ER 9 70 868385 BB | 20> 355 1 R 5 898 80 ir I >, 7 2 7285 8855 5 ; 28 8885898 1 888885 . 1 Br * Cr * gr 5 Deutſchlands Amphibien und Reptilien. Eine Beſchreibung und Schilderung ſämmtlicher in Deutſchland und den angrenzenden Gebieten vorkommenden Lurche und Kriechthiere. Von Bruno Dürigen. Mit den Abbildungen ſämmtlicher Arten auf 12 Farbendrucktafeln, ausgeführt nach Aquarellen von Chr. Votteler, ſowie mit 47 Cextbildern. in — Magdeburg. Creutz'ſche Verlags buchhandlung. 1897. ro Vorwort. Als ich vor Jahren an Zoologen, an Kenner und Freunde der deutſchen Thier welt und insbeſondere der in unſerem Vaterlande und den angrenzenden mitteleuropäiſchen Gebieten lebenden Amphibien und Reptilien einen Fragebogen ausſandte mit der Bitte, über die Verbreitung dieſer Thiere und das Wie und Wo ihres Vorkommens in den einzelnen Strichen ſowie über beachtenswerthe Erſcheinungen aus ihrem Leben mir gütigſt berichten zu wollen, hatte ich zunächſt nur die Abfaſſung einer die einheimiſchen Arten rückſichtlich ihrer Verbreitungsbezirke und Wohnorte behandelnden Arbeit im Auge. Indeſſen ſind mir nicht nur damals ſogleich, ſondern auch ſpäter fortgeſetzt von vielen Seiten außer wichtigen zoogeographiſchen Notizen zahlreiche und ſchöne Mittheilungen über Lebensweiſe und Fortpflanzung jener Geſchöpfe, über ihr Weſen und Gebahren im Freien und im Käfig zugegangen, welche die von mir ſeit mehreren Jahrzehnten durch Beobachtung freilebender und im Zimmer gehaltener Amphibien und Reptilien, durch Sammel-Ausflüge und Muſeums-Arbeit gewonnenen Ergebniſſe und Erfahrungen und die in der Literatur vorliegenden authentiſchen Aufzeichnungen aufs Willkommenſte ergänzten. Daher durfte ich denn dem Erſuchen von Fach- und Schulmännern, Naturbeobachtern, Sammlern und Terrarienbeſitzern: das mir zur Verfügung ſtehende Material zu einer umfaſſenden Monographie der deutſchen Lurche und Kriechthiere auszugeſtalten und in ihr ein Bild von dem Sein und Werden dieſer Bürger der vaterländiſchen Fluren zu entrollen, gern nachkommen. Zu dem Behufe wurden vorerſt die Ordnungen, Familien und Gattungen im Allgemeinen betrachtet und die Züge, welche den zu ihnen gehörigen Spezies eigen ſind, zu einem Ganzen vereinigt. Sodann wurde von jeder Art, nachdem einleitend ihre hervorſtechendſten Merkmale kurz herausgehoben, ein umfaſſendes Charakterbild gezeichnet, indem Körperbau, Größenverhältniſſe, Färbung von Alt und Jung, Farbenſpiele und Varietäten — denen eine beſondere Beachtung geſchenkt wird —, Geſchlechter, Alters— ſtufen (Larven, Junge), geographiſche Verbreitung, Aufenthalt, Sommerleben und Winter— ſchlaf, Eigenſchaften und Fähigkeiten, Bewegungen und Stimme, Zeit und Ort und Weiſe der Fortpflanzung, Entwicklung der Jungen, Benehmen und Behandlung in Ge— fangenſchaft u. ſ. w. zur eingehenden Beſprechung gelangten; das ſich anſchließende Ver— zeichniß der volksthümlichen und der wiſſenſchaftlichen Benennungen der einzelnen Spezies ſowie ein Hinweis auf die in Südeuropa ſeßhaften Verwandten unſerer heimiſchen Arten durfte wohl gleicherweiſe nicht fehlen. Getreu aber dem Leitgedanken, mit dem geplanten Werke einen Beitrag zur vater— ländiſchen Naturkunde zu ſchaffen, wurde der Verbreitung der Arten in den deutſchen Gebieten, der allmählichen Ausbreitung der allem Anſchein nach von Süden und Süd— weſten her bei uns eingewanderten Spezies (Würfel- und Aeskulap-Natter, Viper, IV Vorwort. Smaragd- und Mauer-Eidechſe, Geburtshelferkröte, Leiſtenmolch) eine ganz beſondere Aufmerkſamkeit gewidmet und deshalb der dieſen Punkt behandelnde Theil jeweils zu einem umfänglichen Abſchnitt ausgebaut, zumal uns erſt durch Kenntniß der einſchlägigen Verhältniſſe ſo manches aus der Lebensführung der Thiere verſtändlich wird; es war daher ein Erforderniß, den einzelnen Arten auch außerhalb der Grenzen der reichs— deutſchen Gebiete nachzugehen. Und zur Ausführung dieſes Gegenſtandes boten eben, abgeſehen von den während vieljähriger Beobachtung in meiner ſächſiſchen Heimath (Iſchopauthal, Erzgebirge, Dresdener Gegend) und in der Mark Brandenburg (bier ſeit zwanzig Jahren) ſowie auf Streifzügen in Thüringen, Schleſien, im Schwarzwald ze. gemachten eigenen Aufzeichnungen, nebſt der fauniſtiſchen Literatur die von nachſtehend genannten Fachmännern mir freundlichſt eingeſchickten Angaben die nothwendigen Grund— lagen und Bauſtoffe. So berichteten über die Provinzen Oſt- und Weſtpreußen die Herren Dr. H. Dewitz— Berlin und Prof. Dr. Zaddach-Königsberg, über Poſen'ſche Diſtrikte Oberlehrer A. Frank-Poſen, Dr. Kiehl-Bromberg und Gymnaſiall. Zerbſt-Schneidemühl, Hinter— pommern Dr. F. Katter-Putbus, Neu-Vorpommern Ludwig Holtz-Greifswald, Rügen die beiden letzterwähnten Herren und Prof. Dr. O. Reinhardt Berlin, Mecklenburg Prof. Dr. M. Braun-Königsberg und Gymnaſiall. C. Struck-Waren, das öſtliche Holſtein Hauptlehrer Fr. Junge-Kiel, Prov. Brandenburg Alex. Schulte-Arnswalde, Lehrer Lange-Oderberg, Prof. Dr. B. Altum-Eberswalde, Prof. Dr. E. v. Martens- Berlin, Prof. Dr. C. Müller-Charlottenburg, Dir. Prof. Dr. O. Reinhardt Berlin, Herm. Schalow Berlin, Kuſtos Dr. Fr. Stein-Berlin, das Magdeburger Gebiet Willy Bach-Magdeburg, die nordweſtdeutſche Ebene (Oldenburg, Niederlande) Dr. med. Greve— und Dir. C. F. Wiepken-Oldenburg, Prof. Dr. K. Martin-Leyden und L. J. van der Veen-Utrecht, die Prov. Weſtfalen Dr. K. W. Auguſtin-Lünen und Prof. Dr. H. Landois Münſter, verſchiedene Bezirke der Rheinprovinz G. de Roſſi-Neviges, Wilh. Bölſche-Köln (jetzt Berlin), A. Harrach-Langenſchwalbach, Gymnaſ.-Oberl. L. Geiſenheyner-Kreuznach, das Untermain- und Taunus-Gebiet Prof. Dr. O. Böttger— Frankfurt a. M. und W. v. Reichenau- Mainz, Taunus- und Weſterwald-Diſtrikte (Naſſau, Oberheſſen) Landesgeologe Dr. C. Koch-Wiesbaden und W. v. Reichenau, das Heſſiſche und Leine-Bergland J. D. Kobus (damals in Göttingen und Halle a. S.), über Lippe und den Teutoburger Wald H. Schacht-Feldrom, den Harz und deſſen nördliche und ſüdliche Vorlande (Braunſchweig, Prov. Sachſen) Willy Bach-Magdeburg, Prof. Dr. Rudolf und Prof. Dr. W. Blaſius-Braunſchweig, Dr. J. Elſter-Blanken— burg a. H., Prof. Dr. A. Nehring Berlin und J. D. Kobus, den nordweſtlichen Thüringer Wald Seminarl. E. Scheller-Eiſenach, Theile des Voigtlandes Prof. Dr. Ludwig-Greiz, das Kgr. Sachſen Dr. E. Haaſe-Dresden, Lauſitzer und Eulen-Gebirge Paul Jung Zittau, Niederſchleſien Realgymn. Lehrer Wangemann-Sprottau, Mittel— und Oberſchleſien (Rieſengebirge ꝛc.) Prof. Dr. G. Born-Breslau, Prof. Dr. M. Braun, Gymnaſiall. E. Merkel-Breslau, Prof. Dr. C. Müller, Konſervator F. Tiemann— Breslau, vom oberen Main Dr. med. Blumm und J. Sippel-Bamberg, vom Mittel— main und Rhöngebirge Prof. Dr. M. Braun, Apotheker F. Keller-Dermbach und Apotheker Alfred Dünnbier (damals in Rothenburg a. T.), welchem Beobachter ich auch Nachweiſe aus Mittelfranken und der Oberpfalz verdanke, über die Erlanger Gegend Prof. Dr. Brock-Göttingen, über Regensburg und Oberſchwaben J. F. Leu-Augsburg, das Lindauer Alpengebiet A. Dietrich, |. Z. Prem. Lieutenant in Lindau, Oberbayern H. Sippel und W. v. Reichenau, Württemberg Prof. E. v. Martens, die Alb und Eßlinger Gegend Dr. D. F. Weinland -Eßlingen, die Umgebungen Tübingens Prof. Vorwort. V Dr. Eimer-Tübingen, den Jagſtkreis und andere Striche Württembergs Richard Bauer-, Major z. D. Fleiſchmann- und Forſtaſſiſtent H. Siler-Schwäbiſch Hall, das Neckar— thal Apotheker J. Keller und Dr. J. v. Bedriaga-Nizza (damals in Heidelberg), über Baden Herm. Kober- und Prof. Dr. R. Wieders heim Freiburg und cand. W. Tiesler— Berlin, Elſäßiſches Gebiet Dr. Ach. Andrege-Hildesheim, die Metzer Gegend Lieutenant Heinicke Metz, die Bayeriſche Pfalz Apotheker M. Kruel-Otterberg, Rheinheſſen Prof. Dr. L. Glaſer-Mannheim. Ferner über die Umgebungen Baſels und den Jura Dr. F. Müller— Baſel, den Kanton Bern Dr. G. Beck- und Prof. Dr. Th. Studer-Bern, die Um— gebung des Genfer See Lehrer M. Hoffmann-Genf, den mittleren Theil des Schweizer Hochplateau H. Fiſcher-Sigwart in Zofingen, das Tiroler Alpenland H. Schalow, H. Sippel, über Steiermark Prof. Dr. A. v. Mojſiſoviez-Graz, das Salzkammer— gut u. a. Oberlehrer Prof. Dr. A. Krauſe-Berlin, Böhmen Prof. Dr. Anton Fritſch— Prag, Mähren W. Burkart-Brunn und Dr. Alois Spitzer-Wien, Galizien Prof. Dr. M. Nowicki⸗Krakau, die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen Prof. Dr. M. Braun Königsberg; und einzelne Fundorts-Angaben aus verſchiedenen Gegenden machten mir die Herren Prem.⸗Lieut. M. Quedenfeld-Berlin und Kuſtos W. Wolterstorff-Magdeburg, außer— dem über die Münchener Gegend die Vorſtandſchaft des Vereins „Iſis“ in München. Die Herren wollen geſtatten, ihnen für freundliche Mitwirkung herzlichen Dank zu ſagen. Ebenſo iſt es mir angenehme Pflicht, der Direktion und den Kuſtoden der Zoologiſchen Sammlung des Königl. Muſeum für Naturkunde zu Berlin, Herren Geh. Rath Prof. Dr. K. Möbius, Prof. Dr. E. v. Martens, P. Matſchie, Dr. G. Tornier und Dr. W. Weltner für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der ſie mein Vorhaben förderten, verbindlichſt zu danken. Nur durch die Unterſtützung all' der ge— nannten Herren war es möglich, das Werk zu ſchaffen. Und wenn daſſelbe nun infolge des reichen Materials weit über den urſprünglichen Rahmen hinausgewachſen iſt, ſo habe ich der Verlagshandlung zu danken, daß ſie mir freien Raum gab und auch in der Aus— ſtattung kein Opfer ſcheute. Die 12 Farbentafeln ſollen dem Buch aber nicht als bloßer Schmuck dienen; ihre eigentliche Beſtimmung beruht vielmehr darauf, alle deutſchen Amphibien und Reptilien in naturwahrer Darſtellung zu vergegenwärtigen und ſomit das Geſchriebene in nachhaltiger Weiſe zu unterſtützen. Letzteres erreichen ſie vornehmlich noch dadurch, daß bei den Arten mit verſchieden gefärbten Geſchlechtern Männchen und Weibchen in ihren abweichenden Farbenkleidern, von einigen Spezies auch Spielarten, junge Thiere und Larven veranſchaulicht werden. Sämmtliche Abbildungen ſind von Chr. Votteler in Stuttgart nach lebenden Thieren gezeichnet und in Farben ausgeführt. Dieſelben fanden unter Anderen bei dem bekannten Thiermaler G. Mützel ſolchen Beifall, daß er uns bat, einige (Alpenſalamander, Bergmolche, Streifen- und Fadenmolche) bei Her— ſtellung der von ihm für die neue Auflage von Brehm's „Thierleben“ anzufertigenden Holzſchnittzeichnungen benutzen zu dürfen, wozu wir die Einwilligung gern ertheilten. Die Abbildungen im Text werden gleichfalls zur Erläuterung des letzteren beitragen. Das Verzeichniß der Literatur folgt weiterhin. Bei Citaten im Text genügte Arbeit hätten entſtehen können, wurde durch ein in Klammer | ] geſetztes Stichwort die betreff. Schrift oder Abhandlung angedeutet. Kleinere Artikel und Mittheilungen wurden nur im Text genannt. Ich war mir bei Beginn der Arbeit der Schwierigkeiten eines ſolchen Vorhabens recht wohl bewußt. Allein ich trat im Hinblick auf die mir gewordene Mithilfe getroſt an dieſelbe heran, und es berührte mich dann ſehr ſchmerzlich, daß ich durch ein Krank— VI Vorwort. jein und andere Hemmniſſe wiederholt an der Beendigung des Werkes gehindert wurde. Wenn es nun abgeſchloſſen vorliegt, ſo bitte ich alle Leſer, es wohlwollend aufzunehmen als einen Beitrag zur deutſchen Naturkunde, der nicht eine einfache, trockene Belehrungs— quelle ſein will, ſondern auch eine Anregung zur weiteren Beobachtung, eine Werbung für die heimathliche Lurch- und Kriechthierwelt, damit dieſen oft noch ſchmählich ver— kannten und — abgeſehen von den Giftſchlangen — ohne Urſache verachteten und ge— haßten Geſchöpfen, die ja ebenſo wie die beſchwingte Sängerſchaar der Lüfte, wie die farbenſchillernden Schmetterlinge, das Wild des Waldes, die beſchuppte Bevölkerung der kühlen Fluth u. a. daſeinsberechtigt ſind und ein Glied der Bewohnerſchaft unſerer Fluren u. Felder, Wäſſer und Wälder ausmachen, die wünſchenswerthe Aufmerkſamkeit und Beachtung zu Theil werde! Nur wer ein Thier kennt, lernt es auch ſchätzen und ſchützen. Berlin-Charlottenburg, im Sommer 1896. Bruno Dürigen. Inhalt. /// /// Inhaltsverzeichniß ... Erſte Klaſſe. Kriechthiere, Reptilia. Merkmale Seite 1. Geſtalt 1. Bedeckung 1. Knochenbau 2. Sinne 2. Verdauung 3. Athmung, Blut 4. Fort- pflanzung 4. Lebensweiſe 5. Eintheilung 5.) DD ecidebten hoff! une (Körperbau S. 6. Skelett 6. Bedeckung, Panzer 7. Geſchlechter 9. Lebensweiſe 9. Foſſile 10.) Dae cle Ele 8 Gattung: Sumpfſchildkröte, Emyo s e ir Sümpfe, E era, Sade erde 8 II. Ordnung: Echſen, Saur in Fe (Körperbau S. 39. Skelett 40. Haut 41. Häutung 45. Färbung 47. Farbenſpiele 48. Chromat. Funktion 50. Verſchied. Kleider 51. Melanismus 53. Beſchuppung 54. Schilder 57. Drüſen 62. Wohnort 64. Lebensweiſe 64. Vorweltliche 66. Eintheilung 67. Tabelle 68.) ae nung Spoltzungler, Hissilmpua., . . 0.2 2 000 0 —2— inne chte ide chen, Hacertidae. to. aan ne I Satsungenstnechjen ee), ala sahne da aan el hellen .n Ve (Körperbau S. 72. Bekleidung 73. Verbreitung 75. Wohnort 76. Winterſchlaf 77. Sommerleben 78. Sonne 79. Bewegungen 80. Sinne 81. Beanlagung 83. Eidechſe und Menſch 84. Nervenleben 86. Ortsſinn 87. Kampfluſt 88. Verletzung 89. Regeneration 91 (Doppelſchwänze 93.). Empfindlichkeit 96. Krankheiten 96. Feinde 98. Ernährung 99. Trunk und Bad 104. Paarung 105. Eier 106. Brutpflege 108. Junge 109. Gefangenſchaft 109. Zucht 111. Durchwinterung 112. Namen 112. Tabelle 113.) Art: Smaragd⸗Eidechſe, Lac. viridis Art: Zaun-Eidechſe, Lac. agilis . Art: Wald-Eidechſe, Lac. vivipara . An. 4. Art: Mauer-Eidechſe, Lac. muralis . . . . - 2. Unter-Ordnung: Kurzzüngler, Brevilingua . 5 2. Familie: Wühlſchleichen, Seincoidae Ne eee e ee ang Schlangenſcheiche d / 88 5. Art: Blindſchleiche, Ang. fragilis e ee eee Südeuropäiſche Echſen III. Ordnung: Schlangen, Ophidia e e e A en (Körperbau S. 240. Skelett 241. Zähne 242. Giftdrüſe 243. Gift 244. Bekleidung 245. Häutung 249. Färbung 250. Bewegungen 251. Wohnort 254. Winterſchlaf 254. Sommerleben 255. Fortpflanzung 255. Mißbildungen 257. Ernährung 257. Trunk 259. Zählebigkeit 260. Feinde 261. „Zauberkraft“ 261. Vertheidigungsmittel 263. Stimme und Sinne 263. Weſen 267. Gefangenſchaft 268. Zucht 269. Alter 271. Vorweltliche 271. Tabelle 272.) Iesamilies Pattern, Colup ridge 1. Gattung: Waſſernatter, Tropidonotuuns .» 1. Art: Ringelnatter, Trop. natrix . 2. Art: Würfelnatter, Trop. tessellatus 2. Gattung: Landnatter, Coluber . 5 8 0 e,, 3. Gattung: Glattnatter, Coro nella S — 4. Art: Glatte Natter, Cor. austriaca . ie s Gattung Bier pee 5. Art: Kreuzotter, Vip. berus c r . oo ee Sie, Seite III VII 114 145 167 188 216 216 217 218 234 240 27¹ 274 274 295 308 308 321 321 336 337 337 360 369 VIII Inhalt. Zweite Klaſſe. Lurche, Amphibia. (Merkmale S. 371. Geſtalt 371. Haut 372. Fußknoten 374. Warzen und Drüſen 375. Hautabſonderung, Giftſtoff 376. Färbung 379. Farbwechſel 381. Chromatiſche Funktion 383. Kleider 383. Melanismus 384. Häutung 384. Knochenbau 385. Sinnesorgane 387. Athmung 388. 390. Blutlauf 389. Stimme 390. Verdauung 390. Geſchlechter 391. Laichen Entwicklung 394. Froſch- und Molchlarven 394. 397. Hemmungen 395. Neotenie 396. Außer- gewöhnliche Fortpflanzung 397. Baſtarde 397. Doppel- und Mißbildungen 398. Regeneration 399. Wohnbezirk 400. Wanderungen 401. Bewegungen 402. Aufenthalt 402. Tagleben 403. Ernährung 403. Waſſerbedürfniß 405. Winterſchlaf 408. Widerſtandsfähigkeit 406. Weſen 407. Sinne 409. Gefangenſchaft 409. Alter, Feinde 410. Krankheiten 411. Foſſile 412.) Dodnung Froſchlurche, uu, (Körperbau S. 413. Skelett 413. Stimme 414. Ausſchlüpfen 415. Kiemen 416. Kiemenloch 416. Durchbruch d. Beine 417. Größe d. Larven u. Jungen 419. Metamorphoſe 419. Tabelle 420.) 2 1. Familie: Echte 1 RAU r re Gattung Froſch R a. 1 255 Waſſerfröſche, Ranae rates „ Rees RE Art Waſſerfroſch, Rang esculentas-we ge. ͤkʃ b. t Landfröſche, Ranges fuss, Er 2. Art Grasfdoſch Ren ul Er 3, Ark Moorfroſch, Rang yallis 4. nl Springfroſch, Red f Er re Gr Er 2. Familie osten, Baton, Gatfüng Erdkeßte Ps., re nr BE a BE 5, Ark: Graue Kröte, B. vulparisı u ee 6. Art; Grüne Krbte, B. VIri dn en Alk: Freuzkröte, B. Slant ee 2. Fahnlie? Baumfröſſche, Hynes ee re 3. Gattung Laubfröſch, EyVIiIl nn,, 8. Art; Europ Laubfroſch, K erbo rem Falle Froſſchkeöten, Pere atis. Er Gattung Jand uUnke Pelze re Abb Knoblauchskröte, Pe fuseus s 5. Familie: Scheibenzüngler, De % lc cc 5 Gaktung Waſſer ne nns, 10. Arts Gelbbanchige Unke, B Paehyp n Er 11. Art: Rothbauchige Unke, B. bombinus Genen) e 6. Gattung: Feßler, Alytes . * „ 12. Art: Geburtshelferkröte, Al. 1 8 % . Srömung: Schwanzlurche, Drogen 8 Families Salamander, Salad N 8 1° Sottung: Landmoſch ann 1. Art: Feuerſalamander, Sal. maculo ass 2 Art Alpenſalamanden s e: a re 2 Gakktung Waſſermoſch iiergdgd T Merkmale S. 600. Männchen 601. Aufenthalt 601. Winterſchlaf 602. Liebesſpiele 603. Befruchtung 603. Laich⸗ zeit 603. Eier 604. Entwicklung 605. Larven 606. Junge 607 u. 610. Hemmungen 607. Larvenfeinde 608. Nah rung 610. Häutung 611. Stimme 611. Bewegungen 612. Ertrinken 613. Zählebigkeit 613. Gefangenſchaft 614. Tabelle 616.) 3. Art: Kamm-Molch, Tr. eristatus 4. Art; Ber gmacht ns 8 5, Apb: Streitenino ld al ß? 6. Art: Leiſtenmolch, ur Pa Südeuropäiſche üurc ttt ee Jure ee See: A Literatur „fd inet ARE en oo Verzeichniß der Abbildungen , ee ee Fe 5 am „ e e ee e E- . - . - 0; Megiſte22n2n::szs er Seite 413 421 421 422 422 437 437 448 459 466 466 467 481 494 507 507 507 519 519 519 537 537 543 543 558 558 574 575 575 576 594 600 616 624 634 641 648 650 657 671 670 672 Erſte Klaſſe. Neptilien oder Kriechthiere. Reptilia. Kaltblütige (pökilotherme), mit Horn- oder Unochenſchildern be kleidete bezw. bepanzerte, die ganze Lebenszeit durch Lungen athmende und ſomit in der Jugend keine Verwandlung (Metarmophoſe) durchmachende Wirbel— thiere, deren Hinterhaupt ſich mit der Wirbelſäule durch einen Gelenkhöcker ver— bindet. Die Geſtalt des Körpers, und ebenſo die Größe der Thiere wechſelt je nach den Gruppen und Arten der Reptilien ungemein. Das eine Endglied der Reihe bildet die mehr oder minder ausgeprägte Scheibenform der Schildkröten, das andere die langgeſtreckte Walzen- oder Spindelform der Schleichen und Schlangen. Dieſe Körperform herrſcht vor, da ſich ihr auch die unſerer Eidechſen anſchließt oder einordnet, obſchon das Außere der letzteren durch das Vorhandenſein von vier Beinen ein anderes Gepräge erhält; übrigens ſind die auch bei den Schildkröten in Vierzahl vorhandenen, bei manchen außerdeutſchen Echſen verkümmerten Gliedmaßen nur ſchwach und ſeitlich geſtellt, ſodaß ſie in der Regel blos zum Stützen und Nachſchieben des „mit der Bauchfläche auf dem Boden dahingleitenden“ Leibes dienen, während die Wirbelſäule es iſt, die, indem ſie eine mehr gleichmäßige „zu Schlängelungen des Rumpfes befähigende Gliederung“ aufweiſt, vorwiegende Bedeutung für die Orts— bewegung der Schlangen und Echſen hat. Daher iſt auch der Schwanz, welcher keinem Reptil fehlt, bei den in der eben angedeuteten Art ſich fortbewegenden Echſen und Schlangen ſehr entwickelt, denn er übertrifft bei manchen die Länge des Körpers, und ſehr beweglich, wogegen wiederum ein beſonderer Halsabſchnitt kaum ausge— prägt erſcheint; vielmehr geht der längliche, mit weit geſpaltenem Maul verſehene Kopf ohne Weiteres in den Rumpf über oder iſt von dieſem nur durch eine mehr oder minder markirte Einengung abgegrenzt, und blos bei den Schildkröten vermittelt ein wirklicher Hals die Verbindung von Kopf und Rumpf. Die Zahl der mit hornigen, an den Enden ſcharfen Krallen ausgerüſteten Zehen beträgt bei den hier in Betracht kommenden Arten fünf oder vier. Die den Körper in all' ſeinen Theilen bekleidende Haut ſetzt ſich zwar auch gleich der der Amphien und anderer Wirbelthiere aus zwei Hauptlagen: der Unter- oder Lederhaut (Cutis, Corium) und der Oberhaut oder Epidermis zuſammen, indeß iſt dieſelbe nie nackt, weich, ſchlüpfrig wie bei den Lurchen, ſondern durch Verhornungen und Verknöcherungen ausgezeichnet, welche entſtehen, indem die Lederhaut von Stelle zu Stelle ſich verdickt und die Oberhaut an denſelben Stellen in größerem oder ge— ringerem Grade verhornt. Sie bilden dadurch Schuppen, Schilder, knöcherne 1 Haupt⸗ merkmale. Geſtalt. Körper⸗ Bedeckung. Knochenbau. Sinne. 2 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Tafeln. Wahre Schuppen, d. h. dünne, in eigenen Taſchen der Lederhaut ſteckende und einander dachziegelartig deckende Hornplättchen, wie ſie die Fiſche beſitzen, kommen unter den Reptilien nur bei manchen ausländiſchen Echſen vor; vielmehr ſtellen ſich die ſogen. Schuppen (squamae) der Reptilien dar als ſchuppenähnliche, vorn an— gewachſene, mit dem hinteren Theil aber freie Erhöhungen der Lederhaut, über welche ſich die dünne, eng ſich anſchmiegende Oberhaut hinwegzieht: ſo bei den Schlangen und Eidechſen, deren Beſprechung auch alle die Eigenheiten der Haut näher darlegen wird. Von dieſen „Schuppen“ unterſcheiden ſich die gleichfalls bei den Schlangen und Eidechſen, und zwar an deren Unterſeite auftretenden Schilder (scuta) dadurch, daß ſie meiſt größer, ſcharfeckiger ſind, mit der ganzen Fläche anliegen und ſich nicht decken; auch ſie werden von der Epidermis überzogen, deren Grundfärbung gern dem Aufenthalt des Thieres entſpricht. Die Oberhaut der Schlangen und Echſen erneuert ſich alljährlich mehrmals, indem das alte „Hemd“ entweder im Zuſammenhang oder ſtückweiſe abgeſtreift wird, welchen Vorgang man Häutung nennt. Bei den Schildkröten dagegen verwachſen die in den erwähnten Erhöhungen der Lederhaut entſtehenden Knochentafeln unter ſich und mit dem Knochengerüſt, um die Rücken— und Bauchſchale, das Gehäuſe zu bilden, auf dem die Epidermis ſich ſtark hornartig verdickt zu dem ſog. Schildpatt. Infolge der Beſchuppung und Beſchilderung der Reptilien, welche de Blainville als Schuppenträger von den nackthäutigen Amphibien trennte, treten bei ihnen weit ſeltener als bei den letzteren Drüſen auf, ſodaß die Autoren von einer cutis sicca (trockne Haut) ſprechen; gewöhnlich ſind die Drüſen auf einzelne Körpertheile beſchränkt, ſo bei den Eidechſen die in Reihen an der Innenſeite des Oberſchenkels ſtehenden „Schenkelporen“. Hinſichtlich des Skelets wäre zu bemerken, daß der Bau des Schädels an den des Vogelſchädels gemahnt; ſo auch verbindet ſich der jederſeits aus mehreren Stücken zuſammengeſetzte Unterkiefer, deſſen beide Hälften bei den Schlangen am Kinn— winkel nur durch dehnbare Bandmaſſe verbunden ſind, mit dem Schädel durch Ver— mittelung eines Quadratbeins und das Hinterhaupt mit der Wirbelſäule nur durch einen Gelenkhöcker. Die Zahl der Wirbel ſchwankt bedeutend; man vergleiche nur den kurzen Bau der Schildkröten und die Länge der Schlangen! Den letzteren fehlt das Bruſtbein und der Schultergürtel nebſt dem Beckengürtel, und bei den fußloſen Echſen ſind Schulter- und Beckengürtel nur angedeutet, während bei den anderen Reptilien der Beckengürtel, in deſſen Gemeinſchaft zwei Kreuzbeinwirbel auftreten, jederſeits aus Darmbein, Sitzbein und Schambein ſich zuſammenſetzt und durch Ver— einigung der beiderſeitigen Scham- und Sitzbeine nach unten ſich ſchließt. Die Halswirbelſäule zeichnet ſich aus durch den Beſitz von Halsrippen, ſie fehlen nur den Schildkröten; bei den Eidechſen folgen auf die Halsrippen echte Bruſtrippen, die ſich mit dem Bruſtbein vermöge beſonderer Verbindungsſtücke vereinen; bei den Schildkröten hingegen, die gleich den Schlangen des Bruſtbeins ermangeln, betheiligen ſich die Rippen an der Bildung des Rückenpanzers (f. dort). Das Gehirn beſteht aus Vorder-, Mittel- und Hinterhirn, der erſtere und der letztere Theil ſind jedoch bei Schildkröten und Schlangen mehr oder minder ver— kümmert. Unter allen Sinneswerkzeugen erſcheinen die Augen wohl am beſten, immerhin aber in ſehr verſchiedenem Grade entwickelt; bei all' unſeren heimiſchen Arten ſind ſie frei, alſo bei keiner derſelben ſo klein und verkümmert oder gar von der allgemeinen Körperhaut überzogen, wie es bei einigen ſüdeuropäiſchen Spezies der Fall iſt; Augenlider fehlen entweder gänzlich (Schlangen), oder ſie ſind längsge— ſpalten (Echſen) oder ſchief von hinten nach vorn und unten geſpalten (Schild— Allgemeines. 3 fröten), bei außerdeutſchen Reptilien kommen auch ring- oder ſelbſt halbkugelförmige, oder uhrglasartige und nur in der Mitte geöffnete Lider vor. Nächſt dem Geſicht leiſtet wohl der Geruch, wenigſtens beim Aufſuchen der Nahrung, dem Reptil wichtige Dienſte, obgleich er bei den Schlangen nicht recht entwickelt zu ſein ſcheint; dagegen iſt das Gehör meiſt ſchwach. Die kleinen Naſenlöcher ſtehen weit vorn; ein äußeres Ohr fehlt, doch liegt bei vielen Echſen und Schildkröten das Trommelfell, welches (ebenſo wie Paukenhöhle und Euſtachiſche Röhre) den Schlangen mangelt, frei zu Tage. Der Geſchmacks ſinn it wohl nur unvollkommen entwickelt; wahr— ſcheinlich ſind die von Leydig an beſtimmten Stellen der Mundhöhle von Schlangen und Eidechſen entdeckten becherförmigen Sinnesorgane als Geſchmackswerkzenge zu betrachten, während die Zunge zum Taſten dient. Die Nahrung wird unmittelbar mit den Kieferrändern bezw. den Zähnen er— griffen und nur bei einigen ausländiſchen Echſen (Chamäleons) mittelſt der lang vor— ſtreckbaren Zunge erfaßt. Uebrigens iſt die letztere entweder kurz, fleiſchig und mit ihrer Unterſeite an den Boden der Mundhöhle angewachſen: Schildkröten, oder aber dünn, bandförmig, vorn zweitheilig, vorſtreckbar und, beim Aufſperren des Rachens und beim Freſſen, in eine Scheide zurückziehbar: Schlangen und Eidechſen; die letzteren benutzen ſie zum Auflecken des Waſſers, immerhin iſt ſie aber kaum als Ernährungs-, ſondern mehr als Taſtorgan zu bezeichnen. Das meiſt verhältniß— mäßig weit geſpaltene und bei den Schlangen einer Erweiterung fähige Maul zeigt ſich entweder vollſtändig zahnlos und nur mit harten, ſchneidigen, dem Vogelſchnabel entſprechenden Kieferrändern ausgerüſtet (ſo bei den Schildkröten), oder mit hakenartig nach hinten gekrümmten, zum Ergreifen und Feſthalten der Beute, nicht aber zum Kauen zu verwendenden Kiefer- und Gaumenzähnen verſehen, ſo bei den Schlangen und Eidechſen. Je nachdem nun die Zähnchen ſolid ſind oder aber in ihrem Wurzeltheil eine Höhlung beſitzen, ſo nennt man dieſe Rep— tilien pleodont, d. h. gefüllt- oder vollzähnig, oder cölodont, hohlzähnig; und je nachdem ſie entweder den Kieferrändern einfach aufſitzen oder aber ſeitlich an einer ſtark vortretenden Knochenleiſte befeſtigt ſind, bezeichnet man die Thiere als acrodont (hochgezähnt, weil die Zähne auf der Höhe des Kiefers befindlich) oder als pleurodont, ſeitenzähnig. Von einem regelmäßigen Zahnwechſel läßt ſich, da ſich fort— während neue Zähne zwiſchen und unter den alten bilden, nicht ſprechen; bei den mit einer großen Giftdrüſe ausgeſtatteten Giftſchlangen insbeſondere iſt dieſer Punkt weſentlich. Echte Speicheldrüſen fehlen in der Mundhöhle, dagegen iſt eine mit einem (ſeltner zwei) Ausführungsgang verſehene Bauchſpeicheldrüſe vorhanden, ebenſo eine Gallenblaſe und die bei Schildkröten zweilappige, bei Eidechſen meiſt am Rande unvollſtändig gelappte, bei Schlangen unzertheilte Leber. Die meiſt in Längsfalten zuſammengelegte und vornehmlich bei den Schlangen ſehr ausdehnungsfähige Speiſeröhre geht faſt unvermittelt in den großen dickwandigen, bei den Schildkröten quer-, bei Eidechſen und Schlangen vorwiegend längsgelagerten Magen über, an welchen ſich, durch eine Falte oder Klappe abgegrenzt, der kurze und weite — im Allgemeinen iſt der geſammte Darmkanal etwa doppelt, nur bei pflanzenfreſſenden Schildkröten ungefähr ſechsmal ſo lang als der Körper — und wenig gewundene Darm anſchließt, deſſen Endtheil mit den Harnleitern und den Geſchlechtsorganen, aber getrennt von einander, in eine gemeinſchaftliche Höhle münden. Die letztere, Kloake genannt, öffnet ſich nach außen in einer länglich-runden Spalte (bei den Schildkröten) oder einer Querſpalte: bei Schlangen und Eidechſen. Die erwähnten Harnleiter nehmen ihren Verlauf am Innenrande der länglich geformten, im hinteren Theil der Leibeshöhle, ſeitlich von 1185 Verdauung. Athmung. Blut. Fortpflanzung. 4 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. der Wirbelſäule gelegenen Nieren. Die Verdauung geht langſam vor ſich, und bei geringem Stoffwechſel, inſonderheit alſo bei niedriger Temperatur, vermögen die Reptilien lange, zuweilen ein halbes Jahr hindurch, zu faſten. Die Athmung erfolgt ausſchließlich durch ein Paar Lungen, deren rechte bei den langgeſtreckten Reptilien und Schleichen erheblich ſtärker entwickelt iſt als die linke. Beim Athmen wird die Luft durch die in die Mundhöhle ſich öffnenden Naſen— löcher und nur, wenn die Thiere beträchtlicher Hitze ausgeſetzt ſind, durch das auf— geſperrte Maul eingezogen. Die Luftröhre iſt lang, von knorpeligen oder knöchernen Ringen geſtützt und gewöhnlich in gerader Richtung verlaufend. Der mit ſpaltförmiger Stimmritze beginnende einfache Kehlkopf ermangelt, wenigſtens gilt dies für unſere heimiſchen Reptilien, der Stimmbänder. Faſt alle lebenden Arten entbehren einer wirklichen Stimme; das Ziſchen, durch welches die Schlangen furchtſame Perſonen in Schrecken jagen, entſteht in der Weiſe, daß die Lungen vermöge heftigen Zuſammen— ziehens die ihnen enthaltene Luft mit großer Kraft durch die enge Stimmritze preſſen und dann durch Aufblähen andere wieder einzuziehen. — Das Herz beſitzt zwei Vorkammern, indeſſen ſind rechte und linke Kammer nur unvollkommen voneinander getrennt, weshalb der Blutkreislauf unvollſtändiger iſt als bei Säugethieren und Vögeln. Die Temperatur des als „kalt“ bezeichneten Blutes fällt und ſteigt mit der der atmoſphäriſchen Luft, die Reptilien ſind mithin wechſelblütig oder wechſel— warm (pökilotherm). Alle Reptilien ſind getrennten Geſchlechts, und die Begattung, für welche die Männchen der Schildkröten eine an der Vorderwand der Kloake liegende ſchwell— bare Ruthe, die männlichen Schlangen und Eidechſen indeß zwei glatte oder beſtachelte, in einen taſchenartigen Hohlraum hinter der Kloake eingezogen liegende und vor— jtülpbare Hohlkegel (Hohlſchläuche) beſitzen, führt bei allen Arten zur Befruchtung der Eier im Innern des weiblichen Körpers. Die Eierſtöcke liegen gewöhnlich oberhalb der Nieren, bei den Schlangen iſt der rechte größer und weiter nach vorn gerückt als der linke; das letztere gilt auch hinſichtlich der Hoden der männlichen Schlangen, während dieſelben bei den übrigen Reptilien gleichgroß und gleichgelagert ſind. Die Ausführungsgänge der Hoden ſammeln ſich gewöhnlich in einem Nebenhoden, von welchem dann die Samenleiter ausgehen. Dieſe ſowohl als die Eileiter, welche mit einer weiten, trichterförmigen, inneren Offnung zur Aufnahme der aus dem Eier— ſtock austretenden Eier verſehen ſind und in ihrem mittleren, drüſenreichen Abſchnitt den Eiern die Eiweißumhüllung und die Schale geben, münden geſondert in die Kloake ein. Die Eier, welche bei Schlangen und Echſen eine lederartige, bei den Schildkröten aber eine infolge eingelagerter Kalkſalze feſtere Schale haben, werden in den meiſten Fällen lange vor der Fruchtreife an geeignete Orte: ſelbſtgegrabene oder vorgefundene Höhlungen in Erde, Dung, altes Laub c., gelegt, wo ſie vermöge natürlicher Wärme der Umgebung zur Entwickelung gelangen. In unſerer deutſchen Fauna — und zwar bei der Hälfte der heimiſchen Arten, den Vipern, der Glattnatter, Blindſchleiche und Waldeidechſe — kommt jedoch der andere Fall häufig vor, daß nämlich das Weibchen die Eier ſo lange in dem unteren Abſchnitt des Eileiters behält, bis die Jungen ſich in ihnen vollſtändig entwickelt haben, ſodaß dieſe dann, einzeln abgeſetzt, das ſie umſchließende Häutchen, das Eihäutchen, alsbald zerreißen und ein ſelbſtſtändiges Leben beginnen; zum Zweck des leichteren Durchbrechens der Eiſchale haben die jungen Reptilien auf dem Zwiſchenkiefer einen hornigen Fortſatz, den ſog. Eizahn, welcher nach dem Ausſchlüpfen verſchwindet. Man nennt die eierlegenden Reptilien ovipar, die ausgebildete Junge abſetzenden Arten hingegen vivipar Allgemeines. 5 (lebend-gebärend), obgleich für dieſe, da die Embryonen bezw. Jungen doch auch von einer, vom Eileiter gelieferten Art Eihülle umgeben ſind, die Bezeichnung ovo-vivipar genauer wäre. Die Entwickelung der Reptilien ſchließt ſich, unter Ausbildung von Amnion (Schafhaut) und Allantois (Hornhaut), ſomit eng an die der nächſthöheren, warmblütigen Wirbelthiere an, während die Fortpflanzung der Amphibien, durch Laich, ſich der der Fiſche an die Seite ſtellt. Im Vergleich zu den Amphibien iſt die Vermehrung der Reptilien eine ſehr geringe. Die jungen Reptilien gleichen, aus— ſchließlich der Größe und Färbung, gleich vom Ausſchlüpfen an den alten. Auch die Geſchlechter, von denen im Allgemeinen das männliche von dem weiblichen hinſichtlich der Größe übertroffen wird, unterſcheiden ſich oft — z. B. Eidechſen — betreffs der Färbung und Zeichnung. Die weitaus größte Zahl der Reptilien ſind Landbewohner und zugleich Bodenthiere, wenngleich viele gern in der Nähe des Waſſers und in dieſem ſelbſt leben, z. B. Ringel- und Würfelnatter und Schildkröte. Die Nahrung beſteht in der Regel aus kleinen lebenden Thieren, welche faſt immer unzerſtückt ver— ſchlungen werden; unter den deutſchen Arten befindet ſich kein Pflanzenfreſſer, unter den übrigen Europäern nur die Land- (und See-) Schildkröten und z. Th. der Dorn— ſchwanz (Uromastix). Alle deutſchen Spezies halten, wie die europäiſchen überhaupt, einen Winterſchlaf, indem fie ſich als wärme- liebende Thiere vor Eintritt der rauhen Jahreszeit an geſchützte Orte zurückziehen und hier, unter bedeutender Ver— minderung der Athmung, in einem Zuſtande mehr oder weniger tiefer Erſtarrung bis zum Frühling bleiben. Alle dieſe Punkte werden eingehend bei Beſprechung der einzelnen Gruppen und Arten berückſichtigt werden. Die Klaſſe zerfällt in vier Ordnungen, von welchen jedoch die der Panzer— Echſen oder Krokodile (Hydrosauria s. Loricata) weder für Deutſchland noch für Europa in Betracht kommt. Die Unterſcheidung der anderen 3 Ordnungen zeigt folgende Überſicht: Körper ſcheibenförmig, in eine aus einer Rücken- und einer Bauch— ſchale gebildeten, nur für Kopf, Schwanz und Füße offenen knöchernen Kapſel eingeſchloſſen; Kiefer zahnlos, mit ſchneidigen Rändern; Kloake Fee y FR EE NERE Page .I. Schildkröten. Meiſt 4 Füße (ausnahms⸗ weiſe keine Füße); Schulter⸗ 82 = 5 ürtel und Bruſtbein vor— N geſtreckt, mit zn bedeckt; ö ande Augenlider längs— Kiefer und Gaumen bezahnt; Kloake ) geſpalten 2. Eidechſen. guergejnalien. Fußlos; Schultergürtel und Bruſtbein fehlen; Augen ohne ide? NR. 3. Schlangen. — In Deutſchland heimaten ein Vertreter der I., fünf Vertreter der II. und ſechs Vertreter der III. Ordnung. Faſſen wir die Bekleidung des Körpers ins Auge, ſo könnten wir zunächſt zwei Unterklaſſen aufſtellen: bepanzerte und be— ſchuppte Reptilien, zu jenen zählen die Schildkröten, zu dieſen die Eidechſen und Schlangen. Lebensweiſe. Eintheilung. Körperbau. Skelet. 6 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. I. Ordnung. Schildkröten. Chelonia. Körper breit, ſcheibenförmig, in eine knöcherne), aus einer Rücken— und einer Bauchſchale gebildeten Kapſel (Panzer) eingeſchloſſen; Kiefer zahnlos, mit ſchneidigen Rändern; vier Beine, Sehen nie frei; Kloake längsgeſpalten. Das bezeichnendſte Merkmal der Schildkröten bildet der knöcherne Kapſel— panzer (testa), welcher den breiten, mehr oder minder ſcheibenförmigen Rumpf ſchützend umgiebt und zum Theil aus Knochentheilen der Wirbelſäule und Rippen und zum Theil aus Hautknochen gebildet wird, auf welche Punkte weiter unten zu— rückzukommen iſt. Der Kopf erſcheint gewöhnlich kurz, etwa eiförmig oder mehr eckig, hinten am breitſten und abgeſtutzt; Gaumen ſowohl als Kiefer ſind zahnlos, letztere aber dafür, gleich dem Vogelſchnabel, mit ſcharfen Hornſchneiden überzogen, welche entweder ganzrandig oder zahnartig geſägt (ſeltener) ſind und als Oberſchnabel (Rhinotheca) und Unterſchnabel (Gnathotheca), deren erſterer an der Spitze nicht ſelten in einen nach abwärts gerichteten zahnartigen Vorſprung ausgezogen iſt, be— zeichnet werden; die dickfleiſchige, mit weichen Warzen beſetzte Zunge iſt nicht vor— ſtreckbar, das frei zu Tage liegende Trommelfell (tympanum) ei- oder kreisförmig; die kleinen Naſenlöcher ſtehen dicht bei einander an der Schnauzenſpitze; die in geſchloſſenen Augenhöhlen liegenden, mäßig großen Augen beſitzen außer einem oberen und einem unteren Augenlid eine vom inneren Augenwinkel nach vorn zu ſchiebende Nickhaut und ferner, wie die der Vögel, an der Übergangsſtelle der weißen Augen— haut in die Hornhaut einen aus einzelnen Knochenplättchen gebildeten Ring. Der ziemlich lange Hals iſt völlig unter die Schale zurückziehbar und mit einer ſchlaffen, faltigen Haut bedeckt, welche ſich beim Zurückziehen kapuzenartig bis zu den Naſen— löchern über den Kopf ſchiebt. Der Schwanz iſt mehr oder weniger lang und ſpitz, bei der griech. Schildkröte am Ende mit einem hornigen Nagel verſehen; an der Wurzel bemerkt man unterſeits die länglich-rundliche Kloaken- Offnung. An den 4 Füßen ſind die 4 oder 5 Zehen entweder bis zu den Krallen durch derbe Spann— häute (Schwimmhäute) verbunden oder aber vollſtändig unter einander und mit dem Fuß zu einem ungegliederten Körpertheil verwachſen und ebenfalls nur die Krallen freilaſſend; erſtere Art Füße, den Sumpfſchildkröten eigen, nennt man Schwimmfüße, die andere den Landſchildkröten zukommende Art „Klumpfüße“. Am Schädel, deſſen Knochen durch Nähte feſt aneinander ſchließen und ein breites, in einen ſehr kräftig entwickelten Hinterhauptskamm ſich fortſetzendes Dach bilden, iſt der Schnauzentheil kurz und ſtumpf, die Zwiſchen- und Oberkieferbeine ſind feſt und unbeweglich mit dem Schädel verbunden, die Unterkieferäſte vorn in ein einfaches Kinnſtück verſchmolzen, der Schädel ſelbſt hinten abgeſtutzt, mit einfachem Gelenkknopf für den erſten Halswirbel, das Stirnbein jederſeits aus drei Stücken zuſammengeſetzt, deren vorderes die Naſenhöhle bedeckt, die Schläfengrube oben frei oder mit einer knöchernen Wölbung verſehen. Von den Knochen der Wirbel— ſäule ſind nur die des Halſes und Su: beweglich, die übrigen find mit den Rippen (k) zu dem Rückenpanzer verbunden. Den 8 Halswirbeln fehlen die Rippen, 2 haben ſie ſehr vollkommene Kugelgelenke, und dieſe Einrichtungen ermöglichen ) Wir berücfichtigen hier, wie ſtets, nur die in Deutſchland bezw. Europa heimatberechtigten Arten. * Erſte Ordnung. Schildkröten. 7 die ſtärkſten Krümmungen des Halſes und das Zurückziehen deſſelben unter den Panzer; der Schwanz ſetzt ſich aus einer größeren Zahl ſehr beweglicher Schwanzwirbel (16 bis 36) zuſammen. Die Dornfortſätze und Rippen der Rumpfwirbel, deren 10 vorhanden ſind, bilden gemeinſchaftlich mit einer Anzahl paariger und unpaariger Hautknochen den gewölbten Rückenpanzer und zwar gewöhnlich in der Weiſe, daß die abgeplatteten oberen Dornfortſätze von 7 Rumpfwirbeln (2 bis 8) eine mittlere Reihe von 7 Knochentafeln und jederſeits davon die ſtark verbreiterten Rippen (mit Ausnahme der erſten und letzten) 8 breite, durch zackige Nähte ineinander greifende Quertafeln bilden, welche dann wiederum an die randſtändigen Haut— f knochen ſtoßen; dieſe innige Verwachſung und Verſchmelzung der drei Arten Knochen zu einem Ganzen, dem Rückenpanzer, geht aber nur allmählich vor ſich, wovon man ſich durch Unterſuchung junger Schild— kröten überzeugen kann. Der flache Bruſtpanzer zählt 4 Paar Knochen— platten, zwiſchen deren vorderes Paar ſich noch ein einzelnes Stück einſchiebt. Die eigenartige Panzerbildung bewirkt nun aber, daß ſich der Schultergürtel mit der zugehörigen Muskulatur nicht außen an den Bruſtkaſten anlegen kann, ſondern daß er und ebenſo das Becken innerhalb der Rumpfhöhle ſtecken und die betreffenden Muskeln ſich an die Innenſeite der bezüglichen Knochen heften. Der Schultergürtel beſteht aus dem, einen aufſteigenden ſtabförmigen Knochen bildenden Schulterblatt, deſſen oberes Ende ſich dem Querfortſatz des vorderſten Bruſtwirbels anfügt, aus dem Schlüſſel— Fig. 1. Knochengerüſt einer Schildkröte. a. Schulterblatt. b. Schlüſſelbein. e. Unterarm. d. Oberarm. 85 8 5 8 x e. Rückenwirbel. k. Rippen. g. Becken. h. Unterſchentel. und dem Gabelbein. Zwei breite, platte i. Oberſchenkel. Nin 6 f 1 k n Wirbel ſetzen den Kreuztheil, drei kurze und breite Knochen jederſeits das am Kreuzbein aufgehängte Becken zuſammen; Ober— arm, welcher durch einen großen Gelenkknopf mit den drei Stücken des Schultergürtels gliedert, und Oberſchenkel ſind kurz und ziemlich gerundet, Unterarm und Unterſchenkel beſtehen aus je zwei getrennten Knochen, Hand- und Fußwurzel aus mehreren kleinen unregelmäßigen Knöchelchen, Finger und Zehen (meiſt je fünf) aus 2 oder 3 Gliedern, deren letztes gewöhnlich eine Kralle oder einen Nagel trägt. Die den Knochenpanzer (testa) überziehende Oberhaut bleibt bei unſeren Arten nie weich, ſondern verhornt zu einer — unter der Bezeichnung Schildpatt bekannten — feſten Schicht, welche aus einer beſtimmten Anzahl regelmäßig ange— ordneter mehreckiger und ablösbarer Hornplatten oder Schilder (seuta) beſteht. Dieſe Schilder ſind vermöge ihrer Oberfläche, Form, Zahl und gegenſeitigen Lage ſehr wichtig für die Unterſcheidung der Abtheilungen und Arten der Schildkröten und gruppiren ſich regelmäßig in der Weiſe, daß man an der Rückenſchale (testa dorsalis; carapax) eine mittlere und zwei ſeitliche Reihen und um dieſe herum einen Bogen Rand— ſchilder und an der Bauchſchale (testa ventralis; sternum; plastron) gewöhnlich 6 Körper Bedeckung. Rückenſchale. Bauchſchale. 8 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Doppelreihen Schilder unterſcheidet; ſie entſprechen jedoch keineswegs, was Größe (Umriß) und Anzahl anbelangt, den unter ihnen liegenden Knochenplatten des Panzers. Die meiſten Hornſchilder zeigen eine ziemlich in der Mitte gelegene er— habene oder beſonders glatte, gewöhnlich auch von mehr oder weniger concentriſchen Streifen (Anwachsſtreifen) bezw. Furchen umzogene Stelle: das Mittelfeld (Arcole), viele Platten auch einen mehr oder minder kräftigen Längskiel (carina). a) An der Rückenſchale (Fig. 2) bilden die mittlere und die beiden ſeit— lichen Längsreifen der Schilder zuſammen die ſog. Scheibe oder den Discus (Fig. 2 Nr. 1-9); die längs der Rückenmitte ſich hinziehenden, alſo die Rückenwirbel deckenden Platten insbeſondere, 5 Stück, bezeichnet man als die Wirbelſchilder (scuta vertebralia) und die beiderſeits anſtoßenden, auf den Rippen liegenden Platten, 4 2 0 12 = ii Fig. 2. Rückenſchale der europ. Sumpfſchildkröte. 1—5 Wirbel-, 6—9 Rippenſchilder, 10 Nacken. ſchild, 11 Schwanzſchilder, 12 Hals-, 14 Arm-, 15—19 Seiten- u. 20 — 22 Schenkel Randſchilder. 13 u. Paar, Nr. 6—9, als die Rippenſchilder (scuta costalia). Die Marginal- oder Randplatten (se. marginalia) bilden die äußere Begrenzung der Rücken— ſchale. Es treten deren jederſeits 11 Stück, alſo 11 Paar (Nr. 12— 22), auf; zwiſchen die beiden vorderſten Rand— ſchilder ſchiebt ſich aber noch ein einzelnes kleines Schild, die über dem Halſe ſtehende Nackenplatte (scutum nuchale, Nr. 10), und zwiſchen das hinterſte Paar noch das entweder einfach oder paarig erſcheinende Schwanz— ſchild (Sc. supracaudale; Nr. 11) ein. Von den 11 Paar Randſchildern werden benannt: das das Nackenſchild rechts und links begrenzende Paar die Halsrandſchilder (scuta margino-collaria; Nr. 12), die folgenden zwei, über den Vorderbeinen ſtehenden Paare die Armrandſchilder (sc. margino-brachialia; Nr. 13 und 14), die in der Schenkel— gegend befindlichen, an das Schwanzſchild ſich anſchließen— den drei Paare die Schenkelrandſchilder (sc. margino- femoralia; Nr. 20—22) und die zwiſchen den letzten beiden Gruppen, in der Flanken— gegend liegenden 5 Paare die Seiten- oder Flanken -Randſchilder (sc. margino- lateralia; Nr. 15—19). b) Die Unter-, Bruſt- oder Bauchſchale (Fig. 3) beſteht aus weniger Platten als die Rückenſchale, nämlich aus 6 Paar, welche von der Mitte der Schale aus nach vorn und hinten an Größe abnehmen. Das 1. Paar, die Kehlſchilder (scuta gularia), deckt die Kehlgegend; das 2. Paar, die Armſchilder (sc. brachialia), die Arme; das 3. Paar, die Bruſtſchilder (sc. pectoralia), die Bruſt; das 4. Paar, die Bauchſchilder (Sc. abdominalia), den Leib, dann folgen die Schenkel- (sc. femoralia) und ſchließlich die Afterſchilder (sc. analia). Dieſe 6 Platten-Paare ſind entweder alle unbeweglich mit einander verbunden; oder ſie bilden, zu je drei Paaren, zwei an der Grenze von Bruſt- und Bauch— ſchildern beweglich aneinander gefügte Querſtücke, den Vorder- und Hinterlappen, wie es bei unſerer deutſchen Art der Fall iſt. Fig. 3. Bauchſchale der kaspiſchen Sumpfſchildkröte. 1 Kehle, 2 Arm-, 3 Bruſt-, 4 Bauch-, 5 Schenkel-, 6 Aſter-, 7 Achſel-, 8 Leiſtenſchilder. Erſte Ordnung. Schildkröten. 9 Die Verbindung der Rücken- und Bauchſchale erfolgt ſtets und nur an den Seiten des Panzers, zwiſchen Vorder- und Hinterbeinen, und zwar nehmen daran blos die beiden mittleren Plattenpaare der Bauchſchale, und in ber Aus⸗ dehnung, theil, ſodaß vorn eine Offnung zum Durchtritt für Hals 11 Vorderfüße und hinten eine Spalte für Hinterfüße und Schwanz bleibt. An der Verbindungs— ſtelle, der ſog. Sternocoſtal-Sutur oder Seitennaht, ſtoßen bei unſrer heimiſchen Art die betreffenden Rücken- und Bauchplatten unmittelbar aneinander, e man nur von einer knorpeligen (loſen) Naht ſprechen kann; bei der kaſpiſchen V zerwandten aber ſchieben ſich hier zwiſchen Rücken- und Bauchſchale noch beſondere in Fig. 3 mit veranſchaulichte kleine Schilder ein, ſo am vorderen Ende der Seitennaht ein Achſel— ſchild (seutum axillare) und am hinteren Ende über den Schenkeln, ein Weichen- oder au 080 inguinale). Die Bedeckung der übrigen Körpertheile: Kopf, Hals, Beine und Schwanz, beſteht in einer derben, rauhen oder körnigen und vielfach mit 191 oder platten— artigen Hornbildungen — die am Kopf ſogar regelmäßige Schilder darſtellen — beſetzten Haut; da aber dieſe Schilder für die Syſtematik kaum von Bedeutung ſind und übri— gens entſprechend den Kopfſchildern der Eidechſen und Schlangen (vergl. dort) benannt werden, ſo brauchen wir hier nicht näher darauf einzugehen. In der Natur der Ge— ſammtbedeckung bezw. der Oberhaut liegt es begründet, daß bei den Schildkröten eine Häutung, wie 65 den Schlangen, Echſen und Amphibien eigenthümlich iſt, nicht ſtattfindet. Unter allen Reptilien und Amphibien läßt ſich bei Schildkröten und Schlangen die geſchlechtliche Sonderung äußerlich am wenigſten erkennen. Bei den Sumpf- und Landſchildkröten kennzeichnen ſich die Männchen durch eine längs der Mitte eingedrückte oder ſchwach ausgehöhlte (konkave) Bauchſchale und einen längeren Schwanz; die Bruſt— ſchale der Weibchen iſt rein flach oder bei manchen Sumpfſchildkröten ſogar etwas gewölbt, konvex. Die Färbung bietet keinen Anhalt betreffs des Geſchlechts, eher aber bezüglich des Alters. Die Schildkröten verbreiten ſich, mit geringer Ausnahme, nur über die Länder der heißen und die warmen Theile der gemäßigten Zone. Dies beſtätigt auch unſer Erdtheil. Die Sumpfſchildkröten leben in und am Waſſer, die Landſchildkröten auf trockenem Boden; erſtere nähren ſich von thieriſcher, letztere faſt durchweg von pflanz— licher Koſt; letztere ſind auch langſamer, unbeholfener in ihren Bewegungen als die Sumpfſchildkröten, welche ſich zudem im Waſſer äußerſt gewandt bewegen. Eine eigentliche Stimme fehlt den meiſten, nur einige laſſen eine Art Pfeifen hören, alle aber (in der Erregung) ein deutliches, durch plötzliche Entleerung der Luft aus den Lungen hervorgerufenes Ziſchen vernehmen. Wie unſere anderen Reptilien halten auch die Schildkröten Winterſchlaf, aus dem ſie je nach der Witterung etwas früher oder ſpäter erwachen. Einige Zeit nach vollzogener, oft tagelang dauernder Begattung — wobei entweder Männchen und Weibchen, die Bauchſchalen gegen einander gekehrt, mit den Füßen ſich aneinander klammern, oder das Männchen von dem Weibchen ge— tragen wird — legt das Weibchen in feuchte Erde, Sand, unter Laub und Mulm de. ohne eigentliche Unterbrechung rundliche Eier, welche unter der kalkhaltigen, ſeltener pergamentartigen weißen Schale eine den großen Dotter umgebende Eiweiß-Schicht enthalten und einer langen Nachreife bedürfen. Sind die Embryonen zum Aus— ſchlüpfen reif, jo öffnen fie die brüchige Schale vermöge einer hornigen Erhebung der Schnabelſpitze (gleich den Vögeln). Die friſch ausgekrochenen Jungen, um die ſich die Alten ebenſo wenig wie um die abgelegten Eier kümmern, beſitzen eine noch weiche, Haut. Geſchlechter. Lebensweiſe. Foſſile. Körperbau. 10 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. knorpelartige Schale, welche erſt nach und nach infolge Ablagerung von Kalk erhärtet; ſie wachſen ſehr langſam, werden erſt nach einer Reihe von Jahren fortpflanzungs⸗ fähig und erreichen ein hohes Alter, wohl das höchſte von allen Wirbelthieren. So gleichgiltig gegen Verwundungen und andere Einflüſſe (Nahrungsmangel, Hitze), ſo lebenszäh ſie erſcheinen, ſo empfindlich ſind ſie im Allgemeinen gegen niedere Temperatur. Foſſil treten Schildkröten zuerſt, wenngleich noch ſpärlich, im oberen weißen Jura, zahlreicher dagegen in der Tertiärzeit — in Deutſchland z. B. im Mergellager bei Oeningen a. Rh. (Oberſchwaben) — auf. War demnach in den untergegangenen Welten der Tertiärzeit die Ordnung der Schildkröten in unſerem Vaterlande durch mehrere Familien mit verſchiedenen Arten vertreten, ſo wird ſie gegenwärtig bei uns nur durch eine Spezies, die gewöhnliche Teich- oder Sumpfſchildkröte (Emys europaea, Schneider) repräſentirt. Sie gehört, wie die im Süden Europas heimiſche kaspiſche Schildkröte, zur Familie der Sumpf fſchildkröten (Emydae s. Paludites). Außer dieſen beiden gehören der europäiſchen Fauna noch zwei Arten Landſchildkröten (Chersidae) an. Dieſe beiden hier in Betracht kommenden Familien unterſcheiden ſich leicht in folgender Weiſe: [ Kopf nicht beſchildert; Hals und Schwanz ziemlich lang; Rückenſchale ziemlich flach gewölbt, mit der Bruſtſchale manchmal beweglich verbunden, Areolen bei alten Thieren undeutlich; Füße mit deutlich | unterſchiedenen, beweglichen, durch Schwimmhäute verbundenen Zehen; Krallen lang, ſcharf gekrümmt .. . Sumpfſchildkröten. Kopf bis zwiſchen die Augen mit großen Schildern; Hals und Schwanz kurz; Rückenſchale hoch gewölbt, ſehr hart, mit der Bruſtſchale ſtets unbeweglich verbunden, Areolen ſehr deutlich; Füße | plump, ungegliedert, Zehen nicht unter— | ſcheidbar, nur die ſtarken, A geraden Krallen fr!!! . Landſchildkröten. Kopf und Hals, Schwanz und | Beine unter den Panzer zurück— ziehbar; Trommelfell (tym— panum) ſtets ſichtbar; Rücken- und Bauchſchale mit J Hornplatten; Diskus (der Rückenſchale) mit 13 Platten; | Vorderfüße mit 5, hintere mit 4 Zehen. ji Familie: Sumpfſchildkröten, Emydae s. Paludites. Rückenſchale ſchwach gewölbt, eiförmig oder elliptiſch, mit 15 Scheiben- und 23 bis 25 Randſchildern; Bauchſchale mit 12 Schildern, breiteiförmig; Kopf nicht beſchildert; Vorderfüße mit 5, Hinterfüße mit 4 deutlich unterſchiedenen, beweglichen, durch Schwimmhaut verbundenen Sehen; Krallen lang, ſcharf gekrümmt; Sohlengänger. In den vorſtehenden Zeilen iſt bereits das Weſentlichſte des Körperbaues hervor— gehoben. Der niemals mit deutlichen Schildern bekleidete Kopf iſt geſtreckt, entweder kegelförmig oder mehr abgeflacht, die Augen ſind dieſer Form gemäß ſeitlich oder aber ſchief nach oben gerichtet, die Augenlider (ſ. Seite 6) faſt gleichgroß, ſtets ſchief von hinten nach vorn und unten geſpalten, das Trommelfell liegt deutlich frei und iſt ei— oder kreisförmig, der Hals ziemlich lang und vollkommen zurückziehbar, wie auf Seite 6 angegeben. Die Beine find ebenfalls zurückziehbar, unter ſich ziemlich gleichlang, ſchwach zuſammengedrückt, mit ziemlich flachen ſchuppen- oder höckerartigen Gebilden bedeckt, die Zehen unter einander zwar frei beweglich, doch durch eine derbe, Familie: Sumpfſchildkröten. 11 nur die Krallen frei laſſende Schwimmhaut verbunden (Schwimmfüße) und oberſeits mit hinter einander liegenden Horntäfelchen bedeckt. Der nagelloſe Schwanz iſt ver— hältnißmäßig lang, dünn und ſpitz und in der Regel mit glatten vieleckigen Schuppen— täfelchen bekleidet. Der Panzer iſt gewöhnlich ziemlich eiförmig oder elliptiſch, im Verhältniß; dem der Landſchildkröten niedergedrückt erſcheinend, die Rückenſchale nhl flach gewölbt, vorn überm Hals kaum oder gar nicht ausgerandet, nach hinten etwas verbreitert, nach den Seiten ſchwach abgeſchrägt, am Zuſammenſtoß mit der Bauch— ſchale eine meiſt ſcharfe Kante bildend, die Bauchſchale gewöhnlich (am Hinterende) kürzer als die Oberſchale, breit eiförmig, entweder längs der Mitte ſchwach vertieft (Männchen) oder vollkommen flach bezw. etwas gewölbt (Weibchen), vorn geſtutzt, hinten ſchwach ausgerandet und verſchmälert, an der Seite wenig aufgebogen und hier mit dem Bruſtpanzer feſt oder aber beweglich verbunden (ſ. S. 9). Die Rücken— ſchale ſetzt ſich zuſammen aus 5 Wirbel-, 4 Paar Rippen- und 11 Paar Randplatten, wozu noch eine Nacken- und 1 doppelte Schwanzplatte kommen, die Bauchſchale aus den bekannten 6 Platten-Paaren; bei der kaſpiſchen Art ſind noch Achſel- und Weichenſchild vorhanden. Den einzelnen Platten — wenigſtens bei älteren Thieren — fehlen die Areolen und Anwachsſtreifen (Seite 8) oder ſie ſind ganz wenig entwickelt, dagegen ſind Leiſten oder Kiele häufiger, beſonders in der Jugend, wahrzunehmen. Die Sumpfſchildkröten gehören zu den kleinen, höchſtens mittelgroßen Arten der Ordnung. Die Emyden halten ſich in und an Sümpfen, Teichen, Seen, Gräben und ähnlichen ſtehenden und langſam fließenden Gewäſſern auf, in denen ſie geſchickt zu ſchwimmen und zu tauchen verſtehen. Dabei hilft ihnen ihr Panzer vermöge ſeiner Zuſchärfung am Rande den Widerſtand des Waſſers zu überwinden und vermöge der niedergedrückten, flachen Form das Treiben an der Oberfläche. Sie laufen aber auch ziemlich ſchnell, wobei fie mit der ganzen Sohle auftreten (Sohlengänger, Plantigrada), und können ſich, auf den Rücken gelegt, leicht wieder umwenden, ſie ſind überhaupt die beweglichſten Arten unter den Schildkröten. Ihre Nahrung beſteht in Fiſchen, in Fröſchen und deren Larven, Weichthieren, Würmern und ähnlichem lebenden Gethier. Legen wie alle Schildkröten derbſchalige Eier. In Deutſchland iſt die Familie durch eine Gattung und Art, in Europa durch zwei Gattungen mit je einer 95 vertreten. Gattung: Sumpfſchildkröte. Emys, Merrem. Rückenſchale flach gewölbt, der aus einem Vackenſchild, 11 Paar Rand— und I Paar Schwanzſchildern gebildete Rand außen an den Seiten weder leiſten— artig abgeſetzt noch nach oben umgebogen; Bauchſchale gegliedert, d. h. aus zwei hinter einander liegenden — einem vorderen kleineren und einem hinteren großen — Querſtücken beſtehend, welche aus je 3 Paar Schildern zuſammengeſetzt und an der Grenze zwiſchen 5. und 4. Paar (Bruſt- und Bauchſchilder) durch eine weiche Hnorpelnaht derart verbunden find, daß das vordere Querſtück, der Vorder— lappen, nach aufwärts gegen den Kopf zu bewegt werden, jedoch die vordere Off- nung des Gehäuſes nicht ganz ſchließen kann; Bauchſchale vermittelſt einer knor— peligen Naht ſeitlich mit der Rückenſchale (am 5. und 6. Randſchild) verbunden; Panzer. Lebensweiſe. Gattungs⸗ Merkmale. Artkennzeichen. Größe. Rückenſchale. 12 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Achſel- und Weichenplatten fehlen!); Hals und Beine oberſeits mit größeren oder kleineren flachen Oberhautgebilden, Schwanz mit reihenförmig geſtellten Schildchen beſetzt. In Deutſchland nur eine Art: Europäiſche Sumpfſchildkröte. Emys europaea (Schneider). Abbildung: Tafel VI Nr. 1 Rückenſchale oval (länglich- oder mehr kurzeiförmig), mäßig gewölbt, in der Mitte nur wenig erhaben, der Rand ungezähnt, ziemlich ſchmal; VNacken— platte klein, länglich- viereckig; Bauchſchale mehr oder wenig länglich-eiförmig, vorn etwas abgeſtutzt, hinten ſehr ſchwach ausgerandet; Kopf flach; Schwanz ziemlich lang, am Ende zugeſpitzt, doch ohne Nagel. Länge der Schale bis 20 em, Platten der Rückenſchale auf braun- oder grünſchwärzlichem Grunde mit gelben Punkten oder Strahlen, Bauchſchale ſchmutziggelb, unregelmäßig braun ge— zeichnet. Außere Erſcheinung. Die Länge des erwachſenen Thieres von der Schnabel— bis zur Schwanzſpitze erreicht 30, unter Umſtänden auch 36 em, wovon auf den Panzer etwa 20 bezw. bis 25 em und auf den Schwanz 6—8 cm kommen. Selten jedoch gelangen derartige Exemplare in unſere Hände, namentlich in Deutſchland auf— gefundene Thiere haben ſelten einen über 16 em langen ane doch beſitze ich ein märkiſches Exemplar mit 16,5 em langem Panzer und im Märkiſchen Muſeum zu Berlin befindet ſich ein ebenſolches (No. 336) mit 18 cm langer Rückenſchale. Die größte Breite der Oberſchale ſteht gegen die ne derſelben, wenigſtens bei erwachſenen Stücken, um 3—6 em und die Länge der Bauchſchale gegen die der Rückenſchale um 6—10 mm zurück; die Breite der Bauchſchale beträgt — an der breiteſten Stelle, nämlich in den Bruſt- und Bauchplatten — die reichliche Hälfte oder zwei Drittel ihrer Länge (z. B. 9,5 em 15,5 em oder is en 12,6 en öder 6,5 em: 10, em). Die Höhe des Panzers dürfte bei erwachſenen Thieren etwa den dritten Theil ſeiner Länge ausmachen, ſie beläuft ſich z. B. bei dem erwähnten Exemplar mit 16,5 em langer Kapſel auf 5,8 em; bei einem kleineren Stück ver— halten ſich die beiden Maße wie 13,5 (Länge) : 5 (Höhe). a) Die Oberſchale (ſ. Fig. 2) iſt bei größeren, älteren bezw. erwachſenen Thieren, welche wir zunächſt ins Auge faſſen, elliptiſch oder elliptiſch-eiförmig, hart, im Verhältniß zu der der jungen Thiere ziemlich hoch, wenngleich gegenüber der der Landſchildkröten immer noch ſchwach gewölbt; die drei mittelſten der 5 Wirbel⸗ ſchilder (Vertebralen) erſcheinen längs ihrer Mitte nur äußerſt wenig erhaben bezw. gewölbt oder aber faſt ganz abgeflacht, das erſte Wirbelſchild fällt mäßig nach vorn, das hinterſte aber ſtärker nach hinten ab; ebenſo fallen die 4 Paar Rippenplatten (Coſtalen) ziemlich ſtark nach außen ab, und von den Randſchildern fallen namentlich die Seiten-Randplatten, insbeſondere das 1. bis 3. Paar, ſteil nach unten ab, wogegen die nach hinten zu folgenden flacher nach abwärts und außen geneigt ſind. Der 1 Um riß der Rückenſchale, welcher im großen Ganzen die Eiform zeigt, =) Man achte auf den Irrthum in der weit verbreiteten „Synopſis“ von Leunis-Ludwig (I. Band, 1883, S. 533). Europäiſche Sumpfſchildkröte. 13 iſt am Rande der vorderen Seiten-RMandſchilder eingezogen, erweitert ſich aber vom 3. Paar derſelben an nach dem Schwanze zu allmählich und erreicht ungefähr am Hinterrande des 5. Paares derſelben oder zu Anfang der erſten Schenkel-Rand— ſchilder den größten Querdurchmeſſer. Von den 5 Wirbelſchildern ſind das 1. und 5. fünfeckig, die drei mittleren quer ſechseckig; das 1. iſt das längſte, das 5. das kleinſte, beide verbreitern ſich nach den Randſchildern hin ſtetig; die 3 mittleren ſind breiter als lang, ſeitlich ſtumpfwinkelig, ihre Seitenränder nicht ſelten etwas geſchweift, beim 4. der Hinterrand beträchtlich kürzer als der vordere. Der bei jüngeren Thieren längs der Mitte der. Wirbelplatten ſich hinziehende ſtumpfe Kiel iſt bei alten Exemplaren nur noch auf den beiden hinteren Platten zu erkennen, mitunter auch ganz verſchwunden. — Von den jederſeits der Wirbel— ſchilder liegenden 4 Rippenplatten iſt die erſte die größte überhaupt, die 2. die breiteſte, die 3. wenig ſchmäler als dieſe, die 4. am kleinſten; die 1. iſt ungleichſeitig viereckig, ihre längſte Seite der gebogene Außenrand, die 2. und 3. Platte ſind quer fünfeckig und immer breiter als lang, die 4. Platte iſt am äußeren Rande etwas breiter als am inneren und, je nachdem der mittlere Außen— winkel noch vorhanden (ſtumpf) oder ganz verrundet iſt, fünfeckig oder ungleich— ſeitig viereckig. Wie der Längskiel auf den Wirbelplatten mit zunehmendem Alter verloren geht, ſo verſchwinden auch Areolen und Anwachsſtreifen ſämmtlicher 13 Scheiben— platten und dieſe erſcheinen daher bei erwachſenen Thieren gänzlich oder doch faſt vollkommen glatt. — Letzteres gilt auch von den Randſchildern (Marginalen), bei welchen ſich jene Bildungen wohl am längſten an den Schenkel- oder Schwanz— ſchildern erhalten. Die Nackenplatte iſt das kleinſte der 25 Randſchilder, ziemlich regelmäßig (manchmal verſchoben), ſchmal-rechteckig, etwa doppelt ſo lang als breit; die zwei Schwanzſchilder, am Zuſammenſtoß nach innen eingezogen, ſind breiter als lang (hoch); von den jederſeits an dieſe anſchließenden 3 Schenkel-Randſchildern iſt das hinterſte das ſchmalſte, höher als breit, das vorderſte umgekehrt etwas breiter als hoch; die Hals-Randſchilder ſind quer trapeziſch, ungefähr doppelt ſo breit als hoch, die Arm- und die Seiten-Randſchilder im Allgemeinen länglich-viereckig. b) Die Bauchſchale (Fig. 3), vorn etwa ſo lang, zuweilen auch unmerklich länger, hinten dagegen merklich kürzer als die Rückenſchale (vergl. S. 12) und bei alten und mittleren Thieren nach rückwärts, in den Schenkelſchildern, ſchwach (um 5—10 mm) verbreitert, iſt im Umriß länglich- oder elliptiſch-eirund, am Vorder— und Hinter-Ende ſchwach oder kaum nach aufwärts gebogen, an erſterem ziemlich gerade abgeſtutzt oder etwas gerundet, an letzterem ſehr mäßig — bei alten Thieren am ſtärkſten — winkelig ausgeſchnitten, beim Männchen längs der Mitte, und beſonders im Alter ſehr merklich, vertieft, beim Weibchen hingegen flach und eben oder gar etwas gewölbt (konvex). Die beiden Kehlſchilder ſind ziemlich rechtwinkelig drei— eckig, ſtets länger als breit, die Armſchilder quer trapezoidiſch, breiter als lang, nach innen erheblich verſchmälert, die Bruſt- und die Bauchſchilder (3. und 4. Paar) quer viereckig, breiter als lang, erſtere am Hintertheil des Außenrandes mit dem 2. letztere mit dem 3. Seiten-Randſchild der Rückenſchale zuſammenſtoßend; die Schenkelſchilder ſind trapezoidiſch, breiter als lang, am inneren Rande nur halb, zuweilen ſogar faſt nur ein Drittel ſo lang als am äußeren, ihr Vorder-, Hinter- und Außenrand etwas geſchweift, die Afterſchilder gleichfalls trapezoidiſch, nach dem Hinterrande zu, welcher die ee der vier Seiten bildet, ungefähr um die Hälfte verſchmälert. c) Der Kopf iſt flach, etwa vierſeitig-pyramidenförmig, etwas breiter als hoch, mit kurz zugeſpitzter Schnauze (bei einem etwa 24 em langen Thier ungefähr 35 mm Bauchſchale. Kopf. Gliedmaßen. Färbung. Zeichnung. Varietäten. 14 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. lang und 18 oder 20 mm hoch); der Oberkopf iſt ebenſowenig wie die Kopfſeiten wirklich beſchildert, denn die bei manchen Exemplaren an dem hinteren Kopftheil ſich zeigenden ſchilderartigen Zeichnungen und Bildungen, welche infolge Zuſammenſtoßen und Durchſchneiden unregelmäßig verlaufender vertiefter Linien und furchenartiger Eindrücke entſtehen, können nicht als Schilder angeſehen werden; in gleicher Weiſe entſteht in der Schläfengegend ein beſonders im Alter ziemlich deutliches, vom hinteren Augenrand bis gegen das Trommelfell reichendes hinteres Augenſchild (Poſtorbitale). Die ſchneidigen, aber ungezähnelten Kieferränder des Oberſchnabels ſtoßen in der Mitte im ſpitzen Winkel zuſammen und ſchließen den in entſprechender Weiſe kurz zugeſpitzten Unterſchnabel zwiſchen ſich ein. Die ſchlaffe Haut des Halſes weiſt oberſeits kleinere, unterſeits größere rundliche, doch flache Erhabenheiten auf, welche insbeſondere bei alten Exemplaren die Form von Körnerſchuppen annehmen. Von den unter den Panzer zurückziehbaren, ſchwach zuſammengedrückten Beinen ſind die fünfzehigen Vorderbeine faſt ganz mit tafelartigen rundlichen, in ziemlich deutlichen Querreihen ſtehenden Schuppen, die vierkralligen Hinterbeine dagegen mit etwa linſen— förmigen, an der Vorderſeite der Schenkel erheblich vergrößerten Schuppen bekleidet; die Zehen ſind untereinander frei beweglich, aber durch eine derbe, am Rande unregel— mäßig gekerbte und nur die ſchwach gekrümmten, hinten ziemlich langen Krallen frei— laſſende Schwimmhaut verbunden. Der nach dem Ende hin zugeſpitzte, nagelloſe Schwanz iſt mit unregelmäßig viereckigen, in Längs- und zugleich mehr oder weniger deutlichen Querreihen geſtellten Täfelchen beſetzt, in der Wurzelhälfte an der Unter— ſeite mit einer Längsfurche verſehen und beim alten Männchen ungefähr ſo lang wie die halbe Bruſtſchale, beim Weibchen etwas kürzer. Färbung und Zeichnung älterer Thiere. Als Vertreter der Grund— form, als typiſche Exemplare, ſind die Thiere mit folgender Färbung und Zeichnung anzuſehen: Rückenſchale braun- oder grünſchwarz, die einzelnen Platten mit gelben, von der Areole (Mittelfeld) nach den Rändern hin ſtrahlig verlaufenden, bald ein— ander genäherten, bald mehr von einander entfernten Punktlinien oder Strichen ge— zeichnet; Kopf und andere unbepanzerte Theile auf ſchwärzlichem Grunde ebenfalls mit gelben Strichen oder gelben Punkten bezw. Flecken; Bauchſchale ohne ſtrahlen— förmige Zeichnungen, entweder groß gelb und ſchwarz gefleckt oder in der Mitte braun und im Uebrigen ſchmutziggelb oder aber ganz einfarbig gelb bezw. braun. Augenſtern (Iris) gelb mit ſchwarzem Querfleck. Je nachdem nun die gelben Strahlen der Oberſchale kürzere oder längere, feinere oder breitere Linien bilden oder aber in Punkte und Punktflecken aufgelöft ſind, je nachdem ſie in reicher Anzahl auftreten oder ganz fehlen, je nachdem ſie ferner kräftig ſich markiren oder aber ganz verwiſcht erſcheinen, je nachdem weiter die Zeichnung der übrigen Körpertheile mehr oder minder von der Grundform, der man die Nebenbezeichnung „lineata“ oder „radiata“ geben könnte, abweicht, läßt ſich eine ganze Anzahl von Spielarten oder Farben- Varietäten aufſtellen, und bereits Bechſtein (Lacepécde's Naturgeſchichte) und Wolf (in Sturm's Fauna, 3. Heft) führen verſchiedene derſelben auf. Ohne auf die kleineren Abweichungen einzugehen, heben wir nur die wichtigſten hervor. 1. Var. sparsa, geſprenkelte Sumpfſchildkröte, bei welcher die gelben Strahlen— linien der Rückenſchale in zahlreiche Strichelchen aufgelöſt ſind, ſodaß dieſelbe auf ſchwärzlichem, dunkelolivenfarbigem oder bräunlichem Grunde gelb geſprenkelt erſcheint. Zu dieſer Varietät gehört das von Sturm im 3. Hefte ſeiner „Fauna“ auf Tafel 3, Fig. e, dargeſtellte Exemplar. Europäiſche Sumpfſchildkröte. 15 2. Var. punctata, getüpfelte S. Dieſe Spielart erinnert an die vorige, doch ſind bei ihr die gelben Zeichnungen rundlich, kleinere und größere Tüpfelflecken, und unregelmäßig über die Platten der Rückenſchale vertheilt. Hierher dürfte die Sturm'ſche Figur a gehören, welche übrigens 5 mißlungen iſt, indem zwei Randſchilder und das Nackenſchild fehlen u. ſ. ı 3. Var. maculosa, gefleckte S., ra dadurch entſteht, daß die gelben, gut hervortretenden Strahlen an den Areolen zuſammenſtoßen, ſich vereinigen und jo ein größeres oder kleineres gelbes Feld auf den Platten der Rückenſchale bilden. Die gelben Strahlen können aber auch derart ſich verbreitern, daß das Gelb an die Stelle der ſchwarzen Grundfarbe tritt und nur ſchwarze Strahlenzeichnungen übrig bleiben; in dieſem Falle erſcheint jenes Feld nicht gelb, ſondern als ein e Fleck. 4. Var. concolor, einfarbige S. Sie bildet den Gegenſatz zu Var. 3, denn die gelben Zeichnungen der Oberſchale ſind bei ihr völlig zurückgetreten, ſodaß dieſelbe einfarbig ſchwarz, dunkelbraun oder dunkel grünlichbraun ausſieht (Testudo lutaria, Shaw). Eine ſolche Schildkröte veranſchaulicht die Abbildung 1, in Brandt-Ratze— burg's „Medicin. Zoologie“. Zwei andere Varietäten zeigen auch beſondere körperliche Eigenthümlichkeiten und dürfen ſomit als beſondere Formen bezw. Lokalraſſen betrachtet werden: 5. Var. hellenica, griechiſche S., von Valenciennes als Emys hellenica, und von Bibron & Bory unter dem Namen Cistudo hellenica (1832) als beſondere Art behandelt, doch iſt ſie, wie auch De Betta [Rettili d. Grecia, S. 20] betont, nur eine Varietät der E. europaea mit länglicher, ſtärker gewölbter, an den Seiten mehr gerader bezw. ſogar ein wenig nach einwärts geſchwungener Rückenſchale und vor— herrſchend gelber, mit unregelmäßigen bräunlichen Flecken und Strichen netzartig durch zogener Färbung der freien Körpertheile (Beine ꝛc.). Dieſe Zeichnung entſteht da— durch, daß ſich das von vereinzelt oder dichter ſtehenden bräunlichen Marmelflecken unterbrochene Gelb der in der Schulter- und Weichengegend zwiſchen der Rücken— und Bauchſchale eingeſchloſſenen Haut auch auf jene Theile verbreitet. Dieſe Form ſcheint nur in Griechenland, und zwar neben der Stammform, vorzukommen. 6. Var. Hof fmanni, dalmatiniſche S. von Fitzinger [Mus. V.] als Emys Hoffmanni beſchrieben, in Dalmatien zu Hauſe. Sie zeichnet ſich gegenüber der typiſchen Form durch beträchtlichere Größe, ſehr rauhe, gegen die Areolen hin ſtark gewölbte Rückenſchalen-Platten (beſonders Randplatten), tiefe, furchenartige Nähte und durch ein glänzendes Tiefſchwarz der Rückenſchale, auf welchem ſich an den Rippenplatten ziemlich zahlreich feine, lange, gelbe Strahlenlinien, an den Wirbelplatten und hinteren Randplatten aber nur ganz vereinzelte gelbliche Striche abheben, aus, während die Bauchſchale glatt und einfarbig gelblich iſt. Abnorme Bildungen, Deformitäten laſſen ſich ebenfalls beobachten. Sie entſtehen in der Regel durch äußere, mechaniſche Einflüſſe und zeigen ſich als Mißgeſtaltungen an den Füßen, Mißbildungen an der Schale und dergl. Dahin gehört unter Anderem auch die „Abweichung r“ in Sturm's Fauna: „mit zweizehigen Hinterfüßen“. Rathke fand, neben ſonſtigen Verſchiedenheiten, in der Krim ein ſehr gewölbtes Exemplar, bei dem faſt die ganze hornartige Bedeckung der Rückenſchale fehlte, ſodaß die Knochenſubſtanz derſelben faſt völlig nackt zu Tage lag. Doch können uns ſolche zufällige Bildungen hier nicht weiter beſchäftigen. Betreffs der Färbung unterſcheiden ſich Männchen und Weibchen nicht durch ein bezeichnendes Merkmal, denn das von Hahn [Fauna boica] angegebene Kenn— Mißbildungen. Geſchlechter. Junge. 16 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. zeichen, daß das Mäunchen kleine ſchwarze Striche am Kopfe, das Weibchen aber gelbe Flecken am Halſe habe, beſitzt gar keinen Werth. Es bleiben ſonach nur die ſchon oben angeführten körperlichen Merkmale: längs der Mitte eingedrückte oder ſchwach ausgehöhlte (konkave) Bauchſchale und längerer Schwanz beim Männchen, rein flache oder gar etwas gewölbte (konvexe) Bauchſchale und etwas kürzerer Schwanz beim Weibchen. Den Bau der Bauchſchale verwerthen bereits alte Autoren, wie Marſigli, „Danubius illustr.“ IV S. 91], Schneider, [„Schildkröten“ S. 330], und Wolf— Sturm als Geſchlechts-Kennzeichen, denn ſie weiſen beſonders auf den „in der Mitte eingedrückten“ oder „etwas eingebogenen“ Unterſchild des Männchens hin. Da— gegen wollen die übrigen von ihnen und auch von Anderen, ſo von Gronovius [„Zoophylacium® S. 17], hervorgehobenen Punkte: mehr gewölbte und erhaben runde, rauhe und gefurchte, an der vorderen Hälfte zu beiden Seiten mehr ein— gezogene, hinten aber mehr breite Oberſchale, ſchärfer geſtreifte Felder (Platten), eine kielförmige Erhabenheit auf der Mitte der „mittelſten Reihe von Feldern“ der Ober— ſchale (Wirbelplatten) und rauhere, dunklere Unterſchale beim Männchen, glattere, runde, tellerförmige Oberſchale und glattere, gelbliche Unterſchale beim Weibchen — nicht zutreffend erſcheinen. Junge Thiere. Ganz junge, eben ausgekrochene Thiere erkennt man nicht nur leicht an ihrer Kleinheit (mit einer Oberſchale etwa von der Größe eines Mark oder Zweimarkſtückes), ſondern auch an der kreisrunden oder ſcheibenförmigen!), weichen und lederartigen, ſehr ſchwach gewölbten und in ihrem äußeren Umriß (Randlinie) vorn ganz geraden, d. h. nicht eingezogenen bezw. ausgerandeten Rücken— ſchale, ferner an der nach hinten verſchmälerten Bauchſchale und an dem verhältniß— mäßig ſehr langen, die Länge der Bauchſchale faſt erreichenden Schwanz; die Rücken— ſchale zeichnet ſich zudem durch vorn faſt wagerecht abſtehenden, im Uebrigen ziemlich flach nach außen und abwärts geneigten Randtheil, durch einen über die Mitte der 5 Wirbelſchilder ſich hinziehenden kräftigen, oben abgerundeten Längskiel und durch die auf allen 13 Wirbel- und Rippenplatten ſich abhebenden ungemein großen — ſie bedecken mit Ausnahme des äußerſten ſchmalen Randes die ganze Fläche der Platten —, in der Geſtalt den betreffenden Platten gleichenden, feinkörnigen Mittelfelder (Areolen), welche die Platten mit feinen Körnchen bedeckt erſcheinen laſſen, aus. Die Färbung der Rückenſchale junger Thiere iſt meiſt einfarbig bräunlich-olivenfarben. Maregraf, welcher in den 40er und 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts Beobachtungen über die Fortpflanzung der Sumpfſchildkröte anſtellte, giebt an, daß die Jungen nach dem Verlaſſen der Eier eine ganz weiße und durchſichtige Schale hatten, welche in wenig Tagen eine rothe und endlich eine ſchwarze Farbe bekam. Beim Ausſchlüpfen ſollen ſie „nicht größer als ein Vierpfenniger“, bezw. nur einen halben Zoll laug ſein. Mit zunehmender Größe wird die Schale allmählich nicht nur härter, ſondern auch geſtreckter (mehr eiförmig) und der Obertheil ſtärker gewölbt. Außerdem zeigen ſich dieſe jungen, heranwachſenden Thiere, welche Schöpf 1792 als Testudo pulchella und Merrem 1820 als Emys pulchella, „ſchöne Schildkröte“, beſchrieben, noch folgende Eigenthümlichkeiten: Rückenſchale vorn nur ſehr wenig nach abwärts, hinten ziemlich flach nach außen und abwärts geneigt und an den Seitentheilen all— mählich ſteiler werdend; Umriß der Rückenſchale vorn etwas ausgerandet (eingezogen); erſte und fünfte Wirbelplatte breiter als lang (ſpäter umgekehrt); auf der Mitte der ) Auf dieſe Entwickelungsſtufe paßt fo recht die Linné'ſche Bezeichnung „orbieularis“ (orbi- eulus = Scheibchen). Europäiſche Sumpfſchildkröte. 17 Wirbelplatten ein Längskiel, der indeß auf der vorderen Schalenhälfte bald ver— ſchwindet; Wirbel- und Rippenplatten mit ſehr deutlichen, feinkörnigen Areolen, welche an den Wirbelplatten auf der Mitte vor dem Hinterrande, an den 8 Rippenplatten mehr vorn und oben ſtehen, und mit feinen, von den Areolen gegen die Ränder der Platten hinlaufenden Furchen, die Rippenſchilder außerdem mit Anwachsſtreifen, welche mit den Areolen parallel gehen, verſehen “); Bauchſchale fait durchweg gleichbreit, vorn ziemlich gerade abgeſtutzt und auch hinten ziemlich gerade abgeſchnitten — erſt bei mittleren Exemplaren ein wenig ausgeſchnitten —; an der Halshaut rundliche ſchuppenartige Bildungen kaum zu bemerken; auf der Rückenſchale und der Körperhaut treten nach und nach gelbliche Zeichnungen auf. Je größer die Thiere werden, deſto ausgeprägter zeigen ſie die Merkmale alter Stücke. Geographiſche Verbreitung. Die Teichſchildkröte nimmt hinſichtlich ihrer geographiſchen Verbreitung nicht nur unter den Schildkröten, ſondern überhaupt unter den Reptilien eine beachtenswerthe Stellung ein: denn nicht allein, daß ſie unter den Schildkröten diejenige Art iſt, deren Verbreitungsbezirk am weiteſten nach Norden hinaufreicht, ſie zählt auch, da derſelbe den größten Theil Europas, ferner umfangreiche Gebiete Aſiens und Afrikas umſchließt, zu den verbreitetſten aller Reptilien; ihr Verbreitungsbezirk iſt ſomit größer als der der Würfelnatter, mit dem er im Uebrigen Aehnlichkeit hat. Zwar bewohnt unſere Art einen großen Theil des eireummediterranen Faunengebietes, d. h. die meiſten der das Mittelmeer umgebenden Länder und in großer Anzahl, ſie überſchreitet jedoch die Grenzen deſſelben nach Oſten hin — und gerade in dem Südoſten unſeres Erdtheils und den angrenzenden Gebieten ſcheint der Schwerpunkt ihrer Verbreitung zu liegen —, bis an das öſtliche Ufer des Aral-Sees (82 Grad öſtl. L. von Ferro), und nach Norden hin, indem ſie hier bis Mecklenburg und Kurland (56 Grad n. Br.) geht und in früheren Zeitaltern, zur ſog. Steinzeit, noch weiter nördlich vorkam, denn man findet ihre Schalen laut Nilsſon [Skand. F. S. 13 und 21] in Torflagern Dänemarks und Südſchwedens: ſüdliches und ſüdöſtliches Schonen, Oſtgotland ac. Die Verbreitung der Teichſchildkröte in den die Südküſte des Mittelmeeres bildenden afrikaniſchen Ländern iſt noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt. In Aegypten, Tripolis und Tunis ſcheint ſie vollſtändig zu fehlen, wenigſtens iſt aus dieſen Ländern noch kein Stück bekannt geworden, und die offenbar nur auf Er— kundigungen ſich gründende Angabe Eichwalds [Mem. Moscou IX S. 416], daß E. europaea wie in dem an der tuneſiſchen Grenze liegenden algeriſchen Kreiſe La Calle ſo auch in Tunis ſelbſt vorkomme, hat ſich ſeitdem (1844) noch nicht beſtätigt. Auch die Bemerkung Guichenots [Expl. S. 2], daß ſie alle Flüſſe Algeriens bewohne und an den Ufern derſelben in ungeheurer Menge auftrete, iſt wahrſcheinlich auf eine Verwechſelung oder eine Vermengung der Arten, alſo einen Irrthum zurückzuführen, ebenſo wie ein ſolcher bei der Etikettirung des unter Nr. 66 im Berliner Zoolog. Muſeum ſtehenden Exemplars, welches die Fundorts-Bezeichnung „Kap“ trägt, zur Geltung gekommen ſein muß, indem am Kap (der guten Hoffnung) die E. europaea ſich nicht findet. Aus dem weſtlichſten Theile Nord-Afrika's, Marokko, kennt man ſie gleichfalls noch nicht. Von dieſen Streifen bezw. Furchen bemerkt bereits Schöpf (1792): „Die Zahl dieſer Furchen ſcheint die jährliche oder periodiſche Vergrößerung der Schuppen (Platten) anzuzeigen; dieſe Furchen aber ſowohl als die Schuppenfelder, nach welchen jene geordnet ſind, werden mit der Thiere zunehmendem Alter allmählich unſcheinbarer und verlieren ſich endlich ſo ganz, daß die Schalen vollkommen glatt werden.“ 2 Verbreitungs⸗ Bezirk. Afrika. Mittelmeers Länder. Alpen-Gebiet. 18 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Dagegen gehört ſie auf der Pyrenäiſchen Halbinſel, und ebenſo auf den größeren Mittelmeer-Inſeln, zu den bekannten Bewohnern der Binnengewäſſer. In Portugal iſt ſie von Barboſa du Bocage überall beobachtet worden, aus Spanien kennen ſie bereits Dumeril und Bibron u. A., und auch Machado führt die Tortuga comun o Galäpago neben der Kaſpiſchen Schildkröte in ſeiner Erpetologia Hispalensis als ein Glied der Amphibien-Fauna Sevilla's (Hispalis) auf. Daß E. europaea auf der ſpaniſchen Inſelgruppe der Balearen vorkommt, und zwar, ſoviel bis jetzt bekannt, als einzige Art der Süßwaſſer-Schildkröten, erwähnt bereits Ramis i. J. 1814, welcher ſie von Menorca kannte; auf Mallorea beobachtete fie Barcelo [Rept. Bal.], und wahrſcheinlich iſt es auch dieſe Art, über welche Hr. Lieutn. Will, der i. J. 1880 auf den Balearen ſammelte, an Hrn. O. Böttger [Span. S. 390] ſchreibt, daß bei Artä und San Moro auf Mallorca im Süß- und Brackwaſſer eine platte Schild— kröte vorkommt, daß ihm aber die Erlangung eines guten Stückes unmöglich war. — Außer auf den Balearen tritt E. europaea auf den anderen drei großen Inſeln der Weſthälfte des Mittelmeeres auf: Korſika, Sardinien, Sicilien. Wenigſtens kann, was Korſika anbelangt, Bonaparte [Icon.] unter ſeinen Testuggine d'aqua dolce nur unſere Art gemeint haben; auf Sardinien iſt ſie laut Gené beſonders an der Weſt— küſte in der Gegend von Oriſtano ſehr häufig; aus Sicilien führt fie A. Dumeril [Cat. S. 7] auf, und de Betta betont wiederholt, daß die Emide europaea nicht nur durch ganz Italien, ſondern auch auf ſeinen Inſeln („e sue isole“) verbreitet iſt. Daß das Feſtland bezw. die Halbinſel Italien wohl in allen Theilen unſere Schildkröte aufzuweiſen hat, iſt ſeit langem nachgewieſen. Man hat ſie an den ver— ſchiedenſten Orten Unter-, Mittel- und Ober-Italiens beobachtet und erbeutet, ſodaß wir einzelne Angaben nicht beſonders zu verzeichnen brauchen; in großer Anzahl namentlich bewohnt ſie die Sümpfe von Meſtre bei Venedig) und die „paludi euganee del Padovano“. Von der waſſerreichen Ebene Ober-Italiens aus verbreitet ſich die Sumpf Schildkröte nach Dften: ins öſterreichiſche Küſtenland und von da nach Ungarn bezw. nach den Donauſtaaten und der Balkan-Halbinſel, ebenſo aber auch nach Weſten hin ins ſüdliche Frankreich; ob auch nach Norden, erſcheint höchſt zweifelhaft. Denn ſicher fehlt ſie in Tirol und dem angrenzenden Kärnthen, Salzburg, Steiermark. Und wenn bezüglich der Schweiz Angaben vorliegen, daß E. europaea in neuerer und neueſter Zeit dort in den Sümpfen von Vouvry am linken Rhone-Ulfer [Rütim. S. 114], nicht weit vom Einfall des Fluſſes in den Genfer See, ferner in letzterem ſelbſt, vereinzelt ſogar im Reußthal bemerkt oder gefangen worden ſei, ſo wird es ſich dabei, wie der verdiente Fauniſt der Schweiz, Fatio, hervorhebt, doch wohl um abſichtlich in Freiheit geſetzte oder aus der Gefangenſchaft entkommene Thiere handeln, und namentlich muß die Nachricht über das Vorkommen der Schildkröte im Thale der Reuß — was doch ein ganz auffallend ſporadiſches Auftreten wäre — gerechte Zweifel erregen; wahrſcheinlich betrifft auch die Mittheilung Wagner's, nach welcher die Art im 17. Jahrhundert im Widen-See, Kanton Zürich, „einheimiſch“ war, und ) „Aus den Sümpfen des benachbarten Meſtre kommen jene Maſſen von Emys lutaria, welche unſere Aquarien bevölkern und je kleiner je theurer in Venedig ſind“, ſagt E. Friedel in einem zoologiſchen Reiſebericht auf 1873 über Venedig [Zool. G. 1874 S. 349]. „1873 bezahlte ich in Venedig für vier ſehr kleine (thalergroße), deren Rückenſchild noch elaſtiſch wie geſpanntes Leder war, 3 Fres.; vier größere, 3½ bis 4 Zoll lang, wurden mir zuſammen für 1½ Fres. angeboten. Bei meiner erſten Anweſenheit in Venedig (1858) fand ich die Thiere noch viel billiger als jetzt, wo der Fremdenverkehr erheblich geſtiegen und der Schildkrötenhandel von den Stiefelputzern monopoliſirt iſt.“ Europäiſche Sumpfſchildkröte. 19 die Angabe H. Fiſcher-Sigwart's [Terr. S. 132], daß in der Umgegend von Zofingen im Kanton Aarau und im Katzenſee ſchon öfters Sumpfſchildkröten gefangen worden ſeien, nicht wirklich „einheimiſche“, ſondern durch größeres oder geringeres Zuthun des Menſchen „eingebürgerte“ Exemplare. Daß ſie dagegen zur Pfahlbautenzeit in der weſtlichen Schweiz vorkam, beweiſen, wie Herr Prof. Th. Studer in Bern mir ſchreibt, die in dem 2 Stunden von Bern gelegenen Moosſeedorfſee aufgefundenen Bauchpanzer. Das Verhältniß iſt hier alſo daſſelbe, was ſich bezüglich Württemberg's u. a. beob— achten läßt, wo man die Sumpfſchildkröte — bezw. die „Torfſchildkröte“, Emys turfa — auch nur noch foſſil in den Mooren ꝛc. findet. Nach Norden hin überſchreitet mithin E. europaea, wenigſtens was ihre gegenwärtige Verbreitung anbetrifft, die Alpen nicht, wohl aber nach Welten hin, nach Frankreich. Riſſo [Hist. S. 85] berichtet i. J. 1826, daß ſie in den Sümpfen am Var, alſo in dem ſüdöſtlichen, Italien begrenzenden Departement der See-Alpen vorkommt, wo er ſie ſelbſt beobachtete; von hier aus erſtreckt ſich ihr Verbreitungsbezirk nach den Mittheilungen von Fournet [Rhöne ©. 20] durch die drei folgenden, an das Mittelmeer ſtoßenden Departements des Var, der Rhonemündungen und des Herault ſomit durch die provencaliſchen Gebiete und Languedoc, und von da in das Gebiet der Garonne und nördlicher in den Küſten-Diſtrikt Charente inferieure bis zur Mündung der Sevre niortaise, woher ſie Desmoulins und Leſſon [Cat. S. 56] bekannt iſt. Hier an der Seévre, bei Marans, ſcheint ſie die Nordgrenze ihrer Verbreitung in Frankreich zu erreichen; denn andere Fundorte liegen ungefähr in gleicher Breite, zwiſchen 46. und 47.“ n. Br., und die nördliche Grenzlinie wird, laut Fournet, im Oſten von der Seille, Depart. Saone und Loire, abgeſchnitten. Die Schildkröte ſcheint aber auch in dem Saone— Rhone-Thal vorzukommen reſp. vorgekommen zu ſein, wenigſtens berichtet Fournet noch, daß ſie bei Lyon, am Zuſammenfluß der Saone und Rhone, beobachtet wurde und hier früher auf der Halbinſel Perrache ſehr gemein war, jetzt aber nur noch in den Etangs de la Bresse et de la Dombes gefunden werde. Durch dieſes Vor— kommen wäre auch die Möglichkeit geboten, daß die E. europaea in dem zwiſchen Lyon und dem Genfer See gelegenen Theil des Rhonethales auftrete. Der 46. oder 47. Breitengrad bildet die Nordgrenze der Verbreitung unſerer Schildkröte nicht nur für Frankreich, ſondern für ganz Weſt-Europa. Sie fehlt ſo— mit im nördlichen Frankreich, in England, Belgien, Holland, Süd- und Weſt-Deutſch land, überhaupt im ganzen Rheingebiet und in allen Landestheilen Deutſchlands weſtlich der Elbe, ferner in allen deutſch-öſterreichiſchen Ländern nördlich der Sau, außerdem ſchließlich in Dänemark, Schweden-Norwegen und dem nördlichen Rußland; ſie zeigt ſich mithin in Deutſchland erſt öſtlich der Elbe bezw. öſtlich des 29. oder 30. Längengrades v. Ferro, und in Oeſterreich, die ſüdlichen Küſtenſtriche abgerechnet, erſt etwa jenſeits des 35. Längengrades, in Ungarn. Das Auftreten im öſtlichen Deutſchland und Oſterxeich iſt keinesfalls ein iſolirtes; denn von Ungarn aus — dieſes gewiſſermaßen als Mittelpunkt oder als Verbindungsſtelle angeſehen — erſtreckt ſich der Verbreitungsbezirk nach Norden hin: durch Galizien in die Oder- und Weichſel— Gebiete Deutſchlands, Poleus und von da nach Litthauen; nach Oſten hin: Sieben— bürgen, Bukowina, Moldau, Rußland; nach Süden hin: Donauſtaaten, Türkei, Griechen land, und endlich iſt auch nach Weſten hin durch die Küſtenlande eine Verbindung mit dem ſchildkrötenreichen Ober-Italien hergeſtellt. Was die öſterreichiſchen Küſtenſtriche anbelangt, jo iſt E. europaea unter Anderem aus Trieſt (Berl. Muſ. Nr. 60), durch Freyer aus dem ſüdlichſten Theil des angrenzenden Krain, durch Erber aus Dalmatien, wo ſie laut Kolombatovic in 2 * Nord- u. Weſt⸗ Europa. Balkan Halbinſel. Ungarn. Donau. 20 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. allen Flußgebieten in Sümpfen, am wenigſten noch im Krka-Thal vorkommt, bekannt. Von hier aus zieht ſie ſich über Albanien [Gray's Cat. S. 41] bis nach Griechen— land, für deſſen Feſtland bezw. Inſeln ſie von Bibron-Bory, Erhard, de Betta, Bedriaga, Heldreich als heimiſch, ja „gemein“ angegeben wird; der letztgenannte Autor 3. B. bemerkt, daß ſie ſehr zahlreich in allen Flüſſen, Waſſerläufen, Seen und anderen Wäſſern Attika's, des Peloponnes (Morea) und der Inſeln ſei. In der Türkei wurde ſie nach Gray's und Rigler's Angabe außer in Albanien auch in der Gegend von Konſtantinopel beobachtet, und ſehr wahrſcheinlich kommt ſie in den anderen türkiſchen bezw. unter türkischer Oberhoheit ſtehenden Gebieten der Balkan-Halbinſel und in allen Donauſtaaten vor; in Bosnien iſt ſie nach Möllendorff ſehr zahlreich in den Seen, welche der Plivafluß vor ſeiner Einmündung in den Wrbas bei Jaicze (Jaitza) bildet, bei Buſſovada „und gewiß ſonſt häufig“. Nördlich der Save und Donau, d. h. in Ungarn und den angrenzenden ſlaviſchen Landestheilen Oſterreichs, begegnet man unſerer Schildkröte in vielen Diſtrikten. Laut Steindachner*) it ſie auf der ſlavoniſchen Militärgrenze bei Morovich und Kupinova gefangen worden; auf der banatiſch-ſerbiſchen Mllitärgrenze fand Erber!) ſie maſſenhaft bei Orſova; laut Bielz iſt fie in Siebenbürgen durch das ganze Land nicht ſelten; nach Zawadzki kommt ſie an Teichen und Sümpfen Galiziens, vorzüglich am Bug, und ebenſo in der Bukowina nicht ſelten vor und wird — wenigſtens damals, 1839 — öfters auf den Markt nach Lemberg gebracht, zu welcher Angabe ich die briefliche Mittheilung des Herrn Prof. M. Nowicki in Krakau als Ergänzung hinzufüge, daß nämlich die Schildkröte aus dem Gebirge unbekannt ſei und eben nur in den Niederungen, z. B. am Bug, auftrete; nach Jeitteles bewohnt ſie in Ungarn die Sümpfe der Theiß-Gegenden, wie es ſcheint: häufig, und außerdem auch die Umgegend von Tokai an der oberen Theiß, denn ſie wurde von hier nicht ſelten durch Fiſchhändler auf den Kaſchauer Markt gebracht, doch fehlt ſie muthmaß— lich den gebirgigen Landestheilen ebenſo wie den Galiziens; für die Umgebung Preß— burg's führt Kornhuber ſie an. — Dem Stromgebiet der mittleren und oberen Donau, alſo den von ihr und ihren Nebenflüſſen berührten deutſch⸗öſterreichiſchen und ſüddeutſchen Landestheilen fehlt die europaea. Zwar nennt ſchon Graf Marſigli die Schildkröte als eine Bewohnerin der Donau, und nach Fitzinger! ) ſoll ſie in ebenen Gegenden an der Donau im Erzherzogthum Oſterreich, wiewohl ſelten, vorkommen, ja nach Waltl hätte es den Anſchein, als 'ob ſie im Donauthal ſogar bis Paſſau, wo ſie ſeiner Angabe von 1846 zufolge zweimal in der Donau gefangen worden iſt, gehe; allein dieſe Fälle betreffen jedenfalls wohl nur ausgeſetzte oder ent— kommene Exemplare, denn bereits Schrank [F. b. I. S. 277] bemerkt i. J. 1798, daß die Schildkröte in Bayern nur hier und da in Teichen gehalten wird, alſo frei— lebend nicht vorkommt, und die neueſte Schrift über die Reptilien Nieder-Oſterreichs führt die E. europaea gar nicht an. Gerade hinſichtlich der Teichſchildkröte, welche ſchon im vor. Jahrhundert einen Gegenſtand des Handels aus und nach verſchiedenen Gegenden bildete, ſodaß ihr dadurch ein leichteres und öfteres Entkommen möglich war, hat man vorſichtig zu ſein, damit nicht infolge eines vereinzelten Vorkommens Gebiete, in denen das Thier ſonſt gar nicht beobachtet worden, dem Verbreitungs— bezirk derſelben einverleibt werden. Solche Fälle vereinzelten Auftretens haben ſchon ) Verhandl. d. zool. botan. Gef. in Wien XIII S. 1123. — **) Daſelbſt Bd. XIV S. 700. — Beiträge zur Landeskunde Oſterreichs I S. 324. Europäiſche Sumpfſchildkröte. 21 zu mancherlei Irrungen und falſchen Schlüſſen Anlaß geboten, und daß ſie verhältniß— mäßig nicht ſelten zu verzeichnen ſind, dürfte genugſam bekannt ſein. Wie im Erzherzogthum Oeſterreich, den öſterreich. Alpenländern und in Mähren, ſo fehlt E. europaea auch in Böhmen, obgleich dem widerſprechende Angaben ge— macht worden und auch Palacky , Lotos“ VII S. 256] die Angabe vermerkt, daß ſie „angeblich“ bei Budweis gefangen worden ſei. Sehr richtig iſt es daher, wenn der letzte Bearbeiter der Wirbelthiere-F Fauna Böhmens, Dr. Anton Fri, die Schildkröte vollſtändig unerwähnt läßt. Da ſie in Böhmen fehlt, ſo fällt von ſelbſt der Schluß, daß von hier aus ihr e über Sachſen in die preußiſche Monarchie ſich erſtreckt“ [Strauch S. 52] bezw. daß fie von Preußen „durch Sachſen und Böhmen nach Ofterreich übertritt“ (Schreiber S. 544], und zwar um ſo eher, als bis jetzt auch kein verbürgter Fall eines Vorkommens im wilden Zuſtande im Königreich Sachſen vorliegt. Denn Ludwig!) führt fie, ohne Angabe des Verbreitungs bezirks, nur einfach unter den Thieren Sachſens auf, und der Beweis Reibiſch's ““) für eine Zugehörigkeit der Schildkröte zur ſächſiſchen Fauna — ſie ſei nicht nur 1 wie ſüdlich von Sachſen 5 ſondern auch von Herrn C. M. Greßner, Lehrer in Rochlitz, daſelbſt im 1 Zuſtande aufgefunden worden — will nichts beſagen: ſüdlich von Sachſen, d. i. in Böhmen und Bayern, iſt ſie nicht nach— gewieſen, nördlich von Sachſen 10 7 ſie ſich in der preuß. Provinz Sachſen ebenfalls nicht — denn der kritiſch ſichtende ſächſiſche Fauniſt W. Wolterstorff kennt bisher noch „keinen zuverläſſigen Fall“ eines Vorkommens in der Provinz Sachſen und in Anhalt ꝛc., und auch die laut Bericht der Naturw. Wochenſchrift, III. Band S. 45, in einem Teiche beim Dorfe Tornau 12 Kilometer ſüdweſtlich von Deſſau „ziemlich häufig“ gefundenen Exemplare muß man für ausgeſetzte oder eingebürgerte Stücke halten —, ſondern nur im mittleren und nördlichen Brandenburg im Oder- und Havel— gebiet, und da ſie ſonſt im Kar. Sachſen freilebend nicht nachgewieſen worden ***), jo wird auch die bei Rochlitz, an der bis dahin Gebirgswaſſer führenden Zwickauer Mulde gelegen, aufgefundene Schildkröte eine entkommene oder ausgeſetzte geweſen ſein. Uebrigens kenne ich mehrere Fälle, daß in neuerer Zeit gerade in Sachſen, ſo in der Nähe von Chemnitz bei Dittersdorf am Zwönitzfluß und bei Zittau in der Lauſitz, Teichſchildkröten ausgeſetzt wurden und ſich gut einlebten. Daher wird man die „gegen das Vorkommen dieſer Schildkröte in Sachſen erhobenen Zweifel“, über welche Reibiſch hinweggeht, für ſehr wohl berechtigt gelten laſſen müſſen. Es wurde ſchon oben erwähnt, daß die Sumpfſchildkröte das Oder- und Weichſel-Gebiet bewohnt. Das würde im großen Ganzen außer Polen die preußiſchen Provinzen Schleſien, Poſen, Brandenburg, en Weit und Oſtpreußen um faſſen. Was Schleſien anbetrifft, jo liegen nur Nachrichten aus dem flachen öſt— lichen Grenzgebiet vor, obwohl Heinrich's Angabe zufolge die Sumpfſchildkröte bis zum Jahre 1813 bei Jägerndorf an der Oppa, der Grenzſtadt von Oeſterreichiſch— und Preußiſch⸗Schleſien, häufig gewejen, Ende Auguſt des genannten Jahres aber gelegentlich einer Ueberſchwemmung der s Oppa verſchwunden ſein ſoll, und Fechner die allgemeine Bemerkung macht, ſie ſei „auch in Schleſien nicht ſelten“ und finde ſich, wennſchon „in der Nähe von Görlitz noch nicht beobachtet, höchſtwahrſcheinlich in den Teichen und Flüſſen der niederen Gegenden“, d. h. Niederſchleſiens. Dieſe Annahme hat ſich allerdings nicht beſtätigt. Dagegen melden die ſchleſiſchen Fauniſten von ) Initia Faunae Saxonicae p. 12. — **) Iſis, Dresden 1866, ©. 114. — ***) In der Spezial⸗ Sammlung „Sachſens Reptilien und Amphibien“ des Kgl. Zool. Muſeum zu Dresden fehlt ſie auch. Böhmen. Sachſen. Schleſien. Poſen. Brandenburg. 22 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Schwenckfeld, alſo vom Jahre 1603 an, daß die Schildkröte in der Bartſch bezw. „namentlich in der Umgegend von Militſch und weiter gegen die polniſche Grenze an manchen Teichen und in den Sümpfen zu finden und dort auch nicht ſelten ſei“ [Gloger S. 65]. Dieſes Vorkommen in dem teich- und ſumpfreichen Militſcher Kreiſe, woher laut brieflicher Mittheilung noch neuerdings Herrn Konſervator Tiemann in Breslau mehrmals lebende Exemplare eingeliefert wurden, erſcheint Br natürlich, da die Schildkröte das benachbarte Polen allenthalben bewohnt. J. G. Neumann allerdings ſcheint keinen direkten Beweis für das Vorkommen im Militſcher Kreiſe erhalten au haben, denn er führt nur (S. 12) die Schwenckfeld 'ſche Angabe an mit dem Zuſatz: „In unſeren Zeiten“ — alſo damals, als Gloger ſeine Arbeit ſchrieb — „trifft man ſie nur noch in den Spülfäſſern der Viehwirthſchaften Ober-Schleſiens an“ (vergl. unten S. 36). Fälle vereinzelten Auffindens in und bei Breslau, worauf Gloger und jetzt brief— lich auch Herr E. Merkel hinweiſt, ſind den ſchon früher erwähnten (S. 20) anzureihen. Von Polen und dem namhaft gemachten ſchleſiſchen Diſtrikt aus verbreitet ſich die E. europaea durch die Provinz Poſen einerſeits nördlich nach den Provinzen Weft und Oſtpreußen und anderſeits weſtlich in die Mark Brandenburg. In der Provinz Poſen mag ſie weniger ſelten und zerſtreut vorkommen, als man gewöhnlich annimmt. Daß ſie ſchon im vor. Jahrhundert im Gneſen'ſchen ſehr gekannt war, erhellt aus Schneiders „Schildkröten“, S. 193: „Bei dem Städtchen Witkove (Wit— kowo, ſüdöſtlich von Gneſen) in der Woiwodſchaft Gneſen hat man ſogar beſondere Teiche mit Holz ausgefüttert, worin die Schildkröten aus den benachbarten Seen, wo ſie ſich häufig aufhalten, aufgezogen werden. Manche ſind einen Schuh groß. Man ſchickt ganze Wagen voll nach Prag.“ Neumann citirt daſſelbe auf Seite 13. Gloger 8 5 ebenfalls beiläufig, daß fie ſich im Großherzogthum Poſen finde, und Fournet S. 22), daß fie in der Warthe beobachtet wurde; und Herr Gymnaſiallehrer F. Zerbst in Schneidemühl benachrichtigt mich, daß ſie in der Nähe, doch auch in weiterer Entfernung von dieſer Stadt — alſo nördlich der Netze — hin und wieder in Seen, Teichen, Sümpfen und kleinen Flüſſen gefunden und im Kabinet des dortigen Gym— naſium ein in jener Gegend erbeutetes Exemplar aufbewahrt werde. In der Mark Brandenburg iſt ſie wohl für alle Theile — etwa mit Aus— nahme des ſüdlichſten Theils, der ſeit 1815 zugehörigen Niederlauſitz — nachgewieſen; und daß ſie urſprünglich hier zu Hauſe war, bezeugen die zuſammen mit bearbeiteten Hirſchgeweih-Enden im Wieſenkalk bezw. Süßwaſſermergel von Hermsdorf, Kreis Nieder-Barnim, aufgefundenen und aus dem ſogenannten Bronze-Zeitalter, welches in unſerer Gegend ungefähr im 4. oder 5. Jahrhundert endigte, ſtammenden Schalentheile, die der Sammlung des Märkiſchen Provinzial-Muſeum zu Berlin eingereiht ſind. Freilich kam ſie früher viel häufiger vor als jetzt, ſodaß man in der Ucker- und Neumark, insbeſondere von Wrietzen und Frankfurt a. d. Oder aus einen lebhaften Handel mit dieſen Thieren trieb und ſie, wie der Verfaſſer der „Phyſikaliſchen Be— luſtigungen“ [XVI. Stück, S. 446] ſagt, während der Faſtenzeit der Katholiken „zu vielen Fudern“ nach Schleſien und Böhmen (als Faſtenſpeiſe) ſchickte. „Aber dieſe Zeit iſt vorbey, nach der Austroknung der vielen Sümpfe“ — ſo klagt ſchon vor 100 Jahren der damals als Profeſſor in Frankfurt wirkende Verfaſſer der „Allgem. Naturg. der Schildkröten“, J. G. Schneider. Der erwähnte Handel, zu welchem Zwecke man die Thiere mittelſt Fiſchnetzen und Reuſen fing, und die Trocken— legung ſo manchen Waſſerlaufes, Sumpfes und Bruches hat eine erhebliche Ver— minderung leider nur zu bald herbeigeführt, und es erſcheint demnach z zweifelhaft, ob die Bemerkung des Jenenſ er Profeſſors Voigt [Lehrb. d. Zool. S. 88 vom Jahre Europäische Sumpfſchildkröte. 23 1837: daß man ganze Tragkörbe voll Schildkröten bis nach Frankfurt a. d. Oder bringe, wirklich den damaligen Verhältniſſen noch entſpricht. — Betreffs der ſüdlich vom Berliner Breitengrad, zwiſchen 52½ und 52 Grad n. Br., gelegenen märkiſchen Gebiete liegen Nachweiſe aus den Streifen Jüterbogk- Luckenwalde, Teltow, Lübben, Lebus vor. Aus Luckenwalde verzeichnet ſie mir Herr Prof. E. v. Martens; bei Lank— witz und Tempelhof (zwiſchen Teltow und Berlin) hat der märkiſche Fauniſt J. H. Schulz vor Jahrzehnten ſie gefunden, und vermuthlich iſt dies derſelbe Teich geweſen, aus deſſen unmittelbarer Nähe mir von einem jungen Landwirth Ende Mai 1885, als ich in Lankwitz wohnte, ein Ei gebracht wurde, welches durch das Ackergeräth ſoeben zu Tage gefördert worden war; aus dem Kreiſe Lübben führt Fechner den Schwielug⸗ S See als Fundort an, ferner aus dem Frankfurter Bezirk die Umgegend von Frankfurt a. d. O.; aus dem Kreiſe Lebus kennt man ſie von Für nwalde a. d. Spree“), von Müncheberg (Dr. O. Reinhardt), und in der nördlich von dieſem Orte ſich hinziehenden, aus größeren und geringeren Boden-Erhebungen gebildeten, gewäſſerreichen „Märkiſchen Schweiz“ wurde ſie mehrfach — ſo im großen und kleinen Tornow⸗See bei Buckow, von welchem Orte ſich auch einige junge Thiere im Märk. 0 0 zu Berlin befinden — beobachtet und erbeutet. Weit zahlreicher beherbergt ſie das öſtlich von der Märk. Schweiz in ſüdoſt-nordweſtlicher Richtung ſich erſtreckende Oderbruch, insbeſondere das Nieder- Oderbruch. Zwar hat ihre Zahl dort, wo fie vor Jahrzehnten in außerordentlicher Menge vorkam, wie in anderen Gegenden ſich ſehr vermindert, indeß verſchwunden iſt die Art bei weitem noch nicht. Und wenn auch das Verhältniß ſich geändert, von dem eine Korreſpondenz der „Voſſ. Zeitung“ [vom 11. 7. 84] ſagt: „Wenn man noch vor einigen zwanzig Jahren auf der (alten) Oder bei Freienwalde des Abends mit dem Kahn durch das Schilf fuhr, ſo hörte man oft ein hundertſtimmiges, wenn auch leiſes, doch ſcharfes, kurzes Pfeifen, das aus dem Waſſer zu kommen ſchien; es waren die Stimmen der Schildkröten, die nur mit der Spitze des Kopfes aus dem Waſſer lugten“ — ſo iſt das Thier im Bruch und ebenſo weiter abwärts in der Gegend von Oderberg verhältnißmäßig „immer noch ziemlich häufig“, wie mir Herr Lehrer Lange in Oderberg ſchreibt; und noch jetzt wird ſie, zufolge der ſeitens d des durchaus zuverläſſigen Flößermeiſters Mielentz in Liepe Herrn H. Schalow gemachten Angaben, alljährlich und ganz regelmäßig an allen Seen des Angermünder Kreiſes gefangen. Sie bewohnt auch in der Gegend von Oderberg, wo ſie „noch oft gefangen und von den Leuten in ſogenannten Trank— tonnen gehalten wird“, nach den een des Herrn Lange die Seen der Forſten und wohl am liebſten die mit denſelben in V zerbindung ſtehenden Tümpel und Lachen, in denen ſie Hr. L. bei ruhigem Wetter und recht hellem Sonnenſchein nicht ſelten behaglich umherſchwimmen ſah, wie er auch öfter in der Paarungszeit, an beſonders ſtillen Frühlingsabenden ihre eigenthümlich melancholiſchen Lockrufe hörte. — Daß ſie auch nordweſtlich von Angermünde, in der e Uckermark vorkommt, be— ſtätigt mir eine Mittheilung des Herrn H. C. Dunker in Berlin, welcher ſie vor etwa 12 Jahren in den Niederungen der 85. ſchen Mühle bei Greifenberg ziemlich häufig, ſeltener in den Wieſen des Oberhofs dortſelbſt bemerkte und ſie außer dem aus den Wieſenbrüchern bei Paſſow, nahe der pommerſchen Grenze kennt. Ebenſo verbreitet ſie ſich von Freienwalde ꝛc. weſtlich weiter durch den Kreis Ober- Barnim, nach Nieder-Barnim, dem Havelland und dem Ruppin'ſchen, während mir bezüglich der Prignitz keine zuverläſſige Angabe vorliegt. Aus Eberswalde, Kr. Ober-Barnim, Vergl. Voſſiſche Zeitung vom 11. 7. 84. Mecklenburg. 24 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchreibt Herr Prof. Altum mir, daß ſie dort in Schutzbezirken des Lieper Reviers, wo Tümpel, Brücher, Seen zahlreich ſind, wiederholt wahrgenommen wurde und einmal auf dem Felde Eier gefunden wurden; das Rückenſchild eines alten, um 1850 bei Eberswalde geſchoſſenen Exemplars iſt im Märk. Muſeum zu ſehen. Im Kr. Nieder— Barnim findet ſie ſich im Liepnitz-See bei Lanke; des früheren Vorkommens bei Hermsdorf wurde ſchon gedacht. Ende der fünfziger Jahre, 18571860, wurden noch Exemplare auf den Wieſen bei Spandau, Kr. Oſthavelland, und Anfang der ſechziger Jahre noch vereinzelte Thiere auf der Inſel Scharfenberg im Tegeler See gefangen (H. Schalow), dem ich hinzufügen kann, daß mir noch im Mai 1880 am Tegeler See ein in dieſer inſel- und ſchlupfreichen Ausbuchtung der Havel gefangenes Exemplar überbracht wurde. Und wenn Schneider [Schildkr. S. 182] i. J. 1783 die Bemerkung des Verfaſſers der „Phyſikal. Beluſtigungen“ eitirt, daß „ſich viele Flußſchildkröten auf der Wieſe des Weidendammes in Berlin aufhalten“, ſo erhellt daraus, daß in vergangenen Zeiten die Wieſen an der Unter-Spree unmittelbar vor der Stadt (NW.) ebenſo Schildkröten zum Aufenthalt dienten wie die an der Ober— Spree (SO.) bei Stralau, Kreis Nieder-Barnim, auf welchen laut H. Schalow's Mit- theilung noch Ende der fünfziger Jahre Exemplare gefangen wurden. Betreffs des von Schulz verzeichneten Gerüchts, daß die europaea auch im Brieſelang, einer zwiſchen Spandau und Nauen, Kr. Oſthavelland, gelegenen waſſerreichen, allen Berliner Sammlern bekannten Waldung, vorkommen ſoll, vermag ich nur zu ſagen, daß ich bei meinen vielen Ausflügen dahin von Schildkröten weder etwas wahrgenommen, noch darüber in Erfahrung gebracht habe. Dagegen erhielt ich von verläßlicher Seite die Mit— theilung, daß ſie auch im Kreis Weſthavelland bei Plaue und im Plaue'ſchen Kanal ſelbſt bei Genthin, Prov. Sachſen, allerdings ſehr ſelten vorkomme. Aus dem Kreiſe Ruppin giebt mir Herr Prof. E. v. Martens Neuſtadt a. d. Doſſe als Fundort an; ferner bewohnte ſie wenigſtens noch Ende der dreißiger Jahre, wie der „Voſſ. Ztg.“ [No. vom 19. 8. 82.] ein Forſtmann ſchreibt, den in einem zur Kgl. Oberförſterei Mentz gehörigen Forſtrevier gelegenen kleinen Waldſee, den Steutzenſee, wo die Thiere „häufig in zwiſchen Schilfgräſern verſenkte Fiſchreuſen ſich verirrt hatten und ſo an das Tageslicht gehoben wurden“. Aus dem Ruppin'ſchen Kreiſe und der Uckermark tritt unſere Schildkröte in die Mecklenburgiſchen Lande über. Sie iſt daher im ſüdöſtlichen Theil dieſer Großherzogthümer, insbeſondere im ſüdlichen Mecklenburg-Strelitz, durchaus nicht ſelten, während ſie im weſtlichen und nördlichen M.-Schwerin nur ganz vereinzelt und zerſtreut bemerkt worden, ſodaß H. Brockmüller in Schwerin in einer Abhand— lung: „Die Schildkröte in Mecklenburg“*) das Vorkommen einheimiſcher Schildkröten in jenen Gegenden verneint und die dort aufgefundenen Exemplare als eingeführte bezw. entkommene Thiere betrachtet, wogegen E. Struck-Waren im folgenden Jahrgang des „Archiv“ unter Berückſichtigung der verſchiedenen Fundorte in der Mitte, im Norden und Weſten des Landes und in Erwägung des Umſtandes, daß 1865 und 1866 in dem Pfahlbau von Wismar mehrere Schalen und 1868 im Wolfsburgmoor bei Wismar in einer Tiefe von 10 Fuß eine Schale aufgefunden wurden, zu dem Schluß gelangt, die Teichſchildkröte habe auch in jenen Theilen des Gebietes, „wenigſtens in uralter Zeit, Spontan gelebt“, d. h. ſie gehöre zu den dort ein— heimiſchen Thieren. Vielleicht bringt die Zukunft nach der oder jener Richtung hin eine weitere Klärung dieſer Frage; auf jeden Fall ſteht für jetzt ſo viel feſt, daß die ) Archiv d. Ver. der Freunde d. Naturg. in Mecklenburg, 30. Jahr, 1876. Europäiſche Sumpfſchildkröte. 25 Schildkröte im ſüdlichen und ſüdöſtlichen Mecklenburg einheimiſch iſt und daß in vor— geſchichtlicher (Pfahlbauten-) Zeit ihr Verbreitungsbezirk wahrſcheinlich auch in dieſen Ländern ein ausgedehnterer war, insbeſondere den nordweſtlichen Theil des Gebiets mit umſchloß. Nachdem Struck bereits im Jahre 1857 die ihm damals bekannten Fundſtellen aufgezählt „Archiv“ S. 130] und Boll ebendaſelbſt dieſe zuſätzlich vermehrt hatte, giebt ersin der oben angezogenen Arbeit folgende Ueberſicht der Fundorte aus der wäſſerreichen Oſthälfte Mecklenburgs: der Wentowſee (Fiſcherwall), Gramzow, Drögen und Burow bei Fürſtenberg, die Havel bei Steinförde, die Seen bei Mirow, der Uſeriner See, Weſenberg, Kakeldütt bei Neuſtrelitz, Laarz, Krümmel, ferner Neu— brandenburg, Roga, Friedland, Dewitz bei Stargard, Mallin, Peutſch, der Werderſee bei Penzlin, die Müritz“), Plau, Malchin, Lewetzow bei Teterow. Weiter berichtet Struck, daß er auch bei der Aalbude am Cummerower See und am Ruthnickbach bei Dargun wiederholt Abends im Mai die eigenthümlichen Ziſchlaute der Flußſchildkröte gehört habe; daß ferner Herr Dr. Schlie-Schwerin i. J. 1851 oder 1852 im Dorfe Cammin, 1 Meile nördlich von Laage, ein Exemplar ſah, welches, wie ihm verſichert wurde, aus dem Recknitzthal ſtamme, wo die Schildkröte überhaupt vorkomme; daß ferner nach einer Mittheilung des Herrn Prof. Dr. Röper während der 40er Jahre in der Unterwarnow, am ſog. Strande, durch die Schaufel eines Modde-Baggers eine Schildkröte lebend zu Tage gefördert ſein ſoll und zur Zeit des Großherzogs Friedrich Franz J. in der Lewitz Schildkröten vorgekommen ſeien. Wie Struck ſpäter „Archiv“ 1883] berichtet, wurde in der 1. Juliwoche 1882 im Warnker See bei Waren wieder ein Exemplar, mit 17 em langer Rückenſchale, erbeutet. — Den oben genannten Fundorten ſei der an der Oſtgrenze Mecklenburgs gelegene Feldberg-See noch angefügt, wo laut einer mir zugegangenen Mittheilung des Herrn Karl Petermann— Roſtock von Zeit zu Zeit Schildkröten aufgefunden worden und wo Herr Optikus Paetſch sen. auch am 19. Juni 1881 ein 20 em langes Exemplar erlangte, welches vier Tage ſpäter 19 Eier legte. Betreffs der Häufigkeit der Emys europaea im Strelitz'ſchen bemerkt Struck noch, daß der Guts- und Fiſchereipächter Ahlrep zu Eldenburg eigener Angabe zufolge im Laufe der Jahre gegen 400—500 Stück ge fangen und nach Berlin verkauft habe, und daß in den Jahren 1849/53 in einem See zu Gramzow bei Fürſtenberg von den dort wohnenden Tagelöhnern häufig Schildkröten gefangen wurden, deren Schalen bei den Dorffrauen gewöhnlich als Müllſchaufeln Verwendung fanden. Daß in den Gewäſſern der Waren'ſchen, Mirow'ſchen und Malchin 'ſchen Gegend Schildkröten vorkommen, erwähnt übrigens ſchon Ad. Chr. Siemſſen i. J. 1795 .*); er gedenkt zudem noch eines Bruches bei Federow, und in der That ſind zu Ende des vorigen und zu Anfang dieſes Jahr— hunderts an den Seen zu Federow bei Waren Schildkröten gefunden worden. Intereſſant iſt es auch, daß das von J. Sturm [Amph., 3. Heft] abgebildete Exemplar aus Mecklenburg ſtammt, denn der Künſtler erhielt es „durch die Güte des Herrn Karſten in Neuwerder bei Roſtock“. Der Provinz Pommern fehlt E. europaea ebenfalls nicht, ja wie die auf Rügen gefundenen Schalen, über welche mir Herr Dr. Katter in Putbus berichtet, beweiſen, iſt ſie auch in dieſem Landestheil in früheren Zeiten weiter verbreitet ge— weſen als jetzt und bis an die „Geſtade der Oſtſee“ vorgedrungen. Gegenwärtig ſcheint ſie vielorts verſchwunden zu ſein und in Vorpommern überhaupt zu fehlen. ) Diefer Fundort iſt der einzige, welcher in der Zoolog. Sammlung der Univerſität zu Roſtock vertreten it. — **) Magazin f. d. Naturk. und Oekonomie Mecklenburgs. II. Bd. Pommern. Preußen. Oſtſeeprovinzen. 26 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Zwar notirt noch i. J. 1871 Th. Holland: „Lebt in einigen Flüſſen, Seen und Sümpfen Vor- und Hinterpommerns“, allein beſtimmte Fundorte verzeichnet er nicht; auch in dem Greifswalder Zoolog. Muſeum iſt kein Exemplar aus Vorpommern vor— handen, und Herr Ludwig Holtz-Greifswald hat, laut brieflicher Mittheilung, in Neu— Vorpommern bisher weder ein Exemplar geſehen, noch „den bekannten Pfeiflaut ver— nommen, obgleich ich ihn von Süd-Rußland her ſehr gut kenne“. Immerhin aber mag ſie ſich in manchen Gewäſſern Vorpommerns aufhalten, da ſie in den benachbarten Mecklenburgiſchen und Märkiſchen Gebieten vertreten iſt, bei vereinzeltem Vorkommen aber infolge ihrer verſteckten Lebensweiſe leicht überſehen werden kann. Dagegen liegen von der Hinterpommerſchen Seenplatte beſtimmte Angaben vor. Nach Dr. Katter iſt ſie bei Dramburg, Neuſtettin und insbeſondere in der Gegend von Callies, Kreis Dramburg, nicht ſelten, und Herrn M. Quedenfeld wurde während ſeiner Anweſenheit beim Herbſtmanöver 1876 in der Gegend von Tempelburg und Dramburg ſeitens dortiger Fiſcher mitgetheilt, daß die Schildkröte in den Seen daſelbſt ſelten und einzeln vorkomme. Wie auf der Mecklenburgiſchen und Pommerſchen, fo iſt E. europaea auch auf der Preußiſchen Seenplatte zu Hauſe; und dies erſcheint, da ſie in den an— grenzenden Gebieten heimatet, ganz natürlich. Weſtlich der Weichſel, wenigſtens nach der Oſtſee hin, im Reg.-Bez. Danzig mag ſie fehlen; S. S. Schultze hat ſie im Kreiſe Karthaus, Provinz Weſtpreußen, nicht beobachtet, während Profeſſor Bail— Danzig in ſeinen „Mittheilungen über die Fauna von Danzig und ſeiner Umgebung“ bemerkt, daß hier „hin und wieder eine Sumpfſchildkröte gefangen“ werde. Dagegen würde man ſie in dem von den pommerſchen Kreiſen Dramburg und Neuſtettin, der Neumark und den poſenſchen Kreiſen Czarnikau und Chodzieſen (Schneidemühl) um— ſchloſſenen ſüdweſtlichen, mit der Pommerſchen Seenplatte verbundenen Zipfel Weſt— preußens wohl nicht vergebens ſuchen. Was die Theile Weſt-Preußens öſtlich der Weichſel anbetrifft, ſo fand ſie ſich im vor. Jahrhundert, nach Wulffs Angabe [Amph. Bor. p. 3] im Culm'ſchen und im Oberlande; auch Bujack jagt noch i. J. 1837, daß ſie in den Seen des Culmerlandes nicht ſelten ſei; doch betont ſchon Rathke“) i. J. 1846, daß fie in der Provinz Weſtpreußen ſehr ſelten ſei, und neuere Mittheilungen liegen nicht vor. Hinſichtlich der Provinz Oſtpreußen bemerkt Bujack, ſie ſei in den Seen Maſurens und des Ermelandes nicht ſelten, werde aber in Natangen (mordweitlich vom Ermeland) ſchon ſeltener, und als ihm bekannte Fund— orte führt er die Gegend von Neidenburg, von Willenberg im Kr. Ortelsburg und von Angerburg an, indem er weiterhin hervorhebt, ſie gehe nordwärts über das Pregelthal hinaus. Früher ſchon, 1834, hatte der Königsberger Profeſſor K. E. v. Bär darauf hingewieſen, daß fie bei Königsberg nicht vorkomme ), und fein Nach— folger Rathke giebt an, daß ſie im ſüdlichen Theile der Provinz häufig, im nördlichen dagegen ſehr ſelten ſei, womit auch die neueſte, mir von Prof. Zaddach zugegangene und von Herrn Pr. Dewitz beſtätigte Mittheilung, daß ſie ſtellenweiſe an den Seen Maſurens vorkomme, im Einklange ſteht. Die ſchließliche Notiz Bujack's: „Früherhin ſoll es deren auch in dem hieſigen (Königsberger) Schloßteiche gegeben haben“, be— zieht ſich wohl nur auf gehegte Exemplare. — In Rußland, deſſen ſüdweſtliche, ſüdliche und ſüdöſtliche Gebiete die Emys europaea vorzugsweiſe bewohnt, erreicht fie die Grenze ihrer Verbreitung nach Norden ) Neue Preuß. Prov. -Blätter 1846 II S. 16. — **) Müller's Archiv f. Anat. und Phyſiol. 1834 S. 544. Europäiſche Sumpfidildfröte. 97 und, unter Berückſichtigung des aſiatiſchen Rußlands, nach Oſten hin. Erſteres ge- ſchieht in Litthauen und Kurland, alſo im Nachbargebiet Oſtpreußens. In Litthauen ſoll fie nach Eichwald's Angabe (Litth. S. 234) überall, namentlich im Braslaw'ſchen, Trotzkiſchen und im Kobryn'ſchen Kreiſe ſehr häufig ſein, ſodaß es natürlich erſcheint, wenn die Schildkröte, obzwar in geringer Anzahl, durch das nördlichſte der litthauiſchen Gouvernements, Kowno (Samogitien), bis in die ſüdlichſte Oſtſeeprovinz, Kurland, vordringt. Daß ſie im Beſitz des Bürgerrechts für Kurland iſt, dürfte genugſam durch die Thatſache erwieſen ſein, daß ſie in allen Theilen dieſer Provinz, wennſchon vereinzelt, angetroffen wurde. Wiſſenſchaftlich feſtgeſtellt wurde ihre Anweſenheit nach Beginn unſeres Jahrhunderts, indem am 11. Juni 1820 Paſtor Büttner in Schleef in das Kuriſche reſp. Mitauer Muſeum den Panzer einer E. europaea einlieferte, welcher aus dem Puſſen'ſchen See, nordweſtl. Kurland, ſtammte.“) Nach dem find verſchiedene Fälle konſtatirt worden, und der als Zoolog bekannte Paſtor Kawall in Puſſen hat ſolche in einer der „Kaiſ. Naturforſchenden Geſellſchaft zu Moskau am 23. Dezember 1855 an dem Jubelfeſte ihres 50jährigen Wirkens dargebrachten Gratulationsſchrift“ zuſammengeſtellt. Aus derſelben ſei hervorgehoben, daß man im Jahre 1827 in Jahteln eine ſolche Schildkröte gefunden hat und daß dem Golding'ſchen Oberhauptmann von Bauern gefangene Schildkröten gebracht und verkauft wurden, deren drei auch der alte Kabillen'ſche Graf Heinrich Kayſerling in Goldingen erwarb, um ſie nach Kabillen zu ſchicken; im Sommer 1847 wurde auch eine beim Gute Schleek gefangen und dem Paſtor zu Schleek gebracht, welcher ſie 2 oder 3 Jahre hindurch im Garten hielt, indem er ſie zuerſt in einem Teiche deſſelben an einen langen, durch ein in die Rückenſchale gebohrtes Loch gezogenen Strick gebunden hatte, dann aber frei ließ. Als Ergänzung dazu möge dienen, daß Herr cand. chem. Krüger in der 586. Sitzung der Mitauer Muſeums-Geſellſchaft am 6. Mai 1870 eine Schildkröte mit 4½ Zoll langem Panzer zeigte, welche kurz vorher beim Krebſen im Platohne Bach unter Alt-Platohn gefangen worden, und daß nach ſeinen in der 588. Sitzung derſelben Geſellſchaft gemachten Mittheilungen aus dem Jahre 1870 und den Jahren vorher noch mehrere Fälle des Auffindens von Schildkröten vorliegen: 1861 oder 1862 fing man in einem Teiche auf dem Herrn v. Preiß gehörigen Gute Grendſen bei Illuxt im Oberlande acht Schildkröten, ſetzte ſie aber wieder zurück und ſah ſie ſpäter noch dort; 1869 wurde eine Schildkröte beim Plohſtu-Krug und im Sommer 1870 eine ſolche im Forſte von Kalleten (im Libau'ſchen) gefunden, welch’ letztere auf den Hof Kalleten in Pflege kam. Doch damit genug; die angeführten, das Auffinden der E. europaea in den verſchiedenen Gegenden Kurlands betreffenden Fälle werden erkennen laſſen, daß die Teichſchildkröte in jener Oſtſeeprovinz heimatberechtigt iſt. Sie erreicht hier aber auch die Nordgrenze ihrer natürlichen Verbreitung, denn ſie iſt weder aus den nördlicheren Oſtſeeprovinzen Livland und Eſthland noch in den öſtlich gelegenen Gouvernements be— kannt, und wenn mehrere Male bei St. Petersburg Schildkröten gefangen worden, ſo ſind dies eben entkommene oder ausgeſetzte Thiere geweſen, die nach Joh. v. Fiſcher's Beobachtung dort das Klima in Jahren mit milden Wintern ganz gut vertragen; ebenſo wird man noch weitere Aufklärung darüber abzuwarten haben, ob die von C. Greve während der letzten zwei Jahre in der Jauſa, einem Nebenfluß der Moskwa, gefangenen und im „Zvol. Garten“ 1890 S. 209 angezeigten drei Exemplare zu der Annahme berechtigen, daß Emys europaea „zur Fauna Moskau's gehört“. Wird die ) Vergl. O. v. Löwis Reptilien Kurlands ꝛc. S. 2. Rußland. Verbreitungs Grenzen früher u. letzt. 28 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Nordgrenze in Kurland etwa vom 56. oder 56½ Grad n. Br. gebildet, jo ſinkt die— ſelbe im übrigen Rußland um 3 Grad oder mehr, ſodaß ſie ſich etwa zwiſchen dem 52. und 53. Grad n. Br. durch das europ. Rußland bis nach Orenburg hinüberzieht, von wo ab ſie wohl noch einige Grade ſüdlicher, auf dem 50. und 45. Grad n. Br. hinläuft (aſiat. Rußland). Im ehemaligen Königreich Polen ſoll ſie, wie Herr ArtillerieF-Oberſt O. v. Radoſchkowsky Herrn A. Strauch [Schildkr. S. 53] mittheilte, beſonders in und am Bug ſehr häufig, im Narew und in der Weichſel jedoch bedeutend ſeltener ſein, während neuerdings Taczanowski, wie aus ſeiner Angabe „Commune partout, dans les étangs et les marais“ hervorgeht, einen ſolchen Unterſchied nicht finden kann. Von Polen und Litthauen a verbreitet ſie ſich durch die Gouvernements Wolhynien, Podolien — von wo ſie Belke unter den Reptilien der Gegend um Kamieniee aufführt —, die kleinruſſſchen Gouvernements Kiew, Tſchernigow und Poltawa und die ſüdruſſ. Gouvernements Cherſon und Beſſarabien bis an die Küſte des Schwarzen Meeres und zur Halbinſel Krim, auf welcher ſie Pallas beobachtete [Z. r. S. 17] und nach Rathke (Krim S. 298] in allen stehenden und langſam fließenden Gewäſſern vorkommt. Wie in dem Gebiete des dem Schwarzen Meer zu— ſtrömenden Dnieſtr, Bug und Dniepr, ſo findet ſie ſich laut Czernay auch in den zum Flußgebiet des Don gehörigen Gouvernements Charkow, Woroneſch de., in dem das letztere nach N W. hin begrenzenden Gouv. Orel und im Gebiete der in das Kaſpiſche Meer ſich ergießenden Ströme Wolga und Ural. An der unteren Wolga iſt ſie ſehr häufig und beſonders an und auf den zwiſchen den Wolga-Armen liegenden Snjeln bei Aſtrachan nach Eichwalds Beobachtungen [Reiſe S. 39] ſehr gemein, doch dürfte Saratow der nördlichſte Punkt ihrer Verbreitung im Wolgathal ſein, während ſie die vom Ural oder Jaik durchfloſſene Ebene laut Eichwald's Mittheilung [Fauna S. 58] bis nach Orenburg hinauf ſehr häufig bewohnt. In den Gewäſſern der Kirgiſenſteppe öſtlich vom Ural wird ſie wohl auch durchweg vorkommen, da ſie von Sewerzoff noch öſtlich vom Aral-See am Syr-Darja — etwa unterm 82. Grad öſtl. Länge von Ferro, die Oſtgrenze ihrer Verbreitung — gefangen hat; und an der Oſtküſte des Kaspi-Sees fand, wie Strauch in ſeinen „Schildkröten“ erwähnt, E. v. Bär ein Exemplar auf der Halbinſel Mangiſchlak, das er dem Akademiſchen Muſeum zu Peters— burg übergab. Weſtlich vom Kaspi-See, im Gebiete des dieſem Gewäſſer age Kur fehlt ſie ebenſowenig, in Transkaukaſien iſt ſie ſogar ſehr häufig, wie Eichwald, Hohenacker, Keßler, Ménstriés berichten; der Letztere beobachtete ſie bei Lenkoran am Kaspi-See und auf dem Kaukaſus bis zu 2000 bis 3000 Fuß Höhe. — An dem ruſſiſchen Weſt- und Oft-Ufer des Kaspiſchen Sees zieht ſich der Verbreitungs— bezirk der E. europaea herunter und umſchließt auch das Südweſt- und Süd⸗-Ufer, aljo Theile des nördlichen Perſiens; wenigſtens iſt fie nach Eichwald [Fauna S. 58] in den Küſtenprovinzen Mazanderan e und Ghilan nicht ſelten, und aus letzterer Provinz erwähnt ſie auch Blanford von Enzeli (Enſelli), der Hafenſtadt Reſcht's. Muthmaßlich kommt ſie auch in anderen perſiſchen Provinzen, vielleicht auch im Euphrat-Tigris-Land, in Syrien und Kleinaſien vor. Die vorſtehenden Auseinanderſetzungen über den Verbreitungsbezirk unſerer Schildkröte ergeben, daß derſelbe über 21 Breitengrade (vom 35, bis 56. Grad n. Br.) und 73 Längengrade (vom 9. bis 82.) Grad öſtl. L. von Ferro), d. h. von Algerien bis Litthauen und Kurland im Norden, und von Portugal nach Oſten hin bis zum = nu ſich erſtreckt; ferner daß die Schildkröte in früheren (vorgeſchichtlichen) Nicht 32. Grad, wie Brehm [Thierl. S. 56] ſagt! Europäiſche Sumpfſchildkröte. 29 Zeiten nicht nur in Europa überhaupt — Südſchweden, Dänemark, Weſt-Schweiz —, ſondern auch insbeſondere in Deutſchland weiter und allgemeiner verbreitet war. Denn bei uns hat man fie foſſil reſp. Panzer und andere Reſte von ihr gefunden in den Torfmooren und ähnlichen Ablagerungen ſowohl ſolcher Gebiete, zu deren Bewohnern ſie in der Jetztzeit gar nicht mehr zählt — ſo bei Enkheim unweit Frank furt a. M. und bei Dürrheim im oberen Schwarzwald, Baden), ferner bei Maudach in Rheinbayern unweit Mannheim! ), in Württemberg ꝛc. —, als auch ſolcher, in deuen ſie heut noch, wenngleich nicht mehr ſo häufig und allgemein lebt, ſo in der Mark Brandenburg und im öſtlichen Mecklenburg. Herm. v. Meyer hat der foſſilen Torfſchildkröte die Bezeichnung Emys turfa beigelegt. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Die Emys europaea iſt eine Sumpf ſchildkröte und als ſolche ihrer Lebens- und Ernährungsweiſe nach an das Waſſer gebunden. Aber, wie ſchon die gewöhnlichen Bezeichnungen: Pfuhl-, Sumpf-, Teich-, Schlamm-Schildkröte andeuten, ſie hält ſich nicht in jedem Waſſer und Gewäſſer auf, ſondern meidet raſchfließende, ſteinige, tiefe und klare Gewäſſer, alſo Bäche, Flüſſe und Ströme mit ſtarkem Gefälle und freie Seen, und giebt dafür ſeichten, ſchlammigen, ſchlupfreichen, ſtehenden oder träge dahinfließenden Wäſſern: umbuſchten, ſchilfreichen Waldteichen, Weihern, Tümpeln, Lachen und Sümpfen, die vielleicht mit größeren fiſchreichen Teichen und Seen in Verbindung ſtehen, Brüchern, verſumpften Flüſſen und ähnlichen Waſſerläufen, langſam ſich dahinſchleppenden, an Buchten, Sandbänken und Inſeln reichen Strömen und Flüſſen den Vorzug. Daher findet ſie ſich faſt aus— ſchließlich in der Ebene, der Niederung, der Steppe, hier und da auch in den weiten Thalmulden hügeliger Gelände, geht jedoch über die Region der Vorberge nicht hin— auf, meidet ſomit das eigentliche Gebirge; denn in dieſem ſind ihr Luft und Waſſer zu kalt, die Gewäſſer zu klar und zu eilig, der Grund und die Ufer derſelben zu hart und zu ſteinig. Tagsüber hält ſie ſich gewöhnlich im Waſſer verborgen auf oder ſchwimmt bei warmem, ruhigem Wetter und recht hellem Sonnenſchein behaglich in kleinen Tümpeln und dergleichen umher und verläßt nur in dem Falle, daß der Ort völlig ruhig und ungeſtört iſt, zeitweilig das Waſſer, um ſich am Lande zu ſonnen, zu welchem Zwecke ſie, falls ihr die ſeichteſten Stellen des Waſſers am Rande nicht doch zweckmäßiger erſcheinen, überhängende Steine oder Erdſchollen am Ufer erklettert und die Augen zu ganz leiſem Schlafe ſchließt. In der Regel jedoch wird ſie erſt dann, wenn der Tag zur Rüſte geht, munter, um nun an ſtillen, lauſchigen Abenden und gern auch in warmen, vom Monde erhellten Nächten umherzurudern und ans Ufer zu ſteigen. Immer aber bleibt ſie in der Nähe des Waſſers, damit ſie nöthigenfalls leicht das ihr Schutz bietende Element ereichen kann. Sie erinnert in dieſem Punkte ihres Verhaltens oder ihrer Lebensweiſe, welche eine rein amphibialiſche iſt, an den grünen Waſſerfroſch (Rana esculenta, I.). Nachdem fie in ſolcher Art die warme Jahreszeit genoſſen, zieht ſie ſich im Spätherbſt in eine am Ufer oder doch unfern des Waſſers ſelbſtgegrabene Höhlung oder in den Bodenſchlamm zurück, wo ſie den Winter ſchlafend verbringt, um gegen Mitte oder Ende April wieder zu er— wachen und ihr Sommerleben aufs neue zu beginnen. Eigenſchaften. Die Urſache, daß die Sumpfſchildkröte ſo vielfach und leicht überſehen wird, liegt in ihrer verſteckten Lebensweiſe. Nicht nur, daß ſie, wenigſtens ) Herm. v. Meyer, die Torfgebilde von Enkheim und Dürrheim, in: Abhandl. Muſ. Senden- berg., Bd. II (1836), Heft 1 Seite 60 bis 88. — **) Hofrath Kilian, die Torfſchildkröte, Emys turfa, in: 10. Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkde. (auf 1843), S. 29. Wohnort. Verſteckte Lebens weiſe. Bewegungen. Geiſtige Fähig keiten. 30 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. in unſeren Gegenden, am liebſten ruhige, vor Störung möglichſt bewahrte Ortlichkeiten bewohnt und blos dann das Waſſer verläßt, wenn die Stille der Umgebung ihr dies gerathen erſcheinen läßt, ſie verhält ſich auch lautlos und ſtill am Tage. Und daher verſchwindet die auf dem Ufergeſtein ſich ſonnende Schildkröte beim Nahen eines wirklichen oder vermeintlichen Feindes ſogleich, indem ſie Kopf und Gliedmaßen unter die Schale zurückzieht, mit einem Hinterbeine noch einen kräftigen Abſtoß nach hinten ausführt und nun ins Waſſer fällt, „als ob ſich ein Stein losgelöſt hätte“; und daher taucht ſie beim Schwimmen ſogleich unter, ſobald ſie einen ihr verdächtig vorkommenden Gegenſtand, eine ihr abſonderlich erſcheinende Bewegung des Waſſers bemerkt oder ein ungewöhnliches Geräuſch vernimmt, und ſucht, falls ihr während der Sieſta auf dem Lande etwas Verdächtiges aufſtößt, ſofort unter lebhaften Be— wegungen der Füße das heimiſche Element auf. Denn als ſolches und darum als das beſte Schutzmittel gilt ihr das Waſſer. Sie ſtrebt deshalb immer, auch wenn man ſie weiter davon entfernt antrifft, den naſſen Wohnort zu erreichen, und erſt in dem Falle des Nichtgelingens macht ſie von ihrem zweiten Schutzmittel Gebrauch: ſie zieht ſich vor dem vermeintlichen oder wirklichen Feinde in ihre Schale zurück. Trotzdem ſie jedoch, zum Unterſchied von den Landſchildkröten, auf das Leben im und am Waſſer angewieſen iſt, ihre Bewegungen auf dem Lande ſind doch ſchneller und gewandter als die der letzteren. Dieſe Gewandtheit zeigt ſich auch dann, wenn man ſie auf den Rücken legt. Während die eigentlichen Landſchildkröten in dieſer Poſition unbeholfen und hilflos zappelnd verharren, weil die ungelenken Füße den Dienſt ver— ſagen und die anderen freien Körpertheile ebenſowenig Beiſtand leiſten, ſchiebt die E. europaea, wie alle Sumpfſchildkröten, Kopf und Hals nach abwärts zwiſchen Erdboden und Panzer und wirft ſich auf dieſe Weiſe, indem die genannten Körper— theile als Hebel wirken, herum auf die Bauchſeite und ſomit in die natürliche Lage. Behender noch ſind ihre Bewegungen im Waſſer; ſie ſchwimmt und taucht ſehr geſchickt. Beim Schwimmen ragt nur die Firſte der Rückenſchale und ein Theil des Kopfes über die Waſſerfläche. Will ſie tauchen, ſo läßt ſie Luft in Form von Blaſen aus dem Maule entweichen, ſodaß ihr ſpezifiſches Gewicht vergrößert wird und der Körper von ſelbſt ſinkt; um ſich dagegen, nachdem ſie unter gewandtem Rudern in ſchräger Linie wieder nach oben gelangt iſt, an der Waſſerfläche bequem ſchwimmend zu erhalten, ſchluckt ſie hier in langen Zügen einen beträchtlichen Theil Luft ein, wodurch eben das ſpezifiſche Gewicht ihres Körpers vermindert und dieſer ſonach leichter vom Waſſer getragen wird. Das Verbergen im Waſſer macht ihr, hat ſie einmal den Boden erreicht, keine Schwierigkeiten: ſie kriecht auf dem Grunde weiter, wühlt dadurch Erde und Sand auf und trübt ſomit das Waſſer und verſteckt ſich nun im Schlamm, unter Steinen oder Waſſerpflanzen oder an der Uferſeite unter Gewurzel oder einem ähnlichen Schlupf. Ueberhaupt bekundet die Sumpfſchildkröte bei ihrem Thun und Treiben, ſoweit es ihre Selbſterhaltung angeht, einen gewiſſen Grad von Vorſicht, Liſt, Mißtrauen; ſo während des Aufenthalts im Waſſer und außerhalb deſſelben, beim Ausſuchen einer Landungsſtelle und Betreten des Ufers, bei der Jagd auf Beute, beim Verfolgt— werden ſeitens ihrer Feinde u. ſ. w. Statt der vielen mir zu Gebote ſtehenden Be— weiſe will ich nur ein von H. Fiſcher-Sigwart mitgetheiltes Beiſpiel anführen: In dem großen Terrarium des Berichterſtatters wurden die Sumpfſchildkröten, um ſie vom Verzehren der Goldfiſche und ſeltener Lurche abzuhalten, reichlich mit rohem Kalb— fleisch, bald ihre liebſte Nahrung, gefüttert. Sie ließen die Goldfiſche nun in Ruhe. Als aber zwei Olme und einige Axolotl in ein Baſſin geſetzt wurden, in dem jene jonft Europäiſche Sumpfſchildkröte. 31 nicht verkehrten, hatten ſie doch die für ſie zarten Biſſen bald ausfindig gemacht, und der Beſitzer ſah eines Tages, wie die eine einen Olm verzehrte, während eine zweite auf die anderen Bewohner des Beckens Jagd machte, ſich ſacht an dieſelben heranſchlich und dann plötzlich den Kopf hervorſchnellte, um das verfolgte Thier am Bauch zu verwunden. Den Räubern ſuchte man nun den Zugang zu dem Jagd— gebiet dadurch zu verlegen, daß man ringsum in Abſtänden von etwa 2 em Weiden— ruthen in die Erde ſteckte und dieſelben oben noch mittelſt dünnen Drahtes verband. Tags darauf aber ertappte der Beſitzer die eine Schildkröte wieder, als ſie ſich zwiſchen zwei Ruthen hindurchzwängte, wobei ſie völlig auf eine Seitenkante ihres Panzers zu ſtehen kam. Die nun vorgenommene Umzäunung mit Draht half einige Zeit; aber die Räuber hatten doch keine Ruhe, bis ſie das Hinderniß überwunden hatten, indem ſie daſſelbe theils zerbrachen, theils überkletterten (wobei ſie unzählige Male rückwärts hinunterfielen, bis es endlich doch gelang) oder auch in langer mühe— voller Arbeit ſich zwiſchen den Drahtſtäben hindurchwanden. Kurz, ſie verfuhren mit einer Ausdauer, die eines beſſeren Zweckes würdig geweſen wäre. Das Augeführte läßt wohl einen Schluß auf ihre Sinnes- und Hirnthätig— keit zu. In der That ſind ihr Geſicht und Gehör zu einer gewiſſen? Vollkommenheit ausgebildet und, ebenſo wie Geruch und Geſchmack, jedenfalls feiner als bei den Land— ſchildkröten; und wenngleich ihre Intelligenz nicht ſonderlich groß iſt, ſo fehlt der Schildkröte doch keineswegs, wie man ſonſt vielfach anzunehmen geneigt iſt, all' und jedes Verſtändniß, denn ſie lernt ihren Pfleger kennen, ſeine Stimme auch wohl von der anderer Perſonen unterſcheiden und auf ſeinen Ruf herbeikommen. Intereſſant iſt es allerdings, wahrzunehmen, wie hinſichtlich des geiſtigen Weſens die verſchiedenen Individuen, entſprechend den höheren Thieren und den Menſchen, verſchieden beanlagt ſind und wie ſich dies äußert. Einen hübſchen Beitrag zu dieſer Frage theilte mir vor Jahren der inzwiſchen verſtorbene Ph. L. Martin in Stuttgart mit und ich möchte die Bemerkungen des aufmerkſamen Beobachters auch hier anfügen. Zur Beob— achtung ſtanden fünf ganz kleine, kaum thalergroße Exemplare, welche in einem Ter— rarium naturgemäß untergebracht waren. „Schon von Anfang an zeigte das kleinſte von ihnen eine faſt doppelt ſo große Lebendigkeit als die anderen, denn während dieſe zunächſt ruhig dalagen, ſpazierte die kleine immer munter umher. Natürlich mußte mit dieſer leiblichen Thätigkeit auch die geiſtige Hand in Hand gehen, und ſo kam es denn, daß dieſer Gnom ſeine natürliche Scheu weit eher ablegte als die übrigen, und hierdurch wurde er zum beſonderen Liebling meiner Frau, die ihn täglich einige Mal in die Hand nahm, mit ihm ſprach und ihm ſchmeichelte, was er mit ſichtlichem Wohlgefallen entgegennahm. Gleich in den erſten Tagen dieſer Bekanntſchaft erhielt derſelbe den Namen Auguſt und benahm ſich von dieſer Zeit an auch höchſt verſtändig, da er nicht mehr wie ſeine dümmeren Geſchwiſter bei jeder Berührung Kopf und Füße ein— zog, ſondern ſich fortan als unerſchrockener Menſchenfreund erwies, indem er das Köpfchen recht klug nach allen Seiten zu wenden wußte. Bevor einige Tage vergingen, war Auguſt feines Namens ſich ſchon bewußt, und wenn meine Frau an das Terrarium tritt und alle fünf Schildkröten im Waſſer ſind, ſo braucht ſie nur einige Male ſeinen Namen zu nennen, worauf er eilfertig den Tuffſteinfelſen erklettert und zwar oft in ſolcher Haſt, daß er dabei nicht ſelten kopfüber ſtürzt und eben ſo ſchnell wieder oben iſt, wobei er förmlich bettelt, um herausgenommen zu werden. Gerade dieſe Art von Anhänglichkeit bei einer Schildkröte iſt um ſo bezeichnender, als ſie nicht durch Leckereien und dergleichen angezogen werden kann, weil ja bekanntlich dieſe Thiere nur unter dem Waſſer zu freſſen vermögen, mithin durchaus kein anderes Anlockungs— Sinne. Verſchiedene Beanlagung. Empfindlichkeit. Stimme. Nahrung. 32 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. mittel vorhanden ſein kann, als eben das Umgangsbedürfniß mit den Meuſchen, was ſomit für eine ziemlich entwickelte Seelenthätigkeit dieſer anſcheinend jo unbehilflichen Thiere ſpricht. Seit kurzer Zeit, d. h. ſeitdem die Schildkröten faſt zwei Jahre in unſerem Beſitz waren, hat nun aber auch eine zweite, bedeutend größere angefangen, dem Ruf nach ‚August‘ Folge zu leiſten, und jo kommen denn zwei derſelben an, ſobald dieſes Signal ertönt, das jedoch, von anderen Lippen ausgeſprochen, keine Wirkung auf ſie ausübt. Leider erlaubt es unſere vielſeitige Thätigkeit nicht, uns oft mit dieſen wirklich klugen Thieren befaſſen zu können, denen gewiß noch manche höchſt intereſſante Seite abzugewinnen wäre.“ Ihrer Liebe zur Sonne geſchah ſchon Erwähnung, und nichts iſt ver— kehrter, als ſie in der Gefangenſchaft vor dem direkten Sonnenlicht förmlich abzu— ſchließen. Denn wie man an freilebenden Teichſchildkröten beobachten kann, daß ſie unter ihnen geeignet ſcheinenden Verhältniſſen ſehr gern unweit des Waſſers an ge— ſchützten Stellen ſich ſonnen oder an ſonnenklaren Tagen in dem von dem leuchtenden Tagesgeſtirn beſchienenen und durchwärmten naſſen Element umherſchwimmen, ſo gehen auch die im Zimmer oder im Garten gehaltenen begierig den Sonnenſtrahlen nach und verbringen in denſelben geraume Zeit. Keinenfalls aber iſt E. europaea eine Freundin der trockenen Hitze; im Gegentheil ſind Trockenheit und hohe Temperatur — Bedingungen, welche der Aufenthalt der Landſchildkröten dieſen erfüllen muß — ihr nachtheilig, was ſich ja bei Betrachtung des feuchten und weniger warmen Wohnortes von ſelbſt ergiebt. Daraus erklärt ſich weiter, daß ſie gegen niedere Wärmegrade nicht jo ſehr empfindlich iſt und demgemäß nicht nur im Spätherbſt ver— hältnißmäßig lange munter bleibt, ehe fie das Winterquartier bezieht, ſondern auch in kälteren Strichen ausdauert und in unſeren Breiten an Oertlichkeiten, falls fie ihr ſonſt zuſagen, unſchwer eingebürgert werden kann, wie ſchon mehrfach und ſelbſt in Gegenden mit ſehr ſtrengen Wintern bewieſen worden.“) Ein ausgewachſenes Exemplar ließ ſich bei mir in einem freien Gartenbaſſin Anfang November 1876 mehrere Nächte hinter einander einfrieren, ohne daß es ihm geſchadet hätte, denn es hielt dann bis zum 29. März 1877 normalen Winterſchlaf und lebte bei mir noch viele Jahre lang. Die Stimme unſerer Schildkröte beſteht in einem ſonderbaren Pfeiflaut, wie er in ähnlicher Weiſe bei der griechiſchen Landſchildkröte („Kih“), von Maregraf ſchon bei einer „braſilianiſchen Waſſerſchildkröte“ **), von Agaſſiz bei den amerika— niſchen Emys-Arten und vom Prinzen v. Wied bei der Karette (Chelonia imbricata) vernommen wurde. Es mag wohl der Paarungsruf ſein, da man ihn insbeſondere im Frühling zur Paarungszeit hört. Bekanntlich iſt den Schildkröten ſonſt ein eigen— thümliches Ziſchen eigen, welches durch das plötzliche Ausſtoßen der Lungenluft bewirkt und namentlich kräftig z. B. von der Testudo graeca hervorgebracht wird. Es muß auffallen, daß die älteren Autoren hinſichtlich der Ernährung unſerer Sumpfſchildkröte recht im Unklaren ſind. So ſagt noch Wolf in Jakob Sturms „Fauna“ i. J. 1802: „Ihre Nahrung beſteht, wenn ſie in der Freiheit lebt, aus Waſſerinſekten, Schnecken, Fiſchen, Waſſerpflanzen; in der Gefangenſchaft frißt ſie allerhand Küchengewächſe z. B. Salat, Haberſchößlinge ꝛc., auch Kleie, Mehl, Brod Hierbei möchte ich die Bitte an alle Naturfreunde richten, im Intereſſe unſerer Kenntniß über die Verbreitung der Reptilien und Amphibien jeden Fall einer Ausſetzung oder Einbürgerung von Kriech— thieren, die in dem betreffenden Gebiete nicht heimiſch ſind, in einer naturwiſſenſchaftlichen Zeitſchrift be— kannt machen zu wollen, damit nicht Irrthümer entſtehen. Schneider, Schildkröten S. 175. Europäische Sumpfſchildkröte. 33 und Fleiſch, auch ſogar bloßes Heu.“ Derartige Angaben können nur auf mangel- hafter Kenntniß der Lebensweiſe einerſeits und auf ungenauer Beobachtung des Thieres anderſeits beruhen; denn die Koſt der E. europaea iſt eine rein animaliſche. Wie eingewurzelt aber jene irrthümlichen Anſchauungen waren, das bezeugt noch Voigt, welcher [Zool. S. 87] ſich von denſelben nicht frei machen kann und die Mittheilungen Anderer über das Verzehren von Küchengewächſen, Salat, Heu, Brot und Mehl wiederholt, trotzdem ihn ſeine eigenen Erfahrungen das Richtige lehrten; und nur in einer Anmerkung wagt er die letzteren zu berühren: „Von den vielen Flußſchildkröten (auch nordamerikaniſchen), die ich lebendig gehabt, hat bei mir nie eine Vegetabilien genießen wollen. Einſt brachte ich zufällig einige Waſſerſalamander in ihren Behälter und da wurden ſie ſehr lebhaft und zerbiſſen ſie. Von nun an verſchmähten fie weder Regenwürmer noch Vogelgedärme u. dgl. m.“ Die Nahrung der E. europaea wie aller Sumpfſchildkröten iſt eben eine rein animaliſche: ſie frißt lebende Thiere, Würmer, Waſſerkerfe, Schnecken, ferner Fröſche und Molche und deren Larven und Fiſche, daneben aber auch andere thieriſche Stoffe (Aas). Am liebſten ſcheint ſie Fiſche zu freſſen. Dies bemerkte bereits der alte Maregraf, welcher weiter beobachtete, daß die Thiere beim Fiſchfang zunächſt einige Biſſe in die weichen Theile des Unterleibes thaten, bis der geſchwächte Fiſch auf den Rücken fiel und ſich nicht mehr bewegte, worauf ſie ihn unter das Waſſer zogen und ihn bis auf die Gräten und „einige knorpelichte Theile des Kopfes“ auffraßen; und da dabei oft die Schwimmblaſe des Fiſches bis zur Waſſerfläche emporkam, ſo giebt Maregraf das Umhertreiben einiger Fiſchblaſen auf einem Teiche oder anderen Gewäſſer als ein ſicheres Kennzeichen dafür an, daß das letztere von Schildkröten bewohnt ſei. Sie weiß unter den Fiſchen, trotzdem ſie viel plumper erſcheint als dieſe, recht aufzuräumen und auch ziemlich große Stücke zu erbeuten. So hatte ich im Frühling 1876 in ein Gartenbaſſin außer anderen Thieren 12 Schlammbeißer (Cobitis fossilis, Z.), ſtattliche Exemplare von 15— 22 em Länge, geſetzt, welchen man während meiner Abweſenheit im Juli eine ausgewachſene, ſonſt im Garten herumlaufende Teichſchildkröte beigeſellt hatte. Am Vormittag nach meiner Rückkunft traf ich dieſelbe eben an, wie ſie einen der Fiſche verzehrte, indem ſie, auf einem flachen Steine ſitzend, unter Zuhilfenahme der Vorder— beine im Waſſer mit ihrem Maul Stücke Fleiſch aus dem Leibe herausriß und ver— ſchlang. Als Reſt von dem ganzen Dutzend fand ich nur noch zwei lebende Fiſche und eine Menge Gräten ꝛc. vor. Wie ich weiterhin beobachtete, verfuhr ſie bei ihrem Fiſchfang auf zwiefache Art: entweder verhielt ſie ſich unter Waſſer ganz ruhig und faßte den über ihr dahinſchwimmenden Fiſch mit den Kiefern am Unterleib, um ihn ſogleich in die Tiefe zu ziehen oder, falls es ein ſtarkes Exemplar war, ihn zu— nächſt durch beigebrachte Biſſe zu entkräften und dann zu bewältigen, — oder aber ſie ſaß auf einem flachen Steine und faßte den unter ihm hervorlugenden bezw. an ihm entlang ziehenden Fiſch von oben, hielt ihn feſt und verzehrte ihn in der an— gegebenen Weiſe. Fröſchen macht ſie gewöhnlich in der Art den Garaus, daß ſie dieſelben, während ſie an der Oberfläche des Waſſers ſich ſonnen oder auf Beute lauern, plötzlich von unten reſp. von der Seite her an einem Hinterfuß packt, in die Tiefe hinabzieht, hier das Bein weiter und weiter verſchlingt, um es endlich mit Unterſtützung der Vorderbeine ganz vom Rumpf abzutrennen und dann auch die übrigen Theile des Körpers und Stücke deſſelben ab- und herauszureißen und zu verzehren, bis ſchließlich nur das Knochengerüſt noch vorhanden iſt. Molche, Kaulquappen, Würmer, Schnecken 3 Fiſchfang. Raub. Nachreife der Eier. Paarung. Gierlegen. 34 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Waſſer⸗Jnſekten verurſachen ihr keine ſolchen Umſtände. Die wirbelloſen Thiere werden gewöhnlich von oben gepackt, und zwar auf dem Lande, wo ſie ſich an Wirbelthieren höchſt ſelten einmal und dann auch nur an kleinen (Molchen) vergreift, weil ſie näm— lich ihre Beute nicht auf dem Lande, ſondern nur unter Waſſer verſchlingen kann und demnach dieſelbe erſt nach dem Waſſer tragen muß. Hat die Schildkröte hier den mit ihren kräftigen ſcharfen Kiefern gefaßten Biſſen unter helfenden Kratz— bewegungen der Vorderfüße loßgeriſſen, ſo beginnt das Verſchlingen, „indem ſie in kurzen aber kräftigen Stößen das umgebende Waſſer einſchluckt, welches den Biſſen in ſeiner nach der Speiſeröhre gerichteten Strömung mit ſich fortreißt und in den Schlund treibt, wo erſt das wirkliche Verſchlingen ſtattfindet“. Selbſt ganz junge Thiere ſchon laufen mit dem auf dem Lande etwa erfaßten Wurm nach dem Waſſer, um ihn in dieſem zu verzehren. Anderſeits ſetzen fie in demſelben gewöhnlich auch ihren Koth ab. Fortpflanzung. Die Fortpflanzungsgeſchichte iſt namentlich in Bezug auf die Zeitdauer, welche zwiſchen dem Ablegen der Eier und dem Ausſchlüpfen der Jungen liegt, noch nicht völlig aufgeklärt. Während nämlich Marcgraf, welcher i. J. 1749 Paarung, Eierlegen und Auskriechen der Jungen in ſeinem Garten beobachtete, berichtet, daß den im Frühjahr gelegten Eiern im Juni bereits die Jungen entſchlüpfen, giebt Marſigli an, daß die im Frühling gelegten Eier erſt Ende März oder Anfang April des nächſten Jahres auskämen, und Prof. Miram in Kiew, welcher 1849 dahin— gehende Beobachtungen anftellte, ſtimmt Marſigli zu, denn die am 28. Mai in ſeinem Garten abgelegten Eier bedurften ſeiner Wahrnehmung zufolge eine Nachreife von faſt 11 Monaten, indem die Jungen um Mitte April des nächſten Jahres die Eier ver— ließen. „Wie dieſer Widerſpruch zu heben ſey, weiß ich nicht“, klagt ſchon Schneider [Schildkr. S. 184] vor 100 Jahren. Ob hierbei ungenau beobachtet wurde — und dies ſcheint bei Marſigli, deſſen Darſtellung auch im Uebrigen ſonderbar ſich aus— nimmt, der Fall zu ſein —, oder ob klimatiſche und Boden-Verhältniſſe eine Rolle ſpielen, möge dahingeſtellt bleiben; jedenfalls aber darf man, nach der Fortpflanzungs— geſchichte anderer Schildkröten zu ſchließen, annehmen, daß die Eier einer Nachreife von 2 oder 3, nicht aber von 10 oder 11 Monat bedürfen. Uebrigens ſind die aus— führlichen Mittheilungen Miram's unter Anderen von A. E. Brehm im „Thierleben“ ſo vollſtändig wiedergegeben worden, daß ich gern darauf verzichte, ſie hier zu wiederholen. Die Paarung erfolgt bald nach dem Erwachen aus dem Winterſchlaf. Sie ſcheint durch eine Art Spiel, wie man es auch bei anderen Schildkröten beobachtet hat, eingeleitet zu werden; ſchon Maregraf bemerkte, wie das Männchen öfters mit dem Kopfe gegen den Kopf des gegenüberſtehenden Weibchens ſtieß und erſt dann ihm auf den Rücken ſtieg, um ſich hier mittelſt der Krallen feſtzuhalten und nun in dieſer Stellung, alſo wie Fröſche und Kröten, mit ihm „zwey ganze Stunden lang“ im Waſſer umherzuſchwimmen. Die gleiche Beobachtung iſt verſchiedentlich gemacht worden, ſo auch von Rathke [Krim S. 298] in der Krim: „Am 22. (10.) Mai ſah ich an einem warmen Abend einige Exemplare in der Begattung. Sie kamen paarweiſe, das Männchen völlig auf dem Rücken des Weibchens ſitzend und an dieſem mittelſt der Beine angeklammert, aus einem Teiche auf das flache Ufer und blieben hier geraume Zeit beiſammen, bis ich ihnen nahe kam.“ Nach Marcgraf? s Wahrnehmungen wieder— holt ſich der Vorgang mehrmals, „bis endlich nach einigen Tagen“ die Eier abgelegt werden. Zu dieſem Zwecke gräbt das Weibchen mehr oder weniger entfernt vom Waſſer an einem paſſenden Orte, z. B. einem Felde, mittelſt des Schwanzes und der Hinterbeine ein ungefähr 5 em (2 Zoll) weites, nach unten hin verengtes Loch, läßt in dieſes die Eier — welche nach dem Austritt aus der Kloake von einem unter— Europäiſche Sumpfſchildkröte. 35 gehaltenen Hinterfuß aufgefangen und in die Grube befördert werden ſollen — gleiten und bedeckt dieſelben nach Vollendung des Legegeſchäfts mit Erde, ohne ſich dann weiter um Eier und Brut zu kümmern. Der Akt, welcher eine oder mehrere Stunden in Anſpruch nimmt, wird Abends oder Nachts und zwar in der zweiten Hälfte Mai oder im Juni vollzogen. Am 22. Juni 1876 wurde ich gegen 3 Uhr Morgens durch ein lebhaftes Kratzen aus dem Schlafe geweckt und nahm wahr, da es ſchon ganz hell im Zimmer war, wie eine kurz zuvor eingefangene Schildkröte mitten in demſelben mit Legen beſchäftigt war. Die Scharrbewegungen hatte ſie eingeſtellt, da ſie bald gemerkt hatte, daß ſie auf dem gedielten Fußboden nichts fruchteten; auch eine weitere Thätigkeit der Füße während des Legens ſah ich nicht, die Eier glitten in minuten— langen Pauſen aus der Kloake einfach auf den Boden. Ihre Zahl ſtieg auf 15, bei ſpäteren von mir beobachteten Fällen wurde dieſelbe oft übertroffen, Marcgraf giebt dieſelbe mit 20 bis 30 an; von anderen aufmerkſamen Beobachtern habe ich ähnliche Angaben, ſodaß ich die Behauptung Miram's, unſere Schildkröte lege gewöhnlich neun Eier — nur einmal will er elf haben legen ſehen —, nicht verſtehen kann. Sie gleichen in Größe und Geſtalt den Taubeneiern, doch ſind ſie etwas mehr elliptiſch als rein eiförmig und mit einer grauweißen, kalkhaltigen, nach dem Legen raſch erhärtenden Schale verſehen. Die Jungen (j. S. 16) ſuchen nach dem Ausſchlüpfen ſogleich das Waſſer auf, halten ſich, verſteckt zwiſchen Waſſerpflanzen, in der Nähe des Ufers oder an dieſem ſelbſt auf und nähren ſich zunächſt von kleinen Waſſerkerfen, Würmern und Schnecken, bis ſie ſpäter auch größere Thiere angehen. Gefangenſchaft. Für Terrarien mit Waſſerbehälter eignen ſich Exemplare jeder Größe. Kleine Stücke, aber nur ſolche, hält man auch in Aquarien, wo ſie mit Ameiſenpuppen (die man für ganz junge Thiere aufbrüht, namentlich während des Winters), Stückchen Regenwurm und Gehirn, kleinen Waſſerinſekten und dergl. ge— füttert werden. Man giebt ihnen die Nahrung ins Waſſer oder hält ſie ihnen, falls es nicht lebendes Gethier iſt, zunächſt vor und bewegt ſie mit den Fingern, bis der erſte Fütterungsverſuch gelungen iſt. Um ſolch kleine Schildkröten ſchneller einzugewöhnen, thut man gut, blos ſoviel Waſſer in den Behälter zu füllen, daß ſie nur eben davon bedeckt werden und leicht den Kopf herausſtecken können. Jedenfalls muß ihnen im Waſſer ein kleiner Felſen zur Verfügung ſtehen, auf welchem ſie ſich den direlten Sonnenſtrahlen, die ihnen zum Gedeihen unbedingt nothwendig ſind, auszu— ſetzen vermögen; unter ſtändigem Mangel an Sonnenſchein verliert ſich der Appetit, ſie werden kraftlos und gehen zu Grunde. Bei verſtändiger Behandlung hingegen gewähren ſie viel Vergnügen, gewöhnen ſich an den Pfleger, kommen auf ſeinen Ruf herbei, betteln förmlich um ein freundliches Wort und um Futter u. ſ. w. — Mittel— große und große Exemplare bringe man nicht in ein Fiſch-Aquarium, da ſie unter deſſen Bewohnern gewaltig aufräumen. Man ſetze ſie vielmehr entweder in ein geräumiges Terrarium, deſſen Bevölkerung ſie aus dem oben (S. 34) angeführten Grunde kaum einen Schaden zufügen, oder laſſe ſie einfach in der Stube, in welcher man einen größeren Waſſernapf aufſtellt, herumlaufen, oder weiſe ihnen einen dicht umſchloſſenen, mit einem Teiche oder Baſſin verſehenen Garten als Wohnplatz an. Im Garten hält ſich die Schildkröte ſehr gern auf, ſie kann hier etwaigenfalls das ganze Jahr hindurch verbleiben, da ſie ſich dann im Spätherbſt an einer geeigneten Stelle am Rande des Waſſerbehältniſſes bezw. im Schlamm deſſelben zum Winterſchlaf eingräbt. Auch junge, im Aquarium untergebrachte Thiere verfuhren, wie ich beobachtete, demgemäß: ſie wühlten ſich, als ich im November das Waſſer des Behälters nach und nach abließ, in den Grund deſſelben ein. Im Uebrigen durchwintert man die Schildkröte am 3 * Gefangenſchaft. Durchwinterung. Zucht. Ankauf. Vorurtheil. 36 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. bequemſten, wenn man ſie im Oktober oder Anfang November in eine mit Sand, Moos, Sägeſpähne gefüllte, durch Drahtdeckel verſchloſſene Kiſte ſetzt und ſie mit dieſer in einen dunkeln, kühlen, doch froſtfreien Raum bringt; Ende März oder Anfang April holt man die Kiſte in das geheizte Zimmer oder in die freie warme Luft, bietet den Thieren nach ihrem Munterwerden ein warmes Bad und reicht ihnen Regenwürmer ꝛc. Will man ſie den Winter hindurch wach erhalten, ſo bedarf es keines beſonders geheizten Terrarium, ſondern es genügt die gewöhnliche Stubenwärme; und ſtellt man den mit Erde und Waſſerbecken ausgeſtatteten Kaſten in die Nähe des Ofens oder füllt man vielleicht alle zwei Tage etwas warmes Waſſer zu, jo verliert ſich auch ihre Freßluſt nicht, doch braucht man nicht wie im Sommer drei- und viermal die Woche, ſondern nur ein-, höchſtens zweimal wöchentlich zu füttern. Als Nahrung, welche ihnen ins Waſſer gegeben wird, verabreiche man namentlich ſolchen Schildkröten, welche ſtändig ein Aquarium bewohnen, möglichſt lebendes Gethier, weil das Waſſer durch Fleiſch, Gehirn u. a. thieriſche Stoffe ſchnell verunreinigt wird und dann Augenentzündung und Hautkrankheit bei den Pfleglingen hervorruft. Verfügt man aber nur über ſolche Futterſtoffe, ſo erneuere man das Waſſer etwa alle zwei Tage. Bei Entzündung der Augenlider dürfte ausreichend ſein, die letzteren einige Male mit ſchwacher Karbolſäure zu betupfen und dann bei Abnahme der Entzündung mit Oel zu tränken. Die im Behälter (Terrarium) abgelegten Eier zur Entwicklung zu bringen, iſt bis jetzt weder mir noch anderen Reptilienpflegern gelungen. Jedenfalls wird man die Schildkröten, um ſie züchten, zur Fortpflanzung bringen zu können, in einem mit Waſſer ausgeſtatteten Garten halten müſſen, wie es Marcgraf that, der denn auch Eier erzielte und mehrere Junge aufzuziehen das Glück hatte. Die Jungen, nach der Geburt (1749) ſo groß als ein „Vierpfenniger“ und Anfang Januar 1752 ſo groß wie ein „Zweigroſchenſtück“, wurden zunächſt mit zerſchnittenen, ſpäter mit ganzen Regen— würmern und mit kleinen Fiſchen gefüttert. Eins von ihnen wog am 20. Januar 1752 3 Drachmen 38 Gran, am 31. Januar 1753 7 Dr. 3 Gr., Ende Auguſt d. J. 1 Unze und Ende Auguſt 1754, als es ſtarb, 1½ Unzen. Beim Ankauf von Schildkröten wähle man nur ſolche aus, die durch lebhafte Bewegungen, namentlich wenn man ſie auf den Rücken legt, und durch ſtändiges Offenhalten der Augen anzeigen, daß ſie lebensfähig, geſund ſind. Sie ſind für 0,25 bis 3 oder 4 Mark das Stück jetzt das ganze Jahr hindurch, da namentlich aus Italien jährlich Tauſende eingeführt werden, in allen Aquarien, Thier- und auch Goldfiſchhandlungen zu haben; ein gewerbsmäßig betriebener Fang in unſeren Gegenden würde ſich gar nicht lohnen. Noch ſei erwähnt, daß man ſie im vorigen und vor— vorigen Jahrhundert und theilweiſe bis in die Gegenwart vieler Orten Preußens, Schleſiens, Brandenburgs, Mecklenburgs ꝛc. in Tranktonnen und Spülichfäſſern hielt, und zwar weniger der Seltenheit des Thieres wegen, als infolge des Vorurtheils, daß das Vieh nach dieſem Getränk beſſer freſſe und gedeihe und „gute Art gebe“. Ueberhaupt glaubte man an heilſame Kräfte der Schildkröte: „Die Brühe empfiehlt man“, ſo ſagt Wolf-Sturm (3. Heft) i. J. 1802, „ſchwindſichtigen Perſonen in hartnäckigen, chroniſchen Huſten, bei Lungengeſchwüren und im Skorbut. Doch mag ihr arzneilicher Nutzen von keiner großen Bedeutung ſein, da neuere Aerzte ſie gar nicht zu verordnen ſcheinen.“ In katholiſchen Ländern galt ihr Fleiſch früher als beliebte Faſtenſpeiſe, und deshalb wurde ein reger Handel von der Mark Brandenburg aus nach Böhmen, Bayern, Oeſterreich betrieben. Landesübliche und wiſſenſchaftliche Benennungen. Europäiſche oder gemeine Sumpf, Teich-, Puh, Fluß- oder Waſſer-Schildkröte, Schlamm-Schildkröte. Holländiſch: Südeuropäiſche Schildkröten. 37 Schildpadde; Schwediſch: Kärsköldpadda; Engliſch: European Pond-Tortoise (Turtle); Franzöſiſch: Cistude européenne, Tortue bourbeuse; Italieniſch: Testug- gine palustre, Tartaruga; Spaniſch: Tortuga comun 6 Galäpago; Ruſſiſch: Tschere- pacha; Polniſch: Wodozölw; Lettiſch: Brunu-rupuzis; Slaviſch: Skornjaca blatarica. Testudo lutaria, Gesner 1617 (Plinius, Marsigli). — T. orbicularis, Linne 1758. — T. europea, Schneider 1783. — T. meleagris, Shaw 1789 [natur. miscell. IV, 323]. — T. flava, Daudin 1803. — Emys lutaria, Merrem 1820. — Emys europaea, Wagler 1830. — Cistudo europaea, Gray 1831 [Syn. rept.]. — Terrapene europaea, Bell [Zool. Journ. II, 209). — Clemmys lutaria, Fitzinger 1853 [Menag. p. 661]. — Cistudo lutaria, Strauch 1862. — Lokale Formen: Cistudo hellenica, Bib. Bor, 1832 = Emys hellenica, Valene. 1832. Emys Hoffmanni, Fitzing. Mus. Vindob. — Das junge Thier: Testudo pulchella, Schöpf 1792; Emys pulchella, Merrem 1820. Südeuropäiſche Schildkröten. Gattung Clemmys, Wagler. Sumpfſchildkröten: Bauchſchale mit 12 Platten, ungegliedert, aus einem Stück beſtehend, mit der flach gewölbten Rücken— ſchale (ſeitwärts) unbeweglich verwachſen; zwiſchen Bauch- und Rückenſchale jederſeits 1 Achſel- und 1 Weichenplatte; der aus 25 Platten beſtehende Rand der Rückenſchale an den Seiten mehr oder weniger leiſtenartig abgeſetzt oder nach aufwärts gebogen. 1. Kaspiſche Sumpfſchildkröte, Clemmys [Emys] caspica, Gmelin. Rückenſchale eiförmig, nach hinten ſchwach verbreitert, ganzrandig, bei ausgewachſenen Exemplaren glatt, bei jungen dreieckig; Bauchſchale hinten und vorn faſt gleichbreit, vorn weniger, hinten merklich kürzer als die Rückenſchale, hinten ziemlich tief aus— geſchnitten, vorn abgeſtutzt; Nackenplatte im Alter erheblich länger als breit, vorn etwas ſchmäler als hinten; Kopf flach. Länge von der Schnauzen- bis Schwanzſpitze etwa 30 em, Schale allein ungefähr 20 — 22 em. Färbung: Rückenſchale entweder einfarbig olivengrün oder, und häufiger, auf ebenſolchem Grunde mit gelben, ſchwarz geſäumten geſchweiften und bogigen, eine ungleichmaſchige netzartige Zeichnung bildenden Streifen überzogen; Bauchſchale faſt einfarbig ſchwarz oder braun, nur ein kleiner gelblicher Fleck auf der Außenſeite jeder Platte (bei alten Thieren vermehrt ſich das Gelb); Kopf vorherrſchend olivenfarben, Halsſeiten auf olivengrünem Grunde mit je 4 oder 5 ziemlich geraden gelben, ſchwarz geſäumten Längsſtreifen gezeichnet, Ober— hals mit 3 bis 5 ebenſolchen Streifen, die am Unterhals an Zahl noch zunehmen, Kehle gelb und dunkel gemarmelt, Beine und Schwanz ebenfalls geſtreift. — Heimat: Die Länder vom Kaspiſchen See an weſtwärts durch Südrußland, Griechenland und deſſen Inſeln. Weſtlich von der Oſtküſte des Adriatiſchen Meeres findet ſich die be— ſprochene echte Kaspiſche Schildkröte, deren griechiſche Stücke J. v. Bedriaga Anlaß zur Aufſtellung einer öſtlichen Unterart (subsp. orientalis) boten, nicht, wohl aber, und zwar im ſüdlichen Theil von Spanien und Portugal ſowie in Marokko und Algier, eine Unterart derſelben, welche unter dem Namen Emys leprosa von Schweigger bezw. Emys Sigriz von Dumeril und Bibron als beſondere Art beſchrieben wurde. Die letztere unterſcheidet ſich von der Stammform dadurch, daß das Gelb der Ober— ſchale in Geſtalt geſonderter, ſchwarz umſäumter Flecken auftritt, von welchen ſtets ein ſehr großer, länglicher in der Mitte einer jeden Scheibenplatte ſich zeigt, daß ferner die Seitenflügel der Bruſtſchale auf braun-gelbem Grunde mit einem tiefſchwarzen Längsſtreifen verſehen und die gelben Streifen auf Hals und Beinen ohne ſchwarzen Synonyma, 38 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Saum ſind. — Führt die Lebensweiſe unſerer deutſchen Schildkröte und wird auch in der Gefangenſchaft dementſprechend verpflegt. Zur Familie der Landſchildkröten (ſ. Seite 10) gehören zwei Arten der Gattung Testudo, I. Landſchildkröte: Rückenſchale hoch gewölbt, elliptiſch oder eiförmig, mit 13 Scheiben- und 24 bis 25 Randſchildern; Bauchſchale mit 12 Platten, aus einem Stück, bisweilen aber auch aus einem vorderen unbeweglichen und einem hinteren beweglichen Stück beſtehend (letzteres bei T. campanulata, Walb.), vorn in der Regel gerade abgeſtutzt, hinten ausgeſchnitten; Achſel- und Weichenplatte vor— handen; Kopf beſchildert. 5 2. Griechiſche Landſchildkröte, Testudo graeca, I. Rückenſchale eiförmig, nach hinten etwas erweitert, an den Seiten nicht nach einwärts geſchweift, weder flach ausgebreitet noch geſägt; Nackenplatte vorhanden; Schwanzplatte auf ihrer oberen Fläche getheilt, ſodaß 2 Schwanzplatten da zu ſein ſcheinen; Bauchſchale aus einem einzigen Stück beſtehend; Schwanz ſehr kurz, am Ende mit hornigem Nagel; Kiefer ungezähnt; Bruſt- und Rückenſchale faſt gleichlang, erſtere jedoch hinten den Rückenſchalenrand nicht ganz erreichend und dreieckig ausgeſchnitten. Länge der Schale 18 bis 20 em. Grundfarbe der Rückenſchale ein grünliches Gelb; Wirbel— ſchilder an Vorderrand und Seitenrändern, Rippenſchilder am Vorderrande und meiſt Ih N 0 ü N a 774 4 N Fig. 4. Griechiſche Schildkröte. auch am Außenrande ſchwarz, außerdem auf den Rippen- und Wirbelſchildern je ein unregelmäßiger ſchwarzer Fleck, und gewöhnlich auch auf den Marginalplatten ein breiter dreieckiger Fleck; Bauchſchale ſchwarz, Flügel und Mitte grünlichgelb; Kopf, Hals, Beine und Schwanz ſchmutzig grüngelb oder grünlich-ſchwarz; Schnauzenſpitze graubraun; Spitze des Schwanznagels ſchwarz; Iris braun mit ſchmalem weißlichen Ring am Außenrande. — Heimat: Griechenland bis Dalmatien, Italien und ſeine Inſeln. Liebt die Wärme und deshalb trockene Gebiete, nährt ſich von ſaftigen Zweite Ordnung. Echſen. 39 Pflanzen und Früchten und auch von Würmern, Schnecken und Inſekten, legt 10 bis 12 nußgroße weiße Eier und läßt ſich ſehr leicht im warmen Zimmer, indem man ſie frei herumlaufen läßt, erhalten. 3. Breitrandige Landſchildkröte, Testudo campanulata, Walbaum (T. marginata, Schopf). Rückenſchale länglich-eiförmig mit nach einwärts geſchweiften Seiten und, wenigſtens bei älteren Exemplaren, flach ausgebreitetem, faſt wagerechtem, geſägtem Hinterrande; Nackenplatte vorhanden, Schwanzplatte einfach; Bauchſchale vorn bis zum Rande der Rückenſchale reichend, hinten jedoch merklich kürzer als dieſe, der freie Hintertheil mit dem vorliegenden Querſtück beweglich verbunden; Schwanz kurz und dick, an der Spitze ohne Nagel; Kiefer ſchwach gezähnt. Länge des Panzers 26 bis 32 em. Rückenſchale im Allgemeinen gelb und ſchwarz: Scheibenplatten braun— ſchwarz mit gelben Mittelfeldern, vorderer Theil der einzelnen Randplatten braun— ſchwarz, hintere Hälfte gelb; Bauchſchale ſchmutziggelb mit breiten, dreieckigen ſchwarzen Flecken; Kopf, Oberhals, Schwanz, Außenſeite der Hinterbeine ſchwarz, die übrigen freien Körpertheile ſchwach orangegelb mit geringen ſchwarzen Schattirungen und an der Innenſeite der Vorderbeine mit ſchwarzer Binde. — Heimat: Griechenland, öſtl. Nordafrika ꝛc. Liebt noch mehr die Wärme als ihre vorgenannte Gattungsverwandte, iſt ſomit empfindlicher als dieſe. Ernährt ſich von ſaftigen Pflanzenblättern und ſüßen Früchten, in der Gefangenſchaft auch von Semmel, in Milch geweicht. Dauert bei entſprechender Behandlung viele Jahre im Zimmer bezw. im trockenen Terrarium aus. Erwähnen muß ich noch, daß eine dritte Testudo-Art, die mauriſche Land— ſchildkröte (Testudo ibera, Pallas = T. pusilla, Shaw), welche die afrikaniſchen und aſiatiſchen Mittelmeerländer bewohnt, nach Giglioli's Angabe [Archiv f. Naturg. 1879 S. 93] auch auf Sardinien lebt. Weitere Forſchungen ſtehen noch aus. II. Ordnung. Echſen. Sauria (Squamata). Geſtreckte, meiſt langgeſchwänzte, in ein Schuppen gewand gekleidete Reptilien mit längsgefpaltenen, beweglichen Augenlidern, bezahnten Kiefern und Gaumen, feſt mit einander verbundenen Unterkiefer-Aeſten, quergejpaltener Kloake und in der Regel mit Schultergürtel und Bruſtbein und vier wohl aus— gebildeten Gliedmaßen (ausnahmsweiſe fußlos: Blindſchleiche). Aus den auf Seite 1 gemachten Bemerkungen erhellt ſchon, daß die artenreiche Ordnung der Echſen den Uebergang von den mehr oder minder ſcheibenförmig geſtalteten Schildkröten zu den langgeſtreckten Schlangen vermittelt; in der Form des Körpers ſelbſt nähern ſich alle Echſen mehr den letzteren als den Schildkröten, ja die fußloſen Arten erſcheinen dem oberflächlichen Beurtheiler überhaupt als Schlangen, wogegen das Vorhandenſein von vier Gliedmaßen, wie es doch die Regel bei den Echſen iſt, einen Anſchluß an die Schildkröten herſtellt. Unter den geſammten deutſchen und europäiſchen Echſen entbehren nur wenige Spezies der Beine: unſere Blindſchleiche (Anguis fragilis), die ihr verwandte ſüdoſt-europäiſche Schlangenſchleiche (Ophiomorus miliaris) und die ſpaniſchen und türkiſchen Wurmſchleichen (Amphisbaena), während beim Schelto— puſik (Pseudopus) nur die Vorderbeine fehlen, die Hinterbeine aber durch ſtummelförmige Hervorragungen wenigſtens angedeutet ſind. Von den normal gebildeten fünfzehigen, Körperbau. Stelet. 40 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. mit Krallen verſehenen Füßen unſerer Eidechſen weichen die Füße gewiſſer ſüdeuropäiſcher Echſen, nämlich die Greiffüße der Chamäleons und die durch erweiterte Zehen und Haftballen ausgezeichneten Kletterfüße der Geckonen (s. dort) weſentlich ab; dienen die Greiffüße zum Anklammern an Aeſte und dergleichen und die mit fünf freien, bekrallten Zehen verſehenen Lauffüße unſerer Eidechſen zum Gehen, Graben und zum Hinauflaufen an ſchrägen und rauhen ſenkrechten Flächen, ſo ermöglichen die den Zehen der Laubfröſche an die Seite zu ſtellenden Haftzehen der Geckonen ein müheloſes Begehen ſenkrechter und überhängender glatter Ebenen (Wände, Zimmerdecken u. a.). Die Rolle, welche der gut entwickelte, den Körper an Länge gewöhnlich übertreffende Schwanz bei der Fortbewegung ſpielt, wurde gleichfalls auf Seite 1 ſchon angedeutet. Der Kopf iſt bei den Schleichen hinten von der Breite des Rumpfes und ohne Spur einer halsartigen Verengung in den Rumpf übergehend, bei den eigentlichen Eidechſen hin— gegen durch eine dünnere Halsregion und durch querlaufende Kehlfurche vom Rumpf abgeſetzt. Bei den letzteren bemerkt man auch ein deutliches Trommelfell, d. i. eine ſchuppenloſe Haut auf den Ohröffnungen, während bei den Schleichen die gewöhnliche Haut über die Trommelhöhle hinwegzieht und daher eine äußere Ohröffnung entweder gar nicht oder nur in Form einer Ritze vorhanden ſein kann, und den Chamäleons und Amphisbänen fehlt die Trommelhöhle wie den Schlangen. Die Augen indeß ſind, vereinzelte Fälle abgerechnet, bei allen deutſchen und europäiſchen Sauriern frei und mit beweglichen, längsgeſpaltenen Lidern, alſo mit einem oberen und einem unteren Lid ausgerüſtet und außerdem in der Regel auch noch im Beſitz einer Nickhaut, welche innerhalb der beiden anderen Lider von innen und unten nach oben und außen über das Auge gezogen wird; Ausnahmen bilden die einfachen, ringförmigen Augenlider mit kreisförmiger Oeffnung bei den Chamäleons, die verkümmerten Lider des ungariſchen Nacktauges (Ablepharus), die mit kreisförmiger Falte ſtatt wirklichen Lidern ver— ſehenen Augen der Geckonen und die von der allgemeinen Körperhaut überzogenen, ſehr kleinen Augen der erwähnten Wurmſchleichen. Die kleinen Naſenlöcher liegen ſeitlich am Kopfe und weit vorn, das Maul iſt zwar meiſt weit geſpalten, jedoch, im Gegen— ſatz zu dem der Schlangen, nicht erweiterungsfähig. Wichtig für die Unterſcheidung und Bezeichnung der Hauptgruppen der Echſen erſcheint die Zunge. Sie iſt zwar bei allen unſeren Arten bandförmig, vorn zweitheilig und vorſtreckbar, indeß, wenn wir alle europäiſchen Saurier in Betracht ziehen, hinſichtlich der Länge, Dicke, Spaltung und Vorſtreckbarkeit doch verſchiedenen Abänderungen unterworfen, ſodaß man darauf hin vier Unter- Ordnungen: Spalt, Kurz, Dick- und Wurmzüngler, hat begründen können. Bei der erſten Unter-Ordnung, zu welcher unſere Eidechſen gehören, iſt die Zunge lang, weit vorſtreckbar und leicht beweglich, dünn, hornartig, vorn tief zwei— ſpaltig, hinten in eine ſcheidenartige Hautfalte eingeſchloſſen, bei den Kurzzünglern, zu denen unſere Blindſchleiche zählt, dagegen ſchon weit kürzer, wenig ausſtreckbar, vorn im geringen Grade ausgeſchnitten, hinten dick und ohne Scheide; und während ſie bei den Dickzünglern (3. B. Geckonen) noch kürzer, dick und fleiſchig, an der Spitze kaum ausgebuchtet und überhaupt nicht vorſtreckbar iſt, kann die der Wurmzüngler (Chamäleons), welche ſich durch verdickte Spitze, wurmförmige Geſtalt und bedeutende Länge auszeichnet, ſehr weit vorgeſchnellt werden. Der Schädel der Echſen charakteriſirt ſich dem der Schlangen gegenüber durch den Mangel der Verſchiebbarkeit der Kieferknochen, indem die beiden Unterkiefer-Aeſte am Kinn feſt und unbeweglich miteinander verbunden ſind. Auch die Knochen des Oberkiefer⸗-Gaumen-Apparates zeigen ſowohl unter ſich als auch mit der vorderen Partie bezw. dem Gehirntheil des Schädels einen feſten Zuſammenhang, obzwar gewiſſe Theile Zweite Ordnung. Echſen. 41 jenes Apparates mit dem Schädel beweglich verbunden ſind, insbeſondere die Flügel— beine, die ſich den Gelenkfortſätzen des hinteren Keilbeins anlegen und meiſt an dem Quadratbein artikuliren. Anderſeits ſtehen die Flügelbeine mit dem Oberkiefer durch ein Os transversum in feſter Verbindung und dienen dem Scheitelbein durch eine ſtabförmige Columella zur Stütze. An der Schädeldecke wiederum, ſagt Claus [Kl. Lehrb. d. Zool. II], „bleibt die Verbindung zwiſchen Scheitelbein und Hinterhaupt durch Bandmaſſe weich und verſchiebbar, das Quadratbein lenkt ſich am Schläfenbogen beweglich ein und bildet am unteren Ende ein freies Gelenk für den Unterkiefer, deſſen Schenkel am Kinnwinkel, wie erwähnt, in feſter Verbindung ſtehen“. Die Schädel— kapſel ſelbſt reicht meiſt nicht in die Orbital- oder Augengegend, hinter welcher ſie nur unvollſtändig durch häutige Theile (häutiges Interorbital-Septum) geſchloſſen iſt. Dem ſtark vorſpringenden Fortſatz der hinteren Schläfengegend liegt das Schuppenbein (squamosum) auf. Das hintere Ende des Oberkiefers iſt häufig durch eine die Orbita umſchließende Knochenbrücke (jugale) mit dem hinteren Stirnbein verbunden, während von dieſem ein Knochenſtab, die Schläfengegend überbrückend (quadrato-jugale), zu dem oberen Ende des Quadratbeins verläuft. Wie hinſichtlich der Verſchiebbarkeit der Kiefer und der Erweiterungsfähigkeit der Mundhöhle, ſo unterſcheiden ſich die Echſen von den Schlangen noch in der Bezahnung. Denn dieſelbe zeigt bei den Sauriern zwar nach Form, Bau und Befeſtigung der Zähne eine größere Mannichfaltigkeit als bei den Schlangen, iſt indeſſen nicht ſo vollſtändig als bei dieſen, indem die Bezahnung ſich meiſt nur auf Unter- und Oberkiefer beſchränkt, während der Gaumen entweder gar keine Zähne oder höchſtens nur zwei kleine ſeitliche, ziemlich weit hinten (am Flügel— bein) ſtehende Zahngruppen, niemals aber eine bogenförmig geſchloſſene innere Zahn— reihe aufzuweiſen hat; von unſeren deutſchen Arten beſitzen nur Smaragd- und Zaun— Eidechſe regelmäßig, Wald- und Mauer-Eidechſe hingegen nur ausnahmsweiſe und die Blindſchleiche niemals Gaumenzähne. Die Kieferzähne ſind nach hinten gekrümmt, einfach kegelförmig oder mehrſpitzig und nicht, wie es bei den Krokodilen der Fall, in beſonderen Alveolen oder Zahnhöhlen eingekeilt, ſondern entweder den Kieferrändern einfach aufgeſetzt (aerodont) oder dem ſeitlich leiſtenförmig vortretenden Rande der Kieferknochen angewachſen (pleurodont); zu den Pleurodonten oder Seitenzähnern (ſ. S. 3) zählen alle deutſchen und die meiſten europäiſchen Echſen, zu den Acrodonten oder Hochzähnern die Chamäleons und die ſüdoſt-europäiſchen Agamen: Hardun, die ruſſiſche Agama sanguinolenta und der Krötenkopf, auch der Dornſchwanz (Uromastix). — Bezüglich der Wirbelſäule iſt zu erwähnen, daß dieſelbe nur durch einen Gelenkhöcker mit dem Hinterhaupt in Verbindung ſteht, die Wirbel meiſtens eine vordere Gelenkgrube und einen hinteren Gelenkhöcker und alle Wirbel, ausgenommen die vorderſten Hals-, die Schwanz- und zuweilen auch ein oder zwei Lendenwirbel, Rippen tragen. Schultergürtel und Becken (. S. 2) find, im Gegenſatz zu den Schlangen, ſtets vor— handen, obgleich ſie bei Vorhandenſein von verkümmerten Gliedmaßen ebenfalls nur in geringerem Grade entwickelt ſind; auch beſitzen alle unſere Saurier — die alleinige Ausnahme bilden die Amphisbänen oder Wurmſchleichen — ein Bruſtbein, „welches mit der Ausbildung der Vordergliedmaßen an Umfang zunimmt und dann einer entſprechend größeren Zahl von Rippen zum Anſatz dient“. Die Zuſammenſetzung und Beſchaffenheit der Haut, des Integuments, im All— gemeinen haben wir bereits in der Einleitung (S. 1 und 2) kennen gelernt. Die Haut der Echſen beſteht alſo aus zwei Hauptlagen, der Leder- oder Unterhaut oder Cutis (Corium) und der Oberhaut oder Epidermis (Ektoderm); die Lederhaut bildet von Stelle zu Stelle Verdickungen, Verdoppelungen, Erhöhungen, und die zuſammenhängenden Zähne. Wirbelſäule. Körper⸗ Bedeckung. Lederhaut. 42 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Oberhautbildungen bezw. Verhornungen überziehen dieſelben, und auf dieſe Weiſe entſtehen die ſogenannten Schuppen (squamae) und Schilder (scuta), welche weiterhin beſprochen und bezeichnet werden ſollen. Hier gilt es zunächſt feſtzuſtellen, daß ſowohl die Ober— haut als auch die Lederhaut aus mehreren, mittelſt des Mikroſkopes nachzuweiſenden Schichten von Zellen ſich zuſammenſetzt. Wenn es die berühmten Verfaſſer der „Erpétologie générale“, Dumeril und Bibron, noch waren, welche den Grenzen zwiſchen Epidermis und Cutis nicht ganz deutlich gerecht zu werden vermochten, indem ſie ſagten, „daß die Schuppen ſich nach der in Höckern, Warzen, Platten erhebenden tiefſten, faſerigen Schicht, dem Derma, modelten, dieſe zunächſt von einer feinen, ſchleimigen, pigmentführenden Schicht überzogen ſei und eine dritte, die Epidermis, in der Häutung ſich darſtelle“, ſo haben neuere Unterſuchungen von Leydig, de Filippi, Cartier, M. Braun, Kerbert, Schulze, Batelli, Todaro u. A. die feineren Verhältniſſe der Haut (und der Häutung) wohl klargelegt. Und wenn ſchon im Jahre 1822 Heuſinger's Erläuterungen „das Verſtändniß der gröberen Verhältniſſe der Reptil— ſchuppen ſicherten und die verſchiedenen Hautkleider der Schlangen und Eidechſen zu— ſammenbrachten“ [Pagenſtecher IV S. 743], jo fand Leydig beſtimmter als Heuſinger zuerſt 1857 an den größeren Höckern und Falten der Lederhaut und dann 1873 über— haupt an den Reptilſchuppen das Weſentliche in einer flachen Papillar-Erhebung (Buckel) der Lederhaut; während ferner Hyrtl die Schuppe als in einer gefäßreichen Hülle, die von beiden Flächen Gefäße in die Schuppe ſende, ſteckend geſchildert hatte, ſo erwies ſich nach Leydig's Darſtellung dieſe Hülle in Uebereinſtimmung mit der ſonſtigen Beſchaffenheit der Cutis bei Reptilien und Amphibien als nichts anderes wie die lockeren gefäßreichen Schichten über und unter der feſten faſerigen Schicht. In der Cutis oder Lederhaut unterſcheidet nämlich Leydig die Hauptmaſſe derber wagerechter Lagen und die obere und untere, auch jene ſenkrecht durchſetzende lockere Grenzſchicht; in den Schuppen verflechten ſich die Lagen. Die Hauptmaſſe, von feſter, faſeriger, bindegewebiger Natur und bei Todaro und Batelli das Stratum limitans inferius geheißen, hat eine homogene, gleichgeartete Grundſubſtanz und ſogenannte Bindegewebskörperchen; auch kommen, beſonders in der dehnbaren Kehlgegend, elaſtiſche Faſern vor. Dagegen zeigen ſich die lockeren Schichten durch Vorhandenſein von Farbſtoff- oder Pigmentzellen und, ſpeziell die obere Grenzſchicht (stratum limitans superius), durch Hautverknöcherungen aus, während zwiſchen der unteren Grenzſchicht und der Muskulatur maſchenartige Räume, nach Leydig Lymphräume, liegen; entſprechende Verhältniſſe werden wir auch bei der Haut der Amphibien vorfinden und dort eingehend beſprechen. Hautverknöcherungen, welche bei den Schlangen vermißt werden, kommen bei den Echſen allerdings nicht in ſolch' außergewöhnlichem Grade wie bei den Schildkröten vor; immerhin finden ſich ſolche, und zwar nicht nur an Scheitel und Geſicht, wo ſie mit den Schädelknochen verwachſen, die Schläfengrube zwiſchen hinterem Jochbogen und Scheitelbein, auch einen Theil der Augenhöhle über— decken können „und unter Mangel lockeren Bindegewebes und durch Furchen und Rauhigkeiten innig verbunden ſind mit beſonders großen und feſten Scheitelſchildern der Oberhaut“, ſondern auch als Knochenſchuppen auf dem Rumpf, oder endlich, z. B. beim Dornſchwanz (Uromastix), in Form einer Knochenplatte bezw. eines Knorpels im unteren Augenlid. Allerdings ſind die Verknöcherungen nur gewiſſen Gruppen oder Gattungen und Arten eigen: die an Scheitel und Geſicht treten bei Lacertiden und Skinkoiden, alſo bei Eidechſen und Schleichen (und ebenſo bei den amerikaniſchen Chaleididen), die Knochen— ſchuppen des Rumpfes vornehmlich bei vielen kurzzüngigen Sauriern aus den Familien der Skinke und Seitenfalter: Blindſchleiche, Skink, Scheltopuſik u. a., auf. Schon Zweite Ordnung. Echſen. 43 Pallas ſah dieſe knöchernen, tiefer liegenden Schuppen beim Scheltopuſik, Heuſinger bei den Skinkoiden, Leydig erkannte ſie 1857 bei der Blindſchleiche und Cartier wies ſie 1872 beſtimmt für die Geckotiden nach, „bei welchen ſie wahrſcheinlich ſchon Dumeril und Bibron geſehen hatten“. Die Knochenſchuppen des Rumpfes, welche, abgeſehen von der ihnen übergelegten Hornbekleidung, denen der gepanzerten Schmelzſchupper (Ganoid-Fiſche) in Struktur und Vertheilung ſehr ähneln, ſtecken in der lockeren Bindegewebsmaſſe der oberen Grenzſchicht und werden vom Bindegewebe, als einer Schuppentaſche, ganz um— geben; man hat ſie alſo nicht, wie es ſeitens Heuſinger's 1822 geſchah, für eine Ab— ſonderung der tieferen Oberhautlagen zu halten, ſondern als verknöcherte Lederhaut bezw. mit Batelli als Verknöcherungen des äußeren Theiles des Stratum limitans inferius zu betrachten. — Was endlich die Pigment- oder Farbzellen anbelangt, jo finden ſich nach Batelli in der oberen Grenzſchicht, welche bei den Lacerten ſehr gering, auch bei der Blindſchleiche ſehr zart iſt, gewöhnlich zwei Lagen ſolcher: eine tiefere von größeren, reich verzweigten und eine oberflächliche von kleinen runden Zellen; Fortſätze der erſteren dringen durch die Schicht der letzteren in die ſogenannte Malpighi'ſche Oberhaut-Schicht. Uebrigens können nach Leydig's und Kerbert's Unterſuchungen die veräſtelten Pigment— zellen, welche bei Embryonen in der Schleimſchicht (stratum mucosum) der Oberhaut eher als in der Lederhaut auftreten, auch bei den erwachſenen Lacertinen, wenngleich ſeltener als bei den Amphibien, daſelbſt gefunden werden. Die durch die Farbzellen (Chroma— tophoren) bedingten Hautfärbungen ſollen uns ſpäter beſchäftigen. Die ſoeben erwähnte Schleimſchicht, das Stratum mucosum der Oberhaut, bildet in der Geſammtheit der Epidermis-Schichten die innerſte, alſo die die Lederhaut nach oben hin begrenzende, während man die äußere Zellſchicht der Oberhaut die Horn— ſchicht (stratum corneum) benennt oder wenigſtens benannte. Denn es muß betont werden, daß neuere Autoren, ſo Kerbert, Todaro und Batelli, über dieſe einfache Scheidung und Benennung hinaus weitere Schichten oder Theile der Epidermis an— und Bezeichnungen für dieſelben einführen [Pagenſtecher IV S. 745], nachdem ſchon de Filippi 1865 in den wirklich verhornten Zellen nicht das Stratum corneum, ſondern ein Stratum lucidum, eine „helle Schicht“, welche die bereits hell gewordenen, aber noch nicht zu äußerſt liegenden Zellen bilden, geſehen. Weiter wählte Kerbert 1876 für die äußerſte Begrenzung der Oberhaut (und damit der geſammten Körperbedeckung nach außen hin), bezw. für das oberſte, die eigentliche Epidermis noch überziehende Häutchen die Bezeichnung „Epitrichialſchicht“, während er den Namen Hornſchicht nur für die darunter folgenden Lagen brauchte. Dieſe Epitrichialſchicht iſt daſſelbe „Häutchen“, welches Leydig ſchon ſeit 1857 an verſchiedenen Stellen feiner Schriften, und dann u. A. auch Cartier, als Cuticula bezeichnet hatten, weil fie es als Aus— ſcheidungen der unterliegenden Zellen anſahen und die Skulptur deſſelben den Centren der letzteren entſprechend fanden; und Cartier hatte darauf hin mehrere Bildungen auf der äußerſten Grenzſchicht der Oberhaut als Cuticular-Formen betrachtet und unterſchieden: ſo das einfache Häutchen, wie es auf der Augenkapſel der Natter vor— kommt; ferner die kurzen Borſten, welche bei der Natter (mitten in der Oberhaut, im Rete Malpighii, gebildet) nur die Abhäutung der überliegenden Schichten einleiten und hernach in Verſchmelzung verſchwinden, während ſie an der Sohle des Chamäleon erhalten bleiben und bei den Geckonen wiederum an den Haftlappen der Füße und den Sinnesorganen zu 0,127 mm langen Haaren werden“) und im übrigen, vom ) M. Braun fand ganz gleich wie Cartier bei Phyllodactylus (Blattfinger) jo bei Anolis die Querblätter der Zehen mit zahlreichen cuticularen Härchen beſetzt und ſah ebenſo in dieſen ſowohl das Mittel zur Einleitung der Häutung als auch die einzigen Haftorgane beim Kriechen an glatten Flächen. Oberhaut. Oberſtes Häutchen. 44 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Kopf zum Schwanz vorrückend, verſchmelzen ohne ſich zu vergrößern u. |. f.; endlich Schüppchen, wie ſie bei der Gattung Lacerta beobachtet wurden ꝛc. Indeſſen konnte eben Kerbert 1876 bei mehreren Reptilien in jenem äußerſten Häutchen mittelſt Kali— lauge Kerne und außerdem „die Zellgrenzen in Diskordanz (mangelnder Ueber— einſtimmung) von den unterliegenden“ nachweiſen und gelangte daher zu der Schulze'ſchen Anſicht, daß bei den drei höheren Wirbelthierklaſſen Cuticular-Bildungen nicht vor— kämen, und zur Wahl der obengenannten Bezeichnung für die oberſte Schicht; aber auch Batelli vermochte die Zellen der Epitrichialſchicht mittelſt Kalilauge beſtimmter Stärke zu trennen, und wie er und Kerbert, ſo iſt auch Todaro der Meinung, daß die „Pellicola epidermica“ feine Cuticula, ſondern von Zellen (einer zu Hornlamellen gewordenen und einer aus glatten, vieleckigen, kernhaltigen Zellen beſtehenden Schicht) gebildet ſei. Allein wie man ſich auch zu der Frage, ob „Epitrichialſchicht“ oder ob „Cuticula“, ſtellen möge, es wird gerathen fein, der Worte M. Braun's [Lac. Lilf. S. 20] ſich zu erinnern: „Was die anatomiſchen und namentlich entwicklungsgeſchichtlichen Angaben von der Haut von Lacerta anbelangt, ſo kann ich dieſelben völlig beſtätigen; ob nicht aber dennoch die „Skulpturen“, welche unabhängig von den Zellgrenzen auftreten, als Cuticular-Bildungen aufzufaſſen ſind, iſt eine andere Frage, mit deren Bejahung nicht geſagt fein ſoll, daß die Baſis, auf der dieſe Bildungen ſtehen: die eng verſchmolzenen, äußerſten Epidermiszellen, auch eine Cuticula iſt. Ob die freie Fläche der Zelle, oder einzelne dichter ſtehende Punkte oder Streifen derſelben die Ausſcheidung jener hervorbringen, während andere Stellen derſelben Zelle nichts oder nicht zu gleicher Zeit ausſcheiden, iſt für das zu beurtheilende Produkt gleich— giltig, es bleibt eine Cuticularbildung.“ Jene Skulpturen oder Reliefbildungen auf der freien Fläche des äußerſten Häutchens ſtellen ſich, wie Unterſuchungen mit bewaffnetem Auge ergeben, im Ganzen dar als ein Leiſtenwerk mit Haupt- und Neben— zügen und laut Leydig für die verſchiedenen Arten der heimiſchen beſchuppten Reptilien jedesmal nach der Spezies beſonders ausgedrückt: auf den Hornſchuppen der Blind— ſchleiche giebt es feine Längslinien mit Querleiſtchen, „ſodaß je nach den Körperſtellen eine wellige, dachziegelförmige oder querſchuppige Zeichnung zu Stande kommt“; bei den deutſchen Eidechſen erinnert das Leiſtenwerk der Linien der Kopfſchilder an die Haarwirbel der Säugethiere, an den Rückenſchuppen umkreiſen Wellenlinien den Kiel, und zwar bei der Smaragd- und Zaun-ECidechſe feiner als bei der Mauer- und Wald— Eidechſe (nach M. Braun [Lac. Lilf. S. 21] find die Skulpturen bei Lacerta agilis zwar ähnlich denen der Lacerta muralis, doch ſtehen die einzelnen Leiſten weiter auseinander und ſind höher), aber minder verſchieden als bei den Schlangen. Indem wir noch bemerken, daß Kerbert dieſe, für die einzelnen Spezies recht charakteriſtiſchen Skulpturen theils (die Querleiſten) auf die wirklichen zackigen Zellgrenzen, theils (die Hauptleiſten) auf lineär angeordnete Erhebungen des Zellkörpers unter Streckung der Zellen zurückgeführt hat, ſchließen wir dieſe für das Verſtändniß anderer Punkte wünſchenswerthe Betrachtung des äußerſten Häutchens mit der Frage: Welchen Werth haben jene Skulpturen für das Leben der Thiere? Und antworten darauf mit K. Semper [Eriftenzbed. I S. 23]: Abgeſehen von ihrer ſyſtematiſchen Bedeutung ſcheinen ſie ſolchen nicht zu haben. Man betrachtet ſie zwar als Schmuck, ohne zu bedenken, daß ſie (mikroſkopiſch) viel zu fein ſind, um von anderen Thieren ihres— gleichen geſehen werden zu können. Es möchte daher völlig hoffnungslos erſcheinen, ihre Exiſtenz auf Grund Darwin'ſcher Prinzipien als nothwendig und damit ſie ſelbſt als phyſiologiſch wirkſame Organe zu erweiſen. „Dennoch hat eine auf dieſen Punkt gerichtete Unterſuchung der Neuzeit die Möglichkeit dazu geliefert.“ Die unten Zweite Ordnung. Echſen. 45 folgenden Bemerkungen über die Häutung der beſchuppten Reptilien werden dies zeigen. Doch müſſen wir vorerſt noch der übrigen Verhältniſſe der Oberhaut kurz gedenken. In der unter dem äußerſten Häutchen gelegenen Hornhaut (stratum corneum) ſind nach Kerbert beim Gecko, Platydactylus, und beim Chamäleon die Kerne manch— mal noch ohne chemiſche Hilfsmittel deutlich, oder es iſt ihre Anweſenheit doch, ſo bei der Zaun-Eidechſe und der Ringelnatter, durch die Pigmentkörnchen bemerkbar, welche ſich um ſie gruppirt hatten. In anderen Fällen, bei der Blindſchleiche und dem Scheltopuſik, iſt die Hornſchicht ſcheinbar homogen, gleichgeartet. Die oberſte Schicht derſelben hat meiſt unregelmäßige Zellen von körnigem In halt und iſt deshalb „obere Körnerſchicht“ (stratum granulosum superius) benannt. Die nachfolgenden Zellen liegen lamellenartig in Schichten, welche Todaro in ein Str. corneum compactum und (einwärts) ein Str. corn. relaxatum getheilt hat; die „kompakte Schicht“ der alten Haut wird laut Batelli durch die nächſte Häutung des Thieres äußerſte Schicht. Die nun weiter nach abwärts folgenden Oberhautſchichten nennt Batelli intermediäre; zunächſt eine ſogenannte helle Schicht mit ſtark lichtbrechenden Zellen, das Stratum lueidum, welches nach Kerbert und Cartier zur Hornſchicht gehört und mit abgehäutet wird; ſodann eine ziemlich ſtarke Lage granulirter Zellen, die „untere Körnerſchicht“ (Stratum granulosum inferius), welche Batelli noch den intermediären Schichten, Kerbert hingegen ſchon der nun folgenden „Schleimſchicht“, dem Stratum mucosum S. Malpighianum, zurechnet, welch' letztere nach Kerbert bei der Häutung zu äußerſt zu liegen kommen. Die für das Wohlbefinden der Echſen und aller beſchuppten Reptilien überhaupt nothwendige und mehrmals im Jahre zu wiederholende Häutung, d. h. das Ab— ſtreifen der alten, mißfarben und zu eng und ſpröde gewordenen Oberhaut („Hemd“) und die Erſetzung derſelben durch eine inzwiſchen gebildete neue, wird eingeleitet durch eine im Innern der Epidermis ſich bildende Lage ſehr feiner und gleichmäßig ver— theilter Härchen, „welche offenbar dazu dienen, durch ihre Starrheit und Stellung die alte Haut, welche abgeworfen werden ſoll, mechaniſch abzuheben“ und daher als Häutungshaare bezeichnet werden dürfen. Nach der Häutung werden dieſe mikro— ſkopiſchen Haare, wie die Unterſuchungen Braun's und Cartier's gelehrt haben, zum Theil wenigſtens umgewandelt in jene concentriſchen Streifen, ſcharfen Spitzen, Leiſten oder Wülſte, welche auf dem oberſten Häutchen der Hautſchuppen die bereits beſprochene „Skulptur“ darſtellen; und wenn man ſich vor Augen hält, daß dieſe mikroſkopiſchen Häutungshaare, nachdem ſie während der Häutung ihren Dienſt gethan, dort ſtehen blieben, wo ſie gebildet wurden — in der Form zwar etwas verändert —, ſo wird man die auf ſolche Weiſe entſtandene Skulptur als den umgebildeten Ueberreſt eines früheren werkthätigen Theiles der Haut und des Körpers, als ein „rudimentäres Organ“ anzuſehen berechtigt ſein, nicht aber als einen „morphologiſchen Charakter“ zu betrachten haben. Indeß wenngleich im Allgemeinen die Aufgabe jener Häutungs— haare ſich erfüllt mit der Vorbereitung der Häutung durch ſchwaches Lockern der abgeſtorbenen alten Haut und in der Skulptur nur ein umgewandelter und nun nutz— los gewordener Reſt derſelben erhalten bleibt, ſo wird man doch nicht verkennen dürfen, daß die Haare mitunter auch nach der Umwandlung, in ihrer neuen Geſtaltung noch nützliche Dienſte zu leiſten im Stande ſind. So ſind manche der durch die Ver— ſchmelzung der Häutungshaare entſtehenden Zacken und Leiſten auf den Schuppen ſo geſtellt, daß ſie bei dem immerhin mit Schwierigkeiten verknüpften Abſtreifen der alten Haut, deren Oberfläche ſie ja aufſitzen, von Nutzen ſein mögen, „indem ſie das Oberhaut⸗ Schichten. Häutungs⸗ Haare. Häutung. 46 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Feſthaken an der rauhen Oberfläche von Steinen ꝛc. erleichtern“ können. Weitere Reſte der Häutungshaare wurden zu Organen, die in anderer Weiſe funktionirten, weil ſie Eigenſchaften beſaßen, welche ſie zu dem ihnen eigenthümlichen Gebrauch befähigten [K. Semper, a. a. O.]. Dahin gehören die Haftbürſten der Geckonen und die ſog. Sinneshaare. Die, wie wir bereits wiſſen, durch erweiterte Zehen und durch Haft— 9 auffallenden Füße der Geckonen zeichnen ſich zugleich durch eine bedeutende Menge langer, ſteifer und beweglicher, unter den Zehen befindlicher Haarbürſten . S. 43) aus, welche den Thieren die auf Seite 40 erwähnte Fähigkeit verleihen, an ſenkrechten Wänden oder an der Zimmerdecke, den Rücken nach unten gekehrt, mit großer Schnelligkeit entlang zu laufen ohne zu fallen. Daß aber dieſe Bürſtenhaare nichts weiter ſind als eigenartig umgewandelte Häutungshaare bezw. in derſelben Weiſe und zur ſelben Zeit entſtehen wie dieſe, um zunächſt mit bei der Häutung zu helfen, erſieht man aus dem Umſtande, daß die Haftbürſten beim Embryo der Geckos noch fehlen, vielmehr erſt mit der erſten Häutung auftreten, indem ſie dieſe einleiten helfen; ſie waren alſo nicht gleich von vornherein zu dem Gebrauch als Haftwerkzeuge beſtimmt, ſondern erlangten dieſe Fähigkeit erſt, nachdem ſie vorher einem anderen Zweck gedient hatten. Weiter find von Leydig entdeckte Organe in der Reptilienhaut, welche er als Organe eines ſechſten Sinnes bezeichnet, regelmäßig verbunden mit langen elaſtiſchen Haaren, die weit über die Oberfläche der Haut hinausragen „und vortrefflich geeignet erſcheinen, irgend einen Stoß oder molekulare Bewegung auf die mit ihnen verbundenen empfindenden und leitenden Sinnesorgane zu übertragen“; und auch dieſe Sinneshaare gehören zu jenen Häutungshaaren, von denen eben einige wenige, an der paſſenden Stelle ſtehend, zu ſolchen Sinnesorgan-Haaren umgewandelt wurden. Die Hä utung der Echſen ſelbſt geht in der Weiſe vor ſich, daß die alte ab— geſtorbene Oberhaut in Stücken losgelöſt und abgeſtreift wird, während die Schlangen ihr abgenutztes „Hemd“ im Ganzen ablegen. Bei beiden Ordnungen aber beginnt die Ablöſung vorn am Kopfe, an der Maulgegend; und daher ſieht man ſowohl Echſen als Schlangen, die vor der Häutung ſtehen, die Kieferränder und Mundwinkel, den Schnauzen— rücken und die Kinnpartie an rauhen Flächen reiben, bis die alte Oberhaut, welche die Thiere zuvor durch Drehen und Krümmen, Auf- und Abwärtsbiegen des Körpers bezw. auch durch Strecken und Anziehen der Beine gelockert und gedehnt haben, hier endlich reißt und nun das Ablöſen und Abſtreifen von vorn nach hinten zu ausgeführt werden kann. Dieſe Arbeit erleichtern ſich die Echſen, indem ſie entweder durch Gras oder Geſtrüpp, Gewurzel und Steinritzen ſchlüpfen, wobei das Hemd in größeren oder kleineren Theilen, ja manchmal faſt vollſtändig, hängen bleibt (Eidechſen), oder indem ſie in Sand und Erde herumkriechen (Wühlſchleichen), oder mit Hilfe des Maules 115 der Vorderfüße einzelne Stücke abziehen; letzteres thun die Geckonen, welche übrigens die Haupttheile ſogleich verzehren und dadurch ſich den Kröten an die Seite ſtellen. Der Vorgang der eigentlichen Häutung nimmt nur kurze Zeit, je nach den Arten und Verhältniſſen eine Viertel- oder eine halbe Stunde in Anſpruch, zuweilen dauert es nicht mal ſo lange, zuweilen mühen ſich die Thiere, namentlich wenn ſie entkräftet ſind, ſtunden- ja tagelang, und mitunter gehen ſie dabei ein. Zweckmäßiger Pflege und wärme- und lichtſpendender Sonnenſtrahlen entbehrende Eidechſen beſitzen überhaupt ſelten mehr das Vermögen, der alten Oberhaut ſich zu entledigen; ſie ſterben zu oder ſchon vor Beginn der Häutung. Bei geſunden Thieren wiederholt ſich dieſe, nachdem die erſte bald nach dem Erwachen aus dem Winterſchlafe und der Aufnahme der eigentlichen Lebensthätigkeit ſtattgefunden, mehrmals im Jahre; und Zweite Ordnung. Echſen. 47 da die Häutungen während des Herbſtes und Winters unterbleiben, die abgeſtorbene Oberhaut ſomit die junge, farbenfriſche Epidermis überdeckt, ſo ſieht das Kleid der Echſen vor der erſten Frühjahrshäutung trübe, dunkel, unſcheinbar aus. Aber das Aufliegen der alten Oberhaut, welche die reinen Faxbentöne nicht zur Geltung kommen läßt, iſt durchaus nicht der einzige Faktor, der eine Abänderung der Hautfärbung herbeiführt — die Färbung ein und derſelben Echſen-Art zeigt ſich auch verſchieden nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit, und außerdem giebt es noch einen Farbenwechſel, der unter dem Einfluß des Nervenſyſtems ſteht, inſofern Auf— regung, Angſt, Schreck, höhere oder niedere Temperatur, ſtärkerer oder geringerer Lichtreiz die Stimmung deſſelben umändert und auf die beweglichen Farbzellen oder Chromatophoren wirkt [Leydig, Bedeck. d. Amph. S. 70]. Die Verſchiedenheit des Farbenkleides nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit, das Frühlings- und Herbſtgewand, das Hochzeit-, das erſte und zweite Jugendkleid, bietet gerade hinſichtlich unſerer Eidechſen, weniger der Schleichen, eine wichtige Handhabe zur Erkennung von jungen und alten, männlichen und weiblichen Thieren. Noch intereſſanter indeß ſind die anderen Farben— Abänderungen. So iſt eine, um die Worte Leydig's [Bedeck. S. 73] zu gebrauchen, „das Nachdenken immer in Anſpruch nehmende Erſcheinung die Thatſache, daß durch die Thätigkeit der Chromatophoren eine Verähnlichung der Hautfarbe des Thieres mit der Grundfarbe des Wohnortes zu Stande kommen kann“; als Belege dazu führt Leydig ſelbſt an, daß z. B. die Zaun-Eidechſe, auf Molaſſeſandſtein lebend, die licht— graue Färbung dieſes Bodens annimmt, oder daß die Blindſchleiche auf naſſem torfigen Boden ſich ganz ſchwarz färben und die normal gefärbte Wald-Eidechſe (Lacerta vivipara) auf feuchten Aufenthaltsorten zur Lacerta nigra werden kann. Indem wir noch an die von Prof. Eimer vermerkte, „auch von anderer Seite beſtätigte“ Erſcheinung erinnern, daß unter den in Süditalien vorkommenden Varietäten der Mauer-Cidechſe die rein grünen vorzugsweiſe in grünen Gras- und Saatfeldern, die braunen auf entſprechend gefärbtem öden Boden, die ſtark gefleckten in ſchattenwerfendem Gebüſch leben, wollen wir jedoch nicht vergeſſen, daß ſolche Anpaſſungen des Farbenkleides an die Farbe der Umgebung, des Aufenthalts, auch bei den übrigen Echſen und gleicherweiſe bei ganz anderen Thiergruppen, Plattfiſchen, Fröſchen u. a., beobachtet werden kann. Oertliche und verwandte Einflüſſe (Licht, Wärme, Feuchtigkeit, Ernährung) machten ſich alſo bei der Schaffung und Erhaltung der Hautfärbung geltend, ſodaß bei vielen, ja ſehr zahlreichen Arten mit der Umgebung bleibend übereinſtimmende Farben, ſogenannte „Schutzfärbungen“ entſtanden, wie denn z. B. im Sande hauſende Echſen ähnlich den ihren Aufenthalt theilenden Inſekten gelb und grau gefärbt und geſtreift ausſehen, oder ſtändig auf und in Pflanzengrün lebende Arten die Farbe der Blätter und des Graſes tragen, oder die in und zwiſchen grau und braunem Erdreich, Mauerwerk und Gewurzel ihren Unterſchlupf, ihre Heimſtätte findenden Kriechthiere in Farbe und Zeichnung den Wohnplatz nachahmen. Aber während bei denjenigen Echſen, welche hinſichtlich des Aufenthalts und der Lebensweiſe nur in geringem Grade zu Abweichungen und Wechſel neigten, auch die Hautfärbung eine ziemlich gleiche blieb (unter den deutſchen Sauriern bei Blindſchleiche und Wald-Eidechſe ver— hältnißmäßig am ausgeſprochenſten), traten bei anderen, an verſchiedenartigen Plätzen lebenden bezw. über ein weites Gebiet mit mannichfaltigen Orts- und Boden— Verhältniſſen verbreiteten oder gar in neue Gegenden verpflanzten Spezies auch bezüglich der Färbung Aenderungen ein, welche den jeweiligen oder den neuen äußeren Verhält— niſſen angepaßt waren. Und dieſe Anpaſſungen wurden denjenigen Arten um jo leichter, welche entweder vermöge einer lebhafteren Thätigkeit der beweglichen Farb— Hautfärbung. Farbenſpiele. 48 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. zellen oder Chromatophoren die Fähigkeit eines enen Farbwechſe els be⸗ ſonders ausgebildet hatten, oder welche ſich trotz weiter Verbreitung durch eine gewiſſe Seßhaftigkeit auszeichnen. Das Letztere iſt gerade bei den Eidechſen der Fall; denn es kann die Thatſache nicht von der Hand gewieſen werden, daß unſere Eidechſen, d. h. die einzelnen Thiere oder Familien-Gemeinſchaften, ſtets innerhalb eines ganz beſtimmten und eng begrenzten Platzes, deſſen Schlupfwinkel und ſonſtige ihrem Schutz dienliche Verhältniſſe ſie ganz genau kennen, ihr Leben verbringen, und daß dieſe Seßhaftigkeit der Thiere, bei Vorhandenſein einer großen Anpaſſungs-Fähigkeit und Nothwendigkeit, „von größter Bedeutung iſt für die Einrichtung ihres Kleides nach Farbe und Zeichnung und für die Fixirung beſtimmter Abänderung überhaupt“. In ſolcher Weiſe und zufolge des Umſtandes, daß diejenigen der Farben und Färbungen, welche den Daſeinsbedingungen der Thiere am meiſten entſprachen, auf dem Wege der Vererbung und der natürlichen Zuchtwahl erhalten blieben, wurden ſtändige Spiel— und Abarten, Varietäten, Lokal-Raſſen geſchaffen, die ſich ausſchließlich oder doch zum größten Theil eben nur durch die Färbung von der Stammform unter— ſcheiden, aber keineswegs mit den durch flüchtigen, auf vorübergehendem Chromato— phorenſpiel beruhenden Farbenwechſel hervorgerufenen Farben » Abänderungen und Farbenſpielen verglichen und gleichgeſtellt werden dürfen. Dieſe Farbenſpiele ſind von Alters her bekannt vom Chamäleon, und daher wurde von neueren Forſchern, ſo von Milne-Edwards 1834 und beſonders von v. Wittich und Brücke 1851 gerade dieſes Reptil auf die Farbänderungen hin unter⸗ De und dabei erkannt, daß die Bewegungen des dunklen Farbſtoffes (Pigments), s Aufſteigen deſſelben aus der Tiefe der Haut und dann wieder das Zurückſinken in die Tiefe, der Hauptgrund des Farbenwechſels ſei. Was unſere heimiſche Lurch— und Kriechthierwelt anbelangt, ſo gewahrte man zuerſt (im vorigen Jahrhundert) am Laubfroſch und an der grünen Kröte, ſpäter an Raniden, daß der Farbenwechſel von beweglichen Farbzellen oder Chromatophoren herrühre; darauf wies Leydig 1867 nach, daß auch unſere Waſſermolche das Vermögen des Farbenwechſels beſitzen und Gleiches beobachtete er ſodann an e Eidechſen, an der Blindſchleiche und Ringelnatter (1872-73). Der genannte Bonner Zoolog fand, daß all' die erwähnten Arten in Sonnenlicht und Wärme und bei Wohlbehagen hell werden, indem die Chromatophoren in die Tiefe der Haut ſich zurückziehen, wogegen die Thiere bei Entziehung des Lichtes und Heute des Nervenſyſtems, 5 B. durch Schreck oder niedere Temperatur, dunkel bezw. ſchwarz werden (vergl. auch S. 47). J. v. Bedriaga hinwiederum führte die Entſtehung der dunklen Farben der Eidechſen auf unmittelbare und ausſchließliche Luftwirkung zurück, indem das Pigment durch den Lichtreiz aus der Tiefe der Haut in die Höhe geſtiegen ſei und dort ſich bleibend auf das weißliche Pigment gelagert habe [Entſt. d. Farben 1874]. Außer dem ſogenannten dunkelkörnigen oder ſchwarzen Farbſtoff in der Haut der Reptilien und Amphibien zeigt ſich nämlich auch ein nicht iriſirendes, in Netzform ſich ausbreitendes weißes Pigment u. a., und die merkwürdige Farbenveränderung der Haut beruht auf der Vertheilung der meiſt veräſtelten Pigment— zellen und auf der Fähigkeit der letzteren, ſich zuſammenziehen und ausdehnen zu können. Wie nun das Pigment in dieſen beweglichen oder contraktilen Zellen oder Farbſtoffträgern (Chromatophoren) je nach den Thieren und Körperſtellen verſchieden iſt und außerdem die Färbung der Shen ſich verändert nach dem jeweiligen Zuſtande (Ausdehnung oder Zuſammenziehung) der letzteren, ſo auch liegen die Chroma— tophoren in verſchiedener Lage in der Lederhaut — denn in der Regel finden ſie ſich nur in der Cutis und zwar in dem lockeren Bindegewebe und der oberen und unteren Zweite Ordnung. Echſen. 49 Grenzſchicht derſelben —, gewöhnlich allerdings die hellen zu oberſt, die ſchwarzen in der tiefſten Schicht. Sind nun z. B. alle Chromatophoren ausgedehnt, ſo wird Braun oder Schwarz vorherrſchen; ziehen ſich die dunklen zuſammen, während die hellen ausgedehnt bleiben, ſo wird die Farbe der letzteren zur Geltung kommen; dehnen oder breiten ſich die dunklen aus, ſo erſcheinen die Thiere dunkel. Da einer— ſeits dieſe „aktiven Bewegungen“ der Farbzellen bezw. ihre Contraktionszuſtände und zwar von Liſter ſehr genau beim Froſch beobachtet worden ſind, und da ander— ſeits Reptilien und Amphibien in Bezug auf Geſtaltung und Lagerung der Chroma— tophoren ſich nur wenig oder gar nicht von einander unterſcheiden, ſo geben wir in nebenſtehendem Holzſchnitt 5 eine Kopie der Liſter'ſchen Zeichnungen, indem wir gleichzeitig ſchon hier auf das bei Be— ſprechung der Amphibien noch zu Er— wähnende hinweiſen. — Wenn wir alſo wiſſen, daß die Farbſtoffe theils in der unterſten Schicht der Oberhaut, theils und vornehmlich in der Lederhaut abgelagert ſind und die veräſtelten Farbzellen auf gewiſſe Reize hin, bezw. unter dem Einfluß des Nervenſyſtems ſich zuſammenziehen und ausbreiten, überhaupt ihre Geſtalt und Lage ändern können und dadurch einen Farbenwechſel bedingen, ſo vermögen wir nicht 5 mit Beſtimmtheit anzugeben, was denn Fig. 5. Farbzellen oder Chromatophoren der eigentlich ſich bewege, was denn die treibende Amphibienhaut (Froſch), nach Liſter. Kraft bei den Bewegungen der Farbzellen r tesa and ee u ane ſei, d. h. uns iſt die Eigenſchaft, auf welcher d ganz ausgebreitete. die Bewegungs- oder Contraktions-Fähigkeit der letzteren beruht, noch unbekannt. Aber nicht unbekannt iſt es uns, daß alles lebende Protoplasma an und für ſich contraktil iſt und daß alle Zellen ohne Häutchen oder Membranen, ſo junge Eizellen, die weißen Blutkörperchen u. a., dieſe Fähigkeit mitunter in ſehr hohem Grade beſitzen; und da nun die Farbzellen gerade zu dieſer Abtheilung von membranloſen Zellen gehören, ſo „brauchen wir uns auch nicht darüber zu wundern, daß ſie ſich ebenſo zuſammenziehen wie andere ähnliche Zellen“. In dieſer Weiſe hatte ſich bereits 1857 Leydig in ſeiner „Hiſtologie“ geäußert, indem er auf Grund ſeiner an der Haut des Froſches gewonnenen Erfahrungen ſich dahin ausſprach, daß es das Protoplasma der Farbzellen ſei, welches durch ſeine Bewegungen die Formveränderungen der Chromatophoren hervorrufe; und während C. Th. von Siebold nach den an Süßwaſſerfiſchen gemachten Wahrnehmungen Leydig's Anficht theilte, war 1854 Studiati durch die Unterſuchungen der Haut des Chamäleons zu dem Schluß gelangt, daß die Chromatophoren einem contraktilen Gewebe ein— gelagert ſeien, daß alſo dieſes Gewebe der Lederhaut (Bindeſubſtanz) ſich zuſammen— ziehe und auf ſolche Art den Inhalt der Farbeſäckchen gegen die Oberfläche der Haut und ſeitwärts in die Zwiſchenräume treibe, um ihn dann auch wieder nach unten treten zu laſſen; und andere Beobachtungen hinwiederum führten Krukenberg zu der verwandten Annahme, daß nicht die Chromotaphoren ſelbſt direkt, ſondern „ein ſie umhüllendes, in der quergeſtreiften Muskelſubſtanz mit einbegriffenes Gewebe durch die Nerven in Contraktion geſetzt werde“. 4 Chromattſche Funktion. 50 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Ehe wir von dieſem Thema Abſchied nehmen, muß in Kürze noch einer Frage gedacht werden, die ſchon auf Seite 47 geſtreift wurde, nämlich der ſogenannten chromatiſchen Funktion. Mit dieſem Ausdruck hat Pouchet die Fähigkeit ge— wiſſer Thiere, durch Vermittelung ihrer Augen (alſo des Lichtes) die Färbung ihres Körpers derjenigen ihrer Umgebung anzupaſſen, bezeichnet. Während man nämlich früher annahm, daß der Reiz, welcher die beweglichen Farbzellen zu Zuſammenziehungen zwang, direkt auf ſie wirken müßte, ſodaß z. B. Veränderungen in der Intenſität des Lichtes, der Wärme ꝛc. nur ſolche Zellen zur Zuſammenziehung und Ausdehnung bringen könnten, welche direkt von den Strahlen ſelbſt getroffen würden — gilt es jetzt als ſicher, daß dies zum mindeſten nicht allgemein der Fall iſt und daß „die ſo hervorgebrachten Veränderungen der Farbe nicht unter den Begriff der chromatiſchen Funktion geſtellt werden können, da durch ſie keine Anpaſſungen an die Färbung der Umgebung bewirkt werden“. Liſter, um K. Sempers Worte zu gebrauchen ſa. a. O. 117], hat vielmehr ſchon im Jahre 1858 durch ſeine hübſchen Experimente am Froſch gezeigt, daß die Thätigkeit der Chromatophoren in Fällen chromatiſcher Funktion gänzlich abhängt von der Geſundheit der Augen. Solange dieſe in Verbindung mit dem Gehirn blieben durch den Sehnerven, ſolange wirkte auch das von den Umgebungen zurückgeworfene Licht in energiſcher Weiſe auf die Chromatophoren ein; aber ſobald die Augen zerſtört oder die Sehnerven durchſchnitten waren, trat auch vollſtändige Unfähigkeit der Chromatophoren ein, die verſchiedenen Schwankungen in der Farbe und Lichtſtärke der Umgebung zu empfinden. Das von den Gegenſtänden reflektirte Licht kann alſo nur durch Vermittelung des Auges auf die Hautfärbung einwirken, d. h. der die Chromatophoren beeinfluſſende Reiz wird nur durch das Auge und den Sehnerven, nicht aber direkt den Farbzellen zugeleitet. Und zu demſelben Schluß führten auch die Beobachtungen, welche, wie hier gleich bemerkt ſein möge, ſpäter von Pouchet an Fiſchen und Krebſen wiederholt wurden. Aber Pouchet verfolgte weiter die Frage, „auf welchem beſonderen Wege denn der durch das Auge vermittelte Ein— druck vom Sehnerven bis zu den in der Haut liegenden Farbzellen dringe“. Hierzu ſtehen zweierlei Verbindungen offen: die eine wird gegeben durch das Rückenmark und die von dieſem aus ſegmentweiſe in die Muskel und Haut eintretenden Nervenpaare, die man als Spinalnerven bezeichnet; die andere durch zwei der Länge nach unter der Wirbelſäule verlaufende, mit dem Gehirn und eben jenen Spinalnerven in Verbindung ſtehende Längsnerven, die ſogenannten ſympathiſchen Nerven. Die Verſuche Pouchets, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann, erwieſen denn zweifellos, daß nicht das Rückenmark, ſondern der ſympathiſche Nerv der leitende Weg iſt für den optiſchen Reiz, der die Farbzellen zur Bewegung zwingt; der von den Lichtſtrahlen ausgehende Reiz wandert alſo durch den optiſchen Nerv zum ſympathiſchen, dann durch die Spinalnerven zu den Hauptnerven und ſomit, indem letztere wohl an die Chroma— tophoren herantreten, zu dieſen ſelbſt. — Bei Beſprechung der Amphibien, inſonderheit des Laubfroſches, wird ſich Gelegenheit bieten, dieſe Punkte wieder zu berühren, und daher ſei für jetzt nur nochmals betont, daß unter den Begriff „chromatiſche Funktion“ blos die durch das Auge vermittelten Farben-Anpaſſungen an die Umgebung fallen, nicht aber jene Fälle, in denen die Farbenvertheilung nicht in der gleichen Weiſe durch das Licht beeinflußt wird; das Wort bezieht ſich mithin weder auf ſtändige (conſtante) Färbungen, ſelbſt wenn dieſe eine ſchützende Aehnlichkeit bedingen ſollten, noch auf ſolche Wandlungen in der Färbung, wie ſie z. B. bei den Chamäleons durch pſychiſche Erregung erzeugt werden, ohne daß durch dieſelben eine ſchützende Aehnlichkeit hervorgerufen würde. N at Zweite Ordnung. Echſen. 51 Bei unſeren deutſchen Eidechſen und Schleichen laſſen ſich weder Erſcheinungen, die den Farbwandlungen des Chamäleons entſprechen, noch ſolche verhältnißmäßig ſchnell eintretende, vorübergehende Farbenwechſel, wie wir ſie namentlich vom Laub— froſch und von der Wechſelkröte kennen, beobachten. Die einzelnen Thiere zeigen viel— mehr — trotzdem ſie unter ſich und zwar ſowohl hinſichtlich der Grundfarbe der Oberſeite und des Bauches als auch rückſichtlich der Zeichnung (Längsbinden ſetzen ſich in Flecken um u. ſ. w.) recht variabel ſind und manche Individuen unter Umſtänden ein ſchwarzes Kleid tragen — in der Regel ein ſich gleichbleibendes Gewand; nur zweierlei Umfärbungen fallen auf: die vom Jugend- zum Alterskleid und eine von der Jahreszeit und der Geſchlechtsthätigkeit beeinflußte oder hervorgerufene. Beide Umfärbungen aber gehen ganz allmählich, im Verlauf von Wochen bezw. Jahren, vor ſich und betreffen vorzugsweiſe das männliche Geſchlecht. Erinnern wir uns, daß zu Beginn der Paarzeit im Frühjahr z. B. das geſchlechtsreife Männchen der Zauneidechſe ein vorherrſchend grünes Kleid anlegt und in der Regel die Kehle der männlichen Smaragd-Eidechſe ſchön blau wird, während die Weibchen ihre einfacher gefärbte Tracht im Ganzen beibehalten, jo werden wir jene Auszeichnungen als Schmuck— farben, als Merkmale der Brunſt, als hochzeitliche Zier anſehen und ſie auf gleiche Stufe ſtellen mit den bunteren, glänzenderen Farben und den Hautanhängen (Kamm, Schwimmlappen, Schwanzfaden) der männlichen Tritonen, dem blauen Reif an der Kehle der männlichen braunen Fröſche zur Fortpflanzungszeit und anderen, ſpäter zu beſprechenden Erſcheinungen bei den Amphibien, oder mit den ſchillernden Farben, dem reichen Floſſenwerk ꝛc. der brünſtigen Männchen gewiſſer Fiſcharten (fo des chineſiſchen Paradiesfiſches oder Makropoden, Macropodus venustus, Ce.) und der zur Balzzeit aufs ſchönſte ſich entfaltenden Pracht der häutigen Kehllappen und Fleiſchzapfen männlicher Hornfaſanen (Ceriornis) u. a. m. Nach Schluß der Paarungs— zeit verblaſſen und verſchwinden jene Auszeichnungen, das „Herbſtgewand“ nimmt ſich einfacher, düſterer aus. Werden alſo im Frühjahr, unter der Einwirkung der Sonne, die Farben der Thiere voller, glänzender, leuchtender und im vollen Frühling und im Vorſommer überhaupt am glänzendſten, ſo tritt im Hochſommer, wenn die Hochzeit vorüber und der Ueberfluß von Kraft verausgabt iſt, der Glanz, die Sättigung der Farben wieder zurück, und die Thiere zeigen ſich ſeltener, ſie halten Sommerruhe. „Somit iſt es“, ſagt Eimer [Humboldt 1882 S. 321), „nicht der Einfluß der Sonne direkt, welcher die glänzenden Farben hervorruft, ſondern die Sonne wirkt indirekt durch die Beförderung der Schwellung der Säfte: die Farben entſtehen zur Zeit des größten Kraftſtadiums unter dem Einfluß der Sonne, der Wärme, ſie treten trotz der letzteren zurück, nachdem die Kräfte verbraucht ſind.“ Der im Thierreich weit verbreiteten und ſchon jedem Vogelfreund, Jäger, Gold— fiſchzüchter aus der Erfahrung bekannten Erſcheinung, daß die jungen Thiere in Färbung und Zeichnung oft und mehr oder minder bedeutend von den alten ſich unterſcheiden, begegnen wir auch bei den Reptilien und insbeſondere auch bei den Echſen, wie auf Seite 47 bereits vermerkt wurde. Über die embryonale Entwicklung der Färbung liegen allerdings nur ganz ſpärliche Angaben vor (ſo von M. Braun über Mauergecko und Blindſchleiche und von Rathke über die Ringelnatter), indeſſen dürfen wir doch nach dem Stande unſerer Kenntniß annehmen, daß keine Echſen- bezw. ) Beim Mauergecko fand M. Braun einen 25 mm langen Embryo zwar in der Schuppenbildung begriffen, doch noch ohne jede Zeichnung, einen 30 mm langen Embryo hingegen mit völlig farbloſer Unterſeite, fünf dunklen, an den Seiten ſich plötzlich verbreiternden Querbinden auf dem Rücken, länglich— runden dunklen Flecken auf dem Schwanze und dunklen, vom Kopfe zum Nacken ziehenden Streifen; bei 4 * Schmuckfarben. Hochzeitkleid. Jugend- und Alterskleid. 59 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Reptilien-Art ungefärbt das Ei verläßt, daß vielmehr bei älteren Embryonen, nach— dem die Schuppen gebildet ſind, auch Färbung und Zeichnung ſich einſtellt, und zwar tritt, wie ſchon M. Braun in feiner „Lacerta Lilfordi“ hervorhebt, die Färbung zuerſt hinter dem Kopfe auf, um ſich von da raſch nach hinten fortzupflanzen. Beim Verlaſſen der Eihülle tragen alſo die Jungen ein Farbenkleid, welches man, da es bei verſchiedenen Arten im Verlauf der erſten Lebensjahre Abänderungen erleidet und dann erſt zum Alterskleid ſich ausfärbt, als das erſte Jugendkleid bezeichnen kann. Soviel uns bis jetzt bekannt geworden, iſt daſſelbe in der Regel einfacher als das Alterskleid, die Färbung ſchreitet alſo im Laufe der individuellen Entwickelung weiter fort; ausnahmsweiſe kommt der umgekehrte Fall vor, d. h. die Jungen ſind weit reicher gefärbt als die Alten: ſo bei der von M. Braun beſprochenen ſchwarzen Lilford'ſchen Mauer-Eidechſe der Inſel Ayre. Im Allgemeinen aber iſt bei den eigent— lichen Eidechſen in der Jugend das Kleid minder bunt und glänzend und vornehmlich die Grundfarbe düſterer, dunkler als im Alter; ich brauche in dieſer Beziehung nur an die unſcheinbar gelb- oder graubraunen Jungen der Smaragd-, an die gleichförmig dunkel getönten Jungen der Zaun-, an das einfach ſchwarze oder dunkel erz- bezw. ſtahlfarbene Jugendkleid der Wald- und die ungefleckte braune, grau oder olivenfarben überflogene Rückenpartie der jungen Mauer-Eidechſe zu erinnern. Aber es kann geſchehen, daß die Jungen trotz der dunklen Grundfärbung mehr auffallen als die Alten, nämlich dann, wenn der dunkle Grund durch helle, bei den Alten in Flecken ſich auflöſende Streifen unterbrochen wird. Dies tritt bei ſüdeuropäiſchen Lacertiden hervor, am beſten wohl, wie der bekannte Herpetolog E. Schreiber in einem an M. Braun gerichteten und von dieſem in ſeiner „Lacerta Lilfordi“ veröffentlichten Briefe vermerkt, bei dem ſpaniſchen Stachelfinger (Acanthodactylus vulgaris, D. B.) und der ſüdruſſiſchen Buckelnaſe (Eremias velox, Hall.), indem hier die tiefſammetſchwarze, von drei bis neun hellweißen Längsſtreifen durchzogene Oberſeite — wozu bei dem Stachelfinger das Grellroth des Schwanzes kommt — die unregelmäßig hellgrau und ſchwarz gefärbten Alten „an Lebhaftigkeit gewiß weitaus übertrifft. Aehnliche Streifungen, häufig mit dunklerer Oberſeite, finden ſich, obwohl nicht in ſo extremer Ausbildung, auch bei Ophiops, Acanthodactylus Savignyi, Psammodromus, Lacerta taurica und ſelbſt bei L. muralis, obwohl namentlich bei der letzteren Art oft nur auf die Körperſeiten beſchränkt“, während anderſeits nicht außer Acht gelaſſen werden darf, daß „bei weib— lichen Exemplaren mancher Varietäten der Mauer-Eidechſe (am ſchönſten bei der am Karſt vorkommenden campestris) dieſe Streifen in vollkommener Schärfe das ganze Leben hindurch ſich erhalten“. Ueberhaupt hat man ſich zu vergegenwärtigen, daß, wie wir bei Beſprechung der einzelnen Arten erkennen werden, das Kleid der jungen Eidechſen und das Gewand erwachſener Weibchen oft und gern Berührungspunkte zeigen, eine Erſcheinung, welche uns z. B. auch in der Vogelwelt entgegentritt, ſich aber bei unſeren Schleichen nicht wahrnehmen läßt. Die Jungen ſtark variirender Formen, bei denen die Alten ſehr lebhafte Farben beſitzen, haben (entſprechend den Schlangen) das Kolorit der Stammform. Als Beiſpiele dazu führt E. Schreiber a. a. O. an, daß die ſehr lebhaft grünen italienischen und illyriſchen Mauer-Eidechſen in der Jugend ſtets bräunlich, alſo in dieſem Stadium viel weniger lebhaft gefärbt ſind; und daſſelbe gilt von der Smaragd-Eidechſe. Endlich möge man nicht vergeſſen, der Blindſchleiche bemerkte derſelbe Forſcher die erſte Spur einer Zeichnung (ſchmales dunkles Rückenband) an 70—80 mm langen Embryonen. Bei einer Reihe Embryonen der Zaun-Eidechſe, deren Entwickelung ich verfolgte, zeigten ca. 40 mm lange Stücke einfarbig hellgraue Unterſeite (Eingeweide durchſchimmernd), und dunkelgraue, fein weißlich getüpfelte Oberſeite. Zweite Ordnung. Echſen. 53 daß dann, wenn „eine im Allgemeinen lebhaftere und auffallendere Zeichnung und Färbung bei Jungen mit denſelben Tinten wie bei den Alten“ ſich bemerkbar macht, leicht eine Täuſchung unterlaufen kann, indem die erſtere bei den Jungen nur infolge Dichter— liegens der auch bei den Alten vorkommenden Zeichnungs-Eigenheiten (Tüpfel, Flecken) bedingt wird: es ſei in dieſer Beziehung unter Anderem auf die Beſchreibung der Jugendkleider unſerer Zaun-Eidechſe verwieſen; man wird mithin zwiſchen einer wirk— lichen und einer ſcheinbaren lebhafteren, auffallenderen Zeichnung der Jungen zu unterſcheiden haben. Zum Schluß dieſer der Hautfärbung gewidmeten Ausführungen muß noch einer Erſcheinung gedacht werden, die ſehr verbreitet iſt im Thierreich, ſodaß ſich auch die Gruppe der Echſen nicht ausſchließt. Es iſt die Erſcheinung einer bei einzelnen Exemplaren auftretenden dunklen Färbung, die ſich bis zum Schwarzwerden der Haut ſteigern kann und dann Melanismus genannt wird. Fälle von Melanismus, der ſich ent— weder auf die ganze Körperhaut oder nur auf Partien derſelben erſtreckt (totaler und partieller Melanismus), kennt man von der Blindſchleiche, der Zaun- und namentlich von der Wald- und der Mauer-Eidechje; die ſchwarze Wald-Eidechſe hat man früher ſogar als eigene Art angeſehen und unter beſonderem Namen beſchrieben, und die, eine Reihe von Varietäten bildende Gruppe der ſchwarzen Mauer-Eidechſen, welche ſpäter zu beſprechen ſind, bevölkert verſchiedene kleine Eilande des Mittelmeeres. Man würde fehl gehen, wollte man den Melanismus oder die Melanoſe, wie M. Braun den auf faſt ausſchließlichem Vorherrſchen von ſchwarzem Pigment beruhenden Zuſtand der Haut benennt, immer auf die gleiche Urſache zurückführen. Zunächſt dürfte es ſich empfehlen, die bei Zaun- und Waldeidechſe und Blindſchleiche einerſeits und bei den Mauer⸗Eidechſen anderſeits beobachteten Fälle von Dunkel- und Schwarzfärbung aus— einander zu halten. Denn die Melanismen der erſteren drei Arten ſind ſo ſpärlich und ſelten, daß „ihre Zufälligkeit noch nicht von der Hand gewieſen werden“, daß alſo bei Lacerta vivipara, Anguis fragilis und Lacerta agilis ein zufälliger Melanismus oder — man erinnere ſich entſprechender Erſcheinungen bei Säugethieren und bei Menſchen — ein krankhafter (pathologiſcher) Zuſtand vorliegen kann, und die ſchwarzen Wald⸗Eidechſen wird man ſchließlich auch als ſolche Exemplare ihrer Art, die das ganz dunkle Jugendkleid dauernd beibehalten haben, anſehen dürfen; Leydig allerdings vertritt die Anſicht, daß das Verfärben der Reptilien ins Schwarze auf dem Leben an ſehr feuchten Orten beruht, und ſeine Erfahrung — derzufolge er drei ſchwarze Stücke der Wald⸗Eidechſe „an ſehr durchfeuchteten Plätzen“ und ein faſt ſchwarzes Exemplar von Anguis fragilis auf ſehr feuchtem, torfigem Boden fand und Lacerta agilis beim Halten in zu feuchtem Zwinger ſtark dunkeln bezw. das Braun des Rückens und Schwanzes ſich allmählich in eine Art Schwarz umändern ſah — zeigte ihm „deutlich, daß die bleibende ſchwarze Farbe bei Reptilien in einem Zuſammenhang mit feuchten Aufenthaltsorten ſteht: Lacerta vivipara wird auf ſolche Weiſe Lacerta nigra, Anguis fragilis kann auf naſſem torfigen Boden ſich ganz ſchwarz färben (ſ. S. 47), Vipera berus wird zur ſchwarzen Vipera prester““). Indeß wird man doch Bedenken tragen müſſen, dieſen Satz ohne Weiteres zu unterſchreiben, wenn man erwägt, daß vergeſellſchaftet mit den ſeltenen ſchwarzen Exemplaren der Wald-Eidechſe und Blind— ſchleiche normal gefärbte Stücke vorkommen und daß wenigſtens nach meiner Wahr— ) In derſelben Schrift [Bedeck. S. 119] führt Leydig als gleichwerthige Beiſpiele aus anderen Thiergruppen an: „Der Salamander der höheren Alpengegenden, Salamandra atra, iſt ganz ſchwarz; bunt⸗ und lebhaft farbige Käfer werden an gleichen Orten ſchwärzlich und ſchwarz. Auch an Weichthieren begegnet mir ein Aehnliches“. Indem ich von den Schnecken und Käfern hier gänzlich abſehe, möchte ich Dunkel⸗ und Schwarzfärbung [Melanismus]. Schilder und Schuppen Vergleich]. 54 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. nehmung dunkle, ſchwärzliche oder ſchwarzrückige Zaun-Eidechſen an denſelben Stand— orten anzutreffen ſind wie die Stammform. Das Moment der Zufälligkeit kann alſo, wie oben bemerkt, beim Melanismus dieſer drei Arten nicht von der Hand gewieſen werden; dunkle und ſchwarze Individuen derſelben treten eben zu vereinzelt und zu zerſtreut auf, ſie ſtellen im Verhältniß zur Stammart keine ſelbſtändigen Raſſen oder Lokalformen dar. Das Letztere aber ſteht hinſichtlich der erwähnten ſchwarzen und ſchwarzblauen Mauer-Eidechſen kleiner Mittelmeer-Inſeln: der Lilford- und Faraglione-Eidechſe ꝛc., durchaus feſt. Man wird wohl berechtigt ſein, die Urſachen dieſer Melanoſe in äußeren Verhältniſſen und Umſtänden zu ſuchen, als welche ſich, theils allein theils in ihren Beziehungen zu einander, Licht, Sonnenſtrahlung, Wärme, Feuchtigkeit, Ernährung, Boden-Beſchaffenheit geltend machen dürften. Eine genaue Kenntniß und Vergleichung der einzelnen Fundorte, der Lebensweiſe, der Stamm— formen ꝛc., müßte uns ſonach auch zu den Urſachen führen; aber „leider ſind wir“, wie M. Braun bedauert [Lac. Lilf. S. 54], „trotzdem das Gebiet ein ſo beſchränktes zu ſein ſcheint und es auch ſicher in vielen Beziehungen iſt, davon noch weit entfernt“. Eimer ſuchte die dunkelblaue Färbung der Faraglione-Eidechſen als eine Anpaſſung an den Boden zu deuten; Bedriaga hingegen vertheidigte die Anſicht, daß die dunkle Hautfarbe jener Mittelmeer-Eidechſen „weſentlich durch die freiere und ſtärkere Ein— wirkung des Lichtes“ hervorgerufen wurde, daß dabei aber „auch noch andere Urſachen thätig ſein mochten, die wir weniger zureichend kennen, ſo z. B. der größere Feuchtigkeits— gehalt der See-Atmoſphäre“. Haben wir nun auch aus dem über die Hautfärbung der Eidechſen Geſagten erkannt, daß manche Färbungen und Zeichnungen als Anpaſſungen aufzufaſſen oder aus geſchlechtlicher Zuchtwahl entſtanden ſind, ſo muß doch zugegeben werden, daß vielleicht die größte Zahl der Färbungs- und Zeichnungs-Erſcheinungen immer noch der eigentlichen Erklärung harrt. Die früheren Auseinanderſetzungen, auf Seite 2 und 42, haben dargethan, daß die Körperhaut der Echſen und anderer Reptilien im Gegenſatz zur nackten und weichen Haut der Amphibien derb und feſt iſt und zwar ſowohl infolge von Verdickungen, Verdoppelungen, Verknöcherungen der Lederhaut als auch einer Verhornung der Ober— haut. Die von den eng ſich anſchmiegenden Verhornungen der Epidermis überzogenen Verdickungen und Erhöhungen der Lederhaut bilden auf ſolche Weiſe die ſogenannten Schuppen und Schilder. Die Schuppen (squamae) bekleiden bei unſeren Eidechſen u. a. die Oberſeite des Rumpfes, den Schwanz und die Glieder und erweiſen ſich als ſchuppenähnliche, gewöhnlich vorn angewachſene, mit dem hinteren Theil jedoch freie Erhöhungen der Lederhaut; die Schilder dagegen finden ſich auf dem Oberkopf, am Bauche und an der Innenſeite der Beine und unterſcheiden ſich von den Schuppen meiſt dadurch, daß ſie größer, ſcharfeckiger ſind, mit der ganzen Fläche anliegen und ſich nicht decken. Bei manchen Echſen, z. B. den Schleichen, iſt der ganze Körper ringsum mit Schuppen bedeckt; überhaupt beſteht bei den meiſten Sauriern zwiſchen der Bekleidung des Rückens und des Bauches kein größerer Unterſchied, „als er auch ſonſt in verſchiedenen Körper— regionen vorkommt“. Denn wenngleich bei unſeren Eidechſen und vielen ihrer Verwandten aus der Unterordnung der Spaltzüngler am Bauche Schilder auftreten, ſo ſind dieſe doch niemals einfach wie bei den Schlangen, ſie ſtehen vielmehr bei den deutſchen und nur hinſichtlich des Alpen-Salamanders erwähnen, daß dieſes Beiſpiel ſehr gewagt erſcheint, denn unſer gelbgefleckter Feuer-Salamander (Sal. maculosa) lebt doch, worauf Bedriaga [Faragl. Eid. S. 18] ſchon hingewieſen, an mindeſtens ebenſolch' feuchten Orten wie ſein ſchwarzer Verwandter in den Alpen und hat doch ſeine leuchtend gelben Flecken beibehalten. Zweite Ordnung. Echſen. 55 europäiſchen Arten in 6 bis 10, auch bis 14 oder 16 Längsreihen; und nicht nur, daß der Unterſchied der Bauchſchilder von den Schuppen des Rückens und der Seite ſchon infolge zunehmender Zahl und ſinkender Größe der Schildchen mehr und mehr ſchwindet, er kann auch noch gemindert werden durch die ſchräge Anordnung oder „muſiviſches Ineinandergreifen ſechseckiger Plättchen“. Für die mit Füßen ausgerüſteten Eidechſen und die in Sand und Erde wühlenden Skinke hat übrigens die Bekleidung des Bauches weitaus nicht die Bedeutung wie für die Geſammtheit der Schlangen, welche jede Ortsveränderung zu Lande nur durch Dahingleiten und Schlängeln auf dem Bauche zu bewerkſtelligen vermögen, ſodaß bei ihnen in innigſter Beziehung zu dieſer Aufgabe des Leibes die Bedeckung der Unterſeite mit breiten Schildern oder Querſchienen ſteht. Die Beſchuppung (pholidosis) iſt alſo meiſt auf die Rückenſeite (notaeum) Schuppenbildung. und den Schwanz beſchränkt, in wenigen Fällen dehnt ſie ſich auch auf den Bauch (gastraeum) aus. Bei den eigentlichen Eidechſen zeigt ſie wohl die vollkommenſte Entwickelung bezw. mannigfache Abwechſelung. Dagegen nehmen, wie Pagenſtecher hervorhebt, auf dem Wege der Schuppenbildung die Geckotiden und Chamäleoniden die niederſte Stufe ein. Bei den Geckotiden oder Haftzehern ſind die Schuppen gewöhnlich rundlich neben einander geordnet, wobei ſie einander nicht oder kaum?) (am erſten noch am Bauche) decken; im Allgemeinen treten ſie jedoch je nach den Körper— ſtellen in ungleicher Größe und verſchiedener Form, und an den Kieferrändern oder auch auf dem Scheitel in Geſtalt kleiner Schilder auf, wozu bei manchen (ſo bei Hemidactylus) an der Unterſeite des Schwanzes noch eine Reihe größerer Schilder kommt, die ſich hier entſprechend den Bauchſchildern der Schlangen pflaſterartig ordnen. Aber ſowohl bei den homolepidoten als auch bei den hederodoten, d. h. ſowohl den mit nur einerlei wie den mit verſchiedenen Schüppchen ausgeſtatteten Arten und Gattungen finden ſich beſonders auf dem Kopfe, dem Rücken, auch in den Seiten, zwiſchen den kleinen Schüppchen oder Körnchen in Reihen geſtellte größere, körnige, gerundete oder in der Mitte ſpitz erhobene, auch facettirte Warzen (ſo bei dem mittelmeeriſchen Mauer— gecko und Scheibenfinger), welche in Maſchen Haufen derjenigen hellen, runden, gekernten Bindegewebszellen enthalten, die auch ſonſt im Bindegewebe dieſer Saurier, beſonders zahlreich am Schwanze vorkommen, während die derberen Bindegewebslager ſehr zurück— treten; die nach erfolgtem Abbrechen neu erzeugten Schwänze entbehren übrigens, worauf Pagenſtecher aufmerkſam machte, ſolcher Warzen und tragen ſomit ein gleich— mäßiges Schüppchenkleid. — Die Beſchuppung der Chamäleons iſt zwar homogen, gleichartig, inſofern als ſie aus feinen Körnern beſteht, doch iſt die Schuppenbildung immerhin noch unvollkommen und die dünne loſe Haut erſcheint infolge der Schuppen— körner bezw. kleinen Papillen lederartig chagrinirt; an den verſchiedenen Körperſtellen haben die Höckerchen, denen verdichtetes Bindegewebe zu Grunde liegt, ungleiche Größe und Geſtalt, und wird die Haut ausgedehnt, ſo ſieht man, daß ſie nicht gleichmäßig gedrängt, ſondern in Gruppen ſtehen und daß in den Zwiſchenräumen viel feinere lagern. Gehen wir einen Schritt weiter, ſo begegnen wir einer anderen, aber gleich— falls noch unvollkommenen Schuppenbildung, nämlich der den Wurmſchleichen oder Ringel-Echſen (Amphisbaenidae, Annulati), welche wie die Geckonen und Chamäleons hier auch nur als Südeuropäer in Betracht kommen, eigenen Täfelchenbildung: die ſehr weiche Haut iſt durch zahlreiche, rings um den Körper ziehende Querfurchen in ) Bei einigen Geckotiden, fo der tropiſchen Gattung Uroplates (Fitzinger) find die Körnerſchüppchen ſo fein, „daß man die Haut gegen das Licht halten muß, um dieſelben zu bemerken, und die letztere oberflächlich glatt erſcheint wie bei Tritonen“ [Pagenſt. IV, 771]. Bezeichnung der Schuppen. 56 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. viele Ringe getheilt und jeder der letzteren wiederum infolge durchgehender Längsfalten in lauter rechteckige Täfelchen oder Feldchen zerlegt, und nur die Schnauzengegend bedecken große Schilder. Im Weiteren ſchließen ſich den Täfelchen einerſeits die den Rücken und Bauch der außereuropäiſchen Warane bekleidenden, in Querreihen geſtellten und moſaikartig in einander greifenden Plättchen- oder Tafelſchuppen (squamae tessel- latae), ferner die ſich nicht deckenden Körnerſchuppen (squ. granulosae) oder warzigen und dornigen Schuppen, wie ſie vielfach an Rücken und Bauch von Eidechſen auftreten, an; anderſeits reihen ſich die Wirtelſchuppen (squ. verticillatae) an, welche, in rundum laufenden, an den Rumpfſeiten durch eine kleinſchuppige Falte unterbrochenen Quer— gürteln geordnet, am ausgeprägteſten bei den Seitenfaltlern oder Zonuridae (3. B. Scheltopuſik) und einigen verwandten außereuropäiſchen Familien (Chaleiden, Chamä— ſauren) gefunden werden. Bei anderen Echſen treten dieſe u. a. Schuppenformen weniger ſcharf einander entgegen. Auch können die Schuppen an ein und demſelben Körper, wie ſchon oben angedeutet, je nach Rücken und Bauch, Rumpf und Schwanz ziemlich verſchieden ſein; ſo z. B. haben die echten Eidechſen oder Lacertiden an der Ober— ſeite des Rumpfes kleinere oder größere, flache oder körnige, runde oder eckige, auch wohl gekielte, zum Theil ſich deckende Schuppen, am Bauch indeß Schilder und rings um den Schwanz ſtarke, meiſt ſpitze und gekielte Wirtelſchuppen. Wie ſchon die letzteren, beſonders am Schwanze dornig vorſtehend, nicht ſelten einander zu überragen pflegen bezw. aufeinander übergreifen, ſo gilt dies namentlich für die eigentlichen Schindel— ſchuppen (squ. imbricatae), welche man als höhere Vollendung der Tafelſchuppen anſehen darf [Pagenſt. l. e.]; als vollkommenſte Schindelſchuppen, in ſchräge Reihen geſtellt und einander theilweiſe deckend, finden ſie ſich unter den Echſen bei Schleichen, ferner am Rücken ſüdeuropäiſcher Eidechſen-Gattungen: Tropidosaura, Notopholis und Psammodromus, und außerdem an der Rückenpartie der meiſten Schlangen. Die beſchreibende Naturwiſſenſchaft, die Syſtematik hat die vorbeſprochenen Momente ſehr wohl zu verwerthen gewußt und bei Aufſtellung der Gruppen ſich zu Nutze gemacht. Da auch wir bei Behandlung der Arten, Gattungen, Familien auf die wechſelnden Formen und Anordnungen der Beſchuppung Bedacht nehmen müſſen, ſo wird es gerathen ſcheinen, dieſelbe nach ihren Bezeichnungen hier nochmals kurz aufzuführen. Die Verſchiedenheiten der Schuppen ergeben ſich aus ihrer Größe, Geſtalt, Anheftung und Oberflächen-Beſchaffenheit. Die Größe der Schuppen ändert, wie wir bereits erkannt haben, nicht nur bei verſchiedenen Arten der Echſen, ſondern auch nach den Körperſtellen bei ein und derſelben Spezies zuweilen recht ab. Aehn— liches trifft hinſichtlich der Dicke oder Derbheit der Schuppen zu, ja beides geht gewiſſer— maßen Hand in Hand, indem kleinere Schuppen häufig dicker, ſtärker hervortretend, größere hingegen meiſt flacher, dünner ſind. Kleine, deutlich gewölbte, rundliche Schuppen oder Schüppchen, wie ſie bei Geckonen, Chamäleons, auch am Rücken der Mauer— Eidechſe ꝛe. vorkommen, nennt man Körner ſchuppen (squamae granulosae). Größere, aus der Körperfläche hervortretende und mehr oder weniger ſtark nach oben gewölbte und dann warzen- kegelförmig oder gar dornig erſcheinende Körner bezeichnet man als Warzen-, Kegel- und Dornſchuppen (squamae verrucosae, conicae und mucronatae): hierher zählen z. B. die auf der vorigen Seite erwähnten Warzen vom Kopfe, Rücken und z. Th. den Seiten der Geckonen und die beim Schleuderſchwanz (Stellio) in der Schläfengegend und am Hinterkopf ſich bemerkbar machenden kegeligen Dorn- und Höckerſchuppen. Sind dieſe kleinen und größeren Körner ſtets mit ihrer ganzen Unterſeite auf der Oberfläche der Haut angewachſen, ſo kommt dies bei den mehr flachen, d. h. weniger in die Höhe als in die Fläche entwickelten, im Zweite Ordnung. Echſen. 57 Uebrigen aber betreffs der Geſtalt, des Umriſſes recht abwechſelnden (rundlichen, rhombiſchen, ſechseckigen, in die Länge oder aber in die Breite gezogenen) Schuppen nur dann und wann vor, z. B. an den Rumpfſeiten der Smaragd-Eidechſe; vielmehr erſcheinen ſolche flache Schuppen oft nur am Grunde, alſo vorn angeheftet, mit dem nach rückwärts gerichteten Theil jedoch mehr oder weniger frei, ſodaß ſie mit dieſem hinteren Ende auf die hier anſtoßenden Schuppen übergreifen und denſelben dachziegelig oder ſchindelartig aufliegen; Träger derartiger Dachziegel- oder Schindel ſchuppen (squ. imbricatae) lernten wir bereits am Schluſſe vorigen Abſchnitts kennen. Ebenſo wurde dort die gewirtelte Beſchuppung (squ. verticillatae) gekennzeichnet, welche entſteht, wenn die gern in die Länge gezogenen, eckigen Schuppen regelmäßig neben einander liegen und ſo rund um den Körper laufende Quergürtel bilden; bei manchen Echſen-Gruppen, ſo den Seitenfaltlern, umziehen dieſe Quergürtel Rumpf und Schwanz, bei anderen und zahl— reicheren Gattungen, z. B. unſeren Eidechſen und Verwandten, findet ſich die Wirtelung blos am Schwanz, während der Schwanz der Schlangen gleich dem Rumpf nur oben beſchuppt, unten indeß beſchildert iſt. — Je nach ihrer Oberflächen-Beſchaffenheit endlich bezeichnet man die Schuppen als glatt (squ. laeves) oder aber als gekielt (squ. carinatae). Der erſtere Ausdruck erklärt ſich von ſelbſt. Dagegen ergeben ſich hinſichtlich der Kielung einige Verſchiedenheiten. Wenn man im Allgemeinen jede über die Fläche der Schuppe ſich erhebende und auf dieſer hinlaufende Leiſte oder Linie als Kiel betrachten darf, ſo kann doch die Bildung eines ſolchen in zweierlei Weiſe vor ſich gehen. Die eine Art von Kielen entſteht nämlich dadurch, daß ſich die einzelnen Schuppen längs ihrer Mittellinie mehr oder weniger winkelig erheben und ſomit zwei von einander oft ſehr deutlich geſchiedene, zuweilen ſehr ſteil abfallende Seiten bekommen; die zweite Art dadurch, daß über die vollkommen flachen Schuppen der Länge nach erhabene Leiſten oder Linien hinziehen, die von den letzteren bald in größerem, bald in geringerem Grade abgehoben erſcheinen. Die mit Kielen erſterer Art verſehenen Schuppen, welche vornehmlich am Schwanze (3. B. bei Eidechſen) ſehr gut ausgebildet ſind, werden zweiſeitig oder dachig gekielte geheißen; die anderen, wie ſie in der Rückenpartie der Kiel-Eidechſe (Tropidosaura) vorkommen, nennt Egid Schreiber aufliegend gekielte. In beiden Fällen ſind übrigens, wie E. Schreiber noch betont, die Kiele, welche ſelbſtverſtändlich je nach ihrer Art das ganze Ausſehen der Schuppen weſentlich beeinfluſſen, nicht immer in ihrer ganzen Länge gleichhoch, namentlich erſcheinen ſie nach hinten zu oft mehr oder weniger knotig oder höckerig erhöht oder ſelbſt dornig verlängert. Schließlich ſei noch angefügt, daß man die gekielten Schuppen dann, wenn der Kiel genau in der Mittellinie der Schuppe hinläuft und dieſe ſomit in zwei gleiche Hälften zerlegt, als gleichſeitige, im anderen Falle als ungleichſeitige bezeichnet; ſo hat der Schwanz unſerer Smaragd⸗Eidechſe gleichſeitige, der des ſüdeuropäiſchen Stachelfingers (Acanthodactylus) aber ungleichſeitige Kielſchuppen aufzuweiſen. — Der in der Kehlgegend der Eidechſen auftretenden kleinen Schuppen werden wir weiterhin noch gedenken. Die Schilder (scuta; clypeoli) könnte man als größere, glatt anliegende, ſich gewöhnlich nicht deckende Schuppen charakteriſiren. Sie ſind für ſyſtematiſche Zwecke, für Unterſcheidung der Arten und Gattungen weit wichtiger als die Schuppen, und inſonderheit ſpielen die Schilder des Kopfes dabei eine Rolle, da ſie nach Zahl, Anordnung und Größe ſehr wechſeln und eine erheblichere Mannichfaltigkeit noch als die Kopfbeſchilderung der Schlangen ergeben. Dieſe Abänderungen zeigen ſich bereits, wenn man nur die für die deutſche Fauna in Betracht kommenden Saurier-Familien, die Eidechſen und Schleichen, vergleicht, und mehr noch, wenn man auch die ſüd— europäiſchen Gruppen berückſichtigt. Schilder. Oberkopf⸗ Schilder. 58 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 1. Beſichtigen wir den Kopf, ſo finden wir zunächſt ſeine Oberſeite mit einer Anzahl Schilder bedeckt, die man in ihrer Geſammtheit als den Pileus, die Platte, bezeichnet. Es fallen uns hier paarig und unpaarig auftretende Schilder auf. Wie ſchon ein Blick auf die Abbildung 6 lehrt, ſind von den unpaarigen höchſtens vier (a bis d), die ſich längs der Mittellinie des Ober— kopfes ordnen, vorhanden; die Zahl der paarigen ſchwankt mehr. Das vorderſte der unpaaren, a, mehr in die Breite als in die Länge entwickelt und etwas hinter der Schnauzenſpitze bezw. den Naſen— löchern gelegen, iſt das Zwiſchen-Naſenſchild oder Internaſal-Schild (scutum internasale); als zweites der unpaaren und in der Regel als zweitgrößtes aller Kopfſchilder folgt nach hinten zu das Stirn— ſchild b (sc. frontale), an welches ſich mittel- oder unmittelbar ein oder zwei kleinere einzelne Schildchen 5.— anſchließen: das Zwiſchen-Scheitelſchild oder Inter— parietalſchild e (Sc. interparietale) und zu hinterſt das Hinterhaupt- oder Occipitalſchild d (se. oceipi— tale). — Abbildung 6 A läßt erkennen, daß dieſe ig. 6. Okerſeite des Kopfes (A Sma⸗ unpaarigen Schilder nicht immer direkt einander ragd-Eidechſe, B Walzen-Echſe, Gongylus). ſich anfügen, im Gegentheil werden fie bei vielen » Zwischen -Naſenſchild, b Stirn, e Zwiſchenſcheile⸗ Arten und Gruppen der Echſen, z. B. unſeren e e a n Seeg EHE Eidechſen, durch zwiſchengeſchobene paarige e eee ee Schilder, deren Zahl und Beſchaffenheit je nach den Familien mannigfach abändert, von einander getrennt. Abgeſehen davon, daß ſehr häufig bereits vor dem Internaſal— ſchild (a) ein Paar, in der Mittellinie der Schnauzenſpitze zuſammenſtoßende breite Schildchen, die oberen Naſenſchilder (scuta supranasalia, Fig. 6 e), liegen, ſchieben ſich zwiſchen Internaſal- und Stirnſchild gewöhnlich zwei größere, als Stirn Naſenſchilder, auch als hintere Schnauzen- oder Vorderſtirn-Schilder (sc. krontonasalia, f) bezeichnete Schilder ein, und das Gleiche geſchieht in vielen Fällen zwiſchen dem Hinterrande des Stirnſchildes (b) und dem Zwiſchen-Scheitelſchild (e) durch die beiden Stirn-Sceitel- ſchilder (sc. frontoparietalia, h), welch’ letztere z. B. bei unſeren Eidechſen ſehr aus— geprägt und groß, bei der Blindſchleiche jedoch ganz nach der Seite gerückt und ſehr klein ſind und bei der Walzen-Echſe gänzlich fehlen. An die hinteren Außenränder der Frontoparietalen endlich ſtoßen die beiden Scheitelſchilder (Sc. parietalia, i), welche in der Regel die größten aller Kopfſchilder ſind und die beiden hinterſten unpaarigen, das Zwiſchen-Scheitelſchild (e) und das Hinterhauptſchild (d), zwiſchen ſich einſchließen. — Sodann fallen noch ſeitlich vom Stirnſchild und dem Außenrande der Stirn— Scheitelſchilder, alſo über jedem Auge gelegen, einige Schilder auf: die Brauen— oder oberen Augenſchilder (sc. supraocularia=supraorbitalia, g ! bis g ), deren die Blindſchleiche fünf oder ſechs, unſere Eidechſen und Verwandten aber nur vier beſitzen. Wie Fig. 6 A zeigt, ſind in dieſem Falle das 4. und zumal das 1. Brauenſchild ſehr klein, das 2. und 3. indeß recht groß, und dieſe beiden mittleren bilden zuſammen dann eine etwa eiförmige oder elliptiſche Scheibe, die ſogenannte Augenlid-Scheibe, den Discus palpebralis (Fig. 6 A, g? und g). Im Uebrigen find dieſe Brauen— ſchilder, wie die gleiche Abbildung lehrt, faſt immer ſeitlich am Außenrande noch begrenzt durch eine Reihe ganz kleiner, gewöhnlich ſchmal'länglicher Schildchen, welche alſo die Brauenſchilder bezw. die Augenlid-Scheibe von der Augenhöhle trennen und obere B Zweite Ordnung. Echſen. 59 Augenlidſchildchen oder Wimperſchildchen (scutella ciliaria; Fig. 6 k) geheißen werden. Solche kleine unregelmäßige Schildchen oder auch Schüppchen ſchieben ſich übrigens mitunter auch zwiſchen andere Schilder ein, und vornehmlich iſt der Augen— diskus nicht ſelten, jo bei den ſüdeuropäiſchen Eidechjen-Gattungen Acanthodactylus und Eremias, auch am Innenrande, alſo nach dem Stirnſchild zu von anderen Schildern in ſolcher Weiſe geſchieden; im Allgemeinen aber ſtoßen die einander benachbarten Schilder der Kopfplatte alle unmittelbar in ihren Nähten zuſammen. a 2. Stellen die Schilder der Kopfplatte — welche bei einer vollſtändigen Ent— wickelung, wie es z. B. bei unſeren Eidechſen der Fall, von vorn nach hinten zu nach— ſtehende Reihenfolge aufweiſen: obere Naſenſchilder (Fig. 6 e), Zwiſchen-Naſenſchild (a), Stirn⸗Naſenſchilder (k), Stirnſchild (b) nebſt den rechts und links von ihm gelegenen Brauenſchildern (g), Stirn-Scheitelſchilder (h), Zwiſchen-Scheitelſchild (c), Scheitel— ſchilder () und Hinterhauptsſchild (d) — die oberſte Reihe oder Längsgruppe der den Schädeltheil eines Echſenkopfes bekleidenden Schilder dar, ſo die Oberlippenſchilder die unterſte und die zwiſchen dieſen und der Platte die Augen- und Wangengegend bedeckenden Schilder die mittlere Reihe oder Gruppe. Alle drei Reihen oder Gruppen aber nehmen ihren Anfang vorn am Rüſſelſchild (scutum rostrale; Fig. 7 a). Dieſen Namen führt das vorn an der äußerſten Schnauzenſpitze gelegene breite, unpaare Schild, welches nach unten den Mundrand ſäumt, nach oben etwas übergewölbt iſt und hier an die oberen Naſenſchildchen oder in deren Ermangelung an das Internaſal— ſchild ſtößt. Von ihm aus läuft nach rechts und nach links hin eine Reihe Schilder, welche den Rand des Oberkiefers ſäumen, unterm Auge hinweg bis zum Ende der Mundſpalte. Von dieſen Oberlippenſchildern (scuta supralabialia; Fig 7 b) wie man die Reihe nennt, iſt das unterm Auge befindliche faſt immer das größte und meiſtens nach oben hin etwas verbreitert; die hinter ihm liegen— den, welche man auch wohl mit dem beſonderen Namen supralabialia posteriora (hintere Oberlippenſchilder) bezeichnet, während man die zwiſchen ihm und dem Rüſſelſchild gelegenen die supralabialia anteriora nennt, nehmen in der Regel ſchnell an Größe ab; bei unſeren echten Eidechſen zählen wir an jeder Kopfſeite 7 oder 8, bei der Blindſchleiche etwa 10 Oberlippenſchilder. — Zwiſchen den letzteren unten und der Kopfplatte oben zieht ſich alſo an jeder Kopfſeite noch eine Längsreihe verſchieden geſtalteter Schildchen hin. Das erſte derſelben ſtößt vorn an das Rüſſelſchild, oben an das obere Naſenſchild, unten an das 1. Oberlippenſchild und führt den kamen Naſalſchild (scutum nasale; Fig. 7 c). Doch vermißt man daſſelbe häufig, z. B. auch bei Fig 7. Beſchilderung der Kopfſeite. unſeren Eidechſen, indem es mit dem oberen Naſen- & Sue e e ſchild zu einem einzigen Schilde verſchmilzt; und, dee ee , n in anderen Fällen iſt es ſtets ſehr klein, indem esa Nasen Zügelſchlder e Zügeljgilo. e Zügel-Augen- (ſo bei der Blindſchleiche) durch das in ihm befind⸗ 2 unte Mages hben 1 Sglaſenſcllder. liche Naſenloch bis auf einen geringen Reſt, welcher n Schtäſenſchu sven. u Maßſeterſchlo. e Sheſchtb. das letztere in Geſtalt eines ſchmalen Ringes ganz oder nur theilweiſe umgiebt und bei Kopfſeiten⸗ Schilder Unterkiefer- und Kehlbekleidung. 60 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. oberflächlicher Betrachtung mitunter ſogar leicht überſehen werden kann, zurückgedrängt wird, ſodaß dann das Naſenloch nicht innerhalb des Naſale, ſondern an der Grenze mehrerer Schilder zu liegen ſcheint; man hat dieſen Umſtand wohl zu beachten und bei Unterſuchung und Beſtimmung von Echſen-Arten die erforderliche Gewißheit nöthigen— falls unter Zuhilfenahme einer Lupe ſich zu verſchaffen. Dem Naſenſchild ſchließen ſich unmittelbar ein oder zwei, ſeltener drei über einander bezw. im Dreieck ſtehende Schildchen, die Naſen-Zügelſchilder (scuta nasofrenalia, d*) an, welche allerdings ebenſowenig als die folgenden bei der Blindſchleiche ſcharf geſondert ſind. Dann kommt ein größeres Schild e, das eigentliche Zügelſchild (sc. frenale) und hinter dieſem ein noch größeres, das Zügel-Augenſchild f (sc. freno-oculare), welches nach oben hin gern ſich verbreitert und mit der hinteren Ecke bis gegen die Augenhöhle reicht. Direkt an den vorderen Theil der Augenhöhle heran treten ein oder einige kleine Schildchen g; ſie ſchieben ſich alſo zwiſchen den vorderen Augenwinkel und die darunter liegenden Oberlippenſchilder ein und können als vordere Augenſchilder (sc. praeocularia) auf— gefaßt werden. Ebenſo ſchieben ſich bei manchen Gattungen und Arten zwiſchen hinterem Augenwinkel und Oberlippenſchildern einzelne größere Schildchen, die hinteren Augen— ſchilder i (sc. postocularia) ein; und ſchließlich können auch, wenngleich nur in ſeltenen Fällen, zwiſchen unterem Augenrand und den entſprechenden Oberlippenſchildern ein oder mehrere Schilder angetroffen werden (ſo z. B. findet ſich bei einer ſüdruſſiſchen Wüſten⸗Echſe, der Eremias variabilis, ein derartiges großes Unter-Augenſchild, ein scutum suboculare, A h). Weit häufiger dagegen, ja meiſtens iſt die Augenhöhle an ihrem unteren Rande geſäumt mit einer Reihe kleiner, ſchuppenartiger Schildchen, den unteren Augenhöhlenſchildchen k (scutella suborbitalia *), welche ſonach den über der Augenhöhle hinziehenden und bereits erwähnten, ſowie auf den Abbildungen 6 (k) und 7 veranſchaulichten Wimperſchildchen entſprechen. — Die zwiſchen Auge und Ohr gelegene Schläfen gegend kann theils mit Schildern, theils mit Schuppen, welche man als Schläfenſchilder (scuta temporalia; BI) bezw. Schläfenſchuppen (squamae temporales; A und Cm) bezeichnet, bekleidet ſein; Schilder beſitzen unter unſeren deutſchen Echſen die Blindſchleiche, die Smaragd-, Zaun- und Wald-Eidechfe, Schuppen hat die Mauer-Eidechſe aufzuweiſen. Doch kommt eine ausſchließliche Beſchuppung der Schläfe kaum vor; denn einerſeits iſt der Außenrand der Scheitelſchilder, und dies gilt z. B. auch, wie Abbildung C lehrt, von der Mauer-Eidechſe, gewöhnlich von größeren, meiſt länglichen Schildchen umſäumt und anderſeits entwickelt ſich häufig inmitten der Schläfenſchuppen ein einzelnes Schildchen, das ſogenannte Maſſeterſchild (scutum massetericum; Cen); und endlich bemerkt man noch am Oberrande der Ohr— öffnung ein größeres, länglichrundes oder bohnenförmiges Schildchen, das Ohrſchild o (sc. tympanale). 3. Für die Kennzeichnung der Arten und Gruppen der Echſen iſt die Beſchilderung der Unterſeite des Kopfes weniger bedeutſam als die des Geſichts und die Platte. Schon aus Abbildung 7 erhellt, daß wie der Rand des Oberkiefers durch die Oberlippen— ſchilder (7 b b b), fo der Rand des Unterkiefers gleichfalls durch eine Reihe Schilder geſäumt wird, welche man Unterlippenſchil der (eutasublabialia; Fig. 8 bb) nennt. Die Reihe dieſer ſehr ſchmalen, länglichen Schilder beginnt vorn am Kinnſchild (seutum mentale, 8 a), d. h. am Hinterrande dieſes ziemlich großen, unpaarigen Schildes, ) In Fig. 70 führt die Zeigelinie des Buchſtaben d irrthümlich auf ein vor dem Naſenloch befindliches Schild, anſtatt auf das hinter dem erſteren, direkt vor e gelegene Naſen-Zügelſchild. Auch muß der zu k gehörende Führungsſtrich weiter nach oben gezogen werden, indem er auf die unmittelbar unter der Augenhöhle hinziehenden kleinen unteren Augenhöhlenſchildchen hinweiſen fol. Zweite Ordnung. Echſen. 61 welches ganz vorn im Kinnwinkel gegenüber dem Rüſſelſchild des Oberkiefers, liegt. Von ihm aus läuft aber jederſeits am Unterkiefer, am Unterrand der Sublabialen noch eine zweite Reihe, und zwar weit größerer Schilder hin, die Rinnen- oder Unterkieferſchilder (sc. submaxillaria; 8 ce); die vorderſten aus den beiden Reihen der Unterkieferſchilder ſtoßen, wie Abbildung 8 darthut, an ihrem Innenrande in einer Längs— rinne zuſammen. Von dem Punkte ab, wo die bei— den Reihen auseinander weichen, nach hinten zu be— deckt ſich die Unterſeite des Kopfes faſt immer mit kleinen Schuppen, die nach dem Halſe zu größer werden und am Ende des letzteren bei den Lacertiden eine Querreihe gewöhnlich noch größerer Schuppen, das Halsband ee (collare), bilden. Das Halsband zeigt in Richtung, Geſtalt und Anheftung mancherlei Abänderungen, und ſchon unſere vier heimiſchen Ei— Fig. 8. Unterſeite des Kopfes dechſen weichen darin unter einander ab. In der Regel . ker M beſteht es aus Schuppen, die nur am Grunde ange- ſchlder, A Kehlfurche, e—e Halsband (bei A ganz heftet find, mit ihrem hinteren freien Theile jedoch "dis u. ſchwach bogig, bei B gezahnt und gerade. über eine ſehr fein beſchuppte Hautfalte hinausragen, ſodaß es, mag es nun in ſchwachem Bogen (Abbild. 8 A) oder in gerader Richtung (B) über das Hinterende des Unter— kopfes hinwegziehen, den Kopf ſehr deutlich vom Halſe ſondert. Allein manchmal, 3. B. bei dem ſpaniſchen Sandläufer, Psammodromus, erſcheint es infolge des Umſtandes, daß die Schuppen ganz feſt anliegen und noch dazu von den ihnen folgenden Bruſt— ſchuppen in Form und Größe kaum oder nur unmerklich ſich unterſcheiden, verwiſcht (obsoletum). Schließlich kann das Halsband je nach Beſchaffenheit ſeines freien, hinteren Randes entweder ganzrandig (integrum) oder aber geferbt (crenulatum), gezähnt oder geſägt (serrulatum) ſein; ganzrandig nennt man es, wenn ſeine Schuppen hinten gerade abgeſtutzt ſind und hier ſomit eine faſt ununterbrochene Linie bilden, wie es bei der Mauer⸗Eidechſe (8 A) der Fall iſt, während ein gekerbtes oder gezähntes Halsband entſteht, wenn der Hinterrand der einzelnen Schuppen in der Mitte vorgerundet oder eckig und winkelig iſt: Smaragd-Eidechſe (B). Bei manchen Eidechſen wird die gewöhnliche Beſchuppung der Kehlgegend (gularia) noch unterbrochen durch eine etwa über die Mitte deſſelben laufende, mit ſehr feinen Schuppen bekleidete Querfalte, welche mehr oder minder deutlich hervortritt und die Bezeichnung Kehlfalte oder Kehlfurche (plica v. sulcus gularis; Fig. 8 B d) führt. Und eine ſogenannte Schulterfalte (plica axillaris) wird hervorgerufen, wenn, was gewöhnlich der Fall iſt, das Halsband auch nach aufwärts in eine vor der Wurzel der Vorderbeine hinweg ziehende Hautfalte ſich fortſetzt; ſie bleibt zuweilen ſogar erhalten, wenn das Halsband ſelbſt gänzlich verwiſcht iſt; die Abbildungen 11 und 12 B werden ſie veranſchaulichen. Damit hätten wir die den Kopf der Echſen und insbeſondere unſerer Eidechſen in all' ſeinen Partien bedeckenden Schilder und Schildchen beſprochen, und kennen gelernt, daß man die an der Schnauzenſpitze ſtehenden Schilder das Roſtral- oder Rüſſel⸗ und das Kinnſchild, die um die Naſenlöcher ſich gruppirenden die Naſenſchilder oder Nasalia, die auf der Kopfplatte (Pileus) ſich ausbreitenden die Stirn- und Scheitel- ſchilder oder Frontalia und Parietalia (Verticalia) und deren hinterſtes das Hinter— hauptſchild oder Occipitale, ferner die über der Augenhöhle ſich hinziehenden Schildchen und Schilder die Wimperſchildchen und oberen Augen- oder Brauenſchilder, Ciliaria Bruſt⸗ und Bauchſchil der. Schenkel- und After-Drüſen. 62 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und Supraocularia, die zwiſchen Naſenloch und Augen gelegenen die Zügel- und vorderen Augen-Schilder oder Frenalia (Lorea) und Praeocularia, die hinterm Auge folgenden die hinteren Augen- und die Schläfenſchilder oder Postocularia und Temporalia, die den Mundrand oben und unten ſäumenden Täfelchen die Lippenſchilder oder Labialia, die die untere Fläche des Unterkiefers bekleidenden Tafeln die Unterkieferſchilder oder Submaxillaria und die Bedeckung der Kehlgegend die Kehlſchuppen oder Gularia nennt und dabei im Einzelnen noch Unterſcheidungen macht. Es bliebe nun nur noch übrig, an einige Eigenheiten der Bruſt- und Bauchbeſchilderung zu er— N innern. Zunächſt, daß bei den eigentlichen Eidechſen oder Lacer— tiden die zwei Mittelreihen der Bauchſchilder (ſ. S. 54) gegen den Hals zu mehr oder weniger auseinander weichen, um zwiſchen E jich eine unmittelbar an das Halsband grenzende dreieckige Schilder— 8 gruppe, das auf Abbildung 9 vergegenwärtigte „Bruſt-Dreieck“, 5 einzuſchließen. Sodann, daß bei manchen Arten der genannten 5 Familie außer den auf Seite 55 erwähnten, in Längsreihen ge— 5 ordneten echten Bauchſchildern oder Bauchtafeln, den Gastrostega, 5 Ventralia oder Abdominalia (Fig 9a), noch Bauch-Rand— f ſchildchen oder „Oberſchildchen“ auftreten. Ueber das Ver— 35 hältniß dieſer „falſchen“ Bauchſchilder oder S Pseudo-Gastrostega, welche an jeder Flanke Fig. 9. Bauchſchilder- an der Grenze von Rückenſchuppen und Reihen (a) und Bruſt⸗VBauchſchildern, alſo am Außenrande der ſchilder⸗Dreieck (b) der erſten und letzten Bauchſchilder-Längsreihe Smaragd-Eidechſe. erſcheinen und ſomit zwei weitere Reihen bilden können, habe ich mich gelegentlich der Beſchreibung der 0 Smaragd-Eidechſe geäußert, weshalb ich dort nachzuleſen bitte. Fig. 10. Afterpartie der Endlich ſei vermerkt, daß ſehr häufig die Afterſpalte an ihrem Zaun⸗Eidechſe. Vorderrande von einem größeren Schilde, dem Anal- oder After- e Turlaufende Klantenfpalte „ 9 8 a Afterſchild oder scutum ſchild (scutum anale; Fig. 10 sc. a.), begrenzt iſt. anale, b Schenkelporen⸗Reihe. Wie auf Seite 2 ſchon kurz angedeutet, iſt auch die beſchuppte und beſchilderte Haut der Echſen arm an Drüſen und nur an einzelnen Stellen mit ſolchen verſehen. Am bekannteſten ſind jene Drüſenſäckchen, welche bei unſeren Eidechſen und all ihren Verwandten aus der Familie der Lacertiden ſowie bei dem ſüdmittelmeeriſchen Dorn— ſchwanz oder Uromastix und verſchiedenen außereuropäiſchen Spalt- und Kurzzünglern an der Unterſeite bezw. Innenfläche der Hinterſchenkel liegen, da ja ihre Außen— mündungen als eine von der Aftergegend bis gegen die Kniekehle hinziehende Reihe von Poren, die ſogenannten Schenkelporen (pori femorales; ſ. Fig. 10 b), auffallen. Namentlich iſt dies bei den Männchen zur Begattungszeit der Fall, indem dann die Drüſen-Abſonderung oder das Sekret, welches nach Leydig vorzugsweiſe aus abgeſtoßenen Epidermzellen beſteht, als kegelförmiger gelblicher Körper aus den Poren, deren jede auf einer Schuppe oder Platte erſcheint, hervorragt. Bereits der Schweizer Natur— forſcher Dr. Otth in Bern, der Autor des Triton „lobatus* (— vulgaris), bemerkt in ſeinen an dieſen Schenkeldrüſen gemachten und im 5. Band von Tiedemann's Zeit— ſchrift für Phyſiologie veröffentlichten Beobachtungen und Unterſuchungen, daß das unter dem durchbohrten Schildchen liegende „kleine feſte Körperchen“ beim Männchen kegelförmig zugeſpitzt aus der Oeffnung des Schildchens herausrage, kurz vor der Begattung anwachſe und ſich nach derſelben allmählich wieder zurückziehe, während es beim Weibchen von außen nicht ſichtbar ſei; er gelangt deshalb zu der Anſicht, daß dieſe Zweite Ordnung. Echſen. 63 Warzen, welche von vielen Phyſiologen (Cuvier u. A.) irrthümlich für Flüſſigkeiten abſondernde Drüſen gehalten wurden, dem Männchen während der Begattung zum feſteren Anklammern an die glatte Haut des Weibchens dienen. Wir hätten ſomit dieſe Gebilde ihrem Zwecke nach den ſogenannten Begattungs-Warzen oder Daumen— ſchwielen, welche ſich zur Paarungszeit an den Vordergliedern, inſonderheit an der Innenſeite des Daumens unſerer männlichen Erdkröten, Unken und Fröſche entwickeln, an die Seite zu ſtellen. Und dieſer Annahme würden zwei weitere Umſtände zu Hilfe kommen: einmal, daß bei gewiſſen Echſen aus den Unterordnungen der Dick- und Kurzzüngler, nämlich den Geckonen und amerikaniſchen Cercoſauriern, die Schenkelporen nur dem männlichen Geſchlechte eigen ſind; und das andere Mal, daß, wie bei den Waſſermolchen oder Tritonen gewiſſe, mit dem Geſchlechtsleben in Beziehung ſtehende Drüſen und Papillen in der Seitenwand der Kloake ſich finden, ſo bei fußloſen Wurm— ſchleichen (Amphisbaena) vor dem After eine Reihe Drüſen anzutreffen iſt, ferner manche Geckonen-Gattungen bezw. -Arten im männlichen Geſchlechte theils außer jenen Schenkeldrüſen, theils ohne dieſelben auch After-Drüſen oder ſtatt derſelben nach Pagenſtecher „doch wohl ein Paar Drüſen in der hinteren Kloakallippe“ beſitzen und bei den Skinkoiden Drüſen der Begattungs-Organe nach Leydig den Schenkeldrüſen entſprechen. Jedenfalls werden Schenkel- und Afterdrüſen der Echſen mit der ge— ſchlechtlichen Thätigkeit in Beziehung treten, möge dies nun in mehr aktiver Form (d. h. indem die warzenartigen, mit Poren verſehenen Erhabenheiten und ihr kegel— förmig hervorragender Inhalt bei der Begattung dienen oder die Geſchlechter zu— ſammenzuführen helfen) oder in mehr paſſiver Form geſchehen. Der letzteren Anſicht war im Gegenſatz zu Otth deſſen Landsmann J. J. Tſchudi, der ſich in ſeinen „Schweizeriſchen Echſen“ bereits i. J. 1837 darüber äußert, es ſeien die während der Begattungszeit bei den männlichen Individuen ſtärker als bei den weiblichen entwickelten Schenkelwarzen „weniger poſitiv nützende Organe als vielmehr Zeichen der Brunſt, wie wir dies bei vielen Vögeln in der ſtarken Anſchwellung des Kammes oder dem Vorhandenſein zierlicher Schwanzfedern und bei den männlichen Tritonen in der Gegenwart des Rückenkammes während dieſer Zeit finden“. Im Uebrigen muß noch erwähnt werden, daß die Zahl der Schenkeldrüſen und ſomit der Schenkelporen bei Thieren einer und derſelben Art durchaus keine ſtändige, ja zuweilen ſogar bei ein und demſelben Thier auf den beiden Schenkeln eine verſchiedene iſt und z. B. bei der Smaragd-Eidechſe auf dem einen Schenkel 17, auf dem anderen 18 beträgt. Mit Recht macht daher ſchon Tſchudi darauf aufmerkſam, daß man der Zahl der Schenkelporen, wenn es ſich um die Beſtimmung und Kennzeichnung einer Eidechſen-Art handle, keinen Werth beilegen dürfe, wie es andere Autoren gethan. Noch weniger kommt eine etwaige Zählung der Afterdrüſen und ihrer Oeffnungen, der Anal- oder Afterporen (pori anales) in Betracht. — Im Ferneren ſei noch vermerkt, daß die Haftſcheiben der Geckonen, welche nach älterer Meinung einen klebrigen, giftigen Saft ausſcheiden ſollten, wie überhaupt die Haut dieſer Thiere nach Cartier und Leydig der Drüſen gänzlich entbehren; und ſollten dieſe eigenthümlichen Geſchöpfe „leuchten“, ſo würde das nach Leydig von den Sinnes-Organen, „vielleicht noch eher von ſich anheftenden, aus den Verſtecken der Thiere mitgebrachten fremden Körpern herrühren“. Schließlich haben die Unterſuchungen deſſelben Forſchers ergeben, daß die einheimiſchen Echſen Oberlippendrüſen nicht, wohl aber Unterlippendrüſen, Unter— zungendrüſen, weiter die ſogenannte Harder'ſche Drüſe und dazu eine eigentliche, kleine Thränen-Drüſe im hinteren Augenwinkel, welch’ letztere bei der Blindſchleiche größer als bei der Eidechſe iſt, beſitzen. Kopfdrüſen Hautanhänge. Wohnort. Lebensweiſe. 64 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Die Haut, das Schuppenkleid unſerer fünf deutſchen Echſen-Arten entbehrt, wenn wir von den friſcheren Farben des Hochzeitgewandes abſehen, jeder beſonderen Auszeichnung: es liegt dem Kopf, dem Rumpf und den Gliedern ſchlicht an und hat keine häutigen, als Zier anzuſehende oder zur Unterſtützung der Bewegungen oder als Schutz- und Schreckmittel ꝛc. dienende Anhänge, wie wir fie bei außer— europäiſchen Arten in Geſtalt von Halskragen, Rücken- und Scheitelkämmen, Flughäuten oder Fallſchirmen, Schwanzverbreiterungen, Kehlſäcken u. a. vorfinden, aufzuweiſen. Dagegen treten uns einige Formen derſelben, wenngleich nicht in ſolcher Ausdehnung und Vollkommenheit, bei ſüdeuropäiſchen Gattungen und Arten (Chamäleon, Krötenkopf, Agame, Hardun, Plattfinger) bereits entgegen; ebenſo gehören hierher die Blättchenbildungen an der Zehenſohle verſchiedener Echſen-Gruppen und Gattungen, wie ſie am vollendetſten in den (vielleicht als der Quere nach ſehr verbreiterten Schuppen zu betrachtenden) Scheiben und Blättern der Geckonen und in ihren Anfängen in den ſcharf gekielten, gezähnelten Schuppen der Zehenſohle der priſtidaktylen, d. h. ſäge— fingerigen Eidechſen erſcheinen. Was die inneren, die Verdauung und Athmung, den Blutkreislauf und die Fort— pflanzung bewerkſtelligenden Körpertheile anbetrifft, ſo wolle man das auf den erſten Seiten des Buches Geſagte beachten. Und da anderſeits zu einer Schilderung der einzelnen Züge und Erſcheinungen der Lebensthätigkeit unſerer Echſen die Beſchreibung der Gattungen und Arten uns führen wird, ſo dürfen wir uns hier auf einige allgemeine Bemerkungen beſchränken. Obwohl die weitaus bedeutendere Mehrzahl der Echſen, unter ihnen die größten und vorzugsweiſe bunt gefärbten Arten, die wärmeren und heißen Klimate bewohnen, ſo gehen doch einzelne Vertreter dieſer Reptilien-Ordnung erheblich nördlicher als die Schildkröten; von den europäiſchen Arten verbreiten ſich Blindſchleiche, Zaun- und Wald-Eidechſe bis nach Skandinavien und dem nördlichen Rußland (bis 65 und 70 Grad en. Br.). Ebenſo ſteigen einzelne auch hoch im Gebirge auf, nämlich die Blindſchleiche bis zu 1300, ja 2000 m, die Wald-Eidechſe ſogar bis 3000 m überm Meeresſpiegel. Die meiſten aber lieben offene, trockene, ſonnige Gebiete, mögen dieſelben auch waſſerarm ſein: der Thau befriedigt nöthigenfalls ihr Bedürfniß nach Waſſer. Daher giebt es wenigſtens unter den Europäern keine eigentlichen Waſſer— bewohner, wiewohl die Wald-Eidechſe feuchte Strecken und Niederungen, Torfwieſen und Hochmoore bevölkert; ebenſowenig haben wir unter den deutſchen Arten ein echtes Baumthier, nur die ſüdeuropäiſche Fauna beſitzt im Chamäleon ein ſolches. Doch klettern die meiſten ganz gut und auch gern, manche in Sträuchern und auf Bäumen, andere an Felſen und Mauerwerk, und nöthigenfalls verſtehen ſie ſich auch im Waſſer ganz wohl fortzuhelfen; können ſie ſich freilich hinſichtlich der Fertigkeit im Schwimmen oder gar im Tauchen nicht mit den Waſſerſchildkröten meſſen, ſo haben ſie dieſen und überhaupt den Schildkröten gegenüber doch die Behendigkeit und Geſchicklichkeit im Laufen (bezw. Wühlen) und das Kletter-Vermögen voraus. Uebrigens bleiben ſie in der Regel dem gewählten Standort, der ihnen ſo vertraute Schlupfwinkel bietet und oft auch betreffs der Färbung mit ihnen harmonirt, in Anhänglichkeit ſtetig zugethan. Faſt alle europäiſchen Arten ſind Kinder des Tages, der Sonne; wirklich licht— ſcheue, nächtliche Geſchöpfe kann man füglich nur die Geckonen nennen, denn unſere Blindſchleiche verläßt je nach der Witterung ebenſo am Morgen, wie am Tage und Abend ihre Verſtecke. Trotzdem fie, da fie ſich von lebender Beute“): Inſekten, Würmern, *) Manche Eidechſen genießen auch mit Vorliebe ſüße Früchte und Honig und lecken in Gefangen- ſchaft gern rohes, geſchlagenes Eigelb. Zweite Ordnung. Echſen. 65 Spinnen, Schnecken, kleineren Verwandten, die ſtärkeren Arten auch wohl von kleinen Säugethieren (Mäuſen) und Vögeln nähren, zu den Raubthieren zählen, ſo vermögen doch wenigſtens die hier in Betracht kommenden Arten zufolge ihrer geringen Größe und zufolge des Umſtandes, daß keine von ihnen giftig iſt, keinen ſonderlichen Schaden anzurichten, kein Unheil herbeizuführen. Im Gegentheil, die meiſten ſind als harmloſe, ja nützliche, leider vielfach verfolgte Lebeweſen zu betrachten, die den ihnen drohenden Gefahren hauptſächlich mit Hilfe ihrer ſchnellen Bewegungen und ihres meiſt ſcharf entwickelten Gehörs, z. Th. auch durch die dem Aufenthalt ähnelnde Körper— färbung, entgehen können; aktive Vertheidigungsmittel ſtehen nur den größeren Arten, und zwar in dem kräftigen Gebiß, zu Gebote (und der freilebende Scheltopuſik ſpritzt nach Ringelnatter-Art beim Ergreifen ſeinen ſtinkenden Unrath aus). Manche ſuchen wohl auch durch ein mehr oder minder deutliches Ziſchen, das infolge plötzlicher Ent— leerung der Luft aus den heftig zuſammengezogenen Lungen hervorgerufen wird, ihren Gegner abzuſchrecken. Die vaterländiſchen Eidechſen und Schleichen laſſen jedoch, vielleicht mit Ausnahme großer Smaragd-Eidechſen, ein ſolches nicht vernehmen, ebenſowenig iſt ihnen eine wirkliche Stimme eigen; ſie ſind ſtumm, während einige Südeuropäer Stimmlaute hören laſſen: die Kiel-Eidechſe (Tropidosaura) und der Sandläufer (Psammo- dromus) Spaniens quieken nach Bedriaga's Beobachtung beim Fangen ähnlich den Mäuſen ), eine friſch erbeutete, von Eimer in die Hand genommene FaraglioneEidechſe ſtieß wiederholt und raſch hinter einander einen ſehr ſcharfen, wie „bſchi“ tönenden, etwa an heißeres Pfeifen einer Maus oder eines kleinen Vogels erinnernden Laut aus, und das „Jäk“ oder „Tſchek Tſchek“ oder „Gecko“ der Geckonen iſt längſt bekannt. Mit ſolchen Lautäußerungen darf ein Nieſen, welches beim Scheltopuſik, bei der Smaragd-Eidechje und ſüdeuropäiſchen Verwandten wahrgenommen worden und vielleicht auf einen „ehrlichen Schnupfen“ zurückzuführen iſt, nicht verwechſelt werden. Uebrigens fehlen auch den meiſten Sauriern im Kehlkopfe, als welcher ſich ein kleiner niedriger, bei den Geckonen mit ſehr anſehnlicher, beim Chamäleon mit mittelgroßer, bei Lacerta mit ſehr kleiner Mündung verſehener Vorſprung dicht hinter der Zunge darſtellt, beſondere, zur Stimmbildung geeignete Einrichtungen; letztere ſind jedoch vorhanden bei den Geckonen und Chamäleonen, bei erſteren in der Geſtalt von ziemlich breiten, mit dem Arytänoid-Knorpel in Verbindung ſtehenden, von der vorderen zur hinteren Wand des Kehlkopfes ſich erſtreckenden Hautfalten und bei den Chamäleonen in Form ähnlicher Stimmbänder und eines weiten, häutigen Kehlſackes, den ſie in der Wuth aufblaſen, um dann auch fauchend zu ziſchen. — Während die Echſen im Stande ſind, längere Zeit zu faſten und ſelbſt tiefe Verletzungen zu überſtehen, ſo zeigen ſie ſich um ſo empfindlicher gegen niedere Wärmegrade, wie ſie denn überhaupt nicht ſo zäh— lebig erſcheinen als die Schildkröten und keineswegs das hohe Alter derſelben erreichen. Jene Empfindlichkeit zwingt ſie auch, mit Eintritt unfreundlicher Witterung in Erd löcher, hohle Baumſtumpfe, unter Moos und Gewurzel zum Winterſchlafe ſich zurückzuziehen. Ueber die nach dem Erwachen im Frühjahr erfolgende und dann mehr mals im Laufe des Sommers wiederholte Häutung wolle man Seite 46 nachleſen und betreffs der Fortpflanzung, deren Aeußerungen wir bei Behandlung der einzelnen Familien und Arten beſprechen werden, vorerſt die auf Seite 4 gegebenen Bemerkungen berückſichtigen. ) Dieſe Beobachtung ruft die Erinnerung an eine andere, vor mehr als ſechs Jahrzehnten gemachte wach: bereits Dugés berichtet, die an den Küſten des Mittelmeeres lebende Lacerta Edwardsiana (= Psammodromus hispanicus) gebe unter Umſtänden einen Laut von ſich, der an das Knarren oder Zirpen der Bockkäfer gemahne. — 0 Vorweltliche Echſen. 66 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Die Vorläufer der heutigen Eidechſen treten in der Kreide- und der jüngeren Jurazeit auf. Zwar bevölkerten ſchon vordem verſchiedene, zum Theil ebenſo gewaltige wie abenteuerlich geſtaltete echſen-ähnliche Weſen die Erde und auch das Gebiet des jetzigen Deutſchland und Mittel-Europa, doch wichen dieſelben in Körper- und Glieder— bau, in Schädel- und Zahnbildung u. a. jo erheblich von den gegenwärtigen Formen ab, daß ſie als eigentliche Verwandte der letzteren nicht gelten können. Zunächſt ſind die in dem paläozoiſchen und meſozoiſchen Zeitalter des Erdballes lebenden Gruppen der Labyrinthodonten oder Wickelzähner, die Archegoſaurier, Maſtodon- oder Froſchſaurier und Mikroſaurier, deren Reſte ſich bereits in der Stein— kohlen-Formation, in dem Zechſtein-Syſtem und im Buntſandſtein, Muſchelkalk und Keuper finden, trotz entfernter Aehnlichkeit mit den Echſen und ihrer an dieſelben erinnernden Bezeichnungen nicht den Sauriern und Reptilien überhaupt zuzuzählen, ſondern (und zwar als ausgeſtorbene Typen) den Amphibien anzureihen. Weitere Gruppen gemahnen allerdings in einzelnen Punkten an die heutigen Echſen, in anderen jedoch an die Vögel, ſodaß man dieſe Thiere, die in der Jetztwelt keine mit ihnen zu vergleichende Nachfolger aufzuweiſen haben, bei Berückſichtigung des Skeletts als Zwiſchenformen zwiſchen Saurier und Vogel zu betrachten hat: ſo einerſeits die durch langgeſtreckte Sitz- und Schambeinknochen bezw. lange Hinterglieder ausgezeichneten „Vogelſchenkel“ oder Ornithosceliden, zu welchen der vielleicht 12 bis 15 m lange Megalosaurus Bucklandi, Mantell aus dem Jura Deutſchlands und Englands und der zierliche, nur 35 em lange vogelköpfige Compsognathus longipes, Wagler aus dem lithographiſchen Schiefer von Kelheim in Bayern gehören — und anderſeits die mit einer ausgedehnten, von einem ſäbelförmig verlängerten fünften Finger geſtützten Flughaut und mit pneumatiſchen Knochen ausgerüſteten Flug-Echſen oder Pterosaurier der Jurazeit, welche in der Größe zwiſchen einer Lerche und eines Adlers ſchwankten und in mehreren Gattungen (Pterodactylus, Rhamphorhynchus) und zahlreichen Arten namentlich in den lithographiſchen Kalkſteinen oder Schiefern des Altmühlthales in Bayern, alſo bei Solnhofen und Pappenheim, bei Eichſtedt und Kelheim zu Tage gefördert wurden”). Und während ferner die gewaltigen, in den Meeren der Sekundärzeit hauſenden nackt- oder lederhäutigen und mit Ruder— oder Walfloſſen ausgeſtatten Meerechſen oder Enailosauria — mit den Gattungen Nothosaurus GBaſtardſaurier), Plesiosaurus (Schlangendrachen) und Ichthyosaurus (Fiſchdrachen), deren Vertreter man im Muſchelkalk, z. B. bei Bayreuth, bezw. im unteren Jura Deutſchlands und Englands (bei Boll in Württemberg u. a. O.) auf— gedeckt — ganz und gar ausgeſtorben ſind, ſtellen die gleichfalls waſſerbewohnenden, indeß bepanzerten Teleoſaurier und Steneoſaurier, deren Reſte in den juraſſiſchen Gebilden lagern, die Vorläufer der gegenwärtigen Krokodile dar. Auch die Urechſe Proterosaurus Speneri, v. M., welche, im Kupferſchiefer gefunden, als das einzige dem paläozoiſchen Zeitalter angehörende Reptil und ſomit als der älteſte Saurier erſcheint, glich in der Bezahnung den Krokodilen, nicht aber den Eidechſen. Zwar haben auch noch mehrere Rieſen-Echſen der Kreidezeit einige Züge mit den ) Die in einer Mergelbank des ſogenannten Stubenſandſteins (mittlerer Keuper) bei Stuttgart gefundene Adler- oder Vogel-Echſe, Adtosaurus ferratus, Fraas, zählt zwar nicht zu dieſen Flug— Echſen, ſie erinnert jedoch durch die Geſtaltung der Zähne an dieſelben, während der Kopfbau vogelartig iſt, die Halswirbel und Vorderbeine Uebereinſtimmung mit den Waranen zeigen und der ganze Körper vom Scheitelbein bis zum letzten Schwanzwirbel in ein Gewand von Panzerplatten gekleidet iſt, ſodaß ſie ſich in dieſer Beziehung den heutigen Glanzſchleichen, dem Scheltopuſik u. a. anſchließt (vergl. S. 43). Zweite Ordnung: Echſen. 67 Krokodilen gemein, doch ſtehen ſie, ſo vornehmlich die im Petersberg bei Maſtricht gehobene, etwa 8 m lange Maas-Eidechſe (Mosasaurus Hofmanni, Cuvier), den heutigen Waranen und Leguanen weit näher als jenen. Die Eidechſen wie insgeſammt die Reptilien der Tertiärzeit endlich ſchließen ſich ſchon alle mehr oder minder denen der Jetztwelt an. Den letzteren aber — denn eine Aufzählung und Beſprechung der in den einzelnen Geſteinsſchichten an verſchiedenen Oertlichkeiten Deutſchlands: im Solnhofener Bezirk, im Mannheimer Gebiet u. a. O., gemachten Funde foſſiler Echſen würde über den Rahmen dieſer Schrift hinausgreifen — müſſen wir uns nun zuwenden. Die Verſteinerungskunde hat alſo feſtſtellen können, daß während der auf einander folgenden Zeitalter des Erdballes in dem Gebiet des heutigen Deutſchland verſchiedene Gruppen und Geſchlechter und Arten von Sauriern, theils Waſſer-, theils Land— bewohner, einander ablöſten. Jedenfalls war in den einzelnen Perioden die Zahl der Arten eine reichere als in der Jetztwelt. Die gegenwärtige deutſche Echſen-Faung umfaßt nur 5 Spezies, welche ſich auf zwei Gattungen vertheilen, deren jede einer beſonderen Familie und Unter-Ordnung einzureihen iſt. Zur 1. Unter-Ordnung, den Spaltzünglern oder Fissilingues (ſ. S. 40), gehört die Familie der echten Eidechſen (Lacertidae) mit der Gattung Halsband-Eidechſe oder Lacerta und vier Arten derſelben; die zweite Unter-Ordnung, die Kurzzüngler oder Brevilinguia, wird nur durch je eine Familie (Wühlſchleichen oder Skinke, Scincoidae), Gattung (Schlangen- ſchleiche, Anguis) und Art (Blindſchleiche, Anguis fragilis) vertreten. Eine Ueberſicht bietet nebenſtehende Tabelle *). J. Unter-Ordnung: Spaltzüngler. Fissilinguia (Schistoglossi). Das weſentliche Merkmal der Unter-Ordnung liegt in der Zunge (S. 40). Sie iſt bei den Spaltzünglern lang, weit vorſtreckbar, leicht beweglich, dünn, vorn tief zweiſpaltig oder gegabelt, hinten bei manchen Gruppen in eine ſcheidenartige Hautfalte eingeſchloſſen bezw. in dieſelbe zurückziehbar, auf der Fläche mit ſchuppen— förmigen, dachziegeligen Wärzchen oder mit ſchiefgeſtellten Fältchen beſetzt; Trommel— fell freiliegend (S. 40); Augenlider meiſt, bei den heimiſchen Arten ſtets voll— kommen, d. h. beweglich, längsgeſpalten (S. 40); Bezahnung bei allen europäiſchen Arten pleurodont (S. 41); vier gut ausgebildete Beine. Die Unter-Ordnung hat indeß für die Gruppirung der Gattungen und Arten nicht die Bedeutung wie die Familie. Zu den Spaltzünglern gehören verſchiedene Familien, deren bekannteſten die echten Eidechſen (Lacertidae), die Warane (Vara— nidae — Monitoridae) und die Tejus (Ameividae) find, aber nur die erſtere iſt in Deutſchland und Europa vertreten. ) Eine Ueberſicht der geſammten europäiſchen Echſenwelt folgt am Schluß der Beſchreibung unſerer fünf deutſchen Arten. 5 * Die heutigen deutſchen Echſen. 68 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Hinterhauptſchild vorhanden, N 8 8 alſo auf der Kopfoberſlächeſ =, e a ‚abgejeht, außer mehreren paarigen 4 un: . ER paarige Schilder; Augendiskus größeren Schuppen gebildeten höchſtens am Außenrande mit Halsband: Oberfläche des Kopfes kleinen körnerartigen Schuppen 5 mit größeren Schildern regel⸗ geſäumt; im Ganzen 4 | 3 x + mäßig bekleidet; Körper geftvedt, Brauenſchilder; unteres — Zunge lang, weit vorſtreckbar] walzig, oberſeits beſchuppt, aber Augenlid viel größer als das a und leicht beweglich, dünn, vorn ohne Knochenplatten in der obere; Halsband ſehr ausge⸗ S DD ee e hei; eee ne e Sisi Ikörnig, bald mehr oder weniger 5 meift vollkommen; 4 Füße; Schwanz lang, meiſt länger als flach, weder aufliegend gekielt 1. Unter⸗Ordnung, 5 Des eig Körper, an 7555 noch deutlich geſchindelt; Bauch— — Spaltzüngler, Fissilinguia. u e — 5 i . ſchilder groß, quer erweitert, die 25 ſchuppt; Gliedmaßen gut en' der 2 mittleren Längsreihen meiſtſ = wickelt, 5zehig, an der Unter⸗ſtleiner als die der übrigen z. ſeite des Oberſchenkels mit einer Unterſeite der Zehen mit glatten Porenreihe: Schuppen, Zehenränder nicht ge— 1. Fam., Echte Eidechſen, zähnelt: Lacertidae. | 1. Gattung, Halsband⸗ Eidechſe, Lacerta. Echſen, Sauria. Kopf hinten ohne Einſchnürung [i den walzigen Rumpf über— gehend, oberſeits mit großen, flachen Schildern bekleidet; Hals— band fehlt; Körper und Schwanz ober- und unterſeits mit gleich— artigen, großen, glatten, feſtan— liegenden, vollkommen geſchin— delten, eh breit als langen, Jede, Ohröffnung in der am Hinterrande bogigen Schup— Regel äußerlich nicht ſichtbar; pen bedeckt, mit Knochenplatten A 5 ) 1 (Kalktafeln) in der Haut; “ Schwanz ſelten über Körper— länge; Gliedmaßen bei der hei— Körper walzig geſtreckt und ſohne äußere Gliedmaßen, daha ſchlangenartig; Schwanz etwa von Körperlänge, cylindriſch; Hinterhauptſchild vorhanden; Stirnſchild u. Zwifchen-Scheitel- ſchild länger als breit; Naſen— loch in der Mitte des 1 0 Zunge kurz, wenig vorſtreck— bar, hinten dick und ohne Scheide, vorn verdünnt und wenig ausgeſchnitten; Trommel— fell oft unter der Haut ver— borgen; Augenlider meiſt vor— handen; Füße ſchwach entwickelt oder ganz fehlend: 2. U. O., Kurzzüngler, Brevilinguia. rdnung: O tief zweiſpaltig (gabelig); Haut; Bauch mit mehreren prägt; Körperſchuppen klein, bald ugen klein, mit deutlichen, längsſpaltigen, beſchuppten Lidern; Schuppen glatt und glänzend: 1 Art: Blindſchleiche. miſchen Gattung fehlend: | x 8. 2. Gattung, Schlangen⸗ 2. N „ Fam., Wühlſchleichen, (Schleiche, Anguis. Seincoidae. J. Familie: Echte Eidechſen, Lacertidae. Körper geſtreckt, walzig, an Kücken und Seiten beſchuppt, am Bauch mit mehreren Cängsreihen Querſchildern (S. 54 und 62) bekleidet, in der Haut aber keine Unochenplatten (S. 42); Kopf vom Hals abgeſetzt, Kehle ſehr oft mit einem aus größeren Schuppen gebildeten Halsband; Oberfläche des Vopfes mit größeren Schildern regelmäßig bekleidet; Schwanz lang, meiſt länger als der übrige Körper, dünn auslaufend, rundum wirtelig beſchuppt (S. 57); die 4 Gliedmaßen gut entwickelt, 5 zehig; an der Unterſeite der Oberſchenkel eine Poren reihe (S. 62); Kiefer immer (pleurodont und cölodont; S. 41), Gaumen nur zuweilen bezahnt; eigentliches Naſenſchild fehlt (S. 50). Zweite Ordnung: Echſen. 69 Der vorſtehenden Aufzählung der Familien-Kennzeichen haben wir noch einige erläuternde Bemerkungen anzufügen. Der Kopf, durch eine dünnere Halspartie und durch querlaufende Kehlfurche vom Rumpf abgeſetzt, erſcheint mittelgroß, nach vorn verſchmälert und mehr oder minder zugeſpitzt, auf der Oberfläche platt, an den Seiten ſteil abfallend und mit meiſt gut ausgeſprochener Schnauzenkante (Canthus rostralis), alſo im Allgemeinen von ungefähr viereckig-pyramidenförmiger Geſtalt; ſeine größte Breite hat er etwa über den Mundwinkeln. Das Trommelfell liegt in einer länglich— runden Vertiefung offen zu Tage; die Augen ſind ſtets wohl ausgebildet und frei und (abgeſehen von der zuſammenhängenden, ringförmigen, feinbeſchuppten, die Lider vertretenden Falte bei dem ſüdoſteuropäiſchen Schlangen-Augler, Ophiops) bei allen europäiſchen Lacertiden mit längsgeſpaltenen Lidern ausgerüſtet, deren unteres be— deutend größer als das obere iſt und zuweilen in der Mitte gegenüber der Pupille eine verdünnte, durchſcheinende Stelle aufweiſt; die kleinen Naſenlöcher ſind weit nach vorn, ſeitlich der Schnauzenſpitze gerückt, und gewöhnlich, da ein eigentliches Naſen ſchild (Fig. 7e) den Eidechſen fehlt, in dem ſogenannten Naſen-Rüſſelſchild (scutum nasorostrale) gelegen. Die Mundſpalte reicht hinten faſt bis an das untere Ende der Ohröffnung, der Rachen iſt nicht erweiterungsfähig; die Beſchaffenheit der Zunge wurde auf Seite 67 ſchon erwähnt. Bei keiner Eidechſen-Art vermißt man die Kiefer-, bei vielen jedoch die Gaumen-Zähne, die nach hinten gekrümmten, wurzelloſen Zähne des Ober- und Unterkiefers ſind mit ihrem unteren Ende der Innenſeite der Kinnlade angefügt bezw. angewachſen und unten hohl, die Eidechſen mithin pleurodont und cölodont (ſeiten- und hohlzähnig)ß. — Der Rumpf iſt geſtreckt gebaut, faſt in ſeinem ganzen Verlauf gleichdick, im Umfang rundlich, ſeltener von oben etwas nieder gedrückt. Die vier gut entwickelten, rundlichen oder ſeitlich zuſammengedrückten Beine tragen fünf, mit gekrümmten ſcharfen Krallen verſehene Zehen, welche ſehr ungleiche Länge haben. Die auf Seite 62 beſprochenen Schenkelporen kommen allen Lacertiden zu. Dem Rumpf fügt ſich ein, den letzteren hinſichtlich der Länge in der Regel wenigſtens etwas, zuweilen zwei- oder mehrmal übertreffender Schwanz an, welcher ſich von der Wurzel ab nach der Spitze hin allmählich verjüngt und dünn ausläuft; auch er iſt im Umfang rundlich, höchſtens im Wurzeltheil rundlich -vierſeitig bezw. oberſeits ein wenig abgeflacht oder plattgedrückt. Alles in Allem wird man die Ei dechſen als die Grundformen, die Typen der Ordnung der Echſen betrachten dürfen und müſſen. Das Schuppenkleid der Echſen im Allgemeinen wie in ſeinen Theilen und Eigenheiten wurde bereits eingehend behandelt und dabei auch vermerkt, daß die Schuppen der echten Eidechſen, im Gegenſatz zu denen der Blindſchleiche und anderer Skinke, keine Knochentäfelchen als Unterlage aufweiſen, daß alſo die Körperhaut der Lacertiden frei von Verkalkungen der Lederhaut bezw. von Hautknochen, Knochen ſchuppen oder Knochenplatten iſt. Es erübrigt daher nur noch etwaige Sonderlich keiten in der Beſchilderung der Lacertiden hier hervorzuheben. Der Pileus, die Kopf platte (Seite 58) ſetzt ſich gewöhnlich aus 16 größeren Schildern zuſammen, nämlich aus dem Zwiſchen-Naſenſchild, dem Stirn-, dem Zwiſchenſcheitel- und dem Hinter haupt⸗Schild, welche vier einzeln hinter einander in der Mittellinie der Kopfober fläche lagern, ferner aus je zwei Naſen-Rüſſelſchildern, Vorderſtirn-, Stirnſcheitel- und Scheitel⸗Schildern, wozu noch zwei jederſeits über dem Auge gelegene, den Augendiskus bildende große Brauenſchilder kommen, welchen ſich bei manchen Gattungen noch je ein erſtes und viertes kleines Brauenſchild (Fig. 6 Ag) anſchließt, während bei allen ſeitlich am Außenrande der Brauenſchilder, unmittelbar über dem Auge, eine Reihe Körperbau. Bekleidung. 70 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. kleiner ſchuppenartiger Wimperſchildchen hinzieht. Das erwähnte „Zwiſchen-Naſen— ſchild“ (scutum nasorostrale) der Lacertiden entſteht durch Verſchmelzung des eigent— lichen Naſenſchildes mit dem anſtoßenden oberen Naſenſchild und begrenzt das Naſen— loch vorn und oben. Ueberhaupt zeigt die Beſchilderung der Kopfſeiten (Seite 59) je nach den Gattungen und Arten der Eidechſen mancherlei Verſchiedenheiten; in der Regel aber folgen unmittelbar hinter dem Naſenloch ein oder zwei kleine vordere oder Naſen-Zügelſchilder (nasofrenalia), dann das eigentliche Zügelſchild und ein ſtets großes Augen-Zügelſchild, dem ſich noch ein oder zwei, an den vorderen Rand der Augenhöhle ſtoßende vordere Augenſchildchen anfügen. Unten iſt das Auge vielfach umſäumt von einer Reihe kleiner Schildchen, den unteren Augenhöhlenſchildchen; manchmal indeß fehlen dieſe, und es tritt entweder ein Oberlippenſchild oder aber ein beſonderes großes Unter-Augenſchild (Fig. 7 Ah) an das Auge heran. Die am Rüſſelſchild bezw. am Kinnſchild vorn beginnenden Reihen der Ober- bezw. Unter- lippenſchilder ſind gut ausgebildet, jede Reihe der unteren wird am Innenrande von 4 bis 6 großen Rinnenſchildern begleitet. Die Bekleidung der Schläfen zwiſchen Auge und Ohr beſteht bald aus Schuppen, bald aus Schildern (Seite 60). Kehlfurche und Halsband ſind je nach den Gattungen und Arten mehr oder minder deutlich aus— geſprochen (Seite 61), die Unterſeite des Rumpfes und vier Beine ſtets mit Schildern, welche meiſt breiter als lang ſind, bedeckt. Aber während in der Regel die Schilder an den Gliedmaßen mehr ſechseckige Form haben, ſind die des Bauches ziemlich breit-viereckig (ausnahmsweiſe nur klein und faſt ſchuppenartig) und gewöhnlich in Längsreihen (ſechs bis vierzehn oder ſechszehn) und darauf ſenkrecht ſtehenden Querreihen geordnet, manchmal jedoch, ſo bei Eremias, in ſchiefe Längsreihen geſtellt. Nicht ſelten läßt ſich das auf Seite 62 gezeigte Bruſtſchilder-Dreieck beobachten, und der After iſt in der Regel von einem oder mehreren größeren Schildern bedeckt. — Die Schuppen, welche Rücken und Flanken ſowie die Oberſeite der Beine bekleiden, ſind bei den einzelnen Gattungen und Arten gleichartig (homolepidod), und zwar ge— wöhnlich klein und zahlreich und dann in der Regel vom Rücken gegen den Bauch hin etwas größer werdend, mitunter indeß (ſo bei Notopholis nigropunctata) am Rücken groß und an den Flanken klein; aber, wie erwähnt, je nach den Gattungen und Arten der Eidechſen begegnen uns Verſchiedenheiten in der Größe, Geſtalt, An— heftung und Oberflächen-Beſchaffenheit der Schuppen (j. Seite 56), bald ſind ſie körnig bald flach, bald rundlich bald mehr oder weniger ſechseckig, ihrer Oberfläche nach bald vollkommen glatt, bald und häufiger jedoch dachig oder aufliegend gekielt und ihrer Anheftung nach bald mit ihrer ganzen Unterſeite angewachſen und einfach neben einander liegend, bald nur vorn angeheftet und mit ihren freien Rändern auf einander übergreifend, d. h. ſich dachziegelig oder ſchindelartig deckend. Die Schuppen der unteren Zehenfläche find bei einigen Gattungen: Lacerta, Notopholis, Tropido- saura, nicht gekielt, bei anderen gekielt, die Zehenränder bei den genannten u. a. glatt (ungezähnt), bei der Gattung Acanthodactylus, Sägefinger, hingegen fein ge— zähnelt oder gejägt*). Der Schwanz zeigt hinſichtlich ſeiner Beſchuppung weit größere Uebereinſtimmung: bei allen Gattungen erſcheinen die Schuppen in rundum laufenden Wirteln angeordnet, dabei ſtets mehr oder weniger verlängert und nach hinten ge— wöhnlich ſpitz bezw. winkelig ausgezogen und auf der Oberfläche faſt niemals glatt, ) Die franzöſiſchen Herpetologen Dumeril-Bibron ſchieden auf dieſes Merkmal hin die Familie der echten Eidechſen (Autosauri coelodontes, Dum. Bibr. — Lacertidae) in zwei Unterfamilien oder Tribus: Die Leiodactyles und die Pristidactyles, d. h. die Eidechſen mit glatten und die mit ge— kielten bezw. geſägten Fingern und Zehen. Zweite Ordnung: Echſen. Ai ſondern meiſt dachig gelielt, ſeltener aufliegend gekielt (Seite 57). — Die Erneuerung des Hautkleides fand bereits auf Seite 46 Berückſichtigung. Aus früheren Ausführungen, welche ſich über die Haut färbung verbreiteten, haben wir bereits erkannt, daß Färbung und Zeichnung im Allgemeinen nicht nur nach den Gattungen und Arten, ſondern ſelbſt bei einer und derſelben Art ſehr vielen Verſchiedenheiten und Abänderungen unterworfen ſein kann. Anderſeits wollen wir aber nicht unterlaſſen, hier eines Punktes nochmals beſonders zu gedenken, auf welchen von E. Schreiber auch in ſeiner „Herpetologia europaea“ hingewieſen wird. Es kann nämlich nicht in Abrede geſtellt werden, daß ſich trotz jener Verſchiedenheiten doch bei Unterſuchung eines größeren Materials in dieſer Richtung für die ganze Familie der Eidechſen eine gewiſſe Uebereinſtimmung ergiebt, indem namentlich, wie wir wiſſen (Seite 52), die Jungen ſehr häufig längsgeſtreift erſcheinen, welche Streifung ſich dann wenigſtens im männlichen Geſchlecht allmählich in mit zunehmendem Alter oft undeutlicher werdende oder ſelbſt ganz verſchwindende Fleckenreihen auflöſt, bei den Weibchen hingegen meiſt viel länger, oft ſogar noch im erwachſenen Zuſtande erhalten bleibt. Außerdem ſind bei allen Lacertiden die Beine ſehr oft mit hellen Tropfenflecken verſehen, was namentlich an den hinteren Gliedmaßen und beſonders in der Jugend faſt immer der Fall iſt. Während bei den Schildkröten und den Schlangen und Schleichen die geſchlecht— liche Sonderung äußerlich ſich nur unmerklich oder kaum, ja oft überhaupt nicht ausprägt, vermögen wir bei den Eidechſen Männchen und Weibchen leichter und vornehmlich zur Paarungszeit auf den erſten Blick zu unterſcheiden. Man denke nur an die friſchen freudigen, leuchtenden, glänzenden Farben des hochzeitlichen Männchens und an das beſcheidenere Gewand des Weibchens! Auch ſind die Schenkelwärzchen (Seite 63) des Männchens namentlich zur Brunſtzeit kräftiger als beim Weibchen. Aber auch außerhalb der Fortpflanzungszeit, wenn die Farben keinen Anhalt mehr bieten ſollten, kann ein einigermaßen geübtes Auge die oftmals etwas kleineren Männchen unſchwer an den kräftigeren Hinterbeinen ſowie an der infolge der dort liegenden Begattungs— werkzeuge (Ruthen) verdickt erſcheinenden Schwanzwurzel erkennen. Die Fortpflanzung ſcheint, ſoweit wir bis jetzt unterrichtet ſind, bei allen Eidechſen in gleicher Weiſe vor ſich zu gehen. Der Pfleger heimiſcher Lacerten wird zur Frühlings- und Vorſommerzeit wiederholt wahrnehmen können, in welcher Auf— regung die brünſtigen Männchen ſich befinden und wie ſie zwecks der Begattung das erwählte Weibchen mit den Kiefern am Rumpf erfaſſen und einige Minuten lang feſt halten, um während dieſes Zeitraumes die herausgeſtülpten Ruthen, welche durch halbkreisförmige Drehung des Körpers dem After des Weibchens genähert wurden, feſt gegen die Kloake des letzteren zu drücken. Denſelben Vorgang beobachtete bereits vor mehr als einem halben Jahrhundert Eversmann an der ſüdruſſiſchen Steppen— Eidechſe Eremias variabilis und ſtellte ihn auf Tafel XXIX ſeiner „Lacertae imperii Rossici“ dar. Auch die Arbeit V. Collin de Plancy's über die Paarung der franzö— ſiſchen Echſen (Lacerta ocellata, viridis, agilis, muralis, vivipara, Anguis fragilis, Seps chaleides), welche 1877 in „Bulletin de la soc. zool. de France“, 2. vol., erſchien, iſt von einer die Begattung der Eidechſen veranſchaulichenden Tafel begleitet“). Einige Wochen nach ſtattgehabter Begattung werden die Eier, welche einer mehr— wöchigen Nachreife außerhalb des Mutterleibes bedürfen, an geeigneten Schlupfwinkeln ) Die erwähnte Paarungsweiſe iſt nicht nur den Lacertiden, ſondern auch anderen Sauriern, z. B. unſerer Blindſchleiche eigen. Färbung. Geſchlechter. Fortpflanzung. Körperbau. 72 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. abgelegt und hier unter Einwirkung der Erd- und Sonnenwärme gezeitigt; die weibliche Waldeidechſe (und Blindſchleiche) indeß behält die Eier ſo lange in dem unteren Abſchnitt des Eileiters, bis die Jungen in ihnen ſich völlig entwickelt haben, worauf dieſe nach der Ausſtoßung das ſie umſchließende Eihäutchen alsbald zerreißen, um ihr eigentliches Freileben zu beginnen (Seite 4). 9 Einzelheiten der Fortpflanzung ſowie anderweite Außerungen der Lebens— thätigkeit der Eidechſen zu berühren, wird, nachdem auf Seite 64 und 65 einige all— gemeine Züge und Erſcheinungen aus dem Leben der Echſen beſprochen wurden, Auf— gabe einer Schilderung der Gattungen und Arten ſein. Unſer Vaterland be— herbergt aus der Familie der echten Eidechſen nur eine, zu der Gruppe der leiodak- tylen oder glattzehigen Eidechſen gehörige Gattung mit vier Arten: J. Gattung: Eidechſe. Lacerta, L. Hinterhauptſchild vorhanden, alſo auf der Vopfoberfläche außer mehreren paarigen vier unpaarige Schilder; vor und hinter dem Augendiskus noch je ein deutlich ausgeſprochenes Brauenſchild, mithin über jedem Auge vier Brauen— ſchilder und daher der Augendiskus höchſtens am Außenrande mit kleinen körner— artigen Schuppen geſäumt; das untere Augenlid viel größer als das obere; Naſen— löcher in der Regel nahe am Hinterrande des Naſen Rüſſelſchildes, über der durch das Rüſſel- und erſte Lippenſchild gebildeten Naht gelegen; Schuppen Halsband ſehr ausgeprägt; Uörperſchuppen klein, bald körnig bald mehr oder weniger flach, weder aufliegend gekielt noch deutlich geſchindelt; Bauchſchilder groß, nach der Breite entwickelt, die Schilder der zwei mittleren Cängsreihen meiſt kleiner als die der übrigen; Unterſeite der Finger und Sehen mit glatten Schuppen, Sehen: ränder nicht gezähnelt. Der zierliche, ſchlanke, nur manchmal gedrungenere Wuchs, die geſchmeidigen, behenden Bewegungen, die anſprechenden Farben haben die Eidechſen zu Lieblingen der wirklichen Naturfreunde gemacht. An den etwa pyramidenförmigen, oberſeits ab— geflachten Kopf ſchließt ſich ein ungefähr gleichlanger, nicht beſonders dünner Hals und dem geſtreckten, im Querſchnitt oder von oben ſchwach niedergedrückten, mit vier ebenmäßig entwickelten Gliedmaßen verſehenen Rumpf ein in Körperſtärke beginnender, aber nach hinten zu ſtetig an Dicke abnehmender und in eine dünne Spitze aus— laufender Schwanz an, deſſen Länge die des Rumpfes gewöhnlich um ein Bedeutendes, zuweilen um das Doppelte übertrifft, während ſie die des Rumpfes und Kopfes zu— ſammen mindeſtens erreicht, in der Regel aber auch merklich überragt. Nach der rechten und linken Seite fällt der Kopf ſteil, an der verſchmälerten oder aber ab— geſtumpften Schnauzenſpitze mehr oder minder ſcharf ab. Unter dem Vorderende der Schnauzenkante liegen die rundlichen Naſenlöcher, hinter den Mundwinkeln gewahrt man das in einer länglichrunden Vertiefung ausgeſpannte Trommelfell, im Rachen die vorſtreckbare, wenngleich nicht übermäßig lange, auf der Oberfläche mit ſchuppen— förmigen, geſchindelten Wärzchen beſetzte, vorn winkelig oder zweizinkig ausgeſchnittene Zunge und die Reihen der feinen, kegelförmigen, oben etwas hinterwärts gebogenen und zweiſpitzigen Kieferzähne, denen ſich regelmäßig nur bei Smaragd- und Zaun— Eidechſe, ausnahmsweiſe auch bei Wald- und Mauer-Eidechſe eine kleine Anzahl Zweite Ordnung: Echſen. 73 Gaumenzähne geſellt. Die lebhaft dreinſchauenden Augen beſitzen längsgeſpaltene Lider, deren unteres weit entwickelter als das obere und ausnahmsweiſe durchſichtig iſt. Legt man die fünfzehigen Beine nach vorn zu an den Körper, ſo reichen die vorderen höchſtens bis zur Schnauzenſpitze, die hinteren, d. h. immer mit der Kralle der längſten Zehe, vielleicht bis zu den Achſeln und nur ſelten über dieſelben hin— aus. An den Vordergliedmaßen iſt der Daumen am kürzeſten, dann folgen der zu— nehmenden Länge nach der fünfte, dann der zweite und ſchließlich der dritte und der faſt gleichlange vierte Finger. An den Hintergliedmaßen hingegen iſt ebenfalls die erſte (innere) Zehe die kürzeſte, dann folgen ſtufenweiſe aufwärts die zweite, dritte und vierte, während die weit von der Urſprungsſtelle der anderen ſeitlich nach hinten gerückte fünfte Zehe nicht länger als die zweite erſcheint. Sowohl Finger als Zehen find dem Umfange nach entweder cylindrifch oder etwas ſeitlich zuſammengedrückt, in den Gelenken ein wenig angeſchwollen und weder am Rande gezähnelt noch auf der Unter— fläche gekielt, die Krallen gewöhnlich zwar nur kurz, indeß ſcharf zugeſpitzt und gekrümmt. Wir haben bereits kennen gelernt, daß bei den Lacertiden im Allgemeinen die Kopfplatte, der Pileus, aus 16 Schildern zuſammengeſetzt iſt. Dies gilt alſo auch von der Gattung unſerer Eidechſen. Da bei dieſen aber außer den beiden die Augenlidſcheibe (S. 58) bildenden großen Brauenſchildern über jedem Auge noch zwei kleinere Brauenſchilder, je eins vor und hinter der Scheibe, vorhanden ſind, ſo ergiebt ſich für die Kopfplatte ein Beſtand von 20 Schildern: hinter dem die Schnauzen ſpitze bekleidenden fünfeckigen, mehr in die Breite als in die Länge entwickelten Rüſſel— oder Roſtralſchild liegen zunächſt die in der Mitte zuſammenſtoßenden, am Hinter— rande die Naſenlöcher enthaltenden Zügel- oder oberen Naſenſchilder (nasorostralia ; S. 70), dann folgen nach dem Scheitel zu ein quergelagertes Zwiſchen-Naſenſchild, ein Paar am Außenrande verbreiterte Vorder-Stirnſchilder (frontonasalia) und ein großes, ungefähr länglich-ſechseckiges, nach hinten gewöhnlich ein wenig verſchmälertes Stirn⸗ oder Frontalſchild, an welches nach dem Hinterhaupt zu ein Paar fünfſeitige, in der Innennaht aneinander ſtoßende vordere oder Stirn-Scheitelſchilder ſich anfügen, die hinten zwiſchen ſich das Vordertheil eines einzelnen, kleineren fünfeckigen oder deltoidiſchen Zwiſchen-Scheitelſchildes (interparietale) umfaſſen, während an ihre hintere Außenſeite je eins der beiden Scheitelſchilder ſich anlegt; die letzteren ſind die größten aller Kopfſchilder, am Hinterrande gewöhnlich breit abgeſtutzt, am Außenrande durch größere oder kleinere Schildchen umſäumt und längs des Innenrandes nicht (oder höchſtens ausnahmsweiſe einmal) zuſammenſtoßend, da hier eben das Zwiſchen-Scheitel— ſchild und hinter demſelben das dreieckige bezw. trapeziſche Hinterhauptſchild ſich zwiſchen ſie drängen. Zu den Schildern der Kopfplatte gehören ſchließlich noch die auf jeder Seite der Kopfoberfläche, am Außen rande des Stirnſchilds und der Stirn— Scheitelſchilder gelegenen, über dem Auge im ſanften Bogen hinziehenden vier Brauen— ſchilder, deren beiden mittelſten und größten, wie wir wiſſen, die ſog. Augenlid-Scheibe oder den Augendiskus bilden. Daß am Außenrande dieſer Brauenſchilder, alſo an der Oberſeite der Augenhöhle, eine Reihe kleiner ſchuppenartiger Schildchen, die Wimperſchildchen, hinläuft, wurde gleichfalls ſchon erwähnt, ebenſo, daß die Augen— höhle oft am Unterrande von einer Reihe kleiner Schildchen, den unteren Augen— höhlenſchildchen, umzogen wird. — Die Zügelgegend, d. h. die Partie der Kopfſeite zwiſchen Naſenloch und vorderem Augenwinkel, iſt mit drei oder vier Schildchen bekleidet: unmittelbar hinterm Naſenloch liegt ein bei Wald- und Mauer⸗-Eidechſe einfaches, bei Zaun- und Smaragd-Eidechſe doppeltes Schildchen (im letzteren Falle eins oberhalb des anderen), das Naſenzügelſchild, dann folgt das eigentliche Zügel— Bekleidung. 74 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchild und hinter demſelben das größte dieſer Schilder, das Augen-Zügelſchild (freno oculare), welches an den vorderen Augenwinkel herangeht, hier aber gern noch von ein oder zwei vorderen Augenſchildchen begleitet wird. Die zwiſchen Auge und Ohr ſich erſtreckende Schläfengegend iſt bei der Mauer-Eidechſe mit Schuppen, bei den übrigen drei Arten mit Schildern bedeckt; doch auch im erſteren Falle tritt wenigſtens ein größeres Schildchen inmitten der Schuppen auf, das ſog. Maſſeterſchild, und außerdem findet ſich vor der Ohröffnung ein länglichrundes Ohrſchild. Die Mund— ſpalte wird oberhalb und unterhalb von einer Reihe Lippenſchilder geſäumt. An jeder Kopfſeite, d. h. rechts und links von dem an der Schnauzenſpitze liegenden Rüſſelſchild (oben) bezw. Kinnſchild (unten), zählt man 7 bis 8 Ober- und etwa 6 Unterlippenſchilder. Von den erſteren iſt das unterm Auge lagernde und daher zu— gleich als unteres Augenſchild dienende, gewöhnlich das fünfte, am größten, länger als hoch, am Oberrande ſehr in die Länge gezogen, am Unterrande verſchmälert; die nach ihm folgenden ſind von verſchiedener Geſtalt und Größe, die vor ihm gelegenen, alſo die vorderen Oberlippenſchilder, hingegen etwa viereckig und höher als lang. Das Kinnſchild erſcheint in der Regel fünfſeitig, breit, die Zahl der ſchmalen, länglich fünf- oder viereckigen Unterlippenſchilder beträgt jederſeits ſelten mehr als ſechs, die der ganz bedeutend größeren Rinnenſchilder je vier bis ſechs. — Die Schuppen der Kehlgegend ſind klein, faſt körnig, manchmal von einer weniger, manchmal von einer ſehr deutlich ausgeſprochenen, querlaufenden Kehlfurche (S. 61) unterbrochen; ebenſo bedecken den eigentlichen Hals kleine rundliche Schüppchen, und dieſe ſind beſonders klein unmittelbar vor der Achſel, an einer von da zum unteren Rande der Ohröffnung ſich erſtreckenden Hautfalte. Das zwiſchen Kehle und Bruſt querziehende Halsband fällt, da es aus größeren, glatten, hinten vollkommen freien Schuppen gebildet wird, dem Beobachter ſogleich auf. Ueber die Beſchilderung des Unter— leibes, das Bruſtdreieck und die Bauchtafeln, wurde auf Seite 62 ſchon Einiges vermerkt. Hier ſei noch beſonders hervorgehoben, daß die viereckigen, „echten“ Bauch— tafeln der heimiſchen Lacerten in gerade Querreihen und gleichzeitig in ſechs parallele Längsreihen geordnet ſind, denen ſich an jeder Flankengrenze meiſt noch eine Längs— reihe kleinerer Schildchen, die ſog. Bauch- Randſchildchen, anſchließt, ſodaß man acht Längsreihen zu zählen geneigt iſt; gewöhnlich ſind die Schilder der 2. und 5. Längs— reihe am größten, die der mittelſten beiden Reihen meiſt am kleinſten. Am Vorder— rande der Afterſpalte lagert ein breites Afterſchild. — Rücken- und Flanken— ſchuppen ſind im Allgemeinen klein und zahlreich, bald rundlich und körnig, bald mehr oder weniger flach und länglich, auf der Oberfläche nie aufliegend gekielt, meiſt aber (wenngleich oft ſehr ſchwach) ſtumpf dachig gekielt und niemals deutlich geſchindelt; auch ſie zeigen eine regelmäßige Anordnung, nämlich Querreihen, welche rund um den Oberkörper, von Flanke zu Flanke laufen; bei den heimiſchen Arten ſchwankt die Zahl dieſer Querreihen etwa zwiſchen 65 und 160. Die Beſchuppung der Oberſeite der Gliedmaßen ſtimmt im Allgemeinen mit der des Rumpfes überein, dagegen iſt der Schwanz von langen, ſchmalen, hinten ſpitz oder winkelig ausgezogenen, auf der Oberfläche gewöhnlich dachig gekielten Schuppen bekleidet, welche in vielleicht 50 bis 100 rundum laufende Wirtel (Ringe) geſtellt ſind. An der Vorderſeite der Glied— maßen ſtehen breite, etwa ſechseckige Tafeln; eine Reihe ſolcher, an den Oberſchenkeln liegender Tafeln iſt durchbohrt und die Oeffnungen bilden eine Reihe Poren, die ſog. Schenkelporen, deren Eigenheiten man auf Seite 62 nachleſen wolle. Die Zehen ſind mit hinter einander liegenden viereckigen Täfelchen beſetzt und auf ihrer Sohlen— fläche ſtets glatt. Zweite Ordnung. Echſen. 75 Zwei Arten Eidechſen ſind es, welche über alle Gebiete Deutſchlands, freilich nicht in jedem derſelben gleich häufig und allgemein, ſich verbreiten. Dieſe beiden, die Zaun- und die Wald-Eidechje, ſind es auch, welche weit über Deutſchlands Grenzen hinaus nach Norden bis zum 61. bezw. 70. Breitengrad in Schweden und Finnmarken gehen, während ſie die drei großen ſüdeuropäiſchen Halbinſeln der Smaragd- und Mauer⸗Eidechſe und ſonſtigen Verwandten überlaſſen, indem ſie ſich etwa an dem 45. Breitengrad als ihre ſüdliche Grenzlinie halten. Dagegen erreichen die letztgenannten beiden Arten in unſerem Vaterlande die Nordgrenze ihrer geographiſchen Verbreitung; ſie ſind Bewohner ſüdlicher Länder, aus denen ſie nur ihre Vorpoſten von Südoſten und Südweſten her in die deutſchen Diſtrikte vorgeſchickt haben: die Smaragd-Eidechſe das Donauthal herauf bis in die Oſtmark Bayerns, ferner das Weichſel- und Oder— thal hinunter in verſchiedene Striche des oſtelbiſchen Preußens und endlich durch die Thäler des Doubs und der Moſel bezw. des Rheins in den ſüdweſtlichſten Zipfel Badens und die Gegenden des Mittel-Rheins, die Mauer-Eidechſe aber nur von Südweſten her durch die Reichslande in die Flußgebiete des Rheins, des Neckar, die Thäler der Nahe und Moſel, alſo nach Baden, Württemberg, Pfalzbayern, Heſſen, Rheinpreußen; an zuſagenden Oertlichkeiten machten ſie ſich ſeßhaft, an ungünſtigen Plätzen ver— ſchwanden fie wieder, weshalb wir inſonderheit bei der Smaragd-Eidechſe, da fie auf vorgeſchobenen Poſten ſich erhielt, auf Zwiſchenſtationen jedoch ſich wieder verlor, ein geradezu inſelartiges Auftreten in Deutſchland beobachten können. Es bedurfte indeß geraumer Zeit, ehe die beiden Einwanderer an der Nordgrenze ihres hentigen Ver— breitungsbezirkes in Deutſchland anlangten, in den neuen Gebieten heimiſch und ſomit zu Mitgliedern unſerer vaterländiſchen Thierwelt wurden. Leider hat man das allmähliche Vorrücken der Smaragd- und Mauer-Eidechſe nicht verfolgt und feſtgeſtellt und daher nicht annähernd die Aufſchlüſſe darüber gewonnen, wie ſie über die ſchritt— weiſe Ausbreitung mancher anderen Thiere, z. B. des Girlitz (Fringilla serinus, L. 8. Serinus hortulanus, Koch), in der Neuzeit erbracht worden find. Sicher ift indeß, daß ſie nur nach und nach vordrangen; dies erhellt ſchon aus der Eigenart der Eidechſen, die wir weiterhin beſprechen werden. Vergleichen wir die nordiſchen und die ſüdlichen Eidechſen, ſo fallen uns einige Unterſchiede auf. Smaragd- und Mauer-Eidechje der deutſchen Gebiete find der Art nach, in Geſtalt, Gewand und Lebensweiſe, dieſelben wie die der wärmeren Gelände, aber ſie zeigen nicht die Größe, den Farbenſchmelz, die Behendigkeit der ſüdlichen Genoſſen. Die Smaragd-Eidechſe wird im Süden und Südoſten Europas zuweilen doppelt jo lang, die Mauer-Eidechſe in einzelnen mittelmeeriſchen Formen um die Hälfte länger als bei uns. Welche ſatten Farbentöne, welches tiefe Blau und Grün zeichnen jene Arten im Süden den unſerigen gegenüber aus! Welche Schmeidigteit des Körpers, welche Behendigkeit der Bewegungen dort gegen hier, trotzdem die Arten auch bei uns lebendig und beweglich ſind, lebendiger und beweglicher als die mittel— und nordeuropäiſche Wald- und Zaun-Eidechſe, wenngleich die letztere die Bezeichnung „agilis“ führt! Und ſelbſt an der agilis können wir gewiſſe Wandlungen wahrnehmen, indem die ſüdruſſiſchen Formen beträchtlich größer als unſere deutſche Stammart und deren Varietäten werden und das Männchen der colchiſchen Form ſtändig in durchweg grünem Kleide glänzt. Vergegenwärtigen wir uns endlich, mit welch einfach braunem, erdfarbenem Gewand die Wald-Eidechſe im Allgemeinen angethan erſcheint, ſo werden wir zugeben müſſen, daß Größe, Farbenglanz und Behendigkeit der Eidechſen in gleicher Weiſe nach Norden hin abnehmen. Aber ſonderbar iſt dies nicht, vielmehr nur natürlich. Wohl mehr als andere Kriechthiere ſind die Eidechſen Verbreitung. Eidechſen im Norden und Süden. Wohnort. 76 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. von Licht und Wärme des belebenden Tagesgeſtirnes abhängig, mehr als bei anderen Reptilien bewirkt die Sonne bei den Eidechſen regere Freßluſt und Nahrungsaufnahme und ausgiebigeren Stoffwechſel und ſomit erhöhte „Schwellung der Säfte“ und Lebens— thätigkeit. Was Wunder, wenn in ſüdlichen Gefilden, wo die Thiere faſt das ganze Jahr hindurch des Sonnenſcheins und der Sonnenwärme ſich erfreuen dürfen, unſere Eidechſen eine erheblichere Länge erreichen, ein an Tiefe und Schiller der Farben reicheres Kleid anlegen, eine geradezu verblüffende, weit auffallendere Beweglichkeit entwickeln als in nördlichen Strichen, wo die Sonne es mit ihnen nicht ſo gut meint, wo ſie gezwungen ſind, vom Herbſt bis zum Frühjahr erſtarrt unter der Erde zuzu— bringen, während dieſer Zeit die Nahrungsaufnahme zugleich einzuſtellen und überhaupt die Thätigkeit ihrer Lebensorgane auf das denkbar geringſte Maaß zu verringern? Von den beiden echt-deutſchen Eidechſen-Arten hält ſich die Wald-Eidechſe, welche überhaupt hinſichtlich der Lebensweiſe und der Eigenſchaften von ihren Ver— wandten in mancherlei Beziehungen abweicht, in waldigen Gebirgsgegenden, in feuchten Niederungen, in und an Sumpf und Moor und Haide auf, wo ſie den nöthigen Schutz unter Buſch und Moos, Wurzelwerk und Steinen, abgefallenen Nadeln und Blättern findet. Die Zaun-Eidechſe hingegen, und gleich ihr die übrigen Arten, bevölkert das offene Land, belebt ſonnige Feldraine und Wegränder, Böſchungen und Mauern, Wein- und Baumgärten, Steinhaufen und Halden, Zäune und Hecken. Hier nimmt jedes Paar bezw. jedes Stück ein gewiſſes, obſchon ſehr beſchränktes Revier für ſich in Anſpruch, in dem es mit den Schlupfwinkeln ſich vertraut weiß. Allerdings ſcheint das eine wie das andere Stück immer nur einen beſtimmten Zufluchtsort, möge dies ein vorgefundenes oder ein ſelbſtgeſchaffenes Erdloch, eine Mauerſpalte oder Steinritze, ein Baumſtumpf oder dichter Buſch ſein, zu haben; nie entfernt ſich die Eidechſe weit von demſelben, um ihn ja bei etwaiger Gefahr ſofort und ſicher erreichen und in ihm verſchwinden zu können. Und es wird dem genauen Beobachter nicht entgangen ſein, wie unſicher ſich eins dieſer Thiere fühlt, ſobald man vermocht hat, es von dem ihm genau bekannten Schlupf wegzudrängen. „Dann irren ſie“, ſagt Eimer von den Mauer-Eidechſen [Humboldt 1882), „verzweifelt umher, an zahlreichen Löchern, welche ihnen ebenſo gut wie das ihnen bekannte Verſteck Schutz gewähren könnten, vorüber, und es iſt nun häufig nicht ſchwer, ſie ſo lange zu hetzen, bis ſie ermüdet ſind und ſich dem Verfolger ergeben müſſen.“ Als Eimer einſt zu Fuß von Italien über den Splügen hinüber wanderte, gewahrte er in der Nähe von Chiavenna an einer niedrigen Straßenmauer, welche friſch bemörtelt und getüncht war, kupferbraune Mauer-Eidechſen, die in ihrem dunkeln Kleide ſtark gegen das Weiß der Mauer abſtachen; ſo ſehr nun auch der Beobachter ſich bemühte, einige der Thierchen in ſeine Gewalt zu bekommen, die Fangverſuche ſchlugen fehl und nicht mehr als etwa drei Stück aus der ein halbes hundert betragenden Zahl konnte er mit dem Stocke treffen: jede Eidechſe ſaß in der Nähe eines ihr wohlbekannten Loches, in welchem ſie beim Nahen des Wanderers ſofort verſchwand. Im Frühling 1885, um von vielen nur noch ein Beiſpiel anzuführen, bemerkte ich ein hübſches Männchen der Zaun-Eidechſe, das mir ſogleich durch die dunkle, weiß geſtreifte Rückenpartie auffiel, bei Lankwitz hinter Berlin an dem Mark— ſtein eines Feldweges; mein Spaziergang führte mich dann einige Monate hindurch mehrmals täglich dort vorbei und ſelten mal vermißte ich das Thierchen neben oder auf dem Steine, hinter welchem es ſich bei Annäherung eines verdächtigen Geräuſches, einer Störung alsbald verbarg, um aber bei wirklicher Gefahr ſich gänzlich in einer Bodenſpalte zu verſtecken. Derartige Wahrnehmungen wird man in jedem Jahre, Zweite Ordnung. Echſen. 77 und wiederholt machen können; ſie zeugen ebenſowohl für den Verſtand, die Ueber— legung wie für die Heimatliebe, die Seßhaftigkeit der Thiere, und die Eidechſe wird erſt dann zum Fortwandern von ihrer Geburtsſtätte ſich entſchließen, wenn „der Platz überfüllt iſt“ oder ſtändig Nachſtellung droht. Auch zwecks Abhaltung ihres Winterſchlafes ziehen ſie nicht nach einem anderen Orte. Das Winterlager wird in einem der bekannten Erdlöcher oder einer ſonſtigen Höhlung aufgeſchlagen und in der Regel von mehreren der Thiere gemein— ſchaftlich bezogen. Schon während des Nachſommers und Vorherbſtes verweilen ſie an naßkalten und ſtürmiſchen Tagen und Wochen in dem Schlupfwinkel, und von Ende September oder Anfang Oktober ab verlaſſen fie denſelben kaum noch einmal. Die Glieder verlieren ihre Beweglichkeit, die Augen ſchließen ſich, der Stoffwechſel hört auf, nachdem ſchon einige Zeit vor dem Beziehen des Winterquartiers die Nahrungsaufnahme ſich vermindert, Blutumlauf und Athmung ſtocken faſt, und in einem ſtarrähnlichen Zuſtande liegen die zur Sommerzeit ſo beweglichen Geſchöpfe wohl monatelang regungslos, bis ſich die wärmer werdende Luft der Außenwelt auch in ihre Zelle ſtiehlt und ſie zum Verlaſſen der letzteren auffordert. Der Winterſchlaf und die demſelben vorhergehenden und nachfolgenden Tage und Wochen zeigen recht augenſcheinlich die Abhängigkeit der Eidechſen von Sonne und Temperatur. Zwar vermögen die Lacerten, und ebenſo die Schlangen, die Wärme ihres Blutes derjenigen der Luft anzupaſſen, indem die erſtere in gewiſſem Grade mit der letzteren ſteigt und fällt, dabei aber immer etwas höher iſt als die Wärme der die Thiere umgebenden Luft. Indeſſen ſind gerade dadurch die Grenzen der zu er— tragenden Temperatur nach unten und nach oben hin ſchon von ſelbſt geſteckt: wird die Luftwärme zur wirklichen Kälte oder Hitze, ſo äußert ſich alsbald der verderbliche Einfluß, und Eidechſen, welche einer Kälte von etwa 1 Grad R. ausgeſetzt ſind, gehen ebenſo zu Grunde wie ſolche, auf welche anhaltend pralle, ſengende Sonnen— ſtrahlen einwirken. Deshalb ſuchen die Eidechſen bei ſinkender Luftwärme ſowohl als auch vor brennenden, glühend-heißen Sonnenſtrahlen Schutz — im erſteren Falle unter der Erdoberfläche, wo dann eine höhere Temperatur herrſcht als im Freien, im letzteren Falle unter Gebüſch und Gezweig und Gekräut, das die auffallenden Strahlen mildert, oder in und hinter Geſtein zie. Kühlt ſich im Herbſt die Freiluft ſtark ab, während die Erde noch warm bleibt, ſo verweilen ſie in ihren Höhlungen längere oder kürzere Friſt, je nachdem das Tagesgeſtirn ſie wieder hervorlockt. Sie können aber auch, trotzdem die Sonne vielleicht nicht ſcheint und außen nur eine geringe Luft— wärme, 5 oder 6 Grad, iſt, wiederholt herauskommen, nämlich dann, wenn durch dauernd kalten Regen, durch Naßkälte der Erdboden ſich mehr abgekühlt hat und weniger Wärmegrade aufweiſt als die Freiluft. Freilich läßt ſich in dieſem Falle nicht die fröhliche Beweglichkeit an ihnen wahrnehmen wie zur ſonnigen Sommerzeit, viel— mehr ſind die Bewegungen ſteif, die Freßluſt hat Einbuße erlitten, die Freude an Spiel und Jagen ſich verloren. Und in der Regel bricht nun für unſere deutſchen Eidechſen mit Ende September oder Anfang Oktober die Zeit an, welche ſie zwingt, den Schlupfwinkel auf längere Dauer hinaus zu beziehen und in den „Winterſchlaf“ zu verfallen. Erſtreckt ſich derſelbe bei uns auf etwa ein halbes Jahr oder doch auf fünf Monate und im nördlichen Europa oder im Hochgebirge auf ſieben, acht, neun Monate, ſo in ſüdlicheren Gefilden nur auf eine kurze Spanne Zeit, ja oft bleiben dort die Thiere das ganze Jahr hindurch munter. Somit iſt der ſogenannte Winter— ſchlaf nicht ein für das Daſein, für das Fortbeſtehen der Eidechſen und Verwandten unumgänglich nöthiger, ſondern lediglich ein von den örtlichen Witterungsverhält— Winterlager. Winterſchlaf. Erwachen im Frühjahr. Sommerleben. 78 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. niſſen abhängiger und bedingter Zuſtand. Und daher erklärt es ſich auch weiterhin von ſelbſt, warum wir zuweilen mitten im Winterhalbjahr eine Eidechſe außerhalb ihrer Zufluchtſtätte finden können: tritt vielleicht im Dezember oder Januar gelindes Wetter ein und hält es ſo lange an, daß auch der Erdboden von der Milde der Luft berührt wird, ſo löſt ſich wohl auch die Starre der unterirdiſchen Schläfer, nament— lich wenn ſie nicht tief unter der Oberfläche lagern, und der eine oder der andere folgt der winkenden Wärme in ungelenken Bewegungen bis vor ſeine Höhlung, um ſich hier zu ſonnen und dann ſich wieder zurückzuziehen. Verbleibt er zu lange im Freien, wird er von eintretender Kälte überraſcht, ſo verſagen die Glieder den Dienſt und er vermag nicht mehr die Tiefe der Höhlung zu gewinnen — es iſt dann um ihn geſchehen. Auch der Umſtand, daß die Eidechſen mitunter ſich überhaupt zu ſeichte Schlupfwinkel für die lange Ruheperiode wählen, bringt manchen von ihnen in ſtrengen Wintern den Tod. In Wintern, welche nicht durch warme Friſten unterbrochen werden, iſt auch der „Schlaf“ der Eidechſen ein dauernder. Dann erfolgt das Erwachen bei uns je nach dem früheren oder ſpäteren Eintritt des Frühlings und nach der Art im März oder April; die Wald-Eidechſe geht wohl ſtets ihren Verwandten voran, und hin— ſichtlich der Zaun-Eidechſe kann ich nach mehrjährigen Aufzeichnungen die Vermuthung Leydigs beſtätigen, daß zuerſt die Jungen, dann die Männchen und ſchließlich die Weibchen erſcheinen. Aber es währt Tage, ja unter Umſtänden Wochen, ehe ſie wirk— lich munter und keck werden und auf Beute achten. Ungelenk und unbehilflich kriechen ſie zunächſt bis in und vor den Eingang ihrer Höhle, laſſen die Strahlen der an Macht gewinnenden Sonne auf ſich einwirken und verſchwinden wieder nach dem Weg— gang der letzteren. Falls nicht ein Rückſchlag der Witterung die Thiere aufs neue in die dunkle Winterzelle bannt, erlangen ſie zuſehends mehr und mehr von ihrer alten Beweglichkeit und Dreiſtigkeit, und iſt das Wetter ſo, daß ſie weder am Tage noch während der Nacht bis zur Steifheit abkühlen, dann ſtellt ſich auch die Freß— luſt, das Vergnügen an Jagd und Spiel wieder ein. Haben ſich die Eidechſen von den Entbehrungen des Winters einigermaßen er— holt und durch Nahrungsaufnahme gekräftigt, ſo entledigen ſie ſich des abgetragenen, ſeit Monaten nicht erneuerten Kleides, in welchem bei manchen Arten Männchen und Weibchen ſich kaum unterſcheiden: ſie häuten ſich in der auf Seite 46 erörterten Weiſe. Je nach dem Zeitpunkt des Erwachens aus der Winterruhe vollzieht ſich die erſte Frühjahrshäutung im April oder Mai, um ſich während der Sommerzeit mindeſtens noch einmal, gewöhnlich aber mehrmals zu wiederholen. Die abgeſtoßenen Theile der alten Oberhaut ſind mißfarben oder richtiger farblos; um ſo friſcher, glänzender erſcheint das neue Kleid, und namentlich die geſchlechtsreifen Männchen prangen nach der Frühjahrshäutung in bunter hochzeitlicher Zier (Seite 51). Nun beginnen auch die Einleitungen zur Fortpflanzung, welche weiterhin beſprochen werden ſoll, mit den Kämpfen der jetzt ebenſo eiferſüchtigen als ſtreitluſtigen Männchen, und es kann für den Reptilienfreund nichts Anziehenderes geben, als wenn zwei der kleinen Kämpen in ſchmuckem Jägergewand, wie es die Zaun-Cidechſe trägt, einander befriegen: erregt ſtehen fie ſich gegenüber, der kühnere rückt vor, der zaghaftere oder ſchwächere flieht, verfolgt von dem erſteren, welcher dem flüchtigen in größtem Eifer nacheilt; erreicht er den Ausreißer, ſo ſucht er ihn am Rumpf oder am Schwanz, überhaupt an der ſich gerade darbietenden Körperſtelle zu packen, und iſt ihm das gelungen, nun jo muß der Flüchtling wohl oder übel ſich feiner Haut wehren — falls ihm dieſe Aufgabe nicht dadurch exſpart wird, daß der Verfolger ihn am Schwanz Zweite Ordnung. Echſen. 79 erfaßte und der letztere abbrach und der nun Verſtümmelte in ſolchem Augenblick ent— rinnen und ſich bergen konnte. Im Terrarium geſchieht es bei derartigen Jagden zuweilen, daß die ganze Eidechſenſchaft mit in Aufregung, in förmlichen tollen Wirbel geräth, was mich ſchon oft an die Spiele und Kämpfe gewiſſer Stelzvögel erinnerte. Iſt die erſte Urſache beſeitigt, ſo kehrt nach und nach wieder Ruhe und Friede ein, indeß auf nicht lange Dauer. Namentlich gilt dies für die Mittagsſtunden ſonniger April, Mai- und Junitage: da zeigen ſich die Männchen, mochten fie auch am Morgen gleichgiltig gegen einander, ja träge ſein, faſt immer muthig und raufluſtig. — So ver— gehen Frühling und Vorſommer. Die prunkenden Farben der Männchen ver— blaſſen und ſelbſt eine neue Häutung vermag ſie nicht wiederzubringen. Die Weibchen aber legen etwa fünf bis acht Wochen nach der erſten Begattung ihre Eier ab. Damit haben beide Theile das Ihrige für die Erhaltung der Art, die Vermehrung gethan, dadurch aber auch den Ueberfluß an Kraft verausgabt. Und wenn die volle Hitze des Hochſommers die Pflanzen tage- und wochenlang ſchmachten läßt, ihr volles Grün ſchwinden macht, dann ziehen ſich gleich anderen Thieren auch die nun unſcheinbarer ausſehenden Eidechſen an Plätze hin, die ihnen Schutz vor den ſengenden Strahlen gewähren. Man begegnet ihnen jetzt weit weniger häufig als vor, während und nach der Paarungszeit im April, Mai, Juni, ja ſie ſind nun ſelbſt an Stellen, wo ſie im Frühjahr häufig zu finden waren, geradezu ſelten geworden, da ſie ſich jetzt eben weniger herumtummeln als vordem. Bereits Duges hatte dies wahr— genommen und daraufhin die Anſicht ausgeſprochen, daß die Eidechſen nach beendeter Fortpflanzung und dem Eintritt großer Hitze in eine Art Sommerſchlaf verfallen oder in kühle, feuchte Verſtecke ſich zurückziehen, und auch Leydig glaubt, wenigſtens von den Zaun-Eidechſen, daß ſie vielleicht in ähnlicher Weiſe, wie wir es bei Waſſermolchen bemerken können, eine Art Sommerſchlaf halten. Im Nachſommer und Vorherbſt hingegen, ſo namentlich auch an jenen Septembertagen, an denen die ihres ſtechenden Charakters, ihres blendenden Glanzes verluſtig gegangenen Sonnenſtrahlen in gleich— mäßig reizvoller Milde Menſch und Thier ſo wohlthuend berühren, raſchelt und rennt, lugt und lauſcht es wieder hier und da in und unter Laub und Halm, Gebüſch und Gekräut; denn neben den mehrjährigen Eidechſen genießen jetzt die kurz vorher dem Ei entſchlüpften und vor der erſten Häutung ſtehenden Jungen die ihnen bis zum Beziehen der Winterherberge noch beſchiedene Spanne freundlicher, Wärme und reich— lichen Tiſch ſpendender Herbſteszeit. Wird dieſe doch oft genug unterbrochen und ab— gekürzt von kühlen und kalten, feuchten und naſſen Tagen, die ſie zum Ausharren in dunklem, wennſchon wärmerem Verſteck zwingen! Sonne und Wärme iſt die Loſung der Eidechſen, doch nicht pralle, ſtechende Strahlen und ſengende Hitze! Hat die lachende Sonne am Morgen den Thau auf geſogen — mit Ausnahme der Wald-Eidechſe (und der Blindſchleiche) meiden alle thau- und regennaſſen Boden, lieben vielmehr trockenen Grund und trockene Luft —, ſo kommen die anmuthigen Geſchöpfe hervor, ſuchen an Rain und Böſchung, auf Geſtein und Mauerwerk, auf Aſt und Baumſtumpf oder einem ſonſt ihnen zuſagenden Orte ein günſtiges Plätzchen, legen ſich, unter Hebung der Rippen und Spannung der Haut, ganz platt hin und fangen nun die Strahlen förmlich auf. Und rücken die letzteren weiter, ſo folgen ihnen, wie man das an den im Zimmer gehaltenen Thieren ſo recht ſehen kann, die Eidechſen. Die Wirkung des Geſtirns iſt denn auch eine augenſcheinliche: das Blut wallt raſcher, Herzſchlag und Athmung heben, Leb— haftigkeit und Dreiſtigkeit ſteigern ſich, auf jedes Geräuſch lernen ſie merken, und haben ſie vorerſt ruhig und theilnahmlos neben einander gelagert, ſo erwacht nach Sonne. Bewegungen. 80 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. einiger Zeit die Luſt zu Neckerei und Spiel und Jagd in ihrer ganzen Macht. So freuen ſie ſich der Vormittagsſonne in vollem Maße; ſie iſt ihnen unentbehrlich. Werden jedoch die Strahlen um die Mittagszeit zu glühend-heiß, ſo vertauſchen die Eidechſen den vorher gewählten Platz mit einem anderen. Denn wenngleich ſie mehr Sonnenhitze zu ertragen vermögen als die Schlangen, ſo rufen bei ihnen die ſenkrecht herabfallenden bezw. auf die Glasſcheiben des Terrarium prallenden Strahlen Zuſtände hervor, die man als eine Art Sonnenſtich bezeichnen kann: die Thiere ſpringen unter heftigen Schlägen des Herzens und fliegendem Athem plötzlich auf und machen einige ungeſtüme, zielloſe Bewegungen Guweilen im Kreiſe), um alsbald hinzuſtürzen; be— merkt man den Anfall und legt man das von demſelben betroffene Exemplar ſogleich platt in einen flachen, mit laltem Waſſer verſehenen Napf oder auf waſſerdurchtränktes Moos, ſo erholt es ſich zwar mitunter wieder, jedoch nicht immer oder nicht auf die Dauer. Nur im Frühjahr, im Nachſommer und Vorherbſt, wenn die Sonne nicht ſo brennt wie zur Hochſommerzeit, und überhaupt an weniger heißen Tagen, nutzen die Eidechſen auch die Strahlen der Mittags ſonne aus, ſie werden jedoch immer während des Vormittags mit Vorliebe ſich ſonnen. Bei gewitterſchwülem, warm— feuchtem oder Regen ankündendem Wetter, wie es gerade unſeren Schlangen und Blindſchleichen erwünſcht iſt, bleiben die Eidechſen gern in ihren Schlupfwinkeln. Iſt es nöthig, über die Beweglichkeit und Behendigkeit der Eidechſen noch etwas zu ſagen? Manchen Naturfreund haben ſie ſchon durch ihre flinken Bewegungen, ihre geſchickten Wendungen erfreut, manchen ahnungsloſen und furchtſamen Spaziergänger durch das infolge Dahineilens in Halm und Laub entſtehende Raſcheln erſchreckt! Und war es ein Wunder, daß die ebenſo zierlichen als gewandten Spiele und Jagden der italiſchtiroliſchen Mauer-Eidechſen unſeren Naturforſcher und Dichterfürſten Goethe zu einem reizenden Gedichte (Epigramme. Venedig 1790. 68) begeiſtern konnten? „Längſt ſchon hätt' ich euch gern von jenen Thierchen geſprochen, Die ſo zierlich und ſchnell fahren dahin und daher. Schlängelchen ſcheinen ſie gleich, doch viergefüßet, ſie laufen, Kriechen und ſchleichen, und leicht ſchleppen die Schwänzchen fie nad). Seht, hier ſind ſie! und hier! Nuu ſind ſie verſchwunden! Wo ſind ſie? Welche Ritze, welch' Kraut nahm die Entfliehenden auf? Wollt ihr mir's künftig erlauben, jo nenn’ ich die Thierchen Lacerten*): Denn ich brauche ſie noch oft als gefälliges Bild.“ Haben die Eidechſen ſich geſonnt, ſo geht es bald hierhin, bald dahin, um ſich zu necken und zu jagen, da einer Fliege, dort einer Heuſchrecke nachzuſtellen, da am Rain entlang, dort eine Mauer hinauf, hier kreuz und quer zwiſchen Geſtein, dort an der Borke des Baumſtammes in die Höhe, um bei vermeintlicher oder wirklicher Gefahr mit unglaublicher Geſchwindigkeit, unter ungezählten Krümmungen und Wendungen des Körpers dem Verſteck zuzueilen. Zur Fortbewegung dienen ihnen ſowohl die Beine wie die Bauchmuskeln und der Schwanz. Der Leib führt ſchlängelnde Bewegungen aus, die ſeitlich geſtellten Gliedmaßen werden ruderartig gebraucht, der Schwanz iſt als Steuer thätig. Dieſes Steuern, dieſes mit großer Kraft bewerk— ſtelligte Schwingen des Schwanzes nach dieſer oder jener Seite, geſchieht ſowohl beim Laufen als auch beim Klettern und beim Schwimmen, nur werden bei letzterem die Bewegungen durch den Gegenſtoß des Waſſers begünſtigt. Eine Eidechſe, die ihres Man wird den lateiniſchen Namen Lacertus oder Lacerta mit den kräftigen, entſchloſſenen und dabei ſchnellen und eleganten Bewegungen, welche durch die verhältnißmäßig ſtarken Muskeln bedingt werden, in Zuſammenhang bringen bezw. auf dieſe Eigenthümlichkeit zurückführen dürfen und müſſen. D. Zweite Ordnung. Echſen. 81 Schwanzes verluſtig gegangen iſt, hat damit auch die Gewandtheit, Schnelligkeit, Regelmäßigkeit ihrer Bewegungen verloren und an einem indirekten Schutzmittel vor Gefahr Einbuße erlitten. Zum Graben entſchließen ſie ſich nur dann, wenn ihnen natürliche Höhlungen und Schlupflöcher fehlen, die Weibchen auch dann, wenn ſie ihre Eier an dem gewählten Orte bergen wollen. Aber lange und tiefe Gänge unter der Erde, wie ſolche die Blindſchleiche und andere Skinke ziehen, werden von ihnen nie gewühlt. Die Sinne der Eidechſen ſind ſchärfer als die der Schildkröten und auch als die der Schlangen. Wie die munter und lebhaft blickenden Augen vermuthen laſſen, ſteht das Seh vermögen obenan; nur wird eben durch die ſeitliche Lagerung der Augen das Sehen in gerader Richtung nach vorn zu beeinträchtigt — ein Umſtand, welchem (außer der ſtarken Ueberreizung der Nerven und der dadurch hervorgebrachten zeitweiligen Außerthätigkeitsſetzung anderer Organe) von W. Tappe es zugeſchrieben wird, „daß die Eidechſen bei dem plötzlichen Erſcheinen cines Menſchen gleichſam vor Erſtarrung in derſelben Stellung ſtehen bleiben“. Ein aufmerkſamer Beobachter, Ad. Franke⸗Stötteritz, kommt gleichfalls zu dem Schluß, daß die Eidechſe, wenngleich auch bei ihr wie bei allen Geſchöpfen ein ſich bewegender Gegenſtand leichter die Aufmerkſamkeit erregt als ein bewegungsloſer, ſo ſcharfſichtig für kleine Entfernungen iſt, daß ſie darin beziehungsweiſe das menſchliche Auge übertrifft; als Beiſpiel dafür führt er an, wie die Eidechſen ſeines Freiland-Terrarium, denen er als Futter friſche Ameiſenpuppen ins hohe Gras, in dichtes Farnkraut, Epheuranken und finſtere Stein— ſpalten warf, die kleinen Puppen ſo regelmäßig und ſchnell fanden, „wie es ſchwerlich ein Menſch vermocht hätte“. Das Gehör der Eidechſen iſt ebenfalls gut: auf Spaziergängen verkündet uns zuweilen das bekannte energiſche Raſcheln im Laub und Kraut, daß die Eidechſe, noch ehe ſie uns ſehen konnte, mittelſt ihres Gehörs unſer Nahen vernommen hat und nun einen mehr geſicherten Ort aufſucht; das feine Gehör und die behenden Bewegungen bilden denn auch ihre weſentlichen Schutzmittel vor Gefahr. Obſchon bei den Eidechſen, wie ihre Empfindung für Wärme und Kälte erweiſt, das körperliche Gefühl überhaupt in gewiſſer Beziehung wohl entwickelt erſcheint, ſo iſt doch der Taſtſinn in der Zunge concentrirt; ſie iſt das Werkzeug deſſelben, ſie gleicht als ſolches die Mangelhaftigkeit des Geruchs aus, ſie unterſtützt aber auch das Auge, indem ſie ihre Beſitzerin in den Stand ſetzt, durch Bezüngeln der vor ihr befindlichen Gegenſtände über die Beſchaffenheit derſelben ſich zu unter— richten — wenngleich nicht verkannt werden darf, daß bei den Schlangen in dieſer Beziehung die viel öfter und weit lebhafter hervorgeſtreckte Zunge eine bedeutungs— vollere Rolle ſpielt als bei den Eidechſen. Ob die Zunge auch als Geſchmacks-Organ angeſehen werden darf oder ob als ſolches die von Leydig an beſtimmten Stellen der Mundhöhle unſerer Eidechſen (und Schlangen) entdeckten becherförmigen Sinnesorgane zu betrachten ſind, möge hier dahingeſtellt bleiben; indeß Eins gilt nach meinen Wahrnehmungen für ausgemacht, nämlich daß der Geſchmack eine höhere Stelle einnimmt als der Geruch. Nur zwei diesbezügliche Beobachtungen möchte ich anführen. Am 24. Juni 1880 brachte ich eine Anzahl der bekannten roth und ſchwarzen Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus, L.), welche ich am Fuße einer ſonnigen Mauer gefangen hatte, in zwei, von je einer Geſellſchaft Mauer- und Zaun-Eidechſen bewohnte Terrarien. Die lebhaften Wanzen erregten ſofort die Aufmerkſamkeit der Eidechſen und jede der letzteren erfaßte mit dem Maul einen der „Soldaten“, um ihn jedoch alsbald wieder loszulaſſen bezw. fortzuſchleudern und ſich am Moos die Kieferränder kräftig zu wiſchen; mit Ausnahme 6 Geſicht und Gehör. Taſtſinn. Geſchmack und Geruch. 82 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. einer einzigen Wanze, welche von einer Mauer-Eidechſe in der Haſt hinuntergeſchluckt war, blieben alſo alle Wanzen am Leben und tummelten ſich noch wochenlang mit den Schuppenträgern in den gleichen Behältern, ohne auch nur im Geringſten wieder behelligt zu werden. Im Juli und zu Anfang des Auguſt 1887 hatte ich eine Geſellſchaft Smaragd-Eidechſen wiederholt mit Schmetterlingen, und zwar mit weißen Weidenſpinnern (Dasychira salicis, L.) und Goldaftern (Porthesia chrysorrhoea, L.), welche damals ſo häufig an den Pappeln einer unfern meiner Wohnung hinziehenden Landſtraße ſich herumtrieben, gefüttert. Die Eidechſen nahmen dieſelben ſehr gern, und in Erinnerung an dieſe Koſt ergriffen ſie einmal auch die röthlichweißen Blumen der kleinen rundblättrigen Malve (Malva neglecta, Wallr.), von welcher ich nach der Rückkehr von einem Ausflug einige Stauden nebſt verſchiedenem Kleingethier ins Terrarium geworfen hatte. Nun ähneln zwar die zuſammengefallenen Malvenblüten einigermaßen den mit zuſammengefalteten Flügeln daſitzenden Goldaftern u. a., ſodaß eine Täuſchung in der Ferne möglich war; aber zum Erfaſſen der unmittelbar vor ihrer Naſe liegenden Blumen würden die Eidechſen doch nicht verleitet worden ſein, wenn ihr Geruchs ſinn beſſer entwickelt geweſen wäre. In dieſem wie in dem vorher mitgetheilten Falle mußten ſie ſich erſt durch das Anbeißen, alſo durch den Geſchmack, belehren laſſen, daß die vermeintliche Beute kein Futter für ſie ſei. Erwäge ich dieſe und weitere, ähnliche Fälle, ſo kann ich unmöglich jenen Schriftſtellern beipflichten, denen zufolge gewiſſe Erſcheinungen „ſichtlich auf eine beſondere Entwickelung des Geruchsorganes hindeuten“ ſollen. Als derartige Erſcheinungen führt W. Tappe an, daß ſüße Fruchtſäfte und Honig die Eidechſen herbeilocken, ferner daß die letzteren todte Inſekten verſchmähen und daß ſie auch einer Unterſchied zwiſchen den einzelnen Inſekten machen. Allein, ſelbſt wenn dieſe Punkte an und für ſich zuträfen und als der Thatſächlichkeit entſprechend zu unterſchreiben wären, ſo würden ſie immerhin noch nicht als Beweiſe für „eine beſondere Entwickelung des Geruchs“ gelten können. Zunächſt ſpricht die Neigung mancher Eidechſen für Süßigkeiten und mehr oder minder ſüße Früchte zu Gunſten des Geſchmacks, gleich den oben mitgetheilten Wahrnehmungen, und das Auffinden jener Stoffe iſt nicht auf Rechnung der „Witterung“ (wenn ich dieſen Ausdruck der Jägerſprache hier gebrauchen darf) zu ſetzen, ſondern es erklärt ſich, wie wir weiterhin ſehen werden, in anderer, einfacher Weiſe (ſ. S. 88). Noch weniger Beweiskraft haben die übrigen Behauptungen Tappe's. Daß Eidechſen, wenn ihnen die nöthige Erfahrung mangelt, keinen Unterſchied zwiſchen den einzelnen Gattungen und Arten der Inſekten zu machen im Stande ſind, ja daß ſie dann durch lebloſe und zu ihrer Ernährung gar nicht geeignete Dinge getäuſcht werden können, dürfte wohl ſchon die obige Mittheilung über ihr Verhalten gegenüber den Feuerwanzen und den Malvenblüten gezeigt haben; außerdem möchte ich hier wenigſtens noch erwähnen, daß im Juni 1890 in meinem Terrarium zwei Zaun-Eidechſen, die gleich ihren Genoſſen eine Zeitlang mit Junikäfern (Rhizotrogus solstitialis, L.) beköſtigt worden waren, eines Vormittags einen kleinen, in Größe, Geſtalt und Färbung einem ruhig daſitzenden Junikäfer ähnelnden Stein angingen und mit den Kinnladen erfaßten, um nach mehreren kurzen Verſuchen ihren Irrthum einſehen zu müſſen. Anderſeits wiſſen erfahrene Eidechſen gar wohl auch todte Inſekten und ſonſtige lebloſe, aber wie jene zu ihrer Ernährung verwendbare Gegenſtände zu unterſcheiden und zu finden, und zwar mittelſt des Geſichtsſinnes, nicht des Geruchs; ſie „verſchmähen“ alſo todte Kerbthiere ꝛc. durchaus nicht immer, verſtehen ſie vielmehr auch zu würdigen. Die oben verzeichnete Bemerkung von den Ameiſenpuppen und Früchten beſtätigt dies ebenſo wie z. B. eine im Auguſt 1887 von mir gemachte Beobachtung: eine große grüne Heu— Zweite Ordnung. Echſen. 83 ſchrecke (Locusta viridissima, I.), die ich ins Terrarium zu fünfzehn Smaragd— Eidechſen geſetzt hatte, wurde von den größeren Stücken derſelben alsbald haſtig ver— folgt, an Kehle und Hinterkopf gepackt, infolge ihrer lebhaften Bewegungen wieder losgelaſſen, aufs neue und mehrfach von zweien gleichzeitig ergriffen, abgeſchüttelt, der Beine beraubt und ſchließlich todtgebiſſen, dann aber unbeachtet liegen gelaſſen; erſt eine Zeit darauf gedachte ihrer wieder eine der großen Eidechſen, kniff ihr die Flügel ab und verzehrte ſie. Die angeführten Beobachtungen ſchon werden uns den Schluß zu ziehen geſtatten, daß ein großer Theil der Lebensweisheit der Eidechſe das Ergebniß ſelbſtgemachter Erfahrungen iſt. Sicherlich trifft es zu, daß dieſe Schuppenträger gleich anderen Reptilien und anderen Thieren überhaupt gewiſſe Fähig- und Fertigkeiten, Neigungen und Eigenſchaften von ihren Voreltern ererbten und vermöge dieſer „Naturanlage“ für den Kampf ums Daſein gerüſtet waren, ſobald ſie ein ſelbſtſtändiges Leben zu führen begannen. Indeſſen auf Grund dieſer Beanlagung, in welcher unſere Eidechſen von der Natur beſſer bedacht ſind als ihre Klaſſen-Verwandten!), lernt jede einzelne, theils im Zuſammenleben mit älteren Genoſſen, theils durch eigene Unternehmungen, Neues hinzu, ſie ſammelt Erfahrungen und mit dieſen bereichert ſie ihr Können und Wiſſen, ſie gewinnt mehr Verſtändniß für die verſchiedenen Lagen und Verhältniſſe des Lebens, ihr Unterſcheidungs-Vermögen wächſt, ſie wird gewitzigter, klüger. Freilich trifft dieſer Entwickelungsgang für andere Thiere auch zu, allein weder die Schlangen und noch weniger die Schildkröten bieten unſerem beobachtenden Blick ſoviel und ſo augenfällige Zeichen und Erweiſe deſſelben dar als die Eidechſen, weil ſie eben weniger lebhaft und beweglich, nicht ſo verhältnißmäßig feinſinnig und klug ſind, einen geringeren Grad geiſtiger Begabung beſitzen als die letzteren. Und wenn die eine oder die andere Eidechſe hinter ihren Genoſſen zurückbleibt, weniger intelligent uns vorkommt als andere ihrer Art und Gattung, ſo wird uns dies nur als individuelle Eigenheit und folgerichtig erſcheinen. In welcher Weiſe die Eidechſen ihre Erfahrungen zu verwerthen, von ihrem Unterſcheidungs-Vermögen Gebrauch zu machen, die veränderten Verhältniſſe und Umſtände zu beurtheilen verſtehen, das zeigt ſich recht deutlich in ihrem Betragen dem Menſchen gegenüber. Je nach den gemachten oder den mangelnden Erfahrungen, je nach dem, wie ſich die Menſchen zu ihnen ſtellen, richten die Eidechſen ihr Verhalten ein. Unſere freilebenden deutſchen Eidechſen zeigen ſich jedem menſchlichen Weſen gegenüber ſcheu und furchtſam, weil ſie nebſt den anderen Reptilien und Amphibien Jahrhunderte hindurch unter dem Vorurtheil der Menſchheit zu leiden gehabt haben und heut noch von der gedankenloſen Menge für gefährlich angeſehen bezw. der Verfolgung werth erachtet werden. Ihre Vorſicht und Aengſtlichkeit läßt es ihnen daher geboten erſcheinen, jede Perſon zunächſt als ihren geborenen Feind zu betrachten, beim Vernehmen eines ver— dächtigen Geräuſches, bei Annäherung menſchlicher Tritte ſchon die Flucht zu ergreifen und ſich zu bergen. Und eine noch größere Scheu vor dem Menſchen haben im All— gemeinen die Eidechſen in Italien, wo die Bevölkerung „ein ganz beſonderes Vergnügen daran findet, jedes Thier, deſſen ſie habhaft werden kann, zu quälen und zu tödten“. Eimer hebt deshalb hervor [Humboldt 1882], daß neben der durch das wärmere ſüd— liche Klima geſteigerten Lebendigkeit der italieniſchen Eidechſen das Verhalten der ) „Da das Gehirn der Echſen“, jagt der alte Monograph der Schweizeriſchen Echſen, J. J. Tſchudi, i. J. 1837, „zu den relativ größeſten der Reptilien-Gehirne gehört, ſo finden wir bei ihnen am meiſten Intelligenz, die bedeutendſte Denkkraft unter den Reptilien.“ 6 * Beanlagung. Benehmen gegen den Menſchen. 84 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Menſchen ihnen gegenüber es iſt, welches jene Scheu oder aber deren Fehlen unmittel— bar bedingt. Denn anders iſt ihr Betragen, wenn ſie mit dem Menſchen unliebſame Erfahrungen gemacht, anders, wenn ſie ihn (d. h. den einzelnen) genau kennen gelernt haben, anders, wenn ſie mit ihm noch gar nicht in Berührung gekommen ſind: Als Eimer die ſchöne ſchwarzblaue Mauer-Eidechſe (Lacerta muralis coerulea), die ſoge— nannte Faraglione-Eidechſe, auf dem äußeren, Menſchen faſt unzugänglichen Faraglione— Felſen bei Capri auffand, „zeigte ſie ſich faſt vollſtändig furchtlos“; ſie ließ ſich nach der Erzählung der Männer, welche ſie ihm von dem Felſen herabbrachten, dort ohne weiteres mit den Händen greifen“); die friſch erlangten Stücke ſaßen, ohne irgend welche Scheu zu verrathen, ihm ruhig auf der Hand, in der Gefangenſchaft fraßen ſie von vornherein das Futter aus der Hand und ließen ſich jederzeit, ohne einen Ver— ſuch des Entrinnens zu machen, ergreifen, außer daß ſie ſich vielleicht aus Unbehagen mal widerſtrebend zeigten. „Welcher Gegenſatz zu dem Verhalten der Mauer-Eidechjen der Juſel Capri dem Menſchen gegenüber! Aber auch diejenigen, welche z. B. den Monacone-Fels öſtlich von Capri bewohnen, ſind ſo ungemein ſcheu, daß es außer— ordentlich ſchwer iſt, ſie zu fangen: das kann ſeinen Grund nur darin haben, daß dieſer Fels dem Menſchen leicht zugänglich iſt und daß die Thiere von dieſem werden verfolgt worden ſein.“ — Auf einem kleinen, an der Südoſtecke der Inſel Menorka gelegenen Eiland, Isla del Ayre, fand M. Braun [Lac. Lilf.| die größte Zahl der dort lebenden ſchwarzen Mauer- oder Lilford-Eidechſen in der nächſten Nähe der Hütte eines Seeſalzdarſtellers, der mit ſeinem Sohne und einem Leuchtthurmwärter nebſt Familie die einzige Bewohnerſchaft der „Luftinſel“ bildete. Die Eidechſen huſchten auf dem Boden herum oder lagen ſich ſonnend auf den ſpärlichen, am Salzhauſe wachſenden Pflanzen oder ſaßen an und in der kurzen, der Hütte ſich anſchließenden Mauer; ſowie man ruhig an der letzteren ſtand, kamen in allen Ritzen derſelben die ſchwarzen Köpfe der Eidechſen zum Vorſchein, und nachdem dieſe ſich von der Sicher— heit überzeugt hatten, krochen ſie ganz heraus, legten ſich abplattend auf die Steine und ſonnten ſich, um aber die ihnen fremde Erſcheinung des beobachtenden Menſchen nicht aus den Augen zu laſſen und bei einer plötzlichen Bewegung deſſelben behend ihre Schlupfwinkel aufzuſuchen. Zu der Mahlzeit in der Hütte indeß kamen auch die Eidechſen durch die offene Thür herein, um die ihnen hingeworfenen Stücke von Feigen und Melonen und einzelne Beeren aufzunehmen und ſie entweder, unbekümmert um die Menſchen und um des Salzdarſtellers Hund, ſogleich zu verzehren oder im Maule davonzutragen; und „dieſe Scene wiederholt ſich täglich mehrere Male, wenn eben gegeſſen wird reſp. die Abfälle der zum größten Theil aus Früchten beſtehenden Mahl— zeiten der armen Leute fortgeworfen werden“. In der Nähe des völlig von Mauern abgeſchloſſenen Leuchtthurmes hingegen wurden von dem Forſcher keine Eidechſen be— merkt, aber auch keine Abfallſtoffe, welche die Thiere hingezogen hätten; „der Bewohner deſſelben ſcheint lein Thierfreund zu ſein“. Und können wir nicht auch an den die Heimat mit uns theilenden Eidechſen entſprechende Beobachtungen machen? Schon von den tiroliſchen Mauer-Eidechſen vermerkt V. Gredler [Fauna], die von der dortigen Einwohnerſchaft ihnen erwieſene Friedfertigkeit habe ein ſolches Zutrauen zu dem Menſchen erweckt, daß ſelbſt im Freien lebende Stücke dargebotenes Gewürm, zappelnde Fliegen u. a. von der Hand nehmen. Wenn derſelbe Fauniſt hinzufügt, ein ſolches ) Von der Berg-Eidechſe (Lac. vivipara) jagt der Tiroler Fauniſt V. Gredler: „Auf Hoch⸗ gebirgen, wo ſie meiſt tief unter Steinen hauſt, zeigt ſie, plötzlich aufgedeckt, in der Regel keine Scheu oder Neigung zu entfliehen. Ob ſie den Menſchen noch nicht fürchten gelernt? ob ſie anfangs tages— blind?“ Man wird berechtigt ſein, der in der erſteren Frage ausgedrückten Vermuthung zuſtimmen zu dürfen. Zweite Ordnung. Echſen. 85 Spitzſchnäuzchen habe ſich ſogar, nachdem es dort einige Male abgefüttert worden, regelmäßig zur Mittagszeit auf einem Gartenpfahl eingefunden und den Kopf ſo lange nach dem Freunde hingedreht, bis es ſein Theil wieder bekommen hatte, ſo kann ich dieſer Beobachtung z. B. aus dem Sommer 1873 eine eigene an die Seite ſtellen: Damals bemerkte ich an der hinter dem väterlichen Grundſtück liegenden Ziegelei, und zwar an einer beſtimmten Stelle, eine männliche Zaun-Eidechſe; anfangs gegen mich ebenſo ſcheu wie gegen andere dort vorübergehende Perſonen, faßte ſie doch allmählich Vertrauen zu mir, denn ſie ſah, daß ihr ſelbſt dann, wenn ſie aus ihrem ſchleunigſt aufgeſuchten Schlupf wieder hervorlugte, nichts Böſes von dem ruhig Stehengebliebenen widerfuhr; ſie lernte mich kennen und lernte zugleich ihren Freund in mir erkennen, ſie blieb bei meinem Erſcheinen ſtill an ihrem Platze, und wenn ſie auch, als ich ihr das erſte Mal eine glatte Raupe hinwarf, ob der raſchen, unvermutheten Bewegung des Armes aufs neue ſcheu zurückwich, ſo verſtand ſie doch auch dieſe Seite meines Gebahrens recht bald und belohnte das Entgegenkommen durch ihre Zuneigung. — Iſt dagegen der Eidechſe ſeitens eines Menſchen mehrmals nachgeſtellt worden, ſo wird ſie um ſo früher ihrem Schlupfwinkel zuſtreben, je öfter der Verfolger in ihre Nähe kommt. Leydig, welcher dies im Beſonderen von „alten, meiſt für ſich einſam lebenden“ Männchen der Smaragd-Eidechſe berichtet, ſetzt hinzu: Die Smaragd-Eidechſe unter— ſcheidet und beurtheilt gar wohl einen ſchwer belaſteten Landmann und läßt ihn, ohne ihre Lage zu ändern, an ſich vorübergehen, während ſie bei Anſichtigwerden des Städters ſchon aus weiter Ferne ſich zurückzieht. Somit ſehen wir, wie fein „abgetönt“ gewiſſermaßen das Betragen der kleinen ee Schuppenträger gegenüber dem Menſchen iſt. Denn feindliches Verhalten des letzteren > prägt ſich ebenſowohl wie freundliches Gehaben ihrem Gedächtniß ein, und daher auch gewinnt bei guter Behandlung der Beſitzer gefangener Eidechſen recht bald das Vertrauen, die Zuneigung ſeiner Pfleglinge und mögen es ſelbſt die ſcheueſten geweſen ſein. Wohl flüchten friſcherbeutete Stücke bei ſeinem Erſcheinen anfänglich in irgend eine Ecke, einen Schlupfwinkel des Behälters, aber bald fühlen ſie ſich ſicherer, ſie bleiben ſitzen und verfolgen ſein Thun mit verſtändnißvollem Blick, und weichen ſie auch zunächſt noch vor den, den zappelnden Mehlwurm haltenden Fingern zurück, ſo vermögen ſie doch auf die Dauer nicht zu widerſtehen, ſie nehmen die wohlſchmeckende Beute ihm aus der Hand, ſie laſſen ſich erfaſſen und ſtreicheln, ſie kommen ſchließlich, in Erwartung eines Leckerbiſſens, beim Nahen des Pflegers herbei und prüfen, unter— ſuchen die hingehaltene Hand; eine thut es darin der anderen zuvor, und einzelne zeigen, wie die Beſprechung der Arten ergeben wird, geradezu auffallende Anhänglich— keit an ihren Gaſtfreund. Und dies iſt nicht nur im kleinen Käfig, ſondern auch im Freiland⸗Terrarium der Fall. i Aber auch auf andere Weiſe bekunden fie, daß fie Erfahrungen ſammeln, Er- Gewöhnung an fahrungen zu verwerthen und in veränderte Verhältniſſe ſich zu ſchicken wiſſen. Nur“ ee zwei Beiſpiele ſeien erwähnt. M. Braun berichtet, daß die von ihm auf der kleinen Balearen-Inſel Ayre erlangten ſchwarzen Mauer- oder Lilford-Eidechſen in der erſten Zeit das Glas nicht kannten; immer ſtießen ſie, ſobald die Glasſchale mit lebenden Mehlwürmern in den Käfig geſtellt wurde und die zappelnden Larven ihre Aufmerk— ſamkeit erregten, mit der Schnauze gegen dieſelbe, verſuchten durch den Schalenrand hindurchzukommen und „konnten offenbar nicht verſtehen, was ſie hier hindern ſollte, wenn fie die Bewegung der Mehlwürmer ſahen“: erſt guckten fie nach den letzteren, ſtießen dann gegen das Glas, überzeugten ſich wieder von dem Vorhandenſein des Futters, machten noch mehrere vergebliche Verſuche, bis endlich eine über den Schalen— Nervenleben. Neugier. 86 i Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. rand kroch und dadurch den anderen den Weg zeigte“); „heut ſtößt ſich keine mehr, jede weiß ſofort, was ſie zu thun hat“. Hierbei wäre auch zu erwähnen, daß manche der friſchgefangenen Eidechſen, namentlich aus dem Süden bezogene größere und kräftige Stücke und Arten, im Terrarium zunächſt ungeſtüm gegen Glasſcheiben und Glasdecke ſtoßen und ſpringen, weil ſie in ihrer Aufregung, ihrem Aerger und Zorn das Glas nicht ſehen bezw. es früher noch nicht kennen gelernt haben. — Von den Zaun— Eidechſen ſeines großen, 40 qm umfaſſenden Freiland-Terrarium erzählt Ad. Franke: Tritt man bei Sonnenſchein an die Umfriedigung, ſo kommen ſie zu Dutzenden nahe an dieſelbe heran und verſuchen ſogar an ihr in die Höhe zu klettern, eine will der anderen in Erwartung des gewohnten Futters den Rang ablaufen; ſie drehen das Köpfchen nach der Höhe und beobachten aufmerkſam jede Armbewegung, laufen auch nach der betreffenden Stelle, wo etwa nach einem ihnen vorgetäuſchten Wurfe das Beuteſtück hingefallen ſein würde. Welch’ hohen Grad geiſtiger Befähigung, jo jagt der Beobachter weiter, unſere Thiere beſitzen, glaube ich beiſpielsweiſe darin finden zu müſſen, daß meine Eidechſen, um den Fütterungsplatz aufzuſuchen, nach derjenigen Seite zu eilen, von welcher ihre Gefährten mit dem Regenwurm im Maule zurück— kehren; ſie haben ſich wohl gemerkt, daß die Portionen ſo reichlich ſind, daß auch ſie noch etwas vorfinden. Sehr bemerkbar machen ſich bei ſolchen Gelegenheiten die noch nicht eingewöhnten Thiere; aus Scheu und Furcht wagen ſie ſich trotz des Hungers nicht ganz in die Nähe des Menſchen und laſſen deshalb ihre dreiſteren Mitgefangenen „die Kaſtanien aus dem Feuer holen“, während ſie die Wegelagerer ſpielen und jenen die Beute abjagen. Bei der guten Ausbildung der Sinne, d. h. in erſter Reihe des Geſichts und Gehörs, unſerer Eidechſen darf es nicht Wunder nehmen, wenn die geiſtige Empfäng— lichkeit und Regſamkeit, das höhere Nervenleben dieſer Kriechthiere auf verhältuißmäßig hoher Stufe ſteht. Mit ihrer körperlichen Behendigkeit geht die geiſtige Beweglichkeit Hand in Hand; ſie laſſen ſich leicht erregen und in Harniſch bringen, aber auch bald wieder beſänftigen, ſie bekunden ihr Wohlbefinden durch munteres Spiel, Unbehagen und Langeweile durch theilnahmloſes Daliegen und ſelbſt durch Gähnen, der eine und der andere äußere und innere Einfluß offenbart ſich in ihrem Gebahren. Trotz aller Scheu und Aengſtlichkeit zeigen ſie doch eine in hervorragendem Maaße ausge— prägte Neugier. Wie ſich bei Spazier- und Sammelgängen oft genug wahrzu— nehmen Gelegenheit bietet, können die Eidechſen, obgleich ſie ſich verfolgt wähnen oder verfolgt wiſſen und ſich verſtecken, es doch „nicht übers Herz bringen“, aus ihrem Schlupf hervorzulugen, die klugen Augen auf den Feind zu richten und das Kommende abzuwarten; bleibt man nun ruhig ſtehen, ſo vermag eine zweite Perſon, der es ge— lingt, unbemerkt von hinten dem Thierchen ſich zu nähern, daſſelbe bei ſeinem Aeugen durch einen raſchen Griff wohl zu erfaſſen. So fällt es der Neugier zum Opfer. Dieſe wird aber durch etwas Auffallendes, Abſonderliches noch mehr erregt, und die Eidechſe iſt dann beſtrebt, den ihr merkwürdig erſcheinenden Gegenſtand näher zu be— ſchauen und zu unterſuchen. Darauf baute unter Anderem der ſchon mehrfach ge— nannte Beobachter Ad. Franke in Stötteritz ſeinen Plan, als es galt, von den Zaun— Eidechſen, welche den Graben eines unmittelbar in den Wald führenden und wenig befahrenen Weges „in Maſſe“ bevölkerten, eine Anzahl zu erhaſchen. Nachdem es weder ihm noch ſeinen Begleitern möglich geweſen war, der Eidechſen auf gewöhnliche *) Aehnlich unbekannt mit dem Glaſe waren auch die Gecko's (Platydactylus mauritanicus, L.), welche derſelbe Forſcher von den Balearen mitgebracht hatte, auch ſie fanden erſt mit der Zeit den Weg über den Rand des Glasgefäßes, welches Mehlwürmer für ſie barg. Zweite Ordnung. Echſen. 87 Weiſe habhaft zu werden, da dieſen zahlreiche Erdlöcher hinlänglichen Schutz boten, wurde dicht neben jedem Schlupfwinkel, in welchen eins der Thiere verſchwunden, ein Poſten zurückgelaſſen, der die eine Hand oberhalb des Loches zum Zugreifen bereit hielt. Nach wenigen Minuten in der Regel lugte die Eidechſe vorſichtig heraus, machte auch Miene wieder zurückzufahren, ließ ſich indeß durch die zweite Hand ködern; indem nämlich der Mann die letztere langſam vorbrachte und in möglichſter Entfernung von dem Schlupf deren Finger bewegte, kam der kleine Vierfüßer, von unbezwinglicher Neugier getrieben, Schritt für Schritt hervor, bis die zum Zufaſſen fertige Hand plötzlich von oben herabfuhr; „auf dieſe Weiſe machten wir einen reichlichen Fang“. Auch der Bewohnerſchaft Italiens iſt die Neugier der Eidechſen (Mauer-Eidechſen) bekannt, und auch dort gründet ſich darauf ein Jagdverfahren ?), deſſen Uebung, wie Th. Eimer bemerkt, bei der männlichen Jugend daſelbſt allgemein verbreitet zu ſein ſcheint: Die Knaben nehmen einen langen Grashalm und bilden aus dem dünnen Ende deſſelben eine zuziehbare Schlinge. Auf die letztere ſpucken ſie, und indem ſich der Speichel im Rahmen der Schlinge ausſpannt, entſteht in derſelben ein ſchillerndes Häutchen. Sobald die Knaben nun eine Eidechſe ſehen, legen oder hocken ſie ſich auf den Boden, nähern ſich in ſolcher Stellung dem Spitzſchnäuzchen langſam und halten ihm mit ausgeſtrecktem Arm die Schlinge vor den Kopf. Die Eidechſe gewahrt ver— wundert die ſeltſame Vorrichtung, bleibt wie gebannt davor ſtehen, vergißt vor Neu— gier ihre Furcht und jede Vorſicht, läßt ſich durch langſames Wegziehen des Halmes ſelbſt da- und dorthin locken und dem Fänger näher bringen, bis ihr plötzlich die Schlinge über den Kopf gezogen wird. „Ich war anfangs“, ſchreibt Eimer, „der Meinung, daß entweder das bunte Schillern des Speichelhäutchens das Thierchen anziehe oder der Umſtand, daß ſich deſſen Form und Farbe in jenem widerſpiegele. Allein der Bann ſcheint weſentlich in der Schlinge zu liegen, denn man erreicht den Zweck auch ohne den Speichel, und in manchen Gegenden Italiens wird der Fang allgemein ohne dieſen betrieben. Dagegen dient etwas Muſik, Pfeifen eines Liedchens, ſehr zur Erhöhung des Zaubers und ſeiner Erfolge.“ Als der Reiſende auf der Inſel Capri viele lebende Eidechſen brauchte, ging er jedesmal mit einer Anzahl Knaben auf den Fang, und da dieſelben von ihrer erſten Jugendzeit an Meiſterſchaft in obiger Jagd beſaßen, ſo war ſtets binnen kurzem übergenug Beute beſchafft. Wie die letzte Bemerkung Eimer's ſchon andeutet, ſollen die Mauer-CLidechſen, und vornehmlich deren ſüdliche Formen, für Muſik empfänglich ſein, wir werden daher bei Schilderung der genannten auf dieſe Eigenſchaft zurückzukommen haben. An unſeren deutſchen Arten iſt mir ein derartiger Sinn für muſikaliſche Töne nie aufgefallen, auch keine dahingehende Wahrnehmung anderer Beobachter iſt mir bekannt geworden. Dagegen ſcheint bei allen Eidechſen das Orts-Gedächtniß, der Ortsſinn, wohl entwickelt zu ſein. Wie in dem auf Seite 84 mitgetheilten Falle die Lilford— *) Ich glaube, auch bei dem auf der kanariſchen Inſel Tenerife beliebten Fange mittelſt Angel— haken und Fallen, durch Tomaten (Solanum lycopersicum, I.) geködert, ſpielt ein gut Theil Neugier der dortigen Eidechſen (Lacerta Galotti, D. B.) mit. Herr W. Hartwig⸗-Berlin lernte die einfachen Fallen bei ſeinem dortigen Aufenthalte im Jahre 1886 kennen und theilt mir mit, daß jede derſelben aus einem innen glatten Blechkaſten beſteht, über welchen ein Bindfaden, auf dem man vorher ein etwa zweifingerlanges Stück Rohr (Arundo donax, I.) geſtreift hat, gezogen wird. Auf das Rohrſtückchen legt man einen Theil einer recht reifen Tomate und außen am Blechkaſten ſchichtet man Steine auf, damit die Eidechſen leicht hochklettern können. Um zu dem Leckerbiſſen zu gelangen, muß die Eidechſe auf dem Bindfaden und dann auf dem beweglichen Rohrſtück entlang laufen; das letztere dreht ſich dabei natürlich, und der Näſcher fällt infolge deſſen auf den Boden des Kaſtens. An einem einzigen Nach— mittage fing ein Arbeiter im „Jardin botanico zu Orotava mit ſolcher Falle 12 bis 15 Eidechſen. Sinn für Muſik. Ortsſinn. Kampfluft. 88 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Eidechſen die Stätte, wo es etwas für ſie zu holen gab, recht gut aufzufinden wußten, ſo merken auch andere Eidechſen, mögen ſie im Zimmer- oder Freiland-Terrarium gehalten oder mögen ſie in der freien Natur „angefüttert“ werden (ſ. S. 85), ſich ſehr bald den zu ihrer Beköſtigung gewählten Platz, um ihn regelmäßig — manche halten ſogar eine beſtimmte Zeit inne — aufzuſuchen. Jemehr dasjenige, was ſich ihnen an einem Punkte bietet, Leckerei für ſie iſt, deſto genauer prägen ſie dieſen ihrem Gedächtniß ein und deſto mehr fühlen ſie ſich zu demſelben hingezogen; nicht aber kann, wie unter Anderen von W. Tappe angenommen wird (S. 82), davon die Rede fein, „daß ſüße Fruchtſäfte ze. die Eidechſen herbeilocken“, d. h. daß dieſe vermöge einer „beſonderen Entwickelung des Geruchsorganes“ jene aufzufinden im Stande ſeien. Auch andere Thatſachen und Umſtände ſprechen für den Ortsſinn der Eidechſen. So ſuchen ſie bei Gefahr immer ein und denſelben Unterſchlupf zu erreichen; ſo beziehen manche zum Sonnen und Verweilen überhaupt ſtets dieſelbe Stelle (der Lieblingsplatz einer meiner Wald-Eidechſen z. B. war das untere Geäſt eines grünen buſchigen Lebensbaumes, wo ſie nicht unmittelbar von den heißen Sounenſtrahlen getroffen wurde), und irgend eines beſtimmten Ortes vermögen ſie ſich ſelbſt dann noch zu erinnern, wenn derſelbe bzw. ſeine Umgebung mehr oder minder verändert worden. Ein Beiſpiel dazu liefert eine Mittheilung O. Böttger's [Zool. G. 85, 147] über eine Erſcheinung, die ihn „in Wahrheit mit dem größten Erſtaunen erfüllte und die den überaus feinen, ja unbegreiflichen Ortsſinn dieſer Thiere recht ſchlagend beweiſt“: Eine vom Berichterſtatter im Terrarium gehaltene Smaragd-Eidechſe hatte dort am 29. Mai gegen Abend elf Eier gelegt und über dieſe während der folgenden Nacht und am frühen Morgen einen 6 bis 7 em hohen Berg trockenen Sandes geſcharrt. Um nun die Eier gehörig beaufſichtigen zu können, wurden ſie, nachdem die Eidechſe herausgefangen war, aus dem Sande des Käfigs genommen, der Boden wurde wieder ſorgfältig eingeebnet, das vordem neben dem Sandberg ſtehende Waſſergefäß zufällig auf die entgegengeſetzte Seite des Behälters geſtellt und die Eidechſe wieder eingeſetzt. Am Abend aber vollzog ſich die erſtaunliche Handlung des Thieres, indem dieſes in derſelben Ecke, wo es am Tage vorher die Eier abgelegt hatte, einen neuen Sandberg errichtete, offenbar in der Annahme, daß die Eier noch an der urſprünglichen Stelle lägen; die Eidechſe hatte ſich alſo die letztere genau gemerkt, trotzdem der erſte Sand— berg verſchwunden, die Feuchtigkeit in der bewußten Ecke inzwiſchen eingetrocknet, das Waſſergefäß nach der entgegengeſetzten Seite gekommen war und andere gröbere Merk— male der Orientirung der große, rechteckige, mit Sand ausgeſtattete flache Kaſten überhaupt nicht mehr bot. Es kann nicht ausbleiben, daß die Eidechſen bei ihrem lebhaften Naturell und vornehmlich dann, wenn fie auf beſchränktem Raum zuſammen wohnen, mit einander in Streit und Händel gerathen. Im Freileben geſchieht dies nur zu Beginn der Paarungszeit im Frühjahr, und dann iſt Eiferſucht die Triebfeder zu den Kämpfen, welche, wie auf Seite 78 ſchon beſprochen, lediglich zwiſchen den leidenſchaftlichen Männchen ausgefochten werden, während die Weibchen dabei ſich theilnahmlos ver— halten. Nun kommt es allerdings auch vor, daß größere Eidechſen kleinere anfallen, überwältigen und verzehren, indeß entſtehen dabei nicht eigentliche Raufereien — es ſind Jagden, leine Kämpfe; der Starke und Muthige greift den Schwachen an, oder vielmehr er greift ihn nur, damit er ihm zur Beköſtigung diene; aber das trifft bei unſeren freilebenden, von Kerbthieren, Gewürm und Geſchneck ſich nährenden Arten nur ab und zu ein, ſodaß man derartige Fälle ſchließlich als Ausnahme bezeichnen darf, bezw. als Räubereien ganz geringfügiger Natur, die nimmermehr zur Verdrängung, Zweite Ordnung. Echſen. 89 zur Vertilgung der einen Spezies durch eine zweite, ſtärkere führen können. Anders mögen ſich die Verhältniſſe beim Zuſammenwohnen von Eidechſen verſchiedener Größe und verſchiedener Art auf beſchränktem Raum, vornehmlich im Terrarium ſich geſtalten. Hier veranlaßt unter Umſtänden wirklicher Futterneid Zank und Streit. Iſt reichlich Nahrung vorhanden, ſo befriedigt jede ihr Bedürfniß nach Belieben und ohne Behelligung einer Genoſſin, und ſelbſt dann, wenn im Eifer ein Wurm von zweien oder gar dreien gleichzeitig gepackt wird, artet ein Hin- und Herzerren nicht in Beißereien aus; ſolche entſtehen jedoch zuweilen, wenn die Thiere eine Zeitlang gefaſtet haben und nun die erſten Gaben wieder gereicht werden. Aber auch derartige Fälle ſind, was unſere deutſchen Eidechſen anbelangt, ſeltene, wie denn überhaupt die vater— ländiſchen Arten ſich gut in einander zu ſchicken wiſſen und ebenſo, jene Eiferſüchteleien ungerechnet, mit gleichgroßen ſüdlichen Formen eine friedliche Geſellſchaft bilden. Größere Smaragd-Eidechſen ſcheinen ſich allerdings, wie aus den Berichten einzelner Pfleger erhellt, dann und wann einen Eingriff in die Daſeinsberechtigung ihrer Ver— wandten zu erlauben, und ausgeſprochene Kampf- und Mordluſt wird den ſchwarzblauen italieniſchen Mauer- (Faraglione-) Eidechſen zugeſchrieben; doch muß ich bezüglich des Näheren auf die Schilderung der Spezies verweiſen. Nicht immer verlaufen die erwähnten Kämpfe und NRaufereien günſtig für die Theilnehmer: Wunden und Narben am Körper, Verſtümmelungen und Verluſt des Schwanzes legen Zeugniß ab von der Hitze des Gefechts. Indeß Hautabſchürfungen und Hautriſſe gleichen ſich raſch aus, äußere Wunden, ſelbſt wenn ſie tief ins Fleiſch gehen, heilen und vernarben bald bezw. ſchließen ſich mit einer dünnen, glatten Haut. Der Umſtand, daß die Beſchädigten trotz alledem Lebhaftigkeit und Freßluſt zeigen, beweiſt, daß die Eidechſen durch Verletzungen genannter Art ſich nicht beeinträchtigt fühlen und vielleicht gar keine Empfindung von Schmerz dabei haben. Ebenſo ſcheint der Verluſt des Schwanzes, möge er abgebiſſen oder abgebrochen werden, ihnen nicht Schmerzen zu verurſachen, ſogar dann nicht, wenn derſelbe nahe am Körper abgeriſſen wird. Am 15. Mai 1877 z. B. bemerkte ich, wie eine ſehr große Smaragd-Eidechſe in ihrem oben etwas offenen Käfig bis zum oberen Rande geklettert war und ſoeben über den letzteren hinweg entwiſchen wollte; eine ſchnelle Bewegung meiner Hand ſchleuderte ſie zurück, aber dabei fiel ſie ſo unglücklich auf den Terrariumfelſen, daß ihr der Schwanz dicht hinterm Rumpf, in einer Länge von 25 em, abbrach; ſie fraß und trank jedoch nach dieſem Vorkommniß wie vordem und benahm ſich überhaupt ſo, als ob ſie nichts Unliebſames verſpürt habe und verſpüre. Etwas Ungünſtiges allerdings erſteht den Eidechſen durch den Verluſt des Schwanzes; indem ſie nämlich ihres natürlichen Steuers beraubt werden, büßen ihre Bewegungen an Schnelligkeit, Gewandtheit und Regelmäßigkeit ein, ſodaß die Thiere von den Feinden leichter überrumpelt werden können; auch ſind infolge deſſen die verſtümmelten Männchen gegen andere bei den Paarungskämpfen im Nachtheil, obſchon ſie ſich im Allgemeinen in ihrem Liebeswerben nicht beirren laſſen. Die auffallende Zerbrechlichkeit des Schwanzes unſerer Eidechſen und Schleichen beruht, wie ſchon Tſchudi erörtert, ſowohl auf dem lockeren Zuſammenhang der Schwanz— wirbel ſelbſt, als auch auf der bedeutenden Kürze der die Wirbel unter ſich verbindenden Muskeln und auf dem Umſtande, „daß die Schwanzhaut nicht eine einzige feſt zu ſammenhängende Bedeckung wie bei dem übrigen Körper bildet, ſondern nur aus Quirlen beſteht, die unter ſich durch ein dünnes Häutchen zuſammenhängen“ (vergl. S. 70). Da, wie J. Schöbl 1868 gezeigt hat, das ganze Blutgefäßſyſtem im Schwanze der genannten Thiere in abſonderlicher Weiſe, nämlich in ſcheibenförmig hinter einander ausgebreiteten Wundernetzen angeordnet iſt, ſo kann der Schwanz bei jedem Wirbel Verletzungen. Zerbrechlichkeit des Schwanzes. 90 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ohne erhebliche, ja kaum bemerkbare Blutung abgetrennt werden. Aber eigenthümlich erſcheint es, daß der Bruch nicht an der Verbindungsſtelle zweier Wirbel, ſondern in der Mitte eines Wirbels ſelbſt erfolgt und daß die Hauptbruchſtelle bei den meiſten Eidechſen im ſiebenten Schwanzwirbel ſich findet. Indeß erklärt ſich dieſe Erſcheinung leicht, wenn man ſich der bereits von Cuvier gefundenen Quertheilung der Schwanz— wirbel erinnert, d. h. daran denkt, daß vom ſiebenten Schwanzwirbel ab (wo der Wirbelkörper auf einmal doppelt ſo lang iſt als vorher) jeder einzelne Wirbel in zwei Hälften geſondert iſt. Nachdem die Unterſuchungen des Leipziger Zoologen Paul Fraiſſe über „die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbel— thieren, beſonders bei Amphibien und Reptilien“ (Kaſſel 1885) ergeben, daß bei den neugewachſenen Eidechſenſchwänzen das Knorpelrohr des friſchen Schwanzſtückes meiſt mit dem ſiebenten Schwanzwirbel verwachſen war, hat man von anderer Seite die Vermuthung ausgeſprochen, es geſchehe möglicherweiſe dann, wenn nur ein kleineres Schwanzſtück abgeriſſen ſei, infolge des Wundreizes ein nochmaliges ſelbſtthätiges Abbrechen im ſiebenten Schwanzwirbel und es vollziehe ſich ſonach vielleicht ein ähnlicher Vorgang, wie man ihn jchon früher bei den Krebſen (deren Gliedmaßen an einer beſtimmten Stelle ſich loslöſen) beobachtet hat. Doch iſt dies eben nur Vermuthung. In einem Punkte indeß kommen Krebſe und Echſen überein: bei beiden Gruppen liegt das Abbrechen der betreffenden Körpertheile, d. h. der Beine und Scheeren bei den Krebſen und des Schwanzes bei den Eidechſen, nicht in der Macht ihrer Träger; beiden widerfährt damit kein eigentliches Leid, denn der Verluſt tritt unbewußt und ohne wirklichen Schmerz für die Thiere an dieſe heran; bei beiden iſt das Abbrechen nicht ein bedachtes, von dem Willen der Thiere bedingtes Abſtoßen oder Aufgeben jener Theile, ſondern ein unwillkürliches, mechaniſches, auf einem Krampf beruhendes Ablöſen, ein Verlieren derſelben. Das Letztere iſt durch einen belgiſchen Forscher, Léon Frederieg in Lüttich, erwieſen worden. Nachdem er vor einem Jahr— zehnt das automatiſche, willenloſe Abwerfen der Krebsſcheeren feſtgeſtellt hatte, konnte er fünf Jahre ſpäter zeigen, daß es ſich mit dem Abbrechen des Echſenſchwanzes ganz ähnlich verhält. So vermochte eine mit ſanfter Gewalt am Schwanze feſtgehaltene Blindſchleiche nicht freizukommen, weil trotz aller von ihr ausgeführten Windungen und Bewegungen das in den Händen des Mannes befindliche Stück nicht abbrach ( rein mechanische Gewalt thut es alſo nicht immer und allein —); als Fredericq aber den Schwanz an irgend einer Stelle ſcharf einkniff oder quetſchte, wie es etwa ein die Echſe verfolgendes Thier mittelſt Schnabel, Kiefer oder Krallen thun würde, ſah er ſogleich unmittelbar bei der betroffenen Stelle krampfhafte Muskelſpannungen auftreten, die ihren Abſchluß darin fanden, daß der Schwanz dicht daneben abbrach; und wurde dieſer Verſuch bei demſelben Thier wiederholt, ſo brach der Schwanz ſtets dicht oberhalb der Reizſtelle aufs neue durch. Einer großen Smaragd-Eidechſe H. Fiſcher-Sigwart's war ein eiſernes Blech ſo auf den Schwanz gefallen, daß er an der linken Seite eine kleine, nicht bis zur Mitte reichende Quetſchwunde erhalten hatte, aus welcher ein paar abgeriſſene Muskeln heraushingen; ſofort nach ſtattgefundener Verletzung ließen ſich an dem hinteren Theil des Schwanzes unwillkürliche krampf— hafte, ſchlangenartige Bewegungen wahrnehmen, ganz ſo wie ein völlig abgebrochener Schwanz ſie ausführt; und obgleich der Beſitzer in der Hoffnung, der Eidechſe den Schwanz zu retten, die bei der Wunde hervorſtehenden Muskeln mit einem Meſſer vorſichtig hineinſtieß und in ihre natürliche Lage zu bringen ſuchte, ging das hinter der Wunde liegende Stück doch verloren. Wie erwähnt, vollführt der jäh abgelöſte Schwanz oder Schwanztheil noch eine Zeitlang lebhafte, konvulſiviſche Bewegungen. Zweite Ordnung. Echfen. 91 Der Schwanz jener Smaragd-Eidechſe z. B., über welche ich auf Seite 89 berichtete, ſprang nach dem Abbrechen eine halbe Stunde lang wie toll herum, dann ließ die Lebhaftigkeit der Bewegungen nach, doch zuckte er beim Berühren noch nach einer Stunde; ja Tſchudi hebt hervor, daß das abgebrochene Stück oft noch zwölf Stunden nach der Trennung ſich bewege, wenn es an die Sonne gebracht oder auf eine andere Weiſe „heftig afficirt“ werde. Aber wenn Mutter Natur die Eidechſen und die verwandten Schleichen nur mit einem zerbrechlichen, leicht abreißbaren Schwanze ausgeſtattet hat, ſo war ſie anderſeits ſo gütig, dem Organismus dieſer Thiere die Fähigkeit zu verleihen, den verloren gegangenen Theil wiedererzeugen, erſetzen zu können. Und daher ſehen einzelne Forſcher in der außerordentlichen Zerbrechlichkeit des Schwanzes gewiſſer Echſen geradezu eine Sicherheits-Einrichtung für die Thiere, indem dieſe den Schwanz, wenn ihre Feinde ſie durch Erfaſſen deſſelben zu erhaſchen ſuchen, leicht zurücklaſſen können und fliehen. Für dieſe Anſicht wird auch noch geltend gemacht, daß diejenigen Echſen, welche einen zerbrechlichen Schwanz und dabei jenes Wiedererzeugungs-Ver— mögen beſitzen, einerſeits zum großen Theil in der Nähe oder gar (Geckonen) im Innern der menſchlichen Wohnungen bezw. überhaupt an Orten leben, wo ſie häufigen Nachſtellungen ausgeſetzt jind*), und anderſeits zu den harmloſen, eines eigentlichen Vertheidigungsmittels entbehrenden Thieren zählen; wogegen bei denjenigen Echſen, welche wuchtige Schläge mit Hilfe ihres Schwanzes auszutheilen vermögen, der letztere ebenſowenig zerbrechlich iſt als bei Krokodilen und Schlangen, die aus Furcht vor ihrem Biß „weder Thier noch Menſch am Schwanze zu haſchen pflegt“. Man betrachtet alſo auch die erwähnten Erſcheinungen unter dem Geſichtspunkte der An— paſſungs⸗Theorie, indem die Wiedererſetzungs-Fähigkeit „zur Entſtehung eines beſonderen Schutzmechanismus, zu einer Anpaſſung an bei dieſen Thieren beſonders häufig vor— kommende Fährniſſe und Bedrohlichkeiten geführt“ habe. Doch verlaſſen wir das Gebiet der Theorien und wenden wir uns den einfachen Thatſachen zu! Iſt der Schwanz abgebrochen, ſo trocknet die Wunde zu, die Muskeln ſchrumpfen zuſammen, es zeigt ſich eine Art Schorf auf der Bruchſtelle, die neue Sproſſung kann beginnen. Die Anfänge derjelben zeigen ſich in Geſtalt einer kleinen Anſchwellung; (Bonnet, welcher Spallanzani's Werk über das thieriſche Reproduktionsvermögen i. J. 1768 ins Franzöſiſche überſetzte und die bezüglichen Beobachtungen ſeines Vorgängers namentlich an Tritonen fortführte, verglich jene Anſchwellung, das ſogenannte Ampu— tations⸗Wärzchen, mit der Vegetationsſpitze der Pflanzen). Und dem Auge erſcheint dann der Anfang des nachſproſſenden Schwanzes als eine grauliche, lederartige, etwa halbkugelförmige Vorragung oder Warze, welche ſich kegelförmig verlängert und zu— gleich mehr und mehr an Dichtigkeit gewinnt, indem ſich in ihrem Innern ein Knorpel, der „zuerſt ganz innig mit den ihn umgebenden Muskeln zuſammenhängt“, bildet. Die Haut des Nachwuchſes iſt zunächſt glatt und erhebt ſich erſt ſpäter in Ring— falten oder Schuppen, über welche man auf der folgenden Seite noch einige Angaben findet. Der knorpelige Cylinder, das Knorpelrohr, vergegenwärtigt den inneren oder anatomiſchen Unterſchied des wiedererſetzten Schwanzes gegen den urſprünglichen; denn während in dieſem wirkliche Wirbel vorhanden waren, kommen ſolche in dem neuen Schwanze nicht zur Entwicklung, vielmehr ſtellt, wie ſchon der Franzoſe Claude Perrault (1613 bis 1688) und ſpäter Duges nachwies, bei ihm eben nur eine knorpelige ) Schon Turbervill Needham führte, Mitte des vorigen Jahrhunderts, das Vorkommen zahlreicher Eidechſen mit einfach oder doppelt nachgewachſenen Schwänzen in Spanien und Portugal auf den Umſtand zurück, daß ihnen die Kinder dort allenthalben nachſtellen und ſie am Schwanze zu erhaſchen ſuchen. Wiedererzeugungs⸗ (Regenerations⸗ Vermögen. Bildung des neuen Schwarzes. 92 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Röhre das ſtützende Gerüſt dar. Das Knorpelrohr iſt erfüllt mit einer nervöſen Verlängerung des Rückenmarkes. Dieſer Aufſchluß über die Beſchaffenheit der Neu— bildung, welchen Duges bereits i. J. 1829 zu geben im Stande war [Ann. des scienc. natur., T. XVI], wurde einige Jahrzehnte ſpäter, nachdem inzwiſchen von Heinrich Müller eine abweichende Anſicht geäußert worden war, durch einen deutſchen Anatomen, Gegenbaur, beſtätigt und erweitert. H. Müller hatte nämlich 1852 in den Würzburger „Verhandlungen“ ausgeſprochen, daß die weiche Maſſe, welche das den Wirbelanlagen entſprechende Knorpelrohr ausfülle, der Chorda — alſo jenem eigenthümlichen zelligen ober gallertartigen, von einer häutigen bezw. knorpeligen Scheide umhüllten Strang oder Faden, welcher, unter den entwickelten Wirbelthieren nur den unterſten Gruppen der Fiſche zukommend und hier die Stelle der Wirbel— jäule einnehmend, als „Wirbelſaite“, Chorda dorsalis, bezeichnet wird — zu ver— gleichen ſei. Gegenbaur nun wies nach, die Maſſe, welche man als regenerirte Chorda dorsalis angeſehen habe, ſei durchaus nicht eine ſolche, ſondern ſtehe mit dem Rückenmark in Verbindung und die Lichtung des Knorpelrohres ſtelle demnach eine Fortſetzung des Rückgratkanales dar, ſodaß man das Knorpelrohr einer Summe von Wirbelkörpern und oberen Bogenſtücken gleichzuſetzen und es als ein neugebildetes, ungegliedertes Rückgrat zu betrachten hätte. Aber auch H. Müller konnte auf Grund neuer Studien in ſeiner Arbeit „Ueber die Regeneration der Wirbelſäule und des Rückenmarkes bei Tritonen und Eidechſen“ [Abhandl. d. Senckenb. Naturf. -Geſ., Bd. V. 1864/65.] zeigen, daß die Maſſe in dem Knorpelrohr wirklich Rückenmark ſei, in— dem ſie aus nervöſen Elementen beſtehe. Und Leydig drückt in Verfolg ſeiner Unterſuchungen ſeine Uebereinſtimmung mit Gegenbaur aus, wenn er 1872 in den „Sauriern“ bemerkt, der Knorpelfaden ſtelle ein unfertiges Rückgrat vor; eine wirkliche Sonderung und Gliederung des „Fadens“ in Wirbel erſcheine meiſt gehemmt oder nur auf eine Strecke beſchränkt. Weiter möge hier in Betreff der Natur des ergänzten Schwanzes angefügt ſein, daß ſich an das Knorpelrohr nicht kurze Muskeln anlegen, ſondern zähe Muslelſtränge, welche in der ganzen Länge des nacherzeugten Schwanzes hinlaufen und ſomit demſelben mehr Zuſammenhang verleihen. Die genauere Unter— ſuchung des letzteren ergiebt aber noch den weiteren Unterſchied, daß nur unbe— deutende Blutgefäße und nur ſeitliche Nerven- Verlängerungen die Muskelfaſern durch— ziehen; daher führt denn auch ein nachgewachſener Schwanz beim erneuten Abbrechen nicht die andauernden lebhaften Windungen und Sprünge aus wie der urſprüngliche. Im Uebrigen iſt ein regenerirter Schwanz ſchon äußerlich zu erkennen: nicht nur, daß er von der Bruchſtelle an, wo eine Verdickung wahrgenommen werden kann, gegen das Ende hin ſchnell dünner wird, es weicht auch ſeine Beſchuppung häufig, ja gewöhnlich mehr oder minder von der normalen Beſchaffenheit ab, indem die neuen Schuppen entweder den urſprünglichen in Länge und Breite nachſtehen und wohl gar andere Form annehmen oder in den Wirteln (Ringen) ſchief neben einander ſtehen bezw. unregelmäßig und willkürlich ſich anordnen“). Auch muß man im Auge ) Dies kann ſoweit gehen, daß die Beſchuppung des nachgewachſenen Schwanzes einer Spezies an die Beihuppung einer ganz anderen Spezies oder Gattung ſich anſchließt, ſodaß man in dieſer Eigenthümlichkeit einen Hinweis auf verwandtſchaftliche Beziehungen zu ſehen meint. Letzteres geſchieht u. A. ſeitens Boulenger's, welcher zum Erweiſe dafür beſonders zwei auffallende, an außerdeulſchen Echſen gemachte Beobachtungen hervorhebt [Proceed London 1888, Part. 3, p. 351353]. Der eine Fall betrifft die Gattung Gymnophthalmus (Nacktauge), die wegen der dachziegelig gelagerten Körper— ſchuppen früher zu den Skinkoiden geſtellt wurde, jedoch ihrem ſonſtigen Bau nach laut Boulenger's Unterſuchung in die Nähe der Tejiden-Gattung Heterodaetylus gehört; dieſe Verwandiſchaft bekundet auch der regenerirte Schwanz, indem derſelbe die in Wirtel geordneten länglichen Schuppen zeigt, wie ſie die letzt— Zweite Ordnung. Echſen. 93 behalten, daß der abgeriſſene Schwanz nie zu ſeiner vormaligen Länge wieder aus— wächſt. Je näher am Körper er abgetrennt wurde, deſto günſtiger geſtaltet ſich für ihn das Verhältniß; denn wenn er in ſolchem Falle bis auf zwei Drittel der ehemaligen Größe ſich erſetzt, wird das in der Endhälfte nacherzeugte Stück, wie bereits Tſchudi durch „anhaltende Beobachtungen“ ſah, oft nicht einmal halb ſo lang als vordem. Ehe der Schwanz einer verſtümmelten Eidechſe annähernd feine Länge, Gejtalt und Färbung wieder erlangt, verſtreichen doch wenigſtens zwei Jahre. Die Dauer, der Verlauf dieſes Vorganges iſt zudem abhängig von der Jahreszeit, in welcher die Eidechſe beſchädigt wurde, und von dem Ernährungs-Zuſtande, in dem ſie ſich damals befand. Der Schwanzſtummel einer im Herbſt, Winter oder unmittelbar nach dem Winterſchlafe verletzten oder einer ſchlechtgenährten Eidechſe wird lange auf ſich warten laſſen, bevor er Anfänge neuen Lebens zeigt; während unter günſtigen Verhältniſſen ſchon nach etwa zwei bis drei Wochen Zeichen des wiederbegonnenen Wachsthums ſich bemerkbar machen und der friſche Sproß nach einem Monat vielleicht ſchon 2 em lang geworden iſt, nimmt man im anderen Falle nach drei, ja nach fünf Monaten noch kaum die Spur einer wirklichen Neubildung wahr. Die Erklärung dieſer Erſcheinung liegt nahe genug: eine Eidechſe, die infolge längeren Faſtens geſchwächt iſt oder die ihre Lebensthätigkeit herabgeſchraubt hat bezw. das aufgenommene wenige Futter zur Friſtung ihres Daſeins verwenden muß, vermag doch nicht Stoffe zu liefern zum Aufbau eines neuen Körpertheils! Die Frage, ob dann, wenn der Schwanz gänzlich verloren gegangen iſt, eine Wiedererzeugung erfolgt, kann ich Mangels eigener Erfahrung allerdings nicht ohne Weiteres beantworten. Doch glaube ich ſie verneinen zu dürfen; denn ſelbſt bei ſolchen Amphibien, welche eine erheblich ſtärkere Regenerations-Fähigkeit beſitzen als die Eidechſen, alſo bei Molchen und deren Larven, erſetzen ſich abgetrennte Körpertheile nur unter der Bedingung wieder, daß von dem urſprünglichen Glied oder Organ ein Reſt, eine Wurzel übrig geblieben war, wogegen bei vollſtändig ausgelöſten Körpertheilen die Wunde ohne Neubildung vernarbt. Jede Gewebeform der Neubildung geht eben, wie wir namentlich durch Fraiſſe's Unter— ſuchungen wiſſen, aus den gleichartigen Theilen des Stumpfes hervor (3. B. die neuen Muskelzellen aus den vorhandenen alten), und der Wundreiz iſt bei dieſem Nachwachſen des verletzten Gewebes von hervorragender Bedeutung; der letztere aber vermag nicht mehr „in beſtimmter Richtung erregend zu wirken“, ſobald der Körper— theil von Grund aus beſeitigt wurde, und der Erſatz unterbleibt daher. Die Erſcheinung, daß gewiſſe Echſen die abgebrochenen Schwänze wiedererzeugen, iſt den Beobachtern der Natur ſchon vor mehr als zwei Jahrtauſenden aufgefallen. Erwähnt doch bereits Ariſtoteles in ſeiner Thiergeſchichte, den Eidechſen und „Schlangen“ — hierbei müſſen wir an die Bruchſchlangen oder Schleichen denken — wüchſen die abgehauenen Schwänze wieder nach, und Plinius und Aelian berichten daſſelbe. Dieſe alten Schriftſteller wiſſen aber auch ſchon, daß manchen Eidechſen ein Doppel— ſchwanz erſteht (von neuweltlichen Eidechſen berichtet ſolches zuerſt der i. J. 1644 zu Loanda an der afrikaniſchen Weſtküſte verſtorbene Braſilien- und Afrika-Reiſende G. Marcgrav, indem er jagt, daß denſelben die Schwänze ebenſo leicht abbrechen und wiederwachſen als den altweltlichen und daß die „Ameiva“ geradezu einen Gabel— genannte Gattung beſitzt. Umgekehrt weiſt der nachgewachſene Schwanz der den Blindſchleichen nahe— ſtehenden Gattung Pseudopus (Scheltopuſik) nicht die ihr eigenen, in Wirteln angeordneten rhombiſchen Kielſchuppen, ſondern glatte Dachziegelſchuppen auf. Somit vereint jede der beiden erwähnten Gattungen nach der Regeneration der Schwänze zwei gänzlich abweichende, ſonſt verſchiedenen Abtheilungen zu— kommende Formen der Beſchuppung. Wachsthum des Schwanzes. Doppelſchwänze. 94 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchwanz beſitze). Auch Verſuche, dieſe Merkwürdigkeit zu erklären, wurden gemacht, ſo durch Porta, welcher meinte, jene zweiſchwänzigen Eidechſen müßten aus zwei— dotterigen Eiern ſtammen. Aber erſt franzöſiſche Forſcher traten der Sache näher. Lacepede und Bonnaterre gaben an, daß der eine Schwanz vollſtändige Wirbel ent— halte und daher der nicht völlig abgebrochene und wieder angeheilte alte ſei, der zweite jedoch nur ein Knorpelrohr beſitze und mithin neu gewachſen ſei; Dugss hin— gegen glaubte, die beiden Schwänze entſtänden gleichzeitig als Neubildung und zwar in der Weiſe, daß der urſprüngliche Schwanz bei ſeinem Bruche oder ſeiner Theilung durch irgend einen Umſtand tief in die Länge eingefurcht bezw. in der Länge durch— geſchnitten werde und jedes Längsſtück zu einem neuen Schwanz ſich ausgeſtalte. J. J. Tſchudi will die letztere Meinung „nicht unbedingt“ annehmen, da es auch Eidechſen mit Doppelſchwanz gebe, „bei dem offenbar nie ein Bruch ſtatt hatte“, und da ihm noch nie Exemplare vorgekommen ſeien, bei denen alle Schwanztheile gleichartiger Bildung waren; vielmehr finde man — obwohl man die Möglichkeit der letzterwähnten Abnormität nicht abweiſen dürfe — gewöhnlich, daß ein Schwanzende ſtärker als das andere entwickelt ſei, was alſo der Vermuthung, das eine Stück ſei urſprünglicher Bildung, Raum gebe. Der Schweizer Forſcher gelangt dann zu folgender Erklärung der abweichenden Anſichten. Es kann ſehr leicht möglich ſein, daß, wie Tſchudi auf künſtliche Weiſe verſucht hatte, durch eine Längenſpalte an einem Schwanze und durch Verhindern des Zuſammenwachſens der getrennten Theile ein doppelter oder dreifacher Schwanz entſteht, von dem ein Theil ſekundärer Bildung anzugehören ſcheint und der andere offenbar primitiver Formation iſt, oder auch alle Theile die Struktur der nachgebildeten Schwänze zeigen. Es kommt weſentlich darauf an, wie die Spaltung ſtattfindet: trennt der Schnitt die Wirbelkörper längs der Mitte, ſo verwachſen ſie wieder an der Schnittfläche und bei oberflächlicher Betrachtung ſcheinen ſie dann in jedem Schwanzende nur unartikulirte Cylinder zu bilden; berührt dagegen der Spalt die Wirbel ganz wenig oder gar nicht, jo kann Lacepedes Ergebniß Beſtätigung finden, daß nämlich eins der beiden Schwanzenden vollſtändige Wirbel enthalte. Hierbei hat man ſich aber einer Beobachtung Leydig's zu erinnern. Wie dieſer Forſcher in ſeinen „Sauriern“ angiebt, hat er ſtatt der Schwanzwirbelſäule den Knorpelſtrang auch bei Exemplaren der Smaragd-, Mauer- und Wald-Eidechſe gefunden, „wo es ſich nach der Länge des Schwanzes, ſowie in Anbetracht der regel— mäßigen Beſchuppung und der Farbe nicht entfernt um einen wiedererzeugten Theil handeln konnte“; der Knorpelfaden, in einen zur Aufnahme des verlängerten Rückenmarkes dienenden Längskanal ausgehöhlt, war bei großen Thieren 2 bis 3 Zoll, alſo 5 bis 7,5 em lang. Es liegt daher der Gedanke nahe, daß bei manchen Exem— plaren die Wirbelſäule auch im urſprünglichen Schwanze nicht die vollſtändige Aus— bildung erreicht, ſondern ein ſolcher Knorpelſtrang deren Stelle vertreten kann. — Meine eigenen Wahrnehmungen haben mich gelehrt, daß aller Wahrſcheinlichkeit nach die meiſten Doppelſchwänze ihr Daſein dem Umſtande verdanken, daß der urſprüngliche Schwanz einmal angebrochen wurde, aus der Wunde ſeitlich ein neues Schwanzende hervorſproßte und dann aber auch das alte, angeknickte Stück ſtatt abzufallen wieder anwuchs. Auf eine „Furchung“ oder „Spaltung“ indeß deutet der Schwanz einer weiblichen Zaun-Eidechſe, welche vergangenen Sommer im getrockneten Zuſtande mir zugeſchickt wurde. Von ihrer, 125 mm betragenden Geſammtlänge beanſprucht der Schwanz, von der Wurzel an bis zum Ende der beiden Spitzen, nur 61 mm; in einer Entfernung von 22 mm hinter der Wurzel hat, wie der Augenſchein bekundet, eine Verwundung bezw. ein Bruch ſtattgehabt; von dieſem an läßt ſich die Gliederung Zweite Ordnung. Echſen. 95 in zwei Stücke verfolgen, allein dieſe ſind nicht von der Bruchſtelle ab vollſtändig getrennt, ſondern auf eine Länge von 14 mm längs ihrer Innenſeite zu einem, wie längsgefurcht erſcheinenden Stück noch zuſammengewachſen, ſodaß die beiden wirklich freien, von einander gänzlich geſchiedenen Schwanzſpitzen, deren linke ſtärker iſt und mehr geradeaus läuft als die rechte, blos je 25 mm lang ſind. Uebrigens ſieht man Eidechſen mit Doppelſchwänzen durchaus nicht ſo oft, als namentlich ältere Schrift— ſteller glauben machen wollen, und drei- oder gar vierſchwänzige ſind mir überhaupt noch nicht zu Geſicht gekommen. Indeß ſind einzelne Beiſpiele von Dreiſchwänzen bekannt: eine derartige Eidechſe zeigt der italieniſche Forſcher Redi i. J. 1684 an, und Eversmann berichtet 1858 [Bull. Moscou] über dreiſchwänzige Eidechſen, welche er in einer Sammlung in Algier ſah; wenn man aber bei Aldrovandi lieſt, daß er i. J. 1596 eine vierſchwänzige Eidechſe geſchenkt erhalten habe, jo kann man ſich eines gelinden Zweifels nicht erwehren, zumal derartige Angaben aus der neueren Zeit fehlen.“) Während die Molche auch die Beine und unter gewiſſen Bedingungen ſelbſt Stücke und Organe des Kopfes wiedererzeugen können, erſtreckt ſich das Regenerations— Vermögen bei den Eidechſen nur auf den Schwanz. Ein abgebrochener oder durch— geriſſener Fuß erſetzt ſich nicht wieder, ſondern verlängert ſich höchſtens in eine kurze, an das Schwanzende erinnernde Spitze und verräth dadurch allerdings wenigſtens die Neigung zur Ergänzung des verloren gegangenen Theils. Die in den vorſtehenden Worten ausgedrückte Erſcheinung iſt eine Thatſache, welche bereits von Tſchudi gefunden und nach dem wiederholt beſtätigt wurde. Im Mai 1879 kam eine Zaun-Eidechje in meinen Beſitz, welche von der rechten Hintergliednaße den Fuß nebſt dem anſtoßenden Theil des Unterſchenkels verloren hatte; an der Bruchſtelle zeigte ſich bereits eine grauliche Vorwölbung und bis zum September hin hatte ſich dieſe zu einem ½ em langen, nach unten ſpitz zulaufenden, aber immer noch weichen Gebilde entwickelt, welches denn auch auf dieſer Stufe der Ausgeſtaltung ſtehen blieb. In einem ent— ſprechenden Falle hat E. Egger den nacherzeugten ſchwanzähnlichen Beinſtummel nach dem Tode des Thieres genau unterſucht und darüber in den Arbeiten aus dem Zoologiſchen Inſtitut zu Würzburg [1887, Bd. VIII Heft 2, S. 201] berichtet. Der betreffenden Wald-Eidechſe fehlte etwa der halbe Unterſchenkel nebſt Fuß und an deſſen Stelle war eine über 6 mm lange Spitze getreten, welche äußerlich in doppelter Beziehung an ein Schwanzende erinnerte: einestheils durch ihre Form und andern theils durch die Bekleidung, indem letztere nicht wie bei den Beinen aus Schildern und Schuppen, ſondern wie beim Schwanze lediglich aus Schuppen, die den neuen Theil mehr oder minder regelmäßig in neun Ringreihen umgaben, beſtand. Die innere Unterſuchung des nachgewachſenen Stückes lehrte, daß die unteren Enden oder Epiphyſen von Schien- und Wadenbein miteinander verwachſen waren und dann ohne Weiteres in eine Knochenröhre übergingen, welche ſich gegen das freie Ende des Gebildes in einen ſoliden Knorpelſtab auszog, und daß der letztere wiederum an einer Stelle, die ſich äußerlich ſchon durch eine Knickung des Stummels zu erkennen gab, in drei verſchiedene, durch deutliche Gelenkflächen artikulirende Knorpelſtücke zerfiel. Jene Knickung erlitt das junge und noch weiche Glied einfach infolge der wiederholten Berührung mit dem Erdboden, als die Eidechſe ſich ſeiner als Stütze und zum Gehen bedienen wollte; ſie war ſomit nicht durch den inneren Bau der Neubildung, ſondern 10 eine rein äußere, mechaniſche Einwirkung herbeigeführt. Wir ſehen alſo, wie ) Auf zweiköpfige Eidechſen und Schlangen kommen wir ſpäter zu ſprechen. Nachwachſen der Beine? Empfindlichkeit (Gifte). Krankheiten. 96 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſelbſt in den günſtigſten Fällen von einer wirklichen Regeneration der Gliedmaßen unſerer Eidechſen nicht die Rede ſein kann, und wir werden um ſo weniger von einer ſolchen ſprechen, wenn wir bedenken, daß in anderen Fällen ſogar jene geringe Ver— längerung und Zuſpitzung des Beinſtumpfes unterbleibt. Die Thatſache, daß die Eidechſen äußere Verletzungen und Verſtümmelungen genannter Art leicht verwinden, darf uns nicht zu dem Schluß verleiten, als ob dieſe Reptilien ungewöhnlich zählebig ſeien. Sie ſtehen vielmehr hinſichtlich dieſes Punktes hinter Schlangen und noch mehr hinter Schildkröten zurück. Nicht nur, daß ſie, wie wir wiſſen (ſ. S. 77), in praller Hitze ſowohl wie bei niederer Temperatur ſich ſehr beeinträchtigt fühlen und dieſen Einflüſſen erliegen, es iſt dem Beobachter auch bekannt, wie ein unvorſichtiger Druck, eine geringe Quetſchung des Körpers (namentlich junger Thiere) unter Umſtänden den ſofortigen Tod der Eidechſen veranlaſſen kann und wie ſie nur zu oft während des Transports in Säckchen und Kiſten abſterben bezw. erſticken, indem die kleineren von größeren Exemplaren oder beide von den mit ihnen zuſammengebrachten Schlangen erdrückt werden. Ganz auffallend auch iſt ihre Empfindlichkeit gegen Gifte, vornehmlich gegen thieriſche. Den verhältnißmäßig unbedeutendſten Einfluß auf ſie ſcheinen die mineraliſchen Gifte zu haben; denn während nach den Verſuchen Tſchudi's der zwölfte Theil von einer ſtarken Doſis concentrirter Blauſäure eine Katze und der zwanzigſte Theil ſchon einen Adler tödtete, ließ die ganze Doſis längere Zeit keine Einwirkung auf Echſen ſpüren und erſt nach mehreren Stunden erfolgte der Tod der letzteren. Dieſelben Verhältniſſe ſollen bei Arſenik ec. ſtatthaben und pflanzliche Gifte, wie Strychnin, Nikotin (Tabaksſaft, Schnupf— tabak), Atropin (Tollkirſche) und Schierlingsaufguß, noch weit wirkſamer ſein als mineraliſche; nach einer Beobachtung H. Fiſcher-Sigwart's ſcheint „ſogar die Ein— wirkung von Strychnin durch die Haut eine ſehr heftige“ zu ſein. Die größte Empfindlichkeit jedoch legen die Eidechſen den thieriſchen Giften gegenüber an den Tag. Schon Laurenti, der Wiener Arzt und Herpetolog, ſtellte vor mehr als 100 Jahren über dieſen Punkt Verſuche an, welche Tſchudi wiederholte und größtentheils beſtätigt fand: ein Vipernbiß tödtet Eidechſen faſt augenblicklich; einige Zaun-Eidechſen, die genöthigt wurden, Tritonen zu beißen, oder von dem Forſcher den ätzenden Schleim dieſer Thiere ſowie den von Salamandern und Unken in den Gaumen eingeführt erhielten, bekamen Schwindel und Lähmungen und ſtarben immer; andere Eidechſen, welchen Tſchudi von der Abſonderung der Ohrdrüſen der grauen Krbte einimpfte, wurden ſogleich unwohl und ſtarben an Zuckungen binnen wenig Stunden. Da nähere Mittheilungen über Art und Wirkung dieſer thieriſchen Gifte bei Beſprechung der Amphibien geboten werden, dürfen wir es hier bei vorſtehenden Angaben bewenden laſſen. Daß aber anderſeits die Eidechſen wie die europäiſchen Echſen überhaupt ſelbſt keinerlei giftige, ſcharfe oder brennende Stoffe abſondern und ſomit kein Unheil anzurichten vermögen, kann nicht oft genug betont werden. Als verhältnißmäßig empfindliche Geſchöpfe bleiben die Eidechſen auch von Krankheiten nicht verſchont. Wie ich ſchon an anderem Orte, in Martin's „Praxis der Naturgeſchichte“, hervorzuheben Gelegenheit nahm, leiden die Thiere unter Umſtänden an Legenoth, Abzehrung, Verdauungsſtörungen, Pocken, Schmarotzer— krankheit und außerdem an Schnupfen — freilich und vornehmlich nur dann, wenn die loſen Kinder der Natur ihrem Freileben entrückt und an das Zimmer gefeſſelt worden, „von der Kultur beleckt“ ſind. Wenigſtens gilt dies hinſichtlich der erſtgenannten drei Uebel und ebenſo hinſichtlich des Katarrhs. Denn wenn im Juli manche im Terrarium gehaltene weibliche Eidechſen ſich zuweilen mehrere Tage lang quälen, ehe ſie das Zweite Ordnung. Echſen. 97 legereife Ei herausbringen, und wenn dies ihnen mitunter überhaupt nicht gelingt, ſo liegt dem Uebelſtande eine Schwäche der Thiere zu Grunde, welche in der Regel als eine Folge unzureichender Ernährung ſich darſtellt; man möge daher für zweckmäßige Behandlung und Verpflegung der Gefangenen Sorge tragen und ſolche Weibchen, welche im Juni, Juli friſch erbeutet, nicht ans Futter gehen wollen, lieber wieder ins Freie ſetzen, als ſie weiter einſperren. Fehlts den Käfigbewohnern an Licht und Sonne, an trockenem Sandboden und Unterſchlupf, an Badegelegenheit und entſprechender Koſt, ſo verliert ſich ihre Beweglichkeit und Freßluſt, ſie liegen träge, ſchläfrig da, werden matt und ſchlaff, die Körperhaut zeigt Längsfalten, die Häutung vollzieht ſich unregelmäßig oder unterbleibt ganz, die Thiere ſiechen dahin. Und ſelbſt wenn man, um dieſelben noch zu retten, den Behälter an einen hellen, ſonnigen Ort bringen wollte, man würde, ſobald ſich die verdächtigen Falten einmal gebildet haben, den Zweck doch ſchwerlich erreichen: die Verdauungswerkzeuge ſind infolge des anhaltenden Faſtens derart geſchwächt, daß ſie keine Nahrung (freiwillig wird ſolche übrigens nicht mehr aufgenommen) mehr zu verdauen im Stande ſind — die Eidechſen ſterben an Ab— zehrung und Entkräftung. Nach Bedriaga's Erfahrung kann ſich aber auch das Gegentheil ereignen, d. h. die Eidechſen, und insbeſondere gilt das von den ſchwarz— blauen Mauer⸗Eidechſen der Faraglioniblöcke, verzehren raſch hinter einander unmäßig viel von dem gereichten Futter (Mehlwürmer) und gehen daran zu Grunde; denn wie die Vielfraße ſich nach der üppigen Mahlzeit nicht mehr zu rühren vermögen, ſo unmöglich iſt es auch den Organen der Verdauung, die ihnen in unnatürlicher Weiſe aufgezwungenen Nahrungsmengen bewältigen zu können. Ganz anderer Art ſind zwei weitere Krankheitsformen. Dieſem oder jenem Pfleger werden vielleicht an gewiſſen, aus ſüdlichen Strichen ſtammenden Eidechſen, nachdem ſie bei uns der Ein— wirkung kühler oder feuchter Witterung ausgeſetzt waren, die Anzeichen einer Ent— zündung der Naſenſchleimhaut aufgefallen ſein, indem ſich die Naſenlöcher (und Kehle) mit flüſſiger Abſonderung mehr oder minder erfüllt oder gar verſtopft zeigten. Nach der Angabe Bedriaga's ſoll mehr als ihre Verwandten die ſchwarz— blaue Faraglione-Eidechſe empfindlich gegen Kälte und Temperaturwechſel ſein und nicht nur erſt im deutſchen Klima, ſondern ſchon in den kalt-feuchten Zimmern Italiens von Schnupfen heimgeſucht werden, welcher ſich denn auch in einem Nieſen oder Huſten äußere. Unter zuſagenden Verhältniſſen bezw. nach geſchehener Akklimatiſation ſchwindet die katarrhaliſche Affektion der Naſenſchleimhaut, in anderem Falle kann der Schnupfen chroniſch werden. Hierher iſt dann wohl auch die Krankheit zu ſtellen, über welche Tſchudi bereits vor 55 Jahren berichtet. Der Forſcher erbeutete einige Zaun⸗Eidechſen, die ihm mit dem Rotz behaftet ſchienen: es zeigte ſich um die Naſenlöcher eine ſcharfe, zähe, klebrige weißlichbraune Flüſſigkeit, die fortwährend in ſehr geringer Menge aus der Naſe floß; die Thiere waren träge und ſchlaff und zogen ſich immer in entfernte Ecken des ihnen angewieſenen Behälters zurück, wo ſie ſich mit geſchloſſenen Augen ganz ſtill verhielten, ſie fraßen nichts, tranken häufig und ſtarben nach einigen Tagen; zwei andere, in demſelben Gefäße untergebrachte Eidechſen, die früher ganz munter waren, wurden offenbar von den hinzugeſetzten Kranken angeſteckt, denn ſie gingen in kurzer Zeit am gleichen Uebel ein; die von dem Leiden befallenen, namentlich aber die demſelben erlegenen Stücke verbreiteten einen höchſt unangenehmen ſüßlichen Geruch, ſodaß kein Thier mehr in dem betreffenden Gefäße ſich wohl befand, bevor das letztere nicht wiederholter Reinigung unterzogen worden war. Tſchudi ſcheint in der Beſchaffenheit des Aufenthaltes jener geſammelten Exemplare die Urſache der Krankheit ſehen zu wollen, da er am Schluß ſeiner 7 Schmarotzer. Feinde. 98 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Mittheilung ausdrücklich ſagt: „Zu bemerken iſt, daß ich dieſe Eidechſen in einer Erdhöhle auf ‚torfigem Boden‘ fand“; und in der That wird man einem Aufenthalt der Zaun-Eidechſen auf torfigem, alſo feuchtem, kalten Boden einen nachtheiligen Einfluß auf die Geſundheit dieſer an trockenen, warmen, ſonnigen Wohnplatz gewöhnten Eidechſen-Art zugeſtehen und zuſchreiben müſſen. Während ich die letzt— erwähnte böſe Krankheitsform noch nicht kennen gelernt habe, konnte ich neuerdings an Eidechſen ein Hautübel beobachten, einen Ausſchlag, der wohl mit demjenigen, deſſen Verlauf ich früher ſchon bei Schlangen verfolgte, übereinſtimmt oder doch ihm zu vergleichen iſt. Man hat dieſen Ausſchlag der Eidechſen „Pocken“ genannt. Er kennzeichnet ſich durch Erhöhungen, Knoten, Auswüchſe, welche vornehmlich auf den Gliedmaßen, den Seiten des Rumpfes und der Schnauze auftreten und ſich ſchließlich als geſchwürartige, eiterige Gebilde (Puſteln) darſtellen. Werden dieſe Knoten im richtigen Zeitpunkt, d. h. wenn ſie reif ſind, mittelſt der Fingernägel raſch abgeriſſen, die Wunden mit einer ſchwachen Arnika-Tinktur benetzt und auf ſie dann ein Stückchen engliſches Pflaſter geklebt, ſo wird man meiſtens einen Erfolg dieſes Heilverfahrens wahrnehmen; indeß hängt derſelbe doch ganz von dem zur Operation gewählten Augenblick ab, und iſt dieſer und die Kur überhaupt betreffs der auf den Beinen entſtandenen Auswüchſe verſäumt worden, fo faulen nach den Erfahrungen Bedriaga's, der das erwähnte Mittel zuerſt angab, gewöhnlich die Gliedmaßen ab. Der Aus— ſchlag in der Wangengegend und auf der Schnauzenſpitze ſoll zwar unheilbar, aber nicht tödtlich ſein, allein er kann ſich weiter verbreiten und ſomit mehrfache Gefahren in ſich bergen. Glücklicherweiſe kommen die „Pocken“ ſelten vor, aber man wird, glaube ich, auch dieſe ſeltenen Fälle abzuwenden vermögen, wenn man ſtets auf geeignete Behandlung der Thiere und vor allem auch auf richtige Hautpflege derſelben Bedacht nimmt: man ſorge für Gelegenheit zum Baden und bade namentlich werth— volle Stücke, falls ſie es nicht aus eigenem Antriebe thun, wöchentlich ein- oder zweimal in lauwarmem Waſſer. Während die freilebenden Eidechſen nur ſelten, ja nur ausnahmsweiſe von Krankheiten heimgeſucht werden, haben ſie verhältnißmäßig häufig unter einem läſtigen Schmarotzer, der Eidechſen-Zecke (Ixodes lacertae), zu leiden. Dieſer unwill— kommene Gaſt niſtet ſich hauptſächlich in der Haut der Rumpfſeiten, beſonders hinter der Einlenkungsſtelle der Vorderfüße, dann auch am Halſe und ſogar auf dem Trommelfell ein. Die Zahl der auf einem Wirthe lebenden Paraſiten ſchwankt, wie ich denn z. B. bei einer Zaun-Eidechſe an der einen Flanke ſieben, an der andern vier, und bei einer tiroliſchen Mauer-Eidechſe unter der linken Schulter acht, unter der rechten nur ein Stück zählte. Die letztere Spezies ſcheint, nach Tſchudi's, Leydig's und eigenen Wahrnehmungen, am häufigſten von der Zecke geplagt zu werden. Dieſe lebt vom Blute ihrer Gaſtfreunde und vermag auch Hautentzündungen hervorzurufen; man ſieht daher die gequälten Eidechſen oft ſich mit den Füßen kratzen oder den Kopf an Geſtein, Wurzeln und Moos reiben. Um den Schmarotzern den Zugang ins Terrarium zu verlegen, unterſuche man neu ankommende Eidechſen vorm Einſetzen und entferne die etwa mitanlangenden Zecken; nöthigenfalls wende man Perubalſam an. Mögen die Zecken die Eidechſen immerhin auch beläſtigen, ſo dürfen doch die kleinen Quälgeiſter nicht in eine Reihe geſtellt werden mit den eigentlichen Feinden dieſer Reptilien. Abgeſehen vom Menſchen, der, wie weiter vorn ſchon beſprochen wurde, heut noch nur zu häufig ein ſeiner nicht würdiges Verhalten den harmloſen Geſchöpfen gegenüber an den Tag legt, haben dieſelben auch unter den Nachſtellungen verſchiedener größerer Thiere zu leiden. Nicht blos Säugethiere und Vögel, wie Zweite Ordnung. Echſen. 99 Iltis, Marder, Falken, Buſſarde, Störche u. a., ſind es, welche die beſchuppten Vier— füßler in ihren Magen befördern, ſondern auch gewiſſe Schlangen und ſtärkere Ge— noſſen der eigenen Art begehren ſie zur Beute. Einige Nattern, unter den heimiſchen ganz beſonders die Schling- und ſodann die Aeskulap- Natter, find geradezu als die Todfeinde der kleineren Eidechſen zu bezeichnen. Wenn die letzteren im Allgemeinen ſchon jedem größeren Weſen, von deſſen Gutmüthigkeit fie ſich noch nicht überzeugen konnten, mit Scheu und Vorſicht begegnen, ſo gilt dies im hervorragendſten Grade im Verkehr mit den Schlangen. Das Erſcheinen einer Schlange nun gar, die ſie als ihnen gefährlich kennen gelernt haben, flößt ihnen wahres Entſetzen ein, das in tollſten Fluchtverſuchen und verzweifelten Sprüngen oder anderſeits in einem ein— förmigen Anſtarren ſeinen Ausdruck findet; in letzterem Falle, wenn ihnen die Ent— rinnungsverſuche nicht gelingen, bleiben ſie, das Auge auf die Feindin geheftet, unbeweglich, indeß von lebhafteſter Aufregung erfüllt, auf einem Orte ſitzen — „gebannt“, wie man vordem zu ſagen pflegte. Derartige Szenen entrollen ſich vor den Augen des Pflegers, der in ein mit Eidechſen bevölkertes Glashaus unvermuthet vielleicht eine der obengenannten Nattern ſetzte; und der Sturm legt ſich wohl etwas, falls die Gegnerin die Eidechſen unbehelligt läßt, jedoch erſcheint ihnen Vorſicht und Mißtrauen ſtändig geboten und bei einer verdächtigen Bewegung der Natter greift doch ſofort wieder die alte Unruhe Platz oder es bricht der beſänftigte Aufruhr aufs neue los. Ganz anders ihr Gebahren einer Ringel-, einer Würfelnatter gegenüber, deren Harmloſigkeit ſie erfahren, deren Erſcheinung ſie ſich ebenſo feſt eingeprägt haben! Bei ihrem Anblick verrathen ſie nicht die mindeſte Furcht, in ſchönſter Ein— tracht leben ſie mit dieſen Molch-, Froſch- und Fiſchfreſſern zuſammen, in bunter Reihe neben- und aufeinander gelagert geben ſich beide dem Behagen, das die Strahlen der Sonne in ihnen hervorrufen, in ſüßer Beſchaulichkeit hin. Aus der Zahl unſerer vaterländiſchen Eidechſen fallen den feindlichen Schlangen alle Arten zum Opfer; doch leiſten größere Smaragd⸗Eidechſen wenigſtens der Schlingnatter, und nicht ſelten mit Erfolg, Widerſtand, ſodaß dieſe in der Regel erſt dann die ſtattlichen grünen Eidechſen angeht, nachdem die kleinen Genoſſen verzehrt ſind. Junge, zarte Eidechſen erſcheinen zuweilen aber auch den erwachſenen und ſtarken Art⸗ und Gattungs⸗Verwandten als willkommene Beute. Wenigſtens trifft dies, wie durch eigene und fremde Beobachtungen erhärtet und auf Seite 89 angedeutet worden, in dem Falle zu, daß Eidechſen verſchiedener Spezies und Größe auf beſchränktem Raum, alſo im Terrarium, zuſammen wohnen. Freilebende hingegen führen, da ſich ihnen zuſagende Nahrung in mancherlei Form und reichlicher Gabe bietet, derartige Räubereien blos in ſeltenen Fällen aus, und man wird ſolche Ver— gehen an dem eigenen Geſchlecht den Wald- und Mauer-Eidechſen überhaupt nicht, ſondern nur Smaragd- und vielleicht noch alten, großen Zaun-Eidechſen zur Laſt legen dürfen. Die erſtgenannten beiden Arten ſind bei ihrer geringen Größe, ihrem engen Rachen und unbedeutenden Schlingvermögen nicht im Stande, junge Eidechſen hinabzuwürgen, während ihnen dies mit den wurmförmigen kleinen Blindſchleichen eher gelingen mag. Große Zaun- und Smaragd-Eidechſen indeß haben eine beträchtliche Kraft in ihren Kinnladen und vermögen daher die ergriffenen Thiere zuſammenzu— quetſchen, mund- und ſchlundgerecht zu machen; und es kommt deshalb vor, daß ganz große hungerige Smaragd-Eidechſen nicht nur friſch geborene Junge ihrer Art, ſondern auch ältere Stücke ihrer Verwandten ſowie Blindſchleichen, kleine Nattern und unter Umſtänden ſogar nackte Junge von Mäuſen und kleinen Vögeln verzehren, wogegen es anderſeits auch geſchieht, daß dieſe Eidechſen-Art ſolche Genoſſen, die ihr 7 * Ernährung. Futterthtere. 100 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. zum Verſpeiſen zu groß erſcheinen, am Schwanze packt und ſie ſo lange ſchüttelt, bis der letztere abbricht und nun verſchlungen werden kann. Die kleinen Eidechſen werden von ihren Ueberwältigern gewöhnlich gleich ſo mit den Kinnladen und Zähnen erfaßt, daß der Vorderkörper nebſt den Vorderfüßen in ſeiner Thätigkeit lahm gelegt wird, dann ein- oder mehrmals unter kauenden Bewegungen der Kiefer durchs Maul gezogen und ſchließlich mit dem Kopfe voran verſchluckt. Kleinere Beutethiere rutſchen ver— hältnißmäßig raſch und leicht hinab. Sind die Stücke jedoch dicker, umfangreicher, ſo macht das Verſchlingen derſelben den Eidechſen Mühe, da ihre Kiefernknochen nicht verſchiebbar, wie bei den Schlangen, ſondern die beiden Unterkiefer-Aeſte am Kinn feſt und unbeweglich miteinander verbunden ſind bezw. die Mundhöhle nicht erweiterungs— fähig iſt. Dazu kommt, daß die kauenden Bewegungen der Kinnladen kein wirkliches Kauen, d. h. Zerkleinern und Einſpeicheln des „Biſſens“, bedeuten, ſondern nur die Folge haben, daß die aufgenommene Beute zuſammengepreßt und in eine zum mög— lichſt bequemen Verſchlucken nöthige Lage gebracht werde. Da ferner hartſchalige Dinge dem Druck der Kiefern und Zähne einen merklicheren Widerſtand leiſten als weichhäutige, ſo erklärt es ſich wiederum von ſelbſt, wenn die Eidechſen weicheren Kerbthieren den Vorzug geben vor den durch harten Chitinpanzer geſchützten Käfern. Haben ſie aber einen ſolchen ergriffen, ſo mühen ſie ſich, indem ſie mit dem Kopfe hin⸗ und herſchleudern und mit den Vorderfüßen nachzuhelfen ſuchen, oft ſichtlich ab, die Flügeldecken des Gefangenen abzubrechen, um den Hinterleib ohne die erſteren in ihren Rachen zu bekommen; auch iſt es ſelbſt großen Smaragd-Eidechſen erwünſchter, wenn ihnen gehäuſeloſe Schnecken geboten werden, als wenn ihnen zugemuthet wird, das Gehäuſe zertrümmern bezw. das Weichthier aus dieſem herausholen zu müſſen. Die dünnhäutigen Flügel der Schmetterlinge u. a. hingegen verurſachen den Eidechſen keine Kümmerniß, ſie fallen bei den kauenden Bewegungen der Kinnladen von ſelber, wie abgeſchnitten, zu Boden. Außer hartſchaligen Käfern werden auch größere Kerb— thiere überhaupt (Grillen, Heuſchrecken) und Regenwürmer nach dem Erfaſſen in der Regel heftig geſchüttelt: letztere, um ſie zu zertheilen oder ſie von den anhaftenden Erdreſten zu ſäubern, erſtere, um ſie zu betäuben; und dabei geſchieht es ab und zu, daß ſie die Beute, je nach Größe und Beſchaffenheit derſelben, mal fallen laſſen und ſie betrachten, um ſie dann von neuem zu packen. Im Allgemeinen darf man annehmen, daß Eidechſen dann, wenn ſie die Aus— wahl haben, weiche, leicht zertheilbare, kleine und dünne Biſſen harten, zähen und umfangreichen Stücken vorziehen; denn das Bewältigen und Verſchlingen der letzteren erfordert Anſtrengungen und nimmt ihre Kräfte zu ſehr in Anſpruch. Was Wunder, daß daher ſelbſt großen Thieren ein abgeriſſener oder ein abgebrochener, noch lebhaft ſich bewegender Eidechſen-Schwanz unter Umſtänden eine willkommenere Beute iſt als die Trägerin deſſelben! Doch dienen ſolche Dinge nur ausnahmsweiſe zur Beköſtigung. Vielmehr beſteht die natürliche, die eigentliche Nahrung unſerer deutſchen Eidechſen in lebenden Kerbthieren und Gewürm. Am liebſten nehmen ſie weichere Inſekten: Heuſchrecken (Grashüpfer, Sprengſel), Grillen, Schmetterlinge, nackte Raupen, Fliegen und Käferlarven. Die letzteren ſind ihnen erwünſchter als die Käfer ſelbſt, ja ohne die Larve des Mehlkäfers (Tenebrio molitor, L.), den „Mehlwurm“, würde der Lieb— haber gefangener Eidechſen gar nicht auskommen, denn ſie bildet für ſeine Pfleglinge begehrliche Leckerbiſſen, zum Theil ſogar die ausſchließliche Koſt; dagegen werden anderſeits gewiſſe Käfer-Arten, fo aus den Familien der Bock-, Blaſen- und Blatt- käfer, völlig gemieden, während fie z. B. die Junikäfer (Rhizotrogus solstitialis, L.) ab und zu ganz gern nehmen. Die oben aufgeführten Inſekten theilen mit den Eidechſen den Zweite Ordnung. Echſen. 101 Aufenthalt: jene wie dieſe bewohnen und beleben trockene, ſonnige Abhänge, Wald— ſäume, Feldraine, Wieſenränder, unſere kleinen Freunde lernen daher auch das Benehmen der verſchiedenen Kerfe kennen und wiſſen wohl, daß ſie ſich eine Raupe ruhig noch betrachten können, ehe ſie dieſelbe zu ergreifen brauchen, daß aber z. B. eine Heuſchrecke ſchon bei ihrer Annäherung mit mächtigem Satz das Weite ſucht; fie folgen daher den Bewegungen eines gemächlich dahinkriechenden und =laufenden Thieres, einer Raupe, Larve, Spinne, eines Wurmes oder Käfers, gern eine Zeitlang mit den aufmerkſam blickenden Augen, ehe der nahezu ſenkrecht erhobene Kopf raſchen Stoßes niederfährt, um die Beute in die Gewalt der Kinnladen zu bringen, wogegen die Jägerin, die vielleicht eine Heuſchrecke „aufs Korn“ genommen hat, vorſichtig bis auf gewiſſe Diſtanz ſich heranſchleicht, um nun mit kühnem Sprunge das Wild zu überrumpeln. Regenwürmer ſtehen nicht auf dem ſtändigen, dem Jahreslaufe der Natur angepaßten Speiſezettel der Eidechſen, da ſie nur des Nachts und bei naſſer Witterung an die Oberfläche der Erde kommen, die Eidechſen zu ſolcher Zeit ſich aber gerade verborgen halten; blos die an feuchten Oertlichkeiten hauſende Wald-Eidechſe lernt das Gewürm mehr kennen. Man findet daher die Neigung für Regenwürmer bei den Eidechſen in verſchiedenem Grade ausgeprägt: obzwar ſie ſich in der Gefangenſchaft an ſolche Futterthiere gewöhnen, verzehren doch durchaus nicht alle Exemplare dieſelben mit ſichtlicher Vorliebe, im Gegentheil greifen viele bei geeigneter Auswahl weit eher zu anderer Nahrung, und gar manche haben überhaupt die Regenwürmer ſchon nach kurzer Friſt gänzlich überdrüſſig — wie man denn nicht vergeſſen muß, daß auch bei den Eidechſen das alte Wort „De gustibus non est disputandum“ Geltung behält, indem dieſelben mancherlei Abweichungen im Geſchmack offenbaren. Da ihnen durch— gängig kleinere Biſſen gelegener ſcheinen als große, ſo ſind ihnen kleine Regenwürmer erwünſchter als lange, und ſie ſchreiten deshalb dann, wenn ihnen die Größe eines Wurmes unbequem wird, oft dazu, den letzteren, nachdem ſie das eine Ende kauend verſchlungen haben, durchzubeißen, um nach einer kleinen Pauſe auch den Reſt auf— zunehmen und zu verſpeiſen (vergl. S. 100). Raſch iſt der Wurm zerſtückt, ſobald zwei oder drei Eidechſen Appetit auf ihn verſpüren: die eine packt ihn hier, die andere dort, jede zerrt an ihrem Theil und bald hat der Annelide mehreren unſerer beſchuppten Vierfüßler zur Befriedigung ihrer Gelüſte gedient. Während ſie glatte Raupen ſehr gern nehmen, verſchmähen ſie behaarte gänzlich, und ſollten ſie eine ſolche mal gefaßt haben, ſo wird ſie ſchleunigſt wieder losgelaſſen. Aſſeln lernen ſie im Zwinger leicht kennen und würdigen; Spinnen werden auch begehrt. Hingegen dienen Schnecken ihnen jedenfalls nur als Nothbehelf. Daß kleinere Eidechſen an Schnecken, ſpeziell an Gehäuſeſchnecken gehen, habe ich überhaupt noch nicht beobachtet, aber auch größere treten nur bei Hunger und nach Ueberwindung eines gewiſſen Widerſtrebens, um nicht zu jagen: Ekels, an fie heran“), denn der Schleim, welchen die beläftigten Weichthiere abſondern, iſt ihnen zuwider. Häufig genug kann man bemerken, wie eine Eidechſe die (vielleicht zum erſten Mal) ergriffene Schnecke ſchnell wieder freigiebt und ſich dann lebhaft das Maul an Moos oder Gekräut abwiſcht. Doch iſt auch hier ſchließlich „Hunger der beſte Koch“, und die Eidechſen nehmen unter ſolchen Umſtänden nicht nur kleine Nacktſchnecken (Limaciden), ſondern machen ſich auch daran, durch Zerren und Reißen den aus der Schale hervorſtehenden Kopftheil von Gehäuſeſchnecken, z. B. Schnirkelſchnecken (Helicidae), abzutrennen, um ihn zu verzehren. Da nun der im *) Bei ſüdeuropäiſchen Eidechſen mag dies möglicher Weiſe anders ſein; wenigſtens giebt der alte römiſche Schriftſteller Plinius an, daß die Eidechſen beſonders den Schnecken nachſtellen ſollen. Andere Futter: ſtoffe. 102 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Gehäuſe verborgene Rumpf oder Eingeweideſack weicher, zarter iſt als der hervor— tretende, muskulöſe Fuß und der Kopf, ſo kommt es den Eidechſen doppelt gelegen, wenn das Gehäuſe zertrümmert wurde. In der Regel genießt die Eidechſe nur kleine Thiere und zwar lebende. Indeß geſchieht es auch, wie bereits auf Seite 82 beſprochen wurde, daß erfahrene Lacerten todte Kerbthiere und Würmer, die ſie in dieſem Zuſtande gleichfalls zu erkennen und zu ſchätzen wiſſen, als Nahrung an- und aufnehmen, und man kann daher im Zwinger gehaltene Eidechſen verſchiedener Arten an friſche und getrocknete Ameiſenpuppen, die ſogenannten Ameiſen-Eier, ſowie an gedörrte Regenwürmer und Raupenpuppen, an zerſchnittene Schnecken und ſelbſt an rohes Fleiſch gewöhnen. Freilich gelingt dies nicht immer ſo leicht und bei manchen überhaupt nicht, und oft muß man eine gewiſſe Liſt anwenden, um die Thiere zur Annahme lebloſer Nahrung, 3. B. Streifen rohen Fleiſches, zu veranlaſſen, indem man entweder das Fleiſch— ſtückchen vor den Augen der Eidechſen bewegt oder daſſelbe auf eine Nadel ſpießt und durch einen obenauf geſteckten Mehlwurm verdeckt; immerhin wird man in ſolchen Fällen nur dann baldigen und wirklichen Erfolg ſehen, wenn die Thiere bereits zahm und mit dem Pfleger vertraut ſind. Der von Brehm hingeſtellten Behauptung, daß Eidechſen „namentlich auch Eier von Kriechthieren verſchlingen“, muß jedoch ent— ſchieden widerſprochen werden, wenigſtens inſoweit es die heimiſchen Arten betrifft. Brehm ſelbſt hat ja eine derartige Beobachtung auch gar nicht gemacht, ſondern nur eine ſolche des Montpellierer Zoologen Ant. Duges, welcher ſeine gefangenen Perl— Eidechſen kleinere Eidechſen- und Nattern-Eier „mit einiger Schwierigkeit“ verſchlucken, größere aber zerbrechen und deren Inhalt dann wie andere Flüſſigkeit auflecken ſah, verallgemeinert. Daß hingegen nicht nur Perl-Eidechſen, ſondern die Lacerten im Allgemeinen gern rohes Eigelb bezw. den Inhalt geöffneter Reptilien- ſowie Vogel— Eier auflecken, iſt bekannt und von uns bereits auf Seite 64 erwähnt worden. Ebenſo bot ſich dort und an anderem Orte (S. 82 und 84) ſchon Gelegenheit, der Vorliebe gewiſſer Eidechſen für ſüße Früchte: friſche Feigen, Melonen und Beeren, zu gedenken. Dieſe Vorliebe entſpricht indeß weniger einer Neigung für das Frucht— fleiſch, als vielmehr der für ſüße Fruchtſäfte, was man auch aus dem Umſtande ſchließen darf, daß Lacerten, und gleicherweiſe Geckonen u. a., mit dem „ausgeſprochenſten Behagen“ angefeuchtete Honigſtückchen und Zucker belecken. Bei den deutſchen Eidechſen findet man dieſe Eigenthümlichkeit allerdings nur in geringem Grade ausgeprägt, und während manche derſelben wenigſtens kleine Stückchen ſüßer Birne, Pflaume oder Kirſche, die man ihnen in das geöffnete Maul ſchiebt, verſchlucken, wollen andere überhaupt nichts davon wiſſen. Dagegen freſſen die aus ſüdlichen Strichen ſtammenden Smaragd- und Mauer-Eidechſen (von letzteren vornehmlich einige Varietäten) gleich den mittelmeerländiſchen Perl-Eidechſen u. a. Früchte und Beeren, inſonderheit friſche Feigen, ſüße Birnen- und Apfelſchnitte, Kirſchen und Pflaumen, Pfirſiche und Aprikoſen, Stücke recht reifer Tomaten (vergl. S. 87), ſüße Weinbeeren und Roſinen, ſehr gern, ja zuweilen ziehen einzelne Exemplare dieſe pflanzlichen Stoffe ſogar der Inſekten— und Fleiſchkoſt vor, und auf Madeira thun, laut Bekundung des Herrn W. Hartwig— Berlin, die dortigen Eidechſen (Lacerta Dugesii, M. Edw.) der Weinernte faſt ebenſoviel Abbruch wie die Ratten. Unſere einheimiſchen Eidechſen ſind und bleiben daher, indem das Belecken des bloßgelegten Inhalts ſüßer Früchte oder von Honig doch nur eine Näſcherei bedeutet oder auch zum Löſchen des Durſtes dienen mag, Raubthiere und zwar ausgeſprochene Kerbthierjäger (Insectivora), weniger eigentliche Fleiſchfreſſer; die ſüdeuropäiſchen Formen, Varietäten und Arten jedoch können in Zweite Ordnung. Echſen. 103 größerem oder geringerem Maaße zu wirklichen Fruchtfreſſern (Frugivora) werden, obſchon auch ſie nicht den eigentlichen Pflanzenfreſſern oder Phytophagen (Herbivora) unter den Sauriern — welche, jo die Leguane und die Wirtelſchwänze (Cyclura) Süd⸗ und Mittel-Amerikas, die altweltlichen Schleuderſchwanz-Arten (Uromastix) und die Höckerköpfe (Amblyrhynchus und Conolophus) der Galapagos-Inſeln, außer Früchten auch Blätter, Halme, Blumen verzehren — zugezählt werden dürfen. Die Eidechſen ſind Reptilien und als ſolche im Stande, eine Zeitlang zu hungern. Aber ſie vermögen es darin, bei ihrer zarteren Anlage und ihrer größeren Empfindlichkeit, doch nicht den Schlangen und Schildkröten gleichzuthun. Hat eine Schlange ſich einmal wirklich geſättigt, ſo kann ſie — ſelbſtverſtändlich ganz abgeſehen vom etwaigen Winterſchlaf — unbeſchadet ihrer Geſundheit monate— lang faſten, wie denn z. B. eine am 6. September 1880 im Berliner Aquarium angelangte Waſſer-Rieſenſchlange oder Anakonda (Boa murina, L.) dortſelbſt ſogar mehr als 17 Monate faſtete, indem ſie erſt am 9. Februar 1882, nachdem ſie bis dahin Kaninchen, Eichhörnchen und Mäuſe unbeachtet gelaſſen, wieder Nahrung, nämlich eine Taube, zu ſich nahm. Eine im Zuſtand des Wachens verbleibende Eidechſe hingegen würde kaum den fünften oder ſechſten Theil einer derartigen Leiſtung vollbringen können; ſie würde wohl einige wenige Monate hungern, aber dabei in ihrem Wohlbefinden ſo benachtheiligt und in den der Aufnahme und Verdauung der Nahrung dienenden Organen ſo geſchwächt werden, daß die letzteren dann ihre natürliche Aufgabe nicht mehr zu erfüllen vermöchten. Man merkt dem Thier das Unbehagen, den Verfall der Kräfte leicht an: es ſitzt Stunden und halbe Tage lang mit geſchloſſenen Augen auf einer und derſelben Stelle, die Bewegungen ſind ſchleppend und gezwungen, die ſonſt ſo glatte und ſchmucke Körperhaut wird faltig und miß— farbig, die Häutungen unterbleiben. Eine Eidechſe zur Frühjahrs- und Sommerzeit hat ſozuſagen immer Appetit, und wenn ſie es einerſeits nicht liebt, auf einmal unmäßig viel zu verzehren und ſich dadurch in ihrer Beweglichkeit und Behendigkeit zu hemmen, ſo läßt ſie ſich doch anderſeits auch nach beendetem Mahle keine ihr als beſonders leckerer Biſſen oder als Näſcherei erſcheinende Beute entgehen. Nur bei feuchter und kühler Witterung und einige Tage vor Beginn der Häutung ver— mindert ſich oder ſchwindet die Freßluſt. Um ſo mehr aber kommt dieſelbe mit ſteigender Temperatur und mit Beendigung des Häutungsvorganges zur Geltung; an heißen, ſchwülen, die Lebensthätigkeit erhöhenden und demgemäß den Stoffwechſel fördernden Sommertagen verbrauchen ſie, nachdem die in waſſerarmen Gegenden lebenden Thau geleckt und vielleicht auch ein Thaubad genommen und dann gleich den anderen ſich breit in die Sonne gelegt hatten, das Doppelte, das Dreifache oder eine noch bedeutendere Ration als im Herbſt und bei unfreundlichen Frühlingstagen ꝛc. (S. 77), und friſch gehäutete große Thiere räubern und morden zuweilen mit einem förmlichen Heiß— hunger Alles, was ſie nur irgend zu bewältigen vermögen. Wie unter ſolchen Um— ſtänden, ſo kann die Freßluſt größerer, geſättigter Stücke und Spezies auch in dem Falle in Mordluſt ausarten, daß ihnen etwa eine große Heuſchrecke, eine Maulwurfs— grille, ein brummender Maikäfer oder ein anderes derartiges, lebhaft ſich geberdendes Inſekt in den Weg kommt: obſchon ſie keinen Hunger verſpüren, ſtürzen ſie ſich doch auf das ihnen ſonſt zur Nahrung dienende Kerbthier, das ſie durch ſeinen munteren und raſchen Sprung und Lauf oder durch ſein Gebrumm aufregt und reizt, ſchütteln und würgen es ab, um es nun liegen zu laſſen. Beſonderen Appetit zeigen übrigens auch die weiblichen Eidechſen, wenn die Paarungszeit vorüber iſt und in ihnen die Frucht ſich zu entwickeln beginnt, ſowie diejenigen Exemplare, deren vordem abgebrochener Freßluſt. Trunk und Bad. 104 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Schwanz im Nachwachſen begriffen iſt. Im Eifer, die Freßluſt zu befriedigen, reißen ſie ſich auch wohl gegenſeitig die Beute aus den Kiefern oder es zerren mehrere gleichzeitig an einem fetten Biſſen. Sobald derſelbe in den Magen befördert worden, belecken ſie gewöhnlich mit der Zunge Maul- und Wangengegend — ähnlich „wie eine Katze“, welche Milch geſchlappt hat. Bei regelmäßiger Fütterung verzehrt eine geſunde, kräftige Zaun-Eidechſe im Zwinger durchſchnittlich etwa fünf Mehl- würmer oder ein entſprechendes Maaß anderer Nahrung täglich, eine ſtarke Smaragd— Eidechſe vielleicht das Doppelte, die kleinen Thiere und Arten dem Verhältniß gemäß weniger. Im Freien aber, bei ungehinderter Bewegung und daher regerer Freßluſt, wird eine Eidechſe noch mehr Kerbthiere, Larven und Gewürm vertilgen und daraus ergiebt ſich ihr Nutzen für den Haushalt der Natur und die Land— wirthſchaft insbeſondere. Trotzdem die Eidechſen, mit Ausnahme der Wald-Eidechſe (Seite 76), trockenen Boden und trockene Luft lieben und thau- und regennaſſen Grund meiden, ſo können ſie doch einer gewiſſen Feuchtigkeit nicht entbehren. Denn ſie wollen nicht nur trinken, ſondern auch baden. In der Freiheit ſuchen ſie daher zu dem einen wie zu dem anderen Zwecke das in größerer oder geringerer Nähe ihres Wohnplatzes befindliche Waſſer, mag es eine Quelle, ein Rinnſal, ein Straßengraben oder Altwaſſer ſein, auf, um ihren Durſt zu löſchen, ihren Körper durch ein Bad zu erfriſchen und damit auch die Thätigkeit und den Wechſel der Haut zu fördern. In Ermangelung von Wäſſern lecken ſie des Morgens die Thautropfen von Halm und Blatt und benetzen ſich nach Bedarf auch völlig im thaunaſſen Gras und Moos, um ſich dann von den Strahlen der höher ſteigenden Sonne trocknen und erwärmen zu laſſen. Aber im ſüdlichen Europa leben Mauer- und Smaragd-Eidechjen auch in Landſtrichen und auf kleinen Inſeln, wo Gewäſſer gänzlich fehlen, monatelang kein Tropfen Regen fällt und während des heißen Sommers der Thau ebenfalls gleich Null iſt: die Thiere müßten dort viel Durſt leiden oder dieſem ſogar erliegen, könnten ſie ſich nicht an dem Safte ſüßer Früchte laben, die ihnen, wie ſchon oben erwähnt wurde, „außer der Erquickung noch Nahrungsſtoffe zuführen“. Daß die Eidechſen in der Gefangenſchaft, namentlich vor und unmittelbar nach der Häutung, gleicherweiſe baden wie in der Freiheit, ja mitunter viertel- und halbe Stunden lang ganz oder theilweiſe im Waſſer liegen und die Wald-Eidechſe gern am und im künſtlichen Sumpf oder auf dem beſprengten Moospolſter ſich aufhält, wird jeder Pfleger erfahren haben; ebenſo kann er beobachten, wie die Thiere die an Glasſcheiben und Pflanzen des Terrarium hängenden Tropfen wegnehmen oder am Waſſergefäß den Durſt ſtillen. Das Trinken geſchieht nach Hundeart, alſo leckend (ſchlappend), durch wiederholtes Eintauchen der dabei vorn ſich verbreiternden Zunge; jedoch erfolgt das Vorſtrecken (Herausſchlagen) und Zurückziehen der letzteren nicht ſo haſtig als bei den Hunden, ſondern langſam und ruhig, auch wird nur die untere Fläche derſelben in die Flüſſigkeit getaucht. Je nach der Stärke des Durſtes ſetzt die Eidechſe das Lecken längere oder kürzere Zeit fort: eine der mir am 3. Auguſt 1880 zugeſandten ſpaniſchen Smaragd-Eidechjen ſchluckte nach der Ankunft 107 mal, und eine ſehr große tiroliſche Smaragd-Eidechſe, welche im Februar 1887 aus dem Winterquartier hervorkam und von mir ins geheizte Zimmer gebracht wurde, wiederholte am Waſſernapf in etwa Sekunden-Zwiſchenräumen das Eintauchen und Zurückziehen der Zunge 219 aal — was mir ſchier unglaublich erſcheinen würde, hätte der Vorgang ſich nicht vor meinen eigenen Blicken abgeſpielt. Nach der Waſſeraufnahme fühlt ſich die Eidechſe friſcher und kräftiger, das Auge belebt ſich, der Körper wird ſchmeidiger, die Haut glatter und ſtraffer. Zweite Ordnung. Echſen. 105 Mehrere Wochen, nach dem die Tritonen ihre zierlichen Hochzeitſpiele in der noch kalten Fluth begonnen und Grasfroſch nebſt Feldkröte, ſowie Knoblauchs- und Wechſel⸗Kröte ihren Laich in Gräben, Teichen und Lachen abgeſetzt haben, leiten auch die Eidechſen unſerer Heimat das Fortpflanzungsgeſchäft, und zwar mit dem auf Seite 78 geſchilderten Paarungskämpfen der eiferſüchtigen, raufluſtigen Männchen, ein. Die Paarungen ſelbſt fallen im Allgemeinen in die Zeit von Mitte April bis Mitte Juni: bei Zaun⸗Eidechſen hieſiger Gegend beobachtete ich die erſte Begattung (1890) am 15. April, die letzte (1880) am 21. Juni, während ſich, nach dem Ablegen der Eier zu ſchließen, Dalmatiner Smaragd-Eidechſen bereits Ende März oder Anfang April, tiroliſche Exemplare i. J. 1887 aber erſt Ausgangs Mai oder Eingangs Juni gepaart haben mußten. Ueberhaupt ſprechen in dieſem Punkte Witterungs- und Orts— verhältniſſe ſehr mit, auch die Art der Eidechſen ſpielt eine gewiſſe Rolle; indeß wird man mit Fug und Recht ſagen dürfen, daß durchweg die meiſten Paarungen im Mai vollzogen werden. In der Regel wählt das Männchen die Zeit zwiſchen 10 und 2 Uhr, alſo die ſpäten Vormittags⸗ und die Mittagsſtunden, zur Begattung. Manchmal wird dieſelbe kurzer Hand ausgeführt, nachdem das Männchen ein etwa vorbeilaufendes Weibchen mit den Kinnladen an einer Stelle des Körpers gefaßt und es ſo lange feſthält, bis dieſes ſich willfährig zeigt. In den meiſten Fällen jedoch wirbt das Männchen gewiſſer— maßen erſt um die Gunſt des Weibchens, indem es ſich entweder mit eigenthümlich trippelndem Gange um das letztere herum bewegt, oder mit eigenartig gekrümmtem Rücken und bogig gehobener Schwanzwurzel demſelben nähert, um es wohl auch leiſe mit dem Kopfe anzuſtoßen, überhaupt in unzweideutiger Weiſe ſeine Abſicht zu erkennen zu geben. Oft zeigt das Weibchen durch zitternde oder zappelnde Bewegungen des Körpers ſeine Geneigtheit an, zuweilen erſcheint es völlig gleichgiltig. Im geeigneten Augenblick faßt das Männchen das Weibchen irgendwo am Halſe, an den Seiten ꝛe., um dieſes etwaigenfalls am Fortlaufen zu verhindern; und während nun das Weibchen in natürlicher Lage, nur die Hinterbeine nach hinten geſtreckt, ſich ruhig verhält und vom Männchen — falls dies nicht gleich von vornherein geſchehen — etwas oberhalb der Schwanzwurzel gegen den Rücken hin mittelſt der Kiefer gepackt und feſtgehalten wird, dreht das Männchen raſch den eigenen Hinterleib herum und zwar ſo, daß ſeine Aftergegend (Kloake) nach aufwärts gerichtet unter diejenige des Weibchens zu liegen kommt und ſein Körper jetzt faſt einen Kreis bildet. Nun preßt das Männchen die aus der Kloake hervorgeſtülpten Geſchlechtstheile (. Seite 4) feſt gegen die des immmerfort gerade ausgeſtreckten Weibchens, und in ſolcher Stellung und inniger Verbindung verharrt das Paar drei bis ſechs Minuten; (als ich ein in copula befindliches Männchen der Zaun-Eidechſe beim Schwanze in die Höhe hob, blieb das Weibchen, durch die Geſchlechtstheile innig mit jenem verbunden, daran hängen); manchmal ſteigt das Männchen dabei auch mit einem Vorderfuß über das Weibchen hinweg und beginnt zierlich zu trippeln. Nach dem angegebenen Zeitraum trennen ſich die Afterpartien, das Männchen lüftet die Kinnladen und das Weibchen läuft meiſtens ſogleich davon, wogegen das erſtere gewöhnlich noch eine oder einige Minuten mit „ungeſtüm klopfendem Herzen“ ruhig ſitzen bleibt und ſich wohl auch das Maul leckt. Zuweilen vereinigt ſich daſſelbe Paar im Laufe eines oder mehrerer Tage noch einmal, ja wiederholt; doch darf man deshalb an ein wirkliches Eheleben nicht denken, denn das Männchen wählt auch bald dieſes, bald jenes Weibchen, und jene mehr— malige Verbindung eines und deſſelben Paares iſt wohl eher auf zufälliges Begegnen zurückzuführen. Paarungszeit. Paarung. Gier. 106 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Nicht ganz zwei Monate verſtreichen nach der erſten Begattung, dann legt das trächtige Weibchen fünf bis elf, mitunter dreizehn bis vierzehn Eier, welche in un— gleicher Zahl in den beiden Eiſchläuchen zur Ausbildung gekommen ſind und viel Dotter enthalten. Die Eier ſehen weißlich (mit einem Stich in Gelb, Roſa, Grau oder Bläulich) aus, haben eine mehr oder minder bohnenförmige, eylindriſche oder kugelige Geſtalt und erſcheinen im friſchen Zuſtande prall, undurchſichtig, feucht und weich (pergamentartig), in der Größe wechſeln ſie je nach der Spezies der Eidechſe und in geringerem Grade auch nach der Länge des Thieres einer und derſelben Art. An der Luft wird die Schale trocken, härter, reiner weiß. Unter gewiſſen, noch nicht aufgeklärten Umſtänden leuchten die Eier der Eidechſen, wenigſtens iſt dies von denen der Zaun-Eidechſe ſicher nachgewieſen. Der Entdecker dieſer Eigenheit iſt Gottfr. Aug. Gründler, Maler und Kupferſtecher in Halle a. S., welcher über ſeine Beobachtung in dem Walch-Schreber'ſchen „Naturforſcher“ (3. Stück, S. 218— 221) i. J. 1774 berichtete. Er giebt dort an, daß er gelegentlich einer Inſektenjagd in einer vor der Stadt gelegenen Sandgrube fünf Eidechſen-Eier fand, die er mitnahm, um etwaigen— falls junge Eidechſen auskriechen ſehen zu können, und fährt dann in ſeiner Weiſe fort: „Als ich nach Hauſe gekommen war, legte ich die Eyer in einer Kammer auf einen Tiſch bey einander, ohne im geringſten zu vermuthen, daß ich ſchon denſelben Abend an dieſen Eyern eine für mich neue Entdeckung machen würde. Ich wollte zu Bette gehen, und da ich in die dunkle Kammer trat, leuchteten mir drey weißgrünliche hellleuchtende Flecken entgegen. Ein Phänomen! das mir um ſo auffallender war, je weniger die daſelbſt gewöhnlich befindlichen Sachen den Grund davon enthalten könnten: denn die Eidexeneyer hatte ich ganz vergeſſen. Ich nahm ein Licht zu Hülfe, unterſuchte den Ort, bey dem ich die hellleuchtenden Flecken wahrgenommen hatte, fand aber daſelbſt weiter nichts, als die zuvor hingelegten fünf Eidexeyer. Dies brachte mich auf die Vermuthung, daß dieſe die Urſach des bemerkten Glanzes ſeyn möchten. Um darinnen gewiſſer zu ſeyn, verdunkelte ich die Kammer aufs neue, und kaum war dieſes geſchehen, ſo nahm ich wahr, daß es die gedachten Eyer waren, welche ein ſolches helles weißgrünliches Licht, ſo wie die Johanniswürmchen, von ſich gaben, nur mit dem Unterſchied, daß die leuchtenden Flecken dieſer letzteren kleiner ſind, als ich ſie an meinen Eyern ſahe. Bey dieſer Beobachtung bemerkte ich noch ganz etwas beſonderes. Fünf Eyer hatte ich hingelegt, und doch leuchteten davon nur drey. Die zwey übrigen gaben ganz und gar kein Licht von ſich. Dieſer Um— ſtand reizte meine Aufmerkſamkeit aufs neue. Ich dachte mir allerhand Gründe aus, um mir dieſe Erſcheinung begreiflich zu machen. Anfänglich ſuchte ich die Urſach von dem Mangel des Leuchtens in dem Mangel des Lebens bey dieſen Eyern. Sodann vermuthete ich, daß das allzunah bevorſtehende Auskriechen der Jungen etwa daran Schuld ſeyn könnte. Kurz, ich ſuchte Gründe auf Gründe, aber keiner wollte mir Genüge leiſten. Endlich verfiel ich auf den Gedanken, daß vielleicht dieſe Eyer durch eine ihn beygebrachte ſtarke Bewegung in den leuchtenden Zuſtand der drey übrigen verſetzt werden könnten. Sogleich ſchritte ich zu einem Verſuch, und legte eins von den Eyern, welchem die leuchtende Eigenſchaft fehlte, in die hohle Hand. Ich fing an, es zu ſchütteln und darinnen herumzurollen. Kaum war dies einige Secunden lang geſchehen: ſo gab das Ey ein ſchwaches Licht von ſich. Ich ſchüttelte ſtärker, und mit der ſtärkeren Bewegung nahm das Licht zu. Nach einigen Minuten leuchtete es heller, als bey den drey von ſich ſelbſt leuchtenden Eyern. Endlich wurde es durch die fortgeſetzte Bewegung ſo ſtark, daß ich bey ſeinem Schein meine Hand deutlich erkennen konnte. Die Ermüdung von dem Schütteln verſtattete mir nicht, die Bewegung Zweite Ordnung. Echſen. 107 bey dieſem Ey weiter zu treiben, um dadurch zu verſuchen, ob ich den Glanz des Lichtes zu einem noch höheren Grade erheben könnte. Ich begnügte mich vor dieſesmal damit, daß mir mein Verſuch nicht mißgelungen war. Jedoch ließ ich es nicht dabey bewenden. Ich wiederholte ihn auf ähnliche Art mit dem zweyten Ey, welchem jenes helle weiß— grünliche Licht der drey übrigen gemangelt hatte, und es erfolgte alles eben ſo wie bey dem erſten Verſuche. Noch muß ich hierbey bemerken, daß dieſes durch die Be— wegung hervorgebrachte Leuchten bald verſchwand, wenn das Schütteln nicht fortgeſetzt wurde; da hingegen die drey von ſich ſelbſt leuchtenden Eyer immer fort die ganze Nacht hindurch ihr Licht behielten, aber die folgende Nacht darauf auch nicht mehr leuchteten. . .“ Soweit Gründler. Vierzehn Jahre ſpäter glaubte Franz v. Paula Schrank [Naturforſcher, 23. Stück, 1788, S. 137], ohne eigene Beobachtungen gemacht zu haben, das Leuchten oder Phosphoresciren der Eidechſen-Eier auf eine Stufe mit dem Leuchten eines abgeſchnittenen Fiſchkopfes de. ſtellen und dieſe Erſcheinung überhaupt als eine Folge der Fäulniß des betreffenden Körpers erklären zu dürfen. Dieſe Auffaſſung paßt ſich indeß dem vorliegenden Falle nicht an; im Gegentheil ſcheinen gerade friſch gelegte Eier, nicht aber alte, zu leuchten und zwar ſcheint dies, wie ſpätere Beobachtungen ſchließen laſſen, nur am Abende desjenigen Tages zu geſchehen, an welchem man die Eier im Freien unter feuchtem Sande auffand. Die gemachten Wahrnehmungen deuten weiter auch darauf, daß eine gewiſſe Bewegung, denen die Eier ausgeſetzt wurden, mitbedingend wirkt. Im Uebrigen fehlt es noch an einer ausreichenden Erklärung jener Erſcheinung.“) Bevor das trächtige Weibchen die Eier ablegt, trifft es einige Vorkehrungen, die allerdings in Terrarien, deren Einrichtung in der einen oder anderen Beziehung mangelhaft iſt, unterbleiben. Es gräbt nämlich, zuweilen ſchon einige Tage vor dem Legen, im feuchten Sande oder Erdboden, welcher vorher auf ſeine Beſchaffenheit unterſucht wird, eine kleine Höhle oder Grube. Dieſe Arbeit erſtreckt ſich, je nach der Feſtigkeit des Grundes, über einen oder mehrere Tage; die Eidechſe iſt dabei nicht ununterbrochen, ſondern vornehmlich in den Früh- und den Abendſtunden thätig und ſcharrt in den Pauſen den Eingang des Loches gewöhnlich zu. Im Freien wählt ſie mit Vorliebe ſandigen oder locker-erdigen Grund unter einem von der Sonne beſchienenen Steine, unter Wurzelwerk oder Moospolſter u. dergl.; immer aber muß das Plätzchen ſo beſchaffen ſein, daß es ſtetig einen gewiſſen Grad von Feuchtigkeit liefert und doch der Einwirkung der Sonnenwärme zugängig iſt. Denn zur Entwickelung des Keimlings in den Eiern bedarf es einer mäßigen Feuchtigkeit, im anderen Falle ſchrumpfen die letzteren zuſammen und trocknen ein. Daher auch bringen gefangene Eidechſen ihre Eier gern in der Umgebung des Waſſernapfes unter, weil dort der Sand naß iſt; ja Bruch [Neue Beob. S. 108] ſah ſeine Eidechſen ſogar den Waſſertrog umſtürzen und in den infolge deſſen naß gewordenen Sand die Eier legen, welche dann wiederum mit Sand bedeckt wurden. Dieſes Bedecken geſchieht unter natürlichen Verhältniſſen ſtets, ebenſo werden die legereifen Eier eines Weibchens in der Regel unmittelbar hinter einander abgeſetzt; nur ein entkräftetes oder ein in nicht zuſagenden Zwingern gehaltenes Thier verzettelt die Eier an verſchiedene Orte und auf verſchiedene Tage; ſchwache, kranke Stücke quälen ſich mit der Eiabgabe geraume Zeit und gehen dabei ſogar zu Grunde, wie denn ſchon ein geſundes Weibchen von dem Legegeſchäft ſehr angegriffen ) Radziszewski berührt in feiner ſchönen Arbeit „Ueber die Phosphorescenz der organiſchen und organiſirten Körper“ [Beſ. Abdruck aus J. Liebig's Annalen der Chemie. Leipzig, C. F. Winter, 1880) das Leuchten der Eidechſen-Eier nicht. Eierlegen. Brutpflege ? 108 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. wird und matt und zuſammengefallen die Stätte dieſes Aktes verläßt. Der letztere ſpielt ſich gewöhnlich des Nachts, in den früheſten Morgenſtunden oder gegen Abend ab. Hatte ſich das Weibchen zu dem Zwecke vorher eine Höhlung bereitet, ſo legt es in dieſer ſelbſt ſoviel Eier ab, als der Raum es geſtattet; wird derſelbe zu beengt, ſo kriecht es, wie Ad. Franke in ſeinem Freiland-Terrarium beobochtete, nach dem Ausgange und ſchiebt die nun hier abgeſetzten Eier mit der Schnauzenſpitze zu den übrigen in die Grube, um das Ganze dann mit dem ausgeſcharrten Bodengrund zuzudecken. Das Weitere, d. h. die Bebrütung der Eier, überläßt die Eidechſe ganz und gar der Sonne und der durch dieſe bewirkten feuchten Wärme in der Umgebung der Eier. Gewiſſe Beobachtungen und Erſcheinungen weiſen jedoch darauf hin, daß unter Umſtänden das Mutterthier ſeine Aufgabe mit der Ablegung der Eier noch nicht als abgeſchloſſen betrachtet. Allerdings vermochte ich ſelbſt, trotzdem ich nun zwei Jahr— zehnte hindurch Eidechſen im Zimmer gehalten und ebenſo ihrem Freileben meine Auf— merkſamkeit geſchenkt, noch nicht eine in letzterem Sinne zu deutende Wahrnehmung an den heimiſchen Arten zu machen; wohl aber liegen mir drei Mittheilungen deutſcher Forſcher und Liebhaber vor, welche eine gewiſſe Brutpflege weiblicher Eidechſen bezw. eine gewiſſe Sorge um die abgelegten Eier bekunden. In allen drei Fällen handelt es ſich um gefangen gehaltene Thiere. Zunächſt beobachtete Prof. Dr. F. Leydig i. J. 1874 Folgendes“): Am 16. Juli legte eine ſeit dem 25. Mai im Zwinger gehaltene Zaun-Eidechſe (Lacerta agilis) ein Ei, nahm es bald darauf in den Mund und trug es in der Querlage. Leydig glaubte, das Ei ſolle verzehrt werden, doch lag es am anderen Tage wieder am Boden. Am 29. Juli trug die Eidechſe abermals ein friſch gelegtes Ei im Munde, indem ſie dieſes zwiſchen den Zähnen hielt; nachdem ſie mit dem Ei einen halben Tag herumgewandert war, ließ ſie daſſelbe endlich fallen. Der gleiche Vorgang wiederholte ſich noch mehrmals, und zuletzt lagen alle Eier vertrocknet auf der Erde. Leydig legt ſich das Geſehene dahin aus, daß die Eidechſe das friſche Ei nicht zum Zwecke des Verſpeiſens quer zwiſchen die Zähne nahm, ſondern um es an einen für die Weiterentwicklung paſſenden Ort zu tragen, und da die Aus— führung dieſes Planes im Zwinger nicht angehen wollte, ſo ließ ſie es zuletzt wieder fallen. „Beim Nachſuchen im Freien“, ſo ſchließt der Forſcher ſeine Mittheilung, „traf ich öfters Eier von Lacerta agilis an Stellen, z. B. unter ſehr flach liegenden Steinen, wo es ſchwer zu begreifen war, wie das Geſchäft des Eierlegens hier hätte bewerkſtelligt werden ſollen. Jetzt denke ich mir, daß die Mutter die Eier dorthin mit dem Maule getragen hat.“ *) — Der zweite Fall betrifft eine andere Art. Ad. Franke in Stötteritz, der bekannte, leider ſchon verſtorbene Reptilienfreund, hielt in einem kleinen Terrarium Mauer-Eidechſen. Mehrere Weibchen hatten ihre Eier unter Moos verſteckt; als aber ſpäter eine mexikaniſche Kröten-Echſe (Phrynosoma orbiculare) hinzugeſetzt wurde, holten die Eidechſen ihre Eier aus dem Verſteck und trugen ſie im Maule in eine durch den etwas erhöhten Waſſernapf entſtandene Höhlung, die für die Kröten-Echſe unzugänglich war. „Jedenfalls zeigt dieſer Vorfall nicht nur eine gewiſſe elterliche Fürſorge, ſondern verräth auch einen für ein Kriechthier hoch anzuſchlagenden Scharfſinn.“ — Zur dritten Beobachtung endlich bot eine Smaragd— Eidechſe, welche Dr. O. Böttger-Frankfurt pflegte, Anlaß. Da der Vorfall bereits *) Vergl. „Verhandlgn. d. nat. Vereins d. preuß. Rheinlande u. Weſtf.“, Jahrg. XXXVIII (1881), 4. Folge, 8. Bd., ©. 165. — **) Wenn man nicht annehmen will, daß die Eidechſe die Eier am Außenrande der Steine ablegt und dann mittelſt der Schnauzenſpitze unter die letzteren geſchoben hat. B. D. Zweite Ordnung. Echſen. 109 auf Seite 88 beſchrieben wurde, ſo ſei hier nur nochmals hervorgehoben, daß die Sorge des Thieres um die von ihm gelegten Eier ſich auch am zweiten Tage bethätigte. Den Jungen hingegen, welche etwa zwei Monate nach Ablegung der Eier ausſchlüpfen und ſofort die Lebensweiſe ihrer älteren Genoſſen beginnen, bezeigen die Elternthiere keinerlei Zuneigung; eher kann der Fall eintreten, daß die letzteren den friſchen Nachwuchs als begehrenswerthe und ſchmackhafte Beute betrachten. In ſolcher Weiſe erklärt ſich auch jene Mittheilung Nördlinger's [Zool. G. 85, 188], derzufolge der Letztere in ſeiner Jugend dem Maule einer ſoeben durch einen Schlag getödteten Zaun⸗Eidechſe ein Junges ſich entwinden ſah; nicht aber darf das Vorkommniß dahin aufgefaßt werden, als ob das Junge angeſichts drohender Gefahr in den Rachen der Alten ſich geflüchtet und hier ſich verborgen gehalten habe. Forſtrath Nördlinger legt ſich eben ſeine, ihm als „naturhiſtoriſches Räthſel“ erſchienene Wahrnehmung in dieſem Sinne aus und glaubt eine Beſtätigung in der Erzählung eines Eiſenbahn— beamten aus Mainz, Herrn Melzheimer, zu finden, welcher „mit eigenen Augen geſehen habe, wie eine Eidechſen-Mutter, um vor einer Verfolgung einige Junge zu retten, den Rachen aufgeſperrt und nachdem letztere hineingeſprungen, die Flucht ergriffen habe“ (). So etwas iſt aber einfach unmöglich. Wie ſoll eine Eidechſe in ihrem, einer Erweiterung nicht fähigen Rachen nicht nur eins, ſondern ſogar mehrere Junge unterbringen können! Selbſt wenn ſie noch ſo große Liebe zu ihrem Nachwuchs hätte, der Bau ihres Kopfes ꝛc. würde einer derartigen Bethätigung ihrer mütterlichen Fürſorge dauernd im Wege ſtehen. Herr Melzheimer wird wohl das Opfer einer Sinnestäuſchung geworden ſein. Indem wir die Entwickelung der dem Ei entſchlüpften bezw. (bei der Wald-Eidechſe) lebendgeborenen Jungen bei Behandlung der einzelnen Arten berückſichtigen werden, bleibt hier nur noch übrig, daran zu erinnern, daß in äußerſt ſeltenen Fällen wohl auch zweiköpfige Eidechſen das Tageslicht erblicken können. Wenigſtens liegt hinſichtlich einer derartigen Mißform eine Mittheilung im „Cosmos, revue encyclop. hebdom. des progr&s des sciences“ (v. Meunier) vom 21. Aug. und 31. Juli 1869, wieder⸗ gegeben im „Zool. Garten“ 1870, S. 196, vor, während über zweiköpfige Schlangen mehrfach berichtet wird. Die betreffende Eidechſe, Fund des Apothekers Rigail, ver— zehrte lebende Inſekten und zwar fraßen beide Köpfe unabhängig von einander und auch gleichzeitig; ſie ſoll einem Unfall erlegen ſein. Man wird ſolche Mißbildungen als Doppelweſen, aus zwei Keimen zuſammengewachſen, anſehen müſſen, nicht aber als theilweis gedoppelte Einzelweſen betrachten dürfen. Wir haben bereits beſprochen, welche Unſicherheit die Eidechſen überkommt, wenn man ſie von dem ihnen genau bekannten Schlupf wegzudrängen im Stande war, und wie ſie trotz aller Scheu und Aengſtlichkeit doch eine ſchier unbezwingliche Neugier zeigen. Dieſe beiden Eigenheiten der Thierchen muß ſich der Fänger zu Nutze machen. In welcher Weiſe das geſchehen kann und ſeit langem geſchehen iſt, wurde ſchon auf Seite 76 angedeutet und auf Seite 87 ausführlicher geſchildert. Ein Sammelgang zu Zweien — die eine Perſon zum Beobachten, die andere zum Ergreifen des ſchnell— füßigen Flüchtlings — wird ſich am ergiebigſten erweiſen und auch keine beſonderen Fanggeräthe erfordern. Im anderen Falle vermag man eine Eidechſe durch einen leichten Schlag, den man ihr mittelſt einer dünnen Gerte über den Rücken giebt, zu betäuben und ſomit am Entfliehen zu verhindern, und man wird hierin bald eine Fertigkeit erlangen, welche namentlich auch verhütet, daß man die Eidechſe durch einen zu ſtarken Schlag tödten könnte. Die erbeuteten Lacerten bringt man entweder in kleinen Kiſtchen oder in leinenen Beuteln unter. Die letzteren ſeien möglichſt lang (tief), die erſteren im Junge. Zweiköpfige Eidechſen. Fang und Trans⸗ port. Eidechſen im Zimmer. 110 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Deckel mit einem kleinen Schieber und ſeitlich mit viereckigen oder runden, von innen durch Drahtgaze verſchloſſenen Luftlöchern verſehen; in die einen wie in die anderen gebe man zu unterſt etwas Moos, auch hüte man ſich, zarte Eidechſen mit großen Verwandten oder gar mit ſtarken Schlangen zuſammenzuſtecken, da jene nur zu leicht von dieſen erdrückt werden. Für Ausflüge, die mehrere Wochen andauern, empfiehlt M. Braun die Mitnahme von Beuteln aus engmaſchiger und ziemlich ſtarker Gaze, welche lang ſein und dann nach Bedarf durch Binden in der Mitte in zwei Behältniſſe getheilt werden können. Die in denſelben untergebrachten Eidechſen erhalten genügend Luft und Licht, vermögen ſich bequem zu bewegen, ſich im Nothfall auch zu ſättigen und können ſtets mit Waſſer beſprengt werden. Beim Bahn- oder Schiffstransport bindet man die Beutel an der Oeffnung, und zwar an dem Innenrande, eines Korbes an, ſodaß in Entfernungen von je 10 bis 15 em je ein Sack befeſtigt iſt; der Korb ſelbſt wird mit einem geflochtenen Deckel oder mit grober Segelleinwand verſchloſſen. Es bedarf nach dem Geſagten kaum noch des Hinweiſes, daß die Eidechſen eine Gruppe der hübſcheſten Zimmergenoſſen bilden, die jedoch nur dann den Beſitzer erfreuen, wenn er ſie ſorgſam pflegt. Der Käfig muß an den beiden längeren Seiten Glasſcheiben, an den beiden ſchmäleren Drahtgaze beſitzen und möglichſt geräumig ſein; ein Behälter z. B. von etwa 65 em Länge, 40 cm Breite und 45 em Höhe iſt ausreichend für zehn bis fünfzehn kleinere und mittlere Echſen, natürlich nur dann, wenn er nicht blos eine einfache Sandfläche enthält, ſondern mit einer gewiſſen Reich— haltigkeit ausgeſtattet iſt. Der Boden wird zu einem Theil mit einer Schicht reinen, trockenen, nicht zu ſcharfen Sandes, zum andern mit trockenem Moos verſehen und auf dieſer Grundlage in einer oder zwei Ecken oder in der Mitte aus grobem Kies, Tropfſtein, Schlacke, auch Baumwurzeln u. dergl. eine künſtliche Felſenpartie mit Verſtecken geſchaffen. Dieſe Gegenſtände erleichtern den Echſen zugleich die Häutung. Vom Boden ſchräg aufwärts lege man einige ſtärkere und ſchwächere Baumäſte, weil die Thiere gern klettern und auf einem Aſt liegend ſich den Sonnenſtrahlen ausſetzen; mehr noch empfiehlt es ſich, falls es die Größe des Behälters zuläßt, ein oder zwei Bäumchen oder kleine Sträucher einzuſtellen, z. B. Lebensbaum (Thuja), Azalie, Rhododendron. Als Trinknapf drückt man ein nicht zu flaches Porzellangefäß etwas in den Sand ein; das Waſſer muß möglichſt oft erneuert werden; vom Moos und von den Pflanzen lecken ſie gern die dieſen anhaftenden Tropfen ab; friſch angekommenen Eidechſen hat man baldigſt Waſſer zu bieten. Da manche Eidechſen, z. B. die grüne, zuweilen das Waſſer aufſuchen, um ſich zu baden, ſo thut man gut, für größere Exemplare einen geräumigen Waſſernapf noch einzuſetzen, oder ſie (namentlich die ſüdlicheren Arten während der kühleren Jahreszeit) in lauem Waſſer zu baden; viele haben es auch gern, wenn man ſie, beſonders an heißen Tagen, durch einen feinen künſtlichen Sprühregen benetzt. — Das Futtergefäß ſei ebenfalls ein Porzellannapf, da ein ſolcher vermöge feiner glatten Wände das Entrinnen der Mehlwürmer u. a. Futter⸗ thiere verhindert und ſich leicht reinigen läßt. Hinſichtlich der Nahrung beachte man den Satz: ſie ſei ſo mannigfaltig und abwechſelungsreich als es angeht. Das Lieblingsfutter bilden weichere Kerbthiere: während der wärmeren Jahreszeit wird man nicht Mühe haben, Futter (Heuſchrecken, Grillen, Mai- und Junikäfer, Regenwürmer, glatte Raupen, kleine Nacktſchnecken, Maden von Dungfliegen, Schmetterlinge, Fliegen und Spinnen) herbeizuſchaffen, ſpäter machen Mehlwürmer, Küchenſchaben und Fliegen das Univerſalfutter aus; einzelne Exemplare nehmen auch Raupen- und friſche Ameiſen— puppen, andere lecken, wie wir wiſſen, mit Vorliebe rohes Eigelb, oder lieben Süßig— teiten, z. B. Honigwaſſer. — Was das Zuſammenleben der Eidechſen aubetrifft, jo Zweite Ordnung. Echſen. 111 vermeide man zunächſt, kleinere Arten neben großen zu halten; es kommt ſonſt vor, daß Smaragd- und namentlich Perl-Eidechſen kleinere Verwandte verzehren oder ihnen wenigſtens die Schwänze abbeißen; ebenſo gehen ſie an Blindſchleichen. Größere Arten kann man eher mit Nattern, z. B. Würfel- und Ringelnattern, Schildkröten, Scheltopuſiks u. a. zuſammenbringen. Bei den Kämpfen der Männchen im Frühjahr laſſe man die Thiere unbehelligt, man menge ſich alſo nicht darein, um vielleicht dem einen oder andern Theil zu Hilfe kommen zu wollen. Zur Fortpflanzungszeit gebe man Acht, daß man die gelegten Eier oder die geborenen Jungen nicht überſieht, daß alſo die Zucht der Thiere nicht mißglückt. Die gelegten Eier werden herausgenommen und in ein beſonderes Behältniß gebracht. Man nimmt zu dieſem Zwecke einen Topf, füllt ihn bis etwa 8 oder 10 cm vom oberen Rande mit Moos, Sand und Gartenerde, legt die Eier behutſam auf das Moos und überdeckt ſie bis nahe zum Rande leicht mit Moos, ſo, daß ſie von den direkten Sonnenſtrahlen nicht getroffen, vom Beobachter aber geſehen werden können; der Topf wird dann mit Drahtgaze bedeckt, an einen ſonnigen Platz geſtellt und das Moos täglich etwas angefeuchtet, ſodaß in dem Gefäß eine feuchtwarme Luft erzeugt wird. Der Verſuch glückt trotzdem nicht immer, da man ſich in Bezug auf den Grad der Feuchtigkeit leicht verſehen kann. Beſſer iſt es jedenfalls, bei dem Verſuche die Erde im Freien zu Hilfe zu nehmen. Man gräbt alſo den Topf (Blumentopf, Kiſtchen, Glas), nachdem man den Boden entfernt hat, an einem ſonnigen Platze in die Erde ein, ſodaß ſeine Füllung nach unten hin mit dem Erdboden in Verbindung kommt. Das Gefäß wird wie das vorige bis etwa 10 em vom oberen Rande mit lockerer Gartenerde gefüllt, auf dieſe die Eier ſorgfältig nebeneinander gelegt und darauf wieder lockere Erde, untermiſcht mit kleinen Moosſtengelchen, gebracht, bis der Topf gefüllt iſt, welcher ſchließlich einen Gazedeckel erhält und durch Laub u. dergl. verdeckt wird. Nach ſechs bis acht Wochen kann man nachſehen und wird dann vielleicht bereits Junge unter der Gaze vorfinden; ſollte es nicht der Fall ſein und man den Eiern von außen nichts Gewiſſes anſehen können, möge man eins öffnen, um Aufſchluß zu erlangen. — Bei der Fütterung der ausgeſchlüpften jungen Eidechſen darf man ſich keine Mühe verdrießen laſſen. Man muß dazu kleine Fliegenmaden und Fliegen, kleine, friſchgehäutete Mehlwürmer'), möglichſt kleine und etwaigenfalls getheilte Regen— würmer, Motten u. a. kleine Kerbthiere, welche man mit dem Schmetterlingskäſcher fängt, herbeiſchaffen; Leydig gab ſeinen jungen Wald-Eidechſen (L. vivipara) Blatt⸗ läuſe. Da die jungen Echſen in der Gemeinſchaft der alten vielen Fährlichkeiten ) Da die Mehlwürmer, welche ſeit langem ſchon als Futterthiere für Reptilien, Amphibien und Vögel verwendet und gezüchtet werden und den Pflegern dieſer Zimmergenoſſen geradezu unentbehrlich ſcheinen, zu raſch wachſen, alſo nur kurze Zeit hindurch klein und weich, vielmehr bald für junge, zarte Eidechſen zu groß und zu hart ſind — empfahl J. v. F. im Februarheft des „Humboldt“ 1887, ſtatt des Mehlkäfers (Penebrio molitor, L.) zwei in den Mittelmeerländern, z. Th. auch bei uns ſich findende Käfer zu züchten, nämlich den Gnathocerus cornutus, Fahr, und den Alphitobius diaperinus, Panzer. Die Larve (der „Wurm“) des erſteren, welcher auch bei uns in altem Brot, Naturalienvorräthen vorkommt und von A. Bau einmal im Juli ſehr zahlreich in alten Mehlwurmtöpfen gefunden wurde, mißt nur 5 mm, die des letzteren überſteigt an Länge nicht 12 mm, fie haben alſo nur die Größe eines jungen bezw. ganz jungen Mehlwurmes. „Die ungemein große Fruchtbarkeit beider Käfer-Arten ſichert neben der mehrfachen Generation in einem Jahre dem Züchter einen faſt unverſiegbaren Vorrath an kleinen Futterthieren das ganze Jahr hindurch“, was nicht nur für die Zwecke der Aufzucht, ſondern überhaupt der Pflege zarter Reptilien und Amphibien von Wichtigkeit iſt. Die Zucht jener beiden Käfer geſchieht wie die des Mehlkäfers in großen, mit Kleie, Brotreſten ꝛc. ausgerüſteten Töpfen, Blechkiſten u. dergl., welche am geheizten Ofen ſtehen müſſen; beide Arten können auch in einem und demſelben Behälter untergebracht werden. Zucht. Durchwinterung. Namen. 112 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ausgeſetzt ſind, bringt man ſie lieber in ein geräumiges Fiſchglas oder ein kleines Glasterrarium für ſich, legt das Behältniß mit Sand und Moos aus und ſchließt es oben durch einen Gazedeckel; der einzuſtellende Waſſernapf muß ganz flach und in den Boden eingedrückt ſein, damit man die jungen Thierchen nicht der Gefahr des Ertrinkens ausſetzt. Bezüglich der Durchwinterung muß ich zunächſt betonen, daß es ſich bei den Eidechſen mehr wie bei anderen Reptilien empfiehlt, ſie Winterſchlaf halten zu laſſen. Im geheizten Zimmer ſcheinen ſie ſich zwar den Winter hindurch ganz wohl zu fühlen, allein zum Frühjahr zeigen ſie doch nicht die Lebendigkeit und Munterkeit als ſolche, welche geſchlafen haben, ſie „leben zu viel und zu ſchnell“, und gehen ſie nicht vor dem Sommer ſchon ein, ſo führen ſie während deſſelben doch nur ein Scheinleben. Ausnahmen mögen wohl vorkommen, allein die aus meinen Erfahrungen reſultirende Regel iſt die eben angegebene. Man bringt die Thiere alſo zum Herbſt, Ende September oder Anfang Oktober, in ein ungeheiztes Zimmer und läßt die friſche Herbſtluſt auf fie einwirken. Je nach der äußeren Temperatur werden ſie früher oder ſpäter Neigung zeigen, ſich zu verkriechen, und bei +3 oder 4° R. ſetzt man ſie in den Winterkäfig, eine oben und an einer Seite mit Drahtgaze verſehene Holzkiſte, welche man mit Erde, Sägeſpänen, Häckſel, dürrem Laub, Moos u. dergl. bis ziemlich obenhin gefüllt hat. Der Kaſten bleibt an einem ruhigen Orte im Zimmer ſtehen oder wird nach dem Keller gebracht; der Raum muß froſtfrei ſein, darf aber nicht über E 5 R. aufweiſen; 2 oder 3“ R. Wärme iſt zum Winterſchlaf am zu⸗ ſagendſten. Gegen Ende März, wenn man auf beſtändigere warme Witterung rechnen kann, bringt man den Behälter in das Zimmer und wartet nun das allmähliche Munterwerden der Thiere ab, welche man dann in ihr Terrarium ſetzt. Die bei ein— zelnen Arten etwa angegebene Behälter-Temperatur möge man als niedrigſtes Maaß auſehen; die Echſen, namentlich die ſüdlicheren und tropiſchen, ertragen eine geſteigerte Temperatur ſehr wohl, dagegen keine über die Norm hinabgehende für die Dauer. Deutſche Bezeichnungen: Eidechſe, Eidex, Edax, Heidäfk, Erskrup, Edes, Grinedis; Holländiſch: Hagedis oder Haagdis; Däniſch: Ogle; Schwediſch: Odla; Engliſch: Lizard; Franz.: Lézard; Ital.: Lacerta, Lucerta; Span.: Lagartija; Griechiſch: vave« (altgriechifch auch oavgog); Ruſſiſch: Jastscheriza; Poln.: Jaszezurka; Ungar.: Gyék; Böhmiſch: Jesterka; Lettiſch: Kirsak; Eſthniſch: Sissalik; Finniſch: Sisalisko. — Lateiniſch: Lacerta (Lacertus), als Gattungs-Name für das Genus Eidechſe von Linné angenommen 1758 [Syst. nat. I pag. 200, 105]. Mit dieſen Angaben ſchließen wir das Bild, welches wir, unter Zuſammenfaſſung der den verſchiedenen Arten unſerer Eidechſen gemeinſamen Momente, von der ganzen Gattung zu entwerfen hatten; wir haben ſonach bei Beſprechung der vier heimiſchen Spezies nur noch nöthig, die der einen oder der anderen im Beſonderen eigenen Züge zu berückſichtigen. Doch mag es geſtattet ſein, vorerſt noch einmal an das auf Seite 75 beſprochene Verhältniß, in welchem die der jetzigen vaterländiſchen Fauna angehörigen vier Arten hinſichtlich ihres Heimatrechtes zu einander ftehen, zu erinnern. Erſehen wir aus jenen Bemerkungen, daß die in jüngerer Zeit nach Deutſchland eingewanderten Smaragd- und Mauer-Eidechjen gleich der alt⸗deutſchen Zaun-⸗Eidechſe trockenen, offenen Boden lieben, daher dem Kulturboden ſich anpaſſen und — wenigſtens darf dies betreffs der muralis, der Bewohnerin unſerer Wein— gelände und deren Umgebung, gelten — ihm etwaigenfalls ſogar folgen, ſo weicht hingegen unſere Wald-Eidechſe, welche ſich den Wald, die Wildniß, feuchten, ſumpfigen Boden zum Aufenthalt erwählt, vor der Kultur zurück. 113 Echſen. Zweite Ordnung. ge nachſtehende Tabelle dienen 6 (tten m 2 imiſchen inhei ler ein Zur Unterſcheidung der v sI G A AIA TA g Ian ut f Dunst 4 0 ee e ee EN agnıva pou aaga j eg uv sig Anagqanuıd Spine adal aganlıgaas duese ubs uon en agal pe uten anch (once ) Acnvgasz uch beuge eue hee eee apgpıplaadungg ‘aa QLUADNIG uegega ud gun gngszqusbnzz ıuaq uaplıad tauaayıq auotsdung uadadgn lav ag al eee eee PNHPUUD uapaluapırg uag pvu ‘py | Dun ‘wıup| amunaprag ag up wedding twdı(g (II:: ° Bwobunagad nogaochig An po uargıdloün? J1v@| spalaage zu sBunpadiog | usgang Pomp nt and aapaddag oa map page sjv buvz ol vun gig | You uv puıgz aeg uon (pad /adaoy agu va Sıknvupllduumg 10Bnar dom : quagayl | odıagır aeg sv Buy ol un gjpäraqum agu ag vad Ba pLTENF usage [ susloaumu Away !pıaq pez Idoy gun ang "quo eee ag I Syunvlun aplog, wopydung udond z SIe Jie uaoa vu Ausgang $drunaldodon | noa aquvamaing um ane Segel nende ede dnvganug een ee eee F mu beende (qq neee de hen anago 'n(sıpeagodped | snost[]) snysıquadng use uaauaayıqg autor sbung apHolaßgu Jaup| ray ıa up aa noc uradard uag uoa aus uappuupl u 944111 WpııG (qq (ww Annen aglaaaanız ia inv usuuuoz neckencpped noa jayanbang (g ualaaı nt) zZ :iapaıplaumıg eee au Pau omolpnvg gogol un gun negwasbupgz g u; Hanplpnvg vun ’pybun pıpbsdun] ag wddnplumpırg pogeg map uddı pa uauadofodsnd dıjapuar u qunypnagodund uago noc ze adlagn geg siv Hunz ol wur qupgngeguv tuvapa :dılnougplldung pig Idoy Sauagayl (uage ! ann) poRrag un aa plPEnF g amaroa oe ee e e ee ee eee eee ene 57 78 uockenqpg mauadotdsnd Hıdl spıalaaga nu ee alone "(A piece Pirat arg and sıq aadaay bag 19q SID gobupf Bunaa anu 19go Hur aluaga Avaya !paag sv aabumy % Apple svaup wol Idog Sun zum aeg uarodard aa aim aqua wär um Baıplopuost gogo PRO ue Aaquı een gg au au aan uu amdohpsng (un e e ene waunuog usdcdnp S uga panda p aeg usgpasbupgz 9 anu manplanog pa auaog waddnpluapıng S pogeg wddn®o aa pw anıı eee !yunvlun ua aD eee uoragauı oa aquvanadiig u enen 1aga each wagıag aeg Segen FHıquvafuvd quogspog (e — — — uaadond 1odılvunabanm nun 1 Artkennzeichen. Körperbau. 114 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 1. Art: Smaragd-Eidechſe. Lacerta viridis (Zaur.). Abbildung: Tafel X Nr. 2, 3, 4. Kopf etwa anderthalb mal jo lang als breit und wenig breiter als hoch, kräftig, doch nicht ſo ſtumpfſchnauzig als der der agilis; die beiden hinter dem Naſenſchild befindlichen Sügelſchilder (Nasofrenalia) ſtehen genau über einander; Schläfengegend mit unregelmäßigen größeren Schildern bedeckt; jedes Scheitel- oder Parietalſchild am Außenrande mit 2 großen, länglichen Tafeln umſäumt; Hinter— haupt- oder Occipitalſchild ſehr klein, dreieckig, bei manchen Stücken ſogar gänzlich fehlend; zwifchen dem Augendisfus und den Wimper- (oberen Augenlid )Schildchen eine Reihe ganz kleiner Mörnerſchuppen; Uehlfurche deutlich ausgeprägt; Hals- band gezähnelt; 6 Längsreihen wirklicher großer Bauchſchilder, außerdem jederſeits an der Grenze zwiſchen Bauch und Körperfeiten noch eine Cängsreihe kleiner, den anſtoßenden Schuppen ähnlicher Randſchildchen; Schuppen längs der Rückenmitte ſehr klein, ſchmal, länglich, deutlich längsgekielt, nach den Seiten hin allmählich größer, breiter, flacher werdend; Hinterbeine, nach vorn gelegt, mit der Kralle der längſten Sehe beim Männchen bis an die Achſeln heran- oder noch darüber hinaus-, beim Weibchen jedoch kaum an dieſelben heranreichend; Schwanz von doppelter Körperlänge, mit oberſeits ſcharf zugeſpitzten Schuppen bedeckt; Geſammtlänge 50— 50 em, ſeltener 60—66 em. Aeußere Erſcheinung. Die Smaragd -Eidechſe ſieht zwar, und dieſer Eindruck wird namentlich durch den ſehr langen Schwanz hervorgerufen, ſchlank und ſchmächtig aus, allein ſie iſt doch von kräftigem Körperbau. Der Rumpf iſt walzig, in der Mitte etwas dicker, der Kopf — wir berückſichtigen bei dieſer Beſchreibung zunächſt wieder nur größere und erwachſene Thiere, indem wir die Jugendform weiter unten betrachten — zwar kräftig, dick, in der Schläfengegend namentlich beim Männchen aufgetrieben, jedoch im Verhältniß zu dem der agilis immerhin geſtreckter und weniger ſtumpfſchnauzig und nach vorn zu allmählich dreieckig zugeſpitzt erſcheinend; im Ganzen iſt er etwa anderthalb mal ſo lang als breit und etwas breiter als hoch, die Scheitelpartie flach, die Stirnpartie (zwiſchen dem Hinterrand des Stirnſchildes und dem Rüſſelſchild) leicht abſchüſſig, die Seiten zwiſchen Auge und Naſenloch ſenkrecht abfallend. Der Gaumen iſt immer bezahnt: man zählt jederſeits 8— 12 einfache, nach rück- und ein— wärts gerichtete Zähne, außerdem ſtehen im Zwiſchenkiefer 9 (10), in jeder Hälfte des Oberkiefers 19 oder 20, im Unterkiefer jederſeits 23 bis 25 zweiſpitzige Zähne. Die namentlich beim Männchen mit kräftigen Schenkeln ausgerüſteten Hinterbeine meſſen drei oder vier Fünftel der Rumpflänge (ſ. oben); die Vorderbeine erreichen ziemlich oder ganz die Naſenlöcher. Die Zehen, vorzugsweiſe die der Hinterfüße, zeigen einen zierlichen Bau und auffallende Länge, was namentlich bei direktem Vergleich mit der Zaun-Eidechſe augenſcheinlich wird, denn die Zehen einer Lacerta agilis ſind etwa ein Drittel oder ein Viertel kürzer als diejenigen einer gleichgroßen viridis; die Krallen der Vorderfüße ſind bis viermal länger als breit, überhaupt etwas länger als die der Hinterfüße, welche nur bis dreimal länger als breit erſcheinen. Der Schwanz, an der Wurzel rundlich und von da an nach hinten zu allmählich dünner werdend, um in eine dünne Spitze auszulaufen, iſt im unbeſchädigten Zuſtande doppelt ſo lang als der übrige Körper, ſodaß die viridis unter den einheimischen Eidechſen den verhältniß— Erſte Art. Smaragd⸗Eidechſe. 115 mäßig längſten Schwanz beſitzt. Oft jedoch trifft das angegebene Verhältniß der Schwanz⸗ zur Körperlänge nicht zu, weil bekanntlich der Schwanz in vielen Fällen abgebrochen und wieder verheilt bezw. nachgewachſen iſt, und letzteres bewerkſtelligt die Natur zuweilen in ſo vollkommener Weiſe, daß man von einem früheren Bruch kaum etwas erkennen und ſomit zu Irrungen und Zweifeln veranlaßt werden kann; der Schwanz iſt in ſolchen Fällen nicht mehr von doppelter Körperlänge. Die Geſammtlänge erwachſener Smaragd-Eidechſen beträgt gewöhnlich 30 bis 40 em, und a Maaß werden die mitteleuropäiſchen Stücke keinenfalls überſteigen, Fatio [Faune] beziffert die Totallänge auf 32 cm, ſelbſt für Italien giebt de Betta als das gewöhnliche Maaß 30 —35 em, in ſelteneren Fällen 40 em an; doch erreichen in Süd- und Südoſt⸗Europa manche Stücke und Varietäten entſch jeden eine größere Länge, ſchon aus Tirol erhielt ich einzelne Stücke von 41— 43 em Geſammtlänge und das größte Exemplar, welches ich durch Herrn P. Jung-Zittau im Sommer 1880 aus Dalmatien lebend bekam, maß 48 em; zuweilen wird ſie aber hier und in Griechenland 60—66 cm lang. Von der Geſammtlänge entfallen, wie bekannt, etwa zwei Drittel auf die Schwanzlänge. Zum Vergleich füge ich hier einige Maaße von ſechs der mir joeben vorliegenden Smaragd— Eidechſen an, indem ich ee daß Nr. 1 ein dalmatiniſches Männchen iſt, Nr. 2 ein Männchen aus Südtirol, Nr. 3 ein ſpaniſches Männchen, Nr. 4 ein Weibchen, Nr. 5 ein junges Männchen und Nr. 6 ein vier geſtreiftes junges Exemplar, letztere drei aus Südtirol bezw. Nord-Italien ſtammend. Der V Vergleich wird unter Anderem ergeben, daß ſich die Schwanzlänge zur Geſammt— länge wie 2 zu 3 verhält; nur bei dem ſpaniſchen Stück bleibt die Schwanzlänge eine Kleinigkeit zurück. Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 mm mm mm mm mm mm Kopf⸗ und Halslange SR zum Halsband einſchl.) . . .. 49 37 34 28 28 21 Fr . Bi 26 22 19 19 15 F © MLBrar ao ao Be: 77 77 64 57 43 F Te 2592 ee 88 19, 140 enge 14292 278 2760 204 , 19, e ie, ht 8 Größte Kopfbreite .. Pe a ED 17 15 11 11 9 Breite 8 Kopfplatte e . 18 11 11 8 8 7 Von den 20 Schildern des O berkopfes welche zuſammen den Pileus bilden, 1 abgeſehen von dem erſten Brauenſchild, das als Artkennzeichen wichtige Hin ter— haupt ſchild oder Occipitale gewöhnlich als das kleinſte, denn es kann bis zur Größe einer Rücken oder einer Nackenſchuppe herabſinken (wie es z. B. bei drei mir vor liegenden ſpaniſchen Stücken der Fall iſt) und daher durch Zuſammenſtoßen der beiden Scheitelſchilder von dem ihm vorgelagerten Zwiſchen-Scheitelſchild oder Interparietale durchaus getrennt ſein, ja in manchen Fällen ganz verſchwinden; bei den weitaus meiſten der von mir daraufhin angeſehenen Exemplare war es kleiner als das unmittelbar vorliegende Interparietale (Fig. 11), vielleicht nur halb oder viertel ſo groß, und Stücke, bei denen es ebenſo lang und ebenſo breit oder gar noch etwas breiter iſt als das letztgenannte Schild, trifft man nur ſelten, unter den mittel- und europäiſchen Thieren ſogar nur ausnahmsweiſe an; letzteres Verhältniß zeigt das oben unter Nr. 1 erwähnte Exemplar: bei ihm ſind Hinterhaupt und Zwiſchenſcheitelſchild je 4,3 mm lang, da— Fig. 11. Kopfplatte. ) Kopf länge oben gemeſſen, von der Schnauzenſpitze bis zum Hinterrande des Hinterhauptſchildes; Rum pflänge, gemeſſen vom Hinterrande des Halsbandes bis zur Afterjpalte. 8 * Größe. Körperbedeckung— Kopfplatte. Kopfſeiten⸗ Schilder. 116 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. gegen das erſtere 1,5 mm breiter (3,8 mm) als das letztere (2,3 mm). Der Geſtalt nach iſt das Occipitale in der Regel dreieckig und länger als breit, ſeltener abgeſtutzt dreieckig und ein wenig breiter als lang (3. B. 3: 2,5 mm), oder ungleichſeitig vier— eckig, trapeziſch (Fig. 12), das Interparietale oder Zwiſchen-Scheitelſchild dagegen gewöhnlich fünfeckig, geſtreckt, hinten ſchmal und gerade abgeſtutzt oder abgerundet, nach vorn ver— breitert und mit einer Spitze zwiſchen die Stirn— Scheitelſchilder greifend. Zur Seite des Inter— parietale und des Occipitale liegen die beiden größten Oberkopfſchilder, die das Stirnſchild an Länge wie an Breite übertreffenden, vorn verſchmälerten und Fig. 12. Kopfplatte der Smaragd-⸗Eidechſe. abgerundeten oder abgeſtutzten Scheitelſchilder (Parie- e dee ba, e, belle) deren alußenand von zwei ziemlich großen f. Stirn⸗Naſen⸗, g. Brauen- ober obere Augen, u. länglichen, den Schläfenſchildern zuzuzählenden und Stirnjgeitels, z. Scheitelſhilder, k. Wimperſchüldchen) wie dieſe gelagerten Schildern umſchloſſen wird, während ſie vorn an das hinterſte Brauenſchild (84) und z. Th. an die Stirn-Scheitel- ſchilder ſtoßen, welch' letztere — d. h. immer erwachſene Thiere vorausgeſetzt — länger als breit ſind. Das große Stirnſchild iſt mit einer markirten Längsfurche und hinten mit einer unmerklichen Spitze verſehen, vorn etwas verbreitert und entweder abgerundet oder mit einer ſtumpfen Spitze zwiſchen die Frontonaſalſchilder eingeſchoben, und die ſeit— lichen Ränder, wo es vom 2. und 3. Brauenſchild begrenzt wird, ſind entweder leicht bogig ausgeſchweift oder faſt parallel. In ſeiner Breite übertrifft es immer die Brauen— ſchilder (Supraocularia), von welchen das zweite und dritte den Augen- oder Palpebral— diskus bilden, während das 4. und noch mehr das erſte an Größe erheblich zurücktreten, ſodaß das erſte nicht größer als eine Rücken- oder eine Kehlſchuppe iſt. Der mehr oder weniger flache Augendiskus iſt am Außenrande von einer Längsreihe winzig kleiner, oft nur ſtecknadelſpitzen-großer körnerartiger Schüppchen begleitet und durch dieſe ſomit von den direkt überm Auge liegenden, in einer Zahl von 4 bis 6 Stück erſcheinenden länglichen, ſchmalen, die ſcharfe Seitenkante der Schädeldecke bildenden oberen Augenlid- oder Wimperſchildchen (Supraciliaria) getrennt. Dieſe Körnerreihe iſt unter die Artmerkmale der viridis aufgenommen, da ſie, wenigſtens bei größeren und erwachſenen Thieren, nur ausnahmsweiſe fehlt, obwohl ſie mitunter nur angedeutet bezw. auf zwei oder drei Schüppchen zurückgegangen iſt und deshalb immer auch eine Vergleichung der anderen Kennzeichen nöthig macht. Das vordere Schild des Augen— diskus, alſo das 2. Brauenſchild, ſtößt vorn an das hintere Ende des paarig vor— handenen Stirn Naſenſchildes, deſſen Breite hinter der Länge zurückſteht, und dieſen beiden Frontonaſalen lagert ſich das unpaarige große Zwiſchen-Naſenſchild (Internasale) vor, welches mit ſeinen ſeitlichen Spitzen gegen die Zügelſchilder ſtößt und ſeine ſtumpfe oder zugerundete Vorderſpitze zwiſchen die Obernaſenſchilder ſchiebt, von ziemlich rhombiſcher Geſtalt, aber oft mehr in die Breite als in die Länge entwickelt und nicht ſelten längs der Mitte ſchwach gefurcht iſt. Die zwiſchen ihm und dem Rüſſelſchild beſindlichen beiden vorderſten Oberkopfſchilder, die oberen Naſenſchilder, ſind breiter als lang, abgeſtumpft dreieckig bezw. trapeziſch, mit der Grundlinie ſeitlich das Naſenloch begrenzend, während ſie mit den kurzen Kanten in der Mittellinie der Schnauze zuſammenſtoßen. Das Rüſſelſchild iſt breit, wenig, und zwar in geringerem Grade als das der Zaun-Eidechſe, nach oben gewölbt und hier mit feiner Spitze an die oberen Naſen— ) In der Größe, wie es in Fig. 12 dargeſtellt iſt, trifft man das Hinterhauptſchild nur ſelten an. Erſte Art. Smaragd⸗-Eidechſe. 117 ſchilder ſtoßend. Von den an dieſes ſich anſchließenden Schildern der Kopfſeiten finden wir zunächſt die Oberlippenſchilder jederſeits in einer Zahl von 7, manchmal auch 8 (mitunter auf der einen Seite 7, auf der anderen 8) vorhanden; im erſteren Falle iſt das 5., im letzteren das 6. das größte, es verbreitert ſich nach hinten und ſteht unterm Auge, wird aber von dieſem noch durch eine Bogenreihe ganz kleiner, ſchuppenartiger Schildchen, den unteren Augenhöhlenſchildchen, getrennt. Ueber der vorderen Naht des 1. Oberlippenſchildes liegt das runde, ziemlich große Naſenloch, welches hinten von zwei kleinen, über einander ſtehenden 5 Schildchen, den Naſen-Zügelſchildern (Nasofrenalia), um- 5 geben wird, deren unteres dem 1. Oberlippenſchild aufliegt, während das etwa gleichgroße obere an das Internaſale ſtößt. Hinter dieſen beiden Schildchen folgt das dem 2. Oberlippenſchild aufgeſetzte eigentliche Zügelſchild, welches Fig 18, Fopfſette der Smaragd⸗ ſo hoch iſt als jene beiden zuſammen und ungefähr doppelt Eidechſe. ſo breit wie ein einzelnes von ihnen. Hinten wird es (a. Schulterfalte.) begrenzt von dem größten der die Zügelgegend bedeckenden vier Schilder, nämlich dem Zügel⸗Augenſchild, welches auf dem 3. Oberlippenſchild ſteht, mit feinem oberen Rande das Stirn-Naſenſchild berührt und an feinem hinteren Rande oben und unten je einen buchtartigen Einſchnitt zeigt. In die obere Bucht ſchiebt ſich das vorderſte Wimperſchild, in die untere ein längliches, ſchmales Schild, ein vorderes Augenſchild, das dem 4. Ober— lippenſchild aufliegt und oft noch von einem zweiten Vorder-Augenſchild begleitet iſt. Der Hinterrand der Augenhöhle wird von drei oder vier hinteren Augenſchildchen [Postocularia) umgeben und der Raum zwiſchen dieſen, dem Ohr, dem Scheitelſchild und dem 6. bis 7. (8.) Oberlippenſchild, alſo die Schläfengegend, von 15 bis 30 unregelmäßigen vier- und mehr— eckigen Schildern bekleidet, welche von vorn und oben nach hinten und unten an Größe abnehmen und am vorderen Ohrrande am kleinſten und ſchuppenähnlich werden, obgleich ſie ſich auch hier immer noch deutlich als Schildchen von den die eiförmige Ohröffnung nicht ſelten auch vorn in einer Reihe umſäumenden kleinen Schüppchen abheben. Abweichungen von der regelmäßigen Beſchilderung des Oberkopfes und der Kopfſeiten kommen mancherlei vor. Sie entſtehen entweder durch Theilung oder durch Zuſammenſchmelzen von Schildern. So z. B. iſt bei einem der mir vorliegenden Stücke jederſeits ein drittes Naſen-Zügelſchild vorhanden, welches dem zweiten aufliegt und von dieſem oder eher von dem oberen Naſenſchild abgeſchnürt zu ſein ſcheint; daſſelbe Exemplar beſitzt jederſeits 8 Oberlippenſchilder, deren fünftes auf der rechten Seite jedoch klein und dreieckig iſt und von einem Fortſatz des ſechsten oben gedeckt wird. Das früher ſchon unter Nr. 1 erwähnte Stück, welchem ebenfalls jederſeits 8 Oberlippenſchilder eigen ſind und deſſen linkes Scheitelſchild am Außenrande von drei (ſtatt 2) länglichen Tafeln umſäumt wird, zeigt eine ganz beſondere Eigenthümlichkeit, nämlich ein überzähliges Schild, welches ſich vor dem Stirnſchild zwiſchen die beiden Stirn⸗Naſenſchilder gelagert und zwar auf Koſten des Stirnſchildes, deſſen Vorderrand nun nicht vortritt, ſondern vielmehr eingebuchtet iſt; ein anderes Exemplar weiſt an den hinteren Ecken des Stirnſchildes je ein Körnchenſchild auf; noch ein anderes Stück hat auf der rechten Seite 6, auf der linken 7 Oberlippenſchilder; auf die Abänderungen des Hinterhauptſchildes wurde ſchon hingewieſen. In Hinſicht auf dieſe Anomalien erſcheint es alſo immer wieder geboten, bei Beſtimmung der Eidechſe nicht die Kopf— ſchilder allein zu Rathe zu ziehen. Was die Beſchilderung des Unterkiefers anbelangt, ſo zählt man zunächſt jederſeits 7 Unterlippenſchilder, von denen gewöhnlich das 6. am längſten iſtz zuweilen Abweichungen in der Kopf⸗ beſchilderung. Unterkiefer⸗ Schilder. Bauchſchilder. 118 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. kommen nur 6 oder aber 8 vor. Neben ihnen liegen 5 oder auch 6 große Unterkiefer— schilder, und die vom hinteren Theil der 3. Unterkieferſchilder an auftretenden, in ſchiefe, nach den Kopfſeiten hin auseinander weichende Längs— reihen geſtellten Kehlſchuppen ſind länglich, undeutlich ſechseckig und von den hinter ihnen befindlichen breiteren, rundlich-ſechseckigen, geſchindelten Hals— ſchuppen durch eine ſehr deutlich und ſcharf aus— geprägte, von kleinen Schüppchen begleitete Quer— furche, die Kehlfurche, geſchieden, welche ſich bis nach dem Hinterrande der Ohren hinzieht. Das loſe und leicht bogige Halsband iſt in der Regel aus 9, ſeltener aus 7 oder 11 und nur ausnahmsweiſe aus 6, 10 oder 12 Tafeln zu— ſammengeſetzt, welche von außen nach innen dach— Sig, 14. Unterſeite des Kopfes ziegelig übergreifen und an ihrem hinteren (freien) (A Mauer-, B Smaragd Eidechſe). Theile winkelig vorgezogen ſind, ſodaß ſie das a Kinnſchild, b Unterfippenihitder, e Untertipn- Halsband ſtets gezähnelt erſcheinen laſſen; die londig und ſchuach bogig, bel B gaht und gelbe. mittlere Tafel iſt größer als die anderen und ſteht gerade. Das ſogenannte Bruſt-Dreieck umfaßt 7 bis 13 Schilder, welche Zahl jedoch bis auf 3 herabgehen und bis auf 16 ſteigen kann. Der Bauch iſt mit ziemlich viereckigen Quertafeln bedeckt, welche in gerade Querreihen, deren man meiſt 26 bis 29 oder 30 zählt, zugleich aber auch in Längs— reihen geſtellt ſind. Wirklicher Bauchtafeln giebt es nur ſechs Längsreihen; und wenn man in faſt allen einſchlägigen Schriften und Abhandlungen von acht Yängsreihen*) ſpricht, ſo läßt man die beiden Reihen kleinerer Randſchilder, von denen je eine am Außenrande der 1. und 6. Bauchtafel-Reihe hinläuft, gleichfalls als Bauchſchilder gelten. Man wird ſie jedoch nicht als echte Bauchtafeln, ſondern eben nur als Randſchilder (Pseudo-Gastrostega) anſehen dürfen, da ſie ſich in mehrfacher Beziehung von jenen unterſcheiden: erſtens folgen ſie ſich nicht ſo unmittelbar, daß der hintere Theil des 5 vorhergehenden über den Vorderrand des nachſtehenden griffe und 2 ihn bedecke, wie es bei den echten Bauchtafeln der Fall iſt, ſondern St ſie liegen entweder vollſtändig getrennt von einander, ſodaß zwiſchen zwei benachbarten ein kleiner, vielleicht gar von einer Schuppe 405 ausgefüllter Raum bleibt, oder ſie ſind nur ſoweit aneinander 55 gerückt, daß die beiden benachbarten ſich leicht berühren, keinesfalls aber über einander greifen oder ſich gegenſeitig aufliegen; zweitens 5 ſind die Randſchildchen-Reihen auch inſofern keine vollſtändigen, „ als manchmal im Verlauf derſelben mehrere Schildchen ganz fehlen Fig. 15. Bauchſchilder⸗ oder die Reihen oft nicht an derſelben Stelle wie die eigentlichen Reihen (a) und Bruſt- Bauchſchilder-Reihen ihren Anfang nehmen, ja zuweilen fehlen die ſchilder-Dreieck (b) der Randſchildchen gänzlich **), wogegen auch der Fall eintreten Smaragd-Eidechſe. kann, daß bei großen Exemplaren (fo z. B. bei dem oben unter No. 1 aufgeführten) die Randſchilder etwa die halbe oder nahezu die volle Breite der anſtoßenden echten Bauchtafeln erreicht haben und ſie wiederum von einer, wenngleich See Reihen zählt Latreille im Jahre 1800 [Sal.]; ſpäter geben auch Tschudi [Echſ.], Glückſelig [Syn.] und Tappe [Eid.] dieſe Zahl an. — **) Zwei ſolche Stücke lagen Herrn Dr. O. Böttger aus Sicilien [Sic. Rept. 135] vor. Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 119 unvollkommenen Reihe kleiner, ſchuppenähnlicher und den Uebergang zu den Schuppen der Oberſeite bildenden Randſchildchen begleitet werden, ſodaß man von zehn Längs reihen Schilder ſprechen kann; während drittens die 6 eigentlichen Ventralreihen, wie wir gleich ſehen werden, hinſichtlich der Größe ihrer Tafeln in einem beſtimmten Ver— hältniß zu einander ſtehen, läßt ſich bei den Randſchildern ſowohl betreffs ihrer Größe an und für ſich als auch der Zu- und Abnahme der letzteren innerhalb einer Reihe eine beſtimmte Regel nicht erkennen; viertens nehmen die Randſchilder völlig an dem Färbungs— und Zeichnung Cporatter d des Oberkörpers Ae üben Theil, wogegen die Tafeln der 1. und 6. Längsreihe den Ton der übrigen vier Ventral-Reihen oder nur an ihrem äußeren Rande die Zeichnung (Fleckung) der Schuppen zeigen. — Von den Bauchtafeln ſind die der 2. und 5. Reihe am größten, nämlich ungefähr um ein Drittel oder ein Viertel breiter als die der beiden äußerſten (1. und 6.) oder doppelt ſo breit als die der beiden mittelſten (3. und 4.) Längsreihen. Die Tafeln der beiden Mittelreihen ſind nicht nur die ſchmalſten, ſondern auch die in der Geſtalt mehrfach abändernden: der freie Rand bezw. der nach rückwärts gekehrte Theil erſcheint bei den in der Mitte und der hinteren Partie des Unterleibes ſtehenden breit und ſtumpf winkelig oder abgerundet, bei den hinter der Bruſt befindlichen, welche dann in die Schilder des Bruſtdreiecks übergehen, verſchmälert oder ſpitzwinkelig ausgezogen. Alle Längsreihen ſind etwa im dritten Viertel des Bauches am breiteſten. Das After ſchild iſt in der Mitte etwa von der doppelten Länge einer Bauchtafel, vorn ab— gerundet und in der Regel von zwei Bogenreihen Schildchen umſchloſſen. Die Schuppen des Nackens ſind außerordentlich klein, körnchenartig und entweder gar nicht oder höchſtens ſpurweiſe gekielt, die längs der Rückenmitte ſtehenden ſchmal, länglich-viereckig, länglich- oder eiförmig-ſechseckig und ſtumpf längsgekielt; nach den Rückenſeiten (Flanken) hin werden ſie ganz allmählich breiter, kürzer, abgerundet vier ſeitig (rhombiſch), ſchräg und ſtumpf gekielt, und es kann ſomit, wie Dr. O. Böttger als für die Smaragd-Eidechſe — im Vergleich zur Zaun-Eidechſe — beſonders charakteriſtiſch hervorhebt [Zool. Garten 1885 S. 142], von einer von den größeren Schuppen der Rückenſeiten ſcharf abgeſetzten Längszone ſchmaler Schüppchen auf dem Rückgrat nicht die Rede ſein. Die in der Umgebung der Randſchildchen befindlichen Flanken ſchuppen ſind faſt ganz flach aufliegend oder nur noch ſpurweiſe dachig, und nur ganz gering oder überhaupt nicht mehr gelielt. Je zwei hinter einander liegende Rücken ſchuppen zuſammen entſprechen hinſichtlich der Länge einem Bauchſchild; es kommen demnach immer zwei, zuweilen auch drei Quergürtel von Schuppen auf eine Querreihe Bauchſchilder. Die Schuppen des Rumpfes und die des Schwanzes ordnen ſich in Querreihen, deren man auf dem erſteren mindeſtens 100 (bis 120), auf dem letzteren, falls er vollſtändig iſt, durchſchnittlich 100, höchſtens 114 („Schwanzwirtel“) zählt. In einer Schuppen-Querreihe des Rumpfes ſtehen meiſt 46 bis 52 Schuppen, doch kann ſich die Zahl der letzteren bei weſteuropäiſchen Thieren noch um wenige erhöhen, bei ſüdruſſiſchen und orientaliſchen hingegen (strigata) bis auf 42 verringern. Im Uebrigen ſind die Schwanzſchuppen lang, ſchmal, mit parallelen Seitenrändern, am Hinter rande in eine ſcharfe Spitze ausgezogen und dadurch lang⸗fünfeckig erſcheinend, auf der Ober wie Unterſeite des Schwanzes ſcharf dachig gelielt; nur die an der Unterſeite hinter der Afterſpalte ſtehenden ſind glatt, breiter, am Hinterrande abgerundet. Die Beine bekleiden unten und ſeitlich Schilder, oben kleine rundliche oder abgeſtumpft-viereckige und ſchräg gekielte Schuppen. — Schenkeldrüſen zählt man in den meiſten Fällen an jedem Schenkel 17, bei einer geringeren Anzahl von Exemplaren je 16 oder 18 oder 19, nur zuweilen je 15 oder 20, ausnahmsweiſe 21 oder 22 und ganz ſelten Schuppen. Männchen. Weibchen. Junge. Fürbung im All gemeinen. 120 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. blos 11 oder 12; mitunter ſchwankt die Zahl bei einem und demſelben Stück, ſodaß z. B. auf dem einen Schenkel 17, auf dem anderen 18 ſich finden. Die Geſchlechter unterſcheiden ſich nicht nur hinſichtlich der Färbung und Zeichnung, die wir weiterhin beſprechen werden, ſondern auch durch einige körperliche Eigenheiten. Beim Männchen iſt der Kopf länger, höher, ſtärker, die Schläfengegend, am und überm 6. Oberlippenſchild, ſtark aufgetrieben, die Kiefer treten kräftig hervor, die Schwanzwurzel erſcheint dicker und „an der Unterſeite wegen der Lage der Begattungs— organe gewölbter“ [Leydig], die Beine ſind kräftiger, die Schenkelwarzen ſehr ſtark hervortretend, ſodaß ſie eine förmliche Zackenreihe bilden; der Augendiskus iſt ein wenig erhaben. Das Weibchen beſitzt einen kürzeren, feiner gebauten Kopf mit flachem Augen— diskus, dünnere Schwanzwurzel, ſchwächere und etwas kürzere Hinterbeine (ſodaß ſie, nach vorn an den Leib gelegt, nicht ganz oder kaum bis zu den Achſeln reichen), ſchwache, wenig bemerkbare Schenkelporen. Abgeſehen von der geringeren Größe und dem ſpäter zu beſprechenden Kleide zeichnen ſich die jungen Thiere ebenfalls durch einige Eigenheiten in Bau und Bedeckung des Körpers aus: der Kopf iſt verhältnißmäßig kurz, breit, oberſeits deutlich gewölbt, das Hinterhauptſchild meiſt trapeziſch und erheblich kürzer, jedoch faſt ebenſo breit als das vor ihm liegende Zwiſchenſcheitelſchild, die beiden Scheitelſchilder find ver— hältnißmäßig kurz, die beiden hinter dem Stirnſchild liegenden Stirn-Scheitelſchilder jo breit als lang, das Stirnſchild erſcheint länger und ſchmäler als bei älteren Exemplaren, vorn ſtark verbreitert und infolge der nach innen gebogenen Seitenränder in der Mitte ziemlich verſchmälert, die Stirn-Naſalſchilder ſind ſo lang wie breit, das Zwiſchen-Naſen— ſchild iſt meiſt breiter als lang, die bei erwachſenen Thieren zwiſchen Augendiskus und Wimperſchildchen ſich einſchiebende Reihe ganz kleiner Körnerſchuppen fehlt nicht ſelten den Jungen. Färbung und Zeichnung. Bezüglich der Färbung und Zeichnung, welche nach Alter, Geſchlecht und Gebiet mannigfach abändert, läßt ſich im Allgemeinen nur ſagen, daß die Grundfarbe der Oberſeite, auf welcher vorzugsweiſe bei Weibchen und Jungen dunkle Flecken und helle Streifen ſich abheben, ein Grün (Männchen) oder ein Grün- bezw. Graubraun (Weibchen) iſt, während die Unterſeite immer grün- oder weißgelb, und zwar mit Ausnahme einiger ſpaniſchen Varietäten ſtets ungefleckt, ausſieht. Und wenn es vorkommen kann, daß das alte Weibchen ſich in das Gewand des Männchens kleidet, d. h. grün und ungeſtreift erſcheint, ſo hat man doch noch nie ein ausgewachſenes Männchen im Kleide des zwei- oder vierfach hell— geſtreiften Weibchens gefunden. Dieſe Streifenbildung iſt ſonach dem alten Weibchen und außerdem den Jungen beiderlei Geſchlechts eigenthümlich, und in ſolchem Sinne bietet die Färbung eine Handhabe zur Unterſcheidung der Geſchlechter, zumal wenn man noch erwägt, daß auch dann, wenn das Weibchen die Tracht des alten Männchens angenommen, das Grün doch heller als das des letzteren und dabei weit weniger mit ſchwarzen Sprenkeln untermiſcht iſt. Dagegen kann die blaue Kehle, welche in ein— ſchlägigen Schriften und von Sammlern als ausſchließlich dem Männchen zukommende Färbungs-Eigenheit betrachtet wird, nicht mehr als ausſchlaggebendes Geſchlechtsmerkmal gelten, ſeitdem man wahrgenommen, daß einerſeits durchaus nicht alle erwachſenen Männchen jenes bekannte Blau an der Unterſeite des Kopfes zeigen und daß ander— ſeits, wenngleich nur vereinzelt, auch geſchlechtsreife Weibchen eine blaue Kehle beſitzen. Man wird daher das Blau der Kehlgegend als ein Zeichen der Brunft oder als einen Hochzeitſchmuck geſchlechtsreifer Thiere, allerdings ganz vorzugsweiſe der Erſte Art. Smaragd⸗-Eidechſe. 121 Männchen, anzuſehen haben; gerade zur Begattungszeit leuchtet das Blau am ſchönſten. Während in manchen Gebieten, namentlich des öſtlichen Süd-Europa (Dalmatien, Griechenland), die erwachſenen Männchen oft ſtatt der blauen eine einfach weißliche oder gelbliche Kehle haben, ſcheint jener Schmuck den Männchen anderer Oertlichkeiten, 3. B. Tirols, Deutſchlands, Frankreichs, Italiens, nie oder doch nur ſelten zu helfen und z. Th. auch auf das Weibchen übergegangen zu ſein. Der berühmte Verfaſſer der Iconografia della Fauna italica, Bonaparte, ſah ſich deshalb veranlaßt, darauf— hin eine beſondere Varietät: Lacerta viridis mento-coerulea (blaukehlige Grün-Eidechſe) zu begründen und in dem ſoeben genannten Werke [II, Taf. II Fig. 4] abzubilden. Auch ein anderer italieniſcher Fauniſt, de Betta, hält noch in ſeiner neueſten Schrift [Fauna d' Ital. S. 26] die Varietät mento-coerulea — neben concolor, versicolor, maculata, bilineata et chloronota — aufrecht, obwohl dies nicht mehr angängig iſt, da das Blau an der Unterſeite des Kopfes bei im Uebrigen abweichend gefärbten Thieren, alſo bei mehreren Spielarten, auftritt.“) S. unſere Tafel X, 2. Indem wir nun zur Beſchreibung der Stammform und der hauptſächlichſten Varietäten übergehen, ſei noch vermerkt, daß bei allen die Iris röthlich-weiß, das obere Augenlid mit einem ſchwarzen Punkt gezeichnet, die Zunge ſchwärzlich iſt, und die Krallen braun ſind. a) Als Stammform läßt ſich diejenige Form betrachten, bei welcher das Männchen oberſeits ſchön grün, mit eingeſtreuten gelblichen oder weißlichen Pünktchen gezeichnet, unterſeits einfarbig weiß oder grünlich-gelb, der Schwanz in ſeiner hinteren Hälfte grau oder graubraun iſt. Das Weibchen hingegen tritt in drei Zeichnungsformen auf, deren eine, die dem Männchen ähnliche hellgrüne, bereits auf Seite 120 Erwähnung fand. Ganz verſchieden von dieſer und von dem Männchen, und im Allgemeinen beſſer gekannt iſt die zweite Zeichnungsform: die zweifach hellgeſtreifte. Dieſe Weibchen kennzeichnen ſich durch bräunlichen, grünbraunen, grau- oder ſchwarzgrünen Rücken, welcher jeder— ſeits durch einen am hinteren Außenwinkel der Scheitelſchilder oberhalb der Ohröffnung beginnenden und von da bis zur Schwanzwurzel ſich hinziehenden oder auf den Schwanz ſelbſt noch übergehenden, bald ununterbrochenen, bald mehr oder weniger unter— brochenen weißlichen, grünlichweißen oder gelblichen, in der Regel von ſchwarzen Flecken begleiteten Streifen begrenzt wird; die Flanken, die Oberſeite der Beine und der Schwanz ſind bräunlich-grün, die erſteren oft noch mit ſchwarzen Sprenkeln; die Unterſeite iſt einfarbig gelblich. Dieſe eigenthümliche Färbung der Weibchen (und der Jungen) bot älteren Autoren Veranlaſſung, derartige Thiere als Vertreter einer beſonderen Spezies zu betrachten, welche Daudin Lacerta bilineata (Lézard verd à deux raies) und Schinz Lacerta bistriata benannte. Doch hatte ſchon Dugées im Jahre 1829 erkannt, daß zweifach geſtreifte größere Stücke immer Weibchen ſeien, und Tſchudi fand dieſe Beobachtung beſtätigt. Trotzdem zieht keiner der beiden Forſcher die geſtreifte Form als Weibchen zu der Stammform oder zu einer Varietät, ſondern Duges führt die bilineta als beſondere Varietät auf und bei Tſchudi bildet ſie die 5. Varietät; und wie dieſer ältere Schweizer Fauniſt, ſo führt auch Fatio [Faune] noch im Jahre 1872 die geſtreifte viridis als vari6te à deux ou à quatre raies auf. Daſſelbe thun de Betta u. A. ) Glückſelig hat die blaukehlige Grünechſe als Lacerta eyanolaema oder Podarcis eyanolaema ſogar zur Spezies erhoben! Stammform. Altes . Altes 2 (3 Zeichnungs⸗ formen). 122 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Nicht ſelten geſellen ſich zu jenen beiden hellen Längsſtreifen, welche oft als ununterbrochene Linien ſcharf hervortreten, noch zwei ſolcher hellen Binden, ſodaß die betreffenden Eidechſen vierfach geſtreift erſcheinen und von Dumeril-Bibron [Erp. V S. 210] als eine beſondere Varietät, var. quadriradiata, angeſehen und bezeichnet wurden. Dieſe beide Flankenbinden, welche am unteren Rande der Ohr— öffnung beginnen und über die Rumpfſeiten hinweg bis zur Wurzel der Hinterbeine hinziehen, ſind jedoch undeutlicher und mehr unterbrochen als die beiden oberen Streifen und oft nur noch ſpurweiſe in Geſtalt heller Strichflecke oder heller, dunkel umzogener Punkte vorhanden. Unſere Tafel X zeigt ein ſolches Weibchen. Dieſe drei Zeichnungsformen des Weibchens — von denen die zwei- und vier— fach hellgeſtreifte dem Jugendkleid ähneln, ſodaß Tschudi Echſen S. 20] geradezu die Anſicht ausſpricht, die großen Exemplare der vierſtreifigen „Varietät“ ſeien „dennoch junge Individuen, die unter gewiſſen günſtigen Verhältniſſen ſchnell heranwuchſen“ — ſind übrigens nicht nur der Stammform, ſondern auch mit geringen Abänderungen den meiſten Varietäten, insbeſondere mitteleuropäiſchen, eigen. ies Das Jugendkleid iſt mehreren Veränderungen unterworfen. Die im Auguſt oder September das Ei verlaſſenden Thierchen find nach der Geburt etwa 8 bis 9 cm lang und oberſeits, alſo auf Kopf, Rücken, Schwanz und Beinen, einfarbig hell leder- oder graubraun, unterſeits ſchmutzigweiß, in der Kehlgegend mehr oder weniger grünlichweiß. Nach der noch im Herbſt erfolgenden erſten Häutung zeigen ſich an den Rückenſeiten ſchon die ſchwachen Anfänge der Längsſtreifung in Geſtalt von = sone Flecken. — Im kommenden Frühling, wenn die Thierchen 8 bis 9 Monate alt find, markiren ſich die Farben ſchon beſſer, die Seiten erhalten einen grünlichen oder gelblichen Anflug, an die Stelle des ſchmutzigen Weiß der Unterſeite tritt ein Grün— oder Gelblichweiß. Im Spätſommer hat das nun einjährige Junge eine Länge von etwa 14 bis 16 em erreicht und zwar den hellbraunen Rücken noch beibehalten, aber zu deſſen Seiten die beiden aus hellen (weißlichen) Längsflecken entſtandenen Streifen ausgebildet; der Bauch erſcheint ſchwach, Kehlgegend und Kieferränder ausgeſprochener grünlichweiß oder grüngelb (Tafel X, 4). Mit dieſem Kleide bezieht das Junge das Winterquartier. Junges G Die Häutungen des nächſten Jahres fördern ſchon Geſchlechts-Kennzeichen, aller— und Y 8 ee 3 . 82 = 22 2 5 2 1 dings zunächſt nur in ſchwachen Anfängen, zu Tage. Dies zeigt ſich einerſeits an der Grundfarbe, anderſeits an der Fleckenzeichnung. An manchen Exemplaren nimmt man einen Uebergang der braunen Rückenfarbe in ein Braungrün und dann in ein dunkles Grün wahr, während gleichzeitig die hellen Längsflecken bezw. Längsſtreifen der Rückenſeiten undeutlicher werden und allmählich verſchwinden und die dieſelben begleitenden dunklen Flecken in kleine Punktflecken ſich auflöfen, um endlich ebenfalls verdrängt zu werden — dies ſind Männchen. Bei einem ſolchen, aus Tirol ſtammenden, 20,5 em langen Exemplar, welches Anfang Juli, alſo im Alter von etwa 22 Monaten, getödtet wurde, iſt die ſchwarze Fleckung des braungrünen Rückens bereits verſchwunden, jedoch die denſelben begrenzenden hellen Längsbinden, welche ein ſchön hellgrünes Kolorit beſitzen, noch ziemlich vollſtändig erhalten, die Rumpf— ſeiten zeigen oberhalb der Bauchgrenze einige weißliche Strichflecken, die Beine und der Schwanz ſind oberſeits lederbraun, unterſeits matt- oder graugelb, der letztere über der Wurzel noch mit einigen ſchwarzen Sprenkeln und den ſchwachen Fortſetzungen der hellen Rückenſtreifen, die Partie längs der Bauchkante erſcheint grün, ebenſo die Halsſeiten und die Kiefer, indeß der Bauch und die Unterſeite von Hals und Kopf grüngelb, die Oberfläche des Kopfes braungrün (ölgrün); die 18 Schenkeldrüſen ſind Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 123 ſehr deutlich und gelb. Dagegen ſind die letzteren bei vier anderen, gleichgroßen Stücken (Weibchen) unſcheinbar und weißlich; bei allen vier iſt die Oberſeite leder— braun, die Rückenzone ſchwarz gefleckt und bei zweien von weißlichen, ſchwarz begrenzten Längsſtreifen eingefaßt, welchen ſich an jeder Flanke noch ein, aber undeutlicher Streifen geſellt, während bei dem dritten Exemplar die hellen Binden ſehr unterbrochen und bei dem vierten in kaum noch bemerkbaren Andeutungen vorhanden ſind, und zwar iſt bei dem körperlich am entwickeltſten, kräftigſten Exemplar (21,5 em lang) auch die Sonderung der lederbraunen Rückenzone und die dieſelbe einfaſſende helle und dunkle Längsſtreifung am ausgeprägteſten, ſchon ganz wie beim erwachſenen geſtreiften Weibchen (ſ. S. 121); bei allen vier iſt der Schwanz oberſeits graubraun, unterſeits grauweiß, der Bauch grünlichweiß oder grünlichgelb, gegen die Grenze hin aus— geſprochener grün, der Kopf oberſeits braungrün, unterſeits und an den Kiefern gelblich, mit blau- oder grüngrauem Anflug, die Flanken ſind hellbraun mit ſchwärz lichen Flecken, die Beine oberſeits hellbraun, unterſeits grauweiß, grau- oder grün— gelb. — Im nächſten Frühling, wenn die Thiere geſchlechtsreif werden, iſt auch das Alterskleid fertig, die Männchen haben ſich mit ſchönem flecken- und ſtreifenfreien Grün geſchmückt, die Kehle nimmt die reinblaue Färbung (ſ. S. 120) an. b) Varietäten. 1. Var. concolor (Duges), einfarbig grüne Smaragd— Eidechſe. Das Männchen iſt oberſeits, abgeſehen von dem braunen Schwanzende und den mitunter auf dem Oberkopf ſich zeigenden braunen oder grüngrauen Tüpfeln, in ein freudiges reines Grün gekleidet, ſodaß der dieſer Varietät von Fitzinger Menag. S. 653] beigelegte Name „viridissima“ ſehr glücklich gewählt erſcheint; die Unterſeite des Rumpfes, Schwanzes und der Beine iſt rein gelb, zuweilen mit einem leichten Anflug von Grün. Auch die Kehlgegend iſt in der Regel gelb — de Betta [Fauna S. 25] jagt „kanarienvogelgelb“ (. . . „di color giallo canarino“) — oder leicht grünlichgelb; eine blaue Kehle ſcheint bei dieſer Varietät gar nicht oder nur höchſt ſelten vorzukommen, wenigſtens fehlte ſie allen mir aus Dalmatien und Griechen— land, in welchen Gebieten derartige u. a. Stücke eine Länge von 60 bis 65 cm er— reichen, und aus Italien zugegangenen bezw. bekannten Exemplaren, wogegen der Seps viridis Laurenti's [Syn. S. 62], welcher doch wohl als ein Männchen dieſer Varietät anzuſprechen iſt, eine blaue Kehle beſitzt. Das Weibchen iſt oberſeits entweder einfarbig hellgrün oder aber mit grünbrauner, jederſeits von einer weißlichen Längsbinde eingefaßten Rückenzone. Das Jugendkleid entſpricht der letzteren Zeichnungs— form; die hellen und dunklen Längsflecken der jungen Männchen verſchwinden mit der Zeit vollſtändig. — Dieſe Varietät, welche bei Tſchudi die „2. Varietät“ und bei Dumeril-Bibron die var. a) bildet, iſt aus Frankreich ſchon durch Duges, aus der Schweiz durch Tſchudi, ferner aus Italien durch de Betta, von Sizilien (Marſala) durch Böttger [Sic. S. 256], aus Griechenland z. B. durch Schreiber bekannt; ich ſelbſt kenne ſie aus Griechenland, Dalmatien, Tirol, Nord-Italien, aus Dalmatien und Tirol bekam ich lebende Stücke, und laut brieflicher Mittheilung des Herrn L. Geiſenheyner kommt ſie nicht ſelten bei Kreuznach vor. 2. Bar. punetata (Daudin; Duges), getüpfelte S. von Laurenti als Seps varius, von Meißner Muſ. S. 41] und Schinz Rept. S. 99] als Lacerta smaragdina, von Andrzejowski [Amph. S. 328] als Lac. elegans, von de Betta [Fauna S. 25] als Var. versicolor aufgeführt und beſprochen. Beim Männchen iſt die Oberſeite auf grünem oder gelbgrünem *) Grunde mit zahlreichen ſchwarzen, braunſchwarzen oder olivbraunen ) Ein derartig gefärbtes Exemplar bildet J. Sturm [Amph. Heft 4] ab. x Varietäten 124 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Tüpfelpunkten, welche jedoch die Größe einer Schuppe nicht überſteigen, ſondern meiſt nur einen Theil der Schuppe bedecken, beſtreut. Zuweilen aber ſtehen dieſe Tüpfelchen ſo dicht, d. h. ſie erſtrecken ſich auf ſo viele Schuppen, daß die grüne Grundfärbung ganz zurückgedrängt wird. Die Oberfläche des Kopfes erſcheint dunkel— oder grünbraun, mit hell- oder gelbgrünen Tüpfeln. Die geſammte Unterſeite iſt einfarbig gelb, nur die Bauchtafeln der äußeren Längsreihen ſind gewöhnlich grün— blau gerandet oder gepunktet, und ſehr oft ſchmückt ein ſchönes Blau Kehlgegend und Halsſeiten k). Mitunter geſellen ſich zu den dunkeln Tüpfeln der Oberſeite kleine weiße oder gelbweiße Punkte, ſodaß die Varietät die Bezeichnung „punctata“ in doppeltem Sinne verdient. (Hierher gehört auch die Varietät punctillata, pointillee ou tiquetée Fatio's und wohl ebenfalls die Lacerta chloronotus Rafinesque Schmalz' bezw. die Var. chloronota de Betta's, und die Varietäten b und e bei Dumeril-Bibron.) Das Weibchen tritt in drei Zeichnungsformen auf, welche den ſchon früher beſchriebenen entſprechen: entweder auf hellgrünem Grunde ſchwarz getüpfelt, alſo wie das Männchen, oder außerdem mit zwei bezw. vier weißlichen, gelblichen oder grünlich— weißen, von dunklen Flecken begleiteten Längsſtreifen gezeichnet; die Unterſeite iſt wie beim Männchen gelb, die Kehle zuweilen blau. Die jungen Thiere ſind oberſeits auf braunem oder grünbraunem Grunde ſchwarz gefleckt und ebenfalls mit zwei (vier) hellen Längsbinden gezeichnet. — Dieſe Varietät kommt im Verbreitungsbezirk der Smaragd-Eidechſe allenthalben häufig vor, namentlich im weſtlichen Europa: Iberiſche Halbinſel, Italien und Sizilien, Frankreich, Deutſchland (Rheingebiet und Mark Brandenburg), Schweiz, Oeſterreich, Tirol, Ungarn, Serbien, Dalmatien, auch Griechenland und Cykladen und Syrien; in den meiſten dieſer Länder iſt ſie wohl die häufigſte aller Spielarten. 3. Var. maculata (Duges), gefleckte S., von Rafinesque Schmalz unter den Bezeichnungen Lacerta serpa et L. sicula, von Tſchudi [Echſen] als 4. Varietät, von Fatio als var. marmorata (tachée ou marbrée) behandelt. Das Männchen unters ſcheidet ſich von dem der vorigen Varietät dadurch, daß jede der ſchwarzen Zeichnungen der Oberſeite ſich nicht blos auf eine Schuppe erſtreckt, ſondern mehrere Schuppen umfaßt, ſodaß größere Flecken von tiefſchwarzer oder braunſchwarzer Farbe und rund— licher, viereckiger oder querbandartiger Geſtalt entſtehen. Mitunter ſcheinen ſich dieſe ſchwarzen Flecken in Längsreihen zu ordnen, oder ſie ſind, entſprechend der vorigen Varietät, von weißlichen bezw. gelblichen Schuppen begleitet. Auf viele Thiere paßt die Bezeichnung „gemarmelt“ beſſer als „gefleckt“. Bei manchen iſt die grüne Grundfärbung durch die ſchwarze Zeichnung ganz zurückgedrängt, bis auf kleine grüne oder grüngelbe Pünktchen, ſodaß die Eidechſe auf ſchwarzem Grunde grün oder gelb gepunktet erſcheint (Var. g bei Schreiber: „Supra atra, puncta flavescentibus crebris sparsa“); ja es kann der Fall eintreten, daß infolge deſſen das Grün gänzlich ver— ſchwindet und das betreffende Exemplar eine ſchwarze Oberſeite aufweiſt, wie dies durch ein von Gachet [Act. Soc. Linn, de Bordeaux, t. VI, 1833, S. 168] als variété noire du Lézard vert beſchriebenes Stück bewieſen wird. Die Oberſeite des Kopfes iſt braun oder braungrün mit hellgrünen, z. Th. dunkel umzogenen Punktflecken, der Bauch wie die übrige Unterſeite rein-, grün- oder weißgelb, nur die Kehlgegend oft blau. Das Weibchen iſt oberſeits grün oder graubraun und ent— weder nur mit ſcharf markirten ſchwarzen Flecken oder noch mit zwei mehr oder ) Das in Bonaparte's Faune italica abgebildete Exemplar der „var. mento-coerulea“ iſt ein blau— kehliges Männchen der getüpfelten Varietät (punctata). Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 125 minder deutlichen hellen Binden längs der Rückenzone gezeichnet, denen ſich zuweilen zwei auf den Rumpfſeiten hinziehende Fleckenreihen beigeſellen. Hierher gehört wohl auch der Seps terrestris Laurenti's [Syn. S. 61), welcher einen braunen, jederſeits mit einer Reihe undeutlicher Flecken verſehenen Oberkörper hat (Corpore fusco, utrinque serie macularum obsoletarum) und von Schreiber als var. i aufgeführt wird. Auf dem Jugendkleid des Männchens treten in dem Maaße, wie die hellen Streifen ver— ſchwinden und das Braun ſich in reineres Grün umſetzt, die ſchwarzen Rückenflecken kräftiger hervor. Die gefleckte S. begegnet uns in allen zum Verbreitungsbezirk der viridis zählenden Ländern, einzeln auch im deutſchen Gebiet. Wie die vorigen beiden Varietäten erreicht ſie z. B. in Dalmatien eine Länge von 60 em und darüber. Eine an die eigentliche maculata ſich anreihende, von dieſer jedoch nicht wirklich geſonderte Zeichnungsform iſt die gemarmelte S. (var. marmorata), welche Duges [Lac. S. 376] die buntgefleckte Grünechſe (var. variolata) nennt.“) Bei ihr entſtehen infolge Zuſammenfließen der ſchwarzen, mit braunen und gelben Schuppenflecken gemiſchten Zeichnungen unregelmäßige, oft eigenthümliche Schnörkel, Strichel oder Schlangenlinien; zuweilen findet man Weibchen, ſo unter den dalmatiſchen Grünechſen, welche auf dem Rücken dunkel gemarmelt und an den Seiten mit weißlichen, in ein oder zwei Längsreihen geordneten Tropfenflecken, aber nicht mit hellen Längsbinden gezeichnet ſind. Auch junge, 1 oder 2 Jahr alte Thiere zeigen zuweilen dieſe Zeichnung. 4. Var. strigata (Eichwald), fünfſtreifige S., als beſondere Spezies von Eichwald [Zool. S. 189] und Ménétries [Cat. S. 61] unter den Namen Lacerta strigata bezw. Lac. quinque-vittata beſchrieben. Das weſentliche Kennzeichen dieſer nur in dem ſüdöſtlichen Europa und den angrenzenden aſiatiſchen Ländern heimiſchen Varietät bildet eine vom Hinterkopfe an über das Rückgrat nach der Schwanzwurzel hinziehende weißliche, grünlich-, gelblich- oder bläulich-weiße Binde. Zugleich mit dieſer treten je ein heller Streifen zur Seite der Rückenzone und an der Rumpfſeite auf, ſodaß die Eidechſe oberſeits fünf helle Längsbinden zeigt, während die Weibchen der vorn be— ſprochenen Stammform und der weſteuropäiſchen Varietäten deren nur zwei oder vier beſitzen, da ihnen eben die Rückgratslinie ſtändig fehlt. Außerdem muß betont werden, daß in den oben erwähnten öſtlichen Gebieten jene 5 Streifen nicht blos den Weibchen und Jungen, ſondern auch den erwachſenen Männchen zukommen, weshalb die Erhebung dieſer Zeichnungsform zu einer eigenen Varietät ſicherlich gerechtfertigt iſt; dagegen reichen die Färbungsmerkmale, da ſtändige charakteriſtiſche Punkte hinſichtlich des Baues und der Bedeckung des Körpers ſich nicht ergeben, nicht aus zur Aufrecht— erhaltung der Lacerta strigata (quinque-vittata) als beſondere Spezies, wie es außer Eichwald und Menetries Berthold, Gray u. A. wollen. Bezüglich der Färbung der Oberſeite iſt noch zu bemerken, daß als Grundton ein Grünbraun, Olivengrün oder dunkles Grün (Männchen) oder ein Braun (Weibchen) auftritt und daß jene hellen Längsſtreifen von braunen oder ſchwarzen Säumen und Flecken begleitet werden, während die Oberſeite der Schenkel mit gelblich— oder grünlichweißen, dunkel begrenzten Augenflecken und die Körperſeiten auf den zwiſchen den hellen Längsſtreifen liegenden Feldern oft auch mit hellen Flecken geſchmückt ſind; der Schwanz iſt oberſeits braun, an der Wurzel mit Spuren heller Streifung, ) Die Varietät einereo-nigrescens, welche de Betta im Jahre 1857 [Erp. Ven. S. 134] beſchreibt und die offenbar zu dieſer bezw. voriger Varietät gehört (Oberſeite graugrün mit ſchwarzen und braunen Punkten und Flecken beſtreut), hält er in ſeiner Fauna d'Italia nicht mehr aufrecht. 126 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. der Oberkopf hell- oder grünbraun, der Bauch ſammt den anderen Partien der Unter— ſeite weißlich mit einem Stich in Gelb oder Grün. Es ſei hier noch bemerkt, daß Bedriaga früher die Vermuthung ausſprach, man habe es in der Lacerta strigata mit einer Uebergangsform zwiſchen der Smaragd- und der grünen Mauer-Eidechſe (Lac. muralis neapolitana) zu thun. Indeſſen iſt er davon zurückgekommen, ſeit Keßler auf Grund gemachter Erfahrungen und ſorgfältiger Unterſuchungen zu der in ſeiner „Zoolog. Reiſe durch Transkaukaſien“ ausgeſprochenen Ueberzeugung gelangte, die fragliche Eidechſe ſei „faktiſch nur eine Varietät der Lacerta viridis, aber in ver— ſchiedenen Punkten eine ſehr ausgeſprochene“. Daß ſie den Uebergang zur ruſſiſchen Zaun-Eidechſe (Lacerta agilis chersonensis) vermittelt, geht nach Keßler aus mehreren ihrer Eigenheiten hervor: ſie iſt hinſichtlich ihrer Färbung oft ſehr ſchwer oder gar nicht von jener agilis zu unterſcheiden; die Reihe der körnerartigen Schüppchen zwiſchen der Augenlidſcheibe und den Wimperſchildchen iſt oft bei weitem nicht vollzählig, mit— unter ſogar auf zwei oder drei Schüppchen zuſammengeſchmolzen (der L. agilis fehlen ſie gänzlich) “); die Schuppen der Rumpf-Oberſeite ſind bei strigata etwas größer als bei der mehr weſtlich vorkommenden Form der viridis und daher finden ſich bei ihr in einer Querreihe weniger Schuppen als bei der typiſchen viriclis (vergl. S. 119); der Schwanz der strigata iſt etwas kürzer als bei der weſtlichen Form und hat 100 bis 105 Schuppenringe, während bei den Kiew'ſchen Exemplaren der viridis der Schwanz zuweilen mehr als doppelt ſo lang iſt als der Körper und 105 bis 112 Wirtel beſitzt. Beſtändige Charaktere prägen ſich jedoch nicht in dieſen Momenten aus, vielmehr zeigen die Thiere bald in dieſem, bald in jenem Punkte Abweichungen. — Vor— kommen: Kaukaſus und Transkaukaſien, Klein-Aſien (Skutari), Syrien (Beirut), Perſien. 5. Var. trivirgata, dreiſtreifige S., von Dumeril-Bibron [Erp. gén.] unter var. h., von Schreiber [Herp.] als var. p., aufgeführt. Von der vorigen im Weſent— lichen dadurch unterſchieden, daß außer dem gelblich- oder grünlichweißen Rückgrats— ſtreifen nur noch zwei ähnliche helle Längsbinden, und zwar je eine an der Seite der Rückenzone, vorhanden ſind; die beiden Streifen an den Rumpfſeiten fehlen, die letzteren haben nur gelblich- oder grünlichweiße, dunkel umzogene Augenflecken aufzu— weiſen. Die Grundfärbung iſt ein Grünbraun oder Braun, die Unterſeite iſt weißlich, die Kehlgegend mit bläulichem oder grauem Anflug. Weibchen und Junge zeigen dieſelbe Färbung wie die Männchen — daſſelbe Verhältniß wie bei der vorigen Varietät. Der Umſtand, daß bei der strigata die Seitenſtreifen zuweilen nur angedeutet ſind, ſpricht für die nahe Verwandtſchaft der Varietäten 4 und 5, ebenſo auch die theilweiſe Uebereinſtimmung hinſichtlich des Verbreitungsgebietes, denn die dreiſtreifige S. findet ſich in Syrien und Klein-Aſien und außerdem auf der Balkan-Halbinſel. 6. Var. Vaillanti, einfarbige perſiſche S., in Dumeril's Katalog unter var. concolor mit bezeichnet, in der „Zoology of Eastern Persia“ von Blanford mit erwähnt und von Bedriaga zu Ehren des Profeſſor Vaillant benannt. Aus— gezeichnet durch das auffallend große, ſechs- bis ſiebenwinkelige, von einer Anzahl größerer und kleinerer Schläfenſchilder umgebene Maſſeterſchild (. S. 60), durch die Verringerung der bei der typiſchen viridis zwiſchen Augendiskus und Wimperſchildchen hinziehenden Körnchen-Reihe bis auf Null bezw. 1 bis 4 Körnchen, ſehr ſchwach geſchindelte Rückenſchuppen, ſchmale Schwanzſchuppen, ſchlanken und geſtreckten Körper; ) Hierzu muß indeß darauf hingewieſen werden, daß auch bei den Varietäten Vaillanti und Schreiberi dieſe Körnchen-Reihe meiſt auf einige wenige Körnchen verringert iſt, ja mitunter gänzlich vermißt wird. D. Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 127 6 Reihen Bauchſchilder, 107 Schwanzſchuppenringe. Oberſeite olivenbraun, rein ein— farbig oder mit dunkelbraunen Pünktchen, Nacken grün angehaucht; Unterſeite ein— farbig grünlichweiß. Vorkommen: Perſien. — Eine andere gleichmäßig braune, nur ſpurweiſe gelb geſprenkelte Varietät beobachtete Bedriaga auf der Cykladen-Inſel Milo; er bezeichnet ſie in ſeinen „Amph. und Rept. Griechenlands“ als var. kus ca, während er die auf der Cykladen-Inſel Tino gefundene ſchwarzpunktirte grün— bis goldgelbe Spielart „var. aurata“ nennt. Während die erſtgenannten drei Varietäten (concolor, punctata, maculata) durch das ganze Wohngebiet der viridis ſich verbreiten, beſchränken ſich die letzt genannten drei Formen (strigata, trivirgata und Vaillanti) lediglich auf den öſtlichen Theil des Verbreitungsbezirkes, ſodaß man ſie als die öſtlichen Lokal-Raſſen der viridis anzuſehen hat. Wir haben nun aber auch noch einer rein und ausſchließlich weſtlichen Form der Smaragd— Eidechſe, welche nur auf der pyrenäiſchen Halbinſel auftritt, zu gedenken. Und wie jene öſtlichen Raſſen durch gewiſſe Eigenheiten in Färbung nicht nur, ſondern auch in Bekleidung und ſogar im Körperbau von der mittel- und ſüdeuropäiſchen typiſchen viridis ſich abheben, jo zeigt auch die weſtliche Form beſtimmte Abänderungen von der letzteren. Sie unterſcheidet ſich, was die Färbung anbelangt, von allen anderen Smaragd-Eidechſen durch die ſchwarzgefleckte oder ſchwarzgetüpfelte Unterſeite, ſodaß man ſie als 7. Var. ventrimaculata, als Smaragd-Eidechſe mit geflecktem Bauch, bezeichnen kann. Am 3. Auguſt 1880 erhielt ich durch Hermann Wilcke in Mühlhauſen i. Thür. eine Kollektion nordſpaniſcher Grüneidechſen, deren Rückenfärbung (grün oder braun⸗grün mit mehr oder minder zahlreichen ſchwarzen und ſchwärzlichen Punkten, Flecken oder Marmelzeichnungen) nichts Abſonderliches darbot, während die auf gelb— lichem oder grüngelbem Grunde mit grauen oder ſchwarz en Tüpfeln und Flecken gezeichnete Unterſeite ſofort auffiel. Die Größe und Form des Hinterhauptſchildes ſchwankte ſehr (ſ. S. 115), die Körnchen⸗ Reihe oberhalb der Wimperſchildchen war nur bei drei Stücken vollſtändig, bei den übrigen auf einzelne Körnchen zuſammengeſchmolzen, Schenkeldrüſen zählte ich jederſeits 12 bis 14; die Maaße des einen Exemplars habe ich auf Seite 115 unter Nr. 3 eingefügt. In Giebel's „Zeitſchr. f. d. geſ. Naturw.“ 1879, Bd. IV, S. 505, erſah ich aus einem Berichte von O. Böttger, daß H. von Maltzan-Federow zwei derartige Eidechſen von ſeiner Reiſe in Süd-Portugal, und zwar aus Monchique, mitgebracht hatte. Inzwiſchen hatte J. v. Bedriaga die galiciſch-aſturiſche Grünechſe im „Archiv f. Naturg.“ 1878, I. Bd., S. 299, bekannt gemacht, indem er ſie, wie er ſpäter ſagt, „irrthümlicher Weiſe als ſelbſtändige Art betrachtet und als Lacerta Schreiberi beſchrieben hatte“. Und einige Jahre ſpäter gab Boulenger [Proc. London 1884 pag. 418] der aus der Serra de Monchique in Algarve ſtammenden Grünechſe die Bezeichnung „var. Gadovi“ Alle dieſe Eidechſen haben gelben, dunkel oder ſchwarz punktirten bezw. gefleckten Bauch, grüne, grüngelbe oder bräunliche Oberſeite mit ſchwarzen oder braunſchwarzen Punkten und Flecken (beim Weibchen iſt der Vorderrücken gern grün, der Hinterrücken braun grundirt), die Männchen der „Gadovi“ an beiden Seiten des Rumpfes gewöhnlich eine Reihe weißer Flecken; junge Thiere find oberhalb olivenbraun oder braun, an den Körper— ſeiten durch Augenflecken — welche bei der „Gadovi“ bläulich, ſchwarz geſäumt, bei der nordſpaniſchen „Schreiberi“ gelb, dunkelbraun umſäumt ſind — ausgezeichnet. Es wäre recht wünſchenswerth, daß dieſe Varietät oder Varietäten bald und oft in größerer Anzahl zu uns gelangte, damit die ſchönen Thiere bekannter und manche betreffs ihrer Kenntniß noch obwaltenden dunklen Punkte aufgehellt würden. Verbreitungs bezirk. Südweſt-Europa. 128 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Es bedarf wohl kaum der Hervorhebung, daß ſich zwiſchen den im Vorſtehenden geſchilderten Varietäten und Formen, namentlich innerhalb der erſtgenannten drei Varietäten, viele kleinere Abweichungen und Farben-Spielarten beobachten laſſen, welche die Uebergänge von dieſer zu jener vermitteln, im Uebrigen aber der einen oder der anderen Hauptform ſich näher anſchließen; wir können und müſſen daher ihre Beſchreibung hier unterlaſſen. Geographiſche Verbreitung. Die eigentliche Heimat der Smaragd-Eidechſe bilden das ſüdliche und ſüdöſtliche Europa, alſo die das Mittelländiſche und das Schwarze Meer im Norden begrenzenden Länder. Außerdem bewohnt viridis die Südküſte des Kaspiſchen Sees (nördliches Perſien) und die ſüdlich des Schwarzen und öſtlich des Mittel-Meeres gelegenen vorderaſiatiſchen Gebiete: Klein-Aſien, Syrien und Paläſtina; hingegen ſcheint fie an der Oſtküſte des Kaspiſchen Sees, da nur Eichwald ſie für dort angiebt, blos vereinzelt, vielleicht auch gar nicht aufzutreten, und ſüdlich des Mittelmeeres fehlt ſie auf jeden Fall.“) Der Verbreitungsbezirk ſtellt einen breiten Landſtreifen dar, welcher an der atlantiſchen Küſte Portugal— Spaniens und Frankreichs im Weſten beginnend, ſich im Allgemeinen zwiſchen dem 35. und 50. Grad n. Br. bis etwa zum 54. Grad öſtl. Ferro-Länge hinzieht; von da ab aber ſenkt ſich die Südgrenze bis zum 32. und 30. Grad (Paläſtina, Schiras) und die Nordgrenze bis zum 45. Grad (Kaukaſien) herab, und im Oſten ſchließt das Gebiet am weſtlichen und ſüdlichen Ufer des Kaspi-Sees ab. Die angegebene nörd— liche Grenzlinie erleidet nur an einzelnen Punkten eine Ausbuchtung nach Norden hin, ſo am Rhein bei Boppard, in der Mark Brandenburg, in Hinterpommern, bei Pod— gurz an der Weichſel, in der Warſchauer Gegend und in der Ukraine. Die äußerſten Punkte der Verbreitung unſerer viridis liegen mithin im Weſten unterm 9. und im Oſten unterm 70. bis 73. Grad öſtlicher Ferro Länge, im Süden unterm 30. und im Norden unterm 52. und 53. Grad n. Br. Ehe wir uns nun dem Vorkommen auf deutſchem Gebiete zuwenden, ſei in allgemeinen Zügen der ſüdeuropäiſchen Länder gedacht. Auf der Pyrenäiſchen Halbinſel ſcheint ſie ungleichmäßig verbreitet zu ſein: in Portugal wurde ſie den Mittheilungen Barboza du Bocage's, Bosca's und Böttger's [Maltzan] zufolge in den Provinzen Minho (Dom Jeſus de Monte), Beira, Alemtejo und Algarve, in Spanien laut Machado in Sevilla, laut Bosca und Seoane in Neu- und Alt-Kaſtilien, Aſturien, Galicien, Katalonien und im Baskenland beobachtet, mithin in den nördlichen Gebieten häufiger als in den ſüdlichen, wo die größere Perl-Eidechſe (Lac. ocellata, Daudin) den Platz behauptet; und auf den Inſelgruppen der Balearen und Pithyuſen fehlt ſie gänzlich. In den angrenzenden Landſchaften Frankreichs, fo in der Gascogne und im Languedoc und ebenſo in dem öſtlich der Rhone gelegenen ſüdfranzöſiſchen Küſtendiſtriklt der Provence, iſt fie ſehr häufig, und daſſelbe gilt von den mittleren Departements bis etwa zum 47. Breitengrad hinauf. Nördlich von demſelben kommt fie, jo in den Depart. Nonne, Sarthe und in der öſtlichen Bretagne, ſpärlicher vor; und nicht nur, daß ſie bei Paris ſelten wird, wie bereits Duges angab, fie ſcheint nach den Mittheilungen Lataſte's [Paris] hier, bei Fontainebleau, Verſailles, Boulogne, Verrières, überhaupt die nörd— lichſten Punkte ihrer Verbreitung im nordweſtlichen Frankreich erreicht zu haben. *) Die Angaben, daß viridis in Algerien (nach Dumeril-Bibron u. A.) und auf den Kanaren nach Lichtenſteins („Nomenel. reptil.“) vorkomme, beruhen auf Irrthum und Verwechſelung; in Al— gerien und in Tunis wird fie durch eine verwandte Art, welche von Lataſte den Namen Lacerta pater erhalten hat, vertreten. Erſte Art. Smaragd-Eidechie. 129 Und damit erreicht ſie gleichzeitig die Nordgrenze ihrer Verbreitung in Weſt-Europa; denn ſie fehlt ſowohl in Belgien, Luxemburg und Holland, als auch in Großbritannien mit Ausnahme der nur politiſch zu England, geographiſch aber zu Frankreich ge— hörigen Normannen-Inſel Jerſey, von welcher u. A. mehrere Stücke nach dem Britiſchen Muſeum gelangt ſind Gray Cat. S. 31]. Ob ſie im öſtlichen Frank— reich, von wo ſie aus der Provence, der Dauphine, dem Jura, Savoyen (Südabhänge des Mt. Blanc, Salsve), der Franche Comte (Depart. du Doubs) bekannt iſt, gleichfalls bis zum 49. Grad n. Br. hinaufgeht, iſt noch nicht feſtgeſtellt, doch wohl anzunehmen, da ſie bei Trier in Rheinpreußen beobachtet wurde und hierher doch jedenfalls nur längs des Moſelthales aus Franzöſiſch- durch Deutſch-Lothringen ein— gewandert ſein kann. Ueberhaupt läßt ſich das öſtliche Frankreich als Ausgangspunkt für gewiſſe Wanderungen der viridis betrachten: aus Lothringen durch das Thal der Moſel in das Gebiet des Mittelrheins, durch das Thal des Doubs in die nord— weſtliche und durch das Rhonethal in die ſüdweſtliche Schweiz. Auf die Ein— wanderung durch das Thal des Doubs wäre das Auftreten in der Umgegend von Baſel zurückzuführen (vergl. weiter unten), wobei man freilich annehmen müßte, daß die viridis auf den Zwiſchenſtationen wieder verſchwunden wäre. Im Kanton Bern kommt ſie, wie mir Herr Prof. Th. Studer-Bern jchreibt, nicht vor, wohl aber findet ſie ſich, worüber ſchon Tſchudi und Schinz berichten, in den Kantonen Waadt und Genf, alſo der ſüdweſtlichen Schweiz, und in den ſüdlichen K. Wallis und Teſſin. Nach Fatio bewohnt ſie hauptſächlich das Baſſin der Rhone und des Genfer Sees; Herr Max Hoffmann-⸗Genf beobachtete ſie oberhalb Chillon, bei Villeneuve und am Fuße des Saleve (ſüdlich von Genf, 500 Meter hoch); bei Bex an der Rhone ſoll, nach den Angaben Charpentier's und Tſchudi's [Echſ. S. 13], durch den ſtrengen Winter 1829/30 eine große Anzahl S. zu Grunde gegangen ſein, ſodaß ſie nach dieſer Zeit daſelbſt nicht mehr ſo häufig war wie vordem. In die ſüdlichen Kantone Wallis und Teſſin und ebenſo in den ſüdöſtlichen, von Tſchudi und Schinz noch nicht genannten Kanton Graubünden, wo ſie laut Fatio in den Thälern von Poſchiavo und Bergell vorkommt, gelangte die S. aus Nord-Stalien, indem ſie die Flußthäler aufwärts ver— folgte. Dagegen erſcheint ihr Auftreten bei Zürich (Muſeum in Zürich) unvermittelt. Italien — und weiterhin die Balkan-Halbinſel — dürfen wir als die eigentliche Heimat der viridis anſehen, von welcher aus ſie ſich nach Weſten, Norden und Oſten hin verbreitet hat und dabei um die Alpen herum nach Mittel-Europa eingreift. Schon der römiſche Dichter Virgil gedenkt ihrer vor nahezu 2000 Jahren, und der Bologneſer Profeſſor Aldrovandi beſchreibt in ſeinem bekannten Werke [Quadr.| die „Lacerta viridis Liguoro Bononiensibus“ aus eigener Anſchauung. Sie iſt auf der ganzen Apen— niniſchen Halbinſel, von den Ebenen im nördlichen Theile bis nach Kalabrien hinab, zu Hauſe und ebenſo auf der Inſel Sizilien und laut Böttger [Sic.] auf den benach— barten kleinen Inſeln Maritimo und Uſtica. Dagegen fehlt ſie, worauf bereits Cetti und Gens hinweiſen, der Inſel Sardinien und wohl auch den Inſeln im Tyrrheniſchen Meer, während ſie ſich laut Camerano auf Elba wiederum vorfindet; das Vorkommen auf Korſika ſtellt Camerano als ungewiß hin, und wahrſcheinlich mangelt ſie dieſer Inſel, da auch J. v. Bedriaga ſie hier nicht beobachtete. Von Nord⸗Italien (Venetien, Friaul) aus verbreitet ſich die viridis in die an— grenzenden öſterreichiſchen Alpenländer: Tirol, Kärnthen, Krain (Illyrien), Iſtrien, Süd⸗ und Mittel-Steiermarf, nicht aber weiter nördlich nach Nord-Steiermark, Salzburg und Ober-Oeſterreich, denn in dieſen drei Gebieten vermißt man ſie, ſie erreicht überhaupt im öſterreichiſchen Alpendiſtrikt den 47. Grad n. Br. nur ausnahms— 9 Schweiz. Italien. Oeſterreich Alpenländer. Balkan⸗ Halbinſel. Vorder-Aſien. 130 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. weiſe (Graz). Im ſüdlichen Tirol iſt die „Grünz“ ſowohl im Thal der Etſch als auch in dem der Brenta (Val Sugana) und in anderen Querthälern überall häufig, ebenſo ſtellenweiſe bei Kaltern am See, bei Bozen und Meran; im Etſchthal ſteigt ſie nach Gredler's Angabe durch das Vinſchgau bis Mals nahe der Etſchquelle, 3300 Fuß üb. Meer, ferner geht ſie ins Thal von Ulten und Paſſeier, im Eggenthal bis Gummer und Welſchnofen (3700 Fuß) und durch das Eiſackthal bis Brixen; endlich bemerkt Gredler noch, daß ſie ſich „nach gut verbürgten Angaben auch im unteren Drau- und Iſelthal: an der Sonnſeite bei Nikolsdorf, Grafendorf, Thurn und ſtellenweiſe noch am Gwablerberge bei Ainet findet“. Damit im Einklange ſteht Leydig's Notiz Saur. S. 190], daß L. viridis „mündlichen Angaben zufolge auch im Puſterthal vorkomme“. Im angrenzenden Kärnthen trifft man ſie, laut Gallenſtein, überall an ſonnigen Abhängen und trockenen Mauern, doch nur in der Ebene (d. h. wohl der Thäler). Was Steiermark anbetrifft, jo kennt Herr Prof. A. v. Moſſiſovicz, wie er mir freundlichſt ſchreibt, ſie aus Süd- und Mittel-Steier, und Exemplare aus der Umgebung von Graz ſind in ſeinem Beſitz, hingegen wurde ſie von ihm im Norden des Landes noch nicht beobachtet. Für Unter-Krain, und zwar für Krupp, verzeichnet ſie Freyer, für Iſtrien Schreiber. Von Krain aus geht die viridis einerſeits durch Kroatien nach Slavonien, wo ſie nach Steindachners Bericht [Slavon.] unter Anderem von Ferrari und Zelebor bei Kovil und Titel geſammelt wurde, und die Donauländer, anderſeits durch Dalmatien auf die türkiſch-griechiſche Halb— insel über. Daß ſie in Dalmatien, wo ſie nach Kolombatovic außer auf dem Feſt— lande auf der Inſel Curzola heimiſch iſt, ſehr häufig und in ganz bedeutender Größe und leuchtenden Farben vorkommt, weiß jeder Reptilien-Liebhaber; in den Jahren 1870 bis 1876 allein verſandte Herr Buchhändler Fiedler in Agram 1538 Stück an deutſche wiſſenſchaftliche Inſtitute und Reptilienfreunde [Zool. G. 1877 S. 275]. In Bosnien und in der Herzegowina beobachtete O. v. Möllendorff gleichfalls ſehr große Stücke; in Serbien fand ſie, laut brieflicher Mittheilung, Herr M. Quedenfeldt häufig; Exemplare aus dem Balkan ſtehen im Athener, ſolche vom Olymp („var. strigata“) im Berliner Muſeum; aus Konſtantinopel bekam Berthold mehrere, unter ihnen fünffach weißgeſtreifte [Neue Amph.]; vom griechischen Feſtland, wo ſie wie in Dalmatien eine ungewöhnliche Länge (60 bis 66 em) erreicht, iſt fie allgemein bekannt; auf den Joniſchen Inſeln iſt ſie, laut Heldreich und Bedriaga, ebenfalls zu Hauſe, ebenſo auf Kreta und den Kykladen: Erhard bemerkte ſie auf Mykonos und Syra, Erber auf Tino, Bedriaga außerdem auf Seriphos, Naxos, Andro und Milo [Griech.]J. Auf der Sporaden-Inſel Rhodus erbeutete ſie Erber [Rhodus]; von der Inſel Cypern ſteht ein Exemplar, Nr. 956, im Berliner Zoolog. Muſeum; auf Kreta entdeckte fie Raulin [Crete]. Wie auf dieſen kleinaſiatiſchen Inſeln, jo iſt die viridis auch auf dem Feſtlande Vorder-Aſiens zu Hauſe. In Kleinaſien ſammelte ſie z. B. Mann bei Bruſſa [Steindachner], von Trapezunt ſtehen im Berliner Muſeum unter Nr. 6191, aus Cilicien im Britiſch Muſeum Exemplare, das erſtere Muſeum beſitzt ſie auch aus Syrien; Günther [Palest.] kennt fie von Jeruſalem und vom See Merom in Paläſtina, Anderſon [Proc. 1872 S. 372] von Schiras und Eichwald [Fauna S. 66] von Aſterabad in Perſien und von der im Golf von Aſterabad gelegenen Inſel Oreſt [Reiſe 1 S. 328]; aus Perſien ſtammt auch die var. Vaillanti; aus dem türkiſchen *) Die Verbreitung der viridis in den anderen öſterreich.-ungar. Ländern und in Deutſchland wird weiter unten zur Beſprechung kommen. Erſte Art. Smaragd⸗-Eidechſe. 131 Euphrat⸗Tigris-Land fehlen Belegſtücke. Sodann verbreitet ſie ſich in das ſüdliche aſiatiſche und europäiſche Rußland, alſo in das Gebiet des Kaspiſchen und Schwarzen Meeres; von der Oſtküſte des Kaspiſchen Meeres jedoch verzeichnet ſie nur Eichwald [Fauna], während fie laut Eversmann [Reiſe] in dieſen aralo-kaspiſchen Steppen über— haupt nicht vorkommt; jedenfalls wird der 73. Ferro-Grad (Aſterabad) die Grenze des Verbreitungsbezirkes im Oſten bilden. Dagegen beſtätigen beide Forſcher, und ebenſo Keßler, Ménsétries und de Filippi [Viaggio S. 354], daß ſie zwiſchen Schwarzem und Kaspiſchem Meere, in Trans- und Ciskaukaſien, heimiſch iſt. Oeſtlich von der Wolga fehlt, nach Eversmann's Angabe [Lac.], die viridis; auch die großen, 26 cm langen grünen Eidechſen, welche Leydig [Saurier S. 209] aus der Gegend von Sarepta an der unteren Wolga erhielt, waren grüne Zaun-Eidechſen, worüber man die Beſchreibung der Lacerta agilis, var. colchica, nachleſen wolle. Dort ſoll auch der auf der Halbinſel Krim lebenden grünen Eidechſe, welche von Pallas, Rathke, Böttger und Schreiber als Lacerta viridis, von Keßler, Köppen und Bedriaga als L. agilis angeſprochen wird, in Kürze gedacht werden. Trotz der noch mangelnden Klärung hinſichtlich der Art der Krimer grünen Eidechſen wird man die Angabe, daß auch die echte viridis auf der Krim vorkomme bezw. vorkommen könne, nicht unbedingt als falſch bezeichnen dürfen. Die nördliche Verbreitungsgrenze, welche ſich in der Kaspi⸗Gegend und in Kaukaſien bis auf den 45. oder gar 40. Breitengrad geſenkt hat, ſcheint ſich nun am Don hinauf zu ziehen und in den Gouvernements Woroneſch, Charkow, Poltawa und Kiew bis zum 51. und 52. Breitengrad ſich zu erheben. Durch die Ukraine, bezw. die klein- und ſüdruſſiſchen Bezirke zieht ſich die viridis, wie die Arbeiten Czernay's, Andrzejowski's und Belke's ergeben, einerſeits weſtlich in die Karpathenländer und anderſeits nordweſtlich nach Polen, wo ſie laut Taczanowski noch bei Warſchau, in dem Walde von Kampinos, wenngleich nur in geringer Anzahl, gefunden wird; ſie überſchreitet hier alſo die in Krynicki's „Observationes“ für Ruß- land angenommene Nordgrenze, den 48. Grad n. Br., um 4 Grade. Weiter nördlich dringt ſie im Ruſſiſchen Reiche jedoch nicht vor, und die Angabe G. Seydlitz' [Ver— zeichniß], daß Lac. viridis, Petiver in den Ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, allerdings „ſehr ſelten“, vorkomme, beruht entſchieden auf Irrthum oder Verwechſelung, wie auch O. v. Löwis auf Seite X ſeiner bezüglichen Schrift ausdrücklich betont. Die zwiſchen Polen und Wolhynien einerſeits und den Donauſtaaten anderſeits gelegenen öſterreichiſch-ungariſchen Länder zählen die Smaragd-Eidechſe zu ihren ſtändigen Bewohnern. In Galizien und der Bukowina iſt ſie laut Zawadski nicht ſelten; nach brieflicher Mittheilung des Herrn Prof. Nowicki-Krakau iſt fie gemein in galiziſch Podolien, während fie in Weſtgalizien fehlt; in Siebenbürgen iſt fie Bielz' Angabe zufolge durch das ganze Land nicht ſelten; hier, und ebenſo bei Tuldſcha in der Dobrudſcha, wurde ſie, wie Steindachner [Slavon.] berichtet, auch von Ferrari und Zelebor geſammelt; ſehr häufig wurde ſie von Erber, was er in ſeinen „Amph. der öſt.-ung. Monarchie“ angiebt, bei Orſova und Mehadia und von Herrn M. Quedenfeldt z. B. bei Semlin im Banat beobachtet. Aus dem ſüdlichen Ungarn ver zeichnet ſie auch A. v. Mojſiſovicz, welcher ſie aus dem Keskenderwald ſowie von dem banatiſchen Herkulesbad kennt; im mittleren Ungarn iſt ſie z. B. bei Budapeſt gemein, nach der Angabe von Prof. J. Krieſch im „Zool. Garten“ 1877, S. 140, ſogar „häufiger als agilis“, ebenſo wenig fehlt ſie Kornhuber's Angabe zufolge bei Preß— burg; „aus den kalkigen Gebirgen von Torna“ in Ober-Ungarn erhielt Jeitteles mehrere Stücke [Prodr.], doch hebt er hervor, daß fie bei Kaſchau, alſo gegen die Tatra hin, vermißt wird, ihre Verbreitung durch Ungarn ſcheint ſomit keine gleichmäßige zu fern. 9 * Rußland. Oeſterreich— Ungarn. Bayern Uebriges Deutſchland. 132 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Sie hat aber nach Weſten hin die ungariſche Grenze überſchritten und iſt einestheils in das Gebiet der March, d. i. Mähren, und anderntheils, das Donauthal aufwärts verfolgend, nach Nieder-Oeſterreich vorgedrungen. Im Flach- und Hügellande von Mähren findet ſie ſich nach Heinrich's Angabe häufig; doch wird ſie an manchen Orten vermißt, ſo bei Brünn; an der Südſeite des hart an der Schleſ. Grenze liegenden Rautenberges begegnet man ihr, wie mir Herr Dr. A. F. Spitzer-Wien ſchrieb, ſehr ſelten. Von Mähren, vielleicht auch von Nieder-Oeſterreich aus iſt ſie weiter nach Böhmen gelangt, indeß fehlt noch, wie Fritſch betont, Näheres über ihre Verbreitung daſelbſt: „bisher wurde ſie hauptſächlich in der Umgegend Prags im Zaäviſt- und Scharkathal, bei Roztok und an mehreren anderen Orten angetroffen“; aus Glück— ſelig's Bemerkung: „habitat per totam Bohemiam“ [Syn.] und Noll's Angabe [Zool. ©. 81]: „in Böhmen kommt ſie überall auf ſonnigen Wieſen vor“, zu ſchließen, würde ſie allerdings durch ganz Böhmen anzutreffen ſein. Nach Knauer [N. Oeſt.] findet ſie ſich „in ganz Nieder-Oeſterreich, ſtellenweiſe ſehr häufig“, große Exemplare aber nur noch bei Baden und Vöslau und gegen die ungariſche Grenze hin, während ſolche in der Gegend von Wien immer ſeltener geworden ſind; aus der nächſten Umgebung Wiens, wo ſchon Laurenti das „Krauthuhn“ beobachtete, ver— zeichnen Fitzinger [Oeſt.] und Knauer folgende Fundorte: Türkenſchanze, Kahlenberg (Wildgrube), Vogelſang, ſteinige Raine bei Sievring und Grinzing, nach Fitzinger lebte ſie vormals auch im Wiener Stadtgraben. Ueber die Donauſtadt Krems, welche Fitzinger noch als Fundort anführt, it die viridis weſtwärts bis in die bairiſchen Grenzgebiete gegangen. Dies wäre ſomit der eine Punkt ihres Auftretens in Deutſchland. Freilich beſchränkt ſich dieſer Wohnplatz nur auf die nächſte Umgebung von Paſſau, indem laut Waltl und Fahrer („Bavaria“ 1863, S. 122] die Smaragd-Eidechſe nur „am linken Donauufer etwas unterhalb Paſſau bis nach Obernzell hin“ vorkommt. In demſelben Jahrgang der Bavaria erklärt Sendtner (S. 80): „die dem ſüdlichen Europa angehörige grüne Eidechſe ſonnt ſich auf den warmen Felſen um Paſſau ebenſo behaglich, wie an den heimatlichen Gartenmauern um Bozen“. Ob und inwieweit dies jetzt noch zutrifft, habe ich nicht erfahren können; doch verzeichnet ſie noch i. J. 1871 Jäckel aus Obernzell [Kriechth.], und im Mai 1880 ſchrieb mir Herr J. F. Leu-Augsburg: „der einzige Fundort in Bayern ſind die waldigen Abhänge bei Paſſau, von wo ich lebende Exemplare erhielt“. Außer an dieſer Stelle iſt die viridis noch in folgenden Gebieten des Deutſchen Reiches mit Sicherheit nachgewieſen worden: am Ober-Rhein (ſüdweſtlicher Zipfel Badens, wie im Baſelland) und am Mittel-Rhein (Rheinthal von Bingen bis Boppard, unteres Nahethal von Kreuznach bis Bingen, mittleres Moſelthal um Trier), ferner bei Oderberg und mehreren anderen Plätzen der Mark Brandenburg, ſowie Pommerns und des nördlichen Poſens und endlich in der ſüdlichſten Spitze der Provinz Weſt— preußen, bei Podgurz an der Weichſel. Faſſen wir dieſe zerſtreut liegenden Punkte ins Auge, ſo drängt ſich uns unwillkürlich die Ueberzeugung auf, daß die Smaragd— Eidechſe aus ihrer urſprünglichen Heimat, dem Süden Europa's, auf verſchiedenen Wegen und zwar längs großer Flußthäler in die deutſchen Länder einwanderte und dabei 1. aus dem mittleren Frankreich durch das Thal des Doubs und die Gebirgs— lücke zwiſchen Jura und Vogeſen („die Pforte bei Belfort“) in die Gegenden des Rheinknie bei Baſel (vergl. S. 129), 2. aus dem öſtlichen Frankreich durch das Moſel— thal bis Koblenz, von da rheinaufwärts bis Bingen und von hier das Nahethal auf— wärts bis Kreuznach, 3. aus Mähren das Oderthal hinab bis Oderberg in Branden— burg, 4. aus den ruſſiſchen bezw. galiziſch-polniſchen Diſtrikten längs des Weichſelthals Erſte Art. Smaragd⸗-Eidechſe. 2 133 bis in die Thorner Gegend und 5. aus Ungarn das Donauthal hinauf bis Paſſau vorrückte, — daß ſie ferner mehrfach vom Hauptwege abwich, um in die ſeitwärts deſſelben liegenden Gebiete ſich zu verbreiten und ſo unter Anderem in die mittleren Theile der Mark Brandenburg (Berlin) zu gelangen; in anderen Fällen aber ver— ſchwand ſie auf den Zwiſchenſtationen wieder (ſie ſtarb aus), ſodaß die Punkte, an denen ſie ſich erhielt, z. B. Oderberg, als „ſehr weit vorgeſchobene iſolirte Standquartiere“ erſcheinen ). Betrachten wir nun die einzelnen deutſchen Wohnplätze etwas genauer. Am Rheinknie bei Baſel, und zwar auf dem rechten Rheinufer, bewohnt ſie ebenſowohl Schweizer wie Baden ſches Gebiet. In der Nähe der Stadt kommt ſie an mehreren Stellen vor, doch, wie Herr Dr. F. Müller-Baſel ſchreibt, allem Anſchein nach nicht mehr ſo zahlreich als früher. Derſelbe Autor nennt mir folgende Fund— orte: die Rheinhalde, welche ſich von Baſel bis Grenzach in ziemlicher Erhebung über den Strom hinzieht; das Grenzacher Horn, ½ Stunde oberhalb der Stadt auf deutſchem Gebiet, wo man ſowohl blau- und dunkelgrün geſprenkelten als auch ein— farbig glänzend-grünen Stücken begegnet; Wylen bei Baſel; den Iſteiner Klotz, am rechten Rheinufer, 3 Stunden unterhalb Baſel, wo ſie früher ziemlich häufig war **) und von wo ſie im Rheinthal noch weiter nach Norden vorrückte, denn Herr Dr. M. — und ebenſo Herr cand. rer. nat. W. Tiesler — fing auch ein ſehr ſchönes Exemplar in Niederweiler bei Badenweiler (Mühlheim); und gleicherweiſe findet ſie ſich, wie mir Herr Prof. R. Wiedersheim in Freiburg i. B., ſowie Herr W. Tiesler freundlichſt mittheilen, auf dem noch nördlicher gelegenen Kaiſerſtuhl in „außerordentlich ſchönen Exemplaren“. — Es ſcheint nun, daß ſie die ſonnigen Gelände der oberrheiniſchen Ebene noch weiter ſtromabwärts verfolgt hat; denn wie Herr Prof. Glaſer i. J. 1870 im „Zool. Garten“ berichtete und mir noch 1887 beſtätigte, kommt ſie, oft in großen ſtarken Exemplaren, um Worms vor. Einen weiteren Fundort am Oberrhein kennt man nicht: am linken Rheinufer auf elſäſſiſchem Gebiet iſt ſie bisher noch nicht kon— ſtatirt — was gewiß auffallen muß, da ſie in den an Elſaß grenzenden franzöſiſchen Departements zu Hauſe iſt —, und die aus der Umgebung von Straßburg Herrn Dr. O. Böttger als Lacerta viridis eingeſchickten großen grünen Eidechſen erwieſen ſich als Lac. agilis. Das Vorkommen am Hardt in der Rheinpfalz, und zwar vom öſtlichen, die Rheinebene ſäumenden Rande des Gebirges, geben Medicus [Bavaria], Jäckel [Kriechth.] und Noll [Geogr. Jahresb. Frankf. a. M. 1878] