—— —— —— ͤä (—

Heinrich Heine

Her Rabbi von Bachauch

Erzählung

nn

J Unruude l.

WON EST-MORTALE @voo ,

£ |(vertest bei

0 N Mies

da dai on cha)

uſtriert von x rer. Zuch a

Erſtes Kapitel

Unterhalb des Rheingaus, wo die Ufer des Stromes ihre lachende Miene verlieren, Berg und Felſen mit ihren aben- teuerlichen Burgruinen ſich trotziger gebärden, und eine wil- dere, ernſtere Herrlichkeit emporſteigt, dort liegt wie eine ſchau⸗ rige Sage der Vorzeit die finſtre, uralte Stadt Bacherach. Nicht immer waren ſo morſch und verfallen dieſe Mauern mit ihren zahnloſen Zinnen und blinden Warttürmchen, in deren Luken der Wind pfeift, und die Spatzen niſten; in dieſen armſelig häßlichen Lehmgaſſen, die man durch das zerriſſene Tor erblickt, herrſchte nicht immer jene öde Stille, 5

die nur dann und wann unterbrochen wird von ſchreienden Kindern, keifenden Weibern und brüllenden Kühen. Dieſe Mauern waren einſt ſtolz und ſtark, und in dieſen Gaſſen bewegte ſich friſches, freies Leben, Macht und Pracht, Luſt und Leid, viel Liebe und viel Haß. Bacherach gehörte einſt zu jenen Munizipien, welche von den Römern während ihrer Herrſchaft am Rhein gegründet worden, und die Einwohner, obgleich die folgenden Zeiten ſehr ſtürmiſch, und obgleich ſie ſpäterhin unter Hohenſtaufiſcher und zuletzt unter Wittels⸗ bacher Oberherrſchaft gerieten, wußten dennoch nach dem Beiſpiel andrer rheiniſchen Städte ein ziemlich freies Gemein⸗ weſen zu erhalten. Dieſes beſtand aus einer Verbindung einzelner Körperſchaften, wovon die der patriziſchen Alt— bürger und die der Zünfte, welche ſich wieder nach ihren verſchiedenen Gewerken unterabteilten, beiderſeitig nach der Alleinmacht rangen: ſo daß ſie ſämtlich nach außen zu Schutz und Trutz gegen den nachbarlichen Raubadel feſt verbunden ſtanden, nach innen aber wegen ſtreitender Intereſſen in beſtändiger Spaltung verharrten; und daher unter ihnen wenig Zuſammenleben, viel Mißtrauen, oft ſogar tätliche Ausbrüche der Leidenſchaft. Der herrſchaftliche Vogt ſaß auf der hohen Burg Sareck, und wie ſein Falke ſchoß er herab, wenn man ihn rief, und auch manchmal ungerufen. Die Geiſtlichkeit herrſchte im Dunkeln durch die Verdunke⸗ lung des Geiſtes. Eine am meiſten vereinzelte, ohnmächtige und vom Bürgerrechte allmählich verdrängte Körperſchaft war die kleine Judengemeinde, die ſchon zur Römerzeit in 6 Bacherach ſich niedergelaſſen und ſpäterhin, während der

großen Judenverfolgung, ganze Scharen flüchtiger Glan- bensbrüder in ſich aufgenommen hatte.

Die große Judenverfolgung begann mit den Kreuzzügen und wütete am grimmigſten um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, am Ende der großen Peſt, die wie jedes andre öffentliche Unglück durch die Juden entſtanden ſein ſollte, indem man behauptete, ſie hätten den Zorn Gottes herabgeflucht und mit Hilfe der Ausſätzigen die Brunnen vergiftet. Der gereizte Pöbel, beſonders die Horden der Flagellanten, halbnackte Männer und Weiber, die, zur Buße ſich ſelbſt geißelnd und ein tolles Marienlied ſingend, die Rheingegend und das übrige Süddeutſchland durch— zogen, ermordeten damals viele tauſend Juden, oder mar⸗ terten fie, oder tauften fie gewaltſam. Eine andere Be⸗ ſchuldigung, die ihnen ſchon in früherer Zeit, das ganze Mittelalter hindurch bis Anfang des vorigen Jahrhun— derts, viel Blut und Angſt koſtete, das war das läppiſche, in Chroniken und Legenden bis zum Ekel oft wiederholte Märchen, daß die Juden geweihte Hoſtien ſtählen, die ſie mit Meſſern durchſtächen, bis das Blut herausfließe, und daß ſie an ihrem Paſchafeſte Chriſtenkinder ſchlachteten, um das Blut derſelben bei ihrem nächtlichen Gottesdienſte zu gebrauchen. Die Juden, hinlänglich verhaßt wegen ihres Glaubens, ihres Reichtums und ihrer Schuldbücher, waren an jenem Feſttage ganz in den Händen ihrer Feinde, die ihr Verderben nur gar zu leicht bewirken konnten, wenn fie das Gerücht eines ſolchen Kindermords verbreiteten, vielleicht gar einen blutigen Kinderleichnam in das ver⸗ 7

femte Haus eines Juden heimlich hineinſchwärzten und dort nächtlich die betende Judenfamilie überfielen, wo alg- dann gemordet, geplündert und getauft wurde, und große Wunder geſchahen durch das vorgefundene tote Kind, wel— ches die Kirche am Ende gar kanoniſierte. Sankt Werner iſt ein ſolcher Heiliger, und ihm zu Ehren ward zu Ober⸗ weſel jene prächtige Abtei geſtiftet, die jetzt am Rhein eine der ſchönſten Ruinen bildet und mit der gotiſchen Herrlich— keit ihrer langen, ſpitzbögigen Fenſter, ſtolz emporſchießender Pfeiler und Steinſchnitzeleien uns ſo ſehr entzückt, wenn wir an einem heitergrünen Sommertage vorbeifahren und ihren Urſprung nicht kennen. Zu Ehren dieſes Heiligen wurden am Rhein noch drei andre große Kirchen errichtet und unzählige Juden getötet oder mißhandelt. Dies geſchah im Jahre 1287, und auch zu Bacherach, wo eine von dieſen Sankt⸗Wernerskirchen gebaut wurde, erging damals über die Juden viel Drangſal und Elend. Doch zwei Jahr⸗ hunderte ſeitdem blieben ſie verſchont von ſolchen Anfällen der Volkswut, obgleich ſie noch immer hinlänglich ange⸗ feindet und bedroht wurden. Je mehr aber der Haß fie von außen bedrangfe, deſto inniger und traulicher wurde das häusliche Zuſammen⸗ leben, deſto tiefer wurzelte die Frömmigkeit und Gottes⸗ furcht der Juden von Bacherach. Ein Muſter gottgefälligen Wandels war der dortige Rabbiner, genannt Rabbi Abra⸗ ham, ein noch jugendlicher Mann, der aber weit und breit wegen ſeiner Gelahrtheit berühmt war. Er war geboren in 8 dieſer Stadt, und ſein Vater, der dort ebenfalls Rabbiner

= u geweſen, hatte ihm in ſeinem letzten Willen befohlen, fich demſelben Amt zu widmen und Bacherach nie zu verlaſſen, es ſeie denn wegen Lebensgefahr. Dieſer Befehl und ein Schrank mit ſeltenen Büchern war alles, was ſein Vater, der bloß in Armut und Schriftgelahrtheit lebte, ihm hinterließ. Dennoch war Rabbi Abraham ein ſehr reicher Mannz verheuratet mit der einzigen Tochter feines ver— ſtorbenen Vaterbruders, welcher den Juwelenhandel ge— trieben, erbte er deſſen große Reichtümer. Einige Fuchs⸗ bärte in der Gemeinde deuteten darauf hin, als wenn der 9

Rabbi eben des Geldes wegen feine Frau geheuratet habe. Aber ſämtliche Weiber widerſprachen und wußten alte Ge⸗ Be zu erzählen: wie der Rabbi ſchon vor feiner Reiſe nach Spanien verliebt geweſen in Sara man hieß ſie eigentlich die ſchöne Sara —, und wie Sara ſieben Jahre warten mußte, bis der Rabbi aus Spanien zurückkehrte, indem er ſie gegen den Willen Be Vaters und felbft gegen ihre eigne Zuſtimmung durch den Trauring geheuratet hatte. Jedweder Jude nämlich kann ein jüdiſches Mäd⸗ chen zu ſeinem rechtmäßigen Eheweibe machen, wenn es ihm gelang, ihr einen Ring an den Finger zu ſtecken und dabei die Worte zu ſprechen: „Ich nehme dich zu meinem Weibe nach den Sitten von Moſes und Iſrael!“ Bei der Erwähnung Spaniens pflegten die Fuchsbärte auf eine ganz eigne Weiſe zu lächeln, und das geſchah wohl wegen eines dunkeln Gerüchts, daß Rabbi Abraham auf der hohen Schule zu Toledo zwar emſig genug das Studium des göttlichen Geſetzes getrieben, aber auch chriſtliche Ge— brauche nachgeahmt und freigeiſtige Denkungsart eingeſogen habe, gleich jenen ſpaniſchen Juden, die damals auf einer außerordentlichen Höhe der Bildung ſtanden. Im Innern ihrer Seele aber glaubten jene Fuchsbärte ſehr wenig an die Wahrheit des angedeuteten Gerüchts. Denn überaus rein, fromm und ernſt war ſeit feiner Rückkehr aus Spa⸗ nien die Lebensweiſe des Rabbi, die kleinlichſten Glaubens⸗ gebräuche übte er mit ängſtlicher Gewiſſenhaftigkeit, alle Montag und Donnerstag pflegte er zu faſten, nur am 10 Sabbat oder anderen Feiertagen genoß er Fleiſch und

| | Wein, fein Tag verfloß in Gebet und Studium, des Tages erklärte er das göttliche Geſetz im Kreiſe der Schüler, die

der Ruhm ſeines Namens nach Bacherach gezogen, und des Nachts betrachtete er die Sterne des Himmels oder die Augen der ſchönen Sara. Kinderlos war die Ehe des 11

Rabbi; dennoch fehlte es nicht um ihn her an Leben und Bewegung. Der große Saal ſeines Hauſes, welches neben der Synagoge lag, ſtand offen zum Gebrauche der ganzen

Gemeinde: hier ging man aus und ein ohne Umſtände, ver- richtete ſchleunige Gebete, oder holte Neuigkeiten, oder hielt Beratung in allgemeiner Not; hier ſpielten die Kinder am Sabbatmorgen, während in der Synagoge der wöchent— liche Abſchnitt verleſen wurde; hier verſammelte man ſich bei Hochzeit und Leichenzügen und zankte ſich und ver⸗ ſöhnte ſich; hier fand der Frierende einen warmen Ofen und der Hungrige einen gedeckten Diſch. Außerdem be- 12 wegten ſich um den Rabbi noch eine Menge Verwandte,

Brüder und Schweſtern mit ihren Weibern und Kindern, ſowie auch ſeine und ſeiner Frau gemeinſchaftliche Ohme und Muhmen, eine weitläuftige Sippſchaft, die alle den Rabbi als Familienhaupt betrachteten, im Hauſe desſelben früh und ſpät verkehrten und an hohen Feſttagen ſämtlich dort zu ſpeiſen pflegten. Solche gemeinſchaftliche Familien⸗ mahle im Rabbinerhauſe fanden ganz beſonders ſtatt bei der jährlichen Feier des Paſcha, eines uralten, wunderbaren Feſtes, das noch jetzt die Juden in der ganzen Welt am Vorabend des vierzehnten Tages im Monat Niſſen zum ewigen Gedächtniſſe ihrer Befreiung aus ägyptiſcher Knecht⸗ ſchaft folgendermaßen begehen:

Sobald es Nacht iſt, zündet die Hausfrau die Lichter an, ſpreitet das Tafeltuch über den Tiſch, legt in die Mitte desſelben drei von den platten ungeſäuerten Bröten, ver— deckt ſie mit einer Serviette und ſtellt auf dieſen erhöhten Platz ſechs kleine Schüſſeln, worin ſymboliſche Speiſen enthalten, nämlich ein Ei, Lattich, Mairettichwurzel, ein Lammknochen und eine braune Miſchung von Roſinen, Zimmet und Nüſſen. An dieſen Tiſch ſetzt ſich der Haus- vater mit allen Verwandten und Genoſſen und lieſt ihnen vor aus einem abenteuerlichen Buche, das die Agade heißt, und deſſen Inhalt eine ſeltſame Miſchung iſt von Sagen der Vorfahren, Wundergeſchichten aus Agypten, kurioſen Erzählungen, Streitfragen, Gebeten und Feſtliedern. Eine große Abendmahlzeit wird in die Mitte dieſer Feier ein- geſchoben, und ſogar während des Vorleſens wird zu be— ſtimmten Zeiten etwas von den ſymboliſchen Gerichten ge- 13

koſtet, ſowie alsdann auch Stückchen von dem ungeſäuerten Brote gegeſſen und vier Becher roten Weins getrunken werden. Wehmütig heiter, ernſthaft ſpielend und märchen⸗ haft geheimnisvoll iſt der Charakter dieſer Abendfeier, und der herkömmlich ſingende Ton, womit die Agade von dem Hausvater vorgeleſen und zuweilen chorarfig von den Zu⸗ hörern nachgeſprochen wird, klingt ſo ſchauervoll innig, ſo mütterlich einlullend und zugleich ſo haſtig aufweckend, daß ſelbſt diejenigen Juden, die längſt von dem Glauben ihrer Väter abgefallen und fremden Freuden und Ehren nach- gejagt ſind, im tiefſten Herzen erſchüttert werden, wenn ihnen die alten, wohlbekannten Paſchaklänge zufällig ins Ohr dringen. Im großen Saale ſeines Hauſes ſaß einſt Rabbi Abra⸗ ham, und mit ſeinen Anverwandten, Schülern und übrigen Gäſten beging er die Abendfeier des Paſchafeſtes. Im Saale war alles mehr als gewöhnlich blank; über den Tiſch zog ſich die buntgeſtickte Seidendecke, deren Gold— franzen bis auf die Erde hingen; traulich ſchimmerten die Tellerchen mit den ſymboliſchen Speiſen ſowie auch die hohen weingefüllten Becher, woran als Zierat lauter hei⸗ lige Geſchichten von getriebener Arbeit; die Männer ſaßen in ihren Schwarzmänteln und ſchwarzen Platthüten und weißen Halsbergen; die Frauen, in ihren wunderlich glitzern— den Kleidern von lombardiſchen Stoffen, trugen um Haupt und Hals ihr Gold- und Perlengeſchmeide; und die ſilberne Sabbatlampe goß ihr feſtlichſtes Licht über die andächtig 14 vergnügten Geſichter der Alten und Jungen. Auf den

