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PURCHASFJ) FOR TUE
UNIVERS/TY OF TORONTO LIBRAHV
FROM THE
C/\N/\D/\ COUNCIL SPECIAL GRANT
FOR
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DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION
ILLUSTRIERTE MONATSHEFTE
FÜR MODERNE MALEREI PLASTIK • ARCHITEKTUR WOHNUNGS-KUNST UND KÜNSTLERISCHE FRAUEN- ARBEITEN
DARMSTADT
VERLAGSANSTALT ALEXANDER KOCH
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DEUTSCHE KUNST UND DEKORATION
HERAUSGEGEBEN UND REDIGIERT
VON
HOFRAT ALEXANDER KOCH
BAND XXV
OKTOBER 1909 - A\ÄRZ 1910.
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ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
HANS UNGER-LUÖCU WITZ. GF.MÄLUE: »MUTTER UNI) KIND«.
I'KOKESSOR JULIUS DIEZ - MÜNCHEN'.
ilosaik. Hcii-snalpoital. Univevsität iliinchen.
JULIUS DIEZ-MÜNCHEN.
I^iner von jenen Seltenen, die man „geborene _^ Stilisten" heißen darf, ist der Münchner Julius D i e z. Seine Form bestimmt kein Wol- len, sondern ein Müssen, sein Stil stand fest von den ersten Zeichnungen an, die der Anfänger der Öffentlichkeit übergab. Da war nichts müh- sam gesucht, nichts ergrübelt. Das Feste, fremd- artig fferbe, dekorativ Sichere, der eigentüm- liche Humor der Linie, derbeiDiez selbst im rein Ornamentalen fühlbar wird — das alles sprach schon aus den ersten Buchschmuckzeichnungen, die er im Herbst 1896 zu uns auf die Redak- tion der „Jugend" brachte. Es sei dem Schreiber dieser Zeilen nicht verargt, wenn er da von eigenen Erlebnissen redet. Sie waren seltsam schön. Das Glück , es miterlebt zu haben, wie in jenen Wendejahren in München plötzlich junge Kräfte in ungeahnter Fülle sich entfalteten, wie sich Biüt' an Blüte drängt am Baum der jungen Kunst, wie das Blatt, das der künstlerischen .lugend Freiheit und Kr-
werbsmöglichkeiten, eine fröhliche Palaestra Musarum bot, bald sich fast des Übermaßes von Angebot kaum mehr erwehren konnte — jene Erinnerung wird als ein unverwelklicher Besitz mich durchs Leben begleiten. Jeder Tag brachte Neues und Frohes , gewährte frische Eindrücke ins Werden und Schaffen der jungen Maler, neue Begriffe von den viel- gestaltigen , unerschöpflichen Möglichkeiten, die in der Kunst für den persönlichen Aus- druck bestehen. Die „Stilisten", die, die mit jedem Strich etwas ganz eigenes zu sagen hatten, zogen uns in Anbetracht der damals mehr graphischen Bestrebungen der Zeitschrift selbstverständlich am meisten an. Es kamen ihrer viele. Echte und Unechte, Gute und Blender, Zahme und Wilde. Unter denen, deren Art sofort mit Jubel begrüßt wurde, waren in erster Linie Fritz Erler und Julius Diez. Das waren Zweie, an denen jede Faser echt war und deren Ausdrucksweise vom
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ersten selbständigen Versuch an ihren unver- kennbaren, aus tausend Erscheinungen sofort herauszufindenden Charakter hatte! Bei der großen Mehrzahl der jungen Graphiker von da- mals fühlte man bald Anlehnung, bald Gevi'alt- samkeit und Originellseinwollen. Die Zweie waren, wie sie sein mußten, frei, stark und gesund. Und beide von einem Reichtum der künstlerischen Einfälle, der nie versiegte. Ge- meinsam hatten sie auch das, daß sie beide das Publikum zunächst am wenigsten begriff, weil sie am rücksichtslosesten ihre eigenen Wege gingen. Und noch eins: daß sie sich in ihrer Formel nicht erschöpften und nicht zum Überdrusse wiederholten , weil diese Formel eben nicht eine angenommene war , sondern aus ihrem innersten Wesen entsprang. Man- cher Blender und Geschicklichkeitsmensch von damals ist denn heute auch vergessen oder hat sich anderen Spezialitäten zugewandt. D i e Beiden mußten ihren Weg machen und haben ihn gemacht und stehen heute in der allerersten Reihe der dekorativen Künstler Deutschlands. Diez hat die originale Kraft seiner Begabung bewahrt, trotzdem seine künstlerische Lehrzeit sehr danach angetan war, ihn zum „retrospek- tiven Stilisten" Münchnerischer Prägung wer- den zu lassen. Er erhielt die erste Ausbildung auf der Münchener Kunstgewerbeschule, wo damals die historischen Stilarten in Reinkultur gepflegt wurden. Das sei kein Vorwurf! Jene
waren ja auch das Einzige und Beste, was man zu geben hatte, ausgeprobte und sichere For- meln, die Jedem die Möglichkeit gaben, etwas Gutes und Gangbares zu leisten. Als Diez dann an die Kunstakademie übertrat, fand er in der Schule an Rudolph Seitz, nachdem er erst bei Hackl nach der Natur gearbeitet hatte, wieder die gleichen Bestrebungen. SeinMeister war einer der gründlichsten Kenner und Gön- ner alter Form und Technik, die es gab, ein Mann von heißer Begeisterung für die Schön- heit des alten Kunsthandwerks und der frühe- ren deutschen Malerei, namentlich der Barock und Rokoko. Er schreibt die Handschrift dieser Epochen mit einer Sicherheit, die kaum ein Zweiter erreicht und sein Schüler strebte, es ihm nach zu tun. Aber an Julius Diez, dessen Talent er wohl erkannte, hat er nach jener Richtung hin wenig Freude erlebt. Der war ein Eigener und ließ sich nicht dazu bewegen, zu dem Besonderen, das er zu sagen hatte, die überkommenen Redewendungen zu gebrau- chen. Sein Stil war nicht „rein", war uner- laubt persönlich und er gab sich auch keine Mühe jenen reinen Stil zu erlernen. Vielleicht gab er sich im Sinn der Schule überhaupt nicht viel Mühe und höchstwahrscheinlich war dies sein Glück. Es ging ihm nichts weniger als glänzend und er mußte, um über des Lebens bitterste Not weg zu kommen, in einer Zeit schon verdienen, wo andere noch nichts zu tun
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Jidius Diez -Miivclieii.
PROFESSOR JUMTS DIF.Z MINTHEN.
haben, als zu lernen. So wurde er selbständig in der Schule der Frau Sorge. Aus dem Banne ihrerharten Zucht kam er erst, als die „Jujjend" gegründet wurde. Und die ersten Arbeiten, die er ihr brachte, waren so überraschend reif, frei und kräftig, daß wir, als wir sie sahen, nur hins nicht begreifen konnten; daß dieser fünf- undzwanzigjährige Julius Diez nicht schon längst bekannt und begehrt war!
Leute wie er, sind eben von Anbeginn in sich fertig und die Schule kann ihnen nicht mehr geben, als das A-B-C des Handwerks.
Miisail; in nebfiislc-luiuln Hai
Diez wäre zweifellos auch in der Werkstatt eines realistischen oder impressionistischen Meisters so geworden, wie er wurde. Ein Paradiesvogel wird kein Nußhäher — auch wenn er zufällig im Wipfel einer deutschen Eiche ausgebrütet wird und in jedem Talent, das geboren wird, liegt auch schon die Not- wendigkeit seiner Eigenart. WasunserKünstler auch geschaffen hat, Buchschmuck, Illustra- tionen, Karrikaturen, Slaffeleibilder, Plakat- kunst oder Dekorationen großen Umfangs, es war immer aus einem Geiste. Er weiß die
Fritz V. Ostini :
)R jri.IfS DIKZ MrN<HF.N.
lik im W icshatlcncr Kurhaus.
Mittel, die er fürs Große oder fürs Kleine, fürs Lichte oder fürs Schwere anzuwenden hat, sehr wohl auseinander zu halten — ja ich finde einen seiner glänzendsten Vorzüge darin, daß er sich hierbei fast nie vergreift. Aber alles, was er macht, bleibt Diez, Diez zum Nicht- verkennen ! So unmittelbar ist sein Stil aus seinem Wesen herausgewachsen, so unverrückt und selbstgetreu geht er seines Weges. Für Kinen, der ihn von allem Anfang an verfolgte, war es z. B. wirklich ein Genuß, zu sehen, wie er seit dem vorigen Jahre die absolut neuen dekorativen Aufgaben anging, die ihm das Problem des Künstlertheaters brachte, wie auch die i5ilder, die er, statt mit Pinsel und
Farben auf Leinwand, mit lebendigen Men- schen auf den Bühnenhintergrund malte, „stil- echtester Diez" waren und wie famos seine Kunst auch in dieser neuen Realität bestand. Das Charakteristischste nun am Julius Diez- Stil ist wohl, daß er leicht altertümelnd, oft direkt archaistisch wirkt und dabei in Wahr- heit von Elementen geschichtlich gewordener Stilarten fast nichts in sich hat. Das kernige Schwarz-vifeiß seines Buchschmuckes ließ zu- nächst ein wenig an den alten deutschen Holz- schnitt denken. Aber man sah bald, daß seine Formenwelt eine ganz andere war, daß die Äimlichkeit darin bestand, daß auch er mit klaren sauberen Strichen die Dinge umriß und
ytilius Dicz-Münclien.
iR JUUUS ÜIEZ— XlCXCHEX.
mit kluger Ökonomie seine starken Gegensätze anwendet. Alles andere war Eigenes, seine Formensprache und seine Gedanken. Und vor allem, wie gesagt, sein eigenartiger Humor, der ihn jedes Ding unter anderem Gesichtswinkel sehen läßt, als es die Alltagsmenschen sehen würden. Die Vignetten, am Schlüsse dieses Aufsatzes eingefügt, geben einen Begriff von dem, was ich meine. Da hat alles seinen Hu- mor, der Liebesgott auf dem Ballsaallüster, dcrPutto auf dem Glückstier, wie der, welcher der maskierten Krinolinendame die Schleppe trägt und die antike Maske, aus deren weitem Mund die Rosen quellen. Kein Humor, der grinst und Witzchen macht, nur einer, der den
Miisall; im Wiesbadener Kurhaus
Dingen launig eine besondere Deutung gibt und immer mit Grazie verschwistert ist. Mit einer herben Grazie freilich, nicht mit einer süßen! Das Ganze ist anmutig bei Diez, im Einzelnen hat er seine Schrullen. Ein glatt holdseliges Gesicht gibt er seinen Geschöpfen selten und wenn er das Nackte schildert, stattet er es nicht immer mit sinnlichen Reizen aus. In seinen kantig geschnittenen Gesichtern, in seinen leicht schematisierten, selten sehr run- den Akten steckt groteskes Wesen, lächelt der Schalk. Auch da, wo das Ganze hoch ernst ist — wie in den Grotesken der Renaissance, wo ja auch die zarteste Zierlichkeit oft mit der bizarrsten Verzerrung zusammengeflochten
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l'Kiil-. jn.ll'S DIKZ .\H'.N( IIKX.
I'AM KLI.-l'.II.Il: l'AKK-MÄK( HK.\ . I'.l-S. ; Hol'KAI' AI.KXANDKK KOI'H DAKMMADI.
l'ROFKSSOK IIJI.IUS Uli-;/. MÜNCHEN
ZKICHNUNO: ^s1'r:K-. G.M.FRIF KNORU MÜNCHEN
y!//l!/S DicZ-MlUlillCll.
PRotESSOR JULIUS DIEZ — MÜNCHEN.
war. Auf ganz bewußte dekorative Wirkungen geht er immer aus, auch wenn er Buchschmuck entwirft, illustriert, oder — selten genug ! — ein Staffeleihild malt. Diese Diezschen Staf- feleibilder sind im Grunde stets doch verklei- nerte Wandgemälde, auch wenn sie ganz intime malerische Reize haben. Alles ist über das Flüchtige, Zufällige hinausgehoben und im Kerne monumental und oft ist solch ein Staf- feleibild in seinen Farbflecken, wie in seinen Linien ganz streng stilisiert — man sehe z. B. das obenstehende Bild, den „Kuppler", an, oder die „Galante Unterhaltung". Er kommt nie aus seiner Richtung, was er anpackt!
Je nach den Zwecken seines Buchschmucks hat Diez Dinge gezeichnet, die sich gotisch ausnahmen oder barock , dann wieder die Grazie des Rokoko , oder die behäbige Zier- lichkeit des Biedermeierstils zu haben schie- nen. Es war immer Täuschung, immer war's unverfälschter Diez. Was da Gotik oder Bie- dermeierei vortäuschte, war meist nur das Gegenständliche, das den wirklichen, den künstlerischen Stil der Sache nicht berührte. Der stammt aus des Malers ureigener An- schauungsweise und weil er ein echter Sohn
(ir-niiililr: »Der Kuppler .
i Ksl- Kuprersliclikabinells-Milncheii.
seiner Zeit ist, ist auch — man verzeihe das verfängliche und vielmißbrauchte Wort ! — sein Stil schlechthin modern!
Er hat ihn vielfach an kleineren Aufgaben geübt und das war gewiß kein Unglück — fand er doch dadurch die Möglichkeit zu freierem Schaffen und die Popularität, die ihm dann auch größere Aufträge brachte. Aber diese kleinen Schöpfungen, die zahllosen und prachtvollen ernsten und heiteren Zeichnungen für die Jugend, die Exlibris und Vignetten, sind schließ- lich doch nur Übergangsarbeiten oder Dinge gewesen, die so nebenher abfielen. Seine Begabung drängt ins Große. Man spürt es an dem schweren Gehalt jener dekorativen Klei- nigkeiten und spürt es noch viel mehr an den wirklicli großen Dingen, die er schaffen durfte. Da ist's oft, wie ein jauchzendes Aufatmen, da gewinnt er erst Wucht und Bedeutung! Kr ist geschickt und geschmackvoll genug, sich auch nnt dem kleinen Format abzufinden. Aber er nuiß sich schließlich doch hinein- zwängen und die rechte Freude hat er dann erst, wenn er sich auf großen Flächen ausleben darf. Dann gibt er das Beste, was er hat, zur Arbeit: sein ungewöhnlich vornehmes archi-
rrilz V. Osii.
•Die llLiii>tziitKisL-n
tektonisches Gefühl, seinen Sinn für die jjroße Linie, für Harmonie und Rhythmus der Farben. Er hat noch vor keiner großen dekorativen Aufgabe versagt, auch wenn sie ganz neue Anforderungen an ihn stellte, wenn er für Glas- malerei oder Mosaik Entwürfe zu liefern, Kiesenflächen zu dekorieren, z. B. ein hundert und dreißig Meter langes Fresko zu malen hatte, wie 1908 für das Restaurant des Mün- chener Ausstellungsparkes. Wie wenig starr seine Eigenart trotz der seltenen Bestimmtheit ihres Charakters ist, zeigt er gerade in der Leichtigkeit, mit der er sie den Zwecken jedes neuen Materials anschmiegt. Zu seinen ersten größeren Kartons gehörten z. B. die für Hugo Lichts prachtvolles neues Rathaus in Leipzig und sie fielen wunderbar schön und malerial- gemäß aus, ob es sich nun um ganz einfache, nur linearverzierte Fenster aus lichten Schei- ben oder um eigentliche farbenprächtige Glas- bildnerei handelte. Er fand dort beide Auf- gaben und löste beide gleich gut und gleich logisch. Andere Glasfenster, die nicht min- deren Beifall fanden, hat Diez für das Stadt- liaus in Essen, für das Rathaus in Remscheid usw. entworfen.
Besondere Lust scheint der Künstler an der Wanddekoration in Mosaik zu haben, eine Vorliebe, die sich ohne Weiteres begreift. Er liebt die strenge Form, die straffe Kontur, die scharfumgrenzten Flächen — lauter Dinge, welche die Mosaikkunst von dem Schöpfer ihrer Entwürfe auch ihrerseits fordert. Seine spezielle Stärke ist es, den Bildschmuck or- ganisch und doch mit selbstherrlichem Ge- schmack in einen Raum zu passen und er zeigt diese Stärke auch in der kleinsten Vignette. Um wie viel mehr bei Aufgaben, die ihn direkt mit der Architektur zusammen zu arbeiten zwingen. Er liebt auch als geborener Deko- rateur die Verwendung glanzvoller, reiner Far- ben — so konnte ihm kaum ein Material will- kommener sein, als die Glasmosaik mit ihrem unverwüstlich frischen Farbenschmelz , die Höhen und Tiefen, Glanz und Kontraste hat, wie kein anderes Mittel der Malerei. Man möchte fast sagen, die Mosaikkunst und die Glasmalerei haben die „Farbe an sich" zur Verfügung, die optisch reine, die kein Binde- mittel trübt und kein Malgrund aufsaugt. Die Freude an solcher blühender F'arbe spricht froh und laut aus den schönen großen Medail-
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Julius Dirz-Mtuiilic
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Ions, die Julius Diez für das Wiesbadener Kur- haus jieschaffen hat. Sie sind von wahrhaft festHcher Heiterkeit. Anders wieder faßte er seine Auffjabe, als es galt, die i>roße Halle in German Bestelnieyers stattlichem Neubau der Münchner Universität mit musivischem Schmuck zu versehen. Die ganze gewaltige Ostwand des imposanten Raums stand dem Künstler zur Verfügung und die Aufgabe, in Schmuck dieser großen Fläche den architek- tonischen Gedanken des Ganzen, so zu sagen, zu krönen, war schwer und reizvoll genug. Es galt, diskret und doch stark zu sein, die Fläche zu gliedern und zugleich geschlossen zu halten, Reichtum mit Einfachheit zu verbinden — und Diez hat alle diese Widersprüche mit Klugheit und Geschmack gelöst, tjber der stucco-lustroVerkleidung jener Wand, derhalb- runden Stirnwand eines Tonnen -Gewölbes, prangt zwischen feingegliederten Stuckpfeiler- chen, die vergoldet sind, das dreiflügeligc, von einem giebelartigen Feld gekrönte Mosaikbild. Die Harmonie von Gold, Grün und dunklen grauen Farben, in der es gehalten ist, nimmt den Gesamtton der Steinverkleidung der un-
Walpiirgisiiaclit
teren Wandpfeiler und Sockel wieder auf, die, ganz einfach an Form, nur durch die Schönheit ihres Materials wirken. Auf den Seitenflügeln des eigentlichen Bildes sehen wir geflügelte Genien im Profil; sie tragen die Attribute der Göttin der Weisheit. Und den Born des Wis- sens, der an dieser Stelle quillt — rings um den Raum reihen sich die Hörsäle — schildert das Mittelstück. Zierliche Putten tragen das obere Becken des Springbrunnens, Medaillons mit den Symbolen der vier Fakultäten umgeben ihn. Das Ganze ist von einer frohen Feierlich- keit, gleich weit weg von akademischer Steif- heit, wie von Extravaganz. Über dem, aus kost- barem Marmor gefertigten Portal des „Gros- sen Hörsaals", derdieserWand gegenüberliegt, prangt ein anderes Mosaikbild nach Diezschem Entwurf ; die Wissenschaft in blauem Gewände, ihre goldenen Samen aussäend. Es wird er- zählt, daß sich liochmögende Herren selbst an dieser Stätte der Weisheit sehr ablehnend gegen Diezens l'.ntwurf verhielten, weil ihnen die charaktervolle Gestalt der Samcnstrcuerin nicht „schön" genug war. Man sieht's mit bit- terem Lachen immer wieder, wie wenig Frei-
<' iK. JULIUS DIEZ-JIUXCHEN. . galante
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Jtilius Diez-J\fü)h/ic>
'I ri,--"K II'l irs MF/ -MlNl HEN.
heit und Bildung gerade den freien Künsten gegenüber auch die Gebildetsten zu zeigen pflegen ! An unserer Nachbildung des Entwur- fes kann man sich überzeugen, daß Diez an jener Figur gewiß keinen „Häßlichkeitskultus" getrieben hat — aber die Zahl derer, denen der Begriff „Frauenschönheit" mit dem Pup- penhaften identisch ist, scheint merkwürdig groß zu sein! — Auch der neue Bahnhof in Nürnberg hat Mosaikschmuck von Julius Diez erhalten — ihm macht diese Technik, eine Technik der Kraft und sicheren Ruhe, ganz be- sondere Freude!
Als der bekannte Münchner Baukünstler Emanuel von Seidl den Auftrag erhielt, ein monumentales Restaurationsgebäude für den neuen Münchner Ausstellungspark zu schaffen, zog er zur malerischen Ausschmückung des originellen Baues mit in erster Linie unsern Maler heran und die Nuß, die er ihm zu knacken gab, war hart genug. Von dem hohen Festsaal- bau gehen, in mehrfach gebrochenen Bogen, zwei nach vorn offene, gewölbte Wandelhallen aus, die, in Pavillons endigend, die Wirtschafts- terrasse umarmen. Die Rückflächen dieser beiden, nach vorn offenen Wandelhallen nun, von denen jede 65 Meter mißt, galt es mit einer zusammenhängenden Fresken-Dekoration zu zieren, also einen Riesenfries zu schaffen, der sich über dem Lambris hin- und bis in die gewölbte Decke hineinzog. Schon die Fest- stellung einer Idee, die für den enormen Raum ausreichte und etwas anderes brachte, als die gewohnten Aufzüge und Allegorien, kostete nicht wenig Kopfzerbrechen. Die Fläche mußte
Ii' li.irativi!, l'anneau: » Waj/cnlL-nker
„gedeckt" werden und durfte doch nicht all- zuviele Arbeit kosten. — Diez half sich durch einen wirklich genialen Einfall: Er verwandelte den ganzen, ausgedehnten Raum in eine Gar- ten- oder Parkanlage im Sinne der Watteau- Zeit, eine jener pittoresken Anlagen, in denen bizarre Gartenkünste mit der freien Natur zusammenwirken. Da gibt es geschnittene Hecken, Spaliere und Bogengänge, grüne Brunnentempel, Tore und Lauben, Pyramiden- bäumchen und allerlei tolle Figuren, wie sie damals die Gartenkünstler aus Buchs und Taxus schnitten. Und diese etwas steife Herr- lichkeit der barocken Gartenkunst wird immer wieder unterbrochen durch ungebändigte und unverschnittene Natur, grüne malerische Bir- ken und andere Bäume, oder durch architek- tonischen Zierat, Balluslraden mit Vasen und Urnen, Brücken und Brunnen und mytholo- gische Steinfiguren, wie sie zum Barockgarten gehören: da ist ein l*"aun auf einem Kiniiorn, ein Aktäon, der sich eben in einen Hirsch, eine Daphne, die sich eben in einen Lorbeer- baum verwandelt. Durch Blumensträuße, die da und dort auf dem Geländer liegen, durch bebänderte Girlanden und Buketts , durcii eine Menge farbenprächtiger Wundervögcl, kommt bunte Farbe in das Garlengrün. Auch drollige Affen treiben sich dazwischen umher. Die menschliche Gestalt ist spärlich verwen- det. Nur eine kleine Zahl famos gekennzeich- neter Rokokotypen ist zu sehen und wirkt dann aber um so lustiger und lebendiger. I Her wird eine vornehme Dame von Gondolieren auf bauchigem Boot durch einen Kanal ge-
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Fritz V. Ost Uli.
jri.irs UIE/, -MIXCHEN.
emäklc onsgalei-
rudert ; dort läßt ein hübsches Mädchen einen Drachen steigen; dort fährt im Jagdgewand eine schlanke Schöne mit einem Gespann von Hirschen über eine Brücke ; ein Vogelfänger, der direkt aus der Comedia dell'arte zu kom- men scheint, lehnt an einem Tor — alles hat Reiz und Witz und kennzeichnet die Zeit, für die Diez übrigens immer eine gewisse Vorliebe zeigt — was die Typen, nicht was die Schnör- kel des Stils angeht! Auch auf seinen Tafel- bildern spielen die galanten Damen mit Reif- rock und turmhoher Puderperrücke eine Rolle. Aber Rokokobilder malt er nicht, sondern Ge- schöpfe eigener Phantasie. Ihn reizt das, was auch in der Tracht ein wenig burlesken Cha- rakter hat, wie alles, was nicht alltäglich ist. Wie Diezens sämtliche Tafelbilder, sind auch alle seine für die „Jugend" gezeichneten Titelblätter und Vollbilder phantastischer Art, phantastisch in der Weise, wie etwa Dürers Melancholie und Fortuna oder die Apokalyp- tischen Blätter. Auch hier keine Originalität um jeden Preis, sondern eine, die ganz leicht und natürlich aus unendlich fruchtbarer Vor- stellungskraft quillt. „Die große Waag", „Frau Wahrheit will beherbergt sein" und ähnliche Kompositionen dieser Art machten das markige und selbstherrliche Talent des jungen Diez zu- erst bekannt. Eine ganze Reihe solcher, aufs Sorgsamste ausgeführter Blätter hat der Künst- ler übrigens schon vor Gründung der „Jugend" an den „Pan" gegeben, in dessen Mappen sie leider, ohne reproduziert worden zu sein, spurlos verschwunden sind.
In seinen Staffeleigemälden blieb und bleibt Diez fast immer auf dem Gebiete des Spuk- und Märchenhaften, wobei seine Besonderlieit schwer mit Worten festzustellen ist. Vielleicht liegt sie in der merkwürdigen Verbindung von Poesie und Humor; die erstere bringt der Ma- ler, den zweiten der Zeichner ins Bild. Der Maler Diez kann dabei ganz merkwürdig weich und zart werden, wie in dem seltsamen Pastell mit den „Sumpfgespenstern", worunter man sich etwa die Geister verstorbener Kriegs- männer vorstellen mag, die auf der Walstatt, wo sie gefallen sind, umgehen. Noch feiner als Malerei ist der „Spuk" aus der Galerie Knorr mit den nonnenhaften Trudenweiblein, die irgend ein blühendes Menschenkind zur Exekution führen — ein ganzes Märchen läßt sich aus dem schönen Nachtstück spinnen. Gespenstisch im höchsten Grade sind ferner die „Pest", die „Panik", die auch als Farbe ihren fremdartigen Zauber haben — Teufeleien mit starkem Einschlag von Humor sind der „Kuppler" und „Fortuna". Ein großer Schalk spricht daraus, der seine ganz eigenen Ge- danken hat. Dortdcrgeschwänzteund gehörnte Liebesbote und ganz hinten, durch den Mauer- bogen sichtbar, sein Auftraggeber, derbehäbige Chinese ! Mit mehr burlesker Anmut hat noch keiner das Thema von der käuflichen Liebe behandelt. Im zweiten Bild ist der Teufel als Leibkutscher der Dirne Fortuna angestellt — in einem dritten liest er einer Schönen aus einem galanten Buche vor — den Satan und das Weib bringt der Maler gerne in gegenseitige
Julius. Dicz—]\Iüuchc)
Beziehuns^en. Auf der Großen Ausstellung im Münchner Glaspalast 1909 sind zwei weitere, hier wiedergegebenc Gemälde von Diez zu sehen — leider höchst unjilücklich (^ehänj^t — die schwermütigen „Herbstzeitlosen" und die wildburleske „Walpurgisnacht". Die letztere, so ganz anders als alle bisher bekannten Va- rianten des Themas, erklärt sich ohne weiteres aus der Reproduktion. Zum ersten Bilde ist zu erzählen, daß die traurig und schattenhaft wandelnden Gestalten in die Farben der Herbst- zeitlose, Weiß, Lila mit ein wenig Orangegelb im Futter der Kapuzen, gekleidet sind. Man beachte, wie groß die beiden Bilder auch in der kleinen Wiedergabe wirken.
Seine Lust am Märchen betätigt Julius Diez einmal auch in einem ausgezeichnet frischen und originellen Märchenbuch „Miaulina", das
ein Liebling der Kinderwelt hätte werden müssen — wenn nicht eben die Kinderwelt ihre eigenen Bedürfnisse hätte, sehr schwer zu ergründende ! Stümper und Dilettanten haben da gemeiniglich mehr Glück, als Künstler und das Läppische gefällt oft besser, als der echte Humor. Was hierbei Erziehung und was tiefer gegründetes Naturbedürfnis ist — wer mag es sagen? Wer Verständnis und Liebe für einen unserer eigenartigsten und kernigsten Künstler besitzt, wird auch an der „Miaulina", trotz des Mißverhältnisses von Text und Künstlerarbeit, seine große Freude haben. An zeichnerischem Buchschmuck und anderer stilistischer Kleinkunst hat Diez übri- gens auch sonst noch eine unabsehbare Fülle von Arbeiten produziert. So zeichnete er, noch als Kunstgewerbeschüler, den damaligen
I'RUI'ESSÜR JUUU
Julius Dirz—]lfüiic//en.
Bedürfnissen des Kunsthandwerks entf^egen- koniniend, Entwürfe für Majoliken, Platten und Krüge für die Firma Villeroy und Boch, lieferte eine Anzahl Blätter für die „Allegorien und Embleme" von Gerlach und Schenk, bei denen auch ein Franz Stuck etwas früher sich seine Sporen verdient und seine Selbständigkeit er- stritten hatte. Von ihm stammt Buchschmuck aller Art, auch für ein Büchlein des Schreibers dieser Zeilen — von ihm stammen nicht wenige Exlibris, die von den zahlreichen Freunden und Sammlern dieses Kunstzweiges mit Recht als besondere Kostbarkeiten geschätzt werden. Auf Seite 27 findet der Leser eine Auswahl aus einer großen Serie von Vignetten und anderen Buchornamenten, die Diez eben für eine Schrift- gießerei in Frankfurt ausgeführt hat. Eine treffliche Idee, auch die „vorrätigen" typo- graphischen Schmuckstücke , die durch den Handel in alle Offizinen kommen, von einem Künstler solchen Ranges fertigen zu lassen! Auch eine Anzahl kraft- und charaktervoller Plakate, wie das der Ausstellung München
1908, das der Münchner Internationalen von
1909, das der hübschen kleinen Tölzer Ge-
il.-k.iratn.-n IUI,!: l-.„tiina
von Professor Bermann-Münctie
werbe-Ausstellung dieses Sommers , ist aus seiner Künstlerwerkstatt hervorgegangen. 1! Nichts Künstlerisches blieb ihm fremd. Auch die künstlerische Lehrtätigkeit nicht , die er nun im zweiten Jahre an derselben Münchner Kunstgewerbeschule übt, in der er seine Lehr- zeit verbracht hat. Daß die Wahl auf ihn fiel, der sich selbst dereinst gegen die Schule seine Individualität bewahrt hat, ist wohl zu be- grüßen. Er wird gewiß nicht in Gefahr kom- men, wie Andere so oft tun, den Schülern seinen Charakter aufzudrängen! Und er weiß aus jener, für ihn an Nöten und Kämpfen reichen Lehrzeit gar gut, was ein Werdender an Ermunterung und Hilfe braucht!
Julius Diez hat auch zu denen gehört, die im Jahre 1908 mit froher Begeisterung auf die epochemachende Idee des Münchner Künst- lertheaters eingingen — und hat auch zu denen gehört, die damit die schönsten Erfolge erzielten. Sein „Was ihr wollt" war mit Fritz Erlers „Faust" wie gesagt „Clou" jener Sai- son, seine Arbeit war außerdem die wenigst umstrittene von allen , war ein Griff ins Volle, ein Gelingen im Ganzen. Er faßte mit
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Juliii-- DicZ-]\If(!hllCi
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Liebe die Aufgabe an, die für ilin niclit eine nebensächliche Beschäftigung , wie sie dem Maler etwa jedes Künstlerfest bringen kann, bedeutete , sondern eine Frage der großen ernsten Kunst! Ein Arbeiten mit Mitteln und in Dimensionen, wie sie sonst nicht wieder zur Verfügung stehen, ein Malen mit wirk-
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^PAVLir^
licheni Licht, ja mit lebendiger Bewegung! Den Stilisten reizte die großzügige, grundsätz- liche Vereinfachung der Szene , wie sie das Künstlertheater verlangte, der Maler die Auf- gabe, durch Mittel der Farbe, Formgedanken und das Spiel wechselnder Beleuchtung das Werk des Dichters zu heben. In seinem „Was
l'RolEbSoR FKAXZ METZKER— BEKUN.
Uitail für (las \'..lk, istlilaiht-IX-nkmal in l.'-ipzis;.
MODELLE ZUM VÖLKERSCHLACHT-DENKMAL.
Fließender Stahl ballt sich, bäumt sich, zieht sich zusammen zu Gestalten — es stehen Männer da, Riesen, von einem undenkbaren Alter, wie aus der Zeit, da die Erde, die me- tallen glühende , erstmals erstarrte. Heiße Lava strömt ihnen hart und schnittifj vom Haupte. Der stählerne Mechanismus des Schä- dels, der in unrückbaren Klammern verankert sitzt, gebiert stöhnend den ersten Gedanken. Tausend Tonnen schwere Platten aus fahlem Nickelstahl umhangen unangreifbar diese Pan- zerturmritter, die festgegossen, festgeschmiedet stehen wie für die Ewigkeit. Wie Eggenzähne, wie Baggerkrallen greifen die Finger, fünfglicd- riges Stahlgestänge spannt sie statt der Sehnen. Es drängt, steigt, zwanzigtausend Pferdekräfte wuchten und stampfen und ziehen und pressen und die kolossale Eisenwand hält sie mit letzter Macht kaum noch in Fesseln . . .
Über den Orgien von Stahl und Kraft er-
hebt sich bleich ein rätselhaftes Antlitz wie eine seit Millionen Jahren aufgesparte Frage; Wird der Mensch auch diese Zeit der wahn- sinnigsten Kraftsteigerungen überwinden, um als ein edlerer, höherer, reicherer in die Zu- kunft zu gehen? Dem Streiten von 1813 ist heute ein Völkerringen gefolgt von riesigster Ausdehnung, von erdstürzender Gewalt, ein Ringen ohne Ruhetage und Waffenstillstände. Es donnert in den Fabriken, es zermalmt Ar- meen von Arbeitern, es schleudert die Völker herum wie Sturmwind, es zerreißt ihnen die Nerven und versengt ihnen die Seelen . . . S Werden dieVölker dieses wahnsinnigeWett- rennen um die Güter der Erde, diese Über- steigerung aller Kräfte heil überwinden? Dann wird das Völkerschlacht-Denkmal, das so we- nig vom Geist und vom Kämpfen des Jahres 1813 meldet, dem Mensciien von 1913 ein ewiges, glückliches Siegesmal sein. \ i mm \\\
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l'KoFEbSOR EMAKUEL VON SEIDI,- MÜNCHEN.
WOHNHAUS FRIEDRICH LAMPE- LEIPZIG.
FRANK EUGENE SMITH MÜNCHEN.
POKIKÄT-AUKNAIIME; >/I'KlN/. KUfl'RECUT«.
IKANK FI i;KNE
l'..Hi;u Aufiiahni.'
FRANK EUGENE SMITH-MÜNCHEN.
I"* s sei mir hier ferne, wieder einmal an die ^ Frage zu rühren, die schon Jahre hindurch unter Diskussion steht und Stoff zu den lang- stieHgsten Kontroversen hefert : ob nämhch eine Photographie als Kunstwerk betrachtet werden könne oder nicht? Ich halte es da mit Bernard Shaw, der, selbst ein eifriger Photo- graph und fanatischer Bewunderer der durch die Photographie gebotenenMöglichkeiten, bereits Vorjahren das treffliche Wort fand: „Nur für hysterische Frauen oder Männer kann es hier- über überhaupt zu Erörterungen kommen ; denn sobald wir erkannt haben, daß die Pho- tographie uns irgend etwas bedeutet, ersteht nur die eine Frage, wie wir sie zu höchstmög- lichster Vollendung bringen können". Und im Anschluß an diesesZitat gestatte man niirgleich noch ein anderes aus dem nämlichen Autor: „Wahrheit ist's, daß weder eine Photographie noch ein Gemälde von Haus aus „künstlerisch" sind. Niemand, dem auch nur das ABC der Kritik geläufig ist, wird annehmen, daß sich die bildende Kunst auf die Prozesse bezieht, durch welche ihre Werke hervorgebracht wer-
den, statt auf die Qualitäten in letzteren". — Die Qualität der Schöpfung — gewiß, sie ist es, auf die es einzig und allein ankommt ! Hervorragende künstlerische Qualitäten nun waren es, die mir vorlagen, als ich, ich glaube es ist nun drei Jahre her, zum erstenmal Ar- beiten Frank Eugene Smiths in einer Aus- stellung bei Zimmermann in München vor Augen bekam. Ich hatte vorher nie ähnlich Gutes auf diesem Gebiete gesehen und muß bekennen, diese Blätter gewährten mir ganz die gleiche Freude, wie sie jedes andere Kunst- werk von Rang mir zu übermitteln pflegt. Überrascht vor allem war ich durch die stark persönliche Note in diesen Schöpfungen (und sie ist es doch, die man in erster Linie den Unter- scheidungszeichen der Kunstwerke gegenüber rein handwerklichen Krzeugnissen zuzäiill). Kurze Zeil darauf fügte es der Zufall, daß ich mit Smith persönlich bekannt wurde und durch ihn, etwas später noch, mit Alfred Stieglitz, den) Herausgeber der vornehmen New -Yor- ker Zeitschrift „Camera Work". Ich betrachte meine Bekanntschaft mit beiden Männirn für
Fia)ik Eitooic S)iiilli—l\Iiuiclic)
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einen dauernden Gewinn. Denn beide, obgleich in manchem ihres Wesens gänzlich von ein- ander verschieden, gehören jenem prächtigen Typ des Amerikanertunis an, der gegenüber dem vorherrschenden Geschäftsrationalismus im Lande, mit idealster Begeisterung sich einer Idee hingibt, dabei aber wiederum nicht mit getrübten, sondern ganz hellen Augen. In Amerika und unter solchen Männern war es denn auch, daß die Photographie zuerst zu jener Höhe geführt wurde, wie Shaw sie für sie verlangt. Im November 1905 wurde in der Metropole der Vereinigten Staaten in der 5. Avenue der Ausstellungsraum der „Photo- sezession" eröffnet, einer kleinen Gesellschaft ausgezeichneter Photographen und Freunde der Photographie, zu dem Zweck und mit der Absicht, nur das Beste vom Besten vorzu- führen. Die Geschichte dieser Korporation ist gleich jeder anderen, die noch je versuchte, eine Sache aus den Bahnen steriler Konven- tion herauszureißen und neuen Zielen zuzu- leiten. Sie erfuhr allen nur erdenklichen Haß, jede Sorte Mißgunst; namentlich von Seiten der Berufs- Photographen, deren allgemeiner
Photcigiapliic; ; Memiett' .
Mangel an Ingenium natürlich durch die Mög- lichkeit des Vergleiches mit einemmal klar an den Tag kam. Stieglitz aber und seine Schar, unter ihnen eine Reihe auch auf anderen Ge- bieten bildender Kunst ganz Vorzügliches leistender Männer , hielten tapfer aus und können heute mit Stolz auf ihre nun mehrjährige Tätigkeit zurückblicken. Auch der Erfolg in der Öffentlichkeit hat sich eingestellt und wenn, in Amerika besonders, heute bereits Samm- ler existieren, die, wie Andere Kollektionen von Bildern, Schnitten und Stichen etc. sich anlegen, Photographiewerke erwerben und erkannt haben, welcher Individualwert dem einzelnen Abzug zukommen kann, so ist dies nicht zum geringsten Verdienst der Bemüh- ungen der Photosezession. Dabei herrscht in dieser wohltuender Weise nicht die Spur einer Orthodoxie vor. Die verschiedensten Indivi- dualitäten kommen zu Wort , oft mit recht gegensätzlichen Ansichten über Ziele und Wege photographischer Wiedergabe ; Bedingung ist, wie gesagt, nur die exquisite Güte der vorge- führten Werke.
Frank F.ugene Smith war einer der ersten,
FRANK KfGHNK SAUIH MÜXCHEX. PHOTOGKAl'IIISCHKS BILDNIS: I-:. (!.
F)-a)ik l-'j(''Ciir S^))nlli~MiuicIi(ii.
IRNNK EtaF-XE --MITH MINCHEN.
dessen Arbeiten auf den Ausstellungen der kleinen Galerie besonderem Interesse und all- )5emeinerer Wertschätzuni^ begejjneten. Maler von Haus aus und wie jeder, der jemals Proben dieser seiner malerischen Leistungen zu Ge- sicht bekam (er ist in dem Punkt sehr zu- rückhaltend), zugestehen wird, ein Koloristvon nicht alltäglicher Begabung, verleugnet er auch in seinen Photographien nicht seine zuvörderst malerische Begabung. Man hat ihm daraus manchmal schon einen Vorwurf zu machen ge- sucht, ihm besonders auch gewisse technische Manipulationen, die er mit der Platte vor- nimmt — von den hier wiedergegebenen Ar- beiten sieht man sie am besten an dem Blatt „Adam und Eva", bei dem mit der Nadel in die Platte gearbeitet ist — anzukreiden ge- sucht. Aber man tut dies, wie ich denke, mit großem Unrecht. Denn obgleich ich persönlich in meiner Ansicht über Photographie auch Smith gegenüber kein Hehl daraus mache, Purist etwa vom Schlage Shaws oder Stieglitz's zu sein, so halte ich doch sein Vorgehen, ge- rade bei ihm, und nicht zum mindesten aus unserer näheren Bekanntschaft heraus, für voll- kommen gerechtfertigt. Die gelegentliche An-
r.ildni^; Crahri.lla T.rnl.ath.
Wendung des Pinsels und der Nadel geschieht nicht, um damit billige Effekte zu erzielen, wie man sie in München, wo Smith seit ein paar Jahren seinen Wohnort aufgeschlagen und sein Beispiel manchen unselbständigen und schwa- chen Geist zur Nachahmung verleitet hat, jetzt mitunter sehen kann, sondern sie sind ihm gänzlich untergeordnete Hülfen zur Abrundung seiner Kompositionen, in die er als neues und eigenstes Element eine bislang unbe- kannte Reichhaltigkeit der Tonstufen gebracht hat. So hat er auch als Lehrer sich nie bemüßigt gesehen, seine Schüler zur An- wendung ähnlicher Mittel zu führen; sich wohl bewußt, daß sie nur bei ihm Sinn und Berech- tigung erlangen. Und nichts liegt ihm ferner, als die Reihen derjenigen zu stärken, die aus Malerei und Zeichenkunst kommend in die Dunkelkammer allerhand von der Korruption und Unvollkoninienheit jener Kunstgattungen tragen und die Aufgabe der Photographie in der Aufnahme irgend einer malerischen oder zeichnerischen Manier in sie zu erfassen glau- ben, statt einen der vollendetsten Führer zur Natur in ihr zu sehen.
Als das eigenste und feinste Element in
KKAXK Kl'CHXK SMllII.
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Frank F.ii
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FKAXK EUliENE SMIIH MINc KEN.
Porträt- All fnalime.
Sinitlis Schöpfungen hob ich die Fülle in seiner Tonskala hervor. Als Beispiel hierfür diene das auf S. 45 wiedergegebene Kinderporträt von Gabriella Lenbach. Die Zartheit, Duftig- keit und Wahrheit, die hier durch Kontrastier- ung und Zusammensciiluß differenziertester Valeurs erreicht viferden, sind vk^undervoll. Und wie atmen uns in dem oben zitierten Blatt „Adam und Eva" die Körper aus dem Dunkel entgegen, in ihrem Leben von Licht und Schat- ten geradezu meisterhaft behandelt. Lebens- fülle seinen Aufnahmen zu geben, das ist es, wo- nach Smith in höchstem Maße strebt; sie sollen dem Auge interessant werden, aus der Sphäre derLangweile emporragen, diephotographische Arbeiten so vielfach uniluillt. In seinen [Mil-
dern gibt es keine toten Punkte, in jedes Eck strömt Leben, vom Mittelpunkt der Darstel- lung ausgehend, aus. Und diese Sehnsucht nach Vitalität seiner Schöpfungen ist es auch allein, die Smith bewegt, in seine Platten ge- legentlich mit Stift und Pinsel hineinzuarbeiten. Er will damit nicht den Charakter der Photo- graphie verwischen, nichts vortäuschen, son- dern lediglich da noch ausgleichen, wo die Photographie wie jede andere Art der Natur- wiedergabe LlnvoUkonimenheiten zeigt. Frei- lich das Recht zu solcher Behandlung wird man immer nur ihm allein und allenfalls einigen wenigen seinesGeistes zugestehen kön- nen, jeder Unberufene muß mit solcher Tech- nik unfehlbar zu Schanden kommen. Es ist
KRANK El-i.l
WERKTÄTIGE JUGEND-ERZIEHUNG.
Ücr enormen Entwicklunji der Industrie und des Maschinenwesens, wie sie sich seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat, steht auf der anderen Seite der Niedergangdes Handwerks entgegen. Es unter- liegt auch gar keinem Zweifel, daß das Hand- werk in seinen althergebrachten Betriebsfor- nicn noch mehr zurückgedrängt werden wird, daran werden alle Klagen nichts äiulern, denn
sie können den Gang der naturgemäßen wirt- schaftlichen Entwicklung nicht aufhalten. Aber eine andere Frage ist die, ob wirklich auch die qualifizierte Handarbeit an Bedeutung ver- liert, oder ob sich nur die technischen An- sprüche an dieselbe ändern, und ob nicht ge- rade durch den Fortschritt der Maschinen-In- dustrie die Nachfrage nach handgeschickten und gut durchgebildeten Arbeitern sich slei-
Dircklor Dr. Pahst-T^apiio .-
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KRANK EUGENE SMIIH MINCHEN.
-Bildnib: .Schachwellnu'ister Dr. l'^inama'l I.askcr.
j^ert. Eine genauere Prüfung dieser Fragen zeigt, daß selbst durch die besten Maschinen geschulte und geübte Hände nicht entbehrlich gemacht werden, im Gegenteil: je feiner und komplizierter die Maschinen werden, desto geübter müssen auch die Hände sein, welche diese Maschinen bedienen sollen. In einem Vortrage machte W. v. Oechelhäuser die sehr beachtenswerte Bemerkung, „daß mitunter
kostbare Werkzeugmaschinen zeitweilig außer Betrieb bleiben müssen , weil man nicht ge- nügend tüchtige Arbeiter dafür findet". Mit anderen Worten also; unsere allgemeine und unsere gewerbliche Erziehung leisten das nicht, was im heutigen Maschinenzeitalter von der Er- ziehung des Arbeiters gefordert werden muß. Diese Klage wiederholt sich mit einigen Va- riationen auf allen Gebieten gewerblicher und
PKorrssoR r:Mii. ori.ik
ARCHITEKT CARL WITZMANN-WIEN.
VCiX A. S. I.EVEITS-WIEN.
Daß Carl Witzmann zu den begabtesten jüngeren Architekten Wiens gehört, ist schon an dieser Stelle anerkannt worden. Als Schüler Professor Hoffmanns hat er gleich am Anfange seiner Tätigkeit die größten Hoff- nungen erweckt, und seine Entwicklung hat uns nicht enttäuscht. Als gelernter Tischler kam er an die Wiener Kunstgewerbe-Schule; die Erfahrungen und praktischen Kenntnisse, mit denen er ausgerüstet war, zusammen mit seiner künstlerischen Begabung, dem weiten Blick und dem feinen, angeborenen und aus- gebildeten Schönheitsgefühl, sind ihm sehr zu- statten gekommen.
In seinen Arbeiten liegt immer viel erfreu- liche Frische, seine Entwürfe sind fein erson- nen, die Raumlösung und Ausstattung gut und zweckentsprechend, stets den Ciiarakter ihrer Bestimmung spiegelnd.
Seine gründliche Ausbildung als Handwerker befähigt ihn, die Ausführung seiner Entwürfe bis ins kleinste zu überwachen. Künstlerischer Takt leitet ihn, die Beziehungen zwischen dem Bewohner und seinem Heim mit Sicherheit herauszuarbeiten, sodaß alles im schönsten Elinklang steht. Die hier abgebildete Wohnung des Herrn J. mag als Beispiel dienen. Im Wohnzimmer hat Witzmann den Liebhabe- reien des Besitzers, eines eifrigen Liebhaber- Photographen und Sammlers , Rechnung ge- tragen. Eine Reihe großer künstlerisch durch- geführter Landschafts-Aufnahmen ist in die Täfelung der Wand eingefügt. Der Raum ist von reizvollster Wirkung, E^in breit gehaltener Kamin aus grauem Malplaquet, mit Säulen aus schwarz-weißem Brescia-Marmor ist ihm ein besonderer Schmuck. Die darüber befindliche ornamentale Malerei, eine eigenhändige Arbeit Witzmanns, in blauen, violetten und silbernen Tönen gehalten , stimmt harmonisch zu der grauen E arbe der Wände und den vorherrschend grauen Tönen des Zimmers. Die nicht nur an der Decke, sondern auch tiefhängend an den Wänden angebrachten Beleuchtungskörper er- möglichen eine gleichmäßige Lichtverteilung im Raum. Diebequenien und schönen Sitzgelegen- heiten und die gemütliche Ecnsterpartie sind
bemerkenswert gute Lösungen. Die Bleiver- glasung des Fensters ist in weiß, blau, violett und grün gehalten. Das ganze Zimmer atmet wohltuende Ruhe.
Beim Speisezimmer hat Witzmann zwei klei- ne Räume zu einer schönen Einheit vereinigt. Den unteren Teil eines der beiden Fenster hat er zugebaut und damit eine Eckpartie gewon- nen. Um eine geschlossene Wirkung des Rau- mes zu erzielen, sind die Wände durch Scha- blonierung in quadratische Felder eingeteilt; die Fenstervorhänge weisen das nämliche Motiv auf. Gleich beim Eingange befinden sich zwei Nischen; die eine dient als Plauderecke, die andere als Servierraum, so daß der Anrichte- tisch unmittelbar bei der Türe steht. Der Ka- minumbau der Plauderecke ist ganz einfach gehalten und weiß lackiert, die freistehenden Möbelstücke schwarz gebeiztes Eichenholz. Schlicht und fein sind auch Kredenz und Ser- viertisch. Es war dem Architekten darum zu tun, sie möglichst glatt zu halten, deshalb hat er statt der üblichen Messinggriffe solche aus Holz angebracht, die im Einklang mit den ge- schnitzten Säulen stehen.
Das Schlafzimmer, in Ahornholz weiß lak- kiert, ist ein besonders reizvoller Raum. Vor- hänge aus bedrucktem Leinen, gelb auf weiß, mit Schleifen zusammengehalten, umgeben das Bett. Die Wände wiederholen Earbe und Muster der Vorhänge, die Bettdecke ist gelb. Die Schränke sind im Profil ganz glatt, die Ecken abgerundet. Die Polster von Sopha und Sessel sind derart angebracht, daß sie mühelos abgenommen werden können.
Der Vorraum ist ebenfalls höchst praktisch eingerichtet, in weiß lackiertem Ahornholz gehalten, der Fußboden mit Linoleum belegt.
In der ebenfalls von Wilzmann eingerich- teten Halle des Herrn B. waren manche Schwierigkeiten zu überwinden, doch gerade in der Beseitigung solcher liegt für den schaf- fensfreudigen Künstler der größte Reiz. Um eine hohe und geräunnge Halle herzustellen, hat der Architekt die vorhandene Decke durch- brochen und die obere Stiege liefer gelegt. Reizvoll ist auch das Bhnnen- Arrangement,
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das er an den Treppenabsätzen und in den Fensternischen angebracht hat. Die Bleiver- glasung am Fenster des unteren Stiegenhauses, fein abgetönt in blau, grün und gelb, belebt die Halle in schönster Weise. Hin hübsches Frühstücksplätzchen befindet sich davor.
Noch eine Halle, in einem Landhause in Klagenfurt, ist zu erwähnen. Im Gegensatze zu der vorigen war hier der Raum sehr be- schränkt, folglich mußte jedes Plätzchen aus- genutzt werden, und so kommt es, daß auf der Abbildung eigentlich nur der Stiegenantritt zu
sehen ist. Die Wände sind mit I^auhputz be- worfen, die Täfelung in graublauer Farbe gehal- ten. Die freistehenden Möbelstücke sind aus schwarz gebeiztem Eichenholz. Für Wand- bespannung und Vorhänge wurde ein von Prof. Hoffmann entworfener Druckstoff benützt.
Bei allen seinen Arbeiten hat Witzmann stets das künstlerische Moment vor Augen, ohne die Zweckmäßigkeit zu übersehen. Als echter Schüler Hoffmanns versteht er es, die Schönheit des Materials herauszuarbeiten und er geht seinen Weg mit Bedacht und Würde.
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DIE GEBILDETE FRAU IM KUNSTGEWERBEHANDEL.
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Der Kampf der Frau um die Erschließung neuer Berufe ist heute schon eines der wichtigsten sozialen Probleme unserer Zeit. Seine Bedeutung wird in dem Maße weiter- wachsen, wie sich die Bedingungen für die natürliche Berufserfüllung der Frau durch die gesellschaftlichen Verhältnisse in der heu- tigen Kulturwelt weiterhin verschlechtern wer- den. Ins Gewicht fallen dabei freilich nur die- jenigen Bestrebungen, die aus einem ernsten wirtschaftlichen Bedürfnis hervorgehen und die von dem redlichen Willen geleitet sind, sich den Anspruch auf Selbständigkeit auch durch brauchbare Arbeit zu verdienen. Denn aller Erfolg beruht schließlich auf Gegenseitigkeit. Die schönsten Humanitäts- Forderungen der Frauenbewegung haben nur dann Aussicht, sich durchzusetzen, wenn ihre Erfüllung nicht nur
im Interesse der Frau selbst, sondern auch in dem der Mitwelt liegt. Darum liegt die Lösung der Frauenfrage nicht in der Eroberung von Männerberufen, wo die natürliche Überlegen- heit des Mannes ihre Mitarbeit von vornherein überflüssigmacht, sondern in der Erweiterung des Arbeitsfeldes, wofür die Frauen von Haus aus gewisse, in der weiblichen Natur liegende Vorzüge mitbringen.
Ein solches Arbeitsfeld ist der Kunstgc- werbehandel. Er befaßt sich mit einem Ge- biet, wo die weibliche Mithilfe fast so unent- behrlich ist, wie in manchem spezifisch weib- lichen Berufe, z. B. der Toilettenbranche. Denn auch hier spielt neben den rein praktischen Fragen die Geschniacksfrage bei Bestellung und Einkauf eine entscheidende Rolle ; und auch hier sind die Kaufenden vorwiegend Frauen,
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AK( III I |..K I ("Akr. WIIZMAXNT.
M'l' l'^^■/IM\II k IS Hl' U W'iHM'NC. V. A.J. \I"M' I IIHIM,: \liiill' IM.IKKk WIKN.
Die orehüdete Frau im Kioisfsewerhe/iatiJcl.
Frauen aber haben, weit mehr als Männer, das Bedürfnis, bei jeder Wahl, wo Urteil und Ent- schlußfähigkeit verlangt werden, sich leiten und beraten zu lassen ; und dann erst recht, wenn außer dem persönlichen Geschmack auch noch die Mode und der wechselnde Zeitgeschmack mitsprechen und es also gilt, darüber auf dem Laufenden gehalten zu werden. Andererseits eignen sich aber die Frauen auch für die Rolle, in diesen Dingen den Ratgeber zu spielen, ganz
in der Wohnung V. A. J. Wien.
besonders gut. Die Gegenstände, um die es sich handelt, fallen zum überwiegenden Teil in das Gebiet, wo die Prau waltet und schaltet; Wohnung und Küche. Die Frauen bringen für diesen Beruf also das mit, was das wichtigste Motiv jeder Berufswahl sein sollte; das natür- liche Interesse an der Sache. Dazu kommen gewisse persönliche Vorzüge, die in der weib- lichen Natur liegen; die größere Liebenswür- digkeit und Geduld des Anhörens und Anbie-
.\I<( III I l.K I < AKI. W I 1/„MAXX WIKX.
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Die scbilddc Fra
KiDisto-civcrbchandcl.
tens, die nun einmal da, wo ihr eigenes Ge- schlecht das Hauptkontingent der Kunden stellt, eine besonders große Rolle spielen. Weib- licher Bedienung gegenüber sind die Käufer- innen im allgemeinen unbefangener im Fragen und im Angeben ihrer Wünsche als Männern gegenüber.
Das alles kommt zusammen, um die Tätig- keit der Frau im Kunstgewerbehandel zu einer für beide Teile — den arbeitgebenden und arbeitsuchenden — gleich wichtigen und dank- baren Aufgabe zu machen. Und die Bedeutung dieser Aufgabe steigert sich damit, daß es sich hier nicht allein um materielle Bedürfnisse, sondern um höhere Kulturfragen handelt : wird doch der Geschmack, der in unsern Wohn- räumen herrscht, im wesentlichen davon be- stimmt, was von den Frauen und für die Frauen angeschafft wird. Es äußert sich hier wie- der der unmittelbare und ausschlag- gebende Einfluß, den der Kunstge- werbehandel auf das künstlerische Ni- veau unseres heutigen Lebens ausübt.
Um seiner Kulturaufgabe in diesem Sinne gerecht zu werden, müßte der Kunstgewerbe- händler aber vor allem auch über einen tüch- tigen Stab gebildeter Ve rkäuferinnen ver- fügen können. Denn die Summe rein fach- mäßiger Kenntnisse, die allenfalls für ein Putz- und Modegeschäft ausreichen, genügt nicht, wo es sich um Auskünfte handelt, die sich zum Teil mit den feinsten Bildungsfragen berühren; Fragen, in denen sich die gebildete Dame nur dem gebildeten Urteil unterwirft. Leider be- rührt man aber damit eine der größten Lücken in der Organisation unseres heutigen Kunst- gewerbehandels. Es fehlt ihm durchaus an
einem solchen Stand von Verkäuferinnen, die auf einem höheren Niveau allgemeiner Bildung stehen — einzelne Ausnahmen können daran nichts ändern. Gesellschaftliche Rücksichten und Vorurteile, die das Mädchen aus dem Volk nicht beschweren, hindern die Töchter unserer gebildeten Stände, einen Weg zu beschreiten, der eine so glückliche Lösung der Frauenfrage sein könnte. So ist es wenigstens in Deutsch- land, dem klassischen Land der gesellschaft- lichen Engherzigkeit. In England denkt man über diese Dinge heute schon viel freier, als bei uns. Am weitesten voraus aber ist uns darin Skandinavien. Hier gilt es als etwas Selbstverständliches, daß man einer Dame die gesellschaftliche Achtung darum nicht versagt, weil sie durch ehrliche Arbeit ihr Brot ver- dient. In dänischen und schwedischen Kunst- gewerbeläden kann man deshalb allenthalben Verkäuferinnen treffen, die durch ihre Kennt- nisse und durch ihr Auftreten beweisen, daß sie den gebildeten Ständen angehören. So hat gerade hier im Eldorado der Frauenemanzi- pation die Frau gezeigt, wie man auch ohne die unerfüllbaren Prätentionen eines beding- ungslosen Konkurrenzkampfs der Geschlechter seinen Teil zu einer gesunden Lösung der Frauenfrage beitragen kann : nicht durch Ein- reißen der natürlichen Grenzen, die der Tätig- keit der Frau gesetzt sind, sondern durch Über- windung der künstlichen Schranken, die ihr Kastengeist und Standesvorurteil setzen. Es ist schade , daß das Beispiel der Skandina- vierin bei uns nicht mehr bekannt ist. Es würde vielleicht auch bei uns manchen helfen können, sich auf dem gleichen Wege eine befriedigende Lebensaufgabe zu sichern. — ] k. u.
APHORISMEN.
Wer geyeii sidi seihst und ciruiere wdlir ist und bleibt, besi^t die sdiönste Eigenscluift der giöliten Talente. Goethe.
Die Bewunderung ist das Vermögen, am Schönen und Sinnreidien sich zu freuen; wir werden, wenn wir diese zerstören, gemein und uuehrerbietig.
lohn Knskin.
Kunst ist Ausdiui-kstdtigkeit. Abel- nicht alle Aus- diiukstätigkcit ist Kunst. Wenn jemand lacht oder weint, liefert er nocii kein Kunstwerk. Dazu wird Ausdnickstiitlgkeit erst, wenn sie zu selbständiger und versIciiulliilK-r- IJsilieluuug gelangt. (). Koluisliuniu.
Gewöhnlic+ikeit wird jedem geglaubt, zum Unge- wöhnlidien bedarf es der Autorität. August Panly.
Genie ist eine lange Geduld. In jcglidiem Ding steckt etwas, das nodi keiner gesehen und keiner aus- gedrückt liat, dies nui(i man herausholen. t"lau!)ert.
Unsere zarte, fülill)are und feiu empfänglidie tliitur hat aller Sinuc nötig, die ihr Gott gegebei\, sie kann keinen seines Dienstes entlassen, um sich einem andren allein anzuvertrauen: denn eben iniGcs.imt- gcbraudi aller Sinne und Organe zündet und leuditet allein die padel des Lebens. Herder.
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MARGARKIE VON' I'.K AllH I I SlH MIM'HEN.
( iarten-Schirni mit Kurbel-Stickerei. !n für Kunst im Handwerk, A.-G., München.
STICKEREIEN VON MARGARETE VON BRAUCHITSCH.
Frau von Braucliitsch gehört zu den wenigen originellen Kunststickerinnen, die eigene Technik und eigene Ideen haben. Viele fußen auf ihr, ehrlich oder unehrlich. Wer die Tech- nik und die künstlerische Art der Frau von Brauchitsch einmal eingehend studiert hat, wird sie immer wieder erkennen. Sie allein ist so originell in der Wahl der Stoffe, der Farben und Linienführungen, daß sie unter den vielen modernen Kunststickerinnen eine Richtung für sich bedeutet. Sie entdeckte vor weit länger als zehn Jahren die Stoffe, die sie seitdem so fein zu benutzen versteht; sie er- fand neuerdings die Bestickung vorhandener Kunststoffe mit farbigen Seiden, Wollen, Gar- nen derart, daß die Muster der Weberei in den Konturen naciigezogen werden, wie Vorhänge
und Stuhlkissen unserer Bilder es z.T. zeigen. Sie ist völlig originell in den Farben, die sie selbst erfindet, und die sie dank ihres einfachen Prinzipsunendlichreichvariierenkann. Ebenso kann sie ihre Formen von den einfachsten Or- namenten bis zur gobelinartigen Vollstickerei durchführen. Wenn Aufträge vorlägen, denke ich mir, könnte diese Künstlerin eine neue Kultur der Wandteppiche herbeiführen helfen, etwa wie sie es auf dem Gebiet der Theater- vorhänge bereits getan — sie hat für ca. zehn neue Theaterbauten die Vorhänge geliefert. Unsere Proben stammen aus einerihrer Ausstel- lungen in den Münchner Werkstätten. Sobald der Raum es gestattet, werden wir auf diese Künstlerin imd auf die Probleme der modernen Stickerei noch einmal zurückkommen. ■• m.
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Km 111 11 i- IM 1.1 AS AKllI' I 1 l.N .\111 l.ul hin kc
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REZEPTIVE BEGABUNG.
Vi in U'/I Uli M MH UFF
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/Vch, sie tut uns wirklich not! Man höre ■^^ nur in den Reden aller zeitgenössischen Künstler, der großen wie der kleinen: Überall ein Notschrei nach dem, der aufnimmt, nach dem, der durch sein Verlangen nach dem Kunstwerk diesem und seinem Schöpfer erst die eigentliche Autorisation verleiht. Kunst ist ganz sicher etwas Soziales. Sie setzt ihrem innersten Wesen nach den Zuschauer und Zuhörer voraus. Er gehört zu ihrem Begriffe, so gewiß dieser Begriff gipfelt in einem Deut- lichmachen, in einem Erkennbarmachen für Dritte. Kunst ist Mitteilungsdrang, und der Begriff „künstlerische Gestaltung" wäre gar nicht zu konstruieren ohne Auge und Ohr des Rezeptiven. Aus dem Inneren ein Äußeres
machen, daran hängt des Künstlers Herz. Aber das Äußere, das nicht gesehen, nicht erkannt und geliebt wird? „Du großes Ge- stirn, was wärest du ohne die, denen du leuchtest?" Mit diesen schopenhauerischen Worten verläßt Zarathustra seine Höhle. Und wie der Sonne, so geht es der Kunst. Sie „ist" nur, soweit sie genossen wird.
Der Künstler unserer Zeit empfindet das mit grausamer Deutlichkeit. Schon ehe er sein Werk hinausgibt, spürt er das kalte, feindliche Schweigen, von dem sein Werk verschlungen werden wird. Er ist doch auch Kind seiner Zeit, leidet unter den gleichen Leiden, die die Tausende bewegen, freut sich an gleichen Freuden wie sie. Er hat ein Recht zu erwar-
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l J 'ilheliu Michel - MimcJicn :
CV.ESCHKA— HAMHl RH
ten, daß man auf ihn horcht, wenn er die Früchte dieser Mit-Freude und dieses Mit-Leidens zu Markte bringt, wenn er gewissenhaft und red- hch, mit Können und Fleiß das gestaltet, was aus der allgemeinen Nährquelle der Epoche ihm in den dargebotenen Becher fließt.
Statt dessen stößt er gerade dann auf Widerstand, wenn er dem inneren Gesetz am treuesten gehorcht hat. Wer hat es nicht schon erfahren, daß die Welt gerade das per- horresziert, was der Künstler am reinsten und am redlichsten gesagt zu haben glaubte? Immer will sie etwas abnehmen von seiner Originalität, von der Eigenart seiner Aus- drucksweisc. Und noch häufiger als dieses wenigstens teilweise Zuhören ist wie gesagt
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das tote Schweigen. Der Künstler bietet Ware an, die niemand will.
Achtzig Prozent der Einsendungen werden von der Münchener Sezession alljährlich zu- rückgewiesen. Sie müssen zurückgewiesen werden, schon weil die vorhandenen Räume den Reichtum nicht fassen könnten. Das be- deutet ein ungeheures Angebot, dem keine Nachfrage entspricht, ja dem nicht einmal der Weg zu den „Konsumenten" freigegeben wird. Eine böse Lotterie, fürwahr, bei der nur jedes fünfte Los gewinnt, und bei welchem Ein- satz an Zeit, Kraft und Hoffnungen!
Und es drängt sich gerade hier die Frage auf, ob statt so vieler „produktiver" Be- gabungen nicht besser „rezeptive" Begabungen
Rezeptive Begabung
gezüchtet würden. Hand aufs Herz: Weiß nicht jeder von uns, der mit Künstlern viel Umgang hat, soundso viele davon zu nennen, deren künstlerische Neigungen sie gerade zu geschmackvoller, anspornender Rezeption, nicht aber zur Produktion befähigen? Aber unser Zeitalter hat den Tick aufs Produktive, Der nicht Produzierende gilt als Mensch zweiten Ranges. Sobald einer irgend ein Verhältnis, eine Neigung zur Kunst in sich spürt, wird schöpferische Begabung diagno- stiziert und dadurch meistens nur ein Dilet- tant mehr in die Welt gesetzt. Aber Hin- horchen und Zusehen können, wenn einer etwas Ehrliches zeigt, das ist auch eine Tätig- keit, die aller Ehren wert ist. Und rezeptive
II I.LMK.VnclX /.V I-. KKIM „IUI; MIMIINCI-N
Begabungen möchte ich diejenigen nennen, die kulturelles Verantwortlichkeitsgefühl in sich haben, die wissen, daß auch der ver- ständnisvolle Zuschauer ein Arbeiter im Dienste der Menschheit ist. Rezeptive Be- gabungen nenne ich diejenigen, denen künst- lerische Werte Realitäten sind wie Geld und Blut, denen ein Bild, ein Buch, ein Schauspiel wirklich erscheinen, als Bau- steine am Bau der zeitgenössischen Kultur. Aber bei uns in Deutschland ist es so — ich wähle ein Beispiel aus der Tätigkeit des Schriftstellers, der Klarheit wegen: Rede in deiner Zeitung, deiner Zeitschrift oder auch in deinen Büchern zehn Jahre lang mit Men- schen- und mit Engelzungen, du hörst kein
Sl
Willi dm Michel- München:
noch so leises Echo, sofern deine LeistunfJ „nur" auf erstklassige Form, „nur" auf Tief- sinn und Originalität des Gedankens ausgeht. Aber schneide in der plumpsten, ungewähl- testen Form eine „aktuelle Frage" oder gar ein Sonderinteresse an, sprich aus, was nicht nur du allein und zehn andere, sondern Hun- derte und Tausende denken: sogleich bedeckt sich dein Tisch mit Zuschriften, aus denen die leidenschaftlichste Parteinahme für und wider herausdröhnt. Was beweist das? Es beweist, daß gute Form und gutes Denken nicht als Realitäten gewertet werden. Vor drei Jahren war's, da schrieb in einer norddeutschen Zei- tung ein völliger Neuling, dessen Namen noch niemand gelesen hatte, ein Feuilleton über
irgend eine Sache, mit der vielerlei lokale Interessen verknüpft waren. Unter den Repli- zierenden befand sich ein Schriftsteller, der jahrelang in demselben Blatte kluge, sehr kluge und gut geschriebene Essais veröffent- licht hatte. Der Neuling errang mit diesem einen Aufsatz Ehre und Ansehen, mehr als der andere in fünf Jahren. Das gute bei der Sache aber war, daß der „Neuling" und dieser andere ein und dieselbe Person waren, und diese Person pflegte dann von seinem Pseudo- nymen Ich zu sagen: „Ich" bin jetzt wesent- lich berühmter als ich, obwohl ich genau fünfzigmal so viele und fünfzigmal bessere Arbeiten veröffentlicht habe als „Ich".
Scherzhaft liest man manchmal das Be-
Rezeptive Begabung.
dürfnis nach Lesern und Beschauern, nach Kunstgenießern ausgebeutet, und es sind dann immer Dilettanten, denen man solchen Hunger nach Publikum unterschiebt. Ob aber gerade die Dilettanten unter diesem Mangel am stärksten leiden, bleibt fraglich. Zum echten, berufenen Künstler gehört das Bewußtsein, daß seine Werke Wirklichkeiten sind, daß sie innerhalb der menschlichen Gesamtentwicke- lung positiven und nicht unkontrollierbaren Wert haben. Sieht er diese Werte so nach- lässig behandelt, wie es die Übung ist, so wird er darunter mehr leiden als der Dilettant, der von der „Läßlichkeit" seines Tuns den- noch mehr oder minder tief durchdrungen ist. Es gälte meines Erachtens an allen Statten,
ILLUSTR^\TION ZU F. KEIM ILACH'S JUGENDBÜCHEKEl. GERI-
wo auf Bildung und Erziehung der Menschen Einfluß geübt wird, darauf hinzuwirken, daß die Achtung vor dem Kunstwerk als einer sehr wichtigen und greifbaren Realität mehr ver- breitet und die Tätigkeit der Rezeption, der Anteilnahme am Schaffen der Künstler mehr Menschen als heute zur persönlichen Ange- legenheit gemacht werde. Der Künstler ist nicht möglich ohne den Kulturkreis, dem er angehört. Dafür empfängt dieser Kulturkreis aber von ihm sein Spiegelbild, seine Darstel- lung und Ausprägung und damit eine Eörde- rung. Jedes Darstellen, jedes „Benennen", sofern es aus guten Quellen schöpft, bedeutet die Eroberung neuer, sei es auch nur einer Fußbreite neuer Erde. — W. M.
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ORNAJMNTAT K I TllUXC
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KLEIDER-KULTUR.
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Die Biipiilitiit und Eintonicikcit innerer Kleiduny erinnert ein die GriilJlidikeit nnserer Mietsknsernen- fassaden von gestern. Im Bauen ist's mittlerweile besser geworden und es wird nodi immer besser werden, denn Wolinkünstler haben uns gelelu't, von innen nach anlien zu bauen und damit das pülilen und Sehnen unserer Zeit verstanden. Die Bekleidungs- künstler, die aus dem innersten Bedürfnisse unseres Körpers heraus uns neue, sdiöne, farbige und zweck- mälüge Kleider sdiaffen, stehen nodi aus.
Man mag an Essen und 1 riuken spaien, an I abak und Zigaretten. An Kleidern sollte man nie sparen. Das Beste hierüber sagt Prentice Mulford: Es ist Kraft- vergeudung, alte Kleider zu tragen, sidi mit seinen eigenen Leidienteilen zu bekleiden aus Sparsam- keit. Nicht einmal die Sc+ilange kriedit in ihre alte Haut zurück aus ökonomischen Rücksiditen. Die Natur trägt keine alten Kleider! Die Natur spart nie nac4i Mensdienart an üefieder, pell und Farben - schmelz. Sonst würde ihre herrschende Farbe bald die alter Hosen sein und Gottes Firmament glänzte speckig wie ein 1 rödlerladen dritten Ranges.
Seitdem wir nicht mehr körperlidi stark sind — sind wir ernst. Der Ernst ist der Panzer der Vor- sichtigen und Sparsamen. Der Humor ist das heitre Gewand der Mutigen und der Freigiebigen oder derer, denen das Erdreic+i gehört; der Sorglosen. Unsere Kleider sind geschneiderte Vorsidit: Mein Bein ist vielleicht nidit ganz gerade — es könnte . . . ! Eine Röhre, einen formenverwischenden, unkennt- lichen Sdilaudi herum. Mein Rock könnte in der Sonne grau werden, verbleidien — wählen wir ihn graugelb — ! Er könnte sich abnützen, drum sei er ein Sack! Der König von England erschien jüngst im grüne[i Frack und in hellgrauen Beinkleidern. God save the King!
So erstrebenswert in idealen Dingen Mannig- faltigkeit und Vielkopligkeit sein mag, in realen Dingen ist eine Gleichiiuiliigkeit immer das Zweck- mäliigste und den Anforderungen eines bequemen Verkehrs das Angemessenste. Gönnen wir daher de[i Frauen Mannigfaltigkeit, erstreben wir uns Zweck- nitiliigkeit. Unter Zweckmäßigkeit verstehe ich Stil der Kleidung in Farbe und Form je nach der Ver- anlassung, für die wir uns zu kleiden haben.
„Die Kleidung des neunzehnten lahrhunderts ist absdieulidi. Sie ist so finster, so deprimierend", heilit's im „Bildnis des Dorian Gray".
Es ist im zwanzigsten nidit besser geworden, immer noch ist unsere Männerkleidung tinster und deprimierend — nuitlos und ängstlidi — mul! das sein? Gilt nidit audi fiu' uns, was in Winekelmanns Tagen von der Kleidung galt: Sie soll des Mensdien Körper artig iinneiüen?
Wenn wir die Menschen veranlassen könnten, eine Kleidimg zu tragen, die nidit versteckt, sondern offenbart, nidit umsdilottert, sondern seinen Formen gemäli bedeckt, wir würden mutiger werden und
mit der Zeit sdiöner und gesunder. Der Sdiledit- gestaltete würde trachten, seine Fehler du^t^l Körper- pflege und Leibesübung auszugleichen, der Mil!- gcstaltete würde nacfi inneren Vorzügen ringen, die ihn erheben würden, und damit wäre ein Streben gegeben, das unserer Rasse und unserem Leben zu- gute käme.
Der prack ist noch das Beste der vorhandenen Kleiderrequisiten. Er hat, wenn er gut gemacht ist, eine gefallige, naditfalterhafte Eleganz, die den Kör- performen angemessen ist und nidit mehr als unbe- dingt nötig ist verdeckt. In Verbindung mit Knie- hosen kennzeichnet er sidi unbedingt als raffiniertes Kiilturprodukt und wird schwer zu ersetzen sein.
Aber dem Gehrock — diesem tristen Ungeheuer, dieser Ausgeburt leichenbitterlidier Humorlosigkeit, — diesem Lügner einer Würde, die wir nidit be- sitzen — null! ein Ende bereitet werden.
Von der Kleidung der Frauen reden, hieße mit unzarter Hand in göttliche Mysterien eingreifen. Es widersteht mir. Ich überlasse es den Vivisektoren der weiblichen Psydie, die, einseitig getrieben vom geheimen Haß der Geschlediter gegeneinander, alles ins sdiauders'oll Klare und Nackte animalisdier Naturtriebe deuten müssen. Ich inödite auch nidit den wohlmeinenden Gesundheitsapostel spielen und denen, die ich liebe, das Evangeliimi des Kartoffel- sacks predigen. Ich bin viel zu sehr davon über- zeugt, daß edle Frauen genau wissen, was sie zu tun haben. Wollen sie Vereine gründen zur Ver- besserung ihrer I radit, sie mögen es tun, idi will damit einverstanden sein, wollen sie zärtlic-li an alter Überlieferung hangen, es soll meine Billigung haben. Sie sind das Leben in seiner besten und genieß- lidisten Gestalt, ich will's nic~ht ändern, nic4it dran mäkeln, nidit verschlimmbessern: Das Genus Sphin.v ist mir labu!
Da sich die Frauen stets aus einem inneren Gefühl heraus kleiden und dieses Gefühl stets den weiblidien Bedürfnissen der vorteilhafteste Ratgeber ist, so kann man getrost behaupten, daß die Frauen zu allen Zeiten gewußt haben, wie sie sicti kleiden sollten. Idi meine, wenn ihr Gefühl sie nidit immer riditig geleitet hatte, die MensL^lheit wäre längst ausgestorben.
praiienkleider sollen schwatzen, plaudern — aber nie dozieren. Ein Geriesel von Crepe de chine, Spitzen und Plissees, Schleifdien und falsdie Blumen sind mir immer lieber — wie Dr. Jägers Gesund - heitsgewebe.
Die Therapie mit bezahlten Schneiderredinungen und die Wunderkuren mit neuen Kleidern werden von der modernen Medizin noch lange nidit genug empfohlen.
Frauen lieben Opfer, lieben Leiden, niemand tut ihnen einen Gefallen, wenn er ihnen die Freuden weiter Gewänder oder breiter Sdiuhe predigt, es sei denn, er habe ganz ernste Absiditen.
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I.UnWIG HOHLWEIN MÜNCHEN.
PLAKAT FÜR DIE BAYR. CAMP -REITER-ÜKS. AUSFUHR.: VEREINIGTE DRUCKEREIEN UNI) KUNST- ANSTALTEN, G. M. ». H., MÜNCHEN.
I'R()1-F>S<IK l'Ari. SCHri.l ZK, NAUMIcrKci.
Aufgeführt Ton den Saalccker Vt
^l^. SKSM;|. IMl Sl I HI I .
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Shmtliclir SrliiiiurkMIiikc aii^^ccfiilirl in .k'r Wiener Werli^lillo- Wien.
KLEIDER-KULTUR.
VRD.WKEX IN SPI.n II:RN. von KINiiliKAh H A K I )FNKK Kr,.
Eine Kleiderkiiltur ohne Körperkultur ist undenkbar. Wo der Kleiderkultur diese Voraussetjung fehlt, ist sie eine unerträylidie Liige. Kleiderkultur ohne Kultur des Herzens oder Verstandes heiüt Oeekeutum.
Einen sdiönen, reinen, gesunden und ausgebil- deten Körper zu haben, nuili eins unserer höctisten Ideale werden. Wir müssen unseren Körper heben lernen wie ein Heihgluni. So dienen wir unserer Kasse, unserem Volk. Wer seinen Körper lieb hat, der pflegt ihn — und kleidet ihn an, wie es dem teuersten Gut, das wir besi^en, zusteht, aber er ver- weiehlifht ihn nicht und vernadiiässigt ihn nidit.
Mir beweist keiner, daß es ein Zeichen von editer Männlidikeit ist, wenn jemand im tabakdurchtrank- ten Sdiiotterrock und grauen Wollhemde mit herab- genitschten Wollsocken und unmöglidien Fufibehäl- tern unter Mensdien ersdieint, im Gegenteil, idi sehe in soldien Gestalten das Lirbild der Verweich- lidumg, der sc4iliuuiien, inneren Verweit4ilidumg, die Madiltissigkeit heiüt. Zudem glaube id\ fest an einen Parallelisuuis innerer inid äußerer tlegligees. Große harmonisdie Geister sind immer Freunde einer sorg- fältigen Kleidung. Goethe war in seiner lugend ein Elegant, im Älter wußte er seinen Ministerfrack zu tragen. Ähnlidies wird von Lord Bacon und an- deren Genies beriditet.'
Idi begreife, daß jemand die Gesellsdiaft flieht, aber ich begreife nicht, wie jemand schlecht oder unpassend angezogen in Gesellschaft erscheinen mag. Es ist ein sicheres Zeichen edler Geister, daß sie das, was sie machen, ganz und gut machen.
Wer zu Hause uidit fünf Minuten si^en kann, ohne den Kragen zu lösen, Pantoffeln anzuziehen und sich mit einem Sdilafrock zu behängen, ist ein Verweidilichter. Den Edlen verpflichtet Alleinsein zu größter Strenge gegen sidi.
Wer Bedürfnislosigkeit predigt ist ein Kulturfeind. Die Bedin-fnisse des Mensdien sind fast alle beredi- tigt. flur üble Angewohnheiten, die auf bedauer- lidier Liberlieferung oder törichter lladiahinung er- wadisen sind, gilt es zu bekämpfen, denn sie sind die wahren Kulturfeinde und zudem sind sie immer kostspielig. Wer sidi ihrer enträt, ich denke an Rauchen, Alkoholtrinken, übermäßigen Fleisdigenuß, erspart sdion dadnrdi so viel, daß er den edlen Bedürfnissen des Körpers uac+i Bekleidung und Aus- bildung völlig ge^el^lt werden kann.
Llnfrisdie in der Kleidung ist in Gesellsdiaft eben- so iinverzeihlidi , wie Llnfrisdie im Denken und Reden, vielleit-ht nodi unverzeihlidier. Der Llnfrisdie im Geiste, schledit gekleidet, gibt nichts, er lähmt nur. Ist er gut und nett angezogen, so erfreut er wenigstens durch seinen Anblii-k.
In Amerika verzeiht man dunkle Punkte in der Vergangenheit, niemals Flecke auf einem Rocke. Es liegt darin das gesunde Empfinden eines Naturvolkes.
Wer seine Kleider liebt, wird audi die Natur lieben, die der Gottheit strahlendes Gewand ist. Er wird den Wald lieben, der seinen Rock mit Ozon frisdit, das Meer, die Seen, die Berge und die Hügel. Aber die dunstige Stit^kluff der Kneipen und Stanuu- tische, die ihn bis aufs Hemd mit Spieübürgerodem und Bier- und Tabaksbrodem widrig durchtränkt, wird er meiden. Er wird im Luft- und Sonnen- bade sein ureigenstes Kleid, seine Haut von der goldenen Allmutter pflegen, heilen, umsdimeidieln und männlic"h färben lassen, und wird dadurch zum Glücklidien werden, zum Versöhnten mit sidi und der Welt.
Es ist eines Mannes unwürdig, auch nur eine Minute ungerüstet zu sein. Wer sich in seiner Familie ein plumpes Negligee gestattet, wird sidi bald von seinen Kindern darin übertroffen sehen oder er wird sidi kritisieren lassen müssen.
Die Kunst, eine Llnterhaltung genußreic4i zu führen, besteht darin, im richtigen Moment das I henia zu wediseln. Wer immer in derselben Kleidung er- scheint, ist von vorneherein langweilig.
Richtig, wir müssen zur Einfadiheit zurücStkeliren. Leider ist's nic-lit so leicht, denn aus komplizierten Verhältnissen zur Einfadiheit »zurückkehren« (mau sagte besser: sich zur Einfachheit entwickeln), heißt zur höchsten Kompliziertheit übergehen. Nidits ist in Kunst und Leben so sdiwierig und darum so selten wie Einfac4iheit. Einfadiheit ist höchste Vor- nehmheit und hat mit Nadilässigkeit, Kargheit und Barbarei nidit das Geringste zu tun. Einfachheit ist die Mutter der Schönheit. Nur edle Geister können einfadi sein. Die Einfachen von Geburt, von Gottes- gnaden sind selten wie die weißen Raben. Wo sie aber zur Erde herniedergesliegen sind, da waren sie das leut4itende Erstrebebild, für die, die sidi aus Erkenntnis zur Einfadiheit zu entwickeln traditeteu.
PROFESSOR KMII. ORI.IK HKIU.IN TEMPHRA „WIN IKK IN' AI'SCirA"
JR i;.\lIL ORLIK.
Dami-'n-Bililnis.
PROFESSOR EMIL ORLIK-BERLIN.
ViiN" MJ.ix 1'i.ii-i-km;i;k(
Das^Geschmacksreich Emil Orliks ist weit verzweigt und sein künstlerisches Wesen betätigt sich in mannifSfach wechselnden Ver- wandlunfSen.
In der diesjährigen Wiener Kunstschaii sahen wir den Maler Orlik mit einem Akt von delika- tem Reiz. Der weiße Fraiienlcib liegt elfenbein- kühl, milchig schimmernd auf weißem Linnen, und diese schwimmende lichte Harmonie wogt über dem Untergrund der samtartigen pfirsich- flaumigen Blütenstickerei einer Decke. Man erkennt hier die koloristische Feinschmeckerei, die einen Akt zum farbigen Stilleben macht.
Man erinnert sich dabei eines anderen Aktes auf Elfenbein, der in der Miniaturen-Ausstel- lung bei Friedmann & Weber vor einigen Jah- ren fesselte, liier war die Äderung, der leint des Materials, für die Charakteristik der Haut benutzt worden, und dieses Hibelol war ein
Zeichen des Raffinements, mit dem Orlik sein Material instrumentiert.
Er ist, als Schüler und Verehrer der Japaner, ein Komponist der farbigen Flächen. Das zeigt seine Graphik. Vor allem die Holzschnitte, und nicht nur die westöstlichen, in denen Erleb- nis-Motive aus dem von ihm so sehr geliebten Lande variiert werden, wie die Eujipilger, eine Symphonie in gelb und weiß, oder die Rikshah- zieher mit der breit plakathaften Betonung der rotkörnigen Mantellappcn, sondern auch die Landschaftsstimmungen aus seiner leiblichen Heimat Böhmen.
Die Winterbilder erweisen sich besonders dankbar, derSchnee stilisiertdie Szene flächen- mäßig dekorativ, und die bunten Fassaden der Häuser, ihr Gelb und Braun mit dem Quer- schnitt der Giebel, blaue Kleider, grüne .Jacken, weiße Kopftücher der Dorffrauen tinien sich
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l'\'!i-\ Poppe)ihe)-ii .
PK' H- |>-,OK l.MII, iiRLIK I-.KKI.IN.
saftig ab. Eine entschiedene Neigung spricht sich hier aus, den WirkHchkeits-Ausschnitt un- naturahstisch zu geben, umgewertet durcli ein im Ornamentalen lebendes Temperament, und energisch umgesetzt in die ausdrucksstarke Handschrift des Materials und der Technik, die der Künstler sich wählte.
Auf Holzschnitten von Wald und Baum fühlt und schmeckt man in den kerbigen Strichen, die das Bild aus der gemaserten Platte heraus- holen, lebhaft und sinnlich fast Existenz-Struk- tur, Jahresringe des Holzes.
Orlik hat wie die ostasiatischen Vettern einen regen Sinn für die geistreiche Pikanterie der zeichnerischen Handschrift. So ist bei- spielsweise eine Radierung, „Das Gewitter kommt", sehr espritvoll angelegt in seinerTech- nik aus daherprasselnden Strichen; hingefegt ist sie, und erfüllt vom Unruh-Rhythmus der Menschenbewegung bei daherf ahrenden Wind- stößen und stiebenden Regenschauern.
(icmalde: Das gelbe Haus (< islawan).
Es lag nahe , daß sich Orliks dekorative Neigung auch in der angewandten Kunst be- tätigte. Geschmackssichere Bucheinkleidungen verdankt man seiner graziösen Hand und ihr erlesenes Beispiel ist die deutsche Ausgabe der Schriften Lafcadio Hearns bei Rütten & Loening. Sie ruht in Pergamenthüllen, geprägt mit gold-schwarzen Schmuckleisten, und ihre Füllungen und die Zierstücke in der typo- graphischen Innen- Architektur des Buches haben die kapriziöse Phantasiefülle japanischer Schnitzerei mit Wolkenbändern, Filigrange- büsch, Streuregen flimmernder Blüten, Vogel- gefieder und Wellenringen , verschlungenen Arabeskencharakteren,
Eine große Serie von Exlibris trägt Orliks Namen und sie sind , was ihre Haupttugend ist, nicht vom Bildlichen aus entworfen, son- dern vom Wesen des sinn- und bedeutungs- vollen Namensschildes aus erdacht. So das Bücherzeichen für den .lapansammlcr Jacoby,
Eiinl Oiiik-Bciiüi.
das des Besitzers Monoj5ranim einer Umrah- mung einschreibt, die von einer weUig platten- förmig gemusterten Schwertstichblattkontur gebildet wird. Dazu noch andere Druckbijou- terien, Kalender, Glückwünsche, japanisch- deutsche Surinomos, Bordüren, Titelrahmen, immer mit leichten Fingern gegeben und dem Arrangementstakt , mit dem Japaner Blumen in einer Vase ordnen.
Auf Fächern tanzt seine gaukelnde Laune in Changeant - Phantasien aus Gold- und Schmetterlingsblütenstaub.
In den Lackarbeiten, die sein schwelgerisches Raffinement der Technik in höchster Vollen- dung erweisen , steigert sich die dekorative Umwertung der Naturformen zu den Kostbar- keits-Imaginationen einer „Nature extranatu- relle " , wie sie Baudelaire und Theophile Gautier gedichtet. Diese Landschaften aus Lack-In-
tarsien sind paradis artificiels mit tropfendem Haargezweig der Bäume ; rotsilbrig über- sprühten Milchstraßen; Filigran -Gespinsten von Märchenspinnen ; Astralleibern von Perl- mutter in schwarzen Teichen, gespiegelt unter grüngoldenen Wipfelballen, flüssigen Silber- bändern, Bächen von Mondbergen ergossen und blinkend gemustert als schwämmen auf der Fläche zu Edelsteinen erstarrte Totenaugen.
Verwandte Landschaftsdichtung schwingt in den Wandgehängen, nur sind hier mit wissen- dem Materialtakt alle Schmuckwirkung aus den Textilbedingungen abgeleitet und die Karton-Entwürfe geben mit ihren die Faden- stellung markierenden Strichen eine Gewebe- vorstellung in matten, perlgrauen Harmonien.
Wertvoll ist Orliks malerische Mitarbeiter- schaft den Bühnenbildern des Reinhardtschen Theaters geworden. Seitdem er als Professor
l'KOFE.SSOK I-..\ni. OKI.IK liEKl.lN.
AciuarcU: -luii altcs_llaus in Ausclia-
Fflix Pof^f^ciihcro
■ K KMII. I iKI.IK -l;F.KI.rX.
\'iir dem Morgenritt
an das Berliner Kunstfiewerbfimiseuni berufen ist, hat er sich der neuen dekorativen Szenen- kunst gewidmet, die mit farbigen likisioncn die Gefühlswerte des Dramas begleitend, ein optisches Orchester sein will. Nachhallende Erinnerungen hat man von solcher Farben- musik zu Shakespearescher Dramatik. An den Gerichtsakt des Kaufmanns von Venedig denkt man, an das koloristische Ensemble
aus den roten Senatorengewändern , dem ernsten Schwarz der Antoniotracht , den sciiillernden Nobilistoffen, überklungen von Goldbrokat des Bellinischen Dogen, und wie durch diese in der Bewegung und Erregung der Menschenmassen brausenden Farbenwel- len die leidenschaftliche Gcfühlswallung der Szene in alle Sinne wehte. Und an Porzias Gemach mit mattgoldenen Wänden, von einem
^
J-jiiil Orlik-Bciini.
Kaiikenwürk zarter Linien übersponncn und mit Leuchtjiestein inkrustiert, mit der gül- denen Stiejie, über die der Chor der Diene- rinnen als ein Farbenreigen, blumenstreuend, musikumklungen wogte. Und dann das Win- termärchen mit der glücklichen Stihnisch- ung der strengen Raumbilder, der Hofszenen zwischen schweren Faltenvorhängen und der heiteren Pastorale, die erst hinter Schleier schimmernd, dann sonnenhell auf einem Fabel- landschaftsteppich aufging: blumenbestickter Rasenabhang, Bäume in farbigen Floren, schim- mergrün und seidengelb, überrieselt von einem Blütenregen, und im Hintergrund die breit- gelagerten Häuser und der buntbewimpelte Mastenwald der Schiffe als Flächenornamente. Die zum Schildern so dankbare dekorative
Tätigkeit Orliks wurde in dieser Charakteristik besonders betont, das soll aber nicht bedeu- ten, daß in Orliks Werk das „Kunstgewerb- liche" an Qualität die gestaltende Kunst über- wiegt. Daß er gestalten kann, zeigen seine außerordentlichen graphischen Porträts.
Sie erfassen ihre Menschen frappant, sie unterwerfen ihre Handschrift hingebungsvoll den Bedingungen der Technik und sie locken dabei die letzte Ausdrucksmöglichkeit aus ihr heraus. So ist gebannt Josef Hoffmann aus der Orlik verwandten Wiener Geschmacks- gruppe , so Ferdinand Hodlers und Hermann Bahrs Haarbusch-Häupter.
Immer gibt es Anregung in Orliks Arbeiten und seine sichere künstlerische Tugend bleibt, daß er niemals langweilig wird. — i. i'.
l'KDi'KssnK i'..\ni, oKi.H'; -iiRKi.iN. Kacliuiiuig; Uiik'iiciluiig..
JK EMU. iiRIlK l;l' Kl IN.
Gc-niiiklc : ■ Berglandschaft ■
DAS MALERISCHE.
Denn was außen ist, ist innen". Dieser Satz, in dem sich der Goethesche Mo- nismus mit dem romantischen Monismus be- gegnet, ist zum Leitsatz unserer Betrachtung der Künste geworden. Technik ist uns keine bloße Angelegenheit der Hand mehr. Sie ist Ausdruck psychischer Realitäten, in einem viel höheren Grade, als es früher der „Gegenstand" des Kunstwerkes gewesen. Wir meinen sogar inDingen wie dem Pinselstrich, dem Farbenvor- trag, der Farbenrhythmik usw. unmittelbarere Manifestationen des Künstlers zu finden, als im Ideengehalt seiner Schöpfungen. Oder viel- mehr : diesen Ideengehalt finden wir gerade
im Technischen am klarsten ausgedrückt. — Die wilden flammenartigen Pinselornanicntc eines van Gogh werden uns zu Verrätern der Brunst und Glut, die diese spröde Natur durch- wühlte. Wir halten die Technik für das Un- mittelbare und eigentlich Rätselhafte am Künst- ler, und roden deshalb von ihr wie von Ge- dichten, wie von Naturlauten und Interjek- tionen des Gefühls.
Daß das Äußere ein Inneres ist und um- gekehrt, das bildet die Voraussetzung für die Aphorismen über das Malerische, die ich geben will. Schade nur, daß dem Kigenschaftsworte „malerisch" kein Hauptwort entspricht, nicht
104
PROFESSOR KMII, ORI.IK MF.KI.IN.
IKMI'IlKA-HII.I): »I'KRDITA«
ini/ieh/i Miclii'l:
einmal ein Hauptwort anderer Ableitung. Der Grund dafür? Er liegt darin, daß das Wort „malerisch" in der Bedeutung, wie wir es heute hanöhaben, sehr jungen Datums ist. Wir erst haben den Begriff zu einem Ab- straktum, zu einem substantivischen Begriffe gemacht; früher ist das Wort in der Tat ledig- lich ein Adjektivuni gewesen, ein Begleilwort für eine bestimmte Art von Naturmotiven. Diese Bedeutung hat das Fremdwort „pitto- resk" bis auf den heutigen Tag behalten; es war im Anfang synonym mit „malerisch" und
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1 '' k( )rativfs Wandhikl : S* »mmci
bezeichnete lediglich das Objekt, bezeichnete die Eigenschaft des Objektes, ein passender Vorwurf für ein Gemälde zu sein. Der heutige Sprachgebrauch scheidet die Begriffe pittoresk und malerisch schon sehr deutlich. Während, wie gesagt, das Fremdwort als Bezeichnung für eine gewisse Art von Naturniotivcn noch in Übung ist, verbinden wir das Wort „male- risch" immer häufiger mit Abstraktis, die die Arbeitsweise des Künstlers bezeichnen. Wir nennen malerisch die Bchandlungsweise, den Farbenvortrag, die Lichtanalysc, die Welt-
Das Malerische.
PROKESSOR EMIL ORLIK— HEREIN.
anschauung des Künstlers, lauter Worte, die etwas Subjektives bezeichnen, entsprechend der neueren Richtung der Ästhetik, die den Schwerpunkt des künstlerischen Schaffens und Genießens immer mehr in das Subjekt verlegt.
Man kann also sagen, daß die Geschichte des Wortes „malerisch" paradigmatisch ist für die neuere Entwicklung der Ästhetik. Die Be- deutung des Motivs ist zwar noch nicht ganz geschwunden, aber sie ist, wenigstens in der ernsthaften Malerei, auf ein Minimum redu- ziert. Und gar von einem malerischen Motiv reden wir höchstens insofern, als wir damit ein Motiv bezeichnen, das günstig ist für jene besondere Art der Behandlung, für die male- rische Behandlung.
Was ist „malerisch"?
Ein junger sächsischer Künstler, der mich kürzlich besuchte, sagte mir, daß für iini und seine Gesinnungsgenossen das Wort „iiiale-
Dekorativcs Waiulbilil.
risch" ein Scheltwort bedeute. Das Malerische streite gegen das Einzige, worauf es in der Kunst ankomme, gegen die Form im einzelnen wie auch im ganzen. Gerade auf das letztere legte er das Hauptgewicht. Die monumentale Form, den monumentalen Zeitausdruck zu finden, darauf käme es an; jede andere Pro- blemstellungverwirre die Gemüter und sei da- her schädlich. So sei auch der Reiz male- rischer Behandlung ein Schädling, zum min- desten aber ein Effekt zweiten Ranges, an welchem dem ernsthaft strebenden Künstler nichts gelegen sei.
Er kam aus Sachsen, der junge Mann, und Sachsen ist das Land Max Klingers. Seine Ansicht schien mir begreiflich. Sic ist die An- sicht all der zahllosen Künstler, die sich von den Lockungen des Monuniental-nekoraliven haben verführen lassen. Diese Lockungen sind in einem Lande von überwiegender IntcUek-
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J]',7/!chi! Michel:
IMII, ■iKl.lK
tualität, wie es Deutschland ist, besonders stark. Daß ihnen zu gerne nachfjej^eben wird, das ist einer der Gründe dafür, daß Deutscli- land den Nachbarvölkern jiejfenüber (Frank- reich, Holland, BelfSien) auf dem Gebiete der Malerei ins zweite Treffen {Seraten ist.
Und nun wiederhole ich die Frage : Was ist „malerisch"?
Malerisch ist die möglichst reiche Analyse der Lichtwirkungen, die möglichst differen- zierte Reproduktion des farbigen Naturein- druckes. Während der Monumentalkünstler auf das Auffinden der beherrschenden, der charakteristischenTöne ausgeht, also eine mehr abstrahierende Tätigkeit entfaltet, sieht der
Holzschnitt; Heimkehr .
„Maler" in imserem prägnanten Sinne seine Aufgabe in dem Aufgebot großer Mittel, in der möglichst reichen Zerlegung des Naturein- druckes. Der eine bindet, der andere zerlegt; der eine schematisiert, der andere differenziert ; die Tätigkeit des einen ist ordnend und ab- kürzend, die des anderen exzitierend und be- reichernd. Man sieht, es ist ein Unterschied in der Weltanschauung. Der Monumentalist — ich rechne hierzu immer auch den dekorativen Maler neuester Prägung — wird geleitet von einer gewissen Bewältigungsgier, von einer gewissen Herrschsucht, von dem Bedürfnis, zu überblicken und in gewissem Sinne zu tyran- nisieren. Im Gegensatze zu ihm, dem künstle-
Das Malerische.
EMIL ORLIK — BERLIN.
fischen Systematiker, könnte man den „Maler" den analysierenden Poeten nennen. Was bei jenem die Herrschsucht ist, das ist bei ihm die Liebe. In der Tat, ich habe immer das Gefühl jjehabt, daß das „Malerische", also die üppijSe Abwandlung des Haupttones, das koloristische Rätselsuchen, den Reichtum der koloristischen Problemstellung, nur bei solchen Künstlern möglich ist, die die Welt in der Weise des Dichters lieben, in der Weise des Mystikers anbeten. Der „Maler" findet den Weg zum Ganzen der Welt durch das einzelne Objekt, durch die sinnliche Erscheinung des einzelnen Dinges, Er ist verwandt dem Mystiker, der in der kleinen Blume das Ganze der Welt zu
Farbiger Holzschnitt; . Winter im A\'alde
fühlen vermag. Das Malerische ist stets das Produkt eines ausgesprochen herzlichen und liebevollen Anschauens der Dinge. Die Liebe ist blind, sagt man. Nichts ist falscher als das, denn immer sieht die Liebe ihren Gegenstand reicher als Haß oder Gleichgültigkeit die übrigen. Die Liebe bereichert die Welt, denn sie ist, gleichviel ob Lebendem oder Totem zugewandt, immer Dichtung, und vom Dichter sagt man: Er vermehrt das Inventar der Welt. Ich fasse den Begriff Mystiker nicht so enge als es der gemeine Sprachgebrauch will. Ich identifiziere letzten Endes Mystik mit Poesie. Und so gewinne ich weitere Merkmale des „Malerischen". Der „Maler" hat mit dem
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KV C M L E R.
Wilhelm Michel:
l'Ki'FESSilR E.Vni. (IRI.IK - HERI.IN.
Raclioning zu Michael Kramer
erhart Hauptni;
Poeten von Weltgefühl gemeinsam die Viel- deutigkeit dessen, was er ausspricht; er hat mit ihm gemeinsam die Überwindung des Buch- stäblichen. Für ihn ist es die Ursünde, gerade- zu „Rot" oder „Blau" zu sagen. Sein Aus- druck hat Neben- und Untertöne, hat Vieldeu- tigkeit und hat letzten Endes infolge dieser Vieldeutigkeit die Neutralität der Naturdinge. .Jeder, der einen maßgebenden Begriff von dei Malerei Rembrandts hat, wird es verstehen wenn ich sage, daß man bei diesem Künstler kaum mehr wagt, irgend einen Lokalton mit einem nackten Adjektivum zu benennen. Es gibt wohl Übergänge von Gelb zu Rot, von 15raun zu Blau, aber in jeder dieser Farben scheint die ganze Palette hineingeheininißt zu sein. Das ist es, was diesen Werken den vollen, kräftigen Geschmack verleiht, daß eben die ganze Welt der Farbe in jedem einzelnen Ton schlummert und durchgefühlt wird, genau wie uns der Dichter in der kleinen Blume die ganze Natur anschauen und durchfühlen lassen kann. Das „Malerische" in der Vollendung, die es bei Rembrandt erreicht hat, bedeutet geradezu koloristischen Monismus oder kolo- ristischen Pantheismus. Man kann auch an Leibl denken, der mit Werken begann, die
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nach Holbeins Weise die einzelnen Farben- komplexe, in einer meisterhaften Malerei ge- geben, sauber und genau auseinander hielten. Von hier aus vollzog sich Schritt für Schritt eine Auflockerung, der Pinselführung sowohl wie der koloristischen Deutung, und aus sei- nen letzten Jahren gibt es Werke, die schwer- mütig sind vom Prunk der Farbe, sommerlich reich und schwermütig vor lauter Reife und Fülle. Wie Rembrandt versteht er es da, in jedem Ton, fast in jede Fläche seiner wohl modellierten Gesichter, die ganze Welt der Farbe hineinzugeheimnissen. Das ist die Art, wie der Maler sein Weltgefühl ausdrückt.
Schon hier ist angedeutet worden, was als letzter Punkt erörtert werden soll, daß das „Malerische" nur zu einem Teile aus herz- lichem Anschauen der Natur stammt. Es ent- hält noch einen zweiten Bestandteil; die freie Selbstdarstellung des Elementes Farbe. Das will sagen: Das Malerische ist nicht nur die reiche Ausdeutung des Natureindruckes, also etwas Heteronomes, sondern es ist auch das ungehinderte, üppige Ausleben der Farbe, also etwas völlig Autonomes. Die Darstellungs- mittel sind eben nicht nur knechtische Diener des Ausdruckstrebens, sondern sie sind Or-
Das I\lalc)-Isilie.
ganisnien voll eines ungeheuren Lebenstriebes, Organismen, die blühen, strahlen, die sich ent- falten und auf alle Weise manifestieren wollen. Es ist immer ein wunderbares Erlebnis, wenn der Dichter in sich das Wort erwachen fühlt, das er zu führen und nach eigenem Gefallen zu brauchen glaubte. Da wird es ihm plötz- lich fühlbar als ein eigenes Wesen, das voll lachender Kraft und mit verschwenderischer Geste seine Lebensäußerungen um sich streut. Und schließlich wird der Diener fast zum Herrn und der Herr zum bloßen Darstellungsmittel des Knechtes. Ähnliche Glut eigenen Lebens ist auch in der Farbe verborgen, und im „Ma- lerischen" lebt sich die Farbe in holden Spie- len, in trunkenen Offenharungen aus. Dann entstehen ähnliche Eindrücke, wie man sie beim Wellenschlage des Meeres, beim Sausen
des Windes oder beim Spiele anderer Natur- kräfte erlebt. Es gibt von Theodore Rousseau Gemälde, die man ebenso gut als brillant ge- gebene Wirklichkeits- Darstellungen wie als Elementar- Ereignisse im Reiche der Farbe auffassen kann. Ein Werk, dem dieses Ele- ment gänzlich fehlt, wird kaum als ein Kunst- werk anzusprechen sein. Das entgegengesetzte Extrem kommt freilich ebenfalls vor, in reinster Herausbildung vielleicht bei Monticelli, bei dem sich die Farbe häufig ein Übermaß an romantischer Freiheit erobert. Aber es bleibt bestehen, daß die Farbe, dieser wundervolle, wohlgegliederte und gesetzmäßig gefügte Or- ganismus, ein unzweifelhaftes Recht auf Frei- heit hat, und daß es Aufgabe des Künstlers ist, diesem Recht, diesem Lebenstrieb der Dar- stellungsniittel zur Verwirklichung zu helfen. —
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APHORISMEN.
Ein Kunstwerk ist niemals ein Abstrakt-Fertiges, Monumental-Fixes, wir sind immer die Mitschöpfer.
Kunst ist notwendig Vermehrung der Macht, wie sie aus der Notwendigkeit ernstester Arbeit und tiefster Energie und aus derSammlung der höchsten (lüter entspringt. Durch die Kunst vermehrt sich mit jedem neuen Werk derselben die Macht des Lebens. In jedem grofjen Kunstwerk wird das ganze Thema des Daseins etwas erweitert. Kunst ist die Perspektive der Menschheit. Rieh. Fuchs.
Je spröder das Material ist — im weitesten Sinne des Wortes - umso mehr schöpferische Inbrunst vermag es aufzunehmen, um zu seiner endlichen Form zu gelangen, umso größer ist ge- wissermaf3en seine künstlerische Kapazität. Daher rührt es, dag Werke primitiver Kunstperioden so oft besonders innige Gefühlswerte verkörpern und im Beschauer wieder erwecken. O. Kohnstamm.
Alle Vollkommenheit wirkt als Muster und wird zu praktischem Wert. Rieh. Fuchs.
I'.MII. DKI.IK. Szcner
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HOFBUCHDRUCKER. SR. MAJ. DES KAISERS UND KÖNIGS
PROFESSOR EMIL ORLIK — BERLIN DRUCKSACHEN MIT ZIERRAHMEN
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MELON CANDALOUP
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VERBAND DER
ZEITUNGS-REDAKTEURE
DEUTSCHLANDS
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ZUM IL VERBANDSTAG
AM DONNERSTAG, DEN 29.SEPTEMBER 1909, IM STÄDTISCHEN SAALBAU ZU DARMSTADT
EINLADUNG
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DEUTSCHLANDFAHRT
ENGLISCHER JOURNALISTEN
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AUliUSTK RODIN l'AKIS.
At;s DKM AIl-.I.IKR HKS MIIMFKS.
AUGUSTE RODIN-PARIS.
VON LOTHAR BRIEGER-WASSERVOGEL.
An der Börse zu Brüssel befinden sich eine /v Anzahl roher, aber mächtiger Karyatiden, die mit gewaltigen Schultern und Armen schier zerbrechend lastende Steinmassen stützen. Ein belgischer Bildhauer schuf sie seiner Zeit, ein Herr van Rasbourg, von dem man heute nichts mehr weiß, als daß er dabei einen jungen Stein- metzen zum Gehilfen hatte, Auguste Rodin. Wenige Jahre später führt die staatliche Por- zellanfabrik von Sevres einige sehr reizvolle Entwürfe aus, die von einem jungen Bildhauer, namens Auguste Rodin, stammen, der soeben in Paris seine Studien vollendet hat. Aus dem Triebe zum Kolossalisch- Monumentalen und dem Gefühl für die ästhetische Feinheit der zierlichsten Details erzeugt sich das Werk Auguste Rodins. Es kommt her von der Nie- derung letzter materieller Not, und der junge Bildhauer, der sich in den Ateliers von Brüssel und Paris karges Brot mit handwerklicher Arbeit gewinnt, hat keinen Protektor, niemanden, der ihn „entdeckt", ihn fördert, ihm die Ausführ- ung der sein Blut durchrasenden künstlerischen Impulse möglich macht. Ein Steinmetz unter vielen, ein stiller Kunstschüler, hat er nichts, was auffällt oder interessiert. Die besten, die stärksten jungen Jahre vergehn in der Erohne, der junge Franzose mit dem Stiernacken formt gegen billigen Lohn Nippes, Luxusspielwerk. Aber neben diesem unauffälligen Frohnwerkler lebt bereits ein anderer Rodin, der Rodin des Skizzenbuches. Ein Künstler, der jede freie Stunde benutzt, um mit gierigen Augen Men- schen und Leben zu verzehren, in sich aufzu- saugen, der über einen Atlas ihm eigener Be- wegungsmotive und Masken des Lebens be- reits in einem Alter verfügt, in dem andere noch kaum wissen, daß es auch anderes gibt als die Antike. Die Berufung liegt in uns, da ist nur zu formen, nichts hinein zu erziehen. Es ist verblüffend, in diesen jungen Skizzen- büchern ganz ohne Deuterei den Schöpfer der neuen Plastik bereits immer zu sehen, den Bildhauer, dem das Momentane, die Bewegung alles ist, der Zustand garnichts.
Frankreich liegt im tiefen Schlummer. De- lacroix ist lange tot, so lange, daß man ihn schier vergessen hat. Im Louvre irgendwo ver-
staubt, von der Menge kaum beachtet, von einigen vereinzelten Kunstrevolutionären in roten Westen und Calabresern angeschwärmt, die Barke des Dante. Von Daumier weiß man gerade noch, daß er ein recht amüsanter Kari- katurist war mit einer lebhaften Abneigung gegen den roi citoyen Louis Philippe. Aber ein frischer Hauch beginnt durch diese erstor- bene Welt zu gehen, neues Leben, das sich keck rühren will. Lacroix fängt an, seine ersten Goyapublikationen herauszubringen, und man hört mit Staunen, was da hinten in Spanien für ein merkwürdiger Kerl gelebt hat, wild, unbändig, ein Spieler, ein Händelsucher, ein Frauenverführer, der dem vollen Leben sein Recht gab, nicht idealisierte und seiner Lein- wand ein seit der Renaissance — den ver- schollenen il Greco nicht zu vergessen — un- erhörtes Leben gab. Das wirkt. Die franzö- sische Malerei beginnt sich zu rühren und von der klassizistischen Leere der großen Louvre- säle energisch abzurücken. Manet, Monet, Degas, Millet — zuerst verlacht, predigen jeder in seiner Weise das Evangelium Goyas, die Kunst als Selbstzweck, nicht als eine unnatür- liche Idealisierung mit willkürlichen Mitteln, sondern als ein Durchgehen der Natur durch ein künstlerisches Temperament und eine in ihren Bedingungen wurzelnde höhere Wieder- geburt daraus. Zola und Huysmans schreiben ihre Kunstaufsätze, die Literatur stellt sich leidenschaftlich auf die Seite der neuen Tem- peramente. Aber in der Plastik sieht es noch übel aus. Kein Mensch weiß, wie eine Be- wegung in Wahrheit aussieht. In den Kunst- schulen steht die Holzpuppe, man gibt ihr Stellungen, man drapiert sie mit Kleidungs- stücken, man hat nicht die schwächste Ahnung davon, daß eine Bewegung in Körper und Kleid bei lebenden Gliedern ganz anders aus- sieht als in Holz. Houdon wirkt nicht mehr, der einzige Große in der Vergangenheit fran- zösischer Plastik. Ihre Erneuerer, die Schöp- fer ihrer Zukunft arbeiten noch in der Schule und im Handwerk, Rodin, Bartholonie, Char- pentier, Vallgren. Einsam schafft der große Baryc, der größte Tierbildhauer, den die Neu- zeit kennt.
I.otlia)' Ihirori-- JJ'a.<;st'/'7'oor/ .■
Alle diese Stadien muß Rodin, der arme Kunstschüler, durchlaufen, der die neue Welt bereits in sich träjit, und dem die Mittel zu eifSenem Schaf- fen fehlen. Wenig beachteter Schüler, schlecht besoldeter Gehilfe kitschiger Bildhauer, die ihm, dem sie heimlich Mißachtenden, die übelste Arbeit auf- zwingen, lebt er seine Jugend. Und was schwächere Naturen niederbricht, ent- wickelt diesen stahlharten Schöpfer mit eiserner Notwendigkeit. Wahrend seine Hände Dinge formen, von denen seine Seele nichts weiß, wird er innerlich reif und fertig für den Moment, da seine Zeit erfüllt ist. Als er schließlich mit seinem ersten großen Werk, dem „Men- schen des ehernen Zeitalters", einem fertigen Meisterwerke bereits, ohne Ver- gleichbarem in der Kunst der Zeit, vor die Öffentlichkeit tritt, erregt er einen Sturm von Aufregung. Die einen sind entrüstet über diesen ihres Erachtens rohen Naturalismus, der zugleich Pro- gramm und Erfüllung ist. Sie kommen aus der klassizistischen Schule und mei- nen, Ziel des Bildhauers sei es, durch
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die Kunst zu veredeln, d. h. nach griechischem Muster etwas Ruhiges, einen Zustand darzustellen. Wir ha- ben alle in der Schule Lessings Lao- koon gelesen, leider lesen müssen in einem Alter, wo wir noch keine Kritik dafür hatten, und kennen seine Ent- rüstung über den zum Schrei geöff- neten Mund des Priesters. Die Lehre war, daß die Darstellung von Er- regungen den Gesetzen des Schönen widerspräche. Die anderen endlich behaupten, solch einen männlichen Akt zu bilden, sei überhaupt nicht möglich, und der junge Künstler müsse ihn über dem menschlichen Körper abgeformt haben. Da tritt Rodin selbst vor das Tribunal, legt seine Zeich- nungen vor, erweist, daß sein Werk die Frucht zur Zeit unerhörten Be- wegungsstudiums am menschlichen Körper ist. In wenigen Tagen ist er durch den Skandal, der nicht an ihn kann, einer der bekanntesten Künst- ler Frankreichs. Das junge Frankreich bekennt sich mit Begeisterung zu ihm, zehnjährige treue Anhängerschaft hebt
Allojis/c Rodin— Paris.
ihn auf den künstlerischen Thron Frankreichs. Und sie hat sich nicht geirrt, seit den Tagen der Renais- sance sah die Welt keinen größeren Bildhauer von selbständiger P'igen- art. Der Kampf war hart und ein Wunder, daß Rodin seinen Weg unbeirrt weiterging. Es gehörte zum guten Ton in Paris, Rodin zu ver- lachen und zu verlästern, als end- lich die Staatsaufträge kamen, ent- blödeten sichführende Blätternicht, ihm vorzuwerfen, daß er Staats- gelder veruntreue und ähnliches mehr. — Er hat den Kampf für die neue Plastik allein durchgeführt. Ohne ihn kein Verständnis für die Bartholome und Charpentier und Minne, ja weiter hinaus in die Welt für die Klinger und Klinisch. War je ein großer Künstler in Schwerem und Kampf ein Bahnbrecher, so war es Auguste Rodin. — Heute, da Rodin als Altmeister in Meudon sitzt, die Grundsätze seiner Kunst schon beinahe Allgemeinplätze sind und das große Publikum vor jedes
PF, RODIN— PARI
AX'GV.-iTF. RODl.V P.\RI
de lio]<nib.ir.
neue Werk seiner bereits altern- den und keineswegs mehr unbe- dingt Meisterhaftes schaffenden Kraft mit vorgefaßter Bewunde- rung tritt, ist es schwer, vom Auf- reizenden und Leidenschaftlichen der noch vor einem Jahrzehnt um diese Kunst geführten Kämpfe eine richtige Vorstellung zu gewinnen. Rodin lebt in einer schloßartigen Villa, besitzt in Meudon — außer den Pariser Ateliers — ein Riesen- atelier, baut für sich privatim ein Antikenmuseum und läßt den be- freundeten Besucher durch Equi- page und Diener vom Bahnhof ab- holen. Die vielen Besucher ver- ehren ihn fast abgöttisch, küssen seine Hand, reiche Amerikaner zah- len ein Vermögen für ihr Bildnis- werk von seiner Hand. Das Große seiner künstlerischen Intuition hat noch heute ihr altes Zwingendes selbst da, wo wie vielfach bei alten Künstlern die Ausführung ihre Ver- sprechung nicht immer zu erfüllen vermag. — Bei Rodin läßt sich nicht
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Al'firSTK KODIX PARIS.
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\UC.USTE RODIN l'AKlj.
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wie bei den meisten Künstlern von einer sich in den Werken offenbarenden Entwicklung reden. Die war innerlich und liegt zurück in der Zeit, da ihr zur äußerlichen Manifestation die materiellen Mittel fehlen. Seine künstle- rische Persönlichkeit steht vom ersten unter seinem Namen laufenden Werk mit der Wirk- lichkeitskraft einer Tatsache abgeschlossen da und beweist sich von da ab immer nur wieder in jedem Werke von neuem.
Man kann ihn heute bereits historisch be- trachten. Er selber tut es, und es gehört zum Reizvollsten und Lehrreichsten, ihm dabei zu- zuhören.
Das Griechentum war die Ruhe, die Renais- sance eine ausladende Geste, die Gegenwart ist ständig wechselnde, unendlich variable mo- mentane Bewegung der Menschheit. So stellen sie sich in ihrer Geschichte wie in ihrer Kunst dar. Der griechische Mensch , unter einem sonnigen Himmel lebend, von den günstigsten Lebensbedingungen umgeben, ist der Begrün- der der menschlichen Ästhetik. Der von der Notdurft des Lebens nicht berührte Körper veredelt sich, gewinnt etwas Aristokratisches, ja es ist ohne Zweifel wohl dieser Art, daß die
Leidenschaften im nicht äußerlich Kämpfenden und Leidenden mehr sich als eigen geartete Ruhezustände äußern denn als selbständige Bewegung. Die Heftigkeit des Äschylos im Tragischen ist eigentlich ungriechisch, die tief- gründige Psychologie des Euripides mit ihrem Aufweisen nacktester Menschlichkeit war den Athenern unsympatisch und wurde durch Aris- tophanes höhnisch verspottet. Diese Artung des Griechentums , dem ja die Götterideale Menschen waren und die Leidenschaft ein Possenmotiv und eine Pöbelei, bestimmte von vornherein die griechische Kunst. Sie ist wahr in einem höchsten Sinne in dem, was sie zeigt, aber sie ist unwahr trotzdem durch das , was sie verschweigt. Eine außerordentliciie Kennt- nis des nackten Menschen ebenso wie des Be- kleideten steht hinter ihr. Das griechische Auge ist ein realistisches , es sieht die Wirk- lichkeit , aber es sieht sie nicht ganz. Rodin erkennt den Realismus des Griechentums an und bekennt sich selbst als seinen Schüler. Aber Generationen sind gekommen und ge- gangen , und das menschliche Auge hat die Fähigkeit verloren , das Leben als eine Auf- einanderfolge von Zuständen , von Ruhen zu
Au^Kstc Rodi)i— Paris .
AUGUSTE RODIN— PARIS
sehen , j^enau so wie der Mensch überhaupt die Fähigkeit verloren hat, ein solches Leben zu führen. Im letzten Grunde war der Grieche sehr wohl ein Egoist, aber niemals ein Indivi- dualist ; er war nie ein Ich, sondern immer ein Grieche , sein Griechentum war seine Welt, in sich hat er eine andere nicht, er war sich bewußt im Gehen , Stehen und Handeln und in jedem Moment von tausend Augen beobachtet zu werden — die griechische frauenhafte Eitelkeit , durch Jacob Burkhard zuerst enthüllt, ist uns Heutigen unverständlich — und er lebte und posierte, ohne dabei ein Schauspieler zu sein, für diese tausend Augen. Das hat die griechische Kunst mit einer ewigen Vollendung gefaßt, die vielleicht ihresgleichen niemals wieder finden wird.
Dann kam das Christentum und trug in das Leben der Völker den Begriff der Seele hinein, den das Griechentum nicht kennen wollte. Denken und Empfinden, Freuden und Leiden waren keine Funktionen selbstverständlicher Art mehrdeskörperlichenOrganismus, sondern Fähigkeiten und Äußerungen einer geheimnis- vollen Macht, der Seele eben, die, stärker als der Körper, diesen formt und bildet. Als
Marmnrplastik: Dir Friihling T.cbcn weckciKl .
etwas Unfaßbares und Methaphysisches der Kunst nicht direkt erreichbar, mußte sie durch dieselbe in ihrem Einflüsse auf das Physische gehalten werden. Die Kunst der Renaissance ist der Ausdruck dieses Hineintragens der Seele in das griechische Heidentum. Der Zu- stand ist noch immer vom Griechentum über- nommen, ruhig sitzt Colleone auf seinem riesigen Schlachtrosse , ruhig steht der David des Michelangelo da. Aber die Geste , die körperliche Äußerung des seelischen Zustandes ist hinzugekommen. David hält die Schleuder, in Kopf und Körperhaltung bebt die Spannung des kommenden Kampfes.
Die Plastik der Gegenwart sah sich vor eine neue Aufgabe gestellt. Das Leben war wieder neu geworden, gewann, was es an Innerlich- keit verlor, an Achtung vor sich selber. Der moderne Mensch ist ein Individualist ganz eigener Art, er reckt sich nicht wie der Renais- sancemensch als eiserner Eroberer in seine Zeit, sondern er lebt eben diese Zeit ganz mit seiner Persönlichkeit. Das bedeutet eine Be- schleunigung des Lebenstempos , die von der Ruhe des Griechentums weit entfernt ist, aber auch zur Geste der Renaissance selten die Zeit
Lothar Ihirß'r- Wasscn<ojict :
AIICUSTK Ri.i.iN. liroiizc: Kiii SchatU-ii aus dir (Inippc rKnfci
und Gelegenheit findet. Werden modernen Menschen erfassen will, muß ihn in der Bewegung überraschen, im PlötzUchen und Momentanen, das wie ein Schein- werfer jäh über die ganze Per- sönlichkeit dahin flackert, um bald darauf nur etwas für das moderne Auge zu Undifferen- ziertes zu hinterlassen. — Das ungefähr ist die kunsthistorische Auffassung Rodins, die Weltan- schauung, mit der seine bild- hauerische Realistik an ihre Auf- gabe ging. Sie ist mit dem Pessi- mismus der modernen Dichtung — Baudelaire, den er wunder- voll wiedergab, ist Rodins Lieb- lingsdichter — gesättigt und kennt keine Beschönigung. Ihr eigent- liches Material ist die Bronze, das Material der kommenden Plastik überhaupt, das Mate- rial der Bewegung. Von den vie- len Arbeiten, die es von Rodin in Marmor und Bronze gibt, wird man fast immer die Bronze vor- ziehen mit ihrer grade hier fast unverhältnismäßig größeren Aus- drucksstärke, ihrem weit inten- siveren Leben. — Rodins Kunst steht am Eingange einer neuen plastischen Epoche, der Plastik der Bewegung, und so sicher diese noch stärker wird, so sicher ist Rodins Einzigartigkeit in un- serer Zeit nicht zu verkennen. Das Schöpferische, Großartigere, neue Wege Weisende in Rodin sieht mit dem Auge seiner Zeit, er ist der einzige absolute Pla- stiker der Gegenwart ohne anato- mischen Fehl, der Einzige, dessen körperliche Kenntnis und Empfin- dung so stark sind, daß er selbst das gibt, was nicht mehr das Auge des Beschauers sondern nur noch sein Finger kontrolHeren kann. Ganz wie die größten Werke des Altertums und der Renaissance. InkleinerenWerken selbst wie die Hand Gottes oder die Versuchung des heiligen An- tonius. Solch unfehlbare Sicher- heit von Auge und Hand ist nicht zu Lernendes oder zu Erziehen-
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Aui'nsfc Rodi)i — Paris.
iUSTE RODIN - PAKI^. Maiinorplaitik; Kar yalklc. Sdimirzgcciuälle iliR- Last trageiul«
des , es ist ein in >Iahrluinderten schier ein- malif^es Gnadengeschenk, in der neuen Kunst nur mit einem Seitenstück : Adolf Menzel. Wenn Rodin in seiner Plastik einer alten Frau diesen müden ausj^emergelten Körper mit allen seinen Merkmalen unter der Ausscheidung des Unwesentlichen — Zufälligen und nicht allge- mein Gültigen — in großartiger Harmonie gibt, so zeugt grade dieser großzügige Realismus ein Symbol von ganz anders ewig gültiger Schön- heit als dies eine kitschig bewußte symbolische Darstellung „Das Alter" je zu tun vermochte. Das neue plastische Fvangclium predigt im
Gegensatze zum alten Evangelium von der Schönheit als Ruhe, daß Schönheit Bewegung ist. Rodin faßt seine Gestalten in einem Augenblicke hoher Erregung, er weiß, daß der Körper die zweckmäßige Schönheit seiner An- lage eben nur in ihrem Gebrauch unwiderleg- lich beweisen kann. Die Leidenschaft der momentanen Bewegung zu monumentalisieren, diese früheren Zeiten schier widersinnig er- scheinende Aufgabe, hat Rodins Werk verwirk- licht und hiermit der Plastik neue Wege ge- wiesen aus klassizistischer Erstarrung heraus, ihr eine neue Welt geöffnet. — i. n u.
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AcM/Voo/:
GESCHMACKS-KUNST.
xN VijN A. l'i
Ml :n(~hi x-r.rKT in.
A rbeiten wie die von Anton Pössenbacher iV sehen wir, da sie sich mehr oder we- ni{!er an alte Stile anlehnen, mit besonders kritischen Augen an. Das ist nur natürlich. Welche Attentate auf Geschmack, Wahrhaftig- keit, natürliches Empfinden und Hygiene sind nicht im Namen alter Stile von ihren Nach- ahmern begangen worden! Die vielen schmerz- lichen Erfahrungen haben uns mißtrauisch ge- macht; nur hervorragende innere Qualitäten können uns veranlassen, uns für derartige Ar beiten zu interessieren.
Aber es zeigt sich, daß man der heftigen Kritik doch eine gewisse Berechtigung zuer- kannt hat. Auch die Arbeiten derjenigen, die von der Tradition abzugehen sich nicht ent- schließen können, haben in den letzten Jahren eine große Wandlung durchgemacht. Man geht mit solcher peinlichen Vorsicht zu Werke,
man ist so reserviert, so kritisch gegen sich selbst geworden, daß die Arbeiten, abgesehen von den prinzipiellen Grundfragen, der Kritik kaum mehr faßbare Angriffspunkte bieten. Bei den besseren der Firmen findet man äußerst selten mehr gröbere Verstöße, Überladung, Materialfälschung, konstruktive Sünden. Ge- schmacklosigkeiten werden in hundertfacher Sichtung und Siebung ausgemerzt. Diese Läu- terung kam freilich kaum einigen zehn Firmen in Deutschland zugute. Die große Masse, die ihnen geblendet folgt, ist bedauernswert. Archaismen werden nur im geschmackvollsten Milieu erträglich. Und dazu bedarf es außer- gewöhnlicher Umstände. Pössenbacher gehört zu den Geschmacks -Kaufleuten. Das sind Sammler, Liebhaber, die ihre reichen Hilfsmittel und internationalen Beziehungen aufs beste auszunützen verstehen, um gute Stücke, gute
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Gesc/ui/acksktDis/.
I■OS^E^■I!A^•HKR — MLNCHEN-llERI.IN.
Motive und gute Ideen aufzuspüren und zu verwerten. Sie arbeiten mit den Erfahrungen von Generationen, mit allen Stätten der Kul- tur stehen sie in Fühlung. Was sie zeigen, auch wenn es einem Einfall der Laune ent- sprungen scheint, ist sicher schon reiflich er- probt. Man läßt experimentieren, dann wägt man, sichtet man und akzeptiert, nachdem alle Härten und Sonderlichkeiten abgestreift sind.
Daher bekommen diese Arbeiten das Reife, Ruhige, Ausgeglichene. Es ist kaum etwas da- rin, was überrascht, aber man wird angezogen durch die leise Harmonie, die in ihnen ruht, durch die außergewöhnliche Feinheit des Tons. In diesen Räumen soll absolut nichts besonders auffallen und erregen. Alle lauten und deut- lichen Konstruktionen sind vermieden, wie ein Schleier liegt es über den Dingen, der ihre brutale Bestimmtheit dämpft und auflöst. Hef- tige Reden und Gesten scheinen in diesen Räu- men unmöglich. Sie sind nur für kultivierte und wohlerzogene Menschen, fürbeste Gesellschaft.
Es ist aber doch recht bemerkenswert, was
AUaiuik-HuU'l, Hamburg. SeyeljadU-K..j..-.
dieser „besten Gesellschaft" jetzt geboten werden kann. Da ist eigentlich keine Spur von Protzerei. Ornamentaler und plastischer Schmuck kommt fast gar nicht vor. Die Wände breiten sich in edlen großen Flächen aus, die Möbel haben exakte, knappe Formen, die Hauptlinien der Architektur sind durch keinen Bruch, keine schnörkelhaften Ausschweifungen gestört. Man hat immer wieder gepredigt, nicht der Schmuck macht die Vornehmheit, hier ist ein augenfälliger Beweis, auch bei historischen Stilen wirkt das Schlichte, inner- lich Bedingte noch lange nicht dürftig. Pössen- bacher hat eine auffallende Kunst, die geraden Linien weich, leicht und elegant zu ziehen. Und selbst der Rundbogen ist ohne Schwere.
Das ist charakteristisch für die neueren Ar- beiten der Firma Pössenbacher, diese reiz- volle, delikate Behandlung der Geraden, der einfachen Bögen, der rechtwinkligen Flächen. Es ist, als wären sie von Frauenhand gezogen, so sind sie aller geometrischen Härte entkleidet.
Man hat bei Pössenbacher einen ganz be-
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Gcsrl/niaikskifiis/.
HI K MrN{ 111' \-l;KKI,IN.
stimmten Holzschnitt, eine Vorliebe für Hölzer mit feiner, aber klarer Zeichnung, und für breite Leisten. Dem Holz wird bei den jiroßen Flächen und weitausholenden Rundunfjen recht viel zu)5eniutet, aber diese eminent schwie- rigen Wölbungen werden mit vollendeter Sauberkeit herausgebracht. Überhaupt sucht man viel eher mit der Meisterschaft der Ar- beit als mit dem teuren Material zu prunken, und das ist kein schlechtes Prinzip. Ganz köstlich werden bei Pössenbacher die feinen Kannelierungen,Gesimse und Profile behandelt, da vergißt man über dem Reiz der Arbeit •allen Streit um die Stile.
Die Beleuchtungs-Körper sind fast alle als gut zu bezeichnen. Sehr glücklich sind in dem niedrigen holländischen Klubzimmer die gedrungenen Messingleuchter mit der mächtigen Kugel. Die Vorhänge blieben, was zu loben, durchweg glatt. Es fehlt jegliche Draperie. Aber von den kleinen, buntge- druckten Volants, die als Rauchschürzen am
Pf.iiltspnrt. AUantik-H<.tcl. llanibing.
Kamin berechtigt sind, wurde doch zu ausgie- big Gebrauch gemacht. Man kann sie nicht gut über eine ganze Wand spannen oder einen Rüfetteinbau damit garnieren.
Die abgebildeten Räume erscheinen uns in ihren Einzelheiten und Stimmungen bekannt und vertraut. Sie fügen sich ohne Zwang in das Leben der Gesellschaft, der Familie ein. Was sie aber darüber hinaus wertvoll und bedeut- sam macht, ist ein seltener Geschmack, ein feiner Sinn für Valeurs der Linien und Flächen, für Raunistimmungen, für Qualitäten der Ar- beit, der das Vertraute doch auf eine beson- dere Art sagen läßt. Das ist eine sehr gewählte und gepflegte Sprache, die man immer gerne hört, aber natürlich macht die kultivierte, die „soignierte" Sprache noch keine Dichtung. Und mir scheint, das ist es doch, was die meisten suchen. Sie wollen gute Möbel, gute Wohnräume. Nichts weiter. In einem Ge- dicht, in einem Bilde zu leben, würden sie mit Heftigkeit ablehnen. \ v vcm.
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sKNBAlHER .ml .NCilt.N-llEkLlN.
Klub^iimiKi riddespurt. AtlaiUik-UuUl, llauibiirg.
SOZIALE VERPFLICHTUNG DES KUNSTGEWERBLERS.
rHi;[.\I liKRLIN.
Ales gewerbliche Schaffen gründet sich auf soziale Notwendigkeiten. Daseinsbedürf- nisse erheischen ihre Befriedigung. DerKunst- gewerbler ist berufen, sie formal zu organi- sieren. Wohnräume und Hausgeräte sind als Stützen der Lebensführung anzusehen. Der Mensch pflegt die Beziehungen zu seiner fer- neren und engeren Lhngebung zu ordnen nach den großen Richtlinien üblicher Konventionen. Konventionen des Geschmacks, der Lebens- haltung, des geselligen Verkehrs, der sanitären hrfahrungen und ethischen Anschauungen. Konventionen, die mit den Lebensprinzipien jeder neuen Epoche sich wandeln, erneuern und fortentwickeln. Die Gesellschaft wech- selt im Lauf der Jahrhunderte ihre Daseins- geste. Jedem Umschwung folgt eine hrsetzung der veralteten Gerätformen durch neue, den veränderten Verhältnissen entsprechende Ge-
staltungen. Der gewerbliche Künstler steht damit vor der Aufgabe, die hinderliche Un- bequemlichkeit wegzuräumen und dafür ele- mentare Kristallisationen des werden- den Zeitempfindens zu geben.
Eine Gesetzlichkeit, machtvoller als der Wille des Einzelnen, bestimmt dies Bilden, Der freie Künstler folgt lediglich dem zünden- den Gedanken seiner Intuition. Er ringt mit dem Kosmos, will die rein und groß erschaute Idee materialisieren, strebt die Materie durch die Gewalt seiner psychischen Energie zu be- zwingen. Nicht die Lebensführung, das Leben selbst bis in die zartesten Wurzeln will er reinigen, Kraft, Glück und Erlösung spendend. Anders der Kunstgewerbler. Lösungen wer- den von ihm gefordert, wo der andere freie Schöpfungen zu geben hat. Das Zeitbedürf- nis erwartet von ihm die nützliche und har-
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nionischc Stilisierunj5. Jene latenten Triebe, die ungebärdij5, kaum bewußt im Schöße der Gesellschaft emporzüngeln, verlangen nach dem denkenden Organ, das sie gestaltend be- stimmt. Ein Diener der Notdurft, ist in seine Hand die Macht gegeben, dem profanen Da- sein Würde und Form zu verleihen. Das künst- lerische Selbstbestimmungsrecht ist ihm be- schnitten, damit seiner sozialen Mission die Wirkung ins Breite und Weite nicht mangele. Zweckmäßigkeit, Brauchbarkeit, Sachlichkeit wird von dem gewerblichen Gegenstand gefordert. Er soll nützlich sein, soll seinem Verwender aufs Beste dienen. Durch Behaglichkeit und Bequemlichkeit soll er den Gebrauch zu einer Freude machen. Und wir glauben in ihm einen Abglanz von Schönheit zu verspüren, wenn er diesen un- seren Interessen die vornehme Befriedigung gewährt. Eine rein ästhetische Betrachtungs- weise vermag vielleicht in Konflikt zu geraten, wo sie die künstlerische Form der zweck- volleren opfern soll, wo dem heiteren Spiel
der Phantasie zu gunsten der Handlichkeit Ein- halt geboten werden müßte. Aber ein Ver- fahren, das Gebrauchsgegenstände nur als Anschauungswerte zu genießen und zu be- urteilen sucht, wird immer blindlings neben den Kern des Problems tasten. Wer wollte vor dem Moses des Michelangelo, vor den Dürerschen Aposteln nach dem gemeinen Zweck fragen; und wer könnte das unterlassen gegenüber einem Bett, einem Ofen, einem Tisch?
Geradezu physisch erzwingt ein solcher Gegenstand Erwägungen dieser Art. Ein Stuhl mahnt uns rein körperlich, festzustellen, ob sein Hersteller jede Möglichkeit aufgeboten hat, ihn aufs I^este unseren Bedürfnissen an- zupassen. Die letzte Nuance an Behaglichkeit wird erwünscht und wo wir sie missen, sinkt unweigerlich unsere Wertschätzung. Weder Form, noch Farbe, weder Aufmachung, noch Kostbarkeit vermögen uns darüber zu trösten. Nichts kann uns über die Tatsache hinweg- bringen, daß hier eine Aufgabe unzulänglich ge- löst worden ist. Ungetrübte Freud erstellt
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Soziale J'offlichhino (-/es Kit>isf:^cn'cri)/en
A. ruNSEXÜACHER MUKCHEN-BERLIN.
sich nur dort ein, wo der Notwendig- keit die reine Form gefunden worden. Wider den Menschen, der hierin versagt, richtet sich unser Groll, nicht allein weil er unser Geschmacksempfinden verletzt hat, mehr noch weil er unsozial ist.
Indem der Schaffende sich jenen Anforde- rungen der Brauchbarkeit widersetzt, da sie angeblich seineDarstellungsabsichten vereiteln, gibt er ein Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit. Dieses Sträuben ist ein Zeichen für die geringe Begabung, die der be- stimmten Bedingung ausweicht, um der be- schämenden Entlarvung vorzubeugen. Natür- lich mag dem einen diese, dem anderen jene Aufgabe nicht liegen; er mag auf eine ganz andere Tätigkeit eingestellt sein, dann aber ist es nicht mehr als anständig, sie dem Ge- eigneteren zu überlassen. Nur der Niedrig- gesinnte gibt sich preis, indem er das Min- derwertige für vollwertig ausgibt. Jene Mei- nung nun , die in dem Aberglauben befangen lebt, für irgend eine Sache sei die klare For-
sdncilizimmcr. Atlantik-] lutcl, J lambiiifj
mulierung nicht zu finden, ist durch nichts be- gründet. Wäre es etwa zu dulden, daß ein Architekt sich weigert, ein Haus wohnlich zu bauen, damit er es „schön machen" könne? Wird man ihm nicht mit Recht jeden Verstoß wider die uneingeschränkte Brauchbarkeit vor- rechnen, ihn nicht zwingen, Neigungen zu unter- drücken, die für den etwaigen Bewohner eine schwere Last bedeuteten? Was hier im großen ohne weiteres klar ist, gilt in gleichem Maße für den Kunstgewerbler. Nicht erschweren, erleichtern soll seine Tätigkeit den Daseins- prozeß. Das kann er nicht, so er dem Talmi- flitter der Verzierungskünste verfällt. Der Schaffende wird indessen nie fehl gehen, wenn er auf die Stimmen der Wirklichkeit horclit; und offenbaren sie sich ilim niciit am vernehm- lichsten in jenen Bedürfnissen, die wir als soziale zu bezeichnen hatten?
Er vergesse nicht , daß er letzten Endes ein anvertrautes Mandat versieht. Was er bildet, ist nicht blos Befreiung seines Ichs, ist zugleich eine Sache für einen oder viele
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So'jak ] rr^lliilitiiiiii des hiiiis/orivri /i/rrs.
Benutzer. Diese gehen keineswejjs darauf aus, seine Persönlichkeit zu vergewaltigen; sie würden sich nur zur Wehr setzen, wenn ein fremdes Individuum sie in ihrem Hausgerät tyrannisch zu beherrschen trachtete. Was der Gewerbler von seiner Persönlichkeit in seine Krzeugnisse hineingibt, muß notwendigerweise hinter ihrer Sachlichkeit verschwinden. Oder kann man es einem Menschen im Ernst zu- muten, daß sich ihm aus seinen Möbeln diese, seinen Textilien jene, seinen Keramiken eine dritte Persönlichkeit entgegenstreckt. Er will der Beherrscher, nicht der Knecht seiner Um- gebung sein. So verlangt er einen Ausgleich, eine Neutralität, verlangt auch in diesem psy- chischen Moment eine soziale Rücksichtnahme. Wo gar Massenerzeugnisse herzurichten sind, wäre ein Aufbegehren gegen eine solche Verpflichtung nicht verzeihlich. Kann eine Drucktype, die von Tausenden gelesen werden soll, um des individuellen Duktus eines Ein- zelnen willen ihre Lesbarkeit einbüßen? Kann ein Stoff, der für hunderterlei Zwecke vorbc-
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stimmt ist, eine Tapete, die für zahllose Räume den Fond abgeben soll, der sach- lichen Diskretion ermangeln?
Es ist ein Naturgesetz, daß die starke Kraft sich inuner unterordnet der höheren Not- wendigkeit. Für das kunstgewerbliche Schaf- fen war die Zweckmäßigkeit stets der er- frischende Jungbrunnen. Wo dieser Halt ver- loren ging, war Entartung die Folge. Wo das Individuum sich seiner sozialen Verpflichtung entledigte, irrte es taumelnd dem Abgrund des Unzulänglichen zu.
Schließlich ist der Zweck nicht auch eine Idee? Und warum sollte die unverfälschte Materialisierung dieser Zweckidee etwas Un- künstlerisches sein? Wo ist die ästhetische Tabulatur, die dieser Ethik des kunstgewerb- lichen Gestaltens einen niederen Rang zu- weisen möchte? Geschieht es etwa nur da- rum, weil hier die Idee eine soziale ist, weil sie statt des Einzelwertes die gemeinschaft- lichen Verhältnisse in ihrem Zusammenhang offenbart ? r wi^i m im.
Dr. Geoyo Lelnirrl :
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1 lerrn/immor. Hans Jagenborg Solinguii.
DIE NÄCHSTEN ZIELE UNSERER METALLWARE.
Nach allfjemeineni Spraclii^ebrauche faßt man als Metallware alle aus unedlen Metallen jSefertifJten Erzeugnisse zusammen mit Ausnahme der aus Schmiedeeisen heri^e- stellten. Die kunst}>ewerbliche Metallware unserer Tage hält die beiden durch ihre Tech- nik verschiedenen Wege, der Handarbeit und der Maschinenarbeit, viel schärfer auseinander als früher. Im Vergleiche zu den vorherge- gangenen Jahrzehnten befinden sich heute unter all den Geräten aus Kupfer, Bronze, Messing, Zink, Zinn, Nickel, Alfenide, Bri- lannia usw., mit denen wir uns umgeben, be- deutend weniger Maschinen-Erzeugnisse, die Handarbeit vortäuschen wollen, als früher. Wir haben also aufdiesem Gebiete erfreulicher- weise einen unleugbaren Fortschritt zu ver- zeichnen; ihn festzuhalten wird für die nächsten Jahre die Hauptaufgabe unsrer Metall wäre sein. Die Gußware hat längere Zeit unter dem
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flüchtigen Bearbeiten des f^eliefs gelitten. Die Forderung nach Billigkeit, der besonders die Handelsbronze auf dem Weltmarkte entspre- chen mußte, hatte dazu geführt, daß man das reliefierte Gerät und selbst die einfacheren, figürlichen Arbeiten nur noch auf der Maschine kratzte und schliff, nicht aber in den Einzel- heiten mit der Hand nachging. Diese Art der „Fertigarbeit" tritt heute zurück, zum Vorteile des Ganzen. Der Medaillenstil und seine Be- handlung des Reliefs hat da (wenngleich die Medaille selbst zuweilen schon wieder etwas trockenen Vortrag zeigt) heilsamen Einfluß ausgeübt. Dieser Weg wäre weiter zu ver- folgen, nicht aber jener heule auch übliche, der für die Gußware möglichst nur glatte Flächen anstrebt. Zwei wichtige Gründe spre- chen dagegen. Zum einen, und das ist vom künstlerischen Standpunkte aus wesentlich : die ganz glatte, womöglich geschliffene oder
Die ruiihste)! Zieh' ^tHscrer MetalhiVarc.
SENISACHKK .MIM ilKN-MKRI.lN.
geglänzte Fläche liegt der Gußware nicht ; sie kommt weit mehr dem Erzeugnis aus Bronze zu. Zum anderen aber, und das ist technisch von großer Bedeutung: die glatte Fläche verteuert die Herstellung, weil sie im Verhältnis zum erzielbaren Preise mehr Durch- arbeiten erfordert, als die reliefierte. Das zeigt sich namentlich dann, wenn die kleinen un- vermeidbaren Gußfehler gar zu deutlich zu Tage treten. Unter diesem Übelstande leiden namentlich die gegossenen glatten Beschläge, wie sie für Möbel, Türen, Fenster im Ge- brauche sind. Hier wäre also etwas mehr Relief anzustreben. Auch steht gerade im Beschläge die Vorliebe für Messing und mes- singfarbene Bronze heute zu sehr im Vorder- grunde ; der wärmere Ton des Rotgusses würde in viele unserer Räume besser passen als der immerhin kalte des geschliffenen oder geglänzten Messings.
Die massive Pressung, wie man sie früher zu Beschlägen von Lederarbeiten und kleine- ren Hol/arbeiten verwendet hat, ist im Ver-
schwinden. Soweit sie sich bestrebt hat, ge- gossene und ziselierte Arbeit vorzutäuschen, ist ihr Zurücktreten nicht zu bedauern. Zu wünschen aber wäre es, daß man für den massiv gepreßten Beschlag wieder einfache, sinngemäße Formen suchte und dadurch diesem Zweige der kunstgewerblichen Metallverar- beitung wieder mehr Ansehen und Aufträge brächte. Das würde auch dem landläufigen Beschläge aus dünnem Blech wirksam ent- gegentreten.
Die Blechware , also die aus Kupfer-, Mes- sing-, Tombak-, Bronzeblech hergestellte Me- tallware, läßt heute den Unterschied zwischen Hand- und Maschinenarbeit am deutlichsten erkennen. In der Handarbeit steht die ge- triebene voran. Sie verfolgt im allgemeinen richtige Wege ; organisch wächst ihr Relief aus der Fläche heraus. Weich modelliert, oft nur gleichsam hingeworfen, tritt es aus der Mäche hervor und bleibt doch wesenseins mit ihr. Hierin weiter zu schreiten, muß das Ziel der Treibarbeit bleiben. Anzuerkennen ist, daß
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Die flachsten Ziele itnserer Jlfefa/hvair.
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man sich in den vielen Gefäßen, die die Treib- arbeit notgedrungen hervorbringt, einer tek- lonisch richtigen Form befleißigt. Jene früher üblichen getriebenen Gefäße, über deren viel- gestaltigen Formen man gar nicht zum Fr- fassen des Ganzen kam, sind fast ganz ver- schwunden ; klar und einfach aufgebaute Ge- bilde sind an ihre Stelle getreten. Diese Richtung ist festzuhalten und v^^eiterzuführen ohne Rücksicht auf die unausbleiblichen Nach- ahmungen in gepreßtem Kupferblech oder ver- kupfertem Zinkblech, die heute noch so wie früher auf dem Markte erscheinen.
Die Maschinenarbeit in der Blechware sucht, in ganz richtiger Weise und mit wenig Ausnahmen, in dem klaren, struktiven Auf- bau, in der Brauchbarkeit des Stückes und in der schlichten Schönheit seiner gesamten Fr- scheinung ihr Ziel. Das soll man in Zukunft ebenso festhalten, wie das Streben nach Ge- nauigkeit der Arbeit, nach glatten, geschliffenen oder blanken Flächen,
Diese Vorzüge entfalten ganz besonders die
iMusikzimmci. tiaus Lichheit Gninowald- Berlin.
Beleuchtungskörper von heute, Sie be- kunden, mögen sie auf der Maschine oder von Hand entstanden sein, in ihrem sinngerechten Aufbau, in der struktiven Verwendung von Schnur und Birne, von Gasrohr und Brenner, einen unbedingten Fortschritt gegen früher. Diese Art weiter zu pflegen, dürfte den An- forderungen der Zeit durchaus entsprechen. Schwieriger gestaltet sich auch heute noch das Gebiet der gefaßten Ware, also all die Uhren und Schalen, Leuchter und Schreib- zeuge, Rauchzeuge und sonstigen Geräte, die Finsätze aus Metall, Stein, Glas, Fayence be- sitzen. Die Gewohnheit der siebziger und achtziger Jahre, das Gefaßte möglichst zurück- treten zu lassen vor der Fassung, ist stark im Schwinden ; man erblickt jetzt im Finsätze, in den zu fassenden Teilen , richtigerweise die Hauptsache und läßt sie in den Vordergrund treten, während man der Fassung ihre ange- stammte eigentliche Aufgabe, nämlich nur den Rahmen für das Gefaßte abzugeben und es gebrauchsmäßig auszustatten, mehr und mehr
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A. PÖSSEMiACHER Ml NCHEN-I'.I-KI.I.N
einräumt. Diese Erkenntnis sollte sich all}>c- mein Bahn brechen.
In sehr erfreulicher Weise zieht man neuer- dinjis die Metallware zum Ausbau heran, sowohl im Innern, wie am Äußeren des Ge- bäudes. Es ist durchaus richtig, fSroßzüj^itSe, (getriebene Reliefs aus Bronze-, Tombak- oder Messinj^blech in die äußere Architektur einzu- gliedern und ähnliche Arbeiten auch im Innen- ausbau großer Räume zu verwenden. Gerade hierin erwachsen der Treibarbeit sinn- und ma- terialgerechte, außerordentlich dankbare Auf- gaben. Nicht minder in den größeren Arbeiten aus Metall, wie sie fürlieizkörperverkleidungen, für Kamine und für Dauerbrandöfen aufge- kommen sind. Mehr und mehr sollte man für diese Zweige die Treibarbeit heranziehen. Sie wirkt durch das Individuelle ihrer Art doppelt gut. Neue Materialien, wie das Duranametall u. a. sind ihr entstanden. Die Verwendung ge- triebenen Metalles zu Schaufensterfassungen, zu Fahrstuhltüren, zu Bettstellen und anderen l'.rzeugnissen verdient rege Förderung.
Kindcrzimnii-r. Haus I.iubhcit (irunewald-Bcilin.
Dadurch kommen auch mehr lichte, helle, farbige Töne in unsere Innenräume. Sie sind uns durchaus notwendig. Daneben aber sollte man den ausgezeichneten Farbenreich- tum , den das Patinieren auf allen Kupfer- legierungen zu entwickeln gestattet, nicht so außer Acht lassen, wie bisher. Man hat sich heute fast daran gewöhnt, von den Patina- tönen unserer Metallware nur die dunkel- braunen und die schwarzen heranzuziehen oder durch Farbanstrich nachzuahmen. Dieses Nachahmen ist ganz allgemein und das Bevor- zugen der dunklen Tönungen im besonderen für die Folge zu vermeiden. Die meisten Arbeitsmaterialien der Metallware patinieren so ausgezeichnet und liefern eine so vollstän- dige Farbenreihe vom hellsten Gelb über Rot und Grün bis zum Schwarz, daß man sich ihrer nicht genug bedienen kann.
Alle diese nächsten Ziele unserer Metall- ware zu erreichen, bietet geringe Schwierig- keiten. Das Publikum muß ihnen nur freund- lich gegenüberstehen. .;ii.k,. iiiiniki.
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A. PUSSKXBACHKR - .MUXCl IKX - HKK l.l X HADEZIMMKk. HAUS I.IEIIHEIT ÜKUNEWAI.D-BF.KI.IN AUSF.: THIERÜARTNKK, VOLT/. He WITTMEK BERLIN
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|>ELKUCHTUNGSKÖR- PRR. Von feinsinnigen Künstlern, wieBrunoPaul, Weniji, Bisclioff u. Koer- nif«, läßt sich Richard L. F. Schulz das Thema geben und entwickelt da- raus mit reifem handwerk- lichen Können ein ganz ausgezeichnetes Gerät. Man spürt, wie er die Absicht seiner Künstler niciit nur begriffen, wie er sie nach den Gesetzen des Materials zur Wirk- lichkeit gehoben. Unbe- kümmert um den Entwurf zeigen die Ausführungen eine innere Verwandt- schaft, eine gemeinsame Gesinnung reinlicher Kul- tur. Man würde sie ohne Fabrikmarke erkennen. R. L.F.Schulz hat an die- sen Lampen nicht weniger Anteil als die entwerfen- den Künstler, ic 'i\. m-kitck.
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KNi U-.: ARNO KOKKNKi M.KUS. ENTW.: PAri. KIMHOKK HEKUN. KNTW.: ARNO KuKKNU; MERMN.
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ENTWURK: PROFESSOR PETER BEHRENS. AUSF. : ANHALTER TAPETEN-FABRIK— DESSAU.
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TAGUNG DES DEUTSCHEN WERKBUNDES
IX FRAXKFITRT a. U. 30. SEPT. 2. OKT. 1909.
Wenn es anfangs so aussah, als wäre der „Deutsche Werkbund", dieser Zusam- menschluß von Künstlern und Fabrikanten, von Theoretikern und Handwerkern, ein ge- wagtes Experiment, so hat es sich in zwei Ar- beitsjahren gezeigt, daß der Bund, der aus na- türlichen Feinden überzeugte Freunde machte, zu leben vermag. Und nicht nur zu leben; er erstarkt und schlägt Wurzel und breitet seine Kreise weit aus auf alle Gebiete der Produk- tion und der Konsumtion. Er ist heute bereits ein Faktor, mit dem die Gewerbe- und die Kunstpolitik (soweit es so etwas gibt) rechnen muß. Er wurde zur maßgebenden Instanz für alle Fragen aus dem Gebiete der geschmack- vollen Qualitätsarbeit. Qualitätsarbeit für je- den Beruf, für den einzelnen, wie für das Volk, für den Entwerfenden und den Ausführenden, für den Verkaufenden und den Einkaufenden, Qualitätsarbeit aus Überzeugung und Egoismus, das ist das eigentliche Fundament und das höchste Ziel des Werkbundes Unfall derer, die sich unter seine Fahne gestellt.
Die Frankfurter Tagung war die zweite Jahresversammlung des Plenum. Sie begann damit, daß Bericht erstattet wurde über die Leistungen und die Erfolge seit München 1 908. In der Tat, der Bund ist nicht müßig gewesen; wer zu lesen vermag, erfuhr durch die nüch- ternen Worte des Jahresberichtes (der auch gedruckt vorliegt) von vielen Beratungen der Kommissionen, von vielen Reisen des Ge- schäftsführers, von zahllosen Verhandlungen und einer Fülle von Skripturen und ausge- sandten Drucksachen. Welche Art auch immer die einzelne Absicht und ihre Frucht war, die Tendenz aller geht darauf: die Besten, die Weitblickendsten , die Einflußreichsten aus Architektur und Kunstgewerbe, aus Handwerk und Kaufmannschaft, aus Stadtverwaltung und Regierung für die Idee der geschmackvollen Qualitätsarbeit zu gewinnen. Und es ist ge- wiß kein Optimismus, wenn man aus dem Er- trag des vergangenen Jahres und auf Grund der neuesten Frankfurter Tagung zu der Über- zeugung gelangt, daß der Einfuß des Werk- bundes dauernd steigt und heute schon so ge- festigt ist, daß er durch keinerlei Gegnerschaft mehr aufgehalten werden kann. Darum hat CS der Werkbund auch nicht mehr notwendig.
mit Kriegsgeschrei zu stürmen; er kann fein ruhig und würdig seinen wohlbereiteten Weg gehen. Der Sieg des Werkbundgedankens ist bereits selbstverständlich geworden.
Zunächst sei berichtet, welcher Art der Werkbund direkt in die Praxis der Arbeit ein- greift und fernerhin einzugreifen gedenkt. Vor allem galt es, Einfluß auf die Ausstellungen des kommenden Jahres zu gewinnen. Be- sonders die Brüssler Weltausstellung mußte nach jeder Richtung so gesichert werden, daß von ihr wirklich eine Vorführung des Besten, was Deutschland hervorbringt, zu erwarten ist. Man darf sagen, daß es dem Werkbund gelang, alle notwendigen Vorsichtsmaßregeln und Anspornungen, die ein treffliches Gelingen dieser wichtigen Parade deutscher Arbeit ga- rantieren, wirksam zu machen. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß nun auch jedes Mitglied das Seine tun wird, um dem Erfolge von St. Louis einen größeren zu gesellen. Eine kleinere, aber nicht unwichtige Aus- stellung wird 1910 sich in Berlin auftun. Die Ton-, Zement- und Kalk-Industrie will eine Überschau ihrer Produkte geben. Der D.W. B. hat veranlaßt, daß eine Abteilung für vorbild- liche Behandlung dieser Materiale eingerichtet wird. Man weiß zur Genüge, was alles für Kuriositäten aus Ton, Zement und Kalk auf- geputzt werden können. Es wird gewiß sehr nützlich sein, unter den mannigfachen Irr- tümern und gequälten Surrogaten Dinge zu sehen, für die das leicht zu mißbrauchende Material ordentlich und geschmackvoll ange- wendet wurde. Eine dritte zu erwartende Ausstellung will der Werkbund selbst in Frank- furt a. M. veranstalten. Freilich, das Terrain dieser reichen Stadt ist schwierig zu beackern. So konnte denn die hierfür eingesetzte Kom- mission noch nichts Positives berichten ; doch scheinen die Aussichten immerhin so günstig, daß an einem Zustandekommen dieses sicher- lich sehr wichtigen Unternehmen kaum ge- zweifelt werden kann. — Bei all diesen Aus- stellungsabsichten ist der Werkbund in hohem Maße auf das Verständnis und das Entgegen- kommen der Fabrikanten und der Kaufleute angewiesen. Er hat dies längst eingesehen; er hat eingesehen, daß mit reinem Theoreti- siercn und mit Künstlerideologie nichts zu er-
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Tat
des DaüschcH Wcrklnmdcs.
re-iclien ist, daß alles darauf ankommt, die Männer der Praxis zu {gewinnen. So sehen wir den D. W. B. darum auch besonders be- müht, die Fachleute und die Kaufleute auf- zuklären und zu erziehen. Dieser Absicht will besonders das neu begründete Deutsche Mu- seum für Kunst in Handel und Gewerbe zu HajSen dienen. Darin sollen alle den Kauf- mann betreffenden Drucksachen, Plakate, Re- klamen, Katalo}5e und Packuufien, sollen aber auch Materialien, Halbfabrikate, alles, dessen der Innenarchitekt bedarf, in Beispiel und GefSenbeispiel j^esammelt werden. Nun ließe sich darüber streiten, ob Haften der geeignete Ort für eine solche Anstalt sei. Darauf wäre zu sagen, daß Hagen in der Tat ein wichtiger Mittelpunkt des rheinisch-westfälischen In- dustriebezirkes ist. Ferner aber: das Museum ist hauptsächlich als Zentrale gedacht; von ihm aus sollen Wander-Ausstellungen durch ganz Deutschland zirkulieren. Es ist sicher, daß eine solche dauernde Attackierung manchen Nutzen bringen wird. Mancher Kauf- mann wird einsehen lernen, daß sein bis- heriges Plakat, sein Briefbogen, seine Firmen- karte schlecht, banal und unzweckmäßig ist. Notwendig dürfte es allerdings sein, diese kleinen Ausstellungen möglichst mit erläu- ternden Vorträgen zu verbinden. Daß Ost- haus Instinkt und Geschmack genug besitzt, nur ausgezeichnetes Material zusammenzu- tragen, dafür bürgt das Museum Folkwang, das wohl von allen deutschen Museen die meiste Rasse besitzt. Auch die kleine Probe- ausstellung, die in Frankfurt zu sehen war, gibt Gewähr, daß dies Institut der Anschau- ung in gute Hände gelegt ist. Der D.W. B. wird sorgen mit oder ohne Hilfe dieser Ausstellungen durch Vorträge die kaufmän- nischen Kreise zu beeinflussen. Hierzu die wichtigsten Maßnahme sind die Kurse, die er gemeinsam mit dem Verband für das kauf- männische Unterrichtswesen (Braunschweig) veranstaltet. Es soll ernstlich daran gegangen werden, die Bildung des Kaufmanns auf ein höheres Niveau zu heben, dessen Allgemein-, dessen spezielle Fachbildung und schließlich dessen Geschmacksbildung. Diese letzte Pro- vinz wurde dem Werkbund anvertraut; er begann seine Arbeit energisch genug, und läßt schon während dieser Wochen und Monate in verschiedenen Städten Deutschlands Vor- tragsreihen abhalten. Damit soll besonders auf die Dctaillisten, auf die Verkäufer Einfluß gewonnen werden. Durch diese Vermittler der Ware an das Publikum hofft man die Kon-
sumenten seihst zu fassen und zu erziehen. — Weniger den Vertreibenden, als den Pro- duzenten, den Künstlern und den Fabrikanten, soll die „gewerbliche Materialkunde" dienen. Unter diesem Titel wird Dr. Paul Krais im Auftrage des D. W. B. (bei Felix Krais in Stutt- gart) ein Werk erscheinen lassen , das in mehreren Bänden auf das Eingehendste die einzelnen Materiale , deren Naturgeschichte, deren technischen Eigenschaften, deren Imi- tationen und Verfälschungen usw. darstellen soll. Der Wert eines solchen Lehr- und Nach- schlagebuches leuchtet sofort ein. Ein Bild- hauer etwa, der heute beinahe bedingungslos der Gießerei ausgeliefert ist, wird dann die Bronze nachprüfen, zum mindesten detailliert sich zusichern lassen können. Genau so steht es um den Innenarchitekten, der heute oft die Qualität der Hölzer nicht zu unterscheiden vermag, deren Eigenschaften, deren,, Arbeiten" nicht kennt. Es ist selbstverständlich, daß ein solches Buch von dokumentarischer Bedeu- tung nur dann sein kann, wenn wirklich die besten Kenner daran mitarbeiten ; der Praxis nützen kann es nur , wenn es in jeder Be- ziehung klar und präzis und nicht umschweifend geschrieben ist. Zunächst soll der Band „Hölzer" erscheinen; sein Register scheint das Gebiet zweckmäßig einzukreisen. Bald soll der Band „Metalle" folgen. — Dies Werk- bundunternehmen , dessen Gesundheit und Nüchternheit offenbar ist, unterscheidet sich dadurch sehr vorteilhaft von einem Unterneh- men, das Dr. Pudor auf ähnliche Ziele richtet. F^r hat aber den Bogen überspannt, er strebt nach einerMaterialkontrolle zünftlerischer Art. Er dürfte damit kein Glück haben. Die Material- kunde des D. W. B. hingegen wird bereits heute von vielen Fachleuten mit Ungeduld erwartet. Gleichfalls den Produzenten sollte die Aus- stellung vorbildlicher F'abrikbauten dienen. Das hierzu angesagte Referat von Poelzig (Breslau) wurde, da er abwesend, verlesen. Die darin aufgestellten Forderungen umschreiben die selbstverständlichen Tugenden eines reinen Zweckbaues. Es wird mehr vom Negativen und Überflüssigen als vom Vorbildlichen ge- sprochen. Es ist heute immer noch wichtig ge- nug, zu sagen, was an architektonischen Gebil- den fortzubleiben hat. Ästhetische Regeln für das Positive lassen sich bei der Verschiedenheit der Aufgabe schwer fixieren. Eins allerdings kann wohl heute schon als Dogma gelten: „man sollte, gewitzigt durch die Erfahrungen bei Maschinen- und Brückenbau, auch beim Fabrik- bau alles vermeiden, was einer sinngemäßen.
Ta^nuo des Deii/schru ]]\-i khimdt-i
auf den entwickelten staatischen Gesetzen unserer Zeit basierenden Ausbildung in den Weg treten kann, und sich vor noch so gut gemeinten dekorativen Verhüllungen hüten". Flinen richtigen Gedanken propagandiert der sächsische Heiniatschutzverein, er belegte ihn durch mehrere treffliche Beispiele; die Fabrik soll sich, wenn auch nicht sklavisch , so doch dem Temperament nach, in die Landschaft ein- fühlen. Dazu bedarf es keiner besonderen Volkstümelei, keinesaufgeklebten Fachwerkes; eine konsequende Bändigung der rohen Zweck- mäßigkeit dürfte genügen ! Der Fabrik gebührt weder eine sentimentale noch eine pathetische Geste, nur ein sachlicher Rhythmus.
Der zweite Arbeitskreis des Werkbundes umfaßt die theoretischen Erwägungen und die Versuche, die gesetzgebenden Körperschaften und denen verwandte Machtkreise zu beein- flussen. Im Zentrum dieser Bestrebungen steht die Sorge um die Schule. In München war be- schlossen worden, auf der Frankfurter Tagung Leitsätze einzubringen, nach denen der D.W. B. eine Ausgestaltung der Schule und der Er- ziehung des gewerblichen Nachwuchses sich wünscht. Es hat sichergeben, daß solche Leit- sätze nicht aufzustellen sind ; daß das Gebiet zu verschiedenartig, zu kompliziert, als daß es fruchtbar wäre, mit Resolutionen daran herum- zudoktern. Diese Einsicht, zuderjederkommen muß , der sich einmal eingehender mit dem Problem der gewerblichen Erziehung befaßte, wurde von dem Referenten, Dr. Dohrn, gut begründet. Sehr instruktiv war dessen Hin- weis darauf, daß gute Erziehung nur an guten Aufträgen geschehen könne. Daß alle ge- werbliche F'rziehung abhängig sei von der wirt- schaftlichen Gesamtlage. Es bleibt darum nichts anderes übrig, als vorerst die Situation nochimmergründlichzustudieren. DerD.W. B. will über das gewerbliche Unterrichtswesen eine pädagogisch, national- ökonomisch und künstlerisch orientierte Denkschrift verfassen; vorausgesetzt, daß er dazu das nötige Geld zur Verfügung gestellt bekonmit. V/ie wichtig eine solche gründliche Bearbeitung der Schul- frage wäre, ergibt sich am besten aus der Tat- sache, daß heute eigentlich niemand das ganze, vielverzweigte Material rein objektiv kennt.
Da es durchaus richtig ist, daß ein guter Nachwuchs nur durch gute Arbeit der Lehr- meister wirklich garantiert werden kann, so muß mit allem Nachdruck nach einer Vermin- derung der Schundarbeit gestrebt werden. Dazu wiederum gibt es kein besseres Mittel, als die Regelung des Submissionswesens. Man
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weiß, daß diese Frage zur Zeit an vielen Stel- len beraten wird. Auf der Frankfurter Tagung konnte darum nichts eigentlich Neues gesagt werden. Aber es dürfte doch nützen, wenn auch diese ansehnliche Versammlung mit aller Entschiedenheit für ein Aufhörender schlimm- sten Mißstände der Submission plädiert. Es ist ein geradezu lächerliches Prinzip, eine aus- geschriebene Arbeit dem billigsten Anbieter bedingungslos zu überlassen. Die Qualität und nicht der Preis muß der wichtigste Maß- stab werden, muß es doppelt bei Arbeiten, die der Staat oder die Stadt zu vergeben hat. Wie diesen Mißständen abzuhelfen ist, darüber wird noch viel verhandelt werden müssen. Etwas mehr Dampf könnte hier nichts schaden. Interessant war es zu hören, daß gerade die Städte, sie, die sich oft ihres Liberalismus und fortschrittlichen Geistes rühmen, bei Submis- sionen viel törichter und hartnäckiger verfah- ren als der Staat.
Besondere Aufmerksamkeit widmete der D. W. B. dem sogenannten Sparerlaß des preußischen Ministers für die öffentlichen Ar- beiten. Auch hier wurde darauf hingewiesen, daß das Sparen an sich und um jeden Preis, meist ein Vergeuden sei. Daß man aber sehr wohl an dem Kunstkram, an den Puppen und dem dekorativen Beiwerk, sparen könne. Bei knappen Geldmitteln soll man eben nicht Po- temkinsche Dörfer aufrichten, soll vielmehr einen guten Architekten berufen, der dann gewiß der Notwendigkeit eine knappe, aber würdige Form geben wird.
Diese wenigen Nachrichten, die keineswegs ein erschöpfendes Bild von der Frankfurter Tagung geben, genügen immerhin , um zu be- weisen wie umsichtig und rührig der D.W. B. an alle Probleme der modernen Produktion herantritt, und wie er die Konsumtion auf ein möglichst hohes Niveau zu heben, bestrebt ist. Alle diese Reden, Diskussionen und Resolutio- nen werden mit Sicherheit Früchte tragen.
Der geistige Höhepunkt dieser zweiten Jah- resversammlung des D.W.B., ein unvergeß- liches Erlebnis, war die Fanfare, die Van de Velde in die öffentliche Abendversammlung hineinschickte. Das war ein gar hartes Unge- witter, das schwer über den Industriellen un- moralischer Observanz niederging. Das war ein erhebender Hymnus künstlerischen Selbst- bewußtseins. Das war zugleich eine Adelung aller derer, ob Künstler, ob Fabrikanten, die wirklich nüt Blut und Seele nach dem neuen Stil, dem unvergänglichenDenkmaleiner neuen Menschheit, streben, rohert Ureter.
l'ROKESSOR HRINii [■All..
Haus W'rstiiHl Be
BRUNO PAUL ALS ARCHITEKT.
HFKMANN !'■
ES ist eine Eigenart fast aller Erzeugnisse der reifen Zeit Bruno Pauls, daß sie dem- jenigen, der sie erläutern möchte, wenig zu sagen überlassen. Ihre Gestaltung ergibt sich so zwanglos aus dem Gebrauchszweck und dem Material, daß man sich unwillkürlich die Frage vorlegt, wie man je auf den Gedanken hat kommen können, es anders zu machen.
Dieser Vorzug der Arbeiten Pauls ergibt sich zum Teil aus dem, was er zu tun unter- läßt, und es hat daher nicht an Stimmen ge- fehlt, die glaubten, aus dieser negativen Eigen- schaft den Vorwurf mangelnder Individualität erheben und begründen zu können.
Nicht mit Recht.
Wer Bruno Pauls frühe Arbeiten für den Siniplizissimus kennt, weiß, daß von den vielen Malern, die sich der angewandten Kunst ge- widmet iiaben, Bruno Paul neben Th. Th. Heine in München zu den markantesten Künstler- persönlichkeiten und Könnern gehört.
Eerner darf man nicht den großen Unter- schied vergessen, der zwischen angewandter Kunst und der sogenannten hohen Kunst be- steht. Während es bei Werken der Malerei und Plastik das Wesentliche ist, die Berührung mit der ausgeprägten Persönlichkeit ihres Schöpfers zu vermitteln, sollen Gegenstände, die uns täglich und stündlich umgeben, nicht die Stimmung eines Dritten aufdrängen, son- dern ihrem Besitzer bezw. Bewohner Raum lassen für die Schaffung eines seiner eigenen Individualität entsprechenden Milieus.
Die Zurückhaltung Bruno Pauls ist daher eine wohl bewußte und bedachte, in der ein gut Teil feinen künstlerischen Taktes und nicht genug anzuerkennender Selbstverleugnung zum Ausdruck gelangt. Innerhalb dieser selbst gesetzten Beschränkung bleibt Raum genug zu künstlerischer Entfaltung und zu dem, der zu sehen versteht, redet aus diesen Schränken, Stüiilen und Tischen, die so einfach und schlicht
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Ihm/O Paul a/s AirJii/rk/.
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■ riß ersichtlich, in sehr ■ praktischer Weise ■ |
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■ ten Bruno Paul, als der |
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werk hohe Diele. Von ■ |
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S — Durch die in der L S^^^^^^^^ "^ttt? |
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i68
Bntiio Paul als Aixhilckt.
PRlIl-ESSOK BRUNO I'Ari,- IIF.KI.I X. IlAI^ WF.STKiNl). (IKTMIKISS DKS r.M'KK- fM) I lUEK-GKSCMlOSSKS.
Dl. FIcDiiaiiii Po^/ .
ITnii« AVrstcn.l. Str,
chend liegen nach der Straßenseite zu das Schlafzimmer des Sohnes auf der einen, das der Tochter auf der anderen Seite, ebenfalls mit je einem besonderen Badezimmer ver- sehen. Alle diese Räume jjruppieren sich um eine Galerie, welche hinter den Hauptwänden der j^roßen Trep- pcnhallc zurücktritt. Ebenso tritt auch die Südfront des oberen Stock- werkes hinter der des ersten Stock- werkes zurück und läßt Platz für einen die ganze Gartenfront ein- nehmenden Balkon.
Es folgt das Dachgeschoß mit reichlichen Zimmern für das Perso- nal und Kinderzimmer und darüber ein Bodenraum.
Die Eorm der Zimmer ist fast durchweg die übliche rechtwinklige. Nur im Speisezimmer erscheinen die Ecken dadurch abgestumpft , daß die Heizungskörper in sie hinein ge- legt sind und deren Verkleidung bis zur Decke emporgeführt ist. In allen Wohn- und Schlafräumen weichen
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Bruno Paul ah Aycliitckt.
die Längen und Breitenniaße nur wenig von einander ab, sodaß eine sehr ruhige und wohn- liche Raumwirkung erzielt wird.
Bezüglich der Höhe wäre noch zu sagen, daß das Damenzimmer infolge der im Erdge- schoß befindlichen Gärtnerwohnung etwas höher liegt und dadurch niedriger wird, was gerade dem intimen Charakter dieses Ge- maches sehr zu Gute kommt. Ferner ist das Entree infolge der darüber liegenden Treppen- galerie um einiges niedriger als die anderen Räume, sodaß auch dieser an sich kleine Raum das richtige Höhenverhältnis erhält.
Bei den Wänden hat Bruno Paul durch Ein- bauen der Schränke nach einer glatten Gestal- tung gestrebt, was der geschlossenen ruhigen Wirkung der Räume sehr zum Vorteil gereicht. Die gleiche Wirkung erzielt er auf folgende Weise. Er legt die Heizkörper zwischen die Fenster und führt ihre vordere Verkleidung bis zur Decke empor. Dadurch wird eine größere Tiefe der Fensternischen erwirkt, die es er- möglicht, die Vorhänge innerhalb der Wand- ebene anzubringen. Diese Anordnunghatauch den Vorzug, daß die Vorhänge durch die Zen- tralheizung nicht leiden, wie dies nur zu leicht der Fall ist, wenn die Heizkörper, wie üblich, unter den Fenstern liegen.
Die vorstehende kurze Schilderung des
ganzen Aufbaues verfolgt in erster Linie den Zweck, zu zeigen, daß Bruno Paul sich bei der Anordnung der Räume und ihrer Gestaltung aller Absonderlichkeiten enthalten hat und jedes Haschen nach originellen Formen ver- schmäht. Die Lage der Räume zu einander, ihre Maße und ihre Höhe, die Wände und die Wandöffnungen ergeben sich zwanglos ledig- lich aus dem Zweck und den Bedürfnissen. In dieser kristallklaren und durchsichtigen An- ordnung liegt ihre Schönheit.
Sie liegt aber auch fernerhin in der in dieser Raumanordnung zum Ausdruck gelangenden Rhythmik, die auf das wirkungsvollste durch die Wahl der Farben und des Materials unter- stützt wird.
Es sei gleich gesagt, daß die hier besprochene Leistung Bruno Pauls ihrer ganz außerordent- lichen Farbenfreudigkeit wegen jeden über- raschen muß, der sein Schaffen bisher verfolgt hat. Gewiß bieten schon die in der Ausstellung der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk in Berlin, Ecke Bellevuestraße und Siegesallee , gezeigten Räume dem Durch- schreitenden eine überaus abwechslungsreiche und angenehme Abtönung. Aber sie läßt sich nicht vergleichen mit dem Eindruck der reichen Farbensymphonie, welchen dieZimnier- folgen des Hauses Westend dem Besucher, be-
l'Ki il'KSMiK l;RI
Dr. Hcniiaini Post :
sonders wenn das Sonnenlicht das Haus durch- flutet, hinterläßt. Erst die Gestaltung dieses Rauinkoniplexes gab dem Künstler die Mög- lichkeil, die ganze Skala der ihm zur Ver- fügung stehenden Töne zu entfalten und sie aufs glücklichste zusammen klingen zu lassen. Man muß gestehen, daß hierbei dem Künst- ler auch eine vollendete Holztechnik zu statten gekommen ist. Es gelangten im ganzen Hause sogenannte abgesperrte Platten zur Verwen- dung. Diese werden dadurch hergestellt, daß
man drei verschiedene Holzlagen in der ent- gegen gesetzten Richtung ihrer Struktur unter hydraulischem Druck aufeinander leimt. Dies Verfahren hat in erster Linie den Zweck, das Holz am Reißen und Werfen zu hindern, er- möglicht aber zugleich, da es das Arbeiten auf Rahmen überflüssig macht, die Schönheit des Holzes in großen Flächen zur Geltung zu bringen. Nur mit Hilfe dieser flächigen Be- handlung war es möglich, z. B. die Maserung der deutschen Birke im Treppenhaus in solchem
Bruno Paul ah Architekt.
v.\\\. UEkLl^.
Abwechslungsreichtum zu zeigen, ohne un- ruhig zu wirken und so ruhige große Flächen zur Anwendung zu bringen, wie die bis zur Decke mit weiß lackiertem Holz getäfelten Wände des Speisezimmers.
Überhaupt zeigt die außerordentliche Fülle und Schönheit der zur Verwendung kommen- den Tapeten, Stoffe, Teppiche, Beleuchtungs- körper usw., die alle den Vereinigten Werk- stätten für Kunst im Handwerk entstammen, wie sehr dieses Unternehmen dem bei seiner Gründung 1897 obwaltenden Zweck gerecht geworden ist, nämlich dem Künstler ein voll- kommenes Handwerkszeug zur Ausführung seiner Pläne an die Hand zu geben. —
Wie es dem Charakter einer Vorhalle, die ja in gewissem Sinne jedem zugänglich ist, entspricht, empfängt das Entree den An- kömmling mit Zurückhaltung, hervorgerufen durch die schon erwähnte geringe Höhe des Raumes einerseits, andererseits auch durch die feierlich gehaltene Ausstattung (durch kein Profil unterbrochene schwarz-weiße Marmor- täfelung bis zur Decke, Türen und Ilolzum- rahmungen aus schwarz-grün gebeizter F.iche,
Haus Westend. ( iarilembe.
dunkelviolette Stoffe, ebensolche Lampen- schirme auf dunkelbronzenen Wandleuchtern; das Terrazzo wiederholt die Farbtöne).
Desto wärmer und volltönender setzt die Stimmung der hochstrebenden Treppen halle ein, des eigentlichen Kernes des Hauses (bis zum zweiten Stock mit leicht profilierter deut- scher Birke getäfelt, deren Braun ins Goldgrüne spielt ; der obere Teil der Wände und die einfach kassettierte Stuckdecke in grünlich schimmerndem Weiß ; Geländervergitterung und die das Emporstreben betonenden Strei- fen der Täfelung dunkelgrün gebeizte Eiche; dunkelblauer Teppich und Treppenläufer).
Das sich anschließende Speisezimmer von mittlerer Höhe und behaglicher Breite vollendet den Dreiklang, indem es den an- geschlagenen Tönen eine helle und heitere Note hinzufügt ; weiß-lackierte Holztäfelung bis zur Decke hinauf, letztere ebenfalls weiß und nur durch schmalen Goldstreifen abge- setzt; die Möbel aus hellgelbem Zitronenholz nüt rotem Saffianlederbezug der Stühle, sil- berne Leuchter, hellgrüner Teppich ; also alles I'arben, deren Zusammenstellung in der Iheo-
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l'Ki il'i;SS( iK I'.KIIN'O l'AUI. IIKKIIX.
KINCA.Ni; I'M) El KMI/. IN IIKK IIIKIK.
AiislIiliiiiiiE VcithiiuU- Werksliilleii liji Kiin-I im Handwerk A -Cr lici
Bruno Paul als Arcliitckt.
PROKESSOR BRT'NO PAUL— BERLIN.
Ausführung; Vereinige Werkstätten für Kunsl
Handwerk A.-Q. -Berlin.
rie manchem fast undenkbar erscheinen wer- den, die bei dem Hellten Charakter des Speise- zimmers aber wunderbar zusammengehen.
Der geschilderte Akkord: „Entree-Diele- Speisezimmer" klingt gewissermaßen nach den Seiten hin aus und zwar rechts in die abge- dämpften ernsten Farbentöne des Herren- arbeitszimniers (Maccasser - Ebenholztäfe- lung bis in ziemliche Höhe, darüber ein etwas kräftiger betonter Stuckfries) , links in die freundlich anmutenden Räume der Dame des Hauses (blauesWohnzimmer und Damen- zimmer mit grünem Wandbezug und Palisan- derholz-Möbeln).
