgaben für geringe Taxen, an deren Stelle mehr und mehr der Lizitationsverkauf eingeführt wird. Die Preise für Nadelholz haben betragen: für den Kubikfuss Nutzholz mittlerer Stärke für die Klafter Scheitholz im Reg.-Bez. 1836 1866 Steigerung 1836 1566 Steigerung Magdeburg 2, Sgr. 4, gr. 54 pCt. 103 Sgr. 153 Sgr. 48 pCt. Merseburg 23 43 » 43% gI „ 77008 8 Erfurt 2,7 % A7n 745 55 1OR m 85 n Es tritt in diesen Zahlen für den Magdeburger Bezirk die beträchtliche Kon- kurrenz der Braun- und Steinkohle hervor, die zwar auch im Merseburger Bezirke stattfindet, hier aber nicht in gleicher Weise zur Geltung gelangt, theils weil die Absatzwege für die Kohlen weniger entwickelt sind, theils weil noch die Brennholz- konsumtion Leipzigs wesentlich mit ins Gewicht fällt. Das Zurückbleiben der Preise im Erfurter Bezirke beruht hauptsächlich in der vorerwähnten, mangelhaften Holz- verwerthungsweise in den Schleusinger Forsten und im Eichsfelde, deren Beseitigung nur nach und nach erreicht werden kann. Die günstige Gestaltung der Absatzverhältnisse hat ihre Gründe in den Wasser- wegen der Elbe mit ihren Nebenflüssen und Kanalverbindungen, in der entwickelten Industrie und in der im ganzen nicht zu verkennenden Wohlhabenheit der ländlichen Bevölkerung in den fruchtbaren Landstrichen dieser Provinz, XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 347 Hauptstapelplatz für den Holzhandel ist Magdeburg vermöge seiner Lage an der Elbe und als Knotenpunkt mehrerer Eisenbahnen geworden. Die Elbe vermittelt die Anfuhr von inländischen und namentlich auch von böhmischen Hölzern, welche theils auf dem Strome weiter nach Hamburg gehen, theils von den Bahnen nach dem Braun- schweigischen, Hannöverschen, sogar nach Westfalen und bis nahe an den Harz ver- fahren werden, wo das böhmische Holz geringer Sortimente oft noch billiger, als das Holz aus den Harzforsten ist. Auch Halle, wo Fournierschneiderei und Möbelfabrikation in gutem Gange sind, gestaltet sich zu einem nicht unbedeutenden Orte für den Holzhandel, der seine Zu- fuhren aus Thüringen oder in neuerer Zeit überwiegend die Saale aufwärts von der Elbe erhält und zugleich durch die Eisenbahn mit Brettern und schwachen Hölzern von Riesa, Chemnitz u. s. w. versorgt wird. Abwärts geht von Halle hauptsächlich nur Eichen-Scehiffsbauholz nach Hamburg. Den Holzhandel aus Thüringen nach der Ebene vermittelt vorzugsweise Erfurt, wo ebenso, wie in Mühlhausen, eine bedeutende Möbel- und Goldleistenfabrikation be- trieben wird. Im übrigen geht aus den Forsten des Thüringerwaldes viel geringes Bauholz nach Hessen und Westfalen. Ein nicht unbedeutender Handelsartikel in der Provinz Sachsen sind Reifstäbe und Korbruthen, welche aus den Mulde-, Saal- und Elbgegenden in grossen Massen nach Hamburg verkauft werden und dort zum Theil in den überseeischen Export gehen. 71. Provinz Westfalen. Dem Gesammtverhältnisse nach nehmen die Waldungen 27,9 pCt. der Fläche der Provinz ein; während aber die Regierungsbezirke Münster nur ı8,; und Minden 20,4 pCt. erreichen, bildet Arnsberg mit 41,9, pCt. den waldreichsten aller Bezirke im Staate. Es drängt sich desshalb auch den einzelnen Kreisen nach die Hauptmasse der Forsten im Süden der Provinz zusammen, der Kreis Siegen steigt zu 72, pCt., Olpe zu 65 pÜt., Altena, Wittgenstein, Arnsberg wenigstens über 5opÜt. Dagegen erhebt sich in Münster und Minden nur Büren zu 30,4, Warendorf, Recklinghausen, Münster, Bielefeld, Halle, Höxter, Warburg und Wiedenbrück zu 20— 30 pÜt. Die geringste Waldfläche zeigt Hamm mit gleichwohl noch ro, pCt.; diesem Satze nahe stehen Lübbecke, Minden, Herford, Ahaus, Beckum, Steinfurt und Lippstadt mit bis zu ı5 pCt. Es kommt darin die bekannte landschaftlich schöne Vertheilung der keineswegs grossen Forstfläche in beiden Regierungsbezirken zum Ausdruck. Von der gesammten Waldfläche der Provinz lassen sich ı 241 000 Morgen zum Gebirge, 387 000 Morgen zum Hügellande, 547 000 Morgen zur Ebene rechnen. Den Grundsteuerreinerträgen nach steht der Bezirk Minden auf 20, Münster auf 19, Arnsberg nur -auf 13 und der Gesammtdurchschnitt der Provinz desshalb auf 16 Sgr. vom Morgen Forstland. Die stärkste Produktionsfähigkeit besitzen leichtver- ständlich die fruchtbaren und industriereichen Gegenden am Haarstrang. Die höchsten Sätze haben Dortmund mit 38, Hamm mit 36 Sgr.; ihnen nahe stehen Beckum, Lüding- hausen, Bochum und Herford. Bei weitem die niedrigsten Durchschnittserträge finden sich dagegen auf dem Arnsbergischen Grauwackengebirge; Olpe und Meschede haben nur 8, Altena 9, Wittgenstein ro Sgr. Durchschnitt; indess stehen ihnen auch im Westen Tecklenburg mit ır, Warendorf und Wiedenbrück mit ı2 Sgr. nahe. — 348 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Feuchtes Klima und wenigstens in den Ebenen geringe Witterungsextreme wirken mit ziemlich geeigneten Böden zusammen, um den Waldwuchs Westfalens zu begünstigen und namentlich auch dem Laubholze vorzügliche Entwickelung zu gestatten. Hauptwaldart der Provinz ist desshalb der Buchenhochwald. Er ist in den meisten nicht zu hohen Lagen mit Eichen stark besprengt, und im ganzen von gutem Schlusse, allerdings aber auch, namentlich in den durch Theilung in den Privatbesitz übergegan- genen Markenwaldungen, wegen regelloser Plenterwirthschaft theilweis devastirt, und an manchen Orten, besonders auf den Bergzügen des Wiehengebirges und des westlichen Theiles des Teutoburgerwaldes, bis zum Buchenniederwald herabgesetzt. Hier sind die früher gemeinschaftlichen Buchenhochwaldungen von vorzüglicher Beschaffenheit‘ schon vor langer Zeit unter die Theilhaber leider in der Weise der grossen Gewanne (Bd. I. S. 352) getheilt, so dass jedem Besitzer sein Antheil in einem schmalen, über Berg und Thal fortlaufenden Streifen angewiesen, und dadurch eine angemessene forstliche Be- nutzung. völlig unmöglich gemacht ist. Dagegen haben die starkbewaldeten Kreise des Paderborner Gebirgslandes und die besseren Lagen in den Arnsberger Gebirgskreisen die schönsten Buchenhochwaldungen aufzuweisen, in denen sich noch bis zu 2550 Fuss Höhe, wie auf dem Schlossberge bei Glindfeld, sehr wohlgelungene Buchenverjüngungen neben guten alten Beständen zeigen. Nächst der Buche ist die Eiche die in Westfalen am meisten vertretene Holzart. Sie findet sich von ausgezeichnetem Wuchse und vorzüglicher Beschaffenheit im Hoch- wald-, im Pflanzenwald- und im Mittelwaldbetriebe hauptsächlich auf dem Flachlande nördlich des Hellwegs und Haarstranges bis hinauf in die fruchtbaren Thäler des Ge- birgslandes, meist jedoch nur in einzelnen Waldparzellen, von denen das Welwersche Holz bei Soest und der Wolbecker Thiergarten bei Münster je von 1000 Morgen besondere Erwähnung verdienen. 3 Morgen des ersteren lieferten vor einigen Jahren beim Abtriebe einen Ertrag von etwa 3000 Thälern aus dem Holze. Die Eiche zeigt in den Ebenen Westfalens fast überall ein Gedeihen, wie solches in anderen Provinzen des Staates kaum zu finden ist. Auch ausserhalb der eigentlichen Waldungen steht sie bei den Höfen der Kolonate in den schönsten und stärksten Exemplaren, welche der Stolz der Besitzer sind. Die übrigen Laubhölzer kommen nur in untergeordneter Bedeutung vor: Ahorn, nicht selten reichlich im Buchenhochwalde eingesprengt, bis zu den höchsten Gebirgs- lagen, namentlich an der Lenne; Eschen in den fruchtbaren Thälern der Gebirge und den frischen Lagen des besseren Bodens der Ebene; Erlen auf den einzelnen Bruch- flächen; und Birken in den Hoch- und Mittelwaldungen eingesprengt, hauptsächlich aber in den devastirten früheren Buchenhochwaldungen reichlich angesiedelt, oder als Haupt- bestandtheil in den umfangreichen Niederwaldungen der Bd. I. 8. 349 und II. S. 198 näher besprochenen Hauberge. Die Haubergswirthschaft ist mit einer Fläche von etwa 200000 Morgen am meisten in den Kreisen Siegen und Olpe und deren nächsten Um- gebungen vertreten. Je nachdem in ihrem Bestande Eichen oder Birken mehr vor- herrschen, sind die Hauberge besser oder geringer. Die Nadelhölzer in Westfalen sind, von den Heidestrichen abgesehen, erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts angebaut. Die Kiefer ist im grösseren Umfange in den sandigen Theilen des Münsterlandes und des Mindener Bezirks, die Fichte als Mittel zur Auf- forstung verarmter Flächen im Gebirge, die Lärche sowohl in der Ebene wie im Ge- birge, häufig auch eingebaut in den Mittelwaldungen des Hügellandes, zur Anwendung XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 349 gekommen. Die Lärche zeigt meist geringes Gedeihen, und stirbt in der Regel mit 30 bis go Jahren ab, Fichte und Kiefer gewinnen dagegen an Ausdehnung, und erstere erscheint in der That als das geeignetste Mittel, um die aus den Markenwaldungen hervorgegangenen Oedlandsflächen wieder zu bewalden; nach den bisherigen Erfahrungen erlangen aber auch Fichte und Kiefer in Westfalen schon im 50. bis 70. Jahre ihr Haubarkeitsalter und liefern kein vorzügliches Material. Für den Regierungsbezirk Münster lassen sich nach den Ermittelungen bei der Grundsteuereinschätzung die Flächen der einzelnen Waldarten genau angeben, und zwar mit 62 331 Morgen Eichenhochwald, d. i. 12 pÜt., 25 I4I = Buchenhochwald, d. i. 5 „ 117 118 cn Mittelwald, d.91.1230 15 75 136 & Niederwald, APELTAER, oder 279 726 Morgen Laubholz, d. i. 54 pÜCt., 240 641 = Nadelholz, du. dor, Unter aussergewöhnlichen Kalamitäten haben die Waldungen der Provinz nicht zu leiden. — Die Holzabsatzverhältnisse und Holzpreise sind in den einzelnen Gegenden sehr verschieden, je nachdem die Konkurrenz der Steinkohle den Brennholzpreis mehr oder weniger drückt, und für das sehr gesuchte Nutzholz, namentlich auch Grubenholz, die Transportmittel nach den Industriegegenden mehr oder weniger günstig sind. Für die grösseren Waldkomplexe im Paderbornschen und im Arnsberger Bezirke, welche gegenwärtig noch überwiegend nur Buchenbrenn- und Kohlholz liefern, ergiebt sich in Folge der Steinkohlenkonkurrenz ein sehr niedriger Durchschnittssatz aus der gesammten Holzverwerthung. Die Verwerthung des Kubikfusses Holzmasse erzielte in den Staatsforsten in den Regierungsbezirken Münster 1850 3,36 Sgr., 1865 4,0: Sgr., Minden 1850 1,4 Sgr., 1865 1,94 Sgr., und Arnsberg 1850 1,5: Sgr., 1865 2,0 Sgr. Es hat also die Erhöhung nur 19 bezügl. 34 und ro pCt. betragen, was lediglich auf Rechnung vermehrter Nutzholz- ausbeute und gestiegener Nutzholzpreise zu setzen ist, da die Brennholzpreise im letz- ten Dezennium gesunken sind. Die Nutzholzpreise sind für den Kubikfuss Eichen- Nutzholz mittlerer Dimensionen: im Reg.-Bez. Münster von 2,6 Sgr. im Jahre 1836 gestiegen auf 5,, Sgr. im Jahre 1866, » » » Minden „4 m» nn B) » » 7% n » nn» Arnsberg 8 35 5% » » » ES TE Var a » haben sich also um ır2 bezügl. 60 und 61 pÜt. erhöht. N b2] ” Dagegen sind die Taxpreise für die Klafter Buchenscheitholz im Regierungsbezirk Münster von 102 im Jahre 1836 nur auf 137 Ser. im Jahre 1866, Minden „ 34 » » » ya » Arnsberg „ 93 » » » » »n I24 nn 9 B) » also nur um 34 bezügl. 45 und 33 pÜt. gestiegen, was der Verminderung der Transport- kosten durch sehr umfangreiche Chausseebauten sowohl innerhalb als ausserhalb der Forsten und dem allgemeinen Sinken des Geldwerthes in den letzten 30 Jahren noch bei weitem nicht gleichkommt. Ueberdies findet die Verwerthung des Kohlholzes zu den angegebenen gegenwärtigen Taxen so grosse Schwierigkeit, dass jene Sätze in den Regierungsbezirken Minden und Arnsberg 1866 nicht einmal überall erreicht worden sind. 350 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. In Beziehung auf den Brennholzabsatz steht die Provinz Westfalen der Provinz Preussen am nächsten; während sie rücksichtlich der Nutzholzpreise die höchste Stelle einnimmt. Hierzu trägt wesentlich bei, dass die Steinkohlengruben und Eisenbahnen nebst den damit in Verbindung stehenden industriellen Anlagen, sowie die mit der wachsenden Bevölkerung zunehmenden Häuserbauten grosse (Quantitäten Nutzholz ver- brauchen, dass bei dem Ueberwiegen der Buchenbestände die Nutzholzproduktion in den Forsten der Provinz aber für jetzt, und bis die umfangreichen Nadelholzanlagen der neueren Zeit herangewachsen sein werden, nur gering ist, und in der Hauptsache auf Eichenholz sich beschränkt, welches in der Regel von vorzüglicher Beschaffenheit auch zum Theil als Schiffsbauholz ausgeführt wird, und daher hohe Preise erlangt. Minden, Bielefeld, Hagen, Münster und Siegen sind für den Nutzholzhandel die wichtigsten Orte. Sie beziehen beträchtliche Quantitäten von Nadelnutzholz und Bret- tern theils aus der Ostsee über die nächsten Nordseehäfen, theils vom Oberrhein, wäh- rend Eichenschiffsbauholz auf Weser, Ems und Lippe nach den Nordseehäfen ausgeführt wird. Für die Paderborner und die im Arnsberger Gebirgslande liegenden Forsten ist die Verwendbarkeit des Buchenholzes zu Eisenbahnschwellen eine der wichtigsten Fragen. Bezüglich der Verwendung des Buchenholzes für den Steinkohlenbergbau haben die Erfahrungen im Saarbrückenschen ausser Zweifel gestellt, dass die Buche namentlich zu Stempelholz in den Gruben sehr wohl geeignet ist. Gegenwärtig sind jedoch die Frachtkosten immer noch zu hoch, und bei der unzureichenden Anzahl von Eisenbahnwagen die Transportmittel noch zu beschränkt, um aus den Massenforsten der Provinz geringes Grubenholz den Steinkohlendistrikten zuführen zu können; der Absatz solcher Hölzer aus dem Münsterschen hat sich jedoch in letzter Zeit sehr gehoben. Für den Lohhandel ist Siegen ein Haupthandelsort. s 8. Rheinprovinz. Das Waldverhältniss ist in der Rheinprovinz 30,7; pCt. des Gesammtareals, über- steigt also den Durchschnitt des Staates sehr beträchtlich. Die meisten Waldungen liegen naturgemäss in dem gebirgigen südlichen Theile. Der Regierungsbezirk Düsseldorf be- sitzt an Forst nur 18,4 pCt., Trier dagegen 34,. und Koblenz sogar 41,; pÜt. seiner Gesammtfläche. Etwa 1998 000 Morgen der Waldfläche der Provinz sind als Gebirgs- waldungen, 806 000 Morgen als Wald im Hügellande und 419 000 Morgen als in der Ebene belegen zu rechnen. Im allgemeinen drängen sich die Waldmassen auf den rauhen Höhen der Eifel und des Westerwaldes und Rothhaargebirges zusammen, dagegen sind sie in der milden Rheinebene überall gering, und treten nur im Bruchland und auf den sandigen Hügelzügen dichter auf. Den einzelnen Kreisen nach erreichen nach der Bd. I. S. 288 und I. S. 201 festgehaltenen Trennungslinie zwischen Süd und Nord im Süden Altenkirchen mit 54,8, St. Goar, Zell und Montjoie mit über 50 pCt. die höch- sten Prozentsätze, und Bernkastel, Saarbrücken, Eupen, Gummersbach, Waldbroel, Wipperfürth und Lennep stehen ihnen nahe; kein Kreis aber sinkt unter 22 pOt. Wald- fläche. Im nördlichen Theil dagegen haben Eupen mit 44,9 und Mühlheim mit 37,6 pCt. die grössten Waldflächen, und am Rande des Gebirges erheben sich Rheinbach, Bonn, Aachen, Elberfeld über 25 pÜt., dagegen erreichen aber die meisten Kreise der Ebene nur sehr geringe Prozente, Landkreis Köln, Geilenkirchen, Jülich, Krefeld bleiben unter XXV. Die Forsten naeh Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 351 1o pCt., Neuss unter 5 pCt. und Grevenbroich besitzt Holzungen nur auf 3, pCt. seiner Gesammtiläche. Die @rundsteuerreinerträge des Forstlandes stehen in der Rheinprovinz durch- schnittlich am höchsten im Staate, auf 19 Sgr.; die Bezirke Köln und Aachen sinken auf 16 Sgr., Trier und Düsseldorf heben sich auf 20 und 2ı Sgr., Koblenz steht dem Durchschnitt gleich. Die höheren Reinerträge finden sich entsprechend im nördlichen Theile, Jülich hat 46 Sgr. Durchschnitt, Essen, Düsseldorf, Elberfeld, Krefeld, Glad- bach, Neuss, Grevenbroich, Köln, Bergheim, Aachen steigen sämmtlich über 30 Sgr., am niedrigsten stehen Heinsberg und Erkelenz mit 13 und ı2 Sgr. Im südlichen Theile der Provinz haben Saarbrücken 35, Ottweiler 34 und Stadt Trier 30 Sgr. Durchschnitt; St. Wendel, Kreuznach, Wetzlar bleiben über 25 Sgr., dagegen steht die gesammte Eifel sehr niedrig und Adenau und Montjoie sinken auf 9, Malmedy sogar auf 8 Sgr. vom Morgen. — Als Waldart der Provinz ist im allgemeinen Laubholz weit überwiegend, das vor- handene Nadelholz ist meist erst seit Ende vorigen Jahrhunderts durch Anbau erzielt. Die Waldungen des nördlichen Flachlandes besitzen theilweis nicht unbeträchtliche Hoch- waldsbestände, auf günstigeren Böden von Buchen und Eichen von meist guter, nicht selten vorzüglicher Beschaffenheit, auf den höheren sandigen Strecken von Kiefern. Der grösste Theil der Privatforsten besteht aus gemischtem Mittel- und Niederwald mit den verschiedensten Baum- und Straucharten. Darunter kommen einzelne Eichen- schälwaldungen vor, und die Weidenheeger an den Ufern des Rheins sind ziemlich ausgedehnt und sehr werthvoll. Das ansteigende Gebirgsland des nördlichen Theiles enthält nur noch auf den in die Ebene auslaufenden Hügeln der Tertiärformation einige Eichen- und Buchen- Hochwaldungen mit eingemischten Kiefern- und Fichtenbeständen. Auf den linksrheini- schen Bergen herrscht Buchenhochwald mit Eichen und anderem Laubholz durch- sprengt. Die rechtsrheinischen aber sind überwiegend von Niederwald eingenommen, der durch unregelmässigen Hieb des Holzes, durch Streurechen, Plaggenhieb und Weidegang mehr oder weniger devastirt ist. Eichen-, Buchen- und Birkengestrüpp bildet den Hauptbestand dieser grossen Gebirgsflächen. Nur in einigen muldenförmigen Einsenkungen und auf einzelnen dem Staate, den Gemeinden oder grossen Grund- besitzern gehörenden Streeken zeigt der sehr gute Wuchs der Eichen- und Buchen- Hochwaldbestände, was durch eine bessere Bewirthschaftung erreicht werden könnte. Seit einiger Zeit sind hier mit günstigem Erfolge auch Fichtenanlagen versucht worden. Im südlichen Theile der Provinz sind auf den Hochflächen des Westerwaldes und der Eifel die Hauberge und Wildländereien sehr verbreitet. Wie ihre Wirthschaft betrieben wird, und wie nahe dieselbe mit dem Bestehen zahlreicher kleiner Nahrungen verknüpft ist, hat Bd. II. S. 206 näher gezeigt. Man kann nicht sagen, dass ihr Zu- stand forstlich überall befriedigend ist, häufig sind sie bis zu sehr geringem Schiffel- lande herabgekommen. Im allgemeinen aber wird dem Betriebe von den Interessenten eine gewisse Sorgfalt, namentlich auch in Behandung des Hiebes an den Stubben, zu- gewendet, und die Lohenutzung möglichst wahrgenommen. In grosser Ausdehnung, besonders in den Stromthälern und Seitenschluchten der Weingegenden, sind die Loh- hecken sogar von vorzüglicher Beschaffenheit. Am meisten zeichnen sich die Kreise Rheinbach, Koblenz, Mayen, St. Goar, Kochem, Zell, Wittlich, Trier, Saarburg und Merzig durch Quantität und Qualität ihrer Loherträge aus. 352 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Daneben aber sind auch Hochwaldsbestände im südlichen Theile der Provinz in erheblicher Ausdehnung vorhanden. Namentlich findet sich der Buchenhochwald von vorzüglicher Beschaffenheit, sehr hohem Massenzuwachs und in einem auch für Werths- und Massenproduktion an Eichenholz höchst günstigen Mischungsverhältnisse von Eiche und Buche im Saarbrückenschen und im Hohwalde auf dem Basalt-, Trapp- und Kohlen- sandsteinboden der Steinkohlenformation, sowie auf dem Lehmboden des bunten Sand- steins. Auch den übrigen Theilen des Hunsrückens und der Eifel fehlt es nicht an vorzüglichen Buchenhochwaldungen, soweit nicht planlose Plenterwirthschaft oder eine unter dem Namen Mittelwaldbetrieb eingeführte Raubwirthschaft die früheren schönen Buchenbestände zu grossen Räumden mit werthlosem Buchen-, Birken-, Aspen- und Eichengestrüpp, oder zu reinen Heide- und Besenpfriemblössen umgewandelt haben. Durch Nadelholzanbau hat die neuere Zeit mit gutem Erfolge sich bemüht, diese Schäden zuzudecken und die Nachtheile der schonungslosen Entwaldung der Eifelhöhen und Eifelhochplateaus nach und nach zu beseitigen. (Bd. I. S. 470.) Von den Nadelhölzern haben Lärche und Kiefer ein mehr ephemeres Vorkommen und Gedeihen gezeigt, Fichte und "Tanne aber sich besser bewährt und ein grösseres Feld behauptet. Ein schöner alter Tannenbestand bei Reifferscheid im. Eifelkreise Schleiden giebt Zeugniss von vorzüglichem Wuchse und langer Ausdauer dieser Holzart in jenen Gegenden. Die Fichte aber scheint hier schon mit dem 60. bis 80. Jahre, die Kiefer noch früher hiebreif zu werden, und die Lärche erreicht kaum das Alter von 30— 40 Jahren, giebt indess in diesem schon recht lohnende Erträge und ver- bessert den Boden sehr wohlthätig. Trotz der grösseren durchschnittlichen Milde, welche Rheinland vor den anderen Provinzen des Staates voraus hat, ist der Verlauf der Witterung doch den Waldungen keineswegs besonders günstig. Auf den Höhenlagen der Eifel, des Hunsrückens und Westerwaldes gehört Schneefall aoch im Mai und schon wieder im Oktober nicht zu den Seltenheiten. Besonders sind aber die Bd. J. S. 141 besprochenen häufigen und schroffen Wechsel der Witterung auch für den Waldbau mit fühlbaren Uebelständen verbunden. In allen milderen Lagen werden die Kulturen durch die plötzlichen Fröste stark betroffen, welche bei schon vorgerückter Vegetation die aus den rauhen Gebirgslagen vordringenden Luftströmungen herbeiführen. Sie gefährden sowohl die jungen Holz- pflanzen, als vereiteln auch namentlich das Gedeihen der Mast. Am wenigsten leiden ihren Gesammtverhältnissen nach die Striche im Jülicher Lande bis nördlich nach Kleve, sowie im Süden Saarbrücken und die geschützten Thallagen und südöstlichen Ab- dachungen des Hunsrückens. Im Gebirgslande zeigt die Eifel das ungünstigste Klima. Frost und Wind und die Kürze der Vegetationsperiode bereiten hier der Waldwirth- schaft aussergewöhnliche Schwierigkeiten. Sie werden wegen der stagnirenden Nässe der ausgedehnten Torfmoore und der Kahlheit des weiten Plateaus auf dem hohen Venn und der Schneeeifel am meisten empfunden. Unzweifelhaft sind diese nachtheiligen klimatischen Einwirkungen, sowie mancherlei Kalamitäten, mit denen die Waldwirth- schaft in der Rheinprovinz, namentlich in der Eifel, zu kämpfen hat, wesentlich aus den früheren Waldverwüstungen erwachsen. Die Entwaldung der Berghöhenzüge und der Hochplateaus lässt geschlossenen Wuchs nur schwer wieder aufkommen und bringt ersichtlich Versumpfung, ausgedehnten Wind- und Schneebruch und Insektensehäden mit sich. Was die Absatz- und Preisverhältnisse für Holz betrifft, so sind dieselben auch XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 353 in der Rheinprovinz je nach der Lage sehr verschieden, welche die Forsten zu den Strassen des grossen Verkehrs und den Gebieten der Industrie einnehmen. Fern von letzteren finden sich ziemlich hohe Brennholz- und mässige Nutzholzpreise, je näher denselben, um so mehr steigen diese und sinken jene in demselben Masse, wie die Konkurrenz der Steinkohle zunimmt. Im allgemeinen werden der Provinz durch den Rhein mit seinen Seitenflüssen, namentlich den Main, grosse Holzmassen zugeführt und ihre Verbreitung durch die Eisenbahnen und durch gute Landwege vermittelt. Die Verwerthung des Kubikfusses Derbholz ergab in den Königlichen Forsten durchschnittlich: Im Reg.-Bez. 1850 1865 Steigerung Düsseldorf 3,4 Sgr. 3,39 Dgr. ıı pCt. Köln 23 n 28 6 Aachen ZN 5 13 5 DE Koblenz 193 34» vl) Trier 159 2,94 9 85 » Die Preise der Hauptsortimente stellten sich folgendermassen: Es galt der Kubikfuss Eichennutzhholz die Klafter Buchenscheitholz im Reg.-Bez. 1836 1866 Steigerung 1836 1866 Steigerung Düsseldorf 5,4 Sgr. 8. Sgr. 48 pCt. 105 Sgr. 157 Sgr. 49 pÜt. Köln Pas 7 5) bo m 34 EN) 175 n 55 n Aachen 22 9 (Je ER ee Sun 1290, BE Koblenz 36 Som 64 „ Dam 190,5 38, m Trier 29 n 53 n 83 n 37» 14I n 62 „ Die Steigerung hat also im Norden der Provinz früher stattgefunden. In Trier und Aachen ist sie auch beim Buchenholze, hauptsächlich in Folge vermehrten Nutz- holzabsatzes zum Grubenbau, eingetreten. Köln steht verhältnissmässig niedrig, weil der Wirthschaftsbetrieb in den dortigen Staatsforsten überwiegend im Uebergange vom Mittelwald- zum Hochwaldbetriebe begriffen ist und daher zur Zeit noch viel Material geringer Qualität liefert. Die Erhöhung der Brenn- und Kohlholzpreise ist zumeist auf Rechnung der durch umfangreiche Wegebauten in den Forsten erheblich vermin- derten Abfuhrkosten zu setzen und im übrigen auf den gesunkenen Geldwerth sowie darauf zu rechnen, dass die Taxen in früherer Zeit Minimalpreise waren, gegenwärtig aber Durchschnittspreise sind. Nach Berücksichtigung dessen reduzirt sich die Er- höhung der Kohlholzpreise auf Null, oder verwandelt sich eigentlich in Sinken. In den letzten Jahren, nachdem der Hüttenbetrieb mit Holzkohlen mehr und mehr ein- geschränkt und zum Gebrauch von Steinkohlen übergeführt ist, sind die Brennholzpreise wicht unerheblich gefallen. Umgekehrt ist das beträchtliche Steigen des Nutzholzpreises in Aachen, Trier und Düsseldorf hauptsächlich Folge des erweiterten Kohlengruben- und Eisenbahnbetriebes. Für den Holzhandel bedeutende Plätze in der Rheinprovinz sind Duisburg, Wesel, Neuss, Gladbach, Köln, Koblenz, Trier, Saarbrücken und Aachen. Duisburg versorgt einen grossen Theil Westfalens mit Bauholz und Brettern, welche es auf dem Rhein aus dem Oberlande, namentlich aus dem Schwarzwalde be- zieht. Die herabgeflössten Stämme werden von den Sägewerken in Duisburg zu Balken verarbeitet und mit den schon fertig ankommenden Brettern auf der Eisenbahn Boden d. preuss. Staates, II. 23 354 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. versendet. Das auf der Bahn abgegangene Holzquantum betrug im Jahre 1862 schon 689 579 Ütr. Wesel hatte früher als Stapelplatz für Eichenschiffsbauholz nach Holland durch die Zufuhren aus Westfalen auf der Lippe grosse Bedeutung, die aber in neuerer Zeit gesunken ist. Neuss und Gladbach unterhalten für die Fabrikdistrikte ihrer Umgegend einen lebhaften Handel mit Bauholz und Brettern. Das Material dazu wird zum Theil aus Baiern und Böhmen auf der Eisenbahn bezogen, nachdem der Pfennigtarifsatz (für Centner und Meile r Pfennig) auf der bayerischen Staatsbahn die Transportkosten weiter ermässigt hat, als sie sich für den Bezug aus Preussen berechnen. Der Holzhandel Kölns ist von grossem Belange, theils als Detailhandel für die Versorgung der Stadt und der Umgegend, theils als Speditionshandel nach dem Unter- rhein und Holland, Die Zufuhr nach Köln erfolgt theils aus der Provinz selbst, theils vom Oberrhein, aber auch aus Böhmen. Der Umsatz im Jahre 1864 belief sich auf etwa ı Million Thaler im Platzgeschäft, während von den Engros-Depotlagern für eben- soviel verflösst wurde, Koblenz hat sich, begünstigt durch seine Lage, in den letzten Jahren mehr und mehr zu einem Stapelplatz für Holz ausgebildet, und versorgt die Rheingegend abwärts bis Bonn, sowie das Nassauische Gebiet. Der Verkehr erstreckt sich hauptsächlich auf leichtes Bauholz und Bretter. Der Umschlag an Brettern betrug 1862 in Io füssigem Mainbord ı Million, in 16füssigem 156 000 Stück. In Trier besteht ein sehr lebhafter Handel mit Eichennutzholz zu Fässern und Weinbergspfählen. Der Kubikfuss wird mit 12—ı$8 Sgr. im Walde, geschnittenes Sichenholz mit 26 Sgr., einzöllige Bohlen mit 2'. Sgr. für den Quadratfuss bezahlt. In das Saarbrückensche wird für den Bedarf der Gruben und anderer industriellen Anlagen viel Eichenholz aus Frankreich’und Nadelholz aus dem Schwarzwalde und den Vogesen über die Eisenbahn eingeführt. Die Kanalisirung der Saar könnte einen erheblichen direkten Bezug von Holz aus den Vogesen ermöglichen. Eine erhebliche Einnahme gewährt der Provinz endlich der Handel mit Lohe. Er ist vorzugsweise an der Nahe, Saar und Mosel bedeutend, wo Kochem, Zell, Bernkastel und Trier Hauptorte für ihn sind, gewinnt aber auch in manchen T'heilen des Aachener Bezirks, namentlich in Aachen und Eupen, besonderen Umfang*). 9, Hohenzollern. Die Waldungen der Hohenzollernschen Fürstenthümer stehen im südlichen Theile des Landes zur Hälfte in ebener Lage, zur anderen Hälfte an den Abhängen der Hügel; im mittleren Theile etwa zu °/s an den steilen Berghängen der Flussthäler, zu 's auf dem Plateau, auf geneigten Hängen oder Ebenen. Im nordwestlichen Theile ist die Lage. der Forsten durchaus bergig, meist an den steilen Anwänden der tief einge- schnittenen Thäler. Im allgemeinen haben alle den Charakter der Gebirgsforsten. Das Klima ist als Gebirgsklima mehr rauh als milde, nach der Oertlichkeit jedoch sehr verschieden. Es finden in der Entwickelung der Vegetation Unterschiede von acht x) Ueber die Forsten in Rheinland vergl.: Zur Geschichte der Waldungen der Rhein- provinz; Annalen Bd. 19 S. 219. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 355 bis vierzehn Tagen statt. Spätfröste, namentlich auch mit dem vom Hauberg und Schwarz- wald kommenden Westwinde, sind nicht selten, und dem Gedeihen der Mast hinderlich; auch Stürme, besonders heftige mit Hagel verbundene Gewitterstürme, werden zuweilen für die Waldungen sehr verderblich. Auf den höheren Gebirgen herrscht die volle Ungunst der rauhen, zum Theil sumpfigen Lage, ohne jedoch der Waldwirthschaft aussergewöhnliche Schwierigkeiten zu bereiten. In der Ebene auf dem Tertiärboden finden sich Torfmoore, von denen einige, z. B. bei Mindersdorf und Ruhestetten, be- trächtlichen Umfang haben. Die beiden Hauptwaldarten sind Buchen- und Fichtenhochwald. Jener nimmt 43 pÜt., dieser 35 pCt. der Waldungen ein. Die Kiefer umfasst etwa rı pCt, und die gemischten Bestände erstrecken sich ebenfalls auf ıır pÖt. der Waldfäche und enthalten meist Kiefern nnd Fichten mit Eichen, Aspen, Birken, Erlen, Salweiden und Eichen- schälwald untermischt. Die zur Holzzucht benutzten Flächen zerfallen nach der Morgenzahl in folgenden Bestand: Oberamtebezirke Eichen | Buchen | Fichten | Kiefern | Gemischt Morgen Morgen Morgen Morgen Morgen 1. Sigmaringen: | auf Molasse. .. dn a. 00 54 3884 | 28164 1262 8399 auf weissem Jura .......» 44 17 153 1893 | 5082 4075 2. Gammertingen: | auf weissem Jura ........ _ 25 304 1127 6.169 1904 3. Hechingen: auf weissem Jura .......* — 10 146 140 1217 955 auf braunem Jura „2.22... = 2128 1758 210 46 auf Lias (Lehm- u. Thonboden) 4 1937 2702 198 38 AULDKEUPELI ern efertereeKetlere —_ I 420 3 954 532 502 4. Haigerloch: TTS er _ _ 1356 292 _ auf Lettenkohle (Lehmboden). . 123 _ 72 — — auf Muschelkalk ......... 62 160 9 986 I 401 783 auf Alluvium —, a er ei zusammen 287 62 132 51152 16 392 16 702 Während früher sämmtliche Waldungen aus Eichen und Buchen bestanden haben sollen, hat die ungeregelte Plenterwirthschaft die Eichen mehr und mehr herausgenutzt, ohne für deren Nachzucht zu sorgen, und durch unpflegliche Behandlung des Waldes dazu genöthigt, das Nadelholz einheimisch zu machen, zuerst die Fichte, später auch die Kiefer. ° Diese ist erst seit 50 Jahren auf den sandigen und kiesigen Diluvialböden angebaut, hauptsächlich im Süden und auf den Frostlagen. Die Umtriebszeiten schwanken je nach den Standortsverhältnissen für Buchen zwischen 8g0— 100 Jahren, für Fichten 60—ıro Jahren, Kiefern 60—70 Jahren, Eichen- schälwald meist noch zwischen 25—30 Jahren, Buche und Fichte zeigen auf den besseren Böden, namentlich im nördlichen Theile des Landes, vorzügliches Gedeihen, mit einer Massenproduktion bis zu 62 bezügl, 23” 356 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 68 Kubikfuss Derbholz für Jahr und Morgen, und auch die Kiefer erreicht auf dem günstigsten Boden. ein Maximun: von 62 Kubikfuss. Für die Eiche sind die Böden meist zu bündig und zu kalt, und in den höheren Lagen sagt ihr das Klima nicht zu. Die Waldungen auf dem weissen Jura, überwiegend Buchen in der Ueberführung aus Mittel- und Plenterbetrieb zum Hochwalde begriffen, befinden sich meist auf absolutem Holzboden, der zum Theil flachgründig ist, und geben in Folge geringerer Boden- beschaffenheit und hoher exponirter Lage weit schwächere Erträge, als im nordwestlichen und südlichen Theile des Landes; Buchen steigen nur zu etwa go, Fichten zu 57 Kubik- fuss, bleiben aber auch bis auf 13 und 12 Kubikfuss zurück. Eichenschälwaldungen kommen nur von geringem Umfange und meist auch geringem Ertrage vor. Gefahren erwachsen den Waldungen hauptsächlich durch Wind- und Schneebruch, Hagelschäden, Spätfröste und durch Insekten, von denen Maikäfer, Borkenkäfer wie Rüssel- käfer sich am meisten bemerkbar gemacht haben. Auch Mäusefrass ist namentlich auf dem Juraplateau schon sehr nachhaltig aufgetreten. Die Beschädigungen durch Hagel sind besonders im südlichen Theile, aber auch im Juragebiete auffallend stark. Im Jahre 1863 wurden Fichten- und Kiefernbestände in Flächen von 20— 30 Morgen so erheblich verletzt, dass ihr Abtrieb erfolgen musste. Die Absatzverhältnisse sind sowohl für das Brennholz wie für das Nützholz sehr günstig, und die Holzpreise ziemlich hoch*). Die letzteren haben sich im Jahre 1866 gestellt: für den Kubikfuss Eichennutzholz auf. . . . 51—7%„ der. Er = Nadelbauholz auf . . . » 25—45 Suuer = Nadelschneideholz auf. . . 39—67 = für die Klafter Buchenscheitholz auf . . . 170-303 „ Die erheblichen Verschiedenheiten in den Preisen folgen aus der Lage der ein- zelnen Landestheile, von denen die Oberamtsbezirke Haigerloch und Hechingen die höchsten, Gammertingen und Sigmaringen die niedrigsten Preise haben. Aus dem Bezirke Haigerloch gelangen jährlich auf dem Neckar und auf dem Glattbach gegen 3000 Klafter Fichten-, Tannen- und Kiefernholz zur Verflössung nach dem Rhein. — Genauere Angaben darüber, wie sich in den verschiedenen Regierungsbezirken die Erträge der Staatsforsten im Einzelnen nach Einnahme und Ausgabe zusammen- setzen, hat v. Hagen für das Jahr 1865 mit völlig durchsichtiger Spezialisirung mit- getheilt**). Zugleich hat er nachgewiesen, welche Höhe die einzelnen Posten in einer längeren Reihe von Jahren zurück für die gesammten Staatswaldungen erreicht haben. Diese Nachweisungen sind in den Tabellen O.r. und 2. der Anlagen zusammengestellt worden. *) Vergl. Amtsblatt für Sigmaringen 1865 No. 32. *) v. Hagens Darstellung der forstlichen Verhältnisse Preussens ist gleichzeitig mit der Schrift des Frh. v. Berg, Betrachtungen über den Einfluss der kleineren deutschen Staaten auf die a das und den Fortschritt des Forstwesens, Dresden 1866, bearbeitet, berich- tigt indess letztere schon durch das dargebotene Material in vieler Beziehung. Vergl. dazu Augsburger Allg. Zeitung vom 28. Mai 1867. XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 357 Ihre Zahlen ergeben im allgemeinen, dass aus den Staatsforsten im Jahre 1863 den Provinzen nach auf den Morgen ertragfähiger Fläche an Brutto-, Netto- und Holz- ertrag erzielt wurde: Reinertrag vom | Holzprodukt Brutto-Ertrage vom Morgen Sgr. Sgr. Sgr. pCt. Kubikfuss Provinzen Brutto-Ertrag Kostenbetrag Netto-Ertrag Brandenburg... . Schlesien Rheinprovinz..... Staat”)... 42,1 14,9 27% | 64,6 | 20,6 Der Zeitfolge nach ist in der Durchschnittsberechnung für die gesammten Staats- forsten der Geldertrag für Holz vom Morgen Holzboden zwischen 1830 und 1835 von 175 gr. auf ı15,: Sgr. gefallen, seitdem aber bis 1849 auf 18,9, bis 1865 auf 40, Sgr. gestiegen; ferner hat der gesammte Brutto-Ertrag der Totalfläche einschliesslich der Nebennutzungen von 1849 ab eine Steigerung von 19, Sgr auf 40, erreicht, und wäh- rend sich die Ausgaben nur von 9,3 auf 14,2 vermehrten, hat der Reinertrag vom Morgen Totalfläche sich von 9, auf 25,3 Sgr. gehoben; dabei machte dieser Reinertrag 1349 nur 48,» pCt. des Brutto-Ertrags aus, 1865 aber stellte er sich auf 64,6 pCt. des Brutto-Ertrags. Will man im Anhalt an die Ergebnisse der Staatsforsten den Holz- und Geldertrag der sämmtlichen Waldungen des preussischen Staatsgebietes rechnungsmässig über- schlagen, so können, wie v. Hagen $. 27 ausführt, diese Erträge für eine ungefähre Uebersicht in der Weise zum Anhalt dienen, dass man den jährlichen nachhaltigen Durchschnittsertrag, vom Morgen der Staatsforsten jedes einzelnen Regierungsbezirkes mit einer zu arbitrirenden Modifikation auf die Totalwaldfläche des Bezirkes anwendet. Diese Modifikation wird durchweg eine Ermässigung sein müssen, und zwar um so stärker, je mehr die nicht zu den Staatsforsten gehörenden Waldungen in den Händen kleinerer Grundbesitzer sich befinden und einer unpfleglichen Behandlung unterliegen, während in den Bezirken, wo die Privatforsten überwiegend dem grossen Grundbesitz angehören, oder wo ausgedehnte Kommunalforsten unter Staatsaufsicht stehen, die Holz- produktion derselben füglich dem Ertrage der Staatsforsten nahezu gleichgestellt werden kann. Seinen Annahmen gemäss stellt sich eine solche Ertragswürdigung mit den Grund- steuer-Reinertragsschätzungen und der Einwohnerzahl wie umstehend zusammen: *) In den Bezirken Königsberg und Merseburg ist wegen Insektenfrass etwa !/ über das etatsmässige Quantum eingeschlagen. In gewöhnlichen Jahren wird die Zahl für Preussen etwa 17,6, für Sachsen 27,0 sein. **) In anderen deutschen Ländern ergaben die Erträge der Staatsforsten: Bayern 1864 Brutto: 74,0 Sgr.; Kosten 27, Sgr.; Netto 47, Sgr., also vom Brutto 63,6 pCt. Sachsen 1863 „ II43 » = 307 r ne SR » ER, Kurhessen 1865 „ 34,705 2 170 u Irasln is Eli = 507 » Hannover 1865 ,„ SDR, 3 20 514y> BmZA6h 5 Dre PIE L*.} 0069 398 Regierungs- bezirk ıl- Königsberg .. Gumbinnen .„. Danzig. ./..... Marienwerder, Köslin Stettin. + .5;. Stralsund .. . Bromberg ... Bosenmere ss Frankfurt ... . Potsdam. ..... Oppeln Breslau Liegnitz .. ... Magdeburg ,. Merseburg... Erfurt... . +» Minden .-.. Münster .,.. Arnsberg Düsseldorf Köln ara Aachen iin Koblenz .... Suume Hohenzollern zusammen Die 3 | 2b 300 029 Gesammt- Wald- fläche Morgen 2. 1 651 147 1.065 976 598 983 1587 969 1219 814 890 852 223 463 994 799 1454 333 2 678 587 2363 272 1 601 318 I ıI8 849 1950284 903 167 743 941 328 202 420 230 520277 1 261 877 393 149 474 652 420 620 979 779 954 509 149 980 26 950 009 vom Morgen Kubik- fuss 9 os 14 15 12 II 12 18 30 12, 14 16 14 20 25 18 25 17 29 25 20 20 16 14 18 22 20 17 29 Gesammtproduk- tion im Ganzen Kubikfuss 23 116 oss]| 15.989 640 7 187 796 17 467.659 14 637 768 16.035 336 6 703 890 11 937 588 20 360 662 42 857 392 33 085 808 32 026 360 2797 1:425 35 IO5 II2 22.579.175 12 646 657 9517 858 19.505 750 10 405 540 25 237 540 6.290 384 6.645 128 7571 160 21 555 138 19 090 180 | 456 326 804 4255 020 Grund- steuer- Reinertrag vom Morgen Waldfläche 5,9 7% 9,0 IO,4 IO,2 14,4 9,8 15,6 19,9 23,0 19,6 19,0 13,4 21,4 15,9 16,1 18,8 19,9 II,o XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. Vom durch Ein- schnitt- Jwohnerzahl lichen auf die Reinertragef [Meile des Gesamut- Ackers fläche pct. Auf den Kopf der Bevöl- kerung kommt vom Walde| Ungefähre er äche auch’der ae Morgen ne en Jahre Sgr. Kubikfuss 8 9. 10. I,6o 9,3 22,3 1,47 81 21,9 1,19 515 14,3 2,12 9,9 23,3 2,24 9,7 26,9 I,31 I 6,1 23,7 I,o3 20,9 31,0 1,82 10,8 21,9 1,49 10,6 20,8 2,67 24,0 42,7 T,46 15,2 20,5 1,34 II,2 27,0 0,83 II,9 20,8 2,00 19,5 36,1 I,ıı 172 27,8 0,87 17,1 14,7 0,88 20,2 25,6 0,87 17,0 21,7 ir) 22,3 23,5 1,70 22,7 34,1 0,33 7 513 0,81 I2,9 II,z 0,89 15,3 16,0 1,81 33,9 39,8 1,69 14,3 | 33,8 1,40 15,3 23,8 2,31 . I,go gesammte Jahresproduktion an Holz berechnet also v. Hagen für das alte preussische Staatsgebiet auf durchschnittlich 17 Kubikfuss Holzmasse vom Morgen Wald- fläche oder auf einen Gesammtertrag von etwa 456 327 000 Kubikfuss, d. i. für den Kopf der Bevölkerung auf durchschnittlich 23,3 Kubikfuss. Davon würden auf das Derbholz ungefähr 70 pCt. —= 319 428 ooo Kubikfuss und auf das Stock- und Reiserholz 30 pCt. = 136 898 000 Kubikfuss anzuschlagen sein, von der Derbholzmasse aber kann etwa "s oder ungefähr 64 000 000 Kubikfuss als Nutz- holzertrag angenommen werden, so dass sich also die Jahresproduktion auf durch- schnittlich 2Y, Kubikfuss Nutzholz, 9'/; Kubikfuss Derbholz und 5 Kubikfuss Stock- und Reiserholz für Morgen und Jahr stellen würde, XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. 359 Den Grund dieses verhältnissmässig gegen die Staatsforsten sowohl, als namentlich gegen die Ertragsbereehnungen anderer Staaten“) erheblichen Zurückbleibens der Er- träge findet er zum Theil in dem schlechten Zustande sehr grosser Waldflächen in Preussen und in der mangelhaften Bewirthschaftung umfangreicher, in parzellirtem Privat- besitz befindlicher Waldungen, überwiegend aber in den ungünstigen Standortsverhält- nissen, welche in den weiten Schwemmlandsebenen wie auf einem grossen Theil der Gebirgslagen die Produktionsfähigkeit der preussischen Waldungen beträchtlich unter den Durehsehnitt der mitteldeutschen herabdrücken. Für den gesammten Brutto- und Nettogeldertrag der Waldungen im Staate gewinnt er im Anhalt an den eingeschätzten Grundsteuerreinertrag in der Weise einen Zahlen- ausdruck, dass er das Verhältniss zwischen dem Grundsteuerreinertrage der Staats- forsten und deren wirklichem Brutto- und Nettogeldertrage auf die Summe des Grund- steuerreinertrages sämmtlicher Waldungen in Anwendung bringt. Da die Staatsforsten bei 2 795 984 Thlr. Grundsteuerreinertrag im Jahre 1865 10703138 Thlr. Brutto- und 6904935 Tihlr. Nettogeldertrag geliefert haben, so würde sich nach diesem Verhältnisse bei einem Grundsteuerreinertrage von 9 819 798 Thlr. für sämmtliche Waldungen der Monarchie deren Bruttoertrag zu 37590577 Thlr. und Nettoertrag zu 24250913 Thlr., d. i. für den Morgen zu 42 Sgr. Brutto- und 27 Sgr. Nettoertrag berechnen, wobei die Einnahmen aus den Nebennutzungen insoweit inbegriffen sind, als sie in den Staats- forsten wirklich gegen Geld verwerthet und nicht den Berechtigten oder der ärmeren Bevölkerung unentgeltlich überlassen werden. Aus diesen mit vollem Vorbehalt ihrer nur annähernden Richtigkeit aufgestellten Zahlen zeigt er wenigstens, wie beträchtlich der Antheil ist, den der Waldbau im preussischen Staate zu dem gesammten Volks- einkommen beiträgt. Obwohl die Waldfläche nicht mehr als 25 pCt. der Totalfläche der Monarchie ausmacht, beläuft sich der Grundsteuerreinertrag der Waldungen auf 9 pOt. des Grundsteuerreinertrages aller ertragsfähigen Liegenschaften, abgesehen von Bau- stellen und Hofräumen. Der Grundsteuerreinertrag vom Morgen Wald hat sich also auf durchschnittlich etwa '/ des Durchschnittsreinertrages vom Morgen aller Liegen- schaften gestellt. Für die einzelnen Regierungsbezirke und noch mehr für die einzelnen Kreise ist dieses Verhältniss nothwendig sehr verschieden, am ungünstigsten da, wo die Ackergründe gut und hoch geschätzt, die Waldungen aber auf geringem Boden und in verkehrsarmer Gegend belegen sind; am günstigsten da, wo starke Industrie und der Bedarf der Bevölkerung die Holzpreise hebt, und Acker- und Forstland an Pro- duktionsfähigkeit nicht sehr wesentlich abweichen. Gegenüber der Einwohnerzahl kommt von der gesammten Waldfläche durehschnitt- lich auf den Kopf der Bevölkerung ı,; Morgen. In den einzelnen Regierungsbezirken schwankt diese Ziffer zwischen Frankfurt mit 2,6, Morgen und Düsseldorf mit nur 0,3 Morgen “*), Für die Frage, wie viel Holzwerth auf den Kopf von der vorhandenen Waldfläche in jedem Regierungsbezirke jährlich produzirt werden kann, sieht v. Hagen wegen der *) Für Bayern werden 36, Württemberg 40, Baden 42, Hannover 40, Kurhessen 23 Kubik- fuss Holzertrag vom Morgen und Jahr angegeben. *) Der Durchschnittssatz in Preussen von 1,40 Morgen für den Kopf ist niedriger als in Strehlitz (2,25; Morgen), Meiningen (2,16), Bayern (2,10), Hessen-Kassel (2,00), Nassau (1,75), Gotha (1,59), Baden (1,50), und ist höher als in Württemberg (1,50), Braunschweig (1,35), Hessen- Darmstadt (1,25), Schwerin (1,09), Hannover (1,03), Sachsen (0,90), Oldenburg (0,60), Holstein (0,40). 360 XXV. Die Forsten nach Lage, Bestand, Bewirthschaftung und Nutzungen. grossen Verschiedenheit der Produktionsfähigkeit des Bodens eher in dem Grundsteuer- reinertrage, als in der Fläche einen ungefähren Anhalt. Der vom Walde geschätzte Reinertrag beträgt durchschnittlich für den Kopf ı5,; Sgr. und stellt sich am höchsten mit 33,9 Sgr. im Regierungsbezirk Koblenz, und am niedrigsten mit 5,; Sgr. im Regie- rungsbezirk Danzig. Von grösserem Interesse aber erachtet er zu wissen, wie viel Holzmasse auf den Kopf die Waldungen jedes Bezirks liefern können. Er wendet desshalb die bekannten Durchschnittsholzerträge der Staatsforsten jedes Bezirks auf die gesammte Waldfläche desselben an, und vertheilt den so gefundenen summarischen Holzmassenertrag auf die Bevölkerungszahl. Das Resultat findet sich in Rubrik ıo der vorstehenden Tabelle und zeigt eine Durchschnittsproduktion von 23,3 Kubikfuss Derb-, Stock- und Reiserholz aut den Kopf, zwischen dem Maximum von 42,, Kubikfuss im Regierungsbezirk Frankfurt, und dem Minimum von 5, Kubikfuss im Regierungsbezirk Düsseldorf. Indess haben nach den Ausführungen v. Hagens alle diese Zahlen nur sehr geringen Werth. Sie gewähren keine Grundlage zu gerechtfertigten Schlüssen über die Be- friedigung des Nutzholz- und Brennmaterialienbedürfnisses der einzelnen Gegenden, oder die Zulänglichkeit oder Unzulänglichkeit der Waldproduktion in den einzelnen Bezirken. Sie lassen nur ersehen, dass im allgemeinen die Waldfläche auf den Kopf in ziem- lich gleichem Masse sinkt, wie die Dichtigkeit der Bevölkerung steigt, wenn man absieht von den Regierungsbezirken Liegnitz, Koblenz, Arnsberg und Trier, in denen die Gebirgslage ein abweichendes Verhältniss herbeiführt. Man würde durchaus fehl- greifen, wenn man daraus, dass im Düsseldorfer Bezirke nur o,3; Morgen, im Frank- furter aber 2,67, Morgen Waldfläche auf den Kopf treffen, schliessen wollte, dass in jenem Holzmangel, in diesem Holzüberfluss sei. Dies widerlegen schon die Preise des Holzes, die in Düsssldorf durchschnittlich für den Kubikfuss Derbholz 3,4 Sgr., in Frankfurt nicht beträchtlich njedriger auf 2,3 Sgr. stehen. Es ergiebt sich vielmehr, wie er $. 5 ausspricht, hieraus, dass die Ausgleichung zwischen Nachfrage und Angebot auch bezüglich des Holzes durch die erleichterten und beschleunigten Transportmittel übernommen wird, dass die Brennholzsurrogate an Stein- und Braunkohlen und Torf für die Bedürfnissbefriedigung sehr wesentlich zum Ersatze geringerer Holzproduktion einzelner Gegenden beitragen, also die Besorgniss vor Holznoth nicht begründet ist, und dass daher ein vermeintlicher Holzmangel eben so wenig ein Motiv sein darf, von staatswegen die Erhaltung und Vermehrung der Waldungen zu erzwingen, als anschei- nender Holzüberfluss es rechtfertigen würde, die dem Staate obliegende Fürsorge für Erhaltung solcher Waldungen ausser Augen zu setzen, deren Vernichtung ihrer Lage und Bodenbeschaffenheit nach dem Gemeindewohl und der Landeskultur durch Ver- sandung, Versumpfung, Entblössung steiler Hänge, Entziehung des Schutzes gegen klima- tische Gefahren und andere dergleichen Nachtheile unersetzliche Schäden zufügen würde. XXVl. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. Neben der Hauptmasse des Kulturlandes und der Forsten hatte das Kataster auch die sehr verschiedenartigen Grundflächen an Gewässern und Ländereien aufzuneh- men und einzuordnen, welche als solche überhaupt nur einen sehr geringen landwirth- schaftlichen Ertrag gewähren, oder einem öffentlichen Gebrauche gewidmet sind, durch den sie als Grundsteuerobjekt dauernd ungeeignet erscheinen. Als letztere charakterisirte schon das Hauptgesetz vom zr. Mai 1861 (G.-S. S. 254) unter den steuerfreien Grundstücken im $ 4c. die den Provinzen, den kommunalständi- schen Verbänden, den Kreisen, den Gemeinden oder selbständigen Gutsbezirken ange- hörenden Grundstücke, insofern sie zu einem öffentlichen Dienste oder Gebrauche be- stimmt sind, insonderheit also Gassen, Plätze, Brücken, Fahr- und Fusswege, Leinpfade, Bäche, Brunnen, schiffbare Kanäle, Häfen, Werfte, Ablagen, Kirchhöfe, Begräbnissplätze, Spaziergänge, Lust- und botanische Gärten, sowie lediglich zur Bepflanzung öffentlicher Plätze, Strassen und Anlagen bestimmte Baumschulen, ferner ebenda $ 4d. Brücken, Kunststrassen, Schienenwege der Eisenbahnen und schiffbare Kanäle, welche mit Ge- nehmigung des Staates von Privatpersonen oder Aktiengesellschaften zum öffentlichen Gebrauche angelegt sind. Der folgende $ ıo schliesst allerdings so wenig die Belastung solcher Grundstücke mit einem entsprechenden Steuersatze, im Falle sie die Eigenschaft verlieren, welche ihre Befreiung von der Grundsteuer bedingt, als andererseits die Freilassung besteuerter Grundstücke für den Fall aus, dass deren bleibende Ertrags- unfähigkeit eintreten sollte. Aber die Anweisung für das Verfahren bei der Ermittelung des Reinertrages (G.-S. S. 257) erkannte als Kulturarten, welche der Einschätzung zu unterwerfen seien, neben Ackerland, Gärten, Wiesen, Weiden und Holzungen nur noch Wasserstücke und Oedland an. Als erstere waren solche Grundstücke anzusehen, welche wie Seen und Teiche fortdauernd oder zeitweise mit Wasser bedeckt sind und haupt- sächlich in diesem Zustande benutzt werden; als Oedland blieben alle diejenigen Grund- stücke zu veranlagen, welche nach der Art ihrer hauptsächlichsten Benutzung keiner 362 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. der vorstehend genannten Kulturarten beizuzählen sind, aber in anderer Art einen Ertrag gewähren, wie Kalk-, Sand-, Kies-, Mergel-, Lehm- und Thongruben, Fennen Sümpfe und ähnliche Grundstücke. Soweit aber solche Grundstücke keinerlei Ertrag gewähren, sollten sie als Unland behandelt werden. Darin waren also die oben nach $ 4e. und d. bezeichneten öffentlichen Grundstücke nieht mit eingeschlossen. Diese wurden vielmehr, obwohl alle übrigen steuerfreien Grundstücke mit Rücksicht auf ihre mögliche Umwandlung in steuerpflichtige zur Einschätzung kamen, gleichwohl nicht eingeschätzt, sondern als ihrer Bestimmung nach ertraglos betrachtet. Auf diese Weise entstanden für das Kataster 5 Kategorieen der geringwerthigen oder ertraglosen Grundstücke: a. Wasserstücke, b. Oedland, ec. Unland, d. wegen ihrer Benutzung zu öffentlichen Zwecken ertraglose Grundstücke an Land (Wege, Eisenbahnen u. dgl.) und e. ebenso an Wasser (Flüsse, Bäche u. dgl.). In dieser Unterscheidung erscheinen sie auf den Gemarkungskarten und in den Nachweisungen der Register und Grundsteuerrollen. Für die allgemeine wirthschaftliche Betrachtung theilen sie sich in private und öffentliche Wasserstücke und Wasserläufe, in Oedland, Unland und in öffentliches Wege- land, und stellen zusammen eine nicht unbedeutende Fläche dar, welche .bei der Be- urtheilung der Fähigkeit des Staatsgebietes landwirthschaftliche Erzeugnisse hervorzu- bringen als ausfallend in Betracht gezogen werden muss, und bezüglich der es erheblich wird zu fragen, wie sie sich auf die einzelnen Theile des Staatsgebietes vertheilt, auf welche Kulturhindernisse sie, abgesehen von den Land- und Wasserstrassen, hindeutet, und in wie weit auf ihr wirkliche Unnutzbarkeit besteht, oder gewisse Theile noch als Objekt der Meliorationsbestrebungen oder der kulturfördernden Thätigkeit der staatlichen Organe erscheinen können. E 1. Wasserstücke und Wasserläufe, Die Gewässer auf dem preussischen Staatsgebiete sind in Beziehung auf ihre Ver- breitung und ihre Gefäll- und Schiffbarkeitsverhältnisse Gegenstand des Abschnitts V. (Bd.1. S. ıor ff.) gewesen. Die Tabelle K. der Anlagen Spalte 7 hat dazu die Bd. I. S. 102 vorbehaltenen Ergänzungen bezüglich der Wasserflächen gebracht, welche wegen Be- nutzung zu öffentlichen Zwecken ertraglos sind. Vollständig werden diese im ganzen nur höchst unwesentlichen Berichtigungen erst durch den Abschluss des Bd. I. S. 213 gedachten amtlichen Werkes: „Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung* erreichbar werden. Im Anhalt an die Tabelle K. betragen: a) die zur Grundsteuer veranlagten Wasserstücke . . . . 1740817,40 Morg. b) die wegen Benutzung zu öffentlichen Zwecken ertraglosen Flüsse; Bäche) tete... Ei pen u Br en 6931202 c) die auf den Gemarkungskarten nicht dargestellten grossen Strandgewässer (Bd. I. Si123)| „un. Da. u „0 22673,901,67 8 zusammen Wasserflächen im Staatsgebiete 4.008 010,16 Morg. Dabei ist indess zu beachten, dass nach $ ı4 der Allgemeinen Grundsätze vom 21. Mai 1861 (G.-S. S. 315) die nur zum Betriebe von Mühlen, Hütten und anderen Werken, zu Bleichen oder zur Bewässerung und Entwässerung dienenden Kanäle, XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 363 Gräben u. s. w. gleich den anliegenden oder umschlossenen Grundstücken einzuschätzen waren und desshalb auch im Kataster in die Fläche der letzteren eingerechnet wurden, also nicht unter den Gewässern erscheinen, Eine Strombreite von 1250 Fuss — etwa die mittle Breite des Rheins wie der Weichsel auf preussischem Gebiete — erfordert auf jede Meile Stromlauf ı 157 Morgen; eine Strombreite von rooo Fuss — etwa die mittle Breite der Elbe, des Pregels, der Memel und Havel — 926 Morgen; eine Strombreite von 500 Fuss — ungefähr die mittle Breite der Oder, Warthe, Spree, Weser, Mosel — 463 Morgen; eine Strom- breite von 250 Fuss — ungefähr die der übrigen schiffbaren Flüsse — und eine Breite von roo Fuss, welehe durchschnittlich den Kanälen zukommt, erfordern nur 231 und bezüglich 92‘ Morgen auf eine Meile Länge. Die schiffbaren Wasserläufe sind also nach der Bd.I. S. 126 angegebenen Ausdehnung ihrer Schiffbarkeit ungefähr auf einen Flächeninhalt von zusammen 400000 Morgen anzuschlagen. Es können daher in obiger Summe zu b. ausser diesen nur die zahlreichen grösseren, nicht schiffbaren Neben- llüsse, dagegen an kleinen Gewässern, Bächen, Gräben und Leitungen nur ziemlich unbe- deutende Flächen zur Berechnung gekommen sein. — Die Tabelle A. der Anlagen theilt in Spalte 40—42 und 96—ı03 die für die Wasserstücke in den einzelnen Kreisen angewendeten Klassifikationstarife und die danach ermittelten Flächen- und Reinerträge, die Tabelle K. in Spalte 7 die Flächen der öffent- lichen Gewässer ebenfalls kreisweise mit. Aus dem Endergebniss lassen sich für die einzelnen Provinzen folgende Zahlen zusammenstellen: Wegen Benutzung Ertragfähige Davon sind auf je 1000 Morgen # © 3 zu öffeuilichen Wasserfläche Gesammtfläche eingeschätzt: 35 5 [Zwecken ertrag- z25>] lose Gewässer Provinzen 50 Es >.& [c (| & % über | . = er u Se = 53 e SE zu über | über en über | über | über | über | $ ©. gi Fläche | 2% 1-6 |6-15| 12 [2-3 |3—4 |4-5|9Q SE | Fläche | ©& Z3H Sgr. a bis ar 2: | a8 Sgr. | Sgr. Thlr. | Thlr. | Thir. | Thir. E61 E: 1 Thl, \ Sgr. 38 Preussen. ...| 756.934 31,0| 7,8422] 08 |05| - | » | - | - 3 | 155 176) 70 Pommern. ...| 290 191) 25,0|13,34| TO,28| 0,69 | 0,66 | 0,09 | 0,4 | 0,0 | . 2 62047| 5,0 Bosenaecrere 184 562| 16,0] 4,54] 9,53) 1,66 | 0,26 | 0,ı| . 0 4 40808 4» Brandenburg. | 344 970| 22,0| 2,64 14,40| 3,49 | 0,99 | 0,34 | 005 | . | 0,00 7 128 582) 8,0 Schlesien... ..| 116079] 7,0| O0 I,zol 2,72 | 2,76 102| - - OL) 27049! 5,0 Sachsen ... 32% 262 3,0] I,o4| 0,73] 0,62 | 0,30 030 | O,ox | O,00 D I2 95 758 IO,o Westfalen . . 4234| I,o| 0,04| 0,341 0,36 | 0,26| . . : 4 14 24 147| 3,0 Rheinland .. 11585| I,of O,21] O,15| O,35 | O,ı2 | O,12 | 0,05 | OJo05| . 19 108 301| IO,o Staat | 740 817 16.| 4,26| 9,45) 1,48) 0,66 | O,13 | O,02 | O,co | 5 1 693291 7,0 Dazu die grossen Strandgewässer Bd.I. S. 123... %s zeigt sich daraus, dass sich für einzelne Wasserstücke der Reinertrag zwar bis zu 150 Sgr. vom Morgen erhebt, dass derselbe aber im Gesammtdurchschnitt aller eingeschätzten Gewässer nur 5 Sgr. beträgt, entsprechend also die Flächen der höheren Klassen höchst unbeträchtlich sind. Ueber die Verschiedenheiten der einzelnen Provinzen sind einige nähere Angaben möglich. 364 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. In der Provinz Preussen betragen die Gewässer des Frischen und Kurischen Haffs, welche als ertraglos betrachtet worden sind, 45,03; Quadratmeilen, die übrigen Wasserstücke 765 934 Morgen, d. i. 35, Quadratmeilen. Von denselben liegt der bei weitem grösste Theil als ausgedehnte Seeflächen auf dem Plateau des preussischen und pommerischen Landrückens, dessen Wasserverhältnisse Bd. I. S. 88 und 215 genauer dargestellt worden sind. Die Kreise Mohrungen, Allenstein, Osterode, Lyck, Lötzen und Angerburg, sowie auch Konitz, besitzen jeder über 30 000, Sensburg über 60 000, Johannisburg sogar 72000 Morgen Wasserfläche. Fast alle anderen, die noch am baltischen Rücken Theil haben, erreichen wenigstens die Hälfte dieser Morgenzahl. In der Niederung besteht die Hauptfläche der eingeschätzten Wasserstücke in Anlandungen, die sich in den Haffen und Strandgewässern bilden, und in der Nähe von Elbing im Umfange von etwa ro 000 Morgen ihrer Rohrnutzung wegen als ertrag- fähig veranlagt worden sind. Wenn die Alluvion den Boden bis gegen 2 Fuss unter den mittlen Wasserstand des Haffs erhöht hat, beginnt ein Aufschlag von Binsen (Seirpus maritimus), zwischen denen sich die vom Strom: herbeigeführten Sinkstoffe leichter und fester ablagern*). Erreichen sie dadurch zeitweise den Wasserspiegel oder eine Tiefe von nur ' Fuss unter dem mittlen Stande desselben, so fassen Kalmus (Acorus), Rohrkolben (Sypha) und Segge (Carex) Fuss. Auf ihrem festen Wurzelnetz lagert sich allmählich der durch die Ueberschwemmungen herbeigeführte Boden fest, der den Wuchs der Wasser- pflänzen nach und nach ertödtet, und eine den mittlen Wasserstand überragende Narbe von Wollgras (Eriophorum), Gänsekraut (Arabis) und anderen Gräsern erhält. Die Flächen, auf denen Binsen und Rohr wachsen, sind zu den nutzbaren Wasserstücken gezählt worden. Die Binsen werden besonders von den Bewohnern der Danziger Neh- rung geworben, auf den Sanddünen getrocknet und den Kühen als ausschliessliches Winterfutter gereicht. Sie stehen an Futterwerth dem mittelguten Niederungsheu gleich. Die Nutzung ist desshalb zu 5 auch 7 Sgr. durchschnittlich vom Morgen angeschlagen. Der Reinertrag ‘der grossen Seen wird nur durch Fischerei und etwas Streu er- zielt und beträgt meist 2 oder 3 Sgr. 23 ıı3 Morgen sind über 6 Sgr. veranlagt. Einzelne Rohrnutzungen in den Niederungen erheben sich bis zu 21 und 24 Sgr., letz- terer Satz aber wird von keiner Fläche überstiegen. In Pommern sind im Kreise Stolp 35 Morgen Wasserstücke zu je 4 Thlr., ebenda und in Schlawe und Fürstenthum 473 Morgen zu 3 Thlr. und 972 Morgen zu 1'/ Thlr., in der gesammten Provinz aber 10 230 Morgen über 6 Sgr. veranlagt worden. Die be- sonders hohen Schätzungen in Hinterpommern beziehen sich auf Rohrnutzungen in den Strandseen. Die werthvollsten sind Rohrpläne bei Schmolsin, welche bis ı2 Schock Rohr auf den Morgen tragen; indess ist in Betracht des leichten Erfrierens des Rohres und der häufigen Störungen der Werbung, die nur bei starkem Frost oder auf Kähnen ausgeführt werden kann, jedes 3. Jahr als eine Missernte angenommen worden. Im Regierungsbezirk Stralsund sind, wie oben Bd. I. S.290 erwähnt wurde, die zum Theil sehr werthvollen Rohrpläne auf den Anlandungen in den Bodden zu den Wiesen ge- rechnet, so dass die Wasserstücke hier nur einige rooo Morgen Binnenfischerei be- deuten. ‘Auch der Regierungsbezirk Stettin besitzt nur Wassernutzungen an Fischerei und Streu, die hier nirgend über 9 Sgr. vom Morgen, und auf den grösseren Flächen *), Die Provinz Preussen, Festgabe, Königsberg 1863, S. 227, 240. XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 365 meist nur r Sgr. tragen. Der Durchschnitt aber erhebt sich für keinen der drei Re- gierungsbezirke über 2 Sgr. In der Provinz Posen haben die Wasserstücke in beiden Bezirken beträchtliche Ausdehnung. Auf den Höhenlagen zwischen dem Goplosee und Exin nehmen sie un- gefähr 80 000, zwischen Obornik und Meseritz etwa 50 ooo Morgen zu durchschnittlich gegen 4 Sgr. Ertrag ein. Darunter finden sich indess auch in Schubin 86 Morgen zu 1", Uhlr. und in Inowraclaw und Mogilno Schätzungen zu ı Thlr., die sich mit Ein- schluss einiger südlicheren Gewässer auf 2537 Morgen ausdehnen. 22386 Morgen in der Provinz haben mehr als 6 Sgr. Reinertrag. Den höchsten Durchschnitt von ı4 Sgr. erreichen die Wasserstücke der Kreise Krotoschin und Adelnau, die zum grösseren Theil als Karpfenteiche dienen. Die Provinz Brandenburg umfasst zusammen etwa 22 Quadratmeilen Wasserflächen. Die ausgedehntesten derselben liegen theils im Laufe der Havel und Spree, in Beeskow, Teltow und Westhavelland, theils als bestimmter abgeschlossene Seen in den Hügel- zügen von Arnswalde, Soldin, Königsberg, Angermünde, Templin und Ruppin. Der Süden der Provinz, namentlich der Fläming, besitzt dagegen kaum nennenswerthe Ge- wässer. In der Nähe von Berlin findet sich das im Staate zum höchsten Ertrage mit 150 Sgr. veranlagte Wasserstück von allerdings kaum 3 Morgen, dessen Werth durch den guten Wuchs des Rohres und die hohe Verwerthung des letzteren bei den städti- schen Bauten bedingt ist. 285 Morgen in den Kreisen Königsberg und Frankfurt sind aus ähnlichen Gründen zu 3 Thlr., 435 Morgen in Teltow zu 2'% Thlr. Reinertrag vom Morgen veranlagt. 5 pCt. der Wasserflächen der Provinz tragen ı Thlr., und die Flächen mit über 6 Sgr. Reinertrag umfassen 76 227 Morgen. Nicht ohne Interesse ist, dass sich seit einigen Jahren in den Wasserläufen der Mark, soweit das Wasser nicht unter 4 Fuss Tiefe steht, die aus Amerika stammende, aus den botanischen Gärten entflohene Anacharsis alsinastrum, Wasserpest genannt, in überraschend schneller Weise so stark verbreitet, dass sie der Schifffahrt Hindernisse in den Weg zu setzen beginnt. Nur der starke Wellenschlag der Dampfer scheint da, wo sie wuchert, das Fahrwasser offen zu halten. Entwässerungsgräben, wie die Notte, müssen durch Ketten beweglich zusammengenieteter Sicheln, die auf dem Grunde fortgezogen werden, von ihr geräumt werden. Den Fischern ist die Pflanze, so lange sie keinen zu starken Filz bildet, als Schutzmittel des Laiches und der jungen Brut nicht unwillkommen. Neuerdings wird berichtet, dass sie ein brauchbares Viehfutter sein soll *). Schlesien besitzt gegenwärtig nur noch auf o,7 pÜt. seiner Gesammtfläche nutz- bare Gewässer.. Dieses Verhältniss war früher wegen der allgemeinen Verbreitung be- deutender Teiehwirihschaften sehr viel grösser. Die Schädlichkeit der dadurch be- dingten Anstauungen ist indess schon im Beginn des Jahrhunderts genügend erkannt worden, und gegenwärtig sind nur noch geringe Reste dieser Wirthschaftsführung übrig, welche in einigen für bessere Kulturen wenig günstigen Landstrichen zusammengedrängt sind. Der Kreis Militsch besitzt die Hauptfläche von Teichen, zusammen 25 500 Morgen, mit einem Durchschnittsertrage von 20 Sgr. Die besten Flächen sind nicht über 24 Sgr. geschätzt. Alle diese zum Theil durch ziemlich künstliche Anlagen bewässerten Teiche sind vorzugsweise mit Karpfen besetzt und werden sorgfältig im Wechsel mit Beackerung benutzt. Es wird dabei entweder ein 4- oder ein 6jähriger Turnus dergestalt inne- gehalten, dass man die Teiche 2 oder bezügl. 3 Jahre nach einander bespannt und zur _ *) Schlesische Zeitung, 1869 No. 5. 366 XXVI Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. Fischzucht nutzt, demnächst aber ebenso lange als Acker bebaut. Die Fische werden in Samenteichen gezeugt und dann in Strich- und Abwachsteichen gross gezogen. Ver- möge der zeitweisen Benutzung der abgewässerten Teiche als Acker liefert der an sich meist magere Teichboden in Folge des aufgesammelten Schlammniederschlages ohne besondere Düngung eine oder selbst einige lohnende Ernten, zugleich wird dureh diesen Pflanzenanbau den Fischen wieder Nahrung zugeführt. Neben der Fisch- und Acker- nutzung liefern die Teiche in verschiedenem Maasse Rohr und Schilf als Bedachungs- und Streumaterial. Wenngleich die Aufsicht und die Erhaltung der Dämme, Schleussen und Zu- und Ableitungsgräben nicht unbedeutende Kosten verursacht, so hat die Er- fahrung doch bewiesen, dass bei grösseren Teichflächen von so geringer Bodengüte, wie sie die Mehrzahl der Teiche des Militscher Kreises zeigt, die dauernde Verwand- lung in Ackerland oder Wiesen zwar mitunter grössere Bruttoerträge liefert, doch im ganzen berechnet meist zu Reinertragsverlusten führt*). Aehnliche Teichwirthschaften bis zu 10000 Morgen besitzen Rothenburg und Hoyerswerda, kleinere Flächen Freistadt, Falkenberg, Lublinitz, Pless, sämmtlich zu ungefähr gleichem Ertrage. Wasserstücke zu 45 und 60 Sgr: Reinertrag, wie sie in geringer Ausdehnung, in Striegau, Neumarkt, Breslau und einigen benachbarten Kreisen auftreten, beruhen vor- zugsweise auf Rohrnutzung zu Bauten. In Striegau sind 12 Morgen zu 2 Thlr. durch- schnittlich, in Hoyerswerda, Rothenburg und mehreren Kreisen bei Breslau 3 750 Mor- gen zu 1%, Thlr. geschätzt, die gesammte Provinz besitzt die bedeutende Fläche von 116 079 Morgen Wasser zum Werthe von durchschnittlich 17 Sgr. Die Provinz Sachsen enthält 32 262 Morgen nutzbare Wasserfläche, davon 13 273 zum Reinertrage von über 6 Sgr. Am werthvollsten sind 26 Morgen Rohr- und Fisch- teiche in Querfurt und Zeitz zu 120 Sgr. und 3 Morgen in Wernigerode zu go Sgr. Ertrag. Diese 3 Kreise besitzen ausserdem nur so geringe Flächen Gewässer, dass desshalb ihr Durchschnittsertrag überraschend hoch auf 68, 59 und 47 Ser. steht. Grössere Flächen von 2 000 Morgen und mehr zu Erträgen von 29 und 34 Sgr. kom- men im Liebenwerdaer und Torgauer Kreise vor. Die Seen des Mansfelder Seekreises und bei Osterburg sind nur zu ı Sgr. vom Morgen geschätzt. Die Wasserstücke der westlichen Provinzen nehmen nur höchst unbeträchtliche Flächen ein, liefern aber, weil es meist Fischteiche sind, nicht unbedeutende Reinerträge. Westfalen besitzt überhaupt nur 4 234 Morgen, darunter ro5ı mit ı Thlr. Ertrag, die sich auf Iserlohn und die Kreise der näheren Umgebung von Münster und Minden ver- theilen. Rheinland ist nur im Regierungsbezirk Düsseldorf erheblich reicher an solchen Gewässern. In den Erträgen stehen die Bezirke Köln und Aachen auf dem hohen Durchschnitt von 46 Sgr. vom Morgen. In Euskirchen und den Stadtkreisen von Aachen und Trier werden durch Fischerei und Rohrnutzung bis 120 Sgr. Ertrag vom Morgen erreicht. Euskirchen hebt sich gleichwohl nieht über ı2 Sgr. Durchschnitt. Stadt Aachen und Trier aber haben von 50— 30 Morgen 99—ı20 Sgr. und Stadt Köln und Wipperfürth von 120 Morgen 90 Sgr. Durchschnittsertrag. In Geilenkirchen, Düren, Mühlheim, Gummersbach, Sieg und Trier-Landkreis ist der Durchschnitt go Sgr., Mayen dagegen erlangt auf den Flächen der Moore und des Laacher Sees nur ı Sgr. Durchschnittsertrag. In der gesammten Provinz sind ı1 585 Morgen zu durchschnitt- lich 19 Sgr. Reinertrag vorhanden. — *) A. v. Lengerke, Beiträge Bd. I. S. 35. XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 367 Auf die Benutzung der Wasserstücke und Wasserläufe durch Fischerei wird das folgende Hauptstück bei der Besprechung der Fischzucht und Fischerei im Staatsgebiete näher zurückzukommen die Aufgabe haben. Die Nutzungen der schiffbaren Ströme und Flüsse kommen in der Regel gegen die Kosten der Erhaltung des Strombettes nicht entfernt in Betracht. Verwendungen des Wassers zu Triebwerken und zur Bewässerung anderer Grundstücke sind als Nutzungen der Wasserläufe nicht in Berücksichtigung zu ziehen gewesen. Der Gedanke der Herstellung von Teichwirthschafteu vorzugsweise für den Zweck der Bodenmelioration ist in neuerer Zeit wieder mehrfach angeregt, und es sind Ver- suche, rationelle Grundsätze für seinen Betrieb aufzustellen, gemacht worden”). Für Wasserflächen aber, welche nicht abgelassen werden können, hat besonders die Rohr- kultur Aufmerksamkeit auf sich gezogen, welche bei dem dauernd anwachsenden Bedarfe für Bauarbeiten und den verhältnissmässig sehr hohen Preisen, die sie in geeigneten Oertlichkeiten zu erzielen vermag, überall gute Erfolge verspricht, wo die Aufzucht 4 RR gelingt”*). 2%, Oedland und Unland. Grundstücke, welche den übrigen Kulturarten nicht zugerechnet werden können, aber wie Kalk-, Sand-, Kies-, Mergel-, Lehm- und Thongruben, Fennen, Sümpfe und ähnl. in anderer Art einen Ertrag oder überhaupt gar keinen Ertrag gewähren, sind, wie erwähnt, für das Kataster als Oed- und bezügl. Unland charakterisirt. Dem allgemeinen Ueberblicke nach sind in den einzelnen Provinzen folgende Flächen- und Reinertragsverhältnisse solcher Grundstücke zur Feststellung gekommen: Davon sind auf je 1000 Morgen Durch- Gesammtfläche eingeschätzt: schnitt- Oedland Unland — licher Provinzen auf 1000 über über | über | Rein. Fläche |der Ge- zu 16.165 15 Sgr. | ertrag Fläche sammt-| 1 Sgr. N. n bis vom Morgen fläche 1 Thir. | Morgen Morgen Preussen. ..... |] 44345 2,0 1,35 O,55 0,07 0,93 2 182944 | 7% Pommern ..... | 19302 1,0 0,68 0,32 s . 2 53 877 4,0 Rosen oo oc.e 0. 1 14580 |, Lo Or | 0,9 . ° I 1638 | 090 Brandenburg ... | 12336 | Io 0,60 | 0,40 8 ° 2 1991 | 09 Schlesien ..... | 23768 | 2 0,88 1,07 0,05 2 3122 | Oo Sachsen Fate ten er: 6 716 I,o 0,19 0,60 O,21 . 4 2 202 0,0 Westfalen... ... 6.047 I,o 0,92 | 0,08 ö e I 589 | 0, Rheinland. .... | 16610 | 2,0 0,73 Is | Oyz 3 554 | 0, Staat... 143 703 I,o 0,58 0,38 0,03 0,01 | 2 | 246 917 2,0 *) Neu: Die Teichwirthschaft, Teichfischerei und der Teichbau, Bautzen 1859. *) Vergl. über den Anbau des gemeinen Schilfrohrs, Annalen Bd. 33 S. 164. — W. Kette: Ueber Rohrplantagen, Landwirthschaftl. Centralblatt Jahrg. 9, 1861, Bd.I. S. 492. — Ueber Anpflanzung des Rohrs (phragmites communis) und dessen Behandlung. Ebendas. Jahrg. 12, 1864, Bd. I. S. 468. — Rohranlagen. Ebendas. Jahrg. 14, 1866, Bd. I. S. 177. 368 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. In der Gesammtfläche des Staates sind danach etwa 3 Tausendtheile solcher geringwerthigen Flächen vorhanden, von denen nur der dritte Theil Ertrag und zwar durchschnittlich nur 2 Sgr. vom Morgen gewährt, An Sand-, Kies- und Lehmgruben werden vorweg im Staate für 46896 politische Gemeinden (Tabelle K. der Anlagen Spalte 2b.) durchschnittlich je Y Morgen, zu- sammen also etwa 24 000 Morgen als Bedarf anzuschlagen sein, die übrigen Flächen beruhen auf den besonderen örtlichen Verhältnissen und weichen nach Umfang und Werth zum Theil sehr wesentlich ab. Bei weitem die grössten Flächen an Oedland wie an Unland zeigen die Provinzen Preussen und Pommern. Die Provinz Preussen allein umfasst 59 pCt. von den im Staate überhaupt vor- handenen Ländereien dieser Art. Es befinden sich darunter 629 Morgen in den Kreisen Preussisch-Holland, Labiau und Rössel, die zu ı Thlr., rı5 Morgen in Labiau, die zu 15 Sgr. und 1409 Morgen in Preussisch-Holland, die zu 9 Sgr. auf den Morgen veranlagt sind, sämmtliche 44 345 Morgen Oedland der Provinz aber sind durchsehnittlich nur 2 Sgr. geschätzt. Ihnen stehen 182 944 Morgen ertragloses Unland gegenüber. Die Erklärung dieser enormen Fläche liegst überwiegend in der Küstenregion- der Ostsee, und zwar ebensowohl in dem flachen, kiesigen Streifen von ro und mehr Ruthen Breite, den als eigentlichen Strand die hohe Brandung bespült, als in dem Gürtel wenig be- festigter, untragbarer Dünen, der sich von diesem Strande aus oft schmal, oft aber auch bis zur Breite von einer Viertel- und selbst einer halben Meile in das Binnen- land erstreckt. Der Strand ist fiskalisches Eigenthum. Er bildet eine öde, von Geröll bedeckte Sand- und Grandfläche, welche agronomisch allerdings absolut unnutzbar ist. Indess gewährt er an geeigneten Stellen der preussischen Küste Einnahmen durch die Bern- steingewinnung. Der Bernsteiw, soweit er hier gefunden oder in der Ostsee gefischt wird, ist vorbehaltenes Eigenthum des Staates. Es stehen dem, der das Recht, ihn aufzusuchen, nicht vom Staate erworben hat, beim zufälligen Auffinden nur die Rechte des Finders zu. Innerhalb Landes ist der Bernstein allein in Ostpreussen Regal, in den übrigen Landestheilen ist jeder Grundeigenthümer berechtigt, auf seinem Grunde Bernstein zu suchen und zu graben“). Der Fiskus verpachtet den Strand zur Gewin- nung des Bernsteins an dte anwohnenden Grundbesitzer und diese verafterpachten wieder das Recht auf diese Nutzung an Unternehmer. Der Bernstein wird entweder gegraben oder gesucht, oder im Wasser mit kleinen Netzen gefischt und zwar letzteres entweder bei ganz ruhiger See vom Grunde, auf dem er zwischen Steinen eingeklemmt liegt, oder nach starken Stürmen in den Brandungswellen, in denen die Stücke oft in grösserer Menge schwimmen. Der Preis richtet sich nach Grösse, Farbe und Reinheit. : Von pfundschweren Stücken kostet das Loth etwa 3 Thlr., von Sammelstückchen, die zu klein sind, um zu Formen verarbeitet zu werden, das Pfund nur 20 Sgr. bis ı Thlr. *) Westpreussisches Provinzialrecht vom 19. April 1844 (G.-S. S. 110). — ÖOstpreussi- sches Provinzialrecht, Zus. 223 $ 1— 13. — Fischerei-Ordnungen für das Frische Haff ($ 64) und für das Kurische Haff ($ 59) vom 2. März 1845 (@.-S. S. 134 u. 153). — Für den Strand von Weichselmünde bis Polsk ist das Fischen und Sammeln des Bernsteins ausschliessliches Recht der Kämmerei der Stadt Danzig. Ges. vom 16. Februar 1857, Art. X. $ ı (G.-S. S. 9). — Vergl. Thomas: Der Bernstein in naturwissenschaftlicher, industrieller und volkswirtb- schaftlicher Beziehung, Archiv für preuss. Landeskunde Bd. I. 1856 S. 280. XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 369 Der Reinertrag der Unterpächter wird in dem besonders betheiligten Kreise Fischhausen auf zusammen 12000— 15000 Thlr. angesehlagen. Die gewonnene Masse beträgt jähr- lich 50— 60000 Pfd. im durchschnittlichen Werthe von 3 Thlr.*). — Die Dünen entstehen im wesentlichen aus dem feinen Sande, den das Meer auf den Strand auswirft und der, wenn er trocken geworden, vom Winde landeinwärts ver- weht wird. Die Sandmenge ist von Tag zu Tag nur sehr unbedeutend und wird erst dann zur Gefahr, wenn sie sich durch die Umstände allmählich zu grösseren losen, durch Vegetation unbefestigten Anhäufungen angesammelt hat, welche der Gewalt des Windes offen liegen. Aus solchen Massen von Flugsand bildet die überwiegend vorherrschende Windrichtung sogenannte Wanderdünen, d. h. wellenähnliche Dämme, an deren Vorderseite der Wind den Sand in die Höhe treibt und ihn dann über den Kamm nach der Binnenseite überstürzt, so dass nach und nach ein Vorrücken des ge- sammten Dünenzuges in das Binnenland stattfindet. Der Weg, den die Wanderdüne nimmt, bleibt auf lange eine Wüste. Vor sich begräbt sie widerstandslos alle Kultur und Vegetation. Die Bäume sterben ab, wenn sie die Düne erreicht, und die Ort- schaften müssen geräumt und verlassen werden. Hinter sich seewärts lässt sie eine nasse Thalfläche zurück, welche sich nach und nach spärlich mit Bruchpflanzen bedeckt, häufig aber auf einige Schritte vom Fuss des Dünenhügels unter einer schwachen Kruste trocknen Sandes unergründliche Triebsandmassen verbirgt, in denen in wenigen Augen- blicken ganze Gespanne rettungslos verschwinden können, In diesem Thale treten hier und da die Reste der verschütteten Stämme und Gebäude wieder zu Tage, über welche sich endlich nach einer Reihe von Jahren die gesammte Sandwehe fortgewälzt hat, und ohne eingreifende Abhülfe in gewisser Zeit eine zweite ihren Lauf beginnen wird. Die sogenannten Strand- oder Dünengräser, Strandhafer (Elymus arenarius) und Sandrohr oder Sandhafer (Ammophila arenaria) haben die Eigenthümlichkeit, so lange sie mit dem verwehenden, zum Theil feuchten und mit nährenden Substanzen vermischten Meeressande bedeckt werden, diesen zu durchwachsen und auf diese Weise vermöge ihrer starken, aufstrebenden Vegetation den Sand genügend, selbst gegen die Stürme festzuhalten. Dadurch ist das Mittel gegeben, das Binnenland vor dem Einwehen des Sandes zu schützen. Es besteht darin, eine mit solchen Strandgräsern bewachsene so- genannte Vordüne herzustellen und zu erhalten, d. h. einen regelmässig in der Ent- fernung von 5s— 20 Ruthen vom Strande fortlaufenden Damm von etwa 8 Fuss Er- hebung über die Fluthhöhe des Wassers, der, wenn er mit Vegetation gedeckt ist, geeignet bleibt, den ausgeworfenen Sand anzuhalten. Besteht eine natürliche Vordüne, so bepflanzt man sie mit starken, in gekreuzte Reihen gestellten Büscheln von Strand- gräsern. Fehlt die Vordüne, so sucht man sie dadurch zu schaffen, dass einfache oder *) Durch Baggern werden bei Brüsterort überdies jährlich etwa 70000 Pfd. zum Werthe von 200.000 Thlr. vermöge g Dampf- und 3 Handbaggermaschinen von ungefähr 600 Arbeitern, die durch 200 Tage beschäftigt sind, gefördert. Ein ungefähr ebenso grosses Quantum fördert ein Baggerunternehmen im Haff bei Schwarzort, welches 1862 mit einem Handbagger be- gonnen, 1867 schon bis zur Aufstellung von ı2 Dampfbaggern und einer täglichen Pacht von 25 Thlr. an den Fiskus fortgeschritten ist. In der Nähe der Samländischen Küstengegend werden durch offene Gräberei aus der der Braunkohle angehörigen sogenannten blauen Erde etwa 40000 Pfd., ausserdem in den übrigen nördlichen Gegenden durch Graben an zufällig aufgefundenen Stellen etwa noch 30.000 Pfd., zusammen also im ganzen 280 0oo Pfd. jährlich gewonnen. (Vergl. Littauen und die Littauer von O. Glagau, Tilsit 1869.) Boden d. preuss. Staates. II, 24 370 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. doppelte feste Ruthenzäune dem Strande parallel gesetzt und in ihrer Höhe genau horizontal verschnitten werden. Hinter diesen fängt sich zunächst der Sand aus der Brandung und wird, wenn er genügende Höhe und Gleichmässigkeit erlangt hat, mit Strandgras bepflanzt. Wo eine ununterbrochene Vordüne erreicht und bei Beschädi- gungen rechtzeitig nachgebessert wird, darf das Land gegen den Sandflug und die Bil- dung neuer Binnendünen als gesichert angesehen werden, und es wird alsdann auch mit Aussicht auf Erfolg eine Kultur der alten losen Dünen möglich. Sie werden zweck- mässig zur ersten Befestigung mit Strandgräsern bepflanzt und in deren Schutz, da ‚diese selbst im Mangel neuen Sandes in 3—6 Jahren verschwinden, mit anderen Gras- arten angesät, nachdem sie aber eine einigermassen genügende Grasnarbe erlangt haben, mit Kiefernballenpflanzen besetzt. Wo die Düne Schutz hat, sind diese Kulturen mehr kostspielig als schwierig. Wo der lose Sand aber gegen den Hauptwind offen liegt, sind sie oft sehr mühevoll und erfordern grosse Aufmerksamkeit und stete Nachbesse- rungen. Auf den dem Sturm am meisten ausgesetzten Stellen ist eine Festlegung oft nicht anders als durch eine Deckung mit kurzen Nadelholzzweigen möglich, welche dachziegelartig theils mit ihren Enden in den Sand gesteckt, theils mit angepfählten längeren Knüppeln am Boden festgehalten werden. Wenn diese Zweige vergehen, hat sich in der Regel unter ihnen eine genügende Moosdecke, oder falls sie besät wurden, eine Berasung gebildet. In den letzten Jahren ist die Ausdehnung und Beschaffenheit des Dünenterrains der preussischen Ostseeküste durch örtliche Untersuchungen und Kartirungen festgestellt worden, Dabei hat sich für die Provinz Preussen ergeben, dass von der russischen Grenze bei Pillkallen bis zu der sogenannten Holländischen Mütze hohes Ufer besteht, welches keine Versandung zulässt. Von diesem Punkte, ı; Meile nördlich von Memel, bis zum Eingange des Kurischen Haffs befinden sich 6944 Morgen Dünenterrain, welche, obwohl fiskalisch, als Zubehör der Memeler Hafenanlagen der Memeler Kaufmannschaft zur Verwaltung übergeben sind, und von derselben schon seit 40 Jahren mit dem glück- lichsten Erfolge bis auf einen schmalen Streifen zunächst des Leuchtthurmes festgelegt und mit Holz kultivirt wurden. Die innere Küste des Kurischen Haffs hat keine Dünen, dagegen setzen sich dieselben auf der Kurischen Nehrung ununterbrochen, bis, Kranz fort. Die Kurische Nehrung ist durch ihre Reste alter Waldungen und durch die bis zu ı8o Fuss hohen wandernden Sturzdünen bekannt, durch welche diese Wälder sowohl, wie die wenigen noch bestehenden Ortschaften, namentlich Schwarzort, Nidden und Rosskitten, nach und nach verschüttet werden, wenn es nicht noch rechtzeitig gelingt, dem Vorschreiten wenigstens an den wichtigsten Punkten dureh Abschluss der seit lange mühsam geleiteten Arbeiten Einhalt zu thun. Man berechnet die Fortbewegung der hohen Dünen auf jährlich 50 und selbst roo Fuss. Auf den weit überwiegenden Strecken, auf denen die Dünen bereits den Haffstrand erreichen, ist, wenn neue. Sand- massen durch Herstellung von Vordünen abgehalten werden können, ihr allmähliches Verwehen ins Haff zu erwarten. Der Ostseestrand der Kurischen Nehrung ist 14% Meilen lang. Davon ‘ist vor- zugsweise der nördlichste und der südlichste Theil in 9315 laufenden Ruthen Länge mit guten Vordünen versehen. 3770 Ruthen bedürfen derselben nicht, weil das Ufer theils hoch ist, theils Ablagerungen grösserer Steine zeigt. 13665 Ruthen aber besitzen noch keine genügenden Vordünen. Das unmittelbare Strandareal hat 2437 Morgen Fläche, XXVI Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 371 das mit Dünen bedeckte und theils geschützte, theils noch zu sehützende Terrain um- fasst 59901 Morgen. Davon sind 5120 mit Wald besetzt, 6274 fest benarbt und nur noch mit Holz zu kultiviren, 11644 schwach benarbt und durch Pflanzung und Ansaat fester zu vernarben, 4148 mit Dünengräsern, welche Unterhaltung fordern, bepflanzt, und 32714 sind loser Sand, der noch jeder Bepflanzung entbehrt, allerdings aber auch zum grossen Theil ohne Gefahr sich selbst überlassen bleiben kann. Die Samländische Küste fällt fast überall steil zum Meere ab. Einzelne Dünen beginnen erst wieder auf der Westseite bei Kraxtepellen, 3‘ Meile nördlich von Pillau. Die ausgedehnteren liegen um Lochstedt, indess sind sie ohne Gefahr. Auf dem inneren Strande des Frischen Haffs finden sich nur unbedeutende Dünenstrecken zwischen Fisch- hausen und Königsberg. Dagegen ist die Frisehe Nehrung der Kurischen sehr ähnlich. Die Spitze der Nehrung gehört etwa 3 Meilen weit von Pillau aus noch zum Regierungsbezirk Königsberg. Diese Streeke besitzt auf 5050 laufenden Ruthen gute Vordünen, auf 40 sind Vordünen nicht nöthig und nur auf 850 fehlen sie. Die Ge- sammtfläche dieses Abschnittes von 8 428 Morgen umfasst 1793 Morgen Wald, ı 306 fest benarbten, r928 schwach benarbten, 1513 Morgen mit Dünengräsern bepflanzten und 1886 Morgen noch losen Sand. Auf dem zum Regierungsbezirk Danzig gehörigen Theile der Nehrung liegen die Dörfer Polski, Neukrug und Vöglers in unmittelbarer Gefahr der Verschüttung. Soweit die Nehrung an das Haff stösst, ist im übrigen von dem allerdings sehr wilden Zustande der Dünen eine Gefahr erst westlich von Kahlberg zu besorgen, wo sich zahlreichere Wohnplätze und etwas kulturfähiges Land finden. Im Norden des Weichselwerders von Vogelsang bis Pasewark und zwischen der neuen Weichselniederung bei Neufähr bis nach Neufahrwasser ist das ziemlich ausgedehnte Dünenterrain grossen Theils bewaldet, obwohl durch Vordünen nicht überall genügend geschützt. Von Neufahrwasser setzen sich die Dünen noch bis Zoppot fort. Zwischen Zoppot und der Spitze von Hela im Innern des Putziger Wieks bestehen theils hohe Ufer, theils Moorgründe. Die See- seite der Halbinsel Hela aber unterliest wieder der Dünenbildung. Ihre gesammte Formation ist den Nehrungen durchaus ähnlich. Von dem Punkte bei Grossendorf, wo sie mit dem Festlande zusammenhängt, bis westlich über das Vorgebirge Rixhöft hinaus, fällt die Küste steil ab, dann aber folgt ein bis zur pommerischen Grenze reichendes ungeordnetes Dünenterrain von etwa 4000 Morgen, welches die Gefahr weiterer Ver- breitung der Versandungen in sich trägt. Die gesammte gedachte Strandlinie des Regierungsbezirks Danzig ist 34,36 Meilen lang und besitzt auf 28451 laufenden Ruthen gute Vordünen, auf 35 477 bedarf sie derselben nicht, 5784 Ruthen aber sind durch Vordünen nicht genügend geschützt. Der Strand vor den Vordünen nimmt eine Fläche von 3162 Morgen ein. Von den Binnendünen bedürfen 2 586 Morgen, welche dem Fiskus gehören, 5 497 Morgen, welehe Kommunen, namentlich der Stadt Danzig gehören, und 397, welche Privaten gehören, dringend einer in genügender Weise auszuführenden Befestigung. Bei 2596 Morgen ist dies weniger dringend und 5335 Morgen können sich selbst überlassen bleiben. Die Aufwendungen des Staates, der etwa seit 1817 mit Befestigung der Dünen der Provinz begonnen hat, betrugen im Regierungsbezirk Königsberg, in welchem das Dünenareal fast ausschliesslich fiskalisch ist, jährlich einschliesslich der Aufseher- gehalte 4320. Thlr,, im Regierungsbezirk Danzig aber 4360 Thlr. Im ersteren hat, wie 24” 372 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. erwähnt, die Hafenkasse der Memeler Kaufmannschaft seit etwa derselben Zeit bedeu- tende Kosten verwendet. Im Regierungsbezirk Danzig ist die Stadt Danzig im Besitz der bei weitem grössten Strecke, der Staat hat indess von 1829 bis 1862 gegen einen etwa die Hälfte des Bauanschlages betragenden Geldzuschuss den Dünenbau auf sehr bedeutende Ausdehnung für die Stadt zur Ausführung gebracht. Erst 1863 wurden diese Dünen von der Stadt wieder zur Selbstverwaltung übernommen. Auch die Privaten haben nach Kräften gegen die Elemente angekämpft. Eine wirksame Herstellung der noch fehlenden oder nicht genügend verwahrten Vordünen und eine Festlegung der Binnen- dünen würde nach den Anschlägen unter Berücksichtigung der Möglichkeit, bei den vorhandenen Arbeitskräften mit der Ausführung fortzuschreiten, eine doppelte oder dreifache Verstärkung der bisherigen Fonds erfordern. — Dem Unlande der Provinz Preussen sind endlich auch die Bd. I. S. 216 ge- ‘ dachten Moosbrüche in den Kreisen Labiau, Heydekrug und Memel zugerechnet worden, soweit sie nicht von den Anwohnern kultivirt vorgefunden wurden. Diese Moosbrüche“) sind unter den auf dem Etat der Forstverwaltung stehenden unproduktiven Forstflächen Bd. II. S. 328 enthalten. Sie nehmen in den Oberförstereien Pöppeln, Drusken, Alt- und Neu-Sternberg, Nemonien, Schnecken und Ibenhorst eine Fläche von etwa 50000 Morgen ein. Das umfangreichste zusammenhängende Hochmoor dieser Art ist das „grosse Moosbruch*“ im Kreise Labiau von etwa 30 000 Morgen. Die Flächen dieser Moore erheben sich von den Rändern aus allmählich steigend bis zur Höhe von 20— 25 Fuss nach der Mitte hin. Obenauf liegt eine Torfmoosschicht, von 6—32 Fuss Mächtigkeit, welche nach unten zu in einen losen Torf übergeht, dessen Festigkeit mit der Tiefe zunimmt und dessen Mächtigkeit fast unergründlich ist. Die Oberfläche ist mit Torfpflanzen aller Art und einzelnem Kiefern- und Birken- gestrüpp bewachsen. Eine Nutzbarmachung dieser ertraglosen und völlig unwegsamen Moosbrüche ist, wie erwähnt, nur durch Verpachtung einzelner kleiner Grundstücke auf den Rändern der sie durchschneidenden Wasserläufe möglich geworden. Diese Wasser- wege vermitteln zugleich die Kommunikation zu Kahn. Es ist bisher nur auf dem festeren Theil des Bruches gelungen, einen auf Faschinen aufgeschütteten Weg her- zustellen. Die Erträge, welche die gartenmässige Spatenkultur dem längere Jahre bearbeiteten, stark gedüngten Boden abgewinnt, sind so bedeutend, dass sie eine Pacht bis 4 Thlr. auf den Morgen abwerfen können. Auf solchen Anbau gründet eine Anzahl grösserer Koloniedörfer von Fischern und Schiffern einen Theil ihrer Existenz; sobald dieselben aber die regelmässige Bearbeitung und Ausdüngung aufgeben, tritt der frühere völlig unnutzbare Zustand wieder ein. — In mehreren Kreisen bestehen diese verschiedenen Formen von Oedland und Unland neben einander und häufen sich sehr beträchtlich. So besitzt Labiau davon 39 000 Morgen, Memel, Heydekrug, Fischhausen, Danzig, Neustadt je eine halbe bis mehr als eine ganze QQuadratmeile. Indess kommen auch im Innern der Provinz in Ragnit, Preussisch-Eilau, Konitz und Schlochau Kies- und Flugsandflächen bis zu je 8000 Morgen vor. Dagegen sind andere Kreise, wie Darkehmen, Goldap, Oletzko, Sensburg, Friedberg, Rastenburg, Braunsberg, Mohrungen, Flatow bis auf kaum ıo0 bis 200 Morgen von Oed- und Un- land frei. ") 0. v. Hagen: Die forstlichen Verhältnisse Preussens, Berlin 1868, $: ri: XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 373 Die hohen Reinerträge des Oedlandes im Kreise Preussisch-Holland von ı Thlr, für den Morgen beziehen sich auf die sogenannten Kampen im Drausensee, Anlandungen,, welche theils durch Rohr, theils durch Heu, theils durch Strauchwerk nutzbar werden, und in anderen Klassifikationsbezirken, wie gezeigt, je nach ihrer örtlichen Werthschätzung theils zu den Wasserstücken, theils zu den Wiesen gezogen worden sind. — Pommern besitzt gegen Preussen nur den dritten Theil an Oed- und Unland, gleichwohl aber 18 pCt. der überhaupt im Staate vorhandenen Fläche desselben. In mehreren Küstenkreisen, besonders in Lauenburg, Stolp, Greifenberg, Franzburg und Rügen sind 5000— 14000 Morgen vorgefunden. In der gesammten Provinz aber haben von allen diesen Flächen nur 2880 Morgen über 3 Sgr. Ertrag, Erträge von 6 Sgr. oder mehr kommen gar nicht vor, Auch in der Provinz Pommern sind Strand und Dünen durch genaue Aufnahme festgestellt worden. Im Regierungsbezirk Köslin hat auf der etwa 5 Meilen langen, öden Strand- strecke von der westpreussischen Grenze bis zur Mündung der Leba der Flugsand auf einer Fläche von 12 000 Morgen, die sich zwischen den Strandseen und Moorgründen verbreitet, fast überall völlig die Ueberhand. Bis auf wenige Stellen, bietet sie dem Auge das Bild einer Sandwüste, Die folgenden 9%, Meilen Strandlinie von der Leba bis an das Vorgebirge Jershöft zeigen zwar vielfach Kulturbedürftigkeit, aber im ganzen einen erheblich besseren Zustand; namentlich beweisen Dünnow, Lindow und Muddel, was durch Sorgfalt und Ausdauer erreichbar ist. Auf den letzten 12 Meilen von Jers- höft bis zur Grenze des Regierungsbezirks Stettin besteht zum Theil hohes Ufer, das Dünenterrain beträgt nur 4000 Morgen und der Sandflug ist durch geeignete Kulturen grösstentheils gedämpft. Von den 32 700 Ruthen der gesammten Strandlänge des Be- zirks sind auf 8030 Ruthen die Vordünen genügend befestigt und auf 9170 Ruthen überhaupt nicht erforderlich, dagegen sind sie auf 35500 Ruthen unzureichend, unter- brochen oder fehlen gänzlich. Das Dünenterrain beträgt zusammen 4ı 140 Morgen, von denen 5375 dem Fiskus, 6585 den Kommunen und ı2 ıro den Privaten angehörige einer Festlegung dringend bedürftig sind, die übrigen bieten weniger Gefahr, weil sie meist zwischen der Küste und den Strandseen liegen. Im Regierungsbezirk Stettin sind auf der 175/ Meilen langen Strandlinie 5194 laufende Ruthen mit guten Vordünen versehen, 6341 bedürfen derselben nicht, auf 22852 aber ist ihre Herstellung noch nothwendig. Das Dünenterrain beträgt im ganzen 14 ısı Morgen, von denen die Hälfte dem Staat gehört. Von ihnen sind indess nur 1963 Morgen fiskalischen und 938 Morgen kommunalen Areals der Befestigung drin- gend bedürftig. Die am meisten gefährdeten Stellen liegen an der Rega bei Ostdeep, an der Dievenow bei Berg-Dievenow, auf Wollin bei Misdroy und auf Usedom bei Damerow und Zempin. Mehrere Stellen aber, namentlich in der Umgebung von Swine- münde, bedürfen fortgesetzt sehr sorgfältiger Pflege. Innerhalb des Haffes bestehen keine Dünen. i Der Regierungsbezirk Stralsund besitzt seiner gesammten Terrainbildung nach fast überall, wenn auch nicht besonders hohe, doch steil abfallende Ufer. Dünen finden sich nur auf der Seeseite der nach Nordwesten vorliegenden Inseln und Halbinseln, Dars, Zingst und Hiddensöe, und sehr beschränkt auf 3 Stellen der Insel Rügen, näm- lich auf dem Bug bei Wittow, der Schaabe zwischen Wittow und Jasmund und östlich auf der Halbinsel Mönchsgut. Auf letzterer sind nur einige hundert Morgen Sand in 374 XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. der Nähe von Thiessow zu befestigen. Die Schaabe ist ganz werthlos und der Bug bildet ein geringes Forstterrain, welehes an den flachen Stellen verlandet, an der abbrüchigen Westküste aber nur durch schwierige Vorwerke geschützt werden könnte. Auch die Küste von Hiddensöe, Zingst und Dars leidet vorzugsweise durch Abbruch. Hiddensöe erhebt sich im Norden bis zu 237 Fuss über die See und setzt sich auf eine Strecke von etwa 1200 Ruthen als Hochland mit steilem Abfall fort. Südlicher bildet sie ein niedriges Weideland, welches bei den höchsten Wasserständen nur in schmalen Streifen wasserfrei bleibt, indess bis zur Klimphoresbucht mit einer Narbe bedeckt ist, die von dem auftreibenden Sande nur an der Strandkante aufgehöht wird, so dass sich letztere etwa 6—8 Fuss über das Mittelwasser und r—2 Fuss über das hinter ihr liegende Weideland erhebt. Von der Klimphoresbucht bis zur Südspitze ist die Insel von unregelmässigen Dünen bedeckt, liegt aber in Verlandung. Die Er- haltung dieses schmalen, werthlosen Landstreifens ist wichtig, um das Fahrwasser von Stralsund nach Norden in den Trog zu schützen. (Bd.I. S. 105.) Die Insel Zingst beginnt im Osten mit dem sogenannten Bock, einer bedeutenden Sandbank, welche zur Zeit noch durch höhere Wasserstände überspült wird, von der aber der Nordwestwind den Sand in grossen Wolken binnenwärts treibt. ° Seit einigen Jahren sind Bauten ausgeführt, um auf Bildung von Dünen hinzuarbeiten, die eine Befestigung ermöglichen. Von Pramort, wo der feste Inselgrund beginnt, bis zur Aus- mündung des Prerowstromes liegt der Strand in den meisten Lagen so sehr im Ab- bruch, dass er jährlich durchschnittlich um 4 und selbst 8 Fuss zurückweicht, und es noch nicht gelungen ist, eine Vordüne zu seiner Sicherung herzustellen. Im Straminke- forst und bei Zingst sind seitens des Staates unter einem vertragsmässigen Beitrage der bedrohten Orte von jährlich 130'/, Thlr. sehr erhebliche Arbeiten für diesen Zweck versucht worden. Der Prerowstrom, zwiscHen Zingst und Dars, ist seit 1696 mit seiner Mündung um 600 Ruthen westwärts gerückt, wodurch zwar Dünen weggerissen, indess auch wieder in genügender Höhe angesetzt worden sind. Durch seinen Ausfluss wird eine erheblich anwachsende Verlandung am Darsser-Ort bewirkt. Die Westküste des Dars ist in gutem Zustande. Beinahe der gesammte Dars und grosse Theile von Zingst sind mit Dünensand bedeckt, indess sind diese Dünen fast überall so weit mit Forst bestan- den, dass sie keine Gefahr darbieten. Im ganzen beträgt die am Dünenterrain des Reg.-Bez. Sttalsund betheiligte Strand- länge 22053 laufende Ruthen, von denen 7495 mit Vordünen genügend versehen sind, 4160 derselben nicht bedürfen, weil sie steinig sind oder in Verlandung liegen, dagegen 10388 die Herstellung ununterbrochener Vordünen nöthig machen. Von den 9430 Morgen Binnendünen erfordern 405 Morgen fiskalisches Areal und ı339 Privatareal die Befestigung dringend. Seit 1818 haben die jährlichen Aufwendungen des Staates für Dünenbau im Regierungsbezirk Stettin 2500 Thlr. und im Regierungsbezirk Stralsund etwa 2000 Thlr. betragen, im Regierungsbezirk Köslin aber ıo00 Thlr. und seit 1845 3210 Thlr. — In den übrigen Provinzen sind die Unlandsflächen kaum nennenswerth, eher erreicht das Oedland eine gewisse Ausdehnung und zum Theil höhere Reinerträge. Posen besitzt in den Kreisen Bromberg, Inowraclaw, Adelnau, Kosten, Kroeben und Pleschen einige Tausend Morgen grösstentheils aus Flugsand bestehendes Oedland, das zum Theil zu r—3 Sgr. veranlagt ist. Eine Feststellung der unvollkommen berasten XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 375 Blössen und Sandschellen in der Provinz im Jahre 1867 hat 27160 Morgen ergeben, von denen ein grosser Theil den stark fortschreitenden wenig wirthschaftlichen Rodun- gen zugeschrieben werden muss. Auch in der Mark Brandenburg bestehen auf den nördlichen Höhen in Landsberg, Königsberg, Friedeberg und Ruppin, auch in Beeskow-Storkow grössere Flugsandflächen. Alles angegebene Oedland ist gering und hat nirgend über 5 Sgr. Ertrag vom Morgen, In Schlesien besitzt der Kreis Beuthen eine 2500 Morgen erreichende Fläche an Bergwerkshalden u. dgl., und der Breslauer Landkreis steigt bis 1000 Morgen durch Ziegeleipläne, verlassene Oderläufe und ähnl. Alle anderen Kreise sind davon erheblich freier. Selbst von den Hochgebirgskreisen enthält keiner über 400 Morgen Oed- und Unland; ein Zeugniss, wie wenig kahle Felsen und Schuttmassen das Gebirge darbietet. 590 Morgen in Kosel, Wohlau, Neumarkt, Guhrau und Habelschwerdt sind zu je 9 Sgr. vom Morgen und überhaupt nur 2827 Morgen über 3 Sgr. geschätzt. Die Provinz Sachsen umfasst an Unland und Oedland im ganzen nur 8918 Morgen, von denen auf den Kreis Torgau allein 2700 Morgen fallen. Auch in den sächsischen Gebirgen sind also nur höchst unbeträchtliche Flächen unnutzbarer Kuppen oder Felsen vorgefunden worden. Kein Morgen Oedland ist höher als 8 Sgr. geschätzt, zu diesem Satze aber zusammen eine Fläche von ıı17 Morgen veranlagt. In Westfalen beträgt Oed- und Unland zusammen 6716 Morgen, und alle diese unnutzbaren Flächen fallen fast ausschliesslich in die Ebene; in den Kreisen Koesfeld und Steinfurt allein liegen davon 3788 Morgen zu durchschnittlich ı Sgr. Ertrag vom Morgen, die grösstentheils nur Flugsand sind. In den Gebirgen giebt es mehrere Kreise, in denen durchaus keine Grundstücke dieser Kategorien vorgefunden werden. In Rheinland sind zum Oedland mehrfach ziemlich ertragreiche Flächen gerechnet worden; im Kreise Koblenz sind als solches 96 Morgen zu ı5 Sgr., in Neuss 782 Mor- gen zu ı2, in Geldern und Moers 105 Morgen zu 9 Sgr., überhaupt 3319 Morgen über 3 Sgr. eingeschätzt; das Unland ist höchst unbeträchtlich, Die grösste Ausdehnung haben die geringwerthigen Ländereien in Neuss, Moers, St. Goar, Mayen und Zell. Der gesammte Regierungsbezirk Trier dagegen besitzt an Oed- und Unland zusammen nur 794 Morgen. — Unzweifelhaft liessen sich manche dieser öden Grundstücke mit leichterer Mühe in eine gewisse Kultur bringen, als dies bei den Strandländereien möglich ist; indess zeigt ihre sehr beschränkte Fläche in den südlichen Provinzen, dass sie nur der gering- fügige Rest solehen Areals sind, welches den Kulturarbeiten keinen ersichtlichen Ertrag verspricht. Es kommt desshalb wesentlich darauf an, die Kenntniss soleher Kultur- weisen zu fördern nnd zu verbreiten, welche die Verbesserung ohne erhebliche Kosten, wenn auch vielleicht nur allmählich bewirken. Im Sinne solcher Meliorationsbestre- bungen haben desshalb seitens der Staatsbehörden und des Landes-Oekonomie-Kollegiums technische Ermittelungen zum Theil im Auslande stattgefunden, und es sind die Bericht- erstattungen und der Ausfall gemachter Versuche veröffentlicht worden: so über Sand- schellen oder Sandwehen und deren Deekung, Annalen Bd. 35 $. 40, 290 und 435; über die Seestrandskiefer, Bd. 4ı S. 310; über die Dünen, Landes und Sümpfe der Gas- cogne, Bd. 45 S. 1317; auch über die Heidekultur in Teeklenburg, Bd. 23. $. 425 *). *) Vergl. ferner: v. Pannewitz, Anleitung zum Anbau von Sandflächen und Blössen, Königsberg 1830. — W. Pfeil, Sand und Sumpf, im Archiv für Landeskunde, Bd. I. S. 153. — Rössler, Die Heide oder das Heidekraut (Erica vulgaris), im landwirthschaftl, Centralblatt XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. g Für die Festlegung und den Anbau von Sandschellen haben schon Cirkularreskripte des Generaldirektoriums vom 23. Januar und 18. Oktober 1768 und später vom 6. No- vember 1788 und 24. März 1789*) Anordnungen getroffen, welche die Belehrung der Besitzer durch die Land- und Steuerräthe und namentlich durch die Forstbeamteten über die Aufzucht von Kiefern und deren angemessene Erhaltung, sowie die nöthigenfalls mit obrigkeitlicher Hülfe durchzuführenden Saaten und Anpflanzungen zum Zweek hatten. Um ıg18 zog die Abstellung der von den Stranddünen herrührenden Schäden die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden auf sich, jedoch wurde die beabsichtigte legislative Behandlung dieses Gegenstandes seiner eigenthümlichen Schwierigkeiten wegen bis zur Emanation der Gesetzgebung über die Befestigung der Sandschellen im Binnen- lande ausgesetzt, diese aber der Revision des Allg. Landrechts als Erweiterung von 88 29—3ı Tit. 8 Th. I. vorbehalten. Auf Anregung der Provinziallandtage im Beginn der dreissiger Jahre wurde den- selben 1837 ein besonderer Gesetzentwurf wegen Abwendung der Versandungen und Befestigung der Sandschellen im Binnenlande vorgelegt; gegen welchen indess im Hin- blick auf das freie Verfügungsrecht des Eigenthümers mancherlei Einwendungen erhoben wurden. Diese behielten auch gegenüber späteren Umarbeitungen im Jahre 1944 und 1846 so weit Geltung, dass es in neuerer Zeit am zweckdienlichsten erschienen ist, die- jenigen, welche solche Sandschellen angemessen in Kultur bringen wollen, seitens des Staates mit technischem Rathe, Sämereien, Pflänzlingen u. dgl. zu unterstützen, und ihnen bei gelungenen Arbeiten eine angemessene Beihülfe bis zu 5 Thlr. vom Morgen zu gewähren. 3 Wegeland. Die wegen ihrer Benutzung zu öffentlichen Zwecken ertraglosen Grundstücke an Land haben nach Inhalt der 'Tabelle K. der Anlagen für die einzelnen Provinzen fol- gende Flächen ergeben: a | Fläche der wegen | Verhältniss Benutzung | de a Länge Länge 5 zu öffentlichen | demselben der Eisehbahnen | descn ; seen Provinzen TE zur r Eisenba der Chauss 1 Gesammt- 1862 1862 Srirag ER Grund- fläche in Meilen in Meilen stuck®e Morgen | PLEUSSONER ST SRRERL er eleine Tee 453 999 1,8 77113 | 510,0 IEOmmernw le En 222, 032 1,9 58,56 | 334,7 Bogen nn Une a ee ar. 2231150 || 1,9 56,12 322,7 Brandenburg, „mu 09 ae. 368.073. N ka); 1038 | 4276 Schlesien“ .unun ns auhraneı Ka. 323065 | 2 169,18 530,8 SACHSEN: heine te Inlhe MODE: 29615 | 29 102,48 | 47453 Westfalen? . venmnrere Sthsuklanmelle 218685 | 27 1044 | 551,0 IRhemlandeue sn. Den. urbienae 252205 | 2,4 159,21 | 835,8 Staat... 2.357 365 2,X 841,60 3 986,9 Jahrg. 9, 1861. Bd. II. S. 239. — L. Hasselmann, Die Plaggenwirthschaft und die Heide- benutzung auf den Hannöverschen Geestländereien; Ebd. S. 293. *) Mylins, Nov, C. C. March. Bd. IV. und VIII. zum Datum, XXVI. Wasserstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. 377 Darunter sind mehrere nicht zum eigentlichen Wegelande gehörige Gattungen Grundstücke inbegriffen, namentlich Kirehhöfe und Begräbnissplätze, öffentliche Lust- gärten, Baumschulen und Ablageplätze, Erstere lassen sich indess für den gesammten Staat bei einer Anzahl von 17901 gottesdienstlichen Gebäuden und einer jährlichen Sterblichkeit von gegen 250000 Erwachsenen und ebenso viel Kindern nur auf etwa 60000 Morgen anschlagen; die öffentlichen Gärten, Baumschulen und Ablageplätze aber bleiben hinter dieser Fläche jedenfalls noch erheblich zurück, so dass nahezu 2 250 000 Morgen unter den engeren Begriff des öffentlichen Wegelandes zu rechnen sind, und das Verhältniss der Vertheilung durch die vorgedachten unbedeutenden Abzüge nicht wesentlich berührt werden kann, Die Längenmeile Eisenbahn oder Chaussee erfordert durchschnittlich eine Fläche von etwa 4o Morgen. Nach der der obigen Uebersicht beigefügten Angabe der zur Zeit der Grundsteuerregulirung in den einzelnen Provinzen vorhandenen Eisenbahn- und Chausseestrecken umfassten danach diese beiden Wegegattungen zusammen kaum 200 000 Morgen. Es zeigt sich also, in wie überwiegendem Grade die gewöhnlichen Kommunjkations- und Feldwege an dem Wegelande Theil haben, und wie die angege- benen Prozentzahlen unmittelbar auf das Verhältniss dieser Wege bezogen werden dürfen. Unter diesem Gesichtspunkte ergiebt die Nachweisung, dass sich die Wegefläche im allgemeinen in derselben Reihe steigert, wie sich die Grösse der Verwaltungsbezirke (Absch. III. Bd. I. S. 72) vermindert, und die Zertheilung des Landes in kleinere Wirth- schaften vermehrt. Nur Brandenburg bildet dagegen eine Ausnahme, deren Erklärung wahrscheinlich in keinem anderen Umstande als der in den leichten Sandböden üblichen Breite der Wege zu suchen ist. Selbstredend bleibt die Wegefläche, obwohl sie fünfmal grösser ist, als das ge- sammte im Staate vorhandene Oed- und Unland, ihrer Bestimmung nach durchaus un- entbehrlich, und es ist für die meisten Theile des Staates eher das Bedürfniss ihrer Vergrösserung, als die Möglichkeit einer Einschränkung anzuerkennen. Indess werden diese Grundstücke durch ihren näheren Zweck der landwirthschaftlichen Nutzbarkeit nicht völlig entzogen. Die Nebennutzungen der Wege an Gräserei, Holz und Obst sind zwar in der Regel nicht annähernd ein Ersatz für die Kosten der Unterhaltung, indess sind sie doch be- trächtlich genug, um Gegenstand der staatlichen Fürsorge geworden zu sein. Das an Wegen, Gräben und Triften wachsende 6ras ist nach der Feldpolizei- Ordnung vom ı. November 1847 (G.-8. S. 383) $ 4ı No. 6 und den Gesetzen vom 13. April 1856 (G.-8. S. 209) Art. I. $ 3 betr. Abänderungen des Strafgesetzbuches, gegen unbefugtes Abschneiden und Abrupfen durch Polizeistrafen geschützt. Anweisungen zur Bepflanzung der Wege mit Bäumen, für welche wesentlich das polizeiliche Interesse, die Wege kenntlich zu machen, in Betracht kam, indess auf Holz-, Laub- und Obstgewinn stets Werth gelest wurde, sind schon 1756, 1763*) und später mehrfach ergangen. Insbesondere aber weist Friedrich der Grosse in seiner Instruktion für die Landräthe der Neumark vom 21. Juni 1766 $ 14"*) dieselben aus- drücklich an, mit Nachdruck darauf zu halten, dass die bäuerlichen Wirthe die Strassen mit guten und tüchtigen Obstbäumen völlig besetzen und das gewonnene Obst trocknen, backen oder sonst konserviren. *) Korn’s Edikten-Samml. Bd. 6 S. 224; Bd. 7 S. 206. **) v. Rabe a, a. O, 1.3. S. 249. 378 XXVI. Waässerstücke und Wasserläufe, Oedland, Unland und Wegeland. Die Ermahnungen dazu sind oft wiederholt worden. Namentlich kam auch das Landeskulturedikt vom 14. September ıgır (G.-S. S. 308) im $ 36 darauf zurück, in- dem es den Nutzen der Bepflanzung der Wege mit Obstbäumen hervorhob, strenge Anordnungen gegen deren Beschädigung in Aussicht stellte und darauf hinwies, dass die Benachtheiligungen durch Diebstahl und die den Ertrag so sehr schwächenden Kosten der Bewachung zu einer Kleinigkeit herabsinken, wenn man die Anlage auf Obstsorten beschränkt, welche für Boden und Klima passen und zu gleicher Zeit reifen. Für die Rheinprovinz handeln das Gesetz vom 28. Februar 1805 und das Dekret vom 16. Dezember ıgrı Tit. VIII. (v. Daniels, Sammlung Bd. 5 S. 10 und 787) davon. Mehrere Regierungen haben ausführliche technische Vorschriften desshalb erlassen*). Besonders streng und ausdrücklich zum Zweck, eine Nutzung und Einnahme zu erzielen, sind Obstbaumpflanzungen an Chausseen und die Umwandlung namentlich der Pappel- alleen in solche vorgeschrieben. Die allmähliche Ersetzung der Pappeln durch Obst- bäume haben Reskripte vom 4. Juli 1861 (Minist.-Bl. S. 149) und vom r. März 1864 (Minist.-Bl. S. 58) angeordnet. Wie angelegentlich in neuerer Zeit durch Empfehlung und Einrichtung yon Obst- baumschulen, durch Förderung der Obstbaumzucht vermöge der Volksschulen und der Schullehrer**), sowie durch Unterstützung der Baumanlagen seitens der Landesbaum- schule in dieser Richtung gewirkt worden ist, hat die Darstellung der Obstzucht Bd. I. S. 256 zu zeigen Gelegenheit gehabt. Die Strafbestimmungen über Beschädigungen der Baumanlagen und Obstpflanzungen, auch der Baumpfähle an Chausseen und Wegen und Entwendungen an denselben, ent- hält die vorgedachte Feldpolizei-Ordnung $ 42 No. 2, ebenso das Gesetz vom 13. April 1856 $ 42 No. 2 und 3; $ 43 No. ı und $ 45; und das Gesetz vom 14. April 1856 Art.1. $ 3. *) v. Rönne: Wegepolizei und Wegerecht des preuss. Staates, Breslau 1852, S. 271 ff. und 422 ft. **) Vergl. Lette und v. Rönne: Landeskulturgesetzgebung, Berlin 1853, Bd. Il.b. S. 752. XXVI. Landwirthschaftliche Nebengewerbe, Mühlen, Brennereien, Rübenzucker, Flachsbereitung. Bei der engen Verknüpfung, in welcher dem Ursprung und Wesen des Land- baues nach der landwirthschaftliche Betrieb mit der Gesammtführung des Haushaltes steht, und bei der naheliesenden Tendenz der ländlichen Wirthschaft sich möglichst unabhängig alle ihre Bedürfnisse durch die eigenen Kräfte zu sichern, könnte man den Kreis der Nebengewerbe und Nebenbetriebsanstalten, welche innerhalb des Wirthschafts- ganzen selbst dem landwirthschaftlichen Betriebe Hülfsmittel gewähren oder seine Er- träge erhöhen sollen, sehr weit ziehen. Es ist hinlänglich bekannt, dass die deutschen Bauernwirthschaften der älteren Zeit für allen ihren Bedarf an Nahrung und Kleidung, Haus- und Ackergeräth, Ge- schirr und Bauarbeiten, ja sogar für Färben, Gerben und Walken, Pottasche-, Seife- und Salzbereitung, für Herstellung von Eisen aus Raseneisenstein u. ähnl. selbst sorgten, und manche dieser Nebenarbeiten noch gegenwärtig in abgelegenen Gegenden auch des n preussischen Staatsgebietes bis zu einem gewissen Grade durchgeführt werden. Dies sind jedoch Reste einer Naturalwirthschaft, deren soziale und ethische Beziehungen nicht ohne Bedeutung sind, deren volkswirthschaftliche Unvollkommenheit und Verschwendung aber keines Beweises bedarf. Vielmehr ist es nicht unwichtig zu sehen, auf welchem Wege sich die Trennung dieser ursprünglichen Vereinigung aller vom Bedarf geforderten Arbeitsrichtungen voll- zogen, und welche Unternehmungen die entwickeltere Form der Landwirthschaft als durch ihren wahren Vortheil gefordert beibehalten hat. Nothwendig wurde in dieser Beziehung der Grossbesitz bestimmend. Sehr früh suchte man auf den grossen Meiereien die eigene Deckung des Bedarfs zugleich mit den Vortheilen weitgehender Arbeitstheilung zu verbinden. Schon nach den ältesten Nachriehten wurden auf ihnen, dem Muster der Römer gemäss, zu gewissen Arbeiten, welche Sache besonderer Fertigkeit und persönlicher Kenntniss und Erfahrung waren, Unfreie herangezogen und ausgebildet, 380 XXVIH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Karl der Grosse schärfte seinen Amtleuten ein'), „dass jeder auf seinem Amte gute Handwerker haben solle, d. h. Eisenschmiede und Goldschmiede oder Silberarbeiter, Schuster, Drechsler, Stellmacher, Schildmacher, Fischer, Vogelsteller, d. i. Geflügel- halter, Seifensieder, Brauer, d. i., welche Bier, oder Apfelwein, oder Birnwein, oder irgend welche andere zum Trinken geeignete Flüssigkeit herzustellen wissen, Bäcker, welche Semmel für unseren Gebrauch backen, Netzemacher, welche Netze sowohl zum Jagen als zum Fischen oder zum Vogelfangen gut anzufertigen verstehen, nicht weniger auch die sonstigen Ministerialen, welche aufzuzählen weitläufig ist.“ Je höher die Ansprüche stiegen, desto mehr vergrösserte sich die Zahl der Hand- werker in den Hofhaltungen auf den Pfalzen der Könige, den Burgen der Fürsten und Herren und den Sitzen der Bischöfe. Vorzugsweise solche Plätze aber wurden im 9. und 1o. Jahrhundert in Städte umgeschaffen; die städtischen Gilden zogen die Gewerks- genossen an sich, und die bürgerlichen Zünfte erlangten bald, wie Bd. I. S. 329 gezeigt hat, hinreichende Macht und Privilesien, um das Gewerbe auf dem Lande zu völliger Unbedentendheit zu beschränken. Das Bestehen des einzelnen Handwerkers, eines Fleischers, . Schuhmachers, Bäckers oder Schmiedes ?) musste, wie die Austhuungsurkunden der deut- schen Dörfer erweisen °), schon im 13. Jahrhundert durch besondere landesherrliche Verleihung gesichert werden. Landesherrliche Privilegien andrer Art erhielten Schä- fer, Abdecker u. a.; und alle diese Privilegien wurden in der Regel mit Grundstücken verknüpft und bildeten ebenso ausschliessliche grundfeste Gewerbeberechtigungen, wie sie die Gewerbtreibenden in den Städten überwiegend erlangt hatten. Diese Beziehungen, die tief in der Unvollkommenheit des mittelalterlichen Staatswesens wurzelten, gaben dem gewerblichen Verkehre seine eigenthümliche Gestalt. j Die Landwirthschaft blieb durch ein halbes Jahrtausend in der Lage, die städtischen Handwerker in Thätigkeit zu versetzen und die Märkte, auf denen sich dieselben ein- fanden, aufzusuchen; in natürlicher Folge fühlte sie dauernd das Bedürfniss, in grosser Aus- dehnung die häusliche Arbeit und die gesindeweise Haltung von Stellmachern, Schmieden, Riemern, Schustern, Webern u. a.m beizubehalten; andrerseits aber fand sie auf dem- selben Boden des Privilegienwesens und der Ausschliesslichkeit und im nächsten Zu- sammenhange mit alten Einrichtungen des Grossbesitzes Gelegenheit, gewisse gewerb- liche Betriebsarten auszubilden, in denen wir die Grundlagen der heutigen geläuterteren ° Formen der ländlichen Nebenindustrieen sehen dürfen. Diese Nebengewerbe sind der Mühlenbetrieb und die Bierbrauerei, an die sich später die Branntweinbrennerei anschloss. Das nothwendige Bedürfniss der Zerkleinung des Getreides wurde jedenfalls !) Capitulare de villis 45. 2) Die Schmiedeberechtigungen gingen in sehr vielen Dörfern in die Hände der Bauern- schaft oder der Gemeinde über und wurden durch Lohnschmiede versehen. Wie diese hatten aber auch die Erbschmiede in der Regel gegen einen bestimmten, von jeder Hufe zu leistenden Zins an Getreide (Y» bis 1 Scheffel sog. Schärfgetreide) und gegen einen bestimmten Geld- betrag für den Eisenbedarf das Schärfen der Pflugschaaren und Eggen und deren Erlegen (d. h. das Ansetzen neuen Stahles), sowie den Beschlag der Pferde, auch nach vertragsweise durch einen sogenannten Gedingezettel festgestellten Preisen die sonstige Schmiedearbeit aus- zuführen. Diese Arbeiten wurden als Reallasten der Schmiedestellen angesehen und als solche nach $ 58 Alinea ı des Gesetzes vom 2. März 1850 (G.-S. S. 77) mit ihren Gegenleistungen zur Ablösung gebracht. 3) Tschoppe und Stenzel: Urkundensammlung 1832 S. 151. XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 381 lange Zeit vermöge grosser, im Hausraum aufgestellter Steine befriedigt, auf denen die Körner mittelst eines Reibesteines mit der Hand zerrieben wurden. Solche Steine bilden, wie Bd. II. S. 142 gezeigt hat, noch gegenwärtig ein gewöhnliches Inventarien- stück slawischer Bauernhäuser. Eigentliches Mehl aber war auf diese Weise nicht zu erhalten. Ob die vollkommenere Einriehtung der Römer, welche über einem kegel- förmigen festen Bodensteine einen ziemlich schweren Läufer an Hebeln durch Sklaven drehen liessen, in Deutschland Ausbreitung gewonnen hat, ist nicht bekannt. Dagegen erwähnt Ausonius schon im 4. Jahrhundert Wassermühlen an der Mosel, und was sicherer die Sachlage bezeichnet, die Lex Bajuvariorum aus dem 6. Jahrhundert enthält eine Strafbestimmung über den Diebstahl an Mühleisen. Damals also müssen künstliche Mühlwerke, deren Steine auf einem Eisen gingen, schon ziemlich verbreitet im Brauch gewesen sein. Windmühlen werden zwar schon im 9. Jahrhundert in Eng- land genannt, die früheste Nachricht über die Erbauung einer solchen in Deutschland datirt aber erst von 1395 aus Speyer. Man hat also bei Mühlen der älteren Zeit nur an Wassermühlen zu denken. Wie früh die Anlage einer solchen als zum Wasserregal des Landesherrn gehörig anzusehen und nur durch Verleihung gewährt wurde, ist schwer festzustellen. Es ist Bd. 1. 8. 442 gezeigt, dass bei der Austhuung deutscher Dörfer überall das Recht, eine Mühle zu errichten, oder die bestehende zu betreiben, dem Gutsherrn urkundlich zugesichert wurde. Thatsächlich konnte in älterer Zeit kaum ein anderer als der Landesherr oder der Gutsherr eine so kostspielige Einrichtung herstellen. Noch der Inhalt der Verträge, durch welche später aller Orten gutsherrliche Mühlen an Müller verkauft wurden, lässt dies genügend erkennen. Gewöhnlich erschien es ganz unmöglich, den Käufern die Baulast zu übertragen, und es verblieb desshalb dem Gutsherrn in der Regel bis zu den Reallastenablösungen unserer Tage die Verpflichtung, alle Wehr-, Teich-, Graben- und Grundwerksbauten und grösseren Reparaturen auf seine Kosten auszuführen, den Graben durch die Unterthanen räumen zu lassen und für die Anfuhr wenigstens der schweren Hölzer zum Werk und die der Mühlsteime zu sorgen. Letztere Last reichte bis zum nächsten Mühlsteinbruch, oft in sehr bedeutende Entfernung. Der ühlsteinhandel war in vielen Territorien ebenfalls landesherrliches Regal, so dass von der Grenze an Mühlsteine Jeder nur zu seinem eigenen Gebrauch und mit seinem eigenen Gespann frei einführen durfte”). Andererseits hatte bis in ziemlich neue Zeit der Mahlgast das Recht, auf der Mühle sein Mehl selbst abzumahlen und erlegte davon nur die landesübliche Mahlmetze, d. h. den 16. Theil, und dem Mühlknecht ein Trink- geld. Meist nahm der das Werk beaufsichtigende Müller die Metze und zahlte dem Gutsherrn den stehenden verabredeten Zins. Ueberall aber waren es nur besondere Ausnahmeverhältnisse, wo nicht die Pflicht aller Unterthanen, in der gutsherrliehen Mühle zu mahlen, galt. Es ist möglich, dass ursprünglich die Hintersassen hier und da die Pflicht freiwillig übernommen haben, die kostspielige Einrichtung, die ihr Mahl- bedürfniss sicher stellte, auch zu benutzen und hinreichend lohnend zu machen; auch kann dieser Mahlzwang schon in der Idee wenigstens der späteren Privelegien gelegen haben; näher liegt, dass die gutsherrliche Gewalt hinreichte, ihn einzuführen. Wind- mühlen, denen er zustand, waren in der Regel ein späterer Ersatz für Wassermühlen, oder eine Aushülfe, wo deren Wasserkraft für das Bedürfniss nicht ausreichte, *) ©. ©. M. IV. iv. gr und 113, VI.r. S. 451, 167. — Vergl. über den Mühlenbetrieb ebd. IV. IV. 99, 121, 179, VI.L. 243, 675. 382 XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Aehnlich müssen auch die Verhältnisse der Brauereien gedacht werden. Ihre Einrichtungen, wenn sie ein einigermassen genügendes Getränk liefern sollten, erforderten ebenfalls ziemlich beträchtliche Auslagen. Der Hofplan für St. Gallen von 820 (Bd. II. S. 130) enthielt dafür ein besonderes grosses Gebäude. Ebenso führte auch bei ihnen schon sehr früh das landesherrliche Recht auf die Strassen und den Fremdenverkehr zur Verleihung ausschliesslicher Schankberechtigungen, welche die beliehenen Grund- herren selbst benutzten oder weiter austhaten. Die Taberna, der Krug, erscheint in den Austhuungsurkunden der deutschen Dörfer überall als Privilegium neben der Mühle. Noch Kaiser Leopold I. nahm als Landesherr in Schlesien das Brauurbar, d. h. das Recht zu Brauen, zu Malzen, zu Dörren, Zuzuschütten und zum Kretschamverlag oder zur Ausschrotsgerechtigkeit auf den ausserhalb einer Meile von den Städten gelegenen Dörfern als eine zu den höheren Regalien gehörende Befugniss in der Weise in An- spruch, dass er im Jahre 1701 eine bis 1718 thätige sogenannte Brauurbars-Reluitions- - kommission niedersetzte '), welehe in den verschiedenen Fürstenthümern die vorhandeuen Brauurbarsprivilegien untersuchte und denjenigen Ständen, welche für ihre Güter solche Privilegien nicht nachweisen konnten, das Urbar gegen eine entsprechende Summe reluirte, d. b. verkaufte. Auch in verschiedenen Brandenburgischen Landesordnungen wird über das Urbar vorbehaltlich der ertheilten Privilegien von polizeiwegen verfügt ?). Das Branntweinbrennen wurde, wie es scheint, langezeit als eine Art Nebengeschäft der Bierbrauerei angesehen, kam aber überhaupt erst spät in Betracht. Allerdings ist die Destillation aus Wein schon von den Alexandrinischen Gelehrten aufgefunden und im 5, Jahrhundert beschrieben worden, auch haben sie die Araber, und im Anfange des 14. Jahrhunderts Arnoldus de Villanova und Raymundus Lullus bekannt gemacht®); bis zum Ende des 15. Jahrhunderts wurde aber der Branntwein oder Weingeist nur als Arznei und Lebenselixir betrachtet. In den ersten Dezennien des 16. Jahrhunderts scheint man auch seine schädlighen Wirkungen erkannt zu haben, und vor Ablauf des- selben schritten schon mehrere Regierungen gegen ihn mit polizeilichen Massregeln ein, wobei u. a. 1595 in Kursachsen die Anwendung von Getreide statt von Wein -zum Brennen als Missbraueh und Fälschung verboten wird. Die noch neue, aber zienli weite Verbreitung der Brennereien in den brandenburgischen Landen bekundet erst der Spezialrezess des Grossen Kurfürsten für die Städte der Neumark vom 29. August 1653 ‘), dessen $:2o lautet: Das Branntweinbrennen wollen wir den Städten als ihre absonder- liche Nahrung gönnen. Es stehet auch den Städten frei, diesfalls mit Vorbewusst unserer Neumärkischen Regierung Verordnung zu: machen, und haben sich die Dorf- schaften desselben nicht anzumassen, jedoch sind die Braukrüge davon zu eximiren, als welchen das Branntweinbrennen auch nicht mag gewehret werden, und ist denen von Adel auch an ihrer Freiheit hierdurch nichts benommen. Von den späteren Verord- nungen vom 27. Mai 1680, ı. Juli 1682, ıo. März 1698, ır. Dezember 1702 °) enthielt zwar die von 1698 ein Verbot des Brennens für Brau- und Erbkrüger, sofern sie nicht 1) Cod. dipl. Siles. Bd. IV. S. 288. — Arnoldsche Privilegiensammlung, Leipzig 1736, Th, I. S. 252. 2) C.C.M. Th. IV. Abth. II. S. 163, Abth. IV. S. 168 fi; Th. V. Abth. I. S. 6.; Th. VL Abth. I. S. 38, 311, 505, 573, Abth. II. S. 257. 3) Vergl. F. Knapp: Lehrbuch der chemischen Technologie, Braunschweig 1847 II. 380, 4), Rabe, Sammlung Bd. I. 1. S 100. 5) C. C. M. IV. m. S. 162, IV. Iv. 117, 120, 126. XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 383 3ojährigen Besitz desselben nachweisen könnten, und Scholzen und. Mühlen wird .es gänzlich untersagt; den für das Brauurbar Berechtigten aber blieb das Brennen unbe- nommen, es müsse darunter indess kein Unterschleif gebrauchet, andre Dörfer darmit nieht verleget und die behörige Ziese, d. h. die auf dem Lande allgemein beim Malzschroten erhobene Biersteuer, davon entrichtet werden. Jedenfalls stand als Regel in allen preussischen Gebieten bis zum Ausgange des vorigen Jahrhunderts den Gutsherrschaften das Zwangs- und Bannrecht gegen die Guts- oder Gerichtsinsassen wie bezüglich der Mühlen so auch bezüglich der Brauereien und Brennereien und des Rechts zum Ausschank im Kretscham soweit zu, als sie dieselben nicht weiter verliehen hatten, zugleich auch das Recht, die verliehenen oder sonst in fremden Händen befindlichen Schankstätten mit Getränk aus den gutsherrlichen Brauereien oder Brennereien zu versehen (Krugverlag). Die genaueren Bestimmungen über die Ausübung dieser Berechtigungen enthält der 23. Titel des I. Theils des Allg. Landrechts. — Bei Durchführung der Bd.I. S. 330 dargestellten, auf möglichst freie Entwicke- lung gerichteten neuen Gewerbeverfassung, welche mit dem Edikt vom 9. Oktober 1807 begann, schritt die Gesetzgebung gegen das herkömmliche, über das gesammte: platte Land verbreitete System: von Zwangsberechtigungen bei weitem nicht so radikal ein, als es gewöhnlich gedacht wird. Völlig aufgehoben wurden in der Regel nur die Rechte des Fiskus und der Gemeinden; den Privaten wurden wenigstens Entschädigungsansprüche vor- behalten und gewisse Anrechte aus diesen Verhältnissen bestehen noch bis zur Gegenwart. Zunächst wurde in den damals allein die Monarchie bildenden altpreussischen Provinzen durch die Patente vom 23. Januar 1808 und vom 20. März 1809 (G.-8. S. 189 und 54r) für Ost- und Westpreussen und für die Kurmark, die Neumark und Pommern das bis dahin vom Staate geübte Mühlsteinregal anfgehoben, und das Edikt vom 29. März 1808 (G.-S. S. 217, vergl. Kab.-Order vom 22. September 1826 G.-S. $. 85) beseitigte für Ostpreussen, Littauen, Ermeland und den Marienwerderschen Kreis das fiskalische Regal, die Anlage von Mühlen gegen Geld zu verleihen, und den. Mühlen- zwang sowohl der fiskalischen als auch der Privatmühlen für alle diejenigen Bann- pflichtigen, welche sich demselben nicht bis zum r. Dezember 1808 ausdrücklich unter- worfen haben würden, Es sah für Pächter und Erbpächter einen Erlass am Pachtzins, für den Eigenthümer eine Entschädigung durch Abgaben der bisher Mablpflichtigen vor. Das Edikt vom. 28. Oktober 1810 (G.-S. S. 95) ging weiter, und hob für die gesammte Monarchie in ihrem damaligen Bestande den Mühlenzwang und den Brau- und Branntweinzwang sowohl in den Städten als auf dem platten Lande vom Tage an auf, und sprach aus, da die Theorie und die Erfahrung bewiesen, dass die Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte in der Regel keinesweges die Einnahmen der früher Be- rechtigten mindere, sondern bei der gewöhnlich vermehrten Konsumtion erhöhe, so solle weder der Verkäufer, noch der Erbpächter, noch der Zeitpächter, noch der Zwangs- pfliehtige verbunden sein, für jene Aufhebung Eviktion zu leisten oder irgend: eine Entschädigung zu übernehmen. Da jedoch örtliche Verhältnisse einzelne Ausnahmen jener allgemeinen Regel begründen und Schaden. für den Berechtigten herbeiführen könnten, so werde der Staat auf erfolgten Nachweis aus dem Unterschiede des Debits in. den letzten ro Jahren vor der Aufhebung und den nächsten 4 Jahren nach der- selben, Entschädigung leisten. Für das Anbringen solcher Ansprüche setzte später das Gesetz vom 15. September 1818 (G.-S. S. 178) eine 6monatliche Präklusivfrist fest. 384 XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Die Kab.-Order vom 19. April 1813 (G.-S. S. 69) hob ferner, wie erwähnt, alle ausschliesslichen, vererblichen und veräusserlichen Gewerbeberechtigungen, auch die nach dem 2. November 1810 vertragsweise erworbenen auf, und schrieb ihre Ablösung in den Städten vor. Auf dem Lande dagegen wurde den bisherigen Besitzern das Recht, zum Absatz an andere zu brauen und Branntwein zu brennen, vorbehalten, und die Anlage neuer Brennereien auf Grundstücke von 15000 Thlr. landschaftlichen Taxwerth beschränkt. | Seit 1807 reichte der Staat nur bis zur Norderenze der Lausitz und westlich bis zur Elbe. Nur soweit galten auch diese Verordnungen. Die nach der entscheidenden Wendung des Jahres 1813 in Besitz genommenen und 1815 dauernd mit der Monarchie verbundenen Gebiete wurden im wesentlichen bei der vorgefundenen Verfassung belassen, - Es blieben desshalb in diesen neuen Landestheilen sehr verschiedene Rechte in Geltung. Die Gesetzgebung vom 21. April 1825 (G.-S. S. 73, 82 und 102) über die den Grundbesitz betreffenden Rechtsverhältnisse und über die Realberechtigungen im vor- maligen Königreich Westfalen und im Grossherzogthum Berg erklärte die Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte aller Art mit Inbegriff der persönlichen Abgaben, welche etwa früherhin für die Befreiung von der Zwangspflicht übernommen worden sein soll- ten, sowie der persönlichen Dienste. Andere Abgaben und Dienste von Grundstücken bestanden als Reallasten fort (Bd. 1. S. 422). Das Gesetz von demselben Tage für die früheren französischen Departements (G.-S. S. ır2) behielt ausser diesen Reallasten auch diejenigen Zwangs- und Bannrechte vor, zu welchen ursprünglich eine andere Person, als der Gutsherr des Zwangspflichtigen berechtigt war, sowie diejenigen, für deren Gründung der Gutsherr den Bannpflichtigen noch andere Vortheile als die blosse Erhaltung der Fabrikationsanstalten zugestanden hatte. Alle diese Berechtigungen, so weit sie noch bestanden, machte die Ablösungsordnung vom 13. Juli 1829 Tit. 9 (G.-S. S. 65) gegen feste Geldrenten ablöslich. Für die Provinz Posen stellten die drei Gesetze vom 13. Mai 1833 (G.-8. S. 52, 55 und 59) wegen der Aufhebung der ausschliesslichen Gewerbeberechtigungen in den Städten, wegen Aufhebung der gewerblichen und persönlichen Abgaben und Leistungen in den Mediatstädten und wegen der Aufhebung der Zwangs- und Bannrechte, im wesentlichen den Zustand her, wie ihn die Gesetzgebung von ıgro und ıgır in den alten Provinzen herbeigeführt hatte. Für die übrigen Landestheile aber sprach die Kab.-Order vom 23. März 1836 (G.-S. S. 168) die Unanwendbarkeit des Edikts vom 28. Oktober ıgı0 aus, so dass der Mahl-, Bier- und Branntweinzwang, wo er nicht ausdrücklich aufgehoben war, bestehen blieb, so in Neuvorpommern und Rügen, im Fürstenthum Erfurt, in der Stadt Wetzlar und ihrem Gebiet, in den ehemals Nassauischen Landestheilen auf dem rechten Rhein- ufer des Regierungsbezirks Koblenz und in der Grafschaft Wittgenstein. In letzterer hielt das Gesetz vom 22. Dezember 1839 (G.-S. 1840 S. 10) ausdrücklich die bestehende Verfassung der Mühlenbannrechte aufrecht. Umfassendere Bestimmungen über die Möglichkeit einer Beseitigung aller nach dieser verschiedenen Gesetzgebung noch bestehenden Zwangs- und Bannrechte brachte erst die Allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 (G.-S. $. 42). Durch die- selbe wurden zunächst ($ 4) gewisse Rechte ohne Entschädigung aufgehoben. Es waren dies diejenigen, deren Aufhebung der Inhalt der Verleihungsurkunde gestattet; ferner alle diejenigen, welche dem Fiskus, einer Kämmerei oder Gemeinde innerhalb ihres XXVIL Landwirthschaftl, Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 385 Kommunalbezirkes oder einer Korporation von Gewerbtreibenden zustanden; sowie auch diejenigen, welche von einem dieser Berechtigten erst nach dem 31. Dezember 18939 auf einen anderen übergegangen waren, dem letzteren also noch die privatrechtliche Forderung der Gewährleistung ermöglichten. Ebenso beseitigte sie, im Falle das Zwangsrecht nicht auf einem Vertrage zwischen dem Berechtigten und Verpflichteten beruht, das mit dem Besitze einer Mühle, einer Brennerei oder Brennereigerechtigkeit, einer Brauerei oder Brauereigerechtigkeit oder einer Schankstätte verbundene Recht, die Konsumenten zu zwingen, dass sie bei dem Berechtigten ihren Bedarf mahlen oder schroten lassen, oder das Getränk ausschliesslich von demselben beziehen (den Mahl- zwang, den Branntweinzwang und den Brauzwang); ferner das städtischen Bäckern und Fleischern zustehende Recht, die Einwohner der Stadt, der Vorstädte und der soge- nannten Bannmeile zu zwingen, dass sie ihren Bedarf an Gebäck oder Fleisch ganz oder theilweise von jenen ausschliesslich entnehmen. Die nach diesen Bestimmungen nicht aufgehobenen Zwangs- und Bannrechte wur- den ablöslich, wenn nach $ 5 des Gesetzes die Verpflichtung auf Grundbesitz haftet, die Mitglieder einer Korporation als solche betrifft, oder Bewohnern eines Ortes oder Distriktes vermöge ihres Wohnsitzes obliegt. Dasselbe gilt von dem Rechte, den In- haber einer Schankstätte zu zwingen, dass er das zu seinem Debit erforderliche Getränk aus einer bestimmten Fabrikationsanstalt entnehme. Die Befugniss, auf diese Ablösung anzutragen, steht den Verpfliehteten, nicht aber dem Berechtigten zu. Mit den Zwangs- und Bannrechten wurden durch die Gewerbeordnung ($$ 1—3) zugleich verschiedene gewerbliche Rechte gegen Entschädigung zur Aufhebung gebracht. Sie hob das in einzelnen Landestheilen mit Gewerbeberechtigungen noch verbundene Recht, anderen den Betrieb eines Gewerbes zu untersagen oder sie darin zu beschrän- ken (ausschliessliche Gewerbeberechtigung), ohne Unterschied, ob die Berechtigung an einem Grundstücke haftet oder nicht, auf; ferner alle Berechtigungen, Konzessionen zu gewerblichen Anlagen oder zum Betriebe von Gewerben zu ertheilen; ebenso auch, vor- behaltlich der allgemeinen Gewerbesteuer, alle Abgaben, welche für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden (d. h. im Sinne der Dekl. v. 19. Februar 1832, G.-S. 8. 64, nieht auf Grundstücken haften), sowie die Berechtigungen, dergleichen Abgaben aufzu- legen. Ist jedoch mit der Gewerbeberechtigung das Recht zur Untersagung oder Be- schränkung des Betriebes eines stehenden Gewerbes verbunden, so muss die ganze darauf ruhende Abgabe bis zu dem Tage geleistet werden, an welchem der Betrieb dieses Gewerbes von einer Person begonnen wird, gegen die der Widerspruch hätte geltend gemacht werden können, h Entschädigungsansprüche für den Verlust aller dieser Berechtigungen waren nach dem Entschädigunggesetz vom 17. Januar 1845 (G.-S. S. 79) bis zum Schlusse des Jahres 1845 bezügl. 1849 und einer weiteren Frist von 3 Monaten für Obereigenthümer, Hypo- thekengläubiger und andere Realberechtigte mit präklusivischer Wirkung anzumelden. Die Entsehädigungsermittelung ist für jede Art der aufgegebenen Berechtigungen durch ein besonderes Verfahren geregelt. Im allgemeinen sollte sie nach dem Werth in Rente oder dem 25 fachen Kapital derselben theils von den bisher Verpflichteten, theils vom Staate erfolgen, Das Reallastenablösungsgesetz vom 2. März 1850 (G.-S. $. 77) berührte diese Rechte nicht, sondern wies bezüglich derselben, so weit sie verfassungsmässig noch bestehen, auf die Allgemeine Gewerbeordnung zurück. Boden d. preuss. Staates. II. 25 386 XXVIE Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker,Flachs. Unter denselben Gesichtspunkten regulirte endlich das Gesetz vom 31. Mai 1858 (G.-8. 8. 533) die Verhältnisse des Abdeckereiwesens, bezüglich deren bis dahin die in verschiedenen Landestheilen geltenden Vorschriften, der obwaltenden besonderen Schwierigkeiten und der Absicht einer durchgreifenden Organisation wegen, aufrecht erhalten worden waren. Es wurden die Zwangs- und Bannrechte der Abdecker, welche namentlich wegen der in Aufnahme kommenden Düngerfabriken hinderlich zu werden begannen, ähnlich wie die bereits erwähnten theils aufgehoben, theils ablöslich gemacht. Ihre nicht mit Zwangs- oder Bannrechten verbundenen ausschliesslichen Gewerbeberechti- gungen oder an ein Haus-oder Grundstück geknüpften Realberechtigungen*) blieben indess ebenso bestehen, wie die anderer Gewerbe, deren Betrieb oder Betriebsstätten von polizeiwegen Erlaubniss bedürfen, z. B. Apotheker, Schankstätten, Schornstein- feger u. a. — Wie diese Angaben erweisen, ist die gesetzliche Beseitigung der dem freien Ver- kehr entgegenstehenden Gewerbeberechtigungen, wenigstens so weit sie Privaten zu- standen, eine sehr allmähliche gewesen, und den Rechtsansprüchen nach ist sie zum Theil in der Gegenwart noch nicht gänzlich zum Austrage gebracht. Der Grund aber, auf den sich schon die ersten Erlasse beriefen, welche die Aufhebung der verschiedenen Zwangsrechte anbahnten, dass sie allen Theilen, den Berechtigten nicht weniger als den Verpflichteten, zum Vortheil gereiche, bestätigte die Erfahrung in vollem Maasse. . Die meisten dieser Rechte geriethen durch den unerwarteten Aufschwung, den Handwerk und Industrie in Stadt und Land durch die neue Gewerbegesetzgebung gewannen, in kurzer Zeit völlig in Vergessenheit. Die von gewerblichen Anstalten auf dem Lande erhobenen Entschädigungsansprüche waren äusserst geringfügig und beschränkten sich fast ausschliesslich auf Mühlen. In raschem Umschlage aber kamen für den gewerb- lichen Nebenbetrieb der grossen Güter sehr veränderte Anschauungen und Ziele zur Geltung. , Im vorigen Jahrhundert lag die wesentliche Rücksicht, aus welcher die Guts- wirthschaften Mühlen, Brauereien und Brennereien im Betriebe erhielten, in den, wenn auch geringen, doch unter den bestehenden Verhältnissen sehr erwünschten baaren Einnahmen. An sich war der Geschäftsumfang in der Regel viel zu gering, um in Wahrheit eine günstige Bilanz zu geben. Das Absatzgebiet war eng begrenzt, die Kundschaft erzwungen und ärmlich, und Technik und Sachkunde sehr unvollkommen. Die Gutsunterthänigkeit aber, welche keine Konkurrenz von Bewerbern gestattete, ver- hinderte eine zweckentsprechende Ausbildung von Pachtverhältnissen. Sobald desshalb die Freiheit der Personen und des Verkehrs das Angebot gewerblicher Kräfte ver- mehrte, entledisten sich die Dominien mehr und mehr durch Verkauf oder wenigstens Verpachtung der Mühlen wie der Brauereien, welche bei der Art ihres Absatzes schlechterdings der eigenen, bei dem Erfolge des Geschäftes selbst interessirten Leitung des Sachkundigen bedürfen, um zu gedeihen. Ueber die Entwiekelung des Mühlenbetriebes in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts lässt sich anführen, dass 1816 im Staate 12662 Wassermühlen mit 19 597 Gängen und 8422 Bockwindmühlen, 505 holländische Windmühlen und 826 Rossmühlen *) Eine solche Realberechtigung hat die Wirkung, dass die polizeiliche Konzession, bei Nachweis der Qualifikation, dem jedesmaligen Besitzer der- alten Betriebsstätte oder einem qualifizirten Vertreter desselben ertheilt, und in dem Bereich des. bisherigen Betriebes nur unter besonderen vorgeschriebenen Umständen eine weitere Betriebsstätte zugelassen. wird, XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 387 mit meist einem Gange bestanden. Durch das Gewerbesteuergesetz vom 30. Mai 1820 (G.-S. S. 160) wurden die Mühlen nach Art ihrer Konstruktion mit monatlichen festen Abgabesätzen von Ys bis ı Thhlr. belegt. Diese Sätze richten sich bei Windmühlen nur nach der Beweglichkeit des Werkes auf einem Zapfen, oder einem Ringe, oder der Beweglichkeit der Flügelwelle allein. Bei Wassermühlen ist der Mahlgang, je nachdem er zum täglichen Betriebe das ganze Jahr oder nur das halbe Jahr oder mit anderen Gängen wechselsweise hinreichendes Wasser erhält, besteuert. Rossmühlen sind nach dem Mahlgange, Dampfmühlen nach der Pferdekraft veranlagt. 1828 bestanden nach den Steuerrollen 13 933 Wassermühlen mit 22 581 Gängen, ro 408 Windmühlen und 1116 Rossmühlen. . Die Steigerung der Zahl giebt indess keinen binreichenden Ausdruck für den Fortschritt des Gewerbes, weil von den aus alter Zeit überkommenen kleinen un- bedeutenden Mühlen ein nicht geringer Theil nach und nach wegen Unbrauchbarkeit und unzweckmässiger Lage einging, die neueren Anlagen dagegen ausser Vergleich grösser und tüchtiger waren. Schon das Gewerbesteuergesetz nahm auf Dampfmühlen Rücksicht, deren erste 1783 in England erbaut worden war. Die Verbreitung der für den Handel mahlenden Mühlen begann indess erst um 1830, als das amerikanische System, Mehl ohne An- feuchtung herzustellen, bekannt wurde. Die Dauermehlmühlen konnten unternehmen, in grosser Ausdehnung auf Vorrath zu arbeiten, und sicherten durch den Dampf neben Wasser oder Wind ihren ununterbrochen fortgesetzten Betrieb, wurden auch häufig auf Dampfkraft allein begründet. 1835 besass Berlin 3 Dampfmühlen, eine vierte hätte die Königl. Seehandlung in Ohlau errichtet. 1837 bestanden schon 14110 Wassermühlen mit 23771 Gängen, 9985 Bockwindmühlen mit meist einem Gange, 735 holländische Windmühlen mit oft 2 Gängen, 1247 Rossmühlen mit 1294 Gängen und 27 Dampf- mühlen mit 64 Mahlgängen. Das Ergebniss der letzten Zählung von 186r ist provinzen- weise in dem Verzeichnisse Bd. I. S. 337 mitgetheilt. Es befanden sich danach im Staate 14713 Wassermühlen mit 28098 Gängen, 13 128 Bockwindmühlen, 1738 hollän- dische Windmühlen, 1767 Rossmühlen mit 1809 Gängen und 664 Dampfmühlen mit 1727 Mahlgängen. Die Zahl der Gänge ist danach proportional der Vermehrung der Bevölkerung gewachsen. Die Leistungsfähigkeit aber darf als erheblich über dieses Verhältniss hinaus erhöht angenommen werden. Wie viele dieser Mühlen im Besitz grosser Güter geblieben, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls war ihre wirthschaftliche Beziehung zu denselben sehr unwesentlich. In neuerer Zeit aber ist die Verbindung des Mühlenbetriebes mit der Landwirthschaft wie- der enger geworden. Theils hat die gesteigerte Anwendung von Futterschrot, theils der Wunsch, Göpelwerke oder Lokomobilen in geschäftsloser Zeit nutzbar zu machen, zum vermehrten Gebrauch kleiner, oft transportabler Mühlen verschiedener Konstruktion auf den Wirthschaftshöfen geführt; vor allem aber hat es der stetige, auf den Absatz im Grossen berechnete Betrieb der Dampfmühlen, welcher fähig ist, intelligente kauf- männische und technische Administratoren zu tragen, den grossen Gütern wieder mög- lich gemacht, eigentliche Mühlengeschäfte mit Nutzen mit ihrer Wirthschaftsverwaltung zu verknüpfen. Da der Gewinn am Transport der Cerealien und an Kaff und Kleie (Bd. II. S. 214) durch selbständige Anstalten nicht in dem Grade ausgebeutet werden kann, wie durch die Verbindung mit dem in derselben Hand liegenden Landwirthschafts- betriebe, vermögen solche industrielle Geschäfte selßst zeitweilige Verluste durch die Vortheile auszugleichen, die sie dem Gange des Wirthschaftsganzen bieten. 25” \ 388 XXVIH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Die neuere Bierbrauerei hat, wie es scheint, dauernd eine mit dem Betriebe der Landwirthschaft wenig zu vereinigende Richtung genommen. An sich hat die Landwirth- schaft an dieser Verbindung schon desshalb geringes Interesse, weil die Brauerei, wenn- gleich ihre Rückstände gröstentheils zu vortheilhafter wirthschaftlicher Verwerthung ge- eignet sind*), doch allein auf den Verbrauch von Gerste und unbedeutenden Quantitäten Weizen und Hafer beschränkt ist. Ueberhaupt aber sind durch das bayrische Lagerbier, welches sich seit 1835 über ganz Deutschland verbreitet und allgemeine Nachahmung ge- funden hat, die geringen nur zu schnellem Verbrauch in kleiner Nachbarschaft brauchbaren Lokalbiere mehr und mehr verdrängt, und die Brauereien Fabrikationsanstalten geworden, welche mit bedeutenden Vorräthen unter sehr schwieriger Technik arbeiten. Sie erfordern desshalb beträchtliche Kapitalien, laufen in Ort und Art der Anlage, in massenhaftem Be- trieb der Fabrikation und in Erwerbung und Erhaltung der erforderlichen ausgedehnten Kundschaft sehr grosses Risiko, und ihr Gedeihen hängt wesentlich von der besonderen ein- gelebten Geschäftstüchtigkeit und praktischen Erfahrung der Leiter ab. Allerdings steht dem Risiko die Möglichkeit bedeutender Gewinne gegenüber, und mit gutem Grunde ist desshalb für solche Unternehmungen mehr und mehr die Form der Aktiengesellschaften beliebt worden; dass sie aber für Nebengeschäfte der Landwirthschaft zu unsicher und schwankend sind, bedarf kaum des Beweises. Der Zweck eines landwirthschaftlichen Nebengeschäftes muss nothwendig in der Kräftigung der Wirthschaft liegen, letztere muss der Schwerpunkt des Betriebes bleiben und darf der Gefahr nicht ausgesetzt werden, die zu ihrem ruhigen Gange erforderlichen Kapitalien der Spekulation mit den Fabrikprodukten opfern zu müssen, Genauere Beurtheilung der Entwickelung und des Standes der Brauereien in den Städten wie auf dem Lande wird durch die Steuereinrichtungen möglich. Das Regle- ment für die Braumalzbesteuerung von 1810 (G.-S. S. 46) führte im wesentlichen nur die alte Verfassung fort. Dagegen belegte das Gesetz vom 8. Februar ıgı9 $$ ı8 fi. und die Steuerordnung von demselben Tage $ 27 (G.-S. S. 97, 102), sowie die Kab.- *) 100 Gewichtstheile Darrmalz liefern 3 Theile Malzkeime oder Malzblüthen und 133 Theile nasse Treber, welche auf den Darrungsgrad des Malzes zurückgebracht 33 'Theile betragen. Die Zusammensetzung ist bei Münchener nach dem Dickmaischverfahren bereiteten Sommerbier gefunden: Malzkeime Treber Bestandtheile der Brauerei- — > Abfälle nach | nach feucht lufttrocken Eaigıe Scheven May getrocknet VaAsBer sg em SEE 71% 317 74,7% 78 = schen ame Mn] 6,8 Br 1,06 | 3,87 4,8 Stickstoffhaltige Nährstoffe | 6,26 22,89 24,71 lotb ni zBegeche eiten. le. A 4513 489 l I,70 6,23 6,72 Cellnloseten erento, steel 17,0 18,5 3,06 II,a2 12,10 Rest der stekstofffreien Nähr- EIRORT D10 0 OR E 23,6 23,8 13,21 48,51 52,29 100 Volum Malz liefern in Bayern gesetzlich 202,3; Volum Schankbier (Winterbier) oder 173,4 Volum Lagerbier (Sommerbier). ıo Litres Bier enthalten etwa ı Pfd. feste Substanz, deren Nahrhaftigkeit indess hinter Brot oder Mehl beträchtlich zurücksteht. J. R. Wagner: Che- mische Technologie, Leipzig 1866, S. 485. XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 389 Order vom ro. Januar 1824') die Brauereien neben der Gewerbesteuer (Ges. vom 30. Mai 1820, G.-S. S. 160) mit der noch gegenwärtig bestehenden Braumalzsteuer. Von jedem Centner Malzschrot, welcher zum Bierbrauen verwendet wird, ist eine Ab- gabe von 20 Sgr. zu entrichten, und zu diesem Behufe der Steuerbehörde alles in der Brauerei vorhandene Malzschrot zu deklariren, auch zur Kontrole zugleich anzuzeigen, wie viel Bier der Brauer aus dem angegebenen und zu versteuernden Malzschrot ziehen wolle. Davon darf er nieht über ro pÖt. abweichen. Bei gemeinschaftlichem Betriebe der Brauerei und Brennerei darf zu letzterer reines Malzschrot nicht verwendet werden, oder es sind für die Aufbewahrung besondere Räume und Kontrolmassregeln nöthig. Das Resultat der dadurch entstehenden verschiedenen steuerlichen Angaben und Auf- zeichnungen ist in Tabelle P.r. der Anlagen ?) für eine Reihe von Jahrgängen zusammen- gestellt und provinzenweise übersichtlich gemacht, auch nach Stadt und Land getrennt worden. Es ergiebt sich daraus, dass die Zahl der Brauereien im Staate seit 1831 bis 1865 von 16027 auf 7426 gesunken ist, und zwar in den Städten von 6047 auf 3774, auf dem Lande aber von 9092 auf 3652, auf letzterem also beträchtlich stärker. Gleich- wohl ist der Betrag der Braumalzsteuer seit 1833 von 1214763 Thlr. auf 1947322 gewachsen, seit 1842 in den Städten von 902067 auf 1505947, auf dem Lande von 364479 auf 441375 Thlr., und die Geschäfte, welche über 2000 Ütr. Braumalz ver- steuern, haben sich in den Städten von 72 auf 200, auf dem Lande von 3 auf 28 vermehrt. Den Provinzen nach ist die Verminderung der Brauereien in den 4 nördlichen Provinzen ganz besonders stark, und zwar namentlich die der ländlichen. Auf dem flachen Lande von Preussen, Pommern, Posen und Brandenburg haben sich die Brauereien seit 1831 von 2175 auf 554, auf dem der übrigen Provinzen nur von 4254 auf 3 139 vermin- dert. Dabei ist durch die ländlichen Brauereien eine Steigerung der Steuer allein in Preussen, in Westfalen und am Rhein eingetreten. Die Steuer der ländlichen Brauereien °) dieser 3 Provinzen hat sich ungefähr auf das Doppelte erhöht, in den anderen Provinzen ist sie meist stehen geblieben, in Posen aber sogar auf ';; der Steuer von 1831 herab- gesunken. Die Provinz Preussen besitzt auf dem Lande an Brauereien mit 2000 Ctr. Malzverbrauch 9, Schlesien und Rheinland 5, Sachsen nur 4. — Alle Erfordernisse, welche den Brauereien fehlen, um sie zu einem geeigneten Nebenbetriebe für die Landwirthschaft zu machen, finden sich dagegen bei der Brannt- weinbrennerei; sie ist die verbreitetste und beliebteste ländliche Industrie geworden. Der Aufschwung der Brennereien in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts war überraschend. Die hohen Branntweinpreise in den Kriegsjahren, die geltende Art der Besteuerung, die bald eintretenden niedrigen Getreidepreise und die rasche Aus- breitung des Kartoffelbaues wirkten zusammen, um die Aufmerksamkeit der Landwirthe dem Brennereibetriebe zuzuwenden. Der Verlauf der Steuereinrichtungen wurde durch allgemeinere Beziehungen be- stimmt‘). Es ist schon erwähnt, dass die 1488 zum ersten Male zugesagte Bierziese von den Brauereien auf dem Lande als eine Abgabe vom geschroteten Getreide erhoben, ') F. G. Schimmelpfennig: Die preussischen indirekten Steuern, Berlin 1858 S. 355. ?) Die Zahlen für 1831—1346 sind Dieteriei's statistischer Uebersicht des Verkehrs im Zollverein, Forts. IV. 1851 S. 330, die späteren dem Centralblatt für Abgaben etc. entnommen, 3) Ueber deren Steuerfixation vergl. Kab.-Order vom v. 2. Juni 1826 (G.-S. S. 27). 4) F. G. Schimmelpfennig, a. a. O0. S. 3 fl. 390 XXVH. Landwirthschaftl, Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. und dass diese Besteuerung auf die Branntweinbrennereien ausgedehnt wurde, welche bis zum Beginn unseres Jahrhunderts im wesentlichen nur ‘Getreide verarbeiteten. Für die Städte wurde 1680 als Hauptbesteuerungsweise die Akzise eingeführt, welche die meisten in die Städte eingehenden und ausgehenden Verbrauchsgegenstände mit Abgaben belegte, und da die Städte der Hauptsitz aller Gewerbe waren, zugleich auch das offene Land besteuerte, ohne dass dort, abgesehen von der Ziese, andere als Grundabgaben erhoben wurden. 1763 begann der Versuch, die Akzise durch Einführung des Ver- fahrens der französischen Regie einträglicher zu machen und zugleich Handel und Ge- werbe durch die Art der Abgaben zu leiten und zu unterstützen. Fast ausnahmslos wurde jeder Artikel in den Bereich der Besteuerung gezogen und von seinem Entstehen bis zu seiner Konsumtion durch Kontrolen verfolgt. Die Förderung mancher Gewerbs- zweige wurde durch die allgemeine Hemmung der Bewegung schwer erkauft. Jede Stadt war streng abgesperrt und die Menge der Belästigungen, Missbräuche und Unter- schleife häufte sich so, dass endlich das System der Regie aufgegeben werden musste. Der Akzisetarif von 1787, der sie ersetzte, erstreckte sich indess noch immer auf eine sehr grosse Anzahl Gegenstände in einer kaum zu übersehenden Verschiedenartigkeit der Besteuerungsweise und der Erhebungsberechnungen. 1807 begannen die Arbeiten für die Reform zugleich mit dem Zweck der Steuererhöhung. Das offene Land wurde damals von den sehr bedeutenden Leistungen der Fouragelieferung und des Civil- und Militairvorspannes befreit und musste nach den bestehenden Verhältnissen an jeder Erleichterung der städtischen Akzise- und Fabrikationssteuern bei seiner Konsumtion Theil nehmen. Es war desshalb beabsichtigt, die Akzise für die Städte auf wenige Hauptkonsumtionsgegenstände der örtlichen Bevölkerung zu beschränken, wie dies später in der Mahl- und Schlachtsteuer (Ges. vom 30. Mai 1820, G.-S. S. 133) geschehen ist; dagegen sollte auf dem Lande die sogenannte Landkonsumtionssteuer eingeführt werden. Diese neue, durch die Gesetze vom 27. Oktober und 20. November ıgıo (G.-S. 8. 25 bis 132) für den ı. Januar 1811 angeordnete Steuer wollte alle Brennereien durch Erhebung eines Blasenzinses gleichmässig nach ihrer Leistungsfähigkeit treffen, wäh- rend ı8ro der Unterschied der Branntweinbesteuerung zwischen Stadt und Land so bedeutend war, dass der Ohm Branntwein dem städtischen Brenner um 55% Thlr. an Akzise höher zu stehen kam, als dem ländlichen. Diese Gleichstellung und höhere Belastung, sowie auch die Besteuerung des Mahlgutes auf dem Lande, erregten bei der Landbevölkerung so laute Beschwerden, dass die Erhebung suspendirt, und statt des Blasenzinses in den ländlichen Brennereien eine der bisherigen ähnliche Brannt- weinschrotversteuerung nachgegeben wurde. Auch der durch die Gesetze vom 7. Sep- tember ıgır (G.-8. 8. 253 und 263) vorgeschriebene Blasenzins kam wegen der Schwierigkeit der Ermittelung der Produktionsfähigkeit der einzelnen Blasen nicht zur Ausführung. Da die statt dessen bestimmte Schrotsteuer keinen genügenden Ersatz für die von der Konsumtionssteuer erwarteten Einnahmen bot, musste die Universal- akzise der Städte bis zu einer völligen Reform des Abgabensystems provisorisch fort- erhoben werden. Diese Reform trat wegen der politischen Ereignisse erst 1820 ein, und wurde bezüglich des Branntweins durch das Gesetz und die Steuerordnung vom 8. Februar 1819 (G.-S. S. 97 und 117) wegen Besteuerung des inländischen Brannt- weins, Braumalzes, Weinmostes und der Tabaksblätter eingeleitet. Dieses Gesetz blieb noch bei dem Gedanken eines mit ı Gr. 3 Pf. von je 4 Quart Blaseninhalt zu er- hebenden Blasenzinses stehen, forderte indess schon zur Kontrole eine genaue Messung XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 391 der Maischbottiche, und enthielt das Verbot, in anderen als den bezeichneten Bottichen einzumaischen. An diese Feststellung des Maischraumes knüpfte das Cirkular-Reskript vom $. Dezember 1820*) an und schrieb eine Maischsteuer statt des Blasenzinses vor. Es nahm an, dass bei allen Getreidearten und mehlichten Substanzen, welche behufs der Branntweinfabrikation eingemaischt werden, zur Hervorbringung der weinigten Gäh- rung nicht mehr als 2 und nach Umständen 3 Tage höchstens erforderlich; dass es behufs des Aufsteigens bei der Gährung hinlänglich, wenn in den Maischbottichen '/s des Rauminhalts leer bleibt; und dass bei dem für die Extraktion des Alkohols vor- theilhaftesten Verhältnisse, wonach die eingemaischte trockene Substanz das achtfache Gewicht an Wasserzuguss erfordert, aus oo Quart reifer Maische 5 Quart Branntwein von 5o Grad Tralles®*) Stärke gewonnen werden können. Es würden desshalb, um 4 Quart Blasenraum oder ı Quart Branntwein mit ı gGr. 3 Pf. zu besteuern, 20 Quart Maischraum mit Hinzunahme von ' für den Gährungsraum oder zusammen 22%, Quart Maischraum mit diesem Satze zu belegen gewesen sein, indess belegte man nur je 20 Quart Maischraum mit ı gGr. Die Zahl der in einem Monate beabsichtigten Ein- maischungen soll 3 Tage vor Anfang des Monats zur Anzeige gebracht werden. Schon durch Kab.-Order vom 1o. Januar 1824 wurde die besondere Gewerbesteuer von den Brennereien aufgehoben, dagegen die Steuer auf ı Sgr. 6 Pf. für je zo Quart Maisch- raum erhöht, für landwirthschaftliche Brennereien aber, welehe nur vom ı. November bis 1. Mai im Gange sind, lediglich aus selbst gewonnenen Erzeugnissen brennen, und an einem Tage nicht über goo Quart Bottichraum zum Einmaischen ansagen, auf r Sgr. 4 Pf. für zo Quart Maischraum ermässigt. Für Branntwein aus anderen als mehlichten Substanzen sollte unter ähnlicher Erleichterung eine gleichmässige Steuer nach der Quantität der zu verarbeitenden Substanz festgesetzt und erhoben worden, Ueber die Zunahme des Brennereibetriebes in der Zeit vor 1820 stehen einige, wenn auch nach damaliger Sachlage vielleicht ungenaue Zahlen zu Gebote, Eine akten- mässige Nachweisung aller 1811 — ı2 im Staate befindlichen Branntweinblasen und ihres Rauminhaltes enthält für die einzelnen Provinzen folgende Angaben: *) F. G. Schimmelpfennig a. a. O. S. 213. *) Grad Tralles oder Prozent ist gleichbedeutend. Die Alkoholometrie beruht auf dem Unterschiede des spezifischen Gewichtes des Wassers — 0,999: (bei I5,55° Celsius, 12,44° Reaum. oder 60° Fahrenheit) zu dem des absoluten Alkohols — 0,799. Der Schwimmer sinkt in letzteren entsprechend tiefer ein. Indess zieht sich das Gemisch von Alkohol und Wasser auf etwas kleineren Raum und in unregelmässigen Fortschreitungen zusammen, so dass das spezifische Gewicht der Mischung höher ist, als das berechnete der Gemengtheile, und man die Skala nur erfahrungsmässig ermitteln konnte. Dies that Tralles. Er hat die Volum- prozente (auch Richtersche Prozente genannt) des Branntweins für die Temperatur von 15,550 Celsius beobachtet und auf die Skala statt des Gewichts sofort die Prozente, also den Alkohol- gehalt gesetzt. Da ferner eine Abweichung von 5° Fahrenh. oder 2,777° Cels. von der ge- dachten Normaltemperatur ziemlich genau den Einfluss von ı Volumprozent hat, so ist in das Alkoholometer ein Thermometer eingesetzt, an dessen Skala 15,550 Cels. mit o bezeichnet ist, und jeder Theilstrich ober- wie unterhalb mit 2,777° Cels. fortschreitet. Man hat also, um die Temperaturdifferenz auszugleichen, dem abgelesenen Alkoholprozent für jeden Thermo- meterstrich über oder unter o ı Volum ab- oder zuzusetzen. Vergl. Näheres auch bezüglich der Technik und der Entwickelung der Apparate F. Knapp, Chemische Technologie, 1847, Bd. II. S. 380 ff. 392 XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. In den (393) Städten In den (5192) Dörfern Zu- sammen Destil- | Berliner I yaisch- | Wein- | Destil- | Berliner Zahl lir- Quart lir- Quart der blasen | Inhalt blasen) |jblasen ÄnInzen Inhalt Blasen Irre tm Östpreussen. .. . — | 224 809| 1220 — | 523 836| 1974 Littauen 291 905| 496 443 612| 1297 Westpreussen. . . 159357| 573 283 651 996 Pommern 296 009 | 1 400 370078| 2709 Kurmark z 5156531 871 282 258| 3 029 Berlin 258 509 9 5074 830 Breslau 2307821 2 875 902031] 4039 Liesuitziee | 7454| 1885 386 724| 2409 Neumark | 201 664| 487 c 180 865 | 1920 Provinzen Maisch- | Wein- blasen blasen Der Staat ıg11/12 | 8215 2266142| 9 814 3 378 129| 19 203 1816 waren nach den statistischen Tabellen im preussischen Staate. innerhalb seiner damaligen Grenzen vorhanden: DBrennereien sie brannten, also jede in den 26 grossen Städten . . . 1052 14794794 Quart 14.063'/» Quart, in, ro6%.Mittelstädten" ”. ......©. 1.924 W688 5 6006’ „ in 889 kleinen Städten . . . . 7158 9822516 „ 13722 AR zusammen in den Städten 10134 36174 195 Quart = aut demsbandewse meer are 87 08072740500,2913030107 65 2186 Quart, wegen Unvollständigkeit der Berichte 23 539 65477302 Quart 27621» Quart, zu ersänzen auf. ee ul. 1024002, 601555017320 5 = Im Jahre 1819 — 1820 wyrde die Zahl der Brennereien, der Blasen und deren Rauminhalt wie folst ermittelt: Brennereien Quartinhalt der Blasen Provinzen - j Städte | Land | ZW | städte Zu: | sammen sammen Städte Land Zusammen Preussen . . 941| 1612| 2553| zıgr) 2072| 3263| 387 815 | 774 311 | 1 162 126 Westpreussen 516 427 943 710 611] 1321| 245017| 275353| 520370 Posen ....| rog4| 619] 1713|. ı 551] 1134| 2685| 316801) 534048 | 900 849 Pommern ..| 1roo6|) ı140| 2146| 1092| 1316| 2408| 244 621 333 484 | 578105 Schlesien... ..| 1393| 4050| 5443| 1691| 5277| 6968| 362 007 | ı 547 840 | 1909 847 Brandenburg.| 4348| 2022| 6370| 5050| 2549| 7599] 826487 | 558038 |1 384 525 Sachsen ....| 2705| 2077| 4782| 2999| 2275| 5274| 591554| 430 845 | 1022 399 Westfalen ...| ıııg| 1569] 2687| ı1ıg99l 1687| 2886] 310214 | 478570| 788784 Kleve-Berg . 848| 1948| 2796| 1055 | 2259| 3314| 296523 | 596051 | 892 574 Niederrhein . 737, 5194| 5931| 1035| 5541| 6576| ı836790| 612 107 | 798 897 TE ne ee a ZZ ee ee BE Eur 1 EEE Pe Staat 1819/20 | 14 706| 20 658 35 364 | 14 573| 24 721| 42 294 | 3 767 829 | 6 190 647 | 9 958 476 Die Einführung der Maischsteuer belastete die ländlichen Brennereien erheblich höher, als vorher. Die zugestandene Steuerermässigung von Yo konnte dies nicht ausgleichen. Gleichwohl machten sich die natürlichen Vorzüge des Brennereibetriebes XXVII Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 393 für die Landwirthschaft sehr schnell geltend, und statt einer Verminderung des Gewerbes gewann dasselbe im Gegentheil durch die erwachte Konkurrenz unerwartete Spannkraft. Veranlasst durch die Bestimmungen des Gesetzes richteten sich alle Bestrebungen da- hin, mit dem geringsten Maischraum den möglichst höchsten Ertrag zu erlangen, und jede auf reichere Ausbeute zielende Verbesserung der Technik fand lohnende Aufnahme. Es war schon früher üblich geworden, das von der Blase zum Kühlfasse gehende Rohr mit einem Gefäss zu umgeben, um darin die Maische an der Wärme der durch das Rohr streichenden Dämpfe vorzuwärmen. Dorn gab diesem Vorwärmer einen be- sonderen Lutterbehälter, der als Rektifikator wirkte, weil der Dampf durch den auf- gesammelten Lutter hindurchgehen, d. h. durch das Auffangen des erhitzten Dampfes in dem Lutter eine neue Verdampfung mit höherem Gehalt entstehen musste. Pistorius führte 1817 zuerst einen kombinirten Apparat ein. Er leitete den Dampf aus der ersten Blase in eine zweite, von dieser in einen dem Dornschen ähnlichen Vorwärmer, und auch aus diesem nicht direkt in das Kühlfass, sondern in ein oder mehrere Dephlegma- toren, d. i. mit kaltem Wasser bedeckte Gefässe, welche die aus dem Dampf verdich- teten wässrigen Theile in den Vorwärmer zurücksinken lassen. 1321 veröffentlichte Pistorius sein Verfahren, es fand allgemeine Anerkennung und liegt den gegenwärtigen Einrichtungen noch zu Grunde. Die weitere Verbesserung lag in der Dampfheizung. Die Besteuerung.des Maischraumes stellte an den Brenner die Aufgabe, möglichst dick einzumaischen, Dadurch aber wurde die Gefahr des Anbrennens in der Blase über freiem Feuer sehr erhöht. Die Dampfheizung wurde desshalb schon im Anfang der zwanziger Jahre versucht. Sie fand aber wenig Anklang, weil man die Blase von aussen mit Dampf heizen zu müssen glaubte, und dies komplizirte Einrichtungen und Ent- wiekelung von Dampf höherer Spannung voraussetzte. Erst als Gall 1830 die Destilla- tion durch direktes Einleiten des Wasserdampfes in die Maische vorschrieb, war der praktische Weg gefunden, der zugleich die Wirkung des Betriebes erhöhte und sicherte, und da die Gefässe nunmehr nöthigenfalls aus Holz gefertigt werden konnten, die Ein- richtungen sehr erleichterte. Als wesentlich, besonders bei der Kartoffelbrennerei, traten ferner Vorrichtungen zur Entfuselung hinzu. Fuselöl (Amyloxydhydrat Cxz Hı ÖO+ HO) geht zwar auch bei der Getreidebrennerei über, bei der Kartoffelbrennerei aber in be- deutend grösseren und auffallend übelriechenden Quantitäten. Mancherlei Versuche chemischer Rektifikationen wurden gemacht, indess erwiesen sich Kohlenschichten am an- wendbarsten, durch welche der Dampf vor dem Eintritt in das Kühlrohr in besonders von Falkmann zweckmässig konstruirten Gefässen durchstreicht. Der gesammte Apparat wurde von Gall, Pistorius, Schwarz, Siemens u. a. den besonderen Anforderungen ent- sprechend auf das Verschiedenartigste zusammengestellt und den fortschreitenden Er- fahrungen gemäss verbessert. Für feine Branntweine von besserem Geschmack, z. B. Nordhäuser, blieben zwar auch die einfachen Blasen und der gewöhnliche Rektifikationsapparat mit Woulffschen Flaschen, auf welehen Eduard Adam aus Montpellier 1801 patentirt wurde, vielfach im Gebrauch. Im wesentlichen aber nahm die Fabrikation die Riehtung auf den grossen Betrieb und vorzugsweise auf die Verwendung von Kartoffeln. Die Tabelle P.2. der Anlagen lässt den Stand der Brennereien von 1831 bis 1865 vergleichen. Im Jahre 1831 war die Zahl derselben 22969 (davon 68, pCt. auf dem Lande), im Jahre 1865 nur 771r (davon 82,; pCt. auf dem Lande); die Branntweinsteuer dagegen, welche das Gesetz vom 19. April 1854 (G.-8. S. 265) am ı. August 1854 auf 394 XXVIH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 2 Sgr. 6 Pf. (bezügl. 2 Sgr. 3 Pf.), vom r. August 1855 ab aber auf 3 Sgr. (bezügl. 2'/, Sgr.) erhöhte, betrug einschliesslich des Exports*) 1831 5248579 Thlr., 1865 10372 181 Thlr. Die Brennereien von unter 5oo Thlr. jährlicher Steuerzahlung verminderten sich in dieser Zeit von ıroIs auf 3101, dagegen vermehrten sich die 500 Thlr. und mehr zahlenden von 2791 auf 3108 und unter ihnen die 5000 Thlr. und mehr steuernden seit 1846 von 134 auf 537. Dabei ruhten 1831 40 pCt., 1865 nur 20 pCt. der vor- handenen Etablissements. Man gab also mehr und mehr die kleineren Anstalten auf und wandte sich den grösseren, stetig und fabrikmässig arbeitenden zu. Die Brennereien mit Dampfapparat, welche Spiritus zu go pCt. Tralles und mehr in einer Destillation ziehen, also Pistorius’sche oder ähnliche kombinirte Einrichtungen besitzen, vermehrten sich zwischen 1856 und 1865 von 2082 auf 2460, und zwar fast ausschliesslich auf dem Lande, dagegen verminderten sich um ebensoviel die mit oder ohne Dampf- heizung eingerichteten Anstalten, welche nur Spiritus unter 8o pCt. Tralles ziehen. Zu jeder Periode verarbeiteten in den Städten etwa die Hälfte, auf dem Lande ?/; der Brennereien Kartoffeln. 1831 wurden 4341144 Scheffel Getreide und 13215 164 Scheffel Kartoffeln, 1865 4690300 Scheflel Getreide und 27177893 Scheffel Kartoffeln, abgesehen von einer etwa ı Million Scheffel Getreide gleichstehenden Menge anderer zuckerhaltiger Substanzen verarbeitet. Der Destillation dieser letzteren Stoffe, nament- lich der Produkte von Wein und Früchten, gehört die Vermehrung der einfachen Blasen mit oder ohne Vorwärmer oder mit blossem graden Stichrohr an, welche um etwa 5oo in den ländlichen Ortschaften, indess fast ausschliesslich am Rhein, eingetreten ist. Die Vertheilung auf die einzelnen Provinzen ergiebt die Tabelle P.2., die auf die Kreise die Tabelle G. Spalte 23. Die Rheinprovinz hatte mit Rücksicht auf die oben gedachte Gebrauchsweise zu jeder Zeit die grösste Zahl der Brennereien, liess aber einen bedeutenden Prozentsatz ausser Betrieb, und produzirte nicht allein weniger als die meisten anderen Provinzen, sondern war die einzige, welche um etwa '/s, von 610242 auf 419012 Quart, in der Produktion sank. Brandenburg hat durchschnittlich die grösste Produktion, Schlesien und Preussen stehen ihm nahe, den stärksten Aufschwung hat Posen genommen, welches 1831 nur 356000, 1865 dagegen 1261000 Quart, also bei- nahe soviel, als die am stärksten betheiligten Provinzen produzirte, Was die Fabrikationsweise betrifft, so rechnete man früher im Sommer 9, im Winter 8 Theile Wasser auf ı Theil lufttrockene Frucht oder Schrot, der Steuer wegen aber ging man bei Getreide auf 5 bis 4 Theile, bei Kartoffeln, welche in sich selbst 75 pCt. Feuchtigkeit besitzen, bis auf 3 Theile Wasser herab. Verlust an Alkohol wurde gleichwohl durch besser geleitete Gährung fast ganz vermieden, durch die geringere Wassermenge aber beträchtlich an Kosten gespart. Man lernte den Extraktgehalt, der im gelösten Theile der Maische bei Getreide 12— ı4 pÜt., bei Kartoffeln 15 —ı8 pCt. beträgt, durch die Gährung bei Getreide auf 2—3 pÜt., bei Kartoffeln auf ı,.—o, und weniger ausnutzen. Gewöhnlich enthält die Maische 5 pCt. Alkohol, schwankt indess zwischen 4 und 6 pCt. Der Zusatz an Malz zu den Kartoffeln, der nöthig ist, um den Gährungspilzen **) die zu ihrer Entwickelung erforderliche Masse Kleber zuzu- führen, wurde für ıo0 Pfd. Kartoffeln auf 5—4 Pfd. Gerstenmalz (d. i. das Malz von 6— 5 Pfd. Gerste) beschränkt. *) Die seit (1836) 1838 eingeführte Exportvergütung s. Schimmelfennig a. a. O. S. 323. **) Die Gährungspilze der Alkoholhefe sind nach Hoffmann, Beil und Berkley die XXVII Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 395 Die Ausbeute bei den verschiedenen Fruchtarten lässt sich nach folgender An- gabe*) beurtheilen: a enthalten nach können nach liefern in der Praxis an 100 Kilogramme Krocker Krocker absolutem Alkohol (200 Zollpfund) theoretisch liefern Frucht Wägser Aschen-| Stärke- an ach Hermstedt nach Otto an D% bestand] mehl fabsolutem Alkohol (1823) (1845) Kilogr. | Kilogr. | Kilogr. | Kilogr. Kilogr. | Litre | Kilogr. | Litre u Weizen. .......]| 2 Far 48 24,5 39,9 20,6 25,9 20,9 26,3 Roggen... eu «12 2,X 40 20,4 25,7 17,0 ZU.4 19,4 24,5 Gerste ereee. 12, 3,5 35 17,9 22,6 16,9 21,3 18,9 23,9 mittlen Kartoffeln .| 75 I,o 16 8,2 10,3 5,8 r 8. besten r a I 1,0 21 107 | 135 73 718 9 Bei der Kartoffel tritt durch den Prozess der Destillation eine Scheidung des in ihr für die thierische Ernährung im Uebermass enthaltenen Stärkemehles von dem Reste desselben sammt dem Eiweiss ein, und diese Masse bildet mit dem Kleber des Malzes vermengt, eine richtiger gemischte, halbgelöste Nahrung, welche zugleich. um sich der Natur des Wiederkäuermagens besser anzupassen, einen Zusatz von Stroh oder sonstigem geringerem Futter fordert. Da die Kartoffel das Zehnfache des Eiweisses an Stärkemehl enthält, so kann davon ungefähr die Hälfte in Branntwein verarbeitet werden, bevor ein Rest bleibt, der im Verhältniss der Getreidearten, ı :.5, gemischt ist. Der Gehalt der Schlempe an Trockensubstanz beträgt nur 4 bis ıopÜt. je nach Material und Wasserzusätzen. Nach Ritthausen ergaben die Analysen der Schlempe**): Verhältniss der Trockensubstanz zum Maischwasser Te =; Stickstofffreie Substanzen ... .. . 2,78 3,723 3,08 4,14 5,31 Proteinsubstanzen . . -.. .... 0... 0,82 1,04 1,26 1,39 1,78 Haserstoffe ereseanetennle RE 0,46 0,43 0,94 0,78 I,oo Aschenbestandtheile ......... 0,52 0,59 0,72 0,79 I,or NER aaa & 0 95,40 94,71 94,00 92,90 90,90 In der Praxis pflegt man 350— 450 Pfd. Kartoffelschlempe dem wirthschaftlichen Werthe nach als gleich 200 Pfd. Kartoffen oder 100 Pfd. Wiesenheu anzuschlagen. Der gemeinen Schimmelpilze, besonders Penieillum glaucum und Aseophora mucedo, deren Sporen allenthalben in der Atmosphäre vorkommen, und in jeder zuckerhaltigen Flüssigkeit von weniger als 45° Celsius ihre Fortpflanzung durch Knospung und durch Auswachsen soge- nannter Leptothrixkörnchen selbständig beginnen. Sie bedürfen zu ihrem Keimungs- und Vegetationsprozesse Kleberstoffe, verbrauchen und zerstören sie, und verursachen dabei die Ausscheidung von Kohlensäure und Alkohol. Unter Hefe ist das massige Auftreten dieser Sporen zu verstehen, und der Zusatz jeder Art von Hefe zu der Maische ist nichts als eine starke Einsaat dieser Pilzsamen, welche durch die in der angemessen erwärmten Masse überall gleichmässig beginnende Vegetation den Gährungsprozess auf 3 bis 4 Tage zusammendrängt. J. R. Wagner, Jahresbericht der chemischen Technologie für 1866, Jahrg. XII. 4ro u. XIII. 462. *) Knapp: Chemische Technologie Bd. II. S. 456. ı pr. Quart — 1,145 Litre, ”*) J. R, Wagner: Chemische Technologie, 1866, S. 507. 396 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Nahrungswerth aber ist nach dem Anhalt der Analysen erheblich geringer, und die Sehlempe enthält in Solanin, Fuselöl und Alkohol auch Stoffe von anerkannter Schädlich- keit; allerdings fehlt jedoch über die Verdaulichkeit und Assimilirbarkeit der Schlempe- mischung, namentlich als Beifutter, genügender Aufschluss. Aus diesen allgemeinen statischen Verhältnissen der Fabrikation gehen die Gründe ihres Aufschwunges und namentlich der Verbreitung der Kartoffelbrennerei von selbst hervor. Bis zur Gegenwart ist anerkannt, dass die Art der Erhebung der Steuer von erheblichem Vortheil für dieselbe gewesen ist. Namentlich erlitt die Landwirth- schaft keine wesentlichen Nachtheile dadurch, dass die Maischsteuer durch die Anforde- rung des Diekmaischens nur schwierig die volle Ausnutzung der Maische gestattet. Ihr ist die Schlempe Hauptsache, und sie kann, namentlich bei der Kartoffelbrennerei, den Betrieb noch nützlich finden, wenn der Spirituspreis wenig mehr als Steuer, Arbeits- löhne, Feuerung und die Verzinsung und Amortisation der Fabrikationseinrichtung deckt. Gleichwohl lässt sich als Nachtheil der Maischsteuer nicht verkennen, dass sie nur die Verarbeitung vorzugsweise stärkemehl- oder zuckerreicher Materialien lohnend macht, während es zahlreiche geringhaltige Substanzen giebt, verdorbenes Getreide, schlechte Kartoffeln und Obstsorten, umgekommene Biere oder Weine, welche zu einer ander- weiten Verwendung kaum dienen können, und mit Nutzen zu destilliren wären, sofern die Steuer von dem möglicherweise zu erlangenden Spiritus, nicht aber von der bei sol- chem Material sehr wenig gehaltreichen Gährungsmasse erhoben würde. Träfe die Steuer nur das Fabrikat, so würden sich die kleinen Quantitäten Alkohol, die aus gering- werthigen Stoffen gezogen werden können, der Bearbeitung lohnen, und die entsprechende Menge werthvoller, für menschliche und thierische Nahrung vollkommen brauchbarer Sub- stanzen erspart werden. Zugleich würde daraus der Nutzen erwachsen; dass der Land- wirth den Konjunkturen nach freie Wahl in der Verwendung seiner Vorräthe und ein Mittel erlangte, die Brennerei mit der Futterbereitung in jeder ihm passend scheinenden Weise zu kombiniren. Die Fabrikatbestenerung ist desshalb bereits Gegenstand ein- gehender Untersuchungen der landwirthschaftlichen wie der Steuerbehörden und vieler Sachkundigen gewesen. Indess steht der Einführung zunächst technisch entgegen, dass eine Weise der Erhebung, welche genügende Kontrole zu gewähren und zugleich dem Betriebe die gewünschte Freiheit zu verstatten vermöchte, bis jetzt noch nicht in völlig befriedigender Form gefunden ist. Volkswirthschaftlich aber lässt sich der empfindliche Stoss nicht übersehen, welchen die Steuerveränderung der gegenwärtig gerade in den unfruchtbarsten Gegenden des Staates mit besonderem Nutzen entfalteten Industrie geben müsste. Voraussichtlich würde bei Fabrikatsteuer in kurzem die Konkurrenz der fruchtbaren Gegenden den Bestand der Brennereien in den unfruchtbaren in gewissem Grade gefährden, und es giebt auch in ersteren unter den Landwirthen Stimmen, welche um diesen Preis die von ihnen vorausgesehenen Vortheile zu hoch erkauft erachten. Eine Ausgleichung der Interessen sucht der Vorschlag freier Wahl für jede Brennerei*). — Sehr jung und auf heimischem Boden entsprungen ist die als landwirthschaftliches Nebengewerbe ganz besonders zur Anerkennung gelangte Rübenzuckerfabrikation. *) Vergl. v. Salviati: Zur Fabrikationsfrage in Betreff der Spiritus- und Rübenzucker- fabrikation in Preussen, Berlin 1860. — F. Gläser: Die Steuersysteme bei der Branntwein- XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 397 Das gesammte nördliche Europa benutzte in älterer Zeit ausschliesslich Honig als Süssungsmittel. Der Rohrzucker ist zwar in Südasien heimisch, wurde in Ostindien und China schon früh benutzt und sein eingedickter Saft war im Alterthum wenigstens als Medizin bekannt. Aber selbst nachdem die Sarazenen im 9. bis ır. Jahrhundert den Anbau des Zuckerrohrs in den Westen verbreitet hatten, und die Venetianer nach den Kreuzzügen Zucker von Aegypten, Cypern, Rhodus, Kreta und Sizilien in den Handel brachten, fand der damals noch nicht raffinirte Stoff nur nach und nach grössere Auf- nahme. Als indess die Antillen, wohin die Zuckerrohrkultur von den Azoren aus wahr- scheinlich schon 1506 übertragen worden war, durch den Sklavenhandel die nöthigen Arbeitskräfte zu grösserem Anbau erhielten, und es gelungen war, festen Zucker herzu- stellen und das rohe Produkt durch Raffinerie zu verfeinern, wurde der Verbrauch all- gemeiner. In Deutschland legte 1573 Roth zu Augsburg die erste Zuckerraffinerie an, die zweite entstand 1597 in Dresden. Im 17. Jahrhundert verdrängte der Zucker den Honig im täglichen Gebrauch, und kam als ein nothwendiges Lebensbedürfniss zur Geltung. 1747, zur Zeit, als der Zucker in Folge der spanisch-französischen Seekriege mit England so hoch im Preise gestiegen war, dass der Konsum beträchtlich abgenommen hatte, wies A. S. Marggraf, der Direktor der physischen Sektion der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, seiner Vaterstadt, in der Sitzung vom 3. März nach, dass in mehreren inländischen Wurzelgewächsen und anderen Pflanzen derselbe krystallinische Zucker, wie im Zuckerrohr, vorhanden sei, und dass er den meisten Zucker unter diesen Gewächsen aus der weissen, sogenannten schlesischen Runkelrübe gezogen habe. Er bewies ferner durch vorgelegte Proben und spezielle Darlegung seiner Methode, dass die fabrikationsmässige Darstellung des Zuckers aus der Runkelrübe*) nicht nur möglich, sondern auch gewinnbringend sei. Der Friede, welcher bald darauf zwischen den krieg- führenden Nationen abgeschlossen wurde und ein beträchtliches Sinken der Zuckerpreise zur Folge hatte, ist als Hauptgrund anzusehen, wesshalb man dieser wichtigen Erkennt- niss damals keine weitere Folge gab. Erst nach dem Tode Marggraf’s (1783) nahm sein Sehüler Achard die Erfindung wieder auf und führte sie praktisch durch, indem er in den neunziger Jahren in Schlesien auf dem vom Könige ihm geschenkten Gute Kunern (% M.NNW. Wohlau) die erste Fabrik anlegte. In dieser verarbeitete er, von der Regierung unterstützt und unter Kontrole eines Beamten, welcher ihm zur Beobachtung dieses Industriezweiges beigegeben war, täglich 70 Ütr. Rüben, woraus er nach seinen Angaben 6 pÜt. gelben Rohzucker oder 5 pCt. entfärbten und 3 pCt. Melasse gewann. fabrikation, Berlin 1867. — v. Salviati: Die Fabrikationssteuer; Perels: Der Spiritusmesser, Annalen Bd. 37 S. 536. — Die Versammlungen des Vereins der Spiritusfabrikanten seit 1857 (Annalen Bd. 29 S. 430, Bd. 31 S. 53, Bd. 36 S. 72), sowie die nur für die Vereinsmitglieder herausgegebene Zeitschrift von Udo Schwarzwäller in Leipzig. — Besprechungen, s. Annalen Bd. 5 S. 398, Bd. 23 S. 499, Bd. 31 S. 5sor, Bd. 35 S, 168, 201, 441. — Die jährliche Statistik der Brennereien (Min.-Reskr. v. 18. Februar 1842) findet sich im Centralblatt für Abgaben, Handel und Gewerbe ausführlich seit 1854, vorher s. Dieteriei, a. a. ©. S. 354. *) F. O.Lieht: Die Zuckerproduktion und Konsumtion des Zollvereins; Jahrg. V. No. 8, 9, 10 der Zeitschr. des statistischen Büreaus für die Rübenzuckerindustrie des Zollvereins für 1865 u. 1866, und Jahrg. VII. No. 9 für 1867 u. 1868, der erste Theil abgedruckt im preussi- schen Handelsarchiv, Jahrg. 1866 I. S. 691, II. 15. 398 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Im Brumaire des 7. Jahres der Republik (November 1799) wurde durch van Mons in den Annales de Chimie ein Brief Achards bekannt gemacht, in welchem er seine Resultate mittheilt, den Fabrikationspreis des Rohzuckers für das Kilogr. mit 65 Üts. angiebt und zugleich zum Beweise der Vortheile, die aus den Abgängen, dem Rüben- mark, den Blättern und dem Syrup zu ziehen seien, anführt, dass er eine Menge Rind- vieh mäste und aus seinem Syrup Branntwein brenne. Dieser Brief machte in Frank- reich grosses Aufsehen, alle Zeitungen nahmen ihn in ihre Spalten auf, und bei den hohen Preisen, den der Zucker damals in Frankreich nach dem Aufgeben der Kolonieen hatte, beauftragte das Nationalinstitut die ausgezeichnetsten Chemiker aus seiner Mitte mit näheren Untersuchungen. Den Bericht über dieselben erstattete Deyeux im Messidor VIII. (1800), und obwohl derselbe die Vortheile der Rübenzuckerfabrikation als etwas übertrieben beurtheilte, entstanden doch zwei Versuchsfabriken in der Nähe von Paris, die eine zu St. Quen, die andere in der alten Abtei von Chelles. Beide erlangten jedoch bei weitem nicht die von Achard angekündigten Resultate und gingen wieder ein. Inzwischen aber waren in Preussen“) durch den Baron von Koppy zu Krayn (”% Meil. OSO. Strehlen), Graf Magni zu Eekersdorf (r% M. NNW. Glatz), Möge zu Rudolphsbach (3, M. SSW. Liegnitz), Held zu Schmellwitz (17% M. SO. Neumarkt) und durch Nathusius zu Althaldensleben bei Magdeburg neue, zum Theil umfangreiche Fabriken errichtet worden, und Hermbstädt veröffentlichte schon 1909 die in seiner späteren Schrift: Anleitung zur Fabrikation des Zuckers aus Runkelrüben, Berlin 1814, weiter bearbeiteten Resultate. In Folge dessen versuchten ıgro Deyeux und Derosne, ıgrı Barruel und Isnard von neuem und mit besserem Erfolge, das Verfahren nachzu- ahmen, und während die Kriegsjahre von 1813—15 einem weiteren Gedeihen der Industrie in ihrem Mutterlande hindernd entgegentraten, gewann dieselbe in Frankreich mit Hülfe der neueren Fortschritte der Chemie und Mechanik mehr und mehr an Ausdehnung. Lowitz hatte schon in den,achtziger Jahren das Entfärbungsvermögen der Holz- kohlen entdeckt**), und Kels dasselbe seit 1798 zum Entfärben der Syrupe angewendet. ıgrı erkannte Figuier das noch weit stärkere Vermögen der Knochenkohlen, und Derosne, Payen und Pluvinet nahmen sie bald für die Läuterung in praktischen Ge- brauch, indem sie sie, wie den Aetzkalk, dem Safte feingepulvert zusetzten. ıg12 stellte Howard zum Abdampfen des letzteren Vakuumpfannen auf, welche durch die Luftpumpe entleert werden und mit einem Kondensator zur Verdichtung der Dämpfe versehen sind. Obwohl dieselben an Betriebswasser das zehnfache Volum des Saftes bedürfen, sind sie doch, wo dies beschafft werden kann, noch gegenwärtig mit geringen Abänderungen im Gebrauch. Gleichzeitig erhielt Howard ein Patent auf Anwendung von Alaun zur Saftläuterung an Stelle der Kalkmilch, welches sich indess nicht nutzbar erwiesen hat, Auch machte Dombasle nach Marggrafs Idee Versuche mit dem Macerationsverfahren, Napoleon ordnete 1gr2 die Anlage einer Anzahl von Musterfabriken an, viele Privaten folgten. Zwar arbeiteten sie nach dem Sturze des Kaisers, als der Markt dem überseeischen Zucker wieder geöffnet war, unter so ungünstigen Verhältnissen, dass sie *) F.B. Weber: Zur Geschichte und Literatur der Runkelrübenzuckerfabrikation, Uni- versalblatt der Landwirthschaft Bd. ı2 No. 12 S. 161. *) F. Knapp: Lehrbuch der chemischen Technologie, 1847, Bd. II. S. 189 fi. — I. R. Wagner: Die chemische Technologie, 1866, S. 412 fi., und Jahresberichte über die Fortschritte der chemischen Technologie, unter Zuckerfabrikation. XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 399 1818 sämmtlich ihren Betrieb eingestellt hatten; indess vermochte die Industrie doch genügend festen Fuss zu fassen, um in dem 1825 erschienenen, besonders auf Delisle’s Arbeiten gestützten Werke Dubrunfauts, über die Darstellung des Rübenzuckers, Anregung zu neuem Leben zu finden. 1828 erzeugte Frankreich bereits in 103 Fabriken 60000 Ctr. Zucker, und Dumont verbesserte in demselben Jahre das Verfahren erheblich, indem er an Stelle des Kohlenstaubes die seitdem üblichen Filter von geschichteten, grobkörnigen Kohlen einführte. Um diese Zeit waren zwar auch in Böhmen Fabriken zu Ziak und Liboch, auch ‘ einige in Oesterreich entstanden, und von den preussischen Anstalten, die nach Auf- hebung der Kontinentalsperre ihren Betrieb mehr und mehr auf Syrup beschränkt, oder ganz eingestellt hatten, nahm denselben wenigstens die Eckersdorfer wieder von neuem auf. Indess erst in den Jahren 1835, 36 und 37 warf sich der Unternehmungsgeist nachhaltig auf diese Industrie. und zwar vorzugsweise energisch in den Provinzen Schle- sien und Sachsen. Die Tabelle P.3. der Anlagen zeigt den mächtigen Aufschwung, den die Rüben- zuckerproduktion des Zollvereins in den 31 Kampagnen 1836/37 bis 1866/67, oder in den 32 Kalenderjahren 1836 bis 1867 genommen hat. Von den im Betriebsjahre 1836/37 aktiven 122 Rübenzuckerfabriken treffen go auf Preussen und 32 auf die übrigen Ver- einsstaaten. In der Kampagne 1866/67 waren 296 Fabriken in Thätigkeit, unter ihnen 257 in Preussen, mit Einschluss einiger enklavirter fremder Landgebiete, während nur 39 Fabriken sich auf die übrigen Vereinsländer vertheilen. Die bedeutende Zunahme fällt mithin ausschliesslich auf Preussen, wo sich die Zahl der Fabriken seit 1836 bei- nahe verdreifachte. Die Vertheilung der 1861 bei Aufnahme der letzten Gewerbetabelle bestandenen Anstalten auf die einzelnen Kreise ergiebt die Tabelle G. der Anlagen in Spalte 24. In höherem Masse noch steigerte sich die Menge der verarbeiteten Rüben. Will man auch mit Rücksicht darauf, dass die amtliche Notirung erst mit der im Betriebs- jahre 1840/41 eingetretenen Besteuerung begonnen hat, und das (Quantum in den Betriebsjahren vorher in Wirklichkeit höher, als angegeben, gewesen sein mag, nur die amtlichen Zahlen selbst einer Vergleichung unterwerfen, so ergiebt sich doch aus Spalte 2 der Tabelle P. 3, dass in den 27 Kampagnen 1840/41 bis 1866/67 die Zahl der Fabriken von 145 auf 296, also nur um 104 pÜt., dagegen die Rübenverarbeitung von 4829734 Utr. auf 50712709 Ütr., also um 950 pÜt. gestiegen ist. Es verarbeitete durchschnittlich jede Fabrik 1836/37 nur 4155, 1840/41 schon 33309, 1866/67 aber 171327 Ctr. Rüben. Die Ausfälle, welche sich bei einigen Kampagnen in der Steige- rung gegen vorhergehende Jahre ersehen lassen, erklären sich fast ausschliesslich durch ungünstige Rübenernten. Die Besteuerung der Runkelrübenzuckerfabrikation wurde durch die Ueberein- kunft zwischen den Zollvereinsstaaten vom 8. Mai 1841 (G.-S. S. 141) beschlossen, und hatte lediglich den finanziellen Zweck einer Ausgleichung gegen den Ausfall, wel- cher in den Zolleinnahmen durch die verminderte Einfuhr indischen Zuckers entstand. Man stellte als Grundsatz auf, dass der Eingangszoll von ausländischem Zucker und Syrup und die Steuer von vereinsländischem Rübenzucker zusammen jährlich mindestens eine dem Durchschnitt des Eingangszolls auf Zucker und Syrup in den Jahren 1838 bis 1840 gleichkommende Bruttoeinnahme gewähren solle, dass aber der Kübenzucker gleichwohl in der Höhe der Steuer einen gewissen Schutz gegen den Rohrzucker 400 XXVH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. geniessen, indess auch nicht geringer als zo pCt. des Zollsatzes für Rohrzucker heran- gezogen werden solle !). Die Zeit vom ı. September ıg41 bis ı. September 1844 wurde als eine Ver- suchszeit betrachtet, in der die Steuer noch nicht gemeinschaftlich war, und welche namentlich auch darüber entscheiden sollte, ob die Erhebung von den Rüben oder vom Fabrikate geeigneter erscheine. 1840 galt nur ein Satz von "/; Sgr. auf den Centner Rüben. Für Preussen sprach die Verordnung vom 30. Juli ıg4r (G.-S. $. 140) aus, dass vom ı. September ıg4r ab der aus Runkelrüben erzeugte Rohzucker mit einer Steuer von 's Thlr. für den Zolleentner belegt werde, welche von den zur Zucker- ° bereitung bestimmten Rüben mit einem halben Silbergroschen von jedem Zolleentner roher Rüben erhoben werden solle. Vom ı. September 1944 ab trat nach Kab.-Order vom 1. Juli 1844 (G.-S. S. 182) der Steuersatz von ı!, Sgr. ein. Diese Besteuerungsart ist die allgemeine des Zollvereins geworden. Nach der bezüglichen Verordnung vom 7. August 1846 (G.-S. S. 335) stehen behufs der Erhe- bung sowohl die Betriebsräume und Geräthe als die Rübenvorräthe unter Kontrole der Steuerbehörde, die von jeder Veränderung in Kenntniss zu setzen ist. Zur Feststel- lung des auf die Maschinen gebrachten Rübengewichtes ist in der Regel in jeder Fabrik ein Steuerbeamteter gegenwärtig. Die Rüben, die auf die Reiben kommen, werden Korb für Korb gewogen und notirt. Im Macerationsverfahren getrocknete Rüben, die indess nur in sehr geringem Umfange zur Verarbeitung gelangen, werden nach festem Verhältnisse, früher ı: 51% oder 5 jetzt 4%, auf frische reduzirt. Bei Fabriken, die nicht über 10000 Ütr. verarbeiten, ist ein Abkommen über die Gesammtsteuerzahlung zulässig. Für alle unrichtigen Anmeldungen oder andere Vorschriftswidrigkeiten tritt der vier- fache Betrag der entzogenen Gefälle oder eine Geldstrafe von ı0 bis roo Thlr. ein ?). Besonderer Garantieen bedarf der vereinigte Betrieb der Rübenzucker- und Kolonial- zuckerraffinerie. 4 Die Steuer liess schon ihrem Zwecke nach bei wesentlich vermehrter Produktion eine Erhöhung der Steuersätze unabweisbar erscheinen. Der Satz von ı'. Sgr. für den Centner roher Rüben bestand bis ıg50. Vom ı. September 1850 ab wurde er auf 3 Sgr. erhöht ?), mit dem ı. September 18953 trat eine Steigerung auf 6 Sgr. ein‘), und seit dem 1. September 1858 beträgt die Steuer nach dem Gesetz vom 31. Mai 1858 (G.-S. S. 279) 7Y, Sgr. Der Steuersatz stieg somit zwar um das 3ofache, der Steuerertrag aber erhöhte sich gleichwohl von 40248 auf 12 678 177 Thlr., also auf das 315 fache. Im allgemeinen gehen die Steuersätze von der Annahme aus, dass die Roh- zuckerausbeute bis zur Kampagne 1945/46 5 pCt., von da bis 1850 etwa 5%, bis 1854 62% und seitdem 8 pCt. betragen hat, oder mit anderen Worten, dass die Darstellung von ı Ötr. Rohzucker bis 1845 20 Ütr, von da bis 1850 17'/, bis 1854 ı5 und seitdem 12Y Otr. grüne Rüben erforderte. Diese Durchschnittszahlen sind nach dem Urtheile der Sachverständigen im allgemeinen zutreffend und zeigen die grossartigen Fortschritte, welehe die Rübenzuckerindustrie sowobl auf dem Gebiete des technischen Betriebes wie rücksichtlich der Kuitur der Rüben gemacht hat. 1) F. G. Schimmelpfennig, a. a. O. S. 637 ff. 2) Vergl. Gesetz vom 12. Februar 18 G.-S.'S. 70). 55 7 3) Vergl. Gesetz vom ıı. März 1858 (G.-S. S. 198) mit der Verordnung vom 18. Juni 1848 (G.-S. S. 164). 4) Gesetz vom ıı. März 1853 (G.-S. S. 441). XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 401 Zahlreiche Versuche zu Verbesserungen an den Apparaten leiteten den schwung- haften Betrieb der Periode seit 1846 ein. Manche wurden bald wieder aufgegeben, mehrere Einrichtungen aber blieben bis zur Gegenwart iu dauernder Anerkennung und allgemeiner Anwendung. So zeigten sich namentlich die Champonnois’sche Wasch- trommel, die Thierry’sche Reibemaschine, die Annahme der hydraulischen Pressen, die Centrifugalmaschine zum Ausschwingen des Rohzuckers und das Schützenbach’sche Deck- verfahren, endlich auch die optische Sacharimetrie von sehr grosser pracktischer Be- deutung. Letztere wurde 1943 zuerst von Biot begründet und im wesentlichen bis 1846 von Soleil und Clerget, sowie durch Ventzke, Mitscherlich und Pohl, zu ihrer heutigen Verwendbarkeit erhoben. Der Rohrzucker, Traubenzucker und Milchzucker lenken die Polarisationsebene nach rechts, der Schleimzucker (Ohylariose, nicht krystal- lisirbarer Zucker) nach links. Die Ablenkung steigert sich mit der zunehmenden Masse, es lässt sich also der Gehalt der Flüssigkeit bei sachkundiger Behandlung beurtheilen *). Das Verfahren ist bis jetzt allerdings nicht frei von fremden Einflüssen, die es nur für gewisse Fälle sicher machen. Aehnlich wie die Anfertigung und sorgfältige Handhabung dieser Apparate haben für den Aufschwung der Werkzeug- und Maschinenfabrikation und für die Steigerung der Intelligenz der Dirigenten und der Arbeiter die Anforderungen gewirkt, welche die Kultur der Rüben an die Ackerbereitung stellte. Die reichen Mittel, die der Industrie für ihre Zwecke zur Verfügung standen, machten sie, wie schon Bd. II. S. 19 hervor- gehoben hat, zu einem grossartigen Versuchsgebiete, aus welchem die landwirth- schaftliche Maschinenfabrikation, die verbesserte Bodenbearbeitung und die Einsicht über die Wirthschaftsführung überhaupt bis in entfernte, von der Zuckerindustrie weit abliegende Kreise bedeutsame, nicht genug anzuerkennende Vortheile zog. In der Grösse der verarbeiteten Rübenernten, sowie in der Zuckerausbeute, finden sich in der Reihe der Kampagnen nothwendig Schwankungen, die durch die grosse Ver- schiedenheit der Witterungsverhältnisse und ihren Einfluss auf den höheren oder nie- deren Zucker- und Salzgehalt der Rüben in den einzelnen Jahren bedingt sind. Die Steuerbehörden vermögen nur das Rübengewicht anzugeben, die Mittheilungen über den daraus produzirten Zucker, die Melasse und die Menge der Pressrückstände und Rüben- abschnitte, welche die Tabelle P. 3. der Anlagen Spalte 4 und 7 bietet, sind das Er gebniss der in sehr dankenswerther Weise von F. O. Licht im statistischen Büreau für die Rübenzuckerindustrie des Zollvereins zu Magdeburg**) aus Nachrichten der Zucker- fabriken zusammengetragenen Ermittelungen. Es hat sich danach die Rohzuckerproduk- tion in den 27 Kampagnen von 1840/41 bis 1866/67 von 208 102 Ütr. auf 4024 818, also auf das ıgfache erhöht. Der Melassegewinnhob sich in gleicher Zeit von 178700 auf ı 242 461 Centner, die Menge der Pressrückstände von ı 120498 auf 9736840 und die der Rüben- abschnitte von 202 849 auf 3 397 752 Ütr. Die diese Werthe in Prozentsätzen aus- drückenden Spalten ır und 14 zeigen, wie die Ausbeute an Zucker ungefähr von 5% bis 8 pÜt. gestiegen, dagegen als Zeichen der fortschreitenden Technik die Melasse von *) Das Drehungsvermögen ist bei Rohrzucker (Cr Hı Or) + 42°, bei Traubenzucker (Cr Hız O1) und bei Milchzucker (Cr Hio O1) + 33°, bei Dextrin (Cız Hro O1) sogar —+ 86° (J. R. Wagner a. a. O. S. 423). Die Saftmasse wird mit einer Normallösung von Zucker verglichen, welche auf 100 Gramm 16,74: Gramm Zucker enthält und eine 20 Üenti- meter hohe Schicht bildet, *) Siehe oben Note auf Seite 397. Boden d, preuss. Staates, IL 26 402 XXVII Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 4,30 auf 2,4; pCt. und die Masse der Pressrückstände von 23,5 auf 19,20 pCt. gesunken ist. Die Rücksicht, nur brauchbare Rüben zu verarbeiten bezügl. zu versteuern, zeigt sich in dem von 3,50 auf 6,70 vergrösserten Prozentsatz der Rübenabsehnitte, d. h. der vor dem Verwiegen bei der Reinigung abgeschnittenen Rübenköpfe. Die Besteuerung, obwohl zuerst nicht höher als ' Sgr., verminderte 1840 die Gesammtzahl der aktiven Fabriken im Zollgebiet von 152 auf 145, und diese Zahl sank bei der Verdoppelung der Steuer 1942/43 sogar auf 98 herab. Von 1846/47 an aber mehrten sich die Anstalten trotz der höheren Steuer von Jahr zu Jahr, und nachdem dureh das Entstehen der sogenannten Melisfabriken, die ihr Produkt selbst raffiniren, den Kolonialzucker-Raffinadeuren das Monopol der Zuckerpreise im Zollverein entwunden war, machte der Rübenzueker dem Kolonialzucker so erfolgreiche Konkurrenz, dass 1850 selbst die abermalige Verdoppelung der Steuer auf 3 Sgr. der weiteren bedeuten- den Vermehrung keinen Eintrag that. Das von der einzelnen Fabrik produzirte Roh- zuckerquantum betrug 1840/41 durchschuittlich 1959 Ctr., 1366/67 aber 13 597. Die genauere Berechnung des wirthschaftlichen Ergebnisses der Kampagne 1866/67 wird von Licht in den gedachten Mittheilungen folgendermassen angelegt: Die Rüben- ernte von 1866 fiel in Quantität gering aus, in Qualität blieb sie hinter beiden Vor- jahren zurück und gestaltete sich für den Fabrikanten um so ungünstiger, als der äusserst niedrige Werth der Fabrikate kaum die Produktionskosten deckte. Der Morgen lieferte den angestellten Ermittelungen nach durchschnittlich an Steuergewicht nur 120 Ötr. Rüben, so dass die versteuerten 50712709 Ütr. auf etwa 422606 Morgen oder 19,2 (Quadratmeilen geerntet worden sind. Setzt man den versteuerten Rüben die Rübenabschnitte mit 3 397 752 Ctr. hinzu, so haben, ganz abgesehen von den in den Mieten dureh Frost und Faulen u. dgl. entstandenen Abgängen, die obigen 422 606 Morgen eine Menge von 54 110 461 Ütr. schmutzfreier Rüben geliefert, welche dem Jahr- gange nach, der Centner zu djrehschnittlich 71% Sgr. gerechnet, einen Werth von 13 527615 Thlr. darstellen. An Rohzucker wurden 4 024 818 Ctr. produzirt oder, ge- mäss des für mittelgelben Robzucker sich auf 9Y, Thlr. ergebenden Durchschnittspreises der Kampagne 1866/67, der Werth von . ... une) Molkınmen 3782915 66er Diesem treten binzu 1242461 Ütr. Melasse zu dur chadhaittlint 11; Thlr. 1449538 u ferner 9 736 840 Ctr. Pressrückstände, deren Geldwerth, 2 Ctr. gleich ı Ctr. Heu*) oder gleich 20 Sgr. gerechnet, sich stellt auf. . . . 3245613 endlich 3 397 452 Ctr. Rübenabschnitte, den Centner zu 2, Sgr, . 283 146 Das Rohmaterial im Werthe von 13 527615 'Thlrn. wurde also dureh die Industrie uf . .. » ode ln man A229: BOF he d.i. mehr als das Dreifache erhöht, Dabei hat Hieselbe der Landwirthschaft in Gestalt von Pressrückständen und Rübenabschnitten 3 528 759 Thlr., also über Y des Roh- materials als Futtermasse zurückgegeben und ihr dadurch, sowie unmittelbar durch die Fabrikabfälle (Scheideschlamm, Kohle u. dgl.) bedeutende Werthe als Dünger zugeführt. Aus obigem Geldwerthe der Produkte von 42 Millionen 'Thalern sind der Staatskasse 12,, Millionen, also mehr als 23 pÜt. zugeflossen, und von dem Reste, der sich ein- schliesslich des 13, Mill. betragenden Rohmaterialwerthes zu etwa "; in Tagelohn und Ausgaben an die arbeitende Klasse der Bevölkerung auflöst, kommen dem Staate er- hebliche Beträge in Gestalt der Klassen-, Gewerbe- und Einkommensteuer von Arbeits- kräften zu, von denen es zweifelhaft ist, ob sie bei Mangel einer ausgiebigen Beschäftigung, *) Nach E. Wolff war die Zusammensetzung der Pressrückstände folgende: XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 403 wie sie die Zuckerindustrie bietet, überhaupt noch vorhanden oder steuerfähig wären. Dieselbe hat auch für die Arbeitsverhältnisse auf dem Lande nicht dadurch allein günstig gewirkt, dass sie selbst lohnend ist, eine geeignete Winterbeschäftigung bietet und während der Ernte die Arbeitskräfte nicht in Anspruch nimmt, sondern es trug ihr mittelbarer Einfluss weit über ihren nächsten Kreis hinaus zur Erhöhung der Löhne und der Verbesserung der Lage der ländlichen Arbeiterbevölkerung wesentlich bei. Alles dies leistet die Rübenzuckerindustrie schon seit einer Reihe von Jahren ohne Mehrbelastung der Konsumenten, denn mindestens seit der Erhöhung der Steuer auf 71% Sgr. vom Centner ist von einem Schutz gegen die Konkurrenz des indischen Zuckers nicht mehr zu sprechen, im Gegentheil lässt sich annehmen, dass der stetig zunehmende Verbrauch des Zollvereins nur durch die Konkurrenz des Rübenzuckers vor starken Preissteigerungen des Kolonialzuckers geschützt wird. Die Tabelle P. 3. der Anlagen Spalte 34—40 lässt das Verhältniss von Einfuhr und Ausfuhr an Zucker übersehen. Der Durchfuhrverkehr ist völlig in Abzug gebracht, so dass unter der Einfuhr nur die zum Eingange verzollten Mengen und bei der Aus- fuhr nur die gegen Bonifikation exportirten, also dem freien Verkehr im Vereinsgebiet entnommenen Quantitäten zu verstehen sind. Nach diesen Zahlenergebnissen stieg, abgesehen von dem ganz unbedeutenden Quantum Raffinade, die Einfuhr an Rohzucker für inländische Raffinerien zwischen 1836 und 1847 von 983928 Ütr. auf 1410701, um 1860 nach langen und heftigen Kämpfen mit dem inländischen Rübenprodukt bis auf 78566 Ctr. herabzugehen. In Folge der am ı. September 1861 eingetretenen Ermässigung r 100 Theile dieser Pressrückstä Frische | 100 Theile der Rüben gaben ENTE a a Ba Runkelrübenbestandtheile £ sep Rüben an Saft an Press- | mit 20 pCt. | mit 14 pCt. ohne rückständen Wasser Wasser Wasser IWIaSSerss Eure Mh lellze 81,56 65,95 15,61 68,01 67,92 65,94 INSCHeGETERD Ian. «7 40) like 0,89 ? 1,27 51,47 5,74 5,28 Gellulosens neun 5 .e 1,33 —_ 1,47 6,25 6,04 6,68 LEO ran oa 11,88 IO,17 1,72 7,86 7,58 6,72 Protöinkörper . . .. 0,87 0,63 2,84 I,o5 1,67 II,oz Sonstige Nährstoffe . . 3,47 0,58 0,28 11,36 | her. 100,00 23,20 76,80 T00,00 100,00 I00,00 er IOO,oo Die mittlere Zusammensetzung der schlesischen Rübe ist anzunehmen auf 82,7 Wasser; 11,3 Zucker; o,3 Holzfaser; 1,; Albumin, Kasein und andere eiweissähnliche Körper; o,ı Fett; 3,7 organische Substanzen, wie Citronsäure, Pektin und Pektinsäure, sich färbender Stoff, Asparagin u. s. w.; ferner organische Salze, als oxalsaurer und pektinsaurer Kalk, Kali und Natron; endlich unorganische Salze, als salpetersaures, schwefelsaures Kali, Chlorkalium, phosphorsaurer Kalk und Magnesia u. s. w. Die Veränderung, der die Rüben durch das Ein- mieten unterworfen sind, zeigt nach J. F. Wagner a. a. O. S. 421, 426 folgende Analyse: Holzfaser und Pektinkörper . . . . . im Oktober 3,49 pCt., im Februar 2,5: pCt. WERE. Na Brise ale = 82,06 „ 5 y 8436 » ROT er oe oo F) 1210, 5 s A 1060 „5 Dchleimizuckern an Mena Se ee u Breodinı 5 A O6 Mineralsalze url „nme rl), 5 075 » > ” 0,655» Organische Säuren, Eiweiss u. Extraktivstoffe „ 5 130» 5 124% E) 6* 19 ADA XXVIO. Landwirthschaftl, Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. des Eingangszolles hob sieh die Einfuhr 1862 wieder auf 464569 Ctr., ist aber seitdem bis 1867 abermals auf 53 512 Otr. herabgesunken. Die Einfuhr von Syrup war bis zum Jahre ıg53 nur unbedeutend und je nach den Preiskonjunkturen mancherlei Schwankungen unterworfen. Erst vom Jahre 1854 ab ist mit dem Hinzutreten des Steuervereins, dessen Bewohner dem Konsum dieses Artikels mehr als die der übrigen Zollvereinsstaaten zugethan sind, seine Einfuhr grösser und stetiger geworden, Die Ausfuhr in raffinirtem Zucker besteht bis auf einige in den letzten 4 Jahren exportirte Mengen Rübenbrodzucker in Kolonialraffinade. Die Ausfuhr an Rohzucker und Farin (Spalte 36) war bis zum Jahre 1861 gleich Null; als aber das Gesetz vom 2. Juli 1861 (G.-8. $. 417) eine der Steuer entsprechende Ausfuhrvergütung gewährte, gewann sie grössere Bedeutung, betrug 1864 schon 148266 Ctr. und steigerte sich in den letzten Jahren zu der unerwarteten Höhe von über 800000 Ütr. Die Ausfuhr- vergütungen für Rübenzucker betrugen ı8617 3251 T'hlr., 1862 103 803 Thlr., 1863 255 124 Thlr., 1864 365447 Thlr., 1865 362991 Thlr., 1866 2163 968 Thlr., und 1867 2171143 Thlr. Die Stenereinnahmen vom Zucker betrugen 1838/40, in den obengedachten Normal- jahren des Vertrages vom 8. Mai 1841, auf den Kopf der Bevölkerung 6,7 Sgr. Sie stiegen bis 1845 auf 7,73 Sgr., gingen aber von da ab in Folge der verminderten Ein- fuhr an Kolonialzucker und des Mehrverbrauchs an geringer besteuertem Rübenzucker bis 1851 auf 4,86 Sgr. hinab. Die folgenden Erhöhungen der Rübenzuckersteuer brachten die Staatseinnahme indess schon 1954 wieder über den Normalsatz und vermehrten sie 1865 sogar auf 9,98 Sgr. Der inländische Konsum in Rohzucker ausgedrückt steigerte sich in dem 32 jährigen Zeitraume von 1014094 Otr. auf 3 285 gor, also in dem Verhältniss von 1:3,2. Auf den Kopf der Zollvereinsbevölkerung kamen 1836 3,9 Pfd., dagegen 1865 10,69 Pfd., 1867 9,0 Pfd. Ueber den Stand der Industrie in den einzelnen Provinzen des Staates giebt die Tabelle P. 4. der Anlagen Vergleiehspunkte. Westpreussen hat Rübenzuckerfabriken nie besessen, Ostpreussen hat sie seit 1857 gänzlich aufgegeben; dagegen haben Westfalen und Rheinland die Industrie erst seit 1851 aufgenommen. Das Verhältniss der Rübenverarbeitung, die Gesammtsumme der 1866/67 verarbeiteten Rüben von 35 278 578 Ötr. als 1000,» angenommen, war: 1851/52 1856/57 1861,62 1866/67 Preussenue le 0 2,79 0,36 0,00 0,00 Pommern . . ... IO,ıo 21,46 25,12 34,60 Dosen tele 4,27 1,33 0,06 0,00 Brandenburg . . . . 17,8 42,70 43,62 88,34 Schlesien - . © ©. . . 90,0 105,51 116,34 I5I,52 Sachsen ... 0... 27256 388,99 476,87 684,32 Westfalen. . 2. 0,78 3,66 4,16 4,14 Rheinland”. 2... 0,47 1,61 11,48 37,08 Staat . . . 390,03 565,62 677,65 I000,co In neuerer Zeit sind auch für die Rübenzuckerindustrie Bestrebungen wach ge- worden, welche die Fabrikatsteuer auf den gewonnenen Zucker an die Stelle der Steuer- erhebung von den grünen Rüben setzen wollen. Sie gehen von dem Gesichtspunkte aus, dass die Besteuerung der Rüben die Fabrikation je nach dem Zuckergehalt sehr ungleich trift und überdies die Verarbeiter von Rüben geringen Gehaltes so weit konkurrenzunfähig macht, dass manche Gegenden des Staates, wie Preussen und West- falen, in denen die Rüben erfahrungsmässig wenig Zucker haben, von den Vortheilen XXVII Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 405 der Industrie gänzlich ausgeschlossen werden. Auch hier ist es vor allem die Schwierig- keit, eine geeignete, mit der nöthigen Freiheit des Betriebs und Verkaufs vereinbare Erhebungsweise aufzustellen, welche die Meinungen noch nicht bestimmter zum Abschluss kommen lässt*). Eine ähnliche Stellung als Nebengewerbe der Landwirthschaft, wie sie nach den vorstehenden Angaben die Brennereien und Rübenzuckerfabriken seit mehreren Dezen- nien mit dem grössten Erfolge einnehmen, ist zur Zeit noch von keinem anderen Industriezweige auch nur annähernd erreicht worden. Grössere und kleinere Wirth- schaften in verschiedenen Oertlichkeiten haben allerdings ihren Betrieb mit der Fahrika- tion von Stärke, Stärkesyrup und Dextrin, oder von Presshefe, Essig oder Obstkraut, auch mit Cichorienfabriken, Oelmühlen und Leinschlägereien verknüpft. Auch ist, wie Bd.I. S. 335 gezeigt hat, die Zahl der gewerblichen Anstalten für die genannten Pro- dukte bedeutend genug, um der Landwirthschaft ein ergiebiges Feld zu gewähren, falls sich diese Verbindung als zweckmässig und leicht durehführbar erweisen sollte. Unter dem landwirthschaftlichen Gesichtspunkte aber steht diesen Unternehmungen entgegen, dass entweder, wie bei den Oelmühlen und Cichorienfabriken, nach der Art ihres Betriebes und ihrer Konkurrenz das nöthige Betriebskapital und das kaufmännische Risiko ausser Verhältniss mit den Vortheilen steht, die sie der Wirthschaft gewähren, oder dass sie, wie Presshefe- und bei grossem Betriebe Obstkrautfabriken, überhaupt nur in geringer Zahl absatzfähig bleiben, oder endlich, dass, wie bei Essig- und Stärke- fabriken, ihre Abfälle wirthschaftlich nicht mit genügendem Vortheil und ohne Gefahr verwendbar sind. Ermittelungen, wie viele der bestehenden Anstalten als landwirth- schaftliche anzusehen sind, sind bisher nicht angestellt. Die meisten Fälle dürften sich bei Stärke- und Obstkrautfabriken finden, von denen erstere namentlich im nördlichen Theile der Mark und in Sachsen, letztere besonders am Niederrhein eine grössere landwirthschaftliche Bedeutung erlangt haben. Ueber ihre Verhältnisse sprechen, abge- sehen von den schon mehrgenannten technischen Schriften, bezüglich der Stärkefabri- kation das landwirthschaftliche Centralblatt Jahrg. ro 1862 Bd. II. S. 346 und Jahrg. ır 1863 Bd. Il. S. 331, bezüglich des Obstkrauts Annalen Bd. 28 S. 54 und OÖ. Beck’s land- und volkwirthschaftliche Tagesfragen, Trier 1867 Jahrg. U. S. 24 und 140 ff. Der Nahrungswerth der Rückstände, welche in der Regel auch bei selbstständigem Be- triebe der vorgedachten Fabrikationszweige durch den Verkauf für die Landwirthschaft nutzbar werden, soll bei der Viehhaltung näher zur Erwähnung kommen. *) Die Literatur der Industrie ist sehr reich. Ausser den angeführten Schriften soll hier nur auf folgende, mit den Verhandlungen des Landes-Oekonomie-Kollegiums in näherer Beziehung stehende hingewiesen werden. In Rücksicht auf den Rübenbau: Annalen Bd. ıg S. 173; Bd. 22, 410; Bd. 34, 357; Bd. 35, 175; bezüglich des Gehalts der Rüben: Annalen Bd. 31 8. 351, 433; Bd. 35, 500; Bretschneider im landwirthschaftl. Centralblatt Jahrg. ıo, 1862 Bd. II. S, 354; R. Hoffmann ebd. Jahrg. ız, 1864 Bd. II. S. 39; bezüglich der Fabri- kation: Annalen Bd. 26 S.44; Bd.35, 47; Bd. 36, 356; Bd. 37, 58; bezüglich der Besteuerung; Annalen Bd. 13 S. 275; Bd. 35, 337; Bd. 36, ı und Beilage; Bd. 37, 405; CO. v. Salviati: Die Fabrikatsteuerfrage in Betreff der Spiritus- und Runkelrübenzuckerfabrikation in Preussen 1860; endlich bezüglich der Statistik der Industrie: Bd. 2, S. 18; Bd. 4, 148: Bd. 12, 389 Bd. 15, 196; Bd. 36, 28, 176; Dieterici: Mittheilungen des statistischen Büreaus, Jahrg. XL S. 365. 406 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe. Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Es bleibt noch übrig auf die Flachsbereitung genauer einzugehen. Der Lein gehört zu den ältesten Kulturpflanzen von unbekannter Heimath, und diente, Deutschen wie Slawen seit den frühesten Nachrichten zum Gespinnst'). Bis zum Auftreten der billigen Baumwollenstoffe unserer Zeit bildeten Leinengewebe die hauptsächlichste Bekleidung der ländlichen Bevölkerung Deutschlands. Spinnen und Weben des Leins war die häusliche Winterbeschäftigung. Abgaben an Lein und das Verspinnen herrschaftlichen Flachses und Werges waren gewöhnliche Reallasten der dienstpflichtigen Unterthanen, und Knechte wie Mägde erhielten neben dem Gesindelohn landesüblich Leinbeete zur eigenen Beschaffung ihrer Wäsche. Diesem örtlichen Bedarfe musste also bis in die ersten Dezennien unseres Jahrhunderts die Verbreitung des Flachsbaues über alle Gegenden des Staatsgebietes entsprechen. , Indess hat in einigen Landstrichen auch die Anfertigung von Leinwand zum Ver- kauf und die Herstellung feinerer Gewebe früh begonnen. Dass der Anstoss dazu von der alten Leinenfabrikation Hollands ausgegangen, wird angenommen, und liegt für die benachbarten Grafschaften Teeklenburg, Lingen und Ravensberg nahe. Für das schle- sische Gebirge ist ausdrücklich bezeugt, dass Personen, welche die Schleierweberei in Holland kennen gelernt hatten, dieselbe um die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Hirsch- berg und Greiltenberg übertragen haben). Auf dem Eichsfelde, im Halberstädtischen und im preussischen Ermelande hat sich mindestens im vorigen Jahrhunderte Spinnerei und Weberei, und in letzterem Gebiete zugleich die Erzeugung von Leinsamen bis zu lebhaftem, auswärtigem Absatze erweitert. Die Bedeutung einer eigentlichen Industrie aber gewann die Verfertigung der Leinwand erst unter Friedrich dem Grossen. Seine wiederholten Haspel- Ordnungen für alle Provinzen des Staates, das Verbot, Leinengarn von verschiedener Stärke zu- sammenzuweifen, die Befreiung des im inneren Verkehr in Handel kommenden Garnes von der Akzise, die Leggeordnung für Tecklenburg und Lingen von 1765 und ähnl. °) beweisen den besonderen Werth, den er auf sie legte. Für den in Schlesien schon in österreichischer Zeit ziemlich erheblichen Leinwandhandel nahm er unmittelbar ausge- breitete überseeische Handelsbeziehungen in Aussicht. Kaum im Besitz der neuen Pro- vinz erliess er die Leinwand- und Schleierordnung für Schlesien und die Grafschaft Glatz vom 27. Juli 1742‘), durch welche „in Ansehung der Spinner, Weber, Bleicher und Garnsammler eine solche Ordnung eingeführt werden soll, dass durchgehends an Länge, Breite und Güte tüchtige Waare verfertigt, angekauft und ausser Landes ver- fahren, mithin der Kredit bei Auswärtigen konservirt, die Kaufmannschaft selbst aber von Spinnern, Webern, und Bleichern auf keine Weise übervortheilet, und in Schaden gesetzt werden möge“. Für die Garne wird gleiche Weife, für die Gewebe gleiches Mass bestimmt, es werden Schauämter eingerichtet, eine Marktordnung vorgeschrieben, ') Tacitus Germania 25. Plinius XIX. c. 2. Lex salica ex edit. Lindenbrogii Tit.XX VII. 14. Capitulare de villis 62. Helmold, Chron. slavor. I. c. ız2 $ ı5. C. 14 $ ı. Vergl. Anton, Ge- schichte der teutschen Landwirthschaft, Görlitz 1799, 1. 3. ?) J. D. Hensel: Histor.-topogr. Beschreibung der Stadt Hirschberg 1797, S. 199, 217. J. G. Knie, Beschreibung von Schlesien, Breslau 1851, Th. I. S. 42; ebd. S. 444 s. Landshut. ) Reskr. vom 13. Mai 1751 (Rabe, Sammlung preuss. Ges. Th. I. 2. S. 293). Edikt vom 24. Januar 1754 (ebd. S. 327). Edikt vom 8. März 1756 (ebd. S. 471). “) Kornsche Schlesische Ediktensammlung 1742 Bd. IL S. 145. XXVID. Laudwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 407 und die Flachsausfuhr bis auf weiteres gänzlich verboten !). Ebenso ergingen Verord- nungen zur Sicherung der Flachsbauer beim Kauf von Leinsamen?). Um die Unter- händler zu beseitigen, sollten nur Kaufleute in den Städten befugt sein, Leinsamen en gros d.i. in ganzen Tonnen zu beziehen, nur zum eignen Gebrauch war es gestattet, solchen Samen unmittelbar von Frankfurt, dem Stapelplatz des Ostseeleins, kommen zu lassen. Zur Verhütung von Verfälschungen des Rigaer und Memeler Leinsamens wurde durch Cirkular vom 15. Mai 1776 jeder Böttcher, der Gefässe, welche den Rigaer oder Memeler Leinsamentonnen ähnlich sind, anfertigt, mit 5o Thlr., und jeder Kaufmann, der mit ausländischem Lein handelt und inländischen ankauft, mit ı00 Thlr. Strafe bedroht, ebenso wenn er ausländischen verfälscht, was überdies den Verlust der Kon- zession nach sich zog. Auch ergingen unter dem 24. April 1764, 7. Mai 1765 und 15. August 1772 Anweisungen zum besseren Betriebe des Flachsbaues °). Zugleich erhielt die Leinwand schon unter dem 13. November 1752 einen beson- deren Schutz durch Erhöhung des Einfuhrzolles auf fremde Kattune und Zitze‘) und, um die Industrie der Gebirgsstädte nicht zu stören, wurde ihnen gegen eine Erhöhung des Servises völlige Kantonfreiheit zugesichert °). 2 In der That hatte Friedrich II. die Freude, den Leinwandhandel bis zum Ende seiner Regierung in fortdauerndem Steigen zu sehen. Die Jahre 1785 und 86 gehörten zu den günstigsten der ganzen Periode. Der auswärtige Absatz an schlesischen Leinen darf damals auf jährlich mindestens 4 Millionen Thaler veranschlagt werden. Auch an der Tecklenburger Legge wurden in diesen Jahren bis gooo Stück Löwentleinen jährlich gestempelt‘). Im schlesischen Gebirge herrschte grosse Wohlhabenheit. Dieser Erfolg war allerdings nicht allein den Regierungsmassregeln zuzuschreiben, die nicht frei von der einseitigen Auffassung der Handelsverhältnisse sind, der die Zeit huldigte. Er lag auch in der allgemeinen günstigen Konjunktur. In Spanien, in Russ- land und vor allem in dem rasch aufblühenden Amerika stieg der Bedarf, und man gewöhnte sieh, statt des groben Hausleinen, die feinen, wohl appretirten Gebirgsleinen zu gebrauchen. Gleichwohl gingen die Bestrebungen Friedrichs der Konjunktur voraus, und ohne seine Anregung würde sie schwerlich in vollem Masse benutzt worden sein. Krug schlägt für den Schluss des Jahrhunderts die in den einzelnen Provinzen auf der (Juadratmeile zum Flachs- und Hanfbau verwendete Fläche im ostpreussischen Departement auf 238 Morgen, in Pommern auf 138, in der Kurmark 191, in Schlesien 361, in Magdeburg 266, in Halberstadt 310, in Minden 865, in Ravenberg 1153, in Lingen 535, in Tecklenburg 2009, und in Kleve auf 122 Morgen an. Den Werth der jährlich fabrizirten Leinwand schätzt er auf wenigstens ı5 Mill, Thaler, den Bedarf der Einwohner auf mindestens 5o Mill. Ellen für einen Werth von !) Ergänzungen giebt die Kornsche Ediktensammlung von 1743, 1744, 1747, 1749 bis 1752, 1759, 1760. 2) Cirkular vom 4. März 1749 (Korn a.a.O. Bd. 3 8.435). Cirkular vom 15. Dezember 1755 (ebd. Bd. 6 S. 127). Reskript vom 23. September 1756 (ebd. S. 60). 3) Korn a. a. O. Bd. 8 S. 95 und 661; Bd. 13 S. 232. 4) Ebd. Bd. 4 S. 802. >) Ebd. Bd. 5 S. 15 und gr. %) L. Krug, Abriss der neusten Statistik des preuss. Staats, 2. Aufl. Halle 1805, S. 87. — Weber, Handbuch der Statistik des Preussischen Staates, 1840. S. 473. — Motive zum Gesetz vom 3. Mai 1859 (@.-S. S.207) über Aufhebung der Leggeordnung für Tecklen- burg und Lingen vom 31. März 1842. 408 XXVH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 8 Millionen Thaler. Die Ausfuhr aus Schlesien wurde 1796 auf 6 220 ooo Thlr. ange- geben, worunter für ı Million böhmische Leinwand inbegriffen war. Die Zahl der Stühle war 26 456, der Werth des Fabrikats 8 852 000 Thlr. Diese günstigen Verhältnisse, bei deren Beurtheilung indess Krug ‘schon darüber klagt, dass die Spinnerei ein ärmliches Gewerbe geworden, welches die ausschliesslich damit Beschäftigten nicht vor Hunger schütze, und dass Spinner und Weber bei un- günstigen Ernten mehr als andere Klassen die Unterstützung des Staates in Anspruch nähmen, erhielten sich bis zum Ausbruche der französischen Kriege. Seitdem wurden sie durch die Konkurrenz der Engländer untergraben. Gleichzeitig mit den auf dem Kon- tinente beginnenden Unruhen bot England alles auf, die deutschen Leinen von den über- seeischen Stapelplätzen, besonders aus seinen eigenen Kolonieen, zu verdrängen, und es erreichte dies theils durch sein von Pitt geläutertes Handelssystem, durch bedeutende Exportprämien und vortheilhafte Handelsverträge, theils und vorzugsweise durch die unbedingte Meeres- und Handelsherrschaft, die es in Folge der Kontinentalsperre gewann. Die brittischen Kaufleute erhielten Zeit, ihre Leinen auf den Märkten, die den Deutschen verschlossen waren, zu befestigen, und obwohl noch Lord Castlereagh und Lord Liver- pool dem Parlamente darlegten, dass Englands Leinenindustrie gegen die deutsche des Schutzes bedürfe, hob sich erstere doch unausgesetzt, wenn auch mit grossen Anstren- gungen und zum Theil durch das Mittel starker Beimischung von Baumwolle in den Ein- schlag. Der deutsche Export, für welchen man nach Beendigung des Krieges neue Hoffnungen hegte, sah sich bald überall verdrängt, wo nicht die Nachfrage, wie in West- indien, besonders auf ganz leichte Waare gerichtet war. Unter diesen Umständen nahm auch die Art des bisher durch Hamburg, Altona und Bremen vermittelten Geschäfts eine nachtheiligere Gestalt an. Bis dahin hatten die dortigen Exporteure die Leinen zur Versendung in der Regel in geschlossenen Sortimenten gegen bestimmten Preis bei den binnenländischen Kaufleuten bestellt, als aber der Absatz stockte, führte sich mehr und mehr eine Mitbetheiligung der letzteren bei den überseeischen Unter- nehmungen ein, welche die Fabrikation in die Wechselfälle des Kaufmannes verwickelte, und der Industrie durch schwer zu verwerthende Deckungen, durch Fallissements und Verluste aller Art das Arbeitskapital entzog. Dazu kam, dass Russland mehr und mehr sein eigenes, sowie das polnische Gebiet, das früher ein erheblicher Abzug für schlesische Leinen gewesen, durch sein Prosibitivzollsystem schloss, dass der spanische Thronfolgekrieg und die ihm folgenden politischen Verhältnisse den Engländern auch hier den Sieg über die deutsche Industrie verschaftien, und dass auch auf dem eigenen vaterländischen Boden der Gebrauch der leinenen Zeuge durch die erheblich billigeren und verhältnissmässig guten und dauerhaften Baumwollengewebe wesentlich beschränkt wurde. Der schlimmste Feind der preussischen Industrie war aber offenbar die Mangel- haftigkeit der Fabrikation selbst. Im Bau und in der Bereitung des Flachses, wie in der Herstellung der Garne und Gewebe, blieb Preussen weit hinter dem Konkurrenten zurück. England beschaffte das beste Material und benutzte überall die ausgebildetsten mecha- nischen Hülfsmittel. Es begann im Jahre 1828 mit Glück auch zur Leinenspinnerei Maschinen anzuwenden, und erreichte dadurch eine bis dahin unbekannte Gleichmässig- keit der Garne und Gewebe. Der deutsche Fabrikant dagegen verbrauchte die in her- gebrachter Weise mangelhaft gezogenen und höchst ungenügend vorbereiteten Flachse und beschäftigte dabei eine Arbeiterbevölkerung, die der geringen Tüchtigkeit wegen XXVI. Landwirthschaftl, Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 409 trotz sehr geringer Löhne ziemlich theuer produzirte. Der Flachsbau ging des un- brauchbaren Produktes wegen ersichtlich zurück. Im Minden-Ravensbergischen erhielten sich die Uebelstände auf erträglicherer Stufe, als in Schlesien. Die westfälische Spinnerbevölkerung ist weniger zahlreich und ihren Sitten nach weniger ausschliesslich an diese Beschäftigung gebunden; auch waren die dortigen Flachsbauer und die Fabrikanten geneigter, nach besserem Verfahren zu streben und solideren Grundsätzen zu folgen. Es erhielten sich westfälische Garne und ein besseres Leinenfabrikat auf auswärtigen Märkten, trotzdem dass die französischen und belgischen Eingangszölle gesteigert wurden, und seit 1839 nach zeitweisem Aufleben des überseeischen Absatzes eine wesentliche Verminderung desselben eintrat. In Schlesien aber gestalteten sich die Verhältnisse überaus ungünstig. Der Anbau von Flachs zum Absatz wurde hier besonders auf grossen Gütern des rechten Oder- ufers betrieben. Sowohl die landwirthschaftlichen als die weiteren Reinigungsarbeiten geschahen meist durch robotpflichtige Leute, deren übliche ausserordentlich hohe Arbeits- quanta (z. B. hatte die Person ı6 Pfd. täglich zu brechen) nur im Verhältniss zu der Oberflächlichkeit der Behandlung des Flachses standen. Die Mängel der Röste und rohe, völlig ungeeignete Brechvorrichtungen entwertheten das Material durch Ungleich- mässigkeit und Abfall in hohem Grade; die Preise aber sanken auf ı2, ja auf 10 Sgr. für den $pfündigen Kloben. Darin konnte allerdings kein Anreiz zum Anbau liegen. Es ist möglich, dass es bei den gedrückten Getreidepreisen im Beginn der Krisis thunlich gewesen wäre, die Landwirthe durch angemessene Angebote für die Erzeugung guten Materials zu interessiren und durch Vervollkommnung des Fabrikats den Markt zu halten, dieser Zeitpunk® aber ging verloren, und die Schwierigkeiten des Kampfes gegen das hergebrachte Verfahren, Mangel an Mitteln und irrige Anschauungen führten die schlesischen Kaufleute mehr und mehr auf den verderblichen Weg, durch grössere Billigkeit auf Kosten der Solidität der Waare die Konkurrenz zu versuchen. Allerdings hielten immer einzelne Häuser, namentlich für den inneren Verbrauch, ein reelles Ge- schäft, selbst nicht ohne Gewinn, aufrecht; dies übte indess auf die Hauptmasse des Fabrikats, sowie auf den Lohn der Spinner und Weber und ihren überhandnehmenden Brauch, sich durch Veruntreuung eines Theiles des Materials besser bezahlt zu machen, keinen erheblichen Einfluss. Zahlreiche Fabrikanten vertrieben die schlechteste, mit Baumwolle verfälschte Waare. Die schlesischen Leinen wurden mehr und mehr dis- kreditirt, der Verdienst daran immer kärglicher. Die im Gebirge auf kleinen Grund- stücken angesessene Weber- und Spinnerbevölkerung liess sich nach und nach zu un- glaublich niedrigen Lohnbeträgen herabdrücken und wurde, stumpf durch Entbehrungen, immer weniger geeignet, irgend ein Mittel zur Verbesserung ihrer Lage zu ergreifen, Die Folge war ein Nothstand, der, mit ungünstigen Ernten verknüpft, bis zum Hunger- typhus ausartete, öffentliche und private Unterstützung in hohem Maasse in Anspruch nahm und in sehr gerechtfertigter, wohlmeinender Theilnahme mancherlei Vorschläge zur Abhülfe hervorrief, obne dass es möglich gewesen wäre, andere und energischer wirkende Mittel aufzufinden, als die, zu denen der Staat schon seit lange den Weg zu bahnen versucht hatte. Die Regierung hatte sich einer unbefangenen Einsicht in die schlimme Lage der Industrie nie verschlossen und zum Theil schon während der Kriegsjahre Schritte gethan, deren Gesichtspunkte in der neuesten Zeit zu allgemeiner Geltung gelangt sind. Zunächst sorgte sie dafür, dass der unter dem 4. August 1788 von Friedrich 410 XXVH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Wilhelm II. gegründete 6nadenfonds zur Beförderung der Bielefelder Leinenmanufaktur von 50000 Thlrn. wieder in die durch das Statut vom 31. Juli und 3. Oktober 1799 vorgeschriebene Verwendung trat. Dies Statut wurde unter dem 10. Januar und 4. Oktober ıg28 ergänzt und unter dem 12. Juli 1849 (Amts-Bl. der Reg. zu Minden St. 24) erneuert. Der Fonds wurde durch eine besondere, in Bielefeld niedergesetzte Kommission verwaltet und seine Zinsen jährlich für Unterstützungen und Prämien zur Beschaffung von verbesserten Werkzeugen, Spinnrädern, Webstühlen, sowie zum Unter- richt darin, überhaupt in dem Sinne verwendet, die Leinenfabrikation in allen ihren Stadien, von der Flachskultur ab bis zur Vollendung des Fabrikats für den Absatz, sowie den Handel selbst möglichst zu fördern. Die Leggen, welche in der französischen Zeit in den Händen der Kommunen vernachlässigt worden waren, wurden durch eine Verordnung der Regierungskommission zu Münster vom 3. Juli ıg15 wieder in alter Weise eingerichtet und nahmen lebendigen Aufschwung. Diese Anstalten sind zwar in ihrer Wirksamkeit davon abhängig, welchen Werth die Käufer auf den Leggestempel legen, und die Legge für die Grafschaft Tecklenburg und Ober-Lingen wurde wegen Mangels an Betheiligung durch das Gesetz vom 3. Mai 1859 (G.-S. S. 207) aufgehoben, nachdem sie am 31. März 1842 eine er- neuerte Leggeordnung erhalten hatte. Fast gleichzeitig aber wurden durch die Gesetze vom ı5. Mai 1853 für die Kreise Bielefeld, Halle und Herford (mit Ausschluss der Aemter Bünde und Rodinghausen) und vom 16. Mai 1853 (G.-S. $. 229— 233) für den landräthlichen Kreis Lübbeeke auf vielfache Anträge Leggeordnungen nach den Grundsätzen der in Tecklenburg bestandenen neu eingeführt; und wenn die Wirksam- keit dieser Einrichtungen für den Handel bezweifelt werden“kann, so war jedenfalls die an den Leggetagen vorgenommene Schau der verschiedenen Fabrikate vieler Weber zugleich eine Aufmunterung des Wetteifers und eine Belehrung über die Mängel der Fabrikation, die Anordnung traf’also den eigentlichen Sitz des Uebels. Schon 1820 wurde versucht, das belgische Flachsbereitungsverfahren einzuführen. Vom Jahre 1822 ab unternahm die Königliche Seehandlung als Vermittlerin des überseeischen Exports, namentlich für schlesische Leinen, aufzutreten. Sie ertheilte Bestellungen zum Einkauf roher Leinwand, liess dieselbe bleichen, appretiren und zum überseeischen Verkauf verpacken, und verschaffte dadurch den Fabrikanten und Webern eine lohnende Beschäftigung. Sie setzte diese Geschäfte so lange durch eine Reihe von Jahren fort, als sich dies bei dem fortwährenden Rückgange des Leinwandhandels mit dem kaufmännischen Charakter des Instituts irgend vereinigen liess. Auch der wichtigste Umschwung der Leinenindustrie, die Erzeugung von Maschinen- garn, wurde trotz mancher entgegenstehender Meinungen von der Regierung schon früh erfasst und mit Opfern nach Möglichkeit gefördert. Schon rgrr sendete das damalige Königl. Gewerbedepartement den Kaufmann G. W. Alberti von Schlesien aus nach der Schweiz, um sich von der Beschaffenheit einer von Tschudy in Rohrschach erfundenen und der preussischen Regierung zum Kauf angebotenen Garnspinnmaschine zu unter- richten. Er fand dieselbe dem Zwecke entsprechend. Sie wurde für 13500 Thlr. an- gekauft und unter seiner Leitung in Waldenburg in der Hoffnung aufgestellt, dass der Handelsstand des schlesischen Gebirges eine Gesellschaft zu ihrem Betriebe bilden würde, Als diese Erwartung fehl schlug, wurde Alberti die Maschine unter gewissen Bedin- gungen geschenkt, auch ihm und seinen Söhnen in den Jahren 1813 — 1818 erhebliche Vorschüsse und Prämien zum Betriebe gewährt. 1924 endlich fand er in der Handlung XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 411 F. E. Schreiber u. Söhne in Breslau vermögende Mitunternehmer und vermochte nun die Konstruktion nach englischem Muster zu verbessern und nach rühmlichen Anstren- gungen das erste Unternehmen dieser Art schwunghaft ins Leben zu führen. Dieser Anregung folgte bald mit noch umfassenderen Anlagen das Haus Kramsta und Söhne in Freyburg, dem es wieder gelang, Gewebe auf den amerikanischen Markt siegreich einzuführen. Die dritte Flachsmaschinenspinnerei errichtete 1837 ©. G. Kopisch zu Patschkei bei Bernstadt. Der Staat bewilligte allen solchen Anlagen nach der Zahl der in Gang gebrachten Spindeln beträchtliche Prämien. Auf Anregung des Oberpräsidenten v. Vincke wurde seit 1836 auch die Hand- spinnerei zuerst in Westfalen, dann auch in Schlesien durch die Erriehtung von Spinn- sehulen in verschiedenen städtischen und ländlichen Gemeinden unterstützt. In diesen vom Staate durch Beihülfen unterhaltenen und in geeigneter Weise beaufsichtigten Schulen wurde besonderes Gewicht auf Erlernen von solchen Graden des Feinspinnens gelegt, welehe durch Masehinen nur schwer zu erreichen sind; zugleich wurde in ihnen zweckmässige Anleitung zu besserer Vorbereitung des Flachses gegeben. Damit ver- knüpften sich auch neue Versuche mit dem belgischen Rott- und Schwingverfahren. Endlich ging 1841 in Schlesien von dem Baron v. Lüttwitz auf Simmenau der An- stoss zur praktischen Ausbildung von Flachsbauern aus. In Simmenau war in alter Zeit bedeutender Flachsbau betrieben, aber, wie allgemein in intelligenten Wirthschaften Sehlesiens, seit dem eingetretenen Missverhältniss der Flachspreise zu anderen Erträgen durch Getreide und Kartoffeln und die Interessen der Schafzucht verdrängt worden. Der Baron v. Lüttwitz aber, der sich mit dem Niederländischen Flachsbau bekannt gemacht hatte, führte seit 1831 wesentliche Verbesserungen der Rotte, des Brechens und Hechelns ein, und erzielte durch Prämiirung der Arbeiter und ein richtiges Arbeits- mass*) weit bessere Waare und höhere Preise. 1341 erbot er sich, um sein Verfahren gemeinnützig zu verbreiten, junge Bauernbursche bei mehrwöchentlicher Theilnahme an den Rott- und Flachsbereitungsarbeiten persönlich anzuleiten und für den Flachsbau vorzubereiten. Dieses Anerbieten wurde seitens der Regierung mit Anerkennung auf- genommen, und schon im Jahre 1842 wurden ihm, meist mit Unterstützungen zu Reise und Unterhalt, Zöglinge aus verschiedenen Flachsgegenden Schlesiens zugesendet. Das Landes-Oekonomie-Kollegium, welches damals seine Thätigkeit begann, benützte die dargebotene Gelegenheit, um mit nicht unerheblichen Opfern den weiteren Plan auszuführen, geeignete Personen zu Flachsbaulehrern ausbilden zu lassen, welche an günstigen Orten auch in entfernten Provinzen Flachsbauschulen errichten sollten. In derselben ausgesprochenen Absicht unterstützte es die Reise des Wirtbschaftsbeamten Alfred Rüfin, der 1842 zur Erlernung des Flachsbaues nach Belgien gegangen war, und autorisirte ihn, dort auch andere Flachsbereitungstechniker als Lehrer zu engagiren. Als daher im Winter 1843/44 der erwähnte Nothstand der schlesischen Industrie- bevölkerung auftrat und in seiner beklagenswerthen Höhe durch einige Jahre andauerte, konnte seitens der Staatsregierung, abgesehen von der Sorge für augenblickliche Unter- stützung der Mangel Leidenden und von mancherlei meist am Widerstande dieser Leute selbst scheiternden Versu&hen, Spinner und Weber zu anderen lohnenderen Beschäftigungen überzuführen, nichts anderes geschehen, als mit verstärkten Mitteln dem bisher vor- gesteckten, leider nur allmählich erreichbaren Ziele zuzustreben. Es konnten aus- reichende Arbeitsverdienste allein bei erfolgreicher, durch solides Fabrikat erzielter *) Er setzte z. B. beim Brechen das tägliche Quantum von 16 Pfd. auf 3 Pfd. herab, 4142 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. Konkurrenz auf in- und ausländischen Märkten erwartet, solche Fabrikate aber nur bei gutem, gleichmässigem und in genügender Menge hergerichtetem Material erreicht werden. Desshalb wurden alle vorhandenen Lehrkräfte benützt, um in Schlesien, Preussen, Sachsen und Westfalen Flachsbauschulen einzurichten, deren in wenigen Jahren 12 ent- standen, und in denen theils schulmässig, theils ambulatorisch unterrichtet wurde. Es wurde ferner versucht, vorgebildete Wirthe zur Anlage von Flachsbaumusterwirth- schaften zu gewinnen, was in Kagenau (3 M. NO. Preuss.-Holland) gelang. Auch wurden Vorschüsse zur Beschaffung von Leinsaat, Honorare und Druckkosten für belehrende Schriften, Geschenke und Prämien an Geld und Werkzeugen für gute Leistungen der Schüler, für gelungenen Anbau, gutes Schwingen und dergl. gewährt. Das Landes- Oekonomie-Kollegium verausgabte in den Jahren 1845—5r für solehe Zwecke die Summe von 31405 Thlr. Gleichzeitig wurden vom Staate jährlich gewisse Summen an die mit Spinnschulen versehenen oder zu versehenden Gemeinden vertheilt, und besondere Sachkundige mit Gründung und Beaufsichtigung solcher Schulen beauftragt, auch Vor- schüsse und Beihülfen zur Einführung von Schnellschützen, von Jaquardstühlen, zur Anlage verbesserter Rottgruben und dergl. gegeben. Diese Bestrebungen wurden lebhaft durch viele Private, besonders ‘auch durch die im Jahre 1851 unter dem Protektorate des Prinzen von Preussen gebildete Gesellschaft zur Beförderung des Flachs- und Hanfbaues unterstützt, welehe durch Statut vom 24. Ja- nuar 1851 begründet, bis 1857 bestand, und deren 1851—57 erschienene Mittheilungen ein rühmliches Zeugniss ihrer Wirksamkeit ablegen. Eine zur Beförderung des westfälischen Flachsbaues am ı5. März 1855 in Biele- feld zusammengetretene Gesellschaft stellte sich namentlich die Einführung der Cour- tray’schen Methode, Flachs und Samen zugleich zu gewinnen, zum Zweck. Hier wurde auch 1849 die schon gedachte Schönfeldsche Wergspinnerei zu Herford durch Staats- hülfe zu einer Flachspinnerei erweitert, und 1852 unter Gewähr von Spindelprämien die grosse Maschinenspinnerei von Bozi in Bielefeld errichtet, welche 1855 an die Aktiengesellschaft „Vorwärts“ überging. Von besonderem Einfluss auf Schlesien war die Errichtung der grossen See- handlungs-Etablissements für Flachsbereitung und Maschinenspinnerei zu Landshut und Erdmannsdorf, welche 5130 und bezügl. 7300 Feinspindeln in Thätigkeit setzten, und deren grossartige Anlagen im Laufe der Zeit ihre Rentabilität bewiesen haben, bei der Errichtung aber als sehr bedeutende, der Aufnahme der Gebirgsindustrie gebrachte Opfer erscheinen mussten. Bald darauf entstanden auch die Maschinenspinnerei der Neu- salzer Brüdergemeinde in Suckau bei Neustädtl und die Flachs- und Wergmaschinen- spinnerei zu Luthroetha bei Sagan von A. A. W. Willmann mit erheblicher Staatsbeihülfe, Um dieselbe Zeit kamen in England die ersten Flachsfaktoreien auf, d.h. solche Anstalten, welche dem Flachsbauer den Flachs nach der Ernte abkaufen und ihm die Arbeit des Rottens und Schwingens gänzlich abnehmen. Auch diesem Beispiel folgte alsbald die Königliche Seehandlung mit der Errichtung ähnlicher Anstalten in Schlesien, Schon 1846—48 legte sie zu Suckau die erste dieser Flachsbereitungs-Anstalten mit einem Kostenaufwande von 175 ooo Thlr. an, und überliess sie im Jahre 1851 gegen Zusicherung des Fortbetriebes der Handlung der gedachten Brüdergemeinde für 24000 Thlr. Diese richtete sie auf Dampfrotte zur Verarbeitung von jährlich 1500 Schock ein. In denselben Jahren erbaute die Seehandlung eine zweite Anstalt zu Patschkei bei Bernstadt, und verkaufte sie ıg5r an die schon gedachte Firma Willmann und XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 413 Weber. Sie wurde zur Schenck’schen Warmwasserrotte umgestaltet, welche den Rott- prozess bei einer Temperatur des Rottwassers von 25 bis 26° R. in 2 bis 3 Tagen, bei einer Temperatur von ı8 bis 20° in 5 bis 8 Tagen durchführt. Auch ein von der Handelskammer zu Hirschberg 1851 angeregtes Aktienunternehmen nach demselben Prinzip gelangte unter Beisteuer des Staates durch Hergabe der Maschinen schon 1852 zur Ausführung. Die Leistungen dieser Faktoreien erwiesen sich im Handel und auf verschiedenen Ausstellungen sehr befriedigend. Es zeigte sich indess bald, dass sich der Flachsbau weder in ihrer Nähe, noch überhaupt in Schlesien in dem Massstabe 'ausbreitete, als bei der umfangreichen Anlage dieser Etablissements vorausgesetzt war. Die Hirsch- berger Anstalt hatte trotz bedeutender Zufuhren aus Preussen und Böhmen fortdauernd solchen Mangel an Rohstoff, dass die Aktionäre 1856 die Auflösung beschlossen. Dagegen entstanden ähnliche Anstalten von geringerem Umfange, die sich darauf beschränkten, für Brechen und Schwingen zu sorgen und sich zum Theil an die Flachs- bauschulen anlehnten, so zu Militsch in Schlesien, zu Kagenau, Schlodien, Heilsberg, Tilsit in Preussen. Auch in Westfalen fanden diese kleineren Flachsbereitungsanstalten Boden. Die erste wurde hier von dem Gutsbesitzer v. Laer zu Öberbehme 1851 gegründet. Er erhielt durch einen Vertrag mit der Gnadenfondskommission die nöthigen Maschinen unter der Verpflichtung, die Gebäude dafür zu errichten, das Werk durch seine Wasser- kraft in Betrieb zu setzen und darauf den ihm von den Flachsproduzenten der Gegend in gerottetem Zustande abzuliefernden Rohflachs gegen angemessene Vergütung zu entkernen, zu entwurzeln, zu brechen und zu schwingen. Das Hecheln blieb dem Produzenten überlassen. Unter ähnlichen Bedingungen entstand 1852 eine Anstalt in Bönninghausen, 1853 eine zu Brake, Amt Schildesche, in den folgenden Jahren auch zu Bielefeld, Grossen-Dornberg und Werthern. In der Rheinprovinz bestanden schon vor 1853 zwei kleine Spinnereien zu Düren, deren Besitzer sich zugleich mit der Flachsbereitung beschäftigten und den Flachs zum Preise von 30—5o Thlrn. für den Morgen grün auf dem Felde aufkauften. Auch sendeten dortige Unternehmer von den vorzüglichen, in den Kreisen Erkelenz, Gladbach und Kempen erzeugten Flächsen Partien nach England und bezogen dafür englische Leinengarne. 1853 aber wurde die grossartige Maschinenspinnerei von Schöller und Bückler zu Düren, die sich ihre Flächse selbst bereitet, gegründet, und bald darauf die Flachsspinnerei und Leinenzwirnfabrik zu Stadt Dülken im Kreise Kempen. Diese lebendig erwachte Thätigkeit blieb trotz der Hemmnisse, welche ihr die ungünstigen Flachsjahre 1847, 1848, 1853 und 18954 bereiteten, nicht ohne erheblichen Erfolg. Wenn es auch nur an wenigen Orten gelang, die Courtray’sche Methode, den Flachs zu ernten, zu rotten und zu schwingen, zur wirklichen Durchführung zu bringen, so wurden doch zahlreiche Flachsarbeiter, die als Landwirthe oder in Fabriken fort- wirken, vorgebildet, und eine erheblich einsichtigere und sorgsamere Weise des Baues und der Zubereitung eingeführt, von der behauptet wird, dass sie so gute Resultate erreiche, als mit dem Klima und den örtlichen Bedingungen der Wirthschaft und der Bevölkerung vereinbar seien. Zunächst durften die Privaten wie der Staat den Lohn für ihre Anstrengungen und Opfer darin sehen, dass die tiefgreifende Krisis der Baum- wollenfahrikation, welche durch die amerikanische Secession hervorgerufen wurde, die vaterländische Leinenindustrie hinreichend vorbereitet fand. Gereift durch die bewussten Bestrebungen eines Jahrzehnts, hatte dieselbe bei dem unerwarteten Umschwunge ihre 4144 XXVIH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. technischen und merkantilen Mittel nicht erst zu schaffen, sondern vermochte sofort die Konjunktur zu erfassen und erhebliche Kapitalien zu neuen Unternehmungen aufzu- bieten. Die bestehenden Maschinenspinnereien sahen sich durch den erhöhten Bedarf Englands auf inländischen Rohstoff angewiesen und waren im Stande, für bessere Be- reitung höhere Preise zu zahlen, oder sich ihr Material durch Anlage eigener Flachs- bereitungsanstalten zu sichern. Die Zahl der Faktoreien vermehrte sich inzwischen, einschliesslich einiger Hanf- bereitungsanstalten, bis zum Jahre 1862 auf 52. Die statistischen Nachrichten erlauben nicht, diejenigen Anstalten auszusondern, welche schon mit dem Ankaufe des Flachses auf dem Felde beginnen und die ganze Zurichtung fabrikmässig betreiben. Etwa der 5. Theil aber besitzt Warmwasserröstbetrieb. Die Mehrzahl befasst sich nur mit dem Brechen und Schwingen des Flachses. Die Vertheilung auf die Provinzen ist folgende*): nn Je ee 7 Provinzen Preussen | Posen | Schlesien Westfalen Rheinland Holen | ‘ zollern Zahl der Anstalten... . I | 2 | II 35 | 2 | I Männliche Arbeiter... . 6 13 125 2I 9 I Weibliche Arbeiter... . _ 49 235 _ 6, _ Direktionspersonal .... —_ I 9 — 2 I Fast alle Spinnereien verstärkten ihre Spindelzahl. Auch vermehrte sich die Zahl der Maschinenspinnereien selbst. Solche Anstalten bestanden im Jahre 1555 1858 1862 in WIERreUSSon re Ne ee eike ? 21 23 In tSp in dleln er es er 1 60LOOO 89475 107 500 Dazu Spindeln im Zollverein ausser Preussen 14 000 (e. 30000) 39000 zusammen . . . 74000 (e. 119475) 146.000 Die Anstalten in Preussen vertheilten sich 1862 nach Provinzen wie folgt: Provinzen Preussen , Schlesien Westfalen Rheinland Zahl der Anstalten...» ec. I 14 4 4 Spindeln auf Flachs ....... +» — 38 334 19 900 7 608 Spindeln auf Werg ....- «or - 25 934 12 272 2.460 Männliche Arbeiter ......». +... 17 1008 843 235 Weibliche Arbeiter ..."......- = 2962 1148 385 Direktionspersonal .... 2.2...» _ 34 16 20 Bis zum Jahre 1865 aber hat sich die Zahl der Spindeln in Preussen auf 143 500, im Zollverein auf 188500 vermehrt, und diese Steigernng hat namentlich in den westlichen Provinzen stattgefunden. Die Preissteigerung der Flächse begann 1862 und betrug im Herbst 1863 20— 30 pCt. Den Bedarf der Maschinenspinnereien zu decken war bisher die inländische Flachs- produktion zu keiner Zeit im Stande. Die Aus- und Einfuhr von Flachs, Werg, Hanf und Heede betrug im ganzen: *) Preussische Statistik nach der Aufnahme von Anfangs 1862, S. 29. Eine spätere Tabelle der gewerblichen Etablissements ist nicht aufgenommen. XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 415 1565 *) 1855 1856 5 | 1860 1862 1363 1864 im I. Semester er Einfuhr . |r 872 398) 687 638| 457 979| 405 645| 327 447 424 665 372 519) 427 685| 357 8561 323 792178 818 Ausfuhr. . |1 746 944| 540 720 365 575, 189 247| 165 249| 174 309| 150 250] 266 129| 188 418, 236 827123 473 Mehr-Ein- fuhr... | 125 454| 147 218| 92404 216 398, 162 198| 250 356| 222.267| ı61 556 169 438| 86965, 55 345 Davon ?/3 | Spinnma- terial ..| 83636 98146, 61602| 144.266 108 132 | 166904] 148,278] 207 7041 222.959] 57.976 36 896 Ein Drittel ist auf den Hanf und das sonstige Material, das nicht versponnen wird, gerechnet, welches sich nach den Zollnachweisungen nicht trennen lässt. Da auf jede Spindel zwischen 2 und 2‘, Ötr. Flachs im Jahre Spinnmaterial zu rechnen ist, so stellt sich in Betreff der Mehrerzeugung des inländischen Materials folgendes Verhältniss heraus: Flachsspinnmaterial 1858 — 61 | 1 Preussische Spindeln ....... 60 000 89 475 107 550 143 500 Zollvereins-Spindeln zusammen . 74 000 (e. 120 000) 146 000 188 500 Bedarf der Zollvereins - Spindeln an Centner Material ...... 166 500 300 000 397 123 427 125 Durchschnittliche Mehreinfuhr an x Material im Zollverein ..... 121 692, 237805 | 139319 | (ce. 150000} Bleibt aus dem Inlande bestrittener | BEdRTSE eG Se erer ek ehe Jekeike 44 808 62 195 257 803 277 125 Davon preussischer Bedarf nach Verhältniss der Spindeln ..... 36 330 46 641 190 643 210 98I Es zeigt sich also eine sehr bedeutende Steigerung der Produktion im Inlande, welche auch die Berichte der landwirthschaftlichen Vereine und Handelskammern in Westfalen und Schlesien, Posen und Preussen entsprechend bestätigen. Die wirkliche Ausdehnung der dem Flachsbau gewidmeten Fläche und des darauf gewonnenen Gesammtquantums lassen sich leider nicht genauer übersehen, weil bestimm- tere Ermittelungen darüber nicht bestehen. Die Provinz Preussen betreibt seit alter Zeit nicht unerheblichen Flachsbau, der vorzugsweise in den Händen der kleinen Besitzer liest. Es sind dort Bauern von 4 Hufen, d. h. von etwa 270 Morgen, anzutreffen, welche ausser dem eigenen Bedarfe 40— 70 Ütr. zum Verkaufe erbauen. In der Qualität stehen die preussischen Flächse zurück, weil in Preussen, wie in den russischen Ostseeprovinzen, vorzugsweise die Gewinnung von Saatgut im Auge behalten und desshalb auf die Erzeugung einer schönen Faser weniger Sorgfalt verwendet wird. Der littauische Samen wird in ganz Deutsch- land verwendet, soll aber vorwiegend nach Dänemark und Holland, zum Theil als Rigaer Samen seinen Absatz finden**). *) Vom 1. Juli 1865 an ist der Zoll weggefallen, so dass die weiteren Zahlen fehlen, **) Mittheilungen der Gesellschaft zur Beförderung des Flachsbaues, 1851, 8. 24. 446 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. In Pommern, wo von jeher die Gewohnheit besteht, dass jeder Landwirth, der grösste Gutsbesitzer wie der Tagelöhner, seinen Bedarf an Lein selbst baut, sollen im Neustettiner Kreise in den letzten Jahren 1242 Morgen, etwa '/s pCt. der Ackerfläche, mit Flachs bestellt gewesen sein. Beträchtlicher ist der Flachsbau in den Kreisen Stolp und Regenwalde, wo auch nicht unerhebliche Mengen Hausleinen zum Markt- verkauf gefertigt werden. In Posen hat der Flachsbau in den südlichen Kreisen immer ein gewisses Gebiet gehabt, welches sich in neuerer Zeit erweitert; Brandenburg dagegen baut nur hier und da den eigenen Bedarf, im allgemeinen ist hier der Flachsbau von allen Provinzen am unbedeutendsten. Für Schlesien sammelte v. Lengerke im Jahre 1852 einige genauere Angaben*). Nach denselben sind die Gegenden, welche Lein im Ueberfluss für den Handel erzeugen, folgende: im Regierungsbezirk Oppeln die Kreise Ratibor, Leobschütz, Neustadt, Neisse, Grottkau und Kreuzburg, mit zusammen 20500 Morgen, oder 2,04 pCt. der Ackerfläche; im Regierungsbezirk Breslau die Kreise Namslau, Oels, Polnisch-Wartenberg, Trebnitz, Wohlau, Guhrau, Steinau, Neumarkt, Breslau, Ohlau, Brieg, Strehlen, Nimptsch, Glatz, Habelschwert, Schweidnitz und Striegau, mit zusammen 36300 Morgen, oder 1,33 pÜt. der Ackerfläche; und im Regierungsbezirk Liegnitz die Kreise Jauer, Liegnitz, Gold- berg, Löwenberg, Lauban, Görlitz, Sagan, Freystadt und Glogau, mit zusammen 18 000 Morgen, oder ı,5 pCt. der Ackerfläche. In zweiter Reihe, mit schwächerem, aber noch nennenswerthem Flachsbau, stehen die Kreise Reichenbach, Münsterberg, Frankenstein, Lüben, Sprottau, Grünberg, Bunzlau, Rothenburg, Hirschberg, Landshut, Bolkenhain, Schönau, Militsch und Rosenberg mit etwa 8000 Morgen, oder "/s pCt. Leinbau auf ihrer Ackerfläche. Der Ertrag wird durchschnittlich auf 1%; Ctr. für den Morgen, zu- sammen also auf 81375 Ütr. angeschlagen. Für Sachsen gelang es vr Lengerke aus einigen Kreisen sowohl Flächen-, als genauere Anbau- und Ertragsangaben für 1852 zu beschaffen: ee Aussaat Ernte Davon des bin, „ aus- Lein- Geschwun- | zur eignen ländischer | ländischer gener Konsumtion Anbaues Samen samen Flachs benutzt Morgen Schi. Schfl. Schi. Schock Cir. 1. Mühlhausen ....... 645 710 215 2300 |16—ı17000| Alles Cr, 2. Weissensee. ....... 1034 1302 28 4874 6.684 5468 3. WWorbisg en lee. en: 082 1301 424 3275 3 062 2.439 4. Langensalza: a. die 8000 Morg. grosse Eiwahfedes Tennstädter Flur... . 250 312 |2.bis3.Jahr| I 250 454 Alles b. der übrige Kreis ... | 1573 1859 17 6006 | 4721 3 851 5. Heiligenstadt... .... 600 939 50 1760 | 8000 etwa !r 6. Ziegenrück . ......» 200 120 80 500 400 300 7. Neuhaldensleben. ..... 35 57 30 130 54 Alles *) Mittheil. der Ges. 1842, S. 138, wo die Zahlen der einzelnen Kreise aufgeführt sind, Für Kreuzburg ist die Angabe Rüfins aufgenommen. “ XXVII. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 417 Ziemlich ausgedehnt ist der Flachsbau im Halberstädtischen. Das dortige Er- zeugniss ist schon vor Jahren auf 100000 Ütr. angegeben worden. Auch die Kreise Wittenberg und Torgau haben stärkeren Anbau. Für die ganze Provinz Sachsen schätzt v. Lengerke den Leinbau auf r'/; pCt. der Ackerfläche, also im ganzen als von nicht geringerer Bedeutung, wie in Schlesien und Preussen. In Westfalen ist der Flachsbau unbeträchtlicher, für den bei der Leinen- industrie besonders betheiligten Regierungsbezirk Minden aber giebt die westfälische Flachsbaugesellschaft*) die ıg55 bebaute Gesammtfläche auf 18929 Morgen an, woran Kreis Minden mit 4506, Lübbecke mit 3793, Bielefeld mit 1072, Halle mit 1697, Herford mit 4447, Büren mit 457, Warburg mit 1305, Höxter mit 1470, Paderborn mit ro und Wiedenbrück mit 69 Morgen Theil hatten. In Lübbecke nahm der Lein danach 5 pCt., in Herford 4, in Minden 4, in Halle 3, in Bielefeld 2 pCt. der Ackerfläche ein. In der Rheinprovinz sollen in den Lagen von Kleve bis Erkelenz jährlich etwa 11000 Morgen mit Lein bestellt werden. Davon rechnet man im Kreise Kempen 2700 oder 3 pCt. der Ackerfläche. Im Distrikt Wegberg bei Erkelenz wurden 1863 auf An- regung der Spinnerei von Beckers 2633 Morgen ziemlich leichten Bodens in meist sechsschlägiger Wirthschaft mit Lein angebaut. Zur Samengewinnung wird hier der so- genannte Palzflachs gezogen, welcher kürzer bleibt und desshalb '/ weniger Flachs liefert, aber einen Samenertrag bis 9 Schfil. zu je 4 Thlr. vom Morgen giebt. Im Kreise Bonn wird von den Gemeinden Wellersberg und Lichtenberg der weisse Flachs beson- ders kultivirt, und im Kreise Gummersbach hat der Flachsbau am Aggerfluss Ruf. Südlicher wurden 1865 in Bittburg über 400 Morgen, im Kreise Trier 930 Morgen mit Flachs bestellt. Im Regierungsbezirk Koblenz wird der Anbau überall nur zum eigenen Bedarf betrieben. . Wie gross im gesammten Staate die Anbaufläche ist, ist bei der durch alle Rustikalgemeinden gehenden Verbreitung der Kultur im kleinsten Umfange zum häus- lichen Bedarf schwer anzuschlagen. Nimmt man indess auch an, dass von je 30 Morgen Rustikalland im Staate 2o ORuthen mit Lein bestellt würden, so ergäbe sich daraus gleichwohl nur eine Fläche von etwa 60 000 Morgen. Zusammengehalten mit den vor- stehenden Angaben über den Anbau im Grossen, scheint also die Annahme v. Lengerke’s, dass der Flachsbau 1952 durchschnittlich ı pCt. der Ackerfläche im Staate oder 550000 Morgen betragen habe, ziemlich hoch gegriffen zu sein, und es ist kaum an- zunehmen, dass diese Zahl trotz der in neuerer Zeit eingetretenen grösseren Aufnahme der Leinkultur schon überschritten worden sei. — Die volle Bilanz der Flachsindustrie lässt sich nicht anders als unter Berücksichti- gung der Ein- und Ausfuhr der Leinengarne und Leinengewebe übersehen, deren Höhe aber nur für den gesammten Zollverein in Zahlen bekannt ist. Die Zollnachweisungen in den ıo Jahren 1855—64, welchen das erste Semester 1865 als das letzte der Zoll- erhebung für Leinengarne und Gewebe**) beigefügt ist, ergeben folgende Gewichtsmengen: *) Verhandlungen der ersten Generalversammlung der westfälischen Flachsbau - Gesell- schaft vom 25. August 1856, Minden 1856, S. 25. **) Neben Lein und Hanf, auch Manilahanf (Abaca), die Faser der Musa trogloditorum, und namentlich die in Ostindien angebaute, seit 1832 besonders in Dundee versponnene Iute (Corcherus capsularis oder olitorius), deren Einfuhr nach Grossbritannien allmählich auf jährlich 2 Mill. Ctr. gestiegen, und für Sack- und Teppichgarne von grosser Wichtigkeit geworden ist. Boden d. preuss, Staates. IL 27 448 XXVI. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzueker, Flachs. | Gebleichte, Rohes Rohes | Gebleich- ae | Rohe gefärbte, be- Leingarn Leingarn tes Leinwand | _ druckte Zusammen r Zwi Packlein- | Segeltuct Leinwand Im Jahre | Maschinen- Hand- | gekochtes Sr 1 8° "| Zwillich, zugerichteter Leih gespinnst gespinnst Garn wand | Drillich | Drilliceh und | Zwillich Einfuhr 33 131 86 640 52743 119 963 69 508 2 165 750 19572 173 249 67 809 162.423 70.687 190 975 66 223 191 618 96 803 240 698 117 OII | 266 784 143 633 298 905 60 243 133 812 Ausfuhr 1855 10 604 9 363 2.039 546 | 83 328 9295 | 28 602 212,228 1856 11065 5 006 1581 1238 | 78170 5883 | 25653 228 265 1857 8523 6 598 498 1012 | 40161 8238 | 67439 164 501 1858 8072 5512 860 1723 | 46019 6690 | 47 723 133 097 1859 10 722 3 685 1794 1430 | 53 276 7260 | 45 832 153 522 1860 8.635 5183 921 1578 | 58815 469 | 54870 157 864 1861 7783 3 27% 1725%| 1442 | 40727 7346 | 56769 140 121 1862 8 206 2,571 1347 1641 | 47304 9658 | 68646 160 913 1863 12.412 3 380 1782 123% | 50256 9984 | 70892 177 004 1864 13 688 5.050 1712 1575 | 48161 | 11499 | 37433 150318 Yyaı365 13,519 1985 I 110 577 | 24726 Saar 31317 93 259 Danach hat der Zollverein im Verhältniss zu seinem Bedarf gearbeitet: Mischineh Hai Gebleicht Graue Rohe Gebleichte Also Haschinen- and- bleichtes a Im a Olireaninnet ä G Zwien Packlein- | Segeltuch | Leinwand | Leinwand Mehr- Mehr- zespinns spinns arn H SER S°#P, wand etc. etc. einfuhr ausfuhr Jahre Ctr. Ctr. Ctr. Ctr. Ctr. Etr. Cr, Ctr. Etr. Ctr. — 1855 |— 22 527| + 3598| — 8842)— 8965| + 76.013 1856 |— 41678| + 2556| — 17 8431 — 9.049) + 69 792 1857 |— 60985| + 1829| — 316151 — 9854| +32 033 1858 |— 71499| + 1463| — 33 800| — 9547| +33 309 1859 |— 57087] + 706 — 30061] — 9953| + 30.631 1860 |— 62052] + 2 570) — 38 378| — 10 799) + 22 947! 1861 |— 58 440 953 — 31 272 10735 5.179 1862 |— 88 5971 — 3737| — 39 635| — ır 461] — 2571 7836| +38905| + 19475| 79785) — 1863 | —104 599] — 3 754 — 42. 998| — 11792) + IT 113 + 9086| +28 310) 425054 89780) — 1864 | 129 945| — 3 8291 — 49 704) — 12006 418448 + 10 654! 4 11097, + 28 886) 148 597) — Yaı865|— 467241 — 1647 — 18218 — 4823 + 29564 4709) + 9566| + 13.628| 40553] — 7297\ + ı18811467133| — | 125548 40611 2243| +98 2201 — 108 302 5605| 32 1222| -+29616| 1249 — 4424|-+ 20821 4 14677| Joı5z2) — +24371|-+26713| 8901] — 448314 29425 + 18693) 33 ııı) — 5446 + 30126 +19 5101 51497] — +44++++4+4++ XXVH. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. 4149 Diese Zahlen ergeben, dass die einheimische Industrie auch seit 1855 in Garnen auf dem inländischen Markte fortwährend in steigendem Fortschritte vom Auslande über- flügelt worden ist. In Leinwand haben sich Packleinen und rohe Leinwand aller Art ebenfalls mehr und mehr eingedrängt, und dabei ist Packleinen und gebleichte Lein- wand von Jahr zu Jahr weniger ins Ausland gegangen. Die ausländische Industrie hat also der des Zollvereins auch noch in diesem Dezennium die fremden Märkte mehr und mehr abgeschnitten. Wenn sich die vaterländische Leinenindustrie gleichwohl in günstigerer Lage sieht, so liegt dies in einer Steigerung des inländischen Bedarfes gegenüber der Baumwolle und in einer Erhöhung der Preise in demselben, über deren Bestand man sich keiner Täuschung hingeben darf. Die Gefahr, in die alte Lage zu gerathen, wird immer wieder entstehen, so lange es der Landwirthschaft nicht gelingt, die guten, hoch bezahlten und durch die Bezugskosten noch vertheuerten Rohflächse des Auslandes mit Sicherheit zu ersetzen. Diese Aufgabe aber muss selbst in ungünsti- gerer Zeit erreichbar erscheinen, denn es stimmen alle Nachrichten darin überein, dass sich überall, wo sie intelligent geleitet wurde, die Leinkultur hinreichend lohnend, in vielen Fällen sogar sehr ertragreich zeigt. In Littauen und Masuren gewährte nach den Berichten von Ü. Settegast, über den Zustand des dortigen Flachsbaues, der Flachs den Gutsbesitzern in alter und neuer Zeit trotz der grossen Missstände, namentlich trotz des fast gänzlichen Ausserachtlassens des Jätens, einen nieht unbedeutenden Gewinn. Als Mittelertrag wurden vom Morgen, nach Abrechnung der Saat, 5 Scheffel Samen und 4 Stein Flachs zu je 31 Pfund gewonnen. Als Durchschnittspreis sind 70 Sgr. auf den Scheffel Saat, 57Y, Sgr. auf den Stein Flachs zu rechnen. Die Arbeit reduzirt sich fast ausschliesslich auf die geringen Kosten des Flachsschwingens mit etwa 20 Sgr. für den Stein. Es bleibt also auf den Morgen ein Reinertrag von 16 Thlr. 20 Ser. Für Schlesien berechnete y. Spiegel seinen Gewinn beim Flachsbau im Anfange der fünfziger Jahre auf 70 Thlr. vom Morgen; nach einem v. Müllendorfschen Gutachten von 1860 ist der mittle Reinertrag im Kreise Lauban auf wenigstens 30 Thlr. vom Morgen anzuschlagen, und kann sich bei Behandlung auf der Flachsbereitungsanstalt um ı7 Thlr. erhöhen. Der Centralverein für Sachsen erklärte, dass die im Kreise Worbis gewonnenen Rein- erträge schon 1855 sich im allgemeinen zwischen 24 und 36 Thlr. auf den Morgen, und je nachdem die Witterungsverhältnisse sich gestalten, auch auf 5 bis 8 Thlr. höher stellten. Die Handelskammer in Bielefeld schätzt die Bruttoerträge auf 60 bis ı00 Thlr. In Oberbehme sind bei bestem, aber sehr dungleerem Flachsboden 13 Thlr. "Brutto-, und nach Abzug von 8 Thlr. Pacht und 26 Thlr. Produktionskosten 87 Thlr. Rein- ertrag, bei geringerem Boden 67 Thlr. Brutto- und 4ı Thlr. Reinertrag festgestellt worden. In Langenfelde hat sich der Reinertrag neben 6 Thlr. Landpacht doch wenig- stens auf ı$ Thlr. vom Morgen ergeben. Das Etablissement von Beckers in Wegberg berechnet seinen Flachsertrag auf ıoo Stein zu 5 Pfd., den Stein im Preis von ı Thlr., und auf 3 Schfl. Samen, den Scheffel im Preis von 4 Thlr., d. i. ır2 Thlr. Brutto für den Morgen. Wenn also auch selbstredend die Schwierigkeiten nicht zu unterschätzen sind, und bei unrichtiger oder nachlässiger Behandlung die Erwartungen sehr weit getäuscht werden können, lässt sich doch nicht bezweifeln, dass durch richtige Bodenwahl, starke und möglichst frühe Aussaat, nicht kürzere als 6, 7 ja ıojährige Wiederkehr 27* 420 XXVLU. Landwirthschaftl. Nebengewerbe, Mühlen, Brennerei, Rübenzucker, Flachs. auf derselben Stelle, Düngung mit dem Wasser der Rottgruben und gutes Jäten dem Anbau grosse, durchaus genüsgende Ertragfähigkeit gegeben werden kann. Endlich scheint es auch nach den gemachten Versuchen, trotz der bestehenden klimatischen Verhältnisse, erreichbar zu sein, die Rentabilität durch gleichzeitigen Gewinn von Flachs und Samen vermöge der sorgfältigen Anwendung des Courtray’schen Systems der Trockenröste zu erhöhen, nach welchem der Flachs in der Gelbreife gerauft wird. Die Faser hat dann noch nicht an Feinheit verloren, und der Samen ist schon soweit gereift, dass zur Vollreife das blosse Trocknen auf den gerauften Stängeln hinreicht. Die Rotte geschieht nicht im grünen, sondern stets nur im trocknen Zu- stande. Der Flachs soll nach dem Raufen in Garben gefasst, zu je 6 bis ıo Garben- paaren dachförmig zum Luftdurehzug in sogenannte Kapellen gestellt, auch nie über Nacht auf der Erde liegen gelassen werden, weil er sonst faulende Flecke bekommt. Wenn die Kapellen durch Sonne und Wind völlig getrocknet sind, werden die Garben in feste Klaftern zwischen Stangen eingelegt und mit Stroh gedeckt, und können in dieser Weise aufgeschiehtet monatelang stehen, so dass der Same während des Winters aus- gedroschen, und die Rotte im Mai oder zu jeder Zeit im Frühjahr ausgeführt werden kann, in der der Landwirth weniger durch andere Arbeiten in Anspruch genommen ist. Das Genauere über die zweckmässigsten Kulturmethoden sowohl, wie über die auf Proben gestützten Ertragsermittelungen hat die nach den amtlichen Quellen bear- beitete Schrift: „Der Flachsbau und die Leinenindustrie in Irland im Vergleich mit Preussen und dem Zollverein“ von Dr. A. Winkler (Berlin 1866), eingehend besprochen. Ueberhaupt aber ist für den Flachsbau eine sehr reiche Literatur vorhanden, von der hier ausser den schon erwähnten Abhandlungen und Zeitschriften für die Verhältnisse des Staatsgebietes noch zu erwähnen sind: Alfred Rüfin: Der Flachsbau in Deutschland, Breslau 1853. Desselb. Zeitschrift für Flachsbau, Flachsbereitung und Flachshandel. Nordhausen 1857. Flachsbau und Flachsbereitung, beschrieben von Oelerdissen u. Kralmann. Berlin 1848. Coupette: Bericht über Flachsbereitung mit besoderem Hinblick auf die Schenck’sche Wasserröste. Berlin 1853. The Preparation Long-line, Naxcotton and flaxwool by John Ryan, London. Deutsch von Kell. Nie. v. Huhn: Ansichten und Erfahrungen über den Leinbau. Marklissa 186r. Die Erzeugung guten Saatleins, Annalen der Landwirthschaft, Bd. 47 8. 282 ff. Viertes Hauptstück. Thierhaltung und Viehzucht. ST, fa San Fe ji ku = u Ar ee = ae Br: De we - DEN TEEN SET ER R [Nor SE 5 ul Ta ya 3 [ ER 1} SR Fi .. ine eh BY; RR F Ä u; ‚ z Se j 2 BEER 6 | ee af x Fe Yıhı AA y HEFT: E95 u ISLENR RL AL are er 5 Ph in AN 7 .. Aue 5 . DEN LE et Ns 7 re as Hi f IT ) auf bisda bat. zum ai in ; 1 i 2 (y | N J { E RB ö = y ‘ 4 y i R a 17} fü j f ee is a Dim ei > er ht 2 ’ f . 2 ü 5 ’ XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. (kewiss ist Jagd und Hirtenleben dem Landbau vorausgegangen, wo letzterer aber Fuss fasste, hat er sowohl Zucht und Ernährung der Hausthiere in sein Bereich ziehen und Anzahl und Art derselben in ein gewisses angemessenes Mass mit seinen Bedürf- nissen setzen müssen, als auch die Nothwendigkeit empfunden, die wilden Thiere auf den von ihm abhängigen Territorien in Schranken zu halten und nutzbar zu machen. Im Laufe der Zeit sind mit der höheren Kultur auch die Bestände der jagdbaren Thiere, Vierfüssler wie Vögel und Fische unter eine Art geregelte Bewirthschaftung gebracht worden. Schon die ältesten Nachrichten schildern Deutschland als sehr ‚reich, wie an Wild, so an zahmen Hausthieren aller gegenwärtig bekannten Gattungen *). In Uebereinstimmung mit diesen Ueberlieferungen steht in dem Entwickelungsgange des landwirthschaftlichen Betriebes (Bd. II. S. 5) die Abhängigkeit der gesammten Flurverfassung von der Vieh- haltung, und der zu Gunsten des Weideganges durch alle Jahrhunderte bis auf die neueste Zeit der Gemeinheitstheilungen aufrecht erhaltne Flurzwang. Eine Beurtheilung aber, wie früh und was durch aufmerksamere wirthschaftliche Beachtung des Wesens und der Eigenschaften der Thiere für Viehhaltung und Viehzucht geschehen, findet für das gesammte Mittelalter äusserst wenige Anknüpfungspunkte, Die Volksgesetze und die Verordnungen Karls des Grossen sprechen allerdings schon von Gestüten und Zuehtvieh, und ‚Chronisten und Dichter erwähnen gelegentlich fremdländischer Hausthiere verschiedener Arten. Auch wird man sich dem Werthe sorgfältigerer Haltung und Auswahl bei der Züchtung schwerlich verschlossen haben. Schon wegen der entscheidenden Wichtigkeit, welehe die guten Eigenschaften des Ritterpferdes bei der Kampfweise des Mittelalters gewannen, ist anzunehmen, dass die Art ihrer Vererbung nicht unbeachtet geblieben sei. Aber die Literatur beginnt *) Ch. Hostmann: Altgermanische Landwirthschaft, 1855, S. 18. — C.-S. Anton: Ge- schichte der deutschen Landwirthschaft, 1799, Th. I. S. 109. — Desgl. Ch. E. Langethal, Th. I. S. 31. — Tacitus, ‚Germ, c. 5, $ A24 XXVIO. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. erst so spät den Gedanken vom Zweck bestimmter Zuchtwahl aufzunehmen, dass wir aller- dings kein Recht haben, die bewusste und verbreitetere Anwendung gewisser Grund- sätze dafür in der wirthschaftlichen Praxis hoch anzuschlagen. Die künstliche Züchtung blieb jedenfalls auf sehr kleine Kreise beschränkt und hatte höchstens bei den edleren Pferden eine nachhaltigere Wirkung. Dagegen besass das Mittelalter in den übergrossen und mit allen Viehgattungen ungesondert und zu jeder Zeit benutzten Gemeinweiden ein Züchtungsmittel, welches in vieler Hinsicht barbarisch und für das einzelne Individuum häufig der Grund der Schädigung und des Unterganges, doch im grossen und ganzen zu Viehstämmen von eigenthümlichen Vorzügen führte. In halber Wildniss, in derselben Oertlichkeit, bei gleichem Klima und gleicher Nahrung durch Jahrhunderte sich selbst® fortpflanzend, entstand alles das, was in den Landschlägen als Konstanz uud Gleich- mässigkeit gerühmt wird. Die Reste dieser Schläge zeigen noch heut in den Gegen- sätzen wenig entfernter Gegenden, wie sehr sie von den lokalen Bedingungen, Berg oder Niederung, Wiese oder Heide, Trockenheit oder Nässe abhängig waren; und da das stärkere Zuchtthier das schwächere verdrängte, und Wetter und Krankheit ebenso, wie das Schlachtbeil, unter den schlechteren Stücken zuerst aufräumten, so erzeugten sich, wo die Ungunst der Umstände nicht allzu gross war, Heerden, von denen man mehr und mehr einsieht, dass sie bei richtiger Behandlung ebenso leistungsfähig und für die örtlich gestellten Aufgaben zuverlässiger sind, als das aus fremden Verhältnissen verpflanzte Vieh, dessen wahre Heimath künstlich nachgeahmt werden muss, wenn es seine Eigenschaften nicht unberechnenbar einbüssen soll. Die frühesten Bearbeitungen und Vorschriften für das Gebiet der Viehzucht waren wesentlich thierarzneiliche und lange ausschliesslich auf Pferde beschränkt*). Franz I. liess 1530 von Ruellius alles zusammenstellen, was von den griechischen Aerzten zu Byzanz Hippiatrisches geschrieben worden ist. Aus diesem Werke haben sich ver- schiedene, zum Theil sehr verkehrte Meinungen und Heilmittel im Volke erhalten. 1578 schrieb Marx Fugger, wie man ein Gestüt von guten, edlen Kriegsrossen auf- richten, unterhalten, die Jungen erziehen und es in guter Gesundheit erhalten soll; er handelt auch von den Gebrechlichkeiten und Mängeln des Rosses, und was daran zu beachten, so man’s kaufen will. Peter Uffenbach gab 1609 durch die Uebersetzung von Ruini’s Anatomia et medieina equorum nova das erste gründliche Werk über Thierarzneikunde. Indess weder er, noch später v. Hohberg, Florinus oder v. Münch- hausen, dehnten Züchtungsgrundsätze weiter als auf das Pferd aus. Für die Landes- pferdezucht geschahen auch im 17. Jahrhundert schon einige Schritte. Das Nutzvieh aber wurde zwar in Verbindung mit der grossartigen Meliorationsthätigkeit, die der Grosse Kurfürst begann, und seine Nachfolger ununterbrochen fortführten (Bd. I. S. 443), eifrigst zu vermehren gesucht, man traf Vorsorge gegen Seuchen, und Friedrich II. befahl 1765 schon Viehversicherungen zur Erhaltung der Heerden; jedoch erschien es bei der herrschenden Körnerwirthschaft im wesentlichen als ein nothwendiges Uebel, als das unvermeidliche Mittel der Düngerbereitung, welches diesen Zweck am besten durch den möglichst geringsten Fütterungsaufwand erreiche und dessen Rassencharakter keine besonderen Vortheile zu versprechen schien. Der erste, der, von der seit Gesner (1550) wiedererwachten Zoologie ausgehend, allgemeine Grundsätze für die rationelle Züchtung entwickelte, war Buffon in seiner 1750 erschienenen Histoire de la nature. Er stellte den Satz auf, dass das Vollkom- *) C. Fraas: Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, 1865, S. 42 fl. XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 425 menste einer Thierspezies innerhalb ihres nach Oertlichkeit und Klima verschiedenen Verbreitungsbezirkes nur an verschiedenen Individuen zerstreut vorkomme und auf Rassen, Schläge und Stämme vertheilt sei, und dass das Ideal derselben nur durch Vermischung aller erreichbar werde. Diese dem Begrifflichen entnommene Idee konnte als praktische Vorschrift für Kreuzung der entgegengesetzten Charaktere nur in den seltensten Fällen günstige Erfolge haben, galt indess lange wenigstens in der Theorie. Gleichzeitig begannen sich auch für die Praxis der deutschen Viehzucht neue Gesichtspunkte und Hülfsmittel zu eröffnen. Schon 1748 versuchte Friedrich der Grosse, Merinoböcke aus Spanien zur Veredelung der Schäfereien einzuführen. Seit 1763 hatte er die Theilung der Gemeinweiden vorgeschrieben und dieselbe war bis 1771 (Bd. I. S. 392) in den Marken wenigstens für die Rittergüter schon erheblich vorgeschritten. 1770 begann in der Rheinpfalz und in Baden durch Bernhard und Frommel, 1780 in Sachsen durch Schubart und Leske die Einführung des Futterbaues und der $Stall- fütterung. 1765 kam die erste, 1779 die zweite Merinoheerde nach Stolpen. 1786 legte Graf Lindenau von Trakehnen aus ein Netz von Beschälstationen über die alten Provinzen, und 1790 wurde die Thierarzneischule zu Berlin ') eröffnet, Inzwischen aber schufen die genialen Bestrebungen Bakewell’s zu Dishley die festen Grundlagen und das dauernde Vorbild der englischen Viehwirthschaft. Bakewell (geb. 1725, gest. 1795) ging vom wirthschaftlichen Zwecke aus. Er suchte die Zuchtthiere ohne Rücksicht auf Kreuzung oder auf Inzucht so zusammenzustellen, wie sie ihm nach ihren guten oder fehlerhaften Eigenschaften geeignet schienen, in der Vererbung durch Verstärkung der einen und Ausgleichung der anderen dem gewünschten Muster am nächsten zu kommen. Er verwendete desshalb die grösste, durch Erfahrung und genaue Kenntniss des Thierkörpers geschärfte Aufmerksamkeit auf die Zuchtwahl, unterstützte aber ebenso sorgfältig die Ausbildung der zweckdienlichen Körperform durch ent- sprechende Haltung und Ernährung der Individuen. Diese wohlverstandene, von der Richtung auf Grösse, Milch- oder Wollreichthum, Mastfähigkeit, Fleisch oder Fett ab- hängige Verknüpfung der Zucht und der Fütterung ist bleibendes Eigenthum der englischen Viehzucht geworden. Bakewells Grundsätze veröffentlichte Culley?) 1782. Es bildete sich eine Schule von Praktikern, wie Cline, Sommerville, Parry, und von Theoretikern, wie Darwin, Coventry, Hunt, Young, deren Arbeiten der Schüler Ad. Smith’s J. Sinclair, welcher 1793 den board of agrieulture begründete, 1805 in seinen Grundgesetzen des Ackerbaues ®) zusammenfasste. Nach Deutschland aber wurden die Gedanken und Ergebnisse der englischen Viehhaltung und Viehzucht schon 1798 durch Thaer in der „Englischen Landwirthschaft* übertragen. Thaer hielt namentlich die hier niedergelegte massvolle Auffassung der Züchtungsgrundsätze in Lehre und Praxis, wie die Mögliner Heerde bewies, durch allen Streit der folgenden Zeit fest. Allerdings aber gaben auf deutschem Boden die Gesammtbeziehungen der Landwirthschaft und vorzugsweise die geringen Anforderungen an Fleischzucht, die sich selbst gegenwärtig noch nicht genügend gehoben haben, den erwachenden Bestrebungen andere Richtungen. 1) Die Idee, eine wissenschaftliche Anstalt der Thierarzneipflege- u. Heilkunde zu schaffen, hatte schon Friedrich II. gefasst, wie Cothenius der Akademie am 21. Januar 1768 aussprach. 2) Observations on Livestock containing hints for chosing and improving the best bruds, London 1782. — Loudon, Enceyklopädie der Landwirthschaft, Weimar 1827. 3) J. Sinclair, Code of agrieulture, London 1805, p. 107 fl. 426 XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. Trotz der Kriegsunruhen, welche Deutschland bald im Uebermass bedrängten, ver- folgten die Begründer der heimischen Viehzüchtung, zum Theil unter schweren Sorgen für ihr Zuchtmaterial, ihren Weg. Es waren zunächst zwei Kreise, die der Pferde- züchter und die der Schafzüchter, welche, die einen von den ostpreussischen Gestüten die anderen von den sächsischen Merinoheerden ausgehend, und ohne sich wesentlich zu berühren, mit grossem Erfolge wirksam wurden. Auf dem Gebiet der Pferdezucht fanden die Bestrebungen des Grafen v. Lindenau lebhaften Anklang. An der neu begründeten Thierarzneischule sammelte sich ein aus- gezeichneter Schülerkreis, unter ihnen v. Burgsdorf, der später die Leitung des Tra- kehner Gestüts erhielt. Neben Trakehnen begannen auch andere ostpreussische Gestüte Vollblutszucht. Graf v. Veltheim-Harbke, Freiherr v. Knobelsdorff, Graf v. Biel, O. Mentzel, ©. W. Ammon u. a. traten als erfolgreiche Schriftsteller auf*). 1829 er- öffnete das erste Pferderennen zu Berlin die Reihe der landwirthschaftlichen Vereins- feste, auf deren wesentlichen Einfluss für den Anschauungskreis des landwirthsehaft- lichen Publikums im XVI. Abschnitt (Bd. II. S. 18) hingewiesen werden konnte. Unter den Pferdezüchtern lag der Kampf der Meinungen keineswegs allein in dem Gegensatz der Schönheitsformen und der Leistungsfähigkeit zwischen Vollblut und Arabern, oder ihrer zweckentsprechenden Verwendbarkeit. Er schwebte wesentlich auch über die höheren Grundsätze der Züchtung, die Absichten in der Wahl und die merkwürdigen Erscheinungen in der Potenz der Zuchtthiere, die bei dem Pferde um so mehr der Gegenstand der genauesten Beobachtung werden, weil die Anforderungen an ein edles Thier nicht auf einzelne, vorzugsweise nutzbare Besonderheiten, sondern auf eine fehlerfreie harmonische Gesammtheit, und zwar nicht allein der körperlichen, sondern unerlässlich auch der seelischen Eigenschaften gerichtet sind. Nicht minder bedeutsam aber war die lebensvolle Bewegung auf dem Gebiet der Schafzucht. Die Verbreitung der Merino-Originalheerden fällt wesentlich in die Periode der Kriege mit Frankreich. Gleichzeitig mit dem Friedensschluss von 1815 wurde der Ankauf und die Ueberführung der letzten grösseren Originalheerden von staatswegen vermittelt. Später sind nur noch in seltenen Fällen einzelne spanische Originalthiere von Privaten bezogen worden, im wesentlichen haben sich sämmtliche veredelte deutsche Heerden aus den bis 18t5 in Deutschland begründeten Stammschäfereien herausgebildet. Schon früh erzeugte sich ein gewisser Gegensatz der österreichischen Schafzüchter, welche sich den langwolligeren Vliessen zuneigten und 1814 einen bedeutsamen Mittel- punkt in dem von v. Ehrenfels begründeten Vereine der Freunde, Kenner und Beför- derer der Schafzucht zu Brünn erhielten, und der sächsischen, märkischen und schlesi- schen Züchter, welche nach immer grösserer Feinheit und Kräuselung strebten. Die ersteren vertraten ihre Ansichten in den Oekonomischen Neuigkeiten, die letzteren vor- zugsweise in den Möglinschen Annalen. Thaer warnte nach der einen Seite vor Mangel an Schluss, nach der anderen vor dem schon merkbar eingerissenen Zwirn. Er hatte 1811, während er die Mögliner Heerde begründete, sein Handbuch für feinwollige Schafzucht geschrieben. Da er in der Unbestimmtheit der Anforderungen wie der Terminologie ein Haupthinderniss der Fortentwickelung sah, berief er 1823 den Woll- *) Die Literatur hat v. Lengerke in den Annalen Bd. 2 S. 147—165 für die allgemeinen Gesichtspunkte und S. 347 fl. für die Pferdezucht vortrefflich und erschöpfend zusammenge- tragen. — Vergl. auch C. Fraas: Geschichte der Landwirthschaft, 1852, 8. 545 und 596 fl. XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 427 züchterkonvent nach Leipzig, dessen Zweck er dahin feststellte, die Ansichten über Wolle und deren Beurtheilung aus ihrem ungewissen Zustande in einen sicheren zu bringen. Diese Versammlung hatte entscheidenden Erfolg. In der Feststellung der guten und schlechten Eigenschaften der Wolle hatte man bis auf die neueste Zeit Abände- rungen von Erheblichkeit nicht geltend zu machen. Die beiden Richtungen der Elektoral-, Escurial- oder Infantado-, und der Negrettizüächtung nahmen bestimmte Stellung nach bewussten Fabrikationszwecken. Noch etwa zwei Jahrzehnte dauerte die Blüthezeit der Stammheerden. Jede Ansicht über die Grundsätze der Züchtung gewann an Schärfe durch den grösseren oder geringeren Geldwerth, den ihre Geltung den Originalthieren verlieh. Zugleich liessen sich die Gefahren der Ueberbildung immer weniger verkennen und schienen in der Traberkrankheit eine Gestalt zu gewinnen, der man rathlos gegenüber- stand. Daher die reiche Literatur, die von den Zeitschriften bald zu zahlreichen An- leitungen bezüglich der Zucht wie der Gesundheitspflege überging. Von den süddeut- schen Züchtern schrieben v. Ehrenfels, E. Andree, R. Andree, Lauer, Wekherlin, Elsner, von den norddeutschen Koppe, J. Ph. Wagner, F. Mentzel, F. Schmalz, Ockel, Graf Schwerin u. a.”) — ‘Wenn in diesen Kreisen, bei aller Vielseitigkeit der Erwägungen, der Mittelpunkt des Interesses das Wesen der Züchtung war, so wurden von dem neuem, bis dahin weniger beachteten Gebiete der Rindviehzueht aus, die Fragen der Ernährung vorzugs- weise angeregt, welehe mehr und mehr in den Vordergrund traten und in der neusten Zeit die gesammte Wirthschaftslehre auf das tiefste bewegen. Es ist schon oben Bd. II. S. r8 gezeigt worden, dass um das Ende der dreissiger Jahre aus mancherlei günstigen Umständen ein sehr fühlbarer Umschwung in der Ent- wickelung ‘der norddeutschen Landwirthschaft eintrat, welcher sich wesentlich in dem in weiten Kreisen der grossen wie der kleinen Besitzer lebhaft erwachenden Streben nach intensiverem Betriebe kundgab. Vortheilhafte Konjunkturen, Preise, welehe grössere Mittel gewährten, und der mächtig angewachsene Verkehr verbreiteten rasch und nach- haltig das Bewusstsein davon, was sich durch geeignete Wirthschaft erreichen lasse. Nicht ohne Einfluss des gesteigerten Bedarfs der Städte sah man in allen bevölkerteren Gegenden ein Haupthülfsmittel mit Recht in der Milchwirthschaft. Gutes Milchvieh wurde in verhältnissmässig kurzer Zeit eine Anforderung, für deren Befriedigung grosse An- strengungen und erheblicher Aufwand an Kosten nicht übermässig erschienen. Fremde Rassethiere wurden in ganzen Heerden eingeführt, die Fruchtfolgen für das erforderliche Futter umgestaltet, den Stallungen, dem Molkenwesen und endlich .der Art der Fütterung selbst grosse und erfolgreiche Aufmerksamkeit zugewendet. Die Fragen: was kostet das Futter, wie wird es am zweckmässigsten gereicht, welches ist sein Erfolg und entsprieht derselbe dem wahren Werthe? waren keineswegs neu, 'Sie waren aufgewörfen und nicht ohne Heftigkeit immer wieder verhandelt worden, seitdem in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts die Stallfütterung sich Balın zu brechen begann. Es lag nahe, dass man bei eingehenderer Beurtheilung den Werth des Grünfutters wie des Strohs nit Heu verglich und ‘denselben Massstab auch an andere Futtermittel, Rüben, Kraut, Kartoffen, Schlempe u. a. legte. Daraus ent- standen die Heuwerthstabellen, welche bis auf die neueste Zeit den üblichen Anhalt für Futterberechnunegn bildeten. Aber selbst wenn man beim Gebrauch eine erfahrungsmässig *) S. die kritische Literaturzusammenstellung 'v. Lengerke’s, Annalen !Bd. 28. 174 ff. A238 XXVIO. Theorie der Züchtung und Ernährung, Thierarzneiwesen, Viehstatistik, günstige Mischung der Futtermittel festhielt, konnten schon die mehr als das Doppelte betragenden Abweichungen der Heuwerthe die Unsicherheit ihrer Grundlage zeigen. Thatsächlich hängt der Futterwerth eines Materials so sehr von seinen schwankenden Bestandtheilen, der Gesammtkombination der gereichten Nahrung und der Receptions- fähigkeit, sowie der wirthschaftlichen Bestimmung des gefütterten Thieres ab, dass es überhaupt unmöglich bleibt, denselben durch eine einzige feste Zahl zu erfassen. Der Rücksicht auf die Bestandtheile der Futtermassen trug zuerst Proust ') genauere Rechnung, indem er sie in zucker-, öl- und eiweisshaltige eintheilte, und für ihre Nährfähigkeit die Zusammensetzung der Milch forderte. Bonssignault, der schon mit umfassenderen Mitteln der fortschreitenden Chemie und Physiologie zu arbeiten ver- mochte, forderte als Bestandtheile der Nahrung eine stickstoffhaltige Materie, wie Albumin, Kasäin, Fibrin, aus der er die Fleischbildung herleitete, ferner eine Fettsub- stanz, eine Materie ternärer Zusammensetzung, wie Zucker, Gummi, Stärkemehl, und endlich gewisse Salze, besonders phosphorsauren Kalk, Bittererde, Eisenoxyd ?). Er stellte fest, dass die stickstofffreien Bestandtheile wesentlich zur Unterhaltung des Athmens und der thierischen Wärme dienen, und dass das Fett in den Geweben als ein Vorrath für die Respiration abgelagert wird. Die Werthsbestimmung richtete er äuf das Ver- hältniss, in welchem die Thiere die eigene Substanz in der Nahrung wiederfinden. Entscheidend aber begründete erst J. Liebig die Theorie der Ernährung auf die physiologischen Wirkungen der Organe und die chemische Zusammensetzung der Säfte in den einzelnen Stadien des Umlaufs. In seiner Thierchemie (1840, 2. Aufl. 1843) unterschied er die Nährstoffe in Protöinstoffe (Albuminate), welche ı5 bis 16 pOt. Stick- stoff und etwas Schwefel enthalten, und die allein die Pflanze aus unorganischen Stoffen bildet, der Thierkörper selbst nur modifizirt, ferner in stiekstofflose Kohlenhydrate (Zucker, Cellulose) und Kohlenwasserstoffverbindungen (Fette, Oele), und endlich in unorganische Bestandtheile Phosphorsäure, Kali, Natron, Magnesia, Eisen, Kochsalz, Wasser. Den Einfluss dieser einzelnen Bestandtheile verfolgt er durch den gesammten Körper der Säugethiere und führt jede Frage der Ernährung auf die eigenthümliche Thätigkeit des einzelnen Organes zurück °). Für die stickstofffreien Kohlenhydrate zeigt er die erste Umwandlung der Stärke in Stärkegummi und Zucker schon dureh die Einwirkung des Speichels. Für die Magenthätigkeit weist er nach, dass Salzsäure und Pepsin die Modifikation der Protöinstoffe in Peptone bewirken. Es bildet sich hier der saure Speisebrei (Chymus), das Fett bleibt ungelöst. Erst im Dünndarm geht dasselbe durch die alkalischen Einwir- kungen der Galle und der Pankreasdrüse in die gleichartige Gestalt des Milchsaftes oder Chylus ein, welche der gesammte Speisebrei annimmt. Was von diesem Speise- brei an unrerdauten Resten die Därme nicht aufsaugen können, trocknet der Diekdarm zum Auswurf als Faeces. Aus den Darmzotten bewegt sich der Chylus in den Milchsaft- gefässen fort; die Milchsaftmasse wird durch die Lymphe vermehrt, welche in allen Körper- theilen im Laufe des Stoffwechsels durch Umbildung der Bestandtheile der Blutflüssigkeit entsteht und, aus feinen Kanälen in grössere Stämme vereinigt, im Milchbrustgange in 1) Geb. 1755, gest. 1827. Vergl. Schweiggert's Journal Bd. 53 S. 218. — C. Fraas, Geschichte der Landwirthschaft, 1852, S. 562. — A. v. Lengerke, Annalen Bd. 2. S. 154. 2) Boussignault Economie rurale, Paris 1844, deutsch von Gräger, Halle 1844, 2 Bde.’ und Essai de statistique chimique des ötres organises, Paris 1841, 3. Aufl. 1844. 3) H. Settegast, Thierzucht, Breslau 1868, S. 358 ff. XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 429 den Milchsaft einmündet. Bei dem Fortgange durch den Milchbrustgang nehmen diese Flüssigkeiten mehr und mehr Aehnlichkeit mit der Beschaffenheit des Blutes an und treten zuletzt durch die linke Schlüsselbeinvene und die linke Herzvorkammer in die linke Herzkammer ein, von der der grosse Kreislauf der sogenannten Körperblutbahn beginnt. Diese, die das mit den frischen Nährstoffen gefüllte Blut in den Arterien bis in die feinsten Kapillargefässe führt, geht zuerst durch die Nieren, um hier wie in einem Filtrum die verbrauchten Stickstoffverbindungen der Protöinsubstanzen und den grössten Theil der löslichen Salze zur Ausscheidung durch den Harn abzusetzen. In den Kapillargefässen vollzieht sich das Abgeben des nunmehr assimilirbaren Restes der Nährstoffe und der Austausch gegen die unbrauchbar gewordenen Gebilde. In Nachbar- verzweigungen der Venen übergeführt, geht das jetzt mit den ausgeschiedenen Stoffen, besonders auch der Kohlensäure erfüllte venöse Blut zur rechten Vorkammer des Herzens zurück, indem es auf diesem Wege in der Leber ebenfalls einer Filtration unterworfen wird, deren Abscheidungsprodukt die Galle ist. Während sich, auf der grossen Körperblutbahn die Stoffvermehrung und der Stoffersatz vollzieht, umfasst die kleine oder Lungenblutbahn den Athmungsprozess.. Das venöse Blut tritt aus der rechten Herzkammer in die feinsten Gefässe der Lunge, scheidet Kohlensäure aus, oxydirt unter entsprechender Wärmeentwickelung*) mit dem Sauerstoff der Luft und kehrt in Nachbargefässen als arterielles Blut in die linke Herzvorkammer zurück. Die eingeathmete Luft enthält 20,9: Sauerstoff, 79,15 Stickstoff und nur etwa 0,4 Kohlensäure, die ausgeathmete durchschnittlich nur 16,033 Sauerstoff, dagegen 79,557 Stickstoff und 4,390 Kohlensäure. In ungefähr 2 Minuten treibt der Muskeldruck des Herzens die gesammte Blutmasse unter dem doppeltem Zufluss neuer Stoffe, aus Verdauung und Respiration, durch den gesammten Körper. Die Wirkung der Nahrung hängt von dem richtigen Verhältnisse des Bedürfnisses in jedem einzelnen der Organe zu der für die Befriedigung dargebotenen Masse ab, und die Beurtheilung des Werthes wird bei klarer Erkenntniss immer mehr auf individuelle Vorgänge und die Besonderheiten des vorlie- genden Falles hingewiesen. Wie die Düngerlehre Liebigs (Bd. II. S. 22) bedurfte auch die Theorie der Er- nährung längere Zeit, ehe sie von den sehr vertieften wissenschaftlichen Problemen aus hinreichende Anerkennung und methodische Anwendung in der Praxis finden konnte, Die Lehrer der landwirthschaftlichen Thierkunde, Kreyssig, Sprengel, Weckherlin, Pabst, Wolff”*), hatten zwar schon ein reiches Material an Beobachtungen und Ver- hältnissbestimmungen zusammengetragen, und die aufblühende Rindviehzucht fand in den landwirthschaftlichen Vereinen ein viel ausgedehnteres Publikum für ihre Interessen, als es selbst die Schafzucht jemals vermocht hatte. Aber wie für die Anschauungen über das Wachsthum und die Ernährung der Kulturpflanzen fester Grund erst durch physiologische Experimente erzielt werden konnte, welche die Pflanze isolirt von allen Nebenbedingungen nach genauem Mass und Gewicht in dem, was sie an Stoffen auf- nimmt, was sie an ihnen gewinnt und was sie wieder ausscheidet, kontrolirten, so konnten auch erst ähnliche wissenschaftliche Experimente mit dem Nutzvieh selbst die physiologische Erkenntniss über den Stoffwechsel im Organismus ergänzen und zur prakti- schen Methode der Fütterung überleiten. *) ı Pfd. Fett giebt nach Liebig bei der Oxydation so viel Wärme, als 2/, Pfd. Stärke- mehl, oder 2!/, Pfd. Rohrzucker, oder 2%; Pfd. Milch oder Traubenzucker. **) Literatur s. v. Lengerke, Annalen Bd. 2 S. 147 fl. 430 XXVEI Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. Diese Experimente am lebenden Vieh mit genauer Messung und Wägung aller, auch der gasförmigen Stoffe in Einnahme und Ausgabe, sind in den letzten fünfziger Jahren von W. Henneberg und F. Stohmann ') in rühmlichster Weise durchgeführt worden. Seitdem haben die Versuchsstationen?), namentlich H. Grouven (Bericht N. der Station Salzmünde, 1863 und 1864 °) diese Arbeiten fortgesetzt. Von den Ernäh- rungsprozessen und der Milch- und Fleischproduktion ausgehend erfasste diese exakte Methode wissenschaftlicher Begründung mehr und mehr die Aufzucht, körperliche Aus- bildung, Mästung und sonstige Nutzbarmachung aller Hausthiere. J. Kühn schrieb „die zweckmässigste Ernährung des Rindviehs* 1861, E. Wolff „die landwirthschaftliche Fütterungslehre* 1861, P. Wilkens, über die „Fettmast“ 1862, H. v. Nathusius .„Vor- studien am Schweineschädel* 1864, und neuerdings hat H. Settegast’s „Thierzucht“, Breslau 1868 die gewonnenen Resultate für Züchtung wie Ernährung der Nutzthiere lichtvoll zusammengefasst. Die Darstellung der Geflügel-, Bienen-, Seiden- und Fisch- zucht wird zu zeigen haben, was auch diese der neueren Physiologie verdanken. — Die für die Statik der Viehhaltung und dadurch auch für die landwirthschaftliche Statistik erheblichen Zahlenverhältnisse, die sich als Resultat dieser Arbeiten ergeben haben, sind zum Theil schon bei der Frage nach den Bestandtheilen des Düngers und der Masse der dem Boden durch ihn gewährten Nährstoffe im XVII. Abschnitt (Bd. IH. S. 48 fl.) wiedergegeben worden, Es ist dort namentlich gezeigt, wie gross auf je 1000 Pfd. Lebendgewicht eines Ochsen der tägliche Verbrauch an Futter und die täg- liche Entleerung an fester, flüssiger und gasförmiger Masse, vertheilt nach den Haupt- stoffen, im Durchschnitt angenommen werden darf. Es sind ferner bei den Getreide- arten (Bd. I. S. 221) und bei den Wurzelgewächsen, Klee und Wickpflanzen und Grä- sern (Bd. II. S. 232) die den Nahrungswerth entscheidenden Analysen der ganzen Pflanze wie ihrer einzelnen Theile nach Art und Alter mitgetheilt worden. Diesen lassen sich in ähnlicher Weise die Analysen verschiedener Futtermittel aus gewerblichen und an- deren Abfällen hinzufügen, wie sie E. Wolff als mittle Durchschnitte angiebt ‘): Futtermittel (nach E. Wolff 1363) stanz Nährstoffe Stickstofffreie Nährstoffe Kalkerde Stickstoffhaltige Fettsubstanz Phosphorsäure Holzfaser Gesammtmenge der Nährstoffe Organische Sub- Weizenkleie...... | 81,8 Roggenkleie ...... | 83,0 Ungeschälte Eicheln, | krisch/r klar 28 56,0| 43,0| Io] 2,0|36,5 | I825 | 4,5 | 38,5 8,56 | 2,3 | 9,17 | 9,07 geschälte dgl. trocken | 20,0 78,4) 1,6| 501688 | 13,78 | 4,6 73,8) 16,04 | 4,3| 0,32 | O,ıx Geschälte Kastanien, | Frische 4972| 49)0| I,8| 3,0|45%) I5S,o7 | 0,8 |48,21 60,25 | 2,5) 0,40 | O,ar Pappel-u. Ulmenblätter 79,0 28,0 2,0 6,0 15,5 2,58 6,5 21,5 3,31 I,; | 0,16 | O,45 1) Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung der Wiederkäuer, Braun- schweig 1860, 2 Hefte. 2) Vergl. Jahresberichte der Agrikulturchemie von R. Hoffmann und E. Peters unter der seit 1864, Jahrg. VII., geführten Abtheilung: Chemie der Thierernährung. 3) Vergl. auch kritische Darstellung aller Fütterungsversuche, Köln 1863. 4) Im Hülfsbuch des landw. Kalenders von O. Mentzel und A. v. Lengerke 1864 fl. XXVIH. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 431 2=- Futtermittel (nach E. Wolff 1863) En 2 © a © o ed © g= stanz Kalkerde 2 218 Ar Verhältniss #4 zwischen der Hol Fettsubstanz Stickstoffhaltige Nährstoffe Phosphorsäure © S = = L-] ° 7 Er = Organische Sub- Holzfaser Gesamtmenge der Nährstoffe =] Q fx la} aQ =} aQ oo in - wo D} „u SI = un — = » So & - [0] & N > > SS » a PS Oo [) H So Le] Oo a > Rapssamen ......|IIo Rapskuchen ......| I5,o Leinsamen. .....:[ 123 82,7 5,0| 20,5 | 55,0 2,68 72|75,5| 10,49 | 37,0| I,90 | O,40 "“Leinkuchen ......| 115 | 806| 7,9| 283 | 41,3 | 46 [IL,o Leindotterkuchen . . .| 15,0 | 78,2 | 6,9| 28,5 | 37,x I,30 | 12,5 Mohnsamen 24. :.[ 147 | 783 7,0|. 17,5 | 54,7\ 3,2 | 6,2172,2) 11,84 |41,0| 2,0 | 0,80 Mohnkuchen s. »...| 10,0| 81,6| 84| 32,5 | 37,7 1,16 | 11,4 Hanfsamen. ......[122[|836| 42) 16,3|552| 3,30 |12,2171,5| 5,92 | 33,6| 1,47 | 0,90 Hanfkuchen ......|105|85,5| 4o| 27,0|36,5| 1,35 |22,0|63,5| 2,88 | 6,2] 1,35 | O,90 Bucheckerkuchen . . .| 10,0 | 84,8| 5,2 | 24,0 | 31,3 1,30 130,5|55,3| 1,812 | 7,5) Izıo| L,48 Kuchen von geschälten Bucheckern .....| 12,5 | 79,8 7,7| 37,2|36,9| 0 | 5,5|740| 13,45 | 7,5) 2,10] L,30 Kartoffelfaser .......| 82,6| 17,1] 0353| o,8|ı150| 1875 | 1,3|15,8| 12,15 | o,1| 0,03 | 0,03 Kartoffelschlempe. ...| 9453| 46) o06| 1o| 30| 3,0 | 06] 4o| 6,67 | o,:| 0,8 | 0,02 Roggensehlempe . ..|.89, | 1205| o5| 22) 6,8| 3,4 | 1,6| 89! 5,56 | 0,4! 024 | O,or Maisschlempe . ... .| 89,9 | IO,5 } 05| 2,0| 72 3,66 | 1,3| 92) 7,08 | I,2| O,24 | O,ox Melasseschlempe .....| 92,0| 63, ı7| 1212| 5:1 4535| — | — — | — | 0,53 | 0,09 Rübenmelasse .... .| 16,7 | 72,5 log] 801645| 86 | — | — — | — | 910| 0,30 Pressrückstände. ....| 70,01 26,6| 3,4| 1,8] 18,5 | 10,8 | 6,3| 20,3) 3,22 | 0,2! 0,20 | O,13 Schleuderrückstände .| 82,0 | 16,8| ı2| 1,0|ı122| 12,20 | 3,6|132| 3,67 | ox| 0,23 | 9,12 Schlempe von destil- lirten Rübenschnitten | 92,6) 6,6| o8| 038] 44! 50 | 14| 521 3,7 | 0,2| 0,07 | 0,04 Biertreber .......|766| 222| 12| 49lııı) 227 | 62|160| 2,58 | 1,6] 0,38 | OQ,12 Malzkeime..2....| 8o| 8521| 6,8| 23,0 | 44,7 1,04 | 17,5|67,7\| 3,87 | 215 | 1,42 | 0,09 Grünmalz mit Keimen | 47,5 | 50,8| ı,7| 6,5139, | 6,8 | 4,3|46,0| 10,6 | L,5| 1,60 | 0,06 SI Si a I E th © & {0X} {ut} [071 „ & „ ın &. a H > [5° ve} a = o » I ° Oo o & NN uno aa wa on R & “8 4 © Oo er) HD > u ° © oo a8 SI o BD oa u a oo - D a ° o o © Darrmalz ohne Keime | 42| 9311| 277| 83[763| 8,6 ‚o\85,2| 10,64 | 2,5| 0,90 | 0,08 Kuhmilch ...:... 87,0 | I2,3| 0,7 4,0 83 2,08 —|— — 3,6| O,22 | O,17 Abgerahmte Milch ...| 90,0 | 9,4| 06| 4o| 5,4 I35 1 — | — _ 0,6) 0,20 | 0,16 Buttermilch ......|90.x, 94| 05] 3434| 66| 18 | — | — _ 1,0."0,16 | O,ı2 Molken...2:.2.::[946| 5352| 04) 05| 451 9 | — | — _ 0,5 | O,ıı | 0,08 Rahm. ..22200..[640| 35,6) 04| 4alzıa) 78 | — | — — 129,3| 9,12 | 0,09 Die Nahrhaftigkeit eines Futters mehrt oder mindert sich indess nicht allein im Verhältniss mit der physiologischen Bedeutung seiner Nährstoffe, sondern auch nach dem höheren oder geringeren 6rade der Verdanlichkeit derselben. Wie Settegast (8.378) ausführt, dürfen von den Bestandtheilen der Nahrungsmittel als absolut verdaulich die Protäinstoffe der konzentrirten an Holzfaser armen Futterstoffe, wie die Körner der Cerealien, Leguminosen und Oelpflanzen, ferner Leinkuchen, Branntweinschlempe, Milch, gelten, ebenso die Protäinstoffe der Wurzelfrüchte; die der Rapskuchen aber scheinen nur bis zu 70 pCt. verdaut zu werden. Ferner sind absolut verdaulich die stickstoff- freien organischen Nährstoffe (Fett, Stärke, Zucker u. s. w.) mit Ausschluss der Holz- faser aller vorgenannten Futtermittel. Als relativ verdaulich dagegen sind anzusehen: die Protäinstoffe des Rauhfutters, also der verschiedenen Arten von Wiesenheu, von 432 XXVIII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. Heu der Futterkräuter, die Protäinstoffe des Grünfutters, des Strohes von Cerealien und Leguminosen; ferner die stickstofffreien organischen Nährstoffe mit Einschluss der Fettsubstanz (stickstofffreie Extraktstoffe) aller relativ verdaulichen Materialien, endlich die Holzfaser aller Futtermittel, der Körnerfrüchte, Grünfutter-, Heu- und Stroharten und Wurzelgewächse. Die Holzfaser, welche früher für völlig unverdaulich galt, besteht nur zum Theil aus kohlenstoffreicheren, absolut unverdaulichen Substanzen, wie Korkstoff, Cutin, Lignin, zum Theil aber aus der relativ verdaulichen Cellulose, welche sich jedoch bei reiferer Vegetation in immer erhöhtem Masse zu Substanzen der ersteren Art modifizirt. Desshalb ist die Holzfaser namentlich bei jüngeren Pflanzengebilden bis zu 40 und 6o, ja selbst 80 pCt. verdaulich, und zwar um so besser, je mehr sie Thieren kräftigen Alters, besonders den Wiederkäuern, als weit überwiegendes und eingewöhntes Futter gereicht wird. Die Ausnutzung der relativ verdaulichen, stiekstofffreien organischen Nährstoffe beträgt etwa 40 bis 60 pCt. und ist am höchsten bei Wiesenheu, Kleeheu und den Stängeln und Blättern der Leguminosen, am niedrigsten beim Cerealienstroh. Die übrigen Stoffe vermögen zwar in der Regel völlig vom Darmsystem aufgesaugt zu werden; sie setzen aber mehr oder weniger Anstrengung der Organe voraus, und zwar nehmen die Protöinstoffe und unter ihnen das Kasöin dieselbe am meisten in Anspruch. Fibrin (Kleber) löst sich leichter, Eiweiss am leichtesten. Letzterem stehen die Fette gleich, von denen die flüssigen Oele leichter als die festen aufgenommen werden; klei- nere Mengen von ihnen befördern, grössere Massen aber beeinträchtigen die Verdau- lichkeit anderer Nahrungsstoffe. Von den Kohlenhydraten wird Zucker am leichtesten, demnächst Stärke, dann Pflanzenschleim und die gummiartigen Pflanzenstoffe, zuletzt erst die Cellulose assimilirt. Neben den Bestandtheilen hängt der Erfolg des Futters aber auch äusserlich von einer gewissen, dem Thiermagen entsprechenden Masse und von einem günstigen Ver- hältniss fester und flüssiger Form, von Temperatur u. dgl., in der es geboten wird, ab. Es erfordert also nach allen diesen Gesichtspunkten die Mischung der Futtermittel besondere Rücksichten. Indess lassen sich doch gewisse Verhältnisszahlen für das Bedürfniss der einzelnen Thiergattungen und Altersstufen an stickstoffhaltigen und stick- stofffreien Nährstoffen aufstellen, welche die Zusammenstellung durchschnittlich ange- messener Futterrationen aus den über die Bestandtheile der verschiedenen Futtermittel mitgetheilten Tabellen ermöglichen *). Solche Verhältnisszahlen zeigt folgende Uebersicht: *) Die Tagesrationen für Pferde sind folgende in Pfund (r Metze Hafer — 3 Pfd.): Pferde SelEt Bemerkungen Spreu Fohlen bis zum Absetzen Fohlen vom Absetzen bis zu ı Jahr 6 n. Belieben — = Ballen bestes Heu nach »„ vom1.bis 2. Jahre im Winter (reich | 12 — I$ = 4—6 Vom Frühjahr bis Herbst »„ vom 2. bis 3. Jahre im Winter |} 11, —4'; || 12 — 18 _ 10— ı5 |jkräftige Weide. Reit-, Jagd-, leichte Wagenpferde. | 6—9 6—8 2 —3 _ nr Dienst Schwere Wagenpferde ........ 9—ı2 | 6—8 2—3 _ i — — — In Perioden der Ruhe Pferde für landwirthschaft- Ymi ß 9 9 de en 3 B A ur Kenn Dal ai allzu liche Zwecke... .... ne = Ton se AR \Hirdn Hälfte vermindert Lastpferde ... . . oBeneeleyokeiiene 15—ı$8 | I10— 15 4 _ Zuchtstuten, mittelschwer, arbeitsfrei | nur werth- | 15 — 20 —_ 8 —12 Salzbedarf für jedes Pferd volle u.ältere täglich 'a —1 Loth. h—1 XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 433 Tagesration Verhältniss n Trock Näh ff zwischen . rockne ahrsto e ick- Art der Thiere und Substanz den stick E haltigen und Bemerkungen Nutzungszweck (Oreaulzen Stickstoff- | Stickstoff im stickstofl- Asche) haltige freie Ganzen freien Nährstoffe Pfd. Pfd. Pfd. Pfa. mE Salzbedarf täglich 1—2 Loth. Kälber mittler Schwere I. Rinder. Jungvieh. Auf je ıoo Pfund Lebendgewicht Von der 9. bis 26. Woche 2,5 95 —0,4| 1,5 — 16 2,0 1:3—I:4]zur Aufzucht erhalten als Von ! bis ı Jahr... .. 3,0 0,33 1,66 2,0 L:s Tagesration: i ! BE VE-: Von ı bis 3 Jahre... .. 3,0 O5 Iso 1,75 11:6 & | a 32275 Grossvieh. Auf je 1000 Pfund Lebendgewicht = | 5 jäag 5 Milchküher pr an. % 22—33 | 23—3 | 12,5 — 14 | 1,8— 17 & | Qrt.| pra. | Pra. Arbeitende Ochsen... . Monate hindurch ruhende Ochsenn u are R Mastochsen I. Periode und 2. n Mastkühe 3. = 25—30| 23—3 | 12—ı5 | 143—18 17 — 21 E25 TumS15 Cu Ce) 27,0 3,0 I5,o 18,0 26,0 33 15,0 18,3 25,0 317 15,0 18,7 II. Schweine. Auf je roo Pfund Lebendgewicht Ferkel bis zu 6 Monaten 4.5 0,75 — 0,9 | 3,0 — 2,75 | 3,65—3,75 > von Ya bis ı Jahr 2,75 — 3,5 | 9,3 — 0,45 | 2,1 — 2,7 | 2,4 —3,15 Mastschweine ...... ä ° 2 : Be Z 3" I IR 214 5 Salzbedarf des Schweines Zuchisaueicgekensne, enerane 2,0 0,18 1,42 1,6 7:08 täglich 1-2 Loth. III. Schafe. Auf das Haupt Wollschafe, leichte Merinos (Electoraltypus), Mutterschafe 60— 80 Pfd. Lebendgewicht. Lämmer 3—6 Monate... I,oo 0,13 0,55 0,68 T:4,2 Lämmer bis zum Absetzen 3 a—ı Jahr... 1,34 0,14 0,70 0,84 I:5,0 bestes Wiesenheu und Ha- Schafe 1—2 Jahre ... 1,85 O,15 0,80 0,95 1:53 fer oder Bulen und Erbsen, M h so viel sie nehmen; 100 utterschafe ....... 2,00 0,17 0,87 1,04 T:5r Ngtück auf den Tag, nahe Zuchtböcke .. ...... 2,50 0,24 I,2o 1,44 I: 5,0 dem Absetzen 40 Pfd. Heu Mastschafo ... 2... 9 3,00 0,30 I,30 1,60 I:4,3 jund 12 Pfd. Getreide. Hammel (nur zur Wolle). 1,93 0,13 0,85 0,98 1:65 | Wollschafe, schwere Merinos (Negretti- u. Rambouillet-Typus), Mutterschafe go—ı20 Pfd. Lebendgew. Lämmer 3—6 Monate... 130 0,17 0,66 0,83 1:3,9 LäninerbisnmAsätzen ” Ya—ı dahr... I,5o 0,16 0,80 0,96 I: 5,0 wie oben; 100 Stück auf den Schafe 1—2 Jahre ... 2,25 0,22 I,ıo I,32 I:5,0 j[Tag, nahe dem Absetzen Mutterschafe ...... 2 2,27 9,22 1,16 1,38 1:53 Ba Höupunüig one N - etreide. Zuchtböcke .2...... 2,93 O,30 I,60 I,go 1.2.53 Mastschafes er 00. 3,45 0,40 1,69 2,9 IU:42 Salzbedarf für das mittle Hammel (nur zur Wolle). 2,20 0,14 0,88 1,02 Tu aa clatı= 3 Ouenich.tsglich: Fleischschafe, Mutterschafe, 100—ı20 Pfd. Lebendgewicht Lämmer 3—6 Monate . I,5o 0,20 0,74 0,94 I: 37 Lämmer bis zum Absetzen A Ya— = Jahr@nr. 2,17 0,28 L,14 1,42 I:40 wie oben; 100 Stück auf den Tag, nahe dem Absetzen Schafe 1—2 Jahre ... 2 0, I 1,76 I: 5 z ‚> 3 a) 7 47 80 Pfd. Heu und 18 Pfd. Mutterschafe .. ..... 2,50 0,26 1,34 1,60 I :,5,0 N Gatreide. Zuchtböcke ........ 3,35 0,35 1,78 2,13 I:5,o0 Mastschafe......... 3,70 0,50 I,go 2,30 123,6 Boden d. preuss. Staates. I. 28 A434 XXVIO. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. Um den wahren Geldwerth der Futtermittel zu bestimmen, vertheilt Settegast (S. 392) ihren Preis, unter Berücksichtigung der schwankenden Marktpreise und des wirthschaftlichen Werthes, nach dem Anhalt der Analysen auf die einzelnen in ihnen enthaltenen Nährstoffe und gewinnt so für den Norden Deutschlands folgende Annahmen: a. Das Pfund der stickstoffhaltigen Nährstoffe (Protäin) in den konzentrirten Futtermitteln, den Körnern der Cerealien, Leguminosen und Oelpflanzen, ferner in der Branntweinschlempe, den Wurzelfrüchten und überhaupt in den Futtermaterialien, deren Protöinstoffe absolut verdaulich sind, hat den Werth von etwa 1'% Sgr.; b. das Pfund der Protäinstoffe des Rauhfutters, d. h. der verschiedenen Arten von Wiesenheu, von Heu der Futterkräuter, ferner das Pfund der Protäinstoffe des Grünfutters, des Strohes von Cerealien nnd Leguminosen, hat den von *ı Sgr.; ce. endlich das Pfund der stickstofffreien organischen Nährstoffe, mit Ausschluss der Holzfaser (stickstofffreien Extraktstoffe) in allen Futtermitteln den von Y Ser. Lest man diese Sätze einer Berechnung des ökonomischen Futterwerths der gebräuchlichsten Nahrungsmittel für die Nutzthiere zu Grunde, so kommen in einem den üblichen Preisen sehr nahe entsprechenden Verhältnisse je ıoo Pfd. Rapskuchen auf 53 Sgr., Bohnen und Erbsen auf 5o, Roggen und Weizenkleie auf 38, Wiesen- und Gewichtsverhältnisse Ayahrenalt ATahrelalt mager 93 Pfd. Ochsen Schweine | fett 185 Pfd. des halbfett 1232 Pfd. | fett 1419 Pfd. Schlachtviehes Gewicht lebend Gewicht lebend Gewicht lebend Gewicht lebend der Theile | Gewicht |der Theile | Gewicht fder Theile} Gewicht | der Theile | Gewicht Prd. pCt. Pfad. pCt. Pfad. pCt. Pfd, pCt. Fleisch am Rumpf ee ee 572,88 46,5 544,99 38,4 39,53 | 42,5 61,97 » am Kopf ale le felladle 17,25 I,4 25,54 I,8 4,74 5,1 713 Fett im Fleisch ...... - 9L,ı7 7,4 228,46 16,1 14,32 15,4 58,28 „ an den Nieren 2710 2,2 53,92 3,8 0,84 0,9 7,40 Sonstiges Fett ....... 38,19 | 3,2 83,72 5,9 3,44 317 7x Knochen im Rumpf... . 104,72 85 110,68 7,8 5,02 5,4 6,48 n im Kopf Sulenokiel ie 14,79 I,2 I4,19 I,o I,go I,s I,85 » in den Füssen 20,94 I,z 22,71 I,6 I,3o I,4 2,03 Eingeweide......... 152,77 12,4 366,10 25,8 17,30 18,6 18,50 Hantzundska ei. 3008 | 65 80,88 57 3,16 3,4 6,48 Magen- und Darminhalt . IOI,o2 | 82 85,14 6,0 4,83 5,2 Tax Vierlusts nern ekealerehene Dtg | Sors 18,45 1,3 — = 0,56 Das ganze Thier I 232,0o | IOO,o I 4IQ,oo | 185,00 100,0 Davon Fleisch ....... 590,13 479 570,44 69,00 ettneen es etetee 156,46 12,7 366,10 25,8 72,89 Knochen im Rumpf 104,72 8,5 110,68 6,48 Zusammen .. 69,1 | 1047, 67,89 73,0 148,37 Rest an Knochen, Einge- weide, Haut und Verlust 30,9 371,78 27,9 30,1 36,63 XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 435 Kleeheu auf 20, Hülsenfruchtstroh auf 16, Sommergetreidestroh auf 14, Wintergetreide- stroh und Kartoffeln auf ro, Rübenpressling auf 9, Zuckerrunkelrüben auf 61, Futter- runkelrüben auf 4% und Branntweinschlempe auf 2! Ser. zu stehen, Wenn sich also danach die Annahme des Preises der einzelnen Nährstoffe als der Wirklichkeit angemessen erweist, so lässt der Vergleich der Bestandtheile eines beliebigen Futtermittels mit seinem thatsächlich bestehenden Verkaufspreise leicht er- kennen, ob die Verwendung desselben verhältnissmässig billig oder theuer, und welches von verschiedenen verfügbaren Futtermitteln wirthschaftlicher seinen Zweck erreicht. Für den Körperzuwachs des Thieres selbst gilt im allgemeinen der Satz, dass sich Individuen mittler Schwere leichter ernähren, als solche, die durch besonders ge- ringe oder besonders grosse Schwere hervortreten, und dass mageres Vieh niemals in dem Verhältniss die Ernährung lohnt, als fleischiges und volles; um indess den Erfolg der Fütterung am Schlachtvieh genauer veranschlagen zu können, hat Reuning Ermitte- lungen von Lawes und Gilbert, mit Benutzung der Grouvenschen Tabellen, in folgende Uebersicht zusammengestellt*): *) Amtsblatt für die landwirthschaftlichen Vereine Sachsens von Dr. Reuning, 1866 No. 7. — S. H. Settegast a. a. O. S. 478. — H. Grouven: Vorträge, II. Aufl., S. 296. Schafe Lamm Ys Jahr Schaf 1 Jahr Schaf 3', Jahr Schaf 1'/; Jahr Schaf 13/, Jahr fett 84 Pfd. mager 97 Pfd. halbfett 105 Pfd. fett 127 Pfd. hochfett 252 Pfd. Gewicht der Theile Pfd. 29,31 1,68 12,69 3,36 3,86 5,12 0,92 0,76 10,75 7,98 73 0,34 lebend Gewicht lebend Gewicht lebend Gewicht lebend Gewicht lebend Gewicht | der Theile Gewicht der Theile Gewicht der Theile Gewicht der Theile Gewicht pCt. Pfd. pCt. Pfd. pCt. Pfd. . Pfd. 349 34,04 35,1 37 17° 35,9 35,18 88 2,0 2,33 2,4 2,62 2,5 2,66 2 122 15,1 92 I1,34 10,8 24,77 g 4,0 I,ı 2,10 2,0 6,22 28188 4,6 5,56 IO,ı6 23,94 6,1 5,46 6,48 = Ir 1,58 127 zu; 0,9 I,o5 I,ı4 = 12,8 "13,86 16,64 a 915 12,60 13,97 314 (einschl, Knochen) 36 9155 7,62 13,10 9,4 1,58 436 XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen, Wie sich der Zahl nach die Entwickelung der Viehhaltung im Staatsgebiete ge- staltete, darüber besitzt Preussen Aufzeichnungen, wie sie keinem anderen Staate in ähnlicher Vollständigkeit und Ausführlichkeit zu Gebote stehen. Schon Friedrich der Grosse legte Werth auf statistische Nachrichten über den Viehstand, obwohl die Erhebungen je nach dem Zweck vereinzelt sind. Das Ergebniss vollständigerer Berichte der Kriegs- und Domainenkammern aus dem Jahre 1902 hat Krug in den Betrachtungen über den Nationalreichthum des preussischen Staates (Th. 1. 8. 113 ff) veröffentlicht. Er berechnet danach auf die Quadratmeile der verschiedenen Landestheile folgende Zahlen: Schafe, h Jung- 2 ienen- Sn) Ruhe "8 | Hammel, |Schweine| "ienen Bullen vieh zZ stöcke Lämmer 1802 Kammer - Departement Pferde Toittauonen oe en erer ensure: 571 242 382 | 276 920 | 6gı 57 Östpreussisches.... 2...» 528 24% 373 | 208 7432572 22 Marienwerden... u. Mo... 350 208 307 I4I 1017 523. 72 BOmmern@p.nerel ee elertenenet. 194 175 325 | 299 2555 | 529 = Brombergsches ......... 206 244 296 | 235 2562 | 488 75 Bosenschag) m. 2. ee ce. 192 252 279 | 227 2122 | 356 40 INEUMALKS euere een ele ge feier 245 278 472 | 265 | 3187 | 492 _ Kurmarka een 2 en: 350 229 470 | 315 3775 | 530 165 ee el) Magdeburgzle na. er EM. 402 199 617 | 678 | 6153 | 998 216 Halberstadt und Hohenstein . | 277 38 so5 | 228 | 4528 689 _ Minden, Fürstenthum ..... 434 44 726 536 | 914 | 420 IIo Rayensberg a0...» os... 0.0. 317 13 837 | 373 | 631 | 345 274 Tecklenburg =. .... a. 200. 467 26 1222 | 674 1186 | 629 2 Teingenve ee tere ale: 446 34 964 | 829 1353 | 763 _ Paderborn re na... 394 44 512 | 297 | 1868 | 5o2 —_ Kleve-Mörskat. ende. 270 | 84 560 | 542 1216 610 _ Marks Grafschaft. on... 407 46 ıo0g | 664 | 738 | 638 _ Seit dem Jahre 1816 wurde der Viehstand in jeder Ortschaft gemeinschaftlich mit der Bevölkerungszahl, bis 1822 jährlich am Ende des Jahres, von da an regelmässig in dreijährigen Perioden am jedesmaligen 3. Dezember oder demselben unmittelbar folgen- den Tagen gezählt. Die allmählichen Erweiterungen in der Art der Unterscheidung der Vieharten sind Bd. I. S. 4 angegeben. Die Resultate der Jahrgänge 1816, 1822, 1831, 1840, 1849, 1858 und 1867 stellt Tabelle Q. der Anlagen*) für die einzelnen Provinzen zusammen und weist dadurch den Fortschritt der Viehhaltung sowohl in der allgemeinen Zahl, als in der Stärke des Anwachsens auf der Quadratmeile, und das gegenseitige Verhältniss in den einzelnen Jahren der gedachten gjährigen Perioden nach. Dabei ist zugleich eine entsprechende Reduktion auf Hauptgrossvieh durchgeführt worden, für die ı Stück Rindvieh gleich % Pferden, 1); Esel, 10 Schafen, 4 Schweinen oder 12 Ziegen in Anrechnung gekommen ist. Die Vertheilung des Viehstandes auf die einzelnen *) Ergänzt zu No. 8, Jahrg. 1861 der Zeitschr. des stat. Büreaus, S. 216 fl. XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 437 Kreise, nach allen seinen verschiedenen Vieharten und den wichtigsten Altersunter- scheidungen, enthält die Tabelle G. der Anlagen, Spalte 25 —5o, für das Jahr 1864 als dasjenige, welches mit der Grundsteuerschätzung zusammenfällt. Sie theilt ausser der Reduktion auf Grossvieh in Spalte 53—56 und 60—63 das Verhältniss des Vieh- standes auf der Quadratmeile der Gesammtifläche, sowie auf der Quadratmeile des Kultur- landes (Hausstellen, Aecker, Gärten, Wiesen und Weiden) mit. Die Richtigkeit dieser Zahlen kann allerdings nicht überall völlig vertreten werden, z. B. ist mit Grund zu fürchten, dass von den Gemeindevorständen häufig nicht die wirklich gehaltene Viehzahl, sondern diejenige, welche für den Auftrieb auf Gemein- weiden als Massstab gilt, oder bei deren Theilung rezessmässig zu Grunde gelegt worden ist, oder auch das übliche Gespann des einzelnen Wirthes in die Listen auf- genommen worden; auch können hier und da in der Furcht vor Steuererhöhungen einige Zuwachsstücke zu wenig angegeben sein. In der Hauptsache aber machte schon die seit 50 Jahren ununterbrochene Reihe in so kurzen Fristen wiederholter Zählungen die Durchführung gewisser Kontrolen möglich. Jedenfalls ist die Sicherheit der Angaben die relativ grösstmögliche, und es ist schon die unzweifelhafte Gewissheit darüber von grosser Bedeutung, dass im betreffenden Jahre von den verschiedenen Viehgattungen mindestens die angegebene Zahl im Lande wirklich vorhanden war. Die Zählungen der Jahre 1864 und 1867 sind mit besonderer Sorgfalt und Strenge eingeleitet und zum Theil durch Hauszettel vorgenommen worden, so dass sie der Wirklichkeit wahrscheinlich näher kommen, als die früheren, und die Differenz zwischen den Resultaten von 1858 und 1864 zum Theil auch auf das verbesserte Verfahren zu rechnen ist. Der starke Rückschlag des Jahres 1867, der sich namentlich im Jungvieh zeigt, ist eine Folge der Missernten und der Kriegszeit. In allen diesen Zählungen muss indess durch die Vornahme der Zählung am 3. Dezember ein gewisser Fehler gegen den mittlen Durchschnitt des im Jahre gehaltenen Viehes auftreten. Diese Differenz ist bei den Pferden nur unerheblich, obgleich im Herbst nach der Ackerbestellung eine gewisse Anzahl alter Thiere abgestochen wird, und die Fohlen noch nicht da sind. Von dem Rindvieh wird in allen Gegenden, in denen Sommerweide zum Zwecke völliger oder halber Ausmästung besteht, ein ziemlich bedeutender Theil im Herbst geschlachtet oder zum auswärtigen Absatz verkauft. Dieser Ausfall gegen den Sommer ist da um so bedeutender, wo, wie in Preussen, die allgemeine Sitte besteht, in den Wirthschaften einen erheblichen Vorrath an Pökel- und Salzfleisch für den Winter ein- zuschaffen. Dagegen gleicht er sich in denjenigen Gegenden ziemlich aus, wo gewerb- liche Anstalten in grösserer Verbreitung Vieh zur Stallmast aufstellen oder es vortheil- haft ist, Arbeits- und Nutzvieh aus anderen Gegenden im Herbst anzukaufen. Wo solehe besonderen Verhältnisse nicht bestehen, und im allgemeinen Durchschnitt des Staates, kann der Rindviehstand am 3. Dezember gegen die Mitte des Sommers um den Betrag der Zuzucht, also um ro pÜt. geringer betrachtet werden, und es beträgt danach, da der höhere Viehstand etwa durch %s, der niedere durch 's des Jahres besteht, die Differenz der Zählung am 3. Dezember gegen den Jahresdurchsehnitt nahezu 6 pOt. Dieser Satz darf auch für die Ziegen gelten, weil die jungen Zicklein in grosser Zahl mit 3—4 Wochen geschlachtet werden. Bei den Schafen ist die Differenz höher. Denn wenn der Regel nach jede Schäferei im Herbst ein Sechstheil ihres Bestandes ausbrackt, und die Bocklämmer und 438 XXVIH. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. die fettgeweideten Hammel und Fleischschafe in Anrechnung gebracht werden, wird nur in Schäfereien, welche ihren Schafstand vermehren wollen, der Bestand am 3. Dezember weniger als ı5 pÜt. gegen den Sommer zurückstehen, gegen den Jahresdurchschhitt geringer Im ganzen kann er als ıo pCt. angeschlagen werden. Die Unterschiede in Gegenden, in denen grössere Heerden im Sommer und Winter wechseln, wie zwischen dem Paderbornschen und dem Bergischen, wirken nur bei speziellen Vergleichungen, Für den Schweinebestand ist die Abweichung am grössten, weil das häusliche Schlachten von Schweinen im Herbst zur Kirmess und als Wintervorrath ganz allge- meine Sitte auf dem Lande und in den kleinen Städten ist, und auch der Absatz feiner Fleischwaaren so überwiegend im Winter stattfindet, dass die Fabrikation vorzugsweise auf den Herbst angewiesen bleibt. Die Gegenden grossen Schweinehandels gleichen sich dabei gegenseitig aus. Von dem Bestande zur Zeit des zweiten Wurfes ist desshalb im ganzen Staate am 3. Dezember kaum noch die Hälfte vorhanden. Für den Jahres- durchschnitt aber ist die Verhältnisszahl wegen der meist doppelten Wurfzeit erheblich geringer und dürfte sich auf etwa 25 pÜt. über den Bestand am 3. Dezember stellen. Wollte man auf Grund dieser Annahmen den wahren Jahresbestand des Jahres 1864 berechnen, so würde die Viehzahl in den einzelnen Provinzen sich stellen: ! Rindvieh anf Viehstand ford 2 Schaf ne Grossvieh 1864 Pferde überhaupt darunter Schafe Schweine reduzirt Kühe Stück Gezählter Bestand am 3. Dezember 1864 Preussen... .| 567135 |1093 652) 549960| 3 810184 | 636 668 30007 | 2487 204 Pommern 178677 | 445747 | 298792| 3428122) 289079| 42510] 1132 608 Posen 192080| 525874| 293 115] 2997029| 254095 27 145 | 1180 620 Brandenburg.| 242048 | 672209] 401208| 3013636) 532527] 162912 | 1483 772 Schlesien. ...| 244750|1234919| 761839| 2807231| 336675 95 281 | 1975 560 Sachsen ...| 170845] 576180| 361594] 2162037) 538434 | 196822| 1200636 Westfalen ...| 125370| 570185 | 378 564 558480| 302018 | 134 651 904 260 Rheinland ...| 135718] 943 145 | 574.405 537948| 352563 | 180023| 1305 155 Hohenzollern und Jade.. 6 386 50.283 21 670 14 363 15 472 1908 65 127 3 641 147| 19329 0303 257 531 | 871259 | 11 734 942 Berechneter Durchsehnittsbestand im Jahre 1864 Staat. .lı 863 009 | 6 III 994 Staat. IE 863 Da 7 3 641 247 |= 261.933 je er: ss9 | Preussen... .| 567135 |1159268| 549960| 4191 202| 795 838 31807| 2630871 Pommern ..| ı178677| 472489 | 298792 | 3770934 | 361348 45 060| 1211910 Posen 192080| 557424| 293 115 | 3296731| 317 621 28771| 1258156 Brandenburg.| 242048| 712561) 401208| 3314999] 665659| 172686| 1588 357 Schlesien... .| 244750|1309013 | 761839| 3 087958| 420945 | 100993 | 2099 286 Sachsen ...| 170845) 610746| 361594| 2378240) 673 153| 208 656| 1291447 Westfalen ..| 125370| 604397 | 378 564 614 328| 377 522| 142727 963 554 Rheinland ..| 135718| 999731 | 574405 591 7422| 440703 | 190823 | 1390130 Hohenzollern und Jade. . 6 386 53 083 21 670 15 799 19 I00 2,012 69 184 923 531 I2 502 895 XXVIIH. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viebstatistik, Thierarzneiwesen. 439 Die Unterschiede des durchschnittlicben Jahresbestandes gegen den Bestand am 3. Dezember haben indess auf die Vergleichung der Zählungsresultate keinen Einfluss Das Anwachsen des Viehstandes auf der Quadratmeile zeigen folgende Zahlen *): = 8 Rindvieh 2 unlnpkin- En Haupt über- darunter Grossvieh haupt | Kühe reduzirt Provinzen Jahr | Pferde Schafe [Schweine] Ziegen wohner- zahl 320 264| 664| 367 1221 | 1299 477 500113309 | 597 2071 | 2732 208 339| 1721| 239 1186 | 1248 331 538| 6161| 585 1993 | 2639 139 223| 1485| 237 925 | 1556 . 372 587) 5566| 658 2186 | 2925 Brandenburg .... 221 346| 2222| 253 1340 | 1773 340 530| 3867| 749 1907 | 3752 Schlesien 215 536| 2348| 122 1510 | 2653 357 1086| 3599| 610 2658 | 4903 Sachsen 281 519| 3 116) 393 1753 | 2614 387 7839| 4666| 1402 2621 | 4517 342 949| 938) 390 1906 | 2909 340 1009| 1737| 944 2449 | 4651 194 742| 1099| 4oı 1761 | 3 884 300 1180| ı145| 936 2711 | 7075 pCt. des Anwachsens sodahre | 54 73 | 132 Die Vermehrung der Viehhaltung hat sich danach zu der der Bevölkerung wie 9: ıo verhalten. Was sich aus den Zahlen der Viehstatistik über den Bestand der Ge- spannkräfte entnehmen lässt, ist im XVII. Abschnitt (Bd. II. S. 77 ff.) angegeben. Die nähere Beurtheilung der Entwickelung der einzelnen Thiergattungen und des Einflusses, den die Bestrebungen der Staatsregierung und die Massnahmen der Gesetz- gebung auf dieselbe ausgeübt haben, werden Aufgabe der nächsten Abschnitte sein. Im allgemeinen hat der Staat theils durch die weitere Ausbildung seines Gestüt- wesens und einige erst in neuerer Zeit aufgegebene Stammschäfereien für Beschaffung von geeigneten Zuchtthieren selbst gesorgt, theils durfte er, als sich in dem aufblühenden Vereinsleben (Bd. I. S. 463; II. S. 18) die unter den Privaten wachsende Kraft und Lust zur Selbsthülfe aussprach, kaum auf irgend einem anderen Gebiete der Landeskultur günstigere Erfolge von der Ermunterung und Unterstützung dieser Selbstthätigkeit erwar- ten, als auf dem der Viehzucht. Die Vermittelung dieser Absichten lag seit 1842 vor- zugsweise der Mitwirkung des Landes-Oekonomie -Kollegiums ob. Die Vereine für Pferderennen und für Thierschauen wurden durch Anregung und Theilnahme und durch Zuschüsse zu ihren Fonds, durch Prämien und Auszeichnungen gefördert. Vereinsbevollmächtigte und anerkannte Viehzüchter erhielten im Auslande *) Vergl. auch Annalen Bd, 5 S. 381. — Dieteriei, Statistische>Mittheilung IX. 273. AAD XXVIO. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. zum Ankauf von Zuchtthieren, Pferden, Böcken oder Heerden fremden, namentlich englischen Rindviehes, Hülfe durch die Organe des Staates und durch: Hinweisungen, Empfehlungen, Kredite u. dgl. Zur Erleichterung für die Vereine dienten Vorschüsse, Reiseunterstützungen, Zollbefreiungen und Transportermässigungen. Wo die Landwirthe sie forderten, wurden Körordnungen für Hengste, Bullen und Eber erlassen. Die Grün- dung von Zuchtvereinen wurde durch Darleihen, theils von Geldbeträgen, theils von Beschälern ermöglicht. Wichtige Erscheinungen, die im Auslande oder Inlande Anf- merksamkeit erregten, wurden thunlichst der Beurtheilung von Sachkundigen, die häufig besonders für diesen Zweck ausgesandt wurden, unterworfen. Reiseberichte und zahlreiche Abhandlungen der Annalen*) zeigen, wie keine der Erweiterungen der Theorie oder der praktischen Methode der Viehhaltung in den Verhandlungen des Kollegiums und in seinen Beziehungen zu den Vereinen unbeachtet blieb, und wie Beispiele und Ergebnisse von Versuchen sorgfältig gesammelt, und das zweckmässig Erscheinende in die weiteren Kreise der Landwirthe zu verbreiten gesucht wurde. Nicht allein das eigentliche Nutz- vieh, auch Geflügel-, Bienen- und Seidenzucht, Fischerei, Blutegelzüchtung und Jagd wurden in den Kreis dieser Arbeiten gezogen. Es ergingen namentlich umfassende poli- zeiliche Verordnungen über die Schonung der Jagdthiere und über die mit der Erhaltung der Fische vereinbaren Grenzen der Fischereiausübung in verschiedenen Gewässern. Genauer aber ist hier noch der Thätigkeit des Staates für die Thierarzneihülfe und die Verhütung und Bekämpfung von Viehseuchen, sowie den Ersatz der durch Viehkrank- heiten der Landwirthschaft entstehenden Schäden zu gedenken. Das Veterinärwesen des Staates knüpfte in seiner Entwicekelung unmittelbar an die Thierarzneischule an. Für dieses ursprünglich mehr in Beziehungen zu dem Dienst der Gestüte und der Armee gedachte Institut wurde durch die Bedeutung, die es bei dem damaligen Stande der Thierarzneikunde einnahm und durch das Interesse, welches Wilhelm v. Humboldt und Thaer nach dieser Richtung bethätigten, immer mehr die allgemeinere Idee der Veterinärwissenschaft und Veterinärpolizei geltend. Obwohl ein reorganisirendes Regulativ erst unter dem 24. Juni 1836 erlassen wurde, kam doch dieser weitere Gesichtspunkt schon seit ı815 durch die Leitung des Staatsrathes Dr. Langermann zur Geltung. Schon damals erhielten die auf der 'Thierarzneischule gebildeten und geprüften Thierärzte gewisse Rechte der Medizinalpersonen, und die Kab.-Order vom ı3. Juni 1817 führte die Departements- und Kreis-Thierärzte in die preussische Verwaltung ein. Die Ausübung thierärztlicher Praxis war zwar damals, wie bis auf die neueste ” Zeit unbeschränkt, und fällt auch nicht unter den $ 42 der Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845, wonach Aerzte einer Approbation des Ministers der Medizinal- Angelegenheiten bedürfen. Jeder kann als Thierarzt auftreten und sich auch so nennen, und nur diejenigen, welche aus dem Kastriren ein Gewerbe machen, müssen sich nach *) Die Bearbeitungen spezieller Fragen werden in den folgenden Abschnitten am be- treffenden Orte zur Erwähnung kommen. Als mehr allgemeineren Inhaltes betreffen z. B. den Viehstand Bd. 5 S. 381; 30, 256; die Züchtungsgrundsätze: 35, 25; 40, 102, 186; 'Thier- chemie und Physiologie: 21, 81; 31, 140; 33, 273; 36, 389; 37, 251; 42, 34; 46, 419; Fütterungsversuche mit verschiedenen Pflanzen: 22, 177; 23, 99; 24, 26, 34, 256, 391; 25, 419; 26, 414; 35, 391; 36, 322; 39, 371; 40, 254; 46, 59; mit Salz: 6, 100; 32, 88; 34, 16, 35, I92, 345; 36, 54, 279; Futterzusammensetzungen: 24, II6; 27, 387; 32, 187; 34, 209; 334, 340; 36, 48; 38, 401; 42, 273; Fleischgewicht: 34, 137. XXVII. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 441 $ 45 ebd. über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch ein Befähigungszeugniss der Regierung ausweisen. Aber allein die von der Thierarzneischule ausgebildeten Zöglinge, welche auf Grund umfassender Prüfungen als sogenannte approbirte Thierärzte I. oder II. Klasse entlassen werden, sind als öffentliche Medizinalpersonen anerkannt und dürfen nach der Taxe für Thierärzte vom 21. Juni ı8ı5 liquidiren. Eine Kab.-Order vom 13. Juni 1817 bestimmte ferner, dass in jedem Regierungsbezirk wenigstens ein praktischer Thierarzt mit einem angemessenen Gehalte als Departements-Thierarzt, ausserdem aber auch in solchen Gegenden, wo es zweckmässig gefunden wird, Kreis-Thierärzte mit roo 'Thlr. jährlicher Besoldung angestellt werden sollen, und nach $ 3 der Dienstanweisung für die Medizinalkollegien vom 23. Oktober 1817 (G.-S. S. 245) soll sich jedesmal ein Thierarzt als Veterinär-Assessor unter deren Mitgliedern befinden, der in den von ihm speziell bearbeiteten Sachen Stimmrecht und ein Gehalt von ıoo Thlrn. zu erhalten hat. In alle diese Stellen können nur approbirte Thierärzte I. Klasse berufen werden; d. h. solche, welche bei Reife für die Obersekunda eines Gymnasiums 7 Semester auf der Thier- arzneischule studirt und die höhere Prüfung derselben bestanden haben. Später wurde durch das Regulativ vom 8. August 1835 ($ 23, 100, Iıı, ı14 und 120, G.-S. S. 240 ff.; vergl. W. Horn: Das Medizinalwesen des preussischen Staates, Berlin 1863) ausdrücklich in den Fällen, wo mit der ungeschickten Ausführung der Thierheilkunde gemeine Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Menschen ver- bunden sein würde, ausschliesslich den approbirten Thierärzten die Befugniss zur Be- handlung der befallenen Thiere beigelegt, also namentlich bei Rotz, Wurm, Milzbrand und Tollkrankheit, denjenigen aber, welche nicht als Thierärzte approbirt sind, wurde sie, vorbehaltlich ihrer augenblicklichen Hülfeleistung, bei Strafe verboten. Auch ist die Befugniss zum Selbstdispensiren der Arzneien bei der Praxis den approbirten Thierärzten auf Grund ihrer Approbation gestattet, den nicht approbirten Thierärzten kann zwar das Selbstdispensiren nicht untersagt werden, sie müssen jedoch dafür die Gewerbe- steuer vom Handel entrichten. Ferner sind nach dem Reglement vom 25. Mai 1839 nur die approbirten Thierärzte die Organe der Veterinärpolizei und der gerichtlichen Thierheilkunde, jedoch steht den Gerichten frei, auch nicht approbirte Thierärzte als Sachverständige in Civilprozesssachen auf den Vorschlag der Parteien zuzulassen. Als obergutachtliche Instanz gilt nicht allein in polizeilichen, sondern auch in gerichtlichen Fragen über @ewährsmängel u. dgl.*) in der Regel das Kollegium der Thierarzneischule. Es fungiren auf Grund dieser Vorschriften in jedem Regierungsbezirke ein Departements- Thierarzt mit 300 Thlr. Gehalt und je nach der Ausdehnung in ı bis 3 Kreisen ein Kreis-Thierarzt als veterinärpolizeiliche Beamte, die indess vor der An- stellung ihre Qualifikation noch durch besondere und erneute Prüfungen auf dem Gebiete der gerichtlichen Thierarzneikunde nachweisen müssen. Die Zahl der Thierärzte war in den einzelnen Regierungsbezirken umstehende: (Die Tabelle notirt zugleich die Erhebungen über Kastrirer und Abdecker.) *) Die Gewähr beim Viehhandel hat das Handelsgesetzbuch vom 24. Juni ıg61 $ 347 (G.-S. S. 553) einfach dahin festgesetzt, dass dem Käufer obliegt, zu erweisen, dass das Thier den im Vertrage nicht vorgesehenen oder nicht gesetzmässigen, mit mittler Art und Güte nicht vereinbaren Mangel, bezügl. die Krankheit, bereits zur Zeit des Empfanges gehabt, und dass er die Anzeige dem Verkäufer ohne Verzug nach der Entdeckung gemacht habe. Aehn- lich allgemein sind die Bestimmungen des Code Napoleon und des Römischen Rechtes auch A42 XXVIII. Theorie der Züchtung und Ernähruag, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. kastri-| Abdecker Regierungs- Darunter 1864| "er | undWochen- 1822|1831|1840|1349 1858 1864 Departements | Und mmeielen bezirke und Kreis- | Kam- 1861 Thierärzte ıner- überhaupt I. II. I. I. Besol- i jüger MEERE UL BER TS LER Bi Kr ge em Kon Kandel | Klasse Klasse|Klasse|Klasse| zanı | dungen 1858 Zahl der Thierärzte Vieh- | Scharfrichter, Thlr. | u.Lehr- linge Königsberg. . | 15 Gumbinnen . 1 600 1750 Danzig 900 Marienwerder I 500 Kiöslinglans .ue I 000 I 300 Frankfurt D D „ D D Stettin’... .. Stralsund Bromberg .. H nw nNpVn Pin wnT Berlin ?...... Potsdam... Oppeln... Breslau.... Liegnitz ... Magdeburg. . Merseburg . . Erfurtälse er; Minden. Münster .. Arnsberg... Düsseldorf , Hohenzollern Staat 1387 |428 |613 | 848 629 | 428 655 1372 245 615 | 813 | 404 1057 1027 Davon auf dem platten Lande |ırz | 83 |ı09 | 69 358 5 beim Vieh- und Thierkauf überhaupt. Das Preussische Recht aber und die meisten Deutschen Landesgesetzgebungen stellen für den Viehkauf besonders namhaft gemachte Krankheiten, sogen. Gewährskrankheiten oder Hauptmängel, mit bestimmten Gewährsfristen für dieselben auf, binnen welchen Fristen der Käufer die Vermuthung für sich hat, dass der Mangel bereits vor der Uebergabe vorhanden gewesen sei, so dass dem Verkäufer der Gegenbeweis zur Last fällt. Allg. Landrecht Th. I. Tit. ır $ 199— 206. Diese Gesichtspunkte haben noch neuer- dings in dem Gesetz für die Hohenzollernschen Lande vom 5. Juni 1863 (G.-S. S. 445), be- treffend die Gewährleistung bei einigen Arten von Hausthieren, Ausdruck gefunden, XXVIIL Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. 443 Den Bedürfnissen der Staatsverwaltung ist durch die besoldeten Thierärzte zunächst genügt; auch klagen dieselben nicht über unzureichende Abfindung für die Hülfelei- stungen, welche polizeilicherseits von ihnen gefordert werden. Wohl aber sehen sich die meisten angestellten wie nicht angestellten Thierärzte in ziemlich unauskömmlicher Lage. Der Grund liegt darin, dass das landwirthschaftliche Publikum gewöhnt ist, thierärzt- liche Hülfe nur in den allerdringendsten Fällen in Anspruch zu nehmen, und je grösser dadurch der Bezirk eines Thierarztes und seine unvermeidlichen Forderungen wer- den, man ihn immer mehr zu entbehren sucht. In der Regel hat auch die Heilung des einzelnen Erkrankungsfalles beim Vieh wenig Werth, und eine wissenschaftlich einsichts- volle, die Nutzbarkeit der Thiere dauernd beobachtende und erhöhende Gesundheits- pflege würde sich lohnender erweisen. Vielleicht vermögen sich die Thierärzte nach dieser Richtung allmählich grösseren Einfluss zu schaffen, gegenwärtig bleibt dieselbe meist dem eigenen Auge des Wirthes oder oft sehr ungeeigneten Leuten überlassen. Gleichwohl wird nicht selten, wenn sich die schwierigen Erkrankungen unglücklicher- weise häufen, Beschwerde über Mangel an Thierärzten laut. Nach der Kab.-Order vom 29. Oktober 1847 soll desshalb da, wo aus anderen, als veterinär-polizeilichen Rück- sichten die Vermehrung der Kreisthierärzte gewünscht wird, für deren Anstellung die thätige Mitwirkung der Landwirthe und Viehzüchter durch Bewilligung fortdauernder Besoldungszuschüsse, namentlich seitens der ständischen Verbände, massgebend werden. Was die Vorschriften über Ausübung der Veterinärpolizei selbst, den Schutz vor Viehseuchen und die Erleichterungen des Ersatzes der Viehstämme betrifft, so haben sich die schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts massgebenden Anschauungen bis zur Gegenwart bewährt. Schon das Edikt vom 7. Dezember 17:1") gab gute Vorschriften gegen die Ver- breitung von Viehseuchen, und obwohl das Medizinaledikt vom 27. September 1725 Thierärzte nicht nennt, enthielt es doch schon alle Grundlagen der späteren Medizinal- verfassung. Die Verordnung Friedrich des Grossen vom ı3. April 1769 fasste alles bis dahin Angeordnete von neuem zusammen Sie erhielt bezüglich der Rinderkrank- heiten durch das Patent vom 2. Oktober 1803 wegen Abwartung der Viehseuchen, welches noch gegenwärtig in Geltung ist, eine Wiederholung mit wenigen Abänderungen. In Folge des Auftretens der Cholera wurde unter dem 19. Januar 1832 eine besondere sachverständige Kommission zur Ausarbeitung eines allgemeinen Regulativs über das bei ansteckenden Krankheiten zu beobachtende Verfahren niedergesetzt, welche sich auch mit der Tollkrankheit, dem Milzbrande und mit Rotz und Wurm beschäftigte. Das Ergebniss ihrer Arbeiten enthalten die durch Kab.-Order vom 8. August 1835 (G.-8. S. 240— 286) genehmigten „sanitätspolizeilichen Vorschriften bei den am häu- figsten vorkommenden ansteekenden Krankheiten“ mit einem besonderen umfangreichen Anhange „Belehrung über ansteckende Krankheiten“. Auch erhielt das Patent vom 2. April 1803 eine Ergänzung durch die Verordnung vom 27. März 1836 (G.-S. $. 173). Im wesentlichen sind die Bestimmungen ziemlich streng, setzen Strafen auf jede Verheimlichung und auf fahrlässiges, wie böswilliges Zuwiderhandeln**) und fordern ein energisches Einschreiten der Polizei in allen Fällen, wo gute Absperrung der Ver- breitung der Krankheit vorzubeugen vermag, oder wo die Tödtung der erkrankten Thiere zweckmässiger erscheint, als ein Ansteckung drohendes Heilverfahren. Bezüglich *) Dies und die Folgenden im Corp. Const. Marchie. Bd. V., Nov. Bd. IV. u. XI. *) Vergl. auch Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 (G.-S. S. ı01, $ 307). A44 XXVIO. Theorie der Züchtung und Ernährung, Viehstatistik, Thierarzneiwesen. der Rinderpest, als der offenbar gefährlichsten dieser Seuchen, ist unbedingt angeordnet, dass, sobald in einem einzeln stehenden Gehöfte von weniger als zo Viehhaupt die Krankheit ausbricht, der gesammte Viehstand, kranke wie gesunde, getödtet werden muss. Bei grösseren Heerden und in geschlossenen Orten wird jedes nicht mit be- stimmten Zeichen eines nur äusserlichen Schadens in irgend welcher Art erkrankende Stück Vieh sofort erschlagen. Dafür sagt indess der Staat, gemäss $ 82 der Einleitung zum Allg. Landrecht, so lange keine Viehversicherungsgesellschaft eingerichtet ist, Ent- schädigung zu, und zwar für das getödtete gesunde Vieh den vollen Werth aus der Kreiskasse, für das kranke getödtete Vieh ein Drittheil des Werthes, den dasselbe vor Eintritt der Krankheit nach landräthlicher Taxe hatte, aus der Staatskasse. Für Schlesien, als die von der Rinderpest am ersten gefährdete Provinz, wurden die geforderten Viehversicherungen schon durch Friedrich II. unter dem 24. September 1765 vorgeschrieben, durch das Gesetz vom 30. Juni 1841 aber weiter ausgebildet. Aehnliche stellte die Kab.-Order vom 22. Juni 1845 für die Provinz Preussen her. Das Beispiel der Rinderpest hat gezeigt, dass die bestehenden Vorschriften ihrem Zwecke entsprechen. Während Russland, Oesterreich und in neuester Zeit noch England und Holland von so ausgedehnten Verheerungen dieser Seuche heimgesucht wurden, dass in Grossbritannien 94256, in Holland 27027 Stück ergriffen wurden und davon über 70 pCt. untergingen, ist Preussen trotz zahlreicher Fälle des Ausbruches, welche sich aus allen Jahrzehnten aufzählen lassen, gleichwohl vor jedem grösseren Schaden bewahrt worden Die Krankheit wurde in den Jahren 1955 bis 1865 ır Mal aus Russland, Polen und Galizien in die Ostprovinzen eingeschleppt. Sie brach aus: r. Mitte September 1855 in 7 Ortschaften der Kreise Beuthen und Tost-Gleiwitz und war bis Ende Oktober mit einem Opfer von ı1$ Stück Vieh unterdrückt; 2. im November und Dezember desselben Jahres in 4 Ortschaften der Kreise Inowraclaw und Gnesen und war erstickt bis Ende Januar 1856 mit 83 Opfern; 3. zu derselben Zeit auf einem Dominium im Kreise Wreschen und in einer Ortschaft des Kreises Adelnau mit einer Dauer bis Ende Januar 1856 und 116 Opfern; 4. zu derselben Zeit und mit gleicher Dauer in den Kreisen Neidenburg, Osterode, Mohrungen und Preuss.-Holland mit 263 Opfern; 5. im April bis Juni 1856 in etwa 30 Ortschaften der Kreise Steinau, Guhrau und Wohlau mit einer Dauer bis Oktober und einem Verluste von 1068 Stück; 6. im Mai desselben Jahres in der Stadt Schrimm und den Kreisen Fraustadt und Schroda in 13 Ortschaften und bis Mitte Sep- tember mit 998 Opfern; 7. im März 1857 in den Kreisen Pless, Tost-Gleiwitz, Beuthen und Neumarkt, erstickt bis zum Mai mit 193 Stück Verlust; 8. im April desselben Jahres im Kreise Tilsit sofort erstickt mit 13 Stück Verlust; 9. im Dezember 1959 auf einem Do- minium im Kreise Ratibor, bis Februar 1860 erstickt mit 170 Opfern; 10. in demselben Monate in den Kreisen Nimptsch und Breslau sofort erstickt mit Verlust von 133 Stück; ıı. im November 1864 in einer Ortschaft des Kreises Ratibor sofort unterdrückt mit 40 Opfern. Der Gesammtverlust war also bei ır Einbrüchen der Seuche im Laufe von ıo Jahren 3 233 Stück und würde noch viel unbedeutender sein, wenn dieselbe nicht zwei Mal (zu 5 und 6) durch Unterlassen der amtlichen Anzeige Zeit gewonnen hatte, sich über die zuerst angesteckten Ställe hinaus zu verbreiten. Erreicht aber ist dieses Resultat allerdings nur durch die strenge und einmüthige Ausübung der durch das ge- dachte Patent gegebenen Vorschriften. KAIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Dass die Pferdezucht in Deutschland schon in der Zeit der ältesten Nachriehten beträchtlich gewesen ist, ergiebt sich aus den zahlreichen Reiterschaaren, mit denen die Deutschen den Römern in allen Kämpfen entgegentraten; auch erzählt Taeitus, dass das Ross einen Theil der Mitgift ausmachte, welche der Mann in die Ehe einzubringen hatte, und dass die Pferde zwar weder durch Schönheit noch Schnelligkeit ausgezeichnet waren, aber sehr werth gehalten und hoch genug geschätzt wurden, um in Heilig- thümern verehrt und zu Weissagungen gebraucht zu werden!). Dagegen sind keine Nachrichten erhalten, welche auf wilde Pferde schliessen liessen; die späten Angaben, dass sich solehe an der Emscher und im Davert gefunden hätten *), werden mit Recht auf verwilderte alte Stutereien gedeutet. Aus den Volksgesetzen wissen wir, dass man damals Heerden von je ı2 Stuten und einem Beschäler einem Marschalk, Hirten oder Gestütsknecht zu übergeben pflegte. Es werden Hengste, Stuten, Wallachen und Füllen, Reit-, Zug- und Ackerpferde er- wähnt. Bei Blindheit, Bruch, Steifheit und Rotz galten Gewährsvorschriften ®). Auch verbot der Pabst noch durch Bonifacius den bekehrten Thüringern ausdrücklich das Essen des Pferdefleisches. Später erwähnt Karls des Grossen Capitulare de villis (e. 13—15, 50) auf 3 Gütern Stutereien von je etwa ıoo Haupt. Eine genauere Kenntniss des alten Pferdematerials, aus dem unsere heutigen Land- schläge hervorgingen, haben wir nicht. 1) Germ. 6, 10, 18. — Pferde, in Ersch u. Gruber Encycelp. — v. Peucker, das deutsche Kriegswesen der Urzeiten, Berlin 1861, Bd. II. S. 53 ff. 2) Nach Urkunden von 1316, 1435 und 1498, s. Roth v. Schreckenstein, Betrachtungen über die Pferdezucht mit besonderer Rücksicht auf Westfalen, Karlsruhe 1851, 8. 5. %) L. Ripuar. XVII. L. Allemannor. LXX. 2—5, LXXIX. 5. L. Salie. XLL., XXVI. 2. C. Bajuvar. XIII. 10, XV.9 $ 2. — C. E. Langethal: Geschichte der teutschen Landwirth- schaft Bd. I. 31, 62. 446 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Im allgemeinen unterscheidet sich unter den gewöhnlichen Landpferden der kleine Schlag des polnischen Pferdes von dem grösseren Arbeitspferde der deutschen Bauern. Jenes, den Steppenpferden verwandte, selten 5 Fuss erreichende, überaus genüg- same und harte Thier, war bis auf die neuere Zeit bei der slawischen Bevölkerung das herrschende. Es entsprach für wenig ausgebildeten Ackerbau in vorzugsweise leichtem Boden dem Bedürfniss und ist auch gegenwärtig noch bei den bäuerlichen Wirthen der Sandgegenden Oberschlesiens, Posens und Ost- und Westpreussens ziemlich verbreitet. Von den Bauerschaften Mittel- und Westdeutschlands dagegen wurde seit alter Zeit ein starkes Arbeitspferd gezogen, dessen sie zu ihrem schweren Pfluge bedurften und das sie bei der Kolonisation der slawischen Länder auch über diese verbreiteten. Die Neigung des deutschen Bauern für die Pflege des Pferdes und der Werth, den er auf eine gute, wohlgenährte, meist sein Bedürfniss überschreitende Bespannung lest, sind bekannt. 3 Die Rasse dieses deutschen Landpferdes lässt sich nicht bestimmen. Man kann ihm allgemein Verwandtschaft mit dem Ardennerpferde zuschreiben, oder norische, böhmische, holsteinische, friesische und andere Schläge als ursprüngliche unterscheiden. Jedenfalls war die überall verbreitete Aufzucht auf grossen, nach Gemeinden getrennten Hutweiden bei der wechselnden Beschaffenheit der mitteldeutschen Gegenden sehr geeignet, individuelle Verschiedenheiten auszubilden und festzuhalten. Dagegen ist auch bekannt, dass schon früh spanische, neapolitanische und orientalische Pferde an die Höfe der Fürsten und Grossen gelangten, und Deutschland war durch alle Jahrhunderte zu oft der Kriegsschauplatz für fremdländische Heere, als dass sich die Kreuzungen vielerlei fremden Blutes bezweifeln liessen. Auf dem jetzt preussischen Gebiete sind die ersten bekannten Versuche regel- mässiger Gestütsanlagen in Ostpreussen von den Hochmeistern des deutschen Ordens gemacht worden*). Dieselben errichteten nachweislich bei den Burgen oder Ordens- komtureien Balga, Kobbelbude, Grünhof, Beeslack, Tapiau, Georgenburg und Ragnit Stutereien; und es scheinen auf diesen, für Pferdezucht vortrefflich gewählten Punkten trotz der wechselnden Schicksale des Landes Gestüte fortbestanden zu haben, denn es wird erwähnt, dass der letzte Hochmeister Albrecht v. Brandenburg fremde Fürsten daher mit Pferden beschenkte; auch liess Georg Wilhelm nach einem Schreiben vom 28. Juli 1624 Stuten und Beschäler aus Preussen nach der Mark kommen. In den letzten Dezennien des 17. Jahrhunderts standen die fürstlichen Gestüte in Ostpreussen mit denen der westlichen Landesgebiete in lebhafter Beziehung. Zum Theil durch das Gestüt zu Treptow vermittelt, fanden Sendungen dänischer, friesischer, spanischer, neapolitanischer, auch orientalischer und englischer Hengste statt. — Das älteste Zeugniss einer Einwirkung der fürstlichen Gestüte auf die bäuerliche Pferdezucht ist ein Bericht vom 25. Juni 1670**), welcher bekundet, dass in Rügen- walde den Bauern gegen 2 Scheffel Hafer die kurfürstlichen Beschäler verstattet wurden, wenn sie dem Amte die Hengstfüllen gegen je 5 'Thlr. abliessen, dass aber dieser Versuch nach einigen Jahren, als wegen schlechter Abwartung der Fohlen nutzlos, wieder aufgegeben worden. *) Die Pferdezucht in der Provinz Preussen von v. Bujack-Meduniszken. In der Festgabe für die XIV. Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe. Abgedr. Annalen Bd. 42 S. 228. *) 0. Mentzel: Die Remontirung der preussischen Armee, Berlin 1845, S. 281. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. A47 Später war einer der ersten Regierungsakte Friedrich Wilhelm I. eine Kab.-Order vom 3. April 1713“), welche die frühe Benutzung der Hengste und den Schaden, den die Stutfüllen auf den Hutweiden durch die Hengste nehmen, als Uebel bezeichnete, denen abzuhelfen der Fürst zur Erlangung tauglicher Acker- und Kavalleriepferde kein anderes Mittel finde, als aus seinen eigenen Gestüten tüchtige Hengste aussuchen und an passenden Orten zum Beschälen gegen ein billiges Sprunggeld vertheilen zu lassen. Sie ordnet desshalb an, dass die anderen vorhandenen Hengste fördersamst abgeschafft und auch die Hengstfohlen künftig geschnitten, solehe bäuerliche Wirthe aber, welche Hengste zum Beschälen herleihen, oder sie benützen, bestraft werden sollen. Wie weit diese Vorschriften, deren Absicht die neuere Zeit nahezu verwirklicht hat, damals zur Ausführung kamen, ist nicht bekannt. Von dem nachhaltigsten Erfolge aber war die Fürsorge, welche Friedrich Wilhelm I. der preussischen Pferdezucht durch die in einer Kab.-Örder vom ır. Juli 1731 angeord- nete und im Jahre 1732 ausgeführte Begründung des Trakehner Gestüts erwies. Diese Anlage, die auf einem den Sümpfen abgewonnenen Terrain von etwa 14.000 Morgen durch die Vereinigung der Gestüte mehrerer Königlicher Aemter geschaffen wurde, war zunächst allerdings nur zur Remontirung der fürstlichen Marställe bestimmt und wurde von Friedrich II. wenig unterstützt; der grossartige Massstab aber, in dem sie ausgestattet war, machte es ihr möglich, sich unter der sorgsamen Pflege des Präsidenten v. Domhardt durch alle Ungunst der wechselnden Kriegsjahre nicht blos zu erhalten, sondern auch für die Pferdezucht Ostpreussens lebendig wirksam zu er- weisen. Auf Trakehnen mehr oder weniger gestützt und wesentlich aus dessen jährlich zum Verkauf gestellten Pferden remontirt, entstanden auf den Königlichen Aemtern in Littauen Privatgestüte, die sich des besten Rufes erfreuten. Schon wenige Jahre nach dem Hubertsburger Frieden waren Georgenburg, Kassuben, Waldau-Kadel, Göritten, Szirkupoenen, Löbgallen, Schreitlaugken, Stannaitschen, Königsfelde und Ragnit und von adligen Gütern Tolkendorf in Blüthe. Der Pferdebestand in Trakehnen wird 1740 auf 5r Hengste und 368 Mutterstuten angegeben. Einige Zeit darauf wurde die Stuten- zahl auf 300 heschränkt, damit sich das Gestüt aus eigenen Futtermitteln mit Nutzen erhalten könne. 1771, also ı00 Jahre nach dem ersten ähnlichen Versuche, führte der Amtsrath Wlömer als Administrator von Trakehnen mit Bewilligung v. Domhardt’s den Gedanken durch, Bauernstuten unentgeldlich von Trakehner Hengsten decken zu lassen. Schon 1779 wurden 58 Füllen von 174 Bauernstuten gewonnen, was unter damaligen Verhält- nissen befriedigen konnte. Indess erst 1786, als Graf Lindenau als Oberstallmeister des Königs die Leitung der Gestütsangelegenheiten übernahm, gewann diese Idee die Gestalt, die sie bis heut zu einem der eingreifendsten Förderungsmittel der preussischen Pferdezucht gemacht hat. Graf Lindenau begann zunächst für die Provinz Preussen die gegen den Wort- sinn Landgestüte genannten Depots von Königlichen Hengsten einzurichten, um die für einen gewissen grösseren Distrikt genügende Zahl Beschäler das Jahr über in Ställen unterbringen und von diesen aus durch die Monate Mai und Juni in geeigneten *) C. C. M. Bd. VI. m. S. 135. — Abgedr. in Gräfe: Zur Geschichte des littauischen Landgestüts, Berlin 1862, S. 1. 448 XXIKX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Stationen und unter Aufsicht von Gestütswärtern über das Land zum Bedarf der Stuten- besitzer vertheilen zu können. Es wurden 4 solcher Ställe zu Trakehnen, Insterburg, Oletzko und Rasnit erbaut und 260 Beschäler für sie zum Theil aus Trakehnen, meist aber durch Ankauf beschafft. Die Kosten der Bauten allein betrugen 68 958 Thlr. 1789 waren alle Ställe bezogen. Die Zahl der gebrannten Stuten, welehe nur von den Landbeschälern gedeckt werden durften, betrug anfangs 7212, später durch- schnittlich 10000 Stück, die Zahl der Hengste 1796 schon 310. Inzwischen war 1788 auch ein Landgestüt für Westpreussen zu Marienwerder be- gründet worden, und in demselben Jahre das Friedrich-Wilhelms-Hauptgestüt zu Neustadt a. d. Dosse. Letzteres war nach dem Gedanken Lindenau’s hauptsächlich zur Züchtung von orientalischen und englischen Vollblutpferden für den Königlichen Reitstall, und als Pepiniere für die übrigen Gestüte bestimmt. Sein Areal umfasst 2 600 Morgen. Im folgenden Jahre erhielt es auch ein Landbeschälerdepot „Lindenau*. Mit der Gründung aller dieser Schöpfungen verknüpfte sich als ein Hauptgesichts- punkt, der bis auf die Gegenwart bestimmend fortgewirkt hat, die Absicht, soviel als möglich die Armee durch preussische Pferde zu remontiren, und dadurch sowohl das Militärwesen Preussens vom Auslande unabhängig zu machen, als die Kosten der Re- monten zum Besten der Landespferdezucht dem Lande wieder zufliessen zu lassen, Schon ein Kabinetsschreiben vom 6. Oktober 1786!) sprach diese Absicht in Bezug auf die anzulegenden Landgestüte aus, und unter dem 24. Mai 1788 gab der König „zum Besten der Provinzen, insbesondere zur Verbesserung der Kavallerie und zur Veredlung und Vermehrung der Pferdezucht“ die Genehmigung, dass die Kavallerie- Regimenter, soweit sie nicht schon theilweis auf inländische Remonten angewiesen waren, ihre Pferde im Lande kaufen sollten, und sprach seinen Willen aus, dass dieser inländische Ankauf möglichst befördert werde. Obwohl allerdings der Bedarf bei weitem nicht zu decken war, und 1791 nur 200 bis 300 Remonten gekauft werden konnten, stieg doch diese Zahl 1792—94 schon auf jährlich 500— 600 und 1795 auf 1000 Stück. Die weitere Entwickelung aber unterbrach der Krieg. Die märkischen und preussischen Gestüte mussten mehrmals flüchtig werden, und mit den besten Pferden theils in Pommern und Schlesien, theils sogar in Russland Schutz suchen, die schlech- teren wurden in grosser Anzahl verkauft und anderweit verwendet. Durch den Friedensschluss erhielt Preussen mit den vormals sächsischen Ländern das bedeutende, auf 3 Vorwerken mit etwa 4 700 Morgen Land begründete Hauptgestüt zu Graditz bei Torgau. Ferner befand sich in der Exklave Schleusingen das kleine, bald aufgehobene Gestüt der Domaine Vessra?). Beide hatten erheblich gelitten. Die früher bedeutenden Gestüte, die in den verschiedenen Territorien, welche nunmehr die geschlossene Masse der Rheinprovinz bildeten, bestanden hatten, namentlich die Duisburger °) und die Paderborner in der Senne, waren aufgelöst. 1) O. Mentzel a. a. O. S. 352. 2) Vessra bestand seit 1677, Graditz seit 1570 (Fraas a. a. O. 1852 S. 593). 3) Im Sarner Walde bestand seit alter Zeit ein sogenanntes wildes Gestüt, welches indess 1g15 wegen seiner Nachtheile für die Forstkultur und weil die besten Pferde fort- geführt waren, aufgehoben wurde. Es lieferte nach einem Berichte vom 16. September 1816 zum Theil schöne und sehr dauerhafte, aber fast durchgehends nur kleine Pferde. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge, 449 Der Pferdebestand im ganzen Staate war, wie die Zählung zeigt, nicht soweit zurückgegangen, als man annehmen sollte. Krug gab ihn in seinen „Betrachtungen über den Nationalreichthum des preussischen Staates“ (Bd.I. S. 102) für das Jahr ıgor bei einem gegen die späteren Grenzen um etwa Yıı grösseren Umfange des Staatsgebietes auf 1544 189 Stück an; die erste Zählung nach dem Kriege im Jahre 1816, die minde- stens die wahre Zahl nicht überschritten hat, ergab, wie Tabelle @. ı der Anlagen zeigt, 1243261. Dass aber dieser Bestand nur sehr wenige kriegstaugliche Pferde enthielt, und in allen Gegenden Noth und Vorspannbeschwerden die Thiere und ihre Zuzucht in hohem Grade zurückgebracht hatten, unterliegt keinem Zweifel. Nach Herstellung der Hauptgestüte war das nächste Ziel der Staatsregierung die neue Aufnahme und Erweiterung der Landgestüte. Die ostpreussischen wurden in Tra- kehnen, Gudwallen und Insterburg, das westpreussische in Marienwerder, zugleich für Hinterpommern, und das Landgestüt Lindenau für Brandenburg und für die Regierungs- bezirke Stettin und Stralsund wieder eingerichtet. Schlesien erhielt ıgrg das Landgestüt zu Leubus; um dieselbe Zeit Sachsen das zu Merseburg, welches ıg29 nach Repitz bei Graditz verlegt worden ist. 1925 wurde ein Landgestüt für Westfalen zu Warendorf, 1828 eines für Posen zu Zirke und endlich 19840 ein solches für Rheinland in dem 'Schlosse zu Engers eingerichtet, aus dem aber schon im folgenden Jahre die Verlegung nach Wickerath*) bei Düsseldorf erfolgte. Mit der Herstellung der Gestüte wurden auch die Bestrebungen für die völlige Unabhängigkeit der Remontirung vom Auslande wieder aufgenommen**). Die in der Tabelle Q.7 der Anlagen wiedergegebene Nachweisung zeigt, wie bald dieses Ziel erreicht wurde. 1827—30 geschahen die letzten unbedeutenden auswärtigen Ankäufe in Holstein und Mecklenburg, und zwar nur noch für Kürassiere. Seitdem wurden an Remontepferden durchschnittlich jährlich angekauft: in der Provinz Preussen in den mittlen Provinzen in den westlichen Provinzen 1827—1836 | 1948 Stück zuje 78,: Thlr.| ı 107 Stück zuje 91,9 Thlr.| 28 Stück zu je 107,» Thlr. 2837 1840,|2,17200 0 50 „un 0 83,800, W|LooAsıl, nn H6run LSB Dias LIO n 1847—1856 1932 » » » IOZ3o0 » 883 ” n » I2I2 » 143 » » » 1242 n 1857— 1866 ZOLTUE SER 5 1449 » DES 1525 n» 134 » nn» 167,6 ” Dieser regelmässige Ankauf von jährlich über 3000 Stück Pferden zum Preise von 60— 250 Thlr., für welchen nur wirkliche Gesundheit und Brauchbarkeit, nicht höhere Anforderungen an Rasse und Aeusseres massgebend werden, der also vorzugsweise aus bäuerlichen Händen erfolgt, ist in seinem Einflusse auf die Entwickelung der Landes- pferdezucht sehr hoch anzuschlagen. Wo die Remontemärkte regelmässig stattfinden, hat der kleine Wirth die Zuver- sicht für ein sorgfältig aufgezogenes Füllen einen sicheren Abnehmer zu einem, wenn auch mässigen, doch genügenden Preise zu finden. Die Remontekommissionen ver- breiten dureh die Art ihrer Beurtheilung und ihre Hinweisungen bei der Auswahl der Pferde Kenntniss der Fehler und guten Eigenschaften und Blick und Interesse für gute Anzueht und richtige Ausbildung. Für die vorzugsweise gestütreichen Gegenden *) In Wickerath hatte friher Napoleon durch Dekret vom 14. Juli 1806 ein Gestüt für 3 Departements gegründet, welches 1808 eröffnet wurde und auf 70—80 Beschäler sehr gut eingerichtet war, aber noch vor der preussischen Besitznahme einging. *) Vergl. O, Mentzel a. a. O. S. 204, 440. Boden d. preuss. Staates. IL 29 450 XXIRX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Littauens aber ist dieser verhältnissmässig grosse Ankauf der wahre Erhalter der dortigen zur Industrie gewordenen Züchtung. Die bäuerlichen Wirthe Littauens benutzen vorzugsweise geeignete Zuchtstuten als Zugvieh, und erhalten durch die Landbeschäler von einer Bespannung von $ Pferden 4—6 Fohlen, von denen sie nur ı oder 2 zur eigenen Anzucht behalten, die übrigen an Händler aus anderen Provinzen, grösstentheils aber an die Besitzer der Privat- gestüte zu einem Preise verkaufen, welcher die Aufzugskosten der zurückbehaltenen reichlich deekt. Die Privatgestüte können des Remontebedürfnisses wegen starke An- käufe machen, und vermögen ihrerseits aus dieser grösseren Zahl Pferde diejenigen zusammenzustellen, die ihnen für den Privathandel als geeignete Waare erscheinen. Da es völlig von ihrem Gutdünken abhängt, ob sie an die Remontekommissionen ver- kaufen wollen, liest es in ihrer Hand, diejenigen Pferde zurückzubehalten, von denen sie im Privathandel bessere Preise erwarten, und für die Nachfrage derjenigen Händler, mit denen sie im Geschäftsverbindung stehen, Fürsorge zu treffen. Die Remontepferde werden aus verschiedenen erheblichen Gründen schon in dem frühen Alter von 3Y2 Jahren angekauft. Dieser zeitige Ankauf sichert eine grössere Aus- wahl, hält die Konkurrenz der Händler fern, welche nur ältere Pferde kaufen können, und ist für diejenigen Remonten, welche aus den mit der Pferdezucht nicht genauer vertrauten Gegenden erworben werden, unbedingt erforderlich, um die Pferde mit Sicherheit der frühen Benutzung zu entziehen. Selbst wenn bei den bäuerlichen Wirthen die nöthige Einsicht vorhanden ist, geht es meist über ihre Mittel, ein dreijähriges Pferd richtig zu behandeln. Es ist keine Frage, dass sehr viele Fohlen, die jetzt die Armee gesund kauft, durch Unfälle und Gewinnsucht in diesem kritischen Alter Beschä- digungen erleiden würden, die sie mehr oder weniger untauglich machen müssten. Auch befindet sich die Armee dadurch, dass sie die Pferde ein Jahr vor ihrer Ein- rangirung in die Linie übernimmt, in der Lage, den Ersatz eines ganzen Jahres für den Gebrauchsfall schon in Bereitschaft zu haben. Die jungen Pferde wurden früher durch das erste Jahr bei den Regimentern verpflegt und nach und nach eingeschult; diese Einrichtung erwies sich indess als un- zweckmässig und die Allerh. Kab.-Order vom 26. November 1820*) genehmigte die Anlage sogenannter Remontedepots. Diese Anstalten bestehen aus mehreren, durch eine Königliche Administration verwalteten Wirthschaftsvorwerken. Es steht dem Betriebe ein erfahrener Landwirth und Pferdepfleger vor, dem das nöthige Personal an Wirthschaftsbeamten, Futtermeistern und Remonteknechten untergeordnet und ein Rossarzt beigegeben ist. Die aufgekauften Remonten werden hier gesammelt und in Abtheilungen von 12— 20 Stück in geräumigen, etwa go Fuss im Quadrat haltenden Ställen, welche freie Bewegung gestatten, unan- gebunden eingestellt. Soviel als möglich werden die Pferde täglich auf Tummelplätze oder auf Hutweiden an die freie Luft gebracht. Das Futter wird durch die Land- wirthschaft des Depots beschafft, die auch im übrigen möglichst auf Selbsterhaltung angewiesen ist. Die Allerh. Kab.-Order vom 12. Februar 1821 übergab für diesen Zweck zuerst das Amt Treptow an der Rega der Remonteverwaltung, bald wurde eine grössere Anzahl begründet, welche nach Lage, Besetzung und Fläche folgende Uebersicht ergiebt: *) O. Mentzel a. a. O. S. 407. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge.e A451 leer 1850 | 1855 | 1860 | 1863 Mn Pferdezahl 1821 | in Treptow a. d. Rega ........ 5sı7| 474| 453| 567| 5ı4[| 7501 1822 | in Jurgaitschen (2 M. WNW. Dar- EN) oc v0, 00 De 642| 658| 792| 7812| 755| 11443 1822 | in Sperling (21% M. ONO. Angerburg) 301] 325| 360| 403| 332] 4027 78231 ING RArDiE Dan NV erellenen state efek erento 5320| 447| 455| 730| 6981| 6459 1826 | in Kattenau (1'/; M. W. Stallupönen) 4955| 4701 455| 484| 5131 7133 1832 | in Bärenklau (3 M. N. Spandau) .. 4712| 429| 374| 506| 4241 7.625 1836 | in Brakupönen (1%; M. NNO. Gum- Dinnen)weeger er enger Fareltenenerellsnere 400) 369| 3491| 423| 3838| 5316 Be in Boyenstein (bei Beckum) ..... 350| 253 1862) auf Mentzelsfelde...... 2... 0. 2 I2I| 243 ABO EN WARSIEZ Eee je afiehetelle.alteitelanallen Ä . . 195: 33% 1862 | in Ferdinandshoff (2 M. SW. Ucker- MUunde)slereye ser sweheierten se leragellenene 296 | 3706 | 3 425 3359| 4332| 4352| 5 Zur Bestreitung aller Ausgaben in sämmtlichen 9 Depots des Staates sind von der Staatskasse an Zuschuss für das Pferd gewährt: 1839—ı856 45 Thlr., 1857— 1860 48 Thlr., 1861— 1863 52 Thlr. Als Ersatz der Mehrkosten und des Ausfalls an Domainennutzungen muss, abgesehen von dem wirthschaftlichen Nutzen der Pferdezüchter, die ihr Kapital ein Jahr früher umsetzen, die Preissteigerung in Anschlag gebracht werden, die bei dem Ankauf einer so grossen Zahl diensttauglicher Pferde in höherem Alter ent- stehen würde, auch die längere Dauer des Gebrauchs bei den Regimentern und der bessere Zustand, in dem die Pferde bei der Ausrangirung dem Publikum überlassen werden. Das Nähere über die Organisation und die Etatsverhältnisse des Gestütswesens wird bei der Darstellung der Behörden im VI. Hauptstücke angegeben werden. — Ein weiterer Schritt für die Verbesserung der Landespferdezucht waren die vom Jahre 1828 an ins Leben gerufenen Hengstkörordnungen. *) Solche Körordnungen hatten schon im vorigen Jahrhundert in einigen Landes- theilen bestanden, und die Kab.-Order vom 6. März 1817 fasste den Gedanken auf, sie zum Nutzen der ländlichen Anzucht wieder einzuführen. In Westfalen wurde diese Anregung weiter verfolgt und nach mehrfachen ständischen Berathungen trat die Kör- ordnung vom 20, April 1827 (v. Kamptz Annalen Bd. Il. S. 402) für diese Provinz in Kraft. Sie fordert, dass alle Hengste, welche zum Belegen der Stuten anderer Eigen- thümer dienen sollen, den von den Bezirksregierungen anzuordnenden Schauämtern vor- geführt werden müssen. Diese sollen aus zwei erprobten Saehkundigen und einem Thierarzte zusammengesetzt sein. Als Beschäler dürfen nur solche Hengste genehmigt werden, welche, selbst zu brauchbaren Reit- oder Zugpferden geeignet, gute Fohlen erwarten lassen. Sie müssen über 3 Jahre alt und dürfen nieht älter als zo Jahre, auch nicht unter 5 Fuss rhein. gross sein. Unzulässig sind solche Beschäler, welche mit äusseren Erbfehlern, als Spat, Hasenhacke, Schale, Augenfehlern, oder mit erb- *) Vergl. Lette u. v. Rönne: Landeskulturgesetzgebung, Berlin 1854, Bd. IL.b. S. 755 fl, 29* 45% XXIK. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. lichen innerlichen Fehlern, als Koller, Dampfigkeit, Krippensetzen, Fallsucht, oder mit sonstigen bedeutenden Mängeln, wie grosser Senkung oder Krümmung des Rückens, zu langen Fesseln, hervorragenden Hüften, Gebogenheit der Kniee, nicht zureichender Stärke der Vorderschenkel u. dgl. behaftet sind. Die Körung gilt nur für eine Sprung- periode; über jeden Hengst wird ein Nationale aufgenommen und er erhält ein bezüg- liches Attest. Diejenigen, welche einen nicht gekörten oder verworfenen Hengst gegen Bezahlung oder unentgeltlich zur Deckung fremder Stuten hergeben, namentlich ge- werbsmässige Hengstreiter, verfallen in 10—2o Thlr. Strafe; der Eigenthümer der Stute büsst 5—ıo Thlr. Die Körgebühren betragen für den Hengst nur ıo Sgr. Die Organisation veränderte der Erlass vom ıı. Januar 1836 (Kamptz Annalen Bd. 20 S. 600). Diese westfälische Körordnung machte der rheinische Provinziallandtag zum Gegen- stand seiner Anträge. Sie wurde desshalb am 20. Dezember 1832 (Kamptz Annalen Bd. 16 8. 919) auch für alle Regierungsbezirke der Rheinprovinz gültig erklärt. Eine ähnliche Körordnung wurde unter dem 14. Juli 1830 für Schlesien (Kamptz Annalen Bd. 14 S. 544) erlassen. Sie unterschied sich von. der westfälischen nur durch grössere Strenge gegen die Hengstreiter, welche von denjenigen Bezirken, die mit. Landbeschälern aus den Königlichen Gestüten zureichend besetzt sind, gänzlich ausgeschlossen, auch mit Verlust ihrer Gewerbebefugniss bedroht sind, wenn sie einen ungekörten Hengst decken lassen. Im übrigen aber setzt sie Strafen für den Besitzer der Stute nicht fest und giebt dem Landrath den Vorsitz der Schaukommission. Später wurde diese Körordnung der Revision bedürftig erachtet, indess wegen der sehr aus- einandergehenden Wünsche der Regierungen durch Kab.-Order vom 31. Dezember 1855 gänzlich ausser Kraft gesetzt und den Regierungen überlassen, nach $ ır und 12 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom ır. März 1850 (G.-S. S. 265) im Verordnungs- wege anderweite Körvorschriften aufzustellen. Eine der schlesischen fast wörtlich gleichlautende Körordnung vom r. Septbr. 1835 (Kamptz Annalen Bd. 20 S. 597) erging für Posen, auch sie wurde durch eine Allerh. Ermächtigung vom ı. Februar 1858 ausser Kraft gesetzt, gleichzeitig aber in allen wesent- lichen Bestimmungen und mit gänzlichem Verbot des Hengstreitens in beiden Regierungs- bezirken der Provinz unter dem ı0. November 1859 (Amts-Bl. Posen No. 46, Amts- Blatt Bromberg No. 46) als Polizeiverordnung wieder in Kraft gesetzt. Von den anderen Provinzen hat Preussen niemals eine Körordnung einzuführen versucht, Pommern den Erlass der vorgeschlagenen abgelehnt. In Sachsen bestand für die Altmark lange Zeit die Einrichtung, dass die Gewerbescheine den Hengstreitern nur nach einer vorher vorgenommenen sachverständigen Untersuchung der Hengste er- theilt wurden. Körordnungen sind dagegen nur für einzelne Kreise, zuerst unter dem 16. Januar 1854 (Amts-Bl. No. 3) für Bitterfeld, Eckartsberga, Liebenwerda, Merseburg, Naumburg, Querfurt, den Saalkreis, Sangerhausen, Schweinitz, Torgau, Weissenfels und Wittenberg im Regierungsbezirk Merseburg; unter dem 15. September 1855 (A.-Bl. No.40) für Jerichow IL, Salzwedel, Stendal und Osterburg im Regierungsbezirk Magdeburg; und unter dem 30. November 1855 (in den Kreisblättern) für Nordhausen, Worbis, Heiligen- stadt, Erfurt und Weissensee im Regierungsbezirk Erfurt erlassen worden. Auch diese sind im allgemeinen der schlesischen gleich, nur unterwerfen sie Vollbluthengste, deren Abstammung aus den Stutbüchern nachgewiesen ist, der Körung nicht. In der Mark hat die Regierung zu Frankfurt unter dem ı5. November 1855 eine ähnliehe Körordnung für ihren Bezirk erlassen. Im Regierungsbezirk Potsdam aber XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 453 sind nur für einzelne Kreise Publikationen erfolgt, nämlich für Teltow vom 10. Oktober 1857 (Amts-Bl. S. 387), Beeskow-Storkow vom 28. November 1857 (Amts-Bl. S. 445), Jüterbog-Luckenwalde vom 4. Januar 1858 (A.-Bl. S. 16), Osthavelland vom 20. Januar 1858 (Amts-Bl. S. 39), Niederbarnim vom 23. März 1858 (Amts-Bl. S. 106), Ostpriegnitz vom 17. Juli 1858 (Amts-Bl. 8. 262), endlich Zauch-Belzig vom 4. Juni 1861 (Amts-Bl, St. 25). Diese Körordnungen befreien alle Hengste, für welche ein Deckgeld von ı Frd’or. und mehr gefordert wird, sowie diejenigen von der Körung, welche unentgeltlich decken. Nur im Kreise Zauch-Belzig ist eine Befreiung bei unentgeltlichem Decken nieht zulässig. Aus den Regierungsbezirken, in denen Körordnungen bestehen, lassen sich folgende Angaben über die in den letzten Jahren vorgestellten und angekörten Hengste machen: Regierungs- 1864 1865 bezirke, in denen Hengste vor- an- vor- an- vor- = Au - an- gekört wurden gestellt | gekört | gestellt | gekört | gestellt | gekört | gestellt | gekört | gestellt | gekört Frankfurt . Potsdam Breslau Liegnitz Magdeburg... . Merseburg... . Erfurt Minden Münster Arnsberg Düsseldorf, .. . Was die Ziüchtungsprinzipien selbst betrifit, so ging in früherer Zeit in den dafür massgebenden Gestüten sowohl des Staates als der Privaten, die Absicht der Züchtung nur im allgemeinen auf Veredelung. Man kreuzte zwar nach demselben Grundgedanken, der das Vollblut geschaffen hat, hochedle sogenannte Rassestuten englischer Abkunft mit orientalischen Hengsten, aber von den Erfolgen, die in England seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts erreicht waren, hatte man lange Zeit keine genauere Kenntniss. Unter den 1763— 1769 für Trakehnen gekauften englischen Hengsten scheinen sich Vollblut- oder nahezu Vollbluthengste befunden zu haben, ohne dass sie zur Reinzucht benutzt wurden. Die Ergebnisse waren im Trakehner Gestüt gleichwohl ausserordentlich ansprechend und sind noch heute hoch anerkennenswerth, weil sie das vorhandene Material weit übertrafen. Später führte man die erreichte Veredelung der geltenden Meinung nach allein auf die Benutzung der orientalischen Hengste zurück, und es wurde A54A XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. übersehen, was in ihr namentlich durch den Einfluss der englischen Stuten bewirkt war. Der erste Privatmann, welcher das englische Vollblutpferd nach Ostpreussen brachte, war v. Fahrenheid-Angerapp, der schon ıg04 zwei englische Hengste und mehrere Voll- und Halbblutstuten einführte. Indess entsprach das arabische Pferd ‘der damaligen Reitkunst besonders gut. Diesem wendete sich desshalb die Neigung zu. 1817 wurde für die Staatsgestüte mit grossen Kosten ein ansehnlicher Transport orientalischer Hengste in Konstantinopel erkauft. Die meisten bewährten sich in der Nachzucht nicht, nur diejenigen, welche mit grossen, starken englischen Vollblutstuten gepaart worden waren, lieferten bedeutende Nachkommen. Vom Jahre 1820 an wurden durch die Schriften und Bemühungen v. Burgsdorfs*), des Grafen v. Veltheim-Harbke, des nachmaligen Oberstallmeisters Baron v. Knobels- dorff, Mentzels, des Grafen Biel u. a. die Resultate der englischen Pferdezucht in Deutschland allgemeiner bekannt. Die gemachten Erfahrungen, nähere Beziehungen mit England und das Bedürfniss schneller Fahrt in der Zeit vor der Erfindung der Eisenbahnen stimmten im Laufe weniger Jahre die Neigungen um, und die Vorzüge des englischen Vollblutpferdes in Grösse, Kraft und Schnelligkeit gelangten zu all- gemeiner Anerkennung. Neben dem Fahrenheid’sehen Gestüt errangen von Privatgestüten die von v. Saucken-Tarputschen, v. Neumann-Szirgupönen und Graf Lehndorf-Steinort besondere Geltung, In anderen Provinzen regte sich wenigstens lebhaftes Interesse an dem Besitz des Vollblutpferdes. Im Jahre 1828 wurde zu Berlin wesentlich im Sinne des englischen Sports ein Aktienverein für Verbesserung der Pferdezucht und Pferdedressur errichtet, der schon 1829 das erste Wettrennen mit fast ausschliesslich englischen Pferden abhielt. Aehnliehe Vereine, und mit ihnen die Wettrennen, breiteten sich sehr rasch über die Provinzen aus**). 1833 folgte für Schlesien ein Verein für Pferderennen und Thierschau in Breslau, 1834 ein solcher in Königsberg, 1836 in Marienwerder und in Posen ein Verein für Pferde-, Schaf- und Rinderzucht. 1837 trat in Magdeburg der Aktienverein für Viehzucht zusammen. In der Regel knüpfte sich schon an die Be- gründung dieser Vereine die Ausführung von Wettrennen. Auch in Anklam und Torgau, 1834 in Regenwalde, ferner in Karolath in Schlesien, 19835 in Königsberg, 1836 in Pretsch in Sachsen, in Stralsund und in Münster, 1937 in Frankfurt a. O., in Templin, Prenzlau, Stargard und Düsseldorf, und 19838 in Aachen wurden Rennen abgehalten. *) Der Landstallmeister v. Burgsdorf gilt mit Unrecht als ein Gegner der Vollblutzucht und der Rennen. Er führte schon 1817 Serapall und Amber und bald darauf Cryer, Rioter, Maleck, Mündig, die berühmtesten und wirksamsten englischen Hengste, nach Trakehnen, und war so sehr der Ansicht, dass keine gute Landespferdezucht zu erhalten sei, wenn die Leistungsfähigkeit der Pferde nur nach dem Exterieur und nicht durch Prüfung und zwar durch Prüfung auf der Rennbahn, oder mindestens durch die volle Schule der Trainiranstalt beurtheilt wird, dass er vor dem ersten Königsberger Rennen, in Ermangelung eines aus- gebildeten Traineurs, auf längere Zeit nach Königsberg kam, um selbst und aus eigenem Interesse die Obliegenheiten desselben zu übernehmen und die Bereiter anzulehren. Allerdings betrachtete er aber das Rennen nur als eine Prüfung der Kraft und des Nervs und wollte nicht jedes Pferd gelten lassen, weil es Sieger gewesen, sondern nur, wenn es neben der Fähigkeit zu siegen, auch wahre Schönheit besass. Ganz besonders war er aber gegen das Wettspiel beim Rennen eingenommen, als des höheren Zweckes unwürdig und nachtheilig. *) F. B. Weber: Handbuch der staatswirthschaftlichen Statistik der Preussischen Monarchie. Breslau 1840 S. 425. XXIKX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolgee. 455 Schon mit den ersten schlesischen und mehreren anderen Rennen verband man Rennen von Bauernpferden, auch wurden solche 1836, 1837 und 38 zu Münster und Bottrop selbstständig unternommen. An den meisten dieser Orte folgten von dieser Zeit an die Rennen jährlich oder doch in kürzeren Perioden, und in der Hauptsache bestehen dieselben noch bis zur Gegenwart. Die Staatsregierung erkannte in dieser Prüfung der Leistungen ein sehr geeignetes Mittel sowohl die bessere Züchtung der Pferde, als das Interesse an der landwirth- schaftlichen Entwiekelung überhaupt zu fördern. Sie schlug dieser Bewegung gegenüber den Weg ein, der seitdem mit grossem Erfolge für die Förderung aller ähnlichen Zwecke inne gehalten worden ist. Es wurde den Unternehmungen der Vereine das bereitwillisste und aufmunterndste Entgegenkommen der Behörden zu Theil, sie blieben aber ohne jedes amtliche Ein- greifen lediglich Sache des selbstthätigen Interesses der Privaten. Nur zu bestimmten Zwecken erhielten die Vereine gewisse Beihülfen; namentlich wurden ihnen Geldpreise und geeignete Objekte gewährt, deren Vertheilung als Prämien und Auszeichnungen ihren Vorständen und selbstgewählten Preisriehtern überlassen ist. Obwohl statt eigent- licher Belohnungen stets der Charakter der Ehrengaben festgehalten wurde, wurden auf diese Weise seit dem Jahre 1834 zu Rennpreisen jährlich 17800 Thlr. verwendet, bei deren Vertheilung die Rennbahnen in den Provinzen Brandenburg, Preussen, Pommern und Schlesien wegen ihrer hervorragenden Bedeutung vorzugsweise zu bedenken waren, Die Kab.-Ordern vom 5. Oktober 1846 (G.-S. S. 482) und vom 27. Mai 1861 (G.-S. S. 344) setzten für Rennstreitigkeiten ein oberstes Schiedsgericht zu Berlin ein. Seit dem Jahre 1838 erhielten auch die landwirthschaftlichen Vereine zu Prämien für solche Pferde, welche wegen ihrer Dressur zur Einstellung bei der Landwehr geeignet erscheinen, oder auch für Rennen mit Pferden bäuerlicher Besitzer, jährlich zusammen etwa ıoo0 Thlr, In Breslau wurde schon mit den ersten Rennen eine Thierschau verbunden, auf der von Pferden, Rindern, Schafen und Schweinen inländischer Zucht ausgezeichnete Exemplare aufgestellt und mit einer grösseren Anzahl von Geldpreisen und Ehrenaus- zeichnungen prämiirt, auch einige gute Pferde angekauft und verloost wurden. 1837 wurde zu Oels eine ähnliche Thierschau abgehalten, dasselbe geschah zu Königsberg, Marienwerder, in Pretsch, Magdeburg, Stargardt, Stralsund, Bottrop, Bonn. In dem- selben Jahre hielten die 3 Gemeinden Rheda, Dingde und Liedern in Westfalen für sich eine Thierschau ab, 1838 wurde eine Schau in Stettin, ebenso eine in Liegnitz und Pless abgehalten. Auch besondere Pferde-, Stuten- und Fohlenschauen kamen auf. In vielen Kreisen Sehlesiens, in Görlitz, Reichenbach, Lüben, Schweidnitz, Ohlau, Grünberg, Nimptsch, Münsterberg, Glogau, Rybnik, Ratibor führten sie sich schon im Jahre 1836 ein, 1838 in Wiedenbrück und in Aachen, 1839 in Oels. Seit dem Jahre 1845 sind vom Staate zu Prämien für ausgezeichnete Mutterstuten in den Händen kleinerer Züchter jährlich 5000 hlr. ausgesetzt, welche den landwirthschaftlichen Vereinen nach Massgabe ihrer Anträge zur Vertheilung überwiesen werden. Mag in diesem raschen und allerdings theilweise wieder ermattenden Aufleben selbstthätiger Bestrebungen für Pferde- und Viehzucht Vieles aus dem Antrieb der Mode und Nachahmung hervorgegangen sein; die Anregung und das Interesse war und blieb allgemein und sehr erfreulich, und die Anstrengungen der Vereine, wie der Ein- zelnen, waren oft mit sehr erheblichen Opfern verknüpft. 456 XXIK. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Für den edlen Zuchtbetrieb in Rassepferden lag in dieser Periode die besondere Bevorzugung des englischen Blutes sehr nahe; zugleich aber verbreiteten sich Verständ- niss und Ansprüche bezüglich der praktischen Ziele. Desshalb wurden im Verlauf der Jahre auch die Mängel einer vorzugsweise auf die Reinheit des Blutes gerichteten Züchtung erkannt, und bei aller Anerkennung der grossen Fortschritte, welche die preussische Pferdezucht in wenigen Dezennien gemacht hatte, doch sowohl in den land- wirthschaftlichen Kreisen und bei den züchtenden Privaten, als in der Armee und am vereinigten Landtage des Jahres 1847 Klagen über die allzugrosse Verfeinerung, welche auch die Beschäler der Landgestüte verbreiteten, und über manche damit verknüpfte Fehler der aufgestellten Hengste laut). In Beachtung dieser Aeusserungen wiesen die Kab.-Ordern von 18. Februar und 23. März 1847 die bezüglichen Ministerien an, durch eine besondere Kommission, unter Besichtigung der Landgestüte, die Begründung der Beschwerden und die Mittel zur Abhülfe untersuchen zu lassen. Die Kommission erachtete dafür, dass sich auf den Landgestüten allerdings eine Anzahl mit Erbfehlern behafteter Hengste vorgefunden, dass aber namentlich eine grössere Zahl von Besehälern, besonders aus den jüngeren Altersklassen, vorhanden sei, welche, wenn schon grösstentheils von edler Abkunft, doch zu leicht und fein seien, um mit Nutzen im Lande verwendet zu werden. Es wurden desshalb sofort Schritte gethan, diese ungeeigneten Hengste theils aus eigener Zucht, theils durch Ankauf zu ersetzen, und in derselben Richtung auch für den Stutenbesatz auf den Hauptgestüten zu wirken. Das Ministerium für die land- wirthschaftlichen Angelegenheiten, welches durch die Kab.-Order vom ı1. August 1848 (G.-8. 8. 228) mit der Leitung des Landesgestütswesens betraut wurde, konnte schon in den nächsten Jahren ersichtliche Abhülfe anerkennen. Als Anhalt für ein konsequentes Züchtungsverfahren wurde damals nach ein- gehenden Erwägungen mit den Gestütsbeamten und den pferdezüchtenden Privaten und Vereinen ein Programm der festzuhaltenden Züchtungsgrundsätze aufgestellt. Danach soll die Erhaltung und eine dem Bedürfnisse entsprechende Vermehrung der vorhandenen Bestände des englischen Vollblutes, als des Quellstammes, der Zweck der Hauptgestüte sein, und zu diesem Zwecke sollen die durch erwiesene Leistungs- fähigkeit, zugleich aber auch durch Gesundheit und Ebenmass hervorragendsten Pro- dukte der Vollblutzucht vorzugsweise benutzt, jedoch die Beibehaltung und entsprechende Verwendung des vorhandenen orientalischen Blutes nicht ganz ausser Acht gelassen werden. Es soll die Konsolidirung der Stämme gemischten Blutes zu einer konstanten vaterländischen Reinzucht angestrebt werden, welche in zweckmässiger Weise nach den Hauptbestimmungen als starker Wagen- und edler, kräftiger Reitschlag gesondert bei konsequenter Behandlung nach einer Reihe von Generationen immermehr den Rang selbstständiger Rassen zu beanspruchen vermögen werde. Da die bei weitem über- wiegende Zahl der in den Königlichen Gestüten vorhandenen Stutenstämme, entsprechend *) Vergl. die Betrachtungen über den Standpunkt der Pferdezucht in Preussen. Annal, Bd. 5 S. 100. — v. Beckedorf: Ueber Pferdezucht. Ebd. ır S.264. — O: Mentzel: Denk- schrift über die allgemeinen Züchtungsgrundsätze der vaterländischen Pferdezucht. Ebd. ıı S. 256. — Ebd. Bd. 19 8. 161 u. 321. — Die Percheron -Pferdezucht. Ebd. 31 S. 420. — Das landwirthschaftliche Pferd, insbesondere einige schwere Pferderassen. Landwirthschaftl. Centralblatt Jahrg. 12 1864, Bd. II. S. 318. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolg.e 457 dem Bedürfnisse des Landes und des Königlichen Marstalles, dem starken Wagen- schlage angehört, bei dem es auf Grösse, Breite, Tiefe, Fundament und ausdauernd fördernden Gang hauptsächlich ankommt, so soll besonders dahin gewirkt werden, dass diese Zucht vor dem Zuschwer und Zuleicht bewahrt, des edlen Blutes in der Masse aber nie zu wenig angetroffen werde. Diejenigen in den Gestüten erzeugten Beschäler, welche sich besonders dazu eignen, sollen zum Besten der Landespferdezucht an die Königlichen Landgestüte zur weiteren Verbreitung der besseren Rassen und der durch sie bedingten edleren und vollkommneren Eigenschaften überwiesen werden. Der Zweck dieser Gestüte ist, die Pferdezucht im Lande, msbesondere aber die der zahlreichen kleineren, einer Hülfe dabei vornehmlich bedürfenden Grundbesitzer, durch Aufstellung möglichst vollkommener, für die verschiedenen Zwecke und Bedürf- nisse geeigneter Beschäler zu fördern. Da aber die Zahl dieser Beschäler kaum den fünften Theil des Landesbedürfnisses deckt, so soll darauf Bedacht genommen werden, dieselben auf eine angemessene, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Weise zu vertheilen und sie nur in solchen Gegenden aufzustellen, welche der Pferdezucht günstig, und in denen die Bedingungen eines entsprechenden Erfolges vorhanden sind. Von den Landgestütsvorstehern soll durch sorgfältige Klassifizirung der Landbeschäler nach ihrer Tüchtigkeit zur Zucht, und durch ein auf Wissenschaft und Erfahrung ge- gründetes Urtheil über ihre mehr oder weniger sichere Vererbungsfähigkeit den Pferde- züchtern die nöthige Anleitung gegeben werden, Es ist möglichst dafür Sorge zu tragen, dass nur die besseren zur Zucht ge- eigneten Stuten zur Deckung durch die Landbeschäler gelangen. Die zu diesem Ende nöthig werdende Prüfung der betreffenden Stuten soll durch die Landgestütsbeamten, oder, wo diese Konsignirung bisher nicht stattgefunden hat, durch Privatvereine bewirkt werden. Auch soll, um das Halten guter Privathengste zur öffentlichen Benutzung zu befördern, eine angemessene Abstufung des Sprunggeldes stattfinden, und aus denjenigen Gegenden, in welchen eine dem Bedürfnisse entsprechende Zahl von qualifizirten Privat- hengsten, welche von den Pferdezüchtern benutzt werden können, vorhanden ist, sind die Hengste der Landgestüte gänzlich zurückzuziehen. Ferner soll der Ankauf soleher im Lande gekörter Hengste, welehe zur Mitverwendung bei Remontirung der Land- beschälerdepots vollständig geeignet sind, erfolgen und zwar möglichst aus den Händen derer, die sie auferzogen haben; auch soll die Bildung von Zuchtvereinen zur Aufstellung soleher Hengste, vornehmlich aber zur Beschaffung möglichst konstanter und homogener Stutenstäimme sämmtlichen landwirthschaftlichen Vereinen und Gestütsvorstehern zu thunliehster Beförderung anempfohlen werden. In der Ausführung dieses Programms soll vor allem darauf gesehen werden, die Schläge, die sich als starker Wagenschlag, leichter Wagen- oder starker Reitschlag und endlich leichter Reitschlag sondern, nicht aus zufällig in gewissen Formen erscheinenden Individuen schaffen zu wollen, sondern sie so aufzunehmen, wie sie in der Natur vor- handen sind, und sie dann konstant fortzuzüchten. Es sind also als leichter Reitschlag rein arabisches Blut, als sehwerer Reitschlag englisches Vollblut, geprüft auf den Rennbahnen, und als leichter Wagenschlag englisches Vollblut, gewählt nach Eleganz, Grösse und Form, endlich als starker Wagenschlag Stämme massiger Pferde, Kleveland, Percheron, Pinzgau zu denken. Bei Beschälern, die auf diese Weise aus konstantem Blute gezogen sind, wird niemand zweifelhaft sein, zu welchem Schlage sie gehören, 458 XXIR. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. und zur Landespferdezucht benutzt, ‘werden sie, welche Art von Stuten ihnen auch zugeführt werde, den von ihnen erzeugten Produkten ihren Haupttypus aufdrücken. Welche Hengste auf den Landgestüten, gesondert nach diesen Gesichtspunkten, während der Deckperiode 1865 vorhanden gewesen sind, ergiebt folgende Uebersicht: Wirklicher Bestand Darunter befinden sich I. IV. Vollbluthengste Etats- mässi- Bezeichnung L | Klasse | m. | Klasse ser = 5 ü Kla stark n schwerer R 2. des Landesgestüts Bestand| | @tarker| Klasse | npeits- xx x xa (rein | (anglo- | (rein- (leiehter| Reit- u. | (s ER der # * | (starker | schlag (Deckperiode 1865) Beschä-| Reit- | leichter Wagen- ee) engli- | arabi- | arabi- ler | schlag) | Wagen- schlag) | rons u. sches | sches | sches schlag Suffolks Blut) Blut) Blut) .Littauisches mit den Marställen zu Trakehnen ... zu Gudwallen ... zu Insterburg ... u.dem Augmentations- stall Jonasthal ..... . Westpreussisches zu Marienwerder .... . Posensches zu Zirke . . Brandenburgisches zu Lindenau.n nano ‚SchlesischeszuLeubus 6. Sächsisches zu Repitz . Westfälisches zu Wa- TENdOLIIge een. 80 . Rheinisches zu Wicke- er ale ekeis ug, ede 55 Summe . | 1080| 148 | 499 | 394 | 49. | 10741 68 39 | 9 | 116 [233 In welcher Anzahl und nach welcher Höhe des Sprunggeldes die Stutenbedeckung in den letzten ro Jahren stattgefunden, sowie welche Abfohlungsresultate dabei erreicht sind, ergeben die Tabellen Q. 6 und 7 der Anlagen. Die Bildung von Pferdezuchtvereinen, d.h. Vereinen von Gutsbesitzern, welchen für eine Anzahl von mindestens 5o Zuchtstuten, deren Deckung sie garantiren, auf eine Reihe von Jahren ein Königlicher Hengst unter Kontrole der Gestütsbeamten, oder ein nach und nach zu tilgendes Kapital zum Ankauf eines oder mehrerer Beschäler gegen hinreichende Sicherheit geliehen wird, hat seit 1850, namentlich aber in den letzten Jahren, mehr und mehr Eingang gefunden. Die näheren Bedingungen, unter welchen solche Vereine die gedachte Staatsbeihülfe erlangen, ergeben die Ministerial- erlasse vom 19. Dezember 1857 (Minist.-Bl. f. d. innere Verw. $. 225) und 13. Juli 1862 (ebd. S. 254). Am Schlusse des Jahres 1865 bestanden folgende Pferdezuchtvereine: *) Ausserdem ı detachirter Percheron-Hengst. XXIX,. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 459 Zahl Betrag Zahl der geliehe- | des Darlehns der Vereine nen an Geld Beschäler Thlr. Preussen .... | Oletzko, Sensburg, Johannisburg, Gerdauen, Niederung, Pr.-Holland, Thorn, Pr.-Stargardt, Flatow, Deutsch-Krone, je ı, Konitz 2 Ver- eine (der eine 2 Beschäler) .... Pommern .... | Bütow, Neustettin, Greiffenberg, Stet- tin, je 1, Kammin 2 Vereine (Neu- stettin 6 Beschäler) Posen...... | Krotoschin ı, Inowraclaw 2 Vereine Brandenburg . Oberbarnim ı Verein . Schlesien... Oppeln ı Verein... Sachsen. ... . | Worbis, Erfurt . Westfalen. . . Bochum ı Verein ... Rheinprovinz. . | Kempen, Rees, Mörs, Mühlheim je ı | 25 755% Was nun das Verhältniss der Pferdezahl und ihr Anwachsen in den einzelnen Provinzen des Staats betrifft, so theilt die Tabelle @. ı der Anlagen den Fortschritt der Pferdezahl in jedem Regierungsbezirk nach den Perioden ı816, 1822, 1831, 1840, 1849, 1858 und 1867 und in der Unterscheidung von Füllen, 3— rojährigen und über ıojährigen Pferden mit, und zeigt zugleich das Verhältniss des Anwachsens in sich und gegenüber den anderen Viehgattungen, sowie gegenüber den Bewohnern. Näher besprochen sind diese Beziehungen, soweit sie die Perioden bis einschliesslich 1858 betreffen, in der Abhandlung „Die Viehhaltung im preussischen Staate in der Zeit von 1816— 1858“ in der Zeitschrift des statistischen Büreau’s, Jahrg. I. (1861) No. 8. Auf Grund der Zählung vom 3. Dezember 1864 giebt ferner spezieller für jeden ein- zelnen Kreis die Tabelle G. der Anlagen in den Spalten 25—29 und 36 und 37 so- wohl die Gesammtzahl der Pferde, als die der vorzugsweise in der Landwirthschaft benutzten, der Lastpferde, der Zuchthengste und der zur Zucht gebrauchten Stuten, endlich auch die der 2—3jährigen und unter-2jährigen Fohlen an. Daneben sind in Spalte 30—35 die durchschnittlichen Ergebnisse der in den Jahren 1862 bis 1864 vorgenommenen Musterungen der Pferde auf ihre Kriegstauglichkeit mitgetheilt. Diese Musterungen hatten zum Zweck, die bei einer Mobilmachung der Armee zu ge- stellenden Pferde der verschiedenen Gebrauchsgattungen, schwere und leichte Reit- pferde, Packpferde, Stangen- und Vorderpferde für das betreffende Jahr zu bezeichnen, und zugleich Ueberzeugung zu gewinnen, dass und wo die genügende Anzahl ent- sprechender Pferde vorhanden sei, um den im Kriegsfall entstehenden Ausfall genügend ersetzen zu können. Wo also ein sehr starker Ueberschuss kriegstauglicher Pferde jeder Art vorgefunden wurde, konnten die Musterungskommissionen über eine gewisse Zahl hinaus auf eine Feststellung jedes einzelnen Ersatzpferdes verzichten, und die hohen Zahlen sind desshalb nicht als erschöpfend anzusehen, dagegen geben die Zahlen, die das Bedürfniss nur wenig überschreiten oder dahinter zurückbleiben, im Verhältniss zur Gesammtzahl einen bestimmten Hinweis auf diejenigen Kreise, in welchen die Pferdehaltung an Tüchtigkeit der Thiere erheblich zurücksteht. Die Spalten 53 und 60 460 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. geben das Verhältniss der Pferdezahl überhaupt auf der Quadratmeile Gesammtfläche und das der landwirthschaftlich benutzten Pferde auf der Quadratmeile Kulturland an. Die Tafel XVI. des Atlasses hat die Vertheilung des Pferdebestandes auf die Quadrat- meile nach 9 von roo zu 100 steigenden Stufen, sowie die Lage der Haupt- und Land- gestüte bildlich veranschaulicht. — Ueber die besonderen Eigenthümlichkeiten der Pferde und ihre Haltung und Zucht in den verschiedenen Theilen des Staates wird es möglich, aus den sachkundigen, für den vorliegenden Zweck zu Anfang des Jahres 1866 eingegangenen Aeusserungen der Mitglieder des Landes-Oekonomie-Kollegiums, nachfolgende Angaben zu machen: l. Provinz Preussen. Obwohl Ostpreussen, wie bereits hervorgehoben, seit lange der Schauplatz der eigentlichen als Gewerbe betriebenen preussischen Pferdezucht ist, haben sich doch in den unkultivirteren Gegenden bei den bäuerlichen Wirthen einige wenig unterschiedene Schläge des kleinen polnischen, in Littauen Daino, in Masuren Kunter genannten Pferdes erhalten. Dass es der Urtypus des littauischen Pferdes ist, schliesst man aus der völligen Uebereinstimmung mit den in den ältesten Grabhügeln gefundenen Gerippen, Heut findet es sich am häufigsten noch im südlichen Masuren und im Ermelande, sowie in den Sumpfgegenden des Kurischen Haffs. Das masurische Pferd ist breit, kurz und starkbeinig 4 Fuss 4 Zoll bis höchstens 4 Fuss ro Zoll gross, breitgerippt, gut geschlossen, mit gutem, förderndem Gange, doch fast etwas bügelnd, mit kurzem, unedlem, oft aber sehr gut angesetztem Halse und rauhem Haar. Das ermeländische Pferd besitzt bei schwerem Kopf, dickem Halse und breiterer Brust und Kruppe, einen gröberen Knochenbau und grössere Kraft. Beide erreichen übrigens bei sorgfältiger Ernährung eine verhältnissmässig grosse Leistungs- fähigkeit, haben ausserordentliche Ausdauer und Genügsamkeit und ein fast zu heftiges Temperament, Die ostpreussischen grösseren Landpferde zeigen durch die Einwirkung der König- lichen und der Privatgestüte überall einen gemischten, zum Theil sehr veredelten Typus, Neben den schon gedachten älteren Gestüten der Herren v. Fahrenheid-Angerapp, v: Saucken-Tarputschen, v. Neumann-Szirgupönen und Graf Lehndorf-Steinort haben in neuerer Zeit v. Simpson-Georgenburg, v. Neumann-Wedern und Hensche-Pogrimmen die Aufgabe, ein edles, möglichst grosses und starkes Pferd mit ansprechenden Formen zu erzielen, mit Glück gelöst. Den Uebergang zu der neuen Richtung bilden wesentlich in den schöneren Formen der älteren Zeit, bei geringerer Grösse, die Gestüte der Herren v. Dressler-Schreitlaugken, v. Fahrenheid-Beynuhnen und anderer. Lediglich Vollblut züchtet v. Saucken-Julienfelde, überwiegend Vollblut zieht Graf Lehndorf- Steinort; und auch v. Fahrenheid-Beynuhnen und Angerapp, Dr. Voigdt-Dombrowken, v. Bujack-Meduniszken und Pohl-Gr.-Labehnen konserviren, wenngleich in geringerer Ausdehnung, Vollblutstämme englischer Zucht. Allgemein ist jetzt das Bestreben der Besitzer darauf gerichtet, ein tüchtiges Gebrauchspferd zu erzielen. Wo das englische Blut überwiegt und gleichzeitig Grösse vorhanden ist, kreuzt man mit edlen tüchtigen Trakehner Hengsten, um die nöthige Knochenstärke zu gewinnen; wo aber in den Stuten orientalisches Blut mit ausgeprägt schöner Form vorwaltet, wird es zu konser- viren gesucht, weil leichte schöne Reitpferde dieser Zucht beliebt geblieben sind. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 461 Auch ganz schwere Pferde sind schon seit lange in der Provinz bekannt, ohne indess besonders günstige Erfolge erreicht zu haben. v. Fahrenheid brachte schon 1804 einen Yorkshire-Hengst und einige Stuten nach Gnie. Ebenso führte Douglas-Ludwigsort vor 25 Jahren einen Yorkshire-Stamm ein. Suffolks sind durch Papendieck- Palm- burg und Percherons durch die Akademie Waldau, in neuester Zeit auch 3 französische Hengste durch die Gestütsverwaltungen in Trakehnen aufgestellt. Von den zahlreichen sonst noch im Lande bestehenden Privatgestüten für tüchtige starke Gebrauchspferde sind die bekanntesten die zu Gerskullen, Lengken, Tussainen, Grumbowkaiten, Grauden, Gerehlischken, Willkischken, Dagesen, Puspern, Gnie, Rodels- köfen, Birkenfelde, Döhnhofstedt, Sanditten, Klessowen, Mulack, Wangotten u. a. Sie benutzen meist die weniger edlen Stuten neben der Zucht zur Arbeit, allerdings unter aller der Reserve, die eine tragende oder säugende Stute verdient. Viele der Gestütsbesitzer kaufen, wie erwähnt, im Herbst die von den häufig sehr edlen Bauernstuten im Frühjahr gefallenen Füllen. Da, wo der Bauer sich im Besitze solcher besseren Stuten befindet und seine Wirthschaft in 4 oder 5 Feldern mit einem kleinen eingehegten Rossgarten betreibt, gehört es zur Regel, dass er seine Füllen bereits mit 6 Monaten verkauft, weil ihm bei seiner Hofwirthschaft die Weide- plätze fehlen, um junge Pferde bis zum 3. Jahre in sicherer Befriedung zu erziehen; schon die einzelnen Stutfüllen, die er im wohlverstandenen Interesse zurückbehält, ver- ursachen ihm nicht geringe Mühe. Eine Wirthschaft von 150— 200 Morgen hat 4—6 alte und etwa 2—3 junge Stuten, sonst keine anderen Pferde. 8—ı4 Tage vor dem Abfüllen wird die Stute losgestellt, und da die Füllen meist im Februar, März oder Anfang April geboren werden, wird sie selten bis zur Frühjahrsbestellung ange- spannt. Während dieser wird sie um 1o Uhr Vormittag wie gegen Abend nach Hause zu dem Füllen geführt, und demselben in aller Behaglichkeit das Saugen gestattet. Erst mit 6—8 Wochen kommen die Füllen mit aufs Feld. Seit Vollendung der Ostbahn kaufen auch die westlichen Provinzen hier Füllen, und die Preise haben sieh in der Art gesteigert, dass wenn früher das Maximum des Preises für ein 6 Monate altes Fohlen 30—40 Thlr. war, dies jetzt der Durchschnitt ist und oft 70, go, ja über ıoo Thlr. gezahlt werden, Preise, die erst in den letzten Nothjahren wieder gesunken sind. Im allgemeinen sind die kleinen Wirthe in Littauen überall im Besitze eines vor- trefflichen, praktischen Stutenmaterials. Die Pferde unterscheiden sich aber auch selbst in der Provinz nach den Lokalitäten, in denen sie erzogen werden. Die Höhen, namentlich ein Theil des Insterburger Kreises, der Darkehmer, Gum- binner, Stallupöner, Pillkallener und Ragniter Kreis erzeugen die edelsten und .dauer- haftesten. Die in diesen Kreisen gezogenen Füllen bilden das Hauptmarktkontingent. Die Wiesen haben hier in meist hohen Lagen süsse Gräser. Kleebau wird umfangreich getrieben und Haferfutter nieht gescheut. In den Niederungen der grossen Ströme sind die Gräser mastiger, der Boden schwerer, und der Kleebau tritt bei dem Reichthum an natürlichen Wiesen fast ganz zurück. An der Weichsel nimmt desshalb die Rind- viehzucht die erste Stelle ein, am Niemen wird Rindvieh- und Pferdezucht in gleichem Umfange betrieben. Hier war früher ein Schlag grosser, oft hoehbeiniger Thiere mit guten runden Rippen, unedlen, oft silzigen Beinen, abschüssiger Kruppe und fast dureh- weg mit Ramsköpfen vorhanden, Jetzt ist das Produkt langer Kreuzung ein grosses und schweres Thier mit starken Knochen und sehr breiten Hufen, welches indess durch 462 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. das edle Trakehner Blut in den Formen manches Ansprechende gewonnen hat und die grössten und stärksten Landpferde des leichteren Wagenschlages giebt. Die Ostbahn hat das Absatzgebiet der Provinz sofort bedeutend erweitert und die Zahl der jährlichen Pferdemärkte vermehrt. Früher waren in der Provinz nur die schon vom Grossen Kurfürsten bewilligten Rossmärkte zu Wehlau und die zu Tilsit die gewöhnlichen. Zu ihnen ist ein dreitägiger Markt zu Königsberg, der einen be- sonderen Aufschwung genommen hat, ferner ein Markt in Memel und im Februar einer zu Allenburg gekommen, mit dem gleichzeitig eine Auktion verbunden ist und der von dem kurz zuvor stattfindenden Vieh- und Pferdemarkt zu Insterburg aus gern be- sucht wird. Dazu treten im Herbst drei Füllenmärkte in den Städten Gumbinnen, Pillkallen und Darkehmen, deren letzterer früher besonders bedeutenden Umsatz hatte, ihn aber seit der Errichtung der Eisenbahn an Gumbinnen verliert. Bei älteren Pferden ist indess die Preissteigerung im Vergleich mit den bedeu- tend gestiegenen Haferpreisen, dem natürlichen Risiko und der Kostbarkeit der Ein- richtungen sehr viel geringer, als bei den Füllen. Daher blüht die Pferdezucht am meisten in der Hand des Bauern; von den grösseren Besitzern bietet denen, die in Grösse und Knochenstärke der Nachfrage entsprechen, oder in sonst günstiger Lage sind, der lebhafter aufgenommene Kauf von Zuchthengsten für die Landmarställe wie der Begehr seitens der Zuchtvereine einen meist lohnenden Absatz; im allgemeinen aber ist seit 25 Jahren die Zahl der Privatgestüte in der Abnahme begriffen, an ihre Stelle treten intensiverer Ackerbau, Vieh- und Schafzucht. Der Preis eines ausgewachsenen masurischen Pferdes ist 30—40 Thlr., der des Schlages vom Kurischen Haff 50— 70 Thlr.; verkommene Stücke sind natürlich billiger. Das übliche Arbeitspferd von 4 Fuss 8 Zoll bis 5 Fuss kostet 5jährig 60— 380 Thlr., in Gegenden schwerer Bodenarten 100 Thlr. und darüber. Die Zuchtstuten sind dem bäuerlichen Besitzer oft für 500 Thlr. und mehr nicht feil. — In Westpreussen ist der in seiner Art vorzügliche kassubische Landschlag in den Kreisen Neustadt und Berent als werthvoll geschätzt und in seiner typischen Form gepflegt und rein erhalten. Er findet sich auch ausser diesen Kreisen in allen Theilen der Höhe Westpreussens verbreitet, doch ist er hier selten ohne fremde Blutbeimischung verblieben. Die Thiere erreichen nur die Höhe von gegen 5 Fuss, haben einen sehr gedrungenen, festen Körperbau, breite Brust, starke, doch trockene Knochen und sind bei grosser Genügsamkeit ungemein ausdauernd und in leichter Arbeit leistungsfähig, desshalb für bäuerliche Wirthschaften in leichtem Boden brauchbar, für grössere Güter mit schwerem Boden oder für Militairzwecke aber zu klein und schwach. Der Landschlag der Pferde auf fruchtbarerem Boden ist grösser. Gerühmt wird der Typus des Werderschen Pferdes. In der ganzen Gestaltung ist es plump, mit starkem und schwerem Kopfe, dieker, kurzer Halsung, breiter Brust und stark gewölbten Rippenwandungen, breitem, öfter etwas tiefem Rücken, kurz abgeschlagenem, doch breitem Kreuz, mit tief eingesetztem, aber starkem Schweif, starkknochigen Beinen und langgefesselt, mit grossen, etwas flachen Hufen. Aber es hat den Verhältnissen der Gegend ganz entsprechende Eigenschaften. Die Thiere begnügen sich bei angestrengter, dauernder Arbeit mit einem einigermassen guten Weidegange und bleiben eingestellt bei einem Haferstrohhäcksel ohne Beimischung von Kraftfutter stets in einem guten Ernährungszustande. Sie sind zwar zu einer raschen Bewegung nicht geeignet, werden aber im Handel hauptsächlich zur Verwendung bei schweren Frachtfuhren sehr begehrt. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge.e 463 Indess ist dieser Schlag Pferde selten geworden, er hat bei Kreuzung im allgemeinen keine Konstanz in der Vererbung. Er liefert grosse, starkknochige, langgestreckte, flachhufige, weichliche Thiere, ist zu erblichen Knochen- und Angenfehlern geneigt, entwickelt sich frühzeitig nicht nur in seinem Wachsthum, sondern auch in seinen Feh- lern, und ist daher auch oft in kurzer Zeit durch Arbeit verbraucht. Vielfach werden nach Westpreussen Pferde aus Ostpreussen und Littauen ein- geführt, ebenso ist der Ankauf von Fohlen aus Ostpreussen sehr üblich, die dann in eigener Wirthschaft auferzogen, auch als Material zu weiterer Zucht dienen, Der Einfluss der Königlichen Besehäler auf die Zucht grösserer und leistungs- fähigerer Pferde würde bedeutender sein, wenn deren Zahl nicht stets zu beschränkt gewesen wäre; so sind noch vielfach Hengste bäuerlicher Besitzer von sehr zweifelhaftem Werth thätig, namentlich aber kommen jedes Frühjahr Pferdehändler mit 30—4o Hengsten, angeblich aus Littauen, welche sich den längeren Aufenthalt hauptsächlich dureh Deckung von Stuten bezahlt machen. Seit 8 Jahren ist ein Percheron-Hengst auf dem Gute Pogulken (Kreis Berent) und seit 1864 ein Clydesdale-Hengst in Choyten (Kreis Stuhm) stationirt. Die Bildung der vom Staate unterstützten Pferdezuchtvereine ist in Schönwiese (Kreis Marienburg), Saaben (Kreis Preuss.- Stargard), Zempelburg (Kreis Flatow) und Kulmsee (Kreis Thorn) zur Ausführung gekommen, doch die Zeit des Bestehens noch zu kurz, um den Erfolg zu beurtheilen. Dagegen erwirbt ein Hengstbesitzer in Löwens- lust bei Elbing schon längere Jahre durch Stationirung von 2 guten Beschälern aus Ostpreussen, wenn auch spärlich, doch sehr anständig und geachtet, sein Auskommen, Die Einführung von 40 Yorkshire-Stuten im Jahre 1847, von der landwirthschaft- lichen Centralstelle in Danzig vermittelst Aktienzeichnung eingeleitet, ist zwar zur Aus- führung gekommen, hat aber die bezweckte Bildung einer Rassestammheerde nicht zum Resultat gehabt. Ueberhaupt sind Stammheerden befestigter Rasse in Westpreussen nirgend entstanden, weil die Pferdezucht an sich hier als keine lohnende, die Kosten ersetzende Unternehmung angesehen wird. Die vermögenden Besitzer erziehen sich einige Gebrauchs- und Arbeitspferde aus den Zuchtthieren, die sie besitzen, doch in der Mehrzahl wird der Bedarf der Wirthschaft an Arbeitspferden auf den Märkten gekauft, oder aus in Ostpreussen, Littauen oder der Niederung angekauften Fohlen erzogen. Die bäuerlichen Besitzer in der Niederung dagegen beziehen auch Zuchtstuten aus Ostpreussen und liefern der Provinz eimen Theil des Bedarfs; viele der hier auf- erzogenen Pferde gehen nach Pommern, der Mark und weiter ins Land. Die Preise der Arbeitspferde sind in Folge der Missernten schon am Schluss des Jahres 1865 um 30 pÜt. gesunken. Ein gutes Ackerpferd, welches früher mit 70 bis über ıoo Thlr. bezahlt wurde, gilt desshalb kaum 50o— 30 Thlr. 2. Provinz Pommern. In Pommern hat im allgemeinen die Pferdezucht abgenommen, seitdem durch die Separationen die grossen Hutungen aufgelöst sind. Dagegen ist der Bezug von Füllen, theils aus Ostpreussen, theils und vorzugsweise aus Mecklenburg, Hannover und Holstein umfangreich. So hat der Regenwalder Zweigverein im Laufe der letzten Jahre etwa 600 Stück Stutfüllen aus Hannover und 300 aus Ostpreussen bezogen. Die Auf- zucht deckt noch bei weitem nicht den Bedarf. Auf Anregung und unter Leitung 464 NXXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. der grösseren Besitzer besteht für die Bauern im Regenwalder Kreise ein Zuehtverein, auch ist dort seit 1859 ein Remontemarkt eingerichtet, dagegen werden dem früher sehr lebhaften Remontemarkte zu Treptow jetzt die Pferde in viel geringerer Zahl und weniger brauchbar zugeführt. Leider entwickelt sich auch zum Nachtheile der Zucht wie des Ackerbaues, z. B. im Kreise Saatzig, die Sitte, dass der Bauer Füllen zwischen 2 und 3 Jahren auf den Viehmärkten kauft, damit nothdürftig seinen Acker bestellt, und dann das aufgewachsene und angefleischte Pferd wieder verkauft. In denselben Kreis sind im Jahre 1857 durch einige grössere Besitzer mit einem Kostenaufwande von etwa 400 Thlr. für das Pferd Percherons eingeführt worden, welche Anklang gefunden haben, und deren Kreuzungen mit den dortigen Pferden sich zu bewähren scheinen, Im ganzen recht gute Pferde von kräftigem Schlage finden sich auf den guten Böden des Kreises Anklam. Derselbe führt auch Pferde aus, indess scheint zur Deekung des Bedürfnisses ungefähr die gleiche Zahl von auswärts angekauft zu werden. In Neuvorpommern ist das von den Bauern gezogene Pferd ein dauerhaftes Ar- beitsthier mit etwas überbautem Hintertheile und zu langem Leibe, in neuster Zeit aber durch gute Halbbluthengste sehr verbessert; namentlich ist ein wahrnehmbarer Fort- schritt nicht zu verkennen, seit dem statt selbstgezogener fehlerhafter Hengste den Ansprüchen angemessene Landbeschäler und solche Hengste benutzt werden, welche einige Privatbesitzer den bäuerlichen Wirthen gegen ein geringes Deckgeld zugänglich machen. In dieser Beziehung hat besonders der Baron von Seekendorf-Brook bei Demmin viel zur Hebung der Pferdezucht gethan. Indess deckt die Aufzucht von Arbeitspferden bei weitem nicht den Bedarf, weil auf dem etwas schweren Boden bei tiefer Bearbeitung nur starke Pferde zu verwenden sind. Man kann desshalb annehmen, dass der 3. Theil des Ersatzes aus Mecklenburg und Holstein eingeführt wird. Einige grössere Grundbesitzer züchten englisches Vollblut oder sehr gutes Halb- blut als Luxuspferde. Insbesondere hat das Gestüt des Herrn v. Owstin-Quilow einen eleganten, kräftigen Wagenschlag erzielt. Auch wirken ausser dem Gestüt des ge- dachten Baron v. Seckendorf-Brook die Hengste der Herrn v. Pachelbl- Gehag-Carnin, v. Kruse-Neelzow und Müller-Mühlenhagen für gute Zucht von Wagen-, Reit- und Ackerpferden. Der Preis eines jungen Arbeitspferdes stellt sich nach Grösse und Güte auf 150 bis 250 Thlr. 3. Provinz Posen. Der kleine polnische Pferdeschlag ist hier sehr verbreitet, und früher auf polni- schen Gestüten zum Theil durch Kreuzung mit arabischem Blut mit Vorliebe gezüchtet worden. Diese Gestüte aber sind entweder eingegangen, oder haben sieh der Zucht grösserer Thiere zugewandt. In der Hand der Bauern ist das ursprünglich werthvolle Pferd zu einem meistens verkümmerten, struppigen Thiere mit gewöhnlich schlecht gestellten Extremitäten verkommen. Als Importeure arabischer Pferde sind General von Chlapowsky-Turwia, Graf Bninski-Glesno und Samostrzel, Graf Lacky-Neustadt, Graf Mielzynski-Koebnitz und v. Mycielsky-Dembno a. d. Warthe zu nennen; letzterer bezog seine Thiere aus den berühmten Gestüten des Fürsten Sangusko in Galizien. In den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts begann die Einführung ostpreussischer Pferde, auch englische Pferde XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 465 wurden namentlich in den vierziger Jahren mehrfach bezogen, letztere besonders zu Rennzwecken vom Fürsten Sulkowski-Reisen und von v. Dabrowski-Winagora. Eine Kreuzung mit dem polnischen Pferde konnte mit diesen Thieren nicht weiter stattfinden. Das grosse ostpreussische Pferd wurde aber unter sich namentlich mit Benutzung der Königlichen Landbeschäler hier und dort auch mit englischen, hannöverischen und Mecklenburger Thieren fortgezüchtet. Die Einführung englischer Rennpferde hat einen vortheilhaften Einfluss auf diese Landpferde nicht ausgeübt, Missgriffe in der Benutzung der englischen Vollbluthengste zur Bedeckung der vorhandenen Arbeits-, Reit- und Wagenpferde machten die Nachzucht mangelhaft. Vorsichtiger geworden, bezieht man jetzt kräftigere Thiere, Engländer, Kleveländer und Traber, auch Hannoveraner und Mecklenburger Hengste oder benutzt das Zuchtmaterial der Königlichen Landgestüte, Auf diesen sind neuerdings einige Suffolk- und Pereheronhengste stationirt worden, auch kommen solche vereinzelt im Privatbesitze vor; ein Einfluss dieser Thiere auf die Zucht ist aber noch nicht bemerkbar. Als renommirte Züchter des grösseren Schlages sind die Herren Boldt-Welna, v. Winterfeldt-Marowana-Goslin, v. Poncet-Tomyst, Lehmann- Nitsche, Frau v. Reiche-Rozbitek zu nennen. Auch mittelgrosse, gut gebaute, feurige Reitpferde werden durch arabische und ostpreussische Kreuzungen, namentlich auf den oben angeführten polnischen Gestüten, mit Erfolg fortgezüchtet. Von bäuerlichen Züchtern zeichnen sich besonders die Dörfer und Hauländereien im nordwestlichen Theile des Kreises Schrimm, namentlich Borek Hauland, Krossno Dorf und Krossno Hauland, auch die Städte Bnin und Kurnik aus. Die Preise eines kleinen Ackerpferdes sind 40—60, die eines grossen 100— 150 Thlr; 4. Provinz Brandenburg. In der Mark findet sich ein eigenthümlich ausgeprägter Landschlag nur in den Flussgebieten der Netze und Warthe, der Oder, des Bobers und der Spree (Spreewald), Die Pferde entwickeln bei guter Pflege und gehörig geschont einen kräftigen, wohlgeformten Körperbau mit breiter Brust, gutem Kreuz und für Niederungspferde verhältnissmassig starken Muskeln, sie erreichen eine Höhe bis 6 und 8 Zoll und eignen sich mit Rücksicht auf ihre Ausdauer ganz vortrefllich zu Arbeitspferden, besonders schöne Exemplare werden von den Händlern auch hin und wieder als Luxuspferde auf den Markt gebracht. Leider beeinträchtigen die Bauern häufig die gute Entwickelung durch den Missbrauch, die Fohlen viel zu früh anzuspannen. Die Beschälstationen ‚haben eine unverkennbare Veredelung, namentlich die Produktion eines für den Kavallerie- dienst vorzugsweise geeigneten Thieres hervorgerufen. Die meiste Pferdezucht wird im 'Netzebruch getrieben. Im Kreise Friedeberg sind ausser 2 Königl, Stationen ı5 gekörte Privatbeschäler, theils eigener Zucht, theils englische Vollblut- und Suffolk- und beson- ders 2 Percheronhengste thätig.. Auch in den wiesenreichen Theilen der Westpriegnitz wird eine lohnende Züchtung schwunghaft betrieben. Englische Voll- und Halbblutzueht wird neben dem Gestüt zu Neustadt durch einzelne Private, wie den Baron v. Hertefeld auf Liebenberg seit 30 Jahren verfolgt, Dagegen finden sich in dürftigeren Gegenden bei den bäuerlichen Wirthen vielfach noch die sogenannten Graspferde, die klein, feinknochig und platthufig, im Sommer auf‘ sauren Weiden, im Winter aber mit geringem Heu, Stroh und Kaff ernährt werden. Boden d. preuss. Staates. II. 30 4656 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 5. Provinz Schlesien. In Oberschlesien besteht, namentlich in den östlichen und nördlichen Kreisen, der mehrgedachte, dort mit dem polnischen Namen des Pferdes „Kon“ landüblich bezeichnete kleine polnische Schlag. Er bleibt, nur zwischen 4 Fuss und 4 Fuss ro Zoll gross und von schwächlichem Bau, trotz überraschender Ausdauer und Härte eine sehr werthlose Arbeitskraft. Neben ihm findet sich ein aus ungarischer, russischer und anderer Einfuhr entstandener stärkerer Landschlag von schlechter Figur und etwas schwerem Kopf, der durch Vernachlässigung und völlig unzureichendes Futter bei den grossen Anstrengungen der Hütten- und Holz-Vekturanz, sowie durch viel zu frühe Benutzung und schlechten Beschlag im hohen Grade verkümmert, aber durch sorgfältige Plege auch ohne wesentliche Veredelung ein sehr brauchbares, ausdauerndes und gesundes Pferd erzielen lassen würde. { Als Zuchtthiere decken ausser den Köniel. Hengsten 304 Privatbeschäler, welehe zwar von Kreis-Körkommissionen approbirt sind, aber namentlich in den Kreisen des rechten Oderufers noch vieles zu wünschen lassen. Der Fohlenzuwachs reicht zum Ersatz des Pferdebestandes bei dem starken Verbrauch bei weitem nicht aus. Ober- schlesien kauft jährlich von zahlreichen Händlern aus Polen, Galizien und Ungarn eine beträchtliche Anzahl Pferde. Die ‘edle Züchtung ist hauptsächlich von den Königl. Beschälstationen und von den Privatgestüten des Fürsten Pless zu Louisenhof, des Grafen Renard zu Olschowa, des Herzogs v. Ratibor zu Adamowitz, Amtsraths Heller zu Öhrzelitz und des Grafen Gaschin zu Polnisch-Krawarn ausgegangen, neben denen noch einige kleinere Gestüte, wie die des Grafen Henkel-Donnersmark in Naklo, von Thiele-Winkler in Miechowitz, Schön in Chrost und''Baron Maltitz zu Alt-Rosenberg bestehen. In sehr befriedigender Weise hat sich in einem Zeitraum von 20 bis 25 Jahren der veredelte Pferdebestand auf den grossen Gütern, wie im Besitz der Rustikalen im Plesser- Kreise gehoben. Die Besitzer grösserer Stellen scheuen hier die Kosten des Sprungseldes nicht, sondern führen ihre vielfach sehr gut gebauten Zuchtstuten den edlen Hengsten zu, und’erfreuen sich schöner Fohlen. Einzelne Orte, z. B. Staude, Warscho- witz, Miseräu,' Brzestz, zeichnen sich darin besonders aus, doch ist der Sinn für Ver- edelung der Pferde allgemein bei dem dortigen Landvolke wach geworden. Am meisten aber blüht die oberschlesische Landpferdezucht im Leobschützischen. Der ursprüngliche Schlag der Landpferde ist hier zwar nur von mittler Grösse, breit und steil in der Brust, starkknochig und kurz gefesselt, lang und gesenkt im Rücken mit ab- geschlagenem Kreuz und sehr tief angesetztem Schweif. Diese Thiere eignen sich nur zu schwerer Arbeit, sind unschön, weichlich, haben sehr poröse Knochen und neigen zur Blindheit, An ihrer Veredelung ist indess seit dem Jahre 1852 in konsequenter Weise mit Erfolg gearbeitet. Dem damals gebildeten, sehr thätigen Pferdezüchtungsverein gehören bereits 1100 veredelte Stuten an. Zur Erreichung dieses Resultates wurden dem‘ Kreise jährlich 16, später sogar 19 Königl. Hengste und zwar Trakehner, Kleve- länder und Percherons aus dem Landgestüte Leubus überwiesen. Ausserdem wurden noch jährlich 9 bis ır Privatstationen mit veredelten Hengsten besetzt. Sämmtliche Privatbeschäler stehen unter beständiger thierärztlicher Aufsieht, und der Königl. Land- ratlı als Vorstand des Zuchtvereines konsignirt jährlich für jede Königl. Station die von den Hengsten derselben zu deekenden Stuten. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 467 Auch in dem angrenzenden Neisser Kreise haben die Landpferde meist schlechte Figur, garstige Köpfe, gebogenen Rücken, tief angesetzte Schweife, unedle Beine und platte Hufe, und sind für schnelles Laufen nicht geeignet; indess halten sie bei jedem Futter, selbst bei Kartoffeln und schlechtem Heu in der Ackerarbeit gut: aus,.jund es ist auch hier viel zur Veredelung geschehen. Namentlich züchten diejenigen Bauern, welche Kavalleristen gewesen sind, etwa Ys des Bedarfs durch Kreuzung ihrer Stuten mit edlen Hengsten. Sie benutzen dazu besonders die Landgestütshengste zu Neisse und Grottkau. Dies geschieht auch vom Falkenberger Kreise aus mit gutem Erfolge. 'Ausser- dem haben mehrere Privatbesitzer gekörte Halbbluthengste aufgestellt. : Der Graf von Frankenburg-Tillowitz und der Gutspächter Wehowsky zu Graase besitzen eigne Voll- bluthengste zur Zucht, und letzterer zieht auch sehr gute Thiere. zum Verkauf. Der Durchschnittspreis der Rustikalpferde des rechten Oderufers ist 40—50 Thlr;, für Ueberzehnjährige die Hälfte, für Füllen ein Drittheil, Dominialpferde kosten etwago Thlr. Die Pferde des linken Oderufers aber sind besser und theurer, bis 100 und ı50 Thlr, In Mittel- und Niederschlesien ist im allgemeinen die Pferdezucht nicht bedeutend. Der Landschlag ist ein mittelgrosses, kräftiges und gedrungenes Pferd, aber in. der Regel durch zu frühes Einspannen, schlechten Beschlag und ungenügende verweich- liehende Aufzucht der Fohlen mangelhaft. Indess lässt, sich eine Verbesserung be- merken, seitdem mehr auf tüchtige Beschäler gehalten und die: guten. Fohlenstuten; bei den Militairaushebungen berücksichtigt werden, auch die Anregung zu guter Zuelit durch Gewährung von angemessenen Preisen als Prämien für junge tüchtige Pferde, sich ver- breitet. An verschiedenen Orten ist man zum Ankauf und zur Kreuzung. von kräftigen Holsteinern, Oldenburgern, Engländern und Percherons ‚mit .Trakehnern ‚geschritten. Der Liegnitzer landwirthschaftliche Verein hat 1845 2. Yorkshirehengste und! 28. York- shirestuten, 1857 1oo hannöverische Fohlen, und‘ 1964 :20 junge ‚steyrische Stuten (Arbeitspferde) erkauft, und gute Resultate erzielt. Die. Percherons. sind. vor etwa ıo Jahren durch den Herzog v. Augustenburg in Primkenau, eingeführt, «und. zeichnen sich durch rasche Entwiekelung und grosse Leistungsfähigkeit aus. v..Kramsta-Gäbers- dorf bei Striegau besitzt ‚eine Vollblutzucht von grösserem: Umfange. ‚Die Gebirgskreise sind wenig zur Pferdezucht geeignet; es muss ‚iu ihnen auf starke. Pferde, gehalten werden, 'sie aber fehlerfrei aufzuziehen, dazu mangeln. die. geeigneten ‚ Weideplätze; auch werden die Pferde gewöhnlich zu jung angespannt, weil die. kurze Bestellzeit. die Benutzung aller irgend verfügbaren Zugkräfte gebietet, und dies wirkt im Gebirge auf die gesunde Ausbildung schädlicher als in der Ebene. : Die Gebirgspferde gehören zum grossen Theil dem böhmischen Schlage an, der: sich durch ‚schwere Köpfe und sehlechte Hinterhand charakterisirt.. Namentlich in der Grafschaft Glatz, ‚durch ‚welehe ‚von jeher viel Lastfuhrwerk gegangen ist, räumt man. ihm ‚seiner. schnellen und‘.bedeutenden quantitativen Ausbildung wegen den Vorzug vor anderen ein. , Manıkaufte bis aufidie neuere Zeit r—2jährige Füllen in Böhmen, benutzte‘ sie. bald zu ‘leiehteren ‚Arbeiten, fütterte sie sehr stark, brachte hierdurch der Masse: nach gewaltige Thiere.-auf und ver- kaufte diese, sobald sie das Alter von 5—6 Jahren erlangten, als Fraeht- oder sonstige Lastpferde. Erst seitdem die Füllen in Böhmen im Preise stiegen, verbreitete sich. eigene Züchtung stärker. Da man aber immer noch sehr auf Masse hält und desshalb vorzugs- weise vermittelst starkknochiger gewöhnlicher Hengste aus den Abkömmlingen . jener böhmischen Füllen züchtet und die Nachzucht sehr früh, im‘ Alter von: 11% Jahr zur Arbeit verwendet, so bilden sich bei dieser leider nur wenige der guten, ‚dagegen 30* 468 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. sämmtliche schlechten Eigenschaften des Stammschlages aus. Die Pferde entwickeln sich schnell, haben nicht selten gute Figuren, gewöhnlich starke Rücken und eine breite tiefe Brust, dagegen schlechte Hufe, die durch den üblichen Beschlag noch verschlechtert werden, lange Fesselgelenke, übermässig volle Sprunggelenke, stark be- lastete Beine, und desshalb alle Arten von Fusskrankheiten, ausserdem aber Anlage zum Dummkoller. ‘So lange diese Thiere jung sind, bleiben sie beweglich und leisten ziemlich viel, bei zunehmendem Alter jedoch werden sie steif und sind dann nur noch auf festen Strassen, nie aber auf einem einigermassen tiefen Boden mit Vortheil zu gebrauchen. Desshalb werden sie auch in der Regel nach zurückgelegtem 5. oder 6. Jahre verkauft, und Pferde, welche ein Alter von 8 Jahren erreicht oder überschritten haben, sind bei den Bauern selten und gewöhnlich nur im Besitz von Müllern oder anderen Gewerbtreibenden. 6. Provinz Sachsen. In Sachsen sind eigenthümliche Landschläge von Pferden kaum noch irgendwo vorhanden. Höchstens in einigen Distrikten der Altmark und nördlich der Elbe ist der Landschlag ‘weniger von Rassethieren gekreuzt, und den früher bei geringerer Kultur gemaehten Ansprüchen gemäss bei kleiner Statur leicht und von grosser Beweg- lichkeit geblieben. Im' allgemeinen sind theils fremde Fohlen, früher namentlich in grosser Aus- dehnung ’hannöverische, eingeführt worden, so dass sich an den nordwestlichen Grenzen der Einflüss der hamnöverischen Zucht sehr geltend macht; theils sind edle Hengste der Königlichen Landgestüte und nicht minder die des Herzoglich braunschweigischen Ländgestütes benutzt worden, welche namentlich durch die vorzugsweise pferdezüchtende Enklave Calvörde zugänglich waren. ‘Während bis vor kurzem der Einfluss der Staats- gestütsverwaltung überwiegend die Zucht leichterer Militärpferde begünstigte, hat sich seit 15 Jahren in’ 'steigendem Maasse eine Opposition gegen diese Richtung gebildet, und die immer’ melir Ausdehnung findende Zucht weniger edler, schwerer Arbeitspferde herbeigeführt. : Diese ‘schweren Pferde sind hauptsächlich durch Vereine, welchen in zwei Fällen eine Unterstützung vom Staate durch zinsfreie Darlehne gewährt wurde, indess auch durch Private aus Frankreich und England beschafft worden. Es bestehen einige "kleine Privatgestüte, welche Zuchtmaterial in dieser Richtung liefern, z.B. in Hundisburg, Meiendorf u. a. a. O. Bei den Wirthschafts- und Bodenverhältnissen der Provinz mangelt es aber an Oertlichkeiten, die die Bedingungen der Pferdezucht bieten, und wenn auch grosse und kleine Besitzer Fohlen im Stalle aufziehen, muss doch ein sehr grosser Theil des Bedarfs als ältere Pferde von auswärts zugeführt werden. Solche Pferde für den landwirthschaftlichen Gebrauch wurden früher hauptsächlich aus Holstein und Dänemark bezogen, in neuerer Zeit sind diese Bezugsquellen fast ganz aufgegeben, dagegen sind andere in Holland, Belgien und vorzüglich in Nordfrankreich eröffnet worden. Diese werden gleiehmässig von grösseren Gütern, wie von einigen bäuer- lichen Besitzungen benutzt, welche in den fruchtbareren Distrikten der Provinz liegen. Leichtere Arbeitspferde, die in der Provinz gezogen sind, sind durchschnittlich etwas unter den mittleren Remontepreisen zu beschaffen, die schweren Arbeitspferde kösten zwischen 250 und 350 Thlr., auch darüber. Nördlich der Elbe und Ohre, wie auch in den unfruchtbaren Theilen im Süden der Provinz wechseln die Preise für ein volljähriges Thier von r100— 180 'Ihlr. XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 469 7. Provinz Westfalen. In den Regierungsbezirken Minden und Arnsberg ist das gebräuchliche Ackerpferd ein aus dem ursprünglichen Landschlage durch verschiedene Kreuzungen :hervor- gegangenes Gemisch. Der Pferdestand im Regierungsbezirk Minden, insbesondere in der Grafschaft Ravensberg und im Kreise Herford ist der bessere. Namentlich zeichnet sich Enger aus. Ziemlich schwerer Kopf, mittel feiner Hals, langer, nicht starker Rücken, ‚häufig abschüssige Kruppe, dünne Röhrknochen, zu kurze, nicht muskulöse Oberarme machen das westfälische Landpferd zum Reitpferde weniger geeignet, für die Dressur und bei der Arbeit aber bietet es keine Schwierigkeiten und zeigt bei gleichmässiger ruhiger Anstrengung Ausdauer, wie durch Erziehung Abhärtung. Indess tritt in seinen Be- sonderheiten noch immer die ungeregelte Veredelung mit Senner, Paderborner und Duisburger Hengsten türkischer, spanischer, selten englischer Rasse aus der vorpreussi- schen Zeit erkennbar hervor. Dagegen findet sich im Regierungsbezirk Münster auf dem schweren Boden ein Landschlag, der einen besonderen Typus darstellt, das sogenannte Kleipferd*).. Dieser Schlag macht den Eindruck der Kraft und Ausdauer, mit denen namentlich bei Hengsten ein hoher Grad von Muth und Feuer neben auffallender Gutmüthigkeit ‚gepaart ist. Die Pferde sind von gedrungenem, festem Bau, messen zwischen 4 Fuss zo Zoll. und s Fuss 3 Zoll, ihr Hauthaar ist glatt und fein, sie haben einen etwas ‚schweren, aber, graden Kopf mit breiter Stirn, kluge, lebhafte Augen, kurzen, ziemlich. starken, ‚gebo+- genen Hals, eine mächtige Brust, kräftigen Rücken mit hochgewölbten Rippen. und ziemlich gradem Kreuz; die Lenden sind stark und breit, der Schweif, gut angesetzt; starke breite Hosen, gute Sprunggelenke, und stämmige Beine. mit langem, Oberarm, kurzen Fesseln und ziemlich breitem Huf geben die bessere Form .dieses..zum. Acker- bau auf schwerem Boden besonders geeigneten Pferdes... ‚Sehr ' irrig,, werden diesem Schlage auch viele durch Fehler im Gebäude, allgemeine Grobknochigkeit, langgestreckr ten Leib, flachen Huf und hässlichen Kopf bezeichnete Pferde zugeschrieben, die sich, neben ihm im Münsterlande finden, } Dass auf die gute Züchtung des Kleipferdes schon früh Werth. gelegt; worden ist, ergiebt die Abbildung eines solchen auf dem Schulzenhofe zu Laer, Kreis Steinfurt; welchem bei einer Thierschau im Jahre 1688 von der freien. Reichsstadt Dortmund; der Preis von zwei schweren silbernen Striegeln ertheilt ‘wurde. „Das. Thier, ein; Schimmelhengst, soll einen 7 Ellen langen, sehr schönen, Schweif und)3 ‚Ellen. lange Mähnen gehabt haben, und an den Hof von Oldenburg verkauft worden ‚sein. ‚Von 1767 an scheint die Fürstbischöflich Münstersche Regierung. die Kreuzung mit holstei- nischen und dänischen Hengsten unterstützt, im ganzen aber die Züchtung. bis zur, Errich- tung des Landgestütes in den Händen mittlerer und kleiner. Grundbesitzer-. geruht;; zu haben, Auf leichteren Böden züchteten diese einen kleineren Pferdeschlag für ihren; Bedarf. In den Gegenden mit sumpfigen Weiden in der Dawert, im Emscher ‚Bruch z. B. das sogenannte Winterpferd, Thiere, die zur Saatperiode eingefangen wurden, sonst aber die übrige Zeit des Jahres, selbst bei strengem Frost, im Freien zubringen mussten, *) Das Kleipferd des Münsterlandes, Annalen Bd, 4ı S, 321. A470 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. In den Jahren 1825—26 wurde das Königl. Landgestüt in Warendorf mit einem Bestande von 13 Hengsten errichtet, der sich nach und nach auf den jetzigen Etat von $o Stück erhöhte, und seinen Einfluss wesentlich in der Richtung geltend machte, durch Kreuzungen mit englischem Blute Remontepferde zu erzielen. Auch wurde in dieser Zeit auf dem Schlosse Herdringen, Kreis Arnsberg, ein schöner, wohlgebauter Reit- und leichter Wagenschlag soweit bekannt durch Kreuzung hannöverischer Pferde mit preussischen (arabischen) und später englischen gezüchtet, indess anfangs der vier- ziger Jahre aufgegeben, und an seiner Stelle von dem jetzigen Besitzer Grafen von Fürstenberg, wie die glänzenden Siege des Effenberg und anderer Pferde beweisen, mit grossem Erfolge und nicht ohne weitere Einwirkung auf die Pferdezucht der Provinz reines englisches Voll- und Halbblut eingeführt. Ebenso züchtete der Graf von West- falen zu Laer mit guten Resultaten und nennenswerthem Einfluss auf die Umgegend englisches Blut, und in gleichem Sinne erstrebte der im Jahre 1835 konstituirte Pferde- zuchtverein des Regierungsbezirks Münster mittelst Rennen, Thierschauen und Ankäufen englischer Vollbluthengste die Hebung der Pferdezucht. Endlich wurden auch von 1835 an Remonten aufgekauft und den Züchtern durch die 1846 ausgeführte Errichtung der Remontedepots zu Boyenstein und Mentzelsfelde der Absatz erleichtert. Jedoch hatten alle diese Anstrengungen nicht die erwarteten und gewünschten Resultate, vielmehr wurden theils durch die Fehlerhaftiskeit der Stuten, vor allem aber durch ihre. Ungleichartigkeit mit den gestellten Hengsten Produkte erzielt, die als „Luxuspferde nicht schön und kernig, als Arbeitspferde nicht kräftig genug waren, und auch ‚als Remonten schlechten Ruf hatten. Vorn brillant mit starker Aktion vermochte die dem ‚schlechten Stutenmaterial nachgeerbte Hinterhand dem nicht stich zu halten; die angeborene Schlankheit war nicht durch Futter zu beseitigen, und die Beine der _ Pferde erlagen meist schon der Dressur, oder doch viel zu früh. Auch Versuche der Privaten und des Pferdezuchtvereins mit hannöverischen und Oldenburger Stuten wurden nicht durch Erfolg belohnt. Das System der Veredelung durch Vollblut war gegenüber den Eigenthümlichkeiten des westfälischen Pferdes zu unyermittelt und heftig angegriffen worden, Zugleich trat mit dem Bau der Eisenbahnen in der Industrie und in der Land- wirthschaft ein ungeahnter Aufschwung, und damit ein drängendes Bedürfniss für schwerere und stärkere Arbeitspferde ein, und die schleunigen Mobilmachungen der Jahre 1850 und 1859, bei denen im Drange der Umstände eine Berücksichtigung der geeigneten Zuchtstuten unausführbar war, steigerten das allgemeine Missbehagen mit den Resultaten der bisherigen Pferdezucht. Die Militairverwaltung stellte mehr und mehr die unbe- friedigenden Remonteankäufe ein, und hob endlich 1862 auch das Remontedepot auf. Indess wies die richtige Erkenntniss der Uebelstände unmittelbar auf die Mittel zur Abhülfe hin. Schon in den Jahren 1842 und 45 hatten mehrere landwirthschaftliche Vereine dänische Stuten zur Erzielung eines kräftigeren Arbeitsschlages bezogen. Es wurden nun 1855 und 57 mit nicht unerheblichen Kosten von den meisten Vereinen des Münsterlandes durch direkte Ankäufe dänische und holsteinische Hengste beschafft, welche meist eine gute und zweckentsprechende Nachzucht lieferten, und wenn diese Selbsthülfe die Kräfte der Vereine für längere Zeit überstiegen hätte, wurde nunmehr seitens der über das Bedürfniss orientirten Staatsregierung die Ausstattung und Er- gänzung des Landgestütes zu Warendorf in dieser Richtung ins Werk gesetzt. Von seiten einiger Privaten ist man auch bestrebt gewesen, durch Percherons, Brabanter und Normannische Hengste dem Bedürfüiss schwerer Pferde abzuhelfen, indess haben XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. 471 diese Versuche so wenig nennenswerthe Resultate gehabt, dass sie als aufgegeben be- trachtet werden können. Dagegen erfreut sich ein vom Landgestüt angekaufter Suffolk- hengst einer guten Nachkommenschaft, und dient besonders dem Bedürfnisse schwerer Arbeits- und Lastpferde im Feste Recklinghausen und den angrenzenden Kreisen der Grafschaft Mark. Mit Ausnahme dieses Zuchtmaterials werden in die Provinz wenig Pferde einge- führt, höchstens kaufen grössere Güter schwere Arbeitspferde und Fohlen in Hannover und Norddeutschland. Im übrigen züchten die Besitzer selbst oder kaufen die Pferde in ihrer Umgegend. Am grössten ist die Einfuhr im Regierungsbezirk Arnsberg, sie be- trägt etwa 25 pCt., findet aber auch zumeist aus den Kreisen Recklinghausen, Lüding- hausen und Beckum im Regierungsbezirk Münster und nur zum Theil aus Oldenburg, Waldeck und Hannover statt. Gute Arbeitspferde des üblichen Landschlages im Alter von 5 bis 9 Jahren werden mit ı5o bis ıgo Thlr. erhandelt, geringere Qualität oder höheres Alter mit 80 bis 120 Thlr.; jüngere Pferde von 3 bis 5 Jahren haben Preise von 80 bis 130 Thlr, $. Rheinprovinz. Die Grundlage der am Rhein noch erhaltenen Landschläge bildet das Ardenner Pferd, welches mittelgross, eher klein, gedrungen, von gutem Knochenbau und grosser Ausdauer ist. Ihm verwandt ist das Waldländer Pferd, indess kleiner, sehr behend und höchst genügsam und ausdauernd. Es kommt im Hunsrück, Hochwald und um Saarlouis vor, Denselben Charakter hat das Eifeler Pferd. Es zeichnet sich durch grosse Wider- standsfähigkeit gegen äussere Einflüsse aus, hat mittle Grösse, gedrungenen Bau, weite Brust, schweren Kopf, starke Knochen und gute Hufe, und entspricht durchaus den Bodenverhältnissen der Eifel. Diesen Gebirgspferden gegenüber, mit welchen vielfach vortheilhaft gekreuzt wird, ist in der Ebene der holländische Typus mit seinen Fehlern und Vorzügen vorherrschend. Die holländischen Pferde haben regelmässigen Bau, schöne Figur und guten Schritt, sind aber erst im 4. Jahre gebrauchsfähig und in der Jugend gegen Witterungseinflüsse besonders empfindlich. Es werden desshalb aus Holland selbst vorzugsweise 1", bis 2jährige Fohlen eingeführt, welche sich in so frühem Alter leichter akklimatisiren, Die klevischen Pferde leiden durch die Weichlichkeit bis zum 7. Jahre ganz besonders, zeichnen sich aber dann bis zum 24. Jahre durch flotte Gangart vorzüglich aus. Zum Acker- und leichten Wagenpferde ist der holländische Schlag gut geeignet, nieht aber zum Lastpferde. Desshalb werden in die Ebenen zum schweren Zuge die belgischen Karrenpferde eingeführt, indess nicht im Lande gezüchtet. Dem Bedürfnisse gemäss sind die Bemühungen der Privaten und der Zuchtvereine seit längerer Zeit der Erzeugung eines schweren, aber hinreichend beweglichen Wagen- und Arbeitspferdes zugewendet. In Schleiden sind dazu die schweren Mecklenburger Hengste des Landgestüts mit Erfolg benutzt werden. Nach Kempen sind zu demselben Zweck 31 Stut- und 5 Hengstfohlen aus der Normandie und mehrfach Fohlen aus Brabant und Holland, auch ein Percheron- und ein Oldenburger Hengst eingeführt worden, und der auf dieser Königlichen Station aufgestellte Suffolkhengst wird sehr gesucht. Im allgemeinen werden aber vorzugsweise Percherons benutzt. 472 XXIX. Die Pferde im Staatsgebiete, das Gestütswesen und die Zuchterfolge. Die eingeführten Roer-Percherons und Brabanter Ackerpferde, die von Klein- ackerern häufig gebraucht werden, sind kräftig und mit dem 3. Jahre arbeitsfähig, auch ruhig und arbeitsam, haben aber öfter schlechte Augen und schlechte Füsse, als die Holländer. Es wurden desshalb in Düren und anderen Gegenden schon seit längerer Zeit Holländer und Percherons gekreuzt. Wenn nun auch von der Percheronkreuzung nach dem vorhandenen Stutenmaterial an einigen Orten, z. B. im Kreise Ahrweiler, weniger gute Resultate erzielt sind, so sind doch im allgemeinen die Erfahrungen der Vereine, z. B. in Reinbach, Bergheim, Zell, dieser Züchtung besonders günstig. Von den zu Bonn aufgestellten 2 Percheronhengsten des Landgestüts sind 1864 auf 80 ge- deckte Stuten 5o Fohlen gefallen, und von Wetzlar, wo ausser Percherons keine fremde Rasse eingeführt worden ist, wird berichtet, dass sich erst nach Aufstellung eines Percheronhengstes die dortige Pferdezucht gebessert, und die Fohlen sich rasch entwickeln und gut und gelehrig zeigen. Auch die auf der Station Oppum durch Brabanter' Percherons und kroisirte Percherons gezeugten Fohlen sollen oft den ein- geführten vorgezogen werden. Es ist also gegenwärtig die Veredelung durch Percherons als die herrschende anzusehen. Englisches Halbblut wird im Gestüte des Herrn Boch zu Mettlach gezüchtet. Er hat ıo junge Trakehner bezogen, die durch einen sehr edlen Trakehner Rapphengst des Herrn y. Gahlen gedeckt werden. Ausserdem besitzt er auch englische Voll- und Halbblutstuten, die zum Theil durch den Trakehner und auch durch einen eigenen arabischen Vollbluthengst gedeckt werden; die gezogenen Pferde und Fohlen sind sehr gut ausgefallen. "Die Preise des Eifeler Pferdes sind 120—ı80, die des Holländer oder belgischen Pferdös 150-250 Thlr., halbjährige Fohlen kosten 35 — 60 Thlr. ae ei 9. Hohenzollern. Der gewöhnliche Landschlag der Pferde in Hohenzollern hat durch Verwendung besserer Hengste aus den württembergischen Landgestüten in seinen Formen, guter Be- wekting ünd Temperament yiel gewonnen; es sind gute Reitpferde und auch elegante Wäßenpferde zu finden; die Thiere eignen sich aber nicht mehr, wie in früheren Zeiten, zum 'sehweren Zug, und viele leiden in ihrer Entwiekelung Schaden, bekommen Fehler an 'den Gelenken u. dgl., weil sie zu früh angespannt und stark angestrengt werden. Es “sind desshalb schwere Hengste mit starken Gelenken und gutem Knochenbau in Hohenzollern ebenso gewünscht, wie sie in der gesammten württembergischen Umgebung als Bedürfniss fühlbar bleiben. Im ganzen nimmt die eigene Pferdezucht in Hohen- zollern ab. Die früher eingerichteten grossen Fohlenweiden im Nonnenhofe und Kessler- bronnen oberhalb Laiz sind wegen ungenügender Benutzung eingegangen, Indess wurden 1865 (doch 1666 Zuchtstuten gezählt, i XAX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Rindvieh- und Ziegenhaltung fallen insofern unter gemeinsame Gesichtspunkte, als die Ziege nach Ertrag und Bedürfnissen in kleinem Massstabe die wesentlichen Eigenthümlichkeiten des Rindes besitzt. Der grossen Produktion dienen Ziegen allerdings nur unter besonderen Verhältnissen, zur Ausnutzung schwer zugänglicher Gebirgsweiden, zur Molkenwirthschaft u. dgl.; für den kleinen Hausstand aber stehen sie durch Genüg- samkeit, starke Nachkommenschaft und Milchergiebigkeit sogar verhältnissmässig im Vorzug. Sie werden desshalb bei denjenigen Wirthen gefunden, die des geringen Areals und mangelnden Kapitals wegen Rindvieh anzuschaffen nicht im Stande sind. Jede Ziege stellt gewissermassen den Bruchtheil eines Stückes Milchvieh dar. — Rind wie Ziege kennt Deutschland nur als Hausthiere. Ueber den Ursprung der nach Gestalt und Nutzbarkeit sehr abweichenden deutschen Rindviehschläge ist viel gestritten worden, ohne dass genügende Aufklärung erlangt ist. Tacitus*) nennt das Rindvieh der Deutschen unansehnlich und nicht einmal mit dem Stirnschmuck. geziert; Cassiodor erzählt dagegen**), dass Servatus der Befehlshaber des Ostgothenkönigs Theodorich in Rhätien den Alemannen erlaubte, ihr grosses Vieh mit einer noch grösseren Art auf den Alpen des Noricum zu begatten. Wenn also auch Taeitus Schilderung im Gegensatz zu den grossen gewundenen Hörnern des römischen Viehs nicht unbedingt auf hornlose Rinder zu deuten ist, so bestanden danach doch schon nach deu frühesten Nachrichten ahweichende, anscheinend nach dem Besitz der einzel- nen Volksstämme unterschiedene Schläge, und man wird nicht irren, ‚wenn man die örtliche Ausbildung der auf uns überkommenen Landschläge erst der Zeit zuschreibt, in der keine grösseren Völkerzüge mehr stattfanden. Nach den charakteristischen, äusserlich auch nach der Farbe getrennten Haupt- unterscheidungen dieser Landschläge fällt im allgemeinen die Hauptmasse der jetzt preussischen Landstriche in das Ausbreitungsgebiet des rothen Rindviehes, welches sich *) Germ. 5. 8. — C.E. Langethal a. a. ©. I. 32. **) III. 50. Anton, a. a. 0. I. 127. AT XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. örtlich ‚in das sehr kleine polnische Vieh der nördlichen Ebenen und in die mässig- grossen kernigen Schläge des mitteldeutschen Gebirgs- und Hügellandes verzweigt. Im Südost von Schlesien aber macht sich der Einfluss der grauen, dem ungarischen ‚Vieh verwandten Stämme Mährens bemerkbar; Hohenzollern liegt schon auf der Grenze des Gebietes des bräunlich grauen Allgäuer Viehs; und das gesammte Tiefland am untern Rhein, der Elbe und der Ostseeküste gehört den grossen, weiss und schwarzen Schlägen des Niederungsviehes an. Unzweifelhaft hat bei der deutschen Kolonisation der ‚Slawenländer eine starke Ueberführung südwestlicher Viehstäimme nach Nordosten stattgefunden. ‘Von dem Danziger Niederungsvieh wird angenommen, dass es damals vom Deutschen Orden aus Holland oder Friesland eingeführt worden sei; auch lässt sich ‚denken, dass häufiger, wenn Viehsterben oder Hungersnoth einen Landstrich seiner Heerden beraubt hatten, Vieh in Masse von fremdher eingetrieben worden ist. Desshalb ist nicht zu bestimmen, ob manche ausgeprägtere Landschläge mit: schwarzen oder ‚bunten Farbenmischungen durch besondere Bedingungen der ÖOertlichkeit oder absichtliche Kreuzungen entstanden. Einzelne Zuchtversuche würden sich mindestens im 16. Jahrhundert wohl er- mitteln ; lassen. Längeres Reinhalten aber hätte nur in den ungewöhnlichsten Fällen erreicht ‚werden können. , Alle Fortzüchtung war bis zum Beginn unseres Jahrhunderts im, wesentlichen, durch die freie Paarung auf den Gemeinweiden bedingt. Die Schaf- heerden trennte man früh, an eine Sonderung der Rinderheerden wurde schon der Bullen wegen kaum gedacht. Aufzucht und Wintereinstallung der Stiere lag entweder „herkömnmlich ‚bestimmten grossen Höfen, den Gutsherrn, Erbscholzen, Pfarrherrn, ob, oder war Reihepflicht der Bauerngemeinde. Häufig waren besondere Bullenwiesen aus- geschieden, ‚die das Winterfutter lieferten; die Erhaltung im Sommer aber fand ohne bemerkbare Kosten auf, der gemeinschaftlichen Weide statt. Wie das: Vogtländer, das fränkische, Dannenberger, Westerwälder oder das ge- „dachte Danziger Vieh zeigen, waren die Schläge, die aus diesen Gemeinheerden her- ‚vorgingen,’/je. nach. der Oertlichkeit keineswegs gering zu schätzen; in unfruchtbaren Gegenden, -wie im Posenschen oder auf dem baltischen Landrücken konnten sie aber zu grosser Verkümmerung herabsinken. Die ‚Hebung auch dieser Gegenden und die allmähliche, fast allgemeine Um- gestaltung. der Landsehläge durch fremdes, absichtlich zur Verbesserung herbeigeschafftes Zuchtvieh ging von den grossen Gütern aus. Mit der Ausführung der Separationen und den. Versuchen der Stallfütterung lag auch der Gedanke sorgfältigerer Zuchtwahl und der ‚Benutzung; edlerer Rassethiere näher. Seit ‚der, Mitte des vorigen Jahrhunderts erregte das holländische Marschenvieh wegen, seiner, Grösse und’ Milchergiebigkeit vorzugsweise Aufmerksamkeit, wurde lange „als ‚Muster betrachtet, und nach und nach in einzelne grössere Wirthschaften ver- schiedener, Landestheile eingeführt. Nach der Kriegszeit wendete sich in den zwanziger Jahren die Vorliebe ganz besonders den Schweizer Thieren zu. Viele Güter von Ruf züchteten Schweizerrasse- heerden und kreuzten mit den Ländschlägen. Da die Resultate wenig aufmunternd blieben, folgten ähnliche Versuche mit Oldenburger, Holsteiner, Danziger und Pfälzer, auch englischem Langhorn- Vieh. Die allgemeine Aufmerksamkeit aber wurde erst rege, als man durch die genaue Prüfung, welche die.englische Pferdezucht fand, zugleich die ähnlichen ausserordentlichen XXX, Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen 475 Erfolge der englischen Rindviehzucht kennen lernte, und Ayrshire-, Durham- und Shorthorn- Thiere ') in grösserer Zahl zu den Ausstellungen gelangten, die mit den Pferderennen verbunden wurden. Die rasche Verbreitung der Thierschauen in den Jahren 1830— 1840 ist oben Bd. II. S. 455 näher belegt. Die Nutzviehproduktion gewann nach und nach für das landwirthschaftliche Intersse die Ueberhand. Auf den grossen Ausstellungen zu Stettin, Köln, Erfurt, Neuwied, Prenzlau, Paderborn, Breslau, Liesnitz, Merseburg u. a., namentlich aber auf den internationalen Ausstellungen zu Paris (1856), sowie zu Hamburg (1863) kam das Rindvieh zu hervorragender Geltung. Man fing an, auch die Rinderheerden nach Art und Ab- stammung dem Muster der englischen Herdbooks entspreehend zu verzeichnen ?). Aber es herrschten nicht mehr Liebhaberei oder vorgefasste Meinungen über den Einfluss des Blutes, sondern es drang siegreich die Prüfung der Leistungsfähigkeit und‘ der Wetteifer nach realen geldwerthen Erträgen durch. Das Wirthschaftsbuch wurde über das richtige Verhältniss der Bedingungen der Oertlichkeit zu dem Ideal des Rässe- thieres entscheidend, und damit kamen vielfach auch die alten Landschläge' zu ihrem Recht. Vor allem aber befestigte sich die Ueberzengung, dass durch einsichtige Aus- wahl, reichliche Ernährung und sorgfältige Pflege die vorhandenen Viehstämme' in der Regel auch ohne weitgreifende fremde Zucht unverhältnissmässig verbessert wer- den könnten. — Der Verlauf dieser Bewegung legte desshalb auch die Frage nahe, wie erreich- bar bestes, wenigstens fehlerfreies, den Bedürfnissen entsprechendes Zuehtvieh für ne kleineren Rustikalwirthe zu beschaffen sei °). In den östlichen Provinzen war, mit Ausnahme des Regierungsbezirks Erfurt, in den vierziger Jahren die Theilung der Gemeinhutungen im wesenlichen 'zum Ab- schluss gekommen. Der XXI. Abschnitt (Bd. II. S. 153 ff) hat in Verbindung mit den übrigen Beziehungen der Ackerwirthschaft eingehend zu zeigen gesucht,‘ wie sich”in den einzelnen Landstrichen das Verhältniss der Stallfütterung und’ des "Weideranges gestaltete. In Sachsen, Schlesien und der Mark und in der Nähe aller grossen Städte'gin&en grosse und kleine Güter überwiegend zur Stallfütterung über. In Preussen fordert dasKlima (Bd.I. S. 158) fast ausnahmslos die Weidenutzung. In der Zwischenzone äber, vom mittlen Pommern über Posen bis auf das rechte Oderufer Schlesiens schwankt die Ausübung, jenachdem noch Weiden vorhanden sind, namentlich aber ziehen, mit Aus- nahme einiger vorgeschrittener Ortschaften, in der Regel die Rustikalen für ihr'Rindvieh die häufig sehr kärgliche Hutung vor. Sie haben entweder einige Weideländereien 'un- getheilt oder als Gemeindeland behalten oder setzen den Weidegang auf den nunmehr Privateigenthum gewordenen Grundstücken fort. Welche Wirkung indess auch die Gemeinheitstheilung hatte, sie berührte kaum irgendwo die obengedächte meist den Gutsherren obliegende Pflicht zur Gewährung des Stiers. ‘Die verpflichteten" Besitzer !) Ueber Shorthorn-Rindvieh von H. v. Nathusius, Berlin 1857. —, Vergl. Mentzel, Annal. Bd. 29 S. 476. 2) Stammzuchtbuch deutscher Zuchtheerden im Jahrbuch der deutschen Viehzucht von W. Janke, A. Körte und C. v. Schmidt, seit 1864. — Deutsches Heerdbuch von H. Settegast und A. Krocker, Bd. I. Berlin 1865. 3) Beschaffung besserer Zuchtbullen für die Bauerngemeinden, Annalen'35, 320. 476 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. kamen dieser Verbindlichkeit entweder dadurch nach, dass sie den Zuchtbullen auf die Hutung oder die gemeinschaftliche Brach- und Stoppelweide der Rustikalen, oder wenn die Gemeinde die gemeinschaftliche Hutung nicht fortsetzte, auf einen einige Morgen grossen, Ständerplatz gaben, oder endlich, dass sie das Rustikalvieh dem Stier auf dem Hofe zuführen liessen. In diese Verhältnisse grift erst das Reallastenablösungsgesetz vom 2. März 1850 (6.-8. 8. 77) ein, durch welches die verpflichteten, ebenso wie die berechtigten Wirthe den Anspruch erlangten, die Pflicht zur Haltung von Samenvieh gegen die ungefähr dem üblichen Sprunggelde entsprechenden Normalpreise abzulösen, und es ihr freier Wille blieb, ob und wie lange sie von der Ablösung Abstand nahmen (Bd. I. S. 428). Nach erfolgter Ablösung musste die Haltung des Zuchtstiers im Streitfalle auf Grund des $:27.No. ır und der $$ 43 und 44, Th. II. Tit. 7 Allg. Landrechts als Gemeinde- Angelegenheit behandelt werden*). Die Ablösung wurde nicht selten beantragt. Die wenigen Klagen über Mangel an, Zielvieh aber, die bei der ersten Umwandlung laut wurden, verstummten bald, und wenn. auch von allen Seiten anerkannt wird, dass die Beschaffenheit der Zuchtstiere, deren sich die Rustikalen bedienen, sehr häufig unzureichend oder ungeeignet ist, so hat. doch,im Osten des Staats ein Einwirken durch allgemeinere Massregeln bis jetzt keine genügende Aufforderung oder Beistimmung in den betheiligten Kreisen der Pro- vinzialvertreter und der landwirthschaftlichen Vereine gefunden. Dagegen hat zu solchen, allerdings zweifelhaften Hülfsmitteln der Mangel zweck- dienlichen. Zuchtviehes in den westlichen Provinzen und in Thüringen geführt, wo die Zahl; der ‚einsichtigen kleinen Wirthe grösser und eine Aushülfe durch grössere Guts- wirthschaften ‚schwieriger ist. Am. Rhein, waren schon im vorigen Jahrhundert in einigen kleineren Territorien polizeiliche Prüfungen der Zuchtthiere üblich**), und es wurden von dort bald nach den Kriegsjahren Anträge auf Zuchtstier- Körordnungen gestellt, welche ‘endlich bei den Provinzialständen ‚so, viel. Unterstützung fanden, dass daraus die am 18. Juni 1339 landesherrlich’ bestätigte Zuchtstier-Körordnung vom: 28. Mai 1839 (v. Kamptz Annalen Bd.;23 :8..372) hervorging, Diese ‚bestimmt, dass: fernerhin kein Gemeindezuchtstier benutzt werden dürfe, der. nicht.durch. ein Schauamt als dazu. tauglich anerkannt ist. Derselben Beschränkung unterliegen Zuchtstiere, welche von Privatpersonen zur Bedeckung fremden Viehes gegen eine ‚Entgeltung, zugelassen werden, Das ‚Schauamt wird aus dem Bürgermeister der Gemeinde; dem Kreis-Thierarzt und drei vom Landrath aus den Grundbesitzern der Gemeinde zu.bestimmenden Sachverständigen zusammengesetzt. Die Schaurichter, von denen nur der Kreis-Thierarzt eine Remuneration von ı5 Sgr. für jeden vorgeführten *) Min.-Resk. des Min. der landw. Angel. vom 19. November 1852. — Lette u, v. Rönne a. a. O. Bd. IIb. S. 170. — Dem $ 95 des Gesetzes nach hätte streng genommen die Samen- viehgewährung als Reallast nirgend von der Ablösung ausgeschlossen werden können; dies ist indess' gleichwohl häufig geschehen. Hier und da wurde sie auch als unablösliche So- zietätslast ($ 6) betrachtet. *) Im Gebiet des französischen Rechtes ist nach dem Gesetz vom ıı. Frimaire VII. Art.2 $ 6, sowie Art. r u. ı2 Sect. IV. des Ruralgesetzes vom 28. September u. 6. Oktober 1797 der Zuchtstier nicht Gemeindesache. XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. AT Stier erhält, treten jedes Jahr im März an bekannt gemachtem Tage zusammen. Sie dürfen keinen Stier für tauglich erkennen, der weniger als 18 Monate oder mehr als ‚6 Jahre alt ist, in die Augen fallende Fehler hat, sich nach seiner gesammten körper- lichen Beschaffenheit nicht zur Zucht eignet, oder eine Verschlechterung der vorhandenen Rasse besorgen lässt. Der tauglich befundene Stier erhält ein für ı Jahr gültiges, seine genaue Beschreibung enthaltendes Zeugniss.. Wer einen ungekörten oder verwörfenen Stier gegen Entgelt zur Deckung hergiebt, verfällt in ı—5 Thlr. Strafe. Die Schauämter sollen auch ihren Einfluss dahin anwenden, dass die Gemeinden und Privaten vorzüglich tüchtige, zur Verbesserung der Rasse geeignete Stiere anschaffen, und dadurch der Zweck der Verordnung um so mehr gefördert werde, Die Staatsregierung hat nicht verkannt, wie die Körung namentlich darin ihr grosses Bedenken hat, dass sich bei den äusserst verschiedenen Zwecken, welche .die Züchtung an demselben Orte zu verfolgen pflegt, Merkmale für den geeignetsten Zueht- stier schwer angeben lassen, auch Milchergiebigkeit und Mastfähigkeit sich einander gegenseitig ausschliessen und kaum anders als durch Kenntniss der Abstammung zu beurtheilen sind. Sie hat desshalb das System der Prämiirung guter Zuchtstiere und guter Aufzucht von Jungvieh in der Regel für zweckdienlicher erachtet und nicht ün- erhebliche Aufwendungen für solche Prämien gemacht. Auch haben die Körordnungen mehr und mehr die Einwendung erfahren, dass die guten 'Stiere von den Besitzern nicht zur Körung gestellt, vielmehr aus dem Grunde mangelnder Schau um 'sö' leichter anderen Wirthen, die ihrer bedürfen, verweigert werden; und dass wegen der geringen Zahl der vorgeführten Stiere die Kommissionen 'sich 'entschliessen müssten, auch sehr unvollkommenen das Zeugniss der Zulässigkeit zu ertheilen. ' Nichtsdestoweniger' lässt sich diesen Prüfungen schon unter dem Gesichtspunkte ein’ Werth‘ nicht "absprechen; dass sie bei‘ allen dabei Betheiligten die Erkenntniss" der Mängel und Vorzüge des Zuchtviehes fördern und damit die Bedingung schaffen, von der jede Verbesserung auf diesem Gebiete zunächst ‚ausgehen muss. ' Der rheinischen Körordnung wurde eine ‚solche für den Kreis Ziegenrück vom 13. April 1840 (Amts-Bl. der Regierung zu Erfurt für 1840, 8. 226) mit Nachtrag vom r. August 1855 (ebd. für 1855, $8. 281), und die westfälische vom r5.' Juli irgd4y (Amts-Bl. der Regierung zu Münster, Jahrg. r845 $. 200) nachgebildet, ‘welche letztere auch den Besitzer der Kuh, der einen ungekörten Stier benutzt, mit Strafe 'belegt"und für das Auftreiben eines ungekörten Stieres auf eine gemeinschaftliche Weide" doppelte Strafen vorsehreibt. Die westfälische Körordnung ist durch Kab.-Order vom 25. Juni 1863 aufgehoben und von dem Erlass weiterer Körordnungen mit Rücksicht darauf Abstand genommen worden, dass das Gesetz vom ı1. März 1850 über die Polizeiverwaltung solche lokale Verordnungen in die Hände der örtlichen Polizeibehörden gelegt hat. Auf Grund dieses Gesetzes sind lokalpolizeiliche Zuchtstier-Körordnungen u. a. für den Kreis Langensalza unter dem 14. September, und für den Kreis Erfurt und den Kreis Schleusingen unter dem ı5. November 1855 (Amts-Bl, der Regiernng zu Erfurt S. 362, 368 u. 430) erlassen worden. ar Die Resultate der Körungen von Stieren waren in der letzten Zeit folgende); *) Vergl. Jahresbericht des Landes-Oekonomie-Kollegiums für 1868, Annalen Bd. 50, 4718 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Im Jahre 1864 Im Jahre 1865 Im Jahre 1866 Im Jahre 1867 Regierungs- wurden wurden wurden wurden bezirke = = Eee] 3 vorgestellt| angekört | vorgestellt | angekört | vorgestellt | angekört | vorgestellt | angekört Erfurt... 364 344 380 360 350 333 332 318 Arnsberg ... — >= n= 365 35% Köln .....| 793 765 743 717 777 746 767 766 Düsseldorf . . 906 892 825 817 780 767 742 718 Koblenz....| 1173 1.122 1172 1113 1056 988 570. | ...,545 Aachen .... 730 708 694 672 621 596 1089 1034 SDTIer seine 1014 912 1045 995 ? ? 1016 949 4 980 4743 | 4859 4674 | 3 584 3 430 | 4 881 4.682 a — en Zusammen 18 304 : 17529 = 96 pCt. angekört, also sind nur 4 pCt. als untauglich zurückgewiesen worden. Neben der Körung hat die Staatsregierung überall, wo geeignete Wünsche laut wur- den,; durch, Prämien, die unter Vermittelung der landwirthschaftlichen Vereine ertheilt wurden, auf die Aufstellung guten Zuchtviehes hinzuwirken und darüber zu belehren gesucht, mit wie, geringen Kosten die Gemeinden ihren Bedarf beschaffen können, wenn sie junge, gute,Stiere kaufen, kräftig nähren und zur rechten Zeit wieder verkaufen, nicht aber aus, übel angebrachter Sparsamkeit an alten, übermässig angestrengten und schlecht ‚gefütterten Stieren Auslagen und gute Zucht zugleich verlieren, Es sind. auch Unterstützungen zur Anschaffung besseren Milchviehes und zur Aufstellung ganzer Stämme gegeben, und mehrmals grössere Summen für ärmere Landes- theile ausgesetzt worden, um den Ankauf von Kühen durch zinsfreie, in mässigen Raten zu erstattende Vorschüsse zu erleichtern. Namentlich geschah dies in Bezug auf den in der Paderborner, Senne?), in Schleusingen, am Rhein und überhaupt in armen und sehr parzellirten Distrikten bestehenden Brauch, dass die ärmeren Grundbesitzer, um in /den-unentbehrlichen Besitz einer Kuh zu gelangen, von Händlern, die dies als Geld- geschäft ‚betreiben, ein Kalb in Fütterung nehmen und es ohne Entschädigung zurück- geben,,wenu es zweimal gekalbt hat, auf diese Weise aber, abgesehen von mancherlei anderen Uebelständen des Verhältnisses, die Nutzung durch die Kosten der langen Fütterung ganz übermässig bezahlen. — Die, allmähliche Entwiekelung der Zahl nach zu beurtheilen, gestatten die Vieh- zählungen, deren Resultate seit 1816 in gjährigen Perioden in der Tabelle Q. ı der Anlagen für die einzelnen Regierungsbezirke mitgetheilt sind. Im Durchsebnitt hat das Rindvieh im Staate auf der Quadratmeile 1816 789 Stück, 1867 1192, Stück betragen, ist also von je rooo Stück auf 1483 Stück angewachsen. Während indess nach Tabelle Q.4 der Anlagen die Rinder 1816 26,5 pCt. der gesamm- ten Viehhaltung betrugen,‘ sind sie 1867 bis zu‘ 18,9 pCt. derselben berabgegangen. Dieses Sinken der Verhältnisszahl betrifft die Provinzen Schlesien und Rheinland nicht, in. den Provinzen Preussen, Pommern und Posen aber ist es durch das starke Anwachsen der Schafzucht, in Brandenburg, Sachsen und: Westfalen durch die Vermehrung der Schweine und Ziegen bedingt. *) Vergl. Reglement im Amts-Bl, der Regierung zu Minden, 1854 No. 21. XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. "479 Im ganzen ergiebt sich von 1816— 1867 für alle Vieharten folgende ı auf der Quadratmeile: N Preussen 322 157 2.645 230 31 Pommern. ..... 120 123 4.440 346 gr 443 233 4081 421 73 Brandenburg... . 127 119 496 PR SER Schlesien 786 488 137 Sachsen. ..... 357 1009 435 Westfalen ..... ) 371 554 359 Rheinland 785 525 Staat... 308 403 131 2140 464 180 Die Ziegenhaltung hat sich durchschnittlich im Staate auf der'Quadratmeile von 29 auf zog Stück vermehrt, oder von je 1000 Stück auf 7299. Dieses jede andere "Thier- gattung, selbst die Schafe, erheblich übersteigende Anwachsen ist bei der gleichzeitigen Steigerung der Rinderzahl nach den im Eingange ausgesprochenen Gesichtspunkten un- zweifelhaft günstig zu beurtheilen. Es drückt einen Fortschritt der ganz kleinen Wirth- schaften und Leerhäusler aus. Den Provinzen nach ist die Ziegenhältung am meisten in Rheinland, Westfalen und Schlesien, nächstdem in Brandenburg verbreitet "und namentlich in letzteren Provinzen neuen Ursprungs, in Sachsen aber am’ meisten ge- stiegen. Bedingt ist diese Ausbreitung durch Stallfütterung. JA BAT A. Charakteristik des Rindviehes, Anzucht und Ankauf. rar Bezüglich der näheren Charakterisirung der Rinder in den einzelnen Landestheilen, sowohl nach den vorhandenen ursprünglichen oder gezüchteten Schlägen und’ ihren Eigen- thümlichkeiten, als nach der üblichen Art der Aufzucht und Haltung’ und den geltenden Preisen, haben sich die Mitglieder des Landes-Oekonomie-Kollegiums für den’ vorliegen- den Zweck eingehend ausgesprochen. Diese aus dem Ende des‘ Jahres: 1865"! her- rührenden Angaben lassen sich provinzenweise in Nachstehendem zusammenfassen: 1. Provinz Preussen. In Ostpreussen trägt den ausgeprägtesten ‘Charakter als Schlag‘\das' kleine pol- nische Rind in Masuren. Diese Thiere sind meist: ganz roth,' seltener weissgefleckt, in Betreff des Futters ausserordentlich genügsam, und ‚es finden sich'häufig gute Mildh- kühe unter ihnen, im ganzen aber stehen sie sowohl bezüglich: der Mileh=, als ‘der Fleischproduktion sehr hinter den neueren Kulturrassen zurück: / Sie sind’ allein ‘da noch nutzenbringend, wo dem Vieh den Verhältnissen’ nach nur 'magere Weiden eg kärgliche Winterfütterung geboten werden können. In den besseren bäuerlichen Wirthschaften ist das Rindvieh einem eigenthümliehen Schlage nieht zuzuschreiben, sondern aus mannichfachen Kreuzungen hervorgegangen, im allgemeinen aber nieht gross, mit flachen Rippen, schmalem Kreuz ‘und Brust, 480 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. spitzen Hüftknochen und enggestellten Hinterbeinen, als Zugthier wenig geeignet, fein- knochig und schwach, als Michvieh hart, genügsam, unter Umständen und in gewissen Oertlichkeiten das Futter gut verwerthend, als Mastvieh wenig tauglich und spätreif. Auffallend ist die Grösse, welche die Ochsen bei dürftiger Haltung häufig erreichen; diese Zugochsen sind ausdauernd bei sehr geringem Futterbedürfniss und haben den Vorzug besonders guter und fester Gesundheit. Die Veredlung hat verhältnissmässig früh begonnen, und ging wesentlich von den Gestütsämtern aus. König Friedrich Wilhelm J. trug seiner Zeit besondere Sorge, dass diese grossen Güter möglichst in die Hände vortrefflicher Wirthe kamen. Diese sie- delten aus vorgeschritteneren Gegenden Mitteldeutschlands nach der Provinz Preussen über, und erkannten mit richtigem Blicke bald, dass bei den bestimmenden Verhält- nissen des Landes Thierproduktion und, nächst der der Pferde, die Zucht des Rind- viehes die beste Rente abwerfen müsse. Dabei bedurften sie zur Bearbeitung des schwer zu bewältigenden Bodens einen grossen Rindviehschlag, der nach der Ausnutzung durch Arbeit zur Weidemast geeignet war. Diesen Bestrebungen sind die grossen Littauer Zugochsen zuzuschreiben, welche im besten Rufe stehen, und im mageren Zustande mit 70 bis 80 Thlr. bezahlt werden. Dagegen wurde auf Milchergiebigkeit wenig Werth gelegt. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde besonders Oldenburger Vieh ein- geführt. Die Thiere dieser Rasse haben sich in der grössten Verbreitung sowohl bei der Kreuzung mit der Landrasse durch bessere Formen, grössere Schwere, Zugkraft und lohnendere Mastfähigkeit, als auch bei der Kreuzung mit dem Niederungsyieh durch Verbesserung der Form ohne Benachtheiligung der Milchergiebigkeit bewährt und eine so allgemeine Anerkennung gefunden, dass sie noch immer in der Provinz am meisten vorherrschen. Auf zahlreichen Gütern wird das Oldenburger Vieh rein erhalten und Zuchtvieh verkauft, indess wird es auch jährlich theils von einzelnen Besitzern für eigene Rechnung, theils von den landwirthschaftlichen Vereinen und der Centralstelle derselben, in den letzten Jahren auch von besonderen Viehhändlern eingeführt. In der Kreuzung mit dem Landvieh ist die Oldenburger Rasse dermassen vertreten, dass sich fast durch die ganze Provinz Spuren davon vorfinden. In den Jahren 1817 bis 1820 wurde nach Schreitlaugken, Szirgupönen und Althof- Memel das englische Langhornvieh, bald darauf nach Szirgupoenen, Angerapp und Oszerischken Berner Vieh eingeführt, um 1836 auf verschiedene Güter ostfriesisches, auch einige Stämme Yorkshire- und Ayrshire Kühe, endlich sind auch Holländer, Angler, Egerer, Breitenburger und Allgäuer und in neuster Zeit Shorthorn aufgestellt und zum Theil bis auf die Gegenwart fortgezüchtet worden. Diese Reinzucht erhalten diejenigen Heerden aufrecht, welche den Haupttheil ihrer Erträge dem Verkaufe von Zucht- material verdanken. Im allgemeinen aber hat sich auch hier die Erfahrung herausge- stellt, dass die Erhaltung des Stammes durch die Reinzucht allein keinesweges gesichert ist, sondern dass Futter und Pflege nebst Verhältnissen, die dem Gedeihen der einge- führten Thiere dauernd entsprechen, vorhanden sein müssen, wenn nicht Deteriorationen und Degenerationen schon in den Originalheerden selbst oder doch in ihren Nachkommen auftreten sollen. So hat das Schweizervieh, dem die Nahrhaftigkeit der Alpenweiden nicht ersetzt werden kann, auch bei sorgfältiger Stallfütterung an Grösse und Körper- schwere verloren, und an dem Fettgehalt des an sich nicht reichen Milchertrages ein- gebüsst, auch Holländer und Breitenburger haben sich nur da erhalten, wo für reieh- liche Stallfütterung Sorge getragen wurde. Am meisten befestigt haben sich neben den XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 41 Oldenburgern die Ost- und Westfriesen obwohl in geringerer Verbreitung, weil sie sich bei dem in der Provinz noch sehr allgemeinen und nothwendigen Weidegange nicht, wie die Oldenburger, in gutem Zustande erhalten. Der Einfluss dieser edleren Rassen auf das Landvieh ist in der Provinz unver- kennbar. Die Viehzucht der kleinern Besitzer leidet aber im allgemeinen an dem Fehler mangelhafter Ernährung in der Jugend der Thiere, und desshalb kann die Ver- besserung des Blutes weniger hervortreten. — In Westpreussen sind dre Verhältnisse in den Höhengegenden im allgemeinen dieselben wie in Ostpreussen. Wo sich der Bauer in besseren Umständen befindet, ist es vorzugsweise die Aufzucht und das Anlernen von Zugochsen, auf die er seine Rindviehhaltung berechnet. Die grösseren Güter beziehen aus dieser Quelle den grösseren Theil ihres Zugviehes, und züchten vorzugsweise durch Oldenburger und Holländer, auch durch friesisches Vieh auf Milchnutzung. Die Oldenburger Rasse hat dem Zwecke, starkes Arbeitsvieh zu erziehen, voll- ständig entsprochen, weniger der Erwartung einer gleich lohnenden Milchergiebigkeit; die Ostfriesen scheinen nach beiden Richtungen zu befriedigen; das Holländer Vieh übertrifft beide im Milchreichthum. Eine Einwirkung der vereinzelt eingeführten Berkshire- und Shorthorn-Thiere ist nicht ersichtlich, überhaupt die neu nen noch wenig berücksichtigt. Auf der Höhe sind die Kreuzungen allgemein, das Niederungsvieh hat dägegen noch wenig Einfluss durch fremdes Blut erfahren. Es ist seit langer Zeit ausschliess- lich auf Milchergiebiskeit gezüchtet, und wird von den Besitzern, weil es nach diöser Richtung sehr lohnend entwickelt ist, besonders werthgehalten. Es lässt ‘sich "aber nicht läugnen, dass durch diese Einseitigkeit der Zucht die Thiere weichlich und htır bei sehr reichlichem Futter milchergiebig sind, bei weniger guter Haltun& lassen" le in dem Milehertrage bald nach, eignen sich wenig zur Mast und erweisen sich wegen ihrer schlechten Figur zur Aufzucht als Ochsen ganz ungeeignet. Nach ihren charakteristischen Schlageigenthümlichkeiten sind ‘sie’ gross, mit aa fällig geformtem Kopfe und nach vorn gebogenen, leichten, "gut anfesetzten Hörnern, leichter Haltung, ziemlich gradem Kreuz und wenig vortretendem Schwanzansatz. Der tiefe Körper ist durch die vorstehenden Knochen eckig in den Formen,’ und däs Vordertheil meist schmal und enge im Verhältniss zum 'Hintertheil; dies ist stärker entwickelt und zeigt ein tiefes Euter und stark vortretende Milchadern. "Der "Ab: stammung nach wird das Vieh, welches sich durch lange Inzueht zur Rasse ausgebildet hat, auf Ostfriesland zurückgeführt, woher es, wie erwähnt, von den’ Kolonisten "des Deutschen Ordens gebracht worden sein soll. sol Die grössten und schwersten T'hiere besitzt das Danziger Werder und das Tiesen- höfer Gebiet, wogegen sie in der Elbinger Niederung kleiner und feier gebaut sind: Auch die Kühe der Kulmer Niederung werden gerühmt. Diese Niederungen sind über wiegend auf Weidegang angewiesen, denn ihre Ueberschwemmungen und Binnenwässer sind für das Wiesenland am wenigsten nachtheilig, machen aber eine gute Heuwerbung meist so ungewiss, dass die Nutzung als Fettweide, welche den Morgen mit 'rö bis 15 Thlr. verwerthet, als die vortheilhafteste erscheint. Sie wird in der Weichsel- Hd Nogatniederung ebenso wie in ÖOstpreussen in der Pregel- und‘ Tilsiter Niederung dauernd in Uebung bleiben. Der Aufschwung, den die Futterverwerthung durch die Ausfuhr von Schlachtvieh Boden d, preuss. Staates. II. 1 482 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. nach England nimmt, beginnt den Mangel an Mastfähigkeit sowohl bei dem Niederungs- vieh, als bei dem von der Höhe auf die Fettweiden gebrachten, ausgenutzten Arbeitsvieh mehr und mehr fühlbar zu machen, und bei der grösseren und lohnenden Ausdehnung, dessen dieser Betrieb fähig ist, wird eine sorgfältige Verwendung englischen Viehes voraussichtlich Beachtung finden. Namentlich hat sich schon gezeigt, dass Shorthorn- Halbblutstiere die Form und Mastfähigkeit des Niederungsviehes wesentlich bessern, ein Rückgang in der Milehnutzung aber bleibt dabei, wie es scheint, unvermeidlich. Dass die Kreuzungen des Niederungsviehes mit dem Landschlage der Höhe den Erwartungen nicht entsprachen, ist bei der grossen Verschiedenheit der Futterungs- mittel erklärlich. Die Preise stehen in der Provinz für Kühe vom üblichen Landschlage auf 20 bis 35 Thlr. durchschnittlich, gehen aber auch bei den kleinen polnischen Thieren bis ı2 Thlr. herab, und bei besseren Thieren bis 60 Thlr. hinauf. Ein 2—4jähriger so- genannter Lehrochse, der noch nicht zum Pflügen gebraucht ist, kostet 25 — 50 Thlr., ein älterer, angelernter und zur Mastung geeigneter 50—90; gut ausgewachsene stärkere der Niederungsrasse werden mit 20— 50 Thlr. bezahlt. 2. Provinz Pommern. In Pommern ist ein eigentlicher Landschlag nur noch in der kleinen rothen oder rothfleckigen kassubischen Kuh zu finden, die sich auf dem östlichen Hochlande ge- halten hat. Sonst ist im allgemeinen auf den besseren Böden mit schwerem Olden- burger oder holländischem, auf den leichteren mit holsteinischem und Ayrshire-Vieh gekreuzt. Von einigen grösseren Grundbesitzern und vom Regenwalder Zweigverein ist auch Breitenburger und Angler Vieh in mehreren Transporten eingeführt worden. Die Kälber aus diesen Heerden sind vielfach auf die bäuerlichen Wirthe übergegangen. Das Ayrshire-Vieh und ein Stamm Shorthorns wurden 1837 auf Anregung der Pommerischen ökonomischen Gesellschaft vermöge einer Subskription von 800 Aktien zu je 25 Thlr. und durch persönliche Vermittelung des Landraths von Maltzahn- Sommersdorf in England angekauft. Es wurden davon Stammheerden in Wendisch- Tychow und Körlin aufgestellt, und das übrige Vieh unter den Inhabern der Aktien verauktionirt, Die Ayrshire-Rassethiere sind wegen zu kleinen Körpers und zu geringer Milchergiebigkeit mehr und mehr verschwunden. Dagegen sind Shorthorn-Heerden auch in neuester Zeit in Ranzin und Vargatz aufgestellt worden. Indess wird verhält- nissmässig noch wenig Werth auf Mastvieh gelest, weil bei der Schwierigkeit des Transports nur ein vorzüglich durchgeführter Mastbetrieb lohnend werden kann. Die von den Bauern aufgezogenen Kühe haben durchschnittlich einen Preis von 30— 50 Thlr., die Arbeitsochsen von g0—ıoo Thlr. Ochsen werden in grosser Zahl aus Mecklenburg bezogen, für die Kühe ist überall die eigene Anzucht Sitte. 3. Provinz Posen. In Posen weisen die Rinderheerden der bäuerlichen Wirthschaften in der Regel schlecht gebaute, verkümmerte, wenig Nutzen gewährende Thiere auf, Die Farbe ist gewöhnlich rothbraun, rothscheckig oder weiss mit einzelnen rothen Flecken, sehr selten schwarz oder schwarzscheckig, das Haar struppig, der Rücken gekrümmt, die Brust spitz und enge, die Beine hoch, der Leib wenig ausgedehnt und die Milehorgane XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 483 schlecht entwickelt. Auch manche grössere Güter haben kein besseres Vieh. Es ist nicht zu verkennen, dass diese Beschaffenheit zum grössten Theile der höchst sorglosen Züchtung und Haltung beizumessen ist. Wo mehr Achtsamkeit auf die Pflege ver- wendet wird, haben sich die Rindviehheerden wesentlich gebessert, meist aber auch Beimischnug edleren Bluts erhalten. Die Veredelung hat in den der schlesischen Grenze näher liegenden Gegenden ganz überwiegend durch den schlesischen Landschlag stattgefunden. Im Jahre 1823 wurde Oldenburger Vieh von der Königlich niederländischen Verwaltung nach Racot und Stenszewo importirt. Der geringe Gebrauchswerth der Zugochsen dieser Rasse war aber die Veranlassung, dass dieselbe keine weite Verbreitung fand. Berner und Schwyzer Vieh wurde zuerst rach Robnitz und Karezewo von dem Grafen Mielzynski, dann nach Turwia, Pudlicki, Nieder-Heyersdorf u. a. eingeführt. Von diesen Thieren hat der mittelgrosse Schlag aus den Berner Voralpen am meisten auf den einheimischen Landschlag eingewirkt. Später sah man ein, dass er wegen der geringen Milchergiebig- keit und des schlechten Fleischgeschmacks weder zur Reinzucht noch als Kreuzungs- material für die örtlichen Verhältnisse gut geeignet sei. Auch die Voigtländer gaben als Nachzucht kleine, wenn auch kräftige Thiere. Danziger, Mürzthaler, Allgäuer fanden keine grössere Verbreitung; ebensowenig die Ayrshire-Rasse. Vielmehr wandte man sich mehr und mehr dem Holländer Vieh zu und dies erlangte weitaus die grösste Bedeutung für die Rindviehzucht der Provinz. Der grössere Theil der Rinderheerden der Dominien sind gegenwärtig entweder reine Holländer Heerden oder Kreuzungen derselben, und auch auf die bäuerlichen Viehheerden macht sich dieser Einfluss. bereits geltend. Shorthorns sind zuerst 1855 von v. Mollard in Gora, später auch in Bogda- nowo und Nitsche zur Zucht aufgestellt worden. Die Aufzucht gewöhnlichen Landviehes ist besonders auf den Hauländereien und in den Bruchgegenden so stark, dass Posen jährlich nicht unbeträchtliche Massen Marktkühe nach Schlesien, der Mark, Sachsen und Polen ausführt, welche durch Händler mit 14—ı8 Thlr. aufgekauft und je nach der Entfernung mit einigen und 20— 30 Thlrn. auf den Viehmärkten an kleine Besitzer verkauft werden. Als Besonderheit besteht seit lange die Einfuhr zahlreicher frischmelkender Dan- ziger und Netzbrücher Kühe auf die Güter in der Nähe der Stadt Posen. Diese Thiere werden aber nach dem Auftrocknen gemästet und an die Fleischer verkauft. Eine Kuh aus dem Netzebruch wird mit 20— 40 Thlr. bezahlt. 4. Provinz Brandenburg. In der Mark Brandenburg findet sich nur noch in den Flussgebieten der Oder, Warthe, des Bobers und der Spree, wie namentlich im Spreewald, ein spezifisch aus- geprägter Landschlag. Wo dieses Rindvieh nicht zu früh angestrengt wird, ent- wickelt es sich zu kräftigen 'Thieren, die sich leicht futtern, zur Arbeit sehr gut eignen und bei Mastung schnell fett werden. Die Veredelung ist namentlich durch oldenburgisches, ostfriesisches, holländisches und englisches Vieh herbeigeführt, deren Kreuzungen die Stämme in Bezug auf Milch- ertrag und Butterproduktion, in neuester Zeit auch auf Fleischerzeugung wesentlich verbessert haben, Die Oldenburger Rasse ist schon seit mehreren Dezennien eingeführt, Holländer und Shorthorns später; letztere u. a. nach Ruhstedt. 1862 hat der land- wirthschaftliche Centralverein für Potsdam Shorthorns beschafft, die in einzelnen 31* 484 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Wirthschaften des Oderbruches und im Kreise Niederbarnim theils rein, theils in Kreu- zungen zur Fortzucht benutzt werden. An üblichen Preisen werden für Kühe 30—60, für Ochsen, welche Brandenburg vorzugsweise aus Schlesien einführt, zum Zuge 50—80 und als Schlachtvieh 70 bis 100 Thlr, gezahlt. 5. Provinz Schlesien. Eine gleichmässig ausgeprägte schlesische Landrasse giebt es kaum noch, weil die Dominialwirthschaften seit mehr als 50 Jahren überwiegend ausländische Rassebullen ankauften und die Nachzucht auf die Rustikalen überging. Fürst Ferdinand Anhalt-Köthen (Pless), die Grafen Magnis (Eckersdorf), Oppers- dorf (Ober-Glogau), Einsiedel (Diesa), Fürst Lichnowski (Krzysanowitz), Stelzer (Nieder- Holten) dürften die ersten Züchter gewesen sein, welche ausländische Rinder, und zwar Berner Oberlandsvieh für Schlesien ankauften. Es wurde dasselbe bald landwirthschaft- liche Mode, und der Schweizer Riedel führte bis in die zwanziger Jahre alljährlich nicht unbeträchtliche Transporte von Bullen und Kalben aus dem Berner Oberlande ein. Darauf wandte sich die Aufmerksamkeit der schlesischen Landwirthe, angeregt durch den Fürsten Pückler-Muskau und Oberamtmann Körber, auf das Oldenburger und friesische, später auf Tyroler, Danziger und Mürzthaler, nach und nach auch auf holländi- sches, Holsteiner und englisches Vieh, und mit allen diesen Rassen fanden belangreiche Kreuzungen statt. Ayrshires und Shorthorns haben sich zur Veredelung des Landschlages am besten bewährt. In letzter Zeit wird indess meist der Oldenburger Rasse der Vorzug gegeben und sie verdrängt namentlich das Schweizer Vieh. Im allgemeinen ist dies sehr gemischte Vieh zur Milchnutzung gut und zur Mastung mittelmässig geeignet. Es kam früher durch schlechte Haltung in den Winter- monaten sehr zurück; dies hat sich jedoch in neuerer Zeit zum Vortheil geändert. Auch die kleinen Besitzer sind gewahr geworden, dass sie von einer guten Kuh bei richtiger Pflege und Fütterung das Doppelte und Mehrfache, als sie gewohnt waren, erreichen können. Die hohen Milch- und Butterpreise und die in Schlesien besonders häufigen Thierschauen und Prämiirungen riefen Einsicht und Wetteifer wach, und die landwirthsehaftlichen Vereine förderten dieses Streben auch in der Richtung der Mastungs- und Zugfähigkeit. So hat der Glogauer landwirthschaftliche Verein schon 1837 einen Stamm von ı Stier und 9 tragenden Kalben Ayrshire-Vieh mit gutem Glück aus Schott- land eingeführt, und nachdem die Nachzucht durch eine längere Reihe von Jahren ver- theilt worden, die Heerde, von der jetzt noch ı5o Stück bestehen, an den Besitzer von Klein-Schwein, wo sie aufgestellt war, zur Fortzucht verkauft. Die Thiere haben sich auch bei Kreuzungen gut vererbt und namentlich mit Oldenburger und Allgäuer Vieh an Grösse, Milch und Mastfähigkeit gewonnen, sind auch für den kleinen Grund- besitzer geeignet, weil sie nur mässiges Futter bedürfen und darin nicht wählerisch sind. Das rechte Oderufer Oberschlesiens ist dagegen noch zurück. Es besteht hier bei den bäuerlichen Besitzern noch vielfach das kleine, mehrerwähnte polnische Rind- vieh. Auch im oberen ÖOderthale ist das Landvieh klein, nur selten 3 Fuss 6 Zoll hoch, der Kopf ziemlich gross, oft ı Fuss 5 Zoll lang und über die Stirn 6 bis 7 Zoll breit, die Brust ist weder tief noch breit, das Kreuz zwar meist gerade und über die Rippen flach angesetzt, das Hintertheil aber schmal, zwischen den Hüften selten breiter als ı!/, Fuss, die Sprunggelenke sind sehr hoch, der Leib ist unterhalb der Lenden XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen, 485 meist aufgeschürzt, das Euter klein, nicht nach hinten zwischen den Schenkeln hängend, und starke Milchadern sind selten. Die Mängel des Baues verschuldet die Ernährung, die von der frühesten Jugend an durch das ganze Leben höchst karg und dürftig bleibt, weil die kleinen und mitunter auch die grösseren Grundbesitzer mehr Vieh halten, als sie aus den Futtererträgen des Gutes ernähren können; nicht weniger aber schadet der Mangel an gut gebauten Zuchtbullen und deren schlechte Haltung in den Gemeinden. Im allgemeinen ist dies Vieh leicht zu mästen, sonst aber eine sehr ge- ringe Futterverwerthung. Auch auf den meist vorzüglichen Böden des Leobschützer Kreises ist das ursprüngliche Landvieh klein, mit abgeschlagenem Kreuz, tonnen- förmigem Leibe, hirschartigem Hals, schmalem Kopf, schmächtigen Füssen, aber gut ausgebildeten Milchorganen; es zeichnet sich durch seine mässigen Ernährungsansprüche aus, ist milchergiebig und zugleich als Zugvieh für die kleinen Wirthe zur Acker- bestellung besonders brauchbar. Andere Landschläge, wie z. B. das graue, ungehörnte oberschlesische Rindvieh welches vor 30 Jahren noch häufig angetroffen wurde, und das sich durch Milch- ergiebigkeit auszeichnete, sind durch Kreuzungen mit veredelten Rassen gänzlich ver- drängt, und dafür ist in manchen Striehen, wie im Neustädter, Grottkauer und Neisser und im Plesser Kreise bei den Rustikalen ein veredelter, sehr milchergiebiger Land- schlag von oft 700— 800 Pfd. Lebendgewicht entstanden. In manchen Gegenden Schlesiens wird von den Rustikalen Vieh in grösserer Zahl auferzogen, so im Falkenberger, Gross-Strehlitzer, Oppelner, Rosenberger und Lublinitzer Kreise, und die dortigen grossen Güter kaufen desshalb einen Theil ihres Milchviehes auf den Märkten in Friedland, Neisse und Brieg an. Die Falkenberger Gegend liefert ganz ausgezeichnete Zugochsen grösseren Schlages. Indess werden die grossen Ochsenmärkte zu Winzig und Breslau, sowie auch die zu Brieg, Löwen und selbst Falkenberg auch aus Niederschlesien und dem Mittelgebirge, sowie aus den wiesenreichen Walddörfern an der Malapane, Klodnitz und Birawka, theilweise aber auch aus Galizien versorgt. Die besten Thiere darunter werden von den grossen Rübenzuckerfabriken und Brennereien gekauft, die sie kurze Zeit zur Ackerarbeit nützen, dann kernfett mästen und nach Berlin oder zur Ausfuhr versenden. Eine gewisse Bedeutung hat sich der Breslauer Zuchtviehmarkt errungen, der im Jahre 1863 von einer Aktiengesellschaft angeregt und unternommen, so gute Re- sultate ergeben hat, dass er jährlich mit Erfolg wiederholt worden ist. Die kleinen Besitzer in den Fabrikbezirken des schlesischen Gebirges kaufen gern das sehr genügsame Posener und oberschlesische Vieh, das trotz aller Beschränkt- heit und Dürftigkeit der Gebirgswirthschaften der schönen Vegetation wegen hier gleich- wohl in besseres Futter kommt und dies nach Verhältniss günstig lohnt. In den Kreis Beuthen wird in demselben Sinne vieles Vieh aus Polen eingeführt. Leider ist für diesen Bedarf der ärmeren Bevölkerung nicht die Brauchbarkeit, sondern vor allem die Billigkeit der Thiere massgebend. In Mittel- und Niederschlesien schwankt der Preis der gewöhnlichen Kuh zwischen 25— 45 Thlr., der Durchschnittspreis ist auf 35 Thlr. anzunehmen. Im Kreuzburgischen, Lublinitzischen und Beuthenschen ist der Preis einer Kuh des kleinen Landschlages 15 — 25 Thlr. und Ochsen sind mit 25—35 Thlr. zu kaufen; veredelte Thiere aber gelten in ganz Schlesien die Nutzkuh 35; —50 und der Zugochse 60— 80 Thlr., be- sonders gute 'Thiere erreichen auch Preise bis ıoo Thlr. 486 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 6. Provinz Sachsen. In Sachsen findet sich an den Grenzen des Harzgebirges das eigenthümliche Harzvieh, das am weitesten nach Norden vorgeschobene Glied der sogenannten Berg- rasse. Dasselbe ist relativ wenig verbreitet, jedoch hält man in beschränkten Oertlich- keiten an ihm fest, weil man ihm Vorzüge als Zugvieh zuschreibt. Die Milchproduktion wird im Vergleich nicht besonders günstig gefunden. An den südwestlichen Grenzen der Proyinz und in den benachbarten Exklaven herrschen die gelben und rothen fränkischen Schläge, welche weiter südlich und westlich grosse Bedeutung haben. In den alt- märkischen Kreisen finden sich Reste des kleinen rothen Rindviehs. Der Landschlag der leichteren Böden in der Ebene ist für die Bedürfnisse der Gegenwart wenig brauchbar. Die Thiere sind gross, hochbeinig, mit langem Halse und starkem Kopfe, schmal im Bau, an schlechtes Winterfutter und geringe Weide gewöhnt, für Mast und Milch schlechte Futterverwerther und als Zugthiere nicht kräftig genug. Es gelingt selten, auch bei sonst günstigen Verhältnissen, den Centner Heu oder sein Aequivalent durch sie mit 7). Sgr. zu verwerthen. Der Gebirgsschlag ist kleiner, breiter und gedrungener, meist roth und rothbrauner Farbe, giebt zwar nicht besonders viel, aber butterreiche Milch, ist leidlich gut zum Zuge verwendbar, mästet sich auch nicht schwer, und verwerthet, wenn er auch als Mastvieh keine besonders gute Qualität Fleisch liefert, das Futter entschieden besser, eignet sich auch gut zur Kreuzung mit Fleischthieren. Mit Ausnahme der abgelegeneren Gegenden ist indess in der gesammten Provinz die Veredelung durch ausländische Stämme sehr weit vorgeschritten. Nachdem eine kurze Periode der Liebhaberei für den Gebrauch des Schweizer und Tyroler Gebirgsviehs schnell und fast spurlos vorübergegangen war, ist wesentlich durch fortdauernde und ausgedehnte Einführung holländischen und Oldenburger Niederungs- viehes eine eingreifende Umwandlung der Rindviehzucht der Provinz bewirkt worden; vorwiegende Bedeutung aber hat dieselbe in neuerer Zeit durch die für die Verhältnisse ganz besonders geeigneten Shorthorns erhalten. Stammzuchten von Shorthorns bestehen zu Hundisburg und Schmechendorf, und es ist das besondere Verdienst des Herrn v. Nathusius, dass er die englische Fleisch- thierzucht nicht bloss auf das rationellste mit vorzugsweiser Rücksicht auf schnelle und kräftige Entwickelung des jungen Thieres und Frühreife für die Mastung zur Durchführung gebracht, sondern auch mit solchen Mitteln und in solcher Ausdehnung angegriffen hat, dass er sowohl regelmässige Auktionen dieser Zuchtthiere durchzu- führen, als den Käufern Befriedigung nach den verschiedensten Richtungen ihres Be- dürfnisses zu bieten vermag. Das Rassevieh der sächsischen Stammzuchten hat dess- halb schon weit auch über die Grenze des Staates und Deutschlands hinaus Verbrei- tung gefunden. Wenn auf diesen Wegen die Provinz zwar den grössten Theil ihres Rindviehes selbst aufzieht, erhält dieselbe doch ausserdem schon seit lange regelmässig jährliche bedeutende Transporte von Milchkühen aus Oldenburg und den hannöverischen Marschen, besonders aber aus Holland, welche auf den zahlreichen Fabrikwirthschaften zunächst zur Milchnutzung aufgestellt, dann aber ausgemästet werden. Für denselben Zweck sind starke Ankäufe von Milchvieh auf den Viehmärkten von Hannover und Hildesheim hergebracht. Zugochsen werden besonders aus Bayern, Böhmen und Thüringen XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen, 487 zugeführt. Alle diese Thiere kommen in der Regel nach wenigen Jahren zur Fettmast und werden dann in Neuss, Hamburg oder Berlin in den Fleischhandel gebracht. Der übliche Preis für mangelhaft aufgezogene Kühe gemischter Landschläge ist ungefähr 4o Thlr., die aus Oldenburg, Holland oder anderwärts her bezogenen stehen zwischen go— 120 Thlr. und der Preis für einen Zugochsen stellt sich in neuerer Zeit eher über, als unter 100 Thlr. 7. Provinz Westfalen. Westfalen besitzt im Münsterlande einen Landschlag von bestimmtem Charakter, Diese Thiere haben leichten, spitzen Knochenbau, eckige, ungefällige Formen, aber meist feinen Kopf und Hals, und gewähren bei den in der Regel schlechten Weide- verhältnissen und mässiger Nahrung einen ziemlich guten Milchertrag. In der Mastung erreichen sie zwar kein hohes Schlachtgewicht, aber das Fleisch ist sehr zart und schmackhaft. Besonders eignet sich dieser Schlag zum Ackerbau, den die zahlreichen kleinen Landwirthe ausschliesslich und ohne erheblichen Abfall im Milchertrage mit Kühen betreiben. In den Regierungsbezirken Minden und Arnsberg herrschen dagegen die Kreuzungen mit ostfriesischem Vieh so vor, dass sich nur noch in den Gebirgskreisen des Ostens, namentlich in den Dörfern an der kurhessischen und waldeckischen Grenze, der ursprüngliche Landschlag findet, der dort der reinen guten Originalviehrasse dieser Nachbarländer entspricht. Desgleichen hat auch das Siegener Land einen eigenthüm- lichen Viehschlag und es wird, weil dort verhältnissmässig viel mehr Fuhren durch Ochsen gethan werden, als in anderen Landestheilen, viele Sorgfalt auf Züchtung guten und starken Zugviehes verwendet. Auch im nördlichen Theile des Kreises Lübbecke hat sich die ursprüngliche Rasse ganz rein erhalten. Dort besteht noch die ursprüng- lichste wilde Weidewirthschaft. Die Thiere sind klein, geben wenig Milch und die Heerden werden nur durch Aufzucht verwerthet. Wie sehr im übrigen der frühere Landschlag des Rindviehes verschwunden ist, geht aus der Thatsache hervor, dass vor 5o Jahren im Kreise Bielefeld ausschliesslich Kühe von rother Farbe gefunden wurden, während jetzt mit ganz vereinzelten Aus- nahmen nur schwarzbunte Thiere vorkommen, welche Nachkommen des importirten friesischen Viehes sind. Indess werden die Erfolge dieser allgemein verbreiteten Kreuzungen ebensowenig gelobt, als die der reinen Zucht des ostfriesischen Viehes. Seine Grobknochigkeit und hohen Ansprüche betrefis der Ernährung passen für Westfalen nur unter besonders günstigen Verhältnissen, und da die ostfriesischen Stiere der grösseren Besitzer in der Regel auch die Kühe der kleinen Wirthe besprangen, die Fütterung bei diesen aber höchst ungenügend war, entstanden vielfach schlechtere Heerden, als die früheren waren. Auch die Versuche, welche namentlich im Minden - Ravensbergischen mit Schweizer, Voigtländer, Birkenfelder, Nordholländer und englischen Rassen, auch mit Harzer und Angler Vieh, theils als Reinzucht, theils in Kreuzungen gemacht wurden, sind nicht geglückt und bald wieder aufgegeben worden. Auf der Domaine Dalheim wird zwar seit 24 Jahren Glanvieh gezüchtet, welches sich durch Körpergewicht und Mastfähigkeit auszeichnet. Die Kühe sollen ein Mastgewicht von 700— 900 Pfd., die Ochsen 800— 1000 Pfd. erreichen; auch eignen sich die Ochsen wegen ihrer Gutartig- keit und Dauer sehr gut zur Arbeit. Da aber der Milehertrag nur mässig, und die 488 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Kreuzungen mit dem Landschlage kein günstiges Resultat ergeben haben, hat sich auch das Glanvieh nicht über den Bereich der Domaine verbreitet. Nachdem also alle anderen Versuche wenig Erfolg gehabt, ist die Ueberzeugung durchgedrungen, dass sich für Westfalen das südholländische Vieh sowohl zur Zucht, als zur Kreuzung am besten eigene. Solches südholländisches, feinknochiges Vieh ist seit ro Jahren von mehreren landwirthschaftlichen Vereinen, später auch von grösseren und kleineren Privatbesitzern in grösserer Zahl eingeführt worden und hat sich so bewährt, dass dadurch ein Aufschwung in der Viehzucht bemerkbar ist, der über- raschen kann. Dasselbe übertrifft den einheimischen Schlag und die bisherigen Zuchten und Kreuzungen an Milchergiebkeit, wie an Mastfähigkeit, hat sehr schöne Formen, und eignet sich namentlich auch zur Aufbesserung des Landschlages der mittleren und kleineren Besitzer, weil es sehr genügsam ist. Die Resultate finden sich schon auf den meisten grösseren, aber auch auf vielen bäuerlichen Gütern, und sind auf dem Pro- vinzialschaufeste zu Dortmund 1864 nach strenger Kritik vorzugsweise prämiirt worden. Allgemein knüpft man daran grosse Hoffnungen. Jungvieh wird nach Westfalen nicht eingeführt. Ueberall besteht eigene Auf- zucht; dass Parzellenbesitzer häufig Kälber oder Kalben von grösseren Gütern oder Händlern leihen, ist oben $. 478 erwähnt. i Der Preis für eine milchende Kuh des üblichen Landschlages ist 35, —65 Thlr., für ein tragendes Rind 25—4o Thlr., für Ochsen 35— 50 Thlr., für ein Paar Zug- ochsen auch 100— ı80 Thlr. Indess kostet in den abgelegeneren Gebirgsgegenden eine gewöhnliche. Kuh von mittlem Alter nur 25—30, in der Lippeniederung dagegen 60 Thlr. _ Das Siegener Land und der Westerwald führen Ochsen, mehrere Kreise, wie Lübbecke, Wiedenbrück u. a., geringeres Weidevieh an die Ruhr und in die rheinischen Fabrikdistrikte aus; dagegen werden den Fettweiden der Lippe- und Emscher-Niederungen zahlreiche Heerden aus Holland und Friesland und vom Nieder- rhein, besonders aus Kleve und Geldern, zur Mast zugetrieben. 8. Rheinprovinz. In der Rheinprovinz findet sich ein Landschlag nur in den Gebirgsstrichen der Eifel. Er stammt, wie es scheint, von Glaner, Birkenfelder und Westerwälder Vieh ab. . Die Thiere haben theils mittle, theils untermittle Grösse, vortreffliche Eigenschaften und verwerthen das auf sie gewandte Futter durch Milchergiebigkeit, Mast- und Arbeitsfähigkeit sehr gut. Auch ist die Milch durch ihren Fettgehalt für Käse- und Butterbereitung. vorzüglich geeignet. Oft liefert im Gebirge ein kleines Thier von kaum 400 Pfd. Lebendgewicht längere Zeit nach dem Kalben täglich ı Pfd. Butter. Für ‚die Veredelung dieses Viehes ist bisher wenig geschehen, und Kreuzung auch kaum, zu empfehlen, da es dem Boden und den wirthschaftlichen Verhältnissen anpassend ist. Wohl aber bleibt eine Verbesserung desselben durch zweckmässigere Pflege und sorgfältigere Auswahl der Zuchtthiere wünschenswerth, und es scheint die Vermehrung der Stiere Bedürfniss. Der Form nach hat das Eifeler Vieh einen breiten Kopf, gewundene und aufrecht gerichtete Hörner, tief herabhängende Wammen, breiten, graden Rücken, das Hinter- theil ist gut entwickelt, wenn das Kreuz auch etwas weiter sein könnte, der Schwanz ist festansitzend, die Beine kräftig. Das Gewicht ist mässig, steigt aber bis zu 900 Pfd. XXX, Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 489 Wie das Birkenfelder und Glaner Vieh im vorigen Jahrhundert wesentlich durch Schweizer Bullen zu seiner dauernden Veredelung erhoben ist, so erweisen sich auch Schweizer Stiere am geeignetesten für die Eifel. Holländische und englische haben gar keine Erfolge erzielt. Auch Westerwälder werden wenig benutzt, am meisten führen Gemeinden, wie Private Birkenfelder und Donnersberger Bullen ein, und auf der hohen Eifel sind namentlich die vom Hundsrück sehr geschätzt. — In den Ebenen und allgemein im Norden der Provinz ist das holländische Vieh vorherrschend, dessen Milch zwar wenig Fettgehalt hat, so dass man erst auf 14 Quart ı Pfd. Butter rechnet, das aber doch vorzügliche Erträge durch seinen Milehreichthum giebt und zugleich sehr mastfähig ist. Der holländische Schlag am Niederrhein, auch Niederrheiner genannt, gehört zu den ausgezeichnetsten Schlägen im preussischen Staate. Er ist schon früh, namentlich aber nach den Befreiungskriegen durch sorgfältige Auswahl holländischen Viehes ver- edelt worden, und es hat sich ihm gegenüber weder Durham- noch Shorthorn-Vieh bewährt. Verschiedene Versuche, die mit dem englischen Vieh in den Kreisen Krefeld, Bonn und Neuwied gemacht worden sind, sind ohne genügende Erfolge ge- blieben. Dagegen sind hier hin und wieder Reinzüchtungen von holländischem Vieh durchgeführt. — Von rechtsrheinischen Gebirgskreisen hat Wetzlar das Vogelsberger rothe Ge- birgsvieh durch Inzucht rein erhalten. Es ist meist klein, doch recht gut und zum Zuge wie wegen seiner Milchergiebigkeit und Mastfähigkeit sehr geschätzt. Das Vieh der nördlicheren Kreise ist dem Westerwälder verwandt. Meist kleines Bergvieh mit schmalem Halse, aufgeworfenen Hörnern, engem Becken und fast ohne Ausnahme von rother oder rothbrauner Farbe. Seine Vorzüge sind Genügsamkeit, geringe Disposition zu Krankheiten und guter Milchertrag im Verhältniss zu seinem Körperbau; seine Fehler liegen in zu kleiner Massenproduktion und geringem Werth als Zuchtmaterial für Zugvieh. Der Mangel an Zugfähigkeit fällt besonders ins Gewicht, weil in den für den Ackerbau ungünstigen Strichen, wo noch wenig Stallfütterung stattfindet, die Aufzucht junger Ochsen Hauptnutzung ist. Zur Verbesserung haben Kreuzungen mit Westerwälder, Siegnerländer, Wittgensteiner, Ruhr-, Birkenfelder, Holländer und selbst Durham-Vieh stattgefunden. Ein Fortschritt ist trotz des Mangels an System seit diesen Kreuzungen nicht zu verkennen, indess haben dabei auch die Hebung des Acker- und Futterbaues und die vermehrte Stallfütterung mitgewirkt. — Mehrere vorzugsweise gewerbliche Kreise sind ganz auf den Ankauf von Vieh angewiesen. Mettmann, Mühlheim a. d. Ruhr, Essen, Solingen, Kempen, Krefeld, Erkelenz ziehen nur einen geringen Bruchtheil ihres Rindviehes selbst auf. Diesen Ausfall deckt theils Westfalen und Holland, theils die wiesen- und weidenreiche Gegend von Moers, besonders aber das Vieh der Eifelkreise Schleiden, Daun, Merzig, auch Bernkastel, und von den rechtsrheinischen Gebirgsstrichen Neuwied, Adenau, Waldbroel. Die übrigen Kreise kaufen nur einen geringen Theil ihres Viehes und der Bedarf der Parzellenbesitzer wird aus den grösseren Gütern beschafft. Von der Eifel, namentlich von dem Merziger Markte aus, geht Vieh in grosser Zahl nach Bayern, Baden und selbst Württemberg, besonders aber nach Frankreich, dagegen findet eine starke Einfuhr von Zug- und Mastochsen aus Birkenfeld und dem Glanthale in alle Ackerbaugegenden der Provinz statt. 490 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Die westfälischen Landkühe werden am Rhein bis zu 40 Thlr., holländisch- westfälische Kreuzungen mit 30—6o Thlr., holländische Kühe mit 40— ı60 Thlr. be- zahlt. Die Eifeler Gebirgskuh kostet etwa 35—5o Thlr., doch geht der Preis sowohl für die rechts-, als die linksrheinischen Gebirgsrinder auch bis 25 Thlr. zurück. In Wetzlar wird eine Kuh mit 35—4o Thlr., ein ausgewachsener Ochs mit 70 Thlr. bezahlt, ein Paar Zugochsen ist in den Gebirgskreisen in der Regel mit 9o— ı50 Thlr., zu kaufen. 9. Hohenzollern. In Hohenzollern berühren sich die gelbrothen mitteldeutschen und die grauen und braunen Allgäuer Kühe, Die rothe Rasse, welche besonders auf der Alp durch magere Haltung und durch kärgliche Weiden nach und nach zu kleinem Körperumfang herabgesunken ist, hat sehr gute Eigenschaften; sie ist milchreich, schnell und behende in der Bewewegung, desshalb gut zur Arbeit und zugleich als Mastvieh sehr geschätzt, weil sie den Formen nach rund, feine Knochen und immer gute Verdauung hat. Diese Rasse wurde anfangs im Unterland im Bezirk Haigerloch, später auch auf der Alp im Bezirk Gammertingen durch sorgfältigere Züchtung veredelt, besonders seit 20 Jahren durch Kreuzung mit Simmenthaler Vieh. Die erste Einführung dieses Berner Schlages fand 1820— 1830 auf den fürstlichen Domainen statt, die damals im Selbstbetriebe standen. Das Simmenthaler Vieh scheint der rothen Rasse verwandt, es ist ebenfalls roth, rothgelb oder scheckig, hat den eigenthümlichen Bau des Gebirgsviehes, sehr starkes Hintertheil, runde Formen, starke Schenkel, breites Kreuz, verdeckte Hüften und Neigung zu vielem Fleischansatz. Zugleich ist dieses Fleisch hellroth mit Fettschichten durchwachsen, und wird wegen seines Wohlgeschmackes den besten Pariser Fleisch- sorten beigezählt. Durch die Kreuzung desselben mit dem rothen Landvieh bekommt letzteres den grossen Körperumfang, ohne von seinen guten Eigenschaften, besonders von der Mastfähigkeit, etwas zu verlieren; und die starke Nachfrage nach Mast- vieh, besonders nach Mastochsen für Frankreich, bei der das grosse Gewicht be- sonders in Betracht kommt, hat desshalb zu dieser Veredelung der kleinen Rasse sehr ermuntert. Das braune, graue oder schwarze Vieh im Hechingenschen Oberlande suchte man durch Kreuzung mit der gleichartigen Montafuner oder Schweizer Rigi-Rasse zu ver- edeln, weil es zwar sehr milchreich und genügsam ist, auch sich auf nassen und dürftigen Weiden immer sehr nutzbar zeigte, aber zu klein und mager bleibt, um nicht grösseren Körperumfang und besseren Fleischansatz wünschen zu lassen. Indess ist diese Kreuzung wieder aufgegeben worden, weil die braune Rasse als Mastvieh nicht sehr gesucht ist. Das Fleisch hat eine dunklere Farbe, und die Körperentwickelung geht langsam vor sich. Die Veredelung wird jetzt ebenfalls durch Simmenthaler Vieh bewirkt. Von diesem kauft seit 1342 die landwirthschaftliche Centralstelle jährlich einige Transporte Kalbinnen und Zuchtstiere und versteigert sie im Lande oder giebt sie auf Bestellungen ab, und es erweist sich, dass sich dieser Bezug auch kaufmännisch lohnen würde. Abgesehen von den Rassethieren, bestreitet Hohenzollern seinen Bedarf durch eigene Anzucht. Im Oberlande und auf der Alp werden viele und gute Zugochsen XXX, Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 491 aufgezogen, zur Arbeit angelernt und kurze Zeit gebraucht, dann aber ins Unterland zur Mast verkauft. Der Preis für eine gute veredelte Landkuh steht durchschnittlich auf 100— 140, für einen starken Zugochsen auf 120— 160 Gulden rheinisch. — Die vorstehenden Angaben zeigen, dass seit etwa 1830 eine erhebliche Ver- besserung der Viehstämme stattgefunden hat, und dass im wesentlichen alle Landestheile in der Lage sind, ihr Bedürfniss selbst oder aus naher Nachbarschaft zu deeken. Dies bestätigt wenigstens für das Gesammtgebiet des Zollvereins das Verhältniss, das zwischen der nicht unbeträchtlichen Einfuhr und Ausfuhr an Rindvieh besteht. Die Zollnachwei- sungen ergeben über letzteres sowie über die Milcherzeugnisse folgende Zahlen: ee ee ee ee ee en zoWe zn ze en a nn 2 es en = 1 m ee ee ee ee seem Ochsen und R 3 Kühe Jungvieh Kälber Butter Käse Zuchtstiere Jahr ur) WE i a Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr Einfuhr | Ausfuhr | Einfuhr | Ausfuhr f Einfuhr | Ausfuhr f Einfuhr | Ausfuhr Stück Stück Stück Stück Centner Centner Ir LEE NEE 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10: KL chlE 12. 13. 1836 [10008 | 13 547 | 11198 9409| 5874| 5366| . . 127303 | 8397 [33 460 | . 789 1837 115684 | 11053 |14269| Sıı2| 7777| 5212 a » 123.067 | 12189130953 | 1027 1838 |12670 13 619|15 820| 9550| 7048| 4793 > . 122398 | 14 175 | 31 712 602 1839 [12 101 | 20056[ 16085 | 14 170| 7039| 7695 & . [18031 | 15367133 ıI0] 1641 1840 [11213 | 19313 |13 452 | ır 316] 7059| 8215 & . |14316| 22263 |30612| 1599 1841 [11687 | 23 365 |18 680 | 13 794| 6856 | 9389 o . 116508 | 18 833 | 32 630 | 1406 1842 | 9812 | 20418 [16545 | 10670| 6463 | 8666 ö . 123 841 | 20 091 | 34 005 964 1843 |43 036 | 10314145 821 | 6ı1g96|ı8 117 | 3 076 s - 143774 | 7588146 432 578 1844 [24 994 | 10482[39 804 | 5463 |15750| 2816| . - [357767 | 14448 |46 326 | 799 1845 |12671 | 12711 [28899 | 7342|10673 | 4834 < » 127767 | 22 434140 770| 1.056 1846 [11785 | 18795 [30613 | 12357 | 9808| 9483 [36274 4865 |27 391 | 18015 |42 519) 650 1847 114473 | 18014 [28029 | 9027| 8481| 6050|44395| 7189125475 | 12444|46,533 | 673 1848 [12215 | 11365 [27 038| 6553| 9965| 4797141344, 6519|247ı1| 10488 |40,359 | 872 1849 | 9223 | 1258121335 | 8194| 9264| 6332142417, 5650|32073 | 13 444134094 | 3 511 | 1850 | 9960| 20057124 271| 13338| 8303 | 9200|41968| 8937|31382 | 18234 |33 450 | 4.039 1851 | 7809| 22 557|24 863 | 17 45ı| 8 107 | 13 720144312 | 9609126052 | 21664133 gro | 2461 1852 |ro619 | 20083 |30 368 | 14143 [10711 | 9867147241 8437 |47 444 | 16 548 | 37 228 | 2 860 1853 [2290| 28428 [28079 | 19479| 10358 | 11443 [39 658 | 8006|25440| 21329|34 863 | 3 549 1854 [19927 | 40394 |29 878 | 31038 | 8545 | 11375 |41 441 | 13 442|38 689 | 59 583 [38 768 | 6265 1855 [17 138 | 41 928] 24 868 | 27391 | 9066| 9837|43 758 | 16 978 [42 504 | 6145136673 | 5993 1856 [12741 | 3997127525 | 23273] 9570| 7935|39 868 | 21 137 |38 422 | 78491139036 | 6.423 1857 [13033 | 5062823 384 | 26085 | 7023 | 11169138 995 | 24.077 [37 278 | 61 593 | 40.947 | 7.893 1858 [10062 | 30234 [20195 | 24953 | 6059 | 12747146129 | 25 672|33 515 | 47463 [40713 | 5.228 1859 117385 | 30623130341 | 24375| 9411 | 8347|40428 | 22 598127955 | 39 582143 771 | 4.768 1860 [23 827 | 51454]23 702 | 29871 [10294 | 13 265 |41 260 | 24 516 [25 238 1100728 |35 712 | 7.950 1861 [26741 | 4808131473 | 29952 | 11546, 10153 [47664 24896 [48 605 | 69 650|43 923 | 9.038 1862 [17019 | 40127 [26558 | 28 561 |ır 004 | 10847 |51 226 | 26247 |43 589 | 49 216 [45 281 | 6790 1863 I 15 ıgr | 49753 | 31 882 | 29 188 15677 12290161688 | 32161128287 | 45 570|51 118 | 7758 1864 | 16712 | 66 806|27 579 | 34 119 | ı1 672 | 14.403 | 56.964 | 37 850 | 27 634 \103 658 | 44 279 | 10 152 1865 [25617 | 80767 |3031r | 42 126| 9622| 12924 [46274 | 34 979 | 44 710 |116 679 | 48 718 | rı o0o 1866 [35 644 104474130 164 | 51956| 8337 | 11 838|27456 | 34651150970 | 84279 | 5ı 944 | 18 680 1867 |45 065 | 61134 | 32 667 | 49 659 | 10.482 | 18 446 | 31 ı19 | 35 121 | 56 140 | 79 969 | 56.694 | 28 283 492 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Die Vieheinfuhr war also im Jahre 1843 am grössten, hat seitdem ohne merkliche Veränderung durch den Anschluss des Steuervereines eine gewisse gleichbleibende Höhe mit geringen Schwankungen behalten und ist erst in den letzten Jahren wieder gestiegen, ohne ganz die frühere Höhe zu erreichen. Sie beträgt durchschnittlich etwa 20000 Stück Ochsen und Stiere, 30000 Stück Kühe, 10000 Stück Jungvieh und 45 000 Stück Kälber. Da die nothwendige Ergänzung des Rindviehs im Lande, abgesehen von den Schlacht- kälbern, ungefähr 1000000 beträgt, so bietet die Einfuhr vom Auslande davon etwa ropCt. Ihr gegenüber steht eine Ausfuhr, welehe die Einfuhr sowohl in der Stückzahl, als auch namentlich in der Bedeutung der einzelnen Stücke übertrifft; denn die Mehr- ausfuhr wird zu Gunsten des Zollvereins durch Ochsen und Kühe gebildet, während die Zahl der Kälber und des Jungviehes in Ausfuhr und Einfuhr ungefähr dieselbe und beträchtlich geringer ist. Es zeigt sich in diesem Verhältniss die Fleischproduktion des Zollvereins, welche noch viel erheblicher hervortreten würde, wenn das Gewicht der einzelnen Viehkörper bei der Verzollung notirt würde. Auch ist das Resultat der Aus- fuhr insofern günstig, als dieselbe nicht wie die Einfuhr in langer Reihe von Jahren stabil zu nennen, sondern früher sehr unbedeutend war, und seitdem in andauerndem Steigen blieb. Die Ausfuhr von Kälbern hat sich seit dem Jahre 1846, in dem sie zuerst notirt wurden, von 5000 bis zu gegenwärtig 35 000 Stück gehoben. Die Ausfuhr der übrigen Rindviehgattungen betrug 1836— 1845 durchschnittlich nur 36000, gegen- wärtig über 130000 Stück. Das Verhältniss, dass unter diesen etwa die Hälfte Ochsen waren, ist zu jeder Zeit gleichgeblieben. Zuchtbullen bilden davon nur einen kleinen Bruchtheil. Von den eingeführten Kälbern lässt sich annehmen, dass sie überwiegend Zuchtvieh, von den ausgeführten, dass sie überwiegend gemästetes Schlachtvieh waren. Wie sich dieses Verhältniss bezüglich der übrigen Viehgattungen stellt, ist schwer zu bestimmen. Die Rassethiere dürften bei aller Wichtigkeit ihrer Zufuhr keine sehr hohe Zahl erreichen. Die Ausfuhr gehört wahrscheinlich fast ganz dem Schlachtvieh an. Nur für letzteres lassen sich über die ausländischen wie die inländischen Beziehungen einige nähere Angaben machen. B. Schlachtviehverkehr und Fleischnutzung. Der inländische Schlachtviehverkehr hängt von den Gewohnheiten des Publikums beim Fleischverkauf, und den Gebräuchen der beim Einkauf zunächst betheiligten Schlächter ab. Nur der Handel zum Verkaufe in das Ausland wird rationell nach der Güte der Waare betrieben. Im Inlande sind die Bewohner der einzelnen Ortschaften, in Städten wie auf dem Lande gewöhnt, das Fleisch der gleichen Thiergattung nach dem Pfunde zu örtlich gleichem Preise zu kaufen. Um dies zu ermöglichen, wird bei derberen Fleischstücken eine gewisse Quantität Knochen als Zulage mitgewogen. Selten, dass das Fleisch nach den Körpertheilen verschieden bezahlt wird, einen Unterschied in der Güte, des Fleisches aber versucht man bis jetzt nur in Berlin und etwa Köln zu machen. Der Einkauf nach der Güte des einzelnen Stücks ist schwierig, und fordert bei den bestehenden Dienstbotenverhältnissen, zu deren Aenderung die durchschnittliche Lage der Mittelstände keine Aussicht giebt, ein sehr reelles Verfahren der Fleischer und eine ausgedehntere Konkurrenz unter denselben. Desshalb verdient in den meisten Fällen der Fleischer, der schlechteres Vieh um geringeren Preis kauft mehr daran, als der, der besseres Vieh theuer bezahlt. Das Publikum ist aber andrerseits durch dieses XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 493 Herkommen an geringes, in guten und grossen Stücken verhältnissmässig billiges Fleisch gewöhnt, und bezahlt das Ausschlachten schwerer Mastthiere nicht, deren Einkauf nur durch den Mehrpreis der grossen Fleischstücke genügend gedeckt werden kann. Diese ungünstigen Verhältnisse finden ihren Ausdruck in den Resultaten der Mahl- und Schlachtsteuer. Es zeigen die Ergebnisse dieser Steuer, dass im Lande überall verhältnissmässig sehr leichtes Vieh ausgeschlachtet wird. Nach dem Mahl- und Schlachtsteuergesetz vom 30. Mai 1820 (G.-S. 8. 143) und der Anweisung über die Erhebung und Kontrole der Mahl- und Schlachtsteuer vom 25. März 1821 (v. Kamptz Annalen Bd. V. S. 534) wird zum Zwecke der Steuererhebung das Schlachtvieh ent- weder gegen einen Passirschein eingeführt, und nachdem es geschlachtet worden, unter Abzug der Haut, des Eingeweides, des Darmfettes und der Füsse gewogen, oder die Steuer wird auf Grund besonderer Abkommen mit den Schlächtern der Stadt nach Stücksätzen, die für die einzelnen Städte verschieden bestimmt sind, erhoben. Das Ergebniss, wie dasselbe von Reinick in der Darstellung der Resultate der Mahl- und Schlachtsteuer in der Periode von 1838 bis 1861 (Zeitschrift des Königl. statistischen Büreaus, Jahrg. 1863 No. 9 und Jahrg. 1864 No. 6) berechnet worden, ist bezüglich der Schwere des Schlachtviehs in der Uebersicht auf S. 494 und 495 nachgewiesen. Wie diese zeigt, ist die Berechnung nach Stücksätzen erheblich höher. Ein Theil dieser Erhöhung ist darauf zu rechnen, dass die Stücksätze überwiegend in den grösseren Städten bestehen, wo auch grösseres Vieh eingeführt wird; andererseits haben aber die Schlächter Grund eher ein verhältnissmässig hoch angenommenes Gewicht zu versteuern, als sich den Weitläufigkeiten der Erhebung nach Verwiegung zu unter- werfen. Die Finanzverwaltung hat wenigstens nur in äusserst wenigen Fällen Ver- anlassung gefunden, in den gedachten 24 Jahren Aenderungen in den Stücksätzen vor- zunehmen, und am Rhein haben diese Sätze wegen ihrer Höhe erst in neuester Zeit Annahme seitens der dortigen Schlächter gefunden. Offenbar sind aber die so ermittelten Schlachtgewichte selbst nach der Stück- berechnung gering. Dabei lässt sich annehmen, dass das ausserhalb der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte geschlachtete Vieh schon der Steuer wegen in der Regel nicht stärker ist, als das in diese Städte eingeführte; dass dagegen andererseits das ins Ausland geführte Vieh erheblich grössere Schwere, als das im Inlande aus- geschlachtete besitzt. Die Angaben der Grundsteuerveranlagungskommissionen entsprechen dem un- gefähr. Sie geben ohne erhebliche Unterschiede für die einzelnen Regierungsbezirke das durchschnittliche Lebendgewicht der Kühe auf 450— 500 Pfd. an, die Maxima bis auf 800 und 1000, ja 1200 Pfd. steigend, die Minima der kleinen oder verkümmerten Thiere bis auf 250, ja 200 Pfd. herabsinkend. Das durchschnittliche Lebendgewicht der Ochsen nehmen sie auf etwa 700 Pfd., ebenfalls steigend bis auf 1200 oder 1250 Pfd. und sinkend bis 450, ja sogar 350 Pfd. und weniger an, Das Mastgewicht der Kühe berechnet sich nach diesen Angaben durchschnittlich auf 600 Pfd. und steigt bis 1200, ja ı5oo Pfd., sinkt aber auch bis 350 und selbst 300 Pfd., Mastochsen dagegen berechnen sich auf durchschnittlich 800 oder 900 Pfd. und steigen bis auf 2000, sinken aber auch auf 500 und selbst 450 Pfd. Nach denselben Angaben stellt sich der Durchschnittspreis des Pfundes Rindfleisch in den Bezirken Gumbinnen, Köslin und Oppeln auf nur 2%, Sgr., in Marienwerder auf 2%,, in Königsberg, Posen und Liegnitz auf 3, im Bezirk Breslau auf 3'/;, Stettin 494 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Erhebungsart Preussen ö Gattung des Viehs Jahr der Ost- Week Beulen Schlachtsteuer Pfd. Pfa. Prd. Ochsen und Stiere . ee GEWoBene. NER 4172 417!/2 344 nach Stückzahl eingeführt 503 52212 542"/a 1849—1850 | gewogen... ......». 426 Ya 428 341 nach Stückzahl eingeführt 507 Ya 514! 5431 1860—1861] gewogen. ..2....... 379 388 3342 nach Stückzahl eingeführt 460'/a 468 a 489 Kühe und Fersen, . [1838 —1839 | gewogen... ....... 290 288 236 nach Stückzahl eingeführt 332 362 - 326 1849-1850 | gewogen... ....... 261 287 25712 nach Stückzahl eingeführt 333 376 366 1860 —ı861 | gewogen. ......... 293 270 246 '/a nach Stückzahl eingeführt 300 3402 328 "a Kälber... .....11838—1839 | gewogen. ......... 342 36 zıa nach Stückzahl eingeführt 372 | 5212 43 a 1849—1850 | gewogen... ....... 24\4 33 2 34 nach Stückzahl eingeführt 37 47 51! 1860—1861 | gewogen... ....... 19a 32 292 nach Stückzahl eingeführt 33 39 45 und Stralsund und im Mindenschen auf 3Y,, in Brandenburg auf 3%,, in Sachsen und Trier auf 4, endlich im Arnsbergischen und am Niederrhein auf 4'/; Sgr. Im Marktverkauf der Städte“) stehen diese Preise überall auch für das gewöhn- liche Marktfleisch um /»—ı Sgr. höher, im Handverkauf aus den Schlächterläden be- steht eine weitere Steigerung, wenigstens für gewisse Fleischarten, Bezüglich des Verkaufs von Mastvieh erheben sich im allgemeinen in allen Pro- vinzen die Angaben über die Preise des besten Mastviehes auf 14— 20 Thir, für zoo Pfd. *) Nach der Zeitschrift des stat. Büreaus Jahrg. VI. 1866 S. 65, 130, 209 und 307 war der Jahresdurchschnitt der polizeilich notirten Marktpreise in einer Anzahl bedeutenderer Städte folgender: Rindfleisch [Schweinefleisch Butter Talg Marktpreise für das Pfund | 1865 | 1866 | 1865 | 1866 | 1865 | 1866 | 1865 | 1866 Sgr. Pf. | Sgr.Pf.| Sgr. Pf. BD N ee re Ele [en Ser Bere Sgr. Pf. | Sgr. Pf. | | \ Sgr. Pf. | Sgr. Pf. | Sgr. Pf. 13 preussische Städte. .... eh 61 4 Fenssische Städte. 38 15 5 ka ee 4 618 r| 7.914 7 ag 5 pommerische Städte. ...| 3. 6 3.8] 4 7, 5 219 7,9 5 EEE 8 posensche Städte... .... 3= 2 BEBSE A 31 4.:°6.| 8. 8.1 8:71.40 ır ar 5 brandenburgische Städte. .| 4. 2| 4. 6, 4 7 5. — | 9. 10| 9. ıı]| 6. — | 5. 10 13 schlesische Städte ..... 3.9| 3.91 4 7| 4: 8|8. 10 8. 61 4. 10) 4.02 8 sächsische Städte... ... 4514914 9| 5.319. 10/9. ı1[6. 9/6. 5 14 westfälische Städte..... 4.13:|1 4.2601 144 85:00:20 8310|,8.4K61155, 2n6.lann 15 rheinische Städte... .. . .—| 5.215 RES BE Ei EEE ES EEE DEE Ne ER 5..9[6 9) I. — | 95 7 Gesammtdurchschnitt ...| 4. r| 431 a 8| 5 sTa 2a: sroafregeReer 9. ı]8. JE: Posen Pfd. 309 '/2 425 2842 463! 255 417 218 275 212, 289 2102 260 '2 272 44 27 44 25 40 XXX, Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 495 Brandenburg 3 Durch- [Lebend- = Sadırjan West- Rhein- schnitts- gewicht Berlin Potsdam | Frankfurt falen land gerichtim =) Bemerkungen Pfd. Pfd. Pfd. Pfd. 4 426'/2 R 378 Ya 329 '/2 388 575 398,4 531,4 *) en Eee niss des Lebendgewichts EI RL MS, 542 372 497 587 5312 708,3 zum Schlachtgewicht Ä | 375 363 415 389 a 529 394,9 526,0 vergl. oben Bd. II. S.434 . und Abhandlung Annal. 605 599 547 12 550’: 584 2 5 643 454,9 Batıs Bd. 34 S.137 und Land- D 331!/2 318 2 402 Ya 250 . 396 33914 452,5 wirthschaftl. Centralbl. 550 535"2 | 496 500 603 - 587 510,6 680,8. | Jahrg. X. 1862 Ba. I. . 288 . 308% | 243% | 296 335Ya | 2782 | 3705 | *°% . 362 | 325 356 333 443Y2 | 346, | 461,5 un [1 . 332 288 Y/2 325 284 . 277 2 280,5 374° 385 394 376 330 386 . 450 3683 | 4913 200 317Ya | 253 256Y2 | 235 5 2381 252,X 336,1 350 358 341'/2 | 300 3572 - 4ozYe g 3340 | 44513 . 40! . 34a 34 | 28Y%| 4 35,0 46,7 5 49" Sb ‚(549 qI 41'/a 52% 45,5 60,7 mn m nn . 33 432 33ua1 = 20'2 - 43 '/a 32,5 43,3 55 54 47 49 44 - 49 4718 63,4 e . 5 44 20 . 56 32,3 43,2 50 49 44 44 49 . 45 42,9 571% Lebendgewicht, dagegen sinken die angegebenen niedrigsten Preise für das geringere Mastfleisch in Gumbinnen, Breslau und Oppeln auf 5, in Stettin sogar auf 4, in den übrigen Bezirken der östlichen Provinzen auf 6 Thlr., nur in Liegnitz steht die niedrigste Angabe auf 6'/,, in Köslin uud Magdeburg auf 7, Erfurt und Münster 8, Trier 9, in den übrigen Bezirken der westlichen Provinzen nur auf ro, in Minden sogar nur auf 12 und in Koblenz auf 13 Thlr. für 100 Pfd. Offenbar schwanken diese Angaben nach dem Begriffe dessen, was man in den einzelnen Gegenden als Mastvieh zu bezeichnen pflegt, im allgemeinen aber stimmt die Reihenfolge und Steigerung mit der der Einzelpreise des Fleisches überein, und wenn man in den Preisen des Nutzviehes eine ähnlich bedeutende Steigerung in den westlichen Provinzen gegen die östlichen nicht findet, so sprieht sich darin, abgesehen von der grossen Unsicherheit der Ermittelung, die Erfahrung aus, dass im allgemeinen am Rhein besseres Fleisch zur Konsumtion kommt. Die Werthsunterschiede des Fleisches sind bei gleichem Gewicht erheblich gross). Nach Breunlin enthalten roo Theile Fleisch vom fetten, vom mageren Ochsen \Nassanı ans ae s 38,97 59,68 INScheser ra. Sure I,sı 1,44 Fett ern, a 23,87 8,07 Muskelfleisch . . . 35,65 30,81 *) F. Knapp: Lehrbuch der chemischen Technologie. Braunschweig 1847, Bd. I. S. 44. — J. R. Wagner: Die chemische Technologie. Leipzig 1866, S. 6ı5. 496 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Das Fleisch des fetten enthält also auf 100 Theile 20,; mehr feste Nahrungsstoffe, als das des ungemästeten Ochsen. Die chemische Zusammensetzung des Muskelfleisches allein ist 77,.—77,; Wasser, 1ı5—ı8, Fibrin, Zellgewebe, 2,.—4,; pCt. gerinnbarer Stoff, Eiweiss mit Blutfarbestoff, 2,8—3,ı aufgelöst bleibende Stoffe: Kreatin, Kreatinin, Inosit, Extraktivstoff, inosin- und milchsaure Salze, Chlorkalium und phosphorsaure Erden. Sie unterscheidet sich von der des Bluts nur dadurch, dass letzteres die geringe Menge von 3 pCt. Wasser mehr enthält. Durch kalte Digestion wird aus dem Fleisch der Fleischsaft ausgeschieden, der von 100 Theilen Fleisch 2,9; Theile Albumin und 3,0; Theile nicht gerinnende Fleisch- bestandtheile enthält, und nur die weisse, geschmacklose und zur Ernährung untaug- liche Gewebefaser zurücklässt. Dieser verwandt und ähnlich unbrauchbar ist die Leim- substanz (Knochenleim, Tafelbouillon). Beim Sieden des Fleisches koagulirt das Eiweiss, bleibt im Gewebe zurück oder geht als Abschaum verloren, so dass die Brühe nur die nicht gerinnenden Bestandtheile enthält. Abgedampft giebt diese den (v. Liebig’schen) Fleischextrakt; von 32 Pfd. knochen- und fettfreiem Ochsenfleisch ı Pfd. — Was die näheren Verhältnisse der Fleischproduktion betrifft, so kommt auf den Fettweiden der Provinz Preussen in den Niederungen an der Memel, am Pregel und Frisching und in den Weichselwerdern nach den bezüglichen Berichten eine Anzahl von jährlich mindestens 6000 Haupt Vieh zur Mast. Für die Weide durch den ganzen Sommer werden auf diesen Fettweiden, besonders in der Nähe von Danzig, für jedes Stück bis 20 Thlr. bezahlt. Die Gewichtszunahme ist unter günstigen Verhältnissen der Weide und Witterung bis auf 4o pCt. des bei der Aufnahme vorhandeneu Gewichtes anzu- schlagen*), und Unternehmer können an 30 Thlr. Gewinn auf das Stück bei durch- schnittlicher Verwendung von etwa 2 preuss. Morgen der Wiesennutzung erzielen. In der Provinz selbst ist kein Verbrauch für kernfettes Mastvieh. Das meiste geht nach England. Als Käufer stellen sich Fleischer und Händler aus Königsberg, Danzig, Bromberg, Berlin und Frankfurt ein, besichtigen das Vieh auf den Weiden selbst, indem sie die Niederungen von der Sommerzeit bis in den Herbst hinein durchwandern, und stellen bei jedem abgeschlossenen Kaufe Ort und Zeit der Ablieferung fest. Indess ist das vollständige Fettweiden nur beschränkt. Wenige Wirthe sind in der Lage, ihr Betriebskapital so lange zu entbehren. Bei weitem der grössere Theil des Viehes wird nur als Brackthiere zum Abweiden des zweiten Schnittes auf die Wiesen zusammengetrieben. Dieses Vieh, welches zur Mast nicht mehr geeignet ist, wird durch die kurze Weidezeit eben nur schlachtbar, und selbst das nieht, wenn schlechte Sommer- oder Herbstwitterung eintritt. Die erzielte mittelmässige Qualität ist nur auf den Märkten der Provinz abzusetzen, und diese sind zu Zeiten von solchen halbfetten Thieren dermassen beschickt, dass das Angebot weit stärker ist, als die Nachfrage, und die Landwirthe, um Geld zu erhalten, unverhältnissmässig niedrige Preise bewilligen. Bei dem starken Begehr nach gut gebauten Ochsen für die Mast in den westlichen Landestheilen soll ein mageres Stück oft ebenso theuer bezahlt werden, als die halbgemästeten. Im Monat September findet jährlich ein Viehmarkt bei Elbing statt, um die Be- stände des auf der Weide unverkauft gebliebenen Viehes aufzuräumen. Ein Theil *) Ueber die Gewichtszunahme des zur Fettweide auf die fiskalischen Administrations- stücke in der Elbinger Niederung aufgegebenen Viehes vergl. Amtsblatt der Regierung zu Danzig 1865, S. 13. XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen, 497 davon gelangt zur Schlachtbank, ein Theil zur Fortsetzung der Mast in die Brennerei- wirthschaften. In diesen ergiebt die Mastung 2— 3 Thlr. für Stück und Woche Gewinn, wenn Einkauf und Haltung der Thiere günstig zusammenwirken, Indess wagen diese Anstalten selten den Hamburger Markt mit vollausgemästetem Vieh zu beschicken, weil die Kosten, dort einen günstigen Marktpreis abzuwarten, oft jeden möglichen Nutzen aufzehren. Nach und nach hofft man durch Eisenbahnen und Telegraphen grössere Sicherheit und damit lohnenderes Geschäft in der Mastung zu erzielen, Auch in der Provinz Pommern hat der Fleischverkehr mit Berlin und Hamburg vermittelst der Eisenbahn erheblich gewonnen; das Pfund Lebendgewicht wird bei ziemlich gemästetem Rindvieh mit 139, —2'/, Sgr. bezahlt. Im allgemeinen aber ist die Mastung desshalb nicht lohnend, weil meist zu altes Vieh zur Mast aufgestellt wird, welches das Mastfutter nicht mehr zu lohnen vermag. In Posen wird nur von einzelnen grösseren Gütern mit technischem Nebenbetriebe Vieh gemästet, ohne dass sie bei dem Mangel und der Kostspieligkeit des Absatzes dadurch genügenden Gewinn erzielen. Schlesien besitzt dagegen bei seinem ausgebreiteten Fabrikbetriebe auch Mastungen von grösserer Bedeutung und rationellem Verfahren in beträchtlicher Anzahl. Aus- gezeichnet sind z. B. Prieborn, Giesmannsdorf, Bielau, Kalinowitz, Koberwitz, Zembowitz, Tost, Kottulin u. a. m. Die Mastung für den Verbrauch im Lande wirft nur geringen Gewinn ab, die Preise stehen oft nicht erheblich höher als für einigermassen genährtes Brackvieh. Die zahlreichen mittlen und kleineren Brennereien und Brauereien mästen nur halbfett, und stellen kein junges Vieh auf. Die Preise für dieses gewöhnliche Mast-' vieh stellen sich auf r'/,, höchstens 2 Sgr. für das Pfund. Das Absatzgebiet der grossen Mastereien aber ist ausschliesslich Berlin, und über Berlin Hamburg und England; für diesen Zweck durchreisen neuerdings eigene Aufkäufer das Land. Berlin ist theils durch seinen eigenen bedeutenden Konsum, theils dureh die dorthin zusammenlaufenden Eisenbahnverbindungen der Centralpunkt für den Fettvieh- handel aus allen östlichen Landestheilen. Auch der Oderbruch, die Lausitz und das nördliche Sachsen führen dort beträchtliche Mengen Vieh hin. Die besten und theuersten Stücke sind indess in der Regel Durchfuhr nach Hamburg. Nach Hamburg führen auch die Kreise der westlichen Mark und Sachsens, namentlich die Umgegend von Magdeburg, ihr ausgesuchtestes Mastvieh. Bei der für diesen Verkehr besonders günstigen Lage des nordwestlichen Sachsens verwerthen hier die gestiegenen Fleischpreise bei richtiger Wahl des Materials selbst innerhalb des Land- schlages durch die Mastung das Futter zur Zeit höher, als jede andere Nutzung, mit Ausnahme des Milchverkaufs. Berlin erhält aus diesen Landstrichen nur die zweiten oder geringeren Sorten zum Verbrauch. Die Einfuhr und Ausfuhr von Schlachtvieh nach und von dem Berliner Markte ist in den letzten Jahren nach den einzelnen Bezugs- und Abfuhrgegenden amtlich verzeichnet worden“). Das Ergebniss ist umstehend S. 498 u. 499 dargestellt. *) Annalen Bd. 5ı S. 316, Bd. 52. Jahresbericht für 1868. — Vergl. auch Schlacht- viehhandel in London. Annal. Bd. 26 S. 369. — Die Notirung des ein- und ausgeführten Schlachtviehes erfolgt seit 1867 mit Vollständigkeit und Genauigkeit auf den Güter-Expedi- tionen der Eisenbahnen, und für die Landwege durch die Thor-Expeditionen der Mahl- und Schlachtsteuer. Aus früherer Zeit bestehen Privatangaben, die in die Handelskammer- berichte aufgenommen sind. Boden d. preuss. Staates. II. 32 498 XXX, Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Schlachtviehverkehr in Berlin a. Auf den Eisenbahnen. Berlin- Anhaltische . Hamburger)... =. Potsdam-Magdeburger . Stettiner Niederschl.-Märkische.. . Ostbahn Görlitzer a seien tag enleruniie Dr rer b. Auf Landwegen . Davon Provinz Preussen .... = Pommern .... » Posenien.e. 0 > Brandenburg .. = Schlesien ... . 4 Sachsen ..... n Westfalen... . cn Rheinland... . » Hannover . » Hessen-Nassau . Lauenburg und Lübeck . Hamburg und Bergedorf Mecklenburg ....... Herzogth. Braunschweig cr Anhalt or Königreich Sachsen ... Grossherzogth. Sachsen . ei Hessen erisljeine, e.sefie weite all elta: Wis SLelei $lwlis.id lere “ale elelote.s erleljot es. 1e/ one .a.e\“ Eingang 1867 Ausgang 1867 28 805| 3 670 Zusamm, aufEisenbahnen | 51 077| 21 979 2788 Zusammen 15; 865 11 566 2562 50 137 225 Io 220 1.095 37 Zusammen wie oben ® 8365| 28 129 Es blieben also 1867 in Berlin zum Konsum ... Kühe | Kälber | Schafe 2606 10480) 2.466 274127 271| 13 091 1409| 414 4646 7532| 13 619 94611 6316| 5312| 176 563 1375| 1332| 14383 58 446| 305 760 6 150| 19 627| 140 159 23 129| 78 073 445 919 kamen aus: 2425| 2 127] 62 503 3679| 7 517| 1224 227 3012| 2133| 90038 13 734, 53 749| 108 823 1654| 1129| 39 181 2393| 3127| 5524 : 2 72 x b 532 123 45 252 £ i I 169 4631 923 453| 277) 14833 T 5 143 432) 367 90 54 7114 538 25 5 78 073| 445 919 Schweine 219865 237523 19 058 36 967 71852 74 978 20 90I 665 243388] 25 304 Ochsen 23 526 1778 23 561 Kühe | Kälber 344 7 2.269 8 599 42 59% | 292 797 99 85 20 4686 2590 EEE En m nn nn nn am nn na mn mom nn nn 243 sssl 25 304 7 276-| 3 929 gingen nach: 159| IIo 59 20 3362| 3 742 6381| 9 zgı|l 9 320 | - 2 172 16 7276 20 953 3 929 74 144 Schafe | Schweine 20807 | 31736 38215 | 2192 31837 | 55 182 5455| 742% 1525| 596 122 129 93 O51| 90 577 178137| 8633 271188 | 99 210 520 220 | 265 223 85 4I 119 236 | 31.082 9738| 460 40 176 | 40790 1631| 597 1 866 40 222 I 38069) 1251 Io 17 I4I8| 1728 10039 | 16 828 34645 | 444% 483 | 1268 271188| 99 210 174731144 178 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 499 Eingang 1368 Ausgang 1868 Bemerkungen Ochsen | Kühe | Kälber Schafe | Schweine | Ochsen Kälber Schafe Schweine 3430| 3992|12648| 4326| 24757| 103) 198 18| 11324| 41975 1063| 3551/28699 | 21345| 17573 | 2192| sıı 2| 12541) 13592 702| 2309| 2611| 7409| 1241| 6263 738 58| 95431| 46023 7505| 7208|14544| 96219| 53121] 6877| 711) 337) 2593| 1764 9223| 2082 703| 33 850| 10445 113 653 680 3039 |?) 275] *) und 116 Ferkel. 14544 | 5682| $ 115 | IOI 030 | 209 019 650| 1220 835 |*) 3390 2556| *) darin 29 Böcke. 2858| 1860| 1885| 1537| 2449 5| 197 3 891 76 39 345 |26 684 | 69 205 |265 716 | 310605 | 10013, 4228| 1933 | 129209 | 106261 1150| 5913118468 177703 | 24081| 1457| 3381| 2685| 150242] 8745 40 495 | 32 597 | 87 673 34 6s6hrr 470 4618 *)115 006 443 419 |3 279 451 *) und 116 Ferkel. kamen aus: gingen nach: 4931 818 23| 15956| 49416 265 180 46 |*) 1721 2121| *) darin 14 Böcke, 1947| 3321|10028 | 87162| 32 115 345 292 79 1623 664 3 310 946 129| 44702| 84014 116 127 110 |*) 530 II2| *) darin 10 Böcke. 16 982 | 19 857 | 61.935 |223 533 1127293 | 2442| 5146| 3668 |)125283 | 39340| *) darin 5 Böcke. 9223 | 2082 703, 83850| 10445 113 653 680 3039 |) 275] *) und 116 Ferkel. 1641| 3426| 4253 7584| 5o06| 277 159 ı16| 28257| 31112 I Io - . . 3 991 521 18 2648 287 o 2 6 45 I 69 . . 2353 . 65| 1890| 753 958 4| 434 9 . 2318 . 3 11 2 o s 3 . ° c 95 I 9 c 153 © & . A I £ 7I 247 5I 769 325] 2102| 419 ı| 11882 6905 210 628 640| 26809| 5381 3 4 6 206 75 3 19 118 s 9 . . . 1 506 33 437 535 366 614 105 5 36 e 6908| 28203 1494 503 | 8.636 272| 18006 96 27 . 13 189 4558 89 3 8| . 36 0 c ° 418 414 Ö . Ä 248 2 & : 5 s c © © 2,476 3 . . a ° 837 . © 605 52 12 . . . . . . . 5 19 . . . 159 - 43) - . 74 774 612 - 89 5 . @ . 1068 12 . 2795 40 495 | 32 597 | 87 673 | 443 419 | 334 686 | 11470| 7909| 4618| 279451 |*)ıı5o06| *) und 116 Ferkel. Es blieben also 1868 in Berlin . 29025 | 24 588 |83 055 | 163 968 | 219680 32° 500 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. Auf dem Breslauer Viehhofe wurde an Mastvieh zum Verkauf ausgestellt*): Im Jahre | Ochsen Kühe Kälber _ Hammel | Ziegen | Schweine | Zusammen Aufgestellt zum Verkauf 1862 4585 | 3430 | 18009 | 25577 15 25 504 77 201 1863 4786 | 3780 | 22256 | 38124 7 27 571 96 528 1864 4917 | 3719 | 21943 | 37954 3 32 997 IOI 522 1865 6495 4316 | 22.853 42 780 5 34 624 111 073 1866 10585 | 6699 | 22916 | 53.494 9 30 529 124 233 Von Breslau mit der Niederschlesisch-Märkischen Bahn nach Berlin verfahren 1862 | 878 217 | 47 | 267 2251 3 660 1863 893 278 34 | 1606 . 2 503 5314 1864 863 | 68 | 46 | 4564 I 7237 13 409 1865 3978 \ 736 36 9291 I 24 133 38 175 1866 | 7474 | 2320 345 |: 17738 7 37 019 64 903 | Westfalen mästet Rindvieh im Stall nur auf grösseren Gütern und in Städten in Verbindung mit Brennerei und Brauerei. Erfolge. Hier aber, soweit bekannt, mit gutem Insbesondere findet die sogenannte englische Mastung mit Runkelrüben, Rübkuchen, Schrot und Kleie ohne Zuthat von Wasser mehr und mehr Eingang und ersetzt bei richtigem Verfahren den Centner Runkelrüben zu durchschnittlich 8 Sgr. Indess ist der Mastbetrieb im Stall, seitdem der grösste Theil der Kartoffelbrennereien eingegangen, nicht besonders umfangreich, und es werden dabei nur ausrangirte Thiere zum Verkaufe fett gemacht. Bedeutender dagegen ist die Benutzung der Fettweiden. Die besseren unter diesen an der Lippe, Ruhr und Weser verwerthen, namentlich durch friesisches Vieh, den Morgen Weide durchschnittlich zu einem Reinertrage von ı$ bis 20 Thlr., die Fettweiden in den übrigen Theilen der Provinz zu 12 —ı5 Thlr. Die Fettweiden des Niederrheins sind, wie.Bd. II. S. 305 gezeigt hat, bei weitem die umfangreichsten und ergiebigsten im Staatsgebiete. Der Pachtpreis für den Morgen steigt bis 25 Thlr. Alle umliegenden Landstriche, ausser dem Rhein auch Westfalen und Holland tragen zu dem jährlich aufgetriebenen Weidevieh bei. Gleichwohl wird der starke Bedarf der Provinz dadurch nicht gedeckt. gemästetes Vieh aus Sachsen zu lohnendem Preise herangeführt. Das fette Rindfleisch steht in den rheinischen Städten auf 6 Sgr. das Pfund. Die Mastung erzielt desshalb überall da, wo durch Wiesen oder technische Gewerbe reich- liches Futter vorhanden ist, gute Resultate, namentlich wo Ochsen zu diesem Zweck aufgestellt werden; Ackerwirthschaften aber haben keinen Vortheil durch Ausmästen, und geben ihr abgemolkenes Vieh für diesen Zweck in die Nähe der Städte ab. In Hohenzollern bildet die Mastung im Unterlande auch bei den kleinen Gütern die Grundlage des intensiven Ackerbaues. Es werden dazu Körner, Dinkel, Hafer und Linsenmehl verwendet, durch welehe das Fleisch bessere Qualität, als bei der Schlempe- mastung erreicht. Es wird viel Das schon der Rasse wegen schmackhafte Mastvieh ist desshalb besonders gesucht und findet seinen Absatz bis Paris. *) Annalen Bd. 5ı S. 312; Bd. 52 Jahresbericht. XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen, 501 6. Milchnutzung, Butter- und Käsebereitung. Zur Beurtheilung der Werthverhältnisse der Molkereiprodukte, soweit sie sich aus ihren Bestandtheilen und der Zusammensetzung ihrer Nährstoffe ergeben, ist Bd. II. S. 39, 49 und 431 schon Manches beigebracht worden. Die Umwandlungen, die sie von der Gewinnung an durch die verschiedenen Zustände der Zubereitung erleiden, lassen sich aus folgenden Durchschnittszahlen ersehen: süsse Milch Käse Bestand- Butter- mittle Ziegen- P b fetter magerer theile Kuhmilch | milch milch geringere sauere Süssmilch- | Sauermilch- käse käse Wasser .. 86,833 81,94 | 90,80 | 212 | 11,5 67 5,3 36,0 44 Butterfett. . 3,288 4,56 024 | 785 | 87,5 | 9310 | 94,4 30,5 6 Kasein ... 4,107 4,38 3,82 29,0 45') Milchzucker 5,129 03 I,o 0,3 0,3 Asche | 9,12 5,14 Salzen ern 0,583 4,5 | 5 Die Salze enthalten 0,237, — 0,344 pCt. der Masse phosphorsauren Kalk, 0,04 bis 0,064 pCt. phosphorsaure Bittererde, 0,7 pÜt. Eisenoxyd, 0,14 — 0,133 Chlorkalium, 0,024— 0,034 Chlornatrium, 0,042 — 0,045 pCt. Natron ?), Der Rahmgehalt der Milch ist in erster Woche nach dem Kalben 3—4 Mal so gross, als später, und im täglichen Verlaufe in der Abendmilch etwa doppelt so gross, als in der Morgenmilch. Im Gesammtdurchschnitt aber bleibt er geringer bei milch- reichem Vieh; beim Niederungsvieh ist er auf 10—ı2, beim Gebirgsyieh auf 14—ı6 pCt. anzunehmen, und steigt auch wohl je nach dem Futter bis 18 pÜt.°) Einfache Operationen für Prüfuug des Gehalts der Milch sind noch nicht bekannt. Das im polizeilichen Gebrauche benutzte Galaktometer von Donne prüft auf den Grad der Durchsichtigkeit, der durch den Gehalt an Milchkügelehen, indess auch durch fremde Stoffe, entsprechend verringert wird. Das spezifische Gewicht der Milch ist je nach ihrem Gehalt 1,018— 1,04. — Der durchschnittliche Milchertrag entzieht sich ebenso wie der wahre Reinertrag der Milchkühe für jedes grössere Gebiet einem hinreichend begründeten Anschlage., Es sind allerdings auf den verschiedenen Ausstellungen und in der landwirth- schaftlichen Literatur zahlreiche Beispiele überraschend hoher Milchergiebigkeit zur allgemeinen Kenntniss gekommen, und es ist erfreulich zu wissen, dass sich dabei keines- wegs nur die kostspieligen und für den kleinen Wirth schwer zu beschaffenden Rasse- thiere, sondern auch vielfach die gewöhnlichen Landschläge besonders ausgezeichnet und Jahreserträge an Milch bis zu 3000 und mehr Quart nachgewiesen haben. Für die allgemeine Beurtheilung aber können solche Beispiele leicht irre leiten, zweifellos !) Die allmählich steigende Umwandlung des Kasöins in Fett soll durch den Einfluss der Schimmelpilze (Bd. II. S. 395) bewirkt werden. 2) Knapp a. a. OÖ. I. S. 30. — Wagner a. a. O. S. 612. — C,. Trommer: Prüfung der Kuhmilch, 1859. ®) v. Weckherlin: Die landwirthschaftliche Thierproduktion 1857. S. 361. — Ueber Melkmaschinen und Buttermaschinen vergl. preussische Statistik Heft VII. S. 24 und 91; Annalen Bd. 27 S. 5ıı. 502 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. sind die ungünstigen Extreme unverhältnissmässig zahlreicher als die günstigen. Er- träge von rooo Quart Milch jährlich werden mit Recht als mittelmässig beurtheilt, es lässt sich aber annehmen, dass es ganze Landstriehe giebt, in denen Milcherträge über ıooo Quart jährlich nur vereinzelte Ausnahmen sind, dass aber schwerlich ausgedehnte Gegenden vorhanden sind, in denen nur ausnahmsweise Vieh von geringerem Ertrage vorgefunden würde. Eher lassen die Milchpreise Durchschnittsschätzungen zu. Auch über diese, so- wie überhaupt über die örtlichen Verhältnisse der Verwendung und des Verkaufes der Milchereiprodukte haben sich die Kreisbeschreibungen der Grundsteuerveranlagungs- Kommissionen zu äussern gehabt. Aus diesen Angaben lässt sich entnehmen, dass die Milch selbst in den verkehrlosesten Strichen des Staates, welche nur ländliche, schwache Bevölkerung besitzen, wie in Masuren, Hinterpommern und dem nordöstlichen Schlesien beim Verkauf in Geld mit 6 Pf. für das Preussische Quart bezahlt wird. Nur im Kreise Niederung in Ostpreussen scheint zu Zeiten das Quart nicht höher als mit 5 Pfennig verkäuflich zu sein. Der mittle Durchschnitt der Milchpreise steht in den Regierungsbezirken Gumbinnen und Oppeln 8 Pf., Königsberg, Marienwerder, Köslin 9 Pf., Danzig, Bromberg, Posen, Stettin, Stralsund, Breslau, Liegnitz, Frankfurt, Pots- dam ıo Pf., Magdeburg Merseburg, Münster ıır Pf., Erfurt, Aachen ı2 Pf., Minden, Köln, Düsseldorf 13 Pf., Arnsberg, Koblenz 14 Pf. und Trier 16 Pf. Ueberall aber er- heben sich diese Preise in der Nähe der grösseren Städte und in den Fabrikorten (der Kreis Beuthen zahlt in der Regel ı5 Pf.), sinken dagegen in den Gegenden, in denen die ausschliesslich ländliche Bevölkerung ihren Bedarf selbst erzeugt. Der Verkauf der Milch in den grossen Städten hat seit der Errichtung der Eisen- bahnen eine bedeutende Erweiterung erfahren. Wo nicht besondere Betriebshindernisse entgegenstehen, ermöglichen die Eisenbahnverwaltungen die Milch täglich regelmässig von den auf 3 bis 4 Meilen Entfernung liegenden Stationen herbeizuschaffen, während sie mit Pferden zur Achse nur auf eine, höchstens 1'/; Meilen angefahren werden kann. Der Gewinn, der durch diesen Milchverkauf den grösseren Wirthshaften erwächst, darf zwar für das Quart nicht höher als auf ı bis 3 Pf. über den oben angegebenen durchschnittlichen Verkaufspreis der Gegend angeschlagen werden, weil diese Wirth- schaften den eigenen Vertrieb der Milch an die Konsumenten nicht zu übernehmen vermögen. Sie bedürfen eines Zwischenhändlers, der die Milch, oder die gesammte Kuhwirthschaft pachtet und den Absatz auf seine Rechnung besorgt. Sie sehen indess, namentlich bei grösseren Entfernungen, auch ohne besonders hohen Preis genügende Vortheile in dem regelmässigen und baaren Verkaufe des gesammten Milchquantums. Der Konsument in den Städten zahlt etwa die Hälfte bis das Doppelte mehr als der Produzent erhält. Woasserzusatz und Verfälschungen sind selbst in kleinen Städten erheblich. Kleinere Wirthe, die der Stadt nahe genug liegen, um direkt an die Konsumenten verkaufen zu können, erzielen, wenn sie die tägliche Besorgung mit ihrer Wirthschaftsführung zweckmässig zu vereinigen wissen, einen namhaften Mehrgewinn. Das Quart guten Rahmes wird in Berlin mit 6 bis 8, in anderen grossen Städten wenigstens 4 bis 6 Sgr. bezahlt, und die abgerahmte Milch hat ungefähr den halben Preis der frischen. In den Landstrichen, in denen ein genügender Milchabsatz nicht erreicht werden kann, muss Butter und Käse bereitet werden. Feine Käsesorten, wenn sie einen grösseren und dauernden Absatz zu erringen vermögen, können die Verwerthung der Milch bis zu einer Höhe bringen, die selbst XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. 503 die Verkaufspreise in der Nähe der Städte, und jedenfalls die Verwerthung durch Butter übersteigt; Butter dagegen vermag nur als Wochenmarktsartikel, oder bei sehr sorgfältigem Verfahren und guten kaufmännischen Verbindungen die angegebenen Durch- schnittssätze zu erreichen. Die Rentabilität beider hängt also wesentlich von der Kenntniss der besten Bereitungsart, Uebung, Genauigkeit, Reinlichkeit u. dgl. ab. Die Milchwirthschaft ist unter diesen Gesichtspunkten schon früh Gegenstand der landesherrlichen Fürsorge gewesen. Friedrich Wilhelm I. zog für diesen Zweck Holländer in die Mark, und liess 1723 nach der Entwässerung des havelländischen Luches in der Mitte des bis dahin von Sumpf und See bedeckten Terrains die Kolonie Königshorst in holländischer Weise anlegen. Es wurden Viehheerden zur Ausnutzung der ausgedehnten, leider nicht vor- züglichen Wiesenländereien beschafft, und die Gewinnung guter Milch und Butter so sehr als Hauptzweck verfolgt, dass eine förmliche Anstalt für die Kunst des Butterns und Käsemachens eingerichtet wurde, wohin die Domainenbeamten der kurmärkischen Aemter eine Anzahl von Bauerntöchtern als Mägde zu senden hatten. Diese wurden während eines zweijährigen Dienstes in allem Nöthigen unterwiesen, und mussten dann ohne Hülfe der Holländerin Proben guter Butter bereiten. Für diejenigen, welche dabei genügend ausgebildet befunden wurden, war ein Brautschatz von 100 Thlr. aus- gesetzt“). Friedrich II. stellte diese Anstalt durch einen Erlass vom 13. Mai 1780 ausdrücklich als ein Lehrinstitut für das Buttermachen wieder her; sie bestand einige Zeit. Die Horstbutter aber hat sich bis zur Gegenwart ihren Ruf auf dem Berliner Markt bewahrt. Später sind seitens der Regierung mehrfach Aufmunterungen zur Butter- und Käsefabrikation erfolgt, namentlich zahlte sie solchen Personen, welche zur Errichtung von Käsereien in entfernte Provinzen berufen wurden, Reisekosten und Beihülfen unter der Bedingung, dass die Anweisungen derselben nicht ausschliesslich Einzelnen ertheilt, sondern allgemeiner zugänglich gemacht würden. Auf diese Weise ist 1849 die hollän- dische Käsefabrikation zu Regenwalde begonnen worden. Auch haben sich Vereine zur Käsefabrikation in Ragnit und Heidekrug gebildet, von denen der Ragniter einen Schweizer als Käser angenommen hat, der Verein zu Heydekrug aber die Fabrikation des sogenannten Niederungskäses, eines landüblichen Produktes der Danziger Niederung, seit mehr als 20 Jahren unausgesetzt betreibt“*). Am Niederrhein, namentlich in den Kreisen Moers, Duisburg, Rees, Kleve, Malmedy, auch in Daun und in dem west- fälischen Lüdinghausen ist seit lange auf grösseren Wirthschaften sowie als selbststän- diges Geschäft die Bereitung von holländischem Käse in bedeutendem Umfange in Uebung, und Holländereien, namentlich aber Schweizer Käsereien, die sich zum grossen Theil auch mit Butterbereitung beschäftigen, haben sich in neuerer Zeit in sehr erheblicher Zahl über die östlichen Provinzen verbreitet. Es bestehen solche in Ostpreussen: in den Kreisen Niederung und Tilsit, Angerburg und Gerdauen; in Westpreussen: in den Kreisen Schwetz (Siebsau, Montau, Sartowitz), Kulm (Rybiniee, Tittkowo, Napolle, Linda, Grubno, Piontkowo), Thorn, Marienwerder (Rundewiese, Milewke); in Posen: im Kreise Posen und Birnbaum (Gr. Münche); in Pommern: im Kreise Uckermünde (Rioth), Greifswald (Eldena); in der Mark: im Kreise Prenzlau, Westhavelland, Ost- *) H. Berghaus: Landbuch der Mark Brandenburg, Berlin 1854—56 Bd. I, S, 410. *) Die Provinz Preussen, Festschrift, 1864 S. 150. 504 XXX. Die Rinder, ihre Schläge, Haltung und Nutzungen, die Ziegen. priegnitz und Westpriegnitz; in Schlesien: in den Kreisen Gr.-Strehlitz (Kalinowitz, Mokrolohna, Sakrau, Zyrowa), Gleiwitz (Tost, Kottulin), Neisse (Bielau und Giesmanns- dorf), Neumarkt, Steinau, Münsterberg, Striegau, Schweidnitz, Liegnitz (Koitz u. a.). Der Käse hat bisher im Zollverein einen Zollschutz von 3 Thlr. zo Sgr.*) für den Centner gehabt, der sich vom ı. Juli 1865 an auf ı Thlr. 20 Sgr. ermässigt hat, Die Einfuhr hat, wie S. 491 ergiebt, von 1836 bis zur Gegenwart zwischen 30000 und 50000 Ütr. geschwankt und erreichte zwischen den Jahren 1843 und 1847 und seit 1861 das höhere Quantum. Die Ausfuhr betrug bis zum Jahre 1848 selten 1000 Ctr., und ist erst seitdem dauernd bis 1863 auf etwa 8000 Ütr., 1864—67 auf 18 ooo Ütr. gestiegen. Diese Zahlen zeigen, wie gross, abgesehen von jedem ausländischen Absatze, das Feld noch ist, welches die Produktion feinerer Käse im Inlande zu erobern vermag. Es lässt sich annehmen, dass die mehr eingeführten 40000 Ctr. einen Werth von mehr als 1500000 Thlr. repräsentiren, und es ist durch Proben erwiesen, dass die An- fertigung keiner der beliebten Käsesorten von einer örtlichen Qualität der Milch, sondern nur von der Art ihrer Behandlung abhängt. — Der Konsum von Butter ist ausserordentlich gross und kann sich im Staate auf ungefähr ı Million Pfund täglich belaufen, was etwa der Produktion der Hälfte der vorhandenen Kühe entspricht. Auch die Handelsbewegung in diesem Artikel ist sehr bedeutend, weil die Um- gegend der grösseren Städte des Milchverkaufs wegen nur einen kleinen Theil des Butterkonsums derselben zu bestreiten vermag. Unerheblicher ist die Einfuhr von Butter aus dem Auslande, sie betrug 1836 27000 Ctr., fiel bis 1840 auf 14000 Ötr., und stieg dann bis zur Gegenwart mit geringeren Schwankungen auf etwa 50 ooo Ctr. Die Ausfuhr hat bis zum Jahre 1854 zwischen 10000 und 20000 Ütr. betragen, ist von 1854— 1860 auf 100000 Ütr. gestiegen, und hat seitdem wieder zwischen 45000 und 110000 Ütr. geschwankt. Der Einfuhrzoll auf Butter betrug bisher 3 Thlr. zo Sgr. für den Centner, und beträgt vom ı. Juli 1865 nur noch ı Thlr. 10 Sgr. Im Handel kostet der Centner Butter zwischen 30 und 4o Thlr, bei geringerer Güte auch darunter. Der kaufmännische Absatz, der wesentlich von Berlin bestimmt wird, nimmt auf die Qualität so grosse Rücksicht, dass die Preise der guten Butter bis zum doppelten der geringen steigen. Diese Rücksicht kommt aber beim Einkauf vom Produzenten, der überwiegend in den Händen kleiner Händler liegt, bei weitem weniger zum Ausdruck. Die Einkaufspreise des Händlers richten sich mehr nach dem vorhandenen Quantum, also nach dem Futterreichthum des Jahres. Dieser Umstand ist der Sorgfalt der Bereitung nicht zuträglich, und man darf ihm das Zurückbleiben guter Handelsbutterproduktion in vielen dazu sehr geeigneten Gegenden zuschreiben, Indess sind die Verluste, die durch mangelhafte Bereitung, namentlich Unreinlichkeit und unvollständiges Ausmilchen enstehen, nach beiden Seiten sehr bedeutend. Nur wenn sich der Händler vollständig auf den Produzenten verlassen kann, vermag er wegen des grossen Risikos der Aufbewahrung und des Transportes angemessene Preise zu zahlen. Es lässt sich hoffen, dass auch in dieser Hinsicht durch grössere Einsicht und durch die hier und da eingerichteten holsteinschen Butterwirthschaften Verbesserungen sich verallgemeinern werden. ?) G.-S. 1860 S. 334 No. 25, 0. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. In der Schafzucht macht zur Zeit kein anderes Land Preussen den ersten Rang streitig. Eine gewisse Entwieckelung derselben lässt sich auf dem jetzigen Gebiete des Staates bis in ziemlich frühe Zeit zurück verfolgen; sie knüpft an die bekannte gross- artige Entfaltung der niederländischen Tuchfabrikation des Mittelalters an. Soweit die Nachrichten zurückgehen, übten in allen Theilen Norddeutschlands die Gutsherrschaften die Schäferei auf den eigenen und den bäuerlichen Grundstücken mit Vorrechten aus, in denen sie grosse Erleichterung fand*). Die schlesischen Herzöge verliehen den Dominialherren die Schäfereigerechtigkeit als Abzweigung eines landesherr- lichen Hoheitsrechtes, welches anscheinend den Schaftrieb über die Weiden des ganzen Landes zum Gegenstand hatte. Sie behielt desshalb hier sogar die Eigenschaft eines Regalitätsrechtes“*), d. h. die Unverjährbarkeit oder die rechtliche Vermuthung, dass sie ohne ausdrückliche Abtretung auf allen Grundstücken innerhalb der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit bestehe, bis auf die neueste Zeit. Diese Berechtigung, Brachen und Stoppeln, Weiden und Forsten der oft sehr ausgedehnten Gemarkungen unter gewissen observanzmässigen Grundsätzen mit derselben Heerde zu betreiben, und die Möglich- keit, mindestens vertragsweise auch von einer Flur auf die andere überzugehen, führten zu der Gestaltung eines selbstständigen Gewerbes der Schäferei, welches sich mit der Weide und Pflege fremder Schafheerden auf den dazu überwiesenen Weiderevieren gegen eine gewisse Gegenleistung beschäftigte; diese bestand namentlich in einer feststehenden Tantiöme an der Nachzucht und in dem Recht des Meisters wie der Knechte, eine *) Eichhorn: Deutsches Privatrecht, $ ıg0. — Allg. Landrecht Th. I. Tit. 22 $ 146. *) Tschoppe und Stenzel: Schlesische Urkundensammlung 1839. 8.152. — Cod. dipl. Silesiae Bd. IV. S.39. Einl. 100. — Zeitschrift für Landeskulturgesetzgebung, Bd.I. S. ııı (1847). — Diese Berechtigung begünstigte als eine allgemeine, alles Rustikalland belastende Servitut bei den Gemeinheitstheilungen die Zusammenlegung der Grundstücke auf der ganzen Flur in hohem Grade. Bd.I. S. 409. 506 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Anzahl eigene Schafe mitzuweiden. Die Schäfer genossen ihrer Heilkunst und mancher Kenntnisse wegen viel Ansehen. Das Gewerbe aber galt als unehrlich. Zahlreiche, höchst ausführliche Sehäfereiordnungen !) mit immer wiederholten, scharfen und kasuistischen Strafbestimmungen zeigen die schwierigen Verhältnisse, in denen es sich bewegte, und die Klagen und das tiefliegende Misstrauen, das es von allen Seiten wachrief. Erst im Beginn des 13. Jahrhunderts begann allgemeiner sein Erlöschen; die Reste beseitigte das Aufkommen der feineren Heerden. Gegenwärtig finden sich nur noch einzelne Spuren auf den westfälischen Gebirgen. Diese Schäfereiverhältnisse wurden schon vor der allgemeineren Kolonisation des slawischen Ostens von den Genossenschaften der flämischen Kaufleute, die in den be- deutenderen Marktorten bis Russland hin ihre Niederlassungen für den Tuchhandel hatten, zum Bezug von Wolle benutzt?); durch sie oder durch flämische Kolonisten scheinen auch niederländische Schafe verbreitet worden zu sein; wenigstens wird das edlere Landschaf in Deutschland noch jetzt vielfach das flämische genannt, und in Schlesien wurden nachweisbar im 13. Jahrhundert flämische Schafe gehalten®). Um dieselbe Zeit beginnen die norddeutschen Städte aufzublühen, und mit der raschen Entwickelung ihrer Gemeinwesen ist namentlich in Schlesien und in der Lausitz das Auftreten besonders zahlreicher und mächtiger Tuchmachergewerke unmittelbar ver- knüpft‘), auf welche sich bis in das laufende Jahrhundert ein schwunghafter Tuch- handel gründete. Diesen seit lange einwirkenden Beziehungen gegenüber, lässt sich von ursprüng- lichen Schafstämmen nicht mit Sicherheit sprechen. Charakteristisch als Rasse hat sich nur die Heidschnucke in dem westlichen Theile der Altmark erhalten, ein kleines, lebendiges Thier von oft nur ı5 Zoll Höhe, sehr fein gebaut, doch verhältnissmässig kräftig, welches sich sehr gut mästet und vorzüg- liches Fleisch giebt, dabei vorzugsweise von den Sprossen des Heidekrautes lebt, und so hart ist, dass es auch in sehr kaltem Winter höchstens eines Schutzdaches bedarf und das Heidekraut aus dem Schnee oder aus Furchen, die mit dem Schneerechen gezogen werden, hervorscharrt. Sein Vliess aber besteht aus groben, starren Haaren, 1) Die brandenburgischen giebt Mylius Corp. Const. Marchie. Th. V. Abth. IL. r S. ı—332. Die älteste ist 1537 für den Sternberger Kreis erlassen, die jüngste datirt vom 24. August 1722. Zu vergleichen ist auch die Verordnung vom 3. Februar 1800 (Nov. C. C. M. Bd.X. $. 2777) gegen das Vorvieh der Schäferknechte und wie es bei dem Umzug der- selben zu halten. Der bezüglich der Umzugstermine der Schäfer bis auf die neueste Zeit geltenden Unterschiede gegen anderes Gesinde ist schon oben Bd. II. S. ır9 in der Note gedacht. Das Verbot des Vorviehs u. ähnl. wiederholte das Gesetz vom ı. Juni 1820 (G.-S. S. 109) wegen der Löhnung und des Umzuges der Schäfer und der Schäferknechte in Neu- vorpommern und Rügen, im Grossherzogthum Posen und den mit Westpreussen vereinigten Distrikten des ehemaligen Herzogthums Warschau, welches durch Gesetz vom 13. Mai 1822 (6.-S. S. 147) mit Ergänzung vom 26. August 1835 (G.-S. S. 196) auch auf Schlesien, Sachsen, Westfalen, Kottbus und die früher sächsischen Theile von Potsdam, Frankfurt und Liegnitz ausgedehnt wurde, 2) E. F. Roessler: Die Stadtrechte von Brünn, Prag 1852, VIII. 3) Tschoppe und Stenzel a. a. O. $.153; 200 oves gallicanos in Urk. von 127I. 4) C. Grünhagen: Breslau unter den Piasten, 1861, 8.70. — G. Korn: Schlesische Urkunden zur Geschichte des Gewerberechts. Cod. dipl. Siles. Bd. VII. 1867 S. XXIL, 7, 16. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 507 unter denen ein grauer und schwarzer, filziger Flaum sitzt. Das Produkt der ziemlich reichen Schur ist desshalb nur zu den gröbsten Teppichgarnen, zu Hüten und dergl. verwendbar. Der Heidschnucke nahestehende Schafe kommen auch in den Sand- gegenden Pommerns und Masurens vor. Etwas bessere Thiere finden sich in allen Provinzen vereinzelt bei den Rustikalen als sogenannte Kuhschafe, die unter den Kühen mitweiden. Wo den Bauern in älterer Zeit erlaubt war, Schafe zu halten, erstreckte sich diese Erlaubniss in der Regel auf ein Viertelhundert für die Hufe. Diese kleinen Heerden, die zum Theil noch fortbestehen, haben überall nur geringen Werth. Sie können nach der groben und mehr oder weniger schlichten und unausgeglichenen Beschaffenheit ihrer Wolle als Zaupelschafe oder als Landschafe bezeichnet werden; es bleibt aber schwer zu bestimmen, ob sie einem eigentlichen Schlage, oder Entartungen und Verwilderungen veredelterer Thiere angehören. . Die grösseren Heerden bildeten sich in den meisten Gegenden, und insbesondere auch in Schlesien, zu besserer Beschaffenheit aus. Je nach sorgfältigerer oder schlechterer Haltung und Züchtung zeigte der, wie erwähnt, auch als flämisch bezeichnete Landschlag einen mehr oder weniger gut gebauten, langen, tiefen und breiten Körper von etwa 25 Zoll Höhe und guter Mastfähigkeit. Die Thiere waren hornlos und hatten zum Theil dunkel gefärbte Beine und Köpfe; in der Wolle, die meist zweischürig be- nutzt wurde, gaben sie 4—5 Pfd. Schurgewicht von langem, zwar grobem, aber kräf- tigem und ziemlich ausgeglichenem weissen Haar. Im Laufe der Zeit machten die Tuchmachergewerke einen observanzmässig an- erkannten Anspruch auf die Wollproduktion ihres näheren Umkreises und erlangten Marktzwang für die Wolle. Die einzelnen ziemlich kleinen Landestheile waren durch Zolllinien getrennt. Ueber diese Grenzen durfte nur der zollfreie Adel seine Wollen ausführen; die Wollen der Bauern, Scholzen und Pfarrer mussten auf den nächsten Markt gebracht werden. Diese Sachlage erhielt durch das Verbot der Ausfuhr für die letztgedachten Wollen in den ältesten bekannten brandenburgischen Edikten vom ıı. Oktober 1572 und 2. Januar 1578 ihren gesetzlichen Ausdruck. Bis zum 30Jäh- rigen Kriege folgten verschiedene ähnliche Vorschriften, die den Wollhandel in gleichem Sinne zu Gunsten der Tuchmacher beschränkten *). Der Grosse Kurfürst, der die niederländische Industrie am oranischen Hofe kennen gelernt hatte, wandte schon 1644 der Ausbreitung der Tuchmacherei wieder so grosse Aufmerksamkeit zu, dass er nicht allein die Ausfuhr von Wolle und ihren Aufkauf durch andere, als inländische Tuchmacher bei schwerer Strafe verbot, sondern auch die Einfuhr ausländischer wollener Waaren untersagte. Diese Verbote blieben bis auf Friedrich Wilhelm II. bestehen. Friedrich der Grosse beförderte dabei den aus- wärtigen Absatz so, dass die Ausfuhr preussischer Tuche nach China bis auf den Werth von 4 Millionen Thaler stieg. Allerdings lag in diesen und ähnlichen merkantilen Massregeln für den Woll- produzenten kein wesentlicher Sporn, die Veredelung der Heerden zu erhöhen, aber sie schufen dennoch einen, für den späteren Aufschwung der Schafzucht einigermassen *) Geschichtlich statistische Darstellung der Schafzucht, deren Veredelung und Ver- mehrung im preussischen Staate von der ältesten Zeit bis 1825 aus dem Nachlasse L. Krug's. Zeitschrift d. stat. Büreaus, Jahrg. III. 1863 S. 241 fi, 508 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. vorbereiteten Boden, eine weit verbreitete Kenntniss des Betriebes, ein nicht ganz un- günstiges Züchtungsmaterial und Gewöhnung an die Behandlung der Schafe unter der ländlichen Bevölkerung. Ueberraschende Fortschritte brachte erst die Einführung der Merinos. Obwohl der erste Versuch, spanische Schafe in Deutschland einzuführen, keine Spuren hinter- lassen zu haben scheint, und mindestens durch die späteren völlig verdunkelt worden ist, so gebührt doch Friedrich dem Grossen das Verdienst, denselben unternommen zu haben. Schon 1748 liess er Böcke aus Spanien kommen und wiederholte dies einige Male, unter anderen 1752— 53. Von nachhaltigem Erfolge wurden erst die in das Kurfürstenthum Sachsen ein- geführten Merinos, deren Geschichte oft erzählt ist'). Die erste Heerde Originalthiere wurde 1765 in den kurfürstlichen Thiergarten nach Stolpen gebracht, und 1779 nach Hohenstein, 1783 nach Lohmen übergesiedelt. 1779 kam eine zweite, stärkere Heerde nach Stolpen. Durch Auswahl aus beiden sind die Stammheerden zu Altstedt und Rennersdorf gegründet. Aus allen diesen Heerden wurden die überzähligen Thiere theils verliehen, theils sehr billig verkauft, und den sächsischen Domainenpächtern war zur Pflicht gemacht, nur spanische Böcke zu gebrauchen. Es verbreiteten sich desshalb Voll- und Halbblutelektoralheerden sehr schnell über das ganze Kurfürstenthum und es lässt sich nicht bezweifeln, dass sich selbst schon vor 1779, wie es für Droeschkau bezeugt ist?), auch anderwärts in den jetzt preussischen Theilen Sachsens Privatheerden von spanischer Abkunft befunden haben °). 1785 machte Friedrich II. für Preussen einen weiteren Versuch, indem er 100 Böcke und 200 Mutterschafe in Spanien und wahrscheinlich auch Nordafrika ankaufen liess. Indess ist nur bekannt, dass davon an den Grafen Magnis nach Eckersdorf, in der Grafschaft Glatz, ein Bock gekommen, der der Stammvater der dortigen ersten und berühmten schlesischen Merinoheerde geworden ist. Die anderen Thiere gingen grösstentheils an Krankheiten zu Grunde, oder wurden vertheilt, ohne Erfolge zu hinterlassen. Dagegen wurden schon 1796 durch Vermittelung des späteren Oberpräsidenten Theodor v. Schön 50 Böcke und einige Muttern auf das v. Schön’sche Gut Blumberg bei Gumbinnen, und 1300 weitere 200 Muttern und Böcke auf die Domaine Subkau bei Dirschau von der durch Fink aus sächsischen 'Thieren gezüchteten Kösitzer Heerde in Anhalt übergeführt. ı8o1r siedelte der Fürst Lichnowsky von seiner Heerde zu Grätz bei Troppau eine kleine Zahl Merinos nach Kuchelna und Borutin (Kr. Ratibor) über, welche aus den seit 1775 in Marcopail, und seit 1784 in Mannersdorf mit Originalthieren begründeten Kaiserlich österreichischen Stammschäfereien herstammte. Endlich gelang es auch 1802 durch den späteren Oberpräsidenten V. Vineke die grosse Zahl von 400 Böcken und 800 Muttern in Spanien anzukaufen und so glück- 1) H. Settegast und A. Krocker: Deutsches Handbuch, 1865, Einl. S. 53 ff. — Mentzel: Handbuch der rationellen Schafzucht, 1859. — Elsner: Deutschlands Merinowollerzeugung, 1823. — J. M. v. Ehrenfels geschichtliche Darstellung der neuen Schafkultur, Prag 1831. 2) Körte, S.147. Leipziger Intelligenzblatt 1778. 3) Auch Wirchenblatt (Kreis Guben) gehört zu den in vorpreussischer Zeit, indess erst ıgır aus Stolpen begründeten Heerden. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 509 lich nach Preussen überzuführen, dass durch diesen Transport namhafte Heerden in mehreren Theilen des Staates begründet werden konnten. Es erhielten daraus Graf Haugwitz für Rogau bei Oppeln, Graf Magnis für Eckersdorf, Graf Itzenplitz für Kunersdorf bei Wrietzen, Graf Arnim für Güterberg in der Uckermark, auch die Domainen Subkau in Preussen, Prillwitz in Pommern und andere Züchtereien die nöthigen Thiere. Namentlich aber vermochte dadurch Fürst Lichnowsky seine Heerde zu Kuchelna ansehnlich zu verstärken, zu der er auch die besten Schafe des Grafen Moltke aus Schorsow in Mecklenburg ankaufte, und die bald unter der intelligenten Leitung Hilveti's und später v. Dedovic den Vorrang vor allen anderen Schäfereien Europa’s errang, Seit dieser Zuführung zahlreicher Stammthiere konnten sich edle Heerden all- gemeiner in Preussen verbreiten. 1804 erhielt auch die kurz vorher in Besitz genommene Domaine Dalheim, im Kreise Büren, die ersten Merinos. Die folgende Kriegszeit hemmte allerdings mehr oder weniger alle diese Unter- nehmungen, indess hatte Thaer den Muth, noch während der schwankenden Kämpfe ıgrr — ıgr3 die Mögliner Heerde durch Ankäufe aus den edelsten sächsischen Schäfereien zu begründen. Auch brachte ıgıı die Verwaltung der Königlich niederländischen Güter Racot und Wieezyn in Posen dorthin einen Stamm Elektoralschafe aus Lohmen, und der Herzog von Holstein-Beck stellte aus sächsischen Thieren seine Heerden zu Lindenau bei Braunsberg, zu Finkenstein bei Rosenberg, und 1814 zu Österwitz bei Marienwerder auf, In demselben Jahre kaufte ferner der Oberburggraf v. Brünneck einen Stamm Subkauer Schafe für Bellschwitz und der Oekonomierath Maass zu Kenzlin bei Demmin eine Heerde aus der von Mannersdorf abgezweigten Kaiserlichen Stamm- heerde zu Hoschtitz in Mähren; ı815 aber begann mit dem Frieden der Ankauf von französischen Heerden, den Fürst Hardenberg für Neu-Hardenberg in der Nähe von Möglin eröffnete. Frankreich hatte schon im 17. Jahrhundert die Einführung von Merinos erfolglos versucht, 1752, 1766 und später 1776 durch Daubenton diese Versuche nicht ohne Glück wieder aufgenommn, namentlich aber durch einen grossen Ankauf von 1785 die König- liche Stammschäferei Rambouillet gebildet. Von ihr aus wurde in der Napoleonischen Zeit mit Vorliebe und auf besonderen Antrieb des Kaisers eine grössere Zahl Schäfereien begründet, und diese nach der Eroberung Spaniens durch Ankauf und Geschenke spani- scher Originalthiere verstärkt. 1815 kamen solche Heerden mehrfach zur Veräusserung, und Friedrich Wilhelm III. nützte die Gelegenheit zur Ausführung der lange beabsichtigten Anlage einer König- lichen Stammschäferei für Preussen. Der spätere Minister Rother wurde desshalb mit dem Ankaufe eines Stammes von 300 Böcken und 700 Mutterschafen beauftragt. Weitere Erwerbungen verstärkten diese Heerde, von der nur wenige T’hbiere anderweit verwendet wurden, auf 5rr Böcke und 1295 Muttern, und mit dieser Zahl wurde 1816 die Stamm- schäferei Frankenfelde auf dem in der Nähe von Möglin angekauften gleichnamigen Gute angelegt”). Schon 1817 konnte daraus eine Hälfte, welehe nach Stämmen, Alter und Qualität gleich abgetheilt wurde, zur Begründung der zweiten Stammschäferei nach Panten bei Liegnitz übersiedelt werden. Beide standen auf Grund einer Allerh. Kab.- Order vom 13. März 1816 unter der Oberaufsicht Thaers. *) Ockel: Anleitung zur Aufzucht der Schafe, Berlin 1846 8. 4. 510 XXXIL Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Gleichzeitig wurde noch für Rechnung der preussischen Regierung die von den Kosaken fortgeführte und von Boecking aufgekaufte französische Stammschäferei Poland- Weiswailer übernommen und in Abtheilungen von je 2 Böcken und 20 Mutterschafen in der Provinz Pommern verkauft, ebenso wurde eine 1806 aus Spanien geholte Heerde des Generals Castella in der Schweiz erworben und auf die Domainen des Regierungs- bezirks Merseburg vertheilt. Damit schlossen die preussischen Erwerbungen nicht- deutscher Merinos ab. Die beiden Stammschäfereien des Staates haben zu ihrer Zeit der vaterländischen Schafzucht anerkennenswerthe Dienste geleistet. Sie gaben den Schäfereibesitzern Gelegenheit, unter Garantie der Aechtheit der Abstammung edle Merinoböcke und Schafe anzukaufen. In der Stammschäferei Frankenfelde wurden anfangs die einzelnen in Frankreich rein gehaltenen Originalstämme, aus denen die Heerde erworben worden war, als Moncey, Rambouillet, Murat, Malmaison und Chanteloupe, nach den Ursprungs- heerden rein fortgezüchtet. Im Jahre 1826 wurde dieses Verfahren aufgegeben, weil es zwar gewisse Eigenthümlichkeiten der Körpergestalt und des Charakters der Wolle zu bewahren, nicht aber die inzwischen immer vorgeschritteneren Ansprüche auf beson- dere Feinheit zu befriedigen vermochte. Es wurde seitdem mit den schönsten und feinsten Böcken aller Stämme auf erhöhte Verfeinerung gezüchtet, und die Stamm- schäferei Panten, in der seit der Begründung auch sächsische Elektoralböcke zur An- wendung gekommen waren, gab schon 1830 in diesem Sinne 100, 1832 aber, als sie aufgehoben und die Heerde veräussert wurde, noch 250 hochfeiner Schafe und die nöthigen Böcke nach Frankenfelde ab. Hier wurde dann eine hochfeine Elektoral- Eliteheerde und eine mehr wollreiche Infantado-Rliteheerde sorgfältig fortgezüchtet und zugleich dahin gestrebt, aus den Thieren mit der längsten und schlichtesten Wolle einen Stamm Merinokammwollschafe zu erhalten. Im Gange der Züchtung wurde immer der Grundgedanke verfolgt, alle diejenigen Elemente durch Fortzüchtung zu bewahren, welche nöthig sind, um solehen Schäfereibesitzern, die bei der Züchtung ihrer Heerden durch zu schnelles Befolgen der oft wechselnden Ansichten der Wollhändler und Fabrikanten oder durch eigene falsche Anschauungen auf Abwege gerathen, die Mittel zur Umkehr zu bieten. 1825 wurde mit der Frankenfelder Schäferei auch eine Schäferlehranstalt zur Ausbildung tüchtiger Schäfer verbunden. Sie nahm jährlich ı0 junge Leute, die wo möglich schon einige Jahre als Schäferknechte gedient haben sollten, als Lehrlinge auf. Diese mussten, weil ausser ihnen keine Schäferknechte gehalten wurden, unter Aufsicht des Schafmeisters alle Arbeiten in der Schäferei verrichten lernen, genossen aber dabei im Winter im Schreiben und Rechnen und in allen für einen Schafmeister nöthigen Kenntnissen und Handgriffen den ihrer Vorbildung entsprechenden Unterricht, Mit der Zeit erlosch allerdings durch den allgemeinen Fortschritt der inländischen Schafzucht der ursprüngliche Zweck einer vom Staate erhaltenen Stammschäferei. Es ist anzuerkennen, dass dieselbe sich ohne Zuschüsse selbst erhielt, sie verzinste indess den ihr übergebenen Grund und Boden nur höchst unbedeutend. Nachdem desshalb durch die Errichtung der landwirthschaftlichen Akademieen (Bd. II. S. 20) auch dem Bedürfnisse von Versuchswirthsehaften, welehem Frankenfelde mehrfach gedient hatte, in der ausgiebigsten Weise entsprochen war, beantragte das Herrenhaus 1860 die Aufhebung der Stammschäferei, welche 1862 unter Veräusserung der Heerde ausgeführt wurde. — XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 511 Wie hoch man nun mit Recht die Mitwirkung des Staates seit dem ersten Ein- greifen Friedrich II. anzuschlagen hat, der Eifer der Privaten kam diesen Bemühungen in nieht geringerem Grade entgegen, und die Entwiekelung war, wie die nachstehenden Uebersichten ergeben, seit den ersten Friedensjahren eine ganz überraschend schnelle. Nach den statistischen Tabellen waren in Preussen an Schafen der Zahl nach vorhanden: Zählung vom Merinos und halbveredelte*) unveredelte Im Ganzen Jahre ganzveredelte*) a Landschafe*) Schafe 719 200 2.368 0I0 5 174 186 8 261 396 839 548 2 971 386 5 254 786 9.065 720 I 117 080 3 623 944 5.296 498 IO 037 522 1734 105 4 558 777 5313 547 ı1 606 429 2378717 5 187 249 5.045 971 12 611.937 SEEN 5 301 385 4.053 047 11751 603 2% 831553 5 839 333 3.977 924 12 647 910 3 617 469 7 165 088 4228 895 I5 OII 452 4 119 950 7 346 752 4 377 316 16 344 018 4 202 024 7 794 421 4239435 16 235 880 4317 425 8 183 603 4 004 520 16 505 548 4.452 913 7942718 3 901 297 16 296 928 4 821 701 7 901 829 3 815 680 16 539 210 4 300 392 6.977 466 3.293 567 15.071425 5 343 402 6.798 926 3 219 868 15 362 196 6 578 686 7 191 613 3 686 929 17 457 228 ——— nn Merinos (feine Woll- andere Schafe ein- schafe) einschliesslich schliesslich der der Lämmer Lämmer 1864 10 817 898 8.496 769 19 314 667 1867 10 999 275 7 821 505 18 820 780 Auf den Frühjahrs-Wollmärkten zu Breslau, Berlin, Koblenz, Königsberg, Lands- berg, Magdeburg, Mühlhausen, Paderborn, Posen, Stettin und Stralsund wurde in den einzelnen Jahren an Wollgewicht verkauft und dafür nach den amtlich festgestellten Durchschnittspreisen gezahlt, was umstehende Tabelle angiebt**). *) Es liegt in der Natur der Sache, dass die Trennung in ganzveredelte, halbver- edelte und unveredelte Schafe bei der Erhebung immer sehr unsicher und willkürlich ge- wesen sein muss, und höchstens für die älteste Zeit einige Anhaltspunkte bieten kann. Sie ist desshalb 1864 mit der in feine Wollschafe und andere Schafe vertauscht. Auch bezüglich der Lämmer lassen die früheren Zählungen Zweifel. Da sie stets im Dezember stattfanden, kann es sich nur um die Sommerlämmer handeln; diese dürften, nach der Differenz zwischen 1864 und 1861 zu schliesssen, früher in der Mehrzahl nicht gezählt sein. *) R. v. Patow, Wollproduktion des Zollvereins, 1851 $. 22, ergänzt auf die Gegen- wart aus dem preussischen Handelsarchiv der betreffenden Jahrgänge. — Vergl. auch Annalen Bd. 36 S. 251. — Die Notiz der Durchschnittspreise beruht auf den Angaben der Wollmakler. 512 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel, Verkaufte Wollel Dafür gezahlt | Durchschnitts- Dres dealcene ee in Centnern Thaler - Ben Fer ale "> ee für den Centner Frübjahrsmarkt a 1826 126 816 7953 718 62,6 974 64,6 1827 110.037 7 774 012 79,2 1234 57 1828 121 588 9 402 187 772 N 125 61,7 1829 109 213 | 7 832 559 719 130 55, 1830 108 529 8 104 617 75,1 150 499 1831 96 211 6 666 821 69,5 1024 68,2 1832 99 862 7 977 696 7918 115 69,4 1833 99 745 9 091 857 91,0 145 62,8 1834 124 217 11 605 171 93,6 154 60,8 1835 129 867 IT 849 000 91,7 155 59,2 1836 137 972 12 848 348 93,8 135 69,x 1837 147 807 10 215 786 69,1 1174 59,1 1838 138 789 11 041 839 7915 122} 65,2 1839 161 546 12. 770 682 78,9 120 .65,3 1840 171 580 11535 027 671 125 53,7 1841 194 828 14 762 299 757 125 60,6 1842 204 233 13 961 337 68,4 1125 61,1 1843 165 129 10 685 627 64,8 ı12+ 57,9 1844 192 I4I 14 812 056 77 1224 63,2 1845 200 761 17 031 829 84,8 1271 66,3 1846 211915 15 394 025 72,6 109 66,7 1847 227 752 . 17440238 76,5 ı15t 66,2 1848 131467 6 608 143 50,4 99 50,9 1349 291534 14 557 497 7518 125 60,7 1850 197972 14 529 903 7517 140 54° 1851 196 199 13 904 542 709 115 61,7 1852 192 946 14 281 637 74,0 130 56,9 1853 178 866 14 560 723 81,4 140 58,1 1854 167 379 12 317 519 73,6 121 60,8 1855 162.087 13 764 618 84,9 1324 64,0 1856 154 342 13 297 666 86,2 140 61,6 1857 165 980 14 994 931 90,3 118} 762 1858 174 998 13 079 984 74,2 110 6715 1859 162 623 IO 922 279 67,2 105 64,0 1860 166 976 14 281 563 85,5 118% 72,2 1861 189 448 14 641 287 773 114 67,8 1862 241 659 17 205 052 712 102 69,8 1863 264 567 18 257 466 69,0 III 62,2 1864 220 630 15 926 827 72,2 113 63,9 1865 240 708 15 941 380 66,2 98H 67,2 1866 167 405 12.046 755 72,0 86 83,7 Die auf den Frühjahrsmärkten zu Breslau, Berlin und Stettin gezahlten Durch- schnittspreise für den Centner der verschiedenen Wollen zeigt die folgende Seite. Die Schwierigkeit, manche dieser Zahlen zu ermitteln und angemessene Durch- chnitte festzustellen, ist augenscheinlich, und es bedürfen desshalb die Bedenken gegen XXXL Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 513 Breslau Berlin Stettin extra- extra- fein fein Thlr. Thlr. Thlr. Thlr. Thlr. Thlr. Thlr. Thlr. | Thlr. Thlr. fein mittel jordinair fein mittel | ordinair fein | mittel |ordinair BZ 33 105 3| 56% | 29 60 | 46 $| 26 5 | 35, | 225 61 $| 548 26 62 424 | 1324 65 ı R 90 55 424 | 120 614 - 80 778, 423 | 110 62; ...| 838 625 | 54 | 97% 67% . | 8$ Hs) 79 74 95 9 3 3 923 875 85 60 723 52 55 523 523 65} 77 63 75 49 73 65 50; 58 60 die Genauigkeit der Nachweisungen keiner näheren Darlegung. Für die besten extra- feinen Wollen haben in Breslau in den letzten Jahren Liptin, Endersdorf, Kasimir, Manze, Nielasdorf u. a. immer noch 125—ı50 Thlr., für hochfeine Wollen Kalinowitz und Boden d. preuss. Staates. II. 33 514 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. ähnliche Schäfereien go—ıoo Thlr. und verhältnissmässig gewöhnliche Stämme ohne Ein- mischung von Negrettiblut z. B. Rosniontau, Wissoka u. a. 73—go0 Thlr. erlangt. Gleichwohl dürften die Mängel der Notirung das Gesammtergebniss nicht wesentlich beeinflussen, — Die Vermehrung der veredelten Schafe und die Verfeinerung der Wollen hat jedenfalls einen ausserordentlich raschen Verlauf genommen, und es lag in der Natur der erst durch die Erfahrung zu gewinnenden Erkenntniss, dass man sich dabei von gewissen Abwegen nicht frei halten konnte. Diese Gefahr war aber umsoweniger zu vermeiden, als der Schafzüchter bezüglich der Ziele seines Strebens nicht von seiner eigenen Meinung über die zweckmässigste Ausbildung der Thiere, sondern wesentlich von den Ansprüchen des Fabrikanten abhängt, der seinerseits nur einseitig gewisse Eigenschaften seines Materials im Auge hat, darin nach Mode und Behandlungsweise schwankt, und nicht selten Gründe zu haben glaubt, über sein besonderes Interesse sich gegen den Produzenten nicht offen auszusprechen. : Im vorigen Jahrhundert erlangten die deutschen Merinowollen wegen des Vor- urtheils der Fabrikanten, dass die in Deutschland erzeugte Wolle nothwendig hinter der spanıschen zurückstehen müsse, keine hohen Preise; die grössere Entwickelung blieb dess- halb gehemmt. Als die Vorzüge der deutschen Wollen zur Anerkennung kamen, wurde von den Züchtern im allgemeinen das spanische Blut als genügend angesehen, um aus der Zucht günstige Resulte zu erwarten. Man nahm in den ersten beiden Dezennien nach 1800 keine besondere Rücksicht auf die Auswahl unter den Zuchtthieren und auf eine geeignete Zusammenstellung der Böcke und Muttern. Das Streben war auf feine und namentlich sehr zarte und sanfte Wolle gerichtet. Die Feinheit, deren höchste Grade man noch nicht kannte, wurde nach der Zahl der Biegungen in den Wollensträhnchen bemessen, und trotz der Warnungen Thaers in dem Ueberwuchern der offenen Kräuselung, im Zwirn, eher ein Vorzug als ein Nachtheil gesehen. Endlich öffneten die allgemeinen Klagen der Fabrikanten den Züchtern über diesen Fehler die Augen, und mit dem dritten Dezennium fand die Anforderung Thaers nach gleichmässigem, panzerartigem Schluss des Stapels und nach Ausgeglichenheit der Wolle am ganzen Thierkörper allgemeine Geltung. Thaer berief im Mai 1323 den Wollkonvent zu Leipzig, an dem sich die be- deutendsten Schafzüchter in grosser Zahl betheilisten, und der entscheidend für die rationelle Auswahl der Zuchtthiere im Sinne Thaers und des von ihm gebildeten Klassifikators J. P. Wagner, sowie für eine diesen Zweck erleichternde Feststellung der Terminologie wurde. Man einigte sich hier dahin, die Thiere mit hochfeiner, zarter, sanfter Elektoralwolle und mit feinem Körper- und Gliederbau, in denen besonders Sachsen und Schlesien züchtete, Eskurials, die mit derberer, strammerer, etwas barscher Wolle, mit stämmig, kräftigem Körper und faltenreieher Haut, in denen besonders Oesterreich züchtete, Negrettis zu nennen. Bis zum Jahre 1830 gelang es, den Zwirn aus den Heerden gänzlich zu beseitigen, indess entging man nicht einem anderen Extrem. Bei dem mit überraschenden Erfolgen gekrönten Streben nach äusserster Feinheit und Ausgeglichenheit nahm man keine genügende Rücksicht auf Körpergestalt, Grösse, Sehurgewicht und zuletzt Kraft und Gesundheit des Thieres. Die Ueberbildung begann. Die falsche Richtung wurde durch die Umstände begünstigt. Die Fabrikation zahlte für hochfeine Wollen unerhörte Preise, gegen welche ein geringeres Schurgewicht nicht in Betracht kam. Kreppwolle, Luftwolle, Flaumwolle wurden zu Modezeugen gesucht. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 515 Glatte Thiere, stramme, dünne Haut mit dünner Wolle erschienen vortheilhaft. Dabei standen die Getreidepreise so niedrig, dass die Vermehrung der Heerden das einzige Mittel genügender Rente war. Die edlen Schäfereien brackten äusserst wenig und liessen die Thiere in zu frühem und zu spätem Alter zur Zucht zu. Die Klassifikation durch Sachverständige, welche allgemeiner wurde, war häufig durch diese Anforderungen irregeleitet, auch mehr mit den Eigenschaften der Thiere, welche den Preis steigerten, als mit den pathologischen Eigenthümlichkeiten ihrer Entwickelung bekannt. Es wurde also in kurzer Zeit nicht blos ausserordentliche Feinheit, sondern auch grosse Gleichartigkeit unter den Heerden erreicht, so dass die Fabrikanten Massen sehr ähnlicher Wollen zusammenzustellen vermochten; aber wenige Heerden behielten, wie die Lichnowsky’schen, die Chrzelitzer und die Mögliner durch das Genie und den Takt ihrer Leiter und gewisse Grundlagen in der Mischung des Blutes neben Adel und Feinheit hinreichenden Nerv und eine befriedigende Reichwolligkeit. Um 1840 hatten die feinen Merinos in allen Provinzen allgemeine Verbreitung gefunden, in Sachsen und Schlesien selbst bei Rustikalen; aber es begannen sich auch schon die Feinde gelteud zu machen, welche bald Befürchtungen eines völligen Unter- ganges der preussischen Merinozucht hervorriefen. Als Folge der Ueberbildung und des allzuerschöpfenden Zuchtgebrauches trat von Sachsen aus die Traberkrankheit auf, vererbte sich in der unbestreitbarsten Weise und dezimirte die Heerden, namentlich überall, wo sie zuerst einbrach. Zugleich hob sich in einer ganz unerwarteten und fortdauernd steigenden Weise die Zufuhr gröberer und mittelfeiner Wollen ans Australien und Afrika. Die Zahlen der Anfuhr auf den englischen Markt sind nach den Angaben des Board of trade folgende: r aus aus Prozeut- aus aus aus Summe - Spanien Den I Südafrika | Ostindien | der Einfuhr Eh Cr. Ctr. Otr. Cr. Cr, Ltr. Deutschen 1800 60 628 4133 3 5 a 64751 6,3 1810 59 524 7758 . . E 67 312 11,6 1816 29 589 28 166 136 96 5 57 984 48,6 1820 35 362 Sr134 994 297 . 87 787 58,2 1830 16435 | 264738 19 672 334 . 297 179 | 819 1834 23439 | 226346 35 580 1417 677 226346 \ 78,7 1840 12 669 218 120 97 212 7517 2441 337 951 64,5 1846 8700 | 134774 | 185954 | 25163 38 982 556 156 | 24. 1850 3 761 78134 | 333523 | 29599 29 599 633779 | 124 1855 586 52203 | 418823 | 121979 | 121126 595 394 8,8 1860 8 532 79 243 504 123 | 141598 172 306 998 015 7,9 1865 980 58430 | 929774 | 249156 | 145863 | 1.109 376 5,3 1866 1.049 87859 | 963 897 | 249696 | 218368 | 2.475.695 5,9 1867 4213 32499 | 1134491 | 307933 129 656 1.218 674 28 In naheliegender Gegenwirkung zu dieser enormen Anhäufung neuen Materials gelang es der Fabrikation sehr bald in den Buckskins, Düffels und ähnlichen Stoffen aus den Mittelwollen Zeuge zu bereiten, die sich durch Billigkeit und Neuheit leicht in die Mode einführten und im Ansehen denen wenig nachstanden, zu denen bishe; die hochfeinen Wollen gesucht wurden. Der Druck auf die Preise der letzteren machte 33° 516 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. sich desshalb in hohem Grade fühlbar. Dabei stiegen aber die Preise aller anderen landwirthschaftlichen Produkte. Während der Scheffel Roggen in den zwanziger Jahren ungefähr einem halben Pfunde feiner Wolle gleiehstand, waren in den vierziger Jahren 2 Pfd. derselben Wolle dafür zu kaufen. Den Fruchtpreisen angemessen, hoben sich die Preise der Grundstücke und die Ansprüche an ihre Rentabilität; und der Futterbau ver- werthete sich durch die bisherige Schafzucht nur bei Zuchtviehverkauf, welcher jetzt gegen früher in augenscheinlichen Verfall gerieth. Alle diese Umstände wiesen auf die Nothwendigkeit einer Vermehrung des Schur- gewichtes hin. Die reichwolligen Heerden konnten auch bei verhältnissmässig geringer Feinheit erheblich bessere Reinerträge nachweisen, als die hochfeinen, und der Preis der hochfeinen Wollen näherte sich immer mehr dem der mittelfeinen. So entstand in wenigen Jahren Meinung für die bisher als weit überflügelt geachteten Negrettithiere. Viele Heerden wurden mit aller thunlichen Beschleunigung in den. Negretti- charakter umgestaltet. Damit aber trat als ein weiterer Feind der günstigen Entwickelung die geringe Rücksicht auf, welche namentlich die weniger renommirten Schäfereien auf die Bewahrung der Feinheit und auf eine allen Bedingungen des Wollcharaketrs und der Körperbildung entsprechende Auswahl der Zuchtthiere nahmen. Wenn man an sich anders geartete Böcke aus entfernten Gegenden und sehr abweichenden Zuehtverhält- nissen verschrieb und schroffe Gegensätze in den Heerden wirken liess, so konnte man wohl Wollreichthum und Körpergrösse vermehren, ein Rückschlag an Feinheit und Charakter musste aber unausbleiblich eintreten. Glücklicherweise erwiesen sich weder die Besorgnisse wegen der Konkurrenz- fähigkeit, noch die wegen des raschen Verlustes guten Zuchtmaterials im Verlaufe der Zeit als genügend begründet. Es behauptete sich ein gewisser Begehr nach hochfeinen Wollen, die Konsumtion an Wollstoffen hielt mit der gesteigerten Wollproduktion der Zufuhrländer gleichen Schritt, und die deutsche Fabrikation nahm, wie die Handels- bewegung im Zollverein nachweist, einen ausserordentlichen Aufschwung. F n | Woll- | Folglich im Wollengarn **) Zahl Woll- Woll Somme .. | A allen S ausfuhr Einfuhr | Ausfuhr der Schafe*)lerzeugung| einfuhr eehrancht Stück Cr. Ctr. Ctr. Ctr. Ctr. Ctr- Ctr. 1834 | 17196274 | 343925 | 90373 | 434298| 132621 | 301677 . . 1837 | 20409779 | 408 196 | 116030 524 226| 117484 406 742 3702| 1929 1840 | 22221 554 | 444431 | 164021 | 608452| 149260 | 459 192 | 27495| 7883 1843 | 22074528 | 441491 | 150254 | 591745| 132982 | 458763 | 41707| 9683 1846 | 22441172 | 448823 | 149677 | 598 500| 137903 | 460597 | 42684| 15345 1849 | 22157530 | 443 157 | 144095 | 587246| ııı 581 | 475665 ı 55094 | 10453 1852 | 23 272415 | 465448 | 169472 | 634920| 121513 | 513407 | 69265 | 15400 1855 | 21742994 | 434860 | 358250 | 793 110|l 87839 | 705271 | 109573 | 11797 1858 | 22322167 | 446443 | 289202 | 735645| 115948 | 619697 | 131863 | 15 740 1861 | 25286434 | 505729 | 393 162 | 898891] 95497 | 803394 | 156369 | 25463 1864 | 27 666.929 | 553339 | 491248 | 1044 587| 154794 | 889793 | 227 243 | 38 400 *) Die Zollvereinsstaaten ausser Preussen sind nach G. v. Viebahn, Statistik Bd. III. B.6 zum Theil im Mangel von Zählungen überschläglich in Anrechnung gebracht. *) Die Fabrikate lassen sich diesen Zahlen nicht gegenüberstellen, weil ein sehr grosser Theil der Kammwollenzeuge als gemischte unter den Baumwollenstoffen zur Verzollung XXXL Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 517 Dadurch befestigte sich mehr und mehr die Ueberzeugung, dass die vaterländische Industrie nachhaltig ein genügender und vortheilhafter Konsument der deutschen Wollen sein würde, und dass, wenn sich die Produzenten den Bedürfnissen des Wollhandels und der Fabrikation stets mit Aufmerksamkeit anzuschliessen wüssten, keine überseeische Schafzucht gegen die Vortheile siegreich anzukämpfen vermöge, welche für Deutschland in der langen Erfahrung der Züchter, dem eingerichteten Dienstpersonal, den sonstigen Hülfsmitteln der vorgeschrittenen Wirthschaft und Technik und der Nähe der Produktions- und Konsumtionsorte liegen. Zunächst wendete sich in dieser sorgenvollen Zeit die Aufmerksamkeit der Woll- wäsche zu. Die australischen Wollen werden bis jetzt ungewaschen geschoren und ver- sandt'). In Deutschland, das von jeher schwemmt, konnte man durch Waschmittel ver- schiedener Art und durch verbesserte Schwemmeinrichtungen besondere Erfolge erwarten. Auf den landwirthschaftlichen Ausstellungen war die Wolle ein vorzugsweise be- achteter Gegenstand. Die Fabrikanten fanden mehr und mehr ihren Vortheil darin, die Züchter über die Bedingungen besserer Preise zu verständigen. Namentlich in Schlesien veranstaltete man besondere Schauen, auf welchen theils die Thiere, theils die geschorenen Vliesse genauer sachverständiger Beurtheilung dazu erwählter Züchter und Fabrikanten unterworfen, und die Aussprüche veröffentlicht wurden?), Solche Schauen fanden 1859 in Breslau, ı86r in Herrnstadt, 1863 in Brieg, 1865 in Liegnitz, eine Ausstellung von Vliessen 1862 in Breslau statt. Ebenso wirkt der seit 1863 in Breslau eingeführte Zuchtviehmarkt nach demselben Ziele. Auch wurde für diese Zwecke 1860 der Schlesische Schafzüchterverein begründet, während bisher die Züchter Norddeutschlands ihre geselligen Beziehungen als genügende Gelegenheit zu gegenseitiger Ausgleichung und Besichtigung der Heerden erachtet hatten °). Es konnte nicht fehlen, dass die Schafzucht lebendigen Antheil an der Vertiefung des rationellen Verständnisses nahm, welche der Thierhaltung in dieser Zeit von der Physiologie aus erwuchs. Wie viel noch für die Kenntniss des Schafes und der einzelnen Funktionen seines Organismus, selbst auf dem scheinbar bekanntesten Gebiete der Woll- kunde zu thun ist, hat Herr v. Nathusius-Königsborn in seinen Untersuchungen über das Wollhaar ‘) gezeigt. Er hat durch dieselben nachgewiesen, dass das Wachsthum der feinen Merinowollen seinem Wesen nach eine krankhafte Entwickelung des Hautorganes ist, bei kommt. Auch unter dem Baumwollengarn wird einiges aus Baumwolle und Wolle gemischt- gesponnenes verzollt, was aber gänzlich vernachlässigt werden darf. Es ist übrigens die Einfuhr von etwa 10.000 Ctr. Baumwollen und gemischten Zeugen und etwa 26000 Ctr. reinen Wollenzeugen seit dem Bestande des Zollvereins ziemlich gleich geblieben, und nur die Ausfuhr bei Baumwollen- und gemischten Stoffen von 90.000 Otr. auf etwa das Doppelte, und bei Wollenstoffen von 70.000 Ctr. auf etwa 210000 Ctr., also auf das Dreifache gewachsen. Die Mehreinfuhr des Wollengarns hebt sich also zu Gunsten des Zoll- vereins gegen die Mehrausfuhr der Wollenstoffe ungefähr auf, ') H. Janke in No, 36 der Schlesischen landwirthschaftl. Zeitung von 1865. 2) Schlesische Zeitung für 1862, No.4 S. 15—16. — Annalen Bd. 49, 9. 193. ®) In Oesterreich bestanden Sehafzüchtervereine, wie in Bd. II, S$. 426 gezeigt ist, schon 1814 mit grossem Erfolge. — Vergl. J. G. Elsner: Die verschiedenen Phasen der deut- schen Merinozucht, Berlin 1857. *) W. v. Nathusius-Königsborn: Bemerkungen über die Gestalt und die Dimensionen des Wollhaares der Schafe, Halle 1864. — Das Wollhaar des Schafes, Berlin 1866. 518 XXXI Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. welcher das Thier, statt seine Nahrung in Fleisch und Haare umzusetzen, dieselbe zum grossen Theile in Fett verwandelt, welches sich in den Haaren in solcher Masse festsetzt, dass in den einzelnen Haarsträhnchen die diekeren und längeren Haare von den dünneren und kürzeren zurückgehalten, und beide neben ihrer naturgemässen Drehung, auch zu einer dichten, je nach der Verklebung mit Fett, als tieferer oder kürzerer Stapel auftretenden Kräuselung zusammengedrängt werden. Auch zeigt er, dass sich das von Fett völlig, wie es die Fabrikwäsche fordert, gereinigte Wollhaar der feinen Tuchwollen nur durch die Kräuselung, nicht durch Länge und Feinheit gegen das der gröberen Kammwollen unterscheidet; dass der kurze und ausgeglichene Stapel der feinsten Merinowolle ebenso aus langen und kurzen Haaren besteht, als der schüttere der Kammwolle, und dass auch der Durchmesser, also die Feinheit der Haare, in beiden nicht wesentlich verschieden ist, vielmehr in derselben Probe die Feinheit der Haare der Länge derselben verhältnissmässig bleibt, und die als grob bezeichneten Wollen sogar durchschnittlich dünnere Haare haben können, als die als fein bezeichneten. Für den gegenwärtigen Zustand der Schafzucht besteht die überwiegende Geltung der Mittelwollen noch fort. Die hochfeinen Wollen bilden nur einen sehr kleinen Theil des Bedürfnisses. Aber wegen des so ausserordentlich gesteigerten Verbrauches an Wollstoffen erreicht dieser Bruchtheil, der zur Beimischung und für wenige bestimmte Zeuge nothwendig ist, beinahe die Höhe des früheren fast ausschliesslich auf feine Wollen gerichteten Konsums, und es liegt möglicherweise die Zeit nicht fern, in der Luxus und Mode Stoffe fordern werden, für welche, trotz aller Fortschritte des Ver- fahrens, nur hochfeine Wollen Verwendung finden können, Es ist also Ausharren auf dem hohen, einmal errungenen Standpunkte der Produktion edler Wollen das Losungswort geworden. Gleichwohl ist in den Negrettiheerden der Vorzug der Gesundheit, der Grösse und vor allem der kräftigen, auf grossem Felde gewachsenen Wolle überall anerkannt, alle Züchter freuen sich der festen, pergamentartigen, doppelt zu grossen, faltigen Haut der Lämmer. Aber man ist zum Verständniss der Gefahren jeder Einseitigkeit gekommen, man strebt nach besonderer Feinheit und Wollreichthum, um Rentabilität zu erreichen, indess nicht weniger, selbst auf Kosten der Rente, nach gesunden, wohl- geformten, rationell ernährten Thieren, um das Risiko zu vermeiden. Dadurch ist die Züchtung zugleich der Richtung auf Fleischproduktion wieder näher getreten, die für die grösseren Schafzüchter seit lange gänzlich hinter der Woll- produktion zurückstand. Wie in älterer Zeit bei geringeren Wollwerthen und Preisen die Haltung der Land- schafe nicht weniger auf die Nutzung des Fleisches, als auf die der Wolle gerichtet war, so erringt sich das Fleischschaf gegenwärtig, wo trotz der gesteigerten Wollpreise der Fleisch- werth zur Wolle wieder in ein günstiges V erhältniss getreten ist, mehr und mehr Beachtung. Allerdings werden die höheren Gewinne der Fleischnutzung nur durch die Fettmästung er- zielt, und die örtlichen Fleischpreise sind oft für Mastung nicht genügend lohnend, aber seitdem die Eisenbahnen das Mittel bieten, gemästetes Vieh auf grosse Märkte und ins Ausland abzusetzen, sind die Bedingungen für die Mast wesentlich vortheilhafter geworden. In bevölkerteren Gegenden, wie am Rhein und in den westfälischen und sächsischen Fabrikbezirken, ist der Fleischverkauf und namentlich das Ausweiden der Hammel und des Brackviehs für den Schlächter stets gewinnreich genug gewesen, um dort auch der Rasse nach besonders solchen Schafen den Vorzug zu verschaffen, welche schmackhaftes Fleisch baben, und sich leicht ausfüttern. Die Merinos aber sind dazu, je dünnhäutiger XXXI Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 519 desto ungeeigneter. Um ihnen grössere Nutzbarkeit auf Fleisch neben dem Wollreichthum anzuzüchten, wurden besonders die englischen Fleischschafe Leicester, Southdowns u. a. eingeführt. Die Kreuzungen derselben mit Merinos lieferten aber in der Regel weniger gute Resultate, als die mit den Landschafen. In neuester Zeit sind desshalb für Merinokreuzungen die französischen Rambouillets beliebt geworden, von denen man ausser dem Schlachtertrage, auch die Bewahrung feinerer Wolle, als sie die englischen Schafe geben, erwartet. Allgemein aber haben sich seit der Mitte der fünf- ziger Jahre Reinzuchten und Kreuzungen von Fleischsehafen in immer grösserer Ausdeh- nung verbreitet“). Man darf denselben nach den bisherigen Erfolgen, je mehr sich die Be- völkerung und die Ansprüche an gutes Fleisch heben, desto mehr Zukunft versprechen. — Der Verkehr mit Schafvieh über die Zollvereinsgrenzen ergab eine andauernde erhebliche Steigerung der Ausfuhr von Schlachtvieh. Er betrug nach der Stückzahl: Anderes Schlachtvieh ne und Ziegen Bemerkungen eingeführt ausgeführt eingeführt ausgeführt 1836 75 112 68343 | 152231 57 075 1837 97 304 ei 2 150714 79 690 1838 222 3 92 16 4 2 Beh 2 1839 % 670 71.062 3 2 ee Durchschnitt von 1840 86 284 71250 164 196 61937 18949 Hammel, 1841 74 949 71863 152752 86 526 111733 Schafe etc. 1842 „53 505 94 897 182 156 92.989 Jährlich mehr eingeführt als ausge- 1843 | 118135 | 47293 | 212423 | 52157 11 1344 98 014 45 764 248 035 78135 1845 68.069 55297 230.658 69 628 1846 69 915 60 411 76375 52 187 1847 76911 47 406 66 656 27 274 1848 64 807 35.520 66 317 20 042 1849 50 674 36 923 52 588 20 848 1850 53 348 48 601 51650 25 228 1851 48 512 60 8Io 53 175 26 652 1852 53 189 38 140 60252 28 338 1853 54 545 75775 67 228 28 450 1854 45079 | 100773 67 698 20 569 1855 55.458 116 883 70612 23 255 1856 50 592 129 573 74399 33.197 1857 51382 | 151400 79 965 46 349 1858 47523 | 165 176 61 359 24 486 1859 34494 264 222 46.078 31693 1860 37648 | 305950 53 75% 55 868 1861 43 946 | 303 405 7255% | 107049 1862 49738 | 219494 76317 | 146525 1863 40475 | 296332 73977 | 166613 1864 33672 | 327350 55107 | 155'596 1865 228 153 590 986 65 538 120 468 1866 333 526 662 093 60 883 115 770 1867 1 351973 | 726.653 84183 | 197.382 Steuervereins 1402 Hammel, 34 706 Schafe etc. jährlich mehr eingeführt als ausge- führt. r Im 6jährigem Durchschnitt von 1855 — 1360 142684 Hammel jährlich mehr ausgeführt und 28553 Schafe etc, jährlich mehr eingeführt. Im. 9jährigen Durchschnitt von 1846 — 1854 bis zum Beitritt des Im 7jährigen Dnrchschnitt von 1861 — 1867 292119 Hammel, f 74407 Schafe etc. on mehr ausgeführt als ein- geführt. *) Vergl. über den Beginn dieser Züchtung Annalen Bd. 30 S. 395, Bd. 34 $. 135. 520 XXXNIT. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Der Verkehr im Innern des Landes lässt sich leider nicht genauer beurtheilen, Soweit Zahlen über den Auftrieb von Schafen als Fleischwaare auf dem Berliner und Breslauer Markte, und über die Versendung von ersterem aus zu Gebote stehen, sind dieselben im vorhergehenden Abschnitte (Bd. II. S. 498— 500) in Verbindung mit dem Schlachtviehhandel an Rindern mitgetheilt. Ueber die Sehwere der in die Konsumtion der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte kommenden Schafe lassen sich nach der Bd. II. S. 493 erwähnten Bearbeitung der Ergebnisse dieser Steuer folgende, besonders durch das Sinken des Gewichts im Jahre 1860/61 bemerkenswerthe Angaben machen: Preussen Brandenburg Durch- Jahr Hammel und | — _____| Pom- _ ______[genle-| Sach- | West- | Krein-Ischnitts- & Posen - ü | pro- fen icht Schafvieh a w mern Berli Pots- |Frank-| sien | sen | falen | “. im st- est- erlin | dam furt vInz Staate 1838/1839 |gewogen ..... 268 nor es] 222 un. 3 - 294| 13 | 244| 364] 26. nach Stückzahl eingeführt . .| 36 | 38 | 4ı | 35 . 46 ä 42 | 34 | 36%| 45 39,2 1849/1850! gewogen ..... 27 | 27%| 308 | 194 | 42 | 324 | 7284| 284| 12 3 3ıtl 27,9 nach Stückzahl | eingeführt... .| 33 344| 444 | 39 4ı 41 384| ar 36 ; 4441| 393 1860/1861 gewogen ......| 2 nach Stückzahl | eingeführt... ..| 32* | 31 | 38 | 35 | 37 | 37 | 35#| 37&| 3682| - |,40 | 358 Die Preise für Hammelfleisch stehen nach den bei der Grundsteuerveranlagung erfolgten Ermittelungen in der Provinz Preussen für das Pfund auf 2/.—3 Sgr., in Posen, Pommern und Oberschlesien auf 3 Sgr. durchschnittlich, in dem übrigen Schlesien und der Mark auf 3—3!, Sgr., in Sachsen auf 3Y,—4 Sgr., in Westfalen auf durehschnittlich 4, am Rhein auf 4—4' Sgr. Marktpreiserhebungen, wie Bd. II. S. 494 für Rindfleisch angiebt, sind für Hammelileisch nicht vorhanden, wohl aber sind dort die Talgpreise notirt, — “ Die Fragen, welche Entwiekelung der Schafzucht in der einzelnen Provinz zu- zusprechen, welche Reste älterer und eigenthümlicher Schafstimme noch vorgefunden werden, und welche Resultate bei der Veredelung erzielt worden sind, sind, wie für die anderen T'hiergattungen, im Beginn des Jahres 1866 Gegenstand besonderer Aeusserung der Mitglieder des Landes-Oekonomie-Kollegiums gewesen, und lassen sich danach in folgender Weise beantworten*): l. Provinz Preussen. Das ostpreussische Landschaf stimmt im allgemeinen mit dem norddeutschen Landschafe überein. Es hat hohe Beine, flache Rippenwölbung und einen schweren Kopf mit langen herunterhängenden Ohren auf dünnem, langem Halse,. Sein Vliess lässt Kopf und Beine nackt, ist zweischürig und giebt zusammen 2—4 Pfd. einer *) Vergl. auch Annalen Bd. 4 S. 198, Bd. 30 S. 395, Bd. 37 S. 414. XXXIT. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 521 offenen krausen und groben Wolle, die sich indess bei angemessener Haltung bessert. Sie kann als Kammwolle Verwendung finden, wird aber meist im Lande selbst für den häuslichen Gebrauch zu Garnen für Strümpfe und grobe Kleidungsstücke versponnen, Dieses sogenannte Höheschaf hält sich auf der Weide gut, es ernährt sieh nicht blos im Sommer, sondern auch einen grossen Theil des Winters, mit Ausnahme von 3— 3", Monat, im Freien, verlangt nur geringe Pflege und ist durch seine Genüg- samkeit werthvoll. Auf guter Weide mästet es sich leicht, erreicht zwar nur ein Schlachtgewicht von 28— 30 Pfd., wird aber von den Fleisehern wegen des guten, schmackhaften Fleisches gern gekauft. Gleichwohl verwerthet es wegen der Mängel seiner Körperbildung reichliches Futter schlecht, und befindet sich fast ausschliesslich in Händen von Bauern und Arbeitern. In den Niederungen finden sich als Landschlag die sogenannten Vaggas, Marsch- schafe ınit hohen Beinen und starken Knochen, welche eine Länge von 5 und eine Höhe von 2!) Fuss erreichen. Bock und Schaf sind ungehörnt, der Hodensack des ersteren hängt nicht tief, sie sind an Kopf, Beinen und Schwanz kahl. Die Wolle ist ordinär und schlicht, 4— 5 Zoll lang, liefert zweischürig etwa 8— ıo Pfd. Schurgewicht, doch sollen Böcke auch bis zo Pfd. ungewaschen gegeben haben. Die Wolle wird mit 8— 15 Ser. das Pfund bezahlt. Die Muttern lammen zweimal im Jahr und werfen in der Regel Zwillinge. Im Futter sind sie wählerisch und verlangen gute und reichliche Nah- rung; drei Vaggas werden darin fast einer Kuh gleich gerechnet, sie verwerthen also das Futter schlecht. Gemästet wird das ältere Thier mit 15, das Lamm mit 6 Thlr. verkauft. Bei Einführung der spanischen Schafe ist die Veredelung dieser Landschafe durch Kreuzungen vielfach unternommen worden, indess haben diese Mestizheerden den edleren Rasseheerden nach und nach fast gänzlich weichen müssen. Bis zum Ende der vierziger Jahre wurde für die Nachzucht des Eskurialtypus aus Schlesien und Sachsen gesorgt. In den fünfziger Jahren führte man das Negrettischaf aus Pommern und Mecklenburg ein. Seitdem ist die Kreuzung der alten Merinoheerden mit Negrettis ausserordentlich verbreitet, und sucht den grösseren Wollreichthum mit der hohen Feinheit der alten Heerden vereint zu bewahren. Für die Verbreitung der Negrettis hat die Regierung durch den Ankauf einer beträchtlichen Zahl Zuchtthiere aus den besten Schäfereien Mecklenburgs befördernd mitgewirkt. Diese Thiere gingen theils nach der Akademie Waldau, theils auf die Domaine Jurgaitschen bei Darkehmen. An reinen Elektoralheerden besteht noch die alte Heerde zu Bellschwitz, auch wird in Mollehnen auf Mögliner Stamm rein fortgezüchtet. Negretti-Stammheerden sind in Seswammen und Statzen und auf anderen Gütern in einzelnen Stämmen begründet. Unabhängig von diesen Bestrebungen haben sich einzelne Heerden in der Gegend von Tilsit erhalten, welche aus einer einmaligen Kreuzung von Elektoralböcken und Niederungsschafen hervorgegangen und dann in sich fortgezüchtet worden sind. Hammelmast kann in der Provinz nur vereinzelt unternommen werden; am meisten Nutzen lässt sich erwarten, wenn die auf der Höhe ausgemerzten Hammel und Schafe auf die Fettweiden der Niederungen, ‘welche bei der Rindviehhaltung (Bd. II. S. 496) näher beschrieben sind, aufzetrieben werden. Dazu werden die Thiere von Unternehmern billig aufgekauft. Der Gewinn bleibt indess sehr von den Marktver- hältnissen abhängig. In der Regel ist die Mast wenig vortheilhaft, weil die feinen Wollheerden keine genügenden Fleischmassen liefern. 522 XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Desshalb wurden schon in den vierziger Jahren durch Herrn Arnold-Hochstries englische Fleischschafe eingeführt. Zu Ende der fünfziger Jahre folgten stärkere Bezüge von Southdown- und Leicester-Schafen theils durch einzelne Besitzer, theils durch das Vieh-Importationsgeschäft Fr. Reck in Danzig, welches 1862—65 105 South- downs-, 3 Oxfordshiredown- und 2 Cotswold-Böcke in die Provinz, letztere nach Uhlkau bei Danzig, absetzte, Stammheerden englischer Fleischsehafe werden in Ostpreussen in Pogrimmen, Georgenburg, Amalienau, Schönbruch, und seit 1861 auf der Akademiewirthschaft Waldau, in Westpreussen in Schönwalde, Mestin, Sypniewo, seit 1864 auch in Rothhof und »Artschau gezüchtet. Die Kreuzung der Downschafe mit den Merinos ergab bessere Resultate, als die mit den Landschafen. Indess war der Rückgang an Wolle sehr bedeutend, und die wirthschaftlichen Verhältnisse gestatten selten den englischen Schafen die ihrer Natur ‘entsprechende Haltung und Pflege, namentlich bei grösseren Heerden, zu geben. Die Aufmerksamkeit wendete sich desshalb in neuester Zeit den französischen Merinokammwollschafen zu, von denen man Fleisch und Wolle in befriedigendem Maasse erwartet. Der Administrator Kreth zu Althoff-Insterburg und v. Neumann- 'Weedern: führten das Rambouilletschaf ein; letzterer züchtet eine reine Heerde mit grossem Erfolge fort. Seitdem sind Rambouilletzüchtungen in Nipkau und Traupel (Kr. Rosenberg), in Allenstein und Klein-Heide und in Narkau und Dembowalorka in Westpreussen entstanden. Hauptsächlich der Ausbau der Chausseen und die Verbindung mit der Ostbahn lässt eine: wahrhaft lohnende Ausnutzung dieser veredelten Viehbestände hoffen. 2, Provinz Pommern. Von’ dem ursprünglichen grobwolligen Landschafe finden sich namentlich auf Rügen und in den Stranddörfern noch Reste in den Händen kleiner Wirthe. Die Thiere tragen eine haarige, gewöhnlich dunkel gefärbte Wolle. Im allgemeinen hat überall das veredelte Blut Einfluss geübt. Zu den ältesten Rlektoralheerden gehörten die zu Triglaff, Witzmitz und Resekow, und‘noch gegenwärtig werden Elektoralschafe in Canzow und von der Akademie Eldena rein gezüchtet. Der: Negretticharakter ist nach Pommern schon sehr früh durch die erwähnte Maass’sche Heerde zu Kenzlin, auch durch Bunge nach Pleetz gebracht, und seitdem an mehreren Orten mit Vorliebe gepflegt worden, so dass jetzt in Neuvorpommern in Kenzlin, Klempenow, Ranzin, Leuschow und Netzow, und im Regierungsbezirk Stettin in: Vahnerow, Leckow, Rützenhagen, Gross-Benz, Woltersdorf, Schönwalde, Höckenberg und a. O. Negrettiheerden bestehen. Englische Fleischschafe, namentlich Lincolns in Eldena und Vargatz, und South- downs in Reudin, Dombeck und verschiedenen anderen Orten erfreuen sich der Anerken- nung und haben auch in ihren Kreuzungen gute Erfolge gehabt. Die Mastung hat durch den Verkehr mit Berlin vermittelst der Bahnen gewonnen, undselbst (die Weidemast der Hammel, welche das Pfund auf 2—2', Sgr. bringt, vergütet ‘das Futter genügend. Indess hat sich das Streben in neuester Zeit doch mehr auf die Rambouillets XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 523 gewendet, die sich bei mittler Feinheit und schwerem, mastfähigem Körper auf den vorhandenen grasreichen Weiden gut ernähren. Sie haben eine rasche Verbreitung gefunden. In Ranzin, Vargatz, Eldena, Jansow, Brook, Höckenberg, Repkow, Gneskow, Andershof sind Rambouilletzüchtungen begründet, auch andre Kammwollschäfereien, namentlich aus der Heerde des Fürsten v. Bückeburg zu Boldebuck in Mecklenburg, sind in Satel, Bauer, Schlemmin und Vorwerk entstanden, 3. Provinz Posen. Das einheimische polnische Landschaf ist von mittlerer Grösse, nackt an den Beinen, dem Kopf und den Ohren. Die Wolle ist zweischürig, etwa 3 Zoll lang, mit höchst unbedeutendem Fettschweiss und nur zu groben Stoffen verwendbar. Leib und Brust ist gewöhnlich gut gebaut, scharfer Rücken sehr selten, und die Thiere sind in Bezug auf Qualität und Quantität des Futters in hohem Grade genügsam. Eine Ver- besserung. dieses Thieres durch Kreuzung hat nicht stattgefunden, es ist nach und nach durch das eingeführte Merinoschaf sehr zurückgedrängt worden. Der erwähnten Einführung der Elektoralschafe in Racot und Wieczyn sind bald die Besitzer von Karczewo, Karne, Rocossow, Deutsch-Poppen gefolgt, und in den dreissiger Jahren ist die Ueberführung edler Thiere aus Schlesien, Sachsen und Mähren, auch aus Pommern und Mecklenburg ganz allgemein geworden. Das Posener Merinoschaf gehört durchweg dem Negrettitypus an, die besseren Schäfereien haben sich auf zahlreichen Ausstellungen als sehr renommirten Heerden des Auslandes ebenbürtig erwiesen. Das Streben der Züchtung ist allgemein dahin gerichtet, auf einem kräftigen, wohlgebauten Körper möglichst viel und möglichst feine Wolle zu erhalten. Reine Rasseheerden, welche Bockverkauf treiben, bestehen in Brylewo, Dzienezin, Mendzichod, Nieder-Heiersdorf, Borek, Klenka, Gareie, Gorzyn, Alt-Kröben, Solezin, Smilowo und Nitsche. Schon vor längeren Jahren wurde von Herrn v. Chlapowski ein Stamm Rambouillet- schafe angeschafft, einige neuere Einführungen abgerechnet, hat sich dieser Schlag jedoch nicht weiter verbreitet. Dagegen sind neuerdings verschiedene Arten englischer Fleisch- schafe, Southdowns, Oxfordshiredowns, Hampshiredowns, eingeführt worden, Derartige Heerden befinden sich in Bogdanow, Gora, Cerekowica und Nitsche. Der durch die Viehmast erzielte Gewinn ist sehr ungenügend, weil es an Nach- frage nach gut gemästetem Fleische fehlt und der meist grossen Entfernung der Eisen- bahnen und der Kostspieligkeit des Transportes wegen eine höhere Verwerthung: der gemästeten Thiere an den grösseren Konsumtionsorten zweifelhaft und schwierig. ist. Es stellen dessalb nur grössere Güter mit technischen Nebengewerben Vieh zur Mast auf, Rustikalbesitzer kaum irgendwo. Ein polnisches Landschaf hat den Preis von 1), bis 2'% Thlr. 4. Provinz Brandenburg. In der Mark sind von dem alten Landschlage nur hier und da bei kleinen Wirthen j einige sogenannte Strumpfwollschafe übrig, deren Produkt im Hause verbraucht wird, Indess auch der Elektoraltypus, der sich seit dem Beginn des Jahrhunderts von Möglin, 524 XXXL Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Kunersdorf, Neu-Brandenburg und verschiedenen sächsischen Heerden aus verbreitete, ist fast ganz in Negretticharakter umgeschaffen. Die Wirchenblatter Heerde, die dazu zuerst den Anstoss gegeben, besteht seit ıgır. Sie ist durch 70 Muttern und 2 Böcke aus Stolpen begründet und 1820 aus Stolpener, später und noch 1858 durch einige Leutewitzer aus Lohmen abstammende Merino- Vollblutböcke ergänzt. Sie zählt etwa 700 Stück und verkauft seit dem Beginn der vierziger Jahre jährlich ungefähr 150 Böcke und ıoo Mutterschafe nicht blos nach Deutschland, sondern seit ıg5r auch nach Amerika und Australien. Neben ihr besteht eine ähnliche Heerde zu Beitsch. Das englische Fleischschaf, vorzugsweise das Southdownschaf, hat erst seit 1859 in einzelnen Wirthschaften Eingang gefunden und wird bei dem Aufschwung des Ber- liner Fleischmarktes vielfach mit Negrettimerzen gekreuzt. Eine Vollblutheerde besteht in Ruhstedt, Halbblutheerden in Quitzhövel, Mehrow, Werneuchen, Kerzendorf u. a. ©, 5. Provinz Schlesien. Die näheren Angaben über die frühe und hervorragende Entwickelung der schle- sischen Schafzucht sind schon oben gemacht. Die Veredelung nahm einen so raschen Verlauf, dass von einem Landschaf in Schlesien kaum mehr gesprochen werden kann. In den schlechteren Waldgegenden des rechten Oderufers findet sich hier und da bei kleinen Wirthen noch das mittelgrosse, polnische Zaekelschaf, dessen grobe und lange, ziegenartige Wolle zweimal im Jahre geschoren wird. Auch reicht von der galizischen Grenze aus in den Kreis Pless das galizische Landschaf, Pirker genannt, welches bei den Bauern wegen seiner Ausdauer beliebt ist. -Es ist mittler Statur, ge- nügsam und äusserst hart, die Wolle ist ordinär, das Fleisch aber gut und vom Fleischer begehrt. Das Stück wird mit r'; bis 2 Thlr. gekauft. Im ganzen aber sind die Schafe auf den kleineren bäuerlichen Gütern, namentlich seit den Separationen, im Verschwinden, und wo sie noch angetroffen werden, sind sie aus den Merzthieren der grossen Güter gebildet. Meist aber kaufen die Bauern nur zur Zeit der Ernte Brack- vieh auf, hüten damit ihre Stoppeln aus und verkaufen es dann weidefett an den Fleischer. Die Hauptsitze der schlesischen Merinozucht sind von jeher die Kreise Ratibor, Leobschütz, Kosel, Neustadt auch Namslau und Nimptsch gewesen. Niederschlesien ist theils gebirgig und mit ausgedehnten Heiden bedeckt, theils in den fruchtbareren und bevölkerten Gegenden auf Rindviehzucht hingewiesen. In dem östlichen Ober- schlesien, Pless, Rybnik, Beuthen, ist kein geeigneter Boden für edle Schäferei; die Weiden sind hier nass und ungesund; in nässeren Jahren herrscht in Folge dessen eine grosse Sterblichkeit, welehe die Schafzüchter zu einem ununterbrochenen Kampfe, die vorgesetzte Stückzahl zu erreichen oder sich auf derselben zu erhalten, nöthigt. Es werden desshalb verhältnissmässig zu viel Muttern und Jungvieh und altes, zum Bracken reifes Vieh gehalten und die eigentlichen Wollträger, die Schöpse, sind in zu niedriger Zahl vertreten. Dazu kommt dürftige und schwankende Ernährung und häufiges Woll- abstossen in Folge überstandener Krisen, so dass durchschnittlich ein Schurgewicht von r!y bis r!) Ötr. auf das Hundert nicht überstiegen wird, und feine Heerden viel zu grosses Risiko haben. Die Phasen der edlen Züchtung Schlesiens gehören der allgemeinen Entwickelung XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 525 der Schafzucht an. Es haben sich nieht blos die altbesründeten Stammheerden bis auf die neueste Zeit erhalten, sondern von Jahrzehnt zu Jahrzehnt auch mehr oder weniger ebenbürtige Rivalen behauptet). Von solehen neueren Gründungen aus der Zeit vor 1820 ist vor allem die aus Lichnowsky’schen Merzschafen zu einem gewissen selbständigen Typus gezüchtete be- rühmte Heerde des Amtsraths Heller zu Chrzelitz (Kreis Neustadt) zu nennen, aber auch Krappitz (Kreis Oppeln), Glumbowitz (Wohlau), Kaltwasser (Lüben), Panthenau und namentlich die Heerde Block’s zu Schierau (Goldberg) zu erwähnen, Nach 1820 war durch zwei Jahrzehnte die Vermehrung sowohl der Zahl der edlen Schafe als der Stammheerden eine ganz ausserordentliche. Es sollen hier nur Kasimir und Liptin (Leobschütz), Dambrau (Falkenberg), Borislawitz (Kosel), Schweins- dorf (Neustadt), Manze, Stachau (Nimptsch), Nielasdorf (Strehlen), Korschwitz (Münster- berg), Pischkowitz (Glatz), Simmenau (Kreuzburg), Reichen, Grambschütz (Namslau), Zweibrot (Breslau), Kuchelberg (Liegnitz), Herrnstadt und Freistadt, endlich Raudnitz (Kreis Frankenstein) genannt werden, welches letztere sich bald zu einer berühmten Pfllanzstätte des Negrettitypus entwickelte. Die Einführung der Negrettis begann in den vierziger Jahren namentlich von Wirchenblatt, bald auch von Mecklenburg und Pommern aus. Auf Wirchenblatter Blut wurde die Heerde zu Gleinig (Kr. Guhrau), auf Raudnitzer die zu Klein-Pogul (Wohlau) begründet. Grambschütz, Lampersdorf, Giesdorf (Namslau), Zweibrot (Breslau), Manze (Nimptsch), Klein-Wandris (Jauer), gestalteten sich bald in den Negretticharakter um. Ebenso trat Kalinowitz (Gross-Strehlitz) mit besonderer Reichwolligkeit auf, und all- gemeinen Ruf erlangte in der kürzesten Zeit die Heerde des früheren Direktors der Lichnowsky’schen Schäfereien v. Dedovie zu Langenöls (Nimptsch). Besondere Verdienste bei der Einführung der Negrettis erwarb sich der Wollkenner und Klassifikator Friedrich Kunitz. In neuerer Zeit sind auch in Guttentag, Paworkau (Lublinitz), Jordansmühl, Sternalitz (Rosenberg), Schwieben, Slupsko (Gleiwitz), Niedane (Ratibor), Schurgast (Oppeln), Militsch, Levschütz (Kosel), Schedlau (Falkenberg), Bielau, Schwemmelwitz (Neisse), Oberschönau (Oels), Prieborn (Strehlen) Negretti-Stammschäfereien begründet. Indess hat sich die anfangs äusserst heftige Bewegung mehr und mehr abgestumpft. Durch die Ueberzeugung, dass es möglich sein wird, auch den hochfeinen Merinos ohne Rückgang in der Feinheit Wollreichthum anzuzüchten, ist wieder mehr Meinung für Elektoralheerden entstanden, und es sind deren selbst neue begründet. In Graase (Falkenberg) ist zu diesem Zwecke der Versuch von Originalbezügen aus den Saknzeh von St. Paular und Guadelupe gemacht worden. Wenn also auch in Schlesien die allgemeine Konjunktur besonders fühlbar werden musste, und die edlen Heerden durch die geringeren Wollpreise nicht minder, als durch den Rückgang im Bockverkauf betroffen wurden, so setzen doch gerade die vorgeschritteneren Schäfereien ihren Betrieb, wenn auch mit geringerem Gewinn, doch mit allem Eifer fort, um ihre Stellung im Welthandel zu behaupten, und die Verminderung betrifft mehr die geringeren Heerden, welche mit Recht vorziehen, statt mit ihrem Kapital höhere Veredelung anzustreben, dasselbe auf andere, sicherer lohnende Betriebs- weisen zu verwenden. In dieser Beziehung wird durch die Fleischschafe ein Ersatz geboten, Obwohl *) J. G. Elsner: Die Phasen der deutschen Merinozucht, Berlin 1857. 526 XXXI Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. sich die Mastung in Schlesien wegen der niedrigen Fleischpreise noch wenig entwickelt, und bessere Waare nur durch den auswärtigen Absatz bezahlt wird, haben die South- downs doch schon eine gewisse Verbreitung gefunden. In Prieborn (Strehlen) wird eine Heerde von 900 Stück in sich fortgezüchtet. An anderen Orten werden theils Reinzüchtungen, theils Kreuzungen durchgeführt, so in Pless, Heidersdorf, Wiersbel, Guhrau (Kr. Falkenberg), Bielwiese (Steinau), Denkwitz (Glogau) u. a. O. 6. Provinz Sachsen. In der Provinz Sachsen finden sich nur noch in den Sandgegenden des Nordens die Reste des deutschen Landschafes bei den kleinen Besitzern, an der Nordwestgrenze gehen sie in die Heidschnuckenform über. In den an Eisenach grenzenden Landstrichen kommt vereinzelt ein von Merinoblut freigebliebener Schlag, eine Varietät des rheinischen oder fränkischen Schafes vor. Im allgemeinen aber hat sich die Umwandlung der früher vorhandenen Stämme in merinoartige, die seit 1765 angefangen, in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts derart vollzogen, dass ein mehr oder weniger edles Merinoschaf das charakteristische Landschaf der Provinz geworden ist. Es bestehen mehrere Merino-Rassezüchtungen. Mit der Entwickelung der land- wirthschaftlichen Industrie, namentlich der Rübenzuckerfabrikation, wurde aber eine das Mastfutter verwerthende Richtung der Schafzucht Bedürfniss. Es wurden desshalb Southdownschafe aus England eingeführt, deren Nachzucht in Reinzuchten und Kreuzun- gen sich seit 2 —ı5 Jahren dermassen verbreitet hat, dass Fleischschafe dieser Art in einigen Theilen der Provinz bereits den Cbarakter der Schafhaltung bedingen. Dabei thei- len sieh mehr und mehr Züchtung und Mastung als Aufgaben verschiedener Wirthschaften. Die Züchtungen von Fleischschafen vermehren sich jährlich. Die erste und noch bei weitem die grösste ist die 1853 in Hundisburg begründete, welche mit ihrem Zucht- viehverkauf in jährlichen Auktionen glänzende Resultate erreicht. Die Kreuzungen der Southdowns mit Merinos und namentlich die mit den Frankenschafen erweisen sich vor- theilhaft; weniger befriedigen die mit Landschafen; und die langwolligen, englischen Fleischschafe haben für keine Art der Kreuzung viel Anklang gefunden, Aus der Mast finden die jung entwickelten Southdowns und ihre Kreuzungen ihren Markt am meisten in England, die Merinohammel mehr in Frankreich und im Inlande. Es werden auf die sächsischen Wirtschaften jährlich Schafe aus Pommern und Mecklenburg in grosser Zahl zur Mast eingeführt. Magere Thiere der Art kosten zwischen 3— 4 Thlr., solche von Rassen, welche mastungsfähiger sind, zwischen 6 und 10 Thlr. 7. Provinz Westfalen. In Westfalen, namentlich im Münsterlande, ist mit der Theilung der grossen Gemeinheiten in den Heiden die Schafzucht sehr in Abnahme gekommen; der jetzige Bestand soll gegen den des vorigen Jahrhunderts strichweise kaum mehr als ein Zehntel betragen, ist indess gleichwohl noch bedeutend. Es findet sich hie und da ein grobwolliges, den Lüneburger Heidschnucken ähn- liches, und nur an Grösse etwas überlegenes Heideschaf. Ebenso erinnert im Regierungs- bezirk Arnsberg das sogenannte Klaubwollenschaf und das seiner Zeit von der hessen- darmstädtischen Regierung eingeführte Heilschaf an die früheren Zustände. Die sogenannten Berleburger Heilschafe sind unter diesem Namen auch weiter in Deutschland bekannt und tragen keine Vliesswolle. XXXI. Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. 527 Allgemein verbreitet ist ein sogenanntes Landschaf von unbekanntem, wohl aus Kreuzungen von rheinischen und anderen Schafen hervorgegangenem Ursprunge. Es hat einen grossen kräftigen Körperbau, ist sehr ausdauernd, genügsam, zum Pferehen geeignet und besonders mastfähig. Seine Wolle ist lang, schlicht und grob, indess in der letzten Zeit mit 45— 55 Thlr. der Centner bezahlt worden. Das Schurgewicht be- trägt durchschnittlich 31% Pfd. In der Regel besitzen die einzelnen Bauern nur wenige Stücke, sie vereinigen sich aber zur Annahme eines gemeinschaftlichen Schäfers, oder die Schafe stehen im Eigenthum des Schäfers, und er übt die Hütung gegen Entgeld. Wegen der gesteigerten Nachfrage nach Wolle und Mastfleisch hat sich die Zahl dieser Schafe in den letzten Jahren um 25— 30 pCt. vermehrt. Ein grosser Theil dieser Heerden, zwischen 25 und 50 pÜt., besonders aus dem Herzogthum Westfalen und dem Paderborner Lande wird Eingangs Winter in die Winter- hutung nach dem Bergischen, an den Rhein oder in das Lippethal getrieben, wo wenig Schnee fällt. Dort werden sie je nach der Witterung geweidet, oder trocken gefüttert. Die Veredelung dieses Landschafes durch Merinos ist namentlich im Mindenschen versucht, indess nicht weiter verfolgt worden, weil das Landschaf härter, leichter zu halten, und dabei mastfähiger und im Handel gesuchter ist. Nur grössere und auf feine Wolle gezüchtete Heerden sind durch die Dalheimer oder durch französische Merinos und dureh Negrettis veredelt. Die erwähnte Merinoheerde zu Dalheim, die 1804 auf Infantados begrün- det wurde, hat in ihrem Umkreise das spanische Blut auf allen grösseren Gütern verbreitet, 1841 ist dorthin eine Negretti-Stammheerde von 60 Muttern und ı5 Böcken aus Kwiassitz und Hoschtitz in Mähren eingeführt, und dieses Blut 1858 durch Negrettiböcke ‚aus Leuschow in Mecklenburg aufgefrischt worden. Ein aus der Kreuzung von Negrettis mit Landschafen hervorgegangene, auf Kammwolle gezüchtete, sehr. ausgeglichene Heerde, welche beliebte Böcke liefert, ist auf dem Gute Klingenberg bei Warburg ‚erzielt worden. Auch Rothenhof bei Minden ist zu nennen. Im ganzen aber ist die westfälische Züchtung durch den Fleischbedarf am Rhein, in den Niederlanden und in Frankreich entschieden auf das Fleischschaf hingewiesen, und hat diese Richtung auch mit Eifer eingeschlagen. Die englischen Fleischschafe finden in dem Landschafe ein sehr gutes Züchtungsmaterial. Die Southdownzucht des Grafen v. Westfalen zu Laer, der Goodewoodstamm benutzt, hat sowohl .betreffs der Wolle, als des Fleisches sehr gute Resultate ergeben. Im Regierungsbezirk Minden übt die auf Hundisburger Southdowns gegründete Heerde zu Eskendorf im. weiten Kreisen durch bedeutenden und erfolgreichen Bockverkauf hervorragenden Einfluss. - Auch der Bezug aus England und Mecklenburg, namentlich aber von Hundisburg, in Leicesters, Southdowns und verschiedenen Fleischschafkreuzungen ist bedeutend. Im Kreise Warburg sind im letzten Jahre Rambouilletböcke eingeführt’ worden, welche zur Kreuzung mit den dort vorwiegenden Merinos geeigneter, als die ‚englischen Schafe scheinen. Im allgemeinen aber ist der Handel mit den Hammeln des Land- schlages gegen den mit Rassethieren noch bei weitem überwiegend. Allein auf den drei Schafmärkten der Stadt Paderborn werden jährlich 30-—40 000 Stück verkauft, die grösstentheils dem gemeinen Landschlage angehören. Mit Einschluss der kleineren Märkte zu Büren, Lichtenau, Brakel und Warburg werden. aus ‚den vier Paderborner Kreisen jährlich mindestens 50000 Stück Hammel ausgeführt, Beste, starke Hammel werden das Paar mit 10—ı2, Mittelsorten mit $—ı0, geringe und einjährigemit 6—7 Thlr. bezahlt. Junge, kräftige Zuehtschafe dieses Schlages gelten das Paar g$—ro/[hlr, 528 XXXI Die Schafzucht und ihre Erfolge, Wolle und Wollhandel. Die Mastung findet auf den Fettweiden, namentlich an der Lippe, mit grossem Vortheile statt. Mastung im Stalle ist nur vereinzelt, um ausrangirte Thiere besser verkäuflich zu machen, in Uebung. Das Mästen der Schafe im Stall ist in grösserer Ausdehnung theils desshalb noch schwer ausführbar, weil der Schafhandel landesüblich an gewisse Termine gebunden ist, theils desshalb, weil die Mastung nur im Winter hohen indirekten Werth für die Wirthschaft hat, im Frühjahr aber, wenn die Wolle noch nicht geschoren werden kann, das Schaf schwer zu taxiren und zu verwerthen ist, und wenn man es schlachtet, die Wolle unter dem Preise verkauft werden muss, $. Rheinprovinz. Am Rhein kann von einer eigentlichen Schafzucht nur bezüglich der Eifelkreise gesprochen werden. Obwohl auch hier meist nur wenige Stück von den Bauern ge- halten werden, und selten 5o—6o auf einen begüterten Besitzer kommen, sind die Grundbesitzer doch auf Ausnutzung der Höhen durch Schafweide hingewiesen und er- halten für diesen Zweck den Schlag des Eifelschafes, welches sehr hart und genügsam ist und, wenn es der Schnee irgend zulässt, das ganze Jahr auf der Weide bleibt. Es ist klein, mit kurzer, gekräuselter, zarter Wolle von etwa 23,—3'/; Pfd. Schurgewicht, lie- fert ein sehr schmackhaftes Fleisch und mästet sich sehr rasch, wenn es’in mildere Gegenden gebracht wird. Indess steht dem Verkauf das geringe Fleischgewicht hindernd entgegen. Etwas grösseres Gewicht erreichen die Schafe auf dem Maifelde bei Koblenz, und sind desshalb zur Mast in die Ebene gesuchter. In Wetzlar ist das fränkische Schaf verbreitet, das bei mittlerer Grösse eine mittelfeine, als Handelswaare sehr gesuchte Wolle und gemästet ein schmackhaftes Fleisch liefert. An der Grenze des Siegenschen in Waldbroel findet sich ein kleines, nur vereinzelt gehaltenes Landschaf mit dünner, grober Wolle, welches im Jahre ein Mal, aber meist 2 Lämmer wirft und sich nicht zum Heerdenbetriebe eignet, weil es wählerisch im Futter ist. Mit Ausnahme der Eifel werden fast in allen Theilen der Provinz, und namentlich überall in der Ebene, nur wenige Schafe stehend gehalten, vielmehr eingeführte west- fälische, Sauerländer, Eifeler und Maifelder, auch wohl holländische Thiere zur Weide oder Stallmast angekauft und wenn sie genügend ausgemästet sind, verkauft und durch neue Einfuhr ersetzt. Es ist desshalb auch von Rasseheerden oder Züchtungen wenig die Rede. Am zweckmässigsten erscheinen Southdown-Züchtungen und Kreuzungen. Die Akademie Poppelsdorf hat in Annaberg eine Southdownheerde aufgestellt. In Schleiden haben sich Latz zu Eiserfei und Baum zu Zingsheim mit Erfolg um Veredelung bemüht. auch in Rheinbach Leus zu Ringsheim und Reuter zu Müttinghoven Kreuzungen mit Southdowns begonnen und viele Nachahmung gefunden, ebenso Schmitz in Winnenthal bei Mörs seit 1860, und mehrere Wirthe in Düren und in Krefeld. Die Thiere zeigen bei besonders guter Mastfähigkeit weniger Empfindlichkeit gegen die Witterung, als die Merinos, bessere Wolle, als das Landschaf, und geben durchschnittlich 4 Pfd. Schur- gewicht. Das Zuchtvieh ist vorzugsweise aus Hundisburg beschafft. 9. Hohenzollern. . In Hohenzollern ist die Schafzucht von keiner Bedeutung. Es werden deutsche Schafe und Merinokreuzungen gehalten, in neuester Zeit aber auch Schafe mit stärkerem Körperbau, die als Schlachtvieh nach Frankreich gehen, gezüchtet. AXXM. Schweinehaltung und Züchtung, Handel. mit Schwarzvieh. Die Schweinehaltung Deutschlands war in alter Zeit anscheinend von beträcht- licher Ausdehnung. Schon die Volksgesetze erwähnen die Schweinheerden, die in Sonesten von ı Eber und 6 Zuchtsauen getheilt, von besonderen Sauhirten mit an- gelernten Hunden bewacht, und zum Theil mit Schellen behangen, in grosser Zahl in die Wälder getrieben wurden und dort sogar Schuppen gegen das Wetter vorfanden*). Ferkel, Frisehlinge, gemästete Schweine, Speckseiten, Schweineschultern gehören zu den häufigen Zinsungen der Hörigen; auch den Scholzengütern lagen gewöhnlich solche Leistungen ob. Die Eichel- und Bucheckermast aber war Hauptinteresse der Forst- wirthschaft, und wird, wie schon Bd. II. S. 314 gedacht wurde, in allen Forstordnungen unter Vorschriften für die nutzbarste Ausübung sorgfältig behandelt. Die Haltung des Zuchtebers für die bäuerlichen Gemeinden war in der Regel Gegenstand ähnlicher Ver- pfliehtungen, wie die Haltung des Zuchtstiers (Bd. II. 8. 475). Zahlenangaben über die Schweinehaltung in grösseren Bezirken des Staatsgebietes lassen sich erst seit Krug””) anführen, welcher 1802 auf die D]Meile 660 Schweine berechnet, während die Einwohnerzahl noch durchschnittlich 1719 betrug (Bd.I. S. 310). 1816 fanden sich nach der Tabelle Q.2 der Anlagen bei der Zählung durchschnittlich nur 294 Schweine gegen 2030 Einwohner auf der DJMeile, noch 1858 hatte die Schweinezahl erst 507, die Einwohnerzahl dagegen 3407 erreicht; dass aber 1867 758 Schweine gezählt wurden, rührt von der 1861 vorgeschriebenen besonderen Notirung der Ferkel unter ‘/ Jahr her, deren Aufnahme in die Zählungslisten bis dahin in der Regel gänzlich unterblieben zu sein scheint. Der auf mehr als das Doppelte gestiegenen Einwohnerzahl gegenüber steht indess auch die dadurch erlangte höhere Zahl gegen die Schweinehaltung von 1802 in ziemlich niedrigem Verhältnisse, *) Lex Rip. XVIIL; L. Salic. I. ı, 13, XXVII. 1; L. Alem. LXXIX. $r, XCVL. $ 1. — C. E. Langethal a. a. O. I. 65, I. 306 ff. *) Betrachtungen über den Nationalreichthum, Berlin 1805, Th. I. S. 125. Boden d, preuss. Staates. II. 34 530 XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. Seitdem die Schweinezucht durch Rodungen und Gemeinheitstheilungen in ihren früheren Weideplätzen beschränkt wurde, hat sich in ihr eine gewisse Arbeitstheilung bezüglich der Anzucht und der Ausmästung eingeführt. In Gegenden mit vielem unkultivirtem Lande und geeigneten Hutungen ist die Aufzucht einfach und wenig kostspielig. Die Kosten erlauben hier, je niedriger sich die Besitzer die Bodenrente anschlagen dürfen, einen desto erheblicheren Handelsaufschlag, ehe sie denen der Aufzucht von anderthalb- oder zweijährigen Schweinen in Wirth- schaften mit Stallfütterung gleichkommen. Vorgeschrittenere Landstriche werden also nur dann mit Vortheil züchten, wenn es den Wirthen gelingt, besonders hohe Preise für Jungvieh zu erlangen, oder die Mastfähigkeit der Thiere in einem sehr frühen Alter zu erreichen, und desshalb an der Zeit der Fütterung zu sparen. Stehen ihnen dazu die Wege nicht offen, so nutzen sie ihre Futtermittel unzweifelhaft besser durch die Mastung ausgewachsener Schweine, die sie aus Gegenden mit wilder Anzucht ankaufen. Durch die Einführung der frühreifen, das Futter schnell und hoch verwerthenden englischen Schweine hat allerdings die eigene Anzucht bei Stallfütterung in den letzten beiden Dezennien sehr an Terrain gewonnen. Für grössere Striche der mittlen Pro- vinzen des Staates ist sie aber noch sehr untergeordnet. Die eben ausgewachsenen Schweine werden hier in grösseren Heerden aus Ungarn und Polen, zum grossen Theil aber auch aus den Provinzen Preussen und Posen herbeigetrieben, und der Haupt- bedarf der Wirthschaften zur Ausnutzung der Stoppeln und Winterbrachen und der ‘Ernteabfälle gegen Ende Sommers angekauft, und mit Anfang Winters zur Zeit der Kirmes oder um Martini eingeschlachtet; nur ein geringer Theil wird auf eigentliche Wintermast gestellt. Aehnlich wird von den gebirgigen Theilen des Rheins und West- falens aus, welche Anzucht über den Bedarf treiben, die vorzugsweise nur mastende Ebene des Niederrheins versorgt. Diese entgegengesetzten Bedingungen der Anzucht stehen in Wechselwirkung mit der Rassenerhaltung und Veredelung der Thiere. Das Schwein ist in seiner Körperlichkeit, wie H. v. Nathusius-Hundisburg dureh eingehende Untersuchungen*) gezeigt hat, ausserordentlich bildsam. Der Einfluss der Haltung und Fütterung vermag seinen gesammten Knochenbau von den Füssen bis zu den einzelnsten Theilen seines Schädels in wenigen Generationen vollständig umzu- gestalten, um so vielmehr seine äussere Gestalt, seinen Fleisch- und Fettansatz, die Stärke und Behaarung der Haut, die Farbe des Leders und der Borsten, die Form und Stellung der Ohren und ähnliche Besonderheiten, die häufig als Rassenmerkmale angesehen worden sind. Es giebt nach diesen Untersuehungen überhaupt nur zwei, höchstens drei Rassen, aus denen unsere Hausschweine hervorgegangen: die eine ist das gewöhnliche norddeutsche oder polnische Hausschwein, welches nach seinem Ursprung als gezähmtes Wildschwein sich mit diesem kreuzt, und wenn es verwildert, was sehr leicht geschieht, dem Wild- schwein wieder völlig ähnlich wird; die andere das indische, auch in China auftretende Schwein, aus dessen Kreuzungen das romanische, das sirmische und, so weit nicht viel- leicht dem guineischen rothen Schweine einiger Einfluss dabei zugestanden werden muss, alle englischen sogenannten Rasseschweine hergeleitet werden. *) Vorstudien für Geschichte und Zucht der Hausthiere, zunächst am Schweineschädel, Berlin 1864. XXXII Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 531 Als wahre Rassenunterschiede werden nur wenige Eigenthümlichkeiten des Schädel- baues bezeichnet. Bei dem Hausschweine hat das Thränenbein eine lange und schmale, beim indischen eine kurze, in der Höhe die Länge übertreffende Gestalt, die Backen- zähne sind bei dem Hausschwein an den beiden Seiten des Rachens parallel, bei dem indischen nach vorn divergirend gestellt, und der Gaumen zwischen den vorderen, dem Wechsel unterworfenen Backenzähnen ist bei letzterem erweitert. Dagegen sind die sonstigen Eigenthümlichkeiten, der kurze, hohe Schädel, der quadratische, langgestreckte Körper, die kurzen Füsse, die das indische Schwein aller- dings in der Regel zeigt, dem Hausschwein ohne jede Kreuzung ebenso anzubilden, wie dem indischen die bekannte Figur des Hausschweines, wenn auch erst in mehr oder weniger Generationen, Die Thiere, welche im Stalle weiches Futter erhalten und ihre Beine niemals mit Anstrengung zu brauchen haben, bleiben gewissermassen auf einer jugendlichen Körper- ausbildung stehen, ihr Rüssel bleibt kurz, ihrer Nase fehlt der starke Druck, der sie beim Wühlen lang und grade zieht, die Schneidezähne werden nicht gebraucht, es entsteht eine mopsartige Eingedrücktheit um die Nasenwurzel und eine hohe Stirn, der Rücken aber, der keinen Stützpunkt für kräftige Nacken- und Fussbewegungen zu geben hat, bleibt grade, der Rippenbau eylindrisch, die Füsse kurz und klein. Auf wilden Weiden dagegen, wo die Thiere genöthigt sind, ihre Nahrung mit dem Rüssel mühsam aus dem Boden zu wühlen, und täglich grosse Entfernungen ablaufen, ent- wickeln die Muskelanstrengungen den grossen, langgestreckten Kopf, den.hochgekrümmten, schneidigen Rücken und die hohen, kräftigen Beine, überhaupt den starken, aber auch spät ausgebildeten Bau, dessen volle Entfaltung das Wildschwein zeigt. In Gegenden, in denen gleiche örtliche Einflüsse und gleiche Haltung durch Generationen wirken, entsteht nothwendig eine gewisse Gleichartigkeit der Heerden, die den Eindruck einer besonderen Rasse geben kann. Diese Erscheinungen dürfen aber nur als Schlageigenthümlichkeiten gelten, sie ändern sich, sobald die Bedingungen der Haltung wechseln. Es liesse sich also bei der kurzen Wurfzeit und der ausserordentlichen Frucht- barkeit des Schweines erwarten, dass die englischen Rassethiere und ihre Kreuzungen, über deren grösseren Mastungs- und Reinertragswerth kein Zweifel besteht, das pol- nische Schwein und die üblichen Landschläge in verhältnissmässig wenigen Jahren auch da verdrängen würden, wo dies bis jetzt noch nicht der Fall ist. Dem treten aber die Beziehungen des Schweinehandels entgegen, und werden dem polnischen Sehweine voraussichtlich noch auf längere Zeit ein gewisses Gebiet erhalten, auf dem es ge-- züchtet wird und gesucht bleibt. Dieser Handel wird gegenwärtig als ein schwunghaftes Gewerbe von zahlreichen Unternehmern, sogenannten Schweinetreibern und ihren Gehülfen ausgeübt, welche die Thiere theils ausgewachsen in Ungarn und Polen, theils als ein- und anderhalbjährige Schweine ia den entlegenen, meist kleinen bäuerlichen Wirthschaften Preussens und Posens aufkaufen. Die Zahl dieser Schweine lässt sich schwer beurtheilen. Die Zolllisten des Zoll- vereins geben über Einfuhr und Ausfuhr von Schweinen die umstehende Uebersicht. Der Verkehr mit ausgeschlachtetem Fleisch, dessen Zahlen beigefügt sind, findet ganz vorzugsweise in Schweinefleisch statt. 34" 532 XXXI. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. Eingeführt Ausgeführt ausge- - ausge- tete e Span- 5 5 schlachtetes En mag :2 pP schlachtetes |fr Schweine Schweine ferkel Fleisch Schweine Schweine ferkel Fleisch gemästete magere Span- Stück Stück Stück Centner Stück Stück Stück Centner 2. 3. 4. 5. 6. Ik 16510 | 217.987 . 3559| 5687 | 27394 18770 | 333 349 . 3735 5057 22 889 14635 | 253 065 . 3 566 7 obo 22.096 22148 | 277 550 ö 3 332 3299 | 24146 19206 | 216526 > 3 515 4948 22 194 17605 | 247 473 & 3 623 5278 283 602 24.405 | 195 381 . 3'521 3829 | 22470 48007 | 295 644 . 5 881 2794 | 15155 37 362 | 426395 . 5.418 3437 | 14634 30721.| 316.447 5529 | 3269 | 1751 35233 | 236039 | 69214 249 3.597 718 26301 | 223 708 72 301 6 392 1 916 8.262 24368 | 323 006 | 122.736 6417 2.072 10 726 21270 | 259356 | 148 531 3597 | 3.162 7522 20964 | 178130 | 113339 | 3521 | 5212 | 16629 22742 | 211348 | 75854 | 4479 | 13461 | 23232 30600 | 277274 | 103.254 4710 4851 10.499 22579 | 322217 | 122875 8395| 4742 | 9495 35439 | 269938 | 102959 | 6450| 7254 | 18917 47 895 |. 221.820 | 100269 8019 | 12028 14 120 58574 | 162493 | 101 868 9,201 9845 14 223 45044 | 290905 | 138 739 9426 | 17999 | 21.232 51433..| 275399 | 118673 9110 | 16160 | 16397 58585 | 329 147 | 125090 11196 | 22816 16 713 5r140 | 415726 | 150427 | 19530 | 72567 | 14893 80367 | 468370 | 141347 | 48716 | 54274 | 25222 51039 | 343 473 | 120614 | 141662 | 21922 41 466 42086 | 243340 | 147980 | 160647 | 30374 | 32.076 32673 | 296769 | 125541 | 100107 | 79205 21995 509.975 | 117 180 57 422 157,397 620 029 80385 36 377 134 726 559 521 102 148 58 942 104 085 Diese Angaben zeigen, dass die Zahl der von auswärts in magerem Zustande eingeführten Schweine seit dem Bestande des Zollvereins selten unter 300000 Stück gesunken ist, und in den letzten Jahren fast das Doppelte betragen hat, Daneben hat die Ausfuhr an magerem Vieh niemals 42000 Stück überstiegen, meist nicht 24.000 erreicht. Es berechnen sich also die im Zollverein zur weiteren Zucht und Mast eingeführten Schweine jährlich auf die bedeutende Zahl von "2, ja "io der in Preussen überhaupt vorhandenen Schweinebestände, und man darf annehmen, dass dieselben mit sehr geringen Ausnahmen durch die Hände der Schweinetreiber gehen. XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 533 Ein anderer Hinweis auf den Umfang dieses Gewerbes liegt in dem auffallend niedrigen Bestandsverhältnisse an Schweinen, das gegen andre Provinzen in Schlesien bei den Viehzählungen gefunden wird. Die gezählten Schweine betragen in Schlesien nur r Schwein auf 22 Einwohner, während sich in der Provinz Preussen durchschnittlich ı Schwein auf 4, in den übrigen Provinzen r Schwein anf 6 Einwohner vorfanden. Der Grund dafür ist nicht in einer, in diesem Maasse geringeren Konsumtion zu suchen, sondern in dem Umstande, dass Schlesien vorzugsweise Gelegenheit hat, seinen Bedarf im Herbst aus polnischen, ungarischen und Posenschen Heerden billiger zu decken, als durch eigene Anzucht, und diese in höherem Alter angekauften Schweine bei der Zählung im Anfange des Dezember bereits zum bei weitem grössten Theile abge- schlachtet sind. Die Art und Weise des Verkaufs ist die, dass die Schweinetreiber die in geeignete Heerden zusammengebrachten Thiere von Ort zu Ort in die Absatzgegenden treiben, indem sie sie gegen geringen Entgelt auf den Stoppelfeldern und Angern nähren. Beim Verhandeln machen sie sich eine nicht unbedeutende Konkurrenz. Weil sie vorzugs- weise an kleine ärmliche Wirthe verkaufen, erreichen sie lohnenden Absatz haupt- sächlich dadurch, dass sie hausirend von Haus zu Haus ziehen, dem Kunden mehr oder weniger Kredit geben, und sich durch wiederholten persönlichen Verkehr von seiner Sicherheit überzeugen, die Reste rechtzeitig einziehen, und ihm wo möglich neue Abnahme zur Pflicht machen. Wenn sich also auch für ihre Heerden der Eisen- bahntransport auf grösseren Strecken mehr und mehr als ausführbar und als billiger herausstellen sollte, so wird doch immer erstes Erforderniss für diesen Handel bleiben, dass die für ihn bestimmten Thiere die Fähigkeit für längere Märsche und grosse Unempfindlichkeit gegen die schlechte und wechselnde Fütterung auf diesen Reisen be- sitzen. Ob dies in genügendem Maasse bei veredelten Thieren zu erreichen sein dürfte, steht dahin, jedenfalls aber werden sie darin gegen die polnischen Schweine immer in sehr hohem Grade zurückstehen. Gegenwärtig geben die Händler in Betracht ihres Risikos letzteren entschieden den Vorzug. Für die volle Ausmästung unterscheidet sich das gewöhnliche Hausschwein von dem englischen nicht blos durch die langsamere Mastbarkeit und die geringere Futter- verwerthung, sondern auch durch die Art des Fleisch- und Fettansatzes. Das deutsche Schwein vermehrt bei der Mast seine Fleischmasse im ganzen nur wenig, und das Fett setzt sich im wesentlichen in dieken, kernigen Massen als Speckschwarte unter der Haut fest. Das englische Schwein wird, wie es die rationelle Mastung fordert, im Muskelfleische stärker, und das Fett durchwächst das Fleisch, die Schwarten sind nur von geringer Dicke. Starke Speekschwarten sind allerdings für manche Zwecke ein gesuchter Artikel, und es lässt sich auch nicht läugnen, dass in manchen Gegenden das derbe Fleisch des deutschen Schweines dem ausserordentlich fetten des englischen vorgezogen wird; letzteres aber ist ganz besonders für die Ausfuhr und für die grosse Küche geeignet, und giebt der massigen Stücke wegen für den Verkehr mehr aus. Ueber die Schwere der in den mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städten ver- zehrten 'Thiere giebt die mehrerwähnte Abhandlung von Reinick (vergl. Bd. II. S. 493) die umstehenden Zahlen, welehe durch das geringe Gewicht der gewogenen Thiere deutlich darauf hinweisen, dass auch innerhalb der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte selbst, Schweine in grösserer Zahl zur Mast aufgestellt werden. 534 AXXI. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. Preussen Brandenburg Durch- Pom- Tasse email Schle- |-Sach- |NWiest- BERG Denen Sabr Sirene West- | mern TE Berlin | Pets |Frank-| sien | sen | falen i wicht‘) dam | furt Staate pra. | Pra. | pra. | pra. | Pra. . | pra. | pra. | pra. | pra. | Pra. | PRa. 1838 |gewogen.....| 724| 1184| 704] 72 a LT, & 7ı | 854| 125 | ıı9$] 940 bis Inach Stückzahl 1839 berechnet. .| ıı2 | ı5ı | 108 | ııo 3 . | ı14$| ızı | 1724| 169 | 13177 m NT 1849 |gewogen. ...| 87 | 108 | 116 | 79 | 166$| 130 | 129 | go | g9ı . | III | 109,7 bis [nach Stückzahl 1850 berechnet, .| 1298| ı51] 1424| 1343| 165 | 158 | 165 | 138 | 149 . [1718| 150,4 1860 |gewogen. ...| 74%| 99&| 794| 73 | 1zr | 1048| ııı$)l 88 | 80% . | 100 94,2 bis [nach Stückzahl 1861 berechnet. .| 1254| ı40%| 132 | 125 | 150 | 144 | 150 | 125 | 138 . | 1534| 1383 Der Verkehr mit Sehweinen auf dem Berliner und Breslauer Markte ist bereits oben Bd. II. S. 4998— 500 genauer besprochen. Die Ausfuhr an gemästeten Schweinen besteht ganz überwiegend aus kernfett gemästeten Voll- und Halbblutthieren der östlichen Provinzen, und vorzugsweise Sach- sens, sie geht über Berlin nach Hamburg und England. Westfalen stellt dazu ein geringes Kontingent, weil es seine gemästeten Thiere am Orte ausschlachtet und Schinken und Fleischwaaren versendet. Rheinland führt einiges Mastvieh nach Frank- reich aus. Die Steigerung dieses Handels aus dem gesammten Zollvereine ist, wie die obige Zollnachweisung ergiebt, in letzter Zeit sehr bedeutend, denn sie betrug früher wenige Tausend Stück, und hat sich seit 1859 auf über 80000 erhoben, die Einfuhr in den Zollverein aber steht ihr gegenwärtig nur gleich, während sie früher bedeu- tend überwog. — In ausgeschlachtetem Fleisch hat die Ausfuhr des Zollvereins mit Ausnahme der Jahre 1862— 64 die Einfuhr bedeutend übertroffen und sich stetig gehoben. 1862 — 64 erfol ste zu Schiff durch die Nordseehäfen eine plötzlich und vorübergehend um das Dreifache gesteigerte Einfuhr, welche in den bedeutenden Fleich- und Fettwaaren- mengen, die Nordamerika im Secessionskriege zu niedrigem Preise nach Europa warf, begründet war. Die Preise des Schweinefleisches im Marktverkehr sind Bd. II. S. 494 angegeben. Seit 1864 hat sich in Sachsen, in Schlesien und in der Mark (vergl. Annalen Bd. 43 8. 102, Bd. 44 8. 103, Bd. 45b. $. 50) ein bedenkliches Auftreten der Trichinen gezeigt, und es sind häufige Erkrankungen von Menschen, welche rohes Schweinefleisch gegessen, ja sogar mehr als hundert Todesfälle auf diese Krankheitsursache erwiesener- massen zurückzuführen gewesen; indess ist desshalb keine erhebliche Beschränkung der Konsumtion von Schweinefleisch bemerkbar geworden. Was die Schweinehaltung in den einzelnen Provinzen betrifft, so lässt sich darüber folgendes Nähere nach den*bereits Bd. II. S. 460, 497 und 520 erwähnten Angaben der Mitglieder des Landes-Oekonomie -Kollegiums mittheilen: *) Ueber das Verhältniss des Lebendgewichts zum Schlachtgewicht vergl. Bd. II. S. 434. XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 535 l. Provinz Preussen. Die Provinz Preussen hat, wie erwähnt, seit alter Zeit einen erheblichen Aus- fuhrhandel mit Schweinen getrieben. Diese weit das Bedürfniss des eigenen Konsums übersteigenden Heerden wurden auf grossen und kleinen Gütern gezüchtet, und durch Weidegang auf Brachen, entlegenen Hutungen, Brüchen und Aussenschlägen ernährt. In der durch die tägliche Lebensweise bestimmten Körperbildung unterscheiden sich zwei Schläge. Der eine, der auf der Höhe vorherrscht, wo die Thiere besonders rauhe Witterung bei schlechten Stallungen und wenigem Futter auf mageren, trockenen Weiden ertragen müssen, ist klein und vorzugsweise hart, genügt aber den Anforderungen grösserer Wirth- schaften so wenig, dass er sich in der Regel nur in den Händen der kleinen Rustikalen findet. Der andere gehört mehr der Niederung an. Diese Thiere erreichen eine un- gewöhnliche Grösse. Sie haben einen langgestreckten, tiefen Körper mit vielen und starken Borsten und sind von Farbe fast durchgehends weiss. Zweijährig gemästet erlangen sie bis 500 Pfd. Schlachtgewicht und liefern über 5 Zoll hohe feste Speckseiten. Dabei sind sie von grosser Fruchtbarkeit und verwerthen das Mastfutter gut. Indess bedürfen sie der Pflege und guten Fütterung bei der Aufzucht und Mast, und bewahren ihre guten Eigenschaften besser bei Weidegang, als bei Stallzucht, sind auch mehr Speck- schweine, als dass sie sich zur Fleischmast eigneten. Jedenfalls aber besitzt die Provinz in ihnen ein vorzügliches Züchtungsmaterial, welches seiner Grösse und Härte wegen zu Kreuzungen mit englischen Schweinen sehr gut geeignet ist, auch zu Reinzuchten so lange besonders werthvoll bleiben wird, als der Hausirhandel in seinen gegenwärtigen Verhältnissen fortbesteht. Veredelungen sind schon vielfach erstrebt worden. Der Landstallmeister‘v. Burgsdorf in Trakehnen ist der erste gewesen, welcher englische Zuchtschweine nach Ostpreussen einführte. Gleichzeitig machte Graf Lehndorf- Steinort einen Versuch mit andalusischen Schweinen. Anfangs der zwanziger Jahre wurden durch v. Dressler-Schreitlauken, v. Neumann-Szirgupoenen und Ruppel- Althof- Memel grosse, und Anfangs der vierziger Jahre durch Dubois-Luckoczin kleine, so- genannte chinesische Schweine aus England eingeführt, indess ist die weitere Verbreitung der englischen Voll- und Halbblutthiere besonders den um dieselbe Zeit begonnenen grösseren Unternehmungen des Herrn Arnold zu Hochstriess und Osterwick bei Danzig zu verdanken, welcher jährlich mit ersichtlichem Erfolge nach allen Theilen der Provinz Yorkshire-, Durham- und Leieester-Schweine absetzt, auch die ersten Stammthiere an die Akademieen Proskau und Waldau abgegegeben hat. Seitdem ist eine so grosse Zahl edler Rasseschweine in die Provinz geschafft worden, dass es unmöglich ist, die Wirthschaften zu bezeichnen, die sie erhalten haben, ihre Vermehrung auch keine Aufmerksamkeit erregt. Die schon erwähnten Agenturen Seeler-Schackauglak, Papendieck-Palmburg und besonders Fr, Reck in Danzig be- schäftigen sich in grossem Maassstabe mit der Importation. Stammheerden der kleinen chinesischen Rasse befinden sich in Lukoezin (Kreis Stargardt) und Poglau (Konitz); Essex und Yorkshire in Sartowitz (Schwetz) und Kapsitten (Friedland); Yorkshire in Bellschwitz (Rosenberg), Rothhoff, Gorken, Borkau (Marienwerder), Gross-Golinkau, Klein-Garz, Mestin (Pr.-Stargardt), Gross-Roebern, 536 XXXII Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. Kussfeld (Elbing), Ribinitz (Kulm), Lulkau (Thorn), Redden (Friedland), Pogauen (Königsberg), Taschau (Schwetz), Mielken (Karthaus); Berkshire in Choyten (Stuhm), Östrowick (Marienwerder), Sullemin (Pr.-Stargardt), Worwegen (Heiligenbeil) und in der Versuchsanstalt zu Waldau; Schottlandrasse, Schlanstädter und Suffolk rein und vermischt auf der Domaine Brandenburg bei Königsberg, deren Heerden überhaupt für edlere Schweine als eine Hauptbezugsquelle erscheinen. Diese Rassezucht findet ihre natürliche Stütze in der grossen Steigerung des Mastviehverkaufes, welche durch die Eisenbahnen und durch die für die Seeausfuhr errichteten Schlächtereien und Pökeleien eingetreten ist. Für diese Zwecke sind die kernfetten Rassethiere und edlen Kreuzungen besonders gesucht. Der Umfang dieses Handels ist so bedeutend, dass allein der Schlächterei und Pökelei des Kommerzien- rathes v. Frantzius in Danzig jährlich gegen r10— 12000 Stück Schweine aus West- preussen und Pommern zugetrieben werden; die zunehmende Verbreitung des englischen Blutes ist in diesen Heerden deutlich ersichtlich. Voraussichtlich wird sich diese Ausfuhr, die zugleich die besten Preise gewährt, immermehr entwickeln, und es wird desshalb die Veredelung mit Vortheil auch auf die kleinen Güter ausgedehnt werden können. Sie verbreitet sich in den für den Absatz der englischen Mastthiere geeigneten Gegenden schnell auf die Rustikalwirthe durch den Ferkelverkauf. Auch sind in diesem Sinne von mehreren landwirthschaftlichen Vereinen Berkshire-Eber angeschafft, und unter Uebernahme eines Kostenantheiles seitens des Staates Zuchteber englischer Rasse in den Dorfschaften Praust, Osterwiek, Genelitt, Neuteich, Klein-Mellno, Czerwinsk und Berent stationirt worden. Indess findet gegenwärtig die Veredelung noch da ihre Grenze, wo die Wirthe auf den Absatz an die Händler für den Landhandel angewiesen sind, und es muss sich erst zeigen, ob der Absatz von Rassethieren so vortheilhaft werden kann, dass sich der Landhandel diesen Thieren anbequemt, um nicht von ihnen verdrängt zu werden. Dafür dass dieser noch auf lange in seinem jetzigen Gebiete fortbestehen wird, spricht allerdings die Schwierigkeit, alle gegenwärtig durch Schweine ausgenutzten \Veide- plätze in anderer Weise zweckmässig zu verwerthen. Um auch für die zum Treiben bestimmten Thiere eine Verbesserung zu ermöglichen, hat der landwirthschaftliche Centralverein 1859 ungarische Schweine eingeführt. 2, Provinz Pommern. Der pommerische Landschlag der Schweine ist dem preussischen ähnlich und lebt unter gleichen Bedingungen. Die Thiere sind sehr gross, haben einen gestreckten, langen Kopf, breite herabhängende Ohren, spitzen Rüssel, schmalen Leib und krummen Rücken. Sie sind indess in der Farbe meist schwarzscheckig. Die körperliche Ausbildung ist langsam, die volle Entwickelung bedarf fast drei Jahre, auch die Mastfähigkeit ist nur mittelmässig, die Thiere erreichen aber durch ihre Grösse ein Gewicht von 500— 690, ja bis 800 Pfd. Ihr Speck ist kernig und sie geben viel Schmalz; besonders günstig ist ihre Fruchtbarkeit und ihre Härte und Genügsamkeit. Die Veredelung ist schon ziemlich weit vorgeschritten, Anfangs benutzte man Essex- und Suffolkthiere, welche u. a. der Wangeriner Zweigverein der „Pommerisch ökonomischen Gesellschaft“ einführte, jetzt sind besonders Yorkshire- und Berkshire- XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 537 Schweine sehr verbreitet. Die Kreuzungen mästen sich leicht, namentlich durch die Abfälle der Molkerei, und werden zahlreich nach Berlin verkauft. Doch finden sich nur wenige ausgedehntere Mastereien. Reine Zuchtstämme bestehen schon häufig; für Yorkshire sind Karnin, Lipsitz, Vargatz, für Berkshire Siedenbalenthin zu nennen; von beiden Schlägen züchtet auch die Akademie Eldena Stammheerden. r2—ı6 Wochen alte Faselschweine des Landschlages werden mit 4—6 Thlr. verkauft. Rassethiere sind erheblich theurer, finden aber auch bei Bauern Eingang. Der Preis für Y%» bis r'/ jährige magere Landschweine ist 5 bis 12, für ausgewachsene ro—ı5, für Absatzferkel 1— 2 Thlr. Zur Mastaufstellung geeignete Schweine kosten, je nachdem sie ein- oder zwei- jährig sind, durchschnittlich auf der Höhe 6—ı2 Thlr., in der Niederung, wenn sie grösser sind, 8—ı5 Thlr. Im allgemeinen aber ist die Mastung, wo sie nicht, um Abfälle zu verwerthen, mit technischen Gewerben in Verbindung gesetzt ist, ohne günstige Resultate, weil die Thiere des Landschlages nicht genügend mastfähig und die Fleichpreise zu niedrig sind. Man zahlt für das Pfund lebenden Gewichtes 2—3 Sgr. 3. Provinz Posen. Das polnische Landschwein ist etwas grösser und von vollerer Körperbildung, als das preussische Schwein der Höhegegenden. Es lebt unter etwas besseren Ernährungs- verhältnissen, auch lassen sich Vermischungen mit ungarischen und moldauischen Schweinen vermuthen. Das Thier ist hochbeinig, gewöhnlich nicht sehr breit im Kreuz, mit spitzem Widerrüst, schlappen Ohren und grossem Kopf. Neuerdings sind in die Provinz mehrfach englische Schweine eingeführt worden; Essex-, Suflolk-, Yorkshire-, Berkshire- und Windsorschläge sind besonders in Gora, Antonshof, Bogdanowo und Nitsche zur Zucht aufgestellt worden. Eine allgemeine Verbreitung aber wird diesen Rassethieren nicht in Aussicht gestellt, weil die Schwarz- viehhändler sie nicht kaufen. Dagegen sind Kreuzungsprodukte mit Landschweinen zur Zucht beliebt; wie weit solche sich für die Händler geeignet erweisen werden, muss erwartet werden. Ein ausgewachsenes Faselschwein des gewöhnlichen Schlages wird mit 10—ı5 Thlr. bezahlt. Der Gewinn durch Mast ist bei dem Mangel an Nachfrage sehr ungenügend. Nur grössere Güter mit technischem Nebenbetriebe mästen Vieh. 4. Provinz Brandenburg. In der Mark werden wenig Schweine gezüchtet; grössere, wie kleinere Wirthe kaufen ihren Bedarf meist von polnischen und preussischen Schweinehändlern. Indess beginnen die grösseren Güter seit dem letzten Dezennium vielfach englische Vollblut- und Halbblntthiere zu halten, und die englischen Kreuzungen verbreiten sich von ihnen aus mehr und mehr auch in kleinere Wirthschaften. Durch den nahen Absatz nach Berlin, Hamburg und England liefert die englische Züchtung überall gute Resultate. Als Stammzuchten sind besonders Karwe im Ruppiner und Lieberose im Lübbener Kreise zu nennen. 538 XXXII Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 5. Provinz Schlesien. In Mittel- und Niederschlesien ist die Schweinehaltung, wie die Viehzahl zeigt, nicht sehr allgemein, namentlich wird die Aufzucht von Schweinen nur von den Dominien, von den Rustikalen beinahe gar nicht betrieben. Diese letzteren kaufen fast ausschliesslich junge Schweine zur Mast, die aus Posen, Polen, Galizien und Ober- schlesien herangetrieben werden. Es lässt sich desshalb auch von einem schlesischen Landsehweine nieht sprechen. In neuerer Zeit sind auf grösseren Gütern mit gutem Erfolge englische Schweine zur Zucht gebraucht worden, indess bedarf die Nachzucht einer. ungewöhnlichen Pflege, und eignet sich weniger gut, als die der polnischen Schweine für das Klima. Solche Rassezüchtungen finden sich in Pogarth, Prieborn, Schweinebraten (Strehlen), Leschwitz (Breslau), Lampersdorf (Steinau) u. a. ©. In Oberschlesien ist die Schweinezucht bei der ländlichen Bevölkerung etwas verbreiteter. Es wird das gewöhnliche polnische Schwein gezogen. Indess ist auch hier die Einfuhr aus Polen und Galizien weit überwiegend. In neuerer Zeit wird darüber geklagt, dass die aus Polen gebrachten Sehweine an Güte nachlassen, und es werden auf grösseren Gütern Ferkelzuchten häufiger, welche bei guten Ferkelpreisen eine erhebliche Einnahmequelle sind. Die Preise schwanken aber, je nach der Zufuhr von aussen, dem Futtermangel, der Frühlingstemperatur und manchen zufälligen Ein- flüssen unberechnenbar, und geben der Züchtung als Spekulationsunternehmen sehr geringe Sicherheit. Gleichwohl nimmt Oberschlesien an dem Export nach Niederschlesien einigen Theil. Im Gross-Strehlitzer, Lublinitzer, Koseler, Oppelner und Rosenberger Kreise wird ein gewisser Ueberschuss aus eigener Anzucht erzeugt. Besonders besucht ist der Schweinemarkt zu Friedland, auf den durchschnittlich 3000 Stück aufgetrieben werden. Halbjährige Landschweine werden mit 5—8 Thlr,, ausgewachsene mit 8 bis 15 Thlr., Ferkel mit r— 2 Thlr. bezahlt, Zuchtschweine gelten 2o— 25 Tllr. Veredelte Zuchten sind auf grösseren Gütern nicht selten, indess bleiben die Erfolge noch wenig erheblich. In grösserem Umfange wird auf der Herrschaft Pless gezüchtet. Es besteht hier ein Stamm Original-Yorkshire- und Suffolkthiere, und durch Kreuzung mit guten Zuchtsauen vom Landvieh ist ein veredelter Schlag erreicht worden, der schon sehr verbreitet auf die bäuerlichen Wirthschaften übergegangen ist, und von dem zweijährige Schweine mit 15 — 25 Thlr. bezahlt werden. Auch auf die v. Thiele- Winkler’schen und Graf Guido Henckel’schen Güter sind englische Schweine eingeführt. Eine erhebliche Reinzucht besteht in Konkwitz (Kr. Neisse) und in Heidersdorf und Wiersbel (Kr. Falkenberg) stehen Rasse-Eber. Indess werden die reinen Rassethiere nicht gesucht, und die Rustikalen ziehen auch den Kreuzungen meist die polnischen Schweine, als leichter verkäuflich vor. Mastung ist in Schlesien wegen des Standes der Fleischpreise noch wenig lohnend und wird. nur bei Brennereien und Brauereien in einigem Umfange betrieben. 6. Provinz Sachsen. Die Provinz Sachsen hat in älterer Zeit ebenfalls eine bedeutende Einfuhr pol- nischer Schweine gehabt. Seit 1838 aber ist durch die Herren v. Nathusius-Hundisburg und Rimpau-Schlanstedt die Zucht englischer Suffolk-, Yorkshire- und Essexthiere so XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 539 energisch und mit so überzeugendem Erfolge aufgenommen worden, dass gegenwärtig englische Reinzuchten und Kreuzungen aller Art auf den grösseren Gütern allgemein sind, und es im wesentlichen auch bei den bäuerlichen Besitzern und kleinen Wirthen überall in Uebung gekommen ist, den Bedarf für Herbst und Winter aus den Halbblut- tbieren der grossen Wirthschaften zu kaufen. Da aber manche Gegenden der Provinz auf den Weidegang Werth legen müssen, wenn er auch überwiegend nur auf die Stoppelweide vom ı. August bis r. Oktober beschränkt bleibt, wird in den edlen Züchtungen auf dies Erforderniss so viel Rücksicht genommen, dass die Käufer Gele- genheit finden, ebenso Thiere, die zur Stallfütterung, wie solehe, die zum Austreiben und zur Hütung geeignet sind, kaufen zu können. Nur im Westen in den gebirgigen Lagen finden sich noch Reste des schmalen und hochbeinigen Landschlages. Die Resultate der Züchtung sind in der Regel äusserst lohnend, jedoch wechseln die Preise sehr. Jährige Schweine kosten gewöhnlich 8—ı2 Thlr. Im Regierungsbezirk Erfurt bestehen in den Kreisen Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen Zuchteber-Körungen; nach den darüber geführten Listen wurden 1564 1365 1566 1867 Eber: vorgestellt angekört vorgestellt angekört vorgestellt angekört vorgestellt angekört 52 52 50 49 71 69 73 73 Die Mastung wird seit der in den letzten ro Jahren erfolgten Steigerung der Fleischpreise immer vortheilhafter und verwerthet das Futter sehr gut. Der Absatz geht überwiegend nach England, 7. Provinz Westfalen. Die westfälische Schweinezucht hat durch ihre bedeutende Schinkenausfuhr europäischen Ruf. Der ursprüngliche Schlag der Provinz, dessen gute Eigenschaften diesen Handel begründeten, findet sieh noch vorwiegend in den meisten grösseren und kleineren ländlichen Wirthschaften. Er ist hochbeinig, starkknochig und langgestreckt mit scharfem, spitzem Kreuz und krummem Rücken, langem Kopf und starkem Borstenkamm und eignet sich durch seine Härte gegen Witterung und durch seine Gangart vorzugsweise zur Benutzung entlegener Hutungen. Mit Ausnahme der zur Mast gestellten, werden die westfälischen Schweine bei offenem Wetter möglichst das ganze Jahr hindurch theils auf Angern oder auf einjährigem weissen Klee, theils im Holz geweidet, in letzterem auch, je nach Umständen, auf Eichelmast getrieben, wozu die zahlreichen parzellirten Eichenwaldungen, namentlich im Münsterlande, Gelegenheit bieten. Auch bestehen für diesen Zweck noch einige von der Spezialtheilung ausgeschlossene Gemeinhutungen. Diese Haltung und die Verhältnisse des Klimas und Bodens scheinen den Thieren besonders günstig; ohne Zweifel sind diese die vollkommenste Varietät des Hans- schweines, die sich aus demselben ohne besondere Züchtung durch die Eigenthünlich- keit des Ortes herausgebildet hat. Allerdings entwickeln sie sich spät, und ihr Fleisch ist etwas zähe, auch mästen sie sich wegen ihres unruligen Temperamentes besonders im Beginn der Mast nur langsam. Sie nehmen aber mit sehr geringer Nahrung vorlieb, sind ausserordentlich fruchtbar, geben dabei ein derbes, sehr wohlschmeekendes Fleisch, und erreichen ein 540 XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. so bedeutendes Gewicht, dass ein höheres wohl in England und anderwärts von ein- zelnen Schweinen erzielt wird, durchschnittlich so schwere Thiere aber in keinem anderen “Lande geschlachtet werden. Es besteht desshalb im allgemeinen bei den westfälischen Landwirthen eine sehr günstige Meinung für die Erhaltung des alten Landschlages, und man befürchtet von der Kreuzung mit englischen Schweinen am Wohlgeschmack der Schinken, der für die Ausfuhr sehr ins Gewicht fällt, Einbusse zn erleiden; gleiehwohl breiten sich die englischen Kreuzungen mehr und mehr aus, weil sie früher und leichter ein verhält. nissmässig gutes Schlachtgewicht erreichen und desshalb bessere Reinerträge geben. Die Einführung fremder Rassethiere begann um 1830. Damals führte Herr v. Laer nach Oberbehme bei Herford wiederholt mexikanische Schweine ein. Dieselben fütterten sich gut, erwiesen sich ‚auch furchtbar, legten jedoch ihre wilde Natur nicht ab und waren beim \Veidegang nicht bei den Heerden zu halten. Später kaufte derselbe wiederholt englische Vollblutthiere aus Schlanstedt, Hundisburg, aus der Zucht der Herzogin von Parma bei Dresden und aus Hannover an, welche rein fortgezüchtet wurden, und auch in Kreuzungen der grossen Yorkshire- mit der Suffolkrasse sehr gute Resultate lieferten. Die Zuchtheerde besteht jetzt aus 14 Vollblutsauen, welche jährlich 2mal werfen und in alle Kreise Westfalens Zucht- material liefern. Die kleineren und mittleren Schläge der Berkshireschweine hat namentlich v. Borries zu Eskendorf eingeführt und fortgezüchtet. Indess scheinen grosse und kleine Wirthe dem starken Yorkshireschwein den Vorzug zu geben. Von diesem breiten sich in neuester Zeit sowohl Kreuzungen als Reinzüchtungen mit überraschender Schnelligkeit aus, und. werden. ohne Zweifel den Landschlag verdrängen. Namentlich eignen sich Yorkshirekreuzungen auf Dreiviertelblut sehr gut zur Mastung und zeigen bisher nicht den Fehler der englischen Rasse, unsicherer und wenigere Ferkel zu werfen. Die landwirthschaftlichen Vereine unterstützen diese Umwandelung, und können dafür, allerdings‘ in den ‚grossen und günstigen Resultaten, welche die hannöverische Provinz Lüneburg der englischen Zucht verdankt, nur Anregung finden. Ausser den Rassethieren führt Westfalen keine Schweine ein, treibt vielmehr in so hohem Masse eigene Anzucht, dass es nicht blos seinen bedeutenden Fleisch- konsumtions- und Handelsbedarf bestreitet, sondern auch Ferkel und trächtige Sauen in grossen Massen durch Händler ins Bergische und nach dem Rhein transportirt. Die Schweinemast mit Kartoffeln und Schrot ist in Westfalen, insbesondere im Münsterlande, immer mit gutem Erfolge, und bis zu den letzten 5 Jahren meist in der Art ‚betrieben worden, dass die gemästeten Stücke in den Wirthschaften, besonders in den kleineren, selbst eingeschlachtet und dann die Fabrikate an Schinken und Speck in den Handel gebracht wurden. Neuerdings haben sich vielfach Schlächtereien etablırt, welche die fetten Thiere zu Gewichtspreisen aufkaufen, einschlachten, und dann in ganzen Stücken ‚oder verarbeitet auf grössere Plätze versenden. Glücklicherweise ist dieser in, Steigerung begriffene Verkehr mit Fleischwaaren noch durch keinen Fall des Vorkommens von Trichinen gestört worden. Für fette, Schweine ist der Hauptabsatzplatz Gütersloh; aber auch im direkten Verkehr ‚sind lebende und ausgeschlachtete Schweine ein überwiegender Ausfuhrartikel der Provinz und eine Haupteinnahme für grössere und kleinere Besitzer. Die Preise sind in den letzten 15 Jahren grossen Schwankungen unterworfen gewesen; im allgemeinen aber sind sie gestiegen. Schweine des Landschlages zur Zucht XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. 54 werden als unterjährige, d. h. Yı bis %ı Jahr alt, mit 5 bis rz Thlr., jährige mit 12 bis ı5, überjährige mit 14 bis ı8 Thlr. bezahlt. Der Preis der gemästeten Schweine richtet sich nach dem Gewicht. $. Rheinprovinz. Die Schweinezucht der Rheinprovinz ist trotz der geringen Durehschnittszahl in einzelnen Gegenden nicht unbedeutend. Die Ebenen mästen grösstentheils nur zum eigenen Bedarf, die gebirgigen Gegenden aber züchten und haben zum Theil schwung- hafte Ausfuhr, Auf der gesammten Eifel wird das sogenannte Eifeler Schwein gehalten, welches dem deutschen Hausschweine zuzuzählen ist, einen spitzen, langen Kopf, lange, hängende Ohren, schmalen, oft gekrümmten Rücken und hohe Beine hat und an Farbe schwarz und weiss gescheckt ist. Die Thiere sind gute Läufer und munter, sehr genügsam und fruchtbar, aber klein. Ihr Fleisch ist schmackhaft, sie lassen sich gut, wenn auch etwas langsam mästen und geben vielen und festen Speck. In einigen Gegenden weichen die Schläge etwas ab. Im Kreise Zell kommen überwiegend schwarze Köpfe mit spitzem Rüssel und aufrecht stehenden Ohren vor, In Simmern sind die Thiere besonders starkknochig mit kurzem Rüssel und kurzen Beinen. Nördlich im Kreise Schleiden haben sie zwar alle Eigenthümliehkeiten des Eifeler Schlages, sind aber schwerer. Auf der rechten Rheinseite unterscheidet man in Wetzlar Schwarzvieh mit starken Borsten auf sehr gekrümmtem Rücken (Karpfen- rücken) und solches mit mehr gradem, borstenlosem Rücken. Beide mästen sich gut, erreichen mit einem Jahre ein Gewicht von 140— ı60 Pfd. und liefern schmackhaftes Fleisch und Fett, bleiben aber verhältnissmässig klein und leicht. Die Karpfenrücken sind als vorzüglicher anerkannt, In der Grafschaft Berg hat sich ein eigener, mehr den westfälischen Schweinen ähnlicher Schlag ausgebildet. Diese Thiere sind gross und lang, sehr mastfähig, mit schmackhaftem Fleisch und dabei sehr fruchtbar. In den ebeneren Theilen der Provinz werden von allen Seiten Schweine ein- geführt, welche zur Mast aufgestellt oder bald abgeschlachtet werden, und es kommen desshalb Thiere der verschiedensten Art und Kreuzung vor. In den Züchtungen findet die Veredelung durch fremde Rassethiere überall An- klang. Seit längerer Zeit sind namentlich Kreuzungen der Berkshire-Rasse verbreitet. Eine grössere Stammzucht englischer Schweine mit 24 Vollblutmutterthieren ist die der Gebrüder Schmitz zu Winnenthal (Kr. Geldern). Im Kempenschen und Krefeldschen waren früher Brabanter, westfälische, holländische und bergische Schweine allgemein, Jetzt ist dort besonders das holsteinische Schwein rein oder in seinen Kreuzungen mit dem bergischen sehr geschätzt. Dieses holsteinische Schwein soll selbst ein Kreuzungs- produkt von bergischen und kleineren englischen Schlägen sein.‘ Es mästet sich noch schneller, als das bergische, liefert aber zu fettes und wenig gesuchtes Fleisch. 1853 wurde die „Prinz Albert-Rasse“ yon Windsor in die Umgegend von Krefeld gebracht. Ihre Reinzucht hatte zwar allzufettes Fleisch, ergab aber in den Kreuzungen mit dem bergischen Schweine sehr gute Resultate. Die Züchtung blieb nicht ganz rein, doch ist ihr Blut noch immer bemerkbar. 1863 wurden Yorkshirethiere dorhin eingeführt. Auch auf der Domaine Annaberg werden englische Schweine rein gezüchtet, und 542 XXXII. Schweinehaltung und Züchtung, Handel mit Schwarzvieh. Kreuzungen derselben sind in den Kreisen Bonn, Waldbroel, Mühlheim und Rheinbach sehr beliebt. Weniger vorgedrungen sind die englischen Thiere in die Regierungsbezirke _ Koblenz und Trier. Am meisten Anklang für Kreuzungen haben sie hier in Neuwied und im Kreise Ahrweiler, namentlich in Gelsdorf gefunden. In den besonders viel zur Ausfuhr züchtenden Kreisen Merzig, Zell, Simmern und Adenau sind bei Versuchen mit englischen und chinesischen Schweinen die Resultate so wenig günstig gefunden worden, dass man davon gänzlich Abstand genommen hat, und zur Veredelung des Eifeler Schweines das verwandte Naheschwein benutzt. In den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln werden sechswöchentliche Ferkel je nach der Züchtung mit 3—5, auch 6—8$ Thlr., sechsmonatliche Schweine mit 6 bis ro Thlr. bezahlt, und die Mast erzielt 12 —ı5, auch 16 Thlr. für 100 Pfd. Lebend- gewicht. Das Schlachtgewicht ist 200— 300 Pfd., jedoch werden auch 400 Pfd. erreicht. Namentlich die Umgegend von Moers führt gemästete Schweine aus. In den Eifelkreisen, wo viel Weidegang stattfindet, bleiben die Schweine erheblich leichter, als in den Ebenen. Sie erreichen meist nur gegen 170 Pfd. und werden mit ı2— 30 Thlr., je roo Pfd. etwa mit 12—ı6 Thlr., zweimonatliche Ferkel aber mit 2. —4's Thlr. bezahlt. Die Kreise Adenau, Daun, Merzig, Zell und Simmern führen ihre Schweine namentlich vom Merziger Markte aus nach Frankreich ein, Daun allein jährlich über 15000 Stück Ferkel. Die für den Transport entlegeneren Orte haben die niedrigsten Preise. In Wetzlar kostet ein fettes Schwein von etwa 160 Pfd. Gewicht 22— 24 Thlr. 9, Hohenzollern. In den hohenzollernschen Landen ist die Schweinezucht seit ıo Jahren durch Kreuzung mit englischen Schweinen sehr verbessert worden. Die Bastarde werden in kurzer Zeit sehr fett. Sie werden meist von den württembergischen Hofdomainen eingeführt. XXX. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. Var jeher hat in dem Haushalte des deutschen Landwirthes die Zueht von Geflügel und von Bienen eine Stätte gefunden. In den letzten zwei Jahrhunderten sind oft erneute Versuche gemacht worden, auch die Seidenzucht bei ihm einzubürgern. Uebereinstimmende Eigenthümlichkeit aller dieser kleinen Hausthiergattungen ist, dass sich ihre Haltung im Grossen nur sehr ausnahmsweise zu lohnen vermag, dass sie aber als Nebenbetrieb zur Ausnutzung schwer verwendbarer kleiner Bruchtheile von Futter- mitteln, Raum und Arbeitszeit bei richtiger Behandlung verhältnissmässig hohen Gewinn ermöglichen. A. Federviehzucht. Von dem zalımen Geflügel, welches im preussischen Staatsgebiete landwirthschaft- lich benutzt wird, hat die Gans unbezweifelt hier ihre ursprüngliche Heimath. Die wilde Gans, Anser einereus vulgaris, von welcher die Hausgans, Ans. ein. domestieus, ab- stammt, erstreekt ihr Brutgebiet fast ausschliesslich über den baltischen Landrücken und die Ostseeküste, und geht nicht nördlicher als bis Dänemark hinauf. In diesen Landstrichen gewinnt auch die zahme Gans eine ungewöhnlich günstige, nach Grösse und Fleich vorzügliche Entwickelung. Die an den reichen Gewässern dieses Gebietes aufgewachsenen sogenannten Wassergänse erreichen beinahe die Schwere des Schwanes bis zu 20 und selbst 30 Pfd. In südlicheren Landstriehen sinken die Thiere immer mehr zu der Grösse starker Enten herab und wiegen selten ız bis ı5, häufig kaum 8 Pfd, Die bedeutende Gänsezucht der Ostseeprovinzen und namentlich Pommerns ist also örtlich begründet. Indess sind die Gänse in allen Provinzen des Staates stark verbreitet, und seit den ältesten Zeiten als Hausthiere beglaubigt*). Wie Plinius (X. 27) *) Lex salic. VII. — Capit. de villis 18, 19. — Ch. Langethal, Geschichte der deut- schen Landwirthschaft I, 61, 152. 544 XXXIII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. bekundet, kostete zu seiner Zeit das Pfund weisser germaniseher Gänsefedern zu Rom 5 Denar, d. h. nach jetzigem Gelde ungefähr 1, Thlr., oder so viel, als gegenwärtig die besten Daunen im deutschen Kleinverkehr. Gänse gehören in Deutschland schon nach den frühesten Urkunden zu den bäuerlichen Zinsungen und Zehnten*). Die zu Martini zu leistenden sogenannten Martinsgänse waren in der Regel eine Abgabe an die Pfarrei. Die Gänschaltung ist vielfach durch Dorfbeliebungen und Polizeiverordnungen beschränkt worden, weil der Schaden, den die Thiere ohne sorgsame Hütung anrichten, erheblich ist, und ihr Mist die Weide für anderes Vieh verdirbt. An geeigneten Orten aber, wo Wasserflächen und besondere Gänseweiden die Haltung grösserer Heerden erlauben, ist ihre Zucht erheblicher Ausnutzung fähig. Von Pommern aus geht ein bedeutender Handel mit ausgeschlachteten Gänsen und geräucherten Gänsebrüsten nach Berlin, Leipzig und weiter. Das Pfund der ersteren wird mit 6 bis 7, der letzteren mit ı5 bis 20 Sgr. bezahlt. Zur Zucht können Gänse 8 bis ıo Jahre benutzt werden. Auf 8 bis ro Gänse ist ein Gänserich zu rechnen. Das Legen beginnt um’ Lichtmess, die Eierzahl ist 12 bis 24. Gute Gänse brüten zweimal im Jahre. Die Jungen kriechen nach 27 bis 30 Tagen aus. Das Fleisch ist nur im ersten Jahre gut geniessbar. Die 8 Monat alten Gänse werden in freiem, eingehürdetem Raume durch Rüben und Möhren und etwas Hafer in 3 Wochen gemästet, im engen Stall erfordert die Mast stärkeres Futter und 4 bis 8 Wochen Zeit. Die durch Gewürzgaben künstlich aufgetriebenen Lebern sind ein beson- derer Handelsartikel. Die Nutzung an Federn ist jährlich ' Pfd. Schliess- und 'ı Pfd. Daunenfedern, Das Rupfen erfolgt bei jungen und alten Gänsen Anfang Mai, Juli und September und muss regelmässig fortgesetzt werden, wenn die Federn nicht ausfallen oder von der Gans selbst ausgerissen werden sollen. Eine Schlachtgans giebt nur’ '/; Pfd. Schliess- und Yıs Pfd. Daunenfedern. Gewöhnliche Federn kosten im Kleinverkauf ungefähr 20 Sgr. das Pfund, im Grosshandel steht der Centner auf 20 bis 30 Thlr. An Schreib- federn giebt der Gänseflügel fünf brauchbare Kiele. Die besten sind die jährlich von selbst ausfallenden. Den Gebrauch der Gänsefedern zum Schreiben erwähnt Paulus Aegineta schon im 7. Jahrhundert. Seit den letzten 3 Jahrzehnten sind sie durch die Stahlfedern grösstentheils verdrängt, indess versenden Stettin, Tilsit, Königsberg und Memel gegenwärtig noch beträchtliche Mengen. Der Zollverein hat seinem Bedarf an Federn, Federposen und Bettfedern bisher nicht völlig genügt, denn sein Handel hat in Einfuhr bis 1853 jährlich durehschnittlich 25 000 Ctr., später 40 000 Ütr., in Ausfuhr aber bis 1853 nur 6.000, später 12 000 Ütr. betragen. — Die Ente, zahme Hausente, Anas boschas domestica, ist die gezähmte wilde Ente, Anas boschas fera, welche als Zugvogel in ganz Deutschland nistet. Als Hausthier wird sie erst im Capitulare de villis ($ 40) und zwar als seltenes Geflügel erwähnt. Sie ist vorzugsweise nutzbar, weil sie den grössten Theil des Jahres ihr Futter selbst sucht, und von Wirthschaftsabgängen aller Art leicht ernährt werden kann. Sie ist in 9 Tagen durch Hafer und Kleie frei und im Stall zu mästen. ı Enterich genügt für 3 bis ı2 Enten. Die Ente lest bis 60 Eier, bringt aber selten mehr als ro Junge auf und brütet überhaupt schlecht, so dass man die Eier Hennen unterlegt; die Brutzeit ist 28 bis 30 Tage. Sie ist in vielen Varietäten bekannt. Die grösste ist die türkische ") Kindlinger, Geschichte d. deutschen Hörigkeit S.120. — Du Cange, Glossar, unter Auca. XXXII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. 545 oder Bisam-Ente, deren Fleisch aber wenig brauchbar ist. Die Enten sind dem Fisch- laich sehr gefährlich, desshalb darf nach A. L.