purpurnen Sammetkiſſen eines mehr als die übrigen erhabenen Seſels und angelehnt, wie es der Gebrauch heiſcht, ſaß Rabbi Abraham und las und ſang die Agade, und der bunte Chor ſtimmte ein, oder antwortete bei den vorgeſchrie— benen Stellen. Der Rabbi trug ebenfalls ſein ſchwarzes Feſtkleid, ſeine edelgeformten, etwas ſtrengen Züge waren milder denn gewöhnlich, die Lippen lächelten hervor aus dem braunen Barte, als wenn ſie viel Holdes erzählen wollten, und in feinen Augen ſchwamm es wie ſelige Er- innerung und Ahnung. Die ſchöne Sara, die auf einem ebenfalls erhabenen Sammetſeſſel an ſeiner Seite ſaß, trug als Wirtin nichts von ihrem Geſchmeide, nur weißes Linnen umſchloß ihren ſchlanken Leib und ihr frommes Antlitz. Dieſes Antlitz war rührend ſchön, wie denn überhaupt die Schönheit der Jüdinnen von eigentümlich rührender Art iſt; das Bewußtſein des tiefen Elends, der bittern Schmach und der ſchlimmſten Fahrniſſe, worinnen ihre Verwandte und Freunde leben, verbreitet über ihre holden Geſichts⸗ züge eine gewiſſe leidende Innigkeit und beobachtende Liebesangſt, die unſere Herzen ſonderbar bezaubern. So ſaß heute die ſchöne Sara und ſah beſtändig nach den Augen ihres Mannes; dann und wann ſchaute ſie auch nach der vor ihr liegenden Agade, dem hübſchen, in Gold und Samt gebundenen Pergamentbuche, einem alten Erb- ſtück mit verjährten Weinflecken aus den Zeiten ihres Großvaters, und worin ſo viele keck und bunt gemalten Bilder, die fie ſchon als kleines Mädchen am Paſcha— 16 Abend ſo gerne betrachtete, und die allerlei bibliſche Ge⸗

ſchichten darſtellten, als da find: wie Abraham die ſteinernen Götzen ſeines Vaters mit dem Hammer entzweiklopft, wie die Engel zu ihm kommen, wie Moſes den Mitzri fof- ſchlägt, wie Pharao prächtig auf dem Throne ſitzt, wie ihm die Fröſche ſogar bei Tiſche keine Ruhe laſſen, wie er Gott ſei Dank verſäuft, wie die Kinder Iſrael vorſichtig durch das Rote Meer gehen, wie ſie offnen Maules mit ihren Schafen, Kühen und Ochſen vor dem Berge Sinai ſtehen, dann auch wie der fromme König David die Harfe ſpielt, und endlich wie Jeruſalem mit den Türmen und Zinnen ſeines Tempels beſtrahlt wird vom Glanze der Sonne!

Der zweite Becher war ſchon eingeſchenkt, die Geſichter und Stimmen wurden immer heller, und der Rabbi, in⸗ dem er eins der ungeſäuerten Oſterbröte ergriff und heiter grüßend emporhielt, las er folgende Worte aus der Agade: „Siehe! das iſt die Koſt, die unſere Väter in Agypten ge⸗ noſſen! Jeglicher, den es hungert, er komme und genieße! Jeglicher, der da traurig, er komme und teile unſere Pafcha- freude! Gegenwärtigen Jahres feiern wir hier das Feſt, aber zum kommenden Jahre im Lande Iſraels! Gegen⸗ wärtigen Jahres feiern wir es noch als Knechte, aber zum kommenden Jahre als Söhne der Freiheit!“

Da öffnete ſich die Saaltüre, und herein traten zwei große, blaſſe Männer, in ſehr weite Mäntel gehüllt, und der eine ſprach: „Friede ſei mit euch, wir ſind reiſende Glaubens— genoſſen und wünſchen das Paſchafeſt mit euch zu feiern.“ Und der Rabbi antwortete raſch und freundlich: „Mit 17

euch fei Frieden, ſetzt euch nieder in meiner Nähe.“ Die beiden Fremdlinge ſetzten ſich alsbald zu Tiſche, und der Rabbi fuhr fort im Vorleſen. Manchmal, während die übrigen noch im Zuge des Nachſprechens waren, warf er koſende Worte nach ſeinem Weibe, und anſpielend auf den alten Scherz, daß ein jüdiſcher Hausvater ſich an dieſem Abend für einen König hält, ſagte er zu ihr: „Freue dich, meine Königin!“ Sie aber antwortete wehmütig lächelnd: „Es fehlt uns ja der Prinz!“ und damit meinte ſie den Sohn des Hauſes, der, wie eine Stelle in der Agade es verlangt, mit vorgeſchriebenen Worten ſeinen Vater um die Bedeutung des Feſtes befragen ſoll. Der Rabbi er- widerte nichts und zeigte bloß mit dem Finger nach einem eben aufgeſchlagenen Bilde in der Agade, wo überaus an— mutig zu ſchauen war: wie die drei Engel zu Abraham kommen, um ihm zu verkünden, daß ihm ein Sohn geboren werde von ſeiner Gattin Sara, welche unterdeſſen weiblich pfiffig hinter der Zelttüre ſteht, um die Unterredung zu belauſchen. Dieſer leiſe Wink goß dreifaches Rot über die Wangen der ſchönen Frau, ſie ſchlug die Augen nieder und ſah dann wieder freundlich empor nach ihrem Manne, der ſingend fortfuhr im Vorleſen der wunderbaren Geſchichte: wie Rabbi Jeſua, Rabbi Elieſer, Rabbi Aſaria, Rabbi Akiba und Rabbi Tarphen in Bona⸗Brak angelehnt ſaßen und ſich die ganze Nacht vom Auszuge der Kinder Iſrael aus Agypten unterhielten, bis ihre Schüler kamen und ihnen zuriefen, es ſei Tag, und in der Synagoge verleſe 18 man ſchon das große Morgengebet.

Derweilen nun die ſchöne Sara andächtig zuhörte und ihren Mann beſtändig anſah, bemerkte ſie, wie plötzlich fein Antlitz in grauſiger Verzerrung erſtarrte, das Blut aus ſeinen Wangen und Lippen verſchwand, und ſeine Augen wie Eiszapfen hervorglotzten; aber faſt im ſelben Augenblicke ſah ſie, wie ſeine Züge wieder die vorige Ruhe und Heiterkeit annahmen, wie ſeine Lippen und Wangen ſich wieder röteten, ſeine Augen munter umherkreiſten, ja, wie ſogar eine ihm ſonſt ganz fremde tolle Laune ſein ganzes Weſen ergriff. Die ſchöne Sara erſchrak, wie ſie noch nie in ihrem Leben erſchrocken war, und ein inneres Grauen ſtieg kältend in ihr auf, weniger wegen der Zeichen von ſtarrem Entſetzen, die ſie einen Moment lang im Geſichte ihres Mannes erblickt hatte, als wegen ſeiner jetzigen Fröhlichkeit, die allmählich in jauchzende Ausgelaſſenheit überging. Der Rabbi ſchob ſein Barett ſpielend von einem Ohre nach dem andern, zupfte und kräuſelte poſſierlich ſeine Bartlocken, fang den Agadetext nach der Weiſe eines Gaſſenhauers, und bei der Aufzählung der ägyptiſchen Plagen, wo man mehrmals den Zeigefinger in den vollen Becher eintunkt und den anhängenden Weintropfen zur Erde wirft, beſpritzte der Rabbi die jüngern Mädchen mit Rotwein, und es gab großes Klagen über verdorbene Hals— krauſen und ſchallendes Gelächter. Immer unheimlicher ward es der ſchönen Sara bei dieſer krampf haft ſprudelnden Luſtigkeit ihres Mannes, und beklommen von namenloſer Bangigkeit ſchaute ſie in das ſummende Gewimmel der buntbeleuchteten Menſchen, die ſich behaglich breit hin- und 19

herſchaukelten, an den dünnen Paſchabröten knoperten, oder Wein ſchlürften, oder miteinander ſchwatzten, oder laut ſangen, überaus vergnügt. Da kam die Zeit, wo die Abendmahlzeit gehalten wird, alle ſtanden auf, um ſich zu waſchen, und die ſchöne Sara holte das große ſilberne, mit getriebenen Goldfiguren reich⸗ verzierte Waſchbecken, das ſie jedem der Gäſte vorhielt, während ihm Waſſer über die Hände gegoſſen wurde. Als ſie auch dem Rabbi dieſen Dienſt erwies, blinzelte ihr dieſer bedeutſam mit den Augen und ſchlich ſich zur Türe hinaus. Die ſchöne Sara folgte ihm auf dem Fuße; haſtig ergriff der Rabbi die Hand feines Weibes, eilig zog er fie fort durch die dunkelen Gaſſen Bacherachs, eilig zum Tor hinaus auf die Landſtraße, die den Rhein entlang nach Bingen führt. Es war eine jener Frühlingsnächte, die zwar lau genug und hellgeſtirnt ſind, aber doch die Seele mit ſeltſamen Schauern erfüllen. Leichenhaft dufteten die Blumen; ſchadenfroh und zugleich ſelbſtbeängſtigt zwitſcherten die Vögel; der Mond warf heimtückiſch gelbe Streiflichter über den dunkel hinmurmelnden Strom; die hohen Felſen⸗ maſſen des Ufers ſchienen bedrohlich wackelnde Rieſen⸗ häupter; der Turmwächter auf Burg⸗Strahleck blies eine melancholiſche Weiſe, und dazwiſchen läutete eifrig gellend das Sterbeglöckchen der Sankt⸗ Wernerskirche. Die ſchöne Sara trug in der rechten Hand das ſilberne Waſchbecken, ihre linke hielt der Rabbi noch immer gefaßt, und ſie fühlte, 20 wie ſeine Finger eiskalt waren, und wie ſein Arm zitterte;

aber fie folgte ſchweigend, vielleicht, weil fie von jeher ge- wohnt, ihrem Manne blindlings und fragenlos zu gehorchen, vielleicht auch, weil ihre Lippen vor innerer Angſt ver— ſchloſſen waren.

Unterhalb der Burg Sonneck, Lorch gegenüber, ungefähr wo jetzt das Dörfchen Niederrheinbach liegt, erhebt ſich eine Felſenplatte, die bogenartig über das Rheinufer hinaus⸗ hängt. Dieſe erſtieg Rabbi Abraham mit ſeinem Weibe, ſchaute ſich um nach allen Seiten und ſtarrte hinauf nach den Sternen. Zitternd und von Todesängſten durchfröſtelt ſtand neben ihm die ſchöne Sara und betrachtete ſein blaſſes Geſicht, das der Mond geſpenſtiſch beleuchtete, und worauf es hin- und herzuckte wie Schmerz, Furcht, An- dacht und Wut. Als aber der Rabbi plötzlich das ſilberne Waſchbecken ihr aus der Hand riß und es ſchollernd hinabwarf in den Rhein: da konnte ſie das grauſenhafte Angſtgefühl nicht länger ertragen, und mit dem Ausrufe „Schadai voller Genade!“ ſtürzte ſie zu den Füßen des Mannes und beſchwor ihn, das dunkle Rätſel endlich zu enthüllen.

Der Rabbi, des Sprechens ohnmächtig, bewegte mehrmals lautlos die Lippen, und endlich rief er: „Siehſt du den Engel des Todes? Dort unten ſchwebt er über Bacherach! Wir aber ſind ſeinem Schwerte entronnen. Gelobt ſei der Herr!“ Und mit einer Stimme, die noch vor innerem Ent⸗ ſetzen bebte, erzählte er: wie er wohlgemut die Agade hin- ſingend und angelehnt ſaß und zufällig unter den Tiſch ſchaute, habe er dort zu feinen Füßen den blutigen Leich- 21

nam eines Kindes erblickt. „Da merkte ich“ ſetzte der Rabbi hinzu „daß unſre zwei ſpäte Gäſte nicht von der

Gemeinde Iſraels waren, ſondern von der Verſammlung der Gottloſen, die ſich beraten hatten, jenen Leichnam heim- 22 lich in unſer Haus zu ſchaffen, um uns des Kindermordes

zu beſchuldigen und das Volk aufzureizen, uns zu plündern und zu ermorden. Ich durfte nicht merken laſſen, daß ich das Werk der Finſternis durchſchaut; ich hätte dadurch nur mein Verderben beſchleunigt, und nur die Liſt hat uns beide gerettet. Gelobt ſei der Herr! Angſtige dich nicht, ſchöne Sara; auch unſre Freunde und Verwandte werden gerettet ſein. Nur nach meinem Blute lechzten die Ruch⸗ loſen; ich bin ihnen entronnen, und ſie begnügen ſich mit meinem Silber und Golde. Komm mit mir, ſchöne Sara, nach einem anderen Lande, wir wollen das Unglück hinter uns laſſen, und damit uns das Unglück nicht verfolge, habe ich ihm das letzte meiner Habe, das ſilberne Becken, zur Verſöhnung hingeworfen. Der Gott unſerer Väter wird uns nicht verlaſſen. Komm herab, du biſt müde; dort unten ſteht bei ſeinem Kahne der ſtille Wilhelm; er fährt uns den Rhein hinauf.“

Lautlos und wie mit gebrochenen Gliedern war die ſchöne Sara in die Arme des Rabbi hingeſunken, und langſam trug er ſie hinab nach dem Ufer. Hier ſtand der ſtille Wilhelm, ein taubſtummer, aber bildſchöner Knabe, der zum Unterhalt ſeiner alten Pflegemutter, einer Nachbarin des Rabbi, den Fiſchfang trieb und hier feinen Kahn an- gelegt hatte. Es war aber, als erriete er ſchon gleich die Abſicht des Rabbi, ja es ſchien, als habe er eben auf ihn gewartet, um feine geſchloſſenen Lippen zog ſich das lieb- lichſte Mitleid, bedeutungstief ruhten ſeine großen blauen Augen auf der ſchönen Sara, und ſorgſam trug er ſie in den Kahn.

Der Blick des ſtummen Knaben weckte die ſchöne Sara aus ihrer Betäubung, ſie fühlte auf einmal, daß alles, was ihr Mann ihr erzählt, kein bloßer Traum ſei, und Ströme bitterer Tränen ergoſſen ſich über ihre Wangen, die jetzt ſo weiß wie ihr Gewand. Da ſaß ſie nun in der Mitte des Kahns, ein weinendes Marmorbild; neben ihr ſaßen ihr Mann und der ſtille Wilhelm, welche emſig ruderten. Sei es nun durch den einförmigen Ruderſchlag oder durch das Schaukeln des Fahrzeugs oder durch den Duft jener Bergesufer, worauf die Freude wächſt, immer geſchieht es, daß auch der Betrübteſte ſeltſam beruhigt wird, wenn er in der Frühlingsnacht in einem leichten Kahne leicht dahin⸗ fährt auf dem lieben, klaren Rheinſtrom. Wahrlich, der alte, gutherzige Vater Rhein kann's nicht leiden, wenn ſeine Kinder weinen; tränenſtillend wiegt er ſie auf ſeinen treuen Armen und erzählt ihnen ſeine ſchönſten Märchen und verſpricht ihnen ſeine goldigſten Schätze, vielleicht gar den uralt verſunkenen Niblungshort. Auch die Tränen der ſchönen Sara floſſen immer milder und milder, ihre ge- waltigſten Schmerzen wurden fortgeſpielt von den flüſtern⸗ den Wellen, die Nacht verlor ihr finſtres Grauen, und die heimatlichen Berge grüßten wie zum zärtlichſten Lebe- wohl. Vor allen aber grüßte traulich ihr Lieblingsberg, der Kedrich, und in ſeiner ſeltſamen Mondbeleuchtung ſchien es, als ſtände wieder oben ein Fräulein mit ängſtlich aus⸗ geſtreckten Armen, als kröchen die flinken Zwerglein wim⸗ 24 melnd aus ihren Felſenſpalten, und als käme ein Reuter

den Berg hinaufgeſprengt in vollem Galopp; und der ſchönen Sara war zu Mute, als ſei ſie wieder ein kleines Mädchen und ſäße wieder auf dem Schoße ihrer Muhme aus Lorch, und dieſe erzähle ihr die hübſche Geſchichte von dem kecken Reuter, der das arme, von den Zwergen ge— raubte Fräulein befreite, und noch andre wahre Geſchichten, vom wunderlichen Wiſpertale drüben, wo die Vögel ganz vernünftig ſprechen, und vom Pfefferkuchenland, wohin die folgſamen Kinder kommen, und von verwünſchten Prin- zeſſinnen, ſingenden Bäumen, gläſernen Schlöſſern, goldenen Brücken, lachenden Nixen ... Aber zwiſchen all dieſen hübſchen Märchen, die klingend und leuchtend zu leben be— gannen, hörte die ſchöne Sara die Stimme ihres Vaters, der ärgerlich die arme Muhme ausſchalt, daß ſie dem Kinde ſo viel Torheiten in den Kopf ſchwatze! Alsbald kam's ihr vor, als ſetzte man ſie auf das kleine Bänkchen vor dem Samtſeſſel ihres Vaters, der mit weicher Hand ihr langes Haar ſtreichelte, gar vergnügt mit den Augen lachte und ſich behaglich hin- und herwiegte in feinem weiten blauſeidenen Sabbatſchlafrock ... Es mußte wohl Sabbat ſein, denn die geblümte Decke war über den Tiſch geſpreitet, alle Geräte im Zimmer leuchteten, ſpiegelblank geſcheuert, der weißbärtige Gemeindediener ſaß an der Seite des Vaters und kaute Roſinen und ſprach hebräiſch, auch der kleine Abraham kam herein mit einem allmächtig großen Buche und bat beſcheidentlich ſeinen Oheim um die Er— laubnis, einen Abſchnitt der Heiligen Schrift erklären zu 26 dürfen, damit der Oheim ſich ſelber überzeuge, daß er in

der verfloſſenen Woche viel gelernt habe und viel Lob und Kuchen verdiene ... Nun legte der kleine Burſche das Buch auf die breite Armlehne des Seſſels und erklärte die Geſchichte von Jakob und Rahel, wie Jakob ſeine Stimme erhoben und laut geweint, als er ſein Mühmchen Rahel zuerſt erblickte, wie er fo traulich am Brunnen mit ihr ge: ſprochen, wie er ſieben Jahr um Rahel dienen mußte, und wie ſie ihm ſo ſchnell verfloſſen, und wie er die Rahel ge— heuratet und immer und immer geliebt hat ... Auf einmal erinnerte ſich auch die ſchöne Sara, daß ihr Vater damals mit luſtigem Tone ausrief: „Willſt du nicht ebenſo dein Mühmchen Sara heuraten?“ worauf der kleine Abraham ernſthaft antwortete: „Das will ich, und ſie ſoll ſieben Jahr warten.“ Dämmernd zogen dieſe Bilder durch die Seele der ſchönen Frau, ſie ſah, wie ſie und ihr kleiner Vetter, der jetzt fo groß und ihr Mann geworden, kindiſch miteinander in der Lauberhütte ſpielten, wie ſie ſich dort ergötzten an den bunten Tapeten, Blumen, Spiegeln und vergoldeten Apfeln, wie der kleine Abraham immer zärt⸗ licher mit ihr koſte, bis er allmählich größer und mürriſch wurde und endlich ganz groß und ganz mürriſch ... Und endlich ſitzt ſie zu Hauſe allein in ihrer Kammer eines Samstags Abend, der Mond ſcheint hell durchs Fenſter, und die Tür fliegt auf, und haſtig ſtürmt herein ihr Vetter Abraham in Reiſekleidern und blaß wie der Tod, und er greift ihre Hand, ſteckt einen goldnen Ring an ihren Finger und ſpricht feierlich: „Ich nehme dich hiermit zu meinem Weibe nach den Geſetzen von Moſes und Iſrael! 27

Jetzt aber“ ſetzt er bebend hinzu „jetzt muß ich fort nach Spanien. Lebewohl, ſieben Jahre ſollſt du auf mich warten!“ Und er ſtürzt fort, und weinend erzählt die ſchöne Sara das alles ihrem Vater ... Der tobt und wütet: „Schneid ab dein Haar, denn du biſt ein verheuratetes Weib!“ und er will dem Abraham nachreuten, um einen Scheidebrief von ihm zu erzwingen; aber der iſt ſchon über alle Berge, der Vater kehrt ſchweigend nach Haus zurück, und wie die ſchöne Sara ihm die Reitſtiefel ausziehen hilft und beſänftigend äußert, daß der Abraham nach ſieben Jahren zurückkehre, da flucht der Vater: „Sieben Jahr ſollt ihr betteln gehn!“ und bald ſtirbt er.

So zogen der ſchönen Sara die alten Geſchichten durch den Sinn wie ein haſtiges Schattenſpiel; die Bilder ver⸗ miſchten ſich auch wunderlich, und zwiſchendurch ſchauten halb bekannte, halb fremde bärtige Geſichter und große Blumen mit fabelhaft breitem Blattwerk. Es war auch, als murmelte der Rhein die Melodien der Agade, und die Bilder derſelben ſtiegen daraus hervor, lebensgroß und verzerrt, tolle Bilder: der Erzvater Abraham zerſchlägt ängſtlich die Götzengeſtalten, die ſich immer haſtig wieder von ſelbſt zuſammenſetzen; der Mitzri wehrt ſich furchtbar gegen den ergrimmten Moſes; der Berg Sinai blitzt und flammt; der König Pharao ſchwimmt im Roten Meere, mit den Zähnen im Maule die zackige Goldkrone feft- haltend; Fröſche mit Menſchenantlitz ſchwimmen hinten⸗ drein, und die Wellen ſchäumen und brauſen, und eine

28 dunkle Rieſenhand taucht drohend daraus hervor.

Das war Hattos Mäuſeturm, und der Kahn ſchoß eben durch den Binger Strudel. Die ſchöne Sara ward da— durch etwas aus ihren Träumereien gerüttelt und ſchaute nach den Bergen des Ufers, auf deren Spitzen die Schloß— lichter flimmerten, und an deren Fuß die mondbeleuchteten Nachtnebel ſich hinzogen. Plötzlich aber glaubte fie dort ihre Freunde und Verwandte zu ſehen, wie ſie mit Leichen— geſichtern und in weißwallenden Totenhemden ſchrecken— haſtig vorüberliefen, den Rhein entlang ... es ward ihr ſchwarz vor den Augen, ein Eisſtrom ergoß ſich in ihre Seele, und wie im Schlafe hörte ſie nur noch, daß ihr der Rabbi das Nachtgebet vorbetete, langſam ängſtlich, wie es bei totkranken Leuten geſchieht, und träumeriſch ſtammelte ſie noch die Worte: „Zehntauſend zur Rechten, zehn— tauſend zur Linken; den König zu ſchützen vor nächtlichem Grauen...“

Da verzog ſich plötzlich all das eindringende Dunkel und Grauſen, der düſtre Vorhang ward vom Himmel fort— geriſſen, es zeigte ſich oben die heilige Stadt Jeruſalem mit ihren Türmen und Toren; in goldner Pracht leuchtete der Tempel; auf dem Vorhofe desſelben erblickte die ſchöne Sara ihren Vater, in ſeinem gelben Sabbatſchlafrock und vergnügt mit den Augen lachend; aus den runden Tempel- fenſtern grüßten fröhlich alle ihre Freunde und Verwandte; im Allerheiligſten kniete der fromme König David mit Purpurmantel und funkelnder Krone, und lieblich ertönte ſein Geſang und Saitenſpiel, und ſelig lächelnd entſchlief

30 die ſchöne Sara.

1 5 A SI 12 b 8 = ae 7 3 7 = >

1 Zweites Kapitel

Als die ſchöne Sara die Augen aufſchlug, ward fie faſt ge— blendet von den Strahlen der Sonne. Die hohen Türme einer großen Stadt erhoben ſich, und der ſtumme Wilhelm ſtand mit der Hakenſtange aufrecht im Kahne und leitete denſelben durch das luſtige Gewühl vieler buntbewimpelten Schiffe, deren Mannſchaft entweder müßig hinabſchaute auf die Vorbeifahrenden oder vielhändig beſchäftigt war mit dem Ausladen von Kiſten, Ballen und Fäſſern, die auf kleineren Fahrzeugen ans Land gebracht wurden, wo— bei ein betäubender Lärm, das beſtändige Hallorufen der Barkenführer, das Geſchrei der Kauf leute vom Ufer her

und das Keifen der Zöllner, die in ihren roten Röcken mit weißen Stäbchen und weißen Geſichtern von Schiff zu Schiff hüpften. „Ja, ſchöne Sara“ ſagte der Rabbi zu ſeiner Frau, heiter lächelnd „das iſt hier die weltberühmte freie Reichs⸗ und Handelsſtadt Frankfurt am Main, und das iſt eben der Mainfluß, worauf wir jetzt fahren. Da drüben die lachenden Häuſer, umgeben von grünen Hügeln, das iſt das Sachſenhauſen, woher uns der lahme Gumpertz ur Zeit des Lauberhüttenfeſtes die ſchönen Myrrhen holt. Hier ſiehſt du auch die ſtarke Mainbrücke mit ihren drei- zehn Bögen, und gar viel Volk, Wagen und Pferde geht ſicher darüber hin, und in der Mitte ſteht das Häuschen, wovon die Mühmele Täubchen erzählt hat, daß ein ge— taufter Jude darin wohnt, der jedem, der ihm eine tote Ratte bringt, ſechs Heller auszahlt für Rechnung der jüdi⸗ ſchen Gemeinde, die dem Stadtrate jährlich fünftauſend Rattenſchwänze abliefern ſoll!“ Über dieſen Krieg, den die Frankfurter Juden mit den Ratten zu führen haben, mußte die ſchöne Sara laut lachen; das klare Sonnenlicht und die neue bunte Welt, die vor ihr auftauchte, hatte alles Grauen und Entſetzen der vorigen Nacht aus ihrer Seele verſcheucht, und als ſie aus dem landenden Kahne von ihrem Manne und dem ſtummen Wilhelm aufs Ufer gehoben worden, fühlte ſie ſich wie durchdrungen von freudiger Sicherheit. Der ſtumme Wilhelm aber mit ſeinen ſchönen, tief blauen Augen ſah 32 ihr lange ins Geſicht, halb ſchmerzlich, halb heiter, dann

warf er noch einen bedeutenden Blick nach dem Rabbi, ſprang zurück in feinen Kahn, und bald war er damit ver⸗ ſchwunden.

„Der ſtumme Wilhelm hat doch viele Ahnlichkeit mit meinem verſtorbenen Bruder“ bemerkte die ſchöne Sara. „Die Engel ſehen ſich alle ähnlich“ erwiderte leichthin der Rabbi, und ſein Weib bei der Hand ergreifend, führte er fie durch das Menſchengewimmel des Ufers, wo jetzt, weil es die Zeit der Oſtermeſſe, eine Menge hölzerner Krambuden aufgebaut ſtanden. Als ſie durch das dunkle Maintor in die Stadt gelangten, fanden ſie nicht minder lärmigen Verkehr. Hier in einer engen Straße erhob ſich ein Kaufmannsladen neben dem andern, und die Häuſer, wie überall in Frankfurt, waren ganz beſonders zum Handel eingerichtet: im Erdgeſchoſſe keine Fenſter, ſondern lauter offne Bogentüren, ſo daß man tief hineinſchauen und jeder Vorübergehende die ausgeſtellten Waren deut— lich betrachten konnte. Wie ſtaunte die ſchöne Sara ob der Maſſe koſtbarer Sachen und ihrer niegeſehenen Pracht! Da ſtanden Venezianer, die allen Luxus des Morgenlands und Italiens feilboten, und die ſchöne Sara war wie feſt— gebannt beim Anblick der aufgeſchichteten Putzſachen und Kleinodien, der bunten Mützen und Mieder, der güldnen Armſpangen und Halsbänder, des ganzen Flitterkrams, den die Frauen ſehr gern bewundern und womit ſie ſich noch lieber ſchmücken. Die reichgeſtickten Samt- und Seiden— ſtoffe ſchienen mit der ſchönen Sara ſprechen und ihr aller- lei Wunderliches ins Gedächtnis zurückfunkeln zu wollen, 33

3

und es war ihr wirklich zu Mute, als wäre fie wieder ein kleines Mädchen, und Mühmele Täubchen habe ihr Ver— ſprechen erfüllt und ſie nach der Frankfurter Meſſe ge— führt, und jetzt eben ſtehe ſie vor den hübſchen Kleidern, wovon ihr ſo viel erzählt worden. Mit heimlicher Freude überlegte ſie ſchon, was ſie nach Bacherach mitbringen wolle, welchem von ihren beiden Bäschen, dem kleinen Blümchen oder dem kleinen Vögelchen, der blauſeidne Gürtel am beſten gefallen würde, ob auch die grünen Hös— chen dem kleinen Gottſchalk paſſen mögen, doch plötzlich ſagte ſie zu ſich ſelber: „Ach Gott! die ſind ja unterdeſſen groß gewachſen und geſtern umgebracht worden!“ Sie ſchrak heftig zuſammen, und die Bilder der Nacht wollten ſchon mit all ihrem Entſetzen wieder in ihr aufſteigen; doch die goldgeſtickten Kleider blinzelten nach ihr wie mit tauſend Schelmenaugen und redeten ihr alles Dunkle aus dem Sinn, und wie ſie hinaufſah nach dem Antlitz ihres Mannes, fo war dieſes unumwölkt und trug feine gewöhnliche ernſte Milde. „Mach die Augen zu, ſchöne Sara“ ſagte der Rabbi und führte ſeine Frau weiter durch das Menſchen— gedränge. Welch ein buntes Treiben! Zumeiſt waren es Handels⸗ leute, die laut miteinander feilſchten, oder auch mit ſich ſelber ſprechend an den Fingern rechneten, oder auch von einigen hochbepackten Markthelfern, die im kurzen Hunde— trab hinter ihnen herliefen, ihre Einkäufe nach der Her— berge ſchleppen ließen. Andere Geſichter ließen merken, daß 34 bloß die Neugier fie herbeigezogen. Am roten Mantel

und der goldenen Halskette erkannte man den breiten Rats⸗ herrn. Das ſchwarze, wohlhabend bauſchichte Wams ver— riet den ehrſamen ſtolzen Altbürger. Die eiſerne Pickel⸗ haube, das gelblederne Wams und die klirrenden Pfund- ſporen verkündigten den ſchweren Reutersknecht. Unterm ſchwarzen Sammethäubchen, das in einer Spitze auf der Stirne zuſammenlief, barg ſich ein roſiges Mädchengeſicht, und die jungen Geſellen, die gleich witternden Jagdhunden hinterdrein ſprangen, zeigten ſich als vollkommene Stutzer durch ihre keckbefiederten Barette, ihre klingelnden Schnabel⸗ ſchuhe und ihre ſeidnen Kleider von geteilter Farbe, wo die rechte Seite grün, die linke Seite rot, oder die eine regenbogenartig geſtreift, die andre bunkſcheckig gewürfelt war, ſo daß die närriſchen Burſchen ausſahen, als wären ſie in der Mitte geſpalten. Von der Menſchenſtrömung fortgezogen, gelangte der Rabbi mit ſeinem Weibe nach dem Römer. Dieſes iſt der große, mit hohen Giebelhäuſern umgebene Marktplatz der Stadt, ſeinen Namen führend von einem ungeheuren Hauſe, das „Zum Römer“ hieß und vom Magiſtrate angekauft und zu einem Rathauſe geweiht wurde. In dieſem Gebäude wählte man Deutſchlands Kaiſer, und vor demſelben wurden oft edle Ritterſpiele ge halten. Der König Maximilian, der dergleichen leiden— ſchaftlich liebte, war damals in Frankfurt anweſend, und tags zuvor hatte man ihm zu Ehren vor dem Römer ein großes Stechen veranſtaltet. An den hölzernen Schranken, die jetzt von den Zimmerleuten abgebrochen wurden, ſtanden 36 noch viele Müßiggänger und erzählten ſich, wie geſtern

der Herzog von Braunſchweig und der Markgraf von Brandenburg unter Pauken: und Trompetenſchall gegen- einander gerannt, wie Herr Walter, der Lump, den Bären⸗ ritter ſo gewaltig aus dem Sattel geſtoßen, daß die Lanzen⸗ ſplitter in die Luft flogen, und wie der lange, blonde König Max im Kreiſe ſeines Hofgeſindes auf dem Balkone ſtand und ſich vor Freude die Hände rieb. Die Decken von goldnen Stoffen lagen noch auf der Lehne des Balkons und der ſpitzbögigen Rathausfenſter. Auch die übrigen Häuſer des Marktplatzes waren noch feſtlich geſchmückt und mit Wappenſchilden verziert, beſonders das Haus Lim- burg, auf deſſen Banner eine Jungfrau gemalt war, die einen Sperber auf der Hand trägt, während ihr ein Affe einen Spiegel vorhält. Auf dem Balkone dieſes Hauſes ſtanden viele Ritter und Damen, in lächelnder Unter⸗ haltung hinabblickend auf das Volk, das unten in tollen Gruppen und Aufzügen hin⸗ und herwogte. Welche Menge Müßiggänger von jedem Stande und Alter drängte ſich hier, um ihre Schauluſt zu befriedigen! Hier wurde gelacht, gegreint, geſtohlen, in die Lenden gekniffen, gejubelt, und zwiſchendrein ſchmetterte gellend die Trompete des Arztes, der im roten Mantel mit ſeinem Hanswurſt und Affen auf einem hohen Gerüſte ſtand, feine eigne Kunſt⸗ fertigkeit recht eigentlich auspoſaunte, ſeine Tinkturen und Wunderſalben anpries, oder ernſthaft das Uringlas be— trachtete, das ihm irgendein altes Weib vorhielt, oder ſich anſchickte, einem armen Bauer den Backzahn auszureißen. Zwei Fechtmeiſter, in bunten Bändern einherflatternd, ihre 37

Rapiere ſchwingend, begegneten ſich hier wie zufällig und ſtießen mit Scheinzorn aufeinander; nach langem Gefechte erklärten ſie ſich wechſelſeitig für unüberwindlich und ſam— melten einige Pfennige. Mit Trommler und Pfeifer mar⸗ ſchierte jetzt vorbei die neu errichtete Schützengilde. Hierauf folgte, angeführt von dem Stöcker, der eine rote Fahne trug, ein Rudel fahrender Fräulein, die aus dem Frauen⸗ hauſe „Zum Eſel“ von Würzburg herkamen und nach dem Roſentale hinzogen, wo die hochlöbliche Obrigkeit ihnen für die Meßzeit ihr Quartier angewieſen. „Mach die Augen zu, ſchöne Sara!“ ſagte der Rabbi. Denn jene phantaſtiſch und allzu knapp bekleideten Weibsbilder, wor: unter einige ſehr hübſche, gebärdeten auf die unzüchtigſte Weiſe, entblößten ihren weißen, frechen Buſen, neckten die Vorübergehenden mit ſchamloſen Worten, ſchwangen ihre langen Wanderſtöcke, und indem ſie auf letzteren wie auf Steckenpferden die Sankt⸗Katharinenpforte hinabritten, ſangen ſie mit gellender Stimme das Hexenlied: „Wo iſt der Bock, das Höllentier? Wo iſt der Bock? Und fehlt der Bock, So reiten wir, ſo reiten wir, So reiten wir auf dem Stock!“ Dieſer Singſang, den man noch in der Ferne hören konnte, verlor ſich am Ende in den kirchlich langgezogenen Tönen einer herannahenden Prozeſſion. Das war ein trauriger Zug von kahlköpfigen und barfüßigen Mönchen, welche brennende Wachslichter oder Fahnen mit Heiligenbildern, 38 oder auch große ſilberne Kruzifixe trugen. An ihrer Spitze

Nl 1 CR;

A Er

gingen rot⸗ und weißgeröckte Knaben mit dampfenden Weihrauchkeſſeln. In der Mitte des Zuges, unter einem prächtigen Baldachin, ſah man Geiſtliche in weißen Chor- hemden von koſtbaren Spitzen oder in buntſeidenen Stolen, und einer derſelben trug in der Hand ein ſonnenartig goldnes Gefäß, das er, bei einer Heiligenniſche der Markt⸗ ecke anlangend, hoch emporhob, während er lateiniſche Worte halb rief, halb ſang ... Zugleich erklingelte ein kleines Glöckchen, und alles Volk ringsum verſtummte, fiel auf die Knie und bekreuzte ſich. Der Rabbi aber ſprach zu ſeinem Weibe: „Mach die Augen zu, ſchöne Sara!“ und haſtig zog er ſie von hinnen nach einem ſchmalen Nebengäßchen, durch ein Labyrinth von engen und krummen Straßen, und endlich über den unbewohnten, wüſten Platz, der das neue Judenquartier von der übrigen Stadt trennte. Vor jener Zeit wohnten die Juden zwiſchen dem Dom und dem Mainufer, nämlich von der Brücke bis zum Lumpenbrunnen und von der Mehlwage bis zu Sankt Bartholomäi. Aber die katholiſchen Prieſter erlangten eine päpſtliche Bulle, die den Juden verwehrte, in ſolcher Nähe der Hauptkirche zu wohnen, und der Magiſtrat gab ihnen einen Platz auf dem Wollgraben, wo ſie das heutige Juden⸗ quartier erbauten. Dieſes war mit ſtarken Mauern ver⸗ ſehen, auch mit eiſernen Ketten vor den Toren, um fie gegen Pöbelandrang zu ſperren. Denn hier lebten die Juden ebenfalls in Druck und Angſt, und mehr als heutzutage 40 in der Erinnerung früherer Nöten. Im Jahr 1240 hatte

das entzügelte Volk ein großes Blutbad unter ihnen an- gerichtet, welches man die erſte Judenſchlacht nannte, und im Jahr 1349, als die Geißler bei ihrem Durchzuge die Stadt anzündeten und die Juden des Brandſtiftens an— klagten, wurden dieſe von dem aufgereizten Volke zum größten Teil ermordet, oder ſie fanden den Tod in den Flammen ihrer eignen Häuſer, welches man die zweite Judenſchlacht nannte. Später bedrohte man die Juden noch oft mit dergleichen Schlachten, und bei innern Un— ruhen Frankfurts, beſonders bei einem Streite des Rates mit den Zünften, ſtand der Chriſtenpöbel oft im Begriff, das Judenquartier zu ſtürmen. Letzteres hatte zwei Tore, die an katholiſchen Feiertagen von außen, an jüdiſchen Feiertagen von innen geſchloſſen wurden, und vor jedem Tor befand ſich ein Wachthaus mit Stadtſoldaten.

Als der Rabbi mit ſeinem Weibe an das Tor des Juden— quartiers gelangte, lagen die Landsknechte, wie man durch die offnen Fenſter ſehen konnte, auf der Pritſche ihrer Wachtſtube, und draußen vor der Türe im vollen Sonnen— ſchein ſaß der Trommelſchläger und phantaſierte auf ſeiner großen Trommel. Das war eine ſchwere, dicke Geſtalt; Wams und Hoſen von feuergelbem Tuch, an Armen und Lenden weit aufgepufft, und als wenn unzählige Menſchen— zungen daraus hervorleckten, von oben bis unten beſät mit kleinen eingenähten roten Wülſtchen; Bruſt und Rücken gepanzert mit ſchwarzen Tuchpolſtern, woran die Trommel hing; auf dem Kopfe eine platte, runde ſchwarze Kappe; das Geſicht ebenſo platt und rund, auch orangengelb und 41

mit roten Schwärchen geſpickt und verzogen zu einem gähnenden Lächeln. So ſaß der Kerl und trommelte die Melodie des Liedes, das einſt die Geißler bei der Juden— ſchlacht geſungen, und mit ſeinem rauhen Biertone gurgelte er die Worte:

„Unſre liebe Fraue,

Die ging im Morgentaue,

Kyrie Eleiſon!“

„Hans, das iſt eine ſchlechte Melodie!“ rief eine Stimme hinter dem verſchloſſenen Tore des Judenquartiers „Hans, auch ein ſchlecht Lied, paßt nicht für die Trommel, paßt gar nicht und beileibe nicht in der Meſſe und am

42 Oſtermorgen, ſchlecht Lied, gefährlich Lied, Hans, Häns⸗

chen, klein Trommelhänschen, ich bin ein einzelner Menſch, und wenn du mich lieb haſt, wenn du den Stern lieb haſt, den langen Stern, den langen Naſenſtern, ſo hör auf!“ Dieſe Worte wurden von dem ungeſehenen Sprecher teils angſtvoll haſtig, teils aufſeufzend langſam hervorgeſtoßen in einem Tone, worin das ziehend Weiche und das heiſer Harte ſchroff abwechſelte, wie man ihn bei Schwind— ſüchtigen findet. Der Trommelſchläger blieb unbewegt, und in der vorigen Melodie forttrommelnd ſang er weiter:

„Da kam ein kleiner Junge,

Sein Bart war ihm entſprungen,

Halleluja!“

„Hans“ rief wieder die Stimme des oben erwähnten Sprechers „Hans, ich bin ein einzelner Menſch, und es iſt ein gefährlich Lied, und ich hör es nicht gern, und ich hab meine Gründe, und wenn du mich lieb haſt, ſingſt du was anders, und morgen trinken wir ...“ Bei dem Wort „Trinken“ hielt der Hans inne mit ſeinem Trommeln und Singen, und biedern Tones ſprach er: „Der Teufel hole die Juden, aber du, lieber Naſenſtern, au mein Freund, ich beſchütze dich, und wenn wir noch oft zu ſammen trinken, werde ich dich auch bekehren. Ich wil dein Pate ſein, wenn du getauft wirſt, wirſt du ſelig, und wenn du Genie haſt und fleißig bei mir lernſt, kannſt du ſogar noch Trommelſchläger werden. Ja, Naſenſtern, du kannſt es noch weit bringen, ich will dir den ganzen Kate⸗ chismus vortrommeln, wenn wir morgen zuſammen trinken 43

N

7 2 nd > I 8 N > 9 * Dee 5 8 2 N > a 8 D x * an 8 * 5 * N x « IR NN u \ IS NIIT

aber jetzt mach mal das Tor auf, da ſtehen zwei Fremde und begehren Einlaß.“

„Das Tor auf?“ ſchrie der Naſenſtern, und die Stimme verſagte ihm faſt. „Das geht nicht fo ſchnell, lieber Hans, man kann nicht wiſſen, man kann gar nicht wiſſen, und ich bin ein einzelner Menſch. Der Veitel Rindskopf hat den Schlüſſel und ſteht jetzt ſtill in der Ecke und brümmelt ſein Achtzehngebet; da darf man ſich nicht unterbrechen laſſen. Jäkel, der Narr, iſt auch hier, aber er ſchlägt jetzt ſein

44 Waſſer ab. Ich bin ein einzelner Menſch!“

„Der Teufel hole die Juden!“ rief der Trommelhans, und über dieſen eignen Witz laut lachend, trollte er ſich nach der N und legte ſich ebenfalls auf die Pritfehe.

Während nun der Rabbi mit feinem Weibe jetzt ganz allein vor dem großen verſchloſſenen Tore ſtand, erhub ſich hinter demſelben eine ſchnarrende, näfelnde, etwas ſpöttiſch gezogene Stimme: „Sternchen, dröhnle nicht ſo lange, nimm die Schlüſſel aus Rindsköpfchens Rocktaſche, oder nimm deine Naſe und ſchließe damit das Tor auf. Die Leute ſtehen ſchon lange und warten.“

„Die Leute?“ ſchrie ängſtlich die Stimme des Mannes, den man den Naſenſtern nannte „ich glaubte, es wäre nur einer, und ich bitte dich, Narr, lieber Jäkel Narr, guck mal heraus, wer da iſt?“

Da öffnete ſich im Tore ein kleines, wohlvergittertes Yen- ſterlein, und zum Vorſchein kam eine gelbe, zweihörnige Mütze und darunter das drollig verſchnörkelte Luſtigmacher— geſicht Jäkels, des Narren. In demſelben Augenblicke ſchloß ſich wieder die Fenſterluke, und ärgerlich ſchnarrte es: „Mach auf, mach auf, draußen iſt nur ein Mann und ein Weib.“

„Ein Mann und ein Weib!“ ächzte der Naſenſtern „Und wenn das Tor aufgemacht wird, wirft das Weib den Rock ab, und es iſt auch ein Mann, und es ſind dann zwei Männer, und wir ſind nur unſerer drei!“

„Sei kein Haſe“ erwiderte Jäkel, der Narr „und fei herzhaft und zeige Courage!“

„Courage!“ rief der Naſenſtern und lachte mit dver- drießlicher Bitterkeit „Haſe! Haſe iſt ein ſchlechter Ver⸗ gleich, Haſe iſt ein unreines Tier. Courage! Man hat mich nicht der Courage wegen hierhergeſtellt, ſondern der Vorſicht halber. Wenn zu viele kommen, ſoll ich ſchreien. Aber ich ſelbſt kann fie nicht zurückhalten. Mein Arm iſt ſchwach, ich trage eine Fontenelle und ich bin ein einzelner Menſch. Wenn man auf mich ſchießt, bin ich tot. Dann ſitzt der reiche Mendel Reiß am Sabbat bei Tiſche und wiſcht ſich vom Maul die Roſinenſauce und ſtreichelt ſich den Bauch und ſagt vielleicht: ‚Das lange Naſenſternchen war doch ein braves Kerlchen, wäre es nicht geweſen, ſo hätten fie das Tor geſprengt, es hat ſich doch für uns tot— ſchießen laſſen, es war ein braves Kerlchen, ſchade, daß es tot iſt —“ Die Stimme wurde hier allmählich weich und weinerlich, aber plötzlich ſchlug ſie über in einen haſtigen, faſt er— bitterten Ton: „Courage! Und damit der reiche Mendel Reiß ſich die Roſinenſauce vom Maul abwiſchen und ſich den Bauch ſtreicheln und mich braves Kerlchen nennen möge, ſoll ich mich totſchießen laſſen? Courage! Herzhaft! Der kleine Strauß war herzhaftig und hat geſtern auf dem Römer dem Stechen zugeſehen und hat geglaubt, man kenne ihn nicht, weil er einen violetten Rock trug, von Samt, drei Gulden die Elle, mit Fuchsſchwänzchen, ganz goldgeſtickt, ganz prächtig und ſie haben ihm den vio— letten Rock ſo lange geklopft, bis er abfärbte und auch 46 fein Rücken violett geworden iſt und nicht mehr menfchen-

ähnlich ſieht. Courage! Der krumme Leſer war herzhaftig, nannte unſeren lumpigen Schultheiß einen Lump, und ſie haben ihn an den Füßen aufgehängt zwiſchen zwei Hunden, und der Trommelhans trommelte. Courage! Sei kein Haſe! Unter den vielen Hunden iſt der Haſe verloren, ich bin ein einzelner Menſch und ich habe wirklich Furcht!“ „Schwör mal!“ rief Jäkel, der Narr.

„Ich habe wirklich Furcht!“ wiederholte ſeufzend der Naſenſtern „ich weiß, die Furcht liegt im Geblüt, und ich habe es von meiner ſeligen Mutter —“

„Ja, ja!“ unterbrach ihn Jäkel, der Narr „und deine Mutter hatte es von ihrem Vater, und der hatte es wieder von dem ſeinigen, und ſo hatten es deine Voreltern einer vom andern, bis auf deinen Stammvater, welcher unter König Saul gegen die Philiſter zu Felde zog und der erſte war, welcher Reißaus nahm. Aber ſieh mal, Rinds— köpfchen iſt gleich fertig, er hat ſich bereits zum vierten— mal gebückt, ſchon hüpft er wie ein Floh bei dem drei⸗ maligen Worte Heilig, und jetzt greift er vorſichtig in die eee

In der Tat, die Schlüſſel raſſelten, knarrend öffnete ſich ein Flügel des Tores, und der Rabbi und ſein Weib traten in die ganz menſchenleere Judengaſſe. Der Auf— ſchließer aber, ein kleiner Mann mit gutmütig ſauerm Ge⸗ ſicht, nickte träumeriſch wie einer, der in ſeinen Gedanken nicht gern geſtört ſein möchte, und nachdem er das Tor wieder ſorgſam verſchloſſen, ſchlappte er, ohne ein Wort zu reden, nach einem Winkel hinter dem Dore, beſtändig 47

Gebete vor fi) hinmurmelnd. Minder ſchweigſam war Jäkel, der Narr, ein unterſetzter, etwas krummbeinigter Geſell, mit einem lachend vollroten Antlitz und einer un⸗ menſchlich großen Fleiſchhand, die er aus den weiten Urmeln feiner buntſcheckigen Jacke zum Willkomm hervorſtreckte. Hinter ihm zeigte oder vielmehr barg ſich eine lange, magere Geſtalt, der ſchmale Hals weiß befiedert von einer feinen batiſtnen Krauſe, und das dünne, blaſſe Geſicht gar wunder— ſam geziert mit einer faſt unglaublich langen Naſe, die ſich neugierig angſtvoll hin und her bewegte. „Gott willkommen! zum guten Feſttag!“ rief Jäkel, der Narr „wundert euch nicht, daß jetzt die Gaſſe ſo leer und ſtill iſt. Alle unſere Leute find jetzt in der Syn⸗ agoge, und ihr kommt eben zur rechten Zeit, um dort die Geſchichte von der Opferung Iſaaks vorleſen zu hören. Ich kenne ſie, es iſt eine intereſſante Geſchichte, und wenn ich ſie nicht ſchon dreiunddreißigmal angehört hätte, ſo würde ich ſie gern dies Jahr noch einmal hören. Und es iſt eine wichtige Geſchichte, denn wenn Abraham den Iſaak wirklich geſchlachtet hätte, und nicht den Ziegenbock, ſo wären jetzt mehr Ziegenböcke und weniger Juden auf der Welt.“ Und mit wahnſinnig luſtiger Grimaſſe fing der Jäkel an, folgendes Lied aus der Agade zu ſingen: „Ein Böcklein, ein Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein! ein Böcklein! „Es kam ein Kätzlein und das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein 48 Böcklein!

„Es kam ein Hündlein und biß das Kätzlein, das gefreffen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein! „Es kam ein Stöcklein und ſchlug das Hündlein, das ge— biſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein! „Es kam ein Feuerlein und verbrannte das Stöcklein, das geſchlagen das Hündlein, das gebiſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein, ein Böcklein, ein Böcklein! „Es kam ein Wäſſerlein und löſchte das Feuerlein, das verbrannt das Stöcklein, das geſchlagen das Hündlein, das gebiſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das ge— kauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein! „Es kam ein Ochslein und ſoff das Wäſſerlein, das gelöſcht das Feuerlein, das verbrannt das Stöcklein, das geſchlagen das Hündlein, das gebiſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Sus⸗ lein; ein Böcklein, ein Böcklein! i „Es kam ein Schlächterlein und ſchlachtete das Ochslein, das geſoffen das Wäſſerlein, das gelöſcht das Feuerlein, das verbrannt das Stöcklein, das geſchlagen das Hündlein, das gebiſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein! „Es kam ein Todesenglein und ſchlachtete das Schlächter- 49 4

lein, das geſchlachtet das Ochslein, das gefoffen das Wäſſer— lein, das gelöſcht das Feuerlein, das verbrannt das Stöck— lein, das geſchlagen das Hündlein, das gebiſſen das Kätzlein, das gefreſſen das Böcklein, das gekauft Väterlein, er gab dafür zwei Suslein; ein Böcklein, ein Böcklein!

„Ja, ſchöne Frau“ fügte der Sänger hinzu „einſt kommt der Tag, wo der Engel des Todes den Schlächter ſchlachten wird, und all unſer Blut kommt über Edom; denn Gott iſt ein rächender Gott —“ Aber plötzlich den Ernſt, der ihn unwillkürlich beſchlichen, gewaltſam abſtreifend, ſtürzte ſich Jäkel, der Narr, wieder in ſeine Poſſenreißereien und fuhr fort mit ſchnarrendem Luſtigmachertone: „Fürchtet Euch nicht, ſchöne Frau, der Naſenſtern tut Euch nichts zu leid. Nur für die alte Schnapper⸗Elle iſt er gefährlich. Sie hat ſich in ferne Naſe verliebt, aber die verdient es auch. Sie iſt ſchön wie der Turm, der gen Damaskus ſchaut, und erhaben wie die Zeder des Libanons. Auswendig glänzt ſie wie Glimm⸗ gold und Syrop, und inwendig iſt lauter Muſik und Lieb⸗ lichkeit. Im Sommer blüht ſie, im Winter iſt ſie zuge⸗ froren, und Sommer und Winter wird ſie gehätſchelt von Schnapper-Elles weißen Händen. Ja, die Schnapper⸗Elle iſt verliebt in ihn, ganz vernarrt. Sie pflegt ihn, ſie füttert ihn, und ſobald er fett genug iſt, wird ſie ihn heuraten, und für ihr Alter iſt ſie noch jung genug, und wer mal nach dreihundert Jahren hierher nach Frankfurt kömmt, wird den Himmel nicht ſehen können vor lauter Naſen⸗

50 ſternen!“

„Ihr ſeid Jäkel, der Narr“ rief lachend der Rabbi „ich merk' es an Euren Worten. Ich habe oft von Euch ſprechen gehört.“ „Ja, ja“ erwiderte jener mit drolliger Beſcheidenheit „ia, ja, das macht der Ruhm. Man iſt oft weit und breit für einen größern Narren bekannt, als man ſelbſt weiß. Doch ich gebe mir viele Mühe, ein Narr zu ſein, und ſpringe und ſchüttle mich, damit die Schellen klingeln. Andre haben's leichter ... Aber ſagt mir, Rabbi, warum reiſet Ihr am Feiertage?“ „Meine Rechtfertigung“ verſetzte der Befragte „ſteht im Talmud, und es heißt: Gefahr vertreibt den Sabbat.“ „Gefahr!“ ſchrie plötzlich der lange Naſenſtern und ge- bärdete ſich wie in Todesanugſt „Gefahr! Gefahr! Trom— melhans, trommel', trommle, Gefahr! Gefahr! Trommel- a Draußen aber rief der Trommelhans mit feiner dicken Bier⸗ ſtimme: „Tauſend Donner Sakrament! Der Teufel hole die Juden! Das iſt ſchon das dritte Mal, daß du mich heute aus dem Schlafe weckſt, Naſenſtern! Mach' mich nicht raſend! Wenn ich raſe, werde ich wie der leibhaftige Satanas, und dann, ſo wahr ich ein Chriſt bin, dann ſchieße ich mit der Büchſe durch die Gitterluke des Tores, und dann hüte jeder ſeine Naſe!“ „Schieß nicht! Schieß nicht! ich bin ein einzelner Menſch“ wimmerte angſtvoll der Naſenſtern und drückte fein Geſicht feſt an die nächſte Mauer, und in dieſer Stellung verharrte er zitternd und leiſe betend.

4

„Sagt, ſagt, was ift paſſiert?“ rief jetzt auch Jäkel, der Narr, mit all jener haſtigen Neugier, die ſchon damals den Frankfurter Juden eigentümlich war. Der Rabbi aber riß ſich von ihm los und ging mit ſeinem Weibe weiter die Judengaſſe hinauf. „Sieh, ſchöne Sara“ ſprach er ſeufzend „wie ſchlecht geſchützt iſt Iſrael! Falſche Freunde hüten ſeine Tore von außen, und drinnen ſind ſeine Hüter Narrheit und Furcht!“ Langſam wanderten die beiden durch die lange, leere Straße, wo nur hie und da ein blühender Mädchenkopf zum Fenſter hinausguckte, während ſich die Sonne in den blanken Scheiben feſtlich heiter beſpiegelte. Damals näm⸗ lich waren die Häuſer des Judenviertels noch neu und nett, auch niedriger wie jetzt, indem erſt ſpäterhin die Juden, als ſie in Frankfurt ſich ſehr vermehrten und doch ihr Quartier nicht erweitern durften, dort immer ein Stock⸗ werk über das andere bauten, ſardellenartig zuſammen⸗ rückten und dadurch an Leib und Seele verkrüppelten. Der Teil des Judenquartiers, der nach dem großen Brande ſtehen geblieben, und den man die alte Gaſſe nennt, jene hohen, ſchwarzen Häuſer, wo ein grinſendes, feuchtes Volk umherſchachert, iſt ein ſchauderhaftes Denkmal des Mittel⸗ alters. Die ältere Synagoge exiſtiert nicht mehr; ſie war minder geräumig als die jetzige, die ſpäter erbaut wurde, nachdem die Nüremberger Vertriebenen in die Gemeinde aufgenommen worden. Sie lag nördlicher. Der Rabbi brauchte ihre Lage nicht erſt zu erfragen. Schon aus der 32 Ferne vernahm er die vielen verworrenen und überaus

lauten Stimmen. Im Hofe des Gotteshauſes trennte er ſich von ſeinem Weibe. Nachdem er an dem Brunnen, der dort ſteht, ſeine Hände gewaſchen, trat er in jenen untern Teil der Synagoge, wo die Männer beten; die ſchöne Sara hingegen erſtieg eine Treppe und gelangte oben nach der Abteilung der Weiber.

Dieſe obere Abteilung war eine Art Galerie mit drei Reihen hölzerner, braunrot angeſtrichener Sitze, deren Lehne oben mit einem hängenden Brette verſehen war, das, um das Gebetbuch darauf zu legen, ſehr bequem aufgeklappt werden konnte. Die Frauen ſaßen hier ſchwatzend neben— einander oder ſtanden aufrecht, inbrünſtig betend; manch⸗ mal auch traten ſie neugierig an das große Gitter, das ſich längs der Morgenſeite hinzog, und durch deſſen dünne grüne Latten man hinabſchauen konnte in die untere Ab⸗ teilung der Synagoge. Dort, hinter hohen Betpulten, ſtanden die Männer in ihren ſchwarzen Mänteln, die ſpitzen Bärte herabſchießend über die weißen Halskrauſen und die plattbedeckten Köpfe mehr oder minder verhüllt von einem viereckigen, mit den geſetzlichen Schaufäden verſehenen Tuche, das aus weißer Wolle oder Seide beſtand, mit— unter auch mit goldnen Treſſen geſchmückt war. Die Wände der Synagoge waren ganz einförmig geweißt, und man ſah dort keine andere Zierat als etwa das vergüldete Eiſengitter um die viereckige Bühne, wo die Geſetzabſchnitte verleſen werden, und die heilige Lade, ein koſtbar ge— arbeiteter Kaſten, ſcheinbar getragen von marmornen Säu— len mit üppigen Kapitälern, deren Blumen- und Laubwerk 53

D an el rer ae ua re Ne Pre

gar lieblich emporrankte, und bedeckt mit einem Vorhang von kornblauem Sammet, worauf mit Goldflittern, Perlen und bunten Steinen eine fromme Inſchrift geſtickt war. Hier hing die ſilberne Gedächtnisampel, und erhob ſich ebenfalls eine vergitterte Bühne, auf deren Geländer ſich allerlei heilige Geräte befanden, unter andern der ſieben⸗ armige Tempelleuchter, und vor demſelben, das Antlitz gegen die Lade, ſtand der Vorſänger, deſſen Geſang in— ſtrumentenartig begleitet wurde von den Stimmen ſeiner beiden Gehülfen, des Baſſiſten und des Diskantſingers. Die Juden haben nämlich alle wirkliche JInſtrumentalmuſik aus ihrer Kirche verbannt, wähnend, daß der Lobgeſang Gottes erbaulicher aufſteige aus der warmen Menſchen⸗ bruſt als aus kalten Orgelpfeifen. Recht kindlich freute ſich die ſchöne Sara, als jetzt der Vorſänger, ein treff— licher Tenor, ſeine Stimme erhob und die uralten, ernſten Melodien, die ſie ſo gut kannte, in noch nie geahneter junger Lieblichkeit auf blüheten, während der Baſſiſt zum Gegenſatze die tiefen, dunkeln Töne hineinbrummte, und in den Zwiſchenpauſen der Diskantſänger fein und ſüß trillerte. Solchen Geſang hatte die ſchöne Sara in der Synagoge von Bacherach niemals gehört, denn der Gemeindevorſteher, David Levi, machte dort den Vorſänger, und wenn dieſer ſchon bejahrte, zitternde Mann mit ſeiner zerbröckelten, meckernden Stimme wie ein junges Mädchen trillern wollte und in ſolch gewaltſamer Anſtrengung fernen ſchlaff herab- hängenden Arm fieberhaft ſchüttelte, ſo reizte dergleichen 54 wohl mehr zum Lachen als zur Andacht.

Ein frommes Behagen, gemiſcht mit weiblicher Neugier, zog die ſchöne Sara ans Gitter, wo ſie hinabſchauen konnte in die untere Abteilung, die ſogenannte Männerſchule. Sie hatte noch nie eine ſo große Anzahl Glaubensgenoſſen ge— ſehen, wie ſie da unten erblickte, und es ward ihr noch heimlich wohler ums Herz in der Mitte fo vieler Men— ſchen, die ihr fo nahe verwandt durch gemeinſchaftliche Ab— ſtammung, Denkweiſe und Leiden. Aber noch viel bewegter wurde die Seele des Weibes, als drei alte Männer ehr⸗ furchtsvoll vor die heilige Lade traten, den glänzenden Vorhang an die Seite ſchoben, den Kaſten aufſchloſſen und ſorgſam jenes Buch herausnahmen, das Gott mit heilig eigner Hand geſchrieben und für deſſen Erhaltung die Juden ſo viel erduldet, ſo viel Elend und Haß, Schmach und Tod, ein tauſendjähriges Martyrtum. Dieſes Buch, eine große Pergamentrolle, war wie ein fürſtliches Kind in einem buntgeſtickten Mäntelchen von rotem Sammet gehüllt; oben, auf den beiden Rollhölzern, ſtecken zwei ſilberne Ge⸗ häuschen, worin allerlei Granaten und Glöckchen ſich zier- lich bewegten und klingelten, und vorn, an ſilbernen Kett⸗ chen, hingen goldne Schilde mit bunten Edelſteinen. Der Vorſänger nahm das Buch, und als ſei es ein wirkliches Kind, ein Kind, um deſſentwillen man große Schmerzen erlitten, und das man nur deſto mehr liebt, wiegte er es in feinen Armen, tänzelte damit hin und her, drückte es an ſeine Bruſt, und durchſchauert von ſolcher Berührung, erhub er ſeine Stimme zu einem ſo jauchzend frommen 56 Dankliede, daß es der ſchönen Sara bedünkte, als ob die

Säulen der heiligen Lade zu blühen begönnen, und die wunderbaren Blumen und Blätter der Kapitäler immer höher hinaufwüchſen, und die Töne des Diskanten ſich in lauter Nachtigallen verwandelten, und die Wölbung der Synagoge geſprengt würde von den gewaltigen Tönen des Baſſiſten, und die Freudigkeit Gottes herabſtrömte aus dem blauen Himmel. Das war ein ſchöner Pſalm. Die Gemeinde wiederholte chorartig die Schlußverſe, und nach der erhöhten Bühne in der Mitte der Synagoge ſchritt langſam der Vorſänger mit dem heiligen Buche, während Männer und Knaben ſich haſtig hinzudrängten, um die Sammethülle desſelben zu küſſen oder auch nur zu be— rühren. Auf der erwähnten Bühne zog man von dem heiligen Buche das ſamtne Mäntelchen, ſowie auch die mit bunten Buchſtaben beſchriebenen Windeln, womit es um⸗ wickelt war, und aus der geöffneten Pergamentrolle, in jenem ſingenden Tone, der am Paſchafeſt noch gar beſonders moduliert wird, las der Vorſänger die erbauliche Geſchichte von der Verſuchung Abrahams.

Die ſchöne Sara war beſcheiden vom Gitter zurückgewichen, und eine breite, putzbeladene Frau von mittlerem Alter und gar geſpreizt wohlwollendem Weſen hatte ihr mit ſtummem Nicken die Miteinſicht in ihrem Gebetbuche ver— gönnt. Dieſe Frau mochte wohl keine große Schrift— gelehrtin ſein; denn als ſie die Gebete murmelnd vor ſich hinlas, wie die Weiber, da ſie nicht laut mitſingen dürfen, zu fun pflegen, fo bemerkte die ſchöne Sara, daß fie viele Worte allzuſehr nach Gutdünken ausſprach und manche 57

gute Zeile ganz überſchlupperte. Nach einer Weile aber hoben ſich ſchmachtend langſam die waſſerklaren Augen der guten Frau, ein flaches Lächeln glitt über das porzellan- haft rot und weiße Geſicht, und mit einem Tone, der ſo vornehm als möglich hinſchmelzen wollte, ſprach ſie zur ſchönen Sara: „Er ſingt ſehr gut. Aber ich habe doch in Holland noch viel beſſer ſingen hören. Sie ſind fremd und wiſſen vielleicht nicht, daß es der Vorſänger aus Worms iſt, und daß man ihn hier behalten will, wenn er mit jährlichen vierhundert Gulden zufrieden. Es iſt ein lieber Mann, und ſeine Hände ſind wie Alabaſter. Ich halte viel von einer ſchönen Hand. Eine ſchöne Hand ziert den ganzen Menſchen!“ Dabei legte die gute Frau ſelbſt⸗ gefällig ihre Hand, die wirklich noch ſchön war, auf die Lehne des Betpultes, und mit einer graziöſen Beugung des Hauptes andeutend, daß ſie ſich im Sprechen nicht gern unterbrechen laſſe, ſetzte ſie hinzu: „Das Singerchen iſt noch ein Kind und ſieht ſehr abgezehrt aus. Der Baß iſt gar zu häßlich, und unſer Stern hat mal ſehr witzig ge- ſagt: ‚Der Baß iſt ein größerer Narr, als man von einem Baß zu verlangen braucht! Alle drei ſpeiſen in meiner Garküche, und Sie wiſſen vielleicht nicht, daß ich Elle Schnapper bin.“ Die ſchöne Sara dankte für dieſe Mitteilung, wogegen wieder die Schnapper-Elle ihr ausführlich erzählte, wie ſie einſt in Amſterdam geweſen, dort wegen ihrer Schön— heit gar vielen Nachſtellungen unterworfen war, und wie 58 fie drei Tage vor Pfingſten nach Frankfurt gekommen und

den Schnapper geheuratet, wie diefer am Ende geſtorben, wie er auf dem Todbette die rührendſten Dinge geſprochen, und wie es ſchwer ſei, als Vorſteherin einer Garküche die Hände zu konſervieren. Manchmal ſah ſie nach der Seite mit wegwerfendem Blicke, der wahrſcheinlich einigen ſpöt— tiſchen jungen Weibern galt, die ihren Anzug muſterten. Merkwürdig genug war dieſe Kleidung: ein weit ausge⸗ bauſchter Rock von weißem Atlas, worin alle Tierarten der Arche Noäh grellfarbig geſtickt, ein Wams von Gold⸗ ſtoff wie ein Küraß, die Urmel von rotem Samt, gelb ge— ſchlitzt, auf dem Haupte eine unmenſchlich hohe Mütze, um den Hals eine allmächtige Krauſe von weißem Gfeif- linnen ſowie auch eine ſilberne Kette, woran allerlei Schau— pfennige, Kameen und Raritäten, unter andern ein großes Bild der Stadt Amſterdam, bis über den Buſen herab— hingen. Aber die Kleidung der übrigen Frauen war nicht minder merkwürdig und beſtand wohl aus einem Gemiſche von Moden verſchiedener Zeiten, und manches Weiblein, bedeckt mit Gold und Diamanten, glich einem wandelnden Juwelierladen. Es war freilich den Frankfurter Juden da- mals eine beſtimmte Kleidung geſetzlich vorgeſchrieben, und zur Unterſcheidung von den Chriſten ſollten die Männer an ihren Mänteln gelbe Ringe und die Weiber an ihren Mützen hochaufſtehende blaugeſtreifte Schleier tragen. Jedoch im Judenquartier wurde dieſe obrigkeitliche Ver⸗ ordnung wenig beachtet, und dort, beſonders an Feſttagen und zumal in der Synagoge, ſuchten die Weiber ſoviel Kleiderpracht als möglich gegeneinander auszukramen, teils, 59

um ſich beneiden zu laſſen, teils auch, um den Wohlſtand und die Kreditfähigkeit ihrer Eheherren darzutun. Während nun unten in der Synagoge die Geſetzabſchnitte aus den Büchern Moſis vorgeleſen werden, pflegt dort die Andacht etwas nachzulaſſen. Mancher macht es ſich bequem und ſetzt ſich nieder, flüſtert auch wohl mit einem Nachbar über weltliche Angelegenheiten, oder geht hinaus auf den Hof, um friſche Luft zu ſchöpfen. Kleine Knaben nehmen ſich unterdeſſen die Freiheit, ihre Mütter in der Weiberabteilung zu beſuchen, und hier hat alsdann die Andacht wohl noch größere Rückſchritte gemacht: hier wird geplaudert, geruddelt, gelacht, und, wie es überall geſchieht, die jüngeren Frauen ſcherzen über die alten, und dieſe klagen wieder über Leichtfertigkeit der Jugend und Verſchlechte⸗ rung der Zeiten. Gleichwie es aber unten in der Synagoge zu Frankfurt einen Vorſänger gab, ſo gab es in der oberen Abteilung eine Vorklatſcherin. Das war Hündchen Reiß, eine platte grünliche Frau, die jedes Unglück witterte und immer eine ſkandaloſe Geſchichte auf der Zunge trug. Die gewöhnliche Zielſcheibe ihrer Spitzreden war die arme Schnapper⸗Elle, fie wußte gar drollig die erzwungen vor— nehmen Gebärden derſelben nachzuäffen ſowie auch den ſchmachtenden Anſtand, womit ſie die ſchalkhaften Huldi— gungen der Jugend entgegennimmt.

„Wißt ihr wohl,“ rief jetzt Hündchen Reiß Schnapper ⸗Elle hat geſtern 151 5 Wenn ich nicht in und klug und geliebt wäre, fo möchte ich nicht auf der Welt

60 ſein!“

Da wurde etwas laut gekichert, und die nahſtehende Schnapper⸗Elle, merkend, daß es auf ihre Koſten geſchah, hob verachtungsvoll ihr Auge empor, und wie ein ſtolzes Prachtſchiff ſegelte ſie nach einem entfernteren Platze. Die Vögele Ochs, eine runde, etwas täppiſche Frau, bemerkte mitleidig: die Schnapper⸗Elle ſei zwar eitel und beſchränkt, aber ſehr bravmütig, und ſie tue ſehr viel Gutes an Leute, die es nötig hätten. 61

„Beſonders an den Naſenſtern“ zifchte Hündchen Reiß. Und alle, die das zarte Verhältnis kannten, lachten um ſo lauter. „Wißt ihr wohl“ ſetzte Hündchen hämiſch hinzu „der Naſenſtern ſchläft jetzt auch im Hauſe der Schnapper⸗ Elle . . . Aber ſeht mal, dort unten die Süschen Flörs— heim trägt die Halskette, die Daniel Fläſch bei ihrem Manne verſetzt hat. Die Fläſch ärgert ſich ... Jetzt ſpricht fie mit der Flörsheim ... Wie ſie ſich fo freundlich die Hand drücken! Und haſſen ſich doch wie Midian und Moab! Wie ſie ſich ſo liebevoll anlächeln! Freßt euch nur nicht vor lauter Zärtlichkeit! Ich will mir das Ge— ſpräch anhören.“ Und num, gleich einem lauernden Tiere, ſchlich Hündchen Reiß hinzu und hörte, daß die beiden Frauen teilnehmend einander klagten, wie ſehr ſie ſich verfloſſene Woche ab— gearbeitet, um in ihren Häuſern aufzuräumen und das Küchengeſchirr zu ſcheuern, was vor dem Paſchafeſte ge— ſchehen muß, damit kein einziges Broſämchen der geſäuerten Bröte daran kleben bleibe. Auch von der Mühſeligkeit beim Backen der ungeſäuerten Bröte ſprachen die beiden Frauen. Die Fläſch hatte noch beſondere Beklagniſſe: im Backhauſe der Gemeinde mußte ſie viel Arger erleiden, nach der Entſcheidung des Loſes konnte ſie dort erſt in den letzten Tagen, am Vorabend des Feſtes, und erſt ſpät nach⸗ mittags zum Backen gelangen, die alte Hanne hatte den Teig ſchlecht geknetet, die Mägde rollten mit ihren Wergel— 62 hölzern den Teig viel zu dünn, die Hälfte der Bröte ver-

brannte im Ofen, und außerdem regnete es fo ſtark, daß es durch das bretterne Dach des Backhauſes beſtändig tröpfelte, und ſie mußten ſich dort naß und müde bis tief in die Nacht abarbeiten. „Und daran, liebe Flörsheim“ ſetzte die Fläſch hinzu mit einer ſchonenden Freundlichkeit, die keineswegs echt war „daran waren Sie auch ein bißchen ſchuld, weil Sie mir nicht Ihre Leute zur Hilfeleiſtung beim Backen geſchickt haben.“ „Ach, Verzeihung“ erwiderte die andere „meine Leute waren zu ſehr beſchäftigt, die Meßwaren müſſen verpackt werden, wir haben jetzt fo viel zu fun, mein Mann „Ich weiß ſiel ihr die Fläſch mit ſchneidend haſtigem Tone in die Rede „ich weiß, ihr habt viel zu tun, viel Pfänder und gute Geſchäfte und Halsketten.“ Eben wollte ein giftiges Wort den Lippen der Sprecherin entgleiten, und die Flörsheim ward ſchon rot wie ein Krebs, als plötzlich Hündchen Reiß laut aufkreiſchte: „Um Gottes⸗ willen, die fremde Frau liegt und ſtirbt ... Waſſer! Waſſer!“ a Die ſchöne Sara lag in Ohnmacht, blaß wie der Tod, und um ſie herum drängte ſich ein Schwarm von Weibern, geſchäftig und jammernd. Die eine hielt ihr den Kopf, eine zweite hielt ihr den Arm; einige alte Frauen beſpritzten ſie mit den Waſſergläschen, die hinter ihren Betpulten hängen zum Behufe des Händewaſchens, im Fall ſie zu⸗ fällig ihren eignen Leib N andre hielten unter die 63

Naſe der Ohnmächtigen eine alte Zitrone, die, mit Ge⸗ würznägelchen durchſtochen, noch vom letzten Faſttage her⸗ rührte, wo ſie zum nervenſtärkenden Anriechen diente. Er⸗ mattet und tief ſeufzend, ſchlug endlich die ſchöne Sara die Augen auf, und mit ſtummen Blicken dankte ſie für die gütige Sorgfalt. Doch jetzt ward unten das Achtzehn— Gebet, welches niemand verſäumen darf, feierlich ange— ſtimmt, und die geſchäftigen Weiber eilten zurück nach ihren Plätzen und verrichteten jenes Gebet, wie es geſchehen muß, ſtehend und das Geſicht gewendet gegen Morgen, welches 64 die Himmelsgegend, wo Jeruſalem liegt. Vögele Ochs,

Schnapper⸗Elle und Hündchen Reiß verweilten am längften bei der ſchönen Sara; die beiden erſteren, indem ſie ihr eifrigſt ihre Dienſte anboten, die letztere, nachdem ſie ſich nochmals bei ihr erkundigte, weshalb ſie ſo plötzlich ohn—

mächtig geworden?

66

Die Ohnmacht der ſchönen Sara hatte aber eine ganz be- ſondere Urſache. Es iſt nämlich Gebrauch in der Syn— agoge, daß jemand, welcher einer großen Gefahr entronnen, nach der Verleſung der Geſetzabſchnitte öffentlich hervor— tritt und der göttlichen Vorſicht für ſeine Rettung dankt. Als nun Rabbi Abraham zu ſolcher Dankſagung unten in der Synagoge ſich erhob, und die ſchöne Sara die Stimme ihres Mannes erkannte, merkte ſie, wie der Ton derſelben allmählich in das trübe Gemurmel des Toten⸗ gebetes überging, ſie hörte die Namen ihrer Lieben und Verwandten, und zwar begleitet von jenem ſegnenden Bei- wort, das man den Verſtorbenen erteilt: und die letzte Hoffnung ſchwand aus der Seele der ſchönen Sara, und ihre Seele ward zerriſſen von der Gewißheit, daß ihre Lieben und Verwandte wirklich ermordet worden, daß ihre kleine Nichte tot ſei, daß auch ihre Bäschen Blümchen und Vögelchen tot ſeien, auch der kleine Gottſchalk tot ſei, alle ermordet und tot! Von dem Schmerze dieſes Bewußtſeins wäre fie ſchier ſelber geſtorben, hätte ſich nicht eine wohl⸗ tätige Ohnmacht über ihre Sinne ergoſſen.

J

Drittes Kapitel.

Als die ſchöne Sara nach beendigtem Gottesdienſte in den Hof der Synagoge hinabſtieg, ſtand dort der Rabbi harrend feines Weibes. Er nickte ihr mit heiterem Antlitz und ge- leitete ſie hinaus auf die Straße, wo die frühere Stille ganz verſchwunden und ein lärmiges Menſchengewimmel zu ſchauen war. Bärtige Schwarzröcke wie Ameiſenhaufen; Weiber, glanzreich hinflatternd wie Goldkäfer; neugekleidete Knaben, die den Alten die Gebetbücher nachtrugen; junge Mädchen, die, weil fie nicht in die Synagoge gehen dürfen, jetzt aus den Häuſern ihren Eltern entgegenhüpfen, vor ihnen die Lockenköpfchen beugen, um den Segen zu emp— fangen: alle heiter und freudig, und die Gaſſe auf und ab ſpazierend im ſeligen Vorgefühl eines guten Mittagmahls, deſſen lieblicher Duft ſchon mundwäſſernd hervorſtieg aus den ſchwarzen, mit Kreide bezeichneten Töpfen, die eben von den lachenden Mägden aus dem großen Gemeindeofen ge— holt worden.

In dieſem Gewirre war beſonders bemerkbar die Geſtalt eines ſpaniſchen Ritters, auf deſſen jugendlichen Gefichts- zügen jene reizende Bläſſe lag, welche die Frauen gewöhn— lich einer unglücklichen Liebe, die Männer hingegen einer glücklichen zuſchreiben. Sein Gang, obſchon gleichgültig hinſchlendernd, hatte dennoch eine etwas geſuchte Zierlich— keit; die Federn ſeines Barettes bewegten ſich mehr durch das vornehme Wiegen des Hauptes als durch das Wehen des Windes; mehr als eben notwendig klirrten feine gol- 67

5

denen Sporen und das Wehrgehänge feines Schwertes, welches er im Arme zu tragen ſchien, und deſſen Griff koſt— bar hervorblitzte aus dem weißen Reutermantel, der ſeine ſchlanken Glieder ſcheinbar nachläſſig umhüllte und dennoch den ſorgfältigſten Faltenwurf verriet. Hin und wieder, teils mit Neugier, teils mit Kennermienen nahte er ſich den vorüberwandeluden Frauenzimmern, ſah ihnen ſeelen— ruhig feſt ins Antlitz, verweilte bei ſolchem Anſchaun, wenn die Geſichter der Mühe lohnten, ſagte auch manchem liebenswürdigen Kinde einige raſche Schmeichelworte und ſchritt ſorglos weiter, ohne die Wirkung zu erwarten. Die ſchöne Sara hatte er ſchon mehrmals umkreiſt, jedesmal wieder zurückgeſcheucht von dem gebietenden Blick der- ſelben oder auch von der rätſelhaft lächelnden Miene ihres Mannes, aber endlich, in ſtolzem Abſtreifen aller ſcheuen Befangenheit, trat er beiden keck in den Weg, und mit ſtutzerhafter Sicherheit und ſüßlich galantem Tone hielt er folgende Aurede:

„Sennora, ich ſchwöre! Hört, Sennora, ich ſchwöre! Bei den Roſen beider Kaſtilien, bei den aragoneſiſchen Hya— zinthen und andaluſiſchen Granatblüten! Bei der Sonne, die ganz Spanien mit all ſeinen Blumen, Zwiebeln, Erbſenſuppen, Wäldern, Bergen, Mauleſeln, Ziegenböcken und Alechriſten beleuchtet! Bei der Himmelsdecke, woran dieſe Sonne nur ein goldener Quaſt iſt! Und bei dem Gott, der auf der Himmelsdecke ſitzt und Tag und Nacht über neue Bildung holdſeliger Frauengeſtalten nachſinnt. 8. . . Ich ſchwöre, Sennora, Ihr ſeid das ſchönſte Weib,

das ich im deutſchen Lande gefehen habe, und fo Ihr ge willet ſeid, meine Dienſte anzunehmen, ſo bitte ich Euch um die Gunſt, Huld und Erlaubnis, mich Euren Ritter nennen zu dürfen und in Schimpf und Ernſt Eure Farben zu tragen!“ Ein errötender Schmerz glitt über das Antlitz der ſchönen Sara, und mit einem Blicke, der um fo fi chneidender wirkt, je ſanfter die Augen ſind, die ihn verſenden, und mit einem Tone, der um ſo bernichtender, ; je bebend weicher die Stimme, antwortete die tief gekränkte Frau: „Edler Herr! Wenn Ihr mein Ritter ſein wollt, ſo müßt Ihr gegen ganze Völker kämpfen, und in dieſem Kampfe gibt es wenig Dank und noch weniger Ehre zu gewinnen! Und wenn Ihr gar meine Farben tragen wollt, ſo müßt Ihr gelbe Ringe auf Euren Mantel nähen oder eine blau— geſtreifte Schärpe umbinden: denn dieſes ſind meine Farben, die Farben meines Hauſes, des Hauſes, welches Iſrael heißt und ſehr elend iſt und auf den Gaſſen verſpottet wird von den Söhnen des Glücks!“ Plötzliche Purpurröte bedeckte die Wangen des Spaniers, eine unendliche Verlegenheit arbeitete in allen ſeinen Zügen, und faſt ſtotternd ſprach er: „Sennora. 1 habt mich mißverftanden un ſchuldiger Scherz . aber, bei Gott, kein Spott, kein Spott über Iſrael. . . ich ſtamme ſelber aus dem Hauſe Iſrael sen pa war ein Jude, vielleicht ſogar mein Vater

70 „Und ganz ſi he, Sennor, iſt Eu'r Oheim ein Jude“

fiel ihm der Rabbi, der dieſer Szene ruhig zugeſehen, plötz⸗ lich in die Rede, und mit einem fröhlich neckenden Blicke ſetzte er hinzu: „und ich will mich ſelbſt dafür verbürgen, daß Don Iſaak Abarbanel, Neffe des großen Rabbi, dem beſten Blute Iſraels entſproſſen iſt, wo nicht gar dem könig— lichen Geſchlechte Davids!“

Da klirrte das Schwertgehänge unter dem Mantel des Spaniers, ſeine Wangen erblichen wieder bis zur fahlſten Bläſſe, auf ſeiner Oberlippe zuckte es wie Hohn, der mit dem Schmerze ringt, aus ſeinen Augen grinſte der zornigſte Tod, und in einem ganz verwandelten, eiskalten, ſcharf— gehackten Tone ſprach er:

„Sennor Rabbi! Ihr kennt mich. Nun wohlan, fo wißt Ihr auch, wer ich bin. Und weiß der Fuchs, daß ich der Brut des Löwen angehöre, ſo wird er ſich hüten und ſeinen Fuchsbart nicht in Lebensgefahr bringen und meinen Zorn nicht reizen! Wie will der Fuchs den Löwen richten? Nur wer wie der Löwe fühlt, kann ſeine Schwächen be— eie

„O, ich begreife es wohl“ antwortete der Rabbi, und wehmütiger Ernſt zog über ſeine Stirne „ich begreife es wohl, wie der ſtolze Leu aus Stolz ſeinen fürſtlichen Pelz abwirft und ſich in den bunten Schuppenpanzer des Krokodils verkappt, weil es Mode iſt, ein greinendes, ſchlaues, gefräßiges Krokodil zu ſein! Was ſollen erſt die geringeren Tiere beginnen, wenn ſich der Löwe verleugnet? Aber hüte dich, Don Iſaak, du biſt nicht geſchaffen für das Element des Krokodils. Das Waſſer (du weißt 71

wohl, wovon ich rede) iſt dein Unglück, und du wirft untergehen. Nicht im Waſſer iſt dein Reich; die ſchwächſte Forelle kann beſſer darin gedeihen als der König des Waldes. Weißt du noch, wie dich die Strudel des Tago verſchlingen wollten ...“

In ein lautes Gelächter ausbrechend, fiel Don Iſaak plötz— lich dem Rabbi um den Hals, verſchloß ſeinen Mund mit Küſſen, ſprang ſporenklirrend vor Freude in die Höhe, daß die vorbeigehenden Juden zurückſchraken, und in ſeinem natürlich herzlich heiteren Tone rief er:

„Wahrhaftig, du biſt Abraham von Bacherach! Und es war ein guter Witz und obendrein ein Freundſchaftsſtück, als du zu Toledo von der Alkantara-Brücke ins Waſſer ſprangeſt und deinen Freund, der beſſer trinken als ſchwim— men konnte, beim Schopf faßteſt und aufs Trockene zogeſt! Ich war nahe dran, recht gründliche Unterſuchungen an— zuſtellen: ob auf dem Grunde des Tago wirklich Gold— körner zu finden, und ob ihn mit Recht die Römer den goldnen Fluß genannt haben? Ich fage dir, ich erkälte mich noch heute durch die bloße Erinnerung an jene Waſſer⸗ partie.“ Bei dieſen Worten gebärdete ſich der Spanier, als wollte er anhängende Waſſertropfen von ſich abſchütteln. Das Antlitz des Rabbi aber war gänzlich aufgeheitert. Er drückte feinem Freunde wiederholentlich die Hand, und jedesmal ſagte er: „Ich freue mich!“ „Und ich freue mich ebenfalls“ ſprach der andere 72 „wir haben uns ſeit ſieben Jahren nicht geſehen; bei unſerem

Abſchied war ich noch ein ganz junger Gelbſchnabel, und du, du warft ſchon fo geſetzt und eruſthaft ... Was ward aber aus der ſchönen Donna, die dir damals ſo viele Seufzer koſtete, wehlgereüntte Seufzer, die du mit Lautenklang be⸗ gleitet haft, . „Still, fill! die Donna hört uns, ſie iſt mein Weib, und du ſelbſt haſt ihr heute eine Probe deines Geſchmackes und Dichtertalentes dargebracht.“ Nicht ohne Nachwirkung der früheren Verlegenheit, be⸗ grüßte der Spanier die ſchöne Frau, welche mit anmutiger Güte jetzt bedauerte, daß fie durch Außerungen des Unmuts einen Freund ihres Mannes betrübt habe. „Ach Sennora“ antwortete Don Iſaak „wer mit täppiſcher Hand nach einer Roſe griff, darf ſich nicht be— klagen, daß ihn die Dornen verletzten! Wenn der Abend— ſtern ſich im blauen Strome goldfunkelnd abſpiegelt ...“ „Ich bitte dich um Gotteswillen“ unterbrach ihn der Rabbi „hör' auf... Wenn wir fo lange warten ſollen, bis der Abendſtern ſich im blauen Strome goldfunkelnd ab— ſpiegelt, ſo verhungert meine Frau; ſie hat ſeit geſtern nichts gegeſſen und ſeitdem viel Ungemach und Mühſal erlitten.“ „Nun ſo will ich euch nach der beſten Garküche Iſraels führen“ rief Don Iſaak „nach dem Hauſe meiner Freundin Schnapper⸗Elle, das hier in der Nähe. Schon rieche ich ihren holden Duft, nämlich der Garküche. O wüßteſt du, Abraham, wie dieſer Duft mich anſpricht! Er iſt es, der mich, ſeit ich in dieſer Stadt verweile, fo oft hin⸗ lockt nach den Zelten Jakobs. Der Verkehr mit dem Volke 73

Gottes iſt ſonſt nicht meine Liebhaberei, und wahrlich nicht um hier zu beten, ſondern um zu eſſen beſuche ich die Juden⸗ ale. „Du haſt uns nie geliebt, Don Iſaak ...“ „Ja“ fuhr der Spanier fort „ich liebe eure Küche weit mehr als euren Glauben; es fehlt ihm die rechte Sauce. Euch ſelber habe ich nie ordentlich verdauen können. Selbſt in euren beſten Zeiten, ſelbſt unter der Regierung meines Ahnherrn Davids, welcher König war über Juda und Iſrael, hätte ich es nicht unter euch aug- halten können, und ich wäre gewiß eines frühen Morgens aus der Burg Sion entſprungen und nach Phönizien emi- griert, oder nach Babylon, wo die Lebeusluſt ſchäumte im Tempel der Götter.“ „Du läſterſt, Iſaak, den einzigen Gott“ murmelte finſter der Rabbi „du biſt weit ſchlimmer als ein Chriſt, du biſt ein Heide, ein Götzendiener ...“ „Ja, ich bin ein Heide, und ebenfo zuwider wie die dürren, freudloſen Hebräer find mir die trüben, qualſüchtigen Ta: zarener. Unſre liebe Frau von Sidon, die heilige Aſtarte, mag es mir verzeihen, daß ich vor der ſchmerzenreichen Mutter des Gekreuzigten niederknie und bete ... Nur mein Knie und meine Zunge huldigt dem Tode, mein Herz blieb treu dem Leben! ...“ „Aber ſchau' nicht ſo ſauer“ fuhr der Spanier fort in ſeiner Rede, als er ſah, wie wenig dieſelbe den Rabbi zu erbauen ſchien „ſchau' mich nicht an mit Abſcheu. 74 Meine Naſe iſt nicht abtrünnig geworden. Als mich einſt

der Zufall um Mittagszeit in dieſe Straße führte, und aus den Küchen der Juden mir die wohlbekannten Düfte in die Naſe ſtiegen, da erfaßte mich jene Sehnſucht, die unſere Väter empfanden, als ſie zurückdachten an die Fleiſchtöpfe Agyptens; wohlſchmeckende Jugenderinnerun⸗ gen ſtiegen in mir auf; ich ſah wieder im Geiſte die Karpfen ai brauner Roſinenſauce, die meine Tante für den Frei— tagabend ſo erbaulich zu bereiten wußte; ich ſah wieder das gedämpfte Hammelfleiſch mit Knoblauch und Mairettich, womit man die Toten erwecken kann, und die Suppe mit ſchwärmeriſch ſchwimmenden Klöschen ... und meine Seele ſchmolz wie die Töne einer verliebten Nachtigall, und ſeit— dem eſſe ich in der Garküche meiner Freundin Donna Schnapper⸗Elle!“ Dieſe Garküche hatte man unterdeſſen erreicht; Schnapper— Elle ſelbſt ſtand an der Türe ihres Hauſes, die Meß— fremden, die ſich hungrig hineindrängten, freundlich be— grüßend. Hinter ihr, den Kopf über ihre Schultern hinaus— lehnend, ſtand der lange Naſenſtern und muſterte neugierig— ängſtlich die Ankömmlinge. Mit übertriebener Grandezza nahte ſich Don Iſaak unſerer Gaſtwirtin, die ſeine ſchalk— haft tiefen Verbeugungen mit unendlichen Knickſen er- widerte; drauf zog er den Handſchuh ab von ſeiner rechten Hand, umwickelte ſie mit dem Zipfel ſeines Mantels, ergriff damit die Hand der Schnapper-Elle, ſtrich fie langſam über die Haare ſeines Stutzbartes und ſprach: „Sennora! Eure Augen wetteifern mit den Gluten der Sonne! Aber obgleich die Eier, je länger fie gekocht 73

werden, fich deſto mehr verhärten, fo wird dennoch mein Herz nur um fo weicher, je länger es von den Flammen⸗ ſtrahlen Eurer Augen gekocht wird! Aus der Dotter meines Herzens flattert hervor der geflügelte Gott Amur und ſucht ein trauliches Neſtchen in Eurem Buſen .. Dieſen Buſen, Sennora, womit ſoll ich ihn vergleichen? Es gibt in der weiten Schöpfung keine Blume, keine Frucht, die ihm ähnlich wäre: dieſes Gewächs iſt einzig in ſeiner Art. Obgleich der Sturm die zarteſten Röslein ent— blättert, ſo iſt doch Eu'r Buſen eine Winterroſe, die allen Winden trotzt! Obgleich die ſaure Zitrone, je mehr ſie altert, nur deſto gelber und runzlichter wird, ſo wetteifert dennoch Eu'r Buſen mit der Farbe und Zartheit der ſüßeſten Ananas! O Sennora, iſt auch die Stadt Amſterdam ſo ſchön, wie Ihr mir geſtern und vorgeſtern und alle Tage erzählt habt, ſo iſt doch der Boden, worauf ſie ruht, noch

tauſendmal ſchöner ...“

Der Ritter ſprach dieſe letzten Worte mit erheuchelter Be— fangenheit und ſchielte ſchmachtend nach dem großen Bilde, das an Schnapper⸗Elles Halſe hing; der Naſenſtern ſchaute von oben herab mit ſuchenden Augen, und der belobte Buſen ſetzte ſich in eine ſo wogende Bewegung, daß die Stadt Amſterdam hin- und herwackelte.

„Ach!“ ſeufzte die Schnapper⸗Elle „Tugend iſt mehr wert als Schönheit. Was nützt mir die Schönheit? Meine Jugend geht vorüber, und ſeit Schnapper tot iſt er hat wenigſtens ſchöne Hände gehabt was hilft mir da die

76 Schönheit?“

Und dabei ſeufzte fie wieder, und wie ein Echo, faſt unhör— bar, ſeufzte hinter ihr der Naſenſtern.

„Was Euch die Schönheit nützt“ rief Don Iſaak „O, Donna Schnapper⸗-Elle, verſündigt Euch nicht an der Güte der ſchaffenden Natur! Schmäht nicht ihre holdeſten Gaben! Sie würde ſich furchtbar rächen. Dieſe beſeligen— den Augen würden blöde verglaſen, dieſe anmutigen Lippen würden ſich bis ins Abgeſchmackte verplatten, dieſer keuſche, liebeſuchende Leib würde ſich in eine ſchwerfällige Talg— tonne verwandeln, die Stadt Amſterdam würde auf einen muffigen Moraſt zu ruhen kommen —“

Und ſo ſchilderte er Stück vor Stück das jetzige Ausſehen der Schnapper⸗Elle, ſo daß der armen Frau ſonderbar be— ängſtigend zu Mute ward, und ſie den unheimlichen Reden des Ritters zu entrinnen ſuchte. In dieſem Augenblicke war ſie doppelt froh, als ſie der ſchönen Sara anſichtig ward und ſich angelegentlichſt erkundigen konnte, ob ſie ganz von ihrer Ohnmacht geneſen. Sie ſtürzte ſich dabei in ein lebhaftes Geſpräch, worin ſie alle ihre falſche Vor— nehmtuerei und echte Herzensgüte entwickelte und mit mehr Weitläufigkeit als Klugheit die fatale Geſchichte erzählte, wie fie ſelbſt vor Schrecken faſt in Ohnmacht gefallen ware, als ſie wildfremd mit der Trekſchuite zu Amſterdam ankam, und der ſpitzbübiſche Träger ihres Koffers ſie nicht in ein ehrbares Wirtshaus, ſondern in ein freches Frauenhaus brachte, was fie bald gemerkt an dem vielen Branntwein⸗ geſöffe und den unſittlichen Zumutungen ... und fie wäre, wie geſagt, wirklich in Ohnmacht gefallen, wenn ſie es 77

während den ſechs Wochen, die fie in jenem verfänglichen Hauſe zubrachte, nur einen Augenblick wagen durfte, die Augen zu ſchließen ..

„Meiner Tugend wegen“ ſetzte ſie hinzu „durfte

ich es nicht wagen. Und das alles paſſierte mir wegen

meiner Schönheit! Aber Schönheit vergeht, und Tugend 78 beſteht.“

Don Iſaak war ſchon im Begriff, die Einzelheiten diefer Geſchichte kritiſch zu beleuchten, als glücklicherweiſe der ſcheele Aaron Hirſchkuh von Homburg an der Lahn mit der weißen Serviette im Maule aus dem Hauſe hervor— kam und ärgerlich klagte, daß ſchon längſt die Suppe auf— getragen ſei, und die Gäſte zu Tiſche ſäßen, und die Wirtin fehle.

(Der Schluß und die folgenden Kapitel find ohne Verſchulden des Autors verloren gegangen.)

79

Diefes Werk wurde im Frühjahr 1913 in der Offizin W. Drugulin, Leipzig in 300 Exemplaren gedruckt. Die Bindearbeiten beſorgte die Leipziger Buchbinderei A.⸗G., Abteilung für Handbindekunſt, Leipzig. Die ganz⸗ ſeitigen Illuſtrationen wurden mit der Hand koloriert.

Dieſes Buch trägt die Nummer 189