Die Rhythmik der architektonischen Glie- derung der unteren Räume wiederholt zwang- los das zweite Stockwerk in der Anordnung der Lage der Schlafzimmer: das Gemach des Herrn in M.ihaodui uiimnl wiederum
die rechte Ecke der Gartenfront, das der Dame (Abb. S. 198) mit weiß lackierten Mö- beln, hellblauer Wandbespannung und tief- blauen Vorhängen die linke Ecke ein. Da- zwischen liegen die blendend hellen Bade- räume und in der Mitte dieser das in lustigen Farben gehaltene Boudoir (Abb. S. 202).
Y-s verlohnt sich noch speziell der Heiz- körperverkieidungen der Zentralheizung zu gedenken. Gerade bei diesen Schmerzens- kindern unserer Baumeister hat sich Bruno Paul wieder einmal in der Kunst bewährt, aus der Not eine Tugend zu machen und durch planmäßige in Material und Form völlig ver- schiedene Gestaltung ein belebendes Element geschaffen; einmal ist es dunkelgrüner Mar- mor mit durchbrochenen Messingtüren, dann ein Gilterwerk aus gedrechselten H o 1 z t e i 1 e n, dann sind es weiß lackierte Holztüren
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1>1<( IKlCSSdK J'.KrNil l'Ain, l'.KRLIX.
IIATS WliML.NlJ. BLU:KIN IJIE IKEPl'EX-ANLAGK.
Aiisfiiliriing. VerciiiiKle Wcrkslatlen fiir Kiinsl im llaiuKvcik A (i llerlii
Br
Paul ah Architekt.
PROFESSOR BRUNO PAUL— BERLIN.
oder schließlich Vorhänge aus großen Glas- perlen.
Noch ein anderer Vorzug verdient hier her- vorgehoben zu werden. Während nämlich viel- fach unsere modernen Innenkünstler in den Fehler verfallen, ihren Räumen eine reichlich ausgeprägte persönliche Stimmung zu verleihen, hält Paul hier die richtigen Grenzen inne. Da- durch ermöglicht er, daß sich auch alte oder nicht von ihm herstammende Möbel, soweit sie solide und gut sind, auf das beste in seine Räume einfügen. Das zeigt besonders das hier reproduzierte Empfangszimmer, in dem zum größten Teil Möbel aus der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts Verwendung fanden. —
Und nun endlich zur Außenarchitektur.
Auch sie bedarf keiner zahlreichen Erläu- terungen, denn sie ergibt sich wie von selbst aus der geschilderten Gestaltung der Räume und ihrer Lage zu einander; der geschilderte Raum-Komplex von Außenwänden umgeben, damit ist fast alles gesagt.
Keine Türmchen und keine malerischen Gie- bel, keine künstlichen Fensterstellungen und
Haus AVcstend. Galerie.
absonderlichen Fensterformen, keine roman- tische Spielerei mit bäuerlichem Fachwerkbau und dergleichen. Was das Auge an der Fas- sade erfreut, steht alles in notwendigem Zu- sammenhange mit den Erfordernissen der um- schlossenen Räume.
Auch die Säulenstellung im zweiten Stock- werk der Gartenfront dient absolut nicht bloß dem Schmuck, sondern die Säulen sind tat- sächlich Träger des darüber vorgeschobenen großen Zimmers, durch das zugleich die Über- dachung eines Teils des Balkons bewirkt wird.
Ebenso sind die an den unteren Partien der Fenster angebrachten Gitter durch die Nie- drigkeit der Brüstungen gegeben.
Das Rauten-Motiv dieser Gitter, das übri- gens vom Treppengeländer draußen und drin- nen wiederholt wird, zusammen mit der Be- tonung des Haupteinganges durch etwas reichere Gestaltung der Türumrahmung sind fast das einzige Ornamentale der Fassade.
Auch ihre Schönheit liegt nicht in einer reichen Ausgestaltung, sondern in der klaren Logik und inneren Wahrheit, mit der sie sich
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Bntno Paid als Air/iifckf.
aus der hinter ihr liegenden Raumgruppierung ergibt und mit deren GHederung auch deren Rhythmus nach außen hin zum Ausdruck bringt.
Sie hegt weiterhin in dem ruhigen und wohl- tuenden Verhältnisse ihrer eigenen Teile zu einander, nicht zuletzt aber in der fein emp- fundenen Art, wie das ganze Gebäude in das Grundstück hineinkomponiert ist. —
Man fragt sich, was den dereinstigen Maler zu einer so vollkommenen Lösung auf dem Gebiet der Architektur befähigte und gewiß wird mancher Berufsarchitekt diese Leistung eines außerhalb des Faches Stehenden mit gemischtem Gefühl betrachten. Aber liegt nicht vielleicht gerade in diesem Umstand selbst, daß Bruno Paul nicht den zünftigen Bildungsgang des Architekten durchgemacht hat, eine Erklärung für das Gelingen?
Erst kürzlich hat Muthesius („Die Einheit der Architektur", Berlin, Karl Curtius 1908) darauf hingewiesen, daß bei der architektoni- schen Berufsausübung der Sinn für die Raum- bildung nur allzusehr von dem Streben nach der plastischen Ausgestaltung der Fassade in den Hintergrund gedrängt werde. Auch wird es dem Architekten, der durch sein Studium gezwungen ist, eine gewisse Herrschaft über die Stilformen aller Zeiten zu gelangen, schwer, sich von diesen ganz zu emanzipieren und sich lediglich derjenigen Formen zu bedienen, die unserer modernen Technik und Bedürfnissen entsprechen. Gewiß haben auch Berufsarchi- tekten wie Messel und Hoffmann es in hohem Grade verstanden, sich von der Herrschaft einer bloßen Fassadenkunst und den Fesseln alter Stilformen unabhängig zu machen, sodaß ihnen aus ihrer Vorbildung kein Hindernis be- friedigender Raumgestaltung erwachsen ist, ihnen sogar die Verwendung alter Stile oft als wirkungsvolle Unterstützung ihrer Zwecke nützlich ist. Trotz alledem bleibt ein noch stärkeres Loslösen von all diesen Requisiten vom Standpunkt einer völlig unabhängigen modernen Kunst doch das wünschenswerteste.
Architektur ist die Kunst der Raumbildung. Während nun der Berufsarchitekt sich mühsam vom althergebrachtenWeg, dervon der Fassade zur Raumgestaltung führt , losringen muß, kommt Bruno Paul gerade umgekehrt von der Raumgestaltung her und gelangt von ihr zur Ausbildung der Fassade. Mag immerhin noch eine reichere Ausgestaltung des Hausäußeren denkbar erscheinen, nie wird sie befriedigen, ohne den Ausgangspunkt und die Grundlage, die Bruno Paul hier gefunden hat. —
Merkwürdig ist übrigens der ganze Weg,
den die Entwicklung unserer modernen Nutz- kunst und mit ihr Bruno Paul genommen hat, um an das heute erreichte Ziel zu gelangen.
Vom Bild an der Wand stieg die hohe Kunst sozusagen herab und nahm zunächst Besitz von den aller unwesentlichsten Gegenständen des Gebrauchs als Vasen, Plakaten, Exlibris, dann machte sie sich an die einzelnen Möbel, vom einzelnen Möbel ging es zur Gruppierung der Möbel zueinander und dann der Möbel zum ganzen Raum. Paul hat als einer der ersten diese Raumkunst inauguriert; nun hat er auch die weiteren Schritte getan; von der Kunst des Raums zur Kunst der Räume, zur Architektur.
Es ist hier nicht der Ort, über den Grund dieses eigenartigen Weges der Entwicklung vom Entlegensten zum Notwendigsten nachzu- grübeln. Nur darauf sei hingewiesen, daß die allerschwerste Aufgabe, aber auch die aller- notwendigste auf dem einmal in Angriff ge- nommenen Gebiete immer noch ihrer Lösung harrt, nämlich eine wirkhch befriedigende Gestaltung unseres großen Etage n- Mietshauses, das doch nun einmal bei uns dem Hauptteil der städtischen Bevölkerung als Wohnung dient. Auch hier kann nur der von Bruno Paul eingeschlagene Weg zum Erfolg verhelfen , nämlich streng von innen nach außen zu bauen.
Der Mann, auf den man diese Hoffnung mit Fug und Recht setzen konnte, Alfred Messel, ist vor kurzem dahingegangen. Möge es zum Trost gereichen, daß wir in Bruno Paul eine Persönlichkeit besitzen, die ihrem ganzen Werdegang nach auf das beste befähigt ist, den begonnenen Weg weiter zu schreiten, wenn ihr nur Gelegenheit dazu gegeben wird.
Es ist unbegreiflich, daß z. B. die zahlreichen Terraingesellschaften und Bauunternehmungen um Berlin, die sonst alles tun, um das Publi- kum für sich zu interessieren, bis heute noch nicht auf den Gedanken gekommen sind, das Bedürfnis so vieler den besseren und wohl- habenderen Schichten angehörender und auf die Mietswohnung angewiesener Personen nach einem guten Etagenhaus sich zu nutze zu machen. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß ein nach den obengeschil- derten Grundsätzen gebautes und ausgestal- tetes Mietshaus großen Zuzug haben würde.
Neben einer früheren Arbeit des Künstlers, dem Weinhaus Nürnberg, und dem Modelle einer Villa, bringt dieses Heft eine weitere neue Arbeit, das Sporthaus des Berliner Lawn- Tennis -Turnier-Clubs. In seinem Aufbau er- innert es unwillkürlich an einen griechischen
179
Bniun Paul ah Architdi.
Tempel in der Form, wie sie z. B. der Tempel der Nike Apteros neben den Propyläen der Akropolis von Athen zeij^t. Mit diesem hat das Sporthaus auch eine gewisse Verwandt- schaft der Lage gemeinsam , indem es von einer Anhöhe herabblickt. Von hier aus be- herrscht es einen der durch Walter Leistikow berühmt gewordenen Grunewald - Seen und lehnt sich mit der Rückseite an eine dunkle Kiefernwand an. Seine Farben: ockergelbei Putz, grün-blaue Fensterläden und rote Dach- ziegel tragen in diese etwas düstere Umgebung einen sehr reizvollen heiteren Ton.
Auch das Innere zeigt die immer weitere Fntwicklung Pauls zur farbenfreudigen Aus- gestaltung der einzelnen Räume und ihrer Ab- tönung zu einander. So z. B. der Durch- blick aus dem großen Gesellschaftsraum mit kräftig gelben Wandflächen in das hellgrüne und auf seinen Möbeln den kecksten Cretonnc- bezug zeigende Damenzimnier, der überra- schend lustig anmutet, ohne irgendwie knallig zu wirken. Die beigegebenen Bilder vermögen davon natürlich keinen Eindruck zu geben, da bekanntlich die Photographien vielfach ein
W'.^teiM. Ili
den wirklichen Farbenwerten ganz entgegen- gesetztes Bild zeigen.
Nicht so konsequent wie beim Haus West- end will uns allerdings die Außen-Architektur erscheinen. Der rückseitige, die Wirtschafts- räunie umfassende Teil, tritt etwas hinter der übrigen Front zurück, und es fehlt die offene Halle. Trotzdem ist hier eine der Vorder- seite entsprechende Säulenstellung angewandt, die innerlich nicht ganz begründet ist.
Es seien schließlich noch einige Worte dem veröffentlichten Grabdenkmal gewidmet. Hier ist Paul von dem üblichen Schema des von einem niedrigen Geländer umgebenen Grab- steins abgewichen, indem er die Umfriedung bis zur Höhe des Steines hinaufführt. Da- durch gewährt die ganze Anlage einen ge- schlossenen , ruhigen und zugleich feierlich prächtigen Eindruck, wie er bei der meist üb- lichen, etwas spielerisch anmutenden Form nicht vorhanden ist. Das Schwere, das einer derartigen Lösung anhaften könnte, ist dabei auf das glücklichste durch abwechselnde Ver- goldung der einzelnen bis zur Höhe geführten Stäbe vermieden. —
PR(JFESSOR BRUNO PAUL BKRI.IX.
ECKPAKTIE AUS DEM HERR.NZIMMER.
Ausführung: Vereinijlc Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-ü. — Berlin.
I'RÖKESSl IR l'.RUXc ) l'AUJ.- IIKRLIX.
HArS WESTEND. KAMIN IM HKRRNZIMMKK. Ausführuni;: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-Q.-Bcriin.
Robert Breuer— Be)liii .
■ K HKUNO PAUr. HERTIN.
W < '>U-nti. l-I t-rrn-Arbcitszimmer.
DIE HINGABE AN DAS KUNSTWERK.
Nicht jedermann kann Kunst genießen, noch gar sie verstehen. Damit sei niemandem ein Makel angeheftet. Es gibt vielerlei Gaben. Wie sich wohl Menschen finden , die ohne Religion fertig werden, mangelt es auch nicht an solchen, wegen derer nie ein Pinsclstrich, ein Meißelstoß hätte geführt zu werden brauchen. „Ls fehlt das Kunstorgan" (Bayersdorfer). Vom Standpunkt der Gattung genau so wie religiöser Nihilismus eine Unvollkommenheit, aber den ökonomischen, politischen und gesellschaft- lichen Wert des Individuums nicht herabmin- dernd. Wir werden diese Leute beklagen und höflich bitten, uns ihrerseits nicht toll oder voll
IÖ4
süßen Weines zu schelten. Vielleicht versuchen wir es auch, sie zu bekehren ; bei weitaus den meisten Kunstspöttern und Ignoranten handelt es sich nur um einen tiefen Schlaf, um Vernach- lässigung der für das Ästhetische reservierten Hirnkammer. Darum wollen wir nicht in miß- verstandenem Übermenschentum auf jene her- absehen, sondern liebevoll zu ihnen sprechen: tuet eure Augen auf, die Schönheit wandelt vorüber. — Weit unerträglicher ist die „Eitel- keit der gebildeten Masse" (Floerke). Weil's zum guten Ton und zum Salongespräch gehört, pürscht man durch die Ausstellungen, plätschert höchst possierlich in unklaren Gefühlen und
Die Hi)imhe an c/ax KuJishverk.
trüben Vorstellungen. Diesen , sowie allen denen , die wirklich ehrlichen Willens sind, sei vor allem ein Rat gegeben : nicht kate- gorisch urteilen, besonders nicht laut und ab- fällig ! Wer einen guten Teil seiner Tage zwischen Bildern und Statuen zubringt, wird durch vorwitzige Kunstfexe oft in nicht geringen Zorn versetzt, von dem höchstens hier und da einmal ein bereits Abgeschlachteter profitiert, denn: wenn esdenen da nichtgefällt, muß sicher irgend etwas daran sein. Demgemäß ; soviel wie möglich, die orakelnde Weisheit für sich behalten. Wozu sich unnütz lächerlich machen. Bescheiden trete man vor das Kunstwerk, Weihestimmung in Aug und Herz, mit der Ab- sicht, etwas zu lernen, etwasNeues zu erfahren.
etwas zu erleben. Besonders aber sei eins nicht vergessen: „Selbst hinter dem Irrtum steckt doch immer ein Mensch — ein Mensch wie wir, der sich ehrlich geplagt hat, sein Bestes zu geben. Haben wir ein Recht, für unser lumpiges Eintrittsgeld im Laufe einer Stunde Hunderte von Kunstwerken in hochnäsiger Weise abzutun und durch geringschätzige Be- merkungen und Gestikulationen ebenso viele brave Künstler öffentlich zu kränken ?" (Hirth). Wer ist aus der Kunst heiligen Hallen ver- bannt, wer noch nicht zugelassen? „Auf den Ausstellungen kann man sie durch die Säle ziehen sehen, stumpf und gelangweilt, mit müden Blicken über die endlosen Bilderreihen schweifend, da nur verweilend, wo ein be-
ll.ni^ W r.l.lhl, |l,„|„.|
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.«aHTT'Sj't'T ;.
BRUNO PAUL BERLIN.
IlAMKN/.lMMKR. srHREIHTISCHKCKE.
Ausfülining: Vereinigte Werksl.illen fü[ K.insl im Haiulxverk A O. -Berlin.
PROFESSUR
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BERUN.
KAMIN IM DAMEN- ZIMMER.
Die Hhioahe an das Kunstwerk.
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so PAUl.
LCSTER nt sPEISEZIMMEK-
sonderes Geschehnis die Nerven reizt oder eine süBIicfa glatte Malerei für künstlerische Vollendung gehalten wird" (Tschudi). Wer sich auf den Inhalt stürzt und zu jeder eigen- tömlich geformten Nase, jedem Fliederfauscfa einen Roman zusammenbuchstabiert. Wer ans jedem Porträt eine Ähnlichkeit heraus- liest. Wer das Stilleben zum .Ajibeißen findet, sich über die .Merkwürdigkeiten der .Mode von anno dazumal gar nicht genug wxmdem kann. 'X"er vordem Produkt desWebstuhls, der großen
Lein^wand, ungeheorenRespekt zeigt. Wernicht genügend Gesicfatseindrücke aufgespeichert besitzt, dauernd den Kopf schütteln muß und schließlich verstockt wird. Wer nicht irgendwie selbst ein kleiner Künstler, und sei's im Anrich- ten einer Bowle oder im Falten der Krawatte. Wer kann von der Kunst gesegnet werden ? Wer an dem Werk selbst, ohne alle Nefaen- umstande , Nebengedanken , Nebenabsichten sein Vergnügen hat, stille naive Freude, kind- Hches Entzücken. Wer sich ein wenig fragt :
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Ausführung: Vereinigte Werlislällen für Kun
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Handwerk A.-O.-Berlii
Die Hi)igabe an das Kunstwerk.
BKUNO PAl'L.
.I.DECKTEK TISCH.
ob er wohl auch die Din^e bisher so gesehen hat , wie sie da hingeschrieben stehen, was neu an dieser Auffassung ist. Wer überlegt : wie die wunderliebliche Hexerei vor sich ge- gangen sein mag, daß die Fläche geheimnisvolle Tiefen verkündigt, die Luft zu flimmern, das Feuer zu sprühen, die Lippen zu zittern schei- nen, — Genießen, das heißt (psychologisch be- griffen) dem ästhetischen Prozeß freien Lauf lassen. Rein sinnlich beginnt es. Eine Farbe entzückt uns, wir können uns an ihr garnicht satt sehen, eine Linie gewährt dem Auge wohlig wogende Bewegung; immer wieder gleitet der
Blick über den Nacken der Venus, spielt um Dianens federnden Fuß , ein apollonisches Handgelenk. Träumerisch verlieren wir uns in Pissarros nebelverhangenen Straßen. Monets Luft läßt uns wie durch einen Schleier aus Seidenfäden dasUnbestimmte sehen. Gemäch- lich spaziert das Auge in holländischen Land- schaften und gleitet mit schweren Schwingen längs Millets gewaltigem Horizont. — Soviel Kunstwerke, soviel Möglichkeiten, ein Stück Welt in sich aufzunehmen, in dessen tiefster Glut und feinstem Schimmer mit allen fasern der sehenden Seele. Ki.i;iki hkkiiik.
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ALTE UND NEUE STADTTEILE.
Denknialscliutz, Heiniatschutz — fjut. Ohne Not Denkmale vollsaftiger, künstlerischer Vorzeit, die verloren geganj^ene Schöpferkräfte in sich gesogen haben, zu zerstören, das wäre Barbarentum. Man kann noch weiter gehen. Das unersetzliche Alte darf sogar unter Opfern konserviert werden. Bauten, Plätze, Straßen- bilder , in welche die ehrenfesten Väter ihre Kraft und ihre Würde hineingebaut haben, sind Güter, sind Werte. Die Opfer, unter denen man sie bewahrt, sind der Kaufpreis, den man für diese Güter bezahlt. Unersetzliches darf man teuer, sogar sehr teuer bezahlen.
Aber auch alte Städte müssen das heutige Leben mitleben. Sie dehnen sich aus, es muß gebaut werden. Da erhebt sich die Frage : Sollen die Architekten rücksichtslos ihre neuen
und ganz unabhängig erdachten Formen neben die alten setzen odersollen sie sich „anpassen"? Soll das alte, historisch gewordene Stadtbild auch in den neuen Stadtteilen gewahrt bleiben, oder darf ein vom alten ganz abweichendes, modernes Stadtbild geschaffen werden?
Mit puritanischem Radikalismus ist meines P.rachtens in dieser Frage gar nichts getan. Denn der Erbauer eines einzelnen Hauses ist künst- lerisch nicht unabhängig. Das Haus ist nur die niederste Einheit in der Baukunst. Über ihm gibt es die höhere künstlerische Einheit des Straßenbildes, der Platzwirkung, und über die- ser, allerdings weniger fühlbar, die Einheit des Städtebildes. Innerhalb dieser höheren Ein- heiten bildet das Haus trotz aller seiner Selbst- ständigkeit einen dienenden Bestandteil. Neue
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Ansflilmine: Vcreinii;lc «'erksUlten tili Kuiisl im M.imlv>fik A -O - Tic;
Alte H)id neue Stadtteile.
PROFESSOR BRUNO PAUL — KERLIN.
Stadtbilder wachsen sehr langsam. Ein Haus, das keine Rücksicht auf seine bauliche Um- gebung nimmt, begibt sich dadurch auf Jahr- zehnte und Jahrhunderte hinaus der Möglich- keit voller künstlerischer Wirkung. Man be- trachtet den Maler als einen Narren, der seinen Bildern unvorteilhafte, die Farben tötendeoder verfälschende Rahmen gibt. Ähnlich handelt aber der Architekt, der sich seiner Abhängig- keit von benachbarten architektonischen Mo- menten nicht bewußt ist.
Dies gilt besonders für die Fälle, in denen Neubauten im Herzen alter, künstlerisch wert- voller Städte nötig werden. Sie werden sich aus den angegebenen Gründen unbedingt dem Straßenbilde, falls dieses Wert besitzt, unter- ordnen müssen. Rücksichtslosigkeit bringt Dissonanzen, und Dissonanzen wirken peinlich oder, was noch schlimmer ist, lächerlich.
Geltung hat unsere Forderung aber auch für selbständige neue Stadtteile, die sehr oft das Entree der Stadt bilden.
Es fragt sich nur: In welcher Weise soll sich der Wille zur „Anpassung" äußern?
Ich antwortete : Jedenfalls nicht durch Nach- ahmung. Sie ist in ihrer Fehlerhaftigkeit zu oft entlarvt worden. Die Harmonie, von der ich
Haus AVestciul. Empfangszimmer. Fensterseite.
rede, läßt sich durch bloßes Kopieren alter Formen nie erreichen. Betritt man z. B. eine Stadt, deren Stolz ein alter gotischer Markt- platz bildet, durch eine Zufahrtstraße, die von gotisierenden Villen gesäumt wird, so erlebt man sicher nicht den Eindruck harmonischer Überleitung zu jenem künstlerischen Kern- und Höhepunkte der Stadt. Viel eher den einer grellen Dissonanz, eines schreienden Wider- spruches. Denn Gotik ist nicht eine Häufung bestimmter Zier- und Konstruktionsformen. Gotik ist in erster Linie eine Weltanschauung. Es ist die innere Ähnlichkeit, auf die es an- kommt, eine Ähnlichkeit viel mehr der Quali- tät als der Modalität. Ein Übereinstimmen in dem Maße der Schöpferkraft, nicht nur in der Art der Geberde.
Wir Heutigen sind empfindlich für das, was am Kunstwerk wesentlich und wirklich ist. Wir lassen uns nicht leicht belügen. Wir sagen nicht gleich vor einer Fassade, die uns Spitzbogen, Fialen, Krabben und Kreuzblumen serviert: Das ist gotisch. Sondern wir sagen viel leichter: Das ist Kitsch.
Soll nun damit die Vermeidung jedes Ein- gehens auf die Formensprache älterer Stile empfohlen sein? Keineswegs. Sondern es soll
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Alte luid neue Shif/ftei/e.
der schöpferischen Anpassung im Gegen- satze zur buchstäblichen Nachahmung und im Gegensatze zu snobistischer Eigenbrödelei das Wort geredet werden.
Es ist möghch, äußerhch sich „anzupassen" und doch keine Harmonie mit den Alten zu erzielen. — Es ist möglich, die äußerliche „Anpassung" zu verschmähen und doch har- monisch zu wirken. — Es ist möglich, auf die Formensprache älterer Stile einzugehen und dennoch die Fehler derNachahmung zu meiden.
Das wären drei Leitsätze, die für die Be- handlung aller Anpassungsfragen maßgebend
sein könnten. Sie gipfeln letzten Endes in der einfachen Wahrheit, daß nur Gutes dem Guten adäquat ist. Ehrlich zu ehrlich, künstlerisch zu künstlerisch, das gibt stets Gewähr für einen guten Klang.
Wer als Architekt die Gotik so auffaßt, wie sie etwa Ruskin in den „Sieben Leuchtern der Baukunst" aufgefaßt und dargestellt hat, dessen Bauten werden neben dem schönsten Alten bestehen können. Das Gotische ist eben hier von innen heraus erlebt und verstanden, und dieses innerliche Erleben erst, nicht das Nach- ahmen, schafft Zugang zu dem, was das Wesen
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derGotik wie jedes anderen Baustiles ausmacht. — Auf die FrajSe der Anpassunj' gibt es aucli noch eine Spezial-Antwort. Der Architekt muß sich vor allem in den ästhetischen Willen des ortsüblichen Baumaterials feinsinnif^ ein- leben, so ist ihm die erste Grundlage für die „schöpferische Anpassung" schon gegeben. Sicherlich haben die Baumaterialien sehr vieles dazu beigetragen, bestimmten Gegenden einen bestimmten baulichen Charakter aufzuprägen. Und die Verwendung des einen oder des anderen Bausteines bestinmit sich nach der Leichtigkeit und Billigkeit seiner Beschaffung. Die Nähe großer Steinbrüche wird den Back- stein nicht leicht aufkommen lassen; so kämpft
Haus WcsUnil. AnlJ, i.Utauiu.
auch der rote Sandstein gegen den weißen, der Kalkstein gegenbeide. Gegenden, in denen Sandstein und Backstein gleich nahe sind, prägen sogar diesen Umstand in ihrer Bau- weise aus. Der Reichtum oder die Armut an Holz üben ihre Einflüsse. Und alle diese Einflüsse bleiben sich Jahrhunderte hindurch gleich; selbst die Eisenbahnen haben daran nicht viel geändert. Der Baustein, die Art der Dachbedeckung, die Verwendung des Holzes — selbstverständlich auch die Rücksichten auf das Klima, auf Baugewohnheiten, Verkehrs- verhältnisse und so fort — das sind die festen Grundelemente , auf denen , naives künst- lerisches Schaffen vorausgesetzt, die bauliche
Alfc iDid iiaic Sfadücik.
PROFESSOR HRU.NO PAIT.— HF.RUN.
Eigenart einer Gej^end beruht. Sie sind Roh- stoffe des ästhetischen Zweckes. Werden sie gebührend berücksichtigt, so liefern sie den ersehnten Anschluß an die ortsübliche Bau- weise von selbst. Es ist meine Überzeugung, daß gewissen altkultivierten Rheingegenden der gotisierende Charakter lediglich durch den festen, malerisch-farbenreichen grauen Sand- stein in Verbindung mit der Schieferdeckung
Aus nebenstehendem Ankleidcraum.
Aiisf.: Vcr. Werks«, für Kunst im Handwerk A.-Q. -Berlin.
gewahrt worden ist. Nur wo Gewaltsamkeiten gewagt werden, stellen sich Dissonanzen ein. Oder wo sich der Dilettantismus breit macht. Und nur ein Dilettant wird die Fingerzeige, die ihm die genannten Faktoren erteilen, als Einschränkung, als Belästigung empfinden. In der schöpferischen Kraft ist das einzige Binde- mittel gegeben, das Altes und Neues har- monisch mit einander verknüpft. — m
Dr. M. Srhmid- .lache,
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Werkst.
W. >trll,l. I'.IrU in Jk' KulIi.;. ir Kunst im Handwerk A.-Q. - Berlin.
DIE KRANZSPENDEN UND DER SARG.
Im Sinne des Verstorbenen bittet man von Kranzspenden abzusehen," Damit ver- wahrt sich das Feinj^efühl des fjebildeten Menschen f^eßen eine „alte" aber heute nicht mehr „jjute Sitte". Warum? Zunächst wohl aus Bescheidenheit, weil aller Prunk am Grabe dem Feinempfindenden widerlich erscheint. Sodann, weil der alte Brauch zum Mißbrauch, aus einer freiwilligen Ehrung eine lästige Pflicht geworden ist, lästig dem Geber und lästig dem Empfänger. Vor allem aber, weil das verletzte ästhetische Gefühl dagegen pro- testiert, besonders angesichts all der Ge- schmacklosigkeiten, die bei einem modernen Leichenbegängnis damit verknüpft sind. Vor- über sind die Zeiten, da ein schlichter Sarg mit wenigen Kränzen geschmückt wurde, um den Winter des Todes durch Gedanken an Frühling und Auferstehung zu bannen. Heute müssen hinter jeder „besseren Leiche" meh- rere Mielswagcn voll Kränzen und Palmen
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hinterdreinfahren. Die Blumenspende, einst ein Zeichen liebevollen Gedenkens, ist heute ein unerbittlicher Zwang, eine Protzerei und eine völlig sinnlose Geldverschwendung ge- worden. Die einzelnen Geber, vor allem die ein- zelnen Vereine und Gesellschaften, suchen sich durch die Größe der dem Verstorbenen gewid- meten bunten „Wagenräder" und den frechen Glanz goldbedruckter Schleifen zu überbieten. Lind welcher Anblick beim Eintritt in das Trauergemach, wo diese Kränze sinnlos ge- häuft liegen, wo zwischen den trauernd Hinter- bliebenen Lohndiener sich hindurchdrängen, um immer neue Tannenreiser und Lorbeer- gewinde aufzuhäufen, oder vielmehr sie achtlos hinzulegen, als sei ein Blumenladen zur Sub- hastation gekommen und müßte schnell ge- räumt werden. Flüchtig werden die Namen der Spender genannt und von einer dazu be- stimmten Person notiert, damit die Adresse für die übliche gedruckte Danksagung nicht
Die Kianzspriidcii inid der Snro:
fehlt. Es ist alles geschäftsmäßig geordnet. Wer seine Bluniensendung einreicht, bekommt die gedruckte Quittung. — Zuweilen werden auch solche damit beehrt, die aus Sparsam- keit oder aus Versehen die Blumenspende unterlassen haben. Man kann's ja nicht genau kontrollieren. Vorsichtshalber quittiert man allen Bekannten.
„Im Sinne des Verstorbenen bittet man von Kranzspenden abzusehen." Das ist die Reaktion der natürlichen Empfindung gegen solchen zur Last gewordenen Formalismus. Nicht, daß wir dem Sarg nun künftig jeden Blumenschmuck versagen , ist notwendig, sondern daß diese Ausschmückung in einer Weise erfolgt, die niemandes Zartgefühl ver- letzt. In erster Linie sollte sie doch den Hin- terbliebenen über- lassen bleiben , die es selbst am besten wissen müssen, wie viel oder wie wenig und welcher Art Blu- menschmuck sie wün- schen. Diese Hinter- bliebenen wären dann in der Lage, nach eig- nem Vermögen und vor allem nach eignem Geschmack den Sarg und das Trauerhaus oder die Friedhofs- kapelle mit Blumen zieren zu lassen. — Gleichzeitig dürfte aber auch eine an- dere tiefgreifende Re- form durchaus not- wendig sein. Es hängt ja mit dem Verlust künstlerischen Emp- findens auf allen Ge- bieten unseres mo- dernen Lebens auf das engste zusam- men, daß nur ganz ausnahmsweise fürdie Veranstaltung einer Trauerfeier daran ge- dacht wird, ihr durch Heranziehen künstle- rischer Kräfte eine, der Würde und dem Ernste der Stunde entsprechende äußere Form zu verleihen. Ecksihrank aus nib
Der Friedhofsinspektor, oder, wenn die Feier im Privathause stattfindet, der Besitzer des „Leichenbestattungs - Geschäftes", meist ein ehemaliger Lohnkutscher, werden in der Re- gel damit beauftragt , den äußeren Rahmen für die Feier zu schaffen. Diese Leute sind natürlich ihrer ganzen Vergangenheit nach von jeglicher Geschmacksbildung völlig entblößt, um so mehr, als für solche Ereignisse nur noch ganz geringe Reste alter Tradition bei uns sich erhalten haben und leider nur die schlechtesten. Es sei an die fürchterlichen Zerrbilder erinnert, die in den verschiedenen Städten mit Rudimenten alter Trachten , wie Dreimaster , Kniehose etc. neben unseren Leichenwagen herschreiten. Vor allem an diese Leichenwagen selber, soweit sie nicht genau nach alten Mustern erneuert sind. Sollte es nicht an der Zeit sein, auch in diesen Dingen Wandel zu schaffen? — Hierwird man einwenden, daß ein Todesfall meist die Hinterbliebenen so plötzlich und so schwer betrifft, daß an solche Äußerlich- keiten niemand den- ken mag. Andere wollen gerade durch Vernachlässigung sol- cher Dinge ein Zei- chen ihrer tiefen Er- griffenheitgeben. Das mag für den Einzelnen Geltung und Berech- tigung haben, etwa für die allernächsten Angehörigen. Für die Gesamtheit kann das nur als ein bedauer- liches Zeichen kultu- rellen Tiefstandes gel- ten. Viele wilde Stäm- me imd selbstver- ständlich alle höher- stehenden Völker ha- ben einst sehr sorg- fältig durchgebildete \ orschriften und Ge- bräuche für ihren Totenkult besessen. Nichts wurde da dem nstclicndor Kiuhi-. Zufall überlassen. Der
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Die Krniizs/^ri/f/('ii und der Srro.
PKOF. BRl'NO i'\v\. IiKRI.IN. Vom neuen Lloyd-Dainpfer (ieiirge Washington . Xfhrnraiim am (lesellschafts-Salon.
Ausfulininm Vereinigte Werkstätten tiir Kunst im Handwerk A -ü -Berlin.
Ägypter z. B. pflegte an die Beschaffung eines oder mehrerer Särge schon hei Lebzeiten zu denken. Es ist der Sarg auch vielen anderen Völkern , soweit sie nicht die Leichenver- brennung bevorzugten , Gegenstand größter Vorsorge gewesen, und das Christentum hat zunächst hierin nicht die geringste Änderung gebracht, wie uns die reichskulpierten Sarko- phage der Katakomben belehren. Die edelste i;nd stimmungsvollste Dekoration mittelalter- licher Kirchen besteht zum guten Teile im Grabschmuck, in den feierlich auf dem Sarge hingestreckten Gestalten der Bischöfe, Für- sten und Ritter, in prächtigen Grabplatten, Erinnerungstafeln und Totenschilden. Barock und Rokoko wußten den Sarg besonders pom- pös auszugestalten, haben in Metall wie in Stein künstlerisch Vollendetes da geschaffen. Was ist uns davon geblieben? Nichts als ver- zerrte Nachahmungen dieses Barocksarges, natürlich in minderwertigem Material. Wer alle Schrecken des modernen Kunsthandwerks empfinden will, der betrachte in einem Trauer- magazin die Zinkgußornamente mit ihrer bru-
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talen Vergoldung, mit ihrer völlig verkomme- nen Detaillierung, und er wird verstehen, daß eine schlichte Holzkiste mit ein paar kräftigen, geschmiedeten Beschlägen darauf, jedenfalls immer noch eine würdigere Hülle für einen Toten wäre, als diese in Eichenholzimitation bemalten, sinnlos profilierten großen Kästen.
Mit einer Veredelung, vor allem mit Ver- einfachung der Sargform und mit der Anwen- dung echten, wenn auch einfachen Materials hätte also eine Reform unserer Trauerge- bräuche zu beginnen. Merkwürdig, daß heute, wo fast jede größere Ausstellung auch Fried- hofskunst bringt, wo Ausstellungen für christ- liche Kunst an der Tagesordnung sind, wohl der Grabstein und die Aschenurne, nicht aber der Sarg künstlerisch behandelt wird. Augen- blicklich ist mir hier nur ein auf der Düssel- dorfer Ausstellung von Theodor Veil aus- gestellter, in Metall getriebener, sehr guter, aber auch seiir kostspieliger Sarg in Erinnerung.
In der Regel sollte man am Sarg statt der gleißenden imitierten Gold- und Silber-Orna- mente nichts weiter anbringen, als einfache
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PROFESSOR BRUNO PAUL.- BF-;K1.1N. IIANDOEKNOPFTE TEPPICHE, WAND- U. MöBELSTOt'KE U.TAPETEN. VERElHIOTe WERKSTÄTTEN FÜR KUNST IM HANDWERK A. C- BERLIN.
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Die Kra?izspr)nh'ii itiui der Sari
Vorrichtungen, etwa aus Schmiedeeisen, zum Heben und Trafjen, sowie zum Befestijien des Biunicnschmuckes. Dieser Blumenschmuck brauchte durchaus nicht die abgeschmackte, unablässig wiederholte Form des grünen Rei- fens mit der angebundenen Schleife und der unvermeidlichen aufgelegten Palme anzuneh- men. Er sollte in erster Linie aus breiten Blumengewinden bestehen, die sinnvoll den Sarg umschlingen, vielleicht auch in breiten Flächen umkleiden, überdecken oder umrah- men. Möchte doch gelegentlich einer unserer Kunstvereine oder eine unserer Kunstzeit- schriften in diesem Sinne einen Wettbewerb ausschreiben, um der Sache Bahn zu brechen. — Sodann müßte der Schmuck des Trauer- raumes selbst reformiert werden. Auch für pri- vate Trauerzimmerausstattung müßten kunst- gebildete Unternehmer würdiges Material be- schaffen. Es genügt nicht, die üblichen, für wenige Stunden hergeliehenen Pyramiden-Lor-
I HIKI IN. Siiortsliaus ilr^ r.
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Dil- K)-anzüpetidc>i iii/ii der Saro^.
beerbäumchen nebst dem Dutzend Zimmerpal- men und den vier versilberten Zinkguß-Kande- labern aufzustellen und mit Tapeziergeschmack Crepestoffe zu „drapieren". Es bedarf einer Raumverkleidung aus ruhig hängenden Stoffen, mit eingewebten oder aufgelegten Blattgewin- den. Es bedarf einiger vornehmer Beleuch- tungskörper und weniger, aber gut aufgestell- ter Pflanzen. Alles wäre auf Grund künstleri- scher Vorlagen oder unter Hinzuziehung eines Künstlers herzurichten. Sollte das dem ein-
zelnen zu kostspielig sein — und es wäre viel- leicht vielen in solchen Tagen eine derartige Ausgabe unmöglich — so würde auch hier die altchristliche Zeit mit ihren Begräbnisgenossen- schaften uns den Weg weisen können, die schon bei Lebzeiten der Mitglieder Mittel sammelten, um den Verstorbenen die gebühr- liche Totenfeier gewähren zu können. Sie würden auch dafür sorgen, daß der Leichen- wagen einfach und ansehnlich gebaut, daß Zopf und Perrücke den Lcichenkutschcrn und Die-
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Die Krauzspciidoi itiid dci' Snrg.
PROFESSOR IlRrNO PAIII. BERLIN.
nern abgenommen , wohlanständige Trauer- kleidung solchem Personal bestellt würde. Möchten doch alle Gebildeten davon Ab- stand nehmen , jährlich die unvermeidliche Summe für Kranzspenden an ihren Bekannten- kreis zu entrichten. Dann hat ein Jeder, je nach seinen Mitteln und Verhältnissen, schon den Beitrag zur Hand, der ihm die Teilnahme an einer Genossenschaft, und damit für sich und seine Angehörigen eine anständige, Ge- fühl und Geschmack nicht verletzende Trauer- feier sichert. — In diesem Sinne und zu die- sem Zwecke sollten wir alle auf Kranzspenden im Sinne der Verstorbenen verzichten, sni.
Modell [.aiulhaiis Dr. R.
von DER WIRKUMG GUTER KLEIDLIIIG.
Kleider haben ihre Sprat4ie, die gute Psychologen sofort verstehen. Der Indiskrete, der Plump -Ver- trauliche, der Bcindle, der I4arr verraten sich schnell. Das Leben wird uns reizvoller bleiben, wenn die Kleider nic4it gleich zu viel verraten.
le mehr Kleider wir haben werden, die allgemein fiir diesen und jenen Zweck als die zweckmäßigsten anerkannt und von der Gesellsdiaft getragen werden, desto höher wird unsere Kleiderkultur sein. Unser Leben ist kompliziert, also muß es auch die Kleidung sein. Die Ordnung und zwec-kmäßige Verwendung der ethisdien und asthetisdien Werte gibt den Gradmesser der Kultur ab. Hardenberg.
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SZENERIE-ENTWÜRFE.
an kommt zu schau'n, man niöcht' am liebsten sehn!" Dies trifft auch heute noch zu, und alle Vorschläge zur künstlerischen Reform des Theaters müssen dem Rechnung tragen, wenn sie nicht von vornherein als tot- geboren betrachtet werden sollen. Wer — das sei hier gleich gesagt — eine Dichtung aus eigner Kraft zu empfinden vermag, und Dichterworte ganz genießen will, dem wird die Lektüre in stiller Abgeschlossenheit den reinsten Genuß bieten. Aber nicht jeder ist hierzu befähigt; die Gegner des Theaters und der Szenerie dürfen dies nicht übersehen.
Ohne Zweifel ist die Dichtung wichtiger als aller szenischer Aufputz, und es ist töricht, übergroßen Wert auf realistische Gestaltung des Bühnenhildes zu legen, weil dadurch die
Gefahr wächst, das Interesse der Zuschauer gar zu sehr von der Hauptsache abzulenken. Aber auch das Auge hat seine Rechte! Jahr- zehntelang schien man sie vergessen zu haben, fast war man so weit gekommen, weder Far- ben noch Formen erkennen zu können; sie zu schätzen und ihre Wirkungen zu empfinden hatte man in der Tat verlernt. Zur Kultur des Auges, die heute besonders nottut, bietet die Bühne eine günstige Gelegenheit, und so müssen auch alle Bestrebungen , die darauf hinzielen, das Bühnenbild zu veredeln, freudig begrüßt werden. Über die Art und Weise, wie das Ziel zu erreichen ist, sind die An- sichten bisher weit auseinander gegangen. Während auf der einen Seite eine vollstän- dige Verachtung des komplizierten Bühnen-
S/.iHiir-l'Tituinf ZU .\n,ln j.M /ji ,lcn Sir
Szriir) ic-l'.ut'd 'ü i ic.
bildes unverkennbar war, scheute man auf der andern weder Mühe noch Kosten, die Szenerie immer reicher und naturwahrer zu gestalten. In einem Punkt jedocii waren alle einig; im Kampf gegen die groben und dürf- tigen Mittel, die eine Illusion erzeugen sollten und dazu ganz und gar ungeeignet waren, gegen die Versatzstücke schäbiger Tapezier- kunst und die rohen und oft kindischen Hinter- grundschildereien mit gedrängter Gegenständ- lichkeit. Verzicht auf alle diese Mittel, Rück- kehr zur Einfachheit, wie das antike Theater sie kannte, verlangten die einen; echte Gobe- lins sollten die Szenerie charakterisieren und die Bühne schmücken. Ausnutzung aller Mittel der neuen Technik, Verfeinerung und künst- lerische Vervollkommnung aller Effekte war die Forderung der anderen ; wirkliche Pflanzen, wirkliche Bäume sollten neben dem schon all- gemein aufgenommenen wirklichen Mobiliar die Illusion vollkommener machen und die Wirkung des koloristisch aufs feinste abge- stimmten Bühnenbildes vertiefen, Manches
■Entwiuf zu Hamlet , füiifui Alil.
intensive Werk ist unter diesen Forderungen entstanden und man darf noch gutes erwarten, da die Erkenntnis nicht mehr fehlt, daß der Künstler das Recht hat, sein individuelles Emp- finden auch im Bühnenbilde zum Ausdruck zu bringen; jeder in seiner Art. So hebt der Autor der nebenstehenden Entwürfe die Sze- nerie über das Gegenständliche empor. Er ver- sucht ihr gewissermaßen die Rolle zu geben, die in der Oper dem Orchester zuerteilt ist. Wimniers Szenerie-Entwürfe sind keine Natur- aussclmitte, aber sie sind geeignet, den Stini- mungsgehalt der Dichtung zu vertiefen. In die- sem Sinne mögen die ungewöhnlichen Säulen der Szenerie zum 5. Akte „Hamlets" verstan- den werden; sie sind gewollt und der Gewalt ihrer Wirkung dürfte sich so leicht kein Zu- schauer entziehen. Diese straffen Vertikalen, die nach links fallende Freitreppe und die wenigen Maueröffnungen des oberen Trcppen- laufs, sie klingen zusammen wie die Töne eines Traucrmarsches, In dieser Richtung-Iie- gen noch ungeahnte Möglichkeiten. m.
DER KÜNSTLER- PHILOSOPH.
>N l'AUI. UEMHKIM.
Eine Sehnsucht, stärker denn je, das Evan- gehum reinen Menschentums in der Kunst zu suchen, glüht in dem Menschen der Gegen- wart. Jenseits von Phantasterei und Phi- listerei sucht er hier Erhebung, Reinigung und Glück. Der Künstler wird zum Künder, der in seiner Schöpfung das Credo formuliert.
Wohlverstanden, die Traktätchen- Maler haben ihre ganze Gefolgschaft nahezu ein- gebüßt. Nie war das moralisierende Genre geringer eingeschätzt denn heute. Mag selbst das Sprüchlein wie von den englischen Prä- raffaelliten in gepflegterToilette gesagt werden. Der pictor philosophus, der darauf aus war, erbauliche Szenen zu stellen und ergötzliche Anekdoten zu komponieren, blieb an der Oberfläche kleben. Derart, daß ihm die Jungen mit den frischen Sinnen und dem wallenden Künstlerblut mit Goethe nachrufen: „Ein Kerl, der spekuliert, ist wie ein Tier auf dürrer Heide ..." Und von einem der prominen- testen Führer der Berliner Künstler kolportiert man das Paradoxon; „Der Künstler muß
dumm sein und geil." Gewiß ist das nicht im gewöhnlichen Alltagssinne aufzufassen, sondern als Protest gegen den gedanklichen Schwulst, gegen den niederen Erzählergeist der Genrenaturen. Der bildende Künstler, sofern er wahrhaft groß ist, wird niemals dem Literaten ins Handwerk pfuschen wollen. An Stelle der lyrischen, epischen, dramatischen Ausdrucksmittel ist ihm die malerische, plastische, architektonische Form vor- behalten. Je reiner er seine Sprache meistert, um so eindringlicher ist die Gewalt, mit der er Herz und Sinne zwingt.
Die Weihe, die ein Werk der Kunst aus- strahlt, kommt niemals vom Objekt, kommt allein vom Subjekt. Weder der geschilderte Vorgang noch die rein optische Darstellung vermögen im Innersten zu ergreifen. Kraft kommt nur von Kraft, und leidenschaftliche Erregung entzündet sich nur an der Leiden- schaft , deren Glut den Gestalter antrieb, die gemeine Materie zur stolzen Schönheit umzuschweißen. Wirkungen ethischer und
.VklHUKKl K. I. IMMMLK. b^LllL] IL-ImU« Ul I /AI llallllt-l. ,Clstcl Akl.
Der KiUntlcr-Philosof^h.
relij^iöser Art fjehen von dem Kunstwerk aus allein durch die Persönlichkeit, die sich darin manifestiert hat. Das fein kultivierte Aujje — sonderlich das des Kunst- schaffenden—glaubt sie schon zu verspüren aus den rein formalen Elementen. Wenn auch solche Menschen jeg- liche Zwischenstufe zu über- springen, restlos und selbst- verständlich den Kern heraus- zufühlen vermögen, so sind nichtsdestoweniger Farbe, Meiselschlag oder Massen- gefüge nur als die Träger der hier kristallisierten Welt- idee anzusehen. Darum wird auch die Fingerfixigkeit der talentierten Begabung ihr Er- zeugnis nie zum Bedeutsamen eniporschrauben können. Der gewöhnliche Mensch wird auch als Bildner gewiß nicht über das Gewöhnliche hinaus- kommen. Der Masse wird er das Gefällige, dem Snobis- mus das sinnlich Reizende zu
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AKIHITKKT K. J. UIMMEK. N/.EMLKIt-KN 1 Wi- Kl- K IVK »KRElHKir IM KRÄHWINKEL«
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Der Küusllrr-IVnlosoph.
.\U( Hiii.Kr E. ,|. wimmI':k w ik:
aus ik-r Pantomime Die riinzciiii und ilie Marionette-
Schenken haben, walirend das innerUcli Über- zeugende nur darf^estellt werden kann von dem tiefblickenden, abgeklärten, weisen Cha- rakter. Solche Schöpfer -Philosophie braucht nicht gerade bürgerlich einfältig zu sein. Ihre Gesetzlichkeit wurzelt tief, tief unter der Ober- fläche der Tagesgeschehnisse, in einem Grund, wo letzte Fragen über die Natur und die Welt, über Kosmos und Seele dem denkenden Geist sich entgegenstellen. Man blättere in den
Künstlerbüchern, die gerade jetzt mit so viel b.rnst durchforscht werden, lese die Konfes- sionen der Leonardo, Delacroix, Gauguin, van Gogh, I rübner, um etwas von den Gedanken- gängen zu verspüren, die in diesen Schöpfer- hirr.en kreisten. Man greife zum Goethe, der „in jedem Geschäft den ethischen Hebel" witterte, der als I3ildner so allumfassend ge- worden, weil er auch als Mensch so rein und groß gewesen. vw \ wi^iiuim.
irin iinil die .Marie
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(1SKAR ZWIXTSCHKR- DRESDEN.
KINDF.K-BII.DMS MIT STIF.FMÜTTERrHE.N.
/.WI.NTsCHtK UKKSUt.N.
GemalJe; >GolJ und I'erlnuitter
DIE GRENZEN DER MALEREI.
Die Worte unseres Altmeisters Goethe, „In der Bescliränkung zei^t sich der Meister" , haben für die Kunst eminente Gültigkeit. Daß man aber die Wahrheit eines solchen Aus- spruches im allgemeinen wohl anerkennen kann, ohne ihr im besondern Geltung zu ge- ben, zeigt wieder jene Malerei, welche ihre eigenen Grenzen überschreitet und mehr aus- drücken möchte, als ihre Mittel gestatten.
Wenn wir die Frage ganz allgemein stellen, welches die Sphäre der Kunst sei, so lautet die Antwort: alles, was von der sinnlichen Anschauung wahrgenommen wird. In dieses gewaltige Gebiet, welches die ganze Welt als intuitive Vorstellung ist, teilen sich alle Künste, weil keine Kunst für sich allein imstande ist, die Totalität ihres Objektes zur Darstellung zu bringen. Jede einzelne Kunst wird die eine oder die andere der wesentlichen Erscheinungs- formen ihres Objektes vernachlässigen oder ganz ausschalten müssen, entsprechend der Besonderheit ihrer Mittel.
Dieses Fehlen wird durchaus nicht als Mangel empfunden, weil es bei einem Kunstwerke gar nicht darauf ankommt, diese Totalität des Ob- jektes erschöpfend darzustellen, sondern die Anschauung auf ganz bestimmte Erscheinungs- formen zu konzentrieren. Niemand wird beim Anblick gemalter Blumen Ansprüche an den Duft derselben erheben, ebenso wenig wie wir
von gemaltem Feuer oder Sonnenlicht die Wir- kung der Wärme fordern. Diese Konzentration des Ausdrucks auf einzelne Erscheinungsfor- men entspricht auch der Beschaffenheit unseres Vorstellungsvermögens, dem nur eine deut- liche Vorstellung auf ein Mal gegenwärtig sein kann.
Da nun alle Künste ihre gemeinsame Quelle in dem äußern und innern Sinne, der Raum- undZeitanschauung haben, so besteht zwischen allen ein Verwandtschaftsverhältnis, das die Gefahr in sich birgt, daß die Grenze, die jede von der andern trennt, leicht verwischt wird.
Die ureigentliche Aufgabe der Malerei ist die Auffassung und Darstellung der materiellen Erscheinung im Räume in ihrer Reaktion gegen das Licht. Diese Aufgabe ist begründet in ihren Mitteln. Sie ist die Kunst des Auges, das die farbige Erscheinung im Räume, mittels des Verstandes, im Hirnbilde erfaßt und auf die Fläche projiziert.
Wenn ein Maler sich darauf beschränkt, diese Aufgabe zu erfüllen, ohne sich um die sonstigen Relationen des darzustellenden Gegenstandes im geringsten zu bekümmern, so läßt sich dagegen nichts einwenden. Er ist auf seinem eigenen Grund und Boden und über jeden Vorwurf erhaben. Er ist „Nur"- maler. Schlimmer aber steht die Sache, wenn er sich den Luxus literarischer Ambitionen
>. ZWIXTSCIIKR DRESDEN.
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Die Crciizoi der lilalcrei.
fSestattet und in der Darstellung der zeitlichen und kausalen Beziehungen seines Objektes den Schwerpunkt seiner Kunst zu erblicken meint, ohne die wesentlichste Forderung die- ser Kunst in möglichst vollkommener Weise zu erfüllen. In diesen Fehler ist eine gewisse Historienmalerei , die Genremalerei und die berüchtigte Anekdotenmalerei verfallen, wes- halb diese Kunstgattungen nicht ganz mit Un- recht in unserer Zeit in Verruf gekommen sind. Denn wenn wir uns auf die Grenzen be- sinnen, welche die Malerei und epirche und dramatische Poesie von einander trennen, so finden wir, daß die Malerei zu allererst den Raum, die Dichtkunst die Zeit zum Gegen- stand hat. Jene ist ein Spiegel des Seins, diese ein Spiegel des Werdens. Das ist der
fundamentale Unterschied beider Künste. Ich will damit nicht gesagt haben , daß die eine Erscheinungsform die andere ausschließt, son- dern nur, daß die eine in dieser, die andere in jener Kunst dominiert, entsprechend der jeder eigentümlichen Ausdrucksweise. Nie- mand wird bestreiten wollen, daß die Beweg- ung Gegenstand der Malerei sein könne. Jede Bewegung aber steht in Beziehung zur Zeit. Gewiß kann auch die Zeit Gegenstand der Malerei, der Raum Gegenstand der Dichtkunst sein. Der Unterschied besteht nur darin, daß die Malerei die Zeit mit räumlichen Mitteln, die Dichtkunst den Raum mit zeitlichen Mitteln darstellt, denn wie die Fläche, auf der das malerische Kunstwerk wahrnehmbar wird, im Räume ist, so ist das Mittel, dessen die Dicht-
O. ZWINTSCHER KLDTZSC'HE-DRESDEN. »SELBST-BILDNIS-
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• icinälde: Dame in Blau
Mit GcnehiiiigUMg von Klinkli.ii ilt tl liioinunil Lcipzii
Die ganze von Frankreich ausgehende Bewe- gung, die das rein Malerische erstrebt, ist ein Beleg dafür. Daß diese Bewegung, also das Besinnen auf das sinnliche Fundament der Kunst von Frankreich ausgehen mußte, ist be- zeichnend für die Eigenart dieses Volkes. In dieser Hinsicht können wir Deutsche von un- sern westlichen Nachbarn lernen. Man nennt uns nicht umsonst das Volk der Dichter und Den- ker, Wir lieben es, zu fabulieren und uns ins Abstrakte zu verlieren. Unser Wesen ist nicht so auf das Sensible, als auf das Intelligible
eingestellt. Das ist unsere Schwäche, aber auch unsere Stärke. Unsern Nachbarn gehört die Oberfläche der Dinge, uns aber die Tiefe. Aus dieser nicht wegzuleugnenden Tatsache ergeben sich die Richtlinien für die Weiter- entwicklung unserer Malerei. Die Eigenart des deutschen Wesens wird dafür sorgen, daß wir nicht in reiner Oberflächenmalerei stecken bleiben, denn was bis jetzt erreicht iit, und dessen wir uns von Herzen freuen sollen, das ist der rechte Weg, aber nicht das letzte Ziel. Ebenso wenig, wie diejenigen recht haben,
Die GiYiizeti der ]\Iah\
I.KO l'IJT/.-MUXCHKN.
naUle: Stille Zeit
die auf den Inhalt des Kunstwerkes auf Kosten des Formalen hinarbeiten, sind ihre extremen GejSner im Recht, die alles Heil vom Nur- formalen erwarten. Was soll denn das heißen, Nurform ? Es gibt keine Form ohne ein form- gebendes Prinzip. So einfach ist die Welt denn doch nicht, daß man sie von irgend einer ihrer vielfältigen Erscheinungsweisen ausge- hend, erfassen könnte. Die Kunst aber ist die Welt , aus der Kontemplation des schöpfe- rischen Künstlergeistes wiedergeboren.
Dieser Künstlergeist ist das Primäre bei je- dem Kunstwerke. Denn vor aller Form sucht die in ihrem Wesen mehr oder weniger scharf umgrenzte Künstlerpersönlichkeit für ihren Wesensinhalt die adäquate Form, und was nun so künstlerische Gestalt gewinnt, ist je nach der Eigenart des Künstlers lachende Freude an Form oder Farbe, am Minfließen des Lichtes oder die Teilnahme des Genies an dem Ewigkeitsgehalt der Dinge.
Das Formale der Malerei wie jeder andern
Die Grciizri! der Jlfa/ere,
i.Ed IT!/, munchk:
Gemälde: »Bikinis in (jraii«
Neue Erwerbung des Vi'allr.it Riclm
Kunst ist den strengsten Gesetzen der For- men unserer Sinnlichkeit unterworfen; der In- halt aber für dieses Formale entspringt dem schöpferischen Geiste, der in reiner Kontem- plation zum klaren Spiegel der Welt wird, und ihre ewigen Ideen, die beharrenden wesent- lichen Formen ihrer Erscheinungen erfaßt und künstlerisch gestaltet.
Wir wissen, daß die Malerei fähig ist, über all das Wandelbare und Allzuzeitliche, von
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dem uns die Zeit und Völkerpsychologie er- zählt, hinauszuwachsen. Ich erinnere nur an Hans V Marees, dessen eminente Bedeutung für unsere Malerei darin liegt, daß er dieses höchste Ziel erkannt und erstrebt hat und wenn ihm auch leider nur vergönnt war, es von ferne zu schauen, so ist er doch wie We- nige berufen, ein Wegweiser zu sein nach jener Höhe, wo der künstlerische Wille Ewigkeits- werte schafft. C. U. SCHWEN/.F.R METTL.VCH.
CKORülC IMINN'I''. I.AETHKM.
MAKMOK-I'IASl IK: IIIE BADENDE«.
BESIT/.EK: FRITZ WAKKNDOREER \VIE>
GEORGE MINNE— LAETHEM.
t'ite Plastik des Ri 'deiibach-DenUmals. Marmor. Besitzer: Fritz Waerndortcr-Wien,
GEORGE MINNE.
Als ich das erste Mal die pfeilerhaft steil- ^ aufragenden Umrißlinien von Minnes marmorn weißblinkenden knieenden Knaben sah, erinnerte ich mich der Worte aus Stefan George „Altchristlicher Erscheinung": „Man erwartete die Segnung des Knaben Elidius. Er mit seiner sündigen Schönheit, kniete nun nackt und schlicht, und als ob er allein wäre, auf dem erhöhten vergitterten Chor ; die Stirne in An- dacht tief geneigt und in einen Mantel von Schatten und Weihrauch gehüllt. Während in der Seitenkapelle sich die Oberhirten und Priester berieten , ob ihm die Heiligung zu gewähren sei, murmelten weiße Gestalten an den Altären lange Litaneien , und das Volk schaute und harrte unter stummen Gebeten." So durchaus sakral wirkte das monumentale Steingebilde, vor dem ich staunend stand. Zuvor hatte ich dann und wann eine Zeich- nung, einen Holzschnitt von Minne in einem belgischen Buche und in Heften der „Insel" gesehen, und mir dabei schon immer gedacht:
das sind doch Arbeiten eines Bildhauers. Nun sah ich den Bildhauer und andere sahen ihn mit mir. Dies geschah in Wien.
Irgendwann, irgendwo und irgendwie, hatte Meier-Graefe einmal einige zeichnerische und bildnerische Arbeiten von Minne gesehen, und mit seiner feinen Witterung in ihnen sogleich die Hand des meisterlichen Künstlers erkannt. Gleich darauf führte der Weg Meier-Graefe nach Wien und in den Kreis der Sezessionisten. Übervoll des neuen und starken Eindruckes, warb er in eindringlicher Rede um Anteilnahme für den „neuen, den kommenden Mann in der Plastik". Professor J. Hoffmann vernahm die Kunde, fuhr nach Brüssel und brachte Minnes Brunnen nach Wien. Minnes erstes öffent- liches Auftreten vollzog sich also in der Wiener Sezession. Minne berührte das Publikum als Fremdling und durch seine ganze Art be- fremdend. Der Menschenschlag, für den das Barock derwesensgemäße formale Ausdruck zu sein schien, der sein lebhaftestes Ergötzen an
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Georoe Mi)i>ic.
GEORGE MINNE. Ringende Knaben . Kichenhdz.
Im foIkw.ing-Miiseum zu Hagen i. Westfalen
den wuchtifi ausladenden Hüften der Rubens- weiber und allerlei Geschnörkel fand, vermißte auf den ersten Blick die sinnlich eindrinj<lich wir- kende Erscheinung. Die von Minne darge- botene Leiblichkeit dünkte den Wienern allzu dürftig, das Körperliche ein gebrechliches und karges Gefäß der Seele , dem der sinnliche Anreiz völlig mangelte , auf den die Wiener so sehr schwer verzichten. Der fleischlichen Fülle zugetan, erschraken sie vor Minnes „aus- gemergelten Gestalten", den wunderlichen Gebilden aus „Seele, Haut und Knochen", die entkutteten asketischen Klostergestalten glichen. Das Mittelalter schien sich in Minnes Figuren zu verkörpern, nicht wie es war, son- dern wie es ekstatische Schwärmer erträumen. Auf die anfängliche Verblüffung, den gereizten Ärger und das witzelnde Genörgel, folgten aber bald stille und dann gar auch noch laute Bewunderung; steht doch in Wien der St. Stefansdom, der den Bereitwilligen das Ver- ständnis der Minneschen Plastiken vermitteln konnte. Man brauchte bloß an die Figuren dieses gotischen Bauwerks, oder an die der Dome ^u Naumburg und Köln zu denken, die sich den Strebepfeilern und gerillten Trag-
säulen, die sich der gesamten Architektur an- passen, um zu erkennen, daß Minnes Plastiken im Anschluß an die Architektur gedacht und geformt sind, daß sich ihr Stil aus bestimmten architektonischen Anforderungen ergibt. Man begriff nun auch, warum die Wiener Sezession zur Aufstellung des Brunnens eine eigene Tempelrotunde erbaute, man sah, daß Minnes Plastiken unbewegliche Stücke sind, und daß es nicht des vlämischen Bildhauers Schuld ist, wenn er sie als kleine tragbare Stücke aus- führt, die in Salons feinschmeckerischer Samm- ler Aufstellung finden. Der Streit, ob Minnes Werke schön seien, ruhte aber deswegen noch nicht , und wenn die einen ihre Schönheit priesen, schmähten die andern seine Figuren als geradezu abstoßend. Flin müßiger Streit, denn es vermochte noch keiner zu sagen, was wesentliche Schönheit ist. Diejenigen, die sich für die in diesen Dingen vorgeschrittensten halten, beanspruchten für ihre Meinung, daß Proportion Schönheit sei, die Geltung. Doch kann „Übereinstimmung der Teile darum nicht Schönheit sein , weil die Frage übrig bleibt : welche Proportion unter so vielen vorhandenen Proportionen die schönste sei? Die Teile
\i. Mairn.iipl.istik: Kn.ilie mit Schl.mcli 1 olkwang-Museum zu Hagen i. Westfalen.
geor(;e minxe laethe.m.
PROJEKT F.INKS DKXKMALS. MARMOR. Im Besitz von Fritz Wacrndorter — Wien.
Givroe Jlfi)
eines Kamtscliadalen stimmen so ^ui als die Teile des Antinoos überein, und überhaupt ist Proportion nichts weiter als Maß" (Sturz). Um Schönheit im landläufig iierf^ebrachten Sinn ist es Minne auch gar nicht zu tun ; er sucht zu erj^ründen , was in jeder Form vor- trefflich und fehlerhaft ist, das letzte zu ver- werfen, das erste zu wählen, sich über Eigen- tümlichkeit und Zufälligkeit zu erheben, das heißt nur die Art, nicht die besondere Gattung darzustellen. Er hat, wie sein Entdecker sagt, die Sehnsucht nach etwas Unpersönlichen, weil im höheren Sinne Persönlichen , einen Drang nach einem Gemeinschaftlichen , nach Konventionen, die dem wilden Eigendünkel Zügel anlegen, nach Ruhe. Danach strebt Minne, und das Ziel ist ihm wichtiger als das Mittel. „Der Sieg über die Originalität, höchste Selbstbezwingung, die Übersetzung des Ehr- geizes auf ein anderes Niveau, das ist Minne". Das hier Gesagte will nur als Fingerzeig, nicht etwa als restlose Erläuterung gewertet werden. Minnes Wesen und seinem Werk würde das Höchste fehlen, ließen sie sich rest- los ausdeuten. Man mag ihn und seine Ar- beiten mystisch nennen, immerhin — denn es ist etwas vom katholischen Mystizismus des Ruysbroeck in ihnen , aber niemals ver- worren. Wem Minnes Werk nicht in allen Teilen „plausibel" erscheint, der möge be- denken, daß das wahre Kunstwerk auch gegen- über der eindringenden Forschung des um die Gesetzmäßigkeit des Kunstgeschehens Wissen- den noch ein Geheimnis bewahrt, das sich nur dem gesteigerten Gefühl des geistig würdig Vorbereiteten offenbaren mag. Einige Men- schen kennen seit ein paar Jahren den Mann und den größten Teil seiner Werke, sie wissen aber von beiden nicht viel, und das wenige ist mehr oder minder sagenhaft. Am ge- nauesten kennt den Mann und sein Werk der eminent kultivierte Kunstfreund und Leiter der „Wiener Werkstätte", Fritz Waerndorfer in Wien, der sich des Besitzes einer Anzahl (der größten in privatem Besitze befindlichen) schöner Plastiken, Zeichnungen und Skizzen- bücher von Minne erfreut. Über Minne be- fragt, erzählte Herr Waerndorfer ;
Es gab eine Zeit, in den neunziger Jahren, da tauchte zuweilen in den Ateliers und in den Cafes der Brüsseler Künstler ein in den Gliederverhältnissen wohl gut, aber klein ge- wachsener und linkischer Mann auf. Sein weichflächig sanftes Antlitz war blaß und von blondem Haar und Bart kräuselig umrahmt, trug aber eine spürende, kräftige Nase und in
trockenem Glänze tiefblickende Augen hinter träumerisch halbgeschlossenen Lidern. Ein Zeichner und Bildhauer, kaum gekannt von den Künstlern Brüssels, lebte er seit Jahren in einer ärmlichen Behausung aus Stube und Küche in einem der proletarischen Stadtteile am Rande der belgischen Residenz. Sein zau- dernd abgerissenes Sprechen, seine gleichsam verhaltene Mitteilsamkeit, die für heimlich verächtliches Schweigen gehalten werden konnte, sein rasch verhuschendes, scharfliniges Lächeln oder kurzes, stoßweises, gleichsam plötzlich aufkollerndes grimmiges Lachen, und sein unbeholfenes Gehaben, gewannen ihm anfänglich nicht viel Zuneigung, sondern brach- ten ihn, so lange man ihn nicht näher kannte und von ihm noch keine bedeutenderen Ar- beiten gesehen hatte, in den Ruf, ein plumper, handwerklicher Steinmetz mit beschränktem Kopf oder hinterhältig bösartiger Gesinnung zu sein. Nur wer aufmerksamer hinsah und sich auf Mienendeutung verstand, gewahrte die Merkmale einer zwar unmitteilsamen, aber wahrhaften Güte und den stillen und zähen Willen eines der Aufopferung fähigen Herois- mus im Antlitz dieses sonst unscheinbaren Mannes, George Minnes. Sohn eines vlä- mischen Bauern aus der Brügger Gegend, der aber seine Herkunft von Karl dem Fünften ableitet, blieb Minne unbeachtet im Dunkel, und litt mit seinem Weibe und seinen Kindern alle Dürftigkeit bis zur bittersten Hungersnot. Aber just die Not war es, die ihn nicht nur beten, die ihn auch arbeiten lehrte. Er dingte lange Jahre beharrlich nicht um Brot und Ruhm, sondern um seine Kunst, um die Reinheit und die gotische Seele in seiner Kunst, bis sich ihm die Gnade schenkte. Um zur Kunst zu gelangen, zog er sich von den andern immer mehr ab und in sich zurück, wurde er insula- risch, kapselte er sich ein. Der müßige Atelier- schwatz, all der heftige aber leere Meinungs- streit, das Prinzipien- und Theoriengezänke wurden ihm eben so tief widerwärtig, wie der Dünkel der Maler, Bildhauerund Schriftsteller, von denen die einen verwöhnte Publikums- Lieblinge und geldgierige Bourgeois, die andern verbitterte und verlotterte Bohemiens waren, und von denen die einen die Lebensführung der Großindustriellen, die anderen die der „verkannten" Genies nachäfften. Er siedelte sich in dem Dorfe Laethem-St. Martin an und geriet in völlige Verschollenheit. Erst als die belgische Zeitschrift „van Nu en Straks" Zeich- nungen von Minne vervielfältigte, darunter die durch den Ausdruck seltsam ergreifende einer
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GEORGE MINNE - LAETHEiM. MARMOR -PLASTIK: -UIE NONNK :. Im Besiti von Fritz Waerndorfer-Wicn.
GEORGE MINNE LAETHEM. MARMOR-PI.ASTIK : DER MAURER . Im Besitz von Fritz Wacmdorfer— Wien.
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Mutter mit dem nackten Säugling im bergenden Arm und der kosend ans Knie geschmiegten Tochter (eine Idee, die später in Stein pla- stische Form gewann) wurde ein kleiner Kreis von Kunstfreunden auf Minne aufmerksam.
Diese, seine ersten archaisierenden Zeich- nungen muteten zwar mittelalterlich einfältig und innig, aber auch ehrlich an. Minne gelangte zur gotischen Form aus Naturnotwendigkeit, sie war durchaus kein modisches Stilmäntel- chen, das er umhängte. So war es auch kein Zufall, daß er sich zum Illustrieren die Bücher seiner Landsleute Maeterlinck und Verhaeren wählte. Er fand in ihnen eben nur mit andern künstlerischen Ausdrucksniitteln das gleiche gestaltet, was bei ihm zum bildnerischen Aus- druck drängte. Wie in allen künstlerisch wert- grädigen Gebilden der Gotik vollzog sich auch in Minnes Arbeiten die wundersame Verschmel- zung der Wiedergabe von Tatsachen aus der Einbildungssphäre , wie sie wirklicher und wesenhafter nicht gedacht werden kann, mit der Darstellung von Dingen der Natur, die in eine seltsame Höhe des Stils gehoben wurden aus ihrem langweiligen, gewöhnlichen Dasein : die Beseelung der Sinnesdinge , die Versinn- lichung verborgenster Ereignisse des Geistes und Gemütes.
Ich sehe mich genötigt, mich selbst zu zitieren , um verständlich zumachen, was ich hier meine. Minne ist einer von jenen gotischen Künstlern, die sich absondern, auf sich selbst beschränken und in eine tiefe Kontemplation versinken. Er vermochte sich dahin zu bringen , ein langes Schweigen zu halten, in dem allgemach große Dinge vernehmlich wurden. Er hat mit den bleichen, hageren Mönchen indenkahlenZellen der einsamen und stillen Klöster gehaust ; er hat sich bei flackerndem Fackelschein in den hallenden Gewölben die Lenden gegeißelt, und saß mit den Mönchen auf den geschnitzten Chören und sang Lieder zum Preise Gottes, und er schnitzte und meißelte wie sie aus Eichenbohlen und Steinblöcken Figuren, die so wundersam sind, daß Menschen sie kaum anzufassen wagen , sondern nur anzubeten. Nun sagt man allerdings , daß die Leiber der Gotiker garstig seien. Ja, im Sinne der Griechen. Die Leiber sind die Hüllen der Seelen und verändern sich mit diesen. Die Seelen der Gotiker sind nicht mehr griechen- lieiler, sie litten bittersten Schmerz und ihre Hüllen weisen die Male. Die alten gotischen Meister trachteten nach dem künstlerischen Ausdruck dieser leidensvollcn Seelen , und weil das Leiden nicht \erschönt, schufen die
Meister Garstiges. Dafür haben die Stigmati- sationen des Leidens, welche die Gotiker ge- wahrten, das, was die Griechen nur schön ge- stalten konnten, bei den Gotikern erschütternd und erhaben gemacht. Die Garstigkeit des menschlichen Leibes ist von einer seltsamen Traurigkeit und Größe , und weil sie diese große Traurigkeit der leiblichen Häßlichkeit verstanden und meisterlich wiedergaben, er- reichten die Meister der Gotik eine hohe Stufe in der ästhetischen Hierarchie. Der Schmerz, nicht die Lust ist ihre Muse. Ihre Kunst ent- springt keiner großen Heiterkeit, sondern einem großen Ernste. Minne ist ein solcher gotischer Meister, und er ist, wie Meier- Graefe sagte, ein wahrer Virtuose des Schmerzes; aber Minne stellt den Schmerz nicht naturalistisch dar, er appelliert nicht an unser Mitleid, die „engere, moralische oder soziale Situation des Dargestellten bleibt ganz außerhalb, und die- selbe Bewegung, die uns das Elend zeigt, ver- weist uns zugleich auf die Ferne dieses Leids, die unerreichbare Ewigkeit der Schmerzen, und drängt uns zur Bewunderung, nicht zur Hilfe". Das gibt den meisten seiner Kunstwerke jenen uns geheimnisvoll überhauchenden Reiz einer uns ungeheuer und erhaben anmutenden Größe, einer Größe, die beispielsweise in der steilen Kontur und Haltung des trauernd geneigten Frauenkopfes für sein Rodenbach-Denkmal, an die Lieblichkeit und Strenge unserer nor- dischen Gebirge gemahnt, wie zutreffend gesagt wurde. Größe hat auch die ursprünglich als Ideenskizze für ein Denkmal des belgischen Sozialistenführers Volders geschaffene , nun aber auf Waerndorfers Bestellung in Marmor ausgeführte Plastik : zwei nackte Männer stehen spreizbeinig auf schwankem Schiff einander gegenüber , das Gleichgewicht haltend und bereit , sich gegenseitig zu stützen. Eine ge- dankentiefe Symbolik für die soziale Idee, wie sie in einem plastischen Kunstwerk nicht ein- facher und zugleich wirkungsvoller gedacht werden kann. Größe ohne Pose und Palhos hat auch „Der Redner"; kathedrale Größe haben die holzgeschnitzten drei vermummten „Beguinen", Größe hat der „Reliquienträger", und Größe und unendliche Anmut hat die „Badende" in ihrer gleichsam ewigen Geste voll Rhythmus und Wohllaut. —
Mit diesen Marginalien zu Minnes Werken möge es hier sein Bewenden haben , zumal Kunstwerke, wie ich schon bei anderer Ge- legenheit einmal schrieb, nicht da sind, um besprochen, sondern um erschaut, erfühlt und genossen zu werden. — auiiii k Knis>ii;K.
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ORTSCHAFT UND KUNST/) Wcnn- S^leich die Abfassung einer Geschichte der modernen Bewegung immer noch als ver- früht zu bezeichnen ist, so tut es doch gut, wenn die zurückgelegte Wegstrecke ab und zu von in der Zeit stehenden Männern gemessen und registriert wird. In dem genannten Werk hat ein Volkswirtschaftler und Sozialpolitiker sich der Aufgabe unterzogen. Recht genom- men, ist damit nur der Anfang vom Ende ge- schildert. Große Wirtschaftsfragen sind bisher noch kaum berührt worden, und die Lebens- führung unter dem Einflüsse der Moderne be- ginnt neuerdings erst weiteren Kreisen ein sichtbares Zeichen der Zeit zu werden. Außer Zweifel scheint schon heute, daß Deutschland durch die moderne Bewegung auch handels- politisch gewaltig gewinnen wird. Die bis 1 893 auch noch in Chicago geholten Schlappen sind seit einem Jahrzehnt mehr als ausgewetzt.
In der Gruppierung der geschichtlichen Mo- mente , der Herausschälung der treibenden Kräfte wie der Würdigung des Erreichten ist Waentig sorgfältig und liebevoll zu Werke ge-
) Wirtscli.ifl mul Kunst. Eine Untersuchuni; iiber Qeschiclile und Theorie der modernen Knnstgewerbeheweeun^f von Heiiiricli W.ientig- 43)S-S» broeli- M. S.-, geb. M. 9.-. Verl.li; Oustav Hsclier-Jena, imw
gangen. Rekapituliert er auch die einleitende englische Bewegung etwas ausführlich, deut- schen Vorgängen nicht immer gleichwertig gerecht werdend, so wird er doch überall zum Dolmetsch der großen Geschehnisse. Schärfer denn je stehen sich die Vertreter der verschie- denen Produktionsweisen und Geschmacks- empfinden gegenüber. Da tun's Worte allein nicht mehr, Taten müssen vermitteln, über- zeugen. Das kann einzig und allein für Publi- kum und Kämpfende nur Aufgabe der großen führenden Kunstzeitschriften sein, nicht der Tagespresse. Es ist lebhaft zu bedauern, daß selbst in so ausgezeichneten Büchern wie dem vorliegenden, dieser großen Kunstzeit- schriften mit ihrer umfassenden publizisti- schen Tätigkeit in der schnellen und weit- reichenden Verbreitung guter Abbil- dungen der gesamten künstlerischen Produktion immer nur in den „Literatur- nachweisen" gedacht wird. Und doch fließen die Lebensquellen mit ihrer treibenden und mitreißenden Kraft von hier aus am reichlich- sten. Es wäre wohl angebracht, den großen Verdiensten der deutschen Kunstzeitschriften ein besonderes Kapitel zu widmen. . i. ^' m. i .
iEiiRCL MINNE 1..
Waimorplastik: Der Redner«
. Westfalen.
CiEORüK MINNE- LAEXHKM. BRUNNEN MIT KNIEENDEN KNABEN. Im Folkwlng-Muscum zu Hagen i. Westfalen.
IIKUNXEN-HGUK; KMKI..MH.K K.\AI:1. . MALM"
MAK.\li)K-l'l.A>] IK. lil.M r/.KK; Ic il.KU AMi-MUSEU.M /X HA(.RN I.W.
(iEORCiK iMlX.N E - LAETHEM. MARMOR: MinTF.R MIT MKRBENDEM KIND . Besitzer: Fritz Waerndorfer-VFien.
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GEORGE MINNE EAETHEM.
Kalkstein-Grabmal mit der Figur eines facUellöschenden Genius auf dem Alten Friedhof zu Hagen i. Westfalen.
DIE KUNST VOR GERICHT.
Die Frage der Sittlichkeit in der Kunst ist lei- der längst keine künstlerische Frage mehr. Von hüben wie von drüben ist Verwirrung in sie hineingetragen worden. Keime zu solcher Verwirrung enthält schon der Buchstabe des Gesetzes, das für gewisse Fälle die Zitierung des Künstlers vor das richterliche Forum vor- sieht. Ich möchte damit keineswegs dem Staate das Recht abgestritten haben, sich gegen gewisse, mit künstlerischen Mitteln begangene Angriffe auf das Schamgefühl zu schützen. Ich möchte nur auf den notwendigen tragischen Widerspruch zwischen der Absicht und der Wirkung des Gesetzesbuchstaben hin- weisen. Der Buchstabe will immer Lebendiges schützen, aber in der Praxis gelangt er fast immer dazu. Lebendiges zu töten. Wenn das in der Rechtserzeugung begabteste Volk, die Römer, den Satz aufstellte; Sumnium jus, summa iniuria ! so hat es darin eine profunde Kenntnis dieser „Tragik der Formel " bekundet. Weitere Verwirrung ist in die Frage „Kunst
und Sittlichkeit" durch gewisse rückständige Volkskreise hineingetragen worden, die sich gerade der Kunst gegenüber als die berufenen Hüter von Moral und Sitte aufzuspielen lieben. Sie haben die Anwendung des Buchstabens, die Rechtsprechung, häufig in falsche I3ahnen gelenkt. Sie haben auf diese Weise den un- natürlichen Zustand geschaffen, daß Künstler und ihre Genossen der Rechtsprechung und ihren Organen wie einem Feinde gegenüber stehen. Die Furcht vor diesem Feinde kann man aus allen Sachverständigen -Gutachten herauslesen. Die Sachverständigen sind dazu gelangt, in ihren Aussagen Politik zu treiben, weil eben das Vertrauen fehlt, daß aus Zu- geständnissen ihrerseits nicht haarsträubend falsche Folgerungen gezogen werden , weil ferner das Strafmaß des Gesetzes ihren be- rechtigten Anschauungen nicht entspricht.
Zu guter Letzt beteiligen sich dann noch die Künstler an der Trübung der ganzen Ange- legenheit, indem sie mit Schöpfungen an die
Die Kunst vor Gericht.
öffentlichkeil treten , die platterdings keinen anderen Namen als den der Zote verdienen. Und das ist der trübste Teil der Angelegenheit. Ich rede hier keineswegs von Nacktheiten überhaupt, nicht einmal von erotischen Dar- stellungen im allgemeinen. Sondern ich meine nur diejenigen Erotika, die deutlich erkenn- barer Weise lediglich dem geschäftlichen Zweck zuliebe und nicht aus innerer künstlerischer Notwendigkeit entstanden sind. Wenn ein
Künstler — solche Fälle sind vorgekommen — die Psychopathia sexualis hernimmt und zu sämtlichen -philien und -isnien mit trockenem, bureaukratisch pedantischem Stift tempera- mentlose und nur durch das Stoffliche wirk- same Illustrationen zeichnet, dann macht er sich auch vor einem Forum von Künstlern und Künstlergenossen straffällig. Das heißt die ohnehin schwierige Situation, in der sich die Kunst gegenüber dem Ansturm der ewig Ver-
JICORC.E Mi.N.NE i..\i:ii:i..\i. , Diu Jiui Xüiinen . Holz-Skulptur.
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Wilhelm Michel:
ständnislosen befindet, mutwillig und frivol verschlimmern. Wenn die Freiheit der Kunst in schamloser Weise zu geschäftlichen Zwecken ausgenutzt wird, dann erleidet die Position ihrer Verteidiger eine schlimmere Schwächung als durch jeden Angriff von außen her. Hin solches unverantwortlichesGebahren bedeutet: der Freiheit der Kunst und ihren Verfechtern in den Rücken fallen.
Diese drei Faktoren sind es, die die Frage Kunst und Sittlichkeit jetzt nachgerade zu einer staatspolitischen Frage gemacht haben. Man forscht nicht mehr : Was ist in dieser Sache wahr und richtig? sondern man fragt: Was ist opportun? Was müssen wir abstreiten, um uns zu nützen, und was dürfen wir zugeben, ohne uns zu schaden? Wo die Politik aber in irgend einer Form hineinspielt, da ist es um Recht und Redlichkeit geschehen. Dann wird hüben und drüben ins Gelag hinein gesündigt, und die Kraft der Lungen und die Zahl der Eides- helfer entscheidet in Dingen , in denen der Vernunft und dem natürlichen Empfinden das letzte Wort zustehen sollte.
So haben beispielsweise zahlreiche Sach- verständigen-Gutachten ein ästhetisches An-
schauen konstruiert, in das nicht die leiseste erotische Beimischung hineinspielt. Darf man überhaupt noch die Erklärung wagen, daß es dieses „uninteressierte Wohlge- fallen" kaum gibt? Daß man, wenn man nicht zufällig — Sopransänger ist, die Venus von Tizian in der Tat mit anderen Gefühlen betrach- tet als etwa die meisterliche Dar- stellung eines geschlachteten und abgebrühten Schweines, das doch auch eine blütenweiße, in den herrlichsten Nuancen schimmernde Haut besitzt? Bei der Entstehung wie beim Genüsse solcher Schil- derungen nackter Weiblichkeit reden die Sinne ihr wohlberechtigt Wort mit, und deshalb verdient weder der Maler noch der Be- schauer Schelte. — Ferner: Was ist selbstverständlicher als daß sich die Menschheit für die körper- lichen Funktionen, die der Fort- pflanzung dienen , dringend , ja brennend interessiert? Wir schei- nen ja allmählich dazu gelangt zu . ... , sein, daß wir die erotische Neugier der Backfische und Gymnasiasten nicht mehr als Äußerung früher Verderbtheit, sondern als eine natürliche und völlig schuldfreie Regung ansehen und be- handeln. Warum, um des Himmels willen, die konventionelle Lüge fördern, der Er- wachsene, also auch Maler und Kunstfreund, teile dieses brennende Interesse für die wich- tige menschliche Angelegenheit nicht mehr? Dieses Interesse dokumentieren manchmal so- gar Richter und Staatsanwälte auf jene weit- verbreitete, höchst naive Weise, daß sie sich Abende lang am Stammtisch nur mit „ge- wagten" und eindeutigen Scherzen und Anek- doten unterhalten. Ich gehe nun nicht so weit, daß ich alles, was sich wie gesagt selbst Rich- ter und Staatsanwälte manchmal im Worte gestatten, dem Maler auch im Bilde gestatten möchte. Aber sicherlich darf man dem Maler das Recht nicht streitig machen, sich und andere mit geschmackvollen künstlerischen Mitteln über das erotische Thema auf fein- sinnige, auf derbe, auf ironische, auf eulen- spiegelige, ja sogar auf leicht frivole Art zu unterhalten. Denn Frivolität als Verspottung an sicii ernster Dinge ist zweifellos, wie das Beispiel Heines, Wedekinds, Lukians und anderer, so auf der Bank der Spötter saßen.
Die Kunst vor Gericht.
beweist, eine berechtigte Art, sicli mit den Dingen dieser Welt und den Gefühlen in der eigenen Brust auseinanderzusetzen.
Für unter allen Umständen verwerflich halte ich aber Gemeinheit der Darstellungsweise und Ausbeutung des erotischen Themas zu ledig- lich geschäftlichen Zwecken. Wobei ich be- merke, daß Gemeinheit der Darstellungsweise zu neun Teilen aus Gemeinheit der Hand und nur zu einem Teile aus Gemeinheit der Ge- sinnung zu bestehen braucht. Zur Begründung :
ad I. Es wirkt in hohem Grade abstoßend, wenn ein Kerl, nachdem er kaum ins Hand-
werk hineingerochen und kaum einen Kopf anständig zeichnen gelernt hat, uns gleich mit Zoten kommen will. Nein, erst zeige du, daß du die aufgehäuften Stoff Vorräte der Welt mit Liebe und Anteil durchwandert hast, dann wage dich an Dinge, die eine so meisterliche Überwindung des Buchstäblichen fordern wie die Erotischen. Erst zeige du, daß du etwas bist und kannst, erst zeige, daß du ein ganzer Mann bist, dann gestatte dir Lizenzen. Man kann sie dir gerne hingehen lassen.
ad II. Es dürfte, meinen Erfahrungen nach, nicht sehr viele begabte Maler, oder sagen
GF.ORGE .\nx.\K— L.VKTHEM. Maimur; (irabm.il auf ilem Alten Frietlhof /\\ Ilagcn i. Wc-stf.
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MINNE- l.AKTHEM.
DER KNABE« MARMOR.
AUS DEM BESITZ VON ERITZ WAERNIJORKER WIEN.
Die Kunst vor Gerklit.
GKORGE MINNF-
I.AKIHEM.
M \KM"R- KEUEK. FOLKWAXG- MUSEUM HAGEN I.W.
wir lieber: Zeichner geben, die nicht gelegent- Hch in übermütiger, lasziver Laune ein Zöt- chen zu Papier gebracht hätten. Und die Laune entschuldigt alles. Es ist damit wie auf Maskenbällen; was um 10 Uhr noch Frech- heit und dreister Übergriff war, ist um 12 Uhr erlaubt und um 2 Uhr — wer weiß? — sogar geboten, wie die Laune im Menschen und im Saale es gebietet. Wenn aber der Künstler ohne diese innere Autorisation, die gar nicht so unkontrollierbar ist als es aussieht, aus reinen Geschäftszwecken frivol und schamlos wird, dann geht er jeder Entlastung verlustig. Willst du erotische Stoffe behandeln, so ge-
schehe es je nachdem mit Pathos oder mit Witz, immer aber mit Temperament. Alles andere ist Prostitution. Echte, aus zwiespäl- tiger Geistesverfassung entspringende Frivo- lität kann erheiternd oder erschütternd wirken ; in jedem Falle wird sie anziehend sein. Affek- tierte Frivolität, besonders auf erotischem Gebiete, wirkt immer in hohem Grade wider- wärtig. Ich verzichte darauf, Namen und Bei- spiele zu geben; der Kenner wird sie aus eigenen Mitteln ergänzen.
Und schließlich noch ein Stoßseufzer; wer- den wir es noch einmal soweit bringen, daß das in Rede stehende Übel, die Rechtsprechung
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IVc KiDist vor (jcrii'lil.
in Sachen Kunst und Sitlliclikeit, wirklich an seiner Wurzel angegriffen wird? Daß man Klagesachen dieser Art vor das einzige Forum bringt, welches von kulturellem Standpunkte aus zuständig ist, vor das Forum von Standes- gerichten !
Ich weiß, daß die Forderung von Standes- gerichten unserem demokratischen Zeitalter übel im Ohre klingt. Wir zählen die nach langen Kämpfen errungenen Volksgerichte ja zu den kostbarsten Erwerbungen unserer Zeit. Untersucht man die Sache aber näher, so ergibt sich, daß die Standesgerichte, so wie sie von einem modernen Gesetzgeber einzurichten wären, der Idee des Volksgerichtes keineswegs widerstreiten. Die Idee des Volksgerichtes ist entstanden im Gegensatz zu den Juristen- gericliten. Sie vertritt den Gedanken, daß der Schuldige gerichtet werde von Männern, die ungefähr unter gleichen Bedingungen leben wie er selbst, die sich daher in seine Lage versetzen können und ihm kein fremdes , to- tes, sondern sein eige- nes, lebendiges Reciil spreciien. Von diesem Standpunkte aus be- deuten Standes- , d. h. natürlich Berufs - Ge- richte nicht nur keinen Gegensatz zum Volks- gericht, sondern gera- dezu dessen logische Fortbildung. Sie sind der natürliche Ausdruck des allgemeinen drin- genden Bedürfnisses nach Nuancierung der Rechtsfindung, eines Bedürfnisses, dem man auf zivilrechtlichem Ge- biete bekanntlich durch Errichtung von Kauf- manns- und Gewerbege- richten, sogar auf straf- rechtlichem Gebiete durch die Jugendge- richtshöfe , Rechnung getragen hat. Standes- gerichte bieten die ein- zige Gewähr dafür, daß dem Angeklagten sein eigenes Recht und zugleich das Recht des Volkes gesprochen
wird. — Es ist meine feste Überzeugung, daß mancher „gröbliche Verletzer des Schamge- fühles", den das Volksgericht hat freisprechen müssen, vor einem Künstlergerichtshof viel weniger glimpflich weggekommen wäre. Ich habe vorhin schon bemerkt, daß die Rück- sicht auf das Strafmaß die Gutachten der Sachverständigen in weitgehender Weise be- einflußt. Für den Sachverständigen handelt es sich unter den heutigen Umständen darum : Soll ich den Kollegen, der auf der Anklage- bank sitzt, der fremdartigen, starren Zermal- mungsmaschine, „Recht" genannt, ausliefern oder nicht? Hätte er Einfluß auf das Strafmaß, so würde er sich gewiß viel weniger bedenken, seine Meinung unumwunden auszusprechen. Ich halte den Künstlergerichtshof für die einzige Möglichkeit, dem lebendigen Rechts- bewußtsein des Volkes in Dingen Kunst und Sittlichkeit zur Verwirklichung zu verhelfen. Die Künstler nehmen keine eigene, von der allgemeinen abweichen- de Moral für sich in An- sprucii. Es gibt nur eine einzige Sittlichkeit, und vor ihr beugen sich die Künstler ebensogut wie alle anderen Berufe. Sie nennen nicht gut, was böse ist, sie nennen nicht keusch, was schamlos ist. Aber die ganz be- sonderen Bedingungen, unter denen der Künst- ler lebt und arbeitet, wollen sie berücksich- tigt wissen. Zu dieser 15erücksichtigung ist ja auch der Laiengerichts- iiof gezwungen, nur macht er das wie nicht anders zu erwarten grob und nuancenlos. Der Künstlergerichtshof würde die Durchsetzung der berechtigten An- sprüche desStaates nicht \ereiteln; er würde die- se Ansprüche aber in einer Weise befriedigen, die der Idee des Rech- tes wesentlich mehr an- gemessen wäre als das iieutige Verfahren. —
Wll HI IM MI( HF.I,-MÜM"HEN.
PROFESSOR FRANZ VON STUCK.
Haupt-Fassade der \'illa Stuck— München.
VILLA FRANZ VON STUCK.
Franz von Stuck, der Malerei, Plastik und Graphik mit gleicher Sicherheit übt, ist auch sein eigener Architekt gewesen. Ein so guter, daß man wünschen muß, er hätte öfter auch diese Seite seines starken dekorativen Talentes geübt. Einer, der immer gewußt und immer gekonnt hat was er wollte. Dies Haus, das auf unserer ersten Abbildung mit den wuchtigen Vertikalen seiner Pyramidenpappeln fast Böcklinsche Stimmung hat, das im Gegen- satze zu den meisten Privat-Gebäuden, die sich also nennen, wirklich im römischen Sinne als „Villa" wirkt, ist gleichzeitig ein eminent behagliches Wohnhaus. Keins für einen Spieß- bürger, aber eins für einen Künstler, dessen innerster Drang nach großen monumentalen Aufgaben geht. Das Äußere wirkt pompös und hat fast keinen Schmuck als reiche Gliede- rung und noble Proportionen und die zum Teil fürstlichen Repräsenlationsräume im Innern sind dennoch wohnlich , weil ihr Prunk nicht tot ist , sondern in allem die Sprache seines
Schöpfers redet. Jede Handbreite der Wände und Decken tut das, jedes Stück des Hausrats, der bis ins Kleinste von Stuck selbst entworfen wurde. Das geschah, nebenbei gesagt, gerade zu der Zeit, als unser „neuer Stil" seine tollsten Sprünge machte und der Drang, originale Zeit- formen für Möbel zu schaffen, sich in den kühnsten Extravaganzen auslebte. Heute, wo sich auch auf diesem Gebiete so vieles geklärt und gefestigt hat, würden die edlen Formen der Stuckschen Möbel — etwa wieder auf eine Ausstellung zur Schau gebracht — hier sicherlich nicht nur zum Schönsten, sondern auch zum Modernsten zählen.
So urteilt Fritz von Ostini im Begleittext der vor wenigen Tagen erschienenen Mono- graphie „Villa Franz von Stuck" (Verlags- anstalt Alexander Koch Darmstadt, Preis Mk. 4. — ). Den vornehmen Charakter des eminent künstlerischen Werkes vermögen die wenigen hier in starker V erkleinerung wieder- gegebenen Abbildungen nur anzudeuten. —
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\ ii.i.A i-K.\.\/ V(i.\ STUCK .\i;-\cni:.\. BLICK IN DEN MUSIK-SAAL, aus »Villa
FRANZ V. STUCK«, VEKLAGSANSTALT ALEX. KOCH.
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KLEBE-ARBEITEN HAMBURGER KUNSTGEWERBE-SCHÜLER.
VON K(ilU<KT PIKF.UEK WH.MEKMuiKF.
ES gibt stets eine Dissonanz, wenn Kunst gelehrt werden soll. Kunst und Geschmack lassen sich nicht lehren, lassen sich nur aus eingeborenen Anlagen entfalten. Es steht da- mit ganz anders als etwa mit dem Rechnen, mit der Orthographie, mit dem Auswendig- lernen irgend welcher Daten. Man kann zum Unterricht in der Kunst kein Lehrbuch und keine Schablone benutzen; alles kommt hier darauf an, die schlafenden Sinne des Schülers zu erwecken, ihn mit eigenen Augen sehen, ihn in sich selbst hineinhorchen zu machen. Es gilt nicht, dem Novizen irgend etwas anzudressieren; der Unterricht ist hier eigentlich mehr ein physiologischer Akt, eine Art Massage , eine Fortoperation gewisser Hemmungen, eine Freilegung der prädestinier- ten Bahnen. Beim Kunstunterricht soll der Lehrer nicht mehr sein, als ein Geburtshelfer und im besten Falle ein Organisator der vor- gefundenen, zur Blüte drängenden Anlagen des Schülers. Darum ist es so gefährlich, mit dem Abzeichnen fertiger Kunstwerke beginnen zu lassen. Die Suggestion anerkannter Kunst- werte auf die Jugend, besonders die künst- lerisch veranlagte , ist von vornherein eine starke. Wie wäre sonst wohl im Jüngling der Wille zur Kunst erwacht, wenn nicht durch die Bewunderung von Werken seiner Um- gebung, wenn nicht durch die Leidenschaft, die ihn packte , Landschaften und Figuren. Historiker und Symbolisten, die er preisen hörte und anbeten sah, aus eigner Kraft, wo- möglich noch schöner erstehen zu lassen.
Dem Jüngling wird es darum anfangs nur be- hagen, seine Götter zu kopieren, sich an dem zu versuchen, was ihm höchstes Ideal und letztes Ziel scheint. Erst später, wenn er plötzlich merkt, daß seine Ideale ihm trotz alles Bemühens nicht die begehrte Antwort geben, daß er nicht an sie heran kann und im Grunde doch über sie hinaus möchte, ja, über sie hinaus muß, dann erst wird er stutzen, wird das Kopieren als ein Hemmnis, die Götter als Götzen und den, der ihm diesen tauben Weg zeigte, als einen Tölpel erkennen lernen. Hier ruhen die psychologischen Wurzeln der heftigen, oft erschütternden Konflikte, die den jungen Künstlern, sonderlich den jungen Aka- demikern, beschieden sind. Dies h'rkennen der Versklavung, in die man geraten, der Zwecklosigkeit einer blinden Gefolgschaft im Heerbann der einst verhimmelten , jetzt ver- fluchten Klassiker, ist die sehr simple, sehr natürliche und sehr alltägliche Erklärung für die Fauikrankheit, für die Interessenlosigkeit, von der gedrillte Musterschüler plötzlich er- griffen werden. Sollten solche Erfahrungen, ebenso häufig wie bitter, nicht zu der Einsicht füiiren, daß dieser Weg, der ach so übliche und für den Lehrer so bequeme, ein falscher ist; daß es nicht darauf ankommt, den Zögling die reinsten Werte der Vergangenheit minuziös nachahmen und sich von ihnen erdrosseln zu lassen, als vielmehr darauf: zunächst einmal die leiblichen Augen natürlich sehen, die leib- lichen Hände natürlich werken zu lehren. Daß solche Methode die richtige ist, wird vernünf-
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KLEBK- \KBEri KN V
KLKBK-ARBEITEN VON SCHÜLERN DER KUNSTGEWERBE-SCHULE IN HAMBURO.
/v Ichc-Arhcikn Haiiibnroey Kjoishe'iVt-rheSchüler.
tij^en Leuten nicht erst zu beweisen sein; es handelt sich nur darum, die Wege zu finden auf denen diese Pädagogik, die eigentlich mehr eine Freundschaft ist, möglichst unbeschwer- lich zum schönen Ziel gelangt. Wobei zu be- merken, daß dieses Ziel zuvor nie offenbar ist, daß es für jeden ein anderes sein muß, daß es aber wohl von des Lehrers Instinkt für einen erkannten Schüler geahnt werden kann. Als ein Weg dieses natürliche Anlagen ent- faltenden Kunstunterrichtes, dieser Aufreiz- ung und Anspornung des Schülers, sollen nun auch die Klebearbeiten dienen, deren wir hier eine Auswahl abgebildet sehen.
Von diesen Klebearbeiten hörte man zum ersten Mal Ausführlicheres gelegentlich des letzten Londoner Kongresses für Kunstunter- richt. Professor Czizek zeigte überaus inter- essante Blätter, die dadurch entstanden waren, daß auf einen neutralen Grund aus buntem Papier geschnittene Formen , allerlei Natura- listisches, auch Ornamentales, geklebt worden war. Der Eindruck dieser Übungen muß außer- ordentlich überzeugend gewesen sein, denn bald sprachen just die einsichtsvollsten Schul- männer davon sehr lobend. Zu denen, die den Wert von Czizeks Klebemethode sofort erkannten, gehörte der Direktor Meyer von der Hamburger Kunstgewerbeschule. Impul- siv, wie er ist, beschloß er, auch an seiner Anstalt Versuche dieser Unterrichtsart vorzu- nehmen. Er konnte dies um so eher wagen,
als er in seinem Lehrerkollegium Leute sitzen hat, die aus gleichem Blut und von gleichem Temperament wie Czizek. Da war vor allem der ausgezeichnete Flächenkünstler Czeschka, unter dessen Händen, von keiner Historie ge- hemmt,eine üppige Ornamentik in unerschöpf- lichem Reichtum erblüht. Einen Schüler dieses Meisters , Herrn Paul Helms , wählte Meyer zum Einrichter und Turnwart der neuen Gym- nastik des Klebens. Und das war kein Fehl- griff; die Resultate, die schon heute, ein Jahr später, vorliegen, sind nicht nur überraschend, sie sind begeisternd. Ja, tausendmal ja, das ist ein fein lustiger Weg, ohne kantiges Joch und mit nicht mehr Schwärmerei, als sie der Jugend gebührt. Das ist das Erste und das Wichtigste, was man diesen Hamburger Schü- ler-Arbeiten sofort abspürt; daß sie mit un- gehemmter Freudigkeit, aus freischweifender Lust am Gestalten erstanden. Man spürt es an jedem dieser Blätter, wie der Schüler, der Kamerad, förmlich erschrak, daß er so etwas, so etwas Lebendiges , so etwas Neues , zu schaffen vermochte. Das, was da aus seinen Fingern hervorgegangen, war etwas Selbstän- diges, etwas, was es sonst noch nie und nir- gend gab, war ein Erlebnis, wie es nur ihm geworden, und er, er hatte es fest gehalten. Da lagen die Papiere, da lagen Schere und Kleisterpinsel, und daraus war dies hier ge- worden , dies bunte , fabulöse Mirakel. Da hatte er also ein Stück Leben, ein Stück der
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KrEriK-ARliKlTEN VON SCHÜLERN DER Kr.NSTGEWEKBE-SCHUl.E IN
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Kl.nBE-ARBKIT VOM SCHül.HRH DKK K U MSTOF" VVI" R H i:SCH LI LH 111 MAMIUIKO
KLEBE-ARBEIT FINES SCHÜLERS DER KUNSTOEWERBESCHULE IN HAMBURG
Kr.EBE-ARBEITKN VÖ\ SCHl'l.KRN DKR KI-.\STC,F\VFRl',r'-s<Hri,K IN IlAMllfR(;.
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Klche-.\yh('Hc>i UaDiliJif'cr Kittis/ordvrbr-Sc/iü/cr.
großen Welt, die ihn taumeln machte, und die er so heiß liebte, die er ganz in sich einsaugen und herrisch meistern wollte, eingefangen, hatte es festgehalten, hatte es angenagelt. Und jetzt, jetzt lebte dies Stück Wirklichkeit durch ihn ein neues Dasein; jeder, der das Blatt ansah, machte ein überzeugtes und hei- teres Gesicht. Vor allem die Farben, die ge- fielen besonders, diese frischen, gesunden, un- gebrochenen Farben. Er selbst, der noch be- stürzt und gerührt vor dem Ereignis stand, ein Schöpfer zu sein, er selbst trank diese Farben, dies schreiende Grün und dies jauchzende Rot in sich hinein. Und mit neuem Eifer machte er sich daran, aus der Erinnerung und nach der Natur E'iguren zu schneiden; oder er nutzte die Schere für einige bestimmte, primitive Stereotypen, Kreise, Vierecke, Ovale, und stellte sich aus diesen Flecken Ornamente zusammen. Das hatte seinen besonderen Reiz, auf hellem oder schwarzem Grund die bunten Atome hin und her zu rücken, in Rhythmen zu ordnen und wieder aufzulösen , bis daß etwas herauskam, daran man seinen Gefallen haben konnte. Das alles war unendlich viel leichter, als wenn mit dem Pinsel gearbeitet worden wäre. Da hätte man nicht annähernd so leicht falsche Gliederungen, unklare Klänge beseitigen und korrigieren können, da hätte man erst wieder decken und radieren müssen; jetzt genügte ein feiner Druck mit den Finger- spitzen, mit den Exekutoren der Nerven, und die bunten Flecke reihten und drehten sich nach dem Willen des jungen Formenfinders. Und noch eins. Die Schere ist ein wesentlich harm- loseres Werkzeug, als etwa der Bleistift, die Feder oder selbst der Pinsel. Sie verliert sich nicht so leicht in Nebensächlichkeiten , sie zwingt zur großen Form , zum geschlossenen Umriß, zur Silhouette. Gibt es nun für den Anfänger etwas Gesünderes, als genötigt zu sein, auf die Hauptwerte, auf das Maßgebende,
auf die typischen Verhältnisse, die charakte- ristischen Auswüchse und Einbiegungen, zu achten.
Herrgott ja, die Philister und Perrücken werden wohl zetern, daß dies doch kein Unter- richt sei, dieweil dabei nicht geseufzt und ge- schwitzt würde. Hihi, spützen die Mummel- greise, so etwas ist keine Arbeit, ist nur ein Spiel, so etwas führt nicht zur Kunst, zur heiligen, lenkt von ihr ab, verführt, vergiftet, tööötet. Aber das ist alles Schwindel, was die graubärtigen Kunstpauker jammern. Selbst- verständlich können diese Klebearbeiten nicht das einzige Lehrmittel zur Kunst sein; aber sie sind wie das Aufreißen eines Fensters vor den Sinnen und vor der Seele des Jünglings, daß das frische , ungekränkte Leben einmal hineinstürze und unvergeßliche Erinnerungen einbrenne. Einmal etwas gesehen haben, wirk- lich durch eigene Augen, es gesehen, genossen, gemeistert haben, das bleibt als ein Erlebnis von unermeßlicher Süße und von nie ein- schlafender Lockung. Daß es an vielem, ja an allem noch fehlt, um wirklich ein Künstler zu sein, einer, der dauernd erlebt und dauernd schafft, das werden die Ordentlichen und Tüchtigen schon von selbst einsehen. Dies einsehen zu helfen, ist die wichtigste Pflicht des überwachenden Lehrers. Da soll er mit allem Takt und mit zarter Achtung vor der wilden Pflanze anfangen, sanft zu biegen und zu brechen ; da soll er anreizen, immer Schwie- rigeres zu versuchen, um an die toten Punkte und über sie hinaus zu kommen. Wenn dann den Klebübungen die ersten Exerzitien mit dem Pinsel folgen, die ersten Versuche, ohne Vorzeichnung, sei es aus der Vorstellung, sei es nach der Natur, Körper in Flächen zu über- setzen, Flächen in scharfen Konturen zusam- menzuhalten, dann ist schon der erste Schritt getan, um die Früchte des künstlerischen Spie- les für reelle Arbeit zu nützen. i<..b. iikiikk.
NEUE THÜRINGER PORZELLANE.
Wenn es allgemein von jenen, denen ein wirklich gesundes Wiederaufblühen un- serer dekorativen Kunst am Herzen liegt, be- klagt wird, daß an diesem bisher die alten, ein- gesessenen und eingearbeiteten industriellen Anstalten so wenig Anteil genommen, ja die- sem sogar in vielen Fällen aus mancherlei Ursachen noch jetzt feindselig gegenüber- stehen, so gilt dies, wie schon an dieser Stelle mehrfach hervorgehoben wurde, leider in ganz besonderem Maße für die keramische Industrie, am allermeisten jedoch für die des Porzellans, die ja wirtschaftlich bei uns eine ganz hervor- ragende Stelle einnimmt, sich in ihrer Pro- duktion im 19. Jahrhundert zu einer ganz er- staunlichen Höhe emporgeschwungen hat. Und das, trotzdem es Anzeichen genug gibt, die deutlich zeigen, daß unsere Zeit wieder
völlig reif wird für eine wirklich gediegene Porzellankunst, die es mit der der Vergangen- heit, der des 18. Jahrhunderts wieder auf- nehmen will! Denn dank der modernen Ma- lerei ist die Farbenfreude wieder erwacht, die dem 19. Jahrhundert unter dem Einfluß der Antike so seltsam verloren gegangen war, ohne die es aber auch keine wirkliche Freude am Porzellan geben kann ; es haben sich weiter dank unserem wachsenden Wohlstand auch unsere Sitten so verfeinert, daß uns delikatere Stoffe, wie einen solchen das Porzellan dar- stellt, schon wieder besonders behagen. Und auch bezahlen können wir mit Hilfe dieses Wohlstandes eine solche Kunst, die zwar an sich für das, was sie bietet, nicht teuer ist, nur dies bisweilen wegen ihrer so leichten Zerstörbarkeit erscheint. Warum also bleibt
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M. A. I'H IIKK l'\l) (II.KIIAKIi M AKKS l'.IKI.I\. MiGII.
Porzellan mit Tnler- und IhercLisiirmalerci. aiisgefuhr
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I'iiricll.in mit Unter und ÜlicrKl.isiir-M.ilerei. Ausliiliiunc: Schwnr;linrecr Werkstältcn-Unlcrwcißliacli.
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.Yenr T/iiii inner PorzrIIaiie.
die all(|einfine Kunst auf diesem Gebiete noch immer aus? — Unter diesen Umstän- den ist es mit doppel- ter Freude zu begrü- ßen, daß jetzt in Deutschland eine rein private Anstalt sich auch entschlossen hat, ein wirklich künstle- risches Porzellan zu erzeugen. Es sind dies die in Thüringen nicht weit von Schwarzburg in Unterweißbach ge- legenen Schwarzbur- ger Werkstätten, die, aus der alten, be- kannten im 18. Jahr- hundert gegründeten Porzellan - Manufaktur von Volkstädt-Rudol-
M H.\ KU HIER DRESDEN.
stände gekonmien ist, ist natürlich kein ein- heitlicher Stil, wie wir einen solchen zum Beispiel bei der Kopenhagener Manu- faktur oder der Nym- phenburger zu sehen gewohnt sind. Aber gemeinsam ist ihnen allen ein gemäßigter Naturalismus, der sich wieder mehr jenem Stile nähert, den einst im 1 8. Jahrhundert der große Porzellanplasti- ker Kandier geschaffen hat, der sich aber gänzlich fern hält von jenem der Kopenhage- ner Manufaktur, der an sich gewiß seine vollen Vorzüge hat, jedoch
Stadt hervorgegangen, jetzt unter der Leitung kaum geeignet erscheint, wie es lange drohte,
ihres neuen Direktors Adolf Pfeiffer sich an diese so verdienstvolle Aufgabe gemacht ha- ben, und jetzt nach nur ganz kurzer Arbeits- zeit bereits, wie hier die Abbildimgen zeigen, gar sehr erfreuliche Resultate aufzuweisen haben, die zu den schönsten Hoffnungen be-
in unserer Zeit der Alleinherrschende zu werden. Auch gehen diese Werke, da an ihnen in der Hauptsache schon wieder Über- glasurfarben verwandt werden, schon ganz anders wieder in die Farbe und verheißen uns so wieder eine wirklich farbige Porzellan-
rechtigen. Freilich, was hier bisher in Angriff plastik, deren Aufkommen bisher die einseitige genommen worden, ist nur ein kleines Gebiet Verwendung der matten Unterglasurfarben, des Porzellans; es stellt auch nicht gerade sein zu der jene eben genannte Manufaktur das
allerwichtigstes vor. Es ist die Kleinplastik Menschen- wie Tierplastik. Aber es besteht die feste Absicht — und es wird daran auch schon mit allem Fleiße gearbeitet — auch die übrigen Gebiete künstlerisch zu bearbeiten, um so mehr, da auf diesen heute in der kera- mischen Produk- tion noch bedenk- liche Lücken klaf- fen. — Was bisher geschaffen ward, wurde dadurch er- reicht , daß ver- schiedenen Künst- lern Aufträge zu derartigen Schöp- fungen gegeben wurde. Doch ist der Direktor sel- ber auch fähig, derartige Arbei- ten zu leisten. Was dadurch zu-
nur zu sehr befolgte Beispiel gegeben, allein verhindert hat. Ganz besonders erfreulich aber ist es, daß alle diese Arbeiten relativ billig sind, billiger jedenfalls als die der be- rühmten großen Manufakturen und so in der Tat eine Kunst wieder wirklich populär machen können, die schon einmal eine bedeutende Rolle in unserem Kunstleben ge- spielt hat, dann aber leider so ver- wildert ist , daß sie auf den Namen Kunst keinen An- spruch mehr ma- chen durfte und darum auch bei allen Kunstver- ständigen in starke Verachtung sank.
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Vcrcinitle Werkstätten fiir Kmisl im H.indwerk. A.-O.. München.
A RHKITHN VON LUDWIG VIERTHALKR. /v Die Münchner Metallkunst iJenießt heute internationalen Ruf. Die Verhältnisse waren in München für solche Kleinkunst unfjeniein fjün- sti^. Hier sammelte sich der jSroße Fremden ver- kehr aus dem Norden nach den Alpen und nach Italien, hier pflej^te man sich mit mehr oder wenij5er nützlichen Geschenken und Erinne- rungen zu versehen. Hier saßen auch die Künstler, die das Gewerbe unablässig mit einem Strom von Ideen tränkten, eine große Einrichtungs-Industric gab ständig den Hilfs- gewerben Verdienst und Arbeit. Auch die Kunstgewerheschule und die permanente Aus- stellung des Kunstgewerbevereins nützten viel. Die Münchner Metallkunst hat einen ausge- sprochen kunstgewerblichen Charakter, wäh- rend andere Produktionszweige dort mehr in den Bann einer derb -bunten „Volkskunst" geraten sind. Das Muster spielt dort im Metall die Hauptrolle, der Handwerker steht zurück hinter dem entwerfenden Zeichner, der
auf formale Einfälle den Hauplwert legt. Dem einen ist diese phantasievolle, manchmal etwas überladene Münchner Art sympathisch, einem andern nicht. Sie ist iedenfalls typisch.
Und einer der besten Vertreter des Münch- ner Metallstils ist unstreitig Ludwig Vierthaler, der lange Zeit, anregend und angeregt, dort gewirkt hat, ehe er nach Berlin berufen wurde. Seine Arbeiten beweisen aber auch, daß in die reiche, oft turbulente, geschwätzige Or- namentierungslust der Münchner mehr und mehr Klarheit, Sammlung, Disziplin, ruhige Größe einzieht. Die hier abgebildeten Gefäße zeigen reine Disposition und durchsichtigen verständlichen Aufbau. Aller Zierrat dient organischen Zwecken. Die reizvollen Orna- mente, die so leicht aus der Technik fließen, haben alle ihre festbestimmte Funktion , sie umwinden, schaffen Schwerpunkte oder Aus- läufer, die beliebten Steinböcke und Fasanen scheinen oft nur spielende Weiterbildungen einesHenkels oderGriffes zu sein. .\. i mm \n\.
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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
|)|-:zi-:mbi-:r 1909.
'ODERNE SILBERARBEITEN. Eine kleine Ausstellung im Berliner Kunstgewerbe- Museum beweist, wie entschieden es mit dem Handwerk der Gold- und Silberschmiede vorangegangen ist. Es offenbart sich die wohl zu verstehende Tatsache: dafj besonders die eigentlichen Praktiker zu neuen und glücklichen Resultaten gelangten. Oewig, auch da, wo nach Entwürfen guter Künstler die Arbeiten sorgfältig ausgeführt werden, steigen die Leistungen wesent- lich über das Niveau der Handelsware. Aber zur vollen Entfaltung kommt ein neues Wollen doch nur dort, wo Vorstellung und Ausführung, wo Hirnbild und Handgeschick von einer einzigen Persönlichkeit geleistet werden. Die Edelschmiede, sie, die wirklich das Werkzeug regieren, schaffen, sofern sie empfindsame und innerlich reiche Menschen, die reinsten und die gesündesten der neuen Formen. Stücke, wie sie die Fa. Bruckmann, Heilbronn, nach den Zeichnungen verschiedener Bildhauer herstellt, sind zweifellos von ausge- zeichneter Qualität; sie können, wenn der Bild- hauer tüchtig ist, auch schön sein. Aber der spezifische Reiz der Materialbelebung, jene un- verkennbare Atmosphäre, in der das Klirren der Punzen und Hämmer ewiglich zu tönen scheint, daran fehlt es. Das treffen wir, wenn wir an das Geschmeide geraten, das der Darmstädter Ernst Riegel mit wachen Sinnen und liebkosenden Fingern komponierte. (Das Wort musikalisch verstanden.) Diese Atmosphäre des Werkzeuges treffen wir bei Emil Lettre-Berlin. Der ist ein fabelhafter Techniker; es dürfte schwer halten seinesgleichen zu finden. Wie er aus einem einzigen Stück grofje, bauchige Gefäße zu treiben weif5, wie er klare Formen aus freier Hand direkt in das Metall schlägt, wie er dem Silber zu einem tiefen und reichen Oberflächenschein verhilft, das ist meisterlich, ganz meisterlich. k. hkkii. r.
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BERLIN. Paul Cassirer hat etwa 40 Gemälde des Paul Cezanne zusammengebracht, die er im November und Dezember ausstellte. Was für ein vortrefflicher Maler war doch dieser Mann! Man braucht zwar nur ein Bild von ihm zu kennen, und man begreift darin den ganzen Menschen. Es sind nur die Energien der Farbe, die er an den Dingen dieser Welt sieht, und er betreibt mit einer solchen Unbekümmert- heit farbige Komposition, dag er über diesem einen künstlerischen Problem jede Rücksicht auf
die reale Erscheinung der Natur, den primären Empfindungswert des Stofflichen usw. vergißt. Dabei aber gelingen ihm doch wunderbare Por- träts, wie etwa das des Kunsthändlers Valabregue, den er nur durch Variierung der farbigen Stim- mung von zwei Seiten seines Wesens zeigt. Und von seinen Stilleben halte ich das mit der Uhr und der großen Muschel für eines der schönsten, die überhaupt je gemalt worden sind, i hi.ndfk.
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Bei Qurlitt sind eben mehr als 60 Gemälde Hans Thomas (auch Majoliken) zu sehen, die ihn als guten und als schlichten Maler, immer aber als einen lieben Menschen zeigen. i n.
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Die Galerie Schulte hatte eine grofie Kol- lektion von mehr als 100 Bildern Eduard von üebhardts zusammengebracht. Dieser Maler hat Ziele, die nicht immer künstlerische sind, und eigentlich Maler ist er nur in seinen ganz frühen Sachen, etwa in dem Einzug Christi in Jerusalem von 1863, dessen qualtrocentistische Farbengebung man vergißt über der reinen Empfindung des schönen Erzählens, und dann in seinen Skizzen, die freilich nach modernen Begriffen schon mehr als ausgeführte Gemälde sind. Wer eine Studie malen kann, wie den predigenden Christus für die Bergpredigt von 1903, die in der Farbe und im Ausdruck so vortrefflich ist, den darf man ruhig einen Maler heißen. Im fertigen Bild aber macht er die Wirkung zu Schanden durch eine sehr unökonomische Detaillierung des Vorgangs in Malerei und Charakteristik. So geht es ihm fast immer, und man wird ihn als Künstler stets nur nach seinen Studien beurteilen dürfen. Als Mensch erscheint er freilich in den großen Arbeiten am reinsten, und zwar als ein nicht gewöhnlicher Mensch von großem sittlichem Ernst. i . n
Ä Die Galerie Schulte teilt mit, daß sie für Januar 1910 eine Gedächtnisausstellung von mehr als 150 Bildnissen des kursächsischen Hofmalers Anton Greff (1736-1813) vorbereitet, worauf man sich füglich freuen darf. i !■
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ITALIENISCHE BIBELOTS. Im Berliner Künstler- haus hat Herr H. St. Lerche aus Rom allerlei Kunstgewerbliches zu zeigen. Um was es sich handelt, das sollen einige Diagnosen kundtun. Es gibt zusehen: Eine Vase, etwa einen Meter hoch, sie heißt: das Meer. Der Fuß ist ein
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KIcilir K/tii\l-XaiIiriilil(-ii.
dämonischer Fisch aus Bronze mit glasigen Augen ; um ihn herum spritjen Wellen (auch aus Bronze). Da hinein sind grüne Achate gebettet. Der eigent- liche Vasenkörper ist keramisch, die Glasur redu- ziertes Kupfer, rot zu grün, blau überfangen. Gegen diesen eigentlichen Vasenkörper ist nichts zu sagen. Als Henkel bäumen sich zwei Fisch- weiber, sie sit3en am Mund der Vase, sie brüllen und schwenken ihr Haar, und alsogleich werden sie abwärts rutschen. Es gibt ferner zu sehen: Einen Gegenstand, den der Katalog einen Humpen nennt. Es scheint ein beschnäbelter Helm zu sein, als Henkel rekelt sich ein trunkener Knabe. Den muß man um den Bauch fassen, um das Kuriosum zu heben. Es ist ferner zu sehen: Auf einer großen, grünen Schüssel hockt ein rotbrauner Faun; er trägt in der Rechten ein Püppchen, ein zierliches Weibchen, das flüstert ihm ins Ohr. Der Faun grinst. Wer noch? Es ist ferner zu sehen: In Bronze gegossen, auf den Tisch gelegt, ein Stück Mutterbrust, mit einem Sänglingskopf daran. Demgemäß: Herr Lerche ist um einige Posttage zu spät nach Berlin gekommen; der- artige Scherze sind bei uns längst überwunden. Im übrigen sei ihm gern attestiert, daß er einige Phantasie und einen leidlichen dekorativen Ge- schmack besit5t Die schlichten Schüsseln und Schalen, die er nach dem Vorbild persischer Fayence formt und glasiert, können gelobt werden.
DAS BERLINERKUNSTGEWERBE-MUSEUM. Es läßt sich jeßt feststellen, daß der neue Direktor, Otto von Falke, sehr recht daran tat, mit dem Erbe des alten Lessing nicht gar so pietätvoll umzuspringen. Es war durchaus not- wendig, dem neuen Prinzip der Museumsgestaltung, dem Prinzip der Sachlichkeit, der Echtheit und der Qualität, gegenüber dem alten der Stimmung, des Halbdunkels und des theatralischen Effektes zum Siege zu verhelfen. Es widerspricht durch- aus dem modernen, historischen Bewußtsein, die Dokumente der Vergangenheit mit Nachahmungen oder auch nur untereinander so zu vermischen, daß ein Gesamteindruck, etwa nach der Art des Münchner National-Museums herauskommt. Man will die gesicherten, alten Stücke möglichst vor- teilhaft und leicht zugänglich ausgestellt sehen. Man will ferner möglichst große Helligkeit. Nebenbei erwartet man dann, daß der Konservator, der Kenner, durch geschickte Aufstellung die Übersicht erleichtert, und das Bedürfnis der Sinne geschmackvoll einlöst. Nach solchen Prinzipien hat Falke das Berliner Museum um- geordnet. Er hat vor allem für Licht gesorgt, hat die braunen, aus Stuck imitierten Holzdecken
schlankweg weiß gestrichen, hat auch die Wände entsprechend behandelt. Dann hat er im all- gemeinen die Fülle der Objekte reduziert, er wollte nur das Vortrefflichste zeigen. Und das Typische. Wenn man jeßt durch das Museum gehl, empfängt man zwar wenig Romantik, dafür aber eine außerordentlich reine und präzisierte Analyse. Sehr instruktiv wirkt der moderne Saal, den Falke aus den Gläsern, den Keramiken, den Bronzen und einigen wenigen Möbeln der leßten zwei Jahrzehnte zusammengestellt hat. Da sieht man mit leisem Grauen, wie schnell, wie schrecklich schnell die moderne Bewegung ihre einzelnen Etappen ver- leugnet und verschwinden läßt. Vom Jugendstil garnicht zu reden: wo blieb das Frankreich der Pariser Weltausstellung, wo Plumet, wo Galle; wo blieb Tiffany, wo Eckmann, wo Lalique. Alles vorbei, vorüber. Daraus folgt, daß es sehr diskutiert werden will, ob ein Museum modernes Kunstgewerbe sammeln soll. Geschieht es, dann sollte als Maßstab immer das Einfachste, das Sachlichste und das technisch Tüchtigste gelten.
In einem der kleinen Ausstellungsräume werden uns die Neuerwerbungen 1909 vorgeführt. Besondere Aufmerksamkeit verdient ein aus- gezeichnetes Exemplar der von Wedgewood im Jahre 1792 gemachten Nachahmungen der Port- landvase. Technisch will der tiefe schwarzseidige Brand des Kobalt bewundert werden. Auch die Zartheit der Paste, in der die Figuren aufgelegt wurden, verlangt Anerkennung. — Ein gutes Stück der Berliner Porzellanmanufaktur ist die in Bisquit ausgeführte, lebensgroße Büste Friedrich des Zweiten (1805); noch feiner und charmanter ist die kleine Schwesterngruppe Schadows, deren Modell der Meister nach seinem großformatigen Werk eigenhändig fertigte. - Viel bestaunt wird die schlesische Zinnkanne (Breslau 1500), die bei der Versteigerung der Sammlung Lanna bis auf 33 000 M. getrieben wurde, k. hkij-fk.
EINE AUSSTELLUNG VON ARBEITER-KÜN- STEN. Der Fall liegt so: ein sentimentaler Doktor der Physis und Amateur in Soziologie entdeckt die kunstdurstige Seele des Proletariats, steigt zur Tiefe und sucht verborgenes Gold zu heben. Hallo! Die große Revue. 4000 Stüik kommen herein. Die Banausen von Berlin W sollen wenigstens einen Tropfen dieses Unver- fälschten zu schmecken bekommen. Arrangieren wir also eine Ausstellung von Künsten dilettie- render Arbeiter. Zittert, dekadente Kultursnobs, das unverbrauchte Volk ist da. Schon hört man die Talente keimen, emporschießen, schon wurden
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Kleine A ini^t-IVacliriiliioi.
sieben auf die Akademie gebracht, noch einen Momang-, und die neue Ära beginnt. Die Kunsiseuche kriselt. Gott behüte, man hätte nicht so viel Ästhetisches schreiben und reden sollen. In die Ecke, Besen, Besen! . Der Fall liegt so: daf^ ein vernünftiger Sozialpolitiker mit aller Macht solchem Pinselunfug steuern müfite. Uleich wie man die Töchter der Bourgois, die Jungfern, die auch so sehnsüchtig nach Kunst schmachten, ver- mahnt: stickt keine Haussegen, kopiert keine Mal- vorlagen, schneidet nicht Kerben! Statt solcher herzhaften Warnung die tauben Früchte schwacher Gefühlsduseleien und mangelhafter Erkenntnis der Berufs- und Klassenpflichten aufzusammeln und auszustellen, das helfet: den .MüjVggang prämiieren und den seufzenden Dilettantismus heilig sprechen. Die Zeiten der Romantik, da der Hirtenbua Papst, Kaiser oder gar Maler wurde, sind vorüber. Heute bedarf es zur Kunst neben des Talentes einer leidlichen Kinderstube, guter Ernährung und et- licher Moneten. Man glaubt nicht mehr, daf; just die obdachlose Boheme das Genie gepachtet habe. Verbirgt sich wirklich ein Talent dort unten, so wird es sich schon selbst durchringen und seine Kraft beweisen. Es ist geradezu dumm, das Künstlerproletariat künstlich vermehren zu helfen. Einen Wochenlöhner ob scheinbarer Gaben aus seinem Beruf zu reißen, zu stipen- dieren und zur Kunst zu locken, ist frevent- licher Leichtsinn. Der Arbeiter soll, wenn er freie Zeit hat, vor allem etwas üben und lernen, was ihn beruflich fördert und ihn möglicher- weise in eine höhere Lohnklasse bringt. Er soll sich bemühen, immer besser den Kosmos der Fabrik zu verstehen, um so die Funktionen eines minimalen Rades mit Bewußtsein zu vollziehen. Oder: der Lithograph vervollkommne seine Tech- nik, er gehe zur Handwerkerschule und lasse sich sieben, ob er für das Kunsigewerbe reif sei; ein Seßer studiere englische Druckwerke und lerne daran Verhältnisse sehen, er verschone sich je- doch mit „Landschaft und Akt"! Tüchtigkeit im Beruf hilft am ehesten zur Arbeitsfreude; selbst- mörderisch aber ist es, die Pflicht des Tages zu verfluchen, um dem Phantom einer höheren, gei- stigen Beschäftigung nachzujagen. Das könnte sich auch ein jeder von uns leisten; dazu braucht man garnicht Mechaniker oder Kettenscheerer zu sein. Welcher Jurist, welcher Arzt, welcher Kri- tiker wüßte nicht letjten Sinnes etwas Besseres, etwas Geistreicheres zu tun, als seine Tagesarbeit es ist. Pflichten sind eben Mühlsteine; alles Mehl aber muß unterm Mühlstein hindurch. Bleibt dem Arbeiter reelle, freie Zeit, dann soll er sich zu- erst um die Lebensfragen seines Berufes be- kümmern; erst dann sei ihm allgemeine Bildung,
dieser Ballast der natürlichen Vernunft, empfohlen; (Kunst in seiner freien Zeit genießen, wird seiner inneren Entwicklung gewiß immer dienlich sein). Besser täte er, mit offnen Augen und Mutter- wiß durch die Straßen und über die Felder zu spazieren. Treibt's ihn dann (es wird nicht oft vorkommen), seine Eindrücke und Phantasien als Wort oder Bild niederzukrißeln, sei es ihm ge- segnet. R. I'.K. Ä
MODERNE GALERIE MÜNCHEN (Thann- hauser). Mit Pauken und Trompeten ist die Neue Künstler Vereinigung München in den schönen Oberlichtsaal unseres jüngsten Kunstsalons eingezogen.
Im Laufe des Dezember und Januar bringt die „Moderne Galerie" folgende Ausstellungen: eine Serie Kuno Amiet und Qiacometti ; eine Kol- lektion „Kunst im Dienste des Kaufmannes", arrangiert von der Münchner Vereinigung für an- gewandte Kunst; tine Sonder- Ausstellung von Werken Ulrich Hübners; schließlich junge Franzosen. Außerdem wird die Galerie während der Ausstellung der Winlersezession, die Haber- mann gewidmet ist, zwei Säle von älteren Habermaimschen Werken vorführen. Was jeßt schon davon zu sehen ist, spannt die Erwartung.
Moderne Kunsthandlung München (BrakI). Emil Preetorius, der junge Darmstädter, ist den Lesern dieser Hefte kein Fremdling. Eine geschmackvolle, hervorragend feinausgebaute zeichnerische Begabung; die saloppen, genialischen Allüren fehlen, dafür bewundert man aber die kluge und gewissenhafte Ökonomie dieses schönen romantischen Talentes. Seine feine ironische Linie deutet die Dinge keck und klar. Sie liefert von ihnen nicht eigentlich zureichende Darstel- lungen, sondern treffsichere, knappe und peinlich ausgefeilte Epigramme. In der ironischen Kunst des Schattenrisses hat es Emil Preetorius zu hoher Vollendung gebracht; das beweisen seine Illustrationen zu dem von Otto Wolfskehl neu übersetjten „Onkel Benjamin", der im Hypeiion- verlag zu München neu herausgekommen ist. - Ein neuer Mann ist sein Bruder Willy Preetorius, ein Maler von feinstem Gefühl für die Struktur der Landschaft. Man wird noch von ihm hören. Wenn man von der Neuen Künstlervereinigung München, die in der Modernen Galerie zu Gaste weilt, herkommt, dann betrachtet man Brakls Van (jogh- Kollektion mit besonderem Interesse. Hier ist ein sonniger Garten mit vier Menschen, ein Stückchen Erde von strahlender Schönheit, eine Arbeit von solcher Meisterschaft, daß sie
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Kleine Kiotst-NiwJn iehte)i.
jeden späteren Monat schlägt. Hier ist der Pflug-, bei dem Millet Pate gestanden hat, gewaltig und grof;artig in die Farbensprache einer anderen Zeit umgedeutet. Kurz, hier sind Meisterwerke, Dokumente einer glühenden, inbrünstigen Seele. Aber zu Nutj und Frommen der Schwachen, die aus dem fertigen Werke des Meisters gerne einige billige Formeln zur Verhüllung ihrer Unzuläng- lichkeit stehlen möchten, sollte man eine War- nung daneben schreiben: Pueri , fugite hinc! latet anguis in herba. u, Miniii.
KOPENHAGEN. Arnold Krog, fünfund- zwanzig .Jahre künstlerischer Direktor der Königlichen Porzellanfabrik in Kopenhagen. Die Königliche Porzellanfabrik in Kopenhagen verdankt ihren Weltruf zwei Männern : ihrem obersten Leiter, dem vor einigen Jahren verstorbenen Etatsrat Philip Schou, und dem Professor Arnold Krog, in dessen Händen sich seit dem 1. Januar 1885 die künstlerische Leitung der Fabrik befindet. Die fünfundzwanzigjährige Tätigkeit, auf die Krog gegenwärtig zurückblickt, darf nicht mit Still- schweigen übergangen werden in einer Zeit- schrift, die so oft in Bild und Wort über die Werke berichtet hat, die von seiner Hand ge- schaffen oder unter seiner Anleitung und Pflege entstanden sind - um so mehr, als er infolge seiner bescheidenen Zurückhaltung - wenigstens außerhalb Dänemarks - bisher nicht die Aner- kennung gefunden hat, die seiner ergebnisreichen Lebensarbeit gebührte. Stand er doch in der vordersten Reihe der Männer, die das Aufblühen des dänischen Kunsthandwerks im legten Viertel- jahrhunderl hervorgerufen haben. Als .'Architekt vorgebildet auf der Kunstakademie in Kopenhagen, war er Alters- und- Studiengenosse des Malers Kröyer und des Erbauers des Kopenhagener Rathauses Martin Nyrop. Die Eigenschaften beider, des Malers und des Architekten, muffte er in sich vereinigen, um seine Aufgabe in den Arbeitssälen der Porzellanfabrik zu erfüllen. Als er von Schou zum künstlerischen Direktor erwählt wurde, lag ihm eigentlich nichts ferner, als Por- zellan zu dekorieren. Was er hierfür mitbrachte, war höchstens eine gesunde Abneigung gegen alles Überladene und gegen die Mifihandlung des edlen weij^en Materials durch überreiche Ver- goldung und phantastische Formengebung. Er überzeugte sich, dafs eine Gesundung nur zu erreichen sei, wenn man das Material wieder in seine Rechte einset5en und die Formengebung so einfach wie möglich gestalten würde. Diese Orund- anschauungen leiteten ihn bei allen seinen Ver- suchen. Er legte nicht das Hauptgewicht auf die Überglasiiminlerei und Vergoldung, sondern be-
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vorzugte die diskretere Malerei unter der Glasur. Die F'ormen wurden ihrer modellierten, angeset5ten Zieraten entkleidet und auf die einfachsten ge- bogenen Flächen zurückgeführt, die der Malerei freien Spielraum boten. Für seine malerisch- dekorative .Auffassung empfing Krog zuerst be- stimmende Anregungen aus der japanischen Kunst ; seinen Formenschat5 fand er aber in der dänischen Natur, deren Flora und Fauna er und seine Mit- arbeiter bald mehr, bald weniger der Flächen- dekoration anzupassen, stets aber mit feinem Ge- schmack darzustellen wuJ3ten. Krog hat sich mit dem, was er geschaffen hat, nicht nur um die Wiedergeburt des dänischen Porzellans verdient gemacht; sein Vorgehen hat auch anspornend und bildend auf die übrigen Porzellanfabriken Europas eingewirkt. Sein Name wird daher stets mit Ehren in der Geschichte der angewandten Kunst der Neuzeit genannt werden.
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BUENOS AIRES. Internationale Zentenar-Aus- stellung (Kunst) 1910. Die Arbeiten zur Siche- rung offizieller Erwerbungen von ausgestellten Kunstwerken nehmen einen zufriedenstellenden Verlauf. - Die Regierung wird 460000 Frs. und die Stadtverwaltung von Buenos Aires 120000 Frs. hierauf verwenden. Sämtliche 16 Provinzial- Regierungen der Republik und die Stadtver- waltungen der größeren Provinzialstädte haben Erwerbungen von Kunstwerken in Aussicht gestellt, welche den Stamm für anläßlich der Zentenarfeier zu gründende National - .Museen bilden sollen. Bis jet3t existiert in der ganzen Argentinischen Republik nur ein einziges National- Museum, welches sich in Buenos Aires befindet. Auf diese Weise werden die für offizielle Er- werbungen aufzuwendenden Summen eine .Million Franken bei weitem überschreiten: auf^erdem haben sich die großen Vereine und Klubs ver- pflichtet, größere Ankäufe zu machen, und da auf den kleineren Privat-Ausslellungen in Buenos Aires jährlich für über eine Million Kunstwerke verkauft werden, so dürften schon jetjt Verkäufe für über zwei Millionen Franken als gesichert anzusehen sein.
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'ATERIAL-BUCH. Bezugnehmend auf die Berichterstattung über die Versammlung des Deutschen Werkbundes in Frankfurt a. M. möchte Herr Dr. Heinrich Pudor erklären, daß er nach einer Materialkontrolle geseßlicher Art strebt, nicht zünftlerischer Art, wenn sie auch den Zünften (gemeint seien die Innungen) zugute kommen soll. Ausdrückliche Voraussetjung der gesetzlichen Kontrolle sei dabei die chemotech- nische Prüfung.
WILLI GEIGLR- MÜNCHEM-FLORF.NZ.
GEMÄLDK ; AHDALUSIEKIH.
i il.LI GEIGER- MÜNCHEN-FLORENZ.
Kadiening aus der Mappe: Stierkampf
WILLI GEIGER-MÜNCHEN-FLORENZ.
VON GEORG JAKOB WOI.F -MÜNCHEN.
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JiWi Geiger trat zu einer Zeit schöpferisch mit der Kunst in Verbindung, da die angewandte Ästhetik sozusagen auf einem toten Punkt stand. Der Sezessionismus hatte sich ausgetobt und verschnaufte sich gerade nacii einem erbitterten, schheßhch aber doch erfolg- gekrönten Anlauf, die konservative Kunst hin- gegen hatte sich von dem schvi^eren Schlag noch nicht zu der heute bereits unverkennbaren inneren Reorganisation erholt und dazv^fischen hatte sich, als ein Ausfluß der literarisch-philo- sophischen Richtung der Zeit, etwas breit ge- macht, für das man die Schlagworte „Ideen- kunst" und „Künstler-Philosophentum" allzu bereit hatte; eine überragende Gestalt derdeut- schen Kunst, ein Genie, an das sich all die Klei- neren nicht reiben durften, hatte ungewollt diese nicht gerade glückliciie Erscheinung veranlaßt: Max Klinger. Die Kritik aber war ob all dieser
Erscheinungen verwirrt, dereine zog dahin, der andere dorthin. Die ehernen Gesetzestafeln der Kunst waren zerbrochen, und auf schwanken- dem Steg über einen ungebändigten Ozean mußten die Jünger der Kunst hinüberbalan- zieren in die seligen Gefilde einer reinen Kunst. Solche wirre Kunstverhältnisse traf vor einem Jahrzehnt Willi Geiger an, als er begann, mit eigenen Schöpfungen auf den Plan zu treten. Er brachte außer seinem damals noch ziemlich latenten künstlerischen Ingenium als Wertvoll- stes ein unverbrauchtes, geradegewachsenes Menschentum mit. Die verweichlichenden, Eigenart fressenden Einflüsse einer dekadenten Großstadt-Atmosphäre hatten an iiim nicht gezehrt. Seine Jugend hatte er, der im Jahre 1878 in der niederbayerischen Provinzhaupt- stadl Landshut geboren wurde, in dieser köst- lichen gotischen Stadt verlebt, liebevoll gehütet
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Gror'> yakoll ]J'oI/—I\finicIii'>i.
von einem prächlijjen Elternpaar, einem klujicn, starkhändifien Vater und einer gütis^en, besorg- ten, lieben Mutter; dort hatte er die Schulen besucht, durch die gotischen Gassen war er Tag um Tag gegangen , um die altehrwürdige Martinskirche hatte er gespielt, und unver- sehens war von dem gotischen Stadtgeist etwas übergesprungen auf ihn selbst; das Gotische, das namentlich in seinen graphischen Früh- werken lebendig ist, muß man unbedingt auf solche heimatliche .lugendeindrücke zurück- führen.
Geiger war nicht von vornherein zum Künst- ler bestimmt, doch zog man bei der Berufswahl seine zeichnerischen Fähigkeiten in Rechnung und dem Willen seines Vaters gemäß, mit dem er ganz einig ging, bezog er die
Kunstgewerbeschule und das Polytechnikum in München , um sich für den Beruf eines Zeichenlehrers vorzubereiten. Und vielleicht wäre Geiger heute irgendwo an einer Provinz- lateinschule als braver, tüchtiger Zeichenlehrer tätig, wenn nicht zur rechten Zeit die rechten Leute gekommen wären, die das Außerordent- liche dieses jungen Künstlers erkannten , die ihm halfen, seinen Weg hinüberzuleiten ins Land der Kunst. Der alte Lenbach und Stuck, die um ihre Meinung gefragt wurden, ob Geiger als Künstler es zu etwas Rechtem bringen werde, sagten unbedenklich ja, als sie seine Arbeiten sahen, und so konnte denn Geiger, nachdem er vorher kurze Zeit selbständig in Venedig gearbeitet hatte, an der Münchner Akademie bei Stuck und bei Malm eintreten. Bei Stuck
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malte er , ohne daß indes seine malerischen Frühwerke einen wesentlich eigenartigen Ein- druckhättenvermittelnkönnen, bei Halmlernte er das Radieren, dessenTechnik er bald spielend beherrschte, und hier ist das Gebiet, wo er bisher seine größten Triumphe feiern konnte, wiewohl es für den Kenner Geigerscher Kunst keinem Zweifel unterliegt, daß auch seine emi- nente malerische Veranlagung über kurz oder lang in einer bezwingenden Leistung sich vor der breitesten Öffentlichkeit bekunden wird. Das erste Werk , mit dem Geiger die Auf- merksamkeit der Kunstfreunde auf sich lenkte.
war ein Zyklus von zwanzig Tuschzeichnungen, der unter dem literarisch angehauchten Titel „Seele" im Jahre 1903 im Selbstverlag des Künstlers erschien. Auch Geiger brachte mit diesem Werk seinerZeit und ihren verworrenen Anschauungen von Kunst den üblichen Tribut dar; nicht alles daran, das weiß ich gewiß, würde Geiger heute noch als vollgültig unterschreiben. Und doch, nimmt man ein Blatt ums andere aus dieser Mappe , so wird man mit Staunen gewahr, daß sich hier nach Abstraktion des Stofflichen, der Idee, der Allegorie, die leicht überwucherte, bereits das phänomenale In-
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Kadicruiij;; l)ie l'auaL>>. Aus Uci ilapiic; »-Liebe«. Selbstverlag.
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j«enium Willi Geiger in ganzer Wirksamkeit zeigt. Ein unergründlicher Pessimismus peitscht durch diesen Zyklus. Das Weib, dieses immer wiederkehrende Grundmotiv Geigerscher Kunst, das sinnliche Weib, okkupiert auch hier schon seinen Platz. Rein bildkünstlerisch angesehen, ist die Mehrzahl der Blätter noch nicht ganz reif, aber Einzelnes steht doch auf einer Höhe , die keiner von Geigers Mit- strebenden bisher erreicht: ich erinnere an das Blatt „Der Walzer" ; es ist ein grandioser Aus- druck todtrauriger Lustigkeit. Das ist über- haupt der Grundzug dieses Zyklus: himmel- hochjauchzend — zum Tode betrübt. Aber nicht als ob man das wie inneren Widerspruch empfände, vielmehr verspürt man; hier ist die abgründige Melancholie eines vlünglings am Werke. Er ist melancholisch nicht aus deka- denter Langeweile, sondern weil er mit dem spröden Ich einen harten Kampf führen muß; das macht ihn auch zum Pessimisten, und wenn zwischenherein das Laclien grillt, das sinnlos
gierige, wilde .lungmännerlachen, so wirkt es nur schaudervoll in seinem herben, strengen Kontrast . . .
LJnd doch war Geiger in jener Zeit nicht aller guten Geister, nicht einer gewissen inne- ren Gehaltenheit bar; er ist eben eine schwer zu fassende, psychologisch nicht immer durch- sichtige Individualität wie alle innerlich Rei- chen, die nicht von vornherein auf ein ge- wisses Schema sich festlegen, sondern in bei- nahe schrankenloserUngebundenheit ihrEigen- wesen schalten und walten lassen. Fast gleich- zeitig mit der „Seele" ist eine Serie getuschter Landshuter Stadtbilder entstanden, brillante Zeichnungen, die auf handgroßen Blättern die Seele dieser gotischen Stadt einfangen. Frei- lich, solche Arbeiten sind im Gesamtwerk Geigers nur harmlose Intermezzi, Ausflüsse sorgloser, sonnenschwerer Ferientage, die er in dem trautbürgerlichen väterlichen Hause in der oberen Altstadt zu Landshut verlebt. . . .
Im Lebenswerke Geigers kann die Mappe
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„Liebe", zehn Radierungen in glänzender Technik , einen bevorzugten Platz bean- spruchen. Die zwei Jahre, die zwischen dem Erscheinen der „Seele" und der „Liebe" liegen, sind die entscheidenden in Geigers Entwicklung. Da ist er, wie der erste Blick lehrt, viel gegenständlicher geworden. Denn das sind keine Allegorien mehr, sondern Lebensausschnitte, die freilich zu symbolischer Eindruckstiefe gesteigert sind. Man empfindet das Lebenssymbol, wenn man die „Duell- pause" betrachtet oder den „Kuß" und be- sonders das grauenvoll-groteske Blatt „Die tausendste Brautnacht", das auf mich immer die schreckliche Wirkung ausübt, als lauere irgendwo versteckt das scheußliche Gespenst der Blutschande. Die „Liebe" zeigt Geiger innerlich erstarkt, gefestigt, auch technisch ge- reift. Aber immer noch liegt es wie schwere I räunierei über seinem Werk, und der Traum,
K.ndieiiing aus Der SLiork.inipf . Selbstverl.i[i
der stets aufs Neue zu ihm tritt, heißt ; Weib. Es ist der gellende Ruf der Salome, der immer wieder schrill seine Chopinschen Traumlieder zerreißt. Im „GemeinsamenZiel", einer privat erschienenen, nur einem kleinen Freundeskreis zugänglich gemachten erotischen Mappe, ist dieser Ruf der Salome in aller Ungebunden- heit künstlerisch fixiert. Der Kampf mit dem Weib, der das eigentliche Element der Geiger- schen Kunst in ihrer Frühzeit ist, wird hier von einem ganz anderen Standpunkt aus ge- führt : Geiger steht nicht mehr mitten drinnen im blutigen Handgemenge, sondern sieht ihm — um mich eines ziemlich verbrauchten Aus- drucks zu bedienen — „von hoher Warte aus" zu und registriert mit einem ganz leisen, linden faunischen Lächeln seine sexuellen Gesichte. Zeichnerisch hat er diese I^lätter, die, wie es spöttisch auf dem Titelblatt heißt, in der „hei- ligen Stadt" Rom entstanden sind, später nicht
J f '////' Gciori —Miiinl/rii - Floicii :
mehr überboten; sie sind schlechthin meister- lich, nicht nur in ihrem Genre, sondern im ganzen Komplex moderner graphischer Kunst. Viel zu wenig beachtet wird ein anderes Werk Geigers, das in erstaunlich kurzer Zeit im Jahre 1906 in Tunis entstand, Originalzeich- nungen, die unter deniTitel „Aphorismen" in einer Mappe gesammelt wurden. Es ist auf- fallend viel Humor in ihnen, namentlich viel Tierhumor, der in allen Farben schillert. Kom- positionen sind diese mit einer echten, stili- stisch derb vereinfachenden Geigerklaue hin- gesetzten Zeichnungen von schönster Rundung, wohlverstanden: nicht im Sinne wohlgeschnie-
gelten akademischen Linienschwungs mit süß- licher Nazarenerweichheit , sondern im Ver- stände wohlüberlegter Raumausbalanzierung, die sich auch mit Geigers charakteristischen, gotisch hageren , eckigen Gestalten herbei- führen läßt.
Die beiden jüngsten zyklischen Werke des Künstlers zeigen Geiger auf neuen Wegen. Im einen läßt er alles Ideenhafte, selbst den leisen Märchenzauber, der uns bei den „Apho- rismen" begegnet, weg und beschränkt sich darauf , uns in strenger Gegenständlich- keit die verschiedenen Phasen eines „Stier- kampfes" zu zeigen. Er selbst hatte in Sevilla
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WILLI GEIGER-MUNCHEN.
mancher Corida angewohnt und unter Toreros sich umgetrieben; dazu kam Goyas Einfkiß, und mehr und mehr reizte es nun Geiger, diese bUtzschnellen Bewegungen, diese ab- sonderhch geschwungenen Kurven mit der Nadel festzuhalten. Der Farbe, der zitternden, bunt ineinander fließenden, zu einem selt- sam berauschenden Bouquet sich mischenden, mußte er freilich bei der Mehrzahl dieser Ra- dierungen entraten. Immerhin hat er zwei davon in großem Format in Farben radiert, und ich stehe nicht an, in ihnen die besten Arbeiten Geigers auf diesem Gebiete zu er- kennen. Die einfarbigen Radierungen des „Stierkampfs" haben mit Goyas Stierkampf- Grotesken nur das Motiv gemeinsam. Im üb- rigen sind sie viel sachlicher, weit mehr auf eine reale Basis gestellt. Die Bewegung wie- derzugeben ist ihr hauptsächlichstes Streben. Man muß sehen, wie Geiger das macht, z. B. bei dem gefährlichen Moment, da der Torero
Das hohe Lied«, llhistration.
mit blitzschneller Behendigkeit den Stoß des Stieres in das rote Tuch abfängt. Eine gewisse Nervosität des Strichs, die allen Arbeiten Geigers eigen, ist gerade hier am Platze — das Blatt ist von wundervoller Eindruckstiefe und Überzeugungstreue. Andere der Stier- kampf-Blätter sind überraschend durch ihre Raumkomposition. Irgendwo, in der rechten oberen Ecke oder links oben am Plattenrand, spielt sich eine bewegte Szene ab; die anderen Partien der Platte sind, wenn auch technisch leicht durchgearbeitet, gegenständlich ganz leer. Aber der Eindruck der Leere ist doch nicht da. Vielmehr scheint es, daß hier der Sand der weiten Arena brennt, und die Gesanit- wirkung erhält die schönste, zügigste Groß- räumigkeit, die man sich wünschen kann.
In dem anderen Werk der Reifezeit, den „Verwandlungen der Venus", zehn Radier- ungen zu Richard Dehmels urweltgroßer Rhap- sodie, war Geiger vor eine ungewöhnliche
ZEICHNUNG AUS APHORISMEN«.
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Uli I I (11 IGKK MINCHEN. EX 1, IURIS. ZEICHNUNGEN.
EX LIBRIS FÜR FRANZ V. STUCK.
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Aufgabe gestellt: hier mußte er seiner unge- stümen Phantasie Zügel anlegen; wenn er sich auch nicht subordinierte, so war es doch nötig, sich zu koordinieren. In den Motiven wenig- stens mußte er mit Dehmel, der freilich ein ihm nahe verwandter Geist ist, einig gehen. Man hat es also bei diesem Zyklus sozusagen mit einem Illustrationswerk zu tun, freilich mit einem ganz besonderer Art, auf das die gute Deutung, die Hans Wolfgang Singer für die neue Illustrationskunst prägte, zutrifft : Der Graphiker sucht des Künstlers Ausgangspunkt und sein Ziel zu erfassen und die gleiche Wirkung auf gleicher Grundlage mit den ihm eigenen Mitteln der Linie, Fläche und Form zu erreichen . . . Durch Dehmels Rhapsodie geht eine schwüle Erotik, die nur manchmal zerreißt und ein Stück heiter lachender, tief-
himmelblauer hellenischer Liebesseligkcit auf- blitzen läßt. Das so situierle Thema ist Geiger durchaus gemäß, denn wie im ersten Augen- blick, da er sich schöpferisch der Kunst nahte, brennt heute noch, wenn auch dem ober- flächlich Zusehenden nicht sofort klar ersicht- lich, in seiner Kunst die Erotik, ein heiliges Feuer, bald aufsteigend wie eine mächtige Johannislohe, bald traut, „intim", als prassele ein liebes, leise summendes Herdfeuer. . . Das Sprunghafte des Themas kam Geiger nicht un- gelegen, da es ihm die Möglichkeit bot, mit seiner ganzen Vielseitigkeit zu brillieren, von pathetischer Dekoration (Venus Mors) bis zur durchgeistigten Intimität (Venus socia), von phantastischer Groteske (Venus perversa) bis zur edlen Klarheit, die aufbraust wie Orgel- klang in einer weiträumigen , ganz men-
BESITZ DES :
WILLI GEIGER MÜNCHEN. KADIKRUNG: -> DER DURST .
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schenleeren Basilika (Venus mater) ... — Das sind Geigers Hauptwerke, die Leucht- türme auf seiner Fahrt über den zischenden Kunstozean. Nach ihnen müssen wir unser Urteil über den Künstler orientieren. Aber CS wäre total falsch, daneben die kleineren Arbeiten Geigers, die Einzelblätter, Exlibris, Gelegenheitsarbeiten etc. gering zu werten. Ist doch Geiger weiten Kreisen gerade durch seine gezeichneten und radierten Exlibris be- kannt geworden, gilt er doch heute mit Recht als einer der besten deutschen Exlibriskünstler. Und doch — das sind für ihn nur Gelegen- heitsarbeiten, und sie haben alle Vorzüge, aber auch die Mängel solcher Gelegen- heitsarbeiten. Die Intimität, die Frische, das Spontane, das ist vielen solcher unter der Gunst einer guten Stunde entstandenen Ar- beiten eigen, manchmal freilich verspürt man dann auch ; hier fiel dem Künstlernichts Rechtes ein und er begnügte sich mit einer geschickten Dekoration — kein Wunder; Geiger hat mehr als hundert Exlibris entworfen, und viele für Leute, die ihn nichts angingen, von denen er nichts wußte. Hat er aber für seine Freunde Exlibris gezeichnet oder radiert, so wurden es immer Kabinettstückchen leise ironischer Charakterisierung; da traf er den Nagel stets auf den Kopf. Unzählig ist die Reihe derKarten, Einzelblätter, Illustrationen, Buchschmuckar- beiten etc., die im Laufe eines Jahrzehnts Geigers nimmermüdem, stets wieder originel- lem Stifte entglitt. In den Mappen der Geiger- sammler häuft sich heute schon ein Schatz halbvergessener Arbeiten ; Lithographien für das Künstlerfest „Elenden-Kirchweih", ein Plakat für die Zeitschrift „Freistatt", das wundervoin geschmückte Heft „Frühling", in dem eine Schar begeisterter junger Münchner Dichter junge Lyrik verzapfte, und das Geiger mit teilweise bunten, prächtigen Zeichnungen ausstattete, ferner Illustrationen für das Witz- blatt „Auster" und neuerdings für die „Jugend", Karten zu Festen, Ansichten von München, gelegentliche Porträtzeichnungen, Variete- Gro- tesken und endlich radierte Einzelblätter; zum Teil farbige Nachschöpfungen berühmter Ge- mälde von Velasquez und Goya, zum Teil Ori- ginalradierungen wie „Der Durst", ein herbes Blatt, das einer akademischen Konkurrenz seine Entstehung verdankt, wie das Blatt „ Ver- sailles" mit seiner unvergleichlichen Wieder- gabe der großen Fontaine.
Geiger der Maler ist ein Kapitel für sich, wenn auch seit dem spanischen Studienjahr des Künstlers manche Fäden sich hinüber-
spinnen zu Geiger dem Graphiker. Dasfrüheste Bild Geigers entstand in Venedig; ich erinnere mich seiner noch gut ; rote Chioggiasegel vor der schweren Lagune ; es war eine etwas zähe, breiige Malerei. Bald darauf sah man einiges in der Münchner Sezession, z. B. ein paar Pferde, eine Landschaft. Dann trat eine Pause in der malerischen Produktion ein, denn die in Stucks Atelier nach dem gestellten Modell gemalten Akte wird man doch nicht wohl als Ausflüsse persönlicher Kunst gelten lassen können. Bis einmal zur guten Sommerszeit Geiger ein Malrausch packte. Er war bei einem Verwandten auf einer niederbayerischen Mühle zu Gast, und da brach ein wahres Mal- fieber los. Es entstanden ungemein frische Landschaften, derb angepackt, keck aus der Natur herausgeschnitten, „herausgerissen", um mit Albrecht Dürer zu sprechen. Und ähnlich packte es ihn einige Jahre später in Spanien. Da hatte er fleißig Velasquez und Goya im Prado kopiert, und darüber war ihm eine neue malerische Welt aufgegangen. Die Farbigkeit des Landes und ein gelegentlicher Abstecher in die sonnenflirrenden Lande Nord- afrikas taten das Übrige. Es sind Bilder, die mit der herben Geigerschen Linie eine be- rückende Farbenpracht, eine zündende Licht- fülle verbinden. Und auf diesem Felde liegen für Geiger noch Zukunftsmöglichkeiten, wenn er auch im tiefsten Kern seines Wesens wohl immer ein Graphiker bleiben wird. . .
Willi Geiger ist heute wenig über dreißig Jahre alt, und erst ein Jahrzehnt ist darüber hingegangen , daß er uns seine Kunst in ihren Äußerungen kennen lehrte. Ein Jahr- zehnt voll Arbeit und Kampf, voll Mut und Schmerz, voll innerer und äußerer Erfolge. Auch äußerer, gewiß; denn als solche muß man es ansehen, daß Geiger den Schackpreis der Münchner Akademie erhielt, der ihm einen je einjährigen Aufenthalt in Italien und Spanien ermöglichte; daß ihn neuerdings der deutsche Künstlerbund mit dem Villa Romana-Preis auszeichnete, der ihn als Stipendiaten auf ein Jahr nach Florenz zu ernster Arbeit führte. Geiger ist heute ein innerlich Gereifter, aber seine Kunst ist noch lange nicht erstarrt, hat sich noch nicht irgendwie bindend festgelegt, ist noch nicht auf die herkömmliche „persön- liche Note" eingestellt. Noch wächst es, dehnt es sich in ihm , immer weiter tut sich der Horizont vor ihm auf. Und so wollen wir denn getrost der Zukunft eines Künstlers harren, auf den schon die Gegenwart mit Stolz und Bewunderung blicken darf. — w.
H. Lan'j-Daiioli .
ShV KOGAN MÜNCHEN.
MOYSSEY KOGAN-MÜNCHEN.
Menschenbild, das icli su innig hebe, Vermächtnis habe ich Dir zu lassen, singt heut seligleise mir im Blut .
iVtondjerl: Der Denke
Bestünde nicht Hoffnung, daß die Schöp- fungen Kojians selbst die Gabe der Rede besitzen und in dem musikahschen Rhythmus, der sanften Schönheit ihrer Linien sich unmittelbar jeder empfänglichen Seele mitteilen, — daß beide, der Einfache und der Vielfältig-Veranlagte, in ihnen ein Gemein- sames, Beglückendes finden werden, so er- schienen alle begleitenden Worte unnütz.
Begeisterung und — Sachlichkeit sind beide gleich zwecklose Anwälte echter Kunst ! Und doch bedürfte es zweier Flrklärungsweisen, zweier Sprachen, um mitzuhelfen, daß auf die Werke Kogans endlich die Aufmerksamkeit gelenkt wird, die ihrer Bedeutung zukommt.
Unterhaltsam berichtend für die Vielen: Seht da ein homo novus, ein Begnadeter, der seit .lahrcn, von Wenigen erkannt, in Euren
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Mauern weilt und dort eine zweite Heimat fand. Ein Sonderling, dem die Kunst nicht die „melkende Kuh" ist, ein Narr, der, als ihm vor Jahren zur Zeit der schwersten Entbehrung von erkennender Seite ein Auftrag zuteil wurde, der ihm die ungestörte Arbeit zweier Jahre ermöglichte, — weinte, weil seine Kunst um Brot ging. Ein ganz Unverbesserlicher mit staunenswerten Idealen, dem es nur um die Kunst selbst zu tun ist, ein Weltschmerzlicher, mit Heilandsgedanken für die Menschheit.
Mit keinem Schlager tritt er auf den Plan. Sondern mit kleinen Plaketten und Medaillen, an denen auch der offizielle Kunstverständige achtlos vorübergeht. Unvollendet stehen in schmerzlicher Schönheit seine Marmortorsi ; — dazwischen reiht sich Tafel an Tafel : ein Spiel edler Körper — Gedichte in Wachs —
Hloyssi'v Kaija)! -Rlüiiclioi.
Mui.sbEV KÜGAiN — MÜNCHEN.
alle im Negativ geschnitten, Schöpfungen die darauf warten, in Gold und im Edelsten, was die Erde bietet, festgehalten zu werden. Ein einziger, der berufen scheint, die Wieder- geburt der Gemme einzuleiten; man be- denke: „konkurrenzlos!" Doch er hat keine Muße zur Ausführung, ihn interessiert nicht die kunstgewerbliche Anwendung und Ver- arbeitung, er ist immer ruhelos, „innerlich voll von Figur", das sind ihm alles nur Übergänge zu Größerem, Bevorstehendem. Nur ein paar Medaillen in Stahl geschnitten, ein paar Ver- suche in Halbedelstein, dann weiter.
Seine Werke weisen eine wundersam stetige Entwicklung auf, die Bürgschaft großer Zu- kunft. Vereinzelt steht am Beginne seiner Laufbahn eine Plakette: ein Greisenkopf nach Dürer. Noch ganz Hochrelief, noch ganz „Ausdruck", aber mit einer subtilen, die For- men gleichsam liebkosenden Kraft modelliert. Ein „Drama" war unter den ersten Entwürfen, ein Grabmal, Gedanken zu einem Freiheits- denkmal, Äußerungen einer leidenschaftlichen
Seele, die an fremdem Gram teilnimmt. Dann tauchten Probleme auf, das Bewußtsein der Kraft und der Schöpfungsdrang, mehr zu geben als alle anderen. Und mit Zeiten eiserner Schaffenskraft wechseln Perioden tiefster Schwermut und Einsamkeit. Die stolze Freude und die ewige Unbefriedigtheit des Großen an den eignen Geschöpfen, das geniale Fort- schreiten zu immer neuen Gestaltungen, — das charakterisiert auch Kogans Künstler- tum. Ein Marmor: „Schmerz", ein klassischer Rückenakt, ein frühlinghafter Mädchen-Torso, entstanden neben Plaketten wie die „Vision", jener wundersamen komplexen Einheit dreier Körper. Trotz ihrer traumhaften Konturen bieten diese Reliefs nicht „malerische", son- dern die echte Plastik der Wölbungen und Höhlungen mit strenger, innewohnender Archi- tektur und neugeformten Raumhcziehungen. Friesartig beginnen dann die Plaketten sich zu dehnen. Ein Symphonisches klingt in ihnen, ein Hervorquellen und Versinken in ewig le- bendiger Eurhythmie. Ein Vergleich der „Ver-
MdV.sM'A KciCAN Ml N( HI-N.
ri.AKElTE.N: UAS GOI.UE.N'E ZEITALIEK
OllEX: „DIE KUNST . EIN i;KAHMAl_ . WEKUrNi; . f.NIT N: UHVIHMISCHE STUDIEN-. JIOENI MliSssK\ Kc_><;AN Mi-M HEN. M I I > \ 1 M F N IM 1 IM. AKFTTEN.
MnVsM \ Kl .I.W MUNXHEN.
PI-ATCF.TTKX: DAS COI-DENE ZEITALTER
OHKN: -DIE I.IME«. DI-.K lAN/. . UNTEN: » »ER RHYTHMUS«. SDIELIKBE
,\U)Nsm;v kiic;an mCm hin. mkdaui.en unh n.AKETTEN.
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- Daiioli
MOVSSEV KOGAN- MÜNCHEN.
Relief: X'ergangenhoit ^
gangenheit" mit Dauniiers „Les Fugitifs" be- lehre über die Weiterführung dieses Problems innerhalb der Plastik. — In fortschreitender Entwicklung beschränkt er, unter scheinbarer Opferung anatomischer Muskelkenntnisse, die Modellierung der Körper auf das Äußerste. Eine Primitivität der Reife spricht aus seinen heutigen Werken, eine enorme Konzentration des Lebens und des Ausdrucks in die Fläche, die dennoch von der geheimnisvollen Atmo- sphäre endloser Raumtiefe umspielt ist. Wun- derbar lebendige Intensität vibriert in diesen Gestalten, in denen der Geist ganz Körper und der Körper ganz zu Seele entmaterialisiert ward. Von Kogan gilt das Wort, er könnte seine Akte mit dem Fingernagel auf eine Schuh- sohle ritzen und es würden dennoch Men- schendaraus. — „Primavera", „Die Werbung", „Das goldene Zeitalter" sind Schöpfungen der letzten Zeit. Wie bei Marees sind auch diese Gestalten nicht zusammen „komponiert", sondern selbständige Individuen, gebunden durch eine latente Einheit „im inneren Geist". Echte Synthese liegt in dieser Verinner- lichung und Bannung aller äußern Dramatik in den umgrenzten Raum und die beseelte Kontur, deren Rhythmus sich in klassische Gesten von der Schönheit attischer Grabmäler verdichtet. Und CS begibt sich, daß die Plastik dieses Welt-
fremden plötzlich diejenige wird, die unseren „Bedürfnissen" entgegenkommt. Plastik, die Beziehungen zum Raum hat , die einen „Zweck erfüllt". . . Wo aber ist der Künstler, der diesen Kostbarkeiten die würdige Fassung, den rechten Rahmen zu geben verstünde? —
Und dann: die Plaketten (es sind nur wenige Bildnisse darunter) enthalten nichts aktuelles und nichts geläufiges, sie sind nichts für Samm- ler „berühmter Persönlichkeiten" und billiger Bibelots, sie geben nur Schönheit, und Schön- heit ist heute kein gangbarer Marktartikel . . .
Man müßte vielleicht ferner von dem Künst- ler selbst plaudern, daß das Kind schon aus der weißen Kreide des heimatlichen Bodens, — in Südrußland , — Köpfe schnitzte , daß seine Mutter ein Steppenkind und schön war und süß melancholische Lieder sang. Von seinem wechselnden Werdegang berichten, dem ent- scheidenden Eindruck in der Elfenbeinsamm- lung des National-Museums und dem Entstehen der ersten Meisterplakette. Wie er den offenen Armen der Akademie schnöde entwich; von seiner bisher unerfüllten Sehnsucht nach Rom, daß er, von Rodin erkannt, Mitglied der Jury des Herbstsalons in Paris wurde, und nun im Folkwang-Museum im stillen Hagen schaf- fend, Gelegenheit hat, als Lehrer von seiner reichen Fülle in empfängliche Herzen zu säen, . .
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Und dann müßte man vor einem kleinen Kreise Williger und Andächtiger weiter sprechen: Lust ist tief, sie erscheint wohl dem Kranken als Grund der Welt; tiefer aber noch ist der ewige Schmerz, der keine Rückkehr zu sich selbst ersehnt. Der Urschmerz der Nacht, die von Ewigkeit her das Licht gebärt, der Drang des Tierisch-Trüben, der schmerzlichen Sinnesliebe nach Läuterung , nach Reinheit. SehthiereinenKünstler! DasMysterium einer Seele, die unter der Last eigener und fremder Qual leidend, stets ihrer „obem Melodie" lauschend, unbesiegt den Prüfungspfad zur Klarheit durchschreitet.
Ein Überwindender, der die Geste der qual- vollen Mundwinkel, der mit der Hand schmerz- lich gekrampften Brüste zu leisem Lächeln löst, der seine von jeder dunklen Leidenschaft be- freiten Gestalten in lichte Hüllen kleidet, einen seligen Reigen von Menschen in Zwiesprach der Seelen erschafft, Schatten eines Ge- schlechtes, das wir erst erträumen.
Neben Minnes Asketen-Inbrunst, neben
Maillols Freude und Bourdclles Kühnheit gibt Kogan leidgeborene Schönheit. Nicht gotisch, nicht ägyptisch, noch griechisch sind seine Geschöpfe, sondern Wesen unseres Blutes, aber zeitlos geworden, jener edlen Einfalt und stillen GröCe genähert, Geschöpfe, die beglücken, die „lächelnd und erhobenen Hauptes besehen werden können".
Es ist heute, da nur die Oberfläche an sich aktuell ist, wohl verfrüht, von einer Kunst zu reden, die, wie jene Raffaels, im tiefsten Sinne „organisch", von der durchgeistigten Oberfläche aus die Perspektive in ein unbe- grenztes Ideal gestattet. Und doch besteht Hoffnung, daß wir einer solchen Kunst ent- gegengehen, die ein allen gemeinsames Be- glückendes birgt, — daß wir mit neuen Augen solche Gesichte eines „Goldenen Zeitalters" sehen werden. Ich erinnere an die Worte Rodins: „Wir sind heute zu gequält, aber wir werden zu dieser Kunst starker Gesundheit zurückkehren und das wird der Stil zukünftiger .lahrhunderte werden". ii. i am^ii.vm'I r
I.^
HEENKICH VOGEI.EK WORPSWEDE.
Federzeichiiunp
HEINRICH VOGELER-WORPSWEDE.
HAM'KK I'.REMEN.
ES war schade , daß Worpswede zum Schlagwort wurde, denn aus seiner Mode- berühmtheit von 1895 konnte jeder Kundige schon damals schließen, daß zehn Jahre später die Spatzen sich erzählen würden , Worps- wede sei tot und endgültig überwunden. Das neue Schlagwort ist nicht besser als das alte und um nichts richtiger. In diesen letztver- gangenen Wochen hat die Nachlaß-Ausstellung Fritz Overbecks in der Bremer Kunsthalle uns davon überzeugen müssen , welche unver- brauchte Kraft und welche erfrischende Größe in der schlichten Natur-Auffassung lag. Und wenn die Übrigen Jahre gehabt haben , in denen die Fruchtbarkeit ihrer Produktion größer gewesen ist als ihre schöpferische Kraft, so ist doch unser Vertrauen in ihre Kunst darum nicht geringer als damals, als ihr Ruhm neu und ihr Wollen original schien.
Am wenigsten wird man Heinrich Vogelcr gerecht werden , wenn man ihn mit dem Schlagwort von der Worpsweder Mode heute preist oder morgen gering schätzt, l'reilich
warerauchniemalsmit den Äußerlichkeiten der Moorlandschaft am Weiherberg so verknüpft wie die übrigen , die Landschafter. Er hatte vom ersten Tage an seine besondere Art, die Menschen und Dinge um sich her zu sehen. Die einen sagten, wie sonderbar; die andern nannten es gewollte Naivität ; und erst wer den Menschen kannte , der verstand den Künstler, der fühlte, daß dieser Mann nur so und nicht anders malen könne; denn so sah die Welt aus , die er in seinem Herzen trug. Es gibt nun einmal Menschen , die am hell- lichten Tage Märchen träumen , und man tut gut daran, sie nicht zu stören. Sie sehen die Madonna und Rittersleute und Quellnymphen leibhaftig und alle Tage vor sich , und haben recht, wenn sie uns nicht glauben wollen, daß all das nur triviale Alltagsmenschen seien. Und Vogeler ist eines von diesen Sonntags- kindern , denen die Welt sich mit Wundern auftul überall , wo sie gehen. Und weil Mensch und Künstler in ihm immer und selbst- verständlich eins gewesen sind , so kann er
Heinrich Voor/er— IVnr/'swedr.
HEINRICH VOGELKR WORPSWEDE.
gar nicht anders , als diese Wirklichkeits- wunder , diese in tausend Liedern singende Natur festzuhalten. Von phantastischer Er- findung, von Romantik im üblichen Sinne kann kaum gesprochen werden ; denn was er malt, ist alles wirklicii, und nur der Hauch, in dem es uns begegnet : ein merkwürdiges Zusammen- treffen von wildem Dornengewirr und zarter Rosenpracht, dort eine bizarre Naturform, ein Lichtschimmer oder eine rätselhafte Geste machen die Wirklichkeit zum erlebten Märchen. Für Künstler von Heinrich Vogelers Art sind schlechte Zeiten. Die Romantik steht heute nicht hoch im Preis; wenigstens nicht in der Malerei. Die Kenner haben das Glaubens- bekenntnis unserer Zeit so formuliert, daß es auf Monet, Cezanne und Liebermann paßt ; d. h. der Mensch im Künstler kommt nur so- weit in Frage, als er den Natureindruck in seine Farbenpartikel zerlegen und aus diesen so eindrucksvoll als möglich wieder aufbauen kann; l'hantasie ist nur im Sinne eines Farben-
rausches schätzbar; und da der Stoff nichts, das Wie der Wiedergabe alles bedeutet, jedes Gemälde also nichts weiter als ein Natur- eindruck, gesehen durch ein Farbentempera- ment, sein kann, so bleibt nicht nur die Seele, das menschlich Persönliche des Gemüts — Verzeihung, daß ich von solchen Dingen zu sprechen wage, ich weiß, es ist längst nicht mehr der Brauch — sondern auch alle eigent- liche formale Gestaltungskraft in dieser heu- tigen Ästhetik unfruchtbar und unverwend- bar, ausgeschlossen. Es ist noch immer nicht aufgeklärt, wie in dieses Glaubensbekenntnis der Kenner die unvermittelt und unerwartet ins Land gekommene Begeisterung für Hans von Marees sich reimen soll; sie ist der einzige, menschlich schöne Irrtum in dem sonst so dogmatisch streng gehüteten System der heute gültigen Kunstreligion. Ich fürchte also, daß Heinrich Vogeler, der nun einmal nicht anders kann als bilden, gestalten und fabulieren, vorläufig dieser Ästhetik nicht ge-
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HEINRICH \( ICICLKR.
KAIMF.Kr.NG: UI.NTEkMÄKCHEN-
Ifri)i)'i(li } 'oor/r> — \Vo>-ps'ivcdi\
IlLlNKIlJll \i
iRl'.sU liDli.
nehm sein wird. Die Gemeinde der Seinigen wird darum nicht klein sein. Vogeler hat noch einen zweiten Fehler; er ist Zeichner, d. h. auch in seinen Gemälden ist die Zeichnung der Träger des Ganzen. Und er liebt das Detail, den vollen Reichtum im Formenspiel zarten Gezweigs, die Zierlichkeit der Gräser, die leisen Regungen in den Linien eines Arms ; er liebt und versteht das alles zu beleben wie einer unserer alten deutschen Meister vor vierhundert Jahren; jene solide Reife der Handwerksarbeit und jene liebevolle Hingabe an das Detail, ich wüßte nicht, wer unter den Heutigen sie noch so ungewollt und selbst- verständlich besäße, wie eben Vogeler. Das Tüfteln und Kläubeln, von dem Dürer spricht, es ist sein eigenstes Wesen, und was wir bei Schongauer lieben, warum soll es uns hier unwert sein? Es gehört in der Tat ein unge- wöhnlich feinzusehendes Auge und überdies ein sonntägliches Gemüt dazu, um die Natur so zu uns reden zu machen.
Als Vogeler anfing, neigte seine Malerei zur Illustration; das Erzählende, der Stoff- und Stimmungsgehalt überwog oft und beeinträch- tigte die Formgestaltung. Das lag nahe und war in seiner gleichzeitigen Graphik fast ein Vorzug. Die ersten Jahre seiner Arbeit waren nach dieser Richtung von erstaunlicher Er- giebigkeit; was seitdem entstand bis auf seine neuesten Gemälde herunter, liegt fast alles in den Bildentwürfen seiner damaligen Skizzen- bücher schon fest. Oft haben sie damals schon bald durch die Stärke des Naturausdrucks wie „Die heiligen drei Könige im Schnee" bei Woldc und „Die Mutter in der Rosenlaube" in der Bremer Kunsthalle oder aber durch die klare Herausarbeitung des Formproblems wie in der „Verkündigung" das Wesen der Illu- stration überwunden und bis auf den letzten Rest abgestreift. Schon damals und in den letzten Jahren häufiger zwingt sich der Künst- ler, gleichsam um die Natur nicht zu verlieren und um den oft allzu spitzen Pinsel zu breiter
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HEINRICH VOGELER- WORPSWEDE. GEMÄLDE: »KOMMENDER FRÜHLING«.
" v" >^9S^ r«r»r -'^■jt" \ \j »'-
HEINRICH VOGELER.
GEMÄLDE: »\\^NTERMÄRCHE^•
//r/ui'tr/i Vnoc/rr— M'o>/'s7vrifr.
HKINKICH VOC.Kl.ER WORPSWEDE.
Siclicrlieit zu jjcwölinen, zur Wiedergabe ein- faclier Naturausschnitte, Sein Wohnhaus und die nächste Umgebung der Landscliaft gibt ilini dazu die Motive. Außerdem entstehen Stilleben einfachster Art, ein Stück der Atelier- wand, eine Sofaecke mit ein paar Silhouetten und Bildchen, die drüber hängen, und ähn- liche Motive. Der „Vorfrühling" und der Blick vom Hügel auf die weite Fläche des sonnenbeschienenen Moors unter den hier wiedergegebenen Gemälden gehören auch noch in die Gruppe dieser Exerzitien. Auch das Bildnis seiner Gattin, wie sie in weißem Kleide im Schatten am Stamm eines Baumes sitzt, hat der Künstler so als durchgearbeitete Na- turstudie vor der Natur entstehen lassen.
Seine letzten Gemälde gehen dagegen den Weg, den seine unvergleichlichen Radierungen schon vorher gewiesen haben, den Weg, der den Natureindruck überwinden und neu ge-
Gemäldc: Dame in Weiß«.
staltet als ein klar gelöstes Formprobleni zu bilden lehrt. Diese Bücherzeichen sind ein- facher und größer in der Auffassung geworden. Man spürt ein neues kräftiges Formenipfinden aus ihnen; so auch in den Gemälden.
In dem Gemälde „Kommender Frühling" tritt dies Streben zum ersten Male hervor. In dem schlank schreitenden Rhythmus des jungfräu- lichen Körpers, den er als den kommenden Frühling zwischen dünnen Birkenstämmchen über die Heide schreiten läßt, ist diese große Form durch die Kompositionsarbeit am rein- sten und selbstverständlichsten erfaßt. Die an zarter Finesse der Nadelarbeit unüber- treffliche kleine Radierung „Die Nymphe" war offenbar eine Vorstufe zu diesem Akt im Freien. Nun tauchen die uralten Themen wie- der auf. Das „Wintermärchen" von den hei- ligen drei Königen und die Ansicht des eige- nen Wohnhauses, Sic werden nicht mehr als
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Heivricil I'^oor/i'r— JInr/^>;7('iY/r.
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Naturkopien oder im Sinne illustrativer Er- zählung behandelt, sondern mit einem neuen starken Fornigefühl, das die einzige Richt- schnur für Komposition und Aufbau gibt.
Vielleiciit nähert sich Vogeler damit den alten Meistern noch um einen Schritt mehr; zum mindesten entfernt er sich in der Auffas- sung wie in der runden Klarheit seiner Tech- nik noch mehr von denen, die in skizzierender Improvisation das augenblickliche Leben des Natureindrucks farbig festzuhalten streben. —
Was Vkfir sonst aus den letzten Jahren an Arbeiten des Künstlers mitzuteilen haben, verdankt seine F.ntstehung der Tatsache, daß Vogeler nicht zufällig nur, sondern von Herzen ein Worpsweder ist, und daß er darum nicht müßig zusehen mag , wie mit dem Wachstum des Dorfes am Weiherberg durch nicht ver- standenes Bauen die Landschaft verunziert wird. Manchen hübschen Erfolg haben diese
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(iemälde; Antil^es Märchen
architektonischen Bemühungen im Sinne des Heimatschutzes schon getragen; und das feine Empfinden des Malers weiß diesen be- scheidenen Bauwerken mit überraschend ein- fachen Mitteln persönlichen Reiz und Stimmung zu verleihen. Mit dem Kunstgewerbe -Haus in Worpswede zusammen hat Vogeler endlich in mühevoller Arbeit ländliche Werkstätten ins Leben gerufen, in denen ein solides Mo- biliar hervorgebracht wird, das, angelehnt an altheimische Formen und Schmuckmotive, ge- eignet sein könnte, dem Landhaus des Städters und der Stube der wohlhabenderen unter den Bauern ein gut Teil von der Behaglichkeit zu erhalten, die ihnen der alte Hausrat bis in die Tage unsrer Großväter gegeben hat. — m ii.
Ä Wer in der wirklichen Welt arbeiten kann und in der idealen leben, der hat das Höchste er-
iiiiiyen. Boeiiio
SCHWARZ-WEISS-AUSSTELLUNG^BERLIN.
Die Berliner Sezession tat Recht daran, all- jährlich im Winter graphische Erzeugnisse ihrer Mitglieder und Freunde auszustellen und sie verdient umso größeren Dank, als der Gra- phik gegenüber heute mit einem sehr geringen Interesse des Publikums zu rechnen ist. Der Jury gereicht es zu besonderem Ruhme, daß man kaum ein einziges formal minderwertiges Blatt unter den Kunstwerken findet. Freilich aber öfters, und gerade bei den Jüngeren, eine Sterilität der Empfindung, die für die künstlerische Persönlichkeit nichts Gutes er- hoffen läßt. — Die Ausstellungsleitung hat das graphische Material in fünf Abteilungen in besondere Räume geschieden; in dem
großen Saal sind dazu eine Anzahl dekorativer Arbeiten untergebracht, und einige Plastiken in allen Räumen gut verteilt. — Unter dem deutschen Erzeugnis steht diesmal an erster Stelle ein imponierendes Werk Max Sle- vogts: die zahlreichen Lithographien zum „Lederstrumpf". Es ist bewundernswert, wie viel Erzählergabe, — eine seltene Erschei- nung in unseren Tagen — Geist und Können der Künstler an diese Arbeit gewandt hat. Liebermann, der viele Lithographien, Zeich- nungen und Pastelle ausstellt, kann so viel und vielerlei, daß man nur seinen Namen zu nennen braucht, um die Vorstellung hohen Genusses zu wecken. Thoma hat Lithographien und
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Sc/nvarz- U^-iß-.-liissirl/inio— /h-r/in.
HICINKUH ViiC,I-,l.l-,R \V. ■K1'>X\ KDI.
Zeichnungen gesandt; seine liebenswerte Per- sönlichkeit begrüßen wir stets mit Freude. Für Boehle hege ich immer mehr die bange Befürchtung, daß er manieriert werden wird oder schon ist. Aber man weiß von seinen neuesten Arbeiten so wenig, daß er diese Epoche seiner Entwicklung schon längst über- wunden haben kann. Corinth ist mit einer Anzahl Radierungen und Zeichnungen ver- treten, die wie immer sein großes Talent ver- raten; seine farbigen Lithographien zum Buche Judith gefallen mir wenig. Trübner, von dem nur einige Radierungen zu sehen sind, scheinen die Ausdrucksmittel der Graphik nicht zu liegen. — Aus Kalckreuths Graphik spricht ganz der noble Mensch und gediegene Künstler. Orlik hat ein paar Schabkunstblät- ter und Zeich- nungen ausge- stellt, die den erfahrenen und gewissenhaften
Graphiker gut
charakterisie- ren. Baluschek ist zwar besser als sonst, doch ihm schadet die
Nachbarschaft derKätheKoll- witz. DieTrosl-
l'nijekt zu einem Landhaus in .\iedeIsaLll^en.
losigkeit der Stimmung der Blätter dieser starken Künstlerin ist eben nicht jedermanns Sache. Martin Brandenburg überrascht durch eine Anzahl Pastelle und Zeichnungen. Seine „Spielenden Jungen" sind ein in Farbe und Bewegung gleich gutes Werk. Auch fallen die sentinientalischen und verstiegenen Stoffe seiner Ölbilder und die oft manierierte Farben- gebung in diesen kleinen Arbeiten weniger auf. Immerhin erstaunt man vor Sachen wie; „Der Vampyr", „Der Selbstmörder", „Das Plötzliche", über eine fast pathologische Rich- tung der Phantasie. Ähnlich ergeht es mir mit Marcus Behmer. Fs sind von ihm so viel hübsche Radierungen und Zeichnungen zu sehen, daß man sich fragt, ob es derselbe Mann ist, den man ge- legentlich auf recht extrava- ganten Wegen erblickt. Paul Bach, Paul Baum u . Theo v. Brokhusen haben z. T. sehr hübsche Zeich- nungen gesandt. Christ. Rohlfs zeichnete einen schönen weib- lichen Akt, seine Aquarelle aber sind in Vorwurf
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AUSGEFÜHR'l- VOM KUNSTdFVVFRHE-HAUS IN WORPSWEDE.
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und Farbengebung bedenklich. Bischoff- Culni, Linde-Walther, Oscar Moll, Philipp Franck, Hans von Volkmann kennt man als tüchtige Künstler. Von einer Dame, Erna Frank, sah ich schon öfters feine Radierungen. Fritz Rheins Aquarelle sind in der Farbe sehr schön, und Eugen Spiro hat überraschend gute Zeichnungen und Pa- stelle von vornehmer Stilisierung und Farben- gebung geliefert. Ernst Stern zeigt mit einer Anzahl Zeichnungen, daß er auch anderes kann als Karikaturen zeichnen, während Zille alles zum oft amüsanten Zerrbild wird. Von Ulrich Hübner sind eine Anzahl Gouachen, Meerbilder, ausgestellt. Er malt heute die rela- tiv besten Marinen, Schließlich wären noch die stets einwandfreien Radierungen des geschick- ten Hermann Struck, schöne und in ihrer Art genügend bekannte Arbeiten von E. R. Weiß und in der Farbe eigenartige Entwürfe zu Theaterdekorationen von Carl Walser zu nennen. Die Zeichnungen Karl Hofers sind sehr talentvoll wie immer. — Es ist besonders erfreulich zu sehen , wie gern und oft unsere jungen Künstler sich der graphischen Aus-
Diele in einem Landhaus in Xicdersachsen.
drucksmittel bedienen. Wir haben einen sehr respektablen künstlerischen Nachwuchs, der allerdings hier in der Sezession nicht so zur Geltung kommt, wie etwa auf der letzten Aus- stellung des „Deutschen Künstlerbundes" in der Galerie Arnold zu Dresden. Immerhin braucht man nur Namen wie Wilh. Laage, Adolf Schinnerer (der sein jüngstes Werk, den Zyklus „Simson", ausgestellt hat), Wal t er Klemm, A d o I f T h o m a n n , R e i f f e r s c h e i d herauszugreifen, um allein die Reifsten zu nen- nen. Von Max Beckmann sieht man eine An- zahl Zeichnungen, erste Entwürfe zu seinen Riesenbildern wie „Auferstehung" und „Unter- gang von Messina". Büttner, Feininger, Großmann, Winkel, Wulff zeigen sich als sehr geschickte Künstler. Richard Dreher hätte lieber ein paar seiner schönen Federzeich- nungen ausstellen sollen als die vier Aquarelle. — Als Ausländer sind van Gogh, Manet, Toulouse-Lautrec, Constantin Guys mit z. T. sehr schönen Blättern vertreten. Es sind dann ferner da hübsche Sachen von L e B e a u , Conder, Matthes, ein paar interessante Zeichnimgen \ on Puvis de Chavannes,
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Pissarro, Renoir, Rodin, Gauguin und schließlich ei- nige charakteristische Aqua- relle der Neoimpressionisten Signac und Groß. Anders, Zorn und Larsson haben größere Kollektionen von Ra- dierungen und Zeichnungen zur Verfügung gestellt, und man bewundert bei dem einen mehr das große Können, bei dem andern die schöne Seele. Sehr merkwürdige Zeichnun- gen sieht man von dem verstor- benen Schweden Ernst Jo- sephson aus seiner Wahn- sinnszeit. Von Munch ist ein Zyklus Steinzeichnungen da. Mit Jan Toorops Ar- beiten, soweit sie einer christ- lich-katholischen Mystik ihr Dasein verdanken, kann ich mich wenig befreunden. Umso schöner zeugen von seinem großen Talent die farbigen Lithographien. — In dem großen Saal des Sezessions- hauses sind dann, an Stelle der sonst üblichen Plastik, dekorative Gemälde und Ent-
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würfe zu sehen. Interessant sind H o d - lers Riesenleinwande, „Aufstieg und Absturz der Bergsteiger", als Diorama im Auftrag gemalt in früheren Jahren. Die Arbeiten Arn. Waldschmidts
— Zeichnungen und ein großes Tem- peragemälde: „Prometheus" — legen Zeugnis ab von einem bewunderns- würdigen Willen zur Kunst und von einem Bemühen um die höchsten Auf- gaben. Aber der Künstler ist nicht „Auge" genug und zu viel Philosoph.
— Wenige, aber gute Plastiken von Corinth (so viel ich weiß ein erster Versuch), Barlach,Kolbe, Kruse etc. dienen eigentlich mehr raumschmük- kenden Absichten der Ausstellungs- leitung. I WAI II H|. MIEK.
Das schönste Oliick des denkenden Mfnsclicn ist, das Erforschliclie eiforsclit zn lirtben, und dtis Uneiforscliliclie ruliiy zu verehren. Goethe.
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WIEN.
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AUSSTELLUNG OESTERR. KUNSTGEWERBE 1909-1910
IM K. K. SirsEfM FÜR KrSST ÜND INDISTRIE IN WIEN.
Ein neuer Direktor mit einem neuen Pro- gramm veranstaltete mit neuen Arbeiten im neuen Hause des Museums eine sehens- werte Ausstellung schöner und zweckmäßiger Erzeugnisse der modernen österreichischen Kunstgewerbe. Sie war für Wien ein in mehr- facher Beziehung überaus erfreuliches Ereig- nis, weil in dieser Stadt die Musik und das Schauspiel das künstlerische Interesse des Publikums sonst in überwiegendem Maße aufbrauchen. Da nach Ansicht der Kultur- historiker die Wertschätzung der \ ölker im friedlichen Wettstreit der Ausstellungen fast nur nach Maßgabe des künstlerischen Ver- mögens, mit dem sie aufzutreten weissen, be- stimmt wird, darf man sich dieser Ausstellung mit Grund erfreuen, denn sie war nicht bloß mit reifen und runden Werken des Kunst- gewerbes gut bestellt, sondern auch gut be- sucht, gehört doch die Zahl von über 100 000 Besuchern, und zwar nicht nur in Wien, zu den bemerkenswerten Seltenheiten.
Der neue Direktor des Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie. Dr. Eduard Leisching, hat auf alle diktatorische Program- matik verzichtet; er bevorzugt nicht eine ge-
wisse Richtung, nicht einen bestimmten Stil, sondern ist auf ein vorurteilsloses Zusammen- fassen und zur Geltungbringen aller auf dem Gebiete des Kunstgewerbes tätigen schöpfe- rischen und ausführenden Kräfte Oesterreichs bedacht. „Bei der Prüfung und Zulassung der AussteUungsobjekte hat die Direktion sich in erster Linie — wie es im Katalogvorw'ort heißt — von der Erwägung leiten lassen, daß nur das in die Räume des Museums Eingang finden sollte, was echt kunsthandwerksmäßige Behandlung von Material und Technik auf- weist. Weder die Bevorzugung von Prunk- stücken noch die einseitige Betonung einer bestimmten Stilrichtung scheint ihr zu den Aufgaben des Museums zu gehören ; sie er- achtet es vielmehr als ihre Pflicht, alles ge- sunde, ehrliche Streben nachVervoUkommnung künstlerischer Arbeit zu fördern, ohne die lebendige Entwicklung in Fesseln zu schlagen. Sie will beitragen zur Ausgleichung vorhan- dener Gegensätze und dem freien Spiel der Kräfte einen Boden bereiten, auf dem alle tüchtigen Leistungen vor den Augen der Öffent- lichkeit und zu deren Nutzen zusammenwirken können." Der Weg zu dem in diesen Worten
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angedeuteten Ziel scheint nun durch diese Ausstellung gebahnt, alle Beteiligten haben somit Ursache, sich des neuen Museumsvor- standes zu freuen und mit seiner bisherigen Tätigkeit zufrieden zu sein, denn sie sind in diesen Dingen wahrlich nicht verwöhnt worden. Wir sind auch mit Ausstellungen von der Güte und Reichhaltigkeit dieser jüngsten bisher nicht verwöhnt worden, für die von der Direktion auch die österreichischen Provinzen planmäßig zugezogen wurden, so daß ihr der Charakter einer gesamtösterreichischen Kunstgewerbe- schau verliehen war. Sie kam in viermonat- licher rastlos angestrengter Tag- und Nacht- arbeit zustande. Als künstlerischer Beirat des Direktors hat sich der junge Professor Otto Prutscher, der selbst wieder aus der Hoffmann- Klasse der Kunstgewerbeschule hervorging, überaus verdienstlich betätigt. Ein zweiter Helfer, der mit Auszeichnung genannt werden muß, ist Remigius Geyling, den sich Prutscher seinerseits wieder als Adjutanten kürte. — Die Ausstellung, die sich durch die bei- den Häuser des Mu- seums erstreckte, veranschaulichte in wirkungsvoller Wei- se , daß sich das österr. Kunstgewer- be auf gutem Wege befindet. Der zwei- undein viertelhun- dert Seiten umfas- sende Katalog zählt an die 3000 Objekte auf, und ist selbst auch ein hübsch ge- ratenes Ding der Typographie. Außer den fast durchwegs gelungenen 44 In- terieurs sah man noch alles mög- liche, was durch die künstlerische Ge- staltung, durch die technische Bearbei- tung oder durch das verwendete Ma- terial wertvoll er- schien. Man sah teure Dinge , aber auch solche , die sich der Minderbe- mittelte anschaffen
kann, und die dennoch geschmackvoll sind und der Kritik des Ästheten und Handwerkers gleicherweise standhalten. Gute Gelegenheit bot die Ausstellung , die ersprießliche Tätig- keit der staatlichen Fachschulen kennen zu lernen. An allem machte sich ein frischer und froher Zug bemerkbar und die zunehmende Freude an der künstlerischen Handarbeit. Man konnte in der Ausstellung wahrnehmen, daß es den ausführenden Arbeitern wirk- liches Vergnügen bereitet, die gute, technisch vollendete Arbeit früherer Epochen neuer- dings anzustreben, und daß sie die ihnen vom Museum in Form von künstlerischen Ent- würfen dargebotene Anregung begierig auf- greifen. Die innere , gefühls- und gedanken- mäßige Teilnahme des Ausführenden an der Arbeit seiner Hände ward spürbar, und der gewaltige Unterschied zwischen der einförmig mechanischen Fabriksarbeit und der durch- geistigten Leistung der Menschenhand. Aber auch da, wo die rein maschinelle Herstellung unumgänglich ist, erscheint nunmehr die Arbeit veredelt durch die zugrunde liegenden wirklich künstlerischen Ent- würfe, wie z, B. bei den Webereien und Teppichknüpf ereien. Es ist daher unge- heuchelt , wenn ich sage , daß es in der Tat ein Genuß war, diese spezifisch österr. Kunstgewer- beausstellung zu be- sichtigen, und daß man bei einem Rund- gang durch ihre Räu- me zu der sicheren Zuversicht kam, daß sich das Österreich. Kunstgewerbe „auf guten Wegen" be- findet. Die hier dar- gebotenen Illustra- tionsbeispiele , die einerbesonderenEr- läuterung nicht be- dürfen, werden, wie ich hoffe, meinen Worten die Beweis- kraft verleihen. —
WI'.KKSTÄTTE FÜR STICKF.REl: F.MMY HORMANN- RREMEN. CESTICKTE KISSKN üMl DFlKF.N.
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CARL JOHANN BAUER MÜNCHEN. ISKOSniEN, RINGE, MANSCHETTENKNÖPFE IN GOLD UND SILBER MIT HALHEDELSTEIXEN.
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KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
lANTAK 1910.
BERLIN. Die Kgl. Akademie der Künste hatte für den Dezember und die ersten Tage des neuen Jalires Melchior Lechter ihre Räume zur Ausstellung- seines großen Glasgemälde- Triptychons für das Landesmuseum der Provinz Westfalen zu Münster überlassen. Das Hauptbild: die fons sacra in Gestalt eines gotischen Brunnens, aus dem die Künste göttliche Kraft schöpfen, ein hohes, stehendes Rechteck; rechts und links klei- nere Kompositionen: die Symbole der ars coele- stina und der ars humana. Und wer nun das Glück hatte, dag sich an diesen trüben Winter- tagen die Sonne auf Augenblicke seiner erbarmte, und die Farben des Glases hell aufleuchteten, dann erlebte er in dem verdunkelten Raum die feierlichste Stimmung. - Melchior Lechter treibt eine Kunst für sieh ganz allein, schon weil er sich der Glasmalerei zugewandt hat. Seine Vor- arbeiten zu den grof^en dekorativen Werken, die Studien und Kartons, sind, soweit sie menschliche Wesen darstellen, manieriert, das ornamentale Zierwerk ist oft kraus und unverständlich, ein Entwurf auf dem Karton bedeutet für die Emp- findung nichts. Und dann tritt man vor sein Glas- bild, und man erliegt einer geheimnisvollen Kraft, die man bei Lechter nie vermutet hätte. Wir wissen, welche hohen künstlerischen Werte die alten Glas- maler in Übung ihres Handwerks zu Zeiten schu- fen, und sind erstaunt, daß einem Manne unter uns in diesen unfruchtbaren Tagen gelingt, was vorher nur strenge Handwerkszucht und glück- licher Instinkt gemeinsam erreichten. Man ist zu hoher Achtung vor dieser grof5en Tat koloristischer Berechnung geneigt. Wie dieses Blau mit dem Goldorange, das Meergrün mit dem Dunkelrot zusammengeht, das zeugt nicht von Dilettanten- arbeit. Dazu gehören Augen, ernste Bemühung und viel Geschmack. Aber die hochfeierliche Stimmung, das Ergriffensein vor dem Werk spricht auch für einen ungewöhnlichen künstlerischen Geist seines Erzeugers. kw.m.h nF.N)>r:K.
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MÜNCHEN. Jede neue Saison läßt erkennen, daß sich das Ausstellungswesen unserer Stadt bedeutend gehoben hat. Mit Münchens hermetischer Abgeschlossenheitgegen das Fremde ist es gründlich vorbei. In diesem Monat gab es die vortreffliche Anders Zorn-Kollektion in der Galerie Heinemann, außerdem in der Mo- dernen Galerie Kollektionen der berühmten Schweizer Meister Kuno Amiet und Giaco-
metti, Maler, die auf großzügige Vereinfach- ungen des Natureindruckes ausgehen, um so desto sicherer die malerische und psychologische Pointe der Erscheinung zu treffen.
Die Sezession veranstaltet eine umfang- reiche Revue über das Schaffen ihres langjährigen ersten Präsidenten Hugo von Habermann. Man sieht den feinen, geistreichen Künstler hier ganz deutlich aus Münchens malerischer Kultur der 70er und 80er Jahre hervorwachsen, jener Kultur, in welcher mit ihm Uhde, Trübner, A. V. Keller, W. v. Diez, Munkacsy, Gysis und so viele, viele andere wurzeln, über welche die Zeit mittlerweile siegreich dahingegangen ist. Von großem Interesse ist es, daß gleichzeitig mit dieser Ausstellung die Moderne Galerie eine große Anzahl Habermannscher Studien und Skizzen zeigen kann, die gewissermaßen die Arabesken und Randzeichnungen zu den in der Sezession vereinigten Hauptwerken bilden.
In der Modernen Kunsthandlung (F. J. BrakI) ist Max Feldbauer zu Gast. Ein fesseln- der Kolorist, aber leider häufig so unkräftig im Erfassen der Form! Form ist Licht und Licht ist Farbe - bei Feldbauer ist die enge Beziehung zwischen diesen drei Faktoren durchbrochen. So pikant oft der farbige Reiz seiner Tafeln ist, so wenig befriedigen sie als Deutungen der Wirk- lichkeit, als Interpretationen der Erscheinung.
Im Kunstverein debütiert der Deutsche Künstlerverband mit der ersten seiner jury- freien Ausstellungen. Die Jurylosigkeit macht sich nirgends bemerkbar, weder im Guten noch im Schlimmen. Und so bietet die Ausstellung eigentlich nichts von dem, was man von ihr hoffte und fürchtete. Sie empört nicht durch Albern- heiten und entzückt nicht durch gelungene Wag- nisse. Vielleicht muß die zweite Ausstellung ab- gewartet werden, damit sich das wirkliche Wesen des Verbandes enthüllt.
Die Hofmöbelfabrik M. Ball in hat ihr neues Geschäfts- und Ausstellungshaus am Promenade- plaß eröffnet. Es enthält 77 eingerichtete Räume. Als Architekten sind zum Teil hervorragende Münchner Künstler beteiligt: F. v. Thiersch, Em. v. Seidl, Theodor Fischer, Ludwig Hohlwein, Benno Becker, P. Troost , P. Danzer, Theodor Veil, Mathias Feller u. a.
Das Haus, dessen Fassade Dr. G. v. Cube sehr geschmackvoll bearbeitet hat, bedeutet in jeder Hinsicht eine hervorragende Leistung, u. m.
Klei
si-XacInichten.
RHEINISCHE SIEGE. Wer mit wachen Augen . durch den Industriebezirk fahrt, wird deut- lich spüren, dafi es dort in Dingen der guten Architektur und des kunstgewerbHchen Ge- schmackes vorwärtsgeht. Von der eigentlichen Hochburg der raffiniertesten Künste, von Hagen, wollen wir hier nicht reden. Das Werk, das durch die starke Persönlichkeit des Carl Ernst Osthaus zustande kam, kann nicht gut als ein natürliches Produkt der kulturellen Entwicklung von Rheinland- Westfalen eingeschätzt werden. Dag Osthaus durch Peter Behrens und van de Velde just in Hagen bauen lägt, dafi er sein wundervolles Museum trot) aller Bedenken in der nüchternen, proletarisierten Stadt verbleiben heißt, das ist mehr ein Zufall als eine Notwendigkeit. Immer- hin, man darf den EinfluJ3, der von Hagen aus- geht, nicht unterschätzen. Worauf es uns aber hier ankommt, ist: nachzuweisen, dag das allge- meine Niveau des Industriegebietes steigt. Da sind zum Beispiel die Bahnhöfe von Rheydt und München-Ciladbach; sehr überzeugende, in Zweck- mäßigkeit schöne, logisch eindrucksvolle Konstruk- tionen aus Eisenbeton. Kommt man aus Düssel- dorf, wo die gußeisernen Träger noch als Säulen mit antiken oder gar naturalistisch geschmückten Kapitalen ausgebildet sind, so wird man doppelt den formalen Trieb schätzen, der endlich dem Eisen die homogene Form zu finden wußte. Sehr er- freulich sind auch die Fortschritte im Landhaus- bau und nicht geringer die in der Anlage von Arbeiterkolonien. Was etwa durch die Krupp- schen Baumeister, besonders durch Schmohl und Schneegans, geleistet wird, das ist schlankweg mustergültig. Man braucht gar nicht der frühesten, nur der nackten Notdurft gehorchenden Arbeiter- häuser dieser Kolonien zu gedenken', man kann getrost die Bauten der neunziger Jahre ver- gleichen, und man wird mit starker Befriedigung feststellen, wie energisch seit einiger Zeit dem sozialen Bedürfnis kongenialer Ausdruck, nicht nur in der Architektur des einzelnen Hauses, auch in der Anlage und Aufteilung des Terrains, ge- funden wurde. Etwa: die let5ten Erweiterungen des Alten-Hofes in Essen; sie sind so reif, daß man sich verleitet sieht, den Vergleich mit eng- lischen Musterkolonien zu wagen. — Vorzügliche Häuser, gut errechnete Typen baut Muthesius in Duisburg. Auch dort bedarf es nur einer kurzen Wanderung durch die seit etwa zwanzig Jahren angesiedelten Straßen des Bauvereins, um dem Gefühllosesten zu demonstrieren, wie aus einer banalen Schichtung roher Ziegelsteine, durch die Regie eines geschmackvollen Architekten, freund- liche Schönheit wurde. - Ein weiteres Symptom <les Fortschrittes ist die Entwicklung der Kunst-
gewerbeschule zu Aachen. Unter Direktor Abele wird viel (jutes geleistet. Das Schulgebäude selbst weist ein interessantes und trefflich gelungenes Experiment. Aus einem Fabrikbau im Shedsystem wurde durch geschickte Disposition eine ebenso brauchbare, wie ästhetisch wohltuende Anlage geschaffen. Von den Lehrern dieser Schule hat besonders der Bildhauer Burger sich hervorgetan; von ihm ist der monumentale Brunnen vor dem Bahnhof, von ihm ist auch das in seiner Stabilität elastische Denkmal für den „Schmidt von Aachen". Solcher Art sind die Merkmale, deren einige wir notieren wollten, um die rheinischen Siege auf dem Gebiete der Architektur und des Kunst- gewerbes, der Konstruktion und des Geschmackes, zu belegen. r. kr.
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KUNSTGEWERBE-AUSSTELLUNG IN HAM- BURG. Zur Förderung hamburgischen Kunstgewerbes wurden dem Kunstgewerbe-Ver- ein Räume des Museums für Kunst und Gewerbe zur Verfügung gestellt, um eine Ausstellung „Raumkunst im neuzeitlichen Landhause" zu ver- anstalten. Die Ausstellung soll zeigen, daß künst- lerische und technische Kräfte in Hamburg hin- reichend vorhanden sind, die in neuzeitlichem Sinne einfache gediegene Arbeit und kostbare Einrichtungen und Einzelgegenstände zu schaffen vermögen. In der verhältnismäßig kleinen Aus- stellung haben doch die hauptsächlichsten Träger des hamburgischen Kunstgewerbes eine Ausstel- lung von ungefähr 30 Räumen zustande gebracht, in denen nicht weniger als 18 Zimmereinrich- tungen vertreten sind. In den übrigen Räumen sind kunstgewerbliche Einzelerzeugnisse, Kera- miken, Gold- und Silberarbeiten, Hammer- und Einlegearbeiten in Messing, Beleuchtungskörper, Posamenten und Modelle von Landhäusern und Gartenanlagen zur Ausstellung gebracht. Die großen Firmen haben sich unter Zurückseßung aller Sonderinteressen zu einer einheitlichen Gruppe zusammengeschlossen; sie bieten durch dieses Vorgehen ein vorbildliches Beispiel. Aber auch die kleinen Geschäfte haben ihr Bestes ge- leistet. Während der Ausstellung, die am 28. November eröffnet wurde und die bis zum 15. Februar dauert, wurde vor Weihnachten eine Weihnachtsmesse abgehalten. Eine Ausstellung von Entwürfen zu Landhäusern, zu Garten-Archi- tekturen, Gartenanlagen und zu Innenräumen hat in der Zeit vom 6. bis 26. Januar stattgefunden. Ebenso läßt der Kunstgewerbe-Verein einen Zyklus von aufklärenden Vorträgen halten, und zugleich wird in den leßten 14 Tagen noch eine Ausstel- lung von gewebten Stoffen, Stickereien und Wand- bekleidungen der Ausstellung wiederum- einen
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neuen Reiz verleihen. Alles in allem zeigt der Kunstgewerbe- Verein, dag er bestrebt ist, die hamburgischen Aufträge für die hamburgische Arbeit zu gewinnen, und zugleich Anregungen im neuzeitlichen Sinne zu geben.
H.A.MBURO. Im September vorigen Jahres erschien in den „Hamburger Nachrichten" ein .Artikel „Hamburger Baukunst", Kritische Betrachtungen von Dr. Max Emden. Der .'^utor bezweckte damit, die Bewohner Hamburgs für die Fragen der Baukunst zu interessieren und ihnen vor Augen zu führen, daf; bereits die schwersten Schädigungen des Stadtbildes aus der allgemeinen Qleichgiltigkeit erwachsen sind. Seitens des Hamburger .Architekten- und Ingenieur- Vereins, der Ortsgruppe Hamburg des Bundes Deutscher .■Architekten und einzelner Hamburger Privatarchitekten wurde die Diskussion aufge- nommen. Teilweise versuchten die Entgegnungen den Kritiker mit alten, unbrauchbaren Waffen mundtot zu machen; teilweise boten sie aber auch zweckmäßige Darlegungen und Präzisierungen der Ursachen, die in Hamburg - wie auch in andern Städten — das Können der tüchtigsten Kräfte so selten in Erscheinung treten lassen. Es wäre überaus erfreulich, wenn die Diskussionen nicht ohne Einfluß auf die weitere Entwicklung der Hamburger Architektur sein würden. Um sie vor allzuschnellem Vergessenwerden zu bewahren, hat Dr. Emden sämtliche Ausführungen zu einer Broschüre zusammenfassen lassen, der auch einige .Artikel ähnlicher Tendenz beigegeben sind : „Bremen und die Städtebaukunst" von E. Högg, „Denkmalpflege in Bremen" von Dr. Schäfer, sowie „Wie bauen wir in Cuxhaven?" und „Wie müssen wir in Cuxhaven bauen?" von Dr. Paulsen. Ä
AUS HANNOVER. Der Kunstverein hat das . Pech, durch peinliche Vorgänge der Ver- gangenheit den auswärtigen Künstlern ein wenig anrüchig geworden zu sein. So kommen zu seinen .Ausstellungen in der Regel nicht viele Gäste, und das Niveau wird durch die Hannoveraner bestimmt. Man darf nun sagen, daf) die let)te .Ausstellung einen recht anständigen Durchschnitt wahrte. Es gab eine Reihe interessanter Arbeiten; am meisten Aufmerksamkeit verdient wohl das Ehepaar Heit- müller. Er ist der kräftigere, sie die geschick- tere; beide wandeln sie auf den Spuren Hodlers, van Goghs und Munchs. Diese Dreifältigkeit be- deutet eine Gefahr, die indeß, wenigstens bei einigen Stücken, so bei dem Lupinenfeld, so bei einem Knabenporträt, trefflich überwunden war. Eine recht liebenswürdige Künstlerin lernte man in Aenne Koken kennen. k. h.
.Auffallend ist, daß der Hannoversche Künstler- verein ein so geringes Interesse für das Kunst- gewerbe hat. Die Ausstellung zeigte uns nur vereinzelte Stücke; darunter aber eins, das man- cherlei erhoffen läßt: einen silbernen Tafelaufsa^ von Berthold Körting. Eine delikate und phan- tastische .Arbeit. Es ist wohl keine allzu opti- mistische Vermutung, da|5 in Hannover manch tüchtiger Kunstgewerbler, manch fähiger Innen- architekt lebt; es wäre an der Zeit und nüt3lich, diesen Leuten Gelegenheit zu geben, sich den Bürgern und Käufern empfehlen zu können. Es ließen sich solche .Ausstellungen sehr leicht und grogzügig arrangieren, denn wenige Städte haben ein so geräumiges Künstlerhaus. Nach der Stim- mung, die besonders in den jüngeren Kreisen der Hannoverschen Künstler und Kunstfreunde herrscht, ist hier schon für die allernächste Zeit eine Wandlung zu erwarten. Dag irgend etwas unbedingt geschehen muß, dafür zeugte mit blecherner und tepperner Stimme die let3te Weih- nachts- Ausstellung in der Kunstgewerbehalle. Soviel absonderliche Geschmacklosigkeiten hatte ich schon lange nicht als Ragout genossen. Doch, mit Bestimmtheit: es wird besser werden. Der Stadtdirektor Tramm hat offenbar die Notwendig- keit eines entschlossenen Fortschrittes begriffen. Die Wahl des Professors Rog, der an der tech- nischen Hochschule in moderner Auffassung Kunstgeschichte lehrt, scheint ein hoffnungsvolles .Anzeichen. Die Werkbundidee wird gleichzeitig von dem erfahrenen Schaper und von den tem- peramentvollen Jungen gepflegt. Und schlieg- lich: ein Symptom von nicht geringer Bedeutung: man hat den Erbauer des neuen Rathauses ab- gelöst, hat sich davor geschütjt, durch ihn auch das Innere verderben zu lassen. Für die Regie der großen Räume wurde Wallot gewonnen. Einige sprechen davon, dag Hodler die Wand- gemälde schaffen wird. Das wäre sehr zu be- grüßen. Und wenn Schaper an anderen Stellen die von ihm glänzend beherrschte Technik des Mosaiks entfaltet, so dürfte das Innere über die Grobheiten der .Augenseite hinwegtrösten.
KOBEKT KKEITK.
NEUE BAUTEN VON LUDWIG HOFFMANN. Die Qualität des Berliner Stadtbaumeisters steigt proportional zu der Fülle der ihm gestell- ten .Aufgaben. Immer freier entfaltet sich das sichere Können dieses ausgezeichnet verprovian- tierten Synthetikers. Es ist billig zu sagen, dag er stets mit ererbten, mit historischen Formen wirtschaftet. Er ist ein Eklektiker; aber er ist es auf eine so vollkommene und temperamentvolle Weise, dag man ihn beinahe einen Schöpfer
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nennen darf. - Wo bislang der halb verfallene, graue Bau des früfieren Waisenfiauses stand, hat Hüffmann den städtischen Gaswerken ein Ver- waltungsgebäude errichtet. Ein Mittelding zwischen Renaissance und Schinkel. Florentinisch-römisch, gekreuzt mit preufiischem Drill. Die Pfeiler stehen beinahe robust, zum Parademarsch bereit. Die Strenge aber wird durch das Wohlmaß der Ver- hältnisse schön gemildert. Nicht recht notwendig scheinen die vielen Köpfe, die stark plastisch über den Fenstern des Untergeschosses heraus- stof5en. — Ganz in der Nähe steht das neue Rat- haus. Ein stattliches Geviert, mit der Hauptfront gegen die JüdenstrafiC, mit der Rückfront gegen die KlosterstraJ3e, rechts (von vorn gesehen) durch die Stralauer-, links durch die Parochialstraße begrenzt. Das Format des Terrains war kein besonders glückliches; die Hauplfront in der Jüden- straße ist wesentlich kürzer als die Front in der Kloslerslraf^e. Dadurch ergibt sich für den Grund- riß ein Trapez. Hierzu kommt: beide Parallel- fronten wurden in sich gebrochen; die Eckpartien springen mächtig hervor; die Mitte wurde einwärts geschweift, in deren Zentrum steht ein massiver Portalbau. Jedenfalls: kein leicht zu gestaltender Grundriß, kein Organismus, der aus sich selbst zum Monumentalen drängt. Daraus erklärt es sich vielleicht, daß Hoffmann das äußere Pathos ungewöhnlich betonte. Er verwendete eine tur- bulente Rustika; er arrangierte besonders um die Fenster der oberen Stockwerke ein Orchester von Paukenschlägen. Im Detail betrachtet: ein wenig viel von sich durchdringenden, aus der Fläche stoßenden Quadern, ein wenig viel an starkem Relief, an massiger Plastik. In seiner Ganzheit entbehrt der Bau aber keineswegs einer sicheren und ruhigen Monumentalität, die sich in dem korpulenten und doch geschmeidigen Turm zu überzeugender Wirkung steigert. Freilich, es ließe sich überlegen, ob dieses neue Rathaus, das keinen eigentlichen Repräsentationsraum, nur Arbeits- zimmer enthält, nicht ohne Turm hätte auskommen können. Aber, aber: Hoffmann müßte nicht mit ganzer Seele Baumeister sein, wenn er diese Ge- legenheit verpaßt hätte, einen Turm in die Wolken zu schicken. Und in der Tat, es sind Wallungen von herrischer Gesundheit und kühnem Rhyth- mus, wenn man von weit her den steinernen Riesen sich empordrängen sieht. - Welche Fort- schritte Hoffmann während der leßten Jahre ge- macht hat, das kann man feststellen, wenn man vom neuen Rathaus gegen den Spittelmarkt hin- geht und zum Standesamt an der Fischerbrücke gelangt. Wie zaghaft und spröde ist doch hier die Disposition und wie arm der Ausdruck. Hoff- mann ist mächtig vorangekommen. k. i;ki n k.
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Bei Cassirer waren Anfang Januar klei- nere Kollektionen einzelner Künstler zu sehen. Gurt Herrmann verwertet die Doktrin des Neoimpressionismus sehr glücklich zu persönlicher Gestallung. Ob er zwar Motive aus Oberfranken, vom Lago Maggiore, oder ob er Berliner Straßen im Schnee malt, ist für die individuelle Stimmung des Bildes gleichgültig; es wird alles zu Stilleben mit allgemeinem und immer demselben Gefühls- inhalt. Man spürt aber bei dem Maler die ge- diegene Arbeit und ein für dekorative Werte be- sonders empfängliches Auge. - Von Friß Rhein hört man im allgemeinen viel zu wenig. Er ist ein sicherer und geschmackvoller Könner und kennt sehr genau die Grenzen seines Talents. Ihm liegen die konzentrierten Stimmungen starker Farben, so sind sein „Stilleben" und die „Gärtnerei in Holland" besonders gut. Aber auch die helle Strandszene ist sehr fein. — Konrad v. Kardorff, den man als Porträtmaler kennt, zeigt vor allem Stilleben und Landschaften, z. T. solide Arbeit; in den Landschaften fehlt vielleicht noch das per- sönliche Erlebnis, oder er beherrscht die Mittel noch nicht so recht, es zum Ausdruck zu bringen. -
Die Ausstellung von neueren Bildern Arthur Kampfs während des Januar bei Gurlitt ist recht geschmackvoll arrangiert. — Daneben eine Anzahl schöner Bilder W. Trübners vom Slarn- berger See, Park und Schloß Hemsbach. Im wei- teren Saal ausgewählte Werke aus der Schule von Fontainebleau, von denen ich ein paar reizende Bilder Henri Harpignies hervorhebe. -
Am Neujahrstage wurde die Anton Graff- Gedächtnis-Ausstellung von ca. 180 Por- träts bei Schulte eröffnet. Vorher war eine Kol- lektion der entzückenden hellen Bilder des Schwe- den Carl Larsson zu sehen, die in Sujet und Malweise so selten liebenswürdig sich präsentie- ren. Daneben hielten sich nur noch die hübschen Landschaften Rudolf Siecks, während von dem Rest nichts zu sagen ist. - 1 u \i d i;i mh 1;
DARMSTADT. Ausstellung des Deut- schen Künstlerbundes 1910. Der Groß- herzog von Hessen hat das gesamte Risiko der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes über- nommen. Die Herren: Kunstmaler Adolf Beyer, Professor Graf von Kaickreuth, Hofrat Alexander Koch, Beigeordneter Mueller, Prof. Albin Müller, Stadtverordneter Stemmer, Oberregierungsrat Dr. Wagner, Kabinettssekretär Dr. Wehner, Rudolf Wittich und Direktor Zobel bilden unter dem Vor- siß des Oeheimerats Römheld die „Qeschäfts- leitung der Ausstellung". Am 10. Januar hat die erste Sißung im Alten Palais stattgefunden.
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Schauplatz: Wochenaus- stellunij des Kunstver- L'ines einer großen süddeut- schen Residenzstadt. Es ist nachmittags drei Uhr, die Stunde, da alles, was den bessergekleidetcn Ständen angehört , verdaut. Post coenam stabis aut passus niille meabis, sagt ein altes lateinisches Sprichwort — Küchenlateinisch im eigent- lichen wie im übertragenen Sinne. Was liegt näher als die „millc passus" der \ er- dauung zum Kunst verein hin- überzumachen, zumal man sich dunkel zu erinnern glaubt, daß man zu seinen .\\itgliedern zählt? — Ein Bild, das man um diese Stunde dort sehr oft sehen kann, sieht folgendermaßen aus. — Auf dem Treppenpodest wartet der an- geseilte Dackel oder Schnauzel und blickt mit .\ugen des Jammers in die Höhe. Drohen aber \ or den Bildern \ on Putz. Slevogt. von Cezanne. \ an Gogh und Gauguin steht der Herr und pfeift vor Zorn. Mit dem Spazierstock peitscht or seine Absätze , einem grimmigen Löwen ähnlich, der mit dem Schweif seine Elanken bearbeitet, und trägt eine .Miene zur Schau. als sähe er der Mißhandlung eines Kindes oder sonst einer im höchsten Grade empören- den Tal zu. — Ein Herr Uli Vollbart erscheint, pflanzt sich vor den Bil- dern auf und lacht über die mühevolle Jahresar- beit eines vortrefflichen .\\annes so herzlich wie über die Capriolen des dummen .August im Zir- kus. — Beiden gemeinsam ist, wie man sieht, die l n- tähigkeit oder die Unlust, erstens: an das ernste Streben des Künstlers zu glauben, und zweitens naiv und harmlos das hin- zunehmen, was vor ihren Augen steht. — Auf die- sen zweiten Punkt möchte ich besonderes Gewiciit
legen. Es ist cuic llaupt- eigenschaft des Publikums, eine Eigenschaft, über die der Fachmann stets wieder von neuem staunt, daß es niemals das sieht, was ihm greifbar, auf einen Meter Ent- fernung, dargeboten wird. Zumal beim deutschen Publi- kum spürt man immer wie- der, daß es mit toten, blin- den Augen vor den Schöp- fungen seiner Künstler steht und sich niemals rein an das hält, was vorhanden ist. Es sucht immer etwas anderes, ist völlig unfähig, auf den Künstler einzugehen und tritt mit dem unverschämten .Anspruch auf. den Künst- ler innerlich zu korrigieren, ehe es ihn überhaupt ange- hört hat. Im Leben lernt man einen Menschen nicht ken- nen, wenn man ihm, ehe er sich noch vorgestellt hat, in die Rede fällt. Genau das gleiche gilt für die Betrachtung von Werken der Kunst und der Bildhauerei. Daraus folgt , daß der Laie , der das Be- dürfnis spürt, zur Kunst und insbesondere zur zeitgenössischen Produktion in ein ersprieß- liches Verhältnis zu treten . in erster Linie eine innere Reinigung vorzunehmen hat, eine Reinigung von dem bösen Geiste der Feind- seligkeit gegen das Fremde. Ich spreche nicht davon, daß er seine Vorurteile ablegen solle, denn Vorurteile haben wir alle. .-Vber eine gewisse sanftmütige , nachgiebige Stimmung, eine gewisse .Menschenfreundlichkeit ist nötig, um das Kunst- werk überhaupt klar zu sehen. Ein wenig Miß- trauen gegenüber den eigenen Gegensalzgefüh- len ist nötig , inn die Ar- beit der Sinne von verfäl- schenden Faktoren freizu- halten. Reinheit und Tüch- tigkeit des Auges sind nur auf Grund psychologi- scher, ja ethischer Vor- arbeit zu erzielen. Und beide Eigenschaften sind nötig, damit man in die
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Sehen, was da ist. Das bedeutet in erster Linie, daß man sich zunächst rein an die sinnliche Erscheinung des Kunstwerkes iiält. Die Linie, die Farbe, der Vortrat^, die Teclmik, sie sind es, die die eifientliche piece de resistancc des Kunstwerkes bilden. Zu unseren Sinnen spricht die ganze Welt , an unsere Sinne wendet sich alles, was zu unse- rem Geiste und zu unserem Herzen will. Was nicht in den Sinnen ist, kommt auch nicht ins Gefühl und in die Seele. Gestalt, sichtbare und tastbare Gestalt macht das Wesen der Welt aus. Man muß ein Kunstwerk zunächst ansehen wie einen Wald , wie eine Bergland-
schaft, wie ein Kornfeld, wie einen gestirnten Himmel. Es wird dafür so dankbar sein, daß es alles andere, was es uns darüber hinaus zu geben hat, ganz freiwillig und ungebeten dar- reicht. Haben die Sinne gute, tüchtige Arbeit getan, so wirkt sie fort und fort bis ins Innerste hinein. Hat man die optische Erscheinung eines Kunstwerkes nach allen Seiten hin wohl begriffen, haben seine Linien über den Rhyth- mus des Lebens in uns Gewalt gewonnen, sind die Akkorde seiner Farben in den Saiten un- serer Seele nachgeklungen, hat seine räum- liche , stoffliche und formale Charakteristik stark zu uns gesprochen, so haben wir es ver- standen und ihm Genüge getan. Der Talmud sagt (in Strindbcrgs ,, Schwarzen Fahnen" finde
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ich das Wort); „Wenn Du das Unsiclitbare kennen lernen willst, so betrachte sehr ge- nau das Sichtbare". Unverständliche Kunst- werke gibt es nicht. Es gibt höchstens unver- ständliche Allegorien. — wii.heim iikhei,. Es gibt nur eine Weise, gute Kunst zu erlangen,
— die einfddiste und zugieidi die sdiwierigste, - ncuiilich sie zu genießen. Erforsdie die Cesdiichte der Völker und die große Tatsadie wird dir klar und unverkennbar ins Auge fallen, daß gute Kunst nur von Völkern hervorgebracht worden ist, die ihre Freude an ihr hatten. lohn Ruskin.
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ZUM VERSTEHEN DES TECHNISCHEN.
Der Bilderliebhaber bedauert es oft, daß er dem Technischen der Malerei ratlos gegen- über steht. Gar zu gern möchte er ein wenig davon ahnen, wie das farbige Wunder wurde. Solchen Absichten sollen hier einige Finger- zeige gegeben werden. — Das einfachste ist die Bleistiftzeichnung. Winzige Graphitschüpp- chen lagern sich eng deckend übereinander und erzeugen eine glänzende Oberfläche. Kommt Kohle zur Anwendung, so gibt es einen stump- fen Effekt; der Strich ist in sich zerrissen. Die einzelnen Kohleteilchen sind weit größer als die des Graphits, ihre Lagerung ist weniger dicht. Demgemäß wird nur sehr wenig Licht direkt reflektiert ; die eindringenden Strahlen werden von schwarzer Kohle verschluckt, von bunter Kreide, deren optische Wirkung der der Kohle ähnelt , als gefärbtes Tiefenlicht zurückge- worfen. Dessen Menge muß mit der Feine und Dichtigkeit der Stäubchen zunehmen. Da sich die Kreidepartikelchen nicht wie Ziegel über- einander schieben, sondern wie ein Haufen mikroskopisch kleiner Körnchen nebeneinan- der liegen, so kann es zu einer Glanzwirkung wie beim Bleistift nicht kommen. Auf diesem Prinzipe beruht die Pastelltechnik. Die Pastell- stifte bestehen aus mit Gummilösung und je nach dem Helligkeitsgrad mit Schlemmkreide zusammengeknetetem Farbpulver. Das reine, trockne Pigment wirft , auf dem Malgrund liegend, eine ungeheure Menge farbigen Lichts zurück. Ob der Feine des Korns und der da- durch bedingten Tiefe des Lichteinfalles kommt der eigentümliche Sammeteffekt zustande; ein Pastell ist wie eine Pfirsichschale.
Die trocken auf das Papier gebrachten Pulver unterliegen der Gefahr des Verwischtwerdens und des Abstäubens. Dem kann durch Fixier- mittel, farblose Schellack- oder Kaseinlösung, mit dem Zerstäuber aufgetragen, vorgebeugt werden. Dabei verliert die Bleistiftzeichnung einen Teil ihres Glanzes, das Pastell wird ein wenig dunkler. Pastell ist ein sehr dauerhaftes, vielleicht das dauerhafteste Verfahren; die in Dresden befindlichen Pastellgemälde von Carriera und Mengs scheinen von der' Zeit unberührt. Die Ursache liegt einmal in der Nichtanwendung eines veränderlichen Binde- mittels, ferner in dem ziemlich starken Auf- trag der Farbpulver, der ein etwaiges Ausblei-
chen oder einen Verfall nicht so bald deutlich werden läßt. Genau das Gegenteil hiervon, ein möglichst dünner, gehauchter Farbenauf- trag ist das Charakteristikum der Aquarell- technik. Das mit Gummi angerichtete Pigment wird in Wasser gelöst und mittels Pinsel aufge- tragen. Die Aquarellwirkung beruht einzig auf der Lasur. *]
Die Technik, die mit Wasser lösliche Farben deckend anwendet, heißt Gouache. Die Pig- mente werden mit Zinkweiß aufgehellt. — Für sämtliche auf Papiergrund stehendenMalereien gilt als Hauptbedingung der Dauerhaftigkeit ein gutes holzfreies Papier, das weder reißt noch vergilbt. Bei aller Malerei dürfen selbstver- ständlich nur chemisch sichere, nie sich gegen- seitig zersetzende Pigmente zur Verwendung kommen; alle ausbleichenden Farben, so die meisten Teerfarben, sind verbannt.
Das Fresko wird im Prinzip auch heute noch so hergestellt, wie es schon die Alten taten. Auf frischen Wandputz aus Kalk und feinem Sand werden die mit Kalkwasser angerührten Farben aufgetragen. Sie verbinden sich gut mit dem Grund, und die Lebensdauer des Ge- mäldes wäre gesichert, wenn nicht äußere und innerhalb der Mauer selbst aufsteigende Feuch- tigkeit sein Dasein gefährden würde.
Das Auseinanderfallen der als Bild wirken- den Farbmasse und des tragenden Grundes ist eine Hauptsorge der Malerei , soweit sie einen deckenden, gebundenen und erhärtenden Farbbrei verwendet; dies traf schon bei der Gouache zu, ernste Bedeutung bekommt diese Sorge erst bei der Anwendung von Ölfarben. Die Ölfarbe verdankt ihren Siegeszug dem Umstände, daß, mit ihr gedeckt und lasiert, auch sehr schnell gearbeitet werden kann; nicht weniger wichtig ist; sie sieht auf dem fertigen Bilde fast so aus, wie sie in den Pinsel genommen wird, während alle Wasserfarben nach dem Trocknen heller und stumpfer wer- den. Der Maler vermag komplizierteren Ab- sichten mit größerer Sicherheit nachzugehen. Das zum Anreiben dienende Öl ist Lein-, Nuß- oder Mohnöl, das an der Luft fest wird. Der Trocknungsprozeß beruht auf Oxydation: Sauerstoff wird aufgenommen und gebunden.
■| Ausführlicheres siehe bei W. Ostwald, Malertjriefe, inul Linke, Die Malerfarben.
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Den Malfirund deckt ..diedurclisichli^ePastc dcsfestjSewordenenÖls, in wclcliem die Farb- stoffkörperchcn einfSe- laßert sind" (Ostwald). Zur NüancierunjS der Deckfarben nimmt man das stark lichtbrechen- de Bleiweiß, hinjSegen für die Lasur möglichst lichtdurchlässii^e Mit- tel. Die Wirkung der Lasur ist die eines far- bigen Glases. — So- weit wäre alles sehr gut; leider hören die chemischen Kräfte nicht nach des Künstlers
Belieben auf, zu wir- ken. Das ölige Binde- mittel unterliegt durch Oxydation andauern- der Veränderung. „Der Untergang der Ölge- mälde ist daher nur eine Frage der Zeit, wenn nichts geschieht oder ^^eschehen kann, diese l'.inflüsse der Atmo- ^phäre zu beseitigen" (i'ettenkofer). Anfangs, aucii in bereits „ trocke- nem" Zustand, den Tö- nen, wie sie auf der Palette gemischt wur- den, fast gleichwertig, bekommt das Bild mit
der Zeit den sogenann- ten Galerieton. Die nur relativ trockene Farbe dunkelt nach. Damit parallel geht eine be- ständige Volumenver- änderung, die sich dann störend bemerkbar
macht, wenn der Bild- träger nicht im gleichen Tempo sich dehnt resp. zusammenzieht. Nach unbiegsamen mechani- schen Gesetzen muß sol- chenfalls eine der auf- einander gebundenen Schichten ihre Struktur lockern ; wenn dies aus Mangel an Elastizität
nicht mehr möglich, wird sie reißen. Zwingender- weise geben Holz und Lein- wand in diesem ungleichen Kampf den Ausschlag; die erhärtete Farbschicht reißt, das Bild bekommt Sprünge. Die gleiche unangenehme Konkurrenz kann aber auch zwischen zwei Schich- ten innerhalb der Farb- masse beginnen, um so leichter, als die verschie- denen Farben sehr ver- schieden trocknen. Bei prinzipiell durchgeführter Priniamalerei, das heißt, wenn der Grund in der Hauptsache nur einmal mit dem Pinsel übergangen.
scheidet diese Möglich- keit selbstverständlich aus. Hingegen hat es die fatalsten Folgen, wenn einzelne Schichten, vor- züglich die oberste, mit besonders schnell trock- nenden Mitteln, etwa mit Sikkativ gemalt wurden. Dann gibt es eine heillose Verwü- stung; Schollenbildung, die Farbmasse blättert ab. Nachlässigkeiten und unüberlegtes Ha- sten rächen sich in kei- ner Technik so, wie beim Lasieren. Herr- liche Kunstwerke kom-
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men dadurch frühzeitig zu Schaden. Ein garnicht tief genug zu beklagendes Bei- spiel aus der Neuzeit schei- nen einige der besten Men- zel zu geben. Aber auch sehr sorgfältige Arbeiten entgehen nicht der Ver- änderung. Von Rubens' „Hl. Cäcilie" in Berlin sagt Bode; Auf den ersten Blick kann das Bild den „Ein- druck" einer Improvisation hervorrufen, so flüchtig er- scheint in einzelnen Teilen die Ausführung. Aber in eben diesen Teilen wird man bei näherer Betrach- tung gewahr werden, daß gerade die außergewölin-
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licht- Sorfifalt, die iIlt Künstler auf diese Komposition verwandte, an die- ser Wirkung! schuld ist: die Übernia- lungen, zwei oder jjar drei übereinan- der, unter denen sich mit der Zeit die untere Malerei mehr oder weniger stark wieder (ieltend (ge- macht hat. Deutlich erkennen wir, daß die tieffjrüne Sani- metjacke ursprünf^- lich als Mantel j^e- dacht war und einen firoßenTeil des {iold- j^elben Kleides be- deckte". Die jewei- lige untere Schicht ist durchfjewachsen; Sauerstoff heißt der Attentäter. Eskäme also darauf an , die Luft von dem Ge- mälde abzuschlies- sen. Ein guter Fir- nis - Überzug nach möglichst gründli- chem Austrocknen angebracht, hilft viel. Auch ein un- ter Glas gehaltenes, solid gerahmtes Bild hat eine gewisse Versicherung gegen den selbstmörderi- schen Lufthunger. Allerdings scheint hier Skepsis nicht unangebracht. So schwer wiegt der Nutzen keinesfalls, daß etwa die Gale- rien, dem Beispiel des rauchverhüllten Englands folgend, sämtliche Kunst- werke hinter dicke
Spiegelscheiben steckenmüßten. Um sowenii'er als es ge- ' ' n.uißerO
auch gewisse in H2 O lebende Mikro- organismen durch Kolonisation^im Öl- bild an dem Ver- fallprozeß mitarbei- ten. Ein absoluter Luftabschluß läßt sich auf der Bild- seite nicht ermög- lichen , eher kann die Rückwand ge- schützt werden, et- wa durch einen Staniolüberzug. Die Holztafel scheint in der Tat besseren Widerstand zu lei- sten als Leinwand, Ostwald stellt einen Metallgrund in Aus- sicht. (Auf Metall ist auch früher schon gemalt worden.) — Da das Öl zersetzt wird, kann eine mög- lichste Einschrän- kung d. gefährlichen Bindemittels nicht unvorteilhaft sein. Ein einsaugender, „gut schluckender" Grund hilft dazu. Allerdings verliert ein derartig gemal- tes Bild seine fein- sten optischen Rei- ze, das Tiefenlicht, ,,es schlägt ein". Dann muß es wie das Aquarell „her- ausgeholt" werden. Die hierzu benutz- ten Harze zerfallen nüt der Zeit, das Bild wird „blind" und sieht bläulich wie mit Schimmel- pilzen überzogen aus. Dem vermag Pettenkofers Rege- nerationsverfahren, abzuhelfen, dieTafel wird Spiritusdämp- fen ausgesetzt und aufs neue mit Harz
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° „gesättigt". — Ein Q anderer Weg, die ,■ Ölmasse zu verrin- gern, ist der mög- lichst dünne Far- benauftrag, den die starke Lichtbre- chung der Deckfar- ben sehr wohl ge- stattet. Sehr pasto- seMalerei unterhegt ganz besonders der Gefahr des Ab- bröckeins, auch die Trübungen werden, je stärker das Ölla- ger, um so mehr be- merkbar. — Die Glattmaler pflegen allerdings die Ge- fahr des pastosen Auftrages meistens zu übertreiben. Die „Kleckser" malen gewöhnlich prima und besitzen damit ein Präservativ ; überdies handelt es sich häufig, beson- ders bei eingesetz- ten Lichtern u.dgl., um nebeneinander stehende, nicht in- tim zusammengrei- fende,kleinereFarb- flecke , nachgiebi- ger als die großen, gleichmäßig lasier- ten Flächen; da- durch wird die Ge- fahr des Springens und Abblätterns zu- rückgedrängt. Rem- brandts Farbperlen auf dem Berliner „Mann mit dem Helm" haben sich wunderbar gehal- ten. — Öllasur wird häufig über Temperadeckfarbe gelegt. Böcklin er- zielte damit gute Resultate. Unter der heutigen Tem- pera versteht man
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Farbe, die mit einer Ei- oder Kasein- Leinöl-Emulsion bereitet ist. Die Emulsion bindet die Pigmente zwiefach an die Unterlage, durchOxydationdes Öls und durch Erhär- tung des wasserlös- lichen Bindemittels. — Der strukturelle Zusammenhang der Bildmasse mag noch so gesichert sein, alle Mühe ist um- sonst, wenn das Fundament versagt ; eine elastische, we- der physikalisch noch chemisch er- heblich veränder- liche Grundierung ist die allererste Lebensfrage jegli- cher Malerei. — Diese in knappen Grundzügen vorge- führten Techniken werden von der handwerklichen Ge- schicklichkeit und dem Spürsinn für Materialwirkung verschiedentlich ausgebaut — ein Unternehmen, des- sen Erfolg aber nur dann sicher, wenn naturwissenschaft- liche, speziell che- mische Kenntnisse die Versuche inspi- rieren. Um an einem eklatanten Beispiel zu zeigen, wie leb- haft gerade die Neu- zeit nach einer Ver- vollkommnung der Malmittel strebt, — vergleiche die Raf- faelli-Ölfarbstifte — seien einige Nach- richten Floerkes über Böcklins Ex- perimentieren wie-
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dertScfSeben Sclion in den
fünfziger Jafiren bereitete Böck- lin punisches Wachs (Wachsseife) und malte damit . , . Von seinen für Schack {Jemalten Bildern war eines, ein antikes Oktoberfest, mit Weihrauch gemalt. Die zunächst blinde Malerei wurde durch Über- gehen mit einem heißen Eisen wie mit einem festen, durchsichtigen Firnis überzogen . . . Jetzt (Mitte 1888) malt er mit Kirschharz und Wasser .... Mitte 1889 hat er wieder nach einem Rezept des Theophilus nichts weiter als Was- ser, Terpentin und Kopaivabalsam
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als Malmittel auf dickem, schluk- kendem Grund. . . Nach Tempera, Petroleum, reinem Leim, Fres- ko und Gott weiß was, braucht er nun einen Firnis, der wie rei- ner Leim aus dem Pinsel fließt. Selbstverständlich ist es nicht einmal dem Künstler, j^eschweige dem Laien möi^lich, aus dem fer- tigen Werk die Technik der Her- stelluni» zu erkennen; aber eine ungefähre Vorstellung von dem Material und dessen Bearbeitung muß, wer die Wirkung eines Wer- kes verstehen will, zu erlangen vermögen. —
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DEUTSCH-BÖHMISCHER KUNST-FRÜHLING.
C"* anz seltsamen Bedingungen entwächst das J deutsche Kunstleben Böhmens. Seinen natürlichen Brennpunkt bildet die Landes- hauptstadt Prag. Aber diese Stadt ist über- wiegend tschechisch, und ihre offiziellen Ver- treter fördern lediglich tschechische Kunst. Daß sie jedoch auch darin keineswegs richtig vorgehen , zeigt klar der Bau des slavischen Kepräsentationshauses, das Millionen bereits verschlungen hat und von Tag zu Tag — je mehr es seiner Vollendung entgegenschreitet — fürchterlicher wird. Derzeit sieht es halb einer Fabrik, halb einer Bahnhofshalle ähn- lich; an seiner Stirnseile prangt ein Riesen- gemälde, das nicht einmal die Qualitäten eines mittelmäßigen Plakats besitzt. Während ein solches Ungeheuer zu repräsentativen Zwecken errichtet wird, fallen in den Seitenstraßen teuere Schätze Alt-Prags — steinerne Zeugen
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seiner früheren vornehmen Baukultur — mo- dernem Großstadtgrößenwahn zum Opfer; alte herrliche Platzanlagen werden brutal zer- stört. . . . Doch liegt es mir fern, diese offizielle Kunstbarbarei mit der ganzen tschechischen Kunstpflege gleichzusetzen. Die Tschechen haben einen ganzvortrefflichenKünstlerverein, den „Manes"; man könnte seine Tendenzen wohl am besten mit denen der deutschen Sezessionen vergleichen. In seinem schmucken Ausstellungsgebäude, einem Werke Koteras — des begabtesten, tschechischen Architekten, führte uns dieser Verein bereits glänzende Ausstellungen vor: in erster Linie pflegt er moderne französische Kunst , aber auch Deutsche kamen zur Sprache, so z. B. in einer sehr gut gewählten Ausstellung der Worps- wederMaler, einerumfassendenKollektion der Arbeiten L. v. Hofmanns etc. In seinem Ver-
läge erscheinen auch die beiden besten tschechi- schen Kunstzeitschriften. Aber dieser Verein stellt die edelste Frucht eines nach Millionen zählenden Volkes dar, für das Prag, sein „gol- denesMütterchen", die Zentrale bedeutet. Für die Deutschen stellt sich die Sache natürlich wesentlich anders. Prag ist — und dies zu leugnen wäre kindisch — in Angelegenheiten der bildenden Künste bis heute Provinz; und die großen deutschen Kunstschlachten werden in Berlin, München, Wien, Darmstadt usw. geschlagen, aber jedenfalls nicht in Prag. Und viele der besten unserer Künstler .suchten da- iier den Weg in die Fremde, die sie gastlich aufnahm. Noch zwei weitere, bedeutende Übelstände wirken störend und hemmend. An der Kunstakademie zu Prag lehrt nur ein ein- ziger deutscher Professor, der als Lehrer und Künstler gleich vortreffliche Franz Thiele. F.s ist daher unseren deutschen Kunststudierenden der Weg zu ihrem Beruf recht erschwert, und wer kann, flieht in die Fremde. Und dadurch, daß Stellen für reife Künstler fehlen, gelingt es nur selten, sie in Prag zu halten. Eine der
dringendsten Forderungen zielt demnach auf Gründung einer deutschen Kunstschule. Sie ist eine unerläßliche Notwendigkeit zur Heran- bildung unserer jungen Künstler und zur Ver- hütung, daß wir der besten Kräfte verlustig gehen. Der zweite Übelstand liegt in dem Publikum , das zwar sehr musikliebend und recht theaterfreudig ist, aber gerade der bil- denden Kunst wenig Aufmerksamkeit schenkt. Allerdings trägt es nicht die Schuld, denn es wurde noch fast kein Versuch unternommen, das Publikum ästhetisch und künstlerisch in dieser Richtung zu erziehen. Und da selbst die Mehrzahl unserer Zeitungskritiker der bil- denden Kunst völlig verständnislos und dilet- tantisch gegenübersteht, darf es nicht wunder- nehmen, daß die breiten Schichten ohne Füh- rung planlos irren.
Glücklicherweise können wir jedoch unsere Blicke lichteren Bildern zuwenden und der wahrhaft kunstfördernden Finrichtungen ge- denken. Größte Verdienste hat sich da die „ Gesellschaft zur Förderung deutscherWissen- schaft, Kunst und Literatur in Böhmen" er-
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worbcii. Sie ist die Zen- trale, die sorgsam dar- über wacht, daß kein Talent zuj^rundc s^ehl; sie ist stets bereit, mit Rat und Tat z.u helfen. Große Summen Geldes verwendet sie auf Sti- pendien, Unterstützun- gen usw. Sie fSibt auch die jslänzend jjeleitcte Monatsschrift „Deut- sche Arbeit" heraus, in der fortlaufend Wer- ke deutsch-böhmischer Künstler reproduziert werden. LJnd dafür, daß wenigstens eine gewisse Anzahl bedeutender heimischer Arbeiten an- gekauft wird, sorgt die „Moderne Galerie des Königreiches Böhmen in Prag", die durch den Allerhöchsten Stiftsbrief Seiner Majestät des Kai- sers Franz Josef I. im
Jahre 1902 begründet wurde „als eine Stif- tung, welche für immer- währende Zeiten und unveränderlich im Be- sitze des Königreiches Böhmen zu verbleiben hat".' Ihre Mission ist dahin gekennzeichnet, „daß sie den bildenden Künstlern beider Volks- stämme des Königrei- ches Böhmen Gelegen- heit geben solle, ihr reiches Können für das Gedeihen und die Blüte der heimischen Kunst in friedlichem Wettstreit einzusetzen". Ältere und fremdländische
Kunst ist daher pro- grammgemäß aus der Modernen Galerie aus- geschlossen. Die Zinsen des zwei Millionen Kro- nen betragenden Stif- tungs -Vermögens und
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iiumclierlei Sclienkuiij^en sorgen für unab- lässige Vermehrung der Kunstsammlung, die 1905 in drei Sälen eröffnet wurde und heute bereits sechs Räume füllt. . Was nun die deutsch-böhmische Künstler- schaft anbelangt, so ist sie in zwei Gruppen geteilt; die eine — der „Verein Deutscher bildender Künstler in Böhmen" — schart um sich die Jiuigen und Werdenden; die andere, weit bedeutendere Gruppe — der neu gegrün- dete „Deutsch-böhmische Künstlerbund" — umfaßt fast alles, was wir an ernsten und reifen Künstlern besitzen; und auch von den Jungen haben sich einige Begabte den berufe- nen Kührcrn angeschlossen. Der eben genannte
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Künstlerbund hat nun im Künstlerhaus Rudol- finum eine Ausstellung veranstaltet, die in ihrer erlesenen Güte ein Bild mächtiger, strotzend- reicher heimischer Kunstfülle bietet.
Außerhalb Österreichs bringt man leider den deutschen kulturellen Verhältnissen in Böhmen recht wenig Interesse entgegen; man denkt dabei meist nur an nationale Wirren, gestörten Studentenbumniel und ähnliche un- erfreuliche Dinge, weit weniger aber an die ungeheuere positive Arbeit, die dieser Zweig des großen deutschen Stammes leistet. Und gerade in seinem Schaffen liegt der glänzende Beweis für reine Stärke und Gesundheit. Und daß er auch auf dem Gebiete der bildenden
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Am meisten bekannt von den deutsch- böhmischen Künstlern dürften wohl Gustav Klimt, Franz Metzner und Emil Orlik sein. Und es sollte vi^ohl niclit geschehen, daß heute noch eine so berühmte Kunstgeschichte, wie die Springers, Orlik zu den slavischen Künstlern rechnet. Um Metzner und Orlik hat sich die Heimat sehr verdient gemacht. Metzner kamen verhältnismäßig viele Aufträge von Prag zu; so das Nibelungendenkmal für den Hof der Modernen Galerie, das Mozart- denkmal für das Landestheater usw. Auf Or- lik's Leben hat wohl seine Japanreise ent-
scheidend eingewirkt, und diese wurde ihm durch ein hohes heimisches Stipendium er- möglicht. Und wie sehr die Heimat seine Werke schätzt, beweist die Tatsache, daß die Moderne Galerie heute bereits über sechzig seiner Arbeiten besitzt, darunter die bekann- tenÖlgemälde: „DasModell" und „Alt -Wien". Leider leben alle drei Künstler fern von ihrer Heimat; doch können wir uns wenigstens damit trösten, daß viele Fäden von ihnen zu uns herüberführen, und sie gern und fleißig unsere Ausstellungen beschicken.
Von bekannten deutsch-böhmischen Künst- lern wirken ferner im Ausland E. Hegen- barth als Akademie -Professor in Dresden,
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1' r i t z II c j^c ti b a r t h in München, C. 0, Czeschka in I laniburji und der junf^c Huj^o Steiner in Leipzig. Und in jüngster Zeit wanderten unsere vortrefflichen Holzschnitt- künstler Walter Klemm und Karl Thic- mann nach Dachau aus; wieder ein schwer zu ersetzender Verlust! In Wien leben Michael Powolny, dessen Majoliken wohl ' • meiner Beliebtheit sich erfreuen, fer-
ner die beiden Plakettcnkünstler Arnold Hart ig und Ludwig Hujer. Lind diese' Liste könnte leider noch verlängert werden! Aber klar zeigt sie doch , welcher Reichtum von Begabungen unserem Volkstum entwächst. Und wenn wir auch wehmütig sagen „sie kommen von uns", so können wir doch auch freudig ausrufen „sie gehören zu uns", wenn wir in der — eben erwähnten — Ausstellung
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\ or ihren Werken stehen , und aus ihnen der Atem ihrer Eigenart verwandt uns entgegen- weht. Und gerade durch die jetzt vollzogene ZentraHsation, durch größere Ankäufe, Unter- stützungen usw. schaffen wir in der Heimat den Ausgewanderten festen Rückhalt und ketten sie enger an uns.
Sprachen wir bisher von Deutschböhnien außerhalb Böhmens, wollen wir nun freudig derer gedenken, die schaffend unter uns wei- len. Und da müssen wir vor allem einen Namen nennen, der uns besonders ans Herz gewachsen ist: Karl Krattner. Keiner hat sich so wie er um das Erstarken und Erblühen deutsch -böhmischer Kunstgemeinschaft be- müht; der neue Künstlerbund ist eigent-
lich sein Werk. Gilt so unsere Liebe dem tüchtigen Organisator, schlägt unsere Bewun- derung dem großen Künstler entgegen. Ich wage es zu sagen, daß er weitaus der bedeu- tendste unserer religiösen Maler ist. Hoheits- volle Feste der Farbe sind seine Werke, ein Hauch festlicher Größe umspinnt sie. Fern scheinen sie uns in ihrem hehren Lichte, und nah stehen sie unseren fühlenden Sinnen. Ihr mächtiger Rhythmus erfaßt uns und schlägt uns gleich stürmischem Wogenbrausen entgegen; zu ruhiger Harmonie schließt sich das Ganze, und alles Brausen verstummt und macht Platz dem stillen Glücksgefühl, das uns vor den großen Offenbarungen der Kunst ergreift. Wer seine große „Kreuzigung" oder seine
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Entwürfe zur Apokalypse sah , wird meine Worte nicht für leere Schwärmerei halten und mit mir auf die Zukunft dieses Künstlers (irößtes Hoffen setzen. Langsam reift er, sein Reifen gleicht dem Wachsen starker Eichen. Und so etwas Starkes, Kraft -strotzendes, Zeiten-überdauerndes erwarten wir nach den köstlichen Proben, die er bot.
Franz Thiele erwähnte ich bereits als vortrefflichen Akademieprofessor; dazu be- fähigt ihn besonders seine Vielseitigkeit. Mag er nackte badende Jungen malen oder das Porträt einer eleganten Dame, oder mag er gar in großzügigen, plastischen Versuchen sich ergehen, stets fesselt er uns durch die Tüch- tigkeil seiner Arbeit und die Vornehmheit seiner künstlerischen Auffassung. Weit ein- seitiger, aber in seiner Einseitigkeit bewun- dernswert ist W. F.Jäger, unser bester Land- schafter. In seinen Bildern, da lebt die Eigen- art unseres Landes: der breite, sanfte, fast
melancholische Rhythmus seiner Höhenzüge, seine sonderbare Anmut , sein fruchtbarer Reichtum. Durch ein kleines Gedicht R. M. Rilkes läßt sich wohl diese Stimmung am besten kennzeichnen:
Mich rührt so sehr böhmischen Volkes Weise, schleicht sie ins Herz sich leise, nirtdit sie es sctivver. Wenn ein Kind Siidit singt beim Kditoffeljiiten, klingt Dir sein Lied im spulen Tranni nodi der Nadit. Magst Du anch sein weit über Land gefahren, fällt es Dir dodi nach lahren stets wieder ein.
Weiter wären hier zu nennen der phan- tasievolle Radierer August Brömse, dann Rudolf Jettmar, aus dessen Aquarellen eine ganz eigenartige Schwermut uns entgegen-
schaut, der elegante Ferdinand Michl, den sein Pariser Aufenthalt fast in einen Fran- zosen umgewandelt hat, der feinfühlige Land- schafter Eduard Ameseder und der junge Alfred Justitz, dessen Talent durch alle Anfängerschaft und Schülerhaftigkeit hindurch sich bemerkbar macht.
Doch sei hier auch der Führer der anderen Künstlergruppe — des „Vereins Deutscher bildender Künstler in Böhmen" — gedacht. Vielseitigste Begabung zeigt der junge Rieh. Teschner. Ob er sich nun in seltsam phan- tastischen Bildern und Radierungen versucht oder große Mosaiken entwirft oder auch Marionetten verfertigt, stets fesselt er durch sicheren Geschmack. Leider zersplittert sich nur sein starkes Talent, und statt großer Lei- stungen entstehen niedliche Kleinigkeiten. In ihrer entzückenden Eigenart bilden aber auch sie willkommene Gaben. Die Höhe seines
bisherigen Schaffens bedeuten wohl die De- korationen zu der Erstaufführung von „Pelleas und Melisande" im Neuen Deutschen Theater zu Prag. Sie waren ganz der schwermütigen Romantik des Stückes angepaßt und glühten in vornehmer Farbenpracht. Vielleicht ist dies der hoffnungsvolle Weg für seine Zukunft. Dann erwähne ich noch zwei Plastiker; Wil- fert und Rieber. Beide sind noch jung und im Werden begriffen, doch legten auch beide bereits bedeutende Proben ihres Könnens ab. Von der weiblichen Künstlerschaft seien nur die geschmackvolle Porträtmalerin Otty Schneider und die von Kaiser mannigfach beeinflußte Landschafterin Lili Goedl- Brandhuber erwähnt.
Von deutsch-böhmischen Architekten dürfte wohl 0 h m a n n , der h.rbauer des Magdeburger Kaiser Friedrich- Museums, der bekannteste sein. Doch kommt er über einen — aller-
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tektur verlangen können, besitzen sie : Zweck- mäßigkeit der Anlage und glänzende Harmonie der Verhältnisse. Monumental einfach wirken sie und doch nicht kahl oder armselig.
Dies wäre nur eine knappe Übersicht, gleich- sam ein flüchtiges Bild, dem gar manche Ein- zelheiten fehlen. Auf das einzelne kam es mir auch nicht an, aber das eine ist mir vielleicht geglückt: zu zeigen, daß wir in Deutschböhmen eine zahlreiche junge Künst- lerschaft besitzen mit bedeutenden Meistern als Führern und einem lebenskräftigen Nach- wuchs! Trotz aller Hindernisse keimt und sproßt hier ein üppiger Kunstfrühling auf! —
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Die wdlireii Erobeiimgen, die einzigen, die keiner- wonach es gesdielien kdnn, werden nicht mit uns lei Reue nach sich ziehen, sind diejenigen, die man geboren, der Zufall überliefert sie nidit : dnrdi liber die Unwissenheit gewinnt. Die ehrenwerteste Besdiattignng und zugleich die nii^lichste für die Nationen ist diejenige, die auf Erweiterung des menscJilichen Ideenkreises ausgeht. N.ipolodii.
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Das Publikum ist im ganzen nidit fähig, irgend- ein Talent :u beurteilen; denn die Orundsä^e,
Clbung und Studium allein können wir dazu ge- langen. Ooollic-.
Immer ist es ein Zeichen der eigenen Vortrefflicfi- keit, wenn die Seele audi aus den unsdieinbarsten Zügen anderer das Sdiöne herauszufinden weili.
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KARIKATUR UND KUNST.
Das Witzblatt hat den Karikaturisten um seinen Nimbus gebracht. Wie der Tor- rero soll er allwöchentlich in die Arena steigen und echtes Herzblut verspritzen. Schließlich hat er sich daran gewöhnt, den gierigen Rachen der Schnellpresse mit lustigen Bosheiten und ironischen Scherzen zu stopfen. Da er sich nicht enthalten darf, bis ihn der große Zorn überkommt, mußte er zum gewerbsmäßigen Witzbold werden.
Der Satiriker ist Agitator, Kämpfer, Ver- nichter der bestehenden Mächte, Zerstörer von Vorurteilen, der Schicklichkeiten und Autori- täten, Aufrührer und Aufwiegler. Ein cthi-
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scher Wille bestimmt sein Gestalten. Jen- seits von Gut und Böse wird er zum aniüsier- lichen Popanz, der keinen Spatzen schrecket . . .
Ist auch seine Geste rhetorisch, so bedarf sie doch der kristallklaren Form. Der Aus- druck muß überzeugend stark, mitreißend wahr sein, denn auf ihm balanciert die Wirkung. Und was wäre der trefflichste Hieb, dem die Wirkung versagt ist!
So marschiert er ständig auf der Grenze zur Kunst. Das Künstlerische stets getrübt durch die Tendenz, und die Tendenz wiederum abgeklärt durch die Macht des künstlerischen Ausdrucksvermögens. Nur die
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niedere Komik findet ilir Gen{i)>cn an der llhi- strierung einer Pointe. Die Heilenianns, Recni- zeks mit ihrer Kaffeehauserotik, die Jüttner, Gestwicki, Schmidlhamnier mit ihren persi- flierenden Froz7,eleien oder der gute Zille mit der Treffsicherheit des sentinientalischen Spießerblicks sind gewiß für manchen und
nianclie amüsicrliche Leute. Wo der Spaß- macher aufhört, beginnt der große Satiriker erst seine Geißel zu schwingen. Er greift über sich und über die Sphäre des vergnüglichen Schmunzeins hinaus. Weil er innerlich Künst- ler ist, will er Wahrheit künden. — Wahr- heit nach seiner Art, Wahrheit, wie sie das
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Irübc Mäniniclien des Nachtlichts ahnen läßt, l'iir den Zorn, den Haß und die Verachtung die fSroße, die über- zcujiendeForm zu su- chen, ist sein Bef^eh- ren. Diese Satire duldet daher die ästhetische Be- trachtungsweise. Soll doch hier ein menschliches Rin- gen um Menschheitswerte auf eine knappe Formel gebracht werden. Mag ihr Vorzeichen auch negativ sein, mag sie statt der weihevollen Ruhe den lei- denschaftlichsten Ingrimm entfachen, erkennbar bleibt immer die Schöpferwucht, die den ernsten Künstler zu seiner Tal antreibt. — Dadurch allein vermag die Karikatur auch fortzuwir- ken über ihre Stunde und ihr Zeitalter hinaus. Der äußerliche Anlaß kann ent- fallen, die Aktualität eines Goya, llogdrth, Daumier, Toulouse-Lautrec und — um die Verzweigung der
Linie anzudeuten Heine, Rud. Wilke, Gulbransson, Ernst Stern, entschwindet, unvergänglich ist die Art der Auseinander- setzung mitdem Pöbel- instinkt. War dieser mit dem Röntgenstrahlenblick seiner Zufälligkeit entklei- det, war die Gesetzlichkeit der jammerbaren Triebe aufgezeigt, dann behält das Blatt für alle Zeiten Wert und Wucht. Denn nicht nur das Edle erhält sich immerdar unter der ständig zerfallenden , ständig er- neuernden Oberfläche. Der Witzbold erregt die Lachmuskeln. Eulenspie- geleien sind unterhaltsam und beliebt. Die wirkliche Satire aber ist Herois- mus und fordert Hero- ismus. — Somit wäre die Karikatur wohl ethisch zu betrachten, doch ästhetisch zu bewer- ten. F'AUl. WEsTHr.IM.
höher die Kultur, desto ivollcr wird die Arbeit. R.
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VON DER MODE.
An der duidi Über- L lieferung und Übereinkommen ge- heiligten Ordnung un- serer Kleiderkultur, lUi der allgemeinen Mei- nung über das, was zu tragen schicklich und zwecklich ist, hat kein Andrer ein Recht, zu rütteln und zu rühren, nicht der nüchterne Verstand, der mit dem Plastron der Logik um Hygiene oder so- ziale Einfachheit ra- piert, nicht die über- sctiwellende Phanta- sie, die sich Farben und Formen gebauschter, gestickter, gepuffter, in Purpur getauchterCe- wander ihrer Augen- trunksucht erwünscht — denn allein die ge- heimnisvolle Königin
Mode. Nur sie allein kann das Zauberwort spredien: Mutabor! — Die Mode macht sich alle Äuüerungen unseres Lebens tributpflictitig, was da geboren wird.
was immer erwächst, null! ihr zahlen, wenn es ihr beliebt. Was einkommt, verwendet sie dazu, die Dinge und die Gedanken zu kleiden. Sie ist lau- nisdi wie ein Weib, bald beeinflußt sie die Produktion, bald läßt sie sidi von der Pro- duktion beeinflussen. -- Die jungen sind der Mode treustes und begeistertstesGefolge, mittleres Alter schließt sich ihr vorsichtig ge- messen an, drohend und mit dem Krück- stock fuchtelnd, hum- peln die Alten hinter- drein, woferne sie es
nidit vorziehen, sdunähend am Wege- rain si^en zu bleiben, ohnmäditigVersdiwö- rungen anzettelnd, an deren Ausführung sie Freund Heins Sense grausam hindert. Der Mode voran ziehen die Kinder der ewigen Jugend und streuen ihr Blumen. Der Weise sieht ihr liebevoll zu, wenn sie das
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kaleidcnkopisclie Lehfiist-i diolit und die bimten GIcissplitteidien sidi zu nciioii lustigen Mustern ordnen.
Wie die Kleiderinode dussielit, diiriiber sind sidi die Geister nie einiy geworden. Einige beluinpten, sie triige die Züge des Königs von England, andere vermuten in ihr eine griilüiclie Hydra von Schneider- meister- und Stofffabriiidnteniiöpfen, die bald zu London, bald zu Paris ein sagenhaftes Dasein führte, wieder andere madien aus ihr eine noch unbe- l;aiMite Natnrkraft, die unter Mitwirkung meteoro- logisdier Einflüsse und unter Mitarbeit von geo- grapllis^^len und ethnologisc-lien Faktoren den Wedi- sel unserer kütisllidien Llbere|)iderTnis bewirkt.
Sei dem wie es will — jedenfalls ist sie da, dort wo man sich Elfenbeinklö^e in Nase und Ohren zwängt, dort wo man an Pool und Worth glaubt — und sie wird bleiben, so lange lehova nidit der Evolution seines paradiesisdien pell- und Blatter- kostiüus Einhalt gebietet, hoffentlich ewig zum Segen der Mensdiheit.
Wenn die Mode uns unsere Mitmenschen nicht immer neu »aufmadite« — wir würden vor Lange- weile aussterben.
Et^lte Lebenskunst wird iuuner gerne bei der Mode um Audienzen bitten. Wer sich nidit mit der Mode auseinanderse^t, ist schon halb gestorben. KUN'> 4;ka1' h \kiif.\i;i.k<..
nri'K-i F. j. wiMMia;. riii:.\ ier-haiiU'.
KLEINE KUNST-NACHRICHTEN.
l'EBKUAR 1910.
BERLIN. Nicht gerade viel von nationaler Eigenart lägt die ungarische Aus- stellung im Hause der Sezession erkennen, und das künstlerisch Beste ist dem französischen Einflufi von Corot und Courbet bis zu Manet zu verdanken, ja bis zu einer nicht sehr geschickten Nachahmung Qauguins und Cezannes hat man es dort zu Lande gebracht. Als einer der besten älteren Maler erweist sich Munkascy, und jenes Waldinnere, in das helles Sonnenlicht fällt, ist vielleicht das schönste Bild, das ich je von ihm sah. Er ist der einzige, der nicht nur von den Franzosen genommen hat, sondern der selbst Schule machte. Am bekanntesten ist sein Ein- flufi auf den jungen Liebermann. Paal, auch einer der Älteren, verlor seine heimische Eigen- art in Barbizon, während Paul von Szinyei in München mit Leibl und Böcklin gemeinsame Sache machte und besonders den letzteren schlimm genug imitierte. Erst später fand er sich selbst und lenkte in den Impressionismus ein. Ein sehr hübsches Bild, die „Landpartie", hat auch in der Farbengebung Eigentümlichkeiten, die man beinahe national nennen könnte. Und kaum anders als in der Wahl der Harmonie der Farben zeigt sich überhaupt das Ungarische bei diesen Malern. Unter den Jüngeren fiel mir das be- sonders bei Rippl-Ronai und Stefan Csok auf. Weitaus der geschid<teste Maler unter ihnen ist aber Adolf Fenyes, freilich auch der- jenige, der am meisten französische Art ange- nommen hat. Seine hellen, sonnigen, lufter- füllten Bilder fallen auf und bleiben in angenehmer Erinnerung. Karl von Ferenczy ist weniger gleichmäJ5ig gut, hat aber einige starke Land- schaften in der Ausstellung. Auch ein gewisses slavisches Element macht sich bemerklich, dem deutschen Empfinden am fernsten stehend und allgemein von einem dekadenten Mystizismus. Es ist bezeichnend, daf; in diesen Bildern, auch Entwürfen, Tapisserien, die Linie vorherrscht. Das Berliner Publikum scheint sich für die Ungarn nicht sonderlich zu interessieren. Der Besuch der Ausstellung ist schwach, und das haben die opferwilligen Veranstalter nicht ver- dient. - Von der Spaltung in der Sezession hat die Tagespresse genügend berichtet und auch davon, dag man den Rij^ notdürftig wieder geleimt hat. Die Alten und die Jungen haben sich zu einem glatten Kompromiß verstanden, zurzeit vielleicht das Beste, was sie überhaupt
tun konnten. Lange wird es nicht dauern, denn die jungen Künstler, unter denen sich starke Be- gabungen mit Zielen befinden, die dem Wesen des von der Sezession bisher gehüteten Im- pressionismus zuwiderlaufen, werden die Rechte der Jugend und der Zukunft geltend machen. Vorläufig aber ist wenig zu sagen, und was ge- schehen mug, wird kommen, sobald die Zeit reif dazu geworden ist. f.wai u i:i ni.kk.
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CADINEN. Bei A. Werlheim in Berlin gibt es jetjt eine große Kollektion neuer Kera- mik aus Cadinen zu sehen. Blumentöpfe, Pllan- zenkübel, Pflanzenkästen, Vasen, mancherlei Klein- gerät, Plastiken. Am trefflichsten sind die Terra- kotten; doch auch die mit ein- oder mehrfarbiger Glasur überzogenen Gefäße haben gute Quali- täten. Jedenfalls darf festgestellt werden, daß die Kaiserliche Manufaktur unter der Führung rühriger Künstler vorangekommen ist. Wir wer- den davon im nächsten Heft durch eine Ver- öffentlichung mit wohl gelungenen Bildern noch mehr zu berichten haben.
P'RIEDRICH NAUMANN. Die Freunde der Qualitätsarbeit und der Schönheit wissen immer noch nicht zur Genüge, wie viel Friedrich Naumann dazu beigetragen hat, daß die Dunkel- heit eines satten Philisteriums, die über dem sieg- haften Deutschland lagerte, der Morgenröte einer neudeutschen Kultur wich. So scheint es nicht unangebracht, scheint es vielmehr eine Pflicht, immer wieder auf Naumanns Schriften hinzu- weisen; wie eine Art Danksagung mag es em- pfunden sein, daß wir dies gerade heute tun : am 25. .März wird Naumann 50 Jahre alt werden. Die Deutschen sind gegen ihre führenden Geister immer undankbar gewesen; um so nachdrücklicher sollten die Wissenden dafür sorgen, daß die wenigen Lichter, die uns wurden, nicht unter den Scheffel geraten. ki;.
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C ASSEL. Unter den Sondergruppen der künst- lerisch Schaffenden der Gegenwart nehmen die „Elbier" in Dresden, deren geschlossene Vor- führung der Kunstverein in Cassel in einer sehr beachtenswerten Ausstellung vom 15. Dezember 1909 bis 15. Januar 1910 zeigte, eine eigenartige und für das Kunstschaffen unserer Zeit bezeich- nende Stellung ein. Diese manifestiert sich vor allem in der einheitlich guten, von einem ehr-
Kleine Kjnnit-A'acli richten.
liehen und gründlichen Streben getragenen künst- lerischen Richtung, die fast alle Werke der Aus- stellung, Bilder und Plastiken, vorteilhaft aus- zeichnet. Dieses einheitliche Streben nach hohen und höchsten künstlerischen Zielen in der Freun- desgruppe der „Elbier", deren Zahl von 7 vor nahezu einem Jahrzehnt, heute auf 13 gestiegen ist, bringt es mit sich, daß ihre Ausstellungen eine seltene Einheitlichkeit in der künstlerischen Tendenz verraten, die vor allem in den Bildern auffallend zum Ausdruck kommt. Natürlich kann von einer Ähnlichkeit im mathematischen Sinne hier keine Rede sein, es ist vielmehr jene innere Harmonie gemeint, durch die ähnlich veranlagte Künstler infolge inniger Wechselbeziehungen und gegenseitiger Beeinflussungen nach der künst- lerischen Seite hin, in ihren Werken sich ähnlich werden, mögen die behandelten Gebiete auch noch so weit auseinander liegen. Dieses ernste, ehrliche, gründliche Streben nach solch innerer künstlerischen Einheitlichkeit verleiht den Aus- stellungen der „Elbier" einen eigenen Reiz, der dadurch noch erhöht wird, daJ3 die Stoffgebiete mehrerer unter ihnen fast gleich sind, bei der Behandlung aber jene feinen individuellen Unter- schiede auftauchen, die das Wesen des wahren Künstlers let3ten Endes ausmachen. Da unter den 13 Künstlern nur 3 Plastiker sind, so tritt die Plastik naturgemäf; bei ihren Ausstellungen ein wenig in den Hintergrund, bleibt jedoch nach der erwähnten Seite hin immer beachtenswert und interessant.
Der Kunstverein in Cassel hat durch diese wertvolle Ausstellung, die einen zwar kleinen, aber lebendigen und temperamentvollen Aus- schnitt aus dem besten Kunstschaffen der Gegen- wart zeigt, den Kreis seiner letjtjährigen, fast stets bedeutenden Ausstellungen um eine wich- tige vermehrt und wiederum bewiesen, daJ3 er mit den reformatorischen Bestrebungen des neuen Vorstandes, den Kunstsinn des Publikums durch die besten Darbietungen aus allen Kunstgebielen in seinen Ausstellungen allmählich immer mehr zu wecken und zu fördern, sich auf dem rechten Weg befindet. \\ .
Ä
ILLUMINATION. Zu Kaisers Geburtstag zündet die Berliner City Freudenlichter an. Elek- trische Ströme sollen patriotisch aufrauschen. Nun hat Norddeutschland wenig Instinkt für fest- lichen Schmuck, und so waren denn auch diese Illuminationen meist recht banal und geschmack- los. Immerhin: in den letjten Jahren ist es lang- sam etwas besser geworden; und diesmal konnte man im allgemeinen schon zufrieden sein. Zum mindesten sind einige Prinzipien begriffen worden.
Die üble Buntheit und das gehäufte Arrangement, zu dem die leicht beweglichen elektrischen Birnen verführten, scheinen überwunden. Man steckt nicht mehr Dut3ende und Hunderte von Glühlampen dicht nebeneinander in die naturalisti- sche Form von Fahnen, Kronen, Adlern oder Schrift- zügen. Man sieht nicht mehr in der brutalen Massenwirkung den höchsten Effekt. Man hat gelernt, dag auch die Helligkeit erst zur rechten Wirkung kommt, wenn sie formal gebändigt wurde, wenn sie einem klaren Thema dient. Und man hat ferner gelernt, dag solches Thema nur architektonischer Art sein kann. Messel war der erste, der diese Erkenntnis zur Tat erhob; er rahmte die Pfeiler und die Hauptmassen seines Wertheimbaues mit einer dichtgeschlossenen Reihe von Lampen und gewann so mühelos und selbstverständlich eine starke Monumentalität. Das Ei des Columbus. Dies streng architektonische Prinzip hat gesiegt; bei der let5ten Illumination konnte man viele groge Geschäftshäuser sehen, deren Fassaden mit leuchtenden Linien umrahmt, mit leuchtenden Linien rhythmisch gegliedert waren. Es ist anzunehmen, dag hierzu Peter Behrens als künstlerischer Beirat der A. E. G. das Seine beigetragen hat. Einige Anordnungen schienen seine Hand deutlich zu verraten. Dag in der Tat für die Illumination städtischer Bauten das architektonische üeset) und der Rhythmus die alleinigen Mittel klarer und pathetischer Wir- kung sind, das bewies am besten die Gesamt- heit des Pariser Platjes. Diese edelste Raum- einheit des Berliner Stadtbildes war allseitig von brennenden Kerzen umfagt. Diese Kerzen standen hinter den Fenstern der den Plat) begrenzenden Häuser, sie standen in Gliedern, unterbrochen durch die Intervalle der Mauern. Ästhetisch war nichts anderes geleistet, als eine möglichste Verdeutlichung und scharfe Sichtbarmachung der natürlichen Etagen, des stets vorhandenen Fassadenbildes. Das genügte, um einen starken Eindruck zu vermitteln. Es gibt eben keinen reineren Grad städtischer Monumentalität als den geschlossener Raum- wirkung, als den architektonischer Ordnung. Unter den Schaufenstern, die dem Kaiser zu Ehren hergerichtet worden waren, war eines beson- ders beachtenswert, das der Frau Oppler. Sie hatte es für Julius Brühl, das Stickereigeschäft, dessen künstlerische Führung sie übernommen, zu- sammengestellt. Der Raum des ganzen Fensters war nach hinten in voller Höhe durch einen Vor- hang von dunkelgrüner Seide abgeschlossen. Die Ausschmückung wurde durch zwei Banner und einen hohen Leuchter bestritten. Die Banner standen links und rechts, seiden, blaurot und
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Kleine Kitnsl-N'achruhte)!.
violett, mit ornamentaler Stickerei; sie standen als architektonischer Akzent, als Seitenkulisse, als Facette eines Raumkörpers, in dessen Achse der steile, eingliedrige Leuchter ragte. Um die Basis des Leuchters lagen im Kreis Docken weifjer und schwarzer Wolle, betont durch rote Knäuel. k. ukeiik.
Ä
NEUES AUS HAMBURG. Schumacher, dem neuen Verwalter des Hamburgischen Stadt- bildes, mangelt es nicht an Arbeit. Er baut grof3e Objekte, er baut auch den viel umstrittenen Stadtpark. Er wird ihn in der Tat bauen; aus Pflanzen ein nutzbares Gebilde, eine bewohnbare Stätte der Erholung und des Sportes organisierend. Die Gartenarchitekten haben über die Landschafts- gärtner gesiegt. Lichtwark hat sich wieder einmal als ein Kulturpionier des Reichtums er- wiesen. Und nicht minder hat sich Leberecht Migge, dessen Agitation für eine vernunftge- mäge Nutjgestaltung des Parkes die Diskussion heftig anfachte, trefflich bewährt. In diesem Migge, der die Firma Jacob Ochs künstlerisch leitet, besitjt Hamburg ein ausgezeichnetes Talent für schöne, der Zeit gehorchende Gärten. In der be- rühmten Alsterslraf^e ist eine Miggesche Anlage, die ein starkes sinnliches Verständnis für das Wesent- liche eines modernen Gartens aufweist. - Einen erfolgreichen und sehr geschickten Dirigenten der künstlerischen Praxis besit5t Hamburg in Richard Meyer, dem Direktor der Kunst- gewerbeschule. Er hat nicht nur seine Anstalt durch die Hinzuziehung junger, eigener Kräfte gut verproviantiert; er sorgt auch dafür, dafi das Handwerk und die Kunstindustrie immer ent- schiedener zur Qualität dringen. Es zeigt sich in Hamburg eine Tendenz, den Bedarf für öffentliche Zwecke auf die einheimische Produktion zu be- schränken. So gefährlich solch Unternehmen ist, so förderlich kann es doch für das Ganze sein, wenn die Okkupation der Lieferungen nicht durch Schachzüge der Bürokratie, vielmehr durch Güte und Schönheit der Ware erzwungen wird. Direktor Meyer müht sich auch, das Publikum zu er- ziehen. Er beginnt so früh wie möglich, schon bei den Kindern. - Übrigens wird er demnächst, das heißt in ein bis zwei Jahren, ein ausgezeich- netes, von Schumacher entworfenes Schulgebäude bekommen. Es dürfte dann Hamburg das um- fassendste und wohnlichste aller Kunstschul- gebäude im Reich besi^en. - Die große Archi- tektur der Stadt hat einige neue Hotels auf- zuweisen; es sind dies die üblichen metropolen Paläste. Das Vorlesungsgebäude am Dammtor wird bald fertig sein; man spürt schon jet3t, daß es im Grundriß hervorragend und typisch.
in der Außenarchitektur schwächlich ist. Neue Cityhäuser wären zu registrieren. Oleich am Bahnhof der mächtige Bau des Bieberhauses, eine sehr respektable, charakteristische Leistung. Wesentlich vollkommener in der Form und un- bedingt in die Zukunft weisend sind die Kontor- häuser von Elingius und die von Schoß. Elingius verwendet viel Keramik. Es müßte von eindeutiger, unvergeßlicher Wirkung sein, die vom Handel erfüllten Straßen, gar die Fleets, von solchen vertikal strebenden Gerüsten aus reinlichem Glasurstein begrenzt zu sehen.
R. BREUER.
DIE BENNIGSENSTRASSE IN HANNOVER. Ein Preisausschreiben, das allen Freunden des Städtebaues ebenso wichtig wie interessant hätte sein müssen, ist in die Scheuern gekommen. Leider war die Teilnahme von Großdeutschland durch eine wenig geschickte Zusammensetjung des Preisgerichts so ziemlich ausgeschaltet worden. Man hatte nämlich, bis auf den Darmstädter Pütjer, nur Hannoveraner, vorwiegend Hannoversche Baubeamte gewählt. So beteiligten sich natur- gemäß nicht gerade unsere besten Städtebauer an diesem Wettrennen. Was nicht nur für Han- nover, was für die Renaissance unserer Stadt- kultur überhaupt bedauerlich ist. Immerhin ist das Resultat des Ausschreibens doch noch ganz respektabel. Die Aufgabe war die: eine lange, breite Straße, die längs einer weit sich dehnenden Wiese, der Masch, läuft, sollte einseitig geschlossen, mit mehrstöckigen Wohnhäusern bebaut werden. Einseitig, weil die Masch, die kein Bauland gibt, sich vor der Front der Häuser frei entwickeln und als Wiese, vielleicht auch als Park rhythmisch gestaltet werden soll. Geschlossen, weil das Terrain durch solche Freigebigkeit zum Villenbau zu teuer wäre, und, weil bei dem gewaltigen Luft- raum vor der Front die schmalen Öffnungen nach links und rechts nur wenig Bedeutung hätten. In diese Straße münden nun, vom auf- gebauten Hinterland herkommend, einige Quer- straßen, deren wichtigste die Geibelstraße ist. Wo sie in die Bennigsenstraße stößt, erweitert sich diese zu einer leichten Plafsanlage; jenseits, in der Achse der Geibelstraße, steht eine Bismarck- säule. Somit ergab sich die Notwendigkeit, an dieser Stelle den langen Korso zu unterbrechen. Leider haben nun die meisten Entwürfe und auch die preisgekrönten es nicht bei diesem einen Intervall bewenden lassen; sie haben vielmehr noch einen zweiten oder gar einen dritten Plat3 vor- gesehen und möglichst deutlich und pathetisch ausgestaltet. Daß solch Überfluß eine Störung
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Kleine Kunst- XacliruhteJi.
der prädestinierten .Monumentalität der Avenue bedeutet, steht auper Frage. So sind denn auch jene Entwürfe zweifellos am gesündesten, die nichts anderes taten, als das Gegebene, die Breite und die Länge der Straße, ihren großen .^tem, prinzipiell und bewußt ausgestaltend zu nutjen. Damit ist denn auch zugleich die ästhetische Formel für die Fassadenbildung fest- gelegt. Es kann sich nur darum handeln, die Reihe zu wahren, durch einen straffen Rhythmus die hinflutende Perspektive fühlbarer und ge- waltiger zu machen. Das haben einige der Be- werber auch richtig begriffen. — Immerhin, wenn Hannover ernsthaft will, kann es die eingegangenen Entwürfe trefflich nu^en, um zu einer Straßenanlage zu ge- langen, die dann mustergültig und ein Ruhm des deutschen Städtebaues heißen
dürfte. F. BRErEK.
er
POSEN. Im Januar fand im Kaiser Friedrich- .Museum eine gut besuchte .Ausstellung von .Architekturen von Professor Bruno Paul statt. .Außer einer .Anzahl von .Modellen, Grundrissen, Aufrissen, Perspektiven gelangte auch eine .Anzahl großer, zum Teil farbiger .Ansichten von Innen- .Architekturen desselben Künstlers vom Ozean- dampfer „George Washington" des Nordd. Lloyd zur .Ausstellung. Besorgt wurde die .Ausstellung von Dr. Hermann Post, Sekretär der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk, Berlin.
Die .Ausstellung, welche ganz neue .Arbeiten des Künstlers enthält, wird im .März d. J. im Kaiser Wilhelm-Museum in Crefeld gezeigt werden ; auch wird beabsichtigt, die .Ausstellung noch in anderen Städten zur .Aufstellung zu bringen.
LEIPZIG. Die O ß wald -.Auss t el I ung im j Kunst- Verein. Der .Münchner .Maler Fri5 Oßwald, dessen Kollektiv -.Ausstellung soeben einen durchschlagenden Erfolg hatte, bedeutet in der jüngsten .Maler-Generation eine der wenigen Persönlichkeiten, auf die unsere Erwartungen am meisten gespannt sein dürfen. Ein angeborenes .Maler-Temperament, das ge- waltsam den künstlerischen .Ausgleich zwischen sich und der Natur sucht, ein starker Eigenwille, der die Natur zu feinen, farbigen Harmonien und Rhythmen einigt und doch der Stimmung die Herrschaft über .die Schöpfung läßt, das um- schreibt etwa das Charakteristische bei Oßwald. Neben den bekannten Schneebildern, von denen die zulefjt gemalten einen bisher noch nicht be- merkten, dekorativen Unterton verraten, der wie ein neuer Fortschritt in der künstlerischen Ent-
wicklung des jungen .Meisters anmutet, zeigte er in Leipzig eine Reihe von sommerlichen und herbstlichen Landschaftsbildem, so eine „Rhein- brücke bei Mainz", „Ruderer auf dem Stamberger See** u. a., die durch ihren kühnen Impressionis- mus bemerkenswert sind, wie durch den reinen Stimmungszauber und die überlegene malerische Form. Ein schnell hingeschriebenes Selbstporträt gab gewissermaßen den .Abschluß dieser präch- tigen, auch in sich harmonisch abgerundeten Kunstschau, aus der - was ähnlich nie dagewesen ist - an zwei Drittel aller Werke (22 Stück) in hiesigen Privatbesit5 übergingen. «.;. k.
M.AGDEBLRG. Das Kaiser Friedrich-.Museum erwarb eine .Gewitterlandschaft" von Karl Haider, den „Schottenjungen" von Trübner und ein „Entenstilleben" von Karl Schuch. .Mit diesen Werken sind abermals einige der bedeu- tendsten Vertreter deutscher .Malerei in die Ge- mäldesammlung eingezogen. Das Trübnersche Bild vor allem gehört zu seinen besten Leistungen in der Zeit, als er aus dem sammetweichen Dunkel seiner Frühzeit heraus warund noch nicht den brei- ten, mit derSpachtel „gemauerten" .Auftrag der Far- ben angenommen hatte. Die Textur ist seidig, schim- mernd, vorzüglich in den Fleischteilen, von dem leuchtenden Glänze, der uns an den besten Bildern Trübners stets von neuem entzückt. Dieses Exem- plar des Schottenjungen ist weniger bekannt als das frühere von 1891, in dem der Knabe aufrecht vor dem Gobelin steht; hier stütjt er sich mit der Linken auf einen .Armstuhl. Das Problem ist beidemal dasselbe, meisterhaft gelöst (und viel- leicht von Velazquez' „Spinnerinnen" angeregt): die Gestalt als lebendige vor den gewirkten Teppichfiguren heraustreten zu lassen und dabei doch die koloristische Einheit zu wahren. Fast möchte man schwanken, was schöner gemalt sei, der Gobelin oder der Knabe selber. Das kolo- ristische .Motiv ist ein Sichdurchdringen von Dunkelgrün und Rot durch das ganze Bild; an sich schon ein flächenhaftes Farbenspiel von jener erstaunlichen Vielgestaltigkeit und Vollkommen- heit, die bei Trübner selbst gegenständlich so verfehlte Darstellungen wie die Kentaurenbilder etc. zu höchstem Genuß für die .Augen umwertet. - Das Stilleben von Schuch ist in seinem stillen zurückhaltenden Dunkelbraun gemalt; Haiders Frühlingslandschaft, als ein rechter Gegensa^, ist von der zeichnerischen Präzision des .Meisters, die doch eine bedeutende Stimmungskraft enthält: hier den Kontrast der sonnig leuchtenden Wiese und des in schwarze Gewitterwolken ragenden Waldgebirges. v. f. schmidt.
4--
Inhalts-Verzeichnis.
BAND XXV
Oktober 1909— März 1910.
TEXT -BEITRAGE:
Julius Diez — München. Von Fritz von Seite
Ostini — München 3^28
Modelle zum Völkerechlacht-Denknial. Von
A. Jaumann — Berlin .... 33
Frank Eugene Smith — München. Von Dr.
M. K. Rohe — München . . . 41 — 48
Werktätige Jugenderziehung. Von Direktor
Dr. Pabst — Leipzig 51 — 54
Architekt Karl Witzmann — Wien. Von
A. S. Levetus — Wien .... 57 — 60
Die gebildete Frau im Kunstgewerbehandel.
Von Dr. KarlWidmer — Karlsruhe 63 — 69
Aphorismen 69
Stickereien von Margarete von Brauchitsch.
Von Georg Muschner — München 70
Rezeptive Begabung. VonWilh. Michel
— München 79 — 83
KJeider-Kultur. Von Kuno Graf Har- denberg— Dresden 86. 96
Hohlwein-Plakate. Von Wilhelm Michel
— München 89
Professor Emil Orlik — Berlin. Von Felix
Poppenberg — Berlin
Das Malerische. Von Wilhelm Michel Aphorismen. Von Rieh. Fuchs . Auguste Rodin — Paris. Von Lothar
Brieger-Wasservogel — Berlin Geschmacks-Kunst. Von Adolf Vogt —
Berlin
Soziale Verpflichtung des Kunstgewerblers.
Von Paul Westheim — Berlin Die nächsten Ziele unserer Metalhvare. Von
Dr. Georg Lehnert — Berlin . Beleuchtungskörper. Von Robert Breuer
— Berlin
Tagung des Deutschen Werkbundes in Frank- furt a. M. 1909. Von Rob. Breuer
— Berlin 161 — 164
99— 104 — |
103 "7 119 |
127— |
135 |
.36- |
142 |
'43- |
146 |
148- |
152 |
156 |
Bruno Paul als Architekt. Von Dr. Her- mann Post — Berlin
Die Hingabe an das Kunstwerk. Von Robert Breuer — Berlin
Alte und neue Stadtteile. Von Wilhelm Küchel — München
Die Kranzspenden und der Sarg. Von Dr. M. Schmid — Aachen
Von der Wirkung guter Kleidung. Von Kuno Graf Hardenberg
Szenerie-Entwürfe. Von F. St. . . .
Der Künstler-Philosoph. Von Paul West- heim— Berlin
Die Grenzen der Malerei. Von G. W. Schwenzer — Mettlach ....
George Minne. Von Arthur Rößler — Wien ' .
Wirtschaft und Kunst. Von O. Seh.
Die Kunst vor Gericht. Von Wilhelm Michel — München
Villa Franz von Stuck
Klebe-Arbeiten Hamburger Kunstgewerbe- schüler. Von Robert Breuer — Berlin
Neue Thüringer Porzellane. Von Dr. Ernst Zimmermann — Dresden
Arbeiten von Ludwig Vierthaler. Von A. Jaumann — Berlin
Willi Geiger — München-Florenz. Von Dr. Georg Jacob Wolf — München .
Moyssey Kogan — München. Von H. Lang- Danoli — Darmstadt
Heinrich Vogeler — Worpswede. Von Dr. Karl Schäfer — Bremen.
Schwarz -Weiß - Ausstellung — Berlin. Von Ewald Bender — Berlin. . . .
Ausstellung österr. Kunstgewerbe 1909 — 1910. Von Arthur Rößler — Wien
Vom Bilderbetrachten. VonWilh. Michel — München
.65- |
-180 |
184- |
-193 |
■94- |
-203 |
204- |
-219 |
219 |
|
221- |
-222 |
223" |
-228 |
231- |
-238 |
241- |
-249 |
250 |
|
258- |
-264 |
265 |
270 — 282
283—286
290
299—323 324—329
33'— 338 339—345 355—356 375—379
Zum Verstehen des Technischen. Von R ob. Seite
Breuer — Berlin 381—38;
Deutsch-böhmischer Kunstfrühling. Von Dr.
Emil Utitz — Prag 388 — 402
Karikatur und Kunst. Von Paul West- heim— Berlin 404 — 408
VonderMode. \'on K. G raf H ardenberg 417—418
TON- UND FARBDRUCKE:
Gemälde: -Mutter und Kind . Von Hans Seite
Unger — Loschwitz 2
Zeichnung: Spuk«. Von Prof. Julius
Diez — München 12
Zeichnung: »Sumpf-Gespenster«. Von Prof.
Julius Di«z — München .... Porträt-Aufnahme: »Prinz Rupprecht«. Von
Frank EugeneSmith — München Photographisches Bild: Adam imd Eva«.
Von Frank Eugene Smith —
München
Gemälde: Rosen«. Von Prof. E
Orlik— Berlin
Plakat. Von Ludwig Hohl wein —
München
Tempera: "Winter in Auscha«. Von Prof.
Emil Orlik — Berlin
Gemälde: »Weiblicher Akt .
Emil Orlik — Berlin . Dnicksachen mit Zierrahmen.
Emil Orlik — Berlin . Atlantik - Hotel — Hamburg:
Von A. Possenbacher- Berlin
Atlantik-Hotel- Hamburg: Teestube. Von A.
Pössenbacher — München- Berlin Haus Westend— Berlin: Speisezimmer. Von
Prof. Bruno Paul — Berlin . . . HausWestend — Berlin. Damenschlafzmimer.
Von Prof. Bruno Paul — Berlin Handgeknüpfte Teppiche, Wand- und Möbel- stoffe und Tapeten 21
Gemälde: »Kinderbildnis*. Von Oskar
Zwintscheij — Dresden .... Marmor - Plastik : »Die Badende». Von
George Minne-Laethem Klebe-Arbeiten von Schülern der Kunstge-
wtrbesc^ile in Hamburg .... 2; Gemälde: . Andalusierin«. Von Willi fieiger — München-Florenz
Von Prof.
Von Prof.
Klubzimmer. -München-
A<iuatinta-Ätzung nach Gojas »Maya.. \'on W. Geiger — München-Florenz .
Bronze - Plakette : »Primavera«. Von Mojssey Kogan — München .
Gemälde: »Kommender Frühling«. Von Heinrich Vogeler — Worpswede
'3 40
49 55 87 98 107 -124
138 "39 l8q '99
-21 I 230 240 280 298 303 329
335
Gemälde: .Susanna im Bade> . Von Prof. Seue
Adolf Hengeler — München 364
Domino - Entwürfe. Von F. Diveky —
Wien 413—416
ABBILDUNGEN UND FARBDRUCKE;
Ankleidezimmer S. 202, 203 ; Architektur S. 6, 34 - 38, 165 — 170, 214, 215, 219, 220, 265, 266, 340, 342, 343,388 — 391,396,397; Badezimmer S. 153; Beleuch- tungsköiper S. 156, 157, igi; Blumenständer S. 356, 408: Bucheinbände S. 76, 77, 79; Buchschmuck S. 27, 79, 8g, 282 ; Dameiizimmer S. 14b, 185 — 187, 202, 203; Dampfer-Räume .S. 206 — 208, 213: Decken S. 72, 73, 84, 290—292, 357; Dielen .S. 147, 151, 174, 175, 344, 399; Drucksachen (Einladungs-Menukarten etc.) S. 121 — 124; Einladungskarten .S. 121, 124; Empfangsräume S. 197, 201, 268, 269; Erker und Fenster S. 60, 185, 197; Exlibris S. 26, 114, 115, 318, 319, 346, 347; Fächer S. 410, 41 1; Figurinen S. 24, 25, 120, 224, 225, 227, 228; Fremdenzimmer S. 400, 401; Früh- stückszimmer S. 71, 348, 398: Garderoben S. 173; Gartenanlagen S. 171, 26b; Garten- und Veranda-Möbel S. 92, 93, 348, 396, 397; Gemälde S. 2, 5, 10, 15, 16 — 18, 20, 21, 55, 98 — 102, 104, 105, 107, 1 10, 230—238, 298, 332, 334—338, 365; Gläser S. 78, 376. 377; Gold- und Silberarbeiten S. 94, 95, 358, 365—375, 377, 386, 387; Grabmäler S. 218; Grund- risse S. 36, 37, 169, 214, 220, 340, 342, 343: Hallen S. 6, 58, 59, 68, 172; Heizkörper- Verkleidungen S. 201; HeiTen- und Arbeitszimmer .S. 61, 148, 14g, 180—184, 405; Holzschnitte S. 111 — 113; Hotel-Bauten und Räume S. 136, 138 — 145; Illustrationen S. 80 — 83. IIb, 308, 309, 315; Kamine und Ofen S. 175, 181, 183, 187, 2ib, 2b9; Kassetten und Dosen S. 288, 289, 372 — 375, 379, 424: Keramik (figürliche und ornamentale) S. 74, 75, 163, 283 — 28", 378 — 380; Kinderzimmer S. 152, 403, 404; Kissen und Decken S. 72, 73, 160, 290 — 292, 355, 357; Klebe-Arbeiten S. 270 — 281; Klubzimmer S. 136, 138, 142, 143, 214 — 217; Korbmöbel S. 70, 71; Kostüme S. 224, 225, 227, 228, 413 — 416; Küchen S. 204, 205; Land- häuser und Villen S 34 — 38, 165 — 167, 170, 219, 220, 265, 266, 340, 342, 343, 388, 389; Lederarbeiten S. 76, 77; Malerei (dekorative) S. 3, 4, 7 — 10, 15, 18, ig, 22, 28, 106. 109; Metallarbeiten S. 201, 218, 288, 289, 356; Mosaiken S. 3, 5, 7 — 9; Möbel (ver- schiedene) S. 92, 93, 154, 155, 173, 192, 205, 345, 394i 395i 407~4°9; Musikzimmer S. 150, 267; Orna- mentale Entwürfe S. 84, 85, 270 — 273, 392, 393 ; Photo- graphie (Bildnisse) S. 40—54; Plakate S. 87, 90, 91; Plaketten und Medaillen S. 325—331; Plastik (figür- liche) S. 30—33, 126, 128 — 135, 163, 240 — 264, 283 — 286, 324 — 330, 378 — 380, 384 — 387: Porzellan-Ser- vice S. 74; Radierungen S. 26, 103, 116, 2gg — 315,
3iq — 321, 333, 339. 3461 347; Restaurations-Räume S. 136, 139, 141, 217, 348; Salon S. 402; Schlafzimmer S. 6b, ig8, 199, 349; Schmucksachen S. 94, 95, 358, 382, 383; Speisezimmer S. 63 — 65, 188 — 193, 341, 349- 35'. 4°^. 4°7; Stickereien S. 70 — 73, 84, 85, 290 — 292, 354, 357, 411, 412, 4:7, 418; Stoffmuster S. 211, 392, 393; Szenerien S. 23, 117 — 119, 221 — 223, 226; Tafelgeräte S. 74, 78, 365 — 371. 373, 374. 376, 377. 379. 380; Tapeten S. 158, 159, 211; Teppiche S. 210, 352, 355; Theaterdekorationen S. 23, 117 — 119, 221 — 223, 226; Treppenhäuser S. 6, 58, 59, 68, 147, 174, 17b — 178, 399; Vorräume S. 67, 173, 408; Webereien S. 160, 211, 352, 353; Wohn- zimmer S. 60, 194 — 196, 341,350; Zeichnungen S, 12, 13. 27, 316—318, 331.
KLEINE KUNST- NACHRICHTEN:
Seite
Berlin 293. 294 — 295. 359. 361—362. 419—421
Buenos Aires 296
Cadinen 419
Cassel 419
Darmstadt 362
Hamburg 360. 361. 421
Hannover 361. 421
Kopenhagen 296
Leipzig 422
Magdeburg 422
München 295 — 296. '59
Posen 42-
Rheinland-Westfalen 360
Namen -Verzeichnis.
80 365-
Bauer, Karl Joh. — München 358
Behrens, Prof. Peter — Neubabelsberg . 158 — 159
Bender, E. — Berlin . . . . 293 — 294.
339—345- 359— 3b2- 4'9
Bibrowicz, Wanda — Breslau 160
Bischoff, Paul — Berlin 156—157
Brauchitsch, Margarete von — München . 70
— 72. 290 — 291 Breuer, Architekt C. — Wien . 396. 397. 399 — 402 Breuer, Robert — Berlin. 156. 161 — 164. 184 — 193. 270 — 282. 293 — 295. 360 —362. 381 Brieger- Wasservogel, Lothar — Berlin Czeschka, Prof. C. O. — Hamburg
-83- Delavilla, Prof. Franz — Wien Diez, Prof. Julius — München . Divek-y, F. — Wien .... Doves-Press — London Festersen, Friedr. — Berlin . Fischer, Friedrich — Riesenfeld Qeiger, Willi — München- Florenz Geiringer, Helene — Wien . Hamburger Kunstgewerbeschule Hardenberg, K. Graf — Dresden 8( Hengeler, Prof. Adolf — München Hoffmann. Prof. J.— Wien . 368—3
382. 383. 388-393. 396 Hohlwein, Ludwig — München Hölscher & Breimer — Langenhagen Hormann, Emmy — Bremen Jakobson, Felicitas — Wien Jaumann, Anton — Berlin . Klaus, Architekt Karl — Wien
96. 219
419—422 127 — 135
-3&7- 374
352
3-28
413—416
76
75. 287
'59 298—323
354 270 — 281 417-418
364
-409. 424
87-9'
159
357
355
33. 290
35'
Kogan, Moyssey — München . . Kopenhagen, Kgl. Porzellanfabrik Koemig, Arno — Berlin . Lang-Danoli, H. — Darmstadt . Läuger, Prof. Ma-\ — Karlsrtihe Lehnert, Prof. Georg — Berlin . Levetus, A. S. — Wien . Löffler, Prof. B. -Wien . . Margold, J. E. — AVien . Metzner, Prof. Franz — Berlin Michel, Wilhelm — München . 79 — 83. 89 104 — 117. 194 — 203. 258 — 264 295 — 296. 359
Minne, George — Laethem
Moser, Prof. Koloman — Wien 95
372. 383 Newton, Ernest — London .... Niemeyer, Adelbert — München . Orlik, Prof. Emil— Berlin .... Ostini, Fritz von — München . Pabst, Direktor Dr. — -Leipzig . . Paul, Prof. Bruno — Berlin Poppenberg, Dr. Felix — Berlin . . Pössenbacher, Anton — München-Berlin
Post, Dr. H.— Berlin
Powolny, Prof. M. — Wien Prutscher, Prof. Otto — Wien ... 77 78. 94- 348- 353 Putz, Prof. Leo — München .... Riemerschmid, Prof. Richard — Pasing .
Rodin, Auguste — Paris
Rohe, Dr. M. K.— München .... Roeßler, Arthur — Wien . . 241 — 249 Schäfer, Di. Karl — Bremen ....
Seite
324—330
'63
'57
324—330
75
148-152
57—60
-95- 378
84-85
30—33
375—379 240 — 264
394—395 34—35
74. 287
98—124
3-28
51—54 165 — 220 99—103
«36—155 165 — 180 379—380
356- 376 236—238 292 126—135 41-48 355-35<> 33'-338
Schmid, Prof. Dr. Mix — Aachen Schmidt, Dr. P. F. — Magdeburg Schultze-Naumburg, Prof. Paul — Saaleck Schulz, Rieh. L. F.— Berlin .... Schütz, Anhalter Tapetenfabrik — Dessau Schwarzburger Werkstätten — Unterweißbach Schwenzer, G. W. — Mettlach . . . Seidl, Prof. Emanuel von — München Smith, Fr. Eugene — München Stuck, Franz von — München Teschner, Maler R. — Wien Unger, Hans — Loschwitz Utitz, Dr. Emil— Prag . . Vierthaler, Ludwig — Berlin Vogeler, Heinrich— Worpswede
377
Seite 204 — 219 422 92—93
■56—157 158—159 282—286 231-238 36-38 40—54 265 — 269
384-387 3S8— 402
■43
94—95
Vogt, Adolf— Beilin . . . Weltmann, Ella — Wien Wenig, Bernhard — München . Westheim, Paul — Berlin Widmer, Prof. Karl— Karlsruhe Wiener Werkstätte — Wien Wien, Ausstellung österr. Kunstgewerbe Wimmer, Architekt E. J. — Wien . 221 — 228. 375. 410—412 Witzniann, Architekt Carl — Wien 57 — b8,
95- 349 Wolf, Dr. Georg Jacob — München . Zeymer, Architekt Fntz — Wien ... Zimmermann, Dr. Ernst — Dresden Zwintscher, Prof. Oskar — Klotzsche
136 — 142
84-85
■56
223. 404
63 — 69
365—424
348—356
417—418
373- 382 299—323 350 283 — 286 230—235
Deutsche Kunst und Dekoration
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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
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