-R. Thl. I. Tit. IX. $ 188 auf öffentlichen Gewässern Niemand zum Nachtheil des Fischereiberechtigten Enten halten, und Enten, welche die Besitzer der an Privatflüsse und Teiche stossenden Grundstücke ohne ausdrückliche Erlaubniss des Fischereiberechtigten halten, ist dieser, wenn sie auf dem Wasser betroffen werden, zu pfänden oder zu tödten befugt. — Der Schwan, Cygnus domestieus, kommt als Hausthier schon in der Lex salica VII, vor. Die Haltung der Schwäne auf Teichen und fischbaren Gewässern ist vortheil- haft, weil sie Reiher und andere Wasservögel vertreiben, Käferlarven und Wasser-Insekten vertilgen und die Oberfläche durch Verzehren vieler Wasserpflanzen frei halten. Auch ist das Fleisch der Jungen sehr schmackhaft. Indess hat sieh die Zucht wegen. der beschwerlichen und kostspieligen Winterfütterung wenig verbreitet; seit alter Zeit aber besteht sie auf den fiskalischen Spree- und Havelgewässern in grosser Ausdehnung. — Von den Landvögeln ist das Haushuhn, Gallus domestieus, das wirthschaftlich verbreitetste und wichtigste Federvieh. Als Vaterland der Hühner gilt Ostindien, wo sie noch gegenwärtig heerdenweise wild sind; indess waren sie schon im frühen Alterthum durch den Orient und ganz Südeuropa als Hausthier allgemein. Für Deutschland werden sie erst durch Karl den Grossen erwähnt; er schreibt jeder seiner Meiereien die Hal- tung von ıoo Stück vor. Hühner- und Eierabgaben und der Zehnte von der Hühner- zucht erscheinen indess schon im 1o. Jahrhundert urkundlich in so weiter Verbreitung, dass die Hühnerhaltung zu Karls Zeiten als keine Neuerung angesehen werden kann, In den Urkunden der deutschen Kolonisation finden sieh die sog. Ehrungen als unbedeu- tende auf der Hofstelle haftende Nebenabgaben *) an den Gutsherrn , sehr. häufig, welche sich bis auf die neueste Zeit als Reallasten erhielten und vorzugsweise in Hühnern, Eiern oder Kapaunen bestanden. Durch das gesammte Mittelalter war es Brauch, die Bewilligung von Gräserei, namentlich im Forst, an eine Hühnerabgabe zu knüpfen, auf welche sich die Benennungen Grashühner, Forsthühner, Waldhühner und ‚ähnliche beziehen. Die zahlreichen Fasten gaben besonders den Eiern grosse. Bedeutung. In neuerer Zeit sind letztere auch Gegenstand des Grosshandels geworden, welcher Haupt- städte wie London, Paris, New-York mit denselben versorgt. Die Eiereinfuhr in Eng- land stieg 1850 auf roo Millionen, 1861 auf 200, 1864 auf über 300, 1866. auf 400 Millionen Stück, wovon etwa der vierte Theil auf Deutschland zu rechnen sein dürfte. Gleichwohl ist die Haltung der Hühner nur im kleinen Massstabe, soweit sie wesentlich durch Wirthschaftsabfälle ernährt werden, oder im Grossen bei sehr, sorg- fältiger und rationeller Behandlung lohnend. Die bedeutende Menge des Federviehs, welehes landesüblich in allen kleinen Wirthschaften gehalten wird, hält dem gestiegenen Futterwerth gegenüber den Preis zu niedrig. Im Stall gefüttert frisst ır Huhn jährlich etwa den Werth eines Scheffels Gerste. Die Henne legt durchschnittlich 60 Eier, ‚gute Hennen bis 100*“*). Ein Hahn genügt für etwa 15 Hennen. Unbefruchtete Eier dauern nicht. Zum Brüten können der Henne ro bis 18 Eier untergelegt werden; die Küchlein kommen nach 20 bis 22 Tagen aus, fangen schon nach 5 Monaten an zu legen, und sind in 15 Monaten ausgewachsen. Die Mästung junger Hühner dauert im engen Hofe 25 Tage. Die Hähne werden mit 12 Wochen zu Kapaunen, die Hennen zu Poularden kastrirt und zeichnen sich dann durch Grösse, zartes Fleisch und leichtes Mästen. aus. *) Cod. dipl. Sil. Bd. IV. unter Ehrungen. **) Vergl. Annalen Bd. 23 S. 343, Bd. 29 S. 324. Boden d, preuss. Staates. II. 35 546 XXXIIL Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. Aus dem Fleisch des Huhnes werden auf je 100 Gewichtstheile durch kalte Digestion 4,;, Albumin und 3,; nicht gerinnende Fleischbestandtheile ausgeschieden; der Fleischsaft beträgt also 8 pCt., während er beim Ochsen (vergl. oben Bd. Il. $. 496) nur 6 pCt. ergiebt, ein Umstand, der die Güte der Hühnerbrühe begründet. Die Untersuchung des Hühnerblutes, welche W. Löbe!) nach Henneberg mittheilt, ergab 81,33 pÖt. Wasser und 18,6, pCt. feste Bestandttheile; die Asche aus letzteren betrug 1,129 pCt. des Blutes, und enthielt ihrerseits auf roo Theile 17,39 Kali, 28,99 Natron, O8 Chlor, 1,4; Schwefelsäure, 37,26 Phosphorsäure, 8,5; phosphorsaures Eisenoxyd, 0,94 Kieselerde, 0,9; Magnesia, 2,04 Kalk, 2,54 Kohle. Das Eidotter enthält nach Gobley 51,486 Wasser, 15,76 Vitellin, 21,304 Margarin und Olöin, o,43 Cholosterin, 7,225 Margarin- und Oelsäure, 1,20. Glycerinphosphorsäure, 0,034 Salmiak, 0,277 Kochsalz, Chlorkalium und schwefelsaures Kali, 1,oa2 phosphorsauren Kalk und Talkerde, 0,40 Fleischextrakt und 0,853 Ammoniak, einen stickstoffhaltigen Körper, Farbstoff und Milchsäure 2). (s. Bd.-II. S. 39.) Für die rationellere Behandlung der Hühnerzucht hat sich seit den dreissiger Jahren das Interesse sehr gehoben; es sind künstliche Brütanstalten, die den seit uralter Zeit in Egypten üblichen nachgebildet sind, versucht worden, und man hat die zahlreichen Hühnervarietäten, die sich in den verschiedenen Theilen Vorder- und Hinter- Indiens, Chinas und der Sunda-Inseln vorfinden, nach Europa zu verpflanzen und zu Kreuzungen zu benutzen gesucht. Allgemeinere Verbreitung haben dadurch besonders die Cochinchina-Hühner wegen ihrer bedeutenden Grösse gefunden. Diesen Bemühungen eine über den Kreis der Liebhaberei hinaus gehende praktische Bedeutung für wirth- schaftliche Zwecke abzugewinnen, streben namentlich die sogenannten hühnerologischen Vereine. Der bedeutendste derselben ist der zu Görlitz, der seit 1850 besteht und zum Organ „das hühnerologische Monatsblatt* besitzt®). Auch der Verein für Ge- flügelzucht in Naumburg a. S. ist zu nennen. — Den Hühnern verwandt sind die Truthühner, Puten, Meleagris gallopavo. Sie wurden am Missisippi in Heerden wild gefunden und 1524 von den Spaniern aus Florida nach Europa gebracht, indess erst nach und nach in Deutschland bekannt. Ihre Grösse und ihr gesuchtes, vorzügliches Fleisch genügen bei den bestehenden Preisen in der Regel nicht, um ihr Futter und die Sorgfalt, welche die Anzucht nöthig macht, hin- reichend zu ersetzen, indess ist die Haltung ziemlich verbreitet, weil die Truthennen mit besonderer Ausdauer brüten, und ihnen bei ihrer Grösse desshalb Hühner-, Enten- und Fasaneneier in beträchtlicher Zahl zum Ausbrüten untergelest werden können. — Pfauen und Perlhühner sind zwar essbar und werden auch auf Hühnerhöfen nicht selten gefunden, jedoch wesentlich nur als Ziervögel gehalten. — Sehr verbreitet ist die Taubenzucht. Von der Taube, Columba, kennt man nur eine einzige Gattung, indess mehr als 150 Arten, Die Haltung der Haustauben war früh bekannt. Sie wurden zur Jagd abgerichtet‘), hatten kein Wehrgeld und unterlagen in Städten wie auf dem Lande besonderen, dem Jagdrechte nahestehenden, gesetzlichen Be- 1) Eneyelopädie der Landwirthschaft Bd. II. S. 179. 2) Untersuchungen über die Stoffveränderung beim Bebrüten theilt J. L. Parke in den Tübinger chemischen Untersuchungen Heft 2 S. 209 mit. Vergl. Jahresbericht über Agri- kulturchemie von Hoffmann und Peters, Bd. X. S. 269. 3) Vergl. Annalen Bd. 24 S. 103 nnd Bd. 30 8. 444. 4) Lex salica VII. 7. — Anton, Geschichte der deutschen Landwirthschaft Bd. 1, 161, III. 418. XXXIH. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. 547 stimmungen und Gewohnheitsrechten'). Die $$ ırı bis ıı3 Th.I. Tit. IX. des preuss. Allg. Landrechts lassen in dieser Beziehung die Provinzialgesetze bestehen, erklären aber Tauben, welche Jemand hält, ohne dazu ein wirkliches Recht zu haben, wenn sie im Freien betroffen werden, für einen Gegenstand des Thierfanges und geben im Zweifel das Recht der Taubenhaltung nur denjenigen, welche in einer Feldtilur tragbare Aecker benutzen, und zwar nach Verhältniss der Ackerfläche. Der Schaden, den die Tauben an Dächern und Aeckern anrichten, ist nicht unbeträchtlich. Das Paar bedarf monatlich, wenn es Junge hat, einer Viertelmetze Körner. Einen wirklichen Ertrag wirft desshalb die Taubenzucht trotz der Beliebtheit als Braten nur denjenigen Wirthen ab, welche sie in Städten ohne Zwischenhändler abzusetzen vermögen. Man kann vom Paar jährlich 16 bis 18 Junge ziehen, die schon in 3 bis 4 Monaten zur Paarung schreiten. Der Taubendünger ist für manche Zwecke nicht ohne Werth. (Vergl. oben Bd. II. S. 49.) — Die Ausdehnung der Geflügelhaltung im Staate der Zahl nach zu bestimmen, ist sehr unsicher. Zählungen derselben sind in Preussen noch nicht vorgenommen worden. In Baden und Oldenburg, wo solche und zwar in verschiedenen Jahren am 3. Dezember stattfanden, haben sie folgende Resultate ergeben: Gänse Enten Hühner Tauben Landestheil Nachweis Anzahl Anzahl Anzahl Anzahl auf je 10 auf je 10 Einwohner auf je 10 Einwohner | Einwohner Baden 1861 Beiträge zur Sta- 2 tistik der inneren Seekreis ...... 18789 0,9]19309) Io 119502 | 5,9 . » 1 Verwaltung des Oberrhein ..... 23 433) 0,7|15687| 05] 280758 | 8; : - Seoahegitr a . B | e x E S64, Mittelrbein.....| 98159) 2.117598 o,4| 416093 , 9, b * | Heft XXIX. 1868. Niederrhein ....| 95495 2,5| 9036 o3| 310601| 9,0 Ganz Baden 1867 . | 203 186 1,4162 693 04| 1199798 | 82 Statist. Nachrich- Oldenburg 1364 ten über Oldenburg, Birkenfeld... ... 913| O3 898 0,3 23 543 6,7 IOI4 O3 Heft VI. Olden- Oldenburg .....| 19546 os|ı9 104 0838| 284 151 )11,6[|13 333) 0,6 LnBuL20t. IULID ES. 538 Oaf I 254) 0,6 18845 | 35| 4277| 02 In Braunschweig?) sind nur die Gänse, aber in einer grösseren Anzahl von Jahren, jedoch jedesmal am 30. April gezählt worden. Es wurden gefunden 1840 77975, 1842 90954, 1847 60220, 1850 89747, 1855 58707, 1856 70710, 1857 72168, 1860 85288, 1861 80929 Stück; dies ergiebt auf je ro Einwohner 2,3 Gänse. Nimmt man danach mit v. Viebahn ®) an, dass in Preussen durchschnittlich auf je ro Einwohner ro Hühner, 2'. Gans und %s Enten zu rechnen, so ergeben sich für die 8 alten Provinzen des Staates 19 255 ooo Hühner, 4 819 000 Gänse und ı 284 000 Enten, welehen nach dem Durchschnitte von Oldenburg noch 950 000 Tauben und 1) Meusel, Historisch-literarisches Magazin II. 151. — Schwabenspiegel Kap. 137. 2) Zur Statistik des Herzogthums Braunschweig aus dem statistischen Bureau, ohne Jahr. 3) Statistik des zollvereinten Deutschlands, Bd, III. S. 432. 35* 548 XXXII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. anderes Federvieh hinzugesetzt werden können. Da diese Annahme im wesentlichen auf Zählungen gestützt ist, die im Dezember vorgenommen worden sind, so lässt sich die Höhe des Verbrauchs im Jahre auf mindestens das Doppelte anschlagen. Die Preise des Federviehs schwanken in den einzelnen Provinzen in hohem Grade. In den östlichen Provinzen Preussen, Posen, Schlesien sind die Mittelpreise der Gans auf 20 Sgr., der Ente auf 6 bis 10 Sgr., des Paares junger Hühner oder eines Suppen- huhnes auf ebensoviel, des Schockes Eier auf ı4 bis 20 Sgr., einer Pute auf 2 Thlr., eines Paar Tauben auf 3 bis 4 Sgr. anzunehmen, eine pommerische Gans kostet 35 bis 4o Sgr.; die Berliner Mittelpreise dagegen sind für eine Gans ı Thlr. ro Sgr., für ı Ente 15 Sgr., für r Suppenhuhn oder für ı Paar junge Hühner ebensoviel, für das Schock Eier zo bis 30 Sgr., für die Pute 3 Thlr., für ein Paar Tauben 6 bis 8 Sgr.; die rheinischen Preise kommen den Berlinern nahe. Nimmt man mit v. Viebahn den Durchschnittswerth für die Gans nur zu 20, für die Ente nur zu ıo, das Huhn zu 5 und die Taube zu 2 Sgr. an, und rechnet den jährlichen Verbrauch als das Doppelte des oben gefundenen Winterbestandes, so ergeben sich für die alten Provinzen an Werth und Gewicht des Federviehfleisches folgende Zahlen: Anzahl nn Zusammen en Zusammen { mer Geldwerth |S°W°| Fleisch- Gattung in für das A für das B - A Stück in Stick | gewicht in Ser. Thalern Prd. Centnern Kansas ee rest 9 638 000 20 6.425 332 4 385 520 EINTenWe eat eierere Arehohe 2 368 000 Io 836 000 I 25 680 Hühner RS mg ee ker ale hese 38 5Io 000 5 6418 234 ys 288 824 Maubenemn engeren. 0 I 900 000 126 666 4750 13 826 332 794 774 Das Pfund Geflügelfleisch würde danach durchschnittlich mit 6 Sgr. bezahlt. An Eiern lassen sich von ı9'/, Millionen Hühnern, die im Dezember vorhanden sind, im Jahre mindestens 800 Millionen Stück anschlagen, welche, das Schock zu zo Sgr. gerechnet, einen Werth von 8 800 000 Thlr. darstellen. Die Zahl der in den Konsum kommenden Gänse-, Enten- und Puteneier dürfte kaum eine halbe Million erreichen, — Schriften, welche die Geflügelzucht behandeln, sind: Drechsler, Nachrichten aus dem Verein für Hühnerzucht zu Dresden, Thl. I., auch unter dem Titel: Die Zuchthühner. 3. Aufl. Dresden 1857. Mit zo kol. Abbild. Friderich, Naturgeschichte der deutschen Zimmer-, Haus- und Jagdvögel ete. Stutt- gart 1863. Mit 200 kolorirten Abbildungen. Gauss, Der Hühner- und Geflügelhof in seinem weitesten Umfange ete. Weimar 1865. Löffler, Die Zucht der ausländischen Hühner in Deutschland. 2. Aufl. Berlin 1859. Mit 27 Abbildungen. Oesele, Das Hühnervolk und die Pflichten seiner Gebieter. Frankfurt a. M. 1866. Mit Holzschnitten, Wegener, Das Hühnerbuch, Beschreibung aller bekannten Hühnerarten. Leipzig 1861. Mit Holzschnitten. Federviehzucht in England; Annalen der Landwirthschaft Bd. 24. S. 203. XXXIH. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. 549 B. Bienenzucht. Erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts trat in Deutschland, wie Bd. II. S. 397 gezeigt ist, der Zucker im täglichen Gebrauche allgemeiner an die Stelle des Honigs. Bis dahin hatte die Bienenzucht grosse wirthschaftliche Bedeutung. Seit den ältesten Nachriehten wird sie erwähnt, und zwar die der zahmen nicht weniger, als die der wilden Bienen. Die Volksgesetze gedenken verschiedener Arten von Bienenstöcken, Körben und Bienenhäusern, und geben genaue Vorschriften über das Eigenthum an Hausbienen und Strafen für Uebergriffe'). Auch Karl der Grosse hielt auf jeder Meierei eine grosse Anzahl Bienenstöcke und einen besonderen Bienenwärter?). Bezüglich der wilden Bienen erzählt Plinius (IX. 14), dass man in Germanien eine Scheibe Wachs von 8 Fuss Durchmesser gefunden habe; und unter den ersten Erwähnungen der Hörigen finden sich Zeidler, welche Honig und Wachs aus gewissen Heide- und Forstrevieren zu sam- meln, und davon bestimmte Quantitäten als Zins abzuliefern hatten, auch geeignete Waldbäume zu Bauten für die Bienen aushölen oder ausbrennen durften. Das Recht auf das Zeideln wurde vielfach einzelnen Höfen, Stellen oder Stiftungen urkund- lich verliehen; unter anderen zeigen schon Verleihungsurkunden der Kaiser aus den Jahren 993, 1007, 1112, dass die Zeidelei auch bei den grösseren Kaiserlichen Forsten unter die einträglicheren Waldnutzungen gerechnet wurde. Die slawischen Fürsten besassen ganze Dörfer, die von Zeidlern bewohnt waren °). Schon im 14. Jahrhundert, und in den Marken und der Lausitz mindestens seit dem 15. Jahrhundert, sind auch Zeidlergilden oder Zeidlergesellschaften bekannt, welche auf festbegrenzten, zum Theil sehr ausgedehnten Revieren allein berechtigt, die Bienen- zucht unter sehr ausgebildeten Rechtsvorschriften und Genossenschaftsgebräuchen be- trieben. Werke wie das von Nic. Jac. Mittburger 1568 und von Andr. Ricus 1596 behandelten Bienenzucht und Bienenrecht ausführlich, ebenso Sebizius im Praedium rustieum. Mit der Einträglichkeit aber gerieth die Zeidelei immer mehr in Verfall. Friedrich I. forderte noch in der Dorfordnung vom 16.Decbr. 1702, dass jeder Ackerbauer 4, jeder Halbbauer 2 und jeder Kossäthe ı Stock halten sollte, und Friedrich II. suchte in der Dorfordnung für Preussen vom 22. Sept. 1751 wieder dazu aufzumuntern, und setzte in den Schlesischen Edikten vom 22. Febr. 1765, 10. März 1773 und 13. Dezbr. 1776 sogar Prämien für Haltung von mehr als ro Stöcken aus‘). Alle Bemühungen aber erlahmten gegenüber der immer grösseren Billigkeit des Zuckers, dem geringen Bedarf an Wachs in den protestantischen Ländern und dem Aufkommen der Stearin- und Paraffinkerzen. Auch vertrug sich die Benutzung der Waldbäume zu Bienenbeuten nicht mit der geord- neteren Forstpflege. Die Bienennutzung in den Staatsforsten wurde aufgegeben, und die staatliche Fürsorge für die Zucht der Privaten erlosch im wesentlichen. Das preuss. ') Lex salica IX. Lex Bajuv. Tit. XXI. 1, 8, 9. Lex Saxon. Tit. IV. 2, 3. Lex Wisig, VIM. 6; 1, 2. Ed. Rothar 323, 324. Anton. a.a. O.I. 165. Langethal a. a. O. I. 67, 152 2) Capit. de villis 17, 34. Breviar. rer. fisc. II. 1, III. %) Anton a. a. O. I. 482, II. 365, III. 530. — Langethal a. a. O. 324. — F.B. Busch, Bienenrecht, Arnstadt 1830. — W. Pfeil, Forstgeschichte Preussens 1839, S. 75. — Tschoppe und Stenzel, Schlesische Urkundensamul. 1832 S. 72 — Cod. dipl. Siles. IV. unter Zeidelei. %) C. €. M. V. Abth. III. S. 238; Korn: Schl. Ed. Bd, 8 S. 420; 14 S. 26; 15 8.126. — Gleditsch, Betrachtungen des Bienenstandes in Brandenburg, Riga 1769. 550 XXXII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. Allg. Landrecht Th. I. Tit. 9 $ 121 beschränkt das Recht, Waldbienen zu halten, auf den Forsteigenthümer, bei zahmen Bienen hat dagegen der Eigenthümer des Mutter- stocks das Recht, den schwärmenden Flug auch auf fremden Boden zu verfolgen. Erst die neueste Zeit wandte der Bienenzucht wieder allgemeinere Aufmerksam- keit zu; der Anstoss dazu ging vorzugsweise von dem Pfarrer Dzierzon zu Carlsmarkt in Schlesien aus. Seine genialen Bemühungen auf diesem Gebiete wurden seit 1840 bekannter und fanden sowohl in Schlesien als in Thüringen lebhaften Anklang‘). Als er 1845 mit A. Schmidt die Herausgabe der Bienenzeitung begann, wurde dieselbe ein Mittelpunkt nicht blos für zahlreiche Bienenzüchtervereine, die sich rasch verbreiteten, sondern auch für einen Kreis von Männern wie v. Berlepsch, Dathe, Doenhoff, Kleine, Günther, Schoenfeld, Graf Stosch und Vogel, welche von den Professoren v. Siebold und Leuckart unterstützt, Lebensweise und Physiologie der Bienen in durchaus wissen- schaftlicher Weise beobachteten und aus der Theorie eben so neue als wirksame Hülfs- mittel für die Praxis zogen. Im Beginn der füufziger Jahre stellten namentlich Dzierzon und v. Berlepsch durch ihre sorgfältigen und scharfsinnigen Untersuchungen fest, dass die Bienenkönigin unbefruchtet lebensfähige Eier von Männchen legt, und dass dies auch durch einzelne Arbeitsbienen geschieht, sofern eine geeignete Königin nicht vor- handen ist, dass dagegen nur eine befruchtete Königin in der bisher schon bekannten Weise neben männlichen auch weibliche Eier zu legen vermag, von denen sich eine oder einige je nach Form der Zelle und der Art der Fütterung zu Königinnen, alle übrigen nur zu unvollkommen ausgebildeten Arbeitsbienen entwickeln. Dzierzon erfand den Stock mit beweglichen Waben, v. Berlepsch das Pavillon genannte Bienenhaus, welche eine durchaus genaue Aufsicht und Prüfung des Baues und Gesundheitszustandes der Bienen, des vorhandenen Futters und der für den Aus- schnitt und Honiggewinn geeigneten Waben gestatten. Das Verständniss der richtigen Pflege und Fütterung wurde dadurch in einem vorher unbekannten Grade erreicht, und seitdem diese Erfahrungen sowohl in der Bienenzeitung als in mehreren Lehr- büchern, unter denen das von v. Berlepsch °) den ersten Rang einnimmt, niedergelegt sind, haben die Bienenzuchtvereine zum Theil sogar durch eingerichtete Lehrkurse richtige Grundsätze in weite Kreise verbreitet und die Hebung vortheilhafter Bienenzucht in allen Provinzen des Staates mit regem Eifer gefördert®). Wenn nun auch in Nord- deutschland nach dem Ausspruche v. Berlepsch’s kaum irgendwo Oertlichkeiten gefunden werden, in welchen ein Bienenzüchter von dieser Beschäftigung mit hinreichendem Er- trage ausschliesslich leben könnte, so sind doch ebenso die Lagen höchst selten, in welchen die Bienenzucht nur als Liebhaberei, ohne einen gewissen Durchschnittsrein- ertrag, zu treiben wäre, vielmehr würden in fast jedem Dorfe des Staates 3 oder 4 Stände von 30 bis 40 Stöcken bestehen können, die bei rationellem Betriebe einen jährlichen Durchschnittsreinertrag von 50 bis 70 Thlr. abwerfen müssten '). Die Zahl der Bienenstöcke, die in den alten Provinzen des Staates vorhanden sind, ist in den Jahren 1864 und 1867 wie folgt ermittelt worden: !) Vergl. Annalen Bd. 20. S. 384. auch über Dzierzon’s Bienenzuchtschule zu Carlsmarkt Bd. 22 S. 363, Bd. 23 S. 219, 261. 2) Die Biene und ihre Zucht mit beweglichen Waben von Aug. Baron v. Berlepsch. 2 Aufl. Mannheim 1869. 3) Annalen Bd 36. S. 366, Bd. 5o. Jahresbericht. 4) v. Berlepsch a. a. ©. Einl. XIX. Vergl. Annalen Bd. 42 S. ı5. XXXIIL Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. 551 Regierungsbezirke, Bienenstöcke Regierungsbezirke, Bienenstöcke Provinzen 1864 1867 Provinzeu 1364 1867 a Königsberg... .... 53 880 49900 | Magdeburg... .... 29 453 38 027 Gumbinnen. ...... 31288 24199 | Merseburg ....... 37 854 40919 Danzien.e or ler 16 270 TO16932 1, Eirfurtn eu ne nee 12, 320 13 994 Marienwerder ..... 34 154 43 025 Sachsen 79 627 92 940 Preussen | 135 592 | 136 822 Minden. a. en: 17 318 23 634 KoslineNe lesen 26555 31812 | Münster ..... 2 28 406 47 723 SEN SR 37 317 39460 | Arnsberg... ..... 19 367 35 614 Stralsund. ....... 12 598 15753 Westfalen 65097 | ro6gyı 6 792 Bomneru 7.72 ARE Dusseldonfie.n.razene ee 39 918 51857 Bromberg. „oo... 23 964 309243, 1EKOlnpr ee een. 17 181 28 404 Bosenkn a ee. 41 301 53,288 1, Aachen an no. 19 420 29 906 TTERFZEN Tas E ead 18 905 30359 s 6 Rosen 7225 13 Union gene ertefe 20.068 30.997 Eirankfurtirerereeeiee 48669 | 55677 Rheinprovinz | 115492 | ı7ı 523 Ber linien em ea. 236 312 Botsdamm. nen u... 51859 50822 | Hohenzollern... ... 5.429 6657 Brandenburg | 100764 | 106811 Jade. u serien. De 22 Io Oppeln leer 35575 | 45117 Staat | 761284 | 935 224 Breslauer. efelele 35 317 38 872 iiegnitze were 41 640 52 945 Schlesien | 112 532 | 136 934 Diese Zählungen zeigen eine beträchtliche Steigerung von 1864 bis 1867, die in Marienwerder, Posen, Magdeburg und allen rheinischen Bezirken, besonders aber in Münster und Arnsberg eingetreten ist. Gleichwohl erreicht die Anzahl der Stöcke noch nicht das Drittheil der von v. Berlepsch für zweckmässig angeschlagenen. C. Die Seidenzucht. Die Chinesen geben an, dass schon um 2700 v. Chr. die Gemahlin des Kaisers Hoang-Ti die Kokons der Seidenraupe zu benutzen gelehrt habe. Jedenfalls kam seit uralter Zeit Seide theils gesponnen, theils gewebt von China nach dem Orient und später nach Griechenland und Rom. Auch todte Kokons scheinen in Handel ge- kommen und in Kos versponnen worden zu sein. Ausfuhr der Eier oder lebender Kokons aber war mit Todesstrafe bedroht. Aristoteles beschreibt die Raupe der Phalaena bombyx mori, Plinius den Schmetterling. Erst vom Jahre 551 n. Chr. an aber, in welchem Mönche Eier und die Kunde der Züchtung nach Konstantinopel braehten, wird der Beginn der Seidenzucht in Europa datirt. Noch im ı2. Jahrhundert war sie auf Griechenland, Sizilien und Spanien beschränkt. Im 15. Jahrhundert breitete sie sich von Lucca über Italien aus; unter Heinrich IV. wurde sie durch die Anstrengungen Sully’s in Frankreich eingeführt, und fand unter Ludwig XIV, durch Colbert solehe Förderung, dass um 1655 592 XXXII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. in einem Jahre 27 000 000 Kilogr. Kokons geerntet wurden. In Deutschland machte schon Elisabet Magdalene, die Wittwe des Herzogs von Braunschweig und Schwester Joachims II. von Brandenburg, Versuche, welche jedoch mit ihrem Tode 1595 aufge- geben wurden '). 1670 fand auch die Begründung einer Seidenbaugesellschaft in Bayern statt. Indess erst die Religionsverfolgungen in Frankreich übertrugen den Seidenbau nachhaltiger in die Pfalz und namentlich in die brandenburgischen Staaten. Schon 1685 legten Hugenotten in Peitz, Frankfurt und Potsdam Maulbeerpflanzungen an. 1708— 1714 war für Berlin besonders der Rektor Frisch, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, sehr thätig. Friedrich Wilhelm I. beförderte diese Anlagen und befahl ?) durch Edikte von 1714, 1716, 1731 u. a.°), sie namentlich auf die Kirchhöfe in Städten und Dörfern auszudehnen. Bourgignon, ein Refugie, und David Prager, ein Schutzjude, errichteten um 1720 die ersten Seidenmanufakturen in Berlin und Potsdam. Gleichwohl blieb der Seidenbau sehr unbedeutend; noch 1746—49 wurden im gesammten König- reich Preussen nur roo Pfund Seide jährlich gewonnen. Durch das lebhafte Interesse Friedrich des Grossen aber, das er schon durch das Edikt vom 12. Nov. 1742 und durch die ausführlichen Anweisungen vom 31. Jan. 1750, 22. Juli 1751, 20. Mai 1756 u. a.‘) bekundete, hob sich die Ausbeute so, dass sie 1774 in der Kurmark und: Neumark allein 6315 Pfund und in den Herzogthümern Magdeburg, Pommern und Halberstadt 6849 Pfund betrug. 1782 besass das Land schon über 3 Millionen laubbare Maulbeer- bäume und gewann über 14 000 Pfund Seide. Die Fabrikation von Seidenwaaren er- streckte sich auf alle Arten Stoffe, und kam in den höchsten Flor als 1790— 1800 die Lyoner Manufakturen durch die Stürme der französischen Revolution wesentlich litten. Berlin beschäftigte damals 3— 4000 Seidenstühle. Schon seit dem Tode Friedrich des Grossen aber gerieth mit den mehr und mehr veränderten Umständen die heimische Seidenzucht in Verfall. Die strengen Verord- nungen, welche zum Theil andere Kulturen zu Gunsten der Maulbeerpflanzungen be- schränkten, blieben unausgeführt, und wurden endlich durch ein Kammer-Cirkular vom 19. Januar ı8$ro ausdrücklich aufgehoben. 1791 und 1795 traten Missjahre für die Maulbeere ein. Endlich ertödtete die Kriegszeit fast alle Theilnahme. Erst in den zwanziger Jahren veranlassten die günstigen Erfolge einzelner kurmärkischer Lehrer, welche in ihren Bemühungen ausgeharrt hatten, den Regierungs-Schulrath v. Türk ) seine Aufmerksamkeit derselben wieder zuzuwenden, die Betriebslustigen mit Maulbeer- samen und Grains zu versorgen und auf Unterweisung im Betriebe bei Seminaristen und Lehrern hinzuwirken. Gleichzeitig legte Lenne, als Gartendirektor, in der neuen Laudesbaumschule zu Potsdam grössere Maulbeerplantagen an, deren Pflänzlinge man in der Mark und in anderen Provinzen fleissig benutzte. Dieses Streben wuchs, als hauptsächlich durch den Lehrer Ramlow in Berlin die rascher anwachsenden Maul- ı) Ch. E. Langethal a. a. O. III. 261, IV. 168, 267. 2) Der Vaterländische Gewerbsfreund v. H. Weber, 1819 Th. I. S. 130. — Mayet, Ueber die Seidenfabriken im Brandenburgischen, Berlin 1788. — Salzmann, Anmerkungen dazu, Berlin 1788. s) C. C. M. Th. V. Abth. II. S. 463, 479. 4) Ebd. Cont. II. S.84; Cont. IV. S. 218; N. C.C.T.S.943; Korn: Schl. Ed. VI. N. 506. 5) v. Türk, Anleitung zum Seidenbau, zum Seidenhaspeln und zur Erziehung der Maul- beerbäume, 1— ııı, Potsdam 1829. — Jahresberichte des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues in der Provinz Brandenburg, Berlin 1845 —ı865. — Wegen der Schwierigkeit der Einführung dieses Zuchtzweiges s. v. Viebahn a. a. O. Thl.I. S, 1113. XXXII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. 553 beerhecken und Büsche (Wiesen) aufkamen. Seit den vierziger ‘Jahren bildeten sich für die Seidenzucht in den meisten Provinzen besondere Sektionen der landwirthschaft- lichen Vereine, oder auch besondere Seidenbauvereine, wie z. B. in Preussen zu Finkenstein, Kr. Rosenberg, in Posen zu Meseritz, in Pommern zu Stettin, in Schlesien zu Breslau, zu Glatz, Görlitz, in Sachsen zu Witterda, zu Merseburg (Provinzial-Seiden- bauverein), in Westfalen zu Unna, in Rheinpreussen zu Aachen und Düren, und der bedeutende Centralverein für Brandenburg zu Potsdam. Einer der Hauptgründe für den eingetretenen Verfall der Seidenzucht hatte darin gelegen, dass die meisten Erzeuger von Kokons genöthigt waren, ihr Rohprodukt selbst zu haspeln, um es in marktzängige Waare zu verwandeln. Diese Landseide fiel bei der geringen Uebung und bei den mangelhaften Werkzeugen der Leute gewöhnlich so schlecht aus, dass der Fabrikant keinen Gebrauch davon zu machen wusste, oder nur einen höchst niedrigen Preis zu zahlen vermochte. Die Staatsregierung billigte desshalb den ihr vom Seidenbauverein unter- breiteten Plan der Errichtung von (entral-Haspelanstalten, und bewilliste Prämien für dort eingelieferte inländische Kokons von 2", Sgr. auf die Metze der besten, und ıYy;, Sgr. auf die Metze der geringeren Sorte. Solche Central-Haspelanstalten, welche grösstentheils auch Seidenzucht betreiben, bestehen gegenwärtig in Steglitz bei Berlin von A. Heese, in Berlin von J. A. Ramlow, in Bornim bei Potsdam von Hussack, in Paradies, Kreis Meseritz, in Prettin bei Torgau von Erhardt, in Hamm von Kirten ‘und in Bendorf bei Koblenz vom landwirthschaftlichen Centralverein für Rheinpreussen. Die Steglitzer Anstalt verarbeitet jährlich etwa 12 000 Metzen, und von den übrigen jede zwischen 1000 und 6000 Metzen Kokons. Ihr Produkt von im ganzen etwa 20 bis 25000 Metzen ist auf 2000 Pfund Seide zum Preise von durchschnittlich 8 Thlr. und 16000 Loth Grains*) anzuschlagen. Auch wurden mit gutem Erfolge öffentliche Kokons- märkte in Frankfurt a. O., Stettin und Berlin eingerichtet. j Um die Mitte der fünfziger Jahre begann die Gattina genannte Seidenraupen- krankheit, im gesammten südlichen Europa grosse Verheerungen anzurichten. Sie wird nach Hallier“*) durch die sog. Körper des Cornalia, die Gliederhefe oder den Arthrococeus von Pleospora herbarum Rab. erzeugt, eines überall auf Gewächsen verbreiteten Pilzes, der sehr häufig auf den Maulbeerbäumen vorkommt. Dieser grosse Ausfall rief ein starkes Angebot für die norddeutschen Grains hervor, die sich verhältnissmässig gesund erwiesen. Es wurden davon jährlich für ro bis 30000 Thlr. ausgeführt. Nament- lich aber erreichte der Kaufmann Töpfer zu Stettin durch reine Fortzucht der japani- schen Grains, welche Wichura 1864 auf der japanischen Expedition aus Jocuhama erlangte, besondere Erfolge. Die japanischen Spinner haben bis jetzt kaum Spuren von Krankheit gezeist. Dieser japanische Spinner weicht von Phalaena bombyx mori nicht ab. Auch Bombyx eynthia und Pernyi, die theils rein, theils in Kreuzungen benutzt werden, geben nur Unterschiede in der Feinheit des Fadens. Sie nehmen ausser den Maulbeerbaumarten, Morus multicaulis, alba, alata und morettina, nur im Nothfall auch Scorzoneren-, Ulmen- und Ahornlaub zur Nahrung, auch ist auf kurze Frist Ersatz durch die Blätter von weissen Himbeeren, Kletten, Leindotter, Polygonum centinodis, und selbst durch *) v. Viebahn Bd. IIT. $. 449. **) Anhang zum Jahresbericht des Vereins zur Beförderung der Seidenzucht für die Pro- vinz Brandenburg für 1867/68, mit Einl. über die Hefenpilze und die Gährungsvorgänge. 554 XXXIII. Federvieh-, Bienen- und Seidenzucht. Salat und Reismehl geglückt. Dagegen hat man in neuester Zeit in Potsdam und Bendorf nicht ohne Erfolg versucht, Bombyx yama-mai oder mylitta, den japanischen Eichenspinner einzuführen '), welcher fast mit allen Arten des Eichenlaubes vorlieb nimmt. Der weiteren Verbreitung der Seidenzucht stehen im Staatsgebiete geringe Hinder- nisse entgegen. Das Aufkommen der Maulbeerpflanzungen unterliest selbst in den Ostseeprovinzen wenig Gefahren, die Beschäftigung mit der Seidenzucht aber nimmt nur die geringe Zeit von 4o bis 5o Tagen im Sommer zwischen Aussaat und Ernte in Anspruch und kann zum Theil von Kindern neben dem Schulbesuch besorgt werden. Auch ist ihr national-ökonomischer Nutzen unzweifelhaft, weil die Maulbeeren an Hecken, Wegen, Abhängen und auf sonst unbrauchbarem, geringem Lande gedeihen ?), die Ver- sorgung der Raupen aber wenig Mittel, dagegen vorzugsweise Aufmerksamkeit, Rein- lichkeit und genaue Regelmässigkeit in Anspruch nimmt und der Betrieb auch verhält- nissmässig sehr im kleinen durchführbar ist. Aus einem Loth Eier sind 18—20000 Raupen zu erzielen. Dieselben bedürfen ıo bis 14 Tage zum Auskriechen, 24 bis 32 Tage für ihre 4 Häutungen und ıo bis ır Tage von der letzten Häutung bis zum Verpuppen?). Die Masse Maulbeerblätter, welche auf ı Loth Grains zu rechnen ist, beträgt in den ersten Tagen etwa '» Pfund und steigt in den letzten bis zu ı Ctr. täglich, im ganzen sind dafür etwa 7'% Ütr. zuerst junge, dann ältere Blätter nothwendig, und der bei jeder Häutung grösser werdende Platz, den die Raupen erfordern, beträgt auf ı Loth Grains zuletzt, nahe der Verpuppung, etwa 120 JFuss.. An Kokons werden davon 30 bis 6o Metzen gewonnen. Von den Mailänder Kokons füllen 250 bis 290 eine Metze, von den japanischen 400 bis 480, und eine Metze der ersteren wiegt 1'/o, eine der letzteren ıYs Pfund. Das Loth Grains kostet zo bis 35 Sgr.; Zinsen und Amortisation für etwa 60 Thlr. Kapitalanlage an Maulbeerpflanzungen und Geräthen erfordern 4 Thlr.; etwa 60 Arbeitstage ıo Thlr., Heizung und Tödten der Kokons ı Thlr., Transport und Verwerthungskosten 2 T'hlr. Die Kosten betragen also 17 Thlr. Die Metze Kokons ist mit 20 bis 30 Sgr. verkäuflich, je nach der glücklicheren Abwartung beträgt also der Reingewinn 3 bis 33 Thlr. vom Loth. 60 Mailänder oder 48 japanische Weib- chen legen ı Loth Grains. Der Faden eines Kokons ist auf die Länge von 800 bis 2000 Fuss anzunehmen, seine Feinheit wird durch das Gewicht des Fadens von 400 Haspelumdrehungen auf der Denierwaage in Gran (grains) bestimmt, ı Pfund hat 16 Unzen, ı Unze 24 Denier, r Denier 24 Gran. Durch das in grossen Anstalten aus- geführte sogenannte Konditioniren wird das Gewicht auf gleichmässige Trockenheit zurück- geführt, da die Seide bis ro pCt. Feuchtigkeit annimmt. Von guten Kokons liefern ıo Metzen, von geringen erst 15 ı Pfund gehaspelte Seide. Gute gehaspelte Seide kostet das Pfund ı2 bis ı5 Yhlr., Florettseide 6 bis 7 Thlr. Die Ein- und Ausfuhr des Zollvereins an roher und ungefärbter Seide und roher Florettseide betrug durchschnittlich: Einfuhr Ausfuhr 1836— 1845 9706 Ütr. 1ogo Ctr. 1846 — 1853 I54I2 „ 1576 „ 1854—1863 19450 „ 2240 „ 1864— 1867 22262 „ 5258 „ jährlich. 1) Annalen Bd.45 S. 200, Bd. 45 S. 422. 2) Vgl. Mittheilungen des Acclimatisationsvereins für Deutschland, Jahrg. 1860 No. I—4. 3) Anleitung zum Seidenbau vom sächsischen Seidenbauverein, Halle 1855. AXAIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Die Ausbeute der Jagd und Fischerei ist lange als freies Geschenk der Natur betrachtet worden, für das höchstens die Mühe des Thierfanges in Betracht kam. Dabei lag Gewohnheit und Neigung im Kampf mit dem vorschreitenden Anbau. Wenn schon der Fischer nicht leicht seine Teiche und Seereviere gegen Ackerland und Meliora- tionswiesen tauschte, achtete die frische Jagdlust noch weniger der Nachtheile, welche die guten Wildstände dem Landbau brachten. Die rechnende Wirthschaft der neuen Zeit ist sich auch auf diesen Gebieten des genauen Verhältnisses der Werthe bewusst geworden. Unzweifelhaft hält der Jäger die Jagd mit Recht hoch und erkauft selbst mit Opfern sein rüstiges und vorzugsweise nützliches Vergnügen. Die Zahl der nutzbaren Thiere des Festlandes aber, welche leben, ohne dass Jemand die Kosten des Unterhalts trüge, ist sehr gering; und die Einsicht, dass diese Kosten, — ganz abge- sehen von den Jagd- und Teichfrohnden, — unter den heutigen Verhältnissen eine Belastung einschliessen und Kulturhindernisse bereiten, welche weit über die Absicht und den Anschauungskreis der überkommenen Rechte hinausgehen, wurde der Grund einer weitgreifenden Umgestaltung der Jagd- und Fischereigerechtsame durch Aufhebung und Ablösung. Entsprechend hat auch die Jagd- und Fischereipolizei einen erweiterten, national- ökonomischen Standpunkt gewonnen. Nicht mehr vorwiegend als Gegenstand von Rech- ten, für die jeder selbst eintreten kann, sondern als ein Theil des Nationalkapitals werden gegenwärtig die wilden Thiere geschützt, und zwar auch gegen den Berechtigten. Soweit deren Erhaltung wirthschaftlicher als die Vernichtung, und soweit sich eine Ver- wüstung der in ihnen liegenden Werthe abwenden lässt, sucht die entwickeltere Fürsorge des Staats einzugreifen und durch Vorschriften, die ein augemessenes Verfahren in der Ausübung des Fanges sichern, auch den Reinertrag zu steigern und die Kosten zum geeigneten Ersatz zu bringen. 556 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. A. Jagd- und Jagdwesen. Kaum über irgend ein ähnlich spezielles Rechtsverhältniss lassen sich so viele Urkunden und Nachrichten zusammentragen, als über das Jagdrecht'), und dennoch ist die Frage nach dem Ursprung der Jagdregale keinesweges erschöpfend gelöst. That- sächlich musste zu jeder Zeit ein Unterschied zwischen Thierfang und Jagd gemacht werden. Die Jagd auf nutzbare T’hiere konnte naturgemäss bei freiem Grundeigenthum nicht anders als für einen Theil der Befugnisse desselben gelten. Dem gegenüber aber stand theils die Pflicht der Genossenschaften und der Machthaber, gefährliche Thiere wie Bären, Wölfe, Wildschweine im Interesse Aller und auf jedem Grunde zu erlegen, theils der volksthümliche Gedanke eines Rechts, das der oberste Gerichtsherr an allem Heimathslosen hatte. Zahlreiche Eigenthumsverleihungen erfolgten unter dem selbst- verständlichen Vorbehalte des Wildbannes, auch ohne dass er ausdrücklich erwähnt wurde. In der Regel aber schloss auch der vorbehaltene Wildbann die Theilnahme des Grundbesitzers keinesweges aus. Jedenfalls fassten schon die Juristen des 16. Jahr- hunderts die Jagdgerechtigkeit als ein eigenes Regal auf, welches in ein Recht auf die hohe und eins auf die niedere Jagd zerfiel, und an welchem ohne ausdrückliche Ver- leihung die niederen Stände überhaupt gar nicht, der Adel, die Geistlichkeit und Städte aber nur bezüglich der niederen Jagd in observanzmässiger Weise Theil hatten 2). Verordnungen, die sich in diesem Sinne auch für die Brandenburgischen Lande aussprachen, sind z. B. das Mandat, wie diejenigen, die sich des Wildpretschiessens unterstehen, gestraft werden sollen, vom 9. Dezember 1620°); die Resolution auf Gra- vamina der märkischen Stände vom 13. Mai 1652 °); der Landtags-Rezess für die Marken vom 26. Juli 1653 °); das Edikt vom 9. April 1663 °), wonach den Adligen, die keine Jagd- gerechtigkeit, auch keine Holzungen und Heiden in der Flur haben, in denen sich Wild halten kann, die Jagd nicht zusteht; desgl. vom 18. Januar 1681”), wonach die niedere Jagd dem Adel und den Städten auf ihren Gütern zusteht, ohne dass sie darüber Beweis zu führen haben; das Edikt vom 24. Mai 1681 °), wonach den Elennthieren und Hirschen, die der Kurfürst aus Preussen kommen lassen und ins Freie aussetzen will, kein Schaden zugefügt werden soll, u.a. m. Dass indess diese landesherrlichen Regali- tätsrechte in den brandenburgischen Landen, soweit wir die Geschichte zurückverfolgen können, in ungewöhnlich schonender Weise ausgeübt worden sind, und auch die Unter- thanen den Aemtern wie den Ständen gegenüber eines Schutzes genossen, der die !) Anton a. a. O. I. 148, 469; II. 345; III. 490. — Langethal a. a. O. I. 74, 170; II. 385; III. 185, 270; IV. 71, 367. — v. Rönne, Domainen-, Forst- und Jagdwesen, 1854, S. 880, 908 mit der Literatur. — v. Kamptz, Jahrbücher der Gesetzgebung Bd. 57 S. 1, Bd. 59 S. 28. — Stengel, Bd. r. S. 201. — Pfeil, Zusammenstellung der in Preussen gelten- den Jagdgesetze in den kritischen Blättern für Forst- und Jagdwirthschaft (1822) Bd. 3 Heft 2 S. 143. — Stieglitz, Geschichtliche Darstellung der Eigenthumsverhältnisse an Wald und Jagd in Deutschland, Leipzig 1832. — Stisser, Forst- und Jagdhistorie der Deutschen, Leipzig 1754 S. 36. — Eichhorn, Rechtsgeschichte, $$ I94, 205, 223, 241, 343, Einleitung in das deutsche Privatrecht $$ 54— 156. 2) Eichhorn, Deutsches Privatrecht $ 282. Deutsche Rechtsgeschichte $ 548. ®) C. C.M. Th. IV. Abth.ı S. 547. +) Ebd. Th. VI. Abth. I. S. 417. ®) Ebd. S. 425 zu 68. ©) Ebd. S. 551. 7) Ebd. S. 795. 9) Ebd. S. 571. XXXIV. Jagd- und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 557 Klagen über Wildschaden und Jagdfrohnden, die für jene Zeiten aus anderen deutschen Landschaften überreich berichtet werden, auf sehr geringen Umfang beschränkte, hat W. Pfeil”) überzeugend nachgewiesen, und namentlich gezeigt, dass alle brandenburgi- schen Fürsten auch bei grosser Leidenschaft für die Jagd, ganz in Gegensatz zu der Praxis anderer Länder, nie die Forstnutzung dem Jagdwesen unterordneten, sondern immer das Forstliche voranstellten, als gute Haushalter in der Regel und mit seltenen Ausnahmen die persönlichen Neigungen vor den Rücksichten der Verwaltung zurück- treten liessen, und selbst den Jagdbetrieb mehr aus dem Gesichtspunkte der Benutzung, als aus dem des Vergnügens betrachteten. Das Jagdregal ging noch in das Allgemeine Landrecht über. Die Bestimmungen desselben im Tit. I. Tit. IX. Abschn. IV. unterscheiden gesetzlich zwischen der Jagd und dem freien Thierfange. Was zu den jagdbaren Thieren gehört, oder ein Gegen- stand des freien Thierfanges ist, wird nach dem Provinzialrechte bestimmt. Im Mangel anderer Bestimmungen gehören vierfüssige wilde Thiere und wildes Geflügel, insofern beide zur Speise gebraucht zu werden pflegen, zur ausschliessenden Jagdgerechtigkeit. Danach sind im allgemeinen zu den jagdbaren Thieren zu rechnen: Hirsche, Elchwild, wilde Schweine, Rehe, Hasen, Kaninchen, Auer-, Birk- und Haselwild, Fasanen, Reb- hühner, Wachteln, wilde Tauben, Krammetsvögel, Drossein, Amseln, Lerchen, Schwäne, wilde Gänse, wilde Enten, Brachvögel, Taucher und alle Arten von Schnepfen. Gegenstand des Thierfanges sind alle nicht jagdbaren Thiere, welche in der natür- lichen Wildheit leben, oder welche die Gewohnheit, an einen bestimmten Ort zurück- zukehren, abgelegt haben. Dieselben dürfen zwar von einem Jeden gefangen oder getödtet werden, jedoch ist es nicht gestattet, in fremden Jagdrevieren dieselben auf- zusuchen oder zu jagen. Wer in der Absicht, dergleichen Thiere zu fangen, fremden Grund und Boden ohne Vorwissen oder wider den Willen des Eigenthümers betreten hat, muss das Gefangene dem Eigenthümer auf dessen Verlangen unentgeltlich abliefern. Zu denjenigen Thieren, welehe dem Thierfange unterliegen, rechnet das Landrecht ins- besondere auch die Raubthiere, also Wölfe, wilde Katzen, Marder, 1ltisse, Geier, Adler, Habichte und Falken. Ueber die Vertilgung der Wölfe sind besondere Bestimmungen ergangen, und es sind Prämien auf deren Fang oder Tödtung gesetzt. (Verordnung vom 15. Januar 1814 G.-S. 1814 S. 1.) Dagegen ist das Schiessen, Fangen, Tödten und öffentliche Feilhalten derjenigen Vogelarten, deren Nützlichkeit durch Vertilgung schäd- licher Insekten ausser Zweifel ist, sowie das Ausnehmen der Eier oder der Brut der- selben durch polizeiliche Anordnungen verboten. Zu denselben gehören namentlich die Höhlenbrüter, die Mehrzahl der Finkenarten, die Meisen, Schwalben, Dohlen, Mandel- krähen, die Bussarde, sowie die Eulen mit Ausnahme des Uhus. (Min.-Bl. d. inneren Verw. 1860 S.39.) Füchse, Dachse, Fischottern und Biber werden in einigen Landes- theilen zu den jagdbaren Thieren, in anderen zu den Gegenständen des freien Thier- fanges gereehnet. — 3 Der überkommene Rechtskreis wurde zuerst für die zeitweise französischen Landes- theile durch das Gesetz vom 26. März 1798 und Dekret vom 9. Dezember ıgır er- schüttert, welche die Aufhebung aller Jagdrecehte auf fremdem Grund und Boden aus- sprachen, In derselben Weise hob das Gesetz vom 31. Oktober 1848 (G.-8. 8. 343) auch in allen übrigen Landestheilen sämmtliche Jagdbefugnisse auf fremdem Boden und *) Forstgeschichte Preussens, Leipzig 1839 S. go fl. S. ı1$ fi, 558 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. zwar ohne Entschädigung unter Wegfall der bisherigen Abgaben und Gegenleistungen des Berechtigten auf. Darin lag allerdings ein tiefer Eingriff in die bestehenden Privat- rechte, indess wird bei der Beurtheilung in der Regel nicht genügend berücksichtigt, dass, wenn der gerechtere Weg einer Ablösung der Jagdgerechtsame eingeschlagen worden wäre, der Werth nur nach dem Reinertrage zu bemessen, und desshalb die Ablösungsquote allgemein überaus gering gewesen wäre, dass dagegen über die Jagd- berechtigungen selbst und ihren Umfang in allen Landestheilen weitgehende Rechts- kontroversen schwebten, welche die ohnehin zahlreichen Jagdprozesse bei der Ablösung in einem den Erfolg durch die Kosten weit übersteigenden Grade vermehrt hätten. Es handelt sich also nur darum, ob die unzweifelhafte Verletzung der Eigenthumsrechte über die Grenze der Opfer hinausgegangen ist, welche die gesammte Landeskulturgesetz- gebung in höherem oder geringerem Maasse für die Zwecke des allgemeinen Wohles in Anspruch nehmen muss. . Das Gesetz bestimmte zugleich, dass eine Trennung des Jagdrechtes vom Grund und Boden als dingliches Recht künftig nicht stattfinden könne, und dass die Grund- besitzer in der Ausübung der Jagd nur durch die allgemeinen Gesetze und die besonderen jagdpolizeilichen Vorschriften, welche den Schutz der öffentlichen Sicherheit und die Schonung der Feldfrüchte bezwecken, beschränkt sein sollen. Verfolgung angeschossenen Wildes auf fremdes Jagdrevier (Jagdfolge) ist ferner nicht mehr gestattet. Die Unzuträglichkeiten schrankenloser Benutzung der Jagd führten zu dem Er- lasse des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 (G.-S. S. 165). Nach demselben ist der Besitzer zur eigenen Ausübung des Jagdrechtes auf seinem Grund und Boden nur befugt; a) auf solchen Besitzungen, welche in einem oder mehreren an einander han- genden Gemeindebezirken einen land- oder forstwirthschaftlich benutzten Flächenraum von wenigstens 300 Morgen einnehmen und in ihrem Zusammenhange durch ein fremdes Grundstück nicht unterbrochen sind; b) auf Seen, auf zur Fischerei eingerichteten Teichen und auf solchen Inseln, welche Ein Besitzthum bilden; c) auf allen dauernd und vollständig eingefriedigten Grundstücken, d. h. solchen, welche der Besitzer zu Kulturzwecken vor dem Betreten durch Fremde mittelst Einfriedigungen hat bewahren wollen. Wenn die Grundstücke der drei genannten Kategorien mehr als drei Be- sitzern gemeinschaftlich gehören, so müssen sie die Ausübung des Jagdrechtes Einem bis höchstens Dreien unter ihnen übertragen, oder dasselbe ruhen, oder durch einen angestellten Jäger ausüben lassen, oder endlich verpachten. Alle übrigen Grundstücke eines Gemeindebezirkes bilden der Regel nach einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk. Es ist aber den Gemeindebehörden gestattet, nach freier Uebereinkunft mehrere ganze Gemeindebezirke oder einzelne Theile eines Gemeindebezirkes mit einem anderen Ge- meindebezirke zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirke zu vereinigen. Auch können aus dem Bezirke Einer Gemeinde mehrere für sich bestehende Jagebezirke gebildet werden, deren jedoch keiner eine geringere Fläche als 300 Morgen umfassen darf. Grundstücke, welche von einem über 3000 Morgen im Zusammenhange gTossen Walde, der eine einzige Besitzung bildet, ganz oder grossentheils eingeschlossen sind, werden dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke der Gemeinde nieht zugeschlagen. Die Besitzer solcher Grundstücke sind vielmehr verpflichtet, die Ausübung der Jagd auf demselben dem Eigenthümer des sie umschliessenden Waldes auf dessen Verlangen gegen Entschädigung zeitpachtweise zu übertragen, oder die Jagdausübung gänzlich ruhen zu lassen. XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 559 Die Besitzer isolirt belegener Höfe sind berechtigt, sich mit denjenigen Grund- stücken, welche zusammenhängend den Hof ganz oder theilweise umgeben, also nicht mit fremden Grundstücken im Gemenge liegen, von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke auszuschliessen. Die Ausübung des Jagdrechtes ruhet alsdann, so lange die Aus- schliessung dauert. Nach Massgabe der Beschlüsse der Gemeindebehörde kann auf dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke entweder die Ausübung der Jagd gänzlich ruhen, oder die Jagd für Rechnung der betheilisten Grundbesitzer durch einen angestellten Jäger beschossen, oder sei es im Wege des Meistgebotes, sei es aus freier Hand, auf einen Zeitraum von 3 bis ız2 Jahren verpachtet werden. Die Erpachtung der Jagd darf niemals von mehr als höchstens drei Personen gemeinschaftlich erfolgen. Ein Jeder, welcher die Jagd ausüben will, muss sich einen für den ganzen Staat gültigen auf ein Jahr und auf die Person lautenden Jagdschein von dem Landrathe des Kreises seines Wohnsitzes ertheilen lassen und bei der Ausübung der Jagd mit sich führen. Für einen jeden Jagdschein wird auf das Jahr eine Abgabe von Einem Thaler zur Kreis-Kommunalkasse entrichtet. Die im Königlichen oder Kommunaldienste ange- stellten Forst- und Jagdbeamten, sowie die lebenslänglich angestellten Privatforst- und Jagdbedienten erhalten den Jagdschein unentgeltlich, soweit es sich um die Ausübung der Jagd in ihren Schutzbezirken handelt. Die Bestimmung der Hege- und Schonzeit erfolst nach den zur Zeit der Verkün- dung des Gesetzes vom 31. Oktober 1848 geltend gewesenen Gesetzen (Verordn. vom 9. Dezember 1842 und Publikandum vom 7. März 1843, G.-S. 1843 S.2 u. 92). Die Vorschriften des Allg. Landrechtes (Th. II. Tit. 16 $$ 44—57) über die Schonzeit gelten nur subsidiarisch, soweit die Provinzialgesetze oder landespolizeilichen Verfügungen nicht anders bestimmen. Im Mangel anderweiter Festsetzungen dauert die allgemeine Schon- zeit vom ı. März bis 24. August ($ 48 a.a. O.). Die Schonzeiten für die niedere Jagd werden von den Bezirksregierungen alljährlich nach den Umständen festgesetzt. Den Jagdberechtigten kann auf ihren Antrag zur Vorbeugung von Wildschäden der Abschuss des Roth- und Dammwildes auch in der Schonzeit gestattet werden. Für Schwarzwild besteht keine Schonzeit. Ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des durch Wild verursachten Schadens findet nicht statt; den Jagdverpächtern bleibt dagegen unbenommen, hinsichtlich des Wildschadens in den Verträgen vorsorgliche Bestimmung zu treffen. Das unbefugte Jagen, das unbefugte Betreten fremder Jagdreviere mit Schiess- gewehr u. s. w., sowie der Wilddiebstahl sind mit Strafen bedroht. (Strafgesetzbuch $$ 217, 274— 277, 347-) Die Jagdpolızei wird von den Ortspolizeibehörden und im Aufsichtswege von den Bezirksregierungen verwaltet, und steht unter der Oberleitung des Ministeriums der landwirthschaftlichen Angelegenheiten. — Für die Hofjagden sind einzelne Königliche Forstreviere in der Nähe Berlins und das Jagdgehege der Colbitz-Letzlinger Heide im Magdeburger Bezirke bestimmt. In diesen Hofjagdrevieren wird die Jagdadministration von der Königlichen Forstverwaltung besorgt, die Abhaltung der Hofjagden selbst aber von einem Oberjägermeister geleitet, welcher Vorstand des Hofjagdamtes ist. Diesem zum Hofstaate des Königs gehörigen Hof- Jagdamte sind untergeben: das Jagdzeug-Institut zu Jagdschloss Grunewald, die Fasanerie zu Charlottenhof, die Schwanenzuchtanstalten bei Spandau und Potsdam, der Entenfang bei Potsdam, die Parforcejagd-Equipage zu Jägerhof und der Wildpark bei Potsdam. 560 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Die Central-Forstverwaltung, zur zweiten Abtheilung des Finanzministeriums gehörig, bearbeitet sämmtliche die Staatsforsten betreffenden Jagdangelegenheiten. Für die Jagdverwaltung in den Staatsforsten gilt, wie Bd. I. S. 327 erwähnt, als Regel, dass die Königlichen Oberförster nach dem von dem Oberforstbeamten der Regierung in jedem Jahre festzusetzenden Beschussplane für Rechnung der Staatskasse die Jagd auf Elch-, Roth-, Damm-, Schwarz- und Rehwild, Fasanen und Auerwild administriren, dass da- gegen die übrige Jagd au den Oberförster gegen mässiges, von 6 zu 6 Jahren neu zu regulirendes Pachtgeld verpachtet wird. Wo es wünschenswerth ist, die angrenzenden Gemeindefeldmarken zur Schonung des Waldwildes hinzu zu pachten, wird in einzelnen dafür geeigneten Fällen die Anpachtung seitens der Staatsverwaltung bewirkt. Die Einnahmen und Ausgaben der Jagdverwaltung in den Staatsforsten waren nach Tabelle OÖ. ı der Anlagen für die Jahre 1849 bis 1865 folgende: Einnahme Einnahme aus Zeit- | Jagd- | aus Zeit- Jagd- Jahr Ben verwaltungs- | Ueberschuss Jahr DEIERITErN verwaltungs- | Ueberschuss Administra- kosten Administra- kosten tion tion Thlr. Thlr. | Thlr. Thlr. Thlr. { Thlr. | | 1849 29 460 5.780 23 680 1858 34194 | 7454 26 740 1850 22 367 5.877 16 490 1859 39318 | 4004 35314 1851 22 563 2 214 20 349 1860 42518 | 2790 39 728 1852 24 397 4145 20.252 1861 43464 | 2977 40.487 1853 25 957 3734 |, 22223 1862 46985 | 2480 44 505 1854 26 538 3728 22, 810 1863 47 631 2,282 45 349 1855 27 718 4975 22743 1864 49403 | 3063 46 340 1856 31.086 4454 | 26632 1865 48 304 3 808 44 496 1857 30 567 4805 | 25762 Ueber die Verwaltung der Gemeinde- und Privatjagden liegen Nachrichten nicht vor. Der Umfang, in welchem sich die Einwohner an der Ausübung der Jagd bethei- ligen, d. h. Zahl derer, welche der gesetzlichen Vorschrift durch Lösung eines Jagd- scheines genügen, lässt sich aus der Zalıl der Jagdscheine, welche in jedem Jahre aus- gegeben werden, ersehen. Für das alte Staatsgebiet sind nachgewiesen: Ausgegebene Jagdscheine Ausgegebene Jagdscheine 2 un ee SELL | unentgelt- 3 entgeltlich . en überhaupt entgeltlich | lich überhaupt 1853/54 | 77113 | 5930 | 83043 | 1861/62 | 82412 5504 | 87916 1854/55 | 75736 5857 | 81593 | 1862/63 | 84627 | 5234 | 89861 1855/56 | 70597 | 5744 76341 | 1863/64 | 86764 | 5154 9T 918 1856/57 | 76215 | 5595 sr gro | 1864/65 | 87049 | 5105 92 154 1857/58 | 78732 | 5611 84342 | 1865/66 | 86522 | 4969 91 4gL 1858/59 77392. | 5.6240 033516 1866/67 86.265 5 000 gı 265 1859/60 | 82763 5550 | 88313 | 1867/68 | 87263 4.907 92 170 1860/61 | 83924 | 5576 | 89500 Die Zahl der ausgegebenen Jagdscheine hat sich danach in dem Zeitraum von 1855 bis 1866 nahezu in demselben Verhältnisse wie die Bevölkerung vermehrt. Die letztere XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 561 ist um ı1,7pCt., die erstere um 12,6 pCt. gestiegen. Für die letzten ro Jahre kommen im Durchschnitt des Staates jährlich 209 Einwohner auf r ausgegebenen Jagdschein. Die meisten Jäger sind in Sachsen, wo von 130, und in Westfalen, wo von 150 Ein- wohnern je Einer einen Jagdschein gelöst hat. Die wenigsten sind in Preussen, Posen und Pommern, wo jene Zahl nur auf 306, bezüglich 278 und 26r steigt, Schlesien, Branden- burg und Rheinland stehen mit 232, 229 und ı96 in der Mitte. — Was den Zustand der Jagd und die Bestände selbst betrifft, so ist das Vor- kommen nutzbarer Jagdthiere der hohen Jagd in Preussen, wie im grösseren Theile Europas, mit der zunehmenden Kultur in den letzten Jahrhunderten ersichtlich seltener geworden, und aus naheliegenden Gründen hat auch Grösse und Gewicht der erlegten Thiere abgenommen. Jagdbare Hirsche mussten noch im vorigen Jahrhunderte 400 Pfd. wiegen; sie kamen bis zu 7 Ötr. vor*). Heute ist ein alter Hirsch von 300 Pfd. eine Seltenheit. Dagegen hat sich die niedere Jagd wesentlich gehoben; Hasen und Reb- hühner finden mehr Nahrung und vermehren sich stärker auf dem Kulturlande, als im dichten Walde, und die Ausrottung des Raubzeuges kommt ihnen vorzugsweise zu gut. Pfeil nimmt an, dass im neunzehnten Jahrhunderte in Deutschland vielleicht tausend Hasen auf einen, der im neunten vorhanden war, kamen. (Pfeil’s kritische Blätter 30 Bd. ı. Heft S. 156.) Wohl aber ist der Zustand der Jagd nach Massgabe der schonenden Be- handlung, der Bodenkultur und des Klimas in den einzelnen Provinzen sehr verschieden. In der Provinz Preussen ist die hohe Jagd noch verhältnissmässig umfangreich. Die Königlichen Reviere, allerdings nur die ostpreussischen, haben gute Rothwildstände. Hier ist auch als Besonderheit das Elehwild zu nennen. Dasselbe war 1848 in den Forsten der Bezirke Königsberg und Gumbinnen noch ziemlich verbreitet, gegenwärtig ist es auf das Forstrevier Ibenhorst am Kurischen Haff beschränkt. Von diesem 53 569 Morgen grossen Reviere sind etwa 6000 Morgen Torfmoor und Moosbruch, die übrige Fläche ist ziemlich gut bestandenes Erlenbruch, zwischen dessen Stöcken Rohr, Schilf, Gräser und Weidenwerft — die hauptsächliche Nahrung des Elchwildes — un- durchdringliche Diekungen bilden. Der Bestand, der im Jahre 1849 nur noch ır Stück betrug, hat sich durch fortwährendes Schonen zur Zeit auf 198 Stück vermehrt, Die Elchhirsche haben ein Gewicht bis zu 1000 Pfd. Hirsche wie Rehe erreichen in Preussen ein weit grösseres Gewicht, als in den übrigen Provinzen des Staates. Schwarzwild kommt hier in allen grösseren Waldungen vor. Auch Birk- und Haselhühner sind durchgängig in grösserer oder geringerer Zahl vorhanden, nur in der Tuchelschen Heide fehlen letztere ganz. Einen guten Auerhahnstand hat das Revier Mirchau im Danziger Bezirke und in den Oberförstereien Dingken und Ibenhorst kommen Schneehühner vor. Hasen und Rebhühner finden sich im ganzen nur in geringer Menge; desto reichlichere Beute gewährt die Wasserjagd auf Gänse, Schwäne, Enten und Schnepfen jeder Art. Fischottern sind häufiger als in den anderen Provinzen. Von Raubthieren findet sich der Wolf in Ostpreussen, in der Tucheler Heide ist er selten geworden. Der letzte Luchs ist im Bezirke Gumbinnen bei Goldapp im Jahre 1861 geschossen **). Pommern besitzt weniger Wild. Nur noch im südlichen Theil Hinterpommerns und in einzelnen Revieren, besonders auf Rügen und dem Dars, kommt Rothwild als Standwild vor. Dammwild ist selten, und der Rehstand meist gering. Dagegen hat sich das Schwarzwild seit 1848 in Hinterpommern eher vermehrt als vermindert; und *) Grunert, Forstliche Blätter, 1864, Heft 8 S. 234. **) Ebd. 1862, Heft 4. Boden d. preuss. Staates IL 36 562 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. in den Kreisen F ürstenthum, Lauenburg und Bütow kommen noch Auerhühner und Haselhühner vor. Die kleine Jagd auf Hasen und Hühner ist im allgemeinen schlecht. Im Grossherzogthum Posen ist die hohe Jagd durch die Deyastation der Wälder sehr zurückgegangen. Rothwild ist fast vernichtet; der Rehstand ist besser, und hin und wieder in der neueren Zeit durch Schonung sehr emporgekommen, Hasen und Hühner fehlen zwar nirgends gänzlich, sind aber nur in den fruchtbareren Theilen des Bezirks Posen und im Kreise Inowraclaw für die Jagd von Erheblichkeit. Brandenburg war früher die wildreichste Provinz der Monarchie, und ist es noch in einzelnen Theilen. Das Rothwild fehlt selten in einem Reviere von grösserem Um- fange; die grossen Waldungen an der Spree, der oberen Havel und längs der mecklen- burgischen Grenze, insbesondere die sogenannte Schorfheide im Reg.-Bez. Potsdam, besitzen es noch in einer Menge, dass man ihren Wildstand zu den besten Deutschlands zählen kann. Dammwild kommt in mässigen Beständen im Bezirke Potsdam fast überall vor, während es in der Neumark grösstentheils fehlt. Das Schwarzwild ist noch nicht ganz ausgerottet. Rehe finden sich auf dem besseren Boden in grosser Menge, auf dem schlechten Sandboden aber ist es selbst grosser Pflege nicht gelungen, zu genügend starken Beständen zu gelangen; auch Hasen- und Hühnerjagd bleibt, wo sie nicht sehr geschont wird, in der Regel schlecht, und von den grösseren Waldvögeln ist nur der Birkhahn in einigen Gegenden zu finden. Die Wasserjagd auf den grossen Brüchen an der Warthe und Havel dagegen hat zwar durch die Entwässerungen sehr gelitten, ist aber in vielen Gegenden noch recht gut zu nennen. Die Provinz Schlesien ist jetzt wildreicher, als die Mark. Die grossen Majorate und Herrschaften haben in der Regel sehr gut besetzte Wildbahnen, während das holzarme Mittelschlesien wenigstens gute Niederjagd hat. Rothwild zwar ist nur in den grösseren Forsten heimisch, und Dammwild noch seltener; dagegen aber sind Rehe zahl- reich verbreitet, und zeichnen sich in den Oderwäldern durch ihre vorzügliche Stärke aus. Hasen- und Hühnerjagd ist nirgend schlecht, und in den fruchtbaren Gegenden sogar gut zu nennen; auch Auerwild und Birkhühner halten sich in den waldreichen Theilen ziemlich zahlreich. Ebenso sind die Wasserjagden Oberschlesiens und des Trebnitzer und Neisser Kreises durch die hier befindlichen grossen Teiche vortrefflich. Die zahl reichen Fasanerien der Provinz finden sich zwar nicht so stark besetzt, wie die böhmı- schen, liefern aber jährlich mehrere Tausend Fasanen nach Breslau und Berlin. Die wildreichste Provinz des Staates ist Sachsen. Rothwild kommt zahlreich am Harz, zum Theil allerdings eingehegt, und in den grossen Kiefernforsten des Merseburger Bezirkes vor. In der Altmark und der Colbitzer Heide findet sich daneben auch ein grosser Bestand von Dammwild, und hier wird überhaupt einer der stärksten Wildstände Deutschlands erhalten. Der Rehstand aber ist in vielen Gegenden der Provinz, wo die Laubhölzer herrschen, besonders ausgezeichnet. Auf dem Harz und in den Forsten an der Südostgrenze des Merseburger Bezirkes hält sich Auerwild und in einzelnen Kieferheiden das Birkhuhn, Die Hasen- und Hühnerjagden der Provinz sind berühmt. In Preussen vermag kein ausgedehnterer Landstrich eine solche Menge dieses Wildes aufzuweisen, als die fruchtbare Ebene, welche sich von Halle und der Saale bis an die sandigen Höhen hinter Magdeburg hinzieht. An der Elbe und Saale halten sich in den Oberförstereien Rothehaus, Lödderitz, Grunewalde und Biederitz freie Fasanen, auch finden sich in Lödderitz noch einige Biber an der Elbe. Die Gegend um Barby ist dadurch bekannt, dass dort fast von allem Wilde weisse Exemplare vorkommen. XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 563 Den beiden westlichen Provinzen fehlen die guten Jagdreviere, welche im östlichen Theile der Monarchie vorkommen, und Gegenden, in welchen das Wild so gut wie aus- gerottet ist, sind hier wegen der frühen Aufhebung der Jagdberechtigungen und der Zersplitterung des Grundbesitzes nicht selten. In Westfalen findet sich im Münster- lande Roth- und Rehwild nur noch in dem mit der Rheinprovinz grenzenden Theile des Kreises Recklinghausen, selbst die kleine Jagd ist nur auf wenigen Rittergütern noch von einiger Bedeutung. Nur im Regierungsbezirk Minden hält sich hin und wieder in den grösseren Waldungen ein mässiger Rehstand. Die kleine Jagd im Arns- berger Bezirke ist mittelmässig, im Sauerlande schlecht. Der frühere Rothwildstand ist meist durch die Brackenjagd untergegangen, nur der grosse, zwischen der Möhne und Ruhr belegene Arnsberger Wald hat noch einen Rothwildstand von etwa 200 Stück und einiges Auer-, Birk- und Haselwild. Letzteres kommt auch auf der Standesherrschaft Wittgenstein vor. In der Rheinprovinz ist die Jagd etwas besser, als in Westfalen, Den besten Rothwildstand hat das Gebiet des Fürsten von Wied, doch kommt diese Wild- gattung auch noch in den Bezirken Koblenz und Trier, in den Forsten des Hunsrücks, sowie im nordwestlichen Theile des Düsseldorfer Bezirkes bei Kleve vor. Rehwild ent- halten die meisten Reviere des Gebirgslandes. Schwarzwild wechselt öfter aus den Ardennen und Vogesen herein. Ebendort leidet der Wildstand von Zeit zu Zeit durch Wölfe, deren in den Jahren 1952 bis 1863 im Regierungsbezirke Trier 82 geschossen oder gefangen worden sind. Die kleine Jagd ist nur in den fruchtbaren Gegenden des Düsseldorfer Bezirkes gut zu nennen, Ueber die Anzahl des Wildes und den Ertrag der Jagd an Fleisch und Fellen ist in positiven Zahlen nur der Bestand der Staatsforsten an Hochwild, ferner der Gesammt- abschuss auf den Staatsforsten und Domainen, und endlich die Einfuhr von steuerpflich- tigem Wild in Berlin bekannt*). Aus ersteren Daten hat O. v. Hagen in seinem bereits Bd. II. S. 330 genauer erwähnten Werke über die forstlichen Verhältnisse Preussens Anhang A. den Naturalertrag der Jagd in den acht alten Provinzen sowie den Werth lieses Ertrages für die Volkswirthschaft berechnet. I Der Bestand der Staatswaldungen betrug 1866: en Rothwild |Dammwild| Rehwila | Schwarz | Anerwild | Eichwild Stück Auf 8038 204 Mg.Staatsforstareal | 7494 | 3851 | 31981 lı 773 865 271 mithin auf 10000 Morgen. ... 93 4,8 39,8 2% 1,07 0,33 und verhältnissmässig auf der Gesammtwaldfläche des Staats- gebiets von 26 800000 Morgen | 24924 | 12864 |106664 | 5896 2 867 Slmatılorst Der Abschuss auf den Staatsforsten und Staatsdomainen lässt nach v. Hagen folgende Ueberschlagsrechnung für die acht alten Provinzen zu: *) Die in Schubert's Staatskund®Preussens 1848 Bd. 2 S. 189 im Anhalt an Dieteriei’s Angaben über die Wildsteuer in der Abhandlung „die national-ökonomische Bedeutung der Jagd“ (Mittheilungen Jahrg. IL. S. 350— 355) auf etwa 27 500000 Pfund berechnete Wild- konsumtion Preussens scheint beträchtlich zu hoch angeschlagen. 36* 564 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Auf dem Auf dem Es werden also ab- geschossen jährlich auf 10 000 Morgen Giebt Naturalertrag der Jagd auf dem gesamm- Staatsforst- | Staatsdomai- ten Gebiet der acht alten Provinzen jährlich Areal nenareal Jagdbare Wildarten werden werden land- j ln jährlich ab- | jährlich au- | Forst- SarIn, cn landwirthschaft-| zusammen geschossen geschossen areal on Forsten lichen Areal Stück Stück Stück Stück Stück Stück Stick Rothwildere een | 1264 5 1,6 : 4288 R 4288 Dammwldesrssre: c 768 . 0,95 ® 2.546 5 2546 KRehwildinein ee. ae 4.303 & 5,3 ö 14 204 . 14 204 Schwarzwild....... 708 e 0,88 5 2358 B 2358 Auerwaldies.Bernkesee 54 . 0,97 187 . 187 Elchwild. 2..02.% 17 ® 0,02 c 54 5 54 Hasen 1. er ter 774875 16 517 22 141,2 59 496 1037820 | 1097316 Rebhühnerselescnerencnshe 3 087 20715 3,8 1770 10 184 I 300 950 I3I1134 Fasanen ...... 886 167 30 0,2 0,25 536 1837 2373 Birckwälde era es 426 x O5 L 1340 5 1340 Haselwild ...... or 300 162 0,37 B 992 is 992 Schnepfen@. rast: 3 925 ö 4,9 ö 13 132 3 13 132, Inter en eeetefetinle 1885 5 2,3 1,4 6 164 10 290 16 454 Kaninchen... 2... .. 2505 b Sl | & 8308 ö 8 308 Rüchnegpetee dee: 38 3 508 5 43 - II 524 5 II 524 Dachsenn Venen 193 > 0,24 . 643 e 643 Krammetsvögel (Doh- Schock Schock | Schock Schock nenstrich)}wensrutelelete 1434 Ä 1,8 < 4324 g 4824 Zusammen oder auf den Kopf der Nach den Steuernachweisungen für die in Berlin auf Grund des Erlasses vom 8. März 1847 (G.-S. S. 195) zum Besten der Armenkasse erhobene Wildsteuer waren hier 1865 eingegangen: 1253 Stück Rothwild, 940 Stück Dammwild, 385 Schweine, 8 305 Rehe, 140 Frischlinge, 9 090 Fasanen, Waldschnepfen, Trappen, Birk-, Hasel- und Auerwild, ır0o024 Hasen, 1976 wilde Enten, 1420 Ziemer, Keulen und Vorderblätter von Roth-, Damm und Rehwild und von Schweinen. Von Rebhühnern und sonstigem Flügelwildpret wird diese Steuer nicht erhoben. B. Fischerei und Fischzucht. Die Bedeutung der Flüsse und Seen für die älteste Besiedelung ist seit der Entdeckung der Pfahlbauten allgemeiner zur Anschauung gekommen. Nicht weniger als die leichte Kommunikation auf dem offenen Wasser und den Uferstrecken begünstigte auch die Fischerei das Vordringen der Bevölkerung in den Urwäldern. Die stehenden Gewässer von geringerer Ausdehnung sind in späterer Zeit als dem angrenzenden Grundeigenthum zugehörig betrachtet worden, für die schiffbaren bildete sich in der deut- schen Rechtsanschauung früh die Idee des landesherrlichen Wasserregales aus, das mit dem Rechte an Heerstrassen und Fremdenverkehr verwandt erscheint. Grössere Seeflächen und der Meeresstrand wurden als herrenlos der Staatsgewalt unterworfen. An dem Wasserrecht aber hing die Fischerei, die sich für manche Oertlichkeiten auch wieder mit XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 565 Tr re ee TG ee u ee ee nn? Das Fleisch- Dazu gewicht Giebt im Ganzen Der Summe der Werth Für Häute und Zusammen des Wildes Geldwerth der Häute jährlicher Geld- "leischgewi des Geldwerthes Felle ist auf das TEE des Pfundes ? Bi: “ und Felle ar werth Stück Jährlich Fleisch ist jährlich für das Stück jährlich des Wildes mit Thlr. bez. Schock Pfd. Thlr. Thlr, Thlr. Pfd. 120 514 560 2! 42 880 1a 5717 48 597 so 127 300 2a 10 680 2a 1697 12 305 25 355 100 4 47 347 Y% 2841 50 188 60 141480 3 14.148 a 1179 15 327 250 13 700 1Ya 685 3 162 847 5 5 486 580 3 548 658 Yıo 109 731 658 389 %a 983 351 5 163 892 . . 163 892 2 4746 Io 1582 5 1582 2 2.680 7'R 670 Ä 670 Ya 744 1de) 248 248 Ya 6 566 Io 2188 2188 1a 2.4 681 2.486 ; 2.468 2 16 616 831 7750 464 840 737 | 134968 975 705 Bevölkerung je 0,4 Pfund. dem Wildbann verknüpfte'). Auf allen schiffbaren Gewässern erforderte die Fischerei- gerechtigkeit in der Regel ausdrückliche Verleihung. Sie ist Gegenstand zahlreicher Verbriefungen. Das Mittelalter legte schon der Fasten wegen erheblichen Werth auf den Fischfang. An den deutschen Strömen bildeten die Fischer-Innungen bedeutende städtische Korporationen. In den Slawenländern aber lagen die Hauptorte vorzugsweise in den tiefen Strom- und Seeniederungen, und die deutschen Stadtanlagen, die sich an sie anschlossen, bewahrten in der Mehrzabl noch bis in die neueste Zeit sogenannte Kietze oder Fischervorstädte, in denen vorzugsweise Slawen wohnten?). In den Ufer- städten des Oderbruchs, dessen überreiche Fischerei Bd. I. $. 446 erwähnt ist°), kom- men neben den Fischer- sogar besondere Hechtreisser-Innungen vor. Theils aus solchen genossenschaftlichen Rechten am Fischfange, theils aus den landesherrlichen Regalitätsrechten gingen schon früh Fischereiordnungen zur Abgrenzung der gegenseitigen Befugnisse der Berechtigten und der Grundbesitzer hervor. Von älteren brandenburgischen Fischereiordnungen regeln die von ıs5ı und 1574 Fang und Zeug ‘), die vom ı2. Dezember 1668 verbietet das Nachtfischen °), die Erneuerte Fischer- !) Eichhorn, Einleitung in das deutsche Privatrecht $ 265, 267. — Lette und v. Rönne, Landeskulturgesetzgebung Bd. II. b. S. 569, 761, 26. 2) Klöden, Geschichte des Oderhandels Heft I. S. 26, 90; II. 14. °) Ebd. II. 41; IV. 38. z. B. in Küstrin, Oderberg, Wrietzen, Freienwalde. 4) C. C. M. Th. 4, Abschn. 4 S. 183 fi., ıgı. 5) Ebd, Abschn. 2, Cap. 4 S. 197. 566 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. ordnung vom 3. März 1690') aber ist bis zur neuesten Zeit in Geltung geblieben. Das Allgem. Landrecht?) hat den Gedanken, dass die Fischerei in öffentlichen Strömen zu den Regalien gehört, aufrecht erhalten, auch die Fischereiberechtigungen in dem her- kömmlichen Umfange der wohlerworbenen Rechte anerkannt, im übrigen aber die Fischereinutzung ebenso wie die nicht fliessenden Gewässer für Theile des Grund- eigenthums erklärt. Fische, welche aus Privatgewässern bei grossem Wasser oder Damm- bruch austreten, können nur so weit verfolgt werden, als sich sichere Merkmale des Eigenthums angeben lassen. Auf seinem Eigenthum kann Jeder Fischteiche anlegen, auch die Fischerei in Teichen und geschlossenen Privatgewässern nach Gutdünken ausüben. Berechtigungen zur Fischerei in solchen stehenden oder Privatgewässern sind auf Antrag jeder Partei nach dem Zusatzgesetz zur Gemeinheitstheilungsordnung vom 2. März. 1850 in der Bd. I. S. 413 angegebenen Weise ablösbar. In öffentlichen, sowie in nicht: eingeschlossenen Privatgewässern müssen bei Ausübung der Fischerei die Vor- schriften der Polizeigesetze wegen der Laichzeit, des verbotenen Fischerzeuges und was sonst darin zur Verhütung des Ruins der Fischerei verordnet ist, genau befolgt werden. Auch darf in Privatflüssen Niemand, der nicht ein besonderes Recht dazu erworben hat, durch Versetzung des Flusses ober- oder unterhalb, den freien.Gang der Fische hindern. Das Fischereirecht aber bezieht sich auf alle in den fraglichen Gewässern lebenden Thiere, jedoch mit Ausschluss der Fischottern, Biber und Wasservögel und der- jenigen Amphibien, welche mit Schiessgewehr, Fallen oder Schlageisen gejagt werden. Die Vorschriften über Fischereipolizei sind für die wichtigsten Gewässer des Staats- gebietes einer sorgfältigen Revision unterzogen worden, welche zunächst zu der ausgedehn- ten Gesetzgebung vom 7. März 1845 geführt hat°), nämlich der Fischereiordnung für die Provinz Posen (G.-S. $S. 107), für die Binnengewässer der Provinz Preussen (G.-S. S. 114), für das Frische Haff (G.-S. S. ı2r), und für das Kurische Haff (G.-S. S. 139 und 1850 $. 363); ferner ist für die in Pommern belegenen Theile der Oder, das Haff und dessen Ausflüsse die Fischereiordnung vom 2. Juli 1859 (G.-8. S. 453 und 582) mit der Abänderung in Betreff der Laichzeit vom 30. März 1863 (G.-8. S. 125) und die Fischereiordnung für den Regierungsbezirk Stralsund vom 30. August 1865 (G.-S. S. gar) erlassen worden. Dagegen sind die erwähnte brandenburgische Fischereiordnung vom 3. März 1690 durch Erlass vom rs. März 1858 (G.-S. $S. 281), mit Ausnahme der darin enthaltenen eivilrechtlichen Vorschriften, und das bezügliche Kapitel g der Magde- burger Polizeiordnung vom 3. Jan. 1688 (G.-S. $. 281) aufgehoben worden, und es gilt in der Mark die Kab.-Order vom ıo. Sept. 1857, betreffend die Fortschaffung der schäd- lichen Fischwehre in der Havel und Spree, nebst der darauf bezüglichen Bekanntmachung der Ministerien des Innern und der Finanzen vom ıo. Oktober 1839 (G.-S. S. 327). Für die Landestheile des französischen Rechts‘) verweist Art. 715 des Code Napoleon hinsichtlich des Rechtes zu fischen auf die besonderen Gesetze. Diese beson- deren Vorschriften vom 6. und 30. Juli und 26. September 1793 haben die ausschliess- liche Fischereigerechtigkeit aufgehoben, und das Gesetz 4. März 1802 (v. Daniels Hand- buch Bd. IV. S. 376) sprach aus, dass die Fischereinutzung der schiffbaren und flöss- baren Flüsse und Ströme dem Staate gehöre, jedoch Jedem zustehe mit der Handangel zu fischen. Dieselben Erlasse sowie die durch Beschluss des Vollziehungsdirektoriums 1) C.C.M. Th.4 Abs. 2, Cap. 4 S. 247. 2) Th. I. Tit. IX. $ 170, ff. %) Vergl. Jahrbuch für die amtliche Statistik Preussens 1863, Bd. I. S. 385. “) v. Rönne: Staatsrecht, Bd. II. S. 620. XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 567 vom 16. Juli 1798 grösstentheils wiederhergestellte Ordonnanz vom August 1669, Tit. 31 Art. 5—12, 14, 17, 18 (ebd. Bd. I..S. 37 und Bd. IV. S. 693) enthalten die allgemeinen Polizeivorschriften zum Schutze der Fischerei. Bezüglich des Nachtfischens auf dem Rhein gilt eine Grossherzoglich bergische Verordnung vom 30. Oktober 1807 (v. Salm und Schmitz: Ergänzungen des preussischen Strafgesetzbuches, 1853 8. 867). Das Gesetz vom 23. Juni 1833 (G.-S. S. 78) hat demnächst die Verordnung des ehemaligen Gouverne- ments am Mittel- und Niederrhein vom 18. August 1814 über die Fischerei aufgehoben und wegen deren Benutzung und Ausübung den vor Erlass jener Verordnung bestan denen Zustand wieder hergestellt (vergl. v. Kamptz Annalen Bd. 3 S. 364). Ueber den Schutz der Forellenfischerei in den linksrheinischen Gewässern ist die Kab.-Order vom 5. Juni 1847 (G.-S. $. 287) ergangen. — In neuester Zeit ist, über den polizeilichen Schutz der Fischerei hinaus, die Staatsregierung auch für die Beförderung der Fischzucht durch künstliche Gewinnung des Laiches und Aufzucht der jungen Brut, sowie für Anlage von Austernbänken, ver- besserte Einrichtungen für Seefischerei, genossenschaftliche Vereinigungen und andere Förderungsmittel dieser Zwecke in der Weise wirksam geworden, dass sie theils auf Staatskosten Versuche und genauere Prüfungen der im Auslande gemachten Erfahrungen herbeigeführt, theils Private und Vereine in diesem Sinne angeregt und unterstützt hat. Das Verfahren, durch leiehten Druck den. Laich der Fische zu gewinnen und künstlich zu befruchten, sowie die Aufzucht in geeigneten Gefässen durchzuführen, wurde schon im vorigen Jahrhundert durch einen lippeschen Müller und den Lieutenant Jacobi zu Hohenhausen entdeckt, um 1758 von dem Grafen Goldstein zu Düsseldorf an Foureroi in Paris mitgetheilt, 1763 und 1765 im hannöverischen Magazin ver- öffentlicht und 1764 von Gleditsch der Akademie zu Berlin vorgetragen. Es hat sich im Lippeschen bis zur Gegenwart erhalten und ist seit 1837 von Schaw und Boccius in England, seit 1840 von Remy Gefin und Coste in Frankreich ausgedehnter benutzt worden”). Bei der grossen Fruchtbarkeit aller Fischarten ist es nur der Mangel an Schutz, der die junge Brut im freien Wasser nicht in grösserer Anzahl aufkommen lässt. Werden die Fische bis zu gewisser Grösse aufgezogen, so unterliegen sie, in Freiheit gesetzt, meist nur geringen Gefahren, Auch die Austern können durch ähnlichen Schutz für den Laich an warmen Küsten in nahrungsreichen Meeresbuchten gezüchtet werden; die Brut haftet an Dach- pfannen und Steinen, die gartenbeetartig ausgelegt werden, und wird, wenn die tiefe Ebbe sie freilegt, mit Harken gesäubert und so geordnet, dass jedes einzelne Thier Platz zum Wachsen behält; an deutschen Küsten begegnet die Zucht wegen des Frostes grossen Schwierigkeiten und scheint nur in solchen Meerestiefen ausführbar, die die Sicherheit schon sehr beeinträchtigen. Was die Erfolge aller dieser Versuche im Grossen betrifft, so kann darüber nur längere Erfahrung entscheiden ”*). *), v. Viebahn a. a. ©. Bd. IH. S. 481. *) Vergl. über die künstliche Fischzucht Annalen Bd.2ı S.274; Bd. 22, 115, 429, 445; Bd. 24, 429, 453; Bd. 28, 104; Bd. 33, 298; Bd. 34, 234, 308, 396; Bd. 42, 87, 216. Auch Coste: Die neuesten und wichtigsten Verbesserungen in der Fischzucht; Leipzig 1853. — Fraas: Die künstliche Fischerzeugung; München 1854. — G. Wirth: Der praktische Fischerei- betrieb in seinem höchsten Ertrage; Wittenberg 1862. — Ueber Verbesserungen in der See- fischerei s. Annalen Bd. 45 S. 232, Bd. 46 S. 345. — Ueber die Austernzucht ist die Denk- schrift des Ministeriums der landwirthsch. Angelegenheiten auf den Reichstagsbeschluss vom 22. Juni 1868 zu vergleichen, 968 XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Vielfache Bemühungen sind ferner der Blutegelzucht zugewendet worden, welche von einigen Züchtern bei Berlin und Breslau, auch in Jordanowo bei Inowraclaw, namentlich aber im Grossen in Rackwitz, im Kreise Bomst, mit Erfolg betrieben worden ist, hier aber durch das Verbot der Einfuhr nach Russland viel. verloren hat'), Der Preis des Pfundes Blutegel ist r1o—ı5 Thlr.; im Einzelverkauf wird nach medizinal-polizeilichen halbjährlichen Festsetzungen das Stück zu 2 Sgr. durchschnittlich abgegeben ?). — Was die Ausdehnung der Fischerei in den einzelnen Theilen des Staates betrifft, so vertheilen sich die Wasserflächen und die ausschliesslich von der Fischerei lebenden Gewerbtreibenden auf die einzelnen Provinzen in folgender Weise °): Wasserfläche Fischer- I Kr — an Gehülfen Auf der| Auf der & = Zu- 1 ? auf je für und is Meile | [Meile Provinz in in 1000 eigene en Fischer |] ON der Ge-| Rech- Lehr- auf Land | Wasser Morgen ÜMeil. | sammt- | nung ar- 1a Fischer Ein- fläche | beitend 1089 wohner Fischer | Fischer RN ON ER 1 882 860 954 518 EURE SH CH eLeii® 224 987 Brandenburg ..| 474558 Schlesien .... 193 189 Sachsen ...,..2.. 128 743 Westfalen .... 30 194 Rheinland ....| 124 910 Hohenzollern . . 4739 Summe .. -]3 965 930 | 186,19 | 37 7197 | 3 322 E org] I 678 | 2,2 | 59 Allerdings ist dies Bild sehr unvollkommen, weil dabei weder die wirklich fisch- baren Gewässer genau gesondert, noch diejenigen Fischer angegeben sind, die die Fischerei nur als Nebenbeschäftigung oder als Hülfsarbeiter betreiben. Ueber die Zahl solcher nur gelegentlich Beschäftigter, die namentlich im Binnenlande sehr überwiegt, ist keine Muthmaassung möglich. Zur polizeilichen Aufsicht über die Fischerei auf den Staatsgewässern sind im Regierungsbezirk Gumbinnen 19 Fischerei-Aufseher, in Königsberg 2 Oberfischmeister, 8 Fischmeister und 26 Fischerschulzen, im Regierungsbezirk Stettin 1 Oberfischmeister und ı2 Fischkieper, und im Regierungsbezirk Koblenz ır Salmenfischerei-Aufseher von der Domainenverwaltung angestellt. Ausserdem ressortirt im Regierungsbezirk Stralsund ı Fischmeister von der landwirthschaftlichen Centralbehörde. Der Betrieb ist bei der Bd. I. S. 103 und Bd. II. S. 361 näher dargestellten Be- schaffenheit der Gewässer nothwendig sehr abweichend. 1) Vergl. Annalen Bd. 5 S. ıı$ und 147; Bd. ı2 S. 226 und 22 S. 417. — M. Neumark: Ueber die Anlegung von Blutegelteichen und die künstliche Blutegelzucht; Berlin 1862. — R. Stanelli: Der medizinische Blutegel und seine naturgemässe Aufzucht; Berlin 1863. 2) Ueber diese Festsetzungen durch die technische Kommission für pharmaceutische Angelegenheit vergl. M.-Reskr. vom 1. September 1853 im Min.-Bl, f. d. innere Verw. S. 192. 3) Näheres über die Vertheilung auf die Regierungsbezirke und die sonstigen Verhält- nisse vergl. in dem Abschnitt: Die Fischzucht und die Fischerei im Jahrbuch für die Amtliche Statistik Preussens 1863 Th, I. S. 381 ff, XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 569 Die Seefischerei an den Ostseeküsten ist sehr beträchtlich und durch die Rück- wirkung auf die Seetüchtigkeit der Küstenbevölkerung von Bedeutung. Sowohl der Östseestrand selbst, als auch die Haffe und Bodden sind in lohnender Weise fischreich. Aus der Vergleichung der über den Stand der Handelsmarine für das Jahr 1860 im Jahrbuch für die amtliche Statistik Bd. I. S. 557 und 558 angegebenen Zahlen lässt sich entnehmen, dass im Bezirk Königsberg ı4, Danzig ı8, Köslin 74, Stettin 7ı und Stralsund 107 Seefahrzeuge nicht bei der Rhederei betheiligt, also als seefahrende Fischerfahrzeuge zu rechnen sind. Die Zahl der Fischerboote an der Küste und auf den Haffen beträgt mehrere Tausend. Der Fischerkolonien auf den Nehrungen und an den Haffufern ist schon Bd. I. S. 218 und II. S. 156 gedacht. Für die eigentliche Seefischerei ist der Hauptfisch der Hering (Clupea harengus). Er wurde schon im ır. und 12. Jahrhundert in Massen gefangen und eingesalzen und war ein äusserst wichtiger Gegenstand des Handels nach dem Binnenlande und des Schiffsverkehrs auf der Oder, Warthe und Weichsel*). Die von Wilhelm Beukelsson um 1416 verbesserte Methode des Einsalzens und Pöckelns ging bald auch auf die Heringsfischerei der Ostsee über. Die Ausbeute verlor später durch Konkurrenz die frühere Einträglichkeit. Der Gewinn an den Küsten Pommerns ist gegenwärtig etwa 20000 Tonnen jährlich, zum Preise von je 6—7 Thlr. Der Fang in den Jahren 1863 bis 66 war nur schlecht, zu Zeiten ist er aber so reich, dass die Fische zum Theil in den Dünger geworfen werden müssen. Auch Sprotten, Anchoven, Schollen, Flundern, Steinbutten, Makreelen, mehrere Dorscharten, der Sandaal, Meergründeln, Seeforellen, Seestinte werden ausschliesslich im Meere gefangen. Von der Fischerei in den grossen Strandgewässern geben die obengedachten ört- lichen Fischereiordnungen ein anschauliches Bild. Aus den ausführlichen Bestimmungen lassen sich Art und Weise und die Bedingungen erkennen, unter denen der Betrieb je nach Zeit und Fischgattung mit sehr verschiedenen Fangzeugen stattfindet. So unter- scheiden sich bei offenem Wasser die Segelfischerei im Kurischen Haff als Kurren-, Bradden- und Keitelfischerei u. ähnl., die Zeesenfischerei an den Odermündungen nach zehn verschiedenen Arten Zeesennetzen. Die Fischerei mit Booten ohne Segel wird mit dem grossen Gezeuge, d. h. dem Windegarn, Schaargarn und als Dobenfischerei; oder mit dem kleinen Gezeuge, dem Brassen- oder Triebnetz, dem Waadegarn- oder Ziehnetz, den Staak- oder Kaulbarsnetzen betrieben, ebenso theilt sich die Sackfischerei in solche mit Schnepel-, Aal-, Haff- und Neunaugensäcken, Lachsfischerei in die mit Lachsnetzen und mit grossen Lachswehren oder mit kleinen Lachsstellen, Im Winter wird die grosse und kleine Wintergarnfischerei und die mit Staaknetzsäcken, mit Kaul- bars-, Waadegarn- und Stintgarnnetzen ausgeübt. Auch Reussen- und Korbfischen, Angelfischen und Fischstechen mit Speeren ist genauer bestimmt. Die Lupow und Stolp, der Gardesee und der Unterlauf der Weichsel- und der Memelverzweigungen sind reich an Neunaugen, Stör und Lachs. Allein die Ausbeute dieses Fanges in den Mündungen des Russ und im Athmath- und Skierwiethflusse wird auf jährlich etwa 15 000 'Thlr. Werth veranschlagt. Sie kommt durch Danziger und Elbinger Lachshändler und durch russische Kaufleute zum Vertriebe. Das Schock Neunaugen wird mit 225 — 3} Thlr., das Pfund Lachs mit 12—ı4 Sgr., das Pfund Aal mit 4—6 Sgr. bezahlt. *) Ausführliche Nachricht darüber bei Klöden: Geschichte des Oderhandels; Heft VII. (1853) 8. 43 ff, auch Heft I. (1845) 15, 44, 54; IV. 47, 5r. 570 XXXIV, Jagd- und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. Im Binnenlande hat als selbständiger Nahrungszweig der Bevölkerung der Betrieb auf den grossen, von Preussen und Pommern bis über den Norden von Posen und der Mark verbreiteten Seeflächen vorzugsweise Wichtigkeit. Die Grösse dieser Binnenseen und ihre theils auf Rohr- und Streunutzung und theils auf Fischerei gegründeten Grund- steuer-Reinerträge sind Bd. II. S. 369 unter Vergleichung aller Provinzen besprochen. Die Fischereiordnungen von Pommern und Posen und besonders die für die Binnen- gewässer von Preussen bezeichnen alle wichtigeren Fischarten, die hier vorkommen, und treffen Bestimmungen wegen der Laich- und Schonzeit, der Behandlung der Brut und wegen der verschiedenen gestatteten und nicht gestatteten Arten des Fanges. Die masurischen Seen sind grösstentheils fiskalisch, und die Fischerei: wird in der Weise einer Pachtfischerei betrieben, bei der indess verschiedene Realrechte, Pri- vilegien und Privateigenthumsrechte aus alter Zeit bestehen und zur Ausübung kommen. Sie ist hier ein sehr beliebtes Gewerbe. Die gewonnenen Fische werden nicht am Orte verkauft, sondern unmittelbar nach dem Fange in Tonnen zu 2 Scheffel Inhalt verpackt und meist durch polnische Händler nach Warschau oder in andere polnische Städte abgesetzt. Die Tonne hat einen Preis von 2—ıo Thlr., Stinte gelten in der Regel 2 Thlr., Hechte 9, Barsche 4, Brassen 6, Weissfische, Plötze u. dgl. 2 Thlr. Im Ein- zelnen sind die Preise beträchtlich höher. Die Westpreussischen Seen enthalten die- selben Fischsorten, der Ostrowitter und Blondzininer See im Schwetzer Kreise auch Maränen. Die klimatisch milder belegenen pommerischen Seen erzeugen besonders zahlreiche und vorzügliche Fische; die Madue-Maräne ist wegen ihres Wohlgeschmacks berühmt, obwohl selten; dagegen ist die kleine Maräne häufig und Karpfen, Karauschen, Zand, Wels, Barbe, Döbel, Gründling, Schmerle, Aland, die Prieke verschiedener Arten, Barsch, Kaulbarsch und Aal gewähren durch Fang, Verpackung und Handel einen erheblichen Theil des Lebensunterhaltes der Nachbarbevölkerung. Aus mehreren pom- merischen Seen werden auch starke, ziemlich regelmässige Versendungen von Krebsen nach Paris ausgeführt. Die Seen um Polzin. im Kreise Belgard und Neustettin sind dabei reich an Blut- egeln, deren Einsammlung einen besonderen Erwerbszweig ausmacht. Es werden jähr- lich mehr als 7 Millionen Blutegel über Stettin und Hamburg nach England, und andere 7 Millionen jährlich nach Frankreich und Nordamerika ausgeführt, deren Gesammtwerth an Ort und Stelle bei mässiger Veranschlagung 600000 Thlr. übersteigt. Die ausgedehnten Seeflächen von Posen stehen an Fischreichthum hinter dem Binnenlande von Öst- und Westpreussen nur wenig zurück, genügen indess gleichwohl dem Bedarfe der weit überwiegend katholischen Bevölkerung nicht. Starke Zufuhren nach Posen erfolgen desshalb sowohl aus Preussen und Pommern, als auch aus dem nördlichen Schlesien. In Brandenburg ist die Fischerei auf den Landseen weniger be- deutend. Dagegen ist in der Mark die Stromfischerei besonders beträchtlich. Ueber den überaus grossen Fischreichthum, der früher im Oderbruche bestand, sind schon Bd. I. S. 446 Nachrichten gegeben. Die ausgedehnten Meliorationen verringerten die fisch- baren Gewässer wesentlich, indess sind die Gräben und Stromläufe des Oder- und Warthebruchs, und ebenso die Havelseen, der Spreewald und andere Gewässer des Spreethales noch ungewöhnlich fischreich und erzeugen namentlich viele Aale, Hechte, Schleien, Barsche und Krebse. Neustadt-Eberswalde nimmt an den Versendungen von Krebsen nach Paris lebhaften Theil. Auch in der Elbe hat sich die Fischerei zwar XXXIV. Jagd und Jagdwesen, Fischerei und Fischzucht. 5A andauernd verschlechtert, indess wird sie noch immer zum Theil von zahlreichen städtischen Fischergilden betrieben und liefert nicht selten grosse Tafelfische an Welsen, Zanden, Lachsen und Hechten. Der Lachs- und Störfang um Magdeburg ist seit Alters bekannt und noch reich genug, dass Kaviar bereitet wird. Schlesien und die Lausitz, sowie, wenn auch in geringerem Grade, die ebenen Theile von Sachsen, Westfalen und Niederrhein besitzen und betreiben Fischerei nennenswerth nur als Teichfischerei. Der Besatz der Teiche besteht ausschliesslich aus Karpfen und Schleien und als Zusatz einigen Hechten und Barschen. Die mit r bis 3 Jahr Ackerbestellung wechselnde Bewirthschaftung der nahezu 40000 Morgen schlesischer Karpfenteiche ist oben Bd. II. S. 365 näher angegeben. Der Centner Karpfen gilt hier je nach der Grösse der Fische 6—ı5 Thlr. Die kleineren Teichflächen werden meist nur über den ersten Winter nach dem Ausfischen trocken liegen gelassen. Von der im Streich- und Streckteiche aufgezogenen ein- sömmrigen Brut kann in den Hauptteich, je nach der Güte des Teichwassers und der Nahrhaftigkeit und sorglichen Haltung des Teiches auf je 2—4 ORuthen Fläche ein Stück eingesetzt und ı oder 2 Jahr aufgezogen werden. Alle Gebirgslagen der östlichen und westlichen Provinzen besitzen in ihren Bergbächen als Hauptfisch die Forelle. Der Forellenfang bildet einen nicht ganz un- wesentlichen Erwerbszweig. Der Vertrieb der Forellen, der wegen der Nothwendig- keit, sie stets in bewegtem und zuträglichem Wasser zu halten, bestimmte Wege innehalten muss, hat nicht unbeträchtliche Schwierigkeiten, und gleichwohl ziem- liche Verbreitung. Da die Forelle, weil ihr stark nachgestellt wird, merklich seltener geworden ist, ist sie vorzugsweise Gegenstand der künstlichen Fischzucht. Im Riesen- gebirge werden Forellen ausgesetzt. Auch in Westfalen treibt das Gut Ober -Klingen- burg-Bühne (Kr. Warburg) mit Erfolg Forellenzucht und dehnt seine Unternehmungen auch auf Gold- und Silberfische und einige Speisefische, Hechte, Karpfen, Schleien aus. Der Rhein ist seit alter Zeit durch seinen Fischreichthum, besonders durch den Lachs berühmt. Die besten Fangorte sind bei Neuwied und bei St. Goar an der Loreley, letzterer liefert in guten Jahren über 8000 Pfund. Der rheinpreussische landwirth- schaftliche Centralverein besitzt eine besondere Sektion für Fischzucht, welche bei Neu- wied und anderen geeigneten Orten Anlagen für künstliche Fischzucht vorbereitet. In Hohenzollern finden sich die gewöhnlichen Fische der Gebirgsgewässer, Zu der schon früher bestandenen künstlichen Fischzucht in Laiz bei Sigmaringen, ist 1865 eine zweite bei Dettingen getreten, Seite ıg Zeile 22 v. » b) ” ” 27 148 238 243 248 267 291 394 362 363 381 403 423 508 Berichtigungen. o. lies „die ersten erfolgreichen Zuckerfabriken (vergl. Bd. II. S. 397 ff.)“ „ 18 v. o. statt Forst lies „Forstgärten.* 3 2 v. o. statt Gebäude lies „Bodenräume.“ „ Io v. u. Spalte ıı statt 185 423 lies „ı$g5 463.“ u. fehlt vor Pfd. die Zahl 4. 0. „Der Weinberg am Petersberg bei Erfurt wird schon 950 erwähnt. Vergl. v. Ukro, Der Weinbau im Regierungsbezirk Erfurt, Zeitschr. von Fosz, Jahrg. I. S. 3. »„ 9 v. u. Spalte 3 statt 7 176 lies „4 176.“ „ Io v. u. statt Czarnikan lies „Czarnikau.“ sind in der ı5. Spalte der Tabelle die fehlenden Zahlen des durchschnittlichen Reinertrages der grastragenden Fläche folgendermassen zu ergänzen: Düsseldorf 100, Köln 54, Aachen 37, Koblenz 40, Trier 34, die Rheinprovinz 51, davon der nördliche Theil 94, der südliche Theil 31 Sgr. auf den Morgen. / Die grossen Strandgewässer haben bei späterer Revisionsberechnung 3 eine Flächs von 2463 Morgen mehr, oder zusammen 1 576 545 Mrg. Zeile, 5.v.,u. 2 R Re . a N | ergeben, so dass sich die gesammte Wasserfläche im Staatsgebiete EN I v. SL ETONNve auf 4010653 und die der ertragreichen Gewässer auf 2 269 836 Mrg. erhöht. »„ I6 v. o. statt angesehen lies „anzusehen.“ Note Zeile 15 v. u. sind in der Tabelle die Summen in Spalte 3 u. 4 umzustellen. 100 Theile Rüben geben 76,80 pCt. Saft und 23,20 pCt, Pressrückstände, Zeile 7 v. o. statt geregelte lies „geregelter.“ Note 1, 2. Z. statt Handbuch lies „Heerdbuch, X. Bevölkerung nach Abstammung, Zahl, Arbeitskraft und Gewerbthätigkeit. 339 Betriebsart Essig- und Holzessigfabriken. Zahl der Anstalten . > des Direktionspersonals der Arbeiter: männliche . weibliche Bierbrauereien. Zahl der Anstalten . des Direktionspersonals der Arbeiter: männliche . weibliche © Branntweinbrennereien und Destillir- anstalten, einschliesslich der als Neben- gewerbe der Landwirthschaft betriebenen. Zahl der Anstalten . . des Direktionspersonals der Arbeiter: männliche . weibliche Schaumweinfabriken. Zahl der Anstalten . . des Direktionspersonals der Arbeiter: männliche weibliche Käse- und Butterfabriken. Zahl der Anstalten . s des Direktionspersonals der Arbeiter: männliche weibliche Mühlen zur Entwässerung des Landes. Zahl der Mühlen. der Arbeiter in onselben. Fischer, welche die Fischerei gewerbs- mässig betreiben. Meister oder Prinzipale Gehülfen und Lehrlinge Kunst-, Blumen- und Handekkedetner. Meister ode Prinzipale Gehülfen und Lehrlinge de Mühlenbauer und Mühlenflickarbeiter. Meister 5 Gehülfen und Pehclinge . Venen, nenlieer, Meister Re Gehülfen und Tiehelings BakEntzenuer, Meister Gehülfen und Heidtlurs | Preussen D wm w ww Pommern "DH. Posen Branden- burg Schlesien Sachsen DB VO ın ın © DB DD» Westfalen Rheinland II Hohen- zollern Staat 340: X Bevölkerung nach Abstammung, Zahl, Arbeitskraft und Gewerbthätigkeit. Ausser den Handwerken, die als unzweifelhaft landwirthschaftliche in die letzten Stellen der vorstehenden Nachweisung mit aufgenommen werden konnten, giebt es einige andere, welche ebenso als städtische, wie als ländliche betrieben werden, und bei denen weniger die Gesammtzahl der Betheiligten, als das Verhältniss von Interesse ist, in welchem dieselbe theils zur Bodenfläche, theils zur Einwohnerzahl eines bestimmten Bezirkes steht. Schmiede, Stellmacher und Riemer weisen je nach ihrer Zahl auf das durch Bodenbeschaffenheit und Handhabung der Werkzeuge bedingte Bedürfniss hin, das bei den landwirthschaftlichen Arbeiten entsteht; Bäcker, Fleischer und Schuhmagher, wenn sich ihre Anzahl rascher als im Verhältniss die Einwohnerzahl vermehrt, deuten einen Fortschritt des Kulturzustandes an. Die Beurtheilung kann sich nur auf die für eine bestimmte, begrenzte Oertlichkeit gefundenen Zahlen beziehen, ihren Massstab aber bildet das mittle Verhältniss des Bedarfs, welches durch die nachstehenden Durch- schnitte des Staates ausgesprochen wird. [0] Fleischer Grob-, Huf- Riemer, Han ’ | Schuh- und k 2 Räder- Schlächter. Handwerker Pfannen-, Sattler, Rauch- "| Pantofel- . und Bäck = ER ‚ae! Sensen- | „mäche Beutler, SXer | feisch- nnd | macher ünd ellmacher 3 Staate, Schmiede Täschner Wurst Altflicker macher Auf der TJMeile Gesammt- fläche: Meister Gehülfen . Lehrlinge zusammen . Auf der [7J]Meile Kultur- Jand: Meister . . Gehülfen . Lehrlinge zusammen Auf 1000 Einwohner: Meister Gehülfen. . Lehrlinge zusammen Einige Hinweisungen auf den Werth solcher Vergleichungen, und die Möglich- keit, die bezüglichen volkswirthschaftlichen Fragen je nach Lage der Hülfsmittel zu beantworten, geben J. G. Hoffmann in der „Lehre von den Steuern“ (1840, $. ı02ff.), und C. F. W. Dieteriei im „Handbuch der Statistik des preussischen Staats“ (1861, S. 380ff.), auch Reinik in den „Resultaten der Mahl- und Schlachtsteuer* (Zeitschrift des K. statistischen Bureaus 1863 8. 217 und 1864 S. 160). 1,” iw CHEN, he