* „% N ehe — eine Tre — Ic Pr TER el efhidte, Pflege und Abrihtung. Von Russ ” ei MAY 7.1924 Magdeburg. e Creutz ſche Derlags buchhandlung . . (R. & M. Kretſchmann.) | 5 = NK: 1896. TE | x IN: N. ver Vorwort. Es hat lange gedauert, bevor es mir möglich geworden, dies kleinere Werk, das nur den Grau— papagei behandelt, zu vollenden und den Liebhabern zugänglich zu machen. Die raſtloſe Arbeit an dem letzten Bande meines größern Werks „Die fremd— ländiſchen Stubenvögel“ II (Weichfutterfreſſer, Frucht⸗ und Fleiſchfreſſer mit Anhang Tauben- und Hühner⸗ vögel) und viele andere dringende Arbeiten haben mich bis zum heutigen Tage ſo ſehr in Anſpruch genommen, daß ich immer noch nicht zur Vollendung dieſer längſt geplanten kleineren Ausgaben meiner Papageienbücher gelangen konnte. Jetzt iſt mein Sohn, Karl Ruß, der mir in der Leitung der „Gefiederten Welt“ ſeit Jahren ſchon zur Seite ſteht, auch hier zur Hilfe eingetreten und hat namentlich den ganzen naturgeſchichtlichen Theil be- arbeitet. Ueber den Zweck dieſer kleineren billigen Ausgabe wollen die Leſer freundlichſt in der Einleitung nach⸗ leſen. Zu bemerken habe ich nur noch, daß wir den geſammten Stoff Graupapagei ſo gründlich und aus— führlich wie angängig trotz der denkbar möglichen Kürze bearbeitet haben und daß dabei, wie es meinerſeits e immer geſchieht, jede benutzte Duelle gewiſſen⸗ und ehrenhaft angegeben iſt. In den Mittheilungen über das Freileben der Grau⸗ papageien in der Heimat haben wir, ganz ebenſo wie in meinem größern Buch „Die ſprechenden Papageien“, zunächſt das hervorragendſte Werk auf dieſem Gebiet, „Die Papageien“ von Dr. Otto Finſch zurathe gezogen und dann namentlich die Schilderung, welche Profeſſor Dr. A. Reichenow i. J. 1874 in meiner Zeitſchrift „Die gefiederte Welt“ gegeben hatte und die dann in allen einſchlägigen Darſtellungen als Quelle benutzt worden. Angaben über die Lebensweiſe des Graupapagei habe ich auch aus dem Werk von Th. von Heuglin, „Die Vögel Nordoſtafrikas“, ent⸗ nommen. In Bezug auf die Haltung des Graupapagei als Stubenvogel, ſeine Verpflegung, Abrichtung u. a. m. habe ich auf meine eigenen langjährigen reichen Erfahrungen und auch auf die aller anderen bewährten Vogelwirthe, wie ſie im Lauf eines Vierteljahrhunderts in der Zeitſchrift „Die gefiederte Welt“ mitgetheilt worden, gebaut. Neue, ſtichhaltig erſcheinende Er— fahrungen, welche ſeit dem Erſcheinen der zweiten Auflage meines Buchs „Die ſprechenden Papageien“, die doch alles bis dahin Veröffentlichte, für den Vogel⸗ wirth Wiſſenswerthe enthält, noch hinzugekommen ſind, haben wir in dies kleine Buch eingefügt, ſodaß es durchaus auf der Grundlage unſres jetzigen Wiſſens ſteht. Das Buch von C. R. Hennicke „Der Grau: a papagei in Freileben und Gefangenſchaft“ habe ich nur hinſichtlich einiger Angaben über das Freileben, die der Verfaſſer nach eigner Wahrnehmung in Afrika gebracht hat, benutzt. Eine Beobachtung von Pechuel- Löſche, die ich aufgenommen habe, findet ſich in der neuen Auflage von „Brehms Thierleben“. Berlin, im Frühjahr 1896. Dr. Karl Ruß. en. we ne Die eigentlichen Papaweien - .. - - . - - - Br Brnabanggneien. =. ==. 2: 00: hoarzpapageieiensnsnsnsns Der rothſchwänzige graue Papagei oder Gran- . EN LERSNGEN Zeſchreibung 7; Geſchlechtsunterſchiede 7; Jugendkleid 8; (Feſtſtellung des jungen Jako 8); Farbenſpielarten 9; Heimat, Aufenthalt, Nahrung und ganze Naturgeſchichte 9— 12. Fang und Einfuhr 9 (Aufzucht und Handel im Binnen— lande 13; Preiſe 14; Verſchiedene Vögel 15; Mißſtände der Ueberfahrt, Mangelndes Trinkwaſſer 16— 17). Der braunſchwänzige graue Papagei oder Timneh Einkauf, Verpflegung und Abrichtung Einkauf des Jako (Geſundheitskennzeichen 20; Rath— ſchläge zum Einkauf 21; Uebelſtände im Papageienhandel 25; Verſendung im Großhandel 27; Verſandt im Binnen⸗ lande 29; Entziehung von Trinkwaſſer 30). Empfang und Eingewöhnung 31 (Ueberſiedelung aus dem Verſandt⸗ in den Wohnkäfig oder auf den Ständer 32). Käfig und Ständer 34 (Käfig⸗Abbildung 36; Sitzſtange 37; Schaukel 38; Verbeſſerter „Ornis“-Käfig 39; Ständer⸗ Abbildung 43; Bügel 44; Fußkette und Ring 46). Ernährung 47 Guträgliche Futtermittel 48; ſchädliche Nahrungsmittel 51; Verſchiedene Meinung über Hanf⸗ fütterung 54; Kalk, Sand, Trinkwaſſer 56). Zähmung BR Abrichtung 58 (Merkmale der Begabung 60; Zähmung 62 [ſachgemäße Erziehung, Abgewöhnung des Schreiens 63]; Zungenlöſen 69; Abrichtung zum Sprechen 69 [Damenvogel I Abrichtung zum Lieder⸗ — ee VIII nachflöten 72; Verſchiedenartige Begabung 73; Papageien⸗ lehrer [häßliche Lieder oder Worte 77]; Klarſtellung der Begriffe über die Sprachfähigkeit und das Verſtändniß für die gelernten Worte 79; Werthſteigerung und Preiſe 80. Züchtung 81. Geſundheitspflege und Rrankheiten Geſundheitspflege (üble Einflüſſe 83; Wärme 85; Ver⸗ hängen zur Nacht 85; Gefiederpflege 86; Maufer oder Federnwechſel 88; Fußpflege u Krankheiten (Anleitung zur Feſtſtellung der Krankheiten und zum Beibringen der Heilmittel 91 [Erkrankungszeichen 93, Kothfreſſen 94]; Krankheiten der Luftwege und Athmungswerkzeuge 94 [Schnupfen, Katarrh der Luft⸗ röhre 94; Heiſerkeit, Aſthma, Kurzathmigkeit 94; Huſten 95; Lungenentzündung 95; Lungenſchwindſucht oder-Tu— berkuloſe 96; Diphtheritis und Kroup oder diphteritiſch— kroupöſe Schleimhautentzündung 96]; Erkrankungen des Magens und der übrigen Eingeweide 97 [Ver- dauungsſchwäche 98; Magen- und Darmentzündung 98; Gregarinen 99; Durchfall 99; Ruhr 99; Kalkdurchfall und Typhus 100; Verſtopfung 100; Sepſis oder Jaul: fieber 101; Folgekrankheit der Sepſis 105; Würgen und Erbrechen 106]; Parungstrieb 106; Verſtellung 107; Waſſerſucht 107; Krankheiten der Leber und Milz 107 [Gelbſucht 107]; Gehirnerkrankungen 108 [Ge— hirnſchlag 108; Krämpfe, epileptiſche Anfälle 109; Läh— mung 109]; Vergiftungen 109; Eingeweidewürmer 112; Aeußerliche Krankheiten 112 [Wunden 112; Knochenbrüche 113; Geſchwüre 114; Fettgeſchwulſt 115; Gregarinoſe 115]; Gicht, Rheumatismus, Lähmun⸗ gen 116; Darmvorfall 116; Augenkrankheiten 117; Schnabelkrankheiten 117; Fußkrankheiten 118; Gefiederkrankheiten 119 [Selbſtrupfen 120]; Ungeziefer 121; Uebertragbarkeit der o krankheiten auf Menſchen 123. Aeberſicht der Heilmittel nebſt Wischen hältniſſen und Gaben 83 123 Allgemeines. In jedem Jahr, vornehmlich gegen den Spät⸗ herbſt hin und dann auch wiederum zum nahenden Frühling, kommen zahlreiche Leute zu mir mit kranken Papageien. Die dann eintretenden Witterungswechſel und Übergänge verurſachen viel mehr Erkrankungen und Leiden bei ſolchen werthvollen Vögeln, als ſie jede andere Jahreszeit mit ſich bringt. Dies iſt ſehr betrübend, zumal nicht ſelten die Hilfe dann ſchon zu ſpät kommt. Aber bei vielmaliger Wiederholung dieſer regelmäßigen alljährlichen Erſcheinung habe ich auch die außerordentlich erfreuende Erfahrung gemacht, daß die großen ſprechenden Papageien, vor— nehmlich der Jako oder Graupapagei und die Grün— papageien oder Amazonen, allenthalben beiweitem häufiger gehalten werden und viel mehr verbreitet ſind, als man im allgemeinen anzunehmen pflegt. Ich kann behaupten, daß in vielen, beſonders größeren Städten und vor allem in Berlin heutzutage in überaus vielen Familien ein ſolcher gefiederter Haus— freund vorhanden iſt. Bedauerlicherweiſe gibt es aber auch nicht wenige Fälle, in denen ein großer Papagei ganz und gar nicht an ſeiner Stelle iſt. Nothgedrungen muß ich einige ſolche in Beiſpielen erwähnen. Auf unſeren Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 1 2 großen Vogelausſtellungen werden regelmäßig zahl- reiche Papageien gekauft, zum Theil auch bei der Lotterie gewonnen oder als Geſchenke gegeben und empfangen. Von dieſen Vögeln geht eine nicht geringe Anzahl leider in trübſeliger Weiſe zugrunde. Zunächſt ſind die Beſitzer der Papageien vielfach Anfänger in der Liebhaberei, jo junge Ehepärchen, die ſich gegen— ſeitig beſchenken oder ein einzelnes Fräulein, das in raſtloſer Arbeit ſein leidlich gutes Brod erwirbt und nun auch etwas für ihr Herz haben will, einen Geſellſchafter und Freund — und ſei er auch nur ein Vogel. Andere junge Damen werden im ähnlichen Fall mit einem Papagei beſchenkt. Wenn es ſodann in vielen, ja in den beiweitem meiſten dieſer Fälle dem derartigen Stubenvogel leider ſchlecht ergeht, ſo liegt dies doch weder an Nachläſſigkeit oder gar an böſem Willen, ſondern faſt regelmäßig im Mangel an ausreichender Kenntniß begründet. Die jungen Leute haben meiſtens nicht die Zeit dazu, in einem größern entſprechenden Buch nachzuleſen oder ſie ſcheuen ſich auch, den Betrag für die Beſchaffung einer ſolchen Belehrungsquelle auszugeben; kurz und gut, ſie folgen lieber den erſten beſten Rathſchlägen, die irgend ein guter Bekannter gibt, ja ſie handeln wol gar nach ihrem eignen Gutdünken. Erſt im letzten Augenblick, wenn, wie man zu ſagen pflegt, dem armen Vogel der Tod ſchon auf der Zunge ſitzt, kommen ſie förmlich verzweiflungsvoll herbeigelaufen, um noch Hilfe zu 33 ſuchen. Dann aber folgt eine gar harte Strafe; denn der Tod eines ſolchen Vogels führt wirklich etwas Menſchlich-Rührendes, Tiefſchmerzliches mit ſich, ſodaß ſein Verluſt, ganz abgeſehen von dem Kaufpreis, der doch meiſtens auch nicht gering iſt, für lange Zeit die Quelle von ſchwerem Herzeleid wird. Angeſichts deſſen finden wir es wol erklärlich, daß es zahlreiche Menſchen gibt, die ſich nie wieder dazu entſchließen können, den ſo verlorenen Papagei zu erſetzen. Somit iſt alſo der vorzeitige Verluſt die ſchlimme Urſache deſſen, daß viele Leute der herrlichen Liebhaberei für die ſprachbegabten Vögel entfremdet werden. Die vieljahrelange genaue Kenntniß dieſer Verhältniſſe hatte mich ſchon i. J. 1882 dazu bewogen, eine möglichſt ſtichhaltige Belehrungsquelle in meinem Buch „Die ſprechenden Papageien“ darzubieten, und daſſelbe hat dann ja auch den guten Erfolg von zwei ſtarken Auflagen binnen verhältniß— mäßig kurzer Zeit erreicht. Dennoch war bisher eine Lücke geblieben, zu deren Ausfüllung ich jetzt geſchritten bin, nämlich die eines billigen und vor allem kleinen, alſo kurz gefaßten Buchs für jeden Liebhaber, der nur einen einzigen ſolchen Vogel anſchaffen und halten will. Dies Büchlein „Der Graupapagei“, ſeine Naturgeſchichte, Pflege und Abrichtung und ein gleiches „Die Amazonenpapageien“, beide zum möglichſt billigen Preiſe werden hoffentlich dieſe ſchöne Lieb— haberei in die allerweiteſten Kreiſe tragen und ihr den 1* eigentlichen feſten Grund geben. Beide werden im weſentlichen Auszüge aus meinem erſtgenannten Lieb— lingswerke ſein, aber vor dieſem den Vortheil bieten, daß ſie ſowol an Zeit zum Leſen als auch hinſichtlich des Preiſes erhebliche Erſparniß gewähren, während ſie hinter dem größern thatſächlich nicht zurückſtehen. Nur der Freund des ſprachbegabten Vogels, der die volle Kenntniß von ſeinem ganzen Weſen, ſeinen Vorzügen, aber auch ſeinen Schattenſeiten hat, kann wahre Freude und reichen Genuß an dem Thier haben, Arger und Verdruß vermeiden und vermag es zur tüchtigſten Ausbildung, beſtmöglichen Abrichtung durch vollkommenſten Unterricht zu bringen. Erſt wenn der Vogelliebhaber alle Bedürfniſſe ſeines Pfleglings völlig und naturgemäß zu befriedigen weiß, vermag er ihn zum höchſten Wohlſein und Wohlergehen zu führen und zugleich alle Schäden und Gefahren von ihm abzuwenden. Lediglich an der Hand einer ſtichhaltigen Be— lehrungsquelle kann der Liebhaber feſtſtellen, ob er in dem zu kaufenden Papagei auch wirklich einen guten, begabten und ſchon abgerichteten Vogel bekomme oder doch wenigſtens einen ſolchen, deſſen Haltung, ſorg— ſamſte Verpflegung und ſachgemäße Abrichtung ſich der Mühe verlohnen werde. Er kann weiter feſt— ſtellen, ob fein Vogel durchaus geſund iſt und vor⸗ ausſichtlich bleiben wird, wie er dazu gehalten und behandelt werden muß, ja er kann, wenn ſolch werth⸗ 5 voller Vogel einmal erkrankt wäre, durch Befolgung der gegebenen Rathſchläge, durch Anwendung einfach naturgemäßer Heilmittel, ihn auch wol wieder zur Geneſung führen. Die eigentlichen Papageien [Psittacus, L. Obwol im weſentlichen nur eine Art im Handel und in der Liebhaberei unter dem Namen Graupapageials der hervorragendſte Sprecher vor uns ſteht, ſo müſſen wir hier doch auch ſeine nächſten Verwandten berück— ſichtigen, und deshalb wenden wir uns zunächſt dem Geſchlecht Eigentlicher Papagei zu, in welchem die Graupapageien [Psittacus, L.] und die Schwarz— papageien [Coracopsis. Wagl.] vereinigt ſind. Es gibt ſechs Arten und zwar zwei graue und vier ſchwarze, die auf den erſten Blick ſo verſchieden erſcheinen und bei näherm Kennenlernen ihrer Eigen— thümlichkeiten ſich auch als ſo wenig übereinſtimmend ergeben, daß der Liebhaber ſie kaum als zuſammen— gehörig betrachten möchte, während die Wiſſenſchafter ſie doch au einander reihen. Ihre gemeinſamen beſonderen Kennzeichen ſind: Der Schnabel iſt ſeitlich abgerundet, mehr oder minder breit und gewölbt, mit gerundeter Firſt, der Oberſchnabel ohne Zahnausſchnitt mit Feilkerben, der Unterſchnabel niedriger, mit abgerundeter Dillenkante, vor der Spitze ſanft ausgebuchtet; die Naſenlöcher ſind groß und rund; Wachshaut, Zügel und breiter Augenkreis ſind nackt; die Zunge 6 iſt dick, glatt, mit abgeſtumpfter Spitze; die Flügel ſind lang und ſpitz, mit neun bis zwölf Armſchwingen; der Schwanz iſt breit, faſt gerade oder abgerundet; das Gefieder iſt weich, jede Feder breit, abgeſtutzt; die Füße ſind ſtark, mit dicken Tarſen und kräftigen, ſtark gekrümmten Nägeln. Sie wechſeln zwiſchen Dohlen- bis Krähengröße. Bei den Grauen iſt der Schnabel länger, mehr zuſammengedrückt, mit längrer Spitze; der Schwanz kurz, faſt gerade, die Federn am Ende klammerförmig. Bei den Schwarzen dagegen iſt der Schnabel dick, abgerundet, ſo hoch wie lang, mit wenig hervorragender kurzer Spitze; der Schwanz iſt länger und mehr abgerundet. Beide erſcheinen durch die nackten Geſichtstheile von den nächſten Verwandten (den Amazonenpapageien aus Amerika) abweichend. Bei den ſchwarzen Arten iſt die ſchwarze Naſenhaut meiſtens etwas auf⸗ getrieben. Die Bewegungen der grauen Arten ſind ſchwerfällig, ihr Flug iſt zwar raſch, doch ungewandt, ihr Gang auf der Erde unbeholfen und ſelbſt das Klettern iſt ungeſchickt; bei den ſchwarzen Arten ſind die Bewegungen etwas behender, mindeſtens raſcher. Die natürliche Stimme der Grauen iſt ſchrill und gellend, die der Schwarzen kurz und rauh, zuweilen auch flötend. Die Sprachbegabung der erſteren iſt wol die höchſte unter allen Papageien überhaupt, die der letzteren zeigt ſich als gering oder doch nur als mittelmäßig. Über das Freileben der hierher— gehörenden Vögel iſt bis jetzt recht wenig bekannt, umſomehr iſt ihr Weſen in der Gefangenſchaft in jeder Hinſicht erforſcht worden. . Der rothſchwänzige graue Papagei oder Graupapagei [Psittacus erithacus, L.]. Grauer Papagei oder Jako, Graupapagei, roth— ſchwänziger Papagei und rothſchwänziger Grau— papagei. — Grey Parrot, Coast Grey Parrot. — 7 Perroquet gris, Perroquet cendré, Jaco, Perroguet à queue rouge. — Grauwe of Grijze Papegaai. — Graa-Parkit. Bereits jeit dem Alterthum her ſoll dieſer Papagei bekannt ſein, und wenn es auch nicht mit Sicherheit nachgewieſen werden kann, daß ihn die alten Kultur⸗ völker ſchon beſeſſen hatten, ſo ſprechen doch unſere Schriftſteller ſchon aus dem ſechszehnten Jahrhundert von ihm. Im Mittelalter wurde er häufig nach Europa gebracht und ſeitdem hat ſich die Liebhaberei für ihn immer weiter verbreitet. Auf den erſten Blick erſcheint er, wenn auch keines⸗ wegs als ein beſonders farbenprächtiger, ſo doch als ein Schöner, angenehm gefärbter Vogel. Er ift aſchgrau, an Kopf, Hals, Bruſt und Oberrücken jede Feder mit hellem Saum; Flügel dunkler grau ohne helle Federnſäume, Schwingen grauſchwarz; Mittelrücken, Unterrücken und Bürzel rein grau⸗ weiß; Schwanz, obere und untere Schwanzdecken ſcharlachroth; Bruſt, Bauch, Seiten und Hinterleib weißgrau; Schnabel ſchwarz; Augen je nach dem Alter ſchwarz, grau, gelb bis weiß; Najen= haut, Zügel und Gegend ums Auge nackt, grauweiß; Füße bläulich⸗ bis weißgrau, mit ſchwarzen Schildchen, Krallen ſchwarz. Das Gefieder iſt wie bei vielen Papageien mit Federnſtaub (Puderdaunen) mehr oder weniger gefüllt. Die Größe wechſelt außerordentlich, offenbar unabhängig von Alter und Geſchlecht und wahrſcheinlich je nach der Heimatsgegend; ſie iſt etwa die einer ſtarken Haustaube (Länge 36—40 em [beim kleinſten 30—32 cm]; Flügel 19,3 —23 em; Schwanz 7—8, cm). — Die Geſchlechtsunterſchiede ſind bis jetzt mit Sicherheit noch nicht bekannt; man hat die kleinen, helleren Papageien für Weibchen und die großen, dunkleren mit langem Hals für Männchen 8 gehalten; die Neger ſollen behaupten, daß die Naſenlöcher beim Männchen rund, beim Weibchen länglich ſeien; das einzige ſichre Unterſcheidungszeichen dürfte (nach Soyaux) wol nur darin liegen, daß die Beckenknochen beim Männchen dicht neben ein⸗ ander, beim Weibchen aber ſo weit von einander entfernt ſind, daß das Ei hindurchgelangen kann. Das Jugendkleid war bisher ebenfalls nicht ſicher feſt⸗ geſtellt, wenigſtens hatte bis zur Neuzeit Keiner der Afrika⸗ reiſenden angegeben, ob der junge Vogel bereits mit rothem Schwanz oder, wie behauptet worden, mit braunem Schwanz die Neſthöhle verlaſſe. Dann i. J. 1886 gab der Marinebeamte E. v. Schneider in dieſer Hinſicht ganz beſtimmten Auf⸗ ſchluß in der „Gefiederten Welt“: „Groß war mein Erſtaunen, als ich die Schilfrolle, die bekanntlich beim Handel der Eingeborenen mit Grau⸗ papageien als Käfig gebräuchlich iſt, öffnete und darin neben einem tadelloſen Jako auch ein armes kleines Vögelchen faſt noch ganz in Flaumfedern erblickte, das aber ſchon außer den großen Schwingen an den Flügeln auch den größten Theil der Schwanzfedern und zwar dieſe letzteren in voll rother Farbe zeigte. Wol ein halbes Dutzend der letzteren waren noch Pinſelchen; ſie ſteckten alſo noch in den Kielen und nur ein Theil der Fahnen war ſchon herausgebrochen, aber auch dieſe waren ebenſo roth wie die anderen. Hier lag alſo der unum⸗ ſtößliche Beweis vor, daß die Schwanzfedern beim Graupapagei von frühſter Jugend an in rother Farbe hervorkommen.“ Volle Beſtätigung dieſer Thatſache hat ſodann in allerneueſter Zeit der Reiſende C. R. Hennicke gegeben, in⸗ dem auch er junge Graupapageien, die noch Daunen trugen, mit ſcharlachrothem, wenn auch nicht ſo vollrothem, gleichſam leuchtendem Schwanz wie der bereits ausgemauſerte Vogel vor ſich ſah. — Über die jungen Jakos, wie ſie in den Handel kommen, hatte übrigens ſchon vor Jahren Otto Richter in Bremerhafen geſchrieben, er erkenne ſie am ſicherſten an den braunen Neſtfedern, welche mit Ausnahme des Kopfs, der Schwingen, des Schwanzes und Bauchs den ganzen Körper bedecken und nach und nach den grauen, hellgerandeten weichen. Bei der Ankunft haben dieſe jungen Vögel meiſtens noch ſchwarze Augen, dann färben dieſelben ſich allmählich dunkel aſchgrau, nach etwa fünf Monaten hellgrau, binnen Jahresfriſt graugelb bis blaßgelb und erſt nach drei bis vier Jahren maisgelb bis gelblichweiß. Der Schwanz iſt hellroth, jede Feder ſchwach bräunlich geſäumt; er verfärbt ſich allmählich zu dunklerm Roth, während die ſchwärzlichbraune Färbung verſchwindet. Dies beſtätigt wiederum Hennicke, denn auch bei den g 1 0 9 Neſtvögeln, die er ſah, war die Iris jo dunkelbraun, daß ſie ſich von der ſchwarzen Pupille kaum unterſcheiden ließ; erſt nach 6 bis 8 Wochen begann ſie ſich in ein immer helleres Aſchgrau zu verfärben, um nachher den ganzen Farbenwechſel von graubräunlich, orangegelb und nach etwa einem Jahr maisgelb durchzumachen, alſo wie ich dieſen Wechſel in meinen Büchern ſchon vor etwa zwei Jahrzehnten beſchrieben habe. — Es kommen auch mancherlei Farbenſ ee oder wol nur Farbenänderungen vor, von denen man die rothgeſcheckten, ſelbſt bis oberſeits ganz rothen, die ſchon in ihrer Heimat ſehr geſchätzt und theuer ſein ſollen, in England ‚King‘ oder ‚Ringbird‘ (Königsvogel) nennt und mit hohem Preiſe bezahlt; auch bei uns ſind ſie theurer als die gewöhnlichen grauen. Man glaubt, daß ſie größre Begabung haben, doch dürfte dies keineswegs ſicher feſtſtehen. Die Heimat des Graupapagei erſtreckt ſich, wie aus den Berichten der Reiſenden hervorgeht, über Weſt⸗ und Innerafrika, innerhalb des Gebiets zwiſchen Senegambien und Benguela, öſtlich bis zum Nil, zum Viktoria⸗ und Tanganyikaſee, nördlich bis zum Tſad— ſee und ſüdlich vielleicht bis zur Mitte des jetzigen Kongoſtaates; in dieſer Gegend iſt die Grenze ſeiner Verbreitung noch nicht feſtgeſtellt. Er lebt in dieſem weiten Gebiet in den dichten Mangrove- u. a. Waldungen des unzugänglichen Schwemmlandes und an der Küſte, den Ufern großer Flüſſe, überall, wo hohe und dicke Bäume ſtehen, die mit Schlingpflanzen ſo dicht bedeckt ſind, daß der Reiſende ſich nur mit großer Mühe einen Weg hindurch bahnen kann. Hier finden die Papageien unter dem dichten Laubdach Ruheplätze, wenn ſie von ihren Ausflügen zur Futterſuche heim— kehren. Ihre Nahrung beſteht in Palmnüſſen, Bananen 10 und anderen großen und kleinen Baumfrüchten, doch ſuchen ſie mit Vorliebe die Maisfelder der Neger auf und richten beträchtlichen Schaden an, verwüſten auch, wie alle Papageien, mehr als fie verzehren; halbreifer- Mais ſoll ihre Lieblingsnahrung bilden. Mit Aus⸗ nahme der Brutzeit, in der ſie paarweiſe leben, ſind ſie ſtets in größeren und kleineren Flügen zu ſehen, die gemeinſam auf die Nahrungsſuche gehen. Früh morgens erheben ſich die einzelnen Schwärme unter gewaltigem Geſchrei und ziehen nach verſchiedenen Richtungen ab; gegen Sonnenuntergang vereinigen ſie ſich wieder im Walde und übernachten zu Hunderten nahe bei einander. Bei dieſen Streifzügen ziehen ſie ſtets auf beſtimmten Zugſtraßen, doch ändern ſie dieſelben bald, wenn ſie merken, daß der Jäger ihnen auflauert. Der Flug der Graupapageien, der meiſt in beträchtlicher Höhe geht, ſoll kein gewandter ſein. „Mit ganz kurzen, ſchnellen Flügelſchlägen,“ ſagt A. Reichenow, „ſtreben ſie in gerader Richtung ihrem Ziel zu; es ſieht faſt aus, als ängſtigten ſie ſich und fürchteten, jeden Augenblick herabzufallen. Als wir zum erſten Mal fliegende Papageien in der Ferne ſahen, hielten wir ſie für Enten; ihnen gleichen ſie im Fliegen. Ein Schuß bringt ſie völlig außer Faſſung. Sie ſtürzen dann wol hernieder, ſich faſt überſchlagend. Arges Krächzen verräth ihre Angſt, welche ſie auch beim Erſcheinen eines größern Raubvogels zeigen.“ Hennicke bemerkt dazu: „Der Graupapagei fliegt ähnlich wie die Enten, nur daß ſeine Flügelſchläge noch viel kürzer und ſchneller ſind. Daneben habe ich ihn aber auch in der Luft gewiſſermaßen „rütteln“ ſehen, ähnlich wie den Thurmfalken. Doch befand ſich der f 11 Körper dabei in fait ſenkrechter Haltung, während die Flügel in „zitternder“ Bewegung mit großer Schnelligkeit die Luft von hinten oben nach vorn unten ſchlugen.“ Die Brutzeit der Graupapageien fällt in die Regenmonate. Sie niſten in tiefen Baumhöhlungen oder Aſtlöchern, die ſie mit dem Schnabel erweitern. Sie niſten inſofern geſellig, als in einem gewiſſen Umkreis ſich oft einige hundert Pärchen angeſiedelt haben, doch befindet ſich in jedem Baum ſtets nur ein Neſt. Das Gelege beſteht aus vier bis fünf rein— weißen Eiern. „Während der eine brütet,“ ſagt Keulemans, „füttert ihn der andre, doch löſen ſie einander auch ab und verſorgen ebenſo gemeinſam die Jungen. Die letzteren ſind mit langem Flaum bedeckt, das Neſtkleid iſt dunkler, die Iris grau. Sie verlaſſen das Neſt, wenn ſie ungefähr vier Wochen alt ſind, aber dann ſitzen ſie noch eine Zeitlang vor der Höhle, bevor ſie fliegen können. Sie wachſen ſchnell und die Federn werden allmählich hell. Wenn ſie zwei Monate alt ſind, beginnt die erſte Mauſer, die mehr als fünf Wochen dauert und nach der das Gefieder dem der Alten bereits ähnlich iſt, obwol die Säume der Federn nicht ſo fahl und Wangen und Stirn nicht ſo weiß ſind. Das Auge wechſelt langſam, denn die Iris bleibt mehr als ſieben Monate hindurch dunkel. Wenn die Federn naß ſind, erſcheinen ſie dunkelbläulichaſchgrau mit purpurrothem Glanz. Sobald die Brut angegriffen wird, wiſſen die Alten fie gut zu vertheidigen, und bei Kämpfen mit Raubvögeln oder anderen Raubthieren gehen ſie immer gemeinſchaftlich gegen den Feind vor.“ Außerhalb der Brutzeit, d. h. wenn es ſich eben nicht gerade um die Vertheidigung der Eier und Jungen handelt, zeigen die Graupapageien vor Raub— vögeln große Furcht. 12 So erſcheint uns das Bild des Graupapagei in ſeinem Freileben nach den Berichten der Reiſenden Th. von Heuglin, Uſſher, Keulemans, Dohrn, Rei⸗ chenow u. A. (namentlich des Letztern). Es iſt auf dieſem Gebiet übrigens noch ſehr viel zu erforſchen. Fang und Einfuhr. Die Eingeborenen ſtellen dem Graupapagei des Fleiſches wegen wenig nach, da die Europäer hohe Preiſe für lebende Vögel zahlen. Das Fleiſch gelegentlich erlegter Jakos dünkt übrigens dem Neger ein Leckerbiſſen, während es der verwöhnte Gaumen der Europäer in der Regel zu zähe findet und höchſtens die Brühe daraus als ſchmackhaft gelten läßt. Dagegen wird der Jako hier und da in größerer Anzahl ſeiner rothen Schwanzfedern wegen erlegt, die zu kriegeriſchem Kopfputz u. a. Schmuck, nach anderen Angaben ſelbſt als Zaubermittel verwendet werden. Der Fang der Graupapageien zum Verkauf an Europäer wird ſeit vielen Jahrzehnten eifrigſt be— trieben. Übereinſtimmend berichten die Reiſenden, daß ſie überall, wo ſie mit den Eingeborenen in Berührung kamen, den Jako in deren Beſitz lebend vorfanden. Natürlich halten die Neger die Papageien nicht etwa aus eigner Liebhaberei, ſondern eben nur des vortheilhaften Verkaufs wegen. In der Regel werden die Graupapageien nicht alt gefangen, denn die Neger ſind zu ſolchem Fang zu ungeſchickt und die Vögel zu vorſichtig. Ebenſo— wenig rauben jene die Jungen aus den Neſtern, denn die Alten vertheidigen ihre Brut wacker und die Neger fürchten ſich vor deren Schnabelhieben. Über die Art Br ER 13 und Weiſe, wie ſich die Neger der jungen Brut bemächtigen, lauten die Angaben der Reiſenden ver= ſchieden. Am wahrſcheinlichſten und wol für die meiſten Gegenden zutreffend iſt der Bericht von Pechuel— Loeſche: „Sind die Jungen flügge und haben ſie ſich bereits umherkletternd vor dem Neſt gezeigt, ſo beſteigt der Neger nach eingebrochener Dunkelheit den erkundeten Baum, hält einen Sack oder ein Netz vor die Offnung der Bruthöhle und klopft mit einem Knüppel an den Stamm. Sofort fährt die ganze erſchreckte Familie heraus und in den Sack. Am nächſten Morgen wird dieſer geöffnet; die Alten läßt man davonfliegen, da ſie leider niemals zahm werden, die Jungen, drei bis fünf Stück, zieht man. auf. Es iſt ſehr zu bedauern, daß die alten Jakos nicht zu zähmen find, denn die in der Wildniß aufgewachſenen Vögel ſind ausnahmslos viel ſchöner und ſtattlicher als alle vom Menſchen. aufgezogenen Neſtlinge.“ In anderen Gegenden werden die jungen Vögel erſt nach dem Neſtverlaſſen mit Schlingen oder Netzen gefangen. „Im Binnenland,“ berichtet Reichenow, „ſammeln die Häuptlinge in den Ort— ſchaften die jungen Vögel, um ſie, wenn ſie nach und nach eine größre Anzahl erlangt haben, nach der Küſte zum Verkauf zu bringen; inzwiſchen laſſen ſie die Papageien mit beſchnittenen Flügeln frei umherlaufen, und man ſieht ſie daher in den Dörfern allenthalben auf den Strohdächern der Hütten oder auf Bäumen, welche zu dieſem Zweck hier gepflanzt ſind, wie bei uns die Haustauben, ſitzen.“ Wenn übrigens die Mittheilungen der Reiſenden über die Weiſe des Fangs der Vögel, von einander ſehr abweichen, ſo liegt dies wol darin begründet, daß der Fang bei den verſchiedenen Stämmen, je nach deren Bildungsſtufe und Intelligenz, anders betrieben wird. 14 Mit den Graupapageien wird nicht allein an den Küſten, ſondern auch im ganzen Binnenland von Innerafrika ein ſchwunghafter Handel getrieben. So berichtet z. B. Dr. Fiſcher, daß er Graupapageien überall in den Niederlaſſungen der Araber, alſo im jetzigen Deutſchoſtafrika, gefunden habe, bei denen ſie ſehr beliebt fein ſollen. Vom Tanganyikaſee werden die Graupapageien von Elfenbeinhändlern bis nach Sanſibar gebracht. Ebenſo gelangen von der Weſt— küſte aus Graupapageien nach Madeira. Die Hauptmaſſe dieſer Vögel wird natürlich nach den weſtlichen Küſtenſtrichen, zumal nach der Senegal, Gold- und Loangoküſte, doch auch nach den dazwiſchen— liegenden verkehrsreichen Küſten, gebracht. Aufkäufer der Großhändler erhandeln auch wol im Innern ſchon Graupapageien, da ſie dort viel billiger zu erlangen ſind. Der Preis für den einzelnen Vogel iſt je nach den obwaltenden Verhältniſſen ungemein verſchieden. An der Goldküſte bringen die Neger die jungen Grau— papageien unmittelbar nach der Brutzeit in langen, röhrenförmigen, aus Rohr oder Schilf geflochtenen Körben maſſenhaft nach den Hafenſtädten, und hier be— zahlt man fie nach unſerm Geld mit etwa 3 für den Kopf, im Innern tauſcht man ſie gegen Waaren von noch geringrem Werth ein. Später ſteigen die Preiſe, ſodaß ſie auf den großen Dampfſchiffen wol ſchon 15 - 18 .Afoften. Bereits gezähmte und abgerichtete Papageien, welche von den halbkultivirten, in Miſſions⸗ 15 häuſern erzogenen Negern zum Verkauf gebracht werden und ſchon einige Worte, ſei es in der Landesſprache oder in verdorbnem Engliſch, ſprechen können, ſtehen natür— lich höher im Preis. In Kamerun ſind die dortigen Graupapageien (Preis nur etwa 2% wenig geſchätzt, dagegen als beſonders begabt die von Manyema (Preis 6-10 . Frühere Angaben gewiſſenhafter Reiſenden ſind in dieſer Hinſicht nicht mehr zutreffend, da mit der fortſchreitenden Erſchließung Afrikas die Handelsver— hältniſſe ſich erheblich geändert haben. Gegenwärtig ſollen die Graupapageien an der Kongoküſte 4 bis 8 Schilling, in Gabun 10 bis 15 Schilling, an der Goldküſte 3 bis 4 Schilling preiſen. Die Händler machen ihrerſeits unter den eingeführten Graupapageien bedeutſame Unterſchiede. Die großen, langhalſigen, dunkelgrauen Jakos, die aus dem Innern von Weſt— afrika herkommen ſollen, ſind größtentheils vor— zugsweiſe begabte Vögel, doch ergeben ſich auch unter den ganz kleinen, hellgrauen nicht ſelten vor— treffliche Sprecher. Als beſonders werthvoll erachtet man weiter die ſog. „Segelſchiffvögel“, alſo Grau— papageien, welche in geringerer Anzahl und daher bei beßrer Verpflegung, herübergebracht worden, größten- theils auch wol beim Einkauf ſorgfältiger ausgewählt ſind. Sie ſollen die Sicherheit gewähren, daß ſie unterwegs nicht den Keim unheilvoller Blutvergiftung empfangen haben und alſo vonvornherein mindeſtens für lebensfähig angeſehen werden dürfen. Hierin würde 16 in der That ein bedeutſamer Werth liegen, allein in allen Fällen iſt jene Vorausſetzung leider nicht zu⸗ treffend. „Dampfſchiffvögel“ nennt man ſchließlich die maſſenhaft und unter den übelſten Verhältniſſen eingeführten Graupapageien. Die Wandlung der Verhältniſſe gilt auch zum Theil von der Überführung der Graupapageien von der afrikaniſchen Küſte bis zu den europäiſchen Häfen. Im Weſentlichen aber ſind in dieſer Beziehung die Verhältniſſe ebenſo ſchlecht geblieben, wie ſie früher waren. Die Vögel werden in verhältnißmäßig enge, nur vorn vergitterte Kaſten maſſenhaft eingepfercht und in den unterſten Schiffsraum gebracht, wo ſie in der heißen, dunſtigen und qualmigen Luft, mit Matſchfutter (erweichtem Brot, Früchten u. a.) ver⸗ pflegt, noch daran leiden müſſen, daß man ihnen aus Vorurtheil und Unwiſſenheit das Trinkwaſſer vorenthält; auch werden die Käfige nie gereinigt. Trotz aller ſolchen Unbillen bleiben ſie erſtaunlicher— weiſe in der beiweitem größten Anzahl nicht allein am Leben, ſondern ſie erſcheinen, was uns geradezu wunderbar dünken muß, faſt regelmäßig wohlgenährt und kräftig und laſſen keinerlei Krankheitsanzeichen erkennen. So kommen ſie nach Europa, wo ſie nun den ſchweren Kampf ums Daſein, in der Gewöhnung an ein rauhes Klima, veränderte Ernährung, kurz und gut an ganz andere, fremde Verhältniſſe, und damit zugleich allerlei Unruhe und Beängſtigung, 17 durchmachen müſſen. Auch hier erhalten ſie ſich gewöhnlich noch eine bis zwei Wochen, ja unter Umſtänden bis ſechs, in einzelnen Fällen ſogar bis acht Wochen lebend, aber ſie ſind mit ganz wenigen Aus⸗ nahmen dennoch unrettbar verloren. Auffallender- weiſe tritt die Erkrankung ſofort, wol ſchon nach Stunden oder doch in wenigen Tagen bei einem bis dahin anſcheinend ganz geſunden Papagei ein, ſobald er Trinkwaſſer erhalten hat. (Näheres über dieſe Erkrankung bitte ich weiterhin unter Krankheiten in dem Abſchnitt über die Blutvergiftung oder Sepſis nachzuleſen.) | Da dieſe bedauerlichen Verhältniſſe und deren Folge, das maſſenhafte Eingehen dieſer Vögel, in der Offentlichkeit beſprochen worden, fo wurde auf den meiſten Dampfern das Mitbringen von Papageien verboten. Doch iſt dadurch nichts gebeſſert worden, denn die Matroſen brachten nun die Vögel heimlich an Bord und verbargen ſie an den dunkelſten Stellen des Schiffs, z. B. im Lampenaufbewahrungsraum, der völlig finſter und mit ſchlechter Luft erfüllt iſt, ſodaß die Vögel nun noch mehr als vorher zu leiden hatten. Geändert werden können dieſe Verhältniſſe nur dadurch, daß die europäiſchen Großhändler im Lande ſelbſt die Papageien aufkaufen und für die beſtmögliche Verpflegung derſelben während der Ueber fahrt ſorgen. Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 2 18 Der braunſchwänzige graue Papagei oder Timneh (Psittacus timneh, Fras., s. P. carycinurus, Reichn.) Timneh⸗Papagei, Timneh⸗Jako. — Timneh Parrot. — Perroquet timneh. — Timneh Papegaai. Dieſer Papagei unterſcheidet ſich von dem vorigen auf den erſten Blick durch folgende Merkmale: Er iſt im ganzen Gefieder mehr oder minder dunkler grau, doch ſind die einzelnen Vögel recht abweichend. Sein Schwanz iſt ſchokoladen⸗ bis rothbraun (niemals aber rein roth). Schließlich hat er keinen rein ſchwarzen Schnabel, ſondern dieſer iſt bei ihm an der Firſt und Spitze, ſowie am Grund blaß röthlichgrau. Auch iſt der Vogel im Ganzen bemerkbar kleiner als der Graupapagei. Früher hielt man ihn für das Jugendkleid oder eine Oertlich⸗ keitsraſſe des Verwandten, doch iſt er dann mit Sicher⸗ heit als ſelbſtändige Art feſtgeſtellt worden. Seine Heimat dürfte ſich auf den Norden von Weſtafrika be⸗ ſchränken. Sein Freileben iſt bis jetzt noch unbekannt. Im Handel bei uns erſcheint er noch immer verhältniß— mäßig ſelten, doch iſt er auf den Berliner Vogel⸗ ausſtellungen ſchon mehrmals vorhanden geweſen. Frau Baronin Sidonie von Schlechta in Wien ſchildert ihn als anmuthig und in ſeinem Benehmen recht komiſch, auch als überaus zutraulich gegen Jedermann. Er pfeife einen wundervoll reinen Ton, ſpreche deutlich, aber eigenthümlich langgezogen und nur verhältniß- mäßig wenig. Das grunzende Geſchrei des Jako habe er nicht, ſondern nur einen hellen, ſchrillen Ruf. Nach mehrmaliger alljährlicher Mauſer bekam er ſtets den rothbraunen Schwanz wieder und ſein ganzes Gefteder blieb gleichmäßig. Dazu hatte r 19 ich früher bemerkt: Für die Liebhaberei wird der Timneh immer nur geringe Bedeutung haben, da er weder ſchöner, noch begabter als der Graupapagei iſt und nur den Reiz der Seltenheit gewährt. Dagegen hat im Jahr 1893 Frau A. Vielbaum in Hamburg über einen ganz vorzüglichen, außerordentlich reich begabten Timnehpapagei in der „Gefiederten Welt“ berichtet: „Wir waren anfangs enttäuſcht, als wir ſahen, daß der Anz kömmling nicht ein grauer, ſondern ein Timnehpapagei ſei; aber er entwickelte dann ſo liebenswürdige Eigenſchaften, daß wir ihn mit einem der beſten Sprecher unter jenen Verwandten nicht vertauſchen würden. Er ſpricht viel und ungemein deutlich, in den verſchiedenſten Tonarten, pfeift, tanzt und ahmt alle Geräuſche mit ſtaunenswerther Natürlichkeit nach. Als wir ihn erhielten, ſprach er nur wenige plattdeutſche Worte, die wir nicht einmal verſtehen konnten; doch wurde er bald ſehr zutraulich, kam auf meine Hand und küßte mich zärtlich. Nach kurzer Zeit kannte er uns Alle einzeln beim Namen, ſagte auch deutlich „Guten Morgen“ und ſobald Jemand anklopfte. „herein“. Dann folgten bald die verſchiedenſten Redensarten: „Du biſt mein kleiner Freund, Du biſt ein ſchöner Vogel“ u. ſ. w. Auch ſingen hat er gelernt und ſchön pfeifen, ja er verſteht drollig zu tanzen, und es iſt ſehr komiſch, wenn er mit erhobenen Flügeln nach dem Takt hin und her trippelt. Er lacht und weint wie ein Menſch, kurz und gut, er iſt nicht allein an Sprachbegabung, ſondern auch an Verſtändniß für das Geſagte ſo hoch begabt, daß ihn zweifellos kein Graupapagei in dieſer Hinſicht übertreffen kann.“ Soweit wir bis jetzt den Timneh kennen, müſſen wir nun aber zugeben, daß ein derartig reich begabter Vogel dieſer Art durchaus nur als größte Seltenheit anzuſehen iſt. Hinſicht⸗ lich der Durchſchnittsbegabung wagen wir uns noch kein ſichres Urtheil anzumaßen; wir ſprechen viel⸗ 2 * 20 mehr nur die Vermuthung aus, daß dieſe Papa⸗ geien, ganz ebenſo wie die von der verwandten Art, überaus verſchieden begabt ſein werden, ſodaß bei ihnen, ebenſo wie beim Jako, Vögel vom erbärm— lichſten Stümper bis zum hochſtehenden, geradezu unübertrefflichen Künſtler, bzl. Sprecher uns ent⸗ gegentreten werden. | Während der Timneh-Papagei alſo nicht bloß in ſeinem ganzen Weſen, ſondern auch in allen ſeinen Eigenthümlichkeiten, ſeiner Fütterung und den übrigen Bedürfniſſen dem Graupapagei völlig gleichſteht, bitte ich hiermit die Leſer, alles Folgende in Hinſicht der geſammten Behandlung und Pflege, als für beide in ganz gleicher Weiſe 9 an⸗ zuſehen. Einkauf, Verpflegung und Abrichtung. Beim Einkauf des Jako iſt es ebenſo nothwendig wie bei dem eines jeden andern derartigen Vogels, auf beſtimmte Geſundheitskennzeichen zu achten. Der Papagei muß ſeine natürliche Lebhaftigkeit und ein glatt und ſchmuck anliegendes, beſonders am Unter⸗ leib nicht beſchmutztes Gefieder, klare und lebhafte, nicht trübe oder matte Augen, nicht ſchmutzige, naſſe oder verklebte Naſenlöcher und keinen ſcharf und ſpitz 21 hervortretenden Bruſtknochen haben; er darf nicht traurig ſein, bewegungslos und mit ſtruppigem oder aufgeblähtem Gefieder daſitzen, in der Ruhe nicht kurzathmig erſcheinen oder beim Athemholen gar den Schnabel aufſperren und namentlich nicht zeit- weiſe einen ſchmatzenden Ton hören laſſen; der Unterleib darf weder ſtark eingefallen, noch aufge trieben, am wenigſten aber entzündlich roth aus⸗ ſehen. Die meiſten, ja faſt alle Graupapageien zeigen nach der Einführung mehr oder minder ſtark be— ſchnittene Flügel. Dies iſt ein großer Uebelſtand, gegen den wir aber vergeblich ankämpfen, weil näm⸗ lich das Flügelverſchneiden geſchieht, um das Ent- kommen der Vögel theils ſchon in der Heimat, theils auf den Schiffen zu verhindern. Bei den großen Sprechern erſcheint dies umſomehr bedauernswerth, da es oft jahrelang währt, bis die Stümpfe durch neue Federn erſetzt werden, und da jeder ſehr ent— federte Papagei vorzugsweiſe ſorgfältiger und vor allem kenntnißvoller Verpflegung bedarf. Nur dann, wenn ein ſolcher vollkräftig und wohlbeleibt ſich zeigt, mag man ihn ohne Beſorgniß kaufen. Zum befriedigenden Einkauf gibt es verſchiedene Wege, doch muß man, gleichviel welchen man ein- ſchlagen will, ſtets aufmerkſam und mindeſtens mit einigen Kenntniſſen zuwerke gehen, denn der Handel mit lebenden Thieren hat immer ſeine Schattenſeiten, die nur zu leicht Täuſchung, Ver— 22 druß und Verleidung der ganzen Liebhaberei engen können. Wer noch jeder Erfahrung ermangelt, dürfte o a beiten daran thun, einen bereits eingewöhnten und | wenigſtens zum Theil abgerichteten Papagei zu kaufen. In dieſem Fall kommt freilich der Preis n ES voll inbetracht und nur, wenn man die Ausgabe von wenigſtens ſechzig Mark nicht zu ſcheuen braucht, 3 4 iſt es rathſam, einen ſchon etwas ſprechenden Grau⸗ | papagei anzuschaffen; denn man erſpart ſich ja nicht allein die Mühe der Selbſtabrichtung und das Wagniß, daß man einen ganz untauglichen oder doch ſtümperhaften Vogel bekomme, ſondern man hat auch nicht zu befürchten, daß der Papagei bei der Eingewöhnung und Abrichtung zugrunde gehe. Nicht außerachtlaſſen wolle man bei ſolchem Einkauf, a “ daß man die volle Gewähr dafür haben muß, einen entſchieden ehrenhaften Verkäufer vor ſich zu ſehen; andernfalls wird man immer in die Gefahr gerathen, za arg übervortheilt zu werden. Der Werth eines 4 ſolchen Sprechers beruht ja eigentlich durchaus auf 4 Einbildung; oft hört man die Bemerkung, daß in ſprechender Papagei geradezu unbezahlbar ſei, denn der Beſitzer oder die Beſitzerin will ihn eben um keinen Preis fortgeben. Und inanbetracht deſſen, daß gut und ſachgemäß verpflegte Papageien in der Regel überaus ausdauernd ſich zeigen und ſehr alt werden, und daß alſo bei dem eingewöhnten Vogel nicht leicht 23 die Gefahr eines Verluſts vorhanden ſein kann, ferner, daß ein guter Sprecher zu angemeßnem Preiſe jederzeit wieder unſchwer zu verwerthen iſt, darf ich * 9 ri . 5 1 er 2 r 1 1 5 1 2 . * a . 88 * N. 1 Be Dr - | « hir. = vom Ankauf eines ſolchen nicht abrathen. Dabei = iſt folgendes zu berückſichtigen. Zunächſt laſſe man ſich vom Verkäufer möglichſt genaue Angaben darüber machen, was der Vogel leiſten kann; man verlange ſolche in gewiſſenhafter Weiſe und bedinge aus— drücklich, daß dieſelben lieber zu wenig als zu viel beſagen. Noch nothwendiger iſt es, daß der Ver— käufer eingehende Auskunft über die bisherige Verpflegung, bzl. Fütterung und Haltung Bertheile. Vortheilhafter iſt es unter Umſtänden allerdings, 11 rr 4 — 4. n e B 75 2 05 8 70 . 7 8 7 RR r ER N DA * ER a PEN, l N Ar Hen, f wenn man einen ganz rohen oder doch erſt wenig abgerichteten Papagei kauft, um die Unterrichtung, zl. weitre Fortbildung ſelbſt zu übernehmen. Der = billige Preis macht dann ja auch das Wagniß, daß man einen kranken Vogel erhalten könne, der trotz ſorgſamſter Pflege vielleicht eingeht, oder daß er ein ſtörriſcher, kaum oder garnicht gelehriger alter Schreier ſei, nicht zu ſchwer. Wer die Gelegenheit dazu findet und in der Kenntniß dieſer Vögel ſchon einigermaßen bewandert iſt, thut am beſten daran, ſich beim Händler den Jako ſelber auszuſuchen. Andernfalls muß man ſich auf die Redlichkeit des Verkäufers verlaſſen. Der erſtre Fall bedingt einiger— maßen ſtarke Nerven, denn man muß das Gekreiſch, 24 welches die je in einem Kaſten zu 8—20 Köpfen beiſammen ſteckenden Grauen ausſtoßen, ſelber gehört haben, um es würdigen zu können, welch' hoher Grad von Liebhaberei dazu erforderlich iſt, daß ſich ein Neuling nicht ein- für allemal abſchrecken laſſe. Zur Behandlung, Verpflegung und Abrichtung eines ſolchen rohen Vogels bedarf es aber, wie bereits ge— ſagt, reicher Erfahrungen, bei deren Mangel man ſich nur zu leicht Verdrießlichkeiten und Verluſten ausſetzt. Vor allem iſt auch hier Kenntniß der bisherigen Verpflegung nothwendig. Wenn die meiſtens noch ſehr jugendlichen Papageien ſoeben all' die Be⸗ ſchwerden und Gefahren der Reiſe durchgemacht haben, nun einen harten Kampf ums Daſein in der Gewöhnung an das rauhe Klima, die veränderte Ernährung und ganz andre, ſie gar ſehr beängjti- gende Behandlung durchmachen müſſen, wenn ſie dabei weder vor Zugluft, noch plötzlichen Wärme⸗ ſchwankungen und anderen ſchädlichen Einflüſſen ge- nügend geſchützt werden und ſich dennoch erhalten, ſo liegt darin wol der Beweis dafür, daß ſie eine außerordentliche, ſtaunenswerth zähe Lebenskraft haben. Erklärlicherweiſe geht dabei manch' einer zugrunde, und um dies zu vermeiden, beachte man vornehmlich die Regel, daß jeder Vogel, wie jedes Thier überhaupt, bei allmählichem Uebergang ſich von einem Nahrungsmittel zum andern unſchwer und gefahrlos überführen läßt, während ihm jeder l — 25 plötzliche Wechſel faſt immer Verderben bringt. Man verpflege ihn alſo in der erſten Zeit genau nach den Angaben des Verkäufers und gewöhne ihn dann, je nach ſeinem Befinden, vielleicht erſt nach Wochen, an die zuträglicheren Futtermittel, die ich weiterhin angeben werde, und zwar indem man nach und nach die Gabe des bisherigen Futters verringert und von dem neuen mehr hinzugibt. Im Nothfall muß man die Annahme des letztern durch Hunger zu erreichen ſuchen. Vortreffliche Dienſte leiſtet bei ſolchem Wechſel das Beiſpiel eines bereits längſt ein⸗ gewöhnten Genoſſen, den man neben den angekom⸗ menen bringt. — Bei jedem Handel mit lebenden Thieren laſſen ſich einerſeits Selbſttäuſchungen nur ſchwer vermeiden und kommen andrerſeits mehr als ſonſtwo Unredlichkeiten vor. Es iſt eine trübſelige, jedoch leider unumſtöß⸗ liche Thatſache, daß hier nur zu oft Einer den Andern zu übervortheilen ſucht, und daß man wirkliche oder vermeintliche, unabſichtliche oder geplante Unredlich— keiten hier manchmal ſelbſt bei ſonſt durchaus achtungs— werthen Leuten vor ſich ſieht. Wer einen lieb geword— nen Vogel beſitzt, ein talentvolles Thier vielleicht nach vielen Fehlſchlägen endlich erlangt hat, täuſcht ſich leicht ſelber, und wenn ſolch' Vogel ein oder einige Worte wirklich inne hat, ſo hält man ihn wol bereits für einen ausgezeichneten Sprecher und gibt ihn auch in voller Ueberzeugung dafür aus. Nun treten mög— 26 licherweiſe Verhältniſſe ein, die den Verkauf nothwendig oder doch wünſchenswerth machen — und dann wird in harmloſer Weiſe beiweitem mehr gejagt, bzl. ver- ſprochen, als die Thatſächlichkeit ergibt. Im Gegenſatz dazu wiegt ſich ebenſo jeder Käufer in übertriebenen Erwartungen; er will einen vorzüglichen Vogel erlangen, dagegen einen möglichſt geringen Preis zahlen. So ſind gegenſeitige Täuſchungen und damit Zank und Streit unausbleiblich. Unleugbar aber haben wir hier auch recht viele Menſchen vor uns, welche in un verantwortlicher Weiſe auf die Einfalt und Leichtgläubigkeit Anderer bauen und den ſprechenden Papagei weit über ſein Können und ſeinen Werth hinaus anpreiſen und verkaufen; ja, ſchließlich kommen Fälle von harſträubendem Betrug vor, indem noch ganz rohe oder alte, unbegabte Vögel als vorzügliche Sprecher verkauft werden. Ein weitrer großer Uebelſtand, den man unter Umſtänden geradezu als Unfug bezeichnen kann, tritt uns in den ſog. ‚afflimatifirten‘ Vögeln entgegen. Als ſolche werden vielfach Papageien ausgeboten, von denen die unerfahrenen Käufer glauben ſollen und auch wirklich vielfach ſich überzeugt halten, daß ſie die beſte Gewähr guter Beſchaffenheit in jeder Hinſicht bieten. Nun iſt aber der Begriff akklimatiſirt' weit ausdehnbar oder er wird doch nur zu ſehr erweitert. Streng genommen kann man als einen akklimatiſirten Vogel nur einen ſolchen anſehen, 27 der nach allen Geſundheitszeichen hin tadellos erſcheint, ſowie vor allem hinſichtlich der Fütte⸗ rung und Verpflegung vollkommen eingewöhnt iſt. Die Verkäufer aber, insbeſondre die Händler, be— zeichnen im Gegenſatz dazu jeden Papagei ſchon als akklimatiſirt, der ſich nur einigermaßen an das ver— änderte Klima und die neue Fütterung gewöhnt und einige Monate oder wol gar nur einige Wochen erhalten hat, gleichviel wie ſein Aeußeres beſchaffen ſei. Jeder geringſte Zufall, insbeſondre die Beſchwerden einer weiten Verſendung, zumal bei ungünſtiger Witterung, können dann aber Erkrankung und Tod herbeiführen — und die Gewähr oder ‚Garantie‘ ſolcher ‚Akklimatiſirung“ iſt alſo nichts andres als eine lere Redensart. Der nächſte Punkt, welcher gleichfalls zu Streitig⸗ keiten und noch dazu unnöthigerweiſe führt, liegt in der mangelnden Kenntniß und Geduld ſeitens des Käufers begründet. Selbſt bei einem vorzüglichen, hoch begabten und gut abgerichteten Papagei muß man darauf gefaßt ſein, daß er in den erſten Tagen, manchmal ſelbſt Wochen, nichts hören läßt. Man wolle bedenken, daß jeder derartige Vogel nur dann ſpricht, bzl. ſeine Kenntniſſe zur Geltung bringt, wenn er ſich einerſeits körperlich durchaus wohl und andrer— ſeits ſicher und behaglich fühlt. Darin liegt ja eben ein Beweis für die hohe Begabung eines ſolchen Vogels, daß er mit ſcharfer Beobachtung die Verhältniſſe 28 ermißt, ſich nur allmählich in die neue Lage findet und dann erſt in derſelben wohlfühlt. Die Verſendung im Großhandel geſchieht in Holz⸗ kiſten, welche nur an der vordern Seite vergittert ſind, während dieſe in der Regel zugleich abgeſchrägt iſt, ſodaß man ſehen kann, wohin das Futter geſtreut wird. Die Thür befindet ſich entweder vorn am Gitter oder in der Hinterwand und iſt gewöhnlich nur ſo groß, daß man den Vogel gerade hindurch bekommt. Futtergefäße ſind in der Regel nicht vor⸗ handen, ſondern das Futter wird einfach auf den Boden geworfen. Waſſer bekommen die großen Papageien ja meiſtens leider garnicht oder es wird ihnen täglich in irdenen Töpfen hineingereicht. Die meiſten Käfige ſind auch nicht einmal mit einer Vor⸗ richtung zum Reinigen ausgeſtattet, und ſo bleiben denn Schmutz, Hülſen und andere Abgänge, ſowie die Entlerungen faulend auf dem Boden liegen und verpeſten die Luft. Am übelſten ſind die Käfige, in denen angeblich biedere „Seeleute“ nach Berlin und anderen großen Städten noch rohe Graupapageien (meiſtens Todes— kandidaten) bringen, um ſie zu billigen Preiſen, bis zu 10 , für den Kopf hinab, zu verſchleudern. Nur ein länglich viereckiger Kaſten, eine Kiſte, die zur Verſchickung irgendwelcher Waren gedient hat, enthält „in drangvoll-fürchterlicher Enge“ beiweitem zu viele der bedauernswerthen Vögel, die zunächſt in der rn ne * * De 75 1 2 er ir, 3 ug N = Am 29 Hitze und ſchlechten Luft des geſchloßnen Raums und noch dazu ohne Trinkwaſſer arg leiden und die den gekochten Mais u. a. ſo verzehren müſſen, wie er ihnen naß oder doch recht feucht auf den Boden geworfen wird, wo ſie ihn in dem faſt eine halbe Hand hoch aufgehäuften Schmutz und Unrath leider nur zu bald zertrampeln, um ihn dann im Hunger ſammt dem ekelhaften Schmutz hinunter⸗ zufreſſen. Zum Ver⸗ ſandt im Bin⸗ nenlande, ſei es ſeitens der Händler an die Liebhaber ode der letzteren an einander, ſind Käfige im allgemeinen Gebrauch, die für dieſen Zweck recht praktiſch, aber ſehr roh erſcheinen. Ein ſolcher beſteht in einem einfachen langgeſtreckten Holzkaſten, deſſen Vorderſeite an der obern Hälfte vergittert und für die großen, ſowie für alle ſtark nagenden Papageien überhaupt in der Regel mit dünnem Blech innen ausgeſchlagen iſt; die Ober— ſeite ſchrägt ſich, der Geſtalt des Vogels entſprechend, nach hinten zu ab, ſodaß die Hinterwand nur etwa zwei Drittel von der Höhe der Vorderwand beträgt. Entweder die Oberwand oder die Hinterwand bilden einen einſchiebbaren Deckel, bzl. die Thür, durch welche 30 der Vogel hineingebracht und herausgenommen wird. Vorn unterhalb des Gitters haben dieſe Kaſten einen durch Holzleiſte oder Brettchen vom Boden abgetheilten Raum für das Futter und etwas weiter hinten eine unmittelbar über dem Boden befindliche dicke Sitz⸗ ſtange; meiſtens enthalten ſie kein Waſſergefäß und oft genug fehlt auch die Futter- und Sitzvorrichtung. Man nimmt allerdings mit Recht an, daß ein Papagei auf kürzeren Reiſen von 1 ſelbſt bis 3 Tagen durſten darf, ohne Schaden zu leiden, während im Gegen— ſatz dazu ein Waſſergefäß ihm verderblich werden kann, denn bei kühler, unfreundlicher Witterung zieht das beim Fahren überſpritzende Waſſer ihm leicht Erkältung, bzl. Erkrankungen, zu. Man ſucht dies vielfach durch einen Schwamm zu verhindern, allein derſelbe wird von dem Papagei in der Regel heraus— gezupft und näßt ihn dann erſtrecht oder wird von ihm zerpflückt und zum Theil gefreſſen und bringt ihm im letztern Fall noch üblere Erkrankung. Engliſche Händler füllen das Trinkgefäß mit in Waſſer erweichtem Weißbrot an, doch daſſelbe ſäuert leicht und ver— urſacht Durchfall und andere Krankheiten. Die hier und da gebrauchten pneumatiſchen Trinkgefäße dürften, wenn fie ganz von Metall, Zink oder ver- zinntem Eiſenblech ſind, für Papageien bei weiter Verſendung empfehlenswerth ſein; der Käfig aber muß dann eine bedeutendere Größe als die gebräuch— lichſten haben, damit ſich ſolch' Gefäß darin unter⸗ N . D BETTEN TED TEN WR a u a be De 31 bringen läßt, ohne den Vogel zu ſehr zu beengen; je weiter die Reiſe, deſto mehr Raum iſt überhaupt nothwendig. Bei kurzen Entfernungen iſt es am beſten, wenn das Waſſer, wie erwähnt, ganz fort— bleibt. Zur Verſendung in kalter Jahreszeit werden von den Käfigfabriken beſondere Winter-Verſandt— bauer hergeſtellt, welche in einem Doppelkaſten mit drahtvergittertem Fenſter an dem Außenkaſten be⸗ ſtehen, während der innere ein gewöhnlicher Verſandt— kaſten iſt. Empfang und Eingewöhnung. Für jeden beſtellten, bzl. erwarteten Graupapagei halte man den Wohn— käfig oder Ständer bereit, damit er nach der Ankunft nicht mehr lange im Verſandtkaſten zu bleiben braucht; kommt er gegen Abend an, ſo laſſe man ihn die erſte Nacht ruhig im Verſandtkaſten ſitzen. Beim Ein⸗ oder Aufbringen in den Käfig oder auf den Ständer vermeide man, wenn irgend möglich, die Anwendung von Gewaltmaßregeln, und geht es ohne ſolche durchaus nicht, ſo laſſe man ſie von einem Andern ausführen — eingedenk deſſen, daß der Papagei dergleichen niemals oder doch für lange Zeit nicht vergißt und gegen den, der ihm derartige vermeintliche Unbill zugefügt hat, ſtets ſcheu und ängſtlich oder mißtrauiſch bleibt. In der Ankunft vieler, ja der meiſten Papageien liegt vonvornherein eine arge Enttäuſchung für den Empfänger, insbeſondre wenn derſelbe noch garkeine Kenntniß von dem Weſen und 32 Benehmen eines ſolchen Vogels hat. Da kommt der ſehnlichſt erwartete Graupapagei mit der Poſt an — und jagt das ganze Haus in Entſetzen, denn er ſchreit „wie ein geſtochenes Schwein“ und läßt ſich nicht beruhigen, weder durch Sanftmut noch durch Strenge; er zeigt ſich eben als ein wildes, ungeberdiges Vieh, welches keinerlei Beſänftigungs⸗ mitteln zugänglich iſt. Dadurch ließ ſich ſchon man⸗ cher Liebhaber die Freude für immer verderben, und nur der Sachverſtändige weiß es zu ermeſſen, daß gerade ein ſolcher Vogel die Ausſicht auf beſten Erfolg gewährt. Sobald man in den Empfang⸗ bzl. Wohnkäfig Futter und Waſſer gebracht, ſtellt man vor ſeine geöffnete Thür, bzl. in ihn hinein den gleichfalls aufgemachten Verſandtkaſten, ſodaß der Vogel von ſelber aus dieſem heraus und in jenen hineingehen kann, und wartet geduldig, ſelbſt wenn es, wie dies zuweilen vorkommt, ziemlich lange dauert. Iſt der Papagei ſo ſcheu und zugleich ſtörriſch, daß er durchaus nicht freiwillig den Kaſten verläßt, ſo muß man ihn, wie ſchon geſagt, von einer fremden, natürlich jedoch zuverläſſigen Perſon herausgreifen laſſen. Der Be⸗ treffende muß ſich, nachdem er auf beide Hände ſtarke, am beſten wildlederne Handſchuhe gezogen, die rechte Hand mit einem derben Leinentuch umwickeln und dann dreiſt und raſch den Papagei hinterrücks über den Kopf und das Genick faſſen, ſodaß derſelbe nicht 33 beißen kann. Letztres muß mit Geſchick und Vorſicht geſchehen, damit das werthvolle Thier dabei keinenfalls beſchädigt werde. Mit der linken Hand ſchiebt man ihn nun ſofort ohne weitern Aufenthalt in den Wohn— käfig hinein, verſchließt deſſen Thür und überläßt den Papagei für möglichſt lange Zeit völlig ungeſtört ſich ſelber. Will man ihn anſtatt im Käfige lieber auf einem Bügel oder Ständer halten, ſo dürfte es am rath— ſamſten ſein, daß jeder unerfahrne Liebhaber ſchon bei der Beſtellung den Händler bittet, dem Papagei Ring und Kette anzulegen. Muß man letztres ſelber ausführen, ſo packt man den Vogel, oder läßt ihn wie vorhin angegeben greifen, jedoch zugleich ihm den Schnabel zuhalten oder den Kopf mit einem loſen Tuch verhüllen, dann zieht man am beſten den linken Fuß vor und ſchraubt den bereits geöffneten Ring daran feſt, während das andre Ende der Kette ſchon am Ständer befeſtigt ſein muß. Beim Los- laſſen aber, ſowie bei jeder Annäherung ſpäterhin, ſei man recht vorſichtig, damit der Papagei nicht in blinder Angſt und Haſt plötzlich fortſpringe, ſich hinab— ſtürze und den Fuß breche oder ausrenke. Nun kann es manchmal lange dauern, bis der durch das Herausgreifen beim Händler, Einſetzen in den Kaſten und die Verſendung im engen Raum nur zu ſehr geängſtigte Papagei endlich ſoviel Ruhe zu gewinnen und Muth zu faſſen vermag, daß 4 nicht Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 34 mehr bei jeder Annäherung, namentlich aber beim Füttern und Reinigen des Käfigs, davonzukommen ſucht und das ohrenzerreißende Geſchrei ausſtößt; bei manchem währt es wochenlang, ehe er allmählich ſich beruhigt, verſtändig, zutraulich und dann auch bald gelehrig ſich zeigt. Hat man einen rohen Papagei vor ſich, der noch ganz wild und unbändig iſt, ſo ſollte man ihn zunächſt weder ſogleich in den geräumigen Wohnkäfig, noch an die Kette auf den Ständer bringen. Im erſtern Fall wird ſeine Eingewöhnung ſehr verzögert und im andern kommt er nur zu leicht in die Gefahr, bei Erſchrecken oder Beängſtigung ſich plötzlich hinab⸗ zuſtürzen und wie oben geſagt zu beſchädigen. Man ſetzt ihn vielmehr zunächſt in einen Empfangskäfig und beherbergt ihn in demſelben, je nach dem Fort⸗ ſchreiten ſeiner Eingewöhnung, bzl. Zähmung, vier bis ſechs Wochen. Dieſer letzterwähnte Käfig muß ebenſo wie der, welchen ich weiterhin als Wohnkäfig beſchreiben werde, geſtaltet und eingerichtet ſein, nur mit dem Unterſchied, daß er um die Hälfte oder doch um ein Drittel kleiner als jener iſt. Käfig und Ständer. Ein guter Papageikäfig ſoll folgenden Anforderungen durchaus genügen: 1. er muß ausreichenden Raum gewähren, ſodaß der Vogel ſich, wie ich weiterhin näher erörtern werde, die noth⸗ wendige Bewegung machen kann; 2. ſeine Geſtalt iſt am beſten eine einfach viereckige, oben ſanft ge- 35 wölbte, ohne alle Ausbuchtungen, Schnörkeleien und dergleichen Verzierungen; 3. er ſollte ſtets völlig aus Metall hergeſtellt ſein. Als die gebräuchlichſte Form des Käfigs für den einzelnen Sprecher ſieht man einen einfachen vier- eckigen, auch oben nicht gewölbten, ſondern flachen und nur an den Seiten zugerundeten Kaſten aus ſtarkem verzinnten Eiſendraht, meiſtens noch mit hölzernem Sockel und über dem Fußboden in der Höhe des letztren mit einem Gitter, gleichfalls aus ſtarkem Draht. Dieſer Käfig hat aber mancherlei Mängel. Zunächſt iſt er in der Regel zu klein, ſodann müſſen die Futter⸗ und Trinkgefäße gewöhnlich von innen angehakt werden, was bei einem biſſigen Papagei recht mißlich iſt, ſchließlich ſind Drahtnetz und Sockel nebſt Schublade nichts weniger als zweck— mäßig. Der Verein „Ornis“ in Berlin ließ zur Beherbergung der Papageien auf ſeinen Ausſtel— lungen Bauer anfertigen, welche ich als Muſter— käfige (ſ. umſeitig ſtehende Abbild.) bezeichnen kann. Ein ſolcher bietet vollen Raum zur Bewegung, denn er hat 75 em Höhe und je 43 em Länge und Tiefe. Sein Obergeſtell iſt aus 4 mm ſtar⸗ kem, verzinnten Draht in 3 em Weite, Sockel, Schublade und Unterboden ſind aus verzinntem Eiſenblech hergeſtellt; der letztre kann der bequemern Reinigung halber auch in einem Drahtgitter beſtehen. Das erwähnte Drahtgitter oberhalb des Fuß— 3 * 36 re völlig fortgelaſſen, zunächſt weil ſich der eg aran die Beine zerbrechen kann, ſodann weil er Schmutz darauf in häßlicher Weiſe feſtſetzt, u ff a. nee 3 aber, weil jeder Papagei das Bedürfniß 3 1 990 wieder auf dem Fußboden aus⸗ in den Sand zu legen. Die Bl 8 N ech⸗ 1 leicht ein⸗ und auszuſchieben u | e Entlerungen täglich fortgekratzt ed 37 können, worauf der Boden wieder mit trocknem, reinem Sand beſtreut wird. Von außen muß ſie durch Klammern oder ſtarke Häkchen befeſtigt werden, damit ſie der Papagei nicht aufſchieben kann. Der Sockel ſoll immer recht hoch, mindeſtens 7 em breit ſein, weil ſonſt der Papagei durch Herausſcharren von Sand u. a. das Zimmer ſehr verunreinigt. Die Thür muß ſo weit ſein, daß man den Vogel bequem hineinbringen und herausnehmen kann, alſo etwa 16—17 em im Geviert. Meiſtens hat man ſie von oben herabfallend, doch auch ſeitwärts zu öffnen; in jedem Fall muß ſie durchaus ſicher ver- ſchließbar ſein. Faſt jeder große Papagei beſchäftigt ſich angelegentlich damit, vornehmlich den Thürver⸗ ſchluß zu ſprengen. Großer Sorgfalt bedarf die Sitz— ſtange. Damit ſie nicht zernagt würde, hatte man ſie früher mit dünnem Eiſenblech beſchlagen, einerſeits wurde ſie dann aber bald ſo glatt, daß der Papagei ſich nur mit Mühe darauf halten konnte, nachts herab— fiel und von der fortwährenden Anſtrengung ſehr litt, andrerſeits bekam er Hühneraugen und Geſchwürchen in den Fußſohlen und endlich verurſachte ihm das Metall Erkältungen der Füße oder des Unterleibs. In zweckmäßiger Weiſe wird jetzt an jeder Seite des Käfigs unterhalb des Futter- und Trinkgefäßes je ein eiſerner Ring oder eine Hülſe von ſtarkem Blech angebracht und darin die Stange feſtgeklemmt. Man wählt am beiten ein 3--3,, em dickes, friſches 38 Aſtſtück noch mit voller Rinde von nicht zu hartem Holz, und ſobald daſſelbe zernagt iſt, kann es unſchwer durch ein neues erſetzt werden. Falls man eine entrindete Stange nimmt, darf dieſelbe nicht zu glatt gehobelt, ſondern ſie muß etwas rauh ſein. An den Futter⸗ und Trinkgefäßen hat man neuerdings einen aufgelötheten gewölbten Mantel angebracht, welcher das Futter ſo umgibt, daß der Papagei die Sämereien u. drgl. nicht wie bei den offenen Gefäßen herausſtreuen und verſchleudern, bzl. das Waſſer ver- ſpritzen kann (ſ. Abbildung). So werden ſie ein⸗ geſchoben, und hinter jedem befindet ſich eine auf- und niedergehende Gitterthür, welche verhindert, daß der Vogel entkomme, wenn Futter und Waſſer gewechſelt werden. — Ein völlig entſprechender Käfig ſollte auch immer eine kurze bequeme Sitz ſtange oberhalb des Bauers haben, zu welcher der zeitweiſe herausgelaßne Papagei emporklettern, ſich darauf ſetzen und bequem die Flügel ſchwingen und das Gefieder auslüften kann. Als Uebelſtand ergibt ſich freilich, daß er von hier aus das Käfig⸗ gitter verunreinigt; entweder muß das letztre dann ſtets ſogleich wieder geputzt werden, oder man ſollte auf dem Käfigdach, unterhalb des etwas erhöhten Sitzes, eine entſprechende Schublade mit Sand an⸗ bringen. — Die noch vielfach gebräuchliche Schaukel im Käfig halte ich nicht allein für überflüſſig, ſondern ſogar für ſchädlich, weil ſie den Papagei in der 39 Bequemlichkeit ſtört, namentlich aber ihm den zum Flügelſchwenken nöthigen Raum beengt. Neuerdings hat Herr Nadlermeiſter P. Schind— ler in Berlin noch einen verbeſſerten „Ornis“-Käfig hergeſtellt. Bei dieſem beſteht der Sockel aus ſtarkem Zinkblech, 10 em hoch, an der Vorderſeite mit einer herabfallenden Klappe verſehen, die durch einen Drahtriegel feſt von außen verſchließbar iſt. Ober⸗ halb des Sockels ſteht ein ſanft gebogner Rand aus ſtarkem Weißblech etwa drei Finger breit her— vor, um zu verhindern, daß Futter oder irgend— welche Schmutzerei herausgeworfen werden kann. Die Schublade iſt gleichfalls aus ſtarkem Weißblech, leicht ein⸗ und ausſchiebbar. Sodann hat der Käfig eine praktiſche große Thür mit einem feſten Verſchluß von außen, ohne Oeſen; zugleich iſt ſie feſt und glatt eingezinnt, ſodaß der Vogel ſich nirgends ein— klemmen oder reißen kann. Futter- und Trinkgefäß, beide von ſtarkem Porzellan, ſind jederſeits ſo eingerich— tet, daß ſie leicht von außen eingeſchoben und her— ausgenommen werden können, während ſie andrer— ſeits ſo feſt ſchließen, daß der Vogel ſie nicht herabwerfen kann. Auch ſtehen ſie nicht, wie ſonſt, beiderſeits auf der Sitzſtange, ſondern ſind vor derſelben eingeſchoben, ſodaß der Papagei beim Freſſen nicht auf dem Rand des Futternapfs, ſon⸗ dern bequem vor dieſem auf der Stange ſitzen und nicht leicht Futter verſtreuen kann. Die Sitzſtange 40 beſteht aus einem derben Stück Naturholz mit Rinde und iſt in eine feſtzuſchraubende Klammer gelegt, ſodaß ſie, wenn der Papagei das Holz zer— nagt hat, leicht herausgenommen und durch eine andre erſetzt werden kann. Oberhalb des Käfig⸗ dachs iſt die oben erwähnte zweckentſprechende Sitz— ſtange angebracht, auf der der Papagei täglich, herausgelaſſen, die Flügel lüften und ſich aus⸗ ſchwingen kann. Alles Gitter iſt gut und feſt ver⸗ zinnt, ſodaß rauhe Ecken nicht vorhanden ſind und es zugleich dem Papageienſchnabel Widerſtand leiſtet. — Herr Nadlermeiſter Manecke in Berlin hat an ſeinen Papageienkäfigen ebenfalls einen praktiſchen Thürverſchluß, praktiſche Befeſtigung der Futter⸗ näpfe und ſodann einen Schlafmantel, der an einem Drahtaufſatz, den man oben auf deu Käfig ſetzt, befeſtigt und der zur Nachtzeit ſo um den Käfig zu⸗ gezogen wird, daß der Vogel ihn nicht faſſen und daran nagen kann. Die Meſſingplatte am Thür⸗ verſchluß iſt gut vernickelt, das Schloß iſt von außen leicht zu öffnen, während der Vogel von innen es nicht aufzumachen vermag.“ | Viele Liebhaber wünschen, daß der ſprechende Vogel zugleich als ein Schmuck in der Häuslichkeit zur Geltung komme, und geben ihm einen möglichſt prachtvollen Käfig. Daher ſieht man die vielen unpraktiſchen runden, zylinder-, fegel- oder thurmförmigen Bauer von Meſſingblech oder ee ts 41 Draht. Abgeſehen davon aber, daß ſie dem Vogel nicht ausreichenden Raum und bequemen Aufenthalt gewähren, bergen ſie auch Gefahren. Zunächſt ſetzt dieſes Metall bekanntlich, wenn es nicht ſtets trocken und blank gehalten wird, Grünſpan an und ſodann bedrohen die Putzmittel Geſundheit und Leben des Vogels. Der Käfig aus verzinntem, ver— zinktem oder ſonſtwie metalliſch überzognem Eiſendraht kann ja gleichfalls als ein Schmuck betrachtet und gewünſchtenfalls angeſtrichen werden. Freilich muß es ein Schnell und hart trocknender Lackanſtrich ſein und der Vogel darf nicht eher in den Käfig gebracht werden, als bis die (natürlich giftfreie) Farbe vollkommen getrocknet iſt. Neuerdings hat man auch einen farbloſen Lack im Gebrauch, mit welchem man das blanke, trockne Meſſing über— zieht und der ſo hart antrocknet, daß ihn der Papageien— ſchnabel nicht loszuknabbern vermag, während das Meſſing nicht Grünſpan anſetzen kann. Läßt man den Käfig in Geſtalt des „Ornis“-Bauers oder ſonſtwie zweckmäßig anfertigen, ſo darf man dann immerhin Meſſing wählen. Hat man dieſes Metall aber ohne Lackanſtrich und muß der Käfig geputzt werden, ſo iſt der Papagei währenddeſſen jedesmal herauszunehmen und nicht eher wieder hineinzu- bringen, als bis das geputzte Gitter vermittelſt eines weichen, leinenen Tuchs ganz rein und trocken I ²˙ m ˙ w U rl on au 42 gerieben iſt; die meisten Putzmittel, ſo namentlich die ſog. Zuckerſäure, ſind ſehr giftig. Die bisher vorhandenen Papageien⸗Ständer mit Ring oder Bügel ſind leider faſt ſämmtlich ebenſo unpraktiſch und untauglich wie manche Käfige; auch fie können in der Regel nur als Luxusgegen— ſtand gelten. Man ſieht ſie in verſchiedner Ein⸗ richtung, und die ſchlimmſten von ihnen ſind ganz, ſelbſt mit Einſchluß der Sitzſtange, aus Metall oder von härteſtem polirten Holz angefertigt. Inbetreff der Sitzſtangen muß man auch hier das S. 37 bereits Geſagte beherzigen. Der einfachſte Papageienſtänder iſt ein Geſtell etwa von Mannshöhe, eine Säule aus hartem, polirtem Holz, oben mit einem Knauf und unten oberhalb des Fußes mit einer 66 cm langen und 50 cm breiten Vorrichtung, in welcher ſich eine leicht ausziehbare Schublade mit voll Sand beſtreutem Boden, wie im Käfig, befindet, an der zu beiden Seiten Futter- und Waſſergefäß angebracht ſind, während an der Säule hinauf treppenartig ein— geſteckte etwa 15 em lange Kletterſtangen bis zu der eigentlichen etwa 50 cm langen oberſten Sitzſtange führen, welche letztre nicht zu hoch, ſondern noch unterhalb des menſchlichen Auges durch die Säule geſteckt ſein muß, und an deren beiden Enden man wol zweckmäßiger als unten Futter⸗ und Waſſergefäß haben kann. Immer müſſen die 43 Gefäße aber ſicher befeſtigt ſein, weil der Papagei hier, wo er frei ſitzt, ſich noch eifriger mit ihnen beſchäf⸗ tigt. Amzweckentſprechend⸗ ſten werden ſie ſchubladen⸗ artig in eine oben offne Blechkapſel geſchoben, deren hervorſtehende und nach innen gebogene ſtarke Rän⸗ der ſie feſthalten. Häufiger findet man den Papageienſtänder mit Bügel oder Ring, bei dem vor allem der Bügel der Größe des Vogels ent— ſprechend und unterhalb des Sitzes die Schubladenvor- richtung angebracht ſein muß. (S. die Ab⸗ bildung.) Er iſt in der Regel aus Me⸗ A tall, mit alleiniger — Ausnahme der Sitz⸗ „ ſtange. Die Papageien⸗ ſtänder, welche den genannten Anfor⸗ * Di - O r * 4 derungen nicht genügen, ſchließe ich vonvorn— herein als unbrauchbar aus. Prunkvolle Ständer, die wol gar mit Goldfiſchglocke und Schmuckkäfig für einen kleinern Vogel ausgeſtattet ſind, bergen für den Papagei nur Thierquälerei. Zweckmäßige Ständer (ſ. Abbildung) werden von Herrn Joſef Schmölz in Pforzheim angefertigt. Der Bügel muß für den Jako eine etwa 60 cm lange Sitz⸗ ſtange haben und in der Rundung etwa 50 em hoch ſein. An den Seiten befinden ſich Futter- und Waſſergefäß, und inbetreff dieſer ſowie der Sitzſtange gilt das bereits Geſagte. Als Erforderniſſe, welche bei den Papageienſtändern meiſtens verſäumt werden, und die ich doch als durchaus nothwendig anſehen muß, nenne ich folgende: Solch' Ständer ſollte immer eine Klettervorrichtung haben, an welcher der Vogel zur Schublade unſchwer herabgelangen und täglich im Sande paddeln kann. Fehlt eine derartige Einrichtung, ſo iſt es auch nicht ausreichend, wenn er oberhalb des Bügels noch einen beſondern feſten Sitz hat, während ich dieſen letztern für alle Fälle, ſelbſt wenn der Bügel nicht ſo ſehr loſe hängt, daß er bei der geringſten Bewegung in Schwingungen verſetzt wird, als entſchieden unentbehrlich erachte. Immerhin fehlt hier die naturgemäße Bewegung des Kletterns, und man ſollte bei Anbringung der oberſten Sitzſtange darauf Bedacht nehmen, ihm ſolche, ſoweit es thunlich iſt, zu verſchaffen. Der Papageienſtänder, . 45 welchen die Abbildung zeigt, iſt jo eingerichtet, daß das Geſtell vermittelſt der beiden Schrauben tief genug herabgelaſſen, bzl. in den Fuß hinuntergeſenkt werden kann, um dem Vogel das Erreichen der Schublade mit dem Sand zu ermöglichen. Man kann die Kette aus leichtem Metall auch noch um die Hälfte länger geben, damit der Papagei keinen— falls behindert werde, den ganzen Raum des Unter⸗ ſatzes, bzl. der Schublade, zu betreten. Dieſer Ständer hat keinen beſondern obern Sitz. Will der Vogel klettern und iſt die Kette lang genug, ſo kann er ja die obre Rundung des Ständers erklimmen; die Kette muß dann aber nicht allein die volle aus⸗ reichende Länge, ſondern auch in der Mitte ein drehbares Glied haben, damit ſie dem Vogel jede Bewegung geſtatte und ſich nicht verwickle. Auf der Rundung oben am Ständer kann dann wol zeitweiſe ein Sitzholz feſt angeſchraubt werden, und ſchließlich iſt die Kette ſo einzurichten, daß ſie, wenn der Papagei wieder ruhig im Bügel ſitzt, zur Hälfte eingehakt wird, damit der Fuß nicht fortwährend die ganze Laſt zu tragen hat. Nach Ermeſſen muß man den Bügel abnehmen und im Freien an einen Baumaſt hängen können; am Ständerhaken aber müßte ſich ſtets eine Feder befinden, welche es verhindert, daß der Papagei gelegentlich den Bügel ſelber loslöſe und mit ihm herabfalle. err 46 Alle bis jetzt im Handel vorkommenden Fuß⸗ ketten nebſt Fußring ſind unzweckmäßig; vor⸗ nehmlich iſt die Wahl des Metalls für dieſelben mißlich. Kupfer, Meſſing, Neuſilber u. a. werden durch Grünſpananſatz leicht gefährlich und ſind auch, ebenſo wie das Eiſen, zu ſchwer. Das neuer- dings vorgeſchlagne Aluminium leiſtet dem Schnabel zu geringen Widerſtand. Zwiſchen dieſen Klippen aber ſcheitert auch die Verwendung der übrigen Metalle. Noch ſchlimmer ſteht es mit dem Fußring; entweder drückt er mit harter Kante an der Stelle, wo er feſt aufliegt, d. h. an der Seite, wo die Kette herunterhängt, den Fuß und bringt ſchmerzhafte Hautverhärtungen hervor, bzl. reibt wenigſtens die Stelle wund, oder der Verſchluß des Rings ver— mag dem Papageienſchnabel nicht zu widerſtehen. Der Vogel, wenn er nicht bereits völlig an den Ständer gewöhnt iſt, macht ſich dann doch einmal los und kann allerlei Unfug im Zimmer anrichten oder wol gar entkommen. Daher wiederhole ich auch hier die Aufforderung an die Sachverſtändigen auf dieſem Gebiet: ſie mögen darauf ſinnen, zweckmäßige Fußketten und Ringe, die alle derartigen Uebelſtände vermeiden laſſen, die namentlich durchaus feſt und ſicher, dabei jedoch auch leicht ſind, ſodaß ſie den Vogel nicht qualvoll beläſtigen, herzuſtellen. Die von Herrn Oberförſter Rupprecht vorgeſchlagne Einlage von rohem Guttapercha, welches in ſiedendem Waſſer plaſtiſch gemacht iſt, 1 . 47 und das Wechſeln des Rings von einem Fuß zum andern hat ſich leider nicht bewährt. Am beſten dürfte es ſein, wenn man den Papagei ſo auf den Bügel und an den Ständer gewöhnt, daß er denſelben auch unangekettet niemals freiwillig verläßt; dazu gehört freilich viel, und es bleibt dabei mindeſtens die Gefahr, daß der Vogel, durch einen plötzlichen Schreck oder dergleichen erregt, einmal durch's offne Fenſter davonfliegt, ſelbſt wenn er ſchon ſeit zehn Jahren und darüber neben demſelben geſeſſen. — Einen ſehr einfachen Papageienſtänder hat neuerdings Herr Manecke-Berlin in den Handel gebracht; er beſteht nur in einer praktiſchen Sitz⸗ ſtange von 35 cm Länge für den Vogel, die leicht gan Tiſch und Stuhl zu befeſtigen iſt, und eignet ſich beſonders für einen gut gezähmten Vogel. Ernährung. Die zweckentſprechende Fütterung iſt für keinen Vogel ſo wichtig wie für den ſprechenden und daher koſtbaren Papagei. Unter Hinweis auf das S. 16 bereits Geſagte will ich es nochmals hervorheben, daß die Aufkäufer und Händler vielfach, zumal aber bei der Ueberfahrt, dieſe Vögel ganz unzweckmäßig behandeln und dadurch vonvornherein den Krankheits- oder gar Todeskeim bei ihnen legen. Ja, noch mehr; wenn die jungen Vögel, wenigſtens die, welche früh aus den Neſtern geraubt worden, von den Negern mit gekautem Mais aufgepäppelt werden, ſo liegt darin doch ſicherlich kleine Gewähr 48 für ihre Geſundheit und ihr Leben, und ebenſowenig iſt dies der Fall bei der weitern Gewöhnung der jungen Vögel an Bananen u. a. tropiſche Früchte oder auch gekochten Mais, gekochte Kartoffeln u. drgl. Jeder, der Graupapageien nach Europa hinüberbringt, füttert dieſelben ſeiner Einſicht und Kenntniß gemäß, und da läßt es ſich ja denken, daß die Vögel in mannichfach verſchiedner Weile ernährt und ver- pflegt werden. Hierin iſt wol die Haupturſache der beſtehenden argen Uebelſtände zu ſuchen, und es ergibt ſich als dringend nothwendig, daß die geſammte Papageien⸗Einfuhr in einheitlicher Weiſe geregelt werden muß. Vor allem müſſen die Großhändler dahin ſtreben, daß ſie lebensfähige Vögel erlangen, und dies können ſie eben nur dadurch erreichen, daß die Verpflegung und Fütterung bereits von Beginn her ſach- und naturgemäß eingerichtet werde. Man könnte einwenden, dies ſei garnicht möglich, bevor man nicht die Lebens- und Ernährungsweiſe dieſer Vögel im Freien ſicher kennt. Und obwol wir, zumal in der letztern Zeit, auf dieſem Wege in der erfreulichſten Weiſe weiter fortgeſchritten ſind, ſo bleibt leider doch noch viel zu wünſchen übrig. Ich muß hier natürlich in den nachſtehenden Anleitungen auf den Kennt⸗ niſſen fußen, die wir aus den bisher feſtſtehenden Er- fahrungen zu gewinnen vermochten. | Es iſt unbeſtreitbar, daß die Graupapageien in der Freiheit der Hauptſache nach von mehlhaltigen 49 Sämereien, im geringern Maß von öligen Samen, ſowie Nüſſen und zeitweiſe auch von friſchen, zarten Pflanzentheilen, am wenigſten von weichen Früchten, ſich ernähren. Daher iſt es richtig, wenn man in neuerer Zeit ſie meiſtens in der Hauptſache mit Mais nebſt etwas Hanf und Zugabe von gut ausgebacknem, nicht geſäuertem Weizenbrot füttert, ihnen aber auch immer, wechſelnd je nach der Jahreszeit, gutreife Frucht dazu reicht. Der Mais wird am beſten ſchwach angekocht gegeben, weil die Maiskolben vielfach zu früh ausgebrochen werden, dann die Körner beim Nachreifen auf dem Speicher hohl trocknen und innen wol gar ſchimmeln. Alle beim Kochen geplatzten, innen ſchwarzen u. a. ſchlechten Körner ſucht man ſorgfältig aus und wirft ſie fort. Man kocht ſolange, bis ein herausgenommenes Korn einen Fingernageleindruck annimmt, reibt die Körner dann auf einem groben weichen Handtuch luft— trocken und läßt ſie erkalten. Als beſondere Lecker— biſſen gibt man auch wol halbreife, noch „in Milch ſtehende“ Maiskörner, doch muß man damit vor⸗ ſichtig ſein, weil ſie leicht Durchfall erzeugen. Wer übrigens durchaus guten, vollreifen und auch vor— trefflich getrockneten Mais hat, braucht die Körner nur abzubrühen und dann mit dem Leinentuch zu trocknen, um fie jo nach dem Erkalten zu verfüttern. — Das Weißbrot (Weizenbrot, Semmel oder Wecken) muß ohne Sauerteig, ohne oder doch mit möglichſt 4 Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 50 wenig Hefe, aus reinem Weizenmehl (es darf alſo keine Berliner Schrippe, auch nicht mit Zuſatz von Zucker, Milch, Gewürz und Salz), gut aus⸗ gebacken, nicht glitſchig oder waſſerſtreifig, ſondern gleichmäßig locker und porös ſein. Ebenſo darf es nicht zu lange oder in zu vielem Waſſer erweicht werden, damit nicht aller Nahrungsſtoff ausgezogen werde. So wird es altbacken, d. h. mindeſtens 4 Tage alt und hartgetrocknet, in Waſſer erweicht, dann entfernt man vermittels eines Meffers die Rinde oder Schale, preßt die reine Krume mit den Fingern ſcharf aus und zerkrümelt ſie. Will man anſtatt des erweichten Weißbrots lieber trocknes geben, das die Papageien manchmal ſehr gern freſſen, ſo ſind die ſog. Potsdamer Zwiebacke — ein kleines hartes, vortrefflich ausgebacknes reines Weizenbrötchen ohne jeden Zuſatz — höchſt empfehlenswerth. Davon bekommt der Papagei vor- und nachmittags je einen halben und, wenn er dieſen ſich ſelbſt in ſeinen Trinknapf eintaucht, ſo ſchadet es nichts. Von der vorhin empfohlenen Semmel gibt man ihm vor- und nachmittags von der erweichten Krume etwa wie eine Wallnuß groß. Mit dem bisher beſchriebnen einfachen Futter kann man nach meiner Ueberzeugung jeden großen ſprachbegabten Papagei für die Dauer vortrefflich erhalten. Sobald ein ſolcher als völlig eingewöhnt, zweifellos geſund und lebenskräftig betrachtet werden kann, 51 darf man ihm einige Zugaben zur Erquickung bieten, ſo namentlich Obſt. Man verſuche vorſichtig zunächſt mit einer Kirſche, Weintraube, einem Stückchen Apfel, Birne oder dergleichen, je nach der Jahreszeit und alles natürlich in beſter Beſchaffenheit; doch achte man wenigſtens in der erſten Zeit recht aufmerkſam auf die Entlerungen, und wenn dieſe ſchleimig oder gar wäßrig, ja auch nur abweichend überhaupt erſcheinen, ſo laſſe man die Fruchtzugabe ſogleich wieder fort, überſchlage einige Tage und beginne dann den Verſuch von neuem, bis man den Vogel allmählich an das gewöhnt hat, was ihm angenehm und wohlthuend zugleich iſt. Als unbedenkliche Leckerbiſſen für die großen Sprecher darf man Haſel⸗ oder Wallnüſſe, die ſog. braſiliſchen Erd— oder Paranüſſe, auch wol eine ſüße Mandel, gewähren, doch muß man all' dergleichen vorher ſorgfältig ſchmecken, damit nicht etwa ein verdorbner, ranzig oder bitter gewordner Kern oder gar eine bittre Mandel darunter iſt; letztre wirkt bekanntlich als Gift, und beiläufig ſei bemerkt, daß man auch Peterſilie als ein ſolches für Papageien anſieht. Alle weichen Südfrüchte, wie Bananen, Datteln, Feigen, Apfel- ſinen u. a. m., gebe man den großen Sprechern lieber garnicht oder doch nur unter äußerſter Vorſicht, indem man jede einzelne Frucht vorher gleichfalls koſtet. Ebenſo vermeide man rohe oder gekochte Mören, rohe oder geröſtete italieniſche Kaſtanien, 4 * 52 Melonen, auch Roſinen, ſowie die verſchiedenen Beren, denn man iſt bei alledem nicht ſicher, daß dies oder das nicht ſchädlich ſei; ohne Bedenken darf man dagegen vollreife friſche und gut getrocknete Ebereſchen— oder Vogelberen reichen. Grünkraut erachte ich als überflüſſig, Salat oder Blätter von den verſchiedenen Kohlarten als geradezu gefahrdrohend; doch biete man den Papageien ſtets Zweige zum Benagen, anfangs trocknes, mittelhartes Holz, nach völliger Eingewöhnung grüne Zweige mit Rinde, Knoſpen oder Blättern, am zuträglichſten von Weiden, Pappeln, allerlei Obſtbäumen, auch Birken, Buchen und ſelbſt von Nadelhölzern; für weniger gut halte ich die ſehr harten, ſowie die ſtark gerbſäurehaltigen Holz⸗ arten. Das Holz zum Benagen braucht der Papagei, einerſeits, um für ſeinen Schnabel eine naturgemäße Thätigkeit zu haben, andrerſeits als erfriſchendes Nahrungsmittel. | Alle Sämereien ſollen voll asg und gut gereift, ſodann frei von Schmutz und fremden Samen ſein; ſie dürfen, ſo z. B. der Hanf, nicht zu friſch (er bewirkt dann leicht Durchfall), aber auch nicht zu alt, vertrocknet oder ranzig ſein. Beim Obſt iſt es wichtig, daß dasſelbe nicht zu früh abgenommen, nachgereift (und dann wol ſauer geworden), ſondern voll ausgewachſen und naturgemäß gereift ſei. Es darf auch nicht im weich gewordnen Zuſtand, molſch“ oder ‚mudike“, wie man in Berlin zu jagen pflegt, 53 ſondern es muß friſch und wohlſchmeckend ſein. Sorgſam achte man darauf, daß es im Winter nicht eiſig kalt, ſondern immer erſt gegeben werde, nach— dem es, mehrfach durchgeſchnitten, im erwärmten Raum gelegen und ſtubenwarm geworden. Herr Karl Hagenbeck hat zuerſt darauf hingewieſen, und ich ſchließe mich ſeinem Ausſpruch an, daß alles ſog. Matſchfutter, alſo eingeweichtes und nicht ausgedrücktes Weißbrot, gekochter, breiiger Reis u. drgl. für den Graupapagei ſchädlich ſei. Allbekannt iſt es wol, daß jeder große Papagei in der Gefangenſchaft allerlei menſchliche Nahrungs— mittel, Braten, Gemüſe, Kartoffeln, ja, ſonderbarer⸗ weiſe nicht allein Zuckerſachen, ſondern auch ſtark geſalzene, in Eſſig eingemachte, gepfefferte u. drgl. Leckereien mit wahrer Gier frißt, und es kommen Fälle vor, in denen ein ſolcher Vogel ſich dabei vor— trefflich erhält und lange Jahre ausdauert. Meiſtens aber gehen werthvolle Papageien an derartiger natur— widriger Ernährung zugrunde. Die erſte Folge iſt das Selbſtausrupfen der Federn, ein krankhafter Zuſtand, den ich im Abſchnitt „Krankheiten“ beſprechen werde. Noch mancherlei andere Leiden treten ein und nur zu oft ein Siechthum des ganzen Körpers, ſodaß der arme Vogel an inneren und äußeren Geſchwüren elend ſterben muß. Ob die Papageien, wenn ſie einzeln im Käfig gehalten werden, wirklich thieriſcher Nahrungsmittel, alſo der Zugabe von Mehlwürmern, 54 Ameiſenpuppen u. a., bedürfen, iſt immer noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt. Der Afrikareiſende Soyaux ſagt, daß die Graupapageien in Weſtafrika als Zer⸗ ſtörer von Neſtern anderer Vögel bekannt ſeien — wer kann aber bis jetzt mit Sicherheit behaupten, ob dies eine naturgemäße oder widernatürliche Er⸗ ſcheinung ſei? Zur Darreichung von Fleiſch und Fett an große Papageien vermag ich bis jetzt keinen⸗ falls zu rathen; denn nach den mir vorliegenden Mittheilungen hat die Erfahrung ſtets gelehrt, daß die meiſten großen, ſprechenden Papageien, welche gekochtes oder rohes Fleiſch erhalten haben, faſt regelmäßig zugrunde gegangen ſind; immer iſt dies aber der Fall geweſen bei denen, welchen allerlei menſchliche Nahrungsmittel überhaupt gegeben wurden. Seit der maſſenhaften Erkrankung friſch ein⸗ geführter Graupapageien iſt vonſeiten Berufener und Unberufener die Frage der Ernährung dieſer Vögel vielfach und lebhaft erörtert worden und dabei ſind die ſeltſamſten Meinungen und Vorſchläge zur Geltung gekommen. Zwei Anſchauungen traten einander recht ſchroff entgegen, deren eine dahin ging, daß die friſch eingeführten Graupapageien durchaus nur Mais und ſonſtige mehlhaltige Sämereien bekommen dürften, während die andre auf der Annahme beruhte, daß dieſe Vögel auch mit ölhaltigem Samen, wie Hanf und dann Wallnüſſen, Haſelnüſſen u. a., gefüttert werden %: Ya 55 müßten. Auf der erſten Seite ſtanden faſt alle nam⸗ haften Reiſenden, die den Vogel alſo mehr oder minder aus dem Freileben her ſelbſt kannten; auf der andern Seite fanden wir alle praktiſchen Vogelwirthe und unter dieſen die größten und gebildetſten Händler. Nach meiner Ueberzeugung haben die Letzteren durch⸗ aus recht. Zunächſt kann nämlich Niemand von den Reiſenden mit entſchiedener Sicherheit behaupten, daß der Graupapagei im Freileben garkeine ölhaltigen Sämereien verzehre; einer ſolchen Aufſtellung wider⸗ ſpricht doch ſchon die von allen Reiſenden als wahr anerkannte Thatſache, daß der Jako ganz ebenſo wie andere Papageien auch Nußfrüchte frißt, die bekanntlich ölhaltig ſind. Wenn ferner die ölhaltigen Sämereien dem Graupapagei in der Heimat nicht zugänglich und infolgedeſſen ſchädlich wären — wie käme es denn, daß faſt jeder, auch der unmittelbar vom Schiff hergebrachte Graupapagei, beim Vogel— händler ſofort heißhungrig über den Hanf, die Sonnenblumenkörner und die verſchiedenen kleinen Nußarten herfällt und gierig davon frißt — ?! So habe ich und mit mir viele Liebhaber bei der Fütterung mit Hanf, bzl. ölhaltigen und zugleich mit mehl⸗ haltigen Sämereien die beſten Ergebniſſe erreicht. Bei einzelnen Vögeln freilich, welche den Hanf nicht ver- tragen — in ganz gleicher Weiſe wie dies bei manchen anderen mit dem Mais oder mit dem Sonnenblumen⸗ ſamen oder mit verſchiedenen anderen Futtermitteln 56 der Fall iſt — liegt dies in beſtimmten a; formen begründet. Auch für den Graupapagei tft die Zugabe von | Kalk nothwendig, und zwar ift am zuträglichſten der thieriſche Kalk, Tintenfiſch- oder Sepienſchale, die infolge ihres Salzgehalts ſehr gern gefreſſen wird, jedoch, zu reichlich gegeben, ſchädlich werden kann. Man vermeide, ſie friſch eingeführten Papageien ſogleich zu geben, weil dann leicht übermäßiger Durſt und durch das Trinkwaſſer, an welches ſie noch nicht gewöhnt ſind, Erkrankung verurſacht wird. Später klemmt man einen ganzen Schulp oder nur ein Stück davon zwiſchen das Gitter. Nächſtdem iſt geglühte Auſternſchale, ferner etwas Kalk von einer alten Wand oder noch beſſer Kreide empfehlenswerth. — Sand und zwar durchaus reiner, trockner, feiner, aber nicht ſtaubiger, am beſten weißer Stubenſand, iſt nicht allein zur Reinigung und Reinhaltung des Käfigs erforder- lich, ſondern die Papageien verſchlucken auch kleine Steinchen zur Verdauung. Wie ſchon erwähnt, werden viele Graupapageien ganz ohne Waſſer gehalten; ich hebe es hier noch— mals hervor, daß ich dies als entſchieden unheilvoll, weil widernatürlich, anſehe und vonvornherein dringend rathe, man wolle einen Papagei, der nicht Waſſer bekommen darf, überhaupt niemals kaufen. Das gebräuchliche Verfahren, in Kaffe oder Thee getauchtes Weißbrot zu reichen, iſt für den Vogel ſchädlich. Da 57 indeſſen faſt alle, namentlich aber die Hamburger Händler, den meiſten Graupapageien kein Waſſer geben, ſondern ſie nur mit Weißbrot in Kaffe oder Thee oder den beiden letzteren an ſich erhalten, ſo müſſen wir dieſer Thatſache wenigſtens bis auf weitres Rechnung tragen. Ich rathe Folgendes. Wenn der Händler den Papagei unter Gewähr des Erſatzes für eine beſtimmte Zeit abgibt, ſo möge man ihn immerhin übernehmen, dann zunächſt ganz genau, wie es bisher geſchehen, verpflegen, und erſt nach Ablauf der vereinbarten Friſt von 4, 6 oder 8 Wochen, nachdem er ſich alſo entſchieden lebensfähig gezeigt hat, an Trinkwaſſer und trocknes Weizenbrot gewöhnen. Dies führe man in der Weiſe aus, daß man den Kaffe oder Thee allmählich immer mehr mit Waſſer verdünnt, und das Weißbrot immer weniger weichen läßt, bis man zuletzt bloßes ſtubenwarmes Waſſer und trocknen Potsdamer Zwieback gibt. In der erſten Zeit reiche man immer nur abgekochtes, an freier Luft wieder erkaltetes Trinkwaſſer, auch nie⸗ mals zuviel auf einmal, höchſtens bis fünf Schluck hintereinander und täglich etwa zweimal. Nach und nach vermiſcht man, ganz ebenſo wie beim Kaffe, das gekochte Waſſer immer mehr mit natürlichem, aber nicht ganz friſchem oder eiskaltem, ſondern ſolchem, welches etwa eine Stunde geſtanden hat, alſo ſtubenwarm iſt. Auch wenn der Papagei bereits völlig eingewöhnt iſt, ſoll man ihm doch immer nur 58 verſchlagnes, niemals eiskaltes, oder auch nur ganz friſches Trinkwaſſer reichen. Ausdrücklich weiſe ich auf den viel verbreiteten Irrthum hin, daß ein Vogel „abgeſtandnes Trinkwaſſer bekommen müſſe oder dürfe“; daſſelbe ſoll nur ſtubenwarm, nicht aber abgeſtanden, alſo luftler, ſchal und verdorben, fein. Zähmung und Abrichtung. Die Nachahmungsſucht und ⸗Fähigkeit der Papageien erſtreckt ſich nicht bloß auf menſchliche Worte, ſondern auch auf allerlei andere Laute — und in dieſer Begabung kann ein ſolcher Vogel höchſt werthvoll, aber ebenſo unaus⸗ ſtehlich und daher werthlos werden. Im guten Sinne lernt er Worte nachſprechen und manchmal ebenſo nachſingen, Melodien flöten oder pfeifen, ſelbſt Lieder von Singvögeln mehr oder minder treu wieder⸗ geben; im böſen Sinne nimmt er die gellenden Schreie aller anderen Vögel, die er hört, an, ahmt allerlei ſchrille Töne nach, wie den Hahnenſchrei, Hundegebell, Thürknarren, das Pfeifen der Lokomotive, Sinder- weinen u. a. m. Aufgabe der Erziehung muß es ſein, ihn ebenſo von allem Widerwärtigen a wie zum Angenehmen anzuleiten. Manche Leute haben vonvornherein Widerwillen gegen die Papageien „ihres langſamen amphibien⸗ ähnlichen Kletterns,“ „ihrer Falſchheit, Tücke und Bosheit,“ „ihres nur zu argen Lärmens“, kurz und gut vielerlei Unliebenswürdigkeiten wegen, — nach meiner feſten Ueberzeugung aber, auf Grund lang⸗ 59 jähriger Erfahrung und genauer Kenntniß, beruhen alle ſolchen Klagen nur in Vorurtheil, Unkenntniß, über⸗ haupt in der Schuld des Beſitzers ſelber. Schlimmer noch iſt es, wenn Jemand ſich einen Papagei hält, der kein wahrer Vogelfreund iſt. Der ſtattliche Vogel im hübſchen Bauer gilt ihm lediglich als Zimmer— ſchmuck. Die Begabung deſſelben, Worte ſprechen zu lernen, erfreut in der erſten Zeit; nachdem aber der Reiz des Neuen ſich verloren hat, dient er wol nur noch dazu, beſuchenden Freunden und Bekannten Spaß zu machen. Im übrigen wird er dem Beſitzer immer mehr gleichgiltig, wol gar überdrüſſig, man überläßt ſeine Verpflegung den Dienſtboten — und damit iſt ſein Schickſal freudlos und beklagenswerth geworden; für den Beſitzer erſcheint er dann allerdings bald als ein unerträgliches Geſchöpf. Jeder Papagei, insbeſondre der hochbegabte und lebhafte, will lieben und geliebt ſein, das iſt eine Erfahrung, die der Liebhaber niemals vergeſſen ſollte. Wer dieſe Haupt⸗ bedingung ſeines Wohlergehens nicht erfüllen kann, thut ein großes Unrecht daran, einen ſolchen Vogel anzuſchaffen. Alle Mißgriffe aber, in der Erziehung ebenſo wie in der Verpflegung, bringen dem Thier anſtatt guter Eigenſchaften im Gegentheil abſtoßende bei. Eine ernſte Wahrheit liegt in dem Ausſpruch, daß, wer ſelber nicht gut erzogen iſt, ſich nicht an⸗ maßen ſoll, Andere, gleichviel Menſchen oder Thiere, erziehen zu wollen — und doch ruht die Abrichtung 60 oder „Dreſſur“, wie man bezeichnend genug zu jagen pflegt, unſerer nächſten Freunde aus der Thierwelt, unſerer innigſten Genoſſen unter den Hausthieren, in der Regel in den Händen von rohen, oft nicht ein⸗ mal gutartigen und häufig genug unfähigen Menſchen. Daher ſehen wir denn um uns her die vielen ver⸗ dorbenen Hausthiere: Hunde, die von Natur gut— müthig und fügſam geweſen, in bösartige, biſſige Köter verwandelt, Katzen falſch und hinterliſtig, Papageien ſtörriſch, boshaft und als unleidliche Schreier u. a. m. Andrerſeits darf ein wohlerzognes Thier doch zweifellos als ein hochſchätzenswerther Genoſſe des Menſchen, der ihm unter Umſtänden im vollen Sinne des Worts ein Freund ſein und unermeßlichen Werth für ihn haben kann, gelten. Im Nachſtehenden will ich es verſuchen, Hinweiſe zu geben, wie dieſes Ziel zu erreichen iſt. Bis jetzt hat die Erfahrung etwaige Merkmale, an denen man die mehr oder minder hohe Begabung eines Vogels ohne weitres erkennen könnte, noch nicht mit Sicherheit feſtſtellen laſſen. Wol vermag der Sach— kundige einem Papagei es einigermaßen anzuſehen, ob er ‚einschlagen‘, alſo ſich begabt, leicht zähmbar und gelehrig zeigen werde, wol zeugen Munterkeit und Regſamkeit, ein lebhaftes, glänzendes Auge, Auf⸗ merkſamkeit auf Alles, was rings umher vorgeht u. drgl. für die Annahme, daß wir einen „guten Vogel“ vor uns haben, allein volle Gewißheit können 61 wir darin doch nicht finden, denn es liegen Beiſpiele vor, nach welchen ſolch' Papagei trotzdem ſtörriſch und dumm geblieben, während ein andrer, der anfangs wie ſtumpfſinnig dageſeſſen, ſich zum vorzüglichen Sprecher ausgebildet hat. Die Geſchlechtsunter— ſchiede dürften in dieſer Hinſicht bedeutungslos ſein, abgeſehen davon, daß man ſie bis jetzt bei den Graupapageien kaum oder noch garnicht ermittelt hat. Selbſtverſtändlich iſt es um ſo ſchwieriger, einen Vogel einzugewöhnen und abzurichten, je älter er vor dem Einfangen bereits geworden, und die erſte zu beachtende Regel beim Einkauf eines Sprechers, den man in die Lehre nehmen will, lautet alſo, daß derſelbe für jeden Unterricht umſomehr empfänglich iſt, je jünger er in unſern Beſitz gelangt. Doch ſind auch ſogenannte alte Schreier, die im Handel geringern Werth haben, noch vortreffliche Sprecher geworden, freilich gewöhnlich erſt, nachdem man ſie jahrelang in der Gefangenschaft gehalten. Als Beiſpiel führe ich den Jako des Herrn Gymnaſial— direktor Neubauer in Rawitſch an, welcher im Alter von nahezu 20 Jahren zu ſprechen begann und mehr als 200 Worte in drei Sprachen: deutſch, polniſch und franzöſiſch, lernte. Jeder gelehrige Papagei pflegt gleichzeitig mit der fortſchreitenden Eingewöhnung immer gefügiger zu werden und auch, jemehr er lernt, deſto ſeltner ſein häßliches Naturgeſchrei erſchallen zu laſſen. 62 Die Händler zweiter und dritter Hand zähmen in der Regel jeden Papagei mit Gewalt. Mit ſtarken, wildledernen Handſchuhen ausgerüſtet, packt der Mann den Vogel an den Beinen, zieht ihn unbekümmert um ſein Kreiſchen und Beißen aus dem Käfig hervor, hält ihn auf dem Zeigefinger der linken Hand feſt und ſtreichelt ihn mit der rechten ſolange, bis er ruhig und zahm wird. Dazu gehört Muth, Geſchick, Ausdauer und Geduld und namentlich völlige Nicht— achtung der durch die Biſſe des Vogels verurſachten, trotz der Handſchuhe gar empfindlichen Schmerzen. Die zangenartige Geſtalt des Papageienſchnabels bringt bei heftigen Biſſen Quetſch-⸗ und Rißwunden zugleich hervor, welche ſehr ſchmerzhaft ſind und ſchwierig heilen. Man hat ſich vornehmlich vor hinterliſtigem Beißen zu hüten. Um ihnen das Beißen abzugewöhnen, haut man ſie gewöhnlich, ſobald ſie es verſuchen, mit dem Zeigefinger auf den Schnabel; dies nützt indeſſen meiſtens doch nichts, und andrer⸗ ſeits wird nicht ſelten dadurch der plötzliche Tod des Vogels herbeigeführt. Auch manche Liebhaber ſuchen in der beſchriebnen Weiſe einen Papagei zu zähmen, weil ſie dann, wenngleich mit größrer An— ſtrengung, ſo doch raſcher zum Ziel kommen; ich möchte indeſſen dieſen Weg der Zähmung keinenfalls ohne weitres empfehlen. Denn, wenn ein andres Verfahren auch langſamer und zeitraubender iſt, ſo hat es doch den Vortheil, daß es zwiſchen dem 63 Menschen und dem Vogel ein liebevolles Verhältniß zuſtande bringt, während jene, Dreſſur' das Menſchen— herz ſicherlich nicht mild und ſanft ſtimmen kann. Auch will es mir ſcheinen, als ob die Vögel, welche ſo mit Gewalt gebändigt worden, niemals zur rechten, vollen Zutraulichkeit gelangen, während im Gegenſatz dazu die in Liebe und Freundſchaft abgerichteten ihrem Herrn gewiſſermaßen verſtändnißvoll zugethan ſind. Zur Zähmung und Abrichtung muß der Lehr— meiſter ein gewiſſes Geſchick beſitzen; manche Leute vermögen eine derartige Aufgabe mit ſtaunenswerther Leichtigkeit zu löſen, bei anderen dagegen, obwol ſie reichere Erfahrungen und viel größere Kenntniſſe haben, hält ſie überaus ſchwer. Auch die äußere Erſcheinung des Abrichters iſt von Einfluß. Gegen Dieſen zeigen allerlei Vögel ſich ſogleich furchtos und ſogar zutraulich, Jenem gegenüber aber ſelbſt in jahrelangem Verkehr niemals ruhig und zahm. Man behauptet, daß für die Papageien, ähnlich wie für die Kinder, ein bärtiger Mann beängjtigend jet, während ſie, mindeſtens im allgemeinen, für Frauen und Kinder mehr Anhänglichkeit äußern. Für eine raſche und vollſtändige Zähmung ſind folgende Erfahrungsſätze zu beachten: Der Papagei darf ſeinen Stand niemals höher, ſondern er muß ihn ſtets niedriger als das menſchliche Auge haben. Er iſt immer ſo zu ſtellen, daß der Verpfleger, bzl. Lehrmeiſter, 64 ſich zwiſchen ihm und dem Licht befinde. Namentlich aber mache man ihn möglichſt hilflos, denn jemehr er ſich in die menſchliche Ge— walt gegeben fühlt, deſto leichter wird er zahm und der Abrichtung zugänglich. Man bringe ihn alſo in einen recht engen Käfig oder ſetze ihn angekettet auf einen Ständer; beides erfordert jedoch Vorſicht. Mehr als jedes andre Thier iſt der hochbegabte Papagei einer Erkrankung, ja dem Tode durch Ge— müthsbewegung ausgeſetzt, ſowol aus Angſt und Erſchrecken, wie aus Sehnſucht nach ſeinem Herrn, der ihn liebevoll behandelt und dann verkauft hat, oder nach einem gefiederten Genoſſen, ferner aus Erregung infolge von Zank und Streit mit Men- ſchen oder Thieren. Man verhalte ſich alſo beim Füttern, wie bei jedem Nahen immer gleichmäßig ruhig und freundlich und vermeide es, ihn durch plötzliches haſtiges Herantreten zu erſchrecken. Im ganzen Verkehr mit ihm, namentlich aber bei der Abrichtung, laſſe man ſich niemals zur Heftigkeit oder gar zu Zornausbrüchen hinreißen. Ferner darf man den Papagei niemals necken, im Scherz oder Ernſt reizen, unnöthigerweiſe bedrohen oder gar ſtrafen. Jede etwaige Beſtrafung darf bei ihm nur bedingungsweiſe und von einem Abrichter angewendet werden, der volles Verſtändniß für ſein Weſen und ausreichende Erfahrungen auf dieſem Gebiet über- haupt beſitzt. 65 Wenn ich auch von jeder harten Strafe durch— aus abſehe, und jede Behandlung, die an Thier⸗ quälerei nur ſtreifen könnte, vonvornherein aus— ſchließe, ſo muß ich doch zugeben, daß in gewiſſen Fällen Beſtrafung nothwendig iſt. Zu allernächſt liegt ſolche dem Vogel gegenüber, welcher, obwol ein hochbegabter Sprecher, doch vielleicht aus Ueber— muth oder weil er ſchlecht gewöhnt worden oder weil ſein Beſitzer ſich zu wenig mit ihm beſchäftigt, zeitweiſe als arger Schreier läſtig fällt. Das Be⸗ mühen, ihn im Guten zu beruhigen, iſt meiſtens vergeblich, harte Zwangsmaßregeln ſind ebenſowenig anzuwenden, da in denſelben die Gefahr liegt, daß man dadurch einen bis dahin gutartigen, werth- vollen Vogel verderbe und zum bösartigen Geſchöpf mache, und zwar ohne trotzdem den eigentlichen Zweck zu erreichen. Stock oder Rute iſt hier als Erziehungsmittel völlig unbrauchbar; anſtatt ihrer muß man ein andres Zwangsmittel anwenden, das einerſeits mild ſei und andrerſeits doch nachdrücklich genug wirke, das man vor allem aber dem Vogel als eine Strafe verſtändlich zu machen vermag. Jeder Papagei, den man ſchlägt, wehrt ſich; er empfindet die Schläge nicht als Strafe, ſondern als Befehdung, und auch deshalb ſind dieſe bedenklich, weil der Papagei ſie als ihm widerfahrne Mißhandlung lange im Gedächtniß behält, dem, der ſie ihm zugefügt, nachträgt, und dadurch das Zutrauen und zugleich Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 66 die Lernluſt und Lernfähigkeit einbüßt. Selbſt die Bedrohung durch harte Worte, durch anſchreien, auf den Käfig ſchlagen u. ſ. w., kann den Vogel verderben, ohne zu nützen. An einem, freilich dem bedeutſamſten, Beiſpiel will ich erörtern, in welcher Weiſe der Vogel lernen kann, Strafe von Unbill zu unterſcheiden. Haben wir einen recht begabten und gut abgerichteten Papagei vor uns, ſo werden wir ihn trotzdem nicht oder doch nur ſehr ſchwierig daran verhindern können, daß er zeitweiſe arg ſchreit und lärmt; alle angeführten Bedrohungen nützen garnichts, denn gleichſam hohnlachend ſucht er fie nachdrücklichſt abzuwehren. Als wirkſames Verfahren rathe ich, ihn, bzl. ſeinen Käfig, zu verdecken. In den meiſten Fällen wird zwar auch dadurch kein Erfolg erreicht, denn, wenn der Papagei auch im erſten Augen⸗ blick verſtummt, ſo ſchreit er doch bald unter dem Tuch wieder los. Darin liegt nun aber eben der Miß⸗ griff. Auf folgendem Wege gelangt man dagegen ſicherlich zum Ziel. Ein dickes, dunkles Tuch legt man in der Nähe des Käfigs bereit, und ſobald der Papagei anfängt zu ſchreien, wird er plötzlich zu— gedeckt, und der Käfig raſch ganz verhüllt, ſodaß er im Finſtern ſitzt; dann, nach einigen Minuten, wird das Tuch wieder abgehoben. Beim Zudecken ruft man ihm ein ſcheltendes Wort in drohendem Tone zu, beim Abheben ſpricht man ihm wieder liebevoll zu. Wiederholt man dies jedesmal, ſo wie 67 er zu lärmen beginnt, jo begreift er bald, und es bedarf zuletzt nur noch des Emporhebens oder wol gar nur des Hinweiſes auf das Tuch unter drohen— dem Zuruf, um ihn ſofort vom Geſchrei abzubringen. Hier haben wir alſo den Vortheil, daß der Vogel ſich nicht zu wehren vermag, ſondern die Strafe ruhig über ſich ergehen laſſen muß und bald er- kennen lernt, wodurch er ſie vermeiden kann. Dem Papagei auf dem Ständer gegenüber iſt es freilich kaum möglich, dieſe Strafe zur Anwendung zu bringen. Bei der Zähmung ſind unverwüſtliche Ruhe und gleichmäßig freundliches Weſen Hauptbedingungen des Erfolges. Etwa ein bis zwei Wochen überlaſſe man den Vogel ungeſtört ſich ſelber. Sein eigner ſcharfer Verſtand wird ihm bald ſagen, daß für ſein Leben keine Gefahr vorhanden iſt, und ſobald er dann ruhig geworden, das dummſcheue Weſen und häßliche Geſchrei abgelegt hat, fängt er an, ſeine Umgebung zu beobachten. Er weiß Jeden, der es gut mit ihm meint, von dem, der ihm wirkliche oder vermeintliche Unbill zugefügt hat, alſo Freund und Feind, bald und ebenſo noch nach langer Zeit, zu unterſcheiden; er lernt ſeinen Wohlthäter ſchätzen, wird zutraulich gegen ihn und ihm zugethan. Am beiten unterläßt man auch hier jede Zwangsmaß⸗ regel und bedient ſich allenfalls nur einiger Kunſt⸗ griffe, um eine raſchere, vollſtändigere Zähmung zu erreichen. Nachdem man ihm für einige Stunden 5 * 1 N en 3 A u . 68 das Trinkwaſſer entzogen, hält man ihm daſſelbe oder auch beſondere Leckerbiſſen ſo hin, daß er, um dazu zu gelangen, nur über die Hand hinwegreichen kann. Unſchwer gewöhnt er ſich ſo an dieſe, kommt freiwillig auf den Finger, läßt ſich dann auch das Köpfchen krauen, nach und nach ſtreicheln, zuletzt völlig anfaſſen und hätſcheln. Herr Dr. Lazarus, einer der tüchtigſten Papageienkenner und -Pfleger, ſchlägt etwas abweichend folgenden Weg vor: „Sobald der friſcheingeführte Papagei bei gleichmäßig liebe⸗ voller Behandlung, oft trotzdem erſt nach Monaten, ſich ruhiger zeigt und zutraulich zu werden beginnt, indem er aufhört, bei jeder Annäherung zu kreiſchen, vielmehr an das Gitter kommt und wol gar den Kopf entgegenſtreckt, wobei er jedoch noch immer ſehr ſcheu und ängſtlich iſt, darf man allmählich den Verſuch wagen, mit einem Finger vorſichtig ſeinen Oberſchnabel oder Kopf zu berühren. Nun verſuche man, ihn zu krauen, während man ihm einige zärtliche Worte ſagt, beſonders ſolche, welche er vielleicht ſchon ſpricht. Dies thue man namentlich in der Dämmerung und des Abends bei Licht; bald wird er ſich ſolche Liebkoſungen gefallen und wol gar den Kopf in die hohle Hand nehmen laſſen. Stets führe man dergleichen aber durch das Käfiggitter ſaus, durch welches man am Papagei⸗ bauer ja bequem langen kann, niemals reiche man mit dem ganzen Arm durch die Käfigthür, weil der Papagei dadurch beängſtigt wird. Erſt nach längrer Zeit, wenn er ſchon daran gewöhnt iſt, durch das Gitter ſich ohne Scheu berühren zu laſſen, beginne man die Thür zu öffnen, damit er heraus⸗ komme, doch nur wenn es im Zimmer ganz ruhig iſt; und ebenſo laſſe man ihm vollauf Zeit, ſich zu entſchließen, auch wenn es mehrere Stunden dauert, bis er heraus und auf das Dach klettert. Bald wird er die Bewilligung dieſer Freiheit 7 > * ? 69 mit Ungeduld erwarten. Nun beſchäftige man ſich ausſchließ— lich mit ihm, wenn er ſich draußen befindet. Iſt er ſoweit gezähmt, daß er Futter aus den Fingern nimmt, einen ſolchen mit dem Schnabel faßt ohne zu beißen, ſeinen Kopf in eine hohle Hand ſteckt, während man ihn mit der andern im Ge⸗ fieder kraut, ſo muß er nun auch lernen, auf die Hand zu kommen. Dauert es zu lange, beror er ſich freiwillig dazu entſchließt, ſo muß man, wie vorhin angegeben, Zwangsmaß— regeln anwenden, und im Verlauf einer Woche etwa bringt man ihn ſicherlich dazu, dies freiwillig zu thun.“ Bevor ich meinerſeits praktiſche Anleitung zur eigentlichen Abrichtung gebe, muß ich einem häß⸗ lichen, leider noch vielfach herrſchenden Vorurtheil entgegentreten. Daſſelbe betrifft das ſog. Zungen— löſen, welches viele Leute noch für durchaus er— forderlich halten, andere dagegen als nothwendig ausgeben, um ihres Vortheils willen nämlich. Nur ungebildete Menſchen können noch in dem Aber— glauben befangen ſein, daß das Löſen der Zunge bei einem Vogel zum Sprechenlernen nothwendig ſei; ich erkläre hiermit, daß es eine vollkommen überflüſſige und ſogar gefährliche Thierquälerei iſt. Zähmung und Sprachunterricht ſollten ſtets gleichzeitig erſtrebt werden. Erachtet man indeſſen die erſtre nicht für nothwendig, ſo kann man den Papagei ſogleich in einen geräumigen Käfig ſetzen, während dies ſonſt erſt in einigen Wochen geſchehen ſollte. | Zur Abrichtung iſt außer den S. 63 an⸗ geführten Bedingungen vor allem Verſtändniß, liebe⸗ 70 volle Theilnahme für die Vögel überhaupt, vor: nehmlich aber Ruhe und Geduld, erforderlich. An jedem Morgen und Abend, beſonders in der Dämmerung, ſodann auch am Tage mehrmals, ſagt man dem Papagei, nachdem man ihn, falls er ſchon ſchlummerte, in liebevollem Ton munter und auf merkſam gemacht, zunächſt nur ein Wort laut und recht deutlich betont, wenn möglich immer in genau gleicher, klarer und ſcharfer, nicht ſchnarrender, liſpelnder oder ſonſtwie ſchlechter Ausſprache vor. Man wähle ein ſolches mit volltönendem Vokal, a oder o, und mit hartem k, p, r oder t und vermeide die Ziſchlaute, beſonders ſch und z. Die Lehrmeiſter in den Hafenſtädten, bzl. ſchon die Matroſen auf den Schiffen, bringen den Papageien gewöhnlich die Worte Jako, Koko, Lora, Hurrah, Rorirora, dann weiter, wackre Lora, Papa u. a. m., bei. Ein Graupapagei, den ich ſchon längre Zeit beſeſſen und, weil er garnichts annehmen gewollt, als untauglich zum Sprechen für einen Züchtungsverſuch beſtimmt hatte, ſprach die Worte „Herr Doktor“, welche das Dienſtmädchen beim Anmelden von Fremden gerufen, plötzlich nach. Die Erfahrung ergibt übrigens, daß jeder Papagei von einer ihm wol melodiſcher klingenden Frauenſtimme leichter lernt, als von der rauhen eines Mannes, doch darf man keineswegs glauben, daß letztres garnicht geſchehe. Eine abſonderliche Eigenthümlichkeit äußert ſich bei manchem Graupapagei darin, daß er ſich nur gegen Frauen liebenswürdig und für deren Unter⸗ richt empfänglich zeigt, jedem Mann gegenüber aber PR. 71 mehr oder minder bösartig. Ein ſolcher ſog. Damen- vogel kann unter Umſtänden höhern Werth haben, da er ſich vornehmlich zum Geſchenk eignet. Bei anderen Papageien iſt es wiederum genau umgekehrt; ſie find „Herrenvögel“. Die Annahme, daß die Damenvögel zumeiſt Männchen, die Herrenvögel Weibchen ſeien, iſt durch die Erfahrung widerlegt. Während der Sprachabrichtung iſt der Vogel vorzugsweiſe gut zu behandeln, damit er zutraulich werde und beſonders nicht bei jeder Annäherung eines Menſchen erſchrecke oder doch ängſtlich und ſcheu ſei, ſondern recht ruhig und aufmerkſam ſich zeige, ſodaß er von vornherein mit einem gewiſſen Verſtändniß auf den Unterricht merke. Dieſer ſollte wirklich ein ſolcher und nicht eine bloße Abrichtung zum Nachplappern einzelner Worte ſein; der Papagei muß eine beſtimmte Vorſtellung für das Geſagte erlangen, ſodaß er ſich der Begriffe von Zeit, Raum und anderen Verhältniſſen und Dingen bewußt werde. Man ſagt ihm früh „guten Morgen“, ſpät „guten Abend“ oder „gute Nacht“ vor, ebenſo „guten Tag“ oder „willkommen“ bei der Ankunft und „lebwohl“ beim Fortgehen; man klopft an und ruft „herein“; man zählt ihm Leckerbiſſen zu: eins, zwei, drei, oder nennt ihm deren Namen, wie Nuß, Mandel, Apfel: man lobt ihn, wenn er artig und folgſam iſt, und tadelt ihn, wenn er ſich eigenſinnig zeigt oder nicht gehorchen will. All' dergleichen begreift 12 ein begabter Vogel ſehr bald, und es ift manchmal erſtaunlich, mit welchem Scharfſinn und mit welcher Sicherheit er derartige Verhältniſſe kennen und unter⸗ ſcheiden lernt. Auch bei der Abrichtung zum Nach⸗ fingen eines oder mehrerer Lieder, ſowie zum Nach— flöten von Melodieen iſt ſorgſam darauf zu achten, daß der Unterricht, gleichviel ob er im letztern Fall bloß mit dem Munde oder mit einer Flöte ausgeführt werde, ſtets in gleicher Tonart geſchehe; jeder unreine oder Mißton iſt zu vermeiden. Den ſachgemäßen Sprachunterricht ſoll man wie erwähnt mit leichten, einfachen Worten anfangen und allmählich zu ſchwereren übergehen. Erſt wenn er ein Wort ſicher aufgefaßt hat, darf man ihm das zweite vorſprechen. An jedem Tag, mindeſtens aber von Zeit zu Zeit, wiederhole man alles, was der Vogel bisher gelernt hat, gewiſſermaßen vom Abe an, und erſt ſobald man ſich davon überzeugt, daß er alles taktfeſt inne hat oder nachdem man ihm dies oder das Entfallene wieder beigebracht, ſpreche man ihm Neues vor. Dabei vermeide man, nachzuhelfen, wenn der Vogel übt und inmitten des Wortes oder Satzes ſtecken bleibt; er würde dadurch leicht eine falſche doppelſilbige Ausſprache annehmen. Man warte vielmehr ſtets, bis er ſchweigt, und ſpreche ihm dann das betreffende Wort oder den Satz nochmals klar und ſcharf be— tont vor. Um ihn von häßlichen, widerwärtigen 73 Redensarten, Worten oder Lauten überhaupt zu entwöhnen, unterlaſſe man es, über dergleichen zu lachen, denn das würde ihn nur dazu ermuntern, deſto eifriger gerade ſolche Unarten zu üben — in gleicher Weiſe wie es bei Kindern der Fall iſt. Nur dadurch kann er ſie vergeſſen, daß ſie in ſeiner Gegenwart niemals wiederholt oder auch nur er- wähnt werden, daß man vielmehr, ſobald er fie aus— zuſprechen beginnt, ihn ſofort mit einem andern, erwünſchten Wort unterbricht, und dies ſolange wiederholt, als er jene Unart ausübt. Nothwendig iſt es, daß man ſich ſowol mit dem noch in der Abrichtung befindlichen als auch mit dem bereits tüchtigen Sprecher möglichſt viel beſchäftigt, ein- gedenk deſſen, daß Stillſtand in allen Dingen Rück⸗ ſchritt bedeutet, daß alſo bei mangelnder Uebung auch der beſte, hochbegabte Vogel in Gefahr iſt, „zurückzugehen“, bzl. das Erlernte zu vergeſſen, zu verwildern oder wol gar ſtumpfſinnig zu werden und alſo an Werth zu verlieren. So, Schritt für Schritt lehrend, hat man die Gewähr, daß der Papagei wirklich ein tüchtiger Sprecher werde. Die Begabung ergibt ſich als außerordentlich verſchiedenartig. Der eine Papagei begreift ſchwer, erfaßt ein neues Wort erſt nach längrer Uebung, behält es dann aber auch und hat alles feſt inne, was ihm überhaupt gelehrt worden; ein zweiter ſchnappt alles raſch auf, lernt ein Wort wol gar . 74 beim erſtenmal nachſprechen, vergißt es jedoch leicht wieder; ein dritter nimmt gut auf und bewahrt zugleich ebenſo; ein vierter lernt garnicht oder doch nur wenig; ein fünfter hat keine Anlage, Worte nachzuſprechen (doch kommt dies beim Graupapagei nur äußerſt ſelten vor), kann dagegen vortrefflich Melodieen nachflöten oder nachſingen; ein ſechſter ahmt das Krähen des Hahns, Hundegebell, das Knarren der Wetter- fahne und allerlei andere wunderliche Laute täuſchend nach, ſchmettert auch wol den Schlag des Kanarien— vogels u. ſ. w., vermag aber ebenfalls kein menſch⸗ liches Wort hervorzubringen. Eine Hauptaufgabe für den Lehrmeiſter iſt es, daß er beizeiten die beſondre Begabung eines jeden Vogels entdecke und ihn derſelben gemäß zur höchſtmöglichen Ausbildung bringe. Für den Kenner und geübten Abrichter ſprachbegabter Papageien liegt hierin gewiſſermaßen ein Maßſtab zur Abſchätzung, freilich nur für den Fall, daß er imſtande iſt, ein ſichres Urtheil inbetreff eines jeden einzelnen Vogels zu gewinnen. Selbſt⸗ verſtändlich ſteht an Werth der in der verſchieden⸗ artigen Begabung als dritter genannte Papagei hoch obenan, und bei ſachverſtändiger Ausbildung kann der⸗ ſelbe einen außerordentlich bedeutenden Preis erlangen; ein derartiger reichbegabter Vogel kommt aber nur verhältnißmäßig ſelten vor. Als der zunächſt ſtehende in der Werthreihe darf der erſterwähnte Papagei gelten, denn wenn ſeine Abrichtung auch größre Mühe 75 und Ausdauer erfordert, jo gewährt er doch den Vor⸗ theil, daß er dem vorigen nahezu gleichkommen kann. Der zweitangeführte Papagei könnte bedingungsweiſe einen faſt ebenſo hohen Werth, als der dritte oder doch einen höhern als der erſte erreichen, für einen Liebhaber nämlich, dem das immerwährende, ganz gleichmäßige Nachplappern einunddeſſelben Worts, bzl. derſelben Redensarten, langweilig und zuwider wird. An den wechſelnden, immer neuen Leiſtungen dieſes dann ja auch reichbegabten Vogels, kann man viel mehr Vergnügen, als an denen anderer haben. Zu recht werthvollen Vögeln ſind unter günſtigen Umſtänden auch die Papageien auszubilden, welche ich als den fünften und ſechſten genannt habe. Ihnen gegenüber kommt es vor allem darauf an, die abſonderliche Seite ihrer Begabung mit Sicherheit zu ermitteln. Immerhin wird man alſo gut daran thun, daß man einem ſolchen Vogel, bei dem der Sprachunterricht auf große Schwierigkeiten zu ſtoßen ſcheint, hin und wieder eine Strofe vorflötet oder ſingt, und ihm, wenn er die⸗ ſelbe auch nicht annimmt, ferner die Gelegenheit dazu gibt, den Hahnenſchrei oder das Bellen eines Hundes oder auch das Lied eines Singvogels, insbeſondre einen lauten, lebhaften Schlag, zu hören. Schließlich kann auch ein ſorgfältig ausgebildeter ſogenannter Faxenmacher, der freilich unter den Graupapageien nur höchſt ſelten vorkommt, in allerlei erlernten drolligen Leiſtungen immerhin ſeinen dankbaren Lieb— 76 haber finden. Wie ſchon vorhin geſagt, glaube ich behaupten zu dürfen, daß jeder Graupapagei bei ſachgemäßer Behandlung und Abrichtung wenigſtens etwas ſprechen lernen wird. Jeder Papagei, der bald, wol gar ſchon in den erſten Tagen des Unter⸗ richts ein oder einige Worte annimmt, wird jeden⸗ falls ſich unſchwer zum tüchtigen Sprecher ausbilden laſſen; bei einem andern, der allen guten Einflüſſen hartnäckig zu widerſtreben ſcheint, muß der Abrichter ausreichendes Verſtändniß für ſein abſonderliches Weſen zu gewinnen ſuchen, um ihn dann in an⸗ gemeßner Weiſe anzuregen, ſeine Begabung zu wecken und dieſelbe auszubilden. Man behauptet, daß es Graupapageien gibt, die niemals rein und klar, ſondern nur liſpelnd, heiſer oder ſchnarrend ſprechen lernen; nach meiner Ueberzeugung liegt dies jedoch immer in der Schuld des Lehrmeiſters. Uebrigens laſſe man ſich keinenfalls ſogleich entmuthigen, wenn ein Papagei das oder die erſten Worte trotz des klarſten Vorſprechens undeutlich wiedergibt; dies iſt nämlich anfangs bei den meiſten der Fall, und erſt nach mehr oder minder langer Uebung bringen ſie das Wort voll und klar hervor. Wohl zu beachten iſt, daß ſelbſt der vollſtändig eingewöhnte Papagei gegen jede Veränderung in der Fütterung und Wartung, in der Behandlung oder in den Wohnungsverhältniſſen, überaus empfindlich ſich zeigt; er kann bei ſolcher Gelegenheit jo aufs #7 geregt und verdrießlich werden, daß er für lange Zeit verſtummt. Darin iſt auch die Urſache dafür zu ſuchen, daß die meiſten ſprechenden Papageien beim Verkauf aus einer Hand in die andre zunächſt keines⸗ wegs ihre werthvollen Eigenthümlichkeiten kundgeben, und hierin liegt es wiederum begründet, daß es kaum möglich iſt, auf den Ausſtellungen die hervor⸗ ragendſten Sprecher zu prämiren; mindeſtens herrſcht die Gefahr für die Preisrichter, eine Ungerechtigkeit zu begehen, indem nämlich der eine Sprecher ſich bald in die neuen Verhältniſſe findet und alſo ſeine Kenntniſſe zeigt, während der andre, vielleicht weit werthvollere, hartnäckig ſich weigert, das geringſte hören zu laſſen. Mancher hochbegabte und vorzüglich abgerichtete Papagei ſpricht niemals in Gegenwart eines Fremden, und da er infolgedeſſen einen geringern Werth hat, ſo ſollte man vonvornherein jeden Papagei ſo abrichten, daß er durch die Anweſenheit fremder Perſonen ſich nicht beeinfluſſen läßt. AInbezug auf den Geſangunterricht der Papageien gibt Frau Baronin von Jena in meiner Zeitſchrift „Die gefiederte Welt“ den folgenden beherzigens— werthen Hinweis: Oft iſt laut Anzeige ein ſprechender Papagei vers käuflich, welcher auch „Lott' iſt todt“ oder „Eins, zwei, drei, an der Bank vorbei“ oder einen noch viel ſchlimmern Gaſſenhauer ſingen kann. Unter fünfzig der⸗ artigen Anzeigen haben wir kaum eine vor uns, die ein andres als ein gemeines und unſchönes Lied als Leiſtung des Vogels angibt. Da darf ich wol mit einer gewiſſen Berechtigung fragen, warum die Abrichter unſerer gefiederten Lieblinge ſich keine anderen, ſchöneren Aufgaben für dieſe Vögel ſtellen! Auf eine ſolche Frage erhielt ich den Beſcheid, daß, die Papageien meiſtens ſchon während der 2 | engen 78 Seefahrt von den Matroſen abgerichtet würden, und daß ſich der Liederſchatz der letzteren eben nicht viel weiter erſtrecke, als auf die todte Lotte u. drgl. Ob dies für alle Fälle richtig iſt, laſſe ich dahingeſtellt ſein. Heutzutage, bei der ſtarken Nachfrage und der im Großen betriebnen Einfuhr, müßte der Händler doch ſelbſt für die Ausbildung der reichbegabten Vögel ſorgen. Wieviele ſchöne Volkslieder beſitzen wir! Sollten Weiſen wie „Aennchen von Tharau“, „Ach, wie iſt's möglich denn“, „Ich hatt' einen Kameraden“ u. a. m. nicht ebenſo leicht und erfolgreich dem Vogel zu lehren ſein, wie der erwähnte gemeine und meiſtens zugleich unſchöne Singſang? Wieviel lieber würde man einen ſolchen Papagei theurer bezahlen, als jenen erſtern! Hoffentlich wird hierin bald eine Wendung zum Beſſern eintreten.“ Die großen Vogelhandlungen in den Hafenſtädten laſſen häufig Papageien, welche ſie für vorzugsweiſe gelehrig halten, von gewiſſen, darin geübten und viel erfahrenen Leuten unterrichten, welche aber leider oft ungebildete Menſchen ſind, von denen die Vögel immer nur gemeine und unſchöne Worte und Redens⸗ arten lernen, und zwar in breiter, häßlicher Aus⸗ ſprache, oft liſpelnd, ſchnarrend oder ſonſtwie un— deutlich, zuweilen auch mit einer häßlichen, ſchmutzigen Redensart verquickt. Beim Sprachunterricht ver⸗ dient die Anregung der Frau Baronin von Jena ſicherlich die gleiche Beachtung. Folgendes bei den Händlern und Papageilehrern in den Hafenſtädten nicht ſelten eingeſchlagne Ab- richtungs⸗Verfahren kann ich keinenfalls anrathen. Man verhängt den Käfig während der ganzen Zeit des Unterrichts mit einem Tuch, ſodaß der Papagei, ebenſo wie der junge Kanarienvogel im Geſangskaſten, im Dunkeln ſitzt und ſo bei Verhinderung jeder Störung und Zerſtreuung ausſchließlich auf ſeine Sprachſtudien angewieſen iſt. Für empfehlenswerther 19 halte ich es, einen gezähmten, geſitteten und bereits ſprechenden Papagei neben den wilden ſtörriſchen zu bringen. Als kluger Vogel wird er einſehen, daß dem Genoſſen nichts Böſes geſchieht, ſich beruhigen und ſeine Wildheit manchmal bald ablegen, auch von jenem ungleich leichter die Nachahmung menſch⸗ licher Worte u. a. annehmen. Im Gegenſatz dazu vermeide man es, beim Beginn des Unterrichts zwei oder mehrere rohe Papageien in einem oder in an einander ſtoßenden Zimmern zu halten, weil ſie ſich gegenſeitig ſtören und zum Kreiſchen aufmuntern. Wer einen hervorragenden Sprecher vor ſich hat, gelangt wol unwillkürlich zur wahren Begeiſterung für das hochbegabte Thier. In ſolcher haben ſich manche Schriftſteller dazu hinreißen laſſen, gar ſonder⸗ bare Schilderungen der Leiſtungen zu geben. „Nur zu oft,“ ſagt Rowley mit Bezug hierauf, „hat man den Verſuch gemacht, dem Vogel das volle, klare Verſtändniß der geſprochenen Worte beizumeſſen, ohne zu bedenken, daß die Parteilichkeit des Beſitzers ſich ſelber täuſcht — denn der Wunſch iſt oft der Schöpfer der Vorſtellung“. Die derartige überſchwängliche Auffaſſung kann man vermeiden, wenn man einfach auf dem Boden der Thatſächlichkeit ſtehen bleibt. Man halte immer daran feſt, daß der Papagei wol Verſtand, aber nicht Ver— nunft in dem Maß wie der Menſch hat, daß er denken und auch urtheilen, aber nicht wie wir 80 ſeeliſch fühlen, empfinden kann. Es würde ein ſchweres Unrecht ſein, wollte man behaupten, daß der Papagei die Worte bloß mechaniſch nachplappern lerne, ohne eine Vorſtellung von ihrer Bedeutung zu haben. Wie rührend weiß er zu bitten, wenn er einen Lecker⸗ biſſen zu erlangen wünſcht, wie ärgerlich kann er ſchelten, wenn er denſelben nicht bekommt, wie jubelt er vor Freude, wenn ſeine Herrin nach langer Abweſenheit zurückkehrt und wie herzig ruft er willkommen! Beim Fortgehen wird er ſtets lebwohl und nicht willkommen ſagen, und wenn Jemand anklopft: herein, wenn er etwas wünſcht: bitte, und wenn er es erhalten: danke! Wie aufmerkſam lauſcht er auf den Unterricht und wie bezeichnend weiß er ſeiner Freude Ausdruck zu geben, wenn er etwas Neues gelernt hat! Das ſind That ſachen, die Niemand beſtreiten kann, ſondern Jeder beſtätigen muß, der einen ſolchen Vogel genau beobachtet hat. Durch ſeine Sprachbegabung erhebt ſich der Papagei nicht allein hoch über andere Thiere, ſondern auch durch geiſtige Anlagen — nur der Hund dürfte ihm hierin gleichkommen — tritt er dem Menſchen vorzugsweiſe nahe. Mit dem Fortſchreiten des Unterrichts ergibt ſich ſelbſtverſtändlich eine bedeutende Werthſteigerung. Ein Graupapagei, den man im rohen Zuſtand für 15, 20, 24 bis 30 „,s eingekauft hat, wird, wenn er ein oder zwei Worte ſpricht, mit der doppelten Summe, bei mehreren Worten mit 60 bis 75 , bei sl einem oder einigen Sätzen aber bis 200 „/ und bei weitrer Abrichtung ſteigend mit 300 „, und weit darüber, wol gar bis 1000 /, bezahlt. Züchtung. Streng genommen dürfte dieſes letzte Kapitel garnicht mit in das Buch vom Graupapagei hineingehören, denn nur höchſt ſelten wird ein Lieb— haber ein Pärchen ſolcher koſtbaren ſprechenden Papageien für einen Züchtungsverſuch beſtimmen. Wir finden denn auch in der geſammten Literatur nur äußerſt wenige thatſächliche und ſtichhaltige Mit⸗ theilungen über glückliche derartige Erfolge. Aller— dings berichtet ſchon Buffon von ſolchen. Herr de la Pigonière in Marmonde in Agenois beſaß ein Par Graupapageien, welche fünf oder ſechs Jahre hindurch in jedem Frühling eine Brut gemacht hatten, aus der Junge gekommen waren, die von den Alten ſtets gut aufgezogen worden. Jedes Gelege beſtand aus vier Eiern, unter denen immer drei gute und ein unbefruchtetes waren. Zur Brut wurden die beiden Vögel in ein Zimmerchen geſetzt, worin nichts andres als eine kleine Tonne war, aus welcher der eine Boden herausgenommen worden. Innen und außen an der Tonne hatte man Stäbe angebracht, ſodaß das Männchen nach Belieben hinein- und herausklettern und zum Weibchen gelangen konnte. Man durfte übrigens nicht anders als mit Stiefeln in dieſe Kammer gehen, um die Beine vor den Schnabel— hieben des Männchens zu ſichern, * in großer Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 6 82 Erregung auf Alles loshackte, was dem Weibchen zunahe kam. Auch Mr. P. Labat in Paris erzählt, daß ſeine beiden Graupapageien zu verſchiedenen Malen Junge aufzogen. Beachtenswertheres be— richtet der bekannte Züchter Lord Ch. Buxton, der zu Ende der ſechziger Jahre auf ſeinen Gütern in der Grafſchaft Surrey eine Anzahl der verſchieden— ſten Papageien freifliegend hielt und darunter auch ein Pärchen Graupapageien beſaß, die i. J. 1870 zur Brut ſchritten und glücklich drei Junge auf brachten. Näheres über dieſe letzteren iſt leider jedoch auch nicht angegeben worden. Als den allerintereſſan⸗ teſten Züchtungsverſuch muß ich den der Frau J. Gorgot in Berlin erwähnen, den ſie in der „Ge— fiederten Welt“ mitgetheilt hat. Ihr Pärchen, beides vorzüglich ſprechende Graupapageien, wurden in den Jahren 1893 und 1894 in einem beſondern, auch mit einem Tönnchen, ſowie einer Kiſte und einem eigentlichen Niſtkaſten zugleich ausgeſtatteten Zimmer gehalten, wo ſie jedesmal eine Brut mit drei Eiern machten und dieſe fleißig, jedoch leider erfolglos, bebrüteten. Eibeſchreibung: eiförmig, reinweiß, feinkörnig, mit wenig Glanz, 41 —42 mm & 28, —29 mm. 83 Geſundheitspflege und Krankheiten. Geſundheitspflege. Die Hauptaufgabe des Lieb— habers muß es ſein, einem ſolchen werthvollen Vogel in jeder Hinſicht ein ſo behagliches Daſein als irgend möglich zu ſchaffen. Dazu bedarf es aber nicht allein einer zweckmäßigen Wohnſtätte, angemeßner und beſter Fütterung, aufmerkſamer und liebevoller Behandlung, ſondern auch ſorgſamſter Geſundheits— pflege. Die letztre bedingt vor allem, daß der Sprecher bewahrt werde vor jedem bedrohlichen Einfluß, nament⸗ lich Zugluft, Naßkälte, plötzlichen und ſtarken Wärme- ſchwankungen, zu ſtarker, ſtralender Ofenhitze, ſengen— den Sonnenſtralen, zu trockner, dunſtiger, ſtaubiger, mit ſchädlichen Gaſen, Petroleumdunſt u. a. erfüllter oder ſonſtwie verdorbner Luft, ſchlechtem oder un— paſſendem Futter, verunreinigtem Waſſer, Unrein— lichkeit und Vernachläſſigung überhaupt; auch Tabaksrauch zähle ich dazu, obwol die Erfahrung lehrt, daß ein Papagei ſich zuweilen an die ſchwüle, rauch- und dunſtgeſchwängerte Luft eines vielbeſuch— ten Wirthshauſes gewöhnen und darin lange Zeit ausdauern kann. Einen Graupapagei ſollte man, ſelbſt wenn er ſich bereits ſeit Jahren in unſerm Beſitz befindet, auch bei gutem, windſtillem Wetter niemals vor ein offnes Fenſter ſtellen, weil dort Zugluft unver⸗ | 6* 84 meidlich iſt. Will man ihn ins Freie bringen — und das iſt ihm in der That ſehr wohlthuend —, ſo darf es nur unter äußerſter Vorſicht geſchehen. Das Wetter muß warm und windſtill ſein, und dann muß man einen Ort wählen, an welchem er vor jeder Luftſtrömung, ſowie gegen die unmittelbaren glühenden Sonnenſtralen geſchützt iſt; ebenſo iſt Nachtluft und Nebel zu vermeiden. Oft erkrankt ein Papagei trotz aller Vorſorge an Schnupfen, Hals- oder Lungenentzündung, ohne daß man die Urſache feſtſtellen kann. Da hat ihn wol kalter Zug getroffen, der aus einem Nebenzimmer beim Oeffnen der Thür oder aus einer unbemerkten Thür⸗ oder Fenſterſpalte gerade nach der Stelle hinſtrömt, wo der Käfig ſteht. Jede Thür bringt beim Auf- und Zu⸗ klappen Zugluft hervor, welche manchmal auf weite Entfernung und nach einer Richtung hin, wo man es nicht erwartet, empfindlich wirkt. Für den Papageien⸗ käfig, bzl.⸗Ständer, muß daher der Standort in jedem Zimmer mit großer Umſicht gewählt werden. Am ſchlimmſten ergeht es dem Papagei gewöhnlich morgens beim Reinigen der Zimmer, wo er nicht allein der Zugluft, ſondern auch der von aufgewirbeltem Staub erfüllten naßkalten Luft und namentlich zu ſchnellen Wärmeſchwankungen ausgeſetzt iſt, indem beim Lüften der eiſige Hauch einſtrömt, während der Vogel nicht genügend geſchützt iſt. Das Vers decken, ſelbſt mit einem recht dicken Tuch, iſt nicht 85 ausreichend, man ſoll vielmehr den Käfig immer vor der Zimmerreinigung in eine andre, gleichwarme Stube bringen. Eine arge Erkältung, an die man kaum denkt, kann dadurch hervorgerufen werden, daß Jemand aus kalter, freier Luft oder einem ungeheizten Zimmer kommend, plötzlich an den Käfig tritt, wie dies beim Füttern wol geſchieht. Wenn der Papagei dann plötzlich und anſcheinend ohne Veranlaſſung ſchwer erkrankt, ſchiebt man es auf „die Weichlichkeit ſolcher Vögel“, während von dieſer doch, bei verſtändnißvoller Eingewöhnung und wirk— lich zweckmäßiger Pflege, garnicht die Rede ſein kann. Zu den ſchädlichſten Einflüſſen gehört auch hohe, ſtralende, trockne Wärme, vornehmlich in einem nicht genügend gelüfteten Zimmer, während der geſunde Graupapagei niedere Wärmegrade, ſelbſt bis etwa 5 Grad Kälte, ohne Gefahr ertragen kann, wenn nur jeder ſchnelle Uebergang vermieden wird. Am zuträglichſten iſt für ihn freilich gewöhnliche Stubenwärme, alſo 14 bis 15 R. Viele Papageienpfleger verhängen während der Nacht den Käfig mit einem Tuch. Man kann dies immerhin thun, namentlich bei friſch eingeführten, alſo noch nicht eingewöhnten Vögeln, ferner in einem Zimmer, das ſich zur Nacht bedeutend abkühlt oder in welchem der Sprecher bis ſpät abends durch vielen Verkehr beunruhigt und geſtört wird. Keinenfalls darf man den Vogel aber dadurch verweichlichen; 86 man wähle alſo kein dickes wollenes Tuch; wenigſtens benutze man für den Sommer nur ein ganz leichtes. Ich empfehle Sackleinewand oder ſorgſam gereinigte Säcke von ſtarkem Hanf oder drgl.; dieſe ſind im Sommer nicht zu warm, während ſie doch genügen, im Winter die Kälte abzuhalten; außerdem ſind ſie noch inſofern beſonders geeignet, als die Vögel nicht leicht, wie bei loſen Woll- und Baumwollſtoffen, Faſern abnagen und hinabſchlucken können. Vorzugsweiſe großer Sorgfalt bedarf die Pflege des Gefieders. In dieſem bildet und ſammelt ſich Federnſtaub oft in beträchtlicher Menge an, und auch deshalb muß der Papagei einen möglichſt großen Käfig haben, damit er flügelſchlagend den ganzen Körper ordentlich auslüften kann, wodurch der Staub entfernt wird. Andernfalls muß man ihn daran gewöhnen, daß er täglich auf dem beſchriebnen Sitzplatz oberhalb des Bauers ſich genügend aus— ſchwinge; noch beſſer läßt man ihn auf dem Finger flügelſchlagend ſich auslüften. Hat man einen biſſigen, unbändigen Vogel, den man nicht aus dem Käfig freilaſſen darf, oder der freiwillig nicht hervorkommen will, ſo wende man zweckmäßige Federnpflege an. Wird der Federnſtaub garnicht entfernt, ſo kann er durch Verſtopfen der Poren Unterbrechung der Haut⸗ thätigkeit und damit Geſchwüre, innere Krankheiten oder arges Jucken hervorbringen, welches letztre dann wol zu dem unſeligen Selbſtrupfen führt. 87 Die Händler benäſſen den ganzen Körper ver⸗ mittelſt des Mundes entweder bloß mit lauwarmem Waſſer oder mit ſolchem, unter das Rum oder Kognak gemiſcht iſt. Der Liebhaber dagegen beginne eine ſachgemäße Haut⸗ und Gefiederpflege, ſobald der Papagei ſich nach der Ankunft völlig beruhigt und einigermaßen eingewöhnt hat, wozu er vier bis ſechs Wochen bedarf. Für gewöhnlich genügt ein Bad etwa alle vier Wochen einmal, bei heißem Wetter im Sommer aber, oder wenn der Papagei ſich ſelbſt rupft und eine volle Federnkur durchzumachen hat, muß das folgende Verfahren zweimal wöchentlich und im ganzen 4 bis 6 Wochen hindurch angewendet werden. An zwei Tagen in der Woche (Montag und Donnerstag) in der Mittagſtunde, wenn es gleichmäßig warm im Zimmer iſt, durchpuſte man dem Vogel mit einem kleinen Blaſebalg die Federn gründlich bis auf die Haut. Anfangs wird er ſich ängſtigen, bald aber ſich daran gewöhnen, denn es bringt ihm Wohlbehagen ſowol in der kühlenden Wirkung als auch in der Entfernung des Federn— ſtaubs. An zwei anderen Tagen in der Woche (Mittwoch und Sonnabend) wird der Papagei, eben- falls in der Mittagſtunde, vermittelſt einer kleinen Blumenſpritze mit Siebtülle gründlich abgeſpritzt. Man nimmt reines ſtubenwarmes (ſ. S. 57) Brunnen⸗ oder Flußwaſſer und miſcht auf ein Waſſerglas voll einen kleinen Eßlöffel voll gutes reines Glyzerin und 88 ein Schnaps⸗ oder Spitzgläschen voll guten Kognak dazu. Bei dieſem Abbaden ſtellt man den Käfig mit dem Vogel ohne Schublade in eine Wanne und be— ſpritzt ihn von allen Seiten, ſodaß der ganze Körper gut benäßt wird. Auch hier wird der Papagei ſich anfangs fürchten, doch bald daran gewöhnen. An heißen Sommertagen darf man als Bad auch einen Gewitterregen benutzen. In jedem Fall aber muß man den Vogel beim Baden und nach demſelben gegen Erkältung, insbeſondre durch Zugluft, ſorgſam hüten, er muß alſo in Stubenwärme von mindeſtens 15 Grad R. ſtundenlang oder doch bis zum völligen Abtrocknen des Gefieders verbleiben; auch iſt es rathſam, währenddeſſen den Käfig leicht zu verdecken. Mit dieſem Baden allein iſt aber die Gefiederpflege noch nicht erſchöpft, ſondern der Papagei muß auch zuweilen im Sande paddeln und ſich darin abbaden können; die meiſten thun es mit großem Eifer. Der Sand muß die S. 56 erwähnte gute Beſchaffenheit haben und völlig trocken und ſtaubfrei ſein. Bedingungsweiſe ſchon zu den Krankheiten gehört die Mauſer oder der Federnwechſel. Die Er- fahrung hat gelehrt, daß die großen Papageien bei uns keine regelmäßige alljährliche Mauſer durch- machen, ſondern daß die wohlthätige Erneuerung des Gefieders lange Zeit, oft Jahre, währt, und man hat es noch nicht feſtſtellen können, ob dies naturgemäß begründet oder nur eine Folge unrichtiger 89 Behandlung ſei. Gleichviel aber — die Bapageten- pfleger müſſen dieſem Umſtand Rechnung tragen. In der Regel bleibt nichts weiter übrig, als daß man, wenigſtens bei älteren Papageien, die alten feſtſitzenden Stümpfe abgeſtoßener oder ver— ſchnittener Federn gewaltſam entfernt, doch muß dies mit großer Vorſicht und Sorgſamkeit geſchehen. Man zieht, nöthigenfalls mit einer kleinen Kneif— zange, etwa alle vier bis ſechs Wochen abwechſelnd an der einen und dann an der andern Flügelſeite und ſpäterhin gleicherweiſe am Schwanz jedesmal einen Stumpf geſchickt und raſch aus, und dabei muß man ſich inachtnehmen, daß man den Vogel an der betreffenden Stelle oder ſonſtwo am Körper nicht drücke oder beſchädige. Sollte die Stelle troß- dem blutig werden, ſo betupfe man ſie mit einem Gemiſch von je 1 Theil Arnika⸗Tinktur und Glyzerin mit 10 Theilen Waſſer. Starke Blutungen, das ſei hier gleich bemerkt, ſtillt man durch Bepinſeln mit Eiſenchloryd⸗Flüſſigkeit (Liquor ferri sesquichlorati), 1 Theil mit 100 Theilen Waſſer verdünnt, und Auflegen von friſch gebrannter Lunte aus reiner Leinewand. Auch beim Papagei muß man hartes feſtes Anpacken (eigentlich Anfaſſen überhaupt) mög⸗ lichſt vermeiden, vor allem hüte man ſich, eine friſch hervorſprießende Feder mit noch blutigem Kiel ab- zubrechen oder auszuzupfen. Dadurch würde einer⸗ ſeits das Gefieder häßlich und andrerſeits könnte die 90 Gefahr einer ſtarken Blutung und Entkräftung ein⸗ treten. Rathſam iſt es, daß man das Ausziehen der Federnſtümpfe, ſowie jede andre ſchmerzhafte oder auch nur unangenehme derartige Behandlung niemals ſelber ausführe, ſondern dies von einer fremden, jedoch durchaus zuverläſſigen, nicht rohen und ungeſchickten, ſondern wenn möglich in dergleichen geübten Perſon thun laſſe. Dieſes Entfernen der Federnſtümpfe muß jedoch nicht allein des ſchönern Ausſehens wegen, bzl. um die möglichſt baldige Erneuerung der Schwingen und Schwanzfedern an ſich zu erreichen, geſchehen, ſondern es iſt auch zur Erhaltung oder Herbeiführung des naturgemäßen Geſundheitszuſtands überhaupt nothwendig. Wenn der Papagei infolge der Einflüſſe der Gefangenſchaft lange Zeit im ſchadhaften Gefieder verbleibt, ſo liegen darin mancherlei Gefahren, und man ſucht daher durch das Auszupfen der Federn eine künſtliche Mauſer hervorzurufen. Keinenfalls aber darf man das Auszupfen der Stümpfe zu früh, alſo bei einem noch nicht völlig eingewöhnten Vogel, unternehmen. Auch vergeſſe man nicht, daß die jeder ausgezupften Feder entſprechende, am andern Flügel oder an der andern Schwanzſeite befindliche, meiſtens von ſelber ausfällt, daß es alſo eine unnütze Mühe und Quälerei für den Vogel ſein würde, wenn man z. B. die erſte Schwinge an jedem Flügel zugleich ausziehen wollte. Behält ein alter Papagei ein tadelloſes Gefieder 91 jahrelang ohne Erneuerung, jo iſt es keineswegs nothwendig, etwa aus Vorſorge eine künſtliche Mauſer herbeizuführen; man laſſe ihm vielmehr nur eine angemeßne Federnpflege (ſ. S. 86) zutheil werden, bei regelmäßiger und beſonders nahrhafter Fütterung und Einhaltung aller übrigen Verpflegungsmaßregeln, die ich bereits angegeben. Bei abgezehrten und alten Vögeln geht der Federnwechſel immer am ſchwierigſten vor ſich, und daher ſollte man ſolchen Papagei im Beginn deſſelben, insbeſondre wenn man ihn künſtlich hervorgerufen hat, recht kräftig ernähren. Ein gut gehaltner Papagei darf nicht vernach— läſſigte, unreinliche, verklebte, wunde und geſchwürige Füße zeigen. Reinlichkeit, immer trockner Sand und häufig Badewaſſer find die beiten Erhaltungs- mittel; vor allem aber bedarf der Papagei natur⸗ gemäßer Sitzſtangen (ſ. S. 37). Den etwa vernach⸗ läſſigten Fuß reinigt man vermittelſt einer weichen Bürſte mit warmem Seifenwaſſer (doch iſt dabei Erkältung ſorgſam zu vermeiden) und beſtreicht ihn dann mit verdünntem Glyzerin (1: 10) oder dünn mit beſtem Olivenöl. Die Krallen brauchen nur ſelten verſchnitten zu werden, weil ſie beim Papagei, der ausreichende Gelegenheit zum Klettern hat, nicht übermäßig wachſen; wird es nothwendig, ſo muß es mit großer Vorſicht geſchehen. Die Krankheiten. Anleitung zur Feſtſtellung der Krank- heiten und zum Beibringen der Heilmittel. Zum Schluß des Ab⸗ ſchnitts Krankheiten werde ich eine Ueberſicht der zur Heilung angerathenen Arz- 92 neien anfügen, einerſeits nach den Benennungen, unter denen man ſie in der Apotheke oder einer Droguen-Handlung zu fordern hat, andrerſeits nach den Gaben, bzl. Verdünnungen oder Zubereitungen, in denen man ſie bei dem kranken Vogel innerlich oder äußerlich anwenden muß. — Bei der Unter⸗ ſuchung, bzl. Beobachtung eines erkrankten Vogels hat man immer mit vor⸗ urtheilsfreiem Blick auf jedes Merkzeichen, ſowie namentlich auf das Ausſehen und die ganze Erſcheinung des Vogels zu achten, ferner prüfe und unterſuche man, wenn man meint, die Krankheit erkannt und feſtgeſtellt zu haben, nochmals recht ruhig und ohne Voreingenommenheit und erſt, ſobald man ſich ſicher über— zeugt zu haben glaubt, beginne man mit der Anwendung eines Mittels. Die größte Schwierigkeit, insbeſondre für den Anfänger und erſt wenig erfahrnen Liebhaber liegt darin, daß man beim Leſen der Krankheitsmerkmale, eines nach dem andern, nur zu leicht zu der Meinung gelangt, man habe die richtige Krankheit vor ſich, während man bei der nächſten wiederum annehmen muß, dieſe ſei es. Iſt es trotz ſorgfältigſter Prüfung des Vogels nicht möglich, eine beſtimmte Krankheitsform mit Sicherheit feſtzuſtellen, ſo treffe man nur dem Zuſtand im allgemeinen entſprechende Maßnahmen. Zunächſt gilt es zu ermit⸗ teln, ob die Krankheit fieberhaft iſt, ob ſie ſich durch heißen Kopf, heiße Füße, beſchleunigtes Athmen bei ſonſtiger Ruhe kundgibt. Iſt dies zutreffend, ſo hat man vor allem für unbedingte Ruhe zu ſorgen, jede Erregung des Vogels durchaus zu verhindern. Man füttert nur leichtverdauliche Nahrungsmittel, und wenn der Vogel wohlgenährt erſcheint, auch nur knapp. Gewöhnlich äußert ſich dann ſtarker Durſt, und man darf weder eiskaltes, noch abgeſtandnes oder ſtark erwärmtes Trinkwaſſer, ſondern nur ſolches von Stubenwärme geben. Natür⸗ lich muß man das Waſſertrinken auch beſchränken, weil ſonſt leicht Durchfall und damit noch ſchwerere Erkrankung eintreten kann. Man reiche, wenn mög⸗ lich aus der Hand, das Trinkwaſſer nur in beſtimmter, verhältnißmäßig geringer Menge, und nicht maßlos, ſoviel der Vogel will. Ich gebe dann anſtatt des Waſſers lieber dünn gekochten Haferſchleim, täglich mehrmals ſchwach erwärmt. Hat man den entzündlichen Zuſtand mit Beſtimmtheit feſtgeſtellt, ſo darf man ohne Bedenken eine kleine Gabe von Chiliſalpeter (Natrum nitricum dep.) hinzuthun. Glaubt man irgend eine Krankheit mit voller Entſchiedenheit er⸗ mittelt zu haben, ſo wähle man zur Behandlung, bzl. zum Heilungsverſuch von den vorgeſchlagenen Mitteln das aus, zu welchem man das meiſte Ver⸗ trauen hat, und wende es mit Umſicht und Verſtändniß nach der weiterhin in der „Ueberfiht der Heilmittel und Arzneien“ gegebnen Vorſchrift an. Vor allem ſei man nicht ungeduldig; nichts wäre ſchlimmer, als wenn Jemand in einſichtsloſer Haſt ein Mittel nach dem andern gebrauchen wollte, ohne dem vorhergehenden Zeit zur Wirkung zu laſſen, oder wenn man wol gar alle Mittel, die bei einer Krankheitsform als wirkſam empfohlen werden, zu gleicher Zeit anwenden möchte. g Eine der größten Schwierigkeiten bei der Behandlung kranker Papageien 1 2 * r — 93 tritt dem Liebhaber in der Art und Weiſe des Eingebens der Heilmittel oder Arzneien entgegen. Jedes Eingeben mit Gewalt birgt große Gefahr; es iſt alſo ſoweit als irgend möglich zu vermeiden. — Eine große Anzahl Arzneien bringt man den Papageien am beſten im Trinkwaſſer bei, und namentlich, wenn Durſt vorhanden iſt, hält dies nicht ſchwer, indem ſie dann ſogar Stoffe ohne weitres hinunternehmen, welche ihnen ſonſt widerwärtig ſind. In ähnlicher Weiſe kann man Papageien auf dem in Waſſer erweichten und wieder ausge— drückten Weißbrot (Weizenbrot, Semmel) Arzneien geben, die fie dann meiſtens gut verzehren. Iſt man dagegen gezwungen, einem großen, ſtarken, ungeber— digen Papagei ein Heilmittel mit Gewalt einzugeben, jo muß er feitgefaßt werden, damit er weder mit dem Schnabel, noch mit den Krallen verletzen kann. Sodann gibt man ihm in den Schnabel und in die Krallen je ein entſprechendes. Hölzchen, und ſucht vorſichtig und geſchickt das Arzneimittel von einer Seite aus oberhalb der Zunge hinunter in den Schnabel, bzl. Schlund tief hineinzu— bringen, richtet darauf den Kopf in die Höhe, ſpült vielleicht noch mit etwas Flüſſigkeit nach, entfernt das Holz aus dem Schnabel und hält den letztern noch, eine Weile zu, bis der Vogel die Arznei hinuntergeſchluckt hat. Dies Verfahren iſt ſehr umſtändlich und mühſam, und kann, wie ſchon gejagt, leicht den Erfolg, der ganzen Kur in Frage ſtellen, indem der ſich heftig ſträubende Vogel dabei immerhin gefährdet wird. Erkrankungszeichen. Sobald ein Papagei feine bisherige Lebhaf— tigkeit und Munterkeit verliert, erſcheint er krankheits verdächtig; je mehr bewegungslos und traurig er daſitzt, um ſo beſorgnißerregender iſt ſein Zuſtand. Ein Vogel, der bis dahin wild, ſtürmiſch, unbändig ſich zeigte und plötzlich zahm wird, iſt faſt regelmäßig ſchwer erkrankt und verloren. Für den aufmerkſamen Blick ergibt ſich heranziehende oder bereits eingetretne Krank— heit ſodann an matten oder trüben Augen. Sobald ein Papagei das Ge— fieder ſträubt, insbeſondre am Hinterkopf und Nacken, wenn er oft gähnt und mit dem Kopf ſchüttelt, den letztern in die Federn ſteckt, wie frierend zittert oder zuſammenſchauert, jo find das verdächtige Zeichen. Das ſeltſame Knirſchen mit. dem Schnabel, welches ein Papagei aus Unbehagen, manchmal ſogar bloß aus übler Angewohnheit, hören läßt, ſowie geſträubte Nackenfedern an ſich, haben in der Regel nicht viel zu bedeuten. Ein Hauptkennzeichen der Geſundheit, bzl. des Unwohlſeins, bildet weiter die Entlerung. Beim naturgemäß gehaltnen. ganz geſunden Papagei beſteht ſie immer in zwei Theilen, einem dicklichen, ſchwärzlichgrünen in Würſtchen- oder Wurmform und einem weißen, dünnen oder breiigen zugleich. Wenn beide breiig in einander verlaufen oder der eine überwiegt, die Entlerung entweder gleichmäßig grünlichgrau oder weißſchleimig, wol gar wäſſerig wird, iſt der Vogel nicht mehr vollkommen geſund. Ebenſo it Magerkeit, mit ſpitz und ſcharf hervorſtehendem Bruſtknochen, kein gutes. Zeichen; der Unterleib ſollte weder tief eingefallen ſein, runzelig, mißfarbig, noch aufgetrieben, gedunſen, blaſig oder gar entzündlichroth ausſehen, ebenſo— 94 wenig aber auch wie mit einer Fetthülle belegt. Noch größre Sorge können uns die weiteren Merkmale ſchon eingetretner Krankheit einflößen. Als ſolche gelten naſſe (laufende), ſchmutzige oder verklebte Naſenlöcher, ferner der ſchmatzende Ton, welchen ein anſcheinend ganz geſunder Papagei am ſtillen Abend hin und wieder ausſtößt, auf den dann wol bald öfteres Räuſpern, Huſten oder Schnarchen und beſchwertes Athemholen mit offnem Schnabel folgt. Beſchmutztes, nicht mehr ſauber gehaltnes Gefieder iſt immer krankheitsverdächtig; Verunreinigungen am Unter- und Hinterleib müſſen ſtets als Zeichen ſchon ein⸗ getretner, nicht mehr leichter Erkrankung gelten. Wenn ein Papagei den eklen Drang hat, ſeinen eignen Koth zu freſſen, ſo gehört dies zu den aller⸗ übelſten Krankheitszeichen. Die Krankheiten der Luftwege oder Athmungswerkzeuge ſind bei den Vogelliebhabern leider am bekannteſten. Schnupfen (Katarrh der Naſen⸗, Rachen⸗ und Mundhöhle). Krankheitszeichen: Nieſen, wäßriger oder ſchleimiger, weißlicher oder gelblicher Ausfluß aus den Naſenlöchern, der ſich in Kruſten anſetzt, Thränen der Augen, Schlenkern oder Schütteln mit dem Kopf, wobei zuweilen Schleim ausgeworfen wird. Urſachen: Zugluft, eiskaltes Trink⸗ waſſer, plötzliches Sinken der Wärme und Erkältung überhaupt. Heilmittel: Trockne Wärme oder warme Waſſerdämpfe, Einpinſeln von erwärmtem reinem Oel, Auspinſeln des innern Schnabels und Rachens mit Auflöſung von chlor⸗ ſaurem Kali oder auch Alaun- oder Tanninauflöſung; Reinigen der Naſen⸗ löcher und des Schnabels mit einer in Salzwaſſer getauchten Feder und dann Auspinſeln mit Mandelöl oder verdünntem Glycerin. Katarrh der Luftröhre (auch Rachen-, Kehlkopf- und Halsentzündung). Krankheitszeichen: Heiſerkeit, Huſten, Aufſperren des Schnabels beim Athem⸗ holen, beſchleunigtes Athmen, mit Pfeifen, Raſſeln oder Röcheln, in ſchweren Fällen mehr oder minder ſtarker Schleimausfluß aus dem Schnabel und den Naſenlöchern bei fieberhaftem Zuſtand und trockner Zungenſpitze. Heilmittel in leichteren Fällen: Eingeben von Süßigkeiten wie Honig, auch wol Zuckerkand und reinem Lakritzenſaft; Dulkamara⸗Extrakt, täglich zweimal; ferner gelinde Theer⸗ oder Holzeſſigdämpfe einzuathmen [Zürn]; ferner Auspinſeln des innern Schnabels bis tief in den Schlund hinein, auch der Naſenlöcher, mit Salicyl⸗ ſäurewaſſer; in ſehr ſchweren Fällen Auspinſeln bis tief in den Schlund mit Auflöſung von chlorſaurem Kali oder Tannin, unter Zugabe von etwas ein⸗ facher Opiumtinktur. Linderungsmittel: verſchlagner oder täglich mehrmals ſchwach erwärmter, ganz dünn gekochter Haferſchleim, dagegen durchaus kein Trink⸗ waſſer, ſondern Halten in feuchtwarmer Luft, bzl. Waſſerdämpfe. In letztrer Zeit habe ich bei derartigen Entzündungserkrankungen aller Athmungswerkzeuge mit großem Erfolg gereinigten Chiliſalpeter (Natrum nitricum dep.) im warmen Getränk gegeben. Heiſerkeit durch Ueberanſtrengung beim Sprechen, Singen oder durch zu lautes Geſchrei tritt zwar bei den Papageien kaum ein, nur bei den vor⸗ 35 züglichſten, zu einem oder mehreren Liedern abgerichteten Vögeln habe ich ſie mehrmals beobachtet, und ich muß dann zur größten Vorſicht mahnen und rathen, daß man einen ſolchen Fall niemals leicht nehmen möge, weil daraus bald eine ſchwere Erkrankung ſich entwickeln kann. Zunächſt ſind die vorhin beim Katarrh der Luftröhre gegebenen Rathſchläge zu befolgen, und ein wenig Süßigkeit kann hier wol beſſere Dienſte leiſten, als dort; zu reichlich Zucker gebe man nicht, weil er bei den Papageien, wie bei den Kindern leicht Säure erzeugt und dann Verdauungsſtörungen verurſacht. Hilft die Anwendung ſolcher leichten Mittel nicht, ſo iſt es nothwendig, daß man die Urſache zu ermitteln und zu heben ſuche und ich bitte, wie vorhin angegeben zu verfahren. Heiſer⸗ keit mit Kurzathmigkeit kann auch Folge zu großer Fettleibigkeit ſein; Behand⸗ lung: Futterwechſel, ſelbſt zeitweiſes Hungernlaſſen, Verabreichung von friſchen, dünnen grünen Zweigen zum Benagen, und ſodann Bewegung, indem man ihm einen geräumigen Käfig oder Gelegenheit gewähre, daß er oft aus dem Käfig heraus und ſich frei bewegen könne. Bei Kurzathmigkeit als Aſthma, d. h. einer in der Regel krampfhaften Erkrankung der Athmungswerkzeuge iſt wirkliche Abhilfe nur in Hebung der Urſachen zu finden. Milderungsmittel: lauwarmer Haferſchleim mit ein wenig Zucker und darin auf ein Spitz- oder Schnapsgläschen voll 1—3 Tropfen einfache Baldrian-Tinktur und Halten des Vogels in möglichſt gleichmäßiger, feuchtwarmer Luft (ſ. Waſſerdämpfe). Im weitern beruht Kurzathmigkeit, und zwar meiſtentheils, in anderweitiger, ſchwerer Erkrankung der Athmungswerkzeuge, wie Lungen- und Kehlkopfentzün⸗ dung, Lungenſchwindſucht u. a. m. In allen dieſen letzteren Fällen muß ich auf die Krankheitsfeſtſtellung und Behandlung verweiſen, welche ich weiterhin bei den einzelnen btrf. Krankheiten angeben werde. Gelegentlich kann es auch vor— kommen, daß ein ſonſt geſunder Vogel anſcheinend ſchwer, weil mit geöffnetem Schnabel, athmet, während darin durchaus keine Urſache zur Beängſtigung liegt; er ſperrt den Schnabel nur auf, weil er infolge der Witterung oder ſtarken Einheizens große Hitze hat, ohne daß ihm dieſe ſogleich ſchädlich wird. — Huſten iſt wiederum meiſtens nur ein Krankheitszeichen. Bei allen bisher be⸗ ſprochenen krankhaften Zuſtänden der Athmungswerkzeuge kann er eintreten. Bei ſeiner Behandlung iſt im weſentlichen daſſelbe zu beachten, was ich bei Heiſerkeit, Kurzathmigkeit, Athemnoth u. a. geſagt. Lungenentzündung gehört zu den ſchwerſten und gefährlichſten und leider auch häufig eintretenden Krankheiten der Papageien. Urſachen: Schroffer und ſtarker Wärmewechſel, manchmal aber auch garnicht bedeutende, aber plötz— liche Wärmeſchwankung, ferner Zugluft, kaltes Trinkwaſſer und irgendwelche Erkältung überhaupt, auch Beherbergung während längrer Zeit in einem wenig oder garnicht gelüfteten Raum mit dumpfer, ſchwüler, unreiner, ſtickiger oder von Tabaksrauch oder Gasdunſt geſchwängerter Luft. Erkrankungszeichen: Zu⸗ nächſt ſitzt der Vogel traurig da, mit geſträubten Federn, und die Freßluſt hört allmählich auf; ein fieberhafter Zuſtand iſt wahrzunehmen, an zeitweiſem Zittern 96 und bei näherer Unterſuchung an wechſelnder, auffallender Körperhitze; er— ſchwertes oder kurzes, ſchnelles, pfeifendes Athmen, mit aufgeſperrtem Schnabel, dann Huſten, der dem Vogel augenſcheinlich Schmerz verurſacht, zuweilen Aus⸗ wurf von gelbem, wol gar mit blutigen Streifen vermiſchtem Schleim; trockne Zunge. Manchmal ſind dieſe Zeichen nicht oder nur kaum zu bemerken und der Vogel erſcheint noch geſund und munter, aber er läßt einen ſchmatzenden und keuchenden Ton hören, der beſonders abends in der Stille auffällt, und gerade dies Krankheitszeichen verräth faſt regelmäßig einen Zuſtand ſchwerer Erkrankung, ſodaß wir den bedauernswerthen Vogel faſt immer als dem Tod verfallen anſehen müſſen. Heilverfahren: er wird vor jeder Aufregung und Bes ängſtigung bewahrt. Dabei muß er ſich in möglichſt gleichmäßiger, keinenfalls plötzlich ſchwankender, auch nicht zu ſtarker und namentlich nicht trockner Wärme befinden, die Luft muß rein, beſonders nicht ſtaubig oder kohlenſäurereich ſein. Auch bei dieſer Erkrankung ſucht man eine feuchtwarme Luftumgebung dadurch hervorzubringen, daß man den Käfig mit Blattpflanzen umſtellt und die letz⸗ teren häufig mit ſtubenwarmem Waſſer beſpritzt; dann muß auf hohe Wärme von 20—24 Grad geſehen werden, weil durch das Verdunſten des Waſſers be= kanntlich Kühle verurſacht wird. Oder es müſſen Waſſerdämpfe (ſ. dieſe) an⸗ gewandt werden. Die Fütterung iſt knapp zu halten, wenigſtens ſolange, bis die Entzündung gehoben iſt. Man gibt gereinigten Salpeter im Trinkwaſſer oder noch beſſer Chili-Salpeter. Iſt bei der Lungenentzündung Ausfluß aus den Naſenlöchern vorhanden, ſo reinigt man dieſelben vermittelſt einer in Salz⸗ waſſer getauchten Feder und pinſelt ſie dann mit erwärmtem Olivenöl oder verdünntem Glycerin ein. Zürn empfiehlt auch bei allen Entzündungen der Luftwege (Katarrh der Luftröhre und Lungenentzündung) Therdämpfe und Treskow Dämpfe von Alaunauflöſung oder Tanninauflöſung; doch iſt das Einathmen ſolcher Dämpfe nach meinen Erfahrungen nur mit äußerſter Vor⸗ ſicht und vollem Verſtändniß anzuwenden. Lungenſchwindſucht oder Lungentuberkuloſe iſt meiſtens in den⸗ ſelben Urſachen, aus denen Lungenentzündung u. a. entſteht, begründet, ſie kann auch eine Folge dieſer letztern ſein. Leider tritt auch ſie häufig und in mannig⸗ faltigſter Weiſe auf, indem die verderbenbringenden Geſchwürchen ſich nicht allein in der Lunge, ſondern auch in Leber, Herz, Herzbeutel, Milz, Nieren, Magen, Eierſtock, Därmen u. a. m. entwickeln. Krankheitszeichen: verhältnißmäßig raſch vorwärts ſchreitende Abmagerung und ſodann Geſchwülſte an den verſchiedenſten Körpertheilen; außerdem die meiſten der bei Lungenentzündung angegebenen Krankheitszeichen. Heilung, ſobald erſt wirklich Tuberkuloſe, alſo Geſchwür— chenbildung und wie ſie der Volksmund nennt, Abzehrung eingetreten, iſt leider unmöglich, wenigſtens nach dem Stande unſrer bisherigen Kenntniß. Abwehr-, bzl. Abwendungsmittel und-Wege: ſorgfältiges Fernhalten aller bei den vorher beſprochenen Erkrankungen der Luftwege angeführten Urſachen. Diphtheritis und Kroup (diphteritiſch-kroupöſe Schleimhautenzün⸗ N dung, volksthümlich: Bräune, Rotz, gelbe Mundfäule, gelbe Knöpfchen, Schnörgel u. a. genannt) wird durch pflanzliche Schmarotzer, Kugelſpaltpilze, Gregarinen, oder Pſoroſpermien bezeichnet, hervorgerufen. Es ſind mikroſkopiſche Lebeweſen, welche neuerdings meiſt für pflanzliche, herdenweiſe auftretende und verſchiedene ſchwere Krankheitserſcheinungen an Menſchen und Thieren verurſachende Ge: ſchöpfe angeſehen werden. Krankheitszeichen: Huſten, Nieſen, ſchweres Athmen bei geöffnetem Schnabel, Kopfſchütteln, Schlingbeſchwerden, Luftſchnappen, zu⸗ nehmende Athemnoth unter Schnarchen und Röcheln, ſodann als namentlich kennzeichnend: Auswurf von ſüßlichriechendem Schleim, zunehmende Mattigkeit, Sitzen am Boden, flügelhängend und mit geſchloſſenen Augen (zugleich faſt immer Darmkatarrh mit wäßrigſchleimigen Auslerungen), dann Zittern, Schüttel⸗ froſt und Durſt. Sitz der Krankheit ſind die Schleimhäute des Rachens, Kehl— kopfs, der Luftröhre, der Bronchien und des Darms, auch die Naſenſchleimhäute, Bindehäute und Hornhaut der Augen. Aus den Naſenlöchern quillt gelbe, ſchleimige, ſchmierige Flüſſigkeit, die ſich in dunkelgelben oder bräunlichen Kruſten feſtſetzt; die Augenlider ſchwellen an und werden verklebt. Gewöhnlich währt die Krankheit 2—3 Wochen, doch zuweilen auch 60—70 Tage. Vorbeu⸗ gungsmittel: Unterſuchung jedes neu angeſchafften Vogels und Abſonderung zur Beobachtung, ſtrengſte Abſonderung jedes erkrankten Vogels, alſo Verhinderung der Berührung oder ſeiner Ausſonderungen mit anderm noch geſunden Gefieder, gleichviel welchem, ſofortige Vernichtung jedes geſtorbnen Vogels durch Ver— brennen oder tiefes Vergraben, ſorgfältigſte Reinigung der Käfige und Geſchirre durch Ausſcheuern mit Karbolſäurewaſſer, dann Ausbrühen mit heißem Waſſer. In der Regel iſt jeder Heilungsverſuch vergeblich, dennoch muß ich die bis jetzt vorgeſchlagenen Heilmittel wenigſtens anführen: Eingeben von Karbolſäure im Trinkwaſſer und Bepinſeln oder Beſprengen vermittelſt des Verſtäubers der er— krankten Schleimhautſtellen mit derſelben. Die Kruſten müſſen mit mildem Fett erweicht, nicht mit Gewalt fortgeriſſen werden. Auch Höllenſtein-Auflö ung zum Pinſeln und dann Nachpinſeln mit Kochſalz-Auflöſung, ſelbſt Jod-Tinktur, für die Augen Salicylſäure⸗Waſſer oder Auflöſung von Kupfervitriol oder Tannin⸗ | Auflöſung; innerlich gibt man chlorſaures Kali täglich dreimal und äußerlich pinſelt man mit ſolchem. Immerhin bleibt es rathſam, nicht nur den todten, ſondern auch jeden von dieſer unheilvollſten Krankheit ergriffnen Vogel, ſobald man ſich davon überzeugt hat, daß er wirklich an derſelben erkrankt iſt, ſchleunigſt zu tödten und zu vernichten. Erkrankungen des Magens und der übrigen Eingeweide. Während die hierhergehörenden verſchiedenartigen Krankheitserſcheinungen dem Vogelpfleger immer am häufigſten entgegentreten, haben wir doch gerade bei vielen von ihnen weder hinſichtlich der Erkennung, bzl. Unterſcheidung und Feſt⸗ ſtellung, noch der Heilung bis jetzt ſichre Gewähr; wir können uns vielmehr bei dieſen Krankheiten wie bei den vorigen hauptſächlich nur an das Ante was bisher die Erfahrung ergeben hat. Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 7 ER 98 Verdauungsſchwäche: mangelnde Freßluſt, nicht naturgemäße Ent⸗ lerung in mißfarbnem, braunem, feſtem oder auch breiigem, meiſtens übel⸗ riechendem Koth, Trägheit und Schwäche. Krankheitsurſachen: unrichtiges oder unpaſſendes Futter und dadurch hervorgerufne üble Beſchaffenheit der Galle und der Verdauungsſäfte. Zunächſt werden bei dieſer Erkrankung gewöhnlich einige Hausmittel angewandt; man reicht verändertes, leichtes Futter, auch ein wenig Grünkraut oder vielmehr dünne grüne Zweige von Weide, Pappel, Haſelnuß⸗ ſtrauch oder Obſtbäumen, ſodann etwas Kochſalz im ſchwacherwärmten Trink: waſſer oder beſſer in ſolchem, ganz dünnem Haferſchleim. Auch leiſtet ein Thee⸗ löffel voll Rothwein, lauwarm, täglich zwei- bis dreimal gegeben, gute Dienſte. Zur Anregung bietet man ein wenig Süßmandel oder Wallnuß. Verdauungsſtörungen und in Folge derſelben Magen- und Darm⸗ entzündung (Magen- und Darmkatarrh, auch Unterleibsentzündung) kommen leider häufig und in mancherlei verſchiedenartiger Erſcheinung bei allen Vögeln vor. Erkrankungsurſachen: irgendwie verdorbnes, ſauer oder faulig gemordnes und unpaſſendes, unzuträgliches Futter, Freſſen irgendwelcher anderen ſchädlichen, ätzenden, giftigen Stoffe, doch auch zu friſcher Sämereien, Freſſen von nicht zuträg⸗ lichen Pflanzen auf dem Blumentiſch, Ueberfreſſen an Leckereien, ſodann, wenn auch glücklicherweiſe ſelten, Hinabſchlucken von Metall, Knochen, Glas, ſpitzen Steinchen u. a. m., ſchließlich aber auch eiskaltes Trinkwaſſer, Erkältung des Unterleibs, eis⸗ kalter Luftzug, welcher aus einer Ritze u. a. her gerade den Unterkörper trifft; im übrigen kann ſich derartige ſchwere Erkrankung auch aus der vorhin beſprochnen Verdauungsſchwäche entwickeln. Krankheitszeichen außer den allgemeinen Merk⸗ malen: mattes Auge, Daſitzen mit geſträubtem Gefieder, wol gar hängenden Flügeln und ſchlaff herabhängendem Schwanz, mangelnde Freßluſt und Durſt, Würgen und Erbrechen, Herunterbiegen des Unterleibs und Wippen mit dem Schwanz beim Entleren, vor allem aber abweichende (ſchleimige und mehr oder weniger dünne oder breiige, gleichmäßig grüne bis ſchwärzlichgrüne, weißgrün⸗ liche oder chokoladenfarbige bis blutige, zuweilen, wenn ſie auf die Hand fällt, ſich förmlich heiß anfühlende, auch wol ſauer- oder übelriechende) Entlerung, Schüttelfroſt und Hinfälligkeit; der Vogel ſitzt fortwährend am Futternapf und ſucht umher, ohne wirklich zu freſſen; bei ſehr ſchwerer Erkrankung erſcheint der Unterleib aufgetrieben, geröthet oder blau und heiß anzufühlen. Heilmittel je nach der Krankheitsurſache: verändertes und vor allem zuträgliches Futter, Ruhe und Wärme, warmer Breiumſchlag auf den Unterleib, auch wol handwarmer Sand, der jedoch dauernd gleichmäßig warm gehalten werden muß; ſodann: Salicylſäure- oder Tannin⸗Auflöſung, Glauberſalz zum Abführen oder bei Durchfall. einfache Opiumtinktur, auch Rothwein und in den ſchwerſten Fällen Höllenſtein-⸗Auf⸗ löſung; bei innerlichen Verletzungen, Hinabſchlucken von Metall u. a.: Leinſamen⸗, Hafergrütze⸗ oder andrer Schleim, mit wenig mildem Oel oder Reiswaſſer, ges brannte Magneſia in Waſſer angerieben u. a. Durchaus zu entziehen ſind: Grünkraut, bzl. grüne Zweige, Obſt, erweichtes Weißbrot und jedes Weichfutter 99 überhaupt. Anſtatt des Trinkwaſſers ſoll man nur ganz dünnen lauwarmen Haferſchleim geben. Badewaſſer darf man garnicht reichen. Auch darf man den kranken Vogel währenddeſſen nicht abſpritzen. — Die bereits S. 97 erwähnten Gregarinen können auch eine Darmentzündung verurſachen, welche ſich in heftigem Durchfall, baldiger großer Hinfälligkeit und raſchem Sterben kenn⸗ zeichnet. Um ſie feſtzuſtellen, muß man die Entlerungen mikroſkopiſch unter⸗ ſuchen. Bei bereits eingetretner Krankheit ſind Heilmittel kaum mehr wirkſam, doch darf man unterſchwefligſaures Natron und Salicylſäure-Auflöſung an⸗ wenden; ſ. auch weiterhin Gregarinoſe. Bei allen derartigen übertragbaren oder anſteckenden Krankheiten kann man natürlich garnicht vorſichtig genug ſein. Der Durchfall (Diarrhöe) iſt im weſentlichen nur eine Krankheits- erſcheinung, und als ſolche kann er von der geringſten Verdauungsſtörung bis zu der vorhin beſprochnen Magen- und Darmentzündung in allen ihren vers ſchiedenen Erſcheinungen eintreten. Bei jedem Papagei ſollte man ſtets ſorg— fältig auf die Entlerungen achten, denn dieſelben dürfen gleichſam als ein haupt⸗ ſächlicher Gradmeſſer der Geſundheit wenigſtens im allgemeinen angeſehen werden; ich bitte S. 93 unter Erkrankungszeichen und S. 98 bei Magen- und Darm— entzündung nachzuleſen. Kleben die Federn am Hinterleib zuſammen, zeigt ſich die Entlerungsöffnung und mehr oder minder auch der Unterleib beſchmutzt, die erſtre wol gar aufgetrieben und entzündet, ſo iſt ſchon eine ſchwere Krankheit eingetreten. Dann hört die Freßluſt auf, während der Kropf gefüllt bleibt, weil die Verdauung unterbrochen iſt, und großer Durſt läßt zugleich einen entzündlichen Zuſtand erkennen. Müſſen wir Durchfall, ohne daß es gelingt, eine beſtimmte, eingetretne Krankheit feſtzuſtellen, an ſich behandeln, jo können wir als Heil⸗ mittel zunächſt nur Wärme, ſodann am beſten dünn gekochten Haferſchleim, doch auch kohlenſaure Magneſia in Waſſer angerieben, Reis: u. a. Schleim, anwenden. Wenn der Durchfall ſehr ſtark iſt, unter vielmaliger täglicher wäßriger Entlerung, ſo gibt man beſten franzöſiſchen Rothwein, nicht leichten rothen Landwein (ſchon um den Vogel zu ſtärken und ſeine Körperkraft zu erhalten), in den ſchlimmſten Fällen mit einfacher Opiumtinktur, auch wol Tannin⸗ oder Höllenſtein⸗Auflöſung. Der After und Hinterleib überhaupt wird täglich ein- oder mehrmals vermittelſt eines weichen Schwämmchens mit warmem Waſſer gereinigt und mit erwärmtem Oel beſtrichen. Zum Getränk darf man kein Waſſer, ſondern nur den erwähnten Haferſchleim, und zwar dreimal im Tage friſch erwärmt, geben. Bei breiiger Ent⸗ lerung, welche ſauer riecht oder eine Schärfe zeigt und die Umgebung des Afters wund macht, kann man auch doppeltkohlenſaures Natron geben. Gelinder Durchfall wird am beſten durch Futterwechſel gehoben, indem die ſtockende oder geſtörte Verdauung dadurch gelinden Anreiz erhält und meiſtens wieder in guten Gang kommt. Vor ſchwerverdaulichen oder auch ungewohnten Nahrungsmitteln muß man die Vögel währenddeſſen bewahren. — Ruhr, bzl. jeder ruhrartige Zuſtand läßt ſich an ſtarkem Drängen und Schwippen mit dem Hinterleib erkennen; die Entlerung iſt zähſchleimig und =breiig, bei ſchwerer Erkrankung ſchwärzlichröthlich f 75 100 und dann auch bald blutig. Die Ruhr mit Opiumtinktur u. a. ohne weitres zu ſtopfen, würde meiſtens tödtlich wirken; man gibt vielmehr Rizinusöl oder ein Gemiſch von dieſem und Olivenöl in dünnem Haferſchleim oder auf altbacknem, in Waſſer erweichtem und wieder gut ausgedrücktem Weizenbrot (Semmel), oder auch wäßrige Rhabarbertinktur, und bringt dem Vogel täglich Oelklyſtire bei (zu welchen ich weiterhin bei der Verſtopfung Anleitung geben werde). Zum Getränk reicht man dünn gekochten Haferſchleim und zugleich reinigt man den Unterleib mit warmem Waſſer und beſtreicht ihn mit ebenſolchem Oel. Von der eigentlichen Ruhr verſchieden iſt ſchwere Erkrankung an Blutentlerung, bei der man mit der Gabe von Opiumtinktur zunächſt gleichfalls ſehr vorſichtig ſein muß. Ich gebe anfangs und ſolange die Entlerungen nicht ſtark und häufig ſind, nur 3 bis 5 Tropfen von dem Oelgemiſch, und dann erſt ſuche ich die eigentliche Heilung durch Opiumtropfen (Tinct. opii spl. 1, Tinct. aromat. et Tinct. valer. aeth. aa 5; s. ein⸗ bis zweimal täglich 5 Tropfen in 1 Theelöffel voll beſtem Roth⸗ wein) zu erreichen. — Kalkdurchfall (Kalkmiſten, Kalkſchiß) iſt wahrſcheinlich mit dem Typhus oder ſeuchenhaften Typhoid des Geflügels übereinſtimmend; Urſache: Mikrokokken und Bakterien, alſo mikroſkopiſche, pflanzliche Schmarotzer, welche ſich ſehr leicht übertragen, bzl. anſteckend wirken; er zeigt ſich insbeſondre bei friſch eingeführten Papageien leider häufig. Krankheitszeichen: ſtarker Durch⸗ fall mit Entlerungen von dünnem, weißgelbem Schleim, welche dann grünlich werden und den Unterleib ſtark beſchmutzen, mangelnde Freßluſt, mattes Daſitzen mit hängenden Flügeln, Hinfälligkeit, manchmal auch Erbrechen von dünnem, grünlichem Brei, ſtarker Durſt, Zittern, hochgeſträubte Federn, Taumeln, Tod unter Krämpfen. Vorbeugungsmittel: Abſonderung jedes erkrankten Vogels, ſorg⸗ ſamſte Desinfektion (insbeſondre Waſchen mit Chlorwaſſer) und äußerſte Rein⸗ lichkeit überhaupt. Im übrigen iſt Heilung kaum möglich und ich bitte dringend, hier ganz beſonders das zu beachten, was ich bei den anſteckenden Krankheiten inbetreff der Behandlung, namentlich aber hinſichtlich der weitern Anſteckung, geſagt habe. — Als ein vorzügliches Heil- oder doch Linderungsmittel bei allen dieſen zuletzt erwähnten Erkrankungen der Verdauungs- und Unterleibsorgane überhaupt, ſelbſt wenn ſie entzündlicher Natur ſind, iſt immer heißer Sand zu erachten. Allerdings bedarf es, um ihn anwenden zu können, beſonderer, paſſender Vor⸗ richtungen, ſodaß er andauernd immer gleichmäßig erhitzt, d. h. nur handwarm iſt. Der Vogel wird entweder ohne weitres auf den bloßen Sand oder beſſer auf einer Unterlage von Wollenzeug unter eine Drahtglocke geſetzt. Wenn irgend möglich muß der Sand für lange Zeit, mindeſtens aber 6 bis 24 Stunden, gleich⸗ mäßig warm bleiben, und zugleich darf er die Blutwärme (38,5 C.) des menſch⸗ lichen Körpers keinenfalls überſchreiten. Die Verſtopfung iſt nur eine Krankheitserſcheinung und vornehmlich in Verdauungsſtörungen oder auch in Fettſucht, Eingeweidewürmern u. a. begründet. Krankheitszeichen: Drang zum Entleren, dabei Wippen mit dem Hinterleib, Da⸗ ſitzen mit geſträubten Federn, Traurigkeit, Mangel an Freßluſt, beſchmutzter und 10 verklebter After. Wirklich wirkſame Heilmittel können immer nur ſolche ſein, welche die eigentliche Krankheit, bzl. deren Urſachen, heben. Heilmittel bloß gegen die Verſtopfung: zunächſt der Verſuch mechaniſcher Entlerung; bereits beim Ab⸗ waſchen des beſchmutzten Hinterleibs und der verklebten Federn mit lauwarmem Waſſer tritt zuweilen eine plötzliche, maſſenhafte Entlerung eir ; noch beſſer wirkt ein ſog. Klyſtir, d. h. das Hineinbringen eines in erwärmtes Oel getauchten Nadel- kopfs in die Entlerungsöffnung. Auch ein wirkliches Klyſtir vermittelſt einer feinen Gummiballſpritze mit dünner, rundgeſchmolzner Glasröhre als Spitze, oder mit gleicher gläſerner Spritze, thut gute Wirkung, indem man dem Vogel einige Tropfen von dem Oel oder auch nur bloßes lauwarmes Waſſer beibringt. Dazu gehört freilich Geſchick. Wenn man dabei einem weiblichen Vogel die Spritzen⸗ ſpitze irrthümlich in den Eileiter oder die Legeröhre führt, ſo thut ihm das allerdings nicht leicht Schaden; aber jede Verletzung iſt ſorgſam zu vermeiden. Bei hartnäckiger Verſtopfung gibt man: Rizinusöl 3 bis 5 Tropfen in Haferz, Leinſamen⸗ oder irgendwelchem andern Schleim oder auch wol auf erweichtem und gut ausgedrücktem Weißbrot ein. Hierher gehört auch die unheilvollſte aller Vogelkrankheiten überhaupt: die Sepſis (Blutvergiftung, Hungertyphus oder Faulfieber), an welcher alljährlich viele Hunderte, zuweilen ſogar Tauſende werthvoller fremdländiſchen Vögel, darunter leider nur zu viele Graupapageien, zugrunde gehen. Die Vögel kommen anſcheinend kerngeſund, namentlich vollleibig, munter und mit klaren Augen in Europa an, find aber in 8 Wochen, meiſtens viel früher, oft ſchon in 8—14 Tagen, jelten dagegen noch ſpäter, dem Tod verfallen; und zwar am eheſten bei Darreichung von Trinkwaſſer (welches ihnen infolgedeſſen von den Händlern gewöhnlich durch⸗ aus vorenthalten wird). Krankheitserſcheinungen: Sträuben des Gefieders, ins⸗ beſondre im Nacken, Kopfſchütteln, zeitweiſes Schnabelaufſperren und Gähnen, mattes, trauriges Daſitzen, Verändrung der nackten Haut um die Augen, vom reinen Weiß bis zum düſtern, bläulichen oder gelblichen Grau, Verſchmähung der Nahrung, Schnupfen, Huſten mit Ausfluß aus einem oder beiden Naſenlöchern und Anſchwellen derſelben; ſodann Schnarchen oder Röcheln beim Athemholen; die Entlerungen werden ſchleimig, klebrig, weiß mit grünlichen Streifen unter⸗ miſcht und übelriechend; manchmal, doch nicht immer, Erbrechen und Durchfall, zuweilen nur letztrer; ſodann Athemnoth; der Vogel magert in kürzeſter Friſt ſtaunenswerth ab und zeigt ein bemitleidenswerthes Jammerbild; darauf tritt Taumeln und Tod, oft unter großer Qual, ein. Durch die Unterſuchungen ſeitens hervorragender Aerzte, ſowie durch meine eigenen, ſind als Erkrankungs-, bzl. Todeserſcheinungen feſtgeſtellt worden: dunkles, dickliches Blut ohne feſte Gerinnſel, zahlreiche, punktförmige Blutaustretungen auf Lunge, Herzbeutel und an den Hirnhäuten; Tuberkeln (Geſchwürchen), am meiſten in der Leber, aber auch in Lunge und Herz; gelbliche, faſerige Ausſchwitzungen auf der Lunge und Leber; zerſtreute, rothe Entzündungsherde in den Lungen; hellgelbe, keilförmig geſtaltete, feſtere Ausſchwitzungen in dem Stoff der Leber; oft auch große, mürbe, violett⸗ 102 rothe oder ganz bleiche, wachsgelbe Leber; große Ausſchwitzungsmaſſen, zuweilen ſogar Schimmelpilzbildung innerhalb der Bruſthöhle, zu beiden Seiten der Lunge; dazu Magen- und Darmkatarrh, und, als den Zeitpunkt des Abſterbens bezeichnend, Erſtickungserſcheinungen, nämlich Blutüberfüllung der Lungen und des venöſen Blutkreislaufs des rechten Herzens, der großen Halsvenen und der Venen der weichen Hirnhaut. Die der fauligen Blutzerſetzung eigenthümlichen Bakterien (Bacillen) ergeben mit Sicherheit: Jauchevergiftung, alſo Sepſis. Dieſe Fäulniß⸗ Organismen, wenn ſie nur in geringer Menge vorhanden ſind, kann der Körper wieder ausſcheiden, ſobald er genügend Sauerſtoff zum Athmen hat, da gerade die Bakterien der Sepſis durch Sauerſtoff zerſtört und nur beim Mangel an demſelben gebildet werden. Die unſelige Krankheit iſt aber äußerſt giftig und überträgt ſich leicht; daher ſehen wir die Erkrankung aller zuſammen angekommenen Vögel, ſobald ein einziger, der Seuche verfallener darunter war. Auch können die Entlerungen noch nach Monaten anſteckend wirken. Vorgeſchlagene Heilmittel: Chlorflüſſigkeit, Karbolſäure, Salicylſäure, ſalicylſaures Natron, Tannin, Ergotin, Chinin, Phosphorſäure und phosphorſaure Salze, Schwefelmilch, ſelbſt Dued- ſilberſublimat und Arſenik und noch viel andres zum Eingeben, ja ſogar in ſub⸗ kutanen Einſpritzungen. Nur der Vollſtändigkeit halber mußte ich hier die mit mehr oder minder großem Erfolg angewendeten Heilmittel alleſammt aufzählen; zur Selbſtanwendung für den Liebhaber, der doch nicht immer zugleich Kenner ſein kann, darf ich dagegen nur als im weſentlichen ſtichhaltig Salicylſäure empfehlen, auf deren Anwendung ich weiterhin ſehr eingehend zurückkommen werde. Liebhaber und Händler in England ſetzten ihr ganzes Vertrauen auf Heilung vermittelſt Kayenne⸗Pfeffers. Alle Händler aber ſuchen den Ausbruch der unheil⸗ vollen Krankheit ganz oder doch eine Zeitlang dadurch abzuwenden, daß ſie das Trinkwaſſer entziehen und den Graupapageien nur in Kaffe oder Thee erweichtes Weißbrot oder nur Kaffe geben. Hier und da hat man Gleiches mit bloßer reiner Milch verſucht, und mit dieſer werden in neuerer Zeit wiederum derartige Heilverſuche gemacht. In einzelnen Fällen iſt dies auch wol gelungen, denn es ſind Beiſpiele bekannt, in denen ſich ein ſolcher Vogel Jahre hindurch auch ohne Waſſer am Leben erhalten hat. Manche Papageien überwinden bei derartiger Behandlung die tief wurzelnde Krankheit, laſſen ſich mit dem erweichten Weißbrot an Mais und Hanf bringen, erſtarken und geneſen und ſind ſpäterhin ohne Gefahr auch an Waſſer zu gewöhnen. Beiweitem die größte Anzahl aber, alle noch ganz Jungen oder Kränklichen und Schwächlichen, gehen dabei unrettbar zugrunde. Im übrigen liegt in der Waſſerentziehung eine arge Thierquälerei; am beſten kann man dies daran erſehen, mit welcher Gier die bedauernswerthen Vögel über das ihnen gebotne Getränk herfallen und welch' augenſcheinliches Labſal es ihnen gewährt, auch wenn es ihnen zugleich den Tod bringt. Erklärlicherweiſe habe ich es mir perſönlich angelegen ſein laſſen, Verſuche anzuſtellen, um nicht allein Erfahrungen zu gewinnen, ſondern vor allem um, wenn irgend möglich, einen ſichern Weg zur Heilung der bedauernswerthen Vögel aufzufinden. Man kann 108 ſich kaum ein lieblicheres Geſchöpf denken, als einen kürzlich erſt dem Neſt ent⸗ ſchlüpften Graupapagei mit dunklen, bläulichen oder tiefſchwarzen Augen, dunkel⸗ grauem, überall noch vom zarten Neſtflaum gleichſam überhauchten Gefieder und hellrothem Schwanz. Er iſt aber nicht allein allerliebſt, wie faſt jedes junge Thier, ſondern auch liebenswürdig, zutraulich und gemüthlich. Bei unſerm Nahen begrüßt er uns mit jo ſprechenden Geberden, daß ſelbſt Jemand, der wenig Ver— ſtändniß für das Thierleben hat, ſeine hohe Begabung anerkennen muß. Zutrau⸗ lich und zahm lernt er, wenn er eben am Leben bleibt, in kürzeſter Friſt ſprechen und dann gelangt er bekanntlich allmählich zu einer ſtaunenswerthen Stufe der Menſchenähnlichkeit. Daher ſind dieſe jungen, dunkeläugigen Graupapageien außer⸗ ordentlich geſucht und beliebt und ſie werden mit hohen Preiſen bezahlt. Aber in den meiſten Fällen treten bereits in den erſten Tagen die Krankheitserſcheinungen ein. Zunächſt ſind dieſe Vögel überaus empfindlich gegen jede Erkältung; nur geringes Sinken der Stubenwärme, der Luftzug, den eine raſch zugeklappte Thür verurſacht, oder das ſchnelle Herantreten eines aus kaltem Raum Kommenden bringt ihnen Nieſen, Huſten, Schnupfen, damit Ausfluß aus den Naſenlöchern, und dann kommen allmählich alle vorhin geſchilderten Krankheitszeichen zum Vorſchein. Noch ſchlimmer wirkt das Waſſertrinken, denn ein einziger Schluck kann ſchon heftige Unterleibsentzündung hervorrufen. Sobald der Papagei erkrankt, tritt in kürzeſter Friſt ſtaunenswerthe Abmagerung ein und bald zeigt er ſich als ein bemitleidenswerthes Jammerbild. Von einem Neger aus dem Neſt geraubt und aufgezogen, iſt er, wie wir es bei verlaſſenen jungen Tauben zu thun pflegen, aus dem Munde aufgefüttert und ſodann an das Selbſtfreſſen gewöhnt worden; nun aber, im Gefühl ſeiner ſchweren Erkrankung und Hilfloſigkeit, hat er die Thatkraft zum Selbſtfreſſen verloren und er bettelt zum Erbarmen um die frühere Fütterung. In einem ſolchen Fall weiß ich, daß eine liebevolle Vogelfreundin ihren kleinen Jako durch Fütterung aus dem Munde am Leben erhalten hat, bis er allmählich erſtarkt und geneſen war. Meiſtens, ja regelmäßig, bringt aber auch dieſer Verſuch keine Hilfe, ſondern einer von den Vögeln nach dem andern ſtirbt, ohne daß man ihn zu retten vermag. — Ich ſelbſt habe im Lauf von 16 Jahren 68 junge Graupapageien von verſchiedenen deutſchen und engliſchen Großhändlern bezogen. Sie kamen ſämmtlich oder doch nur mit wenigen Aus⸗ nahmen munter und anſcheinend kerngeſund bei mir an. Trotzdem waren ſie alle von der unſeligen Krankheit ergriffen und einer nach dem andern erkrankte. Zuerſt innerlich in entſprechenden Gaben habe ich an den Vögeln die Wirkung von allen vorhin genannten Arzneien auszuproben geſucht, alles aber war ver— geblich. Auch habe ich feſtſtellen können, daß die ohne Waſſergabe, bloß mit Weißbrot in Kaffe oder Thee gehaltenen Graupapageien und ſchließlich ebenſo die mit Kayenne⸗Pfeffer Behandelten gleicherweiſe erkranken und ſterben, wenn ſie einmal von der Sepſis ergriffen ſind. Große Hoffnung ſetzte ich auf einen Heilungsverſuch vermittelſt Ozon zum Einathmen und Ozonwaſſer, aber auch dies kräftigſte aller Befehdungsmittel jener unſeligen Bakterien erwies ſich als 104 unzureichend. Schließlich wurden auch Hauteinſpritzungen einer Anzahl der ſtärkſten von jenen Heilmitteln unternommen; indeſſen auch dieſer Verſuch darf keineswegs als ein gelungner angeſehen werden. Zu weiteren derartigen Verſuchen ſei nun aber dringend angeregt, denn außer dem Bereich der Möglichkeit liegt die Heilung keineswegs. Aus früherer Zeit her wiſſen wir Alle, daß der Graupapagei mit Recht als ein kräftiger, ausdauernder Vogel erachtet werden durfte, während er jetzt zu den allerweichlichſten und hinfälligſten gezählt werden muß. Dieſe un⸗ ſelige Veränderung begründet ſich in abſonderlichen Verhältniſſen. Ein ebenſo einfältiger als übelwirkender Seemanns⸗Aberglauben iſt bereits bis zu den Negern gedrungen, und auf Grund desſelben halten ſie die Vögel vom Waſſertrinken fern und ernähren ſie anſtatt deſſen aus dem Munde mit gekautem und mit Speichel vermiſchtem Mais. Nach meiner Ueberzeugung kann darin aber die erſte Urſache zur Entwicklung der Sepſis liegen; denn der Speichel des Menſchen und ins⸗ beſondre der eines Negers, enthält zweifellos Beſtandtheile, welche für den zarten Körper eines jungen Vogels nichts weniger als wohlthätig ſind, zumal, wenn dabei auch noch ein unnatürlicher Zuſtand durch die Entziehung des Trinkwaſſers herbeigeführt worden. Mit vollſter Berechtigung könnten wir nun ſagen: dieſe ebenſo zweckloſe als thierquäleriſche Einführung der Graupapageien muß bis auf weitres durchaus unterdrückt werden, denn ſie ſchädigt das menſchliche Ver⸗ mögen und den Reichthum der Natur an herrlichen Geſchöpfen in gleicher Weiſe und verleidet zahlreichen Leuten die Liebhaberei. Noch gibt es ja Wege, auf denen wir wenigſtens die Möglichkeit vor uns haben, daß wir uns dieſen werthvollſten aller Stubenvögel erhalten können. Selbſt wenn uns die Ausſicht, daß ein wirklich ſtichhaltiges Verfahren zur Heilung und Wiederherſtellung der Grau⸗ papageien von der Sepſis noch aufzufinden ſei, unſicher dünken muß, jo haben wir doch in einer andern eine mehr erfolgverſprechende vor uns. Wenn es nämlich über kurz oder lang gelingen wird, infolge der ſiegreich und unaufhaltſam vor⸗ dringenden Kultur, in den Heimatsgegenden des Jako, namentlich ſoweit ſolche dem deutſchen Einfluß eröffnet werden, auch bei den ſchwarzen Bewohnern Auf— klärung und Geſittung zu verbreiten, Aberglauben und Vorurtheil zu bannen, ſo werden wir auch auf die Gewinnung eines der werthvollſten Ausfuhrgegenſtände, der lebenden Vögel im allgemeinen und derß Graupapageien im beſondern, wohl⸗ thätig einwirken können, um ſodann die Aufzucht der letzteren und ihre Ueber⸗ führung nach Europa ſo natur- und ſachgemäß zu regeln, daß dieſe Art wieder wie früher zu den kräftigſten aller Papageien gezählt werden kann. Bis dahin aber bleibt mir leider nichts andres übrig, als daß ich die dringende Warnung ausſpreche: man wolle ſich vom Ankauf friſch eingeführter, billiger Graupapageien bis auf weitres ganz fernhalten! Allein ſchon es mitanſehen zu müſſen, wie das edle Thier unendlich jammervoll dahinſtirbt, ohne daß wir ihm helfen können, verleidet vielfach die ee für lange Zeit oder für immer. Am ſchlimmſten daran unter allen kranken Papageien find geg die 105 infolge kenntnißloſer oder auch muthwillig naturwidriger Ernährung, alſo durch mehr oder minder lange Fütterung mit allerlei menſchlichen und anderen für die Vögel nicht geeigneten Nahrungsmitteln einerſeits oder infolge übelſter Behand- lung während der Seereiſe andrerſeits oder ſchließlich auch durch Anſteckung mit Sepſis erkrankten. Ueber die Sepſis an ſich, wie fie im akuten Zuſtande, alſo unmittelbar ausbrechend, auftritt und behandelt werden muß, habe ich ſo— eben geſprochen; hier erübrigt es nur noch, auf einen chroniſchen Zuſtand, der infolge dieſer unſeligen Seuche bei längſt eingewöhnten und wol gar den allervortrefflichſten Papageien leider nur zu häufig vorkommt, näher einzugehen — nämlich eine Folgekrankheit der Sepſis. Bei einem anſcheinend geſunden Sprecher bilden ſich Geſchwürchen von der Größe eines Hirſekorns bis wol gar zu der einer Pflaume an den verſchiedenſten Körpertheilen, ſo vornehmlich rings um den Schnabel in der Wachshaut, im Halſe, Kehlkopf, Schlunde, an der Zunge, am Auge u. a. Je nachdem, wie dies Gebilde ſich nun mehr oder minder entwickelt, kann es natürlich die mannigfaltigſten Leiden hervorbringen. Wird keine eingreifende Kur begonnen, ſo iſt der Vogel in der Regel verloren, denn er geht an ſolchem Geſchwür, zumal wenn es an einem edlen Theil ſteht, durch Erſticken, Verhungern oder in andrer Weiſe zugrunde. In letztrer Zeit habe ich mit großem Glück die Salicylſäure-Kur angewandt. Man taucht die Flaſche mit der Auflöſung (ſ. Salicylſäure) vorſichtig, nachdem ſie entkorkt worden, in ein Gefäß mit warmem Waſſer, ſolange bis die darin ſchwimmenden weißen Flocken verſchwunden, bzl. geſchmolzen ſind, ſchüttelt dann gut um und tröpfelt nun davon 30 Tropfen in den Trinknapf des Vogels, gießt ein Schnaps⸗ oder Spitzgläschen voll deſtillirtes Trinkwaſſer oder beſſer ganz dünnen Haferſchleim hinzu und gibt ihm dies als Getränk. Natürlich darf er nicht früher weitres Waſſer bekommen, als bis er dieſe Gabe völlig ausgetrunken hat. Während dieſer Kur muß man dem Papagei jedes naturwidrige Nahrungsmittel durchaus ent⸗ ziehen, und jo bekommt er während derſelben nur Hanf, Mais und erweichtes Weiß⸗ brot, alles im vorzüglichſten Zuſtande. In der Regel vergehen bei dieſer Kur die Geſchwüre ganz von ſelber oder mindeſtens ſchrumpfen ſie allmählich ein, ſelbſt wenn fie noch Jahr und Tag vorhanden bleiben, doch jo, daß fie dem Vogel keine Bes ſchwerden machen und ihn auch nicht bedeutſam verunſchönern. Sollten ſchon vor dem Beginn der Kur oder während derſelben einzelne größere Geſchwüre zu bedeutenderer Entwicklung gelangen, zumal an Stellen wo ſie lebensgefährlich werden können, wie an der Zunge oder am Kehlkopf, im Schlunde u. a., ſo muß man natürlich, je nach der Ortsbeſchaffenheit, mit äußerer örtlicher Kur eingreifen. Ich nehme ungern das Meſſer zur Hand und wer ſeiner Sache nicht ganz ſicher iſt, ſoll das Schneiden beim lebenden Vogel, zumal beim Papagei, doch lieber unterlaſſen. Dagegen wendet man mit Ausſicht auf Erfolg auch von außen Salicylſäure an. Das Geſchwür, gleichviel welches (auch jede ent⸗ zündliche oder näſſende oder eiternde Stelle) wird mit erwärmtem Salicylſäureöl täglich zweimal bis dreimal ganz dünn bepinſelt, und wenn der Papagei dann daran lecken ſollte, ſo kann ihm dies nicht leicht ſchädlich werden. — —ů————————— 106 Als Krankheitserſcheinung bei verſchiedenartigen Leiden ergibt ſich Würgen und Erbrechen und natürlich kann daſſelbe nur durch Hebung der Urſache, alſo Heilung der eigentlichen Krankheit, abgewendet werden. Hat ein Vogel ſich nur gelegentlich überfreſſen oder unpaſſendes, ſchwer- oder unverdauliches Futter bekommen, ſo iſt das Erbrechen wohlthätig, denn die Natur hilft ſich damit ja ſelber. Iſt das Erbrechen dagegen Folge von Magenſchwäche oder in Erkran— kung der Verdauungswerkzeuge überhaupt begründet, ſo muß ich auf die Be⸗ handlung des jemaligen Leidens verweiſen. Linderungsmittel bei oft wieder⸗ kehrendem, hartnäckigem Erbrechen: Salzſäure im Trinkwaſſer oder auch im Gegenſatz doppeltkohlenſaures Natron. — Bei großen Papageien wird Erbrechen manchmal lediglich durch Gemüthserregung, Schreck, Beängſtigung u. a. hervor⸗ gerufen und dann hat es als vorübergehende Zufälligkeit keine weitre Bedeu- tung. — Auch kommt eine hierher gehörende Erſcheinung vor, welche im Parung strieb begründet iſt, der ſich bei einzeln gehaltnen Vögeln, beſonders großen Papageien nicht ſelten einſtellt. Kennzeichen: ein bis dahin offenbar kerngeſunder, im Aeußern ſchöner Papagei fängt plötzlich an zu würgen, ſchüttelt ſich, hat wol gar anſcheinend krampfhafte Zuckungen unter Augenverdrehen, Sich⸗ ducken, Flügelhängenlaſſen, Flügel- und Schwanzſpreizen u. a. m. Solch' Anfall geht bald vorüber, wiederholt ſich aber mehrmals am Tage. Der Zuſtand tritt nur bei wohlgenährten und ſehr kräftigen Vögeln ein. Gegenmittel: vor allem Zerſtreuung; man beſchäftige ſich mit dem Papagei ſogleich beim erſten Ein⸗ treten jenes Zuſtands viel und angelegentlich, wol gemerkt aber nicht in der Weiſe, daß man ſeiner Neigung noch etwa durch Hätſcheln und Zärtlichkeits⸗ bezeigung entgegenkommt, ſondern vielmehr, indem man ihn durch Zähmungs⸗ und Abrichtungsvornahmen, bzl. Vorſprechen abzulenken ſucht. Ferner nehme man mit äußerſter Vorſicht einen Wechſel in der Ernährung vor; vorzugsweiſe nahrhafte und insbeſondre erregende Stoffe, ſo namentlich Hanfſamen, vermin⸗ dert man möglichſt oder läßt ſie zeitweiſe ganz fort, während man anſtatt deſſen kühlende und mildernde, wie bejonders grüne Zweige, etwas Frucht u. drgl. gibt. Wohlthätig wirkt ebenſo ſehr vorſichtiges Herabmindern der Wärmegrade der Luft und dauerndes Halten in größrer Kühle. Am beſten freilich thut man in ſolchen Fällen daran, wenn man den btrf. Vogel mit einem ſeines⸗ gleichen verpart, bzl. ein richtiges Par zuſammenzubringen ſucht, und einen Züchtungsverſuch anſtellt. Bei geiſtig hochſtehenden Vögeln, alſo den am reichſten begabten, hervor⸗ ragenden Sprechern, tritt uns eine Krankheitserſcheinung vor Augen, an die wir zunächſt kaum glauben möchten, während ſie doch thatſächlich vorkommt. Auf⸗ merkſame, gewiſſenhafte Beobachtung hat mich zu der Ueberzeugung geführt, daß ſolch' Vorgang keineswegs etwa auf Einbildung oder Täuſchung meinerſeits be⸗ ruhte. Der Papagei erſcheint ſehr krank, ſtöhnt und jammert, zeigt zugleich mancherlei der übrigen vorhin geſchilderten Krankheitszeichen; er athmet ſchwer, liegt auf der Sitzſtange auf einer Seite oder auf dem Bauch. Seltſamerweiſe 107 aber äußern ſich alle dieſe Krankheitserſcheinungen immer nur ſolange, wie die Pflegerin oder ein Andrer im Zimmer zugegen iſt, während der Kranke, ſobald er ſich allein befindet oder, ohne daß er es wahrzunehmen vermag, beobachtet wird, ſich ganz ruhig verhält und keinerlei Krankheit erkennen läßt. Eine Er⸗ klärung vermag ich in Folgendem zu geben: der verwöhnte verhätſchelte Liebling der liebevollen Pflegerin hat es ſich bald gemerkt, wodurch er ihre Theilnahme am meiſten erwecken kann, ihr zärtlicher, bedauernder Ton iſt ihm angenehm, und er weiß es, daß ſie umſomehr in dieſem zu ihm ſpricht, je trübſeliger und leidender er erſcheint. Unpäßlichkeit, vielleicht auch unbedeutender Schmerz, ein wenig Bauchgrimmen oder dergleichen, hat ihn anfangs zum Stöhnen veranlaßt; das liebevolle Bedauern aber gefällt ihm, wie erwähnt, ſo ſehr, daß er jetzt auch ſtöhnt und jammert, wenn er garkeine Schmerzen hat, daß er alſo ſimulirt, wie man zu jagen pflegt. Zur Abhilfe dieſer leidigen Gewohnheit der Ver— ſtellung, bzl. des Erheuchelns einer garnicht vorhandnen Krankheit gibt es keinen andern Weg, als den, daß man ſich hartherzig zeigt und ſich um ſeine angeblichen Schmerzen durchaus nicht bekümmert, ihn vielmehr immer möglichſt zu erheitern ſucht, zum Sprechen und zur Entfaltung deſſen, was er gelernt hat und weiterlernt, anregt, ſich viel mit ihm beſchäftigt, aber ohne jemals auf ſeine Verſtellungskünſte zu achten. Waſſerſucht gehört zu den Erkrankungen, welche bei unſeren gefiederten Pfleglingen ſtets gleichbedeutend mit Tod und Verderben ſind, glücklicherweiſe aber nur ſelten auftreten. Urſache: zunächſt lediglich Erkältung und namentlich bei großen Papapeien gewaltſames Abbaden, welches man ohne genügende Vor— ſicht vornimmt; ferner Störungen in der Thätigkeit edeler Körperorgane, ſo vornehmlich Tuberkuloſe oder Geſchwürchenbildung in den Eingeweiden, der Milz u. a. Krankheitserſcheinungen: Athembeſchwerden, dann aufgeſchwollner Leib und im hochgradigen Zuſtand deutlich wahrnehmbare Flüſſigkeit in dem aufgetriebnen Körpertheil. Krankheiten der Leber und der Milz treten ziemlich häufig ein, doch ſind ſie im ganzen ſchwierig zu erkennen, und es iſt gerade bei ihnen ſchlimm, wenn man den Vogel krank vor ſich ſieht und nicht weiß, bzl. feſt⸗ zuſtellen vermag, mit welchem Leiden man es eigentlich zu thun hat. Urſache: unrichtige, zu ſchwer verdauliche oder auch zu reichliche Fütterung, bei nicht ausreichender Bewegung, infolgedeſſen Verfettung (Fettleber) oder Bildung von Geſchwürchen (Tuberkeln) in der Leber. Oft iſt ſie eine Folge von Darm: katarrh, bei welchem der Darm verſchloſſen wird, welcher die Galle in den Dünndarm ausführt, wodurch Stauung, Aufſaugung der Galle ins Blut und damit Gelbſucht verurſacht wird. Kennzeichen bei letztrer: das Auge und mehr oder minder alle nackten Körpertheile erſcheinen krankhaft gelb gefärbt; beim erſtern Zuſtand: erſchwertes Athmen, Keuchen, ſchwerfällige Bewegung, breiige oder dicke Entlerung, bei überaus vollem, wie in Fett eingewickeltem Körper mit ſchlaffer, faltiger, unthätiger Haut und mehr oder minder großen 108 nadten Stellen. Borbeugungsmittel: richtige, mannigfaltige und naturgemäß wechſelnde, zeitweiſe aber auch knappe Ernährung, und beſonders ausreichende Bewegung. Heilmittel bei Gelbſucht: für ausreichende Entlerung durch Rizinusöl zu ſorgen, ſodann Eingeben von Salzſäure oder doppeltkohlenſaurem Natron; auch Glauberſalz, Aufguß von Kalmuswurzel oder Löwenzahnkraut⸗-Extrakt. Die Tuberkuloſe oder Geſchwürchenbildung in der Leber, auch wol Leberfäule, iſt unheilbar. Geſchwürchen in der Milz und Milzerweichung dürften wol auf den⸗ ſelben Urſachen beruhen, dieſelben Erſcheinungen zeigen und auch in gleicher Weiſe behandelt werden müſſen, wie die Tuberkeln und Verfettung der Leber. Gehirnerkrankungen finden wir leider häufig und mannigfaltig. Gehirnſchlag oder Schlagfluß zeigt ſich in folgender Krankheitserſcheinung: ein bis dahin offenbar geſunder, ſehr muntrer und lebendiger Vogel ſträubt plötzlich das Gefieder, taumelt oder geht rückwärts, dreht ſich um ſich ſelber oder hält den Kopf in ſonderbarer Weiſe ſchief, unter Augenverdrehen, und raſch tritt der Tod unter Krämpfen ein. Die Oeffnung und Unterſuchung ergibt: das Gehirn (meiſtens zugleich das Herz und die Lungen) mit Blut überfüllt, ſo daß der Tod alſo durch Schlag verurſacht iſt. Am häufigſten kommen derartige Fälle bei heißem Wetter vor und zwar durch erhitzende und erregende, ja ſelbſt nur zu reichliche Ernährung, z. B. durch zuviel Hanfſamen, ferner durch ſtarke und trockne Ofenhitze, Waſſermangel, zumal in ſchwüler, trockner Stubenluft; ſchließlich auch infolge von Aufregungen: Erſchrecken, Beängſtigung, Eiferſucht, u. ſ. w., beſonders aber auch durch geſchlechtliche Erregung. Vorbeugungs⸗ mittel: Abwendung aller derartigen unheilvollen Einflüſſe, magre und knappe Fütterung, bei vorwaltender Gabe von Grünkraut, Obſt u. drgl., und, wenn man bereits Gefahr befürchtet, täglich Salzſäure im Trinkwaſſer. Noch raſch im letzten Augenblick anzuwendende Heilmittel: kaltes Waſſer auf den Kopf, vermittelſt Brauſe oder Auflegen eines damit gefüllten Schwamms, möglichſt ſchleunig bewirkte Abführung durch Rizinusöl und Klyſtir und, wo thunlich, ein vorſichtig ausgeführter Aderlaß. Viele Vogelpfleger, insbeſondre Leute, welche den Gebrauch von Gewaltmitteln nicht ſcheuen, greifen zum Aderlaß ſelbſt bei der erſten beſten Gelegenheit, und zwar in der Weiſe, daß ſie dem Vogel einen Zeh oder wenigſtens einen Nagel ohne weitres fortſchneiden. Ich halte ſolchen Eingriff für unrecht, weil man dem Vogel dadurch unverhältnißmäßig große Schmerzen macht, zugleich aber verabſcheue ich unter allen Umſtänden eine ſolche zweckloſe oder doch wenigſtens nicht durchaus nothwendige Verſtümmelung eines lebenden Geſchöpfs. Will, bzl. muß man, z. B. bei plötzlich eintretenden, hef⸗ tigen Krämpfen, Blutentziehung vornehmen, ſo ſehe ich einen Schnitt an der vollen, fleiſchigen Bruſt oder am Schenkel, in beiden Fällen aber nicht zu tief und im letztern keinenfalls ſo, daß der Knochen berührt wird, als am geeignetſten zur Blutentziehung an; man ſchneide auch niemals quer, ſondern von oben nach unten. Je nach dem Zuſtand des Vogels läßt man 1 bis 5, höchſtens 10 Tropfen Blut ſich entleren und ſchließt dann die Wunde durch ein blutſtillendes Mittel (ſ. weiterhin bei Wunden). 109 Krämpfe, epileptiſche Anfälle u. a. werden durch Störungen in der Gehirnthätigkeit oder in der anderer wichtigen Körpertheile verurſacht. Der Papagei ſtürzt plötzlich zuſammen unter heftigen Zuckungen, Flügelſchlagen und drehenden Bewegungen oder er zittert, ſchwankt, verdreht die Augen, dreht und wendet, verzerrt den Kopf, fällt um und zappelt in heftigſter Weiſe, ſodaß er einen beunruhigenden Anblick gewährt. Urſachen: unbefriedigter Geſchlechtstrieb, Schreck und Beängſtigung, ſtarke Ofen- oder Sonnenhitze, Halten im zu engen Käfig, alſo mangelnde Bewegung bei reichlicher und erregender Fütterung. Vor⸗ beugungsmittel: Abwendung aller jener Fährlichkeiten. Wenn ein Krampfanfall nur einmal vorgekommen, ſo hat er meiſt keine große Bedeutung; erſt bei Wieder⸗ holung wird er beunruhigend, und der Vogelpfleger ſuche die Urſache zu ergründen und abzuwenden. Für krampfhafte Erſcheinungen infolge von Parungstrieb habe ich das Verfahren bereits S. 106 angegeben; bei allen Krämpfen aber iſt noch folgendes zu beachten. Während des Anfalls nimmt man den Vogel in die Hand, damit er ſich beim ſtürmiſchen Umhertoben nicht ſtoße und beſchädige, und hält ihn aufrecht, wodurch ihm zugleich Linderung gewährt wird; doch hat man ſich dabei vor ſeinen Biſſen zu hüten. Gerade bei Krämpfen wird das rohe Mittel des Nagel- oder Zehabſchneidens am meiſten angewandt, ſelbſtverſtändlich aber gilt hier das, was ich bereits geſagt. Heilmittel: wiederholte Gabe von einfacher Opiumtinktur, ſowie von ätheriſcher oder einfacher Baldriantinktur und namentlich ein Dampf⸗ oder Sandbad, auch plötzliches Begießen mit kaltem Waſſer, letztres kaum erfolgverſprechend. Wirkliche Hilfe kann nur durch Er⸗ mittelung und Hebung der Urſache des Reizes erlangt werden. — Lähmung der verſchiedenſten Körpertheile, am häufigſten der Füße, kann zunächſt durch eine Verletzung des Rückgrats durch plötzliches Auffliegen und heftiges Anſtoßen gegen eine ſcharfe Ecke verurſacht ſein. In dieſem Fall iſt Heilung kaum zu ermöglichen, und ich kann nur auf das einzige Linderungs- und Heilungsmittel verweiſen, welches ich bei jeder Gehirnverletzung angegeben: unbedingte Ruhe. — Anderweitige Lähmungen kommen von rheumatiſchen u. drgl. Leiden her, welche ich ſpäterhin beſprechen werde. | Erkrankungen find auch die Vergiftungen, die fich ſtets an auffallen⸗ den Krankheitszeichen erkennen laſſen, während die Feſtſtellung des Gifts ſchwierig und ſogar unmöglich iſt. Falls aber das Gift nicht zu ermitteln, ſo iſt die Behandlung und damit die Ausſicht auf Heilerfolg unſicher. Man thut gut daran, beim Verdacht jeder Vergiftung einhüllenden Schleim, Eiweiß, Althee⸗ wurzel⸗ oder Leinſamen⸗Abkochung u. drgl., ſowie kohlenſaure oder gebrannte Magneſia in Waſſer angerieben zu geben. Kennzeichen nach Prof. Dr. Zürn: „Die mineraliſchen Gifte beſchädigen das Thier meiſtens durch ſtarkes Reizen der Magen- und Darmſchleimhaut, durch erhebliche Entzündungszuſtände der- ſelben. Die Giftpflanzen wirken durch ihren Gehalt an narkotiſchen Stoffen auf die Nervencentren und das Blut insbeſondre, oder durch den Gehalt an ſcharfen, erheblich reizenden Stoffen dann auch noch in eigenthümlicher Weiſe 110 auf Magen, Darm, Nieren.” Die narkotiſchen Gifte, welche im Großen und Ganzen ſich dadurch auszeichnen, daß ſie bei den Thieren ſtarken Blutzufluß nach dem Gehirn und Rückenmark, ſowie ſpäter Lähmung hervorbringen, können in ihrer Wirkung abgeſchwächt werden durch Eſſig, Tanninauflöſung, ſchwarzen Kaffee u. a.; Glauberſalz als Abführungsmittel, kalte Begießungen auf Kopf und Rücken oder ein Aderlaß bringen ſonſt noch bei Vergiftung Linderung oder Hilfe. Nach Genuß ſcharfſtoffiger Pflanzentheile ſind Abführmittel, dann Schleim und Chlorwaſſer zu empfehlen. Es gibt aber auch Giftpflanzen, welche narko⸗ tiſche und ſehr ſcharfe Stoffe zugleich enthalten. Nach jeder Vergiftung zeigen ſich, ſelbſt wenn das bedrohte Thier gerettet iſt, noch Nachwehen. Allgemeine Schwäche oder Hinfälligkeit dauert kürzere oder längre Zeit an, je nach dem Gift, auch Verdauungsſchwäche, Mangel an Freßluſt u. a. und in vielen Fällen bleibt nach abgewendeter Gefahr noch immer Darm- und Magenkatarrh zurück. Papapeien vergiften ſich leider häufig mit Oxalſäure (Zuckerſäure), wenn ſie am Meſſinggitter lecken, das geputzt und nicht ſorgfältig trocken ab⸗ gerieben iſt. Erkennungszeichen: Taumeln, Kraftloſigkeit, Krämpfe, ſchwarze, ſchmierige und dann auch blutige Entlerung. Heilmittel: die bei allen Ver⸗ giftungen überhaupt angegebenen ſchleimigen Stoffe und insbeſondre gebrannte Magneſia. Will der Papagei all' dergleichen freiwillig nicht nehmen, ſo gebe man ihm reichlich ſtarkes Zuckerwaſſer und darin wenigſtens etwas in Waſſer angeriebne gebrannte Magneſia. Ein Papagei, welcher ſich frei bewegen darf, zieht ſich durch Knabbern an Zündhölzchen Phosphorvergiftung zu. Krank⸗ heitszeichen: Geſträubtes Gefieder, Zittern, Daſitzen mit gekrümmtem Rücken und halbgeſchloſſenen Augen, mangelnde Freßluſt, Durſt, wäßriger und blutiger Durchfall, Hinfälligkeit. Man ermittelt den Zuſtand durch Phosphorgeruch aus dem Schnabel. Heilmittel: Chlorflüſſigkeit, reines Terpentinöl und Eiweiß oder andrer einhüllender Schleim. — Wiederum eine Vergiftung bedroht den ſich frei umherbewegenden Papagei, indem er einen Zigarrenſt ummel zernagt. Krank⸗ heitszeichen: Zittern, Taumeln, Lähmung, Krämpfe und gleichfalls blutige Ent⸗ lerung. Heilmittel: Eiweiß oder Schleim und ſtarke Gabe von Rizinusöl zum Abführen. — Wenn ein Papagei eine bittre Mandel oder eine verdorbne, bitter gewordne Nuß gefreſſen, find Kränkheitszeichen: Beängſtigung, Taumeln, Umfallen und Unfähigkeit ſich zu erheben, Zittern, Krämpfe. Heilmittel: Ein⸗ tauchen in kaltes Waſſer und Begießen mit ſolchem, innerlich Salmiakgeiſt oder Hoffmannstropfen, halbſtündlich und etwa dreimal im Tage. — Kupfer vergif⸗ tung kann vorkommen, indem ein Papagei am unſauber gehaltnen grünſpanig gewordnen Gitter eines Meſſingbauers leckt oder knabbert. Krankheitszeichen: verringerte und dann ganz mangelnde Freßluſt, Würgen und Erbrechen, aufs getriebner Bauch und Schmerz beim Drücken, Federnſträuben und Hocken am Boden, heftiger Durchfall mit grün ausſehender und blutiger Entlerung. Heil⸗ mittel: viel Eiweiß und andrer Schleim, Molken, gebrannte Magneſia. — Vergiftung durch Arſenik könnte eintreten, wenn man Ratten- oder Mäuſe⸗ 111 gift unvorſichtig auslegt, am leichteſten aber infolge Benagens arſenikhaltiger Tapeten. Selbſt bei geringſter Arſenikaufnahme iſt der Tod faſt immer unab⸗ wendbar. Erkrankungszeichen nach Zürn: Völlig mangelnde Freßluſt, Durſt, Speichelabſonderung aus dem Schnabel, häufiges Schlucken, große Angſt und Unruhe, Auslerung dünner, übelriechender, meiſt blutiger Kothmaſſen, erſchwertes, verlangſamtes Athmen, unter den naturgemäßen Zuſtand weit herabgeſunkne Körperwärme, vergrößerte Pupillen der Augen, Taumeln, Zittern, Krämpfe, raſch eintretender Tod. Heilmittel nach Zürn: Zuckerwaſſer, Eiweiß, Schleim, ge⸗ brannte Magneſia, vornehmlich aber Löſchwaſſer aus der Schmiede, das Anti- dotum arsenici oder auch gallertartiges Eiſenoxydhydrat. — Auch die übrigen ſtärkſten Gifte, wie Strychnin und die Salze deſſelben, ferner alles, was zur Herſtellung von vergiftetem Weizen oder als Mäuſe- und Rattengift über⸗ haupt dient, könnte einem Papagei gelegentlich gefährlich werden, indem es durch jene Nager verſchleppt und dadurch oder durch Entlerung in irgendwelches Vogel- futter gebracht wird. In faſt allen Fällen ſind Papageien bei derartiger Ver⸗ giftung vonvornherein verloren, ſelbſt wenn man die Urſache ſogleich mit Sicher- heit feſtzuſtellen vermag; bevor das Gegenmittel zur Anwendung, bzl. zur Wir⸗ kung kommt, iſt der Tod bereits eingetreten. Nach Zürn Krankheitserſcheinungen bei Strychninvergiftung im leichtern Fall: angſtvolle Unruhe, Zuckungen, dann Steifheit einzelner Glieder und des ganzen Körpers; bei Vergiftung im ſtärkſten Maß: heftige Krämpfe, Verzerrung von Kopf und Hals nach dem Rücken, Läh— mung, Erſtickung. Er empfiehlt künſtliche Reſpiration durch Lufteinblaſen und wechſelndes Zuſammendrücken und Ausdehnen der Bruſt, Tanninauflöſung, Ein⸗ athmen von Aether und Aderlaß; nach meiner Ueberzeugung iſt alles vergeb— lich. — Kohlendunſt, bzl. Kohlenoxydgas, kann, insbeſondre bei Oefen mit Heizung von innen (während dieſe doch am vortheilhafteſten der Lüftung wegen ſind) eintreten. Rauch und Dampf vermögen die meiſten Vögel leidlich gut zu ertragen, d. h. freilich nur, wenn das Zimmer gelegentlich einmal davon erfüllt, dann aber wiederum ſchleunigſt gelüftet wird. Bei häufigem oder gar andauerndem Einſtrömen können verherende Wirkungen ſich zeigen. In gleicher Weiſe unheilvoll kann für einen Papagei das Leuchtgas werden, falls das— ſelbe durch ein undichtes Rohr u. a. einzudringen vermag. Hilfsmittel: ſelbſt auf die Gefahr der Erkältung hin, muß man ſchleunigſt der freien Luft Ein⸗ gang verſchaffen, jeden erkrankten Vogel hinaus oder doch in ein friſchgelüftetes, ſonniges Zimmer bringen; iſt ein Vogel ſchon betäubt, ſelbſt ohne Lebenszeichen, beſprenge man ihn vermittelſt Brauſe mit kaltem Waſſer, halte ihm auch wol vorſichtig Salmiakgeiſt oder Hoffmannstropfen auf einem Baumwollflöckchen vor den Schnabel und flöße ihm 1—2 Tropfen ein. Im übrigen muß er ſich von ſelber an der Luft erholen. — Ueber Tabaksrauch habe ich ſchon S. 83 ge⸗ ſprochen. Bei plötzlicher, ſtarker Wirkung, wenn z. B. ein Papagei im Zimmer, in welchem ausnahmsweiſe einmal viel geraucht worden, erkrankt iſt, wendet man dieſelben Ermunterungs⸗ und Heilmittel an, welche ich bei Kohlendunſt⸗ 112 vergiftung angegeben. Wenn der Papagei aber dem derartigen, ſchwächern Ein⸗ fluß dauernd oder häufiger ausgeſetzt iſt, erkrankt er entweder an Lungenent⸗ zündung oder geht langſam an Abzehrung zugrunde. Heilung iſt nur dadurch möglich, daß man ihn in reine, warme Luft bringt und zweckmäßig behandelt.“ Auch Pflanzengifte können mehrfach zur unheilvollen Geltung kommen; ſo grüne Zweige vom Lärchenbaum, die ſich bereits in vielen Fällen als ſchädlich erwieſen haben. Gleiches gibt Zürn von Blättern und Beren des Eiben⸗ baums (Taxus baccata) an. Vorzugsweiſe gefährlich find. Hundspeter⸗ ſilie, Wolfsmilch, Nachtſchatten, Hahnenfuß u. a. Ein frei im Zimmer ſich bewegender Papagei kann auch vom Oleander oder anderen, gleich⸗ falls ſchädlichen Stubenpflanzen freſſen; ſchließlich könnte eine Verwechslung mit giftigen Beren, namentlich der Tollkirſche, vorkommen. Krankheitserſchei⸗ nungen in allen ſolchen Fällen: Geſträubtes Gefieder, Flügelhängen, ſonderbare Bewegungen, Strecken, Seitwärts⸗ und Rückwärtsbiegen des Halſes, krampfhaftes Schlucken und Schnabelaufſperren, als wolle der Vogel etwas entleren, Taumeln, ſtarres Ausſtrecken der Füße, bald krampfhafte Zuckungen des ganzen Körpers und Tod. Faſt regelmäßig iſt der Vogel verloren; der einzige Weg zur Rettung iſt ſchleunige Entlerung durch Beibringen von dünnem Schleim mit Oelgemiſch und Glauberſalzauflöſung, ferner Oelklyſtire, wie bei Verſtopfung angegeben, und Erwärmung des Unterleibs durch handwarmen Sand. Bei allen narko⸗ tiſchen Pflanzengiften, die betäubend und lähmend wirken, verordnet Zürn: Eſſig, Tanninauflöſung oder ſchwarzen Kaffe, v. Tresckow noch Zitronenſäure. Gleiche Vergiftung wie durch bittere Mandeln kann auch durch Kerne von Pfirſichen, Pflaumen, Kirſchen u. a. verurſacht werden. Eingeweidewürmer. Mehrfach ſind Bandwürmer bei Papageien nach⸗ gewieſen worden. Meiſtens leiden Papageien durch derartige Schmarotzer wol nur wenig; immerhin aber können, wenn ſie maſſenhaft vorhanden, erhebliche Geſundheitsſtörungen verurſacht werden. Kennzeichen: Solch' Papagei ſitzt traurig da, mit geſträubten Federn, zeigt ſchleimige, wol mit Blutſtreifen gemiſchte Ent⸗ lerungen, leidet an immerwährendem Darmkatarrh, magert ab und geht, beſon⸗ ders wenn er ſchwächlich iſt, durch Verkümmern zugrunde. Einziges Vorbeu⸗ gungsmittel: äußerſte Reinlichkeit. Zürn empfiehlt vor allem gepulverte Areka⸗ nuß, welche indeſſen (wie freilich alle Arzneimittel) den Vögeln ſchwierig bei⸗ zubringen iſt; ebenſo verhält es ſich mit Rainfarn- und Wurmfarnwurzel u. drgl. gegen Eingeweidewürmer. Dagegen habe ich beobachtet, daß nach mehr oder minder großen Gaben von Leinöl, vielleicht auch anderen Oelen, ſowol Band⸗ als auch andere Eingeweidewürmer entlert wurden. Uebrigens gelten ebenſo die Kürbiskerne als Wurmmittel, und namentlich Papageien nehmen die⸗ ſelben gern. f a 6 Die äußerlichen Krankheiten. Wunden. Alle Vögel haben in höherm Maß als die meiſten übrigen Thiere die Fähigkeit zur Selbſtheilung. Sogar bedeutende Wunden heilen lediglich durch Reinhaltung, alſo Auswaſchen 1 N 4 118 vermitteljt eines Schwamms mit reinem Waſſer, Kühlung mit letzterm, Anwen dung desinfizirender Mittel, wie namentlich Karbolſäure, und ſodann Ruhe, in kürzeſter Friſt. Schnittwunden, vorausgeſetzt daß ſie mit einem ſcharfen und reinen Meſſer beigebracht worden, heilen am leichteſten, doch kommen ſie bei Papapeien kaum oder nur ſelten vor. Behandlung wie vorhin angegeben und mit Karbolſäureöl. Häufiger ſind Biß- oder Rißwunden, letztere durch hervor— ſtehende Draht- oder Nagelſpitzen verurſacht. Jede derartige Quetſch- und Riß⸗ wunde heilt ſchlechter, weil ſie Entzündung und Eiterung mitſichführt. Soweit als möglich Ausblutenlaſſen, Auswaſchen mit Arnikawaſſer, oder, wenn ſchlimmer, Kühlen mit Bleiwaſſer, dann Aufſtreichen von Glycerin-, Vaſeline- oder Blei⸗ ſalbe. Da letztre giftig iſt, aber auch die erſteren vom Papagei ſtets abgeleckt werden, ſo iſt es nothwendig, den verwundeten Körpertheil, nach gut angelegtem Verband, durch Einnähen in feſte, grobe Leinwand zu ſichern. Iſt die Wunde tief und blutet ſie ſtark, ſo muß, nach ſorgfältigem Reinigen vermittelſt eines in Arnika⸗ oder Bleiwaſſer getauchten Schwamms, blutſtillende Watte aufgelegt oder blutſtillendes Kollodium übergepinſelt werden; auch ſtillt man die Blutung wol durch Eintauchen in oder Ueberpinſeln von Eiſenchlorydflüſſigkeit. Aller⸗ ſchlimmſtenfalls iſt die Wunde mit einer chirurgiſchen Naht zu ſchließen, was am beſten ein Wundarzt oder Heilgehilfe ausführt, und dann wird gleichfalls Kollodium darübergeſtrichen. — Brandwunden behandelt man wie beim Menſchen mit Liniment aus Kalkwaſſer und Leinöl oder Bleieſſig und Baumöl, im leichtern Fall mit Blei⸗Kollodium; immer muß man aber mit einem dicken Pauſch von Watte zum Abſchluß der Luft und, damit der Vogel nicht an den giftigen Bleimitteln lecken kann, wie bereits vorgeſchrieben, einen feſten, ſichern Verband anlegen und im Nothfall den Körpertheil einnähen. Mehrfach ſind ſchwere Verletzungen in der Weiſe eingetreten, daß ein Papagei auf ein heißes Plätteiſen, einen ebenſolchen Lampenzylinder, eine Kochplatte ſich geſetzt oder einer glühenden Ofenthür zunahe gekommen; im erſten Augenblick kann man dann den Vogel ſofort in loſe, ſaubre Baumwolle oder Watte hüllen und in einen offnen Käfig bringen, wo er durchaus ruhig verbleibt, bis man alle Hilfs⸗ mittel zur Hand hat, um die oben angegebne Behandlung vornehmen zu können. Sorgfältigſte Reinlichkeit iſt bei der Behandlung aller Wunden das erſte und wichtigſte Erforderniß; die Schwämme ſowol, als alle übrigen Gebrauchs— gegenſtände beim Verbinden der Wunden müſſen höchſt ſauber gehalten werden; erſtre ſind nach dem Gebrauch ſtets in ſiedendem Waſſer auszubrühen, auch wol auszukochen und dann in reinem, kaltem Waſſer noch mehrmals durchzuwaſchen; die letzte Ausſpülung ſollte ſtets in abgekochtem oder beſſer deſtillirtem Waſſer geſchehen. Schließlich iſt zur Heilung jeder Wunde unbedingte Ruhe durchaus erforderlich. Auch Knochenbrüche heilen bei Vögeln erſtaunlich leicht. Der einfache Fußbruch oberhalb des Knöchels bedarf lediglich der Ruhe, um vortrefflich wieder einzuheilen, ſodaß der Fuß meiſtens nicht einmal ſchief wird. Rathſamer Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 8 114 iſt es, die beiden Knochenenden durch vorſichtiges Ziehen in die richtige Lage zu bringen, zwiſchen zwei glatte Hölzchen als Schienen zu legen, und dieſe ziemlich feſt mit geſtrichnem Heftpflaſter, beſſer mit Leinwand oder am wohlthätigſten mit einem dicken, weichen Baumwollfaden zu umwinden, darüber Gipsbrei oder dick— gekochten, warmen Tiſchlerleim zu bringen, den Papagei bis zum Trocknen feſt⸗ zuhalten und ihn dann in einen engen Käfig zu ſtecken. Nach etwa vier Wochen kann man den Verband durch Aufweichen mit Waſſer, bzl. Löſen mit einer Schere, vorſichtig abnehmen. Die Schienen, welche man eigentlich nur beim ſchweren Bruch anzulegen braucht, können in glatten, dünnen Hölzchen beſtehen, oder in hohlen, halbröhrenförmigen Stäben von Rohr oder Flieder; immer müſſen ſie, wenn möglich, den ganzen Fuß umſchließen. Schwieriger iſt ein Bruch am Flügel zu heilen; um Schmerz und Reiz zu vermeiden, müſſen die Federn abgeſchnitten, aber nicht ausgezupft werden. Geſchwüre bilden ſich (außer den bei inneren Krankheiten bereits er— wähnten) an verſchiedenen Körpertheilen bei Papageien leider nicht ſelten. Zus nächſt unterſuche man ſorgſam, ob die Anſchwellung hart oder weich, ob ſie feſt und fleiſchig oder mit Flüſſigkeit, Eiter, bzl. Brei gefüllt iſt, ferner ob ſie ent⸗ zündet, roth und heiß oder gelb iſt, und dem Befund entſprechend muß das Geſchwür behandelt werden. Das reife Eitergeſchwür, welches alſo mehr oder minder weich iſt und gelb ausſieht, kann gewöhnlich ohne Gefahr durch einen Einſchnitt und gelindes Ausdrücken entlert und dann mit einem in Karbol: ſäureöl getauchten Bäuſchchen von Wundfäden (ſog. Charpie) oder mit Wund⸗ watte verbunden werden; keinenfalls mache man den Einſchnitt zu tief, und das Ausdrücken muß möglichſt vollſtändig, doch vorſichtig geſchehen. Kleinere Geſchwüre braucht man dann nur mit Karbolſäureöl auszupinſeln, und auch bei den größten iſt das Anlegen des Verbandes blos in den erſten Tagen noth— wendig. Ein hartes, insbeſondre großes und tiefliegendes Geſchwür erweicht man mit warmem Breiumſchlag, bis Reife eingetreten; eine ſehr entzündete Anſchwellung kühlt man mit Bleiwaſſer und erſt, wenn man ſich überzeugt hat, daß ſich wirklich ein Geſchwür bildet, ſucht man es durch warmen Breiumſchlag baldigſt zu erweichen. Leider nur zu häufig treten bei Papageien Balg-⸗ geſchwüre auf, beſonders am Kopf, neben dem Schnabel oder in der Augen— gegend. Ein Balggeſchwür iſt weder hart, noch weich, mit breiiger Maſſe ge— füllt und vergrößert ſich übermäßig oder geht tiefer und verurſacht dem Vogel in jedem Fall Unbequemlichkeit und Schmerzen; ſolange das Balggeſchwür klein iſt und loſe in der Haut ſitzt, läßt es ſich durch Aetzen mit Höllenſtein oder beſſer noch durch Abbinden vermittelſt eines dünnen, aber feſten Fadens ent⸗ fernen. Man faßt es mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand, hebt es, hoch und ein Andrer legt nun den Faden um, indem er möglichſt kräftig zu— ſchnürt. Der unterbundne Theil ſtirbt ab und ſobald die Stelle verheilt, fällt das Abgeſchnürte von ſelber hinweg. Will man lieber fortſchneiden, ſo verfährt man ebenſo, nur daß man, anſtatt den Faden umzulegen, vermittelſt eines I AN N 8 I, 115 ſcharfen Meſſers das Ganze ſchnell, doch vorſichtig herauslöſt. Dann wird vers bunden und behandelt. Meiſtens jedoch kommen die Balggeſchwüre aus innerer Verderbniß der Säfte her und das örtliche Fortbringen des einzelnen nützt dann nichts, weil immer neue entſtehen. Der Papagei iſt dann verloren, falls er nicht durch ſtrengſte Enthaltung von jeder naturwidrigen Fütterung und durch ſorgſamſte, naturgemäße Pflege, vor allem aber durch die Einwirkung friſcher Luft unter Anwendung der Salicylſäurekur (ſ. S. 105) wiederhergeſtellt werden kann. Größtentheils aus den letzterwähnten Urſachen bilden ſich auch warzen— artige Auswüchſe oder Wucherungen, die wol gar aufbrechen, maſſenhaft Flüſſig⸗ keit (Lymphe) oder Eiter abſondern, manchmal ganz wund werden; ſie ſind meiſtens kaum zu heilen, und zugleich kann im letztern Fall Anſteckung ein⸗ treten. Beſteht eine Geſchwulſt bloß in einer Fleiſchwucherung, vielleicht von warzenartiger Beſchaffenheit, jo kann man fie, wenn fie klein iſt, durch Ab- ſchneiden und wenn größer, durch Abbinden entfernen. Sit es aber eine tief- gehende, mehr oder minder große und verhärtete Geſchwulſt, welche aufbricht und viel Flüſſigkeit oder Eiter abſondert, während auch wol ſog. wildes Fleiſch hervorwuchert, ſo iſt die Heilung ſchwierig, und es kann ein krebsartiges oder ſonſtwie anſteckendes Geſchwür ſein. Man bepinſelt die ekelhaft ausſehende, rohe Fleiſchmaſſe mit Alos⸗ und Myrrhentinktur drei Tage, am vierten betupft man an der ganzen Oberfläche mit einem befeuchteten Höllenſteinſtift und am fünften beſtreicht man ſie mit verdünntem Glycerin, um am ſechſten Tage wiederum in derſelben Reihenfolge anzufangen. Dazu wendet man die S. 105 erwähnte Salicylſäure⸗Kur an. Eine ſog. Fettgeſchwulſt, welche durch naturwidriges Wuchern der Fettzellen entſteht und ſelten vorkommt, iſt nicht durch Futterent⸗ ziehung zu heben, ſondern durch Aufſchneiden, Entlerung vermittelſt gründlichen Ausdrückens und Auspinſelung mit Karbolſäure. Gleiches iſt den ſog. Grüß: beuteln oder Grützgeſchwüren gegenüber zu beachten. Sie beſtehen in einer runden, weich anzufühlenden, weder erhitzten, entzündlichen, noch eiterig gelben Geſchwulſt und enthalten eine ekelhafte, weiße, dünnbreiige Maſſe, müſſen nach einem tüchtigen Schnitt durch Ausdrücken entlert und innen mit Karbolſäureöl ausgepinſelt werden. Hier und da, wenn auch glücklicherweiſe nur ſehr ſelten, tritt bei friſch eingeführten großen Papageien außerordentlich ſchwere Erkrankung an Grega— rinoſe auf. Unter denen, die ich behandeln konnte, hatte ich den ſchwerſten, förmlich unheimlichen Fall der Gregarinoſe an zwei Papageien aus dem zoolo— giſchen Garten von Berlin vor mir, die beide daran ſtarben, während mir in mehreren leichteren Fällen die Heilung geglückt iſt. Das Krankheitsbild zeigt ſich gewöhnlich in mehr oder minder großen Anſchwellungen um und über die Augen und den Schnabel, an oder in der Kehle und auch an verſchiedenen anderen empfindlichen Körperſtellen, die bei Schnitt oder Oeffnung eine käſige Maſſe enthalten. Als Heilmittel habe ich innerlich Salicylſäure in ſtarker Gabe und für längre Zeit und äußerlich Jodkalium oder graue Queckſilber⸗ 8* 116 jalbe angewendet. Hauptſache iſt der Schutz vor Anſteckung. Ich bitte auch unter Darmentzündung S. 98 nachzuleſen. Gicht, Rheumatismus und mancherlei Lähmungen. Urſachen: Erkältung oder auch Verletzung, ſowie Sitzen auf zu dünnen und ſcharfkantigen oder überhaupt nichts taugenden Stangen. Krankheitszeichen: Verminderung der Freßluſt, Fieber mit Gefiederſträuben und Schütteln, Anſchwellungen an den Gelenken der Flügel und Füße, die anfangs hart, ſtark geröthet, heiß und ſchmerzhaft find, dann weich ſich anfühlen und eine mit Blut und Eiter ge⸗ miſchte Flüſſigkeit enthalten; ſpäterhin werden ſie wieder hart, und der Inhalt iſt gallertartig und käſig; zuweilen findet nach Wochen Selbſtheilung ſtatt, doch bleibt gewöhnlich Verdickung des Gelenks zurück. In einem andern Fall tritt langſame Abmagerung bei Blutarmuth (blaſſe Schleimhäute), dann ſtarker Durchfall und Tod an Erſchöpfung ein. Vorbeugungsmittel: Abwendung der vorhin angeführten Urſachen, ſo jeder Erkältung, vornehmlich beim Stuben⸗ reinigen, bzl. Lüften frühmorgens. Heilmittel: Trockenheit und Wärme; wenn die Anſchwellung entzündlich und heiß, Kühlen mit Blei- oder Eſſigwaſſer, falls die Anſchwellung hart, Einreiben mit Kampher- und Ameiſenſpiritus oder Pinſeln mit verdünnter Jodtinktur, auch Bewickeln mit erwärmtem Wollzeug; wenn die Geſchwulſt eiterig, Aufſchneiden, doch keinenfalls zu früh, Ausdrücken und Auspinſeln mit Karbolſäurewaſſer; innerlich Salicylſäure im Trinkwaſſer. — Rheumatiſche Leiden, die in ſchmerzhafter Lähmung ohne Gelenkan⸗ ſchwellungen ſich äußern, können gleicherweiſe durch Erkältung, beſonders Zug- luft oder nach unvorſichtigem Abbaden u. ſ. w. entſtehen. Heilungsverſuch: Einreiben mit warmem Oel oder beſſer erwärmter Rosmarinſalbe und Umwicklung des ſchmerzhaften Glieds mit einem erwärmten Wolltuch, welches ſelbſtverſtändlich feſtgenäht oder durch einen entſprechenden Verband befeſtigt ſein muß. Be⸗ pinſeln mit Petroleum oder gereinigtem Terpentinöl darf man nur im Nothfall anwenden, denn der Geruch iſt für jeden Vogel widerwärtig und ſchädlich. Warmer Raum und wenn möglich warmes Sandbad ſind nothwendig. Faſt am allerſeltenſten, erfreulicherweiſe, kommt das Heraustreten des Darms oder der Legeröhre bei großen Papageien vor. Man wäſcht dieſen Darmvorfall mit handwarmem Waſſer, in welchem ein wenig Tannin auf⸗ gelöſt worden, trocknet den Vorfall dann durch Betupfen mit einem Leinentuch, beſtreicht ihn mit mildem Olivenöl und bringt ihn vermittelſt der Finger vorſichtig wieder zurück. Tritt er ſodann nochmals wieder heraus, ſo kann man ein hier und da gebrauchtes Hausmittel anwenden, welches mir kürzlich den erhofften Dienſt beſtens geleiſtet hat. Nach dem Abbaden und ſorgfältiger Rei⸗ nigung, ſowie namentlich beſtem Betrocknen, beſtreut man den Vorfall mit aller⸗ feinſt gepulvertem Kolophonium und bringt ihn nun recht ſorgfältig und gründ- lich wieder hinein. Dann wird die Oeffnung etwa zehn Minuten lang ſanft zugehalten, und wenn trotzdem der Austritt abermals erfolgt, wird das Hinein— bringen wiederholt und dann in der Regel mit glücklichem Erfolg. 117 Augenkrankheiten kommen bei Papageien leider häufig vor; jie können auch vielfach auf anderweitiger Erkrankung beruhen, bei welcher das Auge und ſeine Umgebung in Mitleidenſchaft gezogen wird. Zunächſt treten uns Anſchwellungen und Entzündungen der Augenbindehäute, durch Erkältung hervorgebracht, entgegen. Krankheitszeichen: Augenthränen, Anſchwellen der Lider und Lichtſcheu. Heilmittel: Pinſeln mit lauwarmer Chlorflüſſigkeit oder Alaun⸗ oder Zinkovitriolauflöſung. Ferner kann Entzündung der Bindehäute, ſowie auch der Hornhaut durch Stöße oder Biſſe ins Auge entſtehen. Heil⸗ mittel: Kühlen mit Waſſer, bzl. Bleiwaſſer, Einpinſeln von Zinkvitriolauflöſung oder Pottaſchelöſung mit Opiumtinktur. Innere Augenentzündungen, welche Blindheit (grauen Star) bringen, treten nur ſelten auf. Wenn man einen augenſcheinlich blinden oder blindwerdenden Vogel, deſſen Auge keine äußerliche Krankheit erkennen läßt, daraufhin behandeln und wenigſtens einen Heilungs- verſuch anſtellen will, jo darf man immerhin das einzige hierhergehörende Heil- mittel: Einpinſelung auf den Augapfel von ſchwefelſaurem Atropin (nach Zürn) anwenden. Ausſicht auf Erfolg iſt nur beim Beginn der Krankheit vorhanden, welche ſich aber leider meiſtens erſt dann feſtſtellen läßt, wenn der Vogel ſchon ganz oder doch nahezu blind geworden. Bei ſchwerer Verletzung des Auges durch Schlag, Stich oder Biß, wobei der Augapfel beſchädigt worden, läßt ſich ein ſachgemäßer Verband, bzl. eine ſolche Behandlung überhaupt, nur ſchwierig er— möglichen. Man ſuche nach Anwendung der obengenannten kühlenden Mittel, namentlich Auflegen von weicher, in Bleiwaſſer getauchter Leinwand, einen Schutz des Auges dadurch zu erreichen, daß man beim großen Vogel eine Wall- nußſchale an der Kopfſeite jo anbringt, daß ſie das von dem Leinwandläppchen (oder beſſer Wundfäden) umhüllte Auge ſchützend einſchließt. Befeſtigung am beſten vermittelſt dünner Streifen von Heftpflaſter und dann Umwickeln des Kopfs mit einem ſchmalen Leinen⸗ oder Baumwollband. Die Naturheilkraft des Vogels thut dann außerordentlich viel. Dieſer Verband braucht nur etwa alle drei Tage einmal erneuert zu werden. Schnabelkrankheiten. Bei zu großer Sprödigkeit des Horns kann eine mehr oder minder tiefgehende Spaltung, bzl. ein Riß im Schnabel oder die Zerſplitterung, Zerfaſerung, Wucherung an der Schnabelſpitze eintreten. Im erſtern Fall bepinſele man nicht bloß den Riß an ſich, ſondern auch den ganzen Schnabel täglich ein- bis zweimal mit erwärmtem, mildem Oel. Dabei iſt natürlich ſorgſame Reinhaltung durch häufiges Auswaſchen der Spalte mit einem feinen weichen Pinſel mit Karbolſäurewaſſer nothwendig, ſoweit es ſich um einen tiefgehenden und ſchmerzhaften Riß handelt; auch kann man die Stelle, nachdem ſie gut abgetrocknet worden, mit Kollodium beſtreichen. Wenn der Riß tiefgehend ins Fleiſch reicht oder den Schnabel klaffend ſpaltet, muß ein Verband angelegt werden; zunächſt wird der Riß gereinigt, dann ftreicht« man zwiſchen beide Flächen Karbolſäureöl, klebt einen entſprechenden Heftpflafter ſtreif darum und umgibt die Stelle ſchließlich, falls es eben ausführbar iſt, mit — ———— — — — —————PMU7me knn 118 einer Schiene, indem man eine der Länge nach gejpaltne Federpoſe, ein Rohr⸗ oder Strohhalmſtück anbringt und befeſtigt. — Schlimmer geſtaltet ſich in vielen Fällen die Schnabelmißbildung, welche mit Zerſplitterung der Spitze, Spaltung in zahlloſe Faſern und unnatürlicher Wucherung beginnt und all⸗ mählich den ganzen Schnabel ergreift, ſodaß der Vogel dadurch gleichfalls meiſtens arg bedroht wird. Heilung ſchwierig; erſte Bedingung: durchaus geſundheits⸗, bzl. naturgemäße Verpflegung, Kräftigung durch Baden, Hinausbringen an die freie Luft; Heilmittel: täglich mehrmaliges Beſtreichen mit warmem Oel, immer erneutes Verſchneiden, ſo tief als nur angängig und unmittelbar darauf Be⸗ pinſeln mit Kollodium. Glücklicherweiſe ſeltner als andere Schnabelverkrüppe⸗ lungen kommt ein ſchiefgewachſener oder wie man zu jagen pflegt Kreuzſchnabel vor. Heilung: Zuerſt muß man den ſchiefgewachſenen Theil des Schnabels mit einem ſcharfen Meſſer ſoweit als irgend thunlich verſchneiden, ohne das Lebendige zu verletzen, dann wird der verbogne Theil, nachdem er mit recht warmem Oel bepinſelt worden, vermittelſt eines handwarmen Plätteiſens mög- lichſt nach der naturgemäßen Geſtalt hin zurückgeſtrichen, darauf umwickelt man den, am beſten nochmals mit dem warmen Oel bepinſelten Schnabel feſt der richtigen Lage gemäß mit ſtarker Leinwand und erſt nach einigen Stunden löſt man dieſen Verband, damit der Papagei wieder freſſen kann. Dies Verfahren wiederholt man alle zwei bis drei Tage. Sobald der Schnabel nachzuwachſen beginnt, muß das Streichen wennmöglich noch häufiger geſchehen. Fußkrankheiten (ſ. auch Fußpflege S. 91). Am vernachläſſigten Vogelfuß bilden ſich unter der Schmutzkruſte leicht Entzündung, Eiterung, Ge⸗ ſchwüre, welche wol zur mehr oder minder bedeutſamen Gelenkentzündung, zum Abſterben einzelner Zehen und ſelbſt zum Verluſt eines ganzen Fußes führen können. Heilmittel: tägliches Baden des Fußes in warmem Seifenwaſſer, Kühlen der entzündeten Stelle mit Bleiwaſſer, dann Bepinſeln mit verdünntem Glycerin und Beſtäuben dick mit feinſtem Stärkemehl, in hartnäckigen Fällen: Beſtreichen mit Bleiſalbe oder, wenn die Wunde näſſend iſt, mit Bleiweißſalbe; dann muß der Fuß aber in ein Lederbeutelchen geſteckt und dieſes feſt verbunden oder vernäht werden, weil ſolche Salben giftig für den Papagei ſind. — Schlimmer ſind Verhärtungen, aus denen entweder Geſchwüre in den Gelenken (Knollen genannt) oder Hühneraugen ſich bilden. Beide entwickeln ſich an der untern, innern Fußfläche und verurſachen dem Vogel ſoviel Schmerz, daß er daran verkümmern kann. Im erſtern Fall Behandlung wie vorhin angegeben, in beiden Entfernung vor allem der leidigen Entſtehungsurſache, nämlich der unzweckmäßigen Sitzſtangen. Die Knollen, oft ſteinharte, häutige und förmlich verknöcherte Gebilde, und gleicherweiſe die Hühneraugen oder Leichdornen er- weicht man zunächſt durch Einreiben mit erwärmtem Olivenöl und dann Waſchen mit warmem Glycerin: oder Seifenwaſſer, um dann mit einem ſcharfen, ſpitzen Meſſer alle harte Haut, ſowie den eigentlichen Leichdorn, ſorgſam heraus- zuſchälen, wobei man natürlich nicht wund ſchneiden darf. — Durch Druck —— 229 oder Reibung des Rings an einer Papageienkette können gleichfalls Verhär— tungen, Geſchwüre oder Lähmung hervorgerufen werden; in allen ſolchen Fällen iſt der Ring ſogleich zu entfernen und der Papagei, falls er noch nicht unge— feſſelt auf der Stange ſitzen darf, in einen zweckmäßig eingerichteten Käfig zu bringen, wo der Fuß meiſtens von ſelber heilt und nur im bereits ſehr ſchlimm gewordnen Fall, wie oben geſagt, zu behandeln iſt. — Glücklicherweiſe ſelten kommt es vor, daß ein Papagei durch Hängenbleiben im Draht, in einer Ritze oder Spalte ſich einen Zehnagel ausreißt oder denſelben, bzl. den Fuß beſchädigt. Heilung: Zunächſt Kühlen mit Bleiwaſſer oder Waſchen mit Arnika— waſſer, Trocknen vermittelſt eines weichen Leinentuchs und Bepinſeln mit Blei— kollodium; Ruhe beſtes Heilmittel. Vermag ſich der Vogel nicht auf der Sitz— ſtange zu halten, ſo muß der Boden des Käfigs mit Löſchpapier belegt werden. — Verkrüppelte Zehen, meiſt durch lang dauernde Vernachläſſigung verurſacht, verſucht man durch ſorgfältigſte Fußpflege, fleißiges Abbaden und zeitweiſe ges lindes Zurechtdrücken zu heilen. — Unheilvoll iſt der krankhafte Hang bei Papa⸗ geien, ſich einen Fuß zu benagen und wol gar ganze Zehen abzu— freſſen. Heilung ohne Hebung der eigentlichen Urſache iſt nicht zu erreichen; zunächſt unterſuche man, ob ein äußrer Reiz vorhanden, welchen man durch Baden der Füße, bzl. Waſchungen und Reiben vermittelſt eines groben Leinen— tuchs in warmem Seifenwaſſer benehmen könnte. Beruht die Krankheitsurſache dagegen auf einem innerlichen Leiden, ſo iſt dasſelbe wol ſchwierig aufzufinden und zu heben. Bepinſeln mit Alostinktur iſt vergeblich angewendet worden. Ein ſolcher Vogel, der erſt an einem Fuß, dann am andern, darauf an einem Flügel und ſchließlich ſogar noch an weiteren Körperſtellen ſich ſelber benagte und anfraß, wurde zunächſt an den btrf. Stellen jedesmal mit verdünnter Jod— tinktur, dann am ganzen Körper mit Karbolſäureöl bepinſelt, ſchließlich in einer ſtarken Auflöſung von Pottaſche abgebadet und dadurch geheilt. Fraglich bleibt es indeſſen immer, ob der krankhafte Hang bei vorhandner innrer Urſache, wol gar den Folgen der Sepſis, nicht doch ſtets von neuem zum Ausbruch kommt, dann iſt die Salicylſäurekur (ſ. S. 105) anzuwenden. Gefiederkrankheiten werden theils durch winzige Schmarotzer, welche ſich in der Haut oder in den Federn ſelbſt einniſten, und die ſich übertragen, alſo gleichſam anſteckend wirken, theils durch Vernachläſſigung und unreinliche Haltung, theils aber auch durch krankhafte Anlage von innen heraus verurſacht. Erſtere ſind mannigfaltig und können entweder Ausſchlag-Erſcheinungen (ähnlich wie die Krätze beim Menſchen) oder Zerſtörung der Feder an ſich hervorbringen. Um ihr Vorhandenſein feſtzuſtellen, bedarf es meiſtens mikroſkopiſcher Unterſuchung; glücklicherweiſe ſind ſie dann aber faſt ſämmtlich verhältnißmäßig leicht zu befehden. Federlinge niſten ſich im Gefieder ein und beſchädigen es, aber nur ſelten in bedeutſamer Weiſe; bei ſachgemäß verpflegten Vögeln kommen ſie überhaupt kaum vor. Beſehdungsmittel: Bepinſeln der btrf. Stellen mit Inſektenpulver⸗ tinktur oder Perubalſam, darauf Abbaden des Vogels in warmem Seifenwaſſer 24 h a 120 und gelindes Einfetten der Federn mit Olivenöl. — Wenn kahle Stellen ſich bilden, insbeſondre an Hinterkopf, Nacken, Schultern, an denen die Haut ſich abſchuppt und dicke Schinn- oder gar Schorflager entſtehen, während in Wochen und Monaten keine neuen Federn hervorſprießen, ſo haben ſich auch hier thieriſche oder pflanzliche, mikroſkopiſch-kleine Schmarotzer entwickelt. Als erfolgverſprechende Anordnung kann ich empfehlen: Bepinſeln der btrf. Stellen einen Tag um den andern mit Perubalſam und an den dazwiſchen liegenden mit verdünntem Glycerin, während man immer nach drei oder vier Tagen vermittelſt eines in warmes Seifenwaſſer (am beiten von milder Schmierſeife, weicher oder Kali- ſeife) getauchten weichen Pinſels ſorgſam abwäſcht und den Vogel darauf für die nächſten Stunden in höherer Wärme hält. Dies Verfahren wiederholt man 8 bis 14 Tage hindurch. — Sprödes, brüchiges, fehlerhaftes Ge— fieder bei einem Papagei kann nicht allein gleichfalls in dem Vorhandenſein von Federlingen, ſondern auch darin begründet ſein, daß, beſonders bei Mangel an Badewaſſer oder bei irgendwelcher Erkrankung des Vogels, die Federn an ſich krankhaft oder wenigſtens nicht mehr ausreichend gefettet ſind. Eine der unheilvollſten Erkrankungen iſt das Selbſtausrupfen der Federn. Es macht einen ſchauderhaften Eindruck, wenn ein ſolcher gut⸗ ſprechender, förmlich menſchenkluger Vogel binnen kürzeſter Friſt ſplitternackt mit Ausnahme des Kopfs daſteht und in widerwärtiger Weiſe jede hervorſprießende Feder an ſeinem blutrünſtigen Körper ſogleich wieder auszupft und gleichſam als Leckerei verzehrt. Man muß annehmen, daß dieſe unſelige, krankhafte Sucht in unzweckmäßiger Ernährung, bzl. naturwidriger Verpflegung begründet iſt, denn vorzugsweiſe ſolche Vögel fallen ihr anheim. Ob die unmittelbare Urſache aber in mikroſkopiſchen, im Federſchaft hauſenden Schmarotzern, wie man vielfach glaubt, oder in mangelnder Bewegung, alſo der Unmöglichkeit ſich auszu— lüften und infolgedeſſen in dem Hautreiz, welchen die Verſtopfung der Poren durch den Federnſtaub hervorbringt, oder in Säfteverderbniß und dem durch dieſe bewirkten Reiz von innen heraus oder ſchließlich, wie Manche behaupten, bloß in übler Angewohnheit, bzl. Langeweile, liege — das iſt bis jetzt mit Sicherheit noch keineswegs feſtgeſtellt worden. Vorbeugungsmittel: durchaus ſachgemäße Ernährung, ſtrengſte Vermeidung irgendwelcher Leckereien, beſonders aber jeglicher naturwidrigen Nahrungsmittel (Fleiſch, Fett, Saucen, Kartoffeln, Gemüſe u. a.); dagegen ſtete ſorgſame Verſorgung mit Holz zum Benagen (ſ. S. 52), auch mit Kalk und Sand; möglichſt fleißige Beſchäftigung mit dem Papagei. Alle verſuchten Abhilfemittel: die S. 87 vorgeſchriebne Federnkur, Bepinſeln der nackten Stellen mit Alostinktur, Aufguß von Tabaks- oder Wall⸗ nußblättern oder auch mit anderen, bitteren oder ekelhaften Flüſſigkeiten, Be⸗ ſtreichen mit Inſektenpulvertinktur, Einſtreuen von Inſektenpulver, Schwefel⸗ blumen u. a., und noch mancherlei Andres, ſind entweder völlig erfolglos oder doch nur bedingungsweiſe erfolgreich geweſen. In Rotterdam legte man jedem Selbſt⸗ rupfer einen blechernen Halskragen um, doch wußte er ſich über denſelben hin— 121 aus trotzdem das Gefieder zu vernichten oder zuletzt nagte er ſich die Fußzehen an. Am meiſten Ausſicht zur Rettung eines werthvollen Vogels bietet folgendes Ver— fahren: Man bringt ihn in ganz neue Verhältniſſe, in einen geräumigen Käfig zur ausreichenden Bewegung, zum Auslüften des Gefieders und gewährt ihm zugleich trocknen Sand zum Scharren und bei warmem, trocknem Wetter auch darin zu paddeln, ferner wendet man die S. 105 beſchriebne Federnkur an, verſorgt ihn ſtreng naturgemäß nur mit Mais, Hafer, Hanf, dazu etwas Obſt, auch Grün⸗ futter (ein Salatblatt, etwas Vogelmiere, Doldenrieſche oder Reſedakraut) und thieriſchem Kalk (Sepia⸗ oder gebrannte Auſternſchale) und beſchäftigt ſich mög⸗ lichſt viel mit ihm. Herr Prediger Ottermann ließ einen ſolchen Uebelthäter hungern, indem er ihm allmählich die Nahrung bis auf den dritten Theil ent⸗ zog, ſodaß er matt wurde. Dieſe Gewaltkur habe ich in Folgendem abgeändert. Wenn der Papagei vollbeleibt iſt, und nachdem man das vorſtehend angegebne Ver- fahren vergeblich verſucht, laſſe man ihn einen Tag um den andern oder zwei Tage in der Woche 24 Stunden hungern, ſodaß er während dieſer Zeit durchaus nichts als Trinkwaſſer erhalte; dies geſchehe 2—3 Wochen, vielleicht noch länger, wobei freilich immer auf ſeine Körperbeſchaffenheit ſorgſam zu achten iſt. Durch dies Verfahren ſind vortreffliche Erfolge erzielt worden. Einen wirklichen dauernden Heilerfolg kann man aber nur dadurch erreichen, daß man aufmerkſam und mit vollem Verſtändniß jeden derartigen Vogel genau kennen zu lernen ſuche und ihn ſeiner Eigenart entſprechend und mit Rückſicht auf die in jedem einzelnen Fall obwaltenden Verhältniſſe behandle. — Neuerdings, im Winter 1895/96, machte mir ein Papageienliebhaber, der vorläufig nicht genannt ſein will, die Mittheilung von einer ſeltſamen Kur, durch die er einen ſprechenden Papagei, eine weißſtirnige Kuba⸗Amazone mit rothem Bauchfleck (Psittacus leuco- cephalus L.), der ein ſchlimmer Selbſtrupfer war, mit beſtem Erfolg geheilt habe. Er ſchreibt wörtlich: „Mein Mittel beſteht aus gewöhnlichem Schweine— fett mit Schießpulver vermiſcht. Man nehme auf etwa ſo viel wie eine Pflaume groß Fett zweimal ſoviel Schießpulver, als man zwiſchen den Fingern halten kann, miſche beides gut mit einander, ſodaß es wie eine dunkelgraue Salbe aus⸗ ſieht und reibe damit den Vogel tüchtig ein, beſonders an den nackten Stellen, anfangs täglich, ſpäterhin zweimal die Woche, dann noch ſeltner. Im ganzen rieben wir unſern Papagei in drei Wochen zehnmal ein. Dabei wurde er zwei- mal in der Woche mit lauwarmem Waſſer abgeſpült, abgetrocknet und ſofort wieder eingerieben. Die Salbe iſt dem Papagei unſchädlich, ſelbſt wenn er ſich durch Beißen von derſelben zu befreien ſucht. Schon drei Tage nach dem erſten Gebrauch dieſes Mittels ließ das Beißen und Selbſtrupfen nach und der ganze Körper bedeckte ſich verhältnißmäßig ſchnell mit neuen hervorſprießenden Feder- kielen. In 14 Tagen hatte der Vogel bereits ein neues Gefieder, und daſſelbe iſt jetzt ſchöner als früher jemals.“ Ungeziefer. Wenigſtens bedingungsweiſe iſt zu den Krankheiten der Vögel auch die Plage ſeitens jener thieriſchen Schmarotzer, welche man als Ungeziefer 122 bezeichnet, zu zählen. Milben (Vogelmilben, gewöhnlich, wenn auch nicht zus treffend, Vogelläuſe genannt) ſuchen in mehreren Arten unſere gefiederten Stuben⸗ genoſſen heim. Die eigentliche Vogelmilbe (Dermanyssus a vium, Dug.) iſt winzig, eiförmig, hinten breit und plattgedrückt, anfangs weiß, dann braunroth (Much. 0, —0,s mm, Wbch. 0,3 —1 mm), hält ſich bei Tag meiſtens in Ritzen und Spalten der Käfige, Sitzſtangen u. a. oder auch in den Federn des Vogels verſteckt, regungslos, läuft nachts lebendig umher, um dann die Vögel anzugehen und Blut zu ſaugen. Auf Grund der Kenntniß dieſer Lebensweiſe ſind die Milben leicht zu befehden. Bei zweckmäßigen Käfigen und Sitzſtangen kann Un⸗ geziefer nur im Fall gröblicher Vernachläſſigung, bzl. Unreinlichkeit vorhanden 0 ſein; beſitzt man indeſſen noch Käfige von ältrer Herſtellung oder haben neu⸗ angekaufte Vögel Ungeziefer eingeſchleppt, ſo ſind folgende Rathſchläge zu be— folgen. Ueberall, wo ſich flüſſiges oder ſteifes Fett durch Bepinſeln oder Ein⸗ reiben gebrauchen läßt, werden dadurch die Schmarotzer ertödtet, denn es erſtickt ſie. Aber jedes Fett wird bald ranzig, verwandelt ſich in übelriechende Maſſe oder es trocknet zu einer Schmutzborke ein, über welche die Milben bald ohne Behinderung fortlaufen; daher iſt es nur anzuwenden, wo es durch Waſchen mit heißem Waſſer oder Soda= oder Pottaſchenlauge leicht wieder entfernt werden kann. Nach vieljahrelanger Erfahrung habe ich feſtgeſtellt, daß einen durchaus ſichern Schutz gegen alles Ungeziefer nur das Inſektenpulver gewährt und zwar gleichviel, als Pulver an ſich oder als Tinktur. Das Inſektenpulver, welches von der Inſektenpulverpflanze (Pyrethrum roseum s. persicum kau⸗ kaſiſche Wucherblume, perſiſche Kamille, Flohtödter oder Flohgras) gewonnen wird, iſt bekanntlich ein eigenthümliches Gift für alle Kerbthiere, während es für Menſchen und alle höheren Thiere als unſchädlich ſich erweiſt; natürlich muß es völlig rein und nicht mit fremden, übelwirkenden Stoffen gemiſcht ſein. Hat man durch Unterſuchung mit dem Mikroſkop feſtgeſtellt, daß ein Papagei an Milben leidet, ſo bepinſelt man ihm alle nackten Stellen, insbeſondre am Hinter⸗ kopf, an den Schultern und überall, wo er mit dem Schnabel nicht hingelangen kann, mit Inſektenpulvertinktur, am nächſten Tage mit verdünntem Glycerin, gewährt ihm an zwei Tagen, wenn es recht warm im Zimmer iſt, Badewaſſer, ſchlägt drei bis vier Tage über und beginnt dann dieſelbe Kur von neuem. Falls er freiwillig nicht badet, wird er wie S. 86 bei Gefiederpflege angegeben behandelt. Meiſtens iſt er dadurch der Milben entledigt und im ſchlimmſten Fall muß man das ganze Verfahren wiederholen. Vor allem aber muß, damit die Ungezieferbrut vonvornherein vertilgt werde, auch Käfig nebſt Sitzſtangen und ſogar der Ort, an welchem der erſtre bisher geſtanden, mit heißem Seifenwaſſer gereinigt, ge⸗ waſchen und abgeſcheuert und, wenn dies nicht thunlich, die btrf. Stellen ent⸗ weder vorſichtig eingeölt, darauf abgerieben und mit Inſektenpulvertinktur be⸗ pinſelt oder neu gekalkt, bzl. tapeziert werden. — Federlinge im Gefieder haben keine Bedeutung. — Bei allem übrigen Ungeziefer: Flöhen, wirklichen Läuſen, Wanzen u. a. ſind dieſelben Anordnungen auszuführen. en ne — 123 Inbetreff etwaiger Uebertragbarkeit der Vogelkrankheiten auf die Menſchen habe ich Folgendes mitzutheilen. Mehrfach iſt die Warnung ausgeſprochen worden, daß man ſich hüten möge, Menſchen, insbeſondre Kinder, mit kranken Vögeln in Berührung gelangen zu laſſen, da eine beiderſeitige An⸗ ſteckung ſtattfinden könne. Kürzlich iſt ſogar in einer Bekanntmachung ſeitens einer Behörde eine dringende Warnung erlaſſen, nach welcher es als Thatſache feſtſtehen ſollte, daß die Diphteritis des Geflügels für Menſchen anſteckend ſei. Nach meiner Ueberzeugung, die auf Erfahrung von mehreren Jahrzehnten in der Haltung und Pflege von fremdländiſchen Vögeln beruht, iſt der Uebergang einer Krankheit von Stubenvögeln auf Menſchen und auch umgekehrt überhaupt nicht möglich. Aller— dings kommen typhusähnliche Erkrankungen bei den Stubenvögeln vor und zwar vorzugsweiſe bei großen, wie den Graupapageien. Am bekannteſten iſt der Hunger⸗ typhus (Blutvergiftung oder Sepſis, ſ. S. 101), aber bei demſelben, wie auch bei andrer typhöſer Erkrankung, findet eine Uebertragung auf den Menſchen nicht ſtatt. Im Lauf der Jahre habe ich Hunderte derartig kranker Vögel beherbergt, verpflegt und behandelt, ohne daß ich oder irgend Jemand von den zahlreichen Mitgliedern meines Hausſtands jemals angeſteckt worden; ebenſo⸗ wenig ſind bei den Groß- u. a. Händlern oder deren Geſchäftsperſonal derartige Erkrankungen aufgetreten. Ich habe vielfach Vögel aus London u. a. bekommen, die unmittelbar aus den ſchmutzigen Behältern auf dem Schiff in den völlig un— gereinigten Verſandtkaſten gebracht, von ſchmierigem Koth ſtarrend, bei mir an⸗ kamen, ihr auf den Fußboden geſchüttetes Futter in den Schmutz getreten und am letzten Tage dann noch zerſchrotet hatten, was ihre dreckigen Schnäbel be⸗ zeugten, deren Trinkgefäß, anſtatt des Waſſers mit Schwamm, durchnäßtes und völlig in ſaure Gährung übergangnes Weizenbrot enthielt. Dieſe Vögel, große Papageien, waren durch und durch krank, ſtarben unter den Erkrankungszeichen des Faulfiebers und zeigten bei der Eröffnung und Unterſuchung typhöſe Blut⸗ vergiftung in hohem Grade. Trotzdem iſt wie geſagt bei uns und in meinem weiten Bekanntenkreiſe noch niemals eine Krankheitsübertragung durch derartige Vögel vorgekommen. x Ueberſicht der Heilmittel, nebſt Vorſchrift der Miſchungs⸗ verhältniſſe und Gaben. Alle angerathenen Arzneien kauft man in den Apotheken und zumtheil auch in Droguengeſchäften. Ich bitte inbetreff derſelben Folgendes beachten zu wollen. Der Name an ſich bezeichnet nur das Mittel, wie es gefordert werden muß. Näheres über beſondere Zubereitungen und die Anwendung iſt hier bei den einzelnen Heilmitteln angegeben. — Die ſubkutanen Ein⸗ ſpritzungen müſſen vermittelſt einer ſehr kleinen Glasſpritze mit äußerſt fein aus⸗ gezogner Spitze, am beſten am fleiſchigen Theil der Bruſt, beigebracht werden. — Inbetreff des Eingebens der Heilmittel muß ich im übrigen noch auf die S. 91 gegebenen Anleitungen hinweiſen. 124 Abbinden von Fleiſchwucherungen, Warzen, Hauthörnchen u. a. ſ. S. 114. Aether, Eſſig- oder Schwefeläther zum Einathmen, äußerſt vorſichtig anzu⸗ wenden, einige Tropfen auf Watte getröpfelt vor die Naſenlöcher zu halten. Alaun, Auflöſung in Waſſer zum Pinſeln 1: 200 — 300. — Dämpfe von A.⸗Auflöſ., A. 1:30 W., durch Eintauchen eines glühenden Drahts Dämpfe zu entwickeln und dem Vogel zum Einathmen vor den Schnabel zu halten. Aloétinktur. Althee ſ. Eibiſchwurzel. Ameiſenſpiritus. Antidotum arsenici wie Eiſenoxydhydrat anzuwenden. Arekanuß, fein gepulvert, in Waſſer dünn angerührt und ſo einzugießen, 0,3, 0, —1 gr, einmal täglich. Arnikatinktur⸗Gemiſch, zum Heilen blutrünſtiger Stellen, A. 1, Glycerin 5, Waſſer 100. — Arnikawaſſer: A. 1-2: 100 W. Arſenikz; bekanntes Gift; Auflöj. in heißem deſtillirtem Waſſer 1: 500, 800-1000 zum Einſpritzen einmal täglich 0, —1 degr. Atropin, ſchwefelſaures (Gift), Auflöſ. in deſt. Waſſer, 1: 800 1000. Bäder, Dampf- und warme |. Waſſer. Baldriantinktur (Tinctura valerianae simplex) 1—3 Tropfen auf ein Spitzgläschen Waſſer, im Nothfall von der Verdünnung 5—10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll einzugießen. — B. ätheriſche (T. val. aeth.) in gleicher Gabe. f Blauſtein ſ. ſchwefelſaures Kupferoxyd oder Kupfervitriol. Blei⸗Kollodium. Bleiſalbe (giftig). Bleiwaſſer (Bleiflüſſigkeit, Liquor plumbi, ſog. Blei⸗Extrakt oder Bleieſſig) 1:50 Waſſer (giftig). Bleiweißſalbe (giftig). Borſäure, Auflöſ. in deſt. Waſſer 1—5: 100. Breiumſchlag; in Waſſer zum dicklichen Brei gekochte Hafergrütze mit Zuſatz von etwas Hammeltalg, handwarm zwiſchen Leinen aufzulegen. 7 Charpie ſ. Wundfäden. Chiliſalpeter ſ. Natron, ſalpeterſaures. Chinarinde-Aufguß. Ch. 1:60 —120 ſiedendes Waſſer, davon 1—5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll täglich zweimal einzugießen. Chinawein, 1—5 Tropfen täglich zwei- bis dreimal in Trinkwaſſer oder auf erweichtem Weizenbrot. | Chinin, ſchwefelſaures (Chininum sulphuricum), Auflöſ. in deſt. Waſſer 1:100—300 mit Zuſatz von 1 Tropfen reiner Salzſäure, 3—5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll dreimal täglich einzugeben; zum Einſpritzen dieſelbe Auflöſ., 1— 2 degr einmal täglich. 125 Chlorflüſſigkeit (Liquor chlori) innerlich, 1, 3—5 Tropfen in Waſſer als Gabe dreimal täglich. — Chlorwaſſer, zum Pinſeln: Chlorflüſſigkeit 1:100— 300 Waſſer; zum Einſpritzen ebenſo verdünnt und 0,3, 1— 2 degr täglich. (Giſtig beim Einathmen). Chlorkalk mit Salzſäure übergoſſen zur Chlorentwicklung beim Desinfiziren. — Chlorkalkwaſſer (Chlorwaſſer) zum Abſcheuern von Geräthen und Desinfiziren überhaupt: Chlorkalk in Waſſer beliebig angerührt. Chloroform, beſtes Betäubungsmittel bei allen Operationen, während alle übrigen derartigen Mittel hier noch nicht durch Erfahrung feſtgeſtellt ſind. (Gefährlich). Chlorwaſſer ſ. Chlorkalkwaſſer und Chlorflüſſigkeit. Dampfbad ſ. Waſſer. Dulkamara⸗Extrakt, Auflöſ. in Waſſer 1: 200—300, täglich zweimal 1—3 Tropfen, ½—1 Theelöffel. Eibiſchwurzel⸗Abkochung ſ. Schleim. Eiſenchloryd-Flüſſigkeit (Liquor ferri sesquichlorati) zum Blutſtillen 1:100 Waſſer; E.⸗Kollodium zum Blutſtillen E. 1:4—5 Koll. — Eiſenoxydhydrat, gallertartiges, 1: 100, 300—500 Waſſer zer⸗ rieben und davon 10—15 Tropfen halbſtündlich. — Eiſenoxydul, ſchwefel⸗ ſaures oder Eiſenvitriol (Ferrum sulfuricum dep.), Auflöſ. in deſt. Waller 1: 200, 300, 500 —800, als Trinkwaſſer. — Eiſenvitriol ſ. Eiſen⸗ oxydul, ſchwefelſaures. Eſſig, ſelbſtverſtändlich immer beſter, ſtärkſter Weineſſig, in Verdünnung von 1:5—10 Waſſer; 1, 3, 5—10 Tropfen der Miſchung einzuflößen; dieſelbe Verdünnung äußerlich. Fett ſ. Oel mildes; ſ. Salben. Gipsbrei, feingepulverter Gips mit kaltem Waſſer angerieben und ſchleunigſt aufzutragen. Glauberſalz, Auflöſ. in warmem Waſſer 0,25, 0,50 gr als Gabe täglich ein⸗ bis zweimal. Glycerin, verdünnt mit Waſſer. Zum Eingeben 1—2: 10, dreimal täglich 5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll. Zum Pinſeln kahler, ſchinniger Stellen 1:53 zum Bepinſeln der Naſenlöcher oder empfindlicher, bzl. entzündeter und wunder Stellen (auch nach Abbaden mit Seifenwaſſer) 1:10. — G.-Waſſer zum Waſchen 1—2: 20. — G. Salbe. Haferſchleim ſ. Schleim. Heftpflaſter. Höllenſtein oder ſalpeterſaures Silberoxyd (Argentum nitricum fusum) Auflöſ. in deſt. Waſſer 1: 300, 500—800 zum Eingeben 5 Tropfen bis ½ 126 Theelöffel voll dreimal täglich; 1:10 zum Pinſeln; der Stift an ſich ſchwach angefeuchtet zum Aetzen. Giftig; Vorſicht bei Berührung, weil die Auflöſung und der angefeuchtete Stift Haut, Kleidung u. a. dauernd ſchwarz färben. Jede H.⸗Auflöſung muß in einem ſchwarz gefärbten oder mit ſchwarzem Papier umklebten Gefäß aufbewahrt werden. Hoffmannstropfen (Spiritus sulphuricus aethereus, Schwefeläther 1:3 Alkohol), 1—2 Tropfen in wenig Waſſer, zwei- bis dreimal täglich. — Zum Einathmen wie Aether. Holzeſſigdämpfe, H. 1:50—100 Waſſer; wie Alaundämpfe. Honig, zuverläſſig reiner, unverfälſchter, am beſten daher Scheibenhonig. Inſektenpulver, dalmatiniſches, |. S. 122. — Inſektenpulvertinktur ſ. S. 122. Jod-Tinktur; verdünnt mit Spiritus 1: 100 —200, ein Tropfen mit wenig Waſſer einzugießen, zweimal täglich (bei Sepſis); zum Pinſeln bei Diph⸗ theritis und gichtiſcher Gelenkentzündung dieſelbe Verdünnung; um Dämpfe zum Einathmen zu entwickeln, verdünnt mit Waſſer 1: 100 und wie Alaun⸗ dämpfe. (Giftig). Klaaffe⸗Aufguß, nicht Abkochung, ſelbſtverſtändlich von reinen, guten Bohnen, ohne Beimiſchung; 1 Loth auf die Taſſe und davon als Gabe 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll täglich etwa zweimal. Kali, chlorſaures (Kali chloricum), zur Desinfektion, Auflöſ. in deſt. Waſſer 3—5: 100; bei ſchwerem Luftröhrenkatarrh mit Zuſatz von Opium⸗ tinktur 1—2 Tropfen auf 60 gr der Auflöſung; zum Eingeben 1: 200 bis 300 täglich dreimal 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll. — Kali, kohlen ſaures, gereinigtes (Pottaſche, Kali carbonicum depur.), Auflöſ. in Waſſer 1—10: 750; mit Zuſatz von Opiumtinktur 1-3. — Pottaſche, rohe zum Abſcheuern, Auflöſ. in Waſſer 1:10. P., rohe zum Abbaden 1:15 (Pottaſchenlauge). — Kali, ſalpeterſaures, gereinigtes (ger. Salpeter, Kali nitricum dep.) im Trinkwaſſer 0,01, 0,05, — 0,1 gr als dreiſtündliche Gabe. — Kali, übermanganſaures (Kali hypermanganicum) zur Desinfektion, aufgelöſt in reinem Waſſer, ſoviel, daß die Flüſſigkeit ſtark kirſchroth wird. x Kamphoröl. — Kamphorſpiritus. Karbolſäure-Oel, K. 1—2: 100 Olivenöl. — K.⸗Salbe, K. 1:10 — 20 Schmalz. — K.⸗Waſſer zum Auspinſeln der Balggeſchwüre, Bepinſeln oder Beſprengen der Schleimhäute 2: 100 —200; zum Bepinſeln der Bürzel⸗ drüſe 1:400—500; zum Desinfiziren, Abſcheuern der Käfige u. a. 1: 10; zum Eingeben 1, 3, 5: 100 und hiervon 1—2 Tropfen im Theelöffel voll Waſſer täglich dreimal als Gabe, zum Einſpritzen 1: 100—300, jedesmal 0, 1—3 degr; zum Bepinſeln des Schnabels, Reinigen von Wunden, Ge— ſchwüren u. a. 1: 100-150. 127 Kochſalz, Auflöſ. in Waſſer zum Nachpinjeln bei Anwendung von Höllen- ſtein, ebenſo zum Reinigen der Naſenlöcher 1-3: 100; zum Eingeben 0, bis 0,28 gr in wenig Trinkwaſſer. Kollodium. — K., blutſtillendes: K. 4—5: 1 Eiſenchlorydflüſſigkeit. — Blei⸗Kollodium. Kreoſot-Dämpfe, K. 1—2: 100 Waſſer; ſ. Alaundämpfe. Kupferoxyd, ſchwefelſaures, Kupfervitriol oder Blauſtein (Cuprum sulphuricum), an ſich zum Aetzen, angefeuchtet, anzuwenden. — Kupfer- vitriol (Cupr. sulph. pur.), Aufl. in deſt. Waſſer 13: 100 zum Pinſeln. (Alle K.⸗Salze giftig). Lakritzenſaft, gereinigter in dünnen Stengeln. Leinöl ſ. Oel. Leinſamen⸗Abkochung und L.⸗Schleim ſ. Schleim. Liniment aus Bleieſſig und Baumöl oder Olivenöl 1: 1. — L. aus Borſäure und Arab. Gummi⸗Schleim 1—5: 100. — L. aus Kalkwaſſer und Leinöl 1:1. — L. aus Karbolſäure mit Arab. Gummiſchleim 1—2: 100. Löſchwaſſer, aus jeder Schmiede zu erhalten, halbſtündlich 1—2 Theelöffel voll, Löwenzahnkraut⸗Extrakt 1:50—100 Trinkwaſſer. Lunte zum Blutſtillen: ſaubre zarte Leinwand wird entzündet, unter Luftab⸗ a ſchluß, ſodaß ſie nur zu Kohle verglimmt. Magneſia, gebrannte in einem Mörſer oder einer Untertaſſe ſchwach an— gefeuchtet, tüchtig zu reiben und dann allmählich zum ganz dünnen Brei anzureiben. — M., kohlenſaure, ganz ebenſo anzuwenden. Mandelöl ſ. Oel. Myrrhentinktur. Natron, doppeltkohlenſaures (Bullrichſalz, Natrum bicarbonicum) ö zum Eingeben 0,35 —1 gr in wenig Trinkwaſſer aufgelöſt, täglich ein- bis | zweimal. — Zuſatz zu Kalmus⸗ oder Pfeffermünz⸗Aufguß 1:60. — N., | kohlenſaures, rohe Soda (N. carbonicum) zum Abſcheuern 1:10 Waſſer (Sodalauge). — N., phosphorſaures (N. phosphoricum) im Trinkwaſſer 1: 100 — 200. — N., ſalicylſaures (N. salicylicum), Auf⸗ löſung in deſtillirt. Waſſer zum Eingeben, 1: 100 —300, zweimal täglich 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll; zum Einſpritzen dieſelbe Auflöſ. 1—2 degr einmal täglich. — N., ſalpeterſaures (Chilijalpeterr, N. nitricum purum) wie N., phosphorſaures. — N., ſchwefligſaures; unter⸗ ſchwefligſaures (N. subsulphurosum), Auflöſung in warmem Waſſer 0,3 —1 gr täglich zweimal. Oel, mildes, ſog. Provencer- oder Olivenöl, bei ſehr zarten Vögeln Mandelöl, bei gröberen auch wol Leinöl; darf nicht ranzig ſein; niemals nehme man ein austrocknendes Oel, wie Mohnöl u. a. Zum Eingeben 10 Tropfen 128 bis 1 Theelöffel voll. Leinöl ebenſo als Wurmmittel, in größter Gabe ½—1 Theelöffel voll, mit 1 Tropfen ätheriſchem Oel auf 10 Theelöffel voll. — Oelklyſt ir ſ. Klyſtir. Olivenöl ſ. Oel. Opiumtinktur 1—5 Tropfen: 30 gr Trinkwaſſer; bei heftigen Erkrankungen in gleichen Gaben mit wenig Waſſer einzuflößen. (Vorſicht!) — Opium⸗ tropfen ſ. Ruhr S. 99. Ozonz 5: 1000 Waſſer; ſolch' Ozonwaſſer erhält man in der Apotheke; im offnen Gefäß entwickelt ſich das Ozon aus dem Waſſer zum Einathmen; zum Einſpritzen wird das O.-W. verdünnt 1: 100 — 200 deſt. W., 0,3 —1 degr einmal täglich. (Vorſicht!) Perubalſam. Phosphorſäure in Waſſer 1: 200, 300—500, 3—5 Tropfen als Gabe zwei⸗ mal täglich oder 1 Theelöffel voll auf ein Spitzgläschen Trinkwaſſer. (Vorſicht !) ö Pottaſche, ſ. Kali, kohlenſaures. Queckſiberchloryd oder ſalzſaures Queckſilberoxyd; ſtark ätzendes Gift; Auflöſ. in heißem deſt. Waſſer 1: 500, 800—1000, zum Einſpritzen einmal täglich 0,5 —1 degr. — Queckſilberſublimat ſ. Queckſilberchloryd. Queckſilberſalbe. Rainfarnwurzel wie Arekanuß. Reiswaſſer ſ. Schleim. Rhabarbertinktur, wäßrige, 1—3 Tropfen auf ein Spitzgläschen voll Trinkwaſſer; auch wol R. 1:2—4 Waſſer in 3—5 Tropfen einzuflößen. Ebenſo R., weinige oder Rhabarberwein. Rizinusöl, innerlich; am beſten zur Hälfte mit Olivenöl gemiſcht und wie S. 100 und 101 angerathen einzugeben, 3—5 Tropfen, ½—1 Theelöffel voll, letztre Gabe bei ſchweren Vergiftungen. Rosmarinſalbe. Rothweinz als wirkſam erachte ich nur alten, echten, franzöſiſchen, alſo Bordeaux⸗W., während der leichte franzöſiſche und deutſche oder ungariſche R. hier nicht als Heilmittel gelten kann. — R. mit Opiumtinktur: 1—3 Theelöffel R.: 1—3 Tropfen O. Salben, milde: Glycerin-, ſog. Roſen- und Vaſelinſalbe. Salicylſäure-Waſſer, Auflöſ. von S. in heißem W. ohne Spirituszuſatz, zum Eingeben und Pinſeln 1: 300500, Gabe, je‘ 'smal erwärmt und um⸗ geſchüttelt, davon täglich 30 Tropfen in ſoviel Trinken, wie er über Tag verbraucht; zum Einſpritzen 1: 500, täglich einmal 0, —1 degr. — Sali⸗ cylſäure-Kur ſ. S. 105. — Salicylſäure-Oel. Salmiakgeiſt oder Aetzammoniakflüſſigkeit (Liquor Ammonii 129 2 caustici) zum Eingeben wie Hoffmannstropfen; zum Einathmen wie Aether. — S. ⸗ Mixtur: S. 0,5 gr, Honig 5 gr, Fenchelwaſſer 50 gr, täglich mehr— mals 3—5 Tropfen bis ½ oder ſogar 1 Theelöffel voll als Gabe. Salpeter, ſ. Kali, ſalpeterſaures. Salz ſ. Kochſalz. — Salze, phosphorſaure ſ. Natron, phosphorſaures. — Salzſäure, reine (Acidum hydrochloratum purum), 1 Tropfen auf ein großes Weinglas voll Waſſer. — S., rohe oder Chlorwaſſerſtoffſäure zur Chlorentwicklung ſowie zum Abſcheuern von Geräthen u. a., letzternfalls mit Waſſer verdünnt 1:5. — Salzwaſſer ſ. Kochſalz. Sandbad, warmes, |. ©. 100. Schleim. Eibiſchwurzel-Abkochung: E. 1:15 Waſſer, gelinde geſiedet und dann abgeſeiht; beſſer, wenn die E., in feine Würfel zerſchnitten, nur über Nacht in Waſſer eingeweicht wird. — S. von Hafergrütze, Lein⸗ ſamen u. a., erſtre ſehr dünn abgekocht, vom letztern 1 Theil in 15 Theil kalten Waſſers mehrere Stunden eingeweicht, unter zeitweiſem Umrühren und dann durch Mull abgeſeiht, beſſer als Abkochung. — Reis waſſerz; wie ge— wöhnlich in Waſſer abgekochter Reis wird mit einer Kelle fein zerrieben und mit heißem Waſſer ſtark verdünnt, dann nach dem Erkalten abgegoſſen. NB. Täglich mehrmals erwärmt. Schlemmkreide darf keinenfalls verunreinigt ſein. Schwefel (Sulphur crudum) in Stangen oder Stücken zum Ausſchwefeln (Des⸗ infiziren). — Schwefelfäden ebenſo. — Schwefelblumen (Sulphur sublima- tam). — Schwefelmilch (Sulphur praecipitatum) mit Waſſer 1: 200 angerieben, täglich zwei⸗ bis dreimal 3—5 Tropfen, ½—1 Theelöffel voll. — Schwefelſäure (Acidum sulphuricum purum), 1 Tropfen auf ein großes Weinglas voll Trinkwaſſer. — Schwefel- oder ſog. Krätzſalbe (meiſtens für den Vogel giftig, daher die Füße in Leder einzunähen ſ. S. 118). Seifenwaſſer nicht nur als Reinigungs-, ſondern auch als Heilmittel, ſollte niemals aus ſcharfen, auch nicht aus harten Kaliſeifen, ſondern ſtets aus der ſtark glycerinhaltigen Elain⸗ (jog. grünen oder ſchwarzen S.) hergeſtellt werden. N ö Soda ſ. Natron, kohlenſaures. Stärkemehl, am beſten feinſte Weizenſtärke. Tannin, Auflöſung in Waſſer zum Auspinſeln der Augenſchleimhäute, auch des Rachens 1: 100—200; bei ſchwerem Luftröhrenkatarrh ebenſo, mit Zuſatz von Opiumtinktur 1—2 Tropfen auf 60 gr der Auflöſ. — Dämpfe von T.⸗Auflöſ. 1: 300 und wie Alaun-Dämpfe. — Zum Eingeben 1: 100-300 und davon 3—5 Tre en, ½—1 Theelöffel täglich zweimal. — Zum Ein⸗ ſpritzen wie Salicylſäure. ö Theerdämpfe, Holztheer (nur ſolcher) 1:50 Waſſer; ſ. Alaundämpfe. Terpentinöl, gereinigtes oder rektifizirtes, innerlich 1—5 Tropfen in Waſſer, als Gabe zwei⸗ bis dreimal täglich. Dr. Karl Ruß, Der Graupapagei. 9 130 Vaſelineſalbe. Verbandſpäne, norwegiſche. Waſſer, kaltes an ſich, iſt eins der größten Reizmittel; auch zum Kühlen und zum Begießen bei Krämpfen muß es daher ſtubenwarm ſein. W., deſtillir⸗ tes, wird für alle Auflöſungen von Arzneien gebraucht, für manche von Salzen u. a. iſt es unentbehrlich; nur im Nothfall iſt es durch Regenwaſſer, kaum durch abgekochtes Waſſer zu erſetzen. — Dampfbad: Man ſetzt den Vogel auf ein mehrfach zuſammengelegtes dickes Leinentuch, welches über einen Topf mit ſtark handwarmem Waſſer gebreitet iſt und deckt ihn mit einem Zipfel loſe zu, jedoch jo, daß er nicht erſtickt. Hier läßt man ihn Ya—1 Stunde ſitzen, erneuert das warme Waſſer mehrmals, wickelt ihn dann in erwärmte loſe Baumwolle, deckt darüber ein Tuch ſo, daß nur der Kopf frei bleibt und bringt ihn auf eine warme Stelle, wenn möglich warmen Sand, bis er völlig abgetrocknet iſt. In der warmen Stube ſetzt man ihn dann in die Nähe des Ofens. — Lauwarmes Bad 26—28 0; warmes Bad 28—30°. Waſſerdämpfe (feuchtwarme Luft): Den kranken Vogel ſtellt man auf einen Rohrſtuhl und überhängt ſeinen Käfig nach Entfernung der Schublade möglichſt dicht bis zum Boden herunter mit einem großen Leinentuch. Dann ſetzt man eine geräumige Schüſſel mit recht warmem Waſſer, welches etwa viertel⸗ bis halbſtündlich erneuert werden muß, unter den Stuhl, ſodaß der Waſſerdampf den Raum des Käfigs möglichſt von allen Seiten durchdringt. Bei gewiſſen ſchweren Erkrankungen löſt man bei der jemaligen Erneuerung des heißen Waſſers einen Theelöffel voll guten friſchen Holztheer darin auf. Andere ſtarke Theerdämpfe ſ. oben. Waſſerglas entnimmt man am beſten ſogleich aufgelöſt. Watte, blutſtillende. Wundfäden (Charpie), ſauberſte weiche Leinwand, fein und kurz ausgezupft. — Wundwatte. Wurmfarnwurzel wie Arekanuß. Zinkſalbe. Zinkvitriol, reines (Zincum sulphuricum purum), Auflöſ. in deſtillirtem Waſſer 1—3: 500, zum Pinſeln und Umſchlag. (Giftig). Zitronenſaft, bzl.⸗Säure wie Salzſäure. Zuckerkand oder Kandiszucker, in reinen weißen Kryſtallen. — — 2 — — Im gleichen Verlage wird demnächſt erſcheinen: Die Amazonen-Papageien, ihre Laturgeſchichte, pflege und Abrichtung. Von Dr. Karl Ruß. Mit einem Aquarelldruck, verſchiedenen Schwarzdruck⸗ Tafeln, ſowie einigen Holzſchnitten im Text. Preis ca. M. 2.—, geb. ca. M. 2.50. Eine gute und ſtichhaltige Belehrungsquelle für die vielen Liebhaber irgend einer Art der „Amazonen⸗ Papageien“ zu ſchaffen, gilt es für den Verfaſſer. Daß ihm dies gelingen wird, dürfen wir wol bei ſeiner Erfahrung und ſeinem Geſchick, gerade die— jenigen Punkte herauszufaſſen, die intereſſiren und auf die es ankommt, von vornherein annehmen! Creutz'ſche Verlagsbuchhandlung, Magdeburg. Wartung, Pflege und Süchtung ertheilt, für jeden Vogelliebhaber, 10 Illuſtrirte Wockeuſciritf für Bogel ſcbſaber Züchter und -Hündler. Herausgegeben von Dr. Rar Buß, Preis: Vierteljährlich (15 gut illuſtrirte Hefte in unſclag nur ME. 1,50. Ei Dieſe Seitſchrift bringt Mittheilungen und Belehrungen auf allen Gebieten der Dogelfunde, Liebhaberei, Pflege und-Sucht. Die Lieb⸗ haberei für die gefiederten einheimiſchen wie fremdländiſchen Stuben⸗ genoſſen hat ſich fo allgemein und weit verbreitet, daß eine Zeitung, welche ſowol die Vögel ſelbſt, als auch das Leben derſelben in der Freiheit und als Stubenvögel ſchildert, ſowie Rathſchläge für deren -Hüchter und⸗Händler als eine unentbehrliche Belehrungsquelle ange: 1 ſehen werden muß. Die Redaltion von Dr. Karl Ruß der ia auf dieſem Gebiete eine unbeſtrittene Autorität if, leiſtet für die Gediegenheit der Zeitſchriſt hinreichend Gewähr. Anterſtützt wird das Werk durch vorzügliche Abbildungen hervorragender Künſtler. Der Anzeigentheil enthält dauernd die neueſten Ankündigungen ſeitens aller bedeutenden in- und ausländiſchen Händler und bietet jedem Betheiligten die beſte Gelegenheit zu Kauf und Tauſch. Jede Buchhandlung oder Poſtanſtalt nimmt Beſtellungen entgegen. Creutz ſche Verlagsbuchhandlung, 5 4 Magdeburg. CCC TT 2 * N N b r Per CCC TEE EICHE DIET / EEE / / TEETENT ELCH EL TBEIENTE: 1 1 Rottle 11 ttolu * „ Ihre Aacrzeſhichte, Pflege und Ahrictung. . a 13 | r 2 . * 4 m warnt * 7 2; * „ JC ET EEE EN E 3. „ 0 WG 0 3 * Pi = — = j Ex se N 75 Ey N 10 3 2 5 Fl N r n * 5 8 2 1 . * * ſchnitten im Text. Magdeburg. 57 Creutz ſche Verlags buchhandlung (R. & M. Kretſchmann). 1896. Vorwort. — Ganz ebenſo, wie mein kürzlich erſchienenes Bändchen „Der Graupapagei“ habe ich auch dies Buch lediglich um deswillen herausgegeben, weil die darin behandelten Vögel zu unſeren aller⸗ beliebteſten Stubengenoſſen gehören. Es iſt eben⸗ falls beſtimmt für die zahlreichen Liebhaber, die nur einen Vogel zu halten und über dieſen für einen verhältnißmäßig billigen Preis gründliche, be= friedigende Belehrung zu finden wünſchen. „Die Amazonen“ ſind übrigens kein bloßer Aus⸗ zug aus meinem Buch „Die ſprechenden Papageien“. Ich habe vielmehr ſowol auf dem Gebiet der wiſſen— ſchaftlichen Erforſchung, wie auf dem der praktiſchen Vogelpflege alle Fortſchritte ſorgſam berückſichtigt, die ſeit dem Erſcheinen der zweiten Auflage des genannten Werks gewonnen worden. Mein Sohn Karl Ruß hat die Bearbeitung des Geſammttextes in dieſem Sinne durchgeführt. So werden ſelbſt die Liebhaber, welche jenes größre Buch bereits beſitzen, hier in den „Amazonen⸗ papageien“ gar mancherlei Neues und Willkommenes finden. Es ſind z. B. inzwiſchen zwei neue Arten feſtgeſtellt worden, von denen die eine bereits lebend 5 zu uns gelangte; andrerſeits ſind von rührigen Nadlermeiſtern und Käfigfabrikanten an den be⸗ ſtehenden Käfigen Verbeſſerungen angebracht worden; ferner haben ſich die Verhältniſſe des Handels, bzl. der Ueberführung der Papageien aus Amerika be⸗ deutſam geändert u. ſ. w. Um den Liebhabern und Händlern entgegen⸗ | zukommen, habe ich die jetzt auf dem Vogelmarkt hier und da üblichen, von den meinigen abweichen- den, von Prof. Dr. A. Reichenow aufgeſtellten Namen mit aufgeführt, ſodaß ſich die Liebhaber beſſer zurechtfinden können. Somit hoffe ich, da auch dies Buch in jeder Hinſicht auf der Höhe der Zeit ſteht, daß es den Anforderungen aller Leſer voll und ganz ent⸗ ſprechen werde. Berlin, im Frühjahr 1896. Dr. Karl Ruß. l Seite rr 1 Die Amazonenpapag ein. 2 Beſchreibung 2; Heimat, Aufenthalt, Ernährung und ganze Lebensweiſe 3—6; Ausheben aus den Neſtern und Aufzucht 6; Zähmung und Abrichtung durch die Ein⸗ geborenen 7; Handel und Ueberführung 8; Ernährung und Behandlung unterwegs 9; Preiſe 11; Vorenthaltung des Trinkwaſſers 11; Handel in Europa („Uhlis“) 12. Die Amazone mit rothem Flügelbug (Psittacus HAndroglossa] aestivus, Laith) )))) 14 Die Venezuela-⸗Amazone (Psittacus [Androglossa] VTV ĩ ˙r¼rçͤ!!! 8 17 Die große gelbköpfige Amazone oder der doppelte Gelbkopf (Psittacus[Androglossa]Levaillanti,@r.) 18 Die Surinam⸗ oder gelbſcheitelige Amazone (Psitta- cus [Androglossa] ochrocephalus, ml.) . 21 Die Banama-Amazone (Psittacus [Androglossa] Ben Ch) -.......:..2.... Somalen 24 Hagenbeck's Amazone (Psittacus e 2270 N a Pr 25 Die kleine gelbköpfige Amazone oder der kleine Gelbkopf (Psittacus [Androglossa] ochröpterus, N EN AT . 26 Rothſchild's Amazone (Psittacus [Androglossa] ere 2... . „ „29 Die Müller⸗ EEE SR ee fari- nosus, Bad.) . 8 Re DER Die gelbnackige Amazone (Psittacus [Androglossa] auripalliatus, Les) Natterer's Amazone (Psittacus [Androglossa] Nat- tereri, Fe ne Die Guatemala⸗Amazone 5 [Androglossa] Gustemalae, Hartl). » 2.2220 2. Seren Die Amazone mit gelbem Daumenrand (Psitta- cus [Androglossa] mercenarius, Tschd.) [Die graunadige oder Halsbandamazone; Psittacus Canipallatus, GD.J2J2Jf Bouquet's Amazone (Psittacus [Androglossa] Bou- ei, B 2.2 ao won Die blaumaskirte Amazone (Psittacus cyanops, Vil.; Androglossa versicolor, Müll). )). Diebraunſchwänzige Amazone (Psittacus [Andro- ‚„glossa] augustus, :Vgrs.): 4.2. 2 . Guilding's Amazone (Psittacus [Androglossa] Gufldingi, % ]ĩ⁊? Die gelbbäuchige Amazone (Psittacus [Andro- glossa] Lanthops, S ö) 8 Die blaukehlige Amazone (Psittacus [Androglossa] Fetus, L)) Bodinus' Amazone (Psittacus [Androglossa] Bodini, Fei | Seite 40 Die St. Domingo- Amazone (Psittacus Salléi, Sci.; Androglossa ventralis, Müll) ))) Die rothſtirnige Portoriko-Amazone (Psittacus [Androglossa] Vittatus, Bad); ñ3 Die weißköpfige Amazone mit rothem Bauchfleck (Psittacus [Androglossa] leucocephalus, L.) Die weißköpfige Amazone ohne rothen e (Psittacus [Androelossa] collarius, L.) 44 46 VII Seite Die Brillen⸗Amazone (Psittacus [Androglossa] albi- Z nr a 47 Die weißſtirnige Amazone mit gelbem Zügel- und Kopfſtreif (Psittacus [Androglossa] xan- ZPT 49 Prétre's Amazone (Psittacus [Androglossa] Prétrei, w „ 50 Die Amazone mit rothen Flügeldecken (Psittacus “ili, ))) 51 Die rothmaskirte Amazone (Psittacus [Androglossa] CCT 52 Die rothſchwänzige Amazone (Psittacus [Andro- . , 3 22h sn ins 53 Die weinrothe Amazone (Psittacus 5 T: „a. simon ne 55 Die ſcharlachſtirnige Amazone (Psittacus coccinifrons, Snc.; Androglossa viridigenalis, Cass.) . 57 Finſch' Amazone (Psittacus [Androglossa] Finschi, a u a a 58 : Die gelbwangige Amazone (Psittacus [Androglossa] .. V/ 59 Die Diadem⸗Amazone (Psittacus [Androglossa] dia- | j /// ĩ ( 60 Heck's Amazone (Psittacus [Androglossa] Hecki, | % m; mt TR 61 Dufresne's Amazone (Psittacus [Androglossa] Du- LT TTRTER 62 Die blauwangige Amazone (Psittacus coeligenus, Lavrne.; Androglossa caeruligena, Lawr.) . . 63 Einkauf, Perpflegung und Abrichtung 64 Einkauf (Geſundheitskennzeichen 64; Rathſchläge zum VIII Einkauf 65; Behandlung des friſchangekauften Vogels 67; Uebelſtände im Handel 69 [afflimatifirte Vögel 70). Verſendung (im Großhandel 71; im Binnenlande 72). Empfang und Eingewöhnung (Ueberſiedlung aus dem Verſandt⸗ in den Wohnkäfig oder auf den Ständer 74). | Käfig und Ständer 77 („Ornis“-Käfig 78 [Boden 78; Drahtgitter, Schublade 79; Sockel, Sitz ſtange 80; Futter⸗ und Trinkgefäße, Sitzſtange oberhalb des Bauers, Schaukel 81]; Schindler's verbeſſerter „Ornis“-Käfig 82; Manecke's Verbeſſerungen 83; un⸗ geeignete Käfige 83; Lackanſtrich 883; Warnung vor Zuckerſäure 84; Ständer mit Ring oder Bügel 84 [Kletterſtangen 85; Schmölz' Papageienſtänder 86]; | Fußkette 88). Ernährung 90 (unzweckmäßige Nahrungsmittel 90; zweckmäßige Nahrungsmittel [Hanf, gekochter Mais 91; Weißbrot 92; Obſt 93; Leckerbiſſen, Zweige zum Be⸗ nagen 94]; gute Beſchaffenheit der Futtermittel 95; Matſchfutter, Warnung vor menſchlichen Nahrungs⸗ mitteln 95; Folgen naturwidriger Ernährung 96; Kalk, Sand, Trinkwaſſer 97; [kein Kaffee oder Thee 98]). Zühmung und Abrichtung 99 (Merkmale der Be⸗ gabung 101; Zähmung 102—108 [Z. mit Gewalt 102; ſachgemäße Z. 104; Beſtrafung 105; Abgewöhnung des Schreiens 106]; Zungenlöſen 109; Abrichtung zum Sprechenlernen 109; [Damenvogel 110]; Abrichtung zum Lieder nachflöten 111; verſchiedenartige Begabung 113; Werthabſchätzung der verſchiedenen Sprecher 114; Empfindlichkeit der Papageien gegen alle Veränderungen 1153 Papageienlehrer 117; [häßliche Lieder oder Worte 117]; Klarſtellung der Begriffe über die Sprachfähigkeit Seite Ex und das Verſtändniß für die gelernten Worte 118; Preiſe 119). Gelundheitspflege und Krankheiten Geſundheitspflege (ſchädliche Einflüſſe 120; [Zug⸗ luft 120]; Wärme 121; Verhängen zur Nacht, Gefieder- pflege 122; [Paddeln im Sande 124]; Mauſer oder Federnwechſel 124; Fußpflege 126). Krankheiten (Anleitung zur Feſtſtellung der Krank— heiten und zum Beibringen der Heilmittel 126 [Er⸗ krankungszeichen 128; Kothfreſſen 130]; Krankheiten der Luftwege und Athmungswerkzeuge 130 [Schnupfen, Katarrh der Luftröhre 130; Heiſerkeit, Aſthma, Kurzathmigkeit 131; Huſten 132; Lungenent⸗ zündung 132; Lungenſchwindſucht oder-Tuberkuloſe 133; Diphteritis und Kroup oder dißphteritiſch-kroupöſe Schleimhautentzündung 134]; Erkrankungen des Magens und der übrigen Eingeweide 135 [Ver⸗ dauungsſchwäche 136; Magen- und Darmentzündung 136; Gregarinen 137; Durchfall 138; Ruhr 139; Kalk⸗ durchfall und Typhus 139; Verſtopfung 140; Sepſis oder Faulfieber 141; Folgekrankheit der Sepſis 144; Salicyljäure- Kur 144; Würgen und Erbrechen 145]; Parungstrieb 146; Verſtellung 147; Waſſerſucht 148; Krankheiten der Leber und Milz 148 ([Gelbſucht 148]; Gehirnerkrankungen 149 [Gehirnſchlag 149; Krämpfe, epileptiſche Anfälle 150; Lähmung 151]; Vergiftungen 151; Eingeweidewürmer 155; Aeußer⸗ liche Krankheiten 155 [Wunden 155; Knochen— brüche 157; Geſchwüre 157; Fettgeſchwulſt 159; Gre⸗ Seite garinoſe 160]; Gicht, Rheumatismus, Lähmungen 160; Darmvorfall 161; Augenkrankheiten 162; Schnabelkrankheiten 163; Fußkrankheiten 164; X Seite Gefiederkrankheiten 166 [Selbſtrupfen 167]; Un⸗ geziefer 1693 Uebertragbarkeit der Vogel⸗ krankheiten auf Menſchen 171). Ueberſicht der Heilmittel nebſt Miſchungsverhält⸗ niſſen und Gaben 172 Mn . — * — verzeichniß der Abbildungen. Seite Amazone mit rothem Flügelbug oder gemeine Amazone, als farbiges Titelbild. Große gelbköpfige Amazone oder doppelter Gelbfopf . . . 18 Surinam⸗ oder gelbſcheitelige Amazonrnrnen 21 Kleine gelbköpfige Amazone oder kleiner Gelbkopf. . . 26 TPS len ne 29 T ...: 2.2. 200er 33 Bone... : 2.2.2220. nn 33 Weißköpfige Amazone mit rothem Baudiled . . .... 44 Z f 21 TP a 60 S 60 N . 13” ee 79 ä ee er 86 Pe } 9 + * 4 . HR 1 1 ne Einleitung. Der Kanarienvogel, nächſt dem in neuerer Zeit der Wellenſittich, einige Pärchen kleiner bunter Pracht⸗ finken, das ſind Vögel, welche heutzutage wol Haus bei Haus beherbergt werden; mehr aber noch als ſie alle iſt der ſprechende Papagei zu finden. Bei wohlhabenden Leuten gehört der letztre gleichſam als ein Stückchen der Ausſtattung zu den unent- behrlichen Dingen, und in der ärmeren Familie darf er meiſtens noch weit mehr als ein heißerſehntes und überaus hochgehaltnes Kleinod gelten. Unwillkürlich fragen wir nun wol, warum es denn gerade der Papagei iſt, an welchem das Menſchen⸗ herz ſo innig zu hängen pflegt. Eine bedingte Ant⸗ wort haben wir darin vor uns, daß der ſprach⸗ begabte Vogel doch ſchon um der menſchlichen Laute an ſich willen uns näher ſtehen müſſe, als jedes andre Thier. Freilich entgegnen uns darauf vorzugs⸗ weiſe kluge Leute, in dieſer Behauptung liege ein Unſinn, denn darin allein, daß der Vogel menſch— liche Worte dem Klange nachplappere, ſei nicht im geringſten etwas Menſchliches zu finden. Ja allerdings, ſie würden recht haben, — dies kann indeſſen nur Jemand ſagen, der den ſprach— begabten Vogel lediglich vom Ausſehen 5 Wort⸗ Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 2 ſchall, nicht aber ſeinem ganzen Weſen nach kennt. Gerade das letztere ſtellt ihn auf eine außer⸗ ordentlich hohe Stufe und macht ihn im ſchönſten Sinne des Worts menſchenähnlich. Von dieſer Wahrheit werden wir uns überzeugen, wenn wir eine der hervorragendſten Gattungen der ſprechenden Papageien näher kennen lernen. Hochobenan unter allen Papageien, ja eigentlich unter allen ſprachbegabten Vögeln überhaupt, ſteht faſt ohne Frage der graue Papagei von Afrika oder Jako, und nächſt ihm als kaum minder reich begabt treten uns die grünen kurzſchwänzigen Papageien von Amerika, Amazonen genannt, entgegen. Während wir die Graupapageien oder eigentlichen Papageien (Psittacus, L.) nur in zwei Arten, dem allbekannten Graupapagei mit lebhaft und ſchön rothem Schwanz und dem viel ſeltneren, auch nicht jo reich begabten Timneh- oder Graupapagei mit braunrothem Schwanz von Nordweſtafrika vor uns ſehen, kennen wir die grünen Amerikaner dagegen in 39 Arten, von denen bis jetzt 34 Arten lebend in den Handel gelangen. | Die Amazonenpapageien |Chrysotis, Swains. 8. Androglossa, Vig.] find — wie freilich die beiweitem meiſten Papageien überhaupt — grün, mit weißen, gelben, rothen und blauen Abzeichen, entweder in allen dieſen Farben zugleich oder nur in einer oder einigen. Ihre beſonderen Kennzeichen ſind: Geſtalt gedrungen; 3 Schnabel groß, kräftig, mäßig gewölbt, ſtark nach unten gebogen, Firſt nach hinten ſcharfkantig abgeſetzt, leicht gefurcht, Oberſchnabel mit anſehnlich überhängender Spitze und gerundeter oder winkeliger Ausbuchtung, Unterſchnabel ſo hoch wie der obre, mit breit abgerundeter Dillenkante und gerundet ausgebuchteten Schneiden; Naſenlöcher groß, frei, Wachshaut kurz, bogig, mit Borſtenfederchen beſetzt; Zunge breit, gewölbt, fleiſchig, glatt, mit abgeſtumpfter Spitze; Augen groß, rund, ausdrucksvoll; Flügel breit und ſtark, länger als der Schwanz; letztrer kurz, breit abgerundet; Füße ſtark, mit kräftigen Tarſen und ſtark gekrümmten kräftigen Krallen; Gefieder knapp anliegend; Federn klein, breit abgeſtutzt, einander ſchuppenförmig deckend, bei einigen Arten mit Puderdaunen. Dohlen⸗ bis nahezu Rabengröße. Faſt alle Amazonen, vornehmlich die Guatemala⸗ Amazone, zeigen die Eigenthümlichkeit, daß ſie bei Beängſtigung, z. B. beim Nahen eines Hundes, mehr oder minder die Nackenfedern ſträuben und dann dem ſog. Kragenpapagei ähnlich ſehen. Die Heimat der Amazonenpapageien erſtreckt ſich über Süd⸗ und Mittelamerika, von Argentinien bis zum ſüdlichen Mexiko, und die weſtindiſchen Inſeln. Die meiſten Arten haben nur ein be⸗ ſchränktes Verbreitungsgebiet. Vornehmlich bewohnen ſie die Urwälder längs des Amazonenſtroms (nach dem ſie benannt ſind) und anderer Flüſſe, die be⸗ waldeten Flußniederungen, die Wälder, die an Sümpfe grenzen, ſowie die Wälder längs der Küſte; nur wenige Arten leben auch in Steppen⸗ waldungen oder im Gebirge. Hier findet man ſie für gewöhnlich ſcharen- und in der Brutzeit par⸗ 1 * 4 weiſe. Die einzelnen Arten ſollen verſchiedenen Wald bevorzugen. Alle ſind eigentliche Baumvögel, die in der Regel dichtwipfelige, hochkronige Bäume aufſuchen; ſie klettern geſchickt, gehen auf dem Erd⸗ boden dagegen watſchelnd; ihr Flug iſt ſchwerfällig und mäßig langſam, mit raſchen Flügelſchlägen, manchmal ſehr hoch. Nächſt den Mittheilungen, welche die reiſenden Naturforſcher, Prinz von Wied, Burmeiſter, v. Tſchudi, Schomburgk u. A. über ihr Treiben gemacht, liegt eine hübſche eingehende Schilderung von Karl Petermann vor, und nach allen dieſen Berichten, vornehmlich dem des Letztern, will ich im Folgenden eine Ueberſicht der Lebensweiſe geben: Als das eigentliche Sinnbild des Urwalds erſcheint die Papageienſchar, und dem aufmerk⸗ ſamen Beobachter fällt zunächſt die Regelmäßigkeit in allen ihren Verrichtungen auf. Sobald das Frühroth den an⸗ brechenden Tag kündet, beginnt das Geſchwätz und der Lärm auf den Schlafplätzen der Schwärme; ſie putzen das Gefieder und ziehen unter lautem Geſchrei nach und nach in kleinen Trupps, immer pärchenweiſe zuſammenhaltend, davon; bald ſtehen die bis vor kurzem ſo belebten Baum⸗ gruppen wieder in der Stille des Urwalds da. In weiter Entfernung fallen die Flüge an beſtimmten Ruhepunkten ein, laut rufend und lockend; mit antwortendem Geſchrei folgen die übrigen, und unter betäubendem Lärm erhebt ſich dann der ganze Schwarm, um nach den wol noch meilen⸗ | weit entfernten Futterplätzen abzuſtreichen. Hier ſtürzen fie nun mit Heißhunger über die Fruchtbäume her, doch die argen Schreier ſind jetzt ſtill geworden, und man hört nur das Geräuſch, welches die herabfallenden Futterreſte verurſachen. Ein Flug nach dem andern kommt lautlos herbei, nur das Zirpen futterempfangender Jungen, das Raſcheln einer ab⸗ gerißnen, herabfallenden Frucht verräth die Freſſer in den dichtbelaubten Zweigen der Bäume. Nachdem ſie ſich geſättigt und aus den mit Regenwaſſer gefüllten Kelchen der auf den Bäumen wachſenden Orchideen getrunken haben, halten ſie Ruhe, während welcher ſie leiſe, gleichſam plaudernde Töne von ſich geben; bei ſehr heißer Witterung, wenn das Waſſer in den Blüten verdunſtet iſt, müſſen ſie manchmal weit zur Tränke fliegen und dies geſchieht ebenfalls ſtets zur beſtimmten Zeit. Da ſollen ſie vorzugsweiſe gern ſalzhaltiges Waſſer aufſuchen. Sie baden gern und laſſen ſich auch mit Vorliebe beregnen. Gegen Abend beginnen einzelne Vögel lärmend kurze Flüge zu machen, immer mehrere werden lebendig, und mit der ſinkenden Sonne tritt ein Trupp nach dem andern die Rückkehr an. Auf die Sammelplätze kommen ſie mit durchdringendem Geſchrei, gleicherweiſe mit ſchrillen Rufen be⸗ grüßt von denen, die bereits angelangt waren, und jeder ſtimmt aus Leibeskräften in das wirre Gekreiſch ein; erſt in voller Dunkelheit erſtirbt die Geſchwätzigkeit und der Zank um die beſten Ruheplätze. Solch' Treiben ſetzen ſie während der ganzen Herbſt⸗ und Winterszeit fort, indem ſie von einem Bezirk, in welchem infolge ihrer Plünderungen oder durch Ueberreife eine Frucht auf die Neige geht, nach einem andern, der neue, lockende Früchte bietet, überſiedeln. Bei Mißwachs oder auch aus anderen Urſachen verlaſſen ſie wol eine Gegend für längre Zeit. Während des Niſtens, vom September oder Oktober bis zum März, ſondern die Pärchen ſich ab. Als Niſthöhle wird ein meiſtens ſehr tiefes Aſtloch oder eine Specht⸗ höhle hoch oben im gewaltigen Urwaldsbaum, welches daher ſchwer zugänglich iſt, alljährlich von einunddemſelben Pärchen bezogen, und das Gelege beſteht in zwei bis vier ſehr runden und wie bei allen Papageien reinweißen Eiern. In jedem Jahr ſoll nur eine Brut ſtattfinden. Aus Vorſicht verhalten 6 fih die Amazonen, wie ja übrigens die meiſten Vögel über⸗ haupt, in der Nähe des Neſts lautlos, ſodaß man meinen könnte, ſie haben zur Niſtzeit ihre Stimme verloren. Die Brut dauert vom Beginn bis zum Flüggewerden der Jungen nahezu drei Monate. Ihre Nahrung beſteht in fleiſchigen und ſaftigen Beren und anderen Früchten, zumal Orangen und Bananen, beſonders auch Schotenfrüchten, ferner in vers ſchiedenen Nüſſen, Fruchtkernen, Baumſproſſen und «Knospen und dann vornehmlich in allerlei Sämereien, Mais und anderm Getreide. Wenn ſie in das letztre einfallen, ſind die Schreier gleichfalls ſtill. Des von ihnen verurſachten Schadens, aber auch ihres wohlſchmeckenden Fleiſches und ſelbſt der Federn wegen werden ſie viel verfolgt; auf den Märkten der Hafen⸗ ſtädte ſoll man ſie zur Zeit der Wanderungen maſſenhaft als Wildbret finden. Am zahlreichſten aber werden ſie lebend auf den Markt gebracht, um als Stubenvögel nach Europa in den Handel zu gelangen. Schon ſeit Jahrhunderten nehmen die Indianer die Amazonenpapageien aus den Neſtern und füttern ſie auf, um ſie zu zähmen und abzurichten. Als die Spanier Amerika entdeckten, ſahen ſie in allen von ihnen betretenen Strichen, ebenſo auch die Portugieſen in Braſilien, in den Hütten, auf den Händen der Eingeborenen gezähmte Papageien. Nachdem ſich auch die Europäer dieſer Liebhaberei zugewandt hatten und dann die Ausfuhr der Vögel nach Europa im Lauf der Zeit immer größern Umfang annahm, haben die Indianer mit der Auf⸗ zucht und Abrichtung der Papageien ſich eifrig beſchäftigt. Für dieſe haben die Indianer übrigens ein viel größres Verſtändniß und Geſchick 7 als die Neger in Afrika. Sowol was das Aus- nehmen aus dem Neſt und die Auffütterung, als auch die Zähmung und Abrichtung zum Sprechen anbetrifft, haben die amerikaniſchen Papageien ein beiweitem beßres Los als die afrikaniſchen Grau⸗ papageien; jedenfalls gelangen jene durchſchnittlich lebenskräftiger zu uns als dieſe. Faſt alle Ama⸗ zonenpapageien, die zur Ausführung nach Europa beſtimmt ſind, werden in ihrer Heimat bereits zahm oder wenigſtens halbzahm aufgekauft. Die Indianer verſtehen es, ſelbſt einen alteingefangenen, wilden und unbändigen Papagei in überraſchend kurzer Zeit völlig fingerzahm zu machen. Die meiſten Papageien werden allerdings jung aus den Neſtern genommen und aufgepäppelt; dies letztre geſchieht faſt immer mit gekautem Maisbrot aus dem Munde. Schomburgk behauptete, daß die Indianer, da die Papageien gewöhnlich in den Aſtlöchern hoher und unbeſteigbarer Bäume niſten, jedesmal den Baum fällen müßten, um ſich der Jungen einer Brut zu bemächtigen. Wahrſcheinlich wird es aber heutzutage nur noch gelegentlich dieſer Umſtändlichkeit bedürfen, zumal man die Papageien alljährlich zu Hunderten aus den Neſtern in den Aſtlöchern u. a. Höhlungen zu erlangen vermag. In der Regel bringen die Indianer jedem jungen Papagei bereits einige Worte in ihrer oder auch in ſpaniſcher oder portugieſiſcher Sprache bei, bevor ſie ihn an einen Europäer verkaufen. 8 „Die Eingeborenen,“ jo berichtete Fr. Connor in den ſiebziger Jahren aus Braſilien, „füttern die Papageien mit Früchten und Reis, bringen ſie dann nach den Hafenſtädten, und verkaufen ſie an die Händler zum Preiſe von durchſchnittlich 2 Milreis = 4 Mark für den Kopf; am zahlreichſten werden ſie jedoch im Innern durch Tauſchhandel erſtanden, etwa um die Hälfte jenes Preiſes, und dann ge⸗ langen ſie auf den Flußdampfern, welche den Para- und Amazonenſtrom in großer Anzahl befahren, nach den Hafen⸗ ſtädten. Die Aufkäufer halten ſie in einem großen Kaſten, in welchem einige Sitzſtangen angebracht ſind und der vorn mit Latten vernagelt iſt, ſodaß die Vögel nur wenig Luft und noch weniger Licht bekommen. Man denke ſich ſolch' einen unſaubern Aufenthaltsort mit keinerlei Vorrichtung zur Reini⸗ gung, in den das aus Bananen, Orangen und gekochten Kartoffeln beſtehende Futter hineingeworſen wird, und wo alles in kürzeſter Zeit bei der entſetzlichen Hitze in Säuerung und Fäulniß übergeht! Da ſtrotzen die bedauernswerthen Vögel von Schmutz und Ungeziefer, und es iſt alſo kein Wunder, daß ihre Geſundheit untergraben wird und ſie un— heilbarer Krankheit verfallen. Hier müſſen ſie bleiben, bis ſie verkauft und auf einem Dampfer oder Segelſchiff nach Europa übergeführt werden.“ Die Verhältniſſe des Handels und Transports der Amazonenpapageien haben ſich im Lauf der letzten Jahrzehnte doch weſentlich gebeſſert, ſodaß die Schilderung des Herrn Fr. Connor heutzutage nicht mehr ganz zutreffend iſt. Die Ueberfahrt der meiſten Amazonen geſchieht heutzutage auf den großen, prächtig eingerichteten Dampfſchiffen, die zwiſchen Hamburg, Bremen und anderen größten deutſchen 9 Häfen und Braſilien oder Weſtindien fahren, und dieſe Vögel kommen infolge guter Haltung und Ver⸗ pflegung meiſt im guten Zuſtande an. Nach den Mittheilungen, die uns Herr Heinrich Vehl in Berlin freundlichſt machte, liegen die Verhält— niſſe jetzt folgendermaßen. Aus dem Innern von Braſilien, bzl. Südamerika überhaupt, kommen die Vögel zwar noch nach den Küſtengegenden in den beſchriebenen ſcheußlichen Kiſten, doch bereits die Eingeborenen an der Küſte (Kreolen, Neger, Miſch⸗ linge u. a.) halten die Papageien auf Ständern und füttern ſie nicht mehr mit Früchten, ſondern mit erweichtem Brot und zum Theil ſogar ſchon mit Sämereien: Hanf und Mais. Die Ein⸗ geborenen bringen die Vögel an Bord der Schiffe; doch gibt es im Lande auch Aufkäufer (die alle möglichen Thiere erwerben). Küſtendampfer bringen die an den verſchiedenen Häfen gekauften Vögel zu den Europadampfern. Auch von den Schiffsleuten ſehen die meiſten bereits ein, wie ſchädlich das maſſen⸗ hafte Halten der Papageien in den Kiſten und die Fütterung mit Frucht iſt; ſie kaufen die Vögel daher von den Eingeborenen mit dem Ständer und halten ſie während der Fahrt auf dieſem. Der Ständer iſt 15 em hoch und 16 cm breit, die Sitz⸗ ſtange 7—10 em lang. Darunter iſt ein kleines längliches Brett zum Auffangen der Entlerungen befeſtigt. Der Vogel trägt eine kleine Kette am 10 Fuß. Dieſer Ständer iſt zum Anhängen in den Kajüten u. a. Räumen eingerichtet. Die jo be⸗— handelten Vögel ſind im beſten Gefieder, während die in den Kiſten ſich das Gefieder beſtoßen und viel von Ungeziefer zu leiden, da die Kiſten nicht ge reinigt werden können. Die Ständervögel werden auch leichter zahm, während die anderen natürlich ſcheu bleiben. So bringen die Stewarts, Bots⸗ leute, Zimmerleute u. a., die ihre beſonderen Räume haben, ihre Papageien herüber, in der Regel etwa ein halbes Dutzend. Den gemeinen Matroſen iſt auf vielen Schiffen das Mitbringen von Papageien und Thieren überhaupt verboten, weil die ſchlecht verpflegten Vögel unangenehmen Geruch verbreiten, die Paſſagiere durch Geſchrei beläſtigen, die Ständer— vögel auch viel anknabbern u. a. m. Immerhin werden noch vielfach Vögel in Kiſten heimlich mit— gebracht, doch auch dieſe erhalten Hanf und Mais und Kaffe (auch mit Zuſatz von Rum) zum Trinken. Die in der beſchriebenen Weiſe auf Ständern herüber- gebrachten Papageien bekommen regelmäßig in einem Blechnapf Körnerfutter (Hanf und Mais, oder nur Mais) und dazu entweder Kaffe (ein- oder zweimal im Tage) oder aufgeweichten Schiffszwieback. Auf den engliſchen Dampfern erhalten ſie in der Regel nur eingeweichten oder gekauten Zwieback. Dies ſind meiſt junge Neſtvögel, die ſich hier in Europa durch fortwährendes Meckern unliebſam kenntlich 11 machen; das Körnerfutter, welches ihnen hier vor- geſetzt wird, vermögen ſie nicht zu freſſen, das Meckern iſt Zeichen des Hungers. In Braſilien koſtet die gemeine Amazone 5 bis 15 Mk. nach unſerm Gelde (ſo in Bahia, Santos u. a.), der Doppelgelbkopf 15 bis 36 Mk. Man bezahlt immer baar, Tauſch⸗ handel kommt faſt garnicht mehr vor. In Hamburg an Bord verkaufen die Matroſen an Händler, dieſe an Abrichter, und dieſe an die Großhändler. Die Preiſe ſchwanken: Eine gemeine Amazone auf dem Ständer koſtet 20 bis 25 Mk., wenn ſie ſchön iſt und ſchon einige Worte, engliſch, portugieſiſch, ſpaniſch, ſprechen kann, 27 bis 30 Mk. Die weniger guten, in Kiſten herübergebrachten, koſten 9 bis 18 Mk., je nach der Jahreszeit, Anzahl und Nachfrage. Surinamamazonen, Portorikos, kleine Gelbköpfe, rothſtirnige Portorikos ſind im Werth geringer. Der doppelte Gelbkopf koſtet ſchon 40 Mk., wenn er nur wenige Worte ſpricht. Er wird höher als der Graupapagei geſchätzt. Vor allem leiden die Amazonen wie die Jakos in vielen Fällen unter dem bedauerlichen und immer noch feſteingewurzelten Vorurtheil der See- leute, welche meinen, ſie dürften kein Waſſer be⸗ kommen. Dieſe widerſinnige Behandlung legt bei den Papageien den Grund zur Sepſis oder Blut- vergiftung (ſ. unter Krankheiten). Die meiſten Amazonenpapageien überſtehen bei ihrer kräftigen 12 Natur die Ueberfahrt nach Europa gut und die Folgen der ſchlechten Behandlung zeigen ſich erſt wochen⸗, ſelbſt monatelang nachher. Doch kommt die Sepſis bei den Amazonen in neuerer Zeit, infolge beßrer Behandlung auf den großen Ueberfahrt⸗ dampfern wenig oder garnicht mehr vor. In den europäiſchen Hafenſtädten (erwieſener⸗ maßen kommen die meiſten Vögel überhaupt nach Hamburg, mehr als nach Antwerpen u. a.) ver⸗ kaufen die Seeleute (Matroſen, Schiffsbeamte u. A.) ihre Papageien in der Regel an die ſog. Klein⸗ händler oder Papageienabrichter (meiſtens Gaſtwirthe, Barbiere, ausgediente Seeleute u. A.), welche die Vögel dann in ihrer Pflege ſoweit bringen, daß ſie fingerzahm werden, bereits einige Worte ſprechen und für weitern Unterricht geeignet ſind. In neuerer Zeit bieten die Großhandlungen in Hamburg, Köln u. a. bereits abgerichtete und ſprechende Vögel aus, und hier hat der Liebhaber den Vortheil, daß die letzteren bereits an naturgemäße Nahrung ge⸗ wöhnt und ſachgemäß angelernt ſind. | Kürzlich hatte Herr Heinrich Vehl, der die gegenwärtigen Verhältniſſe des Papageienhandels genau kennt, die Liebenswürdigkeit, mir ausführliche Auskunft über die ſog. Uhlis zu geben, die ich hier einfügen muß: „Der Name Uhlis iſt bei allen Seeleuten und Händlern gebräuchlich und bezeichnet Amazonenpapageien, die nach Ueberzeugung der Verkäufer, bzl. Händler niemals, ſelbſt in beſter Pflege und Behandlung, ſprechen lernen. Ob der Name von „Eule“ abgeleitet wird, oder ſchon in 1 13 Braſilien üblich iſt, erſcheint zweifelhaft; am wahrſcheinlichſten iſt die Erklärung, daß er von dem einförmigen Ton „Ui“, den dieſe Vögel fortwährend hören laſſen, hergeleitet werde. Auf den erſten Blick erkennt der erfahrene Händler, ob der Amazonenpapagei ein Uhli iſt oder nicht. Ein ſolcher hat in der Regel folgende Kennzeichen: großen, eckigen Kopf, plumpe Geſtalt, längern Schnabel, ungewöhnlich ſtarke Zehen, verſchwommene Farben des dunkeln und ſchmutzig erſcheinenden Gefieders (nie ſieht man das intenſive Blau und Grün); vor allem aber zeigt er ſich ſtets unſtet und ruhelos, frißt fortwährend und läßt den oben genannten einförmigen Ton hören. Herr Vehl iſt der feſten Ueberzeugung, daß ein ſolcher Vogel niemals ſprechen lerne, ſelbſt wenn er in die Hände eines geſchickten Papageienabrichters, eines ſachkundigen und liebevollen Pflegers ge⸗ langte, der ſeine ganze Zeit dem Papagei widmen könnte. Er iſt der Anſicht, daß die Uhlis nicht ausſchließlich altgefangene, ſondern ſchon von Natur unbegabte Vögel ſeien, denen die Fähigkeit, menſchliche Worte nachſprechen zu lernen, vonvornherein fehlt. Unter allen Amazonenarten gibt es Uhlis, ſelbſt unter den von allen ſprachbegabten Papageien am höchſten geſchätzten Doppelgelbköpfen. Die Uhlis find an Bord der Schiffe, die in Hamburg und anderen Hafenſtädten ankommen, die billigſten Papageien. Solche von der Rothbug-Amazone koſten dort 8 bis 10 Mk., während Vögel, denen man Sprachbegabung zutraut, ſelbſt wenn ſie während der Ueberfahrt in Kiſten maſſenhaft eingepfercht und ſchlecht verpflegt worden, 12 bis 18 Mk., und diejenigen, welche ſchon auf den Schiffen auf Ständern gehalten und beſſer verſorgt worden, 20 bis 25 Mk. preiſen (wenn ſie bereits etwas ſprechen können, natürlich noch mehr). Betrügeriſche Händler bieten die Uhlis als gute Vögel zu „Spottpreiſen“ aus, oft geringer, als der Einkaufspreis iſt. Die auffallend billigen Amazonen ſind ſämmtlich Uhlis, auch die als „anfangend zu ſprechen“ billig ausgebotenen Vögel. Die letzteren zeigen ſich anſcheinend wirklich ſprachbegabt, d. h. geben einzelne Worte ganz oder theilweiſe wieder oder verſuchen es wenigſtens — aber ſie kommen eben niemals über die erſten Anfangsgründe hinaus. Sie laſſen undeutliche Laute hören, die den Anſchein erwecken, als ob der Papagei menſchliche Worte nachzuahmen ſich bemüht, d. h. die von betrügeriſchen Händlern als ſolche be⸗ zeichnet werden. Aber auch die reellen Händler verkaufen Uhlis. Sie ſind dazu durch die Verhältniſſe gezwungen. Das Publikum verlangt möglichſt billige Papageien. Würde ein Händler nur gute Vögel verkaufen, ſo müßte er theurer ſein, als alle anderen und würde keine Geſchäfte machen; aber er wird ſie natürlich nicht für begabte Vögel ausgeben. Der Händler kauft an Bord eine größre Anzahl Papageien und muß darauf gefaßt ſein, daß unter 30 Stück manchmal wol 10 Uhlis ſind. Das Publikum allein hat es in der Hand, dem Handel mit Uhlis ein Ende zu machen, indem es nicht nach billigen Vögeln greift, ſondern lieber einen theureren Papagei unter der Garantie der Sprach⸗ fähigkeit von reellen Händlern verlangt. Vor allem muß der Käufer die Handels⸗ verhältniſſe berückſichtigen. Es iſt z. B. nicht möglich, daß ein guter ſprechender 14 Vogel für 18 Mk. ausgeboten wird, da ein ſolcher bereits drüben in Südamerika 14 Mk. koſtet und da bei der Überfahrt durchſchnittlich 5 Prozent ſterben. ein einigermaßen guter, begabter, ſprachfähiger Vogel muß beim Großhändler mindeſtens 27, beim Kleinhändler nicht unter 30 Mk. koſten (Doppelgelbköpfe und ſeltene Arten entſprechend höher). Wenn keine Nachfrage mehr nach billigen Vögeln wäre, würde der Handel mit Uhlis von ſelbſt aufhören und die Matroſen würden keine mehr herüberbringen.“ Hiernach laſſen wir die Schilderung aller Arten der Amazonen folgen. Die Amazone mit rothem Flügelbug oder gemeine Amazone (Psittacus [Androglossa] aestivus, Lath.). Rothbug⸗ oder blauſtirnige Amazone, bloß Amazone und Kurzflügelpapagei mit rothem Flügelbug. — Blue-fronted Amazon or Amazon Parrot. — Amazone à calotte bleu, Perroquet Amazone & front bleu, Perroquet Lord du Brésil. — Gewone Amazone Papegaai. Dieſe Art wurde bis zur neuern Zeit mit der Venezuela⸗Amazone, mit grünem Flügelbug, vielfach verwechſelt, weil der letztern von Linn der lateiniſche Namen Amazonenpapagei beigelegt worden, während er eigentlich dieſer gebührt. Sie iſt in folgender Weiſe gefärbt: Stirnrand blau; Oberkopf, Wangen und Kehle gelb; Flügelbug, Spiegelfleck im Flügel und Grund der Schwanzfedern roth; erſte Schwinge ſchwarz, Außenfahne ſchmal blau geſäumt, die übrigen Schwingen erſter Ordnung an der Außenfahne grün, an deren Enddrittel blau, an der Innen⸗ fahne ſchwarz; Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne grün, Spitze blau, Innenfahne ſchwarz, fünf bis ſechs der zweiten 15 Schwingen an der Außenfahne, fait vom grünen Grunde bis zur blauen Spitze, ſcharlachroth; ganzes übriges Gefieder grün, an der Oberſeite jede Feder mit deutlichem, dunklem Endſaum; die kleinen und großen Flügeldecken gelbgrün geſäumt; ganze Unterſeite hellgrün; an Bruſt und Bauch jede Feder mit ſchmalem grünlichen Endſaum; Schenkelgegend gelblich; Schnabel einfarbig ſchwärzlichbraun bis ſchwarz, Wachshaut ſchwarz; Augen gelb bis orangeroth, nackte Haut ums Auge bläulich; Füße blaugrau, Krallen ſchwarz. Die Geſchlechter ſind bis jetzt noch nicht mit Sicherheit unterſchieden. Nach Renouard hat das Weibchen etwas mehr Blau am Kopf und das Roth an der Schulter geht mehr ins Gelbe. Jugendkleid matter in den Farben; Augen ſchwarz bis graubraun. Etwa Krähengröße (Länge 36, — 41,5 em; Flügel 20, —22, cm; Schwanz 10, —13 cm). Es kommen zahlreiche Farben— ſpielarten vor, bei denen ſich die blaue und gelbe Färbung am Kopf mehr oder minder ausdehnt, die eine oder andere zuweilen ganz fehlt, das Roth am Flügelbug kleiner oder größer, zuweilen gelbroth bis gelb iſt u. a. m.; ja es gibt ganz gelbe Amazonen mit rothen Abzeichen, die allerdings ſehr ſelten ſind. Heimiſch iſt dieſe Amazone in Braſilien ſüdlich vom Amazonen⸗ ſtrom, Paraguay, Bolivia, Peru und dem nördlichen Argentinien. Sie iſt die gemeinſte und häufigſte Art und ſoll vornehmlich in Orangegärten überaus großen Schaden verurſachen. Von den Eingeborenen wird ſie am höchſten geſchätzt, weil ſie für die Ab— richtung am zugänglichſten von allen ſich zeigen ſoll. Man trifft ſie daher überall bei den Indianern, und ſie wird auch unter allen Arten am zahlreichſten in den Handel gebracht. Bei uns halten die Lieb— haber ſie ebenfalls für ſehr werthvoll. Man hat 16 Beispiele von erſtaunlich reich begabten Amazonen, und dieſe ergeben ſich nicht allein im Sprechenlernen, ſondern ebenſo im Nachſingen von mehreren Liedern oder im Nachflöten von drei bis vier Weiſen als bewundernswerth gelehrig. Wie bei allen großen Sprechern kommen aber auch unter ihnen Vögel vor, welche weniger oder wol garnichts lernen wollen — die man jedoch trotzdem niemals als untauglich bezeichnen ſollte). Im Jahr 1887 gelang Herrn Renouard in Frankreich die Züchtung dieſer Art. Herr Ingenieur Hieronymus in Blankenburg a. Harz züchtete einen Miſchling von dieſer und der Kuba⸗ Amazone. In neueſter Zeit (1894) hat die Rothbug⸗ Amazone in einem Par in der Schweiz bei Herrn Dr. Wyß freifliegend in einem Birnbaum geniſtet und zwei Junge großgezogen. — Die meiſten dieſer Amazonen gelangen mit den großen Dampfſchiffen, welche zwiſchen Braſilien, bzl. Südamerika und Europa regelmäßig fahren, in den Handel, und man findet fie bei allen Groß- und Kleinhändlern. Der Preis beträgt im Großhandel für die friſch eingeführte, noch rohe Amazone ſelten unter 15 Mk., meiſtens aber 20, 24 Mk.; der ſprechende Vogel wird je nach der Leiſtung mit 35 bis 60 Mk., 75 bis 90 Mk., 150 bis 500 Mk. und darüber bezahlt. | ) Wir bitten S. 12 über die jog. Uhlis nachzuleſen. r 3 5 SU 17 Die Venezuela- Amazone (Psittacus [Androglossa] amazonicus, L.). Amazonenpapagei und Kurzflügelpapagei mit grünem Flügelbug, Kurika (in der Heimat); fälſchlich bloß Amazonenpapagei. Orange-winged Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à ailes oranges. — ehr Amazone Papegaai. Im Handel viel ſeltner als die vorige, iſt fie auch beiweitem nicht ſo beliebt. Sie erſcheint in folgender Weiſe gefärbt: Stirnrand und Zügelftreif blau; Vorderkopf und Wangenfleck unterhalb der Augen bis zum Schnabel brandgelb; Flügelbug grün, nur an der Handwurzel gelb; Flügelſpiegel gelblichroth; Schwanzfedern am Grunde orangeroth; das ganze übrige Gefieder grün, die Federn am Hinterhals dunkler geſäumt; ganze Unterſeite heller grün, an der Bruſt mit ſchwachem Anflug von Puder; Schnabel weißlich⸗ graugelb (horngraugelb) mit dunkelbrauner Spitze und am Grunde des Oberſchnabels ein gelber Fleck; Augen hellgelb bis zinnoberroth; Füße bräunlichhorngrau. Das Weibchen ſoll die Kopffärbung matter zeigen. Größe etwas geringer als die des vorigen (Länge 34—36 cm; Flügel 18—20 cm; Schwanz 8,—9 em). Alle eingeführten Vögel dieſer Art erſcheinen in faſt genau übereinſtimmender Färbung. Als ſeine Heimat iſt der ganze Norden von Südamerika bekannt, wo er ſich in den Küſtenwäldern manchmal in Schwärmen von unzähligen Köpfen aufhält. Von den An⸗ ſiedlern wird er als der eigentliche Schreier unter allen Verwandten bezeichnet. In der Heimat gilt dieſe Amazone als ſehr gelehrig; auch Dr. Lazarus be⸗ ſtätigt dies, und wenn ſie trotzdem bei uns nicht ſo beliebt wie die vorige iſt, ſo liegt dies wol darin, daß ſie auch als ſprechender Vogel ihr nn Ge⸗ Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 18 ſchrei nicht unterläßt. Der Preis beträgt gewöhn⸗ lich nur 15 bis 30 Mk.; beim abgerichteten Vogel ſteigt er natürlich im entſprechenden Verhältniß. Die große gelbköpfſige Amazone oder der doppelte Gelbkopf (Psittacus [Androglossa] Levaillanti, Gs.). Großer Gelbkopf, Levaillant's Kurzflügelpapagei. — Levaillant's Amazon Parrot, Double-fronted Amazon. — Perroquet Amazone de Levaillant, Perroquet à téte jaune. — Dubbele Geelkop Papegaai. Viele Liebhaber ſprechender Papageien ſchätzen den großen Gelbkopf höher als alle anderen, ja, ſie meinen ſogar, daß er an Begabung in jeder Hin⸗ ſicht ſelbſt den Graupapagei übertreffe. Solche Behauptung kann jedoch vonvornherein nicht als zutreffend gelten, denn man darf weder von der einen, noch von der andern Art mit Entſchiedenheit ſagen, daß ſie am hervorragendſten begabt ſei. Über⸗ blickt man die außerordentliche Stufenreihe und Mannigfaltigkeit in der Befähigung der einzelnen Köpfe innerhalb einundderſelben Art, ſo ſtaunt man über die Verſchiedenheit ihrer Begabung und gelangt zu der Einſicht, daß ſich ſolche bei allen hierher gehörenden Arten überhaupt wiederholen und ſichere Vergleiche unter einander nur zu ſehr erſchweren, wenn nicht geradezu unmöglich machen. Die Be⸗ rechtigung, hier eine beſtimmte, auch nur einiger- maßen feſtſtehende Reihenfolge aufzuſtellen, erkenne ich daher nicht an. Allenfalls möge mant jagen, ). 2 Große gelbköpfige Amazone (Psittacus Levaillanti, Gr Größe. icher ürl —.g nat 5 * 47 be ! im 1 Es Sue 2 e nne 8 P. * min a rn er Sika hr gerne ein ch san nam A he ae Nam * * „ 7 Sr — — 19 dieſe Art gehöre zu den mehr, jene zu den minder begabten; das iſt aber auch alles und darüber hin— aus ſollte man keinenfalls gehen. Ohne Frage ſteht der große Gelbkopf als ſprechender Papagei hoch da, ihn jedoch für den allerbedeutendſten aus— zugeben, iſt durchaus nicht zutreffend. Er iſt an Stirn und Gegend um den Schnabel weißgelb, am übrigen Kopf, Nacken und Hals ſchwefelgelb; Flügelbug, Spiegelfleck im Flügel und Grundhälfte der Innenfahne an den vier äußerſten Schwanzfedern lebhaft ſcharlachroth; Schwingen am Ende der Außenfahne blau; ganze Oberſeite dunkel-, Unter⸗ ſeite heller grün, überall ohne dunkle Federnſäume; Schenfel- gegend gelb; Schnabel gelblichweiß, Wachshaut faſt reinweiß; Augen gelbbraun bis braunroth, um die Pupille ein gelber oder grauer Ring; nackter Augenkreis bläulichweiß, manchmal gelbgrau; Füße weißblau, Krallen grau. Geſchlechtsunterſchiede find nicht bekannt. Das Jugendkleid iſt nur an Stirn, Ober⸗ kopf und Kopfſeiten gelb; die rothen Abzeichen ſind hell und matt. Nahezu Rabengröße (Länge 38 —44 cm; Flügel 21-23, em; Schwanz 11—14 cm). Seine Heimat iſt der Süden von Mexiko; er wird unter allen Amazonenpapageien am weiteſten nach dem Norden hinauf gefunden. Gleicherweiſe wie bei uns iſt er auch in ſeiner Heimat als Stuben— vogel ſehr geſchätzt und darum ſteht er höher im Preiſe als alle Verwandten. Unmittelbar nach der Ankunft iſt er weichlich und bedarf großer Fürſorge, eingewöhnt aber gehört er zu den . aller Papageien. Ein beſondrer Vorzug des großen Gelbkopf it jeine bedeutende Faſſungsgabe, welche ihn vorgeſagte 2 * 20 Worte ſogleich und ſtets ſehr deutlich nachſprechen läßt. Im Gegenſatz dazu gibt es auch unter den Angehörigen dieſer Art einzelne, welche durchaus nichts lernen wollen; ſtets ſoll man jedoch den Er⸗ fahrungsſatz beachten, einen ſolchen Vogel nicht zu früh als unverbeſſerlich fortzugeben, weil nämlich der ſchon mehrfach beobachtete Fall eintreten kann, daß er noch nach vielen Jahren wol gar ein vor— trefflicher Sprecher wird. Darauf muß ich übrigens noch hinweiſen, daß auch der hervorragendſte Vogel dieſer Art zeitweiſe ſein wüſtes Naturgeſchrei er- | ſchallen läßt. Von den Beiſpielen erſtaunlich be- 4 gabter Gelbköpfe, die im Lauf der Zeit bekannt geworden, will ich nur eines der hervorragendſten g hier anführen. Fräulein Eliſe Saß, Tochter des Herrn Rechnungsrath Saß in Berlin, gab in meiner Zeitſchrift „Die gefiederte Welt“ einen ein⸗ gehenden Bericht, aus welchem ich Folgendes anführe: Mein Bruder hatte den Gelbkopf in Verakruz gekauft und zwar als einen ganz jungen Papagei, welcher ſogleich nach der Ankunft bei uns ſprach, aber nur Spaniſch. Am dritten Tage jedoch rief er ſchon dem anderen Papagei, ohne daß ſich Jemand mit ihm beſchäftigt hatte, alſo nur vom Hören, zu: „Komm' Jako, komm!“ Dies erregte Staunen und Verwunderung, und natürlich fing nun der Sprachunterricht mit ihm ſogleich an. In den erſten anderthalb Jahren lernte er ſehr raſch, dann dauerte es länger, bis er ein neues Wort oder einen neuen Satz begreifen und nachſprechen konnte. Ich gebe hiermit das Verzeichniß aller Worte, Sätze, Redensarten und Geſänge, welche dieſer Vogel in der er= wähnten Zeit erlernt hat und die er, ſobald er dazu aufgelegt iſt, ſämmtlich hören läßt: „Eins, zwei, drei, Hurrah!“ — „Großpapa, Tante Anna, Paul“ — „Bitte Kaffe, Lorette hat Hunger“ — „Lorchen will Zucker haben“ — „Mein oller Papa raucht gern“ — „Meine gute, gute Mama“ — „Lorchen wird artig ſein“ — „Lorchen ſchreit nicht mehr“ — „Hans kommt aus China und Lorchen kommt aus Afrika“ — „Seid willkommen in Berlin, hat es Euch, | Die Surinam -Amnzone (Psi ittac us ochrocephalus, ml.) Die 6 ; rillen-Amazone (P . albifrons, S ,‚ Sprrm.). 22. 17 ürli fa natürlicher Größe 21 gefallen?“ — „Komm', Lorchen, komm', gib Pfotchen, na, ſei artig, jo iſt's gut, ſo“ — „Na, ſinge doch mal, na, noch mal, ſage doch mal!“ — „Herein, guten Tag“ — „Lieber Papa, liebe Mama, Großpapa, Trude.“ — Dies alles ſagt er ſtets unaufgefordert, ſobald die Decke von ſeinem Käfig genommen wird. Im Winter aber, wenn am Morgen Licht brennt, ſagt er es nicht, ſondern erſt ſpäter am Tage. Iſt er allein im Zimmer geweſen und es tritt Jemand ein, oder auch wenn er ſich langweilt, ſagt er: „Na, mein Lorchen!“ Geſchrei, wie von anderen Papageien, hört man von ihm niemals, dagegen ahmt er gern die weinerliche Stimme eines Kindes nach, welches um etwas bittet. Dann deklamirt er je einen Vers von: „Kleine Blumen, kleine Blätter“ oder „Ringelringel⸗ roſenkranz.“ Darauf folgt gewöhnlich die Rede: „Na, nun noch 'mal.“ Wenn er ein Wort nicht finden kann, ſo fängt er wieder von vorn an, ſagt aber ſtets: „Na, noch mal.“ Wenn ich den Reim beginne: „Kleine Blumen,“ fo fällt er ein: „kleine Blätter“ — und ſo deklamiren wir Beide das ganze Gedicht durch. Er ſingt mit richtigem Text und richtiger Melodie: „Du, Du, liegſt mir am Herzen“ u. ſ. w., „O Tannebaum, o Tannebaum, wie grün ſind deine Blätter“ u. ſ. w., „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus“ u. ſ. w., „Wir winden Dir den Jungfernkranz“ u. ſ. w., „Ein Schäfermädchen weidete“ u. ſ. w., wobei das „Kuckucklala“ ſich ſehr komiſch anhört. Wenn einmal Text oder Melodie nicht richtig ſind, ſo fängt er wieder von vorn an. Meiſtens fordert er ſich zum Singen oder Sprechen ſelber auf: „Singe doch mal“ oder „Sage doch mal.“ Muſik und namentlich Geſang hört er ſehr gern und dieſelben regen ihn ſtets zum Sprechen oder Singen an, und Gleiches ſcheint auch bei mancher Stimme, gleichviel von einem Herrn oder einer Dame, der Fall zu ſein. Vor⸗ mittags und gleich nach Tiſch ſpricht er am meiſten, Abends iſt er ſtill; findet er jedoch Anregung, ſo kann er auch noch ſpät ſehr lebhaft ſein. Der Preis beträgt für den rohen, friſch ein- geführten großen Gelbkopf 60 Mk., 66, meiſt ſogar 75 Mk. und ſteigt ſehr raſch für den Sprecher von 80 bis 250, 450, ſelbſt 600 Mk. und darüber. Die Surinam- oder gelbſcheitelige Amazone (Psittacus Androglossa] ochrocephalus, Gml.). Surinam⸗Papagei, gelbſcheiteliger Kurzflügelpapagei und Gelbſcheitel-Amazone. — Yellow-fronted Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à front jaune, Perroquet de Cayenne. — Geelvoorhoofd Papegaai; Geelvlek Papegaai. Alle Papageien, welche man in der Geſammt⸗ bezeichnung Amazonen zuſammenfaßt, zeigen jeder Be in jeiner Färbung und feinen beſonderen Abzeichen jo auffallende Merkmale, daß ſelbſt ein oberflächlicher Kenner bei der Beſtimmung und Unterſcheidung der einzelnen Arten nicht in Zweifel geräth; trotzdem ſehen wir, daß von altersher bis zur neuern Zeit, gleicherweiſe bei Wiſſenſchaftern wie bei Liebhabern, die hierhergehörenden Arten und vornehmlich der Surinampapagei fortwährend mit anderen verwechſelt worden. Auch jetzt noch werden im Handel die beiden nächſtfolgenden Arten meiſtens ohneweitres mit ihm zuſammengeworfen. Die Leſer wollen daher die in der Beſchreibung angegebenen Merkmale recht aufmerkſam beachten. Der gelbſcheitelige Amazonenpapagei iſt an der Stirn bis zur Kopfmitte und mehr oder minder zum Hinterkopf hochgelb mit einem breiten grünen Streif über dem Auge; Zügel, Kopfſeiten und Kehle ſind gelbgrün; Hinterkopf, Wangen und Nacken dunkelgrün, jede Feder fein ſchwärzlich geſäumt; die ganze übrige Oberſeite iſt dunkelgrasgrün ohne dunklere Federnränder; Flügelrand roth, Flügelſpiegel und Innenfahne der vier äußerſten Schwanzfedern rothgelb bis ſcharlachroth; ganze Unterſeite heller grün als die obre; Schenkelgegend röthlichgelb; Schnabel ſchwarzbraun bis ſchwarz, am Grunde des Oberſchnabels jederſeits ein röthlichweißer Fleck, Unter⸗ ſchnabel ſchwärzlichhorngrau; Wachshaut ſchwärzlich, dicht mit ſchwarzen Härchen beſetzt; Augen orangeroth mit feinem gelben und dann breiterm braunen Rand um die Pupille, nackter Augenkreis bläulichweiß; Füße bläulichweiß, Krallen faſt rein⸗ weiß. Auch dieſe Art erſcheint in Abänderungen: das Gelb am Kopf iſt enger oder weiter, zuweilen bis über den ganzen Vorderkopf, auch über die Umgebung der Augen und den Unter- 23 ſchnabel, zuweilen fehlt es oder beſchränkt ſich auf einzelne Federn an der Kopfmitte und den Zügeln, die gelben Federn ſind manchmal ſtellenweiſe roth gerandet, der Stirnrand iſt grün; die rothe Zeichnung im Flügel iſt kleiner oder größer; der Schnabel iſt heller oder dunkler ſchwarzbraun mit fahlrothem Fleck; Iris mit gelbem bis bräunlichem innern und rothem äußern Ring, Augenkreis grau. Weibchen und Jugend- kleid nicht ſicher bekannt. Die in den Handel gelangenden jungen Vögel haben nur wenig Gelb und die rothen Abzeichen ſind matter gefärbt: Etwas unter Rabengröße (Länge 37 bis 40,5 em; Flügel 20, —23 cm; Schwanz 10,0 — 13, cm). Seine Heimat erſtreckt ſich über den Norden von Südamerika, ſüdlich bis Peru. Die Reiſenden berichten, daß er überaus zahlreich und gemein ſei. Auch er wird des Fleiſches und der Federn wegen gejagt, vornehmlich aber aus den Neſtern geraubt. Die Indianer, welche ihn für einen der gelehrigſten Papageien halten, ſollen ihn mit beſondrer Sorg- falt aufziehen und abrichten. Häufig ſehe man Surinamamazonen um die Indianerhütten halbwild mit etwas geſtutzten Flügeln umherfliegen, doch kehren ſie abends immer wieder zurück. Bei uns gehört dieſe Art zu den gewöhnlichſten im Handel, da ſie etwas zahlreicher als die vorige eingeführt wird. Man ſchätzt ſie als tüchtigen Sprecher, indem einzelne ſich in hervorragendſter Weiſe entwickeln, nicht bloß gut und deutlich ſprechen, ſondern auch lachen, weinen, ſingen und hübſch pfeifen lernen, während andere zurückbleiben, doch nicht häufig; als gute Mittelvögel ergeben ſich die meiſten. Der 24 Preis beträgt für den rohen Vogel 20 bis 30 Mk.; für die erſtre Summe iſt er jedoch nur ſelten zu haben. Der ſprechende koſtet 40, 45, 50, 100, 150 bis 300 Mk. und mehr. Die Panama ⸗ Amazone (Psittacus [Androglossa] panamensis, Cb.) — Panaman Amazon Parrot — Perroquet Amazone de Panama — Panama Amazone Papegaai — unter⸗ ſcheidet ſich von der vorigen nur durch den vorherrſchend gelben Schnabel und das Fehlen des rothen Flecks am Grunde deſſelben, ſowie durch die auffallend geringre Größe; außer dieſer von Cabanis gegebnen kurzen Bemerkung war nichts über die Art bekannt, obwol ſie ſchon längſt neben der ver⸗ wandten in den Handel gelangte. Auf der großen „Ornis“⸗ Ausſtellung in Berlin im Jahre 1880 hatte Herr Hagenbeck, wie ſchon erwähnt, alle Amazonenpapageien neben einander, und ſo konnte ich auch dieſen nach dem lebenden Vogel genau beſchreiben: Stirn blaßgelb, Oberkopf blaugrün; breiter Streif oberhalb des Auges grün; Zügel gelb und grün gemiſcht; Hinterkopf, Nacken, Kopf⸗ und Halsſeiten grasgrün; Gegend um den Schnabel und die Kehle blaugrün; ganze Oberſeite grasgrün; ohne ſchwärzliche Federnränder; Spiegelfleck im Flügel, Flügelbug und Handrand roth; Schwanzfedern mit Ausnahme der beiden mittelſten an der Innenfahne roth; ganze Unterſeite kaum heller grün (Schenkelgegend nicht gelb); am Unterleib ein meerblauer Fleck; Schnabel weißlichhorngrau, Oberſchnabel an den Seiten ſchwärzlich mit weißlichem Fleck am Grunde (zuweilen der ganze Schnabel weiß), Naſenhaut weiß bis ſchmutzighorngrau, ohne Härchen; Augen roth mit ſchmalem, gelbem Streif um die Iris, nackter Augenrand bläulichweiß; Füße bläulichfleiſchfarben, Krallen weiß (zuweilen die Füße ganz weiß). Ein wenig über Dohlengröße (Länge 1 7 7 W. * 25 33—35 cm; Flügel 20—22 cm; Schwanz 11,,—12 cm). Heimat: Panama und Veragua. Die Amazone, welche ich einige Wochen beherbergt, war ſehr zahm und liebenswürdig, ſprach jedoch nur wenig und undeutlich. Ein Vogel des Herrn G. N. Bayer in München ſprach eine ganze Anzahl Worte und zeigte ſich zahm und gelehrig. Preis mit denen der vorigen übereinſtimmend. Hagenbeck's Amazone (Psittacus [Androglossa] Hagen- becki, Rss.) — Hagenbeck’s Amazon Parrot — Perroquet Amazone de Hagenbeck — Hagenbeck’s Amazone Papegaai — iſt die dritte Art, welche als Surinampapagei, wenn auch viel weniger als die beiden anderen, in den Handel kommt. Er iſt an der Stirn bis zur Kopfmitte und den Zügeln gelb bis röthlichgelb; Binde über den Oberkopf bis zu den Schnabelwinkeln grün⸗ blau; Hinterkopf, Nacken und Hals grün, ohne dunklere Federn⸗ ränder; vordere Wangen und Oberkehle blaugrün; Flügelrand und Bug grün, nur zuweilen mit einzelnen rothen Federchen; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; Schwanzfedern grün, nur mit ſchwachröthlichem Fleck; übrige Oberſeite grasgrün, ohne dunklere Federnränder; Unterſeite hellgrün; Schenkelgegend gelb; Schnabel hornweiß mit ſchwärzlicher Spitze, am Ober: und Unterſchnabel ein röthlich-wachsgelber Fleck; Naſenhaut weißgelb, ohne Härchen; Augen roth mit ſehr ſchmalem gelben und breitem braunen Ring um die Pupille; Füße blaugrau, Krallen grau. Etwa Krähengröße (Länge 36,5 —42 cm; Flügel 20,3 — 22, em; Schwanz 11—13,2 cm). Von der Surinam⸗Amazone unterſcheidet ſie ſich durch den weißen Schnabel, von der Panama⸗Amazone durch das faſt völlige Fehlen von Roth am Flügelrand und im Schwanz, ſowie die abweichende Zeichnung des letztern, ferner durch viel heller gelbgrünen Unterkörper und anſehnlich bedeutendere Größe. Ihre Heimat iſt noch nicht bekannt. 26 Die kleine gelbköpfige Amazone oder der kleine Gelbkopf (Psittacus [Androglossa] ochröpterus, ml.). Gelbſchulteriger Amazonenpapagei; bloß Gelbkopf; Sonnenpapagei, gelb: flügeliger Kurzflügelpapagei. — Yellow-shouldered Amazon Parrot, Single Yellow-headed Amazon. — Perroquet Amazone à &paulettes jaunes. Perroquet Amazone ochroptere. — Kleene Geelkop Papegaai. | Zu den gewöhnlichſten Papageien des Handels gehörend, iſt der kleine Gelbkopf bei manchen Freunden gefiederter Sprecher ſehr beliebt, während Andere auf ihn, wie auf alle kleinen Amazonen überhaupt nur mit Verachtung blicken. Dies mag darin begründet ſein, daß die einzelnen Vögel von dieſer Art eine geradezu erſtaunliche Verſchiedenheit in der Sprachfähigkeit zeigen. Es liegen Schilderungen von zuverläſſigen Kennern vor, nach denen es einzelne außerordentlich reich begabte Sonnenpapageien gibt, die zugleich dadurch werthvoll ſind, daß ſie ungemein zahm werden, im Benehmen überaus drollig er— ſcheinen und namentlich allerlei Thierſtimmen, wie Hahnenkrähen, Hennengackern, Taubengirren, Katzen⸗ miauen, Hundegebell u. drgl. treu nachahmen; im Gegenſatz dazu kommen natürlich auch recht viele kleine Gelbköpfe vor, welche wol liebenswürdig ſich zeigen, aber durchaus nichts lernen wollen. Einen gewiſſen Werth hat jeder von ihnen vonvornherein dadurch, daß er zu den am leichteſten und voll⸗ ſtändigſten zahm werdenden Stubenvögeln zählt. Einen reich begabten kleinen Gelbkopf ſchilderte Herr ein E m 2 {eb} ED er D — 4 © O nn — © 8 = RE} | n & — 0 — E . =} & 5 2 S u > > 2 E — — a 2 = — 1 röße. 8 natürlicher G 27 Dr. Jung in Königsberg: „Nach beendeter Mauſer oder dem Federwechſel hatte er nebſt voller Geſundheit ſolch' prächtiges Gefieder erhalten, daß man einen ganz andern Vogel vor ſich zu haben glaubte. Am ſchönſten entwickelte ſich ſeine Sprachbegabung während des Sommers, als ich, morgens noch im Bette liegend, ihm jedes Wort, welches er lernen ſollte, etwa zwanzigmal vorſagte. Wenn er es drei bis vier Tage gehört hatte, ſprach er es regelmäßig nach, zuerſt weniger deutlich und laut, nach einigen weiteren Tagen jedoch ſtets ſehr verſtändlich. Bis er die Worte, welche er einzeln gelernt, zu Sätzen ver— bunden nachſprechen konnte oder auch neue kleinere Sätze, die ich ihm im Ganzen vorſagte, inne hatte, dauerte zwar etwas länger, doch ging es auch damit zu meiner großen Freude immer raſcher vorwärts. Bevor der Sommer zu Ende war, hatte der Vogel ein ganz artiges Wort- und Satzregiſter gelernt; er kann nahezu zwei Dutzend Worte und Sätze ſprechen. Das gibt denn, wenn er ſich hören läßt, was regelmäßig am Tage mehrere Stunden hindurch geſchieht, die poſſirlichſte Abwechſelung und benimmt dem Geſchwätz das Langweilige, welches es hat, wenn ein ſolcher Vogel ſeine zwei bis drei Worte, die er vielleicht über haupt nur lernt, beſtändig wiederholt. Unſer kleiner Gelbkopf pfeift außerdem, ſingt, lacht, trommelt und übt beim Clavierſpiel in fleißigſter Weiſe mit. Komiſch hört es ſich an, wenn er zuweilen bauchredneriſch dumpf und hohl, anſtatt wie ſonſt hell und laut, die Worte herausbringt. Faſt noch höher als feine Sprach- begabung ſchätze ich aber die Anhänglichkeit des Vogels, welche er vorzugsweiſe für meine Perſon, aber auch für meine Frau und Tochter äußert. Wenn ich beim Nachhauſekommen ins Zimmer trete, ſo werde ich von ihm durch irgend einen Zuruf begrüßt; ſelbſt wenn er vorher ſtundenlang ruhig war, ſo ermuntert er ſich doch ſogleich, wird ſehr lebhaft und ſucht meine Aufmerkſamkeit zu er⸗ regen. Gelingt ihm dies nicht alsbald, ſo wird er unruhig und ſchreit immer ärger, bis ich an den Käfig trete, zu ihm ſpreche, ihm den Kopf ſtreichle oder ihm auch bloß einen Finger reiche, auf welchen er ſofort klettert. Er iſt daran gewöhnt, daß ich zu beſtimmter Zeit ſeinen Käfig öffne und ihn herauslaſſe. Da iſt es denn ſein größtes Vergnügen, raſtlos im Zimmer umherzufliegen, vom Käfig auf den Tiſch, auf die Stühle und vorzugsweiſe gern in die Höhe auf eine offenſtehende Thür. Mir fliegt er auf den Kopf und läßt ſich gern ſo umhertragen. Oft ſpielt er mit meiner Tochter in der Weiſe, daß er ihr rund um den Käfig herum, auf welchem er ſitzt, nachläuft, und dabei iſt er ſo geſcheidt, daß er, ſobald er merkt, er könne ſie nicht einholen, plötzlich umkehrt und ſie durch Entgegenlaufen zu erhaſchen ſucht. Gelingt ihm dies, ſo gibt er ſeine Freude durch lautes Lachen zu erkennen .... Fremden Perſonen und namentlich Kindern gegenüber drückt er ſeine Abneigung durch Schreien aus, welches ſehr heftig wird, wenn er ſieht, daß Einer von uns die Kinder liebkoſt, wodurch ſeine Eiferſucht erregt wird. Im übrigen ſchreit er nur dann, wenn er irgend etwas erlangen will, ſo beſonders wenn ich ihn nicht zur gewohnten Zeit aus dem Käfig herauslaſſe, niemals aber lärmt er ſo geradezu in den Tag — 28 hinein, wie man es bei vielen Papageien, vornehmlich den Kakadus, hört. ...“ Uebrigens iſt der Zweck meiner Darſtellung eigentlich nur der, weniger etwas Neues über einen gemeinen und doch im ganzen noch keineswegs ausreichend bekannten Papagei mitzutheilen, ſondern darauf aufmerkſam zu machen, daß derſelbe gerade vorzugsweiſe als ein liebenswürdiger, anmuthiger, leicht und billig zu beſchaffender Hausgenoſſe gelten darf. Der gelbſchulterige Amazonenpapagei läßt ſich nach den Geſchlechtern unterſcheiden. Das Männchen iſt an Stirn und Zügeln gelblichweiß; Vorder- und Oberkopf, Wangen, Kopfſeiten, Ohrgegend und Oberkehle gelb; Flügelbug mit großem gelben Fleck; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; die vier äußeren Schwanzfedern am Grunddrittel über beide Fahnen zinnoberroth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, jede Feder mit ſchwärzlichem Rand, nur die oberen Schwanz⸗ decken einfarbig gelbgrün; Unterſeite kaum bemerkbar heller grün, jede Feder gleichfalls dunkel gerandet; Schenkelgegend gelb; Schnabel hornweiß, mehr oder weniger bläulichgrau, Wachshaut grauweiß; Augen dunkelbraun, gelblichbraun bis rothgelb mit rothem äußern Kreis der Iris, nackte Haut ums Auge weiß; Füße und Krallen weißlichhorngrau. Das alte, ausgefärbte Weibchen iſt in allen Farben matter und um den Unterſchnabel, mehr oder minder weit über die Wangen, an Unterbruſt und Bauch meerblau. Das Jugendkleid hat gleichfalls die meerblaue Färbung, und dieſelbe erſtreckt ſich zuweilen auch über die Kopfſeiten und Kehle. Bei manchen alten Vögeln ſind die grünen Federn an Kopf, Wangen, Kehle, Hals und Flügelbug mehr oder minder mit gelben oder orange⸗ farbenen gemiſcht. Etwa Dohlengröße (Länge 32—34 cm; Flügel 18 —20, em; Schwanz 9,3 —11, cm). Die Größe ſchwankt übrigens außerordentlich, nicht allein bei jung auf⸗ gezogenen, ſondern auch bei alten, in der Freiheit erlegten Vögeln. | Der kleine Gelbkopf iſt an der geringern Größe, den dunklen Federrändern an der Ober- und Unter⸗ „Bdd.). rınosus öße. v r G 2 — n 5 = © — itte liche ür /2 nat Amazone (P Müller 3 29 jeite und dem breiten gelben Flügelbug ſogleich von allen Verwandten zu unterſcheiden. Heimat: nörd⸗ liches Südamerika und Mittelamerika. Der Preis beträgt für den friſch eingeführten Vogel zuweilen 15 bis 18 Mk., für den eingewöhnten zahmen und ſchon ſprechenden 20, 30, 45 und wol bis 100 Mk. Rothſchild's Amazone (Psittacus [Androglossa] Roth- schildi, Hartert). Dr. E. Hartert fand auf feiner Reiſe in Weſtindien i. J. 1892 auf der Inſel Bonaire einen Papagei, welcher der kleinen gelbköpfigen Amazone überaus ähnlich er⸗ ſchien und den er als neue Art feſtſtellte und dem Beſitzer des Tring⸗Muſeum in England zu Ehren benannte. Dieſer Vogel unterſcheidet ſich nach Dr. Hartert's Angaben von dem kleinen Gelbkopf durch Folgendes: „Der bei P. ochropterus immer gelbe innere Flügelbug, der nur ſelten an der Wurzel etwas roth zeigt, iſt bei P. Rothschildi lebhaft roth, mit nur geringer gelber Beimiſchung, und der gelbe Schulterfleck iſt viel kleiner; die Federn des Bauchs ſind nur ſchwach mit ſchwarz geſäumt.“ Die Müller-Amazone (Psittacus |Androglossa] farinosus, Pdd.). Müllerpapagei, Müller, bepuderter Amazonenpapagei, bereifter Kurzflügelpapagei. — Mealy Amazon Parrot. — Perroquet Amazone poudr&ee, Meunier. — Muller Amazon Papegaai. Wieder ein recht beliebter Sprecher, der ent⸗ ſchieden zu den begabteſten gezählt werden darf und zugleich ſanft und liebenswürdig ſich zeigt, leider aber auch zu den ſchlimmſten Schreiern gehört und ſelbſt als abgerichteter und völlig zahmer Vogel es ee nicht laſſen kann, zeitweiſe ohrenzerreißenden Lärm zu machen. Der bepuderte Amazonenpapagei iſt an Stirn und Wangen gelbgrün; Scheitelmitte gelb, zuweilen fein roth ge— fleckt; am Oberkopf jede Feder violett gerandet; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, an Hinterkopf, Nacken und Hinterhals jede Feder mit ſchwärzlichem Endſaum; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; Schwanzfedern grün ohne Roth; ganze Unter— ſeite heller gelblichgrün; untere Schwanzdecken grüngelb; Schnabel weißlichhorngrau, am Grunde des Ober- und Unter⸗ ſchnabels jederſeits ein orangegelblicher Fleck, Naſenhaut ſchwärz—⸗ lich; Augen dunkelbraun bis rothbraun, Iris mit kirſchrothem Ring, nackter Kreis ums Auge weiß; Füße dunkelbraun, Krallen ſchwarz. Geſchlechtsunterſchiede und Jugendkleid nicht bekannt. Beſondere Kennzeichen: Die Federn erſcheinen wie mit Mehl bepudert und daher ſieht die Oberſeite graugrün aus, beim Stillſitzen iſt der ganze Vogel einfarbig graugrün; weiter hat er bei rothem Flügelſpiegel kein rothes Abzeichen im Schwanz und ſein Gefieder iſt mehr als das aller anderen Papageien mit Puderſtaub gefüllt. Auch bei dieſer Art kommen Ab- änderungen vor, bei manchen fehlt das Gelb am Scheitel, bei anderen erſtreckt es ſich über den ganzen Oberkopf; zuweilen zeigt einer die Puderdaunen garnicht. Rabengröße und darüber (Länge 47—49 cm; Flügel 22, — 25,3 em; Schwanz 11 bis 14,6 em). Er gehört alſo zu den größten unter allen Amazonenpapageien. | | Seine Heimat iſt der Norden von Südamerika, füdlich bis zum mittleren Braſilien und Bolivia einſchließlich, und er ſoll beſonders in Guiana zahl— reich vorkommen. Auch er wird viel gefangen, läßt ſich leicht zähmen und abrichten und lernt recht gut ſprechen, doch iſt er ſeines Schreiens wegen nicht | i 31 in dem Grade geſchätzt wie die meiſten vorher⸗ gegangenen Verwandten. Preis für den rohen Vogel 30 bis 45 Mk., als abgerichteter Sprecher 75, 90 bis 100 Mk. Die gelbnackige Amazone (Psittacus [Androglossa] auripalliatus, Less.) Gelbnacken⸗, Goldnacken⸗Amazone, gelbnadiger Kurzflügelpapagei. — Golden- naped Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à collier d'or. — Goudnek Amazone Papegaai. Dem vorigen nahe verwandt, iſt dieſe Art doch für den Kenner leicht zu unterſcheiden. Sie erſcheint an Stirn, Oberkopf und Wangen hellgrasgrün; Scheitel meer⸗ bläulich, Scheitelmitte mehr oder minder, manchmal garnicht, gelb; Augengegend meerblau, jede Feder ſchwärzlich gerandet; Nacken zitrongelb; Flügelrand nur zuweilen roth, manchmal mit einzelnen rothen Federn, doch auch bis zu großen rothen Achſeln; Spiegelfleck im Flügel roth; Schwanzfedern am Grund— drittel der Innenfahne roth; ganze übrige Oberſeite grasgrün, nur an Hinterhals und Halsſeiten jede Feder mit ſchwärzlichem Endſaum; Unterſeite mehr gelbgrün; Schnabel dunkelhorngrau, . am Grunde ein gelblicher Fleck, Wachshaut ſchwärzlich mit ſchwarzen Borſtenfederchen; Augen braun⸗ bis röthlichgelb, Augenkreis weißlich; Füße bräunlichhorngrau, Krallen ſchwarz. Jugendkleid nach Hagenbeck ohne den gelben Nackenfleck. Be— ſondere Kennzeichen: die meerblaue Färbung an Scheitel und Augengegend, der gelbe Nacken und die ſchwarzen Borſten— federchen auf der Naſenhaut. Im übrigen iſt er der Surinam⸗ Amazone ſehr ähnlich. Nahezu Rabengröße (Länge 37—40 cm; Flügel 19, — 21,3 em; Schwanz 11,6 —12, cm). Heimat: Mittelamerika. Nach Angaben des Reiſenden Dr. v. Frantzius ſoll er in Koſtarika als Käfigvogel 32 ſehr beliebt und als leicht lernender Sprecher hoch geſchätzt ſein. Bei uns iſt er im Handel etwas ſeltner als die nächſten Verwandten, doch gehört er immerhin zu den bekannteſten Papageien. Frau Hedwig v. Proſchek ſchildert eine gelbnackige Amazone, welche Vieles ſprach, auch ſang und lachte, als überaus liebenswürdig. Der Preis beträgt ſchon für den friſch eingeführten Gelbnacken 40 bis 75 Mk. und für den abgerichteten Sprecher 100, 120 bis 150 Mk., ſelbſt bis 300 Mk. Natterer's Amazone (Psittacus Androglossa] Nattereri, Fnsch.). Natterer's Kurzflügelpapagei, Grüne Amazone. — Natterer's Amazon- Parrot. — Perroquet Amazone de Natterer. — Natterer's Amazone Papegaai. Der öſterreichiſche Reiſende Natterer hatte im Jahr 1829 dieſen Papagei nur in einem einzigen Kopf im nordweſtlichen Braſilien erlegt, und nach demſelben hat Dr. Finſch die Art beſchrieben und dem Forſcher zu Ehren benannt. Dann wurde Natterer's Amazone von Fräulein Chr. Hagenbeck im Jahr 1877 zuerſt lebend eingeführt und ſeitdem iſt ſie immer einzeln in den Handel gelangt. Sie iſt an Stirn, Kopfſeiten und Kehle blaugrün; Augenbrauen⸗ ſtreif gelb; Hinterkopf mit bläulichaſchgrauem Fleck; großer Spiegelfleck im Flügel roth; Schwanzfedern durchaus ohne Roth; ganze Oberſeite dunkelgrün, an Nacken und Mantel jede Feder dunkler geſäumt; Unterſeite kaum heller grün; Bruſt meerblau angeflogen, unterſeitige Schwanzdecken gelblichgrün; N RER Guatemala - Amazone Gelbnackige Amazone ttacus aur (Psittacus Guatemalae, Hartl.). iatus, Less,). ipall (Psi / natürlicher Größe. 33 Schnabel horngrau, Spitze ſchwärzlich, am Grunde des Ober— ſchnabels jederſeits ein weißgelber Fleck, Wachshaut grauweiß; Augen braun bis orangeroth mit ſchmalem braunen Ring um die Iris, nackter Augenkreis weißgrau; Füße blaugrau, Krallen ſchwarz. Weibchen oder Jugendkleid: düſtergrün, dem weiß⸗ bepuderten Amazonenpapagei ähnlich, doch mit allen Art⸗ merkmalen des Männchens. Beſondere Merkmale: die bläuliche Färbung an Stirn, Zügeln und Augengegend; durchaus ohne gelben Scheitel; Flügelbug und Rand des Unterarms roth. Etwa Rabengröße (Länge 47—49 cm; Flügel 22, — 24, em; Schwanz 11,,—14,, m). Als Heimat iſt nur das nordweſtliche Braſilien bekannt. Für die Liebhaberei hat dieſe Amazone erſt geringe Bedeutung; bei häufigerer Einführung würde ſie wol den vorher— gegangenen nächſten Verwandten in jeder Hinſicht gleichen. Preis unbeſtimmt. Die Guatemala-Amazone (Psittacus [Androglossa] Guatemalae, Hartl.) Blauſcheitel⸗Amazone, blauſcheiteliger Kurzflügelpapagei. — Guatemalan Amazon Parrot. — Perroquet Amazone de Guatemale. — Guatemala Amazone Papegaai. Unter den friſch eingeführten Amazonenpapageien ſieht man in der Regel mehrere Arten zuſammen, welche, aus denſelben oder doch naheliegenden Gegenden herſtammend, von den Auffäufern gleich- zeitig auf die Schiffe gebracht werden; ſo kommt ſtets die Guatemala⸗ mit der Mülleramazone herüber, doch iſt ſie viel ſeltner als letztre. Karl Hagenbeck ſagt, ſie ſei wol ſchon vor länger als jetzt 30 Jahren, Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 3 34 jedoch ſtets nur in wenigen Köpfen alljährlich, zu uns gelangt. Sie iſt an Stirn, Oberkopf bis Nacken himmelblau; die Kopfſeiten ſind lebhaft grün; Nacken, Hinter⸗ hals, Mantel und Schultern grünlichgrau; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; Flügelrand ohne Roth; Schwanzfedern durchaus ohne Roth; ganze Oberſeite dunkelgrasgrün; Unter⸗ ſeite kaum heller grün; Hinterleib und untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel ſchwärzlich, Oberſchnabel mit röthlichweißem Fleck, Wachshaut bläulichgrau; Augen karminroth, Iris mit breitem braunen Rand, Augenrand bläulichweiß; Füße weiß⸗ grau, Krallen ſchwarz. Das Weibchen iſt an der Stirn grün, jede Feder nur blau geſäumt; Oberkopf und Nacken mehr lilablau; Wangen, Kopfſeiten und Kehle grasgrün; Schnabel heller, ſchwärzlichhorngrau, nur mit weißlichem Fleck am Grunde des Unterſchnabels; der rothe Ring in der Iris des Auges viel ſchmaler. Beſondere Kennzeichen: der bläuliche Ober⸗ kopf; kein Roth am Flügelrand und im Schwanz; Puder⸗ daunen am Rückengefieder. Faſt über Rabengröße (Länge 47—48 cm; Flügel 22—23 cm; Schwanz 11,3 —12 cm). Als Heimat iſt Südmexiko und Mittelamerika be⸗ kannt. Im Weſen zeigt ſich die Guatemala-Amazone von den Verwandten durchaus nicht abweichend, namentlich gleicht ſie dem „Müller“, und wie alle anderen wird ſie leicht zahm und lernt gut ſprechen, iſt aber zeitweiſe ein unleidlicher Schreier. Preis für den rohen Vogel ſchon 60 bis 75 Mk., für den Sprecher 90 bis 100 Mk. Die Amazone mit gelbem Daumenrand (Psittacus [Androglossa] mercenarius, Tschd.) — Kurzflügelpapagei mit gelbem Daumenrand, Soldaten-Amazone — Mercenary 1 Parrot — Perroquet Amazone mercenaire — wurde von J. von Tſchudi 35 in Peru entdeckt. Als Heimat find auch noch Neugranada und Ekuador bekannt. Dieſe Art ſteht der Venezuela-Amazone am nächſten, doch iſt ſie durch den Mangel der gelben oder blauen Färbung am Kopf bei rothem Spiegelfleck im Flügel zu unter⸗ ſcheiden. Sie iſt an Ober- und Hinterkopf grün, jede Feder mit ſchwärzlichem Endſaum; am Oberrücken ſind die End⸗ ſäume undeutlich; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth, Flügel- rand grün, Daumenrand röthlichgelb; roth im Schwanz; ganze Oberſeite dunkelgrasgrün; Unterſeite heller grün; an Hals und Bruſtſeiten jede Feder mit ſchwärzlichem Endſaum; untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel gelblichhorngrau, Spitze des Ober⸗ und Grund des Unterſchnabels braun; Augen gelb; Füße braun, Krallen ſchwärzlich (nach Tſchudi und Finſch). Etwas unter Krähengröße (Länge 32—35 cm; Flügel 18 bis 20 cm; Schwanz 9— 10 cm). Im Londoner zoologiſchen Garten iſt ſie 1882 geweſen, ſonſt nur überaus ſelten eingeführt. Die graunackige oder Halsbandamazone [Psittacus cani- palliatus, C5. ], von Cabanis beſchrieben, fällt nach Dr. Sclater in London als das Jugendkleid der Amazone mit gelbem Daumenrand mit dieſer Art zuſammen. Bouquet's Amazone (Psittacus [Androglossa] Bou- queti, Beust.) — Blauköpfige Amazone, Bouquet's Kurzflügelpapagei — Blue-faced Amazon or Bouquet's Amazon Parrot — Perroquet Amazone de Bouquet — Bouquet's Amazone Papegaai — eine Art, welche bereits von Edwards (1758) gut abgebildet und alſo den älteren Schriftſtellern bekannt war, hat trotzdem bis zur neueſten Zeit Anlaß zu Irrthümern gegeben. An Stirn, Ohrgegend, Wangen und Oberkehle violettblau, iſt ſie an der ganzen Oberſeite dunkelgrasgrün; Halsſeiten heller; Spiegel⸗ fleck im Flügel roth, Flügelrand grün; ſeitliche Schwanzfedern am Grunde der Innenfahne ſcharlachroth; Kehle und Ober bruſt roth; übrige Unterſeite hellgrasgrün; Schnabel horngrau, Oberſchnabel jederſeits mit orangegelbem Fleck, Naſenhaut grauweiß; Augen orangegelb, nackter Augenkreis hellfleiſchfarben; 3 * 36 Füße ſchwärzlichgrau, Krallen ſchwarzbraun, Krähengröße. Die Heimat war bisher nicht bekannt, neuerdings aber hat Lawrence dieſe Art als neu unter dem Namen P. Nicholsi nach einem Vogel von Dominica beſchrieben, welcher ſich im Nationalmuſeum von Waſhington befindet. Für die Lieb⸗ haberei iſt der Vogel bis jetzt ohne Bedeutung. Die blaumaskirte Amazone (Psittacus cyanops, VII.; Androglossa versicolor, Müll.) — Blaumaskirter Kurzflügelpapagei — Blauſtirnamazone — Blue-faced Amazon Parrot — Perroquet Amazone & face bleue — Blauwmasker Amazone Papegaai — war es, welche Dr. Sclater für die vorige Art gehalten hatte, während er nun feſtgeſtellt, daß drei Vögel im Londoner zoo⸗ logiſchen Garten als Bouquet's Amazonen in der Liſte ver⸗ zeichnet, dieſer Art angehörten. Beide, ſagt der Gelehrte, kommen auf benachbarten Inſeln vor, beide erſcheinen grün mit blauem Geſicht und rother Flügelzeichnung und unter⸗ ſcheiden ſich nur dadurch, daß die Deckfedern der Schwingen erſter Ordnung bei der erſtgenannten Art grün und bei der letztern blau ſind. Hiernach haben wir in dieſer einen bereits lebend eingeführten Amazonenpapagei vor uns, der jedoch zu den allerſeltenſten gehört und daher für die Liebhaberei kaum größre Bedeutung als die noch garnicht herübergebrachten Arten hat. Er iſt an Vorderkopf, Zügeln und vorderen Wangen dunkelultramarinblau; Scheitel, Ohrgegend und Ober⸗ kehle blau; ganze Oberſeite dunkelgrasgrün; an Hinterkopf, Hals und Rücken jede Feder ſchwarz geſäumt; obere Schwanz⸗ decken gelbgrün; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; Deck⸗ federn der erſten Schwingen blau; die beiden äußerſten Schwanz⸗ federn an der Innenfahne mit rothem Fleck; Kehle, Bruſt und Bauch weinroth; Schenkel, Hinterleib und untere Schwanz⸗ decken gelbgrün; Schnabel bräunlichhorngrau; Füße und Krallen ſchwarzbraun. Beſondere Kennzeichen: weinrothe Unterſeite, blaue Deckfedern der erſten Schwingen und rother Br w 37 Spiegelfled im Flügel. (Beſchreibung nach Dr. Finſch). Krähengröße. Heimat St. Lucia in Weſtindien. Die braunſchwänzige Amazone (Psittacus [Andro- glossa] augustus, Pgrs.) — Braunſchwänziger Kurzflügelpapagei, Blaukopf, Kaiſer⸗Amazone. — Imperial Amazon or August Amazon Parrot — Perroquet Amazone imp6riale Perroquet auguste — Bruinstaart Amazone Papegaai — ſoll die größte unter allen ſein. Sie iſt am Oberkopf düſter röthlichbraun mit bläulichem Schein; Hinterkopf grünlichgrau; Zügel und Wangen braun; Nacken, Hinterhals und Halsſeiten violettſchwarz; Oberrücken, Flügeldecken und Hinterrücken, Bürzel und obere Schwanz⸗ decken grasgrün, bläulich ſcheinend; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth; Handwurzelfleck roth; Schwanz düſter purpur⸗ braun; ganze Unterſeite röthlichbraun, mit blauviolettem Schein; Schnabel horngrau, Oberſchnabel am Grunde gelb- lich; Füße und Krallen dunkelhornbraun. Rabengröße. (Be⸗ ſchreibung nach Dr. Sclater). Heimat: Dominika. Dieſe Art iſt erſt einmal lebend eingeführt und ſoll ſelbſt in ihrem Vaterland überaus ſelten ſein. Sie hat daher für die Lieb⸗ haberei nur geringe Bedeutung. Guilding's Amazone (Psittacus [Androglossa] Guil- dingi, Vig.) — Guilding's Kurzflügelpapagei, St. Vincent⸗Amazone, Königs⸗ Amazone. — Guilding's Amazon Parrot — Perroquet Amazone de Guilding — Guilding’s Amazone Papegaai — gehörte ſelbſt als Balg noch zu den ſeltenſten Vögeln der Muſeen, iſt aber ſeit d. J. 1874 in zwei Köpfen in den Londoner, dann i. J. 1880 in den Amſterdamer zoologiſchen Garten und ſpäter durch A. Jamrach in London und Frl. Chr. Hagenbeck in Hamburg mehrfach in den Handel gelangt. Er iſt einer der prächtigſten: an Stirn, Ober-, Hinterkopf und Gegend ums 38 Auge weiß; Nacken, Schläfe, untere Wangen und Ohrgegend blau; Hinterhals und Halsſeiten düſtergrünlich; Mantel, Rücken und Schultern grünlich, kaſtanienbraun verwaſchen; Hinterrücken und obere Schwanzdecken mehr kaſtanienrothbraun; Spiegelfleck im Flügel lebhaft orangegelb; Handrand und Schwanzfedern am Grunddrittel gleichfalls orangegelb; ganze Unterſeite kaſtanienbraun, an Bruſt und Bauch ſchwärzlich, an Bauchmitte und Schenkeln grünlich ſcheinend; Hinterleib und untere Schwanzdecken grüngelb, ſchwach bläulich ſcheinend; Schnabel horngrau, Wachshaut grauweiß; Augen dunkel- bis rothbraun, nackter Augenkreis bläulichweiß; Füße horngrau⸗ braun, Krallen ſchwärzlich. Nahezu Rabengröße (Länge 40 cm; Flügel 22 em; Schwanz 14 cm). Heimat: Die Inſel St. Vincent. In ihren Eigenthümlichkeiten und alſo auch in der Sprachbegabung wird ſie wol mit den vorhergegangenen Verwandten überein⸗ ſtimmend ſich zeigen. Die gelbbäuchige Amazone (Psittacus [Androglossa] xanthops, Spx.) — Gelbbäuchiger Kurzflügelpapagei, Goldbauch⸗Amazone — Yellow-bellied Amazon Parrot — Amazone à ventre jaune — Geelbuik Amazone Papegaai — befand ſich in zwei Köpfen, jeden⸗ falls den erſten, welche lebend eingeführt worden, in der Sammlung des Herrn Karl Hagenbeck auf der erſten „Ornis“⸗ Ausſtellung in Berlin. Der gelbbäuchige Amazonenpapagei iſt an Stirn und Vorderkopf bis zur Kopfmitte gelb; Ober⸗ und Hinterkopf grün; Wangen und Kopfſeiten grüngelb, Wangenfleck zuweilen dunkelgelb; kein rother Spiegelfleck im Flügel; Deckfedern am Unterarm gelb; die äußeren Schwanz⸗ federn mit rothem Fleck über beide Fahnen; ganze übrige Oberſeite olivengrünlichgrasgrün; Unterſeite heller grün; Bauch mit breiter gelber, jederſeits in einen rothen Fleck endender Binde; Schnabel horngelb, Spitze weißlich, Naſenhaut weiß; 3 * # . $ 2 39 Augen braungrau bis gelbroth mit orangegelbem Ring um die Iris, nackte Haut weiß; Füße und Krallen bräunlichhorngrau. Zuweilen iſt ein breiter ſchwach blauer Stirnrand vorhanden; der ganze Kopf, Hals und die Oberkehle ſind gelb; im Nacken einige grüne Federn; Ohrgegend röthlichorangegelb; Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne breit roth, im Schwanz dagegen kein Roth; Achſeln, Bruſt⸗ und Oberbauchſeiten gelb- lichzinnoberroth; Unterſeite röthlichorangegelb; Schenkel, Hinter⸗ leib und untere Schwanzdecken grün. Krähengröße (Länge 36,5 — 40 cm; Flügel 20, —22 cm; Schwanz 10, — 12,5 cm). Heimat: weſtliches Braſilien. Die blaunkehlige Amazone (Psittacus [Androglossa] festivus, L.). Blaubart, blaubärtige Amazone, rothrückige Amazone, blaukinniger Kurzflügel⸗ papagei. — Festive Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à dos rouge, Perroquet Tavoua. — Blauwkeel Amazone Papegaai. Seit Linné her bekannt, wurde dieſe Amazone von den älteren Schriftſtellern, ſo beſonders von Buffon, als Sprecher gerühmt, der ſogar den Grau⸗ papagei übertreffen ſolle, doch habe ſie zugleich ſehr böſe Eigenſchaften, denn ſie ſei falſch und boshaft und beiße, während man ſie liebkoſe. Auch neuere Reiſende, wie Schomburgk, behaupten, daß ſie zu den gelehrigſten Papageien gehöre, ſehr deutlich ſprechen und Lieder nachpfeifen lerne. Aufmerkſame Beobachtung in letztrer Zeit hat aber ergeben, daß dieſe Ausſprüche größtentheils unrichtig ſind. Falſches, tückiſches Weſen zeigen alle Papageien, welche ſchlecht erzogen worden, und unter allen bis hierher geſchilderten, lebend eingeführten Amazonen 40 — — — — ſteht dieſe an Sprachbegabung ganz entſchieden beträchtlich zurück. Sie zeigt Stirnrand und Zügel blutroth; Augenbrauen⸗ und Schläfenſtreif hellblau; Oberkopf mit breitem grünen Fleck, Hinterkopf bis zum Nacken blau, Kopfſeiten grün; Hinterrücken und Bürzel ſcharlachroth; Flügel ohne rothen Spiegelfleck, Deckfedern der erſten Schwingen und Eckflügel dunkelblau; nur die äußerſte Schwanzfeder beiderſeits am Grunde roth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün; Unter⸗ ſeite heller grün; Kehle blau; untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel blaßfleiſchfarben, Wachshaut ſchwärzlich; Auge braun bis karminroth mit dunkelbraunem Ring um die Iris, nackte Haut ums Auge weißlichgrau; Füße grauweiß bis bräunlich⸗ horngrau, Krallen ſchwarzbraun. (Bei manchen ſind Hinter⸗ rücken, Bürzel und Schwanz einfarbig grün; ob dies das Kleid des Weibchens oder das Jugendkleid ſei, iſt noch nicht bekannt. Auch der rothe Zügel fehlt zuweilen; der grüne Fleck auf dem Oberkopf erſtreckt ſich mehr oder minder weit; der Hinterkopf iſt bis zum Nacken blau. Krähengröße (Länge 36,5 em; Flügel 19 —20 em; Schwanz 8,0 — 9,8 cm). Heimat: Mittelamerika und das nördliche und mittlere Südamerika. Im Handel erſcheint ſie nicht häufig, und daher mag es kommen, daß ſie ſchon als roher Vogel ziemlich hoch bezahlt wird. Preis 30 bis 50 Mk., ſelbſt 60 bis 75 Mk. Bodinus' Amazone (Psittacus [Androglossa] Bodini, Fusch. ). Rothſtirn⸗Amazone. — Bodinus' Amazon Parrot. — Perroquet Amazone de Bodinus. — Bodinus' Amazone Papegaai. Unter den vielen Beiſpielen, in denen die Lieb⸗ haberei und der Vogelhandel der Wiſſenſchaft große 41 Dienſte geleiſtet, ſteht die Einführung dieſer Amazone hoch obenan. Ein ſolcher Vogel befand ſich im Jahr 1872 im zoologiſchen Garten von Berlin, wurde von Dr. Finſch beſchrieben und dem Direktor Dr. Bodinus zu Ehren benannt. Er hat eine breite ſcharlachrothe Stirnbinde bis zur Kopfmitte; Zügelſtreif ſchwärz⸗ lich; Kopfſeiten bläulich; Unterrücken und Bürzel ſcharlachroth; ganze übrige Oberſeite (auch obere Schwanzdecken und Flügel⸗ rand) grün; nur die beiden äußerſten Schwanzfedern am Grunde der Innenfahne roth; kein rother Spiegelfleck im Flügel; Wangen, Kehle und übrige Unterſeite dunkelgrasgrün, ohne ſchwärzliche Federränder; Schnabel ſchwärzlich, Wachshaut grau⸗ gelb; Auge braun bis orangegelb, nackte Haut weißlich; Füße ſchwärzlichgrau, Krallen ſchwarz. Krähengröße (Länge 35 bis 36 cm; Flügel 19,,—20 em; Schwanz 9—9 % em). Heimat: Venezuela. Der blaukehligen Amazone ſehr ähnlich, unterſcheidet ſich dieſe durch den ſchwärzlichen Zügel- ſtreif und das Fehlen des blauen Augenbrauen- und Schläfenſtreifs, die bläulichen, anſtatt grünen Kopfſeiten, die grünen oberen Schwanzdecken, den grünen und nicht blauen Flügelrand, die dunklere Unterſeite und den ſchwärzlichen Schnabel. Im Jahr 1879 brachte Fräulein Hagenbeck eine zweite Bodinus' Amazone auf die Berliner Vogelausſtellung, und ſeitdem gelangt ſie immer von Zeit zu Zeit in den Handel. Ein feſtſtehender Preis läßt ſich der Seltenheit wegen nicht angeben. 42 Die St. Domingo-Amazone (Psittacus Salléi, Sel.; Androglossa ventralis, Müll.). Sallé's Amazone, weißſtirnige Portoriko-Amazone, Blaukronenamazone, Sallé's Kurzflügelpapagei. — Sallé's Amazon Parrot. — Perroquet Amazone de Salle, Perroquet Amazon de St. Domingue, Perruche à ventre pourpre. — Salle’s Amazone Papegaai. Mit dieſer Art beginnt eine Gruppe kleiner Ama⸗ zonen, welche von den Händlern gewöhnlich ſämmtlich Portoriko⸗Papageien genannt werden. Sie bleiben an Sprachbegabung und Klugheit hinter den vorauf⸗ gegangenen großen Sprechern entſchieden zurück, dagegen werden ſie in der Regel ungemein zutraulich und liebens⸗ würdig, während ſie freilich als arge Schreier ran müſſen. Sallé's Amazonenpapagei iſt an Stirn und Zügeln weiß; Vorderkopf und Scheitel düſterblau; Wangen grün; Ohrgegend ſchwarz; obere Schwanzdecken gelbgrün; Deckfedern der erſten Schwingen und Eckflügel blau; äußere Schwanz⸗ federn an der Grundhälfte ſcharlachroth, welche Färbung nach innen zu an Ausdehnung abnimmt; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, jede Feder ſchwärzlich geſäumt; Unterſeite heller grasgrün; Hinterleib mit rundem, düſter ſcharlachrothem Fleck; Schenkelgegend bläulichgrün; Schnabel gelblichhorngrau, Wachshaut weißgrau; Augen dunkelbraun bis rothbraun, nackter Augenkreis faſt reinweiß; Füße weißgrau, Krallen horngrau. Beſondere Kennzeichen: Der Mangel des rothen Stirn⸗ rands, Augenbrauenſtreifs und Spiegelflecks im Flügel; die Stirn iſt zuweilen gelblichweiß. Etwa Dohlengröße (Länge 31, —33 cm; Flügel 17,2 — 18, cm; Schwanz 9,86 10 cm). Heimat: die Inſel St. Domingo (Haiti). Der niedliche Papagei wurde ſchon von Briſſon (1760) beſchrieben und war alſo den älteren Schrift⸗ 43 ſtellern bekannt, doch hielt man ihn für das Weibchen der weißköpfigen Amazone und erſt Dr. Sclater (1857) hat ihn mit Sicherheit als Art feſtgeſtellt. Er gelangt verhältnißmäßig ſelten in den Handel und iſt auch nicht beſonders beliebt. Preis 18 bis 20 Mk. für den friſch eingeführten und 60 bis 75 Mk. für den gezähmten und abgerichteten Vogel. Die rothſtirnige Portoriko-Amazone (Psittacus [Androglossa] vittatus, Bad.). Rothſtirnige Amazone, bloß Portoriko-Amazone, rothſtirniger Kurzflügelpapagei. — Red-fronted Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à front rouge, erron&ment Perroquet de St. Domingue. — Roodvoorhoofd Amazone Papegaai. Auch dieſe Art wurde als das Weibchen einer andern angeſehen. Sie iſt von Boddaert (1783) beſchrieben, doch war bis zur neuern Zeit nichts über fie bekannt. Sie hat einen ſcharlachrothen Stirn⸗ rand; ihre ganze Oberſeite iſt dunkelgrasgrün, jede Feder mit breitem ſchwarzen Endſaum; Deckfedern der erſten Schwingen und Eckflügel düſterblau, Flügelrand meiſtens grün; äußerſte Schwanzfedern am Grunde mit rothem Fleck; Kehlfleck roth; ganze Unterſeite hellgrün, an Hals und Bruſt jede Feder ſchwarz geſäumt; Bauch und untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel horngrau, Oberſchnabel am Grunde graugelb, Wachs⸗ haut weiß; Augen braun= bis rothgelb, nackter Augenkreis weißlich; Füße bräunlichfleiſchfarben, Krallen braun. Ab⸗ änderungen: Zuweilen auch Geſicht und Oberkehle roth; Flügelrand lebhaft gelb; der rothe Kehlfleck fehlt. Beſondere Kennzeichen: bei rothem Stirnrand und blauen Deckfedern und Eckflügel kein rother Spiegelfleck im Flügel. Dohlen⸗ 44 g größe (Länge 33,3 em; Flügel 16,3 —18 cm; Schwanz 9 bis 10, em). Von dem Reiſenden Moritz wurde ſie auf Portoriko beobachtet. Sie ſoll ſcharenweiſe die Maisfelder verheren. Aus dem Neſt geraubt und von Frauen aufgezogen und abgerichtet, lerne ſie alle möglichen Töne von Menſchen und Thieren nach⸗ ahmen. Zu den gemeinſten Vögeln im Handel ge⸗ hörend, wird ſie auch von einzelnen Liebhabern recht geſchätzt, im ganzen gilt jedoch inbetreff ihrer Begabung das über die kleinen Arten Geſagte, und ihr Preis ſteht dementſprechend auch keineswegs hoch, denn man kauft ſie zwiſchen 20 bis 30 Mk., 40 bis 60, höchſtens 70 Mk. Die weißköpfige Amazone mit rothem Bauchfleck Esittacus [Androglossa] leueocephalus, L.). Rothhalſige Kuba⸗Amazone, bloß Kuba-Amazone, rothbäuchiger Kurzflügel⸗ papagei. — White-fronted Amazon Parrot. — Perroquet Amazone a tete blanche, Perroquet Amazone de Cuba. — Havana of Cuba Amazone Papegaai. Dieſer Weißkopf gehört zu den am längſten be- kannten amerikaniſchen Papageien, denn er wird ſchon von Aldrovandi erwähnt. Von Edwards zuerſt beſchrieben, hat ihn Linné wiſſenſchaftlich benannt. Die alten Schriftſteller lobten ihn ſehr, und Catesby heißt ihn ſogar Paradispapagei; auch Bechſtein zählt dieſe zu den gelehrigſten Arten und hebt hervor, daß ſie ſehr viel plaudre und überaus zahm werde. Weißköpfige Amazone mit rothem Bauchfleck (Psittacus leucocephalus T.). % natürlicher Größe. 45 Sie iſt an Stirn, Oberkopf, Zügeln und Augenrand weiß; Wangen, Ohrgegend und Kehle ſind purpurroth; obere Schwanz⸗ decken gelbgrün; Deckfedern der erſten Schwingen und Eckflügel blau; Schwanzfedern an der Grundhälfte der Innenfahne ſcharlachroth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, jede Feder mit breitem ſchwarzen Endſaum; Unterſeite grasgrün, jede Feder nur ſchmal ſchwarz geſäumt; Bauch purpurviolett; Schenkel hellblau; untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel ſchwach gelblichweiß, Wachshaut reinweiß; Augen bräunlich- bis röthlichgelb, Augenkreis weiß; Füße weißlichfleiſchfarben, Krallen fleiſchfarben. Beim Weibchen ſoll der rothe Kehlfleck ſich bis auf die Oberbruſt ausdehnen und auch die Unterbruſt purpur= violett ſein. Jugendkleid: nur die Stirn weiß; Ohrfleck mehr grauſchwärzlich; Wangen grün mit einzelnen rothen Federn. Beſondere Kennzeichen: Mangel des rothen Stirnrands und Augenbrauenſtreifs; Flügel ohne rothen Spiegelfleck; da— gegen der purpurviolette Bauch. Stark Dohlengröße (Länge 32—34 cm; Flügel 17,3 —19,3 em; Schwanz 10,3 —11 cm). Heimat: die Inſel Kuba. Ueber das Freileben hat Dr. Gundlach berichtet: „Dieſer Papagei verurſacht beſonders am Obſt Schaden, doch auch an anderen Nutzgewächſen und wird deshalb, wie auch ſeines Fleiſches wegen, welches jedoch hart ſein ſoll, verfolgt. Durch das Herunterſchlagen des Gehölzes wird er immer mehr in den Urwald zurück— gedrängt. Die Niſtzeit beginnt im April und dauert bis Juli; als Neſt wird ein Aſtloch vornehmlich in einer verdorrten Palme benutzt, und das Gelege be— ſteht in 3—4 Eiern. Die Jungen werden vielfach geraubt und aufgefüttert, und man ſchätzt ſie, weil ſie leicht Worte und Sätze nachſprechen lernen, ſehr zahm und zutraulich werden, angenehmes Weſen und ſchönes Gefieder haben.“ Unſere Liebhaber loben ihn ebenfalls als gelehrig, gutmüthig und leicht zähmbar. Er plappert ſehr gern, jagt Herr K. Petermann in Roſtock, und an- haltend, jedoch meiſtens unverſtändlich, und wenn er auch bedeutendes Unterſcheidungsvermögen und ein vorzügliches Gedächtniß hat, ſo bleibt er doch 46 an Begabung in jeder Hinſicht hinter dem Grau: papagei und den hervorragenden Amazonen zurück. Dieſer Ausſpruch iſt entſchieden zutreffend. Der genannte liebevolle Vogelpfleger hat eine ſolche Kuba⸗Amazone, welche in 22 Jahren niemals krank geweſen iſt. Der Preis ſteht nicht hoch, manchmal auf 15 bis 20 Mk., abgerichtet auf 30 bis 50 Mk. Die weißköpfige Amazone ohne rothen Bauchfleck (Psittacus Androglossa] collarius, L.). Weißköpfige Amazone, Jamaika-Amazone, weißköpfiger Kurzflügelpapagei. — Red-throated Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à gorge rouge, Perroquet Amazone de la Martinique. — Witkop Amazone Papegaai. Mit der vorigen früher vielfach verwechſelt oder zuſammengeworfen und ihr auch überaus ähnlich, iſt dieſe weißköpfige Amazone gleichfalls ſchon längſt bekannt, von Briſſon (1760) beſchrieben und von Linné benannt. Sie erſcheint an Stirn und Zügeln rein⸗ weiß; der übrige Oberkopf iſt bläulichgrün bis blau; die Kopf⸗ ſeiten und Oberkehle, auch meiſtens der Hinterhals ſind wein⸗ roth; Gegend unterm Auge blaßblau; Ohrgegend grünlichblau; obere Schwanzdecken gelbgrün; Deckfedern der erſten Schwingen bläulichgrün; alle Schwanzfedern, mit Ausnahme der beiden mittelſten reingrünen, an der Grundhälfte ſcharlachroth; ganze übrige Oberſeite grasgrün; an Nacken und Hinterhals jede Feder ſchwärzlich geſäumt; Unterſeite ſchwach heller grün; Schenkel, Hinterleib und untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel wachs⸗ gelb, Spitze des Oberſchnabels grauweiß (hellhornfarben, am Grunde blaßſchwefelgelb), Wachshaut grauweiß; Augen dunkel⸗ bis rothbraun, Augenkreis grauweiß; Füße bräunlichgelbgrau, Krallen ſchwarz. Stark Dohlengröße (Länge 32—33 cm; Flügel . 47 17—17,ı em; Schwanz 9, —10,;3 em). Unterſcheidungs— zeichen von der vorigen Art: Oberſeite einfarbig gras- grün ohne die breiten ſchwarzen Federnſäume, die nur an Nacken und Hinterhals ſchmal und ſchwach ſich zeigen; der rothe Bauchfleck fehlt. Heimat: Jamaika; dort ſoll ſie ziemlich häufig ſein. Auch fie ſchätzen manche Lieb— haber als gelehrig, doch dürfte ſie kaum die vorige erreichen!). In den Handel gelangt ſie verhältniß— mäßig ſelten und daher ſteht ihr Preis etwas höher 30, 45 bis 60 Mk. Die Brillen-Amazone (Psittacus Androglossa] albifrons, Sprrm.). Weißſtirnige Amazone, Weißſtirn-Amazone, weißzügeliger Kurzflügelpapagei. — White-browed Amazon Parrot, Spectacle Parrot. — Perroquet Amazone & front blanc, Perroquet & joues rouges. — Witvoor- hoofd Amazon Papegaai. Schon von Hernandez i. J. 1651 beſchrieben, war dieſer Papagei trotzdem in den Muſeen als Balg bisher noch immer ſelten, während er im Handel längſt, wenn auch keineswegs zu den häufigen, doch zu den bekannteren gehörte; neuerdings iſt er auch oft auf den Vogelausſtellungen aufgetaucht. Er erſcheint an Stirn und Vorderkopf weiß mit blauem Scheitelfleck, ſchmaler Stirnrand, Zügel und Streif oberhalb des Auges und Gegend breit ums Auge neben dem Schnabel ſcharlachroth (der rothe Stirnrand fehlt zuweilen); Hinterkopf und Nacken bläulichgrün; Wangen und Ohrgegend gelbgrün; *) In einzelnen Fällen iſt ſie als vorzüglicher, allerliebſter Sprecher er⸗ kannt worden. 48 Eckflügel und Deckfedern der erſten Schwingen ſcharlachroth; Flügelrand grün; die vier äußeren Schwanzfedern an der Grundhälfte über beide Fahnen roth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, jede Feder ſchwärzlich geſäumt; Unterſeite ſchwach heller grün mit verwaſchenen dunkelen Federnſäumen; Bauch und untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel graulich⸗ wachsgelb, Naſenhaut gelbgrau; Augen gelb- bis röthlichbraun, nackte Haut ums Auge ſchieferſchwarz; Füße bräunlichgrau, Krallen ſchwärzlich. Etwa Dohlengröße (Länge 31—32 cm; Flügel 18,5 —19 cm; Schwanz 9,3 —11 em). Heimat: Mexiko und Mittelamerika. Dieſe bis dahin wenig beachtete Amazone iſt von Herrn Friedrich Arnold in München mit großer Liebe geſchildert worden. „Sie ſpricht ſehr viel, aber nur wenige Worte deutlich; ſie lernt ſehr raſch und vergißt ebenſo ſchnell. Im übrigen iſt ſie ein herziger Hausfreund, der ſich von den Kindern alles gefallen, im Puppen⸗ wagen ſpazieren fahren läßt u. ſ. w.; ſie neckt auch gern ſelbſt, klettert z. B. am Vorhang genau ſo hoch, daß ihre kleinen Freunde ſie nicht erreichen können und fordert nun dieſe durch fortwährende Zurufe auf, ſie vermittelſt Stuhl und dann Tiſch weiter zu verfolgen, bis ſie endlich auf der Vorhangſtange in ſichrer Höhe gleichſam würdevoll auf- und abſchreitet. Ihren verſchiedenen Wünſchen, wie Köpfchen krauen, Pfote geben und Erlangung von Milchbrotſtückchen oder Apfelſchnittchen, muß immer bald folgegeleiſtet werden, denn wenn man dieſe beſcheidenen Anſprüche nicht beachtet, ſo zieht ſie ſich zurück und weiſt jeden Verſöhnungsverſuch mit Schnabelhieben ab. Im übrigen zerſtört ſie Alles, was ſie erreichen kann, und wenn ſie beſtraft werden ſoll, ſo weiß ſie mit wirklich bewundernswerther Verſchlagenheit durch- ganz außerordentliche Liebenswürdigkeit die Aufmerkſamkeit abzulenken. Sie iſt und bleibt daher der Liebling aller Familienmitglieder.“ Auch hier haben wir alſo eine Be⸗ ſtätigung des Urtheils über die Begabung der kleineren Amazonenarten vor uns. Der Preis beträgt der Seltenheit wegen 25 bis 30 Mk. für den ſoeben angekommnen, ſteigt aber auch nur bis zu 50 Mk. für den abgerichteten Vogel. 49 Die weißſtirnige Amazone mit gelbem Zügel- und Kopfſtreif (Psittacus [Androglossa] xantholörus, Gr.) — Gelbzügel⸗ Amazone, gelbzügeliger Kurzflügelpapagei — Yellow -lored Amazon Parrot — Perroquet Amazone à oreilles jaunes — Geeloor Amazone Papegaai — eine Art, von der Dr. Finſch noch 1867/68 ſagt, ſie ſei den meiſten Ornithologen unbekannt und ſelten in den Muſeen vorhanden, auch werde ſie immer mit der vorhergegangnen verwechſelt, hatte ich trotzdem in einem hübſchen Vogel bereits i. J. 1872 vor mir, und habe ſie dann auch ſeitdem mehrfach im Handel und namentlich auf den Ausſtellungen geſehen. Sie iſt am Vorder⸗ kopf und bis über die Scheitelmitte mehr oder minder weit hinauf reinweiß; Augenbrauen- und breiter Streif unterm Auge ſcharlachroth; Zügel und ſchmaler Streif oberhalb der rothen Augenbrauen um die Stirnplatte zitrongelb; an der Ohrgegend ein runder bräunlichſchwarzer Fleck; Deckfedern der erſten Schwingen ſcharlachroth; Schulterrand, Flügelbug und Achſeln roth; äußere Schwanzfedern mit rothem Fleck am Grund der Außen⸗ und Innenfahne; ganze übrige Oberſeite dunkel- grasgrün, jede Feder breit ſchwarz geſäumt; ganze Unterſeite heller grün, gleichfalls jede Feder breit ſchwarz geſäumt; unter⸗ ſeitige Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel düſterwachsgelb, Naſenhaut rußſchwarz; Augen braun bis orangeroth, nackte Haut ums Auge blau; Füße bräunlichgelb, Krallen braun. Beſondere Kennzeichen: Gelber Zügel; breite weiße Stirn; geringes oder garkein Blau am Oberkopf; ſchwarzer Ohrfleck; geringes Roth im Schwanz; Eckflügel grün, doch zuweilen breit roth; am Ober⸗ und Unterkörper deutliche dunkele Federnſäume. Etwa Dohlengröße (Länge 28 —30 cm; Flügel 16—18 cm; Schwanz 8,5—9 cm). Eine der kleinſten Amazonen. Heimat: Süd⸗ mexiko und Mittelamerika. Uebrigens iſt die Gelb— 4 Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 50 zügelige Amazone von Kuhl i. J. 1821 beſchrieben und von Gray i. J. 1859 benannt. Im Weſen und in der Begabung, namentlich in der Liebens⸗ würdigkeit, gleicht ſie durchaus den vorigen. Preis 30 bis 60 Mk. Prétre's Amazone (Psittacus [Androglossa] Prötrei, Tm. ). Prétre's Kurzflügelpapagei, Pracht-Amazone. — Prétre's Amazon Parrot. — Perroquet Amazone de Pretre. — Prétre's Amazone Papegaai. Bis zum Jahr 1883 war dieſe, eine der ſchönſten aller Amazonen, noch nicht lebend eingeführt, jeit- dem iſt ſie mehrmals in den Beſitz von Liebhabern gelangt und auf Ausſtellungen immer als große Seltenheit gezeigt und prämirt worden. Sie erſcheint an Stirn, Vorderkopf, Zügeln und Augenkreis ſcharlachroth; Deckfedern der erſten Schwingen, Eckflügel, Unterarm und Handrand gleichfalls ſcharlachroth; Schwanzfedern ohne Roth und wie die der ganzen übrigen Oberſeite olivengrünlich⸗ grasgrün, an der Endhälfte mehr grüngelb, am Grunde der Innenfahne mattbräunlichſchwarz; ganze Unterſeite grasgrün; Schenkelgegend ſcharlachroth; Hinterleib und untere Schwanz⸗ decken reingelbgrün; Schnabel bräunlichhorngrau, am Ober⸗ ſchnabel jederſeits ein röthlicher Fleck; Augen braun; Füße und Krallen dunkelhorngrau. Beſondere Kennzeichen: das viele Roth, insbeſondre am Kopf, und der Mangel deſſelben in den Schwanzfedern. Beim jungen Vogel iſt der Oberſchnabel röthlichgelb, Spitze fahlgelb, Unterſchnabel wachsgelb; Augen ſchwarz, mit hellem Augapfelrand, nackter Augenkreis bläulich; Schnabelwachshaut fahlgelbgrau; Füße zart bläulichhorngrau. 51 Das Roth am Flügel tritt erſt wenig hervor, insbeſondre iſt vom Roth der erſten Deckfedern noch wenig wahrzunehmen; der Flügelrand iſt roth und gelb geſchuppt; auch die Schenkel find wenig roth und etwas gelb. Die Heimat iſt Süd⸗ braſilien und Uruguay. | Die Amazone mit rothen Flügeldecken (Psittacus [Androglossa] agilis, L.) — Rothſpiegel⸗Amazone, Kurzflügelpapagei mit rothen Schwingendecken — Active Amazon Parrot — Perroquet Amazone active; Perroquet crik — Roodvleugel Amazone Papegaai — war wiederum den älteren Schriftſtellern ſchon bekannt, denn bereits Edwards (1751) hat ihn beſchrieben und Linné (1767) benannt. Buffon bezeichnet ihn als den eigentlichen „Krik“, nach welchem alle hierhergehörenden Amazonen gleich— falls mit dieſem Namen belegt worden. Er iſt am Oberkopf grünlichblau; erſte Schwingen an der Außenfahne, zweite an der Endhälfte blau; Deckfedern der erſten Schwingen zinnober— roth; Schwanzfedern am Grunde der Innenfahne gelb mit rothem Fleck, die beiden mittelſten Schwanzfedern jedoch ein— farbig grün; ganze übrige Oberſeite (auch Eckflügel, Flügelbug und die übrigen Deckfedern) grasgrün; Unterſeite kaum heller grün; untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel grauſchwarz, am Grunde des Oberſchnabels jederſeits ein hellerer Fleck, Wachshaut ſchwärzlichaſchgrau; Augen dunkelbraun; Füße und Krallen grauſchwarz. (Bei manchen, wahrſcheinlich jungen, Vögeln iſt das Roth der Deckfedern der erſten Schwingen ſehr blaß oder es fehlt beinahe ganz). Beſchreibung nach Finſch und Goſſe. In der Größe gleicht er den beiden weißſtirnigen Amazonenpapageien, und dies wird auch wol in allen übrigen Eigenthümlichkeiten der Fall ſein. Heimat: Jamaika. Bis jetzt iſt die Art in den zoologiſchen Garten von London ges langt und ſonſt noch gar nicht eingeführt worden. 4 * —52 Die rothmaskirte Amazone (Psittacus Androglossa] brasiliensis, L.). Rothmasken⸗Amazone, rothmaskirter Kurzflügelpapagei. — Red- masked Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à masque rouge. — Rood- masker Amazone Papegaai. Als ein vorzugsweiſe intereſſanter Papagei ſteht dieſe Amazone, die nicht mehr zu der Gruppe der kleinen gehört, ſondern im Gegentheil eine der größten iſt, vor uns. Sie iſt an Stirn und Oberkopf ſcharlachroth (Zügel und Stirnſeiten mattſcharlachroth, Stirn— mitte und Vorderkopf fahlroth mit gelblichgrünem Schein); Wangen und Ohrgegend blauröthlich (Streif über dem Auge und Ohrgegend kornblumenblau); Hinterkopf und Nacken grün (jede Feder mit rothem Fleck in der Mitte); Schwingen erſter und zweiter Ordnung an der Außenfahne mehr oder minder gelb; Schwanzfedern an der Endhälfte ſcharlachroth mit grün⸗ gelber Spitze, die beiden mittelſten ohne Roth; ganze übrige Oberſeite grasgrün, ohne dunkele Federnränder (doch an Mantel, oberen Flügeldecken und Schultern mit kräftig ſchwarz— blauem Schein, Rücken, Bürzel und obere Schwanzdecken rein⸗ grün); ganze Unterſeite gelbgrün; Oberkehle blauröthlich; Schnabel bräunlichhorngrau mit heller Firſt, ſchwärzlicher Spitze und jederſeits am Oberſchnabel ein gelbgrauer Fleck, Unterſchnabel gelblichhorngrau, Naſenhaut grau; Augen braun mit orangerothem Ring (zuweilen dunkelblau), nackte Haut graublau; Füße grau, Krallen ſchwarz. Als bejondres Kennzeichen iſt der ſchwarzblaue Schein des Gefieders zu betrachten. Faſt über Rabengröße (Länge 39—45 cm; Flügel 22—24 em; Schwanz 11—15 cm). Neuerdings erſt iſt Südbraſilien als Heimat ermittelt. | Im Jahr 1828 befand ſich eine rothmaskirte Amazone in der Sammlung lebender Vögel des 53 Kaiſers von Oeſterreich in Schönbrunn, viele Jahr— zehnte ſpäter hatte der Graf Hollſtein eine ſolche von ſeiner Reiſe aus Braſilien mitgebracht, die dann in den Beſitz des Herrn Karl Hagenbeck überging, welcher fie auf der großen „Ornis“- Ausſtellung in Berlin in der ſchon mehrfach er— wähnten Amazonen⸗Sammlung zeigte. Die dritte Amazone dieſer Art erlangte Herr K. Petermann in Roſtock durch den Vogelhändler A. Schäffer in Hamburg und ſeitdem iſt ſie mehrfach, wenn auch immer nur einzeln, in den Handel gekommen. Auf der „Ornis“-Ausſtellung i. J. 1890 koſtete fie 120 Mk.; neuerdings iſt ſie für 80 Mk. ausgeboten. Hagenbeck ſagt und Petermann beſtätigt es, daß dieſe Amazone überaus zahm wird und ſo ſanft ſich zeigt, daß man alles Mögliche mit ihr be— ginnen kann, ohne daß ſie beißt. Bandermann hatte i. J. 1884 einen Vogel dieſer Art, der zahm war, viel ſprach, ein Lied pfiff und leicht lernte. Die rothſchwänzige Amazone (Psittacus [Androglossa] erythrurus AVI. ). Rothſchwänziger Kurzflügelpapagei, Rothſchwanz-Amazone. — Red-tailed Amazon Parrot. — Perroquet Amazon à queue rouge. — Rood- staart Amazone Papegaai. In alter Zeit kam es vielfach vor, daß die Eingeborenen und zwar ebenſowol in Amerika wie in Indien, aus den Federn, bzl. Bälgen der ver— 54 ſchiedenſten Arten einen Vogel zuſammenſetzten und ihn als abſonderlich ſchöne, ſeltne oder noch nicht bekannte Art verhandelten; ſelbſt gegenwärtig wird dieſe Kunſt noch, wenn auch nicht häufig, betrieben. Früher wurde ſie mit ſolcher Geſchicklichkeit ausge⸗ führt, daß ſich ſogar hervorragende Gelehrte zu— weilen täuſchen ließen. Die rothſchwänzige Amazone zeigt nun aber gerade einen entgegengeſetzten Fall, indem Dr. Finſch das einzige vorhandne Stück (im Pariſer Muſeum), welches er freilich nicht ſelber geſehen, für ſolch' „Artefakt“ hielt. Drei lebende Amazonen dieſer Art brachte dann jedoch Herr Karl Hagenbeck auf die „Ornis“-Ausſtellung nach Berlin i. J. 1879, und ſomit konnte ich nach dem vor mir ſtehenden lebenden Vogel die Beſchreibung geben. Stirnrand, bis faſt zur Mitte des Oberkopfs, und Streif oberhalb der Augen ſcharlachroth; Oberkopf, Zügel, Gegend unterm Auge, Wangen und Kehle blau; Hinterkopf und Nacken grasgrün, jede Feder fein ſchwärzlich gerandet; Mantel und Rücken dunkelgrün, jede Feder breit gelb ge= randet; Unterrücken, Bürzel und obere Schwanzdecken gelblich⸗ grün; übrige Oberſeite grasgrün; Flügelrand mit ſchmalem ſcharlachrothen Streif, Flügelbug und Handrand grün; Schwanzfedern über beide Fahnen ſcharlachroth, am Grunde grün, am Ende gelbgrün; ganze Unterſeite grün, jede Feder fein ſchwärzlich gerandet; Schnabel grauweiß mit ſchwärzlicher Spitze, Wachshaut bleiblau; Auge orangeroth, nackte Haut reinblau; Füße blaugrau, Krallen ſchwarz. Krähengröße (die Maße vermag ich nicht anzugeben, doch werden dieſelben mit denen der gemeinen Amazone wol genau übereinſtimmen). 55 Von Hagenbeck's rothſchwänzigen Amazonen ge langte eine in den Beſitz des Herrn Direktor Weſterman in Amſterdam, die zweite in den zoo— logiſchen Garten von London und die dritte als Balg in die Sammlung des Herrn Dr. Sclater. 1893 brachte Fräulein Hagenbeck dieſe Art zum zweiten Mal in den Handel. Die Heimat iſt mit Sicherheit noch nicht ermittelt; dagegen kann ich hinſichtlich der Begabung dieſer Art die Annahme ausſprechen, daß ſie in derſelben, wie im ganzen Weſen von den nächſten Verwandten nicht ver⸗ ſchieden ſein und als Sprecher etwa zu den mittel- mäßigen gehören wird. — Im Jahre 1891 hat Graf H. von Berlepſch in einem Briefe an Profeſſor Dr. Reichenow darauf hingewieſen, daß dieſe Art, wie der Letztre bereits vermuthet hatte, mit der vorigen aller Wahrſcheinlichkeit nach zuſammenfällt. Die weinrothe Amazone (Psittacus [Androglossa] vinäceus, Pr. Wd.). Taubenhals⸗Amazone, rothſchnäbeliger Kurzflügelpapagei. — Vinaceous Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à couleur de vin; Amazone & bec couleur de sang. — Roodbek Amazone Papegaai. Obwol bereits Briſſon (1760) bekannt, iſt dieſe Art doch erſt von Prinz Max von Neuwied (1820) genau beſchrieben. Sie erſcheint in ihrer Färbung recht ſchön, und zwar: Stirmrand und Zügelſtreif find blutroth; Stirn dunkelgrün; Wangen gelblicholivengrün; Kopf 56 ZZ und Oberrücken dunkelgrasgrün, jede Feder ſchmal ſchwärzlich gerandet; Hinterhals lilablau, jede Feder ſchwärzlich geſäumt; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth (Schwingen zweiter Ord⸗ nung breit roth über Außen⸗ und Innenfahne), Handrand roth; äußere Schwanzfedern über beide Fahnen ſcharlachroth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün; Wangen hellgrün; Kehle mit ſcharlachrothem Fleck (der zuweilen fehlt); Bruſt und Bauch dunkelweinroth (zuweilen bis über den Hinterleib); Schenkel und untere Schwanzdecken gelbgrün; Schnabel hell⸗ bis kräftig blutroth, Spitze grauweiß, Unterſchnabel röthlich⸗ grau, Wachshaut grünlich- oder bräunlichgrau; Augen braun⸗ bis orangeroth, nackter Augenring grünlich oder bräunlich⸗ grau; Füße bläulichweiß, Krallen horngrau. Etwa Krähen⸗ größe (Länge 34 em; Flügel 19,2 —21,3 em; Schwanz 10, bis 11 em). Heimat: Oſt⸗ und Südbraſilien nebſt Paraguay. Herr Petermann, der fie in der Heimat be= obachtet, traf ſie in den hohen, üppigen Urwäldern der Küſten von St. Katharina mehrmals in großen, lärmenden Schwärmen, auch hat er ſie vielfach im Käfig gehalten. In der Erregung ſträubt ſie die Nacken⸗ federn und, ſo ſchreibt Herr Petermann, ihre orangerothen Augen verrathen unbändigen Trotz, doch iſt ſie nicht bösartig, ſondern ſanft, und ſelbſt alte flügellahm geſchoſſene wurden bald zahm. In der Gefangenſchaft zeigt ſie ſich überaus ruhig, aber klug und gelehrig, doch lernt ſie nur verhältniß— mäßig wenig und auch nicht beſonders deutlich ſprechen; ſie dürfte in dieſer Beziehung nur zu den Sprechern zweiten Ranges gehören. Sie gelangt nicht häufig in den Handel und ſteht ziemlich hoch im Preiſe: 40 bis 75 M. für den friſch eingeführten Vogel. 57 Die ſcharlachſtirnige Amazone (Psittacus coccinifrons, Sne.; Androglossa viri- digenalis, Cass.). Grünwangen-Amazone, grünwangiger Kurzflügelpapagei. — Green-cheeked Amazon Parrot. — Perroquet Amazone & front d’&carlate, Perroquet Amazone & joues vertes. — Groenwang Amazone Papegaai. Sie wurde von Leſſon (1844) erwähnt und von Caſſin (1853) zuerſt beſchrieben. Sie iſt an Stirn, Zügeln und Vorderkopf (zuweilen auch Ober- und Hinterkopf) ſcharlachroth, Wangen ſmaragdgrün, Streif oberhalb der Augen um Schläfe und Ohr blau; Spiegelfleck im Flügel ſcharlach— roth (Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne roth); Flügelrand und Decken grün; äußerſte Schwanzfedern nur an der Innenfahne ſchwach röthlich; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün, jede Feder ſchwarz geſäumt; Unterſeite gelb⸗ grün mit ſchmalen und verwaſchenen dunkelen Federnſäumen; Schnabel weißgelblichgrau, Oberſchnabel jederſeits mit gelb— lichem Fleck, Wachshaut grauweiß; Augen blaßſtrohgelb bis röthlichgelb, nackte Haut grauweiß; Füße gelblichhorngrau, zu— weilen blaugrau, Krallen ſchwärzlich. Beſondere Kenn— zeichen: einfarbig grüne Unterſeite, ohne ſchwarze Endſäume der Federn, und am Grunde grüne Schwingen erſter Ord— nung. Etwa Krähengröße (Länge 35,,—36 em; Flügel 20 bis 21 em; Schwanz 10, —11 cm). Heimat: Neu⸗ Granada und Ekuador. Im Jahr 1863 gelangte ſie in den zoologiſchen Garten von London, wurde i. J. 1878 von Fräulein Hagenbeck in zwei Köpfen eingeführt, wie ſich auch ein ſolcher in der Samm— lung des Herrn Karl Hagenbeck befand; ſeitdem iſt ſie hin und wieder, jedoch nur ſelten, einzeln an— geboten worden; trotzdem ſteht ſie aber nicht zu 58 hoch im Preiſe, denn man kauft den friſch einge⸗ führten Vogel für 25, 30, 36 M. und ſprechende für 50 bis 100 M. Ueber ihre Sprachbegabung iſt nichts beſondres bekannt. Finſch' Amazone (Psittacus [Androglossa] Finschi, Scl. ). Blaukappen⸗Amazone, Finſch' Kurzflügelpapagei. — Finsch' Amazon Parrot. — Berroquet Amazone de Finsch. — Finsch’ Amazone Papegaai. Dieſe Amazone wurde bis vor kurzem mit der vorigen verwechſelt, dann aber von Dr. Sclater beſchrieben und nach dem hochverdienten Papageien⸗ kundigen benannt. Sie erſcheint in folgender Weiſe ge⸗ färbt: Stirnrand (zuweilen faſt bis zur Kopfmitte) und Zügel dunkelblutroth, am Oberkopf jede dunkelgrasgrüne Feder mit lilablauem Endſaum; am Nacken jede Feder mit breitem ſchwarzen Endſaum, am Mantel undeutlicher; Wangen und Ohrgegend grasgrün; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth (Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne roth), Ed- flügel und Flügelrand grün; Schwanzfedern ohne Roth; ganze übrige Oberſeite dunkelgrasgrün; ganze Unterſeite kaum heller grün, jede Feder deutlich ſchwarz geſäumt; Schnabel gelblich⸗ horngrau, Oberſchnabel mit dunkelgelbem Fleck, Wachshaut grauweiß; Augen röthlichgelb, nackte Haut blaugrau; Füße und Krallen blaugrau. Beſondere Kennzeichen: Ober⸗ und Hinterkopf blau; Grundhälfte der erſten Schwingen ſchwarz; Unterſeite mit deutlichen ſchwarzen Federnſäumen. Etwas unter Krähengröße (Länge 32, —34 em; Flügel 20,23, em; Schwanz 10-10, em). Heimat: Mexiko. Jetzt kommt ſie hin und wieder einzeln in den Handel und auf die Ausſtellungen. Preis 30, 50 bis 75 Mk. 59 Die gelbwangige Amazone | (Psittacus [Androglossa] autumnalis, L.). Gelbwangen⸗ Amazone, Herbſt-Amazone, gelbwangiger Kurzflügelpapagei. — Yellow-cheeked Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à joues jaunes ou à jaunes oranges. — Geelwang Amazone Papegaai. Die Herbſtamazone, wie ſie in der Liebhaberei gewöhnlich heißt, wurde, obwol ſchon lange bekannt, nämlich von Edwards (1750) abgebildet und be— ſchrieben und von Linné benannt, doch bis zur neueſten Zeit von den Vogelkundigen gleicherweiſe wie von den Händlern faſt immer mit der Diadem— amazone verwechſelt oder zuſammengeworfen, und dies geſchieht nicht ſelten noch gegenwärtig. Sie iſt an Stirnrand und Zügeln ſcharlachroth, Oberkopf grün, jede Feder mit lilablauem Endſaum (zuweilen kräftig blau ſcheinend); Wangen grasgrün; Wangen- oder Bartfleck hoch- bis rothgelb; Nackenfedern grasgrün, fein ſchwärzlich geſäumt; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth (Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne roth), Flügelbug grün; nur die äußerſten Schwanz— federn mit verwaſchen rothem Fleck; ganze übrige Oberſeite grasgrün; Unterſeite gelbgrün (zuweilen mit ſchwärzlichen Federnrändern); Schnabel horngrau, Spitze und Unterſchnabel ſchwarz, Wachshaut fleiſchfarbenweiß; Auge roth mit feinem gelben Irisrand, nackter Augenkreis weißlich; Füße weißlich— grau, Krallen ſchwärzlich. Etwa Krähengröße (Länge 36,5 cm; Flügel 18—20,. cm; Schwanz 10—10,; cm). An den be- jonderen Kennzeichen: rother Stirn und rothen Zügeln, mehr oder minder lebhaft blauem Oberkopf und hochgelbem Wangen⸗ oder Bartfleck iſt er von den Verwandten, vornehmlich der Diadem⸗Amazone, zu unterſcheiden; zuweilen iſt die Kehle roth gefleckt. Heimat: Südmexiko und Mittelamerika. Die gelbwangige Amazone gelangte i. J. 1869 zuerſt 60 in den zoologiſchen Garten von London und kommt etwa ſeit 1878 auf den Ausſtellungen und in den Vogelhandlungen bei uns hin und wieder vor. Die fünf Köpfe, welche die „Ornis“-Ausſtellung i. J. 1879 von Herrn Karl und Fräulein Chr. Hagenbeck auf⸗ zuweiſen hatte, ließen mit voller Entſchiedenheit die Unterſcheidungszeichen der beiden nahverwandten Arten erkennen. Gegenwärtig iſt eine gelbwangige Amazone im Berliner zoologiſchen Garten. Hin⸗ ſichtlich der Begabung und Abrichtungsfähigkeit darf man dieſe beiden Amazonen nur als Sprecher zweiten Rangs anſehen; ſie ſtehen daher, obwol ſie ſelten ſind, doch nicht hoch im Preiſe: 30 bis 50 Mk. für den friſch eingeführten Vogel. Die Diadem-Amazone (Psittacus [Androglossa] diadematus, Spa.). Amazone mit lilafarbnem Scheitel, lilaſcheiteliger Kurzflügelpapagei. — Dia- demed Amazon Parrot. — Perroquet Amazone à diademe, Perro- quet Amazone couronné. — Kroonen Amazone Papegaai. Schmaler Stirnrand und Zügel dunkelſcharlachroth; Ober— kopf und Nacken grün, jede Feder mit breitem blaßlilablauen Endſaum, Hinterkopf gelblich; Zügel, Wangen und Kopfſeiten ſmaragdgrün; Spiegelfleck im Flügel ſcharlachroth (Schwingen zweiter Ordnung an der Außenfahne roth), Flügelrand und ⸗Decken grün; äußerſte Schwanzfedern an der Außenfahne hochroth; ganze Oberſeite grasgrün, ohne dunkele Federnſäume; Unterſeite heller grasgrün, gleichfalls ohne dunkele Federn⸗ ſäume; Schnabel gelb, Oberſchnabel längs des Rands und der Spitze ſchwärzlich, Wachshaut weißgrau; Augen dunkelgrün bis ſchwarz mit großem, nacktem, weißgrauem Kreis; Füße Die Diadem-Amazone (Psittacus diadematus, Spix). Heck's Amazone (Psittacus Hecki, Reichen.). ¼ natürlicher Größe. 61 und Krallen ſchwärzlichgrau. Etwa Krähengröße (Länge 36,5 em; Flügel 18 — 20 em; Schwanz 10—10,, cm). Beſondere Kennzeichen: dunkelſcharlachrother Stirnſtreif und Zügel; lilablauer Oberkopf; Wangen und Kopfſeiten ſmaragdgrün, nur mit einem gelben Fleck unterm Auge. Heimat: nördliches Südamerika und Gebiet des Amazonenſtroms. Dieſe Art wurde von Spix (1825) beſchrieben und auch abgebildet. In der Sammlung des Kaiſers von Oeſterreich in Schön— brunn befand ſich ſchon i. J. 1845 eine Diadem⸗ Amazone, in den zoologiſchen Garten von London gelangte ſie i. J. 1871; auf den Berliner Aus⸗ ſtellungen iſt ſie ſeit dem Jahre 1876 immer in einzelnen Köpfen aufgetaucht. In allen Eigenthüm⸗ lichkeiten iſt ſie mit den vorigen übereinſtimmend. Ihr Preis beträgt 30, 45 bis 60 M. Heck's Amazone (Psittacus [Androglossa] Hecki, Heich. ). Zu Ehren des gegenwärtigen Direktors vom zoologiſchen Garten von Berlin, Herrn Dr. L. Heck, wurde eine von Profeſſor Dr. A. Reichenow i. J. 1891 neu beſchriebne Art benannt: Stirnrand ſcharlach— roth; die grünen Federn am Oberkopf mit blaß roſarothen Säumen, an Hinterkopf und Nacken mit blaßblauen Säumen, am Hinterhals mit breitblauen Säumen; Wangen und Kopf⸗ ſeiten ſmaragdgrün; Gegend des Oberkiefers und Unterkiefers nebſt Oberkehle dunkelroth; Halsſeiten gelblichgrün; Rücken und ganze übrige Oberſeite grasgrün, ohne dunkle Federnſäume; Flügelrand grünlichgelb; Schwingen zweiter Ordnung an der 62 Außenfahne roth, erſte Schwingen mit ſchwarzem Enddrittel; äußerſte Schwanzfedern an der Außenfahne roth; alle Schwanz⸗ federn oberſeits gelblichgrün, unterſeits heller grünlichgelb; Unterkörper neben der blutrothen Kehle und den rothgefärbten Halsſeiten grünlichgelb; Oberbruſt und ganze übrige Unterſeite gelblichgrün, ohne jede Zeichnung; Oberſchnabel wachsgelb mit ſchwärzlicher Spitze und Schneidenrändern, Unterſeite ſchwärzlich⸗ horngrau; Augen röthlichbraun mit weißlichgrauer Wachshaut; Füße weißlichhorngrau mit ſchwärzlichen Krallen. Als Heimat wird Kolumbien angegeben. Der Vogel befindet ſich bis zum heutigen Tage (Anfang April 1896) munter und friſch im Berliner zoologiſchen Garten. Dufresne's Amazone (Psittacus [Androglossa] Dufresnei Sws.). Granada-Amazone, Goldmasken-Amazone, Dufresne's Kurzflügelpapagei. — Dufresne's Amazon Parrot. — Perroquet Amazone de Dufresne. — Dufresne's Amazone Papegaai. Gelber Zügel, blaue Wangen und rother Vorderkopf ſind die beſonderen Kennzeichen dieſer Art. Sie iſt gras⸗ grün, an Hinterkopf und Nacken jede Feder mit ſchmalem, ſchwärzlichem Endſaum; Vorderkopf ſcharlachroth, Zügel hoch— gelb, Wangen und Oberkehle himmelblau; an Rücken und Mantel jede grüne Feder ſchwärzlich geſäumt; Spiegelfleck im Flügel zinnoberroth (die erſten drei Schwingen zweiter Ord— nung an der Außenfahne roth); Flügelrand und -Decken grün; die fünf äußerſten Schwanzfedern mit großem blutrothen Fleck; ganze Unterſeite heller grün, ohne dunkele Federnränder; Schnabel hell- bis korallroth, Wachshaut röthlichweiß; Augen orangeroth, nackte Haut weiß; Füße gelblichgrau, Krallen horngrau. (Zuweilen iſt der ganze Vorderkopf ſcharlachroth, nebſt Zügelſtreif auch Schnabelgrund und Oberkehle gelb, nebſt Wangen auch die Kehle blau.) Etwa Krähengröße (Länge 63 36,5 em; Flügel 18—20 cm; Schwanz 10—10,, cm). Heimat: vom mittlern und nördlichen Brafilien bis Guiana und Neugranada. In der Sammlung des Kaiſers von Oeſterreich in Schönbrunn befand ſich eine Dufresne's Amazone bereits i. J. 1830; zu uns iſt dieſelbe in neuerer Zeit hin und wieder in den Handel gebracht, doch gehört ſie immerhin zu den ſeltenen Arten. Inbe⸗ treff ihrer Begabung ſind die Meinungen ſchon bei den Reiſenden verſchieden, denn während der Prinz von Wied behauptet, daß ſie ſehr gelehrig ſei und leicht ſprechen lerne, verneint dies Schomburgf. Herr Petermann ſagt: er habe dieſen beſonders prächtigen Papagei in Braſilien vielfach und noch in der Provinz Santa Katharina als Brutvogel beobachtet. Sein Ruf jet wohl— klingend und erſchalle wie „noat“. An demſelben könne man ihn ſogleich von allen Verwandten unterſcheiden. Die Brut enthalte bis zu drei Jungen. Nach der Niſtzeit ſchweifen ſie familienweiſe umher, ſammeln ſich aber niemals zu großen Scharen an. Seiner hervorragenden Sprachbegabung wegen ſei er hochgeſchätzt und werde ſchon dort mit 100 Milreis bezahlt. Preis bei uns 36 bis 60 M. für den noch faſt rohen Vogel. Die blauwangige Amazone (Psittacus coeligenus, Lwrne.; Androglossa caeruligena, Lawr.) — Blauwangen⸗ Amazone — Blue-cheeked Amazon Parrot — Perroquet Amazone à joues bleues — Blauwwang Amazone Papegaai —, erſt i. J. 1880 von George N. Lawrence beſchrieben, iſt an Stirn und Kopf⸗ ſeiten matt gelblichorange, Wangen hell himmelblau, am Ober— kopf grünlichhellgelb, Hinterkopf und Nacken ſchwärzlich dunfel- grün; Rücken und obere Schwanzdecken dunkelgrün; Spiegelfleck 64 im Flügel orangeroth (Schwingen zweiter Ordnung mit orange⸗ rothem Fleck und tiefblauer Spitze), Flügelrand blaßgelb; die äußeren Schwanzfedern am Ende blaßgelb; ganze übrige Oberſeite dunkelgrün; Kehle bläulichhellgrün; Bruſt und Unter⸗ leib gelblichgrün, jede Feder ſchmal ſchwärzlich gerandet; Ober⸗ ſchnabel hellhorngrau, jederſeits mit röthlichem Fleck, Unter⸗ ſchnabel dunkelhorngrau; Auge?; Füße ſchwärzlichgrau. Etwa Krähengröße (Länge 34 cm; Flügel 22, em; Schwanz 13 em). Von Geſtalt gedrungen mit kräftigem Schnabel und gleichen Füßen. Heimat: Guiana. Beſchreibung von Dr. Finſch nach einem Vogel, welcher im Winter 1875/76 erlegt worden; ein zweiter gelangte lebend in den zoologiſchen Garten von London; einen dritten führte im Sommer 1886 H. Fockel⸗ mann in Hamburg ein. Einkauf, Verpflegung und Abrichtung. Beim Einkauf einer Amazone iſt es, ebenſo wie bei dem eines jeden andern derartigen Vogels, noth⸗ wendig, auf beſtimmte Geſundheitskennzeichen zu achten: Der Papagei muß feine natürliche Leb- haftigkeit und ein glatt und ſchmuck anliegendes, beſonders am Unterleib nicht beſchmutztes Gefieder, klare und lebhafte, nicht trübe oder matte Augen, nicht ſchmutzige, naſſe oder verklebte Naſenlöcher und keinen ſcharf und ſpitz hervortretenden Bruſt⸗ knochen haben; er darf nicht traurig fein, be— wegungslos und mit ſtruppigem oder aufgeblähtem Gefieder daſitzen, in der Ruhe nicht kurzathmig erſcheinen oder beim Athemholen gar den Schnabel 65 aufſperren und namentlich nicht zeitweiſe einen ſchmatzenden Ton hören laſſen; der Unterleib darf weder ſtark eingefallen, noch aufgetrieben, am wenigſten aber entzündlich roth ausſehen. Viele Amazonen zeigen nach der Einführung mehr oder minder ſtark beſchnittene Flügel. Dies iſt ein großer Uebelſtand, gegen den wir aber vergeblich ankämpfen, weil nämlich das Flügelverſchneiden geſchieht, um das Entkommen der Vögel theils ſchon in der Heimat, theils auf den Schiffen zu verhindern. Bei den großen Sprechern erſcheint dies umſomehr bedauernswerth, da es oft jahrelang währt, bis die Stümpfe durch neue Federn erſetzt werden, und da jeder ſehr entfederte Papagei vorzugsweiſe ſorg— fältiger und vor allem kenntnißreicher Verpflegung bedarf. Nur dann, wenn ein ſolcher vollkräftig und wohlbeleibt ſich zeigt, mag man ihn ohne Beſorgniß kaufen. Zum befriedigenden Einkauf gibt es verſchiedene Wege, doch muß man, gleichviel welchen man ein- ſchlagen will, ſtets aufmerkſam und mindeſtens mit einigen Kenntniſſen zuwerke gehen, denn der Handel mit lebenden Thieren hat immer ſeine Schatten⸗ ſeiten, die nur zu leicht Täuſchung, Verdruß und Verleidung der ganzen Liebhaberei bringen können. Wer noch jeder Erfahrung ermangelt, dürfte am beſten daran thun, einen bereits eingewöhnten und wenigſtens zum Theil abgerichteten a Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 66 zu kaufen. In dieſem Fall kommt freilich der Preis bedeutungsvoll inbetracht und nur, wenn man die Ausgabe von wenigſtens 45 Mark nicht zu ſcheuen braucht, iſt es rathſam, einen ſchon etwas ſprechenden Amazonenpapagei anzuſchaffen; denn man erſpart ſich ja nicht allein die Mühe der Selbſtabrichtung und das Wagniß, daß man einen ganz untaug⸗ lichen oder doch ſtümperhaften Vogel bekomme, ſondern man hat auch nicht zu befürchten, daß der Papagei bei der Eingewöhnung und Abrichtung zu⸗ grunde gehe. Nicht vernachläſſigen wolle man bei ſolchem Einkauf, daß man die volle Gewähr dafür haben muß, einen entſchieden ehrenhaften Verkäufer vor ſich zu ſehen; andernfalls wird man immer in die Gefahr gerathen, arg übervortheilt zu werden. Der Werth eines ſolchen Sprechers beruht ja eigent— lich durchaus auf Einbildung; oft hört man die Bemerkung, daß ein ſprechender Papagei geradezu unbezahlbar ſei, denn der Beſitzer oder die Beſitzerin will ihn eben um keinen Preis fortgeben. Und inanbetracht deſſen, daß gut und ſachgemäß ver⸗ pflegte Papageien in der Regel überaus ausdauernd ſich zeigen und ſehr alt werden, und daß alſo bei dem eingewöhnten Vogel nicht leicht die Gefahr eines Verluſts vorhanden ſein kann, ferner, daß ein guter Sprecher zu angemeßnem Preiſe jederzeit wieder unſchwer zu verwerthen iſt, darf ich vom Ankauf eines ſolchen nicht abrathen. Dabei iſt 67 folgendes zu berückſichtigen. Zunächſt laſſe man ſich vom Verkäufer möglichſt genaue Angaben darüber machen, was der Vogel leiſten kann; man verlange ſolche in gewiſſenhafter Weiſe und bedinge ausdrücklich, daß dieſelben lieber zu wenig als zu viel beſagen. Noch nothwendiger iſt es, daß der Verkäufer eingehende Auskunft über die bis— herige Verpflegung, bzl. Fütterung und Haltung ertheile. Vortheilhafter iſt es unter Umſtänden aller⸗ dings, wenn man einen ganz rohen oder doch erſt wenig abgerichteten Papagei kauft, um den Unter⸗ richt, bzl. die weitre Fortbildung ſelbſt zu über⸗ nehmen. Der billige Preis macht dann ja auch das Wagniß, daß man einen kranken Vogel erhalten könne, der trotz ſorgſamſter Pflege vielleicht eingeht, oder daß er ein ſtörriſcher, kaum oder garnicht gelehriger alter Schreier ſei, nicht zu ſchwer. Wer die Gelegenheit dazu findet und in der Kenntniß dieſer Vögel ſchon einigermaßen bewandert iſt, thut am beſten daran, ſich beim Händler die Amazone ſelber auszuſuchen. Andernfalls muß man ſich auf die Redlichkeit des Verkäufers verlaſſen. Zur Behandlung, Verpflegung und Ab— richtung eines ſolchen rohen Vogels bedarf es, wie bereits geſagt, reicher Erfahrungen, bei deren Mangel man ſich nur zu leicht Verdrießlichkeiten und Verluſten ausſetzt. Vor allem iſt auch hier 5 * 68 Kenntniß der bisherigen Verpflegung nothwendig. Wenn die meiſtens noch ſehr jugendlichen Papageien ſoeben all' die Beſchwerden und Gefahren der Reiſe durchgemacht haben, nun einen harten Kampf ums Daſein in der Gewöhnung an das rauhe Klima, die veränderte Ernährung und ganz andre, ſie gar ſehr beängſtigende Behandlung durchmachen müſſen, wenn ſie dabei weder vor Zugluft, noch plötzlichen Wärmeſchwankungen und anderen ſchädlichen Ein⸗ flüſſen genügend geſchützt werden und ſich dennoch erhalten, ſo liegt darin wol der Beweis dafür, daß fie eine außerordentliche, ſtaunenswerth zähe Lebens— kraft haben. Erklärlicherweiſe geht dabei manch' einer zugrunde, und um dies zu vermeiden, beachte man vornehmlich die Regel, daß jeder Vogel, wie jedes Thier überhaupt, bei allmählichem Uebergang ſich von einem Nahrungsmittel zum andern un— ſchwer und gefahrlos überführen läßt, während ihm jeder plötzliche Wechſel faſt immer Verderben bringt. Man verpflege ihn alſo in der erſten Zeit genau nach den Angaben des Verkäufers und gewöhne ihn dann, je nach ſeinem Befinden, vielleicht erſt nach Wochen, an die zuträglicheren Futtermittel, die ich weiterhin angeben werde, und zwar, indem man nach und nach die Gabe des bisherigen Futters verringert und von dem neuen mehr hinzugibt. Im Nothfall muß man die Annahme des letztern durch Hunger zu erreichen ſuchen. Vortreffliche 69 Dienſte leistet bei ſolchem Wechſel das Beiſpiel eines bereits längſt eingewöhnten Genoſſen, den man neben den angekommenen bringt. — Bei jedem Handel mit lebenden Thieren laſſen ſich einerſeits Selbſttäuſchungen nur ſchwer ver— meiden und kommen andrerſeits mehr als ſonſtwo Unredlichkeiten vor. Es iſt eine trübſelige, jedoch leider unumſtößliche Thatſache, daß hier nur zu oft Einer den Andern zu übervortheilen ſucht, und daß man wirkliche oder vermeintliche, unabſichtliche oder geplante Unredlichkeiten hier manchmal ſelbſt bei ſonſt durchaus achtungswerthen Leuten vor ſich ſieht. Wer einen liebgewordenen Papagei beſitzt, ein talentvolles Thier vielleicht nach vielen Fehl— ſchlägen endlich erlangt hat, täuſcht ſich leicht ſelber, und wenn ſolch' Vogel ein oder einige Worte wirklich inne hat, ſo hält man ihn wol bereits für einen ausgezeichneten Sprecher und gibt ihn auch in voller Ueberzeugung dafür aus. Nun treten möglicherweiſe Verhältniſſe ein, die den Verkauf nothwendig oder doch wünſchenswerth machen — und dann wird in harmloſer Weiſe beiweitem mehr gejagt, bzl. verſprochen, als die Thatſächlichkeit er- gibt. Im Gegenſatz dazu wiegt ſich ebenſo jeder Käufer in übertriebenen Erwartungen; er will einen vorzüglichen Sprecher erlangen, dagegen einen mög⸗ lichſt geringen Preis zahlen. So ſind gegenſeitige Täuſchungen und damit Zank und Streit unaus⸗ 70 bleiblich. Unleugbar aber haben wir hier auch recht viele Menſchen vor uns, welche in unverantwort⸗ licher Weiſe auf die Einfalt und Leichtgläubigkeit Anderer bauen und den ſprechenden Papagei weit über ſein Können und ſeinen Werth hinaus an⸗ preiſen und verkaufen; ja, ſchließlich kommen Fälle von harſträubendem Betrug vor, indem noch ganz rohe oder alte, unbegabte Papageien als vorzüg⸗ liche Sprecher verkauft werden. Ein weitrer großer Uebelſtand, den man unter Umſtänden geradezu als Unfug bezeichnen kann, tritt uns in den ſogenannten „akklimatiſirten“ Vögeln entgegen. Als ſolche werden vielfach Papageien ausgeboten, von denen die unerfahrenen Käufer glauben ſollen und auch wirklich vielfach ſich über⸗ zeugt halten, daß ſie die beſte Gewähr guter Be⸗ ſchaffenheit in jeder Hinſicht bieten. Nun iſt aber der Begriff „akklimatiſirt' weit ausdehnbar oder er wird doch nur zu ſehr erweitert. Streng genommen kann man als einen akklimatiſirten Vogel nur einen ſolchen anſehen, der nach allen Geſundheitszeichen hin tadellos erſcheint, ſowie vor allem hinſichtlich der Fütterung und Verpflegung vollkommen einge⸗ wöhnt iſt. Die Verkäufer aber, insbeſondere die Händler, bezeichnen bisweilen im Gegenſatz dazu jeden Papagei ſchon als akklimatiſirt, der ſich nur einiger⸗ maßen an das veränderte Klima und die neue Fütterung gewöhnt und einige Monate oder wol 71 gar nur einige Wochen erhalten hat, gleichviel wie ſein Aeußeres beſchaffen ſei. Jeder geringſte Zufall, insbeſondere die Beſchwerden einer weiten Ver⸗ ſendung, zumal bei ungünſtiger Witterung, können dann aber Erkrankung und Tod herbeiführen — und die Gewähr oder „Garantie“ ſolcher ‚Akklima⸗ tiſirung“ iſt alſo nichts andres als eine lere Redensart. Der nächſte Punkt, welcher gleichfalls zu Streitig⸗ keiten und noch dazu unnöthigerweiſe führt, liegt in der mangelnden Kenntniß und Geduld ſeitens des Käufers begründet. Selbſt bei einem vorzüglichen, hoch begabten und gut abgerichteten Papagei muß man darauf gefaßt ſein, daß er in den erſten Tagen, manchmal ſelbſt Wochen, nichts hören läßt. Man wolle bedenken, daß jeder derartige Vogel nur dann ſpricht, bzl. ſeine Kenntniſſe zur Geltung bringt, wenn er ſich einerſeits körperlich durchaus wohl und andrerſeits ſicher und behaglich fühlt. Darin liegt ja eben ein Beweis für die hohe Begabung eines ſolchen Vogels, daß er mit ſcharfer Beobachtung die Verhältniſſe ermißt, ſich nur allmählich in die neue Lage findet und dann erſt in derſelben wohlfühlt. Die Verſendung im Großhandel geſchieht in Holz⸗ kiſten, welche nur an der vordern Seite vergitttert ſind, während dieſe in der Regel zugleich abgeſchrägt iſt, ſodaß man ſehen kann, wohin das Futter geſtreut wird. Die Thür befindet ſich entweder vorn am Gitter oder in der Hinterwand und iſt ges 72 wöhnlich nur fo groß, daß man den Vogel gerade hindurch bekommt. Futtergefäße ſind in der Regel nicht vor⸗ handen, ſondern das Futter wird einfach auf den Boden geworfen. Waſſer bekommen die großen Papageien ja meiſtens leider garnicht oder es wird ihnen täglich in irdenen Töpfen hineingereicht. Die meiſten Käfige ſind auch nicht einmal mit einer Vorrichtung zum Reinigen ausgeſtattet, und ſo bleiben denn Schmutz, Hülſen und andere Abgänge, ſowie die Entlerungen faulend auf dem Boden liegen und verpeſten die Luft. Am übelſten ſind die Käfige, in denen angeblich 1 „Seeleute“ nach Berlin und anderen großen Städten noch rohe Papageien (meiſtens allerdings nur Graupapageien und dann faſt ſämmtlich Todeskandidaten) bringen, um ſie zu billigen Preiſen, bis zu 10 Mk. für den Kopf hinab, zu ver⸗ ſchachern. Nur ein länglich⸗viereckiger Kaſten, eine Kiſte, die zur Verſchickung irgendwelcher Waren gedient hat, enthält „in drangvoll⸗fürchterlicher Enge“ beiweitem zu viele der bedauerns⸗ werthen Vögel, die zunächſt in der Hitze und ſchlechten Luft des geſchloßnen Raums und noch dazu ohne Trinkwaſſer arg leiden und die den gekochten Mais u. a. ſo verzehren müſſen, wie er ihnen naß oder doch recht feucht auf den Boden ge— worfen wird, wo ſie ihn in dem faſt eine halbe Hand hoch aufgehäuften Schmutz und Unrath leider nur zu bald zer— trampeln, um ihn dann im Hunger ſammt dem ekelhaften Schmutz hinunterzufreſſen. Zum Verſandt im Binnenlande, ſei es ſeitens der Händler an die Liebhaber oder der letzeren an einander, ſind Käfige im allgemeinen Gebrauch, die für dieſen Zweck recht praktiſch, aber ſehr roh erſcheinen. 73 Ein ſolcher beſteht in einem einfachen langgeſtreckten Holzkaſten, deſſen Vorderſeite an der obern Hälfte vergittert und für die großen, ſowie für alle ſtark nagenden Papageien überhaupt in der Regel mit dünnem Blech innen ausgeſchlagen iſt; die Oberſeite ſchrägt ſich der Geſtalt des Vogels entſprechend, nach hinten zu ab, ſodaß die Hinterwand nur etwa zwei Drittel von der Höhe der N Vorderwand be⸗ trägt. Entweder die Oberwand oder die Hinterwand bilden einen einſchiebbaren Deckel, bzl. die Thür, durch welche der . Vogel hineingebracht und herausgenommen wird. Vorn unter⸗ halb des Gitters haben dieſe Kaſten einen durch Holzleiſte oder Brettchen vom Boden abgetheilten Raum für das Futter und etwas weiter hinten eine unmittelbar über dem Boden befindliche dicke Sitzſtange; meiſtens enthalten ſie kein Waſſergefäß und oft genug fehlt auch die Futter- und Sitzvorrichtung. Man nimmt allerdings mit Recht an, daß ein Papagei auf kürzeren Reiſen von 1 ſelbſt bis 3 Tagen durſten darf, ohne Schaden zu leiden, während im Gegenſatz dazu ein Waſſergefäß ihm verderblich werden kann, denn bei kühler, unfreundlicher Witterung zieht das beim Fahren überſpritzende Waſſer ihm leicht Erkältung, bzl. andere Erkrankungen, zu. Man ſucht dies vielfach durch einen Schwamm zu ver⸗ hindern, allein derſelbe wird von dem Papagei in der Regel herausgezupft und näßt ihn dann erſtrecht oder wird von ihm zerpflückt und zum Theil ge⸗ 74 freſſen und bringt ihm im letztern Fall noch üblere Erkrankung. Engliſche Händler füllen das Trink⸗ gefäß mit in Waſſer erweichtem Weißbrot an, doch dieſes ſäuert leicht und verurſacht Durchfall und andere Krankheiten. Die hier und da gebrauchten pneumatiſchen Trinkgefäße dürften, wenn ſie ganz von Metall, Zink oder verzinntem Eiſenblech ſind, für Papageien bei weiter Verſendung empfehlens⸗ werth fein; der Käfig muß dann aber eine be⸗ deutendere Größe als die gebräuchlichen haben, damit ſich ſolch' Gefäß darin unterbringen laſſe, ohne den Vogel zu ſehr zu beengen; je weiter die Reiſe, deſto mehr Raum iſt überhaupt nothwendig. Bei kurzen Entfernungen iſt es am beſten, wenn das Waſſer, wie erwähnt, ganz fortbleibt. Zur Verſendung in kalter Jahreszeit werden von den Käfigfabriken be⸗ ſondere Winter⸗Verſandtbauer hergeſtellt, welche in einem Doppelkaſten mit drahtvergittertem Fenſter an dem Außenkaſten beſtehen, während der innere ein gewöhnlicher Verſandtkaſten iſt. Empfang und Eingewöhnung. Für jeden beſtellten, bzl. erwarteten Papagei halte man den Wohnkäfig oder Ständer bereit, damit er nach der Ankunft nicht mehr lange im Verſandtkaſten zu bleiben braucht; kommt er gegen Abend an, ſo laſſe man ihn dagegen die erſte Nacht ruhig in demſelben ſitzen. Beim Ein⸗ oder Aufbringen in den Käfig oder auf den Ständer vermeide man, wenn irgend 75 möglich, die Anwendung von Gewalt, und geht es ohne ſolche nicht, ſo laſſe man ſie von einem Andern ausführen — eingedenk deſſen, daß der Papagei dergleichen niemals oder doch für lange Zeit nicht vergißt und gegen den, der ihm derartige vermeintliche Unbill zugefügt hat, ſtets ſcheu und ängſtlich oder mißtrauiſch bleibt. In der Ankunft vieler, ja der meiſten Papageien liegt vonvornherein eine arge Enttäuſchung für den Empfänger, ins- beſondre wenn derſelbe noch garkeine Kenntniß von dem Weſen eines ſolchen Vogels hat. Da kommt der ſehnlichſt erwartete Papagei mit der Poſt an — und jagt das ganze Haus in Entſetzen, denn er ſchreit bei jeder Annäherung und läßt ſich nicht beruhigen, weder durch Sanftmut noch durch Strenge; er zeigt ſich eben als ein wildes, unge— berdiges Vieh, welches keinerlei Beſänftigungsmitteln zugänglich iſt. Dadurch ließ ſich ſchon mancher Liebhaber die Freude für immer verderben, und nur der Sachverſtändige weiß es zu ermeſſen, daß gerade ein ſolcher Vogel die Ausſicht auf beſten Erfolg gewährt. Sobald man in den Empfang⸗, bzl. Wohnkäfig Futter und Waſſer gebracht, ſtellt man vor ſeine geöffnete Thür, bzl. in ihn hinein den gleichfalls aufgemachten Verſandtkaſten, ſodaß der Vogel von ſelber aus dieſem heraus und in jenen hineingehen kann, und wartet geduldig, ſelbſt wenn es, wie dies 76 zuweilen vorkommt, ziemlich lange dauert. Iſt der Papagei ſo ſcheu und zugleich ſtörriſch, daß er durchaus nicht freiwillig den Kaſten verläßt, ſo muß man ihn, wie ſchon geſagt, von einer fremden, natürlich jedoch zuverläſſigen Perſon herausgreifen laſſen. Der Betreffende muß ſich, nachdem er auf beide Hände ſtarke, am beſten wildlederne Handſchuhe gezogen, die rechte Hand mit einem derben Leinentuch umwickeln und dann dreiſt und raſch den Papagei hinterrücks über den Kopf und das Genick faſſen, ſodaß derſelbe nicht beißen kann. Das Ergreifen muß mit Geſchick und Vorſicht geſchehen, damit das werthvolle Thier dabei keinenfalls beſchädigt werde. Mit der linken Hand ſchiebt man ihn nun ſofort in den Wohnkäfig hinein, verſchließt deſſen Thür und überläßt den Papagei für möglichſt lange Zeit völlig ungeſtört ſich ſelber. Will man ihn anſtatt im Käfige lieber auf einem Bügel oder Ständer halten, ſo dürfte es am rathſamſten ſein, daß jeder unerfahrne Liebhaber ſchon bei der Beſtellung den Händler bittet, dem Papagei Ring und Kette anzulegen. Muß man letztres ſelber ausführen, ſo packt man den Vogel oder läßt ihn, wie vorhin angegeben, greifen, jedoch zugleich ihm den Schnabel zuhalten oder den Kopf mit einem loſen Tuch verhüllen, dann zieht man am beſten den linken Fuß vor und ſchraubt den bereits geöffneten Ring daran feſt, während das andere Ende der Kette ſchon am Ständer befeſtigt ſein muß. Beim Loslaſſen aber, ſowie bei jeder Annäherung ſpäterhin, ſei man recht vorſichtig, damit der Papagei nicht in blinder Angſt und Haſt plötzlich fortſpringe, ſich hinabſtürze und den Fuß breche oder ausrenke. | Nun kann es manchmal lange dauern, bis der 77 durch das Herausgreifen beim Händler, Einſetzen in den Kaſten und die Verſendung im engen Raum nur zu ſehr geängſtigte Papagei endlich ſoviel Ruhe zu gewinnen und Muth zu faſſen vermag, daß er nicht mehr bei jeder Annäherung, namentlich aber beim Füttern und Reinigen des Käfigs, davonzu— kommen ſucht und das ohrenzerreißende Geſchrei ausſtößt; bei manchem währt es wochenlang, ehe er allmählich ſich beruhigt, verſtändig, zutraulich und dann auch bald gelehrig ſich zeigt. Hat man einen rohen Papagei vor ſich, der noch ganz wild und unbändig iſt, ſo ſollte man ihn zunächſt weder ſogleich in den geräumigen Wohnkäfig, noch an die Kette auf den Ständer bringen. Im erſtern Fall wird ſeine Eingewöhnung ſehr verzögert und im andern kommt er nur zu leicht in die Gefahr, bei Erſchrecken oder Beänſtigung ſich plötzlich hinab— zuſtürzen und, wie oben geſagt, zu beſchädigen. Man ſetzt ihn vielmehr zunächſt in einen Empfangskäfig und beherbergt ihn in demſelben, je nach dem Fort⸗ ſchreiten ſeiner Eingewöhnung, bzl. Zähmung, vier bis ſechs Wochen. Dieſer letzterwähnte Käfig muß ebenſo wie der, welchen ich weiterhin als Wohnkäfig beſchreiben werde, geſtaltet und eingerichtet ſein, nur mit dem Unterſchied, daß er um die Hälfte oder au um ein Drittel kleiner als jener ift. Käfig und Ständer. Ein guter Papageikäfig ſoll folgenden Anforderungen durchaus genügen: 1. er 78 muß ausreichenden Raum gewähren, ſodaß der Vogel ſich, wie ich weiterhin näher erörtern werde, die noth- wendige Bewegung machen kann; 2. ſeine Geſtalt iſt am beſten eine einfach viereckige, oben ſanft ge⸗ wölbte, ohne alle Ausbuchtungen, Schnörkeleien und dergleichen Verzierungen; 3. er ſollte ſtets völlig aus Metall hergeſtellt ſein. Als die gebräuchlichſte Form des Käfigs für den einzelnen Sprecher ſieht man einen einfachen, viereckigen, auch oben nicht gewölbten, ſondern flachen und nur an den Seiten zugerundeten Kaſten aus ſtarkem verzinnten Eiſendraht, meiſtens noch mit hölzernem Sockel und über dem Fußboden in der Höhe des letztren mit einem Gitter, gleichfalls aus ſtarkem Draht. Dieſer Käfig hat aber mancherlei Mängel. Zunächſt iſt er in der Regel zu klein, ſodann müſſen die Futter⸗ und Trinkgefäße gewöhnlich von innen angehakt werden, was bei einem biſſigen Papagei recht mißlich iſt, ſchließlich ſind Drahtnetz und Sockel nebſt Schublade nichts weniger als zweckmäßig. Der Verein „Ornis“ in Berlin ließ zur Beherbergung der Papageien auf ſeinen Ausſtel⸗ lungen Bauer anfertigen, welche ich als Muſter⸗ käfige (ſ. umſeitig ſtehende Abbild.) bezeichnen kann. Ein ſolcher bietet vollen Raum zur Bewegung, denn er hat 75 cm Höhe und je 43 cm Länge und Tiefe. Sein Obergeſtell iſt aus 4 mm ſtarkem, verzinnten Draht in 3 em Weite, Sockel, Schublade und Unterboden ſind aus verzinntem Eiſenblech hergeſtellt; der letztre kann der bequemern Reinigung halber auch in einem Drahtgitter beſtehen. Das 9 erwähnte Drahtgitter oberhalb des Fußbodens iſt völlig fortgelaſſen, zunächſt weil ſich der Vogel daran die Beine en kann, ſodann weil ſich ill N 5 | | | N 8 u | 1 | | | Ill N H ! ] ö N. | ] 22232 "‚ssee zz [+ ; | | 71 — — | i | i\ | | | 1 ! 4 1 N | 4 0 | — 4 | i 5 | 1 ) + | 1 a Bi 1 nnn ff SSS — a — — 5 —r der Schmutz darauf in häßlicher Weiſe feſtſetzt, hauptſächlich aber, weil jeder Papagei das Bedürfniß fühlt, ſich hin und wieder auf dem Fußboden auszu⸗ ſtrecken und in den Sand zu legen. Die Blech— ſchublade muß leicht ein- und auszuſchieben ſein, 80 ſodaß die Entlerungen täglich fortgekratzt werden können, worauf der Boden wieder mit trocknem, reinem Sand beſtreut wird. Von außen muß ſie durch Klammern oder ſtarke Häkchen befeſtigt werden, damit ſie der Papagei nicht aufſchieben kann. Der Sockel ſoll immer recht hoch, mindeſtens 7 em breit ſein, weil ſonſt der Papagei durch Herausſcharren von Sand u. a. das Zimmer ſehr verunreinigt. Die Thür muß ſo weit ſein, daß man den Vogel bequem hineinbringen und herausnehmen kann, alſo etwa 16—17 cm im Geviert. Meiſtens hat man ſie von oben herabfallend, doch auch ſeitwärts zu öffnen; in jedem Fall muß fie durchaus ſicher ver⸗ ſchließbar ſein. Faſt jeder große Papagei beſchäftigt ſich angelegentlich damit, vornehmlich den Thürver⸗ ſchluß zu ſprengen. Großer Sorgfalt bedarf die Sitzſtange. Damit ſie nicht zernagt würde, hatte man ſie früher mit dünnem Eiſenblech beſchlagen, einerſeits wurde ſie dann aber bald ſo glatt, daß der Papagei ſich nur mit Mühe darauf halten konnte, nachts herabfiel und von der fortwährenden Anſtrengung ſehr litt, andrerſeits bekam er Hühneraugen und Geſchwürchen in den Fußſohlen und endlich verurſachte ihm das Metall Erkältungen der Füße oder des Unterleibs. In zweckmäßiger Weiſe wird jetzt an jeder Seite des Käfigs unterhalb des Futter- und Trinkgefäßes je ein eiſerner Ring oder eine Hülſe von ſtarkem Blech angebracht und darin die Stange feſtgeklemmt. Man wählt am beiten ein 3—3,, em dickes, friſches Aſtſtück noch mit voller Rinde von nicht zu hartem 81 Holz (Obſtbaum, Birke, Weide, Pappel u. a.) und ſobald daſſelbe zernagt iſt, kann es unſchwer durch ein neues erſetzt werden. Falls man eine entrindete Stange nimmt, darf dieſelbe nicht zu glatt gehobelt, jondern fie muß etwas rauh fein. An den Futter- und Trinkgefäßen hat man neuerdings einen aufgelötheten gewölbten Mantel angebracht, welcher das Futter ſo umgibt, daß der Papagei die Sämereien u. drgl. nicht wie bei den offenen Gefäßen herausſtreuen und verſchleudern, bzl. das Waſſer ver— ſpritzen kann (ſ. Abbildung). So werden ſie ein— geſchoben, und hinter jedem befindet ſich eine auf- und niedergehende Gitterthür, welche verhindert, daß der Vogel entkomme, wenn Futter und Waſſer gewechſelt werden. — Ein böllig entſprechender Käfig ſollte auch immer eine kurze bequeme Sitz— ſtange oberhalb des Bauers haben, zu welcher der zeitweiſe herausgelaſſene Papagei emporklettern, ſich darauf ſetzen und bequem die Flügel ſchwingen und das Gefieder auslüften kann. Als Uebelſtand ergibt ſich freilich, daß er von hier aus das Käfig⸗ gitter verunreinigt; entweder muß das letztre dann ſtets ſogleich wieder geputzt werden, oder man ſollte auf dem Käfigdach, unterhalb des etwas erhöhten Sitzes, eine entſprechende Schublade mit Sand an— bringen. — Die noch vielfach gebräuchliche Schaukel im Käfig halte ich nicht allein für überflüſſig, ſondern ſogar für ſchädlich, weil ſie den Tanage in der Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 82 Bequemlichkeit ſtört, namentlich aber ihm den zum Flügelſchwenken nöthigen Raum beengt. Neuerdings hat Herr Nadlermeiſter P. Schindler in Berlin noch einen verbeſſerten „Ornis“-Käfig herge⸗ ſtellt. Bei dieſem beſteht der Sockel aus ſtarkem Zinkblech, 10 cm hoch, an der Vorderſeite mit einer herabfallenden Klappe verſehen, die durch einen Drahtriegel feſt von außen verſchließbar iſt. Oberhalb des Sockels ſteht ein ſanft gebogner Rand aus ſtarkem Weißblech etwa drei Finger breit hervor, um zu verhindern, daß Futter oder irgendwelche Schmutzerei herausgeworfen werden kann. Die Schublade iſt gleichfalls aus ſtarkem Weißblech, leicht ein- und ausſchiebbar. Sodann hat der Käfig eine praktiſche große Thür mit einem feſten Ver⸗ ſchluß von außen, ohne Oeſen; zugleich iſt ſie feſt und glatt eingezinnt, ſodaß der Vogel ſich nirgends einklemmen oder reißen kann. Futter⸗ und Trinkgefäß, beide von ſtarkem Porzellan, ſind jederſeits ſo eingerichtet, daß ſie leicht von außen eingeſchoben und herausgenommen werden können, während ſie andrerſeits ſo feſt ſchließen, daß der Vogel ſie nicht herabwerfen kann. Auch ſtehen ſie nicht, wie ſonſt, beider⸗ ſeits auf der Sitzſtange, ſondern ſind vor derſelben eingeſchoben, ſodaß der Papagei beim Freſſen nicht auf den Rand des Futter⸗ napfs, ſondern bequem vor dieſem auf der Stange ſitzen und nicht leicht Futter verſtreuen kann. Die Sitzſtange beſteht aus einem derben Stück Naturholz mit Rinde und iſt in eine feſtzuſchraubende Klammer gelegt, ſodaß ſie, wenn der Papagei das Holz zernagt hat, leicht herausgenommen und durch eine andre erſetzt werden kann. Oberhalb des Käfigdachs iſt die oben erwähnte zweckentſprechende Sitzſtange angebracht, auf der der Papagei täglich herausgelaſſen, die Flügel lüften und ſich ausſchwingen kann. Alles Gitter iſt gut und feſt ver⸗ zinnt, ſodaß rauhe Ecken nicht vorhanden ſind und es zugleich dem Papageienſchnabel Widerſtand leiſtet. — Herr Nadler⸗ 83 meiſter Manecke (Wahn's Nachfolger) in Berlin hat an ſeinen Papageikäfigen ebenfalls einen praktiſchen Thürverſchluß, praf- tiſche Befeſtigung der Futternäpfe und ſodann einen Schlaf⸗ mantel, der an einem Drahtaufſatz, den man oben auf den Käfig ſetzt, befeſtigt und der zur Nachtzeit ſo um den Käfig zugezogen wird, daß der Vogel ihn nicht faſſen und daran nagen kann. Die Meſſingplatte am Thürverſchluß iſt gut ver⸗ nickelt, das Schloß iſt von außen leicht zu öffnen, während der Vogel von innen es nicht aufzumachen vermag. — Viele Liebhaber wünſchen, daß der ſprechende Vogel zugleich als ein Schmuck in der Häuslichkeit zur Geltung komme, und geben ihm einen möglichſt prachtvollen Käfig. Daher ſieht man die vielen un⸗ praktiſchen runden, zylinder-, kegel- oder thurm⸗ förmigen Bauer von Meſſingblech oder-Draht. Ab— geſehen davon aber, daß ſie dem Vogel nicht ausreichenden Raum und bequemen Aufenthalt gewähren, bergen ſie auch Gefahren. Zunächſt ſetzt dieſes Metall bekanntlich, wenn es nicht ſtets trocken und blank gehalten wird, Grünſpan an und ſodann bedrohen die Putzmittel Geſundheit und Leben des Vogels. Der Käfig aus verzinntem, ver— zinktem oder ſonſtwie metalliſch überzognem Eiſendraht kann ja gleichfalls als ein Schmuck betrachtet und gewünſchtenfalls angeſtrichen werden. Freilich muß es dann ein ſchnell und hart trock— nender Lackanſtrich ſein, und der Vogel darf nicht eher in den Käfig gebracht werden, als bis die (natürlich giftfreie) Farbe vollkommen getrocknet iſt. Die Käfigfabrik von A. Stüdemann in Berlin hat auch einen farbloſen Lack im Gebrauch, mit 6* 84 welchem das blanke, trockne Meſſing überzogen wird und der ſo hart antrocknet, daß ihn der Papageien⸗ ſchnabel nicht loszuknabbern vermag, während das Meſſing nicht Grünſpan anſetzen kann. Läßt man den Käfig in Geſtalt des „Ornis“-Bauers oder ſonſtwie zweckmäßig anfertigen, ſo darf man dann immerhin Meſſing wählen. Hat man dieſes Metall aber ohne Lackanſtrich und muß der Käfig geputzt werden, ſo iſt der Papagei währenddeſſen jedesmal herauszunehmen und nicht eher wieder hineinzu⸗ bringen, als bis das geputzte Gitter vermittelſt eines weichen, leinenen Tuchs ganz rein und trocken gerieben iſt; die meiſten Putzmittel, ſo namentlich die ſog. Zuckerſäure (Oxalſäurc), ſind ſehr giftig. Die bisher vorhandenen Papageien⸗Ständer mit Ring oder Bügel ſind leider faſt ſämmtlich ebenſo unpraktiſch und untauglich wie manche Käfige; auch ſie können in der Regel nur als Luxusgegen⸗ ſtand gelten. Man ſieht ſie in verſchiedner Ein⸗ richtung, und die ſchlimmſten von ihnen ſind ganz, ſelbſt mit Einſchluß der Sitzſtange, aus Metall oder von härteſtem polirten Holz angefertigt. Inbetreff der Sitzſtangen muß man auch hier das S. 80 bereits Geſagte beherzigen. Der einfachſte Papageienſtänder iſt ein Geſtell etwa von Mannshöhe, eine Säule aus hartem, polirtem Holz, oben mit einem Knauf und unten oberhalb des Fußes mit einer 66 cm langen und 85 50 cm breiten Vorrichtung, in welcher ſich eine leicht ausziehbare Schublade mit voll Sand beſtreutem Boden, wie im Käfig, befindet, an der zu beiden Seiten Futter⸗ und Waſſergefäß angebracht ſind, während an der Säule hinauf treppenartig ein— geſteckte etwa 15 em lange Kletterſtangen bis zu der eigentlichen etwa 50 em langen oberſten Sitzſtange führen, welche letztre nicht zu hoch, ſondern noch unterhalb des menſchlichen Auges durch die Säule geſteckt ſein muß, und an deren beiden Enden man wol zweckmäßiger als unten Futter⸗ und Waſſergefäß haben kann. Immer müſſen die Gefäße aber ſicher befeſtigt ſein, weil der Papagei hier, wo er frei ſitzt, ſich noch eifriger mit ihnen beſchäftigt. Am zweckentſprechendſten werden ſie ſchubladenartig in eine oben offene Blechkapſel ge⸗ ſchoben, deren hervorſtehende und nach innen ge— bogene ſtarke Ränder ſie feſthalten. Häufiger findet man den Papageienſtänder mit Bügel oder Ring, bei dem vor allem der Bügel der Größe des Vogels entſprechend und unterhalb des Sitzes die Schubladenvorrichtung an— gebracht ſein muß. (S. die Abbildung.) Er iſt in der Regel aus Metall, mit alleiniger Ausnahme der Sitzſtange. Die Papageienſtänder, welche on genannten Anforderungen nicht genügen, ſchließe ich vonvorn— herein als unbrauchbar aus. Prunkvolle Ständer, die 86 wol gar mit Goldfiſchglocke und Schmuckkäfig für einen kleinern Vogel ausgeſtattet ſind, bergen für den Papagei nur Thierquälerei. Zweckmäßige Ständer (ſ. Abbildung) werden von Herrn Joſef Schmölz in Pforzheim angefertigt. Der Bügel muß für den großen Papagei eine etwa 60 cm lange Sitzſtange haben und in der Rundung etwa 50 cm hoch ſein. An den Seiten befinden ſich Futter⸗ und Waſſergefäß, und inbetreff dieſer ſowie der Sitzſtange gilt das bereits Geſagte. Als Er⸗ forderniſſe, welche bei den Papageien⸗ ſtändern meiſtens verſäumt werden, und die ich doch als durchaus noth⸗ = wendig anſehen muß, nenne ich „ .Iplgender Solch' 9 — — "Ständer ſollte 87 immer eine Klettervorrichtung haben, an welcher der Vogel zur Schublade unschwer herabgelangen und täglich im Sande paddeln kann. Fehlt eine derartige Einrichtung, ſo iſt es auch nicht ausreichend, wenn er oberhalb des Bügels noch einen beſondern feſten Sitz hat, während ich dieſen letzteren für alle Fälle, ſelbſt wenn der Bügel nicht ſo ſehr loſe hängt, daß er bei der geringſten Bewegung in Schwingungen verſetzt wird, als entſchieden unentbehrlich erachte. Immerhin fehlt hier die naturgemäße Bewegung des Kletterns, und man ſollte bei Anbringung der oberſten Sitzſtange darauf Bedacht nehmen, ihm ſolche, ſoweit es thunlich iſt, zu verſchaffen. Der Papageienſtänder, welchen die Abbildung zeigt, iſt ſo eingerichtet, daß das Geſtell vermittelſt der beiden Schrauben tief genug herabgelaſſen, bzl. in den Fuß hinuntergeſenkt werden kann, um dem Vogel das Erreichen der Schublade mit dem Sand zu er⸗ möglichen. Man kann die Kette aus leichtem Metall auch noch um die Hälfte länger geben, damit der Papagei keinenfalls behindert werde, den ganzen Raum des Unterſatzes, bzl. der Schublade, zu be⸗ treten. Dieſer Ständer hat keinen beſondern obern Sitz. Will der Vogel klettern und iſt die Kette lang genug, ſo kann er ja die obre Rundung des Ständers erklimmen; die Kette muß dann aber nicht allein die volle ausreichende Länge, ſondern auch in der Mitte ein drehbares Glied haben, damit ſie 88 dem Vogel jede Bewegung gejtatte und ſich nicht verwickle. Auf der Rundung oben am Ständer kann dann wol zeitweiſe ein Sitzholz feſt angeſchraubt werden, und ſchließlich iſt die Kette ſo einzurichten, daß ſie, wenn der Papagei wieder ruhig im Bügel ſitzt, zur Hälfte eingehakt wird, damit der Fuß nicht fortwährend die ganze Laſt zu tragen hat. Nach Ermeſſen muß man den Bügel abnehmen und im Freien an einen Baumaſt hängen können; am Ständerhaken aber müßte ſich ſtets eine Feder befinden, welche es verhindert, daß der Papagei gelegentlich den Bügel ſelber loslöſe und mit ihm herabfalle. Alle bis jetzt im Handel vorkommenden Fuß⸗ ketten nebſt Fußring ſind unzweckmäßig; vor⸗ nehmlich iſt die Wahl des Metalls für dieſelben mißlich. Kupfer, Meſſing, Neuſilber u. a. werden durch Grünſpananſatz leicht gefährlich und ſind auch, ebenſo wie das Eiſen, zu ſchwer. Das neuerdings vorgeſchlagene Aluminium leiſtet dem Papageien⸗ ſchnabel zu geringen Widerſtand. Zwiſchen dieſen Klippen aber ſcheitert auch die Verwendung der übrigen Metalle. Noch ſchlimmer ſteht es mit dem Fußring; entweder drückt er mit harter Kante an der Stelle, wo er feſt aufliegt, d. h. an der Seite, wo die Kette herunterhängt, den Fuß und bringt ſchmerzhafte Hautverhärtungen hervor, bzl. reibt wenigſtens die Stelle wund, oder der Verſchluß des 89 Rings vermag dem Papageiſchnabel nicht zu wider: ſtehen. Der Vogel, wenn er nicht bereits völlig an den Ständer gewöhnt iſt, macht ſich dann doch einmal los und kann allerlei Unfug im Zimmer anrichten, irgend etwas Schädliches freſſen, oder wol gar entkommen. Daher wiederhole ich auch hier die Aufforderung an die Sachverſtändigen auf dieſem Gebiet: ſie mögen darauf ſinnen, zweckmäßige Fußketten und Ringe, die alle derartigen Uebelſtände vermeiden laſſen, die namentlich durchaus feſt und ſicher, dabei jedoch auch leicht ſind, ſodaß ſie den Vogel nicht qualvoll beläſtigen, herzuſtellen. Die von Herrn Oberförſter Rupprecht vorgeſchlagene Einlage von rohem Guttapercha, welches in ſiedendem Waſſer plaſtiſch gemacht iſt, und das Wechſeln des Rings von einem Fuß zum W hat ſich leider nicht bewährt. Am beſten dürfte es ſein, wenn man den Papagei ſo auf den Bügel und an den Ständer gewöhnt, daß er denſelben auch unangekettet niemals freiwillig verläßt: dazu gehört freilich viel, und es bleibt dabei mindeſtens die Gefahr, daß der Vogel, durch einen plötzlichen Schreck oder dergleichen erregt, einmal durch's offene Fenſter davonfliegt, ſelbſt wenn er ſchon ſeit zehn Jahren und darüber neben demſelben geſeſſen. — Einen ſehr einfachen Papageienſtänder hat neuerdings Herr Manecke-Berlin in den Handel gebracht; er beſteht nur in einer praktiſchen Sitz⸗ ſtange von 35 em Länge, die leicht an Tiſch und Stuhl zu befeſtigen iſt, und eignet ſich beſonders 90 für einen gut gezähmten Vogel. — Auch die Käfig⸗ fabriken von P. Schindler, A. Stüdemann und K. Kaldenbach (Hähnel's Nachfolger) in Berlin führen gute Käfige und Papageien⸗Ständer. Ernährung. Die zweckentſprechende Fütterung iſt ſelbſtverſtändlich überaus wichtig für den ſprechenden und daher koſtbaren Papagei. Unter Hinweis auf das S. 8ff. bereits Geſagte will ich es nochmals hervorheben, daß die Aufkäufer und Händler vielfach, zumal aber bei der Ueberfahrt, dieſe Vögel ganz unzweckmäßig behandeln und da⸗ durch vonvornherein den Krankheits- oder gar Todeskeim bei ihnen legen. Ja, noch mehr; wenn die jungen Vögel, wenigſtens die, welche früh aus den Neſtern geraubt worden, von den Eingeborenen mit gekautem Mais u. drgl. aufgepäppelt werden, ſo liegt darin doch ſicherlich keine Gewähr für ihre Geſund⸗ heit und ihr Leben, und ebenſowenig iſt dies der Fall bei der weitern Gewöhnung der jungen Vögel an Bananen u. a. tropiſche Früchte oder auch ge⸗ kochten Mais, gekochte Kartoffeln u. drgl. Jeder, der große, ſprachbegabte Papageien nach Europa hinüberbringt, füttert dieſelben ſeiner Einſicht und Kenntniß gemäß, und da läßt es ſich ja denken, daß die Vögel in mannigfach verſchiedner Weiſe er⸗ nährt und verpflegt werden. Hierin iſt wol die Haupturſache der beſtehenden argen Uebelſtände zu ſuchen, und es ergibt ſich als dringend nothwendig, 91 daß die geſammte Papageien⸗Einfuhr in einheitlicher Weiſe geregelt werden muß. Vor allem müſſen die Großhändler dahin ſtreben, daß ſie lebensfähige Vögel erlangen, und dies können fie eben nur da— durch erreichen, daß die Verpflegung und Fütterung bereits von Beginn her jach- und naturgemäß ein⸗ gerichtet werde. Man könnte einwenden, dies ſei garnicht möglich, bevor man nicht die Lebens- und Ernährungsweiſe dieſer Vögel im Freien ſicher kennt. Und obwol wir, zumal in der letztern Zeit, auf dieſem Wege in der erfreulichſten Weiſe weiter fort- geſchritten ſind, ſo bleibt leider doch noch viel zu wünſchen übrig. Ich muß hier natürlich in den nachſtehenden Anleitungen auf Kenntniſſen fußen, die wir aus den bisher feſtſtehenden Erfahrungen zu gewinnen vermochten. Es iſt unbeſtreitbar, daß die Amazonen ebenſo wie die Graupapageien in der Freiheit der Haupt⸗ ſache nach von mehlhaltigen Sämereien, im geringern Maß von öligen Samen, ſowie Nüſſen und zeit— weiſe auch von friſchen, zarten Pflanzentheilen, am wenigſten von weichen Früchten, ſich ernähren. Da⸗ her iſt es richtig, wenn man jetzt allgemein ſie meiſtens in der Hauptſache mit Mais nebſt etwas Hanf und Zugabe von gut ausgebacknem, nicht ge⸗ ſäuertem Weizenbrot füttert, ihnen aber auch immer etwas gutreife Frucht dazu reicht. Der Mais wird am beſten ſchwach angekocht gegeben, weil die 92 Maiskolben vielfach zu früh ausgebrochen werden, dann die Körner beim Nachreifen auf dem Speicher hohl trocknen und innen wol gar ſchimmeln. Alle beim Kochen geplatzten, innen ſchwarzen u. a. ſchlechten Körner ſucht man ſorgfältig aus und wirft ſie fort. Man kocht ſolange, bis ein herausgenommenes Korn einen Fingernageleindruck annimmt, reibt die Körner dann auf einem groben, weichen Handtuch luft- trocken und läßt ſie erkalten. Als beſondere Leckerbiſſen gibt man auch wol halbreife, noch „in Milch ſtehende“ Mais⸗ körner, doch muß man damit vorſichtig ſein, weil ſie leicht Durchfall erzeugen. Wer übrigens durchaus guten, vollreifen und auch vortrefflich getrockneten Mais hat, braucht die Körner nur abzubrühen und dann mit dem Leinentuch zu trocknen, um ſie ſo nach dem Erkalten zu verfüttern. — Das Weißbrot (Weizen⸗ brot, Semmel oder Wecken) muß ohne Sauerteig, ohne oder doch mit möglichſt wenig Hefe, aus reinem Weizenmehl (es darf alſo keine Berliner Schrippe, auch nicht mit Zuſatz von Zucker, Milch, Gewürz und Salz), gut ausgebacken, nicht glitſchig oder waſſerſtreifig, ſondern gleichmäßig locker und porös ſein. Ebenſo darf es nicht zu lange oder in zu vielem Waſſer erweicht werden, damit nicht aller Nahrungsſtoff ausgezogen werde. So wird es alt— backen, d. h. mindeſtens 4 Tage alt und hartge⸗ trocknet, in Waſſer erweicht, dann entfernt man vermittels eines Meſſers die Rinde oder Schale, 93 preßt die reine Krume mit den Fingern ſtark aus und zerkrümelt ſie. Will man anſtatt des erweichten Weißbrots lieber trocknes geben, das die Papageien manchmal ſehr gern freſſen, fo ſind die ſog. Pots⸗ damer Zwiebacke — ein kleines hartes, vortrefflich ausgebacknes reines Weizenbrötchen ohne jeden Zu⸗ ſatz — höchſt empfehlenswerth. Davon bekommt der Papagei vor- und nachmittags je einen halben und, wenn er dieſen ſich ſelbſt in ſeinen Trinknapf eintaucht, ſo ſchadet es nichts. Von der vorhin empfohlenen Semmel gibt man ihm vor- und nach⸗ mittags von der erweichten Krume etwa wie eine Wallnuß groß. Mit dem bisher beſchriebnen ein- fachen Futter kann man nach meiner Ueberzeugung jeden großen ſprachbegabten Papagei für die Dauer vortrefflich erhalten. Zur Abwechſelung kann man ihm auch etwas Kanarienſamen bieten; mit Sonnenblumenjamen: muß man vorſichtig ſein, da er ſchädlich werden kann. Sobald ein ſolcher Vogel als völlig eingewöhnt, zweifellos geſund und lebenskräftig betrachtet werden kann, darf man ihm einige Zugaben zur Erquickung bieten, ſo namentlich Obſt. Man verſuche vorſichtig zunächſt mit einer Kirſche, Weintraube, einem Stückchen Apfel, Birne oder dergleichen, je nach der Jahreszeit. und alles natürlich in beſter Beſchaffenheit; doch achte man dabei wenigſtens in der erſten Zeit recht auf⸗ merkſam auf die Entlerungen, und wenn dieſe ſchleimig oder gar wäßrig, ja auch nur abweichend überhaupt 94 erſcheinen, ſo laſſe man die Fruchtzugabe ſogleich wieder fort, überſchlage einige Tage und beginne dann den Verſuch von neuem, bis man den Vogel allmählich an das gewöhnt hat, was ihm angenehm und wohlthuend zugleich iſt. Als unbedenkliche Leckerbiſſen für die großen Sprecher darf man je eine Haſel⸗ oder Wallnuß, die ſog. braſiliſche Erd⸗ oder Paranuß, auch wol eine ſüße Mandel, ge- währen, doch muß man all' dergleichen vorher ſelbſt ſorgfältig ſchmecken, damit nicht etwa ein verdorbner, ranzig oder bitter gewordner Kern oder gar eine bittre Mandel darunter it. Letztre wirkt bekanntlich als Gift, und beiläufig ſei bemerkt, daß man auch Peterſilie als ein ſolches für Papageien anſieht. Alle weichen Südfrüchte, wie Bananen, Datteln, Feigen, Apfelſinen u. a. m., gebe man den großen Sprechern lieber garnicht oder doch nur unter äußerſter Vorſicht, indem man jede einzelne Frucht vorher gleich— falls koſtet. Ebenſo vermeide man rohe oder gekochte Mören, rohe oder geröſtete italieniſche Kaſtanien, Melonen, auch Roſinen, ſowie die verſchiedenen Beren, denn man iſt bei alledem nicht ſicher, das dies oder jenes nicht ſchädlich ſei. Ohne Bedenken darf man dagegen vollreife friſche und gut getrocknete Ebereſchen- oder Vogelberen reichen. Grünkraut erachte ich als überflüſſig, Salat oder Blätter von den verſchiedenen Kohl⸗ arten als geradezu gefahrdrohend; doch biete man den Amazonen ſtets Zweige zum Benagen, an— fangs trocknes, mittelhartes Holz, nach völliger Eingewöhnung grüne Zweige mit Rinde, Knoſpen oder Blättern, am zuträglichſten von den S. 81 95 genannten Holzarten, ja ſelbſt von Nadelhölzern; für weniger gut halte ich die ſehr harten, ſowie die ſtark gerbſäurehaltigen Holzarten. Das Holz zum Benagen braucht der Papagei, einerſeits, um für ſeinen Schnabel eine naturgemäße Thätigkeit zu haben, andrerſeits als erfriſchendes Nahrungsmittel. Alle Sämereien ſollen voll ausgewachſen und gut gereift, ſodann frei von Schmutz und fremdem Samen ſein; ſie dürfen, ſo z. B. der Hanf, nicht zu friſch (er bewirkt dann leicht Durchfall), aber auch nicht zu alt, vertrocknet oder ranzig ſein. Beim Obſt iſt es wichtig, daß dasſelbe nicht zu früh abgenommen, nachgereift (und dann wol ſauer geworden), ſondern voll ausgewachſen und naturgemäß gereift ſei. Es darf auch nicht im weich gewordnen Zuſtand,,molſch⸗ oder ‚mudike“, wie man in Berlin zu jagen pflegt, ſondern es muß friſch und wohlſchmeckend ſein. Sorgſam achte man darauf, daß es im Winter nicht eiſig kalt, ſondern immer erſt gegeben werde, nach— dem es, mehrfach durchgeſchnitten, im erwärmten Raum gelegen und ſtubenwarm geworden ſei. Herr Karl Hagenbeck hat zuerſt darauf hingewieſen, und ich ſchließe mich ſeinem Ausſpruch an, daß alles ſog. Matſchfutter, alſo eingeweichtes und nicht ausgedrücktes Weißbrot, gekochter, breiiger Reis u. drgl. für die ſprechenden Papageien ſchädlich ſei. Allbekannt iſt es wol, daß jeder große Papagei in der Gefangenſchaft allerlei menſchliche Nahrungs— 96 mittel: Braten, Gemüſe, Kartoffeln, ja, ſonderbarer⸗ weile nicht allein Zuckerſachen, ſondern auch ſtark geſalzene, in Eſſig eingemachte, gepfefferte u. drgl. Leckereien mit wahrer Gier frißt, und es kommen Fälle vor, in denen ein ſolcher Vogel ſich dabei vortrefflich erhält und lange Jahre ausdauert. Meeiſtens aber gehen werthvolle Papageien an der⸗ artiger naturwidriger Ernährung zugrunde. Die erſte Folge iſt das Selbſtausrupfen der Federn, ein krankhafter Zuſtand, den ich im Abſchnitt „Krankheiten“ beſprechen werde. Noch mancherlei andere Leiden treten ein und nur zu oft ein Siechthum des ganzen Körpers, ſodaß der arme Vogel an inneren und äußeren Geſchwüren elend ſterben muß. Ob die Papageien, wenn ſie einzeln im Käfig gehalten werden, wirklich thieriſcher Nahrungsmittel, alſo der Zugabe von Mehlwürmern, Ameiſenpuppen u. a., bedürfen, iſt immer noch nicht mit Sicherheit feſt⸗ geſtellt. Der Afrikareiſende Soyaux ſagt, daß die Graupapageien in Weſtafrika als Zerſtörer von Neſtern anderer Vögel bekannt ſeien — wer kann aber bis jetzt mit Sicherheit behaupten, ob dies eine naturgemäße oder widernatürliche Erſcheinung ſei? Zur Darreichung von Fleiſch und Fett an große Papageien vermag ich bis jetzt keinenfalls zu rathen; denn nach den mir vorliegenden Mittheilungen hat die Erfahrung ſtets gelehrt, daß faſt alle großen ſprechenden Papageien, welche gekochtes oder rohes Fleiſch erhalten haben, zugrunde gegangen find; immer iſt dies aber der Fall geweſen bei denen, 97 welchen allerlei menschliche Nahrungsmittel über- haupt gegeben wurden. Auch für den großen Papagei iſt die Zugabe von Kalk nothwendig, und zwar iſt am zuträglichſten der thieriſche Kalk, Tintenfiſch⸗ oder Sepienſchale, die infolge ihres Salzgehalts ſehr gern gefreſſen wird, jedoch, zu reichlich gegeben, ſchädlich werden kann. Man vermeide, ſie friſch eingeführten Papageien ſogleich zu geben, weil dann leicht übermäßiger Durſt und durch das Trinkwaſſer, an welches ſie noch nicht gewöhnt ſind, Erkrankung verurſacht wird. Später klemmt man einen ganzen Schulp oder nur ein Stück davon zwiſchen das Gitter. Nächſtdem iſt geglühte Auſternſchale, ferner etwas Kalk von einer alten Wand oder noch beſſer Kreide empfehlenswerth. — Sand und zwar durchaus reiner, trockner, feiner, aber nicht ſtaubiger, am beſten weißer Stubenſand, iſt nicht allein zur Reinigung und Reinhaltung des Käfigs erforderlich, ſondern die Papageien ver- ſchlucken auch kleine Steinchen zur Verdauung. Wie ſchon erwähnt, werden viele der großen Papageien ganz ohne Waſſer gehalten; ich hebe es hier nochmals hervor, daß ich dies als entſchieden unheilvoll, weil widernatürlich, anſehe und vonvorn⸗ herein dringend rathe, man wolle einen Papagei, der nicht Waſſer bekommen darf, überhaupt niemals kaufen. Das gebräuchliche Verfahren, in Kaffee oder Thee getauchtes Weißbrot an reichen, Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 98 iſt für den Vogel ſchädlich. Ich rathe Folgendes: Wenn der Händler einen noch nicht an Waſſer ge— wöhnten Papagei unter Gewähr des Erſatzes für eine beſtimmte Zeit abgibt, jo möge man ihn immer⸗ hin übernehmen, dann zunächſt ganz genau, wie es bisher geſchehen, verpflegen und erſt nach Ablauf der vereinbarten Friſt von 4, 6 oder 8 Wochen, nachdem er ſich alſo entſchieden lebensfähig gezeigt hat, an Trinkwaſſer und trocknes Weizenbrot gewöhnen. Dies führe man in der Weiſe aus, daß man den Kaffee oder Thee allmählich immer mehr mit Waſſer verdünnt und das Weißbrot immer weniger weichen läßt, bis man zuletzt bloßes ſtubenwarmes Waſſer und trocknen Potsdamer Zwieback gibt. In der erſten Zeit reiche man immer nur abgekochtes, an freier Luft wieder erkaltetes Trinkwaſſer, auch nie⸗ mals zuviel auf einmal, nur bis drei Schluck hintereinander und täglich etwa zweimal. Nach und nach vermiſcht man, ganz ebenſo wie beim Kaffe, das gekochte Waſſer immer mehr mit natürlichem, aber nicht ganz friſchem oder eiskaltem, ſondern ſolchem, welches etwa eine Stunde geſtanden hat, alſo ſtubenwarm iſt. Auch wenn der Papagei bereits völlig eingewöhnt iſt, ſoll man ihm doch immer nur verſchlagnes, niemals eiskaltes, oder auch nur ganz friſches Trinkwaſſer reichen. Ausdrücklich weiſe ich auf den viel verbreiteten Irrthum hin, daß ein Vogel „abgeſtandnes“ Trinkwaſſer bekommen müſſe oder 99 dürfe, daſſelbe ſoll nur ſtubenwarm, nicht aber abgeſtanden, alſo luftler, ſchal und verdorben, ſein. Zähmung und Abrichtung. Die Nachahmungsſucht und Fähigkeit der Papageien erſtreckt ſich nicht bloß auf menſchliche Worte, ſondern auch auf allerlei andere Laute — und in dieſer Begabung kann ein ſolcher Vogel höchſt werthvoll, aber ebenſo unaus⸗ ſtehlich und daher werthlos werden. Im guten Sinne lernt er Worte nachſprechen und manchmal ebenſo nachſingen, Melodien flöten oder pfeifen, ſelbſt Lieder von Singvögeln mehr oder minder treu wieder— geben; im böſen Sinne nimmt er die gellenden Schreie aller anderen Vögel, die er hört, an, ahmt allerlei ſchrille Töne nach, wie den Hahnenſchrei, Hundegebell, Thürknarren, das Pfeifen der Lokomotive, Kinder— weinen u. a. m. Aufgabe der Erziehung muß es ſein, ihn ebenſo von allem Widerwärtigen abzulenken, wie zum Angenehmen anzuleiten. Manche Leute haben vonvornherein Widerwillen gegen die Papageien „ihres langſamen amphibien⸗ ähnlichen Kletterns“, „ihrer Falſchheit, Tücke und Bosheit“, „ihres nur zu argen Lärmens“, kurz und gut vielerlei Unliebenswürdigkeiten wegen, — nach meiner feſten Ueberzeugung aber, auf Grund lang— jähriger Erfahrung und genauer Kenntniß, beruhen alle ſolchen Klagen nur in Vorurtheil, Unkenntniß, überhaupt in der Schuld des Beſitzers ſelber. Schlimmer noch iſt es, wenn Jemand ſich einen 7 100 Papagei hält, der kein wahrer Vogelfreund iſt. Der ſtattliche Vogel im hübſchen Bauer gilt ihm ledig⸗ lich als Zimmerſchmuck. Die Begabung deſſelben, Worte ſprechen zu lernen, erfreut in der erſten Zeit; nachdem aber der Reiz des Neuen ſich verloren hat, dient er wol nur noch dazu, beſuchenden Freunden und Bekannten Spaß zu machen. Im übrigen wird er dem Beſitzer immer mehr gleichgiltig, wol gar über⸗ drüſſig, man überläßt ſeine Verpflegung den Dienſt⸗ boten — und damit iſt ſein Schickſal freudlos und beklagenswerth geworden; für den Beſitzer erſcheint er dann allerdings bald als ein unerträgliches Ge⸗ ſchöpf. Jeder Papagei, insbeſondre der hoch— begabte und lebhafte, will lieben und ges liebt ſein, das iſt eine Erfahrung, die der Liebhaber niemals vergeſſen ſollte. Wer dieſe Hauptbedingung ſeines Wohlergehens nicht erfüllen kann, thut ein großes Unrecht daran, einen ſolchen Vogel anzu⸗ ſchaffen. Alle Mißgriffe aber, in der Erziehung ebenſo wie in der Verpflegung, bringen dem Thier anſtatt guter Eigenſchaften im Gegentheil abſtoßende bei. Eine ernſte Wahrheit liegt in dem Ausſpruch, daß, wer ſelber nicht gut erzogen iſt, ſich nicht an⸗ maßen ſoll, Andere, gleichviel Menſchen oder Thiere, erziehen zu wollen — und doch ruht die Abrichtung oder „Dreſſur“, wie man bezeichnend genug zu ſagen pflegt, unſerer nächſten Freunde aus der Thierwelt, unſerer innigſten Genoſſen unter den Hausthieren, 101 in der Regel in den Händen von rohen, oft nicht einmal gutartigen und häufig genug unfähigen Menſchen. Daher ſehen wir denn um uns her die vielen verdorbenen Hausthiere: Hunde, die von Natur gutmüthig und fügſam geweſen, in bösartige, biſſige Köter verwandelt, Katzen falſch und hinterliſtig, Papageien ſtörriſch, boshaft und als unleidliche Schreier u. a. m. Andrerſeits darf ein wohlerzognes Thier doch zweifellos als ein hochſchätzenswerther Genoſſe des Menſchen, der ihm unter Umſtänden im vollen Sinne des Worts ein Freund ſein und unermeßlichen Werth für ihn haben kann, gelten. Im Nachſtehenden will ich es verſuchen, Hinweiſe zu geben, wie dieſes Ziel zu erreichen iſt. Bis jetzt hat die Erfahrung etwaige Merkmale, an denen man die mehr oder minder hohe Begabung eines Vogels ohne weitres erkennen könnte, noch nicht mit Sicherheit feſtſtellen laſſen. Wol vermag der Sachkundige einem Papagei es einigermaßen anzu- ſehen, ob er „einſchlagen“, alſo ſich begabt, leicht zähmbar und gelehrig zeigen werde; wol zeugen Munterkeit und Regſamkeit, ein lebhaftes, glänzendes Auge, Aufmerkſamkeit auf Alles, was rings umher vorgeht u. drgl. für die Annahme, daß wir einen „guten Vogel“ vor uns haben, allein volle Gewißheit können wir darin doch nicht finden, denn es liegen Beiſpiele vor, nach welchen ſolch' Papagei trotzdem ſtörriſch und dumm geblieben, während ein andrer, 102 der anfangs wie ſtumpfſinnig dageſeſſen, ſich zum vorzüglichen Sprecher ausgebildet hat. Die Ge- ſchlechtsunterſchiede dürften in dieſer Hinſicht bedeutungslos ſein, abgeſehen davon, daß man ſie bis jetzt bei den großen, ſprachbegabten Papageien kaum oder noch garnicht ermittelt hat. Selbſtver⸗ ſtändlich iſt es um fo ſchwieriger, einen Vogel ein⸗ zugewöhnen und abzurichten, je älter er vor dem Einfangen bereits geworden, und die erſte zu be— achtende Regel beim Einkauf eines Sprechers, den man in die Lehre nehmen will, lautet alſo, daß derſelbe für jeden Unterricht umſomehr empfänglich iſt, je jünger er in unſern Beſitz gelangt. Doch ſind auch ſogenannte alte Schreier, die im Handel geringern Werth haben, noch vortreffliche Sprecher geworden, freilich gewöhnlich erſt, nachdem man ſie jahrelang in der Gefangenſchaft gehalten. Jeder gelehrige Papagei pflegt gleichzeitig mit der fort- ſchreitenden Eingewöhnung immer gefügiger zu werden und auch, jemehr er lernt, deſto ſeltner ſein häßliches Naturgeſchrei erſchallen zu laſſen. Die Händler zweiter und dritter Hand zähmen in der Regel jeden Papagei mit Gewalt. Mit ſtarken, wildledernen Handſchuhen ausgerüſtet, packt der Mann den Vogel an den Beinen, zieht ihn unbekümmert um ſein Kreiſchen und Beißen aus dem Käfig hervor, hält ihn auf dem Zeige- finger der linken Hand feſt und ſtreichelt ihn mit der rechten ſolange, bis er ruhig und zahm wird. Dazu gehört Muth, Geſchick, Ausdauer und Geduld und namentlich völlige Nicht— a 103 achtung der durch die Biſſe des Vogels verurſachten, trotz der Handſchuhe gar empfindlichen Schmerzen. Die zangenartige Geſtalt des Papageienſchnabels bringt bei heftigen Biſſen Quetſch⸗ und Rißwunden zugleich hervor, welche ſehr ſchmerz— haft ſind und ſchwierig heilen. Man hat ſich vornehmlich vor hinterliſtigem Beißen zu hüten. Um ihnen das Beißen abzu⸗ gewöhnen, haut man ſie gewöhnlich, ſobald ſie es verſuchen, mit dem Zeigefinger auf den Schnabel; dies nützt indeſſen meiſtens doch nichts, und andrerſeits wird nicht ſelten dadurch der plötzliche Tod des Vogels herbeigeführt. Auch manche Liebhaber ſuchen in der beſchriebenen Weiſe einen Papagei zu zähmen, weil ſie dann, wenngleich mit größrer Anſtrengung, ſo doch raſcher zum Ziel kommen; ich möchte indeſſen dieſen Weg der Zähmung keinenfalls ohne weitres empfehlen. Denn, wenn ein andres Verfahren auch langſamer und zeitraubender iſt, ſo hat es doch den Vortheil, daß es zwiſchen dem Menſchen und dem Vogel ein liebevolles Verhältniß zuſtande bringt, während jene ‚Drejjur‘ das Menſchenherz ſicherlich nicht mild und ſanft ſtimmen kann. Auch will es mir ſcheinen, als ob die Vögel, welche ſo mit Gewalt gebändigt worden, niemals zur rechten, vollen Zutraulichkeit gelangen, während im Gegen⸗ ſatz dazu die in Liebe und Freundſchaft abgerichteten ihrem Herrn gewiſſermaßen verſtändnißvoll zugethan ſind. Zur Zähmung und Abrichtung muß der Lehr⸗ meiſter ein gewiſſes Geſchick beſitzen; manche Leute vermögen eine derartige Aufgabe mit ſtaunenswerther Leichtigkeit zu löſen, bei anderen dagegen, obwol ſie reichere Erfahrungen und viel größere Kenntniſſe. haben, hält ſie überaus ſchwer. Auch die äußere Erſcheinung des Abrichters iſt von Einfluß. Gegen Dieſen zeigen allerlei Vögel ſich ſogleich furchtlos und ſogar zutraulich, Jenem gegenüber aber ſelbſt in 104 jahrelangem Verkehr niemals ruhig und zahm. Man behauptet, daß für die Papageien, ähnlich wie für die Kinder, ein bärtiger Mann beängſtigend ſei, während ſie, mindeſtens im allgemeinen, für Frauen und Kinder mehr Anhänglichkeit äußern. Für eine raſche und vollſtändige Zähmung ſind folgende Erfahrungsſätze zu beachten: Der Papagei darf ſeinen Stand niemals höher, ſondern er⸗muß ihn ſtets niedriger als das menſchliche Auge haben. Er iſt immer ſo zu ſtellen, daß der Ver⸗ pfleger, bzl. Lehrmeiſter, ſich zwiſchen ihm und dem Licht befinde. Namentlich aber mache man ihn möglichſt hilflos, denn jemehr er ſich in die menſch⸗ liche Gewalt gegeben fühlt, deſto leichter wird er zahm und der Abrichtung zugänglich. Man bringe ihn alſo in einen recht engen Käfig oder ſetze ihn angekettet auf einen Ständer; beides erfordert je- doch Vorſicht. Mehr als jedes andre Thier iſt der hochbegabte Papagei einer Erkrankung, ja dem Tode durch Ge— müthsbewegung ausgeſetzt, ſowol aus Angſt und Erſchrecken, wie aus Sehnſucht nach ſeinem Herrn, der ihn liebevoll behandelt und dann verkauft hat, oder nach einem gefiederten Genoſſen, ferner aus Erregung infolge von Zank und Streit mit Men⸗ ſchen oder Thieren. Man verhalte ſich alſo beim Füttern, wie bei jedem Nahen immer gleichmäßig ruhig und freundlich und vermeide es, ihn durch 105 plötzliches haſtiges Herantreten zu erſchrecken. Im ganzen Verkehr mit ihm, namentlich aber bei der Abrichtung laſſe man ſich niemals zur Heftigkeit oder gar zu Zornausbrüchen hinreißen. Ferner darf man den Papagei niemals necken, im Scherz oder Ernſt reizen, unnöthigerweiſe bedrohen oder gar ſtrafen. Jede etwaige Beſtrafung darf bei ihm nur bedingungsweiſe und von einem Abrichter angewendet werden, der volles Verſtändniß für ſein Weſen und ausreichende Erfahrungen auf dieſem Gebiet über⸗ haupt beſitzt. Wenn ich auch von jeder harten Strafe durchaus abſehe, und jede Behandlung, die an Thierquälerei nur ſtreifen könnte, vonvornherein ausſchließe, ſo muß ich doch zugeben, daß in gewiſſen Fällen Beſtrafung nothwendig iſt. Zu allernächſt liegt ſolche dem Vogel gegenüber, welcher, obwol ein hochbegabter Sprecher, doch vielleicht aus Uebermuth oder weil er ſchlecht gewöhnt worden oder weil ſein Beſitzer ſich zu wenig mit ihm beſchäftigt, zeitweiſe als arger Schreier läſtig fällt. Das Be⸗ mühen, ihn im Guten zu beruhigen, iſt meiſtens vergeblich, harte Zwangsmaßregeln ſind ebenſowenig anzuwenden, da in denſelben die Gefahr liegt, daß man dadurch einen bis dahin gutartigen, werthvollen Vogel verderbe und zum bösartigen Geſchöpf mache, und zwar ohne trotzdem den eigentlichen Zweck zu erreichen. Stock oder Rute iſt hier als Erziehungsmittel völlig unbrauchbar; anſtatt ihrer muß man ein andres Zwangs⸗ mittel anwenden, das einerſeits mild ſei und andrerſeits doch nachdrücklich genug wirke, das man vor allem aber dem Vogel als eine Strafe verſtändlich zu machen vermag. Jeder Papagei, den man ſchlägt, wehrt ſich; er empfindet die Schläge nicht als Strafe, ſondern als Befehdung, und auch deshalb ſind 106 dieſe bedenklich, weil der Papagei ſie als ihm widerfahrne Mißhandlung lange im Gedächtniß behält, dem, der ſie ihm zugefügt, nachträgt, ſodaß er dadurch das Zutrauen und zugleich die Lernluſt und Lernfähigkeit einbüßt. Selbſt die Bedrohung durch harte Worte, durch anſchreien, auf den Käfig ſchlagen u. ſ. w., kann den Vogel verderben, ohne zu nützen. An einem, freilich dem bedeutſamſten, Beiſpiel will ich erörtern, in welcher Weiſe der Vogel lernen kann, Strafe von Unbill zu unterſcheiden. Haben wir einen recht begabten und gut abgerichteten Papagei vor uns, ſo werden wir ihn trotzdem nicht oder doch nur ſehr ſchwierig daran verhindern können, daß er zeitweiſe arg ſchreit und lärmt; alle erwähnten Bedrohungen nützen garnichts, denn gleichſam hohnlachend ſucht er ſie nachdrücklichſt abzuwehren. Als wirkſames Verfahren rathe ich, ihn, bzl. feinen Käfig, zu verdecken. In den meiſten Fällen wird zwar auch dadurch kein Erfolg erreicht, denn, wenn der Papagei im erſten Augenblick verſtummt, ſo ſchreit er doch bald unter dem Tuch wieder los. Darin liegt nun aber eben der Mißgriff. Auf folgendem Wege gelangt man dagegen ſicherlich zum Ziel. Ein dickes, dunkles Tuch legt man in der Nähe des Käfis bereit, und ſobald der Papagei anfängt zu ſchreien, wird er plötzlich zugedeckt, und der Käfig raſch ganz ver— hüllt, ſodaß er im Finſtern ſitzt; dann, nach einigen Minuten, wird das Tuch wieder abgehoben. Beim Zudecken ruft man ihm ein ſcheltendes Wort in drohendem Tone zu, beim Abheben ſpricht man wieder liebevoll mit ihm. Wiederholt man dies jedesmal, ſobald er zu lärmen beginnt, ſo begreift er bald, und es bedarf zuletzt nur noch des Empor- hebens oder wol gar nur des Hinweiſens auf das Tuch unter drohendem Zuruf, um ihn ſofort vom 107 Geſchrei abzubringen. Hier haben wir alſo den Vortheil, daß der Vogel ſich nicht zu wehren ver— mag, ſondern die Strafe ruhig über ſich ergehen laſſen muß und bald erkennen lernt, wodurch er ſie vermeiden kann. Dem Papagei auf dem Ständer gegenüber iſt es freilich kaum möglich, dieſe Strafe zur Anwendung zu bringen. Bei der Zähmung ſind unverwüſtliche Ruhe und gleichmäßig freundliches Weſen Hauptbedingungen des Erfolges. Etwa ein bis zwei Wochen überlaſſe man den Vogel ungeſtört ſich ſelber. Sein eigner ſcharfer Verſtand wird ihm bald ſagen, daß für ſein Leben keine Gefahr vorhanden iſt, und ſobald er dann ruhig geworden, das dummſcheue Weſen und häßliche Geſchrei abgelegt hat, fängt er an, ſeine Umgebung zu beobachten. Er weiß Jeden, der es gut mit ihm meint, von dem, der ihm wirkliche oder vermeintliche Unbill zugefügt hat, alſo Freund und Feind, bald und ebenſo noch nach langer Zeit, zu unterſcheiden; er lernt ſeinen Wohlthäter ſchätzen, wird zutraulich gegen ihn und ihm zugethan. Am beſten unterläßt man auch hier jede Zwangsmaß⸗ regel und bedient ſich allenfalls nur einiger Kunſt⸗ griffe, um eine raſchere, vollſtändigere Zähmung zu erreichen. Nachdem man ihm für einige Stunden das Trinkwaſſer entzogen, hält man ihm daſſelbe oder auch beſondere Leckerbiſſen ſo hin, daß er, um dazu zu gelangen, nur über die Hand hinwegreichen 108 kann. Unſchwer gewöhnt er ſich jo an dieſe, kommt freiwillig auf den Finger, läßt ſich dann auch das Köpfchen krauen, nach und nach ſtreicheln, zuletzt völlig anfaſſen und hätſcheln. | Herr Dr. Lazarus, einer der tüchtigften Papageienkenner und Pfleger, ſchlägt etwas abweichend folgenden Weg vor: „Sobald der friſcheingeführte Papagei bei gleichmäßig liebe⸗ voller Behandlung, oft trotzdem erſt nach Monaten, ſich ruhiger zeigt und zutraulich zu werden beginnt, indem er aufhört, bei jeder Annäherung zu kreiſchen, vielmehr an das Gitter kommt und wol gar den Kopf entgegenſtreckt, wobei er jedoch noch immer ſehr ſcheu und ängſtlich iſt, darf man allmählich den Verſuch wagen, mit einem Finger vorſichtig ſeinen Oberſchnabel oder Kopf zu berühren. Nun verſuche man, ihn zu krauen, während man ihm einige zärtliche Worte ſagt, beſonders ſolche, welche er vielleicht ſchon ſpricht. Dies thue man namentlich in der Dämmerung und des Abends bei Licht; bald wird er ſich ſolche Liebkoſungen gefallen und wol gar den Kopf in die hohle Hand nehmen laſſen. Stets führe man dergleichen aber durch das Käfiggitter aus, durch welches man am Papagei⸗ bauer ja bequem langen kann, niemals reiche man mit dem ganzen Arm durch die Käfigthür, weil der Papagei dadurch beängſtigt wird. Erſt nach längrer Zeit, wenn er ſchon daran gewöhnt iſt, durch das Gitter ſich ohne Scheu berühren zu laſſen, beginne man die Thür zu öffnen, damit er heraus⸗ komme, doch nur wenn es im Zimmer ganz ruhig iſt; und ebenſo laſſe man ihm vollauf Zeit, ſich zu entſchließen, auch wenn es mehrere Stunden dauert, bis er heraus und auf das Dach klettert. Bald wird er die Bewilligung dieſer Freiheit mit Ungeduld erwarten. Nun beſchäftige man ſich ausſchließ⸗ lich mit ihm, wenn er ſich draußen befindet. Iſt er ſoweit gezähmt, daß er Futter aus den Fingern nimmt, einen ſolchen mit dem Schnabel faßt ohne zu beißen, ſeinen Kopf in eine 109 hohle Hand ſteckt, während man ihn mit der andern im Ges fieder kraut, ſo muß er nun auch lernen, auf die Hand zu kommen. Dauert es zu lange, bevor er ſich freiwillig dazu entſchließt, jo muß man, wie vorhin angegeben, Zwangsmaß— regeln anwenden, und im Verlauf einer Woche etwa bringt man ihn ſicherlich dazu, dies freiwillig zu thun.“ Bevor ich meinerſeits praktiſche Anleitung zur eigentlichen Abrichtung gebe, muß ich einem häß— lichen, leider noch vielfach herrſchenden Vorurtheil entgegentreten. Daſſelbe betrifft das ſog. Zungen- löſen, welches viele Leute noch für durchaus erforderlich, halten, andere dagegen als nothwendig ausgeben, um ihres. Vortheils willen nämlich. Nur ungebildete Menſchen können noch in dem Aberglauben befangen ſein, daß das Löſen der Zunge bei einem Vogel zum Sprechenlernen nothwendig ſeiz; ich erkläre hiermit, daß es eine vollkommen überflüſſige und ſogar ges fährliche Thier quälerei iſt. Zähmung und Sprachunterricht ſollten ſtets gleichzeitig erſtrebt werden. Erachtet man indeſſen die erſtre nicht für nothwendig, ſo kann man den Papagei ſogleich in einen geräumigen Käfig ſetzen, während dies ſonſt erſt in einigen Wochen geſchehen ſollte. Zur Abrichtung iſt außer den S. 104 ans geführten Bedingungen vor allem Verſtändniß, liebe⸗ volle Theilnahme für die Vögel überhaupt, vor— nehmlich aber Ruhe und Geduld, erforderlich. An jedem Morgen und Abend, beſonders in der Dämmerung, ſodann auch am Tage mehrmals, ſagt 110 man dem Papagei, nachdem man ihn, falls er ſchon ſchlummerte, in liebevollem Ton munter und auf- merkſam gemacht, zunächſt nur ein Wort laut und recht deutlich betont, wenn möglich immer in genau gleicher, klarer und ſcharfer, nicht ſchnarrender, liſpelnder oder ſonſtwie ſchlechter Ausſprache vor. Man wähle ein ſolches mit volltönendem Vokal, a oder o, und mit hartem k, p, r oder t und vermeide die Ziſchlaute, beſonders ſch und z. Die Lehrmeiſter in den Hafenſtädten, bzl. ſchon die Matroſen auf den Schiffen, bringen den Papageien gewöhnlich die Worte Lora, Koko, Jako, Hurrah, Rorirora, wackre Lora, Papa u. a. m., bei. Die Erfahrung ergibt, daß jeder Papagei von einer ihm wol melodiſcher klingenden Frauenſtimme leichter lernt, als von der rauhen eines Mannes, doch darf man keineswegs glauben, daß letztres garnicht geſchehe. Eine abſonderliche Eigenthümlichkeit äußert ſich bei manchem der großen ſprachbegabten Papageien darin, daß er ſich nur gegen Frauen liebenswürdig und für deren Unterricht empfänglich zeigt, jedem Mann gegenüber aber mehr oder minder bösartig. Ein ſolcher ſog. Damenvogel kann unter Umſtänden höhern Werth haben, da er ſich vornehmlich zum Geſchenk eignet. Bei anderen Papageien iſt es wiederum genau umgekehrt; ſie ſind „Herrenvögel“. Die Annahme, daß die Damenvögel zumeiſt Männchen, die Herrenvögel Weibchen ſeien, iſt durch die Er— fahrung widerlegt. | Während der Sprachabrichtung ift der Vogel vorzugsweiſe gut zu behandeln, damit er zutraulich werde und beſonders nicht bei jeder Annäherung eines Menſchen erſchrecke oder doch ängſtlich und 1 ſcheu ſei, ſondern recht ruhig und aufmerkſam ſich zeige, ſodaß er vonvornherein mit einem gewiſſen Verſtändniß auf den Unterricht merke. Dieſer ſollte wirklich ein ſolcher und nicht eine bloße Abrichtung zum Nachplappern einzelner Worte ſein; der Papagei muß eine beſtimmte Vorſtellung für das Geſagte erlangen, ſodaß er ſich der Begriffe von Zeit, Raum und anderen Verhältniſſen und Dingen bewußt werde. Man ſagt ihm früh „guten Morgen“, ſpät „guten Abend“ oder „gute Nacht“ vor, ebenſo „guten Tag“ oder „willkommen“ bei der Ankunft und „lebwohl“ beim Fortgehen; man klopft an und ruft „herein“; man zählt ihm Leckerbiſſen zu: eins, zwei, drei, oder nennt ihm deren Namen, wie Nuß, Mandel, Apfel: man lobt ihn, wenn er artig und folgſam iſt und tadelt ihn, wenn er ſich eigenſinnig zeigt oder nicht gehorchen will. All' dergleichen begreift ein begabter Vogel ſehr bald, und es iſt manchmal erſtaunlich, mit welchem Scharfſinn und mit welcher Sicherheit er derartige Verhältniſſe kennen und unter⸗ ſcheiden lernt. Auch bei der Abrichtung zum Nach— ſingen eines oder mehrerer Lieder, ſowie zum Nach⸗ flöten von Melodien iſt ſorgſam darauf zu achten, daß der Unterricht, gleichviel ob er im letztern Fall bloß mit dem Munde oder mit einer Flöte ausge— führt werde, ſtets in gleicher Tonart geſchehe; jeder unreine oder Mißton iſt zu vermeiden. Den ſachgemäßen Sprachunterricht ſoll man wie N,“ on 112 erwähnt mit leichten, einfachen Worten anfangen und allmählich zu ſchwereren übergehen. Erſt wenn er ein Wort ſicher aufgefaßt hat, darf man ihm das zweite vorſprechen. An jedem Tag, mindeſtens aber von Zeit zu Zeit, wiederhole man alles, was der Vogel bisher gelernt hat, gewiſſermaßen vom Abc an, und erſt ſobald man ſich davon über- zeugt, daß er alles noch taktfeſt inne hat oder nachdem man ihm dies oder das Entfallene wieder beigebracht, ſpreche man ihm Neues vor. Dabei vermeide man, nachzuhelfen, wenn der Vogel übt und inmitten des Wortes oder Satzes ſtecken bleibt; er würde dadurch leicht eine falſche, doppelſilbige Ausſprache annehmen. Man warte vielmehr ſtets, bis er ſchweigt, und ſpreche ihm dann das betreffende Wort oder den Satz nochmals klar und ſcharf be— tont vor. Um ihn von hißlichen, widerwärtigen Redensarten, Worten oder Lauten überhaupt zu entwöhnen, unterlaſſe man es, über dergleichen zu lachen, denn das würde ihn nur dazu ermuntern, deſto eifriger gerade ſolche Unarten zu üben — in gleicher Weiſe wie es bei Kindern der Fall iſt. Nur dadurch kann er ſie vergeſſen, daß ſie in ſeiner Gegenwart niemals wiederholt oder auch nur er— wähnt werden, daß man vielmehr, ſobald er ſie aus— zuſprechen beginnt, ihn ſofort mit einem andern, erwünſchten Wort unterbricht und dies ſolange wiederholt, als er jene Unart ausübt. Nothwendig 113 it es, daß man ſich ſowol mit dem noch in der Abrichtung befindlichen als auch mit dem bereits tüchtigen Sprecher möglichſt viel beſchäftigt, ein⸗ gedenk deſſen, daß Stillſtand in allen Dingen Rück⸗ ſchritt bedeutet, daß alſo bei mangelnder Uebung auch der beſte, hochbegabte Vogel in Gefahr iſt, „zurückzugehen“, bzl. das Erlernte zu vergeſſen, zu verwildern oder wol gar ſtumpfſinnig zu werden und alſo an Werth zu verlieren. So, Schritt für Schritt lehrend, hat man die Gewähr, daß der Papagei wirklich ein tüchtiger Sprecher werde. Die Begabung ergibt ſich als außerordentlich verſchiedenartig. Der eine Papagei begreift ſchwer, erfaßt ein neues Wort erſt nach längrer Uebung, behält es dann aber auch und hat alles feſt inne, was ihm überhaupt gelehrt worden; ein zweiter ſchnappt alles raſch auf, lernt ein Wort wol gar beim erſtenmal nachſprechen, vergißt es jedoch leicht wieder; ein dritter nimmt gut auf und bewahrt zugleich ebenſo; ein vierter lernt garnicht oder doch nur wenig; ein fünfter hat keine Anlage, Worte nachzuſprechen, kann dagegen vortrefflich Melodieen nachflöten oder nachſingen; ein ſechſter ahmt das Krähen des Hahns, Hundegebell, das Knarren der Wetterfahne und allerlei andere wunderliche Laute täuſchend nach, ſchmettert auch wol den Schlag des Kanarienvogels u. ſ. w., vermag aber ebenfalls kein menſchliches Wort 5 f Haupt⸗ Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 114 aufgabe für den Lehrmeiſter iſt es, daß er beizeiten die beſondre Begabung eines jeden ſolchen Vogels entdecke und ihn derſelben gemäß zur höchſtmöglichen Ausbildung bringe. Für den Kenner und geübten Abrichter ſprachbegabter Papageien liegt hierin ge⸗ wiſſermaßen ein Maßſtab zur Abſchätzung, freilich nur für den Fall, daß er imſtande iſt, ein ſichres Urtheil inbetreff eines jeden einzelnen Vogels zu gewinnen. Selbſtverſtändlich ſteht an Werth der in der verſchiedenartigen Begabung als dritter genannte Papagei hoch obenan, und bei ſachverſtändiger Ausbildung kann derſelbe einen außerordentlich bedeutenden Preis erlangen; ein derartiger reichbegabter Vogel kommt aber nur verhältnißmäßig ſelten vor. Als der zunächſt ſtehende in der Werthreihe darf der erſterwähnte Papagei gelten, denn wenn ſeine Abrichtung auch größre Mühe und Ausdauer erfordert, ſo gewährt er doch den Vortheil, daß er dem vorigen nahezu gleichkommen kann. Der zweitangeführte Papagei könnte bedingungsweiſe einen faſt ebenſo hohen Werth, wie der dritte oder doch einen höhern als der erſte erreichen, für einen Liebhaber nämlich, dem das immerwährende, ganz gleichmäßige Nachplappern einundderſelben Worte, bzl. derſelben Redensarten, langweilig und zuwider wird. An den wechſelnden, immer neuen Leiſtungen dieſes dann ja auch reichbegabten Vogels, kann man viel mehr Ver⸗ gnügen, als an denen anderer haben. Zu recht werthvollen Vögeln ſind unter günſtigen Umſtänden auch die Papageien auszubilden, welche ich als den fünften und ſechſten genannt habe. Ihnen gegenüber kommt es vor allem darauf an, die abſonderliche Seite ihrer Begabung mit Sicherheit zu ermitteln. Immerhin wird man alſo gut daran thun, daß man einem ſolchen Vogel, bei dem der Sprachunterricht auf große Schwierigkeiten zu ſtoßen ſcheint, hin und wieder eine Strofe 115 vorflötet oder ſingt, und ihm, wenn er dieſelbe auch nicht annimmt, ferner die Gelegenheit dazu gibt, den Hahnenſchrei oder das Bellen eines Hundes oder auch das Lied eines Singvogels, insbeſondre einen lauten, lebhaften Schlag, zu hören. Schließlich kann auch ein ſorgfältig ausgebildeter, ſog. Faxenmacher, der freilich nur ſelten vorkommt, in allerlei er⸗ lernten drolligen Leiſtungen immerhin ſeinen dankbaren Lieb⸗ haber finden. Jeder Papagei, der bald, wol gar ſchon in den erſten Tagen des Unterrichts ein oder einige Worte annimmt, wird jedenfalls ſich unſchwer zum tüchtigen Sprecher ausbilden laſſen; bei einem andern, der allen guten Einflüſſen hartnäckig zu widerſtreben ſcheint, muß der Abrichter ausreichendes Ver— ſtändniß für ſein abſonderliches Weſen zu gewinnen ſuchen, um ihn dann in angemeßner Weiſe anzuregen, ſeine Begabung zu wecken und dieſelbe auszubilden. Man behauptet, daß es Papageien gibt, die niemals rein und klar, ſondern nur liſpelnd, heiſer oder ſchnarrend ſprechen lernen; nach meiner Ueberzeugung liegt dies jedoch immer in der Schuld des Lehr— meiſters. Uebrigens laſſe man ſich keinenfalls ſogleich ent⸗ muthigen, wenn ein Papagei das oder die erſten Worte trotz des klarſten Vorſprechens undeutlich wiedergibt; dies iſt näm⸗ lich anfangs bei den meiſten der Fall, und erſt nach mehr oder minder langer Uebung bringen fie das Wort voll und klar hervor. Wohl zu beachten iſt, daß ſelbſt der vollſtändig eingewöhnte Papagei gegen jede Veränderung in der Fütterung und Wartung, in der Behandlung oder in den Wohnungsverhältniſſen, überaus empfindlich ſich zeigt; er kann bei ſolcher Gelegenheit jo aufs geregt und verdrießlich werden, daß er für lange Zeit verſtummt. Darin iſt auch die Urſache dafür zu ſuchen, daß die meiſten ſprechenden Papageien ER g* 116 beim Verkauf aus einer Hand in die andre zunächſt keineswegs ihre werthvollen Eigenthümlichkeiten kundgeben, und hierin liegt es wiederum begründet, daß es kaum möglich iſt, auf den Ausſtellungen die hervorragendſten Sprecher zu prämiren; mindeſtens herrſcht die Gefahr für die Preisrichter, eine Un⸗ gerechtigkeit zu begehen, indem nämlich der eine Sprecher ſich bald in die neuen Verhältniſſe findet und alſo ſeine Kenntniſſe zeigt, während der andre, vielleicht weit werthvollere, hartnäckig ſich weigert, das geringſte hören zu laſſen. Mancher hochbegabte und vorzüglich abgerichtete Papagei ſpricht niemals in Gegenwart eines Fremden, und da er infolgedeſſen einen geringern Werth hat, jo ſollte man vonvorn⸗ herein jeden Papagei ſo abrichten, daß er durch die Anweſenheit fremder Perſonen ſich nicht be⸗ einfluſſen läßt. Inbezug auf den Geſangunterricht der Papageien gab Frau Baronin von Jena in meiner Zeit⸗ ſchrift „Die gefiederte Welt“ den folgenden be⸗ herzigenswerthen Hinweis: Oft iſt laut Anzeige ein ſprechender Papagei verkäuflich, welcher auch „Lott' iſt todt“ oder „Eins, zwei, drei, an der Bank vorbei“ oder einen noch viel ſchlimmern Gaſſenhauer ſingen kann. Unter fünfzig derartigen Anzeigen haben wir kaum eine vor uns, die ein andres als ein gemeines und unſchönes Lied als Leiſtung des Vogels angibt. Da darf ich wol mit einer gewiſſen Berechtigung fragen, warum die Abrichter unſerer gefiederten Lieblinge ſich keine anderen, ſchöneren Aufgaben für dieſe Vögel ſtellen! Auf eine ſolche Frage erhielt ich den Beſcheid, daß die Papageien meiſtens ſchon während der Seefahrt von den Matroſen abgerichtet würden, und daß ſich der Liederſchatz der letzteren eben nicht viel weiter erſtrecke, als auf die todte Lotte u. drgl. Ob dies für alle Fälle richtig iſt, laſſe ich dahingeſtellt fein. Heutzutage, bei der ſtarken Nachfrage und der im Großen betriebnen Einfuhr, 117 müßte der Händler doch ſelbſt für die Ausbildung der reichbegabten Vögel ſorgen. Wieviele ſchöne Volkslieder beſitzen wir! Sollten Weiſen wie „Aennchen von Tharau“, „Ach, wie iſt's möglich denn“, „Ich hatt' einen Kameraden“ u. a. m. nicht ebenſo leicht und erfolgreich dem Vogel zu lehren ſein, wie der erwähnte gemeine und meiſtens zugleich unſchöne Singſang? Wieviel lieber würde man einen ſolchen Papagei theurer bezahlen, als jenen erſtern! Hoffentlich wird hierin bald eine Wendung zum Beſſern eintreten. Die großen Vogelhandlungen in den Hafenſtädten laſſen häufig Papageien, welche ſie für vorzugsweiſe gelehrig halten, von gewiſſen, darin geübten und viel erfahrenen Leuten unterrichten, welche aber leider oft ungebildete Menſchen ſind, von denen die Vögel immer nur gemeine und unſchöne Worte und Redens⸗ arten lernen, und zwar in breiter, häßlicher Aus⸗ ſprache, oft liſpelnd, ſchnarrend oder ſonſtwie un— deutlich, zuweilen auch mit einer häßlichen, ſchmutzigen Redensart verquickt. Beim Sprachunterricht ver⸗ dient die Anregung der Frau Baronin von Jena ſicherlich die gleiche Beachtung. Folgendes bei den Händlern und Papageilehrern in den Hafenſtädten nicht ſelten eingeſchlagene Ab⸗ richtungs⸗Verfahren kann ich keinenfalls anrathen. Man verhängt den Käfig während der ganzen Zeit des Unter⸗ richts mit einem Tuch, ſodaß der Papagei (ebenſo wie der junge Kanarienvogel im Geſangskaſten) im Dunkeln ſitzt und ſo bei Verhinderung jeder Störung und Zerſtreuung ausſchließ⸗ lich auf ſeine Sprachſtudien angewieſen iſt. Für empfehlens⸗ werther halte ich es, einen gezähmten, geſitteten und bereits ſprechenden Papagei neben den wilden ſtörriſchen zu bringen. Als kluger Vogel wird er 118 einſehen, daß dem Genoſſen nichts Böſes geſchieht, ſich beruhigen und ſeine Wildheit manchmal bald ablegen, auch von jenem ungleich leichter die Nach⸗ ahmung menſchlicher Worte u. a. annehmen. Im Gegenſatz dazu vermeide man es, beim Beginn des Unterrichts zwei oder mehrere rohe Papageien in einem oder in an einanderſtoßenden Zimmern zu halten, weil ſie ſich gegenſeitig kur: und a. Kreiſchen aufmuntern. Wer einen hervorragenden Sprecher vor ih bat, gelangt wol unwillkürlich zur wahren Begeiſterung für das hochbegabte Thier. In ſolcher haben ſich manche Schriftſteller dazu hinreißen laſſen, gar ſonder⸗ bare Schilderungen der Leiſtungen zu geben. „Nur zu oft,“ ſagt Rowley mit Bezug hierauf, „hat man den Verſuch gemacht, dem Vogel das volle, klare Verſtändniß der geſprochenen Worte beizumeſſen, ohne zu bedenken, daß die Parteilichkeit des Beſitzers ſich ſelber täuſcht — denn der Wunſch iſt oft der Schöpfer der Vorſtellung“. Die derartige überſchwängliche Auffaſſung kann man vermeiden, wenn man einfach auf dem Boden der Thatſächlichkeit ſtehen bleibt. Man halte immer daran feſt, daß der Papagei wol Verſtand, aber nicht Ber- nunft in dem Maß wie der Menſch hat, daß er denken und auch urtheilen, aber nicht wie wir ſeeliſch fühlen, empfinden kann. Es würde ein ſchweres Unrecht ſein, wollte man behaupten, daß der Papagei 119 die Worte bloß mechanisch nachplappern lerne, ohne eine Vorſtellung von ihrer Bedeutung zu haben. Wie rührend weiß er zu bitten, wenn er einen Lecker⸗ biſſen zu erlangen wünſcht, wie ärgerlich kann er ſchelten, wenn er denſelben nicht bekommt, wie jubelt er vor Freude, wenn ſeine Herrin nach langer Ab⸗ weſenheit zurückkehrt und wie herzig ruft er will⸗ kommen! Beim Fortgehen wird er ſtets lebwohl und nicht willkommen ſagen, und wenn Jemand anklopft: herein, wenn er etwas wünſcht: bitte, und wenn er es erhalten: danke! Wie aufmerkſam lauſcht er auf den Unterricht und wie bezeichnend weiß er ſeiner Freude Ausdruck zu geben, wenn er etwas Neues gelernt hat! Das ſind Thatſachen, die Niemand beſtreiten kann, ſondern Jeder be⸗ ſtätigen muß, der einen ſolchen Vogel genau be⸗ obachtet hat. Durch ſeine Sprachbegabung erhebt ſich der Papagei nicht allein hoch über andere Thiere, ſondern auch durch geiſtige Anlagen — nur der Hund dürfte ihm hierin gleichkommen — tritt er dem Menſchen vorzugsweiſe nahe. Mit dem Fortſchreiten des Unterrichts ergibt ſich ſelbſtverſtändlich eine bedeutende Werthſteigerung. Ein Amazonenpapagei, den man im rohen Zuſtand für 15, 20, 24 bis 30 Mk. eingekauft hat, wird, wenn er ein oder zwei Worte ſpricht, mit der doppelten Summe, bei mehreren Worten mit 60 bis 75 Mk., bei einem oder einigen Sätzen aber bis 100 Mk. und 120 bei weitrer Abrichtung ſteigend mit 300 Mk. und weit darüber, wol gar bis 1000 Mk., bezahlt. Geſundheitspflege und Krankheiten. Geſundheitspflege. Die Hauptaufgabe des Liebhabers muß es ſein, einem ſolchen werthvollen Vogel in jeder Hin⸗ ſicht ein ſo behagliches Daſein als irgend möglich zu ſchaffen. Dazu bedarf es aber nicht allein einer zweckmäßigen Wohn⸗ ſtätte, angemeßner und beſter Fütterung, aufmerkſamer und liebevoller Behandlung, ſondern auch ſorgſamſter Geſundheits⸗ pflege. Die letztre bedingt vor allem, daß der Sprecher be— wahrt werde vor jedem bedrohlichen Einfluß, namentlich Zug⸗ luft, Naßkälte, plötzlichen und ſtarken Wärmeſchwankungen, zu ſtarker, ſtrahlender Ofenhitze, ſengenden Sonnenſtrahlen, zu trockner, dunſtiger, ſtaubiger, mit ſchädlichen Gaſen, Petroleum⸗ dunſt u. a. erfüllter oder ſonſtwie verdorbner Luft, ſchlechtem oder unpaſſendem Futter, verunreinigtem Waſſer, Unreinlichkeit und Vernachläſſigung überhaupt; auch Tabaksrauch zähle ich dazu, obwol die Erfahrung lehrt, daß ein Papagei ſich zu⸗ weilen an die ſchwüle, rauch- und dunſtgeſchwängerte Luft eines vielbeſuchten Wirthshauſes gewöhnen und darin lange Zeit ausdauern kann. Einen Amazonenpapagei ſollte man, ſelbſt wenn er ſich bereits ſeit Jahren in unſerm Beſitz befindet, auch bei gutem, windſtillem Wetter niemals vor ein offenes Fenſter ſtellen, weil dort Zugluft unvermeidlich iſt. Will man ihn ins Freie bringen — und das iſt ihm in der That ſehr wohl⸗ thuend —, ſo darf es nur unter äußerſter Vorſicht geſchehen. Das Wetter muß warm und windſtill ſein, und dann muß man einen Ort wählen, an welchem er vor jeder Luftſtrömung, ſowie gegen die unmittelbaren glühenden Sonnenſtrahlen ge⸗ 121 ſchützt iſt; ebenſo iſt Nachtluft und Nebel zu vermeiden. Oft erkrankt ein Papagei trotz aller Vorſorge an Schnupfen, Hals⸗ oder Lungenentzündung, ohne daß man die Urſache feſt⸗ ſtellen kann. Da hat ihn wol kalter Zug getroffen, der aus einem Nebenzimmer beim Oeffnen der Thür oder aus einer unbemerkten Thür⸗ oder Fenſterſpalte gerade nach der Stelle hinſtrömt, wo der Käfig ſteht. Jede Thür bringt beim Auf: und Zuklappen Zugluft hervor, welche manchmal auf weite Entfernung und nach einer Richtung hin, wo man es nicht erwartet, empfindlich wirkt. Für den Papageienkäfig, bzl. ⸗Ständer, muß daher der Standort in jedem Zimmer mit großer Umſicht gewählt werden. Am ſchlimmſten ergeht es dem Papagei gewöhnlich morgens beim Reinigen der Zimmer, wo er nicht allein der Zugluft, ſondern auch der von aufgewirbeltem Staub erfüllten naß⸗ kalten Luft und namentlich zu ſchnellen Wärmeſchwankungen ausgeſetzt iſt, indem beim Lüften der eiſige Hauch einſtrömt, während der Vogel nicht genügend geſchützt iſt. Das Verdecken, ſelbſt mit einem recht dicken Tuch, iſt nicht ausreichend, man ſoll vielmehr den Käfig immer vor der Zimmerreinigung in eine andre, gleichwarme Stube bringen. Eine arge Erkältung, an die man kaum denkt, kann dadurch hervorgerufen werden, daß Jemand aus kalter, freier Luft oder aus einem ungeheizten Zimmer kommend, plötzlich an den Käfig tritt, wie dies beim Füttern wol geſchieht. Wenn der Papagei dann plötzlich und anſcheinend ohne Veranlaſſung ſchwer erkrankt, ſchiebt man es auf „die Weichlichkeit ſolcher Vögel“, während von dieſer doch, bei verſtändnißvoller Eingewöhnung und wirklich zweckmäßiger Pflege, garnicht die Rede ſein kann. Zu den ſchädlichſten Einflüſſen gehört auch hohe, ſtrahlende, trockne Wärme, vornehmlich in einem nicht genügend ge— lüfteten Zimmer, während der geſunde Graupapagei niedere Wärmegrade, ſelbſt bis etwa 5 Grad Kälte, ohne Gefahr er- tragen kann, wenn nur jeder ſchnelle Uebergang vermieden 122 wird. Am zuträglichften iſt für ihn freilich gewöhnliche Stubenwärme, alſo 14 bis 15 Grad R. | Viele Papageienpfleger verhängen während der Nacht den Käfig mit einem Tuch. Man kann dies immerhin thun, namentlich bei friſch eingeführten, alſo noch nicht eingewöhnten Vögeln, ferner in einem Zimmer, das ſich zur Nacht bedeutend abkühlt oder in welchem der Sprecher bis ſpät abends durch vielen Verkehr beunruhigt und geſtört wird. Keinesfalls darf man den Vogel aber dadurch verweichlichen; man wähle alſo kein dickes wollenes Tuch; wenigſtens benutze man für den Sommer nur ein ganz leichtes. Ich empfehle Sackleinewand oder ſorgſam gereinigte Säcke von ſtarkem Hanf oder drgl.; dieſe ſind im Sommer nicht zu warm, während ſie doch genügen, im Winter die Kälte abzuhalten; außerdem ſind ſie noch inſofern beſonders geeignet, als die Vögel nicht leicht, wie bei loſen Woll⸗ und Baumwollſtoffen, Faſern abnagen und hinabſchlucken können. Vorzugsweiſe großer Sorgfalt bedarf die Pflege des Gefieders. In dieſem bildet und ſammelt ſich Federn⸗ ſtaub oft in beträchtlicher Menge an, und auch deshalb muß der Papagei einen möglichſt großen Käfig haben, damit er flügelſchlagend den ganzen Körper ordentlich auslüften kann, wodurch der Staub entfernt wird. Andernfalls muß man ihn daran gewöhnen, daß er täglich auf dem beſchriebnen Sitzplatz oberhalb des Bauers ſich genügend ausſchwinge; noch beſſer läßt man ihn auf dem Finger flügelſchlagend ſich auslüften. Hat man einen biſſigen, unbändigen Vogel, den man nicht aus dem Käfig freilaſſen darf, oder der freiwillig nicht hervor⸗ kommen will, ſo wende man zweckmäßige Federnpflege an. Wird der Federnſtaub garnicht entfernt, ſo kann er durch Ver⸗ ſtopfen der Poren Unterbrechung der Hautthätigkeit und damit Geſchwüre, innere Krankheiten oder arges Jucken hervorbringen, welches letztre dann wol zu dem unſeligen Selbſtrupfen führt. Die Händler benäſſen den ganzen Körper vermittelſt des 123 Mundes entweder bloß mit lauwarmem Waſſer oder mit ſolchem, unter das Rum oder Kognak gemiſcht iſt. Der Lieb⸗ haber dagegen beginne eine fachgemäße Haut⸗ und Gefieder⸗ pflege, ſobald der Papagei ſich nach der Ankunft völlig be= ruhigt und einigermaßen gut eingewöhnt hat, wozu er 4 bis 6 Wochen bedarf. Für gewöhnlich genügt ein Bad etwa alle vier Wochen einmal, bei heißem Wetter im Sommer aber, oder wenn der Papagei ſich ſelbſt rupft und eine volle Federnkur durchzumachen hat, muß das folgende Verfahren zweimal wöchentlich und im Ganzen 4 bis 6 Wochen hindurch ange— wendet werden. An zwei Tagen in der Woche (Montag und Donnerstag) in der Mittagſtunde, wenn es gleichmäßig warm im Zimmer iſt, durchpuſte man dem Vogel mit einem kleinen Blaſebalg die Federn gründlich bis auf die Haut. Anfangs wird er ſich ängſtigen, bald aber ſich daran gewöhnen, denn es bringt ihm Wohlbehagen, ſowol in der kühlenden Wirkung als auch in der Entfernung des Federnſtaubs. An zwei anderen Tagen in der Woche (Mittwoch und Sonnabend) wird der Papagei, ebenfalls in der Mittagſtunde, vermittelſt einer kleinen Blumenſpritze mit Siebtülle gründlich abgeſpritzt. Man nimmt reines ſtubenwarmes (ſ. S. 98) Brunnen- oder Fluß⸗ waſſer und miſcht auf ein Waſſerglas voll einen Kinderlöffel voll gutes, reines Glyzerin und ein Schnaps- oder Spitz⸗ gläschen voll guten Kognak dazu. Bei dieſem Abbaden ſtellt man den Käfig mit dem Vogel ohne Schublade in eine Wanne und beſpritzt ihn von allen Seiten, ſodaß der ganze Körper gut benäßt wird. Auch hier wird der Papagei ſich anfangs fürchten, doch bald daran gewöhnen. An heißen Sommertagen darf man als Bad auch einen Gewitterregen benutzen. In jedem Fall aber muß man den Vogel beim Baden und nach demſelben gegen Erkältung, insbeſondre durch Zugluft, ſorg— ſam hüten; er muß alſo in Stubenwärme von mindeſtens 15 Grad R. ſtundenlang oder doch bis zum völligen Ab— trocknen des Gefieders verbleiben; auch iſt es rathſam, während⸗ 124 deſſen den Käfig leicht zu verdecken. Mit dieſem Baden allein iſt aber die Gefiederpflege noch nicht erſchöpft, ſondern der Papagei muß auch zuweilen im Sande paddeln und ſich darin abbaden können; die meiſten thun es mit großem Eifer. Der Sand muß die S. 97 erwähnte gute Beſchaffen⸗ heit haben und völlig trocken und ſtaubfrei ſein. Bedingungsweiſe ſchon zu den Krankheiten gehört die | Mauſer oder der Federnwechſel. Die Erfahrung hat ges lehrt, daß die großen Papageien bei uns keine regelmäßige alljährliche Mauſer durchmachen, ſondern daß die wohlthätige Erneuerung des Gefieders lange Zeit, oft Jahre, währt, und man hat es noch nicht feſtſtellen können, ob dies naturgemäß begründet oder nur eine Folge unrichtiger Behandlung ſei. Gleichviel aber — die Papageienpfleger müſſen dieſem Umſtand Rechnung tragen. In der Regel bleibt nichts weiter übrig, als daß man, wenigſtens bei älteren Papageien, die alten feſtſitzenden Stümpfe abgeſtoßener oder verſchnittener Federn gewaltſam entfernt, doch muß dies mit großer Vorſicht und Sorgſamkeit geſchehen. Man zieht, nöthigenfalls mit einer kleinen Kneifzange, alle vier bis ſechs Wochen abwechſelnd an der einen und dann an der andern Flügelſeite und ſpäter⸗ hin gleicherweiſe am Schwanz jedesmal einen Stumpf geſchickt und raſch aus, und dabei muß man ſich inachtnehmen, daß man den Vogel an der betreffenden Stelle oder ſonſtwo am Körper nicht drücke oder beſchädige. Sollte die Stelle trotzdem blutig werden, ſo betupfe man ſie mit einem Gemiſch von je 1 Theil Arnika⸗ Tinktur und Glyzerin mit 10 Theilen Waſſer. Stärkere Blutungen, das ſei hier gleich bemerkt, ſtillt man durch Be— pinſeln mit Eiſenchloryd-Flüſſigkeit (Liquor ferri sesqui- chlorati), 1 Theil mit 100 Theilen Waſſer verdünnt, und Auflegen von friſch gebrannter Lunte aus reiner Leinewand. Auch beim Papagei muß man hartes, feſtes Anpacken (eigent- lich Anfaſſen überhaupt) möglichſt vermeiden, vor allem hüte man ſich, eine friſch hervorſprießende Feder mit noch blutigem 125 Kiel abzubrechen oder auszuzupfen. Dadurch würde einerſeits das Gefieder häßlich und andrerſeits könnte die Gefahr einer ſtarken Blutung und Entkräftung eintreten. Rathſam iſt es, daß man das Ausziehen der Federnſtümpfe, ſowie jede andre ſchmerzhafte oder auch nur unangenehme derartige Behandlung niemals ſelber ausführe, ſondern dies von einer fremden, jedoch durchaus zuverläſſigen, nicht rohen und ungeſchickten, ſondern wenn möglich in dergleichen geübten Perſon thun laſſe: Dieſes Entfernen der Federnſtümpfe muß jedoch nicht allein des ſchönern Ausſehens wegen, bzl. um die möglichſt baldige Erneuerung der Schwingen und Schwanzfedern an ſich zu erreichen, geſchehen, ſondern es iſt auch zur Erhaltung oder Herbeiführung des naturgemäßen Geſundheitszuſtands überhaupt nothwendig. Wenn der Papagei infolge der Ein- flüſſe der Gefangenſchaft lange Zeit im ſchadhaften Gefieder verbleibt, ſo liegen darin mancherlei Gefahren, und man ſucht daher durch das Auszupfen der Federn eine künſtliche Mauſer hervorzurufen. Keinenfalls aber darf man das Auszupfen der Stümpfe zu früh, alſo bei einem noch nicht völlig eingewöhnten Vogel, unternehmen. Auch vergeſſe man nicht, daß die jeder ausgezupften Feder entſprechende, am andern Flügel oder an der andern Schwanz⸗ ſeite befindliche, meiſtens von ſelber ausfällt, daß es alſo eine unnütze Mühe und Quälerei für den Vogel ſein würde, wenn man z. B. die erſte Schwinge an jedem Flügel zugleich aus⸗ ziehen wollte. Behält ein alter Papagei ein tadelloſes Gefieder jahrelang ohne Erneuerung, ſo iſt es keineswegs nothwendig, etwa aus Vorſorge eine künſtliche Mauſer herbeizuführen; man laſſe ihm vielmehr eine angemeßne Federnpflege (ſ. S. 122) zu⸗ theil werden, bei regelmäßiger und beſonders nahrhafter Fütterung und Einhaltung aller übrigen Verpflegungsmaßregeln, die ich bereits angegeben. Bei abgezehrten und alten Vögeln geht der Federnwechſel immer am ſchwierigſten vor ſich, und da— her ſollte man ſolchen Papagei im Beginn desſelben, insbe⸗ 126 ſondre wenn man ihn künſtlich hervorgerufen hat, recht kräftig ernähren. Ein gut gehaltner Papagei darf nicht vernachläſſigte, un⸗ reinliche, verklebte, wunde und geſchwürige Füße zeigen. Reinlich⸗ keit, immer trockner Sand und häufiges Badewaſſer ſind die beſten Erhaltungsmittel; vor allem aber bedarf der Papagei naturgemäßer Sitzſtangen (j. S. 80). Den etwa vernach⸗ läſſigten Fuß reinigt man vermittelſt einer weichen Bürſte mit warmem Seifenwaſſer (doch iſt dabei Erkältung ſorgſam zu vermeiden) und beſtreicht ihn dann mit verdünntem Glyzerin (1: 10) oder dünn mit beſtem Olivenöl. Die Krallen brauchen nur ſelten verſchnitten zu werden, weil ſie beim Papagei, der ausreichende Gelegenheit zum Klettern hat, nicht übermäßig wachſen; wird es nothwendig, ſo muß es mit großer Vorſicht geſchehen. Die Krankheiten. Anleitung zur Feſtſtellung der Krankheiten und zum Beibringen der Heilmittel. Zum Schluß des Abſchnitts Krankheiten werde ich eine Ueber⸗ ſicht der zur Heilung angerathenen Arzneien anfügen, einer⸗ ſeits nach den Benennungen, unter denen man ſie in der Apotheke oder einer Droguen-Handlung zu fordern hat, andrer⸗ ſeits nach den Gaben, bzl. Verdünnungen oder Zubereitungen, in denen man ſie bei dem kranken Vogel innerlich oder äußer⸗ lich anwenden muß. — Bei der Unterſuchung, bzl. Beobachtung eines erkrankten Vogels hat man immer mit vorurtheilsfreiem Blick auf jedes Merkzeichen, ſowie namentlich auf das Aus⸗ ſehen und die ganze Erſcheinung des Vogels zu achten, ferner prüfe und unterſuche man, wenn man meint, die Krankheit erkannt und feſtgeſtellt zu haben, nochmals recht ruhig und ohne Voreingenommenheit und erſt, ſobald man ſich ſicher überzeugt zu haben glaubt, beginne man mit der Anwendung eines Mittels. Die größte Schwierigkeit, insbeſondre für den Anfänger und erſt wenig erfahrnen Liebhaber liegt darin, daß man beim Leſen der Krankheitsmerkmale, eins nach dem 127 andern, nur zu leicht zu der Meinung gelangt, man habe die richtige Krankheit vor ſich, während man bei der nächſten wiederum annehmen muß, dieſe ſei es. Iſt es trotz ſorgfältigſter Prüfung des Vogels nicht möglich, eine beſtimmte Krankheitsform mit Sicherheit feſtzuſtellen, ſo treffe man nur dem Zuſtand im allgemeinen entſprechende Maßnahmen. Zunächſt gilt es zu ermitteln, ob die Krankheit fieberhaft iſt, ob ſie ſich durch heißen Kopf, heiße Füße, beſchleunigtes Athmen bei ſonſtiger Ruhe kundgibt. Iſt dies zutreffend, ſo hat man vor allem für unbedingte Ruhe zu ſorgen, jede Erregung des Vogels durchaus zu verhindern. Man füttert nur leicht verdauliche Nahrungsmittel, und wenn der Vogel wohlgenährt erſcheint, auch nur knapp. Gewöhnlich äußert ſich dann ſtarker Durſt, und man darf weder eiskaltes, noch „abgeſtandnes“ oder ſtark erwärmtes Trinkwaſſer, ſondern nur ſolches von Stubenwärme geben. Natürlich muß man das Waſſertrinken auch beſchränken, weil ſonſt leicht Durchfall und damit noch ſchwerere Erkrankung eintreten kann. Man reiche, wenn möglich aus der Hand, das Trinkwaſſer nur in beſtimmter, verhältnißmäßig geringer Menge, und nicht maßlos, ſoviel der Vogel will. Ich gebe dann anſtatt des Waſſers lieber dünn gekochten Haferſchleim, täglich mehrmals ſchwach erwärmt. Hat man den entzündlichen Zuſtand mit Beſtimmtheit feſtgeſtellt, ſo darf man ohne Bedenken eine kleine Gabe von Chiliſalpeter (Natrum nitricum dep.) hinzuthun. Glaubt man irgend eine Krankheit mit voller Entſchiedenheit ermittelt zu haben, ſo wähle man zur Behandlung, bzl. zum Heilungsverſuch von den vorgeſchlagenen Mitteln das aus, zu welchem man das meiſte Vertrauen hat, und wende es mit Umſicht und Verſtändniß nach der weiterhin in der „Ueberſicht der Heilmittel und Arzneien“ gegebnen Vorſchrift an. Vor allem ſei man nicht ungeduldig; nichts wäre ſchlimmer, als wenn Jemand in einſichtsloſer Haſt ein Mittel nach dem andern gebrauchen wollte, ohne dem vorhergehenden Zeit zur Wirkung zu laſſen, oder wenn man wol gar alle Mittel, die bei einer 128 Krankheitsform als wirkſam empfohlen werden, zu gleicher Zeit anwenden möchte. Eine der größten Schwierigkeiten bei der Behandlung kranker Papageien tritt dem Liebhaber in der Art und Weiſe des Eingebens der Heilmittel oder Arzneien entgegen. Jedes Eingeben mit Gewalt birgt große Gefahr; es iſt alſo ſoweit als irgend möglich zu vermeiden. — Eine große An⸗ zahl Arzneien bringt man den Papageien am beſten im Trink⸗ waſſer bei, und namentlich, wenn Durſt vorhanden iſt, hält dies nicht ſchwer, indem ſie dann ſogar Stoffe ohne weitres hinunternehmen, welche ihnen ſonſt widerwärtig ſind. In ähnlicher Weiſe kann man Papageien auf dem in Waſſer er⸗ weichten und wieder ausgedrückten Weißbrot (Weizenbrot, Semmel) Arzneien geben, die ſie dann meiſtens gut verzehren. Iſt man dagegen gezwungen, einem großen, ſtarken, ungeberdigen Papagei ein Heilmittel mit Gewalt einzugeben, ſo muß er feſt⸗ gefaßt werden, damit er weder mit dem Schnabel, noch mit den Krallen verletzen kann. Sodann gibt man ihm in den Schnabel und in die Krallen je ein entſprechendes Hölzchen und ſucht vorſichtig und geſchickt das Arzneimittel von einer Seite aus oberhalb der Zunge hinunter in den Schnabel, bzl. Schlund tief hineinzubringen, richtet darauf den Kopf in die Höhe, ſpült vielleicht noch mit etwas Flüſſigkeit nach, entfernt das Holz aus dem Schnabel und hält den letztern noch eine Weile zu, bis der Vogel die Arznei hinuntergeſchluckt hat. Dies Verfahren iſt ſehr umſtändlich und mühſam, und kann, wie ſchon geſagt, leicht den Erfolg der ganzen Kur in Frage ſtellen, indem der ſich heftig ſträubende Vogel dabei immerhin ge= fährdet wird. Erkrankungszeichen. Sobald ein Papagei ſeine bis⸗ herige Lebhaftigkeit und Munterkeit verliert, erſcheint er krankheitsverdächtig; je mehr bewegungslos und traurig er daſitzt, um ſo beſorgnißerregender iſt ſein Zuſtand. Ein Vogel, der bis dahin wild, ſtürmiſch, unbändig ſich zeigte und 129 plötzlich zahm wird, iſt fait regelmäßig ſchwer erkrankt und verloren. Für den aufmerkſamen Blick ergibt ſich heran⸗ ziehende oder bereits eingetretne Krankheit ſodann an matten oder trüben Augen. Sobald ein Papagei das Gefieder ſträubt, insbeſondre am Hinterkopf und Nacken, wenn er oft gähnt und mit dem Kopf ſchüttelt, den letztern in die Federn ſteckt, wie frierend zittert oder zuſammenſchauert, jo find das ver⸗ dächtige Zeichen. Das ſeltſame Knirſchen mit dem Schnabel, welches ein Papagei aus Unbehagen, manchmal ſogar bloß aus übler Angewohnheit, hören läßt, ſowie geſträubte Nacken⸗ federn an ſich, haben in der Regel nicht viel zu bedeuten. Ein Hauptkennzeichen der Geſundheit, bzl. des Unwohlſeins, bildet weiter die Entlerung. Beim naturgemäß gehaltnen ganz ge- ſunden Papagei beſteht ſie immer in zwei Theilen, einem dicklichen, ſchwärzlichgrünen in Würſtchen- oder Wurmform und einem weißen, dünnen, ſchleimigen oder breiigen zugleich. Wenn beide breiig in einander verlaufen oder der eine überwiegt, die Ent⸗ lerung entweder gleichmäßig grünlichgrau oder weißſchleimig, wol gar wäſſerig wird, iſt der Vogel nicht mehr vollkommen geſund. Ebenſo iſt Magerkeit, mit ſpitz und ſcharf hervor⸗ ſtehenden Bruſtknochen kein gutes Zeichen; der Unterleib ſollte weder tief eingefallen ſein, runzelig, mißfarbig, noch aufgetrieben, gedunſen, blaſig oder gar entzündlichroth aus⸗ ſehen, ebenſowenig aber auch wie mit einer Fetthülle belegt. Noch größre Sorge können uns die weiteren Merkmale ſchon eingetretner Krankheit einflößen. Als ſolche gelten naſſe (laufende), ſchmutzige oder verklebte Naſen löcher, ferner der ſchmatzende Ton, welchen ein anſcheinend ganz geſunder Papagei am ſtillen Abend hin und wieder ausſtößt, auf den dann wol bald öfteres Räuſpern, Huſten oder Schnarchen und beſchwertes Athemholen mit offnem Schnabel folgt. Beſchmutztes, nicht mehr ſauber gehaltnes Gefieder iſt immer krankheitsver⸗ dächtig; Verunreinigungen am Unter- und Hinterleib müſſen Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 9 130 ftet3 als Zeichen ſchon eingetretner, nicht mehr leichter Er⸗ krankung gelten. Wenn ein Papagei den eklen Drang hat, ſeinen eignen Koth zu freſſen, ſo gehört dies zu den aller⸗ übelſten Krankheitszeichen. Die Krankheiten der Luftwege oder Athmungs⸗ werkzeuge ſind bei den Vogelliebhabern leider am bekannteſten. Schnupfen (Katarrh der Naſen-, Rachen⸗ und Mundhöhle). Krankheitszeichen: Nieſen, wäßriger oder ſchleimiger weißlicher oder gelblicher Ausfluß aus den Naſenlöchern, der ſich in Kruſten anſetzt, Thränen der Augen, Schlenkern oder Schütteln mit dem Kopf, wobei zuweilen Schleim ausgeworfen wird. Urſachen: Zugluft, eiskaltes Trinkwaſſer, plötzliches Sinken der Wärme und Erkältung überhaupt. Heilmittel: Trockne Wärme oder warme Waſſerdämpfe, Einpinſeln von erwärmtem reinem Oel, Auspinſeln des innern Schnabels und Rachens mit Auf⸗ löſung von chlorſaurem Kali oder auch Alaun- oder Tannin⸗ auflöſung; Reinigen der Naſenlöcher und des Schnabels mit einer in Salzwaſſer getauchten Feder und dann Auspinſeln mit Mandelöl oder verdünntem Glyzerin. Katarrh der Luftröhre (auch Rachen, Kehlkopf⸗ und Halsentzündung). Krankheitszeichen: Heiſerkeit, Huſten, Auf⸗ ſperren des Schnabels beim Athemholen, beſchleunigtes Athmen, mit Pfeifen, Raſſeln oder Röcheln, in ſchweren Fällen mehr oder minder ſtarken Schleimausfluß aus dem Schnabel und den Naſenlöchern bei fieberhaftem Zuſtand und trockner Zungen⸗ ſpitze. Heilmittel in leichteren Fällen: Eingeben von Süßig⸗ keiten wie Honig, auch wol Zuckerkand und reinem Lakritzen⸗ ſaft; Dulkamara⸗Extrakt, täglich zweimal; ferner gelinde Theer⸗ oder Holzeſſigdämpfe einzuathmen [Zürn]; ferner Aus⸗ pinſeln des innern Schnabels bis tief in den Schlund hinein, auch der Naſenlöcher, mit Salicylſäurewaſſer; in ſehr ſchweren Fällen Auspinſeln bis tief in den Schlund mit Auflöſung von chlorſaurem Kali oder Tannin, unter Zugabe von etwas 131 einfacher Opiumtinktur. Linderungsmittel: verſchlagner oder täglich mehrmals ſchwach erwärmter, ganz dünn gekochter Haferſchleim, dagegen durchaus kein Trinkwaſſer, ſondern Halten in feuchtwarmer Luft, bzl. Waſſerdämpfe. In letztrer Zeit habe ich bei derartigen Entzündungserkrankungen aller Athmungswerkzeuge mit großem Erfolg gereinigten Chili⸗ ſalpeter (Natrum nitricum dep.) im warmen Getränk gegeben. Heiſerkeit durch Ueberanſtrengung beim Sprechen, oder durch zu lautes Geſchrei tritt zwar bei den Papageien kaum ein, nur bei den vorzüglichſten, zu einem oder mehreren Liedern abgerichteten Vögeln habe ich ſie mehrmals beobachtet, und ich muß dann zur größten Vorſicht mahnen und rathen, daß man einen ſolchen Fall niemals leicht nehmen möge, weil daraus bald eine ſchwere Erkrankung ſich entwickeln kann. Zunächſt ſind die vorhin beim Katarrh der Luftröhre gegebenen Rathſchläge zu befolgen, und ein wenig Süßigkeit kann hier wol beſſere Dienſte leiſten, als dort; zu reichlich Zucker gebe man nicht, weil er bei den Papageien, wie bei den Kindern leicht Säure erzeugt und dann Verdauungsſtörungen verurſacht. Hilft die Anwendung ſolcher leichten Mittel nicht, ſo iſt es nothwendig, daß man die Urſache zu ermitteln und zu heben ſuche und ich bitte, wie vorhin angegeben zu verfahren. Heiſerkeit und Kurzathmigkeit kann auch Folge zu großer Fettleibigkeit ſein. Behandlung: Futterwechſel, ſelbſt zeitweiſes Hungernlaſſen, Verabreichung von friſchen, dünnen, grünen Zweigen zum Benagen und ſodann Bewegung, indem man ihm einen geräumigen Käfig oder Gelegenheit gewähre, daß er oft aus dem Käfig heraus uud ſich frei bewegen könne. Bei Kurzathmigkeit als Aſthma, d. h. einer in der Regel krampfhaften Erkrankung der Athmungswerkzeuge, iſt wirkliche Abhilfe nur in Hebung der Urſachen zu finden. Milderungsmittel: lauwarmer Haferſchleim mit ein wenig Zucker und darin auf ein Spitz- oder Schnapsgläschen voll 9 * 132 1—3 Tropfen einfache Baldrian⸗Tinktur und Halten des Vogels in möglichſt gleichmäßiger, feuchtwarmer Luft (i. Waſſerdämpfe). Im weitern beruht Kurzathmigkeit, und zwar meiſtentheils, in anderweitiger, ſchwerer Erkrankung der Athmungswerkzeuge, wie Lungen⸗ und Kehlkopfentzündung, Lungenſchwindſucht u. a. m. In allen dieſen letzteren Fällen muß ich auf die Krankheitsfeſtſtellung und Behandlung ver⸗ weiſen, welche ich weiterhin bei den einzelnen btrf. Krankheiten angeben werde. Gelegentlich kann es auch vorkommen, daß ein ſonſt geſunder Vogel anſcheinend ſchwer, weil mit geöffnetem Schnabel, athmet, während darin durchaus keine Urſache zur Beängſtigung liegt, er ſperrt den Schnabel nur auf, weil er infolge der Witterung oder des ſtarken Einheizens große Hitze hat, ohne daß ihm dieſe ſogleich ſchädlich wird. — Huſten iſt wiederum meiſtens nur ein Krankheitszeichen. Bei allen bisher beſprochenen krankhaften Zuſtänden der Athmungs⸗ werkzeuge kann er eintreten. Bei ſeiner Behandlung iſt im weſentlichen daſſelbe zu beachten, was ich bei Heiſerkeit, Kurz⸗ athmigkeit, Athemnoth u. a. geſagt. Lungenentzündung gehört zu den ſchwerſten und ge= fährlichſten und leider auch häufig eintretenden Krankheiten der Papageien. Urſachen: Schroffer und ſtarker Wärmewechſel, manchmal aber auch garnicht bedeutende, doch plötzliche Wärme⸗ ſchwankung, ferner Zugluft, kaltes Trinkwaſſer und irgend⸗ welche Erkältung überhaupt, auch Beherbergung während längrer Zeit in einem wenig oder garnicht gelüfteten Raum mit dumpfer, ſchwüler, unreiner, ſtickiger oder von Tabaks⸗ rauch oder Gasdunſt geſchwängerter Luft. Erkrankungszeichen: Zunächſt ſitzt der Vogel traurig da, mit geſträubten Federn, und die Freßluſt hört allmählich auf: ein fieberhafter Zuſtand⸗ iſt wahrzunehmen an zeitweiſem Zittern und bei näherer Unterſuchung an wechſelnder, auffallender Körperhitze; er— ſchwertes oder kurzes, ſchnelles, pfeifendes Athmen, mit auf⸗ geſperrtem Schnabel, dann Huſten, der dem Vogel augenjcheinlich. . 133 Schmerz verurjacht, zuweilen Auswurf von gelbem, wol gar mit blutigen Streifen vermiſchtem Schleim; trockne Zunge. Manchmal ſind dieſe Zeichen nicht oder nur kaum zu be⸗ merken und der Vogel erſcheint noch geſund und munter, aber er läßt einen keuchenden und ſchmatzenden Ton hören, der be= ſonders abends in der Stille auffällt, und gerade dies Krankheitszeichen verräth faſt regelmäßig einen Zuſtand ſchwerer Erkrankung, ſo daß wir den bedauernswerthen Vogel faſt immer als dem Tod verfallen anſehen müſſen. Heilverfahren: er wird vor jeder Aufregung und Beängſtigung bewahrt. Da⸗ bei muß er ſich in möglichſt gleichmäßiger, keinenfalls plötzlich ſchwankender, auch nicht zu ſtarker und namentlich nicht trockner Wärme befinden, die Luft muß rein, beſonders nicht ſtaubig oder kohlenſäurereich ſein. Auch bei dieſer Erkrankung ſucht man eine feuchtwarme Luftumgebung dadurch hervor⸗ zubringen, daß man den Käfig mit Blattpflanzen umſtellt und die letzteren häufig mit ſtubenwarmen Waſſer beſpritzt; dann muß auf hohe Wärme von 20—24 Grad geſehen werden, weil durch das Verdunſten des Waſſers bekanntlich Kühle verurſacht wird. Oder es müſſen Waſſerdämpfe (ſ. dieſe) an⸗ gewandt werden. Die Fütterung iſt knapp zu halten, wenig⸗ ſtens ſolange, bis die Entzündung gehoben iſt. Man gibt gereinigten Salpeter im Trinkwaſſer oder noch beſſer Chili— ſalpeter. Iſt bei der Lungenentzündung Ausfluß aus den Naſenlöchern vorhanden, ſo reinige man dieſelben vermittelſt einer in Salzwaſſer getauchten Feder und pinſele ſie dann mit erwärmtem Olivenöl oder verdünntem Glyzerin ein. Zürn empfiehlt auch bei allen Entzündungen der Luftwege (Katarrh der Luftröhre und Lungenentzündung) Theerdämpfe und Treskow Dämpfe von Alaunauflöſung oder Tanninauflöſung; doch iſt das Einathmen ſolcher Dämpfe nach meinen Erfahrungen nur mit äußerſter Vorſicht und vollem Verſtändniß anzuwenden. Lungenſchwindſucht oder Lungentuberkuloſe iſt meiſtens in denſelben Urſachen, aus denen Lungenentzündung 134 u. a. entſteht, begründet; fie kann auch eine Folge dieſer letztern ſein. Leider tritt auch ſie häufig und in mannigfaltigſter Weiſe auf, indem die verderbenbringenden Geſchwürchen ſich nicht allein in der Lunge, ſondern auch in Leber, Herz, Herzbeutel, Milz, Nieren, Magen, Eierſtock, Därmen u. a. m. entwickeln. Krankheitszeichen: verhältnißmäßig raſch vorwärts ſchreitende Abmagerung und ſodann Geſchwülſte an den verſchiedenſten Körpertheilen; außerdem die meiſten der bei Lungenentzündung angegebenen Krankheitszeichen. Heilung, ſobald erſt wirklich Tuberkuloſe, alſo Geſchwürchenbildung und wie ſie der Volks⸗ mund nennt, Abzehrung eingetreten, iſt leider unmöglich, wenigſtens nach dem Stande unſrer bisherigen Kenntniß. Abwehr-, bzl. Abwendungsmittel und Wege: ſorgfältiges Fernhalten aller bei den vorher beſprochenen Erkrankungen der Luftwege angeführten Urſachen. uebrigens beruht die Behauptung, daß die Tuberkuloſe der Vögel, beſonders der Papageien, auf die Menſchen über⸗ tragbar, alſo anſteckend ſei, durchaus nur auf Irrthum. Diphteritis und Kroup (diphteritiſch-kroupöſe Schleim⸗ hautentzündung, volksthümlich: Bräune, Rotz, gelbe Mundfäule, gelbe Knöpfchen, Schnörgel u. a. genannt) wird durch pflanz⸗ liche Schmarotzer, Kugelſpaltpilze, Gregarinen oder Pſoroſpermien bezeichnet, hervorgerufen. Es ſind mikroſkopiſche Lebeweſen, welche neuerdings meiſt für pflanzliche, herdenweiſe auftretende und verſchiedene ſchwere Krankheitserſcheinungen an Menſchen und Thieren verurſachende Geſchöpfe angeſehen werden. Krank⸗ heitszeichen: Huſten, Nieſen, ſchweres Athmen bei geöffnetem Schnabel, Kopfſchütteln, Schlingbeſchwerden, Luftſchnappen, zu⸗ nehmende Athemnoth unter Schnarchen und Röcheln, ſodann als namentlich kennzeichnend: Auswurf von ſüßlichriechendem Schleim, zunehmende Mattigkeit, Sitzen am Boden, flügel- hängend und mit geſchloſſenen Augen (zugleich faſt immer Darmkatarrh mit wäßrigſchleimigen Auslerungen), dann Zittern, Schüttelfroſt und Durſt. Sitz der Krankheit find die Schleim⸗ häute des Rachens, Kehlkopfs, der Luftröhre, der Bronchien 135 und des Darms, auch die Naſenſchleimhäute, Bindehäute und Hornhaut der Augen. Aus den Naſenlöchern quillt gelbe, ſchleimige, ſchmierige Flüſſigkeit, die ſich in dunkelgelben oder bräunlichen Kruſten feſtſetzt; die Augenlider ſchwellen an und werden verklebt. Gewöhnlich währt die Krankheit 2—3 Wochen, doch zuweilen auch 60— 70 Tage. Vorbeugungsmittel: Unter⸗ ſuchung jedes neu angeſchafften Vogels und Abſonderung zur Beobachtung, ſtrengſte Abſonderung jedes erkrankten Vogels, alſo Verhinderung der Berührung deſſelben oder ſeiner Ausſonderungen mit anderm noch geſunden Gefieder, gleichviel welchem, ſofortige Vernichtung jedes geſtorbnen Vogels durch Verbrennen oder tiefes Vergraben, ſorgfältigſte Reinigung der Käfige und Geſchirre durch Ausſcheuern mit Karbolſäurewaſſer, dann Ausbrühen mit heißem Waſſer. In der Regel iſt jeder Heilungsverſuch ver- geblich, dennoch muß ich die bis jetzt vorgeſchlagenen Heilmittel wenigſtens anführen: Eingeben von Karbolſäure im Trinkwaſſer und Bepinſeln oder Beſprengen vermittelſt des Verſtäubers der erkrankten Schleimhautſtellen mit derſelben. Die Kruſten müſſen mit mildem Fett erweicht, nicht mit Gewalt fortgeriſſen werden. Auch Höllenſtein⸗Auflöſung zum Pinſeln und dann Nachpinſeln mit Kochſalz⸗Auflöſung, ſelbſt Jod⸗Tinktur, für die Augen Salicylſäure⸗Waſſer oder Auflöſung von Kupfervitriol oder Tannin⸗Auflöſung; innerlich gibt man chlorſaures Kali täglich dreimal und äußerlich pinſelt man mit ſolchem. Immerhin bleibt es rathſam, nicht nur den todten, ſondern auch jeden von dieſer unheilvollen Krankheit ergriffenen Vogel, ſobald man ſich davon überzeugt hat, daß er wirklich an derſelben erkrankt iſt, ſchleunigſt zu tödten und zu vernichten. Erkrankungen des Magens und der übrigen Eingeweide. Während die hierhergehörenden verſchieden— artigen Krankheitserſcheinungen dem Vogelpfleger immer am häufigſten entgegentreten, haben wir doch gerade bei vielen von ihnen weder hinſichtlich der Erkennung, bzl. Unterſcheidung und Feſtſtellung, noch der Heilung bis jetzt ſichre Gewähr; 136 wir können uns vielmehr bei diefen Krankheiten wie bei den vorigen hauptſächlich nur an das halten, was bisher die Er⸗ fahrung ergeben hat. 55 Verdauungsſchwäche: mangelnde Freßluſt, nicht natur⸗ gemäße Entlerung in mißfarbnem, braunem, feſtem oder auch breiigem, meiſtens übelriechendem Koth, Trägheit und Schwäche. Krankheitsurſachen: unrichtiges oder unpaſſendes Futter und dadurch hervorgerufne üble Beſchaffenheit der Galle und der Verdauungsſäfte. Zunächſt werden bei dieſer Erkrankung ge⸗ wöhnlich einige Hausmittel angewandt; man reicht verändertes, leichtes Futter, auch ein wenig Grünkraut oder vielmehr dünne grüne Zweige von Weide, Pappel, Haſelnußſtrauch oder Obſt⸗ bäumen, ſodann etwas Kochſalz im ſchwach erwärmten Trink⸗ waſſer oder beſſer in ſolchem, ganz dünnem Haferſchleim. Auch leiſtet ein Theelöffel voll Rothwein, lauwarm, täglich zwei⸗ bis dreimal gegeben, gute Dienſte. Zur Anregung bietet man ein wenig Süßmandel oder Wallnuß. | Verdauungsſtörungen und in Folge derſelben Magen⸗ und Darmentzündung (Magen: und Darmkatarrh, auch Unterleibsentzündung) kommen leider häufig und in mancherlei verſchiedenartiger Erſcheinung bei allen Vögeln vor. Er⸗ krankungsurſachen: irgendwie verdorbnes, ſauer oder faulig gewordnes und unpaſſendes, unzuträgliches Futter, Freſſen irgendwelcher anderen ſchädlichen, ätzenden, giftigen Stoffe, doch auch zu friſcher Sämereien, Freſſen von nicht zuträglichen Pflanzen auf dem Blumentiſch, Ueberfreſſen an Leckereien, ſo⸗ dann, wenn auch glücklicherweiſe ſelten, Hinabſchlucken von Metall, Knochen, Glas, ſpitzen Steinchen u. a. m., ſchließlich aber auch eiskaltes Trinkwaſſer, Erkältung des Unterleibs, eis⸗ kalter Luftzug, welcher aus einer Ritze u. a. her gerade den Unterkörper trifft; im übrigen kann ſich derartige ſchwere Er— krankung auch aus der vorhin beſprochnen Verdauungsſchwäche entwickeln. Krankheitszeichen außer den allgemeinen Merk⸗ malen: mattes Auge, Daſitzen mit geſträubtem Gefieder, wol 137 gar hängenden Flügeln und ſchlaff herabhängendem Schwanz, mangelnde Freßluſt und Durſt, Würgen und Erbrechen, Herunter⸗ biegen des Unterleibs und Wippen mit dem Schwanz beim Entleren, vor allem aber abweichende (ſchleimige und mehr oder weniger dünne oder breiige, gleichmäßig grüne bis ſchwärz⸗ lichgrüne, weißgrünliche oder chokoladenfarbige bis blutige, zu⸗ weilen, wenn ſie auf die Hand fällt, ſich förmlich heiß anfühlende, auch wol ſauer⸗ oder übelriechende) Entlerung, Schüttelfroſt und Hinfälligkeit; der Vogel ſitzt fortwährend am Futternapf und ſucht umher, ohne wirklich zu freſſen; bei ſehr ſchwerer Erkrankung erſcheint der Unterleib aufgetrieben, geröthet oder blau und heiß anzufühlen. Heilmittel je nach der Krankheits⸗ urſache: verändertes und vor allem zuträgliches Futter, Ruhe und Wärme, warmer Breiumſchlag auf den Unterleib, auch wol handwarmer Sand, der jedoch dauernd gleichmäßig warm gehalten werden muß; ſodann: Salicylſäure- oder Tannin⸗Auf⸗ löſung, Glauberſalz zum Abführen oder bei Durchfall einfache Opiumtinktur, auch Rothwein und in den ſchwerſten Fällen Höllenſtein⸗Auflöſung; bei innerlichen Verletzungen, Hinab⸗ ſchlucken von Metall u. a.: Leinſamen⸗, Hafergrütze⸗ oder andrer Schleim, mit wenig mildem Oel oder Reiswaſſer, ge: brannte Magneſia in Waſſer angerieben u. a. Durchaus zu entziehen ſind: Grünkraut, bzl. grüne Zweige, Obſt, erweichtes Weißbrot und jedes Weichfutter überhaupt. Anſtatt des Trink⸗ waſſers ſoll man nur ganz dünnen lauwarmen Haferſchleim geben. Badewaſſer darf man garnicht reichen. Auch darf man den kranken Vogel währenddeſſen nicht abſpritzen. — Die be⸗ reits S. 134 erwähnten Gregarinen können auch eine Darm⸗ entzündung verurſachen, welche ſich in heftigem Durchfall, baldiger großer Hinfälligkeit und raſchem Sterben kennzeichnet. Um ſie feſtzuſtellen, muß man die Entlerungen mikroſkopiſch unterſuchen. Bei bereits eingetretner Krankheit ſind Heilmittel kaum mehr wirkſam, doch darf man unterſchwefligſaures Natron und Salicylſäure-Auflöſung anwenden; ſ. auch weiterhin 138 Gregarinoſe. Bei allen derartigen übertragbaren oder an⸗ ſteckenden Krankheiten kann man natürlich garnicht vorſichtig genug ſein. 6 | Der Durchfall (Diarrhöe) iſt im weſentlichen nur eine Krankheitserſcheinung, und als ſolche kann er von der geringſten Verdauungsſtörung bis zu der vorhin beſprochnen Magen- und Darmentzündung in allen ihren verſchiedenen Erſcheinungen eintreten. Bei jedem Papagei ſollte man ſtets ſorgfältig auf die Entlerungen achten, denn dieſelben dürfen gleichſam als ein hauptſächlicher Gradmeſſer der Geſundheit wenigſtens im allgemeinen angeſehen werden; ich bitte S. 128 unter Er⸗ krankungszeichen und S. 136 bei Magen- und Darmentzündung nachzuleſen. Kleben die Federn am Hinterleib zuſammen, zeigt ſich die Entlerungsöffnung und mehr oder minder auch der Unterleib beſchmutzt, die erſtre wol gar aufgetrieben und ent⸗ zündet, ſo iſt ſchon eine ſchwere Krankheit eingetreten. Dann hört die Freßluſt auf, während der Kropf gefüllt bleibt, weil die Verdauung unterbrochen iſt, und großer Durſt läßt zugleich einen entzündlichen Zuſtand erkennen. Müſſen wir Durchfall, ohne daß es gelingt, eine beſtimmte, eingetretne Krankheit feſt⸗ zuſtellen, an ſich behandeln, ſo können wir als Heilmittel zu⸗ nächſt nur Wärme, ſodann am beſten dünn gekochten Hafer⸗ ſchleim, doch auch kohlenſaure Magneſia in Waſſer angerieben, Reis⸗ u. a. Schleim, anwenden. Wenn der Durchfall ſehr ſtark iſt, unter vielmaliger täglicher wäßriger Entlerung, jo gibt man beſten franzöſiſchen Rothwein, nicht leichten rothen Landwein (ſchon um den Vogel zu ſtärken und ſeine Körper⸗ kraft zu erhalten), in den ſchlimmſten Fällen mit einfacher Opiumtinktur, auch wol Tannin- oder Höllenftein-Auflöfung. Der After und Hinterleib überhaupt wird täglich ein- oder mehrmals vermittelſt eines weichen Schwämmchens mit warmem Waſſer gereinigt und mit erwärmtem Oel beſtrichen. Zum Getränk darf man kein Waſſer, ſondern nur den erwähnten Haferſchleim, und zwar dreimal im Tage friſch erwärmt, geben. > 139 Bei breiiger Entlerung, welche jauer riecht oder eine Schärfe zeigt und die Umgebung des Afters wund macht, kann man auch doppeltkohlenſaures Natron geben. Gelinder Durchfall wird am beſten durch Futterwechſel gehoben, indem die ſtockende oder geſtörte Verdauung dadurch gelinden Anreiz erhält und meiſtens wieder in guten Gang kommt. Vor ſchwerverdaulichen oder auch ungewohnten Nahrungsmitteln muß man die Vögel währenddeſſen bewahren. — Ruhr, bzl. jeder ruhrartige Zu⸗ ſtand läßt ſich an ſtarkem Drängen und Schwippen mit dem Hinterleib erkennen; die Entlerung iſt zähſchleimig und -breiig, bei ſchwerer Erkrankung ſchwärzlichröthlich und dann auch bald blutig. Die Ruhr mit Opiumtinktur u. a. ohne weitres zu ſtopfen, würde meiſtens tödtlich wirken; man gibt vielmehr Rizinusöl oder ein Gemiſch von dieſem und Olivenöl in dünnem Haferſchleim oder auf altbacknem, in Waſſer erweichtem und wieder gut ausgedrücktem Weizenbrot (Semmel), oder auch wäßrige Rhabarbertinktur und bringt dem Vogel täglich Oelklyſtire bei (zu welchen ich weiterhin bei der Verſtopfung Anleitung geben werde). Zum Getränk reicht man dünn ge⸗ kochten Haferſchleim und zugleich reinigt man den Unterleib mit warmem Waſſer und beſtreicht ihn mit ebenſolchem Oel. Von der eigentlichen Ruhr verſchieden iſt ſchwere Erkrankung an Blutentlerung, bei der man mit der Gabe von Opium⸗ tinktur zunächſt gleichfalls ſehr vorſichtig ſein muß. Ich gebe anfangs und ſolange die Entlerungen nicht ſtark und häufig ſind, nur 3 bis 5 Tropfen von dem Oelgemiſch, und dann erſt ſuche ich die eigentliche Heilung durch Opiumtropfen (Tinet. opii spl. 1, Tinct. aromat. et Tinct. valer. aeth. a8 5; s. ein⸗ bis zweimal täglich 5 Tropfen in 1 Theelöffel voll beſtem Rothwein) zu erreichen. — Kalkdurchfall (Kalk⸗ miſten, Kalkſchiß) iſt wahrſcheinlich mit dem Typhus oder ſeuchenhaften Typhoid des Geflügels übereinſtimmend; Urſache: Mikrokokken und Bakterien, alſo mikroſkopiſche, pflanzliche Schmarotzer, welche ſich ſehr leicht übertragen, bzl. anſteckend 140 wirken; er zeigt fich insbeſondre bei friſch eingeführten Papageien leider häufig. Krankheitszeichen: ſtarker Durchfall mit Ent⸗ lerungen von dünnem, weißgelbem Schleim, welche dann grünlich werden und den Unterleib ſtark beſchmutzen, mangelnde Freßluſt, mattes Daſitzen mit hängenden Flügeln, Hinfälligkeit, manch⸗ mal auch Erbrechen von dünnem, grünlichem Brei, ſtarker Durſt, Zittern, hochgeſträubte Federn, Taumeln, Tod unter Krämpfen. Vorbeugungsmittel: Abſonderung jedes erkrankten Vogels, ſorgſamſte Desinfektion (insbeſondre Waſchen mit Chlorwaſſer) und äußerſte Reinlichkeit überhaupt. Im übrigen iſt Heilung kaum möglich, und ich bitte dringend, hier ganz beſonders das zu beachten, was ich bei den anſteckenden Krank⸗ heiten inbetreff der Behandlung, namentlich aber hinſichtlich der weitern Anſteckung, geſagt habe. — Als ein vorzügliches Heil- oder doch Linderungsmittel bei allen dieſen zuletzt er⸗ wähnten Erkrankungen der Verdauungs- und Unterleibsorgane überhaupt, ſelbſt wenn ſie entzündlicher Natur ſind, iſt immer heißer Sand zu erachten. Allerdings bedarf es, um ihn an⸗ wenden zu können, beſonderer, paſſender Vorrichtungen, ſodaß er andauernd immer gleichmäßig erhitzt, d. h. nur handwarm iſt. Der Vogel wird entweder ohne weitres auf den bloßen Sand oder beſſer auf einer Unterlage von Wollenzeug unter eine Drahtglocke geſetzt. Wenn irgend möglich muß der Sand für lange Zeit, mindeſtens aber 6 bis 24 Stunden, gleichmäßig warm bleiben, und zugleich darf er die Blutwärme (38,3% C.) des menſchlichen Körpers keinenfalls überſchreiten. Die Verſtopfung iſt nur eine Krankheitserſcheinung und vornehmlich in Verdauungsſtörungen oder auch in Fettſucht, Eingeweidewürmern u. a. begründet. Krankheitszeichen: Drang zum Entleren, dabei Wippen mit dem Hinterleib, Daſitzen mit geſträubten Federn, Traurigkeit, Mangel an Freßluſt, beſchmutzter und verklebter After. Wirklich wirkſame Heilmittel können immer nur ſolche ſein, welche die eigentliche Krankheit, bzl. deren Urſachen, heben. Heilmittel bloß gegen die Verſtopfung: 141 zunächſt der Verſuch mechaniſcher Entlerung; bereits beim Ab⸗ waſchen des beſchmutzten Hinterleibs und der verklebten Federn mit lauwarmem Waſſer tritt zuweilen eine plötzliche, maſſen⸗ hafte Entlerung ein; noch beſſer wirkt ein ſog. Klyſtir, d. h. das Hineinbringen eines in erwärmtes Oel getauchten Nadel⸗ kopfs in die Entlerungsöffnung. Auch ein wirkliches Klyftir vermittelſt einer feinen Gummiballſpritze mit dünner rundge⸗ ſchmolzner Glasröhre als Spitze oder mit gleicher gläſerner Spritze, thut gute Wirkung, indem man dem Vogel einige Tropfen von dem Oel oder auch nur bloßes lauwarmes Waſſer beibringt. Dazu gehört freilich Geſchick. Wenn man dabei einem weiblichen Vogel die Spritzenſpitze irrthümlich in den Eileiter oder die Legeröhre führt, ſo thut ihm das allerdings nicht leicht Schaden; aber jede Verletzung iſt ſorgſam zu ver⸗ meiden. Bei hartnäckiger Verſtopfung gibt man: Rizinusöl. 3 bis 5 Tropfen in Hafer⸗, Leinſamen⸗ oder irgendwelchem andern Schleim oder auch wol auf erweichtem und gut aus⸗ gedrücktem Weißbrot ein. Hierher gehört auch die unheilvollſte aller Vogelkrankheiten überhaupt: die Sepſis (Blutvergiftung, Hungertyphus oder Faulfieber), an welcher alljährlich viele Hunderte, zuweilen ſogar Tauſende werthvoller fremdländiſchen Vögel, darunter leider auch viele Amazonen, zugrunde gehen. Die Vögel kommen anſcheinend kerngeſund, namentlich vollleibig, munter und mit klaren Augen in Europa an, ſind aber in 8 Wochen, meiſtens viel früher, oft ſchon in 8—14 Tagen, ſelten dagegen noch ſpäter, dem Tod verfallen, und zwar am eheſten bei Dar- reichung von Trinkwaſſer (welches ihnen infolgedeſſen von den Händlern gewöhnlich vorenthalten wird). Krankheitser⸗ ſcheinungen: Sträuben des Gefieders, insbeſondre im Nacken, Kopfſchütteln, zeitweiſes Schnabelaufſperren und Gähnen, mattes, trauriges Daſitzen, Verändrung der nackten Haut um die Augen, vom reinen Weiß bis zum düſtern, bläulichen oder | gelblichen Grau, Verſchmähung der Nahrung, Schnupfen, 142 Huſten mit Ausfluß aus einem oder beiden Naſenlöchern und Anſchwellen derſelben; ſodann Schnarchen oder Röcheln beim Athemholen; die Entlerungen werden ſchleimig, klebrig, weiß mit grünlichen Streifen untermiſcht und übelriechend; manch⸗ mal, doch nicht immer, Erbrechen und Durchfall, zuweilen nur letztrer; ſodann Athemnoth; der Vogel magert in kürzeſter Friſt ſtaunenswerth ab und zeigt ein bemitleidenswerthes Jammerbild; darauf tritt Taumeln und Tod, oft unter großer Qual, ein. Durch die Unterſuchungen ſeitens hervorragender Aerzte, ſowie durch meine eigenen, find als Erkrankungs⸗, bzl. Todeserſcheinungen feſtgeſtellt worden: dunkles, dickliches Blut ohne feſte Gerinnſel, zahlreiche, punktförmige Blutaustretungen auf Lunge, Herzbeutel und an den Hirnhäuten; Tuberkeln (Geſchwürchen), am meiſten in der Leber, aber auch in Lunge und Herz; gelbliche, faſerige Ausſchwitzungen auf der Lunge und Leber; zerſtreute, rothe Entzündungsherde in den Lungen; hellgelbe, keilförmig geſtaltete, feſtere Ausſchwitzungen in dem Stoff der Leber; oft auch große, mürbe, violettrothe oder ganz bleiche, wachsgelbe Leber; große Ausſchwitzungsmaſſen, zuweilen ſogar Schimmelpilzbildung innerhalb der Bruſthöhle, zu beiden Seiten der Lunge; dazu Magen- und Darmkatarrh, und als den Zeitpunkt des Abſterbens bezeichnend, Erſtickungser⸗ ſcheinungen, nämlich Blutüberfüllung der Lungen und des venöſen Blutkreislaufs des rechten Herzens, der großen Hals— venen und der Venen der weichen Hirnhaut. Die der fauligen Blutzerſetzung eigenthümlichen Bakterien (Bacillen) ergeben mit Sicherheit: Jauchevergiftung, alſo Sepſis. Dieſe Fäulniß⸗ Organismen, wenn ſie nur in geringer Menge vorhanden ſind, kann der Körper wieder ausſcheiden, ſobald er genügend Sauer⸗ ſtoff zum Athmen hat, da gerade die Bakterien der Sepſis durch Sauerſtoff zerſtört und nur beim Mangel an demſelben gebildet werden. Die unſelige Krankheit iſt aber äußerſt giftig und überträgt ſich leicht; daher ſehen wir die Erkrankung aller zuſammen angekommenen Vögel, ſobald ein einziger, der Seuche 143 verfallener darunter war. Auch können die Entlerungen noch nach Monaten anſteckend wirken. Vorgeſchlagene Heilmittel: Chlorflüſſigkeit, Karbolſäure, Salicylſäure, ſalicylſaures Natron, Tannin, Ergotin, Chinin, Phosphorſäure und phosphorſaure Salze, Schwefelmilch, ſelbſt Queckſilberſublimat und Arſenik und noch viel andres zum Eingeben, ja ſogar in ſubkutanen Einſpritzungen. Nur der Vollſtändigkeit halber mußte ich hier die mit mehr oder minder großem Erfolg angewendeten Heil- mittel alleſammt aufzählen; zur Selbſtanwendung für den Liebhaber, der doch nicht immer zugleich Kenner ſein kann, darf ich dagegen nur als im weſentlichen ſtichhaltig Salicylſäure empfehlen, auf deren Anwendung ich weiterhin ſehr eingehend zurückkommen werde. Liebhaber und Händler in England ſetzten ihr ganzes DVer- trauen auf Heilung vermittelſt Kayenne⸗Pfeffers. Alle Händler aber ſuchen den Ausbruch der unheilvollen Krankheit ganz oder doch eine Zeitlang dadurch abzuwenden, daß ſie das Trinkwaſſer entziehen und den großen Papageien nur in Kaffee oder Thee erweichtes Weißbrot oder nur Kaffe geben. Hier und da hat man Gleiches mit bloßer reiner Milch verſucht, und mit dieſer werden in neuerer Zeit wiederum derartige Heil⸗ verſuche gemacht. In einzelnen Fällen iſt dies auch wol ge— lungen, denn es ſind Beiſpiele bekannt, in denen ſich ein ſolcher Vogel Jahre hindurch auch ohne Waſſer am Leben erhalten hat. Manche Papageien überwinden bei derartiger Behandlung die tief wurzelnde Krankheit, laſſen ſich mit dem erweichten Weißbrot an Mais und Hanf bringen, erſtarken und geneſen und ſind ſpäterhin ohne Gefahr auch an Waſſer zu gewöhnen. Beiweitem die größte Anzahl aber, alle noch ganz Jungen oder Kränklichen und Schwächlichen, gehen dabei unrettbar zugrunde. Im übrigen liegt in der Waſſerentziehung eine arge Thierquälerei; am beſten kann man dies daran erſehen, mit welcher Gier die bedauernswerthen Vögel über das ihnen gebotne Getränk herfallen und welch' augenſcheinliches Labſal 144 - es ihnen gewährt, auch wenn es ihnen zugleich den Tod bringt. Erklärlicherweiſe habe ich es mir perſönlich angelegen ſein laſſen, Verſuche anzuſtellen, um nicht allein Erfahrungen zu gewinnen, ſondern vor allem um, wenn irgend möglich, einen ſichern Weg zur Heilung der bedauernswerthen Vögel aufzufinden. Am ſchlimmſten daran unter allen kranken Papageien ſind zweifellos die infolge kenntnißloſer oder auch muthwillig natur⸗ widriger Ernährung, alſo durch mehr oder minder lange Fütterung mit allerlei menſchlichen und anderen für die Vögel nicht geeigneten Nahrungsmitteln einerſeits oder infolge übelſter Behandlung während der Seereiſe andrerſeits oder ſchließlich auch durch Anſteckung mit Sepſis erkrankten. Ueber die Sepſis an ſich, wie ſie im akuten Zuſtande, alſo unmittelbar aus⸗ brechend, auftritt und behandelt werden muß, habe ich ſoeben geſprochen; hier erübrigt es nur noch, auf einen chroniſchen Zuſtand, der infolge dieſer unſeligen Seuche bei längſt ein⸗ gewöhnten und wol gar den allervortrefflichſten Papageien leider nur zu häufig vorkommt, näher einzugehen — nämlich eine Folgekrankheit der Sepſis. Bei einem anſcheinend geſunden Sprecher bilden ſich Geſchwürchen von der Größe eines Hirſekorns bis zu der einer Pflaume und an den ver⸗ ſchiedenſten Körpertheilen, ſo vornehmlich rings um den Schnabel in der Wachshaut, im Halſe, Kehlkopf, Schlunde, an der Zunge, am Auge u. a. Je nachdem, wie dies Gebilde ſich nun mehr oder minder entwickelt, kann es natürlich die mannigfaltigſten Leiden hervorbringen. Wird keine eingreifende Kur begonnen, ſo iſt der Vogel in der Regel verloren, denn er geht an ſolchem Geſchwür, zumal wenn es an einem edlen Theil ſteht, durch Erſticken, Verhungern oder in andrer Weiſe zugrunde. In letztrer Zeit habe ich mit großem Glück die Salicylſäure-Kur angewandt. Man taucht die Flaſche mit der Auflöſung (ſ. Salicylſäure) vorſichtig, nachdem fie entkorkt worden, in ein Gefäß mit warmem Waſſer, ſolange bis die darin ſchwimmenden weißen Flocken verſchwunden, bzl. 145 geſchmolzen find, ſchüttelt dann gut um und tröpfelt nun davon 30 Tropfen in den Trinknapf des Vogels, gießt ein Schnaps⸗ oder Spitzgläschen voll deſtillirtes Trinkwaſſer oder beſſer ganz dünnen Haferſchleim hinzu und gibt ihm dies als Getränk. Natürlich darf er nicht früher weitres Waſſer be: kommen, als bis er dieſe Gabe völlig ausgetrunken hat. Während dieſer Kur muß man dem Papagei jedes naturwidrige Nahrungsmittel durchaus entziehen, und ſo bekommt er während derſelben nur Hanf, Mais und erweichtes Weißbrot, alles im vorzüglichſten Zuſtande. In der Regel vergehen bei dieſer Kur die Geſchwüre ganz von ſelber oder mindeſtens ſchrumpfen ſie allmählich ein, ſelbſt wenn fie noch Jahr und Tag vor= handen bleiben, doch ſo, daß ſie dem Vogel keine Beſchwerden machen und ihn auch nicht bedeutſam verunſchönern. Sollten ſchon vor dem Beginn der Kur oder während derſelben einzelne größere Geſchwüre zu bedeutenderer Entwicklung gelangen, zumal an Stellen, wo ſie lebensgefährlich werden können, wie an der Zunge oder am Kehlkopf, im Schlunde u. a., ſo muß man natürlich, je nach der Ortsbeſchaffenheit, mit äußerer, örtlicher Kur eingreifen. Ich nehme ungern das Meſſer zur Hand, und wer ſeiner Sache nicht ganz ſicher iſt, ſoll das Schneiden beim lebenden Vogel, zumal beim Papagei, doch lieber unterlaſſen. Dagegen wendet man mit Ausſicht auf Erfolg auch von außen Salicylſäure an. Das Geſchwür, gleich— viel welches (auch jede entzündliche oder näſſende oder eiternde Stelle) wird mit erwärmtem Salicylſäureöl täglich zweimal bis dreimal ganz dünn bepinſelt, und wenn der Papagei dann daran lecken ſollte, ſo kann ihm dies nicht leicht ſchädlich werden. Als Krankheitserſcheinung bei verſchiedenartigen Leiden ergibt ſich Würgen und Erbrechen, und natürlich kann daſſelbe nur durch Hebung der Urſache, alſo Heilung der eigentlichen Krankheit, abgewendet werden. Hat ein Vogel ſich nur gelegentlich überfreſſen oder unpaſſendes, ſchwer- oder un⸗ Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 10 146 x verdauliches Futter bekommen, jo iſt das Erbrechen wohlthätig, denn die Natur hilft ſich damit ja ſelber. Iſt das Erbrechen dagegen Folge von Magenſchwäche oder in Erkrankung der Verdauungswerkzeuge überhaupt begründet, ſo muß ich auf die Behandlung des jemaligen Leidens verweiſen. Linderungs⸗ mittel bei oft wiederkehrendem, hartnäckigem Erbrechen: Salz⸗ ſäure im Trinkwaſſer oder auch im Gegenſatz doppeltkohlen⸗ ſaures Natron. — Bei großen Papageien wird Erbrechen manchmal lediglich durch Gemüthserregung, Schreck, Be⸗ ängſtigung u. a. hervorgerufen und dann hat es als vorüber⸗ gehende Zufälligkeit keine weitre Bedeutung. — Auch kommt eine hierher gehörende Erſcheinung vor, welche im Parungs-⸗ trieb begründet iſt, der ſich bei einzeln gehaltnen Vögeln, beſonders großen Papageien nicht ſelten einſtellt. Kenn⸗ zeichen: ein bis dahin offenbar kerngeſunder, im Aeußern ſchöner Papagei fängt plötzlich an zu würgen, ſchüttelt ſich, hat wol gar anſcheinend krampfhafte Zuckungen unter Augen⸗ verdrehen, Sichducken, Flügelhängenlaſſen, Flügel- und Schwanz⸗ ſpreizen u. a. m. Solch' Anfall geht bald vorüber, wiederholt ſich aber mehrmals am Tage. Der Zuſtand tritt nur bei wohlgenährten und ſehr kräftigen Vögeln ein. Gegenmittel: vor allem Zerſtreuung; man beſchäftige ſich mit dem Papagei ſogleich beim erſten Eintreten jenes Zuſtands viel und ange⸗ legentlich, wol gemerkt aber nicht in der Weiſe, daß man feiner Neigung noch etwa durch Hätſcheln und Zärtlichkeits⸗ bezeigung entgegenkommt, ſondern vielmehr, indem man ihn durch Zähmungs⸗ und Abrichtungsvornahmen, bzl. Vorſprechen abzulenken ſucht. Ferner nehme man mit äußerſter Vorſicht einen Wechſel in der Ernährung vor; vorzugsweiſe nahrhafte und insbeſondre erregende Stoffe, ſo namentlich Hanfſamen, vermindert man möglichſt oder läßt ſie zeitweiſe ganz fort, während man anſtatt deſſen kühlende und mildernde, wie beſonders grüne Zweige, etwas Frucht u. drgl. gibt. Wohl⸗ thätig wirkt ebenſo ſehr vorſichtiges Herabmindern der Wärme⸗ 147 grade der Luft und dauerndes Halten in größrer Kühle. Am beſten freilich thut man in ſolchen Fällen daran, wenn man den birf. Vogel mit einem ſeinesgleichen verpart, bzl. ein richtiges Par zuſammenzubringen ſucht und einen Züchtungs— verſuch anſtellt. Bei geiſtig hochſtehenden Vögeln, alſo den am reichſten begabten, hervorragenden Sprechern, tritt uns eine Krankheits⸗ erſcheinung vor Augen, an die wir zunächſt kaum glauben möchten, während ſie doch thatſächlich vorkommt. Aufmerkſame, gewiſſenhafte Beobachtung hat mich zu der Ueberzeugung geführt, daß ſolch' Vorgang keineswegs etwa auf Einbildung oder Täuſchung meinerſeits beruhte. Der Papagei erſcheint ſehr krank, ſtöhnt und jammert, zeigt zugleich mancherlei der übrigen vorhin geſchilderten Krankheitszeichen; er athmet ſchwer, liegt auf der Sitzſtange auf einer Seite oder auf dem Bauch. Seltſamerweiſe aber äußern ſich alle dieſe Krankheitserſcheinungen immer nur ſolange, wie die Pflegerin oder ein Andrer im Zimmer zugegen iſt, während der Kranke, ſobald er ſich allein befindet oder, ohne daß er es wahrzunehmen vermag, beobachtet wird, ſich ganz ruhig verhält und keinerlei Krankheit erkennen läßt. Eine Erklärung vermag ich in Folgendem zu geben: der verwöhnte verhätſchelte Liebling der liebevollen Pflegerin Hat es ſich bald gemerkt, wodurch er ihre Theilnahme am meiſten erwecken kann, ihr zärtlicher, bedauernder Ton iſt ihm angenehm, und er weiß es, daß ſie umſomehr in dieſem zu ihm ſpricht, je trübſeliger und leidender er erſcheint. Un⸗ päßlichkeit, vielleicht auch unbedeutender Schmerz, ein wenig Bauchgrimmen oder dergleichen, hat ihn anfangs zum Stöhnen veranlaßt; das liebevolle Bedauern aber gefällt ihm, wie er⸗ wähnt, ſo ſehr, daß er jetzt auch ſtöhnt und jammert, wenn er garkeine Schmerzen hat, daß er alſo ſimulirt, wie man zu ſagen pflegt. Zur Abhilfe dieſer leidigen Gewohnheit der Verſtellung, bzl. des Erheuchelns (Simuliren) einer garnicht 10* 148 vorhandnen Krankheit gibt es keinen andern Weg, als den, daß man ſich hartherzig zeigt und ſich um ſeine angeblichen Schmerzen durchaus nicht bekümmert, ihn vielmehr immer möglichſt zu erheitern ſucht, zum Sprechen und zur Entfaltung deſſen, was er gelernt hat und weiterlernt, anregt, ſich viel mit ihm beſchäftigt, aber ohne jemals auf ſeine Verſtellungs⸗ künſte zu achten. Waſſerſucht gehört zu den Erkrankungen, welche bei unſeren gefiederten Pfleglingen ſtets gleichbedeutend mit Tod und Verderben ſind, glücklicherweiſe aber nur ſelten auftreten. Urſache: zunächſt lediglich Erkältung und namentlich bei großen Papageien gewaltſames Abbaden, welches man ohne genügende Vorſicht vornimmt; ferner Störungen in der Thätigkeit edler Körperorgane, ſo vornehmlich Tuberkuloſe oder Geſchwürchen⸗ bildung in den Eingeweiden, der Milz u. a. Krankheitser⸗ ſcheinungen: Athembeſchwerden, dann aufgeſchwollner Leib und im hochgradigen Zuſtand deutlich wahrnehmbare Flüſſigkeit in dem aufgetriebnen Körpertheil. Krankheiten der Leber und der Milz treten ziemlich häufig ein, doch ſind ſie im ganzen ſchwierig zu erkennen, und es iſt gerade bei ihnen ſchlimm, wenn man den Vogel krank vor ſich ſieht und nicht weiß, bzl. feſtzuſtellen vermag, mit welchem Leiden man es eigentlich zu thun hat. Urſache: un⸗ richtige, zu ſchwer verdauliche oder auch zu reichliche Fütterung, bei nicht ausreichender Bewegung, infolgedeſſen Verfettung (Fettleber) oder Bildung von Geſchwürchen (Tuberkeln) in der Leber. Oft iſt ſie eine Folge von Darmkatarrh, bei welchem der Darm verſchloſſen wird, welcher die Galle in den Dünndarm ausführt, wodurch Stauung, Aufſaugung der Galle ins Blut, und damit Gelbſucht verurſacht wird. Kenn— zeichen bei letztrer: das Auge und mehr oder minder alle nackten Körpertheile erſcheinen krankhaft gelb gefärbt; beim erſtern Zuſtand: erſchwertes Athmen, Keuchen, ſchwerfällige Bewegung, breiige oder dicke Entlerung, bei überaus vollem, 149 wie in Fett eingewickeltem Körper mit ſchlaffer, faltiger, un⸗ thätiger Haut und mehr oder minder großen nackten Stellen. Vorbeugungsmittel: richtige, mannigfaltige und naturgemäß wechſelnde, zeitweiſe aber auch knappe Ernährung, und beſonders ausreichende Bewegung. Heilmittel bei Gelbſucht: für aus⸗ reichende Entlerung durch Rizinusöl zu ſorgen, ſodann Ein— geben von Salzſäure oder doppeltkohlenſaurem Natron; auch Glauberſalz, Aufguß von Kalmuswurzel oder Löwenzahnkraut— Extrakt. Die Tuberkuloſe oder Geſchwürchenbildung in der Leber, auch wol Leberfäule, iſt unheilbar. Geſchwürchen in der Milz und Milzerweichung dürften wol auf denſelben Ur— ſachen beruhen, dieſelben Erſcheinungen zeigen und auch in gleicher Weiſe behandelt werden müſſen, wie die Tuberkeln und Verfettung der Leber. Gehirnerkrankungen finden wir leider häufig und mannigfaltig. Gehirnſchlag oder Schlagfluß zeigt ſich in folgender Krankheitserſcheinung: ein bis dahin offenbar geſunder, ſehr muntrer und lebendiger Vogel ſträubt plötzlich das Ge— fieder, taumelt oder geht rückwärts, dreht ſich um ſich ſelber oder hält den Kopf in ſonderbarer Weiſe ſchief, unter Augen⸗ verdrehen, und raſch tritt der Tod unter Krämpfen ein. Die Oeffnung und Unterſuchung ergibt: das Gehirn (meiſtens zu— gleich das Herz und die Lungen) mit Blut überfüllt, ſo daß der Tod alſo durch Schlag verurſacht iſt. Am häufigſten kommen derartige Fälle bei heißem Wetter vor und zwar durch erhitzende und erregende, ja ſelbſt nur zu reichliche Ernährung, z. B. durch zuviel Hanfſamen, ferner durch ſtarke und trockne Ofenhitze, Waſſermangel, zumal in ſchwüler, trockner Stuben— luft; ſchließlich auch infolge von Aufregungen: Erſchrecken, Beängſtigung, Eiferſucht u. ſ. w., beſonders aber auch durch geſchlechtliche Erregung. Vorbeugungsmittel: Abwendung aller derartigen unheilvollen Einflüſſe, magre und knappe Fütterung, bei vorwaltender Gabe von Grünkraut, Obſt u. drgl., und, wenn man bereits Gefahr befürchtet, täglich Salzſäure im 150 Trinkwaſſer. Noch raſch im letzten Augenblick anzuwendende Heilmittel: kaltes Waſſer auf den Kopf, vermittelſt Brauſe oder Auflegen eines damit gefüllten Schwamms, möglichſt ſchleunig bewirkte Abführung durch Rizinusöl und Klyſtir und, wo thunlich, ein vorſichtig ausgeführter Aderlaß. Viele Vogelpfleger, insbeſondre Leute, welche den Gebrauch von Gewaltmitteln nicht ſcheuen, greifen zum Aderlaß ſelbſt bei der erſten beſten Gelegenheit und zwar in der Weiſe, daß ſie dem Vogel einen Zeh oder wenigſtens einen Nagel ohne weitres fortſchneiden. Ich halte ſolchen Eingriff für unrecht, weil man dem Vogel dadurch unverhältnißmäßig große Schmerzen macht, zugleich aber verabſcheue ich unter allen Umſtänden eine ſo zweckloſe oder doch wenigſtens nicht durchaus nothwendige Verſtümmelung eines lebenden Geſchöpfs. Will, bzl. muß man, z. B. bei plötzlich eintretenden, heftigen Krämpfen, Blutent⸗ ziehung vornehmen, ſo ſehe ich einen Schnitt an der vollen, fleiſchigen Bruſt oder am Schenkel, in beiden Fällen aber nicht zu tief und im letztern keinenfalls ſo, daß der Knochen berührt wird, als am geeignetſten zur Blutentziehung an; man ſchneide auch niemals quer, ſondern von oben nach unten. Je nach dem Zuſtand des Vogels läßt man 1 bis 5, höchſtens 10 Tropfen Blut ſich entleren und ſchließt dann die Wunde durch ein blutſtillendes Mittel (ſ. weiterhin bei Wunden). Krämpfe, epileptiſche Anfälle u. a. werden durch Störungen in der Gehirnthätigkeit oder in der anderer wichtigen Körpertheile verurſacht. Der Papagei ſtürzt plötzlich zuſammen unter heftigen Zuckungen, Flügelſchlagen und drehenden Be— wegungen oder er zittert, ſchwankt, verdreht die Augen, dreht und wendet, verzerrt den Kopf, fällt um und zappelt in heftigſter Weiſe, ſodaß er einen beunruhigenden Anblick gewährt, Urſachen: unbefriedigter Geſchlechtstrieb, Schreck und Beängſtigung, ſtarke Ofen⸗ oder Sonnenhitze, Halten im zu engen Käfig, alſo mangelnde Bewegung bei reichlicher und erregender Fütterung. Vorbeugungsmittel: Abwendung aller jener Fährlichkeiten. Wenn 151 ein Krampfanfall nur einmal vorgekommen, jo hat er meift keine große Bedeutung; erſt bei Wiederholung wird er beun— ruhigend, und der Vogelpfleger ſuche die Urſache zu ergründen und abzuwenden. Für krampfhafte Erſcheinungen infolge von Parungstrieb habe ich das Verfahren bereits S. 146 angegeben; bei allen Krämpfen aber iſt noch folgendes zu beachten. Während des Anfalls nimmt man den Vogel in die Hand, damit er ſich beim ſtürmiſchen Umhertoben nicht ſtoße und beſchädige, und hält ihn aufrecht, wodurch ihm zugleich Linderung gewährt wird; doch hat man ſich dabei vor ſeinen Biſſen zu hüten. Gerade bei Krämpfen wird das rohe Mittel des Nagel- oder Zehabſchneidens am meiſten angewandt, ſelbſtverſtändlich aber gilt hier das, was ich bereits geſagt. Heilmittel: wieder⸗ holte Gabe von einfacher Opiumtinktur, ſowie von ätheriſcher oder einfacher Baldriantinktur und namentllich ein Dampf⸗ oder Sandbad, auch plötzliches Begießen mit kaltem Waſſer, letztres kaum erfolgverſprechend. Wirkliche Hilfe kann nur durch Ermittelung und Hebung der Urſache des Reizes erlangt werden. — Lähmung der verſchiedenſten Körpertheile, am häufigſten der Füße, kann zunächſt durch eine Verletzung des Rückgrats, durch plötzliches Auffliegen und heftiges Anſtoßen gegen eine ſcharfe Ecke verurſacht ſein. In dieſem Fall iſt Heilung kaum zu ermöglichen, und ich kann nur auf das einzige Linderungs⸗ und Heilungsmittel verweiſen, welches ich bei jeder Gehirnverletzung angegeben: unbedingte Ruhe. — Anderweitige Lähmungen kommen von rheumatiſchen u. drgl. Leiden her, welche ich ſpäterhin beſprechen werde. Erkrankungen ſind auch die Vergiftungen, die ſich ſtets an auffallenden Krankheitszeichen erkennen laſſen, während die Feſtſtellung des Gifts ſchwierig und ſogar unmöglich iſt. Falls aber das Gift nicht zu ermitteln, ſo iſt die Behandlung und damit die Ausſicht auf Heilerfolg unſicher. Man thut gut daran, beim Verdacht jeder Vergiftung einhüllenden Schleim, Eiweiß, Altheewurzel- oder Leinſamen-Abkochung u. drgl., 152 — ſowie kohlenſaure oder gebrannte Magneſia in Waſſer ange⸗ rieben zu geben. Kennzeichen nach Prof. Dr. Zürn: „Die mineraliſchen Gifte beſchädigen das Thier meiſtens durch ſtarkes Reizen der Magen⸗ und Darmſchleimhaut, durch erhebliche Entzündungszuſtände derſelben. Die Giftpflanzen wirken durch ihren Gehalt an narkotiſchen Stoffen auf die Nervencentren und das Blut insbeſondre, oder durch den Gehalt an ſcharfen, erheblich reizenden Stoffen dann auch noch in eigenthümlicher Weiſe auf Magen, Darm, Nieren.“ Die narkotiſchen Gifte, welche im Großen und Ganzen ſich dadurch auszeichnen, daß ſie bei den Thieren ſtarken Blutzufluß nach dem Gehirn und Rückenmark, ſowie ſpäter Lähmung hervorbringen, können in ihrer Wirkung abgeſchwächt werden durch Eſſig, Tanninauf⸗ löſung, ſchwarzen Kaffe u. a.; Glauberſalz als Abführungs⸗ mittel, kalte Begießungen auf Kopf und Rücken oder ein Aderlaß bringen ſonſt noch bei Vergiftung Linderung oder Hilfe. Nach Genuß ſcharfſtoffiger Pflanzentheile ſind Abführ⸗ mittel, dann Schleim und Chlorwaſſer zu empfehlen. Es gibt aber auch Giftpflanzen, welche narkotiſche und ſehr ſcharfe Stoffe zugleich enthalten. Nach jeder Vergiftung zeigen ſich, ſelbſt wenn das bedrohte Thier gerettet iſt, noch Nachwehen. Allgemeine Schwäche oder Hinfälligkeit dauert kürzere oder längre Zeit an, je nach dem Gift, auch Verdauungsſchwäche, Mangel an Freßluſt u. a., und in vielen Fällen bleibt nach abgewendeter Gefahr noch immer Darm- und Magenkatarrh zurück. | Papapeien vergiften ſich leider häufig mit Oxalſäure (Zuckerſäure), wenn fie am Meſſinggitter lecken, das geputzt und nicht ſorgfältig trocken ab⸗ gerieben iſt. Erkennungszeichen: Taumeln, Kraftloſigkeit, Krämpfe, ſchwarze, ſchmierige und dann auch blutige Entlerung. Heilmittel: die bei allen Ver⸗ giftungen überhaupt angegebenen ſchleimigen Stoffe und insbeſondre gebrannte Magneſia. Will der Papagei all' dergleichen freiwillig nicht nehmen, ſo gebe man ihm reichlich ſtarkes Zuckerwaſſer und darin wenigſtens etwas in Waſſer angeriebne gebrannte Magneſia. Ein Papagei, welcher ſich frei bewegen darf, zieht ſich durch Knabbern an Zündhölzchen Phosphorvergiftung zu. Krank- heitszeichen: Geſträubtes Gefieder, Zittern, Daſitzen mit gekrümmtem Rücken 153 und halbgeſchloſſenen Augen, mangelnde Freßluſt, Durſt, wäßriger und blutiger Durchfall, Hinfälligkeit. Man ermittelt den Zuſtand durch Phosphorgeruch aus dem Schnabel. Heilmittel: Chlorflüſſigkeit, reines Terpentinöl und Eiweiß oder andrer einhüllender Schleim. — Wiederum eine Vergiftung bedroht den ſich frei umherbewegenden Papagei, indem er einen Zigarrenſtummel zernagt. Krank⸗ heitszeichen: Zittern, Taumeln, Lähmung, Krämpfe und gleichfalls blutige Ent⸗ lerung. Heilmittel: Eiweiß oder Schleim und ſtarke Gabe von Rizinusöl zum Abführen. — Wenn ein Papagei eine bittre Mandel oder eine verdorbne, bitter gewordne Nuß gefreſſen, ſind Krankheitszeichen: Beängſtigung, Taumeln, Umfallen und Unfähigkeit ſich zu erheben, Zittern, Krämpfe. Heilmittel: Ein⸗ tauchen in kaltes Waſſer und Begießen mit ſolchem, innerlich Salmiakgeiſt oder Hoffmannstropfen, halbſtündlich und etwa dreimal im Tage. — Kupfer vergif⸗ tung kann vorkommen, indem ein Papagei am unſauber gehaltnen grünjpanig gewordnen Gitter eines Meſſingbauers leckt oder knabbert. Krankheitszeichen: verringerte und dann ganz mangelnde Freßluſt, Würgen und Erbrechen, auf— getriebner Bauch und Schmerz beim Drücken, Federnſträuben und Hocken am Boden, heftiger Durchfall mit grün ausſehender und blutiger Entlerung. Heil⸗ mittel: viel Eiweiß und andrer Schleim, Molken, gebrannte Magneſia. — Vergiftung durch Arſenik könnte eintreten, wenn man Ratten- oder Mäuſe⸗ gift unvorſichtig auslegt, am leichteſten aber infolge Benagens arſenikhaltiger Tapeten. Selbſt bei geringſter Arſenikaufnahme iſt der Tod faſt immer unab⸗ wendbar. Erkrankungszeichen nach Zürn: Völlig mangelnde Freßluſt, Durſt, Speichelabſonderung aus dem Schnabel, häufiges Schlucken, große Angſt und Unruhe, Auslerung dünner, übelriechender, meiſt blutiger Kothmaſſen, erſchwertes, verlangſamtes Athmen, unter den naturgemäßen Zuſtand weit herabgeſunkne Körperwärme, vergrößerte Pupillen der Augen, Taumeln, Zittern, Krämpfe, raſch eintretender Tod. Heilmittel nach Zürn: Zuckerwaſſer, Eiweiß, Schleim, ges brannte Magneſia, vornehmlich aber Löſchwaſſer aus der Schmiede, das Anti- dotum arseniei oder auch gallertartiges Eiſenoxydhydrat. — Auch die übrigen ſtärkſten Gifte, wie Strychnin und die Salze deſſelben, ferner alles, was zur Herſtellung von vergiftetem Weizen oder als Mäuſe- und Rattengift über⸗ haupt dient, könnte einem Papagei gelegentlich gefährlich werden, indem es durch jene Nager verſchleppt und dadurch oder durch Entlerung in irgendwelches Vogel— futter gebracht wird. In faſt allen Fällen ſind Papageien bei derartiger Ver⸗ giftung vonvornherein verloren, ſelbſt wenn man die Urſache ſogleich mit Sicher- heit feſtzuſtellen vermag; bevor das Gegenmittel zur Anwendung, bzl. zur Wir- kung kommt, iſt der Tod bereits eingetreten. Nach Zürn Krankheitserſcheinungen bei Strychninvergiftung im leichtern Fall: angſtvolle Unruhe, Zuckungen, dann Steifheit einzelner Glieder und des ganzen Körpers; bei Vergiftung im ſtärkſten Maß: heftige Krämpfe, Verzerrung von Kopf und Hals nach dem Rücken, Läh⸗ mung, Erſtickung. Er empfiehlt künſtliche Reſpiration durch Lufteinblaſen und wechſelndes Zuſammendrücken und Ausdehnen der Bruſt, Tanninauflöſung, Eins 154 — athmen von Aether und Aderlaß; nach meiner Ueberzeugung iſt alles vergeb—⸗ lich. — Kohlendunſt, bzl. Kohlenoxydgas, kann, insbeſondre bei Oefen mit Heizung von innen (während dieſe doch am vortheilhafteſten der Lüftung wegen ſind) eintreten. Rauch und Dampf vermögen die meiſten Vögel leidlich gut zu ertragen, d. h. freilich nur, wenn das Zimmer gelegentlich einmal davon erfüllt, dann aber wiederum ſchleunigſt gelüftet wird. Bei häufigem oder gar andauerndem Einſtrömen können verherende Wirkungen ſich zeigen. In gleicher Weiſe unheilvoll kann für einen Papagei das Leuchtgas werden, falls das⸗ ſelbe durch ein undichtes Rohr u. a. einzudringen vermag. Hilfsmittel: ſelbſt auf die Gefahr der Erkältung hin, muß man ſchleunigſt der freien Luft Ein⸗ gang verſchaffen, jeden erkrankten Vogel hinaus oder doch in ein friſchgelüftetes, ſonniges Zimmer bringen; iſt ein Vogel ſchon betäubt, ſelbſt ohne Lebenszeichen, beſprenge man ihn vermittelſt Brauſe mit kaltem Waſſer, halte ihm auch wol vorſichtig Salmiakgeiſt oder Hoffmannstropfen auf einem Baumwollflöckchen vor den Schnabel und flöße ihm 1—2 Tropfen ein. Im übrigen muß er ſich von ſelber an der Luft erholen. — Ueber Tabaksrauch habe ich ſchon S. 120 ge⸗ ſprochen. Bei plötzlicher, ſtarker Wirkung, wenn z. B. ein Papagei im Zimmer, in welchem ausnahmsweiſe einmal viel geraucht worden, erkrankt iſt, wendet man dieſelben Ermunterungs- und Heilmittel an, welche ich bei Kohlendunſt⸗ vergiftung angegeben. Wenn der Papagei aber dem derartigen, ſchwächenden Ein⸗ fluß dauernd oder häufiger ausgeſetzt iſt, erkrankt er entweder an Lungenent⸗ zündung oder geht langſam an Abzehrung zugrunde. Heilung iſt nur dadurch möglich, daß man ihn in reine, warme Luft bringt und zweckmäßig behandelt. Auch Pflanzengifte können mehrfach zur unheilvollen Geltung kommen; ſo grüne Zweige vom Lärchenbaum, die ſich bereits in vielen Fällen als ſchädlich erwieſen haben. Gleiches gibt Zürn von Blättern und Beren des Eiben⸗ baums (Taxus baccata) an. Vorzugsweiſe gefährlich find Hundspeter⸗ ſilie, Wolfsmilch, Nachtſchatten, Hahnenfuß u. a. Ein frei im Zimmer ſich bewegender Papagei kann auch vom Oleander oder anderen, gleich⸗ falls ſchädlichen Stubenpflanzen freſſen; ſchließlich könnte eine Verwechslung mit giftigen Beren, namentlich der Tollkirſche, vorkommen. Krankheitserſchei⸗ nungen in allen ſolchen Fällen: Geſträubtes Gefieder, Flügelhängen, ſonderbare Bewegungen, Strecken, Seitwärts- und Rückwärtsbiegen des Halſes, krampfhaftes Schlucken und Schnabelaufſperren, als wolle der Vogel etwas entleren, Taumeln, ſtarres Ausſtrecken der Füße, bald krampfhafte Zuckungen des ganzen Körpers und Tod. Faſt regelmäßig iſt der Vogel verloren; der einzige Weg zur Rettung iſt ſchleunige Entlerung durch Beibringen von dünnem Schleim mit Oelgemiſch und Glauberſalzauflöſung, ferner Oelklyſtire, wie bei Verſtopfung angegeben, und Erwärmung des Unterleibs durch handwarmen Sand. Bei allen narko⸗ tiſchen Pflanzengiften, die betäubend und lähmend wirken, verordnet Zürn: Eſſig, Tanninauflöſung oder ſchwarzen Kaffee, v. Tresckow noch 155 Zitronenſäure. Gleiche Vergiftung wie durch bittere Mandeln kann auch durch Kerne von Pfirſichen, Pflaumen, Kirſchen u. a. verurſacht werden. Eingeweidewürmer. Mehrfach ſind Bandwürmer bei Papageien nachgewieſen worden. Meiſtens leiden Papageien durch derartige Schmarotzer wol nur wenig; immerhin aber können, wenn ſie maſſenhaft vorhanden, erhebliche Geſundheits- ſtörungen verurſacht werden. Kennzeichen: Solch' Papagei ſitzt traurig da, mit geſträubten Federn, zeigt ſchleimige, wol gar mit Blutſtreifen gemiſchte Entlerungen, leidet an immer: währendem Darmkatarrh, magert ab und geht, beſonders wenn er ſchwächlich iſt, durch Verkümmern zugrunde. Einziges Vor⸗ beugungsmittel: äußerſte Reinlichkeit. Zürn empfiehlt vor allem gepulverte Arekanuß, welche indeſſen (wie freilich alle Arzneimittel) den Vögeln ſchwierig beizubringen iſt; ebenſo verhält es ſich mit Rainfarn⸗ und Wurmfarnwurzel u. drgl. gegen Eingeweidewürmer. Dagegen habe ich beobachtet, daß nach mehr oder minder großen Gaben von Leinöl, vielleicht auch anderen Oelen, ſowol Band- als auch andere Eingeweide— würmer entlert wurden. Uebrigens gelten ebenſo die Kürbis⸗ kerne als Wurmmittel, und namentlich Papageien nehmen dieſelben gern. Die äußerlichen Krankheiten. Wunden. Alle Vögel haben in höherm Maß als die meiſten übrigen Thiere die Fähigkeit zur Selbſtheilung. Sogar bedeutende Wunden heilen lediglich durch Reinhaltung, alſo Auswaſchen vermittelſt eines Schwamms mit reinem Waſſer, Kühlung mit letzterm, Anwendung desinficirender Mittel, wie namentlich Karbol— ſäure, und ſodann Ruhe, in kürzeſter Friſt. Schnittwunden, vorausgeſetzt daß ſie mit einem ſcharfen und reinen Meſſer beigebracht worden, heilen am leichteſten, doch kommen ſie bei Papageien kaum oder nur ſelten vor. Behandlung wie vorhin angegeben, und mit Karbolſäureöl. Häufiger ſind Biß- oder Rißwunden, letztere durch hervorſtehende Draht- oder Nagel- ſpitzen verurſacht. Jede derartige Quetſch- und Rißwunde heilt 156 ſchlechter, weil fie Entzündung und Eiterung mitſichführt. So⸗ weit als möglich Ausblutenlaſſen, Auswaſchen mit Arnika⸗ waſſer, oder, wenn ſchlimmer, Kühlen mit Bleiwaſſer, dann Aufſtreichen von Glyzerin-, Vaſeline⸗ oder Bleiſalbe. Da letztre giftig iſt, aber auch die erſteren vom Papagei ſtets ab⸗ geleckt werden, ſo iſt es nothwendig, den verwundeten Körper⸗ theil, nach gut angelegtem Verband, durch Einnähen in feſte, grobe Leinwand zu ſichern. Iſt die Wunde tief und blutet ſie ſtark, ſo muß, nach ſorgfältigem Reinigen vermittelſt eines in Arnifa= oder Bleiwaſſer getauchten Schwamms, blutſtillende Watte aufgelegt oder blutſtillendes Kollodium übergepinſelt werden; auch ſtillt man die Blutung wol durch Eintauchen in oder Ueberpinſeln von Eiſenchlorydflüſſigkeit. Allerſchlimmſten⸗ falls iſt die Wunde mit einer chirurgiſchen Naht zu ſchließen, was am beſten ein Wundarzt oder Heilgehülfe ausführt, und dann wird gleichfalls Kollodium darübergeſtrichen. — Bran d⸗ wunden behandelt man wie beim Menſchen mit Liniment aus Kalkwaſſer und Leinöl oder Bleieſſig und Baumöl, im leichtern Fall mit Bei-Kollodium; immer muß man aber mit einem dicken Pauſch von Watte zum Abſchluß der Luft und, damit der Vogel nicht an den giftigen Bleimitteln lecken kann, wie bereits vorgeſchrieben, einen feſten, ſichern Verband anlegen und im Nothfall den Körpertheil einnähen. Mehrfach ſind ſchwere Verletzungen in der Weiſe eingetreten, daß ein Papagei auf ein heißes Plätteiſen, einen ebenſolchen Lampencylinder, eine Kochplatte ſich geſetzt oder einer glühenden Ofenthür zunahe gekommen; im erſten Augenblick kann man dann den Vogel ſofort in loſe, ſaubre Baumwolle oder Watte hüllen und in einen offnen Käfig bringen, wo er durchaus ruhig verbleibt, bis man alle Hilfsmittel zur Hand hat, um die oben ange⸗ gebne Behandlung vornehmen zu können. Sorgfältigſte Reinlichkeit iſt bei der Behandlung aller Wunden das erſte und wichtigſte Erforderniß; die Schwämme ſowol, als alle übrigen Gebrauchsgegenſtände beim Verbinden der Wunden 157 müſſen höchſt ſauber gehalten werden; erjtere ſind nach dem Gebrauch ſtets in ſiedendem Waſſer auszubrühen, auch wol auszukochen und dann in reinem, kaltem Waſſer noch mehr— mals durchzuwaſchen; die letzte Ausſpülung ſollte ſtets in ab⸗ gekochtem oder beſſer deſtillirtem Waſſer geſchehen. Schließlich iſt zur Heilung jeder Wunde unbedingte Ruhe durchaus er— forderlich. Auch Knochenbrüche heilen bei Vögeln erſtaunlich leicht. Der einfache Fußbruch oberhalb des Knöchels bedarf lediglich der Ruhe, um vortrefflich wieder einzuheilen, ſodaß der Fuß meiſtens nicht einmal ſchief wird. Rathſamer iſt es, die beiden Knochenenden durch vorſichtiges Ziehen in die richtige Lage zu bringen, zwiſchen zwei glatte Hölzchen als Schienen zu legen, und dieſe ziemlich feſt mit geſtrichnem Heftpflaſter, beſſer mit Leinwand oder am wohlthätigſten mit einem dicken, weichen Baumwollfaden zu umwinden, darüber Gipsbrei oder dickge— kochten, warmen Tiſchlerleim zu bringen, den Papagei bis zum Trocknen feſtzuhalten und ihn dann in einen engen Käfig zu ſtecken. Nach etwa vier Wochen kann man den Verband durch Aufweichen mit Waſſer, bzl. Löſen mit einer Schere, vorſichtig abnehmen. Die Schienen, welche man eigentlich nur beim ſchweren Bruch anzulegen braucht, können in glatten, dünnen Hölzchen beſtehen, oder in hohlen, halbröhrenförmigen Stäben von Rohr oder Flieder; immer müſſen ſie, wenn möglich, den ganzen Fuß umſchließen. Schwieriger iſt ein Bruch am Flügel zu heilen; um Schmerz und Reiz zu vermeiden, müſſen die Federn abgeſchnitten, aber nicht ausgezupft werden. Geſchwüre bilden ſich (außer den bereits bei inneren Krankheiten erwähnten) an verſchiedenen Körpertheilen bei. Papageien leider nicht ſelten. Zunächſt unterſuche man ſorgſam, ob die Anſchwellung hart oder weich, ob ſie feſt und fleiſchig oder mit Flüſſigkeit, Eiter, bzl. Brei gefüllt iſt, ferner ob ſie ent⸗ zündet roth und heiß oder gelb iſt, und dem Befund entjprechend- muß das Geſchwür behandelt werden. Das reife Eitergeſchwür, 158 - welches alſo mehr oder minder weich ift und gelb ausſieht, kann gewöhnlich ohne Gefahr durch einen Einſchnitt und ge⸗ lindes Ausdrücken entlert und dann mit einem in Karbol⸗ ſäureöl getauchten Bäuſchchen von Wundfäden (ſog. Charpie) oder mit Wundwatte verbunden werden; keinenfalls mache man den Einſchnitt zu tief, und das Ausdrücken muß möglichſt vollſtändig, doch vorſichtig geſchehen. Kleinere Geſchwüre braucht man dann nur mit Karbolſäureöl auszupinſeln, und auch bei den größten iſt das Anlegen des Verbands bloß in den erſten Tagen nothwendig. Ein hartes, insbeſondre großes und tiefliegendes Geſchwür erweicht man mit warmem Brei⸗ umſchlag, bis Reife eingetreten; eine ſehr entzündete Anſchwellung kühlt man mit Bleiwaſſer und erſt, wenn man ſich überzeugt hat, daß ſich wirklich ein Geſchwür bildet, ſucht man es durch warmen Breiumſchlag baldigſt zu erweichen. Leider nur zu häufig treten bei Papageien Balggeſchwüre auf, beſonders am Kopf, neben dem Schnabel oder in der Augengegend. Ein Balggeſchwür iſt weder hart, noch weich, mit breiiger Maſſe gefüllt und vergrößert ſich übermäßig oder geht tiefer und verurſacht dem Vogel in jedem Falle Unbequemlichkeit und Schmerzen; ſolange das Balggeſchwür klein iſt und loſe in der Haut ſitzt, läßt es ſich durch Aetzen mit Höllenſtein oder beſſer noch durch Abbinden vermittelſt eines dünnen, aber feſten Fadens entfernen. Man faßt es mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand, hebt es hoch und ein Andrer legt nun den Faden um, indem er möglichſt kräftig zuſchnürt. Der unterbundne Theil ſtirbt ab und ſobald die Stelle verheilt, fällt das Abgeſchnürte von ſelber hinweg. Will man lieber fortſchneiden, ſo verfährt man ebenſo, nur daß man, anſtatt den Faden umzulegen, vermittelſt eines ſcharfen Meſſers das Ganze ſchnell, doch vorſichtig herauslöſt. Dann wird ver— bunden und behandelt. Meiſtens jedoch kommen die Balgge⸗ ſchwüre aus innerer Verderbniß der Säfte her, und das ört— liche Fortbringen des einzelnen nützt dann nichts, weil immer 159 neue entſtehen. Der Papagei iſt dann verloren, falls er nicht durch ſtrengſte Enthaltung von jeder naturwidrigen Fütterung und durch ſorgſamſte, naturgemäße Pflege, vor allem aber durch Einwirkung friſcher Luft unter Anwendung der Salicyl- ſäurekur (ſ. S. 144) wiederhergeſtellt werden kann. Größten⸗ theils aus den letzterwähnten Urſachen bilden ſich auch warzen— artige Auswüchſe oder Wucherungen, die wol gar aufbrechen, maſſenhaft Flüſſigkeit (Lymphe) oder Eiter abſondern, manch— mal ganz wund werden; ſie ſind meiſtens kaum zu heilen, und zugleich kann im letztern Fall Anſteckung eintreten. Beſteht eine Geſchwulſt bloß in einer Fleiſchwucherung, vielleicht von warzenartiger Beſchaffenheit, ſo kann man ſie, wenn ſie klein iſt, durch Abſchneiden und wenn größer, durch Abbinden ent— fernen. Iſt es aber eine tiefgehende, mehr oder minder große und verhärtete Geſchwulſt, welche aufbricht und viel Flüſſig⸗ keit oder Eiter abſondert, während auch wol ſog. wildes Fleiſch hervorwuchert, ſo iſt die Heilung ſchwierig, und es kann ein krebsartiges oder ſonſtwie anſteckendes Geſchwür ſein. Man bepinſelt die ekelhaft ausſehende, rohe Fleiſchmaſſe mit Alos⸗ und Myrrhentinktur drei Tage, am vierten betupft man an der ganzen Oberfläche mit einem befeuchteten Höllenſteinſtift und am fünften beſtreicht man fie mit verdünntem Glyzerin, um am ſechſten Tage wiederum in derſelben Reihenfolge anzu⸗ fangen. Dazu wendet man die S. 144 erwähnte Salicylſäure⸗ Kur an. Eine ſog. Fettgeſchwulſt, welche durch natur— widriges Wuchern der Fettzellen entſteht und ſelten vorkommt, iſt nicht durch Futterentziehung zu heben, ſondern durch Auf— ſchneiden, Entlerung vermittelſt gründlichen Ausdrückens und Auspinſelung mit Karbolſäure. Gleiches iſt den ſog. Grüß: beuteln oder Grützgeſchwüren gegenüber zu beachten. Sie be⸗ ſtehen in einer runden, weich anzufühlenden, weder erhitzten, entzündlichen, noch eitrig gelben Geſchwulſt und enthalten eine ekelhafte, weiße, dünnbreiige Maſſe, müſſen nach einem tüchti⸗ 160 gen Schnitt durch Ausdrücken entlert und innen mit Karbol⸗ ſäureöl ausgepinſelt werden. | Hier und da, wenn auch glücklicherweiſe nur ſehr ſelten, tritt bei friſch eingeführten großen Pagageien außerordentlich ſchwere Erkrankung an Gregarinoſe auf. Unter denen, die ich be⸗ handeln konnte, hatte ich den ſchwerſten, förmlich unheimlichen Fall der Gregarinoſe an zwei Papageien aus dem zoologiſchen Garten von Berlin vor mir, die beide daran ſtarben, während mir in mehreren leichten Fällen die Heilung geglückt iſt. Das Krankheitsbild zeigt ſich gewöhnlich in mehr oder minder großen Anſchwellungen um und über die Augen und den Schnabel, an oder in der Kehle und auch an verſchiedenen anderen empfindlichen Körperſtellen, die bei Schnitt oder Oeff⸗ nung eine käſige Maſſe enthalten. Als Heilmittel habe ich innerlich Salicylſäure in ſtarker Gabe und für längre Zeit und äußerlich Jodkalium oder graue Queckſilberſalbe angewendet. Hauptſache iſt der Schutz vor Anſteckung. Ich bitte auch unter Darmentzündung S. 136 nachzuleſen. Gicht, Rheumatismus und mancherlei Lähmungen. Urſachen: Erkältung oder auch Verletzung, ſowie Sitzen auf zu dünnen und ſcharfkantigen und überhaupt nichts taugenden Stangen. Krankheitszeichen: Verminderung der Freßluſt, Fieber mit Gefiederſträuben und Schütteln, Anſchwellungen an den Gelenken der Flügel und Füße, die anfangs hart, ſtark geröthet, heiß und ſchmerzhaft ſind, dann weich ſich anfühlen und eine mit Blut und Eiter gemiſchte Flüſſigkeit enthalten; ſpäterhin werden ſie wieder hart, und der Inhalt iſt gallertartig und käſig; zuweilen findet nach Wochen Selbſtheilung ſtatt, doch bleibt gewöhnlich Verdickung des Gelenks zurück. In einem andern Fall tritt langſame Abmagerung bei Blutarmuth (blaſſe Schleimhäute), dann ſtarker Durchfall und Tod an Erſchöpfung ein. Vorbeugungsmittel: Abwendung der vorhin angeführten Urſachen, jo jeder Erkältung, vornehmlich beim Stuben reinigen, bzl. Lüften frühmorgens. Heilmittel: Trockenheit 161 und Wärme; wenn die Anſchwellung entzündlich und heiß, Kühlen mit Blei⸗ oder Eſſigwaſſer, falls die Anſchwellung hart, Einreiben mit Kampher- und Ameiſenſpiritus oder Pinſeln mit verdünnter Jodtinktur, auch Bewickeln mit erwärmtem Wollzeug; wenn die Geſchwulſt eiterig, Aufſchneiden, doch keinen falls zu früh, Ausdrücken und Auspinſeln mit Karbolſäure⸗ waſſer; innerlich Salicylſäure im Trinkwaſſer. — Rheuma⸗ tiſche Leiden, die in ſchmerzhafter Lähmung ohne Gelenk— anſchwellungen ſich äußern, können gleicherweiſe durch Erkältung, beſonders Zugluft oder nach unvorſichtigem Abbaden u. ſ. w. entſtehen. Heilungsverſuch: Einreiben mit warmem Oel oder beſſer erwärmter Rosmarinſalbe und Umwicklung des ſchmerz— haften Glieds mit einem erwärmten Wolltuch, welches ſelbſt— verſtändlich feſtgenäht oder durch einen entſprechenden Verband befeſtigt ſein muß. Bepinſeln mit Petroleum oder gereinigtem Terpentinöl darf man nur im Nothfall anwenden, denn der Geruch iſt für jeden Vogel widerwärtig und ſchädlich. Warmer Raum und wenn möglich warmes Sandbad ſind nothwendig. Faſt am allerſeltenſten, erfreulicherweiſe, kommt das Heraus⸗ treten des Darms oder der Legeröhre bei großen Papageien vor. Man wäſcht dieſen Darmvorfall mit hand⸗ warmem Waſſer, in welchem ein wenig Tannin aufgelöſt worden, trocknet den Vorfall dann durch Betupfen mit einem Leinentuch, beſtreicht ihn mit mildem Olivenöl und bringt ihn vermittelſt der Finger vorſichtig wieder zurück. Tritt er ſo⸗ dann nochmals wieder heraus, ſo kann man ein hier und da gebrauchtes Hausmittel anwenden, welches mir kürzlich den erhofften Dienſt beſtens geleiſtet hat. Nach dem Abbaden und ſorgfältiger Reinigung, ſowie namentlich beſtem Betrocknen, beſtreut man den Vorfall mit allerfeinſt gepulvertem Kolophonium und bringt ihn nun recht ſorgfältig und gründlich wieder hinein. Dann wird die Oeffnung etwa zehn Minuten lang ſanft zugehalten, und wenn trotzdem der Austritt abermals Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 11 162 erfolgt, wird das Hineinbringen wiederholt und dann in der Regel mit glücklichem Erfolg. Augenkrankheiten kommen bei a leider häufig vor; ſie können auch vielfach auf anderweitiger Erkrankung beruhen, bei welcher das Auge und ſeine Umgebung in Mit⸗ leidenſchaft gezogen wird. Zunächſt treten uns Anſchwellungen und Entzündungen der Augenbindehäute, durch Erkältung hervorgebracht, entgegen. Krankheitszeichen: Augenthränen, An⸗ ſchwellen der Lider- und Lichtſcheu. Heilmittel: Pinſeln mit lauwarmer Chlorflüſſigkeit oder Alaun⸗ oder Zinkvitriolauf⸗ löſung. Ferner kann Entzündung der Bindehäute, ſowie auch der Hornhaut durch Stöße oder Biſſe ins Auge entſtehen. Heilmittel: Kühlen mit Waſſer, bzl. Bleiwaſſer, Einpinſeln von Zinkvitriolauflöſung oder Pottaſchelöſung mit Dpium- tinktur. Innere Augenentzündungen, welche Blindheit (grauen Star) bringen, treten nur ſelten auf. Wenn man einen augen⸗ ſcheinlich blinden oder blindwerdenden Vogel, deſſen Auge keine äußerliche Krankheit erkennen läßt, daraufhin behandeln und wenigſtens einen Heilungsverſuch anſtellen will, ſo darf man immerhin das einzig hierhergehörende Heilmittel: Einpinſelung auf den Augapfel von ſchwefelſaurem Atropin (nach Zür n) anwenden. Ausſicht auf Erfolg iſt nur beim Beginn der Krankheit vorhanden, welche ſich aber leider meiſtens erſt dann feſtſtellen läßt, wenn der Vogel ſchon ganz oder doch nahezu blind geworden. Bei ſchwerer Verletzung des Auges durch Schlag, Stich oder Biß, wobei der Augapfel beſchädigt worden, läßt ſich ein ſachgemäßer Verband, bzl. eine ſolche Behand— lung überhaupt, nur ſchwierig ermöglichen. Man ſuche nach Anwendung der obengenannten kühlenden Mittel, namentlich Auflegen von weicher, in Bleiwaſſer getauchter Leinwand, einen Schutz des Auges dadurch zu erreichen, daß man beim großen Vogel eine Wallnußſchale an der Kopfſeite ſo anbringt, daß ſie das von dem Leindwandläppchen (oder Wundfäden) um⸗ hüllte Auge ſchützend einſchließt. Befeſtigung am beſten ver- 163 mittelſt dünner Streifen von Heftpflaſter und dann Umwickeln des Kopfs mit einem ſchmalen Leinen- oder Baumwollband. Die Naturheilkraft des Vogels thut dann außerordentlich viel. Dieſer Verband braucht nur etwa alle drei Tage einmal er— neuert zu werden. Schnabelkrankheiten. Bei zu großer Sprödigkeit des Horns kann eine mehr oder minder tiefgehende Spaltung, bzl. ein Riß im Schnabel oder die Zerſplitterung, Zerfaſerung, Wucherung an der Schnabelſpitze eintreten. Im erſten Fall bepinſele man nicht bloß den Riß an ſich, ſondern auch den ganzen Schnabel täglich ein⸗ bis zweimal mit erwärmtem, mildem Oel. Dabei iſt natürlich ſorgſame Reinhaltung durch häufiges Auswaſchen der Spalte mit einem feinen weichen Pinſel mit Karbolſäurewaſſer nothwendig, ſoweit es ſich um einen tiefgehenden und ſchmerzhaften Riß handelt; auch kann man die Stelle, nachdem ſie gut abgetrocknet worden, mit Kollodium beſtreichen. Wenn der Riß tiefgehend ins Fleiſch reicht oder den Schnabel klaffend ſpaltet, muß ein Verband angelegt werden; zunächſt wird der Riß gereinigt, dann ſtreicht man zwiſchen beide Flächen Karbolſäureöl, klebt einen ent⸗ ſprechenden Heftpflaſterſtreif darum und umgibt die Stelle ſchließlich, falls es eben ausführbar iſt, mit einer Schiene, in⸗ dem man eine der Länge nach geſpaltne Federpoſe, ein Rohr— oder Strohhalmſtück anbringt und befeſtigt. — Schlimmer ge— ſtaltet ſich in vielen Fällen die Schnabelmißbildung, welche mit Zerſplitterung der Spitze, Spaltung in zahlloſe Faſern und unnatürlicher Wucherung beginnt und allmählich den ganzen Schnabel ergreift, ſodaß der Vogel dadurch gleich— falls meiſtens arg bedroht wird. Heilung ſchwierig; erſte Be⸗ dingung durchaus geſundheits-, bzl. naturgemäße Verpflegung, Kräftigung durch Baden, Hinausbringen an die freie Luft; Heilmittel: täglich mehrmaliges Beſtreichen mit warmem Oel, ämmer erneutes Verſchneiden, ſo tief als nur angängig und 1 164 unmittelbar darauf Bepinſeln mit Kollodium. Glücklicherweiſe ſeltner als andere Schnabelverkrüppelungen kommt ein ſchief⸗ gewachſener oder, wie man zu ſagen pflegt, Kreuzſchnabel vor. Heilung: Zuerſt muß man den ſchiefgewachſenen Theil des, Schnabels mit einem ſcharfen Meſſer oder beſſer noch mit einer beſondern Schnabelſchere ſoweit als irgend thunlich verſchneiden, ohne das Lebendige zu verletzen, dann wird der verbogne Theil, nachdem er mit recht warmem Oel bepinſelt worden, vermittelſt eines handwarmen Plätteiſens möglichit nach der naturgemäßen Geſtalt hin zurückgeſtrichen, darauf umwickelt man den, am beſten nochmals mit dem warmen Oel bepinſelten Schnabel feſt der richtigen Lage gemäß mit ſtarker Leinwand und erſt nach einigen Stunden löſt man dieſen Verband, damit der Papagei wieder freſſen kann. Dies Verfahren wiederholt man alle zwei bis drei Tage. Sobald der Schnabel nachzuwachſen beginnt, muß das Streichen wenn= möglich noch häufiger geſchehen. Fußkrankheiten (ſ. auch Fußpflege S. 126). Am ver⸗ nachläſſigten Vogelfuß bilden ſich unter der Schmutzkruſte leicht Entzündung, Eiterung, Geſchwüre, welche wol zur mehr oder minder bedeutſamen Gelenkentzündung, zum Abſterben einzeluer Zehen und ſelbſt zum Verluſt eines ganzen Fußes führen können. Heilmittel: tägliches Baden des Fußes in warmem Seifenwaſſer, Kühlen der entzündeten Stelle mit Bleiwaſſer, dann Bepinſeln mit verdünntem Glyzerin und Beſtäuben dick mit feinſtem Stärkemehl, in hartnäckigen Fällen: Beſtreichen mit Bleiſalbe oder, wenn die Wunde näſſend iſt, mit Bleiweiß⸗ ſalbe; dann muß der Fuß aber in ein Lederbeutelchen gejtect: und dieſes feſt verbunden oder vernäht werden, weil ſolche Salben giftig für den Papagei ſind. — Schlimmer ſind Ver— härtungen, aus denen entweder Geſchwüre in den Gelenken. (Knollen genannt) oder Hühneraugen ſich bilden. Beide ent⸗ wickeln ſich an der untern, innern Fußfläche und verurſachen. dem Vogel ſoviel Schmerz, daß er daran verkümmern kann. 165 Im erſtern Fall Behandlung wie vorhin angegeben, in beiden Entfernung vor allem der leidigen Entſtehungsurſache, nämlich der unzweckmäßigen Sitzſtangen. Die Knollen, oft ſteinharte, häutige und förmlich verknöcherte Gebilde, und gleicherweiſe die Hühneraugen oder Leichdornen erweicht man zunächſt durch Einreiben mit erwärmtem Olivenöl und dann Waſchen mit warmem Ölyzerin- oder Seifenwaſſer, um dann mit einem ſcharfen, ſpitzen Meſſer alle harte Haut, ſowie den eigent— lichen Leichdorn, ſorgſam herauszuſchälen, wobei man natürlich nicht wund ſchneiden darf. — Durch Druck oder Reibung des Rings an einer Papageienkette können gleichfalls Ver— härtungen, Geſchwüre oder Lähmung hervorgerufen werden; in allen ſolchen Fällen iſt der Ring ſogleich zu entfernen und der Papagei, falls er noch nicht ungefeſſelt auf der Stange ſitzen darf, in einen zweckmäßig eingerichteten Käfig zu bringen, wo der Fuß meiſtens von ſelber heilt und nur im bereits ſehr ſchlimm gewordnen Fall, wie oben geſagt, zu behandeln iſt. — Glücklicherweiſe ſelten kommt es vor, daß ein Papagei durch Hängenbleiben im Draht, in einer Ritze oder Spalte ſich einen Zehnagel ausreißt oder denſelben, bzl. den Fuß be— ſchädigt. Heilung: Zunächſt Kühlen mit Bleiwaſſer oder Waſchen mit Arnikawaſſer, Trocknen vermittelſt eines weichen Leinen— tuchs und Bepinſeln mit Bleikollodium; Ruhe beſtes Heil— mittel. Vermag ſich der Vogel nicht auf der Sitzſtange zu halten, ſo muß der Boden des Käfigs mit Löſchpapier belegt werden. — Verkrüppelte Zehen, meiſt durch lang dauernde Vernachläſſigung verurſacht, verſucht man durch ſorgfältigſte Fußpflege, fleißiges Abbaden und zeitweiſe gelindes Zurecht— drücken zu heilen. — Unheilvoll iſt der krankhafte Hang bei Papageien, ſich einen Fuß zu benagen und wol gar ganze Zehen abzufreſſen. Heilung ohne Hebung der eigentlichen Urſache iſt nicht zu erreichen; zunächſt unterſuche man, ob ein äußrer Reiz vorhanden, welchen man durch Baden der Füße, bzl. Waſchungen und Reiben vermittelſt eines 166 groben Leinentuchs in warmem Seifenwaſſer benehmen könnte. Beruht die Krankheitsurſache dagegen auf einem innerlichen Leiden, ſo iſt dasſelbe wol ſchwierig aufzufinden und zu heben. Bepinſeln mit Alostinktur iſt vergeblich angewendet worden. Ein ſolcher Vogel, der erſt an einem Fuß, dann am andern, darauf an einem Flügel und ſchließlich ſogar noch an weiteren Körperſtellen ſich ſelber benagte und anfraß, wurde zunächſt an den btrf. Stellen jedesmal mit verdünnter Jodtinktur, dann am ganzen Körper mit Karbolſäureöl bepinſelt, ſchließlich in einer ſtarken Auflöſung von Pottaſche abgebadet und dadurch geheilt. Fraglich bleibt es indeſſen immer, ob der krankhafte Hang bei vorhandner innrer Urſache, wol gar den Folgen der Sepſis, nicht doch ſtets von neuem zum Ausbruch kommt, dann iſt die Salicylſäurekur (ſ. S. 144) anzuwenden. Gefiederkrankheiten werden theils durch winzige Schmarotzer, welche ſich in der Haut oder in den Federn ſelbſt einniſten, und die ſich übertragen, alſo gleichſam anſteckend wirken, theils durch Vernachläſſigung und unreinliche Haltung, theils aber auch durch krankhafte Anlage von innen heraus verurſacht. Erſtere ſind mannigfaltig und können entweder Ausſchlag-Erſcheinungen (ähnlich wie die Krätze beim Menſchen) oder Zerſtörung der Feder an ſich hervorbringen. Um ihr Vorhandenſein feſtzuſtellen, bedarf es meiſtens mikroſkopiſcher Unterſuchung; glücklicherweiſe ſind ſie aber dann faſt ſämmtlich verhältnißmäßig leicht zu befehden. Federlinge niſten ſich im Gefieder ein und beſchädigen es, aber nur ſelten in bedeut⸗ ſamer Weiſe; bei ſachgemäß verpflegten Vögeln kommen ſie überhaupt kaum vor. Befehdungsmittel: Bepinſeln der btrf. Stellen mit Inſektenpulvertinktur oder Perubalſam, darauf Abbaden des Vogels in warmem Seifenwaſſer und gelindes Einfetten der Federn mit Olivenöl. — Wenn kahle Stellen ſich bilden, insbeſondre an Hinterkopf, Nacken, Schultern, an denen die Haut ſich abſchuppt und dicke Schinn- oder gar Schorflager entſtehen, während in Wochen und Monaten keine f | 1 167 neuen Federn hervorſprießen, jo haben ſich auch hier thieriſche oder pflanzliche, mikroſkopiſch⸗kleine Schmarotzer entwickelt. Als erfolgverſprechende Anordnung kann ich empfehlen: Bepinſeln der btrf. Stellen einen Tag um den andern mit Perubalſam und an den dazwiſchen liegenden mit verdünntem Elpyzerin, während man immer nach drei oder vier Tagen vermittelſt eines in warmes Seifenwaſſer (am beſten von milder Schmier- ſeife, weicher oder Kaliſeife) getauchten weichen Pinſels ſorgſam abwäſcht und den Vogel darauf für die nächſten Stunden in höherer Wärme hält. Dies Verfahren wiederholt man 8 bis 14 Tage hindurch. — Sprödes, brüchiges, fehlerhaftes Gefieder bei einem Papagei kann nicht allein gleichfalls in dem Vorhandenſein von Federlingen, ſondern auch darin be— gründet ſein, daß, beſonders bei Mangel an Badewaſſer oder bei irgendwelcher Erkrankung des Vogels, die Federn an ſich krankhaft oder wenigſtens nicht mehr ausreichend gefettet ſind. Eine der unheilvollſten Erkrankungen iſt das Selbſt— ausrupfen der Federn. Es macht einen ſchauderhaften Eindruck, wenn ein ſolcher gutſprechender, förmlich menſchen— kluger Vogel binnen kürzeſter Friſt ſplitternackt mit Ausnahme des Kopfs daſteht und in widerwärtiger Weiſe jede hervor— ſprießende Feder an ſeinem blutrünſtigen Körper ſogleich wieder auszupft und gleichſam als Leckerei verzehrt. Man muß annehmen, daß dieſe unſelige, krankhafte Sucht in un⸗ zweckmäßiger Ernährung, bzl. naturwidriger Verpflegung be— gründet iſt, denn vorzugsweiſe ſolche Vögel fallen ihr anheim. Ob die unmittelbare Urſache aber in mikroſkopiſchen, im Feder— ſchaft hauſenden Schmarotzern, wie man vielfach glaubt, oder in mangelnder Bewegung, alſo der Unmöglichkeit ſich auszu— lüften und infolgedeſſen in dem Hautreiz, welchen die Ver— ſtopfung der Poren durch den Federnſtaub hervorbringt, oder in Säfteverderbniß und den durch dieſe bewirkten Reiz von innen heraus oder ſchließlich, wie manche behaupten, bloß in übler Angewohnheit, bzl. Langeweile, liege — das iſt bis jetzt — — 168 mit Sicherheit noch keineswegs feſtgeſtellt worden. Vorbeugungs⸗ mittel: durchaus ſachgemäße Ernährung, ſtrengſte Vermeidung irgendwelcher Leckereien, beſonders aber jeglicher naturwidrigen Nahrungsmittel (Fleiſch, Fett, Saucen, Kartoffeln, Gemüſe u. a.); dagegen jtete ſorgſame Verſorgung mit Holz zum Be- nagen ſ. S. 94), auch mit Kalk und Sand; möglichſt fleißige Beſchäftigung mit dem Papagei. Alle verſuchten Abhilfemittel; die S. 122 vorgeſchriebne Federnkur, Bepinſeln der nackten Stellen mit Moetinktur, Aufguß von Tabaks⸗ oder Wallnuß⸗ blättern oder auch mit anderen bitteren oder ekelhaften Flüſſig⸗ keiten, Beſtreichen mit Inſektenpulvertinktur, Einſtreuen von Inſektenpulver, Schwefelblumen u. a., und noch mancherlei Andres, ſind entweder völlig erfolglos oder doch nur bedingungs⸗ weiſe erfolgreich geweſen. In Rotterdam legte man jedem Selbſtrupfer einen blechernen Halskragen um, doch wußte er ſich über denſelben hinaus trotzdem das Gefieder zu vernichten und zuletzt nagte er ſich die Fußzehen an. Am meiſten Aus⸗ ſicht zur Rettung eines werthvollen Vogels bietet folgendes Verfahren: Man bringt ihn in ganz neue Verhältniſſe, in einen geräumigen Käfig zur ausreichenden Bewegung, zum Auslüften des Gefieders und gewährt ihm zugleich trocknen Sand zum Scharren und bei warmem, trocknem Wetter auch darin zu paddeln, ferner wendet man die S. 122 beſchriebne Federnkur an, verſorgt ihn ſtreng naturgemäß nur mit Mais, Hafer, Hanf, dazu etwas Obſt, auch Grünfutter (ein Salatblatt, etwas Vogelmiere, Doldenrieſche oder Reſedakraut) und thieriſchem Kalk (Sepia⸗ oder gebrannte Auſternſchale) und beſchäftigt ſich möglichſt viel mit ihm. Herr Prediger Ottermann ließ einen ſolchen Uebelthäter hungern, indem er ihm allmählich die Nahrung bis auf den dritten Theil entzog, ſodaß er matt wurde. Dieſe Gewaltkur habe ich in folgendem abgeändert. Wenn der Papagei vollbeleibt iſt, und nachdem man das vor— ſtehend angegebne Verfahren vergeblich verſucht, laſſe man ihn einen Tag um den andern oder zwei Tage in der Woche ö B 2 1 * * DDr ²7˙ ö ] 2 169 24 Stunden hungern, ſodaß er während dieſer Zeit durchaus nichts als Trinkwaſſer erhalte; dies geſchehe 2—3 Wochen, vielleicht noch länger, wobei freilich immer auf ſeine Körper⸗ beſchaffenheit ſorgſam zu achten iſt. Durch dies Verfahren ſind vortreffliche Erfolge erzielt worden. Einen wirklichen dauernden Heilerfolg kann man aber nur dadurch erreichen, daß man aufmerkſam und mit vollem Verſtändniß jeden der⸗ artigen Vogel genau kennen zu lernen ſuche und ihn ſeiner Eigenart entſprechend und mit Rückſicht auf die in jedem einzelnen Fall obwaltenden Verhältniſſe behandle. — Neuer- dings, im Winter 1895/96, machte mir ein Papageienlieb⸗ haber, der vorläufig nicht genannt ſein will, die Mittheilung von einer ſeltſamen Kur, durch die er einen ſprechenden Papagei, eine weißſtirnige Kuba⸗Amazone mit rothem Bauchfleck (Psitta- cus leucocephalus L.), der ein ſchlimmer Selbſtrupfer war, mit beſtem Erfolg geheilt habe. Er ſchreibt wörtlich: „Mein Mittel beſteht aus gewöhnlichem Schweinefett mit Schießpulver vermiſcht. Man nehme auf etwa ſo viel wie eine Pflaume groß Fett zweimal ſoviel Schießpulver, als man zwiſchen den Fingern halten kann, miſche beides gut mit einander, ſodaß es wie eine dunkelgraue Salbe ausſieht und reibe damit den Vogel tüchtig ein, beſonders an den nackten Stellen, anfangs täglich, ſpäterhin zweimal die Woche, dann noch ſeltner. Im ganzen rieben wir unſern Papagei in drei Wochen zehnmal ein. Dabei wurde er zweimal in der Woche mit lauwarmem Waſſer abgeſpült, abgetrocknet und ſofort wieder eingerieben. Die Salbe iſt dem Papagei unſchädlich, ſelbſt wenn er ſich durch Beißen von derſelben zu befreien ſucht. Schon drei Tage nach dem erſten Gebrauch dieſes Mittels ließ das Beißen und Selbſtrupfen nach und der ganze Körper bedeckte ſich ver— hältnißmäßig ſchnell mit neuen hervorſprießenden Federkielen. In 14 Tagen hatte der Vogel bereits ein neues Gefieder, und daſſelbe iſt jetzt ſchöner als früher jemals.“ Ungeziefer. Wenigſtens bedingungsweiſe iſt zu den 170 Krankheiten der Vögel auch die Plage ſeitens jener thieriſchen Schmarotzer, welche man als Ungeziefer bezeichnet, zu zählen. Milben (Vogelmilben), gewöhnlich, wenn auch nicht zutreffend, Vogelläuſe genannt) ſuchen in mehreren Arten unſere gefiederten Stubengenoſſen heim. Die eigentliche Vogelmilbe (Derma- nyssus avium, Dug.) iſt winzig, eiförmig, hinten breit und plattgedrückt, anfangs weiß, dann braunroth (Much. 0,6 0, mm, Wöbch. 0,8 —1 mm) hält ſich bei Tag meiſtens in Ritzen und Spalten der Käfige, Sitzſtangen u. a. oder auch in den Federn des Vogels verſteckt, regungslos, läuft nachts lebendig umher, um dann die Vögel anzugehen und Blut zu ſaugen. Auf Grund der Kenntniß dieſer Lebensweiſe ſind die Milben leicht zu befehden. Bei zweckmäßigen Käfigen und Sitzſtangen kann Ungeziefer nur im Fall gröblicher Vernachläſſigung, bzl. Un⸗ reinlichkeit vorhanden ſein; beſitzt man indeſſen noch Käfige von ältrer Herſtellung oder haben neuangekaufte Vögel Unge⸗ ziefer eingeſchleppt, ſo ſind folgende Rathſchläge zu befolgen. Ueberall wo ſich flüſſiges oder ſteifes Fett durch Bepinſeln oder Einreiben gebrauchen läßt, werden dadurch die Schmarotzer ertödtet, denn es erſtickt ſie. Aber jedes Fett wird bald ranzig, verwandelt ſich in übelriechende Maſſe oder es trocknet zu einer Schmutzborke ein, über welche die Milben bald ohne Be— hinderung fortlaufen; daher iſt es nur anzuwenden, wo es durch Waſchen mit heißem Waſſer oder Soda- oder Pottaſchen⸗ lauge leicht wieder entfernt werden kann. Nach vieljahrelanger Erfahrung habe ich feſtgeſtellt, daß einen durchaus ſichern Schutz gegen alles Ungeziefer nur das Inſektenpulver ge⸗ währt und zwar gleichviel, als Pulver an ſich oder als Tinktur. Das Inſektenpulver, welches von der Inſektenpulverpflanze (Pyrethrum roseum s. persicum, kaukaſiſche Wucherblume, perſiſche Kamille, Flohtödter oder Flohgras) gewonnen wird, iſt bekanntlich ein eigenthümliches Gift für alle Kerbthiere, während es für Menſchen und alle höheren Thiere als uns ſchädlich ſich erweiſt; natürlich muß es völlig rein und nicht 1741 mit fremden, übelwirkenden Stoffen gemiſcht ſein. Hat man durch Unterſuchung mit dem Mikroſkop feſtgeſtellt, daß ein Papagei an Milben leidet, ſo bepinſelt man ihm alle nackten Stellen, insbeſondre am Hinterkopf, an den Schultern und überall, wo er mit dem Schnabel nicht hingelangen kann, mit Inſektenpulvertinktur, am nächſten Tage mit verdünntem Glyzerin, gewährt ihm an zwei Tagen, wenn es recht warm im Zimmer iſt, Badewaſſer, ſchlägt drei bis vier Tage über und beginnt dann dieſelbe Kur von neuem. Falls er freiwillig nicht badet, wird er wie S. 123 bei Gefiederpflege angegeben behandelt. Meiſtens iſt er dadurch der Milben entledigt, und im ſchlimmſten Fall muß man das ganze Verfahren wieder— holen. Vor allem aber muß, damit die Ungezieferbrut von vornherein vertilgt werde, auch Käfig nebſt Sitzſtangen und ſogar der Ort, an welchem der erſtre bisher geſtanden, mit heißem Seifenwaſſer gereinigt, gewaſchen und abgeſcheuert und wenn dies nicht thunlich, die btrf. Stellen entweder vorſichtig eingeölt, darauf abgerieben und mit Inſektenpulvertinktur be⸗ pinſelt oder neu gekalkt, bzl. tapezirt werden. — Federlinge im Gefieder haben keine Bedeutung. — Bei allem übrigen Ungeziefer: Flöhen, wirklichen Läuſen, Wanzen u. a. ſind dieſelben Anordnungen auszuführen. Inbetreff etwaiger Uebertragbarkeit der Vogel— krankheiten auf die Menſchen habe ich Folgendes mitzu— theilen. Mehrfach iſt die Warnung ausgeſprochen worden, daß man ſich hüten möge, Menſchen, insbeſondre Kinder, mit kranken Vögeln in Berührung gelangen zu laſſen, da eine beiderſeitige Anſteckung ſtattfinden könne. Kürzlich iſt ſogar in einer Be— kanntmachung ſeitens einer Behörde eine dringende Warnung erlaſſen, nach welcher es als Thatſache feſtſtehen ſollte, daß die Diphteritis des Geflügels für Menſchen anſteckend ſei. Nach meiner Ueberzeugung, die auf Erfahrung von mehreren Jahr— zehnten in der Haltung und Pflege von fremdländiſchen Vögeln beruht, iſt der Uebergang einer Krankheit von Stuben— 172 vögeln auf Menſchen und auch umgekehrt überhaupt nicht möglich. Allerdings kommen typhusähnliche Erkrankungen bei den Stubenvögeln vor und zwar vorzugsweiſe bei großen, wie den Graupapageien. Am bekannteſten iſt der Hungertyphus (Blutvergiftung oder Sepſis, ſ. S. 141), aber bei demſelben, wie auch bei andrer typhöſer Erkrankung, findet eine Uebertragung auf den Menſchen nicht ſtatt. Im Lauf der Jahre habe ich Hunderte derartig kranker Vögel beherbergt, verpflegt und behandelt, ohne daß ich oder irgend Jemand von den zahlreichen Mitgliedern meines Hausſtands jemals ange⸗ ſteckt worden; ebenſowenig ſind bei den Groß- u. a. Händlern oder deren Geſchäftsperſonal derartige Erkrankungen aufge⸗ treten. Ich habe vielfach Vögel aus London u. a. bekommen, die unmittelbar aus den ſchmutzigen Behältern auf dem Schiff in den völlig ungereinigten Verſandtkaſten gebracht, von ſchmierigem Koth ſtarrend, bei mir ankamen, ihr auf den Fußboden geſchüttetes Futter in den Schmutz getreten und am letzten Tage dann noch zerſchrotet hatten, was ihre dreckigen Schnäbel bezeugten, deren Trinkgefäß, anſtatt des Waſſers mit Schwamm, mit durchnäßtem und völlig in ſaure Gährung überge— gangnem Weizenbrot gefüllt war. Dieſe Vögel, große Papageien, waren durch und durch krank, ſtarben unter den Erkrankungs⸗ zeichen des Faulfiebers und zeigten bei der Eröffnung und Unterſuchung typhöſe Blutvergiftung in hohem Grade. Trotz⸗ dem iſt, wie geſagt, bei uns und in meinem weiten Bekannten⸗ kreiſe noch niemals eine Krankheitsübertragung durch derartige Vögel vorgekommen, ebenſo wenig in allen mir bekannten großen und kleinen Vogelhandlungen, bei denen ich in ganz Europa angefragt habe. * * * Ueberſicht der Heilmittel, nebſt Vorſchrift der Miſchungs⸗ verhältniſſe und Gaben. Alle angerathenen Arzneien kauft man in den Apotheken und zumtheil auch in Droguengeſchäften. Ich bitte inbetreff derſelben Folgendes beachten zu wollen. Der Name an ſich bezeichnet nur das Mittel, WEGE A NEN 173 — nn wie es gefordert werden muß. Näheres über beſondere Zubereitungen und bie Anwendung iſt hier bei den einzelnen Heilmitteln angegeben. — Die ſubkutanen Ein⸗ ſpritzungen müſſen vermittelſt einer ſehr kleinen Glasſpritze mit äußerſt fein aus- gezogner Spitze, am beſten am fleiſchigen Theil der Bruſt, beigebracht werden. — Inbetreff des Eingebens der Heilmittel muß ich im übrigen noch auf die S. 128 gegebenen Anleitungen hinweiſen. Abbinden von Fleiſchwucherungen, Warzen, Hauthörnchen u. a. ſ. S. 158. Aether, Eſſig⸗ oder Schwefeläther zum Einathmen, äußerſt vorſichtig anzu- wenden, einige Tropfen auf Watte getröpfelt vor die Naſenlöcher zu halten. Alaun, Auflöſung in Waſſer zum Pinſeln 1: 200 — 300. — Dämpfe von A.⸗Auflöſ., A. 1:30 W., durch Eintauchen eines glühenden Drahts Dämpfe zu entwickeln und dem Vogel zum Einathmen vor den Schnabel zu halten. Aloetinftur. Althee ſ. Eibiſchwurzel. Ameiſenſpiritus. i Antidotum arsenici wie &ijenorydhydrat anzuwenden. Arekanuß, fein gepulvert, in Waſſer dünn angerührt und jo einzugießen, 0,3, 0,5 —1 gr, einmal täglich. Arnikatinktur⸗Gemiſch, zum Heilen blutrünftiger Stellen, A. 1, Glycerin 5, Waſſer 100. — Arnikawaſſer: A. 1—2: 100 W. Arſenikz; bekanntes Gift; Auflöſ. in heißem deſtillirtem Waſſer 1: 500, 800 — 1000 zum Einſpritzen einmal täglich 0, —1 degr. Atropin, ſchwefelſaures (Gift), Auflöſ. in deſt. Waſſer, 1: 800 — 1000. Bäder, Dampf- und warme ſ. Waſſer. Baldriantinktur (Tinctura valerianae simplex) 1—3 Tropfen auf ein Spitzgläschen Waſſer, im Nothfall von der Verdünnung 5—10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll einzugießen. — B. ätheriſche (T. val. aeth.) in gleicher Gabe. Blauſt ein ſ. ſchwefelſaures Kupferoxyd oder Kupfervitriol. Blei⸗Kollodium. Bleiſalbe (giftig). Bleiwaſſer (Bleiflüffigfeit, Liquor plumbi, ſog. Blei⸗Extrakt oder Bleieſſig) 1:50 Waſſer (giftig). Bleiweißſalbe (giftig). Borſäure, Auflöſ. in deſt. Waſſer 15: 100. Breiumſchlag; in Waſſer zum dicklichen Brei gekochte Hafergrütze mit 1 von etwas Hammeltalg, handwarm zwiſchen Leinen aufzulegen. Charpie ſ. Wundfäden. Chiliſalpeter ſ. Natron, ſalpeterſaures. Chinarinde-Aufguß. Ch. 1:60—120 ſiedendes Waſſer, davon 1—5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll täglich zweimal einzugießen. 174 Chinawein, 1—5 Tropfen täglich zwei- bis dreimal in Trinkwaſſer oder auf erweichtem Weizenbrot. Chinin, ſchwefelſaures (Chininum sulphuricum), Auflöſ. in deſt. Waſſer 1:100—300 mit Zuſatz von 1 Tropfen reiner Salzſäure, 3—5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll dreimal täglich einzugeben; zum Einſpritzen dieſelbe Auflöſ., 1—2 degr einmal täglich. Chlorflüſſigkeit (Liquor chlori) innerlich, 1, 3—5 Tropfen in Waſſer als Gabe dreimal täglich. — Chlorwaſſer, zum Pinſeln: Chlorflüſſigkeit 1:100—300 Waſſer; zum Einſpritzen ebenſo verdünnt und 0,5, 1—2 degr täglich. (Giſtig beim Einathmen). Chlorkalk mit Salzſäure übergoſſen zur Chlorentwicklung beim Desinfiziren. e Chlorkalkwaſſer (Chlorwaſſer) zum Abſcheuern von Geräthen und Desinfiziren überhaupt: Chlorkalk in Waſſer beliebig angerührt. Chloroform, beſtes Betäubungsmittel bei allen Operationen, während alle übrigen derartigen Mittel hier noch nicht durch ee feſtgeſtellt ſind. (Gefährlich). Chlorwaſſer ſ. Chlorkalkwaſſer und Chlorflüſſigkeit. Dampfbad ſ. Waſſer. Dulkamara⸗Extrakt, Auflöſ. in Waſſer 1: 200—300, täglich zweimal 1—3 Tropfen, ½—1 Theelöffel. Eibiſchwurzel-Abkochung ſ. Schleim. Eiſenchloryd-Flüſſigkeit (Liquor ferri sesquichlorati) zum Blutſtillen 1: 100 Waſſer; E.⸗Kollodium zum Blutſtillen E. 1:4—5 Koll. — Eiſenoxydhydrat, gallertartiges, 1:100, 300—500 Waſſer zer⸗ rieben und davon 10—15 Tropfen halbſtündlich. — Eiſenoxydul, ſchwefel⸗ ſaures oder Eiſenvitriol (Ferrum sulfuricum dep.), Auflöſ. in deſt. Waſſer 1: 200, 300, 500—800, als Trinkwaſſer. — ien Eiſen⸗ oxydul, ſchwefelſaures. Eſſig, ſelbſtverſtändlich immer beſter, ſtärkſter Weineſſig, in Verdünnung von 1:5—10 Waſſer; 1, 3, 5—10 Tropfen der Miſchung einzuflößen; dieſelbe Verdünnung äußerlich. Fett ſ. Oel mildes; ſ. Salben. Gipsbrei, feingepulverter Gips mit kaltem Waſſer angerieben und ſchleunigſt aufzutragen. Glauberſalz, Auflöj. in warmem Waſſer 0,28, 0,50 gr als Gabe täglich ein⸗ bis zweimal. Glycerin, verdünnt mit Waſſer. Zum Eingeben 1—2: 10, dreimal täglich 5 Tropfen bis 1 Theelöffel voll. Zum Pinſeln kahler, ſchinniger Stellen 1:53 zum Bepinſeln der Naſenlöcher oder empfindlicher, bzl. entzündeter und wunder Stellen (auch nach Abbaden mit Seifenwaſſer) 1: 10. — G.⸗Waſſer zum Waſchen 1—2: 20. — G.⸗ Salbe. = 175 Haferſchleim ſ. Schleim. Heftpflaſter. Höllenſtein oder ſalpeterſaures Silberoryd (Argentum nitricum fusum) Auflöſ. in deſt. Waſſer 1: 300, 500—800 zum Eingeben 5 Tropfen bis ½ Theelöffel voll dreimal täglich; 1: 10 zum Pinſeln; der Stift an ſich ſchwach angefeuchtet zum Aetzen. Giftig; Vorſicht bei Berührung, weil die Auflöſung und der angefeuchtete Stift Haut, Kleidung u. a. dauernd ſchwarz färben. Jede H.⸗Auflöſung muß in einem ſchwarz gefärbten oder mit ſchwarzem Papier umklebten Gefäß aufbewahrt werden. Hoffmannstropfen (Spiritus sulphuricus aethereus, Schwefeläther 1:3 Alkohol), 1—2 Tropfen in wenig Waſſer, zwei- bis dreimal täglich. — Zum Einathmen wie Aether. Holzeſſigdämpfe, H. 1:50—100 Waſſer; wie Alaundämpfe. Honig, zuverläſſig reiner, unverfälſchter, am beſten daher Scheibenhonig. Inſektenpulver, dalmatiniſches, ſ. S. 170. — Inſektenpulvertinktur ſ. S. 171. Jod-Tinktur; verdünnt mit Spiritus 1: 100 —200, ein Tropfen mit wenig Waſſer einzugießen, zweimal täglich (bei Sepſis); zum Pinſeln bei Diph⸗ theritis und gichtiſcher Gelenkentzündung dieſelbe Verdünnung; um Dämpfe zum Einathmen zu entwickeln, verdünnt mit Waſſer 1: 100 und wie Alaun⸗ dämpfe. (Giftig). Kaffee⸗Aufguß, nicht Abkochung, ſelbſtverſtändlich von reinen, guten Bohnen, ohne Beimiſchung; 1 Loth auf die Taſſe und davon als Gabe 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll täglich etwa zweimal. Kali, chlorſaures (Kali chloricum), zur Desinfektion, Auflöſ. in deſt. Waſſer 3—5: 100; bei ſchwerem Luftröhrenkatarrh mit Zuſatz von Opium⸗ tinktur 1—2 Tropfen auf 60 gr der Auflöſung; zum Eingeben 1: 200 bis 300 täglich dreimal 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll. — Kali, Fohlen ſaures, gereinigtes (Pottaſche, Kali carbonicum depur.), Auflöſ. in Waſſer 1—10: 750; mit Zuſatz von Opiumtinktur 1—3. — Pottaſche, rohe zum Abſcheuern, Auflöſ. in Waſſer 1:10. P., rohe zum Abbaden 1:15 (Pottaſchenlauge). — Kali, ſalpeterſaures, gereinigtes (ger. Salpeter, Kali nitricum dep.) im Trinkwaſſer 0,01, 0,05, —0,1 gr als dreiſtündliche Gabe. — Kali, übermanganſaures (Kali hypermanganicum) zur Desinfektion, aufgelöſt in reinem Waſſer, ſoviel, daß die Flüſſigkeit ſtark kirſchroth wird. Kamphoröl. — Kamphorſpiritus. Karbolſäure⸗Oel, K. 1—2: 100 Olivenöl. — K.⸗Salbe, K. 1:10—20 Schmalz. — K.⸗Waſſer zum Auspinſeln der Balggeſchwüre, Bepinſeln oder Beſprengen der Schleimhäute 2: 100 —200; zum Bepinſeln der Bürzel⸗ drüſe 1:400—500; zum Desinfiziren, Abſcheuern der Käfige u. a. 1:10; er. SO 176 zum Eingeben 1, 3, 5:100 und hiervon 1—2 Tropfen im Theelöffel voll Waſſer täglich dreimal als Gabe, zum Einſpritzen 1: 100 —300, jedesmal 0, 1—3 degr; zum Bepinſeln des Schnabels, Reinigen von Wunden, Ge⸗ ſchwüren u. a. 1: 100 —150. Kochſalz, Auflöſ. in Waſſer zum Nachpinſeln bei Anwendung von Höllen⸗ ſtein, ebenſo zum Reinigen der Naſenlöcher 1-3: 100; zum Eingeben 0% bis 0,28 gr in wenig Trinkwaſſer. Kollodium. — K., blutſtillendes: K. 4—5:1 Eiſenchlorydflüſſigkeit. — Blei⸗Kollodium. Kreoſot-Dämpfe, K. 1—2: 100 Waſſer; ſ. Alaundämpfe. . Kupferoryd, ſchwefelſaures, Kupfervitriol oder Blauſtein (Cuprum sulphuricum), an ſich zum Aetzen, angefeuchtet, anzuwenden. — Kupfer⸗ vitriol (Cupr. sulph. pur.), Aufl. in deſt. Waſſer 1—3: 100 zum Pinſeln. (Alle K.⸗Salze giftig). Lakritzenſaft, gereinigter in dünnen Stengeln. Leinöl ſ. Oel. Leinſamen⸗Abkochung und L.⸗Schleim ſ. Schleim. Liniment aus Bleieſſig und Baumöl oder Olivenöl 1: 1. — L. aus Borſäure und Arab. Gummi⸗Schleim 1—5: 100. — L. aus Kalkwaſſer und Leinöl 1:1. — L. aus Karbolſäure mit Arab. Gummiſchleim 1—2: 100. Löſchwaſſer, aus jeder Schmiede zu erhalten, halbſtündlich 1—2 Theelöffel voll. Löwenzahnkraut⸗Extrakt 1:50 —100 Trinkwaſſer. Lunte zum Blutſtillen: ſaubre zarte Leinwand wird entzündet, unter Luftab⸗ ſchluß, ſodaß ſie nur zu Kohle verglimmt. Magneſia, gebrannte in einem Mörſer oder einer Untertaſſe ſchwach an⸗ gefeuchtet, tüchtig zu reiben und dann allmählich zum ganz dünnen Brei anzureiben. — M., kohlenſaure, ganz ebenſo anzuwenden. Mandelöl ſ. Oel. Myrrhentinktur. Natron, doppeltkohlenſaures (Bullrichſalz, Natrum bicarbonicum) zum Eingeben 0 —1 gr in wenig Trinkwaſſer aufgelöſt, täglich eins bis zweimal. — Zuſatz zu Kalmus⸗ oder Pfeffermünz⸗Aufguß 1:60. — N., kohlenſaures, rohe Soda (N. carbonicum) zum Abſcheuern 1:10 Waſſer (Sodalauge). — N., phosphorſaures (N. phosphoricum) im Trinkwaſſer 1: 100 —200. — N., ſalicylſaures (N. salicylicum), Auf⸗ löſung in deſtillirt. Waſſer zum Eingeben, 1: 100 —300, zweimal täglich 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll; zum Einſpritzen dieſelbe Auflöſ. 1—2 degr einmal täglich. — N., ſalpeterſaures (Chiliſalpeter, N. nitricum purum) wie N., phosphorſaures. — N., ſchwefligſaures; unter⸗ ſchwefligſaures (N. subsulphurosum), Auflöſung in warmem Waſſer 0, —1 gr täglich zweimal. 144 Del, mildes, ſog. Provencer⸗ oder Olivenöl, bei ſehr zarten Vögeln Mandelöl, bei gröberen auch wol Leinöl; darf nicht ranzig ſein; niemals nehme man ein austrocknendes Oel, wie Mohnöl u. a. Zum Eingeben 10 Tropfen bis 1 Theelöffel voll. Leinöl ebenſo als Wurmmittel, in größter Gabe ½—1 Theelöffel voll, mit 1 Tropfen ätheriſchem Oel auf 10 Theelöffel voll. — Oelklyſtir ſ. Klyſtir. Olivenöl ſ. Oel. Opiumtinktur 1—5 Tropfen: 30 gr Trinkwaſſer; bei heftigen Erkrankungen in gleichen Gaben mit wenig Waſſer einzuflößen. (Vorſicht!) — Opium⸗ tropfen ſ. Ruhr S. 139. Ozon; 5: 1000 Waſſer; ſolch' Ozonwaſſer erhält man in der Apotheke; im offnen Gefäß entwickelt ſich das Ozon aus dem Waſſer zum Einathmen; zum Einſpritzen wird das O.⸗W. verdünnt 1: 100— 200 deſt. W., 0,3 —1 degr einmal täglich. (Vorſicht!) Berubaljam. Phosphorſäure in Waſſer 1:200, 300—500, 3—5 Tropfen als Gabe zwei— mal täglich oder 1 Theelöffel voll auf ein Spitzgläschen Trinkwaſſer. (Vorſicht!) Pottaſche, ſ. Kali, kohlenſaures. Queckſilberchloryd oder ſalzſaures Queckſilberoxyd; ſtark ätzendes Gift; Auflöſ. in heißem deſt. Waller 1: 500, 800—1000, zum Einſpritzen einmal täglich 0, —1 degr. — Queckſilberſublimat ſ. Queckſilberchloryd. Queckſilberſalbe. Rainfarnwurzel wie Arekanuß. Reiswaſſer ſ. Schleim. Rhabarbertinktur, wäßrige, 1—3 Tropfen auf ein Spitzgläschen voll Trinkwaſſer; auch wol R. 1:2—4 Waſſer in 3—5 Tropfen einzuflößen. Ebenſo R., weinige oder Rhabarberwein. Rizinusöl, innerlich; am beſten zur Hälfte mit Olivenöl gemiſcht und wie S. 139 und 141 angerathen einzugeben, 3—5 Tropfen, ½ 1 Theelöffel voll, letztre Gabe bei ſchweren Vergiftungen. Rosmarinſalbe. Rothweinz als wirkſam erachte ich nur alten, echten, franzöſiſchen, alſo Bordeaux⸗W., während der leichte franzöſiſche und deutſche oder ungariſche N. hier nicht als Heilmittel gelten kann. — R. mit Opiumtinktur: 1—3 Theelöffel R.: 1—3 Tropfen O. Salben, milde: Glycerin-, ſog. Roſen- und Vaſelinſalbe. Salicylſäure⸗Waſſer, Auflöf. von S. in heißem W. ohne Spirituszuſatz zum Eingeben und Pinſeln 1:300—500, Gabe, jedesmal erwärmt und um⸗ geſchüttelt, davon täglich 30 Tropfen in ſoviel Trinken, wie er über Tag Dr. Karl Ruß, Die Amazonenpapageien. 12 SE .. 178 verbraucht; zum Einſpritzen 1:500, täglich einmal 0,5, —1 degr. — Sali⸗ cylſäure-Kur ſ. S. 144. — Salicylſäure⸗Oel. Salmiakgeiſt oder Aetzammoniakflüſſigkeit (Liquor Ammonii caustici) zum Eingeben wie Hoffmannstropfen; zum Einathmen wie Aether. — S.⸗Mixtur: S. 0, gr, Honig 5 gr, Fenchelwaſſer 50 gr, täglich mehr⸗ mals 3—5 Tropfen bis ½ oder ſogar 1 Theelöffel voll als Gabe. Salpeter, ſ. Kali, ſalpeterſaures. Salz ſ. Kochſalz. — Salze, phosphorſaure ſ. Natron, phosphorſaures. — Salzſäure, reine (Acidum hydrochloratum purum), 1 Tropfen auf eein großes Weinglas voll Waſſer. — S., rohe oder Chlorwaſſerſtoffſäure zur Chlorentwicklung ſowie zum Abſcheuern von Geräthen u. a., letzternfalls mit Waſſer verdünnt 1:5. — Salzwaſſer ſ. Kochſalz. | Sandbad, warmes, ſ. S. 140. Schleim. Eibiſchwurzel-Abkochung: E. 1:15 Waſſer, gelinde geſiedet und dann abgeſeiht; beſſer, wenn die E., in feine Würfel zerſchnitten, nur über Nacht in Waſſer eingeweicht wird. — S. von Hafergrütze, Lein⸗ ſamen u. a., erſtre ſehr dünn abgekocht, vom letztern 1 Theil in 15 Theil kalten Waſſers mehrere Stunden eingeweicht, unter zeitweiſem Umrühren und dann durch Mull abgeſeiht, beſſer als Abkochung. — Reis waſſerz; wie ge⸗ wöhnlich in Waſſer abgekochter Reis wird mit einer Kelle fein zerrieben und mit heißem Waſſer ſtark verdünnt, dann nach dem Erkalten abgegoſſen. NB. Täglich mehrmals erwärmt. Schlemmkreide darf keinenfalls verunreinigt ſein. Schwefel (Sulphur crudum) in Stangen oder Stücken zum Ausſchwefeln (Des⸗ infiziren). — Schwefelfäden ebenſo. — Schwefelblumen (Sulphur sublima- tum). — Schwefelmilch (Sulphur praecipitatum) mit Waſſer 1: 200 angerieben, täglich zwei- bis dreimal 3—5 Tropfen, ½—1 Theelöffel voll. — Schwefelſäure (Acidum sulphuricum purum), 1 Tropfen auf ein großes Weinglas voll Trinkwaſſer. — Schwefel- oder ſog. Krätzſalbe (meiſtens für den Vogel giftig, daher die Füße in Leder einzunähen ſ. S. 164). Seifenwaſſer nicht nur als Reinigungs-, ſondern auch als Heilmittel, ſollte niemals aus ſcharfen, auch nicht aus harten Kaliſeifen, ſondern ſtets aus der ſtark glyzerinhaltigen Elain= (ſog. grünen oder ſchwarzen S.) hergeſtellt werden. Soda ſ. Natron, kohlenſaures. Stärkemehl, am beſten feinſte Weizenſtärke. Tannin, Auflöſung in Waſſer zum Auspinſeln der Augenſchleimhäute, auch des Rachens 1: 100—200; bei ſchwerem Luftröhrenkatarrh ebenſo, mit Zuſatz von Opiumtinktur 1—2 Tropfen auf 60 gr der Auflöl. — Dämpfe von T.⸗Auflöſ. 1:300 und wie Alaun⸗-Dämpfe. — Zum Eingeben 1: 100-300 und davon 3—5 Tropfen, / —1 Theelöffel täglich zweimal. — Zum Ein⸗ ſpritzen wie Salicylſäure. 179 Theerdämpfe, Holztheer (nur ſolcher) 1:50 Waſſer; ſ. Alaundämpfe. Terpentinöl, gereinigtes oder rektifizirtes, innerlich 1—5 Tropfen in Waſſer, als Gabe zwei⸗ bis dreimal täglich. Vaſelineſalbe. Verbandſpäne, norwegiſche. Waſſer, kaltes an ſich, iſt eins der größten Reizmittel; auch zum Kühlen und zum Begießen bei Krämpfen muß es daher ſtubenwarm ſein. W., deſtillir⸗ tes, wird für alle Auflöſungen von Arzneien gebraucht, für manche von Salzen u. a. iſt es unentbehrlich; nur im Nothfall iſt es durch Regenwaſſer, kaum durch abgekochtes Waſſer zu erſetzen. — Dampfbad: Man ſetzt den Vogel auf ein mehrfach zuſammengelegtes dickes Leinentuch, welches über einen Topf mit ſtark handwarmem Waſſer gebreitet iſt und deckt ihn mit einem Zipfel loſe zu, jedoch jo, daß er nicht erſtickt. Hier läßt man ihn ¼2—1 Stunde ſitzen, erneuert das warme Waſſer mehrmals, wickelt ihn dann in erwärmte loſe Baumwolle, deckt darüber ein Tuch ſo, daß nur der Kopf frei bleibt und bringt ihn auf eine warme Stelle, wenn möglich warmen Sand, bis er völlig abgetrocknet iſt. In der warmen Stube ſetzt man ihn dann in die Nähe des Ofens. — Lauwarmes Bad 26—28 ; warmes Bad 28—30°. Waſſerdämpfe (feuchtwarme Luft): Den kranken Vogel ſtellt man auf einen Rohrſtuhl und überhängt ſeinen Käfig nach Entfernung der Schublade möglichſt dicht bis zum Boden herunter mit einem großen Leinentuch. Dann ſetzt man eine geräumige Schüſſel mit recht warmem Waſſer, welches etwa viertel⸗ bis halbſtündlich erneuert werden muß, unter den Stuhl, ſodaß der Waſſerdampf den Raum des Käfigs möglichſt von allen Seiten durchdringt. Bei gewiſſen ſchweren Erkrankungen löſt man bei der jemaligen Erneuerung des heißen Waſſers einen Theelöffel voll guten friſchen Holztheer darin auf. Andere ſtarke Theerdämpfe ſ. oben. Waſſerglas entnimmt man am beſten ſogleich aufgelöſt. Watte, blutſtillende. Wundfäden (Charpie), ſauberſte weiche Leinwand, fein und kurz ausgezupft. — Wundwatte. Wurmfarnwurzel wie Arekanuß. Zinkſalbe. Zinkvitriol, reines (Zincum sulphuricum purum), Auflöſ. in deſtillirtem Waſſer 1—3: 500, zum Pinſeln und Umſchlag. (Giftig). Zitronenſaft, bzl.⸗Säure wie Salzſäure. Zuckerkand oder Kandiszucker, in reinen weißen Kryſtallen. Se re r re f u 1 —S 3 | 3 SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES 9088 00083 6395 9 di er 4 * * 4 h i N * \ ö * * I u * 4 I 1. 5 N * ; ‚2 : k W 3 HE n | pi NE . f 2 N 5 c Z er