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| Date Due

DEVISCH \GRARP

HerausgebesHerbert Bacher

DRTOBERNRN 1943 NUMMER 1 Jodi RO FON GC 2

INHALT

Tree Wee EES feiere Gi ; 1

Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Ins fünfte Jahr Kriegserzeu- gungsschlacht Zum Erntedanktag 19 UP UUUMæ P “l. l. 3

Stoßtrupp gegen die Landflucht (Bildbeilage)

Gauamtsleiter Landesbauernführer Wilhelm Bloedorn: Partei und Landvolk.... 10 Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Das Landvolk in der Front der

il. 13 Walter Horn: Lob der Bauernarbeit (Bildbeilage)

Staatsrat Hanns Johst, Präsident der Reichsschrifttumskammer: Die Quelle

unserer. KR fi n...... ere E NA 18 Dr. Klaus Schmidt: Pflug und Schwert as ss 29 Ritterkreuzträger aus Bauernblut (Bildbeilage/ Sesini n. S. 24 Agrärpölitische Rundschau Be E Ne E éier 26 Randgbemerküngen EE EE ĩ Eeer eg 8 28 DCC ²⁰²Ü ww ⁵ðV³N ³ĩðW0A . 32

Bildnachweis: Unser Titelbild eine Aufnahme von Enno Folkerts zeigt „Brotbacken in Osttirol“. Von den Photos zur Bildbeilage Landverbundene Stadtjugend' stammen drei vom Landwirtschaft- lichen Bilderdienst, die übrigen, die wir dem Bildarchiv der Reichsjugendfuhrung entnahmen, fertigten: Barbara Soltmann (2), Meiners-Bölken (1), Lüdecke-Felser (1) und Archiv RJF. (2). Das farbige Bild in unserer Beilage „Lob der Bauernarbeit’' veröffentlichten wir nach einem Hlandkupferdruck aus dem Verlag Ludwig Moller’Lübeck; die photographischen Wiedergaben der Gemälde besorgten: Jaeger A Goergen (1), Erika Schmauß (1), Berolina-Photo (t), Archiv (1) und Archiv des Reichsnährstandes {4}. Die fur die Bildbeilage „Ritterkreuzträger aus Bauernblut“ verwendeten Aufnahmen erhielten wir von: Tita Binz (1), Aschenbroich (3), vom Scherl-Bilderdienst (2) und dem 5 Fuhrungshauptamt A. M. Mul- ler (1). Die übrigen Bilder der Beilage sind PK.-Aufnahmen von Fischer, Jüsto, Busch, Kurt Stephan und 5 Kriegsberichter Augustin und Photos au, Privatbesitz (4).

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Tei: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensce; fur den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-

ruf 110022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzugl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gultig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

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ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EH ER NACHF. GMBH., BERLIN

DEUTSCHER POLITIK Le RER, , 9 i y \ N. N

N Herbert Backe

Oktober 1943 Jahrgang 2 | Nummer 1 See .ö-w ...: —0—T ᷑— ::.: FE u EEE EEE Eu EE . ————P?P'—?

TREUE UM TREUE .

H.-J.R. Der Erntedanktag war von jeher für den deutschen Bauern ein Tag der Rechenschaftslegung, der Rückschau auf die geleistete Arbeit und der Vorschau auf die neuen Aufgaben. Zu Beginn des fünften Kriegsjahres ist er das mehr denn je, und mehr denn je richten sich dabei die Augen des ganzen deutschen Volkes ayf sein Bauerntum, denn der Krieg hat es auch dem letzten zum Bewußtsein gebracht, daß in des Bauern Arbeit die Kampf- und Arbeitskraft der ganzen Nation wurzelt. Das deutsche Landvolk kann den Erntedanktag in dem Bewußtsein begehen, seine Pflicht treu erfüllt und so das Seine in dem Existenzkampf der Nation getan zu haben. Das Schicksal hat der Arbeit des Land- volkes den verdienten Erfolg nicht versagt. So ist eine Ernte herangereift, die die ungeschwächte Entfaltung der Kampf- und Arbeitskraft der Nation auch im fünften Kriegsjahr sichert. l

Dieser Erfolg baut sich nicht nur auf der Arbeit des letzten Jahres auf, sondern ist das Ergebnis langjährigen unentwegten Bemühens, wie es in der Erzeugungsschlacht Jahr für Jahr zum Ausdruck gekommen ist. Er ist damit, wie der Aufsatz von Herbert Backe mit seinem Rückblick auf die zehn Jahre nationalsozialistischer Agrarpolitik unterstreicht, die erneute Bestätigung, daß es dem Nationalsozialismus gelungen ist, die durch die Mißwirt- schaft des Liberalismus schwer erschütterten Kräfte der deutschen Landwirtschaft wieder zu festigen und zu höchster Leistungssteigerung für den Freiheitskampf des deutschen Volkes mobil zu machen. Diese Mobilmachung deutscher Bauernkraft, die allen sichtbar machte, daß die nationalsozialistische Freiheitsbewegung sich wirklich zum Aufbruch der Nation gesteigert hatte, ist ein eindringlicher Beweis dafür, daß die Agrarpolitik mehr ist als lediglich ein Zweig der Wirtschaftspolitik, denn die Mobilmachung deutscher Bauern- kraft beruhte darauf, daß sich das deutsche Landvolk mit allen seinen Fähigkeiten angesprochen fühlte, daß es sich wieder in seinem wahren Wesen nicht nur als Träger der Landwirtschaft, sondern auch, in seiner lebensgesetzlichen Urfunktion als Blutsquell des Volkes anerkannt, getragen wußte von dem Willen der ganzen Nation.

Herausgeber

Dieses Bekenntnis des deutschen Volkes zu seinem Landvolk ist und bleibt das Verdienst der Partei, der politischen Willensträgerin der Nation. Damit ist auch die Stellung des deutschen Landvolkes zu und in der Partei, die Wilhelm Bloedorn auf Grund seiner Erfahrungen als Gauamtsleiter und Landesbauernführer in Pommern schildert, gegeben. Partei und Landvolk sind zwei für immer untrennbare Begriffe, auf deren Einhalt die Stoß- kraft der deutschen Agrarpolitik beruht. In dem Reichsamt für das Landvolk ist das Führungsorgan geschaffen worden, das der Ausdruck dieser Einheit ist.

Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, noch einmal die Bedeutung des Reichserbhof- gesetzes und der Marktordnung für die Mobilmachung deutscher Bauernkraft zu unter- streichen. Nur auf eins sei auch in diesem Zusammenhange hingewiesen, Beide Gesetze

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i À l U sind mehr als lediglich Instrumente berufsständischer Fürsorge, sind, jedes in seiner Art, Werkzeuge einer umfassenden deutschen Volksordnung, die keine Rechte ohne ent- sprechende Pflichten kennt. Beide Gesetze entspringen einer Lebensauffassung, für die der Sinn der Arbeit sich nicht in dem Streben nach persönlichem Wohlergehen erschöpft, sondern im Dienst am Volk besteht.

Diese Auffassung konnte sich im deutschen Landvolk nur deswegen so restlos bis in das letzte Dorf durchsetzen, weil sie dem innersten Wesen des deutschen Bauerntums ent- spricht. Daher ist auch die vom Nationalsozialismus geschaffene Selbstverwaltungskörper- ` schaft des deutschen Landvolkes, der Reichsnährstand, von Anfang an mehr gewesen als eine ständische Interessenvertretung. Er war stets die Stätte unermüdlicher gemein- nütziger Tätigkeit, die gerade in der sie kennzeichnenden Selbstverantwortung die höchste Verpflichtung gegenüber Volk und Staat sah. Die den Reichsnährstand leitenden ehren- amtlichen Bauernführer haben damit bewiesen, daß für sie der Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ selbstverständlicher Ausdruck eines Sozialismus der Tat ist, dessen oberste Richtschnur das Wohl des Volksganzen ist.

Diese Gesinnung machte die Marktordnung zu einer Waffe im Freiheitskampf des deutschen Volkes. In dieser Gesinnung trat das deutsche Landvolk zur Erzeugungsschlacht an. Es verzichtete damit darauf, die Besserung seiner Einkommensverhältnisse nach 1933 zu einer Aufbesserung seiner im Zeitalter des Wirtschaftsliberalismus so tief herab- gedrückten Lebenshaltung auszunutzen, und verwendete sein Mehreinkommen man darf wohl sagen restlos zur höchstmöglichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produk- tionskraft. So wurde die Erzeugungsschlacht zu dem ersten großen Siege über den Ver- nichtungswillen des internationalen Judentums, bevor noch der erste Schuß in diesem Kriege gefallen war, denn sie schlug England die gefährlichste Waffe, gegen die auch der beste Soldat wehrlos ist, aus der Hand: die Waffe der Hungerblockade. Dieser Wille, alle Kraft einzusetzen für den Selbstbehauptungskampf der deutschen Nation, hat auch die

hinter uns liegenden Kriegsjahre hindurch, wie der Verlauf der Kriegserzeugungsschlacht

beweist, die Stellung des Landvolkes in der Front der Schaffenden bestimmt und wird sie in Zukunft bestimmen.

So ist der Erntedanktag nicht nur ein Tag der Rechenschaftslegung über die rück- liegenden Leistungen, sondern auch ein Tag erneuter Ausrichtung auf die Aufgaben, die im nächsten Erntejahr der deutsche Freiheitskampf stellt. Das deutsche Landvolk weiß, daß es in diesem Kampfe der Hergabe der letzten Kraftreserve bedarf. Das ist für das deutsche Landvolk eine Selbstverständlichkeit, an die es nicht erinnert zu werden braucht, denn der Einsatz auch der letzten Kraftreserve ist ein Gebot der Selbstbehauptung, dessen Mißachtung nicht nur Vernichtung der eigenen Generation, sondern Preisgabe der Kinder und Kindeskinder an ein hoffnungsloses Schicksal bedeutet. Das deutsche Landvolk ge- horcht diesem Gebot nicht mit dem Mute der Verzweiflung, die keine andere Wahl hat, sondern mit der freudigen Zuversicht dessen, der das Tor zu einer glückhaften Zukunft bereits geöffnet sieht.

Daß das deutsche Landvolk dies kann, verdankt es dem Nationalsozialismus, denn dieser bürgt dafür, daß das deutsche Volk Treue um Treue vergelten wird, daß das große agrar- politische Aufbauwerk nach dem Kriege, das die Grundlage zu einer dauernden Wieder- gesundung und zu neuer Kraftentfaltung des deutschen Landvolkes schaffen soll, mit den Hilfsmitteln der gesamten deutschen Volkswirtschaft gefördert werden wird. Mit diesem entschlossenen Einsatz der gesamten deutschen Volkswirtschaft erweist die deutsche Nation gleichzeitig sich selbst den besten Dienst. Eine dauerhafte Eindeutschung und damit Sicherung des neugewonnenen, für die deutsche Zukunft so unentbehrlichen Lebensraumes kann nur durch ein gesundes, lebensstarkes Bauerntum erfolgen. So ist die Treue des deutschen Volkes zu seinem Bauerntum im tiefsten Grunde nichts anderes als Treue gegen sich selbst, Ausdruck seines Willens zum Leben.

2

HERBERT BACKE:

INS FÜNFTE JAHR

Kriegserzeugungsſchlacht

ZUM ERNTEDANKTAG 1943

Wen wir zum Erntedanktag 1943, der

auch im Kriege als Staatsfeiertag der gesamten Nation begangen wird, auf zehn Jahre nationalsozialistische Agrarpolitik zurückblicken, so können wir die hier in Angriff genommenen großen Aufgaben nur dann richtig beurteilen, wenn wir uns völlig frei machen von überkommenen Begriffen und Maßstäben aus dem Zeitalter der libe- ralen Wirtschaft. Dort stand im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Zielsetzung in erster Linie das Streben nach einem möglichst großen Anteil am Volkseinkom- men, das dann in den meisten Fällen weiter

zu einem einseitigen Betonen rein privat-

wirtschaftlichen Profitstrebens führte, wie wir es heute noch täglich in der Wirtschaft unserer Gegner, vornehmlich am Beispiel der Farmerpolitik in USA. beobachten können. Die dabei erzielten privatwirt- schaftlichen Leistungen haben jedoch: nie- mals auf das Volk in seiner Gesamtheit Rücksicht genommen, insbesondere nicht auf die berechtigten Ansprüche der arbei- tenden Menschen.

Demgegenüber hat der Nationalsozialis- mus den Menschen und die Arbeit in den Mittelpunkt seiner Zielsetzung gestellt, dem sich die privatwirtschaftlichen Interessen unlterzuordnen haben. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Leistung für das Volk zum ersten und wichtigsten Wertmesser bei der Planung und Durchführung wirtschafts- politischer Maßnahmen zu machen. Es ist kein Zufall, daß der Nationalsozialismus in der Wirtschaftspolitik auf dem Gebiete der Agrarwirtschaft zuerst durchgebrochen ist. Der Führer hat von Anfang seines Wirkens an immer wieder die tragende Bedeu- tung des Bauerntums für die bio-

logische Zukunft unseres Volkes hervorgehoben. Da auf dem Höhepunkt der Krise des liberalen Systems das Bauerntum am schärfsten getroffen war und sein völli- ger wirtschaftlicher Zusammenbruch not- wendigerweise auch den Bestand des Land- volks bedroht hätte, war es selbstverständ- lich, daß der Nationalsozialismus nach der Machtergreifung hier grundlegend Wandel schaffen mußte. Mit kleinen Mittelchen war dabei nichts zu erreichen. Einzelmaßnah- men, wie sie im Zeitalter des parlamentari- schen Kuhhandels gelegentlich durch Zölle, Preisstützungen oder Subventionen ver- sucht wurden, konnten das Problem niemals lösen. Es wurden stets nur Teilgebiete er- faßt; an der völligen Vernachlässigung der Landwirtschaft und der falschen Beurtei- lung aller Fragen des Landvolks änderte sich im Grunde nichts. Die Folgen des Jahr- hunderts der „Aufklärung“ und insbeson- dere der einseitigen Betrachtung der ge- werblichen Wirtschaft als Quelle schnell- wachsenden Reichtums zeigten sich in einer

verhängnisvollen Verkennung der biologi-

schen und wirtschaftlichen Probleme des Landvolks. Darüber war auch völlig das Gefühl verlorengegangen, daß hier eine der wichtigsten Ursachen der sich immer wiederholenden Wirtschaftskrisen und letzten Endes der Bedrohung der politischen Freiheit lag. Deshalb waren eine ent- schlossene Loslösung der bisheri- gen Wirtschaftspolitik und eine grundlegende Neugestaltung not-

wendig.

Man kann hier Vergleiche ziehen mit der schöpferischen Neugestaltung staatlichen und volklichen Lebens, wie sie von Friedrich Wilhelm I. und seinem ge-

3

*

nialen Sohn vor zweihundert Jahren in Preußen durchgeführt wurde. Auch damals finden wir den Aufbau eines Funda- ments vom Land volk her, das schließ- lich ein gesunder Träger sowohl der staat- lichen und militärischen Organisation wie

einer aufstrebenden Entwicklung in der ge-

werblichen Wirtschaft wurde. Damit soll festgestellt werden, daß eine

kraftvolle Agrarpolitik keineswegs nur in

einem reinen Agrarstaat ihr Lebensrecht hat, sie ist vielmehr die sicherste Grundlage für eine gesunde und erfolgreiche Entwick- lung der Gesamtwirtschaft auch in einem großenteils oder überwiegend industriell ausgerichteten Staat. Gerade in einem In- dustriestaat wie Deutschland mit nur 18 v. H. landwirtschaftlicher Bevölkerung ist die Gesunderhaltung und das Wachstum

"Rechnung, daß die Scholle dér ien E Boden die Grundlage der Existenz des Bauerntums ist. Der Grund und Boden drei Eigenschaften: die Uobeweglichkeit, i] Unzerstörbarkeit und Unvermehrbarkeit. Demgegenüber ist das Kapital durch Be-

weglichkeit, Zerstörbarkeit und Vermehr- =

barkeit gekennzeichnet. Diese Gegenüber-

stellung zeigt deutlich, warum der Beweg- |

lichkeit als Kennzeichen und Grundlage des liberalistischen Auflösungszeitalters die Stetigkeit der nationalsozialistischen

Agrargesetzgebung entgegengesetzt werder K mußte. Das Reichserbhofgesetz umfaßt bio-

logische ebenso wie wirtschaftliche Ziele

Dies ist im Anfang nicht immer überall

richtig verstanden worden. Seine Anwen- dung in der Praxis in den vergangenen zehn Jahren hat jedoch inzwischen wohl auch

die Gegner dieses Gesetzes davon über- zeugt, daß es ebensowohl die Grundlage für eine gesunde biologische Ent-

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des Landvolks von noch größerer Bedeu- tung als in einem überragenden Agrarstaat. Wie in der Landwirtschaft diejenigen Be-

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triebe am gesündesten sind, die keine Monokulturen betreiben, sondern in sich möglichst ausgeglichen sind, so vermeidet oder mildert eine kraftvolle Agrarpolitik die Folgen krisenhafter Entwicklungen, wie sie in einseitigen Industriewirtschaften unter normalen Verhältnissen immer wieder auftreten.

Aus der Erkenntnis dieser Lage hat die nationalsozialistische Agrarpolitik im ersten Jahrzehnt ihres Wirkens nicht nur die wirt- schaftlichen Fragen der Landwirtschaft, son- dern ganz allgemein die biologischen und sozialen Fragen des Landvolks überhaupt neu gestaltet. Die weite Fassung des Auf- gabengebietes kam schließlich bei der vor Jahresfrist erfolgten Umbenennung des Reichsamtes für Agrarpolitik in „Reichs- amt für das Landvolk" zum Ausdruck. Wenn in dem abgeschlossenen Jahrzehnt, vor allem in der Offentlichkeit, die wirt- schaftlichen Fragen wegen der durch die Notwendigkeit unserer militärischen Wie- deraufrüstung gekennzeichneten Entwick- lung oftmals einseitig im Vordergrund stan- den, so besteht doch kein Zweifel, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik alle Fragen des Lebens auf dem Dorf erfaßt.

Als erstes Grundgesetz der nationalsozia- listischen Agrarpolitik erging das Reichs- erbhofgesetz. Es gab dem Bauerntum die ihm eigene Beständigkeit, Stetigkeit und Verwurzelung zurück, Es trug der, Tatsache

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wicklung desLandvolks wie für ge- ` waltige wirtschaftliche Leistungen

ist. Das Reichserbhofgesetz war erst ein Anfang und ist dann im Laufe der Jahre durch zahlreiche andere bodenrechtliche Bestimmungen ergänzt worden, die alle dem Grundsatz Rechnung trugen, daß der Boden wichtigstes Gut des gesam- ten Volkes und unersetzbare Grundlage

der Sippe als biologischer Einheit des

Volkes ist.

Neben der Neugestaltung des Rechts am Boden, als der wichtigsten natürlichen Ent- wicklungsgrundlage unseres Landvolkes,

wurde eine völlig neue Ordnung geschaffen,

die ihren Rahmen im Reichsnähr- standsgesetz fand. Das Reichsnähr- standsgesetz umfaßt weit mehr als lediglich eine Korporationssatzung, wie man sie auch sonst bei ständischen Rahmengesetzen oder ständischen Verfassungen kennt. Hätte das Reichsnährstandsgesetz nur 'neue Organi- sationsformen geschaffen, so würde es sich lediglich in der Spielart, nicht aber im Grundsatz von seinen liberalen Vorgängern unterscheiden. Die nationalsozialistische Agrarpolitik hat aber den Grundsätzen der allgemeinen nationalsozialistischen Politik entsprechend sich nicht nur auf den Aufbau eines organisatorischen Gebäudes be- schränkt, sondern zugleich die sach- lichen Grundlagen geschaffen, die der Ar- beit dieser neuen nationalsozialistischen

Organisation eine ganz bestimmte Entwick- lungsrichtung gaben. Heute ist es un- bestrittene Allgemeinerkenntnis, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik damit eine einmalige Pionierarbeit für die Durchsetzung nationalsozialistischer Grund- sätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt geleistet hat.

Wenn auch diese Aufbauarbeit zunächst von den Nationalsozialisten aus der Land- wirtschaft getragen wurde, so zeigte es sich doch sehr bald, daß das Reichsnährstands- gesetz alles andere als ein Standesgesetz und die Reichsnährstandspolitik alles an- dere als eine Interessenpolitik darstellte. Dies kam schon äußerlich darin zum Aus- druck, daß der Personenkreis des Reichs- nährstandes sich nicht nur auf die Ange- Hörigen der Urproduktion, der Landwirt- schaft, beschränkte, sondern von vorn- herein die Be- und Verarbeitung sowie die Verteilung einbezog. Damit war in der Er- nährungswirtschaft zum erstenmal in der Wirtschaftsgeschichte eine totale Zusam- ` menfassung aller Wirtschaftsstufen eines ganzen Wirtschaftszweiges erreicht.

Diese Organisationsform paßte in keiner Weise in das überkommene Schema libe- raler Wirtschaftsorganisationen, die ihre Schlagkraft in der Zusammenballung be- stimmter Unternehmungen meist nur auf horizontaler Grundlage zu erhöhen such- ten. Das bekannteste Beispiel hierfür sind die Kartelle, deren wirtschaftliches Machtstreben fast immer auf Kosten volks- wirtschaftlicher Gesamtinteressen ging. Es ist nicht verwunderlich, daß der Weg der vertikalen Zusammenfassung im Agrar- sektor zunächst auf zahlreiche Widerstände stieß. Trotzdem ist die nationalsozialistische Agrarpolitik auf dem mit dem Reichsnähr- standsgesetz einmal eingeschlagenen Wege unbeirrbar weitergegangen. Sie wurde da- bei unterstützt durch zielbewußte National-

sozialisten in anderen Zweigen unserer

Volkswirtschaft. Heute haben sich die in jahrelanger Arbeit fortentwickelten Grund- sätze auch in anderen Wirtschaftszweigen durchgesetzt, wie wir es bei Neugestaltung unserer Kohle-, Eisen-, Chemie- und Textil- wirtschaft erlebt haben. Es wäre müßig, heute noch den Nachweis dafür führen zu wollen, daß die Schlagkraft unserer Er- nährungswirtschaft im Kriege in erster Linie auf dieser totalen vertikalen Zusam-

menfassung, wie sie das Reichsnährstands- gesetz schuf, beruht. |

Es wurde aber schon angedeutet, daß die Stärke einer Wirtschaftsverfassung niemals in irgendeiner Organisationsform liegt, daß es vielmehr in erster Linie auf den grundsätzlichen Inhalt ankommt, der für die Arbeit im einzelnen richtung- gebend ist, g

Wirtschaft ist Leben und kann sich des- halb wie jede andere Äußerung volklichen Daseins nicht nach abstrakten Gesetzen richten. Deshalb war die nationalsozia- listische Agrarpolitik stets Gegnerstar- rer Dogmen. Das Schwergewicht der Arbeit des früheren agrarpolitischen Appa- rates der NSDAP., des heutigen Reichsamts für das Landvolk, das innerlich untrennbar mit dem Reichsnährstand verbunden ist, lag deshalb im Einsatz der richtigen Män- ner, die auf Grund ihrer nationalsozialisti- schen Weltanschauung für die einzelnen, vielseitigen Wirtschaftsaufgaben die grund- sätzlich richtigen Entscheidungen trafen. Mit starren Dogmen hätten die Aufgaben der Ernährungswirtschaft schon im Frieden nicht, ganz bestimmt aber niemals im Kriege gemeistert werden können. Diese Grundeinstellung darf keineswegs als ein Bekenntnis zum Improvisieren angesehen werden. Improvisieren kann vielleicht im einen oder anderen Falle ein- mal mithelfen, um schwierige Lagen zu überwinden, es darf aber niemals ganz all- gemein an die Stelle planmäßiger Lenkung und von Grundsätzen treten, wie sie nun einmal für die Durchführung großer Auf- gabengebiete, die sich auf weite Zeiträume erstrecken, notwendig sind.

Diese Grundsätze für die Arbeit der nationalsozialistischen Agrarpolitik sind im Reichserbhofgesetz und im Reichsnähr- standsgesetz enthalten. Während das Reichserbhofgesetz den Grundgedanken der Sicherheit der Sippe und damit des Be- standes des Volkes zuverwirklichen suchte, so verkörpert das Reichsnährstandsgeseiz den Grundgedanken der Ordnung. Das Reichserbhofgesetz erfaßte den Boden und den Menschen in seiner Beziehung zum Boden, während das Reichsnährstandsgesetz den Menschen und seine Arbeit, das Er- gebnis und die Früchte seiner Arbeit in den ` Mittelpunkt stellt. Damit wurde alles, was in der liberalen Theorie Produktionsfakto-

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-

ren genannt wurde, aus der kapitalistischen Verflechtung und den Erschütterungen des Kapitalismus herausgenommen und auf dem nationalsozialistischen Wirtschaftsprinzip der gebundenen Wirtschaft aufgebaut.

Dabei trat insbesondere an die Stelle des zufälligen kapitalistischen Marktgeschehens die bewußte nationalsozialistische Markt- ordnung, an die Stelle des zufälligen Aus- gleichs von Angebot und Nachfrage der bewußte Ausgleich von Bedarf und Deckung. Das hatte zur Folge, daß die beinahe skla- vische Unterwerfung des Menschen und seiner Tätigkeit unter die angebliche Ge- setzmäßigkeit wilder Preisschwankungen an allen möglichen Börsen abgelöst wurde durch die bewußte Beherrschung des Mark- tes und des Marktgeschehens mit einer verantwortungsbewußten Bestimmung und Festlegung des Preises.

Es entsprach folgerichtig der national- sozialistischen Grundhaltung, daß die Markt- ordnung nicht nur eine Sicherung so- wohl des Bauerntums wie der Ver- braucher anstrebte, sondern gleichzeitig mit diesem gebundenen Wirtschaftsprinzip die Voraussetzung zu einer Leistungs- steigerung der deutschen Landwirtschaft geschaffen wurde. Gerade dies aber sollte sich später von weittragender Bedeutung erweisen, als die steigenden Anforderungen der Wiederaufrüstung den Kampf um die Nahrungsfreiheit immer wichtiger werden ließen.

Es sei daran erinnert, daß bei der Ver- kündung des ersten Vierjahresplanes die Freimachung größerer Devisenmengen zur Erleichterung vermehrter Lebensmittelein- fuhren als ein wichtiges Ziel genannt wurde, ein Ziel, das aber dann angesichts steigen- den Rohstoffbedarfs für Rüstungszwecke sehr bald in den Hintergrund treten mußte. So wurde die Leistungssteigerung der ein-

heimischen Landwirtschaft, die in der Er-

zeugungsschlacht ihren Ausdruck fand, ge- radezu zur wichtigsten Triebfeder

der nationalsozialistischen Agrar-

politik in den letzten Jahren. Da- durch ist in der Offentlichkeit gelegentlich der Eindruck entstanden, als ob auch in der nationalsozialistischen Agrarpolitik Wirt-

schaftsfragen allzu einseitig das Uberge-

wicht erlangt hätten. Die Arbeit, die heute vor allem im Reichsamt für das Landvolk in

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engster Zusammenarbeit mit dem Reichs- nährstand und dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft geleistet wird, zeigt, daß diese Auffassung ebenso falsch ist wie etwa die Meinung, daß die NSDAP. infolge des Einsatzes, den der totale Krieg fordert, ihre politischen, biologischen und kulturellen Ziele aufgegeben habe.

Der Erntedanktag 1943, der fünfte Ernte- danktag in diesem Kriege, ist der gegebene Anlaß, besonders die Frage zu prüfen, in welchem Maße die nationalsozialistische Agrarpolitik das Ziel der Leistungssteige-

rung zum Zwecke der Nahrungssicherung

für das Reich und für Europa erreicht hat.

Wenn es gelungen ist, unsere Nahrungs- versorgung insgesamt trotz der Beschrän- kungen des Krieges auf der bisherigen be- achtlichen Höhe zu halten, so mußten dabei allerdings bei der Zusammensetzung unserer Nahrung im Kriege erhebliche Verschie- bungen gegenüber den Gewohnheiten des normalen Verbrauchs in Kauf genommen werden. Das wesentliche Merkmal dieser Verschiebungen ist die Verlagerung unserer Ernährung von Nahrungs- mitteln tierischen auf solche pflanzlichen Ursprungs. Maßgebend dafür waren zwei Gründe: einmal der Aus- fall mancher tierischen Veredlungserzeug- nisse bzw. der Futtermittel durch den Krieg; zum zweiten: die Notwendigkeit, den an der Front kämpfenden Teil unseres Volkes den Soldaten stärker mit hochwertigen, meist tierischen Nahrungsmitteln zu ver- sorgen. So steht dem Absinken der tie- rischen Kalorien in unserer Kriegs- nahrung ein Ansteigen von pflanzlichen Kalorien auf 124 v. H. je Kopf der Be- völkerung gegenüber.

Nebenbei sei bemerkt, daß die Gesund- heitsführung die stärkere Verlagerung unserer Ernährung auf Nahrungsmittel pflanzlichen Ursprungs ernährungsphysio- logisch keineswegs als einen Nachteil an- sieht. Das soll nun allerdings keine wirt- schaftspolitische Begründung sein, sondern nur am Rande miterwähnt werden. Der ernährungspolitische Grund für diese Ver- schiebung liegt in der nun einmal nicht abzuändernden Tatsache, daß im Durch- schnitt für die Erzeugung von tie- rischer Nahrung siebenmal so viel Fläche benötigt wird wie zur Er-

zeugung vonpflanzlicher Nahrung. Ein Volk, dessen Ernährungsgewohnheiten viel Fleisch, Eier usw. bevorzugen, benötigt also einen viel größeren Nahrungsraum als ein Volk, das überwiegend Pflanzenkost be- vorzugt. Diese Tatsache muß nicht nur bei der Sicherung der Ernährung im Reich be- rücksicht werden, sie spielt auch eine ausschlaggebende Rolle beim Kampf um die Nahrungsfreiheit Europas. Hier ist auch für die Zukunft die Umstellung der menschlichen Ernäh- rungsweise auf pflanzliche Nährstoffe Vor- aussetzung für den Ausgleich der euro- pdischen Ernährungswirtschaft Grundlage der Eigenerzeugung bei gleich- zeitiger voller Abdeckung des Bedarfs an Nährwerten.

Heute ist es nicht mehr erforderlich,

darauf hinzuweisen, um wieviel besser die Ernährung des deutschen Volkes an der Schwelle des fünften Kriegsjahres im Ver- gleich zum Jahre 1918 ist. Der grundlegende Unterschied gegen damals liegt in der Tat- sache, daß heute die auf den Karten auf- gedruckten Rationen auch wirklich zur Aus- gabe gelangen, während sie damals zum großen Teil nur auf dem Papier standen. Außerdem wird heute durch ein vielseitiges und sorgfältig berechnetes System von Zulagen den höheren Nahrungsbedürf- nissen bei besonderen Arbeitsleistungen oder Lebensumständen (Jugendliche, wer- dende Mütter usw.) Rechnung getragen. Es ist eine nur wenig beachtete Tatsache, daß

überhaupt nur 36 v.H. aller Verbraucher

die normalen Rationen erhalten, während alle übrigen Verbraucher (von den gemäß ihres physiologischen Bedarfs unter den Rationen der erwachsenen Normalversor- gungsberechtigten liegenden Kindern ab- gesehen) Zulagen bekommen, die im Wege des Familienausgleichs vielfach eine Ver- besserung der gesamten Lebenshaltung er- möglichen. E

Wenn die Lebensbedingungen in den übrigen europäischen Ländern ein ungünstigeres Bild ergeben, so liegt das in erster Linie daran, daß dort die Folgen der verfehlten liberalen Wirtschaftspolitik, die zu einer Vernachlässigung der landwirt- schaftlichen Eigenerzeugung führte, noch nicht überwunden sind. In diesen Ländern hat jahrzehntelang der Wille zu einer posi- tiven Agrarpolitik gefehlt. Deshalb waren

auf der

dort weder gesetzliche noch organisato- rische Grundlagen vorhanden, die, wie in Deutschland der Reichsnährstand, das Reichserbhofgesetz oder die Marktordnung, von vornherein wichtige Voraussetzungen für die Leistungssteigerung in der landwirt- schaftlichen Erzeugung schufen. In den anderen Ländern Europas blieb, wenn man vor schwierigen Aufgaben stand, nichts übrig als der Einsatz von Behörde und Polizei. Beide können aber nun einmal eine gesunde Wirtschaftspolitik nicht er- setzen. Der Einfluß der deutschen Agrarpolitik, der auch in diesen Län- dern eine bessere Ausnutzung der landwirt- schaftlichen Erzeugungsgrundlagen erreicht hat, wird aber hier von Jahr zu Jahr immer mehr Wandel schaffen. Im Gegensatz zur feindlichen Agitation, die behauptet bat, daß Deutschland die besetzten Länder aus- geraubt habe, muß festgestellt werden, daß gerade von deutscher Seite nicht nur viel- fach Nahrungsmittel geliefert wurden, um akute Versorgungsschwierigkeiten bei ver- bündeten oder besetzten Ländern zu lindern, sondern daß vor allem durch Lieferung

- wichtiger Produktionsmittel, wie Saatgut,

Zuchtvieh, Maschinen und Düngemittel, sehr viel getan wurde, um die Bemühungen zur dauernden Hebung der landwirtschaftlichen Eigenerzeugung wirksam zu unterstützen.

Der geschilderte Umfang der Nahrungs- mittelversorgung im Reich war nur mög- lich, weil es dank der planmäßig und mit

` weitgesteckten Zielen schon im Jahre 1934

eingeleiteten Erzeugungsschlacht gelang, die landwirtschaftliche Erzeugung in ganz anderer Weise leistungsstark zu erhalten als im ersten Weltkriege. Selbstverständ- lich sind Produktionsausfälle eine

notwendige Folge jedes Krieges. Die

Führung der nationalsozialistischen Agrar- politik hat deshalb von Anfang an alle Kräfte in Bewegung gesetzt, um den natür- lichen Hemmungen, die der Krieg für die land wirtschaftliche Erzeugung mit sich bringt, entgegenzuwirken. Die Mobilisierung der in den land wirtschaftlichen Betrieben selbst noch vorhandenen Produktionsreser- ven und die Organisation der Gemein- schaftshilfe des Dorfes, die im letzten Jahr in der Einrichtung der Hofpatenschaft ihren

besonderen Ausdruck fand, standen im

vierten Kriegsjahr im Vordergrund. Der Erfolg dieser Arbeit wird besonders

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——

deutlich, wenn man die Produktions- leistungen der Landwirtschaft 1943 und 1918 vergleicht. So betrug die Ernte- fläche an Getreide 1918 nur noch 84 v. H. von 1914, bei Kartoffeln nur 83 v. H., bei Zuckerrüben sogar nur 71 v. H. 1943 er- reichte dagegen die Erntefläche bei Ge- treide 90 v. H. von 1939, bei Kartoffeln 95 v. H., bei Zuckerrüben sogar 105 v. H.

Dabei ist zu berücksichtigen, daß gleich-

zeitig die Erntefläche von Olsaaten um etwa das Achtfache, die Erntefläche für Gemüse um das Dreifache gesteigert wurde. Die Steigerung des Ulfrucht- und des Gemüse- anbaues und die Erhaltung des Hackfrucht- baues, der im Kriege sowohl aus Arbeits- einsatzgründen wie aus Gründen der be- schränkten Düngemittelverwendung stark behindert wird, sind ein besonders deut- liches Zeichen für den Leistungspwillen der . Landwirtschaft.

Dasselbe gilt auch für die Ernte- ‚erträge. Im ersten Weltkrieg lagen beim Getreide die durchschnittlichen Hektar- erträge der fünf Kriegsernten um 13 bis

18 v.H. niedriger als im langjährigen Durch- .

schnitt der Vorkriegszeit. In diesem Kriege sind die Durchschnittserträge sogar um ein geringes höher als im Durchschnitt der Vorkriegsjahre. Das gilt ebenso für die Hackfrüchte, deren Hektarerträge im ersten Weltkrieg um etwa 10 v.H. unter, in diesem zweiten Weltkrieg dagegen um 5 bis 9 v.H. über dem mittleren Vorkriegsstand liegen. In diesen Vergleichszahlen kommt die Leistung insofern noch ungenügend zum Ausdruck, als diese Zahl sich 1918 auf die Basis 1904 bis 1913, die Zahlen 1942/43 auf die Basis 1929 bis 1938 beziehen. Die Ernte- zahlen von 1929 bis 1938 jedoch liegen höher zum Teil erheblich höher als die- jenigen der Jahre 1904 bis 1913.

Noch günstiger wird das Bild, wenn man nicht nur die Anbaufläche und Hektar- erträge, sondern die Entwicklung der Gesamternten im ersten und zweiten Weltkrieg miteinander vergleicht. Danach erreichte die Getreideernte schon im Jahre 1917 nur 57 v. H. der Vorkriegshöhe,

. während im Jahre 1942/43 gegenüber 1939/40 84 v.H. geerntet wurden. Die Kartoffel- ernte war im ersten Weltkrieg auf 77 v.H. zurückgegangen, in diesem Kriege ist sie

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annähernd gleich geblieben. Während die Zuckerrübenernte damals auf 57 v.H. sank, erreicht sie heute 95 v.H. Bei Futterrüben, für die Zahlen aus dem ersten Weltkrieg nicht vorliegen, ist die Ernte im Kriege so- gar auf 109 v. H. gestiegen.

Beim Vergleich der Viehbestände ergeben sich bei den Rindern, besonders beim Kuhbestand, erhebliche Unterschiede. Die- ser war 1917 gegenüber der Vorkriegszeit bereits um 10 v.H. gesunken. während er sich 1942 noch ungefähr auf dem Vorkriegs- stand hielt. Diese Entwicklung war aus- schlaggebend für die günstige Milcherzeu- gung, die trotz der Verschlechterung der Futterversorgung 1942/43 noch 95 v.H. von 1939/40 erreichte. Noch günstiger als die Entwicklung der Milchleistung sind die Ziffern für die Entwicklung der Butter- erzeugung. Diese war im Jahre 1942/43 gegenüber 1939/40 auf 104 v. H., gegenüber 1938/39 sogar auf 126 v.H. gestiegen. Der günstigen Entwicklung des Kuhbestandes stehen allerdings Rückgänge beim Jung- vieh gegenüber, die zur Sicherung der künftigen Milch- und Fleischerzeugung eine sorgsame Beachtung erfordern.

Der Schweinebestand ist auch in die- sem Kriege zwangsläufig zurückgegangen. Die zur Anpassung an die Futterbasis not- wendige Verringerung ist allerdings viel langsamer und organischer vor sich gegan- gen als im ersten Weltkriege, in dem schon das Jahr 1915 infolge der planlosen Heraus- nahme von Schweinen den starken Rück- schlag brachte. Mit dem im vorigen Herbst eingeleiteten Aufbau des Schweine- bestandes, der jetzt durch eine vor- sichtige Lenkung hinsichtlich des Zeit- punktes der Sauenbedeckung ergänzt wird, sind auch hier die notwendigen Maßnahmen getroffen worden. In diesem Zusammenhang muß die Futtermittelpolitik noch Gegen- stand besonderer Sorgfalt sein. Angesichts dieser Lage muß vor allem größtes Ver- ständnis bei der Haltung von Geflügel und anderen Kleintieren erwartet werden. Die Kleintierhaltung darf in ihrem Gesamtumfang nicht größer sein als die zu ihrer Ernährung verfügbare Menge an Ab- fällen oder Futtermitteln, die für die Großviehhaltung nicht verwendet werden können.

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Mit frischem Mut geht es an das Tagewerk

Er muß es ganz genau wisst!

Wo in den Jahren des Niederganges wurde im Bund Artam der Gedanke geboren, der heute im Landdienst der Hitler-Jugend in breitester Form ver- wirklicht wird: die Stadtjugend zurück aufs Land zu WS führen, um ihr die Vielseitigkeit und Wichtigkeit der Kur bäuerlichen Arbeit vor Augen zu stellen. Nur wer AW selbst die Wahrheit des Wortes Friedrichs des Großen erfahren hat, daß der Landbau die erste aller Künste ist, kann voll ermessen, wie ungerecht und falsch es = war, über die Landarbeit verächtlich die Nase zu CS rümpfen. Aus den 500 Landdienstfreiwilligen des l Jahres 1934 sind inzwischen im laufenden Jahre 38 500 Jungen und Mädel geworden, die stolz und freudig die Wende der deutschen Jugend zum Bauerntum und zum Lande mit der Tat beweisen. Der Landdienst hilft allent- halben auf dem Hofe der Bäuerin und springt heute überall da ein, wo die Männer zu den Waffen gerufen sind. Ständig steigt auch die Zahl der Landdienstfrei- willigen, die nach ihrer Dienstzeit für immer mit der Landarbeit verbunden bleiben und einen landwirt- schaftlichen Lebensberuf wählen. Im Landdienst hat der Junge die ersten Voraussetzungen für den Neu- bauernschein erworben und kann nun ohne Ansehen des Standes und der Finanzkraft der Eltern, mit der inneren Bereitschaft und den notwendigen fachlichen Kenntnissen ausgerüstet, am bäuerlichen Siedlungs- werk unserer Tage teilhaben. So wird wertvolles Blut, das einstmals in den Vätern oder Großvätern dem Bauerntum durch Abwanderung verlorenging, in den E Kindern dem Lande zurückgeführt, um im erweiterten deutschen Lebensraum neu zu verwurzeln. Die Rück- führung der Stadtjugend auf das Land im Zeichen der Freiwilligkeit kann auch den Jungen und Mädeln unserer Dörfer ein sichtbarer Beweis der neuen Be- wertung ihrer bäuerlichen Arbeit sein und sie in ihrem Selbstbewußtsein und ihrer Schollentreue stärken.

Landdienstmädel von heute Bäuerin von morgen

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Jeder Tag des bäuerlichen Arbeitsjahres zeigt etwas von der vielseitigen Landarbeit. Zur Wintes zeit müssen Mieten geräumt werden

Nach Feierabend findet sich die Landdienstgruppe zur weltanschaulichen Schulung oder zum Hem abend zusammen

Die Produktionsleistungen im Stall und auf dem Acker werden ergänzt durch ge- steigerte Leistungen bei der Be- und Ver- arbeitung sowie im Handel und durch ständig verbesserte Methoden der Vorrats- haltung und des räumlichen und zeitlichen Marktausgleichs. Hier arbeiten Erzeugungs- schlacht und Marktordnung als wichtigste Garanten unserer Ernährungssicherung Hand in Hand. 1

Die Ernte 1943 bietet die Gewähr dafür, daß die Ernährung auch im fünften Kriegsjahr gesichert bleibt. Die sehr guten Erträge beim Getreide und bei den Olfrüchten ermöglichten gewisse Erleich- terungen und Verbesserungen. Bei ihrer Beurteilung muß man berücksichtigen, daß die Verstärkung der Wehrmacht, die Ver- mehrung der Zahl ausländischer Arbeiter und die Zuschüsse an verbündete und be- setzte Länder ebenso erhöhte Ansprüche an die Versorgungsbilanz stellen wie die Not- wendigkeit, gewisse Reserven für den Über-

gang zum neuen Erntejahr und ausreichende

Futtermittel für den Aufbau unseres Schweinebestandes bereitzustellen. Die Er- trägnisse der Kartoffel- und Gemüseernte werden infolge der in entscheidenden Wachstumswochen trockenen Witterung hinter den Vorjahren zurückbleiben. Hier wird also ein besonders sorgsames Haus- halten mit den zur Verfügung stehenden Mengen notwendig sein.

Auch zum Erntedanktag im fünften Kriegsjahr brauchen dem deutschen Land- volk keine neuen Parolen gegeben zu wer- den. Es gilt nur, entsprechend den unver- meidlichen steigenden Schwierigkeiten mit verstärkter Kraft auf den erprobten Wegen weiterzuarbeiten, getreu der Parole für die fünfte Kriegserzeugungsschlacht: Nahrung ist Waffe!

Wir wissen alle, daß die ausreichende Ernährung Voraussetzung ist für die Erhal- tung der Kraft unserer Soldaten und Rü- stungsarbeiter ebenso wie der Heimat, die heute infolge des Luftterrors unserer Gegner ganz anderen Belastungen ausgesetzt ist als in den ersten Kriegsjahren. Dag gesamte Landvolk und alle Angehörigen der Ernäh- rungswirtschaft wissen, was sie dem Führer schuldig sind. Die zunehmende Härte des Krieges verlangt? nach größere An-

strengungen, um die Leistungen der Ernährungswirtschaft zu er halten und nach Möglichkeit zu steigern. u

An der Spitze stehen immer wieder die Forderungen, nicht nur mehr zu erzeugen sondern auch mehr abzuliefern. Nur die- jenigen Nahrungsmengen, die der ordnungsgemäßen Bewirtschaf- tung zugeführt werden, dienen wirklich der Sicherung unserer Er- nährung. Das gilt nicht nur für die Haupt- nahrungsmittel, sondern ebensosehr für Eier, Geflügel, Obst und Gemüse. Die Um- quartierung von hunderttausenden Volks- genossen aus den luftgefährdeten Gebieten auf das Land macht es notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen, daß die vor- übergehende Zunahme der Bevölkerung auf dem Lande nicht dazu führen darf, daß irgendwelche Nahrungsmengen der Ge- samtversorgung entzogen werden. Die Auf- klärungsarbeit der Partei wird dazu beitra- gen, das hierfür notwendige Verständnis auch bei unseren Gästen aus der Stadt zu stärken.

Die zweite Forderung wiederholt die Parole des vorigen Jahres, allenoch,un- genutzten Produktionsreserven in den Betrieben selbst zu mobilisie- ren. Dadurch wird es möglich sein, mancherlei Schwierigkeiten, die sich infolge der Beschränkungen beim Arbeitseinsatz, bei den Zugkräften sowie bei der Bereit- stellung von Treibstoff, Düngemitteln und anderen Betriebsmitteln ergeben, auszu- gleichen. Seitens der Führung wird auf der anderen Seite alles geschehen, um unter allen Umständen Mindestmengen der un- entbehrlichen Produktionsmittel bereitzu- stellen, ohne die nun einmal intensive Land- wirtschaft nicht betrieben werden kann.

Wenn zum Erntedanktag auch in diesem Jahr unserem Landvolk, insbesondere aber unseren Landfrauen, die nun schon vier Kriegsjahre lang mit unvergleichlichem Einsatz oftmals über ihre Kräfte arbeiten, der Dank der Nation zum Ausdruck ge- bracht wird, so wird das Landvolk an diesem Tage die Reihen noch fester schließen in dem unbeirrbaren Wollen, alles zu tun, um dem Führer die Voraussetzungen für den Endsieg zu schaffen.

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WILHELM BLOEDORN:

Partei und Lanovolk

ls in den Jahren nach der schändlichen

Revolte vom November 1918 dem deutschen Volk durch die Inflation das gesamte Barver- mögen entwertet wurde, traf dieser Schlag die an sich schon in den Jahrzehnten vorher wirt- schaftlich stark geschwächten bäuerlichen und landwirtschaftlichen Kreise besonders hart. Die damaligen Führer der Landwirtschaft suchten zunächst bei den alten oder neu entstandenen politischen Parteien Hilfe, die der Landwirt-

schaft jedoch nicht gebracht werden konnte,

weil selbst der Wille dazu bei den Parteiführern des damaligen Systems nicht vorhanden war. In dieser Zeit der wirtschaftlichen Zerrüttung und vaterländischen Zersplitterung schuf der un- bekannte Soldat des Weltkrieges Adolf Hitler die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter- partei, die dazu berufen ist, dem deutschen Bauerntum die ihm gebührende Stellung im deutschen Volksleben wiederzugeben.

Halten wir einmal Rückschau auf die Anfänge, so kommt uns in Erinnerung, daß zunächst schon der Name der neuen Partei dem

Bauerntum nicht sonderlich zusagte. Von einer

„Arbeiterpartei“ glaubte man nicht das Heil für den Bauern erwarten zu können, Zu sehr hatte man sich unter dem Einfluß von Marxismus und Liberalismus daran gewöhnt, in einer solchen Namensgebung den Ausdruck von eigensüchti- gen und klassenkämpferischen Bestrebungen zu sehen. Auch vermieden es der Führer und seine Partei bewußt, uns vom Landvolk goldene Berge zu versprechen, Eine scharfe Unterscheidung be- stand hier von Anfang an gegenüber den poli- tischen Parteien und den vielen Interessen- vertretungen, die sich um die Landwirtschaft bemühten, wenigstens soweit man sie für die parlamentarischen Wahlen zur Stimmabgabe be- nötigte. Wer aber zur Gefolgschaft Adolf Hitlers gehören wollte, mußte sich frei bekennen von Eigennutz, durfte nur als opferbereiter, blut- und glaubensvoller Idealist zu ihm kommen.

In dieser wahrhaft verworrenen Zeit nach dem Weltkriege war es natürlich, daß eine solche aus der Tiefe der Erkenntnisse genährte Einstellung nicht gleich in weiten Kreisen der Bauern und Landwirte zu finden war. Was sagte denn auch der Führer in seinem Bekenntniswerk „Mein Kampf” über die Rechte der bäuerlichen Men- schen: „Vergeßt nie, daß das heiligste Recht auf dieser Welt das Recht auf Erde ist, die man selbst bebauen will, und das heiligste Opfer das Blut, das man für diese Erde vergiebt,

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Neben dem Recht steht hier as sogleich D" Opfer. Wieviel bequemer war es aber doch bei den sogenannten politischen Parteien, die nur Rechte verhießen und keine Opfer forderten Allerdings hatte der Führer in „Mein Kampf" auch die Sätze geprägt: „Die Möglichkeit der Erhaltung eines gesunden Bauernstandes als Fundament der gesamten Nation kann nie mals d hoch genug eingeschätzt werden. Viele unserer heutigen Leiden sind nur die Folge des ungesunden Verhältnisses zwischen Land- un Stadtvolk. Ein fester Stock kleiner und mittlerer Bauern war noch zu allen Zeiten der beste Schutz gegen soziale rankt wie wir sie heute besitzen. Dies ist aber auch die einzige Lösung, die eine Nation das tägliche i Brot im inneren Kreislauf einer Wirtschaft finden läßt.” i

Auch diese starke Hervorhebung der Bedeu- tung gerade der kleinen und mittleren Bauern wurde von den gegnerischen Parteien, besonders aber von den Parteikreisen, die sich auf den Großgrundbesitz stützten und nun glaubten ein übriges tun zu müssen, in klassenkämpfe- rischem Sinne mißdeutet. Es wurden der NSDAP. ähnliche Aufspaltungstendenzen zwi- schen Klein und Groß unterschoben, wie sie sich bei den demokratischen und marxistischen Par- teien beobachten ließen. Wir alle wissen weiter noch, welche Rolle die übelwollende Mißdeutung des Punktes 17 des Programmes der Bewegung vom 24. Februar 1920 über die „unentgeltliche Enteignung" in dem Kampf um die Gewinnung der Seele des Landvolkes für die deutsche Er- neuerung durch die NSDAP. spielte.

Welche Bedeutung aber gerade der Führer diesem Kampf um das Landvolk als dem starken Träger des zukünftigen deutschen Staates bei- maß, das kam für jeden sichtbar und einprägsam zum Ausdruck durch die von Adolf Hitler selber unterzeichnete „Parteiamtliche Kund- gebung über die Stellung der NSDAP. zum Landvolk und zur Landwirt- schaft‘ vom März 1930, dem einzigen Sonder- programm, das Adolf Hitler neben dem grund- sätzlichen Parteiprogramm von 1920 in Kraft setzte.

Aus diesem Leitprogramm des Führers für das Landvolk und die zukünftige agrarpolitische Ausrichtung der Partei möchte ich nur die zwei Kernsätze hervorheben: „Wir erkennen nicht

nur die überragende Bedeutung des Nährstandes für unser Volk, sondern sehen im Landvolk auch den Hauptträger volklicher Erbgesundheit, den Jungbrunnen des Volkes und das Rückgrat der Wehrkraft. Die Erhaltung eines leistungsfähigen, im Verhältnis zur wachsenden Gesamtzahl auch zahlenmäßig entsprechend starken Bauernstan- des bildet einen Grundpfeiler der natio- nalsozialis tischen Politik, gerade des- halb, weil diese auf das Wohl des Gesamtvolkes auch in den kommenden Geschlechtern gerich- tet ist.”

Der zweite von mir gemeinte Kernsatz aus der parteiamtlichen Kundgebung ist gerade für unsere heutige Zeit von tiefem verpflichtendem Sinn: „Der Staat hat die Aufgabe, die wirtschaft- liche und kulturelle Hebung des Bauernstandes entsprechend seiner Bedeutung für das ganze Volk zu fördern und dadurch eine Haupt- ursache der Landflucht zu beseitigen.”

Zur entscheidenden Ausführung dieser Grund- gedanken der nationalsozialistischen Agrar- politik schuf der Führer im gleichen Jahre den Agrarpolitischen Apparat der NSDAP. Im Februar 1931 fand in Weimar die erste Tagung dieses Agrarpolitischen Apparates der Partei mit den für die Mitarbeit gewonnenen Männern des Landvolkes in Gegenwart des Füh- rers statt. Das Land Thüringen erlebte somit die erste Reichsbauernkundgebung unter der Füh- rung der NSDAP. mit Adolf Hitler selbst als Redner und Verfechter der berechtigten Forde- rungen des Landvolkes entsprechend den von ihm schon vorher bekanntgegebenen Grund- sätzen, die er in klarer Prägnanz mit dem einen Satz umriß: „Die Landwirtschaft ist die Basis des Lebens der Nation an sich.“

Diese Bauernkundgebung von Weimar können wir heute als einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte des Bauerntums unter der nationalsozialistischen Führung überhaupt ansehen. Von dieser Zeit an wuchs auch die Zahl der Anhänger der NSDAP. aus dem Landvolk stärker als die aus den städti- schen Kreisen, und bei den darauffolgenden Wahlen von 1931 und 1932 wurde ein Anzahl Bauern und Landwirte durch die NSDAP. in die Parlamente gewählt. Es wäre falsch, die Tätig- keit dieser Abgeordneten nach dem messen zu wollen, was in dieser Zeit für Landvolk und Landwirtschaft in den Parlamenten durchgesetzt wurde; denn das Hineingehen in die Parlamente geschah ja nicht aus dem Wunsche, dem dort herrschenden Parteienklüngel diese oder jene Hilfsmaßnahme abzuringen. In diesem Abschnitt des nationalsozialistischen Freiheitskampfes mußten sich vielmehr alle Kräfte auf die Schaf- fung der innerpolitischen Voraussetzung eines Neubauwerkes von Grund auf, auf die Erringung der Macht im Staate, kon- zentrieren. Immerhin konnte durch das starke Eintreten der NSDAP. für die Landwirtschaft verhindert werden, daß die gesamte Landwirt-

schaft und somit das Bauerntum ein Opfer der Vernichtungspolitik der damaligen Machthaber wurde.

Nach der Machtübernahme am 30. Januar änderte sich mit einem Schlage die Lage zu- gunsten der Landwirtschaft. Es ergab sich, daß zur Durchführung aller wirtschaftlichen Spezial- aufgaben eine besondere Organisation, der Reichsnährstand, gegründet werden mußte, dem alle die vielen bestehenden Organisationen, wie Landbund, Landwirtschaftskammer, Ge- nossenschaften usw., ein- bzw. angegliedert wur- den. Somit wurde eine einheitliche Arbeitskraft auf diesem Gebiet der Selbstverwaltung ge- schaffen. In engem Zusammenhang damit stan- den einschneidende wirtschaftliche

Sofortmaßnahmen. t

Der Führer selbst hob die laufenden Zwangs- versteigerungen auf, in allen Fällen wurden die Ursachen nachgeprüft und den unschuldig in Not geratenen Bauern und Landwirten die Exi- stenz erhalten. Die Marktordnung und Preis- gestaltung, nationalsozialistischen Wirtschafts- gedanken entsprungen, schufen die Voraus- setzungen, um dem Bauern einen gerechten Lohn für seine Arbeit zukommen zu lassen. Das Reichserbhofgesetz als ein unerläßliches Gebot für die Erhaltung des deutschen Bauerntums wurde in Kraft gesetzt. Neubauernhöfe zur Ver- wirklichung des Gedankens eines gesunden und lebensfähigen Bauerntums entstanden in großer Zahl, solange nicht die Notwendigkeit schnell- ster und stärkster militärischer Aufrüstung in steigendem Maße alle Kräfte der Volkswirt- schaft beanspruchte, und die von der Systemzeit her nicht lebensfähigen Neubauern wurden ent- bzw. umgeschuldet. `

Dies alles war nur möglich, weil immer die politische Kraft des gesamten Volkes in der NSDAP. wurzelte, die sich diese Forderungen zu eigen machte, und weil der Reichsnährstand durch das Amt für Agrarpolitik von der Partei ausreichend unterstützt wurde. Von der NSDAP. erst sind die starken Kräfte des Landvolkes zur aktiven Entfaltung im ge- schlossenen Einsatz geführt worden. Die totale Bindung an die Partei gibt uns einzig die Ge- währ dafür, daß die Mobilmachung der deut- schen Bauernkraft auch in Zukunft von der gesamten Nation gefördert und erhalten werden wird, entsprechend der Erkenntnis: „Die Land- wirtschaft ist die Basis des Lebens der Nation an sich.“

Auf die enge Verbindung, die aus meiner Wirksamkeit als erster Leiter des agrarpoli- tischen Apparates der NSDAP. im Gau Pommern und meiner nach der Machtübernahme erfolgten Ernennung zum Landesbauernführer für Pom- mern begründet ist, darf ich es wohl zurück- führen, daß die Zusammenarbeit mit der Partei im Gau Pommern im großen und ganzen durch- aus befriedigend und fruchtbringend war. Den- noch ergaben sich aber zwischendurch Fälle, die

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mir bewiesen, daß auf manchen Gebieten und vor allem in solchen Kreisbauernschaften, wo die Kreisbauernführer nicht den notwendigen Kontakt mit den Kreisleitern behalten hatten, mitunter ein an sich vermeidbares Nichtver- stehen oder Nebeneinanderarbeiten mancher guten Sache schadete, bzw. sie nicht so zur Aus- wirkung kommen ließ, wie es im Interesse der agrarpolitischen Gestaltung und der Wichtigkeit aller Arbeiten zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes in jeder Beziehung sein muß. Es darf nicht vorkommen, daß auch nur gelegent- lich ein Redner der Partei sich zu wichtigen Fragen der Reichsnährstandsarbeit nicht ge- nügend ausgerichtet erweist, und auf der ande- ren Seite darf auch bei den Politischen Leitern kein Grund zu berechtigten Klagen darüber ge- geben sein, daß in den Dingen der weltanschau- lichen Ausrichtung und Schulung, der Jugend- erziehung usw. die Erwartungen, die an die Führung im Reichsnährstand gestellt Ren nicht voll erfüllt werden.

Wenn solche (Erscheinungen im großen ge- sehen ohne ernste Rückwirkungen auf das sicht- bare Ergebnis unseres Einsatzes blieben, war das dem im allgemeinen doch durchaus befriedigen- den Kontakt mit dem politischen Führerkorps zu

verdanken. Wie die Verhältnisse hier in Pom-

mern lagen, so war es nach meiner Kenntnis in der letzten Zeit mindestens, nachdem der Agrarpolitische Apparat in der Partei mehr und mehr zum Ruhen gekommen war auch in den meisten anderen Landesbauernschaften, Der ge- meinsame Marschweg von Partei und Reichs- nährstand wurde zwar nur selten durch einen falschen Schritt verunziert, es war aber doch so, daß im Interesse der Aktivierung und zur Ver- meidung auch des kleinsten Leerlaufes ein noch engeres Zusammenwirken für die praktische Arbeit dringend wünschenswert blieb, So konn- ten wir es alle nur begrüßen, daß seit dem Vor- jahr durch den mit der Führung der Geschäfte des Reichsbauernführers und des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft beauftragten Staatssekretär Backe auch nach außen hin die dominierende Stellung der Partei für alle großen agrarpolitischen Fragen durch die Erneuerung des Amtes für Agrarpolitik in der Partei in der Form des Reichsamtes für das Landvolk wieder unzweideutig zum Ausdruck gebracht wurde.

In der kurzen Zeit seit dieser Neuregelung haben wir eine Entwicklung erlebt, die über- zeugend beweist, daß diese Maßnahme des Parteigenossen Backe einem Bedürfnis ent- spricht, das nicht länger unberücksichtigt blei- ben durfte. Zugleich hat sie das erfreuliche Er- gebnis gebracht, daß heute an keiner Stelle mehr irgendwie der Eindruck entstehen kann, als ob der Reichsnährstand vielleicht den Ehrgeiz hätte, so etwas zu sein oder werden zu wollen, was man einen Staat im Staate nennen könnte, Es kann gar kein Zweifel mehr daran bestehen, daß alle Mitarbeiter im Reichsnährstand gern

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tums vorbehaltlos und mit allen Kräften 3

der Daseinsgrundlagen des Bauerntums für e

Krieges die agrarpolitische Gestaltung und d

und ing: Zi die Partei, der ih erhaltende Arbeit letztlich ja auch 1 sch galt, in der Führung des bäuerlichen Mensc a

unterstützen. 7 7

Wir haben noch schärfer sehen gelernt ı nd verspüren, wie unersetzlich gerade diese > rung der Partei für unsere Aufgaben auch auf bäuerlich-kulturellem Gebiet ist und daß nur durch und über die Partei der gespannte Rahmen gewonnen werden kann, e wir für die Erfüllung unserer bevölkerur biologischen Berufung ebenso wie zur Sich

Zukunft brauchen. Ich möchte nur auf die ur Führung des Reichsamtes für das Landvolk nu 0 ins Fluten gekommene Welle des bäuerlict Berufserziehungswerkes hinweisen. hätte bei noch so gutem Willen und noch so- starkem und zielbewußtem Einsatz allein durch die Reichsnährstandsarbeit niemals die Ausden- nung und auch niemals die nachhaltige Resonanz im allgemeinen gefunden, die jetzt bereits für dies schicksalhafte Werk erreicht worden ist.

Es besteht wohl nirgends ein Zweifel darüber, daß nach dem siegreichen Abschluß dies E: 30 agrarwirtschaftliche Entfaltung im Großd schen Reich sowohl wie in den neuen Wirt d schaftsgebieten, die uns dann im europäischen Ostraum zur Verfügung stehen werden, nut durch die wegbereitende Stoßkraft und unter dem starken Schirm der Partei zu den Ergeb- nissen geführt werden kann, wie wir alle, es zum Segen des bäuerlichen Berufsstandes und zur Sicherung der Fundamente des Reiches erhoffen, das im weltgeschichtlichen Sinne einmal von ewigem Bestand sein soll. Was das Landvolk im besonderen anbetrifft, so werden wir auch die ausschläggebenden Ziele der Aufrüstung des Dorfes, der Steigerung der sozialen Leistungen für den Bauernstand und vor allem der stärkeren Freistellung unserer Bäuerinnen für ihre eigent- lichen Aufgaben als Frau und Mutter nur er- warten können, wenn die Erkenntnis dieser Not: wendigkeiten in der Partei wurzelt, die Volks- gemeinschaft bis zu ihrem letzten Gliede durch- dringt und so zu lebensgesetzlicher Kraft gedeiht.

Zusammenfassend darf ich wohl sagen: Die Arbeit des ehrenamtlichen Bauern- führers hat in vier Kriegsjahren die Probe voll bestanden. Das Vertrauen, das der Führer 1933 in die Bauern gesetzt hat, ist durch die Leistungen in der Erzeugungsschlacht bestätigt worden. Sämtliche ehrenamtlichen Bauernführer sind nicht nur Parteigenossen, sondern sie erfüllen auch ihre Aufgaben im Vertrauen auf den Führer in tieferem Sinne als die Treuhänder der Partei. Es wird auch bestimmt die Anerkennung nicht ausbleiben. So wie das deutsche Volk zur Zeit gemeinschaft- lich seinen schweren Kampf kämpft, kann nu!

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das Endziel voll erreicht werden, wenn die große politische Macht, verkörpert in der NSDAP., wie bisher die Arbeit des Landvolkes schützt. Den organisatorischen Apparat dafür haben wir in dem Amt für das Landvolk. Jeder Hoheitsträger hat seinen Amtsleiter für das Landvolk zur Verfügung, und diese enge, ver- bindende Zusammenarbeit spornt alle an, weiter wie bisher ihre Pflicht zu tun. E

Wenn wir nach vier Kriegsjahren auch das Erntedankfest nicht mit lautem Jubel feiern, so

HANS-JOACHIM RIECKE:

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kann das Landvolk doch mit Befriedigung darauf zurückschauen, daß es ihm gelungen ist, das Volk durch seiner Hände Arbeit satt zu machen, und in stiller Freude steht das ganze deutsche Volk ihm zur Seite. Uns ist es bewußt: Es geht um die Freiheit des Bauerntums, es geht um die deutsche Nation. Darum kämpfen und arbeiten wir weiter für Heimat und Scholle, für Führer, Volk und Vaterland.

Deutsche Bauernkraft wird auch hier ihrer alten

geschichtlichen Mission gerecht werden.

Das Landvolk in der Front der Schaffenden

„Heut ist es, wo das Morgen, in der Gegenwart ist es, daß die Zukunft ge- schaffen wird.“

Carl von Clausewitz, 1808.

De beispiellose Steigerung des kriegerischen Krafteinsatzes, die wir in den letzten Jahr- hunderten erlebt haben, beruht nicht in erster Linie äuf der Entwicklung der modernen Waffen- technik seit der Erfindung der Feuerwaffen, denn diese hat ja an der Grundforderung des Krieges, des Einsatzes des Lebens um der Be- hauptung des Lebens willen, nichts geändert.

Die Steigerung des kriegerischen Krafteinsatzes .

beruht vielmehr vor allem auf der immer stärkeren Erweiterung des Kreises der Kämpfenden bis zu der Totalmobil- machung aller verfügbaren Kräfte, die wir heute erleben. Noch die Kriege des 19. Jahr- hunderts wurden trotz der Einführung der all-

gemeinen Wehrpflicht nur von Minderheiten

der kämpfenden Nationen geschlagen. In dem gegenwärtigen uns aufgezwungenen Existenz- kampfe gibt es keine Abseitsstellung mehr. Der Fronteinsatz des waffenfähigen Teils des deut- schen Volkes stellt nur einen wenn auch den stärksten Ausschnitt der kriegerischen Aus- einandersetzung dar. Hinter der Front unserer Heere steht, auf Gedeih und Verderb untrennbar miteinander verbunden, die Front der Schaf- fenden in der Heimat. Zu dieser Front in der Heimat gehören nicht nur Rüstungsindustrie, Ernährungswirtschaft und Verkehrswesen, son- dern gehören ebensosehr, um nur einige Bei- spiele zu nennen, die zahlreichen Aushilfskräfte zur Aufrechterhaltung des täglichen Lebens-

ablaufes, deren Einsatz wertvolle Kräfte für das Heer freimacht, die freiwilligen Helfer und Hel- ferinnen in unseren sozialen Fürsorgeeinrich- tungen und alle, die unser kostbarstes Volks- gut, unsere Kinder, betreuen, um diese der Be- drohung durch den feindlichen Vernichtungs- willen zu entziehen.

Es war den Engländern und Amerikanern vor- behalten, mit der rücksichtslosen Anwendung der Waffengewalt gegen die Zivilbevölkerung ohne geringste Schonung der Alten und Kran-

ken, Frauen und Kinder die letzte Grenze zu

durchbrechen, die bisher Recht und Sittlichkeit der Ausdehnung der Kriege gezogen hatten; denn bisher galt es als ein unantastbares Gesetz der Kriegführung, daß Waffengewalt nur gegen Bewaffnete angewendet werden dürfe. Die Miß- achtung dieses Grundsatzes hat den Kampf mitten in die Heimat hineingetragen und den Kreis der unmittelbar am Kampfe Beteiligten un- geheuer erweitert. Gerade die Formen, die der Luftkrieg angenommen hat, lehren uns das Wesen des uns. aufgezwungenen Kriegeg er- kennen als das eines Vernichtungs- krieges, der sich mit allen verfüg- baren Kampfmitteln gegen die Exi- stenz unseres Volkes schlechthin richtet. Dieser hemmungslose Vernichtungs- wille bestimmt das Wesen dieses Krieges. Die moderne Luftwaffentechnik ist dabei nur Mittel zum Zweck. Sie ist nicht einmal das Mittel, das diesen Wesenswandel des Krieges erst ermög- licht hat. Im ersten Weltkriege war es die über das deutsche Volk verhängte Hungerblockade. die England zum gleichen Zwecke diente, und

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diese hat das wollen wir nicht vergessen ein Mehrfaches an Opfern gefordert, als uns bis- her der Luftkrieg auferlegt hat, ohne daß damals eine Gegenwehr möglich war.

Im Wesen dieses Vernichtungskrieges liegt es begründet, daß dieser keinen Frieden kennt, der dem besiegten Volke eine auch noch so be- scheidene Existenzmöglichkeit gewährt. Schon die „Frieden“ von Versailles und Saint Germain waren ja nur eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, Instrumente des internatio- nalen Judentums zur ewigen Versklavung des deutschen Volkes. Nachdem aber unsere Feinde haben einsehen müssen, daß sich das deutsche Volk nicht auf die Dauer in die Sklaverei herab- drücken läßt, kennt ihr Haß nur ein Ziel: die restlose Auslöschung der deut- schen Volksexistenz. Zu diesem Ziele hat sich denn auch das internationale Judentum mit der zynischen Offenheit bekannt, die ihm nach seiner Demaskierung durch den Nationalsozia- lismus nur noch übrigblieb. Die „Friedenspläne“, die die Sprecher des Judentums veröffentlicht

haben, haben daher nur bestätigt, was schon.

längst offensichtlich war, daß es in diesem Kriege für das deutsche Volk nur ein Entweder- Oder gibt: Sieg oder Untergang.

Totalmobilmachung deutscher Volks kraft |

Diesem Vernichtungswillen hat der National- sozialismus die Totalmobilmachung deut- scher Volkskraft entgegengesetzt, deren oberstes Ziel es ist, jeden auf den Posten zu stellen, auf dem er seine Fähigkeiten am wir- kungsvollsten für den Selbstbehauptungskampf seines Volkes einsetzen kann. So ist der Krieg die große Bewährungsprobe des Nationalsozialismus als Sozialismus der Tat. Diese Totalmobilmachung deutscher Volkskraft erfordert eine bisher beispiellose Organisationsleistung, die naturnotwendig tief in den Alltag jedes einzelnen eingreifen muß, um diesen auf die Erfordernisse des Krieges auszurichten. Gerade deswegen aber ist sie mehr als bloß eine Organisationsfrage, ist sie eine volkserzieherische Aufgabe, deren Bedeu- tung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann; denn mehr als je gilt in diesem Falle die alte Erfahrungstatsache, daß auch die beste Organisation letzten Endes nur die Leistung er- zielen kann, der die Seelenstärke und Willens- kraft der Organisierten fähig ist.

Die Kampfkraft des deutschen Volksheeres hat von jeher darauf beruht, daß es für jeden deutschen Soldaten ein selbstverständliches Ehr- gebot ist, sich bis zum Letzten einzusetzen. Die innere Überzeugung von dieser Notwendigkeit,

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in Herz und Hirn gleich stark verwurzelt, gab dem Soldaten nicht nur die Kraft der Bewährung in den Stunden der Schlacht, sondern auch die Disziplin, sein ganzes Sein den Erfordernissen des militärischen Dienstes unterzuordnen, und jeder, der Soldat gewesen ist, weiß, daß diese zweite Bewährungsprobe oft die schwierigere ist, weil hier die Beziehung zu dem letzten Sinn des Soldatenseins nicht mehr für jeden so offen- kundig ist wie beim Einsatz in der Schlacht.

In dieser weniger starken Unmittelbarkeit der Beziehung zwischen dem uns aufgezwungenen Existenzkampf und der eigenen Tätigkeit liegt auch die besondere Schwierigkeit der Total- mobilmachung aller Kraftreserven in der Hei- mat; denn nur bei einem Teil der in der Heimat Schaffenden ist diese Beziehung so klar gegeben wie etwa bei der Rüstungsindustrie oder der Landwirtschaft. Nahrung ist Waffel Diese Erkenntnis, daß die Kampfkraft der Front, die Arbeitskraft der Heimat von einer ausreichen- den Nahrungsversorgung abhängt, ist dem deut- schen Landvolk so in Fleisch und Blut über- gegangen, daß sie einer verstandesmäßigen Begründung kaum noch bedarf. Aber bei der Übertragung dieser Erkenntnis auf den Alltag derLandarbeit zeigt sich doch sehr bald, daß es einer stets wachen Selbst- kontrolle bedarf, um jede einzelne Handlung, wie es notwendig ist, wirklich gemäß dieser Er- kenntnis auszurichten. Immer wieder tritt an den einzelnen die Versuchung mit der das Ge- wissen einschläfernden suggestiven Frage heran: Kommt es denn auf diese unbedeutende „Klei- nigkeit“ wirklich an? Und es bedarf der Einsicht in die Gesamtzusammenhänge der Ernährungs- wirtschaft, um zu erkennen, daß deren Funktio- nieren von dem reibungslosen Zusammenwirken einer Fülle kleiner und kleinster Einzel- maßnahmen abhängt, daß daher jeder stets so zu handeln verpflichtet ist, als ob von ihm allein der Erfolg oder Mißerfolg der deutschen Ernährungspolitik abhänge.

Ist also selbst bei der Landarbeit immer wieder eine strenge, unnachsichtige Selbstkon- trolle notwendig, um sich der verpflichten- den Beziehung zwischen demExistenz- kampfunseres Volkesund der eigenen Tätigkeit bewußt zu werden, so gilt das in noch viel höherem Maße von zahlreichen ande- ren Berufen. Hier bedarf die Erkenntnis, daß der Existenzkampf unseres Volkes keinem gestattet, sein Tun und Handeln als „Privatangelegenheit“ anzusehen, daß eines jeden Verhalten zum mindesten mittelbar Einfluß auf den Kriegsver- lauf hat, eines noch höheren Grades der Einsicht in den Lebenszusammenhang der Nation.

Allerdings muß man sich darüber klar sein,

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daB der Verstand allein noch keine Bürgschaft für eine Haltung, wie sie der Krieg erfordert, bietet. Auf der Annahme, daß der Verstand die menschliche Haltung bestimme, beruht einer der gefährlichsten Irrtümer des Liberalismus. Er hat zu jener Uberschätzung und. Uperzüchtung des Intellekts geführt, über deren verderbliche Folgen uns erst der Verfall und das Versagen des Bürgertums im ausgehenden Zeit- alter des Liberalismus die Augen geöffnet hat. Die Haltung des Menschen wird vielmehr von einer Reihe unwägbarer Eigenschaften bestimmt, von denen es abhängt, wie sich der Verstand auswirkt. | Ob ich den Eigennutzen zur Richtschnur mei- nes Handelns wähle oder all mein Tun den Geboten des gemeinen Nutzens unterordne, ist eine Frage meiner Weltanschauung und meines Lebensgefühls, und mein Verstand ist nur Anwalt der Entscheidungen, die diese getroffen haben. Ob sich mein Schaffen in dem Bemühen um das eigene Wohlergehen er- schöpft oder ob es seine beste Kraft der Sorge um die Zukunft der Kinden und Kindeskinder entnimmt, ob es sich in den großen Lebens- zusammenhang unseres Volkes dienend einzu- fügen vermag, hängt von einer Bewertung mei- nes Lebens ab, bei der Gemüt und Geist den Ausschlag geben, der Verstand aber nur der Sprecher ist. OB der einzelne fähig ist, sich zu dem höchsten Standpunkt, den Carl von Clause- witz uns lehrt, durchzuringen, zu der Erkenntnis, „daß einzelne Geschlechter nichts sind als ein geringes Werkzeug der Vorsehung, daß sie ihren Wert nur darstellen können in dem Werke, was durch sie geschaffen wurde, daß es gleich- gültig ist, ob das Werkzeug ein wenig früher oder später zerbricht“, darüber entscheidet die ganze Artung des Betreffenden, bei der die Entwicklung des Verstandes nur ein Faktor von vielen ist. |

Der Einfluß deutscher Bauernart

Pür die deutsche Menschenart ist die Tatsache von schicksalhafter Bedeutung geworden, daß das deutsche Volk als Bauernvolk seinen Gang in die Geschichte angetreten und als solches Jahrhunderte gelebt und gewirkt hat, so daß sein Wesen in allen seinen Grund- zügen durch sein Bauerntum bestimmt und geformt worden ist. Dieser Einfluß läßt sich daher auch in allen seinen Lebensäuße- rungen beobachten. Seine Stärke wird durch die Tatsache, daß er den meisten unbewußt sich auswirkt, nicht gemindert. Er wird zudem stän- dig erneuert; denn Jahr für Jahr strömen aus dem Landvolk allen Gliedern des Volkes neue Kräfte zu. Der Einfluß des Bauerntums ist daher nicht nur eine aus ferner Vergangenheit stam-

mende Tatsache, Geht man der Herkunft der städtischen Familien nach, so ergibt sich bei der überwiegenden Mehrzahl, daß die zweite oder dritte, fast mit Sicherheit aber die vierte oder fünfte Generation vom Lande stammt. So ist auch das starke Anwachsen der Städte an und für sich noch kein Beweis für den abnehmenden Einfluß des Bauerntums. Die Funktion einer Baumwurzel wird ja nicht dadurch gemindert, daß der Stamm, der dieser Wurzel entsprießt, sich immer höher emporreckt, daß die Krone, die er trägt, sich mehr und mehr ausbreitet. Aller- dings darf auch nicht übersehen werden, daß bei gesundem Baumwuchs sich Wurzelwerk, Stamm und Krone in einem bestimmten Verhältnis zu- einander befinden müssen, daß, wenn das Wur- zelwerk verkümmert, das Wachstum des ganzen Baumes naturnotwendig leiden muß; denn dieser bildet ja eine organische Einheit, von der sich kein Glied separieren kann. So ist der bäuer- liche Einschlag, der alle Glieder unseres Volkes bis in seine letzte Verästelung kennzeichnet, nur der Ausdruck der naturgegebenen Einheit deut- schen Volkstums. Wer daher deutsche Volksart In ihrer letzten Tiefe erkennen will, muß um das Wesen deutschen Bauerntums wissen.

Das zeigt sich in den großen Bewährungs- stunden der Nation mit besonderer Eindringlich- keit. An einer anderen Stelle dieses Heftes wird den geschichtlichen Zusammenhängen zwischen

deutschem Soldatentum und deutschem Bauern-

tum nachgegangen. (Vgl. Dr. Klaus Schmidt, Pflug und Schwert, Seite 20 ff.) Aber auch ohne Kenntnis dieser Zusammenhänge zeigt sich der wesenbestimmende Einfluß des deutschen Bauerntums auf das deutsche Soldatentum in der das ganze deutsche Volk kennzeichnenden Grundeinstellung zum Kriege. For den Bauern ist der Krieg weder Selbstzweck noch Mittel zu jedem beliebigen Zweck. Der deutsche Bauer hat stets nur dann zum Schwerte -ge- griffen, wenn er seinen Hof, seine Familie, den Lebenskreis seiner Heimat bedroht sah oder wenn die Enge seines Lebensraumes ihn zwang, neue Heimat zu suchen. Diese entschlossene Verteidigung seiner Heimat beschränkte sich allerdings nie auf die Sicherung lediglich der materiellen Existenz. Der deutsche Bauer wollte stets auf seiner Scholle mit der Selbstverant- wortlichkeit des freien Mannes wirken. Daher nahmen seine Kämpfe um Haus und Hof immer wieder den Charakter von Freiheitskämpfen an. Nur Kriege, die diesen Zielen galten,. empfand der deutsche Bauer als gerecht, d. h. als, weil seiner ganzen Art entsprechend, innerlich not- wendig. Nur in solchen Kriegen gelang es, seine ganze Kraft aufzubieten. Demgemäß ist auch stets die Einstellung des ganzen deutschen Vol- kes zum Kriege gewesen. Die geballte Kraft der

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ganzen Nation mobil zu machen, ist stets nur dann gelungen, wenn es galt, Heimat und Freiheit zu verteidigen, neue Heimat zu erringen. Kämpfte das deutsche Volk in diesem Bewußtsein, so war es noch immer unüberwindlich und wird es auch in diesem uns aufgezwungenen Existenzkampfe sein.

Drei Grundgesetze deutscher Bauern- arbeit

Die Anspannung aller Kräfte, die dieser Kampf um Sein oder Nichtsein erfordert, hat nicht nur den Soldaten an der Front, sondern jeden Schaffenden in der Heimat zum Kämpfer gemacht. In dieser Stunde zeigt sich daher mehr denn je auch die schicksalbestimmende Bedeutung, die der Einfluß deutscher Bauernart auf die Arbeitsauffassung des deutschen Vol- kes hat. Arbeit und Leben stehen für den Bauern in einem so unmittelbaren ursäch- lichen Zusammenhang, daß für ihn die Auf- fassung der Arbeit als Dienst am Leben eine naturgegebene Selbstverständlichkeit ist, die keiner Begründung bedarf. Bäuerliche Pflicht- treue ist daher Ausdruck des Willens zum Leben und wird nicht etwa als Verdienst empfunden. Nur so ist es erklärlich, daß der Bauer seine Arbeit zu leisten vermag, ohne daß er jemals mit Sicherheit weiß, ob die Natur diese Arbeit mit der erhofften Frucht segnen wird. Er weiß nur eins: Wer leben will, muß arbeiten. So fühlt sich der Bauer stets in der Hand eines allwaltenden Schicksals, das den Arbeits- unfähigen ebenso wie den Arbeitsunwilligen als untauglich oder unwürdig zum Leben unerbitt- lich zerbricht. Nichts lag dem Bauern ferner als etwa Gotteslästerung, wenn er den Spruch ge- prägt hat: „Hilf dir selbst, dann hilft dir auch dein Herre Gott.“ Der Bauer erlebt es ja stets von neuem am eigenen Leibe, daß Gott nur in den Starken mächtigist.

Das zweite große Gesetz aber, unter dem seine ganze Lebensarbeit steht, beruht auf der Erkenntnis, daß, wie sein eigener Arbeits- erfolg aufbaut auf der Arbeitsleistung seiner Ahnen, er selbst mit seinem Schaffen berufen ist, den Grund zu legen für das. Wirken seiner Kinder. So wächst der Bauer mit seinem Werke über sich hinaus und greift gestaltend ein in eine Zukunft, die er mit eigenen Augen nicht mehr erlebt. So lernt er aus ureigener Erfahrung heraus in Geschlechtern denken. So weitet sich für ihn die Erkenntnis: „Wer leben will, muß arbeiten” zu dem Gebot: „Schaffe, damit deine Kinder zu leben haben.“ Dieses Wissen um die Einordnung seiner Lebensarbeit in den großen Lebensstrom von Geschlecht zu Geschlecht bewahrt den Bauern

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nicht nur vor kurzsichtigem Raubbau am Boden, der wohl reiche Väter, aber arme Söhne macht, sondern gibt ihm Kraft und Mut, sich an Werke heranzuwagen, die er nie anpacken würde, wenn für. sein Schaffen nur der persönliche Lebens- erfolg ausschlaggebend wäre, So geht von der Erkenntnis, daß die eigene Arbeitsleistung viel- fältig in der Arbeitsleistung der Kinder fort- wirkt, der Antrieb zu einer steten Lei- stungssteigerung aus, die den deutschen Bauern zum Pionier intensivster Landeskultur in der ganzen Welt gemacht hat.

Wie so als Dienst am Leben die Arbeit zum Dienst an der Familie wird, so wird sie in wei- terer Konsequenz zum Dienst in und an den über dıe Familie hinausgreifenden Lebensgemein- schaften wie Nachbarschaft, Dorf, Berufsstand, die die Zellen des .Volksorganismus bilden. Damit ist dast dritte Gesetz gegeben, unter dem die bäuerliche Arbeit steht: der Dienst in und an den Lebens gemeinschaften, die in ihrer letzten großen Zusammen- fassung sich zur Volks gemeinschaft ausweiten. Auch dieses dritte Gesetz gründet sich auf das unmittelbare Erleben des Bauern. Die großen Kulturleistungen des deut schen Bauerntums es sei nur an die Geschichte der Ostsiedlung erinnert sind in erster Linie der Kraftkonzentration zu verdanken, die sich in den bäuerlichen Lebens gemeinschaften vollzog. Um die Bedeutung der Gemeinschaft für den Lebenskampf zu erkennen, bedarf der Bauer aber nicht erst des Rückblickes in die Ge Jedes Bauernleben bietet Beispiele genug, was eine gute Nachbarschaft, eine fest- gefügte Dorfgemeinde in Zeiten, die höchste Kräfteanspannung erfordern, zu leisten vermag, und der Krieg unterstreicht diese alte bäuerliche Lebenserfahrung mit besonderem Nachdruck.

So war für den deutschen Bauern von jeher ein fester genossenschaftlicher Zusammenhalt in den verschiedensten Formen nicht etwa der Ausdruck sentimentaler Schwarmgeisterei, son- dern Ausfluß der Erkenntnis, daß das Schaffen in Gemeinschaft zu höchster Leistungssteigerung befähigt. Die bäuerlichen Lebensgemeinschaften entsprangen nicht dem Anlehnungsbedürfnis von zu selbständiger Tat unfähigen Schwäch- lingen, sondern dem Willen ihrer persönlichen Leistung wohlbewußter Starker, durch festen Zusammenschluß noch stärker zu werden. So ist es auch erklärlich, daß gerade der deutsche Bauer mit seinem so ausgeprägten Selbständigkeitsdrang, der in dem Bewußtsein, Herr auf eigener Scholle zu sein, seinen höchsten Ausdruck findet, in so reichem Maße genossen- schaftliche Lebensformen entwickelt hat. Als Gebot bäuerlichen Lebenskampfes, als Willens- bekenntnis zu höchstmöglicher Leistungssteige

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Julius Paul Junghanns

Lob der Bauernarbeit”

von Walter Horn

A, dem steilen Berghang sind die Mäher am Werk. Vor dem tiefblauen Himmel, in der

klaren reinen Luft des Hochgebirges, klingt der feierliche Rhythmus der bäuerlichen Arbeit. Mit kühnen, klaren Linien sind die Gestalten der drei arbeitenden Bauern um- rissen, mit zügigem Schwung verrichten die kräftigen Mähergestalten ihr schweres Tagewerk. Hellgrün glänzt das frisch gemähte Gras, weiß leuchten die Hemden aus derbem Leinen in der Sonne. Was die Kraft der Farben auszusagen vermag, was die vom Künstler geformte Linie unserer Phantasie an Erlebniswerten vermitteln kann, hat Albin Egger- Lienz in seinem Bild „Bergmäher' zu einem Symbol von einmaliger Ausdrucksfülle ver- dichtet. Es gibt wenige Bilder, in denen der Verzicht auf alle malerischen Effekte, auf Rührung des Gemüts und poetisch lyrische Stimmungen so kompromißlos durchgeführt worden ist. Die Kraft der reinen Formen, von aller Zufälligkeit und kleinlichen Alltäglich- keit befreit, redet eine erhabene Sprache. Das Werk des Bauern, in die Urgewalt der Landschaft gestellt, ersteht als künstlerisches Sinnbild in elementarer Größe, ein Hymnus der bäuerlichen Arbeit, ein Andachtsbild für den erdverbundenen Menschen, ein Preislied auf die Arbeit des Landmannes, wie es in der Kunst niemals schlichter, sparsamer und ergreifender geformt worden ist.

Die Kunst gibt einen zuverlässigen Maßstab für den Besitz des Volkes an seelischer Kraft und schöpferischer Eingebung. Was die Gemeinschaft im Innersten bewegt, offenbart sich im Spiegel der bildnerischen Impulse. Aber wie weit auch der Künstler die Grenzen seiner schöpferischen Einsicht steckt, im Mittelpunkt seines Ringens um ein gültiges Abbild des Weltgeschehens steht immer der Mensch. Kunst kann Ausdruck des Gefühls sein. Im höheren Sinne strebt sie nach einer Ordnung und Klärung der sichtbaren Wirklichkeit.

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Pflüger

Die echte Kunst will umgeformtes seelisches Erleben vergegenwärtigen, schöpferische Spannung, die zur Gestaltung drängt, klare Form, die innere Klarheit voraussetzt. Des- halb bemüht sich der Künstler nicht nur um das Abbild des Menschen, sondern er er- kennt eine hohe und verpflichtende Auf- gabe, ihn tätig und schaffend darzustellen, einer Leistung gerecht zu werden, die im Dienste der Gemeinschaft vollbracht wird, So erleben wir die Kunst als ethisches Bindeglied zwischen dem Lebenskreis der Persönlichkeit und dem Volksganzen.

Es ist bemerkenswert, daß Wilhelm Leibl, der bedeutendste Maler bäuer- licher Charaktere, für sich die Darstellung des arbeitenden Bauern abgewiesen hat. Dieser um seine innere schöpferische Voll- endung ringende Meister meinte der Eigen- art des erdverbundenen Menschen nur mit den Mitteln künstlerischer Charakterisie- rung gerecht zu werden. Der Wert der Per- sönlichkeit offenbarte sich der individua- listischen Epoche vor allem im Porträt, in einer sorgfältigen Darstellung der äußeren

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Georg Ehmig Der Sensendengler

Willy Waldapfel Erntesegen

Leonhard Sandrock

Mittagspause am Dampf-Pflug

Wesenszüge, die auch eine Ahnung vom inneren Gesicht, vom seelischen und charakter- lichen Eigenwert des Menschen vermittelt. Das schlechte Beispiel der süßlichen und verflachten Bauerndarstellung um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat selbst einen Leib] abgeschreckt, den bäuerlichen Menschen in seiner Arbeit darzustellen. Der kom- pr Öse und einsam um die Verwirklichung seiner Aufgabe bestrebte Leibl lehnte jede lerische Darstellung, die den bäuerlichen Menschen in eine tätige Beziehung zu er Arbeitswelt setzte, als einen billigen Tribut an unkünstlerische Gefühlswerte ab.

bb hatte die Erfahrung eines langen, mühseligen Arbeitslebens unter den Bauern der oberbayerischen Landschaft hinter sich, als er seinem künstlerischen Bemühen um ein Gültiges Abbild des bäuerlichen Menschen bewußt enge Grenzen zog. Die Darstellung des Andmanns als wirkende und tätige Persönlichkeit, das uralte heilige Handwerk an der Erde im unabänderlichen Rhythmus von Saat und Ernte, muß auf anderen künstlerischen Grundgesetzen aufbauen, als sie Leibl seinem schöpferischen Wesen gemäß empfand. Die Verkörperung des tätigen Menschen, die schöpferische Bezwingung der kraftvollen Arbeitsbewegung, die unser Auge als eine rastlose Folge von Eindrücken in sich aufnimmt, | die Malerei zwangsläufig in den Bereich der monumentalen Gestaltung. Der Rhythmus des Schaffens will einen Widerklang im Gefüge des Bildes finden. Die bedrän- gende Vielgestaltigkeit des Tuns, von dem die Photographie einen Sekundenausschnitt letet, muß sich im Bild gleichsam als Akkord einer leiseren und gemäßigteren Formung der Linien vergegenwärtigen. Deshalb strebt die monumentale Malerei vom Abbild des Geschehens zum Sinnbild, von der bewegten Form zur strengen Linie, vom flüchtigen Erfassen der Gegenwart zur Vergeistigung und Verinnerlichung.

Nun haben die Künstler unseres Volkes seit alter Zeit die harte Arbeit des Bauern immer teder mit naiver Ursprünglichkeit dargestellt, weil sich in der Arbeit auf Acker und Feld die Sorge des Menschen um Nahrung und Brot am sinnfälligsten offenbarte. Schon vor 709 Jahren hat ein unbekannter Meister an der Fassade des Straßburger Münsters, an den

Sockeln des Reigens der klugen und törichten Jungfrauen, die ewige Wiederkehr der zwölf Jahresmonde in sinnbildlichen Darstellungen der Bauernarbeit im Jahreslauf ver- körpert. Uraltes, bildgewordenes Volksgut, ein kräftiges und natürlich-derbes Loblied auf die Arbeit des Landmannes, klingt auf ungezählten Holzschnitten, Stichen und Tafel- bildern, in Bilderhandschriften und auf Kalenderblättern volksliedhaft wider. Wie alle Kunst, die noch am naiven Ursprungsort des schöpferischen Bildens verharrt, bleiben diese alten Darstellungen der Bauernarbeit im Bereich des einfachen künstlerischen Vorwurfs, über den der Künstler fabulierend berichtet, ohne das Motiv durch eine bewußte ästhe- tische Durchformung vor den Augen des Betrachters zu erhöhen und zu vergeistigen. Auch wo die Darstellung der Bauernarbeit einen moralisierenden Charakter gewinnt, wo bauern- feindliche Bestrebungen der Zeit den Maler zu karikierender Verzerrung verführen oder wo der Künstler vor der harten Wirklichkeit in das vermeintliche Idyll des Landlebens flüchtet, bleibt der künstlerische Wert der Darstellung auf formale Wesenszüge beschränkt und kann sich von der Enge individueller Begrenzung nicht frei machen. Auch die mit Recht gerühmten niederländischen Bauernmaler des 16. und 17. Jahrhunderts, die Feniers, Brouwer, Ostade, spiegeln in ihrem Werk bei hohem künsterischem Eigenwert ihrer Bilder immer noch eine zeitgebundene Auffassung von Bauernleben und Bauernarbeit, die von einer ethischen Wertung des bäuerlichen Schaffens weit entfernt ist.

Aus dem Erscheinungsbild dieser erdhaften Darstellungen bäuerlicher Menschen erhebt sich einsam und groß das Werk des Pieter Breughel, der den Ehrennamen „Bauern— Breughel” trägt. In seinen Bildern offenbart sich überraschend, mit elementarer Kraft, eine unbefangene Darstellung des Bauernlebens. Das bäucrliche Dasein wird in seiner Mühe

Carl Ederer Am Marktplatz

gheit, in seiner Lebensfülle und überquellenden Kraft mit sittlichem Ernst be-

Die Bauernarbeit in der üppigen Landschaft Brabants, die Breughel mit der nigen Versenkung des Genies in das urtümliche Wesen bäuerlicher Menschen gewinnt durch schöpferische Verinnerlichung den Rang eines Beispiels von yralischer Sinnbildlichkeit. Die unbestechliche Sachlichkeit dieser Darstellung der n Lebenswelt weiß mit scheinbar altertümlichen Ausdrucksmitteln vollendet Wirkungen zu erzielen. Hier wird zum erstenmal in der Kunst ein Bauer geschil- als Herr und Diener der Natur sich über allem Irdischen als tätige Lebensmacht

‘oße Vorbild Breughels hat im vorigen Jahrhundert in Frankreich einen künst- ı Nachhall gefunden, in dem sich lebendiges Empfinden für die Überlieferungs- oßer Vorbilder mit einem ernsten Bemühen um neue Ausdruckswerte verbindet. orfe Barbizon fand sich ein Kreis von Malern, betreut von einer deutschen Wirtin, »emühte, in dem arbeitenden Bauern mehr als eine Staffage der Landschaft zu sehen ;chaffende Werk des Menschen in der Natur mit sparsamen künstlerischen Mitteln cken. Millet war der bedeutendste dieser französischen Bauernmaler. Seinen ler Landarbeit eignet ein andächtiger Wesenszug, das ernsthafte Bemühen, mit enen Mitteln viel auszusagen. Doch soll man die zeitgebundene soziale Tendenz lder Millets nicht übersehen, die vor der Last der Arbeit einen Ausweg sucht, ohne che Kraft des bäuerlichen Werktags als schicksalhaft zu empfinden. Ein Brief pricht diesen Zwiespalt deutlich aus: „Auf den bestellten Feldern... erblicken ende, hockende Gestalten. Von Zeit zu Zeit sehen Sie, wie sie sich das Kreuz urechtrücken, wie man sagt, und den Schweiß mit dem Rücken der Hand ab- Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen! Ist das die fröhliche, sene Arbeit, an die manche Leute uns glauben machen möchten? Und doch befindet de hier auch die wahre Menschlichkeit, die große Poesie.“

bt Millets Verdienst, daß er den Bauern nicht im Sonntagsgewand, sondern bei der »malt hat, nach einer ernsten und innerlichen Auffassung des Landlebens strebend.

Die Bergmäher

Rudolf Schramm-Zittau

Dieses schlichte Wesensbild des bäuerlichen Menschen wurde von der deutschen Malerei zu einer neuen, ernsten und wahren Kunstauffassung vertieft. Leibl und Uhde, die Maler- kreise in den Dörfern Willingshausen, Worpswede und Dachau, Heinrich von Zügel und seine Schule in dem rheinischen Dorf Wörth haben einer elementaren künstlerischen Deutung und ethischen Begründung der Notwendigkeit des bäuerlichen Tuns den Weg gebahnt. Diesen Künstlern danken wir, daß die unechte und verlogene Schilderung des Bauernlebens, die für viele Jahrzehnte das Feld der Kunst als süßliche Situationsmalerei und redseliges Panorama beherrschte, von einer künstlerisch gestalteten Lebenswirklich- keit abgelöst wurde.

Albin Egger-Lienz, ein echt bäuerlicher Mensch, in einem kleinen Tiroler Dorf geboren und von Kind auf mit den Mühen und Gefahren der Bergbauernarbeit vertraut, hat als erster deutscher Maler den Weg zur monumentalen Darstellung der bäuerlichen Arbeit konsequent bis zur Vollendung durchschritten. Er erkannte die Aufgabe des Künstlers, die Welt der Sichtbarkeit zu einem Ausdruck zu entwickeln und von allem Zufälligen zu befreien. Höchste künstlerische Aufgabe erschien ihm, ein Sinnbild des Menschen zu schaffen, der mit der Arbeit seiner Hände der Erde das Brot für sich und sein Volk abringt. Sein künstlerischer Ernst verleiht den schlichten Handhabungen der bäuer- lichen Arbeit Größe und Dauer. Vor der Unermebßlichkeit der Natur kann nur die erhabene Arbeitsmühe des Bauern bestehen. Egger-Lienz hat, wie einer seiner Biographen auf- zeichnet, den Stadter" als einen künstlerisch für ihn kaum in Betracht kommenden menschlichen Vorwurf bezeichnet, den Arbeiter ausgenommen, denn dieser erschien ihm wie der Bauer als das Abbild des werktätigen Menschen, „dessen Daseinsberechtigung schon durch den physischen Ausdruck seiner Arbeitsleistung gegeben ist“. „Seine Glied- maßen, seine Haltung, sein Gang, das alles ist auf den täglichen Lebenskampf eingestellt und daher noch unverbildet, noch nicht überkultiviert.“

Wenn man die monumentalen Gemälde der Bauernarbeit von Egger-Lienz mit Bildern

Frau mit Ziege

Carl Kayser-Eichberg Pflügender Bauer

Millets vergleicht, spürt man, wie der Deutsche alle Fesseln der zufälligen Erscheinung gesprengt hat, nach einer großgefügten Ordnung des Bildganzen strebt, die den arbei- tenden Bauern und seine Landschaft gleichsam von neuem schafft. Der Sämann schreitet über den Acker und streut mit weitausholender Gebärde das Korn. Der Pflüger mit dem Ochsengespann steht einsam zwischen Himmel und Erde auf seinem Acker wie ein grauer Felsblock. Die Bergmäher, fast nur Silhouetten vor dem dunkelblauen Himmel, führen die Sensen mit sausendem Schwung durch das frische Gras, so handgreiflich im rhythmischen Einklang und Widerklang der linearen Umrisse dargestellt, daß man die Bewegung ihrer angespannten Arbeitsenergie förmlich zu sehen und hören vermag. Der alte Bauer mit dem breitkrempigen Hut tritt am Feierabend wie ein riesenhaftes Urwesen, ein Mensch aus Fülle und Kraft, über die Schwelle seines Hauses und erhebt die arbeitsharte Hand zur segnenden Gebärde. Die wenigen starken Farben, in denen Egger-Lienz alle Kraft sammelt, verklingen mit den Jahren, am Leben reifend, zu einem tonigen Erdbraun. Das ist die Farbe des heimatlichen Bodens, die „Eggerfarb‘, die der Vater des Künstlers, der Dorfmaler, ihm einstmals als Ausdruck bäuerlicher Empfindungen gerühmt hat. Egger-Lienz hat zu einem Freund von dem Wesen dieser Bauernmalerei gesprochen: „Sie sehen da, wie ich nicht am Modell klebe und nicht am Detail, sondern durch die Form aus der Natur das Symbol des Charakters und umgekehrt den Charakter des Symbols herausreiße... Das organische Leben des Menschen wie der Dinge liefert mir das Material zum Bau meiner Form, aber ich halte mich durchaus nicht an den optischen Eindruck, an das äußerlich Sichtbare, ich schmelze um, ich baue auf, verdeutliche, beseele, versinnbildliche... das Gewöhnliche, das Alltägliche zum Symbol, zum Dauernden, zum allgemein Gültigen. Ich trachte, Wahr- heit in der Klarheit und Klarheit in der Wahrheit zu geben.“

In der Bauernmalerei unserer Zeit wirkt diese große Überlieferung fort, bereichert um neue Wesenszüge, die eine Einsicht in die ethische Bestimmung der bäuerlichen Arbeit erkennen lassen. Viele deutsche Künstler unserer Zeit, die den Bauern und seine Arbeit

schildern, haben auf dem deutschen Dorf inmitten des Landvolks ihre schöpferische Heimat gefunden. Vor allem die alljährlich im Sommer stattfindende Große Deutsche Kunst- = ausstellung im Münchener Haus der Kunst zeigt in Bildern der Bauernarbeit immer wieder Beispiele einer volksnahen Kunstgestaltung. Auch die diesjährige Münchener Ausstellung hat das Erscheinungsbild der deutschen Kunst durch eine Reihe von Gemälden bereichert, die Bilder des ländlichen Alltags und Sinnbilder aus dem Kreislauf des bäuer- lichen Jahres sein wollen. Sie mahnen den Beschauer: Ehre das Landvolk, dessen Arbeit das Leben des Volkes sichert!

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Manche Künstler bedienen sich stimmungsgebundener Ausdrucksmittel und lassen uns Mensch, Landschaft und Himmel als stillen Zusammenklang in der heißen Mittagsstunde der Erntezeit erleben. Andere Maler streben nach einem harmonischen Bildgefüge, dessen innere Ordnung in monumentaler Sprache den Sinn des bäuerlichen Lebens, den Segen der Bauernarbeit und die Fülle der Ernte kündet. Dabei zeigt Leonhard Sandrock als ein Künstler der älteren Generation, der als Industriemaler wegweisend geworden ist, daß die Bauernarbeit auch in ihrer modernen Form ein dankbares Motiv des Künstlers sein kann, daß die Zusammenarbeit von Landarbeit und Technik der Kunst dankbare Vorbilder gibt.

Die künstlerische Eindringlichkeit, mit der in unseren Bildern die Bauernarbeit geschil- dert wird, vermag im Betrachter ein seelisches Erlebnis zu wecken. Als schöpferisches Zeugnis vom Leben des Volkes werden diese Gemälde der Aufgabe der Kunst in ernster Zeit gerecht.

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Rudolf Hermann Eisenmenger Schafhirl

rung will daher auch das oberste Gesetz aller genossenschaftlichen Zusammenschlüsse des Bauerntums von alters her verstanden sein, das Urgesetz deutschen Sozialismus: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Aus dem Willen zu höchster Kraftentfaltung erklärt sich die eiserne Entschlossenheit, mit der dieses Gesetz von den Vertretern der bäuerlichen Eigengerichtsbarkeit und Selbstverwaltung gehandhabt wurde. Es ist daher auch kein Zufall, daß Aufstieg, Nieder- gang und Wiedergesundung des deutschen Bauerntums aufs engste mit der Entwicklung der bäuerlichen Lebensgemeinschaften zusam- menhängen.

So kennzeichnet die bäuerliche Arbeitsauf- fassung die Arbeit als Dienst in dreifacher Be- ziehung: als Dienst am Leben und daher als Dienst an der Familie und in weiterer Konse- quenz als Dienst in und an den volklichen

Lebensgemeinschaflten. Damit aber wird die `

Bauernarbeit zum dreifachen Dienst am Volke. Diese Dreieinigkeit des Dienstes ist dem deut- schen Bauerntum eingeboren. Sie ist kein Ver- dienst, sondern des Bauern Natur. Gerade darin aber besteht die schicksalbestimmende Bedeu- tung der bäuerlichen Arbeitsauifassung für den Lebenskampf unseres Volkes.

Bäuerliche Arbeitsauffassung und deutsches Arbeitsethos

Mit dem bäuerlichen Blutstrom ist auch das

Blutserbe der bäuerlichen Arbeits- auffassung in alle Teile des deutschen Volkes übergegangen und hat seine Kraft auch in den so anders gearteten städtischen Lebensverhältnissen im Dienste am Volksganzen vielfältig bewährt. Wenn wohl kein anderes Volk wie das deutsche so sehr geneigt ist, seinen Lebensinhalt in der Arbeit zu suchen, so ist diese Einstellung, die von jeher das Rückgrat deutscher Leistungsfähigkeit gebildet hat, ein Widerhall der bäuerlichen Arbeitsauffassung, für die Leben und Arbeit eine lebens-

gesetzliche Einheit bildet. Wenn deutsches

Wesen dahin gekennzeichnet werden konnte, daß Deutschsein heißt: eine Sache um ihrer selbst willen tun, d. h. aus innerer Not- wendigkeit heraus und nicht um des Erfolges willen, s0 spricht daraus das aus deutscher Bauernart stammende Pflichtbewußtsein, das

dem Ruf des Ackers gehorcht, ohne zu wissen,

ob die dem Acker anvertraute Saat mit Frucht lohnen wird, weil das Leben es so gebietet. Wenn im Deutschen immer wieder die Sehn- sucht mächtig zum Durchbruch kommt, durch sein Werk das Wohl der Kinder und Kindeskinder zu unterbauen und zu 5 chern, so folgt das deutsche Volk dem alten

usrlichen Lebensgebot, für die Ernte auch der folgenden Generationen vorzusorgen.

Die stärkste Allgemeinauswirkung der bäuer- lichen Arbeitsauffassung aber erleben wir im deutschen Sozialismus in seinen ver- schiedenen geschichtlichen Erscheinungsformen, der immer wieder den Grundsatz „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ zum L&bensgesetz des gan- zen deutschen Volkes erhoben hat. Aber es wäre nie möglich gewesen, diesem Le- bensgesetz die notwendige allgemeine An- erkennung zu verschaffen, die dieses in den groBen Epochen deutscher Geschichte stets ge- funden hat, wenn die innere Bereitschaft zur Anerkennung dieses Gesetzes dem deut- schen Volke nicht als Erbe deutscher Bauernart im Blute gelegen hätte. So. hat auch die volks- wirtschaftliche Arbeitsteilung, wie sie sich durch die Herausbildung der Städte und die fortschreitende Industrialisierung vollzog, nur deswegen zu einer gewaltigen Leistungssteige- rung der Nation geführt, weil die Idee der Gemeinnützigkeit das sittliche Fundament der deutschen Arbeitsauffassung bildete. Ohne diese Vorherrschaft des gemeinen Nutzens be- steht die Gefahr, daß die volkswirtschaftliche Arbeitsteilung, wie das durch den National- sozialismus überwundene Zeitalter des Liberalis- mus warnend beweist, zur Aufspaltung des Volkes in gegenseitig sich bekämpfende Inter- essentenhaufen führt. Die revolutionäre Kraft des Nationalsozialismus, in dem der deutsche Sozialismus seine intensivste Ausprägung ge- funden hat, aber beruht gerade auf der Wiederausrichtung des Blickes aller Schaffenden auf das Wohl des Volks- ganzen.

In diesem Sieg der Idee des gemeinen Nutzens offenbart sich die trotz aller Irrungen und Wir- rungen des Liberalismus ungebrochene Kraft des deutschen Blutes. Sie wird sich auch in dem Schicksalskampfe der Gegen- wart bewähren und das ganze deutsche Volk zur Hergabe des Letzten befähigen. Der deutsche Bauer kennt in diesem Schicksalskampf nur ein Bestreben, sich an Pflichttreue durch niemanden überbieten zu lassen. Er fühlt sich in diesem Bestreben einig mit allen Deutschen, die diesen Namen verdienen, auf welchem Posten sie auch stehen mögen, sei es als Soldat an der Front, sei es als Schaffender in der Heimat. Er weiß mit dem ganzen deutschen Volke, daß die Zu- kunft so sein wird, wie wir die Gegenwart meistern, mehr noch, daß, wenn wir des Heute nicht Herr werden, uns kein neuer Morgen auf- leuchtet. In diesem Wissen aber liegt auch die Gewißheit des Erfolges; denn der deutsche Bauer braucht nur seiner selbst getreu zu bleiben, um seine Aufgabe in der Front der Schaffenden zu erfüllen,

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Die Quelle unserer Kultur

ls die Verstädterung begann, löste

sich die Zivilisation von der Kultur, das technische Element vom einfachen Leben. Das Brot, das auf dem Lande heute noch kultisch vom Bauer als Korn gesät, ge- erntet, gemahlen, als Teig geknetet, geformt und gebacken wird, das gleiche Brot ist Massenware, die elektrisch am laufenden Bande fabrikmäßig hergestellt wird. Dieser Unterschied etwa charakterisiert so Geist wie Seele, so Symbol wie Gehalt, so Natur wie Technik, so Zustand wie Fortschritt.

Wir ländlichen Leute sehen heute noch die Dinge so ursprünglich wie vor tausend

Jahren. Eine Quelle ist uns heute noch eine Quelle, und kein Gleichnis für Forschung, kein Quellennachweis. Die Dinge sind uns alle noch sinnfällig, eindeutig und gegen- ständlich. Das heißt, sie stehen gegen uns, und wir müssen sie meistern im handwerk- lichen Sinne, wir müssen ihrer Herr wer- den, sie aus dem Wege räumen oder sie nutzen, aber wir sehen sie nicht symbolisch.

Das Leben ist unmittelbar lebendig ge- blieben. Das Dasein ist keine Hausnummer in einer kasernenhaften Mietwohnung, keine Telephonnummer geworden. Der Nachbar ist der Originalität verhaftet ge- blieben und hat sich zu keinem Titel oder irgendeiner Charge .oder einem Klischee verwandelt. Die Originalität, das Ursprüng- liche ist bei uns auf dem Dorfe zu Hause.

Kultur ist aber nichts anderes als bewußt gewordene oder zum Bewußtsein ge- meisterte Ursprünglichkeit. Sich selber und seine Beziehungen zu den Dingen der Um- welt erleben und dieses Erlebnis in seinen Grundrissen und seinem Plan nachgestal- ten, das eben ist das schöpferische Moment, das wir als Kulturaufgabe ansprechen. Daß die Fassungen, das Erfassen und das Auf- fassen der Dinge, der Gegenstände unserer Umwelt, sich ständig verändern, diese Tat- sache ergibt den Wandel im Wesen der ver- schiedenen Kulturepochen.

Wer sich daher mit Kultur oder Kultur- kreisen befaßt, muß zurück zum Ursprüng- lichen. Er muß sich selbst als Einfalt beob- achten und das Vielfältige seiner zur zwei-

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ten Natur gewordenen zivilisatorischen Routine ablegen, um von diesem unkompli- zierten Standpunkte aus sein und das Leben überhaupt in die Hand zu nehmen.

Ja, in die Hand nehmen; er muß alle Be- griffe wieder zu Griffen, zu - Handgriffen machen, die Eindrücke hinterlassen. Ein- drücke in den Gegenständen, um deren Be- tracht es ihm geht. Das Oberflächliche muß überwunden und die Fläche wieder Mittel zum Zweck des Inhaltes werden. Flächen bedeuten immer Inhalte, und Inhalte haben Sinn. Diese Sinngebung ist Kultur.

Den Dingen und ihrem Raumanspruch, ` ihrem wirklichen Inhalt, ihrer inneren Hal- tung Sinn geben, bedeutet einen schöpfe- ` rischen Akt, stellt eine Gabe von höchster kultureller Deutung und damit Bedeu- RS tung dar.

Der verstädterte Mensch geht etwa E das Land, um Motive für sein Atelier zu holen, um für seine Heime (der Heimat ging er verlustig) Kultur anzureichern. K

Was malt er eigentlich? s

Er malt immer und überall die kulturelle Leistung des Landmannes. Er malt nämlich eine Landschaft, die in jeder Einzelheit das Werk, das Meisterwerk ihres Bauherrn, des Bauern, ist. Der Bauer hat das Gesicht und. das Gesetz der Landschaft bestimmt. Der Bauer, und niemand anders, hat die Flächen verteilt in das Geviert der Felder. Er hat den Waldsaum gemeistert, er hat den Wald selbst in seiner Mischung, Farbe und Struk- tur wachsen lassen. Er hat den Obstbaum gesetzt, er hat den Johannisbeerstrauch ge- pflanzt. Er hat die Stelle der Brücke be- stimmt, den Fußweg abgeschritten, die erste Straße in ihrer Zielsicherheit, ihren Bedin- gungen gelegt. Er hat die Mühle an den Bach gebaut, genau an der Stelle, die der verstädterte Mensch dann schön, idyllisch, poetisch oder malerisch findet.

Alles, aber auch alles ist jahrhunderte- altes, natürliches, naturverbundenes Kul- turgut des Landmannes, so weit das Auge über das offene Land hinschauen mag. Die Städter geben nur Maltechnik dazu, Finger- fertigkeit und den Holz- oder Gipsrahmen. `

Ich spreche keiner Romäntik der bäuer- lichen Kultur das Wort. Beileibe nicht. Ich weiß genau, was ein Kuhfladen ist und daß Hühnerdreck kein französisches Parfüm ist; ebenso, daß man bei uns auf dem Lande auf manchen Feldwegen bei schlechtem Wetter im Dreck stecken bleibt und nicht in hym- nischem Rohstoff.

Kein Wort gegen den Fortschritt der Technik. Die Elektrizität ist eine feine, saubere Sache, ein nüfzliches Ding. Aber alle diese technischen Errungenschaften haben mit der quellenden ewigen Anregung der immer primitiven, aber schöpferischen Natur, der immer verrätselten und wunder- vollen, weil voller Wunder, geheimnis- vollen Natur nicht das geringste gemein- sam. Die Zivilisation des sogenannten modernen Lebens, des Lebens auf der sozio- logischen Gesellschaftsebene des Asphalts, ist eine großartige Tatsache, durch die eine bestimmte Spezies von Künsten zur Welt gefördert werden wird, die als Zukunfts- musik ganz bestimmte Perspektiven eröff- net. Sie interessiert hier nicht. Daneben wird der Ruf, der Hilferuf: Zurück zur Na- tur, immer wieder durch die Jahrhunderte klingen.

Denn immer wieder wird der Musiker nicht nur die Geräusche der Motoren und Propeller, der Sägen und Elektrischen zur Symphonie zwingen wollen, sondern immer wieder auch wird der Wind über den Wip- feln und das Lied der Vögel am Morgen zum Akkord auffordern, und dem Atmen des Himmels gleich wird sich die Brust im Lied der eigenen Kehle entspannen. In der Erinnerung und der Verklärung daran werden immer wieder ganz natürliche, land- schaftlich gebundene Lieder geboren wer- den. Und sie erlösen diese Gebilde, ihre Empfängnis- und Geburtsstunde, ihre Hei- mat ganz, sind sie also das, was wir uns klassisch zu nennen gewöhnten sie sind die Unsterblichkeiten ihrer Art, jenseits vom Experiment und Laboratorium, jenseits einer Virtuosität, durch die nackte Technik nur zu oft ihr schlechtes Gewissen dem natürlichen Leben gegenüber tarnt.

Haben wir so Volkslied und Beethovens Pastorale etwa prinzipiell einmal als länd- liches Motiv, als bewußtgewordene Natur erkannt, haben wir die gesamte Landschaft als Meisterschöpfung des ländlichen Men- schen erschaut, brauchen wir nur noch die Stile, in denen die Städte ihre Zelte zur Versteinerung brachten, zu studieren, um

zu sehen, wie stark die bäuerliche Bauart Beispiel und Anregung für Giebelund Dach, für Fenster und Tür bot. Ich habe noch kein Stadttor kleinerer, mittelalterlicher Städte gesehen, das nicht wie ein Echo auf die Scheunentore der Bauernhöfe gewirkt hätte, von deren Agrikultur das Leben dieser Stadt betreut wurde.

Warum, wozu treffe ich diese generellen Feststellungen? Um erstens: der Gottähn- lichkeit des verstädterten Bewußtseins Vor- sicht anzuempfehlen bei Quellenangabe seiner kulturellen Werke, und zweitens: das ländliche Leben vor einer falschen Romantik zu warnen.

Wir Landleute sollen uns tapfer aus den Städten an elektrischer Kraft und moto- rischer Hilfe, an Technik und Fortschritt holen, was wir brauchen, aber wir sollen wissen, daß es sich dabei um Nützlichkeiten handelt und keine kulturellen Werte. Und wir dürfen niemals vergessen, daß unsere Kulturwerte sehr schlicht sind, und im Ein- fachen, im Natürlichen allein ihren Höchst- wert entwickeln und erreichen. Bildung ist immer erzieherische Nachbildung natür- licher Vorbilder oder sie bleibt eitle Ein- bildung! ` Kino und Radio? Respekt! Aber ein Gang am Feierabend über das Eigene, ein selbständiger Betracht des Himmels und ein Überblick über die Felder, ein Gespräch mit dem Nachbarn, eine Schafschur und ein paar Meter selbstgesponnenes Leinen sind originelle Köstlichkeiten, die in ihrer seg- nenden Ursprünglichkeit nie aus der Stadt bezogen werden können, sondern immer nur bodenständig erlebt sein wollen und zu reinerer Steigerung der eigenen Kräfte führen als Abhören und Abgucken ver- städterter Vorstellungen. Das eigene boden- ständige, landschaftliche Erlebnis ist und bleibt der Nährboden aller kulturellen Ernten, die deutsche Menschen bisher ein- brachten und die sie noch einbringen werden.

Sich dessen zu erinnern ist immer wieder gut und richtig. Einkehr bei den Dingen, dort, wo sie noch Wuchs sind und orga- nische Natur, Stamm und Wipfel, Erde und Stein, Pflanze und Tier, solche Einkehr lehrt die kultische Nähe ihres Sinnes. Und die erste Sinngebung, die erste Behandlung dieser Dinge gibt alle Anfänge jeden kul- turellen Lebens preis.

Dieser Preisgabe, dieser Offenbarung aber gilt unsere Besinnung.

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KLAUS SCHMIDT:

PFLUG „SCHWER

„Pflug und Schwert

sind aus einem Stahl;

es bleibt dir keine Wahl:

Du mußt sie beide schmieden.“

De Dichter schrieb diese Worte aus dem Er- lebnis unserer Zeit heraus, und doch kleidete er mit ihnen eine Wahrheit in poetisches Ge- wand, die zu allen Zeiten für alle Staatslenker und für alle Völker unseres Kulturkreises ihre Gültigkeit gehabt hat.

Die Geschichte lehrt uns, daß Wehrhaftigkeit und bäuerliche Lebensgestaltung der Bewohner die solidesten Grundlagen der Staaten sind, die Fundamente,-aus denen heraus sie sich zu Groß- und Weltmächten entwickeln. Sie lehrt uns weiter, daß Wehrkraft und Bauerntum zum min- desten bei den Völkern nordischer Rasse in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zuein- ander stehen, insofern bäuerliche Lebenshaltung und bäuerliche Gesinnung die besten Voraus- setzungen der Wehrkraft einer Nation sind. Am deutlichsten zeigt das aus dem Kreis der alten Völker das Beispiel Roms, dessen Bauern- heere Italien eroberten und latinisierten und so das Weltreich schufen, an dem das Bauerntum nachher zugrunde ging. Schließlich kämpften in den Heeren Roms die Söhne germanischer Bauern, weil Rom mit seinem Bauerntum auch seine Wehrkraft eingebüßt hatte.

Germanisches Wehrbauerntum

Auch die deutsche Geschichte ist die Ge- schichte eines Volkes, dessen Bestand inmitten einer oft feindlichen Umweltimmervonzwei Faktoren entscheidend abhängig war: von seiner Wehrhaftigkeit und von der Bluts- kraft und Arbeitskraft seiner bäuerlichen Sippen. Heute erleben wir diese Tatsache sehr eindring- lich. Bauer und Soldat kämpfen jeder an seinem Platz in engster Schicksalsverbundenheit um die Sicherung der Zukunft des Volkes. Pflug und Schwert sind so allen sichtbar die großen Symbole unserer Zeit geworden.

In ihrem Zeichen stand aber schon die dämmer- erfüllte Frühzeit germanischen Menschentums. Bäuerliche Lebenshaltung und hochgezüchtete Wehrkraft sind die bestimmenden Kennzeichen der germanischen Kultur gewesen. Sie waren von so prägender Kraft, daß für diese auf der Welt einmalige Verschmelzung die Bezeichnung

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als Schutzmaßnahme gedacht, wirkte sich jedoch

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„Bauernkriegertum“ gefunden ke Während seiner ganzen Geschichte ist der deut- sche Bauer schwertkundig und schwertfreud geblieben, wenngleich sich durch die Ausbildung eines besonderen Kriegerstandes im frühen Mittelalter das Waffenrecht des Bauerntums er- heblich verschlechterte und es weder das Fehde- recht noch das der Heerfolge besaß. GP

Trennung von Nähr- und Wehrstand

Es ist natürlich kein Erlahmen des alteı Kampfgeistes der germanischen Bauern gewesen, wenn sich mehr und mehr ein ausgesprochener Nährstand und ein ausgesprochener Krie- gerstand voneinander absetzten. Die En lung vom sozial wenig gegliederten Kleinstaat zum großräumigen karolingischen Imperium mi = seinen anspruchsvollen Aufgaben der Ve tung, Verteidigung, Kulturpflege und Wi bedingfe eine Aufgabenteilung, aus der allm äh lich die Berufsstände erwuchsen. Großraui politik ließ sich auf die Dauer nich mit den Mitteln und Möglichkeit einer schwerfälligen Landwent machen, und eine allgemeine Wehrpflicht mit gewissen Ausbildungszeiten, ähnlich wie wir sie heute haben, lag noch außerhalb der Möglich- keiten der Zeit.

Unter Karl dem Großen bahnt sich die Tren- nung der Stände an. Zunächst wurde der arme Bauer vom Kriegsdienst ausgenommen. Das wär

als Minderung der sozialen, später auch der 'rechtlichen Stellung aus. Eine Capitula von 825 nannte bereits die Freibauern, die wegen ihrer Armut nicht oder nur mit Hilfe fremder Unterstützung ausziehen konnten, Freie zweiter Ordnung, liberi secundi ordinis. Damit ist schon die im Mittelalter aufgebrochene Kluft zwischen Kriegerstand und Nährstand angedeutet. Seit dem 11. Jahrhundert ist der Bauer als Träger des Waffenrechts im Heer nicht mehr anerkannt, er hat nicht mehr das Recht der Heerfolge. Der Dienst im Reichsheer ist feudaler Ritterdienst geworden. Es war dann nur eine natürliche Folge, daß der Bauer auch im Waffenhandwerk weniger geübt war als der Ritter. Die tiefe Kluft, die mit der Zeit zwischen dem entarteten Ritter- tum und dem mißachteten Bauerntum entstand wie sie uns z. B. das Gedicht vom ‘Meier Helmbrecht, gegen Ende des 13. Jahrhunderts, in

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so eindrucksvoller Weise zeigt —, ist mit ein Grund gewesen für die schmachvolle Schwäch edes Reichs in den Jahrhunderten des späten Mittelalters. Wenn irgendwo, dann hat sich hier erwiesen, wie verderblich sich für Volk und Staat der Riß zwischen einem bevor- rechtigten Kriegerstand und einem vom Kriegs- dienst ausgeschlossenen Bauerntum auswirken muß.

Zeugnisse bäuerlicher Wehrkraft

Wenn also das Bauerntum dem Waffendienst

weitgehend entfremdet wurde, so war es das Opfer einer Entwicklung geworden, die doch nicht den Geist der Wehrhaftigkeit betraf, der im deutschen Bauerntum zu keiner Zeit ge- schwunden ist und der überall dort wieder auf- lebte, wo er angesprochen wurde. Das ganze Mittelalter hindurch war der Bauer zur Land- folge und später zur Gerichtsfolge ver- pflichtet, die beide den Besitz und das zum min- desten gelegentliche Tragen von Waffen voraus-

setzten. Die Landfolge trat ein, wenn der Feind in das Land drang. In diesem schwersten Fall der Bedrohung des Vaterlandes wobei dieser Begriff sich zunehmend territorial verengte konnte man auf die im Bauerntum ruhenden Reserven an Wehrkraft niemals verzichten. Wir kennen sogar Beispiele aus der Blütezeit des ritterlichen Feudalheeres, in denen das bäuer- liche Aufgebot zur Verstärkung herangezogen wurde. Die späteren Gottes- und Landfrieden des hohen Mittelalters kannten allerdings nur noch die Gerichtsfolge gegen Verbrecher, Diebe und Räuber. Diese Gerichtsfolge ist also eigent- lich Polizeidienst gewesen, und bei diesem spiel- ten die Bauern eine große Rolle, waren sie doch sogar verpflichtet, vor Herankommen des ritter- lichen Aufgebotes die Belagerung der Burg des Friedensbrechers zu übernehmen. Landfolge und Gerichtsfolge haben entwick- lungsgeschichtlich ihre besondere Bedeutung als Brücke vom alten Volksaufgebot zum Volksheer, das frei- lich erst durch Scharnhorst verwirklicht wurde, uns aber schon in verheißungsvollen, aber wieder gescheiterten Anfängen im späten Mittel- alter entgegentritt. Landfolge und Gerichtsfolge haben erhaltend auf die Wehrkraft des deut-

schen Bauern gewirkt, indem sie seinen Aus- schluß von der Heerfolge und die Beschränkung des bäuerlichen Waffenrechts durch gewisse Forderungen an die NEN teilweise wieder ausglichen.

Die überzeugendsten Beispiele bäuerlicher Wehrhaftigkeit aus der Zeit des hohen Mittel- alters finden sich jedoch im Zuge der Ostsied- lung und in jenen Randgebieten des Reiches, in denen das feudale Herrschaftssystem nur un- vollkommen oder sehr spät Eingang fand. Am

d & bekanntesten sind die kriegerischen Leistungen der Dithmarscher, Friesen, Stedinger und Schweizer Eidgenossen geworden, die ihre von den Vätern ererbten Freiheiten und Rechte gegen alle Fürsten verteidigten, die es versuch- ten, sie in Untertänigkeit zu zwingen. Ein eng- lischer Mönch schrieb von den friesischen Bauern im Jahre 1230: „Um der Freiheit willen setzen sie ihr Leben aufs Spiel und wählen lieber den Tod als die Knechtschaft.“ Bei den Dith- marscher Bauern mußte jeder männliche Ein- wohner zur Landesverteidigung bereit sein. Die Wehrmannschaften waren straff durchorgani- siert, und jedes Jahr versammelten sie sich an bestimmten Orten zur Waffen- und Heeresschau. Als Waffen dienten den Dithmarscher Bauern Schwert, Schild, Speer, Lanze, Hellebarde und Streitaxt; später traten noch Armbrust und Büchse hinzu. In drei großen Schlachten bewies der Dithmarscher Bauer seine durch die ge- schickte Ausnutzung der Gegebenheiten seines Landes unterstützte kämpferische Überlegenheit über die Ritter- und Söldnerheere seiner fürst-

lichen Gegner, %19 bei Oldenwörden, 1404 in

der Hamme und 1500 bei Hemmingstedt. Beson- ders die letzte Schlacht ist ein ewiges Ruhmes- blatt bäuerlicher Kriegstüchtigkeit geworden. Noch jahrhundertelang kündeten Lieder und Ge- schichten von der Schlacht bei Hemmingstedt, in der die Blüte des dänischen und holsteini- schen Adels elend umkam.

Die schweizerischen Eidgenossen haben in der Kriegsgeschichte noch mehr Ruhm geerntet, weil sie mit ihrer neuen Taktik des Hellebarden- kampfes zu Fuß das Ende des feudalen Ritter- kampfes zu Pferde ankündigten. Ihre Infanterie erwies sich dem Ritterheer gegenüber als über- legen, und so sind diese alemannischen Bauern eigentlich die Väter des im,späten Mittelalterauftauchenden Lands- knechtstums geworden, das im 16. Jahr- hundert als Berufskriegertum die ausschlag- gebende Heeresformation wurde. Die Schlachten bei Morgarten 1315 und Sempach 1386 sahen wie die bei Altenesch, Hemmingstedt und Hart- werden auf der einen Seite fast rein bäuerliche

„Aufgebote, auf der anderen Seite Ritter oder Söldner, jedenfalls Berufskrieger.

Es ist bekannt, wie aus den großen militä- rischen Erfolgen der Schweizer Eidgenossen sich das „Reislaufen‘ entwickelte. Es ist ein Vor- gang, der sich später in Süddeutschland wieder- holt und der bemerkenswert ist für den kriege-

rischen Geist des gesamten deutschen Bauern-

tums. Dem Schweizer Bauern fehlte die Möglich- keit eines kolonisatorischen Ausgriffs; der arme Boden seiner Bergheimat konnte andererseits das wachsende Volk nicht ernähren, so wählte er in seiner einsatzfreudigen und tüchtigen Art den Weg des Soldaten in fremden Diensten

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einen Weg, den ja Millionen deutscher Men- schen zu allen Zeiten gehen mußten, weil das Vaterland ihnen zu wenig Möglichkeiten für ihre Fähigkeiten und Wünsche bot. Auf diesem Weg winkten Glück und Erfolg, allerdings auch bei höchstem Einsatz. Es wäre falsch, Aben- teuerlust als Hauptmotiv des Reislaufens anzu- sehen. Der Zusammenhang zwischen Heimat und Söldner blieb immer gewahrt. Er wurde bewußt von beiden Seiten, vom Söld- ner und von der heimischen Obrigkeit gepflegt, . und die Rückkehr in die Heimat blieb immer der Wunsch der meisten. Bei Mürten (1476) und Nanzig (1477) haben diese bäuerlichen Söldner die glänzenden Ritter- und Söldnerheere Karls des Kühnen vernichtet und damit die Entstehung eines burgundisch-niederländischen Zwischen- reiches vereitelt.

Aus ähnlichen Gründen wie die Schweizer Bauern schwor im 16. Jahrhundert die Ost- Siedlung war ja längst versiegt der süd- deutsche Bauer gern dem Fähnlein der Lands- knechte zu. Bestes deutsches Bauernblut ist hauptsächlich Träger des Landsknechtswesens gewesen. Sympathien zwischen Landsknechten und Bauern, wie sie während des Bauernkrieges oft zu beobachten waren, sind sicher zum Teil auf verwandtschaftliche Bindungen zurückzu- führen. Die Donauwörther Chronik berichtet: „Aber kain knecht wolt am ersten wider die bauern ziehen, sprachen: das weren ihre ernerer, so sy nitt krieg hetten, weren auch zum tail ihre vatter, bruder und schweger.“

Die große deutsche Ostsiedlung wird immer ein Beispiel nicht nur für die kolonisato- rische Fähigkeit der deutschen Bauern, sondern auch für ihre wehrhafte und kämpferische Ge- sinnung sein. Zwar ist es richtig, daß der Ritter die eigentliche Aufgabe der Eroberung über nahm. Weit mehr als im Reich hat hier aber das bäuerliche Aufgebot für die Sicherung des gewonnenen Landes eintreten müssen und, allein auf sich gestellt, hat es im stillen und zähen Grenzkampf mit und ohne Waffen jahrhunderte- lang eine harte und wehrhafte Gesinnung be- wiesen. Die Runddörfer im deutsch-slawischen Grenzgebiet und die Bauernburgen in Sieben- bürgen zeugen noch heute von dieser Zeit, in der der Grenzlandbewohner täglich bereit sein mußte, den Pflug mit dem Schwert zu ver- tauschen. In der Neuzeit fand dieser Grenz- kampf der Bauern eine Parallele in der öster- reichischen Militärgrenze. Unter deutscher Füh- rung hielt hier der kroatische Bauer, in der Grenzorganisation straff zusammengefaßt, die osmanische Springflut jahrhundertelang von den Grenzen des Reiches fern. Zahlreiche bäuerliche Sippen sind in diesem blutigen und grausamen Kleinkrieg bis auf den letzten Knaben und das letzte Mädchen ausgerottet worden.

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Gegen Ende des Mittelalters, im 14. und 15. Jahrhundert, ist die Erkenntnis vom Wert des allgemeinen Volksaufgebotes wieder im Wach- sen. Sie ist sicher durch den Ruhm der Schweizer mit angeregt worden. Der werdende Landesstaat konnte die Reserven an bäuerlicher Wehrkraft nicht ungenutzt lassen, wenn er sich gegen seine Widersacher durchsetzen wollte. So kommt der Bauer wieder auf das Schlachtfeld als Soldat des Landesherrn. Bauern entscheiden z. B. die Schlacht bei Dörffingen, in der Graf Eberhard von Württemberg gegen die Städte siegte, und Kurfürst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz verwendete bei allen seinen Kriegszügen bäuer- liche Aufgebote.

Wiederaufleben des Volksheeres

Es waren mehrere Gründe, die zu den ersten Versuchen der Bildung von Volksheeren führ- ten, die in damaliger Zeit selbstverständlich Bauernheere sein mußten. Am weitesten ge- diehen diese Versuche in Bayern und in der Kurpfalz. Das alte feudale Ritteraufgebot be- fand sich in voller Auflösung. Der Ritter war vielfach Raubritter geworden, und es fehlte ihm längst die moralische Kraft seiner Blütezeit. Ferner hatte der Fußknecht seine Überlegenheit über den Ritterkampf nachdrücklich bewiesen. Die Einführung der ersten Feuerwaffen ver- stärkte diese Überlegenheit. Schließlich war das Bauernheer für den Landesherrn billiger als das Söldnerheer, denn es wurde nicht oder nur sehr gering besoldet. Ständisch-soziale, militärisch taktische und staatsrechtlich-politische Gründe haben also zum Wiederaufleben des Volksheergedankens geführt. Der Bauer erhielt das Waffenrecht, das ihm der Ritter ge- nommen hatte, vom Landesherrn wieder.

Der Weg, auf dem das Volksheer organisato- risch aufgebaut wurde, war der allmähliche Ausbau der Gerichtsfolge zu einem Land- sturm und einer Landwehr durch den Erlaß strenger Ordnungen, die den Einsatz der Bauern als militärisch organisierter Truppe regelten. Es wurden militärische Hauptleute eingesetzt, Sammelstellen bestimmt, ein Meldedienst ein- gerichtet und eine periodisch wiederkehrende Überprüfung der Waffen eingeführt. Diese Harnischschauen fanden meistens im Frühjahr statt. Besonderer Wert wurde seitens der Regie- rung darauf gelegt, daß die Waffen bei den Häusern blieben, damit im Ernstfalle mit ihnen gerechnet werden konnte. Sie gehörten zum un- veräußerlichen Inventar des Hauses. Im Weis- tum von Bermersheim, das eine der Quellen ist, die uns die bäuerlichen Wehrverhältnisse dieser Zeit am ausführlichsten schildern, werden Har- nisch und Wehr als unpfändbar erklärt. In einer bayerischen Regierungsanweisung, die sich mit der Landesverteidigung befaßt, heißt es: „Es

sollen die Verordneten und Ambtleute nicht minder den Gerichtsleuten und Untertanen ernstlich sagen und gebieten lassen, daß ihrer jeder und männiglich im Lande ihre Wehre und Harnisch, so ihnen in der Musterung auferlegt sind, dennoch bei ihren Häusern und Herbergen haben sollen.” |

Aus dem Landsturm hat sich die Landwehr

entwickelt als ein Aufgebot der Tüchtig-

sten und Kampferprobtesten, das Auf- gaben zu lösen hatte, die man dem Landsturm nicht zumuten konnte. Zu größeren Zügen konnte der Landsturm nicht verwendet werden, weil er alle Tauglichen umfaßte und so das Land von Arbeitskräften entblößte. Der Landsturm blieb daher im allgemeinen nur wenige Tage im Felde. In der Landwehr wurde zuerst eine. Art Musterung eingeführt, um einen genauen Uber- blick über das verfügbare Menschenmaterial zu gewinnen. Die Landwehr war zu Unternehmun- gen bestimmt, die unter Umständen über die Grenzen des Landes hinausführen konnten. Im Bermersheimer Weistum mußte der bäuerliche Landwehrmann im Felde stehen „als lang unser gnediger Herr das haben will”, jedoch hatte er Ablösungsrecht nach vier Wochen.

Die so glücklich begonnene Entwicklung zu einem starken bäuerlichen Volksheer, die sogar schon zu den Anfängen der Uniformierung und Versorgung der Angehörigen vorgestoßen war, kamnicht zu ihrem Abschluß. Das Volksheer scheiterte an der Frage der Aus- bildung. Als die Feuerwaffen sich ständig ver- besserten, ihre Handhabung schneller wurde, als die Artillerie auftrat, hätte das bäuerliche Auf-

gebot nur durch ständige Schießübungen, wie

sie z.B. in den Städten üblich waren, militärisch Schritt halten können. Hierzu wurde aber nichts getan, nicht zum wenigsten, weil seit den Bauern- unruhen des 15. und 16. Jahrhunderts die Landes- tegierungen von Furcht vor revolutio- nären Umtrieben der Bauern erfüllt waren. Ein Gutachten von 1583 gibt dieser Furcht in folgender Weise Ausdruck: „Gebe man dem Volk die Waffe in die Hand, so ent- stünden daraus mancherlei Ubel, Feindschaft und Rumor. Viele würden sich auf Müßiggang, Garten, Wildpretschießen, Mord und Straßen- raub verlegen. Dem Bauersmann sei nicht immer zu trauen; er könne, also bewehrt, sich leicht des schuldigen Gehorsams gegen Fürst und Adel entschlagen wollen und einen Aufruhr anfangen, der schwer zu dämpfen wäre.” Verbot von Schießständen auf dem Lande und Entziehung der Feuerwaffen waren ebenfalls Folgen dieser Furcht. Auch Wehranlagen und Dorfbefestigun- gen wurden vielfach geschleift.

Mit dem Anwachsen der Söldnerheere im 16. Jahrhundert gingen zudem die unterneh- Mungslustigsten und kriegstüchtigsten Elemente dem Bauernaufgebot verloren. Die Werbungen, die die Landesherren in eigenen Ländern unter-

nahmen, bewiesen, daß sie die bäuerliche Wehr- kraft wohl zu schätzen wußten, daß sie sie aber nicht-im Rahmen eines Volksheeres zu nutzen verstanden, sondern nur in der Form des Söldnerheeres. Wilhelm von Oranien schlug die Schlachten, die zur Befreiung der Niederlande führten, zum großen Teil mit Söldnern, die er in seiner Westerwälder Heimat anwerben ließ.

Es war eine der vielen für das deutsche Volk so tragischen Verkettungen, daß das entartete Söldnertum des 17. Jahrhunderts, wie es uns in erschütternder Weise Grimmelshausen in seinem Simplizissimus schildert, zu großen Teilen auch aus dem Bauerntum stammte. Mißgeleitete bäuerliche Wehrkraft richtete sich gegen die Quelle seiner eigenen Kraft. Hermann Löns hat uns ein Bild des grausamen Verzweiflungskampfes der geschundenen Bauern gegen das umherziehende Kriegsvolk in seinem „Wehrwolf” gezeichnet.

Die ersten Schritte zur allgemeinen Wehrpflicht

Der Gedanke der Aufstellung der Söldner- heere aus der Wehrkraft des eigenen Landes schwand, nachdem er einmal der Verwirklichung nahe gewesen, nicht mehr aus den Erörterungen der Militärschriftsteller. Die Grunderkenntnis, von der diese Schriftsteller ausgingen, kleidete der kaiserliche General und Diplomat Lazarus von Schwendi in folgende Worte: „Bei dem fremden und besoldeten Kriegsvolk ist nimmer- mehr die Einmütigkeit und Treue und der Eifer wie bei denen, die für ihr Vaterland, Weib und Kind streiten.” Die bedeutendste aus der Reihe dieser Schriften ist die „Landesdefensions-Ord- nung“ des Grafen Johann von Nassau. Diese mit „Defensions-Werk bezeichneten Bemühungen gelangten kaum zu praktischer Bedeutung. Sie hielten aber den Gedanken der allge- meinen Wehrpflicht lebendig, der dann von Preußen aus nach den Erschütterungen der Französischen Revolution in die Tat umgesetzt wurde. Lediglich die Landmiliz als modernere Form der alten Landfolge blieb vom Defensions- werk übrig. Was die bäuerliche Miliz, die im allgemeinen dem ordentlichen Kriegsvolk an Ubung und Bewaffnung unterlegen war, doch durch Tapferkeit und geschickte Führung leisten konnte, zeigt der durch den Großen Kurfürsten veranlaßte Einsatz gegen die in Brandenburg eingefallenen Schweden im Jahre 1675. Auf ihren Fahnen trug diese Miliz den seither be- rühmt gewordenen Spruch: „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserem gnä- digen Kurfürsten mit unserem Blut.“

Das Kantonsreglement vom 15. September 1733, erlassen von Friedrich Wilhelm I., war der

erste bescheidene Schritt zur allge-

meinen Wehrpflicht. Es zog zum ersten- mal seit dem Mittelalter einen Teil der bäuer- lichen Wehrkraft des Landes zur Ergänzung des

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ordentlichen Heeres heran. Friedrich der Große sagte vom Kantonsreglement: „Hierdurch wurde die Armee unsterblich, da sie nun eine stets fließende Quelle erhielt, aus der sie sich seitdem immer wieder erneuert hat.“ Wie kriegstüchtig das preußische Heer gerade durch die systematische Einziehung der Bauern- burschen wurde, wird durch Friedrichs des Großen Ausspruch beleuchtet: „Setze ich mich vor meine Pommern und Märker und habe schon die Hälfte meiner Monarchie verloren, nur selbst den Kopf nicht, so jage ich den Teufel aus der Hölle.” Die Bauernschutzgesetze Fried- rich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen hatten ihren wichtigsten Grund in den Be- mühungen, das Bauerntum als Quell der Wehr- kraft zu schützen und zu erhalten.

Den überzeugendsten Beweis der kriegstüch- tigen und wehrhaften Gesinnung des deutschen Bauerntums im 18. Jahrhundert bieten jedoch die erbitterten Kämpfe, die das westdeutsche Bauerntum den eindringenden Heeren der Französischen Revolution lieferte. Von der Kanalküste bis zu den Alpen entstand spon- tan, aber ohne einheitliche Führung eine bäuer- liche Front, wie sie die deutsche Geschichte bis dahin noch nicht gesehen hatte. Unter örtlichen Führern haben die bäu£rlichen Aufgebote in Flandern und Luxemburg, in der Pfalz und im Odenwald, im Elsaß, im Schwarzwald, in den Schweizer Alpen den Franzosen schweren Schaden zugefügt. Es waren nicht nur die Heere der Revolution, gegen die sich die Bauern für Kaiser und Reich stellten, auch der Geist der Revolution wurde von ihnen als zersetzend und gefährlich erkannt. Vor allem in Flandern und Luxemburg erforderte dieser Kleinkrieg von den Bauern große Blutopfer. Die Geschichtsschrei- bung hat diese bäuerliche Abwehrbewegung nahezu vergessen, wie sie auch vergessen hat,

daß später, als die Befreiungsarmeen über den

Rhein drangen, bäuerliche Milizen ihnen wirk- same, zum Teil entscheidende Unterstützung gaben. Nur der Kampf der Tiroler Bauern unter Andreas Hofer gegen die Franzosen ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Schlacht am Iselberg gesellt sich als ein ewiges Beispiel bäuerlicher Kriegstüchtigkeit zu den großen Bauernschlachten des Mittelalters.

Bauernbefreiung und Volkserhebung

Der entscheidende Schritt vom Kantonsregle- ment zur allgemeinen Wehrpflicht konnte nur auf Grund einer ganz anderen Anschauung von Volk und Nation erfolgen, als sie der absolute Untertanenstaat hatte. Als König Friedrich Wil- helm III. von Preußen am 17. März 1813 den be- rühmten Aufruf „An mein Volk” erließ, durch den der Befreiungskrieg eröffnet wurde, hatte, unbemerkt von den meisten Zeitgenossen, diese neue Epoche deutscher Geschichte begonnen. Der alte absolutistische Staat war infolge seiner

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inneren Morschheit bei Jena und Auerstedt zusammengebrochen. Ihm war der Begriff des Volkes nur im Sinne des Untertanenverbandes geläufig. Der berühmt gewordene Satz aus der Proklamation des Grafen Schulenburg an die Berliner Bevölkerung: „Ruhe ist die erste, Bürgerpflicht!” drückt so recht die Beziehung des Durchschnittsbürgers zum absolutistischen Staat aus. Was ging es ihn schon an, wenn der, Fürst Krieg führte? Er ging in Ruhe seinen Ge schäften nach wie im Frieden und betrachtete es als sein gutes Recht, dies möglichst ungestört vom Kriegsgeschehen zu tun. Aus dem Geiste dieses absolutistischen Untertanenstaates, der seine Bürger bewußt in politischer Unmündig- keit hielt, konnte die Befreiung vom Joche des korsischen Eroberers nicht erfolgen. Das war allen wahren Patrioten klar. Es bedurfte viel- mehr einer politischen Erneuerungs- bewegung, die alle Volksschichter? mit einem neuen Geist leidenschaftlicher Vaterlandsliebe und nationaler Ehre erfüllte und so die Voraus setzungen schuf für eine Volkserhebung, die alle Kräfte der Nation für den Kampf um die Frei- heit zusammenfaßte.

Mehr noch als der Bürger hatte der Bauer Veranlassung, mit Gleichgültigkeit dem Schick- sal eines Staates zuzusehen, der ihm jedes poli- tische Recht versagte. Wenn es auch dem preu- Bischen Staate gelungen war, durch seine Bauernschutzgesetzgebung die schlimmsten Auswüchse der Leibeigenschaft zu beseitigen so verharrte doch der größte Teil des preuß schen Bauerntums nach wie vor in qutsher- licher Erbuntertänigkeit und war nicht einmal im Besitz seiner persönlichen Freiheit. Keine völkische Erneuerungsbewegung konnte, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollte, an dieser Tatsache der bäuerlichen Leibeigenschaft vor- beigehen. In der Stunde der Not des Staates wurde es vielen klar, daß die Unterdrückung und Rechtlosigkeit eines großen Volxksteiles nicht nur menschenunwürdig, sondern auch volkspolitisch schädlich war und daß sie das größte Hindernis eines allgemeinen Volks- krieges sein mußte. Es war also zunächst als Voraussetzung jeder Volkserhebung nötig, die Abseitsstellung des Bauerntums zu beseitigen. Man mußte dies um so mehr tun, als der Weg zu Preußens Wiederaufstieg über das Volksheer führte, das zwangsläufig nur im Bauerntum seine Grundlage haben konnte, denn das Bauerntum stellte da- mals rein zahlenmäßig die überwiegende Mehr- heit des Volkes dar. Wollte man den Bauern in das allgemeine Volksheer einreihen, und zwar als freiwilligen und opferfreudigen Kämpfer, so mußte man ihm auch die persönlichen Rechte geben, die jeder andere Bürger des Staates hatte, weil man von ihm ja auch dieselbe Opferfreu- digkeit forderte.

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Oberst d. R. Hyazinth Graf Strachwitz

Kommandeur des Panzerregiments Groß deutschland, Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz, wurde am 30, Juli 1893 in Groß-Stein (Kreis Groß-Strehlitz, Oberschlesien) geboren und ist im Zivilberuf Land- und Forstwirt.

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Oberst Walter Gorn

dem der Führer am 8. Juni 1943 als 30. Soldaten

das Eichenlaub mit Schwertern zum Ritterkreuz

verlieh, ist Kommandeur eines Panzer-Grena-

dier-Regiments und wurde am 24, September

1898 zu Biegamin (Wartheland) als Sohn eines Landwirts geboren.

Oberieldwebel Otto Brakat

war als Landwirtschaftsgehilfe auf einem großen ostpreußischen Bauernhof tätig. Auch er stammt aus bäuerlichem Blut, sein Vater hatte einen Hof in der Elchmederung. Oberfeldwebel Brakat wurde am 15. Januar 1916 zur Kermuschienen, jetzt Herzfelde, geboren und crhielt das Ritter- kreuz am 27. Juli 1941 als Unteroffizier und

Gruppenführer in einem Grenadier-Regiment. A LB `

Hauptmann Dr. Wolfgang Meinhold

wurde am 8. Oktober 1902 in Neuruppin (Gau Maık Brandenburg) geboren. Nach seiner Schul- entlassung studierte er Landwirtschaft und war bis zum Ausbruch des Krieges als Leiter der Bauernschule in Grunzig Kr. Meseritz) tätig. Hauptmann Dr. Meinhold erhielt das Ritterkreuz am 15. Mai 1943 als Kompanieführer in einem Grenadier-Regiment. Kurz darauf wurde er zum Oberlandwirtschaftsrat befördert.

Feldwebel Karl Heinz Roßbach

wurde am 7. Mai 1920 in Greiz geboren. Die Großeltern beiderseits waren Bauern und er selbst erlernte mehrere Jahre auf verschiedenen Bauernhöfen die Landwirtschaft. Während eines Fronturlaubs machte er die Prüfung als Land- wirtschaftsgehilfe. Das Ritterkreuz wurde Feld- webel Roßbach am 22. Juni 1943 verlichen.

Leutnant d. R. Alfred Schreiber

stammt ebenfalls äus bäuerlichem Blut. f wurde am 3. März 1914 als Sohn des Baus Paul Schreiber in Praterschatz bei Meißen & Sachsen) geboren. Er ist im Zivilberuf Ba und besitzt in Schönbrunn bei Sagan in Sie sien einen Erbhof von 32 Morgen. Das Riller kreuz erhielt er als Kompanieführer in eines rheinisch- westfälischen Grenadier-Regimenf am 20. April 1943.

Unteroffizier Josef Schuß

wurde am 17. September 1917 als Sohn des wirts Josef Schuß in Geißling (Kr. Reg Gau Bayreuth) geboren und war nach demi; such der Volks- und Fortbildungsschule RP Landwirtschaft seines Vaters tätig. Das Ritter kreuz erhielt er als Obergefreiter in einen Grenadier-Regiment am 4. September 1942.

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4#-Obersturmbannführer Theodor Wisch

ist der Sohn eines Holsteiner Bauern. Er wurde am 13. Dezember 1907 im Wesselburener Koog geboren. Nach dem Schulbesuch erlernte er auf Gütern in Holstein und Holland die Landwirt- schaft. 1933 trat er in die Leibstandarte #4 „Adolf Hitler‘ ein. Das Ritterkr erhielt er als Bataillonskommandeur am 15. September 1941.

Major Herbert Ihlefeld

Träger des Eichenlaubs mit Schwertern zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, ist der Sohn eines Landarbeiters und wurde am 1. Juni 1914 zu Pinnow, Kr. Rendow, in Pommern geboren. Major Ihlefeld, der auch mit dem Spanienkreuz in Gold der Legion Condor ausgezeichnet wurde, erhielt das Ritterkreuz am 13. September 1940. Nach seinem 40. Luftsieg errang er sich das Eichenlaub und nach seinem 98. bis 101. Luftsieg die | uh schwerter zum Eichenlaub,

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#4-Oberscharführer August Zingel

ist im Zivilberuf Landwirt, Er wurde am ?20. Januar 1921 in Schortens/Heidmühle (Oldenburg) geboren. Das Ritterkreuz erhielt er am 4. Oktober 1942,

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Hauptmann Heinz Bär

war vor seinem Eintritt in das Heer als Gutsverwalter tätig,

nachdem er vorher zwei Jahre die Höhere Landwirtschafts-

schule in Wurzen besucht hatte. Auch sein Vater, der im

vorigen Weltkrieg 1916 auf dem Felde der Ehre fiel, war Land-

wirt, Hauptmann Heinz Bär ist Staffelkapitän im Jagdgeschwa-

der Mölders und Träger des Eichenlaubg mit Sehweriegn zum |

Ritterkreuz ue His nen Kreuzes.

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Oberfeldwebel Siegfried Engfer

wurde am 27. April 1915 als Sohn eines Land-

wirts geboren und arbeitete nach seiner Schul-

entlassung sechs Jahre auf dem elterlichen Hofe in der Landwirtschaft,

Korvettenkapitän Reinhard Suhren

Träger des Eichenlaubs zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes,

Am 16. April 1916 wurde er zu Langenschwalbach bei Wiesbaden als Sohn eines

stammt ebenfalls aus dem Bäuerlichen.

Landwirts geboren.

Feldwebel Eduard Lindinger

der als achtes Kind auf dem Bauernhofe in

Sattlern (Niederbayern) am 17. Januar 1915 ge-

boren wurde, arbeitete nach Beendigung seiner

Schulzeit im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern.

Wachtmeister Bernhard Hi

erhielt „das Ritterkreuz zum Eisen Anfang des Jahres 1943. Auch disa Soldat, der am 12. September 19 z (Kr. Warendorf i. W.) geboren wurde Sohn eines Landwirts.

Kapitänleutnant Nicolai Clausen

ist ein Sohn des in Großen-Wiehe ansässigen Bauern As Clausen. Geboren wurde Kapitänleutnant Clausen am 2. Jumi 1911 in Flensburg. Das Ritterkreuz erhielt er am 13. März IC

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Es war also folgerichtig, daß die großen Patrioten und Vorkämpfer der Befreiung, Ernst Moritz Arndt, der Freiherr vom Stein, Gneise- nau, Scharnhorst und noch viele andere, leiden“ schaftlich für die Bauernbefreiung eintraten.

„Lasset den Bauern frei sein auf seinem Eigen- ,

tum, denn nur der freie Mann weiß seinen Staat zu verteidigen”, so schrieb der Freiherr vom Stein, und sein Gefolgsmann Ernst Moritz Arndt, selbst der Sohn eines leibeigenen Bauern, hat in seinen Schriften immer wieder dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß die Wehrkraft eines Volkes in seinem Bauerntum wurzelt: „Einer der großen Punkte, warum ich so für den Bauern spreche, ist endlich noch der, daß der Bauer nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die Waffen für sein Land zu führen, sondern daß er auch immer der Bereiteste ist, es zu tun. Je mehr freie Bauern ein Land zählt, desto schwerer ist es zu unterjochen.” Im Bauerntum wohnt für Ernst Moritz Arndt mehr als in anderen Schichten des Volkes „die ursprüngliche und gediegene Natur- kraft, die Reinheit der Sitten, die Treue und Red- lichkeit der Gesinnung“, in ihm wohnt „der Mut und die Ausdauer, welche die tapfersten und rüstigsten Verteidiger des Vaterlandes geben”. Alle diese Männer erkannten die außerordent- liche Reserve an Wehrkraft, die im Bauerntum ruhte.

Das Bauernbefreiungsedikt von 1807 ist also vom Freiherrn vom Stein bewußt als wichtigste Voraussetzung des Volks- kriegs gegen Napoleon erlassen worden. Er und seine Mitarbeiter und Gesinnungs-

genossen wollten damit eine Mobilmachung der

gesamten Volkskraft des preußischen Staates einleiten und den Bestand dieser Volkskraft für die Zukunft sichern.

Welch zündende Wirkung der Aufruf „An mein Volk“ gerade im Bauerntum hatte, das be- weisen zahlreiche Zeugnisse über den Zustrom von jungen Freiwilligen aus allen Teilen des Landes. Der französische General Labaume schrieb später in seinen Erinnerungen über die

Freiwilligen aus der Mark: „Wir sahen oft Ab-

teilungen ungeschlachter Bauern, die sich nach Schlesien begaben, durch unsere Bataillone marschieren ohne Ordnung, ohne Waffen und ohne Führer. Sie stießen Freudenschreie aus und betrachteten mit drohenden Blicken unsere er- staunten Soldaten.” Und der französische Gene- ral fährt dann fort: „Eine solche Begeisterung, wie sie die Liebe zum Vaterland einflößt, ist der passiven Kraft überlegen, die oft nur widerwillig der Gewalt gehorcht, die sie beherrscht.”

In der neugeschaffenen Landwehr, vor allem auch im Landsturm erstand das alte bäuerliche Aufgebot wieder, so wie es sich im Mittelalter einst aus dem germanischen Bauernheer ent-

wickelt hatte. Wie sehr sich Landwehr und Land-

sturm auf das Bauerntum stützten, ver- mag allein schon der Satz aus dem ebenfalls am

17. März 1813 erlassenen Landwehrgesetz zu zeigen, der da lautet: „Jeder Landwehrmann ist verpflichtet, sich selbst zu kleiden. Dies wird ihn um so weniger drücken, als dem guten Rock des Landmannes leicht die Rorm einer Litewka ge- geben werden kann." Die große Kriegsgeschichte berichtet von den Taten der bäuerlichen Land- wehr und dem Landsturm nicht viel. Ihr Einsatz vollzog sich meistens abseits der großen Schlachten, aber mit welcher Leidenschaft und mit welchem Erfolg für die engere Heimat dieser Einsatz gtattfand, das zeigt z. B. eine Mel- dung des „Preußischen Correspondent” vom 14. April 1813: „Am Sonnabend, dem 10. April, waren fünfhundert Franzosen über die Elbe ge- kommen, und sind aufs neue von den Bauern zurückgejagt worden. Als in denselben Tagen ein Alarm in der Uckermark war, zog alles rüstig aus und trieb die Feinde nach Stettin zurück. Ein Reisender fand in Templin nur einen achtzigjährigen Mann und begegnete nachher dem blutig und jubelnd zurückkehrenden Bauernvolk.“

Der durch Scharnhorst begonnene Aufbau des deutschen Volksheeres wurde durch Boyen gegen die Einflüsse der Reaktion wirksam ver- teidigt und später von Roon vollendet. Es be- gann die Epoche der „Völker in Waffen”, die in dem totalen Krieg von heute ihren Höhepunkt gefunden hat. Die für das Aus- land so überraschende Kriegstüchtigkeit der deutschen Armee, mit der zum Beispiel die Gegner 1870 nicht rechneten, ist zweifellos nicht zuletzt der bis dahin brachliegenden Kraft des deutschen Bauerntums zu verdanken, das Bis- marck als den Kern der Armee bezeichnet hat. Der kluge Beobachter Langbehn hat diesem Ge- danken mit folgenden Worten Ausdruck ge- geben: „Wer einmal ein Holsteiner Landwehr- regiment gesehen hat, diese geraden, festen, breitstirnigen Köpfe, diese vollen blonden vier- eckigen Bärte, diese blauen, redlichen, frommen, tapferen Augen, der weiß, daß Deutschland nicht zugrunde gehen kann.”

Auch in diesem, dem deutschen Volke auf- gezwungenen Existenzkampf hat das deutsche Bauerntum seine Stellung bezogen in der Front der Waffen wie in der Heimatfront. Den Pflug, den der Bauer verlassen mußte, hat der nicht mehr waffenfähige Ahn, hat zu ihrer Arbeit noch hinzu die Frau ergriffen. Ihnen zur Seite steht die deutsche Landjugend. Wo die Kräfte der von Männern entblößten Höfe nicht ausreichen, da bewährt sich der dörfliche Gemeinschaftsgeist in alter, so oft gezeigter Stärke. So sind in dem Lebenskampfe der Nation alle Kräfte des Land- volkes, ob alt oder jung, ob Mann oder Frau, zu höchster Leistung mobil gemacht. Heute so wie immer führt der Bauer den Pflug und das Schwert, und so lange er Blutsquell und Träger der Wehrkraft bleibt, so lange wird das Reich bestehen.

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Auf einer Arbeitstagung des Reichsamtes für das Landvolk hat kürzlich der Stabsleiter des Reichsamtes, von Rheden, eingehend über die Stellung des Reichsamtes als politische Führungsstelle des Landvolkes und über die grundsätzlichen und vor- dringlichen Aufgaben während des Krieges berichtet. Zur Zeit steht die Weiterentwicklung des Reichs-

erbhofgesetzes nach den Erfahrungen der vergangenen

zehn Jahre und besonders während der Kriegsjahre im Vordergrund. Außerdem stellt der länger anhal-

tende Einsatz fremdvölkischer Arbeitskräfte politische

und soziale Aufgaben, die in erster Linie von der Partei gemeistert werden müssen. Einen breiten Raum in den Beratungen nahm ferner eine Reihe sozialer und gesundheitlicher Hilfsmaßnahmen zur Hebung der biologischen Kraft des Landvolkes ein. Hier sind vor allem die im Krieg vorhandenen Möglich- keiten eines Mutterschutzes und sonstige Hilfen für die mit Arbeit überlastete Landfrau zu erwähnen. Im Rahmen der übrigen Betreuungsmaßnahmen für das Landvolk wurde auch der gegenwärtige Stand des bäuerlichen Berufserziehungswerkes im Sinne der großen Ziele von Berufserziehung und Berufsführung auf dem Lande eingehend erörtert. Schließlich hat sich das Reichsamt für das Landvolk gerade im Augen-

blick mit den vielseitigen Fragen zu befassen, die sich

aus der vorsorglichen Umquartierung vieler Volks-

genossen aus den Großstädten auf das Land und ihrer

Aufnahme in. die einzelnen Bauernfamilien ergeben. Eine befriedigende Lösung aller dieser Fragen ist deshalb besonders wichtig, weil man die Hoffnung haben kann, daß aus dieser Notmaßnahme eine nicht zu unterschätzende Förderung für das gegenseitige

"Verständnis von Stadt und Land erweckt wird, dem

im Hinblick auf die großen Zukunftsaufgaben des Gesamtvolkes am Bauerntum besondere Bedeutung zukommt.

Auf dem Gebiet der allgemeinen Wirtschaftspolitik ist als wichtigstes Ereignis der Führererlaß über die Konzentration der Kriegswirtschaft zu verzeichnen. Danach gehen für die Dauer des Krieges die Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministers auf dem Gebiet der Rohstoffe und Produktion in Industrie und Handwerk auf den Reichsminister für Bewaffnung und Munition über, der im Hinblick auf seinen er- weiterten Aufgabenkreis die Bezeichnung „Reichs- minister für Rüstung und Kriegsproduktion“ führt. Der Reichswirtschaftsminister bleibt zuständig für die Versorgung der zivilen Bevölkerung mit Ver- brauchsgütern und die Regelung ihrer Verteilung. Er ist weiter zuständig auf dem Gebietd der Rohstoffe und der Produktion in Industrie und Handwerk und auf dem Gebiete des Handels für die Behandlung von

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AGRARPOLITISCHE KK

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Außenwirtschaftsfragen im Rahmen der Auße handelspolitik des Reiches. Ferner hat er auf < Gebiete des gesamten Außenhandels für die Wahı der allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkte

Rahmen der gesamten deutschen Wirtschaftspl i Sorge zu tragen und die deutsche Wirtschaft « 7550 / sprechend auszurichten. Er führt auch die ob Aufsicht über die Kreditinstitute und bearbeitet e Finanzierungsfragen der deutschen Wirtschaft. Rahmen dieser Vereinfachung der Erzeugungslenku wird der Reichsminister für Rüstung und K produktion die Aufgaben der bisher vom Re wirtschaftsminister mit Bewirtschaftungsaufgaben b pe? trauten Stellen, z.B. der Reichsstellen der erb- lichen Wirtschaft und deren Bewirtschaftungsst le S sowie der Reichsvereinigungen usw., in bezug a die Steuerung der Erzeugung unter Berücks ht, gung der Befugnisse der Hauptausschüsse und Ring durch eine sinnvolle Arbeitsteilung neu regeln. zu diesem Zeitpunkt werden die genannten n ihre Tätigkeit in der bisherigen Weise zu ée fortführen. g

Im „Völkischen Beobachter“ nimmt Nonnenbruch in einem Leitaufsatz „Straffun Kriegsproduktion‘ eingehend zu dieser Neuregel Stellung. Dort heißt es u. a.: „Diese Neugliede der Zuständigkeit war nötig geworden, nachdem beim bisherigen Ministerium für Bewaffnung und Mu- nition in den Ausschüssen und Ringen eine newe Or- ganisation zur Steigerung der Rüstungsproduktion entwickelt hatte. Sie hatte sich neben die bisherigen Organisationen zur Marktregelung und Erzeugungs- lenkung auf dem gewerblichen Sektor gestellt. Da die Organisationen des früheren Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition auf einem anderen Prin- zip aufgebaut waren als dem für die übrige gewerb- liche Wirtschaft gültigen, mußte es sich die Aufgabe einer Vereinheitlichung stellen. Jetzt werden zugleich mit der gesamten Erzeugung auch alle in der gewerb- lichen Wirtschaft bestehenden Organisationen ein- heitlich auf den Krieg ausgerichtet werden. Das wird Veränderungen in der organisatorischen Zusammen- fassung der wirtschaftlichen Kräfte nach sich ziehen, die von Reichsminister Speer durchzuführen sind, der ja zuständig für die gesamte Lenkung der indu- striellen Erzeugung ist. Nun hat Reichsminister Speer durch die Ausgestaltung der Ausschüsse und Ringe auf seinem Sektor schon seine glückliche Hand für die Lösung von Organisationsaufgaben bewiesen. In seinem ausschließlichen Streben nach Leistungs- steigerung hat er ein Prinzip für die Neugestaltung der Organisationen in der Hand. ... Daß in der Er- weiterung des Zuständigkeitsbereichs von Reichs-

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minister Speer der Wille zum Ausdruck kommt, die Erzeugung der deutschen Wirtschaft noch stärker als bisher auf die Kriegsproduktion auszurichten, ist selbstverständlich.... Wir haben uns verhältnismäßig spät auf den totalen Krieg umgestellt, um die Heimat möglichst zu schonen. Nachdem nun einmal diese Um- stellung erfolgt ist, muß sie aber auch vollständig sein, und so ist der Führererlaß als eine weitere Straffung unserer wirtschaftlichen Kräfte für den totalen Krieg zu werten.“

Die Ernährungs wirtschaft wird von dieser Neuregelung der Zuständigkeiten unmittelbar nicht berührt. Schon bei einer früheren Gelegen- heit hatte der „Völkische Beobachter‘ festgestellt, daß in der Ernährungswirtschaft die Umstellung auf ausschließliche Kriegsaufgaben im Gegensatz zur übrigen Wirtschaft, die noch andere Aufgaben zu erfüllen hatte, bereits bei Ausbruch des Krieges erfolgt sei. Maßnahmen wie die Einstellung der Voll- milchabgabe an den allgemeinen Verbrauch oder die Beschränkung des Blumen- und Zierpflanzenbaues zu- gunsten des Gemüseanbaues sind hier nur als äußere Symptome zu werten. Das äußere Gerippe einer auf die Aufgaben des totalen Krieges ausgerichteten Ernährungswirtschaft war bereits durch die auf Grund des Reichsnährstandsgesetzes aufgebaute Marktord- nung geschaffen und brauchte dann nur durch die Einführung der erforderlichen Bewirtschaftungsvor- schriften auf den Krieg umgeschaltet zu werden. Die natürlichen Beschränkungen, mit denen unsere Kriegs- ernährungswirtschaft rechnen mußte, erforderte von Anfang an die Umstellung auf ausschließliche Kriegs- aufgaben. Da überdies beim Aufbau der Marktordnung bereits eine Rationalisierung der Verarbeiterbetriebe ausschließlich nach den Gesichtspunkten der zweck- mäßigsten Produktionsbedingungen und der not- wendigen Versorgungsaufgaben unter gleichzeitiger Bereinigung der Lieferbeziehungen zwecks Entlastung des Verkehrsapparates erfolgt war, dürften sich hier jetzt weitere Maßnahmen als nicht erforderlich er- weisen,

In diesen Wochen befindet sich die Landwirtschaft bereits mitten in der Herbstbestellung für den Auf- bau der Ernte des nächsten Jahres. Im Vordergrund der Anbauparolen steht die Forderung nach der Ausweitung des Brotgetreideanbaues ensprechend dem Umfang der Jahre 1938/39, sowie die weitere Aus- weitung des Ölfruchtanbaues. Der Ölfruchtanbau soll gegenüber dem Vorjahre nochmals um etwa 30 v. H. erweitert werden. Dies darf jedoch keinesfalls auf Kosten des Hackfruchtanbaues geschehen, da die Hackfrüchte von der Flächeneinheit die höchsten Erträge an Nährwerten liefern und überdies für die Erhaltung der Intensität und Produktionskraft der Betriebe entscheidend sind. Die Erweiterung des Ölfruchtanbaues wird also gewisse Anbauvermin- derungen beim Sommergetreide notwendig machen. Schon deshalb ist es erforderlich, jetzt den Winter- getreideanbau ensprechend zu vergrößern. Bei der Herbstbestellung wird ferner zu berücksichtigen sein, daß die unvermeidlichen Beschränkungen in der Zu- teilung von Handelsdünger eine um so sorgfältigere Bodenbearbeitung sowie die Verwendung hochwer-

tigen Saatgutes erfordert. Erfreulicherweise wird die Versorgung mit hochwertigem Saatgut in diesem Herbst bei Getreide und Ölfrüchten keinerlei Schwie- rigkeiten machen. Der Aufbau der neuen Ernte wird dadurch erleichtert, daß die frühzeitige Beendigung der diesjährigen Ernte nicht zur Überhastung bei den Ackerarbeiten zur Herbstbestellung zwingt. Wichtig ist neben der rechtzeitigen Anbauplanung eine ebenso sorgfältige Planung bei der Anwendung der verfügbaren Menge an Handelsdüngemitteln.

Auch in der Viehwirtschaft müssen jetzt wich- tige Maßnahmen beachtet werden. Im Vordergrund steht hier die pünktliche und vollständige Erfüllung der Rinderumlage sowie die rechtzeitige Vorsorge für den Nachwuchs im Rindviehstall, um hier der für die künftige Entwicklung der Milcherzeugung ungünstigen Überalterung der Kuhbestände ent- gegenzuwirken. In der Schweinehaltung steht nach wie vor im Vordergrund der Wiederaufbau unserer Schweinebestände, der im Hinblick auf den geringeren Ertrag der Kartoffelernte eine besonders sorgfältige Planung im Futtermittelhaushalt, insbesondere die beste Ausnutzung aller im Betriebe vorhandenen Futtermittel verlangt. Ferner gilt es, das jetzt be- stehende Mißverhältnis zwischen Bedarf und Angebot auf dem Ferkelmarkt durch eine zielbewußte Er- zeugungsienkung zu beseitigen. Die Ursachen der bisherigen Schwierigkeiten liegen darin, daß das Hauptangebot der Ferkel etwa zwei Monate hinter der dringenden Nachfrage im zeitigen Frühjahr zu spät kommt. Deshalb soll eine Vorverlegung des Ferkeltermins und damit der Deckzeit um etwa A bis 6 Wochen erfolgen. Die bevorstehende ruhigere Zeit des Winters wird wie in den vorhergehenden Jahren dazu benutzt werden, dm eine möglichst wirksame Durchführung der fünften Kriegserzeu- gungsschlacht vorzubereiten.

Als Erfolg der vierten Kriegserzeugungsschlacht Ist am 20. September eine Erhöhung der Brotration möglich gewesen, die bei allen Normalverbrauchern in der Kartenperiode, also in vier Wochen, 400 Gramm Weizenbrot oder andere Weizenware je Kopf aus- macht. Außerdem erhalten die Kinder von 6 bis 10 Jah- ren 500 Gramm Roggenbrot sowie die Lang- und Nachtarbeiter auf ihre Zulagekarten 400 Gramm Roggenbrot je Zuteilungsperiode. Dank der guten Weizenernte ist es ferner möglich gewesen, den Anteil des Weizengebäcks an der Gesamtbrotration zu erhöhen und damit den friedensmäßigen Ver- zehrsgewohnheiten anzupassen. Die Leistungen der deutschen Landwirtschaft, die in dieser Rations- erhöhung zum Ausdruck kommen, werden beson- ders deutlich, wenn man berücksichtigt, daß an unsere Brotgetreidebilanz mannigfach erhöhte Anforderungen gestellt wurden. Wenn trotzdem die Brotration in diesem Jahr zum zweitenmal erhöht werden konnte, und damit sogar die Brotzuteilung zu Beginn des fünften Kriegsjahres etwas größer wurde als im ersten Kriegsjahr, so ist dies ein besonders deutliches Zeichen für die unerschütterliche Leistungskraft der deutschen landwirtschaftlichen Erzeugung.

Dr. Kurt Haußmann

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Zehn Jahre Rölchserbhiofgesei

An dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das 1900 als Ausdruck einer bürgerlichen Zeit im Altreich in Kraft trat, hat ungefähr dreißig Jahre lang eine Anzahl hochgelehrter Männer gearbeitet. Und, nicht viel länger als dreißig Jahre hat dieses Gesetz notdürftig gehalten. Dann bröckelte es auseinander in die vielen Bestandteile, in die es geglaubt hatte das Leben aufgliedern und einschachteln zu können. Es zerbrach endgültig in dem gleichen Zeitpunkt, in dem ein paar beherzte deutsche Männer sich im Jahre 1933 an- schickten, als Ausdruck des nationalsozialistischen Wollens, ausgestattet mit einem sicheren Instinkt für das Bäuerliche und für unsere völkischen Not- wendigkeiten, dem deutschen Volk ein „bäuerliches“ Gesetzbuch zu schenken, das als Reichserbhofgesetz am 1. Oktober 1933 in Kraft trat. Zwei Welten stan- den sich dabei gegenüber: die vergehende bürgerliche und die um die Zukunft ringende bäuerliche.

So unterschiedlich die Entstehung dieser beiden Gesetze ist, so verschieden war aber auch ihre Auf- nahme durch das Volk. Während das Bürgerliche Gesetzbuch als die höchste Krönung der Rechts- gestaltung des vergangenen Zeitalters angesehen wurde, fand das Reichserbhofgesetz mit seinem Er- scheinen in der Allgemeinheit unseres Volkes nicht die Aufnahme und den Widerhall, den man, an seiner Bedeutung gemessen, hätte erwarten dürfen. Das ist aber auch verständlich. Denn dieses Reichserbhof- gesetz ist seiner Zeit weit voraus und schuf in einer noch bürgerlich denkenden, überwiegend städtischen Welt ein Recht, das in weiten Teilen des Volkes, ja sogar des Bauerntums, nicht mehr verstanden wurde. Während also das Bürgerliche Gesetzbuch seinerzeit als Samen in einen wohlbereiteten Acker gelegt wurde, fiel das Reichserbhofgesetz auf einen Boden, der noch keineswegs allgemein zur Aufnahme ge- eignet war. Die erste Aufgabe mußte es daher sein, nach Erlaß dieses Gesetzes nun diesen Boden vorzubereiten, damit die Saat auf- gehen und gedeihen konnte.

Heute nach zehn Jahren ist es an der Zeit, einmal Rechenschaft darüber abzulegen, ob der Boden von uns richtig aufgebrochen und bearbeitet wurde, damit das Reichserbhofgesetz reiche Frucht tragen konnte. Der Boden ist in diesem Vergleich das Volk. Hier liegt die erste große Schwierigkeit. Der weitaus größte Teil unserer Anfang des vorigen Jahrhunderts noch überwiegend bäuerlichen Bevölkerung lebte 1933 in der Stadt, zum nicht unerheblichen Teil sogar in der Großstadt. Viele der ursprünglich vom Bäuer- lichen kommenden deutschen Menschen hatten damit seelisch und geistig den Zusammenhang mit dem Lande verloren. Erst dieser große Krieg ist es, der hier den

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Boden vorbereitet und auch in der Stadt er die Erkenntnis reifen läßt, daß ohne genügend Land und ein genügend starkes Landvolk das gesamte Voll dk zugrunde gehen muß. 9

Die Arbeit der Durchdringung des Volkes mit de Gedanken des Erbhofrechtes mußte daher zun zwangsläufig auf den klein gewordenen Teil des L volkes beschränkt bleiben. Hier ist aber g worden, wenn auch hier der Boden zum Teil nicht mehr aufnahmebereit war, weil ein Recht und fremde Ideen ihn steril gemacht hatten In aller Stille ist aber im Landvolk, vielfach unbemerkt von der Stadt, an und mit diesem Recht u dich gearbeitet worden. Rund 2000 Bauerngerichte s i seit Jahren im Großdeutschen Reich an der Arbeit, dieses Bauernrecht wachsen und Frucht n 1 lassen. Ungezählte Bauernführer aber haben in e Zeit unermüdlich um die Anerkennung dieses f gerungen. Und nicht umsonst. Wie sehr auchdi Reichserbhofgesetz, wie alles Neue und Unerp e: te, zunächst im Bauerntum recht kritisch aufge = wurde, so sehr hat es sich in jenen Gegenden e gesetzt, in denen das Bauerntum noch stark und ge sund geblieben war und sich nicht allzuweit von dem deutsch-germanischen Rechtsempfinden entfernth Das aber war der beste Beweis für die Richt dieses Gesetzes und der unbedingte Ansporn, das Bauerntum auch in jenen Teilen des Reiches ® dieses Gesetz auszurichten, in denen es an vielen tatsächlichen Voraussetzungen, wirtschaftlicher und kultureller Art zum Verständnis dieses Gesetzes fehlte. Diese Voraussetzungen, wie zum Beispiel Verbesse- rung der Einkommensverhältnisse, bessere maschi- nelle Ausstattung, Durchführung notwendiger Melio- rationen und Umlegungen usw. zu schaffen, ließen die Verhältnisse wegen des ständig drohenden und dann auch eingetretenen Krieges nicht zu. So ist e verständlich, daß das Reichserbhofgesetz in manchen Teilen unseres Bauerntums noch nicht auf das tiefe Verständnis stößt, das es verdient hat und das auch zu seiner Durchsetzung notwendig ist.

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Dennoch aber ist es in den zehn Jahren gewachsen und gediehen und wird es weiter wachsen, bis es 50 reiche Frucht trägt, daß es nicht nur allgemein auf dem Lande, sondern auch in der Stadt als das Grund- gesetz unseres Volkes anerkannt wird. Das muß auch kommen. Denn wenn wir nur leben werden als Bauern- reich, wie der Führer sagte, dann wird dieses Bauern- reich nur festen Bestand haben können, wenn es ein starkes Bauernrecht besitzt.

Dieses starke Bauernrecht aber wird nicht nur allein durch ein Gesetz geschaffen. Das Gê- setz ist nur das in den Boden gelegte Saatkorn. Es muß als aufgegangene junge Pflanze gepflegt und be: hütet werden, damit es eines Tages ein starkes

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Wachstum zeigt. Das aber kann nach zehn Jahren noch nicht der Fali sein. Und doch sehen wir heute, schon, wie sich dieses Reichserbhofgesetz entwickelt hat. Es hat sich dem Leben im Einzelfall durch die unermüdliche Rechtsprechung unserer Bauernge- richte angepaßt, und dort, wo seine Paragraphen nicht ausreichten, ist es im Laufe der jahre verändert und verbessert worden. Es wird auch weiterhin so ver- bessert, daß es eines Tages als ausgewachsenes, art- eigenes und volksverbundenes Recht vor uns steht, vor uns, die wir bis dahin ebenfalls in einer neuen Weltanschauung gereift sind und alle die Bedeutung dieses Rechts erkennen gelernt haben. $

So wollen wir am zehnten Geburtstag dieses Ge- setzes nur deshalb zurückschauen, um an der bisher

geleisteten Arbeit zu erkennen, welch ein groß

Stück Weges zum gesteckten Ziele noch vor uns liegt. Wir wollen bekennen, daß wir weiterhin im Bauerntum mit aller Kraft im Sinne dieses Bauernrechts zur politischen Aufgeschlossenheit und Aktivität, zum Wollen eigener Rechtsgestaltung und zur Tat der Rechtsschöpfung erziehen müssen, vor allem bei der Jugend angefangen, well ihr die Zukunft gehört und sie alles vollenden muß, was bei uns nur Sehnsucht und vorbereitende Tat sein kann.

Dr. Meyer in der Stroth

Beruf und Kinderzahl im Lichte der Statistik r

Statistiken geht zwar der Ruf voraus, sie wirkten zu trocken, bei näherer Betrachtung erweisen sich aber auch nüchterne Zahlenreihen als sehr auf- schlußreich und zeigen etwas von dem Leben, das sie festhalten sollen. Aus den Veröffentlichungen In Heft 5/1943 der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik“ erhalten wir manchen wertvollen Hinweis auf die gegenwärtige biologische Lage unseres Volkes. Hier hat das Statistische Reichsamt erstmalig auf Grund der-familienstatistischen Erhebungen bei der Volks- zählung von 1939 Ergebnisse über die Kinderzahl der bestehenden Ehen nach dem Beruf und der sozialen Stellung der Ehemänner sowie nach der Wohnweise in Stadt und Land und nach der etwaigen Boden- bewirtschaftung bekanntgegeben. Für dle. Zahlen- tabellen ist eine standardisierte Meßzahl (nämlich die Klnderzahl der Ehen der Bauern und selbständigen Landwirte in den ländlichen Gemeinden im Durch- schnitt = 100) zugrunde gelegt und dann die ver- schiedensten Berufsgruppen jeweils nach dem Beruf des Ehemannes und der Tatsache, ob Bodenbewirt- schaftung nachweisbar ist oder nicht, aufgetellt. Allerdings sind hier nur die ländlichen Gemeinden und die Großstädte berücksichtigt, während die mittlere Gruppe der Gemeinden mit 2000 bis 100000 Einwohnern leider nicht behandelt wird.

Wir können’ diesen Zahlenreihen entnehmen, daß

die Landarbeiter In den ländlichen Gemeinden er- heblich mehr Kinder aufweisen als die selbständigen Bauern und Landwirte. Auch die Bauarbeiter und in geringerem Maße die Stein- und Bergarbeiter haben, soweit sie auf. dem Lande wohnen und Land bewirt- schaften, durchschnittlich mehr Kinder als die Bauern.

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Weiter ersehen wir aus dieser Zusammenstellung, daß die Kinderzahlen in den ländlichen Gemeinden erheblich über denen der Großstädte liegen und daß

die Ehepaare mit Landbewirtschaftung immer er-

heblich kinderreicher sind als die ohne. Auch zeigt es sich deutlich, daß Bodenbewirtschaftung den geburtenmindernden Einfluß der Stadt wesentlich abschwächt, wenn. auch nicht aufhebt.

„Wirtschaft und Statistik“ knüpft hieran die Fest-

stellung: „Bemerkenswert ist, daß die Vertreter

vieler Berufe, sofern sie auf dem Lande wohnen, ganz gleich, ob sie eigenen Boden bewirtschaften oder nicht, prozentual mehr Kinder aufweisen als die 16000 Bauern, die am Rande der Großstadt ansässig sind.“ Hier ist zu bemerken, daß es sich bel diesen 16000 Ehepaaren einmal nur um einen verschwindend kleinen Prozentsatz aller Ehepaare der Bauern und Landwirte (0,9 v. H.) handelt und sie schon deshalb

kaum zum Vergleich mit ‚Berufsgruppen heran-

gezogen werden dürfen, die zu wesentlich größeren Teilen in Großstädten wohnen (z.B. bei den Berg- arbeitern 28, 2 v. H.), und daß weiter der Begriff „Bauer“ bei diesen sich doch vielfach nur einer Spezialkultur widmenden Landwirten nicht summa- risch angewandt werden darf. Nur so ist es zu er- klären, daß viele Berufsgruppen, „sofern ihre Ver- treter auf dem Lande wohnen und ein Stück Land bearbeiten, kinderreicher oder wenigstens ebenso kinderreich‘‘ wie die Ehepaare der Bauern und Land- Wirte erscheinen, „die im Bereich der Großstadt ansässig sind.“

. Es ist wichtig festzustellen, daß der Anteil der Ehepaare von Bau-, Berg- und Steinarbeltern, die auf dem Lande mehr Kinder als die Bauern und Landwirte aufweisen, in den ländlichen Gemeinden bei gleich- zeitiger Bodenbewirtschaftung verschwindend klein ist und daB hier 5 der Ehepaare der Bauern und Landwirte viel bedeutsamer ins Gewicht fällt.

‚Außerdem kann ein großer Teil dieser Arbeiter-

gruppen, der in den ländlichen Gemeinden Land be- wirtschaftet und zum allergrößten Teil selbst aus der Landwirtschaft stammt, mit gutem Recht als Land- wirte im Nebenberuf angesprochen werden. Wir müssen hier die Tatsache der Herkunft und Zu- gehörigkeit zum landwirtschaftlichen Beruf der z.T. nur unter dem Zwang der Verhältnisse zur

Nebenbeschäftigung wurde besonders hervorheben, und sehen dann gleichzeitig, welche Bedeutung die -

Sprengung der deutschen Raumenge und die nun er- möglichte weitausgreifende Siedlungspolitik für die Zukunft unseres Volkes hat. So erhalten wir einen neuen Beweis für die Berechtigung der These von der Schicksalsverbundenheit von Blut und Boden. Die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung ist, wenn man alle Gemeindegrößenklassen zusammenfaßt, nach den Aussagen: der Statistik nach wie vor bei weitem kinderreicher als die nichtlandwirt- schaftliche Bevölkerung, und ohne eine breite Basis der selbständigen Bauern und Landwirte auf dem Lande und ohne ihren Kinderreichtum wäre unser Volk zum allmählichen Aussterben verurteilt. Das Bauerntum ist und bleibt der Jungbrunnen des Volkes!

Dr. Albrecht Timm

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Kartoffeln für die Verarbeitungsindustrie

Ihre vielseitige Verwendungsfähigkeit hat der Kar--

toffel in der deutschen Ernährungspolitik eine be- sondere Stellung zugewiesen. Zehn Jahre lang haben wir uns um eine Ertragssteigerung dieser Frucht bemüht mit dem Erfolg, daß Anbauflächen und Er- träge bei normaler Witterung eine ständig steigende Kurve aufwiesen. Bessere Bodenbearbeitung, häufi- gerer Saatgutwechsel, die Verwendung ertragsrei-

_cherer und ertragssicherer Sorten, erhöhter Aufwand

und nicht zuletzt der verstärkte Einsatz technischer Hilfsmittel haben mit dazu beigetragen, daß die Er- träge laufend stiegen. Heute wissen wir, wie richtig

die Parolen waren, die zu einer Steigerung des Hack-

fruchtanbaus aufriefen. Die Kartoffel hat, je länger der Krieg dauert und je mehr die tierische Kost durch die pflanzliche ersetzt wird, eine immer wachsende Bedeutung für die menschliche Ernährung. War vor dem Kriege der Speisekartoffelbedarf auf etwa 13 Millionen Tonnen angestiegen, so kann man heute mit einer Verdoppelung dieses Satzes rechnen. Rund 26 Millionen Tonnen müssen zur Zeit für Speisekar- toffeln des deutschen Volkes bereitgestellt werden. Das ist eine Menge, die schon rein transportmäßig ungeheure Anforderungen an den Verkehr stellt, selbst wenn davon fast 40 v. H. den Bedarf der Selbst- versorger ausmachen und daher transportmäßig nicht ins Gewicht fallen.

Unter den übrigen Interessenten für die Kartoffel- ernte steht das Schwein mit seiner sehr erheblichen Forderung an Futterkartoffeln an erster Stelle. Ihm folgen die Pflanzkartoffeln und schließlich der Be- darf an Fabrikkartoffeln. Wenn die Verarbeitungs- industrie auch mit ihrem Kartoffelbedarf an letzter Stelle steht, so sind ihre Erzeugnisse doch für die Ernährungswirtschaft und auch für die gewerbliche Wirtschaft nicht weniger als rund 70 Industrie- und Gewerbezweige bedürfen zur Herstellung ihrer Produkte der Erzeugnisse der Kartoffelverarbeitungs- industrie von so grundsätzlicher Bedeutung, daß

dieser Bedarf sowohl bei der Anbauplanung berück-

sichtigt wird, als auch in der Marktordnung eine wach- sende Rolle spielt. Die Sicherung der Rohstoffgrund- lage für die Kartoffelverarbeitungsindustrie Ist nach dem jeweiligen Ausfall der Ernte und den Bedürfnissen des Verbrauchs entscheidend. Daher hat die Kartoffel- marktordnung schon vor Jahren Einzugsgebiete für jeden Flocken- und Stärkeverarbeitungsbetrieb fest- gelegt und hierfür bestimmte Fabrikkartoffelliefer- mengen an die Landwirtschaft herausgegeben. Für jeden Erzeugerbetrieb ist ein Grundlieferungskon- tingent an Fabrikkartoffeln festgesetzt. Da im Wirt- schaftsjahr 1943/44 die Pflichtverarbeitungsmenge der Flockenberiebe vorläufig auf höchstens 40 v. H., der Stärkebetriebe vorläufig auf höchstens 60 v. H. der Fabrikkartoffelgrundliefermengen der Erzeuger des jeweiligen Einzugsgebietes festgesetzt worden ist, wird der Erzeuger zum Zwecke der vorrangigen Sicherstellung der Speisekartoffeln verpflichtet, die Restmenge des Fabrikgrundkontingents als Speise- kartoffeln zusätzlich abzuliefern. Durch die Umlagen

30

der Grundlieferungsmengen bei den Erzeugern inner- halb der Einzugsgebiete ist eine gesicherte Basis für die Arbeit der Flocken- und Stärkefabriken gegeben, die sich selbstverständlich nach der zu erwartenden Ernte richtet. Durch diese elastische Anpassung der Marktordnung an die Erzeugungsmöglich- keiten wird gleichzeitig der Anfall der zahlreichen Erzeugnisse aus Kartoffeln, die für die Kriegsernäh- rungswirtschaft wichtig sind und die in der allge- meinen Kriegsproduktion zum Teil Schlüsselstellungen einnehmen, sichergestellt.

Erich Borkenhagen

Vom Abfallprodukt zum Nahrungs- und Futtermittel

Der Anbau von Zuckerrüben erfolgte in früheren

‚Jahren lediglich zur Gewinnung von Zucker aus den

geernteten Rübenkörpern. Das bei der Ernte an- fallende Rübenblatt betrachtete man im allgemeinen als ein lästiges Beiwerk, das viel Arbeit bereitete und den Betrieb belastete, ohne einen größeren Wert zu besitzen. In ausgesprochenen Rübenwirtschaften wurde daher das Blatt vielfach auf dem Felde liegen- gelassen, wo es langsam verfaulte, um dann später untergepflügt zu werden.

Ein Teil des Blattes wurde in frischem Zustande oder eingesäuert zur Fütterung des Rindviehs und der Schafe herangezogen. Welch geringe Bedeutung man diesem Futtermittel beimaß, geht unter anderem auch aus der höchst primitiven Art der Aufbewahrung hervor. Im allgemeinen wurde das Blatt in große Haufen zusammengefahren und mit Erde bedeit, Dabei entstand ein übelriechender Patsch, der de ganze Umgebung des Betriebes mit seinem unange- nehmen Geruch erfüllte und für die Fütterung infolge der dabei entstehenden Nährstoffverluste von nicht allzu großer Bedeutung war. Nachdem man im Ver- laufe der letzten zwei Jahrzehnte den Wert des Rüben- blattes für die Milchviehfütterung mehr und mehr erkannt hatte, ging man vor allem in ſortschrittlichen Betrieben dazu über, dem Rübenblatt bei der Ein- säuerung eine größere Sorgfalt einzuräumen. Es ge- lang dadurch, die Nährstoffverluste ganz erheblich herabzusetzen und somit ein Futtermittel zu gewinnen, das sich durch einen hohen Eiweißgehalt und vor- zügliche Futtereigenschaften auszeichnete. Im Ver- laufe der Erzeugungsschlacht wurde der Wert dieses Futtermittels immer mehr erkannt und das Zucker- rübenblatt weitgehend als Ersatz für die feh- lenden Kraftfuttermittel herangezogen. Dem- entsprechend erfolgte die Ernte von jahr zu jahr sorgfältiger unter Vermeidung von Verschmutzung besonders durch das Pommritzer Verfahren und die Einsäuerung nach Möglichkeit In festen Behältern oder la mit Silopapier ausgelegten Erdgruben bzw. Strohbehältern.

In neuester Zeit hat sich nunmehr durch wissen- schaftliche Versuche und praktische Erfahrungen gezeigt, daß das Rübenblatt nicht nur ein wertvolles Milchviehfutter darstellt, sondern sich auch für die Schweinemast hervorragend eignet. Wie Prof.

Richter, Kraftborn, und Prof. Nehring, Rostock, in eingehenden Versuchen feststellen konnten, ist es durch die gemeinsame Einsäuerung von Kartoffeln und Zuckerrübenblatt im Verhältnis 2: 1 möglich, ein hervorragendes Mastfuttermittel für die Schweine- mast bereitzustellen und damit auch erhebliche Mengen von Kartoffeln bei der Schweinemast ein- zusparen. Dies dürfte In diesem Herbst von ganz besonderer Bedeutung sein.

Darüber hinaus hat es sich des weiteren gezeigt, daß das Zuckerrübenblatt auch als Gemüse einen hohen Wert besitzt, der zumindestens dem des Spinats gleichkommt. Seit dem vorigen jahr Ist man daher dazu “übergegangen, Zuckerrübenblatt plan- mäßig und mit bestem Erfolg in der Gemüsever- sorgung einzusetzen. Damit ist aus einem wertlosen Abfallprodukt im Laufe der letzten Jahre ein überaus geschätztes, hochwertiges Futter- und Nahrungsmittel geworden. Dies bedingt, dag diesem hochwertigen Erzeugnis in der Praxis Insbesondere bei der Ernte auch die nötige Beachtung geschenkt werden muß. Verluste durch unsachgemäße Ernte, Verschmutzung, langes Liegenlassen auf dem Felde usw. müssen wel- testgehend vermieden werden. Der Einsatz des Blattes in der Fütterung muß überlegt und planvoll erfolgen, um allen Anforderungen, die in immer höherem Maße an dies Erzeugnis gestellt werden, gerecht zu werden.

Dr. Ernst Schneider

Das Deputaf und die Landarbeiterin

Deputat, auf deutsch „das Zustehende“, Ist seit alters her in der Landwirtschaft ein Teil des Lohnes. Es umfaßt Sachwerte (Naturalien) wie etwa Getreide, Viehhaltung, Wohnung, Brennholz, Garten- und Ackerland usw. Genau so, wie man beizeiten lernen muß, das Geld richtig einzuteilen, muß man auch lernen, das Deputat richtig zu verwerten. je nachdem, in welchem Maß die Landarbeiterin das versteht, kann sie ihr Einkommen steigern und die

wirtschaftliche Kraft des eigenen Haushaltes stärken.

Früher meinte man, da8 jede Landarbeiterin das „von selbst können“ müsse. Wie aber eine junge Mutter nicht allein dadurch, daß sie einem Kind das Leben gegeben hat, von selbst weiß, wie es gepflegt, großgezogen und erzogen werden muß, wenn sie nicht entsprechende Unterweisungen erhalten, am besten entsprechende Kurse oder Kurzlehrgänge be- sucht hat, genau so wenig kann die Landarbeiterin „von selbst” richtig mit dem Deputat umgehen. Wohl lernt die Tochter viel von der Mutter. Aber die Zeit geht weiter und stellt immer neue Anforderungen an uns und unsere Leistungsfählgkeit. Deshalb müssen wir mit der Zeit mitgehen und unsere Arbeit immer wieder neu ausrichten. .-

Durch das Bäuerliche Berufserziehungswerk wird auch den Landarbeitertöchtern die Möglichkeit gegeben, daB sie durch die Hausarbeitsiehre eine geordnete Berufsausbildung erhalten können, d.h. daB sie neben der Feldarbeit auch alles das lernen, was sie zur Führung ihrer kleinen Land-

arbeitereigenwirtschaft brauchen. Dazu gehört so- wohl die Haushaltführung wie die Pflege des Viehs, Geflügels, Gartens usw. Auch den sogenannten Hof- gängerinnen bietet sich: diese Möglichkeit, wenn sie in die Hausarbeltslehre eintreten. Der Betriebsführer muß sich in diesen Fällen verpflichten, die junge Landarbeiterin während des Winters für mindestens acht Wochen vorwiegend in der ländlichen Haus- wirtschaft zu beschäftigen. Dort, wo dies nicht mög- lich ist, wird durch einen besonderen vierwöchigen Lehrgang erreicht, daß die einseitige Feld- und Hof- arbeit die notwendige hauswirtschaftliche Ergänzung erfährt. Auf diese Weise ausgebildet, kann künftig jede Landarbeiterin das Rüstzeug erhalten für die zweckmäßigste Deputatsvor wertung und Führung ihrer Eigenwirtschaft. |

Der jetzigen Generation aber, für die die Lehre nicht mehr in Frage kommt, kann durch entspre- chende Beratung oder Kurzlehrgänge geholfen werden, sich die Haushaltführung zu erleichtern und erfolgreicher zu gestalten. Erst einmal für diese Ge- dankengänge aufgeschlossen, merkt die Landarbeiter- frau sehr bald, wie sie sich manches praktischer ein- richten kann. Sie beobachtet und vergleicht und bringt schließlich von sich aus mancherlel Fragen aus Ihrer Haushalt- und Wirtschaftsführung vor, die ihr bisher Kopfzerbrechen machten. Dabei geht es nicht allein um das Kochen, dem in manchem Landarbeiter- haushalt aus Zeitmangel viel zuwenig Sorgfalt zu- gewendet wird, und nicht nur um die Ernährung der Kinder, bei der gerade auf dem Lande noch viele Irrige Meinungen vorherrschen, sondern Insbesondere um die zweckmäßige Deputatverwertung, z.B. das Einschlachten des Schweines und die Ausnutzung des Gartenlandes so, daß die Ernährung der Familie nach neuzeitlichen Erkenntnissen mit ausreichenden Mengen an Gemüse und Obst auch wirklich möglich Ist. Derartige Kurzlehrgänge hat die Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt schon seit mehreren Jahren In nun- mehr fast allen Kreisbauernschaften als sogenannte Sprechabende durchgeführt. Die rege Teilnahme der Landarbeiterinnen bewies das große Interesse, das sie dieser Maßnahme entgegenbringen, und das starke Bedürfnis, etwas dazuzulernen, wenn sich die richtige Möglichkeit dazu bietet. Trotz des Krieges werden diese Sprechabende im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung weitergeführt wenn auch in kleiner Zahl und sind von anderen Landes- bauernschaften ebenfalls aufgenommen worden. Die Landarbeiterin wird dadurch nicht nur wirtschaft- lich beraten, sondern es wird auch ihr Selbst- bewußtsein gestärkt, und sie lernt gleichzeitig, sich genau so wie die Bäuerin als richtige Landfrau zu fühlen. Eine Landarbeiterin aber, deren Haushalt wirtschaftlich gefestigt ist und die mit Recht stolz auf ihre Arbeit und ihre Leistung für den Hof, für die Landwirtschaft und damit für die Ernährungswirt- schaft überhaupt ist, wird dafür sorgen, daß ihre Kinder nicht den Verlockungen der Großstadt er liegen, sondern dem Lande treu bleiben und einen Beruf ergreifen, der in irgendeiner Form ebenfalls dem gleichen Ziel dient,

Irmgard Genthe

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H. Schmidlin

Arbeit und Stellung der Frau in der

Landgufs wirtschaft der Hausväter

Carl Winters Universitätsbuchhandlung, Heidelberg 1941, 115 Seiten

Schon Adam Müller, der Staatsphilosoph der Ro- mantik, hat die Beobachtung gemacht, daß Albrecht Thaer in seinen Schriften die Hausfrau, „die unsicht- barste, aber einflußreichste Potenz der Landwirtschaft, die Sparende, die Erhaltende“, kaum berücksichtigt hat. „Der Gesetzgeber der rationellen Landwirtschaft erwähnt sie in allen seinen Werken kaum dem Namen nach.“ Auf dem Wege zur modernen Landwirtschafts- wissenschaft schied die Landbaulehre das Land- und Gartenleben sowie die Innere Hauswirtschaft aus, damit wurde der Bereich der hausmütterlichen Arbeit

. aus den Darstellungen der praktischen Landwirtschaft

fast ganz entfernt. Die Vorläufer der rationellen Land- wirtschaftsiehre, die. Hausväter, brachten dagegen regelmäßig in ihren Werken Teile über die Arbeit der Frau In Haus und Garten, ja verschiedene Ver- fasser stellten neben ihren „Hausvater“ auch eine „Hausmutter“, wie z.B. Germershausen. Schmidlin hat die Hausväterliteratur nach der Stellung der Haus- frau in ihr durchforscht und ein eindrucksvolles und lebendiges Bild von der vielseitigen Tätigkeit der Hausfrau in der Landgutswirtschaft entworfen.

Da berichten die Hausväter z. B. ausführlich über das Kochen und Einmachen, über das Schlachten, Lichteziehen, Seifekochen, Waschen, über das Backen, Brauen und Destillieren, das Spinnen, Weben, Färben und Schneidern und schließlich über die vielgestaltige Tätigkeit in der Milchküche und im Stall, im Garten, auf dem Feld und im Weinberg. Außer diesen Haupt- tätigkeiten gibt es aber noch viele, an denen die Hausfrau der Hausväter beteiligt ist oder die sie ver- antwortlich beaufsichtigt, wie z. B. die Seidenraupen- zucht, die Imkerei usw. Weitere Abschnitte zeigen die Frau bei der Regierung des Gesindes und der Er- ziehung der Kinder, hat doch schon Roscher den Inhalt der Hausväterliteratur dahin gekennzeichnet, daß In ihr der Gedanke des Familienlebens in gleicher Weise vorherrsche wie in der landwirtschaft- lichen Literatur des späteren 18.}jahrhunderts der Ge- danke des Reinertrages. Die Verfasser der Haus- väterliteratur betrachteten den landwirtschaftlichen Betrieb eben als eine erweiterte Haushaltung und nicht als landwirtschaftlichen Betrieb im späteren enge- ren Sinne des Begriffes.

Der Verfasser vertritt die Anschauung, daß das Verschwinden der Haushaltskunde aus den Schriften der Rationellen nicht aus einer an sich höheren Ent- wicklung zu erklären war, sondern aus der einstwei-

32

ligen Notwendigkeit, zu einer Landwirtschaftswissen- schaft zu gelangen. Daher sei auch in der heutigen Zeit eine gewisse Wiederkehr der ländlichen Haus- haltskunde festzustellen, z. B. innerhalb der Land- arbeitsiehre. Der Verfasser bezeichnet seine Unter- suchung als „Beiträge zur Agrarphilosophie“. Er sieht also hinter den aufgezeigten Tatbeständen das Wir- ken weltanschaulicher Beweggründe, die an dere waren als bei den Rationellen. Die Romantik rügte bereits an Thaer, daß die Landwirtschaft nicht nur ein nach höchstem Reinertrag strebendes Gewerbe sein dürfe, sie schätzten die Hausvärer als späte Aus- läufer des Mittelalters, die das Landgut als Lehen Got- tes ansahen, woraus sich eine besondere Verantwor- tung gegenüber den Vorfahren und den kommenden Geschlechtern ergab. Das interessante Buch leidet stellenweise unter einem wenig geschickten Stil.

Dr. Klaus Schmidt

Karl Rumpf

Eine deutsche Bauernkunst

Schriften des Landesamtes für Volkskunde. Heng

gegeben von B. Martin. Elwertsche Verlagsbuchkar*

lung Marburg/Lahn 1943. 103 Seiten, 134 Abbildung 24 Tafeln. Halbleinen RM. 24,—

Das neue ins Leben gerufene Hessische Landesamt für Volkskunde hat seine Aufgabe, auf die reichen Zeugnisse des bodenständigen Volkstums hinzuweisen und das übernommene Erbe für die Gegenwart und Zukunft nutzbar zu machen, schon mit dem ersten Band seiner Veröffentlichung trefflich erfüllt. Karl Rumpf hat auf seinen jahrelangen Wanderungen die Wurzel der deutschen Kunst in der Bauernkunst aufgespürt und ihre mannigfachen Gestaltungsformen an den täglichen Gebrauchsgegenständen in zahlte chen Zeichnungen und Abbildungen festgehalten und gedeutet. Er widmet hier der Ornamentik und den Sinnbildformen in der Bauernkunst sein besondere Augenmerk. Strich- und Kerbschnittmuster reichen als gleichsam geometrische Ornamentik bis weit in die Frühzeit unseres Volkes. Sie haben sich In der wahren bäuerlichen Kunst immer organisch mit dem zeitlich bedingten Stil verbunden. Die Stärke und Ausdruckskraft der bäuerlichen Lebensordnung wird gerade beim Betrachten aller der Gebrauchsstücke aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts deutlich, die uns der Verfasser in so meisterhaften Wieder gaben zeigt. Auf diese reiche Tradition muß sich die Gegenwart besinnen, um hier altes Überlieferungsgt! mit den technischen Errungenschaften unserer Zeit zu einer neuen lebensstarken Einheit zu verbinden-

Dr. Albrecht Timm

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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen auf dem Hoi meistnur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer Stelle zur anderen bringen läßt.

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese

Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.

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INHALT

Marktordnung und Erzeuqungslenkuna dsds .e 33 Dr. Hanskarl Freiherr von Manteuffel, Ministerialdirigent im Reichsministerium

für Ernährung und Landwirtschaft: Sippenschutz im Erbhofr echt. 35 Günther Pacyna: Bauerntum im Übergang ................ VV 39 Blick ins Ostland (Bildbeilage w yyꝓ u n. S. 40

Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Land wirtschaftliche Betriebslehre an der Universität in Halle a. d. Saale: Die europäische Schweinehaltung Ihre leistungen für die Fleisch- und Fettwirtschaf iI 44

Oberlandwirtschaftsrat Dr. Wilhelm Heuckmann: Fragen der internationalen EREECHEN 51

Weinlese in Europa (Bildbeilageꝛꝛi . ( m n. S. 32

Dr. Hans Heinrich, Ministerialrat im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Mitglied des Reichserbhofgerichts: Der Abschluß der land-

wirtschaftlichen Entschuldngg u rr 55 Die Holmer Fischerzunft (Bildbeilage) ......::....2 css. n. S. 56 Agrarpolitische ee ß . 59 Ranabemerkungen: ] ]xé— 7«˙]ꝝ... ] h - a m. ˙ . 61 Die Buchwacgn tt. %% ĩðù ͤ ᷣ⁰wi... ee 63

Bildnachweis: Hennig Nolte, der uns auch die Aufnahmen für die Bildbeilage ‚Die Holmer Fischer-

zunft‘' (15) zur Verfügung stellte, ist der Photograph des Titelbildes. Es zeigt die Fischer beim

Einbringen der Netze nach der Heimkehr vom Fang. Die Beilage „Blick ins Ostland! enthalt

Aufnahmen von Dr. Stock (5) und vom Landwirtschaftlichen Bilderdienst (4). Die Bilder zur Weinlese

in Europa" stammen aus dem Archiv der Schriftleitung „Der Weinbau“ (4), von Weltbild (2), der AFI. (1), der Ungarischen Gesandtschaft (1) und von Kriegsberichter Bernick (1).

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15, Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

OLITIK

Herbert Backe

November 1943 Jahrgang 2 Nummer 2 CE EN EEE EEE EEE EEE

MARKTORDNUNG UND ERZEUGUNGSLENKUNG

G. P. Jede Marktordnung, die sich zum obersten Ziel die Bedarfsdeckung der Bevölke- rung ihres Wirkungsbereiches gemacht hat, führt naturnotwendig zur Erzeugungslenkung. Die nationalsozialistische Ernährungswirtschaft ist dafür ein kennzeichnendes Beispiel; denn die ernährungswirtschaftliche Marktordnung konnte ihre soziale und nationale Auf- gabe der Nahrungssicherung des deutschen Volkes nur durch planmäßige Mobilmachung der landwirtschaftlichen Produktionskraft lösen. In der Gesamtheit der Maßnahmen, die in dem Begriff der Erzeugungsschlacht zusammengefaßt wurden, kam daher von vornherein neben dem Willen zu einer allgemeinen Erzeugungssteigerung die Ausrichtung der land- wirtschaftlichen Erzeugung auf die Deckung der wichtigsten Versorgungslücken zur Geltung. Die Erzeugungslenkung wird um se notwendiger, je vielseitiger die Ernährungs- weise der zu versorgenden Bevölkerung ist und je mannigfaltiger die sich daraus ergebenden Erzeugungsaufgaben sind. Der hohe Lebensstand des deutschen Volkes aber erforderte darüber hinaus schon deswegen von vornherein eine besonders zielbewußte Erzeugungslenkung, weil der beschränkte Nahrungsspielraum, über den das deutsche Volk nur verfügte, eine Ausnutzung der landwirtschaftlichen Produktionskraft gebot, die zu- nächst und vor allem der Befriedigung der wichtigsten Lebensnotwendigkeiten diente; denn die Erfahrungen im ersten Weltkrieg hatten gezeigt, was es für ein Volk bedeutet, wenn diese Vorbedingung nationaler Selbstbehauptung nicht erfüllt ist.

Mit dieser Konzentration der Produktionskraft der deutschen Landwirtschaft auf die

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vordringlichsten volkswirtschaftlichen Versorgungsaufgaben zur Sicherung der deutschen

Nahrungsfreiheit war aber gleichzeitig auch das wirtschaftspolitische Verhältnis zu den Agrarländern Europas bestimmt. Die deutsche Erzeugungsschlacht entsprang nicht etwa einem grundsätzlichen Abschlußwillen, der sich selbst genug war, sondern dem Bestreben, den landwirtschaftlichen Zufuhren aus dem Auslande wieder ihre natürliche volkswirt- schaftliche Ergänzungsfunktion zuzuweisen. Dementsprechend wurde die ernährungs- wirtschaftliche Einfuhrregelung zu einem unentbehrlichen Bestandteil der deutschen Marktordnung. So sehr diese Einfuhrregelung von den nationalpolitischen Notwendig- keiten des deutschen Volkes diktiert war, so sehr entsprach sie andererseits aber auch den natürlichen Lebensinteressen gerade der europäischen Agrarländer. Damit wurde die ernährungswirtschaftliche Marktordnung Deutschlands zu einem Tragpfeiler der wirt- schaftlichen Neuordnung Europas.

Und dies aus zwei Gründen: Während für England wie der Aufsatz „Bauerntum im Ubergang” an dem Beispiel der baltischen Agrarländer zeigt die landwirtschaftlichen Überschüsse der europäischen Agrarländer nur die Rolle eines vorübergehenden Lücken- büßers spielten, der den vorherrschenden überseeischen Interessen Englands immer wieder oft von heute auf morgen weichen mußte, während auf diese Weise die Landwirt- schaft Europas nur zu einem unbedeutenden Anhängsel der Landwirtschaft in Übersee wurde und völlig im Schatten von deren Entwicklung stand, bildete für das deutsche Volk, das infolge seiner kontinentalen Mittellage von der Verbindung nach Übersee nur zu leicht abgeschnitten werden konnte, Europa den naturgegebenen ernährungswirtschaftlichen

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Ergänzungsraum. Deutschland hatte also im Gegensatz zu England an einer dauerhaften Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen ein natürliches Interesse, das dem Ausfuhr- bedürfnis der europäischen Agrarländer um so mehr entgegenkam, je mehr sich diese entschlossen, ihre Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen deutschen Nahrungs- bedarfes abzustellen. Dadurch bekamen die Marktordnung und Erzeugungslenkung in Deutschland eine gesamteuropäische Bedeutung, die nicht etwa erst durch den Krieg hervorgerufen, aber durch ihn noch stärker, da allen sichtbar, unterstrichen wurde. Sie weisen den Agrarländern Europas die Möglichkeit zu einem Ausbau ihrer landwirtschaft- lichen Erzeugung, daß diese das sichere und dauerhafte Fundament ihres nationalen Wohlstandes bilden kann.

Allerdings ist zur Erreichung dieses Zieles darüber man , sich an verantwortlicher Stelle in diesen Agrarländern klar sein eine bewußte Erzeugungslenkung, d.h. eine Umstellung der Erzeugung auf die Deckung des zusätzlichen Bedarfs des deutschen Volkes notwendig. Der Aufsatz von Professor Emil Woermann zeigt an dem besonders wichtigen Kapitel der europäischen Schweinehaltung und ihrer Leistungen für die Fleisch- und Fett- wirtschaft die Wichtigkeit dieser Erzeugungslenkung, die, im Grunde genommen, Wieder- besinnung auf die natürlichen Erzeugungsgrundlagen der europäischen Landwirtschaft, bedeutet. Diese Tatsache ist ein Beleg mehr für den organischen, d.h. den den natur- gegebenen Interessen entsprechenden Charakter der notwendigen Erzeugungsumstellung und gleichzeitig damit ein weiterer Beweis dafür, daß eine enge ernährungswirtschaftliche Zusammenarbeit mit Deutschland den Lebensnotwendigkeiten der europäischen Wirt-

„schaftsgemeinschaft entspricht. Der Aufsatz von Wilhelm Heuckmann über Fragen der

internationalen Weinbauwirtschaft unterstreicht diese Erkenntnis, denn er zeigt, wie sehr eine zielbewußte Erzeugungslenkung selbst auf „Nebengebieten“ zur wirtschaftlichen Gesundung und sozialen Festigung des Bauerntums in den europäischen Agrarländern beitragen kann.

Wenn man sich diese Tatsache Feng scene so wird man auch vor den Schwierig- keiten, die die notwendige Erzeuqungslenkung zweifellos mit sich bringt, nicht zurück- schrecken, und das um so weniger, als ja auch die Abhängigkeit von dem englischen Weltwirtschaftssystem und die damit gegebene Notwendigkeit, die wechselnden, vom englischen Interesse diktierten Konjunkturen auszunutzen, immer wieder zahlreiche Produktionsumstellungen erforderten, die nur zu oft, kaum durchgeführt, Wieder sinnlos wurden, weil inzwischen England seinen überseeischen Interessen zuliebe einen plötz- lichen Kurswechsel seiner Handelspolitik vorgenommen hatte. Dagegen bietet die Aus- richtung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf die Zusammenarbeit mit Deutschland den sonst nirgends gebotenen Vorteil der Dauerhaftigkeit. Das ist aber gerade die entscheidende Voraussetzung einer Gesundung der europäischen Agrarländer von Grund auf, der gegen- über die Umstellungsschwierigkeiten, die gewiß nicht verkleinert werden sollen, doch nur gering wiegen. Auch der deutschen Landwirtschaft wurde ja in der Erzeugungsschlacht eine Produktionsumstellung zugemutet, die bei ihrer hochintensiven Betriebsweise beson- ders einschneidend und schwierig war. Ihre fundamentale Bedeutung für den Lebenskampf des deutschen Volkes wird erst die Geschichte voll zu würdigen wissen.

Diese Umstellung, die an die wirtschaftliche Beweglichkeit des deutschen Landvolkes höchste Anforderungen stellte, war nur möglich, weil sie gleichzeitig mit einer sozialen Festigung des Bauerntums verbunden war, die in dem Reichserbhofgesetz ihren stärksten Ausdruck fand. Die durch dieses gewährleistete Sippengebundenheit des bäuerlichen Grundeigentums diente nicht nur der Sicherung des bäuerlichen Blutquells als des Jung- brunnens der Nation, sondern gab auch der bäuerlichen Arbeit den unentbehrlichen Schutz, der ihre unbedingte Ausrichtung auf die Pflichterfüllung gegenüber Volk und Staat ermöglichte. Die neue Erbhoffortbildungsverordnung beweist, wie Freiherr von Man- teuffel in seinem Aufsatz „Sippenschutz im Erbhofrecht“ zeigt, daß dieser richtung- gebende Gedanke über den Ernährungssorgen des Krieges nicht etwa vergessen, sondern zielbewußt weiter ausgebildet worden ist. Gleichzeitig kann dieses Heft in dem Aufsatz von H. Heinrich den Abschluß der landwirtschaftlichen Entschuldung behandeln, ein Beweis mehr für die durch den Nationalsozialismus bewirkte soziale Rückgratstärkung des Landvolkes, die bewirkt hat, daß die Landwirtschaft die Erzeugungsschlacht mit unüber- bietbarem Erfolg durchführen konnte.

34

HANSKARL FREIHERR VON MANTEUFFEL:

SIPPENSCHUTZ

IM ERBHOFRECHT

Die Reichsregierung will unter Sicherung alter deut- scher Erbsitte das Bauerntum als Blutquell des deut- schen Volkes erhalten.

Die Bauernhöfe sollen vor Uberschuldung und Zer- splitterung im Erbgang geschützt werden, damit sie dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern verbleiben. Reichserbhofgesetz.

IE einem Aufsatz „Landfamilie Bauern- reich“ hat Horst Rechenbach im Juni- Heft der „Deutschen Agrarpolitik“ die Be- deutung der Sippe, insbesondere der Land- volkgeschlechter, für die Zukunft unseres Volkes klar unterstrichen. Er hat in den Abschnitten seiner Ausführungen, die das Bauerntum als Ausgangs- und Mittelpunkt des völkischen Lebens überhaupt darstel- len, sich auch eingehend mit dem Zusam- menhang zwischen dem Sippenschutz und dem Reichserbhofrecht beschäftigt. Und während er aufzeigt, daß in weiten Kreisen des Bauerntums heute noch das Klein-

familiendenken verständlicherweise vor-

handen ist, fordert er doch sehr bestimmt die Umstellung des Bauerntums vom Klein- familiendenken auf das Geschlechter- denken, das zwar nicht von oben ange- ordnet werden kann, aber unbedingt von unten wachsen muß. Mit ihm sind wir der Ansicht, daß die Bodengebundenheit der Geschlechter die wesentliche Voraus- setzung für ihre Lebensdauer und ihre Aufartung ist und daß für den Wert der Bodengebundenheit die richtige Erbfolge und Gattenwahl die entscheidende Voraus- Setzung ist. So muß das Reichserbhofgesetz diesem Geschlechterdenken, zu dem wir im Laufe der Zeit das gesamte Landvolk er- ziehen wollen, nicht nur Rechnung tragen, sondern darüber hinaus muß der Schutz des Geschlechts oder der Sippe auf dem Hof ein Kernstück der EEN Gesetzgebung sein.

Hat das Reichserbhofgeseiz selbst oder die es zunächst erweiternde Erbhofrechts- verordnung diesem Grundsatz bereits voll Rechnung getragen oder blieb einiges zu wünschen übrig?

Um das beurteilen zu können, müssen wir uns vergegenwärtigen, was von den

einzelnen wesentlichen Bestimmungen dem Sippegedanken Rechnung trägt. Die ein- zelnen Vorschriften des Reichserbhof- gesetzes sind nichts weiter als technische Hilfsmittel, um die in der Präambel auf- gestellten Grundforderungen verwirklichen zu helfen. Einleitend zum Gesetz stehen aber die beiden oben über diesen Beitrag gesetzten Sätze, die bei der Bedeutung der Präambel für die Auslegung der nachfol- genden Paragraphen eine klare Richt- schnur für die Anwendung jeder einzelnen Bestimmung des Gesetzes insbesondere für die bäuerlichen Anerbenbehörden dar- stellen. Damit stellt das Reichserbhofgesetz selbst als Ziel seiner Maßnahmen einen Rechtszustand hin, in dem der Bauernhof dauernd als Erbe der Sippe in der Hand freier Bauern verbleiben soll.

Es erreicht diesen Sippenschutz zunächst durch das generelle Veräußerungs- verbot, das nur dann durchbrochen wer- den kann, wenn die Sippe nicht mehr schutzwürdig ist oder aus besonderen Um- ständen des Falles, z.B. aus einem öffent- lichen Interesse heraus, die Verpflanzung der Sippe sich als notwendig herausgestellt hat. Bei der Enteignung eines Erbhofs ist deshalb auch in den entsprechenden neue- ren Gesetzen die Ersatzlandbeschaffung zwingend vorgeschrieben. Wenn somit die Erhaltung des Hofes in der Sippe gegen eine Fremdveräußerung gesichert ist, so hat sich der Gesetzgeber auch bemüht, diesen Sippenschutz bei der tat- sächlichen und verfrühten Erb- folge eintreten zu lassen. Die Anerben- folgeordnung des Reichserbhofgesetzes um- faßt nur einen eng umgrenzten Kreis der nächsten Sippenangehörigen und schafft bewußt den Vorrang der Träger der Namenssippe. Das Erbhofrecht geht davon aus, daß, um mit Rechenbach zu reden, die Landvolkgeschlechter die Grundlage jeder Menschenzüchtung sind und die Hand- habung ihrer Erbfolge eines der wesent- lichsten Mittel dieser Züchtung ist.

35

Die Erbhofrechtsverordnung hat über die Anerbenfolgebestimmungen des Reichserb- hofgesetzes hinaus dem Bauern die Mög- lichkeit geschaffen, in einer Hofsatzung mit Geltung für alle künftigen Erbfälle zu bestimmen, daß der Hof sich zunächst aus- schließlich im Mannesstamme vererbt, also nur auf Personen männlichen Geschlechts, die durch Männer mit dem Bauern ver- wandt sind. Hierbei können Schwestern und weibliche Abkömmlinge des Bauern von der Erbfolge ganz ausgeschlossen wer- den. Durch die allerdings an die Genehmi- gung des Reichsjustizministers und Reichs- ernährungsministers geknüpfte Hofsatzung hat der Bauer also die Möglichkeit, die Er- haltung des Hofes in der Namenssippe so lange sicherzustellen, wie die Sippe stark genug ist, männliche Träger, die bauern- fähig sind, für den Erbhof zur Verfügung zu stellen.

‘Außer dem Sippenschutz durch Ver- äußerungsverbot und Anerbenfolgeordnung schützt all das die Sippe, was dem Hof dient. Der wirtschaftlich gesunde Hofist, auf die Dauer gesehen, die wertvollste Grundlage für ein ge- sundes Bauerntum. Und deshalb muß ein Schutz des Hofes sich gleichzeitig zu einem Sippenschutz auswirken. Da ist zu- nächst darauf hinzuweisen, daß durch die Schaffung des Begriffs der Ackernah- rung für den Erbhof eine Mindestgröße vorgeschrieben ist, die es der Familie als Grundlage der Sippe ermöglichen soll, un- abhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage in einer Form zu leben, die die Erfüllung der biologischen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben des Bauern- tums sicherstellt. Der Schutz des Hofes vor Überschuldung und Zersplitterung dient gleichfalls tatsächlich der Stärkung der Sippe und damit ihrem besonderen Schutz.

Der vor Überschuldung und Zersplitte- rung geschützte Hof von ausreichender Größe fällt nur dann einem Angehörigen der Sippe zu, wenn dieser Angehörige bauernfähig ist. Je größere Anforderungen an den Begriff der Bauernfähigkeit ge- stellt werden, um so mehr wird es ge- lingen, die auf dem Hof herrschende Sippe heraufzuzüchten. Deshalb liegt in der Aus- merze untüchtigen Blutes durch verant- wortungsbewußte Handhabe der Bauern- fähigkeitsbestimmung ein besonders star- ker Schutz für die Kraft und Gesundheit des zum Hof gehörigen Geschlechts,

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Von der Erkenntnis ausgehend, daß erst die Bodengebundenheit der Geschlechter eine Voraussetzung für ihre Lebensdauer und ihre Aufartung ist, findet im Erbhof- recht ein Sippenschutz wertvoller Sippen dadurch statt, daß sie ohne Rücksicht auf die Tatsache, daß ihr Betrieb über 125 ha groß ist, mit dem Boden durch das Erbhof- gesetz fest verbunden werden können. In der vom Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erfolgenden Zulassung wertvoller Sippen zum Bauerntum und in ihrer erbhofmäßigen Bindung an die Scholle zeigt sich, völkisch gesehen, ein starker Schutz für diese Sippe, die ihre Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis ge- stellt hat.

Wenn wir bisher gesehen haben, daß das Reichserbhofgesetz und die Erbhofrechts- verordnung schon in starkem Maße be- müht waren, die Grundgedanken der Prä- ambel auch paragraphenmäßig zu veran- kern, so müssen wir doch feststellen, daß

der Gesetzgeber damals wohl für die Übergangszeit mit Rücksicht auf das Kleinfamiliendenken einige Durch-

brechungen des Sippengedankens in Kauf genommen hatte:

1. Wenn ein Bauer den Hof von der Mutter oder der mütterlichen Verwandtschaft er- halten hatte, dann gehörte sein Vater zu seinen gesetzlichen Anerben, so daß e möglich war, daß der Hof über den Vater in eine fremde Sippe abwanderte. Weder die Mutter noch ihre Verwandtschaft, um deren Hof es sich doch handelte, gehörte zur Anerbenfolge, noch konnten sie über- haupt zum Anerben bestimmt werden.

2. Halbbürtige Geschwister eines Bauern ge- hörten ohne Ausnahme zu den gesetzlichen Anerben, gleichgültig, ob sie mit dem Bauern auch den Elternteil gemeinsam hatten, von dem der Hof stammte.

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Wenn gesetzliche Anerben nicht vorhan- den waren, konnte der Bauer den Anerben frei bestimmen. Da die Folgeordnung des Gesetzes nur einen sehr engen Kreis der Sippe umfaßte, konnte es geschehen, daß ein alter Sippenhof der Familie verloren- ging, obwohl noch durchaus geeignete nahe Sippenangehörige vorhanden waren.

4. Mit den ersten Durchführungsverordnungen und dem Inkrafttreten der Erbhofrechts verordnung ergaben sich weitere Möglich- keiten für ein Abwandern des Hofes in eine fremde Sippe. Hier war es vor allem die wenig glückliche Regelung der An- erbenfolge beim Ehegattenerbhof. Abge- sehen von der Bestimmung des Anerben

durch einen der beiden Ehegatten standen die Mannes- und die Weibessippe bei der Anerbenfolge vollkommen gleich. Die Ehe- gatten hatten es völlig in der Hand, wohin sie den Hof vererben wollten, gleichgültig, welcher Sippe der Hof zugehörig war. Beim Tode des Mannes waren seine An- erben gesetzlich zur Anerbenfolge be- rufen, und so konnte es geschehen, daß die Frau bei einem Ehegattenerbhof nach bisherigem Recht schon zu Lebzeiten den Hof, den sie aus ihrer Sippe in die Ehe eingebracht hatte, an die Sippe ihres ver- storbenen Ehemannes verlor, wenn nicht testamentarisch Vorsorge getroffen war. Welche Bedeutung diese Regelung bei Ehegattenerbhöfen hatte, geht daraus her- vor, daß etwa die Hälfte aller Erbhöfe, wenn nicht mehr, Ehegattenerbhöfe sind. So ist die bisherige Regelung des Anerben- rechts bei Ehegattenerbhöfen mit ihrer weitgehenden Möglichkeit des Abwan- derns des Hofes in eine fremde Sippe die stärkste Lücke im Sippenschutz des Reichs- erbhofgesetzes gewesen.

Eine weitere Durchbrechung des Sippe- gedankens finden wir außerdem in den Durchführungsverordnungen, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen auch

ein Adoptivkind ein Anerbenrecht für sich

und seine Verwandten erhält.

Vor wenigen Wochen ist nun mit dem 1, Oktober 1943 die Erbhoffortbil- dungsverordnung in Kraft getreten. Wer den Inhalt der Erbhoffortbildungsver- ordnung nur aus der Presse kennt oder nur die in die Augen fallenden vermeintlichen Kernpunkte der Verordnung beachtet Anerbschaft der Ehefrau, Neueinführung des Ehegattenerbhofes —, neigt leicht dazu, in der Erbhoffortbildungsverordnung

eine Rückentwicklung vom Sippedenken

zum Familiendenken zu sehen. Sinn dieses

"Beitrages ist es, das Verkehrte dieser Auf-

assung herauszustellen und darauf hinzu-

weisen, daß die Erbhoffortbildungsverord- gung in erster Linie der Fortbildung und

dem Ausbau des Sippenschutzes dient und Zwar selbst dort, wo es auf den ersten Blick nicht der Fall zu sein scheint.

Es sei zunächst festgestellt, daß die nach

dem Reichserbhofgesetz und der Erbhof- Techtsverordnung noch bestehenden Lücken im Sippenschutz durch die Erbhoffortbil- dungsverordnung im wesentlichen ge- schlossen sind.

1. Es ist wohl richtig, daß der Alleineigen-

tümer eines Erbhofs seinen Ehegatten zum Anerben bestimmen kann. Diese

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Anerbschaft ist aber eine sippegebun- dene Anerbschaft; denn die weitere An- erbenfolge richtet sich nicht nach dem Anerbe gewordenen Ehegatten, den man bezeichnender Voranerbe genannt ‚hätte, sondern nach dem Ehegatten, von, dem der Hof stammt, so daß der Hof auf jeden Fall der angestammten Sippe erhalten bleibt.

Dasselbe gilt jetzt bei einem Ehegatten-

erbhof. Die Eheleute sind gegenseitig gesetzliche Anerben. Nach dem Tode des

Letztverstorbenen ist aber die Sippe

anerbenberechtigt, ausderder Hof stammt, und damit bedeutet die Neueinführung des Ehegattenerbhofes nicht eine Durchbrechung des Sippegedankens, sondern mit der Ausrichtung des An- erbenrechts aller Ehegattenerbhöfe eine Abkehr von der bisherigen Durchbrechung des Sippegedankens auf diesem Gebiet und einen ausgesprochenen e zum Sippegedanken.

« Während nach dem Reichserbhofgesetz die

Mutter auch dann nicht anerbenberechtigt war, wenn der Hof von ihrer Sippe stammte, tritt nunmehr in diesen Fällen die Mutter als Anerbin an Stelle des Vaters. Auf diese Weise wird der

Hof der Sippe erhalten, der er zugehört hat. Die nach dem bisherigen Recht bestehende

Eingruppierung der Töchter, Töchtersöhne und deren Söhne in der Anerbenfolge ist zwar bis auf weiteres bestehengeblieben. Die Erbhoffortbildungsverordnung bringt aber eine Stärkung des Sippenschutzes auch auf diesem Gebiet dadurch, daß der Bauer in sehr einfacher Form für seinen Hof das Bruderrecht eintragen lassen kann. Unter Bruderrecht versteht die Ver- ordnung den für alle künftigen Erbfälle geltenden Ausschluß des vorgesehenen Vorrangs der Töchter, Töchtersöhne und deren Söhne. Ist mit Genehmigung des Anerbengerichts die Bildung des Bruder- rechts erklärt, so kann der jeweilige Hof- eigentümer auch nicht mit Genehmigung des Anerbengerichts eine Tochter . oder deren Abkömmlinge vor den Brüdern, deren Söhnen und Sohnessöhnen zum An- erben bestimmen.

.‚ Halbbürtige Geschwister sind

nicht mehr anerbenberechtigt, wenn sie nicht einen Elternteil mit dem Erblasser gemeinsam haben, von dem oder aus dessen Sippe der Hof stammt.

Adoptivkinder können den Hof nur

dann an einen Seitenverwandten ver- erben, wenn sie nach dem Adoptivvater anerbenberechtigt gewesen wären, wenn sie also zur Hofessippe gehören.

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7. Der Bauer kann beim Fehlen eines

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gesetzlichen Anerben den An- erben nur noch dann frei bestimmen, wenn dieser zu der Sippe gehört, von der der Erbhof stammt, im anderen Falle bedarf er

zur Anerbenbestimmung der Zustimmung

des Anerbengerichts.

. Während bei Auseinandersetzung ge-

legentlich einer Ehescheidung bei Ehegattenerbhöfen der Hof bisher auch dem Ehegatten zugesprochen werden

konnte, von dem er nicht stammte, kann

dies jetzt nur noch in der Form ge- schehen, daß dieser Ehegatte die Rechts- stellung eines sippegebundenen Anerben erhält. Damit ist die Abwanderung des Hofes in die fremde Sippe unterbunden.

Durch eine Anderung der Fassung des

Paragraphen des Reichserbhofgesetzes, der die Entstehung eines Erbhofes durch besondere Zulassung be- handelt, ist die Verwurzelung eines wert- vollen Geschlechts mit einem Erbhof und damit der Schutz dieser Sippe erleichtert worden.

Ein besonderer Durchbruch des Sippe-

gedankens gegenüber rein wirtschaftlichen Überlegungen liegt bei der neuen Rege- lung der Prüfung, von welchem der beiden Ehegatten der Hof stammt, vor. Während grundsätzlich auch die Erbhoffortbildungsverordnung in Anlehnung an die bisherigen Vorschriften sagt, daß der Ehegattenerbhof von dem- jenigen Ehegatten stammt, der den wirt- schaftlich bedeutenderen Teil des den Erb- hof bildenden Besitzes bei der Ehe- schließung oder später eingebracht hat, weicht sie dann von dieser Begriffsbestim- mung ab, wenn die Sippe des einen Ehe- gatten bereits in mehrfacher Geschlechter- folge auf dem von ihm eingebrachten Teil des Hofes ansässig war und dies für den anderen Ehegatten nicht zutrifft. In diesem Falle kann nämlich das Anerbengericht, sofern dies bäuerlichem Denken entspricht, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Be- deutung der von den Ehegatten einge- brachten Teile des Hofes entscheiden, daß der Hof von dem alteingesessenen Ehe- gatten stammt. Damit der Schutz dieser Sippe auch erfolgt, wenn die Ehegatten selbst auf eine derartige Feststellung keinen Wert legen, hat in diesen Fällen auch der Kreisbauernführer das An- tragsrecht.

Die Erbhoffortbildungsverordnung hat zur Förderung der Wiederverhei- ratung des überlebenden Ehe- gatten eine Reihe von wesentlichen Be- stimmungen getroffen. Sie hat insbeson- dere dem neuen Ehegatten und den Kin- dern aus der neuen Ehe weitgehende wirt-

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schaftliche Rechte Engere Es is für die Haltung des Gesetzgebers be nend, daß er den Kindern aus SH Ehe, die sippenmäßig mit dem Hof mi gemein haben, zwar mit Rücksicht e Verdienste um den Erbhof und im Ra der Leistungsfähigkeit dieses Hofes inte er halts-, Erziehungs- und Ausstattungs- ansprüche gewährt, daß er aber das Recht der Heimatzuflucht versagt hat. Erfahrungsgemäß spielt ee tisch das Recht der Heimatzuflucht . wesentliche Rolle. Es wäre daher wi schaftlich von keiner großen we gewesen, das Recht der Heimatzufluc auch den Kindern der fremden Sippe zuräumen. Das Heimatzufluchterechi iH aber ein sehr starker Ausfluß des d schlechterdenkens und in ihm kommt Gesamteigentum der Sippe am Hof au en- fällig zum Ausdruck. Wenn das in d lie Stadt abgewanderte Glied des Geschlec nach wie vor den Stammhof als seine F oer mat empfinden soll, dann dient der Ge- danke, daß es in schweren Zeiten auf d Hof wieder Heimat und Zuflucht 8 3 kann, sehr stark der Verbundenheit Sippe untereinander und mit diesem Hof Das Sippedenken der Erbhoffortbildur verordnung kommt also darin dess ers zum Ausdruck, daß es das Heimatzufluch sit recht auf die Angehörigen der Hofsip beschränkt und bewußt sippenfrer Kinder, obwohl sie auf dem Hof e worden sind, von ihm ausschließt. S

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So sehen wir, daß der Gesetzgeber er Erbhoffortbildungsverordnung sich se iner Verantwortung der Sippe gegenüber vo bewußt war und daß er sich streng ane aus der Präambel zum Reichserbhofges diesem Beitrag vorgesetzten Leitsätze ei halten hat. i

Auch in denjenigen Fällen, in denen mil Rücksicht auf Sonderverhältnisse der an Sippenfremde fallen kann, sind strenge Anforderungen gestellt das F halten an der, Anerbenfolge der Hofes: muß nach den besonderen Umständen Falles eine unbillige schwere Härte be deuten, es muß sich um besondere Aus nahmefälle handeln, die Zustimmung des Anerbengerichts muß vorliegen, der m- desbauernführer ist zu hören und baue fähige eheliche Abkömmlinge des eigentümers dürfen nicht vorhanden ge daß von einer Lücke im Sippenschutz r zu sprechen ist. Die Erbhoffortbildu verordnung bedeutet somit eine wel wesentliche Verstärkung des 5 : penschutzes zur Sicherung der lebens notwendigen Einheit von Sippe und

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GUNTHER PACYNA: .

Hauerntum im Ubergang `

Nor wenige Kilometer von Riga entfernt, an dem waldigen Ufer des Jägelsees, an dem einst Herder den Sommer zu verbringen pflegte, befindet sich ein nach schwedischem Vorbild angelegtes Freiluftmuseum, auf dessen geräu- miger Fläche die wichtigsten Bauernhoftypen Lettlands vereinigt sind. (Zwei Beispiele bringt die erste Seite der Bildbeilage „Blick ins Ost- land“.) Sie sind wie alle in dem Jägel- Museum errichteten Bauernhöfe keine Nachbildungen, sondern alte, mit ihrem gesamten Zubehör von ihrem ursprünglichen Standort verpflanzte Ge- höfte. Nur einzelne stammen aus der Zeit vor dem Nordischen Kriege, der das flache Land furchtbar verwüstet hat. Die große Mehrzahl ist in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhun- derts errichtet worden und bildet so einen ein- dringlichen Beweis für die belebende Kraft der Bauernbefreiung, die, von dem baltischen Adel mit politischer Weitsicht durchgeführt, dem let- tischen und estnischen Bauerntum eineim Zaren- reiche einzigartige Sonderstellung verschaffte.

Trotzdem spricht aus der ganzen Bauweise bis in alle Einzelheiten hinein eine jahrhunderte- lange Überlieferung, so daß uns die Bauernhöfe wie Zeugen aus einer fernen Vergangenheit an- muten. Dem Volkskundler drängt sich bei ihrer Betrachtung die Erkenntnis auf, wie stark diese Bauweise von den ost- und nordgermanischen Stilformen beeinflußt worden ist, so daß sie in jeder Beziehung dem nordischen Kulturbereich zuzuweisen ist. Für den Wirtschaftshistoriker aber sind diese Gehöfte Dokumente der geschlossenen Hauswirtschaft, die vor der Einbeziehung des Bauerntums in die Markt- wirtschaft dem ganzen Bauernleben ihr eigen- ständiges Gepräge gab. Den Baustoff der Wohn- häuser, Stallungen und Scheunen, das Holz, lie- ferten die Bauernwälder. Es wurde so bearbei- tet, daß es ohne Zuhilfenahme von eisernen Nägeln, Krampen, Winkeln oder dgl. zusammen- gefügt werden konnte. In den Häusern selbst aber befindet sich kein Möbel, kein Gerät oder sonstiger Einrichtungsgegenstand, kein Klei- dungsstück, dessen Werkstoff nicht dem eigenen - Grund und Boden entstammte und die nicht in den langen Wintern von bäuerlichem Hand- werksfleiß geschaffen worden wären. Das gilt selbst von dem meisten Ackergerät. Nur für die Herstellung von Pflug und Hacke, Sense und Sichel waren Eisenteile notwendig, die käuflich erworben werden mußten; aber auch sie sind

fast ausnahmslos handgeschmiedet, das Werk des Dorfschmiedes.

Für die Selbstgenügsamkeit dieser Lebens- und Wirtschaftsweise spielte naturgemäß die Notwendigkeit des Gelderwerbs durch den Ver- kauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse nur eine äußerst geringfügige Rolle. So diente die bäu- erliehe landwirtschaftliche Erzeugung im we- sentlichen der eigenen Bedarfsdeckung. Aber diese Wirtschaftsweise ließ sich nur so lange aufrechterhalten, als die wenigen Städte des Landes selbst noch, auch landwirtschaftlich gesehen, im wesentlichen autarke Wirtschafts-

Kreise darstellten oder als der städtische Bevöl-

kerungsanteil so gering war, daß er im Verhält- nis zur landwirtschaftlichen Gesamterzeugung nur einen geringen Lebensmittelbedarf hatte, der von den Großgütern mit Leichtigkeit gedeckt werden konnte, und sehließlich als das Land in seiner Gesamtheit außerhalb der europäischen Wirtschaftsverflechtung stand. Keine dieser drei Voraussetzungen trifft heute für die Gebiete des Reichskommissariats Ostland mehr zu, und dar- aus erklärt sich, zwingender als aus jedem anderen Grunde, daß heute die Gehöfte auf dem Gelände des Jägel-Museums museumsreif sind, d. h. ein Stück nicht wieder belebbarer Vergangenheit darstellen, obwohl ihre Bau- weise der Zeit zu trotzen scheint, obwohl sie so viel Schönes und Wertvolles bergen. Jede Zeit hat ihre eigenen Aufgaben, und die Gegenwart will mit anderen Mitteln gemeistert werden als die Vergangenheit.

Blickt man sich im Lande selbst um wozu

eine kürzlich vom Reichsministerium für die

besetzten Ostgebiete veranstaltete Pressefahrt dank ihrer sorgfältigen Vorbereitung und Durch- führung gute Gelegenheit bot —, so kann man bei den Bauernwirtschaften alle Stadien des Überganges von der geschlossenen Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft beobachten. Im ganzen gesehen aber repräsen- tiert die bäuerliche Landwirtschaft einen Ent- wicklungsstand, der dem der deutschen Bauern- wirtschaften vor 60 bis 80 Jahren entsprechen dürfte. Das Ostland verfügt also, auch wenn man die klimatischen Schwierigkeiten, die sich einer Erzeugungssteigerung entgegenstellen, voll berücksichtigt, noch über große Produk- tionsreserven, die der Selbstversorgung Europas mit Nahrungsmitteln dienstbar gemacht werden

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können. Daraus ergibt sich die Bedeutüng, aber auch die Schwierigkeit der Einbeziehung der Landwirtschaft des Ostlandes in die europäische Wirtschafts gemeinschaft.

Die land wirtschaftliche Rückständigkeit der Bauernwirtschaften im Ostland ist in erster Linie entwicklungsgeschichtlich bedingt. Die za-

ristische Wirtschaftspolitik hatte, wenn man -

von einigen bedeutungslos gebliebenen Ansätzen absieht, an einer Förderung der Landwirtschaft

in den Ostseeländern nur ein geringfügiges In-

teresse. Für sie waren diese Länder nur ein Korridor für die landwirtschaftlichen Uber- schüsse des weiten Hinterlandes. Dement- sprechend war auch die Transporttarifgestaltung, die einen starken Druck auf die landwirtschaft- liche Preisbildung der Ostseeländer ausübte; denn praktisch führte sie zu einer ausgesproche- nen Dumpingeinfuhr aus den Überschußgebieten des Binnenlandes, gegen die sich selbst die Groß- betriebe nur schwer behaupten konnten. Ihr

‚wirtschaftliches Rückgrat bildete denn auch ihr

reicher Waldbesitz. Andererseits bildete dieser Durchgangsverkehr die Grundlage der wirt-

schaftlichen Blüte der Ostseestädte, in

denen das deutsche Bürgertum auf Grund seiner geschichtlichen Leistung ein nur schwer zu er- schütterndes Handelsmonopol behauptete, an dem übrigens auch der baltische Adel einen nicht unwesentlichen Anteil hatte. Der ein- heimischen Landwirtschaft aber kam diese wirt- schaftliche Blüte der Ostseestädte infolge der zaristischen Wirtschaftspolitik nur wenig zugute. Auch war der städtische Bevölkerungsanteil noch zu gering, um eine ausreichende Grundlage für eine intensive Produktionssteigerung zu bieten.

Die mit dem Zusammenbruch des Zarenreiches verbundene Entstehung der baltischen Rand- staaten führte zu einem grundstürzenden Wan- del des Wirtschaftsaufbaus im gesamten

Ostland. Schlagartig wird der einst so gewinn-

bringende Durchgangsverkehr abgeschnitten und damit die wirtschaftliche Grundlage der Ost- seestädte zerstört. Die bei weitem wichtigste

wirtschaftliche Kraftquelle bildete jetzt die Pro-

duktionsleistung der Landwirtschaft. Nur aus ihr konnten die Überschüsse herausgeholt werden, die wenigstens einen bescheidenen Ausgleich für den Verlust der bisherigen Stellung im Ost- handel versprachen. Aber die gegen den bal- tischen Adel gerichteten Agrarreformen führten zunächst zu einer schweren Beeinträch- tigung der landwirtschaftlichen Leistungsfähig- keit; denn mit der Aufteilung des baltischen Großgrundbesitzes wurden nicht nur die lei- stungsfähigsten landwirtschaftlichen Betriebe zerschlagen, die bisher allen wirtschaftspoli- tischen Hemmungen zum Trotz Schrittmacher des landwirtschaftlichen Fortschrittes gewesen waren, sondern auch in Massen ein Kleinbauern- tum geschaffen, dessen Wirtschaftsgrundlage für die Erzielung wesentlicher Überschüsse zu

40

schmal war, ganz abgesehen davon, daß ihm zum mindesten in der Übergangszeit im weiten Ausmaß auch die persönlichen Voraussetzun- gen für die erforderliche Intensivierung fehlten. Wenn trotzdem die Agrarreformen nicht in weni- gen Jahren zum offenen Staatsbankrott geführt haben, so ist das nur durch einen rücksichtslosen Raubbau an den verstaatlichten Wal, dern verhindert worden, mit dessen Hilfe die Agrarreformen finanziert wurden.

Aber selbst, wenn die Landwirtschaft in den unter Kriegs- und Revolutionswehen entstande- nen Kleinstaaten nicht durch die Agrarrefofmen schwer erschüttert worden wäre, so hätte die plötzliche Notwendigkeit, die gesamte Wirt- schaft auf der Leistungsfähigkeit der Landwirt- schaft aufzubauen, doch Aufgaben gestellt, die nur in zäher, zielbewußter organischer Aufbau- arbeit lösbar waren. Dafür aber fehlten nicht nur in den Ländern selbst, sondern vor allem auch in dem durch das Knechtungssystem von Ver- sailles und Saint Germain zerrissenen Europa so gut wie alle Voraussetzungen; denn die im Osten Europas entstandenen Staaten von Eng- lands und Frankreichs Gnaden waren ja nur Marionetten der Herrschsucht dieser beiden Mächte, die ohne Rücksicht auf das eigene Wohl und Wehe gebraucht oder vielmehr mißbraucht wurden. Frankreich konnte trotz seiner groß- tönenden Versprechungen, selbst wenn es ernst- haft gewollt hätte, wegen seiner ganzen Wirt- schaftsstruktur zu dem Wirtschaftswiederaufbau im Osten nichts Wesentliches beitragen. Für England jedoch waren die Agrarländer an der Ostsee nur wirtschaftspolitische Lük- kenbüßer, die je nach dem augenblicklichen Interesse genutzt oder beiseitegeschoben wur- den. So diktierte das britische Interesse die schwankenden landwirtschaftlichen Ausfuhrkon- junkturen. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis wäre nur erträglich gewesen, wenn sich daraus eine dauerhafte Zusammenarbeit hätte ergeben können, die den Agrarländern an der. Ostsee eine landwirtschaftliche Produktionsausrichtung auf lange Sicht gestattet hätte. Das war aber nicht der Fall und konnte es nicht sein, da Eng- land bemüht sein mußte, den immer lebhafteren Emanzipationsbestrebungen seiner Dominions und Kolonien durch stärkere wirtschaftliche Bin- dungen entgegenzuarbeiten. So mußte sich die landwirtschaftliche Intensivierung in den Agrar- ländern an der Ostsee ob wir nun nach Litauen, Lettland oder Estland blicken nach den von Englands wechselnden Interessen dik- tierten Ausiuhrkonjunkturen richten und voll- zog sich in einem sprunghaften Zickzackkurs, dessen jeder Berechnung sich entziehende Un- sicherheit eine organische Entwicklung, aul- gebaut auf den natürlichen Produklionsgrund- lagen, unmöglich machte. Diese Unsicherheit aber war um so größer, als der ausgleichende Faktor eines starken aufnahmelähigen Binnen- markes fehlte.

BLICK INS OSILAND

m: Livländischer Bauernhof mit Sommerhütte, erbaut um 1850, aus der Gegend von Westena. Unten: Bauernhof in Lettgallen, Kr. Dünaburg, erbaut um 1860. Beide Höfe jetzt im Jägel-Museum bei Riga

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Schloß Groß-Roop bei Wolmar. Baltischer Adelssitz aus dem 13. Jahrhundert

Lettisches Braunvieh auf Anglerg

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Estnischer Bauer beim Heuaufreutern

mnloses Finnenvieh, eine in Estland enständige Rinderrasse. Unten: ennzeichnendes estnisches Land- schaftsbild

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Russisches Straßendorf in Südost-Estland. Im allgemeinen herrscht in Estland ebenso wie in Lettland die Streusiedlung vol

Russischer Bauer (Südost-Estland) mit seinem primitiven Holzpflug bei der Feldarbei

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So erblickt man als Erbe dieser Vergangenheit zwar so manchen Ansatzpunkt, dessen großzügige Planung aber in krassem Gegensatz zu dem wirklich Erreichten steht. Ein Beispiel dieser Art ist die „M-aistas’ in Litauen. Sie sollte, als sie vor zwanzig Jahren gegründet wurde, wie schon ihr Name (Maistas = landwirtschaftliche Produktion) andeutet, der Verwertung der gesamten Agrarproduktion des litauischen Bauerntums dienen. Dieses Ziel ist jedoch nie erreicht worden; denn die wirtschaftliche Betätigung der Maistas mußte sich von vornherein nach dem Einfuhr- bedürfnis Englands richten, das stets nur an wenigen Spezialprodukten Interesse hatte, und diese Abhängigkeit wurde um 30 drückender, als unter dem Einfluß der Wirt- schaftskrise in Deutschland die deutsch-litauischen Han- delsbeziehungen mehr und mehr erloschen. Stand anfangs die Ausfuhr von Butter und Eiern im Vordergrunde, so verschob sich sehr bald das Schwergewicht auf die Schweineausfuhr. Bacon hieß die. Parole, die dem litau- ischen Bauern goldene Berge zu versprechen schien. Sie erforderte zwar eine völlige Umstellung der Zuchtrichtung; aber der Litauer ließ sich keine Mühe verdrießen, und der Erfolg schien wirklich jede Erwartung zu übersteigen. So konnten nicht nur die Hauptanlagen der Maistas in Kauen zu einer hochmodernen Großschlächterei am laufenden Band ausgebaut werden, sondern zu ihr gesellten sich noch wei- tere Exportschlächtereien und Fleischwarenfabriken in Ponewesch, Tauroggen und Schaulen. Der so dringlich erstrebte Anschluß an den Weltmarkt schien erreicht zu sein, als England das Steuer seiner Handels- politik herumwarf und sich im Verfolg dieses Kurs- wechsels im Vertrage von Ottawa verpflichtete, Fleisch- lieferungen aus dem eigenen Empire zu bevorzugen. Inner- halb von zwei Jahren ging damals der litauische Schweineexport um 82 v. H. seines Wertes zu- rück, um sich seitdem nie wieder zu erholen.

Aber selbst zur Zeit der größten Ausfuhr hatte doch nur ein kleiner Teil des litauischen Bauerntums Anteil an der Gunst der Konjunktur; denn die von England vor- geschriebenen Produktionsnormen waren bewußt so eng gehalten, daß ein Abweichen nur zu leicht vorkommen

konnte. In diesem Falle aber wurden die Preise rücksichts-.

los gedrückt, und der litauische Bauer, der keine andere Absatzmöglichkeit hatte, mußte sich diesen Ausbeutungs- methoden fügen. So war die Geschäftsausweitung der Maistas nichts weniger als ein getreues Spiegelbild der litauischen Landwirt- schaftsentwicklung. Als dann der Schweineexport mit einem Schlage auf einen Bruchteil zusammenschrumpfte, kam es zu einer allgemeinen Absatznot, die mit dem Bau- erntum den litauischen Staat an den Rand des Zusammen- bruches brachte. Nichts war kennzeichnender für die Hilf- losigkeit gegenüber dieser Situation als die Abwehrmittel, die man in der Verzweiflung ergriff. So wurden z.B. die litauischen Staatsbeamten gezwungen, einen Teil ihres recht kärglichen Gehaltes regelmäßig in bestimmten Men- gen von Butter und Gänsen anzulegen, die weit über den natürlichen Bedarf hinausgingen. Die Geschichte der Maistas ist nur ein Beispiel für viele Es zeigt, auf wie unsicheren Füßen infolge der Abhängigkeit von Eng- land der Aufbau der Landwirtschaft in den Agrarländern an der Ostsee stand, und gleichzeitig, da8 von ihm nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Bauerntums erfaßt wurde.

Darin liegt einer der Hauptgründe, weswegen neben einer Minderzahl von Bauernwirtschaften, die sich an Intensität der Betriebsweise selbst mit guten Bauernhöfen in Deutschland messen können, die große Masse noch mit einer selbst genügsamen Extensität wirtschaftet, die die na- türliche Produktionsfähigkeit des Bodens nur zu einem äußerst geririgen Grade ausnutzt. Diese krassen Leistungsunterschiede fallen selbst dem flüchtigen Besucher dieser Gebiete als besonders hervorstechendes Merkmal auf, weil man sie immer wieder unmittelbar neben- einander beobachten kann, ein Beweis dafür, daß sie keineswegs landschaftsbedingt sind.

Daneben macht sich allerdings im Reichs- kommissariat Ostland ein starkes Kultur- gefälle in doppelter Richtung von Westen nach Osten und von Norden nach Süden bemerkbar. Während in Litauen noch eine primitive Dreifelderwirtschaft mit hohem Brache-

anteil üblich ist, herrscht in Lettland bereits.

die Fruchtwechselwirtschaft vor, bei der neben Kartoffeln und Futterrüben auf den geeigneten Böden (so vor allem in Semgallen) sogar die Zuckerrübe eine gewisse Rolle spielt. Dement- sprechend übersteigen die Hektarerträge Lett- lands durchweg beträchtlich diejenigen Litauens, die zwischen 50 und 70 v.H. der ostpreußischen schwanken. Selbst die Hektarerträge Estlands

liegen trotz seines wesentlich ungünstigeren `

Klimas, das den Anbau der Zuckerrübe verbietet, teilweise, so bei Roggen und Winterweizen, über denjenigen Litauens. Ein ebenso starker Lei- stungsunterschied läßt sich bei der Rinderzucht und Milchwirtschaft beobachten, wobei aller- dings die natürlichen Produktionsbedingungen stärker mitsprechen; denn in Litauen sind die Grünlandverhältnisse im allgemeinen recht un- günstig. Das Nord-Süd-Gefälle findet auch seinen Ausdruck im landwirtschaftlichen Organisa- tionswesen. Zur Zeit sind bei den drei baltischen Landesverbänden des Genossenschaftsverbandes Ostland über 4000 Genossenschaften registriert, die zu 95 v.H. landwirtschaftlichen Charakter haben. Davon entfallen auf Estland 51 v.H., auf Lettland 32 v.H. und auf Litauen nur 17 v. H., obwohl das Verhältnis, gemessen an der Bevöl- kerungszahl, genau. umgekehrt sein sollte.

Dieses ausgeprägte Kulturgefälle ist zweifellos

geschichtlich bedingt und in erster Linie darauf zurückzuführen, daß Litauen nicht nur stets außerhalb des unmittelbaren. deutschen Einflußbereiches lag, sondern auch jahrhunderte- lang der polnischen Mißwirtschaft ausgeliefert war. In Estland und Lettland dagegen waren die aus der Ordenszeit stammenden deutschen Guts- wirtschaften bis zu ihrer Enteignung und Auftei- lung stets Pioniere des landwirtschaftlichen Fortschritts und gaben damit ein Beispiel, das um so nachhaltiger wirkte, als der deutsche Landadel, wie schon eingangs erwähnt, zu Be- ginn des 19. Jahrhunderts eine Bauernbefreiung durchführte, die im Zarenreich ohne Beispiel dastand. So verfügten Estland und Lettland schon vor den Agrarreformen nach dem ersten Weltkriege über eine breite, am deutschen Vorbild geschulte Bauernschicht, die etwa 35 v. H. der land wirtschaftlichen Nutzfläche zu eigen hatte und im Gegensatz zu der durch die Agrarreformen entstandenen kleinbäuer- lichen Masse wirtschaftlich gut fundiert war. Dieses alteingesessene Bauerntum ist daher auch den Neusiedlern in jeder Beziehung überlegen

und bildet geradezu das Rückgrat der Landwirt-

schaft in Lettland und Estland.

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Es ist kennzeichnend, daß der Bolschewis- mus, als er sich dieser Länder bemächtigte, sofort daran ging, die Axt an die Wurzel dieses alteingesessenen Bauerntums zu legen, um es restlos auszurotten. Zwar wurde das gesamte Grundeigentum sofort enteignet. Während aber die Bolschewisten den Kleinbauern wenigstens vorläufig das Nutzungsrecht belieben, nahmen sie alles Land über 30 Hektar sofort weg, eine Maßnahme, die sich der ganzen Sachlage nach ausschließlich gegen das alteingesessene Bauerntum richtete. Zu dem Landraub gesellte sich eine regelrechte Ausplünderung in der Form von Steuern, Re- quirierungen oder offenen Gewaltmaßnahmen, deren Schlußakt nur zu oft die Verschleppung in das Innere der Sowjetunion bildete.

Das geraubte Land wurde in Betriebe von durchschnittlich 10 Hektar aufgeteilt und wahllos mit Landarbeitern be- setzt. Diese so entstandenen Betriebe wären zwar angesichts der herrschenden Erzeugungs- bedingungen auch dann lebensunfähig gewesen, wenn es ihnen nicht an dem notwendigen In- ventar gefehlt hätte; aber es ging ja auch den Bolschewisten nicht etwa um die Schaffung eines neuen lebensfähigen Kleinbauerntums. Ihre Ab- sicht war, sich zunächst einmal nach bekanntem Rezept eine willfähige Anhängerschaft unter der Landbevölkerung zu schaffen, die sie gegen das alteingesessene Bauerntum ausspielen konnten. Gleichzeitig aber sollte deren Lebenslage so ge- staltet werden, daß sich ein Bauernproletariat bildete, das den zweiten Akt des bolsche- wistischen Umsturzes, der allgemeinen Kollek- tivierung der Betriebe nach kommunistischem

Auster, wegen seiner gedrückten Lebensverhält- nisse sich zugänglich zeigte. Diesen zweiten Akt hat der Sieg des deutschen Soldaten dem Bauern- tume in den baltischen Generalbezirken erspart, während die gegen das Mittel- und Großbauern- tum gerichteten Zerstückelungsmaßnahmen auf- gehoben und die früheren Besitzverhältnisse wiederhergestellt wurden. Darüber hinaus ist die mit der grundlegenden Verordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete vom 18. Februar 1943 eingeleitete Reprivatisierung des landwirtschaftlichen Grundeigentums in vollem Gange.

*

Kennzeichnend für die Pläne der Bolsche- wisten war auch die von ihnen eingeleitete Umgestaltung des Genossenschafts- wesens. Aus den Kreditgenossenschaften wurden Zahlstellen der sowjetischen Staatsbank, aus den Warengenossenschaften Verteilungs- und Erfassungspunkte. Die Versicherungs- genossenschaften, die besonders in Estland und Lettland in vorbildlicher Weise ausgebildet waren, wurden „nationalisiert“ und so wie auch die anderen Genossenschaften aus bäuerlichen Selbsthilfeeinrichtungen zu einem Machtinstru- ment der bolschewistischen Versklavungspläne.

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Nach der Befreiung der baltischen Länder von der bolschewistischen Zwangsherrschaft konn- ten die Genossenschaften ihre Arbeit nach den alten Satzungen wieder aufnehmen. Sie sind damit wieder echte Selbsthilfegemein- schaften im Sinne Raiffeisens geworden. Durch die Verordnung des Reichskommissars für das Ostland vom 23. Februar 1942 erhielt das Genossenschaftswesen darüber hinaus eine orga- nisatorische Ausgestaltung entsprechend der reichsdeutschen Verbandsorganisation, die eine kraftvolle Zusammenfassung der genossenschaft- lichen Arbeit ermöglichte.

So sind die Bolschewisten nur teilweise zur Durchführung ihrer kommunistischen Um- sturzpläne gekommen. Trotzdem hat das blutige bolschewistische Zwischenspiel die Landwirtschaft in den baltischen Generalbezirken schwer geschädigt. Die zur Vertreibung der Bolschewisten notwendigen Kriegshand- lungen gingen zwar verhältnismäßig schnell über das Land hinweg; aber auch sie haben zwangsläufig zu einer erheb- lichen Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Leistungs- fähigkeit geführt. Besonders nachteilig wirkt sich die Verschleppung von über 110000 größtenteils in den besten Jahren stehenden Menschen aus, um so mehr, da schon vor dem Kriege die Landwirtschaft in Lettland und in geringerem Maße auch in Estland auf die Hilfe pol- nischer Wanderarbeiter angewiesen war. In Estland, das zwei Monate länger Kriegsgebiet war als Litauen und Lett- land, wurde auch eine beträchtliche Zahl von Bauernhöfen vollständig zerstört. Dabei kam es auch zu einer erheblichen Einbuße an Maschinen und Geräten. Mit räuberischer Rücksichtslosigkeit wurde von den Bölschewisten vor allem in den Viehbestand eimgegriffen, wobei wiederum Estland am schwersten zu leiden hatte. Det damit verbundene Rückgang der vieh- wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird durch den kriegs- bedingten Wegfall der Kraftfutterzufuhren noch verschärft Auch die Bodenbearbeitung hat unter den Kriegswirren an Intensität eingebüßt. Der Mangel an mineralischem Dünger hat, wenn auch sein Verbrauch im Durchschnitt sehr gering war, gerade die Leistungsfähigkeit der besten Betriebe erheblich beeinträchtigt.

Zu den aus der bolschewistischen Schreckens- herrschaft und den Kriegsverheerungen sich ergebenden Wiederaufbauaufgaben hat die landwirtschaftliche Verwaltung im Reichskom- missariat Ostland die bäuerliche Selbst- verwaltung so stark wie möglich zu verantwortlicher Mitarbeit heran- gezogen. Das ist schon deswegen mit gutem Erfolge gelungen, weil es in allem um Maßnah- men geht, die im ureigenen Interesse der ein- heimischen Landbevölkerung liegen. So ist der Viehbestand langsam im Wiederaufbau begrir fen. In dem auf Anglergrundlage hochgezüch- teten Braunvieh besitzen Lettland und Estland eine zähe und robuste Rinderrasse, deren Milch- erträge sich durch hohen Fettgehalt auszeichnen; während sie mengenmäßig allerdings zu wün- schen übrig lassen. Daneben stößt man in Est- land auf eine hornlose Rinderrasse (vgl. Bild- beilage), deren Milch sich zwar ebenfalls durch hohen Fettgehalt auszeichnet, die aber wegen ihrer geringen mengenmäßigen Ergiebigkeit mehr und mehr zurückgedrängt wird. In Litauen dagegen herrscht ein Rassenmischmasch vor, der durch strenge Auslese und zielbewußte Zuchtverbesserung stark der Auffrischung be- darf. Um den Wiederaufbau des Rinderbestan-

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des zu beschleunigen, ist ein Schlachtverbot von Kuhkälbern ausgesprochen worden. Es ist kenn- zeichnend für die konjunkturbedingten unorga- nischen Intensivierungsmethoden der Vorkriegs- zeit, daß trotz der günstigen Vorbedingungen für die Schaffung einer wirtschaftseigenen Futter- grundlage, die vor allem in Lettland und Estland gegeben waren, gerade die fortschrittlichen Be- triebe sich in weitem Ausmaß auf den Zukauf ausländischer Kraftfuttermittel stützten. So ge- hört trotz der bereits in dieser Beziehung erziel- ten Erfolge eine weitere wesentliche Verstär- kung der wirtschaftseigenen Futter- grundlage zu den wichtigsten Aufgaben.

Besondere Aufmerksamkeit wird auf eine allgemeine Verbesserung der Boden- bearbeitung gerichtet. Ohne erhöhten Be- triebsmittelaufwand lassen sich gerade dadurch beträchtliche Produktionssteigerungen erzielen. So ist es gelungen, den Hackfruchtbau im Rah- men der gegebenen Möglichkeiten erheblich auszuweiten. U. a. konnte die Anbaufläche für Zuckerrüben um 50 v.H. vergrößert werden. Von den LO.-Betrieben, den von der Landbewirtschaf- tungs-Gesellschaft-Ost treuhänderisch verwal- teten früheren Staatsgütern, sind zahlreiche an führende deutsche" Kartoffel- und Getreidesaat- zuchtfirmen verpachtet worden, die mit bestem Erfolg um die Züchtung und Vermehrung hochwertigen Saatgutes bemüht sind. Besonders Estland kann bei zielbewußter Wei- terarbeit auf dem Gebiete der Kartoffelsaatgut- vermehrung eine führende Stellung erringen, da es von Viruskrankheiten so gut wie verschont ist. So stößt man überal in den baltischen Gene- ralbezirken mitten im Kriege auf die erfreulichen Zeichen einer auf lange Sicht ausgerichteten Wiederaufbauarbeit, die von dem Willen zu organischer Entwicklung der natürlichen Kräfte des Landes geleitet wird.

Welche Bedeutung diese Arbeit künftig für die Nahrungsversorgung Europas haben kann, zeigt ein Vergleich mit Ostpreußen. Auf 2,5 Millionen Hektar erzeugte Ostpreußen im Jahre 1937 Verkaufswerte von über 500 Mil- lionen RM. Es vermochte damit außer der eigenen Bevölkerung von 2,4 Millionen ungefähr weitere 3 Millionen Menschen zu ernähren. Dagegen erzeugen (nach einer Berechnung vom Abteilungsleiter Ernährung beim Reichskom- missariat für das Ostland, A. Ortmann) die drei baltischen Generalbezirke auf einer landwirt- schaftlichen Nutzfläche von rund 10,6 Millionen Hektar, gemessen nach ostpreußischen Verkaufs- preisen, heute Verkaufswerte von höchstens 400 Millionen RM. Sie müßten aber, selbst wenn man ihnen wegen des ungünstigeren Klimas einen Abzug von 30 v.H. zubilligt, Werte von 1,4 bis 1,5 Milliarden RM., also mehr als das Dreifache, erzeugen. Gewiß läßt sich die damit gekennzeichnete gewaltige Aufgabe nicht während des Krieges lösen. Dafür fehlen zur Zeit wichtige Voraussetzungen. Die deutsche

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Landwirtschaftsverwaltung im Ostland hat aber durch die Tat bewiesen, daß schon jetzt die Lösung dieser Aufgabe mit gutem Erfolge vor- bereitet werden kann.

Durch die von der deutschen Führung gewähr-

leistete dauerhafte Einbeziehung des Ostlandes -

in die europäische Wirtschaftsgemeinschaft wird dem Bauerntum in den baltischen Generalbezir- ken eine Entwicklungsmöglichkeit geboten, die mit besten Kräften auszunutzen das ureigene Interesse vorschreibt. Noch hat das Bauerntum dieser Länder die sich bietende Chance nicht in vollem Ausmaße erkannt. Zu lange hat es in

einer Abseitsstellung gelebt, für die eine ziel-

bewußte Ausrichtung der Produktion auf die Bedürfnisse eines großen Marktes ein unbekann- ter Begriff war. Zu lange hat es unter den von englischer Eigensucht diktierten Konjunktur- schwankungen gelitten, um allgemein erkennen zu können, daß die- Aussichten, die die Neu- ordnung Europas unter nationalsozialistischer Führung bietet, sich grundsätzlich von den Eintagsgeschäften englischer In- teressenpolitik unterscheiden. So läßt die auf Grund des gegenwärtigen Produktions- standes schon heute mögliche Marktleistung des Bauerntums in den baltischen Generalbezirken noch manches zu wünschen übrig. Während von der ostpreußischen Landwirtschaft 55 v.H. der Jahreserzeugung auf den Markt kommt, betrug die Marktleistung in den baltischen Gebieten höchstens 25 bis 30 v.H. Für die Bauern dieser Gebiete gilt daher in erhöhtem Maße die Parole, der im Interesse der Nahrungsversorgung Euro- pas das deutsche Bauerntum mit vorbildlichem Eifer gehorcht, durch Einschränkung des Eigen- verbrauchs in Wirtschaft und Haushalt die Marktleistung zu erhöhen.

Bei dem herrschenden Mangel an Austausch- waren ist durch Einführung eines ausgebauten Waren-Prämiensystems ein kräftiger An- reiz zur Verstärkung des Ablieferungswillens geschaffen worden. Damit ist auch ein Weg beschritten, der die zur Zeit noch gegebene Preisschere zwischen landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnissen in ihrer ablieferungs- hemmenden Wirkung wenigstens mildert. So ist von der deutschen Landwirtschaftsverwal- tung das Menschenmögliche getan worden, um die Landwirtschaft des Ostlandes dem Selbst- behauptungskampf Europas gegen bolsche- wistische Anarchie und englische Ausbeutung dienstbar zu machen. Mehr und mehr setzt sich daher auch in der Landbevölkerung des Ostlan- des die Erkenntnis durch, daß der Übergang von der geschlossenen Hauswirtschaft zur Markt- wirtschaft, der erst durch das nationalsozia- listische Deutschland in geordnete Bahnen ge- lenkt worden ist, zugleich den einzig möglichen Weg zu einer dauerhaften Gesundung der baltischen Agrarländer dar- stellt, da er diesen Ländern eine volle Entfaltung ihrer natürlichen Produktionskräfte ermöglicht.

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EMIL WOERMANN:

Die europäilche Schweinehaltung Ihre Leiſtungen für die Fleiſch- und Fettwirtfcbaft

Kei Zweig der Nutzviehhaltung hat unter dem Einfluß des Krieges und der rückläu- figen Futtermittelzufuhr in seinem Umfang und auch in seiner Betriebsweise so tiefgreifende Veränderungen erfahren wie die Schweinehal- tung. Damit wurden auch in der Fleisch- und Fettversorgung Wirkungen ausgelöst, die das eigentliche Kernproblem der gan- zen Ernährungswirtschaft im Kriege bilden. Diese Feststellung gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle west- und mittel- europäischen Länder. Die Stellung der Schweine- haltung in der europäischen Ernährungswirt- schaft wird einmal durch den Kraftfutteraufwand gekennzeichnet, der bei dem in der Vorkriegs- zeit gegebenen Umfang der Mastschweineerzeu- gung aufgewandt werden mußte, und zum ande- ren durch die anteiligen Leistungen der Schweinehaltung für die Fleisch- und Fettpro- duktion in den einzelnen Ländern. Die ernäh- rungs- und futterwirtschaftlichen Fragen stehen wiederum mit den betriebswirtschaftlichen Standortsverhältnissen in engem Zusammen- hang, so daß sie einleitend einer kurzen Betrach- tung unterzogen werden müssen,

1. Die Schweinebestände und der Futter- aufwand

Ebenso wie in Deutschland hat die Schweine- haltung auch in den übrigen europäischen Län- dern in den letzten Jahrzehnten von allen Nutz- viehzweigen die stärkste Ausdehnüng erfahren. In dem Zeitraum seit 1890 hat sich die euro- päische Schweinehaltung mehr als verdoppelt, in West- und Mitteleuropa sogar verdreifacht. Die treibende Kraft für diesen Vorgang war die rasche Bevölkerungsvermehrung und die starke Industrialisierung und Kaufkraftsteigerung in allen west- und mitteleuropäischen Ländern. Die Landwirtschaft sah sich vor die Aufgabe ge- stellt, eine ständig wachsende und mit großer Kaufkraft ausgestattete Bevölkerung nicht nur mit den wichtigsten Nahrungsmitteln zu versor- gen, sondern auch steigende Ansprüche an Art und Qualität der Erzeugnisse zu befriedigen; denn Hand in Hand mit der Bevölkerungsent- wicklung und den sozialen Umschichtungen voll-

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zogen sich die bekannten Wandlungen in der Ernährungsweise der Masse der Verbraucher. Es gibt kaum einen Vorgang, der die Richtung der landwirtschaftlichen Erzeugung und damit die ganze Struktur der europäischen Ernährungs- wirtschaft so tiefgreifend beeinflußt hat, wie die Verlagerungen des Schwergewichtes in der Er nährung von pflanzlichen zu tierischen Erzeug- nissen. Diese Veränderungen zusammen mit den Preiswandlungen zugunsten der Tiererzeugnisse waren die Hauptgründe für die Ausdehnung der Viehhaltung. Daß dabei die Schweinehal- tung den Vorrang gewann, erklärt sich aus der Tatsache, daß die Schweine sich von allen Nutztiergattungen am raschesten vermeh- ren lassen und physiologisch am rationellsten geeignete Mastfuttermittel in Fleisch und Fett umsetzen. Hinzu kommt, daß durch die Fort- schritte im Ackerbau gerade die Gewinnung von Mastfuttermitteln wesentlich gesteigert wurde und daß alle Betriebsgrößen sich daran beteili- gen konnten. Endlich ist auch zu berücksich- tigen, daß die Schweinehaltung einer weitgehen- den Arbeitsteilung zwischen Aufzucht Mast und Futterversorgung zugänglich ist, und daß die für die Schweinemast geeigneten Futter- stoffe sich über große Strecken verfrachten las sen. Die Schweinehaltung konnte also im Ge- gensatz zu den Wiederkäuern, die in erster Linie auf Rauhfutter angewiesen sind, auch dort gro» Beren Umfang annehmen, wo die wirtschafts- eigene Futtergrundlage nicht ausreichte. Eine solche Entwicklung, die in einer Reihe von Län» dern, vor allem in Nordwesteuropa, zu einem Mißverhältnis zwischen Schweins bestand und betriebseigener Futter- grundlage führte, konnte sich selbstver ständlich nur so lange reibungslos abspielen, als die Futtermittelzufuhr zwar einer Regelung, aber keiner einschneidenden Beschränkung unterwar- fen war. Als mit Ausbruch des Krieges die über- seeischen Zufuhren ausfielen, kam es in den auf starke Einfuhr von Futtermitteln angewiesenen Ländern zu weitgehenden Verlagerungen und Bestandseinschränkungen, die auch die Fleisch- und Fettversorgung tiefgreifend beeinflußten.

Bei Ausbruch dieses Krieges hatte der Schweinebestand Kontinentaleuropas mit rund

76 Millionen Stück seinen bisher höchsten Stand. Der auf Großdeutschland entfallende Anteil be- trug fast ein Drittel. Demgegenüber wiesen die Zählungsergebnisse den europäischen Rinder- bestand mit 98 Millionen, den Schafbestand mit 122 Millionen und den ale mit rund 600 Millionen Stück aus.

Die jährliche Kraftfuttermenge, ausgedrückt in Getreidewerten, die für die gesamte Arbeits- und Nutzviehhaltung aufgewendet mußte, betrug etwa 90 Millionen Tonnen. Der Kraftfutterauf wand übertraf damit den gesamteuropäischen Bedarf an Brotgetreide, Nährmitteln und Speisekartoffeln wesentlich. Allein der jährliche Kraftfutteraufwand für die Schweinehaltung belief sich auf etwa 38 Mil- lionen Tonnen Getreidewert. einer durchschnittlichen Getreide- und Kartoffel- ernte Groß deutschlands. Obwohl in einer Reihe von Ländern, besonders in Deutschland, große Anstrengungen gemacht wurden, die Boden- erzeugung zu steigern und die Getreideeinfuhr Europas gegenüber dem Stand von 1925 auch tatsächlich auf die Hälfte herabgedrückt werden konnte, blieb doch vor dem Kriege eine wesent- liche Abhängigkeit von überseeischen Zufuhren bestehen. Betriebswirtschaftlich betrachtet han- delt es sich dabei fast ausschließlich um Fut- tergetreide. Es wurden zwar auch einige Millionen Tonnen Brotgetreide eingeführt, aber die im ganzen verfütterte Brotgetreidequote war wesentlich größer als die eingeführte Menge. In Frankreich wurde sogar der Reis in größerem

Umfange an die Schweine verfüttert. Die be- .

stehende Abhängigkeit war also in erster Linie eine Abhängigkeit der Futterversor- gung, die bei der europäischen Schweinehal- tung und Schweinemast etwa 25 v.H. betrug.

Im Verlauf des Krieges haben ausfallende Einfuhren aus Übersee und wesentlich erhöhter menschlicher Verbrauch an Getreide und Kar- toffeln zu einer starken Schmälerung der verfüg- baren Kraftfuttermengen geführt. Im Zuge dieser

Veränderungen mußte die Hauptlast des

Kraftfutterausfalls auf die Schweine- haltung abgewälzt werden, da nach Sicherstellung des Brotgetreide- und Speisekar- toffelbedarfs zunächst die Gespanntiere aus- reichend zu versorgen sind, die Geflügelhaltung keine wesentliche Einschränkung, teilweise so- gar zugunsten der Enten- und Gänsehaltung eine Ausdehnung erfahren hat, und bei der Rindvieh- haltung der Kraftfutterverbrauch im Verhältnis zum wirtschaftseigenen Grundfutter keine ent- scheidende Rolle spielt. Hinzu kommt, daß Ge- treide und Kartoffeln die Hauptmastfuttermittel bilden, also Erzeugnisse, die der menschlichen Ernährung auch unmittelbar dienen. Eine schritt-

weise Einschränkung der Schweinebestände war

daher unvermeidlich, um einen Ausgleich her- beizuführen. Welchen Einfluß dieser Ausgleich

werden `

Das entspricht

auf die Fleisch- und Fettversorgung ausübte, wird deutlich, wenn man prüft, welche Leistun- gen die Schweinehaltung für die Fleisch- und Fettwirtschaft in den einzelnen Ländern aufwies.

2. Die Leistungen der Schweinehaltung für die Fleisch- und Fettwirtschaft

Die Fleischerzeugung Kontinentaleuropas im Durchschnitt der Jahre 1935—1938 ist mit rund 12,4 Millionen Tonnen zu veranschlagen. Der Außenhandel mit Fleisch war gering. Die Ab- hängigkeit bestand lediglich in den bereits er- örterten Futtermitteleinfuhren. Einer Ausfuhr an Schweinefleisch aus den nordwesteuropäischen Veredelungsländern nach England stand eine Einfuhr an Rindfleisch aus Nordamerika gegen- über. Im Endergebnis wat die Ausfuhr sogar größer als die Einfuhr. Von der Gesamterzeu- gung entfielen fast drei Fünftel auf Schweine- fleisch. DieSchweinehaltungnahm also eine zentrale Stellung in der euro- päischen Fleischwirtschaft ein. Das gilt für fast alle Länder; denn wie ein Blick auf die folgende Tabelle zeigt, war lediglich in den rindviehstarken Ländern Nordwesteuropas und in den Ländern mit umfangreicher Schaf- und Ziegenhaltung in Südosteuropa der Anteil des

Fleischerzeugung 1935-38

davon in v. H Gesamte z Fleisch- Fan erzeugung 3 E. 2 in 1000 t ES Ecke Deutschland........ 1,5 Osterreich 1,4 Tschecho-Slow akei 1,9 Polens 2.0 1.7 Litauen i 3,2 Lettland. neu e 8,7 Estland 1,1 Finnland dg 7,5 Schweden 1,2 Norwegen 15,3 6,0 Dänemark.......... - 0,3 Niederlande ....... 1,9 Belgien ~ 1.0 Luxemb rr , Frankreich 6,2 Schweiz en 2,0 3,9 A Ungarn 2,2 Jugoslawien 12,4 Bulgarien .......... 31.0 Rumänien 13,4 3,9 Griechenland 50, Albanien S 54,7 Italien 10,4 Spanſen ; 14,8 Portugal 20,1 16,8 f 5,5

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Rind- bzw. Schaffleisches größer als im euro- päischen Durchschnitt. Die erheblichen Unter- schiede im Gesamtfleischverbrauch je Kopf

der Bevölkerung sollen hier unberücksichtigt bleiben.

Da.das Schwein in erster Linie Fleisch und erst an zweiter Stelle Fett liefert, war der An- teil an der Gesamtfetterzeugung we- Immerhin erreicht die

zufuhr aus Übersee.

Während wir beim Fleisch in allen Länder-

Fetterzeugung Reinfett) 1935-38

davon in Ve H.

2 G Zb ke 2 H e 3 83 23 EA on a * Deutschland .. 45,1 4,8 ste Osterreich .... 37,0 2,2 Re Tsche:ho-Siow. 46,7 9,9 Polen 45,0 14,3 44, 8 7,2 Litauen 47,7 14,1 2 Lettland 64,6 8,4 an Estland ....... 66,2 7,5 Be Finnland...... 78,0 z= Schweden..... 70,8 = = Norwegen e 70, 6 15,9 Dänemark..... = Niederlande .. Sg elgien ....... Luxemburg = Frankreich... Schweiz 25 Ungarn ‚7 'ugoslawien 4 Sg Bulgarien 0 Lu Rumänien..... 5 u 72 Griechenland . 6 Albanien..... 8 Italien ...... 7 Spanien....... 3 Portugal 2 46

gruppen einen ziemlich gleichen Anteil der Schweinehaltung an der Gesamtfleischerzeugung und auch am Verbrauch feststellen konnten, sind die Verhältnisse beim Fett länderweise viel differenzierter.

Die aus der vorstehenden Tabelle ersichtlichen Unter- schiede sind ein ziemlich zutreffendes Abbild der natur- lichen und wirtschaftlichen Standortsbedingungen der drei fettliefernden Betriebszweige: der Milchviehhaltung, der Schweinemast und des Olfruchtbaues, einschließlich Oliven. In Südeuropa spielen Schlacht- und Butterfett gegen- über dem Pflanzenfett nur eine geringe Rolle. Das Schwer-

ist noch größer, und Käse hinzurechnen. Völlig entgegengesetzte Verhält- nisse treffen wir in Südosteuropa an. Hier steigt der Anteil der Schlachtfette auf 60 v.H., in Ungarn sogar auf das Butterfett nur eine nebengeordnete Dagegen liefern die Pflanzenfette aus Sonnenblumen, Soja, Raps usw. bereits ein Drittel in Viertel der Gesamtfetterzeugung.

Waage, wobei die Futterbaugebiete des Westens, des Nord- westens und der Mittelgebirgslagen die Milcherzeugung Getreide-Hackfruchtzonen

viehhaltung, die Kohlehydratzonen dagegen, abgestellt auf Getreide-, Kartoffel- und Zuckerrübenbau, eine kombinierte Fleisch- und Fetterzeugung. Um SO größere Anstrengungen mußten in allen europäischen Ländern gemacht werden, um

Westeuropa

, mit einer Deutschland stärkeren Neigung zur Milch- erzeugung.

Wenn man vom Norden und Nordwesten nach Südosten einen Querschnitt durch Europa legt,

gegenüber und Butter-

genommen.

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Schweinebestand in Europa

Jeder Punkt (-) = 1000 Schweine

3. Die Betriebsform der europäischen Schweinehaltung

Die dargelegten ernährungs- und futterwirt-

schaftlichen Zusammenhänge der Schweinehal- tung stehen in enger Beziehung zu den Betriebs- formen, die sich in den einzelnen Ländern herausgebildet haben. Diese Betriebsformen sind das Ergebnis des Zusammenyir- kens der natürlichen und wirtschaft- lichen Standortsfaktoren. Dabei spielen Futtergrundlage, Fütterungstechnik, Preisver- hältnisse und Stand der Züchtung die Haupt- rolle. Jeder Nutzviehzweig hat seine betriebs- wirtschaftlichen Eigenarten und besonderen Standortsbedingungen, die in der Hauptsache durch unterschiedliche Ansprüche an Futter, Stallung, Wartung und»Pflege bedingt werden.

Das Schaf ist das Tier des rohfaserreichen Trockenfutters mit weitem Eiweiß-Stärkewertverhält- nis. Trockenes Klima mit Dürreperioden ist der Schafhal-

tung durchaus zuträglich, einmal weil das Schaf futter- knappe Zeiten, die im trockenen Klima regelmäßig auf- treten, gut übersteht und zum anderen, weil es durch seine Marschfähigkeit große Flächen gut ausnutzen kann, deren Erträge für das Rind nicht mehr ausreichen. Außerdem ist das Schaf in hervorragendem Maße für einen Wechsel der Weideplätze geeignet, der in klimatischen Einflüssen seine Hauptursache hat. In Süd- und Südosteuropa wandern die Schafherden regelmäßig zwischen den Winterquartieren im Tal und den Sommerquartieren in den Bergen. Bei diesem Weidewechsel sind oft Hunderte von Kilometern zu überwinden. Auch in Ländern mit hoher landwirtschaft- licher Kultur ist dieser Weidewechsel anzutreffen. So ist namentlich in Süddeutschland, Westfalen und Schleswig- Holstein die Wanderschäferei noch weit verbreitet.

Der Schwerpunkt der Schafhaltung liegt in Süd- und Südosteuropa. Drei Umstände wirken dabei zusammen: Trockenes Klima, marktferne Lagen und eine verhältnis- mäßig extensive Bodennutzung, die entweder durch aus- gedehnte Hutungen oder durch ein Ackerbausystem mit vorherrschendem Getreidebau und größerem Brachanteil einen Reichtum an natürlichem Schaffutter gewährleistet.

Im Gegensatz zur Schafhaltung bevorzugt die Rind- viehhaltung feuchte Lagen mit hoher Futter- wüchsigkeit. Die Fähigkeit des Rindes, Rauhfutter

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und Grünfutter, Hackfrüchte und Kraftfutter, trockenes und nasses Futter gleich gut auszunutzen, erleichtert es dem Landwirt, eine lückenlose Futtergrundlage in den ein- zelnen Jahresabschnitten zu schaffen, die namentlich für eine erfolgreiche Milchviehhaltung unerläßlich ist. Unter sonst gleichen Bedingungen kann die Milchviehhaltung um so mehr in den Vordergrund treten, je nährstoff- reicher das Futter ist und je enger sich das Eiweiß- Stärke-Verhältnis gestalten läßt. Der Schwerpunkt der Milchviehhaltung liegt daher im futterwüchsigen Nord- westeuropa und in den grünlandreichen Mittelgebirgslagen. Endlich weist auch die dicht besiedelte und mit Bewässe- rung ausgerüstete Po-Ebene einen hohen Bestand an Milch- kühen auf.

Im Gegensatz zum Schaf und-Rind ist das Schwein in hohem Maße auf konzentrierte und hoch- verdauliche Futterstoffe angewiesen. Dar- über hinaus verwertet das Schwein die Abfälle der Haus- wirtschaft und infolge seines Wühlvermögens alle Ernte- rückstäande, die sich auf den Feldern und im Boden befinden. Der Anteil dieser Futterstoffe aus Brache, Wald- weide, Nachweide der Getreide-, Mais- und Hackfrucht- felder ist in den Ländern mit extensiver Bodennutzung sehr erheblich. Hinzu kommt, daß bei den primitiven Schweinerassen, die in diesen Ländern vorwiegend gehal- ten werden, Spürsinn und Wühlvermögen besonders aus- gebildet sind. In Spanien und Portugal wird die Schweine- haltung auf der Grundlage der Waldweide noch heute ausgedehnt betrieben. Im Südosten sind es mehr die Brach- und Stoppelweiden, die einen Teil der Futtergrundlage für

‚die Zuchtsauen und Jungschweine abgeben. Das je nach

der Bodennutzung in den einzeinen Ländern unterschied- liche Verhältnis von konzentrierten und ballastreichen Futterstoffen ist sowohl für die zweckmäßigste Produktions- form der Schweinehaltung als auch für die Wahl der Rasse von erheblicher Bedeutung.

Unter den stärkereichen und konzentrierten Futterstoffen sind es außer den Abfällen der Hauswirtschaft vor allem Gerste, Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben, die der Schweinemast die Hauptfuttergrundlage liefern. Die Schweinehaltung folgt daher dem inten- siven Acker be u und steht, soweit nicht betriebsfremde Futterstoffe in größerem Umfang zugeführt werden, in Abhängigkeit von den Erträgen des Futtergetreide- und Hackfruchtbaues. `

Wie das Schaubild auf Seite 47 zeigt, sind die Hauptstandorte der Schweinehaltung die Klimalagen mit ausgedehntem Mais- und Hackfruchtbau und endlich jene Gebiete, in denen die Molkereiwirtschaft größere Bedeu- tung erlangt hat, wie dies für ganz Nordwest- europa in besonderem Maße zutrifft. Die Schweinehaltung in Anlehnung an die Milch- und Molkereiwirtschaft, soweit sie sich nicht auf Aufzucht beschränkt, bedarf allerdings einera sehr weitgehenden Ergänzung, entweder durch selbstangebaute Futterstoffe oder durch zuge- kaufte Futtermittel. Da in Nordwesteuropa Dauergrünland und Ackerfutterbau einen großen Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche einnehmen und dementsprechend der Getreide- und Hackfruchtbau zurücktritt, konnte die um- fangreiche Schweinehaltung und Schweinemast nur mit Hilfe ausländischer Futtermittel betrie- ben werden, wenn ‘sich auch die Bestrebungen immer mehr durchsetzten, durch Grünlandum- bruch und Zurückdrängung des Feldfutterbaues den Kartoffelbau auszudehnen und damit die betriebseigene Mastfuttergrundlage zu verstär-

ken. Allein in Nordwesteuropa wurden mehr

als 4 Millionen Tonnen überseeische Kraftfutter- mittel, in der Hauptsache Mais und Gerste, in der Schweinehaltung eingesetzt. In diesen Ge-

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bieten ist daher auch der durch den Krieg er- zwungene Rückgang des Bestandes am stärksten.

Die Betriebsformen der Schweine- haltung können nach verschiedenen Gesichts- punkten gekennzeichnet und abgegrenzt werden. Wählt man als Unterscheidungsmerkmal die Art der verabfolgten Futterstoffe und ihre Beschaf- fung, so spricht man bekanntlich von haus- wirtschaftlicher, landwirtschaft- licher und gewerblicher Schweinehaltung.

Die hauswirtschaftliche Schweinehal- tung ist in den mittel- und westeuropäischen Ländern in der Hauptsache nur noch in Par- zellenbetrieben und in den Haushaltungen der Landarbeiter und dörflichen Handwerker ver- treten, spielt aber in allen Kleinbauernländern noch eine erhebliche Rolle. Der hauswirtschaft- liche Charakter kommt nicht nur in der Art der verwendeten Futterstoffe, wie Küchen- und Gar- tenabfälle, Kürbis usw., sondern auch darin zum Ausdruck, daß Zucht und Mast nicht klar gegen- einander abgegrenzt sind. Die Zuchtsauen brin- gen häufig nur einmal Ferkel und werden dann gemästet.

Die land wirtschaftliche Schweinehal- tung hat mit der Steigerung der Hektarerträge und der ausgedehnten Hackfruchterzeugung immer größere Bedeutung gewonnen. Sie steht heute in Mittel- und Westeuropa beherrschend im Vordergrund und bildet den wichtigsten Ver- wertungszweig des Mais- und Kartoffelbaus, namentlich bei fehlenden technischen Neben- gewerben und in ungünstigen Absatzlagen.

Wenn man als gewerbliche Schweinehal- tung jene Formen bezeichnet, die den größten Teil des Futterbedarfs aus zugekauften Futter- stoffen decken, so war sie vor dem Kriege in Dänemark, Holland, Belgien, teilweise auch in Nordwestdeutschland und in Westfrankreich in der Nähe der Einfuhrhäfen weit verbreitet. Er- möglicht wurde die Ausbildung solcher Betriebs- formen durch den der Schweinehaltung eigenen geringen Bedarf an Streustroh, durch die weit- gehende Arbeitsteilung zwischen Aufzucht und Mast und durch die umfangreiche Zufuhr. geeig- neter und preiswürdiger Futtermittel. Jede ge wollte oder durch außenwirtschaftliche Vor- gänge erzwungene Einschränkung der Futter mitteleinfuhr muß die stark oder gar ausschließ- lich auf Futterzukauf abgestellte Schweinehal- tung und -mast zum Erliegen bringen.

Größere Unterschiede in der Erzeugungs- richtung konnten naturgemäß nur bei der landwirtschaftlichen Schweinehaltung zur Aus bildung kommen. Die Unterschiede bestehen einmal in dem wechselnden Verhältnis von Aui- zucht und Mast und zum anderen in dem ge wählten Mastverfahren, wodurch wiederum das Fleisch-Fett-Verhältnis der Schlachttiere be- stimmt wird. Auf Grund des wechselnden Ver- hältnisses von Aufzucht und Mast unterscheidet man folgende Betriebsweisen:

1. Aufzuchtbetriebe mit Verkauf von Ferkeln oder Läufern,

2. Aufzucht-Mastbetriebe, die sich bezüglich des Ferkel- und Läuferbestandes selbst er- gänzen,

3. Mastbetriebe ohne oder mit schwacher Aufzucht, die zugekaufte Läufer oder Ferkel mästen. s |

Diese, namentlich in Deutschland, Dänemark, Holland und Belgien, aber auch in Schweden und Frankreich weit verbreitete zwischen- betriebliche Arbeitsteilung ist im Sü- den und Südosten weniger anzutreffen. Große Unterschiede sind dagegen in der Erzeugungs- richtung und im Mastverfahren vorhanden. Beide stehen wiederum in Abhängigkeit von der Fut- tergrundlage und von den Preisverhältnissen.

In den europäischen Ländern lassen sich je nach dem Fleisch-Fett-Anteil, der bei der Mast der Tiere erreicht werden soll, zweitypische Formen der Mastschweineerzeugung unterscheiden: die Erzeugung von Fleisch- schweinen und die Erzeugung von Speck- schweine n. Während bei der Erzeugung von Fleischschw einen in erster Linie Fleisch gewon- nen werden soll, zielt die Mast von Speck- schweinen auf Fettansatz ab. Zwischen diesen beiden extremen Erzeugungszielen gibt es in der Praxis alle Übergänge.

Die Erzeugung von Fleischschweinen erstrebt auf dem Wege der Schnellmast in allen Ländern ein Endgewicht von 90—100 kg lebend. Für die Baconherstellung bzw. für die Gewinnung eines fettarmen Brat- und Delikatessen- schweines, das den bekannten Prager Schinken lieferte, waren die Lebendgewichte auf 70—85 kg abgegrenzt. Da bei der Entwicklung des jungen Schweines zunächst vor- wiegend Fleisch und im weiteren Verlauf Fett angesetzt wird, soll bei diesem Erzeugungsverfahren das Jugend- wachstum der Tiere durch reichliche Fütterung zur Ge- winnung von Fleisch ausgenutzt werden. Je höher jedoch der anteilige Fleischgehalt der Zunahme ist, um so höher sind auch die Anforderungen an den Eiweißgehalt und an die Verdaulichkeit der täglichen Futtergabe. Die betriebs- wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese Art der Er- zeugung von FPleischschweinen sind also erst dann gegeben, wenn das Preisverhältnis zwischen ballastreichen und kon- zentrierten Futterstoffen zugunsten der letzteren ausfällt, und wenn damit gleichzeitig eine ausreichende Versorgung der preiswürdigen Eiweißfuttermittel Hand in Hand geht. In den nordwesteuropäischen Molkereiländern, voran in Dänemark, waren diese Voraussetzungen in hohem Maße gegeben. Auf der Grundlage der reichlichen Magermilch- versorgung, der umfangreichen Gersteeinfuhr und bestimm- ter röchterischer Maßnahmen ist es in Dänemark zu einer Form der Baconproduktion gekommen, die in ihrer Quali- tät auf den englischen Märkten bei weitem an der Spitze stand. Auch in Schweden, in den baltischen Ländern und im ehemaligen Westpolen kam es in der Vorkriegszeit zu Art, jedoch waren die Schlachtgewichte öder.

Im Gegensatz zur Fleischschweineerzeugung mit früh- reifen Rassen, intensiver, eiweißreicher Ernährung und schnellem Umschlag benutzt die Speckschweine- Produktion spätreife Tiere, die zuerst langsam auf der Weide oder durch Verabreichung ballastreicher Futterstoffe heranwachsen und dann in einem bestimmten Alter, das nach Rasse und Erzeugungsziel wechselt, zur Mast gestellt werden. Da die Schweine bei Beginn der Mast ihr Wachs- lum fast abgeschlossen haben, liefern sie vorwiegend Speck und Schmalz, sowie ein festes Fleisch, das sich zur Herstellung von Dauerware besonders eignet.

Obwohl der Fettansatz bedeutend mehr Nährstoffe er- fordert als der Ansatz von Fleisch, behält die Speck- schweineproduktion den Vorzug, daß ein wichtiger Teil des Zuwachses durch Weidegang oder mit weniger konzentrierten billigen Futterstoffen erzielt wird und damit die Gesamtmenge hochwertigen Mastfutters, die man zur Erzeugung von 1 kg Zuwachs benötigt, ver- hältnismäßig gering bleibt. Die Speckschweineproduktion ist daher überall dort vertreten, wo die ballastreichen Futterstoffe im Verhältnis zu den konzentrierten relativ billig sind und durch den ganzen Zuschnitt der Boden- nutzung auch reichlicher zur Verfügung stehen.

Die geschilderte Ernährungs- und Produktions- weise bei der Erzeugung von Speckschweinen ist in allen Ländern, in denen sie größeren Um- fang hat, nicht nur eine Anpassung an die Art der Futtergrundlage, sondern auch an den jahreszeitlichen Futterablauf. Früh- reife Schweinerassen sind unter solchen Ver- hältnissen nicht zweckmäßig. Vielmehr müssen spätreife Rassen gehalten werden, die robust und genügsam sind, um während der ausgedehn- ten Läuferperiode und bei den weiten Wegen, die bei der natürlichen Futtersuche zu überwin- den sind, noch befriedigende Zunahmen zu er- zielen. Andererseits müssen die Tiere auch eine gute Verwertungsmöglichkeit für konzentrierte Futterstoffe haben. Das Mangalitzaschwein be- sitzt diese Eigenschaften in ausgeprägtem Maße.

s hat zwar nur geringe Fruchtbarkeit, ist aber

widerstandsfähig, eignet sich für extensive Hal- tung, verträgt hohe Hitzegrade und ist besonders befähigt, in der Hauptmastperiode Mais in Speck umzusetzen. |

Daß die Speckschweineproduktion in Ungarn und in angrenzenden Teilen der Balkanländer namentlich in deri Maisbaugebieten noch vor- herrschend ist, hat verschiedene Gründe, Ein- mal sind sie futter wirtschaftlicher Art. Die Ackerebenen des Südostens sind ausge- sprochene Kohlehydratzonen, begünstigen also die Fettproduktion, zumal die Milchwirtschaft schwach entwickelt ist und andere für dıe Schweinemast geeignete Eiweißstoffe auch aus Preisgründen bisher keinen Eingang gefunden haben. Zum anderen sind die Verkehrs- verhältnisse in weiten Teilen der .Balkan- lönder nur schwach entwickelt. Der bäuer- liche Betrieb steckt noch tief in der Natural- wirtschaft. Fett ist transportfähiger und halt- barer als Fleisch und außerdem ein geeignetes Hilfsmittel bei Verarbeitung von Magerfleisch zu Dauerware. Die Speckschweine stehen daher auch wesentlich höher im Preis als Fleisch- schweine. In Nordwesteuropa war es vor dem Kriege häufig umgekehrt.

Wie bereits erwähnt, gibt es zwischen den beiden Extremen der Fleisch- und Fettschweine- produktion in der Praxis alle Übergänge, sowohl was die Schwere der Schweine als auch die Art der Ernährung betrifft. Schweine mit

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einem Lebendgewicht von 120—140 kg stehen bei unseren heutigen weißen Rassen zwischen Fleisch- und Speckschweinen. Die oft erörterte Frage der zweckmäßigsten Form der Schweine- produktion und damit des anzustrebenden End- gewichtes bei der Mast kann auch für deutsche Verhältnisse nicht generell entschieden werden, da die Futterverhältnisse im Einzelfall zu verschieden liegen. Man kann nur die be- triebswirtschaftlichen Bedingungen abgrenzen, unter denen die verschiedenen Produktions- formen und Erzeugungsziele zweckmäßig er- scheinen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß jetzt im Kriege auch die Futterversorgungslayge den Ausmästungsgrad weilgehend bestimmt. Bei knappen Schweinebeständen und guter Futter- getreide- und Kartofielernte wird man im Inter- esse der Versorgung die Mästung von schweren Schweinen fördern und. umgekehrt,

Tatsächlich hat die deutsche Agrarpolitik in den letzten Jahren durch eine entsprechende Preisstaffelung der Gewichtsklassen eine Steu- erung der Produktion wiederholt vor- genommen und dabei die gesetzten Ziele auch erreicht. Betriebswirtschaftlich kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die verknappte Eiweiß- versorgung und die verstärkte Einschaltung von weniger konzentrierten Futterstoffen die Mast- verfahren im Sinne eines verlang- samten Umschlagesbeeinflußthat. Daß die hier entwickelten Beziehungen zwischen natürlichen und wirtschaftlichen Standortsfak- toren einerseit$ und den Produktionsformen der Schweinehaltung andererseits in der Vorkriegs- zeit in den europäischen Ländern weitgehend ausgeprägt waren, bestätigt die folgende Über- sicht:

Produktionsverhältnisse der europäischen

Schweinehaltung.

2412.2 en 2 2 | din 328 3323 323 225 v Ey gun” 2 e 228 ER | AN og | #5 | 00% 5883828 [K SZ ju ? Dem | 838

2 9,6 ehem. Tschecho- Sl 90 145 17

d 13,8 (Dänemark, 93 150 17

d 12,5 [Belgien 110 100 18

0 56 Itallen 110 90 | 18

5 4,8 [Griechenland 110 90 18

4 HA [Frankreich 115 105 18,5

4 10,9 Norwegen 115 100 18,5

3 11,5 Schveden 115 110 18,5

9 9,5 [Baltische Staaten| 120 95 19

4 6,8 Spanien 125 75 19,5

3 8,2 |ehem. Polen..... 128 80 19,5

‚5 12,7 | Niederlande..... 130 115 20,0 26,8 | 12,6 [Deutschland | 130 | 95 | 20,0

0 4,6 Rumänien | 145 70 140-60*°)

2 6,2 [ehem. Jugosl. ...| 150 65 | 40-60*)

9 | 7,2 Ungarn | 160 65 |40-60°)

9

sonst. Länder....| |

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| | Kontin.-Europa

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J Angaben beziehen sich auf Mangalitzaschweine.

50

Die Tabelle zeigt für den Durchschnitt der Jahre 1835 bis 1938 außer dem Schweinebestand zunächst einmal die je Zuchtsau und Jahr erzielte Ferkelzahl in den einzeinen Ländern. Die Ferkelzahl ist das Ergebnis der Wurfhäu- figkeit und der Wurfstärke. Während in den Län- dern mit hochentwickelter Schweinehaltung jährlich regel- mäßig zwei Würfe mit insgesamt 12—14 Ferkeln,, nach Abzug der Verluste, erreicht werden, ist die Wurfhäufig- keit und Wurfstärke in den süd- und südosteuropäischen Gebieten bei den dort vorherrschenden Schweinerassen und Haltungsverhältnissen wesentlich geringer, so daß nur 5—9 Ferkel je Zuchtsau und Jahr erzielt werden. Sodann zeigt die Tabelle die durchschnittlichen Lebendgewichte der Schlachtschweine, den Jahresumschlag in v.H. des Bestan- des und den Anteil des Fetts am Schlachtgewicht. Auch hıer werden im ganzen die Beziehungen zahlenmäßig be- stätigt, die auf Grund der geschilderten betriebswirtschalt- lichen Verhältnisse zu erwarten sind.

Der Wiederaufbau der europäischen Schweine- haltung ist weniger ein züchterisches Problem so sehr die Zucht auf Leistung auch einer Ver- besserung bedarf sondern in erster Linie eine Frage der Futterversorgung. In allen Ländern, die eine starke Einschränkung ihrer Schweine- haltung vornehmen mußten, ist die Zahl der Zuchtsauen vorsorglich in einem Umfange er halten, daß eine rasche Wiederauffüllung der Gesamtschweinebestände erfolgen kann, wenn die Futterversorgungslage dies als zweckmäßig und notwendig erscheinen läßt. Die produk- tionspolitischen Bestrebungen aller Länder sind daher zunächst mit Recht darauf abgestellt durch eine entsprechende Gestaltung des An- baus die Erzeugung von Mastfuttermitteln im Rahmen der Grenzen zu verstärken, die durch die Versorgung mit Brotgetreide und Speisekar- toffeln gezogen sind.

Darüber hinaus sind die Futtermittel auf die einzelnen Nutzviehzweige so zu verteilen, dab damit ernährungswirtschaftlich der größte Nutzeffekt erzielt wird. In der Fut terverwertung stehen Schweine- und Ge- flügelhaltungineinemgewissen Wett- bewerb. Solange sich die Geflügelhaltung in ihrem Umfange in der Hauptsache auf das na- türliche Geflügelfutter beschränkt, d. h. aui Futterstoffe, die sonst ungenutzt blieben, ist sie durchaus am Platze. Wenn jedoch bei steigender Geflügelzahl zwangsläufig größere Getreide- und Kärtoffelmengen zur Verfütterung kommen müssen, dann wird die Schweinehaltung in der Futterverwertung überlegen, weil sie je Kg Fleischzuwachs einen geringeren Futteraufwand erfördert. Ähnliches gilt für die übrigen Zweige der Kleintierhaltung. Wenn man bedenkt, dab in der Geflügelhaltung der Vorkriegszeit in Höhe von rund 600 Millionen Stück jährlich etwa 13 Millionen Tonnen Getreidewert als Futter aufgewendet wurden eine Menge, die de Gesamtgetreideeinfuhr Kontinentaleuropas ent spricht —, so erhält man einen Maßstab für die ernährungs- und futterwirtschaftliche Bedeutung, die einer sinnvollen Einschränkung der Geflügel- haltung beizumessen ist.

‚WILHELM HEUCKMANN:

FRAGEN DER INTERNATIONALEN

WEINBAUWIRTSCHAFT

ast alljährlich fanden sich vor dem Kriege

die Vertreter der dem internationalen Wein- amt angeschlossenen Weinbauländer Europas zu Besprechungen über einschlägige Fragen zusam- men. Aus der Fülle der Tagesordnungen trat jedesmal ein Problem besonders hervor: nämlich die Frage des Absatzes der in diesen Län- dern erzeugten Weine. In diesen Jahren machte sich nämlich fast überall ein Uberangebot von Wein bemerkbar, das verschiedene Ursachen hatte. Extrem hohe Ernten je Flächeneinheit pflegen nur ab und zu aufzutreten. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten können meist durch direkte Eingriffe behoben werden,

wobei eine staatlich unterstützte Werbung und

Vorratshaltung in allen möglichen Formen eine besonders hohe Rolle spielt. Bedeutend nach- haltiger wirken sich aber zu hohe Ernten aus, die alljährlich aus einer Anbaufläche gewonnen werden, welche in keinem Verhältnis zu der Zahl der Bevölkerung, bzw. deren Kauflust oder deren Kaufkraft steht. Hierin lag wohl eine der Hauptursachen der Absatzschwierigkeiten in den zur Sprache stehenden Ländern. Es würde den Rahmen dieser Abhandlung überschreiten, wollte man hier alle Maßnahmen erwähnen, die von den einzelnen Länderregierungen erlassen wurden, um der bestehenden Schwierigkeiten Herr zu werden, und die dann auch zur Behe- bung der Absatznot durch das internationale Weinamt empfohlen wurden. Meistens betrafen sie reine Fragen der Erfassung und Verwertung der Erntemengen, die Werbung und schließlich die Empfehlung, die Zollgrenzen zu öffnen und den überflüssigen Wein in andere Länder ab- fließen zu lassen. Solchen Empfehlungen war nur in den seltensten Fällen ein Erfolg beschie- den. Dies beweisen die Maßnahmen, die dann später jedes Land auf Grund seiner handels- politischen Lage für sich selber traf.

Es dauerte eigentlich ziemlich lange, bis man das Grundübel des Weinüberflusses mancher Länder erkannte, das, kurz gesagt, in der Un- ordnung der Erzeugung lag, die typisch für eine freie Wirtschaft ist. Jeder Winzer oder sonstige Interessent konnte praktisch soviel Rebanlagen erstellen, wie er wollte, ohne Rück- sicht darauf, ob der dort erzeugte Wein in Gegenwart oder Zukunft abgenommen werden

konnte. Es fehlte meistens selbst die primitivste Steuerung durch den Staat, deren Sinn es sein sollte, die vorhandene Rebfläche mit der durch- schnittlichen Aufnahmefähigkeit des Landes in Einklang zu bringen. Das galt nicht nur für die Menge der Erzeugung, sondern auch für die Qualität des Produktes. Die Folge davon war, daß selbst bei geringsten Preisen, die heute geradezu märchenhaft klingen, die Winzer den- noch oft auf ihrem Wein sitzen blieben. Dies führte zu einer außerordentlichen Schwächung der Winzerbetriebe, die in einer extensiven Wirtschaftsweise ihren Niederschlag fand und ein starkes Herabsinken des Quali- tätsgedankens auslöste.

Wenn sich in irgendeinem landwirtschaft- lichen Betriebszweig eine Spekulation ungünstig auswirkt, so ganz besonders in solchen Betrie- ben, in denen das Schwergewicht bei den lang-

‘jährigen Kulturen liegt. Hier ist der Einsatz von

Kapital und Arbeit natürlich weit höher als bei einjährigen Kulturen, und eine Fehlspekulation muß sich besonders ungünstig auswirken, weil das Kapital für Jahre, oft sogar für Jahrzehnte, festgelegt ist. Eine Änderung dieses Zustandes durch Aushauen der Reben bringt nicht nur keinen Gewinn, sondern hat einen direkten Verlustim Gefolge. Wir wissen, daß der deutsche Weinbau mit der Qualität der Weine steht und fällt. In Zeiten des Überflusses an Wein bleiben die geringsten Weine stets bis zuletzt liegen; in Zeiten des Mangels wird der Qualitätswein immer noch am besten bezahlt. Dies gilt im gewissen Sinne auch für die Weine der außerdeutschen Länder. Untersucht man die Wirtschaftlichkeit der europäischen Weinbau- betriebe, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die Betriebe mit Qualitätsweinbau sich durch- schnittlich am besten stehen.

Ein spekulativer Weinbau bewirkt oft eine einseitige Betriebskultur. Der gesunde Wein- baubetrieb ist bestrebt, auch eine land- wirtschaftliche Grundlage zur Ernäh- rung der Betriebsangehörigen, zur Sicherung einer Futter- und Düngerbasis zu schaffen. Wäh- rend in Krisenzeiten der einseitige Weinbau- betrieb nicht einmal das Ernährungsminimum für seinen Betrieb hervorbringen kann, ist ein gemischter Betrieb verhältnismäßig krisenfest

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und kann vor allen Dingen seine Boden-

fruchtbarkeit aus eigener Kraft er- halten. Der Monokulturbetrieb aber ist auf die Zufuhr fast aller Betriebsmittel angewiesen und.in Notzeiten besonders gefährdet. Wie sich solche Verhältnisse auswirken können, zeigt sich z.B. in vielen Weinbaubetrieben Frank- reichs, welche nicht einmal in der Lage sind, genügend Gemüse für ihre Betriebsangehörigen aufzubringen.

Ebensowenig wie die Regierungen einzelner Länder den Grundfragen der weinbaulichen Er- zeugung ein von Weitblick getragenes Interesse entgegengebracht haben, sorgten sie auch für eine ordentliche Berufsbetreuung des Winzers. Nur wenige Länder verfügen über eine Organisation zur Beratung der Winzer, die angesichts dieser arbeitsintensiven, den Schäd- lingen und Krankheiten ausgesetzten, sowie vor allen Dingen von der jeweiligen Jahreswitterung so abhängigen Kultur erforderlich ist. Meistens waren die Winzer auf sich angewiesen, mußten ihre Erfahrungen mehr oder weniger selbst sammeln, denn nur wenige verfügten über eine bessere fachliche Ausbildung. Gewiß muß der Weinbau an der Grenze des Möglichen, wie z.B. in Deutschland, viel exakter betrieben werden als in anderen vom Klima mehr begünstigten Gebieten. Aber nicht nur deshalb findet man bei uns eine derartige Zahl von wissenschaftlichen Instituten, Versuchsanstalten und Fachschulen, und ein Beratungsnetz, das praktisch den letzten’ Winzer erfaßt. Mangelndes Interesse an der Er- zeugung heißt soviel wie mangelnder Schulz, und in der Tat —, in vielen Ländern waren die Winzer schutzlos gewissen Kreisen ausgeliefert, die an dem „status quo“ Interesse hatten.« Des- halb zeigt sich auch überall dort eine gewisse Rückständigkeit in den Betrieben, in denen der Winzer ohne diesen 'heute in Deutschland selbst- verständlichen Schutz der Erzeugung seine man- nigfaltigen Arbeiten oft bei kärglichem Einkom- men durchführt. `

Aus der Fülle der für viele europäische Wein- baubetriebe typischen Zeichen der Isolierung der Winzer sei zunächst einmal die Versor- gung mit Rebenpflanzgut herausgegriffen. Was nützt es dem Winzer, wenn er bei der Aus- wahl des Geländes, bei der Vorbereitung des Bodens einschließlich aller Maßnahmen, welche die Grundlage eines neuen Weinberges aus- machen, die größte Sorgfalt walten läßt und dann schlechte Reben pflanzt? Für den deut- schen Winzer ist es völlig unverständlich, daß sich in manchen Ländern ein gewissenloser Rebhandel auftat, der nicht einmal der ge- ringsten Kontrolle von seiten des Staates oder der berufsständischen Einrichtungen unterlag. Einer bewurzelten Rebe, wie sie im zeitigen Frühjahr gehandelt wird, kann, man kaum an-

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merken, um welche Sorte es sich handelt, ge- schweige denn, ob sie da vegetativ ver- mehrt von einem fruchtbaren Mutterstock abstammt. Wir konnten in manchen Ländern be- obachten, daß auf den Wochenmärkten einige Musterexemplare von Reben vorgezeigt und daraufhin Kaufabschlüsse von Tausenden von Reben, die angeblich „zu Hause” in derselben Qualität lagerten, zustande kamen. Schon bei der Lieferung stellte dann der Winzer fest, daß die vorgezeigten Musterexemplare besonders ausgesucht waren, die gesamte Lieferung aber etwas ganz anderes darstellte. Vollends belehrt wurde er aber erst nach einigen Jahren in sei- nem mit solchen Reben bepflanzten Weinberg. Hier zeigte sich oft ein buntes Sorten- gemisch, und der Stand der Jungpflanzung bewies ihm die Unbrauchbarkeit vieler Reben. Es fehlte einfach die Kontrolle der Mutterstöcke auf Sortenechtheit, Sortenreinheit und Gesund- heit und ebenso die entsprechende Überwachung der Rebschulen. Hinzu kommt noch, daß es sich meistens wegen der Reblausverseuchung um gepfropfte Reben handelt, bei denen außerdem noch böse technische Fehler unterlaufen können. Der kapitalkräftige Winzer kaufte Reben I. Qua- lität, der weniger kapitalkräftige solche II. Qua- lität und der arme Winzer Reben III. Qualität. Die Folge davon war, daß der arme Winzer da- durch nie kapitalkräftig, sondern nur noch ärmer wurde. Keiner von den dreien hatte die Sicherheit, daß Unterlage und Edelreis tatsäch- lich die richtigen vom Händler „garantierten“ Sorten waren. Dabei gibt es nur, eine Qua- lität, nämlich die sortenechte, pflanz- fähige Rebe.

Das Kapitel „Rebenpflanzgut“ ist eines der

traurigsten für die Winzer, und auch heute wird

ihnen in den meisten Ländern in dieser Be- ziehung noch nicht der geringste Schutz zuteil. Deshalb machte sich auch vielfach ein speku- latives Händlertum breit, das wild aufgekaufte Reben ohne Kenntnis der Herkunft an die Win- zer veräußerte und jährlich „die Preise machte”, bei denen der ebenso schutzlose Rebenvermeh- rer oft das Nachsehen hatte. Mit der Einfüh- rung der Rebenanerkennung, einer scharfen Kontrolle des Rebenverkehrs, hat man in Deutschland dem Winzer den not- wendigen Schutz angedeihen lassen. Nur dort, wo eine bis in die letzten Einzelheiten kontrol lierte Herstellung von Pflanzreben einschließ- Ich des Rebenverkehrs garantiert ist, kann der Winzer mit Sicherheit und Ruhe den großen Kapitalaufwand einer Neuanlage wagen. Denn unter deutschen Verhältnissen kostet die Anlage eines neuen Weinberges bis zum Ertrag etwa 10000 bis 15000 RM. je ha. Daraus sieht man, wie wichtig gerade diese Frage für die Wirt- schaftlichkeit der Winzerbetriebe ist.

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Die neuen Wege, welche Deutschland in dieser Beziehung beschritt, werden von allen Ländern als vorbildlich anerkannt. Es dürfen nur Reben aus anerkannten Beständen in. den Verkehr gebracht werden; dadurch ist gesichert, daß schon der Rebenvermehrer (Rebschulbesit- zer) nur brauchbare Reben erhält. Auch die

Rebenvermehrung wird ständig technisch und

züchterisch überwacht und vor allen Dingen die Sortierung der verkaufsfertigen Ware unter scharfe Kontrolle gestellt. Kein Wunder, daß bei Einführung dieser Maßnahmen mancher speku- lative Rebenvermehrer sein Geschäft einstellte. Eine gerechte Preisherabsetzung für das Pflanz- gut gab dem Rebenvermeh?er und Winzer die notwendige Sicherheit und Produktionsfreudig- keit. So erhält der deutsche Winzer den erfor- derlichen Schutz und damit die Grundlage zur Wirtschaftlichkeit seines Betriebes.

Durch solche Kontrollmaßnahmen ist auch die Einflu8 möglichkeit in der Sorten- frage gegeben. In jedem weinbautreibenden Land hat sich eine Fülle von Rebsorten breit- gemacht, die nicht nur die Arbeit des Winzers erschwert, sondern sich letzten Endes auf gie Eigenart, die Qualität und damit auf den Absatz der Weine auswirkt. Eine Ordnung der Erzeu- gung mit dem Ziel, solche Sorten von der Ver- mehrung auszuschalten, die durch die Erzeugung von geringem Wein den Markt belasten und damit auch von Nachteil für die Weinbau- betriebe werden, ist notwendig und wünschens- wert, Hierzu gehört die Schaffung von Rebsortimenten für die einzelnen Länder, ähnlich wie dieses in Deutschland in allen Einzelheiten bereits besteht.

Aus der Erkenntnis, daß gerade die Qualität des Weines den Bestand der Weinbaubetriebe sichert, faßte man in manchen Ländern als ersten Schritt in der Ordnung der Erzeugung den Plan, den Anbau der „Hybriden‘“), der vielfach eine ungehemmte Ausdehnung erfahren hatte, zu beschränken oder zu verbieten bzw. die Ver- nichtung der Hybriden anzuordnen. Wieviel Re- solutionen sind in dieser Beziehung auf den internationalen Weinbaukongressen gefaßt wor- den und wie wenig wurde praktisch erreicht! Bei dem Plan ist es meistens geblieben, denn fast überall war derEinfluß der Regierungen oder der Weinbauverbände mangels Organisation und Be- ratungsstellen zu schwach. Noch heute bemühen sich fast alle weinbautreibenden Länder Europas, ihren Ruf durch schnellste Ausmerzung der

Hybriden wieder sicherzustellen. Leichter ge-

sagt als getan! Dazu sind oft Eingriffe notwen- dig, die die Zukunft, d. h. den Bestand mancher Weinbaubetriebe in Frage stellen. Und dennoch, jedes Weinbauland wird sich später mit der

) Eine Kreuzung von Europäer- und Amerikanerreben, die hohe, aber minderwertige Erträge bringen.

je

restlosen Entfernung dieser Rebsor- ten abfinden müssen. Das verlangt schon der „gute Ruf“. Denn die aus diesen Reben gewonnenen Weine entsprechen nicht den Anforderungen, welche man an ein sauberes Getränk stellen muß. Wie man in den einzelnen Ländern von der Absatzseite aus durch Verbot des Verkaufs der Hybridenweine, durch aus- schließliche Verwertung dieser Trauben zum Brennen, zu Wermutwein oder zur Essigberei- tung an die Lösung dieser Frage geht, ist sehr aufschlußreich. Auch hier zeigt sich wieder die Notwendigkeit einer geordneten Wirtschaft.

Anfangs vermerkten wir, daß in manchen Ländern unter dem Einfluß verschiedener Um- stände, die sowohl in der Erzeugung als auch im Markt oder in einem von beiden begründet sein können, die Winzer zu einer extensiveren Bewirtschaftung übergingen, die vielfach als direkt primitiv bezeichnet werden muß. Man betrachte nur einmal, wie man vielfach die für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe so ausschlag- gebende Bekämpfung der Schädlinge und Krank- heiten behandelte. Die heute in den meisten europäischen Ländern noch gebräuchlichen Ma- schinen und Geräte zur Schädlingsbekämpfung entsprechen in keiner Weise den neuzeitlichen Erkenntnissen der Biologie und der Bekämpfungs- methoden. Hier haben nicht nur die Winzer selber oder die Stellen versagt, die sie betreuen mußten, sondern vor allem die Industrie. Von dieser wurden unzureichende Geräte sowohl für den Kampf gegen Krankheiten und Schädlinge als auch für die Bodenbearbeitung hergestellt und kaum der Versuch unternommen, durch technische Verbesserungen Pionierarbeit zu leisten.

Wenn man bedenkt, daß die jährliche Ernte mindestens zu 50 v.H. von einer ordnungs- mäßigen Schädlingsbekämpfung abhängt, so müßte wenigstens dieser Arbeitszweig die so notwendige Intensivierung und neuzeitliche Ge- staltung erfahren haben. Hinzu kommt noch, daß es in manchen Ländern an einer jeglichen Orga- nisation in der ordnungsmäßigen Beratung der Winzer bei der Schädlingsbekämpfung fehlt. In Deutschland wurde durch den Rebschutz- dienst des Reichsnährstandes diese

. Organisation in wohl idealer Weise geschaffen.

Auch hat die Verwendung neuzeitlichster Ma- schinen und Geräte weitestgehend Eingang gefunden. Die wechselvolle Kurve der Ernte- mengen in anderen Ländern ist oft eine Folge mangelnden Rebschutzes. Dabei wirkt sich mei- stens das bessere Klima in den außerdeutschen Weinbaugebieten günstig auf die Entwicklung der Schädlinge und Krankheiten aus und erhöht die Gefahr der Ernteverluste.

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Angesichts der Tatsache, daß durch wechsel- volle äußere Einflüsse die Weinernte dauern- den Schwankungen unterworfen ist, muß e die erste Aufgabe sein, durch geeignete Maß- nahmen ausgleichend zu wirken. Das gilt für den Einzelbetrieb wie für die gesamte Wein- bauwirtschaft eines Landes; denn die Ordnung der Erzeugungs- und Absatzverhältnisse ist die erste Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit.

Absatzfragen im Weinbau hängen eng mit der Kellerwirtschaft zusammen. Vielfach gingen die Bestrebungen des Handels dahin, möglichst alle Weine selbst kellerwirtschaftlich zu behandeln. Man tat dies unter dem Hinweis, daß die Winzer hierzu nicht in der Lage seien, was für einen gewissen Teil, aber nicht für alle, zutraf, Auf diese Weise wurde der Winzer zum Erzeuger der Rohprodukte ge- stempelt. Er war aus Geldmangel oder mangels eigener Kellerwirtschaft gezwungen, seine Weine im unfertigen Zustand abzustoßen und erhielt nur einen relativ geringen Preis, Diese unfertigen Weine konnten vielfach dann die Händler durch eine wenig kostspielige Be- handlung zu einem brauchbaren Wein gestalten. Sie zogen daraus einen in keinem Verhältnis zu ihren Aufwandskosten stehenden hohen Gewinn, der dem Winzer, dem Urproduzenten also, verlorenging. Da unfertige und nicht richtig behandelte Weine dem Verderb und dadurch der Wertminderung ausgeliefert sind, müssen sie abgestoßen werden. In Jahren reicher Ernten kann der Winzer keine Vor- ratshaltung betreiben, und bei geringen Ernten muß er den Wein oft noch unter Preis abstoßen. Abgesehen von wenigen Betrieben, deren Inhaber über die notwendigen Kenntnisse, Einrichtungen und Kapitalien verfügen, treten diejenigen, welche das größte Risiko haben, nämlich die Erzeuger, in den Hintergrund.

Auch nach außen hin ging in Verbindung mit dem Wein vielfach der Name des Er- zeugers verloren. Wir hatten oft Gelegen- heit festzustellen, daß auf dem Flaschenschild wohl die Gemarkung und allenfalls noch die Lage, aus der der Wein stammte, zu lesen waren, im übrigen aber nur der Name des Weinhändlers erwähnt wurde. Am deutlichsten zeigte sich dies in manchen außerdeutschen Ländern, wo auch noch vielfach die Bezeichnung der Gemarkung und Traubensorte verschwand und lediglich der Name des Weinhändlers auf dem Flaschenschild zu lesen war und die Weine beispielsweise als „Lehmann-Weine“ verkauft wurden. Selbstver- ständlich wollen wir hier nicht einer zu starken Individualisierung das Wort reden. Denn nicht älle Gewächse können als Markenweine auf den Markt kommen. Oft ist auch eine Typisierung notwendig und angebracht. Nicht erforderlich ist aber, daß der oder die Erzeuger noch nicht

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einmal dann am Rande erwähnt werden, wenn dies möglich ist. Ein solches Gebaren ist typisch für das Fehlen der Erzeugungsordnung und des Erzeugerschutzes. Aus dieser Erkenninis heraus haben sich in den letzten Jahren viele Winzer zu Genossenschaften zusammengeschlos sen. Diesen obliegt vornehmlich die Aufgabe, die Weine derjenigen Winzer kellerwirtschall- lich zu behandeln, denen die Voraussetzungen dazu fehlen. Durch die sachgemäße Behandlung wird der Wein besser und erzielt höhere Preise.

Außerdem ist auch auf diese Weise die Mög- lichkeit einer ordentlichen Vorraäts- haltung mit allen günstigen Rückwirkungen auf die Winzerbetriebe gegeben. Dies soll na- türlich nicht heißen, daß man dem Handel die Fähigkeit überhaupt absprechen soll, Weine zu behandeln, auszubauen und in den Verkehr zu bringen. Beide können harmonisch nebenein- ander, oder noch besser zusammen arbeiten, Die Hauptsache ist, daß hierdurch der Erzeuger- betrieb die ihm gebührende Stärkung und Stel- lung erhält, denn ohne gesunde Winzer- betriebe wirdesauch keinen gesunden Handel geben, da der eine von dem anderen abhängig ist. Daß alle diesbezüglichen Wünsche bei einer freien Wirtschaft nicht erreicht werden können, dürfte gerade bei den Schwierigkeiten der Weinbauwirtschaft selbstverständlich sein.

Im engsten Zusammenhang mit diesen Fragen steht noch die der Wahrheit und Klarheit beider Bezeichnung der Weine und des Erlasses bzw. der Durchführung der Wein- gesetze. Gerade auf diesem Gebiete könnte durch internationale Vereinbarungen sicherlich soviel erreicht werden, daß nicht nur dem Win- zer, sondern auch dem Verbraucher ein aus- reichender Schutz gewährt wird. Beide haben das Recht darauf,. daß die äußere Bezeichnung der Weine mit dem Inhalt übereinstimmt, Auf diese Weise könnte auch eine Reihe anderer Fragen der Weinbehandlung, welche für die Er- haltung der Eigenart der Weine wichtig sind, abgestimmt werden, Jedenfalls haben manche Länder durch eine straffe Organisation der Weinbehandlung sowie der Kennzeichnung schon ganz Vorzügliches geleistet, so daß es nicht schwer sein dürfte, an Hand dieser Bei- spiele zu einer europäischen Regelung zu kommen.

Aus diesen kurzen Ausführungen, welche natürlich nur die wichtigsten Gebiete streifen konnten, möge man ersehen, daß eine Gesun- dung der weinbauwirtschaftlichen Verhältnisse hauptsächlich von einer Neugestaltung derErzeugung abhängt, die-gleichzeitig auch die Martkverhältnisse ergreifen müßte Als erste Aufgabe sehen wir, dem Winzer durch eine ordentliche Ausbildung und Beratung zu zeigen, auf welche Weise er bisher nicht sach-

gemäß durchgeführte Arbeiten ohne zusätzlichen Aufwand von Kapital zum Wohle seines Be- triebes richtig durchführen kann. In diesem Zusammenhang sei auch auf arbeitserleichternde Maßnahmen hingewiesen. Hier gibt es in jedem Betriebe unter allen Verhältnissen eine Reihe Aufgaben zu lösen, die natürlich eine ent- sprechende Organisation und das Vorhandensein von tüchtigen Fachkräften voraussetzen. Auf diese Weise läßt sich schon eine gewisse Inten- sivierung der Betriebe erreichen und das wirt- schaftliche Niveau wesentlich heben. In har- monischer Verbindung mit den obenerwähnten Fragen der Weinbehandlung, zum Teil auch über ein neu zu bildendes Genossenschaftswesen werden die Betriebe sicherlich in einigen Jahren so weit sein, daß sie nunmehr auch an die In- tensivierung durch zusätzlichen Einsatz von Kapital herangehen können.

Durch weitblickende staatliche Lenkung der Erzeugung unter besonderer Berücksichtigung

HANS HEINRICH:

der Qualität, durch umwälzende Maßnahmen aut dem Gebiete der Weıinbehandlung, sowie end- lich durch Gewährung eines Erzeugerschutzes wird es möglich sein, die Winzerbetriebe und damit die Erzeugung In den Mittelpunkt der Weinbauwirtschaft zu stellen. Wer eine der- artig arbeitsintensive und risikoreiche Kultur betreibt, hat ein Anrecht auf staatliche Förde- rung, schon allein auf Grund seiner wirtschalts- politischen Leistung. Warum muß qusgerechnet ein armer Winzerstand den bessergestellten Volkskreisen die Freude bringen?

Die früheren internationalen Veranstaltungen haben gezeigt, daß gerade auf dem Gebiete des Weinbaues ein internationaler Erfahrungsaus- tausch sehr fruchtbar sein kann. Es ist aber notwendig, die Grundfragen zuerkennen und dementsprechend die bisher bestehende inter- nationale Vereinigung organisatorisch auszubauen, um endlich dem zu helfen, dem geholfen werden muß, nämlich dem Winzer.

Der Abschluß der landwirtschaftlichen Entschuldung

I.

m 1. Juli 1943 haben die Landstellen,

denen die Durchführung der landwirtschaft- lichen Entschuldung, in den Alpen- und Donau-Reichsgauen daneben auch die des Zetriebsaufbaues übertragen war, als selbständige Behörden der landwirtschaftlichen Verwaltung zu bestehen aufgehört. Nach zwei gemeinschaftlichen Erlassen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft und des Reichsministers des Innern vom 30. Juni 1943 (Reichsministerialblatt der Landwirtschaftlichen Verwaltung Nr.27) sind zu dem genannten Zeit- punkt im Zuge der Verwaltungsvereinfachung die Landstellen des Altreichs in die Behörden der Preuß. Oberpräsidenten, die Landstellen in den Alpen- und Donau-Reichsgauen in die Be- hörden der Reichsstatthalter eingegliedert wor- den. Die Landstellen bilden fortan im Altreich eine dem Oberpräsidenten und seinem allgemei- nen Vertreter unmittelbar unterstellte Abtei- lung, in den Alpen- und Donau-Reichsgauen eine Unterabteilung der AbteilungIV derReichs- statthalterbehörde. Da der Begriff der „Land-

stelle“ durch deren langjährige Tätigkeit all-

gemein bekannt ist und sowohl für Behörden wie für Privatpersonen von jeher eine bestimmte Vorstellung ihres Arbeitsgebietes in sich

schließt, wird diese Bezeichnung als Zusatz zu der Bezeichnung der Behörde, in die die Land- stellen eingegliedert sind, weitergeführt; es heißt also „Der Oberpräsident der Provinz Landstelle = „Der Reichsstatthalter, Unter- abteilung IV... . (Buchstabe) Landstelle —“.

Da die den Landstellen gesetzlich und ver- waltungsmäßig übertragenen Zuständigkeiten für ihren gesamten bisherigen Geschäftsbereich auf die Oberpräsidenten und Reichsstatthalter übergeleitet sind, sind sämtliche den Land- stellen verbliebenen Aufgaben sowie das vor- handene, durch die Einberufungen zur Wehr- macht stark zusammengeschrumpfte Personal, das zur Erledigung der Restaufgaben erforder- lich ist, am 1. Juli 1943 uno actu geschlossen auf die in den Erlassen vom 30. Juni 1943 ge- nannten Oberpräsidenten und Reichsstatthalter übergegangen. Die sachliche Weisungs- und

-Entscheidungsbefugnis des Reichsministers für

Ernährung und Landwirtschaft ist dadurch selbstverständlich nicht berührt worden, son- dern besteht nach wie vor fort.

Da vor dem Uberleitungszeitpunkte die schwe- benden Verhandlungen über Fragen des Per- sonal-, Haushalts-, Kassen- und Rechnungs- wesens sowie der Verwaltung der Dienst-

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gebäude nicht mehr zu Ende geführt werden konnten, ist in den Eingliederungserlassen vor- gesehen, daß es auf diesen Gebieten bis zum Ende des laufenden Rechnungsjahres, d.h. bis zum 31. März 1944, bei der bisherigen Rege- lung verbleibt. Weitere Weisungen werden nach Abschluß dieser Verhandlungen ergehen. 1

= si.

Die einschneidende Organisationsänderung, die sich mit der Eingliederung der Landstellen in die Behörden der Oberpräsidenten und Reichsstatthalter vollzogen hat, stellt gleich- sam den Schlußstrich unter das Ka- pitelderlandwirtschaftlichenEnt- schuldung dar, deren Bedeutung im Gesamt- rahmen der deutschen Agrarpolitik nicht immer und überall voll anerkannt worden ist. Es rechtfertigt sich daher, aus diesem Anlaß einen Rückblick auf die Entwicklung und Tätig- keit der Landstellen zu werfen und sich die Ergebnisse ihrer langjährigen und erfolg- reichen Arbeit zu vergegenwärtigen.

1. Ostgebiete

Die jetzt in die Behörden der Preuß. Ober- präsidenten eingegliederten Landstellen sind in den Jahren 1930 und 1931 zur Durch- führung der landwirtschaftlichen Hilfsmaß- nahmen in den Ostgebieten, zunächst auf Grund der Notverordnung vom 26. Juli 1930, dann vor allem auf Grund des Osthilfegesetzes vom 31. März 1931 errichtet worden. Der Ar- beit der Landstellen stellten sich namentlich in den ersten Jahren außergewöhnliche Schwierig- keiten entgegen. Es handelte sich bei der Ost- hilfeentschuldung um die ersten Ent- schuldungsmaßnahmen größeren Umfangs, die in einem bis dahin noch unbekannten Verfah- ren durchgeführt werden mußten, um dem immer weiter fortschreitenden Verfall der Landwirtschaft Einhalt zu gebieten. Erstmalig wurden in der Sicherungsverordnung vom 17. November 1931 ein Vollstreckungsschutz sowie die Möglichkeit einer zwangsweisen Kür- zung von Gläubigerforderungen vorgesehen. Diese einschneidenden Maßnahmen riefen natur- gemäß die Gläubigerschaft auf den Plan und zwangen die Landstellen zu umfangreichen und schwierigen mündlichen und schriftlichen Ver- handlungen, die den Fortgang der einzelnen Verfahren wesentlich erschwerten.

Dazu kam, daß infolge der sich damals stän- dig verschärfenden Wirtschafts- und Finanz- krise die finanziellen, organisatorischen und materiellen Grundlagen des Osthilfegesetzes in den folgenden Jahren durch eine umfangreiche Gesetzgebung wiederholt geändert werden mußten. Durch zahlreiche einzelne Vorschriften wurde versucht, die notwendige Beschleuni- gung des Fortgangs der Entschuldungsarbeiten

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zu erreichen; dem stellte sich jedoch die immer mehr um sich greifende Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage hindernd in den Weg, und andererseits verzögerte die Ent- stehung neuer Schulden während der Dauer der Entschuldungsverfahren immer weiter deren er- folgreiche Beendigung. Es stellte sich heraus, daß durch die bis dahin angeordneten einzelnen Hilfsmaßnahmen das Abgleiten der landwirt- schaftlichen Betriebe nicht aufgehalten wer- den konnte; außerdem griff die Notlage der

Landwirtschaft über das Osthilfegebiet hinaus

mehr und mehr auf das gesamte Reich über. so daß die deutsche Landwirtschaft bei der Machtübernahme am Anfang des Jahres 1933 vor dem Zusammenbruch stand. Dieser konnte nur noch durch eine umfassende undgrundlegende Neuordnung auf allen Gebieten des Agrarwesens und durch sinnvoll ineinandergreifende Maß- nahmen verhindert werden, die nach der Macht- ergreifung sogleich eingeleitet wurden.

Zunächst wurde durch die Notverordnung vom 14. Februar 1933 ein umfassender Voll- streckungsschutz eingeführt, um der Landwirt- schaft eine Atempause zu gewähren; sodann folgten Schlag auf Schlag die großen Agrar- gesetze, die in ihrer Gesamtheit dazu bestimmt waren, den Zusammenbruch der Landwirtschaft abzuwenden und den Wiederaufbau eines starken und gesunden Bauerntums zu sichern. Zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuld- verhältnisse im gesamten Reichsgebiet- wurde das Schuldenregelungsgesetz vom 1. Juni 1933 erlassen, das in seinen Grund- gedanken sowohl materiell wie organisatorisch andere Wege als das Osthilfegesetz ging, aber ebenso wie dieses die Zurückführung der Schulden auf das der Leistungsfähigkeit des Betriebes entsprechende Maß zum Hauptziel batte.

B

Die in der Folgezeit durchgeführte Anglei- chung der Osthilfegesetzgebung an die materiellen Grundgedanken des Schuldenrege- lungsgesetzes brachte den Landstellen abermals manche neuen Umstellungsschwierigkeiten und Mehrarbeit. Zu berücksichtigen ist auch, daß Hie Tätigkeit der Landstellen in der Osthilfe- entschuldung nicht allein darin bestand, im Rahmen des Entschuldungsverfahrens die Ver- bindlichkeiten der einzelnen Betriebe zu regeln, sondern daß diese Stellen als Verwaltungs- behörden auch weitgehende wirtschaftliche Aufgaben hatten; so lag es ihnen z.B. ob, die Betriebe zu überwachen und zu betreuen, durch die im Sicherungsverfahren eingesetzten Treu- händer für eine ordnungsmäßige Bewirtschaf- tung zu sorgen und die Betriebe mit Ernte- krediten sowie mit den notwendigen Mitteln für Inventarergänzungen, Gebäudeinstand- setzungen und dgl. zu versehen, mit anderen

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IE HOLMER FISCHERZUNF

Fischercigerechtigkeit seit soo Fahren

12 Verfuͤgungen

re Wm, —— rw —„— —“—E3ä p De) we) ACC es

1) Koͤnigs Chriſtian l. Privilegium und Conceßion, betreffend die freye Fahrt, Kaufmannſchaft und Fiſcherey fuͤr die Schleswiger auf dem Schleyſtrom. d d. Flensburg, am Abende Sancti Michaelis Archangeli, 1480.)

ir Chriſtiern van Gades Gnaden, to Dennemarcken, Schweden,

Norwegen, der Wenden unde Gothen Koͤnigh, Hertogh to Schleßwigk, ock Hertogh to Holſteen, Stormarn unde der Dithmarſchen, Greve to Olden: borgh unde Delmenborſt ꝛc. Don witlick bekennen unde betüegen, apenbar vor als weme, de duͤßen Unſen Bref ſehen, effte hoͤren leſen, dat als denn de Erſamen Borgermeſter, Radmann, Inwaner unde gange Gemeynheyt, gheiſtlich unde ge: wertlick, in watterleye State de ſin, Unſer Stadt Schleßwigk, van Unſen zeligen Vorfahren, Hertoghen to Schleßwigk, tor Todt weſende begifftiget unde bes privilegirct fin, myt der Vrigheit Unſes Stromes unde Waters Schligh, des ſrigh, ungehindert to erer Viſcherygen, Kopenſchop, Segelatien unde Neringe, von der genoͤmten Unfer Stadt Schleßwigk an, by benden Erden des Landes, wer the ar dae gemen Marr. effte lite See, enn Wecke Sees“) burben Schlyes

Am großen Barometer wird die letzte Entscheidung über die Ausfahrt getroffen

(Pë Schleswiger Schlei-Holm ist ein Stadtteil von Schleswig, mit der Altstadt nur durch einen schmalen Zugang verbunden. Er schiebt sich als Halbinsel weit in die Schlei hinaus und beher- bergteinekulturgeschichtlich bedeutsame Siedlung: die Holmer Fischerzunft. Hier wohnen seit Jahr- hunderten die Schleswiger Fischer, deren Häuser sich auf dem Holm um den runden Friedhof grup- pieren, wo nur Zunftmitglieder begraben liegen dürfen. Die örtliche Abgeschlossenheit hat die- sen zunftmäßigen Zusammenschluß stark gefördert. Die älteste Grundlage der Holmer Fischereirechte ist wohl der sogenannte Schleibrief vom Jahre 1480, der seinerseits auf das vom König Sven Grathe 1155 erlassene Schleswigsche Stadtrecht zurückgeführt wird, so daß die Fischereigerechtigkeit sett 800 Jahren besteht.

Nach alter Zunftgerechtigkeit haben die Handwerker, denen die alleinige Gewerbeausübung über tragen ist, dafür zu sorgen, daß die Bürger der Stadt ausreichend und gewissenhaft mit den Erzeug- nissen ihres Handwerkes versorgt werden. So auch auf dem Holm. Es durften erst Fische ins Land hinein ausgeführt werden, wenn die Stadt nicht mehr aufnahmefähig war. Das hat sich zwar heute geändert, sonst aber haben sich fast alle Privilegien, Bräuche und Zunftgesetze durch die Jahrhunderte erhalten. Da ist die „Holmer Beliebung“ eine alte Totengräbergilde, die in den furcht

baren Pestjahren gegründet wurde, um die Toten zu beerdigen, wozu jeweils acht gesunde Zunft mitglieder ausgewählt wurden. Noch heute sind alle Holmer der Reihe nach verpflichtet, ihre: Toten zu Grabe zu tragen. Der Friedhof liegt mitten auf der Halbinsel, und niemand findet hier: Platz, der nicht Mitglied der Beliebung ist.

Ferner sind die strengen und exklusiven Satzungen der Zunft: $ 9..... es können in die Zunft nur Söhne von Fischern aufgenommen werden, welche die Fischerei von der Konfirmation an auf g Holm erlernt und betrieben haben. $ 10..... Fischer, welche nach auswärts ziehen und längı als fünf Jahre fernbleiben, sind sämtlicher Rechte der Zunft verlustig und können kein Mitglie: mehr werden, auch die Fischerei von Schleswig nicht mehr betreiben. J

Die Befischung der Schleigewässer ist genau geregelt. Alle Fischer sind in „Waaden“ Was gleich altes Fischzeug), Genossenschaften zu acht Mann, eingeteilt und unterstehen den „Älterleutez Jeder bringt seinen „Part“ an Netzen und Tauwerk hinein und hat den gleichen Anteil an dem Eni des gemeinsamen Fanges. Die Gerechtsame der Holmer bezieht sich übrigens auf das Gewerbe, G das Fangen der Fische, und nicht auf das Eigentum an dem Schleistrom selbst. Sie erhalten den Doh für ihre Mühe des Fischfanges, der dann selbstverständlich als Preis für die Fische, die Ware, scheint. Das ist der Grundgedanke der Fischereigerechtigkeit nach alter Zunftordnung. Wenn s daher eine Pacht für die Schleibefischung zahlten, würden sie ihr altes Recht an der Ausübung ih Gewerbes aufgeben; dieses zu wahren, ist ihre Pflicht und ihre Absicht.

Aber auch heute noch werden die 800 Jahre alten Privilegien von Staat und Stadt anerkannt W dieses einzigartige und ehrwürdige Zeugnis einer alten deutschen Arbeitsgemeinschaft wird sich lich für alle Zukunft erhalten werden.

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Jer Fischzug: Eine Waade besteht immer aus zwei Booten. Das eine Boot, von dem das Netz Meter für Meter ins Wasser geworfen wird, rudert im weiten Bogen den Fischgrund ab. Das andere, an dem der Netzanfang be-

estigt ist, bleibt solange vor Anker liegen. Sobald der Bogen, den beide Boote gebildet haben, geschlossen ist, ird das Netz von beiden Booten aus gleichmäßig eingezogen. Der Fischzug bewegt sich immer vom tieferen Wasser zum flacheren

Im Netzende einem geschlossenen Sack sammeln sich die gefangenen Fische und werden in den Fisch des Bootes ausgeschüttet. Jeder Fischzug dauert fast zwei Stunden, sieben Fischzüge täglich ist der Durchs

Heimkehr der Fischer vom nächtlichen i

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Acht Tage ist der Holmer Fischer oft von Hause fort. Seinen Proviant nimmt er in der sogenannten „Mattkiste“ mit. Sie dient ihm gleichzeitig beim Schlafen als Kopfunterlage

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it draußen an den Ufern der Schlei treffen sich in der unmittelbaren Nähe der Fischgründe sämtliche Waaden f der Ausfahrt zu einer kurzen Rast, bei der nach Übereinkunft den einzelnen Waaden die Fischgründe für die kommenden Tage zugewiesen werden

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Sonntags beim Netzeflicken

In den Netzen steckt das Hauptvermöge der Fischer. Jedes Netz einer Waak stellt einen Wert von etwa zwei- bis dre- tausend Reichsmark dar. Alle acht Tax werden die Netze zum Trocknen u Ausbessern über Sonntag aufgehänd

lén Fischräuchereien auf dem Holm dürfen sich nur Fischerfrauen mit der Räucherei befassen. Unser Bild zeigt sie beim Säubern der Aale

Auch am Sonntagvormittag gibt es auf dem Hof eines Holmer Fischerhauses allerhand zu tun

Der Ältermann der Fischerzunft, Heinrich Witt, 73 Jahre alt, hat sich seit 1912 stets für das Ge- meinwohl seiner Fischerzunft eingesetzt. In seinen Muße- stunden beschäftigt er sich mit der Durchsicht der uralten Ur- kunden und Privilegien der Holmer

Nach getaner Arbeit ein kleiner „Snack“ zwischen Tür und Angel

5 An Be u ur b A sz 2. as

Worten also auch den Betriebsaufbau durchzuführen.

Die Landstellen haben in unermüdlicher Pflichterfüllung und mit vollem Einsatz ihrer Kräfte alle sich aus der Entwicklung der Ver- hältnisse ergebenden Hemmnisse überwunden und ihre schwierigen Aufgaben unbeirrt in langjähriger Tätigkeit erfolgreich durchgeführt. Insgesamt sind im Osthilfegebiet etwa 80 000 Entschuldungsanträge gestellt worden. In etwa 42000 Fällen hat die Deutsche Industriebank auf Grund eines von der Landstelle genehmig- ten oder bestätigten Entschuldungsplanes Ent- schuldungsdarlehen gewährt; daneben sind noch etwa 8000 Osthilfebetriebe ausschließlich mit Betriebssicherungsmitteln des Reiches entschul- det worden. Die Deutsche Industriebank hat aus der Aufbringungsumlage der Industrie ins-

: gesamt Entschuldungsdarlehen in Höhe von

etwa 570 Millionen RM. aufgewendet. Dazu kommen Reichsmittel in Gestalt von Betriebs- sicherungsmitteln (für Eigentümerbetriebe, für die Entschuldung von Pächtern und Siedlern, die Erstattung von Genossenschafts forderungen und sonstige Leistungen) in Höhe von etwa 450 Millionen RM. Der Gesamtaufwand, den die Osthilfeentschuldung an Dar- lehen und verlorenen Zuschüssen erfordert hat, ist also ohne die allgemeinen Unkosten der Landstellen, der Deutschen Industriebank usw. auf etwa 1 Milliarde RM. zu beziffern.

Außer der Durchführung der eigentlichen Entschuldungsverfahren, die schon seit längerer Zeit bis auf wenige noch schwebende Wieder, aufnahmefälle erledigt sind, lagen den Land- stellen im Altreich auch zahlreiche andere wichtige Aufgaben ob. Genannt seien nur die Ablösung von mündelsicheren Forderungen und von Erbhofüberhangsforderungen, die Ent- scheidungen über die Genehmigung von Grund- stücksverkäufen nach der Veräußerungsverord- nung, die Befreiung von Entschuldungsbeschrän- kungen und die Löschung des Entschuldungs- vermerks, Entscheidungen nach der Mit- schuldnerverordnung, die Durchführung von Landauflagen für die Siedlung, die Ubernahme von Zinsrückständen der Deutschen Industrie- bank nach der Osthilfeschlußverordnung, vor allem aber die Durchführung der Grundbuch- bereinigung auf Grund des II. Abschnitts der Osthilfeabwicklungsverordnung sowie die Ver- waltung der ausgegebenen Entschuldungsdar- lehen, Genossenschaftsforderungen, Ernteauf- baukredite und sonstigen Vermögenswerte der Osthilfe. Diese Arbeiten haben die Landstellen nach ihrer Eingliederung in die Behörden der Preuß. Oberpräsidenten weiterzuführen und zum Abschluß zu bringen.

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2. Alpen- und Donau-Reichsgaue

Die Landstellen in den Alpen- und Donau-Reichsgauen, die am 1. Juli 1943 in die Behörden der Reichsstatthalter einge-

gliedert sind, wurden durch die für diese Gaue erlassene Entschuldungs verordnung vom S. Mai 1938 ins Leben gerufen. Nach der Wiederver- einigung des früheren Landes Osterreich mit dem Deutschen Reich wurde der Wiederaufbau der darniederliegenden Landwirtschaft sofort mit Nachdruck in Angriff genommen. Den Land- stellen wurde durch die genannte Verordnung. die sich im Gegensatze zu der umfangreichen Entschuldungsgesetzgebung im Altreich erst- malig auf den Erlaß weniger Rahmenvorschriften beschränkte, die Entschuldung der not- leidenden land wirtschaftlichen Betriebe über- tragen. Gleichzeitig wurde auch die Durch- führung der dort besonders wichtigen Wieder- a uf bauma nahmen in ihre Hand gelegt.

Die Vereinigung dieser beiden Aufgaben bei einer Stelle, der der Reichsminister für Er- nährung und Landwirtschaft unmittelbar im Verwaltungswege die erforderlichen Anwei- sungen erteilt, hat sich als außerordentlich zweckmäßig erwiesen und sehr gut bewährt. Mit den ihnen zugeteilten juristischen, land- wirtschaftlichen und bautechnischen Arbeits- kräften haben die Landstellen in den Alpen- und Donau-Reichsgauen in verhältnismäßig kurzer Zeit äußerst ersprießliche Arbeit ge- leistet und die Landwirtschaft finanziell und betriebswirtschaftlich durch die Entschuldungs- und 'Wiederaufbaumaßnahmen in den Stand gesetzt, ihre Aufgaben im Rahmen der Sicher- stellung der Volksernährung zu erfüllen. Es sind etwa 115000 Entschuldungs- und Aufbau- anträge in den Alpen- und Donau-Reichsgauen gestellt worden; etwa 60 000 Entschuldungsver- fahren wurden eröffnet, rund 100 000 landwirt- schaftliche Betriebsbesichtigungen und 56 000 Vergleichsverhandlungen durchgeführt. Bis jetzt wurden insgesamt etwa 53 000 Entschuldungs- und Aufbaupläne bestätigt. Den Betrieben sind an Entschuldungsmitteln rund 75 Millionen RM., an Aufbaumitteln rund 90 Millionen RM. zu- geflossen.

Bereits aus diesen Zahlen ergibt sich das Ausmaß der den landwirtschaftlichen Betrieben

durch die Landstellen gewährten Hilfe. Die

eigentlichen Entschuldungs verfahren sind auch in den Alpen- und Donau-Reichsgauen zum weitaus größten Teil abgeschlossen; als wesentliche Aufgaben verbleiben den Land- stellen nach der Eingliederung in die Be- hörden der Reichsstatthalter der weitere Wieder- aufbau der Betriebe, die Verwaltung der aus- gegebenen Mittel und die Grundbuchbereinigung.

3. Sudetengau

Auch im Sudetengau sind nach dessen Wiedervereinigung mit dem Reich Entschul- dungs- und Aufbaumaßnahmen durchgeführt worden. Die Sudetendeutsche Betriebsaufbau- und Entschuldungsverordnung vom 24. August

57

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1939 übertrug die Durchführung der dort im Vordergrunde stehenden Betriebsaufbaumaß- nahmen der beim Reichsstatthalter errichteten Landstelle in Reichenberg und ihren Neben-

‚stellen. Der Landstelle stehen in den Fällen, in .

denen die Gewährung von Aufbaumitteln allein nicht zur Gesundung des Betriebes führt, son- dern ein Schuldenregelungsverfahren notwendig ist, auch im Rahmen dieses Verfahrens wich- tige Befugnisse, insbesondere die bindende Fest- stellung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, zu. Die Regelung der rechtlichen Verhältnisse zwischen Schuldnern und Gläubigern ist im SudetengauEntschuldungsämternüber- tragen. Für Aufbaumaßnahmen sind in etwa 21 000 Fällen rund 25 Millionen RM. ausgezahlt worden. Für die Durchführung des Schulden- regelungsverfahrens kommen etwa 11 000 Fälle (von rund 21 000 gestellten Anträgen). mit einem Gesamtaufwand von rund 34 Millionen RM, in Betracht. Auch im Sudetengau wird die Schuldenregelung in Kürze abgeschlossen sein.

4. Ubriges Reichsgebiet

Das bereits erwähnte Schuldenrege- lungsgesetz vom 1. Juni 1933 hat die Ent- schuldungsmaßnahmen über das Osthilfegebiet hinaus auf dass gesamte Reichsgebiet ausgedehnt. Es übertrug die Durchführung der Schuldenregelungsverfahren Entschuldungs- ämtern. Der Betriebsaufbau wurde die Aufgabe der Reichsnährstandsstellen, da die Entschul- dungsämter als Gerichtsbehörden für diese be- triebswirtschaftlichen Aufgaben nicht geeignet waren. Insgesamt sind 316000 Schuldenrege- lungsanträge gestellt worden; etwa 152 000 Ver- fahren wurden durch Bestätigung eines Ent- schuldungsplanes abgeschlossen, rund 163 000 Fälle anderweitig (durch Ablehnung, Antrag- zurücknahme und dgl.) erledigt. Einige hun- dert Fälle sind noch in Bearbeitung, so daß auch hier die Schuldenregelung im wesent- lichen als abgeschlossen bezeichnet werden kann. Ohne die Unkosten der Entschuldungs- ämter und Entschuldungsstellen sind an baren und unbaren Entschuldungsmitteln für die Durchführung der Schukdenregelungsverfahren mehr als 900 Millionen RM. aufgewendet worden.

Entschuldungsmaßnahmen werden ferner in den übrigen zum Reich zurückgekehrten Ge- bieten, nämlich im Saarland, im Memel- land und in Eupen-Malmedy durch- geführt, und zwar von Kreditanstalten außer- halb eines förmlichen Entschuldungsverfahrens auf Grund einfacher Verwaltungsrichtlinien. Die Zahl der Fälle ist hier verhältnismäßig gering; an Mitteln werden für diese Gebiete voraus- sichtlich insgesamt etwa 45 Millionen RM. aufzuwenden sein. In Danzig war bereits vor der Rückkehr der bisherigen Freien Stadt in

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das Reichsgebiet eine Rache

Grund der Verordnungen vom 24.

maßnahmen und die zahlenmäßige Darste

ohne die Entschuldungsmaßnahmen in vie

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der Verordnung zur Regelung der | schaftlichen Schuldverhältnisse vom 2 80 ep tember 1933/23. Oktober 1937 durchgeführt wor- den. Da die Gläubiger hierbei hinsichtlich de Ablösbarkeit ihrer Forderungen schlechter g stellt waren als im Altreich, hat das Reich e Dez m i 1940 und 16. Januar 1942 zur Ablösung ı Gläubigerforderungen Beträge in Höhe bisher etwa 5 Millionen RM. bereitgestellt; w tere Aufwendungen sind zu erwarten. we A I. dk, Die vorstehende kurze Tana ay dai im Reichsgebiet durchgeführten Entschuldung

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ihrer Ergebnisse zeigt mit aller Deutlichkeit, daß der landwirtschaftlichen Entschuldung e Rahmen des gesamten de Meileren wesentliche Bedeutung zukam. Die Ents dungsbehörden haben nach den Darleg unter II insgesamt -für Entschuldun und Betriebsaufbauzwecke an nähernd 300000 Betriebe einen 80 samtbetrag von etwa 2 Milliar Reichsmark vergeben. Es liegt auf d Hand, daß diese Betriebe ohne die ihnen g währte Hilfe infolge ihres finanziellen u vd b d triebswirtschaftlichen Zusammenbruchs 1 d Erzeugungsschlacht und die 8. 8 Volksernährung ausgefallen wären. Sie ko die ihnen gestellten, besonders im , lebenswichtigen Aufgaben nur erfüllen,

dem die Betriebe aus der Schuldverstricku der Vergangenheit befreit, vor neuer Übe schuldung geschützt und auch betrieb schaftlich wieder in die Lage versetzt ware ordnungsmäßig zu wirtschaften und dem Boden die größtmöglichen Erträge abzuringen.

Die genannten Mittel sind überdies nicht der Landwirtschaft, sondern auch der allg meinen Wirtschaft zugute gekommen; de es kann kein Zweifel sein, daß die Gläubi Fällen bei der Zwangsversteigerung der triebe ihre Forderungen ganz oder zum 9 Teil verloren hätten, während ihnen durch d Entschuldung zum mindesten ein erheblic Teil der ihnen geschuldeten Beträge im We der Ablösung zugeflossen ist. Eine Aktion, im Laufe der Jahre für die Landwirtschaft q die allgemeine Wirtschaft so Erhebliches * leistet hat, wie es schon im zahlenmäßi Ergebnis der Entschuldung zum A * n kommt, ist aus der Entwicklung nicht weg zudenken und kann für sich in Anspi nehmen, einen wesentlichen Teil zum Wi aufbau der deutschen Landwirtschaft 11 Sicherung der- Volksernährung im Frieden u im Kriege beigetragen zu haben. In dieser G wißheit werden alle, die an den Entschuldun maßnahmen beteiligt waren, den schöns Lohn für ihre Arbeit finden!

AGRARPOLITISCH

Aun de aU

Zum fünften Erntedankfest im Kriege waren die Augen des gesamten Volkes auf das deutsche Landvolk gerichtet, dem an diesem Tage der Dank des Führers und der Nation für die kriegsentscheidende Leistung bei der Ernăhrungssicherung und im Kampf gegen die feindliche Blockade zum Ausdruck gebracht wurde. Im Mittelpunkt des Tages standen die Veranstaltungen in der Reichshauptstadt, die eingeleitet wurden durch einen Empfang der Landjugend beim Reichsjugend- führer und einen Empfang der Abordnungen des deutschen Landvolkes beim Reichsbauernführer am Vortage des Erntedanktages. Sie fanden ihren Höhe- punkt im Staatsakt im Mosaiksaal und in der Groß- kundgebung in der alten Kampfstätte der NSDAP., im Berliner Sportpalast. Hier gab der mit der Führung der Geschäfte des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, des Reichsbauernführers sowie des

Reichsamts für das Landvolk beauftragte Oberbefehls- .

leiter Herbert Backe bekannt, daß der Führer für besondere Verdienste um die Sicherstellung der Er- nahrung des deutschen Volkes den Militärverwaltungs- vizechef Landesbauernführer Hellmuth Körner und Dr. Fritz Reinhardt das Ritterkreuz des Kriegs- verdienstkreuzes mit Schwertern und dem Vorsitzen- den der Hauptverelnigung der deutschen Getreide- wirtschaft, Kurt Zschirnt, das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes verliehen hat. Die Ritter- kreuze wurden den Ausgezeichneten unter dem Jubel der Versammlung durch den Befreier des Duce #}-Hauptsturmführer Skorczeny übergeben. Hierauf ergriff Reichsminister Dr. Goebbels das Wort zu

einer großen politischen Rede, an deren Spitze er-

dem Landvolk im Namen des Führers seinen Dank für seine großen Leistungen aussprach. „Wenn kein Krieg wire", so führte Dr. Goebbels aus, „so würden zu dieser Stunde des heutigen Tages auf dem Bücke- berg Hunderttausende von deutschen Bauern und Bäuerinnen den Führer erwarten, um ihm zur Feier des Erntedanktages ihre Huldigungen darzubringen. Wie so oft in früheren Jahren, so würde er auch dies- mal durch die unübersehbaren Reihen des deutschen Landvolkes auf die Spitze des Berges hinaufschreiten, um von dort aus über den Rundfunk den Millionen Männern und Frauen des deutschen Bauerntums seinen Dank und seine Anerkennung für ein Jahr harter und schwerer Arbeit und für eine mit der gnädigen Hilfe des Allmächtigen gesegnete Ernte zum Ausdruck zu bringen. Der Krieg verbietet bis auf weiteres dieses schöne, farbenprächtige deutsche Fest. Der Führer weilt in seinem Hauptquartier, um den Krieg, um das Leben und die Zukunft des Reiches zu führen. Die deutschen Bauernsöhne stehen zum größten Teil

an den Fronten. Ihre Väter und Mütter haben ihre Arbeit

zusätzlich übernommen, und diese duldet auch beim Abschluß einer gesegneten Ernte kaum einen Aufschub.

Trotzdem haben wir“, so fuhr Dr. Goebbels fort, „uns im Berliner Sportpalast zu einer Stunde des Erntedankes zusammengefunden, die über den Rund- funk die Millionenmassen unseres Volkes, Männer und Frauen vom Lande und aus der Stadt, verbindet, um vor der Nation Rechenschaft abzulegen über die harte und schwere Jahresarbeit von ungezählten deutschen Bauern und Bäuerinnen, die im Kriege die Verantwortung für das tägliche Brot unseres arbel- tenden und kämpfenden Volkes tragen. Sie haben sich dieser Verantwortung würdig erwiesen und das in sie gesetzte Vertrauen des Führers und des deut- schen Volkes nicht enttäuscht. Wieder haben sie in unermüdlichem Fleiß durch viele schwere Monate hindurch dem helmatlichen Boden mit Gottes Hilfe eine Ernte abgerungen, die auch für das kommende Kriegsjahr unsere Ernährung absolut sicherstellt und damit eine der wesentlichsten Hoffnungen unserer Feinde auf Aushungerung des deutschen Volkes zu- nichte macht.

Nutet es nicht fast wie ein Wunder an, daß wir zu Beginn des fünften Kriegsjahres in der Lage sind, die Brotration pro Monat um 400 g auf 9600 g und damit um 100 g höher zu stellen, als selbst zu Kriegs- beginn? Nächst der, Gunst der Witterung Ist das vor allem dem Fleiß und der Tüchtigkeit des deutschen Landvolkes zu verdanken, das die ihm zukommenden Aufgaben des Krieges auch unter den wesentlich er- schwerten Bedingungen vollauf erfüllt hat. Es Ist mir eine hohe Ehre, dafür allen deutschen Bauern und Bäuerinnen den Dank und die Anerkennung des Führers zum Ausdruck bringen zu dürfen. Er weiß, daß er sich wie auf seine Soldaten und Arbeiter, so

auch auf seine Bauern verlassen kann. Sie scheuen

keine Mühe und Arbeit, um zu ihrem Teil zum kom- menden großen Sieg beizutragen. Welch ein Unter- schied zu 1918, da der Feind unser Volk durch Hunger in die Knie zwang.

Wir stehen heute am Beginn des fünften Kriegs- jahres ernährungspolitisch auf festen Füßen. Das deutsche Bauernvolk wird auch in Zukunft dafür sorgen, daß der Krieg auf diesem wie auf allen anderen Gebieten unter allen Umständen gewonnen wird. Das weiß das deutsche Volk. Ich mache mich zu seinem Dolmetsch, wenn ich auch in seinem Namen den Millionen deutscher Bauern und Bäuerinnen dafür danke, daß ihre Arbeit und ihr Fleiß unsere Scheuern füllten und damit auch für das neue Ernährungsjahr unser tägliches Brot sichergestellt ist.

Es ist mir persönlich eine Pflicht der Kameradschaft, in diesen Dank vor allem unseren Parteigenossen Staatssekretär Backe, den Leiter der deutschen Er- nährungswirtschaft, mit seinem engeren und weiteren Mitarbeiterstab, aus dem heute drei hervorragende

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Vertreter wegen ihrer hohen Verdienste vom Führer mit dem Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes aus- gezeichnet worden sind, mit einzubeziehen. Ich weiß

welchem Fleiß, aber auch mit welcher großzügigen

Umsicht Sie die oft außerordentlich verwickelten

Probleme der deutschen Kriegs ernahrungs wirtschaft immer wieder meistern. Sie können heute am Tage

mit der Aufschrife: „Pflug und Schwert die Ga-

ranten des Sieges!“ Brot und Waffe sind un-

erläßliche Voraussetzungen einer erfolgreichen Krieg- führung.“

Diesem Dank an das Landvolk, mit dem sich Dr. Goebbels nach seinen Worten zum Dolmetsch des deutschen Volkes schlechthin machte, schloß sich ein Überblick über die Richtlinien der politischen und militärischen Kriegführung an, die alle Teil- nehmer und ebenso alle Hörer am Rundfunk mit dem unerschütterlichen Glauben erfüllte, daß ebenso wie unser Ernährungspotential im fünften Krlegsjahr unerschüttert ist, auch das gesamte Rüstungspotential ‚Europas dem Ansturm der kapitalistischen und bol- schewistischen Feinde trotzen wird.

die Erntemenge mindestens 4,2 Millionen Tonnen aus-

machen, gegenüber nur 2,3 Millionen Tonnen 1918, d. h. wir liegen in diesem Jahre um 82 v. H. über dem Ergebnis des Jahres 1918. Bei Gerste beträgt die Erntemenge 2,6 Millionen Tonnen im Jahre 1918 nur 1,9 Millionen Tonnen. Bei Hafer 1943: 5,3 Millionen Tonnen gegenüber nur 4,3 Millionen Tonnen 1918. Bel Zuckerrüben ist das Ergebnis noch durchschla- gender, denn einer Erntemenge von nur 7,5 Millionen Tonnen im Jahre 1918 steht ein Ertrag von rd. 16 Mil-

und Ernährungspolitik eindeutig untermauern, vor allem, wenn man bedenkt, daß diese Ergebnisse trotz aller kriegsbedingten Erschwernisse, trotz des Mangels an Menschen und an wichtigen landwirtschaftlichen Betriebsmitteln erreicht wurden.

Selbstverständlich darf, wie Oberbefehlsleiter Backe nachdrücklich betonte, diese günstige Beurteilung vor allem der Brotgetreideernte nicht dazu führen, daß nun in Zukunft weniger sparsam mit den Erzeug- nissen umgegangen wird. Trotz der günstigen Ernte bleiben selbstverständlich rechtzeitige und volle

60

A

Ablieferung und Sparsamster Verbrauch

oberstes Gebot. Die Futtergetreideernts, die auch

mehr erbringt, als es zunächst schien, wird entachei.

dend dazu beitragen müssen, die der deutschen Land.

wirtschaft gestellte Aufgabe des Schwelneauf. baus durchzuführen, um so mehr, als bei den Kar- toffeln infolge der langandauernden Trockenheit namentlich im Osten Deutschlands, nur mit elner mittleren Ernte gerechnet werden kann. Trotz dieses zu erwartenden mittleren Ernteergebnisses wird der Kartoffelanfall für das Altreich berechnet immer noch um rd. 10 Millionen Tonnen höher sein als 1918 und sogar um rd. 15 Millionen Tonnen höher als 1916. Es kommt daher entscheidend darauf an, alle für die menschliche Ernährung tauglichen Kar-

Die Zuckerrübenernte und die Glfrucht- ernte zeigen ein günstiges Bild, während die Ge- müseernte ebenfalls unter der Trockenheit gelitten hat. Oberbefehlsleiter Backe würdigte dann besonders die Leistungen des deutschen Landvolkes in der Milch-

und Buttererzeugung. Die Butterleistung ist im

vierten Kriegsjahr höher als jemals zuvor gewesen, Dies ist um so bedeutungsvoller, als die Butterver- sorgung das Rückgrat unserer Fettversorgung dar- stellt. 60 v. H. unseres Fettbedarfs werden heute durch die eigene Buttererzeugung gedeckt gegenüber nur etwa einem Drittel während der Friedensjahre.

Herbert Backe unterstrich In seinem Rechenschafts- bericht besonders die Leistung der Landfrau, die in unzähligen Betrieben den zur Front eingerückten oder gefallenen Mann ersetzen muß, oft mit einer Schar kleiner Kinder, die zusätzlich noch ihrer Betreuung bedarf. Die Landfrau mußte zu ihrem Tagewerk von 14 bis 16 Stunden noch ein paar Stunden Zeit zugeben, um auch diese vielfach für sie ungewohnte Arbeit verrichten zu können. Dazu hatte sie als Hilfskräfte oft nur Ausländer, die niemals einen vollen Ersatz bieten konnten. So verdankt das deutsche Volk diese Ernte in erster Linie der deutschen Landfrau, neben den Männern, die noch mit 70 und 80 Jahren wieder voll in die Arbeit einrückten, neben den Jungen und Mädels, die auf ihre Schultern einen großen Teil der Arbeit nahmen. Wir verdanken, so fuhr Herbert Backe fort, die Ernte aber auch den Männern, die in der Heimat ihren Acker bestellten und darüber hinaus durch Nachbarschaftshilfe eine ganze Anzahl Betriebe zusätzlich betreuten.

Als sichtbarer Ausdruck des Dankes des Führers waren vor der Kundgebung im Sportpalast in einem feierlichen Staatsakt im Nosalksaal 100 Bauern

vom deutschen Volk fordert.

und Bäuerinnen, darunter Altbauern und Altbäuerin- nen, Landwirtschaftsführer, Landarbeiter, darunter

Nelker. Hofmeister, Gespannführer und Angehörige

der ernährungswirtschaftlichen Sonderberufe, mitdem hohen Orden des Kriegsverdienstkreuzes erster Klasse ausgezeichnet worden. Diese tragen ihre Auszeichnung als Repräsentanten. des gesamten Landvolks.

Bei dem Staatsakt hatte als Sprecher der deutschen Wehrmächt der Ritterkreuzträger Oberfeldwebel Dörfel vom Wachtbataillon Großdeutschland den Gruß des Führers und der kämpfenden Front mit folgenden Worten überbracht: „Pflug und Schwert sind die Garanten des Sieges dieser Kernspruch begleitet den heutigen Erntedanktag. Wir Front- soldaten verstehen am besten, wie richtig er ist. Nur deshalb hatte der deutsche Soldat die Kraft, vier Jahre lang an allen Fronten siegreich das Schwert zu führen, weil er wußte, daß hinter ihm neben Millionen von Arbeitern Millionen deutscher Bauern und Bäuerinnen, deutscher Landarbeiter und Land- arbeiterinnen standen. Dem Einsatz ihrer rastlosen Arbeit ist es zu verdanken, daß die Ernährungsgrund- lage für Front und Heimat gesichert wurde. So mancher von uns hat noch die Not kennengelernt, die während des ersten Weltkrieges durch Hunger entstand und Front und Heimat gleich schwer be- lastete. Wenn wir heute in felsenfestem Vertrauen auf den endgültigen Sieg auch in ein weiteres Kriegs- jahr hineingehen können, dann verdanken wir das nicht zuletzt Eurer nimmermüden Tätigkeit. Neben die Opfer, die der deutsche Soldat im Glauben an Führer und Volk still und entschlossen auf sich nimmt, stellen sich Euer Mühen und Plagen und Eure Hingabe für den deutschen Sieg. Deshalb fühlen wir Soldäten der Front uns in Kameradschaft mit Euch verbunden. Wir haben das Vertrauen, daß Ihr mit Euren Händen den Pflug auch weiterhin so aufopferungsbereit führen werdet, wie Ihr das bisher getan habt. Ich bin stolz, daß ich Euch am heutigen Erntedanktag für Euren Einsatz und Eure Arbeit den Dank und den Gruß des Führers überbringen darf. Ich danke Euch ferner im Namen der Kameraden aller Wehrmachts- teile, des Heeres, der Luftwaffe, der Kriegsmarine und der Waffen- und bringe Euch, Männer und Frauen des Landvolkes, die herzlichsten Grüße der kämpfenden Front.“

Herbert Backe hatte in seiner Ansprache beim

Staatsakt besonders die grundsätzliche Einstellung des

Führers zum Bauerntum unterstrichen. Ihm ist die entscheidende Tat des Nationalsozialismus zu ver- danken, nämlich die Zusammenfassung aller Menschen zu einer unüberwindlichen Ge- meinschaft und die Zusammenführung aller Kräfte zu einem Kraftstrom, der allein die Zukunft sichern kann. Er forderte in dieser Stunde das Landvolk auf, dem Führer zu geloben, für das nächste Jahr alles für die Sicherung der Er- nährung des deutschen Volkes zu tun, aber auch daran zu denken, daß wir im Bauerntum als Lebensquell des Volkes die Pflicht haben, durch reichen Kinder- segen die Blutopfer auszugleichen, die dieser Krieg

Dr. Kurt Haußmann

ARandbemerkungen

Hüterin des deutschen Lebens

Immer wieder hat der Führer in seinen Reden und Proklamationen der Achtung Ausdruck verliehen, die unsere Nation vor der deutschen Mutter empfindet. Neben dem einen Tag im Jahr, der ihr besonders gewidmet ist, und neben den Bestimmungen, die unsere nationalsozialistische Staatsführung zum Schutze der Mutter erlassen hat, steht auch das schlichte Mutterkreuz, das als ein kleines äußeres Zeichen der Dankbarkeit, die ihr der einzelne und unser ganzes Volk schuldet, vor nunmehr fünf Jahren gestiftet wurde. Im besonderen Maße sind allezeit unsere Landfrauen Hüterinnen des deutschen Lebens gewesen, denn sie stellen die kinderreichsten Mütter in unserem Volk. Ein Blick in einen der überwiegend landwirtschaftlich gegliederten Gaue unseres Reiches kann uns das deutlich zeigen. Im Reichsgau Kärnten, der 1939 etwa 440000 Einwohner zählte, sind bisher fast 30000 Mutterehrenkreuze verliehen worden, ohne daß damit schon alle kinderreichen Mütter geehrt wären. 9500 Mütter, die 8 und mehr Kindern das Leben geschenkt haben, erhielten hier das goldene Mutterkreuz und ihre Zahl übersteigt in Kärnten sogar die der Träger silberner Ehrenkreuze. Über die Kinderzahlen der geehrten Mütter wird aus dem Kärntener Kreis Villach berichtet: Die 5446 bisher geehrten Mütter haben insgesamt 34946 Kinder, im Durchschnitt hat also jede kinderreiche Mutter über 6 Kinder. 1543 dieser Mütter wurden mit dem gol- denen Mutterkreuz ausgezeichnet. Sie schenkten zusammen 14770 Kindern das Leben, jede dieser Mütter ako im Durchschnitt mindestens 9 Kindern!

Wie groß gerade in Kärnten der Kinderreichtum des Bauerntums ist, wird deutlich, wenn wir berech- nen können, daß in diesem Reichsgau von 100 Ehe- paaren, deren Famillenvorstände einen landwirt- schaftlichen Beruf ausüben, im jahre 1939 45,3 mehr als 4 Kinder hatten, während wir von 100 Ehepaaren, deren Familienvorstände einem nichtlandwirtschaft- lichen Beruf nachgehen, zur gleichen Zeit nur 25,5 als kinderreich ansprechen können. Mehr als die Hälfte aller Bauernfamilien in Kärnten hat mindestens 4 Kin- der, aber nur jedes vierte Arbeiter- und gar nur jedes achte Angestelltenehepaar kann sich im Kinderreich- tum mit ihnen vergleichen. Die Tatsache des Kinder- reichtums unseres Landvolkes in Kärnten wird auch sichtbar, wenn wir feststellen, daß bei der letzten Volkszählung Im Jahre 1939 100 Ehepaare, die einen landwirtschaftlichen Hauptberuf ausüben, ohne Rück- sicht auf die Ehedauer durchschnittlich 400 Kinder hatten, die gleiche Zahl von Ehepaaren mit einem nichtlandwirtschaftlichen Beruf aber nur 250 Kinder Die entsprechenden Zahlen für den Durchschnitt des Gesamtreiches liegen in beiden Fällen bedeutend niedriger bei 319 bzw. 219.

So trägt die deutsche Landfrau in Kärnten mit ihrer Liebe zum Kind in besonderem Maße dazu bei, daß der Blutsquell unseres Volkes nicht versiegt. Wie jedesmal, wenn die Männer dieses Grenzgaues

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in den Kampf um die Sicherheit ihrer Heimat ziehen mußten, steht sie auch heute still und bescheiden auf ihrem Platz, leitet den Hof, bestellt den Acker und legt ihren Kindern die Treue, die Tapferkeit und die Liebe zur Heimat in die Wiege. Hier wie überall, , wo deutsche Landfrauen mit ihrem Muttertum, das im Blut und im Boden verankert ist, der Nation neues Leben schenken, kann uns um die Zukunft unseres Volkes und Reiches nicht bange werden.

Dr. Albrecht Timm

Retour A la terre

Französische Rechtskreise weisen in Aufsätzen, Vor- trägen usw. immer wieder darauf hin. daß die Gesetz- gebung der letzten drei jahre zu einer Revolutionie- rung auf Teilgebieten geführt habe. Es ist kennzeich- nend, daß durch diese Revolution Rechtsverhältnisse aufgelöst wurden, die auf dem Code Napoléon auf- bauten. Dieser Codex, der weit über hundert Jahre die Grundlage der französischen Rechtspflege bildete, wurde trotz aller Bemühungen, ihn durch Ergän- zungen usw. der Gegenwart anzupassen zum Hemmschuh für eine Aufwärtsentwicklung auf allen Gebieten und hat sich besonders auf die Landwirtschaft und Bevölkerungsentwicklung negativ ausgewirkt.

„Bauerntod ist Volkstod!“ Dieses Wort, das schon vor langer Zeit geprägt wurde, hat sich In Auswirkung dieser Gesetze an Frankreich bewahrheitet. Die Real- teilung, die bevorzugte Behandlung der Städte und eine falsche Volkstumspolitik haben zu einer Ent- völkerung des flachen Landes geführt. Einmal wirkte der Sog der Städte, zum anderen die ständige Ver- ringerung det Geburtenzahl, und so wird es erklärlich, daß der Anteil der Landbewohner von 75 v. H. (1846) auf etwa 30 v. H. in der Gegenwart zurückging. In rund 60 Jahren nahm die Geburtenzahl um 40 v. H. ab. Selbst so fruchtbare und mit allen natürlichen Vor- zügen ausgestattete Departements wie die Norman- die und Mayenne verioren von 1872 bis 1936 fast 460000 Einwohner, das sind 20 v. H. der Bevölkerung.

In Auswirkung dieser Entwicklung verringerte sich allein von 1892 bis 1929 die Zahl der landwirtschaft- lichen Kleinstbetriebe unter 1 ha um 72 v. H., die der Kleinbetriebe (bis 10 ha) um 28 v. H. Über 1,5 Mil- lionen Familien mit Agrargrundlage gingen dem Lande durch Abwanderung oder geringe Fruchtbarkeit ver- loren. Die demokratischen Regierungen versuchten diesen Ausfall durch Hereinnahme und Naturalisierung von Ausländern auszugleichen, um dadurch über den biologischen Verfall hinwegzutäuschen. Ohne die naturalisierten und farbigen französischen Staats- angehörigen wurden 1939 rund 4 Millionen Ausländer gezählt. Aber auch diese Zahl reichte nicht aus, um die absinkende Leistung der Landwirtschaft aufzu- halten. So ist es nicht verwunderlich, daß seit 1914 über 2,5 Millionen Hektar Getreideland in Wiesen umgewandelt wurden und das Brachland auf weit über 5 Millionen Hektar anwuchs, während die durch- schnittlichen Ernteergebnisse trotz steigender Hektar- erträge absanken.

62

Die Gefahr dieser Entwicklung wurde fast aus- schließlich von der wirtschaftlichen Seite her beleuch- tet und nur bei der Behandlung machtpolitischer Fr- gen vollesblologisch gesehen. Alle Abwehrmaßnahmen trugen den Stempel des, Notverbandes“ und brachten keine grundsätzliche Wandlung der bestehenden Ver- hältnisse. Dazu kam, daß dle um die Stimme der Ar- beiterschaft buhlenden Parteien Gesetze durch, brachten, die den ländlichen Arbeitern und Hand- werkern zugute kamen. den oft unter wesentlich schwierigeren Umständen schaffenden Kleinlandwirten und Pächtern aber keine Erleichterung brachten. Das gilt in gleichem Maße von den Ehestandsdariehen und Famillenunterstützungen, wie von Verbesserungen der Löhne und Arbeitsverhältnisse.

Nach dem Frankreichfeldzug ergriff die Regierung Pétain alle Möglichkeiten, um die negativen Aus wirkungen des französischen Wirtschaftssystems zu beseitigen und einen agrarischen Neuaufbau einzu- leiten. Der Ruf , retour à la terre“ wurde zum Leit- satz des Staatsprogramms. Um die bäuerliche Familie in ideeller, sozialer und wirtschaftlicher Hin- sicht zu sichern, wurde am 2, Dezember 1940 das Gesetz über den ständischen Aufbau der französischen Landwirtschaft erlassen. Andere Verordnungen regeln die einheitliche Führung der Berufsorganisationen, die Nutzbarmachung verlassener Betriebe und Llin dereien, die Bodenverbesserung, die Förderung des Wohnungsbaues usw.

Aufbau und Zielsetzung dieser Gesetze lassen erkennen, daß vielfach die natlonalsozialistische Agrarpolitik als Richtschnur gedient hat. Aber nur langsam setzt sich die Erkenntnis durch, daß alle diese Maßnahmen erst durchschlagenden Erfolg haben können, wenn sich im französischen Volk eine grund- legende geistige Wandlung vollzogen hat und dem Bauerntum wieder die ihm gebührende Achtung und Anerkennung gezollt wird. H. Gerdesmann

Der Kapitalismus in den USA. stärkt

seine Stellung

Die stetige Zunahme der us-amerikanischen Pacht- und Leihlieferungen, die wie sich immer mehr zeigt nicht zuletzt auf Kosten des Lebens- standards in den Vereinigten Staaten gehen, haben vor allem in den Kreisen der Wallstreetleute eine gewisse Besorgnis hervorgerufen. Aus den Erfah

rungen, welche man mit der Kriegsschuldenrück-

zahlung und -verzinsung nach 1918 machen mußte, erklärte sich die anfängliche geschäftliche Zurück- haltung und die vorsichtigere Einstellung zu diesem Problem. Über die Presse war man bemüht, auf die Gefahr dieser Verbindlichkeiten hinzuweisen und in Erfahrung zu bringen, welche Garantien der Regierung zu erwarten seien.

Als aber die Lage der Alliierten immer schwieriger wurde und die Wirtschaftsdepression im eigenen Lande sich verschärfte, stellte man diese geschäftlichen Bedenken zurück. Erleichtert wurde die Situation dadurch, daß schon nach kurzer Zeit gewisse Äqui-

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valente in Form von Flugstützpunkten, strategisch wichtigen Inseln usw. geboten wurden. Das Auftreten amerikanischer Soldaten im Mittelmeerraum, im Nahen Osten und in den englischen Dominions und die Besetzung ehemals europäischer Kolonien in Afrika boten unter der Parole „Aufmarsch zur Er- richtung der zweiten Front‘ viele Möglichkeiten zur Ausbeutung dieser Gebiete. Die dem Militär auf dem Fuße folgenden bevollmächtigten Wirtschaftssachver-

ständigen und Studienkommissionen zeigen mit aller

Deutlichkeit, daß Roosevelt die wirtschaftliche Be- herrschung der besetzten Räume am wichtigsten Ist. Sie zeigen aber auch, in welch starkem Maße das Kapital, vertreten durch Morgenthau, Jones usw., den Profit aus diesem Kriege zieht und seine Stellungen ausbaut. Den gleichen Eindruck erweckt auch die Vielzahl der in Washington ins Leben gerufenen Be- hörden und Dienststellen. Seit Kriegsbeginn über- stürzen sich die Meldungen über Neubildungen und Umbenennungen von Organisationen, deren Aufgabe die Stärkung der amerikanischen Wirtschaftsposition im Auslande ist. Namen wie Planungsamt für die Wirtschaftskriegsführung, Amt für Gleichschaltung der Auslandswirtschaft, Büro für Auslandshilfe, Pachtleihkommission usw., sind ein Ausdruck dafür.

Wenn man bedenkt, daß England vor Beginn dieses Krieges mit seinen Besitzungen über die größte Wirt- schaftskapazität und alle Schlüsselstellungen der Weit verfügte, so ist es klar, daß es den Expansionsgelüsten der Vereinigten Staaten am meisten ausgesetzt ist. Die permanenten Verhandlungen zwischen den angel- sächsischen Partnern über Fragen der Welternährung. des Rohstoffhaushalts und der Währung, die Ver- stärkung der Englischen Botschaft und Handels- kommissionen durch prominente Sachverständige und nicht zuletzt der immer wieder verlängerte Aufenthalt Churchills in Washington lassen die Heftigkeit des hinter verschlossenen Türen geführten Kampfes ver- muten. Bei der gegenwärtigen Machtfülle der USA. it England eindeutig in die Defensive ge- drängt, während Roosevelt und das hinter ihm stehende Kapital immer neue Positionen erringen oder die Voraussetzungen dafür schaffen.

In diesem Sinne ist auch die Ernennung des Unter- - staatssekretärs Stettinius im Außenamt zu werten. Stettinius ist als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der United Steel Corporation der Repräsentant der Schwerindustrie, aus seiner Tätigkeit als Leiter der Leih- und Pachtkommission heraus der Wirtschafts- politiker des. Außenamts. Daß Roosevelt gleichzeitig mit dieser Ernennung das „Amt für Auslandswirt- schaft“ ins Leben rief, zeigt klar, wohin der Weg geht. Wenn es weiterhin heißt, daß Stettinius das Pacht- und Leihsystem als Eckpfeiler seiner wirtschaftlichen Außenpolitik bezeichnet habe, und die enge Ver- bindung zwischen ihm und Crawley, dem Leiter des Amts für Auslandswirtschaft, betont wird, so Ist sicher, daß diese Maßnahmen ausschließlich dem einen Ziel dienen: Ausbau des Pachtleihsystems als Grundlage für die wirtschaftliche Beherr- schung der Welt nach dem Kriege.

H.Gerdesmann

DieBuchwacht

Das Recht der besetzten Ostgebiete

Sammlung der Verordnungen, Erlasse und sonstigen Vorschriften über Verwaltung, Rechts- pflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Verkehr mit Erläuterungen der Referenten. Herausgegeben von Dr. Alfred Meyer, Gauleiter und Stän- digem Vertreter des Reichsministers für die be- setzten Ostgebiete, unter Mitarbeit von Dr. Walter Wilhelmi, Dr. Walter Labs, Dr. Hans Schäfer. C. H. Beck'sche Verlags buchhandlung. München und Berlin 1943.

Die Ausdehnung der unter Zivilverwaltung ge- stellten besetzten Ostgebiete und die Verschieden- artigkeit ihrer Völker und Räume machten es erklärlich, daß das neue deutsche Recht für den Ostraum aus zahlreichen Rechtsquellen fließt. Dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ist durch den Erlaß des Führers vom 17. Juli 1941 mit der Zivilverwaltung die

Rechtssetzungsbefugnis übertragen worden. Er pflegt

davon nur aus besonders wichtigen Anlässen und In grundsätzlichen Fragen Gebrauch zu machen und hat seine Befugnisse auf die Reichskommissare und im Reichskommissariat Ostland wegen der verschiedenen

Struktur der Generalbezirke Ostland, Lettland,

Litauen und Weißrughenien auch auf die General- kommissare weiter übertragen. Im Reichskommissarlat Ukraine, in dem die längere bolschewistische Herr- schaft die Verhältnisse bereits gleichförmiger gemacht hat, endet die Rechtsschöpfung im allgemeinen beim Reichskommissar. Die zur Rechtssetzung befugten Behörden verkünden ihre Gesetze in folgenden Blättern: der Reichsminister im „Verordnungsblatt des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete“, die Reichskommissare im „Verordnungsblatt des Reichs- kommissars für das Ostland“ oder im „Mitteilungs- blatt des Reichskommissars für das Ostland“ und im „Verordnungsblatt des Reichskommissars für die Ukraine‘ oder im „Zentralblatt des Reichskommissars für die Ukraine“ und die Generalkommissare in Ihren Amtsblättern.

Es gibt also, wenn außer dem Minister und den Reichskommissaren nur die vier ostländischen General- bezirke in Betracht gezogen werden, nicht weniger als neun Gesetzbiätter, aus denen das in den Zivil- verwaltungsgebieten des Ostraumes geltende Recht zusammengesucht werden müßte. Die Sammlung „Das Recht der besetzten Ostgeblete“ leistet den am Recht des Ostraumes Interessierten amtlichen oder privaten Stellen und Personen durch eine übersicht- liche Zusammenfassung des Rechtsstoffes Hilfe, sich trotz dieser Rechtsaufsplitterung rasch und zuver- lässig zu unterrichten. Es hat zu diesem Zweck die bereits bewährte Form der Loseblattausgabe ge- wählt. Es gliedert sich zunächst in zwei Bücher: Ostland und Ukraine. Innerhalb jedes Buches Ist der Rechtsstoff sachlich in fünf Hauptgruppen (Verwal- tung, Rechtspflege, Wirtschaft, Finanzwesen und Ver- kehr) und diese wiederum in zahlreiche Untergruppen geteilt.

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Unter der Hauptgruppe Wirtschaft findet sich der Rechtsstoff der „Ernährung und Landwirt- schaft“. Davon sind zunächst für das Ostland fünfzehn und für die Ukraine neun Rechtsgebiete be- handelt worden, darunter die Verordnungen zur Auf- hebung der bolschewistischen Maßnahmen im Ostland und die Neue Agrarordnung mit ihren Nebenge- setzen, das Recht der Landbewirtschaftungsgesell- schaften Ostland und Ukraine, denen als General- verwalter des landwirtschaftlichen Bodens die öffent- liche Landbewirtschaftung in den beiden Reichs- kommissariaten obliegt, pachtrechtliche Bestimmun- gen, allgemeine Gesetze zum Schutze der landwirt- schaftlichen Erzeugnisse und verschiedene Verord- nungen zum Aufbau der einzelnen Zweige des Ackerbaues und der Tierzucht. Die wichtigeren Gesetze sind mit kurzen Erläuterungen der Refe- renten des Östministeriums versehen, andere nur mit Einführungen, in denen der Zweck des Ge- setzes dargestellt wird; von Verordnungen, die aus sich verständlich sind, wird nur der Text gebracht, auf weniger wichtige Anordnungen wird lediglich unter kurzer Schilderung ihres Inhalts und unter Angabe der Fundstelle hingewiesen.

Das Werk soll durch regelmäßig erscheinende Er- gänzungslieferungen auf dem laufenden Stand gehalten werden. Es kann jedem empfohlen werden, der sich mit dem Recht der besetzten Ostgeblete befassen muß oder die dortige Rechtsentwicklung verfolgen will.

Dr.Szogs

Willy Krebs

Raiffeisen

ein Kapitel bäuerliche Selbsthilfe

Heft 52 der Schriftenreihe „In Deutschlands Na- men“. Herausgegeben von W. Ihde/Wilh. Lühe. Verlag Leipzig / Berlin. 49Seiten. Preis: 1,20 RM.

Selten nur hat sich der Name einer Persönlichkeit so eng mit seinem Werk verknüpft, wie wir es bei Raiffeisen beobachten können. „Raiffeisen-Genossen- schaften“ gibt es heute überall, wo Deutsche wohnen. Vor fast 100 Jahren hat dieser Landbürgermeister zum erstenmal den Gedanken der bäuerlichen Selbsthilfe praktisch aufgegriffen und so einen Gegenpol gegen den jüdisch-kapitalistisch verseuchten Liberalismus geschaffen. Seine ländlichen Konsumvereine und landwirtschaftlichen Genossenschaften haben seither im Dienst des deutschen Bauerntums gestanden. „Vater Raiffeisen“ gehört mit vollem Recht in die Reihe der Männer, die „In Deutschlands Namen“ wirkten. Willy Krebs hat nicht nur ein eindringliches Bild seines Lebenskampfes entworfen, sondern auch gleichzeitig einen Einblick in den Werdegang: des mit seinem Namen untrennbar verknüpften Teiles des deutschen Genossenschaftswesens vermittelt. Die an- schauliche Darstellung, deren ausstrahlende Wärme die persönliche Verbundenheit des Verfassers mit dem Lebenswerke Raiffeisens spüren läßt, kann einen wei- ten Leserkreis ansprechen.

Dr. Albrecht Timm

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Carl Hinrichs Der allgegenwärtige König

Friedrich der Große im Kabinett und auf Inspektionsreisen. R.v. Deckers Ver- lag G. Schenk, Berlin, 1942, 2. Auflage, 308 S.

Kaum ein Zeitalter aus der reichen Geschichte unseres Volkes spricht heute so unmittelbar zu uns wie das Friedrichs des Großen. ‚Der allgegenwärtige König“ hat in unermüdlicher Arbeit in Krieg und Frieden die großen wie die kleinen Dinge seines Staates durch persönlichen Einsatz gemeistert. Von der Größe dieser Leistung berichten die hier von Hinrichs aus zum Teil von bisher unveröffentlichten Quellen gesammelten Zeugnisse. Neben Auszügen aus den größeren Veröffentlichungen des Königs stehen zahlreiche bisher weitverstreute Berichte von Zeitgenossen über Kabinettsentscheidungen, Unter- redungen und vor allem über die Reisen des Königs. Hier finden wir den Alten Fritz in Gesprächen mit allen Schichten seines Völkes, mit Beamten, Hand- werkern und nicht zuletzt mit seinen Bauern, denen seine besondere Fürsorge galt. So hören wir von Ge- sprächen mit verantwortlichen Landräten oder mit einfachen Bauern, und immer wieder müssen wir be- wundern, wie gut der König über alle landwirtschaft- lichen Fragen, sei es nun der Getreidepolitik oder des Lupinenanbaues bis in die Einzelheiten unterrichtet war. Er wußte, daß auch das Kleinste dem großen Ganzen dient und daß nur die unermüdliche Aufbau- arbeit aller die Zukunft eines Staatswesens gewähr- leistet. Aus der gut ausgewählten und zusammen- gestellten Quellensammlung können wir nicht nur ein Spiegelbild der einzigartigen Natur des Preußenkönigs gewinnen, sondern auch manch verpflichtendes Bei- spiel für unsere große Gegenwart entnehmen.

Wilhelm Abel

Die Wüstungen des ausgehenden

Mittelalters

Ein Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte Deutschlands. Verlag Fischer, Jena 1943. 165 S.

Seit langem haben die Heimatforscher fast aller deutschen Landschaften, ja sogar des Auslandes, die Tatsache des Wüstwerdens im 14. und 15. Jahrhundert beobachtet und zu deuten versucht, ohne dabei zu allgemeinen gültigen Ergebnissen vorzustoßen. Nun bietet der Verfasser, als einer der wenigen Volkswirt- schaftler, die sich auch mit der Agrargeschichte be- fassen, eine erste Zusammenschau dieser Einzel- betrachtungen. Hier hat sein früheres Werk über die Agrarkrisen Europas seit dem 13. Jahrhundert eine wertvolle Ergänzung gefunden. Auch der Wüstungs- vorgang wird im Zusammenhang mit einer Agrar- krise und wirtschaftlichem Niedergang im Zuge der Rhythmik der Landwirtschaftsentwicklung gesehen. Er ist letzten Endes die Ausdrucksform einer übermäßigen Abwanderung vom Lande. Die Arbeit bietet als ein Beitrag zur Siedlungs- und Agrargeschichte gleich- zeitig einen guten Einblick in das Sozial- und Wirt- schaftsgefüge Deutschlands im ausgehenden Mittel- alter. Dr. Albrecht Timm

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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht

wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au! einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer Stelle zur anderen bringen läßt.

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generatorg ds

Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese

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DEZEMBER 1943

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INHALT

Bäuerliche und völkische Selbstbesinnunn gn san m

Dr. habil. Gisbert Kg, Dozent am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften

der Universität Heidelberg: Amerikanismus und Bauerntum .,, nn 67 Dr. Peter von Werder: Verstädtertes und ländliches Lebensgefühl ............ 70 Eichenlaubträger wird Wehrbauer (Bildbeilage) `... 0.8. 72 Oberlandwirtschaftsrat Dr. Kurt Meyer in der Stroth: Das Bauernrecht als

/ ae era 75 WEBIIWINTET TBIOBEIEGET ana en n. S. 80 Dr. Albrecht Timm: Dorfgeschichte ein Spiegel deutscher Kulturgeschichte 82 Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf (Bildbei lage n. S. 84 Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Japan ordnet den ostasiatischen Agrar-

Ei ne a ] EE 88 /// rear e MI / ͥ ͥͥͥ² ²»i¹w¹r ... et e n A N O AE 93 R/ era ¼˙—½— 14 . S6 Bildnachweis: Unser Titelbild eine Auinahme von Prof. Rudolf Koppitz zeigt einen Salzburger liolzarbeiter. Die Bildbeilage „Waldwinter statteten mit Lichtbildern aus: Photo-Ufa (6), Prof. Rudolf Koppitz (3), Scherl-Bilderdienst (2), Agfa-Bildarchiv (1), Archiv des Reichsnährstandes (1) und Hans Retzlaff (1). Die Aufnahmen zur Beilage ‚Eichenlaubträger wird Wehrbauer’' fertigten Erich Bauer (5), Barbara Soltmann (2), Leutnant Kintscher (1) und Willy Römer (2). Als Photographen

der Bildbeilage „Weihnachtsbrauch im deutschen Dorf’ nennen wir Hans Retzlaff (3), Hilde Brinck- mann-Schröder (1), Brinckmann-Schröder-Bavaria (1), Ernst Baumann (1), Schrammen (1) und Reichs- nährstandsarchiv (1).

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 196051.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH,). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-

ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

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STÄÜRSPOLITIK N S Herausgeber & Herbert Backe

Dezember 1943 Jahrgang 2 Nummer 3 —̃— re en ae a Ey ud ee AL . te —̃ p ci ee nn Be Zu ee I En De u Fe ʃ ——.

Bäuerliche und völkische

SELBSTBESINNUNG

G.P. Noch immer ist die Ansicht häufig verbreitet, daß Stadt und Land zwei Lebens-

formen verkörperten, die sich naturnotwendig feindlich gegenüberstehen müßten..

Diese Ansicht zeugt von einer geringen Kenntnis des geschichtlichen Werdeganges unseres Volkes. Die deutschen Städte sahen immerhin auf eine achthundertjährige Ent- wicklung zurück, als sich der Gegensatz zwischen Stadt und Land als zweier wesens- fremder Lebensformen allmählich herauszubilden begann. Selbstverständlich hat es auch früher schon Gegensätze zwischen Stadt und Land gegeben; aber diese beruhten nicht auf unüberbrückbarer Fremdheit der Lebensweise, berührten also nicht die Wurzeln des menschlichen Seins, sondern bezogen sich auf Nebenfragen sozialer und politischer Natur, wie sie innerhalb eines vielgestaltigen Volkskörpers stets bis zu einem gewissen Grade unvermeidbar sein werden und die zu meistern eine der wesentlichen Aufgaben jeder auf das Gemeinwohl bedachten Staatsführung ist. Ein so angesehener Historiker wie Maurer hat daher die Stadt jener Epoche geradezu als ein „mit einer Mauer um- gebenes Dorf“ gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung war zwar eine Vereinfachung, aber eine jener fruchtbaren Vereinfachungen, die den Blick auf das Wesen der Dinge richtet; denn in ihr kam die Gemeinsamkeit der Stadt und Land formenden Lebensurkräfte sinnfällig zum Ausdruck. |

Für die Stadt der Gegenwart, die ein typisches Gebilde der letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts ist, trifft die Kennzeichnung Maurers darüber kann kein Zweifel herrschen allerdings nicht mehr zu, obwohl es noch immer in Deutschland viele Städte gibt, deren Straßen, wie es einst Riehl beobachtet hat, leer von Bürgern sind, wenn die Ernte die Ackerbesitzer zur Arbeit ruft. Die moderne Großstadt ist ein Gebilde, das seine Wurzeln nicht mehr im deutschen Dorfe hat, obwohl auch sie sich ständig aus dem Blutzustrom vom Lande ergänzt und erneuert; denn der ländliche Mensch wird in der Großstadt Lebensbedingungen unterworfen, die ihm völlig wesensfremd sind. Daher muß so folgert man die Abwanderung in die Großstadt zwangsläufig zur seelischen Entwurzelung der Abwandernden führen, die in der Vermassung des menschlichen Lebens ihren sichtbarsten Ausdruck findet. Damit ist die entscheidende Frage gegeben. Sie lautet: Müssen die großstädtischen Lebensbedingungen wirklich zwangsläufig zu dieser Entwurzelung und damit zu einem schroffen Gegensatz zwischen Großstadt und Land führen, der angesichts der starken Tendenz zur Vergroßstädterung sich immer mehr zu einem allgemeinen Gegensatz zwischen Stadt und Land verschärft?

Eine Antwort auf diese Frage gibt der Aufsatz von Dr. Peter von Werder „Verstädter- tes und ländliches Lebensgefühl”, wenn er darauf hinweist, daß auch in der Großstadt eine mehr oder minder große Zahl von Menschen ihr ursprüngliches ländliches Lebens- gefühl als Quell ihrer menschlichen Haltung zu wahren weiß. Er stellt daher auch in seiner vergleichenden Untersuchung dem ländlichen Lebensgefühl nicht das städtische schlechthin, sondern das verstädterte Lebensgefühl gegenüber. Damit ist auch auf die

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Wée hingewiesen, von ieh Lösung das künftige Verhältnis der: Stadt Lang i entscheidend mitabhängt: die Schaffung von Lebensbedingungen in der Stait pp | o wie bisher die Tendenz zur Vermassung, die echter Gemeinschaftsbildung ebenso feine lich ist wie freier Persönlichkeitsentfaltung, noch künstlich fördern, sondern dieser bewußt entgegenarbeiten. Dadurch wird eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Gestaltungskraft des ländlichen Lebensgefühls besser als bisher auch bës städtischen Umwelt zur Auswirkung kommt.

Mit materiellen Mitteln allein, mit wirtschaftlichen Maßnahmen, Be kee rellen Einrichtungen ist allerdings die Gefahr der Verstädterung, d.h. der Entw deutschen Menschentums, nicht zu überwinden. Wenn Dr. von Werder die Verstädte n als in erster Linie seelischen Vorgang schildert, so ist damit auch gesagt, daß die U wer Windung dieser Erscheinung letzthin nur vom Seelischen her möglich ist und daß di materiellen Mittel, so wichtig sie sind, nur Werkzeuge sind, die erst ein gewandeltes Lebensgefühl zu brauchbaren Waffen gegen die Verstädterung macht.

Es bedeutet die Aufrollung der gleichen Fragestellung nur von einem anderen ( sic ats- punkt her, wenn Dr. Gisbert Rittig in seinem Aufsatz „Amerikanismus und Bauern CS $ schon mit dieser Überschrift die zwei grundsätzlich verschiedenen Denkhaltungen g gen: überstellt, auf deren Kampf die großen Auseinandersetzungen der Gegenwart, beruft dc Wenn Dr. Rittig als Amerikanismus jede Haltung kennzeichnet, die sich von zivilisatorisch-technisch-mechanischen Entwicklung treiben und sich von ihr formen läß statt diese Entwicklung selbst zu meistern, so zeigt sich, daß sich die Begriffe Ameri nismus und Verstädterung auf den gleichen seelischen Vorgang beziehen. Der Begri Amerikanismus ist nicht nur deswegen treffend, weil in den Vereinigten durch ihn gekennzeichnete Krankheit der Vermassung des menschlichen r unüberbietbaren Höhepunkt erreicht hat. Er hat auch, vom rein deutschen Ste ) aus betrachtet, seine besondere Berechtigung, weil es sich bei dieser Krankheit nich e die Auswirkung eines Konstitutionsfehlers deutscher Art handelt, sondern um SN Ansteckung durch wesensfremde Einflüsse, die der Amerikanismus in besonders konzen- trierter Form repräsentiert. Dr. Rittig weist mit Recht darauf hin, daß das E tum nicht nur von dem Bazillus der amerikanischen Krankheit am wenigsten stark infiziert worden ist, sondern daß es auch der Hauptträger der dem Amerikanismus entgegen- gesetzten Haltung ist, aus der heraus allein eine Überwindung des Ame anism möglich ist. $ d

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Die bäuerliche Gegenkraft wird um so stoßkräftiger sein, je stärker das Bauernfü seiner Eigenart und des Wertes dieser Eigenart sich bewußt ist. Stärkung des ei ` Selbstbewußtseins ist daher eine Erziehungsaufgabe, die nicht nur im Eigeninteresse de Bauerntums liegt, sondern ein volkspolitisches Gebot ist. Gelingt es, wieder wie dei | die ländlichen Lebenswerte zum vom ganzen deutschen Volke anerkannten Maßstal seiner Lebensbewertung zu machen, so ist die Gefahr der Verstädterung als einer see che Verbildung und Erkrankung gebannt und der Gegensatz von Stadt und Land als 2 weie wesensfremder Lebensformen überwunden. Dann ist nebenbei bemerkt auch Í gefährlichste Quelle der Landflucht verstopft. Unter diesem Gesichtspunkt betrachte t ist die Dorfgeschichte, deren Bedeutung als „Spiegel deutscher Kulturgeschichte" Dr. Albrech Timm in seinem Aufsatz darstellt, nicht nur „ein historisches Quellenbuch von ur tz barem Wert“, sondern ein volkserzieherisches Mittel ersten Ranges zur Selbstbe ul auf die dem deutschen Volke wesensgemäßen Werte. |

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Die gleiche Bedeutung kommt auch der Stärkung des Rechtsempfindens und Rec ht bewußtseins durch eine entsprechend ausgerichtete bäuerliche Erziehung zu, die Dr. Meyer in der Stroth in seinem Aufsatz „Das Bauernrecht als politisches Gestalt ing mittel“ fordert. In der Rechtsauffassung eines Volkes zeigt sich am deutlichsten, welchen sittlichen Wertmaßstäben wirklich lebensgestaltende Kraft innewohnt, so daß s Verpflichtung und Richtschnur des Handelns empfunden werden. Daher ist die Wieder- herstellung des alten deutschen Bauernrechts, wie sie im Reichserbhofgesetz zum Au druck kommt, ein Akt der Selbstbesinnung gewesen, der zunächst im Bauerntum d Gesetze seines Seins wieder zur Geltung gebracht hat, dadurch aber weiterwirkend ein Quell der Gesundung der Lebensauffassung des ganzen deutschen Volkes werden ird.

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GISBERT RITTIG:

- Amerikanismus una Bauerntum

Fs geht heute um den Kampf zweier grundsätzlich verschiedener Denkhal- tungen, die über unsere Kultur entscheiden. Der Sieg der einen vernichtet unsere Kultur und die Kultur des ganzen Abendlandes. Der Sieg der anderen schafft die Bausteine für den Weiterbau an unserer Kultur. Der Kampf dieser Denkħaltungen ist das, was im Grunde und letzten Endes hinter den großen Auseinandersetzungen der Gegen- wart steht. Die eine Denkhaltung ist der „kulturelle“ Amerikanismus. Was hat der Bauer mit Amerikanismus zu tun? Eben nichts. Und das ist seine Stärke. Daraus ergibt sich auch seine Aufgabe und seine große und bestimmende Rolle in den Aus- einandersetzungen der Gegenwart.

Diese Auseinandersetzungen sind letzten Endes geistig. Es ist das Auffallende und Notwendige, daß gerade in dieser geistig- kulturellen Hinsicht das Bauerntum eine Hauptrolle spielen kann. Denn es ist der hauptsächlichste Träger der dem Amerika- nismus entgegengesetzten anderen Denk- haltung. Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob das Bauerntum dies bewußt oder unbe- wußt ist. Aber Wachheit wird nichts schaden, es kommt nicht auf Romantik an.

Macht sich der Bauer klar, welche Bedeu- tung seiner Denkhaltung heute im Kampf der grundsätzlichen Denkhaltungen zu- kommt, macht er sich klar, daß er der hauptsächlichste Träger der von der ameri- kanischen Grundhaltung freien Denkhal- tung ist, und macht er sich klar, daß es heute bei allem Ringen gerade um den Sieg dieser Denkhaltung geht, dann bedeutet das für ihn nicht mehr und nicht weniger als die geistige Aufwertung des Bauerntums. Der Bauer sieht sich auf einer kulturellen Ebene stehen, auf die es ankommt. Sie ist für das Fortleben unserer Kultur entscheidend und wird sich auf die Dauer allen anderen kulturellen Schichten überlegen zeigen.

Für diese Behauptung und den Wert der sich so eröffnenden Aussichten ist der

Beweis anzutreten. Wir verstehen unter Amerikanismus jede Haltung, die sich von der zivilisatorisch-technisch-mechanischen Entwicklung treiben und sich von ihr iormen läßt, statt diese Entwicklung selbst zu meistern. Das klingt noch harmlos, es bedeutet aber nicht weniger als eine Kulturkrankheit, die amerikanische Krankheit. Sie ist die allgemeine Krankheit aller modernen Kulturen und eine Welterscheinung. Zunächst handelt es sich um nicht mehr als eine Entwicklungs- phase im Zuge der geschichtlichen Ent- wicklung der europäischen Kultur. Die Bevölkerungen sind größer geworden und die Beziehungen der Menschen zueinander vielfältiger. Die Technik hat sich zusam- men mit dem kapitalistischen Wirtschafts- system durchgesetzt, wahllos und nicht ge- bunden an volkswirtschaftliche und kul- turelle Erfordernisse. Die kapitalistisch angewandte Technik begann die Bevöl- kerung zu mobilisieren, zu entwurzeln und verwandelte die Menschen zu hin- und her- wogenden Massen, ohne Durchgliederung. Die Bevölkerungen und die Völker wurden chaotische Massen. An die Stelle durchge- gliederter, in ihren Teilen aufeinander ab- gestimmter Völker trat durch die kapita- listisch angewandte Technik und die Fulgen einer übermäßigen Zivilisation eine immer stärkere Vermassung der Menschen.

Jeder Staat mit moderner Zivilisation er- reichte diese Stufe und mußte sich mit ihr auseinandersetzen. Er muß es, da die in den Industriegebieten und Großstädten sich zu- sammenballenden Massen über jeden bis- her üblichen Rahmen der politischen Lei- tung hinausquollen und diese Massen, zu- nehmend kulturell amerikanisiert, ins Form- lose wuchsen. Es kam darauf an, diese Massen wieder irgendwie in die Hand zu bekommen. In Amerika, das bei dem Fehlen jeder volkhaften Struktur die geringsten Hemmungen auf dem Wege zur Vermassung hatte, in England, das den Amerikanisie- rungstendenzen keinen genügenden Wider-

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stand bot, in Deutschland, das die Versailler Rückschläge am besten durch weitestmög- liche Nachahmung der amerikanischen Wirtschaft aufholen zu können glaubte, in der Sowjetunion, wo auf eine primitive, bereits massenartige landwirtschaftliche Grundlage eine hochamerikanisierte In- dustrie aufgepflanzt wurde, überall kam man an den Punkt der Entwicklung, bei dem es ohne den Versuch, die Massen zu organisieren und zu formen, nicht weitergehen konnte. Dies ist die zeit- geschichtliche Situation, die zu erkennen viel zum Verständnis dessen, was heute vorgeht, beiträgt. Die Lösungsversuche sind verschieden. Aber in den Vereinigten Staaten wie in der Sowjetunion laufen sie auf eine weitere, nunmehr systematisierte, immer straffer werdende Amerikanisierung hinaus. Weitere Amerikanisierung bedeu- tet weitere Unifor mierung, weitere bloße Multiplikation der bisherigen „Errungen- schaften” und damit weitere Ausschaltung des Kulturellen. Denn Multiplikation ist nichts Schöpferisches, und daher führt jede Amerikanisierung in eine Sackgasse.

Die deutsche Aufgabe ist eine andere, und der deutsche Weg ist ein anderer. Es gilt der Versuch, die Vermassungen wieder aufzulösen und in Gemeinschaften zusam- menzuführen, um so wieder zu einem durch- gegliederten Volkskörper zu kommen. Je mehr es gelingen wird, zu entamerikani- sieren, desto erfolgreicher wird man auf die Dauer sein. Man wird um so erfolgreicher sein, je mehr man erkennt, daß es sich bei aller Anwendung und Nutzbarmachung der Technik um Entamerikanisierung handeln muß. Es muß die entamerikanisierte Anwendungsform der Technik ge- funden werden, die von Amerikanisierung entgiftete Technik. Daß es um die An- wendungsform geht, zeigen deutlicher denn je die Zerstörungen der europäischen Kul- turdenkmäler durch amerikanische Bomber. In der Entamerikanisierung der modernen Kultur liegt erstens die europäische Kulturaufgabe Deutschlands. Ame- rikanisierung, ist der Tod der Kultur. Die „amerikanismusfreie“ Haltung ist die schöpferische und führt weiter. In ihr allein liegt also zweitens die Fortsetzung der Kultur.

Die amerikanische Krankheit ist eine schleichende und gefährliche, und ihr zu unterliegen erscheint oft verführerisch. Um so mehr, je mehr man die Vorteile der

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y SN 4 iz Technik und der modernen Zis nutzen, je mehr man den a No stand heben will. Je mehr man in < Richtung gehen will, desto mehr De man eine festgefügte Haltung, die der Ame- rikanisierung widerstehen kann. `

Die Bazillen der amerikanischen Krank- heit sind nicht leicht zu finden, denn sie verkörpern sich nicht in den realen Dingen der Technik und der Zivilisation als solchen, sondern in der Denkhaltung, die dahinter steht. Die Frage Amerikani- sierung Entamerikanisierung ist aber deutlich genug, um auch bei der stä Haltung das Gesunde vom Kranken zu un- terscheiden und den Streit um die Bedeu- tung der Stadt zu klären. Sie wird genau angeben, wo die Grenze liegt, bis zu der ein städtisches Gebilde gesund ist. Sie wird also das geeignete Werkzeug sein, > Kriterium, das zeigt, wie weit die recht haben, deren Instinkt etwas Schädliches der städtischen Denkhaltung Werer an ebenso die, welche die Stadt als Kul el zentrum verteidigen. Be

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Entscheidend aber ist die Der haltur Die Amerikanisierung kommt nicht von un- gefähr. Und nicht einmal zu dieser negati- ven Kulturerscheinung hat Amerika selbst die Wurzeln gelegt. In Amerika nur konnte sie sich hemmungslos entwickeln und von da aus zurück die alten Kulturen ver- giften. Die Wurzeln der Amerikani- sierung gehen weit zurück, mindestens bis in die Zeit der Aufklärung, vielleicht auch noch weiter bis zu den Nominalisten und Scholastikern, vielleicht auch bis in die Antike zurück. Dies wird noch notwendig sein zu erforschen, um den ersten Keim einer Fehlentwicklung des menschlich Geistes zu finden, die unmittelbar neben der positiven modernen Entwicklung liegt

Sie zeigt sich am deutlichsten in der früher üblichen Haltung einer gewissen städtischen Schicht der Halbbildung, die so gerne mit einer gewissen Überlegenheit auf die bäuerliche Denkhaltung herab- blickte und die glaubte von den wahren Kulturträgern der Städte ist hier nicht die Rede es käme nur auf eine, man kör sagen, gewisse Virtuosität des Modernen an, auf Technik um der Technik willen und Zivilisation um der Zivilisation willen, statt um tieferer Menschenwerte willen. Sie hat sich aber verrechnet. Sie führte zur Weckung unechten Bedarfs, zu Zusammen- ballungen des menschlichen Lebens, die nur

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mit vielen Hilfseinrichtungen, die nur wegen der Zusammenballung nötig, also eigentlich unproduktiv sind, existieren können, und heute sehen wir, daß sie schließlich zur Amerikanisierung des Lebens führt, die nur Massen, aber keine in- neren Werte kennt. Wo das nicht so deutlich wird und es ist oft schwer zu

erkennen verdankt man das der Ver-

mischung mit der anderen Denkhaltung.

Nur die bäuerliche Denkhaltung führt uns weiter, die bisher nur als eine Stufe geringerer „geistiger Fähigkeit angesehen wurde, zu der man sich allen- falls leutselig herablassen konnte, ganz ähnlich wie sich etwa auf dem Gebiet der geistigen Arbeit Virtuosen der Dialektik dem echten Denker überlegen dünkten. Die Zeiten haben sich geändert. Gerade diese unterschätzte oder allenfalls romantisierte Denkhaltung ist es, die nämlich auch die geistig überlegene auf die Dauer sein wird, die allein den Kampf gegen die Amerikani- sierung der Kultur aufnehmen kann. Sie hat alle Trümpfe in der Hand. Sie hat weni- ger Dialektik, sie ist schweigsamer, sie läßt sich Zeit, weil sie ein Gefühl für Reife hat, sie prüft und wägt den echten Bedarf, sie wird imstande sein, die Mittel der Technik

und Zivilisation nur da anzuwenden, wo es auf echten Bedarf und echte Werte an- kommt, und sie darf nur das anwenden, was sie innerlich verarbeiten kann, will sie sich nicht selbst zerstören; sie betrachtet mit einer gesunden Skepsis all das, was sich als sogenannter Fortschritt ausgibt, und wird fähig sein, die Spreu vom Weizen zu unter- scheiden.

Wir müssen diese Denkhaltung ent- wickeln und fördern, wenn wir nicht ver- amerikanisieren wollen. Wir finden sie noch am stärksten im gesunden Bauerntum, wenigstens dort, wo es noch nicht durch die Verstädterung angekränkelt ist; wir vermuten sie aber auch überall dort, wo echte Kulturleistungen erbracht werden. Auch in der Stadt muß sie entwickelt wer- den, die, solange sie sich vor der Ver- massung bewahrte, größte Kulturleistung erbracht hat. Aber wie die Träger der Kultur auch in der Stadt biologisch aus dem Bauerntum stammen, ist dieses vorzüglich Träger jener Denkhaltung, die der einzige Weg unserer geschichtlichen europäischen

Kulturaufgabe ist. Nur die vom National-

Sozialismus geforderte bäuerliche Denk- haltung befreit und entgiftet die moderne Entwicklung von der Amerikanisierung.

Die Bildung der Amerikaner ist eine bloß merkantile, eine

| technische. Hier entfaltet sich der „praktische Mensch” in

seiner furchtbaren Nüchternheit. Was wir Vaterland nennen,

ist hier bloß eine Vermögensassekuranz. Der Amerikaner

sieht nichts als nur Geld; er hat keine Idee; folglich ist der

Staat für ihn kein geistiges Institut (Vaterland), sondern nur

eine materielle Konvention.

Der Dichter Nikolaus v. Lenau (1852)

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PETER VON WERDER:

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Verstädtertes

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und ländliches Lebensgefühl

Der folgende Beitrag stellt einen Auszug aus dem Schlußkapitel eines neuen Buches dar, das Dr. von Werder demnächst unter dem Titel „Die Landflucht als seelische Wirklichkeit“ im Schwarzhäupter-Verlag, Leipzig, erscheinen läßt. Nach der Darstellung der modernen Landflucht als eines im Grunde seelischen Vorgangs entwickelt der Verfasser in diesem Buch, unter gleichzeitiger Forderung nach einer besonderen Landvolkpsychologie und an Hand von praktischen Beispielen, die Grundlagen einer seelischen Landilucht- therapie. De Gegenwart erwächst mit dem Vorhanden-

sein von Verstädterung und Entländlichung eine Fülle von Einzelproblemen materieller wie ideeller Art. Je tiefer die technische Struktur unseres Zeitalters den modernen Menschen er- faßt, desto dringlicher wird ihre Lösung, wenn das Schicksal des „Zauberlehrlings“ vermieden werden soll. Zweifellos hängt Erfolg oder Mib- erfolg bei dieser Aufgabe von der Art ab, in der sie begriffen wird. Denn Romantik oder Kultur- pessimismus liegen, in welcher Verkleidung auch immer, gerade angesichts der Landflucht gefährlich nahe beieinander und lenken von der Grundfrage ab. Dieselbe besteht darin, daß die Landflucht als soziale Krankheit mehr ist als eine seelische Erscheinung, die für sich selbst betrachtet werden darf. Darüber hinaus ist sie eine Teilerscheinung in einem großen psycho- logischen Gesamtprozeß. Als solche vermag man sie erst richtig einzuordnen, wenn man sie als ein Ergebnis der seelischen Entwicklung des modernen Menschen im Raum der Zivilisation überhaupt versteht.

Eine derartige Entwicklung ist nur insofern vorstellbar, als man einen Anfangszustand und einen Endzustand für ihren Ablauf annimmt. Ihr Anfangszustand ist durch das Land und seine ursprüngliche Lebensform, ihr End- zustand ist durch die moderne Stadt und deren Lebensform gegeben. Zwischen Anfang und vor- läufigem Ende findet die gemeinte Entwicklung statt. Ihre einzelnen Phasen sind uns erst unvoll- kommen bekannt in ihrer Verursachung, in ihrer Erscheinungsweise, in ihrer Gestalt und in ihrem Zusammenspiel. Es bedarf folglich der eingehenden psychologischen Erforschung, warum, wodurch und wie sich der Ubergang von der einen in die andere Lebensform vollzieht.

Vor allem aber bedarf es auch der Klärung, was diesem Übergang letztlich zugrunde liegt. Denn beide Lebensformen, die ländliche wie diejenige der modernen Stadt, sind in ihrem eigentlichen Gehalt nicht durch eine summative

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Aneinanderreihung von äußeren Merkmalen zu begreifen, sondern einzig von ihrer see- lischen Beschaffenheit als Ganzes her. Nicht die Außenseite also, sondern die Innen- seite führt zum Kern, dieser zwei grundlegenden Lebensformen, den man als ihr spezifisches Le- bensgefühl bezeichnen kann. Das Lebens- gefühl darf als seelischer Ausdruck der Le- bensform gelten: erst das Lebensgefühl gibt die Impulse, die aus der Lebensform lebendige Wirklichkeit werden lassen. Als solches stellt das Lebensgefühl gleichsam den Quell der menschlichen Haltung dar, die sich in der jeweiligen Lebensform verwirklicht. Es bil- det auf diese Weise das innere Zentrum, von dem aus sich alles menschliche Tun zur geschichtlichen Gestalt formt. Deshalb kann man auch das Problem der Landflucht kaum mit Aussicht auf konkreten Ertrag erörtern, wenn man sich nicht um eine Erkenntnis des in iht wirksam werdenden Lebensgefühls bemüht.

Ehe wir in dieser Absicht den Versuch unter- nehmen, das Lebensgefühl der beiden genannten Lebensformen näher zu kennzeichnen und von- einander abzugrenzen, müssen wir uns aber klar- werden, daß der Gegensatz von ländlichem und städtischem Lebensgefühl im Rahmen unse- rer Betrachtung keine Berechtigung hat. Der unserem Gedankengang entsprechende Gegen- satz heißt vielmehr: ländliches und verstäd- tertes Lebensgefühl. Denn auch in der Stadt der Gegenwart kann erfahrungsgemäß einer mehr oder minder großen Zahl von Menschen ein Lebensgefühl eignen, das demjenigen des Landes ähnlich, ja in manchen Punkten sogar gleich ist. Erst wo unter modernen Existenz- bedingungen die seelische Verfassung im stren- gen Sinne verstädtert, tritt dem ländlichen auch ein verstädtertes Lebensgefühl entgegen.

Das verstädterte Lebensgefühl erwächst aus einer inneren Situation, deren Wesen in einer unheilvollen Kluft zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein beruht. Diese Kluft tritt in mannigfacher Weise zutage und ent- steht auf dem Boden eines Zerfalls der leib- seelischen Einheit des Menschen. Mit der fort- schreitenden Zivilisation tut nämlich der mensch- liche Körper, wie man sagen kann, für sich allein zunehmend mehr, als die menschliche Seele mitzuerleben und gutzuheißen vermag. Je me chanischer vor allem die beruflichen Tätigkeiten

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des modernen Menschen werden und je mehr an Raum und Zeit das mechanische Tun auch im nichtberuflichen Bereich beansprucht, desto schlechter kommt dabei die Seele in ihren unbe- wußten Tiefenschichten weg. Indem die Zivili- sation in unerschöpflicher Fülle Arbeitsauf- gaben über Arbeitsaufgaben stellt, die vornehm- lich Bewußtheit und Wachsein, Verstand und Überlegung erfordern, desto mehr und häufiger zwingt oder verleitet sie den Menschen zu „seelenlosem“ oder „entseeltem‘ Tun.

Die ganze Arbeit der Zivilisationsberufe hat denn auch, verglichen mit der Arbeit der Ur- berufe, einen eigenartig abgeleiteten Charakter. Sie versetzt die ihr verpflichteten Menschen in eine Atmosphäre der Mittelbarkeit und bringt sie in ein gewisses Zwielicht der un- eigentlichen Betätigung. Die beruflichen Auf- gaben haben keine unmittelbar selbstverständ- liche Natur mehr, sondern dienen zum großen Teil bloß der Vermittlung. Ihr Sinn ist nicht von vornherein anschaulich und damit überzeugend zu erleben, sondern immer mehr nur durch ab- strakte Vorstellungen zu gewinnen. Der Mensch übersieht in der Regel nicht das Ganze seiner beruflichen Anstrengungen, sondern lediglich einzelne Bruchstücke. In dieser sozusagen halb- fertigen Welt muß er deshalb notgedrungen dauernd seinen Verstand zu Hilfe rufen, um dem naturhaften Drang nach Ganz- haftigkeit seines Lebens nachzukommen. Letz- teres gelingt ihm aber immer weniger, je mehr Zeit und Energie die Bewältigung seiner zivili- satorischen Aufgaben verlangt. So kommt es dann schließlich zu dem mechanischen Tun, das Körper und Seele nicht mehr in jener engen Beziehung zueinander beläßt, die zur vollen Gesundheit beider notwendig ist.

Sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren Einzelheiten betrachtet, ist die Leistung der technischen Zivilisation für sich ge- nommen weder sonderlich moralisch noch son- derlich unmoralisch. Hinsichtlich des von ihr

bewirkten Effekts für den modernen Menschen

indessen hat sie unleugbar eine positive und eine negative Seite. Beide gilt es unbefangen zu sehen, wenn man der Wirklichkeit im Urteil und im Handeln gerecht werden will. Denn die nur mit höchster intellektueller Anspannung zu meisternde Zivilisation und insbesondere ihr Kernstück, die moderne Technik, ist einmal ein Zeugnis menschlicher Schaffenskraft und ein Beweis menschlichen Scharfsinns. Zum anderen aber bedeutet sie auch eine ständige Cefährdung des Menschen als In- stinktwesen, und zwar durch die einseitige Benutzung der rationalen Kräfte seines see- lischen Haushalts. Angesichts der Doppelpolig- keit des menschlichen Seelenlebens, das Ver- stand und Gefühl umfaßt, wird deshalb die große Frage nach der Zukunft der Zivilisation oder vielmehr nach der Zukunft des Menschen in der Zivilisation dahin zu beantworten sein, daß

zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein, In- tellekt und Instinkt, Verstand und Gefühl ein Verhältnis relativer Ausgewogenheit herrschen muß. Je kälter das Verstandesleben wird, desto wärmer muß das Gefühlsleben sein. Je mehr Raum die intellektuellen Vollzüge beanspruchen, desto nachhaltiger müssen die ohnehin kurzen Gefühlserlebnisse sein.

Mit anderen Worten: je weiter die Zivilisation voranschreitet, desto dringender wird die Notwendigkeit eines Ausgleichs und desto zwingender wird die Schaffung von ent- sprechenden Ausgleichsmitteln. Unterbleibt die systematische Konsequenz aus dieser Notwen- digkeit, dann droht Gefahr. Wird die innere Gleichgewichtslage zwischen den rationalen Kräften der „Höhe“ und den emotionalen Kräf- ten der „Tiefe“ allzulange und auf Dauer gestört, überwiegt also im seelischen Geschehen die Welt des Verstandes, des Bewußtseins, des In- tellekts oder wie immer man die rationale Seite des menschlichen Seelenlebens bezeichnen mag, so widerlegt sich die Zivilisation am Ende im und am Menschen selber. Die ihr drohende Ge- fahr besteht dem Prinzip nach in einer Ent- wurzelung, die alle Gebiete des indi- viduellen und sozialen Daseins und Verhaltens ergreifen kann. In Erschei- nungen wie dem Marxismus und Liberalismus ıst sie bereits weithin sichtbar aufgetreten. Aber auch die Landflucht gehört zu diesen Er- scheinungen, in denen sich eine zu weite Entfer- nung von den Ursprüngen des Tuns und Lassens ausspricht, die den natürlichen Forderungen des

Lebens zuwiderläuft. Gehandelt wird zwar nach

wie vor auch von dieser seelischen Verfassung aus, aber unbewußt vom falschen Ansatz her und folglich mit falschem Ergebnis. Denn nun wird ja das Unterbewußtsein in gefährlicher Weise frei, wird ungebunden und steuerlos und kann unerwartet eruptionsartig hervorbrechen aus der mißachteten Tiefe, ahnungslos gegen- über den Formen echter Kultur, in der rationale und emotionale Kräfte, Bewußtsein und Unter- bewußtsein zum Einklang kommen.

Aus dem dargelegten Entwicklungsgang see- lischer Art folgt, daß die Grundposition des ver- städterten Lebensgefühls das Machen ist und zwar im Sinne eines mehr oder weniger scharf ausgeprägten Gegensalzes zum Wachsen, dus die entsprechende Grundposition des ländlichen Lebensgefühls bildet. Tun und Handeln, Lassen und Beiseitestehen erfolgt bei diesem Lebens- gefühl aus der unbewußten Annahme heraus, daß alles gemacht werden kann. Damit ver- drängt eine wesentlich künstliche Vorstellung vom Charakter der Dinge die natürliche Vor- stellung, derzufolge alles wächst, sich ent- wickelt, groß wird. Genauer gesagt, die Vor- stellung vom künstlichen Charakter der für den Menschen bestehenden Welt überlagert die frühere natürliche Vorstellung. Denn zweifellos weiß auch der Mensch mit verstädtertem Le-

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bensgefühl, daß es Wachstum gibt. Aber er ver- hält sich gerade auch. im sozialen Leben der modernen Stadt unbewußt immer mehr so, als ob

alles künstlich und auf rationalem Wege ge-

macht werden könnte.

Eine solche Ausgangslage legt ihm die Zivilisa- tion beinahe auf Schritt und Tritt so nahe, daß er ohne die Fähigkeit zur kritischen Betrachtung kaum anders kann, als sie über kurz oder lang unbesehen anzunehmen. Das beginnt schon bei der untersten und ursprünglichsten Erfahrungs- stufe des täglichen Lebens, bei der Ernährung, wie die moderne „Konservendosenkultur” bei- spielhaft zeigt, bei der die weitgehend denatu- rierteNahrung künstlich erwärmt wird, nachdem sie beim ursprungsfernen Verteiler erworben wurde. Bereits beim Kinde der modernen Zivili- sation wird diese denaturierte Ernährungsform angewendet, deren physiologische Wirkungen uns bisher bekannter sind als die sicherlich gerade auch im Unbewußten vorhandenen psy- chologischen Wirkungen.

Dieser Mangel an anschaulicher Einsicht in den Vorgang des natürlichen Wachsens und Werdens setzt sich dann in zahllosen Varianten bis in die höheren und höchsten Stufen der Er- fahrung fort. Außerordentlich verstärkt wird die damit gegebene psychologische Verfassung ferner durch den Eindruck der durchaus künst- lichen Umwelt der modernen Zivilisation, die das Wuchshafte nach Möglichkeit ausschaltet oder doch mit dem Schein der Künstlichkeit umkleidet. Von morgens bis abends, bei Arbeit und Muße, durch Monate und Jahre hindurch beherrschen mit geringen Unterbrechungen also die Einflüsse des künstlichen Machens den mo- dernen Menschen bis in die Tiefe, der selber in der Regel „macht“ und nicht mehr in einem organischen Wachstumsvorgang tätig ist, dem er gleichsam nur zu seiner Vollendung hilft.

Es leuchtet ohne weiteres ein, daß dies alles nicht ohne tiefe Folgen für das gesamte Lebens- gefühl bleiben kann. Das konkrete, in dauernder Erfahrung bestätigte und daher lebendige Wesen um das Wachsen als Grundvorgang des Lebens weicht zunehmend einem abstrakten, nur noch spärlich erfahrbaren und‘ daher unlebendigen Wissen um diese Voraussetzung gesunder Existenz. Der Mensch fühlt sich infolgedessen nicht mehr in die ihm übergeordneten Zusammenhänge eingeordnet und ein- gebettet, sondern er steht gleichsam immer öfter draußen und allein da, verliert meist unbemerkt den Kontakt mit dem Gewachsenen und Natürlichen und überschätzt alles Künst- liche und Gemachte als das eigentliche Element seines Lebens, das es doch in Wahrheit niemals

zu sein vermag. Aus der einstigen Höhenwelt

des Verstandes wird ohne den ständigen Bezug zur Tiefenwelt der Instinkte und Gefühle, des Ursprünglichen und Unbewußten eine Welt der Oberfläche, der eine steuerlos werdende Welt

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stalt einer

unterbewußter Triebhaftigkeit entspricht dies ist etwa im Extrem die sozialpsycholo- gische Situation Nordamerikas, wo das verstädterte Lebensgefühl bis in die Methoden

der Kriegführung hinein jenes Nebeneinander

von höchster zivilisatorischer Entwicklung und äußerster seelischer Barbarei umfaßt, das auf eine tiefe Kluft zwischen Bewußtsein und Unter- bewußtsein schließen läßt.

Im Bereich des individuellen Lebens führt diese seelische Verfassung des verstädterten Lebensgefühls außer zur Vereinzelung und Ver- einsamung zu einer weitgehenden charakter- lichen Indifferenz. Sie tritt sowohl in Ge- zunehmenden äußeren und inneren Schablonenhaftigkeit der Menschen in Erscheinung als auch in Gestalt einer zunehmenden Unbekümmertheit ge- genüber charakterlichen Schwächen bei sich und anderen. Je größer die Zahl der Menschen wird, mit denen der verstädterte Mensch lebt, desto weniger kümmern ihn ihre Schwächen, desto weniger sieht er aber auch eigene Schwächen, für die es zahllose Erklärun- gen und Entschuldigungen gleichsam situations- technischer Art gibt. Wille und Verstand werden eben von der Zivilisation so stark an- gesprochen, daß ihr Regiment alle Korrekturen aus tieferen seelischen Bereichen zu verhindern neigt. Hier liegt die psychologische Wurzel für die Tatsache der modernen Korruption im wer- testen Sinne dieses Wortes, die zwar nicht von ungefähr im zivilisationssüchtigen Nordamerika ihren besten Nährboden gefunden hat, aber auch anderswo stets ein verläßliches Kennzeichen dafür ist, daß der ihr erliegende Mensch von einem verstädterten Lebensgefühl bestimmt wird.

Und im Bereich des sozialen Lebens läßt das

verstädterte Lebensgefühl die Überzeugung ent- stehen, daß das Zusammenleben der Menschen lediglich Gegenstand einer vollendet mecha- nischen Regelung zu werden braucht, um seine eigentliche Höchstform zu erreichen. Gemein- schaft, Volk und Rasse haben als eine Art von Wachstumsbegriffen im Dunstkreis dieses Le- bensgefühls keine Bedeutung, wohl aber Gesell- schaft, Menschheit und Masse, also Begriffe, die nichts Wuchshaftes enthalten. Infolge dieser Anschauung, die das Seelische praktisch aus dem sozialen Leben verbannt und statt dessen Zweck und Nutzen einsetzt, ergibt sich erst die Möglichkeit zu jenen großen Kollektiv- erkrankungenseelischer Art, von denen nicht nur im Hinblick auf die Landflucht wieder- holt die Rede war. Auch hier ist die innere Ver- wandtschaft zwischen dem zivilisatorischen

Denken und den angedeuteten Gegensätzen

jener sozialen Wachstumsbegriffe offenbar.

Die fabrikatorische Eigenart des zivilisato- rischen Denkens, die eben durch die ständig vor- dringende Vorstellung des Machens gegeben ist, beeinflußt die Menschen mit verstädtertem Le-

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Der bisherige Verwalter, Bauer Hoffmann, überreicht dem neuen Hofbesitzer vor dem Betreten des Hauses als symbolische Ubergabe Salz und Brot. Ein Landdienstmädel übergibt den Erntekranz

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WW ährend noch die Schlachten an allen Front ausgefochten werden, hat es sich die Heimat ur vordringlichen Aufgabe gemacht, ihren Dank de: kämpfenden Soldaten in der ständigen Hilfe gen Kriegsversehrten gegenüber abzustatten. Der Sold der seinen Eid auf Führer und Volk mit seine ganzen Einsatz und mit der Hingabe von Piot kräftigt hat, der sich draußen an der Front bewäl und über das Maß der täglich aufs neue bewies Tapferkeit jedes einzelnen hinaus hervorrag: kühne Taten vollbrachte, muß und wird den D der Heimat spüren.

Im Reichsgau Wartheland wurde der Anfang macht, Kriegsversehrte dieses und des vorigen) krieges auf selbständigen Höfen cinzuse und da leistet auf den Bauernhöfen des schon so mancher Kriegsversehrte, der ber 0 den Fronten mit dem Schwerte siegreich mit dem Pflug auf deutscher Scholle neue Kampf um Deutschlands Freiheit.

In diesen Kreis der jungen und alten np deutschen Boden tritt nun ein neuer, hervon bewährter Soldat dieses Krieges, ein alter pol Soldat des Führers, Oberbannführer der Hitler Eichenlaubträger Hauptmann Gerhard Heii kürzlich vom Gauleiter des Reichsgaues Wa Greiser, den Bauernhof Wollheim im Kreise 0 als Geschenk überreicht bekam. Diese schenk soll als Symbol für alle deut Soldatengelten; mit ihm will das Wa einen Teil seiner Dankesschuld abtragen Gau dem Führer für die Befreiung dieses schuldig ist. Denn nur der Pflug zusammen 1 mi Schwert sind und werden in der Lage seim, $ tonte Gauleiter Greiser bei der Geschenkü diesen hart umkämpften Boden als Zukunf unseres Volkes zu sichern. Mit der UÜbergabi Bauernhofes an diesen vorbildlich soldat Kämpfer bringt das deutsche Volk und der Rem gau Wartheland seine tiefe Verbundenheit und seine großen Dank dem deutschen Soldatentum gegenüb® zum Ausdruck.

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Eichenlaubträger Hauptmann Hein trägt kämpferischen Grenzlandgeist in sich; er wurde im Jahre 1916 als Sohn eines oberschlesischen Bergmannes in Klein-Panie ge- boren. Schon während der Schulzeit hat er als HJ.- Führer in der Arbeit an der deutschen Jugend seine Pflicht erfüllt. Seine landwirtschaftliche Ausbildung erwarb er sich auf einer Landjahrschule. Auch hier erwies er hervorragende Befähigung, so daß er nach Abschluß des Lehrganges als Landjahrführer-Anwärter angestellt, nach kurzer Zeit zum Landjahrgruppenführer und nach weiterer Bewährung zum Lagerführer befördert wurde.

Das Ritterkreuz errang sich Hauptmann Hein im West- feldzug als Unteroffizier in einem Schleswig-Holsteinischen Grenadierregiment, wo er sich bei den Kämpfen um St. Evre durch besondere Tapferkeit auszeichnete. Auch den Ost- feldzug hat Gerhard Hein von Beginn an mitgemacht und sich dort ebenfalls in jeder Kampflage als umsichtiger und draufgängerischer Führer bewährt. Seine hervorragenden Leistungen wurden mit den höchsten Tapferkeitsauszeich- nungen belohnt; er erhielt als erster Infanterieleutnant des Heeres das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes.

Zur Feier der Übergabe des 300 Morgen großen Bauern- hofes an Hauptmann Hein war der schöne große Innenhof

dicht gefüllt mit Menschen. Da war die Parteiführerschaft des Kreises Gnesen, die dem alten politischen Soldaten ihren Gruß entbot, es waren in dichten Reihen die Jungen und Mädel des Landjahres und Landdien- stes der Hitler-Jugend ange treten, die dem Oberbannführer ihre Ehrung bezeigten; es hatten sich die im Umkreis von Gnesen bereits eingesetzten Kriegsver- sehrten eingefunden, um ihren neuen Kameraden zu begrüßen, und neben der Belegschaft des Bauernhofes waren ansässige

Der junge Wehrbauer und seine Fres bei einem Rundgang durch den neuen Hot

Bauern und Bäuerinnen in große Zahl erschienen, um dem junge Wehrbauern die Hand zu drücke

Ein tapferer Soldat, ein hervo ragender Führer und sympaiki= scher Mensch —, das ist Gerharz Hein, der nun als Wehr baue seinen Dienst an der deutsche Scholle antritt, um den mit BE erkämpften Boden im Osten zu deutschen Bauern- und Heim land zu machen.

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bensgefühl so sehr, daß sie sich. auch in ihrem sozialen Verhalten und Handeln nach ihm rich- ten: das soziale Problem wird wesent- lichzueiner Frage des bloßen Machens und der künstlichen Regelung nach dem Gebot der Zweckmäßigkeit und der Nützlichkeit. Und auch hier rächt sich die einseitige Betonung von Wille und Verstand in bezeichnender Weise. Es löst nämlich im Banne dieses Lebensgefühls nicht bloß eine soziale Krise die andere ab, es weicht nicht nur die natürliche Gläubigkeit an nationale Werte einem zunehmenden Skeptizismus gegenüber nationalen Verpflichtungen, wie die Geschichte der modernen Demokratie zeigt, sondern es werden auch immer mehr intime soziale Grundbeziehungen der Menschen me- chanisiert und damit seelisch aus- gehöhlt. Auf diese Weise bewirkt das ver- städterte Lebensgefühl im Verein mit der cho, rakterlichen Indifferenz, die es im individuellen Bereich nach sich zieht, eine innere Entleerung, die nach einer rigorosen Kräftigung durch das ihm entgegengesetzte Lebensgefühl verlangt.

Wie bereits aus der bisherigen Schilderung hervorging, ist dieses ländliche Lebens- gefühl von Grund auf anderer Natur. Daß es nicht ans Land als solches gebunden ist, sondern ebenso unter städtischen Verhältnissen zu gedeihen vermag, wurde bereits erwähnt. Man braucht gar nicht so weit in die geschicht- liche Vergangenheit hinabzusteigen, um dort noch umfangreiche Beweise für das natürliche Wesen auch des städtischen Lebens zu finden die seelische Verstädterung mit ihrer zwangs- läufigen Mechanisierungstendenz ist eben erst eine moderne Erscheinung. Und die bereits Ge- schichte gewordene deutsche Gegenwart be- weist gleichfalls mit dem Erstarken des natür- lichen Denkens auf den verschiedensten Gebie- ten, daß ein nichtverstädtertes und d. h. eben ein ursprüngliches, im Kern ländlich bestimmtes Lebensgefühl auch unter zivilisatorischen Ver- hältnissen bestehen kann. Die moderne Stadt macht seine Erhaltung bloß im Gegensatz zu früher zu einer lebensgesetzlichen Aufgabe.

Die Darstellung des ländlichen Lebensgefühls befindet sich von vornherein ganz anderen Schwierigkeiten gegenüber als die Darstellung des verstädterten Lebensgefühls. Denn die innere Geschlossenheit der Lebensform, die von diesem Lebensgefühl erfüllt wird, ist einer be- grifflichen Aufteilung nur bedingt zugänglich. Während bei der Beschreibung des verstädterten Lebensgefühls die ihm zugehörige Lebensform gerade infolge ihrer besonderen Eigenart, jener Bruchstückhaftigkeit, der zergliedernden Er- kenntnis entgegenkommt, verhält es sich beim ländlichen Lebensgefühl genau umgekehrt. Aber mit der einfachen Feststellung, daß es sich bei letzterem eben im wesentlichen um das Gegen- teil des ersteren handelt, kann es trotzdem nicht sein Bewenden haben, so zutreffend diese Fest-

stellung auch sein mag. Dringen wir über sie hinaus, so stoßen wir gleich auf die grund- legende Eigenschaft des ländlichen Lebens- gefühls, die in seinemorganischenCharak- ter besteht. Ihm entspricht die innere Gestalt der ländlichen Lebensform, die sich stets als ein natürliches Ganzes darstellt, von welcher Seite man sie auch zu erfassen sucht. Die ein- zelnen Teile dieses Ganzen, die nur auf begriff- liche Weise voneinander zu scheiden sind, stehen stets in einem engen, wuchshaften Zu- sammenhang miteinander. Anders als beim städtischen Leben wird man daher beim länd- lichen Leben immer wieder von den Teilen zum Ganzen geführt. Daraus ergibt sich denn auch die entscheidende Grundposition des ländlichen Lebensgefühls, das Wachsen.

Das ländliche Lebensgefühl wird nicht von der Vorstellung getragen, daß im Grunde alles künstlich gemacht werden kann und gemacht worden ist, sondern hier ist in allem Tun und Lassen die schweigende Überzeugung lebendig, daß im Grunde alles organisch gewachsen ist und wächst. Das Wachsen als Grund- vorstellung für alles, was ist, durchzieht sämtliche Außerungsformen dieses Lebens- gefühls, von der untersten bis zur höchsten Stufe der Erfahrung. Dadurch wird allem künstlich Gemachten von Anfang an ein bestimmter Rang zugewiesen, demzufolge es nach dem wuchshaft Gewordenen rangiert. Und zwar geschieht dies nicht etwa auf Grund bewußt angestellter Uber- legungen, sondern eben unbewußt als selbstver- ständliche Folge eines Lebensgefühls, das selber nur Ausfluß einer inneren Einheit mit Werden und Entwicklung ist. Ländliches Lebensgefühl verfährt also bei der Einschätzung des Gewach- senen und des Gemachten, wie man sagen kann, nach einer natürlichen Aufbaulehre des Seins, in der das Wachsen vor dem Machen kommt. Das ist bloß durch einen weitgehenden Einklang zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein möglich und auf der Basis einer leibseelischen Einheit, die dem Menschen innere Ruhe und Festigkeit gewährt. Im Rah- men dieses Lebensgefühls tut gewissermaßen der menschliche Körper nur oder doch vorwie- gend nur so viel, wie die menschliche Seele mit- zuerleben und gutzuheißen vermag. Den Boden dazu liefert die ländliche Arbeit und das ge- samte ländliche Leben selber, das für den länd- lichen Menschen von Kindesbeinen an konkret und anschaulich beschaffen ist. Deshalb ist es auch in der Lage, den naturhaften Drang nach Ganzhaftigkeit zu befriedigen und zu erhalten, der im Menschen als see- lische Notwendigkeit angelegt ist und bloß bis zu einer gewissen Grenze ohne Schaden unbe- rücksichtigt gelassen werden kann.

In Ubereinstimmung mit der Grundvorstellung dieses Lebensgefühls kann es hier wenigstens prinzipiell auch kein „seelenloses“ oder „ent- seeltes“ Tun geben. Wo der zivilisatorische

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Fortschritt dennoch Ansätze dazu aufs Land bringt, da reagiert das ländliche Lebensgefühl ganz folgerichtig darauf. Alles Mechanische

wird nämlich von diesem Lebensgefühl aus be-

wußt oder unbewußt lediglich als Hilfs- mittel gewertet, das niemals zum Selbst- zweck wird. Während es beim verstädterten Lebensgefühl gleichsam im Mittelpunkt des In- teresses steht, steht es beim ländlichen Lebens- gefühl stets mehr oder weniger an der Peri- pherie, ohne daß eine innere Beteiligung an seinem Vorhandensein eintritt wie dort. Dort wird dietechnische Zivilisation und das heißt das künstlich Gemachte vielfach zwangsläufig zum Wesen des modernen Lebens, dem der Mensch in zahllosen Berufen dient. Hier aber bleibt das Wesentliche unverrückbar die lebendige Natur und das heißt das organisch Gewachsene. Dem- gemäß sieht sich der Mensch dort den Dingen der Erscheinungswelt gegenüber, ist hier aber in die gewordene und werdende Welt der Erscheinungen eingefügt, eingebettet undeingeordnet. So fließend der darin zum Ausdruck kommende Gegensatz in der Wirklich-

keit auch oft sein mag, man kann ihn sich gar

nicht als bedeutsam genug vorstellen, denn er greift schlechterdings überall hin, wo sich menschliches Leben regt. Alle Erfahrung wird von ihm aus bestimmt, alles Tun erfährt von ihm

‚aus seine Sinngebung nach der einen oder an-

deren Seite, ohne daß sich der handelnde Mensch darüber im klaren zu sein braucht. Das gilt für das soziale Leben wie für das individuelle, tür Arbeit und Muße, für Sitte und Glauben des alten und des jungen Menschen beiderlei Geschlechts.

Hinsichtlich der Entwicklung des Lebens- gefühles vermögen wir nunmehr zu erkennen, wiesich mitundinderLandfluchteine allmählich fortschreitende Verdrän- gung des ländlichen durch das ver- städterte Lebensgefühl abspielt. Die Vorstellung, daß alles wächst, wird durch die Vorstellung ersetzt, daß alles gemacht worden ist und gemacht werden kann. Oder vorsichtiger ausgedrückt: das Machen beschäftigt den Men- schen bewußt oder unbewußt mehr als das Wachsen. Ohne daß er die Vorstellung vom organischen Wachsen der Dinge völlig aufzu- geben braucht, tritt die Vorstellung des künst- lichen Machens mehr und mehr in den Vorder- grund und nimmt schließlich den ersten Platz in seinem Seelenleben ein. Damit vollzieht sich eine Entwicklung, die das gesamte menschliche Verhalten bis in die Tiefe beeinflußt und bestimmt.

Wird dort, aus dem ländlichen Lebensgefühl heraus, unter der Vorstellung des Wachsens gehandelt, so wird hier, aus dem verstädter- ten Lebensgefühl heraus, unter der Vorstellung des Machens nur getan. Handeln und bloßes Tun unterscheiden sich in diesem Sinne wesent- lich voneinander, wenn man ihre seelische Be- gründung ins Auge fat. Das Handeln besitzt jenen im großen wie im kleinen ganzheitlichen

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| an Ei Ki Sie Charakter, der aus einer erlebten Eins cht in de a ` ganzen Sinn der Handlung und ihres c schen Zusammenhangs zwischen. Ane ` End- stadium entsteht. Das bloße Tun jedoch hat jenen bruchstückhaften Charakter, der auf einen Mangel an solcher Einsicht zurückgeht. Hier wird also kein organischer Zusammenhang mehr zwischen Anfangs- und Endstadium erlebt, son- dern höchstens eine rationale Beziehung zwi- ` schen Ursache und Wirkung gesehen. |

Ein untrügliches Zeichen für den in der F unbemerkt vor sich gehenden Wechsel ee, den beiden Vorstellungen des Wachsens und Aw: Machens oder zumindest für das des bloßen Tuns über das eigentliche Handeln stellt beim ländlichen Menschen die tatsäch liche Abwanderung vom Lande dan Dieser Wechsel oder dieses Uberwiegen Era denn auch dem Vorgang der inneren und äuße ren Entwurzelung und damit dem Verlust d Bodentreue zugrunde zu liegen. Wo nämliche e Wachsen als Grundvorstellung vorherrscht, da kann auch ein Heimatgefühl entstehen. Bis e einem gewissen Grade ist das noch in der g d? D Stadt möglich, denn selbst dort bilden 5 N gleichsam seelische Wurzelschichten um Wohnung im Mietsblock. Wo aber das N 1c vorherrscht, da fehlen die Vorausset: o j die Entstehung eines echten Heim Denn nun ist das, was als Heimat gelten k ja nur gemacht und kann ebenso beliebig zi nichte wie andernorts neu gemacht w 85 m ohne andere Bedingung als Zweck und Nutzen.

Die Gegenüberstellung des vorsti diaa und des ländlichen Lebensgefühls muß notwendig zu einer gewissen Einseitigkeit führen. D Jenn tatsächlich handelt es sich bei ihrem Grundzug des Machens oder des Wachsens wohl im 5 nur um eine Tendenz, von einer der b Grundvorstellungen auszugehen. Beim Jeng e lichen Lebensgefühl wie beim verstädterten L bensgefühl schwingen gewöhnlich Einschlä * auch der entgegengesetzten Art in ven jen- ster Stärke mit. In reiner Form, d. h. als absolute Natürlichkeit und absolute Künstlichkeit, wird sich also in der Gegenwart weder das eine noch das andere Lebensgefühl verwirklicht finden, ebenso wie die entsprechenden Lebensformen der Regel nicht rein auftreten, sondern veri mit Wesenszügen der jeweils anderen form. Dennoch ist der praktische Erkenntni ew beider Arten des Lebensgefühls dadurch r icht beeinträchtigt oder gar in Frage gestellt. Die d Erkenntniswert besteht darin, daß wir durch d d | Rückgang auf das Lebensgefühl Grundr sh- tungen des Handelns und Denkens ve Bu stehen können, die den Menschen in seiner sec- lischen Eigenart unter dem Einfluß der mode rr n | Zivilisation bestimmt haben und bestimm en werden und zwar im Sinne der Entwicklung von einem Anfangszustand zu einem vorläufige Endzustand. '

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KURT MEYER IN DER STROTH:

DAS BAUERNRECHT

ALS POLITISCHES GESTALTUNGSMITTEL

Des deutsche Mensch hat ein ausge- sprochenes Empfinden für Gerech- tigkeit, eine rassisch bedingte Eigenschaft, die ihn von Angehörigen anderer Völker mehr oder weniger stark unterscheidet. Mit dieser rassischen Bedingtheit hängt es zusammen, daß dieses Gefühl für Gerechtigkeit am besten im Bauerntum erhalten ist und dort wiederum am stärksten bei jenen gesunden Bauern, die rassisch ausgeglichen auf leistungsfähigen 5 mit vielseitiger Wirtschaftsweise in &chter Dorfgemeinschaft leben. Und das ist auch erklärlich. Der germanisch - deutsche Mensch ist von Anfang seiner Geschichte an Bauer gewesen. Durch ständige Auslese und Ausmerze hat sich so das Wesen des deut- schen Menschen als bäuerlich geprägt. Zu einer Zeit aber, in der dieses Volk nach mehrtausend- jähriger Entwicklung und Entfaltung seit etwa 70 Jahren sich in einem für unsere moderne Zeit so typischen Tempo vom bäuerlichen Wesen und von bäuerlicher Lebens auffassung vielfach weitgehend entfernt, muß das wahre deutsche Wesen besonders klar im echten Bauerntum in Erscheinung treten. Das finden wir bestätigt in der deut- schen Eigenschaft des starken Rechtsempfin- dens.

Und weiter: das Rechtsempfinden ist in erster Linie ein Ausfluß des Gefühls, es wurzelt mehr im Seelischen als im Ver- standesmäßigen. Gerade aber der Bauer lebt mehr im Unbewußten. Die Sicherheit des Ge- fühls ist im gesunden Bauerntum noch nicht so „von des Gedankens Blässe angekränkelt”, wie wir das so häufig bei städtischen Menschen finden und wie es geradezu das Wesen des Intellektuellen ausmacht. Der Intellektuelle als Gegenpol zum bäuerlichen Menschen gründet seine Erkenntnisse fast ausschließlich auf den Verstand, während das Gefühl als Aus- fluß des seelischen Erlebens bei ihm kaum noch Platz hat. Zu dieser Art Menschen gehörte auch jener Teil der „Juristen“, der im krassen Gegen- satz zum Bauern meinte, das Recht ausschließ- lich aus den Gesetzen und aus verstandesmäßig- logischen Uberlegungen „finden“ zu können, während der Bauer es aus dem Urquell der Lebenseinheit end -gesamtheit „schöpft“.

Hinzu kommt endlich, daß der Bauer in einer Umwelt lebt, in der dienatürlichen Ge- setze des Lebens noch Geltung

haben, daß er ihnen in seiner ganzen Le-

bens- und Arbeitsweise viel stärker unter- worfen ist als der Mensch in der Stadt. In dem ländlichen Lebenskreis behaupten die Ge- setze des natürlichen Wachstums, des ewigen „Stirb und Werde“ ihren Platz und lassen sich nicht ersetzen durch behördliche Verfügungen und Anordnungen oder gar durch papierne Verträge. Beispielsweise wohnt der Bauer auf dem Dorfe nicht in einer Wohnung auf Grund eines Mietsvertrages, sondern in einem Bauern- hof als der angestammten natürlichen Wohn- und Arbeitsstätte seines Geschlechtes, dessen Glied er ist. Das besagt der alte Bauernspruch:

„Das Haus ist mein und doch nicht mein, Du gingst hinaus, ich ging herein, Und nach mir wird's genau so sein.“

Der Bauer arbeitet nicht irgendwo außer- halb seiner Wohnung wie in der Stadt unter Bedingungen, die in allen Einzelheiten in einem behördlich festgesetzten Tarifvertrag oder einem Sonderarbeitsvertrag festgelegt sind, sondern er bearbeitet den Boden und züchtet das Vieh unter jenen natürlichen, unge- schriebenen Gesetzen, die einem die Natur unerbittlich und wnabänderlich vorschreibt, genau so, wie es schon beim Vater und Ur- ahnen der Fall war, wenn sich deren Arbeit, zum Teil auch unter anderen Formen und mit anderen Geräten abwickelte. Was sich hierbei änderte, ist höchstens die äußere Form, nie aber das innere Gesetz, das wir aber vielfach mit unserem Verstand übersehen oder gar vergessen haben. So ist der einzelne, seiner Berufung als Bauern- sohn folgend, in den Beruf ganz natürlich hineingewachsen, vom Kind zum Manne ge- reift, indem allmählich aus Spiel immer mehr Ernst wurde. Das Objekt des Spiels war beim Kinde aber dasselbe wie später das Objekt der Arbeit beim Bauern oder bei der Bäuerin. Des- halb ist auch im Grunde beim Bauern die Ar- beit wenn sie nicht infolge Uberbeanspru- chung zur Plage wird noch Freude und nicht etwas, man man gegen Entlohnung für andere tut. Die sich aus einem Arbeitgeber- und Ar-

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beitnehmerverhältnis ergebenden sozialen Span- nungen sind daher auch der Bauernarbeit und gemeinschaft an sich fremd, weil sie unnatür-

lich sind. Erst als der Knecht und die Magd als „Landarbeiter“ aus der Hausgemeinschaft aus- ‚geschlossen und in ein „Arbeitsverhältnis’ hineingestellt wurden, begannen diese Span- nungen.

Es greift auch normalerweise in das Leben Ges Bauern im Gegensatz zum Leben des Großstädters nicht täglich oder stündlich etwas ein, was den Ablauf seiner Lebensgesetze stört oder gar hindert. Vielmehr geht alles seinen natürlichen Gang. Jede empfindliche, ja sogar vernichtende Störung, wie Blitzschlag, Brand, Hagel oder Seuche, ist selbst ein Teil der Gesetzmäßigkeit der Natur und wird daher auch als solche mit einer Selbst- verständlichkeit hingenommen, die dem städti- schen Menschen unverständlich ist und ihn leicht veranlaßt, den Bauern gefühllos, ja roh zu finden, ihm also gerade das abzusprechen, was dem Städter selbst in Wahrheit am meisten fehlt.

Alles das ist es, was dem Bauern, dem bäuer- lichen Menschen überhaupt das ihm eigentüm- liche Rechtsempfinden bewahrt hat. Alles das ist es aber auch, das solchen Menschen Ruhe und Sicherheit, Stolz und Freude, Mut und Be- harrlichkeit, Selbstbewußtsein und Gemein- schaftsverbundenheit vermittelt. Das bäuerliche Rechtsempfinden ist daher engstens mit all den Werten gekoppelt, die das Leben des Bauern ausmachen. Ohne diese Lebenswerte hätte der Bauer nicht sein tiefes Gefühl für Recht und Unrecht. Und wenn ihm sein tiefes Rechts- empfinden abhanden käme, würden ihm diese Werte des Lebens erschüttert sein und das Dasein nicht mehr lebenswert erscheinen. Nur aus dieser Schau ist derewige Kampfdes Bauern um sein Recht zu verstehen. Indem der Bauer für sein Recht blutet, kämpft er um sein Leben. Tausende und aber Tausende von Bauern sind im Kampf um ihr Recht in den Bauernkriegen in den Tod gegangen, weil sie ohne ihr Recht nicht leben konnten. Wie es zu allen Zeiten war, so gibt es auch heute noch viele Bauern, die lieber ihren ganzen Hof verprozessieren, um ihr wirkliches oder ver- meintliches Recht zu verteidigen, als sich von ihrem Recht auch nur einen Deut nehmen zu lassen. Die Gegner aber versuchten, in diese Auffassung mit ihrem andersgearteten Geist einzudringen, indem sie den Satz aufstellten: „Ein Quentlein Gold wiegt mehr als ein Zentner Recht.“ Der wahre deutsche Mensch blieb aber seiner Auffassung treu, die ein alter Spruch bezeugt: „Das Recht ist so heilig, daß man es mit Kaufen nicht verunehren soll.‘ Viele Städter aber halten heute solche Bauern für dumm, die bis zum letzten um ihr Recht kämpfen, da sie nicht mehr wissen, daß der

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Bauer mitseinem Rechtsgeft und fällt. SES

Wenn man den Bauern in seinem | treffen, d.h. ihn vernichten will, brauct ihm also „nur“ sein Recht neh Das h aber anders gesehen, daß man dieses R die stärkste Kraft des Bauern u um ihn ganz unterzukriegen. Not, meng g mm wirtschaftliche Vernichtung, alles das b t de e deutschen Bauern und gerade so den ech n deutschen, Menschen nicht um, solar ge er sich sein Recht bewahrt, ihm sein Recht er erha a bleibt. Wir finden das in der Geschichte 15 deutschen Bauerntums immer wieder bestäti Nur ein Beispiel für viele: Einst forderten Bi als sie aus Deutschland auszogen, um Katharina der Großen in Rußland : lassen, in erster Linie ihr eigenes Recht. das bekamen und solange sie das aui mit ihnen bergauf, biologisch, wirtschaf kulturell. Als ihnen 1917 in der wistischen Revolution dieses arteigene genommen wurde, gerieten sie nicht nur wirt- schaftlich, sondern auch biologis Ze 5 o in Verfall. Diese auch durch das Ein hi “ksal manches deutschen Bauern im Reich k Erkenntnis ist ein wichtiger Schlusse! č sung der Frage der Neubildung und der N gestaltung unseres deutschen Bauerntun * Großdeutschen Reich.

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Diese Geschichte zeigt uns auch, daß | í ewigen Gegner des germanisch-deutschen M schentums entweder unbewußt aus gearteter Rassenseele oder aber der Kenntnis dieses Wesenskern des manisch-deutschen Menschen das Rechtsem den und das Rechtsbewußtsein des Ba 1 zerstören suchten. Diese Gegner Ge d wußten, daß nur auf diese Weise, aber so au um so sicherer, der deutsche Mensch zuv nichten ist. So zwangen sie dem Bauerntu Se Fremdrecht auf, das die lebensgesetzliche heit der Bauernhöfe mehr und mehr zersc = bis als letztes die Ideen der Französischen iR Revo lution dieses Zerstörungswerk germ chen Rechtsempfindens und Rechtsdenkens Y endeten und zu dem „Bürgerlichen“ tzb von 1900 führten, das den Namen „Bauer“ n einmal mehr kannte und lediglich den e deutschen Ländern überließ, für die GC Vererbung, also für die Erhaltung der B höfe, im gewissen Rahmen Sondervorsch zu erhalten oder neu zu erlassen.

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Wenn aber auf diese Weise d lie störung des bäuerlichen Rechts das Bauer an den Abgrund gebracht wurde, so wird es möglich sein, auf dem umge Wege durchdie Stärkung des bäu lichen Rechts wieder zu einer staltung des Landvolks zu "EB men, bei der ein freies und stolzes Bauern tum, bestehend aus starken Landvolkgeschlec end ) tern, wieder die Grundlage von Volk und 8

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bildet und das Fundament ist, auf dem allein eine hohe Kultur auf die Dauer ruhen kann. Das Recht ist somit ein Mittel, dessen sich die Politik bedient; eine feindliche Politik, um das Deutschtum durch Zerstörung seines. Rechts zu vernichten, eine deutsche Politik aber, um mit Hilfe des Rechts Volk und Staat zu beleben und zu ge- stalten.

So wie das „Bürgerliche Recht" das politische Mittel und der weltanschauliche Ausdruck der vergangenen liberalistisch-kapitalistischen ‚Staatsauffassung war, so wird das „bäuerliche Recht“ das starke Bindemittel zur Schaffung und Festigung des bäuerlich gesinnten und gesitteten Volkes mit einer ebenfalls bäuerlich denkenden und handelnden Staatsverwaltung des Großdeut- schen Reiches der Zukunft sein. Das eine muß doher bleibende Erkenntnis eines jeden Po- litikers werden: Es gibt keine politische Führung und Erziehung ohne das Recht und kein Recht ohne eine starke politische Macht. Das gilt vor allem auch für das Bauerntum und seine Füh- sung. Zur Neugestaltung unseres Landvolkes bedarf es daher seiner politischen Aktivierung nicht zuletzt mit Hilfe seines arteigenen Rechts.

So haben Recht und Gesetz im Dienste der Politisierung und Neugestaltung des Land- volkes zu stehen. Das vom Führer 1933 er- lassene Reichserbhofgesetz ist dafür ein schlagender Beweis. Während auf dem Gebiete der Judengesetzgebung und der Erb- gesundheitsgesetze zunächst vor Erlaß der ein- schlägigen Gesetze die Volksaufklärung zum größten Teil mit Hilfe der Propaganda ein- setzen mußte, um auf diese Weise das Volk politisch reif für diese Gesetze zu machen, ist das Reichserbhofgesetz dazu noch als das größte und wichtigste Rassegesetz bereits 1933 erlassen worden, um erst mit Hilfe dieses in Paragraphen gefaßten ursprünglichen bäuer- lichen Rechtsempfindens das Bauerntum poli- tisch zu aktivieren und zu erziehen. Denn zwei große Aufgaben stellt dieses Ge- setz dem Landvolk, indem es ihm zwei seiner seit vielen Jahrhunderten verlorengegangenen Rechte wiedergibt: erstens die Befugnis durch eigene Bauernführer sein Recht wieder -selbst zu gestalten und sich auf diese Weise selbst zu verwalten, und zweitens mit Hilfe eigener Bauernrichter wieder das Recht selbst zuschöpfen.

Selbstverständlich ist es nun notwendig, daß die gesamte Bauernführung diese Bedeutung des Rechts für das Landvolk und diese durch das Reichserbhofgesetz der Bauernführung ge- stellte große Aufgabe erkennt und tatkräftig anpackt. Diese Erkenntnis zunächst einmal zu fördern und zu vertiefen, muß vor allem Auf- gabe der NSDAP. mit Hilfe des Reichs- amtes für das Landvolk sein. Die tat- kräftige Erfüllung aber dieser mit dem Reichs- arbhofgesetz gestellten Aufgabe ist in erster

Linie Sache der Bauern und des gesamten Land- volkes selbst. Dazu sind folgende Wege zu beschreiten:

I. Stärkung des Rechtsempfindens und Rechtsbewußtseins durch bäuerliche Er- ziehung

Viele meinen, es sei heute nicht mehr mög- lich, den Bauern wieder allgemein dahin zu bringen, daß er zu dem stolzen, selbstsicheren Gefühl seines Wesens und zum Erkennen seiner Kraft kommt, das nicht zuletzt auf dem sicheren Rechtsempfinden beruht. Dazu ist zunächst mit aller Klarheit festzustellen, daß es weite Teile des Reiches gibt, in welchen das Landvolk diese Bedingungen auch heute noch erfüllt, weil dort noch echtes Bauerntum zu Hause ist. In diesen Gegenden gibt es noch genügend Bauern, die beste Führereigenschaften mit politischer Aufgeschlossenheit und einem eben- solchen Weitblick verbinden, wie es dort auch zahlreiche Jungbauern gibt, die alle Voraus- setzungen zum Jugendführer nicht nur in sich tragen, sondern diese Eigenschaften auch wirk- sam zeigen können, wenn sie die Waffe aus der Hand gelegt haben, die sie zur Zeit ebenso gut führen, wie sie bisher mit dem Pflug fest und sicher die heimatliche Scholle gebrochen haben. In diesen Gegenden fehlt es aber auch nicht an tüchtigen Bauernrichtern für unsere Bauerngerichte. Dort wird es keine Schwierig- keiten machen, geeignete Dorfrichter zu finden, die als Schöffenrichter wieder ein bäuerliches Recht schöpfen und im Ort lebendig werden lassen. Das hat die Vergangenheit gelehrt und wird die Zukunft noch bestätigen.

Es ist andererseits aber auch richtig, daB unser Bauerntum in einzelnen Teilen des Reiches wirtschaftlich so stark vernachlässigt, fast vernichtet worden ist und deshalb ohne eigene Schuld kulturell so weit zurückblieb, daß es kaum noch teilnimmt an unserem heu- tigen Kulturleben. Gleichzeitig weist es sogar biologisch teils einen Rückgang, teils eine Ent- artung auf, die, weiter um sich greifend, den nicht fernen Tod unseres gesamten Volkes be- deuten würde. Diese Entwicklung ist in jenen einst ebenfalls mit bestem Bauerntum besie- delten Gebieten zu beobachten, in denen die Verfälschung des Bauern- und Bodenrechtes die größten Zerstörungen angerichtet hat, in denen das Bauerntum laufend in großer Zahl seine besten Söhne und Töchter „zur höheren Ehre Gottes“ zum Aussterben in die Stifte und Klöster schickte oder in denen es unter dem Druck der kapitalistischen Entwicklung mehr und mehr den Landwirtschaftsbetrieb vom Standpunkt des Gelderwerbs aus betrachtete. In diesen Gebieten hat auch der Sog aus der Stadt seit 70 Jahren leichte Arbeit und zieht die wenigen noch aufstrebenden, d.h. die besten, aber auch die letzten Kräfte in die Großstadt. In diesen Gebieten will heute der

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Bauernsohn, nachdem er Soldat geworden ist, nicht mehr zurückkehren, predigen die eigenen Eltern den Kindern, daß sie nicht auf dem Lande bleiben, sondern es einmal besser haben sollen in der Stadt und in anderen Berufen, während ihnen selbst nichts anderes mehr übrig bliebe, weiter ihre Pflicht zu tun bis zur Abberufung aus diesem wahren Jammertal in ein besseres Jenseits. Wie schwer es ist, in diesen Gegenden mit unserer nationalsozialisti- schen Agrarpolitik Fuß zu fassen, weiß jeder, der dort einmal tätig war. Der weiß aber auch was viele noch übersehen —, daß dort nicht in erster Linie mit wirtschaftlichen Maßnahmen geholfen werden kann, weil selbst solche viel- fach auf Unverständnis stoßen. Dort hilft nureineBlutsauffrischungunddie seelische Zurückeroberung des deutschen Menschen, um das Gefühl wieder freizumachen für das trotz allem noch vorhandene, aber durch fremde Mächte ein- genebelte und durch die eigene Sorge und Not abgetötete bäuerliche Rechtsempfinden.

Hier brauchen wir in erster Linie die Jugend. So schwer durchführbar die nach- stehende Forderung dem einzelnen erscheinen mag: in diese Gegenden gehören unsere besten Lehrer als seelische Betreuer und Erzieher der Jugend. Hier muß von uns mit denselben ein- fachen, aber ansprechenden Mitteln gearbeitet werden, mit denen dort seit Jahrhunderten unsere Bauernjugend seelisch entgermanisiert wurde. Diese Mittel sind: Erfassung der jüng- sten Jugend durch Spiel und Gesang, wobei bewußt deutsche Art und das deutsche Wesen in bäuerlicher Form gepflegt werden muß. Der BDM. wird seine besten bäuerlich empfindenden Kindergärtnerinnen in diese Gegenden zu schicken haben. Nur eine auf diese Weise auf- geschlossene und deutsch erhaltene Kinder- seele ist in der Lage, in dem dann folgenden Schulunterricht, der ebenfalls in erster Linie auf das natürliche Empfinden und das gegen- ständliche Denken der Landjugend im Gegen- satz zu der zum abstrakten Denken neigenden Stadtjugend Rücksicht zu nehmen hat, die Bil- dung zu erfahren, die das Landvolk benötigt,

um den Einflüssen des so andersgearteten

Denkens der heutigen städtischen Welt wider- stehen zu können. Hierbei muß das gesunde Rechtsempfinden bewußt gepflegt werden. Das ist schon in frühen Jahren durch eine anschauliche Darstellung der Be- deutung unseres bäuerlichen Rechts, vor allem des Erbhofrechts, für den einzelnen Bauernhof und darüber hinaus für das ganze Landvolk möglich. Für das bäuerliche Fühlen und Denken des deutsch-germanischen Menschen ist das Recht etwas ebenso Göttliches wie das Leben selbst, weil es ein untrennbarer Bestandteil des Lebens des einzelnen und des ganzen Volkes ist.

Erste Voraussetzung einer solchen Erziehung unserer Landjugend ist natürlich die Auswahl

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und Heranbildung hierfür geeigneter Erzieher. Es darf daher keine Lehrerbildungsanstalt, keine Hochschule versäumen, den künftigen Dorflehrer und Erzieher unserer Jugend auf die Notwendig- keit der bäuerlichen Rechtserziehung hinzu- weisen. Daher muß auch der Erziehernachwuchs über die Fragen des bäuerlichen Rechts, seiner Bedeutung, insbesondere aber des Erbhofgedan- kens und seines Rechts gründlich aufgeklärt werden. Die Dinge werden sicher langsam wachsen und reifen müssen. Wir müssen aber nunmehr erkennen, daß hier ein reiches Be- tätigungsfeld für Erziehungsfachleute ist, das wohl deshalb wie so manches Feld unserer Landvolkbetreuung solange brachgelegen

hat, weil es in den diese Fragen bearbeitenden

Zentralen in unserem verstädterten Staat vor 1933 an den bäuerlichen Menschen gefehlt hat, die diese Dinge klar sahen. Soweit diese aber vorhanden waren, konnten sie ihre Erkennt- nisse nicht in die Tat umsetzen, weil es viel- fach im heutigen Landvolk selbst an dem nötigen Verständnis noch fehlte. .

Die Landjungen und Landmädel, die so bereits ir dem Kindergarten erfaßt und in der Dorf- und Hauptschule geformt und gebildet wurden, wer- den das ist meine feste Überzeugung den auf die Jugend eindringenden ganz anders ge- arteten Einflüssen der Stadt nicht mehr unter- liegen. Aber auch später dürfen wir unsere Landjugend noch nicht aus der Hand lassen, denn sie soll ja nicht nur vorm Verdorbenwerden geschützt werden, sondern soll den Sauerteig bilden, der eine Verländlichung unserer ganzen Gesinnung und Gesittung be- wirkt. Es muß daher in der Hitler-Jugend auf dem eingeschlagenen Wege ebenso weiter garbeitet werden wie im Arbeitsdienst und in der Wehrmacht, wobei diese Nacherziehung sich jedoch mehr auf die geistige Schulung der be- treuten Menschen erstrecken wird, ohne daß aber die seelische Beeinflussung im bäuerlichen Sinne unterlassen werden darf. Und wenn dann in den Bauernschulen und Bauernführerschulen der so gebildete Mensch weiter in diesem Sinne ausgerichtet wird, dann wird keine Macht in der Lage sein, unser Bauerntum erneut anzukränkeln oder zu zerstören. Im Gegenteil, dann wird unser Landvolk die Kraft haben, sich durchzusetzen und das Wesen von Volk und Staat zu bestim- men, so wie das Bürgertum der Stadt einem ganzen Jahrhundert den Stempel aufdrückte. Die Hauptforderung ist daher: Bäuerlicher Rechisunterricht in allen Schulungsstätten und Bildungseinrichtungen zur Stärkung des Rechts- empfindens und zur Schulung des Rechtsbewußli- seins unseres Landvolkes und damit unseres Gesamtvolkes. Diese Forderung wird vor allem im Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs- werkes erhoben und durchgesetzt werden müssen.

Doch nicht allein in der Schule ist diese Arbeit zu leisten. Die beste Schule ist

nach wie vor das Leben selbst. Das ganze Leben auf dem Dorf muß wieder durch- drungen sein von bäuerlichem Rechtsfühlen und Rechtsdenken, wie es bis zum vorigen Jahrhundert vor Einsetzen der großen Zer- störung unseres Brauchtums durch die falsche Beeinflussung und Erziehung des Landvolkes in den vielen Festen und Spielen auf dem Lande selbstverständlich war. Dieses ist bei der kul- turellen Aufrüstung unseres Dorfes, also vor allem bei der Feiergestaltung zu beach- ten. Keine Reden und Vorträge über das bäuer- liche Recht fehlen uns, sondern Feste, Feiern und sonstige Handlungen als Ausdruck des bäuerlichen Rechtsempfindens tun uns not. Neben dem alten Brauchtum, das, soweit es heute noch im Landvolk in seinem urtümlichen Sinne lebendig ist und in seiner Form in unsere Zeit paßt, sorgsam gepflegt werden sollte, wird ein neues Brauchtum wachsen müssen. Und es wird wachsen, wenn die bäuerliche Seele durch richtige Beeinflussung wieder aufgeschlossen worden ist. Wir müssen nur die ersten Pflanzen dieses neu entstehenden Brauchtums sorgsam hüten, sie vor der Ver- nichtung retten, die Unverstand aber auch der böse Wille unserer Gegner ihr anzutun drohen. Auch das Unkraut, das hier in über- reichem Maße zu sprießen beginnt, müssen wir rechtzeitig erkennen und gleich mit der Wurzel ausreißen, ehe es treibt und Früchte trägt. Die Förderer bäuerlicher Lebensgestaltung werden hier einen wachen Sinn für das Rechtsempfin- den des Landvolkes haben und sich selbst wenigstens in großen Zügen in dieses Recht einleben müssen.

Nur wenige praktische Beispiele seien hier zur Verwirklichung dieser großen Forderung genannt: Neben der „Hochzeit“ ist im Leben des Bauern die Übergabe seines Hofes auf den Sohn, auf die Tochter oder den sonsti- gen Anerben das wichtigste Ereignis seines Lebens. Meist fällt diese Hofübergabe mit der

Hochzeit des den Hof übernehmenden Anerben `

zeitlich zusammen. Beides soll sogar zusammen- fallen. Dieser Rechtsakt der Hofes- übergabe hat daher auch ebenso in feierlicher Form zu erfolgen wie dieHochzeit, da sich durch die Übergabe des Hofes der Sinn des Bauernlebens erfüllt: Der Hof geht auf die kommende Generation der Hofessippe über. Die vergangene Zeit hat diese Handlung zu einem nüchternen juristi- schen Akt gemacht mit einem juristisch ver- klausulierten notariellen UÜbergabevertrag, der in seiner juristischen Ausdrucksweise nicht mehr in erster Linie für den Bauern und seine Sippe, sondern für die Grundbuchjuristen ab- gefaßt zu sein schien. Dabei waren viele Klau- seln und juristische Spitzfindigkeiten seit dem Einbruch des „bürgerlichen“ Rechts aus ge- sunder Abwehr des Bauern deswegen nötig, weil dieses unbäuerliche „bürgerliche“ Recht den Ubergabevertrag gar nicht mehr kannte und

dieser daher in die Zwangsjacke eines Kaufver-.

trages gezwängt werden mußte. Durch das Reichserbhofgesetz ist nun seit zehn Jahren der Weg wieder frei, zu einer bäuerlichen Abfassung des Übergabevertrages durch die Rechtswahrer zu kommen. Möge auch hier mit Hilfe der Erziehungsarbeit des NS.- Rechtswahrerbundes die nötige Aufgeschlossen- heit bei allen Rechtsanwälten und Notaren da sein. Die Anregung zu einer Familien- und Sippenfeier anläßlich der Übergabe liegt aber bei der Führung des Landvolkes. Wie solche Feiern zu gestalten sind, soll und muB das Leben und der gesunde Sinn des Landvolkes selbst entscheiden.

Ein zweites Beispiel: Wenn eine Sippe so kinderarm geworden ist, daß ein Erbhofbauer ohne eigene bauernfähige Abkömmlinge, Ge- schwister oder Geschwistersöhne stirbt, so be- stimmt nach den Regeln des Reichserbhof- gesetzes der Reichsbauernführer den Anerben, es sei denn, daß der Bauer selbst eine ent- sprechende Verfügung von Todes wegen vor- genommen hat. Eine solche übrigens häufig vorkommende Bestimmung des Anerben aus dem Kreis entfernter Verwandter, nach Mög-

lichkeit eines Namensträgers des Verstorbenen

oder auch nur eines Blutsverwandten, der sich besonders durch Leistung und Kinderreichtum ausgezeichnet hat, oder gar eines ganz Sippen- fremden, nimmt der Reichsbauernführer durch Ausstellung einer Urkunde vor. Die Uber-

reichung dieser Urkunde erfolgt im Auftrage

des Reichsbauernführers bisher durch den zu- ständigen Kreisbauernführer. Dieser Akt der Verleihung mit einem Erbhof drängt geradezu dahin, eine Feier des Dorfes auszulösen, weil ja die ganze Dorfgemeinschaft davon berührt wird, wenn in dem Dorf ein neues Bauerngeschlecht mit einem Erbhof verwurzelt wird. Nichts ist so geeignet, wie eine derartige Feier, dem Bauern der Gemeinde den Sinn und die Be- deutung des Reichserbhofgesetzes sinnfällig vor Augen zu führen, ja ihn selbst durch seine An- wesenheit und Handlung teilhaben zu lassen an solchem bedeutungsvollen Rechtsakt. Und wenn kein Mensch im Dorf mehr von einem im Dorf über das Reichserbhofgesetz noch so gut gehaltenen Vortrag sprechen wird, dann werden alle noch lange lebhaft davon er- zählen, durch welch schöne Feier der Bauer X. durch Uberreichung der Urkunde des Reichs- bauernführers für alle Zeiten mit seinem Erb- hof verbunden und dadurch in die Dorfgemein- schaft aufgenommen wurde. Die Ausgestaltung der Feier und damit des Rechtsaktes richtet sich auch hier wieder nach den örtlichen Ver- hältnissen und vor allem nach der Aufge- schlossenheit der Bauernführer und der Dorf- gemeinschaft selbst.

Wieweit es neben solchen rechtlich bedeut- samen Feiern möglich ist, durch Einführung des Wortes „Erbhofbauer oder durch ein an

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das Bauernhaus anzubringendes passendes Erb- hofzeichen oder durch sonstige Dinge den Erb-

hofgedanken und das Erbhofrecht zu beleben

und zu vertiefen, wird die weitere Entwicklung der bäuerlichen Lebensgestaltung auf dem Dorfe zeigen müssen. Wir können dieser Entwicklung nur Antrieb und Richtung geben. Das aber müssen wir tun. l l

II. Ausbau und Stärkung der bäuerlichen Selbstverwaltung ,

Die zweite Möglichkeit, das Recht im Land- volk wieder lebendig werden zu lassen und es als Mittel zu dessen politischer Belebung einzusetzen, liegt in der bäuerlichen Selbst- verwaltung. Denn Selbstverwaltung ist nichts anderes als Klarlegung und Betäti- gungdereinerGemeinschaftinne- wohnenden Ordnungsgesetze aus dem Wesen und durch eigene Or- gane dieser Gemeinschaft. Sie ist daher Rechtsgestaltung im Sinne der Ordnung der eigenen Verhältnisse einer solchen Ge- meinschaft aus Kenntnis der praktischen Ge- gebenheiten unter Berücksichtigung der poli- tischen Notwendigkeiten. Weil dem so ist, ist die Selbstverwaltung die beste Art der Führung und Gestaltung des Land- volkes. Denn es liegt vor allem im Wesen des deutsch-germanischen Menschen begrün- det und daher am deutlichsten beim Bauern erkennbar —, daß er neben einer starken Be- tonung der Einzelpersönlichkeit, besser gesagt gerade deswegen, ausgesprochen gemeinschafts- verbunden ist. Das ist eine Eigenschaft, die dem bäuerlichen deutschen Menschen genau so innewohnt wie das starke Rechtsempfinden und die auch wieder in diesem sicheren Rechts- gefühl und damit im Leben des Bauern selbst ihren Grund hat.

So ist die bäuerliche Selbstverwaltung am - besten dazu angetan, den Bauern, der nach Mög- lichkeit in seinem Rechtsfühlen und -denken gestärkt und geschult wurde, das Recht seiner eigenen Gemeinschaft selbst gestalten zu lassen. Der Bauer selbst muß so durch eigene bäuerliche Rechtsgestaltung die Gemeinschaften ordnen, zu denen er gehört. Auf diese Weise ist auch die beste Gewähr gegeben, daß nicht unnötig Ge-

meinschaften „organisiert“ werden. Denn dort,

wo das Bauerntum noch wesensecht und der ein- zelne noch eine starke Persönlichkeit ist, besteht gewachsene Gemeinschaft, die nicht erst organi- siert oder gepredigt werden muß. Dort aber, wo diese Gemeinschaft nicht mehr besteht, kann sie mit Hilfe einer Organisation nur dadurch ge- fördert werden, daß die Organisation als Selbst- verwaltungseinrichtung dem Bauern einen neuen Ansatzpunkt seiner Betätigung bietet. Der Bauer selbst aber muß die durch die Organisa- tion geschaffene Form mit einem wesensechten

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Inhalt füllen und durch seine eigene Selbstver- waltung so die Gemeinschaft bilden, deren er zur Erfüllung der ländlichen Gemeinschaftsauf- gaben bedarf.

So ist es klar, daß die gesamte Organi-

‘sation des Landvolkes, „der Reichsnährstand“,

sich der Selbstverwaltung bedienen muß und auch bedient, wenn diese Organisation dem bäuerlichen Wesen und der Form entsprechen will und mit dem rechten bäuerlichen Geist ausgestaltet werden soll. Der Reichsnährstand ist daher wegen der zu erfüllenden staatlichen Aufträge und Aufgaben zwar eine Körper- schaft des öffentlichen Rechts, aber eine solche

der Selbstverwaltung, die vom Bauern selbst

geführt wird. Es ist das für die Entwicklung unseres Landvolkes von grundsätzlicher Be- deutung. Hätte man nicht die Form der Selbst- verwaltung gewählt oder würde man sie in Zukunft verlassen, so wäre es nicht möglich. das gesamte Landvolk als eine große Gemein- schaft zu den Leistungen zu bringen, die es zum Beispiel in der Erzeugungsschlacht vor und während des Krieges vollbracht hat und die es weiter vollbringen wird. Man muß sich darüber klar sein, daß der wahre Grund dieser großen Leistung deswegen in der Selbstverwaltung liegt, weil durch diese der Bauer selbst die Ge- meinschaft führt, d. h. er selbst die Ordnung und das Recht gestaltet und die Verantwor- tung für die Durchführung der lebenswichtigen Aufgaben trägt.

Es wird daher notwendig sein, den Ortsbauern- führer, den Kreisbauernführer und Landesbauern- führer als selbstverantwortlich tätige Bauern für alle Zeiten ehrenamtlich als Führer der Gemein- schaft des Landvolkes zu erhalten und diese ehrenamtlichen Bauernführer ständig in ihrer Führungsaufgabe zu stärken und zu festigen, genau so, wie die deutsche Gemeinde als lei- stungsfähige Gemeinschaft nicht denkbar ist, wenn man die ihr vom Freiherrn vom Stein gegebene Form der Selbstverwaltung nähme.

Die Selbstverwaltung darf sich dabei nicht nuraufdiegroße Gemeinschaft des gesamten Landvolkes beschränken. Sie muß auch dort bleiben, wo in nicht so um- fassenden Gemeinschaften Sonderaufgaben oder kleinere Aufgaben durchzuführen sind. Das gilt für alle die Organisationen öffentlich-recht- licher oder privater Natur, die sich mit wirt- schaftlichen Fragen beschäftigen, also z.B. für die Wirtschaftsverbände mit den Hauptvereini- gungen, für die Genossenschaften, für die Zuchtverbände, die Maschinengemeinschaften und alle sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, ebenso wie für die Gemeinschaften auf den anderen, insbesondere kulturellen Gebieten des ländlichen Lebens, die bereits bestehen oder aus dem Leben des Landes, besonders im Rahmen der Aufrüstung des Dorfes noch er-

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Weihnachtstanne im Schnee

wachsen werden. Alle die großen und kleinen Gemeinschaften werden sich selbst führen und tragen und ihr Recht aus eigener Kraft und aus eigenem Wesen gestalten durch eigene bodenverwurzelte und damit dem ländlichen Beruf verbundene Menschen, von denen der alteingesessene Erbhofbauer als Glied seiner Sippe der klarste und reinste Vertreter des Landvolkes sein muß und für alle Zukunft sein wird.

Auf diese Aufgaben das Landvolk geistig vor- zubereiten und auszurichten, ferner alle Maß- nahmen zur Verwirklichung dieser Aufgabe ein- zuleiten, ist Führungsaufgabe des Reichsamtes für das Landvolk, das sich zur Verwirklichung dieses Zieles in erster Linie der Seibstverwal- tungsgemeinschaft des Landvolkes bedienen muß. Das heißt nicht etwa das Landvolkin größere oder kleinere Gemein- schaften zersplittern. Dadurch wird vielmehr die Kraft des einzelnen so auf ein Ziel und in einem Sinne ausgerichtet, daß jeder einzelne und jede einzelne Gemeinschaft an besonderer Stelle die Sonderaufgaben aus der gleichen Haltung und dem gleichen Bestreben meistert und so zu dem festen und stolzen Bau des deutschen Landvolkes einen haltbaren Bau- stein liefert. Das von den einzelnen Bauern- führern und der einzelnen Gemeinschaft im Rahmen dieser Aufgaben selbst gestal- teteRechtaberistdasBindemittel, das all die vielen Gemeinschaften zusammen- hält zu diesem stolzen Bau, der die Grundlage des Großdeutschen Reiches sein muß und sein wird.

Ul. Die Rechtsschöpfung in bäuerlichen Sondergerichten

In diesem Bau aber muß und soll das Land- volk nicht nur durch eigene Verwaltung selbst Ordnung schaffen und halten, sondern auch bei Störung der Ordnung, vor allem bei Streit, das Recht selbst schöpfen und sprechen. Als drittes und. bedeutsamstes Mittel, sich des Rechts im Landvolk zu seiner politischen Betätigung und Behauptung zu bedienen, ist daher die Recht- sprechung in eigenen bäuerlichen Sondergerich- ten zu nennen. Hierüber ist im einzelnen des- wegen am wenigsten zu sagen, weil die Bauern- gerichte selbst als Anerbengerichte bereits seit zehn Jahren, aber auch als Landbewirtschaf- tungsgerichte und Pachtämter ihre Bedeutung

für das Bauerntum und das gesamte Landvolk

in immer steigendem Maße unter Beweis ge- stellt und dabei ihre Kraft bewiesen haben, sich im Landvolk selbst durchzusetzen und wieder die Anerkennung zu gewinnen, die von jeher das Landvolk seinen eigenen Gerichten gezollt hat. i

Es will schon etwäs bedeuten, daß in rund 2000 bäuerlichen Sondergerichten das Erbhof-

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recht unter maßgebender Mitwirkung der Bauern selbst gesprochen wird. Nicht nur weil damit die Gewähr gegeben ist, daß das Recht sich nicht vom wahren bäuerlichen Leben entfernt und so lebensfremd oder gar bauernteindlich wird, wie wir es in der vergangenen Zeit des „bürgerlichen“ Rechts so häufig erlebt haben. Wichtiger ist, daß das Landvolk selbst auf diese Weise wieder Vertrauen zu dem Rechtundzu den Gerichten bekommt und ebenso stolz auf diese seine eigenen Ge- richte wird, wie es als höchste Ehre für den Erbhofbauern angesehen werden muß, als ehrenamtlich tätiger Richter in ein solches Ge- richt für einige Jahre berufen zu werden. Man muß selbst die Entwicklung einzelner Bauern als Bauernrichter erlebt haben, um mit aller Deutlichkeit zu erkennen, welch persönlich- keitsbildende Kraft für das Landvolk und seine einzelnen Vertreter in der Betätigung mit dem Recht vor allem. als Rechtsschöpfer und als Rechtssprecher liegt. Eine ganz wesent- liche Aufgabe der Bauernführung muß es dabei sein, dafür Sorge zu tragen, daß wirklich nur beste Bauern und Landwirte als Richter in diese Bauerngerichte, Landbewirtschaftungsgerichte und Pachtämter berufen werden, und daß die Berufenen alsdann ständig so mit ihrer Auf- gabe vertraut gemacht werden, daß in diesen Gerichten nur Bestes geleistet wird. Auch hier ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und so erstaunlich einzelne und zwar gar nicht wenige Bauern in ihrer Tätigkeit als Richter hervorragen, so sehr ist bei einer

großen Anzahl doch nötig, sie in ihre neuen

Aufgaben einzuführen, da ja die vergangene Zeit in der Ausbildung des Bauern nichts getan hat, um ihn auf das Amt eines Richters vorzu- bereiten, im Gegenteil, ihn systematisch von seinem Recht, dessen Gestaltung, Schöpfung und Sprechung seit Jahrhunderten entfernt hat.

Wenn man so Recht und Politik im Hinblick

auf unser Landvolk und seine Erhaltung und,

Förderung sieht, so schließt sich der hier aut- gezeigte zwingende Weg zu einem Kreis: Er- ziehung zum Recht von der jüngsten Jugend angefangen durch Stärkung des Rechtsempfindens und Schulung des Rechts- verständnisses; Betätigung und Gestal-

tungdesRechts durch das Landvolk selbst in den Gemeinschaften, besonders durch die.

bäuerliche Selbstverwaltung; als Höchstes end- lich die Schöpfung und Sprechung des Rechts im Bauerngericht als sicht- ‚barster Ausdruck der Stärke und Kraft eines in sich selbst ruhenden und sich selbst ver- trauenden Landvolkes. Durch diese praktische Rechtsbetätigung aber wächst in Zukunft auf dem Lande die Jugend, geführt und geleitet durch die Erziehung, von selbst in ihre großen

Aufgaben hinein, um für alle Zeiten sich das.

Recht als politisches Gestaltungsmittel zu be- wahren.

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Bäuerliche Zustände studieren, heißt Geschichte studieren. Die Sitte des Bauern ist ein lebendiges Archiv, ein historisches Quellenbuch von unschätz- barem Wert. H. Riehl

ie deutsche Geschichtswissenschaft hat dem deutschen Bauerntum trotz der Mahnung Riehls in der verflossenen Zeit nicht immer die Beachtung geschenkt, die ihm gemäß seiner Stellung in unserem Volkskörper zukommt. Die Wissenschaft hat zwar festgestellt, daß das Bauerntum der Urstand unseres Volkes ist und

daß die Vorfahren fast aller Städter erst in den

letzten hundert Jahren vom Dorfe in die Stadt abgewandert sind, trotzdem ist aber die Bauern- tumskunde und Dorfgeschichtsforschung eines der Stiefkinder der deutschen Wissenschaft ge- blieben. Das liegt wohl vor allem an der Tat- sache, daß man häufig genug den aktiven Anteil des Landvolkes an der Geschichte unterschätzte, weil es nur selten auf dem politischen Parkett oder im großen Welttheater auftrat, und seine kulturellen Leistungen ganz beiseite schob. Bis in die jüngste Vergangenheit glaubte man viel- fach, Kultur sei nichts weiter, als die Summe der Wissenschaften und Künste, wie sie das Bür- gertum des 19. Jahrhunderts in seinen Städten entwickelt hat. Wir wissen heute, daß dies nicht die alleinigen Kulturwerte unseres Volkes sind, sondern oft lediglich die Ausdrucksformen einer Kulturtechnik und einer zuweilen sogar kultur- feindlichen Zivilisation, die die breiten Schich- ten aus dem Bereich der eigenschöpferischen und selbstgestaltenden Kultur hinausdrängt in die große Masse der Kulturverbraucher, die häufig nur das für Kultur hält, was ihr als Aus- drucksform einer nivellierenden Zivilisation ge- boten wird.

Erst die nationalsozialistische Weltanschau- ung hat mit dem deutschen Volksbewußtsein auch das Volkstum neu geweckt und umfas- senden Inhalt des Begriffes Kultur wiederher- gestellt. Wir wissen jetzt, daß wir deutsche Kultur auf allen Gebieten des gestaltenden Lebens antreffen und nicht zuletzt in der Eigen- ständigkeit unseres Bauerntums und in dem Lebenskreis unserer Dörfer finden. Wir dringen in die Vergangenheit unseres Volkes und ge- winnen Einblick in das Werden und Wachsen unserer Kultur, wenn wir neben dem rassisch blutsmäßigen Erbe auch den Einfluß der Landschaft auf die menschliche Entwicklung

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zwischen Mensch und Dorf zu streben;

darum schon mancher gedacht CR

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beachten. Jede Landschaft ist zwar Au asdrui der Gestaltungskraft des Menschen und deutsche Landschaft in besonders hohem M Aber wesentlich sind auch die Kräfte, die gekehrt der Mensch aus der Verbind ng J dem Boden und mit seiner Heimat zieht.

gends sind diese Beziehungen so biz

deutschen Dorf und so fruchtbar wie schen Bauerntum. Hier,erwuchs und e echte deutsche Kultur, die tief wurze gånzen Sein ihrer Träger, aus den Urkrö te deutschen Volkes quillt. Es ist GEBE gabe einer Dorigeschichte, nach der E der Beziehungen zwischen Volk und E

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diesen Wechselwirkungen beruht die E und der Wert des bäuerlichen Beitra deutschen Kultur, dessen entscheidene tung für die gesamte deutsche Kul lung erst durch den Nationalsozialisz deutschen Volke wieder voll zum Be gebracht worden ist. f

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Erst wenige Dorfmonographien * : Frage nachgegangen. Die Mehrzahl der geschichtlichen Arbeiten bietet kaum m als einen Abklatsch der PRS geschichte unseres Volkes im Spiegel Dorfes und geht an seinen kulturgeschich Denkmälern und Eigenwerten vorüber., ist doch so wenig los, wie in unserem

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Sprochen, Er meinte dann entweder,

nie ein entscheidendes bn, hier abgespielt habe, oder dachte unter e fluß der städtischen Zivilisation an die fi hle Zerstreuungen, die ja unbestritten - Städte in viel größerem Maße bieten. Er v aber alles, was viel wesentlicher ist, Inhalt eines Menschenlebens ausmacht, . Naturgeschehen, im Schaffen und Werk ten d Leben und Sterben, im Kommen und Ge Generationen die Menschen deen und das Gesicht unseres Volkes formt, a was an deutscher Kultur gerade im deu Dorf entstanden und lebendig gebliek Richtet er aber erst einmal seine A ks al keit auf diese Kernfragen menschlich: Werdens, so wird mitten in der Welt d fällig Bedingten in der tagverhafteten, oft n ternen Zuständlichkeit dörflichen Dasein

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Tor aufgebrochen in eine andere Welt, in die der Zeit enthobenen, in sich notwendigen und sinnbedeutenden deutschen Kultur.

Wenn unsere Dörfer auch scheinbar arm sind an historischen Denkmälern, wie sie der Dehio oder der Baedecker verzeichnen, so finden wir doch in und an ihren Häusern manch beachtens- wertes Kunstwerk und Kultürzeugnis. Es gibt mancherlei verborgene Kunstwerke abseits von den verkehrsreichen Straßen, die, fast in der Landschaft vergraben, nur der Heimatkundige finden kann. Aber im.

Grunde ist ja jedes Kunstwerk etwas Verbor- .

genes. Hinter dem optischen Eindruck verbirgt sich noch vieles und erschließt sich nur dem, der dafür, aus seiner Alltagswelt heraustretend, seinen inneren Blick öffnet. Verstehen wir es als Zeugnis der Landschaft und der Menschen, die es gestalteten und deren Nachfahren es noch heute, wie seit altersher anspricht, dann verspüren wir etwas von der Kraft deutscher Kultur. Das noch von der Landschaft und von dem Volkstum seines Entstehungsraumes um- schlossene Kunstwerk hat daher vor dem Mu- seumsstück etwas Unersetzbares voraus: es hat

seine eigene Atmosphäre, seine geschichtliche

Tıefe, eg ist etwas auf dem Wurzelboden Ge- wachsenes und kann gerade im deutschen Dorf als alle Zeiten überdauernde Verdichtung einer bis in das Heute reichenden Welt erfaßt werden. Schon allein deshalb ist der Besuch von Dörfern und alten Bauernhöfen, in denen die Kulturgüter noch mitten im ländlichen Leben stehen, wesent- licker und wirksamer als der Besuch von Hei- matmuseen.

Neben die ewigen Zeugen deutscher Kultur in unseren Städten dürfen wir die Bauern- häuser mit Fug und Recht als gleichwertige Zeugnisse deutscher Baukunst stellen. Als schöpferische Arbeiten unzähliger namenlosen Baumeister und als Gemeinschaftsleistungen von Generationen sind sie im Laufe eines Ent- wicklungsprozesses von vielen Jahrhunderten entstanden. Denken wir an den gewaltigen Bau des Niedersachsenhauses, den wuchtigen Vier- kanter in den Donaugauen, das fröhlich aus- schauende südbayrische Haus oder an das be- häbige mitteldeutsche Fachwerkhaus, um nur einige der wichtigsten deutschen Hausformen zu nennen! Ihr Formenreichtum und ihre Schön- heit sind nicht zuletzt in ihrer durch lange Zeit- räume ausgebildeten Zweckmäßigkeit begrün- det. Der dörfliche Baumeister schuf sie mit dem heimischen Werkstoff aus dem urtümlichen Bau- und Formwillen der Gemeinschaft heraus, der sich je nach Landschaft, stammesmäßiger Eigenart und Wirtschaftsweise zwar verschieden äußerte, aber doch immer von der großen künstlerischen, technischen und handwerklichen Begabung, kurz von der kulturellen Haltung des Dorfes und seiner Bewohner zeugte. Im Bauern- haus selbst gilt es den Blick zu öffnen für die Schönheit und Sinnfälligkeit, die im alten

bäuerlichen Werkgüt verkörpert ist, in alten Möbeln und vielen Handarbeiten, eben beim ganzen Hausrat und allem, was die Eigenstän- digkeit und den Wert alter dörflicher Wohn- kultur ausmacht. Das eigene Haus ist der Lebens- raum für die Gemeinschaft der dörflichen Fa- milie und es verbirgt uns die Entfaltung und Überlieferung arteigener Lebens- und Kultur- formen won Generation zu Generation.

Bei den greifbaren Kulturdenkmälern im deut- schen Dorf, zu denen neben den Bauernhäusern auch schriftliche Überlieferungen, Urkunden oder Akten gehören, werden wir in den meisten

. Dörfern nicht weit über die Zeit des Dreißig-

jährigen Krieges hinauskommen. Nur die Dorf- kirche weist als Baudenkmal oft in das Mittel- alter hinein. Auch sie und mag sie noch so klein und unscheinbar sein verdient unsere besondere Beachtung. Sie ist zwar zumeist kein, geschlossenes und stilechtes Werk genialer Bau- meister und Bauhütten, wie viele ihrer alten Schwestern in der Stadt, aber als eine Gemein- schaftsleistung des. dörflichen Handwerks und überhaupt des ganzen Dorfes, das im wahrsten Sinne des Wortes die Bausteine herzutrug, auch eine Ausdrucksform der Gemeinschaftshaltung des Dorfes. Das gleiche gilt von den dörflichen Rathäusern und Gerichtslauben, die wir in vielen Gegenden unseres Vaterlandes an-

treffen. Die Dorfkirchen sind zum nicht geringen

Teil auf alten, von Wällen umgebenen vorchrist- lichen Kultstätten, die gleichzeitig Zufluchts- stätten bei Gefahr waren, gegründet und waren

oft bis in die Neuzeit hinein als einziges festes

Gebäude im Dorf mit ihrem trutzigen Turm der beste Schutz in unruhigen Zeiten. Wir dürfen hier nicht nur an die Kirchenburgen der Volks- grenze im Südosten denken, auch sonst finden wir in vielen deutschen Landschaften die Kir- chen von festen Mauern und Gräben umgeben und das Kirchengebäude selbst inmitten des Kirchhofringes wehrhaft ausgebaut. |

Die Dorfgeschichtsforschung darf aber bei der Suche nach Kulturdenkmälern ihr Augenmerk nicht nur auf das Dorf und seine Gebäude selbst richten, sie muß auch in die Flur hinaus- gehen. Da findet sie häufig genug schon an der Dorfeinfriedung Reste der alten Dorfbefesti- gung, sei es beispielsweise eine dichte Hecke, ein Wall mit Graben oder eine feste, das Dorf

- umschließende Scheunenreihe. Konnten diese

Befestigungen auch nicht dem Ansturm größerer Truppenmassen widerstehen, so boten sie doch sicheren Schutz gegen die im Lande herum- ziehenden Marodeure, die ständige Begleit- erscheinung der Söldnerheere der Vergangen- heit, eine Plage, unter der naturgemäß das flache Land besonders zu leiden hatte. Den gleichen Zweck hatten in unruhigen Zeiten auch die Landwehren, denen wir oft an den Grenzen der Dorffluren begegnen. An den Feldrainen liegen oder stehen häufig kunstvoll gefertigte Grenz- und Kreuzsteine, hier finden wir auch

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Reste von Wallburgen, von alten frühgeschicht- lichen Ding- und Versammlungsstätten, die teil- weise auch Fliehburgen in Kriegszeiten waren. Fast in jeder Flur lassen sich Wüstungen nach- weisen und zuweilen berichtet nur noch ein dornenheckenbestandener Steinhaufen von dem Schicksal einer aufgegebenen Siedlung.

Hier in der Dorfflur erleben wir vor allem das größte Geschenk des deutschen

Bauerntums an unser Volk, die deut-

sche Kulturlandschaft. Deutschem Bau- ernfleiß ist es aus seiner Naturverbundenheit heraus gelungen, aus der ursprünglich vorherr- schenden Waldlandschaft eine Feld-Wald-Land- schaft zu gestalten, die den Nahrungsbedürfnis- sen einer dichten Bevölkerung gerecht wird und gleichzeitig durch ihren Reichtum an Baum- beständen der verschiedensten Art SE dem naturbedingten Wesen der deutschen Landschaft zeugt, gegen dessen Gesetze, ohne die Frucht- barkeit des Bodens zu gefährden, nicht ver- stoßen werden darf. Diese deutsche Kulturland- schaft stellt sich in ihrer Schönheit ebenbürtig

neben ihren Antipoden, die von Menschenhand

noch nicht berührte Wildlandschaft.

Wir dürfen bei der Betrachtung der Kultur- denkmäler im Dorf und seiner Flur nicht bei den an der Oberfläche greifbaren Dingen stehen- bleiben, noch unendlich größer ist die Fülle dessen, was wir hier an unsichtbaren und doch nicht weniger lebendigen Werten entdecken können. Fast alle deutschen Wissenschafts- disziplinen haben hieraus ihre Erkenntnisse ge- wonnen. Die deutsche Frühgeschichts- wissenschaft baut, um hier zu beginnen, ihr ganzes Lehrgebäude auf den Funden auf, die Jahrtausende im deutschen Boden lagen, die durch Grabungen in den Fluren deutscher Dörfer neu zutage treten und die uns der frühgeschicht- liche Mensch als letzte Reste und Hilfsmittel zur Erforschung seiner Rasse und seines Lebens- stiles zurückgelassen hat. Hier gewinnen wir Einblicke in die besondere Art dörflicher Sied- lungsweise unserer germanischen Vorfahren und in die Höhe ihrer rein bäuerlich bestimmten Kultur. Nur mit Hilfe der Spatenforschung kann die dörfliche Kulturgeschichte so weit in die Vergangenheit zurückgreifen.

Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß dieser einmal aufgenommene Faden ohne Unter- brechung fortgesponnen werden muß, über die Zeit der germanischen Stammeswanderungen in die der fortschreitenden Besiedlung des deut- schen Bodens. Hier .reicht die Siedlungs- geschichte der Frühgeschichte die Hand. Das

Überwiegen des Dorfes, des Weilers oder des

Einzelhofes alle drei Formen reichen in die frühgeschichtliche Zeit zurück zeigt schon in der Siedlungsform den bäuerlichen Grundcha-

rakter unseres Volkes. Bei der Mannigfaltigkeit

der Orts- und dementsprechend auch der Flur- formen im deutschen Lebensraum sind, weil diese stets bestrebt sind, sich den natürlichen

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Gegebenheiten anzupassen, neben den Grund- formen zahlreiche Varianten zu unterscheiden, die zwischen den Grundformen eine Vielzahl von Übergängen herstellen. Immer wieder be- obachten wir in allen Teilen Deutschlands die der Landschaft und dem stammesmäßigen Emp- finden der ersten Siedler angepaßte Dorfanlage, die trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit doch letzten Endes ein festes Ordnungsprinzip ver- körpert, das Prinzip genossenschaftlichen Zu- sammenhaltens. Diese Ordnung können wir als speziell deutsches Kennzeichen überall im Sied- lungsraum unseres Volkes beobachten, finden

-sie dagegen nie in Vergangenheit und Gegen-

wart bei den Slawen, unseren östlichen Nach- barn. In geradezu klassischer Schönheit ist die Plangestaltung in den Dorfsiedlungen des deut- schen Ostens von den deutschen Bauernsiedlem durchgeführt worden.

Im Verein- mit der Siedlungsgeschichte arbeitet die Geographie. Sie berück- sichtigt die natürlichen Siedlungsbedingungen, die Gestaltungs möglichkeiten von Dorf und Flur in geologischer, morphologischer und witt- schafts geographischer Hinsicht. Auch der Geograph bestätigt immer wieder, wie planvoll und instinktsicher unsere Dörfer an den zweck- mäßigsten Plätzen im Gelände entstanden sind, und wie der bäuerliche Mensch bereits vor Jahr- hunderten bemüht war, Weide, Feld und Wald im gleichen Maße zu pflegen. Die Flur wurde nie im wilden Durcheinander ausgenützt, son dern die Allmende, die Gewannflur in West deutschland oder die Blockflur im deutschen Osten waren sorgsam verteilt.

Wie sehr das Leben der Dorfbewohner 2 allen Zeiten um ihre Flur kreiste, ersehen wir schon allein aus der Tatsache, daß jedes Flur- stück seinen eigenen Namen erhielt. Hier stellt sich die Philologie in den Dienst der Dort- forschung. Die Fülle der Flurnamen, die uns manchen Hinweis auf die Kultur und Lebenshal- tung unserer Vorfahren in den deutschen Där: fern geben, ist in langen Jahrhunderten deit: scher Geschichte als ein Gemeinschaftswerk einer langen Geschlechterkette entstanden. Sie vermitteln uns, ebenso wie die Ortsnamen selbst manche Uberlieferung und helfen uns Zeit, Art und Stärke der ersten menschlichen Besiedlung bestimmen. Wer Orts- und Flurnamenforschung treiben will, muß mit der Landschaft ebenso vertraut sein wie mit der Mundart ihrer Be wohner. Es wäre falsch, die Sprache und ihre Entwicklung gesondert zu betrachten. Sie lebt vorwiegend in der Bindung an dörfliche und bäuerliche Menschengruppen in einer räumlich begrenzten Landschaft und im engen Zusammen

hang mit den anderen dörflichen Kulturgüter

und ist als landschaftliche gebundene Volks sprache nur hier noch rein zu finden. Gerade die Sprachgeographie ist zu einem wich tigen Forschungsinstrument für die Stammes-

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Im „Nikolaus“ erscheint auch heute noch der Schimmelreiter Wodan, der gü- tige Alte mit den Gaben und der Rute, die heute ein Kinder- schreck ist, einst aber die Lebens- rute, also ein

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K laasabeni im Heidedorf

Zur Zeit der Wintersonne wende feierten unsere gemi nischen Vorfahren das Julfest i Als später die Kirche ihr gôt tes Fest auf diese Zeit Je blieb trotzdem das alte bam: liche Brauchtum erhalten, w% bei die Umzüge und Heis gänge der Kinder, die Ve kleidungen, die Scherz- wi Lärmbräuche, Licht- und Feus bräuche, oft nur ganz äußer mit irgendeinem christi Heiligen verknüpft wunder

In einigen Gegenden Deutschlands ist seit alters her statt des Weihnachtsbaumes die „Tunschäre‘ oder der „Klausenbaum im Gebrauch, ein Holzgestell, das mit Äpfeln, Nüssen und Back- werk in Tierform, Sinnbildern aus der Glaubenswelt unserer germanischen Vorfahren, geschmückt ist.

Alter Brauch in neuer Form: Arbeitsmaiden bringen den Bauern- familien, auf deren Höfen sie eingesetzt sind, den Lichterkranz.

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In manchen Landschaften bringt nicht Nikolaus sondern Frau Holle, heute zum „Christkindel ge worden, den Kindern die weihnachtlichen Gaben. ln der Gestalt von Frau Holle verkörperten sich für den deutschen Volksglauben die Wachstumskräfle

der „Mutter Erde‘, Sie ist eng verwandt mit Frau d Berchta, der Gottesmutter, die in christlicher Zeit zur

| Unholdin erklärt und so zum Kinderschreck wurde

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Das Bild oben stammt aus der Oberlausitz, das Bi unten aus dem Banat. Hier kommt das „Chis kindel“ am Weihnachtsabend in langem weißen Gewande, um die Kinder zu bescheren. Set Begleiter ist der „Pelzmärtel“, wie der Rnech Ruprecht auch heißt.

kunde und besonders auch für die deutsche Ost- forschung geworden.

Das bunte Bild des Volks- und Kulturlebens auf dem Dorfe, wie wir es heute und noch weit lebendiger in der Vergangenheit bemerkten, zu schildern, ist eine der schönsten Aufgaben der Volkskunde. Das Gebiet des Brauchtums erfreut sich heute allgemeinen Interesses. Un- endlich vielgestaltig sind die Arten des Lebens- laufs-, des Jahreslaufbrauchtums und des Brauchtums bei der bäuerlichen Arbeit und beim dörflichen Handwerk. Nirgends finden wir an anderen Stellen eine solche Fülle von Formen. Hier tut sich die Welt unserer Vorfahren in sinnvoller Einfachheit und schlichter Größe auf, besonders wenn es gelingt, neben den Feststel- lungen der hier sichtbaren Kulturwerte auch die

Volksseele selbst in ihren Schwingungen und

Stimmungen kennenzulernen, wie sie die Ein- drücke des Kultur- und Naturgeschehens erlebt, erfaßt und wiedergibt.

Besondere Beachtung verdienen die Sinn- bilder, denen wir in den Formen des Fach- werkes am Hause, in Hausmarken, Heilszeichen und allerlei figürlichem Schmuck begegnen. Immer wieder finden wir hier das Sonnenrad, den Donnerbesen, den Fünfstern oder allerlei Getier, das nur dem oberflächlichen Blick als ornamentale Spielerei erscheint. Diese zum Teil nur unbewußt vererbten. Zierformen erinnern uns an die Glaubenswelt unserer Vorfahren und zählen zu den frühesten Zeugen deutscher Kul- tur. Die gleichen altüberlieferten Zeichen sehen wir noch an altem .selbstgefertigtem Hausgerät und Handwerkszeug. Wichtigste Ergebnisse für die Erkenntnis alten deutschen Volkstums hat die Kulturgeschichtsforschung schon hieraus ge- zogen. Von hier ist es nur ein Schritt zu den Inschriften, denen wir als Zeugen der Vergan- genheit an vielen Stellen im Dorf begegnen.

Zwar keine sichtbaren, aber noch nicht minder lebendige und wesentliche Zeugnisse alten Volksglaubens und alter vom Bauern bestimmter Volkskultur sind die Märchen und Sagen, die Fabeln und Schwänke, die Sprichworte und Rät- sel, die Volkslieder und Kinderspiele. Das Mär- chen gehört zu dem urtümlichen Erzählgut, das in den breiten bäuerlichen Volksschichten unserer Dörfer seine Heimat hat und sich dort jahrhundertelang von Mund zu Mund weiter vererbte. Hier sind diese Gemeinschaftsdichtun-

gen auch entstanden, denn unser Bauerntum hat

am ehesten, am besten und am reinsten die Ge- danken der alten germanischen Glaubenswelt, die sich hier widerspiegeln, bewahrt. Schon deshalb sind unsere Märchen ein Stück alter deutscher Volkskultur und ihr Tod wäre nicht nur ein Verlust für unsere Kinder, sondern ein noch größerer für die ganze deutsche Volks- seele. Die Sage ist als eine ortsgebundene Er-

zählform ebenfalls von altersher in unseren Dör- -

fern lebendig. In ihr offenbart sich der historische Sinn unseres Bauerntums ebenso wie seine

Erzählkunst und Erzählfreudigkeit. Treffliche Beobachtungsgabe und Schlagfertigkeit zeigt sich beim Schwank dessen köstlicher Hu- mor nie zum seichten Witz ausartet beim Rätsel und nicht zuletzt beim Sprichwort. Hier verbirgt sich unter einem schlichten Ge- wand eine Fülle von Lebensweisheit und Erfah- rung, die von Generation zu Generation durch die Jahrhunderte überliefert wurde Alle Kräfte, die in der Vergangenheit versuchten, die

bäuerliche Sprache und ihre Schöpfungen ver-

ächtlich zu machen, sie als gänzlich ungehobelt und unliterarisch hinzustellen, hatten vergessen, daß gerade die deutsche Sprache als Ausdrucks- form eines bäuerlichen Volkes in unseren Dör- fern entstanden ist.

Nicht nur die Sprache, ja überhaupt das ganze kulturelle Leben. unseres Volkes und seine Geschichte nimmt hier ihren Ausgang. Wir dürfen die Dorfkultur in allen ihren Aus-

drucksformen nicht als gleich alt ansehen, son-

dern beachten, daß sie zwar von unserer Gegen- wart her als alt, d. h. urtümlich erscheint, des- halb aber doch aus qanz verschiedenen Zeit- abschnitten stammen und von den verschie- denen Generationen geprägt worden sein kann. Wenn sich in einer wahrhaft fruchtbaren Zu-

- sammenschau verschiedener Wissenschaften die

Möglichkeit bietet, alle Zweige der Dorffor- schung in übersichtlicher und anschaulicher Weise zu behandeln, dann kommt hier der Ge- schichtswissenschaft eine ganz beson- dere Bedeutung zu.

Die Vielgestaltigkeit historischer Forschungen bietet in jedem Falle Gelegenheit, Erkenntnisse über Recht, Wirtschaft und soziale Schichtung,

die alle mit der Kultur im deutschen Dorfe eng

verknüpft sind, zu gewinnen. Die Geschichts- wissenschaft kann auch dann im Dienste der Dorfforschung stehen, wenn es scheint, daß ein Dorf niemals vom Atem der politischen Welt- geschichte berührt worden ist. Einige der in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Dorf- geschichten berichtet schlicht und wahrheits- getreu von der Vergangenheit eines deutschen Dorfes, wenn auch anscheinend kein besonderer Anlaß dazu vorliegt und ihm historische oder landschaftliche Besonderheiten versagt geblie- ben sind. Was diese Schilderungen, bei denen meist die Liebe zur Heimat und zum deutschen Bauerntum die Feder führte, immer wieder le- senswert macht, ist die Tatsache, daß kein Dorf haargenau dem anderen gleicht und wir somit stets neue Einblicke in den unend- lichen Reichtum der deutschen Kul- turgeschichte gewinnen.

Wenn wir hier hören, wie alt diese Dörfer sind, ihren Weg in der Vergangenheit von der ersten Besiedlung im Auf und Ab durch die Zeit des freien Bauerntums, der sich entwickelnden Grundherrschaften und Landesfürstentümer, durch Reformation und Bauernkrieg, durch die Zeiten kleiner Fehden und großer Deutschland

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verwüstender Kriege, durch die Bauernbefreiung

des 19. Jahrhunderts und erneute Verknechtung durch den Kapitalismus bis zur Gegenwart ver- folgen, dann erkennen wir erst richtig, wie sich rund zweitausend Jahre deutscher Geschichte im Schicksal eines kleinen Dörfes spiegeln.

Nirgends gelingt es so gut wie im deutschen Dorf den Weg einer Sippe im Laufe unserer Volksgeschichte zu verfolgen. Die Dorf- geschichte bietet die beste Einführungin die Sippenkunde, die hier auf dem Friedhof begonnen werden kann, wo alte, halbverwitterte Grabsteine oder schmiedeeiserne Grabkreuze Zeugnis von längst versunkenen Generationen "ablegen, an die in den meisten Städten kein Denkmal mehr erinnert. Es genügt nicht allein, Stammbäume und Ahnentafeln alter Sippen auf- zustellen. Unter dem Blickpunkt „Blut und Boden“ kommt dem verbindenden Worte „und“ eine wesentliche Bedeutung zu. Es ist für die Kulturgeschichtsforschung sehr wesentlich, wenn sie immer erneut Klarheit über die unlös- liche Verbundenheit gewinnt, die das Blut mit dem Boden, d. h. die unserer Bauernsippen aus ihrem volkseigenen Blutserbe heraus mit den ebenso eigentümlich gestalteten landschaft- lichen Erscheinungsformen unserer deutschen Heimat eingegangen sind.

Auch die Bevölkerungs geschichte des Dorfes liefert uns wichtige Bausteine. Sie ist zwar erst in den letzten Jahren Gegenstand der Forschung geworden und findet nurzahlenmäßig nüchtern ihren Niederschlag in alten Kirchen- büchern, Grundbüchern oder Steuerakten. Wer aber die geheimnisvollen Zusammenhänge der Volkwerdung erkennen will, muß sich an diese wichtigen Anhaltspunkte halten. Als Ergebnis entsteht dann ein Zahlenbild vom Wachsen des Dorfes und von der Zu- oder Abwanderung, das trotz seiner Nüchternheit etwas von dem Leben ahnen läßt, von dem es berichten soll, ohne allerdings seine letzten Geheimnisse zw ent- hüllen. Noch schwerer läßt sich die Bevölke- rungsart in ihrer körperlichen oder in ihrer rassischen Zusammensetzung erfassen. Bei der engen Verflechtung von Rasse und Kultur kommt aber anthropologischen Erhebungen her- vorragende Bedeutung zu. Während in den Großstädten und Industriezentren die beson- deren Merkmale vielfach stark verwischt sind, ist in den Dörfern immerhin die rassische Zu- sammensetzung unseres Volkes am sichersten festzustellen.

Besonders aufschlußreich ist die Dorf- geschichte auch für die Entwicklung der inneren deutschen Volksordnung. In der bäuerlichen Gemeindeordnung und ihren genossenschaftlichen Organen, z. B. den Mark- genossenschaften, fand das Grundgesetz deut- schen Sozialismus „Gemeinnutz geht vor Eigen- nutz” seine erste geschichtlich faßbare Ausprä- gung. Nach dem Vorbild der bäuerlichen Ge- meindeordnungen sind einst die ersten Städte-

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den gleichen Prinzipien wie die bäu

nicht mehr befriedigen konnte, und erm£

ordnungen geschaffen worden und tie | werkszünfte und Kaufmannsgilden w asch | nossenschaften errichtet. > Ze

Wenn der Historiker die Dynamik d schichte in ihrem ganzen Umfang begreife dann muß er auch jenen Momenten F tragen, die, obgleich sie scheinbar Rande des politischen Gescheher P gen, doch einen nachhaltigen EinfluB ar 9 Gang der Ereignisse ausgeübt haben. Wie e in von der Erfindung des Pfluges eine lum sende Umwälzung des gesamten nen chl Lebens ausging, so haben immer | züchtungen revolutionäre Veränderunger serer Lebensbedingungen ‚hervorge rufe unsere gesamte Wirtschaftsstruktur ten. Hierzu gehört beispielsweise in der N die unscheinbare Kartoffel, die du Einführung in unsere deutschen Dörfer den A stoß zu der letzten grundstürzenden Wandlun: der deutschen Agrarstruktur gab. Ihr Anbau ermöglichte die Uberwindung der alten Dreifel- derwirtschaft, die die vermehrten Nahr ung: bedürfnisse der rasch wachsenden Bevöl erur j

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den Ubergang zur Fruchtwechselr

deren intensive Bodenausnutzung die Grur 14

der neuzeitlichen Nahrungsversorgung Eine zweite Neuzüchtung, die Zuckerrü hat nicht nur dadurch, daß sie Europa von d überseeischen Zuckerzufuhren unabhär machte, den Zucker zu einem neuen, unentbehrlichen Volksnahrungsmittel sondern auch den allgemeinen Intensitätsg der Fruchtwechselwirtschaft so erhöht, da8 o ihre Einführung der beispiellose fsch der landwirtschaftlichen Erzeugung in der N zeit unmöglich‘ gewesen wäre. So haben wei Neuzüchtungen, die beide in Deum wickelt wurden, Revolution gemacht. Ist sch die allgemeine volks wirtschaftliche Bedeutu S dieses Vorganges kaum genügend ge kee gt worden, so ist der einschneidende wat del des gesamten Dorflebens, dere verbunden war, kaum beachtet worden, obwohl er mit seinen Licht- und Schattenseiten für d ie Entwicklung der gesamten deutschen Kultur a entscheidender Bedeutung war. Auch in dieser Beziehung ist der Dorigeschichte der Zukun die Aufgabe gestellt, wichtige, bisher noch k = lende Bausteine für eine umfassende deutsche Kulturgeschichte zu liefern.

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Die gleiche enge Verflechtung KZ schen Kultur und Wirtschaft zeigt uns die Geschichte des Dorfes im 19. Jahrhur wenn wir die erheblichen Besitzverschie- ja bungen betrachten. Einmal sind in jest d Zeitraum alte große Bauernhöfe vielfach 9 ` und neue zwischen ihnen angelegt oder anderer Stelle mehrere kleine Besitzungen 2 * Großbetrieben zusammengelegt. Gerade die sitzzersplitterung und a Abwanderung (

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zwar persönlich freien, aber vom Boden gelösten Landarbeiter aus dem Osten in die Städte be- wirkte einen Rückgang der Dorfkultur, der eine der schwierigsten Erbschaften der Vergangen- heit darstellt. Wenn es in diesem Zusammen- hange gelingt, dem deutschen Bauern an Hand der Geschichte seines Dorfes, seines Hofes und seiner Sippe klarzumachen, daß das Reichs- erbhofgesetz nichts weiter will, als dem gesetzliche Form geben, was eigentlich von altersher Gewohnheit war, so wird er dieses Grundgesetz unseres Bauerntums sofort mit ganz anderen Augen ansehen, als bisher mit seinem von der Not und den Schwierigkeiten der letzten Jahrzehnte getrübten Blick und auch dessen letztlich kulturerhaltende, ja kulturerneuernde Aufgabe anerkennen.

Aber der Hinweise genug! Alle diese Dinge waren im letzten Jahrhundert stark,in Verges- senheit und Mißachtung geraten. Eines der Kulturdenkmäler nach dem anderen entschwand aus dem Gesichtskreis oder der Erinnerung des Dorfes und seiner Bewohner und damit des ganzen Volkes. Ihre Verzeichnung ist die Aui- gabe unserer Wissenschaft, ihre Wiederbele- bung eine Aufgabe der nationalsozialistischen Dorfkulturarbeit, bei der es gilt, vom Bauerntum aus unser ganzes Volk in seiner Lebenshaltung und Kultur wieder bodenständig zu machen. Auch die Wissenschaft kann ikr Material nur zum geringen Teil aus Urkunden und schrift-

lichen Überlieferungen erarbeiten, die Quellen, `

die uns diese Erkenntnisse eröffnen, sind boden- gebunden und müssen mit aulmerksamem Ohr unmittelbar aus der lebendigen Landschaft ge- schöpft werden. Nur solche Betrachtungen kön- nen bei der älteren Generation liebe Erinnerun- gen wachrufen, bei der jüngeren das Heimal- bewußtsein und die Schollentreue stärken und allen fernen Söhnen und Töchtern des Dorfes einen Gruß bleten..

Die Heimatgeschichte, angefangen von der kleinen Dorfgeschichte, darf sich niemals von dem großen Ganzen abschließen. Wir wollen sie nicht als engstirnige oder eigenbröt- lerische Lokalgeschichte, sondern als deutsche Geschichte in bäuerlich und land- schaftlich geprägter Form ansehen und sie vor aller Enge bewahren, die doch niemals Leben spendet. Auf der Ortsgeschichte beruht haupt- sächlich die Landeskunde und diese Landes- kunde ist wiederum eine Hauptquelle der Volkskunde, die im Sinne Riehls gleichzeitig eine soziale Lebenskunde darstellt.

Die Dorfgeschichtsforschung ist demnach nicht allein eine Angelegenheit kulturgeschichtlichen Erkenntnisbedürfnisses, sondern auch zugleich eine Aufgabe von höchst gegenwarts- bezogener Bedeutung. Der Kulturpolitik geht es um die Kultur als lebendig wirkende Kraft der Gegenwart, sie muß aber doch auf diesen im deutschen Dorf gestalteten Zeugen deutscher Kultur der Vergangenheit aufbauen.

Der große Reichtum des Materials einer deut- schen Dorfgeschichte und damit eines gut Teils deutscher Kulturgeschichte liegt meist noch un- geordnet durcheinander. Hier gilt es, die ge- sammelten Einzelerkenntnisse aufeinander ab- zustimmen und sie der Allgemeinheit zugänglich zu machen, zum Nutzen unseres Volkes, denn auch hier wirkt „eine hervorragend na- tionale Wissenschaft” lebendig in unsere Gegenwart. Wir stehen am Anfang eines be- merkenswerten Abschnittes in der dorfgeschicht- lichen Erforschung des Reiches, Wie vor Jahr- zehnten die „beschreibende Darstellung der Bau-

und Kunstdenkmäler” in den einzelnen deut-

schen Landkreisen eine Bestandsaufnahme und sichere Grundlage für die weitere Erforschung

der deutschen Kunstgeschichte geschaffen hat,

so muß heute die Kulturgeschichte des deut- schen Dorfes den Weg bahnen zu einer neuen vielschichligen deutschen Kulturgeschichte.

Die Dorfgeschichtsforschung ist also mehr als ein müßiger Zeitvertreib für Liebhaber oder aber nur lediglich ein neues Arbeitsfeld für die zu- künftige Kulturgeschichtsforschung, sondern eine wichtige Aufgabe unseres ganzen Volkes. Sie darf sich nicht darauf beschränken, nur ge- legentlich in örtlicher oder sachlicher Hinsicht mehr. oder weniger zufällige Fragen in Angriff zu nehmen, sondern sie muß planmäßig auf der ganzen Linie begonnen und durch- geführt werden. Kein noch so genialer Bau- meister kann ein Gebäude errichten, ohne die Hilfe der zahllosen oft unbekannten Vorarbeiter, die ihm die Bausteine formen und herbeischaffen. Auf diese fleißige Kärrnerarbeit, die jede echte Wissenschaft niemals verachten darf, kommt es auch bei der Dorfgeschichtsforschung entschei- dend an. Die großen Zusammenhänge aufzu-

spüren und darzustellen, wird freilich immer die

Aufgabe der Wissenschaft bleiben müssen.

Wenn zur Erforschung der Vergangenheit des

deutschen Bauerntums die Erfassung aller Dörfer notwendig wird, dann kann das Bauerntum allein und aus sich heraus diese Aulgabe nicht lösen, hier bedart es der Hilfe der deutschen Wissen- schaft. Der Bauer und Dorfbewohner vermag zwar dem Hofbuch und dem Doribuch allein wirkliches Leben einzuhauchen, die Zusammen- schau aller dieser Monographien ist die Aufgabe eines Kreises von der Dorfforschung und dem Bauerntum besonders verbundenen Wissen- schafllern.

Wenn das Dorfbuch heute jeden Dorfbewoh- ner anspricht, dann soll die Zusammenfassung aller Zeugnisse deutscher Kultur in unseren Dörfern den Deutschen auf dem Lande und vor allem auch in der Stadt den Wert und Reichtum deutschen Volkstums, den es gegenwärtig für die Zukunft zu bewahren gilt, vor Augen führen. Hier ist für uns alle ein „Quellenbuch von unschätzbarem Wert aufgeschla- gen!

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Japan ORDNET DEN

OS TASIATISCHEN AGRARGROSSRAUM

Mu der Auflösung des Systems der liberalen Weltarbeitsteilung vollzog sich die Her- ausbildung von Groß- Wirtschafts- räumen, ein Ausdruck für die Gleichheit poli- tischen Gestaltungswillens von Völkern gleicher oder verwandter Rasse. Als eine Übergangs- erscheinung kann der Versuch Eng- lands gewertet werden, sein Empire zu einem autarken Länderblock zu machen. Diesem fehlte nämlich eine der wichtigsten Voraussetzungen, denn das Empire war unorganisch und ohne direkte Verbindung über alle Erdzonen verteilt und ein interner Austausch nur gesichert, wenn auch die Seeverbindungen nicht gestört wurden. Wie wichtig gerade die letztgenannte Tatsache ist, zeigt sich im gegenwärtigen Krieg, da große Mengen an Nahrungsmitteln und Rohstoffen in Kanada, Australien und Neuseeland lagern, während andererseits auf der englischen Insel schärfste Rationierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Als echte Großräume sind deshalb nur Europa, Amerika und Ostasien zu bezeichnen.

Charakteristisch für die Aufbauarbeit in den Großräumen ist die Beseitigung der durch die Weltarbeitsteilung entstandenen Schäden oder Mängel. Aut landwirtschaitlichem Gebiet be- deutet das die Rückführung der in andere Erd- teile oder Zonen hinaus verlegten Kulturen, die Abkehr von der Monokultur zugunsten der Polykultur, kurz die Sicherung der organischen Grundlagen der Landwirtschaft.

Das sind auch die Aufgaben, die Japan zu lösen hat und die deshalb besonders dringlich sind, als es auf Grund seiner militärischen Er- folge nunmehr über Gebiete verfügt, die zum bisherigen Machtbereich der Engländer, Ameri- kaner und Holländer gehörten und unter deren Einfluß zu ausgesprochenen Monokulturländern geworden waren.

Der ostasiatische Großraum liegt etwa zwischen den Breitengraden 50° Nord und 10° Süd; er umfaßt mit Mandschukuo, Indochina, Thailand, Burma, Malaya, den Philippinen, Sumatra und Borneo eine Fläche von fast 4,1 Millionen Quadratkilometern und rund 280 Mil- lionen Menschen. Weiterhin muß China mit 5,7 Millionen Quadratkilometern Fläche und 426 Millionen Menschen dazugerechnet werden. Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Raumes ist aus den Angaben des Deutschen Instituts für Wirt- schaftsforschung ersichtlich, Danach betrug 1938

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der Anteil an der Weltproduktion bei Reis rund 90 v. H., Rohrzucker 14 v. H., Hanf 28,7 v. H. und Kautschuk 89,2 v.H. Unter Außerachtlassung des Handels zwischen den südostasiatischen Ländern wird der Anteil an der Weltausfuhr bei Reis mit 54,9 v. H., bei Rohrzucker mit 14,7 v. H., bei Hanf mit 48,1 v. H., bei Kautschuk mit 85,9 v. H., bei pflanzlichen Olen mit 34,4 v. H. und bei Kopra mit 72,3 v. H. ausgewiesen.

Noch deutlicher wird der Reichtum dieser Ge- biete an landwirtschaftlichen Rohstoffen, wenn man einige Produktionszahlen aus dem Jahre 1938 herausstellt. Danach betrug die Sojaproduk- tion in China und Mandschukuo 216 Millionen Bushel bzw. 140 Millionen Bushel. Die Philippi- nen erzeugten unter anderem 1,5 Millionen Ballen Manila-Hanf, 0,8 Millionen Tonnen Kopra und 1,5 Millionen Tonnen Zucker. Burma pro- duzierte 4,6 Millionen Tonnen Reis und 0,18 Mil- lionen Tonnen Erdnuß, während sich die Erzeu-

gungsmenge von Niederländisch-Indien auf 19

Millionen Tonnen Mais, 0,82 Millionen Tonnen Kopra, 0,27 Millionen Tonnen Palmöl und 1,4 Millionen Tonnen Zucker belief. Ohne Berück- sichtigung von China und Mandschukuo werden die Erzeugungsmöglichkeiten in den neuen Ge- bieten bei Pflanzenölen aus den wichtigsten Roh- stoffen auf 2,9 Millionen Tonnen geschätzt, und zwar entfallen auf:

Niederländisch-Indien . . . . 54 v. H.

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während sich der Rest auf Thailand und Indo- china verteilt.

Für das Japanische Reich war die Stabili- sjerung des Reishaushalts bisher ein schwieriges Problem, da der Bedarf trotz stärkster Förderung der Eigenerzeugung nur durch Einfuhren gedeckt werden konnte. Nach Einbeziehung der neuen Räume verfügt Japan. das mit 8.6 Millionen Tonnen Reis rund 9 v. H. der Weltproduktion erzeugte, nunmehr über be- deutende Überschußgebiete. So betrug im Durch- schnitt der Jahre 1935/36 bis 1939/40 die Reis- ausfuhr von

Korea ei Kies 1,10 Mill. Tonnen Formosa ....... a 0,62 KR Indochina ...... 1,32 T 7) Thailand ...... 191 ü Burma. kauen 2,99 u

durch deren Überschüsse auch der Fehlbedarf in Malaya, Niederländisch-Indien und den Philip- pinen gedeckt werden kann.

Die äußerst günstigen Produktionsverhältnisse verleiten nur zu leicht zu dem Trugschluß, daß die wirtschaftliche Neuordnung dieser Gebiete ohne nennenswerte Schwierigkeiten durchzu- führen sei. Dem stehen aber die unterschiedliche organische Gestaltung, die Weitläufigkeit des Raumes und nicht zuletzt die Auswirkungen der bisherigen Wirtschaftseinflüsse imperialistischer Prägung entgegen. Es ist kennzeichnend, daß die japanische Agrarpolitik der Neuordnung ebenso wie die Deutschlands dem Gesetz der Stär- kung von innen heraus dient und ein ent- sprechendes Programm entwickelt wurde, das in dem früheren Fünfjahresplan und dem erweiter- ten gegenwärtigen Zehnjahresplan seinen Nie- derschlag findet. Im Mittelpunkt der Aufgaben- stellung stehen folgende Ziele:

1. Neuordnung im „Stammreich“;

2. Neuordnung der autonomen oder schon

. länger besetzten Gebiete wie Mandschukuo und National-China;

3. Neuordnung der Südsee-Gebiete aus dem ehemalig englischen, amerikanischen und holländischen Besitz;

4. Neuordnung der Austauschbeziehungen zwischen den Ländern.

Wenn trotz der verfügbaren bedeutenden Agrargebiete die Stärkung der heimischen Land- wirtschaft im Vordergrund steht, so zeigt das eindeutig, daß es sich bei den Maßnahmen nicht um kriegsbedingte Notwendigkeiten, vielmehr um zukunftsweisende Sicherungsbestrebungen handelt. Die japanische Landwirtschaft arbeitet zum größten Teil unter schwierigsten Verhält- nissen; denn die Ackerfläche umfaßt nur 15,8 v.H. des Gesamtareals bei einer Besiedlungs- dichte von 182 Menschen je Quadratkilometer. 1933 hatten 68,5 v.H. der Betriebe eine Größe von weniger als J Hektar, unter 5 Hektar lagen sogar 98,7 v. H. Die ungünstige Besitzstruktur 47 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Pachtland wirkte sich zusammen mit anderen krisenhaften Erscheinungen dahingehend aus, daß von 1913 bis 1930 der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtzahl der Berufstätigen von 50 v. H. auf 21,9 v. H. zurück- ging; während die Bevölkerungszahlen von 1909 bis 1925 um 23,4 v.H. stieg, erhöhte sich die landwirtschaftliche Bevölkerungszahl nur um 26v.H.

Diese Entwicklung der japanischen Wirt- schafts- und Sozialstruktur die unter dem Einfluß der Industrialisierung ähnlich verlief wie in den meisten europäischen Staaten wurde von der japanischen Regierung als politische Gefahr erkannt und entsprechende Abwehrmaß- nahmen eingeleitet. Seit 1931 ist die staatliche Kontrollpolitik der Produktion und des Marktes im Rahmen eines Fünfjahresplanes durchgeführt. Die Überwachung der Preise und die Festsetzung

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von Variationsgrenzen, die Regelung des Reis- und Getreidemarktes (1933), Dorfplanungen, Gründung von Genossenschaften und Ordnung der Schuldverhältnisse waren staatliche Maß- nahmen mit dem Ziel, die Basis für eine wirt- schaftliche Gesundung auf dem Agrarsektor zu schaffen. Professor Shiroshi Nasu, Tokio, faßte die zu bewältigenden Aufgaben zusammen und stellte als wichtigste Forderungen auf:

1. die Befreiung der Betriebe vom wirtschaft- lichen Druck als Folgewirkung der Welt- wirtschaftskrise;

2. die Reform der Gesellschafts- und Wirt- schaftsstruktur;

3. die Bekämpfung der sozialen Mißstände und der Verstädterungstendenz;

4. den Aufbau eines gesunden und lebens- fähigen Bauerntums und einer bodenstän- digen Kultur.

Die Verwirklichung vieler dieser Forderungen wurde bereits eingeleitet und im Zehnjahresplan programmatisch verankert. Das gilt einmal von der Stabilisierung der Betriebsstruktur, d. h. der Abkehr von der wenig krisenfesten Parzellen- und Pächterwirtschaft. Ein weiteres Problem lag schon damals in der zwischen landwirtschaftlichen und industriellen Produkten bestehenden Preisschere, die man seit 1931 durch die Bestimmung von Fest- und Mindestpreisen allmählich zu schließen, ver- suchte. Zur Sicherung der Versorgung mit den wichtigsten Nahrungsmitteln (Reis und Ge- treide) wurde 1933 ein Kontrollgesetz für diese Produkte erlassen, deren Erzeugung über 80 v. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche be- ansprucht.

In Fortsetzung dieser Maßnahmen wurde neuerdings eine kaiserliche Verordnung ver- öffentlicht, die die Einführung eines aŭto- ritären Marktkontrollsystems bedeutet. Danach erfolgt von Staats wegen der restlose Aufkauf der Erzeugung (abzüglich des Eigen- bedarfs). Nach Befriedigung des Wehrmacht- bedarfs übernehmen halbstaatliche Nahrungs- mittelbewirtschaftungsstellen die Restmengen und verteilen sie über ihre Provinzorganisation direkt an den Verbraucher. Die Festsetzung der Preise nach der Marktlage, eine Qualitätskon- trolle und die Lenkung der gesamten Agrar-

produktion sind ebenfalls Ausdruck der autori-

tären Wirtschaftsführung.

Wenn die japanische Regierung auch während des Krieges große Beträge für die Aufrüstung des Dorfes bereitgestellt hat und mit allen Mitteln an der Neubelebung der Landwirtschatt aus eigener Kraft arbeitet, wenn man als Zu- kunfisziel die Stabilisierung des Anteils der landwirtschaftlichen Berufstätigen an der Ge- samtzahl der Berufstätigen auf 40 v. H. verlangt und das Bauerntum „das Rückgrat des Volkes" nennt, so zeigt sich auch darin der feste Wille, die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu sichern.

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Nur ein Studt, der wirtschaftlich selbständig ist, ist zur politischen Führung eines Großraums befähigt. f

Als am 1. November 1942 das Großost- asien-Ministerium ins Leben gerufen wurde, erhielt der ostasiatische Großraum damit seine höchste Befehlsstelle, in deren Händen die gesamte Planung liegt und die sich der Militär- verwaltungen als ausführender Organe bedient. Der privaten Initiative steht u. a. im Rahmen der halbstaatlichen Gesellschaften ein weites Be- tätigungsfeld offen.

Sofort nach Besetzung der Südseegebiete bildete der Nippon-Zentral-Genossenschaftsrat ein Untersuchungskomitee, das Boden, Klima, die Produktions- und Anbauverhältnisse, den Arbeitsbesatz und das Betriebssystem studierte: Diese Grundlagenforschung war die erste Vor- aussetzung für eine agrarische Neuordnung, die sich ebenso auf die Anbaustruktur und Erzeu- gung wie auch auf die Austauschbeziehungen erstreckt. Die sporadische Lage der Gebiete des ostasiatischen Großraumes und das Vorherrschen von Monokulturen, besonders auf den Inseln der Südsee, hätte unter Beibehaltung dieser ein- seitigen Produktionsmethoden einen bedeuten- den Austauschverkehr notwendig gemacht, dem die Handelstonnage nicht gewachsen gewesen wäre. Deshalb sieht der Zehnjahresplan der Japaner nicht nur die Erhöhung der Erzeugung

im „Stammreſch“ vor, sondern ebenso in den neuen Räumen, deren Landwirtschaft gleich-

zeitig zur Polykultur übergehen soll.

Die Vielfältigkeit der im Zehnjahresplan fest- gelegten Einzelmaßnahmen, die dem Ziel der agrarwirtschaftlichen Unabhängigkeit dienen, lassen in der Aufgliederung nach Zonen, die nahezu autark werden sollen, die groß- räumige Konzeption erkennen. Man strebt für Nippon mit Formosa und Korea nach einer Autarkie, die bei Reis, Weizen, Hafer, Speise- bohnen, Erbsen, Zucker und Fisch bereits er- reicht ist, und will China, die Mongolei und einige Südseegebiete durch Umstellung und Er- höhung der Erzeugung von allen Einfuhren un- abhängig machen. Zur Stabilisierung des Fett- haushalts ist die Steigerung der Sojaproduktion in Korea und Mandschukuo vorgesehen. Mit der Aufstellung eines Zuckerplanes für Java und die Philippinen, der eine Einschränkung der Zucker- produktion auf 750000 Tonnen bzw. auf 500000 Tonnen verlangt, verbindet man die Förderung der Polykultur. Auf Kosten der Zuckerplantagen sollen in beiden Gebieten Reis, Mais und Baum- wolle, teilweise noch Jute und Sisalgras in den

Anbauzyklus aufgenommen werden. Besonders

die Ausweitung der Baumwollgebiete ist für Ostasien von Wichtigkeit, da der Friedensbedarf nur etwa zu einem Drittel im eigenen Raum ge- deckt werden konnte. Das Hauptanbaugebiet war bisher Mittelchina, das dank der japanischen Initiative schon 1942 den Baumwollertrag um 20 v. H. erhöhen konnte. Während sich in frühe-

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. waren.

ren Jahren die Ernte auf etwa 18000 Tonnen belief, soll sie bis 1944 auf das Dreifache gestei- gert werden. Für die Philippinen, die bisher über rund 15000 Hektar Baumwollfläche verfügten, wurde ein Fünfjahresplan aufgestellt mit dem Ziel, eine Ausweitung um nahezu 450000 Hektar durchzuführen. Auch auf Java, wo die Planung für 1942 eine Anbaufläche von 20000 Hektar vorsah, ist mit weiteren Flächenausweitungen zu rechnen. Über allem aber steht die Sicherung des Bedarfs an Reis, dem Hauptnahrungsmittel der Asiaten, bei dessen Kultur immer mit Miß- ernten gerechnet werden muß, die eine groß- zügige Vorratswirtschaft notwendig machen. Aber nicht allein in der Produktionsumstellung und Flächenausweitung erschöpft sich das japa- nische Aufbauprogramm. Als ebenso wichtig gilt die Intensivierung, d. h. die Verbesserung der Bodenbearbeitungsmethoden, die Verwen- dung einwandfreien Saatgutes und der erhöhte Einsatz von Betriebsmitteln, wie Maschinen und Handelsdünger. Gerade hierin liegen noch bedeutende Reserven, die auszuschöpfen eine der schwierigsten Aufgaben der japanischen Behörden sind. Denn die im Rahmen der. Welt- arbeitsteilung entwickelten Monokulturen haben den Landwirten und Plantagenbesitzern, speziell der Südseegebiete, nicht nur eine ausgeprägte Einseitigkeit aufgezwungen, sondern haben ihnen auch durch das wirtschaftliche Abhängig- keitsverhältnis die freie Entwicklung der privaten Initiative unmöglich ge: macht. Wenn man bedenkt, daß die Philippinen im Jahre 1941 1,5 Millionen Tonnen Zucker pro- duzierten, denen ein Eigenverbrauch von mur 150000 Tonnen gegenüberstand, daß sich im Durchschnitt der Jahre 1929 bis 1937 die Kopra- ausfuhr von Niederländisch-Indien, Britisch- Malaya und den Philippinen auf 886000 Tonnen belief, von denen allein mehr als ein Drittel, nämlich 318000 Tonnen, nach England und den USA. gingen, so kann man ermessen, unter welchem wirtschaftlichen Druck diese Produk- tionszweige standen, die auf Gedeih und Ver- derb von den imperialistischen Staaten abhängig, Ebenso kennzeichnend für die Aug: beutungsmethoden sind die Hektarerträge als Ausdruck des Intensitätsgrades. Ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Einwohner hielt' man an den extensivsten Bewirtschaftungsmethoden fest, die den größten Reinertrag garantierten. Nur so erklärt es sich, daß die Reiserzeugung je Hektar in Japan bei 38,3 Doppelzentner lag. während sie in Burma nur 16,1 Doppelzentner, in Thailand 15,9 Doppelzentner und auf den Philip- pinen gar 10,2 Doppelzentner je Hektar betrug. In der Aktivierung dieser Kräfte liegt die Auf- gabe Japans und die Sicherung der Nahrungs freiheit des ostasiatischen Großraumes begründet. Am Beispiel Japans zeigt sich genau wie in Europa das Bestreben, die Schäden der Welt- wirtschaft zu überwinden, um sich mit der wirt- schaftlichen Unabhängigkeit im Großraum das Gesetz des politischen Handelns zu sichern.

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Die Erinnerung an den 9. November 1918, der nunmehr 25 Jahre zurückliegt, gab Veranlassung, den grundsätzlichen Unterschied unserer ernährungs- wirtschaftlichen Lage im ersten und zweiten Welt- krieg zu beleuchten. Dieser besteht vor allem darin, daß die Führung sich nicht darauf beschränkt hat, schematisch vorhandene Nahrungsgüter zu verteilen; sie war vielmehr in erster Linie bedacht, die land- wirtschaftliche Produktion trotz der Erschwernisse des Krieges leistungsfähig zu erhalten. Hierin liegt der wichtigste grundsätzliche Unterschied zu damals. Ungünstige Witterungsverhältnisse, wie sie in den letzten drei jahren die Entwicklung der Getreide- und Öffruchternte und in diesem jahr die Kartoffel- ernte beeinträchtigten.“ können uns zwar Sorge und Schwierigkeiten bereiten, auch unsere Gegner haben sich jedoch mit der Tatsache abfinden müssen,

dab die Sicherheit der Ernährung deswegen nicht ins

Wanken gerät.

In der Vielgestaltigkelt der deutschen landwirt- schaftlichen Betriebe und in der gesunden Abstim- mung der verschiedenen Betriebszweige aufeinander liegt die Stärke unserer landwirtschaftlichen Erzeu- gung, die in den letzten vier Jahren den Stürmen das Krieges so erfolgreich getrotzt hat. Dies wird in Zukunft ebenso der Fall sein. Auch in der Er- nährungswirtschaft gibt es keine Wiederholung der Vorgänge von 1918. Begründet ist diese Tatsache nicht zuletzt darin, daß die nationalso- zialistische Agrarpolitik kelne abstrakte Wirtschaftstheorle kennt, sondern von An- fang an, wie es vom Oberbefehlslelter Her- bert Backe immer wieder. betont worden Ist, die politisch weltanschauliche und cha- rıkterliche Ausrichtung der in der Ernäh- rungswirtschaft tätigen Menschen in den Vor- dergrund gestellt hat. Dies ist beste und erprob- teste Arbeit der NSDAP., die sich in der Kampfzeit vor der Machtergreifung ebenso bewährt hat, wie heute im Entscheidungskampf um die Zukunft unseres Volkes. Wesentlich dabei ist, daß die willensmäßigen Voraussetzungen für die beispiellosen Leistungen, die jetzt im Kriege vom Landvolk gefordert werden müs- sen, bereits im Frieden geschaffen worden sind. Der Träger des Ritterkreuzes zum Kriegsverdienst- kreuz, Bauer Kurt Zschirnt, hat kürzlich einmal darauf hingewiesen, daß es nur deshalb möglich war, weil die Männer des agrarpolitischen Apparates der NSDAP. und des Reichsnährstandes die Sprache der Menschen auf dem Lande verstanden und selbst sprachen, die in der Systemzeit fast vernichteten Kräfte des Landvolkes zu beleben und zu den heutigen Lel- stungen zu führen. Dabei darf auch nicht übersehen werden, daß die Preise für die wichtigsten Nahrungs-

mittel im Gegensatz zum ersten Weltkrieg keine we- sentliche Erhöhung erfahren haben. Damals waren

die Butterpreise von 1913-1918 um nahezu das ‚Viegfache, die Schweinefleischpreise fast um das

Dreifache gestiegen. Die Preise für Milch hatten sich mehr als verdoppelt, für Kartoffeln mehr als ver- dreifacht. Die stabile Preispolitik Ist ebenso wie die Produktionsleistung ein Erfolg der Marktordnung, die gleichermaßen auf Erzeuger und n Rücksicht nimmt.

Man muß sich dabei darüber klar sein, daß die Voraussetzungen für die günstige Entwicklung, die wir heute feststellen, keineswegs immer aus der natürlichen Entwicklung erwuchsen; sie mußten im Gegenteil immer wieder heiß erkämpft werden. Manche Umstellung mußte unter erschwerten Ver- hältnissen vom Bauernhof gefordert werden, die für das Dorf nicht immer leicht verständlich war. Trotz- dem wurden alle Parolen befolgt, nicht zuletzt, weil es gelungen war, in der vertikalen Organisations- form der Hauptvereinigungen die Grund- lage für eine wirkliche Gemelnschaftslel- stung von der Erzeugung über die Verarbel- tung bis zur Verteilung zu schaffen.

Heute ist wohl die Überzeugung Allgemeingut geworden, daß an dieser Form niemals etwas geändert werden darf, weil man nach den bisherigen Erfahrun- gen nichts besseres an ihre Stelle setzen kann. Man muß sich besonders davor hüten, die landwirtschaft- liche Produktion etwa ähnlich wie die gewerbliche Wirtschaft rein vom Technischen her zu sehen. Die landwirtschaftliche Erzeugung ist naturbedingt und bedarf deshalb einer eigenen Form und Führung,

wenn sie die Leistungen vollbringen soll, die wir

auch für die Zukunft brauchen.

Das deutsche Landvolk ist nach der ihm zum Ernte- danktag zuteil gewordenen Ehrung mit neuer Kraft wieder an seine Arbeit gegangen. Es wird auch in der fünften Kriegserzeugungsschlacht, die Herbert Backe kürzlich auf einer Großkundgebung des württembergischen Landvolks eröffnete, Führer und Nation nicht enttäuschen.

Als besonders erfolgreich im Kriege hat sich immer wieder die Milchwirtschaft erwiesen, dies kam auch bei der Auszeichnung der Sieger im Milch- lelstung wettbewerb zum Ausdruck, die der Ober- befehlsleiter Herbert Backe in seiner Eigenschaft als Reichsernährungsminister und Reichsbauernführer in diesem jahr in Dresden vornahm. Dabei wurden die im Milchleistungswettbewerb 1942 jeweils besten Betriebsführer, der erfolgreichste Melker und der erfolgreichste Molkarelleiter ausgezeichnet. Herbert Backe erinnerte daran, daß die Hoffnungen unserer

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Gegner auf einen baldigen Zusammenbruch der deutschen Ernährungswirtschaft vor allem darauf beruhten, daß man glaubte, ähnlich wie im ersten Weltkrieg durch die Fettblockade die deutsche Er-

nährung zu untergraben. Man lächelte im Ausland

darüber, wenn man sich in Deutschland über die steigenden Milchleistungen unserer hochwertigen Herden freute, weil man sich sagte, daß ihre Lei- stungen nur mit Hilfe ausländischer Ölkuchenfütte- rung erzielt wurden und sofort empfindliche Rück- gänge eintreten müßten, wenn diese Zufuhren einmal aufhörten. Mit Befriedigung hatte man sich im Aus- lande ausgerechnet, daß die deutsche Widerstands- kraft bei einer Bedarfsdeckung des Fettbedarfs yon nur 45 v. H. im Inland sehr bald erlahmen müßte. Hierin sah man sich aber gründlich getäuscht. Denn der Reichsnährstand hatte seit Beginn der Erzeugungs- schlacht dem Ausbau der inländischen Futtergrund- lagen immer stärkere Beachtung geschenkt. Hohe Leistungen auf Grund bodenständiger Futtergrund- lagen waren zur Richtschnur der deutschen Tierzucht geworden. Die Wirtschaftsberatung des Reichsnähr- standes hatte alles darangesetzt, um diese Gedanken nicht nur bei den Tierzüchtern, sondern auch in den Millionen bäuerlicher Betriebe zum Durchbruch zu verhelfen.

Diese erfolgreiche Milchwirtschaft ist aber nur ein Beispiel, wie es auf allen anderen Gebieten der Kriegs- ernährungswirtschaft ebenso vorhanden ist. Gerade in den letzten Monaten mit den mannigfachen Anfor- derungen, die der Luftkrieg zur Beseitigung -der Katastrophenschäden oder im Zuge der Umquar- tierung gestellt hat, konnte immer wieder die Schlag- kraft und Anpassungsfähigkeit der ernährungswirt- schaftlichen Maßnahmen unter Beweis gestellt werden. Dies konnte nur geschehen, weil der grundsätzliche Ausbau jeweils eine sofortige Anpassung ermöglichte.

Ein ganz anderes Bild zeigt hier die Entwicklung bei unseren anglo-amerikanischen Gegnern, die sich immer gerühmt haben, dank ihrer unerschöpf- lichen Kräfte, aller Schwierigkeiten ohne weiteres Herr werden zu können. Die Entwicklung hat diese Auffassung sehr bald und sehr hart Lügen gestraft. Das gilt insbesondere für die hochmütige Ablehnung der umfassenden Lenkungsmaßnahmen, die von der nationalsozialistischen Agrarpolitik getroffen wurden. Besonders deutlich zeigte sich dies kürzlich bei der Botschaft, die der USA-Präsident Roosevelt zur Be- seitigung wirtschaftlicher Notstände an den USA- Kongreß richtete. Er legte dort dem Kongreß drin- gend ans Herz, die dauernd steigenden Geldsummen, die zur Durchführung der verschiedenen Wirtschafts- programme notwendig sind, zu bewilligen. Im Vorder- grund stehen dabei die für die Stabilisierung der Lebenshaltungskosten erforderlichen Nittel. Die großen Anforderungen, die das Pacht- und Leihsystem auch an die USA-Ernährungs wirtschaft stellt, insbesondere aber auch der erhebliche Bedarf der anglo-amerika- nischen Streitkräfte, der trotz der Hungerpeitsche in den von ihnen besetzten Gebieten aus diesen Räu- men nicht gedeckt werden kann, hat dazu gezwungen, viele und sehr wichtige Erzeugnisse zu rationieren. Diese Feststellung will keineswegs sagen, daß nun deswegen in USA der Hunger drohe. Wir erinnern

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uns aber daran, daß vor noch gar nicht langer Zeit von sehr prominenter Seite in USA darauf hingewiesen wurde, daß der Mannschaftsersatz für Heer und Ma- rine zum großen Teil unterernährt sei. Diese Unter- ernährung ist sicherlich nicht auf die dort in den letzten Monaten durchgeführte Rationierung zurück- zuführen, sondern eine Folge jahrelanger Unter- lassungssünden in der verfehlten Sozial- und Wirt- schaftspolitik. Diese hat es in keiner Weise fertig gebracht, den Ertrag der Wirtschaft entsprechend den wirklichen Leistungen zu verteilen. Die in USA in höchster Blüte stehende Spekulation mit den wichtigsten Nahrungsgütern ist Schuld daran, daß dort trotz materiellen Überflusses weite Volks- schichten Not leiden. Sie ist aber auch die Ursache dafür, daß die Erfordernisse der Kriegsernährungs- wirtschaft trotz der großen materiellen Kräfte nur unter Schwierigkeiten erfüllt werden können. Roose- velt schätzt den für Kriegszwecke benötigten Nah- rungsbedarf auf etwa ein Viertel der Gesamterzeugung an Nahrungsmitteln. Da gleichzeitig die Mehrbe- schäftigung der Rüstungswirtschaft einen erheblichen Mehrbedarf an Nahrungsmitteln im Inland verursacht hat, hat der USA-Präsident schon vor Monaten Wege eingeschlagen, die ihr Vorbild in der Erzeugungs- schlacht der deutschen Landwirtschaft haben. Während man in USA der Agrarkrise in den vergangenen Jahren nur dadurch glaubte Herr werden zu können, daß man die Produktion drosselte, wurde jetzt das Ruder herumgeworfen. Allerdings fehlen für den Erfolg dieser Maßnahmen die Voraussetzungen, nämlich gesunde, betriebswirtschaftliche Verhältnisse, die allein eine organische Steigerung der Leistungen er- möglichen könnten. Es fehlt vor allem auch das, was bei uns auf dem Gebiet der Erfassung und Verteilung durch die Marktordnung erreicht wurde. Der USA- Präsident sieht deshalb als einzigen Ausweg die Bereit- stellung erheblicher Geldmittel für Subventionen, die einen Anreiz zur Produktion bilden sollen und auf der anderen Seite durch Zuschüsse zu den Lebens- haltungskosten ausgeglichen werden. Derartige Zu- schüsse können sich aber nur dann segensreich aus- wirken, wenn sie organisch in die einzelnen Betriebs- zweige geleitet werden. Eine verfehlte ZuschuB- politik, die in den Vereinigten Staaten von Nord- amerika bereits nach dem ersten Weltkrieg zu Agrarkrisen führte, und die wir auch bei uns aus der Systemzeit kennen, führt nur zu neuen Krisen, niemals aber zu der erhofften Leistungssteigerung. Der USA-Präsident vermag jetzt nichts anderes zu bieten, als die Fortsetzung seiner stumpfsinnigen Subventionspolitik. Überdies hat hierbei der Kon- greß, soweit es die Lebensmittelpreise betrifft, bis- her stets erhebliche Schwierigkeiten gemacht, weil die Farmer entsprechend ihrer starken Position im Kongreß an Stelle der Subventionen eine weitere echte Erhöhung der Agrarpreise fordern. Ganz gleich wie diese Spannungen noch gelöst werden, eines wird der Mann im Weißen Hause auf diesem Wege be- stimmt niemals erreichen, nämlich die notwendige Mobilisierung der landwirtschaftlichen Produktions- kräfte in USA. Er mag dabei noch so sehr die von Deutschland erprobten Wege zu kopieren versuchen.

Dr. Kurt Haußmann

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ARandbemerkungen

Leistungswettstreit der ländlichen Jugend

Ein Aufruf des Führers und eine Kundgebung in der Krolloper haben den Auftakt zum Kriegsberufs- wettkampf der deutschen Jugend gegeben. Die Gruppe Nährstand, deren Wettkampf der Reichsnährstand mit seinen Dienststellen durchführt, wird auch dies- mal den hohen Prozentsatz von Wettkampfteilneh- mern stellen, den sie schon bei dem Reichsberufs- wettkampf in den Jahren vor Ausbruch dieses Krieges aufzuweisen hatte. Die Zahl der Angehörigen der ländlichen Jugend, die sich zum friedlichen Wett- kampf einfanden, war von 66000 im Jahre 1934 auf 271000 im Jahre 1939 gewachsen. Und trotz aller Schwierigkeiten werden auch jetzt die Jungen und Mädel im Lehr- und Arbeitsverhältnis aus dem letzten Dorf, aus den Bauernhöfen, Großbetrieben, Land- dienstlehrhöfen und Landwirtschaftsschulen freiwillig zu diesem Leistungswettstreit zusammenkommen.

Die Tatsache, daß die Teilnehmerzahl der Gruppe

Nährstand von Jahr zu jahr gewachsen ist, beweist allein, daß die ländliche Jugend die Aufgabe des Berufswettkampfes, Leistungsstelgerung des Ein- zelnen zum Wohle des Ganzen, verstanden hat. Mit ihr weiß heute jeder Deutsche auf dem Land und auch in der Stadt, welche Schwierigkeiten letzten Endes für das gesamte Volk daraus entstanden sind, daß die Landarbeit jahrzehntelang unter dem Makel einer ungelernten Arbeit stand und dementsprechend abfällig bewertet wurde. Die Landflucht findet nicht zuletzt ihre Ursache in diesem Tatbestand.

Dabei verlangt gerade die Landarbeit ein besonders großes Maß an beruflichem Können, an Umsicht und Organisationstalent. Die Anforderungen, die an die einzelnen gestellt werden, sind heute bei den viel- fachen Aufgaben der Kriegserzeugungsschlacht noch weiter gewachsen. So mancher Junge und manches

Mädel muß heute im Bauernhof den Platz ausfüllen,

den im Frieden der Bauer und die Bäuerin innehatten, und mit Ihrer Hände Arbeit das tun, was in normalen Zeitläuften schon das Tagewerk eines Erwachsenen voll ausfüllte. Welche Verantwortung, welche Fähig- keit zum Improvisieren und zum Anpassen an die jeweiligen Gegebenheiten heute das Werken während des ganzen bäuerlichen Arbeitsjahres von diesen jungen Menschen erfordert, kann der Außenstehende nur schwer ermessen. Mehr arbeiten kann der ein- zeine hier kaum. Was er aber noch kann, Ist: seine Arbeitskraft durch erhöhtes Berufskönnen weiter steigern und durch Verfeinerung aller Arbeitsmethoden manchen Ausgleich und manche Erleichterung schaffen. Hier wird der Kriegsberufswettkampf zum Ansporn für die kämpferische Aktivität unserer ländlichen Jugend und ein Ansporn zur Leistungssteigerung bei der Arbeit in der deutschen Landwirtschaft und auf dem Bauern-

hof. Gerade diese Arbeit der Jugend ist ein Dienst an der Gesamtheit des Volkes und ein besonderer für unsere Front, denn „Nahrung ist Waffe“, sogar eine Waffe von kriegsentscheidender Bedeutung.

jede Leistungssteigerung der ländlichen Jugend stellt einen wesentlichen Beitrag für die Kriegs- erzeugungsschlacht dar. Deshalb werden die Be- triebsführer, die bei dem drückenden Mangel an Arbeitskräften jede Hand dringend brauchen, ebenso wie alle Eltern und Lehrer im Bewußtsein der erziehe- rischen und nationalpolitischen Bedeutung des Kriegs- berufswettkampfes mit weitherzigem Verständnis das kleine Opfer auf sich nehmen, die Jungen und Mädel einen Tag lang auf dem Hof, in der Schule oder in der Hauswirtschaft zu entbehren. Sie tun das nicht nur, weil sie wissen, daß dieser kleine Arbeitsausfall später hundertfache Zinsen bringt, sondern well dieser Wettstreit den Berufsstolz und die Schaffens- freude aller Beteiligten hebt. Es kann sie selbst mit besonderem Stolz erfüllen, wenn dann einer ihrer Gefolgschaftsangehörigen In diesem Wettkampf einen Preis erringt, weil es sich hier zeigt, daB der für die Berufsausbildung verantwortliche Bauer oder Lehrer und die Landfrau ihre Pflichten ernst genommen haben.

Der Kriegsberufswettkampf Ist auch gerade für die ländliche Jugend ein Ausleseinstrument, das den Begabten die Möglichkeit zum weiteren beruf- lichen Aufstieg öffnet. Die Selbständigkeit in der Land- wirtschaft ist heute nicht mehr vom Geld oder von Beziehungen abhängig, sondern allein von der fach- lichen Leistung und charakterlichen Haltung, die beide gerade im Wettkampf gemessen und gestählt werden können. Nur eine starke, selbstbewußte, weltanschaulich ausgerichtete und fachlich durch- gebildete jugend kann die Aufgaben übernehmen, die ihr bei der Neubildung deutschen Bauerntums in der Zukunft gestellt werden.

Dr. Albrecht Timm

Ein Jahr Berufserziehungs werk

Vor einem Jahre wurde in Posen, der Hauptstadt des ersten deutschen Siedlungsgaues, von Staats- sekretär Backe das bäuerliche Berufserziehungswerk verkündet. Er rief damals In seiner Rede die deutsche Jugend auf, sich zur Arbeit am Boden zu bekennen und sich für die kommende Siedlungsaufgabe im Osten zu rüsten. Eine wichtige Voraussetzung für die Gewinnung der Jugend ist aber, daß jeder deutsche Vater, jede deutsche Mutter weiß, welchen Weg ihre Kinder beschreiten müssen, um dieses Ziel zu errei- chen. Hierfür ist ein klar geordneter Berufsweg von der Schulbank bis zum Erbhof und zur selbständigen Existenz im ländlichen Le- benskreis erforderlich. Im bäuerlichen Berufser- ziehungswerk findet er seine Gestaltung und For-

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mung. Es gilt, alle Erziehungskräfte im ländlichen Lebenskreis zusammenzufassen und aufeinander ab- zustimmen in der Zielsetzung, die deutsche Jugend fachlich und haltungsmäßig für den bäuerlichen Le- bensberuf vorzubereiten. Das bäuerliche Berufser- ziehungswerk umfaßt also in seiner totalen Sinn- bedeutung die bäuerliche Erziehung im Elternhaus, Kindergarten, in der Volksschule, praktischen Lehre, Berufs- und Fachschule, in der Bauernschule, sowie in der Dienstgestaltung der HJ. und findet erst seine Begrenzung in der selbständigen bäuerlich bestimm- ten Existenz des jungen Menschen. Mit diesem ganz- heitlichen Erziehungsziel vor Augen muß um jeden einzelnen wertvollen Jugendlichen gerungen wer- den, um ihn für das Bauerntum zu gewinnen, damit er auf eigenem Grund und Boden einst Ahnherr eines starken heimatgebundenen Geschlechtes werden kann. Zur Zeit ist allerdings die Nachwuchslage in allen bäuerlichen Berufen so ernst, daß sogar der Bestand unseres Bauerntums äußerst gefährdet ist.

Diese Aufgabe konnte aber nur erfolgreich ange- packt werden, wenn sie nicht nur Sache der Verwal- tung bleibt, sondern das Bauerntum selbst sie übernimmt. Aus diesem Grunde wurden bis in die kleinsten Bezirke hinein Bauern und Bäuerinnen ehren- amtlich mit der Aufgabe der Nachwuchsgewinnung und Berufserziehung betraut, um die Landjugend für die großen bäuerlichen Zielsetzungen zu begeistern, aber auch, um eine ausreichende Zahl von Lehrherren und Lehrfrauen aus dem Bauerntum zu gewinnen, und sie von der großen Erziehungsaufgabe zu über- zeugen, die sie andem Nachwuchs für das Bauerntum zu erfüllen haben.

Im ersten Jahre des Bestehens des BEW. ist auf diese Weise schön viel erreicht worden und das Landvolk hat die Parole „Landarbeit ist Facharbeit“ begriffen und setzt sie in die Wirklichkeit um. Nach den bisher hier vorliegenden Berichten konnte die Zahl der Landarbeitslehrbetriebe um 48 v. H., die der Haus- arbeitslehrbetriebe sogar um 60 v. H. gesteigert wer- den. Wenn auch die Landwirtschaftslehrbetriebe nur eine Steigerung von 13 v. H. aufweisen, so liegt sie dagegen bei den Hauswirtschaftslehrbetrieben bei 47 v. H. Die Zahl der Landarbeitslehrlinge nahm im gleichen Zeitraum um 14 v.H., die der Landwirt- schaftslehrlinge um 15 v. H. zu, während die Haus- arbeitslehrlinge eine Zunahme von 28 v. H., die Hauswirtschaftslehrlinge eine solche von 3 v. H. zu verzeichnen hatten.

Wir sind uns bewußt, daß diese Erfolge im Ver- gleich zu den vor uns liegenden Zielen der Nach- wuchssicherung für den Bestand und die Neubildung des deutschen Bauerntums nur einen kleinen An- tang bedeuten können. Für die nächste Zeit gilt es in erster Linie durch Ausrichtung und Schulung von Lehrherren und Lehrfrauen die Lehrausbildung zu vertiefen sowie die Mitglieder der Prüfungsaus- schüsse auszurichten, um mit der Zeit einen einheit- lichen Ausbildungsstand der Lehrlinge zu erreichen. Hierfür ist engste Zusammenarbeit mit den Berufs- und Fachschulen wesentliche Voraus- setzung; für sie ist das bäuerliche Berufserziehungs- werk ebenfalls die wichtigste Schlüsselaufgabe der

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so Zukunft. Auch die Hitler-Jugend stellt sich voll in den Dienst des Bauerntums. Der Landdienst dazu beitragen, der besten städtischen Jugend den Weg zum Lande zu zeigen und sie in eine geordnete bäuerliche Berufsausbildung zu führen. Das ländliche Pflichtjahr erfaßt jährlich rund 100000 Mädel und erzieht sie zu hausfraulichem Können. Im Landjahr wird mit bestem Erfolg eine Auslese ländlicher ju- gend für künftige Führungsaufgaben im Dorf heran- gebildet; so regen sich auf allen Seiten Kräfte, um den bäuerlichen Erziehungsauftrag in die Wirklichkeit umzusetzen.

Für die rechtzeitige Erfassung der Jugend und ihre Aufgeschlossenheit für die bäuerlichen Lebensfragen ist engste Fühlung mit der ländlichen Volks- schule unbedingt erforderlich. Ihre Sorgen und Nöte sind die Sorgen des gesamten Landvolkes. Der Lehrer muß sich als Stoßtruppführer für die Belange des Bauerntums fühlen; darum ist er auch immer wieder zu allen Fragen des bäuerlichen Lebens mit heran- zuziehen.

Wenn alle Führungskräfte des Dorfes, der Orts- gruppenleiter, der Ortsbauernführer, der Bürger- meister und auch der Lehrer erkannt haben, daß e sich im bäuerlichen Berufserziehungswerk um eine volkspolitische Aufgabe ersten Ranges handelt, dann werden sie gemeinsam den Kampf um ihre eigene Jugend mit Erfolg aufnehmen und ihre größte Genug- tuung darin finden, mit einer bewußt bäuerlich er- zogenen, fachlich gut ausgebildeten Jugend alle Zu- kunftsaufgaben meistern zu können. Dr. Siefert

Brot im Entscheidungskampf `

Ganz Kontinentaleuropa hat den Brotverzehr rationiert. Die Rationen liegen aber in den einzelnen Ländern in sehr verschiedener Höhe; hoch dort, wo, wie in Deutschland, jeder irreguläre Handel unter- bunden ist, und niedrig dort, wo illegaler Handel den Zuteilungen engere Grenzen steckt, wie in Frankreich und Italien. Die Sätze für den Normalverbraucher wie- derum müssen dort hoch liegen, wo eine breite städti- sche Verbraucherschicht auf sie angewiesen ist. Nied- riger liegen sie dort, wo, wie in Italien, Finnland, Belgien, nur die körperlich Nichtarbeitenden auf die Normalkost verwiesen sind, alle körperlich Arbeiten- den aber Zulagen erhalten. Aus all diesem resultieren die großen Streuungen in den Normalratio- nen, die mit dem Ernährungsstandard des gesamten Volkes wenig zu tun haben. Niedrige Normalver- brauchersätze täuschen eine Brotknappheit häufig auch dort vor, wo sie gar nicht existiert.

Die diesjährige Ernte ermöglichte eine Aufbesse- rung der Brotsätze in Europa. Die allgemeine deutsche Aufbesserung beträgt für alle Verbraucher 100g In der Woche. Legt man die außerhalb Deutschlands auf dem Kontinent seit dem Tiefststand im Sommer erfolgten Aufbesserungen auf die gesamte außer- deutsche Bevölkerung um, so liegen sie fast in doppel- ter Höhe, und bezieht man sie nur auf die aufgebesser- ten Bevölkerungsteile, so erreichen sie je Kopf mehr als das Dreifache der deutschen Aufbesserung. Die

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deutsche Brotzulage geht also keineswegs auf Kosten Europas, und auch die Zulagen im ganzen belasten es wenig. Sie erfordern einen Getreide- mehrbedarf, den beispieliweise schon Rumänien aus seinen Überschüssen decken könnte.

Schon bisher übertraf der Brotverzehr der meisten europäischen Länder das Friedensmaß. Galt es doch, Abschläge am Fleisch- und Fettverzehr auszugleichen, die der Verzicht auf überseeische Futtermittel er- zwang, und doch haben sich die Viehbestände be- achtlich gehalten. Europa (11 Länder) verfügt derzeit je 100 Einwohner über 26 Rinder und 12 Schweine. Für England errechnen sich Zahlen, die

der Hälfte näher liegen als dem Ganzen. Deshalb hat

Deutschland doppelt so hohe Buttersätze wie Eng- land, und Kontinental-Europa im ganzen ist in der Fettversorgung, abgesehen von den Olivenländern, Butterland geblieben. Nach vorkriegsdeutschen Schlachtnormen errechnet sich aus diesem Vieh- besatz für die fragliche Ländergruppe ein mittlerer Anfall von über 500 g Rind- und Schweinefleisch pro Kopf und Woche. Auch dies kommt in den Fleisch- Normalrationen nicht zum Ausdruck. Länder, die mit ihren städtischen Fleischsätzen am niedrigsten liegen, wie Finnland, haben je Kopf den höchsten Rinderbesatz.

Kontinentaleuropa hatte sich mit seinen bisherigen Brotsätzen seiner Getreidedecke gut angepaßt, und auch für die jetzigen Zulagen fehlt es nicht an Deckung. Die gleichzeitige Hochhaltung des Nutzviehs erleich- tert den Wiederaufbau der Landwirtschaft. So wird die diesjährige gute Brotgetreideernte im Kampf um

die Freiheit Europas eingesetzt. Dies schafft gute

Voraussetzungen für den Erfolg in naher und ferner Zukunft, Walter Hahn

Jetzt: Anbau der Generatoren!

Im jahre 1943 konnte die deutsche Landwirtschaft Ihre Ackerschlepper Infolge der Treibstofflage nicht so einserzen, wie das früher unter friedensmäßigen Voraussetzungen üblich war. Manche produktions- fördernde Arbeit, wie z.B. das Schälen unmittelbar nach der Getreidemahd u.a. mußte aus Treibstoff- mangel unterbleiben. Wenn trotzdem größere Schä- den nicht eingetreten sind, so liegt das nicht an der ausreichenden Versorgung mit flüssigem Treibstoff, sondern in erster Linie an den Witterungsverhält- nissen, die vom Februar an in fast allen Teilen des Reiches für die Bodenbearbeitung sowie für die Ar-

beiten der Pflege und Ernte bis in den November

hinein außergewöhnlich günstig waren. Es stand immer so viel Zeit zur Verfügung, daß die Zugtiere zugunsten der Schlepper einen wesentlichen Teil der Arbeiten bewältigen konnten. Daß sich die Witterungsverhältnisse Im kommenden Jahr wiederum so günstig entwickeln wie im vergangenen, kann kaum angenommen werden. Selbst bei gleichbleibender Versorgungslage wird daher mit einem schwerwie- genden Mangel an Zugkraft im kommenden Jahr zu rechnen sein, wenn es nicht gelingt, die flüssigen Treibstoffe weitgehend durch feste zu ergänzen.

Als nal eliegenden Gründen muß daruber hinaus

aber jederzeit mit einschneidenden Kürzungen des landwirtschaftlichen Kontingents gerechnet werden. Es sprechen daher die allerernstesten Gründe dafür, - die vorhandenen Ackerschiepper nunmehr so rasch wie möglich auf feste Kraftstoffe umzustellen. Die Entwicklungszeit der Schleppergeneratoren hat meh- rere Jahre in Anspruch genommen und ist heute so weit abgeschlossen, daß ihre Einführung in die Praxis auf breitester Basis verantwortet werden kann. Ganz bewußt hat man während der Entwicklungszeit die landwirtschaftliche Praxis mit Umstellungssorgen verschont und das schwere Opfer der Zuteilung großer Mengen flüssiger Kraftstoffe in Kau‘ genommen, um die landwirtschaftliche Er- zeugung nicht zu gefährden. Nunmehr liegen aber weitgehende Erfahrungen vor: Seit Jahren laufen Nutzfahrzeuge aller Art mit Holz- und Kohlen- generatoren. In Schweden z.B. sind neben den Straßenfahrzeugen auch die Ackerschlepper fast voll- zählig unter Verwendung eines deutschen Generator- systems mit bestem Erfolg auf Holzgas umgestellt. Desgleichen sind in den besetzten Ostgebleten an mehrere tausend Schlepper zur Zufriedenheit der deutschen Agrarverwaltung Generatoren angebaut worden. Im Reich ist die Zahl der neuen Holzgas- schlepper inzwischen auf über 6000 gestiegen. Mit wenigen Ausnahmen sind auch die im Reich erzielten Ergebnisse außerordentlich befriedigend. Wo Klagen laut geworden sind, handelt es sich fast nle um tech- nische Fehler der Anlagen, sondern vorwiegend um Bedienungsschwierigkeiten. Ähnliche Klagen wurden zunächst auch aus den Kreisen der Nutzfahrzeughalter laut, doch haben sich hier die Verhältnisse bereits eingespielt.

Es muß unter den heutigen Verhältnissen in Kauf genommen werden, daß die Leitung der Maschinen gegenüber dem Betrieb mit flüssigen Treibstoffen um einen gewisser Prozentsatz absinkt und daß Betrieb und Wartung der Generatormaschinen mehr Sorg- falt erfordern. Dem steht aber der entscheidende Vor- teil gegenüber, daß die Schlepper nun wieder wäh- rend der ganzen Saison betrieben werden können und daß keine Feierschichten aus Treibstofimangel mehr eingelegt zu werden brauchen.

in den letzten Monaten ist nun die Auslieferung der Generatoren an die über das ganze Reich ver- teilten Umbauwerkstätten angelaufen. Parallel dazu erfolgt der Aufruf der Schlepper durch den Reichs- nährstand und die Schulung des Personals. Die Wintermonate werden dazu dienen, die Umbau- aktion so weit zu treiben, daß zur Frühjahrsbestellung 1944 bereits eine namhafte Menge an Generator- schleppern zum Einsatz kommt. Ebenso wie die Um- stellung auf wirtschaftseigene Futtermittel bei aller dadurch bedingten Mehrarbeit zu einer inneren Festi- gung der Betriebe gegen Einflüsse von außen geführt hat, wird auch die Umstellung der Generatoren auf heimische‘ Treibstoffe sich auf die Widerstandskraft der deutschen Landwirtschaft in positivem Sinne auswirken, besonders dann, wenn es im kommenden Jahre gilt, der Wehrmacht noch mehr als bisher die Verwendung der flüssigen Treibstoffe vorzubehalten.

H. von Waechter

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Diebuchwacht

Hans Ff. K. Günther

Bauernglaube

Verlag B. G. Teubner, Leipzig / Berlin 1942. 244 Seiten. Preis 6,20 RM.

Hans F. K. Günther hat bereits vor wenigen Jahren mit seinem Buch „Das Bauerntum als Lebens- und Gemeinschaftsform“ eines der wesentlichsten Werke zur Bauerntumsforschung geschaffen. Er hat nun die- sem Buch ein weiteres folgen lassen, das eine der bereits in dem ersten Buch angeschnittenen Fragen auf breiterer Grundlage behandelt, die Frage nach den Glaubensvorstellungen und der Art der Frömmig- keit des deutschen Bauern. Es ist wichtig hervorzu- heben, daß Günther nicht wie Grabert in seinem Buch „Der Glaube des deutschen Bauerntums (Bauerntum und Christentum)‘ eine weltanschauungs- kundliche und glaubensgeschichtliche Untersuchung, sondern eine schlichte Darstellung der Tatbestände geben wollte. Er will das Buch aufgefaßt wissen als Vorarbeit und Materialsammlung für eine einmal anzustellende Untersuchung, die ihm seit langem vorschwebt, nämlich aus dem Glauben des bäuerlichen Volkes eine Aussage über die germanischen Grund- lagen deutschen Wesens und Volkstums zu gewinnen. Eine solche Aussage kann nach Günthers Meinung nicht aus den üblichen Darstellungen bäuerlichen Brauchtums gewonnen werden, die ein „Fortleben“ germanischer Glaubensvorstellungen im deutschen Bauerntum erweisen sollen. „Dieses Brauchtum ent- hält für den städtisch Gebildeten diese und jene Bestandteile germanischer Herkunft, nicht aber für den Bauern. Nicht in Sitten oder in Gegenständen des Brauchtums kann ein eigentliches Fortleben des Germanentums verspürt werden, sondern allein in vererbten. Triebkräften des frommen Gemüts, und zwar besonders des bäuerlichen Gemüts.“

In sorgfältiger und liebevoller Sammelarbeit hat Günther eine Fülle von Zeugnissen über das Glau- benslesen der Bauern zusammengestellt. Sie stammen meistens von Pfarrern oder Lehrern, also aus unmittel- barer Kenntn s bäuerlichen Lebens. In dieser kriti- schen und geordneten Zusammenstellung liegt vor allem der Wert des Buches.

Der Bauer hat stets Religion, eine glaubenlose, ehr- furchtslose, unfromme Haltung widerspricht wie Günther zeigt dem Wesen des Bauerntums selbst. „Religion muß sein" das ist die Meinung der großen Mehrheit des Bauerntums, und auch der Kirche steht dieses Bauertum als einer Institution gegenüber, die bereits Herkommen und Sitte geworden ist. Aber das, was der Bauer unter Religion versteht, hat hierfür liefert Günther unzählige Beweise nur wenig mit den Inhalten des Christentums zu tun. Als Wesensmerkmale bäuerlicher Frömmigkeit be- zeichnet Günther den Sinn für Feierlichkeit, die Ver- ehrung einer göttlichen Allmacht, den Gedanken einer sinnvollen Weltordnung, die Vorstellung eines strengen Weltordners und Richters und eines ewigen Gerichtes, den Gedanken der Gegenseitigkeit der

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Leistungen von Mensch und Gott (do ut des) und ein

starkes Schicksalsgefühl. Günther untersucht dann, inwieweit die Lehren des Christentums dem bäuer- lichen Gemüt entgegenkommen und inwieweit es sich ihnen widersetzt. Als Ergebnis dieser immer auf eine außerordentliche Kenntnis des Schrifttums gestützten Ausführungen stellt Günther in den Schlußkapiteln fest, daß die bäuerlichen Glaubens- vorstellungen weit mehr aus dem Bereich einer natür- lichen Religion als aus dem des Christentums erwach- sen. Es handelt sich bei bäuerlichem Glauben und bäuerlicher Frömmigkeit nicht um ein Halb- oder Viertelchristentum, sondern um etwas ganz Eigen- artiges, das, aus nichtchristlicher Wurzel entstanden, in christlichem Gewande lebt.

Hans F. K. Günther hat uns mit seinem neuen Buch wieder einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der geistigen und seelischen Struktur unseres Bauern- tums gegeben. Dr. K. Schmidt

Klaus Schmidt

Der Schicksalsweg des deutschen Bauerntums

Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., 1943. 115 Seiten, Preis 2.80 RM.

Der Verfasser dieser knappen geschichtlichen Übersicht über das deutsche Bauernschicksal ist den Lesern der „Deutschen Agrarpolitik‘ bereits durch mehrere Aufsätze bekannt, die von seiner gediegenen Sachkenntnis zeugen. Auch die vorliegende Schrift, die sich besonders an die älteren Landjungen und Landmädel wendet, empfiehlt sich, obwohl sie auf jeden gelehrten Anmerkungsapparat bewußt ver- zichtet, durch ihre streng wissenschaftliche Fun- dierung, die ihr eine beachtenswerte Sonderstellung verschafft. Sie ist das Ergebnis eigener langjähriger stiller Forschungsarbeit und einer geschicktzusammen- fassenden Auswertung der umfangreichen Sonder- untersuchungen der letzten Zeit. Sie kann daher allen empfohlen werden, die bestrebt sind, sich einen Ein- blick in den Zusammenhang zwischen Bauern- und Volksschicksal zu verschaffen, denen aber die Muße fehlt, sich in die umfangreiche Spezialliteratur der Zeit zu vertiefen, denn es ist ihr gelungen, die in der geschichtlichen Vergangenheit des deutschen Bauern- tums wirkenden Kräfte und Mächte sichtbar zu ma- chen und so der Erkenntnis zu dienen, die das Vor- wort in dem Satze zusammenfaßt: „Nicht die ge- schichtlichen Kenntnisse an sich sind das Entschei- dende, sondern die Kraft, die aus ihnen gewonnen wird und die sich in politischen Willen umsetzt.“ Die Schrift ist daher ein Geschichtsbeitrag im Sinne Treitschkes, der dem Geschichtsschreiber die ver- antwortungsvolle Aufgabe zugewiesen hat, „unserm Geschlechte ein denkendes Bewußtsein seines Wer- dens zu erwecken“. Dieses Bestreben unterstützt eine klare Gliederung des so umfangreichen Stoffes, eine Darstellungsmethode, die bestrebt ist, in den geschickt ausgewählten Dokumenten die Zeit un- mittelbar zum Leser sprechen zu lassen, und nicht zuletzt die Beigabe zahlreicher zeitgeschichtlicher Bilder, die eine bemerkenswerte Spezialkenntnis ver- raten. Günther Pacyna

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Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen auf dem Hof meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer Stelle zur anderen bringen läßt.

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INHALT

Die Eigenpersönlichkeit in der sozialistischen Wirtschaffᷣtiwitiw li. H

Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die Erzeugungsschlacht im fünften Kriegsjahr `... e e 399

Der Ortsbauernführer (Bildbeilage) ......... een HEEN ee DS.. 108 Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Kritik der Kritik..........s.s..... 111

Dr. Emil Woermann, ord. Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität in Halle a. d. Saale: Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Er- nährungswirtschaft ` SERIES ne en een 113

Landdienst-Lehrhof (Bildbeilage·eůᷣᷣ)))m̃ at . . . . . D.S. 120

Dr. Friedrich Sohn, Militärverwaltungsrat beim Militärbefehlshaber in Frank- reich: Die Zukunftsausrichtung der französischen Agrarpolitik ............ 121

Landwirtschaftsführer im Einsatz (Bildbeilage) ....... EE e AS. 128 Hildegard Melzer: Die Wirtschaftswende der Niederlande .................. 129 Dr. Heinrich Strathus: Der Pfandbrief im Agrarkredit ............ air 134

Dr. Kurt Reinl, Beauftragter für Schulung im Reichsamt für das Landvolk, z. Z. im Felde: Der bäuerliche Wesenskern des germanischen Volkstums ...... 137

Deutsches Bauerntum auf Vorposten (Bildbeilage) ................. . . . . . D.S. 140

Oberlandwirtschaftsrat Hans Hansen: Landfrauengesundheitsfürsorge im Kriege Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth k 4 ͥꝗ 144

Agrarpolitische Rundschahall!nnnnnnnnnnn ee ee e "AE Randbemerkungen a ĩ ² AA NANE REG e Die Buchwacht ............ EE EE E re o.

Bildnachweis: Das Titelbild „Aus einem Bergbauerndorf'‘ ist eine Aufnahme von Enno Folkerts. Die Bildbeilage „Landwirtscheftsführer im Einsatz“ enthält Aufnahmen von der Presse-Bild-Zentrale (2), von Kriegsberichter Collmer (2), Georg Piper (2) und Privat (3). Der Landwirtschaftliche Bilder- dienst (9) stattete den „‚Landdienstlehrhof’' mit Bildern aus, und die Aufnahmen zur Bildbeilage „Der Ortsbauernführer hilft überall“ erhielten wir vom Bildarchiv des Reichsnährstandes (8). Hans Retzlaff (14) ist der Photograph der Bilder zur Beilage „Deutsches Bauerntum auf Vorposten“.

Das vorliegende Heft erscheint als Doppelheft für Januar und Februar.

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin- Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Hafenplatz 4. Fernruf: 19 60 51.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-

ruf 1100 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

Januar/Februar 1944 Jahrgang 2 Nummer 4/5 L——t̃— ͤ——̃—ßũ ee a N en EENEG

Die Eigenpersönlichkeit in der sozialistischen Wirtschaft

K. H. Die Verfechter der liberalen Wirtschaft haben immer behauptet, daß wirtschaft- liche Höchstleistungen nur dann erzielt werden können, wenn der Ablauf der wirtschaft, lichen Vorgänge sich selbst überlassen bleibe. Gemeinwirtschaftlich ausgerichtete wirtschaftliche Maßnahmen wurden als unerwünschte Hemmnisse angesehen, die angeb- lich stets die volle Entfaltung aller Kräfte hindern. Die Entwicklung in den beiden Weltkriegen hat diese Auffassung gründlich widerlegt, auch wenn man die besonderen Verhältnisse berücksichtigt, die jeder Krieg mit sich bringt. Es ist heute vielfach in Ver- gessenheit geraten, daß schon im ersten Weltkriege selbst in den liberalen Hochburgen unserer Gegner beachtliche Ansätze zur Überwindung des freien Spiels der Kräfte in der Wirtschaftspolitik zu finden waren. Noch im Jahre 1925 hat der englische Wirtschafts- wirtschaftler Keynes in einem Vortrag in Berlin erklärt, daß das Zeitalter des „laissez faire-laissez passer” in der Wirtschaft für alle Zeiten überwunden sei. Die Entwick- lung ist jedoch dann zunächst andere Wege gegangen. Die jüdischen Kapitalmächte haben es vor allem von USA.-Amerika her verstanden, den alten Spielregeln des Liberalismus nochmals zur Geltung zu verhelfen und die natürlichen Ansätze zur Zusammenfassung von Wirtschaftskräften innerhalb ihrer Machtbereiche zu beseitigen. Die Völker in ihrer Gesamtheit haben hiervon keinerlei Vorteile gehabt, denn die sozialistischen Gemein- schaftskräfte blieben hierbei zugunsten des Kapitals ausgeschaltet. Die Krisenjahre zu Ausgang des dritten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts waren das Ergebnis dieser Wieder- belebung des „freien Spiels der Kräfte‘ in der Wirtschaft.

Die Landwirtschaft in aller Welt, besonders aber das Bauerntum in Europa, ist am stärksten von den Schäden dieser verfehlten Wirtschaftspolitik betroffen worden. Dabei wurden nicht nur in Jahrhunderten gewachsene Werte zerstört, Menschen von der angestammten Scholle vertrieben oder vom Genuß der Vorteile neuzeitlicher Technik ausgeschlossen, es wurden sogar wenn wir an die riesenhaften Bodenverwüstungs- erscheinungen in USA.-Amerika, der Sowjetunion oder China denken Grundlagen derlandwirtschaftlichen Erzeugung zerstört, die vielleicht in späteren Jahr- zehnten für die Ernährung einer wachsenden Bevölkerung in allen Ländern dringend benötigt werden.

In Deutschland ist seit 1933 ganz bewußt eine Abkehr von den liberalen Spielregeln der Wirtschaft erfolgt. Dies geschah aber nicht schematisch durch rücksichtslose Eingriffe in allmählich gewachsene Zustände, sondern mit Hilfe einer planvollen Lenkung. Diese

wurde allerdings nach klaren, feststehenden Grundsätzen gehandhabt, wie sie In der NSDAP. folgerichtig entwickelt worden waren. Die Agrarpolitik ist hierbei an der Spitze marschiert, steht aber heute nicht mehr wie damals 1933 allein, sondern inmitten einer nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichteten Gesamtwirtschaft. Die Leistungen im Kriege haben gezeigt, daß eine so geführte sozialistische Wirtschaft gerade unter den Schwierigkeiten des Krieges zu Höchstleistungen fähig ist. Die Prophezeiungen der liberalen Gegner, daß Sozialisierung stets Schematisierung und damit Leistungsschwund mit sich bringt, sind durch die Tat widerlegt. i

Worin liegen nun aber die Ursachen dafür, daß die vom Nationalsozialismus durch- geführte Neugestaltung der Wirtschaft nicht zu den gleichen Mißerfolgen geführt hat wie die bekannten „Sozialisierungsversuche“ vergangener Epochen? Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß eine der wichtigsten Kraftquellen der nationalsozialistischen Wirt- schaftspolitik in der Bewertung der selbständigen Persönlichkeit in der Wirtschaft zu suchen ist. Immer wieder ist von der Führung betont worden, daß die durch die Lenkung bewirkte Ausrichtung auf die Gesamtinteressen nicht zu einer Abtötung der Unternehmerinitiative tatkräftiger Persönlichkeiten führen darf. Das gilt im kleinen ebenso wie im großen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es wohl kein Zufall, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik bei der Neugestaltung unseres Wirt- schaftslebens so wesentliche Pionierarbeit leisten konnte. Hier ist es schon die Vielzahl der Betriebe, die einen Erfolg aller von der Führung eingeleiteten Maßnahmen nur dann ermöglicht, wenn der Bauer und Landwirt in jedem einzelnen Betrieb selbständig und zielbewußt mitarbeitet.

Die große grundlegende Rede, die Oberbefehlsleiter Herbert Backe als Auftakt zur fünften Kriegserzeugungsschlacht in Ulm hielt, läßt dies ganz besonders deutlich erkennen. Sie wird deshalb auch in der vorliegenden Folge unserer Zeitschrift der breiten Offent- lichkeit im Wortlaut zugängig gemacht. Auch der Aufsatz „Kritik der Kritik", in dem Staats- minister a.D. Hans-Joachim Riecke sich mit kritischen Stimmen an den agrarpolitischen Maßnahmen auseinandersetzt, unterstreicht diese Linie, indem er sich mit Auffassungen falsch verstandener „Eigenpersönlichkeit“ auseinandersetzt. Professor Emil Woermann betrachtet die Maßnahmen der Agrarpolitik vom Standpunkt der Betriebs wirtschaft aus. Er läßt dabei auf Grund umfangreicher Unterlagen auch dem Fernerstehenden Einblick nehmen, wie die politischen Maßnahmen der Führung nur dadurch zum Erfolge führen können, daß jeder einzelne Betrieb entsprechend seinen Möglichkeiten richtig eingesetzt wird. Dr. Friedrich Sohn vermittelt in seinen Betrachtungen zur französischen Agrar- politik einen Eindruck von den Schwierigkeiten, die noch überwunden werden müssen, um die Landwirtschaft in den einzelnen Ländern Europas in vollem Umfange entsprechend ihren natürlichen Möglichkeiten im Sinne der europäischen Zielsetzung einzusetzen. Hildegard Melzer zeigt dies am Beispiel der niederländischen Landwirtschaft.

Eine wichtige Einzelfrage, die aber für die künftige Entwicklung von erheblicher Be- deutung ist, beleuchtet Dr. Heinrich Strathus in seinem Aufsatz „Der Pfandbrief im Agrarkredit“. Gerade die Stellung des Agrarkredits bei der weiteren land wirtschaftlichen Entwicklung in Europa im Sinne der nationalsozialistischen Agrarpolitik wird noch eine eingehende Klärung erfordern. Bei der starken Bewertung der Einzelpersönlichkeit in der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik ist es selbstverständlich, daß den allgemein - politischen Fragen unseres völkischen Lebens stärkste Beachtung geschenkt wird. Dies

zeigt der Aufsatz von Dr. Kurt Reinl „Der bäuerliche Wesenskern des germanischen Volkstums“.

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HERBERT BACKE:

Die Erzeugungsschlacht im fünften Kriegsjabr

Den Vortrag des Oberbefehlsleiters, Reichsbauern- führers Herbert Backe zum Beginn der Erzeugungf- schlacht im 5. Kriegsjahr veröffentlichen wir nech- folgend im Wortlaut, weil die Ausführungen nicht nur vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus grund- sätzliche Bedeutung haben, sondern entscheidende egrarpolitischa und volkspolitische Probleme an- .schneiden, die ebenso wie für das Bauerntum euch für die Volksgenossen der Stadt in der Zukunft ausschlag- gebend sein werden.

S eit ich vor zwölf Monaten vom deutschen

Osten aus zu euch über die Weiter- führung der Erzeugungsschlacht sprach, hat unser Kampf um Freiheit und Lebens- raum gigantische Ausmaße angenommen. Vor zwölf Monaten verkündeten unsere Gegner frohlockend, daß das Jahr 1943 die Niederwerfung des Großdeutschen Reiches bringen werde. Besonders in den Wochen vor dem 9. November versuchten sie mit ungeheurem Einsatz aller Propa- gandamittel das deutsche Volk durch den Hinweis auf den 9. November 1918 mürbe zu machen. Da sie aber selbst daran zweifelten, Deutschland und seine Verbün- deten mit Waffengewalt niederringen zu können, gründeten sich all ihre Hoffnungen auf einen vielleicht doch noch möglichen Zusammenbruch unserer Ernährungsfront. Nun, inzwischen werden die Herren Chur- chill, Roosevelt und Stalin wohl begriffen haben, daß Deutschland auch am Ende des vierten Kriegsjahres durch den Hunger nicht zu besiegen ist und gar keine Aus- sichten bestehen, das Reich überhaupt je- mals durch eine Hungerblockade zu zer- brechen.

Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen so gestiegen, daB bei den not- wendigen kriegsmäßigen Beschränkungen eine ausreichende

Selbstversorgung gesichert

war. Mit der Marktordnung hatten wir darüber hinaus ein verläßlich arbeitendes Instrument zur Durchführung einer nach menschlichem Ermessen gerechten Ver- teilung der anfallenden Lebensmittel ge- schaffen. Anläßlich des Erntedankiestes dieses Jahres sind der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft der Dank und die Anerkennung des ganzen Volkes für diese kriegsentscheidenden Leistungen aus- gesprochen worden.

Es berührt uns darum sehr wenig, wenn die plutokratisch-bolschewistischen Draht- zieher dieses Krieges heute so tun, als ob sie das angeblich verhungernde Europa vor dem Verderben retten müßten. Mit seinen Anstrengungen zur Steigerung der agrarischen Produktion hat Deutschland nicht nur für sich selbst das Problem der Versorgung weitgehend gelöst, sondern ganz Europa ein überzeugendes Beispiel gegeben. Ein Blick in die Welt zeigt, daß der Hunger überall im Gefolge der eng- lischen und amerikanischen Armeen mar- schiert. Ich glaube nicht, daß die hungern- den Inder, Iraner, Afrikaner, Araber oder etwa die süditalienische Bevölkerung der Uberzeugung sind, unsere Gegner

Nein, meine Volksgenossen, den Kampf „Hätten im Hinblick auf die Lebensmittel-

um das Brot hatten unsere Gegner schon verloren, ehe der erste Schuß in diesem, dem deutschen Volke aufgezwungenen Existenzkampf fiel. Durch die in den vor- hergehenden Friedens jahren geführte Er- zeugungsschlacht war die Produktion an

versorgung mit größerem Erfolg gearbeitet als wir. Die Versorgungslage ist dank der durch deutsche Arbeit in Europa gestiege- nen Produktion so ausgeglichen, daß eine Gefährdung der Kampfmoral von dieser Seite her praktisch nicht eintreien kann.

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Allerdings könnten wir wohl eine solch günstige Bilanz nicht aufstellen, wenn nicht Deutschland von sich aus jede mögliche

Hilfe für die anderen Länder `

geleistet hätte. Das Reich hat trotz aller kriegsbedingten eigenen Einschränkungen landwirtschaftliche Produktionsmittel und selbst Lebensmittel an die verbündeten Länder ebenso wie in die besetzten Gebiete geliefert. Deutsche landwirtschaftliche Maschinen, Düngemittel, Saatgut, Zucht- tiere u.dgl. haben in vielen europäischen Staaten erst die Voraussetzungen für die gegenwärtige Produktion und Versorgung geschaffen.

Deutschland hat also im Gegensatz zu den bei unseren Gegnern üblichen Me- thoden nicht nur allein für sich, sondern gleichzeitig in größtem Maße für Europa gearbeitet. Wir haben nicht von Völker- befreiung und Völkerbeglückung geredet und dabei die Menschen in den von uns besetzten Gebieten hungern und verhun- gern lassen) sondern haben ohne viel Aufhebens davon zu machen gearbeitet und unter schwierigsten Verhältnissen da- für gesorgt, die Menschen in Europa aus- reichend zu ernähren.

Welches sind nun die Aufgaben, die ich im fünften Jahre der Kriegserzeugungs- schlacht euch Bauern und Bäuerinnen stellen muß? Da der Bedarf der Wehrmacht und des gesamten deutschen Volkes keinen grundsätzlichen Veränderungen unter- worfen ist und da wir uns schon in den Jahren vor dem Kriege auf diesen Bedarf eingestellt haben, sind die Parolen für die Erzeugungsschlacht auch im nächsten Jahre dieselben wie in der vergangenen Zeit. Im vorigen Jahre habe ich in Posen diese Aufgaben folgendermaßen umrissen:

1. Erreichung der fläche,

2. Erzielung von Höchsterträgen im Hack- fruchtbau, vor allem bei Kartoffeln und

normalen Brotgetreide-

Zuckerrüben, 3. Höchstleistung im Gemüsebau, 4. Neue Großleistung im Olsaatenbau, ue 3. Weiterhin verstärkte Milcherzeugungs schlacht,

6. Wiederaufbau des Schweinebestandes.

Heute müssen wir rückschauend zunächst feststellen, wie diese Parolen befolgt wur- den, damit jeder Betriebsführer weiß, auf

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welchen dieser Gebiete in Zukunft das Schwergewicht der Arbeit liegen muß

Beim Brotgetreide hat sich die An- baufläche gegenüber dem unter ungünsti- gen Bedingungen stehenden Vorjahre aus- gedehnt.

Zur Aulrechterhaltung des Hack- fruchtanbaues können wir mit Be- friedigung sagen, daß die Kartoffel- und Rübenanbaufläche im großen und ganzen erhalten geblieben ist, obgleich infolge der kriegsbedingten Erschwernisse, namentlich des Arbeitskräftemangels, sich hier und dort gewisse Tendenzen bemerkbar mach- ten, den Anbau einzuschränken.

Im Gemüsebau sind die Flächen noch- mals um 80000 ha ausgedehnt worden. Diese Ausweitung konnte sich leider nicht zu dem gewünschten Erfolg auswirken, weil die Witterung einen harten Rück- schlag brachte.

Der Olfruchtbau ist meiner Parole

entsprechend sogar über die vorgesehene

Größe ausgeweitet worden.

Die Parole, die Milcherzeugungs- schlacht fortzusetzen, ist in vorbildlicher Weise durchgeführt worden. Es ist un- nötig, an dieser Stelle auszusprechen, was damit für die Fettversorgung des deutschen Volkes gewonnen wurde!

- Schließlich ist es durch eure Arbeit auch gelungen, allen Futterschwierig- keiten zum Trotz einen kräftigen Ansatz zur Aufstockung unserer Schweine- bestände durchzuführen.

Diese kurzen Hinweise lassen erkennen,

daß alle von mir für das vierte Jahr der

Kriegserzeugungsschlacht gegebenen Pa- rolen unter Einsatz aller gegebenen Mög- lichkeiten befolgt wurden. Wenn trotzdem auf einzelnen Gebieten witterungsbedingte Rückschläge eintraten, so lag die Ursache nicht bei uns und nicht bei unserer Arbeit. Wir Bauern wissen, daß man mit solchen Ereignissen immer rechnen muß. Was sagt aber ein Weniger in dem einen Jahre gegenüber guten Erträgen in anderen Jahren. Allerdings muß man dabei an dem einmal aufgestellten Plan des Anbaus beharrlich festhalten und sich nicht durch äußerliche Einflüsse davon abbringen lassen. Auch hier muß jeder von uns 80 handeln, als wenn das Schicksal des Krieges

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von seiner Leistung und von der Befolgung der ihm gegebenen Parolen allein abhängt.

Wenn ich vorhin ausführte, daß die Marschroute für das kommende Jahr den Aufgaben der Jahre gleichbleibt, die hinter uns liegen, so könnte natürlich die Frage aufgeworfen werden, warum ich dann in dieser Zeit der härtesten Anspannung über- haupt zu euch spreche. Es ist aber nun einmal so im Leben, daß man große Auf- gaben immer wieder in das Bewußtsein jedes einzelnen hämmern muß. Wir alle, die wir in der Praxis stehen, wissen, wie leicht das Grau des schweren Alltags den Blick für die Notwendigkeiten des Ganzen und der Zukunft trübt. Darum also ist es not- wendig, diese Parolen immer wieder her- auszustellen. Wie soll der einzelne Be- . triebsleiter sonst erkennen, was die Reichs- führung von ihm verlangt. Der einzelne steht unter dem Einfluß der Bedingungen seiner Wirtschaft und seiner besonderen Lage. Er kann nicht immer die Übersicht ‚haben, um zu wissen, was Volk und Reich jeweils von ihm erwarten.

Und schließlich: die Landwirtschaft ist nicht nur auf einen oder wenige Konzerne beschränkt wie manche industrielle Pro- duktion; dort allerdings genügt oft eine interne Sitzung, um einen Erzeugungsplan aufzustellen, der dann von den Angestell- ten und Arbeitern durchgeführt wird. In der Landwirtschaft haben wir es mit Mil- lionen von einzelnen Betrieben zu tun, und jeder Betrieb verlangt den selbständigen, schöpferischen Betriebsiührer. Diese Men- schen können nicht ausschließlich aus- führende Werkzeuge für Befehle von oben sein. Sie stehen auf Grund der besonderen Bedingungen in der Landwirtschaft immer auch unter dem Gesetz eigener Verantwor- tung. Jeder Betrieb ist nach Größe, Boden, Klima und Lage verschieden. Und ebenso verschieden sind danach die Möglichkeiten, das Höchste aus ihm herauszuholen. Die Produktion kann daher nicht allein vom grünen Tisch aus gesteuert werden, son- dern muß für den einzelnen Betrieb vom Betriebsleiter selbst gelenkt werden. Die

Aufstellung eines allgemeinen Erzeugungs-

planes ist hier also viel schwerer als 2. B. in der gewerblichen Wirtschaft. Allerdings ist die Aufgabe auch dankbarer, weil sie voraussetzt, daß jeder einzelne dieser Mil- lionen bäuerlicher Betriebsführer überzeugt

werden muß. Aus dieser Überzeugung ent- steht dann die Haltung, die verpflichtende Haltung gegenüber den Aufgaben der Ge- meinschaft. Deshalb spreche ich, Männer und Frauen des Landvolks, heute zu euch über den notwendigen Einsatz im neuen Jahr der Kriegserzeugungsschlacht.

Die erste Aufgabe ist in diesem Jahre die Beibehaltung der Hackfruchtifläche,

ja, sogar eine Erweiterung bei den Kartoffeln. Diese Ausweitung muß auf Kosten der nicht marktfähigen Hack- früchte, der Futterrüben, Wruken und auf Kosten des Sommergetreides gehen. Die Gründe für diese Ausdehnung sind nicht nur ernährungswirtschaftlich bedingt, son- dern auch betriebswirtschaftlich von größ- ter Wichtigkeit. Ernährungswirtschaftlich erlebt heute ganz Europa eine Umkehr in seinen Lebensgewohnheiten von tierischen zu pflanzlichen Erzeugnissen. Der starke Anteil der tierischen Erzeugnisse an der Ernährung der europäischen Völker und namentlich Deutschlands beruhte ja darauf, daß durch die liberale Weltwirtschaft riesige Flächen jungfräulichen Bodens in den Kolonialländern erschlossen wurden, die Europa billige Futtermittel zur Verfü- gung stellten. Hierdurch wurde nicht nur der Futterbau und speziell der Hackfrucht- bau in Deutschland vernachlässigt, sondern die Billigkeit erlaubte es erst, die Ernäh- rungsgewohnheiten in dem starken Aus- maß auf tierische Erzeugnisse umzustellen. Bei der Umwandlung von pflanzlichen Nah- rungsmitteln in tierische Erzeugnisse gehen ungeheure Nahrungswerte verloren. So werden bei der Schweinemast z.B. nur 25 Prozent der Nährwerte gewonnen, die die verbrauchten Futtermittel enthalten, bei der Geflügelhaltung sogar nur 10 Prozent. Der Veredlungsprozeß bringt also nüchtern

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gesehen eine Verschwendung von Nah-

rungsgütern mit sich. Schon die Abkapse- lung des Auslandes vor diesem Kriege gegen Deutschland, insbesondere aber der gegenwärtige Krieg haben die Möglichkeit einer Zufuhr von Futtermitteln aus Uber- see ausgeschlossen. Daraus entsteht zwangsläufig eine geringere Bereitstellung von tierischem Eiweiß und tierischem Fett und die Notwendigkeit, einen Ausgleich durch stärkere Gaben von pflanzlichen Nährstoffen zu schaffen. So ist die Kar- toffel in Deutschland mehr als im Frieden

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zum Grundnahrungsmittel geworden. Neben dem Brot ist sie die Basis unserer Ernäh- rung. Wir stehen daher vor der zwingen- den Notwendigkeit, den Kartoffelanbau dasselbe gilt im übrigen für den Gemüse- bau so auszuweiten, daß wir dem ver-

größerten Bedarf Rechnung tragen können. `

Daß durch die industrielle Verarbei- tung der Kartoffel und neuerdings auch der Zuckerrüben der Bedarf noch gesteigert wird, liegt auf der Hand. Für diese Gebiete ist in der Zukunft

daher jegliche Einschränkung ausgeschlos-

sen. Im Hinblick auf die Bedürfnisse unse- rer Rüstung ist im Gegenteil eine Aus- weitung sogar unerläßliche Forderung.

Schließlich ist die Kartoffel eines unserer Hauptfuttermittel für die Erzeugung von Schweinefleisch und Fett. Gerade die Erhöhung des Speisekartoffelbedarfs hat ja dazu geführt, daß die Verhältnisse sich im Kriege gegen- über dem Frieden umgekehrt haben. Da- mals stand der Speisekartoffelverzehr zu den Futterkartoffeln im Verhältnis wie 1:2; heute stehen die Speisekartoffeln zum Futterrest wie 2:1. Mangel an Kartoffeln bedeutet daher weiteren Abbau der Schweinebestände. Da aber der Fleisch- bedarf bleibt, erwächst hieraus der zusätz- liche Eingriff in die Rinderbestände. Jeder von uns muß sich über diesen Zusammen- hang klar sein. Wenn heute einer von uns zuviel Rinder abgeben muß, so ist dies letzten Endes die Folge eines zu geringen Kartoffelanbaus. Das Rind aber ist für uns nicht Erntebestandteil, sondern Produk- tionsmittel. Eingriffe in die Rinderbestände sind daher so folgenschwer, weil sie dem Betrieb ein Mittel entziehen, das dieser für die Erstellung neuer Ernten und zur Ge- winnung unserer gehaltvolisten Lebens- mittel, Milch und Butter, notwendig braucht. Aus diesen Gründen habe ich im vergangenen Jahre mit besonderem Ernst auf die Notwendigkeit der Parole, die Schweinebestände aufzustocken, hinge- wiesen. Nur hierdurch ist ein Eingriff in die Substanz des Hofes zu Lasten der Zu- kunft zu vermeiden. Wir müssen also der Gefahr des Abbaus von zwei Seiten be- gegnen:

Einmal und das ist entscheidend durch Erweiterung unserer Fut- tergrundlage auf dem Wege über die Kartoffel.

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zweitens durch stärkere Aufstok- kung der Rinder, um den Entzug aus zugleichen.

Nicht nur der Anbau der Kartoffel, son- dern auch der Anbau der Zuckerrübe und darüber hinaus der Zucker-Futterrübe muß ausgeweitet werden. Durch die früheren Preisverhältnisse ist die Verwendung von Futtergetreide und Kartoffeln zur Schweine- mast Gewohnheit geworden. Heute wissen wir, daß wir einen erheblichen Teil der Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben er- setzen können. Nun bringt die Zuckerrübe und die Zucker-Futterrübe gerade auf den besseren Böden, auf denen sie angebaut wird, einen höheren Ertrag als die Kar- toffel. Volkswirtschaftliche Notwendigkeit, zusätzliches Futter zu schaffen und be- triebswirtschaftliche Notwendigkeit, die Mast zu verbilligen, laufen hier in der- selben Richtung. Ich sehe gerade auf diesem Gebiet eine neue Möglichkeit, die eigene Futterbasis zu erweitern und halte es daher für besonders wichtig, daß jeder einzelne Betriebsleiter diesen Weg be- schreitet. Wir wollen uns darüber im klaren sein, daß es sich bei dieser Um- stellung der Mast nicht um eine vorüber- gehende Kriegserscheinung handelt, son- dern daB diese Maßnahme in erster Linie der zukünftigen Entwicklung einer euro- päischen Autarkie liegt. Je schneller der einzelne diesen Weg einschlägt, um so mehr nützt er der Volkswirtschaft und um so gesunder wird sein Betrieb. So wird die Ausweitung des Hackfruchtbaus in dem eben ausgeführten Sinne eine der entschei- dendsten Aufgaben im fünften Kriegsjahr und darüber hinaus für alle Zukunft sein. Von ihrer Befolgung hängt es ab, ob wir die anderen uns gestellten ernährungswirt- schaftlichen Ausgaben lösen können.

Brotgetreideflächen erhalten

Wie ich vorhin schon sagte, geht die zukünftige Entwicklung zu einer stärke- ren Betonung der pflanzlichen Kost. Neben der Kartoffel spielt hier das Brot die entscheidende Rolle. Daher muß die Brotgetreidefläche in ihrer bis- herigen Größe erhalten bleiben. Was die Brotgetreideernte für Deutschland bedeutet, haben uns die beiden letzten Jahre gezeigt. Im vergangenen Jahre hatten wir durch die Auswinterung bedingt eine unterdurchschnittliche Ernte, mit der Folge,

daß wir über 1,5 Millionen t Gerste dem Futtersektor entziehen mußten. Dieses Jahr brachte uns eine weit überdurchschnitt- liche Ernte, die der Landwirtschaft und dem gesamten deutschen Volke das Gefühl einer unbedingten Sicherheit gegenüber allen denkbaren Ereignissen gab.

In Anbetracht der gegebenen natürlichen Verhältnisse und der von der Landwirt- schaft zu bewältigenden Aufgaben war ein Rückgang der Brotgetreideanbaufläche nicht überall zu vermeiden. Wirfordern erneut eine Vergrößerung der An- bauflächen bei den Hackfrüchten, bei Olsaaten und beim Gemüse. Da- her muß irgendeine andere Frucht die Flächen für diese Ausweitung hergeben. Es kommt hinzu, daß betriebswirtschaftliche Verhältnisse, Zwangslagen aus der Frucht- folge heraus, ja oft die verschiedene Größe der einzelnen Felder, dazu zwingen, auch einmal aus der Brotgetreideanbaufläche ein Feld für eine auszuweitende Frucht zu nehmen. Diese Ausnahmen dürfen jedoch eben nur Ausnahmen sein. Wir wissen nicht, ob die Witterung im nächsten Jahre unsere Brotgetreideernte so begünstigt wie im vergangenen Jahr. Wir haben aber die Pflicht, dem deutschen Volke das tägliche Brot zu gewährleisten. Die Flächen für die Ausdehnung anderer Früchte sind daher dort herzunehmen, wo Pflanzen angebaut werden, die nur mit einem geringen Pro- zentsatz oder gar nicht an der Markt- leistung beteiligt sind. Wie die Ausweitung im Hackfruchtbau, soweit es irgend geht, auf Kosten von Fulterrüben gehen muß, so muß der Futtergetreidebau die Flächen- erweiterung anderer Früchte tragen.

100 000 Hektar mehr Olfrüchtel

Trotz der großen Erfolge im Olfrucht- bau des letzten Jahres muß der Anbau wiederum um rund 100 000 ha steigen. Je länger der Krieg dauert, um so mehr sind wir beim Fettsektor auf unsere eigene Er- zeugung angewiesen. In den ersten Kriegs- jahren hatten wir noch große Reserven an lsaaten und Waltran; auch hatten wir noch bedeutende Bezugsmöglichkeiten, ins- besondere aus Ostasien. Heute sind unsere Fettquellen im wesentlichen: die Milch und der eigene Ulfruchtbau. Die

deutsche Landwirtschaft ist unserer Parole auf Ausweitung des Dlfruchtbaus seit Be- ginn des Krieges trotz der harten Rück- schläge durch Auswinterung und Schäd- lingsbefall so willig gefolgt, daß ich gewiß bin, sie wird die diesjährige Aufgabe, 600 000 ha anzubauen, genau so bewältigen wie die Aufgabe des vorigen Jahres. Ent- scheidend kommt hinzu, daß der Difrucht- bau unmittelbar durch Ulkuchen und mittelbar durch Nachbau von Grünfutter keinen Futterausfall kostet. |

Gemüseanbau verstärken

Haben wir in den letzten Jahren die Gemüseanbaufläche stark vergrößert, so ist jetzt der Augenblick eingetreten, in dem es weniger auf flächenmäßige Ausdeh- nung als auf Intensivierung des An- baus ankommt. Die flächenmäßige Aus- dehnung hat ja nur dann einen Erfolg, wenn für diese zusätzliche Fläche aus- reichende Düngung zur Verfügung steht. Das ist aber großenteils nicht der Fall.

Mancher von Ihnen, der in diesem Jahre gemäß unserer Parole mehr Gemüse oder überhaupt zum erstenmal Gemüse gebaut hat, ist durch den Ernteausfall infolge der Trockenheit enttäuscht. Diese Tatsache be- lastet nicht our den Bauern und den Be- triebserfolg seiner Wirtschaft, sondern trifft vor allem auch den Verbraucher. Trotz der Rückschläge, besonders im Osten des Reiches, dürft ihr, deutsche Bauern und Landwirte, euch nicht entmutigen lassen. Ich weiß, was es bedeutet, soviel Arbeit in die Aussaat und in die Pflege der Ge- müsefelder zu legen, und wenn man dann nach soviel Mühe und Arbeit vor einem Felde steht, das die aufgewandte Leistung überhaupt nicht oder nur durch einen ge- ringen Ertrag entschädigt. Trotzdem muß der jetzige Stand der Gemüseanbaufläche unter allen Umständen gehalten, im Vor- und Nachbau sogar noch erweitert werden. Jeder Anfänger fühlt sich zunächst un- sicher. Ein Rückschlag in den ersten An- baujahren läßt Zweifel aufkommen, ob der Betrieb sich für den Gemüsebau überhaupt eignet. Meine Bauern! Das ist aber doch nicht nur beim Gemüsebau so. Ich erinnere nur an die Einführung der Kartoffel, der Zuckerrübe oder der Dlfrüchte, wo die

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gleichen Erfahrungen gemacht wurden. So müßt ihr unter allen Umständen auch in diesem Jahre den Gemüsebau weiterführen. Die Zahl der Konsumenten in den Städten ist durch die ausländischen Arbeiter be- trächtlich gewachsen. Der Ausfall Süd- italiens bedeutet ebenfalls keine Erleichte- zung unserer Gemüseversorgung. Es ist daher eine eurer wichtigsten Aufgaben, den Gemüsebau zumindest zu halten und sogar auszudehnen, wo es irgend geht. Denn es ist jedem bekannt, welche Bedeu- tung das Gemüse nicht nur für die Sätti- gung, sondern auch als Träger wertvoller Nährstoffe für die Gesunderhaltung und Arbeitsleistung hat.

Die Voraussetzung einer derartigen Pro- duktion, nämlich die Saatgutversor- gung, hat dank der vorausplanenden Maßnahmen des Reichsnährstandes eine beträchtliche Verbesserung erfahren. In- folge der günstigen Samenernte im In- und Auslande kann die Saatgutbereitstellung für fast alle Gemüsearten als vollauf ge- sichert bezeichnet werden. Diese Steige- rung der eigenen Erzeugung und die von Deutschland planmäßig gesteuerte Ausrich- tung der europäischen ProdukMon dürfen so als ein glückliches Beispiel der kon- tinentalen Zusammenarbeit angesehen werden. i

Durch den Krieg zeigen sich auch Mangelerscheinungen auf früher als neben- sächlich erachteten Gebieten, z. B. beim Obstbau. Der Obstbau hat unter den vergangenen strengen Wintern sehr ge- litten. Durch neue Methoden des Nieder- stammobstbaues versuchen wir, den not- wendigen Wiederaufbau unseres Obstbaum- bestandes stärkstens zu fördern.

Auch der Weinbau erfährt eine ent- sprechende Förderung, der zusätzlich zur Weinproduktion während des Krieges einen beträchtlichen Beitrag zur Pro- duktion von Gemüse und anderen Feld- früchten leistet.

Wie ich beim Difruchtbau schon aus- führte, stellt die

Butter unsere wichtigste Fettquelle

dar. Mir ist vor kurzem eine Berliner Zeitung aus dem Herbst 1917 in die

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merkte Ration

Hände gefallen mit der Ankündigung des Magistrats der Stadt Berlin, daß die Butterration für eine Woche pro Person 5 Gramm betrage. Die auf der Karte ver- lautete allerdings auf 120 Gramm. Man vergleiche die tatsächlich ausgegebene Ration mit derjenigen, die wir dank der Leistungen unserer Landwirt- schaft heute zu geben, in der Lage sind. Wenn wir danach fragen, warum es gerade auf dem Milchsektor möglich gewesen ist, derartige Leistungen zu erzielen, so muß ich feststellen, daß wir hier die Grundsätze der nationalsozialistischen Marktordnungs- politik konsequent durchführen konnten. Die Anstrengungen der Erzeuger konnten weiter in größtem Umfange durch den Auf- bau praktischer pflegerischer Maßnahmen wie Milchkontrolle, Gärfutter- behälterschau, Zwischenfrucht- bau usw. unterstützt werden. Durch die vor dem Kriege von der Reichsregierung durchgeführte Preisaufbesserung wurde die Landwirtschaft schließlich in die Lage versetzt, die wirtschaftseigene Futter- basis stärkstens auszubauen, so daß der Kraftfutterausfall keine Ertragsminderung durch die geringere Einfuhr zur Folge hatte. Für die Zukunft bleibt es entschei- dend, die Milcherzeugung nicht nur auf dem hohen Stand der letzten Jahre zu halten, sondern sie noch mehr zu intensi- vieren. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn alle produktionsfördernden Maßnahmen genauestens durchgeführt wer- den und darüber hinaus der Eigenverbrauch von Vollmilch auf das geringste Maß herab- gesetzt wird, vor allem aber der letzte Tropfen Milch zur Ablieferung in die Mol- kerei kommt, mögen sich auch Produktions- schwierigkeiten vielerlei Art ergeben. Rest- lose Ablieferung ist bei anständiger Hal- tung keine Schwierigkeit. Diese vorbild- liche Bereitschaft darf sich auch unter den Bedingungen des fünften Kriegsjahres nicht lockern. Je länger der Krieg dauert, desto härter und konsequenter muß das deutsche Landvolk seine Pflichten bei der Abliefe- rung erfüllen. Gerade bei der Bewirl- schaftung der täglich anfallenden Milch- mengen entsteht vielleicht am ehesten der falsche Eindruck, daß es doch auf einen halben oder einen viertel Liter weniger in Stall und Küche nicht ankommen könne.

Ein Liter Milch von 3,5 Millionen Be- trieben täglich mehr abgeliefert, bedeutet aber eine zusätzliche Produktion von 53000 t Butter im Jahr, eine Menge, die ausreichen würde, rund 8,1 Millionen Normalverbraucher ein Jahr lang mil Butter zu versorgen.

Aufstockung des Schweinebestandes

Ich komme nunmehr zur sechsten meiner Parolen, zur Frage der Aufrechterhal- tung der Schweinebestände. Die Aufstockung auf diesem Gebiet ist eine der dringendsten Forderungen, die die Führung der Ernährungswirtschaft an euch stellt. Sie hängt aufs engste mit der Auswei- tung der Futterbasis, vor allem der Intensivierung des Hackfrucht- baus und mit den Eingriffen in die Rinderbestände zusammen. Dieses Problem ist so wichtig, daß es sich der einzelne Betriebsleiter gar nicht oft genug ins Bewußtsein rufen kann. Ich weiß: das Schweineablieferungssoll bedeutet für euch im Augenblick die größte Sorge. Wir gingen in diesen Krieg mit einem sehr hohen Bestand an Schweinen. Euch ist be- kannt, warum hier ein Abbau vorgenom- men werden mußte. Zwei Auswirkungen hatte dieser Abbau des Schweinebestandes: Er verringerte einmal den Futterbedarf an Kartoffeln und Getreide, die der unmittel- baren menschlichen Ernährung zugeführt werden konnten; zum anderen stärkte er unsere Fleischbilanz. Aber es wurde aus dem Bestand abgeschöpft, ohne ihn wieder zu ergänzen. Die Weiterführung einer sol- chen Entwicklung mußte in dem Augenblick aufhören, als der Bestand unter das Niveau des vermutlichen Futteranfalls absank; denn damit wurde das Fleischaufkommen aus dem Schweinesektor so gering, daß in die Rinderbestände eingegriffen werden mußte. Als daher im vergangenen Jahre die Hoffnung bestand, die Lücke im Brot- getreidesektor z.B. durch Einfuhren aus dem Südosten zu verringern, als wir also damit rechnen konnten, wenigstens einen Teil der als Brotergänzung vorgesehenen Gerste für die Schweinemast freizubekom- men, habe ich die Parole zur Auf- stockung der Schweinebestände gegeben, Heute schon kann ich feststellen,

daß auch diese Forderung von der deut- schen Landwirtschaft trotz aller Schwierig- keiten erfüllt wurde. Wie bei allen der- artigen sich erst nach längerer Zeit aus- wirkenden Aufgaben hat sich der Erfolg im verflossenen Jahr weniger in einer höheren Zahl von Mastschweinen gezeigt, als viel- mehr in einer Steigerung des Sauen- und Ferkelbestandes. Entgegen unse- ren Erwartungen war jedoch die Futterlage infolge des Ausfalls von Einfuhren schlech- ter geworden. Darüber hinaus brachten zu- sätzlich nach Deutschland hereingekommene Millionen ausländischer Arbeitskräfte eine weitere Belastung für den Kartoffelsektor, während die notwendige Vergrößerung unserer Wehrmacht erneut hohe Ansprüche an das Lieferungsvermögen der Landwirt- schaft stellte. So mußte eine noch weitere Aufstockung der Schweinebestände unmög- lich werden, weil die Futterdecke zu knapp wurde. Die Folge davon war das schon erwähnte Eingreifen in die Rinderbestände, um die Fleischbilanz auszugleichen. In- zwischen sind die Anforderungen bei der Fleischversorgung nicht etwa geringer, sondern eher größer geworden. Die Auf- stockung des Schweinebestandes wird damit um so zwingender.

Der deutsche Bauer wird sich nun fragen, wie er die aufgestellten Schweine in den kommenden Monaten sattmachen soll. Vom einzelnen Betrieb aus gesehen, scheint das jetzige Soll schon zu hoch zu sein, von einer weiteren Verstärkung des Bestandes ganz abgesehen. Die unterdurchschnittliche Kartoffelernte dieses Jahres bedeutet dabei eine weitere Belastung; denn darüber darf kein Zweifel herrschen, meine Bduern: Bei der Ablieferung stehen die Speisekartoffeln an der Spitze, selbst wenn der Futtervorrat zu gering werden sollte. Heute kann ich natürlich noch nicht übersehen, in welchem Umfange ich die zusätzlichen Getreide- mengen für Mastzwecke hereinbekomme, die zum Ausgleich des Futterdefizits ge- braucht werden. Schließlich ist es aber doch so, daß auch der Bauer einen Vor- anschlag für seinen Betrieb macht, bevor er die gesamte Ernte gedroschen hat. Auch er muß, ohne letzten Endes genau zu wissen, wieviel Futter ihm zur Verfügung steht, vorher bestimmen, wieviel Ferkel er

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zur Mast ansetzt. Wieviel größer ist der Zwang dieses Vorausdenkens bei mir, der ich den Bedarf des nächsten Jahres an Fleisch kenne und deshalb frühzeilig jene Maßnahmen einleiten muß, die diesen Be- darf gewährleisten. Darüber hinaus ist es immer noch leichter, unreife Schweine ab- zuschlachten, als zusätzlich Schweine aus dem Boden zu stampfen, wenn die Futter- grundlage eine höhere Schweinemast er- laubt. Um das aufzubringende Soll an Schweinen zu sichern, sind in diesem Jahre erstmalig Aufbringungsumlagen auf jeden Hof gelegt. Diese Aufbringungsumlagen sind ein Mittel, um dem einzelnen Hof klarzumachen, welche Mindestleistung das Reich von ihm fordern muß. Wenn die Sorge um diese Umlage euch heute sehr bedrückt, .so denkt daran, daß ich mit meinen Mitarbeitern vor dieser Um- lage diese Sorgen allein zu tragen hatte.

Zur Futtergrundlage im allgemeinen noch folgendes: Ich bin der Meinung, daß dort, wo ein Wille ist, sich auch meistens ein Weg findet. Niemand sollte sich an alt- hergebrachte Gewohnheiten der Schweine- mast klammern, ohne zu bedenken, daß es auf jedem Betrieb doch noch Quellen gibt, die zusätzlich Futter aufzubringen ver- mögen. Eine dieser Quellen ist zweifellos die

Einschränkung der Kleintierhaltung

Wir haben im Frieden, als genügend Futter zur Verfügung stand, die Klein- tierhaltung durch zahlreiche Förderungs- maßnahmen unterstützt. Gegenüber den Aufgaben jedoch, die der Krieg im fünften Jahr von uns fordert, ist es wichtiger, eine durch die Fleischkarte ge- gebene Ration zu erfüllen, als Geflügel zu erzeugen, Kaninchen zu mästen u. dgl. mehr, Dinge, die vornehmlich der zusätz- lichen Versorgung einzelner zugutekom- men. Wenn sich diese Verhältnisse hart im Raume stoßen, dann ist es eher erträg- lich, die gesamte Kleintierhaltung bis auf den notwendigen Zuchtbestiand abzu- schaffen, als einen Einbruch in der Fleisch- versorgung der Gesamtbevölkerung hinzu- nehmen.

Über eines wollen wir uns doch keiner Täuschung hingeben: Der Krieg hat auf

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die Viehbestände im allgemeinen abbauend gewirkt, am stärksten beim Schwein.. Nur bei der Kleintier- haltung sind die Bestände um das Doppelte, Dreifache, ja Fünffache gewachsen. Hier einen Riegel vorzuschieben, verlangt nicht nur die Aufgabe der Versorgung an sich, sondern das selbstverständliche Gefühl sozialer Gerechtigkeit. Wenn ich hier vor allem zu euch Bauern zum Thema Klein- tierhaltung spreche, so geschieht das aus Sorge um das notwendige Aufkommen an Schweinen. Dabei bin ich mir natürlich völlig darüber im klaren, daß die Ver- größerung der Kleintierbestände ganz be- sonders in nichtlandwirtschaftlichen Be- trieben stattgefunden hat. Ich habe nicht die Absicht, hier unhaltbare Zustände ein- reißen zu lassen!

Die Herabsetzung des Kleintier- bestandes ist also eine der Quellen, um die Schweinemast zu erleichtern. Darüber hinaus aber gibt es noch manche andere Möglichkeit, zusätzlich Futter zu ge- winnen. Abgesehen von der schon er- wähnten Umstellung der Masttechnik durch Ersatz eines erheblichen Teils von Kartoffeln durch Zucker-Futterrüben bzw. Zuckerrüben, bietet vom Frühjahr an das Grünfutter viele Möglichkeiten, eine größere Schweinemast bis zur nächsten Kartoffelernte durchzuhalten. Schließlich glaube ich, daß mancher Zentner Hafer volkswirtschaftlich richtiger den Pferden entzogen wird, um ihn den Schweinen zu- gute kommen zu lassen. Wer den heutigen Futterzustand der Pferde in den meisten Gebieten Deutschlands mit dem vergleicht, wie er etwa im vierten Jahre des vorigen Krieges war, der wird zugeben müssen, daß hier zugunsten der Schweine Futter eingespart werden kann. Ich will damit natürlich nicht sagen, im vergangenen Weltkriege sei der Futterzustand der Pferde ausreichend gewesen. Es ist be- kannt, wie stark die Leistung dieser Pferde zu Lasten der zukünftigen Ernte zurück- ging. Schließlich sind aber unsere Herbst- arbeiten wie selten vorwärts gekommen, 80 daß die besonders schwere Arbeit des Ab- fahrens von Kartoffeln und Rüben nur einen Bruchteil der Pferdekraft gekostet hat wie zur Zeit der vorigen Ernten.

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Die Lage bei den Produktionsmitteln

Ich habe euch, deutsche Bauern, Land- wirte und Landfrauen, für das vor uns liegende Jahr der Kriegserzeugungsschlacht wieder schwere Aufgaben gestellt. Ihr würdet diese Aufgaben leichter und ein- facher erfüllen können, wenn ich jetzt eine stärkere Bereitstellung der wichtigsten Produktionsmittel und eine Vermeh- rung der. Arbeitskräfte zusagen könnte. Auf Grund des außerordentlichen Bedarfs an der Front und in der Rüstungsindustrie ist diese Erleichterung nicht möglich. Es ist im einzelnen auch nicht zu übersehen, welche weiteren Einsparungen noch ge- tragen werden müssen. Ihr könnt aber überzeugt sein, daß eure Sorgen auch meine Sorgen sind und daß von mir aus alles nur Denkbare getan wird, um der Landwirtschaft zu helfen. Diese Fest- stellung darf wiederum nicht dazu führen, alle Hilfe ausschließlich von der Zen- trale zu erwarten. Schwierige Lagen können nur gemeistert werden, wenn draußen im Lande ebenso entschlossen an ihrer Überwindung gearbeitet wird wie in den Führungsstellen, und in vielen Fällen wird es nur über den Weg der Selbsthilfe möglich sein, die Lage zu meistern. Ich halte es daher für notwendig, zu diesem Problem der Produktionsmittel kurz Stellung zu nehmen, und zwar von jener höheren volkswirtschaftlichen Ebene aus, zu der ich verpflichtet bin, und zum anderen als praktischer Landwirt, der die Verhältnisse vom Betrieb aus ebensogut kennt.

Wir wissen als Bauern und Landwirte, daß für unsere Betriebe die vorhandenen Arbeitskräfte und noch mehr der tüchtige Betriebsführer entscheidend sind. Der Krieg zwingt uns, hier zu Aushilfs- mitteln zu greifen. Auf der einen Seite versuchen wir, die zur Wehrmacht ein- gezogenen Arbeitskräfte weitgehend durch Ausländer zu ersetzen. Der Betriebsführer selbst wird vor allem in den kleineren Betrieben meist durch die Bäuerin er- setzt. Zu deren Unterstützung habe ich schon im Frühjahr dieses Jahres die Hof- patenschaften eingelührt und die in der Heimat verbliebenen Männer verpflichtet,

diesen Landfrauen mit ganzer Kraft zur Seite zu stehen.

Der Krieg wird für die Verteidigung der

-Heimat weiterhin Menschen von uns for-

dern. Die Bereitschaft zum Fronteinsatz ist für uns Bauern eine Selbstverständlichkeit. Die entstehenden Lücken müssen durch noch stärkeren Einsatz der in der Heimat Verbleibenden und durch

noch mehr Gemeinschafts- und Nachbarschaftshilfe

als bisher ausgeglichen werden. Vieler-

“orts wird durch den freiwilligen Land-

nutzungstausch, der ohne Berührung der Eigentumsfrage durchgeführt wird, große Erleichterung in der Arbeit geschaffen. Für die Realteilungsgebiete bedeutet der freiwillige Landnutzungstausch eine Überwindung der Kleinparzellenwirt- schaft und ermöglicht dadurch vielfach erst einen zweckvollen Maschineneinsatz, vor allem den gemeinschaftlichen Einsatz, die Einsparung von Treibstoff und unnötig langen An- und Abmarschwegen und eine zusätzliche Nutzung bisheriger Wegraine, Reststücke usw.

Der gemeinschaftliche Maschi- neneinsatz muß auf der ganzen Linie noch mehr gepflegt werden. Ich weiß, daß manche Maschine, die notwendig wäre, heute nicht gekauft werden kann. Die für den Maschinenbau notwendigen Rohstoffe gehören vordringlich der Rüstung, und so müssen wir uns hier mit dem bescheiden, was die Front nicht braucht.

Dasselbe gilt für die Düngemittel. Auch hier wissen wir: sind die Handels- düngemittel für uns auch noch so wichtig, der Bedarf der Rüstungsindustrie geht im Interesse unserer Frontsoldaten vor. Wenn die Zuteilung an Stickstoff und an Phosphorsäure heute wesentlich unter dem Höchststand von 1938/39 liegt, so darf andererseits nicht vergessen werden, daß im fünften Kriegsjahr trotzdem größere Mengen zur Verfügung stehen als vor 1933. Bei Kali und Kalk dürften durch die ge- ringeren Zuteilungen noch keine schwer- wiegenden Ernteausfälle entstanden sein. Es ist selbstverständlich mein Bestreben, die Zuteilung an Düngemitteln so umfang-

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reich wie irgend möglich zu gestalten. Es wird aber erst Aufgabe einer späteren Zeit sein, den notwendigen Ausgleich der ein- zelnen Nährstoffe im Boden vorzunehmen. Wir haben darum heute mehr denn je die Pflicht, im Interesse der Gesunderhaltung unserer Böden den im Betrieb anfallenden wirtschaftseigenen Dünger beson- ders pfleglich zu behandeln und richtig zu verwenden. Wichtig ist auch, den Anbau von Leguminosen sei es als Grün- düngung, sei es als Einsaat mehr auszunutzen als bisher.

Sieht es also beim Stickstoff, bei den

Arbeitskräften und bei den Maschinen und Geräten im wahrsten Sinnes des Wortes kriegsmäßig aus, so kann ich mit Befriedi- gung feststellen, daß eine der wichtigsten Erzeugungsvoraussetzungen die Saat- gutversorgung während des Krieges laufend verbesser! werden konnte.

So gelang es z.B. im Herbst 1943 beim Wintergetreide eine um das dreifache höhere Menge an Hochzuchtsaatgut gegen- über 1939 bereitzustellen. Beim Sommer- getreide verlief die Entwicklung ähnlich. Erfreulich ist auch die Entwicklungskurve bei der Grassamenversorgung. In Deutschland wurden früher nennenswerte Mengen an Grassamen nicht erzeugt. 1933 machte die Produktion nur rund 5000 dz aus. Dank der im Rahmen der Erzeugungs- schlacht ergriffenen Maßnahmen wurde die Produktion bis zum Jahre 1939 auf rund 45000 dz erhöht und es gelang dann in den Kriegsjahren, weiter eine Steigerung auf 146000 dz zu erzielen. Im übrigen wird sich in steigendem Maße gerade auf dem Gebiet der Grassamenversorgung die von uns propagierte europäische Zu- sammenarbeit günstig auswirken, weil bei wichtigen Gräserarten besondere An- zuchtbedingungen bestehen, auf die eine Reihe europäischer Staaten sich speziali- siert hat. Es ist gelungen, den Anbau in diesen Ländern auf die europäischen Be- dürfnisse auszurichten, so daß von dieser Seite her auch für uns gewisse Erleichte- rungen eintreten werden. Das gilt vor allem auch für Klee- und Luzerne- samen, denn Sie werden mir mit Recht entgegenhalten, daß hier die Versorgung noch zu wünschen übrig läßt. Wenn ich

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auch nach wie vor fordern muß, daß die deutsche Landwirtschaft wenigstens einen Teil ihres Kleesamenbedarfes aus wirt- schaftseigenem Anbau zu decken hat, so wird doch die europäische Zusammenarbeit auf diesem Sektor den Bedarf in Zukunft immer besser befriedigen können.

Von weittragender Bedentung ist schließ- lich auch die Steigerung beim Kartoffel- pflanzgut. Einer Anbaufläche von 35000 ha im Jahre 1934 steht heute eine solche von 270000 ha gegenüber, wobei allein auf die Kriegsjahre eine Ausweitung von rund 170000 ha entfällt. Der Anbau anerkannten Kartoffelpflanzgutes ist damit um nicht weniger als 800 Prozent erhöht worden.

Zur Frage des Zugkräftebesatzes unserer Betriebe ist nach Lage der Dinge nicht viel zu sagen. Was an Treckern und Treibstoff herangeschafft werden kann, wird zur Verfügung gestellt. Daß dieser Einsatz für eure Arbeit nicht immer genügt, weiß ich. Jedoch auch hier geht die Front allem anderen voran. Um so erfreulicher ist darum die Entwicklung unseres Pferde- bestandes, da das Pferd als Zugkraft in den vergangenen Kriegsjahren immer größere Bedeutung gewonnen hat. Die Pferdeaushebungen zu Beginn des Krieges haben in den im Wiederaufbau befindlichen Pferdebestand zunächst erhebliche Lücken gerissen. Durch eine planmäßig geförderte Vermehrung der Stutendeckungen von 320 000 im Jahre 1933 auf 520 000 im Jahre 1939 und 740 000 im letzen Jahr ist es je- doch gelungen, größere und einschneiden- dere Beschränkungen zu vermeiden.

Der Ablieferungswille ist entscheidend!

Männer und Frauen des Landvolkes! Für die ausreichende Versorgung des Volkes mit Lebensmitteln ist nicht nur die Erzeu- gung an sich ausschlaggebend, sondern auch die Marktleistung der Be- triebe. Wir wollen nicht vergessen, daß die Lebensmittelkarten, die trotz aller Schwierigkeiten immer rechtzeitig beliefert wurden, einen der wesentlichen Vertrau- ensfaktoren in unserem gegenwärtigen Ringen überhaupt darstellen. Es kommt daher wesentlich darauf an, daß die Land- wirtschaft sich hier ihrer hohen Verant-

D. Ortsbauernführer hat im Kriege mehr denn je eine verantwortungsvolle und arbeitsreiche Tätigkeit. Wenn der größte Teil der Bauern im Wehrdienst steht, ist es seine erste und große Aufgabe, der alleinstehenden, Schwer belasteten Bäuerin mit seinem Rat und seiner Hilfe zur Seite zu stehen, weil es notwendig ist, alle Arbeiten selbst unter kriegsbedingten Erschwernissen in jedem Jahr erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Der Ortsbauernführer ist es, der dafür zu sorgen hat, daß die Betriebe seines Dorfes ihren Ablieferungspflichten und Men Anforderungen in bezug auf die zweckmäßigste Bodennutzung voll nachkommen. Da er selbst vor allem ein Bauer ist, kennt er die Schwierigkeiten und Nöte derer, die er betreuen und führen muß, aus eigener Erfah- mng, daher wird er als erfahrener und praktischer Landwirt immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Sind doch gerade jetzt im Kriege auf dem Gebiet der Steigerung der Ernteerträge, richtigen Feldbestel- Jung usw. nur zuverlässige Vorschläge am Platze.

Tritt irgendwo auf dem Hof der Bäuerin eine Schwierigkeit auf, ist eine der landwirtschaftlichen Maschinen Dicht in Ordnung, so genügen oft der geschulte Blick und ein paar geschickte Handgriffe des Ortsbauernführers, Dm den Schaden zu beheben und die Maschine wieder für die richtige Ausnutzung der Volksernährung in Gang zu bringen. Seine Aufgabe ist es auch, zur Erntezeit oder bei drängenden Feldbestellungsarbeiten die Nachbar- Schaftshilfe zu organisieren, die den alleinstehenden Bäuerinnen schon überall nutzvolle Dienste brachte, wie überhaupt der planmäßige Einsatz der Landarbeiter, der Gesinde- und Hilfskräfte zu seinen Obliegenheiten gehört.

Aber er ist nicht nur Führer und Berater seines Dorfes, er hat außerdem auch noch die verwaltungstech- Mischen Aufgaben des Dorfes zu meistern. Er ist der Dolmetsch zwischen dem Reichsnährstand und den Bauern eines Dorfes. Einmal gibt er die erforderlichen Richtlinien und Erlasse des Reichsnährstandes erklärend weiter, Auf der anderen Seite übermittelt er Anregungen und Wünsche seiner Bauern.

So erstreckt sich die Tätigkeit des Ortsbauernführers auf ein weites und verantwortungsvolles Gebiet. Was der Ortsbauernführer von seinen Bauern auch immer für die Sicherstellung unserer Ernährung fordern muß, les, was er von ihnen verlangt, muß er auch selbst erfüllen. Und so ist er täglich immer wieder aufs neue der dorfgemeinschaft Vorbild und wirklicher Führer.

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Der Bäuerin gilt im Kriege die besondere Hilfe des Ortsbauernführers. Hier wird sie über die rich- i tige Handhabung des Düngerstreuers unterrichtet

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Der gemeinschaftliche Treckerführer des Dorfes berät mit den Bauern den Arbeitsplan. Abends wird beim gelegent- lichen Schoppen weiter die erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit besprochen

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wortung bewußt ist und dafür sorgt, daß jeder Volksgenosse die Lebensmittel kaufen kann, die ihm auf Grund der Lebensmittel- karten zustehen. Ich habe in meiner Rede zum Erntedanktag an überzeugenden Bei- spielen dargelegt, wie vorbildlich der Ablieferungswille der deutschen Landwirtschaft gewesen ist. Jeder ein- zelne muß seinen Stolz darein setzen, daß hier im weiteren Verlauf des Krieges kein Absinken der Moral stattfindet. Ich weiß, mit der Länge des Krieges werden die Ver- suchungen größer; die Verlockungen des Tauschhandels treten gerade an das Land- volk heran. Es gibt auch keine Gemein- schaft, in der nicht der eine oder andere solchen Versuchungen erliegt. Ich er- warte aber, daß die Gemeinschaft des deut- schen Landvolks aus sich heraus, vor allem die Orts- und Kreisbauernführer und ihre Beauftragten, gerade auf diesem Ge- biet für absolute Sauberkeit und Korrekt- heit sorgen. Die Millionen Kanäle, durch die die Lebensmittel vom Bauernhof bis zum Verbraucher strömen, sind schwer zu kontrollieren. Gerade deshalb muß jeder einzelne sich verantwortlich dafür fühlen, das vom deutschen Volke bisher in die nationalsozialistische Agrarpolitik gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen!

Wenn ich heute immer wieder Forderun- gen an euch stelle, Forderungen insbeson- dere an die ehrenamtlichen Bauerniführer, so bin ich mir bewußt, daß der eine oder andere sich manchmal nicht mehr stark ge- nug fühlt, diese Belastung zu tragen. Dazu, meine Volksgenossen, 'muß ich euch eins sagen: Was wir in der Heimat auch auf uns nehmen und was wir auch tragen müssen, es ist wenig im Vergleich zu dem, was der deutsche Soldat an der Front leisten und aushalten muß. Wir wollen doch nicht klein erscheinen vor diesen Männern, die den Frieden unserer Heimat schützen und bedingungslos ihr Leben opfern für die Zu- kunft unseres Reiches. Wie wir die harten Schläge und Belastungen heute aushalten, das wird zeigen, ob wir uns als Volk vor der Geschichte bewähren oder nicht. Ein Volk, das in den Feuern des Schicksals hart geschmiedet wird, zerbricht niemals, sondern findet an allen Widerständen nur noch mehr Kraft, um die letzte Schlacht zu bestehen.

Wenn wir gerade im vergangenen Jahre die Arbeit des Reichsamtes für das

Landvolk stärkstens aktiviert haben, so geschah dies, um diesen fanatischen Kampf- willen der alten Nationalsozialisten bis auf den letzten Hof zu bringen. Jener Natio- nalsozialisten, die gerade dann ihre äußerste Kraft mobilisierten, wenn der

Widerstand fast unmeßbar vor ihnen auf-

stieg. Der Führer hat uns nicht nur den Glauben an unsere Sendung wieder- gegeben, nicht nur unsere Herzen mit einer hehren Weltanschauung erfüllt, sondern auch die organisatorischen Voraussetzun- gen geschaffen, die zum Wirken einer volksgebundenen Führerschaft notwendig sind. So hat er auch dem deutschen Land- volk ein Führerkorps gegeben, das stolz darauf ist, sein Willensträger zu sein. Dieses Bewußtsein gibt mir auch die Kraft, inmitten der gegenwärtigen Schwierig- keiten den Blick von den Tagesereignissen wegzureißen und heute schon die Grund- lagen zu schaffen für eine Arbeit, die ent- scheidend in die Zukunft weist.

Vor einem Jahre habe ich von Posen aus das

bäuerliche Berufserziehungswerk

verkündet. Warum? All unsere Arbeit wird letzten Endes vergebens sein, wenn nicht die deutsche Jugend zum Bauern- tum zurückfindet, wenn sie nicht arbeits- hart und willensstark das bäuerliche Erbe der Vorfahren übernimmt. Seien wir uns darüber klar, daß die Zukunft des deutschen Volkes im Dunkel liegt, wenn die bäuerliche Bevölkerung, wie es jetzt der Fall ist, nur 18 Prozent des Gesamt-

volkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der

Angelpunkt unserer Bewährung als Natio- nalsozialisten ist. Wir werden das Pro- gramm der Bewegung niemals verwirk- lichen, wenn wir nicht wieder einen breiten Strom landwaälliger deutscher Jugend in die bäuerliche Siedlung leiten.

Es ist im vergangenen Jahre bewußt darauf verzichtet worden, das bäuerliche Berufserziehungswerk durch Massenver- anstaltungen in das Bewußtsein des Volkes zu bringen. Wir haben mit der notwendigen Kleinarbeit begonnen und über das Reichs- amt für das Landvolk der NSDAP. zu- nächst die notwendigen Mitarbeiter ge- wonnen und für ihre Aufgabe geschult. Ich freue mich, heute feststellen zv können, daß bereits nach einem halben Jahr dieser Kleinarbeit ein sichtbarer Erfolg des Be-

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rufserziehungswerkes nachgewiesen wer- den kann. Die Zahl der Landarbeitslehr- stellen konnte bis zum 31. Juli 1943 um fast 50 v. H., die der Hausarbeitslehrstellen

um 60 v.H. gesteigert werden. Die Land- .

wirtschaftslehrstellen haben eine Zunahme

von 13 v. H., die Hauswirtschaftslehrstellen

eine solche von 47 v. H. aufzuweisen. Wenn auch die Wirtschaftslehrstellen nicht alle sofort besetzt werden konnten, so er- höhte sich doch die Zahl der Landwirt- schaftslehrlinge um 15 v. H., die der Haus- wirtschaftslehrlinge um 33 v. H.

Auch auf diesen Erfolg unserer im wesentlichen durch das Reichsamt für das Landvolk geleisteten politischen Erziehungs- arbeit des letzten Jahres dürfen wir mit Stolz zurückblicken. Ich danke in diesem Zusammenhang vor allem dem Reichs- jugendiührer, der sich selbst immer wieder dafür einsetzte, deutsche Jugend für die Landarbeit zu gewinnen, und der mir bei allen meinen Bemühungen auf diesem Gebiet kameradschaftlich zur Seite stand.

‚Durch die

Zusammenarbeit zwischen NSDAP. und Reichsnährstand

wird ein weiteres Problem in Angriff genommen, das durch die Terrorangriffe der Anglo - Amerikaner auf deutsche Städte und durch die Evakuierung zahl- reicher Volksgenossen auf das Land beson- ders stark in den Vordergrund gerückt ist. Wenn der Gegner glaubt, durch die Ver- nichtung unserer Städte die deutsche Kultur entscheidend treffen zu können, so gibt er sich einer /grundsätzlichen Täu- schung hin. Die deutsche Kultur wurzelt im Bauerntum, und die Neuordnung des kulturellen Lebens des deutschen Volkes überhaupt wird ihren Anfang nehmen müssen von der uralten überlieferten Kulturkraft des Landes. Die Anordnung des Reichsleiters Bormann zur

Aktivierung der Dorfkultur

macht es darum auch allen Hoheitsträgern zur Pflicht, das kulturelle Leben unserer Dörfer als entscheidendes Führungsmittel zu pflegen. Ich habe gerade dem Reichsamt für das Landvolk der NSDAP., das in eng- ster Zusammenarbeit mit dem Hauptkultur- amt der Partei steht, daher die Anweisung gegeben, alle Maßnahmen zu treffen, um

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dem

gerade zu diesem Zeitpunkt jene dent- schen Volksgenossen, die zu einem großen Teil zum ersten Male für längere Zeit mit ländlichen Leben in Berührung kommen, mit der dörflichen Kultur und der bäuerlichen Gesittung wieder vertraut zu machen. Wir müssen auf diesem Wege nicht nur das gegenwärtige kulturelle Leben unserer Dörfer verstärken, sondern das Bewußtsein bodenständiger und bluts- gebundener Kulturträgerschaft zu neuer Blüte bringen, und arteigener deutscher Volkskultur, die in den vergangenen Jahr- zehnten vielfach verlorengegangen ist, einen neuen Mutterboden bereiten.

Deutsches Landvolk! Geh nun wieder an deine Arbeit. Wenn die Arbeit auch schwer wird, denk' an deine Männer, Brüder und Söhne, die draußen an allen Fronten den schwersten Kampf, der bisher um das deutsche Schicksal geführt wurde, mit bei- spielloser Opferbereitschaft tragen. Wehre jede Kleinmütigkeit, Engherzigkeit und Schwäche ab. Denke daran, daß du einmal mit Stolz vor deine Kinder treten willst, um ihnen zu sagen, unter welchen Leistungen

und Opfern dieser Krieg gewonnen wurde.

Was der Führer in einer seiner letzten Reden aussprach: „Je entschlossener und härter wir alle die Opfer auf uns nehmen, die ein solcher Krieg mit sich bringen mag, um so sicherer werden wir jenen Frieden erringen, den unser Volk erstrebt“, das wollen wir uns jeden Tag neu ins Bewußt- sein hämmern. Die bisher in der Erzeu- gungs- und Ablieferungsschlacht erreichten Erfolge sind einmalig und werden in der Zukunft“ ihren Lohn finden. Die An erkennung, die der Führer unserer Arbeil gezollt hat, ist unser Stolz, bedeutet zu- gleich aber auch die Verpflichtung, noch mehr und noch entschlossener für die kommenden Aufgaben einzustehen. Die Sorgen aber des Alltags, ganz gleich wie groß sie in Zukunit werden sollten, sollen euch nicht bedrücken, sondern diese Sorgen und Schicksalsschläge sollen euch und uns alle zu noch härteren Kämpfern machen, die noch beharrlicher und noch fanalischer alles einsetzen für den Sieg. Eure Arbeit ist dabei die Voraussetzung der Arbeit für das ganze deutsche Volk. Weil das so isl, werden wir Männer und Frauen des deul- schen Landvolkes mit noch größerem und fanatischerem Glauben und Willen an unsere Arbeit gehen für unseren Führer und unser deutsches Volk.

HANS-JOACHIM RIECKE:

KRITIK a KRITIK

We so im Licht der Offentlichkeit steht wie die Führung der deutschen Agrar- politik, hat sich längst an Kritik gewöhnt. Da jeder Mensch ißt und dazu Nahrungs- mittel braucht, ist auch jeder Mensch in den Fragen der Ernährungswirtschaft „sachverständig”. Außerdem haben wir uns längst an den Zustand gewöhnt, daß jeder etwas von der Landwirtschaft „ver- steht”, nur anscheinend der nicht, der sie gelernt hat. Diese vielleicht etwas bissig klingenden Feststellungen sollen nun etwa keineswegs bedeuten, daß die Führung der deutschen Agrarwirtschaft über jede Kritik erhaben ist und Kritik von vornherein ab- lehnt. Wir wissen im einzelnen sehr genau, daB auch bei uns Fehler vorkommen können, nur dürfen die Kritiker ihrerseits nicht übersehen, daß oft bewußt Dinge im einzelnen anscheinend „falsch” gemacht werden müssen, weil das große Ganze es erfordert, d.h. oft muß ein Teilgebiet ver- nachlässigt werden, weil sonst ein anderes, größeres und wichtigeres Gebiet notleiden würde. Das läßt sich aus der Perspektive des einzelnen oft nicht erkennen, ist nur zu sehen, wenn man das Ganze überschaut. „Gemeinnutz vor Eigennutz.“ Mancher der Kritiker würde sich bei Durchführung seines Vorschlages wundern, wenn er neben der Anerkennung durch eine kleine Minder- heit, die „besser fährt“, das berechtigte millionenfache Echo der zugunsten der Minderheit geschädigten Masse des Volkes zu hören bekommt. Von solchen Fällen der Kritik an Einzelgebieten soll nun im nach- folgenden die Rede sein.

Vorweg aber noch eine Bemerkung: Es ist nicht der Sinn dieses Aufsatzes, zu kritischen Stimmen des Auslandes, vor allem des feindlichen Auslandes, Stellung zu nehmen. Dies würde auch kaum noch lohnen. Zu den Grundsätzen der deutschen Agrarpolitik wird draußen nur noch ganz selten Stellung genommen. Hier scheinen sich auch für die feindlichen Stimmen kaum noch Ansatzpunkte zu finden. Das einzige,

was man noch kann, ist der Versuch, die Erfolge der deutschen Ernährungspolitik herabzusetzen. Jede Kürzung von Rationen wird ganz groß herausgestellt, jede Er- höhung bagatellisiert. Das kann uns wenig berühren.. Im übrigen beschränkt man sich auf Nachrichten über Massenerkrankungen nach Genuß von Ersatzlebensmitteln an- scheinend unter Benutzung von alten Klischees aus dem letzten Weltkrieg oder über Bauernzusammenrottungen gegen nazistische Erfassungskommandos, die dem Bauern das letzte Ferkel aus dem Stall holen. Dabei müssen dann Ortsbauern- führer ihr Leben lassen, die, um die Sache glaubhafter zu machen, meist sogar mit Namen genannt werden. Daß diese Orts- bauernführer meist Meier, Schulze oder Lehmann heißen und die Orte Schönheide, Kaltenbrunn oder andere weitverbreitete Namen tragen, ist ganz sicher nur „Zu- fall“. Mit diesen Dingen sich auseinander- zusetzen, lohnt weder Tinte, Drucker- schwärze noch Papier. |

Zweck dieses Aufsatzes ist vielmehr wie gesagt —, aus den uns zugegangenen kritischen Stimmen einzelne Beispiele, die uns besonders typisch und aktuell er- scheinen, herauszugreifen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Da schreibt uns z.B. ein Mann aus Ostpreußen, daß er nicht verstehen könne, daß nichts für die Ausdehnung des Futterpflanzensaatgut- anbaues getan worden sei, und nun fehle es überall an Futterpflanzen, und die Folge sei ein katastrophaler Rückgang in der Milchleistung und -ablieferung. Eine Land- wirtschaftsführung, die derartig versagt habe, müsse selbstverständlich sofort ab- treten zwischen den Zeilen empfiehlt sich der Briefschreiber selbst als künftigen Leiter der Ernährungswirtschaft mit der Begründung, daß er eine große Anzahl von Gütern geleitet habe.

Wie sieht es nun mit dem Versagen in Wirklichkeit aus? Es ist bekannt, daß der

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größte Teil unseres Futtersaatgutes vor dem Kriege aus dem Ausland kam, weil für so viele Arten die Erzeugungsbedingurgen in Deutschland ausgesprochen ungünstig sind. Trotzdem wurde während des Krieges der Anbau ausgeweitet und auch mit Erfolg. Die klimatischen Verhältnisse und die Rücksicht auf die Aufrechterhaltung des

. Anbaues der für die menschliche Ernäh-

rung notwendigen Hauptkulturen setzen dieser Ausweitung selbstverständlich eine enge obere Grenze. Auch die noch be- stehenden Einfuhrmöglichkeiten wurden weitgehend ausgenutzt. Daß der Bedarf trotzdem nicht voll gedeckt werden konnte, ist bekannt. Daran wird sich leider auch während des Krieges nichts ändern lassen, wenn auch die Hauptabteilung II des Reichsnährstandes weiterhin be- müht bleiben wird, ihr möglich- stes zu tun. Das kann natürlich in ein- zelnen Fällen zu Leistungsrückgängen führen. Dies ist bedauerlich, hat aber auf die Gesamtlage nur geringen Einfluß. Be- kanntlich ist ja die Milchablieferung und Buttererzeugung während dieses Krieges von Jahr zu Jahr gestiegen, selbstver- ständlich auch in Ostpreußen. Im übrigen würde ich es diesem Briefschreiber von Herzen gönnen, für einige Zeit einmal einen der leitenden Bauernführer des Reichsnährstandes zu vertreten. Ich glaube, er würde dann sehr viel vorsich- tiger in den Folgerungen aus einer Einzel- feststellung sein. Es gibt manche Sparte, die man ausdehnen müßte, wenn ... ja, wenn nicht der beschränkte Boden zu dem Anbau und meist vermehrten Anbau der wichtigsten Nahrungsgüter, die die Grund- lage der Ernährung sind, zwingt.

Ein anderer Briefschreiber nimmt sich an Hand des Aufsatzes von Pg. Hunke in Heft Nr. 10 der „Deutschen Agrarpolitik“ die Schweinepreise vor und errechnet, was er an 10 Schweinen, die er auf Grund von Schweinemastverträgen fettmacht, verliert. Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß der- artige Berechnungen von Einzelgebieten aus dem landwirtschaftlichen Betriebe sowieso bedenklich sind. Ich erinnere dabei an früher sehr berühmte Buch- führungssysteme, bei denen man nach Be- lieben entweder den Ackerbau oder die Viehwirtschaft zur Rentabilität oder zur völligen Unrentabilität bringen konnte, je nachdem, wie hoch man geldmäßig das selbst gewonnene Futter, das Stroh, den

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Stallmist und die in der Eigenwirtschaft erzeugten. Ferkel bewertete. Derartige Rechnungen können allein kein Maßstab sein. Der vielseitigste Betrieb ist nun einmal in der Landwirtschaft der sicherste. Zu einem normalen Be- trieb gehört auch eine Schweinehaltung. Wie weit man sie ausdehnt, ist in erster Linie von der Futtergrundlage abhängig und läßt sich nur von Fall zu Fall entschei- den. Ein Urteil über die Rentabilität gibt aber und das gilt für alle Be- triebszweige erst das Gesamt- rechnungsergebnis. Entscheidend ist aber ganz etwas anderes. Wie schon oft betont, ist es das Ziel der deutschen Er- nährungspolitik, zunächst einmal die Er- nährung des Volkes mit pflanzlichen Nah- rungsmitteln Brot, Kartoffeln, Zucker, Pflanzenfett und Gemüse sicherzustellen. Darüber hinaus muß die Milcherzeugung auf voller Höhe bleiben, auf der die Fett- versorgung zu zwei Dritteln beruht. Erst der dann verbleibende Futterrest steht für die Schweinehaltung zur Verfügung. Diesen Grundsätzen ist das Preisgebäude während des Krieges angepaßt worden. Es wäre völlig verfehlt, durch Erhöhung des Preises für Schlachtschweine einen Sog zur Schweineerzeugung zu schaffen mit dem Ergebnis, daß Kartoffeln und Getreide im Ubermaß in den Schweinemagen wandern, anstatt daß sie. der menschlichen Ernährung unmittelbar zur Verfügung stehen. Im Rahmen der verfügbaren Futterrestmengen muß aber trotzdem jeder Betrieb seine Schweine mästen und das ihm auf- erlegteKontingent zuerfüllentrach- ten, und wenn der Briefschreiber einmal seine Rechnung nicht losgelöst vom Ge- samtbetrieb, sondern in seinem Gesamt- rahmen (Futter- und Strohverwertung, Mist- und Jaucheerzeugung) noch einmal durch- sieht, dann wird er feststellen, daß er zwar keine großen Gewinne im Schweinestall erzielt, aber auch nichts zusetzt, und dieses im Rahmen der Gesamtleistung geringe Opfer muß er während des Krieges schon für die Sicherstellung der Gesamternährung bringen, nicht, weil ihm ein höherer Preis nicht gegönnt wird, sondern weil der höhere Preis Anreiz ist, Brotgetreide und Speisekartoffeln zu verfüttern.

Wie sehr die Betrachtung eines Einzel- abschnittes der Ernährungswirtschaft in die Irre führen kann, zeigt ein weiterer

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Brief, diesmal von einem höheren Staats- beamten, von dem man an sich hätte an- nehmen sollen, daß er genügend Übersicht über die Gesamtlage besitzen müßte. Der Briefschreiber sieht von der gesamten Er- nährungswirtschaft anscheinend nur die Eierversorgung und schlägt deshalb in seinem Schreiben vor, die ungenügende Zuteilung von Eiern an die Verbraucher dadurch zu verbessern, daß die Eierbewirt- schaftung sofort aufgehoben und höhere Eierpreise festgesetzt werden. Dann gäbe es nach seiner Ansicht sofort genügend Eier für den Verbraucher. Sehr einfach in der Tat! Aber was würde die wirkliche Folge der Durchführung dieses Vorschlages sein? Zu normalem Preis würden kaum Eier zu bekommen sein. Es würde sich ein schwunghafter Schleichhandel zu weit höheren illegalen Preisen entwickeln. Für einen erheblichen Teil der Verbraucher würden Eier völlig unerschwinglich; sie würden keine oder noch weniger Eier er- halten als bisher. Nur diejenigen, die die Uberpreise zahlen könnten, würden sich ausreichend mit Eiern versorgen Können. Die erwartete Mehrerzeugung würde aber zu Lasten des Brot- getreides und der übrigen Futterver- sorgung gehen, also mit der Zeit erhebliche Lücken in die Gesamtversorgung reißen. Daß das Geflügel tatsächlich zum ernst- haften Konkurrenten der mensch- lichen Ernährung werden kann, zeigt das Beispiel Hollands. Vor diesem Kriege verbrauchten die Niederlande für den un- mittelbaren Verzehr durch den Menschen 800 000 t Getreide, für die aus Export- gründen stark ausgeweitete Geflügelhaltung dagegen 1,2 Millionen t, also um die Hälfte mehr. Dies ging so lange gut, wie ein aus- reichender Import von Futtergetreide er- folgen konnte. Als dieser durch den Krieg in Wegfall kam, brach das System zu- sammen, und nur die rücksichtslose Drosse- lung des Geflügelbestandes auf 10 Prozent der Friedenszahl sicherte den notwendig- sten Brotbedarf für das niederländische Volk. Allein dieses Beispiel zeigt, wie sehr der Briefschreiber mit seiner Kritik fehl- geschossen hat und wie wenig am Platze die von ihm gewählten herben Worte über den Leiter der deutschen Eierwirtschaft sind. Bei der Austauschbarkeit der land- wirtschaftlichen Erzeugnisse und bei der durch den Krieg bedingten Situation ist es nun einmal nicht möglich, ein Teilgebiet

aus der Bewirtschaftung herauszulassen. Ein Ausweichen auf dieses Gebiet und die Schädigung anderer mindestens ebenso wichtiger oder wichtigerer Ernährungs- gebiete wäre die naturnotwendige Folge.

Mit der Frage der Eierbewirtschaftung haben wir das weite Gebiet der Kleintier- haltung berührt. Das Problem der Klein-

tierhaltung hat in letzter Zeit zu einer be-

sonders großen Zahl von Meinungsäuße- rungen geführt. Dabei kann man zwei sich extrem gegenüberstehende Ansichten fest- stellen. Die einen wünschen im Interesse der Gesamternährung eine rück- sichtslose Drosselung der Klein- tierhaltung nach holländischem Muster, die anderen treten für ihre völlig un- beschränkte Ausdehnung ein. Die Anhän- ger der ersten Richtung verkennen, daß bei einer derartig starken Drosselung eine gewisse Menge Futter das sogenannte absolute Hühnerfutter nicht verwertet werden könnte, das nur durch Kleintiere zu nutzen ist. Die Anhänger der anderen Meinung übersehen ebenso wie der Briefschreiber zur Eierwirtschaft —, daß die Erfüllung ihres Wunsches nicht mehr und nicht weniger als den Zusammenbruch der gesamten Versorgung der Masse der Bevölkerung zugunsten eines kleinen Kreises von Bevorzugten bedeuten würde. Nur der Blick auf das Ganze kann hier die richtige Antwort geben.

Inwieweit die Kleintierhaltung zu er- halten oder zu fördern ist, ist nicht eine Frage des Verbrauches, sondern in erster Linie eine Futterfrage. Da die meisten Kleintiere im Verhältnis zu den Großtieren schlechte Futterverwerter sind, darf ihre Haltung nur in dem beschränkten Rahmen erfolgen, als Futter zur Verfügung steht, das für andere Tierarten, aber vor allem auch zum direkten menschlichen Verzehr nicht verwertbar ist. Dabei ist für den landwirtschaftlichen Betrieb die Richtlinie gegeben: Er darf nicht mehr Klein- vieh halten, als es ihm ohne Be- nachteiligung seiner Viehabliefe- rungsauflagen möglich ist. Für den nichtlandwirtschaftlichen Kleintierhalter bedeutet der oben ausgesprochene Grund- satz, daß er nur soviel Kleintiere halten soll, als ihm der Anbau im Kleingarten oder das Sammeln vom Wegrande gestattet. Der Bauer oder Landwirt, der statt 30 Schwei- nen, die er früher hielt, 300 Enten im Stall hat, der an Stelle von 5 Kühen 20 Ziegen

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hält, versündigt sich ebenso an der All- gemeinheit wie der Städter, der ohne ein Stück Eigenland oder ohne die Arbeit des Futtersammelns mit durch Hintenherum- bezug besorgtem Futter seine Kleintiere versorgt. Beider Verhalten ist besonders verwerflich, wenn dabei für den mensch- lichen Verzehr erzeugte Nahrungsmittel, wie Speisekartoffeln und Gemüse, in den Kleintiermagen wandern. In diesem Sinne ist auch der Erlaß des Reichsernährungs- ministers zu verstehen, der sich gegen das Ubermaß der Kleintierhaltung wendet, und in diesem Sinne muß er draußen auch aus- gelegt werden. Dieser Erlaß ist keine Schikane des „kleinen Mannes“ es sind übrigens durchaus nicht nur „kleine Leute”, die auf dem Gebiet der Kleintierhaltung sündigen —; sondern er soll die Gesamt- heit vor denen schützen, die im Interesse ihres eigenen Magens die allgemeine Ver- sorgung schädigen.

Denn es darf nicht vergessen werden, daß 11 Hühner von Enten ganz abzu- sehen im Jahr das einem deutschen Verbraucher zustehende „tägliche Brot“ wegfressen.

Zum Schluß soll noch eine Frage be- rührt werden, die allerdings nicht ein Einzelgebiet behandelt, sondern im wahr- sten Sinne des Wortes „aufs Ganze geht‘, bei der sich die Kritik am reichsten und auch am negativsten austobt. Das ist die Frage der Notwendigkeit der Zwangsbewirtschaftung. Es gibt nichts, wofür die Zwangsbewirtschaftung nicht verantwortlich gemacht wird. Sie ist schuld an der geringen Zuteilung von Eiern, an der unterschiedlichen Obst- und Gemüsezuteilung (obwohl bei Obst und Gemüse gar keine echte Zwangsbewirt- schaftung besteht), an dem Seltenwerden von Fischen usw. usw. Dabei verkennen die Kritiker völlig, daß nicht die Zwangs- wirtschaft die Knappheit hervorgerufen hat, sondern daß die Knappheit auf ein- zelnen Lebensmittelgebieten erst zur Zwangswirtschaft geführt hat. Wie wenig das / im letzten Kriege viel verbreitete Wort: „Man nehme reichlich vorhandene Ware in Zwangsbewirtschaftung, und sie wird vom Markt verschwinden“, heute gilt, zeigt allein das Beispiel der Milchbewirt- schaftung mit den sich immer steigernden Ablieferungszahlen. Daß die Zwangs- bewirtschaftung bei einzelnen Menschen das Bestreben hervorruft, auf andere Ge-

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biete oder auf den schwarzen Markt aus- zuweichen, wissen wir. Das ist ja auch, wie oben bemerkt, der Grund, weshalb die Zwangsbewirtschaftung sich auf alle Haupt- gebiete der Ernährungswirtschaft aus- dehnen mußte. Daß das Ausweichen auf den schwarzen Markt im Gegensatz zum letzten Kriege nur in geringem Umfange von verantwortungslosen Menschen statt- findet, verdanken wir der sehr viel besse- ren und bereits im Frieden vorbereiteten Organisation. Trotzdem sehen auch wir in der Zwangswirtschaft nichts anderes als ein notwendiges Übel: „notwendig“, um bei der bestehenden Knappheit an Lebens- mitteln eine gerechte Verteilung durchzu- führen, „Ubel“, weil die Zwangswirtschaft stets mit einem Mehr an Organisation und einem erheblichen Mehr an Arbeit ver- bunden ist. Die Zwangsbewirtschaftung und damit das Kartensystem werden daher nach Kriegsende Zug um Zug zum Abbau kommen. Das ist sicher! Dabei darf aber nicht bewußt oder unbewußt Zwangs- wirtschaft mit Marktordnung verwechselt werden. Marktordnung ist nicht Zwangs- wirtschaft. Die Marktordnung, wie wir sie vor dem Kriege hatten, wird und muß auch nach dem Kriege, wenn keine Knappheit an Lebensmitteln mehr besteht, bleiben. Marktordnung bedeutet, wie schon der Name sagt, Regelung der Zufuhren zum Markt, Herausnahme und Verwertung der saisonbedingten Überschüsse und Ergän- zung der heimischen Erzeugung durch ge- lenkte Einfuhren. Marktordnung gewähr- leistet ausreichende Versorgung der Be- völkerung und sichert dem Landwirt die Abnahme des von ihm Erzeugten und einen gerechten Preis. Sie ist damit auch für die Zukunft der einzige Garant für die Erhal- tung des hohen Standes der heimischen Erzeugung. Sie ist gleichzeitig auch die wichtigste Voraussetzung für den Aufbau der europäischen Ernährungswirtschaft auf arbeitsteiliger Grundlage. Ohne Markt- ordnung läßt sich die europäische Landwirtschaft nicht zu der er- forderlichen hohen Stufe ent- wickeln. Alle Maßnahmen zur Produk- tionssteigerung in der Landwirtschaft setzen Stetigkeit des Absatzes voraus, die nur durch die Marktordnung zu schaffen ist. Das sollen sich alle die noch einmal gesagt sein lassen, die so gern Marktordnung und Zwangswirtschaft in einen Topf werfen möchten.

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EMIL WOERMANN:

Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Ernahrungswirtschaft

1. Ziele und Methoden

F: ist das Kennzeichen aller Umschichtungs- prozesse von historischen Ausmaßen, daß mit der Neuformung des politischen und kultu- rellen Lebens auch eine Neugestaltung des wirt- schaftlichen Lebens Hand in Hand geht, und daß diese Neugestaltung ihre Richtung erhält von den tragenden weltanschaulichen und politi- schen Ideen der Zeit. So ist auch das hinter uns liegende Jahrzehnt deutscher Wirtschafts- geschichte von tiefgreifenden Wandlungen und Reformen erfüllt, die wohl in keinem Bereich so weit vorgetragen sind wie in der Landwirt- schaft. Man muß in der Geschichte weit zurück- gehen, um einem landwirtschaftlichen Reform- werk von solcher Tragweite zu begegnen, wie es die nationalsozialistische Agrarpolitik begon- nen und in die Tat umgesetzt hat. Die Schaffung eines neuen Bodenrechts, die organisatorische Zusammenfassung des ganzen Berufsstandes, die Ordnung der Agrarmärkte in Verbindung mit dem Festpreissystem, und zahlreiche andere Maßnahmen sollen die Landwirtschaft für ihre nationalen und völkischen Aufgaben kräftigen. Obenan stehen dabei auf wirtschaftlichem Ge- biet die ernährungspolitischen Ziele der Be- darfsdeckung und, im Zusammenhang damit, die Möglichkeiten der Steigerung der landwirt- schaftlichen Erzeugung überhaupt. Die Wirt- schaftsnot der Krisenzeit, die allgemeine Abkehr der Völker von der privatkapitalistisch gelei- teten Weltwirtschaft, die Schrumpfung des zwischenstaatlichen Handels, und nicht zuletzt die Besinnung auf unsere eigenen Kräfte haben die Versorgung unseres Volkes mit Nahrungs-

mitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen zum:

Mittelpunkt der staatlichen Fürsorge und zur Zentralfrage der Agrarpolitik gemacht. An die Landwirtschaft erging der Ruf, dem Boden höhere Erträge abzuringen und das Erzeugte sparsamer zu verwenden.

Dieser Ruf erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Agrar- und Industriekrise das Wirtschafts- leben fast aller Völker in den Grundfesten er- schütterte. Die deutsche Landwirtschaft hatte zwar unter Inanspruchnahme großer Kredite die Schäden des ersten Weltkrieges in ihrem Pro- duktionsapparat ausgeglichen und die alte Leistungskraft wieder hergestellt, aber kaum war dieses Ziel erreicht, da wurde sie in den

Strudel der allgemeinen Krise gezogen. Bei dem Ausmaß der Wirtschaftsnot und den völlig anders gearteten weltwirtschaftlichen Verhält- nissen mußten auch die alten agrarpolitischen Methoden versagen. Die Zölle für verschiedene Gruppen der land wirtschaftlichen Erzeugnisse wurden zwar wiederholt erhöht und durch Mag- nahmen auf dem Binnenmarkt ergänzt, aber es fehlte an einem einheitlichen Plan, um die Wirt- schaftsnot zu bannen und die landwirtschaft- liche Produktion nach ernährungswirtschaft- lichen Erfordernissen auszurichten. Während es durch wiederholte Erhöhung der Zölle in Ver- bindung mit anderen Maßnahmen gelang, die Getreidepreise, namentlich die Preise für Brot- getreide, vom Weltmarkt zu lösen, gerieten die Erzeugnisse der Viehwirtschaft unter dem Druck der durch die Arbeitslosigkeit fortschreitend geschmälerten Kaufkraft weiter Verbraucher- schichten in einen immer stärkeren Preisverfall. Ende 1932 waren die Preise für tierische Erzeug- nisse auf 65 Prozent des Standes von 1911—1913 und die gesamten Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft auf etwa 70 Prozent abgesunken,

Die Wirkung des Preisverfalls für tierische Erzeugnisse auf den Umfang der viehwirtschaft- lichen Produktion wurde zwar dadurch gemil- dert, daß eiweißreiche Futterstoffe in Form von Olsaaten und Olkuchen in großen Mengen und zu billigen Preisen ins Land strömten, und über- schüssige Roggenmengen von staatlichen Stel- len verbilligt als Mastfutter in den Handel kamen, aber damit wurde das Futtergetreide in steigendem Maße aus der Futterwirtschaft ver- drängt und der Anbau desselben zugunsten des Brotgetreides eingeschränkt. In einigen Gebie- ten des Reiches nahm damit die Bodennutzung eine Richtung an, die alle Merkmale der Ein-

. seitigkeit trug und damit den Grundsätzen einer

ausgewogenen und nachhaltig leistungsfähigen Betriebsgestaltung zuwider lief. Um das Gleich- gewicht der Erzeugung und der Preise zwischen den Hauptgruppen der pflanzlichen und tierischen Produkte wieder herzustellen, bedurfte es einer grundsätzlichen produktionspolitischen Rege- lung, die in dem sog. Fettplan ihren ersten Niederschlag fand. Die Maßnahmen zur Rege- lung der Fettwirtschaft wurden darauf abgestellt, durch Kontingentierung der Margarineerzeu- gung, bei gleichzeitiger Erhebung einer Fett-

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steuer, den Wettbewerb der Margarine mit den Speisefettarten tierischer Herkunft auf ein ge- sundes Maß zurückzuführen und damit die Milchwirtschaft zu heben. Ein weiterer Bestand- teil des Fettplanes wurde die Förderung des heimischen Dlfruchtbaus und die Verteuerung der ausländischen Ulkuchen durch die Olkuchen- monopolabgabe. Sie verfolgte das Ziel, in Ver- bindung mit der Ausdehnung des Zwischen- fruchtbaus und der Gärfutterbereitung, die Ge- winnung von wirtschaftseigenen Futterstoffen zu steigern.

Das eigentliche Kernstück der Ernäh- rungspolitik bildete das Reichsnähr- standsgesetz und die Neuordnung der Märkte mit der gleichzeitigen schrittweisen Einführung des Festpreissystems. Auf dem Wege, den Bauernbetrieb aus dem wechselvollen wirtschaftlichen Kräftespiel auszugliedern und gegen die. Stöße der freien Marktwirtschaft ab- zusichern, war das Reichserbhofgesetz der erste Schritt. Der zweite Schritt war die Neuregelung der Marktbeziehungen und das System der Fest- preise. Die liberale Wirtschafts entwicklung hat an der besonderen Marktstruktur der Landwirt- schaft ihre Schranke gefunden. Während maß- gebliche Teile der Industriewirtschaft im Zuge der fortschreitenden Kapitalintensivierung und Zusammenfassung der Produktion die Kräfte zur Selbstorganisation der Erzeugung und des Ab- satzes hervorbrachten, war in der Landwirtschaft wegen der Zersplitterung ihrer Erzeugung in Millionen von Einzelbetrieben und wegen ihrer Abhängigkeit von unbeeinflußbaren Naturbedin- gungen eine derartige Selbstorganisation nicht möglich. Eine durchgreifende Organisation der landwirtschaftlichen Märkte, als notwendige Voraussetzung für eine vorausschauende, lang- fristige Planung der Erzeugung, konnte nur vom Staat oder doch nur mit seiner Hilfe geleistet werden, indem die Landwirtschaft von der marktpolitischen Funktion befreit und die syste- matische Stabilisierung des Agrarmarktes dem staatlich autorisierten Organ, dem Reichsnähr- stand, übertragen wurde. So entstand das viel- gliedrige, aber in seinen Grundzügen einheit- liche System der Marktordnung für fast alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, das jetzt im Kriege seine Bewährungsprobe bestanden hat.

Im ganzen ist bei der Gestaltung des Produktionsprogramms und des Preis- gefüges der Grundsatz vom Vorrang der Urproduktion zur Geltung ge- bracht. Dieser Grundgedanke geht von der Erkenntnis aus, daß die landwirtschaftliche Er- zeugung von der Urproduktion bis zu den Ver- edlungszweigen ein Ganzes bildet und daß die Versorgung eines Volkes mit Nahrungsmitteln nur dann gesichert ist, wenn neben der Bedarfs- deckung mit Brotgetreide und anderen wich- tigen pflanzlichen Erzeugnissen auch die Vieh- wirtschaft möglichst ausschließlich mit Futter- stoffen aus inländischer Erzeugung versorgt wird. Dieser Grundgedanke besagt weiter, daß

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jede Steigerung der tierischen Produktion, so- weit sie sich auf heimischer Futter- grundlage abspielen soll und nicht lediglich aus züchterischen Fortschritten und verbesser-

ten Fütterungsmethoden resultiert, eine Inten-

sivierung der Bodenerzeugung, also der Urproduktion, zur Voraussetzung hat. Die Inten- sivierung der Bodenerzeugung spielt sich haupt- sächlich in drei Formen ab. Die eine besteht in der Erhöhung des Aufwandes bei der- selben Frucht mit dem Ziel, die durchschnitt- lichen Ernten je Flächeneinheit zu steigern. Die zweite besteht in der fortschreitenden Be- schränkung des Brachlandes und der Ackerweide. Gleichzeitig wird die Boden- bearbeitung während des Wachstums der Kul- turpflanzen verstärkt, bis endlich auch der Zeitabschnitt zwischen der Ernte und Wieder- aussaat zweier Hauptfrüchte mehr und mehr dazu benutzt wird, um Zwischenfrüchte oder, unter günstigen Bedingungen, sogar zwei Hauptfrüchte in einem Jahr auf dem gleichen Felde aufeinander folgen zu lassen. Eine dritte sehr wirkungsvolle Form der Intensivierung der Bodenerzeugung ist die steigende Bevor- zugung des Anbaus solcher Acker- früchte, die je Flächeneinheit große Nahrungsmengen liefern. Obenan steht dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen er- giebigsten Zweigen, dem Kartoffel-, Zucker- rüben- und Gemüsebau, dem Getreidebau in der Nährstoffleistung je Flächeneinheit um ein Mehrfaches überlegen ist. Hackfrüchte und Ge- müse erfordern zwar zur Erzielung einer mitt- leren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit und Dünger als die Getreidearten, und diese wiederum einen höheren als Dauergrünland und Futterpflanzen auf dem Ackerland, aber die zu- erst genannten Gruppen lohnen diesen Aufwand auch durch einen Ertragszuwachs, der erst bei einer viel höheren Aufwandsstufe abzufallen beginnt. Die genannten Hauptformen der Intensitätssteigerung sind also gleichzeitig die wichtigsten Hebel, den Nährstoffertrag des bewirtschaf- teten Bodenszuheben. Indirekt wird eine Erweiterung des Nahrungsspielraumes auch da- durch erreicht, daß durch verbesserte Emte- verfahren und Rohstoffausbeuten bei der Verarbeitung der Bodenprodukte die Verluste vermindert und durch eine planvolle Mechani- sierung tierische Zugkräfte eingespart und da- mit Futterflächen für die menschliche Ernährung

freigesetzt werden. Je mehr es auf diesen Wegen

gelingt, die gesamte Bodenerzeugung zu heben, um so größere Flächen können naturgemäß den Olfrüchten und Faserpflanzen als Rohstoffliefe- ranten der Margarine- und Textilindustrie ein- geräumt werden. In voller Erkenntnis dieser Tatsachen hat die Agrarpolitik ein abgewogenes und nach den ernährungswirtschaftlichen Er- fordernissen ausgerichtetes System von Preis- relationen zum Mittelstück der Festpreisordnung gemacht und diese durch allgemeine Förde- rungsmaßnahmen ergänzt, soweit die angestreb-

T, urn —— Sur Eat ee AEN, Ai

ten Ziele auf dem Wege der Preisgestaltung

allein nicht erreichbar erschienen. Es stellt sich also die Frage, in welchem Maße die Landwirt- schaft den produktionspolitisch fundierten Er- zeugungsparolen gefolgt ist, welche ernährungs- wirtschaftlichen Ergebnisse mit diesen Mitteln erzielt wurden und mit welchem Erfolg die er- zielten Ergebnisse auch unter den erschwerten Verhältnissen des Krieges gehalten werden konnten. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Entwicklung der Hauptzweige der Erzeugung und insbesondere die gesamte Bodenproduktion verfolgen, weil sie das Fun- dament bildet, auf dem das ernährungswirt- schaftliche Gebäude ruht. Da sich ein solcher Vergleich nur für das Altreich über einen längeren Zeitraum anstellen läßt, ist die Unter- suchung auf dieses Gebiet beschränkt.

2. Entwicklung der Bodenerzeugung

Die ernährungswirtschaftlichen Leistungen sind in ihrem Gesamtergebnis im wesentlichen von folgenden Bedingungen abhängig:

1. Von der Verteilung der landwirtschaftlichen

Nutzfläche auf Dauergrünland und Acker- land und von der Gestaltung des Anbaus auf dem Ackerland. Dabei sind die Leistun- gen im allgemeinen um so höher, je mehr das Grünland intensiven Nutzungsformen zugeführt und das Ackerland Fruchtarten eingeräumt wird, die von der Flächeneinheit hohe Nährstofferträge liefern;

2. von den Hektarerträgen;

3. von den Ernteverlusten und dem rationellen Einsatz der Bodenerzeugnisse bei der Ver- fütterung ur.d Verarbeitung in technischen Nebengewerben;

4. von den Erträgen der Nutzviehhaltung.

Umfang und Richtung der landwirtschaftlichen Erzeugung folgen den wirtschaftlichen Einflüssen und Markterfordernissen um so mehr, je gerin- ger die Hemmungen sind, welche die natür- lichen Bedingungen den Veränderungen in der Bodennutzung entgegenstellen. Daß das Kul- turartenverhältnis, insbesondere das Ver- hältnis von Acker- und Dauergrünland, in erster Linie durch die Oberflächengestaltung und durch die Boden-, Klima- und Grundwasserverhältnisse bestimmt wird, ist es gegenüber wirtschaftlichen Einflüssen viel widerstandsfähiger als das Fruchtartenverhältnis auf dem Ackerland. Die- sem’durch die natürlichen Verhältnisse beding- ten Beharrungsvermögen ist es zuzuschreiben, daß sich seit 1878, dem Zeitpunkt der ersten umfassenden Bodennutzungserhebung für das gesamte Reichsgebiet, in dem Acker: Grünland- Verhältnis trotz der Umwälzung der wirtschaft- lichen Verhältnisse und der Preisverschiebungen keine wesentlichen Veränderungen durchsetzen konnten. So ist es auch verständlich, daß der im Rahmen des landwirtschaftlichen Produk-

tionsprogramms seit 1936 geförderte Grün- lan dumbruch keine Erfolge zeitigte, soweit die Erweiterung des Ackerlandes als Ziel ver- folgt wurde. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist sogar eine geringe Ausdehnung des Dauer- weidelandes eingetreten, allerdings bei gleich- zeitiger Einschränkung der Ackerweide und des übrigen Futterbaus auf dem Ackerland.

Die Bodennutzung im Altreich seit 1930

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Wenn also das Nutzflächenverhältnis im wesentlichen unverändert blieb, was auch für Großdeutschland gilt, so sind andererseits große Teile des Dauergrünlandes selbst durch Neueinsaat, Einkoppelung und verbesserte Pflege- und Düngemaßnahmen einer intensive- ren Nutzung zugeführt. Die beste Ausnutzung aller Leistungseigenschaften des Dauergrün- landes läßt sich bekanntlich bei geregeltem Wechsel von Mahd und Weide erzielen, der bei dem System der Umtriebweide weitgehend zur Geltung kommt. Die Umtrieb- weide gibt uns bei entsprechender Handhabung der Weidetechnik die Mittel in die Hand, höch- sten Futterwert mit höchsten Leistungen von der Flächeneinheit zu verbinden. Da die Um- triebweide nicht nur in ihren Leistungen, son- dern auch in ihrem Düngeraufwand den Hack- früchten wenig nachsteht, diese häufig sogar übertrifft, hat die von Staats wegen eingeleitete Verbilligung der Handelsdüngemittel die inten- sivere Bewirtschaftung des Grünlandes kräftig gefördert, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß in wenigen Jahren fast 10 Prozent des ge- samten Wiesenlandes durch Einzäunung einer Doppelnutzung als Wiese und Weide zugeführt wurden.

Im Gegensatz zum Kulturartenverhältnis ist das Anbauverhältnis der Hauptfrucht- arten auf dem Ackerland einer Verände- rung durch wirtschaftliche Einflüsse durchaus zugänglich. Zwar gibt es auch hier Grenzen, die

dorch Boden, Klima, Arbeitsverteilung, Frucht-

wechsel, Stallmistversorgung, Notwendigkeiten der Futterbeschaffung und andere Richtpunkte einer ausgewogenen Betriebsgestaltung gezogen sind, aber die Fortschritte im Maschineneinsatz, in der Düngerwirtschaft und in der Pflanzen- züchtung haben die Grenzen beweglicher ge- macht, da durch Anbauverschiebungen verur-

117

sachte jahreszeitliche Arbeitsspitzen über- wunden und erhöhte Nährstoffansprüche der Kulturpflanzen befriedigt werden können. So sind auch die Veränderungen in der Nutzung des Ackerlandes in den letzten Jahrzehnten tiefgreifender gewesen, und trotz des dadurch bereits erreichten hohen Intensitätsgrades haben sich unter dem Einfluß der Förderungsmaß- nahmen auch in den letzten Jahren im Anbau- verhältnis noch, wesentliche Wandlungen voll- zogen. Diese Wandlungen kommen darin zum Ausdruck, daß bei rückläufigem Anteil derFutterpflanzenundBracheder Um- fang desHackfrucht- und Gemüsebaus undderAnbauvonHandelsgewächsen ständig gestiegen ist. Bei den Handels- gewächsen handelt es sich fast ausschließlich um Faserpflanzen und Difrüchte, die auch im letzten Jahr noch eine kräftige Anbauausdeh- nung erfahren haben. Da die Ackerfläche sich nicht vergrößerte, sondern durch Inanspruch- nahme von Ländereien für Wohnzwecke, Indu- strieanlagen, Flug- und Ubungsplätze sogar rückläufig war, mußte die Erweiterung des Hackfrucht- und Gemüsebaus teilweise auch auf Kosten des Getreides erfolgen. Die Einzel- heiten der Entwicklung zeigt die folgende Uber- sicht. | |

Die Nutzung des Ackerlandes seit 1930 in v. H. der Ackerfläche }

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Bei der Intensivierung des Fruchtbaus, die für den bisherigen reibungslosen Ablauf der Kriegs- ernährungs wirtschaft nicht hoch genug ein- geschätzt werden kann, haben verschiedene Maßnahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung des Hackfrucht- und Gemüsebaus abgestellte Preisrelationen, verstärkte und verbilligte Nähr- stoffversorgung der Böden, wirkungsvolle Be- ratung in der Sortenwahl und im Saatgutwechsel

und bessere technische Ausrüstung der Betriebe,

die wiederum durch Steuerbegünstigungen ge- fördert wurde, Nichts bezeugt besser den Leistungswillen der gesamten deutschen Land- wirtschaft, als die Entwicklung der Erträge und die steigende Intensität der Bodennutzung.

118

Mit dem jetzt erzielten Anteil des Hackfrucht- und Olsaatenanbaus, der, zusammengenommen, von keinem anderen europäischen Land erreicht wird, dürfte das betriebswirtschaftliche Höchst- maß erreicht sein, da die Sicherung der Brot- versorgung eine weitere Schmälerung des Getreidebaus nicht verträgt und die Versorgung der Viehbestände bei gekürzten Kraftfutter- mengen einen bestimmten Umfang des Futter- baus erfordert. Hinzu kommt, daß die meisten Hackfrüchte und Gemüsearten zwar hohe Nähr- stoffleistungen vollbringen, aber auch einen mehrfachen Arbeits- und Düngeraufwand er- fordern. Mit dem Übergang zu düngerintensive-

ren Formen der Bodennutzung ist die Anwen-

dung von Handelsdünger zwar rasch gestiegen, wobei auch die Senkung der Preise und die dadurch erzielte höhere Wirtschaftlichkeit der Düngergaben eine wichtige Rolle spielte, aber im Verlauf des Krieges mußte der Stickstoff- verbrauch mit steigenden Ansprüchen der Rüstungsindustrie wieder eine wesentliche Ein- schränkung erfahren. Das gleiche gilt für die

Phosphorsäure, die bei der starken Abhängigkeit

von ausländischen Rohphosphaten bereits im ersten Kriegsjahr gekürzt wurde.

Verbrauch der deutschen Landwirtschaft ap Handelsdünger in Kilogramm Reinstickstoff je Hektar Nutzfläche (Altreich)

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Trotz der kriegsbedingten Einschränkungen erreichte der Verbrauch an Phosphorsäure je Hektar Nutzfläche im Jahre 1942 noch etwa den Stand von 1932 und lag bei Stickstoff und Kali nur 80 Prozent bzw. 100 Prozent darüber. Bei diesem Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch die inzwischen erreichten Anbau- verschiebungen die Nährstoffansprüche wesent- lich anstiegen und von der Befriedigung der- selben die Entwicklung der Erträge weitgehend abhängt. |

Das ernährungswirtschaftliche Ergebnis der zur Leistungssteigerung der deutschen Boden- wirtschaft getroffenen organisatorischen und wirtschaftspolitischen Maßnahmen läßt sich in Zahlen nur ausdrücken, wenn man die Emte erträge der wichtigsten Fruchtarten, ihrem Nährstoffgehalt entsprechend, auf Getreidewert umrechnet und über einen längeren Zeitraum verfolgt. Eine solche Umrechnung ist natur- gemäß mit mancherlei Fehlern behaftet, aber

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wenn man für die Vergleichsjahre die gleiche Methode zur Anwendung bringt, so kommt man zu durchaus brauchbaren Ergebnissen,

Entwicklung der Bodenerzeugung des Altreiches in 10000 t Getreidewert

Ein Blick auf die Zahlenreihe der Tabelle zeigt, daß der Ertrag der wichtigsten Nähr- früchte bis zum Jahre 1939, bezogen auf den Durchschnitt der Vergleichsjahre 1928—1932, um 20 Prozent und der Ertrag der gesamten Bodenwirtschaft um 15 Prozent gestiegen ist. Dabei sind die Leistungen des Dauergrünlandes, soweit sie nicht als Heu gewonnen werden, und die Erträge des Gemüse- und Zwischenfrucht- baus nicht in Ansatz gebracht. Auch ist nicht berücksichtigt, daß durch verbesserte Ernte-

verfahren, Erweiterung der künstlichen Trock- `

nung und Neubau von Gärfutterbehältern mit einem Fassungsraum von mehr als 4 Mill. cbm die Ernteverluste herabgedrückt werden konn- ten. Die künstliche Trocknung gab das Mittel in die Hand, überschüssige Hackfruchtmengen und ihre Nebenerzeugnisse in haltbare und über große Strecken transportfähige Futterstoffe um- zuwandeln und sie in Form von Kartoffelflocken und vollwertigen Zuckerschnitzeln für den regionalen Futterausgleich einzusetzen. Dieser Entwicklung der deutschen Bodenproduktion, insbesondere der Verstärkung der wirtschafts- eigenen Futtergrundlage, ist es zu verdanken, daß die Milchkuh- und Schafbestände trotz rückläufiger Futtermitteleinfuhr bis zum Aus- bruch des Krieges vermehrt und durch Aus- gestaltung der Leistungskontrolle in ihren Er- trägen gehoben werden konnten. Wenn man die in den eingeführten pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen enthaltenen bzw. zu ihrer Erzeu-

gung erforderlichen Nährstoffmengen in Be-

ziehung setzt zu der gesamten deutschen Boden- produktion, so ergibt. sich eine schrittweise Verminderung der Auslandsabhängigkeit bis auf etwa 15 Prozent im Jahre 1939.

3. Die unter dem Einfluß des Krieges eingetretenen Veränderungen

Die deutsche Landwirtschaft hatte den Höchststand ihrer pflanzlichen und tierischen Produktion, auch dank günsti- ger Witterungsverhältnisse, in den Jahren 1938 und 1939 erreicht. Damals wurde eine Rekord- ernte an Getreide und Hackfrüchten eingebracht, und die Schweine- und Rinderbestände Groß- deutschlands mit 28 bzw. 24 Mill. Stück waren voll aufgefüllt. In Anbetracht der erzielten Ergebnisse gab es keine wirkungsvollere Ernäh- rungspolitik, als den eingeschlagenen Weg auch im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassun- gen zu vollziehen, die durch den Ausfall der überseeischen Zufuhren unvermeidlich wurden. Trotz zielbewußter Arbeit war die deutsche Speisefettversorgung, wie in fast allen mittel- und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben. Es war daher von vornherein klar, daß der Speisefettverbrauch eine erhebliche Einschrän- kung erfahren mußte. Der notwendige Ausgleich erfolgte durch höhere Zuteilungen von Brot und Kartoffeln. Es ist vielfach nicht bekannt, daß der deutsche Brot- und Nährmittelverzehr gegen- über dem Stand von 1939 um ein Viertel und der Speisekartoffelverbrauch fast auf das Dop- pelte gestiegen ist. Zum Teil ist diese Ver- brauchserhöhung auch auf den erweiterten Wehrmachtbedarf und auf die steigende Zahl der ausländischen Arbeitskräfte zurückzuführen. Die Kraftfutterversorgung der Viehbestände als Grundlage der Fleisch- und Fetterzeugung wurde also von zwei Seiten wesentlich ein- geengt: einmal durch beschränkte Einfuhren, zumal Deutschland denjenigen europäischen Ländern, die sich aus eigener Kraft nicht zu ernähren vermögen, erhebliche Zuschüsse ge- währt, und zum anderen durch Erhöhung des Direktverzehrs an Brot, Nährmitteln und Kar- toffeln. Ein schrittweiser Abbau der Vieh- bestände wurde unvermeidlich. Den stärksten Rückgang hat die Schweinehaltung erfahren, während der Rinderbestand nur un- wesentliche Einbußen erlitten hat. Bei der Neuabgrenzung der Viehbestände hat auch der Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle ge- spielt, die Zahl der Milchkühe im Interesse der Fettversorgung möglichst zu erhalten, zumal bei der Milcherzeugung die Ausnutzung der mit dem Futter zugeführten Energien mit etwa 25 Prozent noch relativ günstig liegt, während die Rind- fleischerzeugung nur mit einem Effekt von etwa 10 Prozent arbeitet. Es galt also, auch produk- tionspolitisch durch eine entsprechende Staffe- lung der Preisrelationen den Vorrang der Milcherzeugung zu sichern, die anfallende Milch

119

möglichst vollkommen zu erfassen und ihre Ver- arbeitung den ernährungswirtschaftlichen Er-

fordernissen anzupassen. Dieses Ziel ist, wie

gleich noch gezeigt wird, in weitgehendem Maße erreicht.

Aus dem Abbau der Schweinehaltung konnte der Verbrauch insofern zunächst Nutzen ziehen, als der aus der Bestandseinschränkung resul- tierende Fleischanfall der Versorgung zugute kam. Die Fleischration wurde also aus echter Erzeugung und aus dem Abbau der Bestände erfüllt. Im Verlauf des vierten Kriegsernährungsjahres wurde dann insofern ein Wendepunkt erreicht, als nun- mehr bei mittleren Ernten ein Gleich- gewicht zwischen Futtererzeugung und Futterbedarf eingetreten ist. Die durch den verfügbaren Futtervorrat abgegrenzte Entwicklung der Schweinehaltung mußte natur- gemäß auch die Fettversorgung in Mitleiden- schaft ziehen. Wenn es bei fehlendem übersee- ischem Import, mäßigen Einfuhren aus dem europäischen Raum und rückläufiger Schlacht- fetterzeugung trotzdem gelang, die Speisefett- versorgung auf dem gegenwärtigen Stand zu halten, so ist dies der zielbewußten Arbeit auf dem Gebiet der Milchwirtschaft und der Förde- rung des Olfruchtbaues zu verdanken. Es ist aus naheliegenden Gründen nicht möglich, die hier geschilderten Zusammenhänge im einzelnen zahlenmäßig zu belegen, nur die Entwicklung der Viehbestände, der Buttererzeugung und der

Entwicklung der Viehbestände und der Bett, erzeugung (ohne Schlachtiette)

Jahr

Rindvieh | Schafe in Mill. | in Mill. Stück Stück

CCC 3,5 N ee 3.4

193ũ55 . 3.9 22,8 1956 ne 4,3 25,8 ISO ee re 4,6 23,8 . 4,8 23,5 1989 )ũu:m-˖-˖· 5,2 29,0 1940... 5 5,2 24,5 JJC as, 5.4 21.0 e A REENEN 6,7 17,3 CA NEEN 6,9 15,4

Butter-

1) Ab 1939 Großdeutschland. 3) Junizählung.

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aus dem inländischen Ulfruchtbau stammenden Fettproduktion soll in der vorstehenden Ta- belle verzeichnet werden.

Es drängt sich die Frage auf, welchen Einfluß die Rationierung auf den Nährgehalt der Ra- tionen ausgeübt hat. Betriebswirtschaftlich und ernährungsökonomisch stellte sich die Auf- gabe, die verringerte Einfuhr und den gestie- genen Direktverzehr an pflanzlichen Erzeug- nissen durch Ersparnisse in der Futterwirtschaft, d. h. durch Einschränkung der mit großen Energieverlusten arbeitenden Nutzviehhaltung auszugleichen. Dabei mußten naturgemäß die- jenigen Nutzviehzweige die stärkste Einschrän- kung erfahren, die nach der Art ihrer Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des Menschen zu werten sind, wie dies für die Schweinehaltung zutrifft. Ernährungsphysio- logisch bedeutete diese Umstellung eine weitgehende Wandlung der Kostformen. Im ganzen kann zunächst gesagt werden, daß im volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter Einschluß der zulageberechtigten Verbraucher- gruppen, der Kaloriengehalt der täg- lichen Nahrung nurum wenige Prozent unter dem Stand des letzten Vor- kriegsjahres liegt, wobei die einzelnen Verbrauchergruppen allerdings stärkere Ab- weichungen zeigen. Dieses Ergebnis konnte nur durch den Ubergang zu einer fleisch- und fett- ärmeren Kost erreicht werden. Während nach Hahn die Nahrungsmittel tierischer Herkunft in der Vorkriegszeit mit etwa 37 Prozent an der Abdeckung der im volkswirtschaftlichen Durch- schnitt verzehrten Kalorien beteiligt waren, ist ihr Anteil im Verlauf des Krieges um mehr als ein Drittel gesunken, der Anteil der pflanzlichen Nährwerte entsprechend gestiegen. Die durch den Krieg erzwungenen Veränderungen in der Ernährungsweise und in der Erzeugung sind also sehr tiefgreifend. Es soll, auch nicht geleugnet werden, daß in der Produktion viele Schwierig- keiten zu überwinden sind und vom gesamten Landvolk den höchsten Krafteinsatz erfordern. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, daß die landwirtschaftliche Bodenerzeugung im ersten Weltkrieg um fast 30 Prozent absackte, und mit diesem Ergebnis den bisherigen Ablauf der Kriegsernährungswirtschaft vergleicht, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß es der deut- schen Landwirtschaft bisher gelungen ist, die Schlagkraft und Leistungsfähigkeit des Produk- tionsapparates ziemlich ungeschmälert durch alle Kriegsnöte zu erhalten. Darüber hinaus wird es in der Emährungsgeschichte dieses Krieges immer ein Ruhmesblatt der deutschen Landwirtschaft bleiben, daß sie nicht nur ihr ÄAußerstes tat, um die gesteckten Erzeugungs- ziele zu erreichen, sondern auch in der Abliefe- rung ihre Pflichten gegenüber dem gesamten Volke vorbildlich erfüllt.

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Straff wie das Leben der Gemeinschaft im ganzen beim Landdienst der HJ. ist auch der Marsch zur Arbeit, auf dem ein frohes Lied die Schaffensfreude weckt. Vom Pflügen hängt die Ernte und der Erfolg der Jahresarbeit ab. Die Ausbildung in dieser Grundarbeit des Bauern wird deshalb besonders gründlich vorgenommen

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Die Gespanngruppe geht in ihrem Ausbildungsweg vom Ochsen- über das Pferdegespann zum Treckerzug. So von der einfachsten bis zur technisch schwierigsten Gespannart jeder Junge geübt. Im Bild unten links wi die Maschinenarbeit und -pflege des näheren erörtert, und rechts sehen wir die Jungen beim Ausmessen des AC

un. u „re A ER WW "e T E ` Weg" vr.

ädel stehen den Jungen bei der inder Landwirtschaft nicht nach. Brotbacken oder der sach- Pflege und Behandlung der e, der im Kriege besonders er- Aufmerksamkeit gilt, alles wird Fickt und froh angepackt und er- ledigt

Viel Freude macht den Mädeln die Arbeit im Schweinestall mit den Ferkeln; und die Anweisungen dei Wirtschafterin über die sachgemäße Fütterung des Geflügels werden schnell in die Tat umgeselzl

DR. FRIEDRICH SOHN:

Die Zukunftsausrichtung der französischen Agrarpolitik

I. der zweiten Ausgabe seines Buches „Um die Nahrungsfreiheit Europas” wendet sich Her- bert Backe in einem Frankreichkapitel gegen die von vielen Franzosen vertretene These, daß die Zukunft der französischen Land- wirtschaft jedenfalls soweit es den Export betrifft bei den Spezial- erzeugnissen und den Luxusgütern gelegen sei, nicht aber bei den Mas- senerzeugnissen, die die Grundlage für die menschliche Ernährungbilden. Es wurde damit ein Problem aufgegriffen, das in Frankreich heute lebhaft diskutiert wird. Die Sorge der französischen Agrarpolitiker und auch der praktischen Landwirte nach der Zukunft der französischen Landwirtschaft ist verständlich. Einmal sind die Erfahrungen in der Vergangen- heit denkbar schlecht gewesen, man ist also gegenüber allen Voraussagen mit einer erheb- lichen Skepsis behaftet. Dann erstrebt der französische Bauer, von dem man im Augenblick unter denkbar ungünstigsten Um- ständen größte Anstrengungen verlangt, und der in langen Zeiträumen planen möchte, eine klare Linie in der Erzeugungspolitik. Um so notwendiger ist es, die Möglichkei- ten und Chancen der französischen Landwirtschaftim Rahmeneinereuro- päischen Wirtschaft klar aufzuzeigen und die Bedingungen, unter denen die aufgestellten Ziele zu verwirklichen sind, zu erkennen. Es ist nicht allein damit getan, durch statistische Be- rechnungen und Vergleiche mit anderen Län- dern die noch vorhandenen Erzeugungsreserven in roher Weise abzuschätzen und auf dieser Grundlage vielleicht ein reichlich theoretisches Erzeugungsprogramm zu konstruieren. Es ist außerdem notwendig, auf der Grundlage der natürlichen, wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten die Faktoren zu analysieren, die einer besten Ausnutzung der Erzeugungs- und Absatzmöglichkeiten entgegenstehen. Bei einer solchen Betrachtungsweise kommt man dann ganz automatisch zu Richtlinien für eine künf- tige Agrarpolitik. Viele Franzosen vor allem soweit sie der älteren Generation angehören gehen von der Meinung aus, daß in der Zukunft ähnliche Kräfte wirken werden wie in der Ver-

gangenheit!). Sie machen sich dabei vielfach nicht die Mühe, nach den Gründen des früheren Verfalls zu fragen. Sie gelangen daher auch nicht zu einem schöpferischen Aufbauprogramm, das die sich bietenden neuen Chancen auzunut- zen sucht. Ihr ausschließliches Ziel ist meistens die Verteidigung der Interessen der Landwirt- schaft gegenüber anderen Berufsständen, aber nicht der Angriff zur Schaffung neuer und bes- serer Lebensmöglichkeiten für das Landvolk. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht damit abgetan, von einer neuen europäischen

‚Wirtschaftsordnung ohne eigenes Zutun die Lö-

sung aller Schwierigkeiten zu erwarten. Der auf das neue Europa ausgerichteten französischen Literatur kann man oft genug den Vorwurf nicht ersparen, daB man die Probleme nicht in ihrer vollen Schwere sieht. Den von Natur aus gün- stigen Umständen für die landwirtschaftliche Erzeugung stehen in Frankreich stark hemmende Faktoren gegenüber, die sich vor allem aus der historisch gewordenen Struktur seiner Wirt- schaft und seiner Bevölkerung ergeben. Diese Hindernisse müssen von der Agrarpolitik über- wunden werden; es bedarf einer in die Tiefe gehenden Erforschung der Zusammenhänge und dann einer aktiven Agrarpolitik, die auch schon während des Krieges wertvolle Vorarbeiten für die Zukunfisentwicklung leisten muß,

Was kann der französische Boden leisten?

Zu dieser Frage liegen neuere Schätzungen bekannter Autoren vor. In der Regel gehen die neueren Arbeiten, die zu dieser Frage Stellung nehmen, vom europäischen Blickfeld aus. Man sucht, auf Grund der Statistik einen Überblick darüber zu gewinnen, was bisher in Europa und in den einzelnen Ländern erzeugt und ver- braucht wurde. Aus den Lücken in der Versor- gungsbilanz ergeben sich die Ziele für die Er- zeugungspolitik; aus der vergleichenden Be- trachtung einzelner Länder mit verschiedener

1) In diesem Zusammenhang ist besonders zu erwähnen: Auge-Laribe&, Situation de l'Agriculture Française de 1930 A 1939, ses capacites de developpement, sa part dansles échanges internationaux, Paris 1941. Neuerdings hat der Nationalsyndikus der „Corporation Nationale Paysanne’, M. Pointier, in verschiedenen Reden Äußerungen getan, die wenig Verständnis für die Lage erkennen lassen.

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Intensität der landwirtschaftlichen Erzeugung gewinnt man Anhaltspunkte für die noch zu erschließenden Reserven. In einer Untersuchung von von der Decken und Metzdorf?) wird z. B. ermittelt, daß der vor dem Krieg 83 Pro- zent betragende Selbstversorgungsgrad Frankreichs auf 158 Prozent erhöht werden könnte, wenn Frankreich die gleiche Intensitätsstufe erreicht wie das Reich. Solche Schätzungen sind für die Aufstellung ganz langfristiger europäischer Pro- gramme von größtem Wert. Sie bedür- fen jedoch der Ergänzung, wenn man die Arbeit für ein einzelnes Land planen will. Es gewinnt dann die Frage ent- scheidende Bedeutung, nach welcher Richtung hin die gegebenen natürlichen Bedingungen die Erzeugung des betreffenden Landes weisen. Es ist weiter zu prüfen, wie diese Möglichkeiten mit dem zu erwartenden Bedarf am besten in Ein- klang zu bringen sind. Schließlich muß gefragt werden, was mit Hilfe von agrarpolitischen Maßnahmen erreicht werden kann, um den Weg für die Ausnutzung der erkannten Möglichkeiten freizumachen.

In alten Kulturländern, deren Struktur in langen Zeiträumen geworden ist und die oft ein erhebliches Beharrungsvermögen aufweisen, gibt es in der Regel mancherlei Hindernisse, die eine erwünschte Entwicklung erschweren. Die Betriebsgrößen können z. B. unzweckmäßig sein, die ganze Betriebsstruktur und die Bodenverteilung können die moderne Bewirtschaftung des Bodens pn mög- lich machen. Aus dem geltenden Boden- und Besitzrecht können sich Hemmungen ergeben, die eine sonst eintretende Entwicklung verhin- dern. In Frankreich treffen im allgemeinen günstige natürliche Erzeugungsbedingungen und eine günstige verkehrspolitische Lage mit oft ungünstigen historisch gewordenen Besitz- und Betriebsverhältnissen zusammen. Die Agrar- politik, die in längeren Zeiträumen auf diese Dinge einen gewissen Einfluß ausüben kann, hat daher eine ganz entscheidende Bedeutung.

Fragen wir zunächst nach den natürlichen Möglichkeiten der Erzeugung imfran- zösischen Wirtschaftsraum, so stellen wir eine außerordentliche Variationsbreite in den Erzeugungsmöglichkeiten fest. Wir finden auf relativ kleinem Raum die Möglichkeit, so ziemlich alle Erzeugnisse der gemäßigten Klima- zone unter recht günstigen natürlichen Bedin- gungen hervorzubringen. e Daneben gibt es in Frankreich Teillandschalften, die sich für Spe- zialkulturen eignen, welche besondere, im all- gemeinen in Europa nicht gegebene Bedingun-

D von der Decken und Metzdorf, Europas Er- nährungswirtschaft, Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1943. In diesem Zusammenhang verdienen weiterhin die folgenden Arbeiten Erwähnung:

Hahn, Die Ernährungswirtschaft Europas in den Jahren 1936—1938, Verlag Gustav Fischer, Jena 1942.

Mielck, Die Emährungswirtschaft Europas und der Mittelmeerländer im Durchschnitt 1935—1938, Ber. über Landw. Band XXVIII, Heft 3, 1942,

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gen erfordern. In den meisten Teilen des Landes sind gemischte Betriebsformen zweckmäßig, die je nach den örtlichen Verhältnissen, aber auch der Fähigkeit der Betriebsleiter eine verschie- dene Struktur haben können. In anderen Gebie- ten wiederum weist die Natur die Landwirtschaft auf eine starke Spezialisierung, wie z. B. in den sehr trockenen Weindeparlements der Mittel- meerzone. Große Flächen vor allem in Süd- frankreich können nur als extensive Schafweide verwendet werden, wenn nicht durch künstliche Bewässerung also durch einen sehr starken menschlichen Eingriff mit erheblichem Kapilal- aulwand von der Natur abweichende Erzeu- gungsbedingungen geschaffen werden.

Wenn wir zunächst nur die gegebenen natür- lichen Bedingungen ins Auge fassen, so hat Frankreich günstige Erzeugungsmög- lichkeiten für die meisten Massen- güter, welche die allgemeine Grundlage unserer Ernährung bilden (Brotgetreide, Kar- toffeln, Zucker, Hülsenfrüchte, Gemüse und alle tierischen Veredelungserzeugnisse). Bei der Erzeugung pflanzlicher Fette, die in der modernen Ernährung eine sehr bedeutende Rolle spielen, bestehen wie in allen Ländern der ge- mäßigten Zone Nachteile gegenüber den tro- pischen und subtropischen Gebieten, jedoch ist Frankreich beim Winterraps wegen der gerin- gen Auswinterungsgefahr gegenüber den öst- lichen Nachbarn ganz entschieden im Vorteil. Die Gunst des französischen Klimas gestattet es aber auch, viele Produkte als Massengüter zu erzeugen, die in den -weniger von der Natur be- günstigten Ländern ausgesprochenen Luxus- charakter haben; man braucht in diesem: Zu- sammenhang nur an den Wein zu denken, der in Frankreich ein ausgesprochenes Volksgetränk ist, oder um noch ein anderes Beispiel zu nennen an den Blumenkohl der Bretagne, der in den französischen Großstädten während der Wintermonate als Massenerzeugnis ver- zehrt wird. Schließlich läßt sich auf Grund der in Frankreich gegebenen natürlichen Bedingun- gen die Erzeugung ausgesprochener Luxusnah- rungsgüter weit über die Bedürfnisse des inneren Marktes hinaus entwickeln. Starke An- sätze ‚dazu sind in der Luxusobsterzeu- gung, wie wir sie z. B. in den Pariser Vor- städten finden, und der Produktion von Qualitätsweinen bereits gegeben.

Frankreich hat also Chancen nach den ver- schiedensten Richtungen hin. Maßgebend für die Richtung, nach der mit besonderem. Nachdruck zu arbeiten ist, sind aber nicht allein die natür- lichen Bedingungen. Der Bedarf, dessen Dek- kung Frankreich in einer europäischen Ernäh- zungswirtschaft zweckmäßigerweise zu über- nehmen hat, spielt eine entscheidende Rolle. Es ist weiterhin die Frage von Bedeutung, was mit Hilfe der nur sehr beschränkt vorhandenen Ar- beitskräfte getan werden kann, und wie sich der Einsatz der menschlichen Arbeitskräfte am wir- kungsvolisten-gestalten läßt.

ui iin einige linie en.

Wenn in Frankreich in der Vergangenheit die Gunst der natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten nur schlecht ausgenutzt wurde, so waren dafür schwerwiegende Gründe vorhanden. Die Enge des inneren Marktes, die mit dem seit vielen Jahrzehnten erreichten Bevölkerungsstill- stand zusammenhängt, gestattete nur eine sehr beschränkte Ausdehnung der Erzeugung, wenn man einen vollkommenen Preisverfall vermeiden wollte Es kam hinzu, daß die Kolonien unter noch günstigeren natürlichen und wirt- schaftlichen Bedingungen mit den Haupterzeug- nissen der französischen Landwirtschaft in Wett- bewerb traten. Durch die Ausfuhr konnte unter den bisher in Europa herrschenden Ver- hältnissen kein Ausweg gefunden werden. Frankreichs Landwirtschaft besaß auch nicht die Kraft, die der Ausfuhr entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Auch In der Zukunft wird Frankreich, wenn es seine land- wirtschaftlichen Möglichkeiten voll entwickelt, bald zu einem UÜberschußland werden. Dabei werden sich jedoch, wenn der europäische Kon- tinent zu einer Wirtschaftseinheit zusammen- wächst, sehr viel bessere Absatzmöglichkeiten als in der Vergangenheit ergeben. Drei Fragen erheben sich in diesem Zusammenhang für die französische Agrarpolitik:

1. Bei welchen Erzeugnissen kann Frankreich einen Auslandsabsatz erwarten?

2.Nach welcher Richtung hin läßt sich die französische Erzeugung unter den gegebenen Verhältnissen am besten entwickeln?

3. Welche inneren Hemmungen müssen aus dem Wege geräumt werden und welche Aufgaben ergeben sich daraus für die Agrarpolitik? i

Zu der ersten Frage liegen die Arbeiten an- erkannter Fachleute vor. Es steht fest, daß für die verschiedensten Produkte der Ernährungs- wirtschaft ein erheblicher europäischer Einfuhrbedarf besteht. Man darf dabei . nicht von den Bedarfsverhältnissen des Augen- blicks oder auch der Vorkriegszeit ausgehen. Einmal ist die Bevölkerung Europas im Wachsen begriffen, sie wird sich nach Been- digung des Krieges wahrscheinlich noch erheblich schneller vermehren. Dann aber tritt mit Besse- rung der Wirtschaftsverhältnisse eine allge- meine Verbrauchserhöhung ein, wobei sich innerhalb des Verbrauchs ganz erhebliche Verschiebungen ergeben. Frankreich kann rein technisch gesehen auf den verschie- densten Erzeugungsgebieten Ausfuhrüberschüsse hervorbringen. Für den Franzosen hat jedoch die Frage entscheidende Bedeutung, wo für ihn die relativ größten Vorteile und die relativ größte Sicherheit gelegen sind. Bei der Erörte- rung der Zukunftsmöglichkeiten kommt immer wieder zum Ausdruck, daß die Konkurrenz- fähigkeit der französischen Landwirt-

schaft bei den einzelnen Erzeugnissen durchaus verschieden beurteilt wird. Man glaubt sich z. B. beim Weizen, für den in Nordfrankreich ausgezeichnete natürliche Erzeugungsbedingungen gegeben sind, gegen- über dem Osten und Südosten und den Übersee- ländern im Nachteil. Viele sind sogar der Mei- nung, daß die in Frankreich als Massengüter zu erzeugenden Spezialprodukte (Obst, Ge- müse, Wein, Weintrauben) nur be- schränkt absatzlähig seien. Man redet daher für die Ausfuhr einer ausgesprochenen Luxus- erzeugung das Wort in der Hoffnung, dem sonst zu erwartenden Konkurrenzdruck zu entgehen und auch die Fähigkeiten des französischen Menschen bestens auszunutzen. Die vorgetra- gene Gedankenführung ist jedoch vom fran- zösischen wie vom europäischen Standpunkt falsch. Wenn Kontinentaleuropa als wirtschaft- liche Einheit betrachtet wird, so ist der Gesamt- bedarf dafür entscheidend, was erzeugt werden muß. Die natürlichen Erzeugungsmöglichkeiten müssen bestens ausgenutzt werden, wobei das Streben der Gesamtführung des Kontinents dahin geht, auch die wirtschaftlichen Voraus- setzungen in den einzelnen Teilräumen für die Ausnutzung dieser Möglichkeiten zu schaften. Frankreich wird bei dieser europäischen Auf- gabenstellung dank seiner günstigen natürlichen Verhältnisse und auch seiner geographischen Lage nicht schlecht abschneiden.

Der nordfranzösische Raum bietet günstige Bedingungen für eine viel- seitige landwirtschaftliche Erzeu- gung. Große Teile des Landes besonders das Pariser Becken und die nördlich und südlich davon gelegenen Land- schaften sind von Natur für den Ackerbau besonders geeignet, während die Kanalküste, Westfrankreich und zum Teil auch der Nord- osten von Natur aus mehr für die Weidewirt- schaft bestimmt sind. Ein verhältnismäßig großer Anteil des Bodens in Nordwestfrankreich ist von großer natürlicher Fruchtbarkeit und für den Anbau von Weizen und Zuckerrüben ge- eignet. In Teilen der Champagne und in Ost- frankreich sind die Bodenverhältnisse im all- gemeinen schlechter, zum Teil sogar ausge- sprochen ungünstig. Der Raum nördlich der Loire ist jedoch im ganzen gesehen von der Natur aus dazu bestimmt, vor allem die Erzeug- nisse des allgemeinen Lebensbedarfs hervorzu- bringen. Es lassen sich in diesem Gebiet bei richtiger Ausnutzung der gegebenen natürlichen Möglichkeiten in den Erzeugnissen der allge- meinen Landwirtschaft erhebliche Überschüsse erzielen, die den Zuschußbedarf Südfrankreichs decken und darüber hinaus zur Versorgung Bel- giens und Nordwestdeutschlands beitragen können. In den letzten Jahrzehnten ist in diesem Raum der Ackerbau gegenüber der extensiven Weidewirtschaft ständig zurückgedrängt wor- den. Zur besseren Ausnutzung der Erzeugungs-

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möglichkeiten müßte eine entgegengesetzte Ent- wicklung in Gang gebracht werden, wobei der Ertrag der bisher nur extensiv genutzten Weiden durch bessere Bewirtschaftung beträchtlich zu erhöhen ist. In den Weide- und Grünlandgebie- ten muß der Ackerbau an Bedeutung gewinnen, während in den ausgesprochenen Ackerbau- gebieten die bisher vernachlässigte Tierhaltung verstärkt werden muß. Innerhalb der Acker- flächen nehmen die Hackfrüchte nur einen sehr bescheidenen Anteil ein; ihre Anbaufläche muß erhöht werden, während sich gleichzeitig das Brachland in der Fruchtfolge vermindern läßt. Eine zweckmäßige Gestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwi- schen den Weidegebieten und den Ackerbaugebieten kann die wirt- schaftlichen Leistungen des nord- französischen Raumes wesentlich ver- bessern.

Neben den Gütern des allgemeinen Lebens- bedarfes hat Nordfrankreich jedoch auch für die Spezialerzeugnisse einige Bedeutung. In der Gegend von Reims und Epernay und weiter westlich an der Loire reicht der Weinbau in dieses Gebiet hinein. Im Westen und in der Kanalzone schafft das dort vorherrschende Klima, das Fröste nur an wenigen Tagen des Jahres kennt, Voraussetzungen, wie sie in Eu- ropa nur an wenigen Stellen gegeben sind. Diese besonderen klimatischen Bedingungen finden schon heute in ausgedehnten Gemüse- kulturen und einem beträchtlichen Frühkar- toffelanbau einen sichtbaren Ausdruck. Nach dieser Richtung hin bestehen bei entsprechender Marktausweitung noch erhebliche Möglichkei- ten. An der Kanalküste finden sich weiterhin für die Apfelkultur ausgezeichnete natür- liche Bedingungen. Die dort jetzt vorhandenen etwa 30 Millionen Mostapfelbäume liefern we- gen ihrer vollkommenen Vernachlässigung nur gelegentlich einmal einen reichen Ertrag. Das Land ist jedoch von Natur aus dazu bestimmt, Apfel von guter Durchschnittsqualität für die Mostherstellung, die Marmeladenerzeugung und den menschlichen Verzehr in großen Massen hervorzubringen. Auch im Inneren des Landes sind besonders in den Flußtälern und Senken günstige Möglichkeiten für eine Ausdehnung des Obst- und Gemüsebaues gegeben.

Während Nordfrankreich von Natur aus ein Überschußgebiet bei den Erzeugnissen des all- gemeinen Lebensbedarfes ist, liegt das Schwer- gewicht der Erzeugung in Südfrankreich sehr viel stärker bei den Spezialitäten. Trotz der dünnen Besiedlung dieses Raumes besteht ein erheblicher Zuschußbedarf an Brot- getreide, Kartoffeln, Zucker und tie- rischen Veredelungs-Erzeugnissen. Eine auf die beste Ausnutzung des Bodens be- dachte Agrarpolitik muß danach streben, wenig- stens bei den wichtigsten Erzeugnissen dem Grad der Selbstversorgung näher zu kommen.

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Bei manchen Erzeugnissen, wie z.B. beim Zucker, wird das nicht einmal möglich sein. In Südfrank- reich ist nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Bodens für eine intensive landwirtschaftliche Erzeugung geeignet. Es scheiden im Gebirgs- land der Alpen, des Juras, des Zentralmassivs und der Pyrenäen erhebliche Flächen für die landwirtschaftliche Kultur ganz aus. In anderen Gebieten beschränkt der Mangel an Nieder- schlägen die Nutzungsmöglichkeiten auf wenige oder nur eine Verwendung. Auch die Boden- qualität setzt den landwirtschaftlichen Möglich- keiten oft enge Grenzen, z. B. in der Kiefern- waldzone südlich und westlich der Gironde (Departements Gironde und Landes). Nur auf einen verhältnismäßig kleinen Teil der Boden- fläche des Südens finden wir eine gemischte Landwirtschaft, deren Bedeutung über die lokale Versorgung hinausgeht. Im Rahmen der Volks- wirtschaft spielen jedoch die Spezialerzeugnisse eine bedeutende Rolle, obwohl auch sie nur einen relativ kleinen Anteil der Gesamtfläche ausmachen. In den Departements Herault und Aude am Mittelmeer beträgt der Anteil der Reb- fläche 52 bzw. 41 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die Spezialisierung wurde hier außerordentlich weit getrieben. In anderen Landschaften ist unter dem Einfluß der natür- lichen Bedingungen und der Absatzverhältnisse eine Spezialisierung auf Obst, Frühgemüse, Blu- men usw. eingetreten, während gleichzeitig die allgemeine Landwirtschaft unter dem Konkur- renzdruck des Nordens an Bedeutung verlor. Man konnte hier ganz ähnlich wie auf dem amerikanischen Kontinent mit dem Ausbau der Transportmöglichkeiten eine immer Stärkere Spezialisierung auf die Erzeugnisse feststellen, für die von Natur besonders günstige Produk- tionsbedingungen gegeben sind und die sich infolgedessen am besten rentieren.

Es besteht kein Zweifel, daß sich auch in der Zukunft die landwirtschaftlichen Überschüsse Südfrankreichs auf die pflanzlichen Spezialpro- dukte erstrecken werden, und zwar vorwiegend auf Erzeugnisse, die für den Massenabsalz be- stimmt sind. Das Schwergewicht der Konsum- weinerzeugung liegt schon immer in den Mittelmeerdepartements, während die Qualitäts- weine abgesehen von den bei Bordeaux gelegenen Anbaugebieten in der Hauptsache am Nordrand der Südzone erzeugt werden. Wenn die Preise größere Aufwendungen zu- lassen, so ist mit Hilfe künstlicher Bewässerung noch eine erhebliche Steigerung des Anbaus von Spezialerzeugnissen möglich. Bei den le- bensnotwendigen Gütern wird jedoch Südfrank- reich noch für lange Zeit ein Zuschußgebiet blei- ben; die durchschnittlichen Hektarerträge liegen z. B. beim Weizen im Mittelmeergebiet bei etwa 9 bis 13 dz, während im Pariser Becken 20 bis 23 dz und an der belgischen Grenze etwa 31 dz (Departement Nord) geerntet werden. Diese gewaltigen Unterschiede sind nur zum Teil aul

Er

die Bewirtschaftungsmethoden und den Dünge- mittelaufwand zurückzuführen, sie werden zu einem Teil auch durch die Unterschiede in den natürlichen Produktionsbedingungen verursacht. Für die Schafhaltung hat Südfrankreich mit seinen ausgedehnten, kaum anders zu nutzenden Odtlächen noch erhebliche Möglichkeiten.

Die Überwindung hemmender Faktoren

Wenn wir die durchschnittlichen Hektar- erträge, bzw. die Leistungen je Flächeneinheit mit benachbarten fortschrittlichen Ländern ver- gleichen, so kommen wir zu dem Ergebnis, daß eine Mehrerzeugung auf der ganzen Linie möglich ist. Diese Tatsache bleibt auch bestehen, wenn man berücksichtigt, daß die natürlichen Erzeugungsbedingungen keinesfalls überall so günstig sind, wie man oft annimmt. Der Erschließung dieser Möglichkeiten stehen zahlreiche Hemmungen entgegen, die nur mit Hilfe einer außerordentlichen aktiven Agrarpolitik überwunden wer- den können. Die Agrarpolitik war seit dem Waffenstillstand beherrscht von den Notwendig- keiten der Gegenwart. Doch hat man dabei die auf lange Sicht notwendigen Schritte keines- wegs übersehen. Es ist aber eine Tatsache, daß die Tragweite der auf lange Sicht abgestellten Maßnahmen von vielen Franzosen bisher noch nicht klar erkannt wurde.

Als Aufgabe der französischen Er- zeugungspolitik in einer europäischen Großraumwirtschaft kann man auf Grund der gegebenen Erzeugungsmöglichkeiten und der Bedarfslage des Kontinents die folgenden Ziel- setzungen aufstellen: Ein Teil des europäischen Zuschußbedarfesan Weizen kann relativ leicht aus dem nordfranzösischen Raum gedeckt wer- den. Es wäre vom Standpunkt Frankreichs falsch, sich diese Chance entgehen zu lassen, ebenso wie es verfehlt wäre, wenn die nord- wesiteuropäischen Zuschußgebiete auf die Be- darfsdeckung aus den nahegelegenen Überschuß- gebieten verzichten würden. Auf dem Gebiet der Futtergetreideerzeugung ist, um die bisherige starke Einfuhr auszugleichen, eine erhebliche Erzeugungssteigerung notwendig. Selbst dann, wenn Nordafrika wieder in starkem Umfang als Lieferant auftritt, liegt eine Haupt- lücke in der europäischen Versorgungsbilanz beim Futtergetreide, die irgendwie ausgeglichen werden muß. Auf dem Fleischgebiet kann Frankreich, wenn es die Futlererzeugungsmög- lichkeiten auf den Wiesen und Weiden, beim Feldfutterbau und in dem auszudehnenden Hack- fruchtbau richtig ausnutzt, sich eine starke Stel- lung erkämpfen. Ahnliches gilt für die Erzeug- nisse der Milchwirtschaft, die, wenn wir von Spezialitäten wie beim Käse absehen, in der Vergangenheit stark vernachlässigt wurden. Die Stellung des Olfruchtbaus im Rahmen einer künftigen französischen Landwirtschaft hängt

*

davon ab, wie stark der afrikanische Raum zur Ergänzung der inländischen Versorgung heran- gezogen werden kann. Da Frankreich vor dem Krieg seinen Nahrungsfettbedarf zu über 60 Pro- zent durch Einfuhr deckte und die pflanzlichen Fette neben den tierischen auch in der Zukunft eine erhebliche Bedeutung haben werden, ist auch für die Zukunft für den französischen Ol- fruchtbau ein weiter Spielraum gegeben.

Die angedeuteten Ziele sind in Frankreich zu erreichen, ohne daß das Gesetz vom abneh- menden Bodenertrag sobald in gleicher Schärfe wie in manchen Nachbarländern in Erscheinung tritt. an kann im Gegenteil noch manche Kostensenkung erreichen. Dabei ist es durchaus möglich, eine auf die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit gerichtete Bodennutzuhg zu betreiben und Fehler, die in dieser Beziehung ın der Vergangenheit gemacht worden sind, zu vermeiden.

Vom Standpunkt einer europäisch ausgerich- teten Erzeugungspolitik wäre es verfehlt, die vorhandenen Kräfte. weitgehend auf Spezialitä- ten zu konzentrieren. Man müßte dann auf die im Interesse der Gesamtheit erwünschte Aus- nutzung von Landflächen verzichten, die wegen ihrer natürlichen Erzeugungskraft und auch ihrer geographischen Lage zur Deckung lebens- notwendiger Bedürfnisse herangezogen werden müssen. Ein Verzicht auf diese Möglichkeiten ist von einem höheren europäischen Standpunkt nicht zu verantworten.

Dort, wo die Natur besonders günstige Vor- aussetzungen für die Massenerzeugung von Spezialprodukten (Obst, Gemüse, Wein, Trauben usw.) schafft, ist es jedoch notwendig, auch nach dieser Richtung hin Kräfte einzusetzen. Im Vordergrund steht dabei die Massen- er zeugung guter Durchschnitts quali- täten, die dank der günstigen natürlichen Be- dingungen billig für einen breiten Verbraucher- kreis geliefert werden können. Erst in zweiter Linie und in begrenztem Umfang hat die Erzeu- gung für ausgesprochene Luxusbedürfnisse eine Daseinsberechtigung.

Die angedeuteten Zielsetzungen einer künf- tigen Erzeugungspolitik machen die Uberwin- dung vieler Hindernisse notwendig. Die stärk- sten Hemmungen kommen von der Seite der menschlichen Arbeit. In Frankreich sind die Verhältnisse grundverschieden von denen Südosteuropas: dort ist die Neuaufnahme inten- siver Kulturen das natürliche Mittel, um die zahlreich vorhandenen Arbeitskräfte besser als bisher auszunutzen; in Frankreich aber hat der Menschenmangel in den letzten Jahrzehnten zu einer immer extensiveren Ausnutzung des Bo- dens geführt. Eine Umkehr in dieser Entwick- lung erfordert daher ganz außerordentliche An- strengungen. Allen Maßnahmen, welche die Wirkung der menschlichen Arbeit

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irgendwie verstärken helfen, muß größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Von der Aufbesserung der Wohnverhältnisse angefangen, der sozialen Betreuung der Men- schen bis zur fachlichen Ausbildung des Nach- wuchses und der wissenschaftlichen Arbeit ist eine neue Aktivität zu entwickeln. Es muß ver- sucht werden, innerhalb des französischen Wirtschaftsraumes eine bessere und zweck- mäßigere Verteilung der Arbeitskräfte zu er- reichen, wobei auf das künftige Erzeugungspro- gramm Rücksicht zu nehmen ist. Auf die noch stärkere Heranziehung ausländischer Arbeits- kräfte wird man nicht verzichten können, wenn der Boden auch nur einigermaßen ausgenutzt werden soll. Daraus ergeben sich weitere Pro- bleme, die von der Politik gelöst werden müssen. Eine Hauptaufgabe aber der agrarpolitischen Arbeit ist es, die menschliche Arbeit in der Landwirtschaft durch Anwendung zweckmäßiger Methoden und die Benutzung arbeitsparender Maschinen wirkungsvoller zu gestalten.

Läßt man den Dingen in Frankreich freien Lauf, so ist wie in der Vergangenheit eine Flucht von den arbeitsintensiven zu den arbeitsextensiven Bodennutzun- gen zu erwarten. Das agrarpolitische Ziel die beste Ausnutzung der gegebenen natürlichen Möglichkeiten erfordert jedoch eine ent- gegengesetzte Entwicklung, d. h. es muß eine Umwandlung von Grünland zu Acker- land vorgenommen werden und es ist auch innerhalb des Ackerlandes eine Verschie- bung zu den arbeitsintensiven Kul- turen, d. h. den Hackfrüchten, zu erstre- ben. Diese Ziele lassen sich in Frankreich nur erreichen, wenn die Leistungen der mensch- lichen Arbeit durch eine entsprechende Arbeits- organisation und die Anwendung arbeitsparen- der Maschinen erheblich gesteigert werden. Frankreich müßte seiner ganzen Struktur nach zum Schrittmacher moderner Arbeitstechnik werden. Vorerst kann es jedoch in erheblichem Umfang von seinen östlichen Nachbarn vor allem auch von Deutschland lernen. Im Reich ist seit Verkündung der Erzeugungsschlacht eine erhebliche Intensivierung trotz gleichzeitiger Verminderung der Arbeitskräfte erreicht wor- den, so daß Deutschland in vieler Beziehung Anregungen geben kann. Die Knappheit an Arbeitskräften verbietet es in Frankreich, allzu große Energien auf die einen besonders hohen Arbeitsaufwand erfordernden Luxuserzeugnisse, die insgesamt nur einen geringen Kalorienwert verkörpern, zu konzentrieren. Die beschränkte Zahl der Arbeitskräfte darf jedoch nicht dazu führen, daß, wie in den Uberseeländern, eine zur Ausbeutung führende Maschinenkultur entsteht. Das Ziel ist ganz ähnlich wie im Reich auf die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit ge- richtet, woraus sich ganz zwangsläufig auf agrartechnischem Gebiet eine enge Zusammen- arbeit mit dem Reich ergeben muß.

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In diesem Zusammenhang gewinnt für Prank- reich die fachliche Schulung und Wirt- schaftsberatung geradezu entscheidende Bedeutung. Auf diesem Gebiet ist bisher in Frankreich nur wenig getan worden. Im allge- meinen übt der Bauer seinen Beruf noch immer auf Grund der Kenntnisse und Fähigkeiten aus, die ihm vom Vater beigebracht worden sind. Er ist nicht darauf eigestellt, daß sich die tech- nische Entwicklung in schnellem Fluß befindet, und daß man sich dieser Entwicklung laufend anpassen muß. Da aber die französische Land- bevölkerung im Durchschnitt intelligent ist und praktische Fähigkeiten besitzt, sind erhebliche Erfolge zu erwarten, wenn durch eine ent- sprechende Schulung der aus der Tradition er- wachsende Widerstand gegen technische Neue- rungen überwunden ist.

In der Forschung wird man den Fragen der Arbeit und Arbeitstechnik in ihren betriebs- wirtschaftlichen Zusammenhängen besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Es gilt ja, den besonders knapp vorhandenen Produktions- faktor die menschliche Arbeit in wirkungsvollster Weise auszunutzen. Dabei müssen die Vorteile, die das ausgeglichene Klima mit seinen langen Wachstumsperioden bietet, zur Einsparung menschlicher Arbeit voll ausgenutzt werden. Die französische Landwirt- schaftswissenschaft, die große Einzelforscher hervorgebracht hat, hatte bisher nicht einen genügend engen Kontakt mit der Praxis. In der schon seit der Königszeit bestehenden „Acade- mie d’Agriculture de France‘ besteht zwar eine Plattform, auf der sich die Wissenschaftler mit den besten Praktikern zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden; jedoch sind die Auswirkungen dieser Zusammenarbeit recht begrenzt. Der In- dividualismus, der einer der markantesten Merk- male französischer nationaler Eigenart ist, 'hat es weitgehend verhindert, die Probleme in ihren großen betriebs- und volkswirtschaftlichen Zu- sammenhängen zu sehen. Der einzelne Betriebs- leiter hat in der Regel die größten Hemmungen, einem Außenstehenden Einblick in das Innere seines Betriebes zu geben. Aus diesem Grund ist auch die landwirtschaftliche Statistik in Frankreich außerordentlich unzulänglich, so daß manche Fragen auf Grund exakter Unterlagen überhaupt nicht studiert werden können. In der Wissenschaft hat man die Zusammenfassung der Erkenntnisse verschiedener Arbeitsgebiete zu einer Gesamtschau weitgehend vermieden. Eine landwirtschaftliche Betriebslehre ist in Frankreich nur in Ansätzen vor: handen; in der volkswirtschaftlichen Literatur treten die wirtschaftlichen Kern- probleme gegenüber den sich auf die äußere Form beziehenden Betrachtungen (oft von Ju- risten geschrieben) an Bedeutung zurück. Um die landwirtschaftlichen Möglichkeiten in der Zukunft besser auszunutzen, müssen auf der Basis der Forschungsarbeiten allge-

meineRegeln und Grundsätze aufgestellt werden, welche die Grundlage für die Agrar- politik und eine auf Breitenwirkung bedachte Erziehungsarbeit bilden. Man darf nicht an- nehmen, daß die Betriebsleiter in einer Zeit so starker Wandlungen, wie wir sie jetzt durch- leben, von sich aus immer die richtigen Wege finden. |

Nun kommen von der Seite der menschlichen Arbeit nicht allein die Hindernisse, welche die Ausnutzung der von Natur günstigen Bedin- gungen erschweren. Die Betriebsstruktur entspricht in Frankreich keineswegs überall den Erfordernissen einer rationell geführten Wirt- schaft. Das schlimmste Ubel ist ganz zweifellos die Bodenzersplitterung, die durch die freie Erbteilung hervorgerufen wurde. Die Sta- tistik der letzten Jahrzehnte läßt einen Rückgang der kleinen und kleinsten Betriebe und eine wachsende Bedeutung der mittleren und größe- ren Betriebe erkennen. Die Liquidierung vieler Betriebe, die durch die Landflucht verursacht wurde, führte zu einer Vergrößerung der durchschnittlichen Betriebsfläche. Mit dieser Entwicklung trat jedoch im allgemei- nen nicht eine Zusammenlegung der zersplitter- ten Feldstücke ein; die Atomisierung des Grund und Bodens hal vielmehr zum Teil sogar weitere Fortschritte gemacht. Bei dem Mangel an Men- schen verursachte diese Entwicklung einen Zwang zur Extensivierung und eine Aufgabe früher landwirtschaftlich genutzten Bodens. Die Flurbereinigung ist für große Teile Frankreichs die wichtigste Voraussetzung für eine intensive Bodennutzung. Am notwendigsten ist die Zu- sammenlegung in den Gebieten der geschlosse- nen Dorfsiedlung Ostirankreichs. Hier wirkt nicht nur die Aufsplitierung des Grund und Bo- dens erzeugungshemmend; es tritt eine weitere erhebliche Erschwerung ein durch die großen Entfernungen zwischen den einzelnen Dörfern, die eine intensive Bewirtschaftung der am Rande der Gemarkungen liegenden Ländereien prak- tisch unmöglich machen. Hier ist es nicht mit einer radikalen Zusammenlegung allein getan; es muß außerdem eine räumliche Auflockerung der Siedlungsweise erstrebt werden. Nach fran- zösischen Schätzungen sind in Ostfrankreich 50 Prozent, im Süden und Südwesten 36 Prozent, im Zentrum 31 Prozent, im Zentralmassiv 20 Pro- zent und im Südwesten und Norden 17 Prozent

der landwirtschaftlichen Nutzfläche umlegungs*

bedürftig. In Westfrankreich, wo der Einzelhof vorherrscht, tritt zum Teil durch die Hecken und die auf den Feldern stehenden Obstbäume eine Erschwerung der Arbeit ein. Auch hier sind Reformen in der Bodenverteilung und in der Ausnutzung der Flächen, die den Grundcharak- ter der Heckenlandschaft keinesfalls zu zer- stören brauchen, dringend am Platz.

Das Gesetz vom 9. März 1941 über die Flurbereinigung und Neuordnung des Grundbesitzes, durch das die bestehenden

$

gesetzlichen Möglichkeiten ganz wesentlich ausgeweitet wurden, schafft für die Zukunft die Möglichkeit ganz wesentlicher Verbesserun- gen. Es hat jetzt der Staat das Recht, Flurberei- nigungen anzuordnen und im Zusammenhang damit auch räumliche Neugliederungen in der Siedlung vorzunehmen. Das Gesetz verwirklicht einen Lieblingsgedanken des damaligen Land- wirtschaftsministers Pierre Caziot, der schon vor Jahrzehnten eine gründliche Bodenreform gefordert hat. Es besteht jedoch bei der allge- meinen Mentalität der Franzosen die Gefahr, daß man bei der Durchführung des Gesetzes auf halbem Wege stehenbleibt, weil man zwar die Vorteile der Zusammenlegung für die tägliche Arbeit der Bauernfamilie erkennt, nicht aber die Bedeutung dieser Maßnahme für die Erzeugungs- kraft und Konkurrenzfähigkeit der gesamten französischen Landwirtschaft in der richtigen Weise würdigt. Es besteht kein Zweifel, daß eine radikale Flurbereinigung in Ver- bindung mit NMeliorations arbeiten ganze Landschaften, die bisher Verfallserscheinungen aufwiesen, zu neuer Blüte führen könnte.

Auch die Besitzverhältnisse üben in Frankreich einen hemmenden Einfluß auf die Erzeugung aus. Rund 40 Prozent der land- wirtschaftlichen Fläche sind in Pacht oder Teilpacht vergeben. Das bisherige Pachtrecht verleitete die Pächter dazu, den Boden rück- sichtslos auszunutzen, während bei der schlech- ten allgemeinen Wirtschaftslage der Verpächter wenig Neigung verspürte, um von sich aus etwas zur Hebung der Leistungsfähigkeit des Betriebes zu tun. Die inzwischen eingeleitete Pachtreform wird, wenn sie richtig durchgeführt wird, im Verlauf der kommenden Jahre einen langsamen Wandel herbeiführen. Als außer- ordentlich fortschrittshemmend erweist sich das vor allem in Südwestfrankreich verbreitete Teilpachtsystem. Bei der Teilung der Er- träge und des Aufwandes zwischen Verpächter und Teilpächter folgt man alten Gebräuchen und Regeln, die sehr oft nicht den Erfordernissen der Gegenwart entsprechen. Es ist daher außer- ordentlich schwer, die als richtig erkannten Neuerungen in der Praxis einzuführen. Auch für das Teilpachtwesen wird eine Reform vor- bereitet.

Außerordentlich wichtig für die Zukunft der französischen Landwirtschaft ist es, das land- wirtschaftliche Kreditwesen auszu- bauen und den Bedürfnissen der Landwirtschaft anzupassen. Die volle Ausschöpfung der Erzeu- gungsmöglichkeiten im französischen Raum wird in der künftigen Friedenswirtschaft einen erheblichen Kapitalbedarf erfordern. In der Ver- gangenheit war es aber so, daß die Erspar- nisse des Landvolkes zu einem großen Teil nicht zur Verstärkung der Betriebs- ausrüstung Verwendung fand, sondern

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anderen, oft sehr zweifelhaften Verwendungen zufloß. Der mit Hilfe des Staates aufgezogene genos senschaftliche Kreditapparat war in der Hauptsache eine Verteilungs- stelle für staatliche Kredite und Sub- sidien; die Erfassung von Spargeldern durch diese Organisation war äußerst gezing und hatte keine nennenswerte Bedeutung.

Die Kriegserzeugungspolitik als Weg- bereiter

Die Kriegserzeugungspolitik wird durch die Umstände gezwungen, sich vornehm- lich der Mittel und Wege zu bedienen, die auch heute noch angewandt werden können. Sie ist von manchen Autoren als eine Politik der vielen kleinen Mittel angesprochen worden. Trotzdem aber führt diese Arbeit an den Kern des fran- zösischen Agrarproblems heran. Es wäre leicht gewesen, durch einen erheblichen Mehraufwand von Kunstdünger, anderen Produktionsmitteln und menschlicher Arbeitskraft eine schnelle Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung hervorzurufen. Man war durch die Umstände gezwungen, einen unbequemeren und beschwer- licheren Weg zu gehen, um durch Verbesse- rungen in der Arbeitsweise, die Ein- führung moderner Erzeugungsmetho- den und die fachlich-technische Erzie- hung derLandbevölkerung dem sonst zu erwartenden Produktionsrückgang entgegen- zuwirken. Alles was heute zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung getan werden kann ganz gleich, ob es sich um die Boden- bearbeitung, den Pflanzenschutz, das Saatgut oder irgendein anderes Arbeitsgebiet handelt —, verstärkt die Fundamente, auf denen die Land- wirtschaft in der Zukunft weiterbauen kann. Von französischer Seite wird man erst in einer späteren Zeit offen anerkennen, welche Rolle

hierbei die Erfahrungen der deutschen Efzeu- gungsschlacht und die Mithilfe deutscher Sach- verständiger in der Militärverwaltung gespielt haben.

Diese Kriegserzeugungspolitik schafft aber auch Klarheit über die vielen Hindernisse, die in einem so stark mit Tradition belasteten Lande wie Frankreich die Ausnutzung der günstigen natürlichen Möglichkeiten erschweren. Im agrar- politischen Gesetzgebungswerk der letzten 3% Jahre sind bereits viele Grundsätze fest- gelegt worden, die bei richtiger Anwendung für die Zukunftsentwicklung der französischen Landwirtschaft entseheidende Bedeutung gewin- nen können. Die gewonnene Klarheit über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten muß dazu führen, daß man auch an die geistige Vorberei- tung der künftigen Agrarpolitik herangeht.

Die nüchterne Wirklichkeit des Alltags, die von den Sorgen des Tages überschattet wird, macht es allerdings schwer, sich einen freien Ausblick zu verschaffen. Das ist ganz besonders der Fall in einem Lande mit so vielen Alters- erscheinungen wie Frankreich. Man denkt dort mit Vorliebe an die Vergangenheit, erschöpft sich in der Enge individualistischen Denkens und übersieht oft genug, daß die Erkämpfung einer europäischen Stellung der französischen Landwirtschaft eine gewaltige Gemeinschafts- leistung und die Abkehr von überkommenen Anschauungen und Doktrinen zur Vorbedingung hat. In der agrarpolitischen Diskussion ist man geneigt, sich in unfruchtbaren Erörterungen wie der von Herbert Backe gerügten These „Qualität oder Quantität“ zu verlieren. Man ist innerlich nur auf die Verteidigung ein- gestellt und versäumt dadurch wahrscheinlich die großen Chancen, welche der mutige Angriff bei der Neuordnung des europäischen Raumes einem Lande mit so günstigen natürlichen und geographischen Bedingungen bieten würde.

Der Liberalismus sah nur das abstrakte Ich, losgelöst von Rasse, Volk und Überlieferung, der Kommunismus sah nur das Kollektiv, d. h. den gestaltlosen Quantitätshaufen, der durch eine Tyrannei in politische Aktion gesetzt wird. Ich und Kollektiv sind deshalb Symbole eines Zerfalls und nicht Zeichen eines wirklichen organischen Spannungs-

verhältnisses. mus Persönlichkeit

Dem entgegengesetzt hat der Nationalsozialis- und Gemeinschaft gegenübergestellt,

d. h. die Persönlichkeit als in Blut und Erde verwurzelte, wachsende, nie ohne eine Bindung entstehende schöpferische Kraft, und die Gemeinschaft als nicht bloße Summe wurzel- loser Individualitäten, sondern als Einheit von Persönlichkeiten.

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Alfred Rosenberg

Landwirtschaftsführer schlagen unmittelbar nach der Besetzung des Ortes die ersten Auf- rufe für die Bevölkerung an. Gespannt folgen die Bauern den Ausführungen desLand- wirtschaftsführers Ritterkreuzträger Leffler

Getreidedrusch sofort nach der Ernte auf einem |

zahlreichen Druschplätze.

Der Mähdrescher wird

hier stationär benutzt

Anfuhr, Lagerung und Abtransport muß auf

en

Getreidepunkten sorgfältig geregelt und

Der Landmaschinenpflege wird jetzt

besondere Aufmerksamkeit gewid-

met eine früher im Osten un- gewohnte Erziehungsaufgabe

Eine Molkerei arbeitet wieder. Schmackhafte Rundkäse werden für die Truppe hergestellt

Deutsche Zuchthengste wer- den zur Hebung der von den Sowjets völlig vernachlässig- ten Pferdezucht eingeführt und nach ihrem Eintreffen fachmännisch beurteilt

Ein freundliches Wort zur rechten Zeit fördert das Vertrauen zur deutschen landwirtschaftlichen Ver- waltung

Vielseitig sind die Kenntnisse und Aufgaben des Landwirtschaftsführers. Auch die Felle müssen vo der Verarbeitung richtig behandelt werden

HILDEGARD MELZER:

DIE WIRTSCHAFTSWENDE der Niederlande

Die nachstehende Arbeit ist der Ertrag einiger Rei- sen in den Niederlanden und eines Studiums der Dinge in Gesprächen und Arbeiten von Deutschen und Nie- derländern. Es sind Eindrücke mit dem besonderen Einschlag des 5. Kriegsjahres und unter dem Zeichen des totalen Krieges. Einer Frau kommt es dabei nicht darauf an, eine verstandesmäßig geschlossene Wirtschaftsbetrachtung anzustellen. Vielmehr liegt mir daran, den Umkreis der Entwicklungen und ihre Vor- dussetzungen aus Geschichte und Volkspsychologie zu erfählen und damit auch für die Wirtschaftsarbeit der Gegenwart und Zukunft einen ganz und gar nicht auf Voilständigkeit Anspruch erhebenden Beitrag der Hintergründigkeit auch der nüchternen Wirtschafts- gestaltung zu liefern.

Erbschaft des Liberalismus

I. den letzten Jahrzehnten vor 1940 haben die niederländischen Landwirte, Bauern und Gärt- ner sich nicht der Deckung des Bedarfes des eigenen Volkes an landwirtschaftlichen Erzeug- nissen gewidmet, sondern nach Absatzhoffnun- gen im Ausland ausgerichtet. Die Landwirtschaft hatte mit dieser Haltung lediglich der herr- schenden Auffassung in Staat und Volkswirt- schaft folgen müssen. Diese herrschende Mei- nung des orthodoxen Liberalismus duldete ja auch keinen Widerspruch. Wer von der Freiheit des Handels und der internationalen Arbeits- teilung keinen Gebrauch machte, mußte zu- grunde gehen.

Als Ergebnis der Realteilung des Bodens und seiner freien Belastbarkeit und Käuflichkeit weist von knapp einer viertel Million landwirt- schaftlicher Betriebe fast die Hälfte nur eine Größe von 1 bis 5 ha auf, wobei die 138 000 Be- triebe unter einem ha, deren Inhaber nicht hauptberuflich Landwirte sind, außer Ansatz geblieben sind. Es ist klar, daß bei dieser Struk- tur auch vorübergehend nicht die Möglichkeit für das Landvolk gegeben war, im wesentlichen selbstgenügsam nur für den eigenen Bedarf zu produzieren. Bei der Raumenge am Mündungs- delta von Rhein, Maas und Schelde hatte sich dieses germanische Volk seine biologische Kraft so vorbildlich und einzigartig erhalten, daß die Niederlande nach Bulgarien in Europa den größten Geburtenüberschuß aufweisen. Selbst- genügsamkeit in diesem neben Belgien dichtest

besiedelten Landstrich Europas mit 273 Einwoh-

nern pro qkm wäre aus der Initiative des ein- zelnen oder eines Standes und wenn er auch über ein Fünftel der Gesamtbevölkerung stellte nur auf Kosten des Kinderreichtums möglich gewesen.

Die Niederlande sind ein Schulbeispiel dafür, wie der Liberalismus einem besonders tüchtigen,

intelligenten und lebenskräftigen Volk auf der

Grundlage alten Wohlstandes unter dem An- schein einer üppigen Blüte schwere wirtschaft- liche Schäden beibringen konnte. Es ist im Grunde auch wirtschaftlich ein Glück für die Niederländer, daß mit dem Fünftagekrieg von 1940 der Eingriff so rechtzeitig vorgenommen worden ist, daß Volkskörper und Wirtschafts- körper noch nicht unheilbar krank sind und noch die Möglichkeit besitzen, in organischer Entwicklung aus eigener Kraft zur Gesundung zu kommen.

WÉI

Einst als Teil des dbutschen Reiches hatten die Friesen, Sachsen und Franken, die in den niederen Landen ihre Heimat gefunden hatten, ihre große gesamtvölkische Aufgabe, die in den Zeiten der Hanse und der Ostkolonisation auch bewußt empfunden wurde. Durch die Schuld des Reiches; das die niederländischen Beschwö- rungen, besonders kraß 1578 auf dem Reichstag zu Worms, in den Wind schlug, haben sich die Niederlande nach dem heldisch durchgefoch- tenen 80jährigen Kriege gegen die spanisch- katholische Fremdherrschaft zu einem selbstän- digen Staat neben dem Reich entwickelt. Im 17. Jahrhundert, in dem „Goldenen Jahrhundert‘, das auch die einmalige Blüte von Kunst und Kultur brachte, schufen sie sich eine Kolonial- macht, von der Staat und Volk im Grunde bis jetzt gelebt hatten, wenn auch seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Niederländisch- Indien die Krisenzeichen sich mehrten. Seit jener einmaligen Großleistung des 16. und 17. Jahrhunderts war das Volk immer mehr geschichtslos geworden. Es kannte keine Ver- pflichtungen gegenüber einem größeren Ganzen. Abseits von der politischen Geschichte Europas

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durch Meer und Unwegsamkeit in Sumpf- oder später Poldergebiet in seinem Hauptteil vor ernsthaftem Kriegsgeschehen geschützt, hat es ein Eigenleben geführt, konnte jedem wirk- lichen Kampf ausweichen und bei hervorragen- den Fähigkeiten zu technischer Lebensbeherr- schung kaufmännisch und händlerisch eine

Idylle des Wohlstandes konservieren. Wie durch

Jahrhunderte der Generalgouverneur von Indien den Titel „Oberkaufmann” führte und danach im eigentlichen Sinne des Wortes „handelte“, so lebten die Niederländer durch drei Jahrhun- derte eigentlich nur vom Verwalten des Erbes großer Vorfahren.

Geschäftsführer von hohem Rang in der Aus- wertung des in die Häfen fließenden über- seeischen Reichtums zeigten die Niederländer in verhaltener, ruhiger Lebensführung bis zur Gegenwart eine Fähigkeit zur Meisterung des Lebens, die als Charakterkraft beweist, welche - Anlagen und Leistungen in diesem Volk leben- dig sind und fruchtbar gemacht werden können. Doch es blieb Geschichte im kleinen, würdige Gestaltung. des Alltags in möglichst idyllischer Ruhe.

Die Kaufherren der Westprovinzen Nord- und Südholland wurden mit ihrem Reichtum so weit- gehend die Träger der Macht, daß man schließ- lich von Holland sprach, obwohl das Herz der Niederlande eigentlich in den Landprovinzen von Groningen über Drenthe, Gelderland, Ut- recht und Brabant (der Heimat Karls des Großen) bis Limburg schlug. Der dort wohnende völkisch außerordentlich wertvolle Teil konnte nicht zur Führung kommen, sich den Holländern gegen- über nicht recht durchsetzen, die ihr Wesens- gesetz auf das ganze Land übertrugen. Das hieß: Freiheit. Damit war jedoch nur die Pflege der kleinsten Gemeinschaften gemeint. Das Prin- zip dieser Gemeinschaften war, wie es der Lei- dener Geschichtsphilosoph Prof. Dr. H. Kreckel ausgedrückt hat, nur eine allgemeingültige Form, in die sich die Flucht aus der tieferen Verantwortung hüllte.

Zur kleinen Gemeinschaft gehören nach der Darlegung Kreckels Eigentum und Familie, das Erworbene, Wohlfahrt, Häuslichkeit, Gelehr- samkeit, die Scheu, die feine Rücksicht und die Pflege der Reinheit. Alles kostbare Werte an sich. Doch die große Gemeinschaft quillt aus dem Wissen um die Verantwortlichkeit, dient einem das Ganze überragenden Ziel, erlebt die Ehrfurcht in umfassender Schau. Wo die große Gemeinschaft den Wurf wagt, ist die kleine nur zum Schutz ihrer Angehörigen da und fordert von dem Ganzen nur Rechte. In diese kleine Gemeinschaft flüchtete der holländische Mensch immer wieder zurück. Es war die Freiheit, sein Sondergemeinwesen auf jeglichem Gebiet der Lebensäußerungen zu erhalten. Jeder ließ jeden gewähren. Und doch führte diese falsch ver- standene Freiheit ohne höhere Bindung schließ-

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lich zu einer freilich weithin noch nicht emp- fundenen Unfreiheit.

Wie in der Politik daraus die Abhängigkeit von den Westmächten erwuchs, so führte wirt- schaftlich die ängstliche Sucht nach unveränder- ter Erhaltung des ererbten Wohlstandes zur Diktatur fremder Kapitalinteressen in der ge samten Wirtschaft. Handel und Seeschiffahrt waren von der Gnade der seebeherrschenden fremden Mächte abhängig. Die Kolonien lie- ferten längst nicht mehr ihren alten Ertrag. Die Industrie, wie das ganze Land, dem seit derMitte des 17. Jahrhunderts jeder Aderlaß erspart ge- blieben war, gewohnt, mit angeborener Spar- samkeit aus der Fülle zu wirtschaften, war nicht auf heimische Rohstoffe aufgebaut, da Nieder- land außer Kohle keine Bodenschätze besitzt. So wurde in vielen Fällen nur eine Veredelung eingeführter Waren zur Wiederausfuhr vor- genommen —, eine solide und handwerklich saubere Industrie, der im allgemeinen die Ra- tionalisierung der Serienerzeugung z. B. fernlag.

Was blieb da der Landwirtschaft anderes übrig, als Menschen zu exportieren oder Ver- edelungswirtschaft zu betreiben. Die Nieder- lande entwickelten als Glied des Weltmarktes eine in ihrer Intensität und serienmäßigen Qua- litätsproduktion bewundernswerte Landwirt- schaft, die es selbst lange nicht empfand, wie sie in der Zwangsjacke des Liberalismus ein Opfer der Unfreiheit wurde. Bei einer Eigen- produktion von 1,4 Millionen t Getreide und Futtermittel wurde fast das Doppelte, 2,6 Mil- lionen t, eingeführt, vor allem als Kraftfutter, um bei der tierischen Veredelungsproduktion wieder Ausfuhren zu erzielen. Gut 10 v.H. der Fleischerzeugung, fast die Hälfte der Eier und die Hälfte des Käses wurden ausgeführt; bei Butter sogar mehr als die Hälfte, wobei jedoch die doppelte Menge als Rohstoff für Speisefette, Ole und Margarine wieder ins Land kam. Wer kennt nicht die Edelerzeugnisse des niederlän- dischen Gartenbaues, die Tomaten und das Ge- müse, die Pflanzen und Blumenzwiebein? Das sah in den ersten Jahren nach dem ersten Welt- krieg sogar nach einer schönen Blüte aus. Es war aber nur eine Konjunktur. Mit der Welt- wirtschaftskrise ab 1930 ging es bergab. Da man sich politisch im Schlepptau der Westmächte befand und deshalb der Warenaustausch mit dem neu erstehenden Reich nicht intensiviert wurde, kam es schließlich so weit, daß man weithin für die organisierte Vernichtung produzierte. Die Maiereignisse des Jahres 1940 haben einen schnellen, tiefgreifenden Wandel gebracht, der sich allmählich immer schärfer auswirkt. Es kommt nun darauf an, daß der Aufschwung nicht wieder nur eine Konjunktur wird, sondern eine grundsätzliche Wandlung im Gefüge und in der Haltung des niederländischen Landvolkes unter Erhaltung all der wertvollen menschlichen und natürlichen Grundlagen des reichen schò- nen Landes bringt.

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———

Das Bevölkerungsproblem der Wirt- schaftswende

Als im Mai 1940 der Führer den Befehl zur Besetzung der Niederlande gab, ist er damit gerade nicht der englischen Besetzung als Auf- marschgebiet gegen das Ruhrrevier zuvorge- kommen. Das Verhalten der landflüchtigen Re- gierung hat bewiesen, daß sie bereit war, das

ahnungslose niederländische Volk auch noch.

Kriegsdienste gegen das Reich und damit gegen Europa leisten zu lassen. Durch das schnelle Zupacken ist den Niederlanden zugleich das Schicksal eines ernsteren Kriegsschauplatzes und die sonst unvermeidlichen größeren Blut- opfer erspart worden. Was das bedeutet, be- ginnen die einsichtigeren Niederländer erst jetzt allmählich einzusehen. Außerhalb der Erneu- erungsbewegung von Mussert, der National- Sozialistischen Bewegung (NSB.), kann man selbst heute noch finden, daß die bolsche- wistische Gefahr mit der naiven Begründung, daß man ja selbst vom Kommunismus noch nichts erlebt habe, abgetan wird. Auch hier scheint sich langsam angesichts der Ereignisse im Osten und der spontanen Volkserhebungen der Randvölker im Ostland, nicht zuletzt auch auf Grund der Erfahrungen der niederländischen Freiwilligen im Osteinsatz, eine Änderung an- zubahnen.

Kündigt sich so sehr leise ein politischer Wandel an, so ist er wirtschaftlich im Landvolk schon mit recht weittragenden Ergebnissen greifbar. Gerade bei der Fortschrittlichkeit und Intensität haben die Maßnahmen, die sich aus dem deutschen Einmarsch ergaben, die nieder- ländische Landwirtschaft vor einer Katastrophe bewahrt, die das Ende des noch aus der Ver- gangenheit geretteten Wohlstandes des ganzen Volkes hätte bringen müssen.

Bei 9 Millionen Einwohnern finden über 20 v.H. ihren Erwerb in Landwirtschaft und Gartenbau. Es ist also nicht, wie man vielfach annimmt, ein stark überwiegendes Agrarland. Daß Handel und Verkehr mit fast 30 v.H. der Bevölkerung besonders stark vertreten sind, er- klärt sich aus der überragend verkehrsgünstigen Lage am Rheindelta, ist aber auch eine Folge der Ubervölkerung und des Versuchs, in der Aus- wertung der hohen kaufmännischen Qualitäten einen Ausweg zu finden.

Bei der engen Verflechtung auf knappem Raum ist es ein hervorragendes Kennzeichen, daß der Abstand zwischen Stadt und Land längst nicht so groß ist wie sonst in Europa. Im Land- schaftsbild wechseln wuchtige Bauernhöfe mit breit verstreuten Dörfern und weit aufgelocker- ten Städten, die nur in Amsterdam und Rotter- dam und schon kaum in Den Haag im Kern Großstadtcharakter annehmen. Man bewegt sich durch eine einzigartige Kulturlandschaft, in der nirgends die weitverteilte Besiedlung abreißt,

selbst kaum in den Sandheidestrichen des Ostens. So ist der Städter unter idealen Wohn- verhältnissen landverbunden geblieben. Er weiß noch unmittelbar um die Arbeit des Landmannes und hat in weit größerem Maße als sonstwo sein Gärtchen. Das macht gerade heute die Ernäh- rungsfrage in der Stadt um so vieles leichter (allerdings auch den Schwarzhandell).

Andererseits ist der Landmann überall in der Stadtnähe. Er kennt nicht die weiten und schwierigen Wege des Absatzes und der Heran- schaffung seines Bedarfes wie etwa der deutsche Osten. Er hat auch sonst Anteil an der Zivilisa- tion der Stadt. Viele Landprobleme des Reiches gibt es also hier gar nicht.

Infolgedessen ist auch die Grenze zwischen Stadt und Land labil. In vielen Fällen hängt es von .der Konjunktur ab, ob der einzelne nun seinen Haupterwerb auf dem Land oder in der Stadt findet. Wenn bei der schan weitgehenden Zersplitterung nach einem Todesfall die Ab- findung der Erben in vielen Gegenden im Wege der Realteilung dort nicht mehr erträglich er- scheint, wird der Besitz Kapitalanlage und von der Familie oder einem fremden Käufer verpach- tet. Der Pächter aber hängt meist nicht am Boden. Wenn er unter ungefähr gleichen Ver- hältnissen einen anderen Betrieb bekommen kann, ist er schnell zu einem Wechsel bereit. Als Ergebnis dieser Entwicklung wird die Hälfte aller Betriebe von Pächtern bewirtschaftet.

Neben dem vielen Klein- und Kleinstbesitz fällt eine starke Ubersetzung des Nährstand- gewerbes und der ungewöhnlich hohe Anteil des Handels auf. Hierzu trägt bei, daß manch ein Landwirt gleichzeitig Handel treibt oder neben- her gewerblich, meist saisonmäßig, tätig ist, vor allem aber sind die Verarbeitungs- und Ver- wertungsbetriebe, gerade auch Bäcker und Schlächter, zo zahlreich, daß sie bisher nur auf der längst im Schwinden begriffenen ehemaligen Wohlstandsgrundlage existenzfähig waren.

Kommt dazu noch bei der Bevölkerungsdichte die Möglichkeit, leicht Arbeitskräfte zu bekom- men, so war das die Grundlage für eine Inten- sivierung, die in der Welt beispiellos ist. Je ha werden bei Freilandgemüse 1 bis 17 Arbeits- kräfte, bei Treibgemüse unter Glas 3 bis 4, bei Schnittblumen bis 12 und bei Topfpflanzen bis 30 Arbeitskräfte beschäftigt. So hat die Uber- völkerung von der Arbeitsseite her die Inten- sivierung mit Qualitätsleistungen, auch in der Viehzucht und Veredelungswirtschaft, die in der Welt unerreicht sind, möglich gemacht. Um- gekehrt war aber eine solche Arbeitsintensität zur Uberdeckung der Ubervölkerung nur mög- lich, solange diese Qualitätserzeugnisse auch rentablen Absatz fanden.

Das war seit 1930 in steigendem Maße nicht mehr der Fall. Bei der rein händlerischen Ein- stellung der maßgebenden Stellen wußte man

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sich da nicht anders zu helfen, als schließlich auf Grund einer besonderen Krisengesetzgebung unter Bezahlung dürftiger Mindestpreise an die Erzeuger die unabsetzbaren Edelerzeugnisse zu vernichten. Wie in Südamerika Getreide ver- feuert und Kaffee ins Meer geschüttet wurde, nur um zum Zwecke der Hebung der Preise das Angebot zu verringern, so wurden hier Toma- ten, Weintrauben, Zwiebeln und andere gute Dinge gleich von der Veiling in die Kalkgrube gefahren.

Auch in Industrie und Handel hatte die Uber- völkerung bei der Abhängigkeit von der Willkür des sogenannten Weltmarktes zu steigernder Erwerbslosigkeit geführt. Bei der Landverbun- denheit der Stadt schon etwas erträglicher flossen die Mittel hierfür und für die Krisen- gesetzgebung letzten Endes aus den Resten des ererbten Wohlstandes der Gesamtwirtschaft. Nur aus der noch von der Leistung der Vor- fahren aus dem 17. Jahrhundert überkommenen Fülle und der günstigen Verkehrslage als poli- tischer Zuschauer am europäischen Tor zur Welt war diese ganze wirtschaftliche Haltung des Liberalismus erklärlich.

Da aber auch die Kolonien kapitalistisch er- traglos wurden, zeichnete sich schon das Ende des Wohlstandes und damit der Zusammenbruch des ganzen Systems drohend am Horizont ab.

Voraussetzung der Gesundung

Wir wissen, daß der Mai 1940 den Wandel gebracht hat. Es gibt heute schon längst keine Absatzkrise mehr und auch keine Arbeitslosig- keit. Das Reich würde auch eine vielfache Qualitätserzeugung abnehmen. Es muß im Wege der mit Erfolg eingeführten Selbstverwaltung eher dafür gesorgt werden, daß die Preise nicht überhöht werden.

So hat für die Landwirtschaft ein neuer, echter Aufstieg eingesetzt, der zu einer schnellen Ent- schuldung der Betriebe und durch Agrargesetze nach deutschem Vorbild zur Sicherstellung auch der Pächter geführt hat. Der Einsatz niederlän- discher Arbeitskräfte im Reich hat dazu im Aus- gleich zum Ruhen mancher Gewerbe, insbeson- dere in den großen Uberseehäfen zunächst den schlimmsten Druck des Uberangebots an Ar- beitskräften genommen. Bei der Ubervölkerung und der engen Verbundenheit zwischen Stadt und Land ist damit der drohende Zusammen- bruch des Gebäudes der niederländischen Volks- wirtschaft abgewendet. Mit innerer Wandlung und äußerer Umstellung der Landwirtschaft und den entsprechenden Schlußfolgerungen in der übrigen Wirtschaft, sowie mit einem positiven schöpferischen Einsatz des wertvollen Bevölke- rungsüberschusses werden darüber hinaus die Voraussetzungen zu einem gesunden Aufbau der Wirtschaft der Niederlande sich schaffen lassen.

Wer würde die Forderung aufstellen, daß sich die Mark Brandenburg einschließlich Berlin

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lediglich aus der eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung ernähren solle. Das ist aber der ungefähr zutreffende Vergleich zu den Nieder-

- landen, die mit ihren 9 Millionen Menschen auf

35000 qkm, also 273 Einwohner je qkm, zu den Gebieten mit der höchsten Bevölkerungsdichte gehören. Ist auch die niederländische Land- wirtschaft hoch intensiv, so waren doch früher zur Lebensführung erhebliche Einfuhren erfor- derlich. Bei der damaligen Einstellung auf dem Weltmarkt waren zur Ermöglichung der Ausfuhr der tierischen Veredelungsprodukte und der Gartenbauerzeugnisse, durch die sich die nieder- ländische Landwirtschaft ihren Weltruf geschaf-

. fen hat, so umfangreiche Einfuhren vor allem an

Getreide, Futtermitteln und Dlfrüchten notwen- dig, daß unter Berücksichtigung der Nährwert- verluste bei Verwertung durch die Tiermägen rund ein Drittel der Bevölkerung seine Ernäh- rungsbasis im Ausland hatte.

Drei Jahre nach der Einordnung des Staates in die europäische Großraumwirtschaft ist das Ergebnis festzustellen, daß die planmäßige Um- stellung grundsätzlich die volle kriegsmäßige Eigenversorgung der Niederlande und bei Auf- rechterhaltung des Intensitätscharakters det altbewährten Spezialerzeugung einen recht an- sehnlichen Beitrag für die kontinentale Gemein- schaft gebracht hat. Das ist unter den vielfachen besonderen Schwierigkeiten des Krieges nur ein vorläufiges Ergebnis. Bei entsprechender Fort- entwicklung werden sich später unter normalen Verhältnissen zur dauerhaften kontinentalen Bodenständigkeit einer mustergültigen Intensiv- wirtschaft wohl manche inneren Verschiebungen ergeben; insgesamt wird aber die niederlän- dische Leistung noch erheblich steigen.

Dieser Beitrag zur europäischen Erzeugungs- schlacht ist das Verdienst der Leiter der Haupt- abteilung Ernährung und Landwirtschaft beim Reichskommissar für die besetzten niederlän- dischen Gebiete, des inzwischen im Osten ge fallenen mecklenburgischen Landesbauernfüh- rers Graf Grothe und des Ministerialrates von der Wense mit ihren Mitarbeitern. Sie haben es verstanden, mit klarer und stetiger Führung das niederländische Landvolk zur An- eignung und Ausnutzung der bewährten Me- thoden des Reichsnährstandes zu bringen. Die Leistung selbst ist das Werk der niederlän- dischen Bauern und der nach dem Vorbild des Reichsnährstandes ausgebauten Wirtschaftsver- bände und landwirtschaftlichen Verwaltung.

In der großen Linie läßt sich der erstaunlich schnell und wirksam durchgeführte Wandel so umreißen:

Um die nicht mehr mögliche Einfuhr von jähr-

| lich rund 3 Millionen t Getreide und Futtermittel

zu ersetzen, mußte die mehr als die Hälfte der Nutzfläche umfassende Grünlandfläche ein- geschränkt werden. Bis Frühjahr 1943 waren über 200000 ha umgebrochen, ohne daß damit

die Entwicklung schon abgeschlossen ist. So konnte u. a. die Brotgetreidefläche seit 1940 um 90000 ha und die Kartoffelfläche um 85000 ha vergrößert werden.

Ein weiterer wesentlicher Ausgleich ergab sich aus der Rückführung des Viehstapels auf die wirtschaftseigene Grundlage. Der Bestand von früher 33 Millionen Hühnern hatte mehr Getreide erfordert, als für die Ernährung der gan- zen Staatsbevölkerung erforderlich war, weil drei Hühner mehr fressen als ein Mensch benötigt. Der frühere Anfall von 2,6 Milliarden Eiern, von denen 1 Milliarde ausgeführt wurde, war kriegswirtschaftlich kein voller Gegenwert. Daher ist der Bestand auf 3,7 Millionen ver- ringert worden. Ähnlich ist bei dem nächst- großen Getreidefresser, dem Schwein, das ja ebenfalls meist in gewerblichen Betrieben ge- halten wurde, der Bestand von 1,6 auf 0,5 Mil- lionen herabgedrückt worden. Da von den auf dem Veredelungswege über den Viehmagen verwerteten, auch für den Menschen geeigneten Nahrungsmitteln beim Huhn 90 v.H. beim Schwein 70 v.H. verlorengehen, sind hier die Bestände auf das mit absolutem Futter und Ab- fällen durchzuhaltende Maß gebracht worden. In gleicher Weise ist der hochwertige Rindvieh- stapel mit 2,4 Millionen Tieren den gegebenen Verhältnissen angepaßt.

Zum Ausgleich im Fetthaushalt ist der Ol- fruchtanbau von 3000 auf über 50000 ha aus- gedehnt worden. Dabei fallen neben 30 Mil- lionen kg Fett noch 60 Millionen kg Olkuchen als zusätzliches Kraftfutter an. Bei einer ge- wissen Ausweitung des Zuckerrübenanbaues hat außerdem die Gemüseanbaufläche eine Er- weiterung um 30 v.H. erfahren. Schließlich ist um nur die wichtigsten Änderungen heraus- zugreifen, die Anbaufläche für Saatgut und Sämereien von 8100 auf 23400 ha gesteigert worden, während der Blumenbau um die Hälfte verringert worden ist,

Mit diesen Maßnahmen, zu denen noch u. a. die verbesserte Verwertung der Nebenerzeug- nisse, die Absatzorganisation und andere Aus- hilfen der Wirtschaftsführung und Arbeitslen- kung kommen, ist über die Eigenversorgung des Landes hinaus auch die Kontinentalwirtschaft

unmittelbar und mittelbar gefördert worden.

Die Lebensmitteldecke des Landes ist knapp, aber ausreichend.

Die Ubergangszeit nach dem Einmarsch im Mai 1940 bis zum Beginn der Auswirkungen der organisch erfolgten Eingliederung in die Er- zeugungsschlacht haben die zum Teil großen, im Lande lagernden Vorräte erleichtert, so daß Lebensmittellieferungen nicht nötig waren. Es konnten sogar zunächst in erheblichem Umfange aus dem Abbau der Bestände und Vorräte Nah- rungsmittel nach dem Reich geliefert werden. Die Getreide- und Futterbilanz einschließlich

Hackfrüchte geht jetzt auf. Als Beitrag zur europäischen Versorgung werden gegenwärtig nach Angaben des niederländischen General- direktors für die Ernährung, Ing. S. L. Louwes, von der Gesamterzeugung geliefert: Etwa 10 v.H. bei Käse, 20 v.H. bei Eiern, 25 v.H. bei Fleisch und Hülsenfrüchten und noch mehr bei Gemüse. Bei Fett war ein Drittel der alten Bestände aus- geführt worden, in geringerem Maße auch noch bis 1941 Butter. Im Zusammenhang mit der Um- stellung der Erzeugung wird seitdem nur noch technisches DI geliefert. Von besohderer Be- deutung ist die umfangreiche Ausfuhr von Saat- gut und Sämereien.

Dreierlei, was sich nicht in der Augenblicks- wirkung berechnen läßt, ist aber noch als be- sonderer Beitrag zur europäischen Erzeugungs- schlacht zu verzeichnen.

Das ist neben der Lieferung von Saatgut die Befruchtung der europäischen Viehwirtschaft mit hochleistungsfähigem Zuchtvieh als Grund- lage für die Leistungssteigerung vor allem der europäischen Milchwirtschaft. Das ist weiter die Fortsetzung der Landgewinnungsarbeiten, besonders in der ehemaligen Zuidersee, und die entsprechende schöpferische Arbeitsleistung dieser unerreichten Künstler der Wasserwirt- schaft in ganz Europa. Und schließlich wird dafür gesorgt, daß nach dem Maße der anderweit in Europa gegebenen Möglichkeiten, insbeson- dere in späteren Friedenszeiten, die wertvollen Grundlagen der hochintensiven Kulturen weiter ausgewertet werden können.

Die Niederlande sollen ja nicht entgegen ihrer Struktur über die Lieferung der Grundlagen zur eigenen Ernährung hinaus zu einem Ge- treidebaugebiet zurückentwickelt werden. Sie sollen sich als Veredelungsland im europäischen Kontinent voll auswirken können. So bleibt alle Sorgfalt vor allem dem Viehstapel gewid- met. Unter Beibehaltung der wertvollen Zucht- viehbestände sind jetzt rund 30 v.H. des Rinder- stapels abgebaut worden, um sich der natür- lichen und bodenständigen Futterbasis anzupas- sen. Bei Schweinen ist der Aufbau infolge Scho- nung des hochwertigen Sauenbestandes jeder- zeit leicht möglich. Ebenso sind bei Hühnern die hochleistungsfähigen Stämme bei weiterer scharfer Auslese beibehalten. Daß die Gemüse- und Obstkulturen, vor allem die unter Glas ohne weiteres zur vollen Ausnutzung dieses euro- päischen Gartens ausgeweitet werden können, ist klar. So bleibt durchaus die Basis gewahrt, um so bald wie möglich über die heimische Er- nährung hinaus nach Menge und Güte den künt- tigen niederländischen Beitrag für den Kontinent auf den denkbar höchsten Friedensstandard zu bringen. In bodenständig umgestellter In- tensivwirtschaft haben sich die Niederlande ihren Platz in der europäischen Erzeugungs- schlacht dieses Krieges und des kommenden Friedens gesichert.

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HEINRICH STRATHUS:

Der P fanobr ief im Agrarkredit

0

Ik einer Zeit, in der ein nennenswerter Kredit- bedarf der Landwirtschaft nicht vorhanden ist, sondern im Gegenteil die Tilgung vorhandener Schulden zunimmt und gleichzeitig erhebliche Geldguthaben in Gestalt von Spar- und Konto- korrenteinlagen, Wertpapieren sowie von Ver- sicherungsansprüchen angesammelt werden, mag es manchem müßig erscheinen, die Frage der Einschaltung des Pfandbrief- kredits in das künftige Gesamt- system des Agrarkredits zu unter- suchen. Wer aber über die kriegsbedingten Er- scheinungen der Erzeugung, der Substanzent- wicklung und des Geld- und Kreditbereichs hinaus sich den offenen Blick für die künftigen Notwendigkeiten und Möglichkeiten landwirt- schaftlicher Finanzierung bewahrt, wird eine solche grundsätzliche Betrachtung keineswegs für überflüssig halten. Die heutige Geld- flüssigkeit in der Landwirtschaft erklärt sich im wesentlichen aus der Unmög- lichkeit, die erforderlichen Ergänzungs- und Er- neuerungsanschaffungen vorzunehmen. Die Ver- wendung des weitaus größten Teils der gegen- wärtigen Geldüberschüsse der Landwirtschaft ist nach dem Kriege vorausbestimmt für die Nachholung von unterbliebenen Reparaturen, Erneuerungen und Neuanschaffungen sowohl im Betrieb als auch im Haushalt.

In welcher Höhe sich nach Kriegsende ein Kreditbedarf der Landwirtschaft herausstellen wird, läßt sich heute nicht über- sehen und hängt von folgenden Faktoren ab:

1. von der Größe der dann vorhandenen Geldüberschüsse im Verhältnis zur Größe des gesamten Nachholungs- und Er- gänzungsbedarfs, bzw. vom Umfang der im Kriege erfolgten Schuldentilgung im Verhältnis zur Neuverschuldung zwecks Deckung dieses Bedarfs;

2. von der Größe der notwendigen Neu- investitionen zwecks Leistungsstei- gerung und der jeweiligen Möglichkeit ihrer gütermäßigen Durchführung,

3. von den künftigen Realerträgen der Landwirtschaft, d.b. dem Verhältnis der

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Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu den Preisen der landwirtschaftlichen Bedarfsgüter und damit von der Möglich- keit, Teile der Investitionen aus eigenen Geldüberschüssen im Wege der Selbst- finanzierung zu decken;

4 von der Zinsleistungsfähigkeit der Landwirtschaft im Verhältnis zu den künftigen Zinssätzen im Personal- und Realkredit.

Alle diese Bedingungen lassen sich in ihren Auswirkungen nicht abschätzen. Nur gewisse Tendenzen heben sich schon jetzt heraus. Es ist zum mindesten zweifelhaft, ob die Geld- überschüsse bzw. der neugewonnene Verschul- dungsspielraum ausreichen, um den vollen Aus- gleich der Substanzverluste des Krieges herbei- zuführen. Möglicherweise muß also später aus laufenden Uberschüssen oder durch zusätzliche Kreditaufnahme dieser volle Ausgleich ermög- licht werden. Dies hängt von den allgemeinen wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach dem Kriege zwecks Verringerung des volkswirt- schaftlichen Kaufkraftüberschusses ab. Auf jeden Fall wird die Notwendigkeit bestehen, das Verhältnis der landwirtschaftlichen Erlöspreise zu den Kostenpreisen zugunsten der Landwirt- schaft zu verbessern, sei es durch Heraufsetzung der ersteren oder durch Senkung der letzteren. Damit würde auch sichergestellt werden, daß die Landwirtschaft die Voraussetzung für ein gesun- des Maß einer Selbstfinanzierung ihrer wich- tigen Investitionen erhält.

Weiter kann es als sicher gelten, daß die ungeheuren Aufgaben auf dem Gebiete landwirt- schaftlicher Neuinvestition, wie das Aufbau- programm „Aufrüstung des Dorfes“, Ver- besserung des lebenden Inventars, des landwirt- schaftlichen Wohnwesens, die Auflockerung der Dorflagen, die Landeskulturarbeiten usw., für die im Rahmen eines Zehnjahresprogramms Kosten errechnet waren, die weit über 60 Mil- liarden RM. hinausgehen, erst im Laufe der Zeit mit einer normalen Quote durchführbar sein werden, da die gütermäßigen Vorbedingungen erst nach und nach geschaffen werden müssen.

Aber auch wenn man die güterwirtschaftlichen Hemmungen der riesigen landwirtschaftlichen Investitionsprogramme in Rechnung stellt, wird der Kreditbedarf im Rahmen der praktischen Durchführung groß sein und mit der Zeit ständig anwachsen. Da viele dieser Pla- nungen erst auf lange Sicht die beabsichtigte Leistungssteigerung und den entsprechenden Mehrerlös erwarten lassen, muß in der Haupt- sache neben der Gewährung von Beihilfen, die bei dieser Betrachtung außer Erwähnung bleiben können, dafür echter unkündbarer Dauer- kredit zur Verfügung stehen, wenn das erfor- derliche Gleichgewicht zwischen Mehrerlös und Mehrkosten gewahrt werden soll. Damit haben wir den Standpunkt gewonnen, der für die Beurteilung der künftigen Mitwirkung des Pfandbriefkredits an der Erfüllung der agrarkreditpolitischen Aufgaben entscheidend ist. Es liegt im besonderen Wesen des Pfand- briefkreditsystems, daß es sich nicht einfach auf eine Kreditvermittlung beschränkt, sondern daß es den aufgenommenen Kredit in für den Schuldner zweckmäßiger Form umwandelt. Der Gläubiger, also der Pfandbriefbesitzer, kann seine Forderung gegen das Pfandbriefinstitut nicht zurückziehen, kann aber seinen Anspruch mit Hilfe eines bei uns in Deutschland be- sonders gut funktionierenden Kapitalmarktes jederzeit mobilisieren. Dem Hypothekenschuld- ner erwächst daraus der Vorteil, daß der ihm gewährte Kredit seitens des Darlehnsgebers ohne jede Einschränkung unkünd- bar ist, nicht nur praktisch sondern auch rechtlich, und daß er es trotzdem nicht wie etwa im Verhältnis von Industriewerken zu ihren Anleihegläubigern mit einer Masse anonymer Gläubiger zu tun hat, sondern mit einem Pfandbriefinstitut, das die Erforder- nisse, Sorgen und berechtigten Wünsche der Schuldner kennt und auf sie weitgehend Rücksicht nimmt und das ein ausgesprochenes Vertrauensverhält- nis zu den Darlehnsnehmern wahrt. Diese be-

sondere Konstruktion des Pfandbriefkredits bat

sich seit Friedrich dem Großen in einer nun fast 200jährigen Geschichte bewährt und bietet auch in Zukunft allein die Möglichkeit, unkünd- bare Amortisationshypotheken in individueller Form auszuleihen.

Dieser Tatbestand ist aber für die landwirt- schaftliche Kreditversorgung von größter Be- deutung. Denn gerade die Landwirtschaft benö- tigt infolge ihrer langen Umschlagsfristen und der Dauer des Zeitraums, in der sich zahlreiche Investitionen über normale Abschreibungen in den Erlösen der Produkte niederschlagen kön- nen, des langfristigen Amortisationskredits. Sie muß auf die absolute Unkündbarkeit und die

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daraus resultierende langfristige Begren- zung des Aufwandzinses nach oben deshalb Wert legen. Diesen Notwendigkeiten trägt aber der Pfandbriefkredit in besonders hohem Maße Rechnung und gibt dabei trotzdem die Gewähr, daß Senkungen des landesüblichen Zinsniveaus im Wege der im Pfandbriefkredit besonders erfolgreichen Zinskonversionen auch in einer Ermäßigung der landwirtschaftlichen Hypothekenzinssätze ihren Ausdruck finden. So bietet also das Pfandbriefdarlehn Schutz vor Kündigung zu unpassender Zeit, im Gegensatz vor allem zur privaten Fälligkeitshypotkek, und Schutz vor Zinssteigerungen in der ganzen Laut- zeit bis zur völligen Abtilgung, bietet aber gleichzeitig die Chance einer Zinsermäßigung. Bei so langen Zeiträumen bis zu einem Men- schenaller ist dies auch unter den gegenwärtigen und künftigen Verhältnissen von großer prak- tischer Bedeutung.

Man muß dabei allerdings in Zukunft die Grenzen der Hypothekarkredit- aufnahme in der Landwirtschaft wesentlich strenger beachten, als dies in der Vergangenheit geschehen ist. Dabei sind drei Gruppen des Geldbedarfs zu unter- scheiden. Eine Verlustfinanzierung durch Kreditaufnahme, wie sie nach 1924 in nicht unerheblichem Maße erfolgte, muß unbe- dingt unterbleiben. Eine zusätzliche Verschul- dung wird aber in der Regel auch überall dort nicht in Frage kommen, wo der Verwendungs- zweck des Kredits nicht eine ungefähr ent- sprechende Ertragssteigerung gewährleistet, durch die die Zinsdifferenz gedeckt wird. Das wird vor allem bei den hochverschuldeten Be- trieben, ob Erbhof oder nicht Erbhof, zu berück- sichtigen sein, während in Grenzfällen bei unverschuldeten oder gering verschuldeten Be- trieben ein etwas weniger strenger Maßstab angelegt werden könnte. Auf jeden Fall müssen die Erbabfindungen künftig aus eigenen Überschüssen durch Sparguthaben oder Ver- sicherungen gedeckt werden. Aber auch für die Durchführung etwa des Landarbeiter- wohnungsbaus oder desjenigen Teils der Aufgaben im Rahmen der Aufrüstung des Dorfes, der keinen annähernden Mehrertrag bringt, muß, soweit nicht aus volkswirtschaft- lichen Gründen eine Beihilfengewährung er- folgt, auf den Weg der Selbstfinan- zierung verwiesen werden, wofür die erlös- mäßigen Voraussetzungen zu gegebener Zeit geschaffen werden müssen.

Für diejenigen Investitionen, die sich prak- tisch in wenigen Jahren amortisieren, ist die Inanspruchnahme mittelfristiger Per- sonalkredite bis zu fünf bis sechs Jahren Dauer unbedenklich, wobei allerdings in

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manchen Fällen höhere Abzahlungsraten

zu empfehlen sind, da darin eine gewisse Kon- trolle dafür liegt, daß für bestimmte Finan- zierungen auch die zweckentsprechende Kredit- form benutzt wird. In diese zweite Gruppe des Geldbedarfs fallen vor allem die Anschaffungen von Geräten, Maschinen, Einrichtungen usw.

Die dritte Gruppe umfaßt den echten un- kündbaren Dauerkredit, der in langen Zeiträumen amortisiert wird und dessen Ver- wendungszweck z. B. in der Errichtung von Wirtschaftsgebäuden, der Durchführung von Meliorationen, des Aufbaus der Viehbestände, der erfahrungsgemäß lange Zeit dauert, usw. liegt. Bei genügender wirtschaftlicher Fun- dierung ist selbstverständlich auch gegen die Aufnahme von Hypothekarkredit zwecks Er- richtung von Wohngebäuden ebensowenig volks- und betriebswirtschaftlich etwas einzu- wenden, wie dies z.B. gegen die Errichtung von Eigenheimen in der übrigen Bevölkerung mög- lich ist. In dieser Gruppe der langfristigen Kreditaufnahme wird der Pfandbriefkredit in Zukunft angesichts seiner natürlichen Vorzüge eine wichtige Rolle zu spielen haben.

Wenn die obengenannten Grundsätze einer künftigen Kreditaufnahme in der Landwirtschaft gewahrt werden und man auf den Zusammen- hang zwischen dem Kredit und seinem Verwen- dungszweck und seiner wirtschaftlichen Unter- lage einerseits und das Verhältnis zwischen Zinsleistungsfähigkeit und Zinslast andererseits streng achtet, dann kann die Aufnahme auch von Pfandbriefkredit niemals zu ernsteren Span- nungen führen. Dann ist die Wiederholung jener Entwicklung nach 1924 unmöglich, in der 75 bis 80 v.H. der gesamten Aufnahme von langfristi- gem Kredit entweder zur Verlustfinanzierung oder zu Erbabfindungen oder zur Finanzierung von Bodenerwerb (Restkaufgelder) Verwendung gefunden haben. Zusammen mit der Stabilhal- tung der Erlöse im Rahmen der landwirtschaft- lichen Marktordnung wird durch zweckmäßigen Einsatz der Kredite und Wahrung angemessener Relationen zwischen Erlösbesserung und Zins- last für den Gläubiger ein hohes Maß an Sicherheit seiner Geldhergabe erreicht. Ange- sichts der erheblichen Risikenstreuung Im Piand- briefkredit werden diese Tatsachen auf die Be- dingungen der Kreditbeschaffung über den Ptandbrief nicht ohne günstige Auswirkungen bleiben.

Dazu kommt, daß auch von der Seite der Kapitalmarktpolitik der Pfandbriefkredit eine wesentliche Stärkung erfahren hat und auch in Zukunft erfahren wird. Eine straffe Kapi- tallenkung wird unter allen Umständen solche Schwankungen in den Pfandbriefkursen

136

daB Pfandbriefe

und damit auch in der Zinsbelastung der Land- wirtschaft unmöglich machen, wie sie nach 1924 zunächst eintraten und wie sie sich teil- weise auch in der großen Krise wiederholten. Ein schrankenloser Wettbewerb um anlage bereite Ersparnisse ist schon seit Jahren unter- bunden, wobei das Instrument der offenen Marktpolitik der Reichsbank zum Zwecke der Stabilisierung des Kapitalmarktes bisher noch kaum eingesetzt zu werden brauchte. Aber auch in sich selbst hat das deutsche Pfandbriefkredit- system in der Vergangenheit wesentliche Voraussetzungen geschaffen, die seine hohe Eignung auch im Agrarkredit sichern. Niemand bestreitet heute, Was auch die Erfahrung immer

wieder gelehrt hat, daß unter allen Renten-

werten die Pfandbriefe ganz beson- ders sorgfältig und dauerhaft bei den Sparern untergebracht sind, daß die Kurspflege der Pfandbriefinstitute vor- bildlich ist und daß dadurch auch die Bedin- gungen für möglichst billige Kreditver-

sorgung der Schuldner, also nicht zu-

letzt auch der Landwirtschaft, gegeben sind. Zu den Daueranlegern von Pfandbriefen gehört nicht zuletzt auch die Landwirtschaft selbst man denke nur an die Pfandbriefe der Landschaften und anderer öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute in Norddeutschland und die der Hypothekenbanken vor allem in Süddeutsch- land.

Bei dem besonders guten Emissionskredit des Pfandbriefsystems, der während des Krieges stark geschont worden ist, unterliegt es keinem Zweifel, daß Pfandbriefe nach dem Kriege zu gleich günstigen Bedingungen wie z.B. die gegenwärtig mit dem niedrigsten Nominalzins ausgestatteten Reichsschatzanweisungen glatt und dauerhaft untergebracht werden können. Der gegenwärtige Zinsabstand von %ProzentzwischenReichsanleihen und Pfandbriefen, dessen relativ ver- teuernde Wirkungen sich bei der Geringfügig- keit des Beleihungsgeschäfts nicht nennenswert bemerkbar machen, kann nach dem Kriege um so eher verschwinden, als von einer Konkurrenz zwischen Reichskredit und Pfand- briefkredit im Zeichen staatlicher Kapital- merktlenkung keine Rede mehr sein kann und als im Rahmen der dringlichen volkswirtschaft- lichen Finanzierungen die Durchsetzung des jeweils billigsten Zinssatzes eine Selbstver- ständlichkeit ist. Die Voraussetzungen dafür, zum landesüblichen lang- fristigen Zinssatz abzusetzen sind und dab damit auch die Finanzierung der Landwirt- schaft mit Pfandbriefhypotheken zu den gün- stigsten Bedingungen erfolgen kann, werden unbedingt gegeben sein.

KURT REINL:

Der bäuerliche Wesenskern des germanischen Volkstums

Die in dem folgenden Aufsatz umriesenen Gedanken- ginge wurden in einem in Vorbereitung befindlichen Buch des Verfassers ‚Das Bauerntum im völkischen Umbruch“, Keier C. Engelhardt, Berlin, näher ausgeführt und be- gr et.

Fest alle groBen Umwälzungen der Geschichte

spielen sich auf dem Hintergrund rassen- `

seelischer Gegensätze ab, die nichts anderes be- deuten als eine Auseinandersetzung verschie- dener menschlicher Wesensrichtungen, die in ein und demselben Raum um die Vorherrschaft ringen. Auch das weltumspannende Geschehen, dessen Zeugen wir sind, ist in seinem tiefsten Grunde ein solcher Zusammenprall einander entgegengesetzter Rassenseelen, nämlich so- weit es sich im europäischen Raum abspielt die endgültige Austragung des Zwie- spalts, der seit Jahrhunderten zwi- schen dem Germanentum einerseits und jenem jüdisch-vorderasiatischen Geist andererseits besteht, der erstmalig über das Rom der Verfallszeit in den germani- schen Lebensbereich einzudringen vermocht hatte. Demgemäß verkörpern die beiden Kraft- zentren, zwischen denen die Entscheidung fallen wird, in Idee und Wille das Wesensabbild jener Rasse, die jeweils als ihr Ausgangspunkt bzw. Träger anzusehen ist: der Nationalsozialismus als Erscheinungsform der deutschen Erneue- rung das Idealbild eines geläuterten germa- nischen Volkstums, der Bolschewismus dagegen die unverhüllte Fratze des ewigen Juden, der seit Jahrhunderten den germanischen Lebens- bereich zu unterhöhlen versucht.

Daraus folgt, daß die Erkenntnis der wesensmäßigen Grundlagen jenes germanischen Volkstums eine notwen- dige Voraussetzung für das Verständnis der sich anbahnenden Entscheidungen und der Kraft- linien ist, die sich in dem gewaltigen Ringen unserer Tage kreuzen. Unter diesem Wesens- kern verstehen wir die Summe aller jener Eigen- schaften, die sowohl biologisch als auch geistig- seelisch der Bestandserhaltung und Weiterent- wicklung des nordischen Menschentums zu den höchsten und leistungsfähigsten Formen dien- lich sind; er bedeutet daher gleichzeitig den Angelpunkt, von dem alle schöpferischen Kräfte dieser Rasse ihren Ausgang nehmen und der somit auch allein Träger einer Entwicklung sein

`

kann, die sich die Entfaltung aller dieser Kräfte zum Ziele gesetzt hat.

Diesen Wesenskern nun finden wir, je mehr wir die uns bekannten Eigenschaften der nor- dischen Rasse auf ihren Ausgangspunkt zurück- zuführen suchen, desto deutlicher in dem eigenartigen Verhältnis des nor- dischen Menschen zu Natur und Kos- mos, in dem wir zugleich den Quell seiner Kraft und das gestaltende Gesetz seines Wesens zu erblicken haben. Niemand ist in seinem Inneren stärker, dabei bewußter und in so aus- gesprochen schöpferischer Weise mit Erde und Weltall verbunden wie er. Im Gegensatz zu den Menschen primitiverer Stufe die entweder, wie die sogenannten „Naturvölker“, mehr oder weniger passiv in den Rahmen der Schöpfung hineingestellt oder durch ihren nomadenhaften Trieb in die Rolle des reinen, in seinem Wirken letzten Endes unfruchtbaren Nutznießers ge- wiesen sind steht er zur Erde in einem Ver- hältnis, in welchem Einordnung unter ihre Ge- setze schöpferische Kraft bedeutet, weil sie auf einer tieferen, geist-seelischen Ebene erfolgt, die ihn näher an die Wurzeln allen Seins heran- führt. Es ist die instinktiv erfühlte Ahnung einer unendlichen göttlichen Kraft und eines gött- lichen Ordnungswillens, der das Weltall durch- dringt, was seinem Verhältnis zu diesem den entscheidenden Inhalt und seinem Wesen die grundsätzliche Richtung gibt. Er empfindet die Unwandelbarkeit der Naturgesetze weder als Fessel noch als unentrinnbares Fatum, dem man sich willenlos zu fügen hat, sondern als den Ausdruck einer höheren Ordnung, die ihre gestaltende Macht bis tief in das Einzel- leben hinein erstreckt, dabei aber niemals ent- wicklungshemmend wirkt, sondern im Gegenteil eine fruchtbare Entfaltung des Lebens überhaupt erst ermöglicht. Ordnung als Grundlage und Voraussetzung eines erhabenen Schöpfertums das ist der eigentliche Inhalt des Naturlebens des nordischen Menschen. Dieses Erlebnis schafft gleichsam die Brücke, über die ein Teil dieses Schöpfertums auch in seine eigene Seele überströmen und ihm biologisch wie geistig unvergleichliche Antriebe verleihen kann.

Hier liegen unzweifelhaft die tiefsten Wurzeln der einzigartigen Leistungskraft und Fruchtbar-

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keit der nordischen Rasse zugleich aber auch die Grenzen beider, die in dem Augenblick sichtbar werden, in dem sich dieses sein Verhältnis zu Natur und Erde löst. Der Primitive mag unberechenbare Erdgeister an- beten oder sich aus den Geschöpfen seiner Phantasie Fetische machen der nordische Mensch spürt hinter allem Erdhaften den großen Atem eines unendlichen Gottes walten, und was das Entscheidende ist: er fühlt, daß dieser Atem auch sein eigenes Dasein mit belebender Kraft durchdringt, solange er sich in die Ordnung der Schöpfung fügt. Der „Naturmensch“ bevölkert die Erde mit Göttern, dem nordischen Menschen dagegen ist die Erde selbst ein Teil Gottes, er ist Pantheist in dem Sinne, daß ihm alles Irdische von dem Geist, den wir „Gott“ nennen, beseelt erscheint. Und, was wiederum wesent- lich ist: er fühlt sich in dieser Weise durchaus als zur Natur, zur Erde und damit zu Gott! gehörig, eins mit ihr und ihrer Ordnung aus voller innerer Bejahung heraus untertan.

Von diesem Wesenskern aus sind ohne Schwierigkeiten die markantesten Eigenschaften abzuleiten, aus denen sich das Charakterbild des germanischen Menschen zusammensetzt. Das gilt vor allem für zwei typische Merkmale, die von größter Bedeutung für die Entwicklung und das Schicksal aller nordischen Völker waren und in alle Zukunft sein werden: eine tiefe, gläubige Lebensbejahung und ein klarer Sinn für Ordnung als Voraus- setzung allen schöpferischen Wir- kens. Die enge Naturverbundenheit des germanischen Menschen läßt ihn das Leben als das erkennen, was es ist, nämlich als das größte Wunder der Schöpfung, dem zu dienen den Sinn des eigenen Daseins erfüllen heißt. Aus dieser Erkenntnis entspringt eine unbedingte Be- jahung des Lebens in allen seinen Erscheinun- gen, gleichzeitig aber auch jene Ehrfurcht vor ihm, die allezeit das Kennzeichen germanischen Wesens war. In der lebendigen Kreatur offen- bart sich dem Germanen jederzeit die Gegen- wart Gottes auf Erden, sie ist ihm die Verkörperung des unablässig schöpferischen Willens des Allmächtigen, der kein Beharren kennt, sondern nach stetiger Entwicklung. ewiger Verjüngung des Geschaffenen drängt. Diesen Kreislauf aufrechtzuerhalten, bedeutet ihm daher „Gottesdienst“ schlechthin. Er sieht darin die tiefste Rechtfertigung seines Daseins, die diesem eine Aufgabe und Verantwortung überträgt, die schwer genug wiegt, um es mit einer bestimmten Größe, ja Weihe, zu erfüllen.

Diese zutiefst im religiösen Empfinden wur- zelnde Lebensbejahung hat nichts mit „Primi- tivität“ zu tun, sondern ist vielmehr Ausfluß einer viel tieferen und reineren Schau der irdischen Dinge, als sie unserer „modernen“ Zeit eigen war, die den Sinn des Daseins vor- wiegend in Zusammenhang mit dem Glücks- streben des einzelnen brachte. Daß eine Auf- fassung wie die letztgenannte gegenüber der

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dem nordischen Menschen eigentümlichen als unorganisch und lebensfremd erscheint, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Natur erkennt dem individuellen Glücksbedürfnis nirgends den Vorrang vor den Lebensinteressen der Gattung zu. Ihr Ziel ist und bleibt vielmehr in erster Linie die Erhaltung der Art, und sie läßt keinen Zweifel darüber, daß ihr das Einzelleben nur von diesem Gesichtspunkt her wesentlich erscheint. Der nordische Mensch entkleidet diese Tatsache ihrer scheinbaren Primitivität, indem er den höheren, göttlichen Willen er- kennt, der sich dahinter birgt. Wenn Gott im Lebendigen allgegenwärtig auf Erden ist, dann bedeutet Pflege und Weitergabe des Lebens Fortzeugung des Göttlichen selbst, einen Bei- trag zur „Unsterblichkeit“ Gottes, Bannung seiner Majestät in den Kreis des Irdischen also „Gottesdienst“ von einer unmittelbaren Kraft und Wirksamkeit, der gegenüber alle kirchlichen Riten als blutleer und wirklichkeits- fremd erscheinen müssen. So tritt im Bereich der germanischen Seele immer wieder die Vor- stellung zutage, daß Gott irgendwie des Men- schen bedarf, um im irdischen Umkreis Gott zu sein.

Es wirkt daher wie der Vollzug eines unent- rinnbaren Gesetzes rassenseelischer Bindung, daß der Edelste aller deutschen Christen, Meister Eckehard, in seinem Suchen nach einem deutschen Glaubensinhalt im römischen Dogmengerüst zuletzt zu seinem gewaltigen Bekenntnis von der verborgensten Einheit von Gott und Mensch kommen mußte zu der Lehre, daß Gott den Menschen braucht, um sich in ihm in seiner ganzen Herrlichkeit offenbaren zu können. Eckehard lag naturgemäß das bio- logische Denken, wie es uns heute geläufig ist, fern, und er konnte seine Erkenntnisse nur in das Gewand der Vorstellungen seiner Zeit kleiden; was ihnen aber unzweifelhaft zugrunde liegt, ist jenes urnordische Wissen vom gött- lichen Wesenskern alles Lebendigen das übrigens im denkbar krassesten Gegensatz zu der jüdischen Lehre des Alten Testaments steht, wonach alles Leben von Natur aus sündhaft sei und von der daraus entspringenden Ver- pflichtung, es zu erhalten, um Gott auf Erden nicht „sterben“ zu lassen.

Eine solche positive Einstellung gegenüber dem Leben führt von selbst zu einer ebenso unbedingten Bejahung von Kampf und Arbeit als den beiden Elementen, von denen es getragen wird. Kampf und Arbeit sind seit Urzeiten die beiden Grundpfeiler jener natür- lichen Auslese, die die Voraussetzung für jede höhere Entwicklung war und immer bleiben wird. Durch sie allein hat sich das Leben zu seinen heutigen Formen emporgezüchtet, und sie sind es auch, die es in Zukunft vor Erstar- rung oder Erschlaffung bewahren. Wenn irgend- wo, dann muß sich daher die Eigenart des nor- dischen Menschen in seiner Einstellung ihnen

gegenüber offenbaren. Dem Germanen ist der Kampf der natürliche Ausfluß desvon Gott in das Leben gelegten Gesetzes, daß es sich in steter Bewährung gegenüber einer feindlichen Umwelt erhalten muß, um seine Daseinsberechtigung immer aufs neue zu er- proben. Er kann sich daher nicht zur Natur und ihrer Ordnung bekennen, ohne auch den Kampf in der gleichen Weise zu bejahen. Die Natur will, daß sich jedes Lebewesen selbst verteidigt und in stetem Messen mit der Umwelt seine Kräfte entfaltet. Darum greift auch der Germane jederzeit zum Schwert, wenn es das Leben oder dessen hohe Güter zu verteidigen gilt. Damit erhält sein Kampferleben einen ganz bestimm- ten Sinn, durch den es von vornherein auf eine höhere sittliche Ebene gehoben wird. Gerade das aber macht den Menschen nordischen Blutes zu dem harten, unbeugsamen Kämpfer, als der er sich in diesem Kriege wieder so über- zeugend bewährt; denn wer im Kampfe einen tiefen, ja gottgewollten Sinn erblicken kann, der weiß anders zu fechten als der, der in ihm nur die Befriedigung eigener Lüste sucht.

Dieses nordische Kämpfertum hat höchste, für alle Zukunft bindende, formende Kraft in dem Erleben des gewaltigen europäischen Freiheits- kampfes gegen die von Ost und West andrän- genden Mächte der Zerstörung erlangt. Das künftige Bild des Deutschen wird wesentlich durch den Soldaten dieses Krieges bestimmt werden, der in langen, harten Jahren alle Schlacken abgestreift und aus den tiefsten Quel- len seines germänischen Wesens die Kraft zu kämpferischen Leistungen geschöpft hat, die In der Geschichte ohne Beispiel sind.

Aus ganz ähnlichen Quellen wird auch die Einstellung des nordischen Menschen zur Arbeit gespeist. Arbeitistihm die lebenerhal- tende Macht, die in besonderem Maß der Entfaltung aller schöpferischen Kräfte der Rasse dient. Bedeutet Kampf die Verteidigung des Lebens, so erfüllt es die Arbeit mit jenem posi- tiven Inhalt, der ihm im Rahmen einer höheren Weltordnung seine Rechtfertigung verleiht. Denn diese Ordnung ist erfüllt von schöpfe- rischem Willen, ihr Zweck ist, Schoß eines unablässigen Werdens und Neuschaffens zu sein, das die Welt von Stufe zu Stufe einer nie endenden Fortentwicklung führt. Die Arbeit be- deutet den Vollzug dieses Willens im Bereich des Menschlichen. Sie ist die

Gabe, die den Menschen als einzigen unter

allen Lebewesen! selbst schöpferisch macht und ihn damit in gewissem Sinne der Gottheit an die Seite stellt. So wenigstens empfindet sie der Mensch nordischen Blutes nicht als den Fluch, als der sie dem Hebräer erschienen ist, oder als bescheidenes Mittel zur Fristung eines mehr oder weniger kümmerlichen Daseins, wie sie uns bei den primitiven Völkern entgegen- tritt. Sie ist ihm gleichsam die Bestätigung seiner eigenen schöpferischen Kraft, damit letzte

Rechtfertigung seines Daseins vom Gesichts- punkt einer höheren Ordnung aus und wesent- licher Inhalt seines Lebens, der dieses erst wahrhaft lebenswert macht. Darum ist der

Deutsche wie der beste Soldat so auch der beste

Arbeiter der Welt, dessen Erzeugnisse uner- reicht und dessen Leistungen als Bahnbrecher des menschlichen Fortschritts ohne Beispiel sind.

Hat sich so die nordische Lebensbejahung als Ausgangspunkt einer Reihe entscheidender Wesenszüge des germanischen Menschen er- wiesen, so gilt Ähnliches auch für seinen Sinn für eine feste Ordnung in allen Dingen in und über der Welt. Auch dieser Sinn hat seinen Ursprung in dem erwähnten zentralen Angelpunkt des nordischen Wesens, d. h. in seiner seelischen Aufgeschlossenheit gegenüber dem kosmischen Geschehen. Der Germane ist zutiefst von dem Glauben an eine unerschütter- liche Ordnung durchdrungen, die das gesamte All beherrscht. Der von ihm frühzeitig erforschte Lauf der Gestirne, der ihm ebenfalls zuinnerst vertraute, Jahr für Jahr wiederkehrende Kreis- lauf alles Lebendigen in der Natur, all das lehrt ihn erkennen, wie sehr das ganze Weltall einer unwandelbaren Gesetzmäßigkeit unterworfen ist, in deren Schoß sich der schöpferische Wille vollzieht. Mit ehrfürchtigem Schauer hat der nordische Mensch immer wieder die Allmacht und Größe dieser Ordnung empfunden, aus ihr hat sich sein Weltbild entwickelt, und sie hat schließlich sein eigenes Wesen so geprägt, daß er fortan zum stärksten Träger des Ordnungsgedankens in der Welt ge- worden ist. S

Demgemäß ist das nordische Wesen, wo es unverfälscht zutage tritt, durch eine innere Zucht gekennzeichnet, die in engstem Zusam- menhang mit der Entfaltung seiner schöpfe- rischen Kräfte steht. Diese Zucht beherrscht nicht nur die germanischen Vorstellungen vom menschlichen Zusammenleben, sie äußert sich nicht minder auch in seinem künstlerischen Schaffen und in den sittlichen Grundlagen seines Rechtsempfindens, vor allem aber ist sie die Voraussetzung für seine hohe staatsmän- nischeBegabungundraumgestaltende Kraft, die sich im Laufe der Geschichte so oft in einzigartiger Weise bewährt hat. Das nor- dische Schöpfertum wäre undenkbar ohne seine gleichzeitige Verbindung mit einem solchen ordnenden Geist, wie ja große schöpferische Leistungen überhaupt nur innerhalb der Grenzen einer strengen Gesetzmäßigkeit möglich sind. Daß die nordische Rasse beides in so starkem Maße in sich vereint, hat sie zu der leistungs- fähigsten Rasse der Erde gemacht, deren Auf- treten überall so fruchtbar im Sinne der Schaf- fung positiver Werte, d.h. der Begründung neuer oder Neubelebung bereits vorhandener Kulturen gewesen ist,

Von dieser Eigenart des nordischen Wesens führen mannigfaltige Ausstrahlungen bis in die

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einzelnen Verzweigungen seines Charakter- bildes. So entspringt ihr vor allem eine aus- geprägte Bodenverbundenheit, die die Grundlage für eine echte Seßhaftigkeit und den Ausgangspunkt für eine ebenso stark ent- wickelte Heimatliebe bildet. Wie stark die nordische Rasse in ihrem Heimatboden wurzelt, dafür liefert uns die Geschichte hundertfältige Beispiele, die uns berechtigen, darin eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften zu erblicken. Tatsächlich kommt der Deutsche nie ganz von einem innerlichen „Verhaftetsein“ im Boden los. Wo sich diese Bindung dennoch löst, dort gibt er damit die biologischen wie geist-seelischen Grundlagen seines Daseins preis. Die Folgen, die die Verstädterung als gewaltigster Entwurze- lungsprozeß aller Zeiten für die Substanz unseres Volkes nach sich gezogen hat, sprechen in dieser Hinsicht eine unzweideutige Sprache.

Derselbe feine Sinn für die kosmische Ver- flechtung allen irdischen Geschehens hat im Bereich der nordischen Seele auch den Begriff desSchicksals zu jener dramatischen Größe heranreifen lassen, der für die nordischen Heldengestalten typisch ist. Ein solches Schick- sal drückt selbst in seiner tiefsten Tragik den Menschen nicht zu Boden oder macht ihn, wie den Fatalisten, zum willenlosen Werkzeug einer unverstandenen Macht, sondern hebt ihn über sich selbst hinaus in eine höhere Ebene des

Geschehens, zu deren Blutzeugen es ihn gleich- sam erkürt. Gleichem Grund entstammt auch der dem nordischen Menschen wie keinem anderen eigene Sinn für menschliche Größe, die ja immer nur in Beziehung zu dem Einzelwesen übergeordneten Werten denkbar ist und somit die Anerkennung einer höheren Ordnung der Dinge zur Voraussetzung hat. Weitere als typisch germanisch angesprochene Eigenschaf- ten, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, sind Ehrgefühl und Treue. Nichts galt bei den Germanen als schimpflicher als eine „Meintat“, denn sie wurde als ein An- schlag gegen die Grundfesten der menschlichen und göttlichen Ordnung empfunden, und der Germane erkannte instinktiv, daß das eine ent- scheidende Bedrohung der Grundlagen seines gesamten Seins bedeutete. Daher wurde der Täter selbst außerhalb jeder Ordnung gestellt und als gefährlicher Schädling gnadenlos vertilgt.

Aus demselben Grunde entsprang auch die Entwicklung des germanischen Frei- heitsbegriffes, der mit Zügellosigkeit nie- mals etwas gemein hatte, sondern sich im Gegenteil stets als festes Bollwerk gegen alle anarchistischen Strömungen erwiesen hat. Wenn Kant vom „Kategorischen Imperativ” spricht yd damit das sittliche Grundgesetz des nor- ischen Menschen meint, so bedeutet das eine Anerkennung der Selbstzucht als allen anderen Systemen mindestens ebenbürtiger, ja über- legener Träger menschlicher Gesittung; eine

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solche Kraft kann sie aber nur besitzen, wenn sie so tief in der Weltanschauung tnd in der seelischen Eigenart der Rasse wurzelt, wie das beim nordischen Menschen der Fall ist. Der trotzige Germane, der sich gegen jeden äußeren Zwang aufbäumte, beugte sich ebenso selbst- verständlich dem Gesetz in seiner eigenen Brust, das in jahrhundertealter Uberlieferung Gestalt gewonnen hatte, weil er als freie, keiner „Weltangst” unterworfene Persönlichkeit zum Bewußtsein seiner eigenen Verantwortung gegenüber dem Hüter des Alls gekommen war und darum die sittliche Kraft besaß, sich selbst Gesetze zu geben und sein Leben daran zu binden. Treue, Ehre, Pilichtgefühl, alle die viel- gerühmten Tugenden der germanischen Völker, sind also letzten Endes nichts als Ausstrahlun- gen jener inneren Zucht, die das nordische Wesen so sehr beherrscht.

So hat sich uns von jenem Kernpunkt aus, den wir als entscheidend für die Ausprägung der nordisch- germanischen Rassenseele erkannt haben, ein umfassendes Bild eines Menschen- tums enthüllt, das alle wesentlichen Merkmale germanischen Volkstums in sich vereinigt und gleichzeitig vollauf geeignet erscheint, Träger künftiger schöpferischer Entwicklungen zu sein. Indes ist uns noch eine letzte Aufgabe vor- behalten, deren Lösung in gewissem Sinne Voraussetzung für seine Wirksamkeit als ge- staltende Macht in der vor unseren Augen abrollenden weltgeschichtlichen Auseinander- setzung ist. Denn wenn wir feststellen, daß der eigentliche Kern des nordisch-germanischen Wesens in seiner „kosmischen Aufgeschlossen- heit“ liegt, so ist damit zwar die erkenntnis- mäßige Grundlage, aber noch nicht die eigentlich brauchbare Formel für ihren prak- tischen Einsatz im Ringen der Völkerseelen gefunden. Sie ist zu abstrakt, umin das völkische Dasein, das stets real und lebensnahe ist, ent- scheidend eingreifen zu können. Wir müssen daher versuchen, diesem Wesenskern eine Deu- tung zu geben, die es möglich macht, ihn in die uns allen geläufigen tatsächlichen Erscheinungs- formen des völkischen Lebens einzuordnen, oder mit anderen Worten gesagt: den bloßen Be- griff zum lebendigen Vorbild weiter- entwickeln, das einerseits den Begriff voll aus- schöpft, gleichzeitig aber gleichsam als Wesen von „Fleisch und Blut‘ im völkischen Bewußt- sein Leben gewinnen und richtungweisend wirken kann.

Dieses Vorbild zu finden, kann nach all dem Gesagten keine Schwierigkeiten bereiten. Wie anders können wir ein Wesen, das der Natur, der Erde, der kosmischen Ordnung und ihrem Schöpfer! so nahe steht wie das germanische, nennen als bäuerlich? Das setzt allerdings voraus, daß wir diesen Begriff nicht in ständische Schranken einengen, die seinem Wesen oft alles eher als gerecht werden und darum neue

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Das Städtchen Stannern, der Geburtsort von Reichsminister Seiß-Inquart

Die Iglau, das Igelland, bildet den südlichen Pfeiler der böhmisch- mährischen deutschen Sied- lungsbrücke und wurde gegen Ende des 12. Jahr- hunderts von deutschen Bauern besiedelt, deren charakteristische Siedlungsformen noch heute dem Lande das Gepräge einer deutschen Kultur- landschaft geben. Ihre Nachfahren haben trotz eines wechselvollen Schicksals deutsche Bauer: art treu bewahrt, wie auch die Bilder dieser Bei- lage (Seite 1—4) bezeugen. Dessen dürfen sich auch die Bauern der Wischau, der im mittleren Mähren in der fruchtbaren Hanna gelegenen deutschen Volksinsel, rühmen (Seite 5—8). In der Iglau herrscht das mitteldeutsche Wohn- stallhaus vor (Seite 1). Hier ist wie in der Wischau noch die alte farbenfreudige Tracht lebendig. So zeigt das Bild links eine Bäuerin aus Deutsch-Gießhübel bei Iglau in Festtracht

Bäuerin aus Deutsch-Gießhübel beim Brotbacken

Der Sonntagskuchen ist fertig

Braut im weißen „Kitterl” mit Spitzenkrause und Puffärmeln, dar- über das mit bunten Blumen bestickte „Leiberl”, vorn durch ein breites rotes Band, das „Hinundwieder”, zu- zusammengehalten, dazu die silber- glitzernde Krone

Mit Arbeitsmaiden in froher Runde

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Blick in eine charakteristische Bauernstube in Rosternitz

Deutsche Bauernhäuser aus der Wischau mit dem eigenartigen Sölder

Beim Mittagsmahl in der Wohnküche

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Die Dorfstraße von Swanowitz in der Wischau

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Beim Ringelreihen unter Obhut einer Arbeitsmaid

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Bauernbraut mit Kranzeljungfern und Bittfrau

Verwirrung in die eben gewonnene Klarheit bringen könnten. „Bäuerlich” muß hier als ein menschlicher, vorwiegend geist- seelischer Erscheinungstyp, nicht als mehr oder weniger äußerliches Kennzeichen eines Berufes verstanden werden. Aber auch so bleibt der Begriff real und lebensnahe genug, um die oben gestellten Anforderungen zu er- füllen; denn der deutsche Bauer ist uns seit langem über das rein Wirtschaftliche hinaus zum Inbegriffeinerbestimmten, geist- seelischen Verfassung, einer ein- deutig umrissenen menschlichen Hal- tung geworden, so daß wir nur das Äußerliche abzustreifen brauchen, um ein abgerundetes Bild von typischer Geschlossenheit vor uns zu sehen. Dieses Bild enthält in gleich klarer Ausprägung alle die Eigenschaften, die wir zunächst rein gedanklich aus dem Kern des germanischen Wesens abgeleitet haben: Lebensbejahung und Sinn für eine über dem Leben stehende Ordnung als unerläßliche Voraussetzung für dessen Ge- deihen; Bejahung des Kampfes und der Arbeit als Inhalt des Lebens, Erkenntnis des Schicksal- haften im Lebensablauf ohne schwächliches Re- signieren; Zucht und Kraft überlieferter Sitte, Bodenverbundenheit und Liebe zur Heimat als Ausdruck einer tiefen Verwurzelung des Wesens in Natur und Erde, schließlich Pflichtgefühl, Ehre und Treue als Tugenden, die gerade dem germanischen Freibauerntum stets in beson- derem Maße eigen waren. So vermag dieser deutsche Bauer tatsächlich als lebendige Ver- körperung jenes germanischen Wesens zu gel- ten, dessen Eigenart uns von seinem welt- anschaulichen Ausgangspunkt her offenbar ge- worden ist.

Darin ist mehr zu sehen als ein auf mehr oder weniger zufälliger Übereinstimmung einzelner Merkmale beruhender Vergleich. Tatsächlich liegt darin der Ausdruck einer Wesens- gleichheit, die dem tiefsten nur möglichen Quell entspringt, nämlich dem bäuerlichen Ursprung und Artbild der nordischen Rasse. Es kann nach allem, was wir über Eigehart und Daseinsform der nordischen Völker wissen, nicht zweifelhaft sein, daß wir in ihnen seit Urzeiten echte „Bauernvölker“ zu erblicken haben, und zwar in einem viel tieferen Sinne, als sich aus der bloßen Tatsache ihrer ursprüng- lich überwiegend land wirtschaftlichen Lebens- grundlage ergibt. Recht, Kultur und Sitte eines Volkes pflegen ein eindeutiger Spiegel seiner Seele zu sein. Wenn sie auch in ihren Einzel- heiten vielfach von den wirtschaftlichen Existenzbedingungen beeinflußt werden, so wird ihre grundsätzliche Richtung doch nicht so sehr von diesen als vom Volkscharakter her be- stimmt. Das gilt besonders für das Recht, das sich zwar vielleicht am stärksten den Bedürf- nissen des täglichen Lebens anzupassen pflegt, aber gerade in der Art, wie es das tut, grund- legende Unterschiede zwischen den Völkern erkennen läßt. So hat z.B. auch das späte Rom

in den weiten Grenzen seines Reiches nicht weniger Ackerbau betrieben als die Germanen, und umgekehrt sind auch bei diesen ausgedehn- teste Handelsbeziehungen, selbst mit weit ent- fernten Ländern, nachgewiesen. Dennoch ver- körpern das germanische und das römische Recht zwei Welten, die miteinander kaum mehr etwas Gemeinsames haben: nämlich die Welt des bodengebundenen Bauern und die eines liberalistischen Händlertums, das jede Bindung an dem Individuum übergeordnete Werte nur als lästige Hemmnisse in seinem Profitstreben empfindet. Gleiches gilt auch für Kultur und

Sitte beider Völker: Beides weist in Germanien

unverkennbar auf eine bäuerliche Lebens- auffassung und auf ein ausgesprochen bäuer- liches Lebensgefühl hin, das in scharfem Gegensatz zu der reinen Stadtkultur Roms steht, dessen sittlicher Verfall nur zu deutlich den Stempel einer völligen inneren Entwurzelung des Einzelwesens trägt. So zeigt sich uns das seelische Bild des Germanen als das eines echten, in all seinen Lebensäußerungen als sol- chen gekennzeichneten „Bauern“, dessen Rolle als Bluts- und Kulturträger mindestens eben- bürtig neben seiner wirtschaftlichen Leistung steht und sein Wesen viel stärker bestimmt hat als diese. Diese verschiedene Wesensfärbung, die uns hier bei den Germanen und im späten Rom entgegentritt, lehrt uns in eindrucksvoller Weise, wie tief sich bäuerliche bzw. unbäuer- liche Art in die Seele eines Volkes einzuprägen vermag, wie sehr wir also mit dem „Bauern- tum” als einer typenbildenden Macht zurechnenhaben, wenn wir eine Charakte- risierung der geist-seelischen Eigenart der Völker versuchen wollen.

Dabei müssen wir uns allerdings darüber klar sein, daß zwischen „Bauerntum” in diesem Sinne, d.h. als Verkörperung der rassen- seelischen Eigenart der germanischen Völker, und bäuerlichem Beruf (ungeachtet der immer wieder hervorgehobenen überständischen Gültig- keit jenes Begriffes) doch ein sehr enger, wechselseitiger Zusammenhang besteht, der das eine bis zu einem gewissen Grad als Voraus- setzung für das andere erscheinen läßt. Es hat nicht nur sinnbildliche Bedeutung, wenn wir in der Gestalt des deutschen Bauern den Repräsentanten echten nordischen Wesens sehen und ihn damit zum lebendigen Vorbild einer auf die Wiedergeburt des nordisch-germa- nischen Volkstums abzielenden Entwicklung erheben. Denn wenn dieses Volkstum in seinen Grundzügen „bäuerlich“, d.h. gottnahe und naturverbunden ist, dann kann kein Zweifel darüber bestehen, daß eine der wichtigsten Quellen, aus denen heraus es sich immer wieder erneuern kann, die bäuerliche Lebens- weise selbst sein muß. Es gibt ja keine andere Lebensform, die den Menschen so sehr in den Rhythmus der Natur hineinstellt und ihm das Bestehen einer großen, schöpferischen Ord- nung über den Dingen so eindringlich offenbart

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wie die des Landmannes, dessen ganzes Leben nichts als Dienst am Boden und an der lebendi- gen Kreatur ist. Hat doch die Arbeit des Bauern geradezu die Anerkennung eines schöpferischen und ordnenden Willens über allem Irdischen zur Voraussetzung, der der Saat jahraus, jahrein die Gewißheit der Ernte gibt. Der Bauer erlebt Jahr für Jahr in der unmittelbarsten und darum einprägsamsten Weise den elementaren Zeu- gungswillen, der alles Lebendige beherrscht und nichts Altes sterben läßt, ohne dafür zu sorgen, daß Neues an seine Stelle tritt. Führt doch selbst das kleinste Samenkorn, das er in die Erde senkt, seinen verbissenen Kampf um Auferstehung, Wachstum und Reife, allen Gewalten zum Trotz, die sich {hm dabei in den Weg stellen. So wird der sich unablässig wiederholende Sieg des Lebens über den Tod, der dem Bauern die Vor- ausseizung für sein Dasein schafft, zu der gestal- tenden Macht, die auch sein Wesen formt. Seine Arbeit wird zu einer einzigartigen Schule des Lebensglaubens und der Gewißheit einer sinn- vollen Ordnung über allen Dingen, die immer wieder alles zum Guten, d. h. zum Triumph der schöpferischen Kräfte über die der Vernichtung wendet.

So finden also gerade jene Wesenszüge, die das kennzeichnende Merkmal der germanischen, bäuerlichen Seele sind, im täglichen Erfahrungs- schatz des Landmannes eine sich immer von neuem wiederholende, unwiderlegliche Bestäti- gung. Daraus folgt aber, daß die bäuerliche Ar- beit der beste Mutterboden für das Entstehen und die fortlaufende Vertiefung jenes Lebens- gefühls sein muß, in dem sich die rassenseelische Eigenart unseres Vblkstums offenbart und das wir in einem übergeordneten Sinne als „bäuer- lich” bezeichnet haben. Damit erfüllt das Landleben eine auslesende Funktion innerhalb der Ausprägung des deut- schen Volkscharakters, durch die nicht allein die blutsmäßigen, sondern ebensosehr auch die seelischen Kräfte eine fortlaufende Verstärkung erfahren, von denen aus die natio- nale Wiedergeburt ihre stärksten Antriebe erhält. Auf diese Weise wird die „Neubildung deutschen Bauerntums“ in einem weit über alle ernährungs- und raumpolitischen Erwägungen hinausreichenden Umfang zu einem Kernpunkt der deutschen Erneuerung, indem sie dieser die Voraussetzungen für die Erschließung der tief- sten rassenseelischen Quellen unseres völki- schen Wesens schaffen hilft. So sehr wir also einerseits in dem hier behandelten Zusammen- hang die Bedeutung des „Bauerntums” als Aus- druck rassenseelischer Eigenart und damit einer geist-seelischen Veriassung von verpflichtender Kraft für die Gesamheit unseres Volkes heraus- stellen müssen, so sehr bleiben wir uns anderer- seits dabei bewußt, daß seine typenbildende Macht auf die Dauer nur wirksam bleiben kann, wenn sie eine tragfähige Grundlage in einem Landvolk findet, das seiner Bestimmung, Sam-

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melpunkt der besten Kräfte unseres Volkes zu sein, wieder gerecht zu werden vermag.

Andererseits liegt die Annahme nahe genug, daß die mit der höheren Entwicklung der Rasse zunehmende seelische Aufgeschlossenheit gegenüber den Wurzeln allen Seins, die zu der Erkenntnis der innigen Verflechtung alles Menschlichen mit der Natur und der kosmischen Ordnung führte, einstmals bei der Wahl zwischen einem unstet schweifenden Jägertum und der Gründung eines festen Herdfeuers auf der Grundlage eines seßhaften Ackerbaues die Entscheidung zugunsten des letzteren begünstigt hat. So ist vor allem auf die kultische Bedeutung des Herdfeuers bei den nordischen Stämmen besonders hingewiesen und damit die weit- gehend weltanschauliche Verankerung des nor- dischen Bauerntums herausgestellt worden. Sicherlich haben sich also seit undenklichen Zeiten Auslesevorgänge abgespielt, die in wechselseitiger Bedingtheit von naturnaher Lebensweise und wesens- mäßiger Ausprägung jenen seelischen Typ hervorgebracht haben, der schließlich unab- hängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Tätigkeit zum Sinnbild des nordischen Menschen- tums schlechthin geworden ist.

So können wir also, ohne den Dingen Zwang anzulun, den Kern des nordischen Wesens in der Tat gleichsetzen mit bäuerlicher Art, ja wit finden in dieser die einzige erschöpiende Be- zeichnung für eine innere Wesensrichtung, die wie die nordisch-germanische so stark im Natur- haften und Kosmischen wurzelt. Wenn daher der revolutionäre Umbruch unserer Zeit letzten Endes auf die Schaffung bzw. Durchsetzung eines Menschentyps abzielt, der als Träger künftiger großer Aufgaben und einer Entwick- lung, durch die die biologischen wie geistigen Kräfte unserer Rasse zu höchster Entfaltung gebracht werden sollen, gewertet werden kann, dann kann es nur der bäuerliche sein, der auf diese Weise als Repräsentant des europäi- schen Erneuerungswillens dem plutokratischen Schieber auf der einen, dem bolschewistischen Mordbrenner auf der anderen Seite entgegen- tritt. Dementsprechend findet die Revolution des germanischen oder ihm artverwandten Volks tums gegen seine jahrhundertelange Verfäl- schung, deren Anzeichen wir bereits in allen sich zum neuen Europa bekennenden Ländern feststellen können, ihren konkreten Ausdruck fast überall in einem mehr oder weniger aus geprägten Hinwenden zum Bauerntum, und zwar in einer Weise, die darin mehr als nur den Ausfluß einer ernährungspolitischen Zwangslage, nämlich den unmittelbaren Inhalt echter Erneuerungsbestrebun- gen erkennen läßt. Die Verbreitung des Land- dienstgedankens, des Arbeitsdienstes mit seiner ebenfalls deutlich auf das Land ausgerichteten Zweckbestimmung, die Wiederbesinnung auf die völkischen Werte, die im bodenständigen Lied,

Tanz, Brauchtum usw. Negen all das, heute bereits zum festen Bestandteil der Erneuerungs- bewegungen in all diesen Ländern geworden, ist als unzweifelhaftes Symptom in dieser Richtung zu werten; bedeutet es doch ein immer bewußter hervortretendes Hinwenden zu den biologischen und seelischen Kraftquellen, die in Boden und Heimat liegen, somit zu einem bäuerlichen Le- bensgefühl als dem Ausgangspunkt einer Neu- ordnung, die sich die Wiederherstellung der bluts- und wesensmäßigen Grundlagen des eigenen Volkstums zum Ziel gesetzt hat. So kann man die tiefgreifende Umwälzung, die sich heute im europäischen Raum teils vollzieht, teils schbn vollzogen hat (zum Teil sich vielleicht auch erst in ihren ersten Anfängen abzeichnet), von ihren rassischen Quellen und letzten Ziel- selzungen aus betrachtet, mit Fug und Recht als die bäuerliche Revolution unseres Jahrhunderts bezeichnen, d. h. als die Reaktion des euro- päischen Menschen auf seine künstlich betrie- bene Entwurzelung unter dem Einfluß ihm wesensfremder Mächte, die jahrhundertelang wie ein Alp auf seiner Seele gelegen waren.

Innerhalb des deutschen Volkes aber wird der Begriff des Bauern zur verbindenden Brücke, die über Berufe und Stände hinweg die Einheit des deutschen Le- bensgefühls zu festigen oder, wo nötig, neu zu begründen vermag. Der „Bauer“ hinter dem Pflug sowohl wie hinter dem Schraubstock, im Laboratorium wie im Kontor, im grauen Rock des Soldaten wie im Braunhemd des politischen Kämpfers, alle die Menschen, in denen der Grundton germanischer Wesensart wach geblieben ist, sind der lebendige Kitt, der diese so lange vergeblich ersehnte Einheit nun- mehr zur unauflöslichen geschichtlichen Tat- sache mächt. Damit aber ist nicht nur der Schlußstrich unter eine lange Periode seelischer Irrungen und daraus entspringender gefähr- lichster Krisen gezogen, sondern hat auch die deutsche Volkwerdung an der Schwelle eines neuen Zeitalters ihre letzte Vollendung gefunden. Was das für die Rolle, die der Deutsche in diesem Zeitalter zu spielen haben wird, bedeutet, muß jedem klar sein, der aus der Geschichte zu lernen versteht.

Wer ehrlich zu den praktischen Auswirkungen der Freiheitsidee Stellung nehmen will, der muß von der unmittelbarsten Betätigung des Menschen auf der Erde ausgehen. Der Bauer ist nicht in der Lage, nach Gutdünken seine Arbeit zu verrichten, sondern die Natur zwingt ihm den Rhythmus dieser seiner Arbeit auf. Pflügen, Säen, Ernten, Verarbeiten und Verkaufen sind naturbedingt in ihrem Ablauf. Die Jahreszeiten zwingen den Bauern, im Sommer früh- morgens zu beginnen, und erst im Winter vermag er eine andere, ihm ebenfalls von der Jahreszeit aufgenötigte Form seiner Tätigkeit zu finden.

Alfred Rosenberg

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HANS HANSEN:

Landirauengesundheitsfürsorge im Kriege

Erfahrungsbericht aus dem Gau Bayreuth

ie Sorge um die völkische Sicherung unserer

Nation beginnt beim Bauerntum als unserer Daseinsgrundlage und hier wieder vor allem bei den Landfrauen, den ersten Trägerinnen des Lebens unseres Volkes. 23000 Landfrauen, die ihrem Volke über 220000 Kinder schenkten, sind allein im Gau Bayreuth mit dem goldenen Müt- terehrenkreuz ausgezeichnet und viele hundert- tausende werden es im ganzen deutschen Bau- erntum sein. In wunderbaren Akkorden klingt das Hohelied der Mutterliebe über das deutsche Land. Es gilt immer mehr als hohe und drin- gende Aufgabe unserer Zeit, der deutschen Landfrau neben der hohen Achtung, die ihr das neue Deutschland schenkt, auch weitgehende praktische Fürsorge zu geben, damit sie ihrem Volke immer wieder reiches und gesundes Le- ben schenken kann. Denn einmal wird ohne die völkische Sicherung der Nation alles Sorgen unserer Tage, werden alle Opfer dieses Krieges ohne dauernden Gewinn für unser Volk sein und zum anderen trugen auch die Töchter der oben- genannten Mütter, unsere heutige Landfrauen- generation, durch viele Jahre schon so hohe Last aus ihrer Pflicht, daß sie immer mehr die Kräfte verloren, um es ihren Müttern gleich- zutun und wie sie vielen Kindern das Leben zu schenken. Immer stärker beeinflußten wirtschaft- liche Nöte, Arbeitsüberlastung, Mangel an ein- fachster sanitärer Fürsorge den Geburten- und Gesundheitsstand auf dem Lande. Schon gab es einzelne Dörfer, die fast ganz von Jugend ent- blößt waren und manche Höfe wiesen keinen, vor allem keinen gesunden Erben mehr auf.

Der Nationalsozialismus hat inzwischen vieles in der biologischen Sicherung des Landvolkes zu bessern vermocht, viel ist aber noch zu tun übrig, und vor allem hat der Krieg die begonnene Entwicklung einer besonderen, systematischen Gesundheitsbetreuung für das Landvolk wenn auch nicht unterbrochen, so doch notgedrungen verlangsamt. Auch die seit Beginn des Krieges von der Landesbauernschaft heute vom Gau- amt für das Landvolk Bayreuth in Verbin- dung mit dem Gaugesundheitsamt und der NSV.

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durchgeführte besondere Gesundheitsbetreuung der Landfrau beweist überzeugend, daß es auf diesem Gebiet noch schwere Schäden aus ver- gangener Zeit zu beheben gilt. Von unseren Landfrauen, die eine solche Gesundheitsbetreu- ung in Anspruch nahmen, weist, laut ärztlichem Attest, die Mehrzahl körperlichen Zusammen- bruch, schwere Herzfehler, chronischen Gelenk- rheumatismus, Unterleibsleiden, schwere Fuß- leiden usw. infolge Mangels an ausreichender Gesundheitsbetreuung und rechtzeitiger Gesund- heitspflege auf.

Auch diese Ergebnisse fordern da- mit kategorisch, daß trotz wichtigere Kriegs aufgaben weiterhin jede noch gegebene Möglichkeit voll ausge- schöpft wird, um von der körperlichen undseelischen Leistungskraft unserer Landfrau zu erhalten, was irgend erhalten werden kann. Daß dabei die erste Voraussetzung für einen vollen Erfolg die vom Nationalsozialismus vorbereitete grundsätzliche wirtschaftliche Neuordnung des Bauerntums, die es endlich auch dem Lande erlaubt, am kul- turellen und technischen, damit auch am sani- tären Fortschritt unserer Zeit umfassend teil- zuhaben, vorerst nur bedingt erfüllt werden kann, ist selbstverständlich. Es ist dabei aber bestimmt nicht so, um gleich einem oft aus gesprochenen Urteil zu begegnen, daß das Land- volk keinen Sinn für Körper-, Gesundheits- und Heimpflege, für gesunde Ernährung, Kleidung

usw. hätte. Der frühere jahrzehntelange Kampf

mit wirtschaftlichen Sorgen, das Unvermögen, sich aus dieser Lage den allgemeinen Fortschritt unserer Zeit dienstbar zu machen, hat hier viele sich mit etwas abfinden lassen, was ihnen durch- aus nicht gewohnt ist, was auch in nichts der Bedeutung und Würde eines deutschen Bauern- tums entspricht. Und selbstverständlich hat ihm auch der Krieg wieder, neben höchsten An- forderungen an seine Arbeitsleistung, die Not- wendigkeit des Verzichtes auf manche, sagen wir, mehr persönliche Betreuung auferlegt. Es ist unnötig hier auszuführen, welche außer-

ordentliche Arbeitsbelastung, welche Beschrän- kung in solchen persönlichen Wünschen dabei insbesondere der Landfrau zugemutet werden mußte, es mag hier nur gesagt sein, daß sie trotz allem ihre ganze Kraft für den Sieg einsetzt, daß ihre Treue zum Führer grenzenlos und ihr kein Opfer für ihr Volk zu groß ist. Es muß aber, wie betont, dafür gesorgt werden, daß sich der Brunnen ihrer Kraft nicht voll ausschöpft, daß noch gute Kräfte für die bleibenden Kriegsauf- gaben und für die hohen Pflichten erhalten werden, die der Landfrau die Nachkriegszeit übertragen wird.

Und hierin das im Kriege Mögliche zu leisten, ist als dringendste Aufgabe aller verantwort- lichen Stellen zu erkennen. Darum wurde ins- besondere auch das oben erwähnte, nunmehr vom Gauamt für das Landvolk übernommene Abkommen zwischen der Landesbauernschaft Bayreuth und dem Amt für Volksgesundheit der NSDAP. getroffen und eine noch größere Pflich- tenvereinigung als bisher durchgeführt. Jede bedürftige Landfrau und ihre jüngeren Kinder im Gau haben hiernach das Recht, für geringsten Betrag und mit Beihilfe des Gauamtes jeden ihr genehmen Arzt ihres Kreises zu einer ge- sundheitlichen Beratung aufzusuchen. Und dort, wo sie nicht aus freien Stücken dazu bereit ist, obgleich ihr Gesundheitszustand es dringend erfordert, versuchen nach weiterer Vereinbarung NSV -Schwestern und Hebammen des, Gaues, die Landfrau zu ihrem Besten zu einer solchen Behandlung zu bewegen. Der Arzt stelit dann über die erfolgte Untersuchung ein Attest aus, das dem Gauamt eingereicht wird und ihr ein- mal eine genaue Übersicht über den Gesund- heitszustand des Landvolkes im allgemeinen gibt, ihr zum anderen Unterlagen für ihre wei- tere Betreuungsarbeit an der Landfrau bietet. Danach werden die Untersuchten in besonderen Fällen der NSV. zur vordringlichen Aufnahme in ihre Erholungsheime und zur Beihilfeerstat- tung bei Operationen usw. gemeldet. Es ist mit Genugtuung festzustellen, daß die NSV. bereits Tausenden von Landfrauen längere Erholungs- zeiten und auch notwendige finanzielle Unter- stützung bei Operationen und besonderen Kuren gewährt hat. Ein weiterer Teil stärker erholungs- bedürftiger Frauen wird darüber hinaus dem Schwefelbad Abbach im Gau zugewiesen, mit dem ein weiteres Abkommen über besondere Be- handlung der Landfrauen getroffen ist.

Die an sich gesunden, aber nur durch Uber- arbeitung in ihren Pflichten gegen Familie und Hof beeinträchtigten Frauen werden in die „Heimzeiten” des Gauamtes selbst geladen. Diese Heimzeiten sind im Gegensatz zu den

mehr sanitären Hilfsmaßnahmen der NSV. und von Bad Abbach nur Arbeitspausen, Ruhepausen für die Landfrauen, in denen sie in einem Kreis gleicher Seelen verbleiben, aber in einem schönen Heim sich durch mehrere Tage wieder die Kräfte sammeln, die ihnen die schwere Tagesarbeit vorübergehend genommen hat. Das Heim, in dem diese Heimzeiten stattfinden, ist also kein Erholungsheim schlechthin, es ist ein Heim der Entspannung, des Ausruhens für pflichtgetreue Landfrauen. Es könnte sogar „Sommerfrische“ im bürgerlichen Sinne genannt werden, wenn nicht eine einfache Schulung in den Grundbegriffen gesunder Körperpflege, Kochkunst, Kleidung, Heimpflege, Säuglings- pflege und Kindererziehung, über vernünftige Einstellung zum Arzt, zu neuzeitlichen Gesund- heitsmaßnahmen usw. den Frauen dabei noch Erkenntnisse geben würden, nach denen sie ihrer eigenen Gesundheit und der ihrer Familie und durch ihre Beratung auch der ihrer Dorf- gemeinschaft dienlich sein kann. So bedeuten die Freizeiten Ausruhen und Lernen zugleich, sie bieten eine verantwortungsbewußte Arbeits- pause, die nicht nur vor dem Geiste der Front bestehen kann, sondern von ihm gefordert wird.

Die ersten Heimzeiten fanden in geeigneten Landgasthöfen statt. Seit 1940 aber steht hierfür ein eigenes Landheim zur Verfügung. Es ist in einem kleinen Badeort des Fichtelgebirges, in Zell, gelegen und bietet in Einrichtung und Um- gebung alle Voraussetzungen, die zur Zeit an ein Heim für Landfrauen gestellt werden können.

Die Heimzeiten dauern vorerst nur zwei Wochen, länger können die Frauen heute dem Hof nicht fernbleiben. Aber es ist erstaunlich, was in dieser kurzen Zeit durch eine sachgemäße und liebevolle Betreuung erreicht werden kann. Viele fühlen schon nach dem ersten Bad und nach wenigen einfachen körperlichen Ubungen, nach einigen Ruhestunden im Liegestuhl im Garten, einem Spaziergang in Feld und Wald, wie sehr eine nur kurze Ausspannung Körper und Geist zu neuem Einsatz für Haus, Hof und Vaterland stärken kann. Mit Überraschung stel- len die meisten Frauen auch fest, daß schon mit kleinen und billigen Mitteln in wenigen Minuten täglich dem Körper und Geist eine Pflege zuteil werden kann, die Entscheidendes für sie selbst, aber auch für ihre ganze Familie bedeutet.

Die Kost im Heim ist gut, wenn sie natürlich auch durchaus kriegsmäßig ist. Dennoch ist festzustellen, daß kaum eine der Frauen in den zwei Wochen weniger als sechs Pfund zunimmt. Diese Ergebnisse beweisen, was es bedeutet, wenn sie nur einmal wenige Tage Ruhe haben, Liebe und Frohsinn um sich sehen und andere für sich sorgen lassen können, Sie erkennen

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auch hier, daß man dem Soldaten draußen und seinem Volk nicht mit trüben Gedanken helfen kann, sondern nur mit starker Lebensbejahung und bestem Wollen zur Leistung.

Schon nach wenigen Tagen beginnen unsere Landfrauen sich nicht mehr als Sklavin, sondern

. als Beherrscherin der Arbeit zu fühlen. Das

Heim in Zell gibt auch einen Einblick in eine einfache, aber schöne Wohnkultur, wodurch sich die Auffassung vom Wert der Pflege des eigenen Ichs, der Kinder, des Heimes usw. in ihrer Bedeutung für den Lebensinhalt aller in der bäuerlichen Gemeinschaft grundsätzlich einprägt. Es wird auch hier wieder bewiesen, daß der Wille zur Pflege des eigenen Körpers, damit der Gesundheit, des Heimes usw., nur geweckt zu werden braucht, um ihn zu viel- fältigem Segen für die Familie, den Hof und den ganzen eigenen Lebenskreis werden zu lassen. Einfache Unterhaltungen über die Einstellung des Nationalsozialismus zum Begriff Frau, Mut- ter und Kind helfen dann noch mit, der Landfrau klarzumachen, welchen Wert die neue Zeit ihr beimißt, und schenken ihr damit ein neues und gesundes Selbstbewußtsein.

Eine gediegene Bücherei im Heim sorgt dafür, daß sich die Landfrau allmählich wieder daran gewöhnt, in den knappen Feierstunden, die ihr die ländliche Arbeit erlaubt, etwas Gutes zu

lesen und daraus ihrem Geist und ebenso dem

Körper Entspannung zu geben,

Im Heim ist auch ein Kindergarten mit etwa fünfzig springlebendigen Jungens und Mä- dels untergebracht, ebenso ist eine Webstube dabei, so daß in der Heimzeit auch stets Jugend und Frohsinn um die Landfrau ist und der Wunsch in ihr geweckt wird, auch in ihrem Dorf einen Kindergarten zu sehen, auch ihre Töchter das Weben als wertvolle Ausgleichstätigkeit für schwere Tagesarbeit lehren zu lassen,

Da die Betreuung unserer Frauen während der Heimzeit in fachkundige Hände gelegt ist, so kann in diesen Tagen auch auf alle landwirt- schaftlich fachlichen Fragen eingegangen werden. Hierbei wird die Besichtigung nahe gelegener landwirtschaftlicher Betriebe und die praktische Aussprache in einem zum Heim gehörigen bäu- erlichen Gewürzgarten usw. durchgeführt. Der Gewürzgarten enthält alle Kräuter, die für Ge- sundheitspflege und gesundes Kochen zukünftig wieder in jedem Bauerngarten zu finden sein sollen. Auch besondere persönliche Wünsche werden gern erfüllt. Die meisten Landfrauen haben noch keine „Wochenschau”, viele über- haupt noch kein Kino gesehen; auch hierzu wird ihnen möglichst verholfen. Im Sommer, soweit in diesen Monaten Heimzeiten durchzuführen sind, wird auch die Freilichtbühne bei Wun-

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siedel besucht. Fällt der Geburtstag einer Land- frau gerade in ihre Heimzeit, so wird er zu einem Fest für alle gestaltet, und der blumenbedeckte Platz während der Mahlzeiten läßt viele dankbar bekennen, ihren Ehrentag selten so schön wie hier verlebt zu haben. Auch Heimabende, bei denen die Jungbäuerinnen der Webschule ge- staltend mitwirken, werden durchgeführt. So oft als möglich erscheint zur Aussprache ernsterer agrarpolitischer Fragen Besuch vom Gauant oder der Landesbauernschaft. So bietet die Heimzeit Stunden vollkommener Neueinstellung zu den Dingen ihres Daseins.

Das letztere soll, so wichtig die Ruhepause an sich sein mag, einmal die Hauptaufgabe der Heimzeit sein! Sie will mit ihrer Betreuungsart und ihren Einrichtungen jenen vielen Land- frauen, die bisher keinen Anschluß an ihre wei- tere Umwelt fanden, die räumlich und damit auch geistig zu sehr von ihr 1 waren, den besten Weg zu ihr bieten. Sie will sie auf- schließen für alles Neue unserer Zeit, an dem sie um ihres Bauerntums und Volkes willen nicht mehr unbeteiligt vorübergehen kann. Die Heimzeit will der Landfrau vor allem die Brücke zum Verständnis aller

Maßnahmen des neuen Staates in der

NSV. in der Frauenschaft, der Hitler- Jugend, im Amt für das Landvolk usw. bieten, die ihr und ihrem Volke dienen wollen. Die Heimzeit will somit in erster Linie Umschulungszeit zu gesunder, bäuerlicher Le- bensgestaltung für unsere Landfrau sein. Durch Aufklärung will sie ihr auch Befangenheit und Mißtrauen nehmen und ihr wieder so viel Selbst- bewußtsein geben, wie es ihr als erster Trägerin des Lebens ihres Volkes frommt und wie es von ihr um der Bedeutung ihres Bauerntums willen erwartet werden muß. Und daß dieses Ziel tat- sächlich erreicht wird, ist schon heute dadurch bewiesen, daß unsere Landfrauen, die eine Heimzeit erlebten, sich nunmehr freier in der Welt fühlten, leichter und vertrauensvoller den Weg zum Arzt, zur Hilfsstelle für Mutter und Kʒind, in die Erholungszeit der NSV., zu den Parteidienststellen usw. fanden. Die Landfrauen hatten im Heim viel gehört und gesehen, so daß sie jetzt mitreden konnten, hatten neue Erkennt- nisse gewonnen, durch die ihnen die Befangen- heit vor dem vielen Neuen unserer Zeit, auch im Verkehr mit Frauen anderer Berufskreise, vor allem Frauen aus der Stadt, genommen wurde. Kurzum, die Heimzeit ist ihnen auch das Tor zum \/eg in das neue, große Geschehen unserer Zeit und in die große deutsche Volksgemein- schaft geworden. Von der Landfrau selbst soll das Erworbene dann auf die Kinder übergehen und so in Zukunft das ganze deutsche Bauerntum beeinflussen.

Gewiß, es wird die Zeit kommen, da sich die Neuordnung des deutschen Bauerntums auf allen seinen Lebensgebieten so vollzogen hat, daß auf

solche, eigens für die Landfrau vorgesehene

„Umschulungszeit“ verzichtet werden kann, daß die Landfrau sich dann mit Selbstverständlich- keit in den Rahmen des großen Ganzen ein- gliedert. Für die nahe Zukunft aber sind solche Umschulungen unentbehrlich und von aller- höchstem Wert und bieten die besten Voraus- setzungen, unsere Landfrauen organisch in ihre Umwelt, in die neue Zeit, in ihr Volk zu führen.

Selbstverständlich sind unter der Bezeichnung Landfrau auch in unserem Falle alle Frauen des Landvolkes zu verstehen. Es ist gar nicht leicht, bei den im Gemeinschaftsraum unseres Heimes oder im Garten mit dem Strickstrumpf oder anderer Handarbeit beschäftigten und bei frohem Plaudern zusammensitzenden Landfrauen zu unterscheiden, welche von ihnen Bäuerin, welche Landarbeiterin ist. Beide verkörpern den gleichen Lebenskreis, der sie, wie bei der gemeinsamen Arbeit in Haus, Hof und Feld auch hier, in bestem Einvernehmen zueinanderkom- men läßt. Es hat im Heim Zell noch kein hartes Wort gegeben; Sinn und Inhalt des Heimes ver- bieten alles Ungute von selbst. Auch das ist ein Ziel unserer Heimzeit: den Voraussetzungen einer wahren bäuerlichen Betriebs- und Dorf- gemeinschaft zu dienen.

Um den Landfrauen das Fortgehen vom Hof zu erleichtern, wurde auch, in engster Zu- sammenarbeit mit der NS.-Frauenschaft, die Zahl und Befähigung der von der NSV. zum Einsatz gebrachten Haushaltshelferinnen so weit als irgend möglich gesteigert. Fast 600 Haushalts- helferinnen konnten bisher eingesetzt werden. Darüber hinaus wurde in gleich guter Zusam- menarbeit mit den Arbeitsämtern der ländliche Pflichtjahreinsatz gefördert. Von 7500 Pflicht- jahrmädchen sind heute 4500 im ländlichen Ein- satz tätig; selbstverständlich gilt es, diese Zahl zukünftig noch weitgehend zu erhöhen,

Auf dem Gebiet der Landfrauengesundheits- fürsorge und -betreuung allgemein gibt es kaum eine schönere und wertvollere Aufgabe als jene, der Landfrau von Zeit zu Zeit Ruhepausen zu gewähren, die sie in ihrem eigenen Lebenskreis bleiben läßt, ihr aber doch gleichzeitig hohen körperlichen und geistigen Gewinn zu schenken vermag. Jedenfalls haben sich unsere Heim- zeiten so bewährt, daß ihr Ausbau durch Ein- richtung weiterer Heime erfolgen soll und daß sie allen Gauen, wo sie noch nicht bestehen, zur Errichtung empfohlen werden können. Voraus- setzung ist dabei keinesfalls das Äußere des Heimes Landfrauen sind ja darin durchaus

nicht verwöhnt —, entscheidend ist der Geist, der in ihm wohnt, dem neben klugem Verständ- nis für Wesen und Aufgabe der Landfrauen auch echte Liebe und richtige Fürsorge für sie ent- springt. Und entscheidend ist ferner, daß alles, was im Heim um sie ist, echt, klar und wahr ist. Der Dank, den die Landfrau hierfür äußert, ist meist beschämend für den, der ihn empfängt. Er beweist aber, daß durch aufrichtige Betreuung tiefste Wünsche in ihrem Herzen Erfüllung finden. Wie sehr die Heimzeit als seltenes Ge- schenk gewertet wird, mag daraus ersehen werden, daß alle Landfrauen sie im letzten als Werk des Führers deuten und das ist ja auch so und ihm den höchsten Dank bekunden.

Während des Krieges sind besondere Richt- linien in der Auswahl der Landfrauen zur Auf- nahme in das Heim nicht festgelegt. Jede Land- frau, die durch Überarbeitung und Nöte zur Wiederherstellung ihrer körperlichen und see- lischen Kräfte für den Dienst am Ganzen, für die Kriegsaufgaben, eine Zeit des Ausruhens bedarf, ist herzlich willkommen. Vor einiger Zeit z. B. wurden fast die gesamten Frauen eines Dorfes, jung und alt, in unser Heim geladen. Durch einen Dammbruch der Donau hatte das Dorf durch Wochen schwere Not zu leiden. Und keine dieser Frauen ist ungestärkt für den wirtschaft- lichen Kampf, der gerade in diesem Dorf noch durch Monate besonders hart sein mußte, in die Heimat zurückgekehrt. Jetzt im Kriege heißt es nur helfen, wem Hilfe gebührt, Liebe und Für- sorge schenken, wer sie benötigt. Nach dem Kriege aber, wenn die Heimzeiten länger währen können, auch eine umfassendere Schulung statt- finden kann, wird eine gewisse Auslese statt- finden müssen. Dann werden in erster Linie Frauen der Entspannung, Schulung und Aufklä- rung in unserem Heim zugeführt werden, die Kinder besitzen, ihrem Bauerntum noch Kinder schenken können und die vor allem auch als Trägerin des Gedankens einer bäuerlichen Le- bensgestaltung auf das Dorf zurückkehren und dort im Sinne des Neuerworbemen zu wirken vermögen.

Sie sollen dann Wegbereiterinnen einer wah- ren Kultur, einer gesunden bäuerlichen Lebens- gestaltung am Menschen, am Heim und Hof unserer Dörfer sein. Denn das wird, wie betont, die Hauptaufgabe unseres Landfrauenheimes werden, die Frauen mit einer ihrem wahren Wesen und ihrer Berufung für das Volk ent- sprechenden bäuerlichen Lebensführung be- kannt zu machen, aus der heraus einzig und allein ein Bauerntum erwachsen kann, das tatsächlich äußerlich und innerlich erster Träger der völ- kischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kräfte unseres Volkes zu sein vermag.

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A De ht sche Ru nads, en

Vor wenigen Wochen sind bei der Einführung des neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe,Freiherrn v. Schroeder, grundsätzliche Ausführungen zur Wirtschaftspolitik gemacht worden, die auch vom Standpunkt der nationalsozlalistischen Agrarpolitik aus um so größere Beachtung verdienen, weil sie als weiterer Beitrag zur Stellung der tat- kräftigen Einzelpersönlichkeit in der nationalsozia- : listischen Gemeinwirtschaft anzusehen sind. Der Lei- ter der Reichsgruppe Banken, Dr. Christian Fi- scher, betonte in seiner Einführungsansprache, daß Kenntnisse und Erfahrungen stets die feste Grund- lage für ein erfolgreiches Handeln im Wirtschafts- leben sein müssen. Nur dadurch kann der Wirt- schaftsführer jene Autorität in seinem Kreise er-ı langen, die unbedingt notwendig ist, um auch die erforderliche Autorität außerhalb dieses Kreises zu genießen. Autorität läßt sich nicht verleihen, sondern muß durch Taten erworben werden, und Taten führen wiederum nur dann zum Erfolg, wenn sie vom Geist bestimmt, geführt und vollendet werden. Nur da- durch wird auch das Leistungsprinzip zu einer Reali- tät, an der die bloße Phrase scheitern muß. Dr. Fischer betonte weiter, daß die Wirtschaft ohne einen starken Staat nicht gedeihen kann und daß nur die Ideen, wie sie durch den Nationalsozialismus verkörpert werden, Deutschland jenen Aufschwung geben konn- ten, ohne den es seine Großmachtstellung und seine Selbstbehauptungsmöglichkeit für immer eingebüßt hätte.

Diese Worte stehen in stärkstem Gegensatz zu den Auffassungen früherer jüdischer Bankmächte, die vom Staat immer nur verlangten, daß er den Wirtschafts- kräften eine ungehemmte Bewegungsmöglichkeit zu sichern habe. In der gleichen Richtung liegt die An- sprache des neuen Leiters der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe, Freiherrn v. Schroeder, der zeigte, wie die Initiative der deutschen Bankmänner im vergangenen Jahrhundert die wirtschaftliche Ent- wicklung im besten Sinne gefördert hat. Alle diese Verdienste mußten in Vergessenheit geraten, als mit Beginn dieses Jahrhunderts und mehr noch seit Be- endigung des ersten Weltkrieges jüdische Einflüsse sich des Bankwesens zu bemächtigen begannen und nicht mehr in gemeinnützigem Einsatz und in der Weiterentwicklung deutscher Industriebelange das Hauptziel ihrer Tätigkeit sahen, sondern in dem reinen Gewinnstreben und der Verfolgung eigen- nütziger Ziele. Die Vorherrschaft des jüdischen Elements im Bankgewerbe hat dazu geführt, daß vielfach die Meinung verbreitet war, als ob das ganze deutsche Bank; ewerbe verjudet und minderwertig sei. Freiherr v. Schroeder gab der Hoffnung Ausdruck, daß ebenso, wie nur wenige J:hre genügten, um das Bankgewerbe in Mißkredit zu bringen, auch nur wenige jahre nötig sein werden, um Volk und Partei

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zu der Überzeugung gelangen zu lassen, daß das deutsche Bankgewerbe ebensosehr wie die übrige Wirtschaft, erfüllt mit nationalsozialistischem ideen- gut, sich einsetzen wird für das Wohl des Gesamt- volkes. Er kennzeichnete als Hauptaufgabe der Banken die Aufrechterhaltung des Geld- und Zahlungsverkehrs und die Erfüllung der Finanzierungsaufgaben für Reich und Kriegs- industrie.

Gerade in .der Landwirtschaft wird man diese Äußerungen aus Kreisen der Bankwirtschaft stärkstens begrüßen, erinnert man sich doch immer noch daran, wie seinerzeit auf dem Höhepunkt der Agrarkrise der deutschen Landwirtschaft von einem Banken- konsortium unter Heranziehung von USA.-Professoren Ratschläge zur besseren Wirtschaftsführung gegeben wurden, mit deren Hilfe angeblich die Krise über- wunden werden sollte. An die Kernfragen der Agrarpolitik und des Bauerntums ist dieses „Agrar- programm der Großbanken” niemals herange- kommen, weil es den Geist vermissen ließ, der jetzt

aus den Ausführungen des neuen Leiters def Privat-

banken spricht.

Bei dieser Gelegenheit sei aber auch an die be- sondere Stellung erinnert, die sich die Institute des Agrarkredits in dieser Zeit errungen haben. Gerade der Ursprung der Agrarkreditinstitute geht immer wieder auf gemeinwirtschaftliche Wurzeln zurück, die mit der Politik der Großbanken zu Be- ginn dieses Jahrhunderts nicht in Einklang zu bringen waren. Nicht zuletzt aus diesem Grunde wurde im Jahre 1925 als Landwirtschaftliche Zentralbank die Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt geschaffen, die stets auf gemeinnütziger Grundlage arbeitete und in den schwersten Krisenjahren dem landwirtschaft- lichen Kreditapparat einen festen Rückhalt gab. Bei der Besonderheit der agrarpolitischen Aufgaben der Zukunft wird dieser eigene Agrarkreditapparat auch in Zukunft notwendig sein, weil nun einmal der Ablauf des landwirtschaftlichen Betriebes ganz andere Kreditaufgaben stellt als in der gewerblichen Wirtschaft.

Kann man so die Entwicklung der Bankenpolitik im nationalsozlalistischen Deutschland als stärkstes Zeichen der Durchsetzung nationalsozialistischer Grundsätze in der Wirtschaftspolitik überhaupt an- sehen, so zeigt bei unseren Gegnern gerade die Be- handlung ernährungspolitischer Fragen immer wieder, wie sich dort auch bei den wichtigsten Lebensfragen der Völker immer wieder das nackte Profitstreben durchsetzt. Dies war schon bel der Ernährungskön- ferenz in Hot Springs der Fall und hat sich noch stärker auf der Fortsetzung der dort begonnenen Verhandlungen gezeigt, die kürzlich in Atlantic City

stattfanden. Hatte in Hot Springs USA. die Aner, kennung -des amerikanischen Herrschaftsanspruchs hinsichtlich der Kartellierung und zentralen Lenkung der Lebensmittelwirtschaft für die Nachkriegszeit erzwungen, so sollte in Atlantic City unter dem Vor- wand der Vorbereitung umfassender Hilfsaktionen zugunsten der vom Kriege unmittelbar betroffenen Völker und Länder das ganze Gebiet der Be- wirtschaftung der Weltrohstoffe, Nahrungs- mittel und gewisser Halb- und Fertig- erzeugnisse planmäßig im Zeichen der USA.-Vorherrschaft organisiert werden. Hier- bei wirkten bezeichnenderweise auch die Sowjets mit, die ihre Unterstützung der amerikanischen Forderungen mit dem nachdrücklichen Verlangen sofortiger Hilfslieferungen an die Sowjet- union verbanden. Das wichtigste Ergebnis in At- lantic City war die Gründung der United Nations Relief and Renabilition Administration (UNRRA.). Selbstverständlich ist der Tätigkeit der UNRRA. äußerlich das bei unseren anglo-amerika- nischen Gegnern bekannte heuchlerische Mäntelchen der menschenfreundlichen Hilfeleistung umgehängt worden. So soll angeblich die UNRRA. das Ziel verfolgen, die Bevölkerung der besetzten Gebiete sogleich nach ihrer „f Befreiung“ mit Lebensmitteln, Kleidern, Unterkünften und sanitären Hilfsmitteln zu versorgen. Die beispiellose Not der Bevölkerung in Süditalien läßt schon nach wenigen Wochen die wahren Arbeits methoden der UNRRA. erkennen. Tatsächlich soll sie ja auch in erster Linie den USA. die dauernde Kontrolle der wichtigsten Warenmärkte sichern. Selbst den nichthilfsbedürftigen Staaten, also den devisenstark gebliebenen Neutralen, soll nicht etwa erlaubt sein, die für ihre wirtschaftliche Ent- wicklung erforderlichen Rohstoffe nach Belieben auf dem Weltmarkt zu kaufen. Auch diese Staaten sollen hierbei stets an die Zustimmung der UNRRA. ge- bunden sein. So sieht die Freiheit aus, für die angeblich Anglo-Amerikaner Arm In Arm mit den Sowjets kämpfen. Da ist es nicht verwunderlich, daß in den Richtlinien für die UNRRA. ausdrücklich festgelegt wird, daß es sich niemals um eine kostenlose Hilfe für die vom Kriege betroffene. Länder handeln kann. Die leihweise Lieferung von Lebensmitteln und Roh- stoffen an die kapitalschwachen Länder soll vielmehr dazu dienen, diese für immer in die Gewalt des USA.-Wirtschaftsimperialismus zu bringen. Dieser bedroht ganz allgemein die Lebensmöglichkeiten der europäischen Völker ebenso wie insbesondere die Entwicklung der Landwirtschaft. Das zeigt nicht nur die Lage derjenigen Länder, in denen sich anglo- amerikanische Wirtschaftsgrundsätze seit Jahren un- gehindert betätigen können, das zeigt vor allem auch die Unruhe, die unter den Farmern in USA. und England trotz der eingeschränkten Meinungsfreiheit erkennbar wird. Über die Streitigkeiten im USA.- Parlament um die Regelung agrarpolitischer, insbe- sondere preispolitischer Fragen ist schon mehrfach ‚berichtet worden. Jetzt wird auch ein Telegramm bekannt, das die Nationale Farmer-Union in England kürzlich an Churchill geschickt hat. Danach soll Churchill in die preispolitischen Er- örterungen der Farmer mit dem Landwirtschafts-

minister eingreifen. Es wird dringend um Empfang einer Farmerabordnung gebeten, ehe die Fragen im Parlament erörtert werden; weil dort keine ordnungs- mäßige Behandlung zu erhoffen sei. Die Farmer wen- den sich gegen den Landwirtschaftsminister Hudson. dessen statistische Unterlagen abgelehnt werden. Sie weisen ebenso die Regierungserklärung zu den im Februar 1942 gegebenen Versprechungen zurück, denn es habe keinen Zweck, den Farmern Zuschüsse zu gebem und dann die Preise zu senken. Die ganze Hal- tung der Farmer in USA. und England ist getragen von tiefstem Mißtrauen gegenüber den Regierungs- versprechungen, die gegeben wurden, um jetzt die landwirtschaftliche Erzeugung auf die notwendigen Hochleistungen zu bringen. Alle diese vorliegenden Nachrichten stellen immer wieder eine erneute Bestätigung dafür dar, wie richtig die Auffassung des Leiters der deutschen Kriegsernährungswirtschaft Herbert Backe ist, bei der Planung der europäischen Ernährungswirtschaft der Tatsache Rechnung zu tra- gen, daß auch für die Nachkriegszeit mit sicheren Zuschüssen für die europäische Ernährung aus Über- see nicht gerechnet werden kann.

Der Weg der deutschen Agrarpolitik wird deshalb unbeirrbar weitergegangen werden. Dazu gehört immer wieder die Sicherung des notwendigen Nachwuchses für die landwirtschaftlichen Berufe. Hierbei steht erfreulicherweise das Land- volk nicht mehr allein. Gerade jetzt hat der Reichs- jugendführer angeordnet, daß ebenso, wie die Hitler- jugend seit längerem die männliche und weibliche Jugend in Industrie und Handwerk aufsucht und immer wieder neu ausrichtet, auch die Jungen und Mädel im Dorf zu Appellen zusammengerufen werden, um ihnen die großen Ziele nahezubringen. Als Auftakt zu dieser Großaktion der Hitlerjugend fand Mitte Januar in Alt-Reichenau ein Eröffnungsappell statt, auf dem der Reichsjugendführer Axmann und der Reichsbauernführer Oberbeſehlsleiter Backe in Anwesenheit von Gauleiter Hanke zur ländlichen jugend sprachen. Der Reichsjugendführer erklärte u. a., „beim Einsatz der Landjugend in der Erzeu- gungsschlacht handelt es sich um einen Kriegs- einsatz, der nicht wie alle anderen tm großen Rampen- licht der Öffentlichkeit erscheint und dennoch zu den wichtigsten und beständigsten gehört.“ Er dankte der ländlichen Jugend, die neben dem Bauern und der Bäuerin ihre Pflicht trotz ungeheurer Schwierigkeiten getan hat. Der Reichsbauernführer zeigte, wie heute jedem einzelnen unter der deutschen Landjugend eine Aufgabe gestellt ist. „Seid euch klar darüber, meine deutschen Jungen und Mädel“, so erklärte Ober- beſehlsleiter Backe, „daß eure Nachfahren einmal mit euch rechten werden, ob eine große Zeit auch eine große Jugend gefunden hat, die die Aufgaben eines großen Geschlechtes zu lösen verstand. Ihr werdet und ihr müßt es schaffen; denn wenn wir Älteren, die wir bereits einen großen Kampf hinter uns haben, die Fahne aus der Hand legen müssen, dann müßt ihr sie aufpflanzen und neu emporreißen. Darum liegt bei euch die größte Verpflichtung."

Dr. Kurt Heußmann

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Krieg und Kapitalismus

Als Gustav Ruhland vor 30 Jahren für immer seine Augen schloß, verfolgten ihn bis in seine letzten Stunden auf dem Krankeniager die Sorgen um das Schicksal des deutschen Volkes, dessen Bedrohung durch die plutokratischen Großmächte er mit wach- „sender Unruhe verfolgte. Diese Sorge machte ihn zum Vorkämpfer einer straffen Marktordnung zum Schutze und zur Hebung der nationalen Produktions- kraft, insbesondere der Landwirtschaft. Schon in einer seiner ersten größeren Jugendschriften stoßen wir auf den sein ganzes Werk beherrschenden Grund- gedanken, mit eindringlicher Präzision ausgesprochen, wenn er betont: „In dem Maße, als der Grundbesitz aufhört, Basis der Brotversorgung des Volkes zu sein, In dem Maße hängt auch die Zukunft des Staates in der Luft.“ Er ist daher stets der Meinung gewesen, „daß alle agrarpolitischen Weisheiten der Menschen nicht über den alten einfachen Satz hinauskommen werden: DasLand soll in der Regel das Brotgetreide für das Volk bauen.“

Zur Sicherung dieser volkspolitischen Funktion der Landwirtschaft, von der nach Ruhlands nie wankender Überzeugung eine harmonische Entwicklung des ge- samten Volkslebens abhing, forderte er eine Markt- ordnung, für die es „nur einen untrüglichen Maß- stab“ gebe: das Verhältnis zwischen Produktion und Bedarf an Brotgetreide. Ausgangspunkt für diese Forderung war die Erkenntnis der sozialen Be- deutung der Brotpreise als „volkswirt- schaftlicher Lohnregulator‘. Wie in der Tem- peraturkurve des Menschen sich sein Wohlbefinden am sichersten widerspiegelt, so zeichnet für Ruhland die Bewegung der Getreidepreise das Wohlbefinden des Volkskörpers mit absoluter Zuverlässigkeit auf, wobei er zu hohe Getreidepreise als ebenso verderb- lich wie zu niedrige erkannte. So kommt er natur- notwendig zu der Forderung der Bindung der Ge- treidepreise auf mittlerer Linie.

Je mehr sich Ruhland, veranlaßt durch die heftigen Angriffe seiner Gegner, in die Geschichte der Völker und Staaten versenkte, um aus ihr neue Beweismittel für seine Lehre zu schöpfen, um so mehr drängte sich ihm neben der sozialpolitischen Funktion der Marktordnung deren nationalpolitische Bedeu- tung als Waffe im Selbstbehauptungskampf der Völker auf. Er erkennt die Mehrzahl der Kriege als „Lösungsversuche wirtschaftlicher Fragen im kapitalistischen Sinne“. In diesem Zusammenhange weist er, zu seiner Zeit in dieser Beziehung fast allein- stehend, Immer wieder auf die Rolle der USA. als plutokratische Vormacht hin und beobachtet die sich anbahnende. Entwicklung mit geschärfter Aufmerksamkeit. Er erkannte mit untrüglichem

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cnudbemerkungen

Instinkt, daß es mehr war als die Stimme eines Außen. seiters, wenn der nordamerikanische Schatzsekretär Shaw vor den Studenten der Harvard- Universitit in einer Rede, die auch sonst durch ein Gemisch von offener Brutalität und frömmeinder Scheinheiligkeit gekennzeichnet wird, ausführte: „Das neue (20.) Jahrhundert wird Zeuge sein eines erbitterten und riesenhaften internationalen Handelskrieges zwischen England, Frankreich, den Vereinigten Staaten und Deutschland um die Märkte der Welt. Gebe Gott. daß der Krieg unblutig bleibe. Aber er wird genau so heftig und unerbittlich geführt werden wie nur irgendein Krieg in früheren Zeiten.‘ So wird für Ruhland die von ihm geforderte Marktordnung zur Waffe in dem drohenden Existenzkampf des deutschen Volkes, von dessen Unentrinnbarkeit der in Sorge um sein Volk sich verzehrende einsame Denker mehr und mehr überzeugt war, zu einer Waffe, die ebenso unentbehrlich war wie eine starke militärische Rüstung. \

Ruhland ließ sich daher auch keinen Augenblick durch die Friedensbewegung seiner Zeit, durch die mit viel Lärm aufgezogenen Friedenskonferenzen usw., täuschen. Die entscheidende Frage der Friedens- bewegung lautet für ihn: „Wird es gelingen, den heute herrschenden Kapitalismus aus der Gesellschaft zu beseitigen!” Und er betont: „Bleibt das kapita- listische Erwerbssystem herrschend, dann müssen die Zeiten der ewigen Kriege fortdauern trotz aller Friedenskonferenzen.“ Aus dieser Erkenntnis heraus wird für Ruhland die Marktordnung zum Instrument einer Neuordnung der Völkerbeziehungen, das geeignet ist, eine dauerhafte friedliche Zusammen- arbeit zu sichern,

Als Ruhlands Stimme verstummte, stand der Aus- bruch des Weltkrieges, den er kommen sah, unmltte - bar bevor. Seitdem sind dreißig Jahre vergangen, in denen wohl für wenige Jahre die militärischen Waffen ruhten, der Wirtschaftskrieg aber keinen Augenblick unterbrochen wurde; denn der dem deutschen Volke diktierte „Frieden“ war nur die Fortsetzung des Kampfes mit den Waffen in der Form rücksichtsloser wirtschaftlicher Ausbeutung. In dem Augenblick aber, als sich das deutsche Volk unter nationalsozialistischer Führung gegen diese Ausbeutung zur Wehr setzte, entschlossen sich die plutokratischen Großmächte, den Kampf mit den militärischen Waffen wieder aufzunehmen. Es ist das Glück des deutschen Volkes In dem zweiten ihm aufgezwungenen Weltkrieges, daß die nationalsozialistische Staatsführung die kurze ihr verbleibende Atempause mit unübertrefflicher Tatkraft benutzte, um das deutsche Volk für diesen neuen Existenzkampf nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich zu rüsten. Welche Bedeutung dabei der ernährungswirtschaftlichen Marktordnung zu

kommt, Ist In dieser Zeitschrift zur Genüge dargelegt worden, so daß es einer Wiederholung nicht bedarf. Der fast in Vergessenheit geratene Name Ruhlands aber hat durch die nationalsozlalistische Agrarpolitik neuen Klang bekommen; denn sie hat sich stets zu ihm als dem Vorkämpfer einer bodengebundenen Voiksordnung bekannt, dessen wesentliche Gedanken- ginge durch sie in zeitgemäßer Form verwirklicht wurden. So ist aus Ruhlands theoretischer Denkarbeit doch, was er selbst kaum noch zu erhoffen wagte, die lebendige Tat erwachsen, eine scharfe Waffe im Selbstbehauptungskampf des deutschen Volkes und zur Befreiung Europas von der pluto- kraischen Vorherrschaft.

Günther Pacyna

Appelle der ländlichen Jugend

Die totale Kriegführung hat unsere ländliche Jugend in einer bisher noch nicht dagewesenen Weise in die bäuerliche Arbeit auf Hof und Acker eingeschaltet. Überall da, wo Bauern oder Landarbeiter zu den Waffen gerufen wurden, ist nicht nur die Landfrau an ihre Stelle getreten, sondern vor allem auch unsere Jungen und Mädel auf dem Lande greifen stets dort tatkräftig mit zu, wo während des ganzen bäuerlichen Arbeitsjahres schaffende Hände auf den Höfen fehlen. Nach der starken beruflichen Be- anspruchung während des Sommers und Herbstes, auf die der H)J.-Dienst auf dem Lande weitgehend Rücksiche nahm, wird nun die ländliche Jugend in Appellen eine Anerkennung ihrer bisherigen Leistun- gen finden und darüber hinaus zu weiterem Kriegs- einsatz im Dienste des Volksganzen angespornt. Hier soll ihr die Bedeutung des Bauerntums für die Nah- rungsfreiheit und für die biologische Erneuerung unseres Volkes eindringlich zum Bewußtsein gebracht und in unserer dörflichen Jugend das Pflichtgefühl wachgerufen werden, dem Lande aus innerer Über- zeugung treu zu bleiben. Darüber hinaus können diese Appelle das Gemeinschaftsbewußtsein und Zusammengehörigkeitsgefühl der Jugend im Dorf stärken, zumal auch die über 14 jahre alten Jugend, lichen teilnehmen, die bisher noch nicht im H).-Dienst ‘erfaßt sind: Träger der Appelle ist die Hitlerjugend in enger Zusammenarbeit mit den Gau- und Kreis- ämtern für das Landvoik sowie den Landes- bzw. Kreisbauernschaften. Zur festlichen Ausgestaltung werden die Hj.-Spieleinhelten mit ihren Chören, Orchestern und Laienspielgruppen sowie die Musik- und Spielmannszüge herangezogen.

Mit einem Reichsappell der ländlichen Jugend, bei dem Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe und der Reichsjugendführer Axmann zu der Jugend eines niederschlesischen Dorfes sprachen, wurde nun die Reihe der Appelle eröffnet, die in diesem Winter in jedem Dorf durchgeführt werden. Der Reichs- jugendführer legte hier erneut ein eindrucksvolles Bekenntnis der Hitlerjugend zum deutschen Bauern- tum ab und sprach von einem unlöslichen We- sensbündnis, das die Jugendführung mit der Bauernführung verbindet, denn nur ein kämpfe-

risches Bauerntum und eine einsatzbereite Jugend gewährleisten die Verjüngung un- seres Volkes. Das Bauerntum und die Jugend sind auch in ihrem gemeinsamen Bekenntnis zum deut- schen Osten eng verbunden. Oberbefehlsleiter Backe zeigte in seiner Ansprache die Notwendigkeit auf, dem Bauerntum seine jungen Kräfte unbedingt zu erhalten und hob den besonderen rassisch-bluts- mäßigen, ernährungspolitischen und erzie- herischen Auftrag an unsere ländliche ju- gend hervor. Durch die Maßnahmen des bäuerlichen Berufserziehungswerkes ist es heute jedem fähigen Jungen und Mädel möglich, auch ohne besondere schulische Vorbildung und unabhängig von der Finanzkraft der Eltern Im landwirtschaftlichen Beruf

dis zur verantwortlichen Selbständigkeit vorwärts-

zukommen. Daraus ergibt sich die nationalpoll- tische Bedeutung einer geordneten Be- rufsausbildung gerade beim Bauerntum. In der Zukunft soll das wertvollste deutsche Bauernblut nicht wieder wie in der Vergangenheit nach Übersee oder in die großen Städte abwandern, sondern im Dienst an der deutschen Scholle der gesamten Volks gemeinschaft dienen.

Gerade diese schlichte Feierstunde im Walden- burger Bergland wird wie alle die anderen Appelle der ländlichen Jugend zum Kriegseinsatz der HL den Jungen und Mädeln auf dem Dorfe klarmachen, daß berufliches Können, hohe fachliche Leistungen, eine starke charakterliche Haltung und ein lebendiges Gemeinschaftsgefühl alle Schwierigkeiten des Alltags überwinden helfen.

Dr. Albrecht Timm

Df BU AAN.

Deutsche Ostforschung

Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Welt-

krieg. Bd. 2. Herausgegeben vonAubin, Brunner,

Kohte, Papritz. Verlag S. Hirzel In Leipzig, 1943. 642 Seiten.

Die deutsche Wissenschaft und Publizistik der letz- ten Jahrzehnte hat ihr Augenmerk immer wieder auf den Osten gerichtet und auf die großen geschicht- lichen Taten unseres Volkes in diesem Raum hinge» wiesen. Doch dieses Schrifttum ist so weit in Einzel- schriften und Aufsätzen der Zeitschriften aller Wissenschaftsdisziplinen verstreut, daß es bisher schwerfiel, darüber eine schnelle Übersicht zu gewinnen. Es bleibt das große Verdienst dieses Sammelbandes, hier eine erste Zusammenfassung, die zugleich auch eine Würdigung bedeutet, zu bieten. Der erste Band, der Im wesentlichen den Stand der deutschen Forschungen und Beziehungen zum ost- europäischen Raum während des Mittelalters behan- delt, konnte bereits im 1. Jahrgang Nr. 7/8 unserer Zeitschrift angezeigt werden. Der vorliegende zweite Band führt nun diese fruchtbare Arbeit vom Mittel- alter in die Neuzeit fort. Wenn auch die zweite

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deutsche Ostsiediung, wie sie W. Kuhn im Kernstück des Bandes, der 21 Einzelbeiträge namhafter Wissen- schaftler enthält, darstellt, bei weitem nicht die Stärke der mittelalterlichen Bauernsledlungen er- reicht, so ist sie doch bei ihrer Zersplitterung räum- lich ausgedehnter und zeitlich vielschichtiger. Im 17. Jahrhundert bestimmen der niederdeutsche und alpendeutsche Bauernsiedler Stärke und Richtung, im 13. Jahrhundert treten diese mehr großbäuerlichen Landschaften zurück, während nun der Kleinbauer aus den westdeutschen Realteilungsgebieten oder der Häusler und Gärtler aus dem Nordosten die Träger des Siedlungswerkes werden.

Bemerkenswert ist das, was Th. Schieder an sinn- fälligen Beziehungen zwischen ständischer Ofdnung und volkhaft nationalem Bewußtsein bei den Außen- posten des deutschen Volkstums, besonders in den baltischen Ländern und in Siebenbürgen, feststellt. Hier zeigt sich die Stärke des Deutschtums, das seiner Umgebung verfassungsrechtlich und kulturell ebenso überlegen war wie in wirtschaftlicher Hinsicht. W. Kohte macht uns die engen Verflechtungen zwi- schen Volkstumskampf und Wirtschaftsentwicklung deutlich und zeigt, daß die preußische Agrarreform, besonders die Deklaration von 1816, die den Boden veräußerlich machte und mit der Beschränkung der Regulierung die nicht spannfähigen Bauern zu Land- arbeitern stempelte, gänzlich vom Boden löste und in die Städte abwandern ließ, das Vordringen des Slawentums ebenso förderte, wie die einseitige und verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik des 19. Jahr- hunderts es getan hat. Nur deshalb konnte auch der verhängnisvolle EinfluB des Judentums, auf den P.H.Seraphim hinweist, ständig zunehmen und der Jude, der einst im Gefolge der deutschen Bauernsied- ler als Parasit ins Land kam, nun als Erbe des Deut- schen eine beherrschende Stellung im Wirtschafts- leben einnehmen. Th.Oberländer kennzeichnet die agrarische Überbevölkerung und das Vorhanden- sein der Kleinst- und Zwergbetriebe in der Landwirt- schaft bei den slawischen Völkern als durch die alte Bodenverfassung in Rußland die Mirverfassung bedingt. Sie wurde durch eine falsch verstandene Agrar- reform in der Neuzeit nur verschärft, und zum Teil wurden somit marktgebundene Produktionsstätten in halb naturwirtschaftliiche Zustände zurückge- worfen. Die fortschreitende Verarmung ist nur ein Kennzeichen dieser Entwicklung, die allein durch die Verstärkung positiver agrarpolitischer Maßnahmen und durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Groß- deutschen Reich aufgehalten werden kann.

Hier können die vielfachen Probleme, die dieser Sammelband berührt und behandelt, nur angedeutet werden. Verschiedene Arbeiten beleuchten den befruchtenden Einfluß deutschen Geisteslebens und deutscher Kunst, und andere schildern die historische Aufgabe Deutschlands, des Erben Preußens und Österreichs, Js politische Ordnungsmacht. Wichtig sind vor alleın die zusammenfassenden Berichte über den Stand deutscher Volksforschung im ehemaligen Polen, im Baltikum, in Böhmen und Mähren und in Ungarn. Gerade der Südosten Ist in diesem Band ausführlicher behandelt, als es im ersten Band möglich

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war. Jeder Leser muß in diesen Beiträgen erkennen, wie entscheidend die deutsche Arbeit und vor allem die deutsche Bauernarbeit im deutschen Ostraum war und ist, und kann schon aus diesem Leistungs- bericht ermessen, was es heute im Osten zu ver- teidigen gilt.

Dr. Albrecht Timm

Werner Zimmermann

Landwirtschaftszonen in Übersee

Die jetzige Agrarstruktur und ihre Entwicklung. Wilhelm Goldmann Verlag, Leipzig. 132 Seiten.

Gerade während eines Krieges gewinnen agrar- politische und -technische Probleme an Bedeutung, wirkt sich das kriegerische Geschehen doch immer in irgendeiner Form auf die Ernährungsweise der Völker aus und steigert zwangsläufig das Interesse für alle diesbezüglichen Fragen. Während die Tagespresse dazu Stellung nehmen muß, fällt dem agrarwirtschaft- lichen Schrifttum die Aufgabe zu, die großen Ge dankengänge aufzuzeigen, die Synthese aus vielen Bestrebungen und Richtungen zu ziehen und von einer höheren Warte die Probleme zu sehen und zu be- handeln.

Dieser Aufgabe hat sich Zimmermann im Rahmen der Bücherreihe „Weltgeschehen“ des Gold- mann-Verlages unterzogen. Seine einleitenden Be- trachtungen befassen sich mit der Herausbildung der überseeischen Agrarzonen. Damit schafft er die Grundlagen für das Verständnis der nachfolgenden Abschnitte, die sich mit speziellen Untersuchungen über die Entwicklung und Strukturveränderungen in den verschiedenen Kontinenten und Großwirt- schaftsräumen befassen. Gerade diese Untersuchungen haben für weite Kreise besondere Bedeutung, bringen sie doch viel instruktives Zahlenmaterial über Erzeugung, Verbrauch, Ein- und Ausfuhr usw. Darüber hinaus findet man historische Über- sichten, Zahlen über die Bevölkerungs- entwicklung, Siedlungsdichte und schließ- lich geologische und klimatologische Hin- weise. Diese Konzentration von grundlegenden Daten aus dem Wirtschaftsleben gibt die Möglichkeit, sich auch durch das Studium eines Abschnittes über bestimmte Agrarfragen zu orientieren. Aber auch hier muß darauf hingewiesen werden, daß die Gesamt- schau der Probleme im Vordergrund zu stehen hat; denn letztlich sind die wiedergegebenen Zahlen doch nur Ausdruck für eine Entwicklung, die entscheidend beeinflußt wurde von den beiden Weitkriegen dieses Jahrhunderts und allen daraus geborenen oder davon beeinflußten Wirtschaftsepochen. So kommt dem Buch gerade in dieser Hinsicht die größte Bedeutung zu. Es ist ein Beitrag zur Agrargeschichte der Welt, wie sie Herbert Backe, Ferdinand Fried und andere in ihren Standardwerken aufgezeigt haben.

H. Gerdesmann

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INHALT

Staatssekretär Oberbefehlsleiter Herbert Backe: Die historische Mission des deutschen Bauerntums `... 153

Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht (Bildbeilage) ............ n. S. 156

Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke: Aufgaben und Ziele der Technik

in der Landwirtschaft... EE 8 157 Dipl.-Ing. Heinrich von Waechter: Landtechnik im Kriege ER 160 Friedrich Griese: Im alten Dorf ............ CCC 164 Das Gesicht des deutschen Bauern (Bildbeilage-æevrſ:ſ: f n. S. 168 Josef Martin Bauer: Der bäuerliche Veeeẽtiui AMX! .“hhh . en . 170 Dr. Klaus Schmidt: Das Bauerntum in der Dichtung.. ie, ID Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge (Bildbeilage) ............. a Meo L76 Agrarpolitische Rundschau nenn ee 181 Randbemerkungen e 8 Ee EENS Die Buchwacht .............. EN CC

Bildnachweis: Unser Titelbild , Vorfrühling im Mattigtal’' ist eine Aufnahme von Hans Retzlaff, von dem wir auch einen Teil der Photos (6) zur Bildbeilage ‚Das Gesicht des deutschen Bauern“ erhielten; die übrigen stammen von Anna Koppitz (2), Enno Folkerts (1) und aus dem Bildarchiv des Reichsnähr- stands (1). Heinrich von Waechter (9) und das Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft (1) lieferten die Bilder zur Beilage „Landtechnik in der Kriegserzeugungsschlacht''. Von der Landes- bildstelle Sachsen (9) erhielten wir die Photos zur Bildbeilage ‚‚Dorfgemeinschaftshaus im Erzgebirge“

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP. , FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

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Herausgeber

März 1944

HERBERT BACKE:

Jahrgang 2

N Herbert Ba cke

Nummer 6

DIE HISTORISCHE MISSION DES DEUTSCHEN BAUERNTUMS

De gegenwärtige Krieg hat alle bisher

gekannten Ausmaße militärischer Aus- einandersetzungen gesprengt. -Der Kampf geht nicht um das Einzelschicksal eines Volkes, sondern um eine neue gerechte Grundlage des volklichen Miteinander- lebens in der Welt und wird das Gesicht des nächsten Jahrtausends bestimmen. Dieses gewaltige Geschehen erfordert das Letzte an Einsatzbereitschaft von jedem Deutschen, verlangt vor allem das Höchste von unseren Brüdern, Vätern und Söhnen an der Front. Uber den Ausgang dieses Ringens entscheidet dabei zuletzt nicht allein die mengenmäßige, die materielle Überlegenheit, sondern die klare welt- anschauliche Haltung. Allein die welt- anschauliche Festigkeit gibt uns die Kraft, die schwerste Beanspruchung dieses Krie- ges tapfer zu bestehen und jeder vom Führer gestellten Aufgabe gewachsen zu sein.

Die geschichtliche Mission der nationalsozialistischen Bewegung besteht darin, dem deutschen Volke einen unverbrüchlichen Glauben und ein nüchternes Ur- teils vermögen gegeben zu haben

und damit einen Standpunkt, von dem aus

ein weitsichtiges Wissen über die Notwen- digkeit und Schicksalsbedingtheit unseres Kampfes möglich ist. Der Kernpunkt der nationalsozialistischen Welt- anschauung ist die Rassenlehre. Sie

sagt uns, daß keine Gleichheit der Men- schen in der Welt ist, sondern die einzel- nen Rassen verschieden sind, weil ihre Erbmasse verschieden ist und damit das Erreichen einer Kulturhöhe und eines allge- meinen völkischen Leistungsstandes nicht allein von der Erziehung abhängt, wie es der Liberalismus gelehrt hat und wie es der Bolschewismus zu letzter Konsequenz führt, sondern daß die geschichtliche Be- währung eines Volkes im Erbwert seiner Rasse verankert ist. Das deutsche Volk hat damit zu den ursprünglichen und natür- lichen Gesetzen des Lebens zurückgefun- den. Bekenntnis zur Rasse bedeutet letzten Endes ein Bekenntnis zur bäuerlichen Grundhaltung und zur bäuerlichen Herkunft unseres Vol- kes, denn Bauerntum ist damit schließlich Träger aller völkischen Schöpfunskraft, weil es der Erhalter unseres Blutes ist. Bauerntum ist damit auch Träger unserer Wehrkraft.

Deutschland ist nicht nur das Land der Dichter und Denker, sondern auch das Land ausgeprägter soldatischer Haltung. Wahr- haft soldatische Haltung aber hat nichts zu tun mit Freibeuterei, mit reiner Lust am Waffenhandwerk an sich, hat nichts zu tun mit imperialen Eroberungsgelüsten. Wahrhaft soldatische Haltung will Volk und Heimat schützen und dem wachsenden Volk den notwendigen Lebensraum zur Er- zielung seiner völkischen Aufgabe ge-

winnen. Diese Art soldatischer Hal- tung ist erstanden aus der germa- nisch-bäuerlichen Geschichte. Der bodenständige Bauer lebt in einer fest-

gefügten Ordnung von Familie, Sippe und

Volk. Er müht sich um sein Land, er pflegt es, aber er beutet es nicht aus. Er ist zu- tiefst mit seiner Scholle verbunden, aber er wandert nicht von Ort zu Ort. Er unter- wirft sich den Gesetzen der Natur, er hat in täglicher harter Arbeit die Gesetze der Auslese kennengelernt, er schöpft Kraft aus dem Zusammenhang seiner Sippen- und Volkszugehörigkeit. Er ist also das Gegen- teil des nomadischen Menschen, der nur dem Raub, der Ausplünderung, dem Gegen- wärtigen lebt. Aus dieser Einstellung er- wächst aber auch der Wille, seinen Boden, sein Geschlecht, sein Volk vor jedweder Gefahr zu schützen. Dieses Gesetz eines wahrhaftigen Soldatentums war allen germanischen Völkern ge- meinsam. Es hat seine klare Prägung im sogenannten germanischen Bauernkrieger- tum gefunden. Die Geschichte der vergan- genen zweitausend Jahre zeigt uns, daß diese bäuerliche Lebenshaltung, diese bäuerliche Wehrhaftigkeit die unerschütter- lichen Grundlagen eines Staates sind. Sparta ging zugrunde, Rom ging zugrunde, als sich ihr Bauerntum erschöpfte. Auch das mittelalterliche Kaiserreich war schließ- lich zur Ohnmacht verurteilt, als es sich nicht mehr auf die lebendigen Kräfte des Bauerntums stützte. Es ist die Tragik der deutschen Geschichte, daß mit der Tren- nung der Stände und mit dem Aufkommen des feudalen Ritterdienstes der schwert- kundige Bauer aus dem geschichtlichen Leben ausgeschaltet wurde. Feudal- herren und Kirche vernichteten die volkliche Wehrkraft, um die bäuerlichen Massen um so einfacher und leichter arbeitsmäßig ausnutzen zu können. Und die kaiserliche Macht, die Reichs- macht fand nicht die Kraft, das politische Streben des deutschen Bauerntums in seine abendländische Mission einzuspannen. Etwa seit dem 11. Jahrhundert ist der Bauer als Träger des Waffenrechtes ausgeschie- den. Dieser Vorgang ist zweifellos der letzte entscheidende Grund an dem Zu- sammenbruch der zeitweilig so glanzvollen

154

Herrschaft des mittelalterlichen deutschen Kaisertums.

Der deutsche Bauer hat sich mit allen Kräften, zuletzt im Großen Bauernkrieg, gegen seine Ausschaltung aus der Ge- schichte gewehrt. Wenn wir heute die Dokumente der großen bäuerlichen Auf- stände der letzten Jahrhunderte studieren, so erkennen wir mit tiefer Erschütterung, daß hier revolutionäre Kräfte am Werk waren, den feudalen Partikularismus zu zerschlagen und dem Reichsgedanken zu neuem Aufstieg zu verhelfen. Die bäuer- lichen Aufstände gegen die herr- schenden Gewalten gingen erstin zweiter Linie um eine soziale Besserstellung, es war ein Kampf um die Idee des Reiches und um die Teilnahme des Bauerntums am ge- schichtlichen Leben der Nation.

In diesen Kämpfen ist das Bauerntum da- mals unterlegen. Nachdem der Truchseß von Waldburg die letzten Bauernheere niedergeworfen hatte, war das deutsche Bauerntum in seiner Wehrkraft jabr- hundertelang als politisch tragender Faktor ausgeschaltet. Bäuerlicher Wehrwille aller- dings hat sich in dieser Zeit immer aufs neue bewährt. Wir wissen, daß die Lands- knechtsheere, die schließlich auch dem feu-

dalen Ritterheer den Garaus machten, sich

überwiegend aus bäuerlichen Menschen zusammensetzten. Das überzugendste Beispiel bäuerlicher Wehrhaftig- keit aber finden wir in den großen Siedlungsbewegungen in den ehe- maligen Randgebieten, den Mar-

ken des Reiches, vor allem in der

Ostsiedlung, die angestammten germa- nischen Volksboden dem Deutschtum zu- rückeroberten. Die deutsche Ostsiedlung wird für alle Zeit ein bleibendes Dokument nicht nur für die kolonisatorischen Fähig- keiten des deutschen Bauern sein, sondern auch für seine wehrhafte, kämpferische Gesinnung. Zwar haben die Ritterheere des deutschen Ordens und der Volksherzöge, Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär, die Eroberung der Ostgebiete im wesent- lichen getragen, die Sicherung des ge wonnenen Landes aber ist eine Leistung des deutschen Bauerntums. Wir finden hier das beste Beispiel für die geschichtliche

Tatsache, daß das Schwert allein niemals

eine dem Volke wesensgemäße Herrschaft

zu errichten vermag, daß durch das Schwert allein niemals der Bestand eines Volkes gesichert ist, sondern daß erst der Pflug, des Bauern Arbeit, Raum und Boden endgültig für ein Volk gewinnt. Die Runddörfer im ostdeutschen Raum, die Bauernburgen im Südosten, die bäuerliche Militärgrenze der alten öster- reichisch-ungarischen Monarchie sind Zeu- gen eines stillen, zähen Kampfes bäuer- licher Menschen um Boden und Volkstum.

Mit der Bildung der Nationalstaaten ist auch das Bewußtsein von der politischen Bedeutung eines wehrhaften Bauerntums wieder gewachsen. Welche Heimatliebe, welche volkliche Kraft zeigt sich doch in dem Fahnenspruch des bäuerlichen Land- sturms des Großen Kurfürsten, als es galt, brandenburgische Erde gegen den Einfall der Schweden zu verteidigen. „Wir sind Bauern von geringem Gut und dienen unserern gnädigen Kurfürsten mit unserem Blut.” Mit diesem Schwur standen die Bauern der Mark auf und wagten den letz- ten Einsatz um den Frieden ihrer Heimat und um das Lebensrecht ihres Volkstums. Mit dem Kantonsreglement Fried- rich Wilhelms des Ersten wurde der erste bescheidene Schritt zur allgemeinen Wehrpflicht und damit einer neuen Akti- vierung der bäuerlichen Wehrkraft getan. Der Soldatenkönig und Friedrich der Große haben diese Entwicklung wei- ter gefördert, die dann der Freiherr vom Stein, Schärnhorst, Gneisenau, Ernst Moritz Arndt und andere bis zum Werk der Bauernbefreiung führten, „Lasset den Bauern frei sein auf seinem Eigentum, denn nur der freie Mann weiß seinen Staat zu verteidigen", so schrieb Freiherr vom Stein, und Ernst Moritz Arndt schließ- lich erhob die leidenschaftliche Forderung: „Einer der großen Punkte, warum ich so für den Bauern spreche, ist, daß der Bauer ‚nicht allein jederzeit der Fähigste ist, die Waffen für sein Land zu führen, sondern

daß er auch immer der Bereiteste ist, es zu

tun. Je mehr freie Bauern ein Land zählt) desto schwerer ist es zu unter jochen.“ Die

Militärgeschichte zeigt uns, daß in dem da-

mit eingeleiteten Zeitalter der „Völker in Waffen’ wiederum das Bauerntum das

Fundament der völkischen Wehrkraft bil- det. Das kinderreiche Bauerntum hat seit jener Zeit bis in die Gründerjahre fast aus- schließlich das Aufgebot der deutschen Armee gestellt. Kein Geringerer als Bis- marck hat nach seiner Entlassung, als er die verheerenden Folgen des damaligen politischen Kurses der einseitigen Indu- strialisierung unter Vernachlässigung der Landwirtschaft voraussah, folgende bleiben- den Worte als politisches Vermächtnis dem deutschen Volke hinterlassen: „Der Bauer ist der Kern unserer Armee, der auch in Not und Drang aushält, denn er ist mit dem Lande verwachsen und hat schon aus Selbsterhaltungstrieb ein Interesse an der Erhaltung. Ohne Bauernstand kein

Staat und keihe Armee.“

Dieser Wiedereintritt des Bauerntums als politisches Element in die Geschichte unse- res Volkes hat durch die liberalistischen Wirtschaftsmethoden eine neue Rück- setzung erfahren. Aber auch bis zum Welt- krieg ist nach den Rekrutierungsstatistiken der Tauglichkeitsgrad -der ländlichen Be- völkerung wesentlich höher als der der Städte. Dabei ist diese Statistik für die Bedeutung der bäuerlichen Wehrkraft gar nicht entscheidend, denn wir wissen, daß die besten und aktivsten Menschen des Landes in die Städte abwandern mußten bzw. durch Auswanderung dem Volke überhaupt verlorengingen, weil der eigene Staat ihnen keine Arbeitsmöglichkeiten und gesunde Lebensbedingungen zu geben ver- mochte. Hier hat sich das Gesetz der Aus- lese gegen uns selbst gewendet. Die Ab- wandernden stellten zweifellos eine Auslese des Landes dar, es waren jene Bauern und Bauernsöhne, die sich nicht mit der wirt- schaftlichen Beeinträchtigung des Land- volkes abfinden wollten, die aus der eige- nen Verantwortung heraus es ablehnten, sich mit zuwenig Land und einem zu klei- nen Hof brachlegen zu lassen. Aber diese bäuerlichen Menschen, die in die Städte abwanderten oder ins Ausland gingen, sind ein Teil der Blutskraft des Landes. Wenn sie auch von der Stadt her zur Wehrmacht kamen, sie waren auf dem Lande auf- gewachsen und Glieder des Bauerntums. Eines wollen wir nicht vergessen: Über die Wehrkraft eines Landes entscheidet letzten Endes die Kinderzahl. Je kinderreicher die

155

Familien, desto stärker der Strom jener, die sich unter den Fahnen sammeln. Der -Kinderreichtum aber und das ist das Eptscheidende der bluts- mäßig, rassenmäßig wertvolle Kin- derreichtum ist immer noch beim Landvolkundbeiallden Millionen, die auch in der Stadt aus bäuer- licher Wurzel stammen und ihr treu geblieben sind.

Mit der liberalistischen Wirtschaft be- gann nun in großem Ausmaß eine wirt- schaftliche Verelendung des Landvolkes.

Der bisher bestehende Kinderreichtum ging

merklich zurück, und die ungeheure arbeits- mäßige Uberanstrenqung führte zu schwe- ren körperlichen Schädigungen. Für die Wehrkraft mußte dieser Vorgang von ein- schneidender Bedeutung sein. Die Rekru- tierungsleistungen des Landes ließen nach. Wenn hier bisher ausschließlich von den blutsmäßigen Leistungen des Bauerntums für die Wehrkraft des Reiches gesprochen wurde, so soll damit in keiner Weise die Bedeutung der wirtschaftlichen Arbeit für das militärische Durchhaltevermögen unse- res Volkes herabgesetzt werden. Mit leerem Magen marschiert auf die Dauer keine Armee. Unsere Generation hat im ersten Weltkrieg dieses in bitterem eigenem Leid zu spüren bekommen. b

Der Liberalismus hat also den Wiedereintritt des Bauerntums in die Geschichte unterbrochen. Erst der Nationalsozialismus hat aus seiner Idee und den Lehren der Geschichte die ent- scheidende Konsequenz gezogen. Immer wieder hat der Führer darauf hin- gewiesen, daß er im Bauerntum die Grundlage unseres Volkes sieht, daß das Bauerntum Blutsquell unseres Vol- kes und sein Ernährer sein muß. Indem der Nationalsozialismus die natürlichen Ge- setze des volklichen Lebens zur grundsätz- lichen Lehre erhob, anerkannte er auch die Bedeutung des Bauerntums für das völki- sche Schicksal unserer Nation. Wenn die Vorsehung den deutschen Bauern seit dem Mittelalter aus dem aktiven geschichtlichen Geschehen verbannte, so hat der National-

sozialismus den bäuerlichen Geschichts-.

willen wieder zum tragenden Element des deutschen Lebens gemacht. Das deutsche Landvolk ist sich dieser hohen ge- schichtlichen Mission bewußt. Es setzt gegen die artvernichtenden Theorien des Liberalismus und da-

156

mit letzten Endes des Bolschewis- mus die arterhaltenden Gesetze der Rasse, des Volkstums, der schöpferischen Kraft der Persön- lichkeit. Es setzt gegen den Massenwahn, gegen den Kollektivismus die persönliche Leistung, die in der volksverbundenen Ver- pflichtung höchste Erfüllung findet. Der Vernichtungswille des Feudalismus und des Liberalismus haben die Kraft des deutschen Bauerntums nicht brechen können. Indem der Nationalsozialismus dem Landvolk seine geschichtliche Mission zurückgab, fand es sich auch wieder in der Bereit- schaft zu geschichtlicher Tat.

Die bisher die Lebenskraft des deutschen Volkes einschränkende Raumenge ist durch die unvergänglichen Taten unserer Sol- daten überwunden. Der Boden für eine gesunde Ausbreitung unseres Volkes ist gewonnen. Nun kommt es darauf an, das Gesetz zu erfüllen, nach dem allein der gewonnene Raum deutscher Heimatboden als Pflegestätte zahlreicher Geschlechter werden kann. Deutsch wird das neue Land nur, wo neben dem Schwert der Pflug geführt wird. Erst ein starkes, seiner blutsmäßigen Auf- gabe bewußtes und sozial gesundes Bauerntum wird in diesen neuen

Räumen zu einem Quell uner- schöpflicher Volkskraft und zu einem sicheren Bollwerk gegen

jede Bedrohung von außen. Bäuer- liche Siedlung wird damit nicht nur eine Angelegenheit der bäuer- lichen Männer und Frauen und der Jugend, sondern eine hohe Ver- pflichtung für das ganze deutsche Volk. Dabei ist es aus unserer welt- anschaulichen Haltung als Nationalsozia- listen heraus selbstverständlich, daß wir damit nicht nur einer mengenmäßigen Vermehrung des Landvolkes das Wort sprechen, sondern ‚gleichzeitig auch einer Auslese der Erbmasse nach. Sind wir bereit, uns diesen biologischen Gesetzen folge- richtig zu unterstellen, so ist es unnötig, sich über die notwendigen wirtschaftlichen Leistungen des Landvolkes für die Unab- hängigkeit des Reiches weiter auszulassen. Bewältigen wir die blutsmäßigen Aufgaben, dann lösen sich die wirtschaftlichen von selbst. Pflug und Schwert aber werden so zu den ewigen Sinnbildern des Kampfes, nach dem wir Nationalsozialisten ange- treten sind!

Z/ANDTECHNIK

nder Kriegserzeugungschlacdt

Auf der ersten Seite zeigen wir im Bilde oben einen Anhänge-Schlepperpflug, im unteren Bild einen Klein- schlepper, der in einem 25-ha-Betrieb eines Bauern nach und nach die ganze tierische Zugkraft vier Ochsen verdrängte. Dafür werden 10 000 bis 12 000 Liter Milch mehr erzeugt. Außerdem wurde durch den Schlepper das Ackergrünlandverhältnis umgekehrt (früher 30: 70 %, heute 65: 35%) und dadurch die zusätz- liche Futterbasis für 35 Schweine geschaffen Die rasche Vermehrung der Schlepper zog die Entwicklung geeigneter Anhänge- und Anbaugarnituren nach sich; insbesondere beim Kleinschlepper sind die Anbaugarnituren von Vorteil, da sie vom Führersitz aus leicht zu bedienen und sehr wendig sind (s. Bild oben). Der Gummiwagen bringt eine Zugkraftersparnis bis zu 50% und erhöht dadurch die Zugkraft des Betriebes erheblich. Die Transportentfernungen schrumpfen zusammen. Oft bildet der Gummiwagen in Verbindung mit dem Vielfachgerät die Voraussetzung für die Ausweitung des Hackfruchtanbaues (s. Bild unten)

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Durch vielseitige Verwendbarkeit des Vielfachgerätes, wie wir es im Bilde oben zeigen (verschiedene Arbeitsgänge in Hackfrucht und Getreide), ist der Aufwand an Material und Anschaffungskosten relativ gering, Zeit- und Arbeitsersparnis dagegen durch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Reihen sehr erheblich In den meisten Gebieten des Reiches kann durch Zwischenfruchtbau nach Getreide noch eine Futterernte eingeschoben werden. Rasche Aussaat unmittelbar nach der Getreideernte ist dabei besonders wichtig. Neuentwickelte Geräte (Bild links unten) führen die Bearbeitung der Stoppel und die Futteraussaat in einem Arbeitsgang durch. Neuzeitliche Kartoffel-Erntemaschinen (Bild unten rechts) leisten so saubere Arbeit, daß bei richtiger Bedienung nur minimale Ernteverluste entstehen

Transportanlagen beschleunigen die Ernte-

bergung und setzen damit das Ernterisiko herab,

sie sparen Arbeitskräfte in einem besonders kritischen Zeitpunkt

Die Einsäuerung der Futterkartoffeln verhindert den Verderb, gestattet die Verfütterung zu be

liebiger Zeit und spart die täglich zeitraubende Arbeit des Dämpfens (letzteres besonders wichtig für den Familienbetrieb)

HANS-JOACHIM RIECKE:

Aufgaben und Ziele der Technik in Oer Landkwirt/chaft

D* Begriff „Technik in der Landwirtschaft” soll sich im Sinne dieses Aufsatzes nicht allein auf den Einsatz von Maschinen und Ge- räten im landwirtschaftlichen Betriebe be- schränken; der Begriff sei hier erheblich weiter gefaßt. Mit einbezogen werden sollen alle Teile der Betriebsausrüstung, die in ihrem Arbeits- ergebnis an die Stelle einer Maschine oder eines Gerätes treten können. Ein Beispiel dafür, wie dies gemeint ist, ist die Hochfahrtscheune, die in ihrer Entstehung eine Bauangelegenheit ist, buchmäßig zum Gebäudekapital gehört, aber-im Arbeitsergebnis einen Höhenförderer oder eine Greiferanlage erspart. Ein weiteres Beispiel sind die Heutrocknungsgerüste, die bei richtigem Einsatz Schwadenrechen und Heu- wender ganz oder zum Teil ersetzen, ohne selbst im eigentlichen Sinne Arbeitsgeräte zu sein. Eine ähnliche Rolle in der Landtechnik spielt auch der Silo. Doch möge es mit diesen Beispielen genug sein. Sie werden genügen, um aufzuzeigen, in welchem erweiterten Sinne in diesem Aufsatz der Begriff Landtechnik ausge- legt werden soll,

Die Aufgabenstellung für einen so umfassend gesehenen landtechnischen Einsatz ergibt sich klar und folgerichtig aus den beiden großen Zielsetzungen der deutschen Agrarpolitik: Nah-

rungsfreiheit und Sicherung des Landvolkes als-

Blutsquell der Nation! Die Landtechnik hat also einmal und das ist wohl stets klar gewesen der Intensivierung der Landwirtschaft zu dienen, zum an- dern hat sie die Aufgabe und das ist in der vergangenen Zeit keineswegs immer genügend beachtet worden —, die Arbeit des Lan d- volkeszu erleichtern und die täglichen Arbeitszeiten, insbesondere der Landfrau, auf ein normales Maß zu verkürzen.

Das klassische Beispiel für die Erfüllung der ersten Aufgabe ist der gummibereifte Acker- schlepper, mit dessen Hilfe erst der Betrieb über die Zugkraftreserve verfügt, die nötig ist, um die bei intensivster Ackerwirtschaft auftretenden Arbeitsspitzen (Stoppelschälen, Zwischenfruchtbau, rechtzeitige Winterfurche

usw.) zu brechen. Darüber hinaus ermög- licht der Ackerschlepper die Ausdehnung des Hackfrucht- und Gemüsebaues, und schließ- lich macht er durch Einsparung von tierischen Zugkräften bisherige Futterflächen für die un- mittelbare menschliche Ernährung oder für die vermehrte Haltung von Nutzvieh frei. Der gummibereifteAckerschlepperist also ein Intensivierungsfaktor ersten Ranges. Die Fortsetzung der durch den Krieg unterbrochenen Motorisierung der Landwirtschaft wird die Erreichung einer wesentlich höheren Intensitätsstufe in der deut- schen Landwirtschaft zur Folge haben. Die Ent- wicklung in der Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe neuer oder verbesserter Geräte gebracht, die einer inten- siveren Landbewirtschaftung zugute gekommen sind, so als besonders markante Beispiele das Vielfachgerät und die verschiedenen Kartoffelvorratsrode’r. Wenn auch die ertragsteigernden Wirkungen nicht immer so klar erkennbar sind wie bei diesen und bei den Ackerschleppern, so ließe sich doch noch eine ganze Reihe anderer Maschinen und Ge- räte anführen, an denen gezeigt werden kann, wie stark die Landtechnik ertragfördernd zu wirken in der Lage ist.

Die Aufgabe, Beiträge zur Intensivierung zu leisten ist wie gesagt auch in der Ver- gangenheit richtig gesehen worden. Sehr viel weniger ist dies jedoch wie ebenfalls bereits bemerkt bei der zweiten Aufgabe des Ein- satzes der Technik zur Arbeitserleichterung und Arbeitszeitersparnis der Fall gewesen. Wenn überhaupt davon die Rede war, dann nur im Zusammenhang mit der Frage, wie man die dem Land entzogenen Arbeitskräfte durch ver- stärkten und verbesserten Maschineneinsatz ersetzen könne. Die Landtechnik lief also ge- wissermaßen hinter der Landflucht her, und das ist gerade das Gegenteil von dem, was sie hätte tun sollen, denn richtig eingesetzt ist sie eines der wichtigsten Mittel gegen die Land- flucht. Schaffen wir durch den Einsatz der Technik bessere Arbeitsbedingungen auf dem

157

Lande, so wird der Landflucht eine der bisheri- gen Triebkräfte genommen. Leisten wir mit einer Maschine die Arbeit in kürzerer Zeit und in erleichterter Form als bisher, so kommt dies nicht nur der Betriebsintensität zugute, sondern auch dem arbeitenden Menschen selbst. Hier ist oft auch mit kleinen Mitteln sehr viel zu er- reichen. Wie viele Maschinen gibt es heute noch auf dem Acker, an denen sich mühelos ein Sitz für den Gespannführer anbringen ließe und bei denen es aus reiner Denkfaulheit bis- her noch nicht geschehen ist. Es fördert weder das Arbeitstempo noch die Arbeitsfreudigkeit, wenn man so ohne Not den Bauern und Land- arbeiter viele Stunden über den Acker laufen läßt, obwohl er ebensogut fahren könnte. Noch sehr viel mehr Möglichkeiten, Arbeit zu er- leichtern und die für sie aufzuwendende Zeit zu kürzen, als auf dem Felde, gibt es auf dem Hofe. Daß dies oft mit kleinen Mitteln möglich ist, zeigen die Beispielsbetriebe des Reiehskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft (RKTL.).

Intensivierung, Arbeitserleichterung und Ar- beitszeitverkürzung das sind also die großen Parolen für die Landtechnik. Welche Arbeits- ziele ergeben sich nun im einzelnen daraus? Ehe davon gesprochen werden kann, muß noch etwas anderes klargestellt werden. Die Agrar- gesetzgebung hat den Erbhof, also den Bauern- hof, als Kernstück der Landwirtschaft heraus- gestellt. Dem muß nun endlich einmal auch die Landtechnik Rechnung tragen. Seine des Erbhofes technische Ausrüstung muß im

Vordergrund der landtechnischen Entwick- lungsarbeit stehen. Deshalb braucht die Techni- sierung des Großbetriebes durchaus nicht ver- nachlässigt zu werden. Sie ist aber bereits sehr weit fortgeschritten, während auf dem Bauern- hofe oft nicht weniger als alles nachzuholen ist. Sicher wird der Großbetrieb noch auf manchem technischem Gebiet Träger des Fort- schrittes sein müssen; aber wir müssen auf der Grundlage unserer Agrar- gesetzgebung jetzt vorallem for- dern, daß alle entwicklungstrei- benden Stellen sich erheblich mehr alsbisher für den Bauernhof und seine technische Ausrüstung interessieren. Auch der genossenschaft- liche Einsatz der großen Maschine bringt keine Totallösung; er bleibt auf bestimmte Arbeits- gebiete beschränkt, vor allem auf solche, deren Erledigung sich zeitlich nicht eng zu- sammendrängt (Drusch, Saatqutreiniqung usw.). Wir brauchen unmittelbar für den Bauern- betrieb konstruierte Maschinen und nicht, wie es bisher so manches Mal der Fall war, schlechte und unzulängliche Verkleinerungen von im Großbetrieb bewährten Maschinen. Deren Leistung ist meist schlecht, und erst nach langem Umkonstruieren entsteht das, was der Bauer braucht. Man hat scheinbar noch nicht

158

überall begriffen, wie sehr sich auch rein tech-

nisch die Zeiten gewandelt haben. Lokomobile

und Dampfpflug waren nicht zu verkleinern und daher auch nicht für den Bauernbetrieb einsetz- bar. Sie bleiben allein dem Großbesitz vorbe- halten, (Wobei hier nicht untersucht werden soll, wieweit die Tieffurche des Dampfpfluges wirklich ein Fortschritt war.) Kleinschlepper (mit Anbaugeräten) und Elektromotor haben aber nunmehr alle Voraussetzungen für die technische Ausrüstung des Bauernhofes ge- schaffen. Es gilt nur noch, die letzten Folge-

rungen daraus zu ziehen.

Wenn so die technische Ausrüstung des Bauernhofes als erstes Arbeitsziel der Land- technik herausgestellt wird, so höre ich bereits den Einwand: „Das, was du da willst, ist das Ende des Bauerngedankens, das bedeutet die Entseelung des Bauern.“ Es gibt nun einmal immer noch Leute, die sich den Bauern an- scheinend nur in der Primitive lebend vorstellen können und (leider deht die bildende Kunst auch noch meist diesen Weg) ihn am liebsten nur mit der Sense und dem Holzpflug sehen. Solche Bilder mögen den Hang des Beschauers zur Romantik fördern; das Verharren in dieser Beschaulichkeit würde jedoch bedeuten, daß der deutsche Bauer im Gegensatz zum ganzen übrigen Volk keinerlei Anteil an den Erfolgen der Technik haben soll. Das kann unmöglich vertreten werden. Ebensowenig wie der Uber- gang von Schwert und Lanze über Gewehr und Kanone zum Panzerwagen und Flugzeug dem Geist des deutschen Soldaten geschadet und ihm auch nur etwas von seinen militärischen Eigenschaften genommen haben, ebensowenig werden Schlepper und Motor dem wahrhaft bäuerlichen Menschen etwas von seinem inneren Wesen nehmen. Im Gegenteil, der Bauer, der sich bei richtig durchgeführter tech- nischer Ausrüstung seines Hofes nicht mehr von klein auf und von früh bis abends krumm und schief zu arbeiten braucht, dem auch ein- mal nach leichterer und kürzerer Tagesarbeit einige besinnliche Minuten bleiben, der wird weit mehr unserem Ideal vom königlichen Bauern entsprechen als mancher Bauer der letzten Vergangenheit, der nicht mehr war als sein eigener schlecht bezahlter Knecht. Daß die Erreichung dieses Zieles nicht allein eine Ange- legenheit der Landtechnik ist, wissen wir selbst- verständlich; sie kann aber zu einem gehörigen Teil dazu beitragen. Also keine falsch ver- standene Romantik, die ja meist nur von Men- schen vertreten wird, die ihrerseits nicht einen einzigen Tag lang hinter dem Pflug hergegangen sind, sondern, sobald der Weg wieder fiei ist, mit allen Kräften heran an die technische Ausrüstung des Bauernhofes! Wir glauben daran, daß unser Bauerntum im tiefsten Grunde noch stark und gesund genug ist, um sich die Technik dienstbar zu machen!

Und nun noch einige Worte zu den Arbeits- zielen der Landtechnik im einzelnen, wie sie sich nach Kriegsende ergeben werden! Vorab muß alles geschehen, was der Verlagerung von der Handarbeit zur Gespann- arbeit und von dieser zur Schlep- perarbeit dient. Größte Ausweitung des Schleppereinsatzes, vor allem des Klein- schleppers, muß an der Spitze des Programms stehen. Hand in Hand damit muß die Entwick- lung der dazugehörigen Anbaugeräte gehen. Fast noch wichtiger als der Schlepper ist der vermehrte Einsatz des gummibereiften Acker- wagens. Seine Vorzüge sind nicht so in das Auge fallend; er bringt aber die Landwirt- schaft ist nun einmal ein Transportgewerbe wider Willen täglich und stündlich so viele Arbeits- und Kraftersparnisse, daß er unbedingt mit an die Spitze aller Programme zu stellen ist.

Bei der Entwicklung aller übrigen Maschinen und Geräte wird es meist nicht nur um das Herausbringen einzelner vorteilhafter Spezial- maschinen und Geräte gehen, sondern im Vordergrund muß die Entwicklung ganzer ge- schlossener Arbeitsverfahren stehen. Engste Zusammenarbeit zwischen Indu- strie und Landwirtschaft, Wissen- schaft und Praxis istdazu erforder- lich. Gute Beispiele, wie vorgegangen werden soll, bieten die in Zusammenarbeit mit dem RKTL von Prof. Dencker bzw. Prof. Knolle durchgeführten Entwicklungsarbeiten für Kartoffel- und Rübenkulturgeräte. In beiden Fällen hät man sich nicht mit dem Heraus- bringen von Einzelgeräten begnügt; es wurden vielmehr von der Bestellung bis zur Ernte und zum Abtransport Gesamtarbeitsverfahren ent- wickelt, und zwar bisher mit bestem Erfolg und taschem Eindringen in die Praxis. In diesem Sinne muß nach dem Kriege weitergearbeitet werden. Hand in Hand mit der Aus- weitung der Intensivkulturen durch geeignete technische Maß- nahmen wird dabei die Ausschal- tung bzw. die Erleichterung der FrauenarbeitaufdemFeldestehen. Während des Krieges kann selbstverständlich auf die Frauenarbeit auf dem Felde nicht ver- richtet werden; im Gegenteil, die Frau muß nur zu oft den fehlenden Mann ersetzen. Die Sorge für ein gesundes Bauern- und Landarbeitertum verlangt aber nach dem Kriege gebieterisch, daß die Technik in der Feldwirtschaft Mittel und Wege findet, die Frauenarbeit auf leichte und der Leistungsfähigkeit der Frau angepaßte Arbeiten zu beschränken. Die erwähnten Kar- toffel- und Rübenbearbeitungsverfahren sind auch hierfür bereits beispielhaft.

Daß das Arbeitsfeld der Landtechnik auf dem Hofe noch größer ist als auf dem Feld, wurde bereits gesagt. Einsatz des Elektro- mototzaufder ganzen Linie isthier

lenkt und fördert.

nach dem Kriege Trumpf. Die Entwick- lung der Tarife für elektrischen Strom, wie sie sich vor dem Kriege angebahnt hat, muß Schrittmacher dafür sein. Vorbildlich hat hier das Märkische Elektrizitätswerk mit der Land- wirtschaft zusammengearbeitet und gezeigt, was sich bei derartiger Zusammenarbeit erreichen läßt. Auch bei der Hofarbeit wird es sehr oft nicht nur auf den Einsatz von neuen Geräten, sondern auf die Entwicklung von Arbeitsver- fahren verbunden mit Umbaumaßnahmen an den Gebäuden ankommen. Daß mitunter mit kleinen Mitteln viel zu erreichen ist, dafür ein Beispiell Für die oft versuchte Lösung des Transportproblemes des Stallmistes auf dem Hofe scheint mir die Handkarre mit Gummirad in Verbindung mit leicht verlegbaren Rampen vorerst noch sehr viel zweckmäßiger, als alle bisher erfundenen Transportvorrichtungen und Kräne. Es kann einen oft das Grausen packen, wenn man die Eisenmengen sieht, die um einen Misthaufen herum aufgebaut worden sind und die in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis stehen. Von weiteren Beispielen sei abgesehen. Es kommt im Rahmen dieses Aufsatzes nur auf das Herausschälen der wichtigsten Gesichts- punkte an. Noch mehr als auf dem Feld steht auf dem Hofe aller Einsatz der Technik unter dem Motto: Arbeitsersparung und Arbeits- erleichterung, insbesondere für Bauern- und Landarbeiterfrau. Die gute technische Aus- rüstung des Hofes ist wohl das wichtigste Kapitel in dem großen Werke der Dorfauf - rüstung.

Damit glaube ich die wichtigsten Gesichts- punkte herausgestellt zu haben. Eine Bemer- kung möchte ich als Vorsitzender des RKTL. abschließend noch machen, ohne pro domo zu sprechen: In letzter Zeit sind wiederholt Stim- men laut geworden, die eine neue Stelle for- dern, welche die Entwicklung der Landtechnik Es wird dabei meist über- sehen, daß diese Stelle im RKTL. ja längst vor-

‚handen ist. Im RKTL. sind Industrie und Land-

wirtschaft vereint, und die wenigen Jahre wirklicher Entwicklung, die zwischen dem Ver- fall der Landwirtschaft und dem Kriege geblie- ben sind, haben gezeigt, daß das RKTL. durch- aus in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen. Daß es dabei nicht immer in der Offentlichkeit hervorgetreten ist, liegt in 'seiner Arbeitsweise begründet und ist meines Erachtens kein Feh- ler. Daß es während des Krieges durch Erfüllung anderer kriegswirtschaftlicher Aufgaben in seiner eigentlichen Tätigkeit stark behindert ist, wird von mir selbst am meisten bedauert, ist aber nicht zu ändern. Dieser Zustand wird nach dem Kriege auch sehr bald abgeändert werden. Es bedarf also durchaus keiner neuen Lenkungsstelle für die Landtechnik, sondern ist nur nötig, daß diejenigen, die bisher abseits ge- standen haben, recht bald den Anschluß an die Arbeit finden,

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HEINRICH VON WAECHTER:

J_ANDTECHNIK IM KRIEGE .

Ire ausreichende Versorgung der deutschen Landwirtschaft mit technischen Betriebs- mitteln und insbesondere mit Maschinen und Geräten aller Art stellt eine der notwendigen Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Nahrungsmittelerzeugung dar. Aus diesem Grunde werden auch noch heute, im 5. Kriegs- jahr, in jedem Quartal sehr erhebliche Material- mengen auf die Herstellung von neuen Land- maschinen und Geräten sowie von Ersatzteilen verwandt. Wenn trotzdem bei weitem nicht alle Wünsche der Praxis erfüllt werden können, so liegt das ua. vor allem daran, daß die In- vestitionsfreudigkeit der Landwirtschaft heute aus naheliegenden Gründen besonders stark ist und an dem Wunsch, den Betrieb unter gleichzeitiger Ersparnis von Arbeitskräften so- weit als möglich zu intensivieren. Bei der an- gespannten Rohstofflage können aber weit- gesteckte Ziele der Betriebs verbesserung heute nicht mehr verfolgt werden, es muß vielmehr angestrebt werden, den augenblicklichen Stand der Ausrüstung unter allen Umständen zu hal- ten und darüber hinaus allenfalls noch den Weg freizuhalten für eine künftige Weiterent- wicklung. l

Da es äußerst schwer ist, den unter den vor- stehenden Gesichtspunkten vorhandenen echten Bedarf an Landmaschinen und Geräten von dem unechten zu unterscheiden, war es nicht mög- lich, die Regelung von Angebot und Nachfrage auf diesem Gebiet dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, sondern es wurde die Durchfüh- rung einer größeren Reihe von Lenkungsauf- gaben zum Teil sehr diffiziler Art erforderlich, um die Maschinen, die heute noch gebaut wer- den können, nach Möglichkeit dort zum Einsatz zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht werden,

I. Lenkungsaufgaben bei der Erzeugung und beim Absatz landwirtschaftlicher Maschinen

Dem landwirtschaftlichen Sektor steht heute ein Eisenkontingent zur Verfügung, aus dem in erster Linie die folgenden Bedürfnisse befrie- digt werden müssen:

1. Neubau von Landmaschinen.

2. Ersatzteilbeschaffung und Reparaturdienst. 3. Herstellung von Handgeräten aller Art. 4

Bedarfsdeckung an Verpackungsmitteln für die Ernährungswirtschaft (zB. Kon- servendosen).

160

5. Ausbau der Nährmittelindustrie (vom Fischdampfer bis zur Brotfabrik).

Während des Krieges hat sich der Kreis der Versorqungs aufgaben noch dadurch erweitert, daß die neu ans Reich angegliederten Gebiete und die für die landwirtschaftliche Erzeugung wichtigsten besetzten Länder wenigstens bis zu einem gewissen Grade mit technischen Betriebs- mitteln versorgt werden mußten. Aus diesem Grunde wurde auch das landwirtschaftliche Eisenkontingent im Laufe der ersten Kriegs- jahre erheblich über das Friedensniveau ge- steigert, doch reichte diese Steigerung nicht aus, um die durch die vergrößerten Aufgaben ge- wachsenen Eisenanforderungen restlos auszu- gleichen. Es sei gleich an dieser Stelle der viel- fach verbreiteten Ansicht entgegengetreten, nach der die Versorgung Deutschlands mit neuen Maschinen zur Zeit nicht in dem wün- schenswerten Umfang durchgeführt werden könne, weil ein sehr großer Teil der Erzeugung in den besetzten Ostgebieten eingesetzt worden sei. In diese Gebiete ist vom Zeitpunkt des Be- ginns der Besetzung an nur ein sehr geringer Bruchteil der deutschen Erzeugung geflossen, dessen Einsatz bereits heute als vollauf gerecht- fertigt angesehen werden kann, da der Nach- schyb der Verpflegung in den transportmäßig kaum erschlossenen Weiten des Ostens niemals aus der Heimat hätte durchgeführt werden kön- nen. Zur Erstellung der notwendigen Ernten unmittelbar hinter der Front aber war ein ge- wisses Minimum an Landmaschinen unbedingt erforderlich. Von einer weitgehenden technischen Ausstattung dieser Gebiete kann jedoch noch nicht die Rede sein. Im übrigen erfolgt die Verteilung der neu gebauten Ma- schinen ebenso wie die des flüssigen Treib- stoffs nach dem Gesichtspunkt, daß die För- derung der landwirtschaftlichen Erzeugung in erster Linie in Deutschland selbst durchgeführt werden muß. Hier war zunächst besonders wichtig die Angleichung der Betriebsintensität im Warthegau, in der Ostmark und in Elsaß- Lothringen sowie in den übrigen angegliederten Gebieten an die deutschen Verhältnisse. Diese Gebiete waren fast durchweg verhältnismäßig extensiv bewirtschaftet und »nur ganz unzu-

reichend mit landwirtschaftlichen Maschinen

und anderen Betriebsmitteln ausgerüstet. Heute lohnen sie die vorgenommenen Investitionen

K 8 ng H =- a we pg a

bereits durch stetig wachsende Erzeugungsüber- schüsse.

In steigendem Maße absorbiert auch der Ersatzteildienst Eisenmengen. Die Her- stellung der Ersatzteile rangiert grundsätzlich vorder Neuanferti- gung, d. h. ein Fabrikant, der mit seinem Ersatzteilkontingent nicht mehr auskommt, muß sein Neufertigungskontingent so weit in An- spruch nehmen, bis der Ersatzteilbedarf ein- wandfrei gedeckt ist, denn es wäre sinnlos, mit hohem Materialaufwand neue Maschinen zu er- zeugen, solange man mit wesentlich weniger Material eine gebrauchte Maschine wieder be- triebsfähig machen kann. Wenn der Ersatzteil- bedarf in ständigem Steigen begriffen ist, so liegt das zum Teil daran, daß heute mehr alte Maschinen repariert werden als früher und zum Teil an der Überlastung der Reparaturwerk- stätten und an ihrem Personalmangel, der ihnen oft nicht mehr gestattet, ein zerbrochenes Zahn- rad oder dergl. fachmännisch zu schweißen und wieder verwendbar zu machen.

Die Ersatzteilerzeugung konnte bisher im großen und ganzen dem steigenden Bedarf angepaßt wer- den. Wenn zeitweilige Störungen bei einzelnen Fabriken nicht vermieden werden konnten, so ließen sie sich im allgemeinen kurzfristig be- seitigen. Schwieriger liegen die Verhältnisse bei der Neufertigung. Hier reicht die Produktion zur Zeit gerade aus, um die Luftterrorausfälle auszugleichen und um gewisse notwendige Be- triebsumstellungen durchzuführen. Wenn bisher durch Mangel an neuen Landmaschinen ernstere Einbrüche bei der Produktion von Nahrungs- mitteln noch nicht eingetreten sind, so ist das einmal in der Langlebigkeit dieser Geräte be- gründet, zum andern aber auch in der Tat- sache, daß die deutsche Landwirtschaft in den Jahren seit Uberwindung der Krise für keine Betriebsmittel so hohe Aufwendungen gemacht hat wie für die technischen. 1939 betrugen diese Aufwendungen rd. 600 Millionen Mark gegenüber rd. 200 Millionen Mark 1937. Die in den dazwischenliegenden sechs Jahren getä- tigten Anschaffungen sichern der landwirt- schaftlichen Erzeugung auch heute noch eine deutlich spürbare Schlagkraft, wenn damit auch keineswegs behauptet werden soll, daß die deutsche Landwirtschaft ausreichend mit Ma- schinen ausgerüstet sei. Im Gegenteil, die Er- fahrungen aller modern und intensiv bewirt- schafteten Betriebe beweisen, daß der große Durchschnitt der Höfe in dieser Beziehung noch weit zurückliegt. Hierauf wird weiter unten noch eingegangen werden.

Bereits mehrere Jahre vor dem Kriege zwan- gen die vielseitigen Aufgaben, die der deut- schen Industrie gestellt waren, zu einer Pla- nung der Landmaschinenerzeu- gung und zu einer Steuerung des Ab- katzen, beides mit dem Ziel, mit den zur Ver-

fügung gestellten Materialmengen den größten Nutzeffekt zu erreichen. Früher mußte sich die Industrie mit ihrer Maschinenerzeugung weit- gehend nach den schwankenden und in ge- wisser Weise der Mode unterworfenen Forde- rungen des freien Marktes richten. Die Vertei- lung der Maschinen und Geräte im ganzen Reich war in erster Linie abhängig von der Tüchtigkeit und Kapitalkraft der einzelnen Händler oder vom Standort der Fabriken, so daß die übergeordneten Gesichtspunkte des optimalen Einsatzes im allgemeinen nicht zum Tragen kamen. Wenn auch anerkannt werden muß, daß der ansässige Handel seine Kund- schaft nach bestem Wissen und meist mit gutem Erfolg beraten hat, so lagen die Einsatzschwer- punkte der Landmaschinen doch keineswegs so, wie sie zur Erreichung des besten Erfolges hätten liegen sollen. (Beispiel: Konzentration der Kleinschlepper in Süddeutschland, weil dort die meisten einschlägigen Fabriken vor- handen sind.) ;

Heute müssen Produktionsplanung und Ab- satzlenkung naturgemäß noch straffer durchge- führt werden als in der ersten Zeit der Materialbewirtschaftung. Im Einvernehmen mit dem Reichsministerium für Ernährung und Land- wirtschaft und dem Reichsnährstand führt der Bevollmächtigte für die Maschinenproduktion ein Kriegsbauprogramm durch, dessen Umfang und Inhalt bestimmt wird durch die Menge des zur Verfügung stehenden Materials, durch die vorhandenen Fabrikkapazitäten und durch die vorhandenen Arbeitskräfte An der Spitze dieses Kriegsbauprogramms stehen die für die Erzeugung wich- tigsten Maschinen, also die Boden- bearbeitungsgeräte, die Ernte- maschinen u. a., wobei eine einschneidende Typenbeschränkung durchgeführt worden ist. Zur Einsparung von Material und Arbeitsstun- den mußte auf die Herstellung einiger Ma- schinengruppen gänzlich verzichtet werden, darunter besonders auf die Herstellung der Höhenförderer, Gebläse und Zangengreifer.

Die Absatzregelung ist im Laufe der Jahre erheblichen Wandlungen unterworfen gewesen und ist heute den augenblicklichen Verhält- nissen entsprechend als vollkommen gelenkt zu bezeichnen. Bereits seit dem Jahre 1938 haben der Preiskommissar und die zuständigen Wirtschaftsgruppenleiter durch entsprechende

Anordnungen auf eine Ausrichtung des Land-

maschinenhandels auf seine künftigen Auf- gaben im großdeutschen Raum hingewirkt und dabei insbesondere die Notwendigkeit der Schaffung geeigneter Reparaturwerkstätten und Ersatzteilläger in Verbindung mit den Hand- lungen berücksichtigt. Dabei blieb der Handel selbst zunächst noch im wesentlichen der ver- antwortliche Träger der Maschinenverteilung an den Kunden.

Nach der letzten Anordnung des Bevollmäch- tigten für die Maschinenproduktion vom

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9. Oktober 1943 dürfen Landmaschinen mit wenigen Ausnahmen nur noch gegen Bezug- schein von der Landesbauernschaft bzw. Kreis- bauernschaft abgegeben werden. Der Handel ist verpflichtet, Lagereingangsmeldungen zu er- statten, und seine Versorgung durch die In- dustrie erfolgt auf Grund eines vom Reichs- nährstand aufgestellten Gesamtplanes, in dem die Bedürfnisse der einzelnen Gebiete berück- sichtigt sind. Auf diese Weise ist es möglich, eine weitgehend gerechte Verteilung durchzu-

führen und, falls nötig, auch Einsatzschwer-

punkte zu bilden.

II. Entwicklungstendenzen in der Landtechnik

Da die Fabriken außerdem nur kundendienst- fähige Händler, beliefern dürfen, ist hiermit gleichzeitig eine erste Flurbereinigung ge- schaffen worden, die sich auch in der Nach- kriegszeit noch segensreich auswirken wird. Die Verantwortung für die Verteilung der noch zur Auslieferung gelangenden Maschinen ist durch die Anordnung V/43 im wesentlichen vom Händler auf die berufsständische Vertre- tung der Landwirtschaft übergegangen, eine Lösung, die in Anbetracht der augenblicklichen Lage nur als natürlich bezeichnet werden kann. Bei den Handgeräten ist in letzter Zeit in ver- schiedenen Teilen des Reiches ein besonderer Mangel zu verzeichnen gewesen, der zum Teil ebenfalls auf die bestehenden bzw. fehlenden Bindungen des Handels an die Hersteller zurückzuführen ist. Durch ein entsprechendes Verteilungsverfahren hat es nunmehr der Reichsnährstand in der Hand, die anfallende Produktion entsprechend dem natürlichen Be- darf prozentual auf die einzelnen Landesbauern- schaften zu verteilen.

Die vorstehend geschilderten Maßnahmen

können heute nur dazu dienen, den Status quo

der technischen Ausrüstung der Landwirtschaft zu erhalten.’ Wenn das gelingt und es sprechen bisher alle Anzeichen dafür —, dann ist schon sehr viel mehr erreicht als im vorigen Weltkrieg. Damals befand sich die Landtechnik entwicklungsmäßig in einem Stadium des Still- standes. Neue Maschinenarten, die auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht umwälzende Folgen nach sich gezogen hätten, waren zu- mindest seit der Jahrhundertwende nicht mehr auf den Markt gebracht worden. Nachdem die Lokomobile, der Dampfpflug und die Dresch- maschine sich ihr Feld, den Großbetrieb, weit- gehend drobert hatten, war die Landwirtschaft damals auch auf Grund ihrer finanziell günsti- gen Lage in technischer Beziehung weitgehend saturiert. Der Motorpflug war kaum bekannt und konnte bei der Höhe seiner Anschaffungs- und Betriebskosten (Benzinbetrieb bei hohem Verbrauch) noch nicht konkurrieren. Nach Kriegsschluß konnte es sich 1919 zunächst nur darum handeln, den in den Kriegsjahren einge- tretenen Verschleiß zu ersetzen, Eıst etwa vom

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Jahre 1925 an werden wieder Ansätze des technischen, Fortschritts erkennbar, die dann immer rascher und in den letzten Jahren vor dem jetzigen Kriege in stürmischem Tempo zu einer Verbesserung und Vermehrung der tech nischen Hilfsmittel führten, weil sich die Not- wendigkeit ergab, die Erträge der heimischen Landwirtschaft zu erhöhen und den Bauer- stand auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen.

Bei der Vielzahl der in den letzten 10 Jahren

vor dem Kriege erschienenen neuen Maschinen-

arten kann aber von einer auch nur annähen- den Sättigung der Landwirtschaft im Augen- blick nicht die Rede sein. Man denke nur an die Hunderttausende von Betrieben, für die die Anschaffung eines Kleinschleppers, eines Leicht- binders und vor allen Dingen des Gummi- wagens und vieler anderer Geräte heute kein technisches Problem mehr, sondern nur eine Frage der Zeit ist. Im Gegensatz zu der Zeit nach dem vorigen Kriege braucht sich also die Landtechnik diesmal nicht damit zu begnügen, den in den Kriegs- jahren eingetretenen Verschleiß zu ersetzen, sondern sie hat die Aufgabe, weite Kreise des deut- schenBauerntumsmiteinergroßen AnzahlneuerGerätezuversorgen, von denen jedes einzelne bei richtigem Einsatz einschneidende betriebswirtschaftliche Umstel- lungen nach sich zieht, deren Einführung aber infolge des Kriegsausbruchs 1939 nur in einem verhältnismäßig engen Rahmen möglich war bzw. überhaupt in den Anfängen steckenge blieben ist. Daß sich gerade hieraus de Mög- lichkeit einer lebhaften Weiterentwicklung in ganz anderem Maße ergibt als nach dem vori- gen Kriege, liegt auf der Hand. Hinzu kommt noch, daß zur Zeit eine Fülle fertig ausgearbei- teter wissenschaftlicher Unterlagen über alle möglichen Fragen des Arbeitseinsatzes sowohl auf dem Felde als auch besonders in der innen: wirtschaft vorliegt, die nur noch der techni- schen Auswertung bedarf, um in der breitesten Praxis ihre Auswirkung zu finden.

Als Beispiel sei hier nur eine vom RKTL durchgeführte Arbeit auf dem Gebiete der bäuerlichen Innenwirtschaft erwähnt: Es hat sich gezeigt, daß die Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz det Technikin der Haus- und Hofwir!- schaftzunächstinderBereinigung

des Grundrisses der Wohn- und

Wirtschaftsgebäude besteht. Erst wenn die verschiedenen Wirtschaftsräume in sinn- voller Weise zueinander angeordnet sind, kön- nen die technischen Hilfsmittel, wie Transport- anlagen, Wasserleitung, elektrische Licht- und Kraftanlagen, Melkmaschinen u. a., mit bestem Wirkungsgrad eingesetzt werden. Wie unge heuer groß die auf diese Weise erzielbare Ar: beitserleichterung und Zeitersparnis auch oder

u

gerade in kleinen Familienbetrieben sein kann, zeigt folgender Fall: Ein Hof in Thüringen, in dem das alte Ehepaar mit dem verheirateten Sohn ohne fremde Hilfskräfte wirtschaften, konnte durch einen Aufwand von nur 5000,— Reichsmark für bauliche Umänderung derart umgestaltet werden, daß die beiden Frauen nach dem Umbau eine Wegersparnis von jähr- lich über 2000 km erreichten, von denen vorher die meisten Wege unter irgendwelchen Lasten, Wassereimer, Kartoffelkörbe u. dgl. zurück- gelegt werden mußten. Da der Betrieb oline

` fremde finanzielle Hilfe umgebaut wurde, konn-

ten die letzten technischen Hilfsmittel wie Melkanlage, Zangengreifer u. dgl., seinerzeit noch nicht einmal installiert werden; sie wür- den eine weitere, beträchtliche Erleichterung der Arbeit bringen.

Das vorstehend angeführte Ergebnis stellt für den klein- und mittelbäuerlichen Betrieb keine Ausnahme dar. Bei der Betrachtung der meisten Hofgrundrisse ergibt sich, daß die einzelnen Wirtschafts- und Stallräume durchaus unzweck- mäßig zueinander angeordnet sind und daß die Höfe, wenigstens vom arbeitswirtschaftlichen Standpunkt aus, in den meisten Fällen ganz un- organisch gewachsen sind. Der Grund hierfür dürfte vornehmlich darin zu suchen sein, daß die Erzeugung in der Feldwirtschaft sich im letzten Jahrhundert rund verdreifacht hat und daß heute demzufolge in der Innenwirtschaft ein Vielfaches dessen verarbeitet werden muß wie früher. Das bedingt eine beträchtlich er- höhte Viehhaltung, eine größere Vorratswirt- schaft und einen erheblich gesteigerten Arbeits-

\

aufwand. Der äußere Grundriß der Hofgebäude hat sich aber mit den gesteigerten Leistungen in den meisten Fällen nicht vergrößert, sondern die einander folgenden Generationen haben entsprechend ihren jeweiligen Bedürfnissen im alten Rahmen die Ställe verlegt und erweitert, so daß wir heute oft einem Konglomerat von zu kleinen, zu engen und unzweckmäßig ange- ordneten Wirtschaftsräumen gegenüberstehen, das die ursprünglich vielleicht einmal im Grundriß vorhandene Harmonie vollkommen vermissen läßt. Die Folge davon ist, daß die Bäuerin, der ja der größte Teil der Arbeit in der Innenwirtschaft ob- liegt, im Laufe des Tages eine Unzahl von Wegen zurückzulegen hat, daß sie aus dem Keller heraufschleppen muß, was gar nicht in den Keller gehört, und daß sie letzten Endes das Futter (Korn und Heu) auf steiler Treppe vom Boden herunterholen muß, was bei richti- ger Anordnung der Vorratslager direkt an den Verbrauchsort abgeworfen werden kann.

Soweit es sich heute um die Errichtung neuer Hoflagen handelt, sind die Probleme verhältnis-

mäßig einfach gelagert. Aber die bereits auf -

diesem Gebiet durchgeführten Planungsarbeiten

an alten Grundrissen haben gezeigt, daß auch

hier noch große Möglichkeiten vorhanden sind. Es erhellt auch aus diesen Erfahrungen, von wie ungeheurer Wichtigkeit in der Nachkriegszeit die Dorfausrüstung werden wird, in deren Rahmen auch der weitere Ausbau der techni- schen Hilfsmittel neben der architektonischen

Umgestaltung den wichtigsten Platz einnehmen

wird.

New York wird schon heute zum Symbol der kulturlosesten

Stadt des Erdballs. Wir dürfen, glaube ich, schon sagen: Ein

altdeutsches Bauernhaus hat mehr geistige Freiheit und

Schöpferkraftinsich versammelt als alle Wolkenkratzer-Städte

und Wellblechbuden zusammengenommen.

Alfred Rosenberg

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FRIEDRICH GRIESE;

IM ALTEN DORF

Friedrich Griese wurde als erstem deutschen Dichter der von Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe gestiftete Kulturpreis für das bäuerliche Schrifttum verliehen. In dem Schreiben, in deh Oberbefehlsleiter Backe seine Verleihung ankündigt,' heißt es: „Tief verwurzelt in Ihrer mecklenburgischen Heimat, haben Sie es in Ihren Werken verstanden, das Besondere dieser Heimat und ihrer Menschen ins Gleichnishafte und Allgemeingültige zu erheben, und so eindringlich

` Zeugnis abgelegt von dem ewigen Ringen deutschen Bauerntums um die schöpferische Verbindung von Blut und Boden, aus der alles Leben quillt. Ich danke Ihnen für diese Ihre Tat, die Sie zum Mitkämpfer des Aufbruchs deutschen Bauerntums im Kampfe um die Gestaltung deutscher Zukunft macht.”

E; sind viele Dörfer und solche der verschie- ensten Art, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe; aber so planlos durchein- andergebaut und unerfreulich im äußeren An- blick wie mein Heimatdorf war keins darunter. Empfunden habe ich das schon als Kind, aber ich habe es doch erst sehr viel später auf seine wahren Ursachen zurückfühfen können. Aller- dings ist es in den letzten Jahren darin besser geworden. Kinder des Dorfes also die Söhne und Töchter derer, mit denen ich seinerzeit in die Schule gegangen bin schenkten mir zu Weihnacht 1935, als ich noch in Kiel wohnte, ein unter Anleitung ihres Lehrers geschriebenes kleines Buch: „Was alte Leute erzählen“; und in dem Begleitbrief heißt es ein paarmal, ich möge sie doch bald besuchen. „Sie werden sich wun- -dern, wie sich Ihr Heimatdorf verändert hat.”

Daß sie gerade dies mehrmals betonen, weist nach, daß ihre Eltern meine alten Schul- kameraden noch sehr gut wissen, was zu unserer Zeit dem Dorf gefehlt hat. Es zeigt aber auch, wie stolz sie darauf sind, daß ihnen mehr gelungen ist, als unseren Eltern gelingen konnte, nämlich: aus einem durcheinander- gewürfelten Häuserhaufen ein Dorf zu machen.

Es handelt sich um eine Art Haufendorf im östlichen Mecklenburg. Den Innenteil des Dor- fes bildeten die Häuser der Büdner, deren jeder nur ungefähr. 600 Quadratruten Acker besaß, also viel zuwenig, um mit der Familie davon leben zu können. Wer nicht Handwerker oder Kaufmann war, mußte während des Sommers Arbeit auf den umliegenden Gütern suchen; im Winter war er in den Gutsforsten Waldarbeiter, machte Brennholz oder schnitt Bretter und Bal- ken. Auf diese Weise hatte die Familie Geld für die nötigen Anschaffungen; die tägliche Nah- rung trug ihnen die kleine Wirtschaft ein.

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Fast jeder von ihnen gab mehreren Einwoh- nern Hausung; auch diese arbeiteten auf den Gütern oder in den Forsten. Im Stall hatten sie meistens eine Ziege und zwei Schweine; an Land besaßen sie ein wenig Pachtacker, gerade so viel, daß sie Kartoffeln genug hatten. Auf Gemüse wurde damals wenig gegeben; und eigentlich wurde nur Kohl gegessen, den im Herbst hochbeladene Wagen von den Gütern in das Dorf brachten. Ich weiß noch sehr gut, wäs für ein Aufsehen entstand als Mutter ein paar Rhabarberstauden im Garten ansetzte; gegessen hat außer uns keiner davon. Und als sie einmal sogar Pilze für das Abendessen zurechtmachte, da war dies das Ärgste, was dem Dorf für eine lange Zeit angetan werden konnte.

Am nördlichen Ende des Dorfes lag das Guts- haus der Domäne mit seinen großen Scheunen und Viehställen, die das ganze Dorf gleichsam zudeckten, und nicht nur äußerlich. Morgens, mittags und zur Vesperzeit klang die Gutsglocke über das Dorf hin. Stellmacher und Statthalter hatten ihre eigene Wohnung, die mit den Tage- jöhnerkaten mitten in das Büdnerdorf hinein- gebaut war. Wenn wir im Sommer nach Unter- richtsende unsere Kühe auf den Dreesch den abgeernteten Kleeacker trieben, dann schau- ten wir gern ein wenig in die Fenster der Katen, in denen die Familien dann beim Mittagessen waren. Ich meine, daß die Leute immer nur Pelikartoffeln gegessen haben, weniger aus Ein- sicht als vielmehr aus Zeitmangel, da auch die Frauen auf der Domäne arbeiten mußten und also keine Zeit hatten, die Kartoffeln noch erst zu schälen. In die Mitte der Tischplatte war eine umfangreiche längliche Vertiefung hineingear- beitet, darin lagen die gekochten Kartoffeln, und mitten darauf stand die dreifüßige Pfanne mit „Speckstipp“. Nach ee der Mahl- zeit wurde alles mit einem nassen Tuch gesäu- bert, das war die Abwäsche; und jeder war satt geworden. Wir durften uns beim Zusehen vor den einzelnen Fenstern nicht lange aufhalten, die Frauen hatten das nicht gern; und wenn eine von ihnen vom Tisch aufsprang und das Stück- chen Tuch vorschob, das sie Gardine nannten, dann war das eine sehr gelinde Abwehr. Zu- weilen hatte aber der „Hofgänger“ schon hinter der Katenecke gestanden ein junger Bursche, der auf der Domäne arbeitete und von seinem Tagelöhner für wenige Groschen unterhalten

werden mußte —; und da wir trotz aller Vor- sicht von unserem Beobachtungsplatz aus ja nicht um die Ecke gucken konnten, gab es dann jedesmal sehr unbehagliche Augenblicke für uns. Bis dahin hatten wir viel Zeit gehabt, unsere Kühe weniger, da auf der Dorfstraße ja kein Gras wuchs; nun hatten wir es eilig, und da wir unsere vierbeinigen Kameraden plötzlich nicht so schnell in Gang bringen konnten, wie es den Umständen nach geboten war, ließen wir sie vorläufig im Stich. Da sie nach ihrer Er- fahrung aber nur in unserem Beisein zur Weide kommen konnten, warfen sie nach kurzem Be- sinnen den Schwanz auf den Rücken und sausten hinter uns her. Wenn der aufsässige Verfolger in Gestalt des Hofgängers nicht in der Nähe war, ging alles besser; wie es aber auch sein mochte: wo die Äcker anfingen, fanden wir uns alle zusammen, entweder ganz unangefochten oder um ein paar Ohrfeigen und Püffe reicher, wenn auch nicht klüger. Irgendwelche Dorf- rechte hatten die Tagelöhner nicht, sie waren also auch nicht zu den Dorfversammlungen zu- gelassen; in diesen übte der Pächter der Domäne dafür um so mehr Macht aus, worüber noch zu reden sein wird.

Den südlichen Rand des Dorfes nahm ein anderer Dorfteil ein. Er gehörte nur äußerlich hinzu; in Wirklichkeit war er Bestandteil eines adeligen Gutes, das eine Viertelstunde vom Dorf entfernt lag und also in einem Gemeinwesen von Büdnern, Einwohnern und Tagelöhnern ein Stück „Ritterschaft“. Hier handelte es sich um den vornehmeren Teil des Dorfes. Es gab in dieser Häuserreihe einen Stellmacher, der ein paar hübsche Töchter hatte, die ich mir immer nurin strahlend weißer Schürze vorstellen kann. Eine von ihnen wurde später Haushälterin in der Stadt; und das war für die damalige Zeit etwas, was vor allem die Frauen mit unbegrenzter Hochachtung von ihr sprechen ließ.

Der Nachbar war ein Kaufmann, der für dörf- liche Verhältnisse jener Zeit sehr unternehmend war: er ließ seine Waren mit einem Fuhrwerk auf die umliegenden Güter bringen. Der jüngste Sohn wurde gar Apotheker; und wenn er in seinen Ferien hinter dem Ladentisch stand und bedienen half, dann vergaßen wir Jungen vor lauter Staunen, ob wir nun eigentlich ein halbes Pfund Salz oder ein viertel Pfund Zucker holen sollten.

Weiterhin wohnte ein Tischler, und dessen Nachbar war wieder ein Kaufmann, über dessen Tür ein Schild hing, das in der ersten Zeit für das ganze Dorf geradezu aufregend gewesen war: „Manufakturwaren“ stand darauf. Im La- den hingen Hosen und die sogenannten Joppen, bunte Schürzen und Bänder; und im Sommer gab es Strohhüte, auch die praktischen „Helgo- länder“, von denen ich nicht weiß, warum man diese nicht auch heute noch bei uns auf den Dör- fern trägt. Unklar ist mir freilich, wie ervondie- sem Geschäft gelebt haben will. Büdner und Ein-

wohner und noch mehr die Tagelöhner mußten jedem Groschen, den sie ausgaben, mit klopfen- dem Herzen nachschauen; und als Vater sei-. nem Sechsjährigen einen Strohhut zu achtund- dreißig Pfennigen kaufte, da schlug die alte Wöllerten, unsere Einwohnerin, die Hände hoch über dem Kopf zusammen und nannte das eine Verschwendung, die sich noch einmal rächen werde.

In den nächsten beiden Häusern wohnten zwei Gastwirte, die ihr gutes Auskommen hatten. Bei dem einen wurden alle Dorffestlichkeiten abge- halten, und außerdem hatte er für mehrere Büdner die jährlichen Ackerbestellungen; der andere war zugleich Schmied.

Zum Dorf gehörten vier Bauernhöfe, die aber eine gute halbe Stunde außerhalb der Feldmark lagen. Wenn man zu ihnen wollte, mußte man am Dorfausgang über den Brink, einen ebenen Grasplatz, auf dem im Frühjahr die jungen Gänse gehütet wurden, mit einem runden Teich einem Soll inmitten. Von hier aus wurde das Land hügelig; und einer der jugendlichen Mitarbeiter an dem genannten Büchlein schreibt darin, bis hierher hätten in alter Zeit die Bauern des Dorfes ihre Acker gehabt, damals, als es noch keine Büdner, Einwohner und Tagelöhner gab. Im Dreißigjährigen Krieg seien die Hof- stellen zerstört worden, die wenigen Überleben- den seien „die Berge hinauf” gezogen und hätten aus dem Wald neue Acker gerodet. Als einen

der Beweise dafür führt er an, daß noch jetzt in

jedem Jahr mitten aus den Ackern seines Vaters heraus immer wieder Waldsträucher wüchsen. Diese vier Bauern und ihre Frauen hatten An- sehen und Gewicht, das jeder ihnen freiwillig zuerkannte. Sie waren die einzigen, die aus- reichende Äcker und sogar Wiesen und Wald besaßen; und ihnen erkannte sogar der Pächter der Domäne eine Art Gleichwertigkeit zu: wenn er sie einmal in einem der Landwege traf, hielt er an und unterbielt sich mit ihnen. Für das ganze übrige Dorf hatte er nur stillschweigende, aber gründliche Verachtung.

So war dies also die Zusammensetzung des Dorfes: ein Stück Ritterschaft, eine Domäne, ein paar Bauern und sozusagen als Kern die Büdner mit ihren Einwohnern. Ritterschaft und Domäne hatten diese in die Zange genommen, daß sie sich nur ja nicht rühren konnten, schon äußerlich, da das wenige Büdnerland überall von den weiten Gutsäckern eingeengt war. Es war aussichtslos, irgendwo ein Stückchen er- tragreichen Pachtacker zu bekommen, um so die äußere Lage zu verbessern und damit auch das innere Selbstbewußtsein zu finden, den Rückhalt, der dem ländlichen Menschen nur vom Landbesitz zuwachsen kann.

Uns Kindern fehlte freilich viel, aber es war unser Heimatdorf, von dem wir aus mangelnder Kenntnis heraus nicht wußten, mit welchem an- deren Dorf das nicht nur ein Haufe Häuser

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e

war wir es vergleichen sollten. Ringsherum gab es nur adelige Güter, die sich zu irgend- einem Vergleich nicht eigneten. Unsere Eltern aber mußten sich wohl darin fühlen, weil es ja nicht anders ging. Der Hunger nach Land zeigte sich nur am Rande eines abendlichen Gesprächs und gleichsam widerwillig, weil ihm ja doch nicht praktisch nachgegangen werden konnte. So gehört denn auch das zum Bild, daß es ip diesem Dorf keine alten und dorfgerechten Ge- bäude gab; meistens waren Häuser und Ställe mit Pappe gedeckt, steingedeckte Häuser waren selten. Allerdings hatte Vater über Stall und Scheune ein Strohdach, das ihm aber zuweilen Kummer machte, weil er nicht immer Zeit hatte, es ordentlich instand zu halten. Die Behäbigkeit und schöne Sicherheit, die auch bei uns zu Lande zum Wesen eines Dorfes gehört, hier allerdings gar nicht vorhanden sein konnte, fehlte also schon äußerlich.

Nun könnte man meinen, die Büdner hätten doch wie alle Dörfer dieser Art ihre Dortver- sammlung gehabt, von der aus man Beschlüsse fassen konnte, um diese dann auch zur Abschaf- fung all der Ubel durchzuführen; wenn nichts geändert worden sei, müsse dies an der Un- tüchtigkeit und Gleichgültigkeit der Dorfbe- wohner gelegen haben. Das benachbarte Gut, dem der eine Dorfteil gehörte, kümmerte sich nicht einmal um die Dorfstraße, die in jedem beginnenden Frühjahr eine unvorstellbare Menge Schlamm hergab, weil vorhandene Mittel und verfügbare Arbeitszeit der Büdner eine grundlegende Anderung nicht zuließen. Die Ein- wohner hatten weder Recht noch Stimme, da sie keinen eigenen Grund und Boden besaßen, von den Tagelöhnern gar nicht zu reden. Auf den Dorfversammlungen wurde wahrscheinlich viel beschlossen, aber zur Durchführung war die Zu- stimmung des Amtes erforderlich, das den Dorf- leuten Selbsthilfe empfahl. Der eine, unter des- sen Führung die Dinge hätten gebessert werden können, war der Pächter der Domäne; und der stand aus Abneigung gegen die „kleinen Leute“ jedem gutgemeinten Beschluß von vornherein hinderlich im Wege. Außerdem hatte er den Schulzen des Dorfes für sich, und das entschied beim Amt. Hier müssen nun einige Worte über diesen wichtigsten Mann im Dorfe gesagt wer- den, der sein Amt gern zum Besten seiner Ge- meinde geführt hätte und es doch nicht dazu brachte,

Er hatte eine freundliche Frau, und wir Kinder machten dort oft eine Bestellung. Von den Dorf- verhältnissen aus gesehen, war ein Schulze jener Zeit recht gut gestellt; so hob sich dieses Haus also aus allen übrigen heraus. Ich meine noch jetzt die Luft von Sauberkeit, frisch entrahmter Milch und geputztem Küchengeschirr zu spüren, die den Eintretenden empfing; trotzdem blieb es jedesmal wie ich es auch noch nachträglich fühle fremd um mich herum, wenn ich zu ihr

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geschickt wurde. Heute meine ich, schuld daran sei gewesen, daß es in diesem Hause keine Kinder gab; das machte den Aufenthalt unge- wohnt.

Das Fehlen der Nachkommen wird es auch gewesen sein, was den Mann als Vorsteher des

. Gemeinwesens so unlustig zur Tat machte und

ihm so wenig Widerstandskraft gab. Auf diese Weise konnte der alte Vater, der das Amt vor ihm gehabt hatte, in Wirklichkeit immer noch der Dorfschulze sein. Meistens sahen wir Kin- der ihn hinter dem ‚Fenster seiner Altenteiler- stube, wie er auf die Dorfstraße sah, stunden- lang und ohne in seiner Aufmerksamkeit nach- zulassen. Hielt er sich vor dem Hause auf, dann gingen wir in weitem Bogen um ihn herum; da stand er dann: breit, massig, vital, mit dem harten strähnigen Haar und dem weißgrauen ` Kinnbart. Ihn benutzte der Pächter der Domäne, der manches Glas mit ihm zusammen trank; und er wiederum bestimmte den Sohn in allem, was für das Dorf getan oder vielmehr unterlassen wurde. Für die fehlende Einigkeit unter den so Bedachten war entscheidend die in sich wider- spruchsvolle Zusammensetzung des Dorfes. Ein Mann, der wie der Pächter der Domäne gewohnt war, seine Pflüge über weite Ackerflächen gehen zu lassen und dabei alles aus einem Willen zu ordnen, konnte den Menschen eines solchen Ge- meinwesens Abneigung entgegenbringen; eine Erklärung für sein Verhalten, das jede Ver- besserung der Zustände im Dorf hinderte, wo er nur konnte, habe ich damals nicht gesucht, und heute finde ich keine andere. Wie gern aber wären die Dorfleute einem: einsichtigen Mann an der Spitze gefolgt, und wie viel Gutes hätte er schaffen können.

Daß es den Büdnern dieses Dorfes trotzdem verhältnismäßig gut ging, lag daran, daß jeder von ihnen neben seiner kleinen Ackerwirtschaft einem Handwerk oder einem Gewerbe nachging. so weit er nicht auf einem der umliegenden Güter Arbeit fand. Es. gab fünf Schuster, ebenso viele Kaufleute, drei Schneider, zwei Bäcker, drei Schmiede, einen Böttcher, zwei Stellmacher: ja, der eine oder andere von ihnen vereinigte in seiner Person sogar zwei Berufe. Mit den Bäckern hatten wir am meisten zu tun. Dem einen war eine unüberwindliche Abneigung gegen übertriebene Sauberkeit eigen; für ihn kam es für die Brotzubereitung vor allem auf die Zutaten an, alles andere war in seinen Augen Ängstlichkeit oder Hochmut. Der andere war zugleich Schmied, und er war dies mehr als Bäcker. Hufeisen, Nägel, Türbeschläge und alles, was das Dorf immer wieder nötig hatte, war also in Ordnung; aber auch die Brote, die er lieferte, waren augenscheinlich mehr Schmiede als Bäckerarbeit. Uns Kinder störte das nicht, wir standen gern bei ihm vor der Esse, legten ihm dann das Geld für ein Brot auf das Fenster- brett. und bedienten uns selbst, er blieb der-

weilen in der Schmiede; aber die Mutter hatte ihre Not mit dem Abkratzen der Rinde. Da seine Brote aber nicht nur dem Aussehen, sondern auch der Handfestigkeit nach immer mehr aus- gesprochene Schmiedearbeit wurden und vor allem im Magen der alten Leute wie auf dem Amboß gargeklopft wirkten, so bekam er immer weniger Zuspruch. Unsere Eltern stimmten ihm zu, dab man einen ganzen Ofen voll mißratener Brote ja nicht einfach wegwerfen könne, dafür hatten sie viel zuviel Achtung vor der lieben Gottesgabe; sie wollten es am Tisch aber durch- aus mit einem Bäcker und nicht mit einem Schmied zu tun haben. Eines Tages gab er diese Art seines Betriebes auf; und jedermann besah seine gewaltigen Fäuste und seine überaus rußigen Arme nun ohne innere Beschwerden. Der dritte seines Standes wirkte auf der ritter- schaftlichen Seite des Dorfes, hier waren Ord- nung und Sauberkeit das Kennzeichen; und des- halb kaufte das ganze Dorf am Sonntagmorgen bei ihm seine Tüte „Rosenbröte und Schnecken“. Vor allem letztere waren begehrt, weil sie sehr süß waren und weil es für drei Pfennige zwei Stück gab.

All diesen Leuten, den Kaufleuten, Schustern, Schmieden und Bäckern, gab das weite Hinter- land in Gestalt der vielen und zumeist in ade- ligem Besitz befindlichen Güter das tägliche Aus- kommen, vor allem deshalb, weil diese allsom- merlich des Zuckerrübenbaues wegen ein Heer ausländischer Arbeiter die sogenannten Schnitter einstellten. Aber es fehlte dem Dorf der Sinn, den wir Deutsche immer mit diesem Wort verbunden haben: Herr auf eigenem Grundund Boden zu sein. Und wenn einer seiner Bewohner besuchsweise einmal in eins jener wehrhaften Bauerndörfer kam, die auch schon damals bei uns zu Lande nicht selten waren, dann wußte er, was ihm und seiner Familie und in ihr vor allem den heranwach- senden Kindern abging. Wenn es dabei anschei- nend auch nutzlos war, so schaute jeder von ihnen doch nach einer kommenden Zeit aus, die den bestehenden Verhältnissen eine grund- legend andere Richtung weisen werde.

Und doch gab es auch in diesem Dorf Men- schen, unter denen mancher prächtige dörfliche Eigenwuchs war, vielleicht gerade hier, weil er die Vorbedingungen dafür zumeist in sich selber tragen mußte. Da war unsere Nachbarin. Ihr Mann war früh gestorben, und so hatte sie sich allein mit eigenem Fleiß durchbringen müssen. Sie ‚war klein und rundlich und trug stets ein schwarzes Häubchen, dessen Bänder unter dem Bän verknotet waren. Sie kam fast täglich mit uns zusammen, weil wir gemeinsam mit ihr und dem Nachbar zur andern Seite die tägliche Zei-

tung lasen, wenigstens während der Winter- monate, im Sommer war keine Zeit dafür. Sie be- kam das Blatt zuerst, weil Vater am Tage nicht im Hause war, und da brachte sie dann die Zeitung; der Nachbar bekam sie für den nächsten Abend, so eilig war es ja nicht damit. Wir hörten ihre helle, fröhliche Altfrauenstimme schon in der Haustür; bald darauf stand sie mit stets dem gleichen: „Herr du meines Läwens, Lüd un Kinner!” in der Stube, pustete die mitgebrachte Laterne aus und setzte sich in den Stuhl, der schon für sie bereitstand. Ihr Ausruf galt mei- stens dem unsäglichen Schmutz, durch den sie hatte hindurch müssen, aber auch den Neuig- keiten, die sie für den Abend mitbrachte. Ihre Meinung war, daß die Zeitung den Menschen verdürbe, weil gar zu viele Ubeltaten darin stünden. Wenn Vater dann erwiderte, daß diese ja bei uns zum Beispiel unter drei Familien auf- geteilt würden, sah sie ihn mit ihren blanken, kriegerischen Augen an und sagte, sie sehe schon die Zeit voraus, da nur zwei Häuser das gleiche Blatt gemeinsam lesen würden; die Welt werde ja immer großartiger. Das werde aller- dings Unglück und Untergang bedeuten, da eine solche Uberheblichkeit und zugleich Neugier auf vorgefallene Ubeltaten auch nur übel auslaufen könne. Sie selbst war, freilich am neugierigsten darauf; aber sie las das alles nur, um den Beweis zu haben, wie gut im Grunde noch alles bei uns im Dorf sei. Als sie ihre letzten Lebensjahre herankommen fühlte, hatte sie einen weißen

Leinenbeutel in ihrer Lade; in jedem Frühjahr:

schnitt sie ein wenig zartes Gras, trocknete es und tat es dann in den Beutel. Damit sollte ihr Totenkissen gefüllt werden.

Ihr Gegenstück war die Nachbarin zur andern Seite, Ihr Mann war Einwohner beim „großen

Johannjörn”, arbeitete in schwerem Tagelohn, `

schweigsam wie der Wald, in dem er wintertags zu Hause war, ein Riese von Gestalt und wohl gerade deshalb so gutmütig wie grob, aber auch so treffsicher in seiner Antwort, wenn er einmal eine gab. Sie hatte sieben Jungen mit ihm, von denen der eine immer noch gerader gewachsen war als der andere. Wenn bei einem der jähr- lichen Feste alle im Elternhaus zusammen waren, die schon verheirateten mit ihren Frauen und Kindern, dann saßen nur die verheirateten auf Stühlen; die andern mußten sehen, wie, sie an den Tisch kamen. Ihr Mann saß wortlos darunter und besah den Segen nachdenklich; sie selbst aber klein und dürr und mit immer verarbei- teten Händen bediente Enkel und Enkelinnen, ein Zug, der auf den alten Dörfern nicht selten war und die Achtung des sich schon untauglich fühlenden Alters vor dem aufstrebenden Leben versinnbildlichte. Im übrigen führte sie unter den noch im Hause lebenden Jungen ein stren-

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ges Regiment; und wenn sie es für nötig hielt, wurde sie kräftig handgreiflich. Da diese sehr viel größer waren als sie selbst, war das immer ein schweres Mühen; sie ließ aber nicht ab und zerrte so lange an Weste und Rockkragen, bis sie den Kopf in erreichbarer Nähe hatte, und dann gab es keine Gnade. Aber sie kam jedes- mal bald außer Atem; und die Jungen freuten sich noch lange hinterher.

Außer diesen beiden saß der „große Johann- jörn‘ oftmals. bei uns in der Stube: lang, mager, mit einem seltsam borstigen Bart um Kinn und Lippen. Er war der ewig unruhige Geist des Dor- fes, immer zu verbessernden Plänen aufgelegt und immer in grollendem Unmut, daß so wenig geschehe. Mit ihm zusammen, der Zimmermann war, schnitt Vater im Winter Bretter und Balken; der eine stand hoch oben auf dem Gerüst, den behauenen Stamm zwischen den Füßen, der andere stand darunter, und so führten sie die Säge von unten nach oben und wieder von oben nach unten. Ich sehe noch immer den mächtigen und ausdrucksvollen Daumen des großen Jo- hannjörn, den er beim Reden jedesmal verächt- lich seitwärts warf, wenn er wieder einmal bei einer ausgemachten Dummheit der Dorfgenos- sen angekommen war. Nichts in seiner dörf- lichen Welt konnte ihm die geringste Achtung abnötigen; nur seine kleine und sehr wendige Frau jagte ihn schon aus der Entfernung um sieben Häuser herum. Wenn man ihm diesen merkwürdigen Respekt vor einem so kleinen und zarten Wesen vorhielt, dann führte er das auf ihre vornehme Herkunft und künstlerische Ver- anlagung der Familie zurück: sie stammte aus der nahegelegenen Stadt, wo ihr Bruder klei- ner Kaufmann Dirigent eines Gesangsvereins war. Er nannte sie nur „die Geborene“.

Einer der ganz Alten konnte „das Buch laufen lassen”; wenigstens ging so die Sage von ihm. Wenn eine der Dorffrauen sich von einer andern angeschwärzt oder sonst auf eine der: üblichen Arten verfolgt glaubte und die Urheberin nicht nennen konnte, ging sie zu dem Alten; der hörte sie aufmerksam an, langte ein Erbgesangbuch

und einen Erbschlüssel vom Bort, schob den Bart.

des Schlüssels in das Buch und schlug ein Band fest herum, um das Herausfallen des Schlüssels zu verhindern. Dann legte er das obere Ende des Schlüssels auf die ausgestreckten Daumen, 80 daß das Buch daran hing; und nun sprach er langsam einen Namen nach dem andern aus. Vor den erschauernden Ohren der Bittstellerin die hinterher regelmäßig sagte, daß sie die Augen vor Scheu und Entsetzen habe schließen müssen löste sich dann bei einem der Namen das Buch vom Schlüssel; und die Beschwörung war

mit Erfolg zu Ende geführt. Mehr als diese Sage

kann ich nicht wiedergeben; ich wollte aber, ich

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hätte dem Alten einmal bei seiner Zauberei zu- schauen können. Ganz zuverlässig müssen seine Fähigkeiten dem Dorf nicht vorgekommen sein; als man in späteren Jahren vor allem bei Ubeltaten der schon genannten Schnitter nach der Polizei rief, lebte er nämlich noch. Den Dorf- leuten ist also ein Verhör möglicher Ubeltäter sicherer erschienen als eine solche Berufung auf die unirdischen Mächte. Meiner Meinung nach hat der Alte wie eine Art freundlicher Wellen- brecher gewirkt. Strafaktionen erfolgten auf seine Offenbarungen hin nicht, der Frau war es genug, daß sie auf so geheimnisvolle Weise einen Namen erfahren hatte, den sie nun auf die gleiche Weise der Nachbarin weitergeben konnte. Und vor allem hatte sie wohl eine dunkle Vorahnung, daß sie selber einmal an das gleiche Messer kommen könnte, wo es ihr dann nur lieb sein konnte, daß weiter nichts daraus gemacht wurde des eigenen. Mannes wegen, der es dem Alten und ihr selbst wohl nicht so geheimnisvoll machen würde.

Zu diesem alten Dorf gehörte auch unser Pro- fessor Richard Wossidlo, Volkstumsforscher von europäischer Bedeutung, „de oll Voßlo“, wie er überall genannt wurde. Er erschien in größeren Abständen, unterhielt sich jedesmal auch mit Vater; und einige Jahre hindurch lag in unserem Glasschrank eine „VoBlo-Zigarre”, die Vater nicht hatte verweigern mögen, von der er aber auch keinen Gebrauch machen

konnte, weil er nicht rauchte. Was aus ihr ge-

worden ist, kann ich heute nicht mehr sagen. Als ich selber so weit war und mich ihr viel- leicht heimlich gern genähert hätte, war sie nicht mehr da; im andern Fall würde ich jetzt ja wissen, wo sie geblieben ist. Er verschonte nie- manden, von dem er irgendein Ergebnis für seine Sammlung erwarten durfte, vor allem die Alten nicht; und seine Unterhaltung war derart ein- dringlich, daß diese einen heillosen Respekt zeigten, wenn seine Ankunft gemeldet worden war. Wen er finden wollte, den fand er; trotz- dem brachen die am meisten Gefährdeten gem aus, wenn dies noch möglich war: in den Garten, den Stall oder auf einen verschwiegenen Ort der ihnen sicher genug vorkam. Wenn der eine oder andere nach vermeintlich ausreichender Sitzung vorsichtig um die Hausecke lugte, sad der Gefürchtete jedesmal gemütlich auf der Bank, wo er schon einige um sich herum hatte, denen es auch nicht besser geglückt war. Trott eifriger Unterhaltung nahm er den Ankömmling sogleich wahr; und die Dorffama meldet hierzu, es habe niemals erstauntere Mienen gegeben als in einem solchen Augenblick. Wenn dem 50 Überraschten nun vielleicht eingefallen wäre, die Holzpantoffeln stehenzulassen, um dem Verhör doch noch zu entwischen, würde ibm

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Das gesik

des deutsden Faux

Bauer aus Pöttelsdorf

$ Bekenntnis zur Rasse bedeutet letzten Endes ein Bekenntnis zur bäuerlichen Grundhaltung und zur bäuerlichen Her- kunft unseres Volkes, denn Bauernium ist damit schließlich Träger aller völ- kischen Schöpfungskraft, weil es der Erhalter unseres Blutes ist. Bauerntum

ist damit auch Träger unserer Wehi-

kraft. HerbertBacke

$.

Links: Der Hufschmied

Rechts: Bergbauer aus dem Kleinen Walsertal

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Tiroler Jungbäuerin

Friesinnen von der Insel Föhr

Bauernbub aus Oberdonau

( )ben Mitte: Osttiroler Bauernmädel

Unten: Bauernjunge aus der Oberpfalz

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auch das nur vorläufig geholfen haben „de oll Voßlo hadd lange Bein“. So wurde jeder. dieser Gewährsmänner also unter wohltätigen Zwang gestellt; und keiner wurde aus dem Be- reich des Schreibblockes entlassen, bevor „de olle niederträchtige Kier" ihm nicht das Hemd vom Leibe gezogen hatte, wie man das im Dorf nannte. Das Wort niederträchtig hatte dabei in der Sprache der alten Dörfler nicht den üblen Klang, den es im Hochdeutschen wohl immer gehabt hat. Ein niederträchtiger Kerl war einer, dessen Beharrlichkeit bekannt war und der nur den einen Willen hatte, die Beharrlichkeit des andern überwinden. Von dem Betroffenen aus war er im Unrecht, vor sich selbst jedoch durchaus im Recht. Seine Gegenwart verur- sachte also jedesmal ein sehr unbehagliches Ge- fühl, dem aber zugleich ein gut Teil Hochach- tung beigegeben war; denn die Dorfleute wissen aus alter Erfahrung, daß Beharrlichkeit immer ein sehr teures Gut gewesen ist. So war die Flucht der Alten begründet; wenn sie dann aber doch sehr schön stillhielten, kam ihnen das als eine Art Schicksal vor. Ihre Rache für das ihnen Angetane bestand zuweilen freilich darin, daß sie ihm mehr erzählten, als sie verantworten konnten. Und manche alte Mutter hat versucht, ihm etwas als dörfliche Überlieferung anzuhän- gen, was die kleine Enkelin ihr bei Gelegenheit aus dem Schullesebuch oder einer Märchen- sammlung vorgelesen hatte. Hier und da mag es wohl auch aus Not geschehen sein, um nur ja endlich freizukommen; jedenfalls war die Ge- nugtuung hinterher immer vollständig, wenn das

Vornehmen geglückt schien. U

Auch Ernst Feuerstein gehört hierher, ein Landstreicher wie viele andere, die allmonatlich unser Dorf heimsuchten, und nur dadurch von ihnen unterschieden, daß er seine bestimmten Tage im Frühjahr und Herbst hatte, an denen er bei uns erschien. Wir Jungen erwarteten ihn schon, weil er die ausbündigsten Geschichten und Neuigkeiten von den andern Dörfern mit- brachte; und wenn er den Weg von den vier Höfen herunterkam, gab es einen Aufruhr, daß ein paar betagte Mütterchen erschreckt Türen und Kellerklappen schlossen. Er hatte seine Stammhäuser; und den Besuch dort hielt er so treu inne, als ob es sich um alte liebe Verwandte handle. Nach seinem jährlichen Herbstbesuch, wenn die Luft schon kühl und der nächtliche Aufenthalt in irgendeiner Strohmiete unange- nehm wurde, verübte er jedesmal in einem der weiter abliegenden Dörfer eine kleine Untat „bi juch hier mak ick so wat nich“ —, worauf ihn dann regelmäßig der Landreiter auf- griff und in behördlichen Gewahrsam brachte. Dort führte er sich so gut, daß er während des ganzen Winters Kost und Unterkunft behielt;

im nächsten Frühling war er dann wieder da. Er sagte aber vor Ausübung seines Streiches im Herbst jedesmal Bescheid, was er vorhabe. „Wat meinen Sei, Fru, wenn ick mal —?“ Erschien sein Plan einmal gar zu leichtsinnig, riet man ihm zur Vernunft. Das sah er denn auch jedes- mal ein.

Am Schluß meines Berichts will ich nun gern eingestehen, daß es sich in all diesem streng genommen um eine gar so weit zurücklie- gende Zeit nicht handelt; was ich erzählte, ist im allgemeinen an das Jahrzehnt von 1896 bis 1906 gebunden. Hinwieder will es mir manch- mal aber auch scheinen, als seien Menschen und Verhältnisse, wie ich sie wiederzugeben ver- sucht habe, heute schon uralt.

Später, als mir Wesen und Wert der Heimat zum unverlierbaren geistigen Gut geworden waren, sah ich über die oft mißlichen Verhält- nisse meines Heimatdorfes zu meiner Kinderzeit hinweg. In der Zeit sagte es mir sehr viel, daß dieses Dorf auf den alten Grabstätten des Drei- Bigjährigen Krieges neu erbaut worden ist; als Kind hätte ich damit nicht viel anfangen kön- nen. Da erkannte ich, daß es sich bei dem, was mir die Kinderzeit-zugetragen hatte, oftmals um Beiwerk und Vordergründiges handelte; das Wesentliche lag tiefer, es konnte sich in einem Dorf, das nicht einmal die Gewißheit ausreichen- den eigenen Bodens hatte, auch wohl nur sehr notdürftig zeigen. Man mußte wahrscheinlich durch die Zeiten hindurch, um dieses Wesent- liche zu erfassen; und mancher würde es dann vielleicht nicht mehr erkennen oder es gar ab- lehnen, was freilich nicht hinderlich sein konnte.

„Sie werden sich wundern, wie sich Ihr Hei- matdorf verändert hat“, schrieben mir die Schul- kinder von 1935. Sie wollten mir damit eine Freude machen und haben es getan. Ja, heute ist dort vieles anders. Es gibt seit zehn Jahren keine Domäne und Tagelöhner mehr; wer von ihnen wollte und konnte, hat Land bekommen, auch die Einwohner, und von den Büdnern wirt- schaftet jetzt jeder mit eigenen Pferden aut aus- reichendem Grund und Boden.

Geblieben ist mir bis heute der und jener originale Mensch jener Zeit. Einige von ihnen haben schon Aufnahme in dem einen oder an- dern meiner Bücher gefunden oder werden sie noch finden, wenn ihre Zeit gekommen sein wird. Und bleiben wird mir für alle Zeit die Erkenntnis, daß auch im sogenannten kleinen Mann und Tagelöhner der starke Kern bäuer- licher Art steckt und daß es heilige Pflicht unserer Zukunft sein wird, dem nachzugehen, soweit es in unserem Vermögen steht. Unzwei- felhaft wartet eine ganze Jugend darauf, wie auch wir schon zu unserer Zeit darauf gewartet haben, ohne daß wir Erfüllung unseres oft un- bewußten Sehnens hätten finden können.

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JOSEF MARTIN BAUER:

DER BAUERLICHE WEG

Gleichzeitig mit der Verleihung des Kulturpreises für bäuerliches Schrifttum an Friedrich Griese wurde Josef Martin Bauer erstmalig der von Oberbefehlsleiter Reichsbauernführer Backe gestiftete Ehrenpreis des bäuerlich gebundenen Schrifttums der Gegenwart ver- liehen. In dem Ankündigungsschreiben betont Ober-

befehlsleiter Backe: „Von innerer Verantwortung um

die Probleme des deutschen Bauerntums getragen, ge* stalteten Sie Ihre Werke und vermittelten uns aus dem Erleben dieser Zeit wertvolle Erkenntnisse. Ich danke Ihnen für Ihre schöpferische Tat, die der Kultur und Geschichte des deutschen Bauerntums ein Denkmal setzt.‘ `

F: mag gut sein, unterwegs einmal umzu- schauen und dabei zu sehen, daß es ein ehr- barer bäuerlicher Weg gewesen ist, der von den Anfängen bis hieher führt; aber nach dem Warum dieses Weges zu fragen ist so schwer, wie wenn ich einen ackernden Bauern fragen wollte, warum die Furche so im schlanken Bogen über den Hügelhang gezogen wird, warum dem Pflug die Saat folgt und der Saat das Ängstigen um Hagel und Mißwachs, dem getreuen Ängstigen aber dann die Ernte, die Ende ist und doch wieder nur schmaler Anfang.

In den selbstverständlichen Dingen des Lebens weiß der Mensch die Ursachen nie, die ihn zu solcher Selbstverständlichkeit geführt haben. Der Bauer fragt vielleicht einmal, wenn er Gott und der Welt einen Vorwurf machen will um der schweren Last willen, „Warum muß ich gerade Bauer sein?“, aber es erschiene ihm widersinnig, sich im wahrhaftigen Ernst zu fra- gen, warum er Bauer ist. Er pflügt, weil der Vater schon gepflügt hat, er plagt sich, weil seit je die Plage das beste Korn hervorgebracht hat, er ist Bauer, weil er Bauer sein muß und etwas anderes nicht sein kann. Bei nachge- borenen Söhnen, die in den Erwerb gegangen sind, haben wir alle es ja oft genug gesehen, daß sie in das Leben städtischen Erwerbs ihre hergebrachte Bauernwelt mit hineingetragen haben und dort einfach ihr bäuerliches Her- kommen fortsetzen. Selbst dort, wo die alte Herkunft und der spätere Erwerb weit ausein- anderzuklaffen scheinen, zieht durch das Leben eines solchen Menschen als haltendes Tau jene Selbstverständlichkeit, die nur lächelnd um- schaut auf den Weg, nie aber danach fragt, warum der Weg so gegangen werden mußte vom Hof zur Stadt, vom Pflug zum Handwerk, vom Kleinknecht zum Soldaten mit allen Ab- zeichen der Tapferkeit, vom Hütbuben zum Pro-

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~

ihrem festlichen Sterben,

AJ

H

fessor, vom ärmlichen Dorfknaben zum Dichter. Dabei hat der Dichter das schönste Los, weil er beides in einem sein darf. Mit jedem, der einen solchen Weg gewählt hat aus freien Stücken oder aus dem natürlichen Zwang, gehen doch in langen Reihen die bäuerlichen Väter und

zwingen ihn, wo er auch weitergeht, immer

Bauer zu sein und Bauer zu bleiben.

Ais ich längst in meinem vermeintlich selbst- gewählten Leben stand, als ich nach Jahren bäuerlich schreibender Arbeit wußte, daß ich nie anders würde schreiben können, hat man mir auferlegt in alten, unordentlich geführten Matrikelbüchern zu suchen nach einer Unzahl toter Väter, und was ich gefunden habe, war mir weder überraschend noch erregend. Ich habe dieser auferstandenen Ahnenreihe alt- bayerischer Bauern nicht bedurft, um über die Jahrhunderte bauernhaften Vorlebens zu wissen, wo mich der eine, der mein Vater war, viele Male auf den Knien gewiegt und mit übersichtigen Augen an mir vorbei geschaut und an mich hin erzählt hatte von den Bauern auf Lederstatt, am Bach, in Coralden und auf Eiglsperg, die er erzählend vor uns Kindern zur Schranne fahren ließ, die auf ibre Art liebten und haßten, die ihn meinen Vater nicht als ihresgleichen gelten ließen, weil der ver- heiratete Bauer auf Lederstatt ihn neben der Ehe gezeugt und weil eine demütige Magd ihn geboren hatte im rechten Gehorsam der Magd. Diese Magd habe ich selbst noch gekannt und habe sie sterben gesehen. Von den Bauersleuten aber, die in der langen Reihe so herkommen aus der Vergangenheit, weiß ich nur, was in den Matrikelbüchern steht, und doch weiß ich von ihnen alles, wie sie geboren worden sind, wie sie gelebt haben, wie ihr Jahr hinlief in stetiger Arbeit, wie ihre Freuden und Leidenschaften den Platz um sie ausgefüllt haben, ich weiß sie bis zurück zu irgendeinem Bauernsohn, der mit- ging bei Napoleons Rußlandzug und irgendwo in jener weiten bäuerlichen Erde voll Kindlich- keit und Güte sein Grab gefunden hat. Jeden hat mir der Vater beschrieben. Die Namen weiß ich nicht mehr, aber ihr Tun weiß ich bis zu ich kenne ihre Ge- sichter, weil ich sie abgeprägt gesehen habe in dem guten Greisengesicht meines Vaters, wenn er in die Ferne des engen Raumes schaute und die Toten als Lebendige heraufbeschwor.

)

Er selbst hatte, von der Magd geboren, nicht Bauer sein dürfen. Das Hütbubendasein blieb ihm, der bescheidene Knechtplatz blieb ihm und der Name „Knecht“ ist bei uns in Altbayern etwas Ehrenwertes aber vom Knechtplatz hat er wieder emporzusteigen versucht zu einem bescheidenen Stück Eigentum. Als er in dem Alter stand, in dem ich heute stehe, hat er noch

das Bäckerhandwerk gelernt, ehe er heiratete und in einem kleinen Dorf sich als Bäcker selb- ständig machte. Die er sich zur Frau nahm, mußte ebenso aus der Einfachheit und dem zähen Beharren alter Bäuerlichkeit kommen, und weil ihr Platz kein großer Platz hatte sein können bei der Fülle der Geschwister, war sie eben Magd geworden und hatte sich darin reif gedient. Ein bescheidenes Leben war es wohl, das die beiden sich aufbauten, aber es klam- merte sich an den Boden, der eine Kuh ernährte und später eine zweite, es war auch darin ein Bauernleben, daß es bei solchem Alter noch den Mut zu sechs Kindern fand. Ich war das dritte in der Reihe. Der geschundene Vater, der um ein Uhr jede Nacht aufstand zum Backen, fuhr am Morgen mit dem Brotwagen fort, von Hof zu Hof, von Bauer zu Bauer, und wenn er am Nach- mittag zurückkam, begann seine Arbeit für Heu und Vieh. Wenn die Lieferungen eines Jahres bei den Bauern ringsum aufgelaufen waren zu einer schönen Summe, gingen sogar wir Kinder hinaus, das Geld hereinzubringen, von dem doch so wenig für das eigene Leben blieb. Die Wege waren weit, das Gewand war dünn, die Tage waren kalt, und es war oft eine Menge Geld, die ich verkrampft in der Hand barg, wenn ich mit meinem Zettel von Hof zu Hof ging. Die Gesichter aber, die mich anschauten auf solchen Wegen, weiß ich heute noch, gute und harte Gesichter, die Physiognomien von geizigen und von wunderlich-gütigen Menschen.

Des Vaters und unser aller Lebensbereich hörte dort auf, wo er von den Wegen des Brot- fahrens umgrenzt wurde. Was jenseits dieser

Weltgrenze lag, gehörte in den Raum von Mär

und Wunder, und weil ich mit den Augen des Vaters schauen lernte, war dies alles fast spiel- zeughaft als Welt und dabei auf eigene Art be- schienen vom Glanz bäuerlicher Lebensweisheit. Einmal in seinem Leben hatte mein Vater eine große Reise gemacht, eine, über die man heute lächeln darf: nach Nürnberg. Diese Reise hat mich das rechte Wunderschauen gelehrt, denn das Nachbild der Reise in den immer neu aus- geschmückten Erzählungen meines Vaters ist zu einer unerschöpflichen Fülle von Wundern ge- worden. Immer mehr wurden die Türme von Nürnberg, immer reicher die Pracht der Häuser, mit jedem Erzählen wurde die Reise länger und erlebnisreicher, das Erzählen zerbrach jede Grenze und führte uns aus der Enge der acht Höfe des Dorfes hinaus, dorthin, wo es Unwirk- liches gibt. Solches Erzählen war der Reichtum meines Vaters, und die Ungehemmtheit seiner

blühenden Phantasie war die Gnade, die ihn sehr glücklich sein ließ in seinem karg bedach- ten Leben. Die Nürnberger Buntheit aber hat sich nie auf das übertragen, was er aus dem Bauernleben erzählte. Dorthin schlug in Wirk- lichkeit die Sehnsucht all seiner Träume aus, dorthin schaute er mit tiefen, alles sehenden Augen, und so habe ich mit ihm schauen ge-

lernt, so habe ich die Ehrfurcht mitbekommen,

die aus seiner halblaut erzählenden Stimme klang. Und dieser große, bäuerlich umgrenzte Mensch, dem eine Fahrt nach Nürnberg das Er- lebnis aller Erlebnisse geworden war, hat mich, als ich elfjährig war, nach der Aufnahme- prüfung für die Lateinschule in den Glaspalast geführt in die Kunstausstellung. Ich war bald müde und erschöpft, er aber hat mich durch alle Räume geschleift und hat sich erst am Bahnhof, knapp vor der Abfahrt, darauf be- sonnen, daß wir den ganzen Tag nichts ge- gessen hatten. `

An diese Dinge der Jugend erschienen mir lange Zeit so, als seien sie nur neben mir ge- wesen und nicht für mich. Bei zwölf Jahren fiel für mich der trennende Schnitt, ich kam in die Lateinschule, von dort ans Gymnasium, ein

bäuerlich behaftetes Studentlein voll Scheu und Unbehilflichkeit, das vor sich eine andere

bäuerliche Lebensrolle gestellt sah: in irgend so einem einsamen Dorf Pfarrer zu werden, ein Bauernpfarrer wie der unsere, mit achthundert Seelen, hundertfünfzig Tagwerk Ackern und Wiesen, einem schönen Waldschlag und alter- tümlichen Dkonomiegebäuden voller Vieh, ein Bauernpfarrer, der des Morgens vor der Messe schon in den Klee fuhr und in Zeiten drängen- der Arbeit dem Herrgott ein Schnippcheri schlug, damit ja alle Bauern rechtzeitig auf die

. Felder kamen.

Mit dieser Rolle bin ich zeitig schon zer- fallen, um die Zeit eben, da der Knabe Mann wird und alle Dinge in einem zwiespältig ge- brochenen Licht sieht. Es war so mein Wille, etwas anderes zu werden, dieser Wille freilich wußte sich kein Ziel, er mußte sich der mäch- tigeren Welt der Not beugen und sich korri- gieren lassen von der Last des freiwillig oder übermütig ganz auf die eigenen Schultern ge- nommenen Lebens. Da habe ich allerhand Be- rufe und Handwerke durchlaufen, von vorn- herein in der Absicht, nur den Erwerb darin zu sehen und von der Etappe so eines Erwerbes aus in das wirkliche Leben Ausschau zu halten. Vor jedem Menschen schwebt zu solcher Zeit eine Krone, jeder möchte König werden, keiner gibt sich im Verlangen mit einem kleinen Maß zufrieden, sein rechtes Maß aber bekommt der Mensch dann unbarmherzig vom Leben zuge- wiesen und muß zufrieden sein, wenn es an- statt der gesehenen Krone nicht ein löcheriger Bettlerhut ist.

Ein dürftiger Gutsbuchhalter war ich auf einem Fideikommiß, als ich mich unter einem

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Zwang zwischen Wollen und Müssen nächte- lang vor die Maschine setzte und leidenschaft- lich besessen an einem Roman schrieb.

Nein! Nein! Ich habe niemals einen Bauern- roman zu schreiben vorgehabt. Die Welt ist so groß und reich, sie gibt ihre farbigste Buntheit überall, nur nicht in der einfachen, gradlinigen, erlebnislosen bäuerlichen Welt. Wenn ich schon schrieb, so doch um des Erfolges willen. Und gerade den Gedanken an den Erfolg habe ich im Schreiben vergessen. Die bunte Glanzwelt, von der ich phantasieren wollte, habe ich nicht vor das Auge bekommen. Geschrieben habe ich einen Roman von Bauern, weil ich von der eigenen Arbeit zurückgestoßen wurde in die Welt, die ich selber war. Die zwölf Jahre Dorf waren mächtiger als das ganze Wollen. Der Vater mit seiner still berichtenden Stimme war lauter als jeder Versuch der Flucht aus dieser Bindung, die mich jetzt grausam schmerzte.

Nicht das war grausam, daß den Roman nie- mand nehmen wollte. daß ich bei einem zweiten Versuch wieder wie ein Behexter von Bauern schreiben mußte, daß ich nach dem zweiten Fehlschlag einen dritten Versuch anging und wieder nur von Bauern schrieb, vielleicht um davon loszukommen, in- dem ich mich daran ausschrieb, vielleicht schon halb versöhnt mit dem hartnäckigen Zwang. Einen ganz abseitigen Erfolg hatte mein Schreiben, einen völlig ungewollten Erfolg, den ich zu zertreten versuchte, sobald er an mich herankam. Scuriftleiter sollte ich werden, Schriftleiter unter Bauern, Schriftleiter für Bauern, ausgerechnet für die Bauern meiner Heimat. In meine Heimat aber wollte ich nicht zurück, ich wehrte mich, ich kannte doch meine Bauern und wußte, daß sie einen abweisenden Buckel machen würden gegen einen, der so wieder zu ihnen zurückkam.

So bin ich denn, immer noch voller Wehren, wie ein Geschlagener dorthin a woher ich gekommen war.

Nun ist das gute siebzehn Jahre her.

Ich sitze anderthalb Wegstunden von dem Ort entfernt, an dem ich geboren bin. Knappe zwei Wegstunden muß ich gehen, wenn ich in das Dorf kommen will, das mit acht Häusern meine Heimat war, mit den acht Häusern im Tal und den schweren, königlichen Getreide- bauernhöfen ringsum auf den Hügelreihen. Ich habe diese herrenhaften Bauern gekannt aus dem gemeinsamen Emporwachsen und habe darum Scheu empfunden vor der Rückkehr, denn ich habe jung schon fühlen gelernt, daß die bäuerliche Welt keinen aufnimmt und jeden abstößt, der nicht vom Grunde her aus ihrer Art und ihrem Denken ist. Nie aber haben meine Bauern mich wie einen Fremden angesehen. Ich war für sie freilich einer, der studiert hatte, und meine neun Jahre Gymnasium wurden mir ebenso als ein neuer Wert anerkannt, wie sie

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Viel grausamer war es,

mir angerechnet wurden als die beschwerende Möglichkeit einer Entfremdung. So mußte ich wie ein Pferd, das man lange in fremden Ställen hat stehen lassen müssen, so etwa wie ein vom Kriegsdienst in die Ackerarbeit zurückgekehrtes Pferd, die Prüfung in wägender Behutsamkeit über mich ergehen lassen, die Mensch wie Tier schweigsam abhorcht, ehe sie zufrieden ist und den Zurückgekehrten wieder ganz zur Heimat zählt.

Das ist schon siebzehn Jahre her.

Ich hätte nicht siebzehn Jahre damit aus- füllen können, nur von einem Tag auf den an- deren für die Zeitung zu schreiben und dieses Tun in steter Wiederkehr aneinanderzureihen bis zum Verbrauchtwerden. Drum habe ich bei- zeiten wieder angefangen, aus dem Eigenen zu schreiben, wieder einen leidenschaftlichen Be- richt von bäuerlichem Leben, wieder umsonst. Alles schien unendlich Zeit zu haben, ich wollte so nun nicht mehr schreiben, vielleicht war ich der Erfolglosigkeit müde geworden. Da ging aber mit mir durch Tage und Zeiten ein unauf- hörlicher Vorwurf, vor dem ich flüchtete, ohne ihm zu entkommen. Vielleicht war auch diese Zeit gut und notwendig, aber ich kam mir dann, als ich wieder ernst und schwer zu arbeiten be- gann, nicht mehr so ärmlich vor. In dieser Zeit hatte ich unter der Gewalttätigkeit, der ich er- legen war, endgültig begreifen lernen müssen, daß ich nie etwas anderes zum Thema und In- halt meiner Arbeit nehmen konnte als die Men- schen und die Dinge der scheinbar so erlebnis- losen Bauernwelt. Wenn ich den Begriff des Bäuerlichen so groß nehme, daß ich voll bewußt von einer eigenen Welt des Bäuerlichen spreche, so tue ich es heute mehr als je mit letzter Überzeugung, nachdem ich zwei Jahr- zehnte daran geschöpft habe und nie und nirgends bis an ihren Rand gekommen bin. Beim Schreiben der „Notthafften“ war es mir bewußt, daß ich die Geschichte einer bäuer- lichen Familie niederlegte, eine Familien- geschichte von bäuerlicher Art aus unserer Gegend. Hernach sollte es des Bäuerlichen ge- nug sein. Ich glaubte, hernach überhaupt nichts Bäuerliches mehr zu wissen, was des Nieder- schreibens wert sein sollte. So klein erschien mir die Bauernwelt damals noch. Als ich die Ausschreibung las zum Wettbewerb um den Jugendpreis Deutscher Erzähler 1930, wußte ich sehr wohl, daß man dort doch keinen Bauern- roman wollte, daß ein Bauernroman keine Aus- sicht auf die Zuerkennung des Preises haben konnte. Und was habe ich dann für den Wett- bewerb geschrieben? Was habe ich in fünf säuberlich geschriebenen Manuskripten einge- reicht? Den bäuerlichen Siedlerroman „Acht- siedel“. Ich hatte nicht anders gekonnt. Nun sollte ein würdiges Gremium verstehender Männer entscheiden, ob ein bäuerliches Buch das Recht hatte, aus seiner Welt heraus durch- zustoßen zum Erfolg im Wettbewerb gegen die

Werke aus all den anderen Bereichen des Lebens. So maßlos und so fordernd wurde ich, daß ich in bäuerlicher Einfalt und Starrköpfig- keit mich mit derartiger Leidenschaft in den Gedanken verkrallte, ich werde der Preisträger sein, daß mir meine Frau die Nachricht nur so mitteilte: „Du, der Preis ist dal”

Das mag nur nach dem Erfolg so lächerlich erscheinen. Vorher war es ein weher, schmer- zender Ernst. Es war ein wahrhaftig besessener Glaube, daß die bäuerliche Verkettung, wenn sie schon ihre Menschen nicht mehr losließ, sie auch zum Erfolg hinaufreißen müsse.

. Und wenn ich von Treue sprechen darf, dann muß ich auch gestehen, daß meine Welt mir die Treue ebenso gehalten hat. Mich hat sie vorher zur Treue gezwungen, zu jenen Zeiten, da ich das Ohr nach allen Seiten hin bereitwillig offenhielt und nach jeder Melodie den Schritt ins Leben setzen wollte. Gehört habe ich nur die schlichte, klare, bäuerliche Melodie in ihrer ungeheuren Eindringlichkeit, nach der ich schwer und bedächtig den Schritt setzen mußte, bis ich auf dem Weg war, von dem es kein Zurück mehr gibt. Was mir zu Anfang mit einer zähen Härte begegnet ist, hat mir später eine herrliche Treue erwiesen, als ich mein Leben hin oder her entscheiden mußte, als ich mir selber die Frage stellte, wo ich denn seßhaft werden konnte, um nicht nur festzusitzen, son- dern anzuwurzeln und zu leben.

So alt wie die ersten selbständigen Schritte m den Beruf bäuerlicher Dichtung ist der schreiende Wunsch nach einem eigenen bäuer- lichen Besitz. Einen Hof wollte ich bekommen. Das war der Wunsch schon vor sehr vielen Jahren. Vielleicht, wenn man ihn mir erfüllt batte, wäre ich zufrieden geblieben mit der wirklichen Erfüllung und hätte verzichtet auf das träumende Tun eines bäuerlichen Dichter- lebens. Vor acht Jahren aber habe ich mir wenigstens einen Wunsch erfüllen dürfen: hier endgültig zu wohnen, hier mit einem Haus für dauernd Fuß zu fassen. Es waren Freunde um mich, die gelacht haben: wie kann ein Mensch deines Berufes hier auf dem Land sich für immer festsetzen, wo die Stadt doch allem Leben und Entwickeln die einzige Grundlage und Förderung ist? Freilich, auf viele Dinge mußte ich verzichten, denn schließlich ist es keine von Verkehr begnadete Gegend, in der wir hier leben, schließlich mußte ich wissen, daß ich mit der Zeit der Mittelschule jedes Kind berzugeben hatte, weil es weit ist bis zur nächsten größeren Schule. Aber was sollte ich Mensch, der ich mit müden Augen und häm- merndem Schädel jedesmal aus der Stadt zurückkam, mich in die Stadt setzen, die mir nur Schmerzen verursachte und mir nichts, gar nichts zu geben hatte als ihr steinernes Leid? So habe ich mir denn mein Haus gebaut nach meinen Wünschen, weitläufig in einem einzigen Geschoß wie ein rechtes Bauernhaus auf einem

Hügelausläufer, daheim, in der getreideträchti- gen Landschaft, die den Stier und die Weizen- ähre im Wappen haben sollte, wirklich daheim. Von hier sehe ich hinunter in einen moorigen Talausschnitt, von hier sehe ich große Hügel ringsum, Gott sei Dank, und werde von keinen fremdengierigen Bergen bedrängt, Gott sei Dank. Und die Menschen aus der Stadt, die zu mir kommen, fragen beim Heraufsteigen vom Bahnhof: Wie kann man bloß ? Und wenn sie Platz genommen haben, wenn sie mit einem weiten Blick auch diesen wundervollen Hügeln verfallen, dann sagen sie: Gibt es so viel Ruhe

denn überhaupt noch auf der Welt oder ist das.

eine geträumte Unwirklichkeit?

Hier oben auf meiner bescheidenen Höhe wuchs Weizen, als ich baute, und es wächst auf allen vier Seiten Weizen, Korn, Mais, es wachsen Kartoffeln und Rüben, es weiden Schafe zu herbstlicher Zeit, und im Winter wer- den wir eingeschneit, daß wir tagelang nicht mehr aus dem Haus kommen, um in den Mauern Raum zu finden zum Bedenken, ob es so recht war und ob es so recht ist. .

Wie die vier Arten Getreide, so wachsen auf diesem Boden die Erkenntnisse. Die Arbeit wächst mir zu, wie sie den Bauern zuwächst von Jahreszeit. Weil ich meine Bauern kenne und mit den Bauern alles hasse, was nur so tut, als ob es bäuerlich wäre, habe ich hier meine Philippika geschrieben wider alle Verlogenheit eines Schrifttums, das auf gut gedüngtem Boden mit dem rünstigen Geruch von Blut und Scholle hochtrieb, bis es an sich selber ver- dorrte, weil das Bäuerliche in sich selbst Rache nimmt für jede Unwahrhaftigkeit. Ich bin hier mit bauernhafter Zähigkeit zu Felde gezo- gen gegen jene kränkliche Unausgewogenheit, die zu einer hysterischen Landabkehr, Land- scheu, Landflucht und Verachtung des Länd- lichen führte. Die Summe aller Erkenntnisse, aller an mir selbst erlittenen Nöte und aller von den Vätern überkommenen Weisheit ist doch jenes eine, daß der im Bäuerlichen heran- geführte Mensch auch im Bäuerlichen bleiben muß, wenn er nicht an der Verpflanzung zu-

grunde gehen will. Freilich ist es eine Gewalt-

tätigkeit, die so am Menschen, von innen her- aus, vollzogen wird, und diese Gewalt zu er- leiden, mag schmerzlich sein, aber ihr Erleiden wird am Ende zum Segen. Sehr weit muß der Mensch gehen können in seinem Verzichten, um nach allem Verzicht sein zu dürfen, was er ist. Mir ist aus dem schmerzhaften Gezwungen- werden langsam jene Liebe großgewachsen, die leidenschaftlich nach eigenem Bauerntum strebte. Ist es bis jetzt noch kein bäuerlicher Hof, so ist es eine bäuerliche Heimat. Und ist es kein Acker, so ist ein großes Stück Garten, das ich pflegen darf, wenn ich an meinen Büchern von Bauern schreibe und im Ermüden eine körperliche Arbeit brauche.

Weil dies so ist, zähle ich zu meinen liebsten Büchern die dramatische Bearbeitung des ur-

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alten „Meier Helmbrecht“, ‚denn es gibt noch viel von den Helmbrecht-Söhnen, die Bauern verunehren und Knechte verhöhnen, die gleich als Herren wollen beginnen und nie gelernt haben, als Knechte zu dienen‘. Und bei aller Schmalheit des Bändchens zähle ich mit tiefer Liebe meine „Bäuerliche Anabasis über man- chem anderen, was mir vielleicht größeres An- sehen eintrug. Hier habe ich vor Jahren unter dem Nachklang einer Weise, die mir aus den Erzählungen meines Vaters in der Erinnerung geblieben ist, die Geschichte von achtzehn Bauern geschrieben, die 1812 nach Moskau zogen unter Napoleon und im Eis geblieben sind, weil der letzte sich noch opferte für einen Kameraden, der notwendiger zu Hause erwartet wurde.

Für meine „Anabasis“ einzustehen, bin ich am Morgen des 22. Juni 1941 freiwillig mit ange- treten und habe den russischen Süden durch- zogen bis hinunter auf asiatischen Boden, meine Bücher und meine Bauern zurücklassend, um einer der bäuerlichen Soldaten zu sein, die im Krieg nicht den Tod sehen, sondern die Fruchtbarkeit, nicht das Sterben, sondern das Reifen des Weizens, nicht das Entsetzliche, son- dern das stille Wunder der Erschaffung. Was ich aus dem Jahr 1941 niedergeschrieben habe in meinem Kriegstagebuch „Die Kraniche der Nogaia“, ist von vielen Lesenden als das ver- standen worden, was ich ungewußt darin niedergelegt habe: das Buch eines Bauern, der Soldat geworden ist und als Soldat nur mit den Augen des Bauern sieht. Nie hat mich die End- losigkeit der Steppe bedrückt, denn ihre Fruchtbarkeit war viel ungeheuerlicher als ihre Weite. Menschen habe ich gesehen, Felder habe ich gesehen, Weizen habe ich in der Steppe auf- geschüttet gesehen zu Tausenden von Tonnen und bin, wie nur Bauern es werden können, berauscht worden von dem Erlebnis der Frucht- barkeit, daß ich den Krieg nicht mehr sah, son-

dern nur noch dieses Berauschtsein ewiger

Ernte über mich ergehen ließ. Hier habe ich es auch erlebt, daß ein Mensch, der wirklich Bauer ist, nicht umgestoßen werden kann von dem grausamen Äußerlichen, das bis zum Tod geht. Es waren ja fast nur Bauern, die dort mit uns gingen durch die Endlosigkeit der Ernte. Bauern waren es, mit denen ich im letzten Sommer weit im Norden stand, wo ein Roggenfeld schier wie eine Narrheit anmutete in der Wildnis von Sand und Sumpf. Wie selige Narren schauten wir auf um eines reifenden Roggenfeldes willen, und jeder hat in dem fremden Korn und dem frem- den, kärglichen Halm die Heimat gesehen. Ich habe wohl draußen sein müssen, um zu wissen, daß es wahr ist, was ich einmal in der Bäuer-

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lichen „Anabasis“ geschrieben habe vom Sterben der Bauern um des Lebens willen. Ich habe auch das erleben müssen, um bestätigt zu finden, daß ich die ganze Welt anders nicht mehr sehen kann als durch die Augen eines Bauern.

Der Weg, den ich hergekommen bin, ist in einen natürlichen. Rundlauf eingemündet, in dem Anfang und Ende sich unaufhörlich die Hand reichen. Der Sohn tut auf andere Art, was der Vater tat, was der Großvater lebte, was in bäuerlicher Leidenschaftlichkeit von weit her bis zu ihm heraufgekommen ist. Und wenn mein Tun überhaupt in einem Ziel fest zu umreißen ist, so ist dieser Zielgedanke das Leben selbst.

Da ich dies niederschreibe in der Mitte eines Lebens getreuer Bauernarbeit, stehen wir zu- tiefst in gewaltsamen Austragungen ums Lebens- recht für alle Zukunft. Städte werden von klugem Vorbedacht geräumt oder mit der Wut von Waffen entvölkert, städtische Menschen gehen auf eine Völkerwanderung, wie die Ver- gangenheit keine kannte, der Flucht vom Land ist eine tiefe Scheu vor der Stadt gefolgt, und wir beide, die wir uns hier nun begegnen auf dem Land, der Städter und der Bauer, sind tief erstaunt darüber, daß es genau so steinver- wurzelte Menschen gibt wie boden verwurzelte, daß die Zugehörigkeit zur städtischen Welt in den städtischen Menschen eine Liebe ausge- prägt hat, die wir dort gar nicht geahnt haben. Der städtische Menschenkern kann nicht anders als städtisch sein, er fällt ins Bodenlose, wenn man ihn aufs Land verpflanzt. All jene aber, die nicht zu diesem gesunden Kern gehören, son- dern um ihn herum angeschwemmt wurden und den Städten erst jenes krankhaft Aufgeblähte gaben, um dessen willen der Bauer scheel nach der menschenfressenden Stadt geschaut hat, werden von dieser Zeit einer harten, grau- samen und brutalen Prüfung unterworfen: ob sie noch bodenhafte Kraft genug in sich haben, mit stiller Selbstverständlichkeit wieder ins Bäuerliche zurückzufinden.

Nach diesem Krieg, so glaube ich, wird eine Zeit des Bäuerlichen kommen, eine Zeit klarer Einfachheit und Besinnung, getragen von den Menschen, die aus den Städten zurückgekehrt sind, und von den anderen, die im Osten das ungeheure Erlebnis der Erde hatten. Vielen Menschen ist in den Kriegsjahren das Wunder aufgegangen, in dem wir seit Jahr und Tag be- glückt leben ohne jede Sehnsucht nach der städtischen Buntheit. Und sie hereinführen zu helfen in die Fülle. dieses Wunders, aus der jahrzehntelang geflohen wurde, mag mir und uns allen, die wir von Bauern schreiben, eine noch größere Aufgabe sein als jede andere bisher.

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KLAUS SCHMIDT:

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Ma Karl Immermann hat Hebbel einmal in bezug auf das Oberhofidyll aus dem großen satirischen Roman „Münchhausen“ gesagt, er habe einen neuen Weltteil in die Litera- tur geschleudert. Immermanns „Münchhausen“ erschien 1838. Zwei Jahre früher war der „Bauernspiegel“ Jeremias Gotthelfs erschienen. Ohne Immermanns Werk etwas von seiner Be- deutung zu nehmen, würden wir heute doch weit eher Jeremias Gotthelf als denjenigen bezeich- nen, der den neuen Weltteil, das Bauerntum, in die Literatur geschleudert hat, Nicht so sehr, weil sein erstes Buch zwei Jahre früher erschien als der „Oberhof“, sondern vor allem, weil in Gotthelfs ganzem gewaltigen Werk immer nur das Bauerntum im Mittelpunkt steht, während der „Oberhof“ im Gesamtwerk Immermanns nur eine Episode ist, wenn auch allein diese Episode Immermanns Namen berühmt gemacht hat. So wahr es also für uns Heutige ist, daß zweifellos der große Schweizer an der Spitze der neueren deutschen Volksdarstellung steht was er- kannt zu haben besonders ein Verdienst von Adolf Bartels gewesen ist so ist das Urteil Hebbels doch verständlich, denn literarisch weit einflußreicher war zu seiner Zeit Immermann, während es mindestens ein Jahrzehnt dauerte, ehe der deutsche Leser von dem großen aleman- nischen Bauerndarsteller Notiz nahm.

Die Literatur ist ein Spiegel der geistes- geschichtlichen Entwicklung. Wollen wir die geistesgeschichtlichen Ursprünge der modernen Bauerndichtung feststellen, so müssen wir noch weiter zurückgehen als zu Gotthelf und Immermann, zurück bis in die Zeit der Auf- klärung und der Romantik, vor allem zu Pesta- lozzi und Justus Möser.

Durch die Aufklärung wurde eine ganz ent- scheidende Änderung der Stellung des Bauern im Bewußtsein der gebildeten Stände verursacht. Sie sah in der Vernunft und ihrer richtigen An- wendung auf alle Lebensgebiete den Weg, der die Menschen aus dem Zwang kirchlicher, po- litischer, gesellschaftlicher und wissenschaft- licher Autoritäten herausführen sollte. Kant hatte als zweite Regel zur Vermeidung von Irr- tümern die Forderung aufgestellt „sich an die Stelle eines anderen zu denken", Dieser Satz, auf das Bauerntum angewendet, mußte zu einem totalen Wandel des bisherigen Verhältnisses der

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7

in der Dichtun g

höheren Stände zum Bauerntum führen. Man entdeckte hinter dem „Tölpel“, dem rohen, in Aberglauben und Unbildung versunkenen „Bauernkerl‘‘ wieder den Mitmenschen, dem gegenüber man wieder Menschenpflichten emp- fand, der auch Anspruch auf menschliche Würde und Freiheit hatte. Man war dabei ehrlich ge- nug, die Ursache des Bauernelends und der Leibeigenschaft nicht den Bauern selbst in die Schuhe zu schieben, sondern sie in den gesell- schaftlichen Verhältnissen und der falschen Ein- stellung der höheren Stände zu sehen.

Auch die Dichtung der Aufklärung stelite sich den Bildungszwecken zur Verfügung,

aber der Bauer, den sie uns schildert, steht noch

ganz außerhalb seiner Lebenswirklichkeit. Ihm fehlen Urwüchsigkeit und Leidenschaft. Er ist sehr brav und fromm und die Fabeln Gellerts und Lichtwers stellen ihn mit Vorliebe als Mu- ster von Rechtschaffenheit, Nüchternheit und Mutterwitz hin. Geblieben ist von dieser Dich- tung nur Pestalozzis Roman „Lienhard und Gertrud", In diesem Werk erreicht der sozialpädagogische Impuls der Aufklärung eine reine Höhe. Als Roman geschrieben, ist dieses Buch doch eigentlich kein Roman in unserem Sinne, sondern die in eine Fabel gekleidete Dar- legung von Pestalozzis Erziehungssystem. Sein großer Gedanke war dabei, daß die Erneuerung des Bauerntums von der Besinnung auf die eigenen Kräfte auszugehen habe, die nur zu wecken seien. Keine wesensfremde Bildung sollte von außen an das Bauerntum herangetra- gen oder ihm aufgezwungen werden.

War der Bauer erst einmal als Mensch wieder:

entdeckt, so bedurfte es nur eines Schrittes, um ihn als Glied der Nation, als Träger der Volks- kraft zu erkennen. Diesen Schritt tat Justus Möser. Justus Möser ist der erste große Bauerndenker der deutschen Geistesgeschichte, zugleich der erste bedeutende Bauernkundler. Sein ganzes Werk durchzieht der Gedanke, daß das Land der eigentliche Urgrund der Schöpferkraft eines Volkes ist Im Bauerntum, wie Möser es zeichnet, wird mensch- liches Wesen in seiner ewig gültigen Form über- haupt sichtbar. Bäuerliche Lebensweise und Ar- beit sind für Möser Ausdruck echten vollen- deten Menschentums schlechthin. Am Vorbild

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dieses so gezeichneten bäuerlichen Menschen-

tums will Möser die ganze Nation erziehen, denn.

auch er war seinem innersten Wesen nach Volkserzieher und Volksführer. Die Gedanken- welt Mösers ist für die spätere Bauerndichtung wegweisend geworden und hat auch noch für die Bauerndichtung unserer Tage ihre Bedeu- tung. Seine „Patriotischen Phantasien” sind zwar keine Dichtungen, sondern politische Auf- sätze und doch müssen sie bei einer Betrachtung über bäuerlicheDichtung erwähnt werden, nicht wegen des Erfolges, der weit über den manches guten Bauernromanes späterer Zeit ging, son- dern wegen des Einflusses, der von ihnen aus- ging. Nicht nur Goethes Anschauungen über das Bauerntum wurden weitgehend von Möser bestimmt, sondern auch Wilhelm Heinrich Rienl hat stets der Anregungen, die er durch Möser empfing, dankbar\gedacht und sein Werk oft als beispielhaft hingestellt. Vor allem ist auch in KarlImmermanns „Oberhof“ der Ein- fluß Mösers deutlich.

Mit Immermanns „Oberhof“ und den ersten

Werken Gotthelts beginnt ein Strom bäuerlichen

Schrifttums, der wohl je nach Gunst oder Un- gunst der Zeit gelegentlich in seiner Mächtig- keit nachließ, aber bis in unsere Tage nicht mehr versjegte. Er war ebenso ein Ausdruck des . Herauikommens eines sozialistischen Zeitalters wie die gleichfalls in dieser Zeit beginnende Arbeiterdichlung. ,

Der „Oberhof“ wird gewöhnlich als die erste Dorfgeschichte bezeichnet. Mit diesen Dorf- geschichten, die in der Literatur des 19. Jahr- hunderts eine ganze Gruppe ausmachen, beginnt die erste große Mode der Bauern- darstellung im neueren deutschen Schrifttum. Zu dieser Gruppe gehören auch die Dorfgeschichten Anzengrubers, Gottfried Kellers und der Droste-Hülshoff. Von dieser ganzen breiten Strömung hat sich jedoch mit Recht wenig bis in unsere Zeit leben- dig gehalten, und dieses Wenige, wie z. B. die Dorfgeschichten Anzengrubers, Kellers und anderer, wirkt auf uns Heutige durch die hohe dichterische Darstellungskunst, trotzdem wir die bäuerliche Umwelt oft als unecht empfinden. ‚Zwar spielen alle Dorfgeschichten in ländlicher Umgebung, jedoch ist das bäuerliche Ge- wand meistens einem wesensfremden Stoffnurlose übergeworfen. Das Bäuer- liche behält nur sekundäre Bedeutung. Die see- lische Haltung dieser bäuerlich sein sollenden Menschen wird nicht in Beziehung gesetzt zur Landschaft, weil Dorf und Bauer nur Szene und Objekt darstellen für irgendein soziales oder moralisch-ethisches Problem, das nicht mit innerer Notwendigkeit in der bäuerlichen Le- benswirklichkeit wurzelt. Die Eigengesetzlich- keit der bäuerlichen Lebenssphäre wird fast nie zur alleinigen Veranlassung des Erzählens. Nur wenige Zeitgenossen erkannten die innere Un- echtheit der Dorfgeschichtenliteratur. Wilhelm Heinrich Riehl war einer dieser seltenen

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Geister. Er schrieb noch während der Blütezeit der Dorfgeschichtenliteratur: „Der deutsche Bauer ist in der neuesten Zeit eine Art Mode- artikel in der schönen Literatur geworden... es hat sich aber in die meisten Dorfgeschichten (die Auerbachschen nicht ausgenommen) neben manchen der Natur abgelauschten Zügen eine grundfalsche Zeichnung des Gemütslebens der Bauern eingeschlichen. Der Bauer ist himmel- weit entfernt von jeder modernen Sentimenta- lität und Gefühlsromantik: er ist dazu aus viel zu sprödem Stoff geformt, ja er ist in Sachen des Herzens oft geradezu roh. Dies wußte nur Jeremias Gotthelf haarsträubend wahr darzu- stellen... Indem unsere Dorfpoeten ihr eigenes Gefühlsleben auf den Bauer übertrugen, ver: wischten sie gerade einen seiner hervorragend- sten Züge, daß nämlich bei ihm die gattungs- mäßige Sitte an die Stelle desindivi- duellen Gefühls tritt. Zudem wird man in unserer Dorfgeschichtenliteratur den Bauer fast immer etwas sozial kränkelnd, halb zum Prole- tarier verkrüppelt gezeichnet finden, bereits an- gesteckt von städtischem verneinendem Geiste gegen Staat, Gesellschaft und Kirche.“

Ein ewiger Schandfleck wird es bleiben, daß es die Instinktlosigkeit einer deutschen Litera- turkritik fertigbrachte, die „Schwarzwälder Dort- geschichten” (1843) des Juden Berthold Auerbach als Krönung dieser ganzen Dorf- geschichtenliteratur hinzustellen, obwohl sie das kraftvolle und urwüchsige Bauerntum des Schwarzwaldes in unerträglich süßlicher Weise verniedlichen und idyllisch verfälschen. Es et scheint uns heute unfaßbar, daß einmal dieser Jude, der zweifellos ein gewisses Formtalent besaß, aber ohne innere Notwendigkeit schrieb und lediglich ein geschickter Modeschriftsteller war, von einer zünftigen deutschen Literatur- kritik über Gotthelf gestellt werden konnte.

Zwei Jahre vor den Schwarzwälder Dorf- geschichten war unbemerkt von den meisten Zeitgenossen ein Werk erschienen, das in Wahr- heit das eigentlich klassische Werk des dörf- lichen Volksromans im 19. Jahrhundert ist. Es dauerte zehn Jahre, bis Jeremias Gotthelfs „UliderKnecht breitere Anerkennung fand. Im „Uli der Knecht" und in seiner Fortsetzung

„Uli der Pächter“ stellt Gotthelf besonders das

Arbeitsleben der großen Berner Bauernhöfe dar.

Lange bevor die deutsche Literaturkritik die

Forderung aufstellte, daß der Roman das deutsche Volk bei der Arbeit aufsuchen müsse, hat Gotthelf diesen Satz verwirklicht. Gotthelf stellt in der Form eines Entwicklungsromanes das Schicksal eines Knechtes dar, der sich schließlich zum Pächter und zuletzt zum Bauern und Eigentümer aufschwingt. Gotthelf schildert keinen besonders befähigten Menschen, keine ins Heroische gesteigerte Gestalt, sondern einen Durchschnittsmenschen, gesund an Leib und Seele, der durch Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit, nicht durch irgendeine geniale Tat

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Im Bilde oben zeigen wir die ge- schmackvolle Dorfstube des Ge- meinschaftshauses mit der Leseecke am Ofen und dem Bücherschrank. Links die von der Dorfgemein- schaft entworfene und gearbeitete Wandbekleidung, die sog. „Wand- spinne”. Das Bild unten gibt das Zimmer des BdM. im Dorfgemein- schaftshaus wieder

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Der Saal des Dorfgemeinschaftshauses

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vorwärtskommt. Gerade von einer solchen Ge- stalt versprach er sich die meiste erzieherische Wirkung. Diese Entwicklung ist nun in eine bunte und wirklichkeitstreue Schilderung bäuer- lichen Lebens gestellt, die frei von jedem Pathos ist, aber durch ihren Reichtum und ihre an- schauliche Unmittelbarkeit wirkt. In der Art, wie Gotthelf uns nicht nur in diesem Buch, das die Krönung seines Gesamtwerkes darstellt ein Stück Erde mit aller Eigenart, selbst bis auf den Menschenschlag und die heimische Mundart schildert, steht er nicht nur am Beginn des realistischen Volksromans, sondern auch am Anfang der naturalistischen Heimatkunst. Auch als Dichter war Gotthelf in erster Linie Volkserzieher und er wäre nie Dich- ter geworden, wenn ihn nicht der Drang, er- zieherisch zu wirken, dazu getrieben hätte. Sein ganzes Werk ist ein „Bauernspiegel“, ein Spie- gel, dem Bauerntum selbst vorgehalten und zum andern ein Spiegel des bäuerlichen Lebens, eine großartige Natur- und Kulturgeschichte des südalemannischen Bauerntums.

Der poetische Realismus zeichnete sich durch eine enischiedene Wendung zur Wirklichkeit des menschlichen und nationalen Lebens aus. Diese tiefere Einkehr ins Volksleben, die Hin- wendung zur Natur und zur Erde der Heimat, die Wiederentdeckung der Stammes- und Heimat- geschichte für die Dichtung hatten zur Folge, daß der poetische Realismus nicht nur in weit stärkerem Maße als Klassik und Romantik völ- kisch und national gebundene Dichtungen her- vorbrachte, sondern weitgehend geradezu Stam- mesdichtung war, aus der sich gegen Ende des Jahrhunderts im Zeichen eines naturalistisch ge- steigerten Realismus die Heimatkunst ent- wickelte. Adolf Bartels war der Schöpfer dieses Begriffes. Er umschrieb ihn mit folgenden Worten: „Heimatkunst ist die Kunst der vollsten Hingabe, des innigsten Anschmiegens an die Heimat und ihr eigentümliches Leben, Natur- und Menschenleben, aber dabei eine Kunst, die offene Augen hat, die weiß, daß Wahrheit und Treue der Darstellung unumgänglich, der Würde der Kunst allein entsprechend ist, daß nicht die blinde, sondern die sehende Liebe die höchste ist.” Es ist wohl richtig, daß die landschafts- gebundene Heimatkunst oft in der Enge klein- bürgerlicher Milieuschilderung steckenblieb und ihr häufig jeder große Zug, jede Beziehung zum Leben, Leiden und Werden des ganzen deutschen Volkes fehlte. Sie war leider in der Masse ihrer Vertreter bewußt und mit Fleiß unpolitisch. Sie blieb häufig bei der Verehrung bäuerlicher Ar- beit, bei der Hochschätzung des einfachen bäu- erlichen Lebens und seiner Werte stehen, ohne

den Bauern als völkische Urkraft zu

erfassen. Allenfalls begriff sie ihn noch als Emährer des Volkes, als Spender des Brotes. Und doch waren allein in der landschaftsgebun- denen Dichtung die Quellen beschlossen, an denen die gesamtdeutsche Dichtung langsam

wieder gesundete. Dutch das Erlebnis des Welt- krieges und durch das nationalsozialistische Gedankengut erhielt die Heimatdichtung jenen politischen Impuls, der ihr in wilhel- minischer Zeit weitgehend fehlte und so er- wuchs aus dieser Verbindung landschaftsgebun- dener dichterischer Überlieferung mit der neuen Weltanschauung von Blut und Boden die große bäuerliche Dichtung unserer Tage, die im höch- sten Grade das ist, was wir unter dem Begriff der politischen Dichtung verstehen.

Als Gegengewicht gegen den ständig zuneh- menden städtischen Geist hatte die Heimatdich- tung auch schon um die Jahrhundertwende, vor dem Weltkrieg, ihren großen Wert. Lang- behn, der Rembrandtdeutsche, forderte eine Ausrichtung der Erziehung und des Schrifttums auf bäuerliche Werte, eine „Verbauerung der Bildung‘, d. h. sowohl unserer persön- lichen Kultur wie des staatlichen Lebens, um gegenüber den zersetzenden Tendenzen der großstädtischen Zivilisation ein inneres Gegen- gewicht zu bilden. „Der Rauch, der aus der Scholle aufsteigt, ist die Seele des Landes. Zu dieser Seele muß die deutsche Bildung zurück- kehren. Die im jetzigen Deutschland so mannig- fach grassierende Bauernmalerei und Bauern- dichtung entspringt dem dunklen, aber nur zu häufig in gekünstelter Weise sich äußerndem Gefühl, daß die Nation sich von jener gesun- den Grundlage ihres geistigen Daseins entfernt hat und zu ihr wieder zurückkehren müsse.”

Die bedeutendsten Vertreter der Heimatdichtung gehören meistens auch heute noch zu den gern gelesenen Bauerndich- tern, wir nennen hier nur: Peter Rosegger, Timm Kröger, Sohnrey, Hermann Löns, Gustav Frens-

sen, Lulu von Strauß und Torney, Huggenbergar,

Polenz. Manche von ihnen, haben noch die Heraufkunft des Nationalsozialismus erlebt und in ihm auch die Erfüllung ihres Wirkens und Wollens gefunden. Als das bedeutendste bäuer- liche Werk der gesamten Heimatkunstbewegung um die Jahrhundertwende möchten wir den „Büttnerbauer“ von Wilhelm von Po- lenz bezeichnen, nicht nur deshalb, weil in ihm schon der politische Wille spürbar ist, der unserer heutigen Bauerndichtung das Gepräge gibt, sondern weil dieser Wille ganz in der künstlerischen Form aufgelöst erscheint und nicht in unkünstlerischer Weise als falsches Pathos oder unangebrachte Programmatik her- vortritt, wie leider in einem Teil unserer heu- tigen Bauerndichtung. Kein Geringerer als Adolf Bartels hat dieses Buch ein abgerundetes Stück deutschen Lebens genannt, das weit mehr als ein Zeitroman im naturalistischen Sinne, sondern ein wirklicher völkisch-sozialer Ro- man, eine allseitige umfassende Schilderung

ländlichen Lebens ist. Hinter der scheinbar lei-

denschaftslos sachlichen und nüchternen Schil- derung vom Untergang des Büttnerhofes spürt man immer den tiefen Ernst, mit dem der Dichter

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diese für das tragische Schicksal des deutschen Bauerntums in der Hochblüte des Liberalismus symptomatische Episode begleitet. Polenz po- lemisiert nicht. Das hätte den künstlerischen Wert seiner Dichtung nur eingeschränkt. Es fällt kein Wort der Anklage gegen Judentum, libera- listisches Bodenrecht, Bodenspekulation und kapitalistischen Eigennutz der Großgrundbesit- zer. Die unerbittlich dem tragischen Ende zu- schreitende Darstellung ist Anklage genug.

Nach dem Weltkrieg nahm die bäuerliche Dichtung an Umfang und Wert einen stetigen Aufschwung. Je brennender die Not des Standes wurde, je schärfere Formen die Auseinander- setzung zwischen dem Bauerntum und den zer- störenden, auflösenden, zersetzenden Mächten des Liberalismus und des Judentums, die sich vor allem in den Großstädten konzentrierten, annahm, um so mehr wurde der aus dem großen Krieg heimkehrenden Generation klar, daß es ‚sich hier um einen Schicksalskampf handelte, bei dem es um nichts weniger als das Leben und die Zukunft der Nation ging.

In dieser Situation konnte es nicht mehr ge- nügen, allgemein menschliches Geschehen in bäuerliches Gewand zu kleiden, wie es die Dorf- geschichten des 19. Jahrhunderts taten, es konnte ebensowenig genügen, ein treues Abbild des ländlichen Lebens irgendeiner engbegrenzten Landschaft zu entwerfen. Es kam nun darauf an, in die Mitte der bäuerlichen Lebens- wirklichkeit zu treten und ohne romantische Verklärung und idyllische Verniedlichung von der Not und der Schuld, aber auch von der unerschöpflichen Kraftquelle und der völkischen Sendung des Bauerntums zu künden.

In zweierlei Richtung wandte sich dabei der Wille der Dichter. Einmal mußte dem Bau- erntum ein Spiegel seiner selbst vorge- halten werden, um es wieder zur Selbstbesin- nung und Selbstachtung aufzurufen, aber auch, um ihm das Gewissen zu schärfen für das Wesen echter deutscher Bauernart. Vielfach war dem Bauerntum das Bewußtsein seines Wertes und seiner Bedeutung im Volksganzen schon abhan- den gekommen. Leichten Herzens hatte sich in manchen Gegenden das Bauerntum vom alten Herkommen abgewendet und sich die Formen der städtischen Zivilisation wie ein fremdes Kleid angezogen. Hier galt es, dem Bauern zu zeigen, gas auch die Untreue gegenüber der eigenen’ Art schließlich zum Untergang des Hofes und der bäuerlichen Sippe führen muß.

Zum zweiten mußte die Dichtung an der gro- Ben Aufgabe mitwirken, dem übrigen Volksteil die volle bäuerliche Lebenswirklichkeit und die volkspolitische Bedeutung des Bau- erntums nahezubringen, um die Entfremdung beseitigen zu helfen, die durch jüdische Zer- setzungsarbeit und systematische Hetze zwi- schen dem Bauerntum und gewissen Schichten der Großstadtbevölkerung eingerissen war.

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Im folgenden sollen einige Beispiele aus die- sem neuen, im besten Sinne politischen, bäuer-

lichen Schrifttum unserer Zeit angeführt werden.

In seinem Roman „Winter“ (1927) hat Friedrich Griese in unvergleichlicher Weise geschildert, wie ein Dorf, die Lange Reihe, untergeht, weil in den Menschen, deren Blut müde und ver- braucht ist, das Gefühl dafür verlorengegangen ist, daß die Erde nur dem, der ihr treu dient,

die Herrschaft über sich einräumt und dauem-

den Segen gewährt, den aber, der glaubt, sie ausbeuten zu können, ohne Gnade verstößt. Der Untergang des Dorfes wird sinnbildlich dar- gestellt in einem furchtbaren Winter. Dieser kündigt sich durch allerhand Zeichen an, aber die Menschen haben den Instinkt verloren und vermögen die Zeichen der Erde nicht mehr zu deuten. Der grausame Winter erstickt alles Leben. Nur ein Menschenpaar entzieht sich der Vernichtung und setzt einen neuen Anfang, Jona, in dem sich das müde Blut der alten Sip- pen mit einem kraftvollen Blutsstrom verbindet und dadurch erneuert er ist der Sohn eines fremden Knechtes und der Tochter aus einer der alten Sippen —, und das Mädchen Grita. Sie haben sich die Einfachheit der Herzen und die Ehrfurcht vor der Erde bewahrt. Ihre Sinne sind noch scharf, und in ihrem wachen Blut lebt noch die alte bäuerliche Weisheit, die Griese einmal in die Worte geprägt hat: „Einer ist Herr der Scholle: der ihr Diener ist, / der von Tag zu Tag dies nicht vergißt, / daß sie älter noch als jedes alte Geschlecht, / Herr des Ackers hieß immer: der Erde Knecht.” -

Es ist kein Zufall, daß es so oft die Frauen sind, die der bäuerlichen Gemeinschaft in Not- zeiten Rückhalt und Kraftquell sind, die den Untergang eines Hofes aufhalten und über die Zeit der Verwirrung einer Sippe hinweg, wenn sich das Blut im Mannesstamm erschöpft, Hū- terin des Erbes sind, bis wieder ein neuer An- fang gesetzt ist. Sie sind in ihrer größeren Heimat- und Erdgebundenheit das stärkste Boll- werk gegen die Landflucht. Sie sind wie die Sixta in Busses „Bauernadel“ die Bewahre- rinnen der Sitte, des alten Herkommens, der alten Trachten und des Hausfleißes und damit der Mittelpunkt der bäuerlichen Lebensordnung. Es gibt im Leben jeder bäuerlichen Sippe Zeiten,

- wo es nicht auf den Mut des Ausgriffs ankommt,

sondern wo das von Geschlechtern Errungene in den Stürmen eines widrigen Schicksals oder einer ungünstigen Zeit festgehalten und bewahrt werden muß. Dann schlägt die Stunde der Frauen, gerade weil ihr Denken einfacher ist und mehr der Erde verhaftet, instinktsicherer gegenüber den Gefahren, die dem Hof von außen drohen, voller Mißtrauen gegenüber den scheinbar so hochfliegenden Plänen der Männer. Der David Waßmann in Huggenbergers „Frauen von Siebenacker” verfällt, ge- trieben von Unzufriedenheit mit seinem Schick- sal auf die Idee, sich von der bäuerlichen Arbeit

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abzuwenden und einen Handel aufzumachen. Er will schnell zu Geld kommen und sieht nicht, daß er das Gesetz des Hofes mit Füßen tritt, das entsagungsvolle Arbeit verlangt und vor den Erfolg die schwere und oftmals bittere Pflicht des Tages setzt. Aber seine Frau Anna nimmt den Kampf um den Hof auf. Sie steht auf dem Acker und ringt gegen das Unkraut, sie hält den Hof zusammen, obwohl es fast über ihre Kraft geht. Ihr stiller Kampf gewinnt schließlich den Mann dem Hof zurück.

Die „Notthaften“ in Josef Martin Bauers gleichnamigen Roman sind eine alte starke Bauernsippe, über die aus Unglück und Schuld gewoben ein schweres Schicksal kommt. Der Bauer wird vom Blitz erschlagen. Die Söhne mißraten. Die Tochter wirft sich einem Knecht in die Arme. Der Hof scheint verloren. Aber die Altbäuerin hält zäh am Erbe fest und erzieht den Sohn der Tochter zum rechten Erben des Hofes. „Was einst selbstverständlich gewesen war, mußte jetzt hart und mit ganzem seelischen Einsatz erkämpft werden. Es bedurfte eines Ubermaßes mütterlicher Liebe, um die bäuer- liche Familienordnung wieder herzustellen und die Fäden, die abzureißen drohten, wieder fest- zuknüpfen.”

Das harte Lebensgesetz der Berghöfe verlangt von jedem einzelnen Opfer und ein Zurückstel- len der eigenen Wünsche, wenn der Hof und die Sippe Bestand haben sollen. Der Bauer Ule in Oberkoflers Roman „Die Flachsbrauf” vermag in seiner müden, schwermütigen Art dem Niedergang des Geschlechtes nicht mehr zu wehren. Er läßt die Dinge gehen wie sie treiben.

Da bewährt sich das starke Blut der alten Sippe

in der Tochter Gisela. In der Stunde der Ent- scheidung über das weitere Schicksal der Sippe, vor den Trümmern des abgebrannten Hofes, setzt sie sich dem Vater gegenüber durch. „Du scheust das, was ich möchte, das Harte. Nach dem Bequemen, das du vorziehst, Vater, möchte ich hicht greifen.” Sie veranlaßt den Neubau des Hofes an einem höher gelegenen Ort, wo in früherer Zeit schon einmal der Sippenhof ge- standen hat. Damit verschafft sie dem alten har- ten Lebensgesetz der Sippe wieder Geltung. Ihm hat sie auch ihr eigenes Leben geopfert. Die Not ihrer Sippe rief sie von dem eigenen reichen Hof im südlichen Weinland aus dem Kreise der Ihren in die rauhen Berge zurück.

Es hat seine tiefe Bedeutung, daß in der Bauerndichtung der Nachkriegszeit der Sied- lungsgedanke so lebendig war. Er entsprang der inneren Abwehr, mit der der Frontsoldat dem neuen Staat und seiner jüdisch-mar- xistischen Führung gegenübertrat. Dieser Staat vermochte es nicht einmal, den Heimkehrern Arbeit zu geben. Mit Haß und Ekel wandten sich viele der Besten von dem durch Juden be- herrschten großstädtischen Zivilisationsgetriebe ab. Sie wußten es schon damals: nur von der Erde und der Arbeit konnte eine Erneuerung des

politischen, kulturellen und geistigen Lebens ausgehen. Sie wollten für ihren Teil damit be- ginnen und so haben sie sich, wie es Sandér in seinem Siedlerroman „Kompost“ einmal ausdrückte, nach dem Kriege in ein beschei- denes Stück Erde eingegraben, um dessentwillen sie einmal umschnallten. Sie wurden Siedler aus Verzweiflung an der Gegenwart und aus tiefem Glauben an die verborgenen Kräfte des deutschen Blutes und der heimatlichen Erde, die einmal aufbrechen würden.

Grieses gesamtes Werk ist von dem Siedlergedanken bestimmt. Der Dichter sagt ein- mal selbst darüber: „So bin ich fast mit all meinen Büchern aus Erfahkung und Uberliefe- rung zwangsläufig zum Künder lebendigen deut- schen bäuerlichen Lebens geworden. Und weil ich das Wesen dieses Bauerntums zu kennen glaube, deshalb ist sein Vertreter mir stets auch Siedler gewesen, das heißt: der Mann, der immer wieder von vorn beginnen, immer wieder den neuen Anfang suchen, die Einheit zwischen dem Blut und den Boden für sich herstellen muß. Diese Einheit, von der alle meine Bücher han- deln möchten, kann nur vom Menschen her zerstört oder aufgelöst werden, das heißt vom bäuerlichen Menschen; gegen ihn ist eine solche Zerstörung auf die Dauer nicht möglich.” Dieser Siedler ist das reine Urbild des bäuerlichen Menschen. Er ist ein Ruf an unsere Zeit.

„Das letzte Gesicht” erzählt vom alten Dorf am Rethbach, das einst ein Fanna auf der Stätte einer im Dreißigjährigen Krieg unterge- gangenen Siedlung begründete. Von ihren fünf Söhnen verliert Mutter Fanna drei im Krieg, einer wird vermißt und einer geht in die Stadt. Die Mutter glaubt mit unbeirrbarer Zuversicht an die Wiederkehr des Vermißten und der kehrt auch eines Tages zurück, lange nach dem so- genannten Friedensschluß. Er findet keinen seines Geschlechtes mehr, auch die Mutter ist schon tot und der Hof ist vom entarteten Bruder verkauft. Auf Odland im heimatlichen Dorf beginnt er als Siedler ein neues Leben, rodet, sät und erntet und verkörpert im Gegensatz zum wüsten und verderbten Taumel der Nach- kriegszeit, der auch das Dorf ergriffen hat die Rückkehr zum Segen der Arbeit und der mütter- lichen Erde. In seinem letzten größeren Werk, in dem Roman „Die Weißköpfe“ hat Griese den Gedanken der am Anfang aller Dinge ste- henden schöpferischen Einheit von Mensch und Boden am tiefsten und eindringlichsten gestaltet. Die Handlung ist in eine sagenhafte Zeit zurück- verlegt, eine Sage, die er von einem Knecht hörte, hat dem Dichter auch den Anlaß zu die- sem Roman gegeben. Thie, der Weißkopf, wird gegen seinen Willen zum Totschläger an seinem Brautvater. Er muß nun den alten Hof seiner Sippe verlassen und zieht in die Einöde. Dort wird er in hartem Lebenskampf der Stammvater eines neuen Geschlechts, das sich lebenstüchtig und kraftvoll ausbreitet. Zu anderer Zeit wer-

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den hier Höfe liegen, Höfe mit alten und jungen Menschen, denen keine weitere Vorbestimmung auferlegt wurde als die, in Ruhe und Sicherheit das zu halten, was der erste ihres Geschlechtes in Unruhe erwarb. Herdrauch wird in langen Zügen zu den Waldstücken hinüberwehen, von einem Hof zum andern, und niemand wird dann noch einen Weg wie diesen gehen müssen. Der eine geht ihn für alle.“

„Überall ist neue Erde, die den Menschen will und ihn an ihrem Tage herbeiruft.“ Dieses Wort Friedrich Grieses könnte auch über dem Roman „Brot“ von Karl-Heinrich Waggerl stehen. In ihm hat Waggerl die Geschichte des Simon Röck erzählt. Simon hat Sühne geleistet für einen Fehltritt. Als Mann mit geschorenem Kopf kommt er in die Einöde Eben und beginnt sein Leben neu als Siedler. Manchmal kommt ihn ein Verzagen an vor den Mühen und Ent- behrungen, die es kostet, ehe erst einmal die einfachsten Voraussetzungen zum Leben ge- schaffen sind. Es gelingt ihm schließlich und nach und nach spendet die Erde in steigender Fülle ihren Segen. Simon läßt sich nicht ver- wirren von den Lockungen, denen das Dorf ver- fällt, die es von der Erde abziehen und über schnell errungenen und wieder schnell verlo- renen Reichtum schließlich dem Verderben ent- gegenführen. Auch aus seiner eigenen Familie dringen Gefahren für den Hof, ja aus ihm selbst, denn in ihm wie in seiner Frau Regina sind hef- tige Triebe lebendig, aber sie werden gebändigt durch die Pflichten, die die tägliche Sorge um Haus und Hof, Mensch und Tier mit sich bringt.

Im Jahre 1930 schrieb Josef MartinBauer sein Buch „Achtsiedel", für das, er den Jugendpreis deutscher Erzähler gewann. Es be- richtet von acht Männern, die in das einsame Moor ziehen, um dort zu siedeln. Aber nicht alle bewähren sich, „weil sie nicht alle den Ubergang vom landsknechtmäßigen Abenteurerleben zu einer geregelten schweren Arbeit im Bauernhof ertragen konnten.” Sie konnten sich nicht an ein neues Lebensgefühl gewöhnen, das für die folgenden Geschlechter bindend sein sollte. Nicht alle halten aus, aber bei den übrigen ist es doch schließlich soweit, daß sie aufhören, verkrachte Existenzen zu sein und in bäuerliches Sein und bäuerliche Lebenshaltung hineinwach- sen. Josef Martin Bauer schrieb über sein Buch selbst: „Im Tiefsten ist das Buch ein Buch des Dankes für eine wunderbare Kameradschaft, die diese Männer mir in einer Zeit der Verwirrung und der Bodenlosigkeit gehalten haben. Ich danke es vielleicht dieser Kameradschaft, daß ich meinen Weg gefunden habe, und mit dieser Robinsonade wollte ich im Geist meine Kame- raden von ehedem in das bessere Schicksal füh- ren, das sie wahrlich verdient haben. Es war mein Glaube und aus diesem Glauben ist das Buch gewachsen —, daß des Menschen bestes Schicksal das Los des Bauern ist, auch wenn es schwer zu tragen sein mag.“

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Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den Reichtum unserer bäuerlichen Gegenwartsdich- tung auch nur annähernd zu umreißen. Sie ist das vermochten die wenigen Beispiele überzeu- gend klarzumachen über die rea- listische Wirklichkeitsschilderung hinaus längst Bekenntnis geworden In ihr lebt das deutsche Bauerntum, wie es in langer und schwerer Geschichte geworden ist, in ihr lebt aber auch der Mythusvom ewi- gen Bauerntum nordisch-deutscher Art. Diese beiden Sphären stehen zueinander in fruchtbarer, aber auch gefährlicher Spannung. Jedes Uberwiegen der einen über die andere kann entweder zur bloßen Abbildung der bäuer- lichen Lebenswelt ohne jeden im höheren Sinne politischen Akzent führen oder in falsche Ro- mantik ausarten. Beide Irrwege, vor allem der letztere, sind im bäuerlichen Gegenwartsschrift- tum nicht immer vermieden worden. So stark trat plötzlich das Bauerntum in den Mittelpunkt politischer und wissenschaftlicher Erörterung, daß sich auch Unberufene mit ihm zu beschäf- tigen begannen. Die Gefahr eines Konjunktur- schrifttums lag zu nahe, als daß sie ganz zu vermeiden gewesen wäre. Sie ist nur zu bannen durch rücksichtslosen Kampf gegen jede inner- lich unechte Phraseologie und jeden Versuch, den Mangel an dichterischer Gestaltungskraft durch Blut- und Boden-Pathos zu ersetzen, so gut sie auch gemeint sein mögen. Jede unechte Gestaltung der bäuerlichen Lebenswelt, sowohl der geistig-seelischen wie der materiellen muß als solche mit Nachdruck gekennzeichnet wer- den. Dazu muß nach der positiven Seite hin der ständige Hinweis auf beispielhafte Gestaltung bäuerlichen Lebens und deutscher bäuerlicher Art treten, wie wir sie bei Griese, Josef Martin Bauer, Albert Bauer, Oberkofler, Waggerl und anderen finden. Hier liegt eine wesentliche Be- deutung des Schrifttumspreises des Reichs- bauernführers füg das bäuerliche Schrifttum: Richtungweiser zu sein für alle, die sich mit dem Bauerntum als dichterischem Objekt befassen. Innerhalb der immer mehr anschwellenden Masse von bäuerlichem Schrifttum sollen auf diese Weise Maßstäbe für die Höhe der künst- lerischen Gestaltung geschaffen werden, auf die wir gerade beim bäuerlichen Schrifttum nicht verzichten wollen, denn nur sie verleiht dem Schrifttum längere. Lebensdauer und tielere Wirkung,

Diese gute und künstlerisch gestaltete Bauern- dichtung vermag uns dann im Kampf um die Sicherung und die Erneuerung des deutschen Volkes vom Bauerntum her ein wertvoller Bundesgenosse zu sein, weil sie dem gan- zen deutschen Volk immer wieder die hohen Werte germanisch-deutschen Bauern- tums nahebringt: Treue zur Scholle und zur bäuerlichen Art, Sippenstolz und Gemeinschafts- geist, Verantwortungsgefühl gegenüber den Ahnen und den Enkeln und äußerste kämpfe- rische Hingabe im Dienst an Sippe und Volk.

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Agarboltische,

Bei Betrachtungen der Kasssarnährungewirichafe kommen häufig die Grundlagen unserer landwirt- schaftlichen Erzeugung zu kurz, die normalerweise dem Licht der Öffentlichkeit weniger ausgesetzt sind. Das gilt In besonderem Maße für unsere Pflanzen- und Tierzüchter, durch deren jahrzehntelange stille und sehr oft auch uneigennützige sowie privat- wirtschaftlich sehr risikoreiche Arbeit überhaupt erst wichtige technische Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, daß die landwirtschaftliche Produktion in diesem zweiten Weltkriege nicht derart abgesunken ist wie im ersten Weltkrieg. Die Führung der national- sozialistischen Agrarpolitik hat von Anfang an die Arbeit der Tier- und Pflanzenzüchter bewußt ge- fordert und im Rahmen der agrarpolitischen Maß- nahmen gelenkt. Man muß sich immer wieder darüber klarwerden, daß ohne die deutsche Pflanzenzüchtung die Intensivierung unserer Landwirtschaft nicht mög- lich gewesen wäre. Der wichtigste Schritt, den die deutschen Pflanzenzüchter taten, war die Erfindung des sogenannten deutschen Ausleseverfahrens, das erstmalig in die Züchtung eine Prüfung der Nach- kommenschaften einführte. Nicht weniger bedeutsam war die Einführung des Begriffs der Bodenständig- keit der Züchtungen sowie der Kombinations- züchtung. Man strebt nicht nur nach guten Erträgen,

sondern verlangt ebenso beste Qualität, größte Er-

tragssicherheit, Immunität gegen Krankheiten und Schädlinge, Frühreife sowie andere wirtschaftlich wichtige Eigenschaften. Ohne diese Arbeiten wären die heutigen Produktionsleistungen undenkbar. Das gilt nicht nur für die Pflanzenzucht, sondern auch für die Tierzucht. Wenn die Pflanzenzucht die Aufgabe hat, Sorten zu schaffen, die unter gegebenen Boden- und Klimaverhältnissen und gleichzeitig unter Be-

rücksichtigung des Kulturstandes der Böden die

höchstmöglichen Leistungen hervorbringen, so hat die Tierzucht durch züchterische Auswahl die Rassen unserer Haustiere so zu verbessern, daß sie ebenfalls

unter den gegebenen natürlichen Verhältnissen größte _

Leistungen aufweisen. Dabei ist die Aufgabe der Tier- zucht schwieriger als die der Pflanzenzüchtung. Es lassen sich aber die gleichen Erfolge erzielen, wenn hier ebenso systematisch vorgegangen wird. Hier kommt es vor allem ‚darauf an, die Leistungen der breiten Landestierzucht an die Leistungen der Hoch- zuchten heranzuführen.

Dieses Ziel stand im Mittelpunkt einer großen Arbeitstagung der Rinderzüchter Deutsch- lands, zu der kürzlich der Reichshauptabteilungs-

leiter Il, Dr. Brummenbaum, als Beauftragter des Reichsnährstandes für die deutsche Tierzucht die Vorsitzenden und Geschäftsführer der deutschen Rinderzuchtverbände sowie die Leiter der Abteilung Tiere bei den Landesbauernschaften und die Vertreter der deutschen Tierzuchtwissenschaft nach Passau eingeladen hatte. Welche entscheidende Bedeutung auch die Führung der deutschen Ernährungswirtschaft dieser Tagung beimaß, geht daraus hervor, daß Ober- befehlsleiter Bäcke und Reichsobmann Behrens an der Tagung teilnahmen. Ebenso bekundete auch Dr. Zweigler, der Vorsitzende der Hauptvereinigung der deutschen Milch- und Fettwirtschaft, durch seine Teilnahme die enge Verbindung seiner Hauptver- einigung mit der Arbeit der deutschen Rinder- zucht.

Oberbefehlsleiter Backe entwickelte den deutschen Rinderzüchtern in grundlegenden Ausführungen ihre künftigen Aufgaben. Er legte Wert darauf, nicht allein durch reichseinheitliche Verfügungen die Arbeit der Rinderzüchter auszurichten, sondern betonte die Notwendigkeit, im offenen gegenseitigen Meinungs- austausch die Lösung aller Probleme zu finden. Reichs- bauernführer Backe erinnerte daran, wie die Parole der ersten Erzeugungsschlacht im Jahre 1934 ‚Mehr erzeugen und das Erzeugte sparsamer verwenden“ ganz auf Breitenwirkung eingestellt gewesen war. Sie richtet sich deshalb mit den für die einzelnen Zweige der Landwirtschaft gegebenen Rezepten nicht an die Spitzenbetriebe, sondern an die breite Masse der landwirtschaftlichen Betriebe. Das gilt heute nun in ganz besonderem Maße für unsere Viehwirtschaft. Dabei muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß der Herdbuchzuchtbetrieb in der Arbeit der deutschen Rinderzucht und -haltung nicht nur der Schrittmacher, sondern auch der Treuhänder

der Landeszucht ist. Ganz besonders bei der Milch-

erzeugungsschlacht kommt es nicht auf die an und für sich verhältnismäßig geringe Zahl der Herdbuch- zuchtbetriebe, sondern auf die Gesamtheit der Be- triebe an. Deshalb muß im Vordergrund die Ver- mehrung der wirtschaftseigenen Futtererzeugung als Grundlage für die tierische Erzeugung stehen. Damit ist erst die Voraussetzung für die notwendige Mehr- erzeugung von Milch, Fett und Fleisch gegeben. In Verbindung mit dieser Aufgabe so betonte Herbert Backe müssen gleichzeitig auch die züchterischen Probleme in Angriff genommen werden; es wäre völlig falsch, beide nacheinander lösen zu wollen.

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Deshalb stehen wir heute gewissermaßen am Ende einer alten Zeit in der Tierzucht. Künftig soll auch aut dem Gebiet der Tierzucht nicht so sehr das Er- reichen von Höchstleistungen Im Vordergrund stehen, sondern das Schwergewicht der Arbeit auf der Hebung der breiten Masse des allgemeinen Durchschnitts der Landestierzucht liegen. Da- bei gilt es, den Begriff der bodenständigen Zucht nicht zu überspitzen. Die bisher häufige zu strenge Ab- schließung der Zuchtgebiete voneinander muß einer gewissen Lockerung Platz machen. Wegweiser hierbei soll das Kalser-Wilhelm-Institut für Tierzucht- forschung in Dummersdorf sein, das nicht nur die Grundlagenforschung der Tierzuchtwissenschaft betreibt, sondern auch praktisch verwertbare Kombi- nationszüchtungen durchführt. °

Innerhalb dieser grundsätzlichen Ausrichtung wird bei der Rinderzüchtung die Erhöhung der Fetterzeu- gung im Vordergrund stehen, ohne daß gleich- zeitig die entscheidende Bedeutung der Rinderhaltung als Fleischlieferant vernachlässigt wird. Nach Backes Auffassung wird in Zukunft das für die Volksernährung benötigte Fleisch zu einem größeren Teil, als es früher der Fall war, aus der Rinderhaltung gedeckt werden müssen. Im Rahmen der hier aufgezeichneten großen Ziele sprachen in Passau ferner Professor Dr. Woer- mann (Halle) über „Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Rinderhaltung“ und der Reichsfachwart Tiere, Dr. Pflaumbaum, über „Die Bedeutung der deutschen Rindviehhaltung für die deutsche Ernährungswirtschaft”. So Ist auch die Passauer Tierzuchttagung ein Beweis dafür, daß die deutsche Ernährungswirtschaft Im Kriege nicht nur auf augenblickliche Höchstleistungen hinzlelt, sondern stets darauf bedacht ist, die Grundlagen unserer Er- zeugung weiterzuentwickeln.

in der gleichen Richtung der Stärkung unserer Produktionsgrundlagen liegen die vorbereitenden Arbeiten zur weiteren Vereinfachung des Land- nutzungstausches. Hier gilt es, einheitliche Rechts- bestimmungen zu schaffen, um die in den Real- teilungsgebieten im letzten Jahr auf dem Wege der ‚Selbsthilfe durchgeführte Zusammenlegung von land-

wirtschaftlichen Grundstücken weiter zu vereinfachen

und im ganzen Reichsgebiet zu fördern. Gerade diese Entwicklung ist besonders kennzeichnend, wie be- weglich und anpassungsfählg das von der national- sozialistischen Agrarpolitik neugestaltete deutsche Agrarrecht Ist. Hier zeigen sich ganz neue Möglich- kelten fruchtbarster Zusammenarbeit zwischen Rechts- schöpfung und landwirtschaftlicher Praxis, die auch für die künftige Entwicklung unseres Bodenrechts richtungweisend sein werden.

182

Auf dem Gebiet der Handelspolitik Ist neben dem deutsch-schwedischen Abkommen das für unsere Ernährungswirtschaft besonders bedeutsame deutsch- rumänische Abkommen zu verzeichnen. Bel dem Abkommen handelt es sich um den üblichen Jahres- vertrag, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, die gegenseitigen Bedürfnisse für das laufende Wirt- schaftsjahr aufeinander abzustimmen und dabei in umfassender Weise die wirtschaftlichen und finan- ziellen Beziehungen zu regeln. Die eingehende

Prüfung aller Haupt- und Nebenfragen, die bei der

engen Verflechtung der beiden Wirtschaften überaus zahlreich sind, hat den deutsch-rumänischen Waren- verkehr in jeder Weise sichergestellt. Insbesondere galt es, die Austauschkontingente für das laufende Vertragsjahr festzusetzen. Praktisch wird hierbei die gesamte Einfuhr Rumäniens von Deutschland be- stritten. Von anderen Märkten werden nur kleinere Warenkontingente bezogen, die nicht als unbedingt lebenswichtig anzusprechen sind. Die deutsche Wirt- schaft liefert dem rumänischen Partner nach wie vor Eisenwaren im weitesten Sinne, ferner Konserven- material, Erzeugnisse der Chemie und Elektrotechnik sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände. Vor allem kommen aus dem Reich die notwendigen Anlagen zum Ausbau des rumänischen Verkehrswesens, gewisse Rohstoffe, Kohlen und Eisen sowie Arzneimittel und Textilien. Die Grundlage der rumänischen Ausfuhr dagegen bilden neben Erdöl vor allem Getreide, Hülsenfrüchte sowie Erzeugnisse landwirtschaft- licher Spezialkulturen. Diese Ausfuhr Rumäniens ermöglicht eine gewinnbringende Verwertung seines Ernteüberschusses und stellt bei den trotz der großen rumänischen Überschüsse, die Spekulanten liberaler Färbung willkommenen Anlaß zum Preisdruck gegeben hätten, vom deutschen Partner bewilligten guten Preise eine Sicherung der Lebensmöglichkelten der rumänischen Landwirtschaft dar. Allerdings muß durch entsprechende organisatorische Maßnahmen die Ge- währ dafür gegeben werden, daß der letzte Erzeuger auch wirklich in den Genuß dieser Preise kommt. jedenfalls zeigt sich gerade in diesem Jahr die Be- deutung einer gesamteuropäischen Ernährungspolitik. Das gilt um so mehr, als es gelungen ist, den deutsch- rumänischen Warenaustausch wertmäßig auszubalan- cieren und einen Zahlungsvorgang zu vereinbaren, der eine gleichmäßige Abwicklung ermöglicht. So wird auch im fünften Kriegsjahr das Potential unserer Er- nährungswirtschaft durch binnenwirtschaftliche und außenhandelspolitische Maßnahmen zielbewußt ge- stärkt. Ein besonderer Erfolg ist es, daß hierbel trotz unvermeidlicher Schwierigkeiten und trotz er- bittertster Agitation unserer Gegner Immer wieder eine Ausrichtung auf gesamteuropäische Belange erfolgen kann.

Dr. Kurt Haussmann.

Kandbemerkungen

Hypothekenrückzahlung im Kriege?

in der „Deutschen Agrarpolitik‘, Augustheft 1943, ist in einem Aufsatz von Dr. Klingenberg, , Hypo- thekenrückzahlung im Kriege‘, für eine Rückzahlung der Schulden in einem bestimmten Rahmen ein- getreten worden. Die „Deutsche Bergwerks- zeitung“ (Nr. 228 vom 29. September 1943) greift diesen Aufsatz in einer allgemeinen Betrachtung über „Liquidität und Schuldentilgung“ auf und bemerkt dazu: „Tatsächlich handelt es sich hier (bei der Land- wirtschaft) um einen Schulfall notwendiger Ent- schuldung, da der vorhandene Schuldenstand ja noch erhebliche Teile eines verhängnisvollen Erbes umfaßt. je mehr dieses beseitigt wird, um so besser stellt sich die gesamte Finanzierungsfrage der Land- wirtschaft dar. Es sollte gar kein Zweifel darüber be- stehen, daß gerade für die Landwirtschaft die Parole heißen muß: Sparen und Schuldentilgen. Der Zustand wird aller Voraussicht nach lange genug an- halten, daß die Landwirtschaft sowohl weitgehend Schulden tilgen wie gleichzeitig flüssige Mittel für

künftige Geldbedürfnisse ansammeln kann. Knapp an `

Mitteln wird dann im allgemeinen der Landwirt sein, der diese Gelegenheit nicht zur Sparsamkeit benutzt.“

Diesen Ausführungen kann ohne Einschränkung zu- gestimmt werden. Man muß sich nur stets vergegen- wärtigen, daß es sich bei der heute zu beobachtenden Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen der Landwirtschaft keineswegs um echte Ersparnisse handelt, sondern daß diese Ansammlung einmal auf eine kriegsbedingte Substanzverminderung, zum andern auf die ebenso kriegsbedingte Unmöglichkeit, die notwendigen Anschaffungen für den Betrieb vor-

zunehmen, zurückzuführen ist. Gerade aus dieser -

Tatsache ist allerdings von anderer Seite gefolgert worden, daß eine Rückzahlung der langfristigen Schulden die notwendige Geldflüssigkeit der Land- wirtschaft nach dem‘ Kriege gefährden könne. So schreibt beispielsweise die , falische Zeitung“ (Nr. 47 vom 11. Oktober 1943): „Die vielen Anschaffungen, die man im Kriege zurück- stellen mußte und die dann sobald wie möglich nach- geholt werden sollen, lassen den Wunsch nach Geld- flüssigkeit begreiflich erscheinen. Wenn man also jetzt die langfristigen Schulden zurückzahlen würde, so müßte man nach dem Kriege ja doch wieder Geld aufnehmen, um sofort Anschaffungen machen zu können. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es unter diesen Umständen später schwierig sein wird, überhaupt Kredite zu erhalten, und wenn, dann vielleicht zu ziemlich ungünstigen Bedingungen. Es ist möglich, daß der Landwirt nach dem Kriege zum Beispiel von der Wehrmacht überflüssig gewordene Pferde, Wagen, Zugmaschinen usw. erwerben könnte dazu ist aber eine gewisse Geldliquidität unbedingt erforderlich ... Unter diesen Umständen kann es für einen landwirt- schaftlichen Betrieb ziemlich unangenehm sein, wenn er nicht genug bare Mittel zur Verfügung hat.“

Dieser Einwand geht denn doch von einer falschen

Rheinisch-West-

Vorstellung aus, wie nach dem Kriege die Abstoßung .

des überflüssigen Heeresmaterials vor sich gehen

durfte. Da es sich dabei um wichtige, lange entbehrte

Produktlons mittel für die deutsche Landwirtschaft

handelt, ist es unmöglich, daß man ihre Überleitung

dem freien Markt überläßt. Sie wird vielmehr plan- mäßig nach dem Grundsatz des höchst erziel- baren Nutzeffekts gelenkt werden müssen, wobei besonders die Betriebe zu berücksichtigen sein werden, die durch Leistungen für das Heer die stärkste Einbuße an Produktionskraft zu. verzeichnen haben. Das von der „Rheinisch-Westfällschen Zei- tung“ erwähnte Beispiel ist also geradezu typisch für eine Bedarfsdeckungsaufgabe, deren Lösung man nicht von der mehr oder minder großen Geldflüssigkeit des einzelnen Betriebsinhabers abhängig machen dar, sofern die etwaige ungenügende Geldflüssigkeit nicht auf einem Verschulden des Betriebsinhabers beruht. In der Rückzahlung von Schulden aber wird man doch wohl kaum ein solches Verschulden sehen können.

Darüber hinaus wird zur Erzielung des höchsten Nutzeffektes auch die Produktion von landwirtschaft- lichen Betriebsmitteln an die Stätten des größten Bedarfs gelenkt werden müssen. Daß dabei eine entsprechende Kreditzuteilung unentbehr- lich ist, muß festgehalten werden. Wenn also von verschiedenen Seiten betont worden ist, daß die Lenkung der Arbeitskräfte und Güterströme nie so lückenlos sein könne, daß nicht immer noch die Ver- fügung über jederzeit mobilisierbares Geldkapital, also eine möglichst große Liquidität der Wirtschaft, von Vorteil wäre, so ist dieser Einwand zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, auf keinen Fall aber kann er für die betriebliche Neuausrüstung der Landwirt- schaft Geltung beanspruchen. Hier liegt vielmehr ein weiteres Schulbelspiel der volkswirtschaft- lichen Notwendigkeit gemeinnütziger Pro- duktionslenkung und Güterverteilung vor, in deren Dienst sich auch die Kreditpolitik zu stellen hat.

Bei der Beurteilung der Frage, ob es richtiger Ist, die Ansammlung flüssiger Geldmittel in den Händen der Landwirtschaft zur Schuldentilgung oder zur An- sammlung eines jederzeit verfügbaren Sparkapitals zu benutzen, ist vor allem ein Gesichtspunkt ausschlag- gebend, der der bestmöglichen Erhaltung der Leistungsfählgkeit der Landwirtschaft. Es muß also vor allem verhindert werden, daß die Ansamm- lung flüssiger Geldmittel, die, wie gesagt, ja nur eine Scheinersparnis darstellt, in völliger Verkennung dieses Charakters unzweckmäßig, d. h. Insbesondere zu konsumtiven Zwecken, verwendet wird. Den besten Schutz dagegen bietet eine Rückzahlung der langfristigen Schulden, die zugleich die beste Sicherung der Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft ist. Auch Ist nicht einzusehen, warum der Landwirt sich durch Aufrechterhaltung seiner Schulden mit einer Zins- differenz zugunsten seiner Gläubiger belasten soll, die ja auch einen gewissen Substanzschwund darstellt.

Solbstverständlich soll und darf diese Rückzahlungs-

tendenz nicht so weit gehen, daß sie zu einer völligen Entblößung der betreffenden Betriebe mit sofort frei verfügbaren Geldmitteln führt, wie ja überhaupt immer wieder betont werden muß. daß die Rück-

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zahlung der Hypothekenschulden nur eine Teilaktion innerhalb des Gesamtbestrebens darstellt, mit allen Mitteln zu verhindern, daß die gegenwärtige Geld- flüssigkeit zu einer Substanzvergeudung der Land- wirtschaft führt, die zwangsläufig ihre Produktions- kreft nach dem Kriege schwächen müßte. Die Generalprobe lautet also: Sparen und noch einmal sparen! Die Rückzahlung der Hypotheken- schulden ist nur ein Ausdruck dieses Sparwillens. Daneben bleibt die Aufgabe der Ansammlung aller ersparbaren Geldmittel zur Bildung einer nach dem Kriege für die Neuausrüstung der Landwirtschaft ver- fügbaren Kapitalreserve bestehen.

Im übrigen wird man der „Deutschen Bergwerks- zeitung“ auch darin zustimmen können, wenn sie zum Schluß ihrer Ausführungen betont: „Es besteht keine Veranlassung, die ganz unbekannten künftigen Finan- zierungsverhältnisse heute durch ein Festhalten an bestehenden Schuldverhältnissen oder gar ein neuer- liches Festlegen derselben vorbelasten oder präjudi- zieren zu” wollen Auf Liquidität bedacht zu sein, braucht heute um so weniger angeraten zu werden, als das große Problem ja Ist, eine übermäßige Liquidität zu steuern. Die Leistung der Betriebe nach dem Kriege wird nicht davon abhängen, wieviel Geld sie auf ihren Liquiditätskonten haben, sondern, wieviel Arbeits- kräfte und Arbeitsmittel ihnen zur Verfügung stehen und gestellt werden.“ G. P.

Die Bud wa dt

Alarich Mahler:

Bäuerliches Bodenrecht in Rechts- sprichwörtern

Verlag C. V. Engelhard G. m. b. H. Berlin, 1943. 190 Seiten

Bis zur Gegenwart sind in unserem Bauerntum viele Rechtssprichwörter lebendig geblieben, die uns ein beredtes Zeugnis von den alten uns artgemäßen Anschauungen unseres Volkes über Rechtsschutz und Rechtspflicht geben. Aus dem reichen und zugleich aber auch weit verstreuten Material von Sprich- wörtern hat nun Mahler erstmalig eine syste- matische Zusammenfassung und Erklärung der Rechtssprichwörter des Bodenrechts, eines be- sonders wichtigen‘ Gebietes im bäuerlichen Lebens- kreis, vorgenommen. Die Untersuchung des 1940 im Westfeldzug gefallenen Verfassers trägt zwar die Merkmale einer wissenschaftlich exakt durchgeführten rechtswissenschaftlichen Dissertation, sie Ist aber deshalb doch allgemein verständlich gehalten und läßt auch allenthalben spüren, mit welch Innerer Antellnahme der Verfasser, der selbst aus dem Bauerntum stammte, bei der Arbeit war,

Wenn wir heute um die Formung eines uns art- gemäßen Rechtsbewußtseins bemüht sind, dann liegt nichts näher, als auch an das alte Überlieferungsgut des Bauernsprichwortes anzuknüpfen. Hier ist die anschauliche Sprache noch nicht vom teilweise farb-

184

*

losen und lebens fremden Juristendeutsch ũber wuchert, und allein schon deshalb sind diese Rechtssprichwörter ein Mittel, die heute oft beklagte Kluft zwischen Volk und Recht zu überbrücken. Nicht nur der Jurist und insbesondere der Bauernrichter können Gewinn aus der neuartigen und vorbildlichen Arbeit von Mahler ziehen, sondern darüber hinaus wird auch jeder Le- ser, der an den Fragen des Bauerntums interessiert ist, hier Kenntnisse und Anregungen empfangen.

Dr. Albrecht Timm

Wirtschaftskunde der schlesischen Erbhöfe

6. Jahrgang 1942/43 Herausgeb. Landesbauernschaft Niederschlesien, Reichsnährstands-Verlags-Gesellschaft m. b. H.

Mit diesem Buch wird jedem interessierten Leser die Möglichkeit gegeben, sich mit der schlesischen Landwirtschaft, ihrer Struktur und ihren Erzeugungs- grundlagen vertraut zu machen und Einblick in die Arbeitsergebnisse der Untersuchungsämter der Lan- desbauernschaft zu bekommen. Die Aufteilung des Buches in vier Hauptabschnitte erleichtert das Stu- dium und die Behandlung spezieller Fragen aus dem Agrarsektor. Es werden unterschieden:

1. Bodenkundliche, klimatische und sonstige Grund-

lagen der Landwirtschaft Schlesiens.

2. Überblick über die natürlichen Erzeugungsgrund- lagen und die verschiedenen Betriebsformen der ein- zelnen schlesischen Kreise. `

3. Einzelbilder von beispielhaften BauernhöfenSchlesiens und Schlußfolgerungen für die Betriebslehre.

4. Die Auswertung der Arbeitsergebnisse der Unter- suchungsämter der Landesbauernschaft Nieder- schlesien,

Die ,d Wirtschaftskunde“ entstand ursprünglich aus der Überlegung, durch Beiträge aus allen Gebieten des Agrarsektors die geistigen Voraussetzungen für die Erzeugungsschlacht zu schaffen. Diese Aufgabe ist unter den Kriegsverhältnissen nicht nur beibehalten, sondern bedeutend erweitert worden, gilt es doch trotz räumlicher Ausdehnung und der Einbeziehung des Ostens in den europäischen Nah- rungsraum die sparsamer eingesetzten Kräfte zur vollsten Entfaltung zu bringen; denn das Altreich ist und bleibt das Kernstück unserer Ernährungsbasis.

In dieser Beziehung kommt den Artikeln der Hauptabschnitte 2 und A eine besondere Bedeutung zu, erhält man aus ihnen doch eine genaue Charakte- risierung der Landwirtschaftsstruktur in kleineren Verwaltungseinhelten, aus denen gerade der Prak- tiker viele Anregungen schöpfen kann. Anschauliche Darstellungen, Bilder und Zahlenübersichten erleich- tern dem Leser das Eindringen in die Materie.

Wenn Landesbauernführer Jaeschke im Vorwort dieser Gemeinschaftsarbeit sagt: „Die vorliegende Arbeit soll ein Mittel seln, das schlesische Bauerntum zu stärken“, so kann man im Hinblick auf das sorg- fältig zusammengetragene und reichhaltige Material sagen, daß sie ihrer Aufgabe gerecht wird.

H. Gerdesmann

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FENZ BEP/RE Ni?

JAHRGANG 2

NUMMER 7

RIL 1944

INHALT

Reichshauptabteilungsleiter Bauer Kurt Zschirnt: Die Getreidemarktordnung

als Ausdruck nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens ........... ..... 185 Regierungsdirektor Dr. Heinz K. Haushofer: Aus der Vergangenheit in die Zukunit:der Umlegung ans. deren 190 Verwundete auf Landbesuch (Bildbeilage) `... n. Seite 192 Bauer Kurt Hecht, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel- wirtschaft: Kartoffelwirtschaft im Frieden und im Kriege Zehn Jahre Kartoflelmarklordnung ` ge EN de a 196

Dr. med. Franz G. M. Wirz, o. ö. Professor an der Universität München: „Hot springs cold water“, „Heiße Quellen kalter Kaffee“, eine ernäh- rungsphysiologische Auswertung. e 199

Die Kunst des Blaudruckes (Bildbeilageo᷑ᷣ 7777 n. Seite 200

Hans-Udo von Grone, Leiter der Gruppe Forst des Reichsbauernführers und Leiter der Abteilung Privatwald im Reichsforstamt: Forstverbände vom

Standpunkt des Bauern aus gesehen `... ... 202 Mehr lernen Mehr leisten (Bildbeilageꝝꝝũũ̃ꝛ . n. Seite 204 Diplom-Landwirt Walter Stauß: Die Landtechnik als Beruf der Zukunft 205 Gauhauptstellenleiter B. Obermayr, Gaubeauftragter für Dorfkultur: Die Dorf-

stubenaktion im Reichsgau Wartheland e 203 Agrarpolitische Rundschau `... ee ee 212 Randbemerkungen EEN EE 214 Die Buchwacht ...... Er SEN EEN E A 888 216 Bildnachweis: Prof. Rudolf Koppitz ist der Photograph unseres Titelbildes „Bergbauern“. Die Auf-

nahmen zur Bildbeilage ‚Die Kunst des Blaudruckes'' stellten uns der Scherl-Bilderdienst (8) und Dr. Croy (1) zur Verfügung. Vom Bildarchiv des Reichsnährstandes/Limberg (9) erhielten wir die Licht- bilder für die Beilage „Mehr lernen Mehr leisten’. , Verwundete auf Landbesuch' photo- graphierte Hermann Limberg (4) und „‚Kriegsversehrte werden umgeschult“ Reichsnährstand/Dinges (4)

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Rlecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 1955 41.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-

ruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. Ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

April 1944

KURT ZSCHIRNT:

Jahrgang 2

Nummer 7

Die Geireidemarkiordnung als Ausdruck nationalsozialistischen Wirtschaftsdenkens

ls im September 1939 der neue Krieg

begann, waren neben den militärischen Ereignissen alle Augen im In- und Aus- land darauf gerichtet, wie die deutsche Ernährungswirtschaft sich in der nächsten Zukunft gestalten werde. Die Erinnerung an das kriegsentscheidende Versagen dieses Bereichs im vergangenen Weltkriege war noch zu deutlich im Gedächtnis von Freund und Feind. Um so wohltuender bei den Freunden, um so überraschender dagegen bei den Feinden mußte es sich auswirken, daß die Ernährungssicherung jetzt so ein ganz anderes Gesicht zeigte. Als dies nicht nur Augenblickserscheinung blieb, sondern sich immer deutlicher als festgefügtes Ge- bäude auf sicherer Grundlage erwies, kam die vielgebrauchte Redewendung von dem „Wunder der deutschen Kriegser- nährungswirtschaft” auf.

Jedes „Wunder“, das sich über längere Zeiträume wiederholt, gerät in Gefahr, in die Alltäglichkeit abzusinken. Wir befinden uns jetzt im fünften Kriegsjahr. Trotzdem ist nach wie vor nichts von alledem ein- getreten, was unsere Feinde mit Sicherheit in Wiederholung der Hungerkatastrophe aus den Jahren 1917/18 erwartet und vor- ausgesagt hatten. Die Grundlagen der Ernährungssicherung, die gleich zu Beginn des Krieges von ziel- bewußter Führung festgelegt wur- den, gelten im wesentlichen auch heute noch unverändert. Neue Auf- gaben und Belastungen sind mit den Aus- wirkungen des verbrecherischen Luftkrieges unserer Gegner gegen die Zivilbevölkerung hinzugekommen. Was in den ersten Jahren des Krieges als das „Wunder der deut- schen Ernährungs wirtschaft“ galt, ist

heute tatsächlich in den Augen zahl- reicher Beurteiler zu einer einfachen Selbstverständlichkeit geworden. Wer aber hinter die Kulissen dieser „Selbst-

verständlichkeit“ zu sehen vermag, die sich

für den Verbraucher in einer bisher noch jederzeit gesicherten vollen Erfüllung aus- reichender Lebensmittelrationen äußert, der weiß, wie wenig dies alles tatsächlich selbstverständlich ist, und welche unend-

. liche Arbeit und Einsatzbereitschaft aller

Beteiligten dazu gehört, um das „Wunder der deutschen Ernährungswirtschaft‘ auch im fünften und etwa folgenden weiteren Kriegsjahren immer wieder neu erstehen zu lassen. Grundlage all dieser Ar- beit ist neben den Auswirkungen der un- ermüdlich weitergeführten Erzeugungs- schlacht die Marktordnung des Reichsnährstandes. Sie hat bereits in vorausschauender Friedensplanung Stein für Stein zu dem festen Fundament zu- 'sammengetragen, das auch heute noch für den Aufbau der Kriegsernährungswirt- schaft entscheidend ist. Dies an einem einzelnen Beispiel, nämlich an der Markt- ordnung der deutschen Getreidewirtschaft darzustellen, sei hier die Aufgabe:

Ais es im Jahre 1933 galt, die deutsche Getreidewirtschaft als Grundpfeiler der Volksernährung und zugleich der Lebens- sicherung für das deutsche Bauerntum vor dem endgültigen Verfall zu retten und neu zu ordnen, ergab sich etwa folgendes Bild: Das deutsche Bauerntum als Träger der Er- zeugung war völlig zersplittert. Aufgeteilt in eine Millionenzahl nicht aufeinander ab- gestimmter Einzelexistenzen befand sich so- mit die Erzeugung in restloser Abhängigkeit vom jüdischen Getreidehandel, der seine

höchsten Triumphe an den Getreidebörsen feierte und von hier aus eine nahezu un- beschränkte Herrschaft über Erzeugung und Absatz ausüben konnte. Die Konzentration aller wesentlichen Fäden der Marktbeein- flussung in der Hand verhältnismäßig weni- ger maßgebender Firmen gegenüber der völligen Zersplitterung bei Erzeugung und Verbrauch verschafften ihm hierbei leich- tes Spiel, dies um so mehr, als ihm für seine. spekulativen Machenschaften nicht nur der inländische Markt, sondern auch das weite Feld des internationalen Getreide- handels zur Verfügung stand. Der Bauer wurde auf diese Weise genau so rücksichts- los um den Erfolg der mühsamen Arbeit eines ganzen Jahres gebracht, wie auf der anderen Seite dem Verbraucher nach Be- lieben der Brotkorb höher gehängt wurde, wenn es gerade in die geschäftlichen Inter- essen der mehr oder weniger anonymen Mächte an den Börsen hineinpaßte. Das Er- gebnis war bei der Machtübernahme im Jahre 1933 eine deutsche Landwirt- schaft, die unmittelbar vor dem end- gültigen Zusammenbruch stand, und ein Brotpreiswirrwarr für den Ver- braucher, der jede Übersicht und jede vernünftige Ordnung ausschloß.

Um hier endgültig Wandel zu schaften, war zunächst eine Organisationsauigabe ge- stellt: Die landwirtschaftliche Erzeugung als Ausgangspunkt und Gmindlage der gesam- ten Getreidewirtschaft mußte aus der bis- herigen Zersplitterung befreit und zu einem schlagkräftigen Instrument in der Hand zielbewußter Führung gemacht werden. Diesem Ziel diente die Errichtung des Reichsnährstandes mit seiner klaren Durch- gliederung in Landes-, Kreis- und Orts- bauernschaften bis in die letzte Gemeinde des Reiches. Die organisatorische Zusam- menfassung der landwirtschaftlichen Er- zeugung war aber nur ein Teil der notwen- digen Gesamtlösung. Sollte eine grund- legende Ordnung der Marktvorgänge er- reicht werden, so war es notwendig, nicht nur mit der Erzeugung die eine Seite des Marktes zu erfassen, sondern auch alle übrigen beteiligten Gruppen der Be- und Verarbeitung und der Verteilung bis zum Verbraucher hin einzubeziehen. Damit konnte zugleich die sicherste Gewähr dafür geschaffen werden, daß die angestrebte Ordnung der Märkte nicht etwa im Sinne einseitiger Interessenver- tretung der Landwirtschaft erfolgte,

186

sondern sich von vornherein klar eine Gesamtordnung zum Besten des Volksganzen zum Ziele setzte.

So wurde als Werkzeug zur Durchführung der Marktordnung in der Getreidewirtschaft die Hauptvereinigung der deut- schen Getreide- und Futtermittel- wirtschaft als Spitzenorganisation der gebietlichen Getreidewirtschaftsverbände errichtet. Die Grenzen der Getreidewirt- schaftsverbände entsprechen in der Regel den Grenzen der Landesbauernschaften. Sie umfassen nicht nur die getreidebauende Landwirtschaft, sondern auch alle übrigen, im Getreideverkehr beteiligten Betriebe und Gruppen, also z.B. auch den Landhandel und die landwirtschaftlichen Genossen- schaften, den Getreidegroßhandel, sämt- liche Mühlen und sonstigen getreidever- arbeitenden Betriebe, den Mehlhandel, die Bäcker und die Brotfabriken. Der Mühlen- wirtschaft und der Mischfuttermittelindu- strie wurde hierbei anfangs noch eine ge- wisse Sonderstellung eingeräumt, indem beide Gruppen eigene, sogenannte „wirt- schaftliche Vereinigungen” bildeten. Auch diese Vereinigungen bewiesen sich jedoch

in der Folge für eine einheitlich straffe Füh-

rung unzweckmäßig, so daß sie 1937 und 1938 aufgelöst und in die Hauptvereini- gung der deutschen Getreide- und Futter- mittelwirtschaft eingegliedert wurden. Die getreidewirtschaftliche Organisation ist da- mit weiter vereinfacht, ihre Schlagkraft vermehrt und die Sicherheit der einheit- lichen Führung verstärkt worden.

Die Führung der Wirtschaftsverbände liegt wie auch bei der Hauptvereinigung grundsätzlich in der Hand ehrenamtlicher Bauernführer. Der Gedanke selbstveranl- wortlicher Führung der Wirtschaft, der heute auch in den übrigen Bereichen all- gemein anerkannt ist, wurde damit schon von Anfang an auf dem Gebiet der nähr- ständischen Marktordnung durchgesetzt.

Zugleich kommt in der bäuerlichen Füh- rung der Gesichtspunkt zur Geltung, daß die landwirtschaftliche Erzeugung tragende Grundlage alles dessen ist, was zur Siche- rung der Volksernährung in den folgenden Stufen der Verteilung und Verarbeitung ge- leistet wird. Auch diese Stufen sind in den Wirtschaftsverbänden selbstverständlich entsprechend vertreten. Ihre Fachschafts- und Fachgruppenleiter bzw. die Innungs- meister stehen dem verantwortlichen Bauernführer als fachliche Berater ständig

r

zur Seite. Jede Einseitigkeit zugunsten oder zu Lasten der einen oder anderen Gruppe ist hierdurch ausgeschlossen. Verwaltungsräte und Fachausschüsse bei den Verbänden und in der Haupt- vereinigung schaffen in ständigem Mei- nungsaustausch die Grundlagen für die Entschlüsse und Anordnungen, die für die Durchführung der allen Mitgliedern gemein- sam gestellten Aufgabe maßgebend sind. Darüber hinaus sichert die Eingliederung der Wirtschaftsverbände in die Hauptabtei- lung III der örtlich zuständigen Landes- bauernschaft, daß auch solche Einseitig- keiten vermieden werden, die sich aus der ausschließlichen Berücksichtigung getreide- wirtschaftlicher Gesichtspunkte unter Ver- nachlässigung anderer Wirtschaftszweige ergeben könnten. Außerdem bedient sich der Wirtschaftsverband in letzter Stufe nach unten zur Durchführung seiner Maß- nahmen ohne eigenen weiteren Unterbau der Kreis- und Ortsbauernschaften, deren geschlossene Organisation von vornherein den nötigen Zusammenhalt sichert.

Mit der so durchgebildeten Organisation war es möglich, die im liberalistischen Sy- stem zwangsläufige Preisunsicherheit für die landwirtschaftlichen Er- zeugnisse zu beseitigen und damit eine Grundforderung der nationalsozialisti- schen Agrarpolitik in Angriff zu nehmen. Im einzelnen war hierbei selbstverständlich auf die Besonderheiten der verschiedenen Erzeugnisse Rücksicht zu nehmen. In der Getreidewirtschaft war es möglich, den Festpreisgedanken sehr weitgehend durch- zuführen. So wurde das ganze Reich in Festpreisgebiete für die einzelnen Ge- treidearten aufgeteilt. Dem natürlichen Wirtschaftsgefälle aus den Überschuß- zu den Zuschußgebieten ist hierbei derart Rechnung getragen, daß eine einigermaßen gleichmäßige Ausnutzung der standortmäßig gebundenen Ver- arbeitungsbetriebe gesichert wird.

Mit der Einführung der Preisgebiete war der Ablauf der Warenbewegung zwar im wesentlichen gesichert; trotzdem bedurfte es noch zusätzlicher Maßnahmen, um vor allem den Ernteschwankungen Rechnung zu tragen, die sich im Laufe der Jahre zwischen Überschuß- und Unterschuß- gebieten ergeben und damit von Fall zu Fall neue Voraussetzungen für die Abwick- lung der Warenbewegung schaffen. Ihr Ausgleich ist nur durch eine übergebiet-

liche Steuerung zu sichern. Hierfür wurde die Andienungspflicht ein- geführt. Sie verpflichtet die Verteiler, die von ihnen beabsichtigten übergebietlichen Lieferungen vor Durchführung dem zu- ständigen Wirtschaftsverband zu melden, um sie sich bestätigen zu lassen, sofern der Verband nicht zur Vermeidung von Leerlauf oder Fehlleitungen eine andere Weisung für notwendig hält. Schließlich arbeitet die Marktordnung in der Getreide- wirtschaft mit einem weiteren wirksamen Steuerungsmittel: der Mühlenkontin- gentierung, mit der die Verarbeitung der Mühlen auf den jeweiligen Bedarf aus- gerichtet wird. Durch die Festsetzung monatlicher Vermahlungsmengen wird sichergestellt, daß jeweils soviel Mehl an- fällt, wie zur Deckung des laufenden Be- darfs einschließlich der erforderlichen Lagerhaltung benötigt wird. |

Die getreideverarbeitenden Betriebe, be- sonders der Mühlenwirtschaft, erweisen sich zugleich als geeignete Nahtstellen, um mit Hilfe eines genau durchgebildeten Meldewesens eine laufende Übersicht über den Stand der Warenbewegung und der Lagerhaltung zu schaffen. Die Ver- arbeitungsbetriebe sind verpflichtet, monat- lich ihre tatsächlichen Verarbeitungs- mengen, ihre Bestände und ihre Ein- und Verkäufe zu melden, so daß hieraus jeder- zeit abzulesen ist, wie in den einzelnen Gebieten und sogar auch im einzelnen Betrieb die Rohstofflage für die Sicherung des täglichen Brotes aussieht.

Es ist dabei von Wichtigkeit, daß die ge- ordnete Warenbewegung nicht nur von einer organisch festgelegten Preisregelung für den Erzeuger ausgeht, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der an der Verteilung und Verarbeitung beteiligten Betriebe be- rücksichtigt. Die einheitliche Festsetzung angemessener Verarbeitungs- und Vertei- lungsspannen gehört somit ebenfalls zu den Aufgaben der Marktzusammenschlüsse. Für die Getreide wirtschaft ergab sich hier- bei die besondere Schwierigkeit, daß die

- aus der liberalen Marktwirtschaft willkür-

lich entstandenen Brotpreise unter poli- tischen Gesichtspunkten im wesentlichen unberührt bleiben mußten. Sollte trotzdem die Wirtschaftlichkeit von Erzeugung, Ver- arbeitung und Verteilung gewährleistet werden, mußte daher mit entsprechenden Stützungsmaßnahmen eingegriffen werden. Diesem Zweck dient ein ziemlich umfang-

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Z

f

reiches System von Ausgleichskassen, die bei den Mühlen eingeführt worden sind, um hier zunächst einmal diejenigen Mittel abzuschöpfen und an anderer Stelle wieder einzusetzen, die aus eigener Kraft inner- halb der Getreidewirtschaft verfügbar ge-

macht werden konnten. Mit wachsendem

Ausmaße der gestellten Aufgaben ist es allerdings notwendig geworden, darüber hinaus später auch Öffentliche Mittel ein- zusetzen, um die politisch gewünschte Auf- rechterhaltung niedriger Brotpreise trotz höherer Erzeugerkosten zu ermöglichen.

Auch in der Futtermittelwirtschaft erwiesen sich mit Einführung der Markt- ordnung mancherlei wesentliche Eingriffe als erforderlich. Vor allem war es unver- meidlich, im Wege der „Berufsbereini- gung“ auch unmittelbar darauf Einfluß zu nehmen, wer persönlich und vor allem auch fachlich überhaupt die notwendigen Voraussetzungen erfüllte, um auch weiter- hin an der verantwortungsvollen Aufgabe der Ernährungssicherung für das deutsche Volk mitzuarbeiten. Die Vielzahl kleiner und kleinster Mischfuttermittelverarbeiter mußten eingehend überprüft werden. Es kam darauf an, aus diesem Kreis jenen Stamm zu erhalten, der allein durch die entsprechenden technischen und fachmän- nischen Voraussetzungen die Gewähr dafür bot, qualitätsmäßig einwandfreie Futter- mittel herzustellen. Für diese Betriebe wurden dann außerdem bestimmte Grund- sätze für die Herstellung von Mischfutter aufgestellt, die die vorhandene Rohstoff- grundlage berücksichtigen und auf die der Landwirtschaft gegebenen Produktionsauf- träge betriebswirtschaftlich abgestimmt sind. Auch die städtische Tierhaltung kommt hierbei im Rahmen des Erforder- lichen zu ihrem Recht. Die damit erreichte Stabilisierung der Verhältnisse auf dem Mischfuttergebiet hat mit ihrer Bewährung

auch im Kriege allgemein eine entsprechen-

de Anerkennung von der Praxis gefunden.

Dieses ganze Ordnungssystem in der Ge- treide- und Futtermittelwirtschaft ging zu- nächst davon aus, daß der Erzeuger über die Abgabe seiner Erzeugnisse selbst frel verfügt. Die Zuspitzung der politischen Lage und damit die Notwendigkeit- zur Sicherung einer nationalen Getreidereserve zwang jedoch schon im Jahre 1936 zu Ge- treideablieferungskontingenten, 1937 zur Anordnung der totalen Ab- lieferungspftlicht für Brotgetreide

188

und in der Folge zur Festsetzung von Kon-

tIngenten auch für Futtergetreide. Hier zeigt sich nun im eigentlichen Kern der Unterschied, der mit der Einführung der Marktordnung gegenüber der liberalk stischen Wirtschaftsordnung erreicht wur de: Auch im vorigen Kriege galt die Ab lieferungspflicht für Brotgetreide, und es galten Kontingente für andere Erzeugnisse. Der Erfolg dieser Maßnahmen war aber damals völlig negativ. Demgegenüber ist für die Kriegsernährungswirtschaft im Zeichen der Marktordnung des Reichsnähr- standes festzustellen, daß nunmehr bereits zwei Jahre nacheinander die Getreide- ablieferungen der deutschen Landwirtschaft nicht nur die statistisch ausgerechneten Möglichkeiten voll erfüllt, sondern diese sogar in erheblichem Ausmaße überschrit- ten haben! Die Erklärung für diesen so auffallenden Unterschied liegt einfach darin, dag die Marktordnung im Grunde viel weniger eine Angelegenheit- äußerer Vorschriften und Anordnungen als viel- mehr eine Führungsleistung darstellt.

Die liberalistische Wirtschaftsauffassung arbeitete mit dem Begriff unpersönlicher sogenannter „Wirtschaftsgesetze“. Der Nationalsozialismus führt demgegenüber alle Begriffe er seine Beziehungen zum Menschen selbst zurück. Auch der Markt stellt durchaus nicht nur einen mechani- schen Ablauf unabänderlicher wirtschaft- licher Vorgänge dar. Er ist vielmehr das Betätigungsfeld von Menschen, die ihre Haltungen und danach ihre Handlungen am Markt so oder so ausrichten können. Ge- wiß kommt auch die Marktordnung nicht ohne verbindliche Vorschriften aus. Diese Vorschriften sind aber nur äußerer Rah- men, und sie werden ausgefüllt von der Bereitschaft zu selbstverantwortlicher Mit- arbeit aller Beteiligten. Voraussetzung hier- für war freilich zunächst einmal die Be- seitigung des Mißtrauens oder gar der offenen Gegnerschaft zwischen den ein- zelnen Gruppen, also einer Erscheinung, die für das liberalistische System gerade- zu lebensnotwendig war. Demgegenüber hat es die Führungsarbeit in der Markt- ordnung verstanden, je länger je mehr bestehende Gegensätze auszugleichen. So sind auch die erfreulichen Ablieferungsergebnisse noch im dritten, vierten und fünften Jahre dieses Krieges eindeutig das ET- gebnis nicht nur bäuerlicher Lei-

stungsbereitschaft, sondern auch vertrauensvoller Mitarbeit und Gemeinschaftsleistung aller übri- gen Gruppen vor allem in den Reihen des Landhandels und der Genossenschaf- ten. Auch die bereitwillige Mitarbeit wei- tester Kreise der gewerblichen Ernährungs- wirtschaft: auf den verschiedensten Ge- bieten sei in diesem Zusammenhang be- sonders anerkennend erwähnt. Denn die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Be- teiligten in der Leistungsgemeinschaft der nährständischen Wirtschaftverbände ist tatsächlich der Kern aller Erfolge unserer Marktordnung.

Je sicherer und zuverlässiger dieser Kern ist, um so beweglicher und anpas- sungsfähiger läßt sich der äußere Rahmen der Marktordnung mit ihren Anordnungen und Vorschriften halten. Es ist daher eine ganz natürliche Entwicklung, daß mit fort- schreitender Bewährung der Marktordnung in zunehmendem Maße von der angeord- neten auf die freiwillige, selbstverantwort- liche Einschaltung. der Wirtschaft selbst

umgeschaltet werden kann. Diese Entwick- `

lung ist zugleich von außerordentlichem Wert für den Erfolg der Marktordnung selbst. Denn wo auch immer Wirtschaft zu treiben ist, wird auf die Dauer selbst die bestgeführte Verwaltung niemals gleiche Erfolge zeitigen wie die freie Initiative selbstverantwortlicher Wirtschaftsführer. Gelingt es also, diese Initiative fort- schreitend vom äußeren Zwang zu befreien und sie nur durch entsprechende Führung

in die gemeinsame Zielrichtung einzuglie-

dern, so muß dies in jedem Falle dem Ganzen zum Besten dienen. Wie stark dieser Gedanke in der Marktordnung des Reichsnährstandes Geltung hat, ist daraus zu erkennen, daß selbst noch während des Krieges gerade auf dem Gebiet der Ge- treidewirtschaft eine bewußte Umschaltung von der zentralistischen Verwaltungsarbeit der Reichsstelle für Getreide auf die de- zentrale eigenverantwortliche Mitarbeit der Wirtschaft durchgeführt worden ist.

Gerade die mit der Bewältigung der Luftkriegsschäden immer neu erwachsen- den Aufgaben bestätigen, daß es nicht so sehr auf die äußere Form und auf das Be- stehen dieser oder jener Anordnung als vielmehr darauf ankommt, jederzeit auf eine einsatzbereite Leistungsgemeinschaft zurückgreifen zu können, in der jeder Be- teiligte aus eigenem Entschluß und in

eigener Verantwortung das tut, was im gegebenen Augenblick zum Besten des Ganzen notwendig ist.

Es steht daher fest, daß der durch nun- mehr rund elf Jahre im allgemeinen und im Kriege bewährte Grundsatz der Markt- ordnung auch weiterhin folgerichtig bei- behalten werden muß. Die Verhältnisse des Krieges zwingen auf manchen Gebieten zu Verschärfungen und zu Zwangseingrif- fen, die das äußere Bild der Marktordnung gelegentlich verschieben mögen. Diese Kriegserscheinungen dürfen jedoch keines- falls zu einer grundsätzlichen Verfälschung und Verkennung der Marktordnung führen.

Die Zielsetzung bleibt unverändert: Nicht Entmündigung, sondern Befreiung der Wirt- schaft zu selbstverantwortlichem Einsatz ihrer besten Kräfte. Es entspricht durch- aus dieser Zielsetzung, daß z.B. auch die Reichsstellen in der Ernährungswirtschaft mehr und mehr aller tatsächlichen oder nur vermuteten Tendenzen zur Monopoli- sierung der Ernährungswirtsehaft entklei- det worden sind. Aufgabe der Reichsstellen ist es ausschließlich, dort aushilfsweise ein- zuspringen, wo die zu lösenden Aufgaben über das Leistungsvermögen der privaten Wirtschaft hinausgehen. Das gilt z.B. für die privatwirtschaftlich nicht tragbare Sicherung nationaler Vorräte, für Einzel- vorgänge der Warenbewegung, für ge- wisse Aufgaben in der Ein- und Ausfuhr udgl. mehr. Entsprechend sind die Reichs- stellen als Geschäftsabteilungen eindeutig den Hauptvereinigungen des Reichsnähr- standes eingegliedert und ihnen damit als Instrument zur Verfügung gestellt worden.

Es ist kein Zweifel, daß uns der Krieg noch vor außerordentlich schwere Aufgaben stellen wird, und diese Aufgaben werden keinesfalls mit dem Tage abreißen, mit dem die Waffen nach dem endgültigen Siege niedergelegt werden können, Die bisher erreichten Erfolge unter den verschiedensten vorhergesehenen und nicht vorhergesehe- nen Umständen berechtigen aber zu der felsenfesten Überzeugung; daß der Grund- satz der Marktordnung auch für die Zu- kunft richtig bleibt. Wenn im einzelnen Fehler auftreten, werden sie ohne Vor- eingenommenheit und ohne systematische Starrheit abzustellen sein. Im großen aber gilt für die Zukunft wie für heute, daß die Marktordnung des Reichsnährstandes zu den wirksamsten Waffen gehört, die der deutschen Sache den Sieg verbürgen.

189-

HEINZ K. HAUSHOFER:

Aus der Vergangenheit

IN DIE ZUKUNFT DER UMLEGUNG

ie Umlegung steht heute im Mittelpunkt

einer fruchtbaren Aussprache über die Neu- gestaltung des deutschen Dorfes auf dem alten deutschen Volksboden. Das liegt im eigensten Sinne des Umlegers. Denn auf keinem anderen Wege kann so deutlich wer- den, daß sie der Angelpunkt ist, um den sich die Entwicklung nicht nur der Verfahren, sondern auch der Ideen bewegt. Angelpunkt kann nur etwas Festes, Gewordenes sein, das dementsprechend schon eine Geschichte hinter sich hat wie das bei der Umlegung der Fall ist.

Nur diese gegenwärtige, einem sichtbaren Ziele dienende Aussprache kann es recht- fertigen, heute und hier auf die geschicht- lichen Grundlagen der Umlegung zurückzu- greifen. Dies auch nur dann, wenn dieses Zurückgreifen so offen und vorurteilsfrei erfolgt, daß davon wirklich Ergebnisse für die Zukunft zu erwarten sind. In diesem Sinne ist die Überschrift dieses Aufsatzes gewählt, der, auf dem Weg von der Vergangenheit in die Zu- kunft, die Erwähnung und Darstellung der Gegenwart scheinbar vermissen läßt.

Die Gegenwart der Umlegung steht im Zeichen der Pause, welche der Krieg bis jetzt der Umlegung in ihrem deutschen Heimat- bereich auferlegt hat. Diese Pause könnte wohl dazu benutzt werden, um einen stolzen Rechenschaftsbericht über das von der Um- legung bis heute Geleistete abzulegen und um einen Überblick darüber zu geben mit welchen Kräften und welchen Erfahrungen die Um- legung für ihre zukünftigen Aufgaben auf den bereits erfaßten umlegungsbedürftigen Flächen bereitsteht. Ein solcher Rechenschaftsbericht wäre zur Ehre des sehr großen Teiles der „Landeskulturverwaltung”, der heute bei der Wehrmacht steht, durchaus berechtigt soll aber nicht Aufgabe dieses Aufsatzes sein.

Die alte Bezeichnung „Landeskulturverwal- tung”, die wir eben verallgemeinernd für den heutigen Umfang des Apparates der Umlegungs- behörden gebraucht haben, läßt bereits ein Pro- blem sichtbar werden, das auf den ersten Blick

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vielleicht nachgeordnet erscheint, in Wirklich- keit aber ein ganz grundlegendes ist: Es mangelt uns an einer Bezeichnung, die den Umfang und die Bedeutung der „Um- legung“ im heutigen Sinne erfaßt und kräftig zum Ausdruck bringt! Die alte „Landeskul- tur” verkörperte wohl den größten und um- fassendsten Anspruch, den der gestaltende Mensch gegenüber der Landschaft erheben konnte. Der Begriff „Landeskultur“ ist seiner sprachlichen Herkunft (colo, cultus, cultura) und seiner geschichtlichen Entstehung in der Goethezeit nach so eng mit unserer geistigen Kultur verbunden, daß er für immer eine ge- wisse Ehrfurcht für sich beanspruchen kann ein Grund, ihn für immer für die Geschichte der Landeskultur zu erhalten. Doch ist kaum zu erwarten, daß er noch einmal lebenskräftig werde wird. Ähnlich ist es mit den übrigen, überwundenen geschichtlichen Bezeichnungen für den Inhalt „Umlegung“, die wir nur ganz kurz ins Gedächtnis zurückrufen wollen, denn sie spiegeln oft genug den Grundgedanken wider, der zu den damaligen Verfahren führte. In Preußen z. B. begann die Tätigkeit unter dem Namen Separation, d. h. Auseinander- legung; die Tätigkeit des Herauslösens des Einzelbesitzes aus dem Gemeindeorganismus stand so im Vordergrund, daß es der Maßnahme den Namen gab. Später heißt die bisherige Auseinanderlegungin Preußen (wie später auch in Osterreich) Zusammenlegung, also begrifflich das genaue Gegenteil. Der alte Gemeindeorganismus besteht nicht mehr, und es steht nur das Zusammenfügen der einzelnen Teilstücke zu lebensfähigen Einheiten im Vor- dergrund. Dieser vom Einzelbesitz gewonnene Gesichtspunkt überwiegt auch in den Bezeich- nungen Verkoppelung (in Oldenburg und Hannover, Arrondierung (in Bayern). Konsolidierung (in Baden und Wöäürttem- berg) und Kommassierung (in Osterreich). Die Bezeichnung Flurbereinigung, die in Bayern die Arrondierung ablöste, läßt schon einen übergeoräneten Gesichtspunkt erkennen: die ganze Flur wird als Gegenstand des Ver- fahrens erkannt und bezeichnet.

Was für die Verfahren gilt, gilt ebenso für die durchführenden Stellen. „Kulturamt“ und „Landeskulturamt‘ stammen noch aus einer ungebrochenen, ihrer geistigen Herkunft be- wußten Verwaltungstradition. Die spätere österreichische „Agrarbehörde“ läßt kurz und klar ersehen, um was es sich dabei handelt. Ahnlich sachlich und glücklich war die der „Agrarbehörde" parallele Prägung „Landstelle“, die sich in den Jahren ihres Bestehens so gut eingelebt hat, daß sie einer Erhaltung auch über den Rahmen der ursprünglichen Entschuldungs- aufgaben der Ländstelle hinaus für zukünftige Aufbauarbeit wert ist. Auch die Anwendung des Begriffs „Landbau“ bei den Landbauaußen-

stellen des Reichsnährstandes war glücklich. `

Die Bezeichnung der „Siedlungs- und Umle- gungsbehörden‘ dagegen ist, obschon korrekt, so doch schwerfällig und wird sich kaum so einleben, wie es nötig wäre, um schon allein von sich aus eine agrarpolitische Wirkung aus- zuüben.

Wir haben aus den ägrarpolitischen Erfah- rungen der letzten Jahrzehnte gelernt, daß unbedingte Klarheit des organisato- rischen Aufbaues und richtige Wahl seiner Bezeichnungen zu den Voraus- setzungen des Erfolgs einer bäuerlichen Bewe- gung gehören, deren Teil die Umlegung sein soll. Hier stellt sich also eine erste Aufgabe.

Die Umlegung soll nicht eine reine Behörden- täligkeit sein, sondern Teil einer bäuerlichen Bewegung. Damit kommen wir zur Stellung der Umlegung im Rahmen einer Bauernpolitik, deren

Grundsätze nicht oft genug und mit den besten

Begründungen wiederholt werden können. Denn wir standen vor 1933 und stehen heute vor der merkwürdigen Tatsache, daß uns zwei raum- fremde Agrartheorien gegenüber- stehen, deren Lehrgebäude theoretisch schein- bar geschlossener und konsequenter sind, als unser eigenes: Erstens die Theorie unbe- schränkter individueller Freizügigkeit und indi- vidualwirtschaftlicher Arbeitsteilung, wie sie beute noch durch eine Anzahl von Wirtschafts- theoretikern der USA. und wieder durch ihre Kriegsagitation vertreten wird; und zweitens die Theorie der sozialistischen Planwirtschaft nach vollzogener Sozialisierung aller Produk-

tionsmittel, heute verkörpert durch die Kollek-

tiv- und Staatswirtschaft in der Sowjetunion.

Beide Theorien sind offensiv. Sie

haben sich vor dem Kriege gegen das „theore- tisch ungeformte“ Leben der europäischen Bauernvölker gewendet und haben deren Agrar- politik den Vorwurf eines reinen Konservieren- wollens gemacht. Dieser Vorwurf bestand durch einige Jahrzehnte zu Recht. Denn eine Agrar- politik des reinen Konservierens wäre gegen-

über jeder der beiden revolutionären Thesen von vornherein die schwächere. Erst die bio- logische Begründung der europäji- schen Bauernwirtschaft ermöglichte uns die Aufstellung einer Erkenntnis und eines Lehrgebäudes, das nun im Vergleich zu den anderen Theorien notwendig das längerwirkende sein muß. Eine solche Formulierung erscheint heute kühn, ist aber auch vom strengsten wissenschaftlichen Stand- punkt aus haltbar. Denn die biologische Erfah- rung, die unserer Auffassung vom Bauernhof zugrunde liegt, konnte nur auf dem alten euro- päischen Kulturboden gemacht werden, nicht in den Vereinigten Staaten und nicht in der Sowjetunion! beides Räume, welche die bio- logischen Probleme entweder noch nicht kennen oder noch in der Läge sind, sie zu vernach- lässigen.“ Mit geschichtlicher Notwendigkeit wird aber der Zeitpunkt kommen, wo auch diese Räume in unsere Probleme eintreten. Ob und wie sie in ihren Ausgangsländern gemeistert worden sind, wird dann für die heute in biolo- gischen Dingen noch „naiven“ Großräume ent- scheidend sein.

Versucht man, unsere Erkenntnis ganz sach- lich und „unbeteiligt“ darzustellen, so liest sie sich etwa folgendermaßen: „Eine ganz be- stimmte, uns wohlbekannte Kombination von Ackerbau und Tierzucht vermag. durch ihr Gleichgewicht von entnommener Ernte und wirtschaftseigenem Dünger auch die in der Mehrzahl ungünstigen Böden Europas auf unbe- grenzte Dauer ohne Ausbeutung gesund zu erhalten. Bei einer gewissen Mindestgröße des Betriebs ist diese Kombination auch imstande, alle Errungenschaften heutiger und nach heu- tiger Voraussicht zu erwartender Technik zu nutzen. Der Umfang dieses Betriebes fällt zudem in eine Größenordnung, die von einer Familie zu bewirtschaften ist. Eine solche Familie hatte auf einem derartigen Beirieb die Möglichkeit, sich auf theoretisch unbegrenzte Zelt, praktisch durch eine Reihe von Jahrhunderten ohne Aus- beutung des Menschen zu behaupten. Sie kann dabei alle volkswirtschaftlichen Leistungen voll- bringen, welche außerdem im Lauf der Zeit von ihr verlangt werden können.”

Die Richtigkeit dieser Theorie ist für die Ver- gangenheit bewiesen, und zwar durch das schärfste Kriterium, die Geschichte selbst. Der Beweis ist nicht für einige wenige, vom Glück begünstigte Betriebe erbracht worden, sondern für ganze geschlossene Landschaften, ja für Länder, die im Strukturgleichgewicht liegen. Für die Zukunft genügt Zufriedenheit mit dieser Feststellung nicht, weil in Krisenzeiten die ungesunden, labilen Strukturen danach drängen, die gesunden zu erschüttern. Die Zukunft der

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Gebiete mit gesunder Struktur hängt also davon ab, ob sie die Kraft haben, ihr Vorbild so werbend zu machen, daß es eine ver- pflichtende Kraft ausstrahlt. Erst diese Kraft gibt dann dem Staat das Recht, einen Zwang zur Verwirklichung dieses Vorbildes auszuüben.

Aus diesen grundsätzlichen Überlegungen wird die Angelstellung der Umlegung im großen agrarpolitischen Geschehen klar. Sie ist un- erklärlich ohne das in Wirklichkeit vorhandene Vorbild, das die Bauern- schaft selbst gestaltet hat. Sie ist ent- standen aus dem Willen der Bauernschaft und ihres Staates, dieses Vorbild auch da zu verwirk- lichen, wo die Voraussetzungen nicht im nötigen Maß vorhanden scheinen. Und sie wirkt, nach dem Ende einer jeden Umlegung, ausstrahlend weiter, und zwar in rein gebietlicher und in politischer Hinsicht. Die letzte große Auswir-

kung der Umlegung ist der Freiwillige

Landnutzungstausch von heute. Wir ver- stehen hier und im folgenden unter Umlegung also mehr als nur „ein Verfahren unter anderen“. Damit soll die Quintessenz an Erfahrung, d.h. letzten Endes an politischer und bäuerlicher Lebensweisheit, die in der Tradition eines ge- stalteten Verfahrens steckt und es ganz allein

zu einem erfolgreichen macht, nicht verkleinert‘

werden, im Gegenteill Das gilt besonders auch für die Reichsumlegungsordnung von 1937.

Von diesem Standpunkt aus ist es nur selbst- verständlich, daß die beiden großen Ausstrah- lungspunkte der Umlegung in Deutschland mit jenen Gebieten in einem geschichtlichen Zu-

sammenhang stehen, die seit jeher in jenem.

schon angedeuteten Strukturgleichgewicht be- harren. Die Karte der Verbreitung der landwirt- schaftlichen Betriebsformen in Deutschland zeigt zwei große Hauptverbreitungsgebiete des groß- und mittelbäuerlichen Betriebes, also der Betriebsgröße, die den oben formulierten Be-

dingungen unter durchschnittlichen Boden- und

Klimaverhältnissen entspricht: das nord- westdeutsche und das südostdeutsche Verbreitungsgebiet. (Kleinere Landschaf- ten, wie z.B. das Altenburger Land, dürften bei einer genaueren Darstellung nicht vergessen werden!)

Die frühesten Mittelpunkte der Umlegung liegen nun in Niedersachsen und im (heute bayerischen und württembergischen) Allgäu mit dem eigentlichen Schwerpunkt in der ehe- maligen Reichsabtei Kempten. (Bildlich ge- sprochen nimmt jene kleine süddeutsche ge- fürstete Abtei eine agrargeschichtlich ebenso bedeutsame Stellung ein, wie etwa das osna- brückische Land unter seinem Kanzler Justus Möser!) Die ältesten Umlegungsgebiete liegen also in den Grenzgebieten zwischen Gebieten ältester Einzelhof- oder Weilerfluren (mit Block- fluren) und Dorffluren (mit Streifengewannen). Aus der Spannung zwischen empfundenem Miß-

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stand und benachbartem Vorbild entstand die Abhilfe der Umlegung selbstverständlich mit den der Zeit entsprechenden Namen.

Diese frühesten Umlegungen sind nicht etwa deswegen so fesselnd, weil sie der größeren landwirtschaftlichen DOffentlichkeit fast un- bekannt sind und sie es deswegen verdienten, wieder bekannter zu werden, sondern deswegen, weil sich fast alle im Verlauf der späteren Ver- fahren entwickelten grundsätzlichen Gesichts- punkte schon bei ihnen finden und dazu noch einige, die später wieder in Vergessenheit gerieten. `

Bei der Planung bäuerlich besiedelter Land-

schaften stößt man heute vielfach auf einen

Mangelan Vorstellungskraft, der sich einer umwälkenden Strukturverände- rung entgegenstellt. Es ist deshalb wichtig zu wissen, daß die oben genannten Landschaften einer von uns heute als mustergültig empfun- denen Struktur nicht etwa von Urzeiten her so gewachsen sind, sondern daß sie das Er- gebnis bewußter, einschneidender Strukturveränderungen sind. Das Ge- sicht dieser Landschaften ist schon in vergan- genen Jahrhunderten völlig verändert worden.

Vielleicht das großartigste Beispiel der Um- legung einer großen Landschaft ist die soge- nannte Vereinödung im Allgäu, über die wir durch die beiden Münchner Dissertationen von Ditz (1865) und Dorn (1904) sehr gut unter- richtet sind. Die älteste Vereinödungsurkunde stammt von 1550 sie ist damit ein bedeutendes agrargeschichtliches Dokument. Nachweisbar seit Mitte des 16. Jahrhunderts erfüllt die Ver- einödung als eine wahre Volksbewegung die zweite Hälfte des 16. und das 17. Jahrhundert. Sie leitet mit ihren Ausläufern im 18. Jahrhun- dert in die Arrondierung des 19. Jahrhunderts und damit in die heutige Umlegung über. Um 1830 heißt es noch deutlich „vereinöden oder arrondieren“.

Der Begriff „Einöde” ist dem bayerischen Sprachgebrauch so vertraut, daß es für ihn kaum nötig ist, darauf hinzuweisen, daß er mit dem Begriff „Ode“ im heute gebräuchlichen Sinn nichts zu tun hat, sondern daß er den von Grunddienstbarkeiten freien arrondierten Einzel- besitz bezeichnet. Tatsächlich wurden ja auch durch die Vereinödung die alten enggebauten mittelalterlichen Dörfer zu jenen blühenden Einzelhoffluren „abgebaut“, die heute das Allgäu zu einer Perle unter den’ deutschen Agrarland- schaften machen. Von der Vereinödung an datiert auch die Möglichkeit seiner intensiven Milchwirtschaft.

Ich hatte schon an anderer Stelle (in der in- zwischen kriegsbedingt eingestellten „Wiener landwirtschaftlichen Zeitung“) auf die Wichtig- keit des Beispiels der Vereinödung hingewiesen. Es zeigt, wie schnell sich die Bauernschaft der neuen Idee bemächtigte, als sie die großen Vor- teile eines radikalen Umbaues der Flurverfassung

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Zum Wochenende im Spreewald: Jungbäuerinnen haben die Be-

wirtung übernommen. Aufbruch zur gemeinsamen Spazierfahrt

In vielen Dörfern, deren Lage verkehrsgünstig ist, herrscht der schöne Brauch, als kleines Zei- chen des Dankes Verwundete zum Wochenende einzuladen, um ihnen ein paar frohe Stun- den zu bereiten. Unsere Bilder berichten von einer solchen Wochenendfahrt in den Spree wald. Selbstverständlich darfbei

der Bewirtung die Spreewälder Gurke nicht fehlen

Zu den selbstverständlichen Dankespflichten der Nation ge- hört auch eine sorgfältige Vor- bereitung der Kriegsversehrten auf ihren künftigen Beruf durch eine Umschulung, die es diesen ermöglicht, trotz ihrer körper- lichen Behinderung vollwertige Arbeit zu leisten. Auf landwirt- schaftlichem Gebiet findet die Umschulung auf zahlreichen von der Wehrmacht vertraglich verpflichteten Schulungsstätten statt. Die Versehrten müssen zunächst bei einfachen Arbeiten ihre Arbeitsprothesen gebrau- chen lernen (Bild rechts).

Landmaschinenlehrgänge zeigen, wie die verschiedenen Maschinen zu handhaben sind (Bild oben: Einstellung einer Drillmaschine)

Durch Einbau einer Handkuppelung & auch ein Beinverletzter einen Schlep einwandfrei bedienen (Bild links). Gründliche Motorenkenntnisse sind W aussetzung für jeden Schlepperführer. dem Bild unten wird die Einstellung $ Magneten geübt

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erkannt hatte. Ein Vorgang, wie die Verein- oͤdung in Oberschwaben, der in Deutschland nicht allein dasteht, ist also der beste Gegen- beweis gegen die Anschauung, daß der Bauer aus grundsätzlichem Beharrungstrieb nicht im- stande sei, eine so große agrarpolitische Ver- änderung aus freien Stücken vorzunehmen.

Während zu Beginn der Bewegung eine Zwei- drittelmehrheit zur Vereinödung nötig ist, ge- nügt bald der Antrag nur eines Drittels, ja auch nur eines Bauern. Auch die Durchführung erfolgte mit einem bemerkenswerten Schwung. Im Dorfe Kimratshofen z.B. wurde das ganze Vorverfahren vom Antrag bis zum Beginn der Vermessung in sieben Sitzungen in vier Tagen erledigt (vom 8. bis 11. Juli 1738). Die fürst- äbtlich kemptischen Feldmesser bewältigten dann die Umlegung eines Dorfes in der Regel in einem Zeitraum von einem Vierteljahr bis zu einem Jahr. Es gab also keine Hindernisse, die den einmal gefaßten Entschluß der Bauernschaft wieder hätten einschlafen lassen oder auch nur die geistige Bereitschaft zur Umlegung beein- trächtigt hätten.

Die Quellen lassen immer wieder erkennen, wie sehr die Bauern „den Segen der Verein- ödung mit Händen greifen konnten“ und daß sie wollten, „daß auch für ihre Gemeinde diese und hundert andere Vorteile erblühen und zu ewigen Zeiten auch von ihrer Nachkommenschaft die herrlichen Früchte gesammelt werden möchten”. Wir lächeln heute über diese etwas über- schwenglichen Worte aber hatten sie nicht recht, wenn man ein Menschenalter später las: „Manches Gut, das vorher nur eine Familie kärglich ernährte, nährt jetzt deren zwei.“ Trotzdem ist nicht zu übersehen, daß ein ge- wisser Prozentsatz der Bauernschaft auch in dieser großen Bewegung „beim alten bleiben wollte”. Den Neuerern war durchaus bewußt, daß sie mit der Vereinödung ein „ewiges Werk“ schufen, wie noch heute im Volksmund eine getane gute Arbeit genannt wird. In den Ur- kunden finden sich immer wieder Bemerkungen wie: „hinfür in Ewig Zeyt inhaben nuzen und nießen.”

Das Gegenstück zum Allgäu, die Landschaft der Verkoppelung und Koppelwirt- ‚schaft, ist schon durch Albrecht Thaer hervorgehoben worden. Er hat im gleichen . Sinne, wie wir heute die Vereinödung als Bei- spiel und geschichtliche Wurzel für die Um- legung der Zukunft heranziehen, die Verkoppe- lung des 17. Jahrhunderts zur Propagierung seiner Idee herangezogen. Er druckt in seinen Annalen ein Schreiben von 1665 ab, in dessen berühmtester Stelle die Auswirkung der Ver- koppelung folgendermaßen charakterisiert wird: u... daß durch diese Operationen wahre Wunder in der Agrikultur hervorgebracht werden. Wo sonst verfallene Wohnungen, ärmliche Men- schen, verkümmertes Vieh und kärgliches Ge- treide einheimisch war, fand sich in kurzer Zeit alles wie umgezaubert.“

Die vollen Konsequenzen aus dem südost- deutschen und nordwestdeutschen Vorbild des 16. bis 18. Jahrhunderts sind dann trotz Thaer im 19. Jahrhundert nicht gezogen worden. Ja, auch die Arbeiten von Ditz und Dorn über die Vereinödung haben der dama- ligen Umlegung (Flurbereinigung) keine wesent- lichen Anregungen gegeben..

Die Bauernbefreiung des jungen 19. Jahrhun- derts und die gleichzeitige Einführung der „rationellen Landwirtschaft‘ auf dem Acker, der nun aus seiner Bindung in dem gewaltigen Automatismus des Flurzwanges entlassen war, blieb nur Stückwerk. Eine grundsätzliche Neuordnung der Feldflur und eine Auflockerung der Dorflagen (die im 16. und 17. Jahrhundert also schon eine Selbstverständlichkeit gewesen waren!) hätte erst recht in der Zeit nach Thaer folgen müssen, um den technischen Fortschritt, d.h. die Fruchtwechselwirtschaft und die besitz- rechtliche Reform, d.h. die Bauernbefreiung, zur Auswirkung kommen zu lassen. Statt dessen kam es in diesen Jahrzehnten fast regelmäßig nur zu einer Aufteilung der Gemein- ländereien. Die rückblickende Kritik hebt heute die negativen Auswirkungen dieses Vor- ganges hervor; bei den aufgeteilten Gemeinde- weiden wohl zu Unrecht, trotzdem die inzwischen da und dort erfolgte Einrichtung von Weide- genossenschaften die Korrektur anzeigt; bei den Gemeindewaldungen zu Recht, wie die Bewe- gung zur Bildung von Forstverbänden dartut*).

Schon in den Anfängen der Umlegung liegen die beiden Grundtatsachen, die von damals bis heute für ihre Durchführung bestimmend ge- blieben sind: das Aufgreifen des Gedan- kens und der Entschluß zur Tat als Aktion einer bäuerlichen Bewegung, die vom Landesherrn als dem damaligen „Staat“ zwar ermöglicht und gefördert, aber nicht ver- anlaßt wird und die Durchführung als Aufgabe eben dieses Staats, zu deren Bewältigung er sich des „Beamten“ bedient, ob es sich nun um den fürstäbtlichen Feldmesser des 16. Jahrhunderts, den Vermessungsrat einer Umlegungsbehörde oder den Leiter einer Land- bauaußenstelle von heute handelt.

Dabei ist es einerseits nicht nur das technische Können des Beamten, das ihn notwendig macht, sondern auch die Tatsache, daß er von allen Spannungenim Dorfunbelastetist und daß ihm deswegen von der sonst dem Beamten gegenüber oft ablehnenden Bauernschaft Ver- trauen entgegengebracht wird. Andererseits war es die alte Prärogative des Staates, daß er sich zunächst die Beurkundung von Veränderungen im Grundbesitz seiner Bauern selbst vorbehielt und erst recht Eingriffe in den Besitzstand nur selbst durch seine Beauftragten vornahm.

») In einzelnen Ländern und Landesteilen ist es indessen auch in der Zeit der Bauernbefreiung zu Umlegungen ge- kommen, die neben der besitzrechtlichen Regelung auch die totale Neuordnung der ganzen Flur und der Dorflage einschloß. Ein solches Land war Dänemark.

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Wir stoßen also schon sehr früh auf die Ab-

grenzung zwischen dem Staat und der bäuer- lichen Selbstverwaltung, und zwar an einem der wenigen Punkte, der seit jeher unbestritten war: daß Entscheidungen über den Besitz Sache des Staates seien, weil sie nicht dem Einfluß der übrigen Besitzenden unterworfen sein könnten.

Inzwischen ist durch den Freiwilligen Landnutzungstausch eine neue Lage eingetreten. Dieses neue Verfahren ist aus

dem dringenden kriegswirtschaftlichen Bedürfnis:

nach einer beschleunigten, d.h. stark verein- fachten und auch im Kriege durchzuführenden Umlegung entstanden. In der Praxis zeigt sich auch überall, daß es sich in seinen Zielen der Umlegung zwangsläufig nähert. Denn kein Bauer

will es bei dem einfachen Tausch der Land-

nutzung bewenden lassen, sondern will Eigen- tümer werden, d.h. drängt mit seinen neuen Parzellen ins Grundbuch. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Gründe dafür liegen vom Stand- punkt des Bauern auf der Hand. Außerdem ist dieses Streben agrarpolitisch sehr aufschluß- reich. Denn es läßt erkennen, wie sehr der Bauer ganz grundsätzlich jedes Auseinander- klaffen von Nutzen und Besitz, d.h. jeden Mir-ähnlichen Zustand ab- lehnt. Insofern ist der Landnutzungstausch den starken und einfachen Anfängen der Um- legung im 16. und 17. Jahrhundert nahe ver- wandt einer Zeit allerdings, in der es noch kein Grundbuch und keinen Grundsteuerkataster gab. Nicht zuletzt läßt sich ein reiner Tausch bestehender Grundstücke mit ihren kataster- mäßigen Grenzen ohne Neuvermessungen nur mit geringem Nutzeffekt durchführen. Der Zwang zur Vermessung (ob nun in kleinerem oder größerem Umfang) läßt heute schon den Schluß zu, daß sich der Landnutzungstausch bei einer ungestörten Entwicklung immer mehr einer vereinfachten Umlegung annähern muß.

Diese Entwicklung ist sehr bemerkenswert. Denn erstens konnte die Bedeutung der Um- legung durch kein geschriebenes oder ge-

sprochenes Wort so bejaht werden wie durch

den Landnutzungstausch. Weiterhin wird die Umlegung die Erfahrungen beim Landnutzungs- tausch bei der Fortentwicklung ihres eigenen Verfahrens nutzbringend verwerten können. Der Landnutzungstausch leistet hier eine sehr wertvollePionierarbeit, auch wenn seine Entwicklung eines Tages wieder in die kom- menden neuen Formen der Umlegung ein- mündet.

Wenn festgestellt wurde, daß die Durchfüh- rung der Umlegung seit ihren Anfängen als Vereinödung oder Verkoppelung Sache des Beamten war, so ist damit für das 16., 17. und

18. Jahrhundert ohne weiteres auch gesagt, daß

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sie Sache der politischen Herrschaft (oder in heutiger Terminologie: des Staates) war. heute ist diese Feststellung nicht so eindeutig, nachdem inzwischen die vom Staat eingerich- teten obligatorischen Selbstverwaltungskörper- schaften der Landwirtschaft zur Verkörperung des agrarpolitischen Willens der Bauernschaft erwuchsen. Träger der Arbeit in Staat und Selbstverwaltung ist der Typ des tech- nischen Beamten, in unserem Fall z.B. des beamteten Landwirts, der erst in den letzten Jahrzehnten ausgebildet wurde. Dieser neue Typ wird am deutlichsten durch die Ausbil- dungsverordnung von 1943 geprägt, die ihn gleichermaßen durch die staatliche Verwal- tung wie die Selbstverwaltung gehen läßt. Der Begriff der Selbstverwaltung in seinem früheren, reinen Sinn hängt dagegen mit der Ehrenamt- lichkeit ihrer Träger und auch mit der Ehren- amtlichkeit der Durchführung der Arbeit eng zu- sammen. Wenn das Schwergewicht der geleiste- ten Arbeit so weitgehend auf den beamteten Landwirt verschoben wurde wie schon heute, beginnt die Grenze zwischen Staat und Selbst- verwaltung undeutlich zu werden. Aus dem völlig gleichen Arbeitsstil dieses Fachmanns in Staat und Selbstverwaltung ist also ein An spruch auf ein Recht zur Durchführung der Um- legung von keiner Seite mehr abzuleiten. Wo die Durchfuhrung der Umlegung in Zukunft zu liegen hat, ist daher nur eine Frage der Zweck- mäßigkeit.

Die Geschichte der Umlegung zeigt ein- deutig, daß es ebenso falsch ist, sie nur auf die Initiative des Staates, wie nur auf die Initiative der Bauernschaft zurückzuführen. Die ‚Entwicklung der Umlegung verläuft nicht stetig durch die Generationen. Es hat Gene- rationen gegeben, in denen der staatliche Apparat mit der Zahl seiner Techniker den Anforderungen der Bauernschaft kaum nach- kommen konnte. Die Umlegung war in sol chen Jahrzehnten eine wahre Volksbewegung, das Beispiel wirkte weiter, und der Staat konnte auf jede anregende Tätigkeit verzich- ten. Er gab den gesetzlichen Rahmen, das Verfahren und führte durch, Die Anlässe zu einem derartig starken Mitziehen der Bauem- schaft waren und das darf nicht vergessen werden durchwegs wirtschaftliche! So konnte in der Vergangenheit ein aufblü- hender Wirtschaftszweig die Umlegung fördern oder erzwingen, wie heute der Einsatz der Technik und der Arbeitskraft. Auf der ande- ren Seite konnte es nötig sein, den Gedanken der Umlegung durch saturierte, rein konser- vativ denkende Perioden hindurchzutragen; Perioden, in denen vielleicht die Gedanken der Bauernschaft sich wirtschaftlich im ganz

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anderer Richtung bewegen mußten. Gerade dann, wenn kein augenblicklicher wirtschaft- licher Vorteil lockte, keine Not zwang und kein Beispiel zündete, war es die Aufgabe des Staates (und der Wissenschaft). die Linie der agrarpolitischen und der Arbeitstradition der Umlegung zu kalten.

Wir wollen am Schlusse zusammenfassend die Verfahren oder Planungen aufzeichnen, die sich mit der Neugestaltung des deutschen Dor- fes befassen: Ohne Zweifel das älteste ist die Siedlung, heute als Neubildung deut- schen Bauerntums in ein erprobtes Verfahren gebracht. Ihr Stammbaum läuft durch alle Pe- rioden der deutschen Geschichte hindurch nur ist die Kontinuität der zugrunde liegen- den Gedanken nicht allgemein bewußt. Das zweitälteste (wie es ja geschichtlich nicht anders sein kann) ist die Umlegung, die auf eine wissenschaftlich erforschte Geschichte von rund 400 Jahren zurückgeht. Der Land- nutzungstausch ist eine neue Phase im Be- streben, die Umlegung lebendig zu erhalten. Die dritte Gruppe von Verfahren und Planungen ist in den letzten Jahren entstanden: der Gemeinschaftsaufbau im Bergland und die Vorarbeiten für die Aufrüstung des Dorfes. Zwischen den drei Gruppen steht die Planungsarbeit der Bestandsaufnah- men und der Wunschbilder für zukünftige Be- und Aussiedlungsmaßnahmen. Die genannte dritte Gruppe ist der geschichtliche Ausdruck der technischen Revolution und ihrer Auswir- kung auf das Dorf. Weder das bisher ent- wickelte Siedlungs- noch das Umlegungs- verfahren hatte diese technische Entwicklung berücksichtigt: das Siedlungsverfahren hatte keinen Anlaß, sich um die bestehenden Dörfer zu kümmern, weil seine Aufgabe war, neu- zeitliche Neubauernhöfe zu begründen; der Umlegung war seit 1937 zwar die Dorfauflocke- rung als Aufgabe eröffnet, aber noch nicht die technische Aufrüstung des Dorfes.

Es scheint eine geschichtliche Erfahrungs- tatsache, daß traditionsreiche Verfahren nur sehr selten in der Lage sind, von sich aus ewas Entscheidendes zu ihrer Verjüngung zu tun. Die Anstöße dazu müssen von außen kommen. Aufgabe der agrarpolitischen Füh- rung war es dann stets, zunächst die Anstöße gewähren zu lassen, bis sich die Richtigkeit ihres Ansatzes erwiesen hat; dann aber früher oder später die Einheit des erneuerten Verfahrens wieder herzustellen, um die Gefahr einer Parallelentwicklung zu ver- meiden. Der Vorgang beim Verjüngen eines Obstbaumes darf als Gleichnis vor Augen ge- bracht werden! S

In einer ähnlichen Lage ist die Umlegung. Es ist nicht nur ihr Verhältnis zum Land- nutzungstausch, das eines Tages zu ihrer Weiterentwicklung beitragen wird. Auch ihr Zusammenhang mit der Neubildung deutschen Bauerntums wird ein unlösbarer in dem Augenblick, in welchem ganze Landschaften bearbeitet werden sollen. Diese Einheit wird heute schon andeutungsweise in Bestandes- aufnahme und Wunschbild verkörpert. Erst recht muß die Umlegung mit der Aufrüstung des Dorfes in ein enges Verhältnis treten, sobald deren Pläne in die Wirklichkeit um- gesetzt werden sollen. Das gleiche gilt für ihr Verhältnis zum Gemeinschaftsaufbau im Berg- land überall da, wo es sich auch im Bergland um geschlossene Dorflagen mit Gewannfluren handelt. Nicht zu vergessen ist ferner das Berücksichtigen der Anregungen, die von der Seite der Landschaftsgestaltung, also von den Schulen der Seifert und Wiepking- Jürgensmann gegeben wurden. Von dieser Schule der Landschaftsgestaltung ist das öffent- liche Interesse in einer sehr tiefgehenden Weise erregt worden. Dieses Interesse einer geistig sehr wesentlichen Schicht kann echterland- wirtschaftlicher Kulturarbeit einen nicht zu unterschätzenden Auftrieb geben. Der Umleger wird also den Land- schaftsgestalter nicht als Kritiker oder Hemm- schuh, sondern als einen seiner wichtigsten Verbündeten erkennen.

Man kann sich sehr wohl vorstellen, daß zu unserem Siedlungs- und Umlegungsverfahren nun ein drittes technisches Aufbauverfahren tritt, dessen Bausteine inzwischen im Gemein- schaftsaufbau im Bergland erarbeitet werden. Diese drei Verfahren könnten auch wohl bei sorgfältiger Organisation der Zusammenarbeit nebeneinander weiterlaufen. Es ist aber nicht zuviel vermutet, daß die Entwicklung noch stärker wie jetzt zur Vereinheit - lichung in einem deutschen „Agrar- verfahren” oder „Landordnungsver- fahren” drängt, das alle die genannten bisherigen Verfahren als Spielarten der Anwen- dung auf das eine Ziel in sich vereinigt; ein Verfahren also, das es gestattet, die Umlegung der Feldflur im alten Stil, die Dorfauflockerung mit der Errichtung von Neubauernhöfen und die technische Aufrüstung des Dorfes nach Bedarf einzusetzen.

Die Zukunft der Umlegung wäre schon dann keine kleine, wenn es nur bei einer Weiter- arbeit nach der heutigen Reichsumlegungsord- nung bei jener technischen Beschleunigung der Verfahren bliebe, die bereits in Arbeit ist: sie wird aber um so größer werden, je größere Ziele sie sich setzen darf!

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KURT HECHT:

'KARTOFFELWIRTSCHAFT IM FRIEDEN UND IM KRIEGE

Z ehn Jahre EE E EAA S

Is nach der Machtergreifung im Jahre 1933

die nationalsozialistischee Agrarführung daranging, den landwirtschaftlichen Markt zu ordnen, erhob sich die Frage, inwieweit es not- wendig sei, auch auf dem Gebiet der Kartoffel- wirtschaft eine umfassende Marktordnung ein- zuführen.

Nachdem ungefähr fünf Jahre nach Beendi- gung des Weltkrieges die Kartoffelernten wieder die Vorkriegshöhe angenommen hatten, trat von Jahr zu Jahr ein immer stärkerer Preis- verfallein, der seinen Tiefpunkt im Jahre 1932 erreichte. Der Erzeuger erhielt zu diesem Zeit- punkt für seine an den Markt gebrachten Speisekartoffeln nur noch ungefähr 50 bis

60 Prozent des Entgelts, das er 1913 erzielen .

konnte. An diesem unerträglichen Zustand waren vor allem die Machenschaften des von jüdischen Großkapitalisten beherrschten Kar- toffelgroßhandels schuld. Es hatte sich bei Ab- satzschwierigkeiten eingebürgert, Speisekar- toffeln aus den Uberschußgebieten des Ostens nach den Verbrauchsgebieten des Westens ohne Bestellung zur kommissionsweisen Verwertung zu senden. Letzten Endes hatte nicht nur immer der Erzeuger den Schaden für diese zerrütteten Marktverhältnisse zu tragen, sondern auch der Verbraucher war der Willkür der Spekulation ausgesetzt. Er konnte sich niemals im voraus ein Bild über die zur Deckung seines Speisekartoffel- bedarfs notwendigen Ausgaben machen. Im übrigen wurden die Schwankungen bei der Kar- toffelpreisbildung oftmals zur Aufputschung po- litischer Leidenschaften benutzt.

Daneben war der Absatz von Fabrikkar- toffeln ebenfalls von der Konjunktur der aus Kartoffeln hergestellten Erzeugnisse abhängig geworden. Durch den Weltkrieg hatten die deutschen Stärke- und Stärkeveredelungser- zeugnisse ihren vormaligen Absatz auf dem Weltmarkt verloren und außerdem mit dem Wettbewerb der aus eingeführtem billigem Mais hergestellten gleichartigen Erzeugnisse zu kämpfen.

Ganz besonders schlechte Verhältnisse waren auf dem Frühkartoffelmarkt insofern ein- getreten, als durch die sinkende Kaufkraft der Bevölkerung und durch das Ansteigen einer

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ungehemmten ausländischen Einfuhr der deutsche Frühkartoffelanbauer nur wenige Tage in den Genuß eines auskömmlichen Preises kam. Daher wurde der Hebel zuerst bei der Ordnung des Frühkartoffelmarktes angesetzt, indem im

April A934 ein Sonderbeauftragter und Gebiets-

beauftragte für die Regelung des Absatzes von Frühkartoffeln benannt wurden. Ihre Aufgabe war es, für auskömmliche Preise zu sorgen und den Absatz zu lenken. Dies wurde durch Fest- setzung von Mindestpreisen erreicht, die in be- stimmten Zeiträumen entsprechend den Erzeu- gungsbedingungen abgestuft wurden. Darüber hinaus wurden In den Haupterzeugungsgebielen die Frühkartoffeln über Ortssammel- und Be- zirksabgabestellen geleitet, um dadurch eine Zerrüttung des Marktes infolge zu starken An- gebotes zu vermeiden. Vor allem wurde die ausländische Einfuhr zurückgedrängt. Mit den ausländischen Lieferanten wurden über Preise und Lieferzeiträume Absprachen getroffen, die dem Schutze der deutschen Erzeugung dienten.

Diese ersten revolutionären Maßnahmen waren von großem Erfolg begleitet. Nur die Spekulanten glaubten, daß mit Beendigung der Frühkartoffelzeit wieder die Zeit für ihre Machenschaften kommen würde Um das zu verhindern und vor allem den deutschen Er- zeugern einen gerechten Preis für die weitaus bedeutendere Menge der Spätkartoffeln zu ge- währleisten, wurde die Frühkartoffelmarktord- nung mit entsprechenden Abänderungen unter Beibehaltung des Systems der Beauftragten auch auf die Spätkartoffelbewirtschaftung ausgedehnt. Die zu lösende Aufgabe war für die gesamte Agrarpolitik von solcher Bedeutung, daß im Mai 1935 eine

eigene Hauptvereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft

ins Leben gerufen wurde.

Nachdem nunmehr ein festumrissener Mit- gliederkreis gegeben war, wurde neben der Preisgestaltung vor allem die Bereini- gung des Handels in Angriff genommen. Für das ganze Reichsgebiet gültige Gütevor- schriften mit klaren Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der am Handel beteiligten

Gruppen dienten der Erziehung und dem gegen- .

seitigen Schutz.

Ganz besonders nahm sich die junge Haupt- vereinigung der be- und verarbeitenden Kar- toffelbetriebe an, indem sie durch Schaffung einer eindeutigen Kontingentierung den Aus- gangspunkt für den weiteren Aus- und Aufbau schaffte. Durch Bereitstellung von staatlichen

Zuschüssen wurden die Betriebe, die infolge der

vorhergegangenen Konjunkturwirtschaft finan- ziell geschwächt waren, zu neuzeitlicherer und wirtschaftlicher Gestaltung veranlaßt. Die seit Jahren unter Absatznot leidenden Kartoffel- {locken wurden mit staatlichen Mitteln so verbilligt, daß ihre Verwendung in der Schweine- mast und der sonstigen Viehhaltung wirt- schaftlich wurde.

Die Unabhängigkeitsbestrebungen des Reiches von ausländischen Getreideeinfuhren erleich- terten die Aufgabe, Kartoffeln zum Grundfutter- mittel unserer ausgedehnten Schweinehaltung zu machen. Durch Reichsmittel unterstützt, wur- den die Erzeuger bestimmt, Siloraum für die Vorratshaltung von Futterkartoffeln zu bauen.

Nachdem einige Jahre Mindest- und Höchst- preise für Speise- und Fabrikkartoffeln bestan- den hatten, stellte sich heraus, daß infolge der unterschiedlichen Frachtbelastung die am wei- testen von den Märkten oder Verarbeitungs- stätten entfernt liegenden Gebiete immer erst nach dem Ausverkauf der marktnahen Gebiete bei ihrem Absatz zum Zuge kamen. Dies war um so störender, als gerade der durch das libera- listische Zeitalter notleidend gewordene Osten des Reiches hiervon betroffen wurde. Diese toten Winkel in den Erzeugungsgebieten wurden insofern vermieden, als der Preis für Speise- und Fabrikkartoffeln auf einen Franko- preis umgestellt wurde, indem nunmehr der Erzeuger die Fracht tragen mußte und es dem Verbraucher gleichgültig sein konnte, aus wel- chen Gebieten des Reiches er seine Kartoffeln bezog. Diese Belastung nahm der Erzeuger so lange auf sich, als er sich um den Absatz seiner Kartoffeln bemühen mußte. Durch den seit 1938

von Jahr zu Jahr steigenden Bedarf an Speise-

und Fabrikkartoffeln wurden die Absatzerwar- tungen der Landwirtschaft befriedigt und dar über hinaus Mengen gefordert, die über diese Erwartungen hinausgingen. Da die Erzeuger nunmehr ein Interesse daran hatten, nicht zu hohe Frachten tragen zu müssen, bestand die Gefahr, daß von den Uberschußgebieten weit entfernte Versorgungsorte nur zögernd oder nicht ausreichend beliefert wurden. Nachdem einige Zeit zur Vermeidung dieses Umstandes Reichszuschüsse über eine gewisse Frachthöhe hinaus bezahlt wurden, wurde deshalb eine end- gültige Lösung durch die Einführung eines Frachtenausgleichs für Speise- und Fabrikkartoffeln geschaffen.

Als im Jahre 1935 bei Beginn der Erzeugungs- schlacht die Forderung auf Erreichung der

50 Millionen Tonnen Kartoftelernte gestellt wurde, glaubten viele, dagegen einwenden zu müssen, daß für solche Kartoffelernten über- haupt keine Verwertungsmöglichkelten vor- handen seien. Die Durchfuhrung der Marktord- nung bis zum Beginn des großen europäischen Krieges hatte bewiesen, daß bei richtigen Maß- nahmen keine Kartoffelernte zu groß sein konnte. Damit war gleichzeitig der Beweis er- bracht, daß eine erfolgreiche Ordnung des Mark- tes die Voraussetzung für die Steigerung der Erzeugung ist. Im Rahmen der Maßnahmen zur Erzeugungsschlacht war besonderer Wert neben der Steigerung der Düngung und der Verbesse- rung der Anbau- und Erntemethoden auf zweck- entsprechende Züchtung und die Ausdehnung des Pilanzkartoffelanbaus in den klimatisch hierzu geeigneten Gebieten gelegt worden. Von Jahr zu Jahr standen steigende Mengen von gesundem Pflanzgut den unter Abbauerschei- nungen leidenden Gebieten zur Verfügung.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Arbeit der Hauptvereinigung der deut- schen Kartoffelwirtschaft in den zurückliegenden Friedensjahren der Schaffung klarer Preis- und Absatzverhältnisse, der Verstärkung der Her- stellung von Kartoffelveredelungserzeugnissen, der Heranziehung und Ausbildung wirtschafts- politisch gleichgerichteter und tatkräftiger Nährstandskaufleute und Genossenschaften galt.

In diesem Krieg, den das deutsche Volk zur Wahrung seiner Freiheit zu führen gezwungen ist, hat die Kartoffelals Nahrungsmittel, Rohstoff und FEFutter grundlage eine, von Kriegsjahr zu Kriegsjahr stei- gende Bedeutung. Es kommt daher darauf an, die Erzeugung trotz mangelnder Betriebs- mittel möglichst hoch zu halten. Durch eine starke Ausdehnung der Erzeugung anerkannter Pflanzkartoffeln in den ersten vier Kriegsjahren gelang es, den kriegsbedingten Rückgang der Kunstdüngeranwendung in hohem Maße auszu- gleichen. Der zunehmende Bedarf an Speise- kartoffeln für die Volksgenossen in den Städten und für die Wehrmacht hatte zur Folge, daß der östliche Teil des Reiches als Haupterzeugungs- gebiet immer größere Mengen an Speisekartof-

feln aufbringen mußte.

Bei einer Verdoppelung des friedensmäßigen Verzehrs von Speisekartoffeln der Nichtselbst- versorger stieg der übergebietliche Verkehr nun- mehr auf das Vierfache der Vorkriegsjahre. Hiermit ist eine Leistung vollbracht worden, die neben der Ablieferungswilligkeit der Erzeuger im besonderen dem Einsatz der Reichsbahn zu danken ist. l

Zur Sicherung des Bedarfs der Zuschußgebiete und zur Vermeidung von Kreuz- und Quertrans- porten wurde der übergebietliche Verkehr durch die Hauptvereinigung der deutschen Kartoffel- wirtschaft gelenkt.

Um rechtzeitig genügend Speisekartoffeln den Verbrauchern zur Verfügung stellen zu können,

197

mußte die Vorratshaltung gegenüber den Friedensjahren wesentlich gesteigert werden. Da diese Aufgabe über das Leistungsvermögen des bestehenden Apparates der Kaufleute und Genossenschaften hinausging, wurde in den ersten Tagen des Krieges der Hauptvereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft eine Ge- schäftsabteilung angegliedert mit dem Auftrag, zusätzlich große Aufkäufe und Lagerungen durchzuführen. So wurde im ersten Kriegswinter eine Reichskartoffelreserve geschaffen sowie im weiteren Verlauf des Krieges durch Abschluß von Einlagerungs- und Lieferungs- verträgen mit den Erzeugern, durch Anlage von Mietenlagerplätzen und zusätzlichen Behelfs- lagerräumen jährlich eine Menge von mehreren Millionen Tonnen von der öffentlichen Hand erfaßt, gelagert und dem Verbrauch zugeführt. Infolge vermehrter Inanspruchnahme bereits vorhandener Kartoffellagerräume für andere Zwecke machte sich der Bau von Kartoffellager- häusern notwendig. Es gelang, hierdurch im dritten und vierten Kriegsjahr eine Einlage- rungsmöglichkeit für fast eine halbe Million Tonnen Kartoffeln neu zu schaffen.

Während in den Friedensjahren die Verteilung der Kartoffeln in den Städten vom Großhandel zum Einzelhandel nur in beschränktem Umfang beeinflußt wurde, forderten die Kriegsverhält- nisse eine straffe Lenkung der Ware bis zum Verbraucher. Zur Sicherung der im dritten Kriegsjahr eingeführten Bezugsregelung wurden deshalb in den Stadtgebieten Bezirkseintei- lungen für den Handel vorgenommen und jeweils alle Empfangsverteiler einer Stadt zusammengeschlossen, an deren Spitze ein Gruppenverteiler gestellt wurde, dem die zentrale Schleusung und gleichmäßige Vertei- lung der Kartoffeleingänge obliegt.

Im Gegensatz zum vergangenen Weltkrieg wurde jetzt mit allen Mitteln versucht, die Ver- arbeitung von Kartoffeln auf Stärke, Flocken und Walzmehl in dem schon in Friedensjahren gesteigerten Ausmaß aufrecht zu erhalten. Kar- toffelerzeugnisse spielen besonders im Kriege eine größere Rolle, als allgemein angenommen wird. Neben dem Einsatz für dringendste Be- darfe der Ernährungswirtschaft wie Kinder- nähr mittel, Puddingpulver, Sago, Traubenzucker Dextrose), Stärkesi- rup für Süßwaren und Marmelade und Beimischung zu Mahlerzeugnissen aus Roggen nehmen die Kartoffelveredelungser- z eugnisse eine Schlüsselstellung in der Rüstungsin dustrie und in großer Zweigen der gewerblichen Wirtschaft ein. Diese Bedeutung forderte auch hier die zentrale Er- fassung der Ware und Lenkung des Absatzes. So arbeiten die Stärkeverkaufsgemein- scheaft und die Kartoffelflockenzentrale als rationalisierter Verkaufsapparat aller Her- stellerbetriebe nach den Weisungen der Haupt- vereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft

198

"Kriegsbewirtschaftung mit

und sind auf diese Weise in die Marktordnung eingebaut.

Die Spirituserzeugung beruht auch im Kriege im wesentlichen auf der Kartoffelverarbei- tung, wenn auch erntebedingt andere Rohstoffe wie z.B. Zuckerrüben eingesetzt werden müssen.

Für das Gelingen der Umstellung auf die ihren wesentlich strengeren und schärferen Formen war die schon in Friedensjahren richtig aufgebaute und be- währte Marktordnung Voraussetzung. Bei dem Aufbau der Organisation der Kartoftfelwirtschaft war von dem Grundsatz ausgegangen worden, den notwendigen Verwaltungsapparat möglichst klein zu halten. Das bedingte, daß sich die Hauptvereinigung mit ihren Kartoffelwirtschalis- verbänden allein auf die Aufgabe der Führung beschränkte und die Durchführung den Kräften der beteiligten Wirtschaftskreise überließ. Die Kriegsbewirtschaftung stellte selbstverständlich wesentlich höhere Ansprüche an die Marktord- nungsorgane, die trotz Einberufung vieler wert, voller Kräfte zur Wehrmacht zahlenmäßig nicht erweitert wurden, sondern sogar eine Verringe- rung um 10 Prozent erfuhren. Auch die neu aut- gebaute Geschäftsabteilung wurde unter Befol- gung des genannten Führungsgrundsatzes klein gehalten, indem Kaufleute und Genossenschaften selbstverantwortlich weitestgehend eingeschal- tet wurden.

Wo die Durchführung der Marktordnung un- bedingt eine Vertiefung erfahren mußte, wie bei der Durchorganisation der Erfassung, ist nicht der Verwaltungsapparat vergrößert, sondern sind ehrenamtliche Mitarbeiter herangezogen worden. Aus diesem Grundsatz heraus ist es zur Ernennung von Beauftragten für die Kar- toffelwirtschaft jeweils für das Gebiet einer Kreisbauernschaft gekommen.

Uberblickt man noch einmal die zehnjährige Tätigkeit der Hauptvereinigung und ihrer Ver- bände, so ergeben sich folgende Erkenntnisse:

1. Der Krieg hat die Kartoftelwirtschaft vor vollkommen neue Aufgaben gestellt.

2. Diese Aufgaben wurden unter Wahrung des Führungsprinzips mit einem kleinen Stab von Mitarbeitern unter maßgebender Einschaltung der privatwirtschaftlichen Kräfte bewältigt.

3. Die Marktordnung wird auch im Kriege gemäß den schon friedensmäßig gegebenen Grundsätzen weitergeführt.

Auf dieser Grundlage wird auch in kommen- den Friedensjahren gearbeitet werden müssen, denn die Kartoffel als wichtigte Frucht für die Intensivierung der leichten Böden des deutschen Ostens muß in ihrem Anbau erhalten und in ihren Ertragsleistungen gesteigert werden. Bei einem dann zu erwartenden Rückgang des Speise- kartoffelbedarfs muß die Kartoffel Rückgrat einer ausgedehnten Schweinehaltung und Roh- stoff für eine erweiterte Herstellung höchstwer- tiger Veredelungserzeugnisse sein.

FRANZ G. M. WIRZ:

„HOT SPRINGS - COLD WATER: „HEISSE QUELLEN KALTER KAFFEE”

Eine ernäbrungspbysiologisce Auswertung

ls es das Zeitalter der Industrialisierung

England ermöglichte, seinem Überseehandel neue ungeahnte Möglichkeiten zu erschließen, opferte es sein Bauerntum und seine boden- ständige Ernährung dem Freihandel zuliebe, um mit diesem liberalistischen Wirtschaftssystem seine Industrieerzeugnisse in der ganzen Welt

zu wirtschaftlichem und politischem Nutzen ab-

setzen und unter anderem hochwertigste Nah- rungsgüter zu billigsten Preisen dabei ein- tauschen zu können. Diese Entwicklung führte in England selbst zweifellos zu einem außer- gewöhnlichen Wohlstand bestimmter Kreise und trug auch zu der politischen Machtvergrößerung wesentlich bei, während die Industriearbeiter nicht viel weniger als die Bauern die Leidtra- genden wurden. Ebenso wie hierbei die na- tionale Wirtschaft durch Weltwirt- schaft und die nationale Arbeitslei- stung durch Weltarbeitsteilung ab- gelöst wurde, so trat an die Stelle der boden- ständigen Ernährung die Weltwirtschaftsernäh- rung, bis diese mit 75 Prozent die Gesamt- ernährung des englischen Volkes decken mußte. Bodenständige Ernährung, die sich durch Jahr- hunderte und Jahrtausende in einem bestimmten klimatisch wie geologisch charakteristischen Lebensraum für Menschen bestimmter Art und Rasse aus Instinkt und Erfolg heraus entwickelt hat und diesem oder jenem Volke eine volle biologische Lebensmöglichkeit gewährt hat, ist

ein organisches natürliches Gebilde, während .

die Weltwirtschaftsnahrung ihrem ganzen We- sen nach ein spekulatives Produkt darstellt, ge- horcht sie doch nicht den ewig gültigen inneren Gesetzen zwischen artgebundenen Lebewesen und umweltbestimmter Ernährung, sondern ver- sucht im Rahmen des größtmöglichen wirtschaft- lichen Nutzens das rein mengenmäßige Nah- rungsbedürfnis zur Erhaltung billiger Arbeits-

kräfte knapp zu befriedigen. S |

- Ernährungsänderung,

Viele Tausende von Jahren sind vergangen, seit der seßhafte, den Boden bearbeitende, pflü- gende, säende und erntende Bauer und Vieh- züchter den früchtesammelnden und tierjagen- den Nomaden ablöste. Englandabermachte im vorigen Jahrhundert sein ganzes

. Volk wieder zu Nomaden, die sich ihre

Nahrung so, wie sie die Weltwirtschaft darbot, kaufen mußten. Die Art der Ernährung wurde also nicht mehr den ernäh- rungsphysiologischen Bedürfnissen entsprechend gestaltet, wie dies zwangs- läufig bei der bodenständigen Ernährung der Fall gewesen war, sondern siewurdedurchdie Wirtschaft bestimmt. So kam es zu einer deren physiologische Schwächen und Schäden heute offenbar und auch von aller Welt anerkannt sind. Sogar die jahrelangen Untersuchungen einer eigenen Kommission des demokratischen Völkerbundes, die ihre diesbezüglichen Berichte in den Jahren 1936 und 1937 veröffentlichte, endeten mit die-

sem Ergebnis. Unter den vielen gleichlaufenden

Einzeluntersuchungen ist besonders eine von dem Dänen Pedersen über die Ernährungs- wandlung bei den Eskimos Westgrönlands und deren Folgen hervorzuheben. Auch diese wur- den nämlich in die weltbeglückende Arbeits- teilung einbezogen und tauschten 60 Prozent ihrer vollgesunden Ernährung gegen Erzeugnisse der Weltwirtschaft ein. Die Folgen an Gesund- heit und Leistungsfähigkeit blieben nicht aus. Auch Deutschland war in den allgemeinen Stru- del dieser Entwicklung einbezogen worden. Mit der Machtübernahme wurde auch hier das Steuer herumgeworfen. Von da ab bietet die Welt das Schauspiel einer völlig divergenten Entwieklung: bei den demokratischen Ländern das Bestreben, die Weltwirtschaftsernährung

199

zum Weltprinzip zu machen; bei den autoritären Staaten demgegenüber der Wille zur nationalen bodenständigen Ernährung.

Wie um die Weltanschauungen der beiden

Gruppen schon längst vor dem jetzigen Krieg

auf das heftigste gekämpft wurde, so versuchten auch die Betreiber der Weltwirtschaft die Be- strebungen nach bodenständiger Ernährung zu durchkreuzen. Eine verlorene Schlacht bedeu- tete es in diesem Sinne für die Demokratien, als es Deutschland bald fertiggebracht hatte, sich aus den Maschen des internationalen jüdisch beherrschtenWeltgetreidehandels frei zumachen. Die nationalsozialistische Dlsaatparole setzte dem Einbruch der englisch-jüdischen Margarine- wirtschaft einen Damm entgegen und der for- cierte Hackfruchtanbau machte Deutschland mehr und mehr unabhängig von dem auslän- dischen Futterkuchen.

Noch einmal versuchten unsere Feinde, dieser Entwicklung im Frieden Abbruch zu tun. Auf dem internationalen Ernährungskongreß 1937 ih Paris wurde unter jüdischer Initiative die Er- richtung einer internationalen Ernährungsbank beschlossen, die es allen Staaten, auch den min- derbemittelten, ermöglichen sollte, an den Seg- nungen der Weltwirtschaftsernährung teilzu- nehmen. Man war also sogar zu goldenen Fesseln bereit, nachdem es nicht mehr anders ging. Dabei stand der Entschluß, diesen Weg zu wählen, sogar offensichtlich im Widerspruch zu der Empfehlung und dem Urteil der eben erwähnten Völkerbundskommission, die in ihrem Schlußbericht ausdrücklich erwähnte, daß

die schlechten Ernährungsverhält- nisse, die in England und USA. beson- ders groß seien, nur durch nationale Maß- nahmen geändert werden könnten. So erfuhr die Weltwirtschaftsernährung der Demokratien durchihre eigenen Sach- verständigen damals eine vernich- tende Aburteilung. Aber das änderte nichts an der Haltung der Gegenseite. Die Welt- wirtschaftsernährung war doch nicht geschaffen und entwickelt worden, um den Völkern der ganzen Welt die beste und gesündeste Ernäh- rung zu ermöglichen, sondern um die Welt aus- zubeuten, genau so wie England seine eigenen Bauern und seine eigenen Industriearbeiter hier- bei ausgebeutet hatte und sie heute noch nach englischem Zeugnis genau so ausbeutet.

Nach allem bedeutet daher die Entschließung von Hotsprings, die landwirtschaftliche Er-

zeugung aller Länder der Welt restlos und

bedingungslos der Weltarbeitsteilung jüdisch- plutokratischer Art zu unterstellen, eine ge- radlinige Fortsetzung der bisherigen Bestrebun-

200

gen der Feindseite zur Förderung der Weltwirt- schaftsernährung, und sie bildet in diesem Sinne das Schlußglied in der Kette, deren erstes zu Beginn des 19. Jahrhunderts von England ge-

schmiedet wurde und unter dem Symbol des

Freihandels die Völker täuschte, ihnen Wohl- stand verhieß, aber Elend und politische Knech- tung einbrachte. Das Schlußglied dieser Kette wird aber nicht mehr mit einem gleißenden Wort geschmückt, denn es bedarf nicht mehr des Be- trugs, der im Frieden angezeigt und einträglich genug war, sondern es soll jetzt die brutale Ankündigung einer totalen Vergewaltigung schrecken. Darum wurde in Hotsprings auch offen gefordert, daß Deutschland z.B. überhaupt kein Getreide mehrer- zeugen dürfe. Das Schlußglied der Kette, mit der Deutschland gefesselt und ausgehungert werden soll, bedeutet daher nichts weniger als die Apotheose, die Krönung und Verherrlichung der Weltwirtschaftsernährung.

Es ist wichtig, sich dieser Dinge bis zum letzten bewußt zu sein, auch wenn längst erwie- sen ist, daß nicht irgendein idealer Weltbe- glückungsplan, sondern nacktes Geldinteresse und machtpolitisches Streben die Weltarbeits- teilung jetzigen Stils und in ihrem Rahmen die Weltwirtschaftsernährung herbeigeführt haben. Es soll auch ganz davon abgesehen werden, daß die Pläne von Hotsprings weder volkswirtschaft- lich noch technisch verwirklicht werden können. Nicht das ist entscheidend, was an den Plänen utopisch bleiben muß, sondern das, was durch- führbar ist. Wenn sich Deutschland und mit ihm ganz Europa auch nur so weit der Weltwirt- schaftsernährung überantworten würde, wie es England tatsächlich getan hat, als es drei Viertel seiner Eigenernährung aufgab, würde der Scha- den an der Gesundheit und der Leistungskraft Europas mindestens ebenso groß sein, als er auch in England und sonstwo bei der Aufgabe der bodenständigen Ernährung gewesen ist. Wer nur einigermaßen die Geschichte und die Geo- graphie der Ernährung übersieht, kennt die Größe der Unterschiede in den Volksernährun- gen, die nicht nur je nach Rasse, sondern auch nach Klima und Landschaften anzutreffen sind. Man vergleiche doch nur im eigenen Land die freigewählte Ernährung etwa eines Hamburgers mit der eines Bayern, eines Ostpreußen mit der eines Rheinländers, um dies bestätigen zu müs- sen. Jede dieser Ernährungsformen, so unterschiedlich sie auch sein mö- gen, ist in sich harmonisch, wenn sie bodenständigist,d.h. sie enthält nicht nur Energiestoffe, sondern auch alle Wirkstoffe, die je nach Ort und Klima durch verschiedene Na-

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DieKunst des

Blaudruckes

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Handwerk

Zu den kaum noch geübten, fast ver- gessenen Handwerkskünsten qehört auch der Blaudruck. Nur in wenigen Land- städten und Dörfern begegnen wir noch vereinzelten Meistern als letzten Hütern ihrer Kunst, die im besten Sinne des Wortes die Bezeichnung „Volkskunst“ verdient, denn sie wurzelt zutiefst im bodenständigen Volkstum. Ihre Druck- stöcke überliefern uns in mannıgfaltiger Abwandlung die alten Sinnbilder deut- schen Bauernglaubens und sind ein ein- drucksvolles Zeugnis eines urtümlichen Stilgefühls. Auch heute noch werden die Druckstöcke, wie uns das rechte Bild zeigt, vom Meister selbst geschnitzt. Im Hintergrund des Bildes ein Teil der Borde mit den alten kostbaren Mustern

Stoff aufge wird auf ten Wac strichen, gleichmāf Druckstot werden k druckte einen Re

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ie eigentliche blaue Farbe entsteht erst durch Oxydieren

Farbstoffes an der Luft. Um einen gleichmäßigen Luft-

tritt zu sichern, wird das eben gefärbte Leinen aus- einandergeklopft

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Die Säure der Druckmasse wird durch Wässern in einem Bach entfernt. Die fertigen, getrockneten Decken werden gerollt und zusammengelegt

Muster aus einem Tiroler Mu- sterbuch

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turerzeugnisse gewährleistet werden. So ent-

spricht der Zitrone als C-Vitaminträger in un-

seren Breitengraden die Hagebutte und die schwarze Johannisbeere, um nur ein Beispiel zu nennen. Wie aber erst unterscheidet sich die Ernährung des Europäers etwa von der des Ja- paners, des Eskimos oder des Kirgisen! und Konstitution, wie z. B. mit der größeren Darmlänge des Japaners, spielen hierbei eben- falls eine wichtige Rolle. Wollte man demgegen- über einwenden, daß es möglich sein müsse, alle Menschen der Welt mit den drei Grundnah- rungsmitteln Getreide, Fleisch und Fett zu er- nähren ohne Rücksicht darauf, wo diese erzeugt seien, so hat gerade die Weltwirtschaftsernäh- rung in ihrer englischen Reinkultur den Beweis dafür erbracht, daß dies vielleicht theoretisch möglich ist, aber praktisch zum Mißerfolg führen muß. Je mehr sich nämlich eine Ernährung auf diese drei Grundnahrungsmittel beschränkt, um so größer ist die Gefahr der Mangelernährung mit Wirkstoffen aller Art, auch wenn eine Deckung des Nahrungsbedarfes hinsichtlich der nötigen Brennwertmenge gewährleistet er- scheint. Aber selbst die genannten drei Grund- nahrungsmittel weisen je nach ihrer Art und

Herkunft große ernährungsphysiologische Un- `

terschiede auf.. Wenn 2. B. für große Gebiete Deutschlands der Roggen das boden- und klimageeignetste Getreide dar- . stellt, so weiß man heute, daß der Roggen für diese auf Grund seines Fluorgehaltes auch das physiologisch beste Getreide bedeutet. Der Bewohner der rauhen Nordseeküste bevor- zugt ebenso wie der Alpenländer im Gebirge, zumal etwa der Holzfäller, auf Grund seiner

Arbeitsleistung fettes und derbes Fleisch, wäh-

rend der Rheinländer wie der Badenser fett- freies und zartes Fleisch liebt. Das entspricht nicht allein dem unterschiedlichen Geschmack, sondern ebensosehr den verschiedenen physio- logischen Bedürfnissen. Und gar beim Fett spielt die Frage der Herkunft, ob pflanzlicher oder tierischer Art, ermährungsphysiologisch eine geradezu lebensentscheidende Rolle auf Grund des Bedarfes an fettlöslichen Vitaminen und be- sonderen Fettsäuren, denen von einigen For- schern sogar echter Vitamincharakter zuge- sprochen wird. Aber erst die Zukost, je nach Land und Volk wiederum verschieden, hier Kar- toffel, dort Soja, wieder woanders Reis oder Taro, die Art und die Menge von Obst und Ge- müse usw. entscheiden darüber, ob diese oder jene Gesamternährung, so verschieden sie auch sein mag, im Sinne der ernährungsphysiolo- gischen Voliseitigkeit harmonisch ist oder nicht. So muß jede Volksernährung eine ge-

Rasse

t

schlossene Einheit bilden, wie sie nur durch jahrhundertealte Bewäh- rung und durch Bodenständigkeit ge- währleistetwerdenkann und bei der man

nicht einzelne größere oder kleinere Teile wie etwa bei einer Maschine auswechseln kann.

Etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn eine raumgebundene und bodenständige Ernäh- rung zusätzlich erweitert wird. Das ist nicht nur vielfach nützlich, sondern sogar nötig. Wieder- holt ist in diesem Sinne gefordert worden, die auf Grund der Weltwirtschaft im Gefolge der Industrialisierung, Verstädterung und Bevölke- rungszunahme im ganzen zu einseitig und daher mangelhaft gewordene Ernährung vor allem wieder vielseitiger zu gestalten, Je vielsei- tiger eine Ernährung ist, um so besser gewährleistet sie die Zufuhr aller Arten von Stoffen, die zur besten Er- haltung von Gesundheit und Lei- stungsfähigkeit von Vorteil sind. So kann der Weg zur Verbesserung einer Volks- ernährung nur von dieser selbst ausgehen und auf dieser aufbauen. Dabei sind zuerst alle naturgegebenen Möglichkeiten zur Erweiterung des bodenständigen Anbaues auszuschöpfen, be- vor die Nahrungsergänzung aus anderen Lebens- räumen vorgenommen wird. Das System der Weltarbeitsteilung ist aber auf dem Gebiete der Ernährung den umgekehrten Weg gegangen, Es begann mit der Unterminierung der bodenstän- digen Ernährung durch den Freihandel und will nunmehr, noch darüber hinausgehend, mit Ge- walt und Zwang die Ernährung von Menschen und Raum, von Blut und Boden, d. h. von jeder naturgegebenen Bindung, deren Unversehrtheit allein Gesundheit und Leistungsfähigkeit ver- bürgen kann, lösen, um sie bestenfalls nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten. Statt die Ernährung aller Völker auf Grund von Erfahrung und Wissen- schaft in ernährungsphysiologischem Sinne durch gesundheitliche Ernäh- rungslenkung zu verbessern, würde der Plan von Hotsprings das ernäh- rungsphysiologische Chaos und die weitere Untergrabung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit bedeuten. Aber dazu wird es nie kommen. Hotsprings bedeutet auf deutsch „heiße Quellen”. Mögen sich die, die an ihnen ihren Haß gegen Deutschland er- wärmten, ruhig die Finger verbrennen. Für uns Deutsche aber besagt Hotsprings nach dem eng- lischen Freihandelsergebnis für England selbst, der mißglückten Weltarbeitsteilung und dem Pariser Vorstoß noch im Frieden 1937 nur kalter Kaffee auf englisch cold water.

201

HANS-UDO VON GRONE:

_ FORSTVERBANDE

VOM STANDPUNKT DES BAUERN AUS GESEHEN

D: Bedarf der gegenwärtigen Kriegswirt- schaft, aber ebenso auch der künftigen Friedenswirtschaft an Holz, das zu einem der vielseitigst verwendbaren und kostbarsten Roh- stoffe geworden ist, zwingt zur Ausschöpfung aller forstlichen Produktionskräfte. Während der Wald der öffentlichen Hand und der größere und mittlere Privatwald sich bereits der oberen Grenze ihrer Ertragsfähigkeit genähert haben, ist die Ertragsmöglichkeit des privaten Klein- waldes bisher bei weitem nicht voll ausgenutzt. Auf die Gründe dieser Erscheinung, über die an anderer Stelle bereits ausführlicher ge- schrieben ist, hier näher einzugehen, würde im Rahmen dieser Abhandlung zu weit führen. Erwähnt mag nur werden, daß im wesentlichen drei Tatsachen dafür verantwortlich zu machen sind: die starke Besitzzersplitterung und die dadurch verursachte geringe durchschnittliche Größe des einzelnen Forstbesitzes, die, weit unter der optimalen forstlichen Besitzgröße liegend, eine eigentliche Forstwirtschaft auf dem einzelnen Besitz unmöglich macht oder zumindest sehr erschwert, die mangelnde Sach- kunde des Besitzers selbst, der überwiegend landwirtschaftlich eingestellt ist, und vor allem die Vernachlässigung des Bauerntums durch den liberalen Staat.

Da rund 5 Millionen Hektar, also etwa ein Viertel der gesamten Waldfläche, auf den Kleinwald unter 100 Hektar Besitzgröße ent- fallen, würde schon eine Steigerung des Hektar- Ertrages dieser Fläche um 1 Festmeter die Holzernte um 5 Millionen Festmeter je Jahr er- höhen, wobei im Laufe der Zeit eine durch- schnittliche Erhöhung des Hektar-Ertrages um 2 Festmeter durchaus im Bereiche des Mög- lichen liegt. Im Kleinwald liegen also gewal- tige Kraftreserven, die nur mobilisiert zu wer- den brauchen. Es händelt sich dabei nicht etwa um eine Mobilisierung in dem Sinne, daß alles vorhandene Holz eingeschlagen und er damit seines Holzvorrates beraubt werden soll. Das könnte nur zu einer einmaligen Erhöhung der Holzernte führen, um ihn dann in die völlige Ertragslosigkeit zurücksinken zu lassen. Ganz im Gegenteil soll seine Ertragsfähigkeit durch entsprechende Maßnahmen, wie den Anbau standortsgemäßer Holzarten, sachgemäße Pflege

202

~

der Kulturen und Bestände und richtige Holz- ernte nachhaltig gehoben und voll ausgeschöpft werden.

So klar das Ziel ist, so schwierig ist der Weg zu seiner Verwirklichung. Vom rein forsttech- nischen Standpunkt aus gesehen, konnte es naheliegen, die sich aus der starken Besitz- zersplitterung des Kleinwaldes ergebenden nach- teiligen Folgen etwa durch seine Uberführung - in die öffentliche Hand zu überwinden, um nun auf großer Fläche unter einheitlicher Steuerung alle erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Aus volkspolitischen Gründen mußte diese Lö- sung aber von vornherein ausscheiden, da sie allen nationalsozialistischen Grundsätzen und der Einstellung des Staates zum Bauerntum widersprochen hätte. Unter bewußter und aus drücklicher Ablehnung solcher Gedankengänge mußten daher Wege gefunden werden, bei denen unter voller Aufrechterhaltung des Eigen- tums die dem forstlichen Kleinbesitz zwangs-

läufig anhaftenden Mängel in anderer Weise

ausgeglichen und ihm die Vorteile des Groß- betriebes geboten werden. Diese Aufgabe soll in Zukunft durch die- Forstverbände über- nommen werden.

-In der Verordnung über die Bildung wirt- schaftlicher Zusammenschlüsse in der Forstwirt- schaft vom 7. Mai 1943 hat der Beauftragte für den Vierjahresplan die ‚gesetzliche Grundlage für die Bildung von Forstverbänden geschaffen. Auf Grund der darin gegebenen Ermächtigung hat der Reichsforstmeister am gleichen Tage die Verordnung über die Bildung von Forstver- bänden erlassen, zu der unter dem 30. Juni 1943 eine Durchführungsanordnung, eine Verfahrens- ordnung, zwei Mustersatzungen und ein Er läuterungserlaß ergangen sind. Die erstgenann- ten Verordnungen sind im Reichsgesetzblatt Teil I Jahrgang 1943 Nr. 50 Seite 298—301 und die Durchführungsbestimmungen in dem Reichs- ministerialblatt der Forstverwaltung Jahrgang 1943 Nr. 18 Seite 134—145 abgedruckt. Damit ist ein Plan verwirklicht worden, der durch die Zeitumstände notwendig geworden war und in eingehender und enger Zusammenarbeit zwischen Reichsforstmeister, Reichsernährungs- minister und Reichsbauernführer seine Form gefunden hat.

\

Auf den ersten Blick muß die Fülle der er- gangenen Vorschriften, die nun einmal nötig sind, um eine neue Organisationsform ins Leben zu rufen und sie arbeitsfähig zu machen, über- raschen. Es kann auch für den oberflächlichen Betrachter zunächst der Eindruck daraus ent- stehen, daß dem kleinen Waldbesitzer nun eine Zwangsjacke übergezogen werden soll, die ihn gewissermaßen unter Vormundschaft stellt und in seiner selbstverantwortlichen Eigenwirtschaft behindert. Ist das wirklich der Fall und, wenn überhaupt, wie weit gehen diese Einschrän- kungen?

Wenn man diese Fragen untersuchen will, muß man vom Sinn und Wesen des Forstver- bandes ausgehen. Daß das Eigentum des ein- zelnen Waldbesitzers in vollem Umfange auf- rechterhalten wird, ist als oberster Grundsatz von vornherein in der Grundlagenverordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan fest- gelegt und zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Gesetzgebungswerk hindurch. Der Forstverband dient hiernach nur zur Durch- führung einzelner oder mehrerer Maßnahmen des Forstbetriebes, wobei der privatwirtschaft- liche Zweck der Stärkung der wirtschaftlichen Kraft “der beteiligten Waldbesitzer gleich- berechtigt neben den volkswirtschaftlichen Zweck der Holzaufbringung für die deutsche Wirtschaft gestellt ist. Im Forstverband soll also, durch Zusammenfassung der Kräfte das er- reicht werden, was dem einzelnen Waldbesitzer zu erreichen nicht möglich ist, weil er allein zu schwach ist. Unleugbar ist damit eine ge- wisse Einschränkung der wirtschaftlichen Frei- heit des einzelnen Waldbesitzers und seine Bin- dung an Weisungen des Forstverbandes ver- bunden und muß damit verbunden sein, wenn nicht der Mangel an Einsicht oder der Eigensinn eines Einzelnen die Errichtung des ganzen Zieles in Frage stellen soll. Die Eingriffe in die private Wirtschaftsfreiheit beschränken sich aber unter Anpassung an die gegebenen Ver- hältnisse und unter Vermeidung aller Gleich- macherei auf das zur Erreichung des jeweiligen Zweckes unbedingt notwendige Maß. Auch auf landwirtschaftlichem Gebiete gibt es Zusammen- schlüsse mit ähnlichen Bindungen, wie z.B. An- bau- und Ablieferungsverpflichtung bei Zucker- fabriken, Kartoffelflockenfabriken, Molkereien. Niemand wird behaupten, daß dadurch das Eigentum in irgendeiner Weise berührt oder dem Eigentümer das Gefühl genommen ist, auf eigener Scholle selbstverantwortlich zu wirt- schaften.

Im einzelnen lassen sich die im $1 der Ver- ordnung des Reichsforstmeisters über die Bil- dung von Forstverbänden aufgezählten sieben Aufgaben eines Forstverbandes nach der Tiefe des Eingriffes in die Wirtschaftsfreiheit des ein- zelnen Betriebes in folgende Gruppen auf- gliedern:

I. Gruppe:

1. Bau und Unterhaltung von Holzabfuhr- wegen und Holzbringungsanlagen;

2. Durchführung von Maßnahmen des Forst- schutzes;

3. Beschaffung von Forstsämereien und Forst- pflanzen.

Obwohl diese Maßnahmen überhaupt nicht oder nur ganz geringfügig in die Wirtschafts- freiheit eingreifen, können sie in ihrer Auswir- kung für den einzelnen Waldbesitzer von größ- ter Bedeutung sein. Erst das Vorhandensein guter Abfuhrwege und sonstiger Bringungs- anlagen, besonders im Hochgebirge, gewähr- leistet einen sicheren Absatz allen eingeschlage- nen Holzes zu normalen Preisen. Fehlt es an solchen, so werden erhebliche Mengen wert- vollsten Holzes nicht bringbar sein und nutz- los verkommen. Die Aufschließung solcher Waldgebiete kommt daher allen Beteiligten zu- gute. Der Schutz der Forsten gegen Schäden aller Art kann schon aus dem Grunde nur von der Gemeinschaft der Waldbesitzer vorgenom- men werden, weil sich die meisten Schäden, wie Naturkatastrophen, pflanzliche und tierische Schädlinge, nicht auf das Eigentum eines ein- zelnen Kleinwaldbesitzers beschränken. Auch die Beschaffung von Forstsämereien und Forst- pflanzen durch den einzelnen Kleinwaldbesitzer stößt in der Regel auf größte Schwierigkeiten sowohl hinsichtlich der Auswahl des geeigneten Pflanzmaterials wie des Versandes.

II. Gruppe: 1. Verbesserungen des Bodens und der Holz- bestände;

2. Ausführung von Forstkulturen, Aufforstung von Odland und anderen ungenügend ge- nutzten Flächen..

Mit diesen Maßnahmen ist bereits ein ge- wisser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ver- bunden, da der einzelne Waldbesitzer die Durchführung auf seinem Eigentum dulden muß. Aber auch sie wirken sich unmittelbar zu seinem Vorteil aus. In den meisten Fällen würde er allein gar nicht in der Lage sein, gie durchzu- führen/

III. Gruppe:

Aufbringung und Verwertung von Holz und forstlichen Nebenerzeugnissen. |

Hiermit ist bereits ein stärkerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit verbunden, da der ein- zelne Waldbesitzer grundsätzlich seine Holz- ernte nur noch durch seinen Forstverband ver- werten, also nicht mehr frei über sie verfügen kann. Wichtig ist, daß sowohl sein Eigenbedarf wie der örtliche Brennholz- und Nutzreiser- absatz nicht davon betroffen wird. Der über- wiegende Vorteil liegt aber darin, daß seine meist geringe Holzernte durch die Zusammen-

203

fassung mit den übrigen Holzmengen überhaupt

erst markt- und verkaufsfähig wird, während er bisher in der Regel auf jede geldliche Einnahme aus dem Walde verzichten mußte. Die Holz- umlage wird in Zukunft dem Forstverband er- teilt und von diesem auf die einzelnen Wald- besitzer nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit umgelegt, während bisher die Unterverteilung durch den Ortsbürgermeister in einem verhält- nismäßig rohen Verfahren erfolgen mußte.

IV. Gruppe:

Bestellung genügend ausgebildeter oder be- fähigter Dienstkräfte für die Bewirtschaf- tung und den Schutz der Waldung.

Diese Maßnahme greift am weitesten in die Eigenwirtschaft ein und kann praktisch bereits eine Reihe der vorher aufgeführten Maßnahmen mit einschließen.

Gegen eine Uberspannung des Gemeinschafts- begriffes sind verschiedene Schutzbestimmun- gen eingebaut. Der Eigentümer eines Wald- grundstücks, dessen ordnungsmäßige Bewirt- schaftung anderweit gesichert ist, kann gegen seinen Willen in einem Forstverband mit der ausschließlichen Zweckbestimmung der Gruppe IV nicht einbezogen werden. Das wird immer dann der Fall sein, wenn der Waldeigentümer selbst genügend ausgebildet oder befähigt ist oder eigene genügend ausgebildete oder be- fähigte Dienstkräfte in seinem Forstbetriebe be- schäftigt. Eine bestimmte Mindestgröße des Waldbesitzes ist absichtlich nicht genannt, weil die verlangten Voraussetzungen nicht allein von der Größe abhängig sind. Auch in Forst- betrieben unter 100 Hektar kann eine ordnungs- mäßige Bewirtschaftung durchaus gesichert sein. Waldbesitzer, die selbst Waldsamen- klengen oder Forstbaumschulen besitzen, dürfen ebenfalls nur mit ihrer Zustimmung zu der ge- meinschaftlichen Beschaffung von Forstsäme- reien und Forstpflanzen herangezogen werden. Auch in der Ordnung der Beiträge ist dafür Sorge getragen, daß grundsätzlich die Beiträge nur nach Maßgabe des Nutzens, der dem ein- zelnen daraus erwächst, erhoben werden.

Ein weiterer Schutz der Einzelwirtschaft ist in folgenden Bestimmungen zu erblicken:

Nach $4 der Verordnung über die Bildung von Forstverbänden soll die Bildung eines Forstverbandes grundsätzlich freiwillig ge- schehen; Voraussetzung ist, daß mehr als die Hälfte der beteiligten Eigentümer, die zugleich mehr als die Hälfte der beteiligten Flächen ver- treten, der Bildung des Forstverbandes zu- gestimmt haben. Nur hilfsweise findet eine Bil- dung von Amts wegen ohne Zustimmung der Beteiligten statt, wenn die Ziele, die mit der Bildung von Forstverbänden verfolgt werden, nur auf diese Weise erreicht werden können. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß dem ein-

204

zelnen Mitglied des Forstverbandes ein Stimm- recht bei den Beschlußfassungen über alle wichtigen Angelegenheiten des Forstverbandes zusteht, das sich auch auf die Wahl der Or- gane des Forstverbandes erstreckt. Dieses Stimmrecht ist nach der Fläche gestaffelt, wo- bei jedes Mitglied mindestens eine Stimme hat und niemand mehr als zwei Fünftel der Stimmen haben darf. In der Regel wird auf je ein volles. oder angefangenes Hektar eine Stimme entfallen. Dadurch wird erreicht, daß das Schwergewicht der Stimmenzahl fast in allen Fällen in der Hand der bäuerlichen Mit- glieder des Forstverbandes liegen wird ($9 der Verordnung über die Bildung von Forstver- bänden). In 57 dieser Verordnung ist ferner die Selbstverwaltung ausdrücklich festgelegt, wonach die Forstverbände ihre Angelegen- heiten selbst unter eigener Verantwortung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu ver- walten haben. Die Bildung, Betreuung und Be- aufsichtigung der Forstverbände erfolgt in der Dienststelle des Reichsforstmeisters und in den Dienststellen der höheren Forstbehörden durch die Privatwaldabteilung, also Organe, die vom Reichsbauernführer dem Reichforstmeister im Rahmen ihrer gemeinsamen forstlichen Organi- sation zur Verfügung gestellt sind. An der Spitze dieser Privatwaldabteilungen steht je- weils ein ehrenamtlicher Leiter, der selbst Privatwaldbesitzer ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Eingriffe in die private Wirtschaftsfreiheit

sich auf das unbedingt erforderliche Maß be-

schränken und weitgehend durch die eigenen Organe des im Reichsnährstand zusammen- gefaßten Privatwaldbesitzes im Sinne einer wirklichen Selbstverwaltung durchgeführt wer- den sollen. Der Bauer, der mit Recht allen Neuerungen mit einem gewissen natürlichen Mißtrauen gegenübersteht, kann dieser Neue- rung, die nur zu seinem eigenen Besten dient, vertrauensvoll entgegensehen. Er darf nur nicht in den Fehler verfallen, die Arbeit in den Forstverbänden anderen zu überlassen, sondern muß diese Arbeit selbst in die Hand nehmen und sich selbst einsetzen, damit er das Steuer in der Hand behält. Eine große Gelegenheit ist gegeben, es gilt, sie jetzt richtig zu nutzen.

Die hier vertretenen Grundsätze haben einen weiteren Niederschlag in den kürzlich ver- öffentlichten gemeinsamen Richtlinien des Reichsforstmeisters und des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft sowie des Reichsbauernführers zur Leistungssteigerung im Bauernwald gefunden. Auch diese gemein- same Arbeit ist ein Teil der Erzeugungsschlacht um die Sicherung der Nahrungsfreiheit und der Rohstofffreiheit, wie sie der Führer im Vier-

. jahresplan als eine besonders wichtige Auf-

gabe der nationalsozialistischen Wirtschafts- politik eingeleitet hat.

Mehr lernen

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Die Bildbeilage gewährt einen kleinen Einblick in das vielfältige Leben und Treiben einer Ackerbauschule, wenige Kilometer südlich von Ansbach in Mittelfranken. Oben: Beim Studium naturgetreuer Nachbildungen von Bauernpflügen. Unten: In Erwartung der ersten Schlepperfahrt

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Ein tüchtiger Landwirt muß heutzutage

über mannigfaltige technische Kenntnisse

verfügen. Bild links: Den Schülern wird

der Knüpfvorgang am Bindemäher erklärt,

Gleichzeitig wird das Erkennen der Ur-

sachen von Störungen und deren Beseiti- gung praktisch geübt

Bild unten: Der unter Mithilfe der Schüler zerlegte Schleifringmotor mit dem Anlaßwiderstand gibt willkomme Gelegenheit, Wesen und Arbeitsweise des Elektromotors zu erklären, während der Kurzschlußmotor (rechts mit Sterndreiecksschalter noch auf die Entschleierung seiner Geheimnisse harrt

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Unterweisung in der Altersbestimmung des Pferdes nach den Zähnen

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Bei der Herbstabfischung eines Weihers. Die Schüler werden auch in fischereilichen Arbeiten praktisch unterwiese Eine Kuh wird zur Untersuchung durch den Tierarzt auf den Boden gelegt. Auch das will gelernt werden

WALTER STAUSS:

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Die Lan otechnik

ie Hörsäle der landtechnischen Institute an

den technischen Hoch- und Mittelschulen sind nicht erst seit Beginn dieses Krieges fast leer, sie weisen schon seit vielen Jahren und Jahrzehnten eine erschreckende Leere auf. Der starke technische Impuls, den das deutsche Volk durch den Nationalsozialismus erhalten hat, füllte die Lehrsäle der flugtechnischen, auto- technischen, maschinentechnischen, werkzeug- technischen und anderen Disziplinen der tech- nischen Schulen mit technisch begeisterten jungen Menschen. Die Hörsäle der land- technischen Institute blieben leer. Die Arbeit am schnellsten Flugzeug, am schnellsten PK W., an der durchdachten Werk- zeug maschine begeisterte die Jugend mehr als die Arbeit am Pflug, an der Dresch- maschine, am Binder. Sie schien ihr nicht des Schweißes der Edlen wert, sie erschien ihr als Grobschmiedearbeit. Und selbst Stipendien, die von Staats- und Wirtschaltsstellen gegeben wurden, vermochten nicht, das Interesse der Jugend für die Landtechnik zu wecken. Natür- lich wußte sie, daß der Schlepper seinen Einzug in die Landwirtschaft hielt, der. Schlepper schien auch als technisches Phänomen ganz Interessant; aber er genügte den hochgespannten Anforde- rungen der Jugend nicht. Die Lehrsäle blieben leer.

Woh! trägt der Krieg wesentlich dazu bei, die Bedeutung der Landwirtschaft allen klar- zumachen. Daß die Ernährung.im fünften Kriegs- jahr noch ausreichend ist, wird wohl von allen anerkannt. Auch daß die Landtechnik zu dieser Leistung ihren vollen Anteil beiträgt, wird von den Zeitungen ja häufig betont. Aber da ist ja alles in Ordnung: Der Pflug geht durch den Acker, in seinen Furchen wachsen Brotgetreide und Kartoffeln, der Binder mäht das Korn, die Dreschmaschine drischt es, die Kartoffeln wer-

i

ALS BERUF DER ZUKUNFT

den aus dem Boden geholt und das Volk wird satt. Und jedes Bild und jede Plastik, die sich mit der Landwirtschaft künstlerisch befassen, zeigen die Pferde und Ochsen, die geruhsam den Pflug ziehen, und die Menschen, die die Sense schwingen, genau wie vor drei-, vier- oder fünf-

.hundert Jahren. Was also soll die Jugend

an der Landtechnik begeistern?

Jeder Bauer weiß, daß diese Geruhsamkeit nur scheinbar ist. Er weiß, daß in den Zeiten der Bestellung und der Ernte die Arbeit nie schnell genug geht. Er wünscht, daß ihm die Technik eine bessere Hilfe geben möge, aber er ist nicht technisch genug, ym Ratschläge zu geben, wie ihm die Technik helfen könnte. Er nimmt die technischen Mittel als gegeben, und sein Sohn, der Ingenieur wird, nimmt ebenso die Landtechnik als gegeben und wendet sich der Elektrotechnik, der Flugzeugtechnik, der Auto- technik zu. Die Hörsäle der landtechnischen Institute an den technischen Schulen bleiben leer.

Jugend will weitgesteckte Ziele sehen. Hat die Landtechnik solche Ziele auf weite Sicht oder ist sie bereits so weit entwickelt, daß große Anderungen nicht mehr zu erwarten sind? Wohl ist sie die älteste Technik, die der Mensch einsetzte. Aber im Sinne einer neuzeit- lichen Technik ist sie noch sehr jung. Nehmen wir eines der ältesten Geräte des Menschen, den Pflug. Er war ursprünglich ein ungefüges Holzgebilde, das den Boden lockerte; er wurde allmählich leichter, in der Arbeit besser, er wurde der Stahlpflug unserer Tage, der auch noch nicht fertig ist, sondern gerade jetzt wieder in neuer Entwicklung steht. Als nun der Schlepper seinen Einzug in die Landwirt- schaft hielt, wurde der Pflug verstärkt, und damit schien der Einsatz des Schleppers für die Bodenbearbeitung technisch gelöst. Nun ist aber

205

die Kraftabnahme am Treibrad sehr ungünstig. Um den Zugwiderstand des Pfluges zu über- winden, muß der Schlepper eine hohe Adhäsion haben. Die wird durch ein hohes Gewicht er- reicht und durch Greiferräder, Luft- gummireifen und Laufketten verstärkt. Aber damit wird der Kraftbedarf immer größer, den der Schlepper für seine eigene Bewegung braucht. Jetzt hat er etwa 50 v.H. seiner Mo- torenstärke am Zughaken, das heißt, er braucht die Hälfte seiner Kraft und damit die Hälfte seines Brennstoffs, um vor der Arbeitsmaschine oder dem Arbeitsgerät herzufahren. Das ist kein guter Wirkungsgrad. Also erhebt sich die Frage, ist der Pilug das allein mögliche Gerät für die e Bodenbearbeitung? Käme man zu einem Gerät, das mit der Bearbeitung eine eigene Fortbewe- gung hätte, so würde die Kraft von der Kraft- \ maschine durch die Zapfwelle oder eine andere günstige Art übertragen werden können, die Kraftmaschine könnte leicht sein und mit wenig Kraft ihre eigene Fortbewegung durchführen. Dos naheliegende Gerät dieser Art wäre die Fräse, die aber den Boden so bearbeitet, daß er

leicht verschlämmt. Ob das der Fall sein muß,

ist noch festzustellen, Untersuchungen in dieser Richtung sind im Gange und scheinen verhei- Bungsvoll. Antrieb der Scheiben an Scheibenpflügen den Zugwiderstand des Pfluges so vermindern, daß der Schlepper nicht mehr der hohen Schlupf- gefahr ausgesetzt ist. Die Zugkraft des Schlep- pers zum Transport könnte ebenialls verringert werden, wenn man die Räder der Wagen vom Motor des Schleppers antreibt. wäre dann: weg vom Schlepper als Schlepper und hin zu einer Kraftmaschine, die mit gerin- gem Kraltaufwand vor der Arbeitsmaschine oder dem Arbeitsgerät herfährt. Das würde eine völ- lig neue technische Entwicklung bedeuten, die nicht von heute auf morgen abgeschlossen wird, die aber des Schweißes der Edlen wert ist.

Und wie steht es mit der bäuerlichen Tech- nik? In technischen Dingen ist immer der Groß- betrieb der Pionier gewesen. Und immer hat die Entwicklung einer Maschine mit einem teuren, schweren Aggregat begonnen, das erst im Laufe der Jahrzehnte kleiner, eleganter, billiger und trotzdem leistungsfähiger geworden ist. Der Volkswagen zeigt diese Entwicklung sehr deut- lich. Der Großbetrieb hat also für die bäuerliche Technik Pionierdienst geleistet. Kann er diese Aufgabe beibehalten? Es scheint, daß die tech- nischen Voraussetzungen im Großbetrieb doch wesentlich anders sind als im bäuerlichen Be- trieb, besonders in der Familienwirtschaft. Der Großbetrieb kann Ingenieur und Techniker an- stellen, die den Maschinenpark in Ordnung

y ®

206

Vielleicht aber könnte schon der

Die Richtung

halten. Er kann also mit technischen Aggregaten arbeiten, die vom Fachmann bedient und ge- pflegt werden; er kann sich der Hilfe des Spezia- listen bedienen. Der Bauer aber ist sein eigener landwirtschaftlicher Betriebsleiter, der in erster Linie Bauer sein muß. Er kann nur sehr bedingt zu der Fülle seines Fachwissens auch noch Tech- niker sein; er muß einfache Maschinen und Ge- räte haben, deren Einstellung und Pflege er selbst durchzuführen vermag. Da nun der bäuer- liche Betrieb sich nicht die vielen Spezial- maschinen und Spezialgeräte halten kann wie der Großbetrieb, hat man ihm Vielfach- geräte gegeben, mit denen er verschiedene Arbeiten durch Umbau durchführen kann. Es ist nicht anzunehmen, daß dem Bauern der Nach- kriegszeit das technische Verständnis fehlt, da er als Kradfahrer oder Panzerschülze schon mil technischen Dingen zu tun hatte. Am tech- nischen Verständnis wird das Vielfachgerät nicht seine Grenzen finden, wohl aber an dem Grad der technischen Ordnung, dem sich die bäuer- liche Wirtschaft widersetzt. Dicht am Misthaufen geht nur allzu leicht eine Mutter und ein Splint verloren. Wenn man also jetzt dabei ist, den Schlepper durch An- und Abbau von Pflug, Drillmaschine, Egge, Grubber, Kar- toffelroder und Rübenheber, Heuzet- ter und Hungerharke zu einem Vielfach- gerät zu machen, so besteht die Gefahr, daß die einzelnen Teile gerade dann nicht zur Hand oder nicht in Ordnung sind, wenn sie gebraucht werden. Uber einen Lochstern ist der Mistwagen gefahren und hat ihn verbogen und eine Grub- berzinke ist spurlos verschwunden. Dieses „Merklin-Baukasten”-Prinzip mag als Spielzeug für ‚Kinder gut sein, da es keinen Schaden macht, wenn die besten Teile des Kastens verschwunden sind. Für den bäuer- lichen Betrieb, der ja keine Kinderstube, sondem eine sehr wichtige, volkswirtschaftliche Produk- tionsstätte ist, werden sich bald Schwierigkeiten ergeben. l Welchen Weg geht nun die Technik, um dem Berufsstand zu helfen, der nur wenig tech- nischen „Sinn“ hat, der Hausfrau? Sie gibt ihr den Tauchsieder,den Elektrofleisch- wolf, die Elektrokaffeemühle, den Staubsauger, den Elektroventilator. Die einzige Bedienung besteht darin, das Kabel in die Steckdose zu stecken. Könnte hier die bäuerliche Landtechnik nicht lernen, könnte sie nicht versuchen, das „Steckdosenprinzip" anzuwenden? Dann würde aus dem Schlepper eine selbstfahrende Elektrozentrale, an die das neue Bodenbearbeltungsgerät, die Dreschma- schine, der elektrisch bewegte Plattiormwagen, die Häckselmaschine, die Jauchepumpe usw. an-

J

geschlossen würden. Ist das utopisch? Wir wissen es nicht. Vor 40 Jahren war unsere Flug- technik auch noch Utopie. Jedenfalls scheint die Zeit bald reif, neben der alten Landtechnik für die bäuerliche Technisierung ganz neue Wege zu gehen. Und diese Dinge fallen ja dem Men- schen nicht arbeitslos in den Schoß. Es gilt zu arbeiten, zu forschen, zu versuchen, welche Wege weiterführen. Die Technik, die im Flug- wesen die kühnsten Träume unserer Väter über- trumpft hat, muß auch in der Lage sein, dem Flieger die Nahrung zu verschaffen, wenn er wieder den Boden betritt.

Aber die Landtechnik ist viel enger mit der Natur verknüpft als die anderen Sparten der Technik. In der Spinnerei kann das Klima er- zeugt werden, das für die Herstellung der fein- sten Garne notwendig ist. Die Flugtechnik findet Wege, die Vereisung der Flugzeuge zu verhin- dern. Die Landtechnik aber kann die Natur nicht bekämpfen, sie muß sich die Kräfte der Natur dienstbar machen. Das bedingt, daß der Land- ingenieur mit dem Bodenkundler, dem Acker- und Pilanzenbauer, dem Pflanzen- und Tierzüch- ter, dem Pilanzenschuizfachmann und Tierarzt eng zusammenarbeitet, ja daß er bis zu einem

gewissen Grade in das Fachgebiet dieser Spe-

zialisten eindringt.

Das alles spielt in das Stroh-Stallmist-Problem hinein. Es ist überwiegend ein Transport- problem. Das Stroh wird vom Felde herein- gefahren, wird in Scheunen gelagert, wird täg- lich zur Einstreu in die Ställe gebracht und als Mist auf den Misthaufen gefahren. Wer die Bedeutung des Stallmistes erkannt hat, packt ihn und pflegt ihn noch besonders. Dann wird er auf den Acker gefahren, gebreitet und unter- gepflügt. Eine Fülle von verschiedenen Arbei- ten, die bei den großen Gewichtsmengen viel Energie kosten. Wie kann man die Arbeiten ver- einfachen? Sicher nicht dadurch, daß man jeden einzelnen Arbeitsgang mechanisiert, weil da TFördereinrichtungen notwendig werden, die, täglich nur Minuten gebraucht, sich zu teuer stellen. Vielleicht aber ginge es mit der Ver- güllung des Mistes, wie es in den Grünlandwirt- schaften des Allgäus seit langer Zeit geschieht. Sofort melden sich der Bodenkundler und der Acker- und Pflanzenbauer und sprechen ihre Bedenken aus. Was will man denn mit dem Abmisten der Äcker erreichen? Man will die Gare des Bodens herbeiführen und verbessern. Gare aber ist ein vielseitiger Begriff. Wir unter- scheiden schon zwischen Frostgare, Bearbei- tungsgare, Schattengare. Gare hat aber etwas mit biologischer Belebtheit zu tun. Also will man mit dem Mist die Kleinlebewesen im Boden füt-

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tern, die ihrerseits wieder die Nahrung für die Pflanzen vorverdauen. Diese Kleinlebewesen , atmen genau wie die Menschen Kohlensäure aus, die die Pflanzen mit Hilfe des Chlorophylis und des Sonnenlichtes in Stärke umwandeln. Wird dieser Effekt mit der Begüllung statt der Bemistung erreicht? Kaum, denn sonst hätte sich die Güllerei nicht auf die Grünlandflächen der Voralpen beschränkt. Wir wissen wohl, daß die Krümelbeständigkeit nach einer Abmistung wächst. Die Krümelstruktur des Bodens ist ja die Voraussetzung für die hohe Fruchtbarkeit des Bodens, während die Einzelkornstruktur dem Pflanzenwachstum keine günstigen Bedingungen gibt. Die schwammartigen Krümel sind die Wohnstätten der Kleinlebewesen. Ob nun das Stroh in dem Stalldung eine große biologische Bedeutung hat, ist noch nicht sicher; es saugt vor allem die Jauche auf. Welche Teile des Kotes die besondere Bedeutung für die Krümel- festigung haben, ist auch noch offen. Aber gehen alle diese Fragen den Landingenieur et- was an? Wir meinen ja, denn Technik ist in der Landwirtschaft noch sehr viel mehr als in den anderen Gebieten der Wirtschaft Mittel zum

Zweck. Das erste Wort hat der Biologe, der

Acker- und Pflanzenbauer, der Bodenkundler, der Biochemiker, der Tier- und der Pflanzen- züchter. Da aber sie nicht wissen können, wie ihnen die Technik helien kann, ist die engste Zusammenarbeit des Technikers mit ihnen er- forderlich.

Damit aber erweitert sich das Feld des Land- ingenieurs zu größten Ausmaßen. Hier kann die Spezialisierung, die in der Technik zu den großen Leistungen geführt hat, nur zu leicht Schäden bringen, wie die Vernichtung der Bo- denfruchtbarkeit großer Teile der Vereinigten

Staaten von Nordamerika gezeigt hat. Hier legt

ein Aufgabengebiet für die technisch begeisterte Jugend von einer Vielseitigkeit und Reichhaltig- keit wie nirgends auf den anderen Gebieten der Technik. Hier ist für die schöpferische Kraft junger Ingenieure ein geistiges Arbeitsfeld, das mitreißen und begeistern muß. Aber das Ar- beitsfeld ist ein steiniger Acker; hier fällt kei-

nem ein Gewinn mit leichter Mühe zu. Hier muB

alles genau wie in der bäuerlichen Wirtschaft

mit Arbeit und Schweiß erkauft werden. Aber

wer mit ernstem Wollen, harter Zähigkeit und

klugem Anpassungsvermögen die Arbeit auf-

nimmt, der wird eine innere Genugtuung emp-

finden, wie sie andere Gebiete der Technik

kaum zu geben vermögen. Denn mehr als

auf allen anderen Gebieten der Tech-

nik liegt in der Landtechnik noch

neues Land, das zu kultivieren jeden

jungen Menschen reizen muß.

207

B. OBERMAYR:

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im Reichsgau Wartbeland

Mme August des vorigen Jahres gab Gau- leiter Greiser den Auftrag, in allen dafür geeigneten Gemeinden Dorfstuben einzurichten zur Erhaltung des Zusammengehörigkeitsgefühls des Landvolkes. Die erste Dorfstube im Gau wurde von ihm am Erntedanktag in Büttin im Kreise Samter feierlich dem Landvolk über- geben, weitere Dorfstuben haben inzwischen ihre Pforten geöffnet. In allen Kreisen hat eine emsige Tätigkeit eingesetzt, um trotz aller Kriegserschwernisse möglichst viele „Wohn- stuben der Dorf gemeinschaften“, wie sie mit Recht bezeichnet werden, zu schaffen. Da- mit wurde eine Bewegung eingeleitet, die über den Rahmen des Gaues hinaus für die bäuer- liche Kulturarbeit Bedeutung gewinnen kann, wenn auch zunächst besondere Verhältnisse im Warthegau den Antrieb und das Recht dazu gegeben haben, im fünften Kriegsjahr mit dieser Aktion zu beginnen. '

Bestimmender Gedanke dabei ist die Wie- derherstellung, die Erhaltung und der Schutz der Dorfgemeinschaft. Daß hier eine Not vorliegt, wurde in den ersten Aufbau- jahren des Warthegaues vielfach nicht erkannt, oder richtiger ausgedrückt, die Zeit, an diese Fragen heranzugehen, war noch nicht gekom- men. Das Leben in einem neuen Gau verlangt erst einmal die Ordnung der materiellen Dinge. Der Prozeß der Umsiedlung, die Volkstumsfrage und die Aufgabe, aus dem Gau wieder die Kornkammer des Reiches zu machen, bean- spruchen alle verfügbaren Kräfte. Der Umsied- ler mußte erst einmal mit den neuen Verhält- nissen fertig, d. h. vor allem mit Boden und Klima vertraut werden. Leistungsmäßig konnten ihm keine Freijahre gegeben werden, denn der Erzeugungsstand des Gaues, der in der Beliefe- rung des Altreiches mit Roggen und Kartoffeln an der Spitze aller Agrargaue steht, durfte durch die Umsiedlung keine Einbuße erleiden. Die Umsiedier kamen aus agrarischen Uber- schußgebieten, wo die Begriffe der Höchsterzeu- gung und Leistung keinen Sinn hatten. Jetzt gilt es, sie in den Pflichtenkreis eines deutschen Bauern im Zeichen der Kriegserzeugungsschlacht einzuführen, wozu eine große innere Umstellung bei ihnen erforderlich war. Die bäuerliche Be- ruiserziekung der Erwachsenen und der Jugend

208

hatte deshalb für den Warthegau von Anfang an eine entscheidende Bedeutung.

Eine Vorrangstellung besitzt auch von vorne- herein die politische Erziehung im Warthegau. Sie gibt die Gewähr für die po- litische Geschlossenheit gegenüber dem Polen- tum. Die Ruhe und Sicherheit, die dieser Gau ausstrahlt, hat ihre Ursache in der ausgezeich- neten Haltung der deutschen Bevölkerung.

Ungünstiger wird das Bild, wenn wir nach der Dorfgemeinschaft im Warthegau fra- gen. Sie hat sich in den meisten Dörfern noch nicht entwickeln können. Das starke und schöne Gemeinschaftsleben, das die bäuerlichen Um- siedlergruppen in der alten Heimat besessen haben, ist nicht wieder auferstanden. Selbst in den Gemeinden der alteingesessenen Deutschen im Warthegau hat die dörfliche Gemeinschaft sehr gelitten; das gesellige Zusammensein, das sie früher gepflegt haben, ist verkümmert. Vor einigen Monaten hat eine Osteinsa tzgruppe landwirtschaftlicher Studentinnen, größtenteils Bauerntöchter aus dem Altreich, einige Dörfer im Warthegau untersucht. Wie sie in ihren Berich- ten feststellten, konnten sie bei ihrer Arbeit in den Kreisen „keinerlei wirkliche Dorf- gemeinschaften finden”. Die Umsiedler erinnern sich mit Wehmut an den Zusammenhalt und den nachbarlichen Umgang in der alten Hei- mat, den sie hier sehr vermissen müssen. Der Verlust des Rückhaltes der bäuerlichen Gemein- schaft hat sich für die Landjugend bitter aus- gewirkt; ein großer Teil ist bereits in andere Berufe abgewandert, l

Im vorigen Jahr war für eine Ausstellung in Posen, die das Werk der Ansiedlung anschau- lich machen sollte, als Leitgedanke die schöne Prägung gewählt worden: Umsiedeln heißt umpflanzen! Es kommt bei dem Umsiedeln auf das Wiederwurzelfassen an. Arbeit, Mühsal und Not gehören sicher dazu, damit ein Bauer wieder Wurzel -fassen kann. Im Warthegau hat es daran nicht gefehlt! Es gehört aber auch dazu, daß er mit seinem Gemüt und seiner Seele von dem Land Besitz ergreift, in das er verpflanzt worden ist. Das Heimisch- werden ist davon abhängig, daß sich wieder eine Dorigemeinschaft bildet.

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Im allgemenien sind wir daran gewöhnt, bei dem Wort .Gemeinschaft nur an die politische Gemeinschaft, d. h. an die Volksgemeinschaft zu denken. Es steht außer allem Zweifel, daß alle heimgekehrten auslandsdeutschen Gruppen auf das stärkste von dem Erlebnis der Volks- gemeinschaft erfaßt worden sind. Auch der kleinste wolhyniendeutsche Bauer weiß, daß er ein Glied in einer kämpfenden politischen Front geworden ist. Das politische Gemein- schaftsbewußtsein gehört aber zu einer ganz anderen Ebene als die Dorfgemeinschaft, so nahe sie sich auch berühren. Unser geschichtliches

Schicksal wird von der Kraft der politischen

Gemeinschaft entschieden. Das Landvolk kann aber nur existieren, wenn es sich die Fähigkeit bewahrt, im Rahmen der politischen Gemein- schaft, als dessen Pfeiler, ein bäuerliches Sippen- und Gemeinschaftsbewußt- sein zu entwickeln.

Für die geschilderte ungünstige Situation des dörflichen Gemeinschaftslebens im Warthegau sind mehrere Gründe maßgebend:

1. Durch die Umsiedlung wurden die alten dörflichen Zusammenhänge zerrissen. Streulage der landwirtschaftlichen Grundstücke im Warthegau war es eine Unmög- lichkeit, die Dorfgemeinden wieder geschlossen anzusiedeln; sachliche Gründe politischer und volksbiologischer Art sprachen auch dagegen. Es konnte auch bei der Eile, mit der die Ansied- lung vorgenommen werden mußte, keine Rück- sicht auf die früheren Bindungen genommen werden. Wenn in der Planung daran gedacht war, so sind in der Praxis oft andere Wege beschritten worden, weil die Auswahl unter den verfügbaren Höfen bei dem Zustand der Ge- bäude zu gering war.

Das Ergebnis ist, daß die Dörfer im Warthegau in ihrer landsmannschaftlichen Struktur ein sehr buntes Bild bieten. Volkstumsmäßig kam ein Teil der Umgesiedelten in für die Gemeinschafts- bildung ungünstigere Verhältnisse, da sie früher in geschlossenen deutschen Dörfern saßen,

während jetzt ihre Heimstätten von polnischen

Familien umgeben sind. Der nachbarliche Ver- kehr zwischen den deutschen Familien kommt, wenn sie verschiedener Herkunft sind, nur schwer in Fluß. Der bäuerliche Mensch er- schließt sich nicht so leicht dem Volksgenossen, der andere Sitten und Gewohnheiten und, was das Entscheidende ist, mit seiner Sippe keine Berührung besitzt. So ist es eine typische Er- scheinung im Warthegau geworden, daß auf vielen Höfen am Sonntag die Kutschen ange- spannt werden, um die nächstgelegenen Ver- wandten oder Nachbarn aus früherer Zeit zu besuchen.

2. Durch die Streylage der Höfe wird eine Kernbildung gesellschaftlicher Art erschwert. Wo soll sich das Landvolk tref- fen? In vielen Gemeinden, besonders in den östlichen Kreisen, ist nicht einmal eine Einrich- tung vorhanden, die in deutschem Sinne als Gasthof angesprochen werden kann. |

3. Die Übertragung der differenzierten poli- tischen Organisationsformen des Altreiches auf die ausgesprochene ländliche Sphäre der Ost- gaue hat die Gemeinschaftsbildung im bäuer- lithen Sinne nicht gefördert. Durch die Viel- heit der Organisationen und ihrer Ver- anstaltungen ist die bäuerliche Gemeinschaft aufgespalten und der ungezwungene gesellige Verkehr der Dorfbewohner untereinander zu- rückgedrängt worden. Das Eigenleben der Dorf- gemeinden wird außerdem dadurch stark beein- trächtigt, daß alle Veranstaltungen gewöhnlich am Sitz der Ortsgruppen und Amtskommissa- riate die jeweils eine Reihe von Dörfern umfassen stattfinden. Vor Jahren wurde der Versuch unternommen, zur Unterstützung der Gemeinschaftspflege der Deutschen auf dem Lande „Deutsche Häuser" zu schaffen. Das Er- gebnis blieb unbefriedigend, da der Standort

dieser Häuser sie befinden sich meist am

Sitz der Amtskommissariate nicht richtig ge- wählt war, und die Räume selbst in der Regel von Organisationen und Verbänden besetzt und damit zweckentfremdet wurden.

4. Das Ubermaß an Betreuung in den ersten Jahren diese Periode ist jetzt über- wunden hat das Eigenleben des Landvolkes ebenfalls ungünstig beeinflußt. Wie viele Dienst- stellen und Organisationen haben sich damit abgegeben, den Umsiedlern mit Rat und Tat bei- zustehen! Jede Pflanze braucht, wenn sie umgesetzt worden ist, vor allem Ruhe, um sich erholen zu können; der Mensch nicht minder.

5. Von größtem Schaden für die Dorfgemein- schaft sind alle Bestrebungen, rein städtische Formen der Unterhaltung und Freizeitgestaltung auf das Land zu bringen. Das Vorherrschen der „Bringeveranstaltung” ist der Tod eines eigenständigen bäuerlichen Kulturlebens und zerstört die geistige Substanz des Landvolkes. Wir müssen uns davor. hüten, dem Landvolk anzugewöhnen, daß es Zerstreuung haben muß. Der bäuerliche Mensch braucht Sammlung, Stär- kung seines Selbstgefühls, seiner Bodengebun- denheit und die Ausbildung seiner Fähigkeiten, seinen Feierabend selbst einzurichten, sich selbst zu genügen.

Die Not, in der sich das dörfliche Gemein- schaftsleben im Warthegau befindet, hat zu der Dorfs tubenaktion geführt. Richtunggebend ist die Überlegung gewesen, daß erst einmal

209

der Raum geschaffen werden muß, der Mit- telpunkt des Dorfgemeinschaftslebens werden kann. Jahrhundertelang ist die Spinnstube ein solcher Mittelpunkt gewesen, bis der Geist der Verstädterung auch das Dorf erreichte und den Untergang der althergebrachten Formen und Einrichtungen dörflicher Geselligkeit herbei- geführt hat. Die Dorfstube soll als Vorläufer des späteren Dorfgemeinschaftshauses dienen. Es wird bereits im Kriege mit dem Aufbau be- gonnen, denn der Krieg verlangt einen beson- ders festen Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft zur Stärkung ihrer seelischen, politischen und wirtschaftlichen Kräfte.

Für die Einrichtung und Benutzung der Dorf- stuben sind folgende Richtlinien und An- regungen herausgegeben worden, die ich in zusammengefaßter Form wiedergebe:

Die Dorfstube ist eine Einrichtung der Dorfgemeinschaft. Sie steht am Feier- abend, an Sonn- und Feiertagen allen Dorf- bewohnern zur Verfügung, ganz gleich, ob sich ein kleinerer oder größerer Kreis zu- sammenfindet. Sie dient für die Dorfbewoh- ner auch als Lesestube. Bücher, Zeitschriften und ein Rundfunkgerät (vor allem für den Gemeinschaftsempfang) sollen möglichst vorhanden sein. Im Winterhalbjahr müssen die Dorfstuben mit Licht und Heizung aus- gestattet sein. (Die Wirtschaftsämter sind angewiesen worden, auf Antrag der Kreis-

leitungen für jede Dorfstube bis zu 30 Zentner

Kohlen für das Winterhalbjahr und bis zu \ 12 Liter Petroleum für jeden Monat zur Ver- fügung zu stellen.) Als Raum mit Licht und Wärme wird die Dorfstube während des Krieges in den Wintermonaten für die Dorf- bewohner und auch für die umquartierten Volksgenossen von besonderer Wohltat sein!

Die Dorfstube ist als Wohnstube und

nicht als Feierraum einzurichten. Die Besucher sollen sich in ihr wie zu Hause fühlen. Wenn es auch erwünscht ist, daß diese oder jene Gliederung der Partei oder sonstige Organisationen die Dorfstube für Versammlungen oder Besprechungen be- nutzen, so darf unter keinen Umständen die Dorfstube von einer Organisation mit Be- schlag belegt werden. Die Dorfgemeinschaft muß das Bewußtsein haben, daß sie die Trä- gerin der Dorfstube ist. Vor allen Dingen muß verhindert werden, daß religiöse Sekten sich in der Dorfstube einnisten.

Als Dorfstube ist ein geeigneter Raum ausfindig zu machen, z. B. in der Schule, NSV.-Station, einem ehemaligen Pfarrhaus, Gutshaus oder auch einem geräumigen Bau- ernhaus, und sauber herzurichten. Falls noch

210

ein weiterer freier Raum vorhanden ist, soll dieser gleich als Webstube mit vorgesehen werden, da die Verbindung Dorfstube und Webstube besonders er- wünscht ist.

Die Einrichtung soll im Kriege mit ein- fachsten Mitteln erstellt werden. Die Dorfgemeinschaft ist an ihrer Ausgestaltung zu beteiligen. Es kommt nur eine solide, schlichte, geschmackvolle Ausführung in Frage. Tische, Stühle, Bänke, ein heizbarer Ofen und möglichst ein verschließbarer Schrank sollen vorhanden sein. (Für die bau- liche Umgestaltung ist der Bauapparat der Siedlungsgesellschaften zur Verfügung ge- stellt worden; die innere Ausgestaltung hat die NS.-Frauenschaft übernommen.)

An der Ayfbringung der finan- ziellen Mitfel soll die Dorfgemeinschaft

beteiligt werden. (Die einmalige Einrichtung .

erfolgt zum größten Teil aus Mitteln des Gauamtes für das Landvolk, die laufenden Kosten müssen nach einer Verfügung des Reichstatthalters in den Gemeindeetat übernommen werden.)

Der Aufbau der Dorfs tuben im Kreis wird von dem Kreisamtsleiter für das Land- volk geleitet. Im Rahmen der Ortsgruppe ist zuständig der Ortsamtsleiter für das Land- volk. In der Dorfgemeinschaft selbst soll das Bestimmungsrecht über die Dorfstube der

Ortsamtsleiter für das Landvolk bzw. der

Ortsbauernführer erhalten (mit entsprechen- der Einschaltung des Politischen Leiters).

Für den Besuch einer Dorfstube darf kein Zwang ausgeübt werden. Die Dorfstube soll mit der Zeit der natürliche Mittelpunkt für alle geselligen, kulturellen und poli- tischen Veranstaltungen und Feiern im Dorf werden, soweit sie in den Rahmen einer Dorfstube hineingehören. Für das Landvolk soll es zu einer Selbstverständlichkeit wer- den, die Dorfstube regelmäßig zu besuchen.

Für die Erreichung dieses Zieles ist ent- scheidend, daß eine geignete Persönlichkeit zur Führung des Dorfgemeinschaftslebens im Dorfe gefunden wird. Sie sammelt um sich einen Kreis von Mitarbeitern bzw. Mitarbei- terinnen. Dabei sind die Kräfte zu bevor- zugen, die bereits durch die Arbeit der NS.- Frauenschaft, BDM., Hitler-Jugend, Arbeits- dienst, Landjahr usw. gute Voraussetzungen

mitbringen.

)

Die Dorfstube dient einmal der zwang- losen Geselligkeit der Dorfbewohner, zum anderen sollen im Winterhalbjahr von Zeit zu Zeit, etwa alle vier Wochen, die Dorfstubenabende unter einem be

-

stimmten Leitgedanken stehen. Die gestal- teten Nachmittage oder Abende sollen das kulturelle und geistige Eigenleben des Dor- fes wecken und fördern. Hierzu folgende Vorschläge:

1. Besondere politische Tagesereignisse wer- den erläutert (in Verbindung mit dem Zellen-

abend).

2. Wenn Radio vorhanden, werden Gemein- schaftsübertragungen angehört.

3. Fragen des Bauerntums und der Landwirt- schaft werden besprochen.

4. Urlauber erzählen von der Front.

5. Jede Volksgruppe berichtet von ihrem Schicksal und ihrer Arbeit. Erzählungen von Gebräuchen, ‚Sagen und Märchen, sowie Lieder aus der alten Heimat. Es įst erstaun- lich, wie wenig die einzelnen Gruppen oft

voneinander wissen.

6. Die Dorfbewohner lernen aus Schilderungen, Gedichten und Liedern in großen Zügen die Gebiete des Großdeutschen Reiches kennen, vor allem die Gaue, aus denen die Vorfahren der Volksgruppen stammen (möglichst mit Abbildungen oder Lichtbildern).

7. Gute Heimatkenner erzählen vom Warthe- land, seinem Schicksal, seiner Wirtschafts- struktur, seinen Bodenverhältnissen usw. mit besonderer Berücksichtigung des jetzigen Heimatkreises (Kreiskarte).

8. Vorarbeiten für die Dorfchronik und Anlei- tungen zu Sippentafeln und Sippenbuch. (Eine schöne Aufgabe für den Dorflehrer.)

9. Vorlesen geeigneter Geschichten und Bücher.

10. Gemeinschaftliches Singen.

11. Zusammenstellen einer Dorfmusik (Mund- und Ziehharmonika, Geige, Flöten usw.).

12. Gesellschaftsspiele und Scharaden.

13. Gemeinsame Vorbereitungen für Feiern, dem Jahreslauf entsprechend, z. B. Herstellung von Kränzen und Schmuck für Erntedanktag, Weihnachten, Muttertag usw.

14. Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Spielzeug und dergleichen.

15. Fröhliche Abende.

Es handelt sich nicht um eine Vorschrift, son- dern nur um Anregungen, aus denen für die Dorfgemeinschaftsarbeit jeweils das Passende herausgenommen werden soll.

Die Richtlinien lassen erkennen, daß die Ein- richtung der Dorfstube selbst nur als der Anfang der zu leistenden Arbeit angesehen wird. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, anzu- nehmen, daß nach der mehr oder weniger gelun- genen Durchführung einiger Dorfabende, an deren Gestaltung womöglich die Dorfgemeinde nicht einmal beteiligt worden ist, die Dorf-

gemeinschaft sich wieder in bester Ordnung

‚befindet. Als ein Beispiel, wie vorgegangen

werden muß, zitiere ich den Bericht eines Kreisleiters:

„Nach. eingehender EEN mit den Vertretern aus den Ortsgruppen habe ich festgestellt, daß die Einrichtung von Dorf- stuben einem dringenden Bedürfnis der Land- bevölkerung entspricht. Nach den bisherigen Erfahrungen genügt es auch nicht, wenn z.B. eine Landortsgruppe, die in ihrem Bereich der Größe eines Amtsbezirks entspricht, nur eine oder zwei Dorfstuben einrichtet. Ich bin der Auffassung, daß wir entsprechend den örtlichen Verhältnissen in jeder Land- zelle schon jetzt eine Dorfstube einzurich- ten haben. Ich bin bisher bemüht gewesen, die Parteiarbeit in den Landortsgruppen stark zu dezentralisieren. Dabei hat sich bei verstärkter Verlagerung der politischen Are beit auf die Zellen von selbst ergeben, daß Umschau gehalten werden mußte nach ge- eigneten Räumen in den einzelnen Zellen- bereichen. Diese Räume sind bereits zu einem gewissen Mittelpunkt im dörflichen Leben geworden, so daß nichts künstlich konstruiert werden muß.“

Ein Wunschbild ist, daß einmal die Kreis- leiter, Landräte und Kreisbauernführer regel- mäßig im Jahr die Dorfstuben aufsuchen, um mit den Männern und Frauen der Gemeinde über die dörflichen Angelegenheiten und ihre Sorgen und Nöte zu sprechen. Der Reichsnährstand hat in diesem Winterhalbjahr alle Erzeugungs- schlachtveranstaltungen in Form von Dorfver- sammlungen und Dorfbesprechungen durch- geführt und dadurch einen ausgezeichneten Kontakt mit dem Landvolk bekommen.

In engstem Zusammenhang mit dem poli- tischen und berufsständischen Leben im Dorfe steht die FPeier gestaltung und die Ge- selligkeit, für die das Landvolk wieder eigene Formen herausbilden muß. Auch dazu sind Erkenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten notwendig, die sich vor allem unsere Land- jugend wieder erwerben muß. Ohne ein sicheres Wissen um diese Dinge kann es kein dörfliches Gemeinschaftsleben geben. Wertvolle Mitarbeit ist bereits von der Landjugend geleistet worden. Im Warthegau haben auch der BDM.-Osteinsatz, das Landjahr, der Landdienst und der Reichs- arbeitsdienst für die weibliche Jugend vorbild- lich gewirkt. Unsere Jugend schafft die Brücke zu einem neuen Leben auf dem Lande! Daß im Kriege diese Kräfte um die Erneuerung des Dorfes wirksam werden, sei uns ein Zeichen für die schöpferische“ Fülle unseres Volkes, das seine besten Werte der bäuerlichen Tradition verdankt.

211

Die Bestrebungen des USA.-Kapitals zur Erringung wirtschaftlicher Machtpositionen in der ganzen Welt werden immer deutlicher erkennbar. Sie begannen bereits damals, als für die Lieferung von 50 alten Zer- störern an England militärische Stützpunkte verlangt wurden, und traten noch deutlicher hervor, als die Organisation der Unrra zeigte, daß die angeblich zur Versorgung der notleidenden Völker geschaffenen Einrichtungen nichts weiter bezwecken als eine skrupellose monopolistische Beherrschung der Lebens-

. - mittelversorgung der Welt. jetzt werden die Ab-

sichten noch deutlicher: USA. verlangt eine Bezahlung

der im Rahmen der Pacht- und Leihvertrage ge-

lieferten Waren in erster Linie nicht durch Devisen oder Gegenlieferungen in Waren, sondern durch die Beteiligung des USA.-Kapitals an bisher in britischem Besitz befindlichen wichtigen Erdölvorkommen in der Welt. Hier werden also wirtschaftliche Produktionswerte gefordert, um für alle Zeiten die Herrschaft des jüdischen USA.- Kapitals zu befestigen. Die europäischen Völker werden jetzt auch dort, wo bisher noch romantische Vorstellungen über die Möglichkeit irgendwelcher Hilfeleistungen aus Übersee bestanden haben sollten, die wirkliche Lage erkennen. Vielleicht wird das dazu beitragen, z. B. die Anstrengungen der europäischen Völker im Kampfe um die Nahrungsfreiheit noch zu verstärken. Staatsminister Riecke hat kürzlich in einem Rundfunkvortrag einen Überblick über die europäische Ernährungswirtschaft gegeben. Er ging dabei davon aus, daß außer Deutschland und dem faschistischen Italien unter Mussolinis Führung die kontinentalen europäischen Länder in der Vergangen- heit ihre landwirtschaftlichen Erzeugungskräfte nicht in dem erforderlichen Umfang ausgebaut hatten. Er wies an Hand der Statistik nach, daß die Hektarerträge in den meisten festilandeuropäischen Ländern in der Zeit zwischen den beiden Kriegen nicht oder nur unwesentlich gestiegen sind. Fast in allen Ländern hat eine verfehlte Wirtschaftspolitik die eigene Scholle zugunsten der Einfuhr von Übersee vernachlässigt. Das typische Beispiel hierfür ist Frankreich, das es nicht verstanden hat, Agrar- und Kolonialpolitik in Übereinstimmung zu bringen. Die Kolonien wurden zur Konkurrenz der eigenen Landwirtschaft. Sie lieferten die gleichen Erzeugnisse wie das Mutterland, und das Fehlen aller marktordnenden Maßnahmen ließ die heimische Landwirtschaft mehr und mehr zum Erliegen kommen. Damit ist zugleich ein Beispiel dafür gegeben, wie im liberalistischen System ein an sich großer Reichtum sich zum Unsegen wandeln kann. Die Vernachlässigung der französischen Landwirtschaft haben wir in ihrer ganzen Tragweite erst nach dem Frankreich-Feldzug erkennen können. Sie findet ihren Ausdruck letzten Endes darin, daß ein Viertel der europäischen Vorkriegseinfuhr auf Frankreich entfiel,

212

l..

obwohl dessen natürlicher Reichtum es gestatten mußte, Überschüsse für das übrige Europa zur Ver- fügung zu stellen. Auch im Osten und Südosten Europas hat eine verfehlte Handelspolitik die Er- zeugungsmöglichkeiten der Landwirtschaft niemals voll zur Entfaltung kommen lassen. Beide Gebiete konnten zwar Überschüsse an den übrigen euro- päischen Raum abgeben, aber keineswegs in dem Ausmaß, wie es auf Grund der natürlichen Bedin- gungen möglich gewesen wäre. Und selbst die Länder im Nordwesten Europas die Niederlande, Belgien und Dänemark —, in denen die Landwirtschaft am intensivsten betrieben wurde, waren in hohem Maße einfuhrabhängig von Übersee, da ihre hochgezüchtete Veredlungswirtschaft ihre stark ausgebaute Pro- duktion tierischer Erzeugnisse nur noch zu einem verhältnismäßig kleinen Teil auf der heimischen Futtererzeugung, zum größten Teil aber auch wieder auf Einfuhren basierte.

Staatsminister Riecke wies ferner darauf hin, daß Rußland, das vor 1913 mit einer Ausfuhr von 10 Mil- lionen Tonnen Getreide den Hauptfehlbedarf Europas deckte, sich in der Zeit zwischen den beiden Welt- kriegen der europäischen Zusammenarbeit fast völlig versagte. Das Ergebnis der verfehlten wirtschafts- und agrarpolitischen Maßnahmen in den meisten euro- päischen Ländern war eine starke Einfuhrabhängigkeit Festlandeuropas von Übersee. Diese bestand zunächst bei Futtergetreide und Futtermitteln und wirkt sich auf die Produktion von eiweißhaltigen Nahrungs- mitteln Fleisch und Eiern aus und erreichte beim Fett mehr als ein Drittel des europäischen Verbrauchs an Fett. Die Einfuhrabhängigkeit bestand also gerade bei den beiden hochwertigsten Nahrungsgütern.

Die Folgen dieses verfehlten Systems haben sich sofort bei Beginn des Krieges gezeigt. Sie mußten immer stärker zutage treten, je mehr Länder im Laufe der Kampfereignisse von der überseeischen Einfuhr abgeschnitten wurden. Ein Land nach dem andern mußte rationieren. je abhängiger ein Land vorher von der Übersee-Einfuhr gewesen war, um so niedriger mußten seine Rationen ausfallen. Die Folge davon waren Hilferufe an Deutschland. Sie zu erfüllen war nicht leicht, denn auch unsere Nahrungsdecke ist ja nicht allzu reichlich. Sie völlig abzulehnen war eben- falls nicht möglich. Wertvolle Bundesgenossen konnten ernährungsmäßig nicht im Stich gelassen werden; ebenso konnten besetzte Gebiete mit für uns wichtigen Industrien nicht sich selbst überlassen bleiben. Bei

dieser Lage konnte der Hebel aber nicht bei der Ver-

teilung, er mußte vielmehr bei der Erzeugung an- gesetzt werden. Herbert Backe hat deshalb schon sehr früh in diesem Kriege zur europäischen Er- zeugungsschlacht aufgerufen. Heute, im fünften Kriegs- wirtschaftsjahr, können wir feststellen, daß diesem

Ruf auf der ganzen Linie Folge geleistet worden ist. So manches Land, das zu Beginn dieses Krieges noch in erheblichem Umfang Zuschüsse forderte, hat sich durch energische Umstellungsmaßnahmen auf eigene Füße gestellt. Andere haben sich vom Zuschuß- zum Überschußgebiet entwickelt. So manche Erleichte- rung, nicht nur für uns, sondern auch für die gesamt- europäische Ernährungswirtschaft, trat dadurch ein, daß es trotz aller Schwierigkeiten gelang, den be- setzten russischen Raum in die europäische Wirtschaft einzubeziehen.

StaatsministerRiecke kennzeichnete dann die Aus- wirkungen des inzwischen eingetretenen Verlustes eines Teils dieses Raumes, der in seinen Auswirkungen

nicht überschätzt werden darf, ohne das, was er-

nahrungs wirtschaftlich im Osten verlorenging, zu bagatellisieren. Die noch im Aufbau begriffenen Ge- blete hätten uns in Zukunft manche zusätzliche Er- leichterung unserer Ernährungssituation bringen können; auf der anderen Seite haben wir aber stets betont, daß der Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Erzeugung stets im heimischen Raum liegt. 40% der europäischen Getreide- und Kartoffelerzeugung kom- men in Großdeutschland auf. Ein Nachlassen der Intensität unserer deutschen Landwirtschaft würde

sich deshalb erheblich stärker auswirken als noch so `

große Flächenverluste im Osten. Wir brauchen also den im Osten eingetretenen Verlusten auch keine übertriebene Bedeutung beizumessen. Das gilt um so mehr, als wir erfolgreich am Aufbau der Landwirt- schaft in den europäischen Ländern gearbeitet haben; außer durch Lieferung von Maschinen, Geräten, Handelsdünger, Zuchtvieh usw. geschah dies durch den Einsatz von sachverständigen Männern als Füh- rungs- und Beratungskräfte. Der deutsche Landwirt- schaftsführer, der ursprünglich nur im sowjetischen Raum tätig war, arbeitet heute auch in Italien und in Frankreich. Er hat sich in allen Ländern bestens be- währt, 30 daß sich schon jetzt überall die Ergebnisse der Zusammenarbeit zeigen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Vermehrung des Ölsaatenanbaues im gesamten Europa, im Westen sowohl als auch im Osten. All- gemein hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß der verstärkte Ölsaatenanbau das sicherste Mittel ist, die Fettlücke zu schließen. Wie unangenehm dieses Ergebnis unseren Gegnern ist, zeigt allein die überall, wenn auch mit kümmerlichen Mitteln, betriebene Gegenpropaganda. Darüber hinaus beginnt sich all- mählich eine europäische Arbeitsteilung anzubahnen. Die Entwicklung der Landwirtschaft in europäischen Ländern wird in Zukunft nicht mehr abhängig sein von zufälligen Marktlagen in Übersee, sondern sie wird sich ergeben aus den natürlichen Erzeugungs- bedingungen und der jeweiligen Lage zu den großen ebenfalls naturbedingten Absatzgebieten. Auf lange Sicht kann deshalb auch ernährungswirtschaftlich die Lage durchaus positiv beurteilt werden.

Selbstverständlich muß immer wieder die Not: wendigkeit zum vollen Einsatz der einheimischen Er- zeugungsmittel betont werden. Stark im Vordergrund steht hierbei im Augenblick die Milchleistung. Zu dieser wichtigen Frage sprach Reichsobmann Bauer

"Gustav Behrens auf einer milchwirtschaftlichen

Tagung in Posen. Er betonte, daß für die Ernährung des deutschen Volkes einzig und allein der deutsche Bauer und der deutsche Acker ausschlaggebend seien. Diese vom Reichsnährstand schon immer betonte Tat- sache wird jetzt im fünften Kriegsjahr auch von weitesten Kreisen anerkannt. Bei der Versorgung spielen Brotgetreide und Kartoffeln eine ausschlag- gebende Rolle. Nicht minder wichtig und im fünften Kriegsjahr besonders vordringlich ist die Fetterzeu- gung. Hier liegt das Hauptgewicht bei der Milchwirt- schaft, die in der Butter das hochwertigste Fett liefere. Durch Aufklärung sind in der Milchwirtschaft, noch manche Reserven zu aktivieren. Die Schweinehaltung ist soweit wie irgendmöglich aufrechtzuerhalten, dabei muß der Verwertung der Zuckerrübe als Schweine- futter größte Beachtung geschenkt werden. Der Reichsobmann schloß mit dem Hinweis, daß eine aus- reichende Ernährung Voraussetzung für den Sieg sei und daß der Rüstungsarbeiter gut ernährt werden muß. Die Sicherung der Ernährung ist daher nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Auf- gabe. Die weit über den ernährungswirtschaftlichen Rahmen hinausgreifenden politischen Aufgaben des Landvolks bildeten den Mittelpunkt der Ausführungen, die Oberbefehlslelter Herbert Backe auf der Reichs- leitertagung in München machte. Er umriß die Auf- gaben und die Entwicklung des Reichsamtes für das Landvolk als des politischen Führungsamtes der Partei für das deutsche Bauerntum. Die politische Führung des deutschen Bauerntums habe es zu einer Kraft- entfaltung ohnegleichen gebracht, die die Ernährung des deutschen Volkes gesichert habe. Dies ist um so bedeutsamer, weil gleichzeitig im Kriege ein stärkerer

Entzug der männlichen Arbeitskräfte unvermeidlich

war. Ohne die deutschen Bauernführer wäre diese Leistung nicht denkbar gewesen. Oberbefehlsleiter Backe entwickelte aus diesen Zusammenhängen her- aus das Verdienst der NSDAP., deren politische Er- ziehungsarbeit diesen Typ des nationalsozialistischen Bauernführers geschaffen habe, in dem sich in be- sonders glücklicher Form politisches Wollen und wirt- schaftliches Können vereinigen. Es ist kein Zufall, daB gerade in dem jetzigen Augenblick des Krieges in den agrarpolitischen Fragen die politische Haltung eine so große Rolle spielt. Das wirtschaftliche Können hat der Reichsnährstand in den Jahren der Erzeugungsschlacht besonders im Kriege unter schwierigsten Verhält- nissen unter Beweis gestellt. Im jetzigen Stadium des Krieges gewinnt demgegenüber ebenso wie in den Entscheidungskämpfen vor der Machtergreifung die politische Haltung immer stärker an Bedeutung.

213

Statistische Erhebung und Menschenführung

Die Ausfüllung statistischer Erhebungsbogen Ist eine allen Staatsbürgern auferlegte Pflicht, die sich

einer allgemeinen Abneigung erfreut. jeder sieht

diesen weißen, grünen oder anders gefärbten Formu- laren mit gerunzelter Stirn entgegen und ist erst zufrieden, wenn er die Fragen beantwortet hat (am liebsten durch einen Strich) und der Bogen aus dem Hause ist. Gerade für den Bauern und Landwirt, der durch die in kürzeren Zeiträumen durchgeführten betriebswirtschaftlichen Umfragen besonders oft die Feder In die Hand nehmen muß, ist dieser „ewige Paplerkrleg“ eine bittere Pille, die nicht gern ge- schluckt wird. Um so beachtlicher ist die Tatsache, daß die Ausfüllung der Zählbogen nach wie vor mit größter Sorgfalt vollzogen wird und diese wahrheits- getreue Unterlagen für die staatlichen Lenkungs- maßnahmen darstellen. Die Gründe für dieses vor- bildliche Verhalten liegen einmal darin, daß der Bauer es gewöhnt ist, in seinem Betrieb mehrjährige Anbau-, Düngungs-, Arbeits- und Fütterungspläne aufzustellen. Er führt Buch und treibt Statistik im kleinen Rahmen. Niemand weiß besser als er, wie wichtig für ihn diese Voranschläge und Planungen sind, wie von ihrer Richtigkeit das reibungslose Funktionieren seines Betriebes abhängt. Daraus allein ist aber die offen- kundig gewordene Sorgfalt bei der Ausfüllung der statistischen Fragebogen nicht zu erklären; denn die Führung elner Betriebsstatistik geschieht im eigenen Interesse, während die generelle Statistische Erhebung dem Egoismus zuwiderläuft, richtet sich nach jhr doch besonders im Kriege die Höhe der Umlage, d.h. der Mengen Getreide, Milch, Futtermittel usw., die es abzuliefern gilt. Ware es menschlich nicht ver- ständlich, wenn die Angaben „nach unten abgerundet“ würden? Und warum: werden die Werte doch der Wirklichkeit entsprechend eingesetzt?

Vergegenwärtigen wir uns die Verhältnisse des ersten Weltkrieges. Nur wenige Hinweise sollen zur Charakterisierung der damaligen Lage dienen. Erst 1912, als bereits gewisse Anzeichen auf einen Krieg hinwiesen, entschloß man sich zur Bildung einer Kommission, die sich mit Fragen der wirtschaft- lichen Mobilmachung befassen und eine Bestands-

aufnahme der vorhandenen Rohstoffe machen sollte.

Der Reichstag lehnte diese Arbeit wegen der Kosten- höhe ab. Erst drei Monate vor Kriegsausbruch wurde dem Antrag stattgegeben, zu einem Zeitpunkt also, als es praktisch zu spät, vor allem die Beschaffung

214

bemerkungen

notwendiger Rohstoffe nicht mehr möglich war. Nicht anders lagen die Verhältnisse auf dem speziellen Gebiet der Ernährungswirtschaft. Da eine geordnete Statistik fehlte, ermangelte es allen aufzustellenden Wirtschaftsplänen an einer gediegenen Grundlage. Schätzungen, Improvisationen, kurz Wertängaben ohne feste Grundlagen bildeten das Werkzeug der „staat-

lichen Planwirtschaft“. Der „Erfolg“ ließ auch nicht lange auf sich warten. Die Personenstandsaufnahme .

z.B. lag um rund 5 Millionen über der tatsächlichen Bevölkerungszahl; sie bildete die Grundlage für die Ausgabe der Brotkarten und wirkte sich entsprechend aus. Im Jahre 1915 wurde die Anbaufläche um etwa 10 v. H. überschätzt und danach der Voranschlag für die Ernte und damit für die Versorgung gemacht. Andererseits lag die 1915 durchgeführte Erhebung des Kartoffelvorrats um 4 Millionen t unter dem wirk- lichen Bestand. Dieses leichtfertig erstellte Ergebnis

bildete die Ursache für den „Schweinemord“. Von

Januar bis März 1915 wurde der Schweinebestand um über 30 v. H. verringert, als nfan feststellte, daß die Kartoffelvorräte um 40 Millionen dz höher waren als veranschlagt. Da weder die Konservenindustrie das anfallende Schweinefleisch noch die kartoffel- verarbeitende Industrie die , Üüberschũsslgen“ Kar- toffelmengen restlos verwerten konnten, mußte ein Teil verderben. Das waren die Erfolge staatlicher Planwirtschaft nach dem liberalistischen System des freien Spiels der Kräfte!

Staatliche Planwirtschaft ist allerdings zuviel ge- sagt. Denn längst war die Exekutive auf sogenannte Kriegsgesellschaften verlagert worden, die von Juden geführt und bis in die untersten Stellen durch- setzt allein dem Prinzip privatkapitalisti- schen Gewinnstrebens huldigten. Während der Staat, d. h. das Volk, immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde, traten die „Kriegsgetreide-GmbH.”, die „Futtermittel-AG.", die „Kriegswollbedarfs-AG.“ u.a. als Aufkäufer vor den deutschen Bauern hin. Wurde einerseits der Erzeugerpreis ständig unter Druck gehalten „um der allgemeinen Notlage Angepaßt zu werden" —, so stiegen andererseits die Dividenden der Gesellschaften in gleichem Maße, wie die Verbraucherrationen absanken. Die Kriegs- ernährungswirtschaft, der Kampf gegen den Hunger. wurde zu einem Privatgeschäft, das wenigen auf Kosten der Allgemeinheit hohen Gewinn brachte.

Ist es verwunderlich, daß der Bauer, der nur noch den -

Juden als Nutznießer seiner Arbeit sah, zur Selbst-

hilfe griff? Ist es unbegreiflich, daß die getroffenen -

Abwehrmaßnahmen auch In dem schwarzgeschlach-

teten Schwein und der frisierten Anbaustatistik zum Ausdruck kamen?

\

Wer sich diese Verhältnisse des Weltkrieges 1914

bis 1918 vergegenwärtigt und sie mit den heutigen

vergleicht, weiß, warum der deutsche Bauer heute die gewünschten Angaben zwar nicht mit Freude, dafür aber richtig macht. Die natlonalsozialistische Agrar- politik ist auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens aufgebaut. Verantwortlich für die Entwicklung zeich- nen nicht mehr pseudonyme Kriegsgewinnler- gesellschaften, sondern Männer, die selbst Bauern sind und genau so wie alle anderen sofort im eigenen Betrieb die Auswirkung der von ihnen erlassenen Maßnahmen spüren. Das Prinzip der selbstverantwortlichen Führung bietet die Ga- rantie für eine allen gerecht werdende Aufgaben- teilung. Die Erkenntnis, daß die Statistik der wirt- schaftliche Gradmesser und die Grundlage für viele Staatsmaßnahmen, besonders bei einer autoritären Wirtschaftsführung ist, hat dazu geführt, daß sich der Bauer bei Ausfertigung der Erhebung mitver- antwortlich fühlt. So ist die statistische Erhebung auch ein Ausdruck für die erfolgreiche Menschen- führung im natlonalsozlallstischen Sinne.

H. Gerdesmann

Der alliierte Fleischmarkt

Wer die Berichte der Presse über die Versorgungs- lage der Alliierten eingehend verfolgt, muß immer mehr zu der Erkenntnis kommen, daß der viel- gerühmte Überfluß dank der liberalistisch-kaplita- listischen Mißwirtschaft immer mehr einem chro- nischen Mangel weichen muß. Das trifft in erster Linie für einfuhrabhängige Staaten wie England zu und

bezieht sich vornehmlich auf tierische Veredlungs- `

produkte, die mit der kriegsbedingten Verlagerung des Verbrauchs auf Vegetabilien den stärksten Er- zeugungsrückgang aufweisen. Wenn der englische Landwirtschaftsminister es als ein Wunder bezeichnet, daß die derzeitige Fleischration in England noch ge- halten werden konnte, so ist das unseres Erachtens nicht so überraschend, als wenn Überseestaaten wie die USA., Australien, Neuseeland u. a., mit bedeuten- den Flelschexporten in der Friedenszeit zu Rationie- rungsmaßnahmen gezwungen sind und Klagen über eine ungleichmäßige Versorgung und elne ständige Zunahme des Schwarzhandels führen. So wird aus New York berichtet, daß die Zufuhr an Rind-, Schweine- und Lammfleisch nur noch 25% des Normal- bedarfs ausmache, daß aber andererseits ein bedeuten- der Schwarzhändier (Meatlegger) in New York und New Yersey für 3 Millionen Dollar Rindfleisch um-

gesetzt habe. Selbst die Agrarverwaltung kommt zu dem Ergebnis, daB mindestens ein Fünftel des an- fallenden Fleisches aus Schwarzschlachtungen stamme; sogar Fabriken treten auf dem Schwarzmarkt als Käufer auf, um ihre Belegschaft besser versorgen zu können. Und das trotz der seit dem 25. März 1943 bestehenden Punktrationierung!

Andere Fleischexportländer sind ebenfalls zu Ein- schränkungen gezwungen. So mußte die für die Aus- fuhr arbeitende amerikanische Großschlächterei Armour & Co. in Brasilien ihre Tore schließen, well die brasilianische Regierung wegen eigener Versor- gungsschwierigkeiten den Export für einige Monate untersagte. In Chile wurde die uneingeschränkte Vieheinfuhr aus Argentinien gefördert, um dem Fleischmangel zu begegnen. Australien und Neu- seeland, die im Frieden rund 250000 t Fleisch aus- führten, erleben einem Bericht des Nahrungsmittel- komitees des britischen Empire zufolge eine ständige Verschärfung der Lebensmittellage, und man weist darauf hin, daß der weiteren Ausfuhr an Veredlungs- erzeugnissen schon jetzt Grenzen gesetzt sind. Wie aus dem neuen Lieferungsvertrag zwischen Kanada und Großbritannien hervorgeht, ist die Baconausfuhr Kanadas um jährlich 225 Millionen Ibs. herabgesetzt worden eine Folge des Mangels an Schweinefutter und der ungünstigen Preisrelation zwischen Futter- mitteln und Schweinen. Der Ernährungsminister der Südafrikanischen Union, Collin, erklärte vor Parlamentsmitgliedern, daß die Fleischvorräte Zu- sehends zur Neige gingen und er im Hinblick auf die Anlieferung und Preisgestaltung eine Kontrolle des Fleischmarktes angeordnet habe. Die notwendige stärkere Heranziehung der Viehwirtschaft in den Eingeborenen-Reservaten für die Versorgung ergab, daß die Sterblichkeitsziffer bei den Herden erstaun- lich groß ist und nur etwa 30% als Schlachtvieh in Frage kommen.

. Wenn diese Stimmen aus den Überschußländern bereits von Schwierigkeiten auf dem Fleischmarkt be- richten, so kann es nicht weiter überraschen, wenn die von den Alliierten besetzten Gebiete, wie Nord- afrika, Syrien und Süditalien, zy Hungerzonen ge- worden sind. Kennzeichnend und entscheidend ist das Fehlen jeder Marktregulierung, d. h. die Alliierten haben schon eine Marktordnung rein liberalistischer Prägung, die bestimmt wird durch die Faktoren Preishöhe und Kaufkraft der Bevölkerung. Wird die Ware knapp, so steigt der Preis und erlaubt es immer weniger Menschen, als Kàufer auf dem Markt in Er- scheinung zu treten. Das nennt man dann sozialen Ausgleich. Daß die aufgeklärten Völker Europas sich unter diesen Umständen gegen eine Herrschaft der Alliierten wehren, ist ein Ausdruck für ihr gesundes Empfinden, ein Kampf für das „Recht zum Leben“.

215

DieBucwadr

Lebensziel: Bäuerin Dieses mit einem gut deutschen und echt bäuer- lichen Stolz ausgesprachene Wort ist leider noch nicht wieder in dem Maße Allgemeingut unserer Landmädel geworden, wie es nicht nur für die Erhaltung und Stärkung unseres Bauerntums, sondern damit gleich- zeitig für den Bestand unseres Volkes überhaupt not-

wendig ist. Um so begrüßenswerter ist es, daß Luise

Essig im Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., unter diesem Titel ein Buch herausgegeben hat, das auf Grund ihres eigenen Lebensweges und ihrer eigenen Lebensauffassung alle an der Erziehung der ländlichen Jugend beteiligten Kräfte, Eltern, Lehrer, Lehrerinnen, BDM.-Führerinnen auf dem Lande, Jugendberufswartinnen des Reichsnährstandes und andere an der Erziehung der ländlichen Jugend inter- essierte Stellen von der Bedeutung der ein Leben aus- füllenden Aufgabe, die einer deutschen Bäuerin gestellt ist, überzeugt. Es zeigt das Wunschbild künftiger Bäuerinnen, wie sie Großdeutschland nach der sieg- reichen Beendigung dieses Krieges zu Hunderten und Tausenden braucht, und weist die Wege zur Verwirk- lichung dieses Wunschbildes.

Das Buch ist nicht schlechthin ein Berufsberater oder eine Zusammenstellung aller bäuerlichen Berufe mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten, sondern gibt daneben einen kurzen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Bauerntums im aligemeinen und die Stellung der Bäuerin in Vergangenheit und Zu- kunft im besonderen. Es entkräftet den immer wieder auftauchenden Einwand bäuerlicher Mütter: „Meine Tochter soll es einmal besser haben als ich!“ Es weist nach, daß dies niemals dadurch erreicht wird, daß die Bäuerin ihre Tochter in die Stadt abwandern läßt und dadurch den Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande noch weiter verstärkt, sondern daß nur durch die eigenen Kinder des Landes und über den Weg einer geordneten beruflichen Ausbildung diese Frage ent- scheidend zum Besseren gewendet werden kann. Überhaupt ist der Schlüssel zum Lebenserfolg der Bäuerin ihre berufliche Tüchtigkeit, die heute

durch alle Maßnahmen des bäuerlichen Berufs- -

erziehungswerkes in jeder Weise gefördert wird.

Genau so wie In jedem anderen Beruf das Lebensziel eine gewisse Meisterschaft ist, so muß das Landmädel künftig seinen Ehrgeiz und seinen Stolz dareinsetzen, als Bäuerin Meisterin in seinem Beruf zu werden, gleichgültig, ob es nun als Frau eines Bauern diese Meisterschaft erreicht oder sie als Frau eines Land- arbeiters, Meikermeisters, Gutsbeamten usw. ausübt. In jedem Fall dient es durch sein berufliches Können dem Land, damit der Ernährungssicherung und dem völ- kischen Bestand unseres Vaterlandes.

So wichtig diese Dinge alle sind, so darf doch dar- über nicht der weitere Auftrag an die Landfrau ver- gessen werden, und das ist der, Trägerin bäuer- licher Kultur zu sein. Wie diese Kultur im Bauern- tum wächst, wie sie gehütet und gepflegt werden muß, damit sie wieder wachsen und erstarken kann und welchen großen tragenden Anteil die Bäuerin daran hat, das weist die Verfasserin überzeugend und

216

unter Vermeidung aller billigen Schlagworte nach. Kultur muß wachsen können, und um dafür die Vor- aussetzungen zu schaffen, müssen unsere Landmädel von Anfang an entsprechend ausgerichtet und ge- leitet werden, damit die in ihnen schlummernden schöpferischen Kräfte zu eigenem Leben erwachen.

Die gute Ausstattung des preiswerten Buches macht es zu einem geradezu- unterhaltenden Lese- stoff, zumal der Text durch Gedichte und Verse aus bäuerlichem Schrifttum und zahlreichen Bildern von bäuerlicher Landschaft, bäuerlicher Arbeit und bäuer- lichem Lebenskreis aufgelockert wird. Die Tatsache, daß heute bereits die zweite Auflage in Vorbereitung ist, beweist, wie groß das Bedürfnis nach einem solchen Buch gewesen ist, das nicht nur in die Hand der vor der Berufswahl stehenden jugend in Stadt und Land und aller Erziehungsberechtigten gehört, sondern ins- besondere von allen Lehrfrauen und Lehrlingen ge lesen werden sollte. Genthe

Dr. Kurt Orphal.

Alte Bauernregel neu gesehen

Erläuterungen von altbewährten Bauernregeln nach neuzeitlichen Gesichtspunkten. Verlag

C. V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943. Zweite,

erweiterte Auflage. 198 Seiten.

In Zeiten, die, wie der gegenwärtige Krieg, eine Ver- breitung von Wetterberichten ausschließen, ist ein Besinnen auf alte und bewährte Bauernregeln nahezu zu einer praktischen Notwendigkeit geworden. Wenn Dr. Kurt Orphal in seiner sehr umfassenden Zu sammenschau’ solcher Bauernregeln den Jahreslauf und die mit diesem verbundenen, bäuerlichen Arbeiten begleitet, so geschieht es hier, um alte Weisheiten, die einstmals wohl aus mühsam gewonnenen Erfah rungen erwachsen waren, in enge Beziehung zu setzen zu der Fülle der Forderungen, die Feld und Haus, Garten und Stall täglich an den Bauern und seine Mithelfer stellen. Gleichwie immer wieder jeder Monat im Jahreslauf Aufgaben bringt, zu deren Lösung umfassende und vertiefte Beobachtungen beitragen, so ist es die. Bestimmung dieses mit sehr ansprechen- den Bildern ausgestatteten Buches, aus dem Wissen- um alle diese Aufgaben und aus der reichen Kenntnis aller Mittei zu deren praktischer Meisterung alte, zum Teil sicherlich schon vergessene Bauernregeln sinnvoll zu verlebendigen. Bei dieser Zielsetzung ist das Buch nicht nur hinsichtlich alter Sitten und Bräuche inter- essant und aufschlußreich zu lesen, sondern es vermag auch dem in der Arbeit stehenden Bauern ein freund- licher und ratender Begleiter zu sein. Über alle ein- zelnen Regeln hinaus zeichnet sich das Buch durch eine Art der Schau aus, die alles altbewährte Erfahrungsgut immer wieder in lebendige Gegenwartsnähe zu rücken weiß. Damit kommt dem Buche neben einer reichen Übermittlung alter und schöner Bräuche auch land- wirtschaftlich praktische Auswertbarkeit zu, so dab mancher Bauer überlieferte und eigene Beobachtungen bestätigt und sicherlich auch noch wesentlich vertieft finden kann. Besonders glücklich ist hierzu nach der Betrachtung durch alle Monate hindurch am Schluß des Buches die Zusammenfassung aller angeführten Bauernregeln in einem Sachregister. Dr. A. Liebe

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ta VW? E, EZ Die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft bringen es mit sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen

aul dem Hot meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht | wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der auf einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer

Stelle zur anderen bringen läßt.

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Generator, Gas IR Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese | $ Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß. ACKERSCHLEPPER RAO IE.

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„Neuen Bauerntum‘ konnten nur zum Teil

Alle

vom Verlag wiederhergestellt werden. Bezieher, die die letzten Hefte des Jahrganges 1943 des „Neuen Bauerntum“ nicht erhalten oder die sonst Mängel in der Belieferung fest- gestellt haben, werden gebeten, dies sogleich

mitzuteilen dem Verlag

Deutsche Landbuchhandlung Berlin - Lichterfelde - Ost, Bahnhofstraße 1 Telefon 74 17 41

Rapsanbauer!

Der Rapsglanzkäfer kann in wenigen Tagen nicht wiederguizumachenden Schaden in den ` Rapsbe- ständen anrichten, ja, sie sögar praktisch vernichten. Sorgen Sie deswegen rechtzeitig vor. Beschalfen Sie. sich beim Pflanzenschutzamt Bezugsmarken für ?

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Staub-Gesarol haf sich gegen den Rapsglanzkäfer hervorragend bewährt ‚und ist auch amtlich geprüll und von der Biologischen Reichsanstaäll anerkennt. Es ist für Menschen und Haustiere ungiſtig Es wird von den Genossenschaften und dem Hendel in sus: reichendem Mahe vorrätig gehalten und zunächst aus- schliehlich zur Bekämpfung des Rapsglanzkäfers ab- gegeben. Die Bestäubung mit Gesarol soll grund- sätzlich vor der Blüte erfolgen, weil der Käfer nur Schaden anrichtet, solange die Blüten noch ge- D K schlossen sind. Der Reichsnährstand empfiehlt 10 4 ` Staub-Gesarol je Hektar.

Das Wort ‚einwecken“ stammt von Johann Weck, dem Mann, der das WECK-Verfahren begründet, der die WECK-Gläser und WECK- Geräte geschaffen hat.

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NUMMER 8

INHALT

Dichterehrung in Goslar (Bildbeilage)

Anton Reinthaller, Unterstaatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Bauern auf kargen Böden....... EURER ee —— . . . 217

Professor Dr. Jonas Schmidt, Direktor des Kaiser-Wilhelm- Instituts für Tier- zuchtforschung in Dummerstorf: Die Tierzuchtforschung im Dienste der

Ernährungssicherunnn g sirae LA ren ren. 220 Oberlandwirtschaftsrat Dr. Robert Winnigstedt: Zuchtmethoden und Probleme

der deutschen Tierzucht. FFC . 225

Holländer an der Weichsel (Bildbeilage) ................. F n. S. 228

Oberlandwirtschaftsrat Dr. Friedrich Walter, Leiter der Forschungsstelle für land wirtschaftliche Raumforschung, Breslau: Agrarstatistik im Umbruch... 229

Dr. Albrecht Timm: Das wehrhafte DOorrr .. 238 Bäuerliche Wehrbauten (Bildbeilageeoeꝝꝰꝶꝛw˙: j ehe deg Age M Se 240 Agrarpolitische Rundechau. BRENNER EEE serite 249 Randbemerkungen. r egtnr SC Die Buchwacht en Bere EEE ER 248

Bildnachweis: Unter Titelbild eine Aufnahme von Kurt Hielscher zeigt das Tor der Bauernburg

Rosenau (Siebenbürgen). Die Photos zur Bildbeilage „Bäuerliche Wehrbauten“ erhielten wir vom

Bildarchiv des Reichsnährstands (3), von Kurt Hielscher (2), Hans Retzlaff (2), Dr. Kulke/Reichsnähr-

stand (1), Herm. Brühlmeyer (1), Angerer (1), der Staatlichen Bildstelle (1) und vom Deutschen

Museum in München (1). Scherl-Bilderdienst (4) und Betz/Posen (2) lieferten uns die Bilder für die

Beilage ‚Holländer an der Weichsel“. Die Aufnahmen zur Bildbeilage „Dichterehrung in Goslar“ fertigten: Scherl-Bilderdienst (3) und Hermann Limberg (1).

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna,

Berlin- Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.]. Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Orts-

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DERN SDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

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Am 24. März fand in einer schlichten Feier- stunde im alten Rathaus der Reichsbauem- stadt Goslar die erstmalige Verleihung des Kulturpreises für das bäuerliche Schrifttum an Friedrich Griese und des Ehrenpreises des bäuerlich gebundenen Schrifttums der Gegenwart an Josef Martin Bauer durch Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe statt. Bild auf der Vorderseite: Reichs- minister Backe spricht Friedrich Griese seine Glückwünsche aus. In der Mitte Josef Martin Bauer. Bild links: Die beiden Dichter betrachten ihre Ehrenurkunden. Bild unten: Nach der Feierstunde trugen sich die Teilnehmer in das Goldene Buch der Reichsbauernstadt Goslar ein

.

ERRPOLITIK

DEUTSCH

ANTON REINTHALLER:

Herausgeber Gi Herbert Backe

Mai 1944 Jahrgang 2

Nummer 8

Bauern auf kargen Böden

ls die einmaligen Erfolge unserer Wehrmacht im Osten die für das deutsche Landvolk geltende Tatsache „Volk ohne Raum“ schicksalhaft in sein Gegenteil verkehrten, tauchte der Begriff „Bauern auf kargen Böden“ auf. Damit war ein Großteil unserer Bergbauern, im engefen und weiteren Sinne Bauern und Landvolk mit ungenügender Be- sitzgröße und Bauern auf nährstoff- armen Böden sowie in verkehrsent- legenen und klimatisch nicht be- günstigten Gebieten gemeint, die nun für die Besiedlung und Bewirtschaftung der meist guten Böden im Osten in Frage kommen sollten. Es wurde von berufener I ner Seite in berechtigter und iberechtigter Form die Forderung heraus- stellt, die Gesundung weiter Teile unse- s Landvolks durch Herausnahme und euans dlung von Teilen desselben im sten in großzügiger Form in die Wege ch iten. Als ein schier unerschöpfliches servoir für diesen Menschenstrom sah d i siet man „Bauern auf kargen Böden“ A ob 5 karge Böden als Land für zu rün a Forste und Waldgürtel gedacht enn ich mir die Legitimation nehme, ses heikle Problem aufzurollen und dar- md d Ae deshalb, weil weite Teile unse- fobauerntums, das zu betreuen mi" mlich als Aufgabe gestellt wurde, J y den Prototyp der Bauern auf * darstellen, sondern seit Hun- Jahren auf diesen Böden sitzen o agen unvorstellbare Naturgewal- d in den letzten hundert Jahren g jrößte wirtschaftliche Bedrängnisse erb; isser ner Form erfolgreich halten. "Gedanke, Bauern von kargen Böden if -gute und beste Böden zu über- | ji t zweifellos bestechend, er setzt

aber voraus, daß diese Bauern sich beengt, d.h. als Volk ohne Raum fühlen und daß Deutschland auf diese Menschen an- gewiesen ist, um die gewonnenen Osträume zu besiedeln. Das erstere trifft nur zu in jenen Gebieten, in welchen im Zuge fort- gesetzter Realteilung Kleinst- und Zwerg- besitze zur Norm geworden sind. Zu diesen zählen nur teilweise Kargbodenländer, da die Bauern instinktiv sich hüteten, die ohnehin bescheidene Ackernahrung durch Erbteilung noch aufzuspalten. Die zweite Voraussetzung ist nur berechtigt, wenn man die Möglichkeit, Menschen der Stadt auf das Land rückzuführen; verneint, ob- gleich es zweifellos feststeht, daß von Mil- lionen Städtern, diè willens sind, Siedler zu werden, nur ein Teil jene Entsagung und Bescheidenheit aufbringt, welche das Land- leben fordert, bin ich trotzdem der Ansicht, daß die nationalsozialistische Werbung und nicht zuletzt das Kriegserleben, im beson- deren der Bombenterror, in unserer städti- schen Jugend Bresche für die Rückkehr zum Bauerntume schlägt. Dieses gesiebte städtische Volk und die überzähligen Söhne und Töchter unserer Bauern, welche wegen ihrer angeborenen Zähigkeit und An- spruchslosigkeit das gottgegebene Element zur Gründung neuen Bauerntums sind, stellen die künftigen Bauernsiedler, nicht aber der abgemeierte Bauer auf kargen Böden, welcher, wie noch weiter ausgeführt sein soll, nach wie vor den besten Blut- spender der Nation und somit ein natio- nales Heiligtum und einen nicht unbeacht- lichen Wirtscħaftsfaktor darstellt.

Bauern auf kargen Böden im Sinne der landesüblichen Meinung sind Bauern, die einen unverhältnismäßig höheren Anteil an Arbeitsaufwand für die Erzeugung

irgendeiner Einheit an Nutzgütern wie

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Bauern auf gutem Boden leisten müssen. Sei es, weil ihre Böden an sich kärglich, schwer zu bearbeiten, ungünstig gelegen oder auf wasserwirtschaftlichem Gebiet nicht in Ordnung sind. Sei es, weil die klimatischen Bedingungen einer vollen

Ausschöpfung der landwirtschaftlichen Er-

zeugungskraft schier unüberwindliche Hin- dernisse in den Weg legen, das heißt: die jährliche Vegetationszeit auf ein Minimum zusammengedrängt ist. Hinzukommt, daßdie Ausrichtung der landwirtschaftlichen Er- zeugung und die Ausschöpfung der trotz dieser Erschwernisse vorhandenen letzten Möglichkeiten gerade in diesen Gebieten vielfach nicht richtig liegt. Zu den natür- lichen Erschwernissen kommt eine gewisse Rückständigkeit in vielen Fragen der land- wirtschaftlichen Erzeugung, die sich aus der Entwicklung der Landwirtschaft in der liberalistischen Epoche und in den letzten Jahren der Systemzeit zwanglos erklärt. Bauern auf kargen Böden waren nicht nur uninteressant, sie waren vielfach lästig. Die brutal kapitalistisch und materia- listisch angestellten Vergleiche ihrer Lei- stungen mit jenen der Bauern auf reichen Böden mußten zu dieser Meinung führen.

Die bisher übliche Auslegung des Be- griffs „Bauern auf kargen Böden“ wirft die Frage auf, ob die Leistung dieser Bauern denn mit dieser Umschreibung

voll erfaßt sei oder ob tatsächliche Leistun-

gen nicht beachtet und Leistungsmöglich- keiten nicht ausgeschöpft werden. Mit anderen Worten: Ob nicht ein großer Teil von Bauern auf kargen Böden Leistungen vollbringt und vollbringen könnte, die jenen ihrer glücklicher gebetteten Berufskame- raden gleichkommen, ja, sie in manchem übertreffen. Diese Frage ist eindeutig zu bejahen. Allein die biologische Leistung, ich denke hierbei in erster Linie an jene der Bergbauern, steht mit Abstand an der Spitze der Leistungen irgendeines Teiles des deutschen Volkes. Nicht nur die Kinderfreudigkeit, sondern noch viel mehr die Zahl der aufgezogenen Men- schen stellt eine Leistung dar, die zwar in den letzten Jahren immer mehr an- erkannt, die aber in ihrer Auswirkung viel- fach noch nicht voll gewürdigt wird. Diese biologischen Leistungen sind weder von ungefähr vom Himmel gefallen noch die Auswirkung von allgemeinen Stimmungs- momenten. Diese biologische Leistungs- fähigkeit hat neben großen ethischen Vor- aussetzungen, welche nur zum kleinen

218

Teil im religiösen Bekenntnis begründet sind, einen klaren realen Hintergrund.

"Bauern auf kargen Böden brauchen zT.

mehr Land, mehr Flächen wie Bauern in guten Lagen. Mehr Land oder schwer zu bearbeitendes Land erfordert mehr Arbeit, mehr schaffende Hände. Diese schaffenden Hände müssen billig sein, sonst sprengen sie den wirtschaftlichen Rahmen des Hofes. Also kommen nur Kräfte in Frage, die der Hof selbst hervorbringt. Darin, daß diese Kräfte vom Augenblick ihrer Einsatzfähig- keit an nur verhältnismäßig kurze Zeit dem Hof dienen und dann als Überschuß der ge- samten Volkswirtschaft zur Verfügung stehen, liegt die materielle Seite dieser un-

` schätzbaren biologischen Leistungsfähigkeil.

Diese biologische Leistungsfähigkeit, dieses laufende Abgeben von bestem Menschen, material, kann noch wesentlich ge- steigert werden, wenn der Bauer auf kargem Boden jene Voraussetzungen für sein Leben erhält, die ihm als deutschem Bauern zukommen und die andere Berufskreise vor dem Kriege längst gehabt haben. Die Leistung des Kinderaus tragens, Kindergebärens und Kinderaul- ziehens ist nur zu vollbringen, wenn die heute über alles Maß in Hof, Feld und Ho beanspruchten Frauen entlastet werden, d.h. die entsprechenden Voraussetzungen in Haus, Hof und Dorf vorliegen.

Neben dieser überragenden biologischen Leistung stecken in Höfen mit kargen Böden stille Erzeugungsreserven, die freizulegen, zu mobilisieren und auszu- schöpfen Aufgabe einer zielbewußten Land- wirtschaftsführung ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die selbst für Kenner der Verhältnisse unerwartet hohen Erzeugungs- und Marktleistungssteigerun- gen der letzten Jahre auf dem Gebiet der Milchwirtschaft im Bergbauern- gebiet. Das Aufholen mancher Rück- ständigkeit, der Anschluß an das Verkehrs- netz, die Auswirkungen der intensiven Tierzuchtförderung haben die Erzeugung und Marktleistung vervielfacht. Ich ver- weise in diesem Zusammenhang auf die erst seit neuestem bekannte einmalige Vor- aussetzung von vielen dieser Gebiete für die Erzeugung von Saatgut im al- gemeinen und Kartoffelsaatgut im be sonderen. Der Ausspruch eines für die Er- zeuqungslenkung der Landwirtschaft im Großdeutschen Reich maßgeblichen Bauern- führers anläßlich einer Bereisung des Berglandes von Oberdonau (Mühlviertel):

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„Diese Gegend ist das reinste Kartoffelsanatorium“, trifft den Nagel auf den Kopf. Nicht unerwähnt will ich die bisher viel zu wenig bekannte qualitativ höhere Wertigkeit der landwirt- schaftlichen Erzeugung im Bergland lassen. Wenn auch auf hochgelegenen Bergwiesen entsprechend geringere Mengen geerntet werden, so ist nicht zu übersehen, daß der relative Eiweißgehalt im Futter bedeutend, ja vielfach bis zu 50 Prozent höher als der

Durchschnitt liegt. Wenn erst einmal die

Frage der akzessorischen Nährstoffe, vor allem der Vitaminanteil von bergländischen Erzeugnissen, restlos geklärt und in meß- barer Form erfaßt werden kann, wird die Erzeugungsleistung ge gewertet wer- den können.

Ich bin mir bewußt, ie ein kleiner Teil von Bauern auf kargen Böden, auch bei bester Ausrichtung und bestem Wollen, nur eine unbefriedigende Gesamtleistung voll- bringen kann und es nur eine Frage der Zeit ist, wie lange sie sich auf ihren Höfen halten können. Der überwiegende Teil ist aber so gelagert, daß mit einer einmaligen durchgreifenden Hilfe von Reichs wegen die Existenzgrundlage für ihre Höfe und ihre biologischen wie wirtschaftlichen Lei- stungen geschaffen und daüernd gesichert werden kann. Die erfolgversprechenden Versuche, die auf diesem Gebiete bereits vor drei Jahren eingeleitet und im Ge- meinschaftsaufbau (Dorfauf- rüstung) im Bergland ihren endgültigen Niederschlag gefunden und ihre Probe be- standen haben, beweisen das eben Gesagte. Die intensive und zielstrebige Betreuung, die diesem Problem u.a. im Reichsgau Tirol und Vorarlberg zuteil wird, legt immer mehr die Grundsätze klar, nach welchen dieses schwierige Gesamtproblem anzupacken ist.

Ob es sich nun um die Aufforstung von fraglos zahlreich vorhandenen, bis- her landwirtschaflich genutzten abso- luten Waldböden um die nur von Bergkennern richtig zu planende Tren-

nung von Wald und Weide, um die

Schaffung von Bauernwald handelt, ob die Frage der Besitzgröße, der Ausrichtung derBetriebe, eineallen- falls notwendige Aussiedlung zur De- batte steht oder ob eine grundsätzliche Entscheidung über die Struktur der Dörfer zu treffen ist, alle diese Fragen und Probleme wurden in dem Augenblick

faßbar und drängten zu einer Lösung, als sie im Zuge des Gemeinschaftsaufbaues freigelegt wurden. Daß hierbei oft ganz neue Problemstellungen aufscheinen, daß bisher nur oberflächlich oder sogar un- bekannte Tatsachen in Erscheinung treten,

liegt in der Natur der Sache. Ich erwähne nur die erschütternde Feststellung, daß die

soziale Betreuung, die an sich dem Landvolk nur in bescheidenstem Ausmaße zuteil wird, für Bauern auf kargen Böden oft überhaupt nicht vorhanden ist und für sie KdF. ein Märchen bedeutet, welches ihnen das soziale Gefälle zwischen StadtundLandalsUrgrund der töd- lichen Gefahr Landflucht nur um so augenscheinlicher werden läßt. Ich will Fragen, deren Lösung für den Städter eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich nach der ärztlichen Betreuung, Krankenfürsorge, die Fragen „Mutter und Kind“, Freizeit- gestaltung, gar nicht erst anziehen. Ich

verweise auf viel ursprünglichere Forde-

rungen, die letzten Endes allesamt auf die Schaffung eines menschenwürdigen Daseins,

vor allem der Bäuerin, hinauslaufen. Wenn.

man sich die Tatsache vor Augen hält, daß im Jahre 1880, als 40 Prozent der städti- schen Bevölkerung gegenüber 15. Prozent der ländlichen Bevölkerung bei ihrer Prü- fung auf die Wehrtauglichkeit zurück- gestellt wurden, die soziale Gesetzgebung in großem Ausmaß einsetzte, muß die Forderung nach einer gewaltig verstärkten sozialen Betreuung des um 80 mehr erhoben werden, als im Jahre 1943 die Zurückstellungen genau im umgekenr ten Verhältnis standen.

Der geschichtliche Ablauf der Besied- lung und zum Teil der zeitweiligen oder dauernden Entsiedlung der Alpentäler hat immer wieder gezeigt, daß die Frage nach der Inbesitznahme und Betreuung von kargen Böden durch deutsche Bauern nicht vorwiegend aus rein maleriellen Gründen zu klären ist. Wenn die Entwicklung der letzten hundert Jahre vielleicht auch eine stärkere materielle Beeinflussung des gan- zen Problems der Besiedlung bzw. der Ent- Siedlung (Höhenflucht-Landilucht) im Berg- land erkennen läßt, so ist doch festzu- halten, daß es vorwiegend ideelle, un- bewußt im Bergbauern schlummernde Ur- sachen sind, die ihn als kraftvollen Men- schen trotz härtester natürlicher Bedin- gungen und unzulänglicher betriebswirt- schaftlicher Voraussetzungen dem Hof er- halten.

219

JONAS SCHMIDT:

Die Tierzuchtforschung

IM DIENSTE DER ERNÄHRUNGSSICHERUNG

ie Erzeugung tierischer Lebensmittel ist seit

etwa den 70er Jahren des werflossenen Jahr- hunderts unter dem Einfluß der durch die In- dustrialisierung der Lebensweise weiter Bevölkerungskreise, ver- bunden mit der stärkeren Nachfrage nach Fleisch und Fetten aller Art, erheblich ge- stiegen.

Die deshalb notwendig gewordene Vermeh- rung der deutschen Viehbestände ist seitdem so weitgehend gefördert worden, daß in Deutschland im Frieden zwei Drittel der ge- samten Bodenerzeugung, nach dem Kalorien- gehalt errechnet, für Futterzwecke aufgewandt wurden; nur 20 Prozent dienten unmittelbar als pflanzliche Stoffe der menschlichen Ernährung. Im Zeichen der Kriegsernährungswirtschaft ist eine stärkere Bevorzugung pflanzlicher Nahrungsstoffe zu verzeichnen, weil die erheblichen Veredlungsverluste bei der Um- wandlung pflanzlicher Nahrungsstoffe in tie- rische die Ernährungssicherung erschweren oder unmöglich machen. An der grundsätzlichen Be- deutung der Viehhaltung für die moderne Er- nährung wird aber auf die Dauer hierdurch nichts geändert.

Fast in allen europäischen Gebieten, auch in Deutschland, ging die durch die steigende Be- deutung der Nahrungsmittel tierischer Herkunft bedingte Vergrößerung der Viehbestände und die Intensivierung der tierischen Produktion über die Leistung der landeseigenen Futter- erzeugung hinaus. Futterzufuhren aus Asien und Afrika wurden notwendig und brachten besonders Deutschland in dem ersten Weltkrieg in eine gefährliche Ernährungslage, die schließ- lich seinen Zusammenbruch mit verursachte.

Dieser Mangel an ausreichendem Futter, für die ausgedehnten Viehbestände stellt auch heute noch den schwächsten Punkt unserer gesamten Ernährungswirtschaft dar.

Wenn auch seit der Machtübernahme die ein- heimische Futtererzeugung erheblich gestärkt wurde und die Möglichkeiten auf diesem Gebiet noch längst nicht erschöpft sind, so muß doch jede Mehrerzeugung in der Hauptsache als Produktionsfutter nutzbringend verwandt wer- den. Das bedingt, daß steigende Futter- mengen nicht zur zahlenmäßigen Ver-

220

Wirtschaft veränderten-

größerung der Bestände, die mit verstärk- tem Verbrauch an Erhaltungsfutter ver- bunden ist, benutzt werden, sondern daß es mehr als je heute darauf ankommen muß, die Lei- stungsfähigkeit des einzelnen Tieres durch züchterische Maßnahmen zu steigern und jede Verbesserung der Futter- erzeugung zur Gewinnung größerer Mengen an tierischen Lebensmitteln zu verwenden.

Zwar ist jede tierische Erzeugung teuer be- zahlt im Vergleich zur pflanzlichen Produktion; sowohl die Milcherzeugung als auch die

Fleischbildung über das Schwein brin-

gen nur etwa knapp ein Drittel der Futterkalo- rien zurück. Je pflanzlicher die Nahrung, um so mehr Menschen können von derselben Fläche ernährt werden.

Von dieser Einstellung muß aber überall dort abgewichen werden, wo es sich um Viehhal- tungen handelt, welche weitaus im Ubermaß auf absoluten Futterstoffen aufbauen, die für einen unmittelbaren menschlichen Ver- zehr nicht geeignet sind. Ohne das Tier als Mittler sind sowohl die weiten Grünland- flächen der menschlichen Ernährung. nicht nutzbar zu machen, als auch die großen Mengen des in jedem landwirtschaftlichen Betrieb an- fallenden Rauhfutters, die Abfälle der technischen Nebengewerbe usw. Außer- dem verlangt der Acker die umgewandelten Futterstoffe in Form des Düngers dringlichst zurück, wenn die Bodenfruchtbarkeit unge- schmälert bleiben soll.

Insbesondere schrumpfen aus dem genannten Grund die so oft der Viehwirtschaft vorgehal- tenen Veredelungsverluste in ihrer Bedeutung stark zusammen für den wichtigsten Zweigunserer Viehwirtschaft, die Rindviehhaltung, die ja auch in diesem Krieg ihren friedensmäßigen Bestand halten konnte. Dasselbe gilt noch in verstärktem Maß für die Schafhaltung und auch die Erzeugung von Fleisch und Fett über das Schwein wird mit der Umstellung der Mast auf die Zucker- und Futterrübe wie Z. Z. in großem Ausmaß befürwortet, der ausreichen- den unmittelbaren Versorgung des Menschen mit pflanzlicher Nahrung immer ungefährlicher.

Trotzdem muß dafür Sorge getragen werden daß diese Veredelungsverluste so weit wie mög

lich durch züchterische Verbesserung der Lei- stungsfähigkelt unserer Viehbestände einge- schränkt werden.

Züchten“ heißt nicht Tiere miteinander paaren, lediglich um sie zu vermehren, sondern es setzt eine Auswahl der zu paarenden Tiere nach bestimmten Grundsätzen voraus, mit deren Hilfe man ein bestimmtes Ziel erreichen will. Von Generation zu Generation soll auf diese Weise die Veranlagung für besonders wichtige Eigenschaften verbessert, also die Leistungs- fähigkeit für die Zwecke des Menschen gestei- gert werden.

Ein derartiges Ziel läßt sich um so schneller erreichen, je mehr die angewandten Züchtungs- methoden den Vererbungsgesetzmäßigkeiten an- gepaßt sind. Ist diese erbliche Grundlage einer Eigenschaft bekannt und ihr Verhalten im Erbgang durch den Zuchtversuch geklärt, so sind alle Voraussetzungen für eine schnelle und sichere Erzüchtung gewünschter Merkmale gegeben. l

Das ist für viele morphologische tierische Eigenschaften (Form und Farbe) bereits erreicht. Wir sind ja heute z. B. ohne Umweg in der Lage, ` in der Pferdezucht Rappen, Füchse oder Schim- mel usw. herzustellen.

Ebenso steht es mit der planmäßigen Heraus- züchtung bestimmter erwünschter Körper- formen. l |

Viel wichtiger wäre es für die jetzt im Vorder- grund stehende Leistungszucht, wenn wir die physiologischen Eigenschaften auf Grund eingehend erforschter Vererbungsgesetzmäßig- keiten planmäßig und ohne Umwege verbessern könnten.

Auf diesen Gebieten, z.B. der Vererbung der Milchleistung, der Fruchtbarkeit, der Futterverwertung usw., liegen die Verhält- nisse aber erheblich schwieriger, weil eine, ganze Reihe von Organen des Körpers bei dem, was wir als Leistung bezeichnen, mitwirken. Sie können jeweils in ihrer Teilleistung mehr oder weniger günstig für die Gesamtleistung beschaffen sein. Die erbliche Grundlage der Leistungseigenschaften, der Genotyp, ist also viel komplizierter und deshalb wesentlich schwieriger zu erfassen als bei den äußerlich leicht erkennbaren morphologischen Eigenschaf- ten, die meist nur durch eine Anlage bestimmt werden.

Hinzu kommt, daß alle Leistungseigenschaften nicht nur von der Veranlagung, sondern weit- gehend von den Umgebungsverhältnissen, vor allem der Fütterung, mitbestimmt werden. Eine besonders günstige Haltung und Ernährung kann also weitgehend eine gute Veranlagung auch bei einem tatsächlich nur mittelmäßigen Erbtyps vortäuschen.

Verstärkt wird die Schwierigkeit solcher Ver- suche durch die geringe Nachkommenschaft der meisten Haustierarten, die langsame Aufein-

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anderfolge der Geburten und die beträchtlichen Aufwendungen, die mit Vererbungsversuchen an großen Haustieren verbunden sind. Diese Hindernisse erklären zur Genüge, weshalb wir bisher in der Ausnutzung der Vererbungsgesetze für die Züchtung auf dem Gebiet der Leistungs- eigenschaften noch nicht zum Ziel gekommen sind, und demnach mit empirischen Zuchtver- fahren rechnen müssen, die vielfach große Um- wege machen und weniger ergiebig sind. Vor allem fehlte es aber auch an Forschungsstätten, die so ausgedehnt und reichlich mit Mitteln ausgestattet sind, daß sie sich an derartige Ver- suche heranwagen könnten. Das ist ein Grund dafür gewesen, weshalb Reichsminister Herbert Backe über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Tier- zuchtforschung in Dummerstorf eine zentrale Forschungsstätte ausbaute, in welcher die Arbeitsmöglichkeiten auf diesem Gebiet in umfassender Weise gegeben sind.

Die dem Institut zur Verfügung stehenden Versuchsgüter haben eine zum weit- aus überwiegenden Teil zusammenhängende Fläche von 1666 ha. Von der landwirtschaft- lichen Nutzfläche (1312 ha) entfallen rund 550 ha auf Getreide, Hülsen- und Ulfrüchte, 255 ha auf Hackfrüchte (162 ha Rüben), 165 ha auf den Ackerfutterbau, 300 ha auf Weiden und 40 ha auf Wiesen. Die Waldfläche beträgt 282ha. Der überwiegende Teil der Ackerfläche besteht aus mildem Lehm; das Grünland liegt auf Moor. Die Niederschlagsmenge stellt sich auf 580 mm.

Der Tierbestand setzt sich z. Z. zusam- men aus: 100 Arbeitspferden, davon zwei Drittel Kaltblüter und ein Drittel Warmblüter; darunter sind 60 Zuchtstuten; die Nachzucht besteht aus 65 Fohlen.

Der Rinderbestand weist insgesamt 315 Kühe, 203 Sterken, 17 Bullen und etwa 150 Kälber auf. Die Herde ist nach folgenden Rassen aufgeteilt: Schwarzbunt (deutsch und holländisch), Rotbunt (deutsch und holländisch), Fleckvieh, Rote Dänen, Jerseys und Kreuzungen.

Die Schafhaltung wird durch eine Stamm- herde und eine Klassenherde des Merinofleisch- schafs vertreten; daneben ist eine Versuchsherde aufgestellt. Insgesamt werden 1500 Schafe ge- halten.

Der Schweinebestand erstreckt sich auf 8 Eber, 92 Sauen (veredeltes Landschwein, Edelschweine und Dänen), 400 Jungschweine und 300 Mastschweine.

Die schwierige Frage der ausreichenden Fut-

terbeschaffung wurde gelöst durch den Bau

einer großen Trockenanlage. Der ausge- dehnte Zuckerrübenbau und die Durchführung eines umfassenden Zwischenfruchtbaues liefern neben dem eigentlichen Ackerfutterbau das zu trocknende Material. So ist nicht nur die Gewähr für eine ausreichende gesunde Futtergrundlage, sondern auch für ein in seiner Zusammensetzung auf lange Zeitperioden hinaus gleichbleibendes

221

Futter gegeben, wie es in einer derartigen Ver- suchswirtschaft benötigt wird. Mit diesem prak- tischen Zuchtbetrieb sind Arbeitsräume und Laboratorien verbunden, die sich noch im Aus- bau befinden.

Einige Beispiele sollen zeigen, welche Ar- beiten das Institut zur Zeit beschäftigen:

Eines der wichtigsten Probleme der Rindvieh- züchtung, das sofort nach der Gründung des

Institutes in Angriff genommen wurde, liegt auf

dem schwierigen Gebiet der Fettversor- gung, die insbesondere während des Krieges ganz vorwiegend von der Rindviehhaltung getragen wird. Der Bedarf an Fett ist ja so weitgehend, daß über das jetzt schon Geleistete

hinaus alle Möglichkeiten einer noch vermehr- "

ten Erzeugung ausgenutzt werden müssen.

Es ist dabei auf tierischem Gebiet die Aufgabe zu lösen, unsere Rassen mit schon vorhandener boher Milchleistung durch Steigerung des pro- zentualen Fettgehaltes zur Abgabe größerer Butterfettmengen zu veranlassen. Auf diese Weise könnte nicht nur der Fettertrag ge- steigert, sondern vor allem auch, wie sich leicht nachweisen läßt, das kg Butterfett mit einem erheblich geringeren Futterauf- wand erzeugt werden. Schon eine Steigerung des Fettgehaltes um drei Zehntel Prozent bringt bei der großen Zahl der deutschen Milchkühe eine Mehrerzeugung an Butterfett, die den iriedensmäßigen Einfuhren entspricht.

Die Möglichkeit der Lösung dieses Problems ist bisher mit der Behauptung angezweifelt wor- den, jede Erhöhung des Fettgehaltes ziehe eine entsprechende Erniedrigung der Milchmenge

nach sich, so daß auf diesem Weg eine Steige-

rung der Fettmenge praktisch nicht erreichbar sei.

Dieser Behauptung widersprechen einmal die Züchtungserfolge der tierzüchterischen Praxis in Ländern, die schon seit langer Zeit auf die Herstellung großer Mengen an Milchfett ange- wiesen sind, wie z. B. Holland und Dänemark.

Fernerhin hat inzwischen die Durchführung umfassender Kreuzungsversuche des soeben kurz beschriebenen Instituts zwischen schwarz-

bunten Niederungsrindern mit einem Milchfett-

gehalt von nur 3 Prozent und Jersey-Bullen mit Mutterleistungen von 6 bis 7 Prozent zu der Feststellung geführt, daß der prozentische Fett- gehalt der Kreuzungstiere erster Generation mit 4,8 bis 5 Prozent erheblich höher liegt als bei der mütterlichen Rasse, ohne daß die Milch- mengenleistung in der Nachzucht gemindert wird. Die Erblaktoren für Milchmenge und Fettgehalt verhalten sich also selbstän- dig im Erbgang und werden unabhängig von- einander übertragen. Sie lassen sich beide nebeneinander „hochzüchten”.

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Aus diesem Ergebnis kann der Schluß gezogen werden, daß auch innerhalb der Rassen in der Fettleistung günstig veranlagte Bullen mit sicherer Vererbung in der Lage sind, den Fettgehalt der weiblichen Nachzucht aus minderleistungsfähigen Kühen zu steigern, ohne Einbußen in der Milchmengenleistung, die ja den erzielten Vorteil wieder ausgleichen würden,

und zwar um so schneller, je mehr die Bullen

den weiblichen Tieren im Fettgehalt überlegen sind. | Alle früheren Auffassungen, die nur dem weiblichen Tier einen Einfluß auf die Vererbung der Fettmenge zuschreiben wollen, sind nach diesen Ergebnissen hinfällig.

Wir haben also für die praktische Züchtung ein ganz sicheres Mittel an der Hand, den Fett- mengenertrag unserer Bestände zu verbes- sern, wenn es uns gelingt, die vorhandenen Bullen mit der Anlage für eine hohe Fettleistung innerhalb der Rassen ausfindig zu machen.

Diese Möglichkeit besteht mit verhältnis- mäßig großer Sicherheit durch den Schluß aus der Beschaffenheit der Vorfahren. Wenn Her Vater nach seinem Erbwert durch den Vergleich der Leistungen seiner Töchter mit ihren Müttern unter ähnlichen Umgebungsverhältnissen in der Abstammungstafel charakterisiert wird und für die Mutter die durchschnittliche Lebensleistung zugrunde liegt, so sind damit die Voraussetzun- gen für die Erkennung der besten und sichersten Fettvererber gegeben.

Es ist zu erwarten, daß sich bei der straffen Führung der deutschen Zuchtverbände die Auf- fassung über die zweckmäßigste Auslese der zu paarenden Zuchttiere bald dem neusten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis anpaßt und diese Neuregelung uns wesentlich schneller in "einer verstärkten Fetterzeugung vorwärts bringt.

Da sichere Vererber für hohe Milch- und Fett- leistungen vorläufig selten sein werden und erst durch züchterische Maßnahmen in verstärktem Umfang herausgebildet werden müssen, kommt es gerade in der nächsten Zeit darauf an, die in dieser Hinsicht bewährten Bullen besonders stark auszunutzen und ihre wertvolle Erbmasse

so weitgehend wie möglich zu verbreiten. Das

ist zunächst dadurch möglich, daß gute Fett-

. vererber bei zweckentsprechender Haltung

und Ernährung viel länger der Zucht dienstbar bleiben als es heute üblich ist. Uber sechsjährige Bullen sind in der deutschen Zucht eine Seltenheit, obwohl die normale Be- fruchtungsfähigkeit bis zum 10. und 12 Jahr und noch länger anhalten kann.

Außerdem besteht die Möglichkeit, leistung fähige und sichere Vererber über die künst- liche Besamung wesentlich stärker zu ver- wenden, wie es heute schon in vielen Ländern,

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insbesondere in Dänemark, geschieht. Es ist natürlich ein Unding, diese Methode in der Rinderzucht verallgemeinern zu wollen, aber für den genannten Zweck ist sie sicher brauchbar, wie das hiesige Institut in dreijähriger Arbeit und an etwa 4000 Besamungen im Kreise Rostock feststellen konnte. Die künstliche Besamung bringt in der vorgeschlagenen Form einer vor- übergehenden Benuizung keinerlei Schäden mit sich; sie erzielt mindestens dieselben Befruch- tungsziffern wie der natürliche Deckakt, gestat- tet aber eine zehnmal go starke züchterische Ausnützung der Bullen.

Auch die züchterischeund wirtschaft- liche Verwendung der weiblichen

X Tiere bedarf unbedingt einer wesentlichen Ver-

längerung. Leider muß festgestellt werden, daß die Milchkühe in Deutschland im Durchschnitt nur sechs bis sieben Jahre alt werden. Damit sind die bedeutenden Nachteile verbunden, daß einmal der Höhepunkt der Milchergiebigkeit jeder Kuh mit acht bis neun Jahren nur selten erreicht wird, weiterhin die Nachzucht bei dem erforderlichen schnellen Umsatz durchweg zur Zucht eingestellt werden muß, also von einer intensiven Auslese nur ungenügende Benutzung gemacht werden kann. Vor allem aber wird auf diese Weise zu viel Aufzuchtfutter verbraucht, das für die Milchbildung und die Butterherstel- lung verloren ist. Alles das sind Ursachen ge- nug, die wissenschaftliche Arbeit nicht nur auf die Verstärkung der Langlebigkeit auf konstitu- tonellem Weg einzustellen, sondern auch mit- zuarbeiten an der Ermittlung einer für die Land- wirtschaft tragbaren Bekämpfungsmethode der- jenigen Seuchen und Krankheiten, die meist durch eintretende Sterilität ein frühzeitiges Aus- merzen der Kühe notwendig machen.

Wenn auch die Deckung des Fleischbedarfs in der Kriegszeit zum überwiegenden Teil von den Rinderbeständen geleistet werden muß, weil ein erheblicher Teil der bisher gebrauchten Mast- futtermittel, insbesondere die Kartoffel, für die unmittelbare menschliche Ernährung benötigt wird, so wird doch in normalen Zeiten die Schweinehaltung dervorwiegende deutsche Fleischerzeuger bleiben, ins- besondere dann, wenn als Voraussetzung die Mast immer mehr von der Getreide- und Kar- toffelgrundlage zur Rübe mit ihren bedeutend höheren Erträgen von der Flächeneinheit ge- leitet wird. DieSchweinemast ist derVeredelungs- Zweig mit den geringsten Nährstofiverlustien, und die Gewichtseinheit Schweinelleisch bringt bei’der erheblichen Fettbildung kalorisch dop- pelt so viel Nährstoffe wie Rindfleisch, so daß ein Mastschwein von 150 kg etwa denselben ka- lorischen Wert besitzt wie ein 500 kg schweres Schlachtrind mit seinem wesentlich höheres

Schlachtverlust. Hinzu kommt, daß das Schwein aus 1 kg Stärke auch etwa-35 Prozent mehr Fett als das Rind herstellen kann.

Auch in der Schweinehaltung sind durch züchterische Arbeit noch weitgehende Verbesserungen möglich, die sich in der Ver- sorgung der Bevölkerung günstig auswirken

"müssen.

Zunächst kann die Fruchtbarkeit der Sauen noch wesentlich erhöht werden; gelänge es, sie von 10 auf 12 Ferkel je Wurf zu steigern, also die Zahl der geborenen Ferkel tatsächlich der Säugefähigkeit der 12zitzigen Sau anzupas- sen, so würden etwa 20 Prozent. des jetzt zur Fütterung der Zuchtsauen aufgewandten Futters überflüssig und könnte für die Mast von 1 bis 1,5 Millionen Mastschweinen benutzt werden.

Hier sind nicht nur die erblichen Verhältnisse einer völligen Klärung zuzuführen im Hinblick auf den Einfluß beider Elterntiere auf die Zahl der geborenen Ferkel, sondern auch die Ursachen der Tatsache eingehend zu prüfen, daß 7 Prozent der Ferkel bereits tot geboren werden.

Besonders weitgehende Einsparungen an Futter sind während der Mast denkbar. Die Arbeit der staatlichen Mastprüfungsanstalt hat nachgewiesen, daß etwa 30 bis 40 Pro- zent des üblichen Kraftfutterverbrauchs mit 2,5 bis 3 Millionen t Getreide in der Schweinemast eingespart werden könnten, wenn die nach- gewiesene günstige Verwertung in unseren Mastbeständen zu verallgemeinern wäre,

Auch die Erzüchtung solcher Körperfor-

men, die wertvollste Fleischteile besonders stark hervortreten lassen bei Einschränkung der Knochenstärke auf das konstitutionell zulässige Maß, also günstigste Ausschlachtungsverhält- nisse gewährleisten, bedeutet ein Ziel, das den Ertrag der Schweinehaltung noch weitgehend verbessern kann.

Auch diese Fragen der Erzüchtung eines widerstandsfähigen Schweines mit möglichst hohem Schlachtertrag, das leichtfüttrig und fruchtbar ist, wurde in den Aufgabenkreis des Instituts mit einbezogen, genau so wie die Aus- schaltung der vielen Krankheiten, die auf erblicher Grundlage beruhen und die Leistung der Bestände schwer schädigen, auch wenn die Haltung in völlig einwandfreien gesunden Stäl- len erfolgt. i

Trotz aller Fortschritte, die in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiete der Motorisierung gemacht worden sind, hat das Pferd in der Zeit von 1913 bis 1938 keine bedeutende zahlen- mäßige Einbuße erfahren. Im Altreich wurden 1913 3,8 Millionen Pferde gehalten und 1938 in dem gleichen Gebiet 3,4 Millionen. Das ergibt nach Absetzen der in der Zahl von/ 1913 noch

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enthaltenen Militärpferde ein Absinken des Ge- samtbestandes um 240000 Pferde. Dieser Rück- gang bezieht sich vor allem auf die verschie- denen städtischen Nutzungszweige.

Nahezu 90 Prozent aller Pferde werden in der Landwirtschaft benutzt und 86 Prozent dieses Bestandes sind im Besitz der ausgesprochenen bäuerlichen Betriebe. Wirtschaften werden aber der Motorisierung immer gewisse Grenzen gezogen bleiben, wenn auch der Kleinschlepper hier eine erheblich veränderte Lage geschaffen hat. Auch für das Heer beweist dieser Krieg, daß auf das Pferd nicht verzichtet werden kann. Allerdings hat sich der Verwendungszweck in hohem Maße insofern verschoben, als hier vorwiegend Zug- pferde benötigt werden. Damit hat in großem Umfang eine Angleichung der 'Ansprüche, die von Heer und Landwirtschaft gestellt werden, stattgefunden.

Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, an der Züchtung eines für den genannten Zweck geeigneten Arbeitspferdes mitzuwirken. Es muß zugwillig sein, über einen ausgiebi- gen Gang, große Härte und ein gut- artiges Temperament verfügen. Da es sowohl beim Heer als auch in der Landwirtschaft keinen einheitlichen Gebrauchszweck gibt, müs- sen die Pferde in verschiedener Schwere ge- züchtet werden. Wichtig ist, daß auf besonders tiefrumpfige futterdankbare Formen geachtet wird, die auf einen großen Hackfruchtanteil in der Ernährung eingestellt werden können. Das schwere -Pferd ist zweckmäßig auf der Grund- lage der Kaltblutzucht zu erzielen, während für das leichtere die Warmblutzucht das geeignete Fundament darstellt. Die eingeleiteten wissen- schaftlichen Arbeiten beziehen sich auf beide Kaltblutgruppen der Niederung, einmal auf das rheinische deutsche Pferd belgischer Abstam- mung, zum anderen auf das schleswig-dänische Pferd. Beide Gruppen werden z. Z. einer ein- gehenden Rasseprüfung unterworfen. Außerdem soll versucht- werden, durch Kreuzung beider Schläge die beiderseitigen Vorteile in einem Kombinationstyp zu vereinigen.

In der Warmblutzucht gilt es, unter Entfer- nung vom Reitpferdetyp ein schweres Warmblut mit ruhigem Temperament zu züchten; die hier- für ausersehene hannoversche Zuchtgrundlage soll die Gewähr für die Erhaltung des notwen- digen Adels bieten. Daneben wird für die be- sonderen Bedürfnisse des Ostens vor allem das ostpreußische Pferd herangezogen werden.

Ganz besondere Aufmerksamkeit verdient in der Pferdezucht die Beachtung der Fruchtbar- keit, die ja so weit in der deutschen Zucht ge- sunken ist, daß man durchschnittlich nur durch

224

In diesen bäuerlichen

die "Haltung von zwei Mutterstuten auf ein lebendes Fohlen rechnen kann.

Die erfolge Vermehrung des Schaf- bestandes auf den Stand von rund 6,9 Mil- lionen in Großdeutschland, bedarf jetzt einer Ergänzung durch eingehende züchterische Be- arbeitung mit dem Hauptziel Steigerung der Wollmenge.

Diese Arbeit kann sich als Selektion im Rah- men der gegebenen Variabilität der vorhan- denen Rassen abspielen. Schwieriger, aber aus- sichtsreicher im Hinblick auf den gesuchten Erfolg ist der Weg der Kreuzung, wenn er strenger Kontrolle unterliegt.

Voraussetzung ist auch für diese züchterische Arbeit die Kenntnis des Erbgangs der in Frage kommenden Leistungsanlagen, die bisher nur lückenhaft vorliegt. Für den praktischen Zucht- versuch kommen eine Reihe besonders aus- ländischer Rassen in Frage, die vor der Ein- kreuzung einer exakten Prüfung ihrer Akklima- tisationsfähigkeit und ihrer morphologischen und physiologischen Leistungen zu unterwerfen sind. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit das Haupt- ziel einer verstärkten Wolleistung sich mit der notwendigen Fleischleistung verbinden läßt. Denn die Fleischgewinnung ist nicht nur volks- wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung, son- dern für die meisten Schafhaltungen ist die Ein- nahme aus der Fleischleistung die Vorausset-

zung für eine ausreichende Wirtschaftlichkeit. t

Diese Beispiele sind aus der Fülle der Pro- bleme herausgegriffen, die noch zu bearbeiten sind. Dabei wird man sieh vor Augen halten müssen, daß die Ergebnisse dieser Forschungs- arbeit nicht von heute auf morgen sichtbar werden können. Es handelt sich vielmehr um Aufgaben, deren Früchte erst nach Jahren reiten können.

Sie mögen andeuten, wie sehr uns auf tier- züchterischem Gebiet Einrichtungen wie das Kaiser-Wilhelm-Institut für Tierzuchtforschung gefehlt haben und welchen umfassenden Nutzen die tierzüchterischen Forschungsarbeiten über- haupt, insbesondere der Ernährungswirtschaft, bringen kann.

Die Viehwirtschaft ist das Rückgrat der Bauernbetriebe und jede Förderung ihrer Lei- stungsfähigkeit ist das beste Mittel, den Bauern- stand zu festigen.

Für die gesamte deutsche Bevölkerung bedeu- tet die Forschung auf diesem Gebiet richt nur Erhaltung und Mehrung eines erheblichen An- teils ihres Nationalvermögens, sondern vor allem Steigerung der Erträge der tierischen Produktion, die sich für sie In der Sicherung ihrer Ernährung aus eigener Erzeugung äußert.

ROBERT WIN NIG STEDT:

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Zuchtmethoden und Probleme der deutscben Tierzucht

[iet und Pflanzenzucht arbeiten zwar nach den gleichen Vererbungsgesetzen, aber doch unter wesentlich anderen Voraussetzungen und dementsprechend auch mit wesentlich anderen Methoden. Aus diesem Grunde sind Unterhaltungen von Tierzüchtern und Pflanzen- züchtern zwar aufschlußreich, aber doch gerade in ihren praktischen Schlußfolgerungen für den Tierzüchter meist unbefriedigend. Resignierend muß er immer wieder feststellen, daß der Pflan- zenzüchter es leichter hat. Die Kombinations- züchtungen haben für den Pflanzenzüchter im Verlaufe der letzten Jahrzehnte die größten Fort- schritte gemacht. Aber gerade diese Zucht- methode ist für den Tierzüchter an sich heute am wenigsten anwendbar. Sie muß als Voraus- setzung eine größere Vermehrungsfähigkeit, einen schnellen Generationswechsel und die Möglichkeit des Ausmerzens ungeeigneter Zucht- produkte haben, dazu auch die entsprechenden Ausgangsindividuen. Die Erfolge der Pflanzen- zucht beruhen darauf, daß man zu der Auslese von erbfesten Nachkommen mit dem erstrebten Zuchtziel viele Tausende aufzieht, von denen nur einige wenige für die Weiterzucht benutzt werden. All dieses ist für den praktischen Tier- züchter in dem erforderlichen Umfange nicht gegeben und macht selbst in großen staatlichen Instituten erhebliche Schwierigkeiten. Daher ist auch in der praktischen Tierzucht von der

Kombinationszüchtung bislang nur wenig Ge-

brauch gemacht worden, in den letzten Jahr- zehnten überhaupt nicht mehr.

Die Zuchtmethoden der Praxis waren in der Tierzucht Verdrängungskreuzung, Einkreuzung und die Kreuzung an sich, die man mit der Kom- binationszüchtung vergleichen kann. Die heute allgemein angewandte Zuchtmethode ist die Reinzucht innerhalb der bestehenden Rassen und Schläge, soweit man von Reinzucht bei den unterschiedlichen Erbanlagen überhaupt spre- chen kann. Unter den vorhandenen Schlägen werden die Tiere ausgelesen, die dem Zuchtziel am nächsten stehen und daher eine Weiterent- wicklung versprechen.

Die Gebrauchskreuzung hat insofern, züchterisch gesehen, nur eine beschränkte Be- deutung, als ihre Zuchtprodukte züchterisch Dicht weiterbenutzt werden, sondern, wie das Wort sagt, gebraucht oder besser gesagt

t

verbraucht werden und dabei nach dem Gesetz des Luxurierens der Bastarde besondere Vor- züge aufweisen. Ich erinnere an die Gebrauchs- kreuzungen insbesondere in der Schweinezucht, Berkshire-Eber X veredelte Landschweinsauen oder deutsches Weideschwein mit veredelten Landschweinsauen. Solche Gebrauchskreuzun- gen haben zweifellos unter bestimmten Vor- aussetzungen ihre Bedeutung, sind aber immer mit der Gefahr verbunden, daß die Kreu- zungstiere miteinander gepaart werden und dann die vielfachen Aufspaltungen erheb- liche Rückschläge bilden. Es ist unbedingt notwendig, daß bei der Gebrauchskreuzung die Ausgangsrassen oder -schläge rein weiter- gezüchtet werden.

Die Verdrängungskreuzung ist die in der deutschen Tierzuchtpraxis bislang am meisten angewandte Zuchtmethode. Durch Ver- drängungskreuzung mit Simmenthaler und spä- ter deutschen Fleckvieh-Bullen ist aus vielen deutschen Landschlägen Mittel- und Süddeutsch- lands das große Zuchtgebiet des deut- schen Fleckviehrindes entstanden, das heute rassenmäßig 40 Prozent des deutschen Rinderbestandes umfaßt. Ebenso ist vielfach durch Verdrängungskreuzung mit schwarzbun- ten Niederungsbullen aus den alten Landschlä- gen der norddeutschen Niederung das große schwarzbunte Zuchtgebiet entstanden, das heute rund 50 Prozent des deutschen Rinder- bestandes ausmacht. Dabei sei hervorgehoben, daß zu dieser Entwicklung der Überschuß der schwarzbunten Zucht an weiblichen Zuchttieren, der sofort zum Aufbau anderer Reinzuchten führen konnte, erheblich beigetragen hat. In der Pferdezucht ist das große Zuchtgebiet des rheinisch-deutschen Kaltblutpferdes vorwiegend durch Verdrängungskreuzung mit dem belgischen Kaltblüter und später dem rheinisch-deutschen Kaltblüter entstanden. Auch in der Schafzucht verdanken weite Gebiete der deutschen Schwarzkopfzucht und auch der deut- schen Merino-Fleischschafzucht ihre Entstehung der Verdrängungskreuzung der Landschafe mit entsprechenden Böcken. Ebenso ist in der Zie- genzucht das große Zuchtgebiet der deutschen weißen Edelziege durch eine Verdrängungs- kreuzung der alten Landziege mit der Schweizer Saanenziege entstanden,

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Von der Einkreuzung wird Gebrauch ge- macht, um durch vorübergehende Zuchtbenut- zung einzelner Tiere einer Rasse oder eines Schlages eine bestimmte Eigenschaft in die an sich rein weitergezüchtete Rasse hineinzubrin-

gen So verdanken die rot- und schwarzbunten

Niederungskühe ihre Fleischwüchsigkeit und ihre tiefen, tonnigen und breiten Formen zwei- fellos der vor Jahrzehnten durchgeführten Ein- kreuzung des nur auf Mastfähigkeit gezüchteten englischen Shorthornrindes. Es ist keine Frage, daß eine derartige Zuchtmethode schon das sehr scharf beobachtende Auge des Züchters benö- tigt, um nicht die vorhandenen anderen Nut- zungseigenschaften durch derartige Einkreu- zungen verderben zu lassen.

In der Pferdezucht wurde von der Einkreuzung mit Vollblutpferden in der Warmblutzucht ver- hältnismäßig häufig Gebrauch gemacht. Wenn auch heute in der Warmblutzucht die über- wiegende Mehrheit der Züchter eine Kreuzung ablehnt, so gibt es doch auch heute noch gewisse Anhänger der Kreuzungszucht,

Von welcher Bedeutung die Einkreuzung sein kann, ergibt sich aus der bemerkenswerten züchterischen Feststellung dieses Kriegsgesche- hens, daß unter allen europäischen Pferdeschlä- gen, mit denen unsere Soldaten in Berührung

kamen, die sich durch besondere Härte, An- spruchslosigkeit und Trockenheit der Gelenke

auszeichneten, die einen Schuß Araberblut in sich führten, gleichgültig, ob es sich um den Boulonnaiser Schimmel Frankreichs, ein leichtes, besonders gängiges Kaltblutpferd, handelt oder um die zähen Warmblutpferde Polens und Ruß- lands.

Das deutsche veredelte Landschwein und das veredelte Landschaf sind Beispiele der Kom- binationskreuzung. Es waren zweifellos

besonders begabte Züchter, die aus den Kreu-

zungen der Landschweine mit den damals in größerer Zahl eingeführten englischen Yorkshire- schweinen eine in sich konsolidierte und ohne weitere Aufspaltung sich vererbende neue Rasse

geschaffen haben, die heute mehr als 72 Prozent

des deutschen Schweinebestandes umfaßt. Ver- gleichen wir heute das deutsche Edelschwein und das deutsche veredelte Landschwein, so haben wir das züchterische Kuriosum, daß die

` Erbwertunterschiede innerhalb beider Rassen

erheblich größer sind als der Unterschied des Durchschnitts beider Rassen. Dies gilt insbeson- dere für die so wichtige Futterverwertung.

Die heute in Deutschland übliche Zuchtmethode ist die Reinzucht und die züchterische Auslese innerhalb der vorhandenen, in der Rinderzucht z.B. wenigstens in der Farbe gleichmäßigen Schläge. Ihr Zucht-

prinzip verdankt seine Anwendung der in den

226

letzten vier Jahrzehnten in immer größerem Umfange eingeführten herdbuchmäßigen Bearbeitung aller Tiergattungen, ap deren Ausbau der staatlich oder berufsständisch angestellte Tierzuchtleiter maßgeblich beteiligt ist. Beginnend in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts und sich allmählich zu einer immer größeren Ausdehnung ausbauend, bildeten sich die privaten Züchter-Vereinigungen, die heute dem Reichsnährstand angegliedert sind und in Gestalt der Tierzuchtleiter ihre meist speziali- sierten Zuchtleiter und Geschäftsführer haben. Hervorzuheben ist, daß es sich heute wie auch zur Zeit ihrer Entstehung bei den Züchter- vereinigungen um freiwillige Zu- sammenschlüsse oder Bauern handelt, die aus privater Initiative den Entschluß faßten, ihre Viehßestände zu verbessern, insbesondere leistungsfähiger zu machen. |

Aus dem Kreis privater Überlegungen wurde die tierzüchterische Arbeit in dem Augenblick herausgeführt, als sich der Staat der Dinge annahm und entweder durch eigene Einrichtun- gen oder zum wenigsten durch die Gesetzgebung die tierzüchterische Arbeit beeinflußte. So hat z. B. der Preußische Staat durch die Hengste seiner Landgestüte sowie auch durch die Zucht seiner Hauptgestüte seit dem Jahre 1732 die preußische Pferdezucht maßgeblich beeinflußt Er ging dabei davon aus, daß der Bedarf des Heeres an Pferden es notwendig macht, durch die Aufstellung staatlicher Hengste der Zucht eine ganz bestimmte Richtung zu geben. Berück- sichtigt man, daß gerade aus dieser Überlegung heraus der Staat an der Kaltblutzucht und ihrer Entwicklung nicht interessiert war, teilweise sich sogar gegen diese Entwicklung gestemmt hat, so ist es verständlich, daß die Hengsthal- tung in der Kaltblutzucht ursprünglich vorwie- gend in privater und genossenschaftlicher Hand war und erst später der Staat in seinen Gestüten auch Kaltbluthengste aufstellte. Hervorzuheben ist, daß so hochstehende Warmblutzuchtgebiete wie Oldenburg und Ostfriesland sich aus pri-

vater Initiative und ohne staatliche Gestüte ent-

wickelt haben. Wenn heute für die Weiterent- wicklung unserer Pferdezucht Staats-, Genossen- schafts- und Privathengste nebeneinander ein- gesetzt sind, so wird nur der diese Art der Hengsthaltung für endgültig halten, für den das Leben ohne Dynamik zu sein scheint.

In allen anderen Tierzuchtzweigen hat der Staat, beginnend im 19. Jahrhundert, mit einer Reihe von gesetzlichen oder polizeilichen Ver- ordnungen über die Vatertierhaltung, und zu einem gewissen Abschluß gebracht durch das Reichstierzuchtgesetz vom 17. März 1936, sich vorwiegend gesetzgeberisch betätigt In seinen Verordnungen und Gesetzen gab er

x

gewisse Vorschriften für die Auswahl der zur Zucht verwandten Vatertiere, die vor der Zuchtbenutzung angekört, d. h. auf ihre Zucht- tauglichkeit geprüft wurden und erst dann die Erlaubnis zum Decken bekamen. Die Züchtung dieser Vatertiere, Bullen, Eber, Schaf- und Zie- genböcke liegt in der Hand des Bauern, ebenso wie zumeist die Haltung dieser Vatertiere. An sich ist zwar auf Grund der Bestimmungen der Ersten Verordnung zur Förderung der Tierzucht die Gemeinde oder das Amt oder der Kreis zur Vatertierhaltung verpflichtet. Aber von dieser Verpflichtung wird nur in den kleinbäuerlichen Gebieten Süd- und Mitteldeutschlands Gebrauch gemacht.

In den Gebieten selbständigen und leistungs- fähigen Bauerntums überwiegt die genossen- schaftliche oder die private Vatertierhaltung. Durch die Tatsache, daß in Deutschland die Zucht man kann wohl sagen ausschließlich in der Hand des Bauern liegt, unterscheidet sich die deutsche Tierzucht insbesondere von den Staaten des Südostens und auch des Ostens, wo die Zucht vorwiegend auf Staatsgütern betrieben wird.

Für die Entwicklung der deutschen Tierzucht war weiterhin von ausschlaggebender Bedeu- tung, daß die Erste Verordnung zur Förderung der Tierzucht die Möglichkeit gibt, die Zucht- gebiete rassenmäßig nach Schlägen festzulegen. In vielen Landesbauernschaften ist es nicht not- wendig gewesen, von dieser Möglichkeit Ge- brauch zu machen, weil die einheitliche Zucht- richtung bereits seit Jahrzehnten festliegt, so die Schwarzbuntzuchtgebiete in Ostpreußen, Pommern, Mecklenburg, Kurmark, Niedersach- sen, Weser-Ems. Demgegenüber wurde gerade in manchen mitteldeutschen und süddeutschen Landesbauernschaften die derzeitige Rassen- verteilung oder wenigstens ein Wunschbild dieser Verteilung festgelegt, um sie damit auf ewige Zeiten zu verankern.

Soweit bisherige Methode und Entwicklung deutscher Tierzuchtarbeit. Die Aufgabe. dieser Arbeit stand, entweder durch den Bauer selbst oder durch den Staat gegeben, immer fest, wenn- gleich sie je nach den zeitbedingten Anforderun- gen sich auch im einzelnen veränderte. Durch züchterische Maßnahmen, insbesondere ent- sprechende Zuchtwahl, sollen die Viehbestände so verbessert werden, daß sie unter den ge- gebenen Verhältnissen möglichst hohe Leistun- gen bei möglichst niedrigem Futteraufwand er- bringen. Nie ist diese Aufgabe so wichtig gewesen wie gerade heute im Kriege. Vielleicht ist gerade darum auch die Problematik deutscher Tierzuchtarbeit nie so offensichtlich gewesen wie heute: Da- bei ist klar, daß gerade das „Tierezüchten“

- früherer Zucht des einfarbig-

Persönlichkeitssache _ Neigung, Wissen und Kön den Meister. Wahre Meiste A der richtigen Betrachtung der _ lichen Voraussetzungen der und züchtenden Betriebe, zucht, die Krönung finden. mancherlei Beispielen zeige

Ein Verbrechen am Bauer: TG DICH eine 16 Zentner schwere Ku , r r TE leistungsfähigkeit in aol che drängungskreuzung oder Ei tieren verbringen zu wollen ein Futter für eine 9-Zentne Milch hergibt. So hat die viehzucht in vielen Gebiete ihre Bedeutung, zumal man gen rechtzeitig entsprecheı

ist es aber, aus wirklichkeits einem wirtschaftlich vorwärt eine Kuh und eine Rasse m fähigkeit vorenthalten zu wog aufgestellten Rasseplan nich z. B. im rheinischen Wester

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mit seiner neu eingeführte ...,. za rungsviehzucht heute je ha ASS. Së, IT Nutzfläche 1570 kg Milche P , e Kreis eines ähnlich gelag GG, . jedoch noch besseren bet: A Voraussetzungen mit seine Dee, farbig-gelben Zucht nur 57 CH GC SGG Frage, welche Maßnahme ric CC GG GE DD zweifellos der Gedanke der GOCH HE SE:

zucht, so sehr er als das POOGCGzZo ZZ

zusprechen ist, seine Begren .. Man kann sich manchmal LEE erwehren, daß manche Gebi GBR GG GGG GGF

der Reinzucht zu früh erstarr. besondere für die Rinderzu aus den alten Landschläge

und die auch heute noch ke als durchgezüchtet anzusehe . TG GH

man manchmal statt der Re ASS sten von einer gewissen iRnn?ę AAA von einer Verdrängung

machen, sofern man sich ni durchringen will, sofort neuen Rasse einzuführen u- zucht zu kommen. Der Begri

keit ist hier manchmal auf

rischen und wirtschaftlichei Sa G G

gewaltigt worden.

Auch die derzeitigen Zuc á planmäßigen Herdbuchzucht Ge Hinsicht problematisch, e Maßnahmen des Reichstie ohne Mängel sind. l

Was dem Pflanzenzüchter z. B. nicht einleuch- ten will, ist, daß zumeist nur solche Vatertiere zur Zucht benutzt werden, bei denen über die Leistungen ihrer Nachkommenschaft keine ein- wandfreien Feststellungen vorliegen. Diesen Mangel empfindet der Tierzüchter auch, ohne ihn aber vermeiden zu können. Bei dem lang- samen Generationswechsel sind z. B. die meisten Bullen bereits verschwunden, wenn die Leistun- gen ihrer Nachkommen in Milch und Fett und auch in Fleisch vorliegen. Die Frage der Be- wertung gerade der Bullen, Eber, Schaf- und Ziegenböcke nicht nur nach ihrer äußeren Form, sondern insbesondere im Hinblick auf ihren nach der Abstammung zu erwartenden und ihren durch tatsächliche Leistungsfeststellungen gege- benen Erbwert ist das Problem, um das gerungen wird. Die Körung, d. h. Zuchtauswahl, und Zuchtverwendung junger, gerade deckfähig ge- wordener Vatertiere ist zweifellos eine sehr anfechtbare Maßnahme. Anfechtbar erscheint auch, wenn man sich solche Vatertiere regel- mäßig alle Jahre vorstellen läßt, um sie dann vielleicht trotz gleichgebliebener Abstammung und obgleich noch keine Feststellungen über die Vererbung vorliegen, abzukören. Dabei liegen die Dinge aber in der Praxis so, daß Vatertiere dann zumeist nur wegen schlechter Entwicklung und weil sie im Typ dem Zuchtziel nicht mehr entsprechen, abgekört wurden. Die erste Zucht- benutzung erfolgt in einem an sich zu frühen Alter, was sich praktisch aber nicht vermeiden läßt. Außerdem hatten die Körungen und regel- mäßige jährliche Vorstellung der Vatertiere eine erzieherische Aufgabe zu erfüllen, um die Vater- tiere nicht verkommen zu lassen. Jeder, der sich noch des Anblicks der Vatertiere bei der ersten Körung auf Grund des Reichstierzuchtgesetzes erinnern kann, wird diese Notwendigkeit be- stätigen. !

Andererseits ist klar, daß die Entwicklung uns ständig vor neue Aufgaben stellt. Es bedeutet zweifellos an sich einen erheblichen Fort- schritt in unserer Zuchtarbeit, wenn die zweite Körung der Vatertiere mit einer Besichtigung der Nachkommen erfolgt, wie sie der Reichsfachwart „Tier- zucht“ Dr. Pflaumbaum fordert. Wenngleich da- bei die Beurteilung der Nachkommen zunächst auch nur nach der Form vorgenommen werden kann, so gibt sie doch die Möglichkeit, gleich- zeitig auch die Art der Fütterung und Aufzucht der jungen Tiere kritisch zu beobachten. Die in der Herdbuchzucht durchgeführten Nach- zuchtbesichtigungen haben in dieser Hin- sicht schon mancherlei Anhaltspunkte und Er- fahrungen vermittelt. Sie gipfeln darin, daß die endgültige Bewertung der Vatertiere auf den Zuchtwert hin erst möglich ist, wenn nach- gewiesene Leistungen vorliegen. Leider sind dann die meisten Vatertiere, insbesondere die Bullen, bereits ausgeschieden. Möglichst lange Zuchtbenutzung ist daher an sich zu empfehlen. Scgensreich ist das zweifellos aber nur dann,

228

wenn die Bullen sich gut vererben. Manchem schlechten Vererber hat man hinterher schon einen früheren Tod gewünscht. Verbesserungs- würdig ist zweifellos trotz mancher Fortschritte das Richten unserer Ausstellungstiere. Viel- leicht ist es eine glückliche Fügung des Schick- sals, daß unter den Kriegsverhältnissen die Schauen ausfallen mußten und daher wäh- rend dieser Zeit mancherlei Fragen des Typs und des Zuchtziels in ihren Grundsätzen durch die praktische Arbeit geklärt werden können, ohne dabei in der Offentlichkeit auf Schauen Unruhe zu schaffen. Wer sich mit den Problemen der praktischen Tierzucht befaßt, stößt schneller als der Pflanzenzüchter auf die naturgegeben begrenzte Anwendbarkeit der an sich ebenso wie in der Pflanzenzucht geltenden Vererbungsgesetze. Das ist bedauerlich, aber unvermeidbar. Um so mehr begrüßt die Tier- zuchtpraxis, daß im Kaiser-Wilhelm- Institut für Tierzuchtforschung in Dummerstorf auf. Veranlassung von Reichsminister Backe die großzügige Möglichkeit zur tierzüchterischen Grundlagen- forschung gegeben ist und auch gegebenenfalls praktisch verwertbare Zuchtversuche gemacht werden.

Klarheit muß darüber herrschen, daß Tiere zu züchten immer bedeuten wird, am Lebendigen zu gestalten. Das setzt nicht allein Verstand und Wissen, sondern auch angeborenes Gefühl und Beurteilungsvermögen voraus. Man wird Erb- werte nie im letzten papiermäßig bestimmen und im voraus berechnen können. Ausschlag- gebend wird zunächst sein, daß ein klaresundauflangeSichtberechnetes Zuchtziel gestellt wird. Daß hinter den reinen Nutzungsei genschaften dabei die Form zurücktreten muß, ist klar und gerade heute von niemandem be- stritten. Trotzdem wird die Form in bestimmten Grenzen immer der äußere Ausdruck der wirt- schaftlichen Eigenschaften der Tiere und damit nicht ohne Bedeutung sein. Entscheidend ist, daß der Tierzüchter zähe und fest in seinen

Zielen ist, aber sich doch den wirtschaftlichen

Erfordernissen .einer Weiterentwicklung der na- türlichen und betriebswirtschaftlichen Grund-

lagen anpaßt. Er darf sich andererseits durch

Rückschläge nicht entmutigen lassen, die ihm Seuchen und Krankheiten in seinen Stall bringen und manchmal in kurzer Zeit die Arbeit von Jahren und Jahrzehnten vernichten, Vieles hat die Arbeit des Tierzüchters in der erhöhten Leistungsfähigkeit unserer Haustiere geschaffen. Das beweisen die Leistungen in der Kriegswirt- schaft, die um ein beträchtliches höher liegen als im Weltkriege. Trotzdem kann und muß noch mehr erreicht werden. Es geht dem Tier- züchter wie jedem deutschen Menschen. Sind ihm Aufgaben klar gestellt, so wird er um ihre Lösung ringen, mag er nun im Osten oder im Westen, im Norden oder im Süden unseres weiten Vaterlandes stehen.

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Bild Vorderseite: Vorlauben-

haus in Tiege, Kreis Groß- Werdet.

Noch heute wohnen in diesem

Haus die Nachkommen hollän-

discher Bauern, die einst die

Weichselniederung in fruchtbares Land verwandelten

Bild links: Ein Stuhl mit Flechtsitz und kunstvoll geschnitzter Rücken- lehne, ein schönes Beispiel der reichen Wohnkultur der hollän- dischen Bauern. Bild unten: Scheunentore auf einem alten Hof in Tiege. Bildrechts: Auch die Wirtschaftsgebäude dieser für die Jahrhunderte gebauten Höfe zeigen oft die Vorlaube

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Im Zuge der sogenannten zweiten Ostsiedlung, die im 16. Jahrhundert begann, kamen, wie schon während der großen mittelalterlichen Ostsiedlung, wiederum viele Niederländer nach dem Osten, um sich dort eine neue Heimat zu schaffen. Mittelpunkt der holländischen Einwanderung war die alte Hansestadt Danzig, wo die niederländischen Kaufleute im Artushof eine eigene Bank hatten. Die in der Entwässerungstechnik geübten holländischen Siedler verwandelten den Danziger Werder in fruchtbares Land. Vom Werder aus drangen die Siedler in der Niederung stromaufwärts, wo sie sich mehr und mehr mit anderen Siedlern aus den Gebieten Niederdeutschlands

vermischten. Von ihrer alten gediegenen Bauernkultur hat sich noch vieles bis in die Gegenwart erhalten

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Bild links: Ziehbrunnen auf einem Bauernhof bei Slonsk an der Weichsel, Kreis Hermannsbad. Die Ziehbrunnen sind im Wartheland üblich. Bild unten: Bauernhof in Slonsk an der Weichsel. Die auch auf dem oberen Bild zu erkennenden Flecht- zaune waren früher allgemein verbreitet

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FRIEDRICH WALTER:

Agrarstatistik

Statistik ist das Sichtbarmachen des Unübersehbaren

E” das Fernrohr hat uns ermöglicht, Tat- achen des Weltenraumes zu erkennen, die uns bis dahin unzugänglich und unbekannt waren. Durch das Mikroskop wurde eine un- geahnte Wunderwelt des Kleinen erschlossen. Mittels der Zeitlupe sind wir imstande, Einzel- heiten von Vorgängen zu studieren, die so rasch vor sich gehen, daß das Auge sie sonst nicht mehr genügend verfolgen kann. Und mittels Zeitraffer lassen sich Vorgänge, die sich über längere Zeiträume erstrecken, in allen Einzel- heiten beobachten und vergleichen. In ähnlicher Weise ist es erst durch statistische Beobachtun- gen möglich, Vorgänge und Zustände zu er- fassen, die der einzelne nicht zu erschauen und zu überblicken vermag, etwa weil ein Menschen- leben nicht ausreicht, um den Abschluß von bestimmten Vorgängen noch zu erleben, oder weil gleiche Vorgänge an vielen Orten zugleich zu erfassen sind oder weil die Einzelfeststellun- gen die Arbeitskraft eines einzelnen Menschen bei weitem übersteigen. Stalistik ist das Sicht- barmachen des Unübersehbaren. Mit dieser Auffassung der Statistik, die nicht unwesentlich von der bisher üblichen abweicht, ist zugleich die Grundlage für eine neue und andersgeartele Zielsetzung gewonnen.

Manches sieht ganz anders aus

Ein kleines Erlebnis beleuchtet das vielleicht am besten. Vor Jahren hatte ich gerade eine Karte über die Verbreitung der Zugkühe fertiggestellt und zeigte sie einem führenden Tierzuchtbeamten, einem erfahrenen Sachkenner des Gebietes, der beim Anblick der Karte in der ersten Aufwallung ausrief, das stimmt nicht. Nun lagen der Karte aber die eindeutig klaren und eingehenden amtlichen Unterlagen der Viehzählung zugrunde. Bei der weiteren Unter- haltung stellte sich dann auch heraus, daß sein etwas zu rasches Urteil abgeändert werden mußte, weil tatsächlich im Ravensberger Lande eine große Zahl Zugkühe vorhanden ist, zwar nicht in den Zuchtställen der größeren Betriebe,

im Umbruch

wohl aber bei den zahlreichen Heuerlingen, die aus Mangel an Arbeitspferden mit ihren Kühen die Arbeiten auf ihrem Lande verrichten. Die Statistik ermöglicht also das Erfassen auch des wenig Beachteten und des Unscheinbaren, das aber durch seine Häufung sehr wesentliche Aus- wirkungen haben kann.

Bei der statistischen Ermittlung tritt die exakte Feststellung an die Stelle der „Meinung“. Genügend klargeworden sind uns die verheerenden Folgen irriger Meinungen und unzulänglicher Erkenntnisse allmählich bei den Schwankungen der Mastschweinebestände. Der einzelne glaubte durchaus richtig zu han- deln, wenn er bei niedrigen Schweinepreisen die Schweinehaltung einschränkte und bei hohen Schweinepreisen immer mehr Läufer auf Mast stellte. Wie viele Bauern nun in gleicher Weise handelten, konnte der einzelne nicht wissen. Alle aber bekamen schließlich zu füh- len, daß sie in beiden Fällen wirtschaftlich falsch gehandelt hatten, weil sie bei steigenden und hohen Preisen zunächst nicht genügend Schweine zum Verkauf hatten und andererseits ihre aufgefüllten Bestände bei sinkenden und niedrigen Preisen abstoßen mußten. Erst die statistischen Untersuchungen über die Schwan- kungen der Schweinepreise und Schweine- bestände schufen genügende Klarheit über die Zusammenhänge.

Auffällig ist, auch für den kundigen Landwirt, daß die Kölner Bucht und. die Soester Börde, die beide als ausgesprochen gute Wei- zengebiete gelten können, doch zu den wich- tigen Roggenerzeugungsgebieten Deutschlands gehören und daß die Magdeburger Börde, das ausschlaggebende deutsche Zuckerrüben- gebiet, zu den wichtigen Kartoffelerzeugungs- gebieten Deutschlands gerechnet werden muß. Die an sich nicht außergewöhnlich großen An- bauflächen bringen infolge hoher Hektarerträge hohe Gesamternten. Diese Tatsachen konnten erst erkannt werden, seit de Verwendung der Dichtepunkte bei der kartographischen Darstellung ermöglicht, die wirklichen Ernte- mengen der einzelnen Gebiete wiederzugeben, während bis dahin nur die Anbauflächen (im

229

Abb.

Or. Friedr. Waller

Zuchtsauen

Jeder Punkt entspricht 100 Zuchtsaven (Dear 1930)

1. Die früher nicht BEN Darstellung von Zucht und Mast zeigt die wesentlichen Unterschiede in der landschalt-

lichen Verbreitung beider Formen

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X H Verhältnis zum Ackerland oder zur Getreide- fläche) oder die Erträge je SIACHENBIDAEN dar- gestellt wurden.

Die richtige Darstellung der wirklichen Zu- nahme bzw. des Rückgangs gestattet z. B. auch vertiefte Einblicke in die Entwicklung der Schweinehaltung. In den Jahren nach der Machtübernahme wurde viel von der Verlage- rung der Schweinehaltung nach dem Osten ge- sprochen. Die Darstellung der Zunahme im Verhältnis zum bisherigen Bestand schien diese Auffassung auch zu bestätigen. Sobald man aber die absolute Zunahme vergleicht, zeigt sich, daß die tatsächliche Zunahme etwa im Ravens- berger Land immer noch größer ist als die in Pommern. Die Schweinehaltung der Bergleute

und Ruhrarbeiter bewirkte durch ihr beträcht-.

liches wirtschaftliches Ausmaß, daß vor der Machtübernahme der Ferkelmarkt Altenessen bestimmend für die Preisbildung des deutschen Ferkelmarktes überhaupt war, obwohl im Ruhr- gebiet keine Zucht vorliegt. Erst die getrennte Darstellung der deutschen Schweinehaltung nach Zuchtsauen und Mastschweinen ließ die

eigenartigen Zusammenhänge und die örtlichen

Gegensätze klar erkennen. (Abb. 1 u. 2.)

230

Während des ersten Weltkrieges hatte man sich entschlossen, bei den Viehzählungen auch die Zahl der Zugkühe und der Zugochsen zu erfragen. Manch führender Landwirt und mancher Tierzüchter wird überrascht gewesen sein, daß die Zahl der Zugkühe in Deutschland auch noch 1925 etwa der Zahl der Arbeitspferde in der Landwirtschaft gleichkam.

Nach landläufiger Ansicht wird die Haupt- masse der landwirtschaftlichen Großbetriebe in Pommern und Ostpreußen gesucht. Daß die Großbetriebe sowohl nach Zahl wie nach Anteil an der Nutzfläche am stärksten in Mecklenburg vertreten sind und daß die Magdeburger Börde mehr Großbetriebe aufweist als weite Teile de! Mark Brandenburg und von Schlesien, ist durch- aus nicht ausreichend bekannt. (Abb. 3 u. 4.)

Solcher Beispiele gibt es noch viele.

Auch Statistik ist nicht immer auf dem rechten Wege

Mittelwerte sind bei Erntemengen be-

rechtigt, um bei den Schwankungen von Jahr zu

Jahr zu vergleichbaren Durchschnittszahlen zu gelangen. Mittelwerte der Pegelstände eines

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Dr Fried Walter

Mastschweine r alt

Jeder Punkt entspricht 200 Mastschweinen ( Dez 1930).

hat geringere Bedeutung als Mastgebiet als das von Heriord-Bielefeld

Flusses sind aber kaum brauchbar, weder für die Schiffahrt noch für Brückenbauer. Die Schiff-

fahrt kommt bei Niedrigwasser zum Erliegen,

und die Brückenbauer müssen wissen, welche Höchststände ein Hochwasser erreichen kann. Hier ist also die Kenntnis der Extreme entschei- dend. Die Jahresmilchleistung je Kuh ist uns heute ein fester Begriff geworden. Stalldurch- schnitte, also Mittelwerte, geben aber kein völ- lig einwandfreies Bild, wel aus ihnen nicht ersichtlich ist, ob der Bestand ausgeglichen ist

oder ob durch einzelne Tiere die sonst gute

Leistung herabgedrückt wird. Richtiger ist hier die gruppenweise Gliederung nach Leistung, besser noch eine geeignete graphische Darstel- lung. Mittelwerte stellen meist eine Vergröbe- rung dar, können ‚sogar Verschleierung oder Verfälschung bewirken. Sie sind Notbehelt. Daher ist die Forderung nach einer Loslösung vom Mittelwert berechtigt.

In ähnlicher Weise muß die Verhältnis- zahl kritisch betrachtet werden. Der Ernte- ertrag je Flächeneinheit, der Hektarertrag, ist ein brauchbares und berechtigtes Maß, um ört- liche und zeitliche Verschiedenheiten zu ver- gleichen. Streng genommen darf der Wert aber

nur für einen Schlag oder schließlich noch für einen Betrieb mit gleichartigen Verhältnissen gelten. Ohne weiteres leuchtet ein, daß An- gaben über den Alkoholverbrauch je Kopf der Bevölkerung kein wirklicher Maßstab sind, auch nicht für Vergleiche von Land zu Land. Es müßte bei Erwachsenen zwischen Enthaltsamen, Gelegenheitstrinkern und Gewohnheitstrinkern geschieden werden.

Nicht selten ist es überhaupt schwierig, eine geeignete Beziehungseinheit für Verhältnis- zahlen zu finden. Die Schweinehaltung hat bei starker Mast mit betriebsfremdem Futter oder bei Kleinhaltung keinerlei Beziehung zur Nutz- fläche des Betriebes oder zum Ackerland oder zum Großviehbestand, der dann oft fehlt. Ähn- lich ist es bei der Hühnerhaltung der Klein- betriebe, die auf Küchenabfälle und Futterzukauf angewiesen sind, oder bei Hühnerfarmen, ob- wohl in allen diesen Fällen recht erhebliche wirtschaftliche Bedeutung vorliegen kann. Auch

-Beziehungen zu der Bevölkerungszahl haben nur

sehr bedingten Wert und führen zu mancherlei Fehlschlüssen. i

Es liegen allerdings auch Fehlerquellen vor, die rein menschlich, psychologisch begründet

231

Abb. 2. Das Ruhrgebiet gehört zu den wichtigsten Schweinemastgebieten Deutschlands. Das Zuchtgebiet an der unteren Weser

Or. Frieder. Walter !

Landw. Großbetriebe von 200-500 ha

Jeder Punkt entspricht I Betrieb

Abb. 3. Die übliche Zusammenfassung aller landwirtschaitlichen Betriebe über 100 ha als Großbetriebe hat uns die Erkenatuis verbaut, daß die einzelnen Größengruppen örtlich recht verschieden verbreitet sind

sind. Daß die Ferkelzahlen bei Viehzählungen meist zu niedrig angegeben werden, wird damit begründet, daß man ja nicht wisse, wieviel von den Ferkeln am Leben bleiben. Daß aber selbst bei sonst verständigen Leuten recht törichte Auffassungen über den Zweck statistischer Er- hebungen auftreten, die zum statistischen „Massensterben” bei Geflügel führen können, det schon weniger erfreulich. Am seltsamsten aber ist wohl die bisher anscheinend überhaupt nicht beachtete Tatsache, daß es den Pferden ähnlich geht, wie es den Frauen gehen soll, daß sie mit zunehmendem Alter langsamer alt werden. Pferde z. B., die am 1. Dezember 1934 drei- bis vierjährig waren, müssen ein Jahr später vier- bis fünfjährig sein. Es zeigt sich aber, daß die Zahl der vier- bis fünfjährigen stets viel größer ist, obwohl keine nennens- werte Einfuhr stattgefunden hat und außerdem ein natürlicher Abgang durch Tod in Rechnung gestellt werden muß. Die Pferdehalter geben also auch einen Teil ihrer Pferde, die schon über fünf Jahre alt sind, noch als vier- bis fünfjährig an.

Wir müssen uns darüber Rechenschaft geben, welche Gesichtspunkte die Statistik klären soll.

7

232

Bei der Schweinehaltung z. B. wollen wir nicht nur über Zucht und Mast Aufschluß haben nach Umfang, örtlicher Lagerung und zeitlicher Schwankung. Wir wollen auch den jeweiligen Altersaufbau kennen, den Umfang von Schnell- mast oder Spätmast, ob Ferkelaufzucht am Ort erfolgt oder Ferkelverkauf oder Läuferverkaut, wollen Genaueres wissen über den Umtrieb bei Zuchtsauen und die Zahl der Würfe, über Zeit- punkt der Schlachtreife der Schweine, über ‚Alter und Gewicht beim Schlachten, über Um- fang und Formen der Schweinehaltung in den einzelnen Betriebsgrößen, bei gewerblicher Mast und bei der Kleinhaltung.

Bisher galt die „Massenbeobachtung” als eine wesentliche Aulgabe der Statistik. Das Aufgliedern der Einzelfälle in wirklich zusam- mengehörige Gruppen und das gleichzeitige Aus- sondern ungewöhnlich gelagerter Fälle gestattet im Gegensatz dazu einen besseren Einblick. Aber erst das eingehende Durchprüfen der Einzelfälle schafft volle Klarheit und läßt gleich- zeilig die Zusammenhänge erkennen. Das aber ist die Forderung, die an die Statistik der Zu- kunft gestellt werden muß, die organischen Zusammenhänge zu wahren und sichtbar zu

PAST aP AN

Or. Friede. Walter

Landw. Großbetriebe

von 300 - 1000 ha

Jeder Punkt entspricht I Betrieb

Abb. 4 Die Betriebe von 200 bis 500 ha häufen sich besonders in Mecklenburg und Vorpommern. Und Betriebe von

$00 bis 1000 ha sind in der Magdeburger Börde dichter gelagert als in Schlesien

machen. Es wird Zeit, daß die biologische Be- trachtungsweise einselzt.

Noch bleibt manches Geheimnis

Gewisse Tatsachen vermag nur die Statistik zu klären. Noch immer ist die Wettervorhersage mit einer Menge Unsicherheiten behaftet. Wir wissen noch wenig über die Abhängigkeit der Pflanzenentwicklung von der Wit- terung, so daß heute neben manchen durch- aus richtigen Beobachtungen auch noch eine ganze Menge abwegige Folgerungen über das Verhältnis von Mond und Pflanzen- wuchs im Volke vorhanden sind und Glauben finden. Noch ganz ungeklärt ist die Frage, ob irgendwelche Zusammenhänge zwischen Geburt und Tod und dem Auftreten der Gezeiten bestehen. Eine Aufgabe für die Statistik ist die Ermittlung, wieweit eine Größenzunahme bei der heutigen Ju- gend eintritt. Unzureichend geklärt ist weiter die Abwanderung vomLande, der Rück- gang der ländlichen Bevölkerung, die Frage, wieweit die ländlichen Handwerker, die früher wohl alle nebenher landwirtschaftlich tätig waren, heute sich beruflich umgestellt

haben. Wenig bekannt ist die Marktleistung

der Betriebe. Erst aus einer sorgfältigen

Marktbeobachtung heraus kann eine zuverläs- sige Marktvorhersage entwickelt werden, Auch

Lebenshaltungskosten des platten Landes, landwirtschaftliche Preise und Erzeu- gungskosten bedürfen weiterer Klärung. Uber die innere Verkehrslage der Betriebe und die Zahl und Größe der Grundstücke und Schläge liegen nur allgemeine Schilderungen vor. Überhaupt sind die Betriebsverhältnisse noch zu wenig und dann meist ohne inneren Zusammenhang bearbeitet, Erst durch eine stärkere Aufgliederung in engere Größenklassen bei gleichzeitigem Aussondern der ungewöhn- lich gelagerten Fälle lassen sich eingehendere und zutreffendere Erkenntnisse gewinnen.

Was wissen wir von fremden Ländern und ihrer landwirtschaftlichen Erzeugung? Bisher wurden von uns fast nur die statistischen An- gaben für die Staaten als Ganzes behandelt als Grundlage für Handelsvertragsverhandlungen. Die Wirtschaftsräume, ihre Lage und Möglich- keiten wurden kaum beachtet. Eigentlich hätte das Ausland längst eingehend und nach gleich- artigen Gesichtspunkten bearbeitet sein sollen.

š 233

Manches verhängnisvolle Fehlurteil wäre ver- mieden, manche wichtige Folgerung rechtzeitig gezogen worden. j

Wir können aber genau so fragen: Was wissen wir von unserm eigenen Land und Volk? Noch immer fehlen alle Ansätze zu einer Statistik der bodenständigen Bevölkerung in Stadt und Land und über ihre Seßhaftig- keit, über die Herkunftsgebiete der Ehegatten ‚(nicht Geburtsorte, die zufällig sein können), über Heiratsalter und über das Alter bei der Hofübergabe. Wir wissen nur Unzureichendes über das Alter unserer Bauern- häuser, obwohl aus den Unterlagen der Feuer- versicherungen ohne große Mühe bereits brauchbare Unterlagen gewonnen werden könn- ten. Die Größe der Hofstätten ist nicht nur betriebswirtschaftlich wichtig, sondern hat in ihrer geographischen Verbreitung auch Bedeu-

fung für siedlungsgeschichtliche Forschung.

Künftig wird es notwendig sein, bei. manchen Auswerlungen nach Stadt und Land zu trennen, um über bestimmte Erscheinungen besseren Auf- schlug zu erlangen. Man wird sich auch ent- schließen müssen, scheinbar abseits liegende Fragen aufzugreifen, wie etwa die Entfernung zu Arzt und Hebamme auf dem Lande, um auch über solche wirklich lebenswichltigen Fragen nicht lediglich gefühlsmäßige und unsichere Urteile zu besitzen. Eine Fülle vielgestaltiger Aufgaben liegt demnach noch vor uns.

Künftige Ausgestaltung und Zielsetzung

Es hat bei der amtlichen Statistik lange ge- dauert, bis neben den Fragen der staatlichen

Verwaltung auch Gesichtspunkte der Wirtschaft

und der Wissenschaft sich Geltung verschaffen

‚konnten. Und noch immer laufen manche Dinge,

so wie die geschichtliche Entwicklung sie all- mählich brachte, nebeneinander her. Die Viehzählungen, die Erhebungen der Fleischbeschau und die Schlachtvieh- statistik sind noch nicht aufeinander abge- stimmt, so daß manche wesentlichen Lücken in unseren Erkenntnismöglichkeiten noch klaf- ten. Wir werden eines Tages darangehen müssen, alle die vielen verschiedenartigen Fragestellungen und Aufgaben mit Rücksicht auf die Bedürfnisse sowohl der Führung wie der Praxis und der Wissenschaft von höherer Warte her zu ordnen und die Voraussetzungen für eine genügende Vergleichbarkeit nicht bloß für enge Gebiete, sondern für möglichst große Räume zu sichern. Außerdem wird es notwendig werden, die Stellen, die sich mit Statistik befassen, den künftigen Arbeitszielen entsprechend organisch aufzubauen, Heute haftet ihnen noch mancherlei von dem Erbe aus der Zeit der Kleinstaaterei aa.

224

Künftig wird ein Statistisches Reichsamt kaum mehr alle statistische Kleinarbeit für den ge- samten .großdeutschen Raum zentral verrichten können. Entsprechend der politischen Gliede- rung werden, wie es bereits vereinzelt ge- schehen, Statistische Amter der Reichsgaue einen Teil der Aufgaben übernehmen müssen, die besser in örtlicher Arbeitsteilung erledigt werden. Dazu gehört ein wesentlicher Teil der Agrarstatistik. Die gesamte Aufbereitung kann ohne weiteres und auch rascher in den Gau- ämtern durchgeführt werden. Es wird aber künftig notwendig sein, wesentliche Teile der

Einzelauswertung überhaupt von den Sta-

tistischen Amtern gbzutrennen, denn Statistik ist ja nicht Selbstzweck. Die wesentliche Auf- gabe der Statistischen Amter ist die Ermittlung und Aufbereitung der Unterlagen. Dazu sind Erfahrungen und besondere technische Kennt- nisse und Einrichtungen erforderlich. Ganz andere, und zwar fachliche Kenntnisse sind aber notwendig für die Auswertung.

Für die Führung des Staates und Volkes muß die Auswertung bei den Spitzenstellen liegen, also beim Statistischen Reichsamt und bei den Fachministerien. Für die Landesverwaltung und für örtliche Fragen wird die Auswertung aber besser den örtlichen Stellen, etwa Sta- tis ischen Gauämtern, überlassen, und die Aus- wertung nach fachlichen Gesichtspunkten wird künftig weit mehr als, bisher die Aufgabe von besonderen Stellen oder wissenschaftlichen In- stituten sein müssen, weil nur dort alle die fach- lichen Grundlagen und das wissenschaftliche Rüstzeug zur Verfügung stehen, die für eine grundlegende Bearbeitung und Forschung not- wendig sind. So können die statistischen Unter- lagen wirklich lebendig gemacht werden und der Erkenntnis dienen.

Während früher die Statistik im wesentlichen die jeweiligen Zustände zu erfassen suchte, werden heute die Vorgänge, die Wandlungen und Verlagerungen stärker in den Vordergrund gerückt. Die treibenden Kräfte, die verschie denen Einflüsse nach Art, Richtung und Ausmaß und ihre Auswirkungen sind zu verfolgen. Aller

dings sind wir da noch stark in den Anfängen. Kaum noch angefaßt sind die Fragen der Zu-

sammenhänge, der Rückwirkungen und Ver flechtungen. Vielfach lassen sich diese mit den bisherigen Unterlagen und Methoden überhaupt nicht klären. Es müssen also entschlossen andere Wege gesucht werden.

Es ist nicht die Aufgabe der amtlichen Sta- tistik, eine riesige Menge von Zahlenangaben In den „Zahlenfriedhöfen” der Tabellenbände zu friedliichem Schlummer zusammenzustellen, som dern das Nutzbarmachen der Ergebnisse

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der statistischen Erhebungen muß oberstes Gesetz sein. Mit der Wiedergabe einiger Endzahlen und mit allgemeinen Erläute-

rungen ob knapp oder ausführlicher ist es.

nicht getan. Von dem Sachkenner, der die Bearbeitung vornimmt, wird erwartet, daß er alles Kennzeichnende eindeutig und eindringlich herausstellt. Man ist bisher gewissermaßen auf halbem Wege stehengeblieben, hat sich mit dem Ermitteln der Zahlen begnügt und sie ledig- lich durch andere Zahlen miteinander zu ver- gleichen versucht. Dabei stehen durch die gra- phischen und kartographischen Darstellungen Wege offen, die weitgehende Möglichkeiten bieten und die heute bei weitem noch nicht aus- reichend erkannt, geschweige denn erschöpfend genutzt worden sind.

Zuweilen trifft man auch auf unzulängliche graphische oder kartographische Darstellungen.

Es muß selbstverständlich gefordert werden, daß

nicht nur der Text, sondern auch die bildlichen Darstellungen sachlich einwandfrei sind. Um das schaffen zu können, ist allerdings eine ein- gehende Vertrautheit mit den Formen und Mög- lichkeiten der Darstellung und eine genügende technische Sachkenntnis nötig, und zwar nicht nur beim Zeichner, sondern auch beim Bearbei- ter. Es geht auch nicht an, die Wahl der Dar- stellungsweise einfach dem Techniker zu über- lassen. |

Eine graphische oder eine kartogra- phische Darstellung ist der knappestie Ausdruck einer Vielheit von Tat- sachen. Sie soll rasch und sinnfällig ein zu- verlässiges und klares Bild lielern, das die Tat- sachen eingehend und vollständig genug wieder- gibt. Darin kann zusammengefaßt werden, was bei einer Beschreibung viele Seiten Text erfor- dern würde. Grobe Darstellungen sind nur in wenigen Fällen zulässig, etwa bei eiligen Be- richten über vorläufige Ergebnisse. Denn es würde ja ein nicht zu rechtfertigender Wider- spruch darin liegen, wenn Material erst in ein- gehender Weise mühsam erfaßt und aufbereitet würde, um dann stark vergröbert dargeboten zu werden. Eine Vergröberung ist auch nicht etwa notwendig, um der Klarheit oder Deutlichkeit willen, denn man kann auch anders als durch Grobheit deutlich werden. Allerdings ist eine grob schematische Darstellung viel bequemer und sie läßt Hintertürchen offen.

Bei den Darstellungen, die bisher zu große und dadurch zu uneinheitliche Verwaltungs- gebiete zugrunde legten, entstand ungewollt jene Vieldeutigkeit, die zu schwer kontrollier- baren Fehlschlüssen führt und die ihrerseits dazu

beiträgt, das Vertrauen zur Statistik überhaupt-

zu erschüttern. Regierungsbezirke als Gebiets-

einheit müssen fast durchweg als ungeeignet für kartographische Darstellungen abgelehnt wer- den. Selbst bei Kreisen als Gebietseinheit ergeben sich bei der Auswertung noch erheb- liche Fehlerquellen (vgl. Abb. 5 u. 6). Der Kreis Bielefeld besteht etwa zur Hälfte aus Weizen- boden nördlich des Teutoburger Waldes und zur anderen Hälfte aus dem armen Sandboden der Senne. Zum Kreis Sangerhausen gehört außer dem Anteil am hochgelegenen und waldreichen Südharz ein Teil der Goldenen Aue mit hoch- ertragreichem Zuckerrübenboden. Durchschnitts- werte solcher Kreise können kein klares Bild vermitteln, weder für den einen noch für den anderen Teil der Raumes. Nur wenn eine Be- arbeitung nach Gemeinden erfolgt, läßt sich die Verbreitung der verschiedenen Tatsachen klar und einwandfrei genug erkennen. Deshalb muß immer wieder die Forderung erhoben werden, daß die kleinstmöglichen Einheiten als Grund- lage für Erfassung, Aufbereitung und Darstellung verwendet werden.

Die Agrarslalistik braucht eigene Methoden. Auf keinem anderen Gebiete statistischer Be- tätigung ist es notwendig, so eingehend die örtlichen Unterschiede zu erfassen. Dement- sprechend hat die Agrarstatistik vorzugsweise die geographische Arbeitsweise und insbeson- dere die kartographische Darstellung notwendig. Die Agrarstatistik bedarf genauer flächentreuer Karten, die für die einzelnen Großräume selbst heute noch nicht in einwandfreier und vergleich- barer Form vorliegen. Sie hat geeignete Karten mit genauen Verwallungsgrenzen nötig, die wieder mit den lopographischen Karten, den Boden-, Vegelations- und Klimakarten derselben Räume vergleichbar sind. Alle diese Grundlagen fehlen noch weitgehend oder sind, wo sie vor- liegen, nicht einheitlich, weichen in Maßstab und Ausführung voneinander ab. Karten mit Ge- meindegrenzen mußten bisher vielfach erst mühsam geschaffen werden, um eine kartogra- phische Darstellung statistischer Tatsachen überhaupt durchführen zu können. Eine geogra- phisch eingestellte agrarstatistische Forschung konnte daher, weil ihr die wichtigsten Voraus- setzungen fehlten, bisher nicht umfassend vor- gehen oder irgendwelche Fragen erschöpfend

behandeln. Oft war es nur möglich, Fragen zu

bearbeiten, für die gerade stalistische und karto- graphische Unterlagen zugleich vorhanden wa- ren, während andere und wichtigere mangels Unterlagen der einen oder anderen Art zurück- gestellt werden mußten. Dringend notwendig ist aber auch, daß der Forschung durch die Sta- tistischen Amter die Ergebnisse der Erhebungen in einer geeigneten Form zugänglich gemacht und daß die Art der Aufbereitung und die Glie- derung der Tabellen auf den besonderen Aus- werlungszweck zugeschnitten werden.

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Abb. 5. Die übliche Darstellung nach Kreisen vermag die tatsächliche örtliche Verbreitung der einzelnen Erscheinungen nicht genügend klar wiederzugeben

Die agrarstatistische Forschung muß sich einmal als landwirtschaftliche Raumforschung entwickeln, also die Stand- orttragen der Landwirtschaft und ihre Voraussetzungen behandeln. Sie muß aber auch den zeitlichen Gang des Geschehens verfolgen, etwa die Schwankungen der Ernten, der Preise oder der Verhältnisse des Arbeitsmarktes. Wäh- rend für die Bearbeitung der Fragen der Raum- forschung außer den statistischen und landwirt- schaftlichen Fachkenntnissen eine eingehende naturwissenschaftliche, geographische und kar- tographische Schulung und Erfahrung erforder- lich Ist, muß bei der anderen Zielsetzung vor- zugsweise eine volkswirtschaftliche und wirt- schaftsgeschichtliche Schulung vorausgesetzt werden.

In anderer Hinsicht werden sich bei der land- wirtschaftlichen Statistik mehr und mehr zwei unterschiedliche Einstellungen herausbilden müssen, eine agrarwirtschaftlich und eine betriebswirtschaftlich ausgerichtete,

Die Agrarwirtschaft betrachtet die Landwirt-

236

schaft von der Gesamtwirtschaft her als deren Teil und die Wechselwirkungen mit ihr. Die agrarwirtschaftliche Statistik wird ihre Unter- lagen im wesentlichen durch statistische Erhe- bungen gewinnen und ihre Ergebnisse für die

‘politische Führung, die Landesverwaltung und

die wirtschaftliche Lenkung auswerten. Die betriebswirtschaftlich eingestellte Statistik, die man als Einzelbetriebsstatistik oder als Hof-

‚statistik bezeichnen kann, baut in der Haupt-

sache auf Buchführungsunterlagen und Einzel- beobachtungen auf und ist bestrebt, ihre Ergeb- nisse für die Leitung von Einzelbetrieben und für die Wirtschaftsberatung nutzbar zu machen. Es genügt dabei allerdings nicht, nur wenige Auswahlbetriebe zu verfolgen, sondern die Hof-

| statistik muß auf möglichst breiter Grundlage

durchgeführt werden, um nicht falschen Ver allgemeinerungen zu erliegen.

WowirimBegriff sind, uns auf großräumigeres Denken umzustellen, ist es auch erforderlich, die statistischen Erhebungen der einzelnen Länder und die Einzelheiten der Tabellen ooch weit

Winterweizen

Anteil des Winterweizenanbaus amAckerland 1913 nach Gemeinden

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Von Too ha Ackerland wurden y ; Sa, ei i mil Winterweizen betau?

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Abb. 6. Erst die Bearbeitung der gleichen statistischen Unterlagen nach möglichst kleinen Verwaltungs- einheiten (bei Westialen etwa 3000 Gemeinden) ergibt ein einwandfrei zutreflendes Bild

mehr aufeinander abzustimmen als dies durch ‚die Arbeiten des Internationalen Landwirt- schafts-Instituts Rom bisher geschehen ist. Durch die Anwendung der statistischen For- schungsmethode von fachkundiger Seite werden Lücken der Erfassung und ungünstige Gliede- Zungen der Tabellen erkannt, und damit können Erhebung und Aufbereitung überprüft und ver- feinert werden. Bei alledem darf aber nicht unbeschtet bleiben, daß die statistische For- schungsmethode nicht die einzige bleiben darf, um zu einwandfreien Erkenntnissen zu gelangen, sondern daß Sich Einzelbeobachtungen und Er- kundungen anderer Art planvoll anfügen müs- sen. Die zahlenmäßige Feststellung ist eben nur ein Teil der Erkenntnismöglichkeiten neben der Feststellung von Art, Wesen, Form und orga- nischem Zusammenhang.

Die Statistik hat ihr Ziel nicht schon erreicht, wenn sie fein säuberlich den augenblicklichen Zusiand erkannt und dargelegt, gewissermaßen einen Buchführungsabschluß geliefert hat. Die Bedeutung statistischer Forschung

liegt darin, daß aus der Kenntnis des Heutigen oder des Früheren Rückschlüsse auf Künftiges möglich sind. Es bedarf ein solches Vorgehen zwar ähnlich grundlegender Sachkenntnis wie die Diagnose eines verantwortungsbewußten und tüchtigen Arztes. Vorausschauende Maßnahmen, rechtzeitige und ausreichende Vorsorge für künftige Entwicklungen können jedoch durch- aus zuverlässig aus ‚genügend sorgfältigen Er- kenntnissen statistischer Forschung abgeleitet werden.

So gewinnen scheinbar abseits liegende Unter- suchungen weittragende Bedeutung für die Staatsführung, aber auch für die Planung, Len- kung und Beratung im großen wie im einzelnen. Die eine Entwicklung kann rechtzeitig abge- bremst, die andere gesteigert oder umgestellt werden. Durch das Vertiefen unserer Erkennt- nisse der örtlichen Verschiedenheiten, ihfer Ur- sachen und Auswirkungen und durch das Er- kennen der Zusammenhänge lassen sich die testen, gesicherten Grundlagen für den weiteren Ausbau einer gesunden Agrarpolitik schaffen.

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Das wehrhalte bel

E: ist ein ebenso hartnäckig wie weit ver- breiteter Irrtum, daß sich die deutsche Stadt der Vergangenheit vom Dorf vor allem gerade durch das Vorhandensein von Wehranlagen unterscheidet. Auf den ersten Blick hin, der nur die Festungen der Neuzeit und als ihre Vorläufer die mächtigen Mauerringe und Türme unserer alten Städte ins Auge faßt, will es allerdings so scheinen, daß Wehranlagen ein Merkmal städtischer Siedlungen sind. Wir finden auf der anderen Seite zwar nur selten schriftliche Nachrichten über das wehrhafte Dorf, wer aber aufmerksam durch die deut- schen Landschaften wandert, stößt überall in Dörfern und Fluren auf die Zeugen des bäuer-

lichen Wehrwillens. Sie sind älter als manche

Mauern und Türme und entstanden schon, bevor unsere Vorfahren in städtischen Gemein- wesen lebten.

Der bäuerliche Mensch hätte bereits in der Frühzeit das Bedürfnis, seine Familie, seinen Besitz und seinen Acker zu schützen, indem er einmal seinen Wohnsitz auf einer von Natur aus besonders geschützten Stelle er- richtete oder sich an schwer zugänglichen Plätzen eine besondere Zufluchtsstätte für Augenblicke der Gefahr schuf. Die durch die

Natur gebotene Befestigung solcher gesicherter

Plätze wurde bald durch Menschenhand ver- stärkt. Schon in sehr früher Zeit wurden Wehr- anlagen aus Erde und Holz hergestellt und Zäune oder Palisaden aus nach oben zuge- spitzten Holzplanken hinderten jeden Eindring- ling empfindlich. Bergkuppen mit Steilhängen, vorspringende Hochflächen, die nur einen schmalen Zugang boten, durch Wasser oder Sumpf gesicherte Halbinseln waren ebenso ge- eignet wie die Verstecke in dichten Waldungen. Befand sich beispielsweise der Wohnsitz oder der Zufluchtsort auf einer natürlichen oder ge- rodeten Waldblöße, dann war es lediglich nötig, die Zwischenräume zwischen den an der Peripherie stehengebliebenen Bäumen auszu- füllen, was etwa dadurch geschah, daß man die seitlichen Zweige der Bäume herunterzog, knickte und miteinander verflocht. Die Eibe, die Eiche und die Hainbuche waren hier beson- ders geeignet. Um die Zweigbildung am unteren Stamm zu fördern, wurden die Bäume in der jeweils fassenden Höhe gekappt. So entstand ein sogenannter „Knick“, zuweilen auch Ge-

238

bück, Hain oder Hag genannt. In die im Ge- Zweig noch vorhandenen Zwischenräume wur- den dann Dornen- oder Brombeersträucher ein- gepflanzt. Auch der Haselstrauch, der Schwarz- oder Weißdorn bildeten mit ihrem Strauchwerk eine Füllung. Die Bedeutung der Rosenhecke als Schutz verdeutlicht uns das alte Märchen vom Dornröschen,

Die vollkommenere Form des Schutzes für die Dorfbewohner stellen bereits in der Früh- zeit der mit einer Hecke gekrönte Wall und der Graben dar. Der Wall umzog nötigenfalls als „Ringwall' den ganzen Wohn- oder Zu- fluchtsplatz oder er sperrte ihn als „Ab- schnittswall” an der Stelle ab, die am leichtesten zugänglich war. Auf diese Weise entwickelten sich die Wallburgen, von denen wir Spuren überall im alten germanisch- deutschen Siedlungsraum finden,

Wenn die Wallburgen wegen ihrer abseitigen Lage auch wohl nicht ständige Wohnungen ge- wesen sind, so dienten sie doch als Zufluchts- orte, in denen Menschen, Tiere und Vorräte geborgen werden konnten, weshalb sie auch die Bezeichnung „Burg“ führen. Die Bedeutung, die sie noch zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges hatten, lernen wir aus der anschau- lichen Schilderung im „Werwolf“ von Hermann Löns kennen. Ein Teil solcher Wallburgen war, auch wenn sie nicht in unmittelbarer Nähe von Siedlungen liegen, zu allen Zeiten bis zur Gegenwart hin Versammlungsort bei Beratun- gen und Gerichtsverhandlungen, und noch heute lodern zuweilen Oster- und Johannisfeuer auf solchen Stellen.

Schon hieraus schließen wir, und zahlreiche Bodenfunde erhärten diese -Ansicht, daß hier in vorchristlicher Zeit zugleich die Kult- stätte für die dazugehörige Gemeinde lag. Besonders große und weitläufige Anlagen, in deren Mitte sich ein bedeutendes vorchrist- liches Heiligtum, denken wir etwa an die Irminsul, die Externsteine oder die Queste, be- fand, lassen vermuten, daß sie einer ganzen Reihe von Dörfern, etwa einer Markgenossen- schaft, dienten.

In diesen Volksburgen beobachten wir, soweit sie noch erkennbar oder zu rekonstru- ieren sind, Gräben als breite, bis zu drei Meter tiefe Mulden. Auch die Wälle end erstaunlich

dick, In einem Falle wurden 17 Meter ge- messen. Hier, in der „Pippinsburg” bei Geeste- münde bestand der Wall anscheinend aus zwei Etagen. Die äußere, niedrigere stieß bis an den Graben vór; die innere erhob sich etwa acht Meter über das Gelände. Im Innenraum zog sich anscheinend ein Kranz von Hütten am Wall entlang, ähnlich wie wir es später bei den befestigten Kirchenburgen beobachten können.

Solche Volks- und Wallburgen hatten bis zur Zeit der Merowinger eine besondere Bedeutung für die Landesverteidigung. Karl der Große ließ dann aber einen Teil der Anlagen im Osten seines Reiches, aus denen heraus die Sachsen ihren Widerstand geleistet hatten, zerstören. Erst Heinrich I. veranlaßte dann im durch die Einbrüche der Slawen 'und vor allem der Un- garn gefährdeten Grenzgebiet eine Neubefesti- gung dieser alten Volksburgen zum Schutze der Bevölkerung. Er kann hier also mit mehr Recht der „Burgenerneuerer“ als der „Burgen- dauer“ genannt werden. Seine Wehranlagen dienten nach wie vor der Sicherheit der bäuer- lichen Bevölkerung, die ausschließlich in Einzelhöfen, Weilern oder Dörfern wohnte,

Kaiser Heinrich IV, ist später in Mittel- deutschland dem Beispiel Heinrichs I. gefolgt und hat wiederum die vorhandenen Volks- und Wallburgen, in deren Nähe sich häufig Königs- gut befand, neu befestigen lassen. Diesmäl galt es aber nicht die Bevölkerung vor dem äußeren Feind zu schützen, sondern den königlichen Besitz vor seinen inneren Feinden im Sachsen- land. Hier vollzog sich, wie auch an anderer Stelle, die Verengung von der Volks-

burg zur späteren Ritterburg. Diese

erscheint nun als eine durch die Maurerkunst bewirkte Fortentwicklung der alten Wallburg.

Inzwischen waren in vielen anderen Wall- burgen an Stelle der germanischen Kultstätten längst christliche Kirchen oder Klöster ge- ieten. Schon der bekannte Papst Gregor I.

empfahl die Umwandlung heidnischer Heilig- tümer in christliche, „weil die Neubekehrten

bekanntermaßen gern die Stätten ihrer alten Heiligtümer aufsuchten“. Deshalb war für die Wahl des Kirchplatzes ebenso wie auf der

anderen Seite für die Wahl des Burgplatzes oft

das Vorhandensein, einer frühgeschichtlichen Wallburg bestimmend. Wir finden häufig abge- legene Einödkirchen, Wallfahrtskapellen und Klöster dort, wo sich vordem eine Volksburg befand. Auch wurde zumeist in den alten Wall- Burgen in der Nähe der Siedlungen die Dorf-

kirche errichtet und dabei zugleich viele der

alten Wehranlagen beibehalten.

Man spricht in der Gegenwart viel von den Siebenbürger Kirchenburgen und glaubt oft, sie seien eine Besonderheit des Deutschtums in Südosteuropa. Hier haben die Kirchenbur- gen zwar eine bedeutendere Rolle gespielt als die befestigten Städte, die Siebenbürger

Sachsen übernahmen aber die ihnen schon in ihrer Heimat bekannte Art der Kirchenbefesti- gung in den neugewonnenen Siedlungsraum und entwickelten sie hier zu besonders mar- kanten Formen. Die bekannten Kirchenburgen Siebenbürgens haben bescheidenere Vorläufer in vielen süddeutschen und westdeutschen Landschaften.

Die mittelalterlichen deutschen Kirchen- befestigungen haben außer dem Platz auch vielfach Form- und Rechtsverhältnisse mit den alten Volksburgen gemeinsam. Beim Bau der Dorfkirche selbst wurde mit voller Absicht’ die wehrhafte Anlage beibehalten oder wiederher- gestellt, Sie ist häufig mit allem Zubehör da- maliger Befestigungskunst ausgestattet, so daß wir sie fast als die Dorfburg oder die Zitadelle im Dorf ansprechen können. Die Kirche war zunächst das einzige massive Gebäude im Dorf und wurde bald noch durch die Errichtung des Kirchturmes verstärkt.

Die Ursache für den Kirchturmbau war nicht, wie man zuweilen von der heutigen Be- stimmung aus gesehen glaubt, die Glocke, son- dern vielmehr die Sicherheit des Dorfes und seiner Bewohner. Der St. Galler Plan bezeichnet um das Jahr 820 die beiden Kirchtüfme aus- drücklich als Wachtürme (ad universa superinspicienda). Die Stellung des Kirchturms, der in der Regel den wichtigsten Teil des dörf- lichen Verteidigungswerkes bildete, wurde nach ähnlichen Gesichtspunkten gewählt, wie für den Berchfrit einer: Burg. Deshalb finden wir auch viele alte Türme frei geben der Kirche stehen, konnten sie doch so die Aufgabe eines Berch- frits besonders vorteilhaft ausüben. In anderen Fällen war der Turm nur vom Dachboden des Kirchenschiffs aus zugänglich, Fast alle alten Türme haben zumindest hohe Einstiegstüren und sind nur durch außen an dem Turm ange- legte Leitern oder Holztreppen zu erreichen.

Die Lichtschlitze sind sehr schmal und haben

meist die Form von Schießscharten. Der Turm war immer die letzte Rettung, wenn sich die übrige Anlage in feindlicher Hand befand. Es kann deshalb nicht auffallen, daß die Stein- treppen zu den Turmobergeschossen recht schmal sind. Die Verfolger sollten immer nur einzeln nacheinander den Turm besteigen können.

Noch im Dreißigjährigen Krieg haben wehr- hafte Dorfkirchen den Bauern vielfach Schutz gewährt, Es war indessen höchst selten, daß die Kirche selbst im Brennpunkt der Kämpfe stand, denn der sie umgebende befestigte Fried- hof hielt die Gegner in den meisten Fällen ab. Der Dorffriedhof an der Stelle der alten Wallburg war nach der Ableitung des Wortes „Friedhof“ aus dem Mittelhochdeutschen „vride = einfrieden“ auch stets umfriedet. Er hatte nicht nur die Aufgabe des Begräbnisplatzes der Dorfgemeinschaft, sondern hier wurde auch oft noch aus vorchristlicher Zeit her das Gericht

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abgehalten. Alte, das Dorfbild beherrschende Linden oder Eichen geben davon zuweilen noch bis heute Zeugnis.

Als befestigter Platz gewinnt der Kirchhof für das Dorf besondere Bedeutung. Er war die Zufluchtstätte oder besser gesagt der Verteidi- gungsort der Bauern und ihrer beweglichen Habe, wenn das eigentliche Dorf aufgegeben werden mußte. Gerade er wird häufig in mittel- alterlichen Urkunden und Chroniken gewisser- maßen als Zitadelle (quasi castrum) be- zeichnet. Der Wert der Kirchenbefestigung für de Verteidigung war naturgemäß sehr ver- schieden, je nach Stärke, Ausbau und Umfang der Anlage. Hier wurden alle Verteidigungs- möglichkeiten ausgenutzt. An die Stelle des Erdwalls trat später die Steinmauer. Ihr Zug richtete sich meist nach dem Gelände, bei hügligem Relief finden wir runde oder ovale Formen, in der Ebene nach Art der Wasser- burgen mehr oder weniger regelmäßige Vier- ecke. Der Eingang zum Kirchhof war beispiels- weise in Württemberg zuweilen durch Türme gesichert. Auch Schießscharten finden sich in der Kirchhofsmauer.

An der Innenseite der bewehrten Kirchhofs- mauer ist ein Kranz von zweigeschossigen „heiligen Scheunen“ oder „Gaden“ angebracht. Das sind Vorratsräume, die den Dorfbewohnern familienweise zum Aufbewah- ren von. Nahrungsmitteln und Wertsachen und zum Unterstellen des Viehs für Notzeiten oder Kriegsfälle zugeteilt waren. Die „Gaden“ blieben zumeist während des ganzen Jahres mit Ge- treide gefüllt. Welch eine Menge von Vor- räten und Vieh hier untergebracht war, erkennen wir, wenn wir hören, daß im Jahre 1449 aus dem Kirchhof von Offenhausen (Franken) nach Abschluß der Belagerung 57 vollgeladene Wagen und 300 Stück Vieh erbeutet wurden.

Im 15. Jahrhundert wurden auch Wehr- gänge um die Kirchhofsmauer angelegt, so daß diese gewiß ein vollkommenes, wenn auch viel kleineres Ebenbild der bekannten Wehr- gänge auf Stadtmauern, wie sie z.B. in Nürn- berg oder Rothenburg erhalten sind, darstellen.

In solchen Wehranlagen um die Dorfkirche, die wir vor allem in fruchtbaren Gebieten und in der Nähe von Straßen- finden, konnten sich die Dorfbewohner zwar nicht lange gegen die Angriffe eines mächtigen Feindes halten, doch waren diese Befestigungen ein wichtiger Schutz bei Uberfällen kleinerer Gruppen. Die Eigen- art mittelalterlicher Fehden lag ja auch in einer möglichst ‘schnellen Plünderung des Feindgebietes, bei der man sich nur selten mit einer längeren Belagerung abgeben konnte. Deshalb finden zahllose Fehden dieser Zeit auf dem befestigten Dorffriedhof ihren vorläufigen Abschluß.

Auf dem Friedhof eines hessischen Dorfes spielt sich, fast ist man geneigt zu sagen er- staunlicherweise, der Endkampf in der Fehde zweier Äbte bedeutender Klöster ab. Der

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Belagerte kann sich hier so lange verteidigen, bis,er entsetzt wird. Im Jahre 1460 stand der Kirchhof von Dörrenbach bei Bergzabern im Mittelpunkt von Kämpfen. Er war „vest und stark von guten mauren und :woll verboll- werket; und waren darin uf 130 gebauwern aus dem Dorfe“. Dazu sei noch an ein bedeu- tendes Beispiel aus der Neuzeit, die Schlacht von Hochkirch vom Jahre 1758, erinnert.

Inzwischen hatten die Wehranlagen um die Dorfkirche ihre Bedeutung für den Schutz und die Verteidigung der Dorfgemeinschaft ver- loren. Die kirchlichen Organe sahen den Aus- bau der Befestigungen im Laufe der Zeit mit wachsendem Unwillen und deshalb wandte sich mancher Synodalbeschluß dagegen. Auch die Landesfürsten schritten häufig ein, obgleich die ganze Anlage lediglich defensiven Cha- rakter trug. Diese Tatsache muß auch der Kaiser Friedrich III. unterstreichen, als er im Jahre 1472 in der Blütezeit des Fehdeunwesens bestimmt: „item es solln kirchen, kirchhöfe und wydemhöfe auch sicher sein ond daraus nit genommen werden dhein weer daraus ge- scheheen, doch ob yeman die . . darin weren (wären) sich onderstunde zu stürmen oder notte, so möchte man sich daraus weeren.“ Trotzdem konnte die Wehranlage um die Kirche im allge- meinen innerhalb des geschlossenen deutschen Siedlungsraumes mit der Entwicklung der Feuerwaffen wie überhaupt der Technik nicht standhalten. Lediglich in den Gebieten eines regen Volkstumskampfes im Südosten hat die Kirchenburg auch bis in die Neuzeit eine be- deutende Rolle gespielt. Diese Festungen des Deutschtums haben gerade im Burgenland und in Siebenbürgen den Türkenstürmen oft und erfolgreich Widerstand geleistet.

Vor der Kirche und dem befestigten Kirch- hof lag meist eine andere Verteidi- gungslinie, die um das Dorf selbst ge- zogen war. Ursprünglich zur Zeit einer spär- lichen Besiedlung hatte jeder Einzelhof sein Besitztum mit einem Schutzwall oder einer lebenden Hecke umgeben. Solche Umwehrun- gen sind schon aus frühgeschichtlicher Zeit bekannt. Später wurden, wenn die Gehöfte dicht beieinanderlagen, der Weiler oder das Dorf von einer gemeinsamen Hecke, hier viel- fach auch Hagen genannt, umzogen. Bei der umfassenden Befestigung einer Siedlung kam es darauf an, ihren Umfang möglichst klein zu gestalten, dabei aber doch eine größere Fläche einzuschließen. Diese Bedingung erfüllt der Kreis am idealsten. Deshalb überwiegen bei den befestigten Dörfern die Formen des Rund- dorfes, das an sich mit dem slawischen Rundling nur die Tatsache gemein hat, daß hier wie dort die Kreisform als die am leichtesten zu verteidigende gewählt wurde. Das spätere Wachsen des Ortes und bauliche Verände- rungen im Laufe der Jahrhunderte machen es oft nicht leicht, noch heute den rundlichen Dorfkern zu erkennen.

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Bild Vorderseite; Wehr kirche in Nordtirol. Bild links: Armbrustschießen der männlichen Dorfjugend. Im Hin- tergrund ein Stück der Dor- befestigung. Miniatur aus einer Chronik des 16. Jahrhunderts. Bild unten: Errichtung eines Palisadenzaunes. Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert

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Bild rechts: Einbeziehung einer länd— lichen Siedlung in die Burgbefestigungen

Bild links: Die Feldfrucht- kammern an der Innenseite der Verteidigungsmauer der Kir- chenburg Tartlau in Sieben- bürgen. Bild unten: Modell eines Runddorfes. Diese Dorf- anlagen waren besonders für die Verteidigung geeignet

Bild links: Alter Wehrturm als Rest einer Dorfbefestigung in einem Dorf des Gaues Nieder- donau. Bild unten: De Kirchenburg bei St. Wolfgang bei Grades im Metnitztal. Gotische: Bau aus dem 15. Jahrhundert Bild rechts: Die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch in Sieben bürgen

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Bild oben: Die Bauernburg Reps in Siebenbürgen, Bild links: Torturm einer ehemaligen Kirchenburg bei Ingweiler im Unterelsaß. Bild unten: Bäuerliche Wehrkirchenanlage

in Franken

In den Volksrechten und Weistümern wird oft von den Dorfzäunen gesprochen. Hier handelt es sich um die oben beschriebenen Knicke, Planken- oder Flechtzäune. Unter den ohne Nägel zusammengefügten Flechtzäunen sei nur der niedersächsische „Eckenboltentun“ genannt. Am äußeren Rande des um das Dorf gezogenen Grabens stehen Palisaden in der Form oben dreieckig zugespitzter Planken. Am inneren Grabenrand ersetzen sie zuweilen den Wall.

Man nannte diese Art der Einzäunung auch den „Bannzaun“, den „Hag“ und in Süd- westdeutschland den „Etter“. Dieses alte Wort kommt schon in langobardischen Volks- rechten vor. In Lehnsbriefen des Mittelalters lesen wir oft von Liegenschaften, „als der etter hat begriffen‘. Auf die Instandsetzung der Zäune und Gräben wie überhaupt der ganzen Dorfbefestigung wird im Mittelalter streng ge- achtet, ihre willkürliche Beschädigung durch Dorfbewohner mit harten Strafen geahndet.

Wenn wir nun von der Dorfverteidigung durch Zaun, Wall und Graben zu der mit Mauern und Tortürmen übergehen wollen, dann müssen wir der Zielsetzung unserer Arbeit ent- sprechend die Bemerkung vorausschicken, daß wir hier nicht an die großen Handelszentren, die mächtigen Reichsstädte oder prachtvollen Residenzstädte denken. Den Stadtbefestigungen haben die Forschung und die Offentlichkeit seit langem ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Den Befestigungen der kleineren Gemeinden des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit ist dagegen bedeutend weniger Beachtung ge- schenkt worden. Sie haben zwar meist nicht die gleiche Stärke und vollendete Form aufzu- weisen, wie wir sie bei den berühmteren großen Schwestern finden, die vorzugsweise eine handel- und gewerbetreibende Bevölkerung umschlossen, sondern hier bildet neben dem Handwerk der Ackerbau den Haupterwerbs- zweig, und die Rücksicht auf ihn zeigt sich gerade bei diesen Zeugen der Wehrhaftigkeit unseres Bauerntums, Nicht allein Städte haben im Mittelalter Mauern und Türme aufzuweisen,

wir kennen aus weiten Teilen des Reiches um-

mauerte Dörfer, die niemals Stadtrecht besaßen. Auf der anderen Seite gibt es Orte, die bereits im Mittelalter als Stadt bezeichnet werden, aber nie durch eine Mauer geschützt wurden. Die Stadtrechtsverleihungen dieser Zeit stehen häufig mit der Größe und dem Cha- rakter des Ortes und seiner Bewohner in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Soweit sie zur Ausführung kamen manche Ge- meinde erhielt zwar Stadtrecht verbrieft, nutzte es aber nicht aus traten zwar für die recht- liche Stellung der Bewohner Änderungen ein, die Wehrhaftigkeit hing aber meist nicht davon ab,

Bei den Dorfbefestigungen mit Wall und Graben finden wir eine rundliche, im allge-

meinen kreisförmige und ovale Form der Be- festigungsanlagen, bei der Anlage von Mauern treffen wir, einmal die gleiche Form, wenn die Steinbefestigungen das bisherige Verteidigungs- system ergänzten, oder auf der anderen Seite auch eine rechteckige, ja quadratische Art der Anlage, die auf eine bewußte Neuanlage schließen läßt. Hier haben meist nicht die Be- wohner selbst die Befestigung gestaltet, son- dern ein Grundherr zog sie nach einem vorher durchdachten Plan. Die Ummauerung bedeutete in jedem Fall einen höheren Grad der Entwicklung. Auch die Mauern der Dörfer sind vor allem in Süddeutschland zuweilen mit Türmen an den Mauerecken oder auch in- mitten der Mauerflucht verstärkt. Solche Türme stehen heute in vielen Fällen als letzte Reste der alten Befestigungsanlagen neben alten Dorftoren, während die Mauern selbst verfallen oder abgerissen sind. Aber auch in Norddeutschland sind Denkmäler dörf- licher Befestigungskunst zu finden. Neocorus, der Geschichtsschreiber Dithmarschens be- schreibt im 17. Jahrhundert einen befestigten Turm in der Sprache dieses alten Bauernlandes: „it hefft ein herlicher schoner hoger Torn mit einem Wendelsten tho Südwesten an dem Kerkhave gestaen ock mit einem gewal-

digen depen Graven buten ummeher unnd allenthalven mit Schetlökkern vorsehen." Ein Jahrhundert später berichtet Justus

Möser von dem hohen Alter der steinernen Umfassungen münsterländischer Bauernhöfe. Wenn die Gehöfte eines Dorfes so angeord- net waren, daß die Außenmauern der Hinter- gebäude, d. h. in den meisten Fällen der Scheunen, aneinandergebaut werden konnten, bildeten diese dann einen fest geschlos- senen Mauerring, der dem Charakter einer Wehrmauer sehr nahe kam.

Die Wehrhaftigkeit des Dorfes mußte mit der Vervollkommnung der Angriffswaffen und der Vermehrung der Angreifer ständig verstärkt werden. Eine Ummauerung war von vornherein durch das Vorhandensein von Baumaterialien und, wenn die nicht in unmittelbarer Nähe zur Verfügung standen, auch von Arbeits- kräften und Geldmitteln abhängig. Eine klei- nere Gemeinde war deshalb oft nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln eine Mauer zu er- richten, hinzu trat noch die Tatsache, daß sich im Laufe der Zeit aus den kleineren Fehden des Mittelalters Kriege entwickelten, bei denen beide Seiten größere Heere aufboten. Hier war ein Ort mit geringer Einwohnerzahl, wenn er nicht von Natur für die Verteidigung hervor- ragend begünstigt war, von vornherein unter- legen. Aus desen Gründen haben viele Bauern, zumal nach der Einführung der Feuerwaffen, es überhaupt unterlassen, ihre Dörfer zu um- mauern.

Ein Gedicht aus dem 15. Jahrhundert be- schreibt uns die Dorfbefestigung und zeigt da-

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bei, dap man zu dieser Zeit unter dem Zaun auch gleichzeitig eine Mauer verstand:

„dar zuo wir haben auch ein 'gfäß allen Dörffern mit ubermäß

mit einem zaun gemauert wol. dar umb ein pach rint wassers vol zwäy tor und huotten (Hütten) vier mit einem teuffen graben zier

hat dez dorff zuo seiner maur allen veinten gar zu saur.”

Für das Jahr 1443 wird bestätigt, daß die Bauern „innerhalb der Ettern oder der Mure woonen“. Aus der Zeit nach dem Dreißig jäh- rigen Kriege hören wir dann wieder: „Heutigen Tags sind beynahe die meisten grose Flecken und Dörfer in Hessen mit einem Graben und Aufwurf umführet, damit sie sich für geringen Parteyen wehren können.“ Soweit die Dörfer bei den Wällen geblieben sind und nicht zur Errichtung einer Mauer kamen, haben sie den Wall und Graben heute unter dem Einfluß der Dorfer weiterung bis auf geringe Reste verloren.

Treten wir nun durch die Dorfbefestigung in die Dorfflur hinaus, so treffen wir hier in vielen deutschen Landschaften bald auf die Reste einer Landwehr. Dienten die Wall- burgen und später die Kirchenburgen dem

Schutz des einzelnen Dorfes selbst, dann war

es die Aufgabe der Landwehr, die erste Ver- teidigungslinie für eine Anzahl von Dörfern und zugleich ihre Fluren zu bilden. Meistens hat ursprünglich eine Markgenossenschaft die Aufgabe, diese Wehrlinien instand zu halten und zu verteidigen. Die Mittel zur Befestigung der Landwehr waren sehr einfach und wurden ähn- lich angewandt wie bei den Wallburgen. Man 20g zumeist einen Graben und warf mit der ausgehobenen Erde einen Wall auf, den man mit Dornenhecken bepflanzte. Längs der Land- wehr liefen oft Straßen, die nur an bestimmten Durchgängen die Wehrlinien kreuzen durften. Hier waren dann Schranken oder Schläge an- gebracht und zugleich oft Zollstellen errichtet. Häufig ergab sich an den Grenzen kleiner Ter- ritorien ein ganzes System von Wällen und Gräben, das allerdings nur selten noch un- versehrt bis zur Gegenwart erhalten ist.

Aus alten Nachrichten ergibt sich, daß Grä- ben, Wälle und Knicke bei der Landwehr zu- weilen eine Breitenausdehnung bis zu 50 Meter hatten. Besonders die Hecken und Knicke bil- deten in dieser Breite als gleichsam lebende

Mauer für den Reiter ein nur schwer zu über-

windendes Hindernis und wiesen ihn zwangs- läufig auf die besonders bewachten Durchlaß- stellen. Es war gewiß nicht weniger beschwer- lich, sich durch eine derartige Verteidigungs- zone durchzuarbeiten, als eine Bresche in die Mauer einer Stadt oder Burg zu schlagen. Ein Teil der Landwehren reicht in die frühgeschicht- liche Zeit zurück, andere, die. nur kleinere Ge-

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biete schützen sollten, sind aber erst in der Zeit des Fehdeunwesens entstanden.

Hatte ein Ritter seinem Gegner die Fehde angesagt, dann ließ er seine Landwehr durch die Bauern überwachen und die Übergänge be- setzen. Dann beginnt die eigentliche Wirksam- keit der Warten, die überall zur Beobachtung der Flur oder der Landwehr angelegt waren, und die sich in Augenblicken der Gefahr durch Feuer- oder Rauchzeichen verständigten.

An den Landwehren gab es dann für den An- greifer ein Hindernis und längeren Aufenthalt. Der Angegriffene gewann so Zeit, den Wider- stand an bestimmten Punkten zu organisieren. Die Landwehren wirkten als gewissermaßen mechanische Hindernisse für den Angreifer einer Landschaft oder eines einzelnen Ortes und hielten den Feind mindestens so lange auf, bis die Einwohner das Vieh in Sicherheit ge- bracht hatten. War der Überfall aber trotzdem gelungen und dem Bauer sein Vieh geraubt, dann fand der Gegner beim Rückzug die Durch- lässe an der Landwehr besetzt, und es ging längere Zeit verloren, bis es ihm möglich war, hier den Durchgang zu erzwingen. Galt es nun mehrere solcher Hindernisse zu überwinden, dann gelang es oft genug auf diese Weise, den Feind mit stärkeren Kräften einzuholen und ihm die Beute wieder abzujagen.. Für die Kugel des Feuerrohrs bildeten Wälle und Knicke kein ernsthaftes Hindernis mehr. So wird auch die Art der Befestigung mit dem Aufkommen der Feuerwaffen zwecklos, wenn sie auch noch im Dreißigjährigen Krieg einzelne Streifen und Banden abwehren konnte.

Der übertriebene Rationalismus des 19. Jahr- hunderts hat mit seiner Flurbereinigung den Landwehren ebenso wie allen anderen Befesti- gungen im Dorf übler mitgespielt als alle Kriege und alle Feindeswut der Vergangenheit In- zwischen erwies sich die Beseitigung mancher Hecke, die Schutz vor Verwehungen und zu- gleich auch nützlichen Vögeln Nistplätze bot, als sinnlos. Daneben haben auch Wind, Regen und der Pflug des Bauern vieles eingeebnet. Nur noch wenige Reste legen heute Zeugnis ab für das klug durchdachte System der Wehr- bauten unserer bäuerlichen Vorfahren.

Es liegt auf der Hand, daß alles, was wir hier an Wehranlagen kennengelernt haben, über den rein defensiven Charakter nicht hin- ausging. Der Schutz der Flur, des Dorfes, seiner Bewohner und ihrer Habe war der alleinige Sinn und Zweck von Wall, Graben und Hecke, war auch der Sinn des befestigten Kirchhofs und der Wehrkirche. Hier hat der deutsche Bauer seine Heimat, sein Vieh und die Früchte seiner Arbeit, die ihm immer erneut Gegner von innerhalb und außerhalb der Reichsgrenzen entreißen wollten, zäh verteidigt und so im Auf und Ab der Geschichte sein Erbe bis zur Gegen- wart getragen. An den alten Denkmälern bäuer- licher Wehrhaftigkeit soll auch die Gegenwart nicht achtlos vorübergehen.

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ul, RURÄSENAU

Am 7. April wurde veröffentlicht, daß der Führer

den Staatssekretär im Reichsministerium für Er-

nährung und Landwirtschaft, Herbert Backe, zum Reichsminister ernannt hat. Reichsminister Backe bleibt weiterhin mit der Führung der Geschäfte des Reichs- und Preußischen Ministers für Ernährung und Landwirtschaft und des Reichsbauernführers beauf- tragt. Die deutsche Presse hat diese Ernennung ein- gehend gewürdigt. So schreibt der „Völkische Beobachter“ u.a.: „Reichsminister Backe hat sich durch seine erfolgreiche Arbeit, die eine grund- sätzliche und einheitliche Linie in der deutschen Agrar- politik sicherstellte, nicht nur im Reich, sondern in ganz Europa den Ruf eines hervorragenden, neue Wege gehenden Agrarpolitikers erworben. Auf die Arbeit Backes geht zu einem wesentlichen Teil die Mobilisierung der Leistungskräfte der deut- schen Landwirtschaft sowie die gerechte Ver- tellung der Erzeugnisse des Bauernfleißes zurück.“ „Doch mit der Sicherung der deutschen und euro- päischen Ernährungsbasis“ so fährt der VB. fort, „erschöpft sich die Tätigkeit Backes bei weitem nicht. Der Bauer Ist ja nach nationalsozialistischer Auf- fassung nicht nur Landwirt, sondern darüber hinaus stellt das Bauerntum den vornehmsten Blutquell der Nation dar. . . Während des Krieges stehen allerdings die praktischen landwirtschaftlichen Auf- gaben im Vordergrund der Notwendigkeiten; doch nach dem Kriege wird die bevölkerungspolitische Seite der deutschen Bauernführung um so stärker hervortreten. Ein erster vorbereitender Schritt zur Lösung dieser Zukunftsaufgabe war die Umwandlung des Reichsamtes für Agrarpolitik In das Reichsamt für das Landvolk, dem Backe als Oberbefehlsleiter vorsteht. Seitdem hat eine neue Welle der Aufklärung das deutsche Bauerntum ergriffen, die es über seine hohe volkspolitische Berufung aufklärt und zum Aus- harren in seiner harten Arbeit anspornt. Auf diesem Gebiet arbeitet Reichsminister Backe als H-Ober- gruppenführer eng mit dem Reichsführer ff zu- sammen, dessen volkspolitische Arbeit von ein und demselben nationalsozialistischen Gedanken getragen wird, nämlich der Stärkung und Durchsetzung des bäuerlichen Gedankens und der Zuführung der besten Blutskräfte der Nation zum Bauerntum. Nicht nur in der Volkswirtschaft, sondern im gesamten An- schauungsbilde der Nation wird und soll das Bauern- tum eine neue Stellung beziehen.“

Der „Zeitungsdienst Graf Reischach“ unterstreicht unter der Überschrift „Der Ernährungschef Europas“ neben den wirtschaftspolitischen Ver-

diensten Backes besonders seine agrarpolitischen Auffassungen von der Bauernführung als totaler Auf- gabe. „In Goslar, der Reichsbauernstadt, saß er in diesen Tagen zwischen zwei Dichtern, dem Mecklen- burger Friedrich Griese und dem Bayern Josef Martin Bauer, die einige Stunden später aus seiner Hand die ihnen zuerkannten Preise für ländliches Schrifttum

empfingen. Schlank, schmal, mit klugem, aufmerk-

samem Gesicht, aus seinen verständigen, durch dünnwandige Brillengläser blickenden Augen den

` Gesprächspartner forschend ansehend, sprach er mit

ihnen, seine klaren und immer präzisen Sätze dann und wann durch einige ausdrucksvolle, sparsam an- gewendete Gesten unterstützend. . . So hat er oft auch zwischen seinen Bauern gesessen, freundlich, schlicht, einfach, ganz Mensch unter Menschen, in jener liebenswürdigen, zuvorkommenden Bescheiden- heit, die ein Teil seines Wesens ist, und hat sich von ihren Sorgen und Erfahrungen berichten lassen, jeder Stimme ein aufmerksames Ohr geliehen, manchmal einen guten Rat gewußt. Und diese Bauern, ob sie nun aus Niedersachsen oder aus der Ostmark, aus dem Wartheland oder den neuen Westgebieten zu ihm kamen, haben sich ehrlich zu ihm bekannt. Der Aufstieg Backes hat nichts von dem Tempo eines tüchtigen Karrieremachers und Glücksritters. Es Ist der Aufstieg eines fleißigen, gewissenhaften, seine Aufgaben restlos beherrschenden Mannes, der dank seiner fachlichen und menschlichen Qualitäten und dank der unverkennbaren Erfolge seiner Arbeit schließlich die Anerkennung findet, die ihm gebührt. So müssen! ihm selbst unsere Gegner heute zuge- stehen, daß er auf ernährungspolitischem Ge- biet die Autorität Europas ist. Hier ist er Fach- mann durch und durch. Hier besitzt er ein phäno- menales Wissen. Hier weiß er um die Erzeugungs- grundlagen, technischen Bedingungen und Produktions- reserven eines jeden europäischen Landes, hier ver- steht er endlose Zahlenreihen und ganze Statistiken gleichsam aus dem Ärmel zu schütteln, hier inner- halb dieses Fachgebietes dürfte es unmöglich sein,

ihm eine Frage zu stellen, die er nicht sofort ausführ-

lich und nach jeder Richtung hin beantworten könnte.“

Der „Berliner Lokalanzeiger‘ schreibt u. a.: „Die Ernennung Backes zum Reichsminister bedeutet praktisch keinerlei Veränderungen des tatsächlichen Zustandes, denn Backe ist schon seit längerer Zeit mit der Führung der Geschäfte des Reichsministers und Reichsbauernführers beauftragt. Vor fast 11 Jahren wurde er als Reichskommissar Ins Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft berufen und hat

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sich auf allen Gebieten der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft formgebend beteiligt... Die Erfolge, die die deutschen Landwirtschaftsführer in den besetzten Gebieten zu verzeichnen” haben, sind zu einem großen Teil das Verdienst Backes, der in Ost und West eine schnelle Intensivierurig der viel-

fach sehr rückständig gewesenen ausländischen Land-

wirtschaft durchgesetzt hat. Backe hat aus der von ihm gewonnenen Kenntnis der sowjetischen Agrar- wirtschaft heraus Immer wieder hervorgehoben, daß der deutsche Bauer als Blutsquell der Nation be-

‚sonders gefördert werden muß. Er Ist einer der

eifrigsten Warner, das flache Land nicht etwa zu- gunsten einer Übertriebenen Mechanisierung zu ent- völkern. Als Natlonalsoziallst sieht Backe seine Auf- gaben vom Standpunkt des gesamten Volkes aus, hinter dem er, wenn es nötig ist, sogar Sonderbelange des Bauerntums zurückstellt. In seinem Buch „Das Ende des Liberalismus In der Wirtschaft“, das schon vor vielen Jahren erschienen Ist, vermittelte er ein geschlossenes Bild seines nationalsozialistischen Wirtschaftswollens. Backe sieht seine Aufgaben schon lange nicht mehr im Sinne einer Bedarfsdeckung des deutschen Volkes; erhat sich zu einem starken Kämpfer für die europäische Großraumpolitik entwickelt, wie es die Gedanken und Ideen erkennen lassen, die er in seinem vielbeachteten Buch „Die Nahrungs- freiheit Europas“ niedergelegt hat. Die Nahrungs- freiheit Europas ist das Ziel aller wichtigen Maßnah- men, die der nunmehrige Ernährungsminister im Krieg getroffen hat.“ 3

Die „Berliner Illustrierte Nachtaus gabe“ schreibt: „Seine großen wirtschaftspolitischen Kennt- nisse und die Erfahrungen In der landwirtschaftlichen Praxis sowie sein klares und logisches Schaffen führten dazu, daß er maßgebend an der Ausarbeitung der Grundlagen der nationalsozialistischen Agrarpolitik beteiligt war.“

Auch die „Münchner Neuesten Nachrichten“ würdigen besonders die europäische Stellung Backes: „Seit zwei Jahren ist Backe der verantwort- liche Leiter der deutschen Ernährungswirtschaft. Mit großer Arbeitsenergie und sachlichem Weitblick hat er die vielfältigen Aufgaben, die der europäische Großraum seinem Arbeitsbereich stellt, in Angriff genommen. Seine Bücher „Das Ende des Liberalismus in der Wirtschaft“ und „Um die Nahruhgsfreiheit Europas“ zeugen von der gründlichen wissen- schaftlichen Fundierung, die er sich In langen Vorbereitungsjahren unter schwierigsten äußeren Umständen verschafft hat. Er vereint praktische Er- fahrung mit geistiger Schulung. Als Redner wirkt er durch die nüchterne Offenheit und klare Logik seiner Gedankengänge. Er wahrt sich den Blick für die großen Zusammenhänge, der für den Leiter einer Reichs- behörde unerläßlich ist. Im Gegensatz zu dem bol- schewistischen System hat Deutschland eine dem bäuerlichen Wesen und den modernen Aufgaben entsprechende Agrarordnung, die durch Reichserbhof- gesetz, Marktordnung und Festpreise umschrieben ist. Um sie herum baut sich heute die europäische Raumwirtschaft auf, die England durch den Blockade- krieg zu zerstören sucht. ln dem erwähnten Buch

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über die Ernährungsfreiheit Europas sagt Backe: „Die Blockierung Europas durch England trifft nicht Deutschland, sondern vernichtet den Rest der libe- ralen Welthandelswirtschaft englischer Prägung, den der Weltkrieg 1914-1918 übrigließ. Der Geschädigte dieser Blockierung Ist England selbst.“

In der „Kölnlschen Zeltung” helßt es: „Die Berufung Backes zum Reichsminister gibt dem Mann, der seit eineinhalb Jahren die deutsche Ernährungs- polltik leitet, auch äußerlich die Stellung, die seiner Arbeit gebührt. Backe hat der deutschen Landwirt, schaft die praktischen Richtlinien gegeben, die es ermöglichten, weittragende Umstellungen durch- zuführen und die deutsche und die europäische Ernährung auf der Grundlage der Leistungen des Kontinents sicherzustellen. Herbert Backe Ist weder einseitiger Theoretiker noch ausschließlicher Prak- tiker, vielmehr versucht er, wissenschaftliche Er- kenntnisse auf Grund der gegebenen Möglichkeiten in die Wirklichkeit umzusetzen. Diese Haltung hat eine Parallele in seiner. persönlichen Lebensarbelt.“

Das „Neue Wiener Tagblatt” würdigt vor allem Backes Arbeit in der NSDAP.: „Was in den von der Partei an agrarpolitischem Gedankengut erarbeitet wurde, daran hat Herbert Backe von Anfang an tat- kräftigen Anteil gehabt. Als Staatssekretär im Reich, ernährungsministerlum hat er insbesondere die großen und kleinen praktischen Fragen der Agrar- politik zu betreuen gehabt. Neben den beson- ders im Krieg immer ‚stärker In den Vordergrund rückenden elementaren Fragen der Ernährung läßt Herbert Backe aber nie die grundsätzlichen Fragen der Agrarpolitik aus dem Auge, wie er denn auch vorher am Reichserbhofgesetz, an der Markt- ordnung, an den Festpreisen usw. maßgebenden Anteil hatte. Die krlegswirtschaftlichen Erfordernisse führten später dazu, daß Backe mit der Führung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft betraut wurde. Heute ist Herbert Backe Chef des Reichsamts für das Landvolk, also der höchsten agrar- politischen Führungsinstanz.“

Die „Deutsche Allgemeine Zeitung” hebt hervor, daß Backes Denken und Planen niemals ein- seitig gewesen ist. „Er hat als einer der ersten die Zusammengehörigkeit des kontinentalen Wirtschafts- raumes erkannt und ist in allen seinen späteren Plänen stets für die großräumige Konzeption eingetreten. Backe war es auch, der der europäischen Erzeugung» schlacht die Initialzündung gegeben hat, der es ver- stand, befreundete und besetzte Länder von der Notwendigkeit einer Besinnung auf die eigene Kraft zu überzeugen." So ist die Ernennung Herbert Backes zum Reichsminister In der Presse Anlaß zu einer Würdigung der Arbeit des Landvolkes geworden.

Immer wieder ist von der agrarpolitischen Führung die Auffassung dargelegt worden, daß trotz der vor dringlichen ernährungswirtschaftlichen Aufgaben im Kriege die großen agrarpolitischen Ziele nicht ia Vergessenheit geraten. Dies kam besonders In der Verleihung des Kulturpreises für das bäuerliche Schrifttum zum Ausdruck, die Oberbefehlsleiter Herbert Backe in der Relchsbauernstadt Goslar vor

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nahm. Dabei wurden, wie bereits in der letzten Folge unserer Zeitschrift angekündigt, zwei berufene Ver- treter der landgebundenen Epik, Friedrich Griese und Josef Martin Bauer, mit dem Kulturpreis für das bäuerliche Schrifttum, den der Reichsbauernführer Im Einvernehmen mit Reichsminister Dr. Goebbels gestiftet hat, ausgezeichnet. Diese Ehrung soll nach den Worten des Reichsbauernführers In einer Zeit der verbrecherischen Zerstörung europäischer Kul- turwerte durch die Feinde unseres Kontinents unser Volk an die unzerstörbaren Werte und Leistungen der germanischen Rasse erinnern, die im Bäuerlichen ihren Ursprung haben. Es ist ein Zeichen für die Zielstrebigkeit der nationalsozlalistischen Agrarpolitik, daß jetzt mitten in diesem Kriege zum ersten Male dieser Kulturpreis für bäuerliches Schrifttum zur Verleihung kommen konnte. Der Oberbürgermeister der Reichsbauernstadt, Droste, sprach in seiner Begrüßungsrede den Wunsch aus, daß die Förderung und’ Ehrung der bodenverbundenen Dichtung durch den Reichsbauernführer ein Appell an die Schaffenden sein möge, aus dem reichen Born des bäuerlichen Lebenskreises zu schöpfen. Oberbefehlsleiter Herbert Backe gab in seiner Ansprache ‘wesentliche kultur- politische Hinweise zur Form und Entwicklungs- möglichkeit des landgebundenen Romans. kamen die beiden Preisträger zu Wort.

Die Veranstaltung fand nicht nur in der gesamten deutschen Presse, sondern auch im Ausland lebhaften Widerhall, der erkennen läht, wie gerade das Bauern- tum im Kriege nicht nur durch seine Arbeit für die Nahrungsfreiheit Europas, sondern auch durch seine kulturellen Leistungen einen der wichtigsten Genia für die Zukunft des neuen Europa darstellt.

Der ernährungswirtschaftliche Erfolg der Arbeit Herbert Backes kommt besonders deutlich zum Aus- druck in einem Aufsatz „Kriegsernährung einst und heute“, den Staatsminister a. D. Riecke in der NS.-Presse veröffentlicht. Er geht davon aus, daß das rein zahlenmäßige Bild nicht ausreicht, um das bessere Ausmaß der heutigen Ernährungslage zu er- kennen. Zwar finden sich auch in den Rationssätzen beachtliche Unterschiede zugunsten der heutigen Verhältnisse. So betrug der Wochensatz des Normal- verbrauchers bei Brot z. B. im Oktober 1918 2050 g gegenüber 2425 g heute. Bei Fett treten noch stärkere Unterschiede auf: 1918 betrug die Ration des Normal- verbrauchers nur 70g, heute 219g in der Woche. Die geringe Fettration war es ja auch, die sich ent- scheidend auf den Ernährungszustand des deutschen Volkes im letzten Kriege ausgewirkt hat. Bei Fleisch lag der Wochenrationssatz des Normalverbrauchers allerdings gleich hoch wie heute, aber das hatte noch nichts damit ze tun, daß die auf den Karten stehende Menge auch wirklich ausgegeben wurde. Die damaligen Kartensätze waren lediglich Höchstsätze. Von Reichs wegen wurde nur die Menge der wichtigsten Lebens- mittel festgesetzt, die im Höchstfalle ausgegeben werden durfte. Die Festsetzung der Höhe der Be- lieferung der Kartensätze war den Kommunalverbän- ‚den überlassen worden. Die auszugebende Menge wurde von den Kommunalverbänden in verschiedener Höhe festgesetzt, erreichte aber insbesondere beim

Dann `

"Fleisch und Fett in der Regel nicht die von Staats

wegen festgesetzten Höchstsätze. Aber auch die Brotsätze schwankten je nach Jahreszeit. Insbesondere wurden kurz vor der Ernte die Rationssätze wesentlich herabgesetzt, um nach der Ernte wieder eine Auf- besserung zu erfahren. So wurde Im Jahre 1918 für den Normalverbraucher der Brotsatz von Juni bis juli auf 1490 g herabgesetzt. Ein Ausgleich durch andere Nahrungsmittel erfolgte nicht. Heute werden außerdem die auf den Karten aufgedruckten Mengen in jedem Fall auch ausgegeben. Damit ist eine ganz andere Stetigkeit der Volksernährung erreicht. Riecke schildert dann die erhebliche Besserstellung der heutigen Wehrmachternährung gegenüber dem ersten Weltkriege. Dazu kommt die bessere Ver- sorgung der körperlich schwer arbeitenden Menschen. In steter Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Gesundheitsführung ist das Ernährungsministerium bemüht, auch das Entstehen der biologischen Schäden am Volkskörper zu verhindern, die durch die Er- nährungsschwierigkeiten des letzten Krieges in so starkem Maße hervorgerufen wurden. So wird be- sonders darüber gewacht, daß die Versorgung der werdenden und stillenden Mütter und auch der Klein- kinder eine ausreichende ist.

Selbstverständlich bleiben auch in diesem Kriege noch viele Wünsche offen. Unsere Nahrungsdecke ist knapp, und wir können daher auch mancher an sich berechtigt erscheinenden Forderung nicht gerecht werden. Der hier durchgeführte Vergleich von einst und heute hat in erster Linie den Sinn, aufzuzeigen, daß die Gefahren für das Volk, wie sie die Ernährungs- lage des letzten Krieges mit sich gebracht haben, heute In keiner Weise bestehen trotz aller zu- sätzlichen Belastungen durch Luftterror und Nerven- krieg. Riecke schließt mit einem Hinweis auf die bessere Verteilung der Lebensmittel, wie sie durch die straffe Organisation der Marktordnung des Reichsnährstandes ermöglicht wird. Er knüpft daran einen Appell an alle Volksgenossen, auch im kleinen die Bewirtschaftungsvorschriften zu beachten. „Jeder Volksgenosse muh sich vor Augen halten, daß unsere Nahrungsdecke, insgesamt gesehen, nur eben ausreicht. Alles, was er sich zu- sätzlich nimmt, stiehlt er einem anderen. Wir wollen uns daher alle bemühen, auch weiterhin die Ablie- ferungsmoral des Erzeugers und die Disziplin des Verbrauchers im Gegen:atz zum ersten Weltkrieg auf einem Höchststand zu halten."

In diesem Zusammenhang muß auch die neue An- ordnung über die Kleintierhaltung richtig ver- standen werden. Sie will das richtige Maß des Um- fangs der Kleintierhaltung zur tatsächlichen Futter- grundlage wiederherstellen und dafür Sorge tragen, daß diejenigen Futtermittel, die für die Großvieh- haltung geeignet sind und damit der Sicherung der Rationen dienen, dieser wichtigsten Aufgabe der Kriegsernährung zugute kommeh. Die Durchführung der Anordnung, die weitgehend in den Händen von örtlichen Ausschüssen liegt, wird dafür sorgen, daß auch hier die Ziele der nationalsozialistischen Agrar- politik voll zur Wirkung kommen.

Dr. Kurt Haußmann

7

245

ÄDEMEIKUNDER

Das Butterbrot des Europäers

Die Brotversorgung des europäischen Kontinents ist gesichert. Unterstellen wir die Ernteschätzungen der Wheat Studies des Food Research institute als richtig, so hat der Kontinent ohne Rußland in den letzten Vorkriegsjahren 122 Mill.t geerntet. Mit 8 Mili.c Zufuhr standen 130 Mill. t zur Verfügung. Der Bedarf Jag etwas niedriger. 54 Mill.t wurden vom Menschen direkt verzehrt, 12 erforderte die Aussaat, 62 Mill.t, dazu 13 Kleie, wurden verfüttert. Von diesen 75 Mill. e Kraftfutter konnten reichliche Futtersätze gegeben werden. je Stück Pferd des Bestandes 1 t Getreide, je Rind 1,5 dz, je Schwein 4 dz und je Stück Geflügel 20 kg. 6 Mill. t konnten

hiervon im Krieg bei angespannter Ernährungslage `

sicher eingespart werden und tatsächlich ist in Deutschland bei allen Tierarten die Leistung im Krieg weniger abgesunken als der Verzehr an Kraftfutter.

1940, im Jahre des Tiefstandes wurden der amerika- nischen Quelle zufolge 112 Mill. t geerntet, 1942 wieder 115, 1943 wurde im ganzen mit ziemlicher Sicherheit eine Normalernte erzielt. Die Zufuhr nach dem Kontinent beschränkte sich auf 2 Mill. t. Inzwi- schen beschnitt der Kontinent seine Viehhaltung. Schätzen wir auf 8 Mill. Rinder, 30 Mill. Schweine, 150 Mill. Geflügel, so resultiert hieraus zu obigen 6 Mill. eine weitere Ersparnis von 16,2 Mill.t Ge- treideſutter. Seinen Brotverzehr konnte Europa selbst im Jahrg des Tiefstandes mindestens beibehalten, vermutlich konnte es, ebenso wie Deutschland, sogar die Einschränkungen im Fleisch- und Fettverzehr weitgehend kompensieren.

Wenn die Schweinebestände stärker gelichtet wurden als die Rinderbestände, kam dies, so merk- würdig es klingen mag, der Fettbewirtschaftung zugute. Das Rind lieferte in Großdeutschland 1938/39 die 2,5fache Fettmenge wie das Schwein. Im vierten Kriegswirtschaftsjahr aber die 4,3fache Fettmenge, und je Kilogramm gereichtes Kraftfutter erbringt das Rind die 7fache Fettmenge wie das Schwein. Seine Fettleistung hielt sich bis zum vierten Krlegsjahr in Deutschland fast auf 90% des Normalstandes. Und auf dem ganzen Kontinent mögen die Dinge ähnlich liegen. Europa bestreitet. mit Butter die Masse seiner Handelsfette. In Deutschland mit mehr als der Hälfte. In England besteht die Normalration nur zu 1 Viertel aus Butter. Die Entfettung, welche die Ernährung erfahren hat, erstreckt sich im wesentlichen auf die geringerwertigen pflanzlichen Öle. In zweiter Linie auf die Schlachtfette. Der Gehalt an hochwertigen Fetten aber ist in Deutschland nur um 20% vom Friedens- stand ses unken. Die starke Rinderhaltung gibt der gesamten kontinentalen Ernährung einen starken Rückhalt. Sie ist aber an ein starkes Bauerntum ge- bunden, für das Deutschland heute kämpft.

246

Der europäische Kontinent im ganzen hat allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz im Krieg seinen Brotverzehr nicht nur halten, sondern mut- maßlich sogar steigern können. Den Butterverzehr brauchte es nur um ein geringes einzuschränken. Aller- dings wurde die Verteilung nicht überall mit solcher Strenge und Straffheit durchgeführt wie in Deutsch- land. Das kommt in der recht unterschiedlichen Höhe der Normalrationen zum Ausdruck. Di es könnte inden meisten Fällen durch größere Straffheit in der natio- nalen Bewirtschaftung gemildert werden. Die rest- iichen Unebenheiten wären durch europäische Zu- sammenarbeit zu beheben.

Walter Hahn

Ein neuer Kurs der Agrarpolitik in den USA.?

Seit etwa einem Jahr ist man in den USA. eifrigst bemüht,die, Landwirtschaft mit allen Mitteln zu akti- vieren. Die bedeutende Erhöhung der Landmaschinen- produktion von 23% auf 80% (1940/41 = 100), die Kennzifferfestsetzung beim Bezug von Rohstoffen unmittelbar nach dem militärischen Kontingent und die Herausbildung neuer Maschinentypen ist dafür ebenso kennzeichnend wie die nunmehr geübte grö- Bere Rücksichtnahme auf die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte bei Einziehungen. Damit hat zwangs- läufig eine Entwicklung ihren praktischen Abschluß gefunden, die mit Hot Springs begann und in deren Mittelpunkt die unerschöpflichen“ Nahrungsmittel- reserven der USA. und ihrer Verbündeten als Basis eines Welternährungsplanes standen. Die schlechten Ernten, die zunehmenden Bodenzerstörungen und der ständig steigende Bedarf an Nahrungsmitteln waren Tatsachen, an denen unausgegorene Welt- beherrschungsabsichten scheitern mußten.

Der Hinweis auf diese logische Entwicklung wäre nicht der Erwähnung wert, wenn sie nicht eine andere Erscheinung im Gefolge hätte, die immerhin Beach- tung verdient. Seit dem Bestehen der kapitalistisch ausgerichteten amerikanischen Landwirtschaft ist zum ersten Mal eine Rücksichtnahme auf die Eigentümer von Klein- und Mittelfarmen festzustellen. Die den Landmaschinenmarkt monopolistisch beherrschenden Industriekonzerne treten mit Plänen undNeukonstruk- tionen an die Öffentlichkeit, die ausnahmsweise ein- mal nicht auf den Bedarf der Großfarmen und kapita- listischen Landgesellschaften ausgerichtet sind. Galt noch vor 10 Jahren eine Farm von 150 bis 300 ha mit einem Maschinenaufwand von 5000 Dollar als Norm, so Ist man jetzt bemüht, Maschinen zu konstruieren, die auf kleinere Farmen mit einem Maschinenkapital von etwa 1000 Dollar zugeschnitten sind. Andere

Stellen arbeiten an Konstruktionsplänen für Klein-

farmen, die neuzeltlich ausgestattet Insgesamt nicht mehr als 4000 Dollar Kapital erfordern. Ford konstruierte einen mittelgroßen Tfecker, andere bringen kleinere Aggregate mit den verschiedensten Kombinationsmöglichkeiten heraus zur ausschließ- lichen Verwendung im Klein- und Mittelbetrieb. Mit diesen Maßnahmen hofft man auch die 4 Mill. Farmen vor allem diejenigen mit größerer Betriebsfläche erfassen und versorgen zu können, die bisher kaum mit Maschinen ausgerüstet waren.

Diese plötzliche Umstellung wird verständlich, wenn man die Äußerungen aus führenden amerikanischen Agrarkreisen heranzieht. Die Neuorientierung“ der Landmaschinenindustrie Ist nämlich nur ein Teil des zur Zeit in Konjunktur stehenden Agrarprogramms. Man hat erkannt, daß die landwirtschaftliche Arbeit immer stärker abgelehnt werden wird und nach dem Kriege ein Niedergang der Landwirtschaft erfolgen muß, wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Lande nicht grundlegend besser werden, die Existenzfähigkeit des kleineren Farmers erhöht und der Bevölkerung allgemein neue Aufstiegsmöglich- keiten gegeben werden.

Diese sozialen Töne sind besonders in bezug auf die Landwirtschaft völlig neu, wenn man von den Reden bei den Wahlkampagnen absieht. Es ist kaum möglich, den wirklichen Wert und die Ehrlichkeit der zum Ausdruck gebrachten Absichten abzuschätzen. Allerdings hat die bisherige Entwicklung besonders nach dem Weltkrieg 1914/18 gezeigt, daB solche grundiegenden Umstellungen kaum zu erwarten sind, zumal die Agrarpolitik der USA, dem Großbetrieb bisher eindeutig den Vorzug gab. Man denke nur an die Auswirkungen der Krise nach 1929, als vor allem die kleineren Betriebe Ihre Existenzgrundlage ver -loren und von den ausbeutenden Landgesellschaften aufgekauft wurden. Viele Farmen wurden von den Hypothekengläubigern ersteigert; die ehemaligen Eigentümer aber blieben zumeist als Pächter auf den Betrieben. Hierzu ein bezeichnendes Beispiel: In einem amerikanischen Staatsdepartement wurden 1920 rund 40000 Farmbesitzer und 36000 Farmpächter gezählt. 1934 gab es noch 30000 Besitzer, aber 45000 Pächter. l

Allein von 1922 bis 1926 wanderten über 4 Mill. Menschen vom Lande ab, ein Strom, der ständig flog, ohne elne „Entlastung“ zu bringen. Mindestens 3,5 Mill. ländliche Familien, d. h. etwa jede 4. Familie, wurden während der Krisenzeit ín irgendeiner Form öffentlich unterstützt. Bei den Eigentümern lagen die Verhältnisse ebenso ungünstig, so daß etwa 2 Mill. durch staatliche Mittel vor dem plötzlichen Ruin gerettet werden mußten, allerdings nur, um bei der „sozialen Pflästerchenmethode“ der us-amerikanischen Regierung einem allmählichen, aber sicheren Unter- gange zuzusteuern. Obgleich auf diese Weise Tausende von Betrieben ausfielen, besserte sich die wirtschaft- liche Lage der anderen keineswegs. 1936 gab es nahezu 1.7 Mill. Farmbetriebe (= mehr als 25% aller Betriebe), die einen jahresverdienst von weniger als 500 Dollar hatten; die Hälfte von diesen erreichte nicht einmal 250 Dallar.

Für die bisherige Tendenz der us-amerikanischen Agrarpolitik ist der von maßgeblicher Seite wieder- holt gemachte Hinweis kennzeichnend, daß rund die Hälfte der Farmbesitzer also In erster Linie der Klein- und Mitteibesitz praktisch keine Markt- leistung aufzuweisen hätten. Diesen gegenüber wur- den die kommerzialisierten Großfarmen der pazi- fischen Küste, vor allem Kaliforniens, als Versorgungs- träger der Vereinigten Staaten herausgestellt. Glei- chermaßen beurteilte man auch die Tätigkeit der Landgesellschaften, institutionen, die in Konkurs geratene Farmen gekauft oder ersteigert hatten und

nun bemüht waren, den Boden mit möglichst geringen "Mitteln auszubeuten, um das investierte Kapita!

herauszuwirtschaften.

Bei der 1940 durchgeführten Zählung zeigte sich, daß die landwirtschaftliche Bevölkerung mit 32 Mill. Menschen seit 1930 um 2 Mill. gewachsen war. Offiziell stellte man fest, daß abgesehen van dem oben ge- nannten Zuwachs von 2 Mill. mindestens weitere 1,6 Mill. Farmarbeiter „überflüssig“ seien; denn bei der fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft könne die Agrarproduktion auch ohne die Hilfe dieser 3,6 Mill. Menschen auf der dem Bedarf ent- sprechenden Höhe gehalten werden.

Vergleicht man diese Äußerungen und Betrach- tungen mit dem derzeitigen „neuen Kurs“, so Ist es bedenklich, an einen sozialen Regenerationsprozeß der USA. zu glauben. Vielmehr muß man die Meinung der Realpolitiker gelten lassen, die von einem Zweck- sozialismus sprechen, der so lange aktuell ist und ge- fördert wird, wie die kapitalistische Regierung eines Roosevelt den kleinen Farmer als Vorspann benötigt.

H. Gerdesmann

Bienen tanzen zum Nutzen der Imkerei und Landwirtschaft

Den Menschen Ist das Tanzen ein Vergnügen. Im Bienenstocke ist es eine durchaus ernste, ja lebens- wichtige Tätigkeit und dient der Verständigung. Hat eine Biene auf einem Erkundungsfluge eine lohnende Futterquelle entdeckt, etwa ein eben erblühtes, Nektar spendendes Kieefeld, so führt sie nach der Rückkehr in ihren Heimatstock auf den Waben einen lebhaften Rundtanz auf. Sie rennt im Kreise abwechselnd rechts herum und links herum, und ver- setzt dadurch die Bienen in ihrer Umgebung in Auf regung. Sie trippeln erst hinter der Tänzerin drein, dann laufen sie zum Flugloch, verlassen den Stock und zerstreuen sich nach allen Richtungen, um die Trachtquelle zu finden, die ihnen durch den Tanz angezeigt wurde. Sie suchen hierbei aber nicht blind- lings, sondern mit bestimmtem Ziel. Die heim kehrende Biene duftete erkennbar nach den Klee blüten, an denen sie gesammelt hatte. Die Stock- genossen bemerken diesen Duft und nach ihm suchen sie, wenn sie die Gegend abstreifen. So gelangen sie an die gleiche Blumensorte, welche die Tänzerin erfolgreich besucht hatte. Nach der Heimkehr tanzen auch sie und verstärken den Alarm Im Bienenstock,

247

„* f

bis die Sammlerinnen so zahlreich sind, daß der Nek- tar in den Blüten spärlich wird. Bei spärlicher Tracht tanzen die Bienen nicht. Das Aufhören der Tänze hat zur Folge, daß keine weiteren Neulinge zur Ver- stärkung der Sammelschar mobilgemacht werden. So verständigen sich die Bienen untereinander über die Trachtquellen ihres Flugbereiches und regeln zugleich in eimachster Weise das Verhältnis von Angebot und Nachfrage.

Die Kenntnis der „Bienensprache‘ läßt sich zur Steigerung der Honigernte und zur Erhöhung des Samenertrages mancher landwirtschaftlich wichtiger Nutzpflanzen auswerten. Denn sie gibt uns die Möglichkeit, den Bienenflug zu lenken, so, wie es unseren Wünschen entspricht. Es ist bekannt, wie unbefriedigend vielfach der Samenertrag unserer Rotkleefelder ist. Ihre natürlichen Bestäuber, die langrüsseligen Hummeln, sind spärlicher geworden, weil ihnen mit zunehmender Bodennutzung immer mehr ihre Brutplätze zerstört werden. Die Honig- bienen besuchen den Rotklee nicht gern, weil ihnen der Nektar in den tieren Kronröhren schlecht zu- gänglich ist. Man hat mit gewissem Erfolge Bienen- rassen mit längeren Saugrüss eln, die Kärntner- und die Italienerbienen herangezogen. Aber auch diese lassen sich leicht zum Schaden der Landwirte durch andere, für sie ergiebigere Trachten in der Nachbar- schaft von den Kleefeldern ablenken. Nun kann man Bienenstöcke in der Nähe der Felder aufstellen und täglich mit kleinen Gaben Zuckerwaser füttern, wel- ches durch Einlegen von Rotkleeblüten deren Duft angenommen hat; oder man gibt ihnen reines Zucker- wasser und umkränzt den Futterteller mit Rotklee- blüten. In beiden Fällen veranlaßt man die Bienen, die das Futter abtragen, auf den Waben zu tanzen; sie duften nach Rotklee und sie schicken so ihre Kameraden im Stock hinaus an die Blüten. In 8 Ver- suchen an Rotkleefeldern, die im Sommer 1943 durch die Reichsfachgruppe Imker durchgeführt wurden, ließ sich der Besuch der duftbelenkten Felder gegen- über den Kontrollfeldern im Durchschnitt auf das Zehnfache steigern. Der Samenertrag war in den bisher ausgewerteten Fällen bedeutend erhöht.

Beim Rotklee bringt das Verfahren der Duftlenkung nicht immer einen Gewinn für den Imker. Wenn die Bienen durch diese Maßnahme von anderen, lohnen- deren Trachten abgezogen werden, kann sich die Honigernte dadurch sogar vermindern. Dagegen haben bei 15 Versuchen an guten Trachtpflanzen (Weißklee, Bohnen, Buchweizen, Raps, Zwiebel, Heidekraut, Himbeere, Kohldistel) die duftgelenkten - Völker im Durchschnitt doppelt so viel an Gewicht zugenommen als gleich starke Kontrollvölker, die mit den gleichen Zuckermengen, aber ohne Duft- beigabe gefüttert waren. Die Duſtlenkung bewirkt nicht nur einen zahlreicheren Beflug der belenkten Trachtpflanze, sondern sie veranlaßt auch die einzelnen Bienen zu besonders eifriger und ausdauernder Flug- tätigkeit.

An der Verbesserung des praktischen Verfahrens und an der Prüfung der Frage, bei welchen Pflanzen sich seine Anwendung lohnt, wird: noch gearbeitet.

` Prof. K v. Frisch

243

Die Budwadt

Franz Sekera:

Der gesunde und kranke Boden

Reichsnährstandsverlag G. m. b. H., Berlin 1943, 107 Seiten, Preis broschiert RM. 3,30

Die stark eingeschränkte Produktion von Betriebs- mitteln und der Mangel an Arbeitskräften zwingt die Landwirtschaft, mit zunehmender Dauer des Krieges Reserven zu mobilisieren, die bisher meist unvoll- kommen genutzt, oft aber auch gänzlich unbeachtet blieben. Planmäßige Betriebsführung und Gemein- schaftsarbeit vermögen aber trotz ihrer steigenden Vervollkommnung die sich öffnenden Lücken nur mangelhaft zu schließen, wenn Bauern und Land- wirte bei der Bearbeitung des Bodens den Problemen der Bodenbiologie verständnislos gegenüberstehen.

Die vorliegende Schrift des um die Erforschung der Bodengesundheit und ihrer Erfordernisse be- sonders verdienten Wissenschaftlers vermittelt gerade dem Praktiker in bestgeeigneter Form einen Einblick in die Probleme des Bodens. Die Gemeinschaft von Biologie und Technik, die unser ganzes Leben durch- dringen muß, ist eine wichtige Forderung auch an die Landwirtschaft. Nicht allein die mechanische Pflugarbeit ist ausschlaggebend für den Erfolg der Bodenbearbeitung, sondern das Zusammenwirken zwischen Boden, Pflanzenwurzelund Mikroorganismen. Letzte sind die Träger der „Lebendverbauung“ der Bodenhohlräume, ohne die eine Krümelstruktur auch mit modernsten Bodenbearbeitungsmaschinen auf die Dauer nicht zu erreichen ist.

Um den Boden und die Vorgänge in ihm beurteilen zu können, müssen wir ihn so fordert Sekera vom Standpunkt der Pflanzenwurzel aus sehen. Diese ist, da sie im Mittelpunkt des Bodenlebens steht, das Spiegelbild ihres Lebensraumes. Ihr Gesundheits- zustand ist für uns der Gradmesser des Gesundheits- zustandes des Bodens. Das Anpacken des Boden- problemes von der Pflanzenwurzel aus ist die neue Taktik der Bodenbiologie, die der Verfasser uns in der vorliegenden Schrift vermittelt. |

Von der Erkenntnis des Gesundheitszustande des Bodens führt ein gerader Weg zur Bodenhygiene, der im wesentlichen zwei Aufgaben gestellt sind:

1. der Kampf gegen die natürlichen Entartungs“ erscheinungen,

‚2. der Kampf gegen die Kulturkrankheiten.

Die Gesunderhaltung des Bodens ist eine Existent- frage des ganzen Volkes, sie ist daher erstes Gebot der Landwirtschaft und der Landschaftspflege. „Der Bauer muß Hausarzt seines Bodens sein“.

Die vorliegende Schrift gibt in anschaulicher Form einen wertvollen Beitrag zur Bereicherung des Wissens der Bauern um die Bodenbiologie. Als Lehrbuch bedeutet sie darüber hinaus angesichts der Verpflich- tung des Bauerntums, im Rahmen der Erzeugungs- schlacht durch Mobilisierung aller betriebseigenen Reserven mehr denn je zur Selbsthilfe zu greifen, eine,

. gute Waffe im Kampf um die Zukunft des Volkes.

Werner Gruenhagen

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JUNI 1944 NUMMER JAHRGANG? EINZELPREIS 120&M

INHALT

Reichsminister Herbert Backe: Sinn und Gesetz wissenschaftlicher Forschung 249 Bildbeilage Thünen ........... Bis een ee ee n.S. 252

Professor Dr. Asmus Petersen, Direktor des Instituts für Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Rostock und des Thünen-Archivs: Thünens

LEeBEDSWEIK ss ee ĩ³ » 8 . 255 Dr. A. Werner Schüttauf: Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität Ein Beitrag zur Frage: Zehnmillionenstadt Berlůnñg i 259

Jaques Groeneveld, Landesbauernführer der Landesbauernschaft Weser-Ems, Leiter des Gauamtes für das Landvolk: Vom Junghalten des Bauernführerkorps 262

Karl Albach: Zweierlei Erzeugungsschlacht und Ernährungs wirtschaft 264 Der Gärtnerlehrling (Bildbeilage·eõ7!D:D! n.S. 264 Regierungsrat Heinz Gerdesmann: Bodenpolitische Maßnahmen der euro- päischen Staaten ....... 8 Beleg 77000 V . 266 Günther Pacyna: Bauer, Landvolk, VoljñK. u en 270 Ein bäuerlicher Geschlechterbund (Bildbeilageeãꝶ‚ſ᷑mmmùh i. n. S. 272 Agrarpolitische Rundscaaoõurrrſrſrr r 3 i 276 Randbemerkungen: ae ce 277 Die Buchwacht ....... E ee 279

Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Prof. Rudolf Koppitz. Die Photos zur Bildbeilage

„Der Gärtnerlehrling“ erhielten wir vom Reichsnährstandsarchiv, und zwar von folgenden Licht-

bildnern: Limberg (2), Krack (2), Dinges (2), Pongratz (1) und Pauck (1). Hermann Lim-

berg (8) lieferte uns die Bilder zur Beilage ‚Ein bäuerlicher Geschlechterbund“. Die Aufnahmen

für die „Thünen’'-Bildbeilage stellte uns die Thünen-Gesellschaft zur Verfügung. Die Federzeichnung

des Marschhofes Canarienhausen und der Grabstätte Thünens fertigte Richard Zscheked. Die Bild- beilage enthält außerdem ein Photo von Transozean.

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf: 19 55 41.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlip SW 68. Fernruf 116071. Orts-

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller A Sohn, Beriin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

DEUIS

Juni 1944

Herausgeber

HERBERT BACKE:

Jahrgang 2

Nummer 9

Sinn und Gesetz wissenschaftlicher Forschung

Reichsminister Herbert Backe hielt anläßlich der

Gründungstagung der Thünen - Gesellschaft einen

grundsätzlichen Vortrag über die Zielsetzung der

ernährungswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen

Forschungsaufgaben der Zeit, den wir nachstehend im Wortlaut veröffentlichen.

W en wir mitten im fünften Kriegsjahr,

mitten in dem gewaltigsten Ringen Europas um seinen Bestand und um den Bestand der abendländischen Kultur Sie, meine Herren, als die wichtigsten und führenden Männer der landwirtschaftlichen Praxis, Wissenschaft und Verwaltung Deutschlands und anderer Länder zur Er- öffnungsfeier derneugegründeten Thünen-

Gesellschaft hierher nach Mecklenburg

zusammenrufen, so muß dies mehr als nur wissenschaftliche Berechtigung haben. Es wäre nicht vertretbar, in dieser Zeit einen Wissenschaftler zu feiern, der uns für die Größe des politischen Geschehens nichts zu sagen hätte. Dazu ist die Zeit zu schwer.

Johann Heinrich von Thünen ist jedoch mehr als nur der reine Wissenschaftler, für den man ihn bisher leider nur zu lange ge- halten hat. Wenn ich im vorigen Jahr mich entschlossen habe, eine Thünen-Gesell- schaft ins Leben zu rufen und ihr Präsidium zu übernehmen, so tat ich dies aus der Er- kenntnis heraus, daß Thünen nächst Albrecht Thaer der bedeutendste und wichtigste Begründer der landwirtschaftlichen Wissen- schaften überhaupt ist. Während Thaer die Landwirtschaft auf die Naturwissenschaften

N

begründete, ist Thünen der große Wirt-

_schaftswissenschaftler gewesen, der der

Landwirtschaft ihre Aufgabe im Rahmen der gesamten Volkswirtschaft zuwies, sie also wirtschaftswissenschaftlich und wirt- schaftspolitisch begründete. Er war über seine Bedeutung für die Landwirtschaft hin- aus neben Friedrich List der wahre Volkswirtschaftspolitiker seiner Zeit und stand dadurch in stärkstem Gegensatz zu jenen englisch-jüdischen Wissenschaftlern vom Schlage eines Ricardo, die der welt- wirtschaftlichen Entwicklung einen wissen- schaftlichen Unterbau zu geben sich be- mühten. 7

Diese große Bedeutung Thünens ist lange Zeit verkannt worden. Seine Lehre von den Intensitätskreisen, die er in seinem Hauptwerk „Der isolierte Staat“ entwickelt hatte, glaubte man dahin- gehend auslegen zu müssen, daß sie die In- tensitäts- und Standorts verhältnisse in der Landwirtschaft erläuterte, und zwar in der Weise, daß die Intensität der Landwirt- schaft mit der Entfernung vom Markt ab- nimmt. Hierin, so sagte man, läge bereits der wesentliche Wert Thünens als Volks- wirtschaftler. Heute wissen wir, daß die eigentliche Bedeutung Thünens sehr viel weiter geht. Er hat in allen seinen Werken und Schriften immer wieder darauf hingewiesen und immer wieder zu erklären versucht, welche Stellung der Landwirt-

schaft innerhalb der Gesamtvolkswirt- schaft zukommen muß, d. h. in welcher Weise die Landwirtschaft und darüber hin- aus die Volkswirtschaft in den Rahmen des Volksganzen einzugliedern sind. Er hat nicht nur Zustände geschildert, sondern ist vor allem den Beweggründen für diese Zu- stände nachgegangen und hat hierfür eine wirtschaftspolitische Erklärung zu finden versucht. Seine Eingliederungslehre ist deshalb nicht allein eine wirtschafts-wissen- schaftliche Angelegenheit, sondern hat darüber hinaus vorwiegend eminente poli- tische Bedeutung. i

Insbesondere im politischen Geschehen unserer Tage finden wir in dem Werk Johann Heinrich von Thünens eine Richt- schnur, die unsere Aufbauarbeit von der wissenschaftlichen Seite aus rechtfertigt und ihr auch in Zukunft manches geben .kann. Wir wissen alle, daß das Zeitalter des freien Spiels der Kräfte, welches in seiner

höchsten Entwicklungsstufe bis zur freien

Weltwirtschaft geführt hatte, vorbei ist. Wieweit die Entfesselung aller ichsüchtigen Kräfte auf dem Gebiet der Wirtschaft für die Entwicklung des technischen Jahrhun- derts notwendig gewesen sein mag, soll da- hingestellt bleiben. Diese Frage ist für uns auch nicht mehr interessant. Wichtig ist allein die Feststellung, daß das Zeitalter des Liberalismus und damit der freien Wirt- schaft vorbei ist, daß es vorbei sein muß, weil sich sein Unwert für das Leben der Völker und Nationen auf die Dauer klar er- wiesen hat. Die Lehre, daß das höchste Maß an Wohlfahrt des einzelnen wie der Na- tionen sich nur aus dem „freien Spiel der Kräfte”, aus der „Entfesselung des rück- sichtslosen Individualismus" und dem Fal- lenlassen jeglicher Bindungen ergeben könnte, paßt nicht mehr in unser Jahr- tausend. Sie ist völlig zusammengebrochen.

Wir würden allerdings einen großen Fehler begehen, wollten wir bei der Ent- wicklung neuer wirtschaftspolitischer Grundsätze nunmehr diejenigen wirtschaft- lichen und politischen Grundsätze oder Zu- sammenhänge, die sich während deg Zeit- alters der Weltwirtschaft als richtig er- wiesen haben, einfach verneinen und ohne sie auszukommen versuchen. Im Gegenteil: Wir dürfen nicht glauben, daß so hochent- wickelte Volkswirtschaften, wie die der europäischen Länder, etwa ohne eine Ar- beitsteilung auskommen könnten, ebenso

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wie wir, um ein weiteresBeispiel zu nennen, nicht den Wert und die Wichtigkeit des Preises in seinem großen Einfluß auf Er- zeugung und Bedarf vergessen dürfen. Wir sind aber zu der Überzeugung gekommen und hiermit stehen wir im krassen Ge- gensatz zu den Weltwirtschaftspolitikern des vorigen Jahrhunderts —, daß sich Ar- beitsteilung und Preise, um bei diesem Bei- spiel zu bleiben, nicht ungeordnet und un- gehemmt entwickeln dürfen. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zur orga- nischen Lenkung der Volkswirtschaft. Nur eine solche Arbeitsteilung ist nützlich, die auf einer klar durchdachten Ordnung be- ruht, nicht eine solche, die sich aus irgend- welchen Zufälligkeiten heraus entwickelt. Nur dann wird sich der Preis zum Wohle der Gemeinschaft auswirken, wenn er nicht das Ergebnis eines zufälligen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage ist, d. h. sich ungeordnet ergibt, sondern wenn der Preis als Lenkungsmittel auf Grund der politisch- wirtschaftlichen Notwendigkeiten zum Wohle der Gemeinschaft angewandt wird.

Die Weltwirtschaft mußte nicht deshalb zusammenbrechen, weil die wirtschaft- lichen Gesetzmäßigkeiten falsch waren, nach denen sie sich entwickelt hatte, son- dern weil ihr eine zenträle Ordnung fehlte. Dieses Fehlen einer zentralen Ordnung lag im Prinzip des Liberalismus begründet. Es gab in der Weltwirtschaft keine Bindung ihrer einzelnen Mitglieder an klare Ord- nungsprinzipien, das hätte ihrem Wesen widersprochen. Es gab keine zentrale Führung, die sich für das Wohl und Wehe und für die Erhaltung ihrer einzelnen Mit- glieder verantwortlich fühlte. Die Welt- wirtschaft mußte vergehen, weil der Welt- arbeitsteilung, auf der sie beruhte, die wesentlichste Voraussetzung fehlte, nām- lich eine Gemeinschaft der Beteiligten.

Die Entscheidung, was für die Gemein- schaft nützlich war, blieb jedem einzelnen überlassen, der natürlich immer der Ansicht sein mußte, daß der Gesamtheit nur das nützen könne, was ihm nütze.

Es wäre aber völlig verfehlt zu glauben, daß die weltwirtschaftliche Periode, die wir als abgeschlossen betrachten müssen, nun dadurch abgelöst werden könnte, daß wir das Rad der Entwicklung heute wieder zurückdrehen und etwa von der Verkehrs- wirtschaft zu sich selbst genügenden kleinen Volks wirtschaften, d. h. zu einer

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Unzahl von Autarkien oder gar zur ge- schlossenen Hauswirtschaft zurückschrei- ten müßten. Ich brauche Ihnen nicht klar- zumachen, warum eine solche rückläufige Entwicklung gar nicht möglich ist. Sie wäre schon deshalb verwerflich, weil damit die Grundlage für die notwendige bevölkerungs- politische Entwicklung unserer und der an- deren europäischen Nationen zerstört wer- den würde. Wir könnten mit diesen Wirt- schaftsformen gar nicht die großen Men- schenmengen ernähren, die Europa für seinen politischen Fortbestand benötigt. Auch für die Großraumwirtschaft, die wir in der Lebensraumgemeinschaft des ge-

einten Europas aufzubauen im Begriffe sind,

gilt das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf durch eine möglichst große Erzeugung bei möglichst geringem Einsatz von Erzeu- gungsmitteln gedeckt werden muß. Dieses Ziel ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedern der europäischen Lebens- raumgemeinschaft gar nicht zu erreichen. Es wird Deutschland so oft fälschlicher- weise nachgesagt, daß es die Absicht habe, auf der Grundlage einer engen Autarkie seine Ernährung selbst zu sichern und in keiner Weise auf die Erzeugung der übri- gen europäischen Agrarländer zurückzu- greifen. Nicht nur die Entwicklung dieses Krieges, sondern vor allem auch die Ent- wicklung seit der nationalsozialistischen Machtergreifung bis zum Kriegsbeginn hat aber schon hinlänglich bewiesen, daß wir gewillt sind, auf der Grundlage einer klaren Ordnung innerhalb des Großraumes Europa und unter Ausnutzung der beson- deren Eigenarten und Erzeugungsmöglich- keiten der einzelnen europäischen Länder eine klare, geordnete und erfolgreiche Ar- beitsteilung aufzubauen, die allein sich zum Wohle der europäischen Gesamt- heit auswirken kann. Im Zeitalter der Weltwirtschaft deckten die nordwest- europäischen Länder, d. h. vorwiegend Deutschland, England, Dänemark, Bel- gien und Holland, ihren Bedarf überall dort in der Welt, wo die Erzeugung am billigsten war. Die übrigen europäischen Länder wurden hierbei oft nur zu sehr ver- nachlässigt oder konnten nur zeitweilig daran partizipieren. In der Lebensraumge- meinschaft Kontinentaleuropas, die wir als Zusammenfassung gleicher und verwandter Rassen aufzubauen bestrebt sind, sind die gesamten Hauptverbraucherländer einge- schlossen und daher in der Lage, alle Uber-

schüsse der europäischen Agrarländer auf- zunehmen. Deutschland als das hauptsäch- lichste Verbrauchergebiet ist aber nicht gewillt, hierbei wirtschaftspolitisch in gleicher Weise vorzugehen, wie es England innerhalb der Weltwirtschaft getan hat. Soll diese landwirtschaftliche Arbeits- teilung innerhalb Europas sich wirklich zum Wohle und zum Segen aller beteiligten Völker auswirken, dann muß sie auf einer klaren Ordnung aufgebaut sein. Zu dieser Ordnung gehört auch eine feste Preis- regelung. Auf Thünen aufbauend, haben die führenden landwirtschaftlichen Betriebs- wirtschaftler, vor allem Friedrich Aereboe, uns nachgewiesen, wie sehr die Gestaltung der Landwirtschaft sowohl im einzelnen Betrieb als auch innerhalb einer Volkswirtschaft von den Preisen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, vor allem von ihrem Verhältnis zueinander abhängig ist. Die wichtigste Eigenschaft des Preises liegt nicht darin, daß er sich aus Angebot und Nachfrage ergibt, sondern daß er als wesentlichster Faktor die Art und den Um- fang der Erzeugung zu beeinflussen vermag. Soll die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte die zur Bedarfsdeckung notwen- dige Stetigkeit aufweisen, so kann eine zentrale Wirtschaftsführung auf den Fest- preisals Lenkungsmittel der Wirt- schaft auf keinen Fall verzichten. Die Preisrelation das ist uns in den mehr als zehn Jahren landwirtschaftlicher Marktord- nung wohl allen klargeworden ist deshalb der wichtigste Zügel, mit dem wir die land- wirtschaftliche Erzeugung lenken. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Deutschland, son- dern muß auch beim Aufbau einer europäi- schen Großraumwirtschaft Anwendung fin- den. Dabei wird es notwendig sein, bei der Festsetzung der einzelnen Preise so vorzu- gehen, daß dieStandortentwicklung der ver- schiedenen ErzeugungszweigeimSinne Thü- nens nicht gehemmt, sondern vielmehr geför- dert wird. Die volkswirtschaftlich richtigen Preise zu finden, wird eine der schwierig- sten Aufgaben der zentralen Wirtschafts- führung der Landwirtschaft Europas sein. Denn die Verhältnisse sind natürlich nicht so einfach, wie Thünen sie in seinem „Iso- lierten Staat“ bewußt schematisch aufgebaut hat. Deshalb mußhierbeimit größter Sorgfalt und viel Geschick vorgegangen werden, denn Fehler in der Preisfestsetzung können nur zu leicht Fehlentwicklungen der Erzeu- gung einleiten, die volkswirtschaftlich

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völlig falsch sind und zur unnötigen Ver- teuerung der Erzeugnisse führen können. Es wird deshalb nicht unwesentlich darauf an- kommen, die mathematischen Grundformeln der ThünenschenLehre so zuentwickeln, daß sie bei der Festsetzung von Preisen auf die verschiedensten Verhältnisse angewandt werden können. Gelingt dies und das scheint auf Grund des vorliegenden Ma- terials möglich zu sein —, so würden wir damit zu einem sehr wesentlichen Hilfs- mittel für die Steuerung der landwirtschaft- lichen Erzeugung in den einzelnen euro- päischen Ländern einschließlich Deutsch- lands durch die Preise kommen und damit eine der entscheidenden Grundlagen für eine europäische Wirtschaftsordnung be- . sitzen. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß ein klares Durchdenken und theoretisches Durchleuchten der Perspektiven auf jeden Fall die Arbeit des Wirtschaftspolitikers er-

leichtert, selbst wenn man auf dem Stand- -

punkt steht, daß es letzten Endes nur auf das Handeln ankommt.

Die wirtschaftspolitische Verantwortung, die uns hiermit entsteht, ist also besonders groß. Nur im Gefühl dieser großen Ver- antwortung für den gesamten Wirtschafts- raum haben wir das Recht, für Deutschland die wirtschaftspolitische Führung zu bean- spruchen. Eine sinnvolle Arbeitsteilung und Festpreisordnung auf dem Gebiet der Ernährungswirtschaft ist in Europa unter deutscher Führung nur dann möglich, wenn Deutschland als Schwerpunkt in der Mitte Europas nicht allein den Bedarf bestimmt, d. h. den Hauptmarkt darstellt, sondern wenn es darüber hinaus auch in wirt- schaftspolitischer Hinsicht für alle euro- päischen Länder führung- und richtung- gebend wirkt. Stand in der von England entwickelten Weltwirtschaft das Kapital und das Gelddenken im Mittelpunkt aller Erwägungen, in der Erwartung, daß sich um das Geld. herum eine sinnvolle Ord- nung von allein ergeben würde, so muß die europäische Großraumwirtschaflt nun aus- gehen von der Überlegung, daß der Bedarf der Völker das Primäre zu sein hat und daß dieser Bedarf auf die sinnvollste und einfachste Weise gedeckt werden müsse zum Wohle der einzelnen europäischen Nationen und darüber hinaus zum Wohle des europäischen Menschen überhaupt. Denn es ist das Kennzeichen unserer heuti- gen Auffassung, daß die rein wirtschaft- lichen Faktoren ihre Vorherrschaft verloren

252

zer

haben und daß das Volk und der Mensch in den Mittelpunkt aller Erwägungen getreten sind. Den Wert und den Erfolg aller wirt- schaftspolitischen Maßnahmen kann man demnach nur daran ermessen, wieweit sie sich zum Wohle der Völker ausgewirkt haben oder noch auswirken. Daraus ergibt sich, daß die gesamte Wirtschaft als Dienerin der Politik nur dann sinnvoll ge- staltet werden kann, wenn sie in einer festen, klar umrissenen Bindung an die poli- tischen Erfordernisse gestaltet wird. Nur durch eine sölche Bindung, die sich aller- dings nicht nur auf einen Teil der Wirt- schaft erstrecken kann, sondern neben. der Landwirtschaft auch alle übrigen Zweige der Wirtschaft umfassen muß, läßt sich die Wirtschaft zur Dienerin der Politik machen, kann sie überhaupt erst zu jenem Hilfs- mittel für die Politik werden, das wir bei der Dringlichkeit der großen politischen Forderungen unserer Zeit unbedingt benö- tigen. Die Erfolge der nach diesen Grund- sätzen seit der Machtübernahme ausgerich- teten deutschen Agrar- und Ernährungs- politik sprechen hier eine nur zu deutliche Sprache. Es erübrigt sich, Ihnen, meine Herren, im einzelnen zu beweisen, worin diese Erfolge liegen. Es muß aber immer wieder festgestellt werden, daß es allein das Prinzip der gebundenen Wirt- schaft gewesen ist, welches diese großen Erfolge hat möglich werden lassen. Nur die Einordnung aller wirtschaftlichen Vorgänge auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Er- zeugung einerseits und der Versorgung des Volkes mit Nahrungsmitteln andererseits in ein nach politischen Grundsätzen ausge- richtetes, wohldurchdachtes und klar geord- netes Ganzes hat uns in die Lage versetzt, die Ernährung des deutschen Volkes in diesem schwersten Kriege in einer Weise zu sichern, die mit den Verhältnissen des ersten Weltkrieges gar nicht verglichen werden kann.

Die Richtigkeit der hierbei angewandten wirtschaftspolitischen Grundsätze hat sich also eindeutig erwiesen. Es wird nicht be- zweifelt werden können, daß sie auch für die Aufrichtung der europäischen Groß- raumwirtschaft die' einzig ausschlaggeben- den sein müssen. Es ist eben ein Kenn- zeichen unseres Jahrhunderts, daß die größten und sichersten politischen Erfolge

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Die Überreichung des Teterower Ehrenbürgerbriefes auf Thünens Gut Tellow (1848)

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Das obere Bild zeigt Thünen inmitten Koetz "Am, Mr 1 Gutsarbeiter (nach dem Relief an ALL NE en Rauchs Thaer-Denkmal) E lët

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(Gestalter der Thiinenscben Lehre in der

Betriebswissenschaft |

Johann Fühling (1823—1884) Professor in Heidelberg

Adolph Kraemer (1833—1910)

Professor in Zürich

Theodor Engelbrecht

(1853—1934) Marschhofbesitzer in Obendeich

Franz Waterstradt (1872—1914)

Professor in Hohenheim

Friedrich Aereboe (1865—1942) Professor in Berlin

nur jenen Ländern beschieden sind, die es verstehen, ihre Volkswirtschaft und inner- halb dieser ihre Landwirtschaft in organi- scher, sinnvoller und klarer Weise inner- halb des politischen Gesamtgeschehens zu ordnen. Auch der Großraum Europa wird sowohl in politischer wie in wirtschaftlicher Beziehung nur dann auf sicheren Füßen stehen können, wenn es gelingt, auf wirt-

> schaftlichem Gebiet dieselbe Klarheit und

sinnvolle Ordnung herzustellen. Hierbei können wir aber die bahnbrechenden volks- wirtschaftlichen Ergebnisse Johann Hein- rich von Thünens nicht entbehren. Mit seiner Eingliederungslehre hat er uns die Grundlage und das notwendige Wissen für die Beantwortung der Frage gegeben, in welcher Weise eine solche wirtschaftspoli- tische Ordnung und Arbeitsteilung inner- halb Europas aufzubauen sind. Aus seinem Werk können wir die Gesetze entnehmen, nach denen einmal die Eingliederung der verschiedenen Zweige der landwirtschaft- lichen Erzeugung in die gesamte Landwirt- schaft zu erfolgen hat, nach denen aber darüber hinaus auch die Ernährungswirt- schaft einzugliedern ist in den Rahmen der gesamten Volkswirtschaft überhaupt.

Weiterhin sind in Thünens Werk auch jene Grundsätze entwickelt worden, die einer sinnvollen Gestaltung der Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen europäischen Völkern auf dem landwirtschaftlichen Ge- diete zugrunde zu legen sind. Die Thünen- sche, Eingliederungslehre, die ja nicht nur auf die zu seiner Zeit herrschenden Ver- hältnisse anwendbar, sondern gerade wegen ihrer allgemein gültigen Formulierung für alle Verhältnisse zutreffend ist, hat zeitlosen Charakter, weil sie die Zu- sammenhänge der verschiedenen betriebs- wirtschaftlichen Zweige des Landbaues, ihre Beziehung zueinander und ihre Ein- ordnung in größere umfassende Zusammen- hänge vom kleinsten Bauernbetrieb über die Volkswirtschaft bis zu einer Großraum- wirtschaft zu klären imstande ist. Ich glaube, daß ohne die Eingliederungslehre Thünens eine Landwirtschaft weder privat- wirtschaftlich noch politisch verstanden oder gestaltet werden kann. Ich möchte sogar darüber hinaus behaupten, daß sich

aus Thünens Werk auch diejenigen Ge- setze werden ableiten lassen, nach denen innerhalb der gesamten Agrarpolitik die Ernährungswirtschaft in ein geordnetes Verhältnis zu den beiden anderen großen Aufgaben des Bauerntums, nämlich den Bluts- und Kulturfragen, zu bringen ist. Gerade in einer derartigen Einordnung der Ernährungswirtschaft in die gesamte Agrar- politik sehe ich die wesentliche Aufgabe einer zukünftigen landwirtschaftlichen Zu- sammenarbeit der europäischen Völker. Im Zeitalter der Weltwirtschaft mußten bevölkerungspolitische und damit auch kulturelle Belange durch die unbedingte Vorherrschaft der Wirtschaft ganz in den Hintergrund rücken. Diese Entwicklung hat sich nicht nur in Deutschland in einer auf die Dauer untragbaren Unterbewertung des Bauerntums, nicht nur in wirtschaft- licher, sondern besonders auch in kul- tureller und blutsmäßiger Hinsicht aus- gewirkt; auch bei den anderen europäi- schen Völkern haben sich ähnliche schädi- gende Auswirkungen gezeigt. Nach dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft sind wir aber in der Lage und haben vor allem die Pflicht, diese großen agrarpolitischen Aufgaben wieder in den Vordergrund aller unserer Erwägungen zu stellen. Wir sind hierzu deshalb insbesondere gezwungen, weil sonst der politische Bestand Europas infolge fortschreitender Gefährdung unse- rer biologischen Kraft einerseits und in- folge Untergrabung unserer kulturellen Werte durch den Amerikanismus anderer- seits durchaus in Frage gestellt werden könnte. Nur in der richtigen wirtschafts- politischen Untermauerung der großen agrarpolitischen Aufgaben des deutschen und darüber hinaus des europäischen Bauerntums, also in einer klaren Zuord- nung der verschiedenen bäuerlichen Auf- gabenkreise zueinander und ihrer Ein- gliederung in ein geordnetes Ganzes kann die Grundlage für eine erfolgreiche Lösung dieser wichtigsten politischen Probleme gesehen werden, von denen der Bestand des Abendlandes abhängen wird.

Thünens Lebenswerk, aus der bisherigen rein wirtschaftlichen Betrachtung so hin- ausgehoben, bekommt auf diese Weise eine

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ungeheure politische Wirkung. Aus der Erkenntnis dieser politischen Bedeutung heraus habe ich mich seinerzeit ent- schlossen, eine Thünen-Gesellschaft ins Leben zu rufen, deren Gründung wir heute in diesem Festakt feiern. Aufgabe dieser Thünen-Gesellschaft soll es sein, wie Pro- fessor Petersen vorhin bereits ausgeführt hat, das Lebenswerk des großen mecklen- burgischen Forschers und Landwirtes, das heute fast hundert Jahre nach seinem Tode noch in völlig ungenügender Weise ausgeschöpft und untersucht worden ist, zunächst einmal in einer kritischen Be- arbeitung vollständig herauszugeben und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Ich hielt es deshalb für richtig, der Gesell- schaft zunächst die Aufgabe zu stellen, möglichst bis zum hundertsten Todestag Thünens, d.h. bis zum Jahre 1950, die von Professor Petersen erörterte mehrbändige kritische Gesamtausgabe der Thünenschen Werke vorzubereiten.

Darüber hinaus soll aber in der Gesell- schaft der Mittelpunkt für den wissen- schaftlichen und wirtschaftspolitischen Ausbau der Thünenschen Lehre entstehen. Ich halte es für notwendig, daß, aufbauend auf den Gedanken Johann Heinrich von Thünens, eine lebhafte Beschäftigung und starke Auseinandersetzung der Wissen- schaftler, der Agrarpolitiker und nicht zu- letzt der landwirtschaftlichen Praktiker entsteht, damit die Grundsätze und Er- kenntnisse von der sinnvollen und organi- schen Eingliederung der Landwirtschaft in den Gesamtorganismus des Volkes immer größere Verbreitung finden mögen. Man könnte sagen, wir haben die agrarwirt- schaftlichen Probleme der Jetztzeit, das Problem der politischen Festpreise, deren Einfluß auf Erzeugung usw. finden und ge- stalten müssen, obgleich uns diese Lehren von Thünens unbekannt, da sie größten- teils unveröffentlicht waren. Jedoch selbst wenn man die Erleichterung, die in der Er- kenntnis dieser Werke für unsere Arbeit gelegen hätte, nicht anerkennen wollte; selbst wenn man die Meinung vertreten würde, daß es im Leben stets so ist, daß Gesetzmäßigkeiten nur entdeckt werden, wern die Zeit reif zu ihrer Verwirklichung

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ist, so möchte ich zumindest einmal folgen- desinden Vordergrund stellen: Niemals wird ein Volk auf das Studium einer Volkswirt- schaftslehre verzichten können. Diese aber wird gelehrt werden nach den Systemen, die jeweils Wissenschaftler für ihre Zeit, sehr oft mit dem Anspruch der Allgemein- gültigkeit gestaltet haben. Sollten wir bei dem nun einmal notwendigen Studium unserer jungen akademischen Mannschaft, die später einmal selbst lehrend tätig sein wird, darauf verzichten, ihnen die Werke jener deutschen Volkswirtschaftler nahezu- bringen, die mehr denn alle anderen voraus- eilend die wirtschaftspolitischen Zusammen- hänge erkannten? Sollen wir uns darauf beschränken, stets nur diejenigen zu zitieren, deren Lehren sich als nur zeitbe- dingt und auf falschen Voraussetzungen aufbauend, erwiesen? So wie wir unser poli- tisches Urteil an den großen Persönlich- keiten der Geschichte bilden, so ist es eben- so notwendig, unser Urteil in volkswirt- schaftlichen Dingen an den Lehren großer deutscher Volkswirtschaftslehrer zu schulen.

Ich würde es aber außerordentlich be- grüßen, wenn sich an dieser wissen- schaftlichen Gemeinschaftsarbeit auch das Ausland mit seinen besten Kräften beteiligte, damit auch der überstaatliche Gedankenaustausch und die Vertiefung der Thünenschen Lehre weit- gehend gefördert werden. Wenn der Kreis derjenigen, die das Lebenswerk Thünens in diesem Sinne verstehen, so von Jahr zu Jahr immer größer und größer wird, und wenn sich die Gedanken Thünens immer mehr und. mehr in der Wirtschaftspolitik Deutschlands und der anderen Völker aus- breiten, so werden wir in seinem Lebens- werk ein sehr wesentliches Hilfsmittel und Werkzeug für die Lösung unserer großen politischen Nachkriegsaufgabe finden, näm- lich der Aufgabe, die wirtschaftspolitische Entwicklung des Großraumes Europa auf landwirtschaftlichem Gebiet in erfolg- reicher Weise zu fördern. Damit schaffen wir dann auch die biologischen Voraus- setzungen, die das volkliche Leben des Reiches und alle anderen europäischen Na- tionen und seine unsterblichen kulturelles Schöpfungskräfte für alle Zukunft sichern.

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ASMUS PETERSEN:

THÜNENS LEBENSWERK

hünens Lebenswerk ist so umfangreich, daß die Thünen-Gesellschaft, die eine kritische Ausgabe des Gesamtwerkes zu veranstalten hat, Schwierigkeiten haben wird, es in zehn starke Bände zu bannen“). Man wird also nicht er- warten können, das gewaltige Lebenswerk in einer kurzen Abhandlung auch nur andeutungs- weise skizziert zu finden. Im folgenden soll deshalb auch nur eine Leistung, die Kreis- Jehre, herausgehoben werden. Auch diese eine Leistung wird mit wenigen Strichen in ihrem ganzen Umfange nicht darzustellen sein. Wohl aber soll versucht werden, sie so weit zu er- läutern, daß sie allgemeiner als groß und aktuell erkannt wird. Auch sollen die übrigen Leistungen wenigstens erwähnt werden.

Die Kreislehre ist unter dem Namen der Thünenschen Intensitätstheorie allgemei- ner bekannt. Nach dieser Auffassung soll Thünen im ersten Teil seines berühmten Haupt- werkes „Der Isolierte Staat“ gezeigt haben, daß sich die Jandwirtschaftliche Produktion in einem gleichmäßig mit Verkehrsmitteln aufgeschlosse- nem Lande von überall gleicher Fruchtbarkeit in konzentrischen Kreisen abnehmender Inten- sität um den Markt herum anordnet. Diese Bagatellisierung der Kreislehre zu einer bloßen Intensitätstheorie hat ihren Grund darin, daß man sich statt an das Studium des Werkes selbst mehr an das bekannte Kreisbild im Anhang hielt. In diesem Kreisbild sind die Unter- suchungsergebnisse von einem Freunde Thünens teilweise bildlich dargestellt worden. In der Mitte einer überall gleich fruchtbaren Ebene liegt die Stadt, und um sie herum dehnen sich in dem gleichmäßig mit Verkehrsmitteln auf- geschlossenen Lande die Kreise wechselnder Betriebsgestaltung; dem Markt zunächst der Kreis der freien Wirtschaft, dann die Zone der Forstwirtschaft, dann die drei Getreidebauzonen (Fruchtwechsel-, Koppel- und Dreifelderwirt- schaft) und schließlich die Viehzuchtzone, die in die unkuftivierte Wildnis übergeht. In diesem vereinfachten Bilde sinkt allerdings schon die Intensität nicht durchweg mit der Entfernung vom Markt, wie es die zu einer Intensitäts- theorie verkleinerte Kreislehre voraussetzt. Die extensive Forstwirtschaft in der Nähe des Marktes fällt total aus dem vorausgesetzten Schema der abfallenden Intensität heraus. Aber

) Asmus Petersen: „Der Arbeitsplan der Thünen-Gesell- schaft“, Fischer, Jena 1944. 24 Seiten.

diese eine Ausnahme wurde als hoffentlich falsch geflissentlich übersehen. Stutzig machen aber muß eine vervollständigte Wiedergabe des Kreisbildes, wie ich sie in meiner Jenenser Antrittsrede (Die fundamentale Standortslehre Johann Heinrich von Thünens, wie sie als In- tensitätstheorie mißverstanden wurde, und was sie wirklich besagt. G.Fischer, Jena 1936) ge- bracht habe, die auch umstehend ihren Platz finden möge.

Nach dieser vervollständigten Wiedergabe der Thünenschen Forschungsergebnisse mit dem intensiven Handelsgewächsbau und den inten- siven technischen Nebengewerben in der markt- fernsten Zone, mit der extensiveren Forstwirt- schaft in der marktnäheren Zone und der totalen Umkehrung der vermeintlichen Inten- sitätsverhältnisse innerhalb der Forstzone kann die Kennzeichnung der Kreislehre als Inten- sitätstheorie nicht mehr aufrechterhalten wer- den. Die Anordnung der landwirtschaftlichen Produktion um den Markt herum ist eine viel kompliziertere. Wir müssen also nach dem wirklichen Inhalt der Kreislehre suchen. Wir geben eine kurze Skizze im Anschluß an mein soeben bei Parey, Berlin, erschienenes Buch „Ihünens Isolierter Staat. Die Landwirtschaft als Glied der Volkswirtschaft“, in dem die Kreislehre im getreuen Anschluß an Thünen Wort um Wort und Zahl um Zahl erläutert und die Tragweite der gewonnenen Gesetze über- prüft wird.

Die Kreislehre umschließt nun in der Tat auch eine Intensitätstheorie. In dem ersten großen Unterabschnitt des ersten Teils des Isolierten Staates ($$ 4—18, I, 1826 und 1842) wird am Beispiel der Koppel- und der Drei- felderwirtschaft (und hilfsweise auch der Frucht- wechselwirtschaft) tatsächlich eine Intensitäts- theorie entwickelt. Bei den höheren Getreide- preisen in der Nähe des Marktes muß das Ge- treide in dem intensiveren Getreideerzeugungs- system der Koppelwirtschaft (oder gar der Fruchtwechselwirtschaft) gewonnen werden, bei den niedrigeren Getreidepreisen ferner dem Markt ist aber das extensive Getreideerzeu- gungssystem, die Dreifelderwirtschaft, allein am Platze. Man bezeichnet diesen Teil der Kreis- lehre, um eine Verwechslung mit der vermeint- lichen allgemeinen Intensitätstheorie auszu- schließen, zweckmäßig als spezielle Intensitäts- theorie. Thünen hat diese spezielle Intensitäts-

255

Die Thünenschen Kreise

C. Die vervollständigte Darstellung

Erste Unterbrechung der Intensitätsreihe L Kreis: Heu, marktnah und doch extensiv Zweite Unterbrechung der Intensitätsreihe

II. Kreis: Holz, marktnah und doch extensiv (Bauholz und Holzkohle marktferner als Brennholz und

doch intensiver) l Dritte Unterbrechung der Intensitätsreihe

VI. Kreis: Die Handelsgewächse marktfern und doch Intensiv (insbesondere Flachs, Tabak, Raps). Die technischen Nebengewerbe marktfern und doch intensiv (insbesondere Branntwein- und

Zuckerfabrikation).

theorie mit vollem Recht und mit vollem Be- wußtsein als wirtschaftliche Konsequenz aus dem Gesetz des abnehmenden Bodenertrags- zuwachses entwickelt. Nach diesem Funda- mentalgesetz der Landwirtschaft wird bei einer bestimmten Intensität, der Mindestintensität, die für jedes Produkt bei jedem Stande der Technik spezifisch ist, am billigsten produziert, weil das Naturalverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag hier am günstigsten ist. Eine über diese Mindest- intensität (im isolierten Staat bei der Getreide- erzeugung über die Dreifelderwirtschaft) hinaus gesteigerte Mehrintensität (bis zur Koppel- oder gar Fruchtwechselwirtschaft) ist bei gleich- bleibender Technik nur bei höheren Preisen möglich (im isolierten Staat also nur näher dem Markt).

Das bei steigender Intensität immer ungün- stiger werdende Naturalverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag muß durch immer günsti- gere Preis verhältnisse aufgewogen werden. Diese spezielle Intensitätstheorie gilt für jedes landwirtschaftliche Erzeugnis. Thünen hat die Theorie im Rahmen des isolierten Staates ab- geleitet. Sein Problem war aber nicht nur die

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Wirkung von Preis unterschieden, die aus der verschiedenen Entfernung vom Markt er- wachsen, sondern von Preisunterschieden über- haupt, sie mögen rühren, woher sie wollen, so auch aus der verschiedenen Größe und Struktur des Marktes. In dieser Auffassung bleibt die spezielle Intensitätstheorie von entscheidender Bedeutung, auch wo die Lage zum Markt nicht mehr zu größeren Preis- und Intensitätsunter- schieden Anlaß gibt. In jedem Wirtschaftsraum muß zur Versorgung des Volkes mit den not- wendigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine bestimmte Intensität der Landwirtschaft eingehalten werden. Mit dem Studium dieser Intensitäts- und der entsprechenden Preis- verhältnisse muß man beginnen, wenn man die Landwirtschaft eines Landes verstehen oder gat gestalten will. Erwägungen im Sinne der spe- Zellen Intensitätstheorie müssen dabei obenan stehen. |

Die spezielle Intensitätstheorie, so richtig Vie ist und bleibt, bildet aber nur einen Teil der Kreislehre. Im zweiten Unterabschnitt des ersten Teils des Isolierten Staates ($$ 19—31, I, 1826

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und 1842) wird nicht mehr danach gefragt, mit welcher Intensität ein und dasselbe Erzeugnis je nach der Lage zum Markt zu erzeugen ist, sondern wo die verschiedenen Erzeugnisse, deren die Stadt bedarf, gewonnen werden, ob näher oder ferner der Stadt. Beantwortet wird diese Frage durch eine verkehrswirt- schaftliche Sfandortslehre der Land- wirtschaftszweige, die keineswegs auf eine Intensitätstheorie hinausläuft, und die einen weiteren wesentlichen Teil der Kreislehre ausmacht. Entscheidend bei der verkehrswirt- schaftlichen Standortsorientierung ist vor allem die Transportierbarkeit der Erzeugnisse, die, ab- gesehen von der Handlichkeit und der Verderb- lichkeit, von der Höhe- der Flächenerträge abhängt, wobei unter Flächenertrag bei ver- arbeiteten Erzeugnissen nicht der rohe, sondern der veredelte Ertrag, der absetzbare, auf den Markt gelangende Ertrag, zu verstehen ist. Das erste Thünensche Standortsgesetz lehrt denn auch die Anordnung der Landwirt- schaftszweige um den Markt herum nach fallenden Flächenerträgen. Land- wirtschaftszweige hohen Flächenertrages (bei denen also viel zu transportieren ist) haben ihren Standort in der Marktnähe. Landwirt- schaftszweige nigdrigeren Flächenertrages (bei denen also immer weniger zu transportieren ist) rücken immer weiter in die Ferne.

Da nun Landwirtschaftszweige hohen Flächen- ertrages nicht durchweg spezifisch intensiv und Landwirtschaftszweige niederen Flächenertrages nicht durchweg spezifisch extensiv sind, sondern der Natur der Sache nach ein gewisser Wechsel stattfindet, so ergibt sich mit wachsender Ent- fernung vom Markt nicht eine stetige Abnahme der Intensität, sondern eine alternierende im Sinne Wagemanns und von der Deckens. Aller- dings spielen bei der endgültigen Anordnung um den Markt auch noch die wechselnden Produk- tions- und Verarbeitungskosten mit hinein. Thünen erfaßt diese Einwirkungen durch ein zweites Standortsgesetz, das aber im Gegensatz zum ersten nicht allgemeingültig, sondern zeit- gebunden ist, nur zu Thünens Zeiten stimmte, heute aber nicht mehr zutrifft, hier deshalb auch nicht näher auseinandergesetzt werden soll. All- gemeingültig aber ist die Zusammenfassung beider Gesetze zu dem verkehrswirt- schaftlichen Standortsgesetz der Landwirtschaftszweige. Thünen gewinnt es durch die vergleichsweise Summierung der Standortsformeln, die einen Vergleich der ge- samten Beschaffungskosten der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei ihrem Be- zug aus den verschiedenen Marktlagen zuläßt. Das sich bei dieser Kostenminimierung er- gebende Gesetz ist identisch mit dem Grund- rentenindex Th. Brinkmanns. Durch Einbeziehung der natürlichen Produktionskostenunterschiede läßt es sich noch mehr verallgemeinern. Mit dieser Anordnung der Landwirtschaftszweige ist ein bestimmtes landwirtschaftliches Preisgefüge

gegeben, das volkswirtschaftlich die Bedarfs- deckung möglichst gewährleistet, und privat- wirtschaftlich den Landwirt auf seine Kosten kommen läßt.

Nach diesen unseren bisherigen Ausführun- gen über die beiden Bestandteile der Kreislehre könnte man die Lehre zusammenfassend als die verkehrswirtschaftliche Betriebsgestaltungslehre bzw. die verkehrswirtschaftliche Standortslehre der Landwirtschaft bezeichnen. Im Isolierten Staat wird tatsächlich gezeigt, welche Richtung und Intensität der landwirtschattliche Betrieb je nach der Entiernung vom Markt einschlagen muß oder, was dasselbe ist, da Standortsiragen in der Landwirtschaft Betriebsgestaltungsfragen sind, wo der verkehrswirtschaftliche Standort der verschiedenen Landwirischaftszweige und ihrer Intensitäten ist. Aber eine solche Kenn- zeichnung der Kreislehre, so zutreffend sie ist, bleibt doch noch an der Oberfläche halten, stellt immer noch eine Verkleinerung der Thünenschen Lehre dar. Die Kreislehre ist weit mehr als eine Standorislehre der Landwirtschaft, die statt der vermeintlichen Anordnung der Landwirtschaft um den Markt herum nach fallender Intensität die wirkliche, viel kompliziertere einwandfrei lehrt. Nur sieht man das nicht so ohne weiteres. Vor allem macht Thünen am Eingang sejnes Werkes nicht darauf aufmerksam. Die Eingangs- worte über die Voraussetzungen der Unter- suchung und die Aufgabenstellung lassen in der Tat eine Standortslehre vermuten, sie bleiben aber weit hinter dem zurück, was später wirklich geboten wird. Sie sind nämlich aus einem unfer- tigen Entwurf von 1818/19 oder sogar aus einer Jugendskizze aus dem Jahre 1803 stehengeblie- ben, so daß die späteren Weiterungen dabei außer acht blieben. Dieser Mangel erklärt sich aus der Entstehung des Isolierten Staates. Er wurde 1826 aus verschiedenen Entwürfen zu- sammengestückelt. Nur an den Entwürfen aber arbeitete Thünen mit innerer Beteiligung, nicht aber an der Ausarbeitung für das Publikum.

Nicht nur mit einer verkehrswirtschaltlichen, sondern mit einer marktwirlschaftlichen Be- triebsgestaltungslehre haben wir es im Grunde zu tun. Die Kennzeichnungen Aereboes als Lehre von den PreisenundPreisverhältnissen und Backes als Gesetz des Marktes dringen erst in die Tiefe. Wie ist die Landwirtschaft auf den Markt hin, auf die Preise hin auszurichten, das ist das von Thünen durchdachte Problem. Ja, die Problemstellung greift noch tiefer. Wer sich die von mir erklärte Standortsformel des § 19 des Isolierten Staates erarbeitet, wird stau- nend feststellen, daß dort nicht nur die Anpas- sung der Landwirtschaft an irgendeinen Markt, an irgendwelche Preisverhältnisse, sondern viel- mehr an sinnvolle Preisverhältnisse, die die volkswirtschaftliche Bedarfsdeckung möglichst gewährleisten und den Landwirt auf seine Kosten kommen lassen, gelehrt wird. Die sinn- volle Eingliederung der Landwirt- schaft in den volkswirtschaftlichen

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Gesamtorganismusist der Inhalt der Kreis- lehre. „Im Isolierten Staat“, so müßten eigentlich die Eingangsworte lauten, „liegt in der Mitte die Stadt, als Verkörperung der Volkswirtschaft, mit ihrem Bedart an landwirtschaftlichen Erzeug- nissen, und um sie herum dehnt sich die Land- wirtschaft, die diesen Bedarf zu decken hat. Untersucht wird nun, welche landwirtschaft- lichen Preise und Preisverhältnisse sich aus- bilden und ausbilden müssen, wenn der Bedarf der Volkswirtschaft möglichst gedeckt werden soll, und wie sich die Landwirtschaft diesen Preisverhältnissen entsprechend in ihrer Pro- duktion auszurichten hat, um so ihrer volkswirt- schaftlichen Aufgabe der Nahrungssicherung zu genügen und gleichzeitig dabei aber auch pri- vatwirtschaftlich auf ihre Kosten zu kommen.“ Die Kreislehre ist damit ebenso groß wie aktuell. Wenn es den isolierten Staat nicht gäbe, müßte man ihn heute konstruieren. So aber brauchen wir uns die Kreislehre nur zu erarbeiten und im Sinne unserer Zeit weiter auszubauen, wobei außer der Nahrungssicherung auch die anderen Aufgaben des Landvolks gebührend zu berück- sichtigen sind. Die Kreislehre ist somit „nichts Geringers als die Grundlage der vom Betriebs- leiter und der vom Agrarpolitiker durchzufüh- renden Landwirtschaftsgestaltung.

Das haben die landwirtschaftlichen Betriebs- lehrer für ihr Fachgebiet auch schon immer er- kannt. Die Besten unter ihnen haben sich stets stolz als Thünen-Schüler bezeichnet. J. J. Füh- ling und A. Kraemer im vorigen Jahrhundert, Fr. Aereboe und Th. Brinkmann in diesem Jahr- hundert haben im Anschluß an den Isolierten Staat gelehrt, wie der Markt die Landwirtschaft im Zusammenwirken mit den natürlichen und persönlichen Verhältnissen und den inner- betrieblichen Notwendigkeiten bei beharrender und fortschreitender Wirtschaft prägt und die alte Schablonen- und Rezeptensammlung der vorwissenschaftlichen Zeit endgültig überwun- den. Die moderne landwirtschaftliche Betriebs- lehre ist anerkanntermaßen nichts anderes als betriebs wirtschaftlich ausgebaute Thünensche Theorie.

Der agrarpolitische Ausbau steht dagegen noch in den ersten Anfängen. Wie falsch man hier noch vor kurzem sah, geht daraus hervor, ‚daß man durch Preis- und Frachtausgleich das „Gegenteil von Thünens Isoliertem Staat” zu verwirklichen glaubte, obwohl Fracht- und Preisausgleich, sofern sie zu einer sinnvolleren Eingliederung der Landwirtschaft in den volks- wirtschaftlichen Gesamtorganismus führen (was allerdings nicht durch Behauptungen, sondern nur durch Untersuchungen erwiesen werden kann), selbstverständlich im Sinne der Thünen-

- schen Eingliederungslehre liegen. Heute können wir dagegen mit aller Macht an die Arbeit gehen. Der Leiter unserer Agrarpolitik, Reichs- minister Backe, hat wie kein zweiter die Bedeu- tung Thünens für die heutige Zeit erkannt und die von ihm ins Leben gerufene Thünen-Gesell-

258

KL

schaft ausdrücklich mit dem agrarpolitischen Ausbau der Eingliederungslehre betraut.

Wenn man das gewaltige Lebenswerk J. H. von Thünens überblickt, kommt man immer wieder in Zweifel, welche Lehre man als die bedeutendste zu bezeichnen hat. Thünen selbst hat sich die Jap | als Grabsteininschrift ge- wählt und damit zum Ausdruck gebracht, dad er den Untersuchungen über den natur- gemäßen Arbeitslohn den Vorrang vor der Kreislehre gibt. Ob diese Auffassung haltbar ist, wird erst entschieden werden können, wenn die 1000 Seiten Entwürfe zur Pap! die weit über das veröffentlichte Bruchstück hinausreichen, erarbeitet worden sind. Groß sind Thünens Leistungen auf dem Gebiete der Landwirtschaft, lichen Buchführung, und ebenso groß ist Thünen als landwirtschaftlicher Taxator. Auf beiden Gebieten wurde er nicht nur zu seinen Lebzeiten

. gehört, sondern er wirkt hier noch in die Gegen-

wart und in die Zukunft hinein. Schließlich hat man heute erkannt, daß sogar die umfang- reichen statischen Untersuchungen über Erhal- tung und Hebung der Bodenfruchtbarkeit von größtem öffentlichem Interesse sind. Sie sind zwar als solche überholt, weil sie auf der Grund- lage der alten Humustheorie durchgeführt wor- den sind, aber die sorgfältigen Aufzeichnungen über Düngung und Ertrag liefern zusammen mit dem sonstigen Tellower Buchführungsmaterial den lange gesuchten Einblick in den tatsäch- lichen Ertragsverlauf eines wirklichen Gutes

unter dem Einfluß der wechselnden Wirtschafts-

weisen der letzten 150 Jahre. Auch methodisch wird man von den alten Statikern lernen kön- nen. Nur die von den alten Statikern geübte Messung des statischen Gleichgewichts an Hand der Ertrags- und Bewirtschaftungserfahrungen des praktischen Einzelbetriebes wird uns davor bewahren können, daß es wieder einmal unter dem Einfluß neuer unzulänglicher Theorien zur Verwerfung des statischen Gleichgewichts zu- gunsten des geschäftlichen kommen wird. Die Volkswirte wieder sehen in Thünen vor allem den Meister der isolierenden Methode und den theoretischen Bahnbrecher, der die Analyse mit Hilfe des Grenzbegriffs eingeführt hat. Andere wieder verehren in Thünen in erster Linie den feinsinnigen Schriftsteller. „Seine Briefe“, so hat man mit Recht gesagt, „gehören zu den schön- sten Dokumenten inniger Liebe zu Volk und Nation, die je ein deutscher Geistesheld schrieb.” Die zeitgenössischen mecklenburgischen Land- wirte aber kannten ihn hauptsächlich als tüch- tigen, erfolgreichen, praktischen Landwirt, der die Distriktsversammlungen des Mecklenbur- gischen Patriotischen Vereins zu Teterow und die Hauptversammlungen durch seine auf dem Tellower Buchführungsmaterial fußenden Stel- lungnahmen zu den brennenden Tagesfragen belebte und dem man 1850 nachrief, daß mit ihm nicht nur das älteste Mitglied des Vereins dahingegangen sei, sondern sein Ruhm und seine Größe,

vr

AWERNERSCHUTTAUF:

Siedlungsballung und Arbeitsproduktivität

`

De Frage „Welche Arbeitsleistung ist produk- tiv?“ ist schon häufig erörtert worden. Erst vor kurzem haben Muthesius!) und Melle?) zu diesem Problem wieder einmal Stellung ge- nommen. Beide Autoren haben das Thema in sehr aufschlußreicher Weise vornehmlich vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt erörtert. Man ist sich heute vollauf darüber im klaren, daß nicht nur die unmittelbare Gütererzeugung der Landwirtschaft und Industrie „produktiv“ ist, sondern auch die mittelbare Güterverteilung von Handel und Verkehr und die Güterverwal- tung und Güterordnung der „Öffentlichen Dienste“. Wenn auch die Produktivität sämt- licher Wirtschaftsabteilungen unbestritten ist, so erscheint es vom volkswirtschaftlichen Standpunkt trotzdem nicht gleichgültig, wie sich die Größenordnungen der einzelnen oben- genannten Wirtschaftsabteilungen in einer Volkswirtschaft zueinander verhalten. Ja, es will uns scheinen, als wollte diese Frage in den kommenden Jahren steigende Bedeutung er- langen.

In der Gliederung der deutschen Bevölkerung nach Wirtschaftsabteilungen haben sich nach Angaben des Statistischen Reichsamtes in der Zeit von 1882 bis 1939 bemerkenswerte Wand- lungen vollzogen, die insbesondere in den letzten Jahren Gegenstand lebhafter Erläute- rungen gewesen sind:

Gliederung des deutschen Volkes nach Wirt- schaftsabteilungen 1882 und 1939 (Altreich)

Berufszugehörige (= Erwerbs- personen einschließlich ihrer Angehörigen) in v.H.

. 1882 1939

1. Land- und Forstwirtschaft 40,4 18,2 2. Industrie und Handwerk 37,3 40,9 1 und 2 zusammen 77,7 59,1 3. Handel und Verkehr .......... 9,8 15,8 4. Offentliche und private Dienste 4,0 10,1 3 und A zusammen 13,8 25,9 5. Häusliche Dienste 3.8 2.0 6. Selbständige Berufslose ...... 4.7 13.0 5 und 6 zusemmen 8.5 15,0

1 bis 6 zusemmen 100,0 100,0 Absolut in Millionen Menschen 39,4 67,4

Von der Gesamtbevölkerung des Altreichs waren 1882 noch 77,7 v.H. Berufszugehörige der

schaft, Industrie und Handwerk, im Jahre 1939 dagegen nur noch 59,1 v. H. Dafür hat sich der Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel und Verkehr und Öffentliche und private Dienste im gleichen Zeitraum von 13,8 v.H. auf 25,9 v.H. nahezu verdoppelt. Der Anteil der Wirtschafts- abteilung Hausdienste hat sich halbiert. Beson- dere Beachtung verdient der von 4,7 v. H. auf 13,0 v. H. vermehrfachte Anteil der Wirtschafts- abteilung Berufslose Selbständige (Überalte- rung). Abgesehen von dem kleinen Anteil der Wirtschaftsabteilung Hausdienste fällt der starke Anteilsrückgang der Landwirtschaft von

40,4 v. H. im Jahre 1882 auf nur noch 182 v. H.

im Jahre 1939 ins Auge. Der Anteil der Wirt- schaftsabteilung Handel und Verkehr (Güter- verteilung) hat sich dagegen fast verdoppelt und der Anteil der Wirtschaftsabteilung Offentliche ` Dienste (Güter verwaltung) verzweieinhalbfacht.

Wenn man das Ausmaß der Bevölkerungs- vermehrung und der zunehmenden Siedlungs- dichte des Altreichs vergleicht mit dem Ausmaß der Strukturwandlungen der Berufsgliederung, dann kann man feststellen, daß Bevölkerung und Siedlungsdichte im Zeitraum von 1882 bis 1939 um 68 v.H. zugenommen haben, während der Anteil der Wirtschaftsabteilungen Handel, Verkehr, Offentliche Dienste (Güterverteilung und Güterverwaltung) in der gleichen Zeit um 87 v.H. und der Anteil der Wirtschaftsabtei- lungen Hausdienste und Berufslose Selbständige um 78 v.H. gestiegen ist. Insgesamt hat der Anteil der Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6 um 83 v.H. zugenommen. Gemessen am Ausmaß der Bevölkerungsvermehrung und zunehmenden Siedlungsdichte hat sich demnach die Verlage- rung auf die Wirtschaftsabteilungen 3 bis 6 nicht proportional, sondern progressiv voll- zogen. Wenn man die Wirtschaftsabteilung Hausdienste ausklammert, dann ergibt sich für die Wirtschaftsabteilungen Handel und Verkehr, Offentliche Dienste und Berufslose Selbständige sogar ein anteilsmäßiger Zuwachs um 110 v.H. gegenüber einer Zunahme der Siedlungsdichte um 68 v.H. Diese relative Progression bei der Verlagerung der Berufe im Zuge steigender

unmittelbaren Gütererzeugung in Landwirt- Siedlungsdichte verdient zweifellos grundsätz-

1) Vgl. den Aufsatz: „Was heißt produktiv?” „Deutsche Allgemeine Zeitung" Nr. 29 vom 30. Januar 1944. t) Vgl. den Aufsatz: „Produktiv und unproduktiv?“

„Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 41 vom 11. Februar 1844.

liche Beachtung.

Da die Siedlungsdichte im volkswirtschaft- lichen Durchschnitt nur eine rechnerische Größe

259

im vielfältig gegliederten nationalen Wirt- schaftsraum ist, erscheint es zweckmäßig, die Anteile der Wirtschaftsabteilungen auch in den einzelnen größeren Verwaltungseinheiten des Reiches zu betrachten. Hier zeigen die beiden nachfolgenden Übersichten sowohl für die Be- rufszugehörigen insgesamt (Erwerbspersonen mit Angehörigen) wie für die Erwerbspersonen allein (ohne Angehörige), daß der Anteil der Wirtschaftsabteilungen Landwirtschaft und Indu- strie (unmittelbare Gütererzeugung) in den Teilräumen mit besonders starker Siedlungs- ballung (Berlin, Hamburg, Bremen, Wien) be- sonders niedrig ist. In den Zentren mit starker Siedlungsballung findet eine an der zugenom- menen Siedlungsdichte gemessene progressive Verlagerung der Berufe von der unmittelbaren Gütererzeugung zur mittelbaren Güterverteilung und Güterverwaltung statt. Diese Verlagerung der Berufsstruktur in den Großstädten und Mil- lionenstädten ist zweifellos in gewissen Aus- maßen erforderlich und richtig. Die Millionen- städte vereinigen in sich auch Organe der Verwaltung und Güterverteilung, die weit über den normalen Aufgabenkreis der eigentlichen Stadt hinausgehen. Das gilt z.B. für Berlin als Reichshauptstadt, für Hamburg und Bremen als Welthäfen und ebenso für Wien als Verbin- dungszentrale zum Südosten Europas. Das Aus- maß dieser Berufsverlagerung sollte sich jedoch

Gliederung der ständigen Bevölkerung nach Wirtschaftsabteillungen 1939 in 1000 und v. H.

) l | Stadt ern een 432 28 0,6 . 1 1 073 23 671 | 16 104 | 2 Ostpreussen LOS ECHT e 2 413 881 | 37 580 | 24 1 461 | 61 306 | 13 280 12 47 |2 Provinz Mark Brandenbu 2912 666 | 23 1 061 | 37 1 727 | 60 401 | 14 323 | 11 57 |2 Provinz Pommern 2 330 189 | 34 594 | 27 1 383 | 60 329 | 14 264 | 11 48 |2 Provinz Schles fen 4788 1 071 | 23 1 795 | 38 2 866 | 61 671 | 14 441 | 9 100 | 2 Provinz Sachg en 3 549 636 | 18 1 548 | 44 2184| 62 522| 15 318 9 67 2 Provinz Schleswig-Holstein..... 1 538 320 | 21 491 | 33 811 | 54 248 | 16 239 | 16 37 | 2 Provinz Hannover 3 406 213 | 26 1144 | 34 2 057 | 60 545 | 16 337 |10 67 | 2 Provinz Westfalen 5 146 585 | 11 2 103 | 53 3 288 64 691 | 13 400 8 112 |2 Provinz Hessen-Nassau 2 632 483 | 18 1 041 | 40 1 524 | 58 431 | 17 266 | 10 51 2 RHeINDIOVINE.. ds gu A ah nee 7 827 824113827 49] 4651|60| 130817] 677 | 9] 1802 Land ProB naio asia aan 40 941 7232| 17] 16587|41 2381958 6536 161 4227 | 10 874 | 2 Land Bet SE R as ga? 8 050 2 187 | 27 2 910 | 36 5 097 | 63 1 090 | 14 755 9 142 | 2 La SACHSEN, en dg a 5 185 388| 7 2 65251 3 040 | 58 807 | 16 450 | 9 89 | 2 Land Württemden gs 2 851 662 23 1 259 43 1 921 | 66 347 12 241 | 8 56 2 Land en 91 2 457 546 22 989 39 1 535 | 61 359 | 14 241 | 9 50 2 Land Thüringen. sure éch, 293 | 17 824 48 1 117 | 65 212| 12 150 | H 29 2 Lan Hessen sa nee 1 445 280 | 20 620 | A4 900 | 64 201 | 14 133 | 10 23 | 2 Hansestadt Hamburg 1 698 29| 2 609 | 35 638 | 37 575 | 34 198 |12 42 2 Land Mecklenburg 876 279 | 31 242 27 521 | 58 122| 14 103 | 11 22 2 Land Oldene um 555 15442 140 | 26 294 54 80 | 15 121 | 22 10 2 Land Braunschweig 569 91615 247 41 338 | 56 85 14 56 | a 12 | 2 Rm BOTEN. a Versace 445 92 196 49 205 | 51 129 | 32 45 |11 11 3 n ee 420 54 14 213 | 54 267 | 68 51 | 13 38 | 10 9 |2 Adept 183 35 18 80 40 115 | 58 21111 17 8 4 | 2 Land Schaumburg-Lippe....... 52 10 | 20 21 | 42 31 | 62 7/14 8 112 Sanrland „11 823 58 7 436 55 492 | 62 121 | 15 70 9 14 | 2 Reichsgau Wilen 1912 39 2 71037 749 39 420 | 22 243 | 13 47 | 2 Reichsgau Niederdonau ........ 1 671 700 41 483 28 118369 153 9 110 6 221 Reichsgau Ober donau 1018 381 | 38 309 | 31 690 | 69 105 | 11 68 7 16 | 2 Reichsgau Salzburg 254 7831 69 28 147 59 41116 23 9 G 2 Reichsgau Steiermark 1 107 450 41 314 | 28 164 | 69 108 | 10 70 6 20 2 Reichsgau Rärnten 439 169 42 122 | 30 291 |7 49 | 12 33 8 912 Reichsgau Tirol 323 104 34 90 30 194 | 64 49| 16 32 |11 112 Verwaltungsbezirk Vorarlberg .. 155 42| 24 343 105 | 67 20 | 13 12 | 8 3 |2 Reichsgau Sudetenland ........ 2 920 599 | 21 44 1 885 | 65 367 | 13 207 7 40 1 Deutsches REER aa fetegessge 78 072 | 14 880| 19 | 31 483 40 | 46 363591 12 125 16 | 7656 |10 2

260

I. II. III. IV. V. Land- und | Industrie- I und II Handel | Öffentliche | Häusliche Ins- Forst- wirtschaft | zusammen und und private Dienste gesamt | wirtschaft und Verkehr Dienste Handwerk 1000 % 1000 | % 1000 | e

* ` \ i | 4 in proportionalen Größenordnungen und nicht |

in progressiven Größenordnungen vollziehen. Wir sind weit davon entfernt, die nicht unmittel- bar Güter erzeugenden Wirtschaftsabteilungen wie Handel und Verkehr als unproduktiv zu be- zeichnen. Ebenso wie man Muthesius und Melle vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt zu- stimmen muß, wenn sie feststellen, daß in der Fabrik nicht nur der das Gut formende oder. herstellende Facharbeiter produktiv ist, sondern auch der Erfinder, der Konstrukteur, der Pförtner usw.

Mit diesen Ausführungen sollten nicht die Erörterungen der oben genannten Autoren kritisiert werden, vielmehr ging es darum, sie vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus zu ergänzen. Diese. Betrachtungen waren auch des- halb notwendig, weil man hier und da noch Vorstellungen antrifft, die die hier dargelegten Untersuchungsergebnisse nicht berücksichtigen. Wenn es richtig ist, daß die zunehmende Sied- lungsdichte eine, gemessen am Siedlungszu- wachs, überproportionale und sogar progressive Zunahme der Wirtschaftsabteilungen Handel, Verkehr und öffentliche Dienste mit sich bringt, und unsere Berechnungen deuten darauf kin, dann kann es für uns niemals wünschenswert sein, daß sich in Deutschland anomale Siedlungs- ballungen herausbilden.Denn dieDinge reiben sich im dichtgefüllten Raum viel mehr als im schwach

besiedelten Raum. Deshalb ruft der dichtbesie- delte Raum in überproportionalen Ausmaßen Verteilungs- und Ordnungskräfte auf den Plan. Das ist ganz klar. So betrachtet, sind die Mil- lionenstädte „unproduktiver‘ als ein harmonisch gegliederter Raum. Gemessen an der Tragkraft des deutschen Wirtschaftskörpers dürfte in Deutschland eigentlich keine Stadt mehr als zwei Millionen Einwohner haben. Die übermäßige Großstadt-Ballung ist aus politischen, wirtschaft- lichen, sozialen, technischen, kulturellen und volksbiologischen Gründen abzulehnen. Der deutsche Raum ist im Gegensatz zu Frankreich 2. B. seither vielgestaltig. Wir haben neben Berlin andere Mittelpunkte, wie Wien, Ham- burg, München, Leipzig, Dresden, Breslau usw. Je mehr in einem Lande Siedlungszentren auf Kosten des gegliederten Raumes ent- stehen, um so schwächer wird die Kraft des Wirtschaftskörpers, die Großstädte zu tragen, eben weil die Siedlungsballung eine überproportionale und sogar progressive Ver- schiebung in der Gliederung der volkswirt- schaftiichen Arbeitsproduktivität nach sich zieht. Diese Frage gewinnt in Zukunft im Rah- men des Wiederaufbaus der deutschen Volks- wirtschaft sicherlich besondere Bedeutung. Dieser Aufbau wird sich im sinnvoll geglieder-

ten Wirtschaftsraum mit ausgewogenen Propor- tionen der Berufsgliederung zweifellos reihungs- loser und nicht zuletzt auch billiger vollziehen als in einem Wirtschaftsraum mit ständiger Landflucht und Stadtsucht. Denn woher sollten solche Ballungszentren wohl die Menschen neh- men als vom Lande? Aus eigener biologischer Kraft könnte sie das doch wohl nicht! Man kann Berlin nicht ohne weiteres vergleichen mit London oder New York. Die Kraft der eng- lischen Volkswirtschaft reicht bei weitem nicht aus, die 8-Millionenstadt London zu tragen. London wird vom britischen Weltreich getragen, das ein Viertel der festen Erdoberfläche umfaßt. New York wird mit seinen 11 Millionen Ein- wohnern vom amerikanischen Großraum getra- gen. Aber selbst für dieses Polster sind diese Riesenstädte zu schwer und ein ständiger Ge- fahrenherd für die Kraftentfaltung dieser Völker. Wir brauchen in der kommenden deutschen Friedenswirtschaft die Ordnung der raumrichtig gegliederten Leistung. In der Großstadt erfolgt ein übermäßiger Kräfteentzug für die Ordnung der Masse. Wenn wir eine solche Entwick- lung wollen, dann müssen wir damit rechnen, daß wir ärmer werden und daß ein noch steileres Wirtschafts- und Zivilisationsgefälle zwischen Großstadt und Land entsteht als bis- her. Dieses Gefälle ist schon jetzt zu steil.

Ein Reich kann nur dann gesund und kräftig sein,

wenn es als Träger ein starkes Bauerntum und ein

, kräftiges Soldatentum hat. Pflug und Schwert gehören

seit Jahrhunderten zusammen und sind auch heute

noch nicht zu trennen. Die Geschichte hat immer

wieder bewiesen, daß, wer den Pflug zu führen weiß,

auch mit dem Schwerte umgehen kann. Menschen,

die die fundamentale Bedeutung des Bauerntums

nicht erkennen oder nicht erkennen wollen, haben

den heutigen Staat noch nicht verstanden. Ich selbst

bin Soldat und bin und bleibe Bauer!

Heinrich Himmler

261

JAQUES GROENEVELD:

VOM JUNGHALTEN DES BAUERNFÜHRERKORPS

D: gewaltige Erfolg bäuerlichen Tatwillens

liegt im reibungslosen Ablauf der deutschen

Ernährungswirtschaft klar vor aller Augen. Die Führung durch Bauernführer, die selbst im landwirtschaftlichen Beruf stehen und auf ihrem Hof die Anordnungen durchführen müssen, die sie erlassen und die sıe propagieren, hat sich ebenso bewährt, wie das Selbstverwaltungs- system. Diese Methode stellt jedenfalls einen bimmelweiten Fortschritt dar gegenüber dem Stralprinzip, mit dem während des Weltkrieges versucht wurde, die landwirtschaftliche Er- zeugung und Ablieferung zu „regeln“.

Für die Zukunftsarbeit wird es allerdings notwendig sein, den Reichsnährstand und seine Führung durch möglichst enge Bindung an die Trägerin der Menschenführung, die NSDAP, über das Reichsamt für das Landvolk zu stär- ken. Andererseits gilt es, unter denkbarster Vereinfachung, mit geringstem organisatorischem Aufwand und in weitgehender Dezentralisierung die Führung und die Verwaltung des Agrar- sektors so zu gestalten, daß die Bauernführer wie vor der Machtübernahme zu Sturmführern des Bauerntums werden, die mit kühnem, re- volutionärem Tatwillen Probleme aufgreifen und zur Lösung bringen. Dies zu betonen scheint mir jetzt besonders notwendig, da durch die Dezentralisierung die Berufung der Ortsbauern- führer den Kreisbauernführern übertragen ist, diese also die Verantwortung für die Qualität .des unteren Bauernführerkorps tragen. An ihnen liegt es, sich frische und wendige Orts- bauernführer heranzuziehen, damit die Führer- schaft jung bleibt. Sie wird nämlich nur so lange jung bleiben, wie wir sie jung halten. Jung halten werden wir aber das Führerkorps, wenn wir uns vor jedem Vorschlag zu einer Neuberufung darüber klarwerden, daß der zu Berufende

neben absoluter weltanschaulicher Klarheit und Festigkeit,

neben angeborener Führerqualität, Finger- spitzengefühl, Einfühlungs- und Anpassungs- vermögen,

neben selbstbewußtem und sicherem Auf- treten l

262

einwandfreien Charakters ist,

über ein überdurchschnittliches Können ver- fügt,

durch eigene Leistung sich Ansehen erworben hat,

daß er aber auch

neben der Kenntnis vom Wollen, den Grund- lagen und den Gesetzen der Agrarpolitik und der Agrarwirtschaft,

neben einer rechten Art, Menschen zu führen und Menschen zu leiten,

den notwendigen revolutionären Schwung hat.

Wir brauchen als Bauernführer Männer, die anpacken, zugreifen und schnelle, von büro- kratischen Hemmungen freie Entscheidungen fällen. Wir brauchen Mitarbeiter, die nicht nach Paragraphen suchen, notwendige Maßnahmen unmöglich zu machen, sondern die stets ver- suchen, für Notwendigkeiten die erforderliche gesetzliche Grundlage zu finden, soweit es dieser Grundlage überhaupt bedarf und der Anspruch nicht aus allgemein-rechtlichem Empfinden heraus führungsmäßig durchgesetzt werden kann.

Bei Beachtung dieser Forderungen an unseren Führernachwuchs werden wir immer ein inner- lich junges Führerkorps haben, selbst dann, wenn einzelne Bauernführer in einem höheren Lebensalter stehen. Wir entsprechen damit in unserem Bereich auch der Forderung des Führers für sein politisches Führerkorps: „Wer jung bleiben will, muß junge Mitarbeiter um sich haben!” Diese Einstellung ist für das Jung- bleiben der. Führerschaft ungleich wichtiger als das Klammern an eine bestimmte Alters- grenze. Gewiß soll die Stellung des Bauern- führers keine Altersversorgung für ältere Bauern sein, aber das Ungesunde, das besonders auch in den sog. Vorgängerorganisationen in Erscheinung trat, war nicht das hohe Alter einzelner, sondern: das hohe Durchschnittsalter, das Zeichen der Durchsetzung der gesamten Leitung mit innerlich alten Menschen.

x

Betrachte ich daraufhin die Führerschaft der Kreisbauernschaften meiner Landesbauernschaft, so stelle ich fest, daß

unter 25 Jahren kein

von 26—35 S 9 36—45 8 28

46—55 1 35

über 56 i 9

Bauernführer im Dienst stehen. Gemessen am Durchschnittsalter in den Vorgängerorgani- sationen wird niemand bestreiten können, daß das Durchschnittsalter hier erheblich niedriger liegt. Gemessen aber an der Forderung eines jungen, frischen Nachwuchses, liegt das Durch- schnittsalter doch schon sehr hoch. Neben der Kampfgeneration, also der, die den Weltkrieg kämpfend miterlebte, die Systemnot in der eigenen Wirtschaft kennenlernte und durch aktiven Kampf in die Aufgaben hineingewach- sen ist, ist die junge Generation, das sind die, die Weltkrieg und Systemzeit nur durch Er- nährungs- und sonstige Mängel in Erinnerung haben, die aber Kampfzeit, nationalsozialistische Revolution und die Zeit des Aufbruchs in HJ. und Partei erlebten, die im aktiven Kriegs- erleben der Gegenwart stehen und die durch Bauernschulbesuch bewußt zu Führungsauf- gaben erzogen sind, sehr schwach vertreten. Wichtiger als die Abberufung mit 55 Jahren wird also für das Junghalten der Führerschaft sein, das Berufungsalter möglichst niedrig zu halten, um dadurch zu garantieren, daß Bauern, die mit ihrem ganzen Denken und Tun in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit verwurzelt sind, an die Führung gelangen.

Um aber immer genügend Führerreserve zu haben, wird es vielleicht notwendig sein, für die Reichsnährstandsmitglieder die Pflicht zur Annahme von Ehrenämtern festzulegen, wie z.B. beim Amt des Schöffen, Waısenrats, Bür- germeisters. Man erlebt doch sehr oft, daß Menschen, die sich erst mit Händen und Füßen gegen ein Amt sträuben, nach der Verpflich- tung dieses vorbildlich führen. Die Abberufung mit 55 Jahren ist bei dem gewaltigen Kräftebedarf sowieso nicht mehr vertretbar, auch dann nicht, wenn diese Altbauernführer zuanderen Aufgaben als Bauernrichter, im Genossenschaftssektor, in den Deich- und Sielverbänden, Zuchtverbänden usw, herangezogen werden. Wie rüstig diese „Alten“ noch sein können, kann jetzt fest- gestellt werden, da sie sich in anerkennens- werter Weise zur Verfügung gestellt haben, um die Jüngeren zu vertreten, die zur Fahne einberufen sind. Der besondere Dank, den wir diesen Alten schulden, darf uns aber nicht von unserer grundsätzlichen Forderung eines jungen Führerkorps entfernen. Ich glaube, daß die oben erwähnten Aufgaben auch dem Altbauern- führer Befriedigung geben werden, der sich auf seinem Hof sowieso kaum mehr voll auswirken kann, da es normalerweise doch so sein wird, daß der Anerbe in dem Alter ist, da er, wo

er den Hof wegen der ehrenamtlichen Bean- spruchung seines Vaters schon mehr oder weniger selbständig geführt hat, es ungern sieht, wenn der „Alte“ nun selbst die Leitung wieder übernimmt.

Zum Schluß müssen wir noch folgendes be- achten: Nicht nur der Krieg mit seinen ge- waltigen Mehraufgaben ernährungswirtschaft- licher Art, sondern auch die Nachkriegszeit wird vor allem mit der Ost- und Umsiedlung die Arbeitskraft besonders der Kreis- und Ortsbauernführer derart in Anspruch nehmen, daß die Aufwandsentschädigung nur ein kleines Entgelt für das Opfer an Zeit, Kraft und Geld darstellen kann. Wie in der ehrenamtlichen Tätigkeit in Partei und Staat wird auch der Reichsnährstand diese Opfer fordern müssen. Wollen wir aber eine nicht nur junge, sondern überhaupt eine tüchtige Führerschaft halten, so werden wir nicht umhin können, den Bauern- führern einen gewissen Sozial- und Kündigungs- schutz zu geben, der zB. bei unverschuldeter

Abberufung ein Uberleitungsgeld vorsieht, um

es dem Betreffenden zu ermöglichen, durch ihn getätigte Verpflichtungen, wie Einstellung einer Ersatzkraft, Zwischenverpachtungen usw., abzuwickeln. Auch die Altersversorgung, etwa durch Abschluß einer Lebensversicherung, für die nicht durch einen Erbhof sichergestellten Bauernführer es werden in Zukunft nur sehr wenige Ausnahmen sein muß ermöglicht werden.

Die Erfüllung dieser Forderungen ist um so dringlicher, als sonst sehr leicht die Auswahl der Bauernführer sich, vielleicht unbewußt, nach der Seite der größten Höfe verschieben würde und Bauern, die in mittelbäuerlichen Verhältnissen leben, sich aber doch ein um- fassendes Können und ein überragendes Wissen angeeignet haben, und die oft die Schwierigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse besonders gut beurteilen können, sich zurück- ziehen müßten. Dadurch würde eine weitere Verengung der an sich schon ziemlich knappen Auslese der Bauernführer eintreten, denn die Bauern, die als Aktivisten anzusprechen sind, sind ja nicht nur in unserem Unterführerkorps, sondern zum großen Teil auch in andere Auf- gaben, wie Ortsgruppenleiter, Bürgermeister usw. eingespannt. Die Auswahl ist also so- wieso nur klein.

Der Erfolg unserer Zukunftsarbeit wird da- von abhängen, ob wir ein junges, frisches ` Führerkorps halten. Sorgen wir dafür, daß jüngere Männer in die Bauermführung berufen werden, die nach dem bekannten Schlieffen- Wort mehr sind als sie scheinen, die wissen, daß wichtiger als die äußere, die innere Bügel- falte ist, nämlich die Haltung und das Vorbild, das sie in Leistung und Opfer ıhren Bauern bringen, die bereit sind, in der geraden, sau- beren Haltung zu leben, zu der der Führer uns erzogen hat.

263

KARL ALBACH:

1.

Zweierlei Erzeugungsschlacht und Ernährungswirtschaft

RK

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ie Leistungen des deutschen Bauerntums

sind unbestritten. Selbst unter den widrig- sten Bedingungen während des Zusammenbruths des kapitalistischen Zeitalters hat es die Erzeu- gung hochgehalten und sie danach in Befolgung der nationalsozialistischen Parolen von Jahr zu Jahr gesteigert, dergestalt, daß wir, von der nicht ganz zu schließenden Fettlücke abgesehen, in allem autark d. h. unabhängig von fremden Mächten geworden sind. Im Kriege mit seinen arbeitseinsatzmäßigen Erschwernissen, der aus diesen Gründen auch die mineralischen Dün- germittel knapper werden ließ und den Ma- schineneinsatz nicht begünstigte, wurde die landwirtschaftliche Erzeugung, wenn wir von den durch die Witterung bedingten Schwan- kungen absehen, trotzdem auf ihrer Höhe ge- halten. Von der Erzeugerseite aus ist demnach alles geschehen, um dem herannahenden Krieg ernährungspolitisch unter allen Umständen mit Erfolg zu begegnen. Wir wissen aber, daß es mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln ‚allein nicht getan ist. Sie müssen dann auch an den Verbraucher herangebracht werden, was eine vielfältige und darum schwierige, aber auch zu- meist eine langwierige Transportaufgabe ist, wenn wir den Weg vom Felde des Bauern, zumal mit der Unterbrechung des Drusches, sowie den Stationen der Be- und Verarbeitung bis zur Küche des Verbrauchers ins Auge fassen. Der Transport von Gemüse, Kartoffeln, Obst usw. ist außerdem noch wesentlich von der Witterung abhängig, wenn sie nicht dem Verderb anheim- fallen sollen.

Alle Nahrungsgüler sind aber mehr oder we- niger dem Verderb ausgesetzt. Ihn zu vermeiden ist höchste Pflicht und dringendes Gebot. Nicht etwa allein, weil wir ein großes Volk auf engem Raum sind, auch die europäische Völkerſamilie lebt in ihrem Gesamtraum unter wesentlich gleichen Bedingungen, und wir können somit auf nichts, was dem Boden durch Bauernfleiß ab- gerungen worden ist, verzichten. Bäuerlicher Gesinnung entspricht es viel mehr, das Brot, den Urbegriff der Nahrung, als Gottesgabe zu be- trachten, die man pfleglich behandeln muß und nicht umkommen lassen darf. Sie stimmt auch mit unserer neuesten volkswirlschaftlichen Er- kenntnis überein, die besagt, daß die Wirtschaft ihren höchsten Wirkungsgrad nur dann zu er-

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reichen vermag, wenn der Stoffkreislauſ ge- schlossen ist, d. h. in ihr nichts umkommt, vielmehr auch das scheinbar Wertlose gesam- melt und durch Umwertung wieder von neuem in den Dienst der Menschen gestellt wird. Das Gesetz von der Erhaltung der Kralt, wie es die organische Welt dokumentiert, muß auch im anorganischen Leben seine Erfüllung änden.

Wenn wir von diesem Blickwinkel aus die Aufgaben unserer Volkswirtschaft und insonder- heit diejenigen unserer Ernährungswirtschaft betrachten, die weit über das Betätigungsfeld des Bauern hinausreichen, so müssen wir wohl bekennen, daß zumindest in der Vergangenheit große Versäumnisse vorliegen oder Unterlas- sungssünden begangen worden sind. Ursächlich hängt das mit der Vernachlässigung des Landes und des Bauern zusammen, was dem Kapitalis- mus zur Last fällt. Dort, wo die Transportaufgabe in Wechselbeziehung die umfänglichste und auch in Ansehung verderblicher Witterungs- einflüsse die wichtigste ist, nämlich auf dem Land, fehlen uns die geeigneten Wege bzw. ihr Zustand trägt dieser Bedeutung nicht Rechnung. Ist aber der Erntesegen des Feldes trotzdem geborgen, so entsteht die Frage, ob er erhalten werden kann und nicht dem Verderb verfällt, denn von einer sachgemäßen Lagerung auf unseren Bauernhöfen kann wohl überwiegend nicht die Rede sein. Gerade aufdemLande fehlen uns moderne Lagerhäuser und Speicher, nicht nur für Getreide, sondern auch für Kartoffeln und viele andere Nährgüter mit Massencharakter. Zumindest dann ist die Verarbeitung auch eine ländliche Frage, wenn es sich um leicht verderbliche Lebensmittel handelt oder die Transportkosten der Rohpro- dukte ihre Verfrachtung auf weitere Entfernung unlohnend machen. Wohl nicht ohne Grund hat man bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts beispielsweise noch bäuerliche Obstdarren ge- kannt, bis sie dann als vermeintlich überlebte Einrichtungen vollkommen verschwunden sind. Hätten wir auch nur moderne Getreidespeicher auf dem Land, so würden wir allein durch Schutz vor Verderb jährlich mehrere hunderttausend Tonnen Getreide einsparen.

Das vermittelt einen Anhalt, welche Le bensmittelwerte insgesamt alljährlich verloren- gehen.

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ES Gartenbau ist ein so vielseitiger Wirt- schaftszweig, daß selbstverständlich auch der Lehr- ling entsprechend ausgebildet werden muß, wenn er später als Gärtnergehilfe, Gärtnermeister und Lehrmeister die an ihn gestellten Aufgaben er- füllen will. In der heutigen Kriegszeit aber muß auch der Gärtnerlehrling vielfach die Gehilfen, die bei der Wehrmacht stehen, schon ersetzen können und dem Betriebsführer oder gar der Gärtnersfrau, sofern der Gärtnermeister selbst ebenfalls den grauen Rock trägt, tüchtig zur Hand gehen. Dabei kommt es gerade im Gartenbau mit der intensiven Landnutzung und den zahlreichen verschieden- artigen Glaskulturen sehr viel auf gewissenhaftes, pünktliches und sorgfältiges Arbeiten an. So hängt zum Beispiel das Gedeihen der in einem Frühbeetkasten unter Glas heranwachsenden Ge- müsejungpflanzen oder auch Gemüsen, wie Kopf- salat, Kohlrabi, Blumenkohl, Gurken usw., wesent- lich davon ab, ob bei starker Sonneneinstrahlung rechtzeitig Schatten gegeben wird, wie es hier auf dem Bild der ersten Seite unserer Beilage durch Überrollen einer Papierleinwand über die Fenster geschieht, anderenfalls leiden die Kulturen Schaden

durch ‚Verbrennen bzw, Vertrocknen.

Die Bodenfräse, die wir im unteren Bild der ersten Seite wiedergeben, ist für den Gärtner eine der wichtigsten Maschinen. Ihre Führung erfordert Geschick und Umsicht, und der Lehrling muß bei- reiten lernen, damit umzugehen. Er kann auch im

artenbau technisches Interesse entwickeln.

Voraussetzung der Frühgemüsekulturen ist CH sorgfältige Jungpflanzenanzucht. Nach der Aussaat ist die wichtigste Arbeit das Pikieren, damit die Pflanzen einen kräftigen Wuna- ballen entwickeln. Diese Arbeit muß ebenfalls sehr sorgfältig ausgeführt werden, weil die jungen Pflänzchen natürlich sehr empfindlich sind und andernfalls leicht verletzt werden können. Aber die Mühe lohnt sich in jedem Fall, nicht nur, daß sie klingenden Ertrag einbringt, wenn man die Gemüse zum Markt gebracht hat, sondern noch größer ist eigentlich die Freude, die das tägliche Beobachten der Natur und der Pflanzen macht. Es ist ein erhabenes umd befriedigendes Ge- fühl, zu wissen, daß das Gedeihen all der Pflanzenkinder vom eigenen Können abhängt und daß es, je nachdem, ob man mehr weiß und mehr kann, ebenfalls entsprechend besser isl. Der Gärtner kann deshalb gar nicht zuviel lernen, und er lemt auch eigentlich niemals aus, weil die Boden-, Klima- und Betriebsverhältnisse überall wieder anders sind und ihn während seiner Lehr- und Wanderjahre, die der dreijährigen Lehrzeit folgen sollen, in verschiedenen Betrieben kennen- lernen läßt.

Über die wirtschaftliche Bedeutung des Gartenbaus ist sich heute jeder klargeworden, denn wir wissen, daß das Gemüse im Rahmen der Kriegsernährungswirtschaft zu einem unen!- behrlichen Nahrungsgut geworden ist, daß Obst aus Gesund- heitsgründen unentbehrlich ist und daß gerade heute im Krieg auf Blumen als Kulturfaktor und Freudenspender nich! verzichtet werden kann. Aber auch hier ist es so wie bei jedem anderen Beruf: Nur wer es in seinem Beruf zu Meisterschaft bringt, wird vorwärtskommen und die Erwar- tungen erfüllen können, die der Berufsstand von ihm fordert. Dazu ist eine gründliche Lehre und sorgfältige Berulserziehung unerläßliche Voraussetzung.

Sorgfältiges Pikieren der jungen Gemüsepflanzen ist notwendig, damit sie sich kräftig entwickeln

Erste Gurkenernte im Treibhaus

Altoer Rückschnitt der jungen Baumkrone nach dem Die Vorverlegung der Gemüseernte zur Schließung Hazen eines Obstbaumes ist unerläßlich, damit sich ein der Gemüselücke in den Frühjahrsmonaten ist nur es Astgerüst aufbauen kann. Es ist die Voraussetzung dann möglich, wenn die Gemüsejungpflanzen durch

zegelmäßige reiche Ernten an einwandfreiem Obst. entsprechende Vorkultur sachgemäß herangezogen werden

einkulturhaus, das im Kriege zur Verstärkung der Gemüseerzeugung zusätzlich mit Kohlrabi bepflanzt worden ist

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\ Diese Papierhauben bilden. gewisser- maßen Gewächshäuser im kleinen; denn sie schützen die darunterstehen- den Frühgemüsepflanzen vor kalten Nächten und rauhen Winden. Wer- den die Pflanzen größer, so werden dese Witterungspapierschutzhauben zunächst oben etwas aufgerissen, um die Pflanzen allmählich an die normale Witterungzu gewöhnen. Später müssen sie seitlich gänzlich aufgerissen wer- den, damit die Pflanze hindurchwachsen kann. Diese Arbeit beansprucht zwar zusätzlich Arbeitszeit und Kosten, aber sie lohnt sich, weil dadurch eine Ver- frühung der betreffenden Gemüseernte um acht bis zehn Tage möglich ist und damit ein wichtiger Beitrag zur Schließung der Frühjahrsgemüselücke geleistet werden kann

Erste Ernte aus dem Treibhaus: Die als Zwischenkultur zwischen Kohlrabi ein- gesäten Radieschen sind erntefertig

In ähnlichem Größenverhältnis bewegt sich .

auch unser Verlust an Kartoffeln, der durch Regen und Frost infolge notwendigen Feldeinmietens oder aber auch durch sonstige unsachgemäße Lagerung entsteht. Das alles könnte vermieden und durch vernünftige Vor- ratshaltung leicht ein Ausgleich für gelegent- liche geringere Ernten herbeigeführt werden, wenn wir in viel stärkerem Maße, als es ge- schehen, zum Trocknen übergegangen wären und uns eine Trockenkartoffel zur Verfügung stände, aus der wir Salat genau so wie aus der frischen Kartoffel machen können. Das bedarf lediglich eines entsprechenden Maschinenein- satzes. Wir hätten den Verkehr durch unnützen Wassertransport wesentlich entlastet und die Versorgung der Bevölkerung zu jeder Zeit ohne Rücksicht auf Frost und Schnee sichergestellt. Jetzt im Kriege ist das allerdings nur schwer darzustellen.

Das gilt auch für das sachverständige Trock- nen von Gemüse mit dem Ziel der Vitamin- erhaltung. Ganz ohne Frage ist auf diesem Ge- biet manches geschehen. Insbesondere unsere Militärverwaltung hat hier für die Zwecke der Heeresversorgung Pionierarbeit geleistet. Sonst befinden sich aber die Dinge meistens noch im Versuchsstadium mit bereits vorliegenden inter- essanten Ergebnissen. Sie zeigen zumindest, was alles zur Werterhaltung und Vorratssicherung mit Ausgleichscharakter getan werden kann., Wir würden nicht mehr von der Spinatschütte sprechen, sondern gerne auf dieses Gemüse zu- rückgreifen, wenn es im frischen Zustand nicht mehr erhältlich ist. Erstaunlicherweise hat sich bei Trocknungsversuchen auch gezeigt, daß selbst Rübenblätter für die menschliche Ernäh- rung nutzbar gemacht werden können und nach der Zubereitung weniger dem Spinat als Rüb- stielgemüse ähnlich sind. In dieser Form konser- viert, könnten wir auch das ganze Jahr Rhabar- ber essen, was als Ausgleich für mangelndes Obst von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Da dem Rhabarber beim Trocknungsprozeß auch die überschüssige Säure entzogen wird, ergibt sich zugleich eine Ersparnis an Zucker bei vorteilhafterem Geschmack gegenüber dem frischen Zustande. Verwundern wird es aber, daß aus Rhabarbersaft, wie es Proben bestätigen, auch noch Wermutwein hergestellt werden kann. Was uns insgesamt an Gemüse fehlt, ist wahrscheinlich gleich der Menge, die verdirbt, wegen zu weiter Transportwege sowie wegen unlohnender Transportkosten nicht aufden Markt gebracht und mangels Konservierungsmöglich- keit der Viehfütterung zugeführt wird.

Was das für die Wirtschaft des Bauern, aber erst recht für die Ernährung des Volkes bedeu- tet, ist leicht zu ermessen. Wenn wir nach Er- nährungsreserven gefragt werden, so können wir nur antworten, daß sie vorhanden sind und verhältnismäßig leicht ersohlossen werden kön- nen. Die Eiweißfrage ist dabei die wich-

tigste Frage unserer Ernährung. Nach sachver- ständigem Urteil lassen sich aber noch umge- heure Mengen Eiweiß gewinnen, wie ebenso der Fehllauf noch ganz bedeutender Mengen unterbunden werden kann. Die Kühlkette ist für unsere Vorratshaltung, insbesondere für ` Fisch und Fleisch, äußerst wichtig, aber die Lösung ist nicht einfach. Vor allem müssen wir uns darüber klar sein, daß die Konservierung durch Vereisung über die Kühlkette vom Er- zeuger bis zum Verbraucher ganz erheblich teurer ist als beispielsweise die Haltbarmachung durch Extraktionsverfahren mittels Dampf und auch gegenüber modernen Trocknungsverfah- ren. Darum wird stets sorgfältig abgewogen werden müssen, welches Verfahren für den jeweiligen Zweck am besten geeignet ist.

Wesentlich für die menschliche Ernährung er- scheint der organische Aufschluß oder biolo- gische Abbau der Eiweißstoffe, der im Gegensatz zu chemischen Verfahren von einem jungen niederschlesischen im Ausbau begriffenen Unternehmen mit einem welterfahrenen Nah- rungsfachmann an der Spitze tatkräftig ins Werk gesetzt worden ist. Das neuartige Verfahren mit einer bisher sonst kaum erreichten Konzentra- tion der Eiweißstoffe wird wesentlich mit dazu berufen sein, unsere zukünftige Ernährungswirt- schaft und Ernährungsbilanz auf eine neue Grundlage zu stellen. Die nach dem Extraktions- verfahren hergestellten Büchsenerzeugnisse, wie Suppen, Soßen, Eintopfextrakte usw., erreichen eine 35fache Konzentration, so daß aus einem Kilogramm Konzentrat nur unter Zusatz von Mehl oder Kartoffeln dreißig bis vierzig Liter wohlschmeckende Suppen und Gerichte her- gestellt werden können. Technisch ist der niederschlesische Fachmann dabei vollkommen neue Wege insofern gegangen, als die konstante Wärmehaltung der Extraktionskessel zwischen 78 und 80 Grad automatisch durch einen Glüh- ofen gesteuert wird und selbst die Raumluft durch Neutralisierung keimfrei gehalten wird. So ist es möglich, daß auf verhältnismäßig klei- nem Raum und unter Einsatz geringer, vorwie- gend weiblicher Arbeitskräfte, heute schon 500 000 bis 600000 Essen pro Tag bereitgestellt werden und in Kürze, nach Ausbau des Betriebs, bis eine Million Teller Essen am Tage geliefert werden. Sie stehen zunächst vorwiegend noch den Großküchenbetrieben zur Verfugung, wie auch unsere Marine, insonderheit die U-Boote mit ihren beschränkten Raumverhältnissen, wichtige Bedarfsträger dieser Lebensmittelkon- zentrate sind, die bei ihrer Zubereitung ihr ursprüngliches Volumen wieder zurückgewin- nen. Es leuchtet aber ohne weiteres ein, daß in absehbarer Zeit auch die Haushaltungen da- von profitieren müssen, weil es sich nicht um eine Kriegsmaßnahme, sondern um eine solche von dauerndem Bestand mit allen Möglichkeiten der Ausdehnung zur Wertesicherung und über die Vorratshaltung um eine solche für den Er-

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nahrungsausgleich handelt. Wenn es auf diese Weise bzw. durch ein neues ausgeklügeltes Ver- fanren möglich ist, die Eiweißstoffe aus Weizen und Roggen abzubauen und durch Zusatz von Leber eine Paste herzustellen, die als Brotbelag bester Leberwurst nicht nachsteht, auch hoch- weıtige Puddings u. a. m. auf solche Art ent- stehen, dann kann die Bedeutung dieser Ver- fahren für unseren Ernährungshaushalt kaum überschätzt werden.

Was wir hier darstellten, zielt alles auf eine reichere und in der Konsistenz bessere Ernäh- rung unseres Volkes hin. Sie ist allein möglich durch restlose Ausschaltung des Verderbs sowie durch sinngemäße Verarbeitung und Verwertung

HEINZ GERDESMANN:

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aller pflanzlichen und tierischen Nährstoffe. Dies führt zugleich zu einer scharfen Rationalisierung unserer Volkswirtschaft, und wir gelangen dabei zu einer lebensnotwendigen Vorratshaltung, die nicht nur ernährungswirtschaftlich ausgleichend zu wirken vermag, sondern auch ein wesent- liches Mittel zur Sicherung unserer Arbeits- währung, ja ihre Grundlage ist. Wenn ich genug Brot für mein Volk habe, so stellte der Führer einmal fest, dann brauche ich nur eine Organi- sation, um jedem Arbeit zu geben. Das heißt mit anderen Worten, daß die Schaffung reich- licher Ernährung alles, die Organisation jedoch nichts bedeutet, wenn sie diesem Ziele nicht dienstbar ist.

Bodenpolitishe Maßnahmen der europäischen Staaten

ie Grundbesitzpolitik im liberalen Zeitalter

erwartete von dem freien Wettbewerb und der ungehemmten Bewegungsmöglichkeit des Eigeninteresses auch den größten Nutzen für die Allgemeinheit. Seit etwa 50 bis 60 Jahren ist aber bei vielen Staaten, in erster Linie bei den europäischen, eine Abkehr von dieser Auf- fassung festzustellen, da sich zu bedeutende Schäden entwickelten. Die Grundbesitzkonzen- tration eine Folge der liberalen Preispolitik, die den Grund und Boden in die Hand des kapitalkräftigsten Käufers gelangen ließ mußte zu strukturellen Störungen der Volks- wirtschaften, vor allem der Landwirtschaft, führen. Das veranlaßte die Mehrzahl der Regie- rungen zum Eingreifen. Man nahm aber keine grundsätzlichen Neuregelungen vor, sondern behielt durchweg das liberale System bei und schaltete sich nur dort ein, wo sichtbarste und dringlichste Schäden eine Beseitigung notwendig machten. Mit Zunahme der Landflucht wurde der Wunsch nach „innerer Kolonisation“ laut, dem aber auch in starkem Maße völkische und nationale Motive zugrunde lagen. In der Uber- wachung und Lenkung des Grundbesitzwechsels erblickten die Regierungen vor allem von Ländern, deren Grenzen gleichzeitig Volkstums- grenzen sind ein wichtiges Mittel, um eine fremdvölkische Unterwanderung zu verhindern.

Neben politischen Motiven waren es wirt- schaftliche Überlegungen, welche eine staat- liche Einflußna!.me auf den Grundstücksverkehr

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und die Bodennutzung auslösten. Man denke nur an die Auswirkung des Weltkrieges 1914/18, die viele Völker in erster Linie solche mit Kolonialbesitz, starker Monokultur und ent- sprechender Auslandsabhängigkeit wieder die überragende Bedeutung des heimischen Bauernstandes und der eigenen Scholle erken- nen ließen. Diese Erkenntnis ging auch in späteren Zeiten nicht verloren, sondern fand ihren Niederschlag in den Autarkiebestrebun- gen, die eine Produktionslenkung durch den Staat oder durch die von ihm beauftragten Or- gane notwendig machten. Als charakleristisches Beispiel mag hier Deutschland genannt werden, dessen Erfolge cuf ernährungswirtschaftlichem Gebiet gerade während dieses Krieges besonders hervortreten. Sie sind zusammen mit anderen kriegsbedingten Notwendigkeiten die Ursache dafür, daß viele europäische Staaten diese Maß- nahmen nachahmten oder auf eigenen Wegen zu demselben Ziel zu gelangen versuchten. Der Grundsatz der nationalsozialistiischen Boden- politik „Bauernland in Bauernhand” und seine Untermauerung durch das Reichserbhoigeselz, das Gesetz zur Neubildung deutschen Bauern- tums und die Grundstückverkehrsbekannt- machung haben beispielhaft gewirkt. Das zeigt sich bei den staatlichen Maßnahmen, dfe nahezu alle europäischen Länder ergriffen, um einmal die Möglichkeit der Bodenspekulalion auszu- schalten und zum anderen, um dem Bauern ein gesichertes und von liberalistischen Einllüssen

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möglichst unberührtes Arbeitsiundament! zu geben. Es steht außer Zweifel, daß der erhöhte Nahrungsbedarf während des Krieges und der Zwang, diesen aus eigener Scholle zu sichern, die eingeleiteten Schritte beschleunigt haben.

Die südosteuropäischen Staaten be- finden sich seit.langem in einer besonderen Zwangslage. Die ländliche Übervölkerung und die dadurch bedingte geringe Größe der Be- triebe hatten einen unproduktiven Arbeitseinsatz zur Folge und verhinderten jede umfassende Intensivierung, die bis dahin allein eine not- wendige Erweiterung des Lebensraumes dar- stellen konnte. Deshalb sahen es die Regierun- gen dieser Staaten als ihre wichtigste Aufgabe an, den Landhunger der bäuerlichen Bevölke- rung dadurch zu stillen, daß sie den Großgrund- besitz, der sich nur wenig um die Bestellung der eigenen Ländereien kümmerte und sie über die Teilpacht bearbeiten ließ, aufteilte. So führte Rumänien in den Jahren 1919/20 Agrar- reformen durch. Man verfiel dabei allerdings in den gleichen Fehler wie alle anderen Regie- rungen der Südoststaaten und teilte den Neu- siedlern zuwenig Land zu. So blieb einmal der Landhunger nur für eine kurze Zeit gestillt, andererseits fehlten immer noch Gesetze, die eine unerwünschte und gerade in diesem Sta- dium besonders stark betriebene Bodenspekula- tion ausschloß. Erst das Dekretgesetz der Re- gierung Antonescu vom 31. Dezember 1941 schuf einen grundsätzlichen Wandel, denn es be- stimmte, daß

1. nur Arier und rumänische Staatsangehörige Eigentümer und Pächter sein dürfen,

2. alle Besitzer landwirtschaftlicher Liegen- schaften den Boden selbst zu bebauen haben oder durch Pächter bebauen lassen, ;

3. die allgemeine Pachtdauer mindestens fünf Jahre, bei Grundstücken der öffentlichen Hand mındestens sieben Jahre betragen muß.

Damit wurde erreicht, daß alle landwirtschaft- lichen Grundstücke bebaut wurden, und zwar in erster Linie durch selbstwirtschaftende Kräfte. Weiterhin garantierte das Gesetz, daß der Päch- ter mit größerem Interesse arbeitete und Inten- sivierungsmaßnahmen durchführte, die er sonst mit Rücksicht auf die kurzfristige oder unbe- stimmte Pachtdauer kaum durchgeführt haben würde.

In Ungarn fand 1920 unter der Regierung Teleki die erste Bodenreform statt, bei der 575000 Hektar, das waren ein Sechstel des unga- rischen Großgrundbesitzes, aufgeteilt wurde, und zwar unter etwa 700000 Menschen. Diese Zwerg- betriebe blieben aber unrentabel, und ihre Lage konnte auch nicht verbessert werden, als Gömbös im Jahre 1936 einen neuen Boden- reformplan aufstellte. Diesem zufolge blieb die notwendige Landenteignung auf Fideikommisse und Güter über 3000 Katastraljoch beschränkt.

Da in 25 Jahren aber nur 300 600 Joch aller- dings in gioßere Parzellen aufgeteilt zur Ver- teilung gelangen sollten, blieb dieser Plan prak- tisch ohne Erfolg; denn er hatte zu geringe Ausmaße und beanspruchte eınen zu großen Zeitraum. Am alten Zustand änderte sich also, wenig, und es blieb eın schwer arbeitendes Bauernproletariat. Allein die seit wenigen Jahren eingeleitete Arisierung konnte hier Ab- hilfe schaffen. Von diesem Verfahren erfaßt wurden rund 24 000 Güter mit 736 000 Katastral- joch. Die Durchführungsverordnung zum Ent- eignungsgesetz besagt also, daß Betriebe unter fünf Katastraljoch freihändig verkauft werden können, während die größeren zur Versteige- rung gelangen. Diese einschränkende Bestim-

mung bedingte zwar eine Verringerung der Ent-

eignungsfälle um 60 Prozent bei 30 Prozent der anfallenden Fläche, schloß aber alle Möglich- keiten der Preisüberbietung und des Wuchers ın sich. Das geht schon daraus hervor, daß 25 Pro- zent des Verkaufserlöses grundsätzlich einem Siedlungsfonds zugeführt werden mußten, der für die Landbeschaffung für Soldaten aus bäuerlichem Blut bestimmt ist. Es wäre über- trieben, wollte man die Auswirkungen dieses Gesetzes als Ausdruck des Willens bezeichnen, den Grund und Boden in die bäuerliche Hand zu geben. Es kann wohl mit Sicherheit angenom- men werden, daß das Gros der Betriebe zwar in arische Hände fiel, aber weniger in die von praktischen Landwirten. Im übrigen ist die laxe Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen ein Zeichen für die Judenfreundlichkeit des frühe- ren Kabinetts Kallay. Es wird eine der bedeu- tendsten Aufgaben der neuen ungarischen Regierung sein, die gesetzlichen Voraussetzun- gen für eine lebensnahe Bodenordnung zu schaffen.

In Bulgarien bilden das Landbeschaffungs- gesetz und der Erlaß über das Katasterwesen vom 13. Juni 1941 ein wichtiges Fundament der agrarischen Bodenpolitik. Durch die Reformen von 1878 und 1918 wurde der Großgrundbesitz aufgeteilt. Die bei der Zuweisung schon geringe Betriebsfläche wurde im Laufe der Jahre infolge der Realteilung noch weiter verkleinert. So erklärt es sich, daß z.B. von 1926 bis 1934 die Zahl der Landbesitzer um 18 Prozent, die Anbau- fläche aber nur um 2 Prozent zunahm. Zwangs- läufig wurde die chronische Landnot zur Triebfeder einer grassierenden Spekulation. Aus diesem Grunde nahm das Sobranje ein Gesctz gegen die Bodenspekulation an, das grundsätz- lich nur solchen Leuten Landbesitz gestattet, die praktische Landwirtschaft betreiben. Kleinere Grundstücke (bis 30 Dekar) können nur dann von Nichtlandwirten erworben werden, wenn eine ausreichende Bodennutzung gesichert ist.

Die 1940 in der Slowakei eingeleitete Bodenreform umfaßt 1,6 Millionen Hektar Wald und Acker, das sind 25 Prozent der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche. Das

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Ziel dieser Maßnahme war einmal die Ausschal- tung von Juden und Ausländern als Land- besitzer, zum anderen die Rückführung des Landes in bäuerliche Hand. Bis zum 15.Sep- tember 1942 kamen 68700 Katastraljoch von zunächst 163000 Katastraljoch durch Zutei- lung oder Kauf in arischen Besitz. Der Rest wird vom staatlichen Bodenamt verwaltet, das Musterbetriebe einrichtete und den Boden für zukünftige Siedlungsaufgaben bereithält. Der wirtschaftlichen Festigung und sozialen Besser- stellung des Bauerntums dient die 5 siedlung. Man strebt nach Betrieben mit einer Fläche von 15 Hektar, die als Erbhöfe gelten und weitgehend vor Versteigerungen und Be- lastungen geschützt werden. In Serbien liegt die Lenkung des Grundstücksverkehrs beim Generalbevollmächtigten für die serbische Wirt- schaft. Gegenwärtig ist der Verkauf und Er- werb von Grundbesitz verboten. Ausnahmen macht allein der Generalbevollmächtigte, und diese sind bindend für die Landesbehörden und Gerichte. Unabhängig von dieser Regelung läuft das Verfahren der Eigentumsübertragung von Grundstücken, die Juden und Zigeunern gehören und die nunmehr zur Erweiterung der bäuer- lichen Betriebe verwandt werden.

Eine besondere Stellung nehmen die ost- baltischen Staaten ein, die durchweg nach dem Weltkrieg 1914 bis 1918 sogenannte Agrar- reformen durchführten, d.h. den Großgrund- besitz durch Aufteilung liquidierten. Bei dieser Maßnahme handelte es sich aber fast ausschließ- lich um eine volkstumspolitische Aktion, die zweifellos auch der Stärkung des einheimischen Bauerntums diente. So besagen Berichte aus Lettland, daß es bis zu Beginn der Agrar- reform 2,6 Millionen Hektar bäuerlichen Besitz gab, der bis 1939 auf 4,7 Millionen Hektar er- weitert wurde. Das Agrarreformamt in Litauen gibt die den Bauern zur Verfügung gestellte Landfläche in den Jahren 1919 bis 1939 mit rund 460 000 Hektar an. Davon wurden 362 000 Hektar für 38800 neue Höfe und 97 000 Hektar für die Landzuteilung verwandt. Estland brachte 1938 das Bodenschutzgesetz heraus, dem ähnliche Grundgedanken wie dem Reichserbhofgesetz zugrunde liegen und das deshalb ausführlicher behandelt werden soll. Es ist die Hauptaufgabe dieses Gesetzes, die Zerstückelung des landwirt- schaftlichen Grundbesitzes zu vermeiden. Des- halb bestimmt es, daß bei einer Teilung von Landbesitz das zu teilende Grundstück min- destens 20 Hektar und die abgetrennte Fläche mindestens 10 Hektar groß sein muß. Um andererseits die Bildung von Großgrundbesitz und einen Landerwerb durch Landfremde zu verhindern, bedarf jeder Kauf und Verkauf einer Genehmigung durch den Kreischef. Wird ein Betrieb bei der Reelteilung zu klein, so

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haben die Miterben keinen Anspruch auf Erb- teilung und müssen sich mit einer wirtschaftlich tragbaren Abfindung begnügen. Gerade in dieser Bestimmung kommt der Grundsatz des agrar- politischen Kurses zum Ausdruck: die Erhaltung des lebens- und leistungsfähigen bäuerlichen Betriebes,

Als der Bolschewismus von den ostbaltischen Staaten Besitz ergriff, war eine der ersten Maß- nahmen der Kampf gegen das bodenständige Bauerntum. Mit Einführung der Kolchoswirt- schaft und der Verschleppung bester Kräfte des Landvolks wurde konsequent der bei den Bol- schewisten altbewährte Weg beschritten, mit der Liquidierung des bäuerlichen Menschen den nationalen Widerstand und damit das Rückgrat dieser Völker zu brechen. Die nach dem deut- schen Einmarsch sofort eingeleiteten Aufbau- maßnahmen, die Rückführung der Betriebe in bäuerliche Hand usw. ermöglichten den Wieder- anschluß an die alte Entwicklung.

Das Siedlungswerk Finnlands ist besonders bekannt geworden, als es darum ging, im Ver- lauf dieses Krieges die karelischen Flüchtlinge zum Ansatz zu bringen. Dabei konnten in ver- hältnismäßig kurzer Zeit große Erfolge erzielt werden. Mit der dadurch bedingten Boden- verknappung wurde allerdings auch das Pro- blem der Bodenspekulation besonders aktuell. Deshalb legte der Staatspräsident dem finnischen Reichstag 1942 einen Gesetzentwurf vor, der einschränkende Bestimmungen über den Erwerb von Grundstücken und Grundstücksaktien (ö) enthält. Darüber hinaus wurde die Überwachung von Grundstückskäufen verlangt sowie die preisliche Kontrolle und Genehmigungspflicht, die auf alle Käufe ausgedehnt wird, die nach dem 10. Juli 1942 abgeschlossen wurden.

Die Neuorientierung der Boden- und Sied- lungspolitik kommt auch in den Gesetzen und Maßnahmen der süd- und westeuropäischen Staaten zum Ausdruck. In Spanien ist es das Staatliche Institut für Ansiedlung, das die Aus- bildung und Auswahl der zukünftigen Siedler vornimmt und für die Bereitstellung von Land aus öffentlichem und privatem Besitz sorgt. Frankreich erweiterte laut „Moniteur offi- ciel” vom 1. Oktober 1942 das Gesetz über den Erwerb landwirtschaftlicher Güter. Dabei ver- dient die Bestimmung besondere Beachtung, die industriellen Unternehmungen den Erwerb land- wirtschaftlicher Güter untersagt, selbst wenn diese der Versorgung von deren Arbeitern mit Nahrungsmitteln dienen soll. Das Gesetz über die Flurbereinigung des Grundbesitzes vom 9. März 1941, die Maßnahmen zur Wiederbevöl- kerung des Landes, die Verlängerung der Pacht- dauer usw. dienen der Stärkung der fran- zösischen Landwirtschaft. Bemerkenswert ist

noch die Gründung des Conseil de restauration paysanne, eine Einrichtung, die sich mit der Umstellung der Betriebe auf eine Bauern- und Familiengrundlage befaßt und deren wichtigste Aufgabe die Änderung des Erbrechts ist, das bisher im Code Napoléon verankert war. Dieses Erbrecht ist die Ursache dafür, daß 85 Prozent der französischen Bauernwirtschaften infolge der Realteilung zu Kleinbetrieben geworden sind und nur 25,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche umfassen.

Als im Jahre 1941 der Beschluß des Bundes- rates der Schweiz vom 19. Januar 1940 über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grund- stücken verschärft wurde, geschah das aus der Erkenntnis heraus, daß die bisherigen gesetz- lichen Handhaben nicht mehr ausreichten, um die Spekulation zu unterbinden. Deshalb wurde nunmehr die generelle staatliche Genehmigung beim Kauf, von Grundstücken verlangt, während diese bisher erst bei einer Mindestgröße der Landfläche von 2 Hektar vorausgesetzt wurde. Weiterhin wurde für Nichtlandwirte das Verbot des Grundstückskaufs ausgesprochen, während bei den landwirtschaftlichen Pachtverträgen eine Mindestdauer von drei Jahren angeordnet wurde.

Die Tatsache, daß mehr als 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Holland Pachtland sind, war entscheidend für die Maß- nahmen, welche in diesem Staate getroffen wurden, In erster Linie galt es, die Pächter zu schützen und durch langfristige Verträge am Boden zu interessieren, zum anderen, um speku- lative Absichten der Eigentümer zu unterbinden. Durch das 1941 verkündete Pachtbesluit wurde die Pachtzeit für Bauernhöfe auf zwölf Jahre, für Parzellen auf sechs Jahre festgesetzt. Die zur gleichen Zeit erfolgte Umbildung der Pacht- behörden in Grundkammern gab diesen neue Befugnisse. Sie können z.B. auf Wunsch oder aus eigenem Ermessen Pachtverträge nach dem „Gemeinen Nutzen’ abändern und erhielten da- mit eine wichtige agrarpolitische Aufgabe. Im Jahre 1942 erhielt die Grundstücksverkehrs- verordnung im Hinblick auf die Bodenspeku- lation eine neue Fassung. Sie bestimmt u. a., daß landwirtschaftliche Grundstücke nicht mehr ge- teilt werden und bei Besitzwechsel nach Mög- lichkeit Landwirte den Kauf tätigen sollen. Von besonderer Wichtigkeit ist aber die Behandlung von Erbauseinandersetzungen. Hier heißt es, daß die Verwirklichung eines Erbanspruches durch Grundstücksteilung generell verboten ist.

In Norwegen erließ der Ministerpräsident in jüngster Zeit ein Gesetz, das in gewissen Fällen die Zuständigkeit des Landwirtschafts- departements in Erbhofsachen begründet. Wie der Landwirtschaftsminister erklärend aus-

führte, sei der Begriff des altgermanischen Odelsrechts für die norwegischen Bauern so heilig und unantastbar, daß Spekulationen mit dem Grund und Boden unter allen Umständen verhindert werden müßten. Der Hinweis auf dieses Recht zeigt den Willen, alte und bewährte

Rechtsgrundlagen, die durch fremde Einflüsse

sehr oft verschüttet wurden, wieder lebendig werden zu lassen. Das norwegische Odelsrecht ist seit jeher ein Familienrecht, dessen Sinn darin liegt, den Hof der Väter der Sippe zu er- halten. In alter Zeit wurde ein Erbhof erst dann Odelshof, wenn er in direkter Geschlechterfolge zum sechsten Male im Mannesstamm vererbt wurde!

Die Verwurzelung mit dem Boden und der enge Zusammenschluß der Sippe hat das Selbst- vertrauen des norwegischen Bauern sehr ge- hoben. Damit stellte sich dieser in Gegensatz zu der vom Großgrundbesitz gewünschten Ent- wicklung, und deshalb verlangten die Vertreter des Großyrundbesitzes schon 1648 die Streichung des Odelsrechtes aus dem norwegischen Gesetz- buch. Ebenso bezeichnend ist, daß rund 110 Jahre später ein zweiter Vorstoß vom Stiftsamtmann (!) in Oslo unternommen wurde. Beide Anträge wurden abgelehnt. Es blieb erst viele Jahre später dem Königshause vorbehalten, durch Dekrete das Odelsrecht in seinen Auswirkungen zu beschneiden. Darin zeigte sich der Einfluß fremder Ideen, daß ein Herrscher sich veranlaßt fühlte, das elementarste Recht seiner Bauern zu mißhandeln. Die jetzige norwegische Regierung sieht ihre größte Aufgabe darin, dem Bauern wieder zu seinem Recht zu verhelfen und seine Lebensgrundlage zu sichern,

Die aus dem hier gegebenen europäischen Querschnitt ersichtlichen boden- und siedlungs- politischen Maßnahmen lassen mit Deutlichkeit den gleichen Grundsatz erkennen, allerdings in einem Falle konsequent verwirklicht, im anderen mit liberalistischen Gedanken und Me- thoden vermischt. Die enge Berührung der euro- päischen Völker mit dem bolschewistischen Rußland und die genaue Kenntnis der Verhält- nisse, unter denen die Landbevölkerung dort lebt, hat zur richtigen Beurteilung der Bedeu- tung des bäuerlichen Lebenskreises geführt. Man lernt allmählich erkennen, daß gerade der Bauer auf eigener Scholle arbeiten muß, um als frei schaffende Persönlichkeit dem Volksganzen dienen zu können. Dabei spielen nicht zuletzt ideelle Motive eine Rolle, denn das Eigentum bringt die höchste Lebensfreude und ist letztlich die Triebkraft für große, einmalige Leistungen. Sie zu erreichen muß das Ziel der Agrarpolitik aller europäischen Völker sein. Daß ihre Not- wendigkeit erkannt wurde, zeigen die hier angeführten Beispiele aus vielen Ländern unseres Kontinents,

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GÜNTHER PACYNA:

Dauer Jauche) d Volk

De Bauer“ so mahnt Ernst Moritz Arndt „ist des Vaterlandes erster Sohn. Wer ein festes und glorreiches Vaterland will, der mache festen Besitz und feste Bauern.“ Diese Erkennt- nis ist nichts weniger als Gemeingut der deut- schen Geschichte, und so sind auch Geltung und Klang des Namens „Bauer“ im Laufe der Ge- schichte, entsprechend dem Wandel der recht- lichen und sozialen Stellung des Bauerntums, sehr verschieden. Zeiten, in denen ein gesicher- ter Besitz, Freiheit und Wehrhaftigkeit selbst- verständliche Eigenschaften des Bauern waren, wechseln mit Zeiten, in denen drückende Armut und Unfreiheit bis zur Rechtlosigkeit das vor- herrschende bäuerliche Kennzeichen waren. Rückblickend müssen wir feststellen, daß Auf- stieg, Niedergang und Wiederaufstieg des deut- schen Volkes aufs engste mit dem Schicksals- weg des deutschen Bauerntums verknüpft sind. Die Hochzeiten deutscher Geschichte sind stets auch Zeiten der stärksten Kraftentfaltung des deutschen Bauerntums gewesen.

Es ist des deutschen Volkes Glück gewesen, daß in den großen Schicksalsstunden der Nation, in denen es galt, alle Kräfte zu höchster Leistung zusammenzufassen, sich immer wieder über- ragende Persönlichkeiten gefunden haben, die das deutsche Volk zur Selbstbesinnung auf die Wurzeln seiner Kraft aufrüttelten. So ist es bei- spielsweise kennzeichnend, daß die Mobil- machung deutscher Volkskraft, die unter dem Druck der napoleonischen Gewaltherrschaft von Preußen ausging, eingeleitet wurde durch den Akt der Bauernbefreiung. Sinn und Ziel dieses Befreiungsaktes hat der Dichter von Schenken- dorf in dem schönen Vers zusammengefaßt:

„vom Bauernstand, von unten aus Soll sich das neue Leben

In Adels Schloß und Bürgers Haus, Ein frischer Quell, erheben.“

Die Bauernbefreiung war für die führenden Persönlichkeiten der preuBisch-deutschen Er- neuerungsbewegung niemals Selbstzweck, sondern sollte der Bindung an Pflichten dienen, die man nur einem wahrhaft freien Menschen auferlegen kann, weil ihre Erfüllung ein so hoch entwickeltes Selbstbewußtsein fordert, daß jede seiner Äußerungen Zeugnis eines stets wachen Verantwortungsbewußtseins ist. Die Bauern- befreiung war für die preußisch-deutsche Er- neuerungsbewegung so das Mittel, um den Bauern unmittelbarin denDienstvon Volk und Staat zu stellen. „Der Bauer muß! so fordert Arndt mit unüberbiethbarer

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Schärfe „ein unmittelbarer Lehnsmann, er muß der Hörige des Staates werden.“ i

Diese Indienststellung des Bauern aber war nur möglich das erkannte niemand schärfer als Arndt —, wenn ein neues Bodenrecht die Unantastbarkeit der bäuerlichen Lebensgrund- lage, des Bauernhofes, sicherte und so den Bauern befähigte, seine ganze Kraft seinen volkspolitischen Aufgaben zu widmen. In seinen „Fantasien für ein künftiges Teutschland“ ent- wirft daher Arndt eine Bauernordnung, deren Grundlage ein bäuerliches Erohofrecht bilden sollte, das in allen wesentlichen Punkten mit dem nationalsozialistischen Reichserbhof- recht übereinstimmt. Mit dieser Forderung stand Arndt keineswegs allein. Auch Reichsfreiherr vom Stein sah in der Schaffung eines bäuer- lichen Erbhofrechtes die unerläßliche Ergänzung der von ihm eingeleiteten Bauernbefreiung.

Vergeblich mahnte und warnte Arndt im An- schluß an sein eingangs zitiertes Wort: „Die Erde darf nicht wie Kolonialware aus einer Hand in die andere gehen. Des Landmannes Haus ist kein Taubenschlag; woraus mit leicht- fertigem Herz aus- und eingeflogen wird. Wo das ist, da stirbt Sitte, Ehre und Treue, da stirbt zuletzt das Vaterland.“ In der Mobilisierung des Grund und Bodens zur Handelsware sah der Wirtschaftsliberalismus den Motor der Wan- derung des Grundeigentums zum besten Wirt, ein unfehlbares Mittel zur Auslese der Besten. Der Wirtschaftsliberalismus ver- neinte also gerade den Grundgedan- ken der von Stein und Arndt erstreb- ten Bauernordnung, die durch das Erbho:- recht gewährleistete Verwurzelung der Bauern- geschlechter in ihrem angestammten Grund und Boden. Er sah in dem Erbhofrecht nichts als eine fortschrittsfeindliche Schutzwehr der Fau!- heit und Dummheit gegen die gebieterischen Forderungen der Zeit.

Dieser verhängnisvolle Irrtum erklärt sich daraus, daß der Wirtschaltsliberalismus den Bauern nicht mehr in seiner Totalität sah als den Urstand der Nation, der, wie es Arndt formuliert hat, die „ursprüngliche und gediegene Natur- kraft“ des Volkes am stärksten repräsentierte, sondern daß er in dem Bauern lediglich einen Vertreter der Landwirtschaft und in dem Bauern- hof lediglich eine landwirtschaftliche Betriebs- ställe erblickte. Die Einseitigkeit dieser Be- trachtungsweise wurde noch verschärft durch die wachsende Heftigkeit der liberalen Oppo- sition gegen alle Mächte der Beharrung, in denen man (in ungerechter, aber nur zu ver-

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ständlicher Verallgemeinerung) den Schutz- wallder Reaktion erblickte, die im Begriffe war, das deutsche Volk um die Früchte seines Freiheitskampfes zu bringen. Das Lob des Bauerntums als des Horts alter Sitte und Recht- lichkeit mußte unter diesen Umständen in den Ohren des Liberalismus sehr verdächtig klingen, zumal es besonders laut auch von Männern ver- kündet wurde es sei beispielsweise an Adam Müller erinnert —, die als Helfershelfer der Unterdrücker der nationalen Freiheitsbewegung sich verhaßt gemacht hatten. War nicht gerade dieses Lob der beste Beweis dafür, daß das bäuerliche Verharren bei der Väter Brauch und Sitte Ausfluß eines starren Konservativismus war, der ebenso rückständig war wie die bäuer- liche Wirtschaftsweise?

Die Neigung, diese Frage zu bejahen, war um so stärker, als der Liberalismus mit seinem Zivilisationsideal mehr und mehr Wert- maßstäbe entwickelte, die dem bäuerlichen Le- ben wesensfremd waren, die daher der Bauer ablehnen mußte, wenn er seine Art ungebrochen behaupten wollte. Unter dem Einfluß dieses Zivilisationsideals setzen sich in der Stadt Le- bensformen durch und beherrschen im Zuge der zunehmenden Verstädterung einen immer größe- ren Teil des deutschen Volkes, die zu der bäuer- lichen Lebensführung in einem unvereinbaren Widerspruch standen.

Diese Entwicklung hat dazu geführt, daß eine immer stärker werdende Mehrheit des deutschen Volkes in dem Bauern den rückständigen Ver- treter einer überlebten Vergangenheit sah. Seine urwüchsige Art erscheint als roh und tölpelhaft, seine Überlieferungstreue als Dummheit, seine Gläubigkeit als Aberglauben. Diese Mißdeutung gab dem Namen „Bauer“ einen unausgesproche- nen, aber trotzdem unüberhörbaren Beiklang überheblicher Mißachtung, der noch heute nachklingt. Man brauchte nur „So ein Bauer“ zu sagen, und das Urteil war gesprochen. Gewiß war dieses Urteil nicht die alleinige, wohl aber die vorherrschende Meinung. Das Gedankengut Steins und Arndts fand immer wieder Verkünder und Vorkämpfer; aber Gel- tung und Klang des Bauernnamen bestimmten nicht sie, sondern die Anwälte des liberalen Zeitgeistes.

Das Gefährlichste an dieser Entwicklung war, daß der Bauer selbst teils dem Einfluß des Libe-

ralismus unterlag oder innerlich unsicher wurde,

teils in Abwehr des Liberalismus in eine Ab- seitsstellung gedrängt wurde, deren Abgeschlos- senheit zu einer verderblichen Abschnürung von dem Gesamtleben der Nation führte, Der erste Einbruch des Liberalismus in das Bauerntum erfolgte über einen tiefgreifenden Wandel der Wirtschaftsgesinnung, der weite Kreise des Bauerntums ergriff und das bäuer- liche Verhältnis zum Grundeigentum geradezu umstürzte. Daß der Einbruch des Liberalismus gerade an dieser Stelle erfolgte, ist kein Zufall, sondern erklärt sich aus einer ganz bestimmten

wirtschaftspolitischen Konstellation, die durch ein enges Zusammenwirken der betriebswirt- schaftlichen Agrarreformer und der agrarpoli- tischen Vorkämpfer des Wirtschaftsliberalismus gekennzeichnet wird.

Besonders klar sichtbar wird dieses Zusam- menwirken bei Albrecht Daniel Thaer, der in seiner Person beide Bestrebungen zu höchster Wirksamkeit vereinigte. Als „Vater der deut- schen Landwirtschaftswissenschaft" verhilft er der neuzeitlichen Landwirtschaftsweise, die zu der gewaltigen Erzeugungssteigerung des 19. Jahrhunderts führte, zum Durchbruch. Seine „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft‘ wurden geradezu zum Katechismus des fort- schrittlichen Landwirts. In diesen Grundsätzen lehrt Thaer aber auch im § 1, daß „die Land- wirtschaft ein Gewerbe ist, welches den Zweck hat, durch Proguktion (zuweilen auch durch fernere Bearbeitung) vegetabilischer und tie- rischer Substanzen Gewinn zu erzeugen oder Geld zu erwerben.” Folgerichtig heißt es dann weiter im $ 2, daß die vollkommenste Landwirt- schaft die ist, „welche den möglichst höchsten nachhaltigen Gewinn“ aus ihrem Betriebe zieht. Durch diese Zweckbestimmung der Landwirt- schaft, die an Einseitigkeit nicht mehr Oberboien werden konnte, wird der Boden nicht nur seiner biologisch-volkspolitischen, sondern auch seiner volkswirtschaftlichen Funktionen entkleidet und zur rein privatwirtschaftlichen Erwerbsquelle erklärt. In diesem $ 1 sind alle agrarpolitischen Irrtümer des Wirtschaftsliberalismus wie in einem Samenkorn vereinigt.

Ging diese Saat auf, so mußte sie zu einer tief einschneidenden Veränderung aller bäuer- lichen Lebensbeziehungen führen; denn alle bäuerlichen Lebensbeziehungen, welche sie auch seien, gehen zurück auf das Verhältnis des Men- schen zum Boden. Jeder Wandel dieses Verhält- nisses muß daher auf die Dauer zwangsläufig zu einem Wandel des ganzen bäuerlichen Seins führen. Mit der ausschließlichen Zweckbestim- mung des Bodens als Gelderwerbsquelle war, wenn auch zunächst unausgesprochen, vielleicht nicht einmal bewußt, eine Außerkursset- zung gerade der Lebenswerte verbun- den, die das Wesen des Bauerntums ausmachen. Bäuerliche Bodenständigkeit und Heimatliebe erscheint als romantische Gefühls- duselei. Das stolze Bewußtsein, Herr auf eigener Scholle zu sein, wird als schwacher Trost ab- getan, wenn es nicht durch entsprechende Geld- überschüsse fundiert ist. Die Lebensweisheit, die in dem Kinderreichtum den größten Reich- tum sieht, wird zu einem höchst fragwürdigen Rechenexempel.

Wo daher die Saat Thaers aufging, vollzog sich eine innere Aushöhlung des Bau- erntums, die dieses dem Werben der libera-

len Zivilisationsidee wehrlos auslieferte, weil es

nicht mehr selbstbewußt genug war, ihren Lockungen die arteigenen Lebenswerte ent- gegenzustellen. Daß die Saat Thaers in so star-

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kem Ausmaße aufging, aber erklärt sich in erster Linie aus der Berechtigung seiner be- triebswirtschaftlichen Reformforderun- gen, der sich niemand, der sich ein offenes Auge für die Lage der Landwirtschaft gewahrt hatte, verschließen konnte. War nicht die Berechti- gung dieser Forderungen der beste Beweis für die Richtigkeit auch seiner wirtschaftspoli- tischen Lehren? Rückblickend ist es leicht, den Irrtum, der in dieser Fragestellung lag, festzu- stellen. In der damaligen Zeit lag die Bejahung dieser Frage nur zu nahe. So vollzieht sich in weiten Kreisen des Bauerntums selbst eine Ab- wertung des Begriffes „Bauer“, die sich nicht zuletzt in der Tendenz äußert, diesen Namen als Beruisbezeichnung abzustreiien. In vielen Ge- genden bezeichnet man sich mit wachsender Vorliebe als „Landwirt“ oder gar als „Okonom“, wenn man nicht als Großbauer (e Titel „Guls- besitzer” vorzieht.

Aber auch in den Gegenden, wo das Bauern- tum dem Einbruch des liberalen Gelddenkens und der damit verbundenen Umwertung seines Seins widerstand, hatte der Liberalismus, wenn auch indirekt, einen starken Einfluß auf die Haltung des Bauerntums. Der Bauer, der sich in seinen besten Eigenschaften verkannt und unter- schätzt sieht, zieht sich immer stärker auf sich zurück und schließt sich mehr und mehr gegen alle Einwirkungen von außen ab. Diese selbst- gewählte Isolierung des Bauerntums hat den unter der Vorherrschaft des Liberalis- mus immer stärker werdenden Gegensatz zwi- schen Land und Stadt noch mehr verschärft und

damit die wechselseitigen kulturellen Beziehun-

gen zwischen Land und Stadt sehr zum Schaden beider Volksteile noch mehr unterbunden. In Kritik dieser Entwicklung wird häufig zu ein- seitig der verderbliche Einfluß auf die städtischen Lebensformen hervorgehoben. Das Bauerntum hat unter dieser Entfremdung zwischen Land und Stadt nicht minder stark gelitten.

Dadurch, daß sich der Bauer unter dem Ein- druck der Wesensfremdheit der Stadt zum Teil daran gewöhnte, alles, was aus der Stadt kam, ohne es einer näheren Prüfung zu unterziehen, als ihm nicht gemäß abzulehnen, verschloß er sich doch auch so manchem, das für die Gestal- tung des ländlichen Lebens gut und nützlich gewesen wäre. Auf diese ablehnende Haltung ist es beispielsweise mit zurückzuführen, daß die neuzeitliche Gesundheitspflege mit ihren Er- kenntnissen und Forderungen so schwer im deutschen Dorf Eingang gefunden hat, daß auf dem Lande die Leibesübungen nicht beizeiten zu der ihnen gebührenden Geltung kamen.

Vor allem aber wird das Bauerntum infolge der Entfremdung zwischen Land und Stadt seinernatürlichen kulturellen Mittel- punkte beraubt. Gerade in der Zeit der fortschreitenden volkswirtschaftlichen Arbeits- teilung, die zu einer immer stärkeren Verlage- rung des Handwerks und Gewerbes in die Stadt

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führte, wäre eine um so engere Zusammenarbeit zwischen Land und Stadt notwendig gewesen. Nur dadurch wäre es dem Bauerntum möglich gewesen, sich einen mitgestaltenden Einfluß auf die Entwicklung des landstädtischen Handwerks zu sichern, dessen Arbeitserzeugnisse ja wesent, liche Elemente auch der ländlichen Lebens- gestaltung waren. Statt dessen hat die teilweise zu beobachtende Ablehnung. alles Städtischen schlechthin stark die Tendenz des landstäd- tischen Handwerks gefördert, sich nach der Großstadt, ihren Vorbildern und Moden zu rich- ten. Durch diese zunehmende einseitige Aus- richtung der Landstadt nach der Großstadt wurde der kulturelle Lebensbereich des Bauern- tums außerordentlich eingeengt.

Zudem aber verlor der Teil des Bauerntums, der in Abwehr des Liberalismus sich mehr und mehr auf sich selbst zurückzog, seinen wich- tigsten natürlichen Bundesgenossen, den es in einer großen Zahl seiner abwandernden Söhne besaß. Das im Läufe des 19. Jahrhunderts mehr und mehr anwachsende UÜbermaß der Abwande- rung vom Lande, die zum Teil als Landflucht, zum Teil aber auch als Landvertreibung be zeichnet werden muß, darf den Blick nicht für die Tatsache trüben, daß einegewisse Abwanderung vom Lande der biologischen Funktion entspricht, auf der die volkspolitische Bedeutung des Bau- erntums in erster Linie beruht. Auf jeden Fall aber ist die Stellung des Bauerntums im deut- schen Volke entscheidend davon abhängig, ob es ihm gelingt, in den Abwandernden ein so lebendiges Zusammengehörigkeitsgefühl zu er- halten, daß diese ihre Abstammung als Halt und Verpflichtung empfinden. Die Abschließung eines Teils des Bauerntums gegen alles Städtische schlechthin stempelte aber alle Ab- wandernden, gleichgültig ob sie sich nach wie vor ihrer ländlichen Heimat verbunden fühlten oder nicht, zu verlorenen Söhnen. Die so Zu- rückgestoßenen haben dann oft auch ihrerseits in verbissenem Trotz einen Trennungsstrich gezogen, dessen Schärfe nur Ausdruck der Stärke ihrer verschmähten Liebe war. So erst wurde die Abwanderung zur wirklichen Abwendung vom Lande.

Selbstverständlich ist das sei noch einmal unterstrichen die teilweise zu beobachtende Abkapselung des Bauerntums gegenüber der

Stadt nur einer von vielen Gründen der für

beide Volksteile so verderblichen Entfremdung zwischen Land und Stadt, und es wird viele geben, die der Meinung zuneigen werden, daß unter den gegebenen Umständen diese Abwehr- stellung eines Teils des Bauerntums gegen alles Städtische schlechthin die einzige Möglichkeit gewesen sei, um noch Schlimmeres zu verhüten; denn in der Stadt seien unter der Vorherrschaft des Liberalismus landfremde und landfeindliche Tendenzen übermächtig geworden, die nur durch schärfste Ablehnung, auch wenn dabei dieses oder jenes Gute mit darunter fiel, hätten be- kämpft werden können. So bestechend diese

der Sippenkanzlei des @eärscher Geschlechter- © in Heide (Holstein) sen Wahlspruch und Wappen verschiedener Amarscher Bauern- chter, Oben: Sie- ut dem Dithmarscher Landeswappen

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Blick in das Museum zu Meldorf: Gemälde mit sym- bolischer Darstellung der früheren Dithmarscher Selbst- herrschaft, im Vordergrund ein bäuerliches Ehepaar in der Tracht des 16. Jahrhunderts. Oben: Interessante Siegel alter Dithmarscher Bauern- geschlechter. Das vierteilige Siegel ist von vier Bauernhöfen zusammengestellt, deren Fa- milien die Gründer einer Ort- schaft waren

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Landesoldermann mit der Ehrenkette

Unten: Anfertigung von Auszügen Aufstellung eines Stammbaumes in Sippenkanzlei

Die Uberbetonung des Einzel-Ichs bis zur vollen- deten Herrschaft der Ichsucht, die für das Zeitalter des Liberalismus kennzeichnend ist, hat auch im deutschen Landvolk zur Lockerung, oft sogar zur T ZerreiBung der starken Bindungen geführt, die dem einzelnen als Glied seines Geschlechtes einen festen Halt gaben und seine Pflichten und Rechte im Dienste seines Geschlechtes zuwiesen; denn die Blutsgemeinschaften der Geschlechter waren früher echte Lebensgemeinschaften und als solche Rechts- gemeinschaften, Arbeits- und Kampfgemeinschaften. Der einzelne galt stets nur so viel, wie seine Ge- meinschaft im Rahmen des Ganzen Geltung hatte. Der eigene Lebenswille war mit dem des Geschlech- des gleichgeschaltet. Heute ist vielfach selbst die Erinnerung an diesen einst so lebensfördernden Zusammenhang verlorengegangen. Stätten bewuß- der Überlieferungspflege, wie sie der Dithmarscher Geschlechterbund mit seiner Sippenkanzlei dar- stellt, sind zur großen Seltenheit geworden; denn die geschichtlichen Voraussetzungen waren nur in Wreinzelten Ausnahmefällen so günstig wie in Dithmarschen. Deswegen hat es sich das Reichsamt für das Landvolk zur Aufgabe gestellt, die Land- vYolkgeschlechter, d.h. die Blutsgemeinschaften, die äle Namensträger gleicher Abstammung um- "fassen, die sich zueinander bekennen, zu neuem, selbstverantwortlichem Leben zu erwecken. Selbst- verständlich kann es sich dabei nicht um schema- tische Nachahmung früherer Einrichtungen han- deln. Jede Zeit schafft sich ihre eigenen Gesetze. s ist auch nicht an eine künstliche Organisation mit großem Mittelaufwand gedacht. Vielmehr sollen aus kleinen Anfängen heraus wieder die neuen Gemeinschaften wachsen und die Probleme der Zeit, Frühehe, Kinderreichtum und Boden- verwurzelung aller Glieder, zunächst in kleinem Rahmen meistern; denn, wer ein gesundes Ganzes erstrebt, muß bei den kleinsten Zellen anfangen

Dithmarscher Geschlechterbundes.

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berühmten Swynen-Geschlechtes. Unten: Tür an einem reichgeschnitzten Schrank aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Wappen des Markus Swyn und seiner Ehefrau

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Begründung auf den ersten Blick erscheint, so kann ihr doch nicht beigepflichtet werden.

Es soll einmal ganz davon abgesehen werden, daß diese Abschließung eines Teils des Bauern- tums von politischen Mächten wie z. B. dem politischen Klerikalismus dazu mißbraucht wurde, das Bauerntum vor ihren Wagen für Ziele

einzuspannen, die nichts weniger als im In-

teresse des Bauerntums lagen. Immerhin sollte es zu denken geben, daß die Gegenden, in denen die Abkapselung des Bauerntums am stärksten

zur Geltung kam, in der Regel Hochburgen

eines reichsfeindlichen Ultramontanismus waren, der alles tat, um die kulturelle Isolierung des Bauerntums zu einem die nationale Einheit ge- fährdenden Partikularismus zu steigern.

Die Abwehrstellung eines Teils des Bauern- tums ‚gegen alles Städtische schlechthin war, im Grunde genommen, ein gefährliches Schwächezeichen, bedeutete die kampflose

Preisgabe einer Position, deren Behauptung für

eine wesensgemäße bäuerliche Lebensgestaltung unerläßlich war, bedeutete daher zwangsläu- fig Verkümmerung und Erstarrung des bäuerlichen Lebens. Über diese Tatsache darf man sich auch durch die Neigung einzelner Volkskundler früherer Zeit, alles Alte im Lichte romantischer Verklärung zu sehen, nicht hin- wegtäuschen lassen. Sehen wir uns doch mit offenen Augen in den Landschaften um, wo ein gesundes, lebensstarkes Bauerntum eine ihm artgemäße Lebensführung behauptet hat. In diesen Landschaften besteht auch heute noch ein enger Lebenszusammenhang zwischen Land und Stadt, sind die Städte landgebunden, orga- nische Bestandteile ihrer sie umgebenden Land- schaft und deren Volkstums. Auf Grund dieser Tatsache kann geradezu die These aufgestellt werden, daß die Gesunderhaltung des Bauern- tums und die Sicherung der dem Bauern gebüh- renden Stellung im Volke überhaupt nur dann möglich ist, wenn auch die Stadt landverbunden, landschaftsgeprägt, d. h. ihrem Wesen nach bäuerlich ist. Nur dann und dieser -Gesichts- punkt sollte entscheidend sein ist es möglich, den Gesamtorganismus des deutschen Volkes vor Zersetzung und Lähmung lebensnotwendiger Glieder zu bewahren. In dieser Fesistellung liegt aber nicht nur ein Anspruch, sondern eben- sosehr eine Aufgabe des Bauernlums und seiner

. Führung begründet.

Wohin der umgekehrte Weg, der einer allgemeinen Verstädterung führt, haben die letzten Jahrzehnte gezeigt. Die Überwindung seiner verderblichen Folgen ist die schwerste innerpolitische Aufgabe, vor die der National- sozialismus gestellt worden ist. Es handelt sich dabei, wie die nationalsozialistische Staats- führung von vornherein erkannt und stets betont hat, um eine Aufgabe der nationalsozialistischen Gesamtpolitik, die Anspannung aller Volks- kräfte erfordert. Im Rahmen dieses Aufsatzes soll und kann aber nur auf den Beitrag der

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nationalsozialistischen Agrarpolitik zur Über- windung jenes verhängnisvollen Erbes des Liberalismus eingegangen werden.

Die grundstürzende Wirkung des Liberalismus auf das Bauerntum beruhte in erster Linie auf der Veränderung des Verhältnisses des Men- schen zum Boden, die in‘ der Behandlung des Bodens als Handelsware ihren sichtbarsten Aus- druck fand. Eine Überwindung des Liberalismus war daher nur möglich durch ein neues Boden- recht, das die volksbiologische Funktion des Grundeigentums durch erneute Bindung des bäuerlichen Menschen an seine Scholle wieder-

` herstellte. Diese Erkenntnis fand ihren gedank-

lichen Ausdruck in der These von Blut und Boden und ihre Verwirklichung durch das Reichserbhofgeseiz.

Allerdings erfaßte das Reichserbhofgesetz durch die gesetzlich festgelegte Begrenzung der Erbhofgröße nur einen Teil des Bauern- tums, den Teil, der trotz der Besitzzersplitte- rung.durch das liberale Bodenrecht ein Grund- eigentum behauptet hatte, das als feste Lebens- grundlage für eine kinderreiche Familie aus- . reichte, d. h. seine biologische Funktion noch ausüben konnte. Diese Begrenzung war notwen- dig, wenn nicht der Weg zu einer Gesundung der zerrütteten deutschen Bodenordnung ver- sperrt werden sollte. Das Reichserbhofgesetz mußte sich also zunächst einmal darauf be- schränken, den Teil des Bauerntums zu sichern, dessen Grundeigentumsverhältnisse noch ge- sund waren.

Wenn es aber nur den Eigentümern der so neugeschaffenen Erbhöfe die Führung des Titels „Bauer“ zuerkannte, so schien das vielen als eine ungerechte Auszeichnung gegenüber der großen Zahl der Opfer des liberalen Boden- rechts, die zwar nicht mehr über ein ausreichen- des Grundeigentum verfügten, die sich aber wie ihre Vorfahren als Bauern fühlten und ihrer ganzen Lebensführung nach bäuerlich waren. Man kann für diesen Einwand volles Verständ- nis haben und trotzdem sich zu der Be- schränkung des Personenkreises, der sich Bauer nennen darf, bekennen; denn mit dieser Be- schränkung sollte kein ständisches Vor- recht einer Minderheit des deutschen Land- volkes begründet, sondern ein agrarpoli- tisches Ziel von größter volkspolitischer Bedeutung aufgestellt werden.

Dadurch, daß der nationalsozialistische Ge- setzgeber die Führung des Bauernnamens bewußt auf die Grundeigentümer beschränkte, die in ihrem Grundeigentum noch über eine wohl fun-

dierte Lebensgrundlage für ihre Familie ver- fügten, sollte dem deutschen Volke klargemacht werden, in welch erschreckendem Ausmaße be- reits die gesunde Bodenordnung des deutschen Volkes durch die Herabwürdigung des Bodens zur Handelsware zerstört worden war, wie ver- schwindend gering in weiten Gebieten des deut- schen Vaterlandes die Zahl derjenigen war,

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deren Grundeigentum wirklich noch seine bio- logische Funktion erfüllen konnte. Deutlich brachte daher auch die Einleitung zum Reichs- erbhofgesetz zum Ausdruck, daß dieses nicht nur ein Mittel zum Schutze gegen eine weitere Zer- splitterung des bäuerlichen Grundeigentums sein sollte, sondern ebensosehr ein Instru-

ment zur Schaffung einer neuen ge-.

sunden Bodenordnung. „Es soll’ so heißt es in der Einleitung „auf eine gesunde Verteilung der landwirtschaftlichen Besitz- größen hingewirkt werden, da eine große Anzahl lebensfähiger kleiner und mittlerer Bauern- höfe, möglichst gleichmäßig über das ganze Land verteilt, die beste Gewähr für die Gesund- erhaltung von Volk und Staat bildet.” Durch die Beschränkung des Kreises, der zur Führung des Titels „Bauer“ berechtigt war, sollte also das Ziel der Wiederverbäuerlichung boden- rechtlich klar umrissen werden. Nicht zuletzt dadurch bekam das Reichserbhofgeselz rich- tunggebende Bedeutung für die Maßnahmen zur Gesamtneuordnung der ländlichen Sozial- Struktur.

Daß die erbhofrechtliche Begriffsbestimmung „Bauer“ im Widerspruch zu dem bisherigen Sprachgebrauch stand, war eher ein Grund mehr für als gegen sie; denn dieser war nur geeignet, das Ausmaß der Zerstörung der bäuerlichen Lebensgrundlage des deutschen Volkes zu ver- hüllen. Der Begriff „Bauer“ in seinem unver- fälschten Sinne daran muß festgehalten werden ist Ausdruck eines ganz be- stimmten Verhältnisses des Menschen zum Boden, bei dem dem Grundeigentum die Funktion einer dauerhaften voll ausreichenden Lebensgrundlage der bäuerlichen Familie von Geschlecht zu Geschlecht zugewiesen ist. Daher war auch zu allen Zeiten die Bezeichnung „Bauer“ an eine bestimmte Besitzgröße gebun- den, bis der Liberalismus in völliger Verken- nung der biologischen Funktion des Grundeigen- tums mit diesem wohl begründeten Sprach- gebrauch brach und so eine Begriffsverwirrung hervorrief, deren Auswirkung noch heute spür- bar ist.

Das bäuerliche Verhältnis des Menschen zum Boden ist aber nicht nur von einer bestimmten Qualität des Grundeigentums, sondern ebensosehr von einer bestimmten Qualität des Grundeigentümers abhängig. Dieser Tat- sache hat das Reichserbhofgesetz durch die Ein- führung des Begriffes der Bauernfähigkeit Rechnung getragen. Dadurch wird das Reichs-

erbhofgesetz zu einem volkspolitischen Erzie-

hungsinstrument ersten Ranges; denn es muß

immer wieder betont werden, daß in dem Ver-

hältnis des Menschen zum Boden der Mensch der bestimmende Faktor ist, von dessen Gesinnung die Gestaltung und Durchführung des Bodenrechtes abhängig ist.

Gewiß ist das liberale Bodenrecht von außen her dem Bauerntum aufgezwungen worden; aber

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es darf doch nicht übersehen werden, daß dieses erst durch den Einbruch der liberalen Wirt- schaftsgesinnung in weite Kreise des Bauern- tums zu dem hohen Grad seiner Auswirkung kam. Andererseits hat die Mehrzahl des Bauern- tums gerade unter der Vorherrschaft des libe- ralen Bodenrechts durch zähes Festhalten an den Grundgedanken des alten Bauernrechtes bewie- sen, wie weitgehend das herrschende Recht durch die Gesinnung dor Betroffenen außer Kraft gesetzt werden kann.

Auch die Wirksamkeit des Reichserbhof- gesetzes ist abhängig von dem Geist, in dem es durchgeführt wird. Die Art und Weise, wie der nationalsozialistische Gesetz- geber auf diese Tatsache reagiert hat, ist der beste Beweis für die Volksverbundenheit des Nationalsozialismus. Er war.so sicher, daß das Reichserbhofgesetz in seinen Grundzügen echter deutscher Bauernart entsprach, daß er im Ver- trauen auf die bäuerliche Gesinnung dieser durch die Institution der Anerbenbehörden und die Einschaltung der ehrenamtlichen Bauern- führer ein weites Wirkungsfeld bei der Gestal- tung und Durchführung des Erbhofrechtes ein- räumte. Dieses Vertrauen hat sich in jeder Be- ziehung bewährt. Die Tätigkeit der bäuer- lichen Anerbenrichter und ehren- amtlichen Bauernführer hat entscheidend dazu beigetragen, daß das Ziel des Reichserbhof- gesetzes, die Bezeichnung „Bauer“ wieder mit dem verpflichtenden Sinn zu erfüllen, den diese ursprünglich gehabt hatte, erreicht worden ist.

Die Einführung und Durchsetzung des Be- griffes der Bauernfähigkeit hat aber eine weit über die Grenzen des Reichserbhofgesetzes hinausgehende Wirkung. In ihm ist ein Eig- nungsmerkmal gegeben, das zum Bildungs- ziel (in des Wortes umfassendster Bedeutung) des gesamten deutschen Landvolkes gewor- den ist. Bauer kann nicht, bauernfähig aber sollte jedes Glied des Landvolkes sein.

Damit ist auch das Verhältnis von Bauer und Landvolk gegeben. Das deutsche Landvolk ist, seiner Deutschheit gemäß, nur als ein bäuerliches Landvolk denkbar. Ohne eine bäuerliche Grundhaltung des gesamten deut- schen Landvolkes wäre auch die vom National- Sozialismus erstrebte Wiederverbäuerlichung der ländlichen Sozialstruktur durch Siedlung, Umlegung und Dorfaufrüstung unerreichbar: denn alle diese Maßnahmen selzen, wenn sie den erstrebten Erfolg haben sollen, als Träger den geeigneten, d. h. bauernfähigen Men- schen voraus.

Daraus ergibt sich auch die wichtigste AufgabedesReicäsamtesfürdasLand- volk. Sie besteht in der bäuerlichen Ausrich- tung und Erziehung des gesamten Landvolkes, in der Wiederbesinnung auf die durch den Liberalismus unterdrückten bäuerlichen Urkräfte und ihrer Aktivierung im Dienste der Nation, kurz und gut, in der geistigen und seelischen

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Wiederverbäuerlichung des ländlichen Men- schen, die die entscheidende Voraussetzung für

die erstrebte Erneuerung und Gesundung des

deutschen Landvolkes ist. Daher bedeutet die Wahl der „Bezeichnung „Reichsamt für das Landvolk" auch alles andere als etwa ein Abrücken von der Bauerntumsidee Sie ist vielmehr Ausdruck 'des Willens, mit der Bauerntumsidee das gesamte Landvolk zu durchdringen und zu erfüllen; denn Bauern- tum, als geist-seelische Wesenseinheit ver- standen, ist nicht nur Angelegenheit der Summe aller Bauern und ihrer Familienangehö- rigen, sondern umfaßt alle bäuerlichen Men- schen. Die Bauerntumsidee ist daher, ent- sprethend dem bäuerlichen Ursprung und Grundcharakter des deutschen Volkes von wesensbildender Bedeutung nicht nur für das gesamte Landvolk, sondern darüber hinaus für das ganze deuische Volk. So schließt sich die Kette Bauer Landvolk Volk.

Die wesensbildende Kraft der Bauerntumsidee wird um so stärker sein, um so tiefer sie im Landvolk selbst verwurzelt ist. Hier muß sie sich vor allem bewähren, wenn sie darüber hinaus auf das ganze deutsche Volk lebens- gestaltend einwirken soll. Nur von einem selbstbewußten und selbstgetreuen Bauerntum, verkörpert durch das gesamte deutsche Land- volk, kann die Uberwindung der unseligen, durch den Liberalismus hervorgerufenen Ent- fremdung zwischen Land und Stadt durch die geist-seelische Wiederverbäuerlichung des gan- zen Volkes ausgehen. Nur ein selbstbewußtes und selbstgetreues Bauerntum wird wieder die Stärke erreichen, die zur Ausübung seiner volks- biologischen Funktion notwendig ist, wird die vom Lande abwandernden Kräfte in Treue zu der angestammten Bauernart binden und die durch den Liberalismus entfremdeten Kräfte durch Wiederbesinnung auf das bäuerliche Blutserbe zurückgewinnen. Nur dadurch ist auch eine Uberwindung der Abseitsstellung möglich, in die ein Teil des Bauerntums durch den Liberalismus gedrängt worden ist oder in Abwehr des Liberalismus sich zurückgezogen hat. Das deutsche Bauerntum kann nur gedei- hen, wenn es als ein lebendiges Glied des deut- schen Volkskörpers von der Volksgesamt- heit als lebensnotwendig erkannt und gewürdigt wird, wie andererseits der deutsche Volksorganismus verkümmern müßte, wenn das Bauerntum in erzwungener oder selbst gewählter Isolierung verharren wollte.

Der Bezeichnung „Landvolk“ liegt daher nichts ferner als die Vorstellung eines Volkes im Volke. Sie entspringt nicht der Tendenz, die Eigenart des Landvolkes hervorzuheben; denn die Notwendigkeit, die Eigenart des Land- volkes zu betonen und zu schützen, war ja nur die Folge einer weitgehenden Entartung des deutschen Volkes, die sich im Zeitalter des Liberalismus durch Verleugnung des bäuerlichen

Bluterbes aller Volksglieder vollzog. Diese Not- wendigkeit wird um so mehr zurücktreten, um so weiter die geist-seelische Wiederverbäuer- lichung des deutschen Volkes fortschreitet, um so stärker deutsche Bauernart und deutsche Volksart wieder identisch werden.

Die Bezeichnung „Landvolk” entspringt viel- mehr dem Bestreben, die besondere volkspoli- tische, vor allem volksbiologische Aufgabe und Verpflichtung hervorzuheben, die Natur und Geschichte dem ländlichen Menschen stellen. Mit Landvolk soll nicht ein Volk im Volke, sondern ein Organ des Volkes, die Wurzel des völkischen Lebensbaumes, bezeichnet werden, durch die der Lebenszusammenhang zwischen Blut und Boden, aus dem dem Ganzen immer wieder neue Kraft zuströmt, ständig erneuert wird.

Daraus ergibt sich auch, daß die volkspoli- tische Aktivierung des Landvolkes nicht Auf- gabe einer ständischen Organisation sein kann ein solcher Versuch würde das Landvolk erneut der Gefahr der Absonderung und Isolierung aussetzen —, sondern Auf- gabe der Partei als des politischen Willen- trägers der Gesamtnation ist. Nur durch den Einsatz der Partei kann und wird die Bauern- sache, wie es zum Wohle des ganzen Volkes notwendig ist, zur Volkssache werden. Aufgabe des Reichsamtes für das Landvolk als des dazu geschaffenen Organs der Partei aber Ist es, die aus der besonderen volkspolitischen Funktion des Landvolkes sich ergebenden besonderen

Führungsaufgaben zu übernehmen; denn die

Mobilmachung des Selbstverantwortungsbewußt- seins des Landvolkes ist der stärkste Motor der zu erstrebenden Wiederverbäuerlichung des deutschen Volkes, die, wie immer wieder betont werden muß, nur von einem seiner bäuerlicher Art bewußten Landvolk ausgehen kann.

So stehen Bauer, Landvolk, Volk in einem so engen Schicksalszusammenhang, daß seine Mißachtung zu schwerster Schädigung aller drei führen muß und im Zeitalter des Libe- ralismus zu einer tiefgreifenden Zerrüttung der deutschen Volksordnung geführt hat. Die end- gültige Überwindung des Liberalismus auch in seinen letzten Folgen ist daher nur durch die Wiederherstellung dieses Lebenszusammenhan- ges in der ganzen Vielseitigkeit seiner Bezie- hungen möglich. Eine tiefsinnige griechische Sage berichtet von dem Riesen Antäus, däß er so lange unüberwindlich gewesen sei, als seine Füße die Erde berührten, aus der ihm immer wieder neue Kraft zuströmte. Das deutsche Volk gleicht diesem Riesen. Es wird so lange un- überwindlich. sein, als der Lebens- zusammenhang von Blut und Boden gewahrt bleıbt. Dieser Zusammenhang kennzeichnet daher Bauer, Landvolk, Volk als eine Dreieinheit, von deren Stärke und Festigkeit das Schicksal des deutschen Volkes bis in seine fernste Zukunft abhängt.

275

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Beim diesjährigen Kriegsberufswettkampf der deut- schen Jugend hat die Landjugend in hervorragender Weise mitgewirkt. In der großen Zahl der Teilnehmer von über 600000 Jungen und Mädchen aus allen land- wirtschaftlichen Berufen kommt besonders deutlich zum Ausdruck, daß heute die Arbeit in der Landwirt- schaft mit ihren vielen einzelnen Berufszweigen ebenso zur gelernten Facharbeit gehört wie jede andere Facharbeit. Darüber hinaus zeigt die große Teilnehmerzahl, daß der von Herbert Backe vor anderthalb Jahren in Posen mit der Begründung des landwirtschaftlichen Berufsausbildungswerkes ver- tretene Gedanke sich trotz des Krieges überall restlos durchgesetzt hat. Überall ist die Erkenntnis zum Durchbruch gekommen, daß eine gediegene Fachaus- bildung auch in der Landwirtschaft nicht nur trotz des Krieges notwendig ist, sondern gerade wegen des Krieges zu den wichtigsten Aufgaben gehört, weil mit der verringerten Zahl deutscher Menschen in den landwirtschaftlichen Betrieben die Aufgaben nur dann gemeistert werden können, wenn auch die in die praktische Arbeit hineinwachsende Jugend von vorn- herein eine gediegene Ausbildung erhält. Nur dann bleibt die Waffe der Erzeugungsschlacht scharf. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß nicht nur Jungen und Mädel aus allen deutschen Gauen sich am Kriegsberufs wettkampf der ländlichen Jugend be- teiligten, sondern daß sich die als Prüfer mitwirkende Lehrherren und Lehrfrauen dieser wichtigen Aufgabe ebenso mit größtem Ernst und Eifer unterzogen. Auch hier liegt im Zusammenwirken von jung und alt die Voraussetzung zum Erfolg. |

Der Reichsobmann des Reichsnährstandes, Bauer Gustav Behrens, der bereits die Ortswettkämpfe eröffnet hatte, eröffnete auch den Reichsentscheid im Kriegsberufswettkampf der Gruppe Nährstand in Posen, der vom 21. bis 26. April durchgeführt wurde. Er wies dabei darauf hin, daß die Leistung des deut- schen Landvolkes die Garantie dafür bietet, daß die Grundlagen der Ernährung stets gegeben sein werden. An dieser Leistung hat die deutsche Landjugend neben der deutschen Landfrau einen so starken Anteil, wie er in keinem anderen Beruf denkbar ist. Gustav Behrens unterstrich besonders die Begeisterung der Jungen und Mädel bei der Durchführung der Wett- kämpfe. Er sah darin einen besonderen Beweis dafür, daß die Jungen und Mädel in der Landwirtschaft nicht einen Beruf ergriffen haben, um hierbei yiel Geld zu verdienen, sondern um sich in die große Aufgabe hineinzuleben und hineinzuwachsen, die der Führer dem deutschen Bauerntum übertragen hat: die Er- nährung des Volkes zu sichern und Blutsquell der Nation zu sein. Gustav Behrens unterstrich besonders die Bedeutung des Landdienstes, der heute noch mehr jungen Menschen die Möglichkeit gibt, die Verbunden- heit mit dem Boden zu erleben. In ländlichen Berufen hat heute jeder die Möglichkeit, aufzusteigen. Die Größe der gestellten Aufgabe rechtfertigt das Be- streben nach einem wachsenden, Landvolk. Ein

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wachsendes Landvolk kann diese Aufgabe im national- sozialistischen Staat erfüllen, je stärker die ländliche Jugend und je größer der Wille zur Arbeit am Leben- digen, am Grund und Boden, je sicherer die Garantie für das Leben und die Zukunft unseres Volkes ist. Diese Worte des Reichsobmannes haben bei all den jungen Menschen, die die Posener Feierstunde er- lebten, gezündet. Jeder ist stolz auf seine Leistung in den vielseitigen Berufen der Landwirtschaft und der Ernährungswirtschaft und glaubt an die Zukunft gerade dieser Berufe, die der Liberalismus fast schon abgeschrieben hatte, Es ist bemerkenswert und für den künftigen Erfolg des landwirtschaftlichen Berufs- erziehungswerkes und des Kampfes gegen die Land- flucht besonders bedeytsam, daß diese Überzeugung sich heute nicht nur auf die Angehörigen dieser Berufe erstreckt, sondern auch in Industrie und Handwerk geteilt wird. Auch dieses konnte man in Gesprächen mit Jungen und Nadeln oder Lehrherren und Lehr- frauen feststellen, die am 29. April zur Reichssieger- ehrung des Kriegsberufswettkampfes in Dresden zu- sammengekommen waren. Gemeinsam empfingen die jugendlichen Reichssieger aller Berufe ihre Sieger- urkunden aus den Händen des Reichsorganisations- leiters Reichsleiters Dr. Ley, des Oberbefehisleiters Reichsministers Herbert Backe und des Reichs- jugendführers Axmann. Diese Reichssiegerehrung auf dem Höhepunkt der Entscheidungen dieses Krieges bot ein Bild stärkster Geschlossenheit von Stadt und Land und war getragen vom Glauben an den Sieg. Ein Volk, das in der Lage ist, inmitten stärkster Kräfte- anspannungen im Entscheidungskampf auch derartige zukunftweisende Aufgaben, wie sie dieser Kriegs- berufswettkampf in sich schließt, zu meistern, wird auch den Vernichtungswillen der Gegner, wie sie Judentum, Kapitalismus und Bolschewismus ver- körpern, zunichte machen. Das deutsche Landvolk wird aber auch aus dieser Reichssiegerehrung das Bewußtsein empfangen, daß es heute nicht mehr abseits steht und seine Arbeit als überholt angesehen wird, sondern daß es im nationalsozialistischen Deutschland auch in seiner Berufsarbeit voll anerkannt in geschlossener Reihe mit allen anderen Berufen marschiert. Im Anschluß an die Reichssiegerehrung fand unter Leitung von Gauleiter Reichsstatthalter Martin Mutschmann eine Großkundgebung statt, auf der Oberbeſehlsleiter Reichsminister Herbert Backe, Reichsjugendführer Axmann und Reichsleiter Dr. Ley sprachen.- Herbert Backe stellte den Gedanken des Kampfes in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Der Kampf ist die Grundläge unseres Lebens, denn ohne Kampf gebe es kein Leben. Gerade der Bauer und der Land- mensch, der der Natur und ihren Gesetzen am stärksten verhaftet ist, weiß, daß alles Organische sich im Kampf durchsetzen muß und daß nur durch den Kampf höchste Entwicklung ist. Um die Schöpfe- rischen, Leistungsfähigen, Einsatzbereiten zu erkennen, um diese Menschen auf allen Gebieten unseres Lebens

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zur Führung zu bringen, deshalb ist der Kampf not- wendig. Er ist die Voraussetzung jeder Auslese und macht innerhalb eines Volkes erst diejenigen sichtbar, die ais die Besten zur Führung berufen sind. Der Kampf stärkt darüber hinaus den Einsatzwillen aller, ihre Verantwortungsfreudigkeit, ihren Willen mitzu- gestalten in der Gemeinschaft. Der durch den National- sozialismus erkämpfte Umbruch hat die ewig gültigen Gesetze des Kampfes und der Auslese wiederher- gestellt, die jahrhunderte-, ja jahrtausendelang durch artfremde und lebensverneinende Kräfte und Ideen unterbrochen waren. Dieser Umbruch stellt daher dem deutschen Volke und darüber hinaus allen sich zu unseren Idealen bekennenden verwandten Völkern ungeheure einmalige Aufgaben, die in um so kürzerer Zeit gelöst werden müssen, je länger die Zeiten des Verfalls eine solche Lösung nicht zuließen. Dazu aber ist eine befähigte Mannschaft erforderlich, eine Führungsschicht, die fähig und bereit ist, diese seit Jahrtausenden ungelösten Aufgaben zu läsen und damit für Jahrtausende dem deutschen Volke die Lebens- grundlage, zu geben, die ihm die Freiheit seiner Art sichert. Eine solche Führungsschicht entsteht nur im Kampf, der die Grundlage der Auslese bildet.

Eine solche Auslese kann, so betonte der Minister, aber nicht nur auf einem Lebensgebiet durchgeführt werden, etwa nur auf dem politischen oder kulturellen. Je umfassender die Fähigkeiten und das Können des einzelnen sind, je tüchtiger und einsatz- bereiter er auf allen Lebensgebieten ist, um so mehr

-vereinigt er in sich die Voraussetzung, Persönlichkeit

zu werden. Deshalb werden von der deutschen Jugend, aus der sich die Führungsschicht des deutschen Volkes dauernd ergänzt, nicht nur politische Tugenden wie Bekenntnis zur nationalsozialistischen Welt- anschauung, Treue, Opferbereitschaft und Beharrlich- keit, sondern ebenso höchstes Können im beruflichen Leben und in der beruflichen Arbeit gefordert. Die Leistung ist Maßstab guten Erbgutes. Sie zeigt somit, wer zum Führen berufen ist. Deshalb soll der Berufs- wettkampf höchstes Können fordern, indem er in den Siegerleistungen das Maß des beruflichen Könnens herausstellt, das notwendig ist, um die vor uns stehenden gewaltigen Aufgaben zu meistern.

Oberbefehlsleiter Herbert Backe unterstrich dann die Aufgaben, die sich hieraus für die landwirt- schaftlichen Berufe ergeben. „Je größer die Aufgaben sind, die uns in Europa gestellt werden, um so größer müssen die Leistungen jedes einzelnen im Dienste der Nahrungsfreiheit unseres Volkes sein. Es ist den jungen Kräften, die oft genug für Erwachsene an ent- scheidender Stelle im Hofe oder auf dem Acker stehen, kaum noch möglich, länger oder mehr zu arbeiten, wohl aber können sie durch höheres Berufswissen ihre Leistung weiter steigern und verbessern. Deshalb ist der Kriegsberufswettkampf zu einem entscheiden- den Faktor für das bäuerliche Berufserziehungswerk geworden." Dieser Gedanke ist bereits Allgemein- gut des Landvolkes geworden, denn in diesem Jahre nahmen 600000 Jungen und Mädel der Gruppe Nähr- stand freiwillig an diesem Leistungskampf teil, wäh- rend es 1938 290000 und 1934 nur 67000 waren.

Dr. Kurt Haußmann

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Kandbemerkungen

Schüler schreiben über Bauernarbeit

Bodenverbundener Unterricht ist in den Salzburger Dorfschulen und namentlich in den Beispielschulen eine Selbstverständlichkeit. Darum war es gar kein Wagnis, als die Landesbauernschaft Salzburg unter tatkräftiger Unterstützung der Schulbehörde daran- ging, ein Preisausschreiben durchzuführen, das der weiteren Stärkung des bäuerlichen Gedankens in der Schule dienen sollte und ein Aufsatzthema aus dem umfangreichen Gebiet der Bauerntumsfragen Zum Gegenstand hatte. Welch fruchtbarer Boden da be- ackert wurde, bewies die Tatsache, daß weit über die Hälfte der Schulen dort bereits vorgesichtete Auf- sätze einsandten. Und wie sehr die Lehrer selbst mit dem Herzen bei der Sache waren, dafür zeugen die Begleitschreiben. So eines aus dem hintersten Rauris- tal, aus Wörth am Fuße des Sonnblicks: „Ich übersende vier Arbeiten meiner achten Schulstufe, die bis zum 1. November restlos im Arbeitseinsatz stand und nur zwei Schüler hat, die nicht aus dem Bauernstand stammen. Einer davon, die Arbeit liegt bei, ist ein kleiner Dichter, probiert Verse, meistens aus heimat- lichem und volksgebundenem Stoff. Vielleicht und welche Freude, welcher Ansporn wären das für unseren Winkel! findet eine Arbeit Anklang. Mit ganzer Seele stehen sie jetzt schon mehr in der Bauernarbeit und bleiben es. Keiner von ihnen ergriff in den letzten fünf Jahren, seit ich hier bin, einen anderen Beruf." Heimatliebe und Ver- bundensein mit dem Hof kommen oft und oft zum Ausdruck. Ein Bub aus dem Pinzgau etwa: „Hart und mühsam ist die Arbeit eines Bergbauern, aber wenn man droben auf seinem Hofe steht, dann ist es wieder schön, für seine Heimat zu arbeiten.“

Immer wieder bricht auch der Ostgedanke durch. Ganz behutsam wird in Salzburg die Saat dafür gelegt und die Frucht soll von selber reifen. Voraussetzung ist einmal, bei den nachgeborenen Bauernsöhnen die Liebe zur Bauernarbeit nicht durch Einflüsse von außenher ertöten zu lassen. Dann kommt das Be- gehren nach einem eigenen Hof, auch wenn er weit von der Heimat entfernt sein müßte, von selber. Der Bub aus Wörth, von dem die Schulleiterin schrieb, daß er ein kleiner Dichter sei, eine Vollwaise und tüchtiger Arbeiter am Hofe seiner ältesten Schwester, gibt seinen Gefühlen in etwas romantischer Form Ausdruck: „Ein großes Opfer ist es wohl, die Urheimat - meiner Väter, mit der ich so verwachsen bin, wie ein Eichenbaum mit seinen Wurzeln verbunden ist, zu verlassen... Die Arbeiten lerne ich auf meiner Heimat- erde, daß ich einmal fähig bin, als junge Pflanze die fremde Erde zu pflügen. Und gestalte ich eine Familie, dann bin ich nimmer allein. Manchmal werde ich wohl zurückdenken an den schönen Jugendtraum, den ich in den Bergen träumte."

Bei aller Romantik klingt das vollkommen echt. Das ist besönders erfreulich bei den Arbeiten, daß kaum ein falscher Ton aufklingt, auch dort nicht, wo ein Stadtkind. etwa ein Kind eines Umquartierten, über Bauerntumsfragen oder Bauernarbeit schreibt. Da ist

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277

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ihm natürlich das Bauernkind vor in der Ursprünglich- keit der Begriffsbildung, in der Anschaulichkeit der ‚Darstellung. Eine Hauptschülerin schreibt: „Wie's einem im Blute liegt, so muß er es halten, und wessen Ahnen allezeit Bauern waren, dessen Blut und Leib und Sinn ebenso beschaffen, der soll seinen Ahnen treu bleiben. Ein anderes: „Es kommt auf jedes Körnlein an, so winzig und unscheinbar es ist. Jedes Korn hilft mit, unser großes, wachsendes Volk satt zu machen, oder es ist Samenkorn für die kommende neue Saat. Jedes Körnchen ist wichtig und jedes hat seine Bestimmung.“

Daß Kriegsgeschehen und Bauernarbeit im Kriege eine große Rolle in den Aufsätzen spielen, ist eine Selbstverständlichkeit und mit tiefem Verstehen hat die Parole „Nahrung ist Waffe Wurzeln geschlagen. Aus Altenmarkt im Pongau, einem ursprünglichen Dorf mit alten wunderbaren Holzhäusern, schreibt ein Mädel: „Große und schwere Aufgaben stellt der Krieg der Bauernfamilie, besonders dort, wo der Bauer in den Reihen der Soldaten steht und die Bäuerin allein mit den Kindern oder mit dem Hofpaten oftmals steile Berglagen zu bearbeiten hat. Ohne Ernte kein Sieg, ohne Sieg ein schmählicher Friede.“ Und dazu ein Verslein:

Mit der Hand am Schwerte

Führe deinen Pflug,

Deiner Heimat Erde

Ist dir Pflicht genug. | Dr. Hermann Legat

„Gefärbte’' Lebenshaltungskosten

Die enge Bindung des Lohnniveaus an die Lebens- haltungskosten hat zur Folge, daß diesen aus volks- wirtschaftlichen Erwägungen die besondere Aufmerk- samkeit der Regierungen gilt. Gerade mit Rücksicht auf die wirtschaftlich schlechter gestellten Volksteile ist man bemüht, die Ausgaben für Nahrungsmittel, Kleidung, Miete usw. möglichst niedrig zu halten oder sie zumindest vor allzu starken Schwankungen zu schützen. Dieses Problem wird besonders aktuell in Zeiten der Verknappung, sei es in Auswirkung eines Krieges, infolge von Mißernten oder anderen Ursachen. Gerade in solchen Zeiten stehen der Spekulation und dem Schwarzhandel alle Möglichkeiten offen. Das gilt natürlich in erster Linie für solche Länder, die dem

liberalen Wirtschaftsprinzip huldigen und die Höhe:

des Preises von dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage abhängig machen.

Als typisches Beispiel gelten in dieser Beziehung die USA., die aber während dieses Krieges Maßnahmen ergriffen haben wie die Preisüberwachung, die Punkt- rationierung usw., die sie vorher als „Unterdrückungs- mittel autoritäreg Regierungen" großspurig abgelehnt hatten. Wie wenig erfolgreich diese Versuche einer Wirtschaſtslenkung waren, konnte immer wieder Pressemeldungen entnommen werden, die von der steigenden Bedeutung des Schwarzhandels sprechen. Offizielle Kreise schätzten den Anteil des Schwarz- handels am Fleischmarkt auf mindestens ein Fünftel der angelieferten Menge und wiesen andererseits auf die leeren Schlacht- und Kühlhäuser der Großstädte hin. In ‚sensationeller Aufmachung wurde einem

278

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Schwarzhändier Im Hinblick auf seinen „großen Umsatz" der Titel eines „‚Meatlegger Nr. 1“ gegeben.

Diese Symptome gestatten gewisse Rückschlüsse In bezug auf die Ordnung des Marktes und die Ver- sorgung der Bevölkerung. Ebenso verständlich ist die Vermutung, daß die Lebensmittellieferungen der USA. an die Alliierten, die bessere Versorgung eines vergrößerten Heeres u. a. m. nur auf Kosten der Zivil- bevölkerung geschehen konnten und Preisauftriebs- tendenzen nach sich ziehen mußten.

Deshalb war es nicht uninteressant, die offiziellen Angaben über den us.-amerikanischen Lebenshaltungs- index zu verfolgen. Wenn z.B. die Steigerung der Lebenshaltungskosten von Januar 1941 bis Ende 1943 offiziell mit 23,4% angegeben wurde, so konnte man diese Zahl wohl bezweifeln, ohne sie aber infolge mangelnder Unterlagen als falsch hinstellen zu können. ü

Aller Zweifel enthebt uns nun eine Meldung aus USA., wonach die beiden großen Gewerkschaften in einem Gutachten nachgewiesen haben, daß die Zahlen des offiziösen Statistischen Amts viel zu niedrig seien also falsch! Hier eine Gegenüberstellung:

Stelgerung der Kosten von Januar 1941 bis Ende 1943 In %

Lebensmittel

Kleidung 72.2 Rees 15.0 Wohnungsbedarfs-

artikeun 68,0 Lebenshaltungskosten . 43,5

Es bedarf keines Hinweises, daß die Berechnung von Preisindizes immer gewisse Fehlerquellen in sich birgt, die kleine Differenzen ergeben. Unterschiede aber von 100 und mehr Prozent können dabei nicht auf- treten oder man hat die Ergebnisse aus politischen Gründen „gefärbt“. Dazu hat das im Auftrage der Regierung arbeitende Statistische Amt aber mehr Ursache als die Gewerkschaften; denn zwischen den Lebenshaltungskosten und dem Lohnniveau besteht, wie schon gesagt, eine enge Bindung. Es lag aber im Interesse des Kapitals, Lohnerhöhungen zu vermeiden. Deshalb ist es auch kein Zufall, daß die Vertreter des Statistischen Amts und die Industrie die Richtigkeit des gewerblichen Gutachtens bestreiten! Das dar- gebotene Bild rundet sich ab, wenn man in dem Gut- achten liest, daß die Realversorgung der Bevölkerung von 1941 bis 1943 zurückgegangen sei trotz Steigerung der Gesamtausgahen für Verbrauchsgüter.

Nur selten bletet sich uns ein so charakteristischer Fall wie dieser. Er zeigt die Abhängigkeit, der Roose- velt- Regierung vom Kapital, die so welt geht, daß selbst staatliche Einrichtungen aus kapitalistischem Interesse , Korrekturen“ vornehmen müssen, um das Volk zu betrügen. Es hält uns aber auch mit aller Deutlichkeit vor Augen, wie die Verhältnisse bei uns sein würden, wenn es keine staatlich gelenkte Wirt- schaft gäbe. H.Gerdesmann

VG

„Zucht und Sitte“

Schriften für die Neuordnung unserer Lebens- gesetze. Herausgeber Herbert Backe und Karl Cerff. Vierte Folge, Erscheinungsjahr 1944

Die vierte Folge der nunmehr von Herbert Backe und Karl Cerff herausgegebenen „Zucht und Sitte“- Schriften dient, wie die drei vorhergehenden Hefte, wieder dem hohen Ziel, die Quellenart echter deut- scher Weltanschauung freizulegen und die Formung eines dieser Weltanschauung verpflichteten Menschen-

bildes zu fördern. Wieder legt das Heft ein schönes

Zeugnis ab für den unerschöpflichen Reichtum der deutschen Kultur an inneren Kräften, die Herz und Willen festigen und stärken können, damit sie diesen großen Kampf um das Lebensrecht des deutschen

. Geistes und den Bestand der deutschen Seele durch-

zustehen imstande sind. In dieser Festigung und Stärkung muß gerade heute der Sinn aller kulturellen Arbeit beruhen, wie Karl Cerff in dem das Heft er- öffnenden Aufsatz betont. So wie das Reich der politische Schwerpunkt Europas ist, so ist die deutsche Volkskultur das Herzstück der hohen Kultur Europas. Ihr erwachsen aus dieser Stellung bestimmte Aufgaben im europäischen Raum. Sie liegen nicht, wie Karl Cerff ausführt, in einer Angleichung, sondern in der An- erkennung aller germanischen Volkskulturen, die jede Art von Kulturdiktatur ausschließt.

„Der Krieg ist der Vater aller Dinge" diese Weisheit der Griechen wandelt Max Wegener ab, Indem er am Beispiel zahlreicher Zeugnisse aus der bildenden Kunst und der Dichtkunst zeigt, wie echte Kunst sich stets In der kämpferischen Auseinander- setzung mit Welt und Umwelt geformt hat. Im Werden und Sein des deutschen Grenadiers, wie es Wolfgang Hünemarin sehr lebendig und anschaulich schildert, treten Pflichtgefühl und Wille zum un- bedingten Einsatz als innerste Kräfte ewigen deutschen Soldatentums hervor. Selten hat sich wohl die hohe geistige Führungsaufgabe des Philosophen und Hoch- schullehrers in Kriegszeiten so wunderbar verkörpert wie in Fichtes Wirken. Hiervon gibt der Beitrag Walter Horns, dem Studien von Professor Kampf zu dem Gemälde ‚‚Fichtes Reden“ beigegeben sind, einen Begriff. Weil ihm versagt war zu kämpfen, wollte Fichte wenigstens nach seinen eigenen Worten Schwerter und Blitze reden, obwohl er dabei rechnen mußte, von den Schergen Napoleons ergriffen zu werden. Dr. habil. Herbert Grabert zeigt die Ehe als wichtigsten Weg zum Ziel der Artverpflichtung. Das kommende Geschlecht darf nicht in die Bahn artblinder Ehetradition und Eheauffassung geraten. Der Sinn einer artverpflichteten Ehe erfüllt sich In ihrem Reichtum an gewollten Kindern. Ähnliche Gedanken formt Georg Stammler zu einer ergreifen- den und inhaltschweren Traurede mit dem schönen Titel „Liebesbund und Volksdienst“. -- Dr. habil. Karl Tuppa gibt einen Überblick über die „Zwillings-

W

forschung unserer Zeit“, Das Beiblatt „Die Aus- schau" enthält einige lehrreiche und anregende Be- richte. Franz von Frimmel referiert über die Arbeit des gärtnerischen Pflanzenzüchtungsinstituts in Eis- grub und Dr. habil. Martin Schmidt teilt in seinem Aufsatz „Züchtung auf Härte“ züchterische Erfah- rungen aus dem Osten mit, die sich für den Künftigen Obstanbau als fruchtbar erweisen werden. Dr. Clara Teschner gibt Kurzberichte aus der Forschung, und zwar aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut Berlin-Dahlem und aus Eisgrub. Einige kleinere Beiträge aus der l Welt der Dichtung beschließen das reichhaltige Heft.

Dr. Helmut Langenbucher ümreißt in dem Aufsatz

„Verpflichtung der bäuerlichen Dichtung‘ die Auf- gaben, die der bäuerlichen Dichtung heute gestellt sind. Die beiden Preisträger des in diesem Jahr zum erstenmal verteilten Preises des Reichsbauernführers für bäuerliche Dichtung, Friedrich Griese und Josef Martin Bauer, sind durch einen kurzen Beitrag vertreten, |

Es muß noch hervorgehoben werden, daß auch dieses Heft sich wieder durch eine außerordentlich gepflegte und reiche Ausstattung auszeichnet, die dazu reizt, es immer wieder in die Hand zu nehmen. Besonders hingewiesen sei auf die Studien zu dem Gemälde „Fichtes Reden“ von Professor Kampf, die farbige Zeichnung ., Grenadiere“ von E. Kretschmane und die farbigen Wiedergaben einiger Aquarelln Albrecht Dürers. - Dr. Klaus Schmidt

Dr. Otto Schiller:

DieLandwirtschaftspolitik der

Sowjets und ihre Ergebnisse Jahrgang 1943 Berichte über Landwirtschaft, 150. Sonderheft

Das 150. Sonderheft der Berichte über Landwirt- schaft stellt eine Zusammenfassung der bereits vor dem Kriege einzeln veröffentlichten Arbeiten und Aufsätze des früheren landwirtschaftlichen Sachver- ständigen an der Deutschen Botschaft in Moskau, Dr. Otto Schiller, über die Fragen der Sowjetland-

"wirtschaft dar. Im Verlaufe des Ostfeldzuges ist viel-

fach bedauernd festgestellt worden, wie gering das Schrifttum über die wirklichen Verhältnisse In der UdSSR. ist und wie wenig man im allgemeinen über die Zustände in der Sowjetunion unterrichtet sei. Die

‘vorliegende Schrift zeigt, daß man auf einem so

wichtigen Teilgebiet wie gerade auf dem Agrarsektor über die wesentlichsten Zusammenhänge und die ge- samte Entwicklung bis in die jüngste Zeit einen ziem- lich genauen Überblick hatte. Trotzdem es im Sowjet- staate für einen Ausländer außerordentlich schwierig war, sich über die tatsächlichen Zustände, unbe- hindert durch Propaganda und GPU.-Überwachung, ein einwandfreies Bild zu verschaffen, so konnte doch die Landwirtschaft im Gegensatz zu der gewerblichen

279

WVirtschaft und der Rüstung nicht in gleicher Weise vor dem Einblick durch außenstehende Beobachter abgeschlossen werden. Selbstverständlich steht heute nach den mannigfaltigen Erfahrungen und Einblicken aus der Besetzungszeit für die Beurteilung. der Zu- stände der Sowjetzeit ein sehr viel umfangreicheres Material zur Verfügung als früher. Die Schillerschen Berichte besitzen jedoch auch nach den neuesten Er- kenntnissen einen besonderen Wert als eine einwand- freie historische Quelle aus der Einführung des Kolchossystems, seiner Entwicklung und Auswirkung auf die Landwirtschaft in der Sowjetunion.

Man mag es bedauern, daß diese Schrift in der Zu- sammenſassung nicht bereits bei Beginn des Ostfeld- zuges fertig vorlag, da sie bei der Schulung und Unter- richtung der im landwirtschaftlichen Aufbau der be- setzten Ostgebiete mitwirkenden Fachkräfte wert- volle Dienste hätte leisten können. Was von diesem Material im einzelnen früher in Buchform veröffent- licht worden ist, war bereits seit langem vergriffen und die in den wissenschaftlichen Zeitschriften ver- öffentlichten Abhandlungen waren einem größeren Kreise schwer zugänglich. Immerhin haben die Schillerschen Berichte bereits seinerzeit den maß- gebenden Stellen nützliche Dienste geleistet. Sie sind auch bei änderen Abhandlungen und Schriften, die früher über die Fragen der sowjetischen Landwirt- schaft herausgegeben wurden, sehr stark verwendet worden.

Von besonderem Interesse ist die Darstellung der Ein- führung und ersten Entwickiung des Kolchossystems, die Schiller als einer der wenigen ausländischen Beob- achter an Ort und Stelle in allen ihren Phasen miterlebt hat. Für viele Probleme und Einzelfragen, die sich bei der Abschaffung dieses Kolchossystems im Zuge der neuen Agrarordnung ergeben haben, gewinnt man hierdurch erst das notwendige Verständnis, so daß die Schrift gerade für diejenigen Landwirtschaftsführer und Fachleute, die mit der praktischen Durchführung

der Agrarordnung an Ort und Stelle zu tun hatten,

von besonderem Interesse ist.

Daneben gibt aber die Schrift auch einen umfassen- den Überblick über die Erzeugungsgrundlagen der sowjetischen Landwirtschaft, die einzelnen Zweige des Ackerbaues, die Fragen der Viehzucht, die Mechanisierung,; das Sorten- und Saatgutwesen, die Anwendung künstlicher Düngemittel usw. Die Dar- stellung der sowjetischen Erfassung vervollständigt das Bild und gibt einen Einblick in die Besonderheiten des sowjetischen Wirtschaftssystems, das durch eine krasse Unterbewertung der landwirtschaftlichen Er- zeugnisse die Landbevölkerung rücksichtslos aus- beutet, um dadurch die Mittel für den Aufbau einer gigantischen Rüstungsindustrie zu gewinnen. So leistet die Schillersche Schrift auch einen wesentlichen Beitrag zu der Erkenntnis, wie die Sowjetunion systematisch ihre gesamte Wirtschaft und darunter

vor allem die Landwirtschaft in den Dienst ihrer i

weltrevolutionären Expansionspläne gestellt hatte, die erst im Verlaufe. des Krieges in ihrer ganzen Größe und Gefährlichkeit zutage getreten sind.

Dr. Jürgen Stock

Dr. Ludwig Spahr: „Der landwirtschaftliche Betrieb in Zahlen“ (Faustzahlen)

Ein Wegweiser für Wirtschafts- und Hofberater,

Betriebsleiter, Taxatoren, Bodenschätzer. Land-

wirtschaftliche Verlags buchhandlung Wilsdorf K.G., Berlin-Halensee. 147 S.

Von jedem Wirtschaftsberater wird bei seiner Tätig- keit auf den Höfen ein umfangreiches Wissen verlangt. Bei der Vielgestaltigkeit der Landwirtschaft ist es jedoch unmöglich, auch das Zahlenmaterial so zu be- herrschen, daß jederzeit die Beratung sofort an Ort und Stelle einwandfrei und ohne zeitraubenden Brief- wechsel erfolgen kann. In Kreisen der Wirtschafts- berater wurde schon oft der Wunsch geäußert, ein handliches Buch als Hilfe für die Beratungstätigkeit zur Verfügung zu haben. Bereits die landwirtschaft- lichen Taschenkalender waren seit Jahren bemüht, hier im Rahmen des ihnen verfügbaren Raumes Hilfe- stellung zu geben. Im Jahre 1938 hatte der Reichsnähr- stand ein handliches Taschenbuch für den Wirtschafts- berater im Loseblattverfahren herausgegeben. Leider konnte dies Taschenbuch aus kriegsbedingten Gründen

nicht fortlaufend vervollständigt werden. Ober- landwirtschaftsrat Dr. Spahr hat nun ein Handbuch für diesen Zweck aus der Erfahrung des Wirtschafts- beraters heraus geschaffen. Sein Buch, das im Format von etwa 151½ 21 cm mit festem Einbanddeckel noch etwas groß ist, um es dauernd in der Tasche tragen zu können, bringt unentbehrliches, wertvolles Zahlen- material mit Erläuterungen aus folgenden Gebieten:

` Hofbauten, Tierhaltung, Viehbeſörderung. Schlacht- ergebnisse, Viehkrankheiten, Tierernährung, Futter- mittel, Futterbau, Grünland, Futterwerbung, Dün- gung, Pflanzenernährung, Pflanzenkrankheiten,

Bodenuntersuchung, Reichsbodenschätzung, Arbeits-

und Kräftebedarf, landwirtschaftliche Nebenbe-

triebe, mit 18 Spalten Sachregister.

Im Vorwort wird betont, daß das Buch keinen An- spruch ayf Vollständigkeit erhebt, und in dem Unter- titel wird es ein Wegweiser für Wirtschafts- und Hofberater, Betriebsleiter, Taxatoren und Boden-

schätzer genannt. Ein Teil der angegebenen Zahlen

sind Mittelzahlen, also Faustzahlen. Sie sollen nur als Richtschnur dienen, und ihre Anpassung an die oft von Betrieb zu Betrieb wechselnden Verhältnisse müssen der Erfahrung und Geschicklichkeit des Wirt- schaftsberaters überlassen werden.

Das Buch bedeutet einen erfolgversprechenden Anfang und wird jedemWirtschaftsberater in der vor- liegenden Ausgabe schon ein guter Anhalt und eine große Hilfe sein. Im übrigen bittet der Verfasser in seinem Vorwort, ihm Anregungen zur Verwertung in der nächsten Ausgabe zuzuleiten. Bei weiterer Vervollkommnung dieses Handbuches wird sich meines Erachtens die Notwendigkeit ergeben, derartige Gedächtnisstützen für die Wirtschaftsberater einer oder einiger etwa gleichgearteter Landesbauern- schaften zu schaffen. Die landwirtschaftlichen Ver- hältnisse im Großdeutschen Reich sind derart ver- schieden gestaltet und die Aufgaben der Wirtschafts- berater sind so bedeutende, daß es sich lohnen wird, auf dem eingeschlagenen Wege weiterzugehen.

Ernst Grimm

AEG Elektrizität in der Landwirtschaft

Betrieb eines Dreschsatzes durch einen Motorwagen

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Die Arbeitsverhältnisse In der Landwirtschaft bringen es mit sich, daß eine Antriebskraft an den verschiedensten Stellen auf dem Hoi meist nur für verhältnismäßig kurze Zeit gebraucht wird. Praktisch und wirtschaftlich für diesen Zweck ist der au einer Karre sitzende Elektromotor, der sich leicht von einer Stelle zur anderen bringen läßt.

Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.

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Das Wort „einwecken" stammt von Johann Weck, dem Mann, der das WECK-Verfahren begründet,

der die WECK-Gläser und WEEK, Geräte geschaffen hat.

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1944

NUMMER

10

JAHRGANG

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INHALT

Dr. Ludolf Haase, Hauptarbeitsgebietsleiter im Reichsamt für das Landvolk: Das bäuerliche Berufserziehungswerk eine politische Notwendigkeit .... 281

Oberlandwirtschaftsrat Dr. Hermann Koch: Die Aufgaben des bäuerlichen Berufserziehungs werkes EUREN 285

Kindheit auf dem Lande (Bildbeilage) e, n. S. 288 Gauamtsleiter, Regierungsdirektor Karl Springenschmid: Der Hof erzieht .... 289

Professor Franz Huber: Dorfkulturelle Erziehung durch die Landschule ...... 293

In der Dorfschule (Bildbeilage) ..........eccccc2c... 8 Ne n. S. 295 Dr. Karl Seiler, o. Professor, Psychologisches Institut der Hindenburg-Hoch- schule, Nürnberg: Landlehrer und Umquartierung ...... ER ES EEE . . 300 Das Landjahr als Erziehungsstätte (Bildbeilage . .. . n. S. 304 Reichs jugendberufswartin Frieda Herbold: Die Bedeutung der ländlich-haus- wirtschaftlichen Erziehung ....... een ee EE . H 305 Agrarpolitische Rundscha?r̃ᷓ-᷑— e Ee Ee TE Te CC BEE EN el

Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Saebens-Worpswede. Für die Beilage „Kindheit auf dem Lande“ erhielten wir aus dem Bildarchiv des Reichsnährstands fünf Bilder von folgenden Photographen: Limberg (2), Krack, Heintze und Pongratz; zwei fertigte Hens Retzlaff und eine Auf- nahme stammt von Saebens-Worpswede. Einen Teil der Bilder zur Beilage „In der Dorfschule“ entnahmen wir ebenfalls dem Reichsnährstandsarchiv, die Lichtbildner sind: Limberg (3) und Nolte 0): die übrigen erhielten wir von Presse-lllustrationen Heinrich Hoffmann (2) und von Franz Baumeister (1). Landjahrführer Ludwig Wiek photographierte funf Bilder, Hoffstaetter zwei und Hans Pusen und Landjahr-Bezirksfuhrerin Thomas je ein Bild der Beilage „Das Landjahr als Erziehungsstätte. "

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil: Günther Pacyna.

Berlin-Wilmersdorf; für den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

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Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Fr Eher Nacht GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-

ruf 11 00 22. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

Juli 1944

LUDOLF HAASE:

Nummer 10

Das bäuerliche Beruiserziehungswerk - eine politische Notwendigkeit

E gibt kein gefährlicheres Zersetzungs-

zeichen in der Entwicklung eines Volkes als die Tatsache, daß es nicht mehr im- stande oder willens ist, aus eigener Kraft seinen Boden zu bestellen, und daher die Landarbeit mehr und mehr Fremdblütigen überläßt; denn die zwangsläufig damit ver- bundene Unterwanderung hat noch immer zu einer Blutmischung geführt, die die ur- tümliche Art des betroffenen Volkes von Grund auf veränderte und so seine ganze künftige Entwicklung umbog. Große und mächtige Reiche wie das alte Rom sind in- folge des durch fremde Blutmischung hervorgerufenen Entartungsprozesses zer- brochen. Die starke Heranziehung fremd- völkischer Hilfskräfte zur Landarbeit wäh- rend desKrieges stellt daher nichts weniger als eine Dauerlösung der ländlichen Ar- beiterfrage dar. Sobald dieser Krieg vorbei ist, muß alles darangesetzt werden, um zunächst mindestens unsere bäuer- lichen Betriebe wieder rein deutsch und damit von der Gefahr einer Unterwanderung freizumachen. Das freilich verlangt nicht nur die Rückkehr zur kinderreichen Familie, sondern auch die Überführung vieler und bester städti- scher Jugend auf das Land. Wenn wir außerdem daran denken, daß die Nahrungs- freiheit erkämpft werden muß, die eine Steigerung unserer Friedenserzeugung um etwa ein Drittel verlangt, so kann kein Zweifel sein, daß zukünftig viel, viel mehr Menschen auf dem Lande und insbesondere im Bauerntum leben müssen, als es heute der Fall ist. Als Fernziel, das über Gene- rationen hinweg unerbittlich erkämpft wer-

den muß, ist deshalb die Steigerung des in der Land- und Volkswirtschaft erwerbs- tätigen Bevölkerungsanteils auf 40 v. H. der Nation anzustreben.

Mag dieses Vorhaben während dieser Jahre, in denen der Anteil des Landvolkes noch sinkt, als noch so kühn, ja geradezu undurchführbar erscheinen, es muß trotz- dem gelingen, denn es geht dabei ja nicht darum, etwa nur einen Berufsstand zu för- dern, sondern das Schicksal des gesamten Volkes fordert gebieterisch diese Maß- nahme, und drohend steht neben uns das Gespenst der Vergangenheit so mancher europäischer Nationen, die es nicht ver- mocht haben, ihr Bauerntum zahlenmäßig stark, gesund und lebenskräftig zu er- halten. Frankreich, das im Jahre 1800 noch 26 Millionen Einwohner und damit zwei Millionen Menschen mehr zählte als Deutschland, ist inzwischen auf die Hälfte unserer Stärke zusammengeschmolzen und wird bei gleichbleibender Entwicklung in dreißig Jahren nur noch rund 30 Millionen Menschen zählen. Im Jahre 2000 wird es lediglich 21 Millionen Einwohner besitzen, und wie es dann um die Franzosen zwangs- läufig stehen wird, darüber bedarf es keiner Auseinandersetzung. Keine noch so wohl- wollende Macht der Welt könnte bei An- dauer seiner liberalen Haltung Frankreichs Untergang aufhalten.

Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat daher in Deutschland vor allem eine Auf- gabe, nämlich die geistige und seelische Rückführung des Landvolkes zu den höch- sten Werten der ihrer eingeborenen Wesensart nach bäuerlichen Nation und

damit auch zur Verbindung mit dem Boden und .der sich darüber hinaus ergebenden stärksten Neubildung deutschen Bauern- tums in den Grenzgebieten.

Massensiedlungen sind kinderfeindlich

Seit Jahrzehnten schon spricht man bei uns davon, das Landvolk sei die Blutquelle der Nation, und nur Uneinsichtige können das bestreiten wollen. Man muß sich aber auch einmal klarmachen, daß es keiner im übrigen noch so erfolgreichen national- sozialistischen Erziehung gelingen kann, die städtischen Familien in ihrer Masse wieder kinderreich zu machen, wenn zu- gleich die deutsche Lebensform dem ent- gegensteht. Auf dem Bauernhofe waltet über allem ein Geist der Gemeinschaft. Jeder weiß um den anderen, und alle, ins- besondere Mann und Frau, sind von den gleichen Wünschen und dem Sinn der- selben Lebensaufgabe erfüllt. Wenn wir in unseren Dörfern so wenig Ehescheidungen kennen, und umgekehrt überall dort, wo der zersetzende Geist des Liberalismus noch nicht einzudringen vermochte, sich auch die kinderreiche Familie gehalten hat, so ist das kein Zufall, denn es kann ja gar nicht anders sein. In den ungeheuren Massensiedlungen aber sieht der Vater kaum seine Kinder, und die Frau ahnt nur wenig von dem, was ihren Mann beruflich den Tag über beschäftigt und bewegt. Kehrt er abends erschöpft zurück, so liegt es nur in der Natur der Sache, wenn die Eheleute verschieden darüber denken, wie sie den Rest des Tages verbringen sollen, und auch die ganze Nervosität, das Ge- dränge, die Eile und der Wechsel der Tagesumstände führen nur allzuleicht Mißverstehen oder ein Auseinanderleben herbei. Jeder, der die Dinge unvorein- genommen betrachtet, wird daher zugeben müssen, wie viel größer hier die Schwierig- keiten sind, die einer biologischen Gesun- dung der Familien entgegenstehen. So hat auch unser Staat trotz aller zahlreichen Maßnahmen es nur beim Landvolk er- reichen können, daß sich bis 1939 wieder ein echter Geburtenüberschuß einstellte. Er betrug 16,8 v.H. Die Großstädte aber wiesen durchschnittlich immer noch einen bösen Geburtenfehlbetrag auf, der volle 26 v.H. ausmachte und damit mehr als den gesamten Uberschuß aufzehrte. In Berlin betrug vor Kriegsbeginn die Zahl der kinderlosen Ehen über die Hälfte, nämlich

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52 v. H.]! Wem wären diese Tatsachen nicht eine Mahnung, daß wir schon aus bio- logischen Gründen den Anteil unseres Landvolkes erhöhen und damit letzten Endes auch unsere gefährdete Wehrkraft mehren müssen, ohne die wir in Zukunft nicht bestehen können.

Nun geht es aber bei der Stärkung unse- res Landvolkes nicht allein um das Wachs- tum der Zahl, sondern auch um die He- bung der Güte unserer Erbmasse. Bekanntlich sind schon seit dem vorigen Jahrhundert immer die Besten in die Stadt gezogen und dort kinderarm geworden, während umgekehrt auch die weniger Wert- vollen das Dorf verließen und dann leider in den neuen Fabriken der Städte die Möglichkeit einer Existenzgründung fanden und sich dann meist hemmungslos fort- pflanzten. Wenngleich ähnliche Erscheinun- gen in allen weißen Völkern zu beobachten sind, so dürfen wir Deutsche sie doch keineswegs ohne Gegenmaßnahmen hin- nehmen, zumal die riesigen Leistungen unserer jetzigen Generation geeignet sind, über die Gefahr hinwegzutäuschen, in der wir uns befinden. Wir dürfen näm- lich nicht vergessen, daß wir einerseits durch die Errungenschaften der modernen Medizin unverhältnismäßig viele alte Men- schen noch sehr lange arbeitsfähig zu er- halten vermögen und so einen unnatür- lichen Altersaufbau des deutschen Volkes herbeiführen, der durch seine Kinderarmut noch verstärkt wird, wäh- rend uns außerdem nur ein Führer wie Adolf Hitler die so schnelle Wiederkehr unserer nationalen Geltung und mili- tärischen Kraft ermöglicht hat. Wer aber wollte behaupten, daß wir uns ohne den Führer inmitten so vieler Feinde noch je hätten emporraffen können! Die Hebung und Ausbreitung der deutschen Begabun- gen auf dem Wege der Aufartung ist aber vor allem im Bauerntum möglich, das auf seinen Höfen sitzt, stets überprüft werden kann und über viele Generationen hinweg zu schauen vermag. Wenn es ge- lingt, unsere Erbhofbauern, die ja den wichtigen Nachweis der Bauernfähigkeit zu erbringen gezwungen sind, zu einem sol- chen Kinderreichtum zu führen, daß sie noch erheblich stärker als bisher über dem allgemeinen Durchschnitt der gesamten Nation liegen, so wird damit unsere Be- gabungshöhe zwangsläufig wieder wachsen. Der Wettlauf der Erfinder in der Welt, das

257.

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Ringen der Armeen im Kriege, der Zwang zu Höchstleistungen auf allen Gebieten stellen es uns täglich vor Augen, wie aus- schlaggebend es in Zukunft für das Leben eines Volkes ist, ob es über die besonders im Zeitalter der technischen Revolution unentbehrlichen Begabungen verfügt oder nicht. Auch hier liegt eine wesentliche Aufgabe des Berufserziehungswerkes, das den hochpolitischen Auftrag hat, eine durchschlagende Revolutionierung der Seelen im bäuerlichen und damit national- sozialistischen Geiste herbeizuführen.

Dem Schwert muß der Pflug folgen

Naturgemäß sind die gekennzeichneten Ziele nur dann zu erreichen, wenn es uns gelingt, den Boden des deutschen Ostens zu besiedeln. Wenn unsere bäuerlichen Väter des Mittelalters nicht 300 000 Qua- dratkilometer gewonnen hätten, so wäre Deutschland in seiner Enge längst dahin- gegangen. In einem Jahrhundert, das Kraftwagen, Panzer, schnellfahrende Schiffe und Flugzeuge gebracht hat, ist dergroße Raum noch viellebensnotwendiger als bisher. Die bisherige Tendenz zu immer größeren Menschenzusammenballun- gen in großstädtischen Massensiedlungen kann und darf nicht aufrechterhalten werden, sondern es gilt, Klein- und Mittel- städte zu begründen, während zugleich die Industrieverlagerung mehr und mehr durch- geführt werden muß. Das gilt für die Zu- kunft noch mehr als für den Augenblick. Dazu aber ist der Bauer erforderlich, dermitseinemPflugedemSchwerte folgen muß. Immer dringender wird die Aufgabe, deutsche Jugend zunehmend in die Bauernlehre hineinzubringen, damit sie dann in der alten Heimat und besonders an den Grenzen des Reiches das Leben des Volkes schützen kann. Unmöglich kann die heutige Lage bestehen bleiben, in der wir hur etwas mehr als die Hälfte des Nach- wuchses besitzen, der nötig ist, um den derzeitigen, schon so sehr geschmälerten Bestand unseres Landvolkes aufrecht zu er- halten. Würde es dennoch dabei bleiben, so müßten wir binnen dreißig Jahren mit einer weiteren Schrumpfung unseres Bau- erntums auf die Hälfte rechnen! Die Er- nährung des deutschen Volkes wäre schon nicht mehr durchzuführen, ehe sich diese wenigen Jahrzehnte vollendet hätten, und darum muß eben alles getan werden, um sämtliche Deutschen, insonderheit aber das

Landvolk, zu dem gekennzeichneten wahren Sinn unseres nationalen Lebens zurückzu- führen. Der immer noch verbreiteten Flucht aus schwerer Arbeit haben wir uns mit aller Gewalt entgegenzuwerfen. Es gilt, wieder eine ganz klare Sicht der Lebens- pflichten und damit den Willen zur volks- politischen Gesundung herbeizuführen. In- sonderheit die Frau ist es, an die wir uns dabei wenden, denn der Liberalismus hat gerade sie durch Zerstörung des Fa- miliengedankens und vieler kulturellen Werte aufs schwerste getroffen. Sie muß den Sinn unseres Kampfes innerlich begrei- fen, denn um ihre Sache geht es zugleich! Wenn die Frau den Losungen des bäuer- lichen Berufserziehungswerkes für sich und ihre Kinder Folge leistet, so erkämpft sie damit zugleich den kommenden Geschlech- tern unserer Frauen wieder ein wür- diges und wirklich weibliches Da- sein! Es ist selbstverständlich, daß zu- gleich alle die Schäden abgestellt werden müssen, die unser Landvolk infolge einer verstädterten Lebensform und verstädterter Einrichtungen heute noch treffen. Es ist auch wichtig, die Ausgebombten und be- sonders die vorsorglich Ausquartierten in den Arbeitsprozeß des Dorfes mit einzu- gliedern. In Film und Funk, in Musik und Opertztte, in Presse und Bild muß alles ge- tan werden, um dem bäuerlichen Wesen Deutschlands Genüge zu tun. Die Partei selbst muß dabei überall die Initiative er- greifen und die Aufgaben des Bauerntums auf ihre Fahne schreiben!

Das Ziel des bäuerlichen Berufs- erziehungswerkes

Es darf in diesen großen Zusammenhän- gen darauf verzichtet werden, Sinn und Auswirkungen des Aufbaues einer gesetz- lich geordneten Bauernlehre zu schildern, die unser Landvolk bislang so sehr ent- behrt hat, obgleich die bahnbrechenden Anfänge schon rund 45 Jahre zurück- reichen. Darüber ist oft geschrieben wor- den. Bei allem ist sofort eine der vor- dringlichsten Aufgaben die Entwick- lung eines politischen bäuerlichen Führertums. Wenn wir hierbei vom an- gestrebten Ziele noch weit entfernt sind, so darf uns das nicht wundernehmen, denn nach dem Verlust der Bauernkriege hat es eine „politische Bauernführung“ bei uns nicht mehr gegeben. Die Schaffung eines

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vorbildlichen Typs des kommenden deut- schen ehrenamtlichen Bauernführers ist daher die Krönung des bäuerlichen Berufs- erziehungswerkes, dessen politischer Sinn nirgends mehr zum Ausdruck kommt als gerade in dieser Aufgabe.

Beim Bauernführer der Zukunft muß die allumfassende Erziehung sowohl die Verstandeskräfte stärken wie sich auch art- gemäßer Erlebnisketten bedienen, Leibes- ertüchtigung zum Zwecke der Körper- stählung wie auch der Einwirkung auf Charakter- und Entschlußfähigkeit werden wichtig sein. So muß es uns gelingen, eine Einheit der deutschen Schaffens- kraft wie auch der nationalsozia- listischen Führungsrichtung herzu- stellen und damit den Tatendrang unserer Menschen mit ihrer Freiheitssehnsucht zu verbinden. Die größte aller Naturgewalten

ist die Leistungskraft, die in uns selbst schlummert. Wir aber sind auf Bauerntum gezüchtet, und die Politik soll die in uns wirkende Macht unserer Rasse entwickeln und lenken. Stadt und Land müssen das begreifen und sich gemeinsam im Ziele der Verbäuerlichung unseres ganzen Volkes finden. Die innere Revolution gegen die uns in der Vergangenheit aufgezwungene Vermassung mußte kommen, da wir bäuer- lichen Wesens sind, und der Sieg ist uns sicher, denn im Ringen werden wir immer neue und wachsende Kräfte entwickeln. Schon Clausewitz sagte: „Wer im Kriege entschlossen das Größte will, gibt dem anderen das Gesetz!" So haben auch wir für das Bauerntum und damit die ganze deutsche Nation das Größte zu wollen, um damit die uns entgegenstehen- den Mächte aus dem Felde zu schlagen.

w

„An unsere Arbeit wird letzten Endes vergebens sein, wenn

nicht die deutsche Jugend zum Bauerntum zurückfindet, wenn sie nicht arbeitshart und willensstark das bäuerliche Erbe der Vorfahren übernimmt. Seien wir uns darüber klar, daß die Zu- kunft des deutschen Volkes im Dunkeln liegt, wenn die bäuer-

liche Bevölkerung, wie es jetzt der Fall ist, nur 18 v.H. des Gesamtvolkes ausmacht. Ich glaube, daß hier der Angelpunkt

- unserer Bewährung als Nationalsozialisten ist. Wir werden das

Programm der Bewegung niemals verwirklichen, wenn wir

nicht wieder einen breiten Strom landwilliger deutscher Ju- gend in die bäuerliche Siedlung leiten.”

Herbert Backe am 28. November 1943

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in Ulm

HERMANN KOCH:

Die Aufgaben des

bäuerlichen Berufserziebungswerkes

Durch die Verkündung des bäuerlichen Be- rufserziehungswerkes im November 1942 hat Oberbefehlsleiter Reichsminister Backe dem Reichsamt für das Landvolk und dem Reichs- nährstand eine Aufgabe unerhörten Ausmaßes und höchster Verantwortung gestellt, gilt es doch, die Erziehungsmächte, die den Land- menschen formen, so zu gestalten, daß sie dem bäuerlichen Erziehungsziel dienen können. Bis- her war der Erfolg der Erziehung nach dem technischen, wissenschaftlichen, wirtschaft- lichen, religiösen oder militärischen Sonderziel der jeweiligen Erziehungsmacht nur eben ein Teilerfolg, weil ein diese Einzelziele verbin- dendes Gesamtziel, die Erziehung zur bäuer- lichen Persönlichkeit, fehlte. Die Folge davon war im ganzen gesehen die Förderung der Land- flucht. Diese Diskrepanz der Erziehungsmächte muß überwunden werden. Ausgangspunkt ist die Gewinnung der Erzieherpersönlichkeiten für das Erziehungsbild des bäuerlichen Berufes,

Die Erziehungsmächte, die gewonnen werden müssen, sind: das Elternhaus, die Volks- und Hauptschule, die Hitler-Jugend, die Lehrherren und Lehrfrauen, die Schulen, die dem bäuer- lichen Beruf in besonderem dienen sollen, ferner Arbeitsdienst und Wehrmacht. Alle diese Erziehungsmächte müssenihre eigene besondere Aufgabe unter dem Blick- punkt der Erziehung zur bäuerlichen Persönlichkeit erfüllen, denn jede dieser Mächte hat den jungen Menschen in einem wichtigen Lebensabschnitt in der Hand. Wenn man von der Einheit der Person des zu Er- ziehenden einerseits und der Notwendigkeit der bäuerlichen Erziehung im Interesse des Volkes andererseits ausgeht, so kann an der Berech- tigung dieser Forderung überhaupt nicht ge- zweifelt werden. Daß das große Erziehungsziel vergessen und nur Einzelziele gepflegt wurden, lag an dem Mangel grundsätzlicher Erkenntnisse der vorausgehenden Epochen, der scheinbaren Unerschöpflichkeit der bäuerlichen Volkskraft und zuletzt an der klaren Absicht der führenden Vertreter des jüdischen Materialismus, das Bauerntum zu vernichten.

Es ist klar, daß so weitgesteckte Ziele nicht in Kürze zu erreichen sind. Die wichtigste Auf- gabe ist die Erziehung der Erzieher selbst. Der erste Schritt dazu ist vom Reichs- nährstand in der Schaffung einer Ausbildungs-

ordnung getan worden, durch die auch die Auswahl, Anerkennung und Ausrichtung der Lehrherren und Lehrfrauen vorgeschrieben, ferner die Einsetzung von Bauern, Bäuerinnen und anderen Lehrmeistern als Beauftragte der Landes- und Kreisbauernschaften zur Aktivie- rung der Berufserziehung im Betrieb angeordnet wurde. Welche Schwierigkeiten besonders im Kriege bei der Auswahl der als Führungskräfte geeigneten Personen und ihrer Freimachung zur Mitarbeit auftreten, braucht nicht dargestellt zu werden. Von der Aktivität der Beauftragten hängt es weitgehend ab, ob überhaupt Lehr- herren und Lehrfrauen zur Verfügung stehen. Bauern und Bäuerinnen sind bei der ungeheuren Arbeitsbelastung oft schwer zu überzeugen, daß die Einstellung eines Lehrlings vor der Be- schäftigung einer fremdvölkischen Kraft vor- geht. Man darf hier zugeben, daß die Lehr- lingserziehung im Bauernhof, wo sie richtig durchgeführt wird, bedeutende Pflichten und Opfer von den Erziehern fordert, für die sie keine materielle Entschädigung erhalten. Auch der Vorteil der späteren Verwendung einer tüchtigen, im eigenen Betrieb als Lehrling aus- gebildeten Kraft besteht meist nicht, weil die Lehrlinge nach der Lehrzeit den Betrieb wech- seln wollen oder Schulen besuchen usf. Lehrherr und Lehrfrau sein, erfordert Opfersinn, Idealis- mus, und besonders dann, wenn sie sehen müssen, daß ihr Erziehungserfolg durch andere Erziehungsmächte wieder aufgehoben wird.

Dies alles entbindet aber die Vertreter des bäuerlichen Berufes nicht davon, als die be- rufensten Erzieher des bäuerlichen Nach- wuchses Lehrlinge in möglichst großer Zahl auszubilden. Es gibt heute noch bei weitem nicht genug Lehrstellen, um die erfor- derlichen Nachwuchszahlen aufzunehmen. Die Zahl der Lehrstellen für die Landwirtschafts- lehre betrug am 31. Dezember 1943 im Reich 24000; insgesamt waren an diesem Stichtag rund 8000 männliche und 500 weibliche Land- wirtschaftslehrlinge vorhanden. Neu eingetreten sind im Jahre 1943 rund 6600 männliche und 350 weibliche Landwirtschaftslehrlinge. Be- sonders mangeln Lehrstellen für Mäd- chen. Die Zahl der Lehrstellen für die ländliche Hauswirtschaftslehre betrug am 31. Dezember 1943 im Reich 14 600; insgesamt waren an die- sem Stichtag 13000 Hauswirtschaftslehrlinge

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vorhanden. Neu eingetreten sind im Jahre 1943 9600 Hauswirtschaftslehrlinge. Da von Jahr zu Jahr erhebliche Steigerungen der Lehrlings- zahlen eintreten, ist der Mangel an Lehrstellen klar ersichtlich. Die Erziehung der Mädel ist auch im Kriege möglich und deshalb so wichtig, weil durch sie die bäuerliche Frage und damit die Zukunft des Volkes entschieden werden wird.

Wenn ein junger Mann auf dem Lande keine Frau mehr findet, die Bäuerin oder auch Land- arbeiterfrau werden will, so ist er gezwungen, abzuwandern, auch wenn er selbst dem bäuer- lichen Beruf treu bleiben will. Heute ist es so, daß von den hauswirtschaftlichen Lehrlingen nur der kleinste Teil in der prak- tischen Arbeit im Hof verbleibt. Der größere Teil mündet in Berufe ein, die am Bauerntum und Volk fördernd tätig sind (z.B. als Lehrerinnen, Beraterinnen, RAD.-Führerin- nen, KLV.-Lagerleiterinnen usf.), um dort wich- tige erzieherische Aufgaben zu übernehmen, Ein großer Teil dieser Mädel stammt nicht vom Hof. Noch aber fehlen das Bauernmädel und das Landarbeiterkind, die sich freiwillig der bäuer- lichen Berufserziehung unterziehen, um Bäuerin und Neubäuerin zu werden! Zwar bleiben viele Töchter im elterlichen Hof und leisten dort wertvolle Mitarbeit. Der aktive Entschluß aber, die Zukunft des Bauerntums selbst mitzugestal- ten, fehlt. Es fehlen also nicht nur Lehrstellen, sondern auch Lehrlinge. Die Arbeit der Beauf- tragten und auch Jugendberufswarte und Ju- gendberufswartinnen steht noch im Anfang.

Die Zahlen der Lehrlinge, die den ersten Teil der Lehre als Landarbeitslehrlinge oder Hausarbeitslehrlinge im elterlichen Betrieb ab- leisten, sind natürlich wesentlich höher. Sie betrugen am 31. Dezember 1943 110000 Land- arbeitslehrlinge und rund 117500 Hausarbeits- lehrlinge. Neu eingetreten sind davon im Jahre 1943 63000 Landarbeitslehrlinge und 68 000 Hausarbeitslehrlinge. Aber auch sie erreichen noch nicht die unterste Grenze des jährlichen Nachwuchssolls, die bei je 150000 männlichen und weiblichen Jugend- lichen liegt und nur den Ersatzbedarf des Reichsgebietes, nicht die Wachstumsquote be- rücksichtigt. Darin sind auch nicht die Zahlen der anderen Berufe enthalten. Das Nachwuchs- soll z.B. für den Gärtnerberuf beträgt 8000, für Fischer und Molkereifachleute 2000.

Um die Lehrherren und Lehrfrauen für die Erziehung des Nachwuchses im bäuerlichen Be- ruf und zur bäuerlichen Haltung zu befähigen, wird eine intensive Schulungs- und Aufklärungsarbeit betrieben, die in der Hauptsache von den Beauftragten zu leisten ist. Es sind nicht nur mit Hilfe der Wirtschafts- beratung Fragen technischer und betriebswirt- schaftlicher Art zu lösen, um den Lehrbetrieb zu vervollkommnen. Ausbildungspläne für die praktische Lehre und regelmäßige Uberprüfun-

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‚Lehrlingslehrgängen,

gen des Kenntnisstandes der Lehrlinge, Lehr- herren- und Lehrfrauenunterweisungen an Hand dieser Uberprüfungen, Merkhefte der Lehrlinge sichern einen Mindeststand der Ausbildung schon heute. Das Wesentlichste ist es aber, die Lehrherren und -frauen für die Aufgabe als bäuerliche Erzieher zu gewinnen, die es ver- stehen, der Jugend Vorbild zu sein und in ihre Herzen ein unverlöschbares Ideal ein- zupflanzen. Besonders im Beruf der Bäuerin müssen alle Aufgaben der bäuerlichen Kultur wie die Pflege der Familie, des Brauchtums, des Bauerngartens, die Wohn-, Feier- und Freizeit- gestaltung, die Entwickluug der Kleidung und Tracht, und andere, die die verbindenden Lebenswerte darstellen, wieder aufgezeigt und lebendig gemacht werden. Die freudlose Erstar- rung im reinen Wirtschaftsbetrieb, die die Bäuerin von ihren höheren Zielen ablenkte und heute oft die Jugend abschreckt, darf nicht mehr Vorbild für künftige bäuerliche Generationen sein. Die natürliche Fröhlichkeit des ländlichen Lebens und Erlebens trotz aller Härten muß das Gesicht des Lehrbetriebes bestimmen. Die Lehr- herren und -frauen müssen als bäuerliche Per-

` sönlichkeiten werbend wirken, und ihre immer

größer werdende Zahl muß sehließlich auch die Zahl des Nachwuchses sichern.

Die Selbsthilfe des Bauerntums erschöpft sich aber nicht in der Stellung der Lehrbetriebe und der Unterweisung der Lehrherren und -frauen. Sie greift auch über den Lehrbetrieb hin- aus in die Erziehung der Lehrlinge ein, die in Arbeitsgemeinschaften, Lehrlingstreffen, Lehrfahrten und nicht zuletzt im Reichsberufswettkampf zu kleineren und größeren Leistungsgemeinschaften zusammen- gefaßt werden. Dort wird in erster Linie das Erlebnis des bäuerlichen Berufes gepflegt, das der Lehrbetrieb und die Dorfgemeinschaft heute oft noch nicht oder nicht mehr bieten. Diese Arbeit wird auch von der Hitler-Jugend mitgetragen, der vom Reichsjugendführer die stärkste Förderung der bäuerlichen Erziehung anbefohlen ist.

So wird allmählich durch den Ausbau des Berufserziehungswerkes allen Maßnahmen der praktischen Berufserziehung der Charakter des Willkürlichen und nur Zufälligen genommen. Bei aller Freizügigkeit, die gerade der praktischen Ausbildung bleiben muß, schafft das Berufserziehungswerk grundsätzliche Linien und Mittel, nach denen die bäuer- liche Lehre im ganzen Reich gestaltet wird, und bringt so allmählich den Gedanken der Berufs- erziehung in der breiten Masse zum Bewußtsein und Durchbruch.

Weit schwieriger als die Beeinflussung der ständigen Lehrherren und -frauen ist die Ge- winnung des bäuerlichen Eltern- hauses für die Erziehung zum bäuerlichen Beruf. Aus den unbäuerlichen Einflüssen der früheren Epochen heraus, deren Folge ja

schließlich auch die materielle Unterbewertung der bäuerlichen Arbeit und die Betriebsver- kleinerung und -zersplitterung ist, drängen unbefriedigte Eltern ihre Kinder oft geradezu aus dem bäuerlichen Beruf hinaus. Dagegen ist Aufklärungsarbeit auf breitester Ebene zu leisten, für die alle Kräfte der Partei, des Staates und der Gemeinde einzuspannen sind, in beson- derem Maß aber die Lehrerschaft der Landschule.

Das bäuerliche Berufserziehungswerk hat die Verbindung und Zusammenarbeit mit allen den Stellen, Erziehern und Beratern aufgenommen, die irgendwie am Elternhaus und an der Land- jugend arbeiten. Der Landlehrerschaft kommt dabei neben den Berufsschullehrern, den Landwirtschaftslehrern und Wirtschafts- beratern die größte Bedeutung zu. Ihrer Er- ziehungsarbeit ist es häufig zu verdanken, wenn die Jugend sich dem bäuerlichen Beruf zuwen- det, wie es umgekehrt auch oft der Lehrer ist, der die Landflucht begünstigt. Entscheidend sind dabei Herkunft und persönliche Erfahrun- gen wie auch die Fähigkeit des Lehrers, sich in die ihm vorher vielleicht unbekannten länd- lichen Verhältnisse einzufühlen. Auf jeden Fall ist aber festzustellen, daß die Landschule sich bisher grundsätzlich darauf beschränkt hat, Elementarwissen zu vermitteln, nicht aber der Erziehung der Landjugend zum bäuerlichen Beruf zu dienen. Darauf ist auch die Lehrer- ausbildung beschränkt worden.

Es ist klar, daß frühere Versäumnisse in dieser Hinsicht, deren liberalistische Wurzel wun- zweifelhaft ist, schnellstens verbessert werden müssen. Die Schulung der Landlehrer im Rahmen des bäuerlichen Berufserziehungs- werkes ist im Einvernehmen mit den Unter- richtsbehörden in vollem Gang. Die Mitarbeit der Lehrerschaft an wichtigen Aufgaben, wie Dorfkulturarbeit, Schaffung von Dorfnachwuchs- plänen usf., ist vom Reichsamt für das Land- volk, Reichsnährstand und Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung ver- anlaßt worden. Der Lehrer soll wieder der Erzieher des Dorfes werden, eine Lebens- aufgabe, wie sie schöner und wesentlicher nicht gestellt werden kann und wie sie dem städti- schen Klassen- und Fachlehrer nie zuteil wird.

Von größter Bedeutung ist daher auch die Erziehung der künftigen Lehrer. Dieser Frage muß vom bäuerlichen Berufserziehungs- werk größte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Sie muß auf die Erfordernisse des Volkslebens mindestens ebenso stark wie auf die Fachfragen des Wissens und der Pädagogik abgestellt werden.

Daß das Landkind in den bäuerlichen Beruf hineingeboren wird, daß es in ihm aufwächst und ihn nach Maßgabe seiner Körper- und Geisteskraft schon im Kleinkindalter ausübt und daß es deshalb vom Erlebnis seines Be- rufes, des Hofes, der Familie, des Dorfes und der ländlichen Kultur aus anzupacken ist, daß

ferner zum bäuerlichen Beruf und Leben Leistungen und Werte gehören, die über den fachlich-wirtschaftlichen Aufgaben stehen und zu den höchsten Werten des Volkslebens ge- hören, haben viele Lehrer in ihrer persönlichen Arbeit berücksichtigt, weil sie das bäuerliche Leben kennen. Diese Fragen müssen aber In- halt des Lehrplanes und des Unter- richtes sowohl in der Lehrererziehung wie in der Landschule selbst werden, dann erst wird sie den ihr zukommenden Auftrag der Volks- erziehung erfüllen können. Die Lösung der Schulfragen in der Neugestaltung des ländlichen Erziehungswesens wird eine der wichtigsten Aufgaben der Nächstzeit sein. Dazu gehört auch das ganze Problem der dem bäuerlichen Beruf unmittelbar dienenden Schulen bis zur Land- wirtschaftlichen Hochschule wie auch die all- gemeinbildende Höhere Schule,

Es muß dem Landkind ermöglicht werden, die praktische Ausbildung im bäuerlichen Beruf in den Jahren abzuleisten, die dafür die geeignet- sten sind, also in einer dreijährigen Lehre vom 14. bis 17. Lebensjahr, ohne daß es dadurch die Möglichkeit der Hochschulbildung verliert. Wenn durch das bäuerliche Berufserziehungs- werk dafür gesorgt wird, daß in Zukunft für die Persönlichkeitserziehung in der Praxis alle Mittel ausgeschöpft werden, dann muß auch die Schule die im praktischen Leben erworbenen Bildungswerte berücksichtigen. Eine neue Schulform, die als ländliche Oberschule auf der praktischen Ausbildung aufbaut und in etwa zwei Jahren zur Hochschulreife führt, kann diesen besonderen Verhältnissen Rechnung tragen. Daß man den Landlehrer auch über die bäuerliche Berufserziehung und eine solche Oberschule gewinnen könnte, ist eine Frage, die ernsthafter Erörterung bedarf. Für die beruflichen Schulen einschließlich der Hoch- schule muß die Forderung erhoben werden, sie ihres Fachcharakters zu entkleiden und im Lehr- stoff wie auch in der Lehrerausbildung die totalen Aufgaben des bäuerlichen Berufes zu berücksichtigen. Es ist untragbar, daß die Landwirtschaftliche Hochschule nur Fachleute, aber keine totalen bäuerlichen Per- sönlichkeiten heranbildet. Auch der zeitigen Heranziehung und der Auslese des Hochschul- lehrernachwuchses muß viel mehr Bedeutung beigemessen werden als bisher.

Ein besonderes Wort ist noch den künfti- gen Aufgaben der Bauernschulen und Webschulen zu widmen, die im bäuerlichen Berufserziehungswerk eine besonders wichtige Stellung einnehmen, weil sie bisher die einzigen Stätten weltanschaulicher und kultureller Aus- richtung des bäuerlichen Nachwuchses sind. Ihre Zahl ist gegenüber den übrigen Schularten sehr klein. Je mehr die übrigen Schularten in die Erziehung zur bäuerlichen Lebenshaltung ein- geschaltet werden, wird es Aufgabe der Bauern- schule sein, den Nachwuchs für die ehrenamt- lichen Führungsaufgaben auszulesen und poli-

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NE ÉIER, BE ar on z e

tisch auszurichten. Heute schon sind sie zum Teil damit betraut, Lehrgänge für Beauftragte und Jugendberufswarte(innen) durchzuführen.

Die Webschulen des Reichsnährstandes, die bisher aus verschiedenartigen Anfängen ent- wickelt wurden, haben nun durch eine neue Anordnung des Oberbefehlsleiters Reichs- minister Backe eine endgültige Aufgabenstel- lung erhalten. Danach werden besonders die Kreiswebschulen zur breiten Grundlage für die kulturelle Erneuerung des Dorfes werden. Gauwebschulen und eine Reichsweb- schule haben für die Ausbildung der Lehrkräfte und der übrigen weiblichen Führungskräfte im bäuerlichen Berufserziehungswerk in den kul- turellen Fragen zu sorgen. Das tiefe Reservoir für die Auswahl der als Lehrkräfte geeigneten Mädel sind und werden die Kreiswebschulen, Die tüchtigsten Kräfte werden dann allmählich nach oben gesteuert. So wird sich für die Zu- kunft in dieser wichtigen Gruppe von Schulen eine planvolle Stetigkeit entwickeln, deren gerade die kulturelle Entwicklung des Dorfes bedarf.

Da8 die Zusammenarbeit mit der Waffen- und der Wehrmacht mit dem Ziel aufgenommen wurde, auch innerhalb dieser für die Charakterbildung des Mannes entschei-

denden Erziehungsmächte dem Gedanken der Erziehung zum Bauerntum zum Durchbruch zu verhelfen, soll an dieser Stelle nur erwähnt werden.

Von den großen Aufgaben, die dem Berufs- erziehungswerk in erdrückender Fülle gestellt sind, konnten nur die wesentlichsten genannt und gestreift werden. Einzelaufgaben, wie sie etwa die Nachwuchsgewinnung und -werbung in großer Zahl und Vielgestalt bringt oder wie sie die Ausbildungsordnung für die rund Ai Berufsarten der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei und des Gartenbaues und die Stellung klarer Berufswege und -ziele, die Schaffung der Berufslehrgänge, Prüfungen und sonstigen Aus- bildungsmittel dafür stellt, konnten gar nicht berührt werden. Sie sind ja auch schon teilweise erfüllt worden. Ebensowenig konnte ein Gesamt- überblick über den im Gang befindlichen orga- nisatorischen und personellen Aufbau dessen, was man als bäuerliches Berufserziehungswerk zusammenfassen muß, gegeben werden. Die Dinge befinden sich hier noch im Fluß. Nur das eine muß zum Schluß erneut betont werden, daß die Größe der Gesamtaufgabe jeden Einsatz lohnt und daB es der besten Kräfte und der großzügigsten Mittel bedarf, um dieses Werk zum Wohle des Reiches zu vollenden.

Der tüchtige Bauer leistet viel für die Erzeugungsschlacht. Der

tüchtige Lehrherr leistet noch mehr für den Sieg und die deuische Zukunft. Die vornehmste Aufgabe jedes deutschen Bauern und jeder deutschen Bäuerin muß es sein, Jahr für Jahr Lehrlinge ausbilden zu können. Die tüchtigsten Bauern und

besten Nationalsozialisten sollten ihren Ehrgeiz darein setzen,

als Lehrherren und Lehrfrauen anerkannt zu werden.

Herbert Backe am 29. Januar 1942 in Posen

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Ahn und Enkel

Lande

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Der Mutter abgesehen Früh übt sich.

Die Fahrten mit dem Milchwagen sind für die beiden Jüngsten eine besonders beliebte Arbeit

Mit dem ersten selbständigen Schritt über die Schwelle der Kinderstube wächst das Kind auf dem Lande in die Arbeit des Hofes hinein. Leben und Arbeit sind auf dem Lande noch eine so natürliche Einheit, daß dieses frühzeitige Mitschaffen des Kindes eine Selbstverständlich- keit ist, die auch vom Kinde, das alles um sich herum stets in reger Tätigkeit sieht, so emp- funden wird. Das Kind fühlt sich einbezogen in seinen Lebenskreis, auch seine junge Kraft als voll genommen. Dieses Gefühl gibt ihm Freuden eigener Art, die nur das Landleben noch kennt. Rechts: Ausmarsch zur Hackarbeit auf dem Felde. Unten: Der künftige Bauer unter väterlicher Anleitung hinter der Egge

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Großmutter erzählt. Ihre Geschichten aus dem

Lebens des Hofes, aus der Sagen- und Märchen-

welt der Heimat verleihen dem alltäglichen

Geschehen einen eigenen Glanz, einen tiefen

Sinngehalt, der das ganze Leben nachwirkt. Unten: Mutter beim Brotbacken

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3

KARL SPRINGENSCHAMID:

DER HOF ERZIELT

Ungebrochen ist des Hofes Kraft

s ist wie immer. Im Grunde des Tales liegt ser Dorf. Die Berge stehen darüber ruhig und fest. In breiten, dunklen Flächen erfüllt der Wald ihre Hänge. Einzeln stehen die Höfe an den steilen Lehnen. Die Häuser sind fest gefügt. Aus Steinen ist der Grund gesetzt. Wind und Wetter haben das Holz des Oberstockes ge- bräunt. Weit ausladend greift das breite Schindeldach darüber. Die Scheune liegt, ab- gesetzt vom Hause, auf freiem Raume, geräumi- ger als das Haus selbst. Daneben steht der hohe Treidkasten. Unter den letzten Kirschbäumen ist die Immenhütte, seitab der Backofen und eine Wegbreite drüben das Ausgeding. Wie ein Dorf im kleinen sieht jeder Hof aus, und er ist es auch. Weitum liegt die Flur. Die Acker sind wohl bestellt. Wer auf dem Dorfplatz steht, kann genau erkennen, welches Feld auf jedem Hof in diesem Frühjahr unter dem Pflug ist; denn in kräftigen Gevierten liegt die auf- gebrochene Erde der Acker da. Die Wiesen da- neben stehen im ersten Grün. Weide und Hal- den ziehen bis an den Wald hinauf, von oben her reichen die Almwiesen herab. Das ist unsere Welt!

Der Krieg ist weit. Ganz an das Ende des Erd- teiles, bis an das Eismeer, ist er hinausgerückt. Dort stehen viele der jungen Männer unseres Dorfes. Vierzehn Tage brauchen sie, bis sie von ihrer Front bis in das Dorf kommen. Diese vier- zehn Tage ununterbrochene Fahrt mit Wagen, Schiff und Bahn sind den Menschen des Dorfes das sichtbarste Zeichen dafür, wie weit der deutsche Soldat den Krieg über die eigenen Grenzen hinausgetragen hat. Andere stehen freilich näher der Heimat, in den Ebenen des Ostens, an der Front des Südens. Aber auch sie fahren noch viele Tage bis ins Dorf. Nirgends ist der Krieg so nahe, wie er damals in den Jahren von 1914 bis 1918 war. So ist der Frieden des Tales wohlbehütet. Und doch ist der Krieg im anderen Sinne wieder nahe genug, oft mitten unter uns. Es ist damit nicht die Unruhe ge- meint, die von der Art kommt, wie die Feinde den Luftkrieg führen; denn gerade diese Form des Krieges ist dem Bauer, dem jeder Kampf ein Kampf um Erde ist, völlig fremd. Gewiß, auch das Dorf spürt manches davon. Doch das Land ist weit und hat Raum genug. Die Berge werden

den andern ein Land des Schreckens. Der Krieg ist dann nahe, wenn er mitten unter die jungen Mannsleute des Dorfes greift. Zu Ostern hat er den Jungbauern vom Pertillerhof gerufen, gestern den vom Obristhof, den Knecht Kaspar. Fremde Menschen sind dafür auf die Höfe ge- kommen. Das ist arg genug; denn der Hof duldet an sich nichts Fremdes. Es ist ein altes Gesetz des Bauern, wer seine Arbeit tut, gehört zu ihm. Und doch ist es not, ja notwendiger denn je, das Trennende zwischen uns und diesen Frem- den aufzurichten. Das gibt manche Sorge,

Doch die Arbeit geht weiter. Der Hof bleibt, im Krieg wie im Frieden, er überdauert jede Not. Dies ist wahrhaft ein Segen; denn der Hof trägt das Leben. In einem einzigen Jahre sind auf unseren Höfen doppelt so viele Kinder in die Welt gekommen, als uns dieser Krieg von seinem Anbeginn bis heute genommen hat. Dies ist doch das Schönste und Tröstlichste, das wir in dieser Zeit sagen können.

Vor jeder Schule steht der Hof

Eines sei vorangestellt: Der Hof, nicht die Schule hat den Bauern erzogen. Zu sehr denken wir immer, wenn wir von Erziehung sprechen, an die Schule. Doch längst, ehe es Schulen gab, standen schon die Höfe im Lande, und ein kräftiges, gesundes Bauerntum wuchs auf ihnen heran. Wenn der Hof gut ist, geraten auch die Kinder gut. Was ein schlechter Hof aber an den Kindern sündigt, macht die beste Schule nicht wieder gut.

Gewiß, Schulen müssen sein, gerade auch für den Bauern. Aber niemals darf die Schule in der Auffassung leben, sie allein müsse den Bauern erziehen, wie das die liberale Pädagogik lehrte. Alle Schulen, die dem Bauern helfen wollen, müssen auf jene „Urpädagogik" aufbauen, die

von den Höfen kommt und weit vor jeder Schul-

erziehung liegt.

Man hat gesagt, eine Auffassung wie diese wäre rückständig; denn sie führe die Erziehung auf eine bloße Wirkung der Umwelt zurück. Einzelne Unentwegte meinten sogar, die längst überwundene „Milieutheorie“ würde durch solche Ansichten wiederkehren. Wahrscheinlich sind Menschen, die so urteilen, nie auf einem Bauernhof gewesen, jedenfalls haben sie nie dort gearbeitet. Sie müßten sonst erkannt haben,

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daß es nicht eine bloße „Umwelt“ ist, die er- zieht, also nicht die Welt „um“ das Kind, son- dern die Welt, „in“ der das Kind steht. Es geht nicht um etwas, das außerhalb des Kindes liegt und auf dieses einwirken würde, sondern es handelt sich umgekehrt darum, daß die Welt, die das Kind in sich trägt, sich nach außen hin in seinem Wesen immer stärker ausprägt und schließlich den jungen Menschen völlig erfüllt.

Der Bauernhof ist also nicht ein „Milieu“, er ist vielmehr eine kraftgeladene Welt, in der jeder Teil auf die andern wirkt und das Ganze den einzelnen bindet. Der Bauernhof ist eine Stätte echter, erzieherischer Wirkung. Diese Erziehung bleibt durchaus nicht im Unbewußten und Unbeabsichtigten stehen. Sie hat vielmehr ihre durch Sitte und Brauch genau festgelegten Formen und Gesetze. Der Hof erzieht nur ruhi- ger, unauffälliger, aber dafür auch stetiger als die Schule.

Erziehung durch das Natürliche

Dies hängt fürs erste damit zusammen, daß der Hof ein Stück Natur ist, von Menschen ge- staltet, aber auch den Menschen gestaltend. Gerade der Krieg, in dem wir stehen, beweist uns, daß in dieser Tatsache die Grundgesetze des bäuerlichen Wesens überhaupt beschlossen liegen.

Der Farmer in Amerika, der Roboter auf dem Sowjetkollektiv, keiner von beiden steht noch in einem Stück Natur. Sie haben die Grenze, die zwischen dem Naturgebundenen und dem Unnatürlichen liegt, überschritten. Was sie hält und bindet, ist nicht mehr Natur, sondern äußerer Zwang.

Der Hof des deutschen Bauern aber hält seit Jahrtausenden achtsam die Grenze ein, die ihm in der Naturgebundenheit gesetzt ist. Der Bauer auf dem Hofe zwingt einerseits die Natur, die „immer danach strebt, ihren ursprünglichen Zu- stand wieder zu erreichen. Alles Roden, Jäten, Züchten ist im Grunde genommen nur ein immerwährender Kampf gegen diese vor- brechende Natur; denn der Acker will wieder zum Wildwuchs werden. Der Wald drängt über die Zäune auf die Halden und Wiesen herein. Auch der Berg tritt dazwischen. Wildwasser, Mure und Lahn brechen in den behüteten Raum des Hofes ein. Der Bauer muß sich ständig wehren; wenn er die Hände in den Schoß legt, rückt ihm die ungebärdige Natur über den Hof.

Doch diese Gegenwehr hat für ihn ihre deut- liche Grenze. Niemals, das spürt der Bauer als ungeschriebenes Gesetz in sich, trifft er in seiner Arbeit die Natur in ihrer eigenen Kraft selbst. Er beutet den Boden nicht bis zum letz- ten aus, er schlägt den Wald niemals völlig nieder. Er hält stets an jener Stelle inne, die ihm das innere Gesetz des Hofes vorschreibt. So steht der Hof nicht für etwas, das für immer unveränderlich so gegeben wäre. Der Hof ist

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vielmehr eine Aufgabe, die Tag um Tag neu gelöst werden muß.

Schon deshalb ist der Hof nicht irgendeine „Umwelt“, sondern tatsächlich eine ganze, insich geschlossene Welt für sich. Die erzieherische Wirkung des Hofes beruht gerade darauf, daß er ein Stück Natur, also ein „Leben- diges” ist. Der Mensch kann die Natur in die Schranken fordern, er kann ihr vorübergehend seinen Willen aufnötigen. Darauf beruhen die materiellen Erfolge der Sowjets und der Ameri- kaner, denn sie sind nicht durch Erfahrung und Einsicht in dieser Ausbeutung alles natürlich Gegebenen gehemmt. Aber im letzten setzt sich doch immer wieder die Natur selbst durch und bleibt die Stärkere. Deshalb bleibt schließlich auch der als letzter auf dem Plan, der sie nicht mißbraucht, sondern der sie klug zu nützen weiß und mit ihr geht. Dies gilt für die Produktion von Panzern ebenso wie für die Erziehung des Menschen.

Leben und Arbeit sind eins

Auf dem Bauernhof ist das Leben noch ein Ganzes. Es läuft nicht zwischen Heim und Arbeitsplatz getrennt, denn der Hof schließt alles Lebendige in sich, er ist Heim im besten Sinne des Wortes. Er ist zugleich aber auch Stätte der Arbeit. Das Bauernkind ist also wirk- lich „in der Arbeit daheim“, Bauernarbeit ist stets Heimarbeit. Das Kind kann nie Haus und Hof ohne die Arbeit, aber auch nicht die Arbeit losgelöst vom Hofe sehen, es erlebt stets beides zusammen. Leben und Arbeit sind daher nicht zu trennen. Dem Bauern ist dies so eins geworden, daß er sich ein Leben ohne Arbeit gar nicht denken kann.

Ein tiefer Sinn liegt in dieser Einheit von Schaffen und Leben, denn auch dies ist wesent- lich, erst durch die eigene Arbeit wird das Leben selbst gesichert. Wer feiert, der hungert. Der Hof gibt alles Wesentliche, was der Bauer zum Leben braucht. Das Leben ist noch auf dem Hofe an die Arbeit gebunden, ohne daß sich das Geld als Mittler dazwischenzusetzen braucht. Aber auch die Arbeit empfängt daraus ganz ur- mittelbar ihren Wert: das Leben, nicht das Geld ist der Lohn der Arbeit. Bauernarbeit ist eine „ganze“ Arbeit, denn auch das Einzelne, das geschieht, hat seinen Sinn nur im Ganzen.

Es geschieht nichts auf dem Hofe, das nicht in dieses Ganze gehören würde, vom einfachsten Viehhüten bis zum Pflugwerk. Deshalb auch ist die Arbeit auf dem Hof so vielgestaltig. Sie steht im Tage, sie steht im Jahr, steht schließlich im Lauf des Lebens selbst.

In die Arbeit wachsen!

So wirkt der Hof auf die Kinder ein als ein Stück gestaltete Natur, in der Leben und Arbeit in eins zusammengeschlossen sind. Wer von außen her auf den Hof kommt, kann allerdings kaum etwas von Erziehung sehen. Es läuft alles

so selbstverständlich, obne besondere Absicht, ja ohne viel Worte ab, ganz im Gegensatz zur Schulerziehung, die mehr, als gut ist, das Wort braucht. Auf dem Hofe steht die Arbeit dafür. Kaum daß sich Bauer und Bäuerin um die Kinder kümmern. Man könnte im Gegenteil meinen, die Kinder seien völlig sich selbst über- lassen. Sie sind es auch, das heißt genauer ge- sprochen, sie sind dem Hofe überlassen. Bauer und Bäuerin spüren wohl, daß die Kinder dann am besten geraten, wenn sie beide das Ihre tun, damit der Hof gut gerät. Dann ist das Beste getan, damit die Kinder überall die Arbeit spüren und in ihr zu rechten Bauernmenschen heranwachsen. Kaum zum Leben erwacht, hat das Kind schon überall auf dem Hofe diese Arbeit um sich.

Wir wissen, wie entscheidend gerade die

ersten Eindrücke für das weitere Leben sind. Darum bedeutet es viel, daß das Bauernkind von kleinauf schon die Erinnerung an diese Arbeit in sich trägt. Es braucht sich später nicht aus der Welt seiner Kindheit auf die Welt der Arbeit umzustellen, es braucht sich nur, was ihm von früh an vertraut ist, bewußt zu machen, ein Vorgang, der viel natürlicher ist als der Umbruch, den junge Menschen bewäilti- gen müssen, die das Schicksal in andere Ver- hältnisse.gestellt hat.

Wenn der Bauernbub einmal fest auf den eigenen Beinen steht und zufassen kann, ist auch die Arbeit schon da. Wenn er zuerst auch nur die Kühe hütet oder den pflügenden Ochsen weist, wenn er das Unkraut jätet oder als letzter beim Heuen hilft, die Arbeit gilt doch schon als solche.

Sie wird nicht als Spiel, auch nicht als Hilfe gewertet, sie wird tatsächlich als Arbeit genom- men. Weil die Bauernarbeit so reich an Formen, an einzelnen Verrichtungen ist, findet der Bub sehr bald das „Ende“, an dem er anfassen kann. Dann läßt ihn die Arbeit nicht mehr aus. Er gilt dem anderen so viel, als er auf dem Hofe zu schaffen vermag. Dies gibt dem Bauernkinde schon von Grund auf eine ganz bestimmte Haltung. Der Bub weiß, wofür er auf der Welt ist, er weiß, was er gilt. Das gesunde, bäuerliche Selbstbewußtsein hat darin seine Wurzeln.

Es könnte mancher meinen, dieses allzu frühe Hineinwachsen in die bäuerliche Arbeit zer- störe dem Kinde die ihm eigene Welt. Wir wollen nicht davon sprechen, daß der Krieg gewiß da und dort das natürliche Gesetz und den Rhythmus bäuerlicher Arbeit durchbrochen hat und die Kinder auf dem Hofe zu Arbeiten zwingt, die für ihre Jahre zu streng sind. Wir kennen die Gefahr, die daraus kommt. Und doch ist zu sagen, daß, wenn nur das innere Gefüge des Hofes fest und gesund bleibt, auch diese Gefahr überwunden werden kann.

Arger wäre es, wenn die Kinder der Arbeit entfremdet würden. In gewissem Sinne ist es freilich richtig, wenn einer sagt, die Bauern-

kinder hätten keine Kindheit. Eine Kindheit im Sinne eines von der Welt der Erwachsenen ab- gegrenzten Lebensbereiches gibt es auf dem Hofe allerdings nicht, denn es kann niemand neben dem anderen, sondern nur jeder mit dem anderen leben. Aber die Welt des Hofes ist, weil sie gestaltete Natur ist, in ihrem Wesen 80 vielfältig und reich, daß das Kind darin alles zu finden vermag, was ihm nötig ist, um seine Kräfte richtig entfalten zu können.

Erziehung durch die Sippe

Das Bauernkind wächst erst der Mutter ent- gegen. Es lernt den Raum ihres Wirkens kennen, die Stube, die Küche, die Kammern, das Haus. Aber die Mutter ist ihm nicht nur Mutter allein, sie ist ihm auch die Schafferin im Hause, die Bäuerin des Hofes. Dann rückt es dem Vater näher in Stall und Scheune, Acker und Feld. Der Vater erscheint ihm nicht als Vater bloß, son- dern auch als bester Knecht, der jede Arbeit anzufassen und zu leiteh weiß. Der Vater ist der Bauer auf dem Hofe.

Im Ausgeding drüben sitzen die Alten. Sie haben sich ihren Teil selbst abgesteckt. ` Die laute Arbeit des Tages schlägt bei ihnen ge- wissermaßen nach innen. Eine kleine Werk- statt hat sich der Altbauer geschaffen. Da bastelt und werkt er an diesem und jenem. Die Altbäuerin hat ihre ganze Liebe auf den Garten geworfen, auf Blumen und Obst, gar auf das Hennenvolk, für das die Bäuerin immer nur grobe Worte hat.

In dieser Welt der Alten setzt sich für die Kinder die Welt der Schaffenden fort. Hier empfangen sie zu dem, was Haus und Feld geben, das „andere“, das jenseits des Tage- werkes liegt. Vom nahen Sterben überschattet, steht diese geruhsame Welt der Alten neben dem Werk der Bauersleute. Hier finden die Kinder Trost, wenn sie die Sorgen der Schule quälen. Hier fällt manches ernste Wort in junge Herzen. Hier offenbart das Leben seinen tiefsten und geheimsten Sinn. Das Ausgeding ist die Kinderstube des Bauernhofes. Daß aber auf einem Hof oft drei Generationen zu gleicher Zeit zusammenleben, hat eme tiefe, erziehe- rische Bedeutung. Das Kind sieht in der Welt des Bauern sein eigenes Leben vorgezeichnet, in der Welt der Alten sieht es den Abend des bäuerlichen Lebens. So hat es in gewissem Sinne förmlich das eigene Leben vor sich und gewinnt Maßstab und Richtung.

Uber den Nachbar zu Gemeinde und Volk

Die Welt, die außerhalb des Hofes liegt, be- ginnt drüben am Zaun beim Nachbar. Wenn auch dieser seinen Hof gut zusammenhält, kann es an rechter Nachbarschaft nicht fehlen. Je fester der Bauer auf eigenen Beinen steht, desto leichter ist es dem anderen, ihm mit Rat und

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Beistand zu helfen, wenn es not ist. So beginnt jede soziale Erziehung auf dem Hofe bei der Erziehung zu guter Nachbarschaft.

Alles, was später im Leben an den jungen Menschen herantritt, hängt davon ab, daß er von Anbeginn den Sinn des Nachbarseins be- griffen hat. Was der Hof oft zu einseitig, zu nüchtern für sich selbst fordert, wird durch eine gutverstandene Nachbarschaft in das rich- tige Maß gebracht. Auf guter Nachbarschaft baut sich das Leben im Dorfe auf. Wer sich im Dorfe richtig einfügen will, muß dem Bauern Nachbar sein.

Viel mehr als mit dem, was er den Kindern im Unterricht beibringt, ist der Lehrer oft mit seinem Schulgarten, seinen Obstbäumen und seinen Bienenstöcken den Bauern Nachbar ge- worden. Auch die anderen Menschen im Dorfe, die Handwerker, die Kleinleute, haben ihr Stück Feld und Garten, weiden eine Kuh oder halten doch kleineres Vieh und sind damit dem Ganzen

verbunden, denn der Boden beteiligt sie an Glück und Not der Gemeinde. Nur die „Quar- tierleute“, die kommen und gehen, haben keinen Boden. Nachbarschaft wächst bei ihnen aus gemeinsamer Arbeit, aus Hilfe und Rat. Sie gilt deshalb, wenn sie richtig verstanden wird, nicht weniger. Das Dorf nimmt den jungen Menschen anders als der Hof, stärker noch im Sinne der Gemeinschaft in die Hand. Es zwingt, was allru stark auf das Eigene bezogen war, zur Gemeis- schaft.

Der Hof macht den Bauern, die Ge- meinschaft des Dorfes macht den Deutschen. Denn in dieser ersten und ent- scheidendsten Gemeinschaft begreift die bäuer- liche Jugend die höchste Gemeinschaft, die des Volkes. Vom Hof zum Nachbar, vom Nachbar zum Dorfe, dies ist der Weg bäuerlicher Ge- meinschaftserziehung, und durch die festgefügte Gemeinschaft des Dorfes in das Volk und in die Zeit, die wir bestehen müssen.

Der Dorfschulmeister ist nicht da, um ein pädagogisches System zu verwirklichen, sondern um den Bauersmann in seiner echten

Art verwirklichen zu helfen. Wilhelm Heinrich Riehl.

Bäuerliche Gesinnung ins Herz der Landjugend wieder zu senken, ist Aufgabe aller, in deren Hand die Erziehung des ländlichen Nachwuchses liegt. Was ist aber bäuerliche Ge- sinnung anderes als Liebe zur Natur, Freude am Wachsen und Gedeihen, Treue zur Scholle, Verbundenheit mit allem Lebenden und der Wille, am Pflug dem großen Ganzen zu dienen! Unter

diesem Leitstern stehe der ganze Unterricht der Landschule.

Heinrich Sohnrey

FRANZ HUBER:

DORFKULTURELLE ERZIEHUNG DURCH DIE LANDSCHULE

Wozu die Schule bemühen?

lle Freunde des Landes:und des Landvolkes

sind sich darüber klar, daß die Erneue- rung der Dorfkultur zu den vordringlich- sten, aber auch zu den schwierigsten Aufgaben unserer völkischen Erneuerung gehört. Es sind nicht die Schlechtesten, die aus tiefer Sach- kenntnis heraus und mit ernster Sorge Zweifel begen, ob eine Neubildung dörflicher Kultur noch möglich ist. Wenn man in das Landvolk hineinhört und in den Dörfern Umschau hält, beobachtet man eine sich steigernde Abkehr von allem Ländlich-Bäuerlichen und eine wachsende Hinwendung zum Städtischen. Nicht nur etwa die Jugend, auch die Alten zeigen vielfach eine Geringschätzung des Ländlichen und eine Hoch- schätzung des Städtischen, daß man an der Mög- lichkeit einer Wiederbelebung ländlich-bäuer- licher Kultur verzweifeln möchte. |

Beim Stadtmenschen fällt es uns schon lange

nicht mehr auf, daß vielen von ihnen der Schwerpunkt ihres Lebens nicht in der Ar- beit,sondern in der Erholung liegt: nicht der Beruf ist der eigentliche Lebensinhalt, son- dern die Freizeit; sie arbeiten nicht um der Ar- beit willen, sondern um in der Arbeit und durch die Arbeit die Mittel zu möglichst schöner Frei- zeitgestaltung zu gewinnen. Die Freizeit wird nicht erlebt als ein Freisein für etwas, sondern von etwas, nämlich von der Last des Berutes. Der Beruf ist nicht Berufung zu einer Aufgabe, zu der man gleichsam vom Schicksal aufgeruten ist; die Berufswahl (schon, daß man wählt, macht die Sache verdächtig) ist ein Rechenexempel: weicher Beruf gibt mir die Möglichkeit, unter

den gegebenen Verhältnissen am meisten zu ver-

dienen für die dienstfreie Zeit und für die Zeit nach der Ruhestandsetzung?

Auch beim Landmenschen macht sich immer mehr diese Schwerpunktsverschie- bungbemerkbar; auch er erlebt vielfach im Beruf und in der Arbeit nicht mehr die Lebens- erfüllung, auch er sucht in der Freizeit das zu finden, was ihm die Arbeit nicht mehr zu bieten vermag die Befriedigung des Lebenshungers. Auch hier zeigt sich die Verstädterung der länd- lichen Lebensauffassung und damit der länd- lichen Lebensführung. Auch auf dem Lande wird die Zahl derer, die sich erst nach der Arbeit und Rur in der Freizeit wirklich zufrieden und glück- lich fühlen, immer größer. Auch hier glaubt man

immer häufiger das Faustwort zu hören: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!“ Erst jetzt, in der Freizeit, bin ich wahrhaft Mensch; erst jetzt, nach der Arbeit, kann ich befreit aufatmen; erst jetzt kann ich leben und zu mir selber kommen. In der Arbeit durfte ich nur meine Kraft herleihen; durfte ich nur mein Können hingeben; hingeben an ein Werk, das mir inner- lich gleichgültig ist, das mir ja nur Geld ein- zubringen hat, damit ich dann nachher sei es am täglichen oder wöchentlichen Feierabend oder am endgültigen Lebensabend als Mensch leben kann. In der Arbeit bin ich ja nicht Mensch, da bin ich Arbeitstier, bin ich besten- falls ein mehr oder weniger wichtiges Rädchen des Getriebes oder Betriebes.

Nicht daß dem schlichten Landmenschen diese Gedanken in dieser Form bewußt würden (sowenig als dem Durchschnittsstadtmenschen); aber die Ausstrahlungen, die sich im Le- bensalltag zeigen, stammen aus dieser inneren Haltung. Und diese Verstädterung des Landes und des Landvolkes ist heute schon so weit verbreitet und so tief hineingefressen, daß man schon ein hoffnungsfroher Optimist sein muß, um noch an eine durchgreifende Umkehr glau- ben zu können. Oder ein Realist, derhinter die äußeren Erscheinungen und unter die trügerische Decke zu schauen vermag.

Muß es denn so sein, daß diese Erscheinungen nur Ausdruck innerer Haltung sind; können sie nicht auch anders gedeutet werden? Wäre es nicht denkbar, daß viele Landmenschen sich nur deshalb dem Städtischen und der Stadt zu- wenden, weil ihnen das Dorf und der Hof nicht das bieten, was sie brauchen? Es ist nun einmal so, daß der Mensch in seiner Freizeit etwas will, was ihn anzieht und was ihn beschäftigt. Er will nach seiner Arbeit „Kurzweil”; er braucht etwas, was verhindert, daß ihm die freien Stunden nicht zur Langeweile werden. Glücklich der Mensch, der in seinen Mußestunden zu sich selbst oder zu den Musen findet; doch der ein- fache Landmensch unserer Tage versteht es nicht mehr, in sich hinein zu horchen und auf die Stimmen aus der Tiefe zu lauschen. Er weiß aber auch nicht, wo er von außen her Hilfe bekommen soll es ist im Dorfe nichts da, was ihn angenehm beschäftigen könnte. So entflieht er der Einsamkeit und Langeweile des Hofes und Dorfes und enteilt in die Stadt, ins Kino oder auf den Tanzplatz,

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Und noch eins muß beachtet werden. Wir heutigen Kulturmenschen sind bequem ge- worden; wir nehmen lieber passiv hin, als daß wir selber aktiv sind. Wir drehen lieber am Rundfunkgerät ein Konzert ein, als daß wir selber Hausmusik machen; wir lassen uns lieber etwas vorführen, als daß wir selber etwas tun. Das gilt auch für die Landmenschen, Auch auf dem Dorfe wirkt das gleiche „Trägheitsgesetz"; auch hier muß erst einmal dieser Bequemlichkeits- standpunkt überwunden werden, wenn wieder Dorfkultur werden soll.

Der Aktivierung der Dorfkultur steht aber noch ein besonderes Hindernis im Weg. Dem Landmenschen fehlt vielfach der Glaube; es fehlt ihm der Glaube an Güte der eigenen Sache. Die Landmenschen haben im Laufe einer langen Entwicklung ihr Selbstbewußtsein ver- loren; damit haben sie schließlich alles, sogar sich selbst verloren.

Wie war der Bauer ehedem so stolz und selbstbewußt! Wie ging er gerade und aufrecht einher, in seiner Tracht, in seinen schweren Stiefeln, mit seinen selbstsicheren Schritten! Wie klang seine Sprache frei und froh; wie sprach er in seiner Mundart unbekümmert um die Resonanz, die sie etwa in den städtischen Ohren finden könntel Er war Vollbauer, Bauer aus innerer Berufung und mit erlebter Lebenserfülltheit und -er- füllung. Er schielte nicht nach der Stadt und nach dem Städtischen; seine Welt und sein Werk war ihm Genügen. Seine Welt und sein Werk war ihm sein ein und alles. Er stand mit beiden Füßen auf seinem Grund und Boden; er lebte mit allen Sinnen und allem Sinnen seiner Aufgabe; sein Sinnen und Trachten galt seiner Scholle und seinem Geschlecht; sein Leben war Dienst am Hof, den er nach altem Glauben von der Gottheit selbst zum Leben erhalten hatte.

Es ist hier nicht der Ort, aufzuzeigen, wie dieses einst so starke bäuerliche Selbstbewußt- sein geschwächt und erstickt wurde. Tatsache ist, daß dieses Selbstbewußtsein immer mehr einem Minderwertigkeitsbewußtsein Platz machte. Der Landmensch fing an sich zu schämen. Er schämte sich seiner Kleidung und Sprache; er schämte sich seines bäuerlichen Aussehens und seiner bäuerlichen Arbeit; er schämte sich seines Hauses und seines Haus- rates. Er trachtete danach, dem Städtischen gleichzukommen; er wollte auch wie der Städter sein. So fing er an, sich städtisch zu geben in Kleidung und Sprache, in Hausbau und Hausrat. Und mit der äußeren Lebenshaltung gab er mehr und mehr auch die innerliche Haltung auf er verlor mehr und mehr das ländliche Lebensgefühl; er verlor mit dem bäuerlichen Selbstgefühl das Bäuerliche selber. Was ländlich ist, galt ihm als minderwertig; zum mindesten als nicht vollwertig. Was städtisch ist, galt als hochwertig und als erstrebenswert.

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Konnte der Erwachsene nicht mehr zum Stadt- menschen werden, so sollte wenigstens die Ju- gend nicht mehr mit dem ländlichen Minder- wertigkeitsbewußtsein durchs Leben müssen. Die Jugend sollte es von vornherein besser be- kommen; sie wurde dem Lande erst entwöhnt und dann entführt.

Soll es noch einmal anders werden, dann muß erst die ländliche „Atmosphäre“ anders werden. Es muß erst wieder ein anderes länd- liches Lebensgefühl entstehen; es muß erst wieder im Landmenschen eine andere Selbst, einschätzung Wurzel fassen. Der Landmensch muß wieder Freude am Land und an der Land- arbeit finden; er muß wieder stolz werden auf sich und seine Art, auf seine Arbeit und auf seine Berufung, auf sein Werken und auf sein Werk. Er muß wieder so selbstbewußt werden wie seine Ahnen. Sein Selbstbewußtsein muß ihm wieder Nährquell eines Lebensgefühles und einer vollen Lebenserfüllung werden.

Nur in solcher Atmosphäre gedeiht auch wieder eine ländlich-bäuerliche Kul- tur; nur auf diesem Boden und unter diesem Klima ist das Keimen und Wachsen einer neuen Dorfkultur möglich. Kultur läßt sich nicht von außen und von oben schaffen; sie läßt sich nicht anordnen. Wie jede Kultur Ausfluß eines Seelen- tums ist, so auch die dörfliche Kultur. Wie Kul- turwerke immer zuerst in einem Menschen leben und aus einem Menschen entwachsen, so kann auch bäuerliche Kultur nur aus leben- digemBauerntumentsteigen. Es ist kein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Wer- ken unserer Hochkultur (etwa den Werken eines Beethoven oder Dürer) und den schlichten Wer- ken alter Dorfkultur (etwa einem schönen Bauernschrank oder einem Bauernspruch). Jedes Kulturgut wird in einem Menschen ausgeformt und nimmt von dessen Wesen in sich auf. Des- halb trägt ja auch jedes Kulturgut etwas vom Wesen seines Schöpfers in sich und läßt Rück- schlüsse auf ihn und seine Art zu.

Solange es ein echtes selbstgenügsames und selbstsicheres Bauerntum gab, wuchs auch Bauernkultur. Erst als der Bauer sich selbst aufgab, entschwand auch mehr und mehr seine Kultur. Die Neuschöpfung stand still, als der Bauer mit der Geringschätzung seiner Kultur seine Kulturgesinnung und damit seinen Kultur- willen aufgab: Er wollte nichts mehr von einer eigenständigen Dorfkultur wissen; ganz natür- lich, daß er jetzt auch nicht mehr Kultur schuf.

Ohne Bauerntum keine Bauernkul- tur! Wo echtes Bauerntum, da auch Bauern- kultur. Sie wächst aus und mit den Menschen. Indem die Menschen ihr echtes Leben leben, schaffen sie auch Kultur. Kultur ist ja nicht nur das Besondere, das neben und außer dem Alltag steht. Kultur umfaßt ja alle Lebensbereiche, auch die Arbeit, auch die Art zu wohnen und sich zu unterhalten. Dorfkultur ist das dörfliche Leben; sie ist Teil der ländlichen Lebenstorm,

ja sie ist, im letzten Sinn und Begriff, die ländliche Lebensform selbst.

„Die Lebensformen erziehen, indem sie funktionieren.” (E. Krieck.) Es bedarf keiner besonderen Maßnahmen: man braucht nur an der Lebensform teilzuhaben und teilzunehmen, dann vollzieht sich auch ganz von selbst die Erziehung. Man braucht nur mitzuleben, dann wird man auch mitgeformt. So wird auch die Jugend geformt, indem sie an der Lebensform ihrer Welt teilhat und teilnimmt. Freilich wird dieFormungnurdanninOÖrdnungsein, wenn die Lebensform in Ordnung ist. In diesem Sinne möchten wir das Kriecksche Wort so sagen: „Die Lebensformen erziehen, wenn sie funktionieren.”

Das ist es ja eben: Die ländliche Lebensform ist in Unordnung geraten, Sie gehorcht nicht mehr ihren eigenen Gesetzen; sie ist fremdhörig geworden: sie hört auf die Anrufe der Stadt und auf die Lockungen aus einer anderen Welt. Das Land muß wieder zu sich selber zurück- finden; der Landmensch muß wieder auf die Stimmen hören, die aus dem Urgrund seines Wesens heraufklingen. Das Landvolk muß wie- der landstolz und landfroh werden. Dann wird die Jugend nicht schon von Kindheit an vom Lande weg- und auf die Stadt hingelenkt werden. Wie die ländliche Jugend ehedem ohne Schule und Lehrer in die bäuerliche Wert- und Kultur- welt hineinwuchs, so wird sie auch heute wieder schon von Haus aus ländliches Werten und Werk kennenlernen. Und wie die Landjugend ehedem ohne jede Schule das bäuerliche Wirt- schaften lernte und auch heute noch die Grund- lagen des Wirtschaftens auf dem Hofe und nicht ia der Schule erwirbt, so verhält es sich auch mit der dorfkulturellen Erziehung. Bs gilt aber auch folgender Satz: Sowenig das Landvoik heute in bezug auf Weltanschauung und Land- wirtschait ohne die Schule auskäme, sowenig kann heute die dorfkulturelle Erziehung ohne die Schule und den Landlehrer ihr Ziel erreichen.

Wir wollen damit in keiner Weise etwa einer Auffassung das Wort reden, die dem Glauben an die Allmacht der Schulerziehung entstammt; doch werden wir zeigen, daß die Schule für die Erneuerung der Dorfkultur notwendig ist und was sie zu leisten vermag. Wir werden zeigen, daß Hof und Dorf das, was die Dorfschule leistet, gar nicht zu leisten vermöchten. Wir müssen allerdings von vornherein sagen: Wie auf dem Gebiege der Weltanschauung und Wirtschaft der Hof die grundlegende Erziehung zu übernehmen hat, so ist auch auf dem Gebiete der Dorfkultur alles vergeblich, wenn nicht Hof und Dorfgemeinschaft einen tragfähi- gen Grund gelegt haben.

An der dorfkulturellenErziehung müs- sen alle Stellen teilnehmen, die auch sonst an der Erziehung des Volkes mitwirken. Es müssen alle Einrichtungen der Partei und des Staates in den Dienst dieser Aufgabe gestellt werden: Funk

und Film, Buch und Bild, Presse und Propaganda, Ausstellungen und Führungen. Es muß zum mindesten gefordert werden, daß von keiner Seite her irgend etwas geschieht, was das länd- liche Selbstbewußtsein und den ländlichen Kul- turwillen zu schwächen vermöchte. Wir müssen aber über diese passive Haltung hinaus eine positive Mitwirkung verlangen; wir müs- sen fordern, daß der Sinn für das Ländlich- Bäuerliche in allen Volksgliedern, nicht nur etwa im Landvolk, geweckt und gestärkt wird. Von der Stadt ging die Minderbewertung des Landes und der Landarbeit aus; in der Stadt muß also auch vor allem für eine gerechte Be- wertung des Landes und der Landarbeit Sorge getragen werden.

Unser Bemühen um die Erneuerung der Dort- kultur wird freilich seinen Schwerpunktin dem Dorf selbst haben. Hier gilt es, die Menschen für die neue Haltung und für die. neuen Aufgaben zu gewinnen und zu erziehen. Die ältere Generation ist vielfach schon ver- härtet und nicht mehr beweglich genug, um nochmal umzulernen. Die Jugend jedoch ist noch nicht verbildet; sie ist noch aufnahme- und gestaltungsfähig ihr gilt deshalb unsere beson- dere Aufmerksamkeit. Wer aber die Jugend will, der muß auch die Schule wollen. Schule und Lehrer stellen eine Macht von nicht zu unler- schätzendem Binfluß dar; Schule und Lehrer wirken nicht nur auf die Jugend selbst; sie ver- mögen über die Jugend auch auf die Alten mittelbar einzuwirken.

Was kann die Schule leisten?

Wir wollen uns im folgenden mit der Land- schule und ihrem dorfkulturellen Erziehungs- auftrag befassen; wir möchten aber doch wenig- stens darauf hinweisen, daß auch die an- deren Schulgattungen zur Mitarbeit auf- gerufen sind. Höhere und Hochschule, landwirt- schaftliche Berufs- und Fachschulen, auch die übrigen Schulen sollen in ihren Schülern eben- falls den Sinn für die ländlich-bäuerliche Welt, für ländlich-bäuerliche Kultur und für dörfliches Kulturschaffen wecken und damit die Voraus- setzungen für eine gerechte Einschätzung des Landes und der ländlichen Kultur schaffen. Man sage nicht, dies sei nicht nötig und nicht mög- lich. Es ist nötig, um all die Quellen zu ver- stopfen, die schon einmal das bäuerliche Selbst- bewußtsein anfraßen und wegspülten, es ist möglich, wenn nur die Lehrer der verschiedenen Schulen selbst vom richtigen bodenständigen Geist erfüllt sind; dann werden sie die sich an- bietenden Gelegenheiten spüren und die rich- tigen Worte finden. Geschichte und Erdkunde, Lebenskunde und Lektüre, Rechnen und Natur- lehre und andere Fächer bieten Möglichkeiten, Bauernwelt und Bauernwerk zu zeigen und zu zeichnen, sei es mit eigenen Worten, sei es mit den Worten von Dichtern und Denkern, sei es mit der Leuchtkraft von Bildern oder von Zahlen.

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Gerade die Technik, die unsere heutige Jugend so mächtig fesselt, kann in städtischen Volks-, Berufs- und Fachschulen so dargestellt werden, daß Sinn und Möglichkeiten ländlicher Tech- nisierung verstanden werden und die Berufs- wunschbilder auch den ländlichen Lebenskreis umfassen. Im besonderen Maße eignen sich ent- sprechend ausgewählte Stellen aus dem Schrift- tum, den Schülern den rechten Sinn und die richtige Haltung für das Ländlich-Bäuerliche zu vermitteln; wir haben heute viele gute Bauern- und Dorfromane, die diesem Zweck dienstbar gemacht werden können.

In der Landschule hat der Lehrer (nicht zuletzt in engster Zusammenarbeit mit der Hitler- Jugend) zwei Aufgaben zu lösen, wenn er den dorfkulturellen Erziehungsauftrag erfüllen will: Er hat die Dorfjugend entsprechend auszu- richten und auszurüsten.

Die Ausrichtung der Landkinder be- steht vor allem in der richtigen Haltungserzie- hung: in den Kindern soll die richtige ländlich- bäuerliche Gesinnung geweckt und genährt werden. Es soll in ihnen der richtige boden- ständige Geist entfacht werden. Sie sollen das Land und die Landarbeit richtig verstehen und schätzen lernen. Es sollen ihnen die Werte des Landes und der ländlichen Welt bewußt werden.

Da die Berufswünsche der Jugend, auch der ländlichen, auf die Modeberufe abzielen, muß der Landlehrer immer wieder auf dieinneren Qualitäten der Landarbeit hinweisen. Es muß den Landkindern im Laufe der acht Jahre der tiefere Sinn der Landarbeit aufgehen. Land- arbeit ist Arbeit in und an der Natur, am Lebendigen; es ist ganzheitliche Arbeit; sie gewährt besondere Freuden, die Freude am Werdenden und Wachsenden. Landarbeit ist von besonderer Bedeutung: das Land er- nährt die Stadt das Bauerntum ist der Nah- rungsquell des Volkes. Diese Wahrheiten können den Kindern nicht als Lehrsätze übermittelt werden; sie müssen von den Kindern Stück um Stück erfaßt werden. Wir führen ihnen die Leistungszahlen, auch in Schaulinien, vor: unser Dorf liefert soundso viel Korn, Kartoffel, Eier, Milch usw. in die Stadt; davon leben soundso viele Menschen; also dürfen wir sagen: das Land ernährt die Stadt. Damit wird in den Kindern das rechte bäuerliche Selbstbewußt- seinlebendig werden. Sie sollen die Eigenart und den Eigenwert erfassen lernen, die in Bauernwelt und Bauernwerk verkörpert sind. Haben sie aber erst einmal die Schönheit und die Bedeutung der ländlich-bäuerlichen Welt erkannt, dann werden sie diese auch schätzen und lieben. Man muß ihnen auch die eigen- artigen Reize der ländlichen Natur und der dörf- lichen Kultur erschließen. Sie sollen sehen, wie der Mensch diese Schönheit zu gestalten und auszugestalten vermag. Sowohl das Landschafts- bild wie auch das Dorfbild kann vom Menschen geformt werden; hier wie dort kann guter Sinn

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verderben und verschandeln. Ländliche Bau- weise sowohl wie ländlicher Hausrat sind Zeu- gen früheren ländlichen Kulturwillens; in Tracht und Schmuckstück, in Sitte und Brauch, in Haus- zeichen und Bauernsprüchen kommt die schöpfe- rische Kraft des alten Bauerntums zum Ausdruck.

Die Hinführung und Einführung der Land- kinder in die Dorfkultur läßt sich nicht stun- denplanmäßig und mit einigen eingescho- benen Themen durchführen. Der ganze Unter- richt muß vom Gedanken der dorfkulturellen Erziehung durchdrungen sein. Jede sich bietende Gelegenheit muß dafür herangezogen werden. Gelegentliche, aber häufige Hinweise wirken mehr als eigens angesetzte Stunden, wenn diese nicht von einer grundsätzlichen Gesamthaltung getragen sind.

Dabei darf diese dorfkulturelle Arbeit nicht aufdringlich erfolgen; es darf nicht ein Zerreden und Anpredigen Platz greifen. Wenn immer, so gilt besonders auf dem Gebiete der ländlichen Erziehung das Dichterwort: „Man merkt die Absicht und wird verstimmt.“ Wenn in den Kindern der Gedanke aufsteigt: man will uns „für das Land gewinnen“, man macht hier „in Kampf gegen Landflucht“ dann ist alle Wirkung unterbunden. Das ist eben die Kunst des echten Landlehrers, daß er wirkt, ohne daß man dies Wirken merkt.

In den verschiedensten Formen und mit mannigfaltigen Mitteln muß die kulturelle Ausrichtung der ländlichen Schuljugend vor sich gehen. Bald sind es nur kurze Hinweise, bald längere Ausführungen; bald ist es ein Un- terrichtsgespräch, bald der Vortrag des Lehrers; bald sind es des Lehrers eigene Worte, bald läßt der Lehrer den Dichter sprechen; bald ist es eine Schülerfrage, bald ist es ein Appell des

Lehrers; bald ist es ein Bild, bald ein Film, bald

eine Schallplatte, bald eine Rundfunksendung: bald ist es ein Unterrichtsgang, bald eine Lehr- wanderung; bald ist es eine Hofbegehung, bald ein Gang ins Museum oder in eine Ausstellung immer aber ist es das gleiche Ziel, das wir verfolgen: wir wollen in den Kindern die richtige Kulturgesinnung und einen starken Kulturwillen erzeugen. Die Kinder sollen Ge- fallen und Freude an ländlich-dörflicher Kultur gewinnen; diese Freude an ländlich- dörflicher Kultur soll in den Kindern jene ınnere Unruhe hervorrufen, die immer Voraussetzung kulturellen Schaffens ist: Ruhe wird erst dann, wenn das in der Seele Drängende Form und Aus- druck gefunden hat.

Besonders wirkungsvoll ist es, wenn Bild und Gegenbild einander gegenübergestellt werden. Dies gilt nicht nur für wirkliche Bilder, sondern auch für die Betrachtung der Wirklich- keit selber. Man kann das schöne und das ver- schandelte Bauernhaus sowohl im Bild als auch in der Wirklichkeit einander gegenüberstellen; man kann den Kindern sowohl im Bilde wie in

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Das Heimatdorf in der Zeichenstunde

Beim Nähunterricht Beim Werkuntertich

der unmittelbaren Berührung “der Landarbeit ergibt sich für Schulunterricht die Möglichkeit chaulicher und lebensnaher Ge- ung aller Schulfächer, die ihre eherische Wirkung nicht ver- len wird; denn auf diese Weise

fd den Schülern die Erkenntnis,

£ht für die Schule, sondern fürs an zu lernen, zu einer eindring- lichen Selbstverständlichkeit

Mit frohem Gesang zum Unterricht in der freien Natur. Tauziehen einmal ohne Tau

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der Wirklichkeit zwei Zäune vorführen, einen echten dörflichen Staketenzaun und einen „mo- dernen“ Betondrahtzaun. Das neuzeitliche Schrifttum bietet uns für solche kulturelle Schu- lung gutes Material; es sei nur erinnert an: A. Seifert, „Im Zeitalter des Lebendigen“ (Müllersche Verlagsbuchhandlung, Planegg vor München); Schoneweg, „Willst du deinen Bauernhof verschandeln?‘ (Bielefeld 1936). Man mache nur einmal mit Landkindern einen Ver- such und führe ihnen unverfälschte und ver- schandelte Beispiele ländlicher Gebiete vor; man wird über ihren sicheren Geschmack stau- nen; mindestens wird man sich überzeugen, wie leicht sie zum Sinn für das Echte und Gewach- sene zu erziehen sind.

Als Gebiete der dorfkulturellen Ausrichtung kommen alle Gebiete des ländlichen Lebens in Frage. Wir erschließen den Land- kindern den Sinn für die Schönheiten der hei- matlichen Landschaft und die Reize des eigenen Dorfes, für die Schönheiten des Bauernhauses und des Bauernhausrates, für die Eigenart und den Eigenwert der ländlichen Arbeit und die Möglichkeiten ländlicher Freizeitgestaltung. Wir schärfen ihren Blick für das Bodenständige und Gewachsene und entwickeln ihren kritischen Sinn für das Eingeführte und Aufgeklebte. Wir zeigen ihnen die groben und die feineren For- men der Verschandelung im Landschafts- und Dorfbild, in Hausbau und Wohnungseinrichtung, in Gartenanlage und Garteneinfriedung (kit- schige schubkarrenfahrende Zwerge u. ä.).

Ein Gebiet besonderer Betreuung ist uns der dörfliche Feierabend. Man spricht heute so viel von Freizeitgestaltung und in gewisser Hinsicht mit Recht. Wie ganz anders lagen die Dinge beim alten Feierabend. Hier bedurfte es keiner Programme und Organisationen. Feier- abend war zunächst nur ein Aufhören der Arbeit. Feiern hieß: nach vollbrachtem Werk die Hände in den Schoß legen, sich bequem auf die Bank vor das Haus setzen und einfach nichts tun. Damit war die einzige Voraussetzung gegeben, daß das Feiern beginnen konnte, nämlich das Feiern der Seele. Jetzt konnte die Seele zu sprechen beginnen; jetzt war jene Stille, die sein muß, wenn man die Seele sprechen hören will. Der Dichter hat recht, wenn er sagt: „Spricht die Seele, ach, dann spricht die Seele nicht mehr.“ Formt die Seele Worte, gibt ihnen der Kehlkopf Ton, dann übertönt dies Sprechen schon das leise Sprechen der Seele. Und das leise Sprechen der Seele war es auch, das so manchem Bauern- menschen zum Werk gedieh. In diesem Sprechen der Seele formte sich manch Ge- danke, der dann in einem Sinnspruch, in einem Vers oder Lied Ausdruck fand. Feierabend ist nicht lautes Vergnügen und geräuschvolle Lust- barkeit; Feierabend ist Zusichfinden und Zusichkommen; Feierabend kann auch Ge- meinschaft sein und Zwiesprache, die nicht wortreich sein muß. Wir kennen alle jene

Bauernart, daß zwei Nachbarn zum Feierabend zusammensitzen und nichts sprechen und dann auseinandergehen mit dem Gefühl, sich schön unterhalten zu haben. Vom alten Feierabend- geist soll die Jugend auch in der Schule erfah- ren; sie soll hören, wie man früher einmal nach der Arbeit auf dem Hof und im Dorfe blieb und in der Gemeinschaft des Hofes und des Dorfes Feierabend hielt. Man ließ sich nicht unterhal- ten, indem man bloß zuhörte und zuschaute, man unterhielt sich selber, indem man sang und spielte und tanzte. ;

Die vielen Stunden und Abende, die man auf dem Hofe und im Dorfe zur Freizeit blieb, gaben Muße, zu schulen und zu üben, zu werken und zu basteln, zu sinnen und zu planen. Man erwarb

.sich so das, was man dann zu Fest und Feier

brauchte an Lied und Spiel, Tanz und Reigen. Und vertrieb sich damit die Zeit, und zu Lange- weile fehlte die Zeit.

Wir sehen also, wie wichtig es ist, die Land- jugend ans Land zu gewöhnen und sie in ihrer Freizeit fürs Dorf zu gewinnen. Hierbei erwächst neben der Landschule der Hitler-Jugend eine besonders wichtige Aufgabe. Dabei ist es schwer zu sagen: muß die Jugend erst ans Dorf gebun- den werden, damit sie Zeit hat, sich dorfkul- turell zu betätigen; oder: muß erst Dorfkultur werden, damit die Jugend gern im Dorfe bleibt? Eines geht eben mit dem anderen. Jedenfalls aber kann Dorfkultur nicht werden, wenn die Landmenschen und vor allem die heranwach- sende Jugend jede freie Stunde in der Stadt verbringen. Deshalb ist es so ungemein wichtig, daß die Schule alles aufbietet, in der Dorfjugend den Sinn für das Land und die Dorfkultur früh- zeitig zu wecken und zu stärken, und daß in der Jugend schon der Wille zu eigener kultureller Betätigung erwacht. l

Diese kulturelle Betätigung kann schon in der Schule selbst erfolgen. Die Kinder werden mit der Gestaltung des schulischen Lebensraumes befaßt; besonders die Mädchen können dabei mitwirken. Auch die amtlichen Richtlinien fordern im Lehrgebiet „Hauswerk“ die Pflege der Dinge, die den Alltag verschönern. So wollen wir auch unseren Schulraum ver- schönern: durch einen entsprechenden Wand- schmuck, durch Spruchbänder, durch Blumen- stöcke und Schnittblumen. Wir wollen auch ein schulisches Brauchtum pflegen; so können wir eine Ehrentafel unserer dörflichen Gefal- lenen anbringen und diese an bestimmten Ge- denktagen durch Blumen oder Lichter schmücken. Auf diese und ähnliche Weise lernen die Kinder praktisch, wie man ein Heim gestaltet und was es bedeutet, wenn man die Bäuerin zur Gestal- terin des Heimes erziehen will. Durch ent- sprechend gestaltete Stunden lernen die Schü- ler, besonders auch die Mädchen, wie man Ge- selligkeit pflegt und was häusliche Lebenskultur bedeutet.

Auch über die Schulstube hinaus wirkt die Landschule; sie läßt die Dorfgemeinschaft

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anihren Feiern teilnehmen. Sie gliedert sich aber auch in das dörfliche Feierleben ein und nimmt daran aktiven Anteil: die Kinder bilden Gruppen beim Erntefest, sie machen durch Reigen und Volkstänze mit; sie singen Lieder und können vielleicht gar mit einem Puppen- oder Laienspiel aufwarten.

Mit diesem kulturellen Tun wirkt die Schule stärker als durch die bloße Lehre; freilich setzt solch kulturelles Tun eine entsprechende Schu- lung voraus. So darf sich die Landschule mit der kulturellen Ausrichtung der Jugend nicht begnügen; sie muß die Kinder auch entsprechend ausrüstien.

Die kulturelle Ausrüstung der Land- kinder geht mit der kulturellen Ausrichtung Hand in Hand. Sie ist ebenso wichtig wie die Haltungserziehung: der gute Wille allein tut es nicht; zum Kennen muß das Können treten. Der Kulturwille muß mit der Kulturfähig- keit gepaart sein. Was nützt es, wenn die künftigen Landmenschen sich kulturell betätigen möchten, aber nichts fertigbringen. Es ist gut, wenn die Landschule in den Kindern die rechte Kulturgesinnung entfacht; wenn in ihnen die Freude am Echten und Gewachsenen lebendig geworden ist. Es müssen aber auch die Voraus- setzungen zu ihrer Betätigung geschaffen werden.

Diese Voraussetzungen lassen sich zweiteilen: die Jugend muß einen gewissen Schatz von Kulturgütern mit ins Leben hinausbringen; sie muß ferner gewisse Fähigkeiten besitzen, um sich später einmal kulturell betätigen zu können.

Man kann geradezu von einem kulturellen „Repertoire” sprechen, das immer wieder verwendbar ist. Wenn im Bedarfsfall jedesmal von vorne angefangen werden muß, wenn nie aus dem Stegreif gestaltet werden kann, dann wird das dörfliche Kulturleben armselig bleiben. Die heutige Schule muß ihren dörflichen Kindern einen Schatz von Gedichten (vor allem auch mundartlichen, und zwar ernsten und heiteren) und von Liedern mitgeben. Die Kinder müssen in der Schule Reigen und Tänze lernen, und zwar volkhafte Reigen und Volkstänze. Sie müssen in ihrer Schulzeit spielen und Spiele gelernt haben. Wollen wir wieder eine „höfische“ und dörfliche Geselligkeit, dann muß das Landvolk auch spielen können. Scherz und Schabernack, Scharade und Rätsel, Schatten- und Puppenspiel haben den alten Feierabend verschönt; warum sollen sie dies nicht auch heute wieder können? Wir schaffen uns doch auch in der Stadt an den langen Wintersonntagnachmittagen solche Ge- selligkeit; wir brauchen nicht in Wirtschaft und Kino zu fliehen; warum sollten Landvolk und Landjugend an den Sonntagnachmittagen immer in die Stadt flüchten müssen, wenn sie sich unterhalten wollen.

Besonders kurzweilig wird die Freizeit der Landjugend werden, wenn sie wieder selber gestalten kann. Dieses Gestalten muß auch

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einmal gelernt werden. Schon immer haben landfrohe Landlehrer mit ihren Kindern gesun- gen und gespielt. Wenn ihnen passende Spiele nicht zur Verfügung standen, haben sie selbst kleine Spiele gemacht. So manches Lesestück enthält schon so viel Dialog, daß es nur eines kleinen Ausbaues bedarf und schon ist ein Spiel geworden. Auch Märchen können leicht spiel- fertig gemacht werden, wenn man nur einiges Geschick dazu hat. Und dann haben wir ja unsere Kinder. Man glaubt gar nicht, wie an- sprechend Stegreifspiele sein können, wenn nur erst einmal die erste Scheu überwunden ist Auch gekaufte Spiele bedürfen nicht selten der Umarbeitung und Umgestaltung; man muß sie den eigenen Verhältnissen anpassen, der Spiel- fähigkeit der Kinder, den „Bühnen- und Kostü- mierungsverhältnissen.” Da und dort und dann und wann können wir auch kleine schulische und dörfliche Vorkommnisse und Ereignisse zu Spielen gestalten immer unter Heranziehung der Gestaltungsfähigkeit der Kinder.

Wie äuf den Gebieten des Volksspiels der Grundsatz gelten muß: vom Einfachen zum Zu- sammengesetzten, vom Leichten zum Schweren, so auch auf den anderen Gebieten dorfkultu- reller Betätigung. Wir wollen überall bel den Elementen beginnen. Man kann auch hier nicht ernten, wenn man nicht gesät hat. So sollen die Kinder in der Schule die Elemente des Tanzens und der Volksmusik lernen. Wir üben mit ihnen in der Schule die ersten Schritte und Griffe. In einer Dorfschule des Pinzgaues habe ich hier Vorbildliches gesehen: in der Schule wird mit den Kindern Volkstanz um Volkstanz „erarbeitet“, die einzelnen Schritte, die einzelnen Figuren, der ganze Tanz; es wird einzeln und in Gruppen geübt, mit viel Eifer und Freude. Die Musik liefern größere Kinder; auch dieses Musizieren wird mit den Anfangsgründen begonnen. Wir finden Blockflöte, Hackbrett. Zither, Mund- und Zugharmonika. Daß das Sin- gen vom einstimmigen über das zweistimmige zum dreistimmigen Lied gelernt wird, daß mit dem Baß des Lehrers daraus der vierstimmige Chor wird, ist heute schon in vielen Schulen Lehrgrundsatz geworden. Und daß der Kanon das beste Mittel ist, die Kinder für das mehr- stimmige Chorlied einzuschulen, gehört auch schon zum Gemeingut musikalischer Bildung.

Wir wollen beim Thema der dorfkulturellen Ausrüstung der Landjugend auch an all die Elementartechniken denken, die für ein tüchtiges Kulturschaffen unerläßlich sind. Es seien genannt: Sprechen, Lesen, Schreiben von Zierschrift, Erzählen, Zeichnen, Malen, Werken, Basteln. Es sei auch auf die Schulung der Aus- drucksfähigkeit durch Mimik und Pantomimik hingewiesen. Wenn man nur die Gelegenheiten wahrnimmt, sie bieten sich ungesucht an. Wir müssen in der Schule ungewohnte Ausdrücke erklären; dies kann vielfach am schnellsten erfolgen, wenn wir die Dinge spielen lassen.

Feiergestaltung heranziehen,

Am Beispiel: Mache ein Gesicht, wie wenn du in einen sauren Apfel beißt! Mache ein Ge- sicht, wie wenn du einen feinen Kuchen ißt! Mache vor, wie jemand hinkt, humpelt, torkelt, schleicht, schreitet. Das letztgenannte Beispiel beweist, daß sich Mimik und Pantomimik nicht trennen lassen: man kann nicht mit lächelnder Miene schreiten; zum Schreiten gehört ein feierlich-ernster Gesichtsausdruck. Dann lassen wir einmal etwa in Stil- und Gestaltungs- übungen im Aufsatz zuerst mimisch oder pantomimisch ausdrücken und die Kinder müssen das bezeichnende Wort suchen. Solche Ubungen sind so recht eine Vorschule des Laienspiels; denn h’er muß. ja der Spieler durch Mienenspiel und Bewegung darstellen, nicht nur durch das gesprochene Wort.

Die kulturelle Ausrüstung der Landjugend

erstreckt sich, wenn auch nur teilweise, auch auf größere Gebiete künftiger kultureller Betätigung, auf das Büchereiwesen und auf das Dorfbuch. Wir lassen die Schüler an der Verwaltung der Schülerbücherei mitarbeiten, und zwar bei der Bücherausgabe und bei der Einrichtung der Bücherei: sie können den Leih- verkehr übernehmen, sie können auch bei der Verzettelung und der Anlage der Kartei mit- wirken. Ahnlich lassen sich größere Schüler zu manchen Arbeiten für das Dorfbuch heran- ziehen: wir können ihnen Sammelaufgaben stellen, die sie zusammen mit den Angehörigen lösen; wir können ihnen manche Schreib-, Zeichen- und Malaufgabe übertragen (z.B. Ab- schriften und Reinschriften, Zeichnen von Kurven, Malen von Zierleisten u.ä.).

Daß wir die Kinder in kulturellem Tun schulen, indem wir sie weitgehend zur schu- lischen Raumgestaltung, ferner zur Fest- und wurde oben schon gesagt. Wir können die Kinder weiter- hin anregen und anhalten, an der Gestaltung und Erhaltung des Dorf- und Landschaftsbildes mitzuwirken. Mindestens können sie an der Entrümpelung mitarbeiten; sie müssen ihren Ehrgeiz darein setzen, daß aus ihrem Dorf und dessen Umgebung alles Häßliche ent- schwindet. Wir kennen aus Berichten von Landlehrern schöne Beispiele, wie die Land- jugend zu Gruppen und unter Kommandos zu- sammengefaßt auszieht, um in Winkeln und auf Plätzen, auf Wegen und aus Bächen altes Gerümpel und gedankenlos weggeworfenen Ab- fall zu sammeln, und damit den Anfang zum schönen Dorf- und Landschaftsbild macht. Die Anlage von Wegen und Plätzen, das Pflanzen von Baum und Strauch, die Herstellung von Bänken und Tischen an Punkten, die zum ver- weilenden Schauen einladen, wird nur in sel- tenen Fällen von Schule und Schülern gemacht

werden können; höchstens von der reiferen.

Jugend.

Damit stoßen wir auf das dunkelste Kapitel dörflichen Kulturlebens, nämlich: Wie kann die

schulentlassene Dorfjugend zwischen Schulentlassung und Arbeits- bzw. Militärdienst an Dorf und Hof gefesselt und für eine dorf- ständige Freizeitgestaltung gewonnen werden? Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Es muß aber angegriffen werden, wenn mit der dörflichen Kulturerneuerung ernst werden soll. Wir müssen die Jugend für das Dorf gewinnen; wir müssen dafür sorgen, daß sie nicht stadt- süchtig wird; ist sie das, dann wird sie be- stimmt landflüchtig. Das Ziel sehen wir klar: das Leben auf dem Dorf muß lebens- wert sein; auch die Freizeit muß so sein, daß man auf dem Hofe und im Dorf Befriedigung finden kann. Da- zu muß die Freizeit ausgefüllt sein, und zwar so, daß sie kurzweilig ist und Langeweile schon gar nicht aufkommen kann. Die Jugend muß beschäftigt sein; sie muß etwas zu tun haben, was sie interessiert und reizt; es muß etwas los sein. Was die Schule begonnen hat, muß weitergeführt werden. Hierbei ist wieder- um die HJ. der beste Bundesgenosse. Berichte aus manchen Dörfern zeigen, daß die Jugend daheim bleibt, wenn sie beschäftigt ist. Die Freizeit läßt sich ausfüllen mit Singen und Musizieren, mit Sport und Spiel, mit Tanz und Laienspiel, mit Puppen- und Schattenspiel, mit Basteln und Werken. Mädchen lassen sich zu- sammenhalten in Handarbeitskreisen, in denen auch erzählt und vorgelesen wird. Wer soll sich der Jugend annehmen? Es ist in den meisten Fällen auch wieder der Land- lehrer. Junge Lehrer und Lehrerinnen brin- gen immer wieder Idealismus genug auf, um ihre Freizeit der Betreuung der Dorfjugend zu opfern. Doch muß wiederholt darauf hingewie- sen werden, daß auch der Lehrer hin und wieder eine Freizeit, seine Freizeit haben muß, in der er die Stadt aufsucht oder für sich wan- dert; denn wenn er mit der Jugend wandert oder sie in die Stadt führt, ist er wieder im Dienst.

Schließlich muß ja auch gesagt werden, daß der Landlehrer noch eine Fülle anderer kul- tureller Aufgaben zu erfüllen hat, die vielfach nur von ihm geleistet werden können. Es sei nur mit einem Wort auf einige hingewiesen: Dorfbücherei und Dorfbuch, dörfliche Gesang- und Musikpflege, Heimat- und Naturschutz, Heimatbild und Heimatfilm, Mitarbeit in der Gestaltung des Landschafts- und Dorfbildes so- wie der ländlichen Feste und Feiern, Beratung in Fragen der Wohn- und Gartenkultur u.a. Vielfältig sind die Aufgaben, die der Dorf- Schule und dem Landlehrer zugedacht sind; groß ist die Verantwortung; schön aber ist auch die Mitarbeit. Nicht alle Lehrer sind heute dieser Aufgabe gewachsen; es muß je- doch Ziel einer volks- und landverbundenen Staatsführung sein, Lehrer aufs Dorf zu führen, die landfroh und landtreu und landtüchtig zugleich sind.

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KARL SEILER:

Lan d lehrer un d U Imguartierun 8

E: gibt wenig Berufe im Reich den Bauern vielleicht ausgenommen —, die eine so große Anzahl verschiedener Fähigkeiten verlangen und eine solche Fülle verschiedener Pflichten in sich vereinigen wie der des Landlehrers. Neben die Tätigkeit, die seiner Stellung den Namen gibt, die Führung des Unterrichts für die Land- jugend, und neben die allgemeine Kulturpflege des Dorfes, die ihm selbstverständlich obliegt, treten unendlich viele kleine und große Ver- pflichtungen, besonders in Richtung auf die Überwachung und Betreuung der schulpflich- tigen Jugend innerhalb des Schulsprengels und in Richtung auf die verschiedensten Sammel- aktionen aller Art. Außerdem hat der Lehrer der Landgemeinde für die NSV., für die Hitler- Jugend-Führung, BDM.-Führung, für Parteiorga- nisationen, für den Reichsluftschutzbund usw. zeitraubende und verantwortliche Arbeiten zu übernehmen, die er nicht ablehnen kann, einfach deswegen, weil häufig niemand in der Gemeinde sonst in der Lage ist, sie auszuführen. Außerdem ist der Lehrer des Landes in vielen Fragen der Lebenssicherung von der Gesundheitsbetreu- ung bis zur Vermögensrettung und der Steuer- erklärung, schließlich auch in Gerichtssachen von jeher Berater und Helfer der Land- bewohner, der, wenn er schon nicht endgültig selber den Weg weisen kann, wenigstens anzu- geben hat, wohin sich der Hilfesuchende wenden muß. Kurz, es wäre unmöglich, hier alle die möglichen und nötigen Tätigkeiten des Land- lehrers aufzuzählen, schon deshalb, weil sich täglich neue, unabweisbare Verpflichtungen den alten beigesellen.

Auch der Krieg hat dem Landlehrer neue Be- lastungen in Fülle gebracht. Besonders ein- schneidend ist für den Landlehrer die durch den Bombenterror der Feinde verursachte und not- wendig gemachte Umquartierung der Stadt- bevölkerung auf das Land.

Bisher nämlich hatte der Landlehrer für alle seine Tätigkeiten dadurch festen Boden unter den Füßen, weil er mit einer verhältnis- mäßig kleinen, sich fast nicht verän- dernden Zahl von Familien rechnen konnte, die er einzeln genau kannte oder wenig- stens kennenlernte im Lauf der Jahre seiner Tätigkeit am Ort. Nur diese genaue Kenntnis aller Einzelbedürfnisse und Einzelnöte in den Landfamilien hat ihm die Möglichkeit gegeben, verhältnismäßig rasch Hilfevorschläge und Rat in allen Richtungen zu geben, ohne im ein-

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zelnen jeweils sehr viel Zeit zu benötigen. Ab- gesehen von den Sterbefällen und Geburten ändert sich ja die Landbevölkerung verhältnis mäßig wenig. Die Fluktuation der Bevölkerung ist auf dem Lande ausgesprochen gering. Das hat seine Auswirkungen bis in die tägliche Un- terrichtstätigkeit hinein; denn auch die Be setzung der Klassen ändert sich von der ersten bis zur letzten, abgesehen von den seltenen Sterbefällen, fast gar nicht. Man kennt die Schüler und ihre Leistungsfähigkeit genau, ja man weiß sogar im allgemeinen, was man von den Kindern einer Familie zu erwarten hat, noch ehe sie in die Schule eingetreten sind. Im all- gemeinen kann man als Landlehrer Schwierig- keiten im Kenntniserwerb genau so vorher- sehen wie Schwierigkeiten in der Disziplin und im Anschluß an die Schulgemeinschaft. Da man die Geschwister entweder gleichzeitig in der Schule zu betreuen hat oder sie wenigstens vor kurzer Zeit betreut hat, gliedern sich die Schüler nach Familiengruppen auf; sogar die weiteren Familienzusammenhänge der Sippen- und Vetternschaft sind für den Landlehrer, der einen Blick für diese Zusammenhänge gewonnen hat, voll von Bedeutung und erleichtern den Entschluß für Maßnahmen aller Art. Besonders aber entsteht gerade in der Landschule leichter als irgendwo ein wirkliches Zusammengehörig- keitsbewußtsein zwischen Schülern und Lehrer, da eine Veränderung des Bestandes nur in geria- gem Maß, in häufigen Fällen gar nicht, eintritt

Die Umquartierung hat für die Land- schule diese Verhältnisse vollständig verändert. Die Geschlossenheit der Schul- gemeinschaft ist durch das Hereinströmen von Stadtkindern zunächst einmal gesprengt. Nach allen Seiten hin entstehen Spannungen in sitt- licher, in unterrichtlicher Beziehung, aber auch in Richtung auf den Gemeinschaftszusammen- hang.

Besonders erschwert ist diese Schularbeit auf dem Lande gegenwärtig dadurch, daß die Stadt- familien häufig nicht auf die Dauer an einem Ort bleiben, sondern den Aufenthaltsort wechseln, sei es, daß sie näher an ihre Heimatgemeinde heranziehen, sei es, daß sie aus irgendwelchen gesundheitlichen oder anderen Gründen eine Umquartierung von einer Landgemeinde in eine andere nachträglich erreichen, sei es, daß die Kinder mit ihren Eltern vorübergehend wieder in die Heimatgemeinde zurückkehren. Uberall dort, wo die Familien monate- oder gar jahre-

lang in einer Gemeinde sich aufhalten, werden sie mit ihren Kindern heimisch, und damit kann auch der Landlehrer wirkliche Familienkenntnis von ihnen erwerben wie von seinen landgebür- tigen Familien. Unregelmäßigkeit des Schul- besuchs freilich wird bei den tmquartierten Familien immer größer sein, schon deswegen, weil die Stadtgebürtigen den weiten, oft auf- geweichten Wegen bei Sturm, Regen und Schnee gegenüber empfindlicher sind als die Landbe- wohner und weil immer wieder eine Reise in die Heimat nötig ist; das letzte besonders dann, wenn die Entsendestadt verhältnismäßig nahe am Umquartierungsort liegt.

Die Schulklassen sind durch die Umquartie- rung natürlich größtenteils überfüllt worden. Es gibt Schulen, in denen nicht nur zweifacher, sonderndreifacher Unterricht in den Jahr- gängen und Schulklassen gehalten werden muß, einfach deswegen, weil die Schulzimmer die Zahl der Schüler nicht aufnehmen können. Da- durch wird die Schularbeit für den Lehrer nicht nur verlängert, sondern auch erschwert, weil für den einzelnen Klassenzug nur eine begrenzte Schulzeit übrigbleibt und infolgedessen in den Unterrichtsstunden angespannter, gehetzter ge- arbeitet werden muß. Überhaupt bringt die Um- quartierung, die Kinder verschiedenster deut- scher Gaue mit verschiedensten Schulverhält- nissen in eine Klasse zusammenführt, natürlich für den Lehrer immer neue, ungeahnte Schwie- rigkeiten. Dazu kommt, daß die Schwierigkeit der Beschaffung von Lernmitteln, von Heften, Bleistiften, Buntstiften, aber auch von Schiefer- tafeln, die Möglichkeiten der Stillarbeit und damit die Möglichkeiten der individu- ellen Führung der einzelnen Gruppen sehr begrenzt

Die Beschaffung von Lernmitteln für die Klassen macht immer wieder groBe Mühe, mehr Mühe natürlich, wenn es für mehr Kinder geschehen soll. Diese Beschaffung ist bei den heutigen Verhältnissen fast ganz dem Lehrer zugefallen. Dazu sind viele Schreibereien, Rad- fahrten zum nächsten Markt, Bahnfahrten in die nächste Stadt nötig. Besonders erschwert wird der Unterricht für den Lehrer, wenn, wie das häufig der Fall ist, zwischen den einzelnen Unterrichtsabschnitten von je zwei bis drei Stunden ein kilometerweiter, manchmal sogar Stundenweiter Marsch ins Nachbardorf liegt. Daß die zur Klassen- und Schulführung nötigen Schreibarbeiten durch die Umquartierung nicht nur z. T. auf das Doppelte angestiegen, sondern auch durch den häufigen Wechsel erschwert und manchmal in der Art vervielfacht worden sind, führt auch zu einer oft großen Mehrbelastung des Lehrers. Manche Nachtstunde muß zur Er- ledigung dieser Arbeiten verwendet werden.

Eine ganz besondere Aufgabe ist es für den Lehrer, dafür zu sorgen, daß die gänzlich andere Haltung der Stadtbewohner und Stadtkinder Innerhalb der Gemeinde den Kulturzusammen-

hang nicht zerstört. Andere Bedürfnisse, andere Wünsche, andere Vorstellungen von Anstand und Sitte, andere Formen der Gemeinschafts- verbundenheit, ja auch ein ganz anderer Rhyth- mus des Lebens kommt hier herein. Es droht hier die Verstädterung und die Landfluchtbereit- schaft ganz plötzlich den Zusammenhalt des Landvolkes zu zerstören.

Die Städter und Stadtkinder machen gar kein Hehl daraus, daß sie die Lebensweise auf dem Lande, Wohnung, Kleidung, Sitten, aber

auch die Einkünfte und die Mühsal der täglichen

Arbeit geringschätzen, daß sie den Mangel an Vergnügungsstätten, den Mangel an künstlichem Licht sehr schwer empfinden und daß sie alle Menschen, die diesen Mangel gar nicht sehen, wie die Landbewohner, schon deswegen für zu- rückgeblieben und unentwickelt und ausge- schlossen von alien „höheren Genüssen der Kultur‘ anschen.

Die Landbewohner und besonders die Land- kinder kennen wenig Verhältnisse, die sich von ihren heimischen unterscheiden. Sie sind nicht so abgestumpft durch alle möglichen Reize wie die Stadtjugend; um so gefährlicher wirken solche Reden und solche Phantasien von der „goldenen Stadt“. Hier zeigt sich nun, ob der Landlehrer schon vor der Umquartierung die richtige geistige Grundlage im Dorf gewonnen hat. Es ist gar nicht so schwer, in den Dorf- bewohnern den Stolz auf das Althergebrachte, die Freude an den einfachen ländlichen Verhält- nissen in Sitte, Zusammenleben und Lebens- gestaltung wiederherzustellen. Ist das einmal geschehen, ist die Gemeinschaft der Schulklasse und die Gemeinschaft der Dorffamilien wieder zum bewußten Träger eines kulturlichen Zu- sammenlebens geworden und dazu kann und muß der Landlehrer Wesentliches beitragen —, dann kann auch eine gewaltsame Störung wie die Umquartierung der Stadtbewohner auf das Land das Zusammenleben, die Gemeinschafts- und Bodenfestigkeit der Dörfler nicht so ohne weiteres untergraben.

Ja, im Gegenteil, die Mehrzahl der Städter, die sich nach Tagen, mindestens aber nach Wochen, schon nach der Stadt unwiderstehlich zurück- sehnt, kann, wenn sie richtig in die Feinheiten und in die Tiefe der ländlichen Gemeinschaft eingebaut wird das geschieht besonders da- durch, daß man sie langsam immer mehr zur Hilfe heranzieht —, den beruhigenden und ge- sundenden Einfluß solchen ländlichen Lebens kennenlernen. Wie oft hören wir von den Um- quartierten, wie sie in den Dörfern heimisch geworden sind, wie sie sich befreundet haben mit ihren Bauern und Handwerkern, in deren Häusern sie untergebracht oder deren Nachbarn sie geworden sind. Wir hören, wie sie helfen, besonders in den Zeiten großer Arbeitsanspan- nung im Frühjahr und im Herbst bei der Ernte, und wie sie sich gar nicht mehr vorstellen können, wie sie in der Stadt, losgelöst von der

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natürlichen Selbstverständlichkeit des Lebens auf dem Lande, wieder leben sollen. Wenn sol- ches glückliches Einpassen der Umquartierten gelungen ist, dann ist meistens ein geschickter Landlehrer beteiligt, der die Vermittlung zwi- schen ländlichem und städtischem Denken leistet.

Eine sehr wichtige Aufgabe des Landlehrers ist es, den Städter, der auf dem Lande zunächst durch die Wortkargheit und rastlose Arbeits- verbundenheit der Landbewohner abgeschreckt ist, zum Verständnis des ländlichen Verhaltens und ländlichen Fühlens zu führen. Dabei hilft dem Landlehrer, wenn er ganz bewußt vorher die Dorfkultur von innen her erfaßt und gestärkt hat, wenn er, der häufig als Fremder von außen in das Dorf hereingekommen ist, oft selbst aus

der Stadt stammt, den Weg zum Herzen und em

Denken der Landbewohner mit Eifer und mit Freude vorher selbst gegangen ist; dann ist er auch imstande, den umquartierten Städtern die- sen Weg, den er kennt, vorsichtig zu zeigen.

Dazu muß der Landlehrer sich freilich auch in die seelische Lage des umquartier- ten Städters hineindenken. Haute bringt weithin die Umquartierung für die Stadtmen- schen eine große seelische Belastung. Das Heim- weh nach den häufigen, starken seelischen Er- regungen, nach der Möglichkeit, in großen Krei- sen anerkannte Leistungen hervorzubringen, und nach Menschen, die weltoffen, leicht aufwühlbar und voll offen sich äußernder Teilnahme sind, ergreift einen Städter nach dem anderen und verführt ihn dazu, nach Wegen zu suchen, wieder in eine Stadt oder wenigstens wieder unter Städter zu kommen.

Zunächst muß der Städter den Eindruck ge- winnen, als wären die Landbewohner stumpf, teilnahmslos und hartherzig. Der Städter steht wie vor einer Mauer. Er läßt sich wohl um diese Mauer zu durchbrechen dazu hinreißen, allzusehr zu klagen und sein Heimweh allzusehr nach außen zu zeigen. Er versteht gar nicht, daß er statt Mitleid nur heftige Abwehr und noch größere Verschlossenheit weckt. Es ist nun Sache des Landlehrers, dem Städter klarzu- machen, daß diese Abwehr nicht Charakter- schwäche, nicht Gemeinschaftsunfähigkeit und nicht Ichsucht ist, sondern der Ausdruck einer von alters her gewohnten und erzogenen Haltung die jede Äußerung von Gefühlsregungen für unbeherrscht und unanständig hält. Nur einige wenige Gefühls- äußerungen sind in bestimmten Situationen, und dann eng begrenzt, erlaubt, ja sogar vorgeschrie- ben, wie z. B. die Äußerung des Schmerzes am Sarg oder am offenen Grab, das Weinen der Mutter, wenn die Braut aus dem Haus geht, das Zeigen der Rührung beim Liedersingen oder das Zeigen der ausgelassenen Freude beim gemein- samen Tanz.

Der Landlehrer, der lange genug auf dem Dorf gelebt hat, kennt diese Sitten und kennt

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diese Haltung. Er ist imstande, den Städtern, die ja über eine größere und geübtere psycho- logische Phantasie verfügen als die Dörfler, die seelische Zwangslage der Dorfbewohner klar- zumachen und zu zeigen, daß diese Einstellung und diese Haltung, die in der Tiefe alteingewur- zelt ist, eine heftige Abwehr, ja innere Ableh- nung und Ekel hervorrufen muß, wenn die Städ- ter ihre starken seelischen Regungen häufig bei klein erscheinenden Anlässen offen sichtbar werden lassen. Der Lehrer kann zeigen, daß man auf dem Lande nicht gefühllos und hart- herzig, nicht ichsüchtig und geizig ist, daß man aber von sich und damit auch von anderen, die Anspruch auf Achtung erheben, erwartet, daß man überall Haltung und Selbstbeherrschung behält, daß man die Affekte menschlicher Schwäche, menschlichen Mitfühlens und mensch- licher Freude zwar besitzt, daß man sich aber ge- wöhnt und erzogen hat, die den Affekten ursprüng- lich zugeordneten Reflexbewegungen zu unter- drücken. Es kommt dabei daraufan, zu verstehen, daß durch diese Unterdrückung der Außenbewe- gungen dieTiefe der Gefühlsregungen keineswegs schwindet, sondern sich in ihrer Wirksam- keit verstärkt. Der Landbewohner ist im Grunde eigentlich rührseliger als der Städter, d. h. er wird von sainen Gefühlen viel stärker aufgewühlt und viel dauerhafter eingenommen, obwohl oder gerade weil er sie nicht äußern kann. 8

Der Städler hat von Nat Interesse und eine große F dere Menschen einzudenken; keiten kann der Landlehrer bei tierten anknüpfen und sie anrufen.

Es kommt ja alles darauf an, daß der Land- bewohner im Dorf für den Umquartierten nicht mehr bloßes Gegenüber zunächst fremdes, feindliches Gegenüber bleibt, sonder? ZUR Mitmenschen wird. Der erste Schritt ist, #8 er den Landbewohner verstehen will, und kann ihn der Landlehrer auf den richtigen V bringen. Die Fremdheit, die gegenseitige feit liche Einstellung wird dabei immer wieč durchbrechen, besonders dann, wenn der Lar bewohner aus seiner Einstellung zur Arb heraus scharfe Kritik übt, besonders an ohne nützliche Tätigkeit herumspielenden Stat kindern. Der Städter setzt sich im allgemein? aur in Bewegung auf den persönlichen Anri hin, d. h. auf einen Befehl oder eine Bitte ein Hilfeersuchen. Beim Landbewohner dageg” hat sich der Reiz zur Arbeit mit den Ding” seiner immer gleichbleibenden Umgebung af" bunden. Die vielfache Tätigkeit des Bauern, die aber im Ablauf des Jahres immer wieder bäi misch gleiche Folgen und Abläufe zeigt, es möglich, daß der Acker nicht mehr ein E stück“ oder ein „Stück Landschaft” ist, sau ein „Arbeitsfeld“ wird. Der Acker T uft 145 Bestellung, der Kartoffelacker verlangt Hacken, die Pferde und Rinder stehen mit SE)

ein psychologisches keit, sich in an diese Fähig- en Umquar-

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mem Vorwurf in ihren Ställen, bis sie richtig gepflegt und versorgt sind; die reifende Frucht beim Wachsen und bei der Ernte, die geerntete Frucht auf dam Feld und im Haus, all das übt einen unabwehrbaren psychischen Zug auf alle Kräfte des Bauern aus, bis die richtige Arbeit geschehen ist. Für den Landbewohner, beson- ders für den Bauern, ist ein Mensch, der diesen Zug der Dinge, diesen Schrei seiner Umgebung nach Arbeit, der im Ablauf des Jahres ver- schieden stark und auch in verschiedener Rich- tung ertönt, nicht vernimmt, ein halber Mensch, ein Mensch, der entweder erst erzogen werden muß oder überhaupt unerziehbar ist. Ein Mensch, der den Arbeitsruf der ländlichen Umgebung nicht hört oder nicht mit Arbeit beantwortet, ist ihm psychologisch unverständlich. Eine richtige Bäuerin kann auch dann, wenn ihre Kräfte längst verbraucht sind und sie sich kaum mehr aufrecht halten kann, die Äcker nicht unbestellt lassen, sie wird sich lieber zu Tode arbeiten. Und ein Bauer, der getroffen von dem Arbeitsruf der ländlichen Umwelt sich, seine Kinder, sein Weib, die Knechte und Mägde, die Tagelöhner, auch die Alten, bis zur letzten Anspannung der Kräfte antreibt, folgt nur den psychologischen Gesetzen ländlichen, bäuerlichen Lebens. Kein Wunder, daß der Bauer unter Umständen auch schroff die nun aus der Stadt gekommenen Be- wohner seines Hauses mit einbezieht und den Arbeitsruf auch an sie mit der ihm eigenen Energie weitergibt. Die Empfindlichkeit des Städters, der Ermahnungen und schroffe Vorhal- tungen nicht vertragen kann, läßt daraus leicht einen unheilbaren Bruch, eine echte Feindschaft werden.

Der Lehrer ist imstande, diese psychische Nö- tigung zur dauernden Arbeit, unter der die Land- bevölkerung lebt, dem Städter wenigstens einigermaßen verständlich zu machen. Es ist unerläßlich, daß zunächst einmal der Städter in seiner psychologischen Phantasie den Ruf zur Arbeit versteht, der den Bauern in jene seelische Bedrängnis bringt. Zunächst haben ja die Gegenstände und Teilstücke der ländlichen Umgebung nicht die Möglichkeit, ihren Arbeits- ruf den Städtern vernehmbar zu machen. Der Städter ist aus seiner Heimat gerissen; die Dinge der Heimat in der Stadt hatten für ihn auch solche Anreize zur Arbeit geboten, doch be- schränken sich diese Rufe, die verdinglicht

. worden sind, auf die unmittelbare Umgebung

ı seines Arbeitsplatzes, während er im weiteren

: persönlichen Leben und in seiner Lebensgestal-

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tung nur dem persönlichen Ruf offensteht.

Ein wirkliches Miterleben jener Arbeitsrufe der ländlichen Welt wird der Städter erst dann erhalten, wenn er längere Zeit mitgearbeitet hat. Es muß also das kann wieder allein der Lehrer

i tun, der beide Teile psychologisch versteht ‚nach Möglichkeiten gesucht werden, bei denen

der Städter gern die Landarbeit mitmacht. Uber den Verstand und über die sich an den Verstand

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richtende Ermahnung allein ist der Städter nicht einzuspannen, da er den Arbeitsanruf der Dinge in der ländlichen Umgebung nicht vernimmt, da ihm die bäuerliche Arbeit und die Arbeits- bedrängnis der Bauern infolgedessen rätselhaft und beschränkt erscheint und weil ihm der in der Stadt sich über jede Tätigkeit erstreckende Lohn- und Bezahlungsgedanke die unmittelbare Beziehung zur Zielhaftigkeit und Sinnhaftigkeit richtiger Arbeit verbaut hat. Man kann dem Städter also nicht irgendwelche Gründe vor- stellen, weswegen er dem Bauern helfen soll oder weswegen er die Arbeit mit leisten soll, die draußen nötig ist. Solche Begründungen können nur in den Menschen selber wachsen, deswegen muß das Mittun voraus- gehen. Viele Lehrer, die sich für die Volks- gemeinschaft und für die Gemeinschaft ihres Dorfes verantwortlich fühlen, haben hier in gu- ter Einfühlung manche „Erfindungen” gemacht, die es den Städtern und den Landleuten er- möglichten, zur gemeinsamen Arbeit zu kom- men. Nur ein Beispiel soll kurz erzählt werden, das aber keineswegs als Muster gedacht ist, denn es gibt unendlich viele mögliche Lö- sungen dieser Aufgabe:

Eine junge Lehrerin hat außerhalb der Schule an einem Nachmittag der Woche regelmäßig die Kinder, die für Hitler-Jugend und BDM. noch zu jung sind, vereinigt. Sie hatte so viel Verständ- nis für das ländliche Leben, daß das bloße Spie- len und Spazierengehen nur eine ganz geringe Rolle dabei spielte. Die Kinder waren dauernd eifrig nutzvoll beschäftigt. Bald sammelten sie Heilkräuter, bald suchten sie Kartoffelkäfer oder andere Schädlinge, bald halfen sie den Bauern beim Heuen und beim Ernteeinbringen aller Art. Das machte den Kindern eine große Freude, so daß sie bald ihre älteren Geschwister mitbrach- ten. Heute kommen besonders die umquartierten Stadtkinder bis zu zwölf Jahren regelmäßig zu dieser fröhlichen gemeinsamen Arbeit. Die Kinder sprechen jetzt schon von „unserem“ Korn, „unseren“ Wiesen, „unseren“ Äckern, von „unseren“ Kartoffeln, von „unseren“ Äpfeln und Kirschen, d. h. sie sind in die Dorfgemeinschaft durch ihr Mittun und Mitsorgen hineingewach- sen und sie öffnen durch ihre freudigen Erzäh- lungen auch die Seelen der Eltern in der glei- chen Richtung. Wie gesagt, es gibt viele Mög- lichkeiten, ein solches Mittun und Mitsorgen der umquartierten Städter zu erreichen. Es wäre wichtig, wenn auch die Organisationen aller Art diesen Gedanken verfolgten und auch hier könnte der Landlehrer den Führern solcher Organisationen der Hitler-Jugend, der SA., der NSV. und anderen diese wichtigen Gedanken vermitteln.

~ Gemeinsame Arbeit in der Überwindung einer gemeinsam empfundenen Not und Notwendig- keit kann allein das Sichversiehen der einander von Anfang an so fremden Menschen hervor- rufen. Erst wenn solch freies, nicht erbetenes,

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aber erwartetes, nicht bezahltes, aber gern ver- goltenes Mittun und Mitsorgen in den umquar- tierten Städtern erwachsen ist, dann kann sich auch erst richtig das Mitdenken und Verstehen entwickeln. Und dann schließt sich bald das Band einer neugebildeten Gemein- schaft zwischen Landbewohnern und Städtern, das über aller Fremdheit und Ge-

gensätzlichkeit steht und sie mehr und mehr

zurücktreten läßt und schließlich überwinden hilft. Dann tritt aber der Fall ein, daß der Städter in solcher neuen Verbundenheit eine tiefe Be- friedigung und Befriedung findet, daß das Land anfängt, auch ihm, dem von zu Haus vertrie- benen Gast, zu einer Art vorübergehender Hei- mat zu werden.

Dann bedeutet seine Gegenwart im Dorf nicht mehr eine Belastung und eine immer neue Ver- führung zur Verstädterung, sondern dann erhebt sich aus solchem Zusammenwachsen mit den Städtern ein neues Selbstbewußtsein, eine neue Sicherheit, ein neues Vertrauen zum Wertund zur Wirklichkeit der Volksgemeinschaft bei Bauern und Landbewohnern.

Auf diese Weise ist gerade der Land-

lehrer der Mann, von dem es abhängt, ob die große Volksbewegung der Umquartierung zu einer vollständigen Zerstörung unserer länd- lichen Kultur und zur unaufhaltsamen Weiter- führung der Verstädterung oder zu einer Stär- kung und Festigung des bäuerlichen Selbst- bewußtseins aus dem Zusammentreffen mit andersartigen und doch rassisch verwandten Menschen führt. Der Landlehrer ist derjenige, der wegen seiner Kenntnis der seelischen Re- gungen in der Stadt und auf dem Lande zu einem Vermittler werden kann: unter seiner Führung kann überall im einzelnen Dorf aus der Umquartierung nicht nur ein Fortschreiten der Verstädterung vermieden werden, sondem ein Wiedereinleben der städtischen Menschen in ländliche, boden-, luft- und sonneverbundene Lebens- und Arbeitsweise erwachsen. Mit viel Verantwortlichkeit, mit großer Mühe und Auf- opferung arbeiten mitten in ihrer sonstigen Über- lastung Tausende von Landlehrern an dieser großen, für die Gesundheit unseres Volkes wich- tigen Aufgabe, damit aus dem schweren Schick- sal des Krieges und gerade aus seinen Wirkun- gen sich Wege auftun für neues, gesünderes Leben unseres Volkes.

Wir müssen uns das sehr dumme und verhängnisvolle Vor-

urteil abgewöhnen, als ob die Umkehr zur Ländlichkeit, zur

Natur Rückschritt bedeute. Das Heimfinden zur Natur ist viel-

mehr das Ziel unserer Zivilisation. Aus der tierischen Natur

heraus, in die menschliche Natur hinein, das ist die Straße der

rechten Kultur.

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PeterRosegger

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Landjahrmädel lernen weben (Bild oben) Bei der Erdbeerernte im Lagergarten (Bild rechts)

Das Landjahr ist das erste Jahr der bäuerlichen Be- rufsausbildung für ausge- lesene Jungen und Mädel

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Landjahr ist ein neuartiges, bahnbrechen- des Erziehungswerk des Reichserziehungs- ministers für die deutsche Jugend. Es arbeitet maßgeblich mit an einer Erziehung zur bäuer- lichen Lebenshaltung. Eine Auslese 14jähriger Jungen und Mädel wird durch allgemeinbildende Schulung und grundlegende Berufserziehung für Beruf und Leben ertüchtigt, der Junge für seine Aufgaben als bäuerlich-politischer Soldat, das Mädel für seine Aufgaben als Frau und Mutter. Das Landjahr unterstützt die Bemühungen des Berufserziehungswerkes des Reichsnährstandes, die landgeborene Jugend dem Landvolk zu er: halten und für seine führungsmäßigen Aufgaben als Bauer und Bäuerin vorzubereiten. Es macht die ländliche Jugend durch seine den ganzen Menschen formende lagermäßige Gemeinschafts- erziehung innerlich bereit und fähig, sich stolz und selbstbewußt im dörflichen Leben einzusetzen.

Die künftigen Träger einer im bäuerlichen Fühlen und Denken wurzelnden Weltanschau- ung werden am besten dort erzogen, wo die ursprünglichste Ordnung unseres völkischen Lebens den täglichen Erfahrungskreis der Jungen

und Mädel bildet, in der gesunden Dorfgemeinschaft. Daher sind neben der Erziehungsgemeinschaft des La- gers der Bauernhof und das Dorf die Erlebniswelt, die formend auf Jungen und Mädel, Führer und Führerinnen einwirkt. Durchschnittlich leben 60 Jungen oder Mädel mit drei Führern oder Führerinnen zusammen in einem schönen, schlichten Lagergebäude, Die Erziehungsarbeit erstreckt sich auf die vier Hauptgebiete nationalpolitische Schulung, praktische und vorberuf- liche Erziehung, Leibeserziehung und musische Erziehung. Am kulturellen Leben des Dorfes nimmt das Lager mit Musik, Spiel, Fest und Feier tätigen Anteil. Es hilft auch bei der Dorfbuch- arbeit. Die praktische Arbeit auf dem Bauernhof und im Lager wird den Jungen und Mädeln als erstes Jahr der Landarbeits- und ländlichen Haus- arbeitslehre angerechnet.

Landjahrjungen bei vormilitärischer Ausbildung Auch dem Dorfhand- werker wird geholfen

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Volkstanz, Musik und Spiel sollen das Dorf- gemeinschaftsleben berei- chern (Bild oben) Auf Großfahrt lernt die Land- jährjugend die Heimat kennen {Bild unten)

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FRIEDA HERBOLD:

Die Bedeutung der ländlich=hauswirtschaftlichen

Erziehung

IE Zeiten, in denen wir so ernst und schwer um die Zukunft unseres Volkes ringen, erhärten sich die Grundsätze der nationalsozialistischen Weltanschauung und lassen uns die Werte er- kennen, die als Fundamente unseres Lebens gelten: das Gebundensein des Einzelnen an das Volk, die Erhaltung und Mehrung desselben in einem ausreichenden Lebensraum und dadurch die Entfaltung seiner ihm innewohnenden Kräfte.

Diese Erkenntnis wird zum Maßstab unseres Denkens und Handelns und be- stimmt die Aufgabe der Frau. Sie verlangt von dem Mann den Kampf auf dem Schlachtfeld um die Freiheit unter Einsatz seines Lebens, ver- langt die schöpferische Gestaltung der Gegen- wart und macht die Frau als Mutter zur Hüterin des Lebens. In der Familie als sichtbarste und wertvollste Zelle, aus der sich das Volk erneuert, entfalten sich ihre natur- gegebenen Fähigkeiten. Sie formt ihre Um- gebung und erhält und pflegt in der Stille die inneren Werte, in denen die Kultur unseres Volkes liegt. Sie ist die Kameradin ihres Mannes und gibt ihm im Geborgensein der eigenen Häuslichkeit die Kraft zu allem Schaffen. Mit jedem Kinde, dem sie das Leben schenkt, ist ihr ein kostbares Gut anvertraut, es zu einem tapferen, einsatzbereiten Menschen zu erziehen und ihm die Lehre der nationalsozialistischen Idee in das Herz zu legen. So wird die heran- wachsende Generation immer entschei- dend von den Müttern geformt. Die Er- ziehung des Mädels für seine künftige Aufgabe als Frau und Mutter ist darum so notwendig, weil von ihm das Glück der Familie und damit das Wohlergehen des Volkes abhängt.

Es ist geradezu erforderlich, jetzt davon zu sprechen, wo die unerbittliche Härte des Krieges den Mädeln und Frauen die leergewor- denen Arbeitsplätze der Männer zuweist. Nicht allein die gesundheitlichen Schäden durch die andauernde Überbelastung sind eine Gefahr, sondern auch eineEntfremdung von den der Frau ureigensten Aufgabengebieten darf nicht über- sehen werden. Die Fehlentwicklung der letzten 50 Jahre schränkte bewußt die Kinderzahl ein

und ist mit eine der Ursachen, daß uns bei dem Aufbau von 1933 an die notwendigen Menschen fehlten. Daraus ergab sich, daß die Arbeits- leistung des Mädels und der Frau mehr und mehr in das tägliche Wirtschaftsleben mit ein- gebaut werden mußte und auch vorerst noch nicht zu entbehren ist.

Die Berufe, wie z. B. die Verkäuferinnen, die Stenotypistinnen, Buchhalterinnen usw. führen das Mädel bis zur Verheiratung außer in seiner freien Zeit an keine Hausarbeit, geschweige denn an die Haushaltsführung heran. Dieses hält es für selbstverständlich, einen Teil seines monatlichen Verdienstes nur für sich zu ver-

wenden und großzügig damit umzugehen. Nach

seiner Verheiratung aber soll das Einkommen des Mannes für beide und sogar für eine Zahl Kinder reichen. Dieses setzt voraus, daß die junge Frau sparsam wirtschaften kann, geht doch eine beträchtliche Höhe des Verdienstes des Mannes als Haushaltsgeld durch die Hand der Frau. Daran aber mangelt es, kann sie doch die in ihrem Beruf erworbenen Kenntnisse im Haus- halt nicht anwenden .

Die weitere Möglichkeit einer gesunden Ent- wicklung der Familie und die damit verbundene Aufgabe der Frau wurde in der Stadt geradezu abgeschnitten. Durch die Enge unseres Raumes gezwungen, mußten die Menschen, die auf dem Lande keinen Lebensunterhalt fanden, ihren Weg in die Industrie und in die Stadt nehmen. Die sich daraus notwendig ergebenden Woh- nungsbauten brachten die vielstöckigen Miets- kasernen. In der für eine Familie vorgesehenen Zwei- bis Dreizimmerwohnung aber wird das Aufgabengebiet der Frau derart beengt, daß sie nicht ausgefüllt sein kann. Sie kann nicht teil- nehmen an dem, was den Mann in seiner Arbeit beschäftigt, weil er morgens das Haus verläßt und erst abends zurückkommt. Ihre freie Zeit weiß sie oftmals durch den Mangel an häus- licher Ausbildung nicht zu nutzen; ist sie doch gewohnt, alles, was sie braucht, leichter und einfacher zu kaufen, als es selbst herzustellen. Dann ist es nicht verwunderlich, wenn sich ihre

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Fähigkeiten nicht entwickeln, weil die Mög- lichkeit einer gesunden und natürlichen Be- tätigung fehlt. Darin aber liegt keine kulturelle Leistung der Frau, wenn sie sich möglichst auf- fällig kleidet und zurechtmacht und oft das Kino und Theater besucht. Das, was wir unter Kultur verstehen, will aus dem Menschen her- auswachsen und geformt werden. In der zu kleinen Wohnung und in dem Genießenwollen ihres Lebens wird die Unzufriedenheit genährt, die leicht zu ständigen Auseinandersetzungen mit dem Manne führt und die Ehe gefährdet. Es sind dies mit die Gründe für die Kinderarmut so vieler Ehen in der Stadt.

Diese Feststellung muß zu der Folgerung führen, daß es lebensnotwendig für die Erhal- tung des Volkes ist, die Voraussetzungen für eine gesunde Entwicklung der Familie in der Stadt zu schaffen. Welches Glück würde es für die Familie, insbesondere für die Frau bedeuten, in einer ausreichend großen Wohnung zu wir- ken und gar in einem eigenen Garten arbeiten zu können. Auch volkswirtschaftlich betrachtet wäre es von weittragender Bedeutung. Als zweite Folgerung müßte die hauswirt- schaftliche Ertüchtigung des Mädels in den Vordergrund treten, ist doch die Haus- haltsführung eine Kunst, die eine gründliche Ausbildung verlangt. Danach erst dürfte sich das Mädel den übrigen Berufen zuwenden.

Obwohl auf dem Lande die naturgegebenen Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie und für die Aufgaben der Frau gegeben sind, müssen wir auch hier feststellen, daß die letz- ten Jahrzehnte der Bäuerin und Landfrau mehr Arbeit zumuteten, als sie ertragen konnte. Sie ist nicht nur die Mutter ihrer Kinder und nicht nur verantwortlich für die Führung ihres Haus- haltes, sondern nimmt mit ihrer Arbeit einen großen Anteil an der landwirtschaftlichen Er- zeugung. Die Pflichten gegenüber der Familie mußten zugunsten der Erhaltung des Hofes zurücktreten. Der Mangel an Arbeitskräften durch die Abwanderung in die Stadt, vor allem die geringe Einnahme der Landwirtschaft vor 1933 zwangen sie dazu, zuerst die Arbeit in Stall und Feld zu verrichten. Manches erleich- terte sich durch die Maschinen, die in der Außenarbeit eingesetzt wurden. Bis die An- schaffung einer arbeitserleichternden Maschine für den Haushalt möglich war, vergingen einige Jahre. In vielen Dörfern fehlt heute noch die Wasserleitung. Was ließe sich durch die Aus- nutzung der Elektrizität im Bauernhaus erleich- tern! Ja, es ist geradezu eine Forderung, zuerst dem Lande alle Möglichkeiten der Arbeits- erleichterung zu verschaffen. Allerdings muß auch gesagt werden, daß der Bauer nicht immer in der richtigen Weise die Arbeit im Haus ein- zuschätzen weiß. Im Winter könnte der Bäuerin die Arbeit im Stall abgenommen werden, wozu auch das Melken und Schweinefüttern gehört. Noch mehr aber wirkt sich die Uberbean-

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spruchung der Frau in Landschaften aus, in denen durch die Realteilung der Hof zersplittert wurde. Weil er keine Familie mehr ernähren konnte, mußte der Mann ein Handwerk ausüben oder zur Fabrik gehen. Der Frau aber fielen da- durch alle Feldarbeiten zu. Sie wurde die erste Arbeitskraft auf dem Hof und kam nicht mehr dazu, Bäuerin zu sein.

Seit Beginn des Krieges ist es eine Selbstver- ständlichkeit, daß die Bäuerin und Landfrau den Hof für den als Soldat eingerückten Mann weiterführt. Wenn das Landvolk bis heute die Forderungen der Erzeugungsschlacht erfüllte und ihnen auch weiter nachkommt, dann ist es mit in erster Linie der Bäuerin und Landfrau zu verdanken. Durch ihrer Hände Arbeit trägt sie dazu bei, daß sich die Schweinebestände ver- mehren, die Milchleistungen steigern und die Hackfruchtanbaufläche vergrößert wird. Es ist ein Zeichen für ihre stille Pflichterfüllung, die keine Rücksicht auf sich selber kennt und ihr den ersten Platz in der Arbeitsleistung der Frau im Kriege zuspricht. Ernste gesundheitliche Schäden konnten bei dieser andauernden Uber- belastung nicht ausblefben. Manche Bäuerin ist dadurch nicht mehr in der Lage, Mutter vieler Kinder zu sein.

Die ernährungswirtschaftlichen Forderungen, die im Kriege an erster Stelle stehen, und die täglichen Schwierigkeiten und Sorgen in der Führung des Hofes können ihr leicht den Aus- blick auf ihre wirkliche Aufgabe nehmen. Darum müssen wir sie jetzt besonders in den Vordergrund stellen, damit die Bäuerin den Glauben an die bäuerliche Zukunft nicht ver- liert und aus ihm den Mut und die Kraft für den Alltag findet.

Der Bauernhof ist die Heimat, die durch generationenlange Arbeit und steten Kampf den Menschen fest verwurzelt und ihn daran er- innert, daß er ein Glied der unendlichen Kette seines Geschlechtes ist. Aus der Arbeit, die ge- bunden ist an den Ablauf des Jahres, wächst die Ganzheit des Bauernlebens und formt Ge- setz, Recht und Glauben in Sitte und Brauch. Der Bauer sieht in der Erhaltung und Mehrung des Hofes seine Lebensaufgabe. Die Bäuerin steht ihm als Kameradin zur Seite. Es gibt keine Sorge, die sie nicht auch bewegt, und keine Freude, die sie nicht mit ihm teilt. Sie ist die Mutter einer gesunden Kinderschar, in der ihrer beider Glück ruht, sie ist die Seele des Hofes. Von ihrem Wesen wird der Geist des Hauses und der Hofgemeinschaft getragen. In der frohen Pflichterfüllung ihres Tagewerkes macht sie allein die Arbeit leicht und gibt dem Feier- abend die Ruhe und Entspannung und den Feier- und Festtagen ihren Glanz. Ihren Fähig- keiten ist keine Grenze gesetzt, und indem sie sich ihrer Aufgabe unterordnet, wächst sie zur Persönlichkeit. Von ihrer Tüchtigkeit und Um- sicht im Haus, Stall, Garten und auch im Feld hängt mit der Erfolg des Hofes ab.

Welche Werte schafft sie durch Spinnen und Weben, Stricken, Sticken und Nähen. Sind nicht in vielen Bauernhäusern die Truhen voller Leinen und Stickereien Zeugnis ihres Fleißesl Eine Fülle von Aufgaben drängen sich bei ihr zusammen und wollen wohlgeordnet und ge- plant sein. Sagt nicht ein Sprichwort aus der jahrhundertelangen bäuerlichen Erfahrung, daß ein Hof eher einen schlechten Bauern ertragen kann als eine schlechte Bäuerin? Wenn wir es emst mit der Erkenntnis meinen, daß das Höchste, was sich auf dieser Welt erreichen läßt, ein Leben voller Arbeit und Pflichterfüllung ist, dann kann sie es von sich sagen. Wir sehen in dem Lebenskreis der Bäuerin die schönste Auf- gabe der Frau, in der sich ihre Fähigkeiten und Anlagen entfalten und sie dem Volk am meisten dienen kann. |

Zu diesem wahrhaften Dienst am Leben unseres Volkes, Mutter einer gesunden Kinder- schar und Trägerin einer arteigenen Kultur zu sein, kann sie aber nur gelangen, wenn sie rein arbeitsmäßig eine Entlastung erfährt. Die Zu- kunft des Bauerntums und damit unser Schicksal hängt davon ab und ist in die Hand der Bäuerin gelegt. Sie darf darum nicht aus ihrer augenblicklichen Lage heraus zu der Ansicht kommen, daß ihre heranwachsenden Kinder, und hier vor allem ihre Töchter, einen leichteren Alltag als sie haben sollen, denn mit jeder Kraft, die sich vom Land abwendet, vergrößert sich nicht nur ihre Arbeitslast, sondern es würde auch den Rückgang des Bauerntums be- deuten. Vielmehr muß sie als Lehrfrau mit dazu beitragen, daß unsere Mädel eine ord- nungsgemäße Ausbildung erfahren. Je gründ- licher das Mädel für seine künftige Arbeit als Bäuerin angeleitet wird, um so leichter wird es später seiner Aufgabe nachkommen. Esistdarum so unverständlich, wie oft noch die Meinung besteht, daß eine ordnungsgemäße Lehre für alle Berufe erforderlich sei, nur für die umfang- reiche Arbeit auf dem Lande nicht für notwendig gehalten wird. Gewiß wächst unser Landmädel von klein auf in das Leben auf dem Hofe hinein, verrichtet bald nach ihren Kräften von Jahr zu Jahr größere Arbeiten, in denen es von der Mutter zur Ausdauer, zur Verantwortung und zum selbständigen Handeln angelernt wird. Hat es die Schule verlassen, so stellt es schon eine willkommene und wertvolle Hilfe dar.

Allein die beste Ausbildung der Mutter wird nicht annähernd in der Entwicklung des jungen Mädels das erreichen, was ihm die Fremd- lehre in dem Kennenlernen anderer Arbeits- weisen und der Formung seines Wesens und seiner Selbständigkeit zu geben vermag. Sie ist durch nichts zu ersetzen und wird ihm später das Anordnen und planmäßige Einteilen der Arbeiten erleichtern. So manche Bäuerin würde auch heute ihre Arbeit besser meistern, wäre auch in ihrer Jugend auf eine gründlichere Ausbildung Wert gelegt worden. Jetzt, wo die Bäuerin die Sorge um die Söhne an der Front

hat, fällt es ihr besonders schwer, die Tochter abzugeben, da sie meistens ihre einzige deutsche Hilfe ist. Der Landjugendaustausch ist ein Weg, der gleichzeitig zwei Mädeln die Fremd- lehre ermöglicht und der Bäuerin an Stelle ihrer Tochter ein anderes Mädel zurückgibt.

Der Lehrfrau liegt es ob, für eine gewissen- hafte Anleitung des Mädels bei allen Arbeiten in Stall, Garten und Haus zu sorgen. Sie wird durch den Besuch der Berufs- und Fach- schule ergänzt und vertieft. Die Webschule ist aber besonders zu erwähnen, lernt doch hier das Mädel die bäuerlichen Handfertigkeiten, die wieder im Bauernhaus gepflegt werden sollen. So übt sich das Mädel in allen Aufgaben- gebieten, die es später einmal zu übernehmen hat. Nach Abschluß der Hauswirtschaftslehre aber wird es der Bäuerin eine wertvolle Hilfe sein, die ihr meistens heute noch fehlt.

Die Erziehung, die das Mädel vom 10. bis 21. Lebensjahr im Mädelbund erhält, gibt ihm die weltanschaulich-politische Ausrichtung. Vor allem im BDM.-Werk „Glaube und Schön- heit“ lernt es die Gestaltung des bäuerlichen Lebens nach den Grundsätzen der national- sozialistischen Idee. Ganz besonders wichtig ist die körperliche Ertüchtigung. Die Freude an der Bewegung, die ihm durch die Leibeserziehung gegeben wird, läßt ihm die tägliche Arbeit leich- ter werden und fördert seine Gesundheit. Nur gesunde, weltanschaulich-politisch klar aus- gerichtete und beruflich gründlichst ausgebil- dete Mädel werden später die Aufgaben als künftige Bäuerinnen erfüllen können. Durch sie werden im Osten auf neuen Höfen Pflegestätten deutschen Wesens geschaffen.

Darum ist die bäuerliche Erziehung und Aus- bildung des Mädels im Hinblick auf die beson- deren Aufgaben des Bauerntums im Volksganzen notwendig und eine höchst politische Aufgabe. Ihr sollen nicht nur die auf dem Lande gebore- nen Mädel zugeführt werden, sondern auch die gesunden Kräfte der Stadt. Die Hitler-Jugend hat sich diese große Aufgabe gestellt, wendet sie sich doch im Landdienst an die besten Jungen und Mädel, um sie von der Stadt zum Lande zurückzuführen, und spricht damit am eindeutigsten ihr Bekenntnis zum Bauerntum und zum Osten aus. Die Lagergemeinschaft er- leichtert dem Mädel das Einleben, und in den abendlichen Schulungsstunden lernt dieses seine Umgebung immer mehr verstehen, so daß es mit frohem Mut seiner Arbeit tagsüber auf dem Bauernhof nachkommt. Wenn dann die Bäuerin als Lehrfrau das Landdienstmädel in der rechten Weise in die Arbeit einführt und aus der Freude und der eigenen Überzeugung vom Wert der Bauernarbeit die Richtigkeit seines ein- geschlagenen Weges bestätigt, wird es gar bald in seinen neuen Lebenskreis hineinwachsen.

Mit den Mädeln, die ihr Pflichtjahr auf dem Lande verbringen, muß die Bäuerin es auch

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so halten. An ihr wird es mit liegen, ob sich das Mädel bei ihr wohlfühlt. Wie viele von ihnen können dadurch für das Land gewonnen werden! Im weiblichen Arbeitsdienst, der die Er- ziehung des Mädels in der nationalsozialisti- schen Weltanschauung vertieft, lernen die Mädel durch den Einsatz auf dem Bauernhof die Achtung vor der Landarbeit. Die Zeit aber bei „ihrem Bauern“ wird die Arbeitsmaid so leicht nicht vergessen. Wenn sie nachher auch meistens wieder der Ausübung ihres gelernten Berufes nachgeht, wird die bäuerliche Arbeit nicht ohne Einwirkung auf sie geblieben sein.

In den meisten Fällen sind es die Eltern, die es verhindern, daß ihre Kinder durch die bäuerliche Berufsausbildung zum Lande zurück- finden. Mag das Schicksal der deutschen Städte unter dem Bombenterror hart sein, so bringt es doch eines mit sich, daß viele Frauen und Kin- der durch die Aufnahme in den Dörfern wieder mit den lebendigen Kräften der Natur in Ver- bindung gebracht werden. Sicher liegt es auch an dem Entgegenkommen der Familien auf dem Lande, den Frauen die Umstellung von der Stadt aufs Land nicht so schwer zu machen. Bei vielen jedoch zeigt die Erfahrung, daß sie mit dem Leben auf dem Dorf nichts mehr anzufangen wissen, weil in ihnen das Gefühl für die leben- dige und gesunde Umgebung und Arbeit ver- lorengegangen ist.

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Anders ist es mit den Kindern. Sie ge- wöhnen sich bald ein und fühlen sich hier wie zu Hause. Wie stolz sind sie, auf dem Bauernhof Bescheid zu wissen, und wie gern gehen sie mit auf das Feld. Dieser Aufenthalt auf dem Lande wird für viele entscheidend für ihr Leben werden. Die Jugend muß und wird es sein, die sich lossagt von dem Besserhabenwollen einer alten Welt, die den Kampf bejaht und in der Pflichterfüllung und größeren Verantwortung für die Gemeinschaft ihre Kräfte einsetzt, so wie für uns Mädel als erstrebenswertes Ziel das Leben der Bäuerin vor uns steht.

Wenn wir erkennen, daß die Zukunft unseres Volkes in gesunden, kinderreichen Familien liegt und seine Grundlage durch ein starkes Bauerntum erhält, dann müssen wir auch alles daransetzen, die Voraussetzungen zu schaffen, die eine glückliche Entwicklung der Familie und des Bauerntums mit sich bringt. Zu diesen Voraussetzungen gehört dann wohl als erstes: die Erziehung des Mädels seinen naturgegebenen Anlagen entsprechend für seine künftige Auf- gabe als Frau und Mutter, wie wir sie ihm in der ländlich-hauswirtschaftlichen Ausbildung geben, denn wie die Mutter ist, wird die Familie sein. Das Leben der Familie aber bestimmt die Kultur, Kraft und Größe unseres Volkes.

Auseinandersetzungen um die künftige Gestaltung nationaler Wirtschaftsbeziehungen nehmen heute zeitweise In der anglo-amerikanischen Öffentlichkeit kaum einen geringeren Raum ein als die Erörterung militärischer Fragen. Soweit de von den treibenden Kräften des anglo-amerikanischen Imperialismus ge- führt werden, lassen sie immer wieder das hemmungs- lose Bestreben erkennen, den Wirtschaftsbedarf der Welt mit den Machtmitteln der Politik den jüdisch- kapitalistischen Profſtinteressen des Anglo-Ameri- kanismus dienstbar zu machen. Dabei hat sich mehr und mehr das Schwergewicht nach USA, verlegt, was bereits jetzt auch in England beginnt unangenehm empfunden zu werden. Die Anfänge dieser Entwick- lung liegen weit zurück. Sie waren bereits unmittelbar nach Abschluß des ersten Weltkrieges vor mehr als zwei Jahrzehnten deutlich erkennbar. Aufschluß- reiche Erkenntnisse hierüber hat kürzlich der frühere Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium Dr. Trendelenburg in einer Arbeit „Amerika und Eu- ropa In der Weitwirtschaftspolitik des Zeltabschnittes der Wirtschaftskonferenzen‘“ veröffentlicht. In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg war England in

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der irrigen Meinung, daß es selbst nur gewinnen könne, wenn Deutschland niedergehalten werde. Unter Mitwirkung der Vereinigten Staaten und Frankreich war es dahin einig, den Kampf gegen Deutschland als Wirtschaftskrieg und insbesondere als Kampf um die militärischen Kosten des ersten Weltkrieges fortzusetzen. Durch eine weltwirtschaft- lich nicht realisierbare Tributlast sollte Deutschland nledergehalten und zu Zahlungen gezwungen werden, mit denen man dem amerikanischen Übergewicht entgegenzuwirken und Deutschland insbesondere die Last der Kriegsschulden an Amerika aufzubürden hoffte. Dabei verkannte man völlig, daß Deutschland das wirtschaftliche Kerngebiet des europäischen Kon- tinents bildete, dessen Niederhaltung und Überlastung eine entsprechende Schwächung der gesamten euro- päischen weltwirtschaftlichen Haltung zur Folge haben mußte. England unterließ es, Europa planmäßig zu enger Zusammenarbeit und erhöhter Leistung sowie zu gemeinsamer Gegenwirkung gegen die weltwirt- schaftsfeindliche Haltung Amerikas zu ordnen. Nur dadurch aber hätte es Verlorenes zurückgewinnen können. Statt dessen stieß England durch die Fort-

*

setzung des Wirtschaftskrieges gegen Deutschland Europa in eine chaotische Entwicklung. Es Ist eine besondere Tragik und ein Zeichen der Kurzsichtigkeit der deutschen Außenhandelspolitik unter dem Wei- marer System, daB auch in Deutschland die tatsäch- liche Lage völlig verkannt wurde. Der Leidtragende dieser fehlerhaften Politik war in erster Linie die deutsche Landwirtschaft, deren national-wirtschaftlich eingestellte Kreise damals vergeblich gegen ein handelspolitisches System ankämpften, das durch die fehlerhafte Einschätzung der Meistbe- günstigungsklausel In der Handelspolitik gekenn- zeichnet war. Trendelenburg, der damals selbst an verantwortlicher Stelle mitarbeitete, bezeichnet es als tragisch für das europäische Wirtschaftsschicksal, da8 Deutschland am 8. Dezember 1923 mit USA. einen zehnjährigen Meistbegünstigungsvertrag ab- schloß, durch den nicht nur Deutschland selbst, son- dern auch der europäische Kontinent für zehn Jahre die handelspolitische Bewegungsfreiheit gegenüber USA. verlor. Die handelspolitische Entwicklung be- sonders auf landwirtschaftlichem Gebiet wurde in dieser Zeit geradezu zum Schulbeispiel dafür, wie im Zeichen des Liberalismus ein solcher auf die Förde- rung des. wechselseitigen Verkehrs bedachter Ver- tragsabschluß ins Gegenteil verkehrt werden kann. Deutschland ermäßigte unter dem Druck der libe- ralen Wirtschaftskreise zahlreiche Positionen seines Zollsystems und machte dadurch seinen Handels- vertrag mit USA. zu einem für den anderen Partner wirklich nutzbringendem Instrument. USA. jedoch dachte gar nicht daran, sein Zollsystem durch Einzel- zugeständnisse abzubauen, sondern arbeitete unter ständig steigenden hohen Schutzzöllen am Aufbau einer gewaltigen industriellen Autarkie, so daß der Meistbegünstigungsvertrag für Deutschland nahezu wertlos wurde. USA. mißbrauchte also die Meist- begünstigungsklausel zur einseitigen Förderung seiner eigenen Wirtschaft, indem es diese Absatzmärkte auf Kosten der europäischen Liefermöglichkeiten zu sichern suchte.

Es erscheint gerade im jetzigen Augenblick ange- bracht, auf diese Dinge einmal hinzuweisen, denn auch heute geht die USA.-Handelspolitik, wenn auch mit teilweise anderen Mitteln, im Grunde denselben Weg. Nur richtet sich diesmal die Spitze nicht nur gegen Kontinentaleuropa, das man schon jetzt glaubt sich als Absarzgebiet ohne irgendwelche Hemmungen nutzbar zu machen. Dafür bekommt aber der englische Verbündete schon jetzt im Augenblick des Höhe- punktes der militärischen Entscheidung die wahren Absichten seines Partners recht deutlich zu spüren. Infolgedessen mehren sich die besorgten Stimmen in England, die ernsthafte Einwendungen gegen die hemmungslosen Ausdehnungsbestrebungen durch die USA. erheben. |

jeder gesunden Entwicklung stehen insbesondere die Absichten der USA.-Agrarpolitik in Kontinental- europa entgegen. Hier will man nicht mehr oder weniger als die Aufgabe des Getreidebaues, an dessen Stelle die Beschäftigung mit Spezialkulturen treten soll. Mit diesen Forderungen glaubt man wohl zwei Ziele gleichzeitig zu erreichen: einmal die Eroberung

eines neuen Feldes für die Getreidespekulation, zum anderen die Beseitigung der Voraussetzungen für irgendwelche politische Freiheit des europäischen Kontinents. Es ist bezeichnend, daß der englische Landwirtschaftsminister selbst für die englische Landwirtschaft diesen Bestrebungen der USA. nach- gibt. im Gegensatz zu früheren Erklärungen hat er es kürzlich abgelehnt, irgendwelche Zusicherungen für spätere Schutzmaßnahmen zugunsten der eng- lischen Landwirtschaft zu machen, die er vielmehr ausschließlich auf die Entwicklung der Selbsthilfe verweist. Bezeichnend ist demgegenüber eine er- heblich andere Agrarpolitik in USA. selbst. Dort ist die amerikanische Landwirtschaft infolge des poli- tischen Einflusses des Farmertums zu einem äußerst teuer arbeitenden Sektor der USA.-Wirtschaft ge- worden, da die die Lebenskosten verteuernden Ten- denzen sich heute stark gefestigt haben. Nach den Feststellungen amerikanischer Berichte muß dort das Volk heute dem Farmer beträchtliche Opfer bringen, die sich auch nach Kriegsende trotz aller Mechani- sierung fortsetzen dürften. Diese Berichte verkennen allerdings, daß die teueren Lebenshaltungskosten in USA, keineswegs dem Farmer zugute kommen, da ganz erhebliche Summen dem zwischengeschalteten Spekulantentum zufließen. Die des europäischen Kontinents, die im letzten Jahr- zehnt die Vorteile der von der nationalsozialistk- schen Agrarpolitik verfochtenen Idee der Marktord- nung schätzen gelernt haben, werden sich gegen diese Versuche zur Wehr setzen. Das gilt um so mehr, als die von Herbert Backe vertretene Auffassung einer gesunden Arbeitsteilung Innerhalb des europäischen Großraums überaus gesunde Möglichkeiten einer organischen Entwicklung ihrer natürlichen Produk- tlonsgrundlagen gibt.

Zu diesen Fragen einer gesunden europäischen Arbeitsteilung hat Reichsminister Backe kürzlich vor geladenen Gästen des Reichskommissars der Nieder- lande, unter denen sich vor allem zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Landwirtschaft und Industrie befanden, Stellung genommen. Im Rahmen der Richtlinien für die künftige Wirtschaftspolitik im europäischen Raum zeigte er, wie die liberalistisch - weltwirtschaftliche Arbeitsteilung nicht deshalb zusammengebrochen Ist, well die wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten falsch waren, sondern well ihr eine zentrale Ordnung fehlte. Dies lag im Prinzip des Liberalismus begründet, der weder eine Bindung der einzelnen Mitglieder an Grundsätze einer lebensnahen Wirtschaftsordnung, noch eine zentrale Führung kannte, die sich für das Wohl und Wehe der einzelnen Völker und ihrer An- gehörigen verantwortlich fühlte. Demgegenüber be- rücksichtigt das deutsche Ordnungsprinzip im euro- päischen Raum aus seinem Verantwortungsgefühl für Gesamteuropadienatürlichen Produktionsbedingungen und die nationalen Eigenkräfte der einzelnen Volks- wirtschaften. Auch für die Großraumwirtschaft, die sich heute im europäischen Lebensraum anbahnt, giit das Gesetz, daß der vorhandene Bedarf durch eine möglichst große Erzeugung beimöglichstgeringem Einsatz von Erzeugungsmitteln gedeckt werden muß. Dies Ziel aber ist ohne eine Arbeitsteilung zwischen

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309

Landwirtschaften

den Mitgliedern der europäischen Lebensraum- gemeinschaft gar nicht zu erreichen. Deutschland hat durch die Tat bewiesen, daß es gewillt ist, auf der Grundlage einer klaren Ordnung innerhalb des Groß- raumes Europa und unter Berücksichtigung der be- sonderen Wirtschaftsbedingungen und Erzeugungs- möglichkeiten der einzelnen europäischen Länder, eine klare, geordnete und damit sicherlich erfolg- reiche Arbeitsteilung aufzubauen, die allein sich zum Wohle der europäischen Gesamtheit auswirken kann. Ausgehen muB der Aufbau einer europäischen Groß- raumwirtschaft von der Überlegung, daß der Bedarf der Völker das Primäre zu sein hat und daß dieser Bedarf auf die sinnvollste und einfachste Weise ge- deckt werden muß zum Wohle der einzelnen euro- päischen Nationen und des europäischen Menschen überhaupt. Daraus ergibt sich wieder, daß die Wirt- schaft als Dienerin der Politik nur dann sinnvoll. ge- staltet werden kann, wenn sie in einer festen, klar umrissenen Bindung an die politischen Erfordernisse gestaltet wird. Besonders eingehend befaßte sich Reichsminister Backe mit der Umstellung der nieder- landischen Landwirtschaft im Kriege, die erfreuliche Erfolge ergeben hat. Er ließ keinen Zweifei darüber, daß auch für alle Zukunft der Charakter der Vered- Iungswirtschaft in der niederländischen Landwirtschaft gewahrt bleibt, anderenfalls besteht Gefahr, daß ein Teil der niederländischen Bauern verarmt und andere ihre Scholle verlassen müssen, um den Zurückblei- benden die Basis für eine extensiver betriebene Land- wirtschaft zu geben. Eine solche Entwicklung würde aber auch für die kontinental-europäische Ernährungs- wirtschaft groBe Gefahren auslösen, obliegt der nieder- ländischen Landwirtschaft doch die Aufgabe, wesent- lich zur Versorgung der westeuropäischen Industrie- bevölkerung beizutragen. Deshalb war es notwendig, die Kenntnisse, Erfahrungen und Leistungen der niederländischen Landwirte voll zu nutzen und ihnen im Rahmen des Möglichen bei der Entwicklung von Spezialkulturen die notwendige Bewegungsfreiheit zu lassen. Deshalb blieben auch der Biumenzwiebel- anbau, Baumschulen, Biumenzüchtereien usw. in ihrem Kern erhalten, während man bei den Vieh- und Geflügelbeständen den Bestand des wertvollen Zuchtmaterials sicherte. Die erfolgreiche Umstellung der niederländischen Landwirtschaft führte innerhalb von 3 jahren zu einer Ausdehnung der Ackerfläche um rund 180000 ha. Der Brotgetreideanbau wurde um 25 vH., der Kartoffelanbau um 71 vH., der Ölsaaten- anbau sogar um 1700 vH. ausgeweitet. Der Viehbestand wurde der vorhandenen Futterfläche angepaßt. Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, wie gut diese Umstellung gelungen ist. Der erzielte Erfolg Ist aber nicht zuletzt das Verdienst des niederländischen Bauern, der einmal seine große Aufgabe erkennend verantwortungsbewußt an die gewünschte Um- stellung ging. Gerade hierin liegt ein erfreulicher Beweis dafür, daB durchaus praktische Voraus- setzungen für die Verwirklichung einer europäischen Arbeitsteilung gegeben sind. Hierin liegt auch der stärkste Garant dafür, daß die feindlichen Blockade- hoffnungen auch in Zukunft nicht in Erfüllung gehen werden. Mit dieser Frage beschäftigte sich Herbert

310

Backe kürzlich in einer Rundfunkrede, in der er zu den alljährlichen Diskussionen über den vorus- sichtlichen Ernteausfall und zu den Befürchtungen über die Folgen des durch die augenblickliche Front- lage bedingten Raumverlusts für unsere Ernährungs- wirtschaft Stellung nahm. Er will die ernährungswirt- schaftliche Bedeutung der Einbußen In Ölen weder ` übertreiben noch unterschätzen. Hierbei ist aus- schlaggebend, daß wir die tatsächliche Leistung der Ostgebiete niemals überschätzt haben. Auf der anderen Seite soll keineswegs übersehen werden, daß die Leistungen des Ostens in den beiden ersten Jahren der Besetzung den Ausgleich für die verhältnismäßig schlechten eigenen Ernten der Jahre 1940 bis 1942 gegeben haben. Abschließend zu dieser Frage stellte der Reichsminister fest, daß durch den Ausfall der Gebiete im Osten auf einzelnen Gebieten beabsich- tigte Rationserhöhungen fallengelassen werden muß- ten, daß auf der anderen Seite aber ein einschneldender Einbruch in unsere bestehenden Ernährungsverhält- nisse durch die Ereignisse im Osten nicht erfolgt ist. Dies ist der Tatsache zu verdanken, daß es gelungen ist, die Leistungsfähigkeit der heimischen Landwirt- schaft trotz aller Schwierigkeiten, die die Länge des Krieges nun einmal in der Versorgung mit Arbeits- kräften und Betriebsmitteln mit sich bringt, voll und ganz aufrechterhalten zu haben. Stets muß des- halb der Grundsatz gelten, daß der Schwerpunkt der Versorgung unseres Volkes mit Nahrungsmitteln bei uns selbst und unserer eigenen Erzeugung liegt. Das gilt selbstversttändlich erst recht heute und muß auch In Zukunft gelten: Mögen die Räume, die uns im Osten zur Verfügung stehen, einmal wieder noch so groß sein, wir können es uns niemals leisten, un- sere heimische Erzeugung zu vernachlässigen. Das ist schon allein aus Transportgründen völlig unmöglich. Man kann nicht beliebige Massen von Nahrungsmitteln auf weiteste Entfernungen aus dem Osten in die Hauptverbrauchergebiete Mittel- und Westeuropas bringen. Dies wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, daß allein von der Getreide- und Kartoffel- erzeugung des europäischen Festlandes 40 vH. im Grob- deutschen Reich gewonnen werden. Die Aufgabe des näheren und weiteren Ostens wird immer nur die eine sein, die Spitzenfehlbeträge, die in der Ernährungs- bilanz Deutschlands und Festlandeuropas offen sind, abzudecken, insbesondere durch Lieferungen von Futtergetreide und Ölsaaten. Das Ausland irrt, wenn es irgendwelche zur Zeit fehlende Einfuhrmöglich- keiten für maßgebend ansieht. Nur von diesem Stand- punkt aus Ist ein Ausblick auf die zukünftige Ent- wicklung unserer Ernährungswirtschaft möglich. Klima und Bodenverhältnisse unseres Raumes sind so viel- gestaltig, daß schlechte Ernten bei allen Kulturarten und in allen Teilen des Reiches ausgeschlossen sind. in der richtigen Ausnutzung der natürlichen Grund- lagen unserer Landwirtschaft liegt die Stärke der natlonalsozialistischen Agrarpolitik des Reiches, Wah- rend beim Gegner trotz der viel größeren natürlichen Möglichkeiten Infolge falscher oder fehlender wirt- schaftlicher Grundsätze immer wieder Schwierigkeiten auftauchen, die sich in der eingangs erwähnten Dis- kussion widerspiegeln. Dr. Kurt Haußmann

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Kandbemerkungen

Umstellung der Schweinehaltung

im Frieden wurden im Deutschen Reich annähernd genau so viel Schweine gewerblich für den städtischen Verzehr geschlachtet wie für den Hausbedarf des Bauern. Die Zahl der Schlachtungen deckte sich etwa mit dem jahresdurchschnittsbestand, so daß ein Schwein im Jahr Im Durchschnitt etwa einmal um- gesetzt wurde. Das Durchschnittsschwein erreichte somit ein Lebensalter von etwa zwölf Monaten. Der Krieg stellte die deutsche Fleischwirtschaft vor das Problem, die Wehrmacht, den Bauern und die Zivil- bevölkerung mit Fleisch zu versorgen. In allen euro- päischen Ländern hatte sich schon im ersten Weltkrieg gezeigt, daß das Schweinefleisch vorwiegend auf dem Lande verzehrt wird. Die Städte wurden im Verlauf des Krieges zunehmend auf Rindfleisch verwiesen, sofern nicht etwa, wie in England, Schweinefleisch in sehr großen Mengen aus Importen anfiel. Es hatte dies zur Folge, daB dem Bauern ein Fleisch von höherem Nährwert zur Verfügung stand als dem Städter.

Im zweiten Weltkrieg mußte zunächst won der Tat- sache ausgegangen werden, daß das Hausschlachtungs- schwein mit verhältnismäßig billigem wirtschafts- eigenem Futter und mit sehr viel Hausabfällen ge- füttert wird. Eine Ausschaltung der Hausschlachtung konnte deshalb von vornherein nicht angestrebt werden. Doch mußte die kriegsmäßige Verteilung des Anfalls daraus die richtigen Lehren ziehen. Die An- rechnung der Hausschlachtung wurde gegenüber dem ersten Weltkrieg erheblich verschärft. Selbstversorger mit Schlachtfetten erhalten je Woche aus Fettkarten nur 100 g Butter und Butterschmalz. während der Normalverbraucher derzeit 218 g Fett erhält, davon 125 g Butter. Der Schwerarbeiter erhält zusätzlich hierzu 100 g Fett, der Schwerstarbeiter 369 g je Woche. Schwer- und Schwerstarbeiter erhalten auf Karten 219 bzw. 488 g Fett mehr als der Selbstver- sorger, und dieser letztere muß seinen Mehrbedarf an Fett dem selbstgeschlachteten Schwein entnehmen, das den Selbstversorger leistungsgemäß mit Fett und mit Fleisch versorgt.

Die Lösung Ist in jeder Hinsicht sozial gerecht, doch bedingte sie die Aufrechterhaltung der Hausschlach- tungen etwa in friedensmäßigem Umfange, und das Absinken der Schweinebestände mußte zu Lasten des städtischen Verbrauchs gehen. Das für Schweine ver- fügbare Futter sank nun aber in einem stärkeren Ver- hälcnis ab als die Stückzahl der Schweine. Deshalb entfielen je Stück des Bestandes nur 87% der friedens- mäßig verfügbaren Stärkewerte. Zur Erreichung der Schlachtreife brauchte das Schwein des Durchschnitts- bestandes eine entsprechend größere Anzahl von Monaten, und die gewerbliche Frühmast mußte stärker beschnitten werden als die Spätmast im Hausschlach- tungsverfahren. Zudem ermöglicht es der langsamere Umschlag, mit einem relativ geringen Zuchtbestand auszukommen. Der Futterverbrauch je Doppeizentner erzeugtes Schlachtgewicht stieg um 14%. Dafür aber erbringt das Hausschlachtungsschwein mit seinem

höheren Fettgehalt je Gewichtseinheit eine höhere Nährwertmenge, und das scheinbare Absinken der Rentabilität wurde hierdurch bis auf einen belang- losen Rest kompensiert. Die deutsche Schweine- haltung hat im Krieg eine Umstellung vorgenommen, die die nationale nährwertmäßige Ergiebigkeit der Schweinehaltung aufrechterhält und auch sonst in jeder Hinsicht sich als zweckmäßig herausstellt.

Walter Hahn

Europäische oder anglo- amerikanische Ernährungspraktik ?

Die amerikanische Zeitschrift „Corn Trade News“ vom A März 1944 referiert über. eine Arbeit von J. N. Richter vom US-Office of agriculture relation in „Foreign agriculture“ über die deutsche Ernährung. Der Verfasser errechnet für die deutsche Bevölkerung, Wehrmacht und Ausländer inbegriffen, für 1942/43 einen Tageskopfverzehr von 2650 Kalorien. Für 1943/44 werde der Verzehr bel 2100 Kalorien liegen. Sollten die 20% bäuerliche Bevölkerung 3200 Kalorien für sich beanspruchen, so würden für die übrige Be- völkerung 1800 Kalorien täglich verbleiben. Dieser phantastischen Behauptung stehen aus dem Feind- lager amtliche Stimmen gegenüber, die sowohl dem Deutschen als auch dem Europäer einen durchaus leistungsgemäßen Verzehr zusprechen. Wir wollen den Verfasser nicht an dieser Steile über den deutschen Nahrungsverzehr im Jahre 1943/44 aufklären. Es wäre dies belohnte Torheit oder prämiierte Frivolität. Wir wollen aber über die europäische Ernährungsmöglich- keit in diesem Jahr einige Zahlen geben, die der Aus- länder der gewissenhafteren Fachliteratur seines eigenen Landes ebensogut entnehmen könnte. Und mit diesen Zahlen wenden wir uns in erster Linie an den Europäer.

Für Kontinentaleuropa errechnen amerikanische Zeitschriften und auch der englische „Economist“ für 1943 eine Normalernte. Selbst wenn man vorsichts- halber hiervon einen Abschlag vornimmt, errechnet sich angesichts der Einsparungen in der Getreidever- fütterung ein Mahlgut in Friedenshöhe von 63 Mill. t oder ein Tagesverzehr von 570 g Brot (85%ige Aus- mahlung) oder 1350 Kalorien für den kontinental- europäischen Durchschnitt. Aus den derzeitigen Vieh- beständen errechnet sich ein Anfall von 11 Mill. t Fleisch (ohne Schlachtfett) = 86 g täglich je Kopf es 150 Kalorien. Der derzeitige Milchviehbestand kann 17 g Butter erbringen 136 Kalorien, die Schweine- bestände 9 g Schmalz 108 Kalorien und die Oliven- und Ölfruchternte mit je 5 g Öl zusammen 90 Kalorien täglich. Die Kartoffelernte ist auf mindestens 170 Mill. t zu veranschlagen, von denen 70 Mill. t nach Minderung der Schweinebestände dem Direktverzehr zugeführt werden können, das sind 550 g Kartoffeln = 410 Kalorien. Die europäische Zuckerernte er- möglicht einen Kopfverbrauch von 40 g täglich = 160 Kalorien. Diese Posten zusammengefaßt er- bringen 2400 Kalorien. Sie ergeben erfahrungsgemäß vier Fünftel der Gesamternährung. Mit dem fehlenden Fünftel errechnet sich ein Gesamtverbrauch von fast 2900 Kalorien. Das Ist der europäische Friedens-

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verzehr, wobei allerdings eine Vegetabilisierung Platz gegriffen hat, die aber keinerlei Gesundheitsschädi- gung erwarten läßt.

Diese Feststellungen enthalten eine Mahnung an das Ausland, die europäische Ernährungskapazität nicht zu unterschätzen und den gewissenhafteren Sta- tistikern Gehör zu geben, die dies auch auf der Feind- seite vertreten. Wir möchten dabei auf die Tatsache verweisen, daß zahlreiche englische Statistiker auch über den englischen Nahrungsverzehr phantastisch niedrige Zahlen errechnen, denen auch wir keinen Glauben schenken. Für Kontinentaleuropa bedeuten diese Zahlen eine Mahnung, auf dem Wege gegen- seitigen Ausgleichs auch jedes einzelne europäische Land auf diesen Durchschnitt zu heben. Europa lebt in bescheidenen und im großen ganzen auch wohl- geordneten Verhältnissen.

Der deutsche Soldat ist trotz seiner vorbildlichen Leistungen ernährungsmäßig gesehen der beschei- denste Soldat der Welt. Er lebt von Rationen, die hinter den Friedenssätzen mancher europäischer Neutralen noch zurückstehen und hat sich der kontinental-europäischen Nahrungsmittellage ange- paßt. Er bietet dem Europäer kein schlechtes Bei- spiel und wirbt durch seine eigene Bescheidenheit für eine angemessene Beschränkung des Verzehrs an Veredlungserzeugnissen. Der englische und amerika- nische Soldat verzehrt täglich zwei Drittel bzw. ein englisches Pfund Fleisch (454 g). Wo er hinkommt, gibt er einen bedenklichen Anreiz zu einer Verbrauchs- steigerung an Edeierzeugnissen. Dem deutschen Soldaten war das Betreten von Rom und das Aufkaufen von Lebensmitteln strengstens verboten. Von den amerikanischen und englischen Soldaten behauptet selbst die feindliche Presse das Gegenteil. Nicht zuletzt, um dieses schlechte Vorbild zu bemänteln, verspricht die UNRRA In einer Zeit, in der die Welt- vorräte ihrer Neige entgegengehen und die Welt- produktion an Nahrungsmitteln eher einem Rückgang als einem Aufstieg entgegensteuert, der ganzen Welt eine Aufbesserung der Lebenshaltung. Diese Praktiken können die Welt nur verderben und ins Unglück stürzen. Das Heil der Menschheit liegt nicht in einer Nachahmung der amerikanischen Verbrauchssteige- rung, die angesichts der Tatsache, daß In der östlichen Welt die große Hälfte der Menschheit sich mit einem Nahrungsverzehr begnügen muß, der den Verbrauch der westlichen Welthälfte noch nicht zu zwei Dritteln erreicht, gerade als Frivolität wirkt, sondern in einer Anlehnung an die kontinental-europäische Umstellung auf eine bescheidenere Lebenshaltung. Die inter- nationale Ernährungsstatistik aber steht vor einer schweren, verantwortungsvollen Aufgabe, die sie mit der bisherigen oberflächlichen Praktik nicht wird meistern können. Walter Hahn

Tauerngold

Würde es uns nicht das mustergültige Dorfbuch des Hauptlehrers von Rauris künden, daß wir da in einem besonderen Tal stecken, wir müßten es als aufmerk- same Beobachter an den behäbigen Häusern des Dorfes erkennen, am kleinen Dorfmuseum und ganz hinten

312

im Tal an den Resten einstiger Aufbereitungsanlagen- Die Geschichte des sechs Gehstunden langen Tales der Rauriser Ache, die durch die enge und wilde Kitzlochklamm parallel dem bekannteren Gasteinertal der Salzach zustürmt, hebt mit Gold und Silber an. Über das Gebirge her, über jenen Teil des Tauern- hauptkammes, der heute die Goldberggruppe heißt, sind schon vor der Zeitrechnung die keltischen Taurisker und nach ihnen die Römer in das unwirtliche und unbesiedelte Tal gekommen. Nicht der Boden lockte sie, sondern das Gold, das sie bis In eine Höhe von 2000 m schürften. Die Salzburger Bischöfe, denen auch dieser Graben schließlich anheimfiel, setzten den Abbau fort, und es nimmt uns nicht wunder, daß auch das Judentum Beute witterte. Aber dessen interesse erlosch mit der immer geringer werdenden Fündig- keit. Ignaz Rojacher aus Rauris, der sich vom Hüte- buben zum Gewerken emporarbeitete, versuchte als Einheimischer vor vielen Jahrzehnten nochmals das Glück, und nach dem Anschluß ging man abermals daran, mit neuer Bergwerkstechnik nach dem edlen Erz zu schürfen.

Aber der Krieg kam und mit ihm festigte sich noch stärker die Überzeugung, daß Gold als Gelddeckung eine Chimäre sel. So glaubt man in Rauris.nicht mehr an einen weiteren Abbau, er würde sich wohl auch kaum lohnen. Die 2000 Einwohner des Tales werden trotzdem nicht Hunger leiden. Die Landwirtschaft. auf die man sich erst spät besann, ist Haupterwerbs- zweig geworden, und als Aufbaudorf genießt Rauris eine Fülle von Förderungsmaßnahmen, von denen

‚allerdings ein Teil infolge des Krieges zurückgestelit

werden mußte. Das Wesentliche ist hier, die Futter- grundlage zu heben, denn die Viehzucht ist, da es im steilwandigen und regenreichen Tal bei 16314 ha Gesamtfläche bloß 528 ha Äcker gibt, Grundlage der Wirtschaft.

Mit Feuereifer ist die in der Aufbaugenossenschaft zusammengefaßte Bauernschaft bei der Sache und keiner trauert dem Tauerngold nach. Zumal das Tal noch andere Schätze birgt, die das nationalsozialistische Reich höher wertet als edles Metall: der Kinder- reichtum der Rauriser ist weit bekannt, das Tal gilt nach dem Großarler als das kinderreichste Groß- deutschlands. Famillen mit einem Dutzend Kinder sind keine Seltenheit.

Lebendiges Tauerngold hat totes Metall abgelöst. In den Höfen von Rauris und der Weiler Bucheben und Wörth gilt eine große Familie als wesentliches Zeichen einer Lebensbejahung, wie man sie sonst kaum noch kennt. Es ist schon einmal so, daB dort. wo es viele Kinder gibt, auch Lied und Musik zu Hause sind. Das überkommene Brauchtum hat nicht nur als Kapitel im Dorfbuch seinen Platz, sondern wurzelt standfest in der Gegenwart. Das bezeugen, um nur etwas zu nennen, die alljährlichen Perchtenläufe. Und wie bodenverwurzelt sie alle sind, darüber legt wieder die Lehrerin in Wörth ein Zeugnis ab: In den Jahren, da sie der Schule vorsteht, ist niemand von den Buben und Dirndin landflüchtig geworden, hat sich lebendiges Tauerngold nicht durch Landflucht zur Scheidemünze gewandelt. Dr. Hermann Legat

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Rund zwei Millionen Elektromotoren arbeiten bereits in der Landwirtschaft. Ein Beweis, daß der Landwirt auch diese Hilfe für die Leistungssteigerung richtig einzusetzen weiß.

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AUGUST 1944 NUMMERII JAHRGANG? E DNITZZEOLOP RB AS AV2K IRM

INHALT

Dipl.-Landwirt Otto Keune, Hauptschriftleiter: Verkehrslenkung als Aufgabe der Marktordnung ........ CCC EN RE EUER hear 313

Viktor Freiherr von Bülow, Vorsitzender der Hauptvereinigung der deut- schen Zucker- und Süßwarenwirtschaft: Zuckerwirtschaft in der Kriegs- CV!!! ]VUci.. ðii x 919

Dr. Georg Blohm, o. 6. Professor, Reichsuniversität Posen: Das Warthe- land Seine betriebs wirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben

Neues Leben im Wartheland (Bildbeilageõe'dd]s]]:ſ . . . .. D S.

Dr. Charlotte Lorenz, Professor, Universität Berlin: Das Gesetz in der Ver- brauchswirts chatte 55 ĩ5ðĩiͥ g TE RR

Mädel weben für Soldaten (Bildbeilageoe 77s DEET DS

Dr. Alf Noll, Studiengesellschaft für deutsche Wirtschaftsordnung: Fi- nanzierungsproblem und Geld flüssigkeit in der Landwirtschaft

Agrarpolitische Rundschau. „sus Vase

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Bildnachweis: Das Titelbild ist eine Aufnahme von Hans Heinig. Die beiden Bildbeilagen , Neues Leben im Wartheland' und „Mädel weben für Soldaten“ statteten die Photographen Limberg (Reichs-

nährstand) und Frau Lüdecke-Helbich mit Bildern aus.

An unsere Leser!

Der Präsident der Reichspressekammer hat in Durchführung der vom Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegs- einsatz erlassenen Richtlinien auf dem Gebiet des Zeitungs- und Zeitschrlitenwesens als Sofortmaßnahme verschiedene Einschränkungen angeordnet. Aus diesem Grunde erscheint unsere Zeitschrift „Deutsche Agrarpolitik‘ ab 1. September d. Js. nur noch vierteljährlich. Letzte Ausgabe des 3. Vierteljahres ist die Folge 11 vom August. Die nächste Ausgabe erscheint dann erst wieder im Oktober. Der Bezugspreis für das 4. Quartal 1944 beträgt deshalb nur 1,20 RM. zuzüglich Bestellgeld. Vom 1. Januar 1945 an kann die „Deutsche Agrarpolitik“ bei Bestellungen im Abonnement nur noch für eine Bezugszeit von einem Jahr statt bisher einem Vierteljahr bezogen werden. Der Abonnementspreis für das Kalender- jahr 1945 beträgt zur Verrechnung der bereits bezahlten Folgen, die in diesem Kalenderhalbjahr nicht mehr erscheinen, nur 3,60 RM. und vom 1. Januar 1946 an 4,80 RM. pro Kalenderjahr zuzüglich Bestellgeld.

Heil Hitler!

Zentralverlag der NSDAP., Franz Eher Nacht, GmbH., Zweigniederlassung Berlin.

Hauptschriftleiter: Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Tell: Günther Pacyna,

Berlin-Wilmersdorf, tür den wirtschaftlichen Teil: Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil:

Lotte Wille, Berlin-Charlottenburg. Anschrift der Schriftleitung: Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fermruf: 195541.

Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.). Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 116071. Orts-

ruf 110022. Bezugspreis jährlich 4,80 RM. zuzügl. Bestellgeld. Z. Zt. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck: Buchgewerbehaus M. Müller & Sohn, Berlin SW 68, Dresdener Str. 43.

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

DEUTS

August 1944

OTTO KEUNE:

Nummer 11

VERKEHRSLENKUNG ALS AUF; GABE DER MARKTORDNUNG

De liberalistische These, daß die aus-

schließlich auf Eigennutz abgestellte wirtschaftliche Tätigkeit des einzelnen Unternehmers und deren gegenseitige un- gehemmte Konkurrenz letzten Endes doch zu einem der Allgemeinheit dienlichen Ausgleich führt, ist nirgends schlagender widerlegt worden als in der Ernährungs- wirtschaft. Ganz abgesehen davon, daß unter diesem System das Landvolk seinem sicheren Ruin entgegensteuerte, hat es auch auf der anderen Seite dem städtischen Verbraucher mehr Nachteile als Vorteile gebracht. Man braucht hierbei nicht ein- mal auf das Problem einzugehen, das sich aus der völligen Abhängigkeit von der Nahrungszufuhr aus dem Ausland für die Versorgung der werktätigen Bevölkerung ergab. Es genügt schon der Hinweis dar- auf, da8 die volkswirtschaftlich ge- sehen so sinnlosen Kreuz- und Quer- läufe von Lebensmitteln als Wahr- zeichen liberalistischen Markt- geschehens ihre privatwirtschaftliche Rechtfertigung immer nur in niedrigen Erzeuger- oder hohen Verbraucher- Preisen, oft verbunden mit abfallenden Qualitäten, finden konnten. Denn es kann ja, um nur ein Beispiel herauszugreifen, schwerlich bewiesen werden, daß Hamburg zu den natürlichen, also preisgünstigen Ab- satzgebieten für Allgäuer Butter zählt und daß diese dort dem Konsumenten in frische- tem Zustand geliefert wird als Butter aus dem benachbarten Schleswig-Holstein.

Es war daher eine der grundsätzlichen Erkenntnisse der nationalsozialistischen Agrarpolitik, daß die deutsche Volkswirt- schaft in ihrer Gesamtheit ein dringendes Interesse daran haben muß, den Weg der Ware, vornehmlich aber der Nahrungs- güter, vom Erzeuger zum Verbraucher so kurz und kostensparend wie nur möglich zu gestalten. Wer unter diesem Gesichts- punkt die Marktordnung des Reichsnähr- standes und die Arbeiten der Hauptvereini- gungen seit ihrer Gründung verfolgt, wird daher auf eine Fülle von Maßnahmen stoßen, die alle einer weitgehenden Ver- kehrsentilechtung und -vereinfachung die- nen sollten. Dieses Ziel wurde bei elasti- scher Anpassung an die Verschiedenheiten der einzelnen Lebensmittel so konsequent verfolgt, daß der Krieg, auch vom Stand- punkt der nun allgemein vordringlich wer- denden Verkehrsentlastung her gesehen, keine entscheidende Neuorientierung er- forderte. Es galt nur, bereits früher ge- plante und eingeleitete Arbeiten beschleu- nigt zum Abschluß zu bringen, sich auf anderen Gebieten auf die veränderten Verzehrsmöglichkeiten einzustellen und schließlich überall dort härter in die Lieferbeziehungen einzugreifen, wo der friedensmäßige Lebenssiandard einen grö- Beren Aufwand rechtiertigte.

Es soll nun Aufgabe der nachfolgenden Ausführungen sein, an Hand von Einzel- beispielen zu zeigen, daß die Verkehrs- lenkung von den verantwortlichen Stellen

schon frühzeitig als umfassende Aufgabe der Marktordnung angesehen wurde. Man wird dann auch erkennen, daß sich ohne die hierbei im Frieden geleistete Vor- arbeit die Ernährungssicherung während des Krieges kaum so reibungslos hätte durchführen lassen, wie es bis jetzt mög- lich gewesen ist. Dabei verdient die Tat- sache besondere Beachtung, daß sich die Steuerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gegenüber der gewerblicher Produkte in- folge der Vielzahl der Erzeugerbetriebe wesentlich schwieriger gestaltet. So rech- nen wir in der Milchwirtschaft mit etwa 3 Millionen Lieferanten, deren Milch von rund 6000 Molkereien erfaßt wird. Man muß sich vergegenwärtigen, daß rund täglich 50 Millionen Kilogramm Milch in 2 Millionen Milchkannen bewegt werden, um eine richtige Vorstellung von der riesi- gen Transportleistung zu erhalten, die hier entsteht. Wenn daher heute festgestellt werden kann, daß die 6000 Molkereien unter Ausschaltung früher üblicher Über- schneidungen über geschlossene Einzugs-

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gebiete verfügen, in denen sich die Milch- anfuhr auf dem kürzesten und zweck- mäßigsten Wege vollzieht, so kommt in diesen wenigen Worten eine erfolgreiche Organisationsleistung zum Ausdruck, die die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß die Milcherfassung selbst im Kriege von Jahr zu Jahr gesteigert werden konnte. Zahlenmäßige Unterlagen über die hierbei insgesamt erzielte Verkehrsentlastung liegen nicht vor.

Ein kleines Beispiel aus dem Rhein-Main- Gebiet mag jedoch die Verhältnisse be- leuchten. Durch die Regelung des Milch- absatzes dreier benachbarter Ortschaften wurde eine tägliche Transporteinsparung von 3Kilometer oder von jährlich 1095 Kilo- meter erzielt. Ähnliche Ergebnisse werden sich bei genauer Nachprüfung für alle Gegenden des Reiches ermitteln lassen. Da 60 Prozent der Milch durch Lastkraft- wagen aus den Dörfern abgeholt werden, sind bei einer durchschnittlichen Ladefläche von 5000 Kilogramm in der Milchanfuhr 6000

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Motorfahrzeuge eingesetzt, so daß leicht zu errechnen ist, wie sich jeder weniger ge- fahrene Kilometer nach den verschieden- sten Richtungen hin auswirkt.

In gleicher Weise wie in der Milchwirt- schaft wurden die Einzugsgebiete der Zuckerfabriken bereinigt. Hier gelang es, die Reichsbahn weitgehend von Rüben- transporten zu entlasten und die Zahl der gefahrenen Tonnenkilometer nicht un- wesentlich zu senken. Trotz beträchtlicher Steigerung des Transportvolumens als Folge der Ausdehnung des Zuckerrübenanbaus konnten daher die Fabriken auch während des Krieges selbst bei größter Anspannung der allgemeinen Verkehrslage in der kurzen Zeit der Kampagne stets ausreichend mit Rohware versorgt werden.

Die unterschiedlichen Klima-, Boden- und Betriebsgrößenverhältnisse einerseits und die Bevölkerungsverteilung anderer- seits bringen es im großdeutschen Raum mit sich, daß wir es bei den meisten Le- bensmitteln mit Uberschuß- und Zuschuß- gauen zu tun haben, die sich durch den gleichmäßigen Rationsanspruch während des Krieges besonders deutlich heraus- schälen. Obwohl sich demnach ein sinn- voller Abfluß der Ware von dem einen in das andere Gebiet von selbst verstehen sollte, liegen genügend Beweise dafür vor, daß das „freie Spiel der Kräfte” oft genug den umgekehrten Weg einschlug. Auf- gabe der Marktordnung war es daher, neben der Regelung der Er- fassung den zweiten Schritt zutun und verkehrslenkend in den Waren- strom vom Erfassungsbetrieb bis zum Bedarfsort einzugreifen. In der Viehwirtschaft führten die ständigen Preisschwankungen infolge des Mißver- hältnisses zwischen Angebot und Nachfrage zu einem völlig unübersichtlichen Vieh- versand, wobei es nicht selten vorkam, daß Vieh bis zur Schlachtung über mehrere Märkte gehandelt wurde. Hier hat die viehwirtschaftliche Marktordnung sehr schnell Wandel geschaffen und durch eine Reihe von Bestimmungen, vor allem durch die Einführung der Voranmeldepflicht des zum Verkauf vorgesehenen Viehs, eine ver-

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nünftige Warenbewegung durchgesetzt, die sich neben der Sicherung des Viehabsatzes und der Fleischversorgung in erheblichem Umfang verkehrsentlastend ausgewirkt hat.

Diese schon im Frieden bewährten Maß-

nahmen wurden im Krieg durch die Ein- führung des sogenannten Richtstrahlen- systems weiter verfeinert, das den Ver- sand von Schweinen, Kälbern und Schafen aus den einzelnen Uberschußgebieten nur an bestimmte Märkte gestattet, den Einsatz besonderer Viehzüge und eine volle Aus- nutzung des verfügbaren Laderaums er- möglicht.

Für die Kartoffelwirtschaft ergab sich aus dem in den letzten Jahren steil an- steigenden Speisekartoffelverbrauch die zwingende Notwendigkeit einer straffen Verkehrslenkung, die jeden Umweg aus- schloß und den Waggonumlauf wesentlich beschleunigte. Nur so war es der Reichs- bahn möglich, die Waggongestellung von 100 Prozent im Jahre 1938/39 auf 349 Pro- zent im Jahre 1942/43 zu erhöhen. Für jedes Kartoffelüberschußgebiet wurde ein Gruppenverteiler eingesetzt, der die Versandaufträge laufend vom zuständigen Kartoffelwirtschaftsverband nach den An- weisungen der Hauptvereinigung erhält. Alle Kartoffelhändler dieses Gebietes sind andererseits verpflichtet, die von ihnen erfaßten Kartoffeln dem Gruppenverteiler anzudienen und nach dessen Verfügungen abzufertigen. Eine entsprechende Regelung sichert in den Empfangsgebieten eine rei- bungslose Abnahme der einlaufenden Sen- dungen. Statt daß wie früher 200 Berliner Großhändler wahllos im ganzen Reich ein- kaufen, ist nunmehr für die Reichshaupt- stadt eine Arbeitsgemeinschaft von 9 Groß- verteilern eingesetzt, die als Empfänger aller ankommenden Waggons auftritt, für deren Zulauf zu den zweckmäßigsten Güter- bahnhöfen und ihre schnellste Entladung durch den zugelassenen Kartoffelhandel verantwortlich ist.

In beachtlichem Umfang verkehrsent- lastend hat sich die in diesem Zusammen- hang kurz erwähnte Beseitigung von Miß- ständen in der Trinkmilchversorgung unserer Großstädte dadurch ausgewirkt,

315

daß grundsätzlich nur das stadtnahe Gebiet Gastwirt) wurde als nächste Stufe in der lieferberechtigt und somit u.a. ein Milch- Warenverteilung aber nicht nur von der versand aus Ostpreußen, Schlesien oder Milchwirtschaft Aufmerksamkeit geschenkt. dem Wartheland nach Berlin unter- So waren in der Brauwirtschaft die sagt wurde. Auch bei der Milchverteilung Absatzverhältnisse infolge der früheren im Stadtgebiet selbst wurden Transportein- Konkurrenzkämpfe derart zerrüttet, daß in sparungen erzielt. Seit der Regelung des großem Ausmaß Kreuz-, Quer- und Gegen- Trinkmilchmarktes ist beispielsweise Wien läufe an der Tagesordnung waren. Der in 13 Bezirke eingeteilt, die von je einer Kampf um den Kunden hatte den Bier- Molkerei mit Milch und Milcherzeugnissen transport völlig unwirtschaftlich gestaltet, versorgt werden. Früher erfolgte die Be- so daß hier mit starker Hand eingegriffen lieferung der 12500 Kleinverkaufsstellen werden mußte. In mühseliger Arbeit durch Molkereien und Milcheinführer, haben die Brauwirtschaftsverbände eine deren Gesamtzahl weit über dem Zehn- Bereinigung vorgenommen, durch die bis fachen der Zahl der jetzt zugelassenen jetzt jährlich 3,5 Milliarden Hektoliter- Molkereien lag und die, sich nach allen Kilometer eingespart und demnach sowohl Richtungen überschneidend, die Milch auf Kohle durch geringere Belastung der die unsinnigste Weise spazierenfuhren. Schiene, ferner Treibstoff durch geringere

Den Beziehungen zwischen Ver- Belastung der Straße als auch Fahrzeuge und sorgungsbetrieb (Großhandel, Mühle, Personal in beachtlichem Umfang frei wur- Brauerei) und Kleinhandel (Bäcker, den. Bezogen auf den jährlichen deutschen

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Bierausstoß von 55000000 Hektoliter er- gibt sich, daß dieser im Jahr insgesamt 65 Kilometer weniger bewegt wird. Diese Arbeit war besonders deswegen so ver- wickelt, weil im Falle eines Kundenaus- tausches die oft erhehlichen finanziellen Verflechtungen zwischen Gastwirt und Brauerei in langwierigen Verhandlungen geklärt werden mußten. Schwierigkeiten bot nicht selten auch der Umstand, daß Brauereien Inhaber van Gaststätten waren, die sie nun nicht mehr beliefern durften.

Wir sahen, daß verkehrslenkende Vor- schriften den Warenstrom vom Hof des Er- zeugers über den Versand- und Empfangs-

großhandel bis zum Kleinverteiler nach-

haltig beeinflußt haben. Der Vollständig- keit halber muß jedoch auch erwähnt wer- den, daß dort, wo es nötig war, noch einen Schritt weitergegangen und in die un- mittelbare Belieferung des Ver- brauchers eingegriffen wurde. So wurde der ambulante Milchhandel vielfach auf bestimmte Straßenzüge beschränkt; eine in Friedenszeiten besonders stark kritisierte Maßnahme, ohne die aber heute eine ord- nungsgemäße Milchversorgung kaum denk- bar wäre, da sie wesentliche Einsparungen an Treibstoff, Zeit und Arbeitsaufwand zur Folge gehabt hat. In ähnlicher Weise wurde schließlich auch bei der Belieferung von Privathaushaltungen, insbesondere Selbst- versorgern, mit Brot und Backwaren ver- fahren.

Die Abhängigkeit Deutschlands von Ein- fuhren aus Übersee hat verschiedentlich zu einer Zusammenballung von Ver- arbeitungsbetrieben, insbesondere von Getreide- und Olmühlen, in zu den Einfuhrhäfen frachtgünstig gelegenen Gebieten geführt. Mit der Umstellung der deutschen Ernährungswirtschaft nach den Grundsätzen der nationalen Selbstversor- gung ergab sich hieraus eine außergewöhn- lich starke Belastung des Verkehrs, solange z.B. die Getreidemühlen im Westen und Nordwesten desReiches entsprechend ihrer früheren Beschäftigung an der Vermahlung der deutschen Getreideernte beteiligt wur- den. Die Mühlenkontingentierung des Jahres 1934, fußend auf der Verarbei- tung im Durchschnitt der Jahre 1927 bis

Deier weilterbewegt innerhalb der Nahzone noch erforderlich,

1932, mußte demzufolge zunächst zu un- befriedigenden Ergebnissen führen. So war es auf die Dauer unhaltbar, daß in Pom- mern gewachsener Weizen nach Baden ver- frachtet, dort vermahlen und dann als Mehl und Kleie wieder nach Pommern zurück- transportiert wurde. Die Bestrebungen der Hauptvereinigung der deutschen Getreide- und Futtermittelwirtschaft zur notwendigen Bereinigung derart unwirtschaftlicher Wa- renbewegung setzten daher auch schon vor dem Kriege ein, wurden aber durch diesen wesentlich beschleunigt. Sie haben ihren vorläufig endgültigen Niederschlag im so- genannten „Mühlenplan“ gefunden, der am 1. Januar 1944 in Kraft getreten ist. Dessen Grundgedanke, die Vermahlung des Getreides und den Absatz der Mahlerzeug- nisse in erster Linie unter weitgehender Einsparung an Transportmitteln und -lei- stungen vorzunehmen, erforderte eine Ab- kehr vom Begriff des bisherigen Mühlen- grundkontingentes. An seine Stelle trat für jede Mühle die Verarbeitungsanweisung der Hauptvereinigung, losgelöst von der Betriebsausnutzung in den Vergleichs- jahren, allein den Gesichtspunkten des Mühlenplanes tolgend, wobei zur An- passung der Vermahlung an die Anbau- und Verzehrsverhältnisse auch an eine Um- wandlung früherer Roggenkontingente in Verarbeitungsanweisungen für Weizen ge- dacht wurde. Der Erfolg dieser Verlage- rung der Mehlherstellung ergibt sich aus nachstehender Überlegung. Während im Wirtschaftsjahr 1942/43 im Altreich und Sudetenland auf eine Entfernung von über 25 Kilometer rund 1,3 Millionen Tonnen Mahlerzeugnisse befördert werden mußten,

‚sind es nach dem Mühlenplan jährlich nur

noch 710 000 Tonnen. Nimmt man bei vor- sichtiger Schätzung an, daß die restlichen 600 000 Tonnen früher mindestens 25 Kilo- wurden, als heute

so kann mit einer Verkehrsentlastung in Höhe von 15 Millionen Tonnenkilometer gerechnet werden. Hinzu kommt noch, daß der verbleibende Ost-West-Verkehr von Mehl einer eingehenden Prüfung unter- zogen wurde mit dem Ziel, nur zusammen- gefaßte Lieferungen aus begrenzten Über-

317

*

schußgebieten in geschlossene Zuschuß- bezirke unter überwiegender Inanspruch- nahme des Wasserweges zu dulden.

Die im Mühlenplan verankerten Gesichts- punkte gelten auch für die Verarbei- tung der Olsaaten. Allerdings liegen hier die Verhältnisse ungleich schwieriger, da der Anteil der überseeischen Einfuhren noch bei Kriegsausbruch wesentlich größer war als die inländische Erzeugung. Nach- dem jedoch nunmehr durch die gewaltige Steigerung des Olfruchtanbaues im Reichs- gebiet auf 600 000 Hektar und den Fortfall größerer Auslandszufuhren eine völlige Umwälzung Platz gegriffen hat, wird sich die Beschäftigung der Olmühlen im kom- menden Wirtschaftsjahr so weit wie irgend möglich nach ihrer Lage zu den Anbau- gebieten richten.

Der Versuch, an Hand einer Reihe von Beispielen aus Teilgebieten der Ernäh- rungswirtschaft zu zeigen, daß die Markt- ordnung des Reichsnährstandes in um- fassender Weise verkehrslenkend und verkehrsentlastend gewirkt hat, könnte noch in mancher Hinsicht vervollständigt werden. Der verstärkte Übergang von der Bahn auf die Binnenschiff- fahrt (z.B. beim Versand von Winterobst und Grobgemüse), vom Lastkraftwagen auf Pferdefuhrwerk (vor allem bei der Milchanfuhr), die bessere Ausnutzung des Laderaumes und die Bildung von Transportgemeinschaften (beides vorbildlich durchgeführt in der Fischwirt- schaft) verdienen ebenso Erwähnung wie die planvolle Lenkung der Einfuhren, die u.a. in der Wein- und Trinkbranntwein- wirtschaft eine besondere Rolle spielt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Tätigkeit der Verkehrsreferenten bei den Landesbauernschaften hin- gewiesen, die als Verbindungsmänner zwi- schen Ernährungs- und Verkehrswirtschaft in ihrem Bereich auf alle Fragen des Trans- ports Einfluß nehmen. Sie sorgen für eine ordnungsgemäße Gestellung von Waggons ebenso wie für deren be- schleunigte Entladung, spüren jedem noch unentdeckt gebliebenen gebietlichen Umweg mit Eifer nach, teilen zur Verfü- gung stehende alte oder neue Lastkraft- wagen sowie Treibstoffmengen je nach

318

Dringlichkeit auf die Bedarfsträger auf und haben sich nach jeder Richtung hin als un- entbehrlich herausgestellt. Ferner muß auch die mittelbare Transporteinsparung an- geführt werden, die dadurch angestrebt wird, daß die Zuschußgebiete in diesem Jahr 375 000 Tonnen Speisekartoffeln mehr aufbringen sollen bei gleichzeitiger Ent- lastung der Überschußgaue; eine Absicht, deren Erfolg allerdings wesentlich vom Ernteausfall abhängt. Erstmalig wurde auch der Versuch unternommen, den Gemüse- anbau in stärkerem Umfange in die Be- darfsgebiete zu verlagern, selbst wenn dabei in den ostwärtigen Teilen des Reiches geringere Erträge in Kauf genommen wer- den müssen. Schließlich verdient auch noch die Herstellung konzentrierter Le- bensmittel (Trockenspeisekartoffeln, Trok- kengemüse, Trockenfleisch usw.) Erwäh-

‘nung, ohne die eine reibungslose Versor-

gung des Frontheeres unmöglich wäre.

Wir kommen wieder zum Ausgangspunkt unserer Betrachtungen zurück. Im Gegen- satz zur liberalistischen Wirtschaft hat es

die nationalsozialistische Agrarpolitik als

eine, ihrer grundlegenden Aufgaben an- gesehen, den Absatz der Nahrungsmittel vom Erzeuger bis zum Verbraucher nach volkswirtschaftlichen Maßstäben zu lenken. Sie hat sich dabei unterschiedlicher Me- thoden bedient, die in ihrer Gesamtheit nicht nur zu einer festgefügten Marktord- nung, sondern auch zu einer Verkehrseni- lastung geführt haben, deren Ausmaß kriegsentscheidende Bedeutung beigemes- sen werden kann. Wo auf einigen Gebieten noch nicht alle Möglichkeiten der Trans- porteinsparung ausgeschöpft sein sollten, wird keine Mühe von den verantwortlichen Stellen gescheut, um dem Idealzustand trotz vielfacher Schwierigkeiten näherzukom- men. Es darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß wechselnde Ernteergebnisse und unerwartete Verschiebungen in der Einfuhr immer wieder vor neue Lagen stellen und alte Pläne über den Haufen werfen. Gereift an den gesammelten Er- fahrungen und den erzielten Erfolgen, wird man jedoch das einmal für richtig erkannte Ziel nicht aus den Augen verlieren, son- dern stets vollkommener zu erreichen ver- suchen.

VIKTOR VON BULOW:

. Zuckerwirtschaft in der Kriegsbewährung

Mae im gleichen Maße wie andere Zweige der Ernährungswirtschaft hat schon von jeher die Zuckerwirtschaft über die Reichs- grenzen hinausblicken müssen, denn ihre Sorge um die Erhaltung des Zuckerrübenbaues in Eu- ropa ist so alt, wie der Kampf zwischen Rohrzucker und Rübenzucker. Als es deutschen Züchtern gelang, Zuckerrüben zu züchten, und deutschen Technikern, daraus Zucker herzustellen, war dem Zuckerrohr, des- sen Veredlungserzeugnis, der Rohrzucker, bis dahin die Welt beherrschte, ein gefährlicher Widersacher erstanden. In der Folgezeit nahm die Rübenzuckererzeugung einen dauernd wach- senden Aufschwung und dann neigte sich die Waage des Weltverbrauches bald zur einen, bald zur anderen Seite. Die Brüsseler Zuckerkonvention 1902 und das Chad- bourne-Abkommen 1931 waren Krisen- zeichen dieses Kampfes. Europa ist ausschlie3- lich Rübenzuckergebiet und seine Landwirt- schaft mußte daher immer betroffen werden, wenn der Absatz des Rübenzuckers unter dem Angebot billig erzeugten tropischen Rohzuckers litt. Zusammenarbeit der europäischen Rüben- bauländer war deshalb schon immer geboten, und stets verfolgte dabei England um seiner händlerischen Interessen willen eigene Wege. In diesem Zusammenhange gesehen, eröffnen sich gerade der Zuckerwirtschaft des euro- pdischen Festlandes für die Nachkriegszeit Aus- sichten, die die Fortsetzung durch den Krieg nur teilweise unterbrochener Aufgaben bedeuten. Europas größter Zuckererzeuger ist Deutschland und damit ist für seine Landwirtschaft die künt- tige Gestaltung der Zuckerwirtschaft des euro- päischen Festlandes von größter Bedeutung. Umgekehrt dürfte aber auch das Bild der deut- schen Zuckerwirtschaft von besonderer Wich- tigkeit für seine Nachbarn sein.

Die Zuckerrübenanbaufläche verteilt sich keineswegs gleichmäßig über die Gaue unseres Vaterlandes. Sie hat ihren Kern im mitteldeutschen Raum, also den Gegenden von Halle, Magdeburg und Hildesheim, und strahlt

von dort nach allen Richtungen aus. Weitere wichtige Rübenbaugebiete sind Schlesien, War- theland, Westpreußen und das Rheinland. Auch in Mecklenburg und Pommern hat der Rübenbau seit einigen Jahrzehnten starke Ausdehnung er- fahren. Süddeutschland, das Donauland und das Sudetenland haben mit diesen Reichsteilen zwar nicht Schritt halten können, weisen aber auch bedeutenden Rübenbau auf. Die Zucker- fabriken, in denen die Rüben unter Anfall von Schnitzeln und Melasse teils auf Rohzucker, teils unmittelbar auf Verbrauchszucker verarbei-

tet werden, befinden sich zu einem wesentlichen

Teil im Besitz der Rüben bauenden Landwirt- schaft, die ihnen dafür eine Verfassung beson- derer Eigenart mittels Aktien mit Neben- leistungspflicht geschaffen hat. Diese Form herrscht besonders in den alten Rübenbaugebie- ten in weitem Bogen um den Harz herum vor und hat das Beispiel abgegeben für die jüngeren Fabriken besonders im deutschen Osten. Außer- dem gibt es aber auch Zuckerfabriken, an denen die Rüben bauende Landwirtschaft nur gering oder gar nicht, jedenfalls nicht mit Lieferpflich- ten, beteiligt ist. Landwirtschaftliche Beteiligung kommt auch bei reinen Weißzuckerfabri- ken häufig, bei reinen Raffinerien jedoch selten vor. So bietet sich ein buntes Bild ent- sprechend einem zeitweise ziemlich stürmischen Wachstum der Zuckerwirtschaft in Deutschland zu einer Zeit, in der der liberalistische Staat seinen Einfluß darauf beschränkte, diesen Wirt- schaftszweig als Steuerquelle anzusehen. Die Rüben bauende Landwirtschaft aber war, allen Wechselfällen des Weltmarktes ausgesetzt, auch dort nur ganz unzureichend in der Lage, Rück- schläge aufzufangen, wo sie als Inhaberin der Zuckerfabriken sich um Ausgleich bemühte. Wenn eine stetige Entwicklung eintreten sollte, so konnte diese nur das Reich auf dem Verwal- tungswege einleiten, und das war im libera- listischen Staate unmöglich. Ein Wandel konnte erst eintreten, als der Nationalsoziallsmus die Zügel in die Hände nahm und auch auf dem Gebiete der Zuckerwirlschaft die Rüben bauende

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Landwirtschaft von jener Wellenbewegung be- freite, die nun einmal naturnotwendig für sie das ungesundeste Wirtschalftsklima ist.

Als sich die nationalsozialistische Führung der deutschen Zuckerwirischaft annahm, war der Rübenbau von einem Höchststand von 469000 ha auf einen Tiefstand von 241000 ha im Altreich abgesunken. Damit drohte den intensivsten Be- trieben der deutschen Landwirtschaft Rückgang der Bodenfruchtbarkeit und Rückgang der tie- rischen Erzeugung. Es kam also für die landwirt- schaftliche Führung darauf an, Wege zur Wie- derausdehnungdesZuckerrübenbaues zu finden, wobei in Rechnung gestellt werden mußte, daß allein der Inlandsabsatz des Zuckers

möglich war, da eine Auslandsverwertung bei den damaligen Weltmarktpreisen untragbare Verluste gebracht hätte. Der Inlandabsatz konnte jedoch bei der Verarmung des deutschen Volkes und der zu jener Zeit erst im Abbau be- findlichen ungeheuren Arbeitslosenziffer nur beschränkt sein. Aus dieser Zwickmühle bot sich nur ein Ausweg, der, mit größter Entschluß- kraft beschritten, einen vollen Erfolg brachte, nämlich die Trocknung von Rüben zu vollwertigen Zuckerschnitzeln. Die hierfür erforderlichen Anlagen wurden inner- halb weniger Jahre in allen Zuckerfabriken des damaligen Reichsgebietes geschaffen und liefer- ten bei durch die Verbindung mit der Zucker- fabrikation verhältnismäßig geringen Unkosten ein wertvolles einheimisches Futtermittel, das nicht nur die bis dahin starke Einfuhr auslän- dischen Futtergetreides ersparen, sonders auch die Verwendung von Brotgetreide auf nicht gerstenfähigen Böden zu Futterzwecken über- flüssig machen half. Die Erzeugung dieser vollwertigen Zuckerschnitzel ermög- lichte damit die Befreiung der deut- schen Schweinemast von einer frem- den Hypothek und darüber hinaus die unmittelbare Nutzbarmachung der gesamten Brotgetreideernte zur Brot- vermahlung. Die Menge der hergestellten vollwertigen Zuckerschnitzel stieg vom Frie- densjahre 1934/35 auf mehr als das Fünffache im Durchschnitt der Kriegsjahre. Diese Steigerung geschah, trotzdem der Zuckerabsatz im Inland entsprechend dem steigenden Wohlstande des deutschen Volkes laufend stieg, denn der Zuckerrübenbau dehnte sich bis zum Kriegs- beginn im Altreich von 241 000 ha auf mehr als das Doppelte aus. Als die Alpen- und Donau- gaue und das Sudetenland zum Reiche zurück- kehrten, kamen wertvolle Zuckerrübengebiete hinzu. Von wesentlich größerer Bedeutung war in zuckerwirtschaftlicher Hinsicht die Rückge- winnung Danzig-Westpreußens und des Warthe- landes. Auf der anderen Seite wuchsen die Auf- gaben der deutschen Zuckerwirtschaft wieder

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in den großen festland-europäischen Rahmen hinein, denn nun galt es, Gebiete Europas mit Zucker zu versorgen, die entweder keine oder nur eine nicht ausreichende Zuckerversorgung besitzen. Daß nicht nur diese Aufgaben in jedem Kriegsjahr gelöst, sondern daneben die schon vor dem Kriege hinsichtlich der Futter- mittelerzeugung für die deutsche Schweinemast gestellten außerdem voll erfüllt werden konnten, muß als eine der wahrhaft großen Kriegs- leistungen des deutschen Volkes bezeichnet werden. Die Kultur der Zuckerrübe bedingt be- kanntlich einen ungleich größeren Aufwand von Sorgfalt und menschlicher und tierischer Ar- beitskraft, als die jeder anderen im großen an- gebauten Kulturpflanze. Die Zuckererzeugung bedeutet technisch neben einer sehr großen An- forderung an die Verkehrswirtschaft auch in bezug auf die Beschaffung von Hilfs- und Be- triebsstoffen einen sonst bei der Veredlung landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht im ent- ferntesten erforderlichen Aufwand chemischer und physikalischer Energien. Ein Vergleich mil den dauernd absinkenden Leistungen während des ersten Weltkrieges zeigt, daß die Friedens- leistung im zweiten Weltkrieg nicht nur ge halten, sondern übertroffen ist. Damit hat die Heimat auch auf dem Gebiete der Zuckemirl- schaft sich der kämpfenden Front und der dem Luftkrieg trotzenden Bevölkerung in vollem Maße würdig erwiesen und den Beweis erbracht, daß sie nach dem Endsieg allen Aufgaben ge- wachsen ist, die Europa der deutschen Zucker- wirtschaft stellen wird.

In welchem Umfang die Notwendigkeiten des Krieges und seiner veränderten Wirtschaft die Lösung dieser verschiedenartigen Aufgaben von Rüben bauender Landwirtschaft und Zucker- industrie erschwerten, wird späterer Unter- suchung vorbehalten bleiben müssen, denn noch stehen wir mitten im Schicksalskampf unseres Volkes. Es bedurfte wesentlicher Umorgani- sation auch der Lieferbeziehungen zwischen Landwirtschaft und Zuckerfabriken schon vor dem Kriege, um der Verkehrswirt- schaft die Bewältigung der deutschen Zucker- rübenernte von fast 20000000 t zu einer Zeit ihrer höchsten Anspannung in ungünstiger Jah- reszeit überhaupt zu ermöglichen. Von den etwa 500000 Rübenanbauern mußte ein sehr großer Teil einer anderen als der gewohnten und be- kannten Zuckerfabrik zugewiesen werden, um soviel Frachtwege und soviel Laderaum einzu- sparen, wie nur irgendmöglich. Dabei galt es. möglichst viel Zuckerrüben der Beförderung mit landwirtschaftseigenen Fuhrwerken zuzuführen. Wer die enge Verbindung zwischen Rüben- anbauern und Zuckerfabrik, besonders wenn diese sich im gemeinsamen Besitz der Rüben-

bauer befindet, kennt, wer berücksichtigt, daß oft mehrere Bauerngeschlechter hintereinander diese Fabriken nicht nur beliefert, sondern an ihrem Gedeihen und ihrem Ausbau mitgewirkt haben, wird ermessen können, daß hier vielen deutschen Rübenanbauern Opfer zugemutet werden mußten, deren Notwendigkeit ihnen erst erklärt werden mußte. Das traf ganz besonders dort zu, wo sich der Rübenbau neue Gebiete erobert hatte, in denen bisher nur einzelne Pioniere diesen betrieben und sich dabei weit entfernten Zuckerfabriken mit Beteiligung an- geschlossen hatten. Dort waren nun im Laufe der Jahrzehnte neue Zuckerfabriken entstanden, ohne jedoch bisher Anspruch auf die Rüben der anderwärts beteiligten Rübenanbauer zu haben. Im Interesse der Verkehrswirtschaft war untrag- bar geworden, was seit Generationen der Rüben bauenden Landwirtschaft Selbstverständlichkeit schien. Auf der anderen Seite mußte die sehr verschiedene Höchstverarbeitungsmöglichkeit jeder einzelnen Fabrik berücksichtigt werden, um die volle Ausnutzung jedes Werkes nicht nur in volkswirtschaftlichem Interesse, sondern auch zwecks Erzielung eines angemessenen Rü- benpreises zu gewährleisten. Da infolge der ver- schiedenen Leistungsfähigkeit der deutschen Zuckerfabriken deren Rübenpreise niemals gleich sein können, haben manche Rübenanbauer das weitere Opfer einer auf lange Sicht gerin- geren geldlichen Rübenverwertung in Kauf neh- men müssen, während andere sich natürlich ent- sprechend verbesserten. So galt es also, einen Ausgleich zwischen der notwendigen Verkehrsentlastung einerseits und der vollen Ausnutzung der Zucker- fabriken andererseits zu schaffen. Daß ein solcher Ausgleich niemals völlig ge- lingen kann, dürfte klar sein. Es kann aber nicht bestritten werden, daß der bestmögliche Zustand trotz des Krieges erreicht wurde. Dieser Ver- kehrsentflechtung auf dem Gebiete der Zuckerrübenbewegung folgte eine gleiche auf dem des Rohzuckers und des Verbrauchs- zuckers. Immer aber mußten die geographischen Grundlagen der Zuckerwirtschaft hierbei die ausschlaggebende Rolle spielen. Diese sind nun einmal derart, daß die Gebiete gehäuften Zuckerverbrauches im Westen und Südwesten unseres Vaterlandes, die Erzeugungsgebiete aber im wesentlichen in dessen Mitte und Osten liegen.

Da Zucker nicht nur dem unmittelbaren Ver- zehr, sondern auch irf großem Umfange der Ver- wendung in anderen Zweigen der Ernährungs- wirtschaft dient, handelt es sich darum, allen diesen Zwecken die ausreichenden Mengen, auch unter den veränderten Bedingungen der Kriegswirtschaft, zur Verfügung zu stellen. Das ist in allen bisherigen, auch im fünften Kriegs-

jahr gelungen. Der größte Abnehmer war die Süßwarenindustrie. Diese allerdings hat sich, soweit sie nicht unbedingt kriegswichtig ist, starke Einschränkungen im Zuckerverbrauch gefallen lassen müssen. Allerdings waren die Einschränkungen in diesem Rohstoff auch schon deshalb unvermeidlich, weil die zahlreichen anderen Rohstoffe ohnehin nur noch in dem für die Kriegführung notwendigen Umfang zur Ver- fügung stehen. So mußte sich die Süßwaren- industrie auf diese Fertigung beschränken. Das deutsche Volk hat diese Notwendigkeit ver- standen, und zwar um so eher, als ihm die Menge des friedensmäßig verbrauchten Zuckers zum Verzehr ungekürzt zur Verfügung steht. Daß dieser recht hohe Verbrauch je Kopf der Bevölkerung bisher aufrechterhalten werden konnte, dankt Deutschland dem Fleiß seiner Bauern und Zuckertechniker. Das Reich selbst hat in Fällen, wo die Erfüllung volkswirtschaft- licher Aufgaben der Zuckerwirtschaft nur mit Opfern möglich war, die den gerechten Preis der Zuckerrüben zu beeinträchtigen drohten, ein- gegriffen, indem es dafür aus Reichsmitteln Be- träge zur Verfügung stellte, die den Rübenpreis in angemessener Höhe sicherten. Solche Hilfe von seiten des Reiches war selbst nach dem strengen Winter 1941/42 nicht die Regel, sondern nur für kriegsbedingte Sonderfälle notwendig. Die Zuckerfabriken sind nach wie vor bestrebt, aus eigener Kraft ihre volks- und kriegswirt- schaftlichen Aufgaben so zu erfüllen, daß dabei ein Rübenpreis erwirtschaftet wird, der ein ge- rechter Lohn für die schwere Arbeit der Rüben- anbauer ist. Es muß anerkannt werden, daß das auch in der fünften Kriegskampagne in hohem Maße gelungen ist. Die Vorbedingung für eine ausreichende Zuckerrübenernte, also die Bestel- lung einer genügend großen Fläche Zuckerrüben, war damit wiederum auch für 1944 gegeben. Es ist schon heute zu übersehen, daß die Rüben- anbauer trotz aller anderen Anbaunotwendig- keiten der Zuckerrübe wieder eine Fläche ein- geräumt haben, die zur Erfüllung der verstärkten Aufgaben der Zuckerwirtschaft genügt.

Deutschland und die von ihm mit Zucker be- lieferten Länder Europas können also damit rechnen, daß auch auf diesem Gebiet der Er- nährungswirtschaft die Versorgung weiter den Anforderungen gerecht werden kann, die zur Erhaltung der Volkskraft und Gesundheit nötig sind, wenn auch entsprechend dem Ernteaustall mit Schwankungen in der Höhe der jährlichen Rationen gerechnet werden muß. Den Völkern Europas aber wird damit der schlüssigste Beweis erbracht sein, daß der eigene Boden ihm genug auch dieses hochwertigen Nahrungsmittels lie- fern kann, so daß für das Festland der Kampf zwischen Zuckerrohr und Zuckerrübe ausge- kämpft ist,

321

GEORG BLOHM:

DAS WARTHELAND

Seine betriebswirtschaftlichen und agrarpolitischen Aufgaben

nmitten der weiten ostdeutschen Ebene zeigt

das Wartheland in klimatischer Beziehung eine so weitgehende Einheitlichkeit, wie wohl kein anderer Gau des Großdeutschen Reiches. Be- stimmend ist dabei das kontinentale Uber- gangsklima, das insbesondere durch seinen Trockenheitscharakter, geringe Niederschläge, niedrige Luftfeuchtigkeit, hohe Sommertempe- raturen, starke, austrocknende Winde die Organisation und Wirtschaftsführung der Land- wirtschaft beeinflußt. Selbstverständlich treten auch im Wartheland in den einzelnen Gebieten gewisse klimatische Unterschiede auf, so neh- men z.B. die Niederschläge im Westen und Süden des Gaues und auch im Osten zu, während sich ein ausgesprochenes Trockengebiet nord- östlich von Posen bis hinauf nach Kujawien er- streckt. Diese Unterschiede kommen auch wohl in der Anbauwürdigkeit einzelner Kultur- pflanzen zur Auswirkung, sie sind aber keines- wegs so ausgeprägt, daß durch sie die Betriebs- form der Landwirtschaft beeinflußt werden könnte. Infolgedessen werden im Warthegau die verschiedenen Betriebstypen nicht durch die klimatischen Unter- schiede, sondern durch die jeweiligen Bodenverhältnisse und nicht zuletzt durch die Betriebsgröße bestimmt.

Der Boden ist außerordentlich wechselnd, wie überall der Glazial-Boden Nord- und Ost- deutschlands, angefangen von der wertvollen Schwarzerde Kujawiens bis zum leichtesten Sandboden, der in Zukunft der Aufforstung zu- geführt werden muß, weil er unter den heutigen Anforderungen des bäuerlichen Lebensstan- dards nicht mehr kulturwürdig erscheint. Fast jeder Kreis verfügt über guten und minder- wertigen Boden, wenn auch selbstverständlich sich innerhalb des Reichsgaues gewisse Distrikte besonders durch die Verbreitung bester Kultur- böden auszeichnen. Aber durchweg charakte- ristisch für den Boden des Warthelandes ist als Folge des niederschlagarmen Klimas seine günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit,

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während schwere, bindige Tonböden, wie wir sie in dem feuchten, kühlen Küstenklima Nord- deutschlands, z.B. in Ostpreußen, weit ver- breitet finden, vollkommen fehlen.

Nicht minder bedeutungsvoll wie die Boden- verhältnisse ist allerdings für die Gestaltung der landwirtschaftlichen Betriebstypen die Betriebsgröße. Während z.B. angesichts des schon recht extremen Kontinentalklimas in den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirt- schaften der intensive Ackerbau die Betriebs- organisation beherrscht, sind die bäuerlichen Familienwirtschaften vorwiegend aus arbeits- wirtschaftlichen Gründen auch in dem Trocken- gebiet des Ostens auf eine autark entwickelte Veredelungswirtschaft angewiesen. Es läßt sich daher nicht leugnen, daß rein betriebswirt- schaftlich gesehen die Groß- und groß- bäuerlichen Betriebe sich leichter den im Wartheland gegebenen natürlichen Standorts- verhältnissen in ihrer Betriebsorganisation an- zupassen vermögen als die kleinbäuerlichen Wirtschaften. Aus diesem Grunde ist es auch durchaus zweckmäßig, wenn man in diesen Ost- gebieten dem Großgrundbesitz und vor allem den großbäuerlichen Betrieben einen höheren Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche zubilligt, wie dies unter niederschlagsreicheren, mehr futterwüchsigen natürlichen Bedingungen wünschenswert erscheinen mag.

Das Wartheland umfaßt heute Gebietsteile, die über ein Jahrhundert verschiedenen Staaten zugehört haben, so die ehemals preußischen Westkreise und die ehemals russischen Ost- kreise. Die kurzen zwanzig Jahre polnischer Herrschaft haben es keineswegs vermocht, die sich aus dieser verschiedenartigen historischen Entwicklung ergebenden Unterschiede im wirt- schaftlichen und agrarpolitischen Gefüge nen- nenswert auszugleichen, So ist vor allem in den ehemals russischen Kreisen die verkehrs- technische Erschließung noch denkbar unbefriedigend, und sie zwingt die landwirt-

schaftlichen Betriebe, die jeweiligen Absatz- und Verkehrsverhältnisse in ihrer gesamten Betriebsorganisation wesentlich stärker zu be- rücksichtigen, als wir dies heute bei der sehr einheitlichen Verkehrserschließung des Alt- reiches gewohnt sind.

Die außergewöhnliche Ausgeglichenheit der natürlichen Standortsbedingungen im Warthe- land muß sich naturgemäß auf die betriebs- wirtschaftliche Lenkung der land- wirtschaftlichen Erzeugung durchaus günstig auswirken, denn sie erleichtert einmal die Ausrichtung der Erzeugungspropaganda und ermöglicht zum anderen eine sehr einheitliche Schulung der Betreuer und Wirtschaftsberater. Soweit der Krieg eine systematische Landwirt- schaftsförderung überhaupt zuläßt, ist in der Tat bereits in den letzten Jahren eine außer- ordentlich einheitliche Ausrichtung der gesam- ten landwirtschaftlichen Produktion erzielt worden, die insbesondere durch folgende zwei Tatsachen unterstützt wurde: Der gesamte ehe- mals polnische Grundbesitz wurde der Wirt- schaftsführung der Reichslandbewirtschaftungs- gesellschaft im Interesse des Reiches übergeben, sei es, daß auf den Großbetrieben reichseigene Wirtschaftsoberleiter zum Einsatz kamen, oder daß der polnische Kleingrundbesitz nur der Oberaufsicht der Reichsland unterstellt wurde, Immerhin bedeutet die Einschaltung der Reichs- land eine außerordentlich gleichartige Wirt- schaftsführung nach vollkommen einheitlichen Richtlinien. Zum anderen wurden in den vier ersten Kriegsjahren nicht weniger als 35 000 landwirtschaftliche Umsiedlerfamilien im Wartheland angesetzt, die in ihrer früheren Heimat grundsätzlich andersartigen natürlichen und wirtschaftlichen Produktionsbedingungen entstammen und sich daher in ihrer gesam- ten betriebswirtschaftlichen Wirtschaftsführung völlig neu auf die hier vorgefundenen Verhält- nisse einstellen müssen. Auch dieser Umstand bot Gelegenheit, durch die Betreuer des Reichs- nährstandes, des Landwirtschaftlichen Treu- handverbandes und der Bauernsiedlungen eine sehr einheitliche Ausrichtung der landwirt- schaftlichen Betriebsorganisation durchzusetzen.

Dabei muß das Schwergewicht der landwirt- schaftlichen Betriebsorganisation im Wartheland selbstverständlich auf der intensiven Feld- wirtschaft und insbesondere auf dem Hack- fruchtbau mit Zuckerrüben und Kartoffeln liegen. So ist in den letzten Jahren die gesamte Erzeugungsschlachtpropaganda in erster Linie auf die Ausdehnung des Hackfruchtbaues ab- gestellt gewesen, womit auch erreicht wurde, daß heute kaum ein Betrieb über einen gerin- geren Hackfruchtbau als 20 v.H. der landwirt- schaftlichen Nutzfläche verfügt, und daß dieser besonders in den großbäuerlichen und Groß- betrieben sehr häufig den Anteil von 30 v.H. der landwirtsehaftlichen Nutzfläche übersteigt. Im Hinblick auf die Entwicklung des Hack-

fruchtbaues liegt die betriebswirtschaftliche Aufgabe heute kaum mehr in einer weiteren Steigerung seiner Anbaufläche, sondern viel- mehr in der Erhöhung seiner Erträge, die mit der schnellen Ausweitung des Anbaues nicht haben Schritt halten können.

In der Steigerung der Felderträge muß überhaupt eines der wichtigsten betriebswirt- schaftlichen und agrarpolitischen Probleme des Reichsgaues erblickt werden, denn allgemein liegen sie mindestens um 25 v.H. unter den- jenigen der Gebiete des Altreiches mit ähnlichen natürlichen und wirtschaftlichen Voraussetzun- gen. Ausgangs des vorigen Weltkrieges mit Beginn der polnischen Herrschaft übertrafen die Erträge der ehemals preußischen Gebiete die der russischen Kreise um etwa 30 v.H. Im Laufe der zwanzig Jahre polnischer Herrschaft ist aber allmählich eine fast völlige Angleichung zwischen den beiden Teilgebieten zuungunsten der preußischen Kreise. Zu den wichtigsten Maßnahmen für die Erzielung einer nachhalti- gen Ertragssteigerung gehört insbesondere eine Verbesserung der Humusversorgung desAckers, die angesichts der Vernachlässi- gung der Viehwirtschaft zur polnischen Zeit keineswegs den Anforderungen einer inten- siven Kulturwirtschaft mit umfangreichem Hack- fruchtbau entspricht. Sie kann dabei vor allem auf den leichten Böden durch eine Zwischen- frucht-Gründüngung günstig ergänzt wer- den. Unerläßlich ist auch eine Erhöhung der Handelsdüngeranwendung, die jedoch erst nach dem Kriege in Aussicht genommen werden kann. Fast alle Bodenuntersuchungen zeigen, daß der Phosphorsäure- und Kaligehalt des Ackerlandes völlig ungenügend ist. Drin- gend notwendig ist ferner eine Verbesse- rung der Anbautechnik. Wohl bei keiner Kulturpflanze wirkt sich die Güte der Anbau- technik so durchschlagend aus, wie bei der Kar- toffel. Es ist verständlich, daß den Umsiedlern, die hier zum erstenmal einen intensiven Kar- toffelbau betrieben, die Erfahrungen in der Anbautechnik noch vielfach fehlen.

Während des Krieges konnte die Steigerung des Hackfruchtbaus, insbesondere der Kartof- feln, unbedenklich vorgenommen werden, weil bei dem hohen Bedarf des Altreiches an Speise- kartoffeln Absatzschwierigkeiten in keiner Weise zu befürchten sind. Während der Absatz der Zuckerrüben dank der Verarbeitung in den Zuckerfabriken auch für die Zukunft gesichert ist, wird die Unterbringung der Kartoffeln nach dem Kriege auf außerordentliche Schwierig- keiten stoßen, da der derzeitige Produktions- umfang des Warthelandes den Eigenbedarf weit überragt, dies um so mehr, wenn es einmal ge- lingt, volle Hektarerträge zu erzielen. Infolge- dessen muß der Verwertung der Kartoffeln in einer genügend ausgebauten landeseigenen Verarbeitungsindustrie größte Aufmerk- samkeit geschenkt werden. Aber noch wichtiger ist der Aufbau einer ausgedehnten

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Schweinemast als einem der wichtigsten Betriebszweige bäuerlicher Familienwirtschaf- ten, der allein eine hinreichende Verwertung der Kartoffeln in dieser Betriebsgröße ermög- licht. Das Wartheland bietet in jeder Beziehung günstigste Voraussetzungen für die Schweine- haltung, so daß nach dem Kriege zumindest eine Verdoppelung der derzeitigen Schweinebestände anzustreben ist, um die Aufrechterhaltung des umfangreichen Kartoffel- baues in den bäuerlichen Familienwirtschaften sicherzustellen. Zur polnischen Zeit ist als Folge der Absatzschwierigkeiten die Schweinehaltung stark vernachlässigt worden.

Die Kriegswirtschaft zwingt dazu, auch im Wartheland im großen Umfange Spezialkul- turen, wie z. B. Ol-undFaserpflanzen, zum Anbau zu bringen und ihre Verbreitung durch schematisch auferlegte Anbau- und Abliefe- rungskontingente sicherzustellen, ohne ihre Anbauwürdigkeit unter den gegebenen Stand- ortverhältnissen hinreichend erforscht zu haben. So wird es in Zukunft die Aufgabe der zweck- mäßigen betriebswirtschaftlichen Lenkung sein, den Anbau dieser Spezialkulturen, insbesondere die Auswahl der betr. Kulturpflanzen sach- gemäß den jeweiligen Standortsbedingungen der einzelnen Gebiete anzupassen. Denn je mehr es gelingt, die landwirtschaftliche Betriebs- organisation und den Anbau der Kulturpflanzen auf die jeweiligen natürlichen Voraussetzungen auszurichten, um so günstiger für die Entwick- lung der Leistungskapazität und für die Senkung des Risikos in der Landwirtschaft, worauf im Kontinentalklima besonderer Wert gelegt wer- den muß. Dank der derzeitig günstigen Kon- junktur und unterstützt durch die sehr guten Arbeiterverhältnisse wurde während des Krie- ges ein umfangreicher Gemüsebau entwickelt, der keineswegs überall im Reichsgau die geeig- neten natürlichen Voraussetzungen findet. All- mählich aber zeichnen sich hinsichtlich Klima und Boden gewisse Gebiete ab, die für einen dauerhaften, hinreichend ertragssicheren Ge- müsebau die gewünschten Standortsbedingun- gen aufweisen.. Nach Vorliegen genügender Erfahrungen sind in Zukunft diese Anbaugebiete abzugrenzen und als Grundlage für einen dauer- haften Gemüsebau die entsprechenden Verwer- tungsmöglichkeiten, vor allem im Aufbau einer Gemüseverwertungsindustrie zu schaffen. Eine besondere Eignung besitzt das Klima dagegen durchweg für den Gemüsesamenbau.

Das betriebswirtschaftliche Grundproblem der ostdeutschen Trockengebiete stellt die Schaf- fung einer guten Futtergrundlage für einen ausreichenden Viehbestand, eine Aufgabe, die um so schwerer wiegt, weil der Grünland- anteil gering und dieses außerdem zumeist von mangelhafter Qualität ist. Auch die im großen Umfange beabsichtigten und teilweise bereits eingeleiteten Meliorationen werden nicht immer zu der gewünschten Besserung führen, denn das

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Problem dieser erschöpft sich nicht allein in der Entwässerung, sondern verlangt vielmehr eine geregelte Wasserbewirtschaftung überhaupt. So wird in Zukunft die Nutzung der künstlichen Beregnung, wie z.B. zwecks Anlage von Jung- viehweiden, nicht unwesentlicher sein als die Entwässerung weiter Grünlandflächen. Die Futterversorgung aus dem Ackerfutterbau ist vorwiegend auf die Luzerne und den Zwischen- fruchtbau mit Gärfuttergewinnung abzustellen, denn nur so kann die schwierige Forderung einer gleichmäßigen und ausreichenden Futter- versorgung der Rindviehbestände während des ganzen Jahres im Trockenklima erfolgreich ge- löst werden. In Zukunft können hierbei die neu- zeitlichen Trocknungsanlagen einen wertvollen Dienst leisten, weil sie es ermöglichen, auch den Zwischenfrucht- und Zweitfruchtbau zur Rauhfuttergewinnung heranzuziehen.

Die Entwicklung eines betriebswirtschaftlich wohlorganisierten Futterbaues wird 2. Z. durch die kriegsbedingten Erschwernisse in der Futtersaatbeschaffung unangenehm behindert. Und hierunter leidet naturgemäß auch der Auf- bau der Nutzviehbestände, die allein schon im Hinblick auf die Stalldungversorgung des Ackers als unzureichend zu bezeichnen sind. Denn auch in den Trockengebieten des Ostens ist eine gesunde Humuswirtschaft die unerläß- liche Voraussetzung für die Entwicklung einer befriedigenden Bodenfruchtbarkeit. Somit ist trotz der Erschwernisse im Futterbau eine Er- höhung der Nutzviehbestände und damit in erster Linie der Rindviehbestände unerläßlich, wobei außerdem die zu erwartende Einschränkung des heute noch außerordentlich hohen Besatzes an tierischen Zugkräften zu be- rücksichtigen ist, der bei vollem Einsatz der Schlepper in wenigen Jahren nach dem Kriege ohne Zweifel eine Verminderung von etwa 50 v.H. erfahren wird. Das Schwergewicht der Rindviehhaltung liegt heute auf der Milch- wirtschaft, und auch für die Zukunft wird sie das Rückgrat der Nutzviehhaltung im Wartheland bilden müssen. Aber stets wird die Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege der Mikchviehbestände angesichts des Mangels an Dauerweiden und der Schwierigkeit der Rauhfutterbeschaffung erhebliche Sorgen ver- ursachen. Demgegenüber machen sich diese Nachteile der natürlichen Standortsbedingun- gen in der Rindermast keineswegs derart unangenehm bemerkbar, ganz abgesehen davon, daß in den intensiven Hackfruchtbetrieben wie in dem Rübenblatt der Zuckerrübenwirtschaf- ten und der Schlempe der Brennereiwirtschaften eine hervorragende Futtergrundlage für die Mastwirtschaft zur Verfügung steht. So hat vor dem ersten Weltkriege die Rindermast in den ehemaligen preußischen Kreisen eine sehr große Bedeutung gehabt, und es ist anzustreben, diese auch neben einer ausreichenden Milchvieh- haltung nach Beendigung dieses Krieges wieder aufzubauen. Da sie aber als Altrindermast ın den

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Infolge des ausgeprägten Kontinentalklimas beherrscht in den Großbetrieben und großbäuerlichen Wirtschaften der intensive Ackerbau die Betriebsorganisation. Charakteristisch für den Boden des Warthelandes ist als Folge des | niederschlagarmen Klimas seine günstige Tätigkeit und leichte Bearbeitbarkeit

Vorbildliche Schweinestallungen

Das Wartheland bietet in jeder Beziehung günstigste Voraussetzungen für eine starke Schweine- haltung. Diese ist besonders für die bäuerlichen Familienwirtschaften einer der wichtigsten Betriebszweige

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Bauern aus dem Nachbardorf haben einen Be- such in dem vorbildlich neuerrichteten Bauern-

Die Schafhaltung findet im Wartheland ausgezeichnete Voraussetzungen; denn für sie stehen in den inten- siven Hackfruchtbetrieben mit umfangreichem Leguminosenbau stets ausreichende Abfallfutterstoffe zur Verfügung

Warmblutfohlen auf der Koppel Das Schwergewicht der Rindviehhaltung liegt auf der Milchwirtschaft. Die Jungviehaufzucht und die Gesundheitspflege der Milchviehbestände bereiten im Wartheland infolge des Mangels an Dauerweiden und der Schwierigkeit der Rauhfutterbeschaffung dem Landwirt erhebliche Sorgen

Ländlicher Kinderreichtum ist die sicherste Bürgschaft der Eindeutschung und Behauptung des Warthe- landes als deutscher Volksboden

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Eine der wichtigsten Aufgaben war der Wiederaufbau des deutschen Schulwesens. Das Bild oben zeigt bauern, der für den eingezogenen Lehrer eingesprungen ist, beim Unterricht

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- großbäuerlichen und Großbetrieben auf den

Zukauf von Magervieh angewiesen ist, muß der zukünftigen Versorgung des Reichs- gaues mit preiswertem Magervieh im Herbst aus den Weidegebieten der Küste oder des Ge- birges besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ebenso ungenügend wie der Umfang der Nutzviehhaltung ist heute im allgemeinen die viehwirtschaftliche Leistung, wie insbeson- dere der Milchertrag in der Rindviehhaltung. Ihre Hebung ist wiederum eine Aufgabe der zweckmäßigen Futterversorgung ebenso wie einer sachgemäßen Gesundheitspflege der Vieh- bestände.

Ausgezeichnete Voraussetzungen findet im Reichsgau Wartheland schließlich auch die Schafhaltung, denn für sie stehen in den intensiven Hackfruchtbetrieben mit umfang- reichem Leguminosenbau stets ausreichande Mengen Abfallfutterstoffe zur Verfügung. Aller- dings wird sie fast ausschließlich als Guts- schäferei auf die Großbetriebe beschränkt blei- ben, aber im Gegensatz zu dem abnormen Rückgang der Schafhaltung zur polnischen Zeit bieten sich. ihr heute wieder beste Entwick- lungsmöglichkeiten.

Die Arbeitsverfassung des Warthe- landes zeigt auch heute noch die typischen Merkmale eines osteuropäischen Agrarstaates. Die billigen und stets reichlich zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte und demgegenüber die unverhältnismäßig hohen Preise für landwirt- scha ftliche Maschinen und Geräte haben zur polnischen Zeit nicht die geringsten Voraus- setzungen für eine neuzeitliche Technisierung der Landwirtschaft geboten. Besonders in den ehemaligen russischen Kreisen ist daher die gesamte Arbeits wirtschaft noch in einem der- artig en Ausmaße auf die Handarbeit eingestellt, wie wir es im Altreich schon seit Jahrzehnten nicht mehr kennen. Wenngleich in den letzten Jahren schon beachtliche Zahlen von landwirt- schaftlichen Arbeitern in das Altreich ab- gegeben wurden, verfügt die Landwirtschaft auch heute noch über einen sehr reichlichen Besatz an Arbeitskräften, von denen infolge des Kinderreichtums der polnischen Landarbeiter und der bisher gänzlich unbedeutenden Abwan- derung der Anteil der jugendlichen Arbeits- kräfte außerordentlich hoch ist. Diese reichlich zur Verfügung stehenden noch sehr billigen Arbeitskräfte gestatten es heute noch, die Zah) der Beschäftigten auf den Höchstbedarf der wichtigsten Arbeitsspitzen des Hackfruchtbaues einzurichten.

Wenngleich der hohe Besatz mit Arbeitskräf- ten die Intensivierung der Landwirtschaft im

Sinne der Kriegswirtschaft während der letzten

Jahre bestens gefördert hat, ist naturgemäß aber angesichts der völlig unzureichenden Me- chanisierung die Erzeugungsleistung je Arbeitskraft heute noch unverhältnismäßig gering. Sie beträgt im Durchschnitt kaum

50 v.H. derjenigen Erzeugung, die von deut- schen Landarbeitern im Altreich vor diesem Krieg in zweckmäßig organisierten Betrieben erreicht wurde. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß eine derartige Arbeitsverfassung für die Zukunft untragbar ist, zumal wenn die allmäh- liche Eindeutschung des Landarbeiterstandes und damit die unerläßliche Hebung ihres Lebensstandards eine erhebliche Lohnsteigerung unvermeidlich macht. Das Ziel der Hebung der Erzeugung je Arbeitskraft kann nur durch wesentliche Verminderung des Gesamtarbeits- kräftebesatzes unter weitgehender Me- chanisierung insbesondere der ausgepräg- testen Arbeitsspitzen der Hackfruchternte und Hackfruchtpflege usw. erreicht werden. Und da auch im Wartheland mit zunehmender Entwick- lung der Industrie in den Städten eine starke Abwanderung der jugendlichen Arbeitskräfte in den nächsten Jahren eintreten wird, ist die Zahl der ständigen Landarbeiterfamilien erheb- lich zu erhöhen, vor allem in den mittel- und großbäuerlichen Betrieben.

Aber das größte Problem bleibt die An- setzung deutscher Landarbeiter, die am zweckmäßigsten durch die Schaffung von Freiarbeiterstellen mit Eigenheim und Eigenland in den Bauerndörfern und durch Einstellung von deutschen Spezialarbeitskräften, wie Auf- sichtspersonal, Viehpflegern, Handwerkern in den Großbetrieben eingeleitet wird.

Diese kurze Betrachtung zeigt, wie groß die betriebswirtschaftlichen Aufgaben sind, die in der Landwirtschaft des Warthelandes in den kommenden Jahren der Lösung harren. Dem-

gegenüber ist zu bedenken, daß sowohl die alt-

eingesessenen deutschen Bauern im ehemaligen russischen Teilgebiet wie auch die größte Zahl der Umsiedler aus der extensiven Selbstversor- gungswirtschaft stammen und ihnen daher die betriebswirtschaftlichen Anforderungen unserer intensiven Kulturwirtschaft bisher weitgehend fremd waren. Weiterhin ist selbstverständlich,

daß sowohl den Alteingesessenen wie den Um-

siedlern vor dem Kriege eine umfassende Be- treuung, Anleitung und Berufsausbildung nicht zuteil geworden ist. Diese Tatsache wirkt sich heute in einer außerordentlichen Streu- breite in der Leistungsentwicklung der einzelnen Betriebe aus und erfordert für die Zukunft ein bestens aufgebautes System der Berufsschulung der Ju- gend wie auch der Betreuung und Wirtschafts- beratung der bereits angesetzten Bauern, eine Aufgabe, für welche während des Krieges die erforderlichen Kräfte beim besten Willen nicht zur Verfügung gestellt werden können.

Die größte agrarpolitische Aufgabe, die das Wartheland uns für die Zukunft stellt, ist die Schaffung einer Betriebsgrößenord- nung, wir wir sie heute auf Grund unserer Erfahrungen im Altreich als wünschenswert er- achten, und wie wir sie aber kaum in irgend-

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einem Gau vorfinden. Die Betriebsgrößenstruk- tur, wie wir sie im Reichsgau Wartheland im Jahre 1939 übernommen haben, entspricht dabei auch keineswegs dem Ideal, das uns heute vorschwebt. Sie kann kurz folgendermaßen charakterisiert werden: |

In den ehemaligen preußischen Kreisen über- wiegt insbesondere als Folge der sogenannten Stein-Hardenbergschen Reform der Großgrund- besitz mit etwa 40 v. H. der Nutzfläche. Dem- gegenüber findet sich nur der kleinbäuerliche Besitz unter 25 ha Nutzfläche in größerer Aus- dehnung, während die mittel- und großbäuer- lichen Betriebe fast völlig fehlen. In den ehe- maligen kongreßpolnischen Kreisen überwiegt bei weitem der kleinbäuerliche Besitz mit star- kem Anteil kleinster Parzellenbetriebe unter 10 ha Nutzfläche. Die Großbetriebe haben einen wesentlich geringeren Anteil an der Nutzfläche inne als in den ehemaligen preußischen Kreisen und der mittelbäuerliche Besitz fehlt auch hier wieder fast völlig. Die ersten Richtlinien für den Aufbau der Betriebsgrößenstruktur wurden vom Reichskommissar für die Festigung deut- schen Volkstums in der Allgemeinen Anord- nung 7/II vom 26. November 1940 gegeben. Im Gegensatz zu den Siedlungsbestrebungen nach dem ersten Weltkriege im Altreich ist diese

Bodenordnung zum erstenmal nicht auf eine

einzige Betriebsgröße als dem Idealtyp aus- gerichtet, sondern kennt die agrarpolitische und betriebswirtschaftliche Bedeutung jeder Be- triebsgröße an und erstrebt somit eine mög- lichst günstige Mischung aller.

Das Schwergewicht der Bodenordnung soll auf der bäuerlichen Familienwirt- schaft beruhen, dem sogenannten Hufen- betrieb, denen etwa 50 bis 60 v.H. der landwirt- schaftlichen Nutzfläche zugedacht werden. Die Größe dieser Hufenbetriebe wird etwa 20 bis 30 ha, bis zum Höchstfall 40 ha betragen, und damit werden sie über eine wesentlich umfang- reichere Ackernahrung verfügen, wie sie im allgemeinen den bäuerlichen Familienwirt- schaften heute im Altreich zur Verfügung steht. Die Mehrzahl der etwa 40 000 alteingesessenen deutschen Bauernwirtschaften gehören dieser Betriebsgröße an oder wurden bereits in den letzten Jahren durch Landzulage auf diese ge- bracht. Auch die überwiegende Zahl der ein- gesetzten Umsiedler erhielten Betriebe in dieser Größenordnung. Wenngleich auch unter den gegebenen Standortsverhältnissen des Kon- tinentalklimas der Futterbau gegenüber dem Hackfruchtbau zurücktreten muß, so liegt doch auch hier die wichtigste Aufgabe dieser bäuer-

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*

lichen Familienbetriebe in der möglichst um- fassenden Veredlung aller auf der Nutzfläche geernteten Erzeugnisse durch die Viehwirt- schaft. Für die Verwertung der Ackererzeug- nisse ist aber in erster Linie die Schweinemast berufen, und infolgedessen werden diese Bauernwirtschaften die vorwiegen- den Träger der Schweinemast sein. Wenn diese erst einmal nach Beendigung des Krieges voll aufgebaut sein wird, kann von einer bäuerlichen Familienwirtschaft von 20 bis 30 ha eine Ablieferung an Fleisch mit min- destens 2 dz je Hektar erwartet werden.

Demgegenüber wird dem Großgrund- besitz über 125 ha 15 v.H. der landwirtschaft- lichen Nutzfläche eingeräumt werden, und dieser Anteil ist bereits heute etwa mit alteingesesse- nen deutschen Betriebsleitern und zugewander- ten Umsiedlern besetzt. Entsprechend den gegebenen natürlichen Standortsbedingungen liegen die Aufgaben des Großgrundbesitzes im Trockengebiet des Ostens auf der intensiven Feldwirtschaft mit umfangreichem Hackfruchtbau. Die Marktbelieferung durch ihn wird sich daher vorwiegend auf den Direkt- verkauf von Ackererzeugnissen erstrecken. Die Nutzviehhaltung hat hier vor allem die Aufgabe der Humusversorgung des Ackers. Sie bedarf hierfür nicht des Umfangs, wie er den bäuer- lichen Fanmilienwirtschaften zusteht, nur die Schafhaltung und die Rindermast werden ihren Standort fast ausschließlich in den Großbetrie- ben finden. Eine besondere Aufgabe fällt ihnen schließlich in der Erzeugung hochwertigen Saatgutes an Getreide, Kartoffeln usw. zu.

Der mittel- und großbäuerliche Be- sitz von 40 bis 125 ha Nutzfläche hat während der letzten Jahre bereits eine beachtliche Aus- weitung erfahren, weil eine größere Zahl von Umsiedlern in dieser Betriebsgröße angesetzt wurden. Ihm ist endgültig ein Anteil von 25 v. H. der Nutzfläche zugedacht, und damit soll ihm eine Ausdehnung eingeräumt werden, wie wir sie, im Gegensatz zu Nordwestdeutschland, im Osten bisher kaum irgendwo kennen. Auch sie werden unter den gegebenen natürlichen Ver- hältnissen ähnlich wie der Großgrundbesitz ihre Betriebsorganisation vorwiegend auf dieinten- sive Feldwirtschaft einzustellen haben. Gegenüber den bäuerlichen Familienwirtschaf- ten bieten sie insbesondere den Vorteil, daß sie sich weitergehend den Spezialkulturen, wie Gemüsebau, Olfrucht- und Leguminosenbau zuwenden können, für welche in ersteren angesichts des umfangreicheren Futterbaues kein genügender Raum auf dem Acker zur Ver-

fügung steht. Als besonders wünschenswert muß es bezeichnet werden, daß sich die großbäuerlichen Betriebe in Zukunft der Nutzviehhochzucht, der Rindvieh- und Schweinezucht, zuwenden möchten. Vor allem aber soll der ausgedehnte großbäuerliche Be- sitz die Lebensgrundlage für ein gehobenes Bauerntum schaffen, von dem angesichts der größeren Unabhängigkeit vom täglichen Ar- beitsrhythmus und der gehobenen Einkommens-

verhältnisse ebenso wie vom Großgrundbesitz

besonders hochstehende und fortschrittliche Leistungen erwartet werden müssen. So wird auch das Großbauerntum vorwiegend die Kräfte für die Führung in der Selbstverwaltung und im Genossenschaftswesen zur Verfügung zu stellen haben.

Und schließlich wird auch der bäuerliche Kleinbesitz mit einer Nutzfläche von etwa 10 bis 20 ha nicht völlig entbehrt werden kön- nen, allein aus Gründen der Arbeitsordnung nicht. Aber vor allem bietet diese Betriebsgröße unentbehrliche Aufstiegsstellen für tüchtige Landarbeiter, und so wurden bereits eine geringe Zahl von Umsiedlern auf solche Kleinbetriebe angesetzt. Doch ihre Aus- dehnung wird z.B. im Gegensatz zu Süd- und Westdeutschland auf ein Mindestmaß be- schränkt bleiben, das durch die jeweiligen wirt- schaftlichen Voraussetzungen in den einzelnen Gebieten des Warthelandes vorgeschrieben wird.

Aber die Aufgabe einer gesunden Boden- ordnung erschöpft sich keineswegs allein in der Schaffung eines leistungsfähigen und sozial wohlgestellten Bauerntums, sondern sie wird erst dann dem erstrebten Ideal entsprechen, wenn sie gleichzeitig die Grundlage für einen ausreichenden und zufriedenen Landarbeiterstand stellt. In diesem Sinne muß zum ersten Male der Versuch unternom- men werden, im Zuge der neuen Bodenordnung auf Grund eines zweckvollen Verhältnisses der einzelnen Betriebsgrößen zueinander und durch wohlausgewogene Abstimmung der landwirt- schaftlichen und nichtlandwirtschaftlichen Be- völkerung aufeinander die Grundlage für einen gesunden Landarbeiterstand und damit für eine restlos befriedigende Arbeitskräfteversorgung der Landwirtschaft zu legen. In diesem Sinne ist vor allem der Arbeitskräftebedarf der mittel- und großbäuerlichen Betriebe ebenso wie des Großärundbesitzes soweit wie irgend möglich durch die Ansetzung verheirateter Landarbeiter zu decken, so daß die aus- schließliche Beschäftigung von ledigen Gesinde- arbeitskräften auf die bäuerlichen Familien- wirtschaften zur Ergänzung der familieneigenen

Arbeitskräfte beschränkt bleibt. Der Einsatz einer genügenden Zahl verheirateter Land- arbeiterfamilien, die auch in erster Linie die Gesindekräfte der Hufenbetriebe zu stellen haben, soll eine übertriebene Abhängigkeit der Landwirtschaft in ihrer Arbeitskräfteversorgung von der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung vermeiden, ohne daß hiermit ein gesunder Aus- tausch von Jungarbeitern zwischen Landwirt- schaft und nichtlandwirtschaftlichen Berufen unterbunden werden soll.

Die völlige Umgestaltung der vorgefundenen Bodenordnung des Reichsgaues verlangt dem- entsprechend auch eine grundlegende Neu- ordnung der Landschaftsgestaltung, der Flureinteilung und des Aufbaues der Haupt- und Nebendörfer. Dieser Neuaufbau ist um So unentbehrlicher, weil der bauliche Zustand der überalterten und weitgehend vernachlässigten landwirtschaftlichen Gebäude schon in den ehe- mals preußischen Kreisen äußerst mangelhaft ist, in den früher russischen Gebieten aber nur als katastrophal bezeichnet werden kann. Und so erheben sich die unzähligen Probleme des land- wirtschaftlichen Bauens in architektonischer, arbeitswirtschaftlicher und hygienischer Be- ziehung, und es zeigt sich immer wieder, wie viele Fragen noch ungeklärt sind. Denn das ge- samte landwirtschaftliche Bauwesen hat auch im Altreich während der letzten Jahrzehnte völlig stagniert, und infolgedessen war es nicht möglich, in der Gestaltung unserer Bauernhöfe und Dörfer mit den stets wachsenden Anforde- rungen unserer intensiven Kulturwirtschaft auch nur annähernd Schritt zu halten. So steht der Neuaufbau im Osten in dieser Beziehung fast vor einem gänzlichen Neuland mit der Aufgabe, endlich einmal grundlegende Richtlinien für die zweckmäßige bauliche Gestaltung der Bauern- höfe und -dörfer zu entwickeln. Betrachtet man so die agrarpolitischen und betriebswirtschaft- lichen Aufgaben, die uns der Aufbau der Land- wirtschaft und des Landstandes im Warthelend stellt, so begnügen sie sich nicht mit der Kor- rektur einiger Mißstände, sie sind auch keine logische Fortführung einer sich seit langem klar abzeichnenden Entwicklung, sondern sie be- deuten nichts wenigeralseinen Neubau von Grund auf, für den kaum mehr als die natürlichen Standortsbedingungen als bleibende Voraussetzungen gegeben sind. Diese Aufgabe ist in der Tat ebenso reizvoll wie großartig, sie wird viel Arbeit, Kraft und Zeit erfordern, zu- mal sie nur dann einmal als wirklich erfüllt wird gelten können, wenn sie bis zum letzten Ziel durchgeführt wurde, ohne auf halbem Wege steckenzubleiben.

327

CHARLOTTE LORENZ:

Das Gesetz in der Verbra uchswirtschaft

I. Der Verbrauchshaushalt in der auto- ritären Wirtschaft

m nationalsozialistischen Volksstaat bildet

neben der soziälpolitischen Erhaltung und Förderung der Familie die verbrauchspoli- tische Betreuung des Haushalts den obersten Grundsatz einer gesunden Gemein- schaftsordnung. Diese Einstellung ist von der Grundidee beherrscht, mit der Besserung der wirtschaftlichen und kulturellen Lebensverhält- nisse die notwendigen Voraussetzungen für eine freie Entfaltung der völkischen Wachstums- kräfte zu schaffen. Im Verbrauchshaushalt über- schneiden sich die vielfachen Bestrebungen sozialer Gemeinschaftspflege, die den Konsu- menten als den verantwortlichen Nutznießer und letzten Verwerter des völkischen Arbeits- produktes am stärksten treffen. Mit dieser Auf- fassung hat die staatspolitische Führung im Ideen- und Tatbereich die Abkehr von der liberalistischen Denkweise vollzogen, welche die Erwerbswirtschaft der freien Marktordnung in den Vordergrund der nationalökonomischen Kausalforschung gestellt und damit zum Angel- punkt ihrer wirtschaftspolitischen Doktrinen erhoben hat.

Auch in den staatspolitischen Systemen der Vergangenheit treten Maßnahmen zur Lenkung des Verbrauchs, wenn man von ge- legentlichen Eingriffen in die persönliche Le- bensführung absieht, nur in Verbindung mit gesetzgeberischen Aktionen in anderen Auf- gabenbereichen des Staates auf. Im Zeitalter. des Merkantilismus, dessen Maßnahmen auf eine Mehrung des Volksreichtums durch forcierte Begünstigung des Exportgewerbes gerichtet

sind, dienen Eingriffe in das Verbrauchsleben, -

wie Einfuhrverbote auf ausländische Luxus- artikel und Propagierung inländischer Erzeug- nisse für den Verbrauch, in erster Linie der Exportsteigerung. während der Erlaß spezieller Verbrauchsvorschriften für bestimmte Artikel von steuerpolitischen Erwägungen diktiert war. So zielen Verbrauchsverbote und Luxussteuern auf Genußmittel, insbesondere alkoholische Ge- tränke, Tabak und Kaffee in erster Linie auf eine Entlastung der Einfuhrbilanz. Im System des Liberalismus der von der Idee einer unein- geschränkten wirtschaftlichen Freizügigkeit be- herrscht wird, vollzieht sich die Versorgung des

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Verbrauchshaushalts unabhängig von jeder obrigkeitlichen Einflußnahme im freihändle- rischen Marktverkehr. Erst mit dem Übergang zu autoritären Wirtschaftsformen wird der Ver- brauchshaushalt, wenn auch zunächst nur mit- telbar, in den Wirkungsbereich der Staatspoli- tik einbezogen. So dienen die zum Schutz der Arbeitskraft und Familie getroffenen Maßnah- men der sozialen Gesetzgebung, der Lohnpolitik. des Wohnungs- und Siedlungswesens ebenso wie die steuerpolitischen Begünstigungen der Fa- milie auch der Hebung des Verbrauchsstandes. Spätere Ansätze zu einer mittelbaren staatlichen

Beeinflussung der Lebenshaltung sind in den

Bestrebungen zur Krisenbekämpfung und zur Milderung der Konjunkturschwankungen auf dem Gebiete der Einkommen-, Preis-, Steuer- und Zollpolitik wirksam gewesen.

Ähnlich wie die Verbrauchsregulierung in der allgemeinen Wirtschaftspolitik hat auch bis in die Jetztzeit hinein die Verbrauchswirt- schaftslehre im Arbeitsbereich der Sozial- wissenschaften keinen Anspruch auf eine selb- ständige Forschungsaufgabe erhoben. Erst mit dem Umbruch des weltanschaulichen und poli- tischen Denkens hat neben dem Werkbetrieb der Verbrauchshaushalt als Objekt und

Träger der gestaltenden Planung die gebührende

Anerkennung erlangt.

So findet im System der autoritären Wirt- schaftsordnung der Produktions voran- schlag seine Ergänzung im Verbrauchs- vor anschlag. Die Bereitstellung von Kon- sumgütern stützt sich hierbei auf die verglei- chende Gegenüberstellung des tatsächlichen Verbrauchs der voraufgegangenen und der mut- maßlich verfügbaren Gütermenge der folgenden Wirtschaftsperiode, die nach Abschätzung der Erzeugungskapazität, der Vorratshaltung und Einfuhrlage vorhanden sein wird. Dem tatsäch- lichen Verbrauch oder „Ist-Verbrauch” steht der „Soll-Verbrauch” zur Seite, der das nach Lage der Güterbeschaffung mögliche

und zulässige Quantum an Sachgütern und son-

stigen Verbrauchsnutzungen umfaßt; er enthält, abweichend vom Ist-Verbrauch, Gütergruppen, in denen eine Minderung, Steigerung oder Um- lenkung des natürlichen oder des Wunschbedarfs zu anderen Erzeugnissen angestrebt wird. Eine weitere Rechnungsgröße, die eine auf lange

Sicht arbeitende Verbrauchslenkung in ihre Planung einstellen muß, ist der „Kann- Verbrauch“, d. h. die Verbrauchskapa- zität, die eine Bevölkerung bestimmter Größe und Zusammensetzung bei vollkommener Be- iriedigung ihrer Bedarfswünsche im Rahmen der verfügbaren Einkommenskaufkraft als Höchst- leistung einsetzen könnte. Während die Fest- stellung des Ist- und des Soll-Verbrauchs von tatsächlichen und vorausbestimmbaren Wirt- schaftsleistungen ausgeht, sind die Ermittlungen über das Verbrauchsmaximum im wesentlichen auf Mutmaßungen und Schätzungen angewiesen, die an bestimmte Erfahrungen der Einkommens- verwendung und Verbrauchsentwicklung an- knüpfen.

Aus dem Aufgabenbereich der staatlichen Sozialordnung und Wirtschaftslenkung eröffnen sich der Forschung grundlegend neue Aufgaben; sie werden bestimmt durch den Informations- bedarf der staatlichen Planungsstellen, die neben der laufenden Bereitstellung von Tat- sachenmaterial zur Erfassung und Entwicklung der Verbrauchs wirtschaft eine laufende Rech- nungslegung über die Wirkungen der getrof- fenen Maßnahmen fordern. Darüber hinaus hat die Verbrauchsforschung ihr Augenmerk auf eine grundsätzliche Klarstellung der zwischen Erwerbs- und Verbrauchs wirtschaft, zwischen Staats- und Privathaushalt wirksamen Zusam- menhänge zu richten. Das Arbeitsfeld der mo- dernen Verbrauchsforschung bewegt sich dem- nach in den Bahnen der Tatbestandsauf- nahme und der Kaus alerkenntnis. Mittel und Wege hierzu bieten Statistik und monogra- phische Beschreibung sowohl in Form größerer Bestandsaufnahmen und laufender Beobachtun- gen sowie Spezialuntersuchungen, welche den Einfluß der innerhalb und außerhalb der Ver- brauchssphäre wirksamen Faktoren auf die Lebenshaltung und den Markt klarlegen. Inner- halb der Ursachengruppen, die von der Willens- haltung des Verbrauchers nicht oder nicht direkt abhängen, sind die häuslichen Lebensumstände, der Wohn- und Siedlungsweise, des Einkom- mens, Berufs, der gesellschaftlichen Bindungen und der Marktbeziehungen des Haushalts zu berücksichtigen; neben diesen objektiven Faktoren sind die subjektiven Voraussetzun- gen, die in der Erfassung des Verbrauchers selbst begründet liegen und sein persönliches Verbrauchsverhalten bestimmen, klarzulegen. Während die Verbrauchsforschung im weiteren Sinne darauf abzielt, Beziehungen zwischen Haushalt und Markt im Gesamtbereich der sozialwirtschaftlichen Wirkungszusammen- hänge zu untersuchen, stellt sich die Ver- brauchserforschung oder Verbrauchs- forschungimengeren Sinne die Aufgabe, die Eigentümlichkeiten des Verbrauchsorganis- mus in seinen wesentlichsten Erscheinungstypen zu beschreiben und zu ergründen. Gegenstand und Arbeitsziel dieser Fachdisziplin ist es, die

Gesetzmäßigkeiten des Verbrauchs- lebens zu finden, um damit der obrigkeitlichen Verbrauchslenkung klärende Erkenntnisse für die Durchführung und Begründung ihrer gesetz- geberischen Maßnahmen an die Hand zu geben.

II. Die Erscheinungstypen des Ver- brauchshaushalts À

Die Untersuchungen über die Gesetzmäßig- keiten im Verbrauchsleben gruppieren sich um Wirtschaftsgebilde, dié wir unter dem Ober- begriff des Verbrauchshaushalts zusammenfas- sen. Es sind hjerunter folgende Hauptgruppen von Haushaltswirtschaften zu verstehen:

1. Verbrauchshaushalte mit familiärem Cha- rakter,

a) reine Familienhaushalte,

b) Haushalte mit familienfremden Haushalts- angehörigen,

c) Haushalte mit familienfremden Betriebs- angehörigen.

2. Verbrauchshaushalte von Einzelpersonen. 3. Verbrauchshaushalte mit Anstaltscharakter.

Neben dem reinen Familienhaushalt, der ledig- lich Personen einer blutsverwandten Gemein- schaft umfaßt, bilden Haushalte mit Angestellten für den privaten Haushaltungsbedarf sowie mit Angehörigen des Erwerbsbetriebs (Gesellen, Verkaufspersonal, Gesinde) in der handwerk- lichen und bäuerlichen Wirtschaft die vorherr- schenden Erscheinungsformen; demg&genüber findet sich im Anstaltshaushalt eine Verei- nigung von einander unabhängiger Hausinsassen, die durch andere Gemeinschaftsschicksale zu- sammengehalten wird. Hierhin gehören Anstalts- haushalte, die sowohl aus Gründen des Erwerbs (Gasthäuser, Fremdenheime) betrieben werden, als auch solche mit gemeinschaftswirtschaft- lichen Aufgaben im Bereich der öffentlichen Verwaltung der Gebietskörperschaften und Par- teigliederungen, auf dem Gebiet des Schul- wesens, der Wohlfahrt- und Gesundheitspflege, der Strafrechtspflege und der Schulungsunter- künfte Dazu kommen Anstaltshaushalte mili- tärischen Charakters, wie sie von Wehrmacht, Polizei und Reichsarbeitsdienst unterhalten

werden, ferner Lagerhaushalte für landwirt-

schaftliche und gewerbliche Arbeiter- und Anstaltshaushalte der religiösen Gemeinschaften (Klöster, Ferienheime und andere Vereinsunter- künfte).

/

III. Faktoren der Verbrauchsgestaltung

Das Schwergewicht der Verbrauchslenkung liegt auf der Überwachung und Versor- gung des eigentlichen Familienhaushalts, der als Urzelle des völkischen Lebens die Be- dingungen und Gestaltungen der Verbrauchs-

329

ordnung beherrscht. Die soziale und orga- nische Lebenshaltung der Familie diktieren such die Gesetze des Verbrauchs. Eine gemeinschaftsdienliche Lenkung des Ver- brauchshaushaltes setzt daher die Kenntnis seiner Wesensarten und Lebensäußerungen vor- aus, die den Umfang und die Art der Versor- gungsleistung bestimmen. Diese ergeben sich aus dem Zusammenwirken von Faktoren, die als Grundanlagen, Strukturmerkmale und Entwicklungstendenzen der Ver- brauchsgestaltung zu kennzeichnen sind. Die Grundanlagen führen ihre letzte Wurzel auf die organische, physische, geistige und psy- chische Verfassung des Verbrauchers zurück. Hierbei sind zwei Arten von Faktoren zu unter- scheiden, nämlich 1. subjektive, individual- typische, die dem Verbrauchsindividuum eigen sind und 2. objektive, familientypische. die dem Verbrauchshaushalt als Wirtschafts- gemeinschaft eigentümlich sind. Zur ersten Gruppe gehören in erster Linie die psycho- physischen AnlagenundRegungendes Konsumenten, während innerhalb der zwei- ten Gruppe die Besonderheiten des organischen und sozialen Familienaufbaus eine Rolle spielen.

/ 1. Individualtypische Faktoren

a) Das Gesetz des physiologischen. Mindestbedarfs

Die Bedarfsdeckung, die der Konsument als organisches Lebewesen vornimmt, wird von dem Naturgesetz des physiologischen Mindestbedarfs beherrscht. Dieses elemen- tare Gesetz der Verbrauchsordnung hat die Wirtschaftspolitik in ihrer Planung zu berück- sichtigen, in dem sie bei der Aufstellung des Nahrungsvoranschlages das Bedarfs- minimum des Menschen an Eiweiß, Fetten, Koh-

lehydraten und Mineralsalzen einsetzt. Die Ge-

samtmenge der zur Erhaltung von Arbeits- und Lebenskraft notwendigen Grundsubstanz ist in Kalorienwerten meßBbar, die von den Ernäh- rungs-Physiologen in einer nach Geschlecht, Alter, Körperbeschaffenheit und Betätigungsart des Menschen bestimmbaren Abstufung fest- gestellt werden. Wesentlich für eine gerechte Rationierung des Nahrungsbedarfs für den ar- beitenden Menschen ist hierin auch die Berück- sichtigung der Arbeitsleistung. In diesem Zusammenhang sird die vom Kaiser-Wilhelm- Institut für Arbeitsphysiologie in Dortmund durchgeführten Spezialuntersuchungen über den kalorimetrischen Normalbedarf bestimmter Ar- beitergruppen von Bedeutung; sie stützen sich auf die Ermittlung des Grundumsatzes (G.U.), d. h. die Berechnung derjenigen Kalorienmenge, die der menschliche Körper seiner organischen Beschaffenheit und Arbeitsleistung entsprechend bei völliger Ruhelage in 24 Stunden abgibt. Dem

G.U. ist der Arbeitsstoffwechsel, d. h. der Ka-

lorienverbrauch für die gesamte Tätigkeit in

330

1] Veröffentlicht in de. Zeitschrift:

Anteilen des G. U. zuzurechnen, wobei die in der G. U.-Berechnung enthaltene Verschiedenheit des Körperbaus bereits berücksichtigt ist. Man er- hält dann bei Beziehung der Werte auf ½ der Tageszeit (eine Einteilung, die wegen der größe- ren Genauigkeit der Drittelteilung vorzuziehen ist) eine Abstufung der Kalorienabgabe für Schlaf, Freizeit und Arbeit, die bei Berücksichti- gung der unterschiedlichen Arbeitsschwere er- hebliche Abweichungen zeigt. Wenn man die Kalorienabgabe für die Ruhezeit auf / G. U. und für die Freizeit auf °'s G. U. ansetzt, so be- trägt die Kalorienabgabe für Berufe mit leichter körperlicher Arbeit / G. U., dagegen für Schwer- arbeiter % G. U.; einem Gesamtverbrauch von 8/6 G. U. bei Berufstätigen mit leichter Arbeit steht demnach ein solcher von / G. U. bei Schwerstarbeitern gegenüber. Bei Arbeite rkate- gorien mit einem Verbrauch von 1% G. U. pro Tag ist der entsprechend geringere Kalorien- verbrauch für den Sonntag und Schichtwechsel in Ansatz zu bringen.

Eine gewisse Vorstellung über die durch die Arbeitsschwere bedingten Unterschiede der Kalorienabgabe gibt nachfolgendes Vergleichs- bild aus einem vom Institut für Arbeitsphysio- logie Dortmund entworfenen Vorschlag zu einer Ernährungsstatistik auf der Grundlage des Nah- rungsbedarfs der einzelnen Berufe):

Kalorienabgabe für verschiedene Berufe

8/6 G.U. Uhrmacher, Schreiber, Glasmaler, Bü- cherrevisor.

9 G. U. Goldschmied, Optiker, Chemiker. In- genieur, Putzmacherin, Stenotypistin, Telegraphist, Zeichner, leitender Ange- stellter und Beamter.

10% G.U. Spinner, Weber, Zwirner, Färber. Schriftsetzer, Drucker, Drechsler, Kon- ditor, Zigarrenmacher, Verkäufer, Loko- motivführer, Koch, Lehrer, Arzt, Friseur, technischer Angestellter.

11/6 G.U. Messerschleifer, Töpfer, Mechaniker, Sattler, Schuhmacher, Maler, Schaffner. Tierarzt, Hausangestellte,

12/6 G.U. Gärtner, Fischer, Melker, Glasarbeiter, Gießer, Maschinenarbeiter in der Me- tallindustrie, Schlosser, Klempner, Mül- ler, Bäcker, Fleischer, Brauer, Stein- setzer, Kellner.

13/8 G.U. Landarbeiter, Steinmetz, Former, Nieter, Tischler, Stellmacher, Matrose.

14% G.U. Winzer, Ziegelarbeiter, Schmied, Maurer, Zimmermann, Dachdecker.

15/6 G.U. Säge- und Walzwerkarbeiter. 16/6 G. U. Bergmann, Berufssportler, Holzfäller.

17/ G. U. Ausnahmefälle bei verlängerter Ar- 18/6 G. U. f beitszeit. |

„Arbeitsphysiologie” Berlin 1939, 10. Bd., 4. Heft, S. 455.

.

Die G.U.-Tafeln sind nicht nur für die Abstufungen des Nahrungsbedarfs von Inter- esse; sie bieten auch wertvolle Grundlagen und rechnerische Anhaltspunkte für die Be- stimmung der Verbrauchskraft nach Altersstufen. Diese Berechnungen bieten wiederum die Möglichkeit, die Verfassung und Leistung von Verbrauchshaushalten verschie- dener Struktur sowie gleicher Haushalte zu

verschiedenen Zeiten miteinander zu verglei-

chen. So erscheint bei fortschreitender Überalte- rung der Bevölkerung, in deren Verlauf der Bestand an erwachsenen Vollverbrauchern ge- genüber den Kindern und Jugendlichen ver- gleichsweise stark ansteigt, eine Verbrauchs- zunahme beispielsweise an Genußmitteln relativ höher, als es der Wirklichkeit entspricht. Aus diesem Grunde ist es richtiger, an Stelle der sonst gebräuchlichen Pro-Kopf-Raten Quoten zu berechnen, bei denen die Verbrauchsmenge auf Vollpersonen-Einheiten bezogen wird. Zu die- sem Zweck wird die Kopfzahl der Bevölkerung entsprechend der Verbrauchskraft der einzelnen Altersstufen auf die Verbrauchs-Einheit eines erwachsenen Mannes umgerechnet.

b) Die psychische Haltung des Verbrauchers

Während die Gesetze der Verbrauchsphysio- logie in quantifizierbaren Größen bestimmbar sind, lassen sich für die psychische Hal- tung und die daraus resultierenden Neigungen und Handlungen des Konsumenten keine ent- sprechenden Belege erbringen. Denn einmal können die in der Bedarfsdeckung wirksamen Äußerungen der Verbraucherpsyche nicht als solche, sondern bestenfalls nur in gewissen Wirkungsergebnissen und Symptomen erfaßt werden; und zweitens treten zu den bekannten Erfahrungstatsachen und Erkenntnissen auch unwägbare und unberechenbare Faktoren, die einer sozialpsychologischen Ergründung im Wege stehen. Erst in der neueren Sozialfor- schung machen sich Bestrebungen geltend, auch diese Seite der Verbrauchsbetätigung in die Untersuchungsarbeit einzubeziehen. So hat sich das Institut für Verbrauchsforschung in Nürn- berg die Aufgabe gestellt, „das typische Ver- halten des Durchschnittskonsumenten” zu er- gründen und auf seine Wirkungsrichtung zu untersuchen. Die Arbeiten, die sich auf Sonder- befragungen der Verbrauchshaushalte über deren Einstellung zu bestimmten Kaufobjekten verschiedener Güte und Nutzungsdauer stützen, sollen dazu beitragen, der Verbrauchsplanung gewisse Ansatzpunkte für die Lenkung und Be- einflussung der Kaufneigung des Konsumenten an die Hand zu geben?). Kennzeichnend für das

8) Vgl. hierzu die von H. Proesler im Handbuch der Verbrauchsforschung angeführten Spezialerhebungen Ber- lin 1940, Bd. II.

psychische Verhalten des Verbrauchers ist vor allem seine Einstellung in der Verwendung des Einkommens für Verbrauch und Kapitalbildung, die mit der Änderung der äußeren Lebensumstände gewissen Wandlungen unterworfen ist. In der Verbrauchsbefriedigung zeigen sich die Veranlagungsunterschiede bei der Verausgabung des Einkommens für den elastischen und unelastischen Bedarf; in der Kapitalbildung finden die unterschiedlichen Neigungen des Konsumenten bei der Gestaltung der Spartätigkeit ihren Ausdruck, die entweder auf „Konsumsparen‘, d. h. auf Gewinnung von Rücklagen für spätere größere Anschaffun- gen, oder auf „Rentensparen”, d. h. auf Sicherung von Rücklagen für Altersversorgung und Erwerbsunfähigkeit gerichtet ist.

2. Familientypische Faktoren

a) Der organische Aufbau des Familienhaushalts

Neben den individuellen Anlagen des Ver- brauchers, die durch seine persönliche Willens- haltung betätigt werden, sind in der Gestaltung der Bedarfsdeckung auch objektive, außerhalb der Willenssphäre liegende Tatbestände im Ver- brauchsleben des Volkes wirksam. Hierhin ge- hören vor allem die biologischen Besonderheiten des Volksorganısmus. Sie werden gekennzeich- net durch seine Größe, das zahlenmäßige Ver- hältnis der Geschlechter, die Familienstands- gliederung und Altersschichtung der Bevölke- rung. Das Verhältnis der Geschlechter wirkt sich für die Verbrauchsgestaltung dann beson- ders aus, wenn infolge Überwiegens der weib- lichen Bevölkerung in den heiratsfähigen Al-

tersklassen ein relativ höherer Teil der Frauen

nicht zur Eheschließung kommt, wodurch die Zahl der Einzelhaushalte wesentlich vergrößert wird. In derselben Richtung wirkt eine ver- gleichsweise starke Zunahme der Ehelösungen, bei welchen in der Mehrzahl der Fälle die Frau als Einzelwirtschafter zurückbleibt, wie auch eine allgemeine Abnahme der Ehefrequenz. Der Aufbau des Familienorganismus fällt für die völkische Verbrauchsgestaltung dadurch ins Gewicht, daß er in seiner Gliederung nach Haus- haltstypen vom Einzelhaushalt bis zum kin- derreichen Haushalt auch den Umfang und den Charakter der Versorgung bestimmt. Je nach dem Anteil der Einzelwirtschafter und je nach der Bedeutung der kinderlosen, kinder- armen und kinderreichen Familienhaushalte im Gesamtorganismus der Verbrauchswirtschaft ist auch die Größe und Struktur des Ver- brauchsvolumens verschieden. Der Aufbau des Familienorganismus ist wiederum abhängig von der Altersschichtung, welche der Bevölkerung das Gepräge eines jugendlichen oder eines alternden Organismus verleiht.

331

Nach den durch statistische Erhebungen be- stätigten Erfahrungen ergibt sich, daß mit stei- gender Kinderzahl bei gleich hohen Aufwen- dungen für den Gesamtverbrauch die Ausgaben für den unelastischen Bedarf anteilsmäßig stei- gen. Bei geringerer Kinderzahl treten dagegen die Aufwendungen für den elastischen (kultu- rellen) Bedarf stärker zutage, da in den klei- neren Familien für die Aufzucht und Bildung des Kindes entsprechend mehr Mittel verwendet werden. Auch außerhalb der einzelnen Bedarfs- gruppen ändert sich die Zusammensetzung des Verbrauchs nach Güterarten mit zunehmender Kinderzahl. Gliedert man beispielsweise die Ausgaben für den Nahrungsbedarf nach den Anteilssätzen für einzelne Lebensmittel auf, so tritt mit zunehmender Kinderzahl der Posten der hochwertigen, fett- und eiweißhaltigen Artikel, wie Butter, Eier, Fleisch und Fisch, hinter dem Anteil der Kindernährmittel zurück. Für den Verbrauchspolitiker ist die Erkenntnis dieser Zusammenhänge von größter Bedeutung, da die zur allgemeinen Hebung und Lenkung des Le-

bensstandards getroffenen Maßnahmen sich mit

den Bestrebungen einer wachstumsfördernden Familien- und Bevölkerungspolitik aufs engste berühren.

b) Dersoziale Charakter des Haushalts

Neben der biologischen Eigenart der Familie sind auch die Verfassung und Wandlung in der sozialen Schichtung der Haushalte bei der Durchführung des verbrauchswirtschaftlichen Versorgungsprogramms in Ansatz zu bringen. Abweichend von der früheren sozialen Stufen- ordnung des Volkskörpers zeigt der heutige Gliederbau der Bevölkerung eine Struktur, in welcher durch Besitzstand und Tradition ge- ‚zogene Grenzen teilweise verwischt und ver- schoben sind. Die mit der fortschreitenden Industrialisierung zunehmende Verbreitung des

Massenluxus und der technischen Lebensver-

besserungen, die fortschreitende Erschließung kultureller Darbietungen und Einrichtungen für Minderbemittelte bringen eine zunehmende Nivellierung der Lebensweise und da- mit ein Abgehen von traditionellen Gepflogen- heiten der Haushaltsführung mit sich.

Innerhalb dieses neuen Lebensstils bestehen jedoch auch neben der in der Rasse, Landschaft, Wohnweise und im Brauchtum begründeten Eigenart Verschiedenheiten der völkischen Le- benshaltung, die durch Beruf und soziale Stellung bedingt sind. Erfordert doch schon die Art der Arbeitsverrichtung, je nachdem ob sie Körper- oder Geisteskraft beansprucht, in Verbindung mit der Schwere und Dauer der Tätigkeit, eine nach Menge und Qualität unter- schiedliche Ernährungsweise. Dies wird durch die abweichenden Aufwendungen, die von Haus- halten verschiedener Berufsschichten bei glei-

332 | - |

chem Einkommen für den Nahrungsbedarf und andere Zweige des unelastischen Bedarfs ge- macht werden, bestätigt. Auf diese Zusammen- hänge soll in den Betrachtungen des folgenden Abschnitts noch näher eingegangen werden.

3. Äußere Lebensbedingungen und Umwelteinflüsse al Das Gesetz der Einkommens- verwendung

Für die Bewertung der hauswirtschaftlichen Verbrauchskapazität ist die Erkenntnis wesent- lich, daß die natürlichen Neigungen und Regun- gen, die das Verhalten des Konsumenten in der Bedarfsdeckung bestimmen, sich in den durch die äußeren Lebens- und Umweltverhältnisse ab- gesteckten Grenzen betätigen. So werden die Be- ziehungen des Verbrauchshaushaltes zum Markt

durch die Größe, reale Kaufkraft und Zu-

sammensetzung des Einkommens nach Einkunftsarten (Geld, Naturaleinkommen) und Einkommensträgern (innerhalb der Familie) ge- lenkt. Hierbei ist es eine bekannte, durch frühere Forschungen erwiesene Tatsache, daß sich die Größenordnung der Ausgaben mit steigendem und fallendem Einkommen verän- dern. Nach den amtlichen Wirtschaftsrechnun- gen der Jahre 1927/28, die einen Kreis von 3000 buchführenden Haushalten umfassen, ergibt sich, daß die Ausgaben für Nahrungsmittel sich bei einem Durchschnittssatz von 42,8 v.H. in einem Spielraum von 39,8 bis 47,0 v.H. bewegen. Für die Gesamtheit der Nahrungs- und Genußmittel

beläuft sich die Spanne der Ausgabequoten

zwischen niedrigster und höchster Einkommens- stufe auf 50,8 bis 43,7 v.H. Demgegenüber zeigen die Ausgaben für den elastischen Bedarf eine mit wachsendem Einkommen steigende Tendenz. Innerhalb der unteren Einkommensstufen, in denen eine weitere Einschränkung des Nah- rungsverbrauchs nicht möglich ist, macht sich im Nahrungshaushalt ein Ausweichen auf Er- zeugnisse geringerer Qualität bemerkbar. Es findet sonach in der Ausgabenstruktur des Haushalts das Engel’sche Gesetz, nach welchem der Ausgabenteil für den Nahrungs- aufwand mit steigendem Einkommen abnimmt, seine Bestätigung. Dagegen wird in anderen Zweigen der Bedarfsdeckung der bestimmende Einfluß der Einkommenshöhe durch das Einwir- ken anderer Faktoren der äußeren Lebensver- hältnisse in gewissem Umfange ausgeschaltet.

b) Sonstige Lebensumstände

Für die Art der Einkommensverwendung im Verbrauchshaushalt ist, wie bereits angedeutet wurde, nicht allein die Höhe der verfügbaren Einkünfte bestimmend. Auch Besonderheiten der durch die berufsständische Ordnung ge- schaffenen Verhältnisse geben der völkischen

| !

Mädel weben für Soldaten

V or mehreren Jahren wurde in Lyck in Ostpreußen eine Gauwebschule eingerichtet, deren Zweck die Förderung der ganz in Vergessenheit geratenen Spinnerei und Handweberei war. Aus vielen Gauen kamen die jungen Mädchen, um sich in diesem alten bäuerlichen Brauchtum unterrichten zu lassen.

Heute, im Kriege, hat die Schule ihren Aufgabenkreis erweitert. Es wird nicht nur gesponnen und gewebt, sondern das zu verarbeitende Material wird selbst gezogen. Vor der Webschule wurde Flachs angebaut, den die Schülerinnen bearbeiten, und die gute Ernte schafft immer eine beson- dere Freude; bedeutet sie doch neues Web- und Spinnmaterial. Aber der Flachs ist nicht das einzige selbstgezogene Material. Im Mittelpunkt des Interesses der Schülerinnen steht eine Kaninchenzucht. Die schönen Angorakaninchen werden mit besonderer Liebe gepflegt, denn ihre weichen, langen Haare sind kostbares Gut. Ihre Verarbeitung gilt kriegswichtigen Zwecken; schon unendlich vielen Soldaten hat die aus ihnen gesponnene wärmende Kleidung großen Nutzen getan. Dieses Wissen um den guten Zweck ihrer Arbeit spornt den Eifer der Schülerinnen sehr an. Singend und mit freudigen Gesichtern verrichten sie ihre Arbeit, die sie nicht nur einer alten, schönen Bauernkunst wieder nahebringt, sondern ihnen das befriedigende Bewußtsein gibt, im

Kriege notwendige Aufgaben erfüllen zu helfen.

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Die für die Ver- arbeitung wert- vollen Haare der Angorakaninchen werden sorgfältig ausgekämmt

Am Spinnrad

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Aus vielen dünnen Faden wird ein fester Faden gespult

Die Muster werden von den Schülerinnen meist selbst entworfen und aufgezeichnet Die Schulleiterin beim Unterricht in der Grundlehre des Musterentwurfs

Lebenshaltung Ihr charakteristisches Gepräge. So stellt sich der Ausgabesatz des Arbeiterhaus- halts für Nahrungsmittel vergleichsweise höher als die entsprechende Quote, die beim Angestell- ten- und Beamtenhaushalt der gleichen Ver- dienergruppe festzustellen ist. Die Ergebnisse der amtlichen Wirtschaftsrechnungen der Jahre 1927/28 lassen erkennen, daß sich die Verschie- bungen in den Ausgaben für den elastischen und unelastischen Bedarf in den Kreisen der

Arbeiter, Angestellten und Beamten verschieden .

abspielen. Es ergibt sich hierbei innerhalb glei- cher Einkommenslagen eine Abstufung der Aus-

gabesätze für Güter verschiedener Qualität und l Bedarfsdringlichkeit. Den höheren Ausgabe-

sätzen, die im Arbeiterhaushalt auf den Nah- rungsbedarf entfallen, śtehen entsprechend nie- drigere Aufwendungen für den sonstigen Lebensbedarf gegenüber. So ergibt sich aus einem Vergleich der Ausgabestruktur, daß im Beamtenhaushalt die Aufwendungen für Beklei- dung und Wäsche anteilsmäßig höher liegen als beim Arbeiter und Angestellten; des weiteren zeigt sich, daß auch der Aufwand, für den Woh- nungsbedarf im Beamtenhaushalt den im Ar- beiter- und Angestelltenhaushalt erzielten Satz überschreitet. S .

Diese Zusammenhänge werden deutlich, wenn man die Verbrauchshaltung zwischen verschie- denen Einkommensgruppen gleicher Berufs- schichten und zwischen verschiedenen Berufs- schichten von Haushalten gleicher Einkommens- lagen gegenüberstellt. So lassen Vergleiche der Lebenshaltung in typischen Handwerkerkreisen erkennen, daß die Aufwendungen für den Woh- nungsbedarf, die in bestimmten Berufskreisen durch betriebswirtschaftliche Erfordernisse be- dingt sind, die sonstigen Ausgaben, selbst für den elementaren Lebensbedarf, beeinträchtigen; hierdurch wird die erwartete Rangordnung in der Ausgabestruktur verändert. Auch kann man an Hand monographischer Ermittlungen für einzelne Haushaltstypen nachweisen, daß zwi- schen Haushalten mit Eigenbewirtschaftung und

solchen mit rein marktwirtschaftlicher Bedarfs-

deckung unter sanst gleichen Lebensbedingun- gen erhebliche Verschiedenheiten in bezug an die Ausgabegestaltung bestehen. So bleibt der Eigenheimstättenhaushalt des Handwerkers, der beträchtliche Aufwendungen für Heimstätte und Gartenpachtland zu machen hat, gegenüber dem

städtischen Haushalt des gleichen Berufsstandes

in den Ausgaben für Bekleidung und Kultur- bedarf merklich zurück.

4. Tendenzen der Verbrauchsgestaltung

Neben den Grundgesetzen der natürlichen Verbrauchshaltung, die als feste Tatbestände

von der Planung zu übernehmen sind, müssen auch die tendenziellen Wandlungen, denen der Verbrauchshaushalt im Zuge des wirt- schaftlich-kulturellen Fortschritts und des so- zialen Aufstufungsprozesses unterworfen ist, in Rechnung gezogen werden. Hierbei ist einerseits die Umstellungin den Lebensbräuchen und Verbrauchsgewohnheiten namentlich in der

Nahrungsversorqung und andererseits die fort-

schreitende Kultivierung der allgemei- nen Lebenshaltung zu berücksichtigen. So haben sich unter dem erzieherischen Einfluß des medizinischen Fortschrittes und der ernährungs- physiologischen Forschung, mit den Wandlungen der Wohn- und Siedlungsweise sowie mit der Ausdehnung der sportlichen Betätigung bemer- kenswerte Änderungen in der persönlichen und hauswirtschaftlichen Lebensführung vollzogen. Die Umstellung des physiologischen Bedarfs zeigt sich, wie aus einem Vergleich des durch- schnittlichen Ernährungskonsums für die Zeit vor und nach dem ersten Weltkrieg hervorgeht, in einer Abnahme des Verzehrs an mehl- und stärkehaltigen Nahrungsmitteln auf der einen und in der Zunahme des Verbrauchs an Fisch und frischer Pflanzennahrung auf der anderen Seite. Eine merkliche Zunahme hat auch der Zuckerverbrauch aufzuweisen,. der damit den schon früher erkennbaren Aufstieg im völ- kischen Speisezettel fortsetzt. Auch Tendenzen zur Steigerung des Verzehrs an tierischen Er- zeugnissen, vor allem Fetten und Eiern sind festzustellen. Hand in Hand hiermit geht eine Zunahme des Fischverbrauchs bis auf mehr als das Doppelte des Vorkriegsstandes. Besonders augenfällig sind die Verschiebungen im Genuß- mittelverbrauch, die durch einen bemerkens- werten Rückgang des Alkoholverbrauchs bei gleichzeitiger Zunahme des Tabakverbrauchs gekennzeichnet werden. Mit der Umstellung des natürlichen physiologischen Bedarfs geht eine bewußte Rationalisierung der allge- meinen Lebensweise einher, die sowohl auf rationalen Erwägungen des Verbrauchers selbst, als auch auf planmäßiger Anpassung der Ver- sorgung an das verfügbare Gütervolumen beruht. So findet die Verringerung des Verzehrs an Süd- früchten und anderen Importwaren, die durch Unterbindung und Kontingentierung bestimmter Einfuhrerzeugnisse bedingt war, einen Ausdruck in der stärkeren Belieferung der Bevölkerung mit einheimischem Obst. Durch die planmäßige Förderung der Veredlungsproduktion konnte die Versorgung der Bevölkerung mit inländischen Nahrungsfetten an Stelle der durch Einfuhr- beschränkung erschwerten Kunstfetterzeugung erweitert werden. Hierdurch war es möglich, in den ersten Jahren der nationalsoꝛzialistischen

333

Wirtschaftsordnung eine qualitative Aufbesse- rung des Nahrungsverbrauchs herbeizuführen, die dem Kaloriengehalt nach auf 1,6 und dem Eiweißgehalt nach auf 2,7 v.H. der entsprechen- den Menge des Jahres 1926 zu veranschlagen ist.

Während im Ernährungssektor die freie Entfaltung der Verbrauchswünsche aus physio- logischen Gründen begrenzt ist, hat sich unter dem anregenden Einfluß verbrauchsfördernder Wirtschaftsmaßnahmen in anderen Be- reichen der Lebenshaltung eine bemer- kenswerte Ausweitung des Verbrauchs

vollziehen können. Dieses Ergebnis wird durch

die Verbrauchsentwicklung in den Jahren 1933 bis 1937 bestätigt, in denen die Befriedigung der persönlichen und hauswirtschaftlichen Lebens- ansprüche in allen Zweigen des elementaren und kulturellen Bedarfs noch ohne einschrän- kende Reglementierung unterstützt wurde. Mißt man die Verbrauchsleistungen der Jahre 1933 und 1937 am Stande des Jahres 1932 unter Be- rücksichtigung des volkswirtschaftlichen Ver- brauchs und der Umsatzziffern des Einzelhandels, so ergibt sich für die einzelnen Bedarfsgruppen und die Gesamtheit des Lebensbedarfs folgendes Bild:

Kennziffern des Gesamtverbrauchs?) bezogen auf 1932 (=100)

Bedarfsgruppe 1933 1937 Nahrungs- und Genußmittel.. 99,4 106,2 Bekleiduunngggez 105,0 133,4 Heizung und Beleuchtung... 966 120,1 Hausrat und Wohnbedarf .... 110,7 162,7 Drogen und Apothekerwaren 984 127,5 Unterhaltung, Sport, Luxus .. 120,8 272,5 Gesamtbedarrrkk . 102.0 124,2

IV. Praktische Folgerungen für die Verbrauchsplanung

Würdigt man die Entwicklung des deutschen

Verbrauchslebens vom Standpunkt einer höhe- |

ren Wirtschaftsplanung, so ergibt sich, daß die bisherigen Maßnahmen zur Ordnung und Len- kung des Konsums den „Gesetzen der Ver- brauchswirtschaft“ weitgehend Rechnung getra- gen haben. Dies gilt vor allem für den in die erste Phase des 1. Vierjahresplanes fallenden Wirtschaftsabschnitt, in welchem die Planung darauf abzielte, neben dem „aufgestauten Lebensbedarf“ der vorangegangenen De- pressionszeit auch den „zusätzlichen

D Vgl. hierzu meinen Beitrag: „Sinn und Aufbau einer allgemeinen Verbrauchskennziffer“, in: „Allg. Stat.-Archiv, 1939, Heft 3.

334

Wunschbedarf” im kulturellen Sektor zu befriedigen. Es sei hier nur erinnert an die viel- fachen wirtschaftlichen Erleichterungen, die den minderbemittelten Verbraucherschichten durch Ausgabe von Fettverbilligungsscheinen und von Bezugsausweisen für Wäsche, Kleidung und Hausrat gewährt wurden; ferner an die mit der Förderung der Familiengründung verbundenen Maßnahmen und Vorkehrungen zur Errichtung von Eigenheimen, zur Beschaffung von Möbeln und Hausrat, des weiteren an die besonderen Vergünstigungen zum Bezuge von Radioappa- raten und Kleinautos, wie überhaupt die Bereit- stellung und Nutzbarmachung von zahlreichen Einrichtungen des kulturellen Lebens für alle Verbraucherkreise. Auch während des anschlie- Benden, mit der Verkündung des 2. Vierjahres- planes eingeleiteten Abschnitts de Wirtschafts- planung, der bereits im Zeichen einer teilweisen Kontingentierung stand, konnte die ursprüng- liche Kursrichtung im Bereich des eigentlichen Lebensbedarfs zunächst fortgesetzt werden. Mit dem Eintritt in die Kriegszwangswirt- schaft, in deren Verlauf sich der Übergang von der Teilrationierung zur totalen Lenkung des Verbrauchs vollzog, hat die Planung an den durch das „Verbrauchsgesetz“ beherrschten Prinzipien der Versorgung im wesentlichen festgehalten. Abweichend von den während des ersten Weltkrieges durchgeführten Maßnahmen, die, von der jeweiligen Bedarfs- lage diktiert, nur auf kurze Sicht getroffen wurden, ist die Zwangsrationierung des gegen- wärtigen Krieges darauf gerichtet, die in den verschiedenen Bereichen des Haushaltsver- brauchs erforderlichen Maßnahmen aufeinander abzustimmen und in einem organischen System der Gesamtplanung zu vereini- gen; in diesem System wird dem elementaren Mindestbedarf des Konsumenten in. einer nach Geschlecht, Alter und Berufstätigkeit gestaffel- ten Zuteilung geitgehend entsprochen.

Unabhängig von den kriegsbedingten Einschränkungen der Gegenwart hat die verantwortliche Führung die ursprüngliche Zielsetzung einer allgemeinen Kulti- vierung der Lebenshaltung nicht aus dem Auge verloren. Mehr denn je gilt für die Betreuung des Verbrauchshaushalts nach siegreicher Beendigung des Krieges der Grundsatz der völkischen Ver- brauchspflege, nach welchem die Be- schaffung der Konsumgüter und die Rang- ordnung der Bedarfsdeckung von dem höheren Gebot einer gerechten Sozial-

ordnung gelenkt werden.

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ALF NOLL:

FINANZIERUNGSPROBLEM UND GELD- FLUSSIGKEITINDER LANDWIRTSCHAFT

Die Schriftleitung veröffentlicht den nachfolgenden Aufsatz, ohne sich in allen Einzelheiten auf den Stand- punkt des Verfassers zu stellen. Andererseits hofft sie, durch diese Veröffentlichung eine fruchtbare Diskussion über die Probleme der Finanzierung der Landwirtschaft damit einzuleiten.

Ds Finanzierungsproblem in der deutschen Landwirtschaft ist in seinen künftigen For- men noch in der Schwebe. Dabei ist klarzu- stellen, wa® hier unter „Finanzierungs- problem” zu verstehen ist: Es ist die Frage, daß der Landwirtschaft als Summe aller land-

‚wirtschaftlichen Betriebe und als ein volklicher

Wirtschafts- und Aufgabenbereich jeweils die geldlichen Mittel zur Verfügung stehen, um so- wohl die Einzelbetriebe wie auch die Gesamt- heit des ernährungswirtschaftlichen Raumes und Rahmens im organischen Wachstum und bei besonderen Aufgaben ausreichend zu ver- sorgen. Es handelt sich also um die Beschaffung der jeweils notwendigen Geldmittel einmal für die lJandwirtschaftlichen Betriebe und zum anderen für den volkswirtschaftlichen Raum, auf und in dem die Betriebe leben, der ihnen die Voraussetzung und Möglichkeit des Wirt- schaftens bieten muß, also sozusagen die „Umwelt“ der Betriebe; erst die verkehrs-, versorgungsmäßige, technische, organisatorische Entwicklung des „Landes“, die Regulierung von Wasserläufen und Bodenverhältnissen u.a.m. gibt dem „Hof“ die Existenz und Entwicklungs- möglichkeit. Das sind somit zwei deutlich getrennte Finanzierungsbereiche, was für die Art der Finanzierung vor. grundlegender Wichtigkeit ist.

Eine Finanzierung der Landwirtschaft im eigentlichen Sinne gibt es erst, seitdem die Bewirtschaftung von Land und die Hervor- bringung von Nahrungsmitteln in den volkswirt- schaftlichen Umsatz eingegliedert, die Land- wirtschaft also der Geld- und Marktwirtschaft angeschlossen ist. Zum „Problem“ geworden ist sie wiederum erst, seitdem Umstände besonderer Art die geldmäßige Versorgung der Landwirt- schaft entweder in Frage stellten oder sie in einer Weise erfolgen ließen, die grundsätzliche Fragen landwirtschaftlicher, volkswirtschaft- licher und sonstiger Art aufwarf. Diese beiden Momente haben die bisherige Finanzierung der Landwirtschaft wesentlich bestimmt: ein tat-

sächlicher oder vermeintlicher Mangel an Finanzierungsmitteln und eine Zuführung von Geldmitteln in Formen und zu Zwecken, die und deren Nutzen sich als fragwürdig erweisen mußten, So verschieden die Verhältnisse in den einzelnen Teilen des Reiches in den letzten zwei Jahrhunderten auch gewesen sind: Was sich besonders heraushebt aus der Fülle von Einzel- zügen und -entwicklungen der Geldwirtschaft des Landes, ist das Entstehen eines Finanzie- rungsproblems hauptsächlich dort, wo Struktur und Ordnung landwirtschaftlicher Betriebe sel- ber problematische Entwicklungen durchmach- ten (so beim großen Gutsbesitz und beim kleineren Bauerntum), während für andere Teile (wie das erbmäßig gefestigte Bauerntum) die Finanzierungsfrage weit weniger akut in Er- scheinung trat.

Verfehlter Krediteinsatz

Das Hauptkennzeichen der Auffassungen des landwirtschaftlichen Finanzierungsproblems der Vergangenheit ist der Versuch seiner Lösung durch Kredit gewesen. Das hing zusammen mit der allgemeinen Bewertung des Kredits, dem mit der Entwicklung und Ausprägung des kapi- talistischen Wirtschaftssystems eine ganz außer- ordentliche Wertschätzung zuteil wurde. „Kre- dit“ war das Zaubermittel, um zu Geld zu kommen. Nachdem der Staatskredit im 18. Jahr- hundert seine wissenschaftliche Begründung erhalten hatte, entwickelte sich auch Theorie und Praxis des Wirtschaftskredits, besonders von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ab, in der der Realkredit in Preußen durch die Ent- wicklung des Hypothekenwesens eine als vor- bildlich angesehene rechtliche Ordnung erhielt. Finanzierung wurde geradezu gleichbedeutend mit Kreditzuführung, somit die Möglichkeit der Kreditbeschaffung entscheidend für die Entwick- lung wirtschaftlicher Unternehmungen über- haupt. „Die größte Benutzung des Kredits ist die sicherste Probe eines zunehmenden Reichtums“, sagte Justus Möser. Man war berauscht von der Zauberkraft des Kredits, der Kapital aus nichts schaffen könne, und übersah über dem Zauber- mittel vorhandene Krankheitsursachen, die durch Kredit nur zeitweise verschleiert, ja zum Teil erst geschaffen wurden. Die Forderung nach

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Kreditfreiheit, mit einem damaligen Voraus- setzungen entsprechenden Kern von Berechti- gung, wirkte sich praktisch mangels eines aus- reichenden Regulativs in einer Kreditent- fesselung aus, die schließlich. die gerufenen Geister nicht mehr los werden ließ. Dem Inter- esse am Kreditempfang entsprach das allmäh- lich das Übergewicht erlangende Interesse an eiher Kreditgabe bzw. Kreditvermittlung, das nach und nach über die formalrechtliche Kredit- sicherung überhaupt vorherrschend wurde und teilweise den Kredit zum Selbstzweck machte. Die Behauptung der Notwendigkeit und Nütz- lichkeit des Kredits wurde damit auch suggestiv angewandt, um Kreditnehmer anzuziehen, um Schuldner zu schaffen. )

Das Ergebnis dieser Kreditpsychose ist der deutschen Landwirtschaft nur zu drastisch vor Augen geführt worden: in der Tatsache ihrer Verschuldung. Dabei ist aber weniger der Ge- samtumfang von 18—20 Milliarden Mark Schulden vor dem Weltkrieg das Wesentliche, sondern, daß drei Viertel bis vier Fünftel bloße, über- wiegend unproduktive Besitzverschuldung wa- ren mit der Folgewirkung einer vielfach ungezügelten Bodenspekulation und einer Ver- drängung von Hofbesitzern von ihrer Scholle in zeitweilig riesigem Umfange. Von einer Pro- duktivität des landwirtschaftlichen Kredites kann für die Zeit vor dem Weltkrieg also nur in einem recht beschränkten Umfange die Rede sein, auch wenn man der Tatsache und den Zu- sammenhängen der Besitzverschuldung noch so große Objektivität entgegenbringt. Denn gerade das genaue Verfolgen der einzelnen Entwick- lungsstufen der landwirtschaftlichen Verschul- dung läßt erst erkennen, wie sehr rein kapita- listische Momente für das Entstehen und Wachsen dieser Verschuldung maßgeblich beteiligt ge- wesen sind. Und die Tätigkeit von Kreditein- richtungen in den letzten zwei Jahrhunderten muß sich unter diesem Gesichtspunkt manche berechtigte Kritik gefallen lassen.

Eine unvoreingenommene Nachprüfung kommt jedenfalls zu folgender Beurteilung dieser geschichtlichen Epoche: Der weitaus größte Teil der ganzen Kreditversorgung der Land- wirtschaft bis zum ersten Weltkrieg ist nicht der Verbesserung der Boden- und Wirtschafts- verhältnisse zugute gekommen, sondern hat in erster Linie eine Bodenpreissteigerung finanziert, deren Nutznießer zu einem großen Teil landwirtschaftsfremd waren. In einem ganz wesentlichen Umfange also ist Kredit an die Landwirtschaft auf ihre Kosten fehlgeleitet worden, sie hat aus ihrem Ertrag und ihrem Vermögen außerlandwirtschaftliche Geldver- wendungen finanzieren müssen, wodurch in der Endbilanz ein Vermögensausfall entstan- den ist; zu einem Teil hat diese Kreditfinanzie- rung Mitschuld an der Landflucht. Die land- wirtschaftliche Kreditfinanzierung dieser Epoche ist also zum großen Teil verfehlt gewesen, welche richtigen und wohlmeinenden Absichten

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im einzelnen auch damit verbunden gewesen sind oder welche an sich zweckmäßigen Me- thoden dabei angewandt wurden. Die Gründe waren vor allem: eine falsche Bewertung des Kredits überhaupt, der Mangel an einer sicheren und einheitlichen Volkswirtschafts- und Land- wirtschaftspolitik, eine finanzorganisatorische und rechtliche Ordnung, die aus „Eigengesetz- lichkeiten” heraus neue Entwicklungen im Interesse einer Finanzgeschäftsorganisation nach sich zog kurz: ein verhängnisvoll gewordenes Eindringen und schließlichkes Vordrängen kapitalistischer Momente, die mit der Natur der Landwirtschaft unvereinbar waren. Auch in einer zweiten Periode wurde durch Zuführung von Kredit an die Landwirtschaft die offene Finanzierungsfrage zu lösen versucht, wieder mit katastrophalem Mißerfolg: in der Nachinflationszeit, als in wenigen Jahren von 1925 bis 1931 die Verschuldung auf rund 11% Milliarden RM. (davon 1!/z Mrd. Auf- wertungsschulden) stieg. Hierbei waren gerade die Betriebs- und Produktionsverhältnisse der Landwirtschaft zum Anlaß der Bes@haffung und Zuführung der Kreditmittel genommen worden, aber das Mißverhältnis zwischen Schuldendienst und Wirtschaftlichkeit sowie die teilweise Ver- wendung der Kredite zu Steuerzahlung und unrentabler Investierung machten praktisch auch diese Verschuldung großenteils zu einer unproduktiven Besitzverschuldung.

Das geschichtliche Urteil über diese beiden Perioden kann unbestritten nur lauten, daß das Instrument des Kredites in weiten Tei- len der Landwirtschaft ohne ausreichende Be- rücksichtigung des Produktivitätsmomentes an- gewandt worden ist mit der Folge, daß sich verhängnisvolle strukturelle Verschiebungen im Besitzstand und in der Kapitalverlteilung ergaben, die letzten Endes nicht eine Anreicherung, son- dern meistens in längerer mittelbarer Folge- wirkung Verarmung der Landwirtschaft an Menschen und Vermögen bedeuteten. Verschul- dung und Landflucht hängen in vielfacher Weise zusammen, in merkwürdigem Gegensatz zu einer Theorie von der segensreichen Wirkung des Kredits, wie sie in der Vergangenheit nur zu häufig bedenkenlos vertreten worden ist, um aus Kredit Geschäft zu machen.

Wenn heute der absolut noch keineswegs wesentlich verminderte Schuldenbetrag nach „Bankwirtschaft“ 1943/45 wären bis dahin im Kriege bis (iv Mrd. RM. zurückgezahlt, wo- mit die gesamte Schuldensumme im Altreichs-

Gebiet auf 11 bis 11,5 Mrd. RM. zu veranschlagen

sei; heute ist eine weitere Verminderung an- zunehmen infolge der Zinssenkung die Land- wirtschaft scheinbar nicht mehr wesentlich belastet, so darf damit das Schuldenproblem weder bagatellisiert noch als gelöst betrachtet werden, denn wichtiger als Symptome sind Ur- sachen, und werden letztere nicht beseitigt bzw. vermieden, so kann eine zeitweilige Minderung bei den Symptomen zu gefährlichem Trug

H

werden. Hat die landwirtschaftliche Finanzie- rung über den Kredit in zwei Jahrhunderten zweimal zu katastrophalen Fehlentwicklungen geführt, so stellt sich die Kreditfrage in der Landwirtschaft grundsätzlich und muß jedenfalls zu einer Lösung führen, die wesentlich von Kredittheorien und -praktiken der Vergangen- heit abweicht.

Die Kreditfrage vor neuen Tatsachen

Die kritische geschichtliche und grundsätz- liche Betrachtung der Anwendung des Kredits in der Landwirtschaft kann selbstverständlich den Kredit nicht ohne weiteres bestreiten und verwerfen. Aber der #olkswirtschaftliche Sinn des Kredits kann nur sein die wirkliche Mehrung der Wirtschaftskraft durch Vorweg- einsatz von Geldmitteln, die erst in einer mehr oder minder längeren Umschlagsperiode aus den Erträgen bzw. aus der Abwicklung des Geld- aufwandes wieder anfallen. Man spricht daher vom produktiven, schöpferischen Kredit Nur die Mehrung von Wirtschaftskraft rechtfertigt ja auch den Zins als eine Anteilnahme des Geld- gebers an der schöpferischen Wirkung des Kredits. Jeder Zins, der nicht aus einem Mehr an Wirtschaftskraft und -vermögen gezahlt wird, geht zu Lasten der Substanz, des Vermögens. Die deutsche Landwirtschaft hat ungeheuer dafür in die Substanz ihres Vermögens eingreifen müssen, daß diese einfache wirtschaftliche Tat- sache die sonst so allgemein geläufig ist ihr gegenüber nicht berücksichtigt worden ist, gewiß nicht ohne teilweise eigene Schuld. Damit ergibt sich aber, daß jede Kreditgewäh- zung und Kreditnahme in der Landwirtschaft, deren Schuldendienst nicht aus einem höheren Ertrag bestritten werden kann, ein Vergehen gegen die Grundgesetze der Land- wie Volks- wirtschaft ist. Nicht wesentlich anders ist es auch mit der Auferlegung von Schuldlasten auf landwirtschaftliche Betriebe, denen keine Kre- ditzufuhr vorausgeht, sondern die sich aus Besitzverhältnissen und Berechtigungen er- geben: überschreiten sie einen Anteil am Ertrag, daß die notwendige Vermögensentwick- lung in Frage gestellt wird, so tun sie der Aufgabe des Betriebes (Hofes) als einer leben- digen Zelle des volklichen und volkswirtschaft- lichen Organismus Abbruch. Es handelt sich hierbei freilich nicht um eine bloße geldtech- nische Verschuldungsfrage, sondern um weiter- greifende Interessen agrar- und sozialpolitischer Art, die man denke an eine angemessene Abfindung weichender Erben in ebenso ge- rechter wie wirtschaftlich tragbarer Weise gewahrt werden müssen.

Die Entwicklung hat nun von selbst auch hinsichtlich der Kreditfrage der Landwirtschaft Tatsachen geschaffen, die zu einem Teil als Lösung des Kreditproblems anzusehen sind: die kapitalistische Theorie und Praxis der Auswer- tung des Bodens als Kapital und seiner „Mobi-

lisierung“ ist abgelöst worden durch die Grund- sätzlichkeit einer volksverpflichteten Auf- gabenstellung, die der Boden als letztliche Quelle jeder Arbeit und jeder Existenz hat, und durch eine daraus entstandene Boden- und Rechtsordnung. Einen Markt für landwirt- schaftlichen Boden gibt es nicht mehr, die Erbhofgesetzgebung hat dazu ausdrücklich den größten Teil der Landwirtschaft einem ver- kehrsmäßigen Umsatz entzogen; damit sind alle Voraussetzungen und Einrichtungen entfallen. einen Bodenmarkt umsatz- und gewinnmäßig zu nutzen; est entfällt aber auch ein entsprechen- der „Kreditbedarf“. War ein ganz wesentlicher Teil der Hunderte von Millionen, um die vor dem Weltkrieg der Realkredit der Landwirt- schaft jährlich stieg, nichts weiter als Kredite für den Bodenmarkt, so kann es nicht wundern, wenn mindestens in diesem Ausmaß ein Kredit- bedarf der Landwirtschaft nicht mehr besteht, und bei Aufrechterhaltung dieser Ordnung nicht mehr entstehen wird. Das ganze Problem der Besitzverschuldung, das vor dem Welt- Krieg der landwirtschaftlichen Verschuldung geradezu das Gepräge gegeben hat, ist im wesentlichen unaktuell geworden und muß es bleiben, abgesehen von Sonderfragen, die sich aus Siedlung und Abfindung ergeben, die aber ohne unangemessene Belastungen gelöst werden können.

Ein zweiter wichtiger Punkt für die Frage der landwirtschaftlichen Finanzierung ist die wach- sende grundsätzliche Erkenntnis und Forderung, daß die landwirtschaftlichen Betriebe die zu ihrer normalen und organischen Entwicklung notwendigen Geldmittel in erster Linie aus der Leistung, aus dem Ertrage des Betriebes selber gewinnen, daß sie also genügendes Eigen- vermögen bilden, um den Hauptteil der im Betriebsinteresse erforderlichen Geldaufwen- dungen selbst bestreiten zu können. Das ist eine Grundforderung für jeden gesunden wirtschaft- lichen Betrieb, und das ist der Sinn der Forde- rung nach „reichen Bauern“, wie sie Bernhard Köhler verstand und aufstellte, nicht in erster Linie zur Entfaltung einer bäuerlichen Lebens- haltung, sondern zur Entwicklung bäuerlicher Wirtschaftskraft. Und wenn man die Gleich- bedeutung von Wirtschaftskraft und Wirt- schaftsvermögen erkannt hat, so läßt sich auch begrifflich ohne weiteres auf das Fremdartige des Wortes „Kapital“ verzichten, das in die natürliche Geldordnung und das natürliche Wirtschaftsdenken der Landwirtschaft eine so unheilvolle Wirkung gebracht hat. Der ge- sunde landwirtschaftliche Betrieb muß so viel echtes Eigenvermögen bilden, daß er sich daraus für die laufenden Bedürfnisse selbst finan- zieren kann. Das ist eine Grundforderung und Grundvoraussetzung einer natürlichen Lösung der Finanzierungsfrage in der Landwirt- schaft. Es ist sowohl eine betriebswirtschaft- liche wie wirtschafts- und agrarpolitische Auf-

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gabe, eine Aufgabe des besten Wirtschaftens der Einzelbetriebe wie derSchaffung allgemeiner Wirtschaftsverhältnisse, unter denen die Einzel- betriebe ihr Höchstmaß an Leistung und Ver- mögensbildung (., Vermögen“ nicht nur im rein geldlichen, sondern auch im allgemeinen Sinne des Könnens und der Kraft verstanden) erfüllen können. Daß dies nicht einfach eine Preisfrage ist, bedarf keiner besonderen Betonung. Die Frage, ob es gelingen wird, eine ausreichende Eigen vermögenbildung der land wirtschaftlichen Betriebe zu ermöglichen und zu erreichen, ist die Schicksalsfrage der land wirtschaftlichen Finan- zierung und der bäuerlichen Struktur der Land- wirtschaft. Keinerlei Form und Höhe von Kredit kann hierbei ersatzweise einspringen. Die Ge- schichte der beiden letzten Jahrhunderte ist eine furchtbare Warnung vor einer Wieder- holung der Fehlfinanzierung durch Kredite da, wo er durch Eigenvermögen überflüssig sein muß. Der Einsatz des Kredits muß auf eine wirklich schöpferische, die Wirtschaft meh- rende, im besten und weitesten Sinne pro- duktive Finanzierung landwirtschaftlicher Aufgabenstellungen beschränkt bleiben.

Streicht man den gesamten Besitzkredit aus den landwirtschaftlichen Krediten (und dazu gehört auch ein großer Teil Pseudo-Investitions- kredite von 1925 bis 1931), so erscheint der echte landwirtschaftliche Kreditbedarf insgesamt weitaus geringer, als die früher tatsächliche Verschuldung und Verschuldungszunahme ge- wesen ist. Unter der Voraussetzung einer ge- nügenden Eigenvermögenbildung könnten unterschiedlich je nach der Besitzgröße die landwirtschaftlichen Betriebe im allgemeinen die normalen Aufwendungen aus dem Eigenver- mögen bestreiten. Der hauptsächliche Kredit- bedarf der landwirtschaftlichen Betriebe ent- stünde dann aus dem betrieblichen Umschlags- rhythmus zur Uberbrückung jahreszeitlich bedingter Spannungen (Düngemittel, Ernte, Saatgut, Vieh usw.) und aus der Anlage und Beschaffung intensivierender und rationalisie- render Arbeitsmittel. Er ist seiner Form nach kurz- und mittelfristig und stellt sich haupt- sächlich als „Personalkredit“ dar. Die Entwick- lung hat in dieser Hinsicht bereits die wesent- lichen Formen klar entstehen lassen, wobei sich eine nätürliche Stufenfolge der Kre- ditgewährung herausgebildet hat: mittelbare Kredite der zentralen Finanzierungsinstitute an die betriebsnahen Einrichtungen der Betreuung des landwirtschaftlichen Geldwesens, der Warenbesorgung, Absatzvermittlung usw. und unmittelbare Kredite dieser betriebsnahen Ein- richtungen an die Betriebe selber.

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In einem geordneten Landwirtschaftswesen wird der Krediteinsatz für diese be- trieblichen Zwecke und in diesen Formen den weitaus größten Teil der unmittelbar von land wirtschaftlichen Betrieben benötigten pro- duktiven Kredite ausmachen. Dabei ist voraus- gesetzt, daß alle Not- und Katastrophenverhält- nisse im volks wirtschaftlichen Kreditsinne keine geeigneten Anlässe für einen Krediteinsatz sind, sondern daß diese in anderer Weise aus dem Grundsatz der volksgemeinschaftlichen Solida- rität heraus zu beheben sind. Ebenfalls sind rentenmäßige und ähnliche Verpflichtungen aus Erbabfindungen nicht abzahlungsmäßig durch Kredite, sondern anzahlungsmäßig aus frühzeitig vorsorglichen Bereitstellungen und Versicherungen zu sichern. Es ergibt sich dann von selbst, daß eine gesunde, vermögenbildende Landwirtschaft einen Bedarf nach Hypothekar- kredit im Stile und Umfang früherer Zeit nicht hat, so daß dieser, der einmal weitaus den größten Teil der gesamten landwirtschaftlichen Kredite ausmachte, nur noch eine nachgeordnete Bedeutung für die landwirtschaftlichen Betriebe

“haben kann.

Um ein ganz anderes Finanzierungsgebiet handelt es sich bei den notwendigen Auf- wendungen für den überbetrieblichen landwirtschaftlichen Gesamtbereich, für dielandwirtschaftliche „Umwelt“, Herrichtung des Bodens zur Besiedlung, Regu- lierung von Wasserläufen für die Wasser- und Energieversorgung, Verkehrserschließung, für weitläufige Bodenverbesserungen usw. Diese ausgedehnten überbetrieblichen Aufgaben er- fordern einen zentralen Mitteleinsatz, der zu einem Teile ebenfalls nicht kreditmäßig vor- zunehmen ist. Im übrigen liegt hier das Haupt- gebiet eines langfristigen Investitions- kredits, für den ebensosehr größte Billigkeit wie größte Einfachheit in der technischen Durchführung der Finanzierung unter Anwen- dung der bestehenden rationellsten Verfahren so des weitgehend entstückelten Emissions- wesens vorauszusetzen ist. Diese Finanzie- rung zu tragen kann nicht ausschließliche Aufgabe der Landwirtschaft sein, sondern in einer Mithilfe hierbei hat sich die volkswirt- schaftliche Solidarität zu erweisen, aber auch eine gewisse Wiedergutmachung zu erfolgen für die gewaltigen und verhängnisvollen Ver- mögensverluste, die der Landwirtschaft durch eine teilweise falsche Kreditwirtschaft und Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit zu- gunsten anderer, auch fremder Volks- und Wirtschaftsbereiche zugefügt worden sind.

Geldvermögensbildung und Schulden- tilgung

Der Krieg hat die allgemeine Erscheinung der Geldflüssigkeit gebracht. Innerhalb der Land- wirtschaft hat sie zuerst ein etwas langsames Tempo gehabt, dann aber beschleunigt zugenom- men. Ausdruck dafür ist die außergewöhnliche Einlagensteigerun der landwirtschaft- lichen Kreditgenossenschaften, die in den letzten Jahren von allen Gruppen der Kredit- wirtschaft weitaus die stärkste seit Kriegsbeginn ist. Ende 1943 betrugen die Einlagen bei den ländlichen Genossenschaften etwa 13,3 Mil- liarden RM. gegen 4,1 Mrd. Ende 1939, Bei Unter- stellung des früher angenommenen Verhältnisses von 50 bis 60 v.H. Anteil eigentlich landwirt- schaftlicher Gelder könnte man die landwirt- schaftlichen Einlagen bei den ländlichen Ge, nossenschaften in einer Größenordnung von etwa Milliarden RM. annehmen. Dazu käme noch ein Anteil von etwa einem Viertel an den Einlagen bei den gewerblichen Genossen- schaften, die 9,3 gegen rund 3 Mrd. betrugen. Bei beiden Gruppen von Geldsammelstellen hätte also die Landwirtschaft Einlagen in einer Größenordnung von rund 10 Mrd. RM. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro- verbandes, Dr. Heintze, hat vor einiger Zeit die Gesamteinlagen der Landwirtschaft bei Spar- kassen und Genossenschaften sowie die Anlagen in Wertpapieren auf etwa 13 Mrd. RM. geschätzt. Vielleicht dürfte diese Ziffer noch etwas höher angesetzt werden, jedenfalls ist sie wohl in- zwischen überschritten worden.

Daß ein großer Teil dieses Zuwachses aus einer Substanzverflüssigung und Unterlassung an sich normaler Ausgaben kommt, steht außer Zweifel. Nach Geh. Rat Kißler (RKA.) macht allein der Abbau des Viehbestandes bei vor- sichtigem Ansatz für das Altreichsgebiet einen Wert von etwa 4 Mrd. RM. aus. Es sind gerin- gere Aufwendungen für Dünger, Maschinen, Reparaturen, Erneuerung erfolgt. Andererseits waren teilweise Lohnausgaben niedriger, ebenso mußte an Aufwendungen für Bekleidung und manche Formen der Lebenshaltung gespart werden. Schließlich kamen von der Preisseite her teilweise höhere Geldeingänge. Im Saldo gegenüber auch gestiegenen Ausgaben und er- höhten Steuern hat sich also ein Überschuß von Nominalgeld gebildet, der nur zu einem Teil mit Substanzverflüssigung erklärt werden darf. Da bei einer Rückkehr von Kaufmöglichkeiten nicht mit einer sofortigen Vornahme aller unterlassenen und notwendigen Arbeiten und Käufe gerechnet werden kann, wird ein zweifellos erheblicher Teil der gesamten land-

wirtschaftlichen „Geldkapitalbildung”, die, sich bis zum Kriegsende noch ansehnlich erhöhen kann, langfristig bestehen bleiben. Die Land- wirtschaft wird dann in weitaus höherem Um- fang, als dies jemals der Fall gewesen ist, später eigene Geldmittel zur Verfügung haben, und das um so mehr, je bewußter in den breitesten Kreisen des Landvolkes die Zeit zur Bildung von Geldrücklagen, zum Sparen, benutzt wird. Bedenkt man, daß ein Mangel an ausreichenden geldlichen Betriebsmitteln ein Hauptgrund der verhängnisvoll gewordenen Verschuldung so- wohl vor dem Weltkrieg wie unmittelbar nach diesem gewesen ist, so wird die tiefgehende Bedeutung einer erhöhten Geldrücklagenbildung der Landwirtschaft klar. Sie kann gar nicht hoch und wichtig genug eingeschätzt werden. Das Symptom einer Verarmung, das die allgemeine Geldflüssigkeit im Grunde teilweise ist, kann zur Grundlage einer größeren finan- ziellen Bewegungsfreiheit der Land- wirtschaft werden, wenn diese einzigartige und einmalige geschichtliche Lage und Schicksalsstunde genutzt wird. Das Be- stehen allgemeinwirtschaftlicher Verhältnisse, die der landwirtschaftlichen Leistung den an- gemessenen Ertrag lassen, und eine nachhaltig betriebene Eigenvermögenbildung auf der Grundlage der nunmehrigen Geldein- und -anlagen würden die Wiederkehr von Ver- schuldungsverhältnissen wie in der Vergangen- heit ausschließen.

Damit ergibt sich auch eine klare Lage in der Frage der Schuldentilgung. Eine aus reichende geldliche Eigenvermögenbildung ist das erste Erfordernis, unter ihrer Voraussetzung Schuldabtragung eine betrieblich und ethisch

begründete Selbstverständlichkeit. Aufbau eines

Geldvermögens, das den landwirtschaftlichen Betrieben einmal die Möglichkeit geben wird, ohne jedesmaligen Bittgang zum Kreditfonds zu wirtschaften und das dem Bauer erst die volle Freiheit und das volle Eigentum seines Besitzes gewährt, und Abbau einer Schulden- last, die ihrem wirklichen Charakter nach zum größeren Teil unproduktiv gewesen ist, diese zwei Forderungen: Sparen und Schulden- tilgung, sind heute an das Landvolk im Inter- esse seines künftigen Finanzierungsvermögens und seiner Zukunft überhaupt zu stellen. Dann kann auch ein Krediteinsatz zur Spitzen- finanzierung wertschöpferischer Leistung oder produktiver Investitionen und Meliorationen sowie zur Überbrückung regelmäßiger Spannun-

gen im betrieblichen Umschlag u. a. m. neue

Kräfte bilden und neue Energien erschließen helfen.

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Aygnarbultische,

Der Beginn des neuen Wirtschaftsjahres bei Ge- treide und Kartoffeln veranlaßt zu einem Überblick auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr und die Auf- gaben, die im neuen Wirtschaftsjahr voraussichtlich zu meistern sein werden. Beim Getreide ist festzu- stellen, daß das abgelaufene jahr die in die gute Ernte 1943 gesetzten Hoffnungen erfüllt und dadurch die reibungslose Deckung des Bedarfs sowie eine Erhöhung der Übergangsbestände ermöglicht hat. Dieses Ergebnis muß als ein neuer Erfolg der Kriegsernährungswirtschaft angesehen werden, denn die Getreidewirtschaft hat im letzten jahr infolge der geringen Kartoffelernte in einem Umfang als Ausgleichsfaktor antreten müssen, wie es nach der in den vorgehenden Jahren notwendig gewesenen Auflösung der Reserven nicht für möglich gehalten und am wenigsten bei unseren Gegnern erwartet wurde. Nicht weniger als mehrere hunderttausend Tonnen Brotgetreide wurden als Ausgleichsration für fehlende Kartoffeln bereitgestellt. Bei der Durch- führung dieses Ausgleichs hat sich erneut die An- passungsfähigkeit unserer Marktordnung erwiesen, die in der Zuverlässigkeit der statistischen Erhebungs- grundlagen, ohne die eine Führung niemals arbeiten könnte, ebenso wie bei der Durchführung der Einzel- maßnahmen ihre Wendigkeit erneut unter Beweis stellte. Dabei gilt es darauf hinzuweisen, daß die Schwierigkeit der Aufgabe nicht allein in der Bereit- stellung der erforderlichen Ausgleichsmen- gen lag, sondern auch In der Durchführung der Ver- arbeitung und Verteilung. Es ist im Kriege nicht einfach, mit den zur Verfügung stehenden zahlen- mäßig geringen Fachkräften stillgelegte Kapazitäten in der Verarbeitungsindustrie wieder in Gang zu bringen und je nach der Verschiedenheit der Er- zeugnisse die entsprechenden Verteilungsmaßnahmen zu treffen. Verwaltungsmaßnahmen in der Spitze und in den Gauen bis zum letzten Verbraucher stellen hier ebenso hohe Anforderungen wie die Beschaffung der erforderlichen Verkehrsmittel. Enge Zusammen- arbeit der Ernährungsämter und der Reichs- nährstandsdienststellen mit der Reichsbahn und den übrigen Verkehrsträgern sind eine wesentliche Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren, zumal die im letzten Jahr in größtem Umfang durchgeführten Umquartierungen diese Lenkungsaufgaben der Ernährungswirtschaft nicht gerade erleichtert haben. Wenn jetzt die Anspannung unserer Verkehrswirtschaft im fünften und sechsten Kriegsjahr und die Verlagerung zahlreicher Industrie- betriebe in vom Verkehr weniger erschlossene Ge- biete zu den Bevölkerungsverschiebungen im Rahmen der Umquartierung neue zusätzliche Aufgaben brin- gen, so wird man sich damit abfinden müssen, daß in Zukunft nicht. mehr wie in der Vergangenheit da- mit gerechnet werden kann, stets die Geschmacks- richtungen der Verbraucher zu berücksichtigen, wie

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dies bisher im Rahmen der Marktordnung vom Reichsnährstand nach Möglichkeit angestrebt wurde. Man wird sich vielmehr damit begnügen müssen, die erforderlichen Nahrungsmengen in ihrer Ge- samtheit sicherzustellen, ohne daß es möglich sein wird, das bisherige vielseitige Angebot aller Lebens- mittel überall aufrechtzuerhalten. In dieser Richtung können noch mancherlei Kräfte freigemacht werden, wenn man darauf verzichtet, im Interesse einer weit- gehenden Befriedigung aller Geschmacksrichtungen Lebensmittel im bisherigen Umfange aus einer Ge- gend in die andere und damit oftmals aneinander vorbeizufahren. Es sei hier nur gedacht an die Möglich- elt eines gewissen Austausches von Nährmitteln gegen Kartoffeln oder an die Versorgung mit den verschiedenen Gemüsearten. Mehr als bis- her wird es darauf ankommen, zunächst einmal den wichtigsten Nahrungsmittelbedarf aus denjenigen Lebensmitteln zu decken, die ohne große Transporte in den einzelnen Gauen anfallen. Das Beschreiten dieses Weges macht uns noch stärker und unabhängi- ger von Maßnahmen, die unter Umständen der Feind- einwirkung ausgesetzt sind. Man wird erwarten können, daß auch die Verbraucher Verständnis für diese Notwendigkeiten aufbringen, zumal gerade das letzte Jahr gezeigt hat, daß die Organisation unserer Kriegsernährungswirtschaft trotz zahlreicher neuer Belastungen, die nach der Auffassung unserer Gegner den Zusammenbruch unserer Nahrungsmittelver- sorgung hätten herbeiführen müssen, eine ausrel- chende Versorgung mit den wichtigsten Nahrungs- mitteln ermöglicht hat, auch bei solchen Lebens- mitteln, deren Erzeugung im vergangenen jahr weit hinter dem erwarteten Umfang zurückgeblieben war. Wenn im letzten Jahr die Last des Ausgleichs in erster Linie von der Getreidewirtschaft getragen werden konnte, so ist dies der deutschen Landwirt- schaft zu verdanken. Es soll aber nicht vergessen sein, daß außer der Landwirtschaft selbst auch alle übrigen an der Mehl-, Brot- und Nährmittelver- sorgung beteiligten Betriebe der Getreidewirtschaft ebenfalls durch äußerste Pflichterfüllung ihren An- teil dazu beigetragen haben, daß trotz fünf Kriegs jahren und Bombenterror alle Ansprüche der Ver- braucher pünktlich befriedigt werden konnten. Inzwischen sind durch die Jahresanordnung der Hauptvereinigung der Deutschen Getreide- und Futtermittelwirtschaft die organisatorischen Grundlagen für das neue Getreidewirtschaftsjahr be- kanntgegeben worden. Dabei konnten die wich- tigsten Bestimmungen im wesentlichen unverändert bestehen bleiben. Dabei wird im neuen Getreide- wirtschaftsjahr das Schwergewicht in der rechtzei- tigen und restlosen Ablieferung des Brotge- treides zu liegen haben, die heute wichtiger denn je Ist. Für die Ablieferung von Hafer und Gerste werden landwirtschaftlichen Betrieben wahrschein-

lich: höhere Mindestablieferungsverpflichtungen auf- erlegt werden als im Vorjahr, weil zur menschlichen Ernährung für die Herstellung von Nährmitteln und für die Brauwirtschaft sowie für die Versorgung der nichtlandwirtschaftlichen Tierhaltungen bestimmte ‚Mengen unbedingt aufgebracht werden müssen. Diese Maßnahme stellt erneute Anforderungen an die innere Elastizität der landwirtschaftlikhen Betriebe, die bei der Aufstellung ihres eigenen Futterhaushaltes mit diesen Tatsachen rechnen und rechtzeitig für einen Ausgleich durch eigenen Futterbau, vor allem im Wege des Zwischenfruchtbaues, sorgen müssen. Be- denkliche Auswirkungen auf die Viehhaltung sind aus dieser Maßnahme nicht zu befürchten, da die Viehbestände allgemein auch im letzten Jahr noch in einem Umfange gehalten werden konnten, daß ein geringer Abbau in den einzelnen Betrieben ohne wei- teres in Kauf genommen werden kann. Dabei ist schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die landwirt- schaftlichen Betriebe mit ihren Viehablieferungen möglichst nicht erst bis zum Weideabtrieb im Herbst warten, sondern schlachtreife Tiere bereits früher zur Ablieferung bringen, damit auch hier eine Ord- nung des Angebots erfolgt und die Ablieferungsspitze im Herbst eine Milderung erfährt. Von den übrigen Bestimmungen der Getreidejahresanordnung sind die Maßnahmen zur Förderung des Hülsenfrüchte- anbaus zu erwähnen, die durch eine Verbesserung der Preise und eine Vereinfachung der Preisklassen beim Verkauf der Speisehülsenfrüchte erreicht wer- den soll. Die Hülsenfrüchte gewinnen für die Ver- sorgung von Wehrmacht und Zivilbevölkerung mit längerer Kriegsdauer immer größere Bedeutung. Sie sind nicht nur sehr vielseitig verwendbar und als Ausgleich für verschiedene andere Nahrungsmittel geeignet; der Anbau der Hülsenfrüchte kann darüber hinaus mit Rücksicht auf die Einsparung von Handels- stickstoff auch in den Betrieben, die bisher keine Hülsenfrüchte anbauten, eine immer größere Rolle spielen.

Bei Beginn des neuen Kartoffeljahres muß nochmals an die ungewöhnlich schweren Verhältnisse des abgeschlossenen Wirtschaftsjahres erinnert wer- den, das mit seiner kleinen Ernte an die Marktordnung eine außerordentliche Belastungsprobe stellte. Es galt, neben der Sicherung der notwendigen Speise- kartoffelversorgung vor allem für eine genügende Bereitstellung von Pflanzkartoffeln zur Len- kung der neuen Ernte zu sorgen. Beide Aufgaben sind gemeistert worden, allerdings nur durch eine starke Zurückdrängung der Verarbeitung und der Verfütterung von Kartoffeln. Diese Entscheidung war außerordentlich schwer, wenn man berücksichtigt, daß die Kartoffelveredelungserzeugnisse sowohl in der Ernährungswirtschaft als auch in der Industrie eine wichtige Stellung einnehmen und die Schweine- haltung gegenüber dem vorangegangenen Jahr er- heblich vergrößert worden war. Heute kann fest- gestellt werden, daß die gestellten Ziele in vollem Umfangs erreicht wurden. Es muß besonders hervor- gehoben werden, daß die deutschen Bauern nur 2 Millionen Tonnen Speisekartoffeln weniger abgeliefert haben als aus der um 20 Millio- nen Tonnen größeren Ernte im Jahre 1942.

Bei der Beurteilung digser Leistung muß man berück- sichtigen, daß der übergebietliche Verkehr mit Speise- kartoffein, der zum großen Teil von den durch die schlechte Ernte besonders betroffenen Gebieten des deutschen Ostens getragen wurde, nur um 15 v. H. hinter der vorjährigen Ernte zurückblieb. Infolge der besonders schlechten Ernte in einzelnen Gebieten des Reiches mußte dabei der übergebietliche Verkehr in vollkommen neue Bahnen gelenkt werden. Er er- reichte infolgedessen den fachen Umfang des letzten Friedensjahres. Diese Aufgabe konnte nur gelöst werden, weil auch die Reichsbahn ihren Ein- satz über alles Maß steigerte und bei der Anpassung an die schwierige Lage die erforderliche Wendigkeit zeigte. Für die künftige Versorgung ist durch die Verlagerung eines stärkeren Spätkartoffel- anbaus in die wichtigsten Zuschußgebiete von vornherein auf eine Erleichterung dieser Lage hingearbeitet worden.

Von den Maßnahmen zur Förderung der Kriegs- erzeugungsschlacht ist die erste Arbeitstagung des Reichsbeirats Ackerbau im Reichsnähr- stand von besonderer Bedeutung. An dieser Ta- gung, die vom Reichsfachwart Ackerbau im Reichs- nährstand, Dr. Roemer, geleitet wurde, nahmen Vertreter aus Wissenschaft und Praxis und aus den Dienststellen des Reichsnährstandes aus allen Teilen Großdeutschlands teil. Im Vordergrund der Bera- tungen stand die Möglichkeit der Ausweitung des Hülsenfruchtanbaues und die Erhaltung der natür- lichen Fruchtbarkeit der Böden. Der richtigen Boden- pflege kommt im Kriege, wenn die letzten Leistungen aus der deutschen Scholle herausgeholt werden müssen, während auf der anderen Seite die Möglich- keiten der Versorgung mit zusätzliehen Düngemitteln beschränkt sind, allergrößte Bedeutung zu. Wenn jetzt durch die Bodenuntersuchungen, die nach dem Muster von Professor Sekera durchgeführt werden, den landwirtschaftlichen Betrieben durch entspre- chende Aufklärungsmaßnahmen bedeutsame Rat- schläge gegeben werden, um mit den im Kriege be- schränkten Betriebsmitteln doch alle möglichen Vor- aussetzungen zu schaffen, die durch zweckmäßigste Bearbeitung sowie durch eine entsprechende Ge- staltung der Fruchtfolge der Gefahr der Verarmung unserer Böden und der Verbreitung von Bodenkrank- heiten entgegenwirken, so wird damit einer Ent- wicklung entgegengewirkt, die nicht zuletzt an den fallenden Leistungen unserer Landwirtschaft im ersten Weltkrieg schuld war. Auch hier zeigt sich wieder, wie die Kriegsernährungswirtschaft sich nicht darauf beschränkt, das Vorhandene gerecht zu verteilen, sondern vor allem dafür sorgt, daß die wichtigste Grundlage der Verteilung, nämlich eine aus- reichende Erzeugung, vorhanden ist. Es ist nicht immer leicht, angesichts der anderen bedeutenden Aufgaben der Kriegs- und Rüstungswirtschaft diesem Grundsatz auf allen Gebieten zum Siege zu verhelfen. Dank der Einsicht der politischen Staatsführung, die heute der Landwirtschaft volle Gleichberechtigung neben der gewerblichen Wirtschaft beimißt, werden die Hoffnungen der Gegner auch in dieser Richtung zerschellen.

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Wegweiser zum treffenden Ausdruck?

Der zersetzende Einfluß des Liberallsmus oder richtiger des Judentums hinter der Maske des Liberalismus auf das deutsche Volksleben hat sich nicht zuletzt in einer starken Verbildung und Ver- manschung des deutschen Sprachgutes ausgewirkt. Dieser Entartungsprozeß äußerte sich neben zahl- reichen undeutschen „Neuschöpfungen“. die ihre Herkunft aus dem Getto nicht verleugnen konnten, vor allem in einer Abwertung vieler urtümlicher deutscher Worte, die Ausdruck einer bewußten Verächtlichmachung der durch sie verkörperten Be- griffe ist. Kennzeichnend für diese Tendenz ist bel- spielsweise die Herabwürdigung des Begriffes „Volk“, mit dem sich „die Vorstellung der „ungebildeten Masse“ verbindet, die Vergröberung des Begriffes „Weib“ und die Verunglimpfung des Begriffes „Bauer“, der zu einem ausgesprochenen Schimpfwort wird. Angesichts dieser Entwicklung, deren Folgen keineswegs überwunden sind, ist der Versuch, einen Wegweiser „zum treffenden Ausdruck“ zu schaffen, wie ihn das Buch „Deutscher Wortschatz‘ von Dr. Hugo Wehrle (Verlag Ernst Klett, Stuttgart) unternimmt, durchaus zu begrüßen, um so mehr, da es den Anspruch erhebt, auf „zeitgemäße Grundlage“ gestellt worden zu sein.

Ist diese lobenswerte Absicht wirklich gelungen? Schlägt man unter dem Stichwort „Grobheit“ nach, dann stößt man neben Ausdrücken wie Pöbelhaftig- keit, Boxerethos usw. als gleichbedeutend auch auf den Ausdruck „bäuerisches Benehmen“. Das Eigenschaftswort „grob“ wird dementsprechend mit Ausdrücken wie flegelhaft, pöbelhaft, , mürrisch wie ein Esel“ und „bäuerisch“ erläutert und gleich- gestellt. Nun ließe sich vielleicht einwenden, daß die Endsilbe „isch“ im Gegensatz zu lich“ vielfach dem betreffenden Eigenschaftswort einen geringschätzigen Unterton verleiht, wie etwa bei , kindisch“ im Gegen- satz zu „, kindlich“, und daß dies auch von dem Worte „bäuerisch“ im Vergleich zu , bäuerlich“ gelte. Doch abgesehen davon, daß diese Parallele bei dem sehr feinen Unterscheidungsvermögen der deutschen Sprache nur sehr bedingt stimmt, macht der Verfasser diese Unterscheidung überhaupt nicht, denn unter dem Stichwort „Unhöflichkeit‘‘ findet man neben Tölpelhaftigkeit, Unmanierlichkeit, Ungezogenhelt Unanständigkeit usw. nicht nur die Bezeichnung „bäuerisches Benehmen“, sondern auch „bäuer- liches Benehmen“ und „Bauermanier“.

Unter diesen Umständen ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß unter dem Leitwort „Pfuscher“ nebeneinander angeführt werden Ausdrücke wie Nichtwissen, Stümper, Schlumpschütze, Tölpel, Holz-

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andbemerkumgen

bock, Dummkopt und dann schlicht und recht: „Bauer“. Dementsprechend findet sich unter dem Stichwort „Leichtgläubigkeit“ der Ausdruck Bauer u. a. neben dem Wort Gimpel. Unter dem Stichwort „breite Masse‘ sind u.a. nebeneinandergestellt die Ausdrücke Pöbel, Pack, Plebs, Mob, Janhagel, Ge- lichter, Bagage, Kanaille, Abschaum, Auswurf der Gesellschaft, Zigeuner, Flintenweiber und dann „Bauernflegel“ und „Bauernkerl“. Für die bewußte oder unbewußte Einstellung des Verfassers zu der bäuerlichen Arbeit ist kennzeichnend, daß Rede- wendungen wie „sich ungezogen benehmen“, „ent- gleisen“, „anrüpeln‘“ im gleichen Atemzug mit dem Ausdruck „nach dem Stall riechen“ genannt werden.

Das Buch registriert also in bezug auf die Begriffe „Bauer“ und „bäuerlich“ alle Möglichkeiten der Beschimpfung deutschen Bauerntums, die unter dem Einfluß des Judentums im Zuge der geistigen Verstädterung des deutschen Volkes er- funden worden sind, und Ist zum mindesten In dieser Beziehung im nationalsozialistischen Deutschland nichts weniger als ein Wegweiser zu einem treffenden Ausdruck. Da anzunehmen ist, daß dem Bearbeiter eine kränkende Absicht ferngelegen hat, ist es ein ungewollter Beweis dafür, wieviel noch zur Ent- giftung von den letzten Einflüssen des liberalistischen Zeitalters durch eine zielbewußte volkspolitische Erziehungsarbeit zu tun übrigbleibt. G. P.

Professor E. A. Mitscherlich zum 70. Geburtstag

Ein Altmeister der landwirtschaftlichen Wissen- schaft, Prof. Dr. Eilhard Alfred Mitscherlich begeht am 29. August 1944 seinen 70. Geburtstag. Weit über die Grenzen Großdeutschlands ist sein Ruf als a in die ganze Welt gedrungen. Mitscherlich entstammt väterlicherseits einer alten Gelehrtenfamilie, in der sich Wissenschaft und For- schung seit einer Reihe von Generationen vererbt haben. Sein Großvater war der berühmte Berliner Chemiker Eilhard Mitscherlich, sein Vater ein be- kannter Berliner Chirurg. Dieses väterliche Erbteil in Verbindung mit dem Erbteil der Mutter, deren Familie in Schlesien auf dem Lande ansässig ist, haben die Liebe zur Land- und Forstwirtschaft und zu deren wissenschaftlicher Durchforschung auf Professor E. A. Mitscherlich übertragen.

Mitscherlich studierte Chemie, Physik und Land- wirtschaft in Kiel, Berlin und dann wieder in Kiel und begann seine wissenschaftliche Laufbahn als Assistent von Professor Dr. Hermann Rodewald, nachdem er ein Jahr nach seiner Promotion (11. 3. 98) bei Professor Dr. Hermann Ebert in München physi- kalische Studien betrieben hatte. Am 7. März 1901

habilitierte er sich an der Kieler Universität für Landwirtschaft und Agrikulturchemie. 1906 wurde er als außerordentlicher Professor an die Universität Königsberg berufen und erhielt dort kurz darauf das Ordinariat für Pflanzenbau.

Bereits frühzeitig war Professor Mitscherlich auf volkspolitischem Gebiet tätig. So gründete er zu

Beginn des Weltkrieges während des Russeneinfalls `

in seinem Institut eine Auskunfts- und Nachrichten- stelle für ostpreußische Flüchtlinge. Außerdem leitete er als Rektor der Universität während des ersten Weltkrieges die Zweigstelle des Akademischen Hilfs- bundes für Ostpreußen. Als der nationalsozialistische Geist in der akademischen Jugend zum Durchbruch kam und wegen der Unterbindung nationaler Kund- gebungen Studentenunruhen an der Universität Königsberg ausbrachen, übernahm Professor Mit- scherlich wieder das Rektorat und schuf in kürzester Frist eine Einheit zwischen Studenten und Lehrer- schaft. Nicht umsonst wurde er damals als „Vater der Studentenschaft“ bezeichnet.

Eine besondere Liebe und Verehrung genoß Mit- scherlich in der gesamten Provinz Ostpreußen, in der er über 30 Jahre gewirkt und die ihm unendlich viel zu danken hat. Die Schlichtheit und Herzensgüte, die Ruhe und Sicherheit, die von ihm ausstrahlten, haben ihm die besondere Liebe und Verehrung seiner Schüler und seiner zahlreichen Anhänger in der praktischen deutschen Landwirtschaft eingetragen. Zahlreiche Ämter und Ehrenämter, deren Gesamt- aufzählung an dieser Stelle zu weit führen würde, sind ihm während seiner langen Tätigkeit in Königsberg zuteil geworden. Von 1922 bis 1934 bekleidete er unter anderem das Amt des geschäftsführenden Di- rektors der Landwirtschaftlichen Institute der Univer- sität Königsberg. Ein besonderes Zeichen der Ver- bundenheit mit der praktischen Landwirtschaft war die Gründung der Mitscherlichgesellschaft, die im Jahre 1923 von praktischen Landwirten der Provinz Ostpreußen vorgenommen wurde. Durch diese Ge- sellschaft wurden Untersuchungen über die Nähr- stoffbedürfnisse des Bodens mit der von ihm ent- wickelten Gefäßversuchsmethode vorgenommen. In den über die damalige Provinz Ostpreußen verteilten Stationen wurden jährlich bis zu 22000 Kulturgefäß- versuche durchgeführt. 1924 wurde Mitscherlich Prä- sident der 4. Kommission der Internationalen Boden- kundlichen Gesellschaft, die sich mit der Erforschung der Bodenfruchtbarkeit befaßte, und 1934 Vize- präsident der neu gegründeten landwirtschaftlichen

` Kommission der Internationalen Botanischen Ge-

sellschaft.

Zahlreiche Veröffentlichungen sind von ihm in den verschiedensten wissenschaftlichen Zeitschriften und landwirtschaftlichen Fachorganen herausgebracht. Be- sonders bekannt wurde sein Lehrbuch „Bodenkunde für Land- und Forstwirte“, das im Jahre 1905 erschien und eine Reihe von Auflagen erlebte, sowie sein Werk „Bestimmung des Düngebedürfnisses des Bodens“. In besonders hohem Maße war Mitscherlich zu eigen, in die Zusammenhänge der Natur einzudringen und sie wissenschaftlich nach allen Richtungen zu durch-

forschen. So kam er auf pflanzenphysiologischem Wege zu dem Ergebnis, daß die Pflanzenerträge sich aus einer Reihe von äußeren und inneren Wachstums- faktoren zusammensetzen. Das bekannte „Liebig’sche Gesetz vom Minimum“ wurde von ihm vollkommen umgestaltet zu dem „Mitscherlich'schen Wirkungs- gesetz der Wachstums faktoren“, das ihn in der ganzen Welt berühmt gemacht hat.

Es ist bisher noch beinahe jedem, der in seinem Forschungsdrang neue Wege beschritt und neue For- men fand, so ergangen, daß er auf heftigsten Wider- stand gestoßen ist und mühsam seine neuen Erkennt- nisse hat durchkämpfen müssen. Auch bei ihm be- wahrheitete sich leider wie bei vielen berühmten deutschen Forschern zunächst das Sprichwort „Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande“: denn zu- erst wurde das Ausland auf die fundamentalen Er- kenntnisse Mitscherlichs aufmerksam. Die Wogen des Streites um seine Arbeit und sein Werk sind in Deutschland mitunter sehr hoch gegangen. Unbeirr- bar, in unerschütterlichem Selbstvertrauen ging Mitscherlich seinen Weg. Immer wieder hat er seine Lehren und seine Methoden zielbewußt weiter ent- wickelt und der naturwissenschaftlichen Forschung auf pflanzenphysiologischer Grundlage Wege zu neuen Erkenntnissen gewiesen, auf der eine Reihe von land- wirtschaftlichen Wissenschaftlern bereits weitergebaut haben und die noch spätere Generationen beschäftigen werden. Für die Erzeugungsschlacht und allgemein für die nationalsozialistische Agrarpolitik ist Mitscherlichs Werk von entscheidender Bedeutung. Seine Methoden zur Bestimmung des Düngerbedürfnisses des Bodens, die zunächst in dem Bestreben geboren waren, der damals notleidenden deutschen Landwirtschaft eine Rentabilität durch die richtige Anwendung des natür- lichen und künstlichen Düngers zu haben, haben eine wesentliche Voraussetzung für das Ziel und die Durch- führung der Erzeugungsschlacht geschaffen.

Dr. Jürgen Stock

DieBuchwadt

Albrecht Timm:

Moltke und das Bauerntum Verlag C.V. Engelhard G. m. b. H., Berlin 1943. 80 Seiten. Preis gebunden 3,60 RM.

Der bäuerliche Grundcharakter unseres Volkes muß sich naturgemäß gerade in Art und Wesen der Größten unseres Volkes in besonders ausgeprägter Form wider- spiegeln; denn in ihrer Persönlichkeit konzentriert sich deutsche Volksart in ihren besten Eigenschaften zu höchster Leistungsfähigkeit. Ein eindringliches Beispiel für die Richtigkeit dieser These ist das Wesen und Wirken des Generalfeldmarschalls Graf Helmuth von Moltke. Er selbst ist sich dieses engen Lebens- zusammenhanges mit deutscher Bauernart stets be- wußt gewesen, und hat dem symbolhaft Ausdruck ge- geben, wenn er ein Telegramm an den Deutschen Bauernbund mit „Graf Moltke, Bauer“, unterze'chnet.

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„Graf Moltke, Bauer“ könnte auch der Titel der Schrift sein, in der Dr. Albrecht Timm, der den Lesern unserer Zeitschrift durch mehrere geschichtliche Beiträge bekannt ist, den bäuerlichen Wesenszügen des Generalfeldmarschalls nachspürt und nachweist, wie stark Charakter und Leistung, Lebensauffassung und Lebenshaltung des siegreichen Heerführers und Lehrmeisters des deutschen Generalstabes in seinem bäuerlichen Blutserbe wurzeln. So Rt die Schrift gleichzeitig ein neuer Beweis für die Wesenseinheit von Bauerntum und Soldatentum, Pflug und Schwert. Dieser wirkt um so eindringlicher, als der Verfasser unter Verzicht auf jede billige Phrase in schlichter

Erzählungsform die Fülle der Tatsachen als solche:

sprechen läßt. Der schmale, aber gehaltvolle Band Ist daher geeignet, besonders auch unsere Jugend an- zusprechen. Der Verlag hat ihn liebevoll mit zum Teil noch wenig bekannten Bildern ausgestattet, was die Wirkung des Buches noch erhöht.

Günther Pacyna

Wilhelm Hensler:

Das Brot der Wälder Hünenburg Verlag, Straßburg 1943, 365 Seiten

Es ist eln sehr innerliches und besinnliches Buch, das uns Wilhelm Hensler hier vorlegt, ein Buch von den einsamen Höfen des hohen Schwarzwaldes, ihren dunklen Bergwäldern und ihren wortkargen. zähen, von harter Arbeit gebeugten und doch tatfrohen Menschen.

Das Mädchen Hanna kommt aus der Stadt und wird Magd auf dem Hot, auf dem schon ihre Mutter diente. Sie lebt sich so ein. daB der Hof sie nicht mehr ent- behren kann und eines Tages wird sie die Frau des ältesten Sohnes. Für den jüngeren Sohn scheinen nur nocn zwei Wege übrig zu bleiben, entweder aus- zuwandern oder zeitlebens als Knecht zu dienen. Beide könnte er nur schweren Herzens gehen, weil er mit Leib und Seele Bauer ist und die Welte des Hofes braucht. Da bietet sich die Gelegenheit einen ` verwalfiriosten Nachbarhof zu kaufen. Aber muß dieser Kauf nicht zu schwerer Verschuldung führen?

in die abgeschlossene Stille des Bergwaldes dringt immer mehr die neue Zeit mit ihren technischen Er- rungenschaften. Sie baut Straßen über den Berg und schlägt In den als ein Erbe der Väter jahrhundertelang gehüteten Wald breite Wunden. Der alte Bauer findet sich schwer damit ab, hatte er doch nie „daran ge- dacht, sich von dem Wald beschenken zu lassen“. Die junge Generation weiß, daß die stadtferne Abge- schlossenheit nicht immer bleiben kann. Man kann auch, wenn man sich die technischen Mittel der Zeit dienstbar macht, ein echter Bauer bleiben. Die Straße bringt Segen für das Land und seine Menschen, wenn sie nur dem bäuerlichen Gesetz, nach dem sie an- getreten sind, treu bleiben. Auf einer höheren Stufe der Bewußtheit als sie bei den Vorfahren nötig war, müssen sie sich zum Bauersein bekennen.

Der junge Bauer, der seine Sippe auf dem verwahr- iosten Hof einpflanzen will, nimmt in seinem Wald

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einen Steinbruch ın Betrieb und arbeitet für die Straße. Er hat diesen Gedanken nicht aus sich selbst, sondern von einem Freund, der nach Amerika ging und wieder heimkehrte. Dieser Freund ist das Beispiel des schöpferischen Menschen, dessen große künst- lerische Begabung im armen Bergland kein Feld der Betätigung findet, der daher in die Stadt gehen muß, der aber mit den Wurzeln seines Seins immer dem

e heimatlichen Boden verhaftet bleibt und aus ihm für sein Werk die besten Kräfte zieht.

Die Straße schlägt den Wald, aber Straße und Stein- bruch geben die Mittel für den Hof, sie geben Arbeit tür manchen Sohn der kargen Scholle, dem sonst nur der Weg in die Stadt übrig bliebe. Inmitten der bäuer- lichen Welt dienen sie ihr und dem Wald und nicht einem fernen kapitalistischen Zweck.

Das ist ganz kurz skizziert das Geschehen In diesem Buch Es ıst breit und geruhsam erzählt und bietet dem Leser nicht die Krücken einer spannenden Handlung, an denen er sich flüchtig über die Seiten zu schwingen vermag, sondern es verlangt, daß er ihm mit dem, was es selbst geben kann, entgegen- kommt: mit Besinnlichkeit und ein wenig innerer Ruhe und Geduld, ohne die sich die dichterischen Feinheiten und Schönheiten des Buches nicht er- schließen. Sie beruhen nicht nur in der Art wie mit zarten Strichen die Bilder der Landschaft ausgemalt sind, sondern auch wie den Regungen der Seelen und den menschlichen Beziehungen behutsam und innig nachgegangen wird. Wer aber dem Buch so entgegen- kommt, wird bereichert und beglückt sein und die Überzeugung gewinnen, daß sich hier ein Erzähler dem deutschen Volk vorgestellt hat, von dem das bäuerliche Schrifttum noch manche schöne Gabe erwarten darf.

Dr. Klaus Schmidt

Dr. Alfred Thoß:

Heinrich I. Der Gründer des deutschen Volksreiches Verlag C.V.Engelhard, Berlin 3. Aufl. 1943, 2725.

Wenn wir heute die Neugestaltung des national- sozialistischen Großdeutschen Reiches als des Kraft- zentrums eines neuen Europas miterleben, dann wenden wir auch gern den Blick in die Zeit zurück, In der das erste Reich der Deutschen vor einem jahr- tausend dem zerrissenen Europa für längere Zeit eine feste Ordnung gab. Das erstmalig zur Feier des tausendsten Todestages des Begründers des deutschen Volksreiches erschienene Buch ist In seiner nunmehr vorliegenden dritten Auflage gründlich überarbeitet, erweitert und verbessert. Der Verfasser verwendet alle in den letzten Jahren gewonnenen Forschung ergebnisse und vermag auf Grund der wenigen Quellenzeugnisse ein umfassendes Bild der Persönlich- keit und Lebensleistung des ersten Sachsenkönigs Zu entwerfen, der wie jeder wahre Volkskönig auch ein Bauernkönig war.

Dr. Albrecht Timm

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SEPTEMBER OKTOBER 1944

NUMMER 12

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ETNZELPQIBIS 1,20

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INHALT

Bauer Gustav Behrens, Reichsobmann des Reichsnährstandes: Zum Erntedanktag im

sechsten Kriegsjabh nn %%%%% TUV 345 * * Die Ernährungs wirtschaft an der Wende des fünften Kriegsjahres.. .. ...... 349 Brot für das sechste Kriegsjahr (Bildbeilage, j . n. Seite 352 Curt Strohmeyer: Mensch oder Mähdreschereers»˖e··· d e 355 Landwirtschaftsrat Rudolf Friedrich, Geschäftsführer des Gauamtes für das Landvolk der

NSDAP Gau Sachsen: Gesunde Lebensordnung im Erbhof .....sesserosesssessea. 338 Spreewälder Gemüsebau (Bildbeilageꝶᷣꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛꝛ ou nenn nenn n. Seite 360 Lehrer Hugo Stübs: Dorfbucharbeit im Kriegel 361 Ministerialrat Wilhelm Thies: Die Schule in der bäuerlichen Erziehung ...... . . ... 365 Agrarpolitische Rundschau `... EE . . 369 i ß , 371 Die: Buchbwächt .. werner ee 375

Bildnachweis: Das Titelbild „Generatorgasschlepper mit Kultivator, Egge und Walzen“ stellte der Hanomag-Bilderdienat zur Verfügung. Die Bilder für die beiden Bildbeilagen entstammen dem Bildarchiv des Reichsnährstands

Hauptschriftleiter Hans-Joachim Riecke, Berlin W 15. Verantwortlich für den politischen Teil Günther Pacyna, Berlin- Wilmersdorf: für den wirtschaftlichen Teil Dr. Kurt Haußmann, Berlin-Schlachtensee; für den Bilderteil Lotte Wille, Berlin Charlottenburg. Anschrift der Schrift- leitung Berlin SW 11, Dessauer Straße 26. Fernruf 19 55 41. Zentralverlag der NSDAP. (Verlag Frz. Eher Nachf. GmbH.), Zweigniederlassung Berlin SW 68. Fernruf 11 60 71. Ortsruf 11 0022. Bezugspreis für das Vierteljahr 3,60 RM. zuzügl. Bestellgeld. Einzelne Nummern können bis auf weiteres nicht nachgeliefert werden, Z. Z. ist Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 1. Nov. 1942 gültig. Druck August Scheri Nachf. Berlin SW 68

ZENTRALVERLAG DER NSDAP., FRZ. EHER NACHF. GMBH., BERLIN

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Herausgeber

September / Oktober 1944

GUSTAV BEHRENS

Jahrgang 2

Herbert Backe

Nummer 12

Sum Exntedanktag OR I IR Keiegsjahr

n früheren Jahren haben wir das Erntedank-

fest stets in einem größeren Rahmen ge- feiert. Heute erleben wir diesen Tag beschei- dener, wie es der totale Krieg vorschreibt; aber wir wissen, daß die Bedeutung des Ernte- danktages heute in unserm Volke besser er- kannt wird als früher. In friedlichen Zeiten machen sich nur wenige Gedanken um das tägliche Brot. Kaum einer überlegt, wo das Brot und alles, was zur Ernährung gehört, her- kommt. Die Läden sind gefüllt mit den Er- zeugnissen aus aller Welt. Man geht in die Geschäfte und kauft, was man gerade kaufen will. Ob das, was man ißt, im eigenen Lande wächst oder aus Übersee stammt, interessiert den Durchschnittsbürger nicht.

Im Krieg sieht er dann plötzlich, wie sich die Läden leeren, wie viele der Dinge, die er früher so gedankenlos gekauft und gegessen hat, mit einem Male nicht mehr vorhanden sind. Da wendet er sich mit einem ganz andern Verständnis als früher den Lebens- mitteln zu, die der Mensch zum Leben braucht: Brot, Kartoffeln, Fett, Fleisch, Gemüse. Die angenehmen Beigaben der Friedenskost fallen aus. Aber dieGrundnahrungsmittel müssen da- sein. In diesem Augenblick gehen der Be- völkerung die Augen auf. Jetzt zeigt es sich, ob ihre Führung für diese Grundnahrungs- mittel gesorgt hat.

Wir haben in unserer Generation zwei Welt- kriege größten Ausmaßes erlebt und haben die seltene Gelegenheit, auf dem Gebiete der Kriegsernährung unmittelbar Vergleiche ziehen zu können. Die Älteren von uns wissen, wie es schon bald nach dem Beginn des ersten Weltkrieges mit der Ernährung aus- sah. Da es damals nicht sofort Lebensmittel- karten und eine straffe Bewirtschaftung gab,

fehlte die Voraussetzung dafür, das Volk sozial und gerecht nach Leistung zu ernähren, wie es heute geschieht. Auch für die landwirt- schaftliche Erzeugung waren keine klaren Richtlinien gegeben, was dazu führte, daß man die Produktion nicht übersah. Hinzukam, daß alle statistischen Unterlagen fehlten und daher kein Überblick vorhanden war. Ein krasses Beispiel dafür ist der berüchtigte Schweinemord, der im Jahre 1915 neun Mil- lionen Schweine forderte, weil angeblich nicht genügend Futtermittel vorhanden waren. Als man schließlich entdeckte, daß doch genügend Kartoffeln vorrätig waren, waren die Schweine schon längst abgeschlachtet, und es fehlte nun an den Verwertern dieser plötzlich auf- tauchenden Kartoflelvorräte. Es ist uns heute unverständlich, mit welchem Leichtsinn man auf ernährungswirtschaftlichem Gebiet in den ersten Weltkrieg hineingegangen ist. Bei der daraus entstandenen Lage wurde es im weiteren Verlauf des Krieges völlig unmöglich, Front und Heimat noch ausreichend zu versorgen. Auf organisatorischem Gebiet war nichts ge- schehen, was einen befriedigenden Verlauf der Kriegsernährung hätte garantieren können. Es gab weder ein Reichsministerium für Ernäh- rung und Landwirtschaft noch eine einheit- lich geführte Selbstverwaltung des deutschen Bauerntums. Erst im Jahre 1916 wurde ein Kriegsernährungsamt gegründet, das aber bei der parlamentarischen Verwirrung auf allen Gebieten die notwendigen Maßnahmen weder einheitlich lenken noch straff durchführen konnte.

Die Landwirtschaft hatte den folgenschwe- ren Mangel einer straffen Organisation und das Fehlen jeglicher Voraussicht für den Fall eines Krieges schon lange vor 1914 erkannt

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und immer wieder entsprechende Vorsichts- maßregeln gefordert. Aber ob sie eine na- tionale Getreidereserve für den Kriegsfall ver- langte oder eine Stärkung der heimischen Produktionskraft, immer wurde ihr von den liberalen Ministern in der Regierung und von den landwirtschaftsfeindlichen Parteien im Reichstag entgegengehalten, daß ihr „Ge- schrei“ lediglich „das patriotische Mäntelchen für eigennützige Zwecke“ und dergleichen sei. Reichstag und Reichsregierung verkannten in ihrer parteipolitischen Verblendung ganz und gar, daß bei einem Zweifrontenkrieg, mit dem man angesichts der politischen Wirren von 1914 fast täglich rechnen mußte, lediglich die eigene Landwirtschaft die Gewähr für eine gesicherte Ernährung geben würde.

Wie sich die Dinge entwickelt haben, mußten wir in den Jahren 1914-1918 leider am eigenen Leibe spüren. Nicht zuletzt hat der Hunger den verbrecherischen Machenschaften der Re- volutionäre von 1918 Vorschub geleistet und’ zum 9. November 1918 und damit zum Diktat von Versailles geführt.

So lagen die Dinge im ersten Weltkrieg. Die Folge dieser Wirtschaft hat das deutsche Volk nicht nur mit dem Hungertod von 750 000 Frauen und Kindern bezahlen müssen, sondern auch mit einer politischen Knecht- schaft und jahrelangen Unterdrückung.

Und heute? Wir haben jetzt fünf Jahre Krieg hinter uns. Dieser zweite Schicksals- kampf unseres Volkes dauert schon ein Jahr länger als der erste Weltkrieg. Er ist in seiner Totalität weit umfassender als der Krieg von 1914-1918. Noch mehr Menschen stehen seit Jahr und Tag an den Fronten, noch mehr Volksgenossen in der Rüstung. Alle Produk- tionsstätten des privaten Lebens sind ge- schlossen. Städtische Wohnviertel und ein- same Bauernhöfe werden täglich von feind- lichen Terrorfliegern bombardiert. Und trotz- dem läuft unsere Ernährung weiter. Fast rei- bungslos für den Verbraucher, wenn auch nicht und das kann an diesem Erntedanktag ruhig zugegeben werden für die landwirt- schaftliche Produktion und nicht für die Füh- rung des deutschen Landvolkes. Es braucht kein Geheimnis daraus gemacht zu werden, daß die landwirtschaftliche Erzeugung im sechsten Kriegsjahr nicht einfach sein wird. Aber das ist nicht entscheidend. Ausschlag- gebend für die bisherige Entwicklung unserer Kriegsernährung war doch letzten Endes, daß die nationalsozialistische Agrarpolitik von Anfang an aus den Fehlern des ersten Welt-

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kriegs die Konsequenzen gezogen hatte. Wir haben im Deutschland Adolf Hitlers seit 1933 unsere Landwirtschaft neu aufgebaut. Wir haben ihr durch das Reichsnährstandsgesetz die wirtschaftliche Sicherung gegeben. Wir baben bei der Steigerung der Produktion stets im Auge gehabt, daß es in einem Kriege auf keinen Fall an den notwendigen Grundnahrungsmittieln ſeblen darf, und baben uns von Anfang an auf deren verstärkte Erzeugung eingestellt.

Hätten wir z.B. den Kartoffelanbau nicht schon lange vor dem Kriege bewußt gesteigert, wir hätten unser Volk in diesem Kriege nicht satt machen können. Hätten wir nicht unsere heimischen Futtermittelquellen systematisch ausgebaut, wir hätten nach dem Fortfall der Futtermitteleinfuhren niemals einen so großen Viehbestand und damit unsere Fleisch-, Milch- und Fettversorgung aufrechterhalten können. Dies alles mußte geschehen, ohne die Er- zeugung der andern Nahrungsmittel, wie z. B. Brot und Zucker, zu beeinträchtigen.

Daß dag gelungen ist, ist der Erfolg der ganz klaren Erkenntnis der Lage durch unsere agrarpolitische Führung und deren eindeutige Zielsetzung für die Ernährungswirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland. Dies allein hätte jedoch den Erfolg nicht garantiert, wenn es im Laufe der Jahre nicht gelungen wäre,

unser deutsches Landvolk restlos auf diese

nationalsozialistische Ernährungswirtschaft auszurichten. Gerade im Kriege hat das deutsche Landvolk bewiesen, daß es den ge- stellten Forderungen in jeder Weise gerecht geworden ist. Man muß immerhin bedenken, daß es galt, z, Millionen landwirtschaftlicher Betriebe auf diese neue Zielsetzung auszurich-

ten. Das ließ sich natürlich nur mit einer --

straffen Organisation erreichen. So bildet letzten Endes die Zusammenfassung der ge- samten deutschen Landwirtschaft und der dazu gehörigen Be- und Verarbeiterbetriebe so-

wie des Nährstandshandels im Reichsnähr-

stand die organisatorische Voraussetzung da- für, daß man sowohl Erzeugung wie auch Er- fassung und damit die Versorgung nur durch diese Selbstverwaltungskörperschaft des deut- schen Landvolkes führen und steuern kann. Ein machtloses Kriegsernährungsamt wie im Weltkriege wäre selbst bei der besten Hal- tung des deutschen Landvolks nicht in der Lage, die heute an uns herantretenden großen Erzeugungs- und Versorgungsaufgaben zu lösen. Der grundlegende Unterschied aber besteht eben darin, daß im umfassendsten

Sinne die deutsche Landwirtschaft von einem:

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im nationalsozialistischen Geiste erzogenen ehrenamtlichen Bauer nführerkorps geführt wird. Der unbestreitbar vorhandene Erfolg wäre staatlichen Organen alle in niemals mög- lich gewesen. Gerade dadurch, daß man hier dem Bauern Selbstverantwortung gegeben hat, dadurch, daß man die Stellen der Bauernführer mit bewährten Kämpfern aus der national- sozialistischen Bewegung besetzt hat sei es in Gau, Kreis oder Ortschaft —, wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, daß sich die 3,5 Millionen Einzelbetriebe in den großen Erzeugungsprozeß restlos eingeschaltet haben. Ohne unsere 70 000 Ortsbauernführer und ohne unsere 700 Kreisbauernführer hätten wir das deutsche Landvolk niemals zu jenen Kraft- anstrengungen und Leistungen angespornt, auf die wir heute am Erntedanktag 1944 voller Stolz blicken können. Dieses nationalsozialisti- sche Banernführerkorps war die breite Grundlage für alle Arbeit, die wir im Laufe der letzten zehn Jabre an unserm Baserntum und damit für unser Volk leisten konnten. | Diese Arbeit war nicht immer leicht. Sie wurde schon vor dem Kriege behindert durch die vordringlichen Maßnahmen der Auf- rüstung. Wir gaben nicht nur laufend Men- schen frei für den Einsatz in der Rüstung, son- dern ersparten auch durch die Stärkung unse- rer heimischen Erzeugung Devisen für andere kriegswichtige Importe. Auch brachte der Krieg für die Landwirtschaft nicht wie für die kriegswichtige Industrie eine Aufrüstung zur Verstärkung ihrer. kriegsentscheidenden Pro- duktion. Die Landwirtschaft wird in jedem Kriege abgerüstet, obgleich ihre Er- zeugung die Voraussetzung für jede Krieg- führung ist. Sie muß Menschen und Gespanne abgeben, sie muß sich mit unzulänglichen Er- satzkräften begnügen, sie muß schon lange vor dem allgemeinen Arbeitseinsatz ihren Frauen die ganze Last der Betriebsführung und Arbeitsleistung für den eingezogenen Bauern aufbürden. Die Landwirtschaft muß aber auch bei den Betriebsmitteln erhebliche Einschrän- kungen auf sich nehmen. Während jede Rüstungsfabrik die Maschinen zur Waffen- herstellung und die Rohstoffe bekommt, können der Landwirtschaft die für ihre Er- zeugung unentbehrlichen Maschinen und Ge- räte nicht in genügendem Ausmaß gegeben werden. Die Landwirtschaft mußte von Jahr zu Jahr geringere Zuteilungen an Handels- dünger in Kauf nehmen. Auch galt es, die Schwierigkeiten durch den Entzug von Zugkräften zu überwinden, die

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wegen des Mangels an Brennstoff oder der Abgabe von Pferden an die Wehrmacht ent- standen. Die Landwirtschaft hat sich hier selbst geholfen durch Einsatz von Ochsen und durch rechtzeitiges Nachziehen von Pferden, deren Zahl größer ist als im Frieden. Ohne diese Selbsthilfe der Landwirtschaft

wäre es nicht gegangen, denn die Landwirt-

schaft ist nun einmal auf ausreichende Zug- kräfte angewiesen, und zwar sowohl bei der Bestellung wie bei der Ernte und der Ab- lieferung. Nicht ohne Grund hat man sie als „Transportgewerbe wider Willen“ be- zeichnet. Das ist sie ohne Frage, und sie kann alle diese Transportleistungen nur vollbringen,

wenn ihr die notwendigen Transportmittel zur

Verfügung stehen. Das gleiche trifft im übri- gen auch für die Be- und Verarbeitungs- und die Verteilerbetriebe der Ernährungswirt- schaft zu. Wenn z. B. die Fuhrwerke der Mol- kereien nicht mehr intakt sind, um täglich die Milch zusammenzuholen, so nutzt uns die Milcherzeugung auf den einzelnen Höfen nicht viel, weil wir nur mit der erfaßten und verarbeiteten Milch die Verbraucher in Stadt und Land mit Milch, Butter und Käse ver- sorgen können. Erst wenn die vielen Einzel- mengen, die täglich auf den 3,5 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben ermolken wer- den, mit Fahrzeugen in die Molkerei geschafft sind, kann die Butterversorgung sichergestellt werden. Erst wenn die vielen Zentner Kar- toffeln und Getreide aus unsern Höfen zum Bahnhof, in die Mühle, zum Kaufmann oder zur Genossenschaft gefahren sind, können wir das deutsche Volk mit diesen wichtigen Le- bensmitteln beliefern. Es hieße also die ge- samte Versorung in Frage stellen, wenn die Landwirtschaft nicht mehr in der Lage wäre, alle diese Verrichtungen, die von ihr noch neben der Erzeugung gefordert werden, wegen Einsparung am falschen Platze aus- zuführen.

Die Leistungen unseres EE sind heute für unsere Kriegführung noch erheb- lich stärker zu werten als vor zwei bis drei Jahren. Damals standen unsere Truppen in den weiten Räumen des Ostens und auf dem Balkan. Damals hatten sie ganz Frankreich besetzt, und wir konnten diese Gebiete zu- sätzlich für die Ernährung Europas ein- spannen. Wenn in jenen Jahren die ewig Un- belehrbaren alle Erfahrungen des Weltkrieges wieder vergaßen und die Kraft der deutschen Landwirtschaft auf engem Raum messen wollten an den Möglichkeiten, die die neuen

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Gebiete jenseits unserer Grenzen boten, so baben wir in der bäwrlichen Führung ganz bewußt auch in jenen Jahren die deutsche Erzeugungsleistung bochgsbalten und die deutsche Landwirtschaft nach wie vor als Rückgrat unserer Versorgung bezeichnet. In keiner Stunde dieses Krieges haben wir angesichts

der tatsächlichen oder erwarteten Zuschüsse aus den

nemen Gebieten unsere beimische Erzeugung über den Möglichkeiten der fremden Räume vernachlässigt.

Wie richtig das war, hat besonders die Ent- wicklung des letzten Jahres bewiesen. Wären wir jenen falschen Propheten gefolgt und hätten wir die Dinge im eigenen Lande laufen lassen, so wäre es uns bei der schicksalhaften Entwicklung in diesem Jahre nach dem Ver- lust der Gebiete im Osten und Westen nicht gelungen, die Erzeugung schnell genug wieder zu verstärken und die unvermeidlichen Aus- fälle mit jener Gelassenheit zu tragen, die heute in der Erzeugungskraft unserer deutschen

Landwirtschaft begründet ist. Wir hätten diesen Verlust mit erheblich mehr Rations- kürzungen ausgleichen müssen als mit der Brotsenkung, die erst Mitte Oktober in Kraft tritt. Das Ganze ist ein unleugbares Verdienst unserer Agrarpolitik und unseres Landvolkes, das sich durch niemand und durch nichts in seiner Pflichterfüllung har beirren lassen. Die deutsche Landwirtschaft kann ohne Überheblichkeit diese Feststellungen am heuti- gen Erntedanktag treffen, denn ihr Produk- tionsprogramm ist seit zehn Jahren im Grunde unverändert und ihre Marktordnung ist sich immer gleich geblieben. Gewiß haben wir gelegentlich die Methoden der jeweiligen Lage angepaßt, im Grundsatz sind wir uns aber stets treu geblieben. Nicht zuletzt haben wir dem Festhalten an unsern Grund-

‚sätzen den Erfolg unserer nationalsozialisti-

schen Agrarpolitik zu danken.

Es wird das Jahr stark und scharf hergehen, aber man muß die Ohren steif halten, und jeder, der Ehre und Liebe für das Vaterland

hat, muß alles dransetzen; eine gute Husche, so wird alles klar werden.

Friedrich der Große

Große Zeit ist's immer nur, wenn's beinahe schief geht, wenn man jeden Augenblick fürchten muß: Jetzt ist alles vorbei. Da zeigt sich's: Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser. Ausdauer, das

ist die Hauptsache.

Theodor Fontane

Wenn das Vaterland auf dem Spiele steht, gibt es für niemanden

Rechte, dann hat jeder nur Pflichten.

348

Ernst von Wildenbruch

*

Die Ernährungs wirtschaft an der Wende des fünften Kriegsjahres

er Erntedanktag war für das deutsche Landvolk

von jeher ein Tag der Rückschau auf die geleistete Jahresarbeit und der Vorschau auf neue Aufgaben und Ziele. Alle Mühen und Sorgen, die sich im Jahreslauf auftürmten, erscheinen an diesem Tage, wenn die Ernte geborgen ist und die neue Saat der Erde anvertraut werden kann, in milderem Licht. Mehr denn je richten sich an der Wende des fünften Kriegsjahres die Augen des gesamten Volkes auf das bäuerliche Schaffen und die Erträgnisse des deutschen Bodens; denn der Krieg hat allen erneut zum Bewußtsein gebracht, daß es in Zeiten außenwirtschaftlicher Bedrängnis eine Schick- salsfrage ersten Ranges ist, ob der gemeinsame Wirt- schaftsraum auch genügend Nahrungsraum umfaßt und die Möglichkeiten der Ertragsgewinnung voll ausge- schöpft werden. Is Erinnerung an die Nahrungsnöte des ersten Weltkrieges werden sich viele die Frage vorlegen, ob das tägliche Brot auch im kommenden entscheidimgsvollm Jabr für unser Volk gesichert ist und damit eine wichtige Voraus- setzung für die ungeschwächte Kampf- und Arbeitskraft der Nation.

Die Beantwortung dieser Frage muß von den Grundsätzen ausgehen, die seit mehr als einem Jahrzehnt der landwirtschaftlichen Erzeugung ihr Ge- präge geben und den Ablauf. der Nahrungsversorgung bestimmen. Sie muß darüber hinaus die Umstände berücksichtigen, die durch die Verlagerung der Fronten und den Verlust von landwirtschaftlichen Überschuß- gebieten EinfluB auf die Ernährungswirtschaft ge- winnen.

Die deutsche Emährungspolitik hat zwei zentrale Grundsätze herausgestellt und mit allen wirkungs- vollen Mitteln gefördert: erstens den Bodenertrag auf ein Höchstmaß zu steigern und zweitens den ge- wonnenen Bodenertrag mit dem Ziel einer gesicherten Nahrungsversorgung rationell zu verwerten. Der Grundsatz einer nährwertmäßig rationellen Verwertung bedeutet nicht nur, den für die Brot-, Nährmittel-, Speisekartoffel- und 7. uckerversorgung notwendigen Anteil der Gesamtemte sicherzustellen, sondern be- deutet gleichzeitig, den verbleibenden Rest des Boden- ertrages mit dem Umfang der Viehhaltung abzu- stimmen und dabei diejenigen Nutzviehzweige zu bevorzugen, die für die Ermährungswirtschaft die wichtigsten und unentbehrlichsten Erzeugnisse liefern.

Wir benötigen für die menschliche Ernährung nicht

nur ein bestimmtes Maß an Kalorien, sondern eine gemischte Kost, an der die hochwertigen Nahrungs-

mittel einen bestimmten Anteil möglichst nicht unter- schreiten sollen. Eine zu reichliche Bemessung der pflanzlichen Kost schmälert die Grundlage der Vich- haltung und damit die Fleisch- und Fetterzeugung, und umgekehrt kann ein im Verhältnis zur Gesamternte übersetzter Vichbestand die Brot- und Kartoffelver- sorgung in Gefahr bringen. Die näbrwertmaßig er- giebigste Ausnutzung und Verwertung der Ernte und Ein- Jubren ist daber für die Nahrungsversorgung von entschei- dender Bedeutung.

Ausschlaggebend bleibt naturgemäß die Höhe des gewonnenen Bodenertrages als Grundlage und Ausgangspunktaller ernährungswirtschaftlichen Einzel- leistungen. Der Bodenertrag ist wiederum das Ergebnis des gewählten Kulturarten- und Anbauverhältnisses und der erzielten Hektarerträge. Die Nährstoflerträge, die unter sonst gleichen Verhältnissen von den ein- zelnen Fruchtarten je Flächeneinheit geliefert werden, sind bekanntlich sehr unterschiedlich. Obenan steht dabei der Hackfruchtbau, der mit seinen ergiebigsten Zweigen, dem Kartoffel-, Zuckerrüben- und Gemüse- bau, dem Getreidebau in der Nährstoffleistung je Flächeneinheit um ein Mehrfaches überlegen ist. Hack- früchte und Gremüse erfordern zwar zur Erzielung einer mittleren Ernte einen höheren Aufwand an Arbeit und Dünger als die Getreidearten und diese wiederum einen höheren als die Futterpflanzen, aber die zuerst ge- nannten Gruppen lohnen diesen Aufwand auch durch einen Ertragszuwachs, der erst bei einer viel höheren Aufwandsstufe abzufallen beginnt. Steigerung der Hektar- erträge und Intensivierung des Anbaus im Sinne einer Bevor- gung der fläcbenproduktiven Fruchterten sind daher die wichtigsten Hebel, den Nabrungsspielraum zu erweitern.

Nichts bezcugt besser den Leistungswillen und Leistungserfolg der deutschen Landwirtschaft als die Tatsache, daß in den letzten acht Jahren vor Ausbruch des Krieges die deutsche Buttererzeugung, trotz des damals bereits erreichten hohen Intensitätsgrades, um fast 20 vH gesteigert wurde. Bei der Intensivierung des Fruchtbaus, die für den bisherigen reibungslosen Ablauf der Ermährung im Kriege nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, haben verschiedene Maß- nahmen zusammengewirkt: auf Ausdehnung des Hack- frucht- und Gremüsebaus abgestellte Preisrelationen, ausreichende Nährstoffversorgung der Böden, wirkungs- volle Beratung in der Sortenwahl und im Saatgut - wechsel, Förderung der wirtschaftseigenen Futter- gewinnung und bessere technische Ausrüstung der

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Betriebe, die es erleichtern, die bei umfangreichem Hackfruchtbau auftretenden jahreszeitlichen Arbeits- spitzen zu überwinden.

Die deutsche Landwirtschaft hatte den Höchststand der pflanzlichen und tierischen Erzeugung, auch dank günstiger Witterungsverhältnisse, im Jahre 1939 er- reicht. Damals wurde eine Rekordernte an Getreide und Hackfrüchten eingebracht, die Rinder- und Schweinebestände waren voll aufgefüllt, und die Ge- treidevorräte ermöglichten einen Ausgleich zwischen

. guten und schlechten Emtejahren. Die Zufuhren an Agrarprodukten aus dem Ausland betrugen etwa 10 vH der Eigenerzeugung. Trotz zielbewußter Arbeit war die deutsche Speisefettversorgung bei dem da- maligen Stand des Verbrauchs, ebenso wie in fast allen mittel- und westeuropäischen Ländern, in starkem Maße von überseeischen Zufuhren abhängig geblieben. Aber in Anbetracht des erreichten Gesamtergebnisses gab es keine wirkungsvollere Ernäbrungspolitik, as den eingeschlagenen Weg anch im Kriege fortzusetzen und dabei die Anpassungen zu sollzieben, die durch den Ausfall der übersceischen Zu- [uhren unvermeidlich wurden.

Da sich die Zahl der Verbraucher durch natürlichen Bevölkerungszuwachs, Rückwanderer, ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene wesentlich ver- mehrte und die gegenüber der Vorkriegszeit fehlenden Fettmengen durch höhere Zuteilungen von Brot und Kartoffeln ausgeglichen werden mußten, stellte sich ernährungsökonomisch die Aufgabe, den gestiegenen Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen durch Er- spamisse in der Futterwirtschaft auszugleichen. Dabei mußten naturgemäß diejenigen Nutzviehzweige die stärkste Einschränkung erfahren, die nach der Art ihrer Futteransprüche als Nahrungskonkurrenten des Men- schen zu werten sind, wie dies für die Schweinehaltung

- zutrifft. Erna hrungs physiologisch bedeutete diese Umstellung eine weitgehende Wandlung der Kost- formen. Aber im ganzen kann gesagt werden, daß im volkswirtschaftlichen Durchschnitt, also unter Einschluß der Selbstversorger und der zulageberech- tigten Verbrauchergruppen, der Kaloriengehalt der täglichen Nahrung den Stand der Vorkriegszeit kaum unterschritten hat.

Welche Wandlungen sich im einzelnen vollzogen haben, zeigt die folgende Übersicht:

Tagesverzehr in Kalorien je Kopf im Durchschnitt der Bevölkerung

Differenz 1943/44 gegen

1938/39

Restiegen in

65% „„ „6

556225256 „„ „„ 06

DEE Zur Zur Zu Ber Be zur zur Zur Zr Er Zr re Zr u er

Dieses Ergebnis konnte nur erreicht werden einmal

durch planmäßige Anbaulenkung, straffe Bewirt- -

schaftung und nährwertmäßig rationelle Verwertung der Ernte und Einfuhren und zum anderen durch den Übergang zu einer fleisch- und fettärmeren. Kost. Die stärkere Vegetabilisierung zeigt sich in dem An- stieg des Tagesverzehrs an Mehl, Nährmitteln und Kartoffeln. Der Mebrverzebr an diesen drei Haupimabrumngs- mitteln bat den Minderverzebr an Fleisch, Margarine und Schlachtfetien näabrwertmäßig reichlich ausgerlichen.

Der mit der Änderung der Kostformen rückläufige Fettverbrauch betrug im volkswirtschaftlichen Durchschnitt zwar rd. 30 vH, war jedoch mit nur 20 vH bei dem hochwertigen Butterfett wesentlich geringer als bei den weniger wertvollen Schlacht- und Pflanzenfetten. Die Umstellung der Ernährung auf stärkeren Direktverzehr an pflanzlichen Erzeugnissen führte zwangsläufig auch zu ciner Umstellung in der Futterwirtschaft und darüber hinaus zu einer Re- duktion der Viehhaltung. Bei der Neuabgrenzung der Viehbestände hat auch der Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle gespielt, die Zahl der Milchkühe

im Interesse der Versorgung mit hochwertigem Fett

möglichst zu erhalten, zumal bei der Milchproduktion die mit dem Futter zugeführten Energien wesentlich günstiger ausgenutzt werden als bei der Fleisch- erzeugung. So erfordert ı Kalorie Rindfleisch etwa 24 Kalorien, ı Kalorie Milch nur etwa 4 Kalorien und ı Kalorie Schweinefleiseh 6 Kalorien Futteraufwand. Hinzukommt, dal das Futfer der deutschen Rindvieh- haltung zu mehr als go vH aus Rauh- und Saftfutter besteht, also aus Futterstoflen, die der menschlichen Ernahrung nicht unmittelbar dienstbar gemacht werden können. Bei der Schweinehaltung liegen die Ver- hältnisse umgekehrt. Der Umfang der Schweinehaltung wird daher zwangsläufig durch die Menge der verfüg- baren Mastfuttermittel abgegrenzt, die nach Sicher- stellung des Getreide- und Kartoffelbedarfs für die menschliche Ernahrung und unter Berücksichtigung der Ansprüche der übrigen Zweige der Viehhaltung verbleiben. Das ist auch der Grund, warum der Schweinebestand im Verlauf des Krieges von 34 Schwei- nen je 100 Einwohner auf 19 zurückging, während der Rinderbestand keine Einbußen erlitt. Damit blieb auch, im Gegensatz zum ersten Weltkrieg, die Grund- lage der Stallmisterzeugung und der Bodenfruchtbarkeit ziemlich ungeschmälert.

Der in der Tabelle und im Schaubild verzeichnete Pro- Kopf-Verbrauch bezieht sich auf den Durchschnitt der Gresamtbevölkerung. Diese Durchschnitts- sätze liegen natürlich höher als die Sätze der Normal- verbraucher, denen größere Beschränkungen auferlegı werden mußten. Aber die Abstufungen in der Ratio- nierung der Verbrauchergruppen werden allgemein als gerecht empfunden. Ein erheblicher Teil der Industriearbeiterschaft bezieht als Schwer- und Schwerst- arbeiter namhafte Zulagen, und die Ansprüche, die von den Soldaten und Selbstversorgern an das Gesamt- aufkommen gestellt werden, sind geringer als in anderen Lindern. Endlich ermöglichen die über dem Bedarf liegenden Rationssatze für Kinder einen Familien- ausgleich zugunsten der Erwachsenen.

Tagesverzehr in Kalorien je Kopf Großdeutschland ohne been Ostgebiere

geklammerte Zoltien = Gramm natural

Kalorienwert der Nahrungsmittel

00

800

9 wo (58) 200

(27) 0

7942/43

Eiweißgehalt der Nahrun Nahrungsmittel

so Orren

35 1 Si

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7938/39 “3

351

Ernährungsbilanz und Ernteergebnis 1944 Wenn die deutsche Ernährungswirtschaft bisher allen Belastungen des Krieges standzuhalten vermochte und dabei in den letzten Jahren auf eine auswärtige Zufuhr von etwa 10 vH der Eigenerzeugung zurück- greifen konnte, so drängt sich die Frage auf, wie anf Grund der diesjährigen Ernte die weitere Entwicklung der Ernäbrungslage zu beurteilen ist.

Zunächst kann festgestellt werden, daß sich der pro-

duktionspolitische Grundsatz, den Bodenertrag auf seinem hohen Stand zu halten, auch im letztjährigen Anbauplan, der die Grundlage der jetzt eingebrachten Ernte bildet, im wesentlichen durchsetzen ließ. Der Anbau von Ölfrüchten hat eine weitere Steigerung er- fahren, und die Gemüse- und Hackfruchtflächen konnten ihren alten Stand behaupten. Die diesjährige Getreide- ernte bleibt zwar nach den vorläufigen Schätzungen, namentlich bei Futtergetreide, hinter den letztjährigen Ergebnissen, die allerdings wesentlich über dem mehr- jährigen Durchschnitt lagen, um etwa ı0—ı5 vH zurück, aber dieser Minderertrag findet seinen Aus- gleich in einer gegenüber dem Vorjahr höheren Kar- toffelernte. Im ganzen wird man eine durchschnittliche Ernte verbuchen können, die in ihrem Gesamtertrag etwa die gleichen Nährstoffmengen liefert wie im abge- laufenen Ernährungsjahr. Demgegenüber werden die Lieferungen aus anderen Ländern, die bisher, wie be- reits gesagt, etwa 10 vH der deutschen Eigenerzeugung ausmachten, die letztjährige Höhe nicht erreichen. Hinzukommt, daß wiederum erhebliche Teile der Kartoffel- und Zuckerrübenernte für technische Zwecke abgezweigt werden müssen und damit der mensch- lichen Ernährung und Futterwirtschaft verlorengehen. Um diesen Verhältnissen Rechnung zu tragen, muß daber dem Grundsatz der böchsten nähbrwertmäßigen Ausnutzung der Gesamternte noch mebr als bisher Geltung verschafft werden.

Dabei gebührt der gesicherten Versorgung mit Brotgetreide und Kartoffeln wie bisher der Vorrang. Beide Erzeugnisse, die in der täglichen Nahrungsration zwei Drittel des Kalorienbedarfs decken, können sich in der Versorgung je nach dem Ausfall der Emte wechselseitig ergänzen. Ebenso wie die knappe Versorgung mit Speisekartoffeln im letzten Jahr durch vermehrte Abgabe von Mehl bzw. Brot ausgeglichen wurde, so kann künftig, falls dies die Verhältnisse erfordern, ein kleiner Teil der Brotration von der Kartoffel übernommen werden. Jedenfalls ist die Brot- und Speisekartoffelversorgung auch im neuen Emährungsjahr unbedingt gesichert.

Auch die Fettversorgung wird sich im sechsten Kriegsjahr in bewährten Bahnen abspielen. Die Butter- erzeugung hat sich im Kriege nicht nur gehalten, son- dern ist dank der Ablieferungsbereitschaft der deut- schen Landwirtschaft sogar gestiegen. Damit blieb der Grundstock der Speisefettversorgung bisher fest ge- gründet. Die durch den Rückgang der Schweine- bestände verringerte Schlachtfetterzeugung kam durch den schrittweise erweiterten deutschen Ölfruchtar bau voll zum Ausgleich. Dagegen mußten die fehlenden überseeischen Zufuhren, die nur zu einem geringen

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Teil durch Anlieferungen aus dem europäischen Raum ersetzt wurden, vom Konsum getragen werden, Das die diesjährige Ölfruchternte etwa den letztjährigen Ertrag sichert und auch die Futtergrundlage der Rind- viehhaltung bei unveränderter Zahl der Milchkühe keine wesentlichen Veränderungen erfährt, wird die Butter- und Margarincerzeugung, die fast zwei Drittel des Bedarfs deckt, voraussichtlich den alten Stand er- reichen. Dagegen hängt der Umfang der Schlachtfett- erzeugung in weitgehendem Maße davon ab, welchen Ausmästungsgrad der Schlachtschweine die nach Er- füllung der Getreide- und Kartotfelablieferungs- kontingente in den Betrieben verbleibenden Futter- mengen zulassen. Ebenso wie Getreide und Kar- toffeln können auch Fleisch und Fett sich innerhalb gewisser Grenzen vertreten, ohne daß Kostform und Kaloriengehalt wesentliche Veränderungen. erfahren. Im jahreszeitlichen Ablauf der Produktion zeigt der Fleisch- und Fettanfall häufig entgegen- gesetzte Tendenzen. Während die Milcherzeugung in den Herbst- und Wintermonaten regelmäßig absinkt, steigt nach beendeter Weidezeit und Hackfruchternte der Marktauftrieb an Rindern und Schweinen erheblich. Diese Schwankungen haben sich im Laufe des Krieges durch den Mangel an käuflichen Kraftfuttermitteln wesentlich verstarkt. Da der Vorratsbaltung d- läufig Grenzen gesetzt sind, ist es schon aus diesem. Grunde unvermeidlich, die Fleisch- und Feitzuteilung zeitweise inner- balb bestimmter Grenzen auszutauschen.

Die größten Schwierigkeiten sind im sechsten Kriegsjahr zweifellos auf dem Gebiet der Futter- wirtschaft zu überwirden. Diese Schwierigkeiten sind zunächst betriebs wirtschaftlicher Art und daher in den Einzelbetrieben zu lösen. Für die Ernährungs wirtschaft gewinnen sie insofern gewisse Bedeutung, als die durch den Futtervorrat begrenzte Mastschweine- erzeugung auch die Fleisch- und Fettversorgung beein- flußt. Dabei ist jedoch zu betonen, daß die Rindvieh- haltung für beide Erzeugnisse den wesentlichsten Grundstock liefert und Schweinefleisch und Schlacht- fette nur ergänzende Bedeutung haben. Außerdem ist hervorzuheben, daß bei dem vorhandenen Schweine bestand die Zahl der Schlachtungen nicht zurückgeht, sondern voraussichtlich sogar über dem letztjährigen Ergebnis liegen wird. Es handelt sich also nur um den Ausmästungsgrad und die dadurch bedingten Schlachtgewichte, die wiederum den Anfall von Fleisch und abtrennbaren Fetten bestimmen. Je mehr es in den Einzelbetrieben gelingt, durch sorgfältige Furtervoran- schlage die anfallenden Futterstofle nach dem Gesichts- punkt des höchsten Wirkungsgrades bei der tierischen Produktion einzusetzen, um so geringere Einbußen wird die Schweinemast erleiden und um so sicherer werden sich die Lieferkontingente abdecken lassen.

Im ganzen wird die Futterversorgungslage durch die Tatsache bestimmt, daß die der Landwirtschaft nach

Erfüllung der Getreide- und Kartoffelablieferungr

pflicht zur Verfügung stehenden Kraftfutt ermengen hinter den Vorräten des Vorjahres zurückbleiben. Der Grund hierfür liegt einmal in der geringeren Futter- getreideernte und zum anderen in dem höheren Bedarf der Wehrmacht, der bisher zu einem wesentlichen Teil

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aus den besetzten Gebieten befriedigt werden konnte, nunmehr aber in größerem Umfange von der heimi- schen Landwirtschaft aufzubringen ist. Hinzukommt, daß die für technische Zwecke aus der Kartoffel- und Zuckerrübenernte abzuzweigenden Mengen in der Haup@sche ebenfalls zu Lasten der Futterwirtschaft gehen. Wie alljäbrlich, so stellt sich auch jetzt wieder die Aufgabe, nach Sicherstellung der Brot- und Kartoffeiver- sorgung den Umfang der tierischen Produktion mit der ver- bleibenden Futtergrundlage in Übereinstimmung bringen und die Futtermengen so zu verteilen, daß damit ein Höchst- maß von tierischen Erzeugnissen für die Ernährung gewonnen wird,

Aus den verfügbaren Kraftfuttermengen sind zu- nächst die Spanntiere zu versorgen. Wenn auch bei verknappter Treibstoffzuteilung wieder schwere Transport- und Bodenkulturarbeiten in verstärktem Maße von den tierischen Zugkräften übernommen werden müssen, so kann es doch keinem Zweifel unter- liegen, daß in der Pferdefütterung während der arbeits- ärmeren Zeit noch erhebliche Einsparungen möglich sind, die für die Nutzviehhaltung freigesetzt werden können. Nach Abdeckung des F der Zug- tiere sind der Rindviehhaltung als dem wichtigsten Zweig der Fetterzeugung die erforderlichen Kraft-

zuzuweisen. Wie bereits hervorgehoben, besteht das Futter der deutschen Rindvichhaltung zu mehr als 90 vH aus Rauh- und Saftfutterstoffen und nur zu 10 vH aus Kraftfutter. Die Kraftfuttergaben als Ergänzung der Futterration haben vornehmlich die Aufgabe, das Grundfutter zu einer höheren Aus- nutzung zu bringen. Sie können also bei der Milch- erzeugung mit besonderem Nutzen, d. h. mit einem nährwertmäßigen Erfolg eingesetzt werden, der bei den übrigen Nutzviehzweigen nicht zu erreichen ist.

Der nach Abzug des Pferde- und Rindviehfutters verbleibende Rest bildet die Grundlage der Schweine- und Geflügelhaltung. Handelt es sich um Kraftfutter- mittel, die wahlweise sowohl der Schweinemast als auch der Getlügelhaltung zugewiesen werden können, dann gebührt der Schweinemast im Interesse der Fleisch- und Fettversorgung der Vorrang. Wenn auch durch die Kleintier verordnung die krassesten Aus- wüchse auf diesem Gebiet beseitigt sind, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß auch bei dem gegenwärtigen Umfang der Geflügelbestände noch mehr als 1 Mill. t Getreidewert von der Kleintierhaltung in Anspruch genommen werden. Dabei handelt es sich nicht um absolutes Geflügelfutter im engeren Sinne, also um Futterstoffe, die ohne Geflügelhaltung nicht ausgenutzt würden, sondern zu einem wesent- lichen Teil um Futtermittel, die auch für die Schweine- mast geeignet sind. Da es um die entscheidende Frage geht, dem deutschen Volk die Fleisch- und Fettversorgung in dem hisherigen Um- fange möglichst zu sichern, müssen diesem

Ziel alle übrigen Wünsche und Maßnahmen

untergeordnet werden, gleichgültig, ob es sich um das Ausmaß der Herstellung von Genußmitteln und Getränken oder um eine angemessene, d. h. auf den Umfang des absoluten Geflügelfurters abgestellte Abgrenzung der Geflügelhaltung handelt. Eine solche

Lenkung des Futtereinsatzes verschafft dem ernährungs- ökonomischen Grundsatz Geltung, durch sinnvolles organisatorisches Zusammenwirken der Hauptnutz- viehzweige aus einer gegebenen Futtergrundlage die höchstmögliche Menge an tierischen Erzeugnissen zu gewinnen. Auf dem Gebiet der Futterwirtschaft ist organisatorisch in der Masse der Betriebe noch viel Arbeit zu leisten. Die weitreichende Bedeutung dieser Fragen ergibt sich schon aus der Tatsache, daß trotz der erzwungenen Einengung der Futterwirtschaft auch heute noch zwei Drittel des deutschen Boden- ertrages über die Vichhaltung verwertet werden.

Die deutsche Landwirtschaft kann am Erntedanktag mit Befriedigung auf die Arbeit des abgelaufenen Jahres zurückblicken, denn trotz aller Schwierigkeiten und trotz der eingetretenen Gebietsverluste ist auch im sechsten Kriegsjahr die Versorgung mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln, die mehr als go vH des Kalorienbedarfs decken, gesichert. Wenn einmal die Wirtschaftsgeschichte dieses Krieges geschrieben wird, dann wird man für das deutsche Landvolk feststellen dürfen, daß es die Tragweite seiner Aufgaben erkannte, indem es den gesetzten Erzeugungszielen unbeirrt zu- ‘strebte und auch die Ablieferungspflicht gegenüber dem Volksganzen vorbildlich erfüllte.

Richtlinien für die nächstjährige Anbau- gestaltung

Es liegt im Wesen bäuerlicher Arbeit, daß bereits zu einer Zeit, in der die Ernte noch nicht voll geborgen ist, die neuen Planungen beginnen müssen. Mit der Herbst: aussaat und den Vorbereitungen für die Frühjahrs- bestellung wird der organisstorische Rahmen für die kommende Ernte festgelegt, der dann durch die tägliche Arbeit jm įm Laufe des Jahres mit Leistungen zu erfüllen ist. Über der planenden Arbeit muß als Motto die Erkenntnis stehen, daß die Ernährung unseres Volkes noch mebr, als dies bisher schon der Fall war, auf den Schultern der deutschen Landwirtschaft rubt.

Daraus folgt, daß die bisherigen Richtlinien für die Anbaugestaltung unverändert Gel- tung behalten: Aufrechterhaltung der Anbauflächen für Brotgetreide, Ölfrüchte, Zuckerrüben und Gemüse, Verstärkung des Kartoffel- und Hülsenfruchtanbaus und Gewinnung der wirtschaftseigenen Futtermittel von möglichst kleinen Flächen. Nachdem in den letzten Jahren der Futteranbau an Ausdehnung gewonnen hat, verdient gerade die zuletzt genannte Forderung be- sondere Beachtung, denn jede Ausdehnung der Futter- gewinnung in Form des Hauptfruchtanbaues ist zwangs- läufig mit einem Flächenverlust für die Nährfrüchte verbunden. Es ist nicht zu leugnen, daß der Erreichung der gesteckten Anbauziele viele Schwierigkeiten ent- gegenstehen, denn es ist sicher, daß die Treibstoffver- sorgung äußerst knapp bleiben wird und Handels- düngemittel, namentlich Stickstoffdünger, in dem letztjährigen Umfange nicht zur Verfügung stehen. Es gilt also, durch eine zweckmäßige Fruchtfolge und

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durch sorgfältige Stallmist- und Bodenpflege die Nähr- stoffmengen zu mobilisieren, die in der Zufuhr von außen ausfallen.

Die Bedeutung der Fruchtfolge

Das Kernstück der Organisation der Boden- nutzung bildet die Fruchtfolge. In ihr sind drei Fragenkreise eng miteinander verflochten: die bio- logischen und anbautechnischen Fragen der zweck-

mäßigen Aufeinanderfolge der Früchte, die Fragen des

zweckmäßigen Anbauverhältnisses im Hinblick auf den Arbeitsablauf und die Versorgung mit Futter und Stall- dünger und endlich die Fragen der Anpassung der Fruchtfolge an die gegebenen örtlichen Verhältnisse. Das Fruchtwechselprinzip gründet sich auf die Er- kenntnis, daß die einzelnen Fruchtarten an die bio- logischen, physikalischen, chemischen und sonstigen Eigenschaften des Bodens sehr unterschiedliche An- sprüche stellen und daß auch die Beschaffenheit, in welcher die Pflanzen den Boden nach der Emte zurücklassen, sehr verschieden ist. Die Nährstoff- vorräte und sonstigen Fruchtbarkeitsbedingungen lassen sich also nur durch eine Gruppe von Pflanzen ausnutzen, die sich nach den verschiedensten Richtun- gen ergänzen. Die Tiefwurzler (Hackfrüchte und Öl- saaten) müssen aus dem Untergrunde das heraufholen, was die Flachwurzler (Getreide) nicht erreichen konnten. Die Leguminosen haben nicht nur die Auf- gabe, die schwerlöslichen Nährstoffe des Bodens aufzu- schließen, sondern sie sammeln den freien Stickstoff der Luft, um diesen zusammen mit den in den Wurzel- rückständen gebundenen Stickstoffmengen den nach- folgenden Früchten zur Verfügung zu stellen. Die einen Kulturpflanzen liefern Humusstoffe, mit deren Hilfe die physikalische Bodenbeschafſenheit, insbe- sondere die wasserhaltende Kraft des Bodens ver- bessert wird, damit die anderen diese ohne dauernde Schädigung der Ertragsfähigkeit wieder verschlechtern können; die einen beschatten und mürben den Boden mehr, erhalten und fördern also den Garezustand, ‚während die anderen ihn leicht verkrusten; die einen brauchen die Mineralstoffe mehr in diesem Verhältnis, sind z. B. kalkflichend, die anderen mehr in jenem, sind z.B. kalksuchend. Die zu siner Fruchtfolge vereinigten Kulturpflanzen bilden also eine Genossenschaft mit verteilten Rollen, sowohl bezüglich der Ausnutzung der Näbrstoff- rorräte des Bodens als auch im Hinblick auf die jabreszeit- liche Inanspruchnahme der Arbeitskräfte und technischen Einrichtungen der Betriebe.

Wenn man versucht, für die verschiedenen Eigen- schaften der Kulturpflanzen bezüglich der Leistung ihres Wurzelsystems, der Nährstoffansprüche, der Bodenbeschattung, der Gareförderung usw. einen gemeinsamen Ausdruck zu finden, dann ist eine Unter- scheidung zwischen bodenanreichernden, boden- schonenden und bodenangreifenden Fruchtarten

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betriebswirtschaftlich besonders aufschlußreich und für die Gestaltung der Fruchtfolge richtungweisend. Die Leguminosen können wir ausnahmslos wenn auch mit Abstufung --- zu den bodenanreichernden Früchten zählen. Auch die meisten Hackfrüchte und Gemüse- arten gehören hierher, namentlich Kartoffeln und ver- schiedene Kohlarten, während die Zuckerrübe erst in weiterem Abstand folgt. Die Getreidearten zählen dagegen zu den bodenangreifenden Kulturpflanzen. Hier muß allerdings zwischen Weizen und Gerste auf der einen Seite und Roggen und Hafer auf der anderen Seite unterschieden werden. Dem Roggen kann man in Anbetracht seiner geringeren Nährstoffansprüche sogar. eine gewisse bodenschonende Wirkung zu- sprechen.

Leguminosen, Hackfrüchte und die meisten Öl- früchte werden unter dem Namen Blattfrüchte zusammengefaßt und den Getreidearten als Halm- früchten gegenübergestellt. Die biologischen und anbautechnischen Aufgaben der Fruchtfolge werden am vollkommensten erfüllt, wenn Blattfrüchte und Halmfrüchte regelmäßig miteinander wechseln. Dieser Grundsatz des Fruchtwechsels ist allerdings nicht unter allen Verhältnissen durchführber, da bei der Wahl der Fruchtfolge auch arbeitswirtschaftliche Gesichtspunkte eine wesentliche Rolle spielen und aus ermährungs- wirtschaftlichen Gründen der Getreideanbau einen be- stimmten Umfang nicht unterschreiten darf. Wohl aber läßt sich in vielen Betrieben auch ohne Änderung des Fruchtartenverhältnisses oder aber durch stärkere Einschaltung des Hülsenfrucht- und Hülsenfrucht- gemengeanbaus die Folge der Früchte so gestalten, daß sich auch bei geringerer Zufuhr von Handelsdünge- mitteln die Ertragseinbußen in tragbaren Grenzen halten.

In früberen Jahrzehnten bat das betriebswirtschaftlicht Denken über die Probleme der Frucbtfoige in Wissenschaft und Praxis eius zentrale Rolle gespielt. Erst mit der nm schen technischen Entwicklung und der rasch enwachsenden Versorgung mit preiswerten mineralischen Dünzemittehn, die der Intensivierung der Bodenuntzung und der Steigerung der Erträge einen storken Impuls verlieben, sind viele bewährte Gramdsaize der Fruchtfolge in l ergessenbeit geraten. Sie müssen mmmebr wieder yum tragenden Laune der Organi- sation der pangen Bodenwirtschaft werden. Das ist die Anf- gabe, die mit den bisherigen produktienspolitischen Zielen barmonisch zu vereinigen und enzustreben ist.

Das deutsche Landvolk beginnt das neue Wirt- schaftsjahr in der Erkenntnis, daß die zu bewältigenden Aufgaben noch größer und schwerer sind als bisber. Aber es geht in dem Bewußtsein ans Werk, daß nsch dem Wort von Clausewitz der Krieg nicht nur ent- schieden wird durch die Wucht der Waffen und durch den Geist, mit dem die Waffen geführt werden, sondern ebenso durch die moralische und physische Arbeits- und. Widerstandskraft des ganzen Volkes. Eine der wichtigsten Quellen, aus denen diese Kräfte gespeist werden, ist eine leistungsfähige Ernährungswirtschaft.

2 Me _.

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CURT STROHME YER

Mensch oder Mähdrescher?

wei Symptome kennzeichnen derzeitig die Fragen

des deutschen Bauerntums nach der Richtung hin, die auch den Laien interessiert: Zum einen hört man kaum noch Schlagworte mehr, die das Bauerntum mit dem Nimbus einer falschen und vor allem von allen Landfremden mißverstandenen Romantik umgaben, und zum andern hat es den Anschein, als wäre gegen- über früher vertretenen Aufgaben des Bauerntums jetzt die allein wichtige und entscheidende geblieben, daß nämlich der Bauer Nahrung zu erzeugen hat und damit in erster Linie seiner Aufgabe am deutschen Volk gerecht wird. Alles übrige ist nebensächlich.

Über die erste Erscheinung kann man sich freuen. Es hat keinen Zweck, ein brennendes Problem mit schönen Worten zu verbrämen, und es hat erst recht keinen Zweck, wirkliche Aufgaben und sehr ernste Erscheinungen in volltönende Opernakkorde zu über- setzen, die der Verhimmelung eines Standes nahe- kommen, dessen Nöte und Sorgen und dessen wahrer Lebensanspruch, vor allem aber dessen notwendige Funktion im Volkskörper besser mit rauhen und wirklichkeitsnahen Worten gesagt werden.

Das zweite Symptom ist falsch, weil der Krieg hier ein Bild geschaffen hat, das der Wahrheit nicht ent- spricht. Denn wenn das Bauerntum auch im Augen- blick in erster Linie der Erzeugung von Nahrung für das deutsche Volk dient, wenn dieser kategorische Imperativ des Krieges alle andern Aufgaben des Bauern zurücktreten läßt, so soll er doch selbst nicht ver-

gessen, daß diese Notwendigkeit derzeitig auch seiner

eigenen Erhaltung dient. Der verlorene Krieg würde das Dasein des deutschen Bauerntums ebenso beenden, wie das deutsche Dasein überhaupt beendet würde. Damit hat es den Anschein, als träten die Lebensfragen des Bauerntums hinter der vorherrschenden Nahrungs- sorge zurück; doch in der Tat gibt es Sorgen etwa die der verwaisten Höfe durch hohe Verluste, die des Nachwuchses, die der Unterwanderung durch Fremd- stämmige und viele andere —, die auch jetzt schon gebieterisch ihrer Lösung harren. Und trotz aller Mühen müssen wir auch zur Lösung solcher Fragen noch die Zeit und den Mut aufbringen. Denn alle Fragen des Bauerntums sind reale Fragen. Jede Ver- machlässigung einer bäuerlichen Frage wirkt sich umweiger- lich heute oder später auf den Gesamtorganisuns des dent- schen Volkes aus. Erkennen wir nicht diese Konzeptionen, dann ist das Ende des Bt und damit des deutschen Volkes nabe.

Es hat nie Sinn gehabt, um den Kern der Dinge herumzureden. Seit der Industrialisierung Deutsch- lands sind in der bäuerlichen Politik Fehler gemacht worden, die nicht mit halben Maßnahmen beseitigt

werden können. Es ist darum such dem Ernst des Problems kaum gerecht, wenn wir etwa heute uns lediglich unter dem behaglich sonnen würden, was in den letzten zehn Jahren für das Bauerntum getan ist, und darüber vergessen würden, welches gewaltige Maß von Arbeit noch zu tun übrigbleibt. Das, was getan wurde, ist in Wahrheit der primitive Anfang einer Entwicklung, die bedauerlicherweise durch den Krieg unterbrochen wurde. Vielleicht kann man aber auch sagen, daß der Krieg mindestens insofern vorteil- haft gewirkt hat, als er gerade die Probleme des Bauern- tums mit einer Realität aufwarf, die der Friede niemals gezeigt hätte. So hat der Krieg zum Beispiel die kata- strophalen Folgen der Abwanderung vom Lande mit einer Aufdringlichkeit gezeigt, die selbst solchen Politikern zu denken gibt, deren Herz ganz einseitig an den rauchenden Schlöten unserer Städte hängt. Der Friede nämlich vermochte die schleichenden Schäden draußen auf dem Lande noch hinter einem dahin- ratternden Mähdrescher zu verbergen. Der Krieg versucht das nicht mehr. Er fragt nach dem Men- schen. Er fragt danach, wo Ersatz für das Blut ist, das an den Fronten verströmte und .nun als ewiger Quell vom Lande wieder nach dem Herzen Deutsch- lands fließen soll. Der Krieg erklärt klipp und klar, daf wir nicht nur Mähdrescher, sondern vor allem Menschen brauchen.

Diese Tatsache wurde mir. eines Tages besonders eindringlich bewußt, als ich die Söhne ostmärkischer Bauern in der lappischen Tundra in ihren Unterständen und im Kampf erlebte. Denn als ich Jahre vorher immer wieder auf den Berghöfen der Alpen war, als damals viel über die Frage der Rentabilität dieser Höfe diskutiert wurde, als man meinte, daß es vielleicht besser sei, diese Höfe aufzuforsten oder zu Mietalmen zu machen und den Bergbauern bessere Existenzmög- lichkeiten auf „gesunden“ Höfen zu geben, da habe ich mir immer wieder gesagt, daß schließlich die Berg- bauern hierüber schon längst entschieden hätten; denn wenn sie selbst dieser Meinung wären, dann wären sie wohl auch schon von selbst abgewandert. Ich hielt mich auch als ein Sohn der norddeutschen Scholle für einen Richter sine ira et studio. Aber ich hatte doch immerhin dies erlebt: Auf einem Bergbauernhof un- weit Neumarkt in Steiermark errechnete ich mir für den Bauern bei einer Hofgröße von 250 Tagewerk ein- schließlich Wald, Alm und Ackerfläche einen Jahres- umsatz von brutto 800 Mark in der Schuschnigg-Zeit. Mögen da nun auch kaum beträchtliche Abzüge sein, mögen also immerhin 400 Mark als Reinertrag bleiben, so umfaßte doch die Familie des Bauern außer der Magd und einem vierzehnjährigen Burschen sieben

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Personen einschließlich der Altmurter und vier kleiner Kinder, die recht gesund und sauber angezogen waren. Auf andern Höfen war die Kinderzahl noch wesentlich größer, die Gesundheit die gleiche, der Nettoertrag oft noch geringer, besonders dort, wo keine Ackerfläche mehr war und mithin Brotgetreide, Kraftfutter und Rohleinen für die Kleidung gekauft werden mußten. Die Familien sitzen seit vielen Gene- rationen auf den Höfen. Ihr Gesichtskreis ist weiter und aufgeschlossener trotz aller Einsamkeit als der vieler reicher Talbewohner, die Jungens wie die Mädels sind stark, mutig, konsequent, energisch und zielsicher. Der weite Horizont ihrer Höhe gibt ihnen das innere Gleichmaß der charakterlichen Kräfte; die Auseinandersetzung mit dem Berg, mit Wind und Wetter schafft die Verantwortungsfreudigkeit an der Aufgabe. Diese Tatsachen wurden mir aber, wie ge- sagt, erst an der Tundrafront wirklich bewußt. Hier nämlich zeigte sich, was durch keinen noch so gut arbeitenden Mähdrescher zu vertuschen ist: Vor allem steht der Mensch. Das Leben eines Volkes stellt immer wieder an seine Menschen die Frage, ob sie sich bewähren. Ihre Bewährung macht überhaupt erst das Leben des Volkes!

Ostmärkische Bergbauern haben an der Tundrafront gezeigt, was die Berge sie lehrten, was Zucht und Sitte der Bergbauern ibnen mit ins Blut und damit ins Handeln gegeben hatten. Sie brauchten kaum die Finnen als Lehrmeister, sie waren im Gegenteil sehr oft Lehrmeister der Finnen. Sie bekamen weder Komplexe vor der Eintönigkeit der Landschaft, der Stille des Urwalds im Plußtal, der Widrigkeit der Witterung oder der langen Winternacht, sie behaupte- ten sich vielmehr gegen alle diese nervenzchrenden Kräfte genau so wie gegen den Feind von Osten. Sie hatten dafür von daheim das Gleichmaß ihrer Kräfte, die Unerschütterlichkeit ihrer Seele, die Gelassenheit ihres Gemüts. Wenn ich beim flackernden Feuer mit diesen harten Söhnen Tirols und Kärntens oder Steier- marks zusammensaß, wenn ich ihren Liedern zuhörte, während draußen der Sturm der Tundra sein grausiges eisiges Lied heulte, dann stiegen vor meinen Augen die einsamen Berghöfe im Lesachtal, an der Enns oder in Montafon auf, dann hörte ich die Glocken der Alm- kühe, dann hörte ich die fröhlichen Kinderstimmen, und ich sah den Mäher am Steilhang, wie er nach, dem schöngeschnitzten Köcher langte, um seine Sense zu wetzen! ` e

Nichts Verdorbenes war an diesen jungen Män- nern. Die Beweglichkeit ihres Geistes war von einer gesunden Philosophie bestimmt, wie sie die Freiheit der Berge den schweigsamen Menschen lehrt, und ihre Geradheit atmete etwas von einem erstrebenswerten menschlichen Ziel: die Vereinigung einer wahren, gesunden und immer logischen Natur mit unver- schlacktem menschlichem Denken. In jedem Falle aber schien mir von diesem Augenblick an noch mehr als je die Unsinnigkeit nahezugehen, das bäuerliche Pro- blem etwa unter dem Gesichtswinkel eines Mäh- dreschers zu lösen.

Wenn wir nämlich heute der Meinung sein sollten, daß der Mähdrescher oder überhaupt die Maschine

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ein Ersatz für bäuerliche Kräfte ist, dann wäre der alles abtötende Zeitpunkt nahe, daß wir uns nicht mehr mit diesen Fragen zu beschäftigen brauchen. Es ist he- dauerlich genug, daß in vergangenen Jahrzehnten die Maschine an die Stelle abgewanderter Menschenkräfte vom Lande treten mußte, an die Stelle jener Millionen, die heute dem flachen Lande so bitter nötig fehlen, an die Stelle der Bauernsöhne, Handwerker, Landarbeiter, Mägde und Knechte. Denn alle sie vereinen sich im Bauernrum, sie haben digselben biologischen und see- lischen Kräfte. In abrbeis nämlich mußte die Maschine der Intensivierung der deutschen 1endwirtschaft dienen, der deutschen Nabrungsantarkie, nicht aber dem Ersatz von Menschen.

Auch der menschlichen Arbeit am Acker sind Gren- zen gesetzt. Selbst das Pferd ist kein geeignetes Ge- spanntier für einen Untergrundhaken. Da macht vieles der Schlepper weit besser. Jede Rückständigkeit ist Unsinn: Der mechanische Drescher schafft mehr und bessere Arbeit als der Dreschflegel, und unzählige Maschinen ersetzen zermürbenden Krafteinsatz, der allzu früh des Menschen Rücken beugte. Aber dieser ganze umfassende Einsatz schaltete im Grunde ge- nommen nicht eine einzige menschliche Arbeitskraft aus, er erhöhte im Gegenteil die Leistung, er ver- größerte mithin auch den Ertrag und rechtfertigte sich damit von selbst. In der Tat hat sich die ab- wandernde menschliche Arbeitskraft auf dem Lande selbst ausgeschaltet. Siewarder Wahnidee der Ver- farmung verfallen, sie verglich Lohn und Benzin- kosten, sie verglich städtische und ländliche Löhne, das Kino mit der ländlichen Gastwirtschaft, die Flitter- fahne mit dem Beiderwandkleid und fiel auf den Kitsch und den Scheinverdienst, den die Großstadt sofort wieder auffraß, allzu leicht herein. Dies ist die Perspektive des Mähdreschers, der Maschine. Es ist lächerlich, einen Sturm gegen sie zu entfesseln, richtig aber ist es, den Ausgleich der Seele und des Geistes mit ihr zu suchen, damit wir ihr Herr bleiben und sie nicht Herr über uns wird!

Man ist nun offenbar versucht, den Bergbauern unter dem Blickwinkel des Mähdreschers zu betrach- ten und in diesem Zusammenhang die Frage nach seiner Existenzinöglichkeit zu stellen. Wir leben ja im Zeitalter des technischen Fortschritts, und so meint man, in einem Augenblick, wo man geflügelte Bomben nach London schießt, hat ein Bauer, der auf dem Rücken vom Berge sein karges Heu tragen muß, bessere Verwendung als jene, einen unrentablen Hof zu bewirtschaften. Sein ewiger Kampf gegen Stein und Vermurung sei nutzlos: Das machen zwei Milliar- den Fichten in diesem Gebiet viel’ besser, sein Brot sei zu hart, seine Leistung, am Lohn gemessen, zu hoch, sein Leben das eines Hundes.

Es ist indessen unwahrscheinlich, daß viele Berg- bauern ihren Hof gegen einen solchen in der Börde mit Mähdrescher und Rübenheber umtauschen würden. Sie wollen eigenartigerweise, aber Gott sei Dank, dort bleiben, wo sie sind. Betrachtet man sie nun einmal

nicht über den Blickwinkel des Mäbdreschers, sondern ·

über den der Bergbauernsöhne, die an der Tundrafront ihren Mann standen, dann gewinnt das *

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tum ein ganz anderes Aussehen. Es ist kein Problem der Maschine, es ist ein Problem des Menschen. Wo wollen wir denn in Hinkunft die genialen Pioniere der Maschine hernehmen, wenn nicht auch die Berg- bauern ihr gesundes Blut dazugeben? Und sie brau- chen nun einmal, sollen sie dem deutschen Volk weiter- hin unzählige Söhne ähnlich denen der Tundrakämpfer, der stillen Helden, und dazu wagemutige Pioniere auf allen Gebieten schenken, ihre Berge, ihre hohen Höfe. Sie reden weder mit aufgeschlagenen Augen von edlen Pflichten, die sie erfüllen wollen oder müssen, noch wollen sie, daß man ihnen das Leben allzu leicht macht, noch daß man an ihren Gürteln die goldgefüll- ten Katzen sammelt, sie wollen nichts als schlichte Bergbauern bleiben und im Rahmen des gesamt- deutschen Bauerntums ihnen gemäße Aufgaben zu- gewiesen bekommen: eine hochstehende Viehzucht,

- Käserei, Almwirtschaft. Sie wollen Künstler des

Holzes und der Wohnkultur bleiben und ihre Höfe als autarke kleine Zellen halten, sie wollen ihren Gams- bock schießen und am Abend die Zither spielen, sie wollen einen Extragroschen bei der Holzabtrift ver- dienen und sorgenvoll den Lawinenhang hinauf- schauen, sie wollen wohl eine Güllestätte und einen neuen Viehstall, auch eine Drahtseilbahn und ein Radio, aber sie wollen nun einmal keinen Mähdrescher, denn der Mähdrescher könnte sie auf den Gedanken bringen, daß man Kinder nun in großer Zahl nicht mehr braucht, weil ja die Maschine deren Arbeit gleich mitmacht. |

Daß eine derartige Diskussion überhaupt möglich ist, beweist im übrigen, wie wenig wir auch auf dem länd- lichen Sektor eine wirklich menschliche Beziehung zur Maschine gefunden haben. Vergleichen wir nämlich einmal die landwirtschaftliche Ur maschine, den Pf lug, mit dem Trecker oder dem Mähdrescher, dann

erkennen wir den Unterschied genau: Zur Urmaschine Pflug fanden wir als entlastendem und intensivierendem

Arbeitshelfer eine so enge Bezichung, daß er zum Symbol des Bauerntums schlechthin wurde, der an- marschierende Mähdrescher hingegen kreuzt auf der

Straße menschliche Kolonnen, die vom Lande in die

` Stadt abmarschieren. Er rückt heran, so scheint es,

nicht allein die Leistung zu steigern, sondern auch Kräfte zu ersetzen, die ja in Wahrheit keineswegs allein dazu da sind, Landarbeit zu verrichten, sondern eben auch darüber hinaus neue Kräfte zu schaffen, deren Einsatz und Geistesleistung wiederum überhaupt erst den Mähdrescher konstruierte und schuf. Soll also das technische Kind seinen geistigen Vater ermorden? Soll es ihn mindestens impotent machen ?

In all diesen Zusammenhängen und in neuen, die der Krieg aufwarf, tritt an das deutsche Bauerntum die schr ernste Frage der Selbstbehauptung. Nicht die Maschine ist die Ursache der Landflucht, nicht die Tatsache, daß arme Sandböden oder steile Berghänge Mann und Familie nicht mehr emährten, sondern eine Gesinnung, die weich gegenüber den Städten, den Maschinen und der Zeit wurde. Dean Beer sein, das ist in allen Schichten, die zum Bamerntum gebören, ein immerwährendes Bekenntnis, das nie ausgesprochen wird und doch so tief wurzelt, wie eben ein Bekenntnis wurzein Si

wenn es Segen tragen soll.

Suchen wir also die Fehler der Vergangenheit in uns selbst! Schaffen wir endlich die richtige Synthese zwischen Mensch und Maschine, die nahe- liegende, die reale Synthese, die uns zum ewigen Herrn macht über das, was wir uns zu unserer Erleichterung und zum Schaffen neuen zusätzlichen Segens kon- struiert haben, schauen wir auf zu den Bergbauern, die da unbeirrt ihren Weg gehen, nicht weil sie rückständig sind oder weil sie stur beim Werk des Vaters bleiben, sondern weil sie instinktiv fühlen, daß Deutschland zwar groß und stark ist, aber niemals groß und stark genug, als daß es etwa auf die tapferen Tundrakämpfer und all die anderen tüchtigen Söhne aus kinderreichen Bergbauerngeschlechtern verzichten könnte. Denn: nicht Mensch oder Mähdrescher ist für Deutschland die Frage, sondern Mensch und Mähdrescher! Es wird unsere kommende Aufgabe sein, beide in das wahre und würdige Verhältnis zu bringen!

Wo wären wir, hätte nicht der Bauer die tacten Knochen,

die derben Nerven und das geſunde Blut?

Ausgelöſcht

hätten uns Hunger, Pet und Grieg, Und wo wäre unfer eigenes Weſen geblieben unter dem römiſch⸗franzöſiſchen Lag, den uns die Fivilifation brachte, wäre deutſcher Geiſt nicht lebendig geblieben unter den Strohdächern der Dörfer?

Hermann Löns

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RUDOLF FRIEDRICH

Befunde Lebensordnung im Erbhof

er Erbhof wird für alle Zukunft in unserem Volke

die Lebensgrundlage zahlenmäßig starker bäuer- licher Familien zu bilden haben. Die gegenwärtigen Verhältnisse und das zu erstrebende Ziel stehen jedoch vielfach noch im Gegensatz zueinander. Es ist aus diesem Grunde erforderlich, einmal grundsätzliche Über- legungen über eine gesunde Lebensordnung unter den bäuerlichen Menschen des Erbhofes anzustellen und festzuhalten. Die Grundlage hierfür ist uns im Reichs- erbhofgesetz mit seinen das bäuerliche Leben ordnenden und sichernden Bestimmungen gegeben. Bei der Auf- stellung eines Wunschbildes ist man als bäuerlicher Mensch gezwungen, zurückzuschauen auf jene Höfe, die, allen Stürmen der Zeit trotzend, sich heute noch als gesunde Lebensgrundlage zahlenmäßig starker bäuerlicher Familien erwiesen haben. Diese geschicht- liche Betrachtung zeigt uns, daß in rein bäuerlichen Gegenden vor Beginn der sich ausweitenden Welt- wirtschaft mit ihren Erscheinungen der Arbeitsteilung, Konjunkturen, Krisen und sonstigen das Leben der Völker gefährdenden Zuständen im wesentlichen eine geschlossene Hauswirtschaft im Bauernhof vorherrschte. Die bäuerliche Großfamilie, die sich aus drei Genera- tionen zusammensetzte, lebte auf dem Hof und durch den Hof. Es war eine gewachsene Lebensform, dienatürlichundgesund war, Krisen überstand undeinefestebäuerliche Tradition begründete. Die Ansichten, die nach Einbruch des liberalistischen Wirtschaftsdenkens auch teilweise in unserem Bauern- tum Fuß faßten, führten auch dort bald zum reinen Gelddenken. Sie betrachteten den Hof vielfach nicht mehr als die bleibende Lebensgrundlage einer bäuer- lichen Familie, sondern saben in ihm einen Betrieb, der kapitalmäßig einen bestimmten Wert darstellte und demzufolge auch einer entsprechenden Verwertung bei Erbauseinandersetzungen zugeführt werden konnte. Die Folgen dieser Anschauungen waren einmal die sich weiterhin durchsetzende Realteilung und in anderen

Gebieten die zunehmende Erbverschuldung der Höfe.

Wenn wir daher die Wege suchen, die im Interesse der Sicherung des Lebens und der Ernährung unseres gesamten Volkes zu gesunden bäuerlichen Verhältnissen führen, so können wir nur dort beginnen, wo uns in der Vergangenheit noch gesundes und natürliches Denken als Vorbild vor Augen steht. Dieses Vorbild ist für alle Zukunft der Erbhof, der, mit einer genügen- den Landfläche ausgestattet, die Lebensgrundlage einer bäuerlichen Großfamilie unter allen Umständen sichert. Unter Großfamilie verstehe ich hierbei die Lebens- gemeinschaft des Altbauernehepaares, des wirtschaften- den Bauernehepaares und der heranwachsenden Jugend.

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. wird mit allem

Für diese Menschen muß der Hof in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht alles das geben, was bäuerliche Menschen als Lohn für den Fleiß ihrer Arbeit nach dem Stande unserer modernen Volkswirtschaft für sich erwarten dürfen. Wenn diese Voraussetzung einmal erreicht ist und in den Planungen für die künftige Neubildung deutschen Bauemtums hinsichtlich der Ausstattung der Neubauernhöfe mit Land ihre Berück- sichtigung findet, so ist es im Anschluß hieran erforder- lich, weiterhin Überlegungen anzustellen über die Stellung der Menschen innerhalb der gewünschten ae starken bäuerlichen Großfamilie.

Frühehe und Hofübergabe

Von unseren "Bevölkerungspolitikern, Ärzten usw. Nachdruck die Frühehe für alle Volksgenossen gefordert und mit dieser Forderung zugleich eine zweite Forderung erhoben, und zwar, daß die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in allen Berufskreisen so gestaltet werden, daß sie der ge- wünschten Frühehe nicht hindernd im Wege stehen. Wie sieht dies nun bei der Betrachtung unserer bäuer- lichen Verhältnisse im Erbhof aus? Die vorberr- schenden Ansichten gehen zur Zeit noch im über- wiegenden Maße dahin, daß eine Verheirstung des Jungbauern erst dann erfolgen kann, wenn der Alt- bauer bereit ist, den Hof zu übergeben. Hier liegt als erstes ein großes Hemmnis für die Durchsetzung der Forderung nach einer Frühehe unserer Jungbeuern.

` Diese falschen Anschauungen müssen beseitigt werden.

Es ist dies eine Erziehungsaufgabe, die sowohl die junge als auch die alte Generation angeht. Es ist keineswegs zu vertreten, daß die einheirstende Jung- bäuerin von vornherein die Bedingung stellt, nunmehr die Regierung im Bauernhof, soweit es sich um die Aufgaben der Frau handelt, allein übernehmen zu wollen, wie es andererseits auch unmöglich ist, daß der Altbauer bis zum höchsten Greisenalter sich weigert, den Hof zu übergeben. Vertrauen gegen Vertrauen muß hier die Losung sein. Wir müssen auch hierbei zu einem organischen Denken und damit dann auch in der Praxis zu einem organischen Handeln und Wollen kommen. Es ist eine feststehende medizinische_Tat- sache, daß der Mann seine völlige charakterliche, seelische und geistige Reife im Alter von etwa 33 bis 40 Jahren erreicht, während seine geschlechtliche Reife bereits im Alter von 18—22 Jahren vorhanden ist. Für die Frau gilt dies sinngemäß, wobei gesagt werden kann, daß ein Unterschied von ungefähr 3— 3 Jahren im Durchschnitt richtig ist. Diese von der Natur

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gegebenen Tatsachen müssen uns bei unseren Über- legungen leiten, d. h., wir müssen hieraus die Folgerung ziehen und eine Frühehe auf dem Bauernhof durch- setzen, ohne daß im Zusammenhang damit bereits eine Übergabe des Hofes auf den Anerben vom Jungbauern- ehepaar gefordert wird. Das Altbauernehepaar muß seinerseits so viel Verständnis aufbringen, dem Jung- bauern die Heirat zu erleichtern und zu ermöglichen, ferner ihm im Hof die Stellung zu geben, die ihm als künftigem Anerben und der Jungbäuerin als künftiger Bäuerin gebührt.

Die weitere Frage, die in diesem Zusammenhang auftaucht, ist die Stellung der anderen Kinder des Alt- bauern, ihre Ausstattung und Versorgung. Auch hier- bei muß immer ein natürliches Denken bewahrt bleiben, d. b., der wirtschaftende Bauer muß in der Lage sein, neben der Erziehung und Ausbildung des Anerben so viel Mittel zu erübrigen, um die erwünschten heran- wachsenden anderen Kinder für deren künftige Lebens- existenz entsprechend auszubilden und, soweit es die Kraft des Hofes ermöglicht, auszustatten. Die wert- mäßige Höhe dieser Ausstattungen wird weitgehend von der Tüchtigkeit des einzelnen Bauern abhängen und ist nicht irgendwie zahlenmäßig zu benennen. Die Wertung der Tüchtigkeit eines Bauern hat sich dabei nicht nur auf seine wirtschaftlichen Leistungen, sondern besonders auch auf seine biologischen Leistun- gen zu erstrecken; beide müssen in Ordnung sein. In welche Berufe die weichenden Erben dann ein- münden, soll hier nicht erörtert werden. Die Schafung neuen bäuerlichen Siedlungsraumes, die wachsende Intensivierung der einheimischen Landwirtschaft und die wachsende Volkskraft werden hier in aller Zukunft die richtigen Wege für diese Menschen aufzeigen. Das Vertrauen zur nationalsozialistischen Staatsführung wird sich immer in den zahlreichen Kindern unserer deutschen Familien beweisen.

Stellung des verheirateten Jungbauern

Es ist also eine der dringendsten biologischen Forderungen, daß die Heirat des künftigen Anerben, der nach dem Willen des Bauern ausersehen ist, den Hof zu übernehmen, nicht gleichzeitig von der Hof- übergabe abhängig gemacht wird, sondern daß diese dann erfolgt, wenn der Bauer selbst ein Lebensalter erreicht hat, in dem bei ihm die körperlichen Kräfte nachlassen und es nunmehr an der Zeit ist, die Führung des Hofes auf die kräftigeren und jüngeren Schultern des nunmehr voll ausgebildeten und auch schon mit Erfahrungen ausgestatteten Jungbauern zu legen. Dies wird in normalen Fällen dann sein, wenn der Altbauer das Alter von 60-65 Jahren erreicht hat, der Jung- bauer seinerseits das Alter von 35—40 Jahren, in Ge- bieten, in denen Jüngstenrecht gilt, entsprechend früher.

Auch in anderen Berufen unseres Volkes wird ein völliges Selbständigwerden der jungen Kräfte im wesentlichen erst in diesem Lebensalter erreicht. Es ist daher keineswegs eine Härte gegenüber der Jugend, sondern im Gegenteil eine Förderung derselben, denn dem Jungbauern ist während der Zeit, in der er noch

unter der Leitung des erfahrenen Altbauern steht, Gelegenheit gegeben, sich nach allen Richtungen hin bestens auszubilden und dieses Wissen dann bei der Übernahme des Hofes zum Wohle desselben anzu- wenden. Diese Lebensordnung würde, um ein Beispiel Zu zeigen, ungefähr wie folgt aussehen: Angenommen ist ein Erbhof, dessen Größe als eine gesunde Lebens- grundlage einer bäuerlichen Großfamilie angesehen werden. kann. Diese Größe wird verschieden sein, je nach der Bodengüte, Lage usw. Es sollen daher hierzu Zahlen nicht genannt werden. Der Bauer hat sechs Kinder oder mehr, eins derselben ist von ibm bestimmt, den Hof zu übernehmen. Es war ihm dank seines Fleißes bei Lebzeiten möglich, für die Aus- stattung der anderen Kinder und ihre Ausbildung zu sorgen. Als günstige Voraussetzung hierzu war eine nahezu völlige Schuldenfreiheit bei Übernahme des Erbhofes durch den Bauern vorhanden, so wie dies auch als zukünftiges Wunschbild unbedingt anzu- streben ist. |

Aufgabe der Dorfaufrüstung

In normalen Verhältnissen wird der Anerbe nach Ablegung der Landarbeits- und Landwirtschafts- prüfung sowie der Ableistung seiner Arbeitsdienst- und Militärdienstpflicht mit 21 oder 22 Jahren auf den väterlichen Hof zurückkehren. In diesem Alter von 22 bis 25 Jahren ist es dringend erwünscht, daß er sich die Gefährtin seines Lebens auswählt. Es ist weiterhin gleichzeitig im Interesse seiner Berufsausbildung drin- gend erforderlich, daß er in diesen Jahren den väter- lichen Hof verläßt urid in gut geleiteten fremden Be- trieben seine Kenntnisse vervollkommnet. Nach dieser Zeit ist ihm nunmehr Gelegenheit zu geben, die Ehe einzugehen. Er soll im väterlichen Betrieb selbstver- ständlich bereits die Stelle eines Vertreters des Bauern innehaben. Er soll also unter dem übrigen Gesinde

‚als der künftige Bauer eine entsprechende Vorrang-

stellung einnehmen, wobei er aber stets die Autorität und Lebenserfahrung seines Vaters zu respektieren bat, Der Jungbäuerin muß unter allen Umständen die Mög- lichkeit geschaffen werden, in den ersten Jahren der Ehe dem Hof den gesunden Nachwuchs zu schenken, und sie soll vor allem als junge Mutter auch in der Lage sein, sich diesen schönsten Freuden einer Frau völlig hinzugeben und die erste Erziehung der jungen Generation selbst zu lenken und zu leiten. Sie wird mit dieser Aufgabe voll beschäftigt sein und gleich- zeitig allmählich in die gesamte Wirtschaft des Hofes hineinwachsen, während der Bauer selbst, und seine Ehefrau noch im Vollgefühl ihrer Kraft sich der heran- wachsenden Enkelschar erfreuen können. Bei einer Schilderung der Lebensverhältnisse in dieser Weise tauchen sofort die weiteren Fragen hinsichtlich der räum-

lichen Gestaltung der Hofwohnungen sowie des Zu-

sammenlebens zwischen Altbauernehepaar und Jung- bauernehepaar auf. Auch hier sind Überlegungen anzu- stellen.

Die Fragen, die bisher vielfach über die Wege der geplanten Dorfaufrüstung erörtert worden sind, liegen vielfach zu sehr im rein Technischen. Hier muß

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mit aller Entschiedenheit gefordert werden, daß bei aller Bejahung des Technischen der bäuer- liche Mensch stets im Vordergrund zu stehen bat und daß die Technik diesem Menschen ihre Dienste zu geben hat, aber niemals umgekehrt. Es wird also erforderlich sein, in jedem Erbhof neben den allge- meinen Wohnräumen des wirtschaftenden Bauern eine zweite Wohnung zu schaffen, sofern sie nicht schon vorhanden ist.. Diese Wohnung soll dem Anerben und seiner Familie zur Vefügung stehen bis zur Übernahme des Hofes. Es muß in ihr also die Möglichkeit gegeben sein, daß die beranwachsende zahlreiche Kinderschar unter der Obhut der Jungbäuerin steht und diese so auch schon eine gewisse Selbständigkeit entwickeln kann. Inwieweit eine Vereinigung der gesamten bäuerlichen Großfamilie zu den Mahlzeiten an einem gemeinsamen Tisch hierbei als wünschenswert oder für notwendig erachtet wird, ist von den örtlichen und landsmannschaftlichen Bräuchen abhängig und soll auf Grund des Althergebrachten und Bewährten gehandhabt werden. Bei der in feierlicher Form durch- zuführenden Übergabe des Hofes an den Anerben wird

dann der Altbauer die Wohnung mit dem Jungbauern .

vertauschen und er selbst nunmehr mit der Altbäuerin für seinen Lebensabend in eigenen Räumen sein Dasein führen können. Nach Abschluß des Lebensabends des Altbauern wird sich dieser ewige natürliche Kreis- lauf fortsetzen, so wie sich alles Leben dann ewig fort- setzt, wenn junge gesunde Generationen nachwachsen.

Die Schilderung dieses an sich selbstverständlichen und narürlichen Bildes einer bäuerlichen Lebens- ordnung im Erbhof bedeutet , grundsätzlich nichts Neues. Die Betrachtung der augenblicklichen tat- sächlichen Verhältnisse auf dem Lande zwingt aber dazu, auf diese Dinge eingehend hinzuweisen und sie geradezu als Forderung für die Gestaltung des künftigen bäuerlichen Lebens im Erbhof herauszustellen. Es ist selbstverständlich, daß wir bierbei niemals zu einer starren Normierung des bäuerlichen Lebens kommen wollen,. es ist aber notwendig, daß wir das bäuerliche

Leben, das durch den Einbruch der bauemrumsfeind- lichen liberalistischen Weltanschauung vielfach Irr- wege gegangen ist, wieder auf die Grundlagen natür- licher Lebensgesetze zurückführen.

Wenn das Erbhofgesetz seinen Sinn für die Zukunft unseres Volkes erfüllen soll, dann muß der Erbhof selbst hinsichtlich seiner Ausstattung und seiner Größe eine gesunde bäuerliche Lebensgrundlage starker deutscher Bauernfamilien bilden, wobei in diesem Zu- sammenhang die Fragen weiterer Einzelheiten zunächst nicht besprochen werden sollen. Man wird sich aber wohl überlegen müssen, ob man die Höfe z. B. so groß gestaltet, daß die Existenz einer weiteren Landarbeiter- familie in Form eines Melkers oder Vogtes oder, wie es früher hieß, Großknechtes noch für notwendig er- achtet wird. Auch für diese Familie müßte dann ein Eigenheim geschaffen werden, das wiederum die Möglichkeit bietet, eine große Kinderzahl aufauziehen. Es würde zu weit führen, nach dieser Richtung hin . ins einzelne zu geben; eine gewisse Verschiedenheit in.den Betriebsgrößen wird immer bleiben müssen und auch durchaus gesund sein. Ich möchte daber zum Schluß das Grundsätzliche meiner Ausführungen noch- mals herausstellen. Es lauter ganz einfsch: Auf wirt- schaftlich gesunden Erbhöfen ist dem künfti- gen Anerben im Hinblick auf die gewünschte zahlreiche und gesunde Kinderschar die Frühehe unter allen Umständen zu ermög- lichen, Sie soll und darf nie abhängig sein von der sofortigen Übernahme des Hofes bei der Heirat des Jungbauern. Es muß daher die Erziehung der Jugend in dieser Beziehung beeinflußt werden und andererseits. gleichzeitig das Verständnis der älteren Generstion für die Aufgaben der Jugend erreicht werden. Auf diesem Wege wird es möglich sein, unsere Erbhöfe wieder mit so vielen gesunden deutschen bäuerlichen Menschen zu füllen, daß sie unsdie augenblicklichen Sorgen des Men- schenmangels auf dem Lande beseitigen helfen und eine gesicherte und blühende Zukunft unseres ge- samten Volkes herbeiführen.

Durch den Geist seiner Agrargesetzgebung erhält die ganze innere Geschichte eines Volkes ihren Charakter und

ihre Richtung.

Justus Möser

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Beim Stecken von Mceerrettichpflanzen Herrichten des Gemüscackers mit einem Handhäufelgerät

Gärtnerlehrlinge beim Erwärmen der für die Frühbeete bestimmten Erde durch Dämpfen Schutz der jungen

Pflanzen gegen Frost durch Papierhauben

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Der Spreewald erstreckt sich nordwestlich von Kottbus in einem breiten Urstromtal, dessen bruchige Niederung von zahlreichen Spreearmen und Kanälen durchzogen wird. Der Wald, der, aus Erlen, Eschen, Eichen und Weiden bestehend, einst dem Gebiete den Namen gegeben hat, hat im Laufe der Zeit immer stärker der Wiesennutzung und vor alem einem intensiven Gemüscanbau weichen müssen, Rechts: Ein Gärtnerlehrling wird im Anbinen von Tomatenpflanzen unterwiesen Unten: Strauchbohnen, die zur Erzielung einer möglichst frühen Ernte unter Glas herangezogen wurden Ra

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Der Gemüseanbau gehört zu einem der arbeitsintensivsten landwirtschaftlichen Betriebszweige, bei dem es für alt und

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und in Steigen verpackt Fertig zum Abtransport an die

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Dorfbucharbeit im Kriege

ährend die Dorfbucharbeit in Zeiten normalen

Lebens und einer ruhigen und stetigen Entwick- lung dem Tagesgeschehen keine übergroße Aufmerk- samkeit zu schenken braucht, sich vielmehr mit der Durchforschung des dörflichen Raumes mit seinen

Lebensverhältnissen beschäftigen, die Vergangenheit

erschließen und das Werden des heutigen Zustandes auf allen Gebieten verfolgen und die gewonnenen Er- kenntnisse auswerten kann mit dem Ziele einer Er- neuerung des dörflichen Gemeinschaftslebens und der Rückführung der Menschen des Dorfes zu ihrer wahren Art, d. h. zum wahren Bauerntum, steht im Kriege die Behandlung des Gegenwartsgeschehens an erster Stelle, erwachsen der Dorf bucharbeit zusätzlich besondere Aufgaben. Kein Dorf und kein Hof im Reich, die nicht durch den Krieg und die dadurch entstandenen be- sonderen Verhältnisse unmittelbar berührt werden, kein Dorf, das durch die Mobilisierung aller Kräfte für die Führung des totalen Krieges nicht sich einreiht in die große Abwehrfront aller Deutschen, kein Dorf, dessen wehrfähige Mannschaft nicht an der Front steht und wo nicht durch kriegsyedingte Notwendigkeiten die Lebenshaltung des einzelnen, die Wirtschafts- führung des. Hofes und die Verwaltung des Gemein- wesens entscheidend beeinflußt werden.

Schicksal, Erleben, Einsatz und Opfer des Dorfes und seiner Menschen in diesem Kampf um den Be- stand von Volk und Reich und die hohen Güter einer jahrtausendealten europäischen Kultur in allen Einzel- heiten festzuhalten und damit kommenden Geschlech- tem einen unmittelbaren Einblick in das Ge- schehen unserer Tage und die Haltung der Menschen zu gewähren, ist die eine Aufgabe der Dorfbucharbeit im Kriege. Darüber hinaus aber gilt es, den Inhalt des Kriegsdorfbuches für die lebende Generation auszuwerten und fruchtbar zu machen. Das ist so vordringlich und wichtig, daß dort, wo bereits seit Jahren am Dorfbuch gearbeitet wird, alle andern das Dorfbuch betreffenden Arbeitsgebiete dahinter zu- rückstehen müssen, daß aber dort, wo ein Dorfbuch noch nicht begonnen wurde, unverzüglich die Arbeit in. die Wege geleitet werden muß, wenn nicht vieles in Vergessenheit geraten soll. Was hier versäumt wird, läßt sich nie mehr nachholen. Noch ist es möglich, rückschauend die Ereignisse vom Beginn des Krieges an zu erfassen und festzuhalten; in wenigen Jahren aber wird das nicht mehr der Fall sein. Das Beispiel des Weltkriegs zeigt, daß es wenige Jahre nach dem Kriegsende nicht mehr möglich war, über alle Kriegs- teilnehmer des Dorfes genauere Angahen zu machen,

viel weniger aber noch, ein lückenloses einwandfreies Material über das Erleben des Dorfes zu sammeln. Einsatz und Opfer unserer Zeit aber sind zu groß, als daß sie jemals in Vergessenheit geraten dürften. So wird das Dorfbwb zu einem durch nichts zu ersetzenden Dokument unserer Zeit, das das geschichtliche Werden in einer ganz neuen Schau, aus der Schau vom Volke ber, von der kleinsten politischen Gemeinschaft, vom Dorfe ber, siebt.

Dieser Eigenart der Betrachtung entsprechend wird die Arbeit am Kriegsdorfbuch hauptsächlich zunächst darin bestehen, möglichst lückenioses und stichhaltiges Material zusammenzutragen und zu bearbeiten, weniger aber eigentliche Forschungsarbeit sein. Sie ist darum aber nicht weniger wichtig. Sie berührt sich in ge- wissem Sinne mit der Führung einer Chronik, reicht aber insofern schon inhaltlich darüber hinaus, als sich die Chronik in der Regel damit begnügt, die äußeren Geschehnisse und deren Ablauf objektiv betrachtend zu schildern. Das Dorfbuch aber will darüber hinaus das Kriegserleben des Dorfes und seiner Men- schen in der Totalität darstellen, keine Seite des dörflichen Lebens außer acht lassen, auch nicht auf die Darlegung der wirtschaftlichen, biologischen oder hygienischen Verhältnisse in den einzelnen Kriegs- jahren verzichten. Noch aufschlußreicher aber wird das Dorfbuch, wenn es außerdem die Wechselwirkung zwischen dem Geschehen im Dorf und im Reich, die

vielfachen Verkettungen und Beziehungen und den

Leistungsanteil des Dorfes zum Ausdruck bringt. Zu einem wirklich umfassenden Dokument unserer Zeit aber wird das Dorfbuch erst, wenn es abrundend auch die geistige Haltung der Menschen in dieser schweren Zeit schildert und zeigt, wie eine verschworene Kampf- gemeinschaft alle Schwierigkeiten meistert.

Die Behandlung der Wechselwirkung zwischen Dorf und Reich bedeutet nun aber keineswegs, aus dem Dorfbuch eine allgemeine Geschichte des Krieges zu machen. Gewiß gibt es zahlreiche Stoffe aus dem dörflichen Erleben, sei es, daß es sich um die Aus- wirkung gesetzgeberischer Maßnahmen oder kriegs- wirtschaftlicher Anordnungen handelt, die nur dann verständlich werden, wenn diese selber herangezogen werden. Ebensowenig kann es Aufgabe des Dorf- buches sein, strategische oder politische Situationen eingehend zu erörtern. Grundsätzlich ist zu beachten, daß das Gesamtgeschehen nur so weit dargelegt wer- den darf, wie es zum Verständnis der dörflichen Ver- hältnisse notwendig ist. Das Geschehen im Dorfe selber aber ist in aller Ausführlichkeit zu behandeln. Hier wird mit andern Maßstäben gemessen als in der

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“spätere Geschlechter nur zu ihrem Do

Betrachtung vom Reiche aus, und gerade in der Schilderung und Darlegung von Einzelheiten liegen der Reiz und die Stärke des Dorf buches. Diese Art der Darstellung entspricht auch der geistigen Art der Dorf- menschen, und auch spatere Geschlechter werden zu ihrem Dorfbuch einmal ein ausgesprochen persön- liches Verhältnis haben. Diese Form der Darstellung hat ihr Gegenstück außerdem in den PK-Berichten unserer Kriegsberichtet, und so wird der Dorf- buchbearbeiter gewissermaßen zum PK-Mann der Heimatfront. Trotz aller Ausführlichkeit darf sich der Dorfbuchbearbeiter jedoch nicht in der Ab- schilderung von Nebensächlichkeiten und Nichtig- keiten verlieren.

Es ist im Grunde genommen unnötig, noch beson-

ders zu betonen, daß jedes Dorf sein Dorfbuch

baben muß. Eis wurde schon darauf hingewiesen, daß uch das per- sönliche Verhältnis haben werden und daß es gerade ihre Vorfahren sihd, auf deren Leistung sie mit Stolz und Selbstbewußtsein zurückblicken können, und ge- rade das wird ihnen Verpflichtung zu gleichen Einsatz der Kräfte rein. - Aber noch aus einem andern Grunde muß jedes Dorf sein eigenes Dorfbuch haben. Nicht zwei Dörfer im Reich erleben den Krieg völlig gleich,

weil die Verhältnisse zu verschieden sind. Dörfer an

der Grenze erleben den Krieg und die ihm vorauf- gehenden Ereignisse viel unmittelbarer, und die be-

vorstehenden F.reignisse zeichnen sich im Grenzland

viel eher und nachhaltiger ab als in Dörfern im Herzen des Reiches. Und die Menschen des Grenzlandes stehen den kommenden Dingen in einer ganz andern geistigen Haltung gegenüber, sie werden durch das Geschehen viel stärker beeindruckt. Aber auch unmittelbar be- nachbarte Dörfer können den Beginn des Krieges bei- spielsweise ganz verschieden erleben, wenn das eine von ihnen an einer Hauptstraße liegt, die zus Grenze führt.

Damit ist schon die Frage berührt, von welchem

Zeitpunkt an man rückschauend mit dem Kriegs- dort buch beginnen soll. Das läßt sich nicht einheitlich bestimmen, erst recht kein Datum angeben. Ganz all-

gemein läßt sich die Frage so heanrworten, da mit dem Kriegsdorfbuch zu beginnen, sobald die bevorstehen- den Ereignisse im dörflichen Leben erkennbar werden. Das ist je nach Lage der Dörfer verschieden. Beispiels- weise ist der Bau des W'estwalls bereits als Gegenmaß- nahme gegenüber dem immer stärker werdenden Kriegswillen der Westmächte anzusehen, wie auch der verschärfte, Volkstumskampf im Osten als Folge der Rückenstärkung Polens durch England zu werten ist.

‚Gegen den Sommer 1939 aber wird es auch im klein-

sten Dorf vernehmbar, daß der Krieg unvermeidbar zu sein scheint. Und nun soll das K riegadorf buch den Ausbruch des Krieges schildern, wie ihn das Dorf erlebt, soll nach Möglichkeit auch einen Vergleich zu 1914 bringen und aufzeigen, wie die Menschen von 1939 diese Tage ganz anders erleben als 1914, als

Menschen, die um die Schwere der kommenden Ereig-

nisse wissen. Weiter wäre darzulegen, wie durch den Rundfunk das Dorf viel näher an die geschichtlichen Ereignisse hergeruckt wird. wie die Menschen den 362

EN

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Dorfes unmittelbare Zeugen bedeutsamer a nisse werden.

Und nun soll der Soldatenband Erlebnisse, Taten, Leistungen und Opfer der Soldaten des Dorfes be- handeln, soll die Namen der Soldaten aufzeichnen, die bei Kriegsbeginn bei der Wehrmacht stehen oder sufort einberufen werden, soll sic verfolgen bei dem Siegeszug durch Polen, soll von ihrer Wacht am Westwall in dem harten Winter erzählen, ihren Einsatz in Dänemark und Norwegen und den unvergleichlichen Siegeszug durch Frankreich schildern, wie von ihren Erlebnissen und Eindrücken auf den Kriegsschauplätzen im Südosten Furopas und den weiten Steppen Rußlands und in Nordafrika berichten. Besonders anschaulich werden diese Darstellungen, wenn der Weg des einen oder andern Soldaten des Dorfes auf einer Karte beigefügt wird.

Unter den Soldaten des Dorfes befinden sich viele, die wegen besonderer Tapferkeit mit den beiden Eisernen Kreuzen oder gar mit dem Ritterkreuz aur- gezeichnet wurden, die sich durch einzigartige Taten in die Reihe der ersten Helden des Volkes stellten. Wie mancher von ihnen hat als moderner Siegfried un- erschrocken auch stärkste Panzer unschädlich gemacht oder ist als Flieger vielfacher Sieger in Luftkämpfen ge worden. Ihre Taten soll dan Dorfbuch in allen Einzel- heiten berichten, weil hier engste persönliche Be- ziehungen bestehen. Und was sie völlbrachten, wird der Jugend des Dorfes Vorbild und Ansporn sein in Gegenwart und Zukunft. In gleicher Weise soll auch das Dorf buch von Beförderungen berichten. Und so mancher trägt heute das Ehrenkleid des Offiziers wegen besonderer Auszeichnung, der einfachsten Verhält- nissen des Dorfes entstammt,

Diese Stoffe für das ISorfbuch wird der Bearbeiter zu einem Teil aus unmittelbarer mündlicher Bericht- erstattung gewinnen. Wo die Dorfbucharbeit bereits

langer getrieben wird und in ihrem Wert von den

Dorfbewohnern erkannt worden ist, der Bearbeiter auch die rechte Stellung im Dorf und das Vertrauen der Dörfler besitzt, werden ihm die Urlauber. freimütig über ihr Ergehen und Erleben in der Zwischenzeit be- richten. Leider tritt in den oft langen Zwischen- räumen manches in den Hintergrund. Und da werden die Feldpostbriefe unserer Soldaten eine der wichtigsten Quellen für die Dorfbucharheit. In ihnen ist so manches Erlebnis unter dem unmittel- baren Eindruck niedergeschrieben, das in der Erinne rung verblaßt. In diesen Briefen kommt sußerdem die Verbundenheit mit der Heimat oft ungewollt zum Ausdruck. Soweit diese Feldpostbriefe an die An- gehörigen gerichtet sind, muß bei ihrer Verwendung für das Dorfbuch mit größtem Takt verfahren werden. Mitteilungen,- die nur für die nächsten Angehörigen bestimmt sind, gehören nicht an die Öffentlichkeit, und auf rein persönliche Angelegenheiten ist sters Rücksicht zu nehmen. Der Bearbeiter sollte sich stets bewußt sein, daß es ein Akt besonderen Ver- trauens ist, wenn ihm Feldpostbriefe entweder im Original oder zur Abschrift überlassen werden. Un- vorsichtige Behandlung kann leicht eine unschätzbare Quelle für das Dorfbuch verstopten. Wie verschieden

m

diese Dokumente unserer Zeit großen geschichtlichen Werdens in der Dorf bucharbeit ausgewertet werden können, soll hier nicht näher erörtert werden. Doku- mente ähnlicher Art sind auch Bilder aus dem Fronterleben unserer Soldaten. Bilder, zu denen Soldaten des Dorfes eine unmittelbare Beziehung haben, nicht aber Bilder allgemeiner ‚Art, erwa aus Zeitungen und Zeitschriften. Ob nun ein Bilderband angelegt oder die Bilder dem Text eingefügt werden, muß den besonderen Verhältnissen überlassen bleiben. Zu jedem Bild aber muß ein Begleittext vorhanden sein, dadurch erst erhalten sie ihren Wert. Daß da-

neben in Verbindung mit. der Dorfhucharbeit auch

eine Kriegsheimarsch au geschaffen werden kann, sei hier nur kurz erwähnt. Aber auch hier muß viel- fach zu dem Gegenstand das erklärende Wort treten.

Doch mit dem Fronterleben selber ist der Inhalt des Soldatenbandes nicht erschöpft. Das Dorfbuch soll auch von den Verwundeten aus dem Dorf berichten und ihr Opfer in gebührender Weise würdigen. Aber es soll auch am Einzelfall dargelegt werden, welche Fürsorge unsern Verwundeten zuteil wird, vom Trans- port aus der Feuerlinie an bis zur Genesung, wie alles getan wird, um ihre Schmerzen zu lindern, die Wunden zu heilen und sie auch bei schwersten Verletzungen wieder gesund und lebenstüchtig zu machen.

Eine besondere Ehrenpflicht aber ist es, im Dorf- buch der Gefallenen zu gedenken. Es genügt nicht, ihre Namen in Erz und Stein festzuhalten, da der bloße Name den Menschen schon nach wenigen Jahrzehnten kaum noch etwas sagt, besonders dann, wenn keine näheren Angehörigen im Dorfe wohnen. Diese Lücke soll das Dorfbuch schließen. Für jeden Gefallenen

muß im Dorf buch ein Ehrenblatt angelegt werden,

das neben dem Lebenslauf möglichst auch Einzelheiten und bemerkenswerte Ereignisse aus seinem Leben ent- halt, durch Feldpostbriefe ergänzt und durch die Nach- richt des Einheitsführers vom letzten Einsatz und höchsten Opfer. und vielfach auch noch durch einen eingehenden Bericht eines Kameraden abgeschlossen wird. Stets wird es möglich sein, dem Ehrenblatt das Bild des Gefallenen und auch vielleicht das von seinem Grabe beizufügen. Erst durch eine solche eingehende Aufzeichnung aus dem Leben des Gefallenen wird eine persönliche Gefallenenehrung möglich. Dabei sollte stets Richtschnur sein, daß auch das einfachste und unscheinbarste Leben durch dessen Hingabe für die Zukunft von Volk und Reich geadelt wird.

Aber nicht nur den Kampf der Soldaten des Dorfes an allen Fronten soll das Dorfbuch schildern, sondern auch den Einsatz des Dorfes im Kampf um die Nahrungsfreiheit des deutschen Volkes, den der Bauer bereits seit dem Beginn der Erzeugungsschlacht siegreich bestanden hat und in dem er jetzt unter kriegs- bedingten erschwerten Umständen die Bewährungs- probe abzulegen hat. Schon gegen Ende der Ernte werden Erntehelfer aus Wehrmacht und Reichsarbeits- dienst abgerufen, dann beansprucht die Wehrmacht außerdem Pferde und Wagen, Bauern und Landarbeiter werden einberufen, überall entstehen Lücken, durch die die normale Wirtschaftsführung gefährdet wird.

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Aber Alte, Frauen und Kinder springen in die Bresche, und Herbstbestellung und Hackfruchternte werden planmäßig durchgefuhrt. Kein Fleckchen Erde bleibt unbestellt. Durch die Reihe der abnorm kalten Kriegs- winter wird die Wirtschaftsführung weiter erschwert. Auswinterungsschäden müssen wertgemacht, neue Planungen getroffen, Öl- und Faserpflanzen auf Ver- langen der Staatsführung angebaut werden. Und je weiter der Krieg fortschreitet, desto fühlbarer werden

‚die Einengungen und größer die Anforderungen. Trotz-

dem werden alle Aufgaben erfüllt. Die Ernteergeb- nisse abgesehen von den durch Witterungseinflüsse bedingten Schwankungen bleiben auf gleicher Höhe, und im ganzen kommt das Dorf seiner Ablieferungs- pflicht auf allen Gebieten nach. Der deutsche Bauer stellt die Ernährung von Front und Heimat sicher. Außerordentlich lehrreich ist ein Vergleich zu den Jabren 1914-18, wo die Ernten und damit die Ab- lieferungs ergebnisse von Jahr zu Jahr sanken und die Viehställe verödeten, der Niedergang der bäuerlichen Wirtschaft immer mehr offenbar wurde. Daß wir beute so ganz anders dastehen, ist nicht nur besserer Organi- sation, sondern auch einer andern geistigen Haltung zuzuschreiben, weil auch der letzte weiß, worum es in diesem Kampfe geht. Ein eisernes Pflichtgefühl steht der hell auflodernden, aber schnell verflackernden Begeisterung des Weltkriegs gegenüber. Voll Stolz und Selbstbewußtsein werden die Enkel in wenigen Jahrzehnten, wenn unsere Zeit Geschichte geworden ist, auf die Leistungen des Dorfes schauen. Front und Heimat bilden eine mlösbare Kampfgemeinschaft, das soll das Dorfbwb zum Ausdruck bringen, soll aucb bervor- ragende Fimzelleistungen gebührend würdigen. Dazu bedarf es keiner Selbstbeweibräscherung oder Schönfärberei, die nackten Zahlen und Tatsachen sprechen für sich.

Es muß im Dorfbuch auch derer gedacht werden, die diese Leistung vollbrachten. Es wurde schon kurz darauf hingewiesen, daß Alte, Frauen und Kinder bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit zupackten, bis der Einsatz von Kriegsgefangenen und zivilen aus- ländischeh Arbeitskräften eine Erleichterung brachte, die aber auch nur als Notlösung gewertet werden kann und auch mancherlei Schwierigkeiten im Ge- folge hatte. Wo die Lage des Hofes es nötig machte, setzte unter dem Eingreifen des Ortsbauemführers sofort die Nachbarschaftshilfe cin, in Zeiten

starker Arbeitshäufung während der Getreide- und

Hackfruchternte gritien sofort freiwillige Helfer aus Dorf und Stadt zu, oft unter Opferung der Be ruhe, und halfen den Segen der Felder bergen.

wurde eine Brücke geschlagen zwischen Dorf t Stadt. Das Hauptverdienst am reibungslosen und ge- regelten Ablauf der Wirtschaftsführung hat unstreitig die Bauersfrau. Trotz der kriegsbedingten Er- schwerungen in der Haushaltsführung, veranlaßt durch die Rationierung von Lebensmitteln und Kleidung und die Verknappung vieler Haushaltsgegenstăände,: mußte sie viele Obliegenheiten übernehmen, die bisher nicht in ihren Bereich gehörten. Trotz dieser Vergrößerung ihres Arbeitskreises mußte sie ihren Kindern die sorgende Mutter sein. Was die Bauersfrau auch in diesem Kriege wieder leistet, das soll ihr unvergessen

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sein, auch daß sie trotz alledem noch Zeit fand, sich in den Dienst der größerer Gemeinschaft zu stellen.

Der Einsatz der Dorfes auch auf sozialem Gebiet soll im Dorfhuch verankert werden. Die stetig steigenden Spenden zum WHW und für das DRK legen Zeugnis ab von dem ständig wachsenden Opferwillen des Landvolkes. Das gleiche beweisen die vielen Sammlungen für unsere Soldaten und zur Stärkung unserer Rüstungskraft. Auch das Landvolk hat erkannt, daß die Anspannung aller Kräfte not- wendig ist, um den Endsieg zu erringen, es setzt sich auch demgemäß ein. Die Sammellisten geben darüber mancherlei Aufschluß,.

Einen tiefen Einblick in das dörfliche Leben geben auch die Bevölkerungsverhältnisse, der Stand der Bevölkerungszahl, die Bevölkerungsbewegung und

ihre Gründe, die Zahl der Heiraten und Geburten,

die im Gegensatz zu 1914-18 einen viel stärkeren Lebenswillen erkennen lassen. Auch der Umquar- tierten in unsern Dörfern soll das Dorfbuch ge- denken, die hier vor dem Bombenterror eine vorüber- gehende Unterkunft gefunden haben.

Die Betrachtung der Schulverhältnisse und der Einsatz der Schulkinder bei der Sammlung von Alt- stoffen, von Beeren, Pilzen, Heilkräutern und Ähren darf ebensowenig versäumt werden wie die der ge- sundheitlichen Verhältnisse im Dorf und des Für- sorgewesens und der sozialen Einrichtungen. Ein ge-

treues Bild von der steigenden Wirtschaftskraft des

Dorfes gibt die Entwicklung der ländlichen Spar- und Darlehnskasse und anderer wirtschaft- licher Einrichtungen im Dorf. Besondere Aufmerk- samkeit verdienen auch die Gemeindeverwaltung

und der Einsatz der Partei und ihrer Gliederungen

und Organisationen, die unermüdlich für die Stärkung der Kriegsbereitschaft tätig sind. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, zahlreiche Stoffe im Zusammen- hang zu betrachten und sie durch graphische Darstellungen zu ergänzen und anschaulich zu machen

Nicht zuletzt aber muß das Erleben des Dorfes in aller Ausführlichkeit dargestellt werden, wo das

Dorf selber zum Kriegsschauplatz wird durch die ver-

brecherische Kriegführung britischer und amerika- nischer Terrorflieger, die Tod und Vernichtung such in friedliche Dörfer tragen. Zahllos sind bereits die Fälle, wo Dörfer zerstört oder. schwer beschädigt und Menschen getötet oder verwundet wurden. Und in ebenso zahllosen Fällen haben Männer und Frauen durch unerschrockenes Eingreifen schwere Schäden verhütet. Erlebnisse dieser Art aber müssen aus un-

mittelbarem Erleben heraus niedergeschrieben wer-

den, ehe sie in der Erinnerung verblassen.

Diese kurze Übersicht über den Inhalt des Dorf- buches und seine Darstellung, die aber keinen An- spruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern nur ledig- lich an Beispielen die Vielseitigkeit der Arbeit zeigen will, läßt bereits den Umfang der Dorfbucharbeit er- kennen. Aus der Erkenntnis der Wichtigkeit heraus sind zahlreiche Dorfbücher erst im Laufe des Krieges begonnen worden. Um nun diesen Bearbeitern die Arbeit zu erleichtern, haben wir im Gau Ponmiern

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ein hauptsächlich nach dem zeitlichen Ablauf ge otdnetes Stichwortverzeichnis zusammengestellt, das zunächst dazu bestimmt ist, die Geschehnisse ins Gedächtnis zurückzurufen. Dazu bedarf es oft nur eines kleinen Anstoßes. Außerdem enthält es auch noch kurze Hinweise auf gesetzgeberische Maßnahmen und Anordnungen der Staats- und Parteiführung, die im Dorfe wirksam werden könnten, und Daten aus dem Zeitgeschehen, um eine oft zeitraubende Such- arbeit zu ersparen. Es kann sich aber auch hier nur um grobe Umrisse handeln. Bei der Vielfalt der Ver- hältnisse schon in einem Gau ist es unmöglich, Be- sonderheiten einzelner Dörfer zu berücksichtigen. Das ist auch in keiner Weise notwendig, da diese Dinge ohnehin fest im Gedächtnis haften, den Umfang des Verzeichnisses aber über Gebühr belasten würden. Trotz aller Arbeitshilfen wird in manchen Dörfern die endgültige Bearbeitung aus kriegsbedingten Schwie- rigkeiten kaum durchzuführen sein. Dort sollte aber stets eine umfangreiche Materialsammlung durch- geführt werden, damit nicht zuviel in Vergessenheit

gerät, was für die Vollständigkeit unentbehrlich ist.

Die Durchführung der Dorfbuchsrbeit ‚erfordert einen nicht unerheblichen Aufwand an Zeit und Kraft, verlangt Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt in der Arbeits- weise und setzt auch mancherlei Kenntnisse voraus. Aufgabe des Hoheitgträgers, dem auch die gesamte kulturelle Betreuung des Ländvolkes untersteht, wird es sein, den richtigen Bearbeiter zu finden. Bei der Zusammensetzung der Landbevölkerung wird seine Wahl wohl in den weitaus meisten Fällen auf den Lehrer des Dorfes fallen. Dorf lehrer haben sich schon vielfach als Heimatforscher betätigt und be- sitzen reiche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Von ihnen stehen aber die aktivsten Kräfte auch an der Front oder im Dienste der Wehrmacht. Die in ihrem Amt verbliebenen sind außer in der Schule auch noch mit zahlreichen Nebenämtern überlastet, so daß ihnen Zeit für eine intensive kulturelle Betätigung auf dem Dorfe, wie sie die Dorfbucharbeit darstellt, kaum ver- bleibe. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Arbeit, die auch in verschiedenen parteiamtlichen Anord- nungen betont wird, sollte der Hoheitsträger den Lehrer, der sich der Kulturarbeit widmen will, von allen Ämtern befreien, soweit das nur möglich ist.

Soll aber die Arbeit zu einem vollen Erfolg führen, dann darf der Bearbeiter nicht nur auf sich telbet und seine eigene Beobachtung und Sammlung von Stoffen angewiesen sein, sondern das ganze Dorf muß die Dorfbucharbeit zu seiner eigenen Sache machen, zu der jeder nach seinen Kräften beiträgt. Dann wird auch das Dorf buch das werden, was es sein soll: für die kommenden Geschlechter ein Dokument, das ihnen ein umfassendes Bild gibt von dem Werden einer neuen Raumordnung in Europa; der (Gegenwart aber werden die Stoffe aus dem Dorfbuch dazu dienen, in auswertender Betrachtung das Verständnis für unsere Zeit zu vertiefen und die bäu-rliche Kampf- gemeinschaft zur höchsten Anspannung zu stärken. Das ist notwendig für die ausreichende Er- nährung unseres Volkes und damit entscheidend für den Findsieg.

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WILHELM THIES

Die Schule in der bäuerlichen Erziehung

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den letzten Jahren ist das Problem der durf- eigenen Schule öfter erörtert worden. Geht man den Einzelheiten nach, so zeigt sich, daß es im wesent- lichen um zwei Grundfragen geht. Eigmal steht die Schulorganisation und zum andern das Er- ziehungsprinzip im Vordergrund.

In diesem Zusammenhang kann darauf verzichtet werden, über die Gründe zu sprechen, die bei der Auflösung einer einklassigen Schule zugunsten eines größeren Systems ausschlaggebend sind. In den meisten Fällen ist es die Folge eines narürlichen Inein- anderwachsens der Gemeinden. Es wäre töricht, sich gegen eine solche rein organisatorische Maßnahme wehren zu wollen. In allen Fällen von Schulzusammen-

legungen prüft die Schulaufsichtsbehörde genau, ob

ein solcher Schritt gerechtfertigt ist. Infolgedessen ist die Verringerung der dorfeigenen Schulen äußerst gering. Ein Blick in die Statistik genügt, um festzustellen, daß die einklassige Landschule auch gegen- wärtig den Hauptbestand unserer Volksschule bildet. In den Stadtkreisen befanden sich im Jahre 1939 3141 Schulen mit 57962 Klassen, in denen 59676 haupt- amtlich beschäftigte Lehrer 2 378 253 Schulkinder unter- richteten, in den Landkreisen dagegen 45 604 Schulen mit 127929 Klassen, 116876 Lehrern und 3108405 Schulkindern. Fast neun Zehntel der Volksschulen (89,9 vH), 68,8 vil der Schulklassen, 62,2 vH der Lehrer und 68,2 vH der Schulkinder kommen auf die Landkreise. Bei der Gliederung der ötfentlichen Volks- schulen nach Stufen, d. h. nach Jehrplanmäßig auf- steigenden Klassen, entfällt der größte Anteil auf die einstufigen Schulen mit 40 vH der Gesamtschulen. 79,7 vH der Schulen in den Landkreisen haben nur ein bis drei Stufen, 44,3 vH nur eine Stufe.

Die Richtlinien für „Erziehung und Unterricht in der Volksschule“ vom Jahre 1939 sind von dieser Lage ausgegangen und bestimmen das gesamte Er-

` ziehungswesen wesentlich von der Landschule her:

„Als Erziebungsstätte des deutschen Lollies und damit als Teil seines Volkslebens ist die Volksschule ein Abbild seiner Einbeit, aber auch seiner Mannig faltıgkeit im den verschiedenen Gauen, in Stadt und land.

Die besondere I.sbensnäbe, in der die dorſoi gens I andschule steht, bietet erzieberische und unterrichtlicbe Vorteile, die vell auszunutzen sind. Die Schule bat bier der frübzeitigen Berufsverbundenbeit Rechnsmg zu tragen und sich in das Leben des Dorfes einzugliedern. Dabei soll sie von sich aus das Bewußtsein der Volksgemeinschaft erweitern. Sie logt

bk

zugleich den Grund für die „Arbeit der ländlichen Berufs- schule, obne deren Aufgaben voruugzichmen.“ `

Damit ist dem Landlehrer cin Auftrag geworden, der über die Anordnungen in den früheren Richtlinien hinausgeht und ihn vor eine veranrwortungsvolle Auf- gabe stellt. Nicht jeder Lehrer wird ohne weiteres in der Lage sein, diese so zu meistern, wie es die Richt- linien erfordern. Er wird vor allem das Vertrauen und die Unterstützung des Dorfes nötig haben.

Bereits vor Erscheinen der Richtlinien für die oberen Jahrgänge der Volksschule, am 19. September 1938, hatte der Reichserziehungsminister einen Erlaß heraus- gegeben, in dem die engere Zusammenarbeit mit dem Reichsnährstand angestrebt wird. In 28 Ver- suchskreisen (Kreisbauernschaften) begann mit diesem Zeitpunkt eine Arbeit, deren Ziel es ist, die Boden- verbundenheit zu fördern, die I. andflucht zu unter- binden und das Nachwuchsproblem lösen zu helfen.

Ab und zu ist die Auffassung vertreten worden, daß die Schule damit eine Sonderaufgabe zu lösen habe, die während des Krieges zurückgestellt werden könne. Dies ist jedoch ein Irrtam. Die Schule soll auch in diesem Fall, den Richtlinien entsprechend, mit den ihr gemäßen Mitteln erziehend wirken. Mit anderen Worten: Aus der Zusammenarbeit mit dem Reichsnährstand

‘soll keine Sonderaktion enisteben, sondern ein Erziebungs- -

prinzip erwachsen, das den naturlichen bäuerlichen Verbält- nissen entspricht. e `

Einer Anregung des Reichsleiters für das Landvolk folgend, hatte der Reichserziehungsminister Ss Deutsche Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht * beauftragt, die Frage der Landflucht vom Standpunkt der Landschule aus einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Das Deutsche Zentralinstitut hat darauf einen Arbeitskreis „Schule gegen Landflucht“ gebildet und diese Frage in einer Tagung des Arbeits- ` kreisen, die vom 8. bis ı3. Februar 1943 stattgefunden hat, zum Gegenstand eingehender Erörterungen ge- macht. Die Ergebnisse der Besprechungen zeigten, daß nicht nur die Landschule, sondern auch die Stadt- schule gewillt und in der Lage ist, sich in den Dienst dieser wichtigen Aufgabe für unser Volk zu stellen. Von den Leitsätzen der Arbeltstagung sind einige von besonderer Bedeutung. |

Die erste Frage lautete: „Wesbalb muß und inwieweit tam die Schule an der Aufgahe im Kampf gegen V’erstädte- rung, Landfiucht md! Stedisucht beteiligt werden?“ Sie wird im ganzen zustimmend beantwortet, wobei etwa folgende Gründe angeführt werden:

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Der Kampf gegen die Landtlucht ist eine politische Aufgabe des ganzen Volkes. Da es sich hierbei im wesentlichen um eine Frage der Haltung und Ge- sinnung, also der Erziehung, handelt, muß dieser Kampf Aufgabe der Schule, und zwar in Stadt und Land, sein.

Während die damit zusammenhängenden sozialen und wirtschaftlichen Fragen von anderen Stellen gelöst werden müssen, ist es Aufgabe aller Erziehungs- faktoren, besonders der Schule, und hier der Land- schule, durch Erziehung und Unterricht auf Haltung, Gesinnung und Willen der Jugend mit ihren besonderen Mitteln einzuwirken.

Die Schule ist zu der ihr hier gestellten Aufgabe besonders berufen, da sie die künftigen Iandmenschen in der Zeit ihrer stärksten Aufnahmefahigkeit zu be- treuen hat. Außerdem hat der rechte Landlehrer weite Möglichkeiten, auf die Haltung des ganzen Landvolkes einzuwirken.

Alle sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen müssen wirkungslos bleiben, wenn nicht die geistig- seelischen Ursachen der Landflucht beseitigt werden, Während jene zum Teil als Sofortmaßnahmen angesprochen werden können, handelt es sich bei diesen, den Aufgaben der Erziehung, im wesentlichen um Maßnahmen auf weite Sicht, die zwar sofort einsetzen müssen, aber erst allmählich wirksam werden können.

Über die inbaltliche Gestaltung und Ausrichtung des Unter- richts in der l andschule wird in den Leitsätzen unter anderem gesagt:

Die ländliche Volksschule hat im Rahmen der . rassisch-politisch-völkischen Erziehung die Sonder- aufgabe, die ihr anvertrauten Kinder zu bewußt biuerlich denkenden und handelnden Men- schen zu erziehen. Als wahrhafte Bildungsstätte des Landmenschen muß sie eine doppelte Funktion für diesen übernehmen: Sie soll aufklären über den ländlichen Lebenskreis und das ihn erfüllende Leben, sie soll aber auch den Landmenschen auf alle Weise in diesem Leben bestärken und gesinnungs- und willens- mäßig festigen.. .

Indem sie die Erfahrungen und Einsichten sowie auch die verantwortlichen Verpflichtungen des über- schbaren Raumes seines Lebenskreises zum Ausgang ihrer Arbeit nimmt, erfaßt sie den Landmenschen an seiner Wesensverhaftung mit dem völkischen Leben, somit da, wo er für seine Aufgaben am chesten und nachhaltigsten gewonnen werden kann.

Dieser Forderung entspricht sie zu einem wesent- lichen Teil schon dann, wenn sie ihre Stoffpläne aus dem heimatlichen Lebenskreis der Kinder gestaltet, auch beim Blick in die Weite von der Heimat ausgeht und zu ihr zurückkehrt.

Als besonders wichtig bezeichnet der Arbeitskreis die Schaffung geeigneter Lehr- und Lern- mittel. Er hält es für notwendig, daß dem Lehrer ent- sprechende Handreichungen, in denen er den Stoff bereit findet, zur Verfügung gestellt werden. Die Lern- bücher sollen für die besonderen Bedürfnisse für Stadt und Land für die einzelnen Gaue abgestimmt werden. Ebenso sollten entsprechende Lehrmittel gefunden werden, die aus Auftrag und Lehrweise der Landschule

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erwachsen. Die Herstellung solcher Lehr- und Lern- mittel stößt gegenwärtig aus kriegsbedingten Gründen auf große Schwierigkeiten.

Eine besondere Bedeutung hat die Mädchen- erziehung auf dem Lande. In der Erziehung der weiblichen Jugend zur Landfrau und Mutter liegt das Schicksal unseres Volkes. In der Landschule kann aus organisatorischen Gründen keine gesonderte Mädchen- erzichung durchgeführt werden. Das ist nach den Er- fahrungen der Landschule kein Unglück. Da das Land- leben für den Bauern und die Bäuerin, deren Arbeiten stark ineinandergreifen, eine geschlossene Einheit bildet, ergibt sich für die Schule daraus die Grundlage für den gemeinsamen Unterricht.

Nach den Richtlinien „Erziehung und Unterricht in der Volksschule“ sind Handarbeit und Haus- werk pflächtmäßige Unterrichtsfächer. Es kommt darauf an, diesen Unterricht durch geeignete Lehrkräfte und Finrichtungen so zu gestalten, daß in den beiden letzten Schuljahren, in denen das Mädchen ohnehin für die Arbeit der Hausfrau herangezogen wird, ein natür- liches Eingehen auf die späteren Aufgaben erfolgt. Aufgaben der landwirtschaftlichen Berufsschule dürfen hierbei nicht vorweggenommen werden. Eine wesent- liche Unterstützung erhält der Unterricht der Mädchen in der Volksschule durch den Erlaß des Reichs- erziehungsministers vom 3. Dezember 1942, der die Förderung der Mädchenerziehung durch Hebung des Hauswirtschaftsunterrichts und Einsetzung von landwirtschaftlichen Fachberaterinnen bei der Schul- aufsicht der Kreisinstanz anordnet.

Die Unterrichtsstoffe für die Handarbeit sind nicht nur dem bäuerlichen Lebenskreis zu entnehmen, sondern auch so zu wählen, daß sie einer guten Ge- schmacksbildung dienen. Der durch den Krieg be- dingte sparsame Verbrauch von Werkstotfen mach

ich dabei oft positiv geltend und zeigt, daß mit ein-

fachen Mitteln gute Erfolge zu erzielen sind.

Das gleiche gilt für die Jungen auf dem Gebiere des Werkens, das schlechthin als bäuerliches Werken bezeichnet werden könnte. Die Leiter der Werklehrer- seminare in Halle, Hildesheim und Leipzig, in deren Händen die Fortbildung der Lehrer im Zeichnen und Werken liegt, stehen denen der Schule mit Rst und Tat zur Seite.

Die Gemeinschaftserziehung der Jungen und Mädchen läßt sich besonders gut durch die Schul- gartenarbeit verwirklichen. Bauer und Bäuenn teilen sich in die Gartenarbeit, wobei der Bäuerin in der Regel der größte Teil zufällt. Somit ist der Ansatz- punkt für die Erziehung durch Zusammenfassung voa Jungen und Mädchen ein narürlicher, der von der ein- klassigen und wenig gegliederten Schule ausgenutzt wird.

Über die Einrichtung und Bewirtschaftung der Schulgärten gibt der Erlaß vom 27. Juni 1937 An- weisungen. Der Schulgarten soll sich in den ländlichen Gemeinden in der Gestaltung dem orts- und landes- üblichen Brauche anpassen, er soll zugleich ein Mustergarten sein. Diese Aufgabe verlangt von der Schule Zeit und Hingabe. Die Fortbildung der Lehrer im Obstbau hat sich sehr segensreich ausgewirkt. Wie

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stark der Einfluß auf diesem Gebiete wirken kann, zeigt sich dort, wo die Schule der ganzen Gegend ein wirtschaftliches Gepräge gegeben hat. Auch während des Krieges entwickelt sich die Schulgartenarbeit dort weiter, wo der rechte Erzieher am richtigen Ban wirkt.

Der Schule ist die Frage vorgelegt worden, ob sie durch erziehliche Maßnahmen das bäuerliche Selbstbewußtsein stärken könne. Hierbei handelt

es sich richt nur um das Bewußtsein vom eigenen Ich,

sondern auch um alle andere, was damit in engerem Zusammenhange steht, um Hof und Familie, Sippe und Dorf, Stand und Stamm, Arbeit und Leistung usw. Ohne Zweifel ist das bäuerliche Selbstbewußtsein in

manchen Gegenden im Schwinden. Die Gründe sind '

vielseitig und können keineswegs allein durch die Er- ziehung ausgeglichen werden. Ohne bäuerliches Selbst- bewußtsein müssen jedoch alle Bemühungen, auch die Bekämpfung der Landflucht, ohne Wirkung bleiben; deshalb wird die Schule den Reichsnährstand hierin unterstützen müssen, Viel kann sie tun, wenn sie das fernhält, was das bäuerliche Selbstbewußtsein schwächen könnte. Sie wird solchen Erscheinungen in Film, Litesatur und Kleinkunst entgegenzutreten haben. Wichtig. und zugleich Voraussetzung ist aber, daß auch der Lehrer das nötige Selbstbewußtsein besitzt. Hier wäscht eine Hand die andere. Deshalb ist es Auf- gabe des Bauern und des Reichsnährstandes, daß sie dem Lehrer das nötige Vertrauen entgegenbringen. Dann wird die Schule auch in dieser Richtung positiv wirken können. Durch Vorbild, Schrifttum, Bild und

Film, Dorf buch und Dorfausstel lung lassen sich manche

Ansatzpunkte finden.

Damit trägt die Schule zugleich ihren Anteil an den eigenständigen Kulturformen und dem Ge- meinschaftsleben des Dorfes bei. Zunächst geht es darum, im Dorf vorhandene Kulturformen zu er- halten. Diese sind vielfach noch da, aber leider in be- drohlicher Weise im Schwinden begriffen. Neue brauch- bare Formen müssen gepflegt werden. Inwicweit die Schule dabei mitwirkt, kann nicht abgegrenzt werden. In der Regel ist ihr Anteil größer, als allgemein ange- nommen wird, da sie nicht selten im Hintergrund bleibt. Die Pflege eigenständiger Kultur ist nur inner- halb des, dörflichen Gemeinschaftsicebens möglich. Auch aus diesem Grunde ist die dorfeigene Schule die Stätte,aus der das dörf liche Kulturleben emporwachsen kann. Der Landschule nıuß in ihrer Arbeitsweise des- halb so viel Spielraum gegeben werden, dafs sie an der Gesamtaufgabe beteiligt werden kann.

Der volksverbundene Lehrer tritt somit über den unmittelbaren Aufgabenkreis der Schule hin- aus, indem er den übrigen im Dorfe tätigen Kräften beratend und führend hilft. Hier liegt ein so weit ver- zweigtes Aufgabengebiet, daß dem Lehrer nicht zuge- mutet werden kann, sich allen herantretenden Fragen zu widmen. Aus der großen Zahl seien nur folgende genannt, die immer wieder in den Vordergrund treten: Heimatpflege, Volkskunde, Volkstumspflege, Natur- schutz, Volksbühnenarbeit, Leitung von Sing- und Musikkreisen, Dorfgemeinschaftsabende, Anlage eines Dorfarchives, leitung von Worfbüchereien usw.

Daraus ergibt sich, dal der Lehrer nicht mit zeit- und kraftvergeudenden Aufgaben belastet werden darf, die abseits seiner Erziehungsaufgaben liegen und auch von anderen Dorfbewohnern geleistet werden können.

Man würde der Stadtschule unrecht tun, wenn ihr Anteil an dem Kampf gegen die Verstädterung in diesem Zusammenhang außer acht bliebe. Ver- städterung ist der zersetzende Einfluß der Stadt auf das Land, der das Bauerntum aus seiner Verwurzelung im Boden löst, seine Lebenswerte zerstört, seine bio- logische, wirtschaftliche und kulturelle Leistungsfähig- keit schwächt und dadurch das Volk an den Wurzeln seines Lebens trifft. Zwar schlummert in breiten Schichten unserer Stadtbevölkerung noch eine Ahnung von der. Bedeutung des Bauerntums, doch muß die Schule das rechte Verständnis wecken. Die äußeren Verhältnisse sind hierfür ungleich schwieriger als auf dem Lande. Es gibt nur wenige Schulgärten, weniger Möglichkeiten, die Arbeiten des Bauern kennenzu- lernen. Deshalb müssen Lehrwanderungen und Ferien- aufenthalt auf dem Lande mithelfen. Geeignete Lern- mittel und Ganzschriften dienen zur Ergänzung und Auswertung. | |

Voraussetzung für den Erfolg der Gegenwehr ist eine Lehrerbildung und -furtbildung, und zwar der Stadt- und Landlehrer, die sie mit der (sefahr der Versrädterung und der Landflucht bekannt macht und sie in unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Bauern- tum bringt. Eine solche Fortbildung einzuleiten und durchzuſühren, ist u. a. eine Aufgabe der genannten Versuchskreise.

Die Arbeit der Schule wird erschwert, wenn die äußeren Voraussetzungen für eine dorfeigene Schul- arbeit fehlen. Die Schulaufsichtsbehörde hat seit Jahren dem Schulhaus auf dem Lande ihre be- sondere Aufmerksamkeit gewidmet. Forderungen, die früher nicht immer anerkannt werden konnten, gelten heute als selbstverständlich. Hierher gehören: eine bodenständige Bauweise, ausreichende Räume und Flure mit Wasch- und Trinkgelegenheit und einer Kleiderablage. Außerdem werden für jede Schule ein Werkraum, eine Küche, ein Lehrerzimmer, ein Lehr- und Lernmittelzimmer und ein Schülerbad gewünscht. An das Schulhaus schließen sich ein Schulgarten und Freiflächen für Leibeserziehung an.

Die Ausstattung der Schule soll der Eigenart der Landschule dienen, Leider hat das Klassenzimmer noch recht oft das Ausschen einer Werkstätte. In jedes Klassenzimmer gehört ein guter Wandschmuck. Die Lehrmittel der Dorfschulen müssen eine sinnvolle Er- gänzung der durch das Dorfleben und die ländliche Natur gegebenen Anschauungsmöglichkeiten bilden. Für die stille Arbeit der Schüler sind geeignete Arbeits- mittel nötig. Neben der Schulbücherei ist die Lehrer- bücherei so auszubauen, daß sie als Arbeitsbücherei dienen kann. In ihr dürfen vor allen Dingen gute Handreichungen für die einzelnen Fächer nicht fehlen.

Eine wichtige Voraussetzung für die Bodenständig-

keit des Landlebrers ist eine schöne und zweckmäßig

gebaute Lehrerwohnung. In den letzten Jahren vor dem Kriege sind zahlreiche vorbildliche Bauten ge- schatlen worden, von denen eine Auswahl in dem Hett

367

Volksschulbauten“, auf Anregung des Reichs- erziehungsministeriums berausgegeben vom Preußi- schen Finanzministerium, wiedergegeben ist. Be- sondere Erwähnung verdient auch die Arbeit des Ober- regierungsrats Krüger in Danzig über „Neue Dorf- schulen für die Ostgebiete“, in der mit viel Verständnis für die Schule und die Forderungen der ostdeutschen Landschaft Anregungen für ländliche Schulbauten ge- geben werden, die auch für andere Landschaften von Bedeutung sind. Zu der Lehrerwohnung gehört ein ausreichender Lehrergarten, der als Ziergarten und als Gemüsegarten eingerichtet werden kann. Er soll so geräumig sein, daß sich der Lehrer auch im Obstbau darin betätigen kann.

Die Besoldungsordnung des Lehrers zeigt, daß der Landlehrer besonders berausgehoben ist und ihm eine Zulage gewährt wird. Einen finanziellen Ausgleich bat auch der Landlehrer ferner durch die Gewährung ven Ausbildungsbeihilfe für seine Kinder erhalten, so daß ihn die Familienverhältnisse künftig nicht zwingen, in die Stadt zu ziehen.

Es ist bereits erwähnt worden, daß wir nicht nur ein selbstbewußtes Bauerntum, sondern auch einen selbstbewußten, bodenständigen Landlehrer nötig haben. Recht oft begegnet man der Auffassung, daß der Landlehrer vom Lande stammen müsse. Diese An-

sicht ist zum mindesten einseitig. Der Lehrernach- wuchs vom Lande ist zu begrüßen und besonden zu fördern, duch ist nicht allgemein zu folgern, daß nur aus diesem dörflichen Nachwuchs der erstrebenswerte Dorflehrer berauswächst. Viele in der Stadt geborene, aufgeschlossene junge Lehrkräfte werden durch dic Eigenart der Dorfarbeit angezogen und sind darin erfolgreich tätig. Andererseits braucht auch die Stadt Lehrkräfte, die den Wert des Landes und der Land- arbeit kennen und bejaben. Fre Trema der Lebrer- vorbildung nach Stadt- md Landlebrern ist daber nicht nel- wendig. Dagegen könnte bei der Fortbildung der Lebrkraftı ge Differenzierung einsetzen. Doch müßte beiden T eilen Gelegenbeit Geben werden, von der Arbeit der andern Kenntnis zu nebmen.

Gegenwärtig stehen einer Weiterentwicklung des Landschullebens große Hemmnisse entgegen. Lehrermangel, Uberalterung der Lehrkräfte, Abwande rung in andere Berufe und einseitige Zunahme der weihlichen Lehrkrafte wirken sich auf die einklassige Landschule nachteilig hus. Zu der zu erstrebenden Neu- wertung von Schule und Lehrer muß daher die wirt- schaftliche und kulturelle Vorsorge für den Landlehrer weitergehen. In diesem Sinne wirkt für die Zukunft schon während des Krieges die enge Zusammenarbeit der Schulaufsichtsbehörde mit dem Reichsnährstand

auf dem Gebiete „Schule und Landvolk“.

Das Bauerntum muß Dlutsquell unſeres Volkes und fein Ernührer fein. Indem der Tlationalfozialismus die natürlichen Geſetze des völkiſchen Lebens zur geundfäßlidden Lehre erhob, anerkannte er auch die Bedeutung des Bauerntums für das

völkiſche Schickſal unſerer Nation.

Wenn die Dotfehung den

deutſchen Bauern feit dem Mittelalter aus dem aktiven ge- ſchichtlichen Geſchehen verbannte, fo hat der Natlonalſozialismus den bäuerlichen Geſchichtswillen wieder zum tragenden Element

des deutſchen Lebens gemacht.

dieſer hohen geſchichtlichen Miſſion bewußt.

Das deutſche Landvolf ift fid Es ſetzt gegen die

artvernichtenden Theorien des Liberalismus und damit letzten Endes des Bolſchewismus die arterhaltenden Geſetze der Rafe, des Volkstums, der ſchöpferiſchen Kraft der Perſönlichkeit

368

Herbert Bade

er EEE EEE eg mi a P is

Agmpeltische Rundschau

An der Schwelle des sechsten Kriegsiahres forderte der Reichsobmann des Reichsnähr- standes, Bauer Gustav Behrens, in einem grundsätzlichen Aufsatz das deutsche Landvolk zur größten Kraftentfaltung auf. Er unterstrich nochmals die leistungen des deutschen Land- volkes in den vergangenen fünf Kriegsjahren. Auch diese leistungen würden jedoch nichts helfen, wenn nicht das Landvolk im sechsten Kriegsiahr durch noch größere Kraftentfaltung alles einsetzen würde, um den Sieg zu er- ringen. Dort, wo in einzeinen Betrieben Schwie- rigkeiten entstehen, gilt es in Ernte und Be- stellung durch geeignete Hilfe den notwendigen Ausgleich zu finden. „Kommt es in der Er- zeugung darauf an, das letzte auszuschöpfen, so trifft das erst recht und in nach viel höherem Maße auf die Ablieferung zul Ist der Erfolg bei der Erzeugung außer der leistung noch eine Frage des Wetters, der Produktionsminel usw., so entscheidet bei der Ablieferung einzig und allein die Haltung!” Reichsobmann Behrens er- innerte an die Worte, die Reichsminister Backe in der letzten Dienstbesprechung an die Landes- bauernführer richtete: „Es ist selbstverständlich, daß wir alle verpflichtet sind, das letzte zu leisten. Der Bauernführer hat dabei Vorbild zu sein. Es kommt hier nicht nur auf das Mo- terielle, sondern auch auf das ideelle, auf den Charakter und die Haltung an. Mit dieser Ein- stellung werden wir auch diesen schwersten Kampf durchstehen. Jeder von Ihnen muß nach diesen Grundsätzen mithelfen und sich bis zum letzten einsetzen, muß mit diesem Bewußtsein seiner ganzen Verantwortung diesen Weg gehen.”

Gleichzeitig gaben die beiden Reichshaupt- obteilungsleiter Dr. Brummenbaum und Zschirnt einen Überblick über fünf Jahre erfolgreiche Kriegserzeugungsschlacht und über fünf Jahre geordnete Volksversorgung. lm Mittelpunkt der Kriegserzeugungs- schlacht standen im fünften Kriegsjahr der Olfruchtbau, die Leistungssteigerung in der Milchfefter zeugung, die Sicherung des Schweine- bestandes und die Aufrechterhaltung der Kar- toffelerträge. Darüber hinaus erforderte allein der Zwang, fast alle landwirtschaftlichen Be- triebsmittel, seien es Handelsdünger, Maschinen und Geräte, Kleineisenwaren, Treibstoff, Binde- garn, Schädlingsbekämpfungsmittel usw., zu be- wirtschaften, um ihren Einsatz nicht dem Zutall

und dem stärkeren Geldbeutel zu öbe lassen,

sondern nach volkswirtschaftlichen Gesichts- punkten zu lenken, eine unendliche Fülle pla- nender Arbeit, die noch dazu mit einer ganz

wesentlich geringeren Zahl an Kräften als vor dem Kriege bewältigt werden muß. lm sechsten Kriegsjohr muß bei der Fortführung der Erzeu- gungsschlacht von vornherein mit erheblich schwierigeren Bedingungen gerechnet werden, denen durch geeignete Maßnahmen begegnet werden wird. DerMangel an Handelsdünger wird vor allem durch eine verstärkte Erschließung der Nährstoffreserven unserer Böden, insbesondere durch eine individuelle Bearbeitung des Bodens in Verbindung mit einer Lockerung des Unter- grundes zur Beseitigung der ertragsmindernden Bodenverdichtungen und Pfiugsohlenbindungen, sowie durch einen verstärkten Anbau von Hülsen- früchten und stickstoffsammeinden Futterpflanzen, vor allem als Zwischenfrucht, weitgehend über- wunden werden müssen. Vom Standpunkt der Nährstoffversorgung unserer Böden und der Erhaltung der alten Bodenkraft und Bodengare muß es als ein besonderer Erfolg unserer Er- nährungspolitik bezeichnet werden, daß es ge- lungen ist, selbst im fünften Kriegsiahr den Rindviehbestand etwa auf Friedensumfang zu halten und den Bestand an Schafen sogar wesentlich zu erhöhen. Der dadurch gegen- über dem Frieden nur unwesentlich verringerte Anfall an Wirtschaftsdünger hat zweifellos in besonderem Maße dazu beigetragen, den hohen Leistungsstand unserer Betriebe bisher aufrecht- zuerhalten. Er gibt auch im sechsten Kriegs- jahr unter Voraussetzung bester Pflege und Aufbewahrung sowie überlegten Einsatzes die Gewähr, daß unsere Ernten nicht wie im ersten Weltkriege aus Mangel an Nährstoffen einen bedrohlichen Rückgang erfahren.

Die Aufgaben der Versorgung sind im sechsten Kriegsjahr nicht grundsätzlich andere geworden. Bei ihrer Durchführung gilt es nur, ebenso größere Schwierigkeiten zu über- winden wie in der Erzeugung. Die Beweglich- keit und Anpassungsfähigkeit der Maßnahmen in der Organisation wird auch im sechsten Kriegsjahr dazu beitragen, diese Aufgaben zu meistern. Erleichtert wird dies durch die Stetigkeit der Grundlinien der Marktordnung. Hierbei ist von vornher- ein das Schwergewicht mehr auf Führung und weniger auf Anordnung, mehr auf Gefolgschaft und weniger auf Gehorsam gelegt worden. Dieser Grundsatz hat sich bewährt. Das wird auch in Zukunft der Fall sein, wenn es gilt, die vom Oberbefehlsieiter und Reichsminister Backe und seinen Mitarbeitern immer wieder geforderte noch straffere Durchführung der Ab- lieferung und Erfassung in die Wirklichkeit um- zuseizen. ` ` ) .

369

Der Beginn des sechsten Kriegsjahres traf das Landvolk inmitten der Erntebergung, die durch günstiges Wetter erleichtert wurde. Die Forde- rungen aus der diesjährigen Getreideernte sind schon in der letzten Folge dargelegt worden, jetzt gilt es, die Aufgaben zu kennzeichnen, die aus dem Ergebnis der Hackfruchternte, ins- besondere der Kartoffelernte, zu ziehen sind. Hier hat kürzlich Reichsobmann Behrens grundsätzliche Ausführungen auf einer Arbeits- tagung der Hauptvereinigung der deutschen Kartoffelwirtschaft gemacht. Er zeigte hierbei, wie im vergangenen Wirtschaftsjahr alles ge- tan worden sei, um durch eine restlose Erfoss ung und durch Ausgleichsliefe- rungen an Getreide, Hülsenfrüch- ten und Reis die infolge der geringen Kartoffelernte 1943 entstandene schwierige Ver- sorgungslage erfolgreich zu meistern. Das neue Kartoffelwirtschaftsiahr, das voraussichtlich gün- stigere Aussichten als im vergangenen Jahr bietet, wird trotzdem ebenfalls schwierige Auf- gaben stellen. Der vermutlich größeren Ernte stehen erheblich gesteigerte Aufgaben gegen- über, da nicht nur der Bedarf an Speise- und Pfianzkartoffeln gedeckt werden muß, sondern auch erhebliche Mengen für die technische Ver- arbeitung bereitgestellt werden müssen, wäh- rend auf der anderen Seite ein möglichst großer Futterrest für die Schweinehaltung angestrebt werden muß. Sparsamste Verwendung der diesjährigen Kartoffelernte ist also wichtigstes Gebot. Auf keinen Fall kann in diesem Jahr damit gerechnet werden, daß bei der Kartoffelversorgung durch die Getreide wirtschoft oder andere Sektoren eine Hilfsstellung erfolgt.

In den nächsten Wochen wird vor allem die schnelle und rechtzeitige Bergung der Kartoffelernte im Vordergrund stehen. Diese Aufgabe konn unter den heutigen schwierigen Verhältnissen beim Arbeitseinsatz und in der Gespannbereitstellung nicht vom Londvolk allein gelöst werden. Da die Kar- toffelernte eine nationale Aufgabe erster Ord- nung ist, von deren erfolgreicher Lösung die Sicherheit unserer Ernährung im sechsten Kriegs- jahr zu einem erheblichen Teil abhängt, richtete Reichsobmann Behrens einen Appell an alle Volksschichten, jede freie Arbeitskraft für die Bergung der Kartoffelernte zur Verfügung zu

stellen.

Die letzte Entwicklung der Kriegsloge hat die Überprüfung der Versorgungsplao- nung für das begonnene sechste Kriegswirtschoftsjahr notwendig ge- macht. Entsprechend dem von Herbert Backe immer wieder betonten Grundsatz, daß bei der Sicherstellung der Volksernöhrung in erster linie die pflanzlichen Grund- nahrungsstoffe im Vordergrund

370

stehen müssen, weil hier von der Er- zeugungseinheit die höchsten Mengen an Nah- rungswerten ohne Verediungsverluste für die menschliche Ernährung nutzbar gemacht werden können, werden die notwendigen Ein- schränkungen im Futtersektor für diejenigen Tiergattungen vorgenommen, bei denen dies am ehesten ohne große Schädi- gungen für die Gesamtversorgung möglich ist. Aus diesem Grunde erfolgte wiederum eine Preisänderung für Schweine mit dem Ziel der Herabsetzung der Schlachtgewichte sowie eine Korrektur der bisherigen Mastverträge. Hierbei sei darauf hingewiesen, daß auch diese Maß- nahmen nichts mit dem Schweinemord des Welt- krieges zu tun haben, weil auch jetzt der Grundsatz der Aufrechterhaltung einer leistungs-

‚starken und zahlenmäßig ausreichenden Nach-

zucht nicht verletzt wird.

Dem gleichen Ziel der Sicherung für die menschliche Ernährung geeigneter Pflanzen- nahrungsmittel bzw. der Verwendung der für die Großviehhaltung geeigneten Futtermittel dient die strikte Durchführung der im März erlassenen Anordnung zur Verminderung der Kleintier- bestände. Hier ist die Übergangsfrist mit dem 31. August abgelaufen. Durch entsprechende Anweisungen an die Düurchführungsstellen ist dafür Sorge getragen, daß unter allen. Um- ständen eine korrekte Durchführung der Anord- nung überall sichergestellt wird. Dabei wird von dem Grundsatz der gesunden Kleintier- haltung ausgegangen, die den Umfang der Kleintierhaltung mit der tatsächlich vorhandenen Futtergrundiage in Einklang bringt. Dieser Grundsatz ist allerdings in den neu errichteten und erweiterten Kleintierkaltungen oft nicht be- achtet worden, so daß erhebliche Mißstände eir- getreten sind. Schuld daran sind in erster Linie die neu erstandenen städtischen Kleintier- haltungen und die stark erweiterten Kenner, haltungen in den landwirtschaftlichen Betrieber. Entweder werden die Tiere nicht satt gefüttert und bringen keine leistung, oder das- Futter muß. irgendwie „besorgt“ werden, sei e „hintenrum” durch den Kauf beim. Landwirt, sei es durch Tausch gegen verknappte Waren oder sei es als Gegenleistung für handwerkliche oder sonstige nichtlandwirtschaftliche Arbeit. In allen Fällen handelt es sich aber um eine verbotene Futterbeschaffung und Futterhergabe, und in allen Fällen handelt es sich um Futter, das für Großtiere bestimmt ist und diesen entzogen wird. Auch wo im Garten an Stelle des bis- herigen Gemüseanbaves heute überwiegend Kleintierfutter erzeugt wird und der Kleintier- halter jetzt auf dem Gemüsemarkt als neuer Käufer auftritt, entzieht die Kleintierholtung der Allgemeinversorgung lebensmittel. Um zu ver- hindern, dog Kleintierhalter ihren Kleintieren Futter geben müssen, das für andere Zwecke

vs

bestimmt ist, schreibt die Anordnung die wirt- schaftseigene Futtergrundiage vor. Niemand darf mehr Kleintiere halten, als er mit seinem saibsterzeugten Futter ernähren kann. Landwirt- schaftliche Kleintierhalter dürfen für die Klein- tierhaltung aber kein Futter verwenden, das für die Großtierhaltung geeignet ist. Die Anord- nung begrenzt deshalb auch hier die Zahl der Kleintiere, die der einzelne halten und out, ziehen darf. Damit wird eine Verfütterung von

_Großtierfutter an Kleintiere in den Betrieben

verhindert, die an sich eine große eigene Futter- grundlage haben, also viele Kleintiere holten

könnten. Abgesehen davon, daß das Futter über

den Großtiermagen in Fleisch und Fett für die All- gemeinheit umgewandelt wird, ist auch die Ver- wertung des Futters durch Großtiere eine bessere.

Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, daß das Huhn zur Erzeugung der Eier erheb- liche Mengen Futter selbst sucht, das sonst um- kommen würde, weil kein anderes Tier in der

loge ist, dieses Suchfutter zu verwerten. Auch

das Großgeflügel ernährt sich zu einem großen Teil aus Suchfutter, während die Kaninchen wieder hervorragende Abfallverwerter sind.

Darin liegt der große volkswirtschaftliche Wert der Kleintiere, daß sie das absolute Kleintier- futter verwerten, das sonst eben unverwertet umkommen würde. Diese Bedeutung ver- lieren die Kleintiere jedoch in dem Augen- blick, in dem ihre Zahl so groß wird, daß ` das absolute, das Suchfutter, nicht mehr ausreicht, um dem Kleintierbestand als Futter- grundlage zu dienen und den Kleintieren über- wiegend oder fast nur noch Handfutter gegeben werden muß. Der Kleintierbestand muß sich also immer noch dem vorhandenen absoluten Futter richten. Die auf Grund der Kleintieranordnung gebildeten Aus- schüsse werden in den kommenden Wochen da- für Sorge tragen, daß der Umfang der Kleintier- haltung den genannten Vorschriften angepaßt wird. Sie werden ihre Entscheidung danach richten, daß die Versorgung der Allgemeinheit, insbesondere der Arbeiter in Rüstung und Kriegs- produktion und der Städter überhaupt, nit Fett und Fleisch gesichert wird, daß aber gleichzeitig dem anständigen Kieintierhalter die Freude on seinen Kleintieren und auch der Nutzen daraus verbleibt. Dr. KurtHaußmann

Randbemerkungen

Därfliche Kulturarbeit und totaler Krieg

Die Konzentration aller Kräfte des deutschen Volkes auf den Entscheidungskampf macht es notwendig, die kulturellen Bringeveranstaltun- gen durch künstlerische Berufskräfte auf dem Lande auf das stärkste einzuschränken. Mehr denn je ist daher das Landvolk auf eine Ge- staltung seiner seltenen Fest- und Feierstunden aus eigener Kraft angewiesen, soll nicht ein wichtiger Kraftquell versiegen; gilt doch die olte Erfahrung nach wie vor, daß, wer seine Pflicht freudig und fröhlich tut, auch den härte- sten Anforderungen gewachsen ist. Der Leiter der Parteikanzlei hat daher bereits in seiner bekannten Anordnung vom 31. August 1941 zur „Aktivierung der Dorfkultur” be- tont, daß es gelte, „die zahlreichen Eigenkräfte des Dorfes, deren Bedeutung für das dörfliche Gemeinschaftsieben nicht immer in vollem Um- fange erkannt und gewürdigt worden .ist, wieder zu erwecken und sie in einer tragbaren organisatorischen Form unter dem unmittel- baren Einfluß der Partei als Mittel der politischen Führung für unsere Veran- staltungen und Feiern einzusetzen”. Die Akti- vierung dieser Eigenkröfte bedeutet, richtig an- gepackt, nichts weniger als eine Minderung des dörflichen leistungsvermögens im Kampf um

die Sicherung der deutschen Nahrungsver- sorgung. Das deutsche Landvolk ist gewohnt, dem Ruf des Ackers zur Arbeit zu jeder Stunde zu gehorchen und nach der Länge der Arbeits- zeit nicht zu fragen. Diese Notwendigkeit liegt zutiefst in den Naturgesetzen der Landwirt- schaft verankert und ist dem Landvolk so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, daß sie einer näheren Begründung nicht mehr bedarf. - Zu keiner Zeit wird dieses Pflichtgebot länd- lichen lebens so deutlich sichtbar wie gerode zur Erntezeit, wo es nicht nur gilt, die Früchte einer Jahresarbeit in unermüdlicher, jede Toges- stunde ausnutzender Arbeit zu sichern, sondern auch was der Londfremde leicht übersieht die zahlreichen Vorbereitungen für die neue Saat zu treffen. Und doch wird gerade diese Zeit höchster Arbeitsanspannung umrankt von mannigfoltigen fröhlichen Bräuchen, die noch immer ein Quell zu neuer, frisch zupackender Kraftanstrengung geworden sind.

Auch in dieser Beziehung besteht eine ur- tümliche Verwandtschaft zwi- schen dem Soldaten und dem Bauern. Auch beim Soldaten paart sich härtester Einsatz mit dem natürlichen Bedürf- nis, dem Ernst des Krieges bei Sang und Spiel in kameradschaftlicher Runde ein trotzig-fröh- liches Dennoch entgegenzusetzen. Dieses natürliche Bedürfnis, das immer wieder beim

371

A

Soldaten wie beim Landvolk zum Durchbruch kommt, stelt allen Verantwortlichen eine wichtige Gestaltungsaufgabe. Denn es ist keineswegs gleichgültig, in welcher Form es befriedigt wird. Dos gilt heute mehr denn je. Dieses Bedürfnis aber wird stets dort om besten befriedigt werden, wo es gelingt, aus der dörflichen Gemeinschaft selbst die notwendigen Kräfte zu entwickeln, denn dann wird sich aus gegenseitigem Geben und Nehmen ein Gemeinschaftsband flechten, das

auch dem gemeinsamen Einsatz in Arbeit und

Kampf zugute kommt. Zur Erreichung dieses Zieles bedarf es keiner anspruchsvollen Orga- nisation und Apparatur, sondern lediglich der

Kraft, die vorhandenen Begabungen zu er-

kennen und mit den vorhandenen Mitteln ein- zusetzen. Welche Wege zu diesem Ziele zu beschreiten sind, zeigt die Folge 2 der „Kul- turpolitischen Arbeitshefte der NSDAP“, die, der Kulturarbeit auf dem Dorfe gewidmet, vom Hauptkulturamt der NSDAP in der Reichspropagandaleitung (Amt Dorf- gemeinschaftsieben) und vom Reichsamt für das londvolk (Hauptarbeitsgebiet Bäuerliche Lebensgestaltung) bearbeitet worden ist. Das Arbeitsheft bietet ein vorzügliches Rüstzeug, das in die Hand oller in den Dörfern on leiten- der Stelle Mitwirkenden gehört. Es beweist gleichzeitig am besten, daß die dörfliche Kulturarbeit durchführbar ist, ohne daß dem notwendigen totalen Kriegseinsatz Kräfte ent- zogen werden. Günther Pacyna

Verschuldung der Landwirtschaft

eine Wohlstandserscheinung?

Die zweite Hälfte des vorigen. Jahrhunderts war auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen Geldwesens beherrscht von Auseinander- setzungen um eine steigende Verschuldung der Landwirtschaft und eine sogenannte „Kredit- not”. Seitdem Rodbertus dargelegt hatte, daß unter dem Einfluß des Römischen Rechts der Boden naturwidrig als „Kapital“ behandelt,

bewegt und ausgebeutet werde, während er

als „immerwährende Rentenquelle” nur seinem wirklichen Ertrag entsprechend Schuldbelastun- gen tragen könne, ist das Schuldenthemo vor allem in den sechziger, achtziger und neunzi- ger Jahren Gegenstand umfangreicher Ausein- ondersetzungen und Forschungen wie auch Gegenstand der praktischen Finanzpolitik ge-

worden. Dos die schließlich auf nahezu zwanzig Milliarden Mark ongewochsenen landwirtschaftlichen Belastungen zu einem

großen Teil eine bedenkliche Gefahrenquelle für die gesamte Londwirtschaft seien, daß die Gesamtstruktur der landwirtschaftliihen Ver- schuldung mit einer weitaus überwiegenden Besitzverschuldung keinen entsprechenden pro- duktiven Krediteinsatz darstelle und daher den

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landwirtschaftlichen Ertrag unangemessen be- anspruche, ja teilweise die Substanz selber angreife, war schließlich im wesentlichen all- gemeine Erkenntnis, Scheinlösungen landwirt- schaftlicher Grundprobleme wie Zölle und noch höherer und leichterer Krediteinsatz sowie der erste Weltkrieg mit der ihm folgenden inflatio- nistischen Schuldenminderung verschleierten bzw. verschoben weitere akute Krisenerscheinungen als Auswirkungen einer ständig zehrenden Ver- schuldung.

Unmittelbar mit dem Abschluß der Inflation, die die alte Schuld bis auf einige Milliarden Reichsmark beseitigte, entstand aus einer „ge-

'radezu katastrophalen Illiquidität" der Land-

wirtschaft binnen wenigen Jahren ein neues Schuldengebäude, dessen verheerende Folgen außer jeder Bestreitung blieben. Zwölf bis drei- zehn Milliarden Reichsmark waren zu Zins- sötzen zu verzinsen, die zeit- und teilweise ein Mehrfaches des echten Überschusses betrugen. Dabei waren zu einem sehr großen Teil die geradezu in die Landwirtschaft gepumpten Fremdgelder für Zwecke aufgenommen wor- den, die unmittelbar oder mittelbar unproduk- tiv woren, selbst wenn die äußere Form des Aufwandes produktiv erschien. Beiden Verschuldungsperioden gemeinsam war, daß die Verschuldung zu einem wesent- lichen Teil nicht einem produktiven Aufwand zur Melioration im weiteren Sinne diente, sondern abgesehen von der beträchtlichen reinen Besitzverschuldung zur Schaffung fehlenden Betriebskapitals dienen mußte. Wie ein roter Faden zieht sich durch die Geschichte der deutschen Landwirtschaft ein verbreiteter Mangel on flüssigen Betriebsmitteln hin, Aus- druck einer unnatürlichen Mangellage. Armut, Wucher, Geldnot, Enteignung jahrhunderte- lang waren sie teils Ursachen, tens Begleit- erscheinungen, teils Folgen einer zu einem be- trächtlichen Teil der Landwirtschaft sehr ab-

träglich gewesenen Verschuldung.

Diese Tatsachen sind so offenkundig und ge- schichtlich erhärtet, daß man sie als feste All- gemeinerkenntnii ansehen mochte. Um so mehr wird in der Landwirtschaft mit Erstaunen vernommen, daß im allgemeinen ihre Ver- schuldung „nicht die Auswirkung schlechter Wirtschaftslage, sondern im Gegenteil eine Be- gleiterscheinung stärkerer Vergrößerung des gesamten Wirtschaftsapparates und insoweit durchaus gesund“ sei. Die Interessentenkreise, die. sich hier zum Wort melden, erweisen sich selber den schlechtesten. Dienst, denn sie wecken nur den erregten Unwillen gegenüber einem Anschlag auf die einfachste Vernunft. Es wird keinem Landmann klargemacht werden können, daß er richtig handele, wenn er früher aufgenommenes Geld, für das er keine Ver- wendung mehr hat und das er zurückzahlen kann, behalte und dafür mindestens 4% vH

4

"we

Zinsen zahle. Er liest weiter mit Verwunderung von der angeblich „geringen Zinsdifferenz”, wenn er vH zahlen muß, aber bestenfalls 3Y vH für nicht benötigtes Leihgeld bei eige- ner Wiederanlage erhalte; eine Zinsdifferenz, „die heute für die Rentabilität aller Schuldner- kreise absolut unerheblich ist, selbst in der Land- wirtschoft“. Welche Großzügigkeit man da doch der landwirtschaftlichen Kalkulation zu- mutet, eine Zuzahlung von mindestens | vH als „absolut unerheblich” anzusehen, während von seiten der Gläubigerinstitute eine zeit- weise Anlage zurückerhaltener Darlehnsgelder etwa in Reichstiteln mit halbprozentiger Zins- einbuße als untragbar erklärt wird. Bis jetzt mußte es doch als notwendig erscheinen, ge- rade in einer Zeit allgemein größerer Geld- fülle zur Genauigkeit auch im kleinen anzu- halten, und es ist von amtlicher Seite oft genug gegen eine laxere Auffassung in Gelddingen Stellung genommen worden. Jetzt erst recht Pfennigrechnung! müßte doch die Parole sein. Und eine wahrhaft volkswirtschaftliche Sorge um landwirtschaftlichen Wohlstand und um eine Vermeidung einer so viel von Interessenten- seite beredeten „Kapitalzersplitterung”, die on- geblich mit einer vernünftigen Haltung eines genau rechnenden Landwirts verbunden sein könnte, müßte es besonders begrüßen, wenn alle Möglichkeiten ausgenutzt würden, auch auf dem Lande flüssiger gewordene Gelder zu „sterilisieren” und nicht unerwünschter Ver- wendung zufließen zu lossen. Dafür gibt es zwei Wege: Sparen oder Schulden tilgen bzw. beides zusammen. Das ist der Anfang von Wohlstand, nicht aber Schuldenmachen!

Es scheint auch eine unnötige Sorge zu sein, daß bei der „erfreulichen Tatsache” eines ver- nünftigen Verhaltens von Schuldnern, die für Leihgelder keine Verwendung mehr haben, „die in vielen Jahrzehnten bewährten Be-

rlehungen bäuerlicher Betriebe mit ihren Geld-

instituten dadurch eine lockerung erfahren können, die sich, wenn die ‚Aufrüstung des Dorfes’ in Angriff genommen wird, doch in manchen Fällen als abträglich auswirken dürfte”. Soll das etwa heißen, daß Hypo- thekenbankeo sich später in der Annahme einer eigenen „starken Stellung” glauben sper- ren zu können, wenn volkswirtschaftliche Auf- gaben einen Krediteinsatz erfordern würden? Dieser Irrtum würde schnell verschwinden. Aber die Landwirtschaft wird nicht zu besorgen brauchen, daß ihr wirklich notwendige Gelder fehlen würden. Nur wird die ganze Ausein- andersetzung um ein „vernünftiges” Verhalten der Landwirte diesen noch stärker zum Be- wußtsein bringen lassen, daß es jetzt gilt, jeden überschüssigen Pfennig zu sparen, um später soweit wie möglich aus der eigenen Tasche bezahlen zu können und das Schulden- mochen zu vermeiden! A. Noll

Protektionismus in der englischen Agrarpolitik?

Unter dem Druck der Wirtschaftskrise von 1931 wurde Englands Agrarpolitik protektionistisch, in- dem man die Preise für Iandwirtschaftliche Erzeug- nisse sicherte. Es wurde für eine begrenzte Menge Weizen ein Richtpreis festgelegt. Infolgedessen stieg der Anbau um 35 vH auf Kosten von Gerste, Hafer und Grünland. Durch eine ähn- liche Maßnahme erhöhte sich die bis dahin un- bedeutende Zuckererzeugung beträchtlich. Ferner führten Preissenkungen für Düngemittel zu einer Steigerung des Verbrauchs. Kredite wurden für Meliorationen gegeben. Die Schweinehaltung wurde gefördert und die Bakoneinfuhr zurück- gedrängt. Nach dem Ottawoabkommen wurde die Fleischeinfuhr aus Nichteinpireländern be- grenzt und von Lizenzen abhängig gemacht. Bei Ausbruch des jetzigen Krieges war die englische _ Agrarpolitik darauf ausgerichtet, die Lage der Landwirtschaft und damit zugleich den Stand der Selbstversorgung zu heben. Die angewen- deten Mittel bestanden in Schutzzöllen, Kontin- gentierungen, Subventionierungen, Bildung von Zwangsverbäönden usw. Etwa ein Drittel der für eine ausreichende Ernährung notwendigen Nah- rungsmittel konnte die englische Landwirtschaft aus eigener Erzeugung liefern. Der Rest wurde eingeführt.

Als bald nach Kriegsbeginn Englond seine Tonnage schrumpfen sah, wurde die Erzeugung der eigenen Landwirtschaft stärker gefördert. Für das Umpflügen von Weideland wurden zu- erst Prämien gezahlt. Als der Ersatz nicht ge- nügte, wurde jeder Landwirt verpflichtet, einen Teil seiner Weidefſöche umzuackern. Die Aktion wurde 1941 wohl aus Mangel an Landarbei- tern unterbrochen, dann aber fortgesetzt. Für 1940 standen etwa 9 Millionen Hektar Acker- land (1938: 5,2 Millionen Hektar) zur Verfügung. Diese große Zunahme hat zu erheblichem Man- gel an Arbeitskräften geführt. Für 1944 fehlen etwa 750000, für die freiwillige Erntehelfer (auch Schüler) eingesetzt werden sollen. Von diesen sollen etwa 150 000 bis 200 000 in Lagern untergebracht werden. Die Freiwilligen sollen mindestens 36 Stunden je Woche arbeiten. Der Mindestlohn beträgt I sh je Stunde. Für Unter- kunft und Verpflegung werden wöchentlich 28 sh einbehalten.

Weitere Schwierigkeiten sind durch die Preis- politik entstanden. Nach Schätzungen des Land- wirtschaftsministers Hudson ist das Roheinkom- men der Farmer seit 1939 um 320 Millionen £, d.s. 121 vH, gestiegen und beträgt heute 570 bis 600 Millionen £. Vermutlich ist auch der Auf- wand entsprechend höher geworden. Seit einiger Zeit sind die Landarbeiterlöhne erhöht, und die Farmervereinigungen verlangen infolge- dessen eine entsprechende Erhöhung der Preise.

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Die Regierung will eine solche aber nicht zu- gestehen, weil sie befürchtet, daß die lebens- haltungskosten steigen und das bestehende Preis- gebäude ins Wonken gerät.

Gegenwärtig hat die Regierung ihr Haupt- augenmerk auf einen Vierjahresplan gerichtet. Es soll 1. der Viehstand auf Kosten des Acker- landes vergrößert werden, weil Fett und Fleisch besonders fehlen und Boden und Klima für den Futterbau gut geeignet sind; 2. soll die Milch- erzeugung der Menge und Güte nach gehoben werden; 3. soll die Milcherzeugung mehr vom Sommer in den Winter verlogert und 4. die Züch- tung gehoben werden. Dieser Plon setzt eine Abkehr von der Forcierung des Ackerbaues vor- aus. Die englische Landwirtschaft macht sich da- her über die künftig einzuschlagende Agrar- politik Sorge. Da man nach dem ersten Welt- krieg die angestrengten leistungen der engli- schen Landwirtschaft bald’ wieder abbaute, so wird ähnliches nach diesem Kriege befürchtet. Landwirtschaftliche Vereinigungen haben vor- geschlagen: 1. Ablieferung der Erzeugnisse an eine Zentrale, die auch die Einfuhr aufnimmt und die gesamten Erzeugnisse an den Groß- handel weiterleitet; 2. die Erzeuger sollen über dem Weltmarktpreis liegende Preise erhalten, die Zentrale soll die Erzeugnisse zu einem

Durchschnittspreis abgeben; 3. zwecks Besse- rung der Arbeitsverhältnisse sollen einige 100000 moderne Arbeiterwohnungen auf dem Lande ge- baut werden, ferner die sozialen und kulturellen Einrichtungen auf dem Lande gebessert werden; 4. die Erzeugung soll hauptsächlich auf Ver- edelungsmittel abgestellt werden. Ob es den interessierten Stellen gelingen wird, die Vor- schläge durchzusetzen, ist zweifelhaft. Die Scheu der Regierung vor bindenden Erklärungen spricht dafür, daß sie sich die Freiheit der Entschlüsse für die Zukunft vorbehält. Klauder

Europas Nahrungsraum durch die demokratische Brille gesehen

Als sich bei den europäischen Völkern im Laufe der letzten dreißig Jahre immer mehr die Erkenntnis durchsetzte, daß die Weltarbeits- teilung englischer‘ Prägung die Gefahr eines Verlustes der wirtschaftlichen Selbständigkeit in sich schloß, zog man daraus die einzig richtige Konsequenz: man entwicelte die Kräfte des eigenen Siedlungsraumes. Die Ab- lösung der liberalen Weltwirtschaft durch die Großraumwirtschaft. gab vor allem dem bis dahin vernachlässigten Agrarsektor eine über- ragende Bedeutung. In diese Zeit fällt die Bildung des Wortes „Naohrungsraum”, das im Verlauf dieses Krieges immer mehr ver- wandt und zu einem festen Begriff wurde. Man versteht darunter die zur Verfügung stehende Fläche an Acker- und Grünland, wobei ent-

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sprechend dem Ertrag on Nahrungskalorien

fünf Einheiten Grünland gleich einer Einheit

Ackerland gesetzt werden. Um eine große

Übersicht zu gewinnen, wieviel Hektar Nah-

rungsraum den europäischen Völkern je 100

Einwohner zur Verfügung stehen, soll hier fol-

gende Einteilung gewählt werden:

1. Länder mit weniger als 25 ha Nahrungs- raum je 100 Einwohner: Belgien, Holland, Großbritannien und die Schweiz.

2. Länder mit 26 bis 50 ha Nahrungsraum je 100 Einwohner: Norwegen, Deutschland (Altreich), Italien, ehem, Österreich, Luxem- burg, ehem. Tschecho-Slowakei, Griechen- land, Albanien und Portugal.

3. Länder mit 51 bis 75 ha Nahrungsraum je 100 Einwohner: ehem. Polen, Frankreich, ehem. Jugoslowien, Schweden, Irland (Eire), Ungarn, Finnland und Bulgarien. i

4. Länder mit mehr als 75 ha Nahrungsraum ie 100 Einwohner: Rumänien, Dänemark und Spanien.

Es ist selbstverständlich, daß der Nahrungs- raum noch nichts über den Selbstversorgungs- grad der Länder besogt, denn der hängt von dem Verhältnis zwischen Eigenerzeugung und Bedarf ab. Das Verhältnis von Bevölkerungs- zahl und Nahrungsraum kann man auch anders darstellen, so wie es in einer Zeitung des mehr oder weniger neutralen Auslands geschah. Man kommt dann zu folgendem Ergebnis:

Einw. je qkm Land ` Kulturboden Belgien 625 Niederlande . . . . ..» , 588 Schweiz . 384 Deutschland . AM Hollen . 256 luxemburg 233 Österreich . 22 Norwegen 232 Tschecho-Slowakei . 22 Griechenland . . . . 200 Portugal `. . » » 2 2 20. 200 polen 161 Frankreih m 158 Schweden 152 Ungarn 14 Finnland gaga 135 Dänemark . . - 120 Rumänien e 125 Spanien . . . e er, lef

Die Art der Reeg bringt bei der Unter- schiedlichkeit der Statistiken gewisse Verschie- bungen in der Reihenfolge, wie sie beim Ver- gleich der beiden Übersichten zu erkennen sind. Das ist aber im Prinzip nebensächlich. Was hier interessiert, sind die Folgerungen, die in der neutralen Zeitung allgemein gez werden. So heißt es u. a.: „Aus dieser Tabelle

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geht eindeutig hervor, daß gerade die aus- gesprochenen Agrarländer die geringste Zahl von Einwohnern aus den Erträgnissen eines Quadratkilometers landwirtschaftliher Nutz-

. Näche erhalten können, wie z. B. Ungarn 141,

Rumänien 125 usw., wogegen die hochindv- strialisierten Länder ein Mehrfaches dieser Be- völkerungszahl auf Grund eines viel engeren Nahrungsraumes erhalten können, wie z. B. Belgien 625, die Schweiz 384, Deutschland ` 304 usw.”

Uber die Logik des neutralen Autors kann man nur den Kopf schütteln und entsprechend folgern: Berlin ist demnach das landwirtschaft-

lich am hervorragendsten bewirtschaftete Ge-

biet, denn es kann auf seinem! noch engeren „Nahrungsraum“ immerhin 4910 Menschen je Quadratkilometer erhalten! Ist es noch not- wendig, darauf hinzuweisen, daß Länder wie Belgien, die Schweiz usw. nur deshalb ihre Be- völkerung ausreichend ernähren konnten, weil sie bedeutende Mengen an Nahrungsmitteln einführten? Bedarf es noch des Hinweises, daß der Selbstversorgungsgrad Belgiens 1938 nur 51 %, der der Schweiz gar 47 % betrug? Man

kann die Auswertung der Tabelle Über den

Nahrungsraum Europas, so wie sie der „neu- trale” Kritiker gibt, nicht sachlich erklären. Viel- mehr ist man gezwungen, seine Schlußfolgerun- gen zu zitieren, um zu einem Ergebnis zu kommen. Der Verfasser sagt: „In der modernen Weltwirtschaft entscheidet nicht der ‚Nahrungs- raum’ und nicht der künstlich konstruierte Begriff des ‚Lebensraumes’, sondern die Arbeitsteilung und die Rationalisierung.” .. . „Nicht Nahrungs- raum, nicht Autarkie entscheidet, sondern der Wohlstand, die soziale Sicherheit, und diese sind nicht durch Autarkie, sondern auf dem Wege der wirtschaftlichen Freizügigkeit in der Weltwirtschaft zu erreichen.“

Hier hondelt es sich zweifellos um einen Ver- such, unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Objektivität einige Seitenhiebe gegen die er- folgreiche Ernährungspolitik der autoritären Staaten Europas zu führen. Dazu bedarf es keiner weiteren Erläuterung. Jedes europäische Volk, das die „humane” Wirkung der Biockaden beider Weltkriege spüren mußte, das Tausende von Toten und Siechen infolge Unterernährung zu beklagen hat, weiß, was ihm der eigene Lebens- und Nahrungsraum wert ist. Man kann sich nur wundern, daß der Vertreter eines Landes, das nur ouf die Menschenfreundlichkeit seiner Nachbarn angewiesen ist, um Einfuhren tätigen und durch diese leben zu können, das seit Jahren einen großen Agrarplan verwirk- licht, um seinen Nahrungsraum zu vergrößern, die europäischen Ernährungsprobleme so sieht, wie es hier auszugsweise geschildert wurde. Das kann nur an einem liegen: an der pluto- kratisch-demokratischen Brille. |

| H. Gerdesmonn

DieBudhwadt S. Eberhard von der Decken |

Die Front gegen den Hunger

C. V. Engelhardt-Verlag, Berlin 1944, 175 Seiten. Preis broschiert 1,80 RM

„Das vorliegende Buch” so betont Ober- befehlsleiter Reichsminister Backe in seinem Geleitwort „gibt einen für die Allgemeinheit bestimmten Einblick in die Strategie und Taktik des Ernährungskrieges sowie einen Überblick über die Aufgaben und leistungen der deutschen Kriegsernährungswirtschafl. Dadurch ermöglicht es dem Leser, sich einmal eine geschlossene Vor- stellung über unseren Kampf um Nahrungs- freiheit und Nahrungssicherheit unter den Be- dingungen des Krieges zu machen. Er bekommt durch diese im Vergleich zur Größe des Arbeits- gebietes kurze Zusammenfassung vor allem auch einen übersichtlichen Eindruck von der ganzen Vielfalt der ernsten Aufgaben, die zur Durch- führung dieses lebenswichtigen Kampfes immer wieder von neuem gelöst werden müssen und bisher trotz aller Schwierigkeiten gelöst worden sind. So soll dies Buch zu seinem Teil dazu bei- tragen, das Bewußtsein für die entscheidende Bedeutung der vorbildlichen Kriegsleistungen besonders des deutschen Landvolkes, aber auch aller anderen Mitarbeiter der Kriegsernährungs- wirtschaft zu vertiefen.”

Das erste Kapitel, vom Herausgeber selbst verfaßt, hat dem Buch den Namen gegeben, und das mit Recht; denn es ordnet die deutsche Kriegsernährungswirtschaft in ihren großen ge- samtpolitischen Zusammenhang ein. Das zweite Kapitel, „Die deutsche Landwirtschaft im Kriegs- einsatz” von Ernst Schneider, schildert Ziele und Ablauf der Erzeugungsschlacht, insbesondere der Kriegserzeugungsschlacht. Im dritten Kapitel, „Die Versorgung von Volk und Wehrmacht” von Erich Borkenhagen, wird die Funktion der Markt- ordnung in der Kriegsernährungswirtschaft, die Entwicklung der Bewirtschaftungsmaßnahmen so- wie die Technik der Lebensmittelzuteilung und des Kartensystems dargestellt. Im vierten Kapitel, „Deutsche Pionierleistungen im Osten“, berichtet Hermann Bernick über das landwirtschaftliche Aufbauwerk in den zurückgewonnenen Ost- provinzen und im Generalgouvernement und über den Einsatz deutscher Landwirtschaftsführer. Eine wichtige Ergänzung bringt das fünfte Ka- pitel, „Die Länder im Ernährungskrieg” von E. Fritz Baer, das eine Übersicht in großen Zügen über die kriegsernährungswirtschaftlichen Maßnahmen der europäischen Länder gibt. Dos Schlußkapitel, „Um die kulturellen Grundlagen” von Walther Horn, richtet noch einmal, aber von einem an- dern Standpunkt als das erste Kapitel, den Blick

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des Lesers auf den politischen Hintergrund des Ernährungskrieges. „Der Ernährungskrieg 1939 bis 1943 ist” so beiont schon von der Decken in seinen Ausführungen „weit mehr als ein versorgungswirtschaftliches Teilproblem der wirt- schaftlichen Kriegführung. Die Überwindung des Aushungerungsversuches unserer Feinde setzte das Vorhandensein einer Front voraus, die auf der breiten Basis der Neuordnung des deutschen Volksiebens auch des kulturellen und der klaren Erkenntnis vom Wesen dieses Freiheitskampfes gebildet wurde.” Es ist daher durchaus folgerichtig, wenn sich das Schluß- kapitel der Wiederbelebung und Erneuerung der Dorfkultur zuwendet; denn die schöpferische Kraft eines neuen Kulturbewußtseins beschränkt sich ja nicht auf die Schaffung kultureller Werte, sondern durchdringt anregend und. befruchtend das ganze Volksleben, ja, ihre eigentliche Be- währungsprobe besteht gerade darin, daß sie auch im Alltag mächtig ist. G. P.

Herbert Morgen -

Bausteine zur ländlichen Volks- und Bodenordnung

Deutsche Landbuchhondlung Berlin 1943 96 Seiten. Preis broschiert 3,50 RM

Das Buch behandelt in prägnanter Knappheit einige Grundfragen der ländlichen Volks- und Bodenordnung, die durch den Neubau in den wiedergewonnenen Ostgebieten und den Um- bau des Altreiches beides Notwendigkeiten, die in enger Wechselwirkung zueinander stehen der Lösung entgegenreifen, so u.a. den na- türlichen Raum als gestaltenden Faktor, die Fest- legung des Siediungstypus, das Betriebsgrößen- problem, die Stellung des Großbetriebes, das Reserveland und seine Bedeutung, das Dorf ols soziales Gefüge, die Dorf- und Gemarkungs- größe, die Ordnung der ländlichen Verkehrs- verhältnisse, die Bevölkerungsdichte ländlicher Räume, die betrieb wirtschaftlichen Umformun- gen in der Landwirtschaft und an drei Beispielen einige Bilder sozialer Erkrankungen. In seiner zusammenfassenden Betrachtung betont der Ver- fasser, daß es kaum möglich sei, beim Planen neuer ländlicher Gemeinden olle soziologischen Einzelfragen bewußt zu lösen. „Wesentlich ist jedoch, daß die Probleme erster Ordnung er- kannt und gelöst werden, dann werden sich auch die nachgeordneten Fragen beantworten lassen.” Das ist zweifellos richtig, und so ist es ein Verdienst des vorliegenden Buches, auf die Grundprobieme der ländlichen Volks- und Boden- ordnung hinzuweisen. Dabei spielt es keine wesentliche Rolle, ob man mit den angedeuteten Lösungsmöglichkeiten in jedem Falle einverstan- den ist. Daher ist es zu begrüßen, daß die demnächst‘ erscheinende zweite Auflage dem Buch einen weiteren Leserkreis eröffnet. G.P.

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Johannes Bescherer

Das Kirchspiel Stünzhain Ein Beitrag zur Rassenkunde und Sozialanthro- pologie Ostthüringens. Verlag Gustav Fischer, Jena 1940, 158 Seiten Die groflen Linien der bevölkerungsbiologi- schen Entwicklung in den letzten Jahrhunderten

sind seit langem bekannt. Eine Verfeinerung und

Differenzierung der wissenschaftlichen Erkennt- nisse konnte nur auf dem Wege sorgfältiger Untersuchungen an bestimmten kleineren Be- völkerungsgruppen und menschlichen Gemein- schaften gewonnen werden. Die Forschung hat daher systematisch ihr Augenmerk auf solche Untersuchungen gerichtet, und so sind auch zahl- reiche Abhandlungen über Dörfer oder kleinere ländliche Bezirke entstanden, die unser Wissen über die Beziehungen von Berufsgruppe, Rasse und Kinderzahl, über Wanderungsbewegungen, Heiratskreise, Seßhaftigkeit, über Zusammen- hänge von Begabungsleistung und Kinderzahl usw. sehr bereichert haben. Die sehr fleißige und gründliche Arbeit über das Kirchspiel Stünz- hain bei Altenburg reiht sich in diese Unter- suchungen ein. Der Verfasser zeigt on seinem sorgfältig aufgearbeiteten anthropologischen Moterial, daß die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten erbbedingten Llebensleistung, die Bauern, am meisten nordisch-fälisch-dinarische Züge aufweist, die Landarbeiter dagegen eine ziemlich einheitliche Berufsgruppe . ostisch-ost- baltischer Prägung darstellen. Die übrigen Be- rufsgruppen der gelernten und ungelernten Ar- beiter und der Handwerker lassen sich nicht klar eingkedern. Um so schwerwiegender ist es, daß gerode die Bauern heute die kinderärmste Berufsgruppe sind, während noch die alten Bauernehen starke Kinderzahlen aufweisen. Dieses Ergebnis be- wegt den Verfasser zu der sorgenvollen Frage: „Wer soll später die Führungs- und Leistungs- aufgabe des Landes tragen?“ lm übrigen gə- langten ja schon die bekannten Untersuchungen von Stengel von Rutkowski on 20 000 Thüringer Bauern zu den gleichen Ergebnissen.

Die bevölkerungsbiologischen Nebenunter- suchungen des Verfassers decken eine übri- gens von vielen Dorfuntersuchungen bestätigte nicht erwartete Unbestäöndigkeit der Erbstämme im laufe der letzten drei Jahr- hunderte auf, die auf Wanderungsverschiebun- gen und generative Auslesevorgänge zurück- zuführen ist. Die heiratsmäßige Vermischung er- folgt im ziemlich engbegrenzten Heimatraum. Der Verfasser vergleicht zum Abschluß andere mitteldeutsche Dorfbevölkerungen mit den Stünzhainern und umreißt ein rassisches Gesamtbild des ostthüringischen

Raumes. Hierbei fallen interessante Streif-

lichter auf die mittelalterliche Siedlung: und Siavenfrage. Dr. Klaus Schmidt

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Wer erhält Stäube-Gesarol?

Der Reichsnährstand hat sich die Bedarfs- lenkung für Gesarol vorbehalten, damit die Gewähr besteht, daß es auf den Ge- bieten angewendet wird, wo es am drin- gendsten gebraucht wird. Für 1944 ist vor- gesehen, daß Stäube - Gesarol in erster linie gegen Rapsglanzkäfer, Erdflöhe, Kohlweißlinge und Kümmelmotte einge- setzt wird. Die Genossenschaften und der Handel dürfen deshalb Gesarol an Ver- braucher nur gegen Bezugsmarken ab- geben. Die Bezugsmarken gibt das Pflanzenschutzamt aus. Stäube-Gesarol (nach einer Lizenz der J. R. Geigy AG.) ist amtlich geprüft und von der Biologi- schen Reichsanstalt anerkannt. Es ist für Menschen, Haustiere und auch für die behandelten Pflanzen unschädlich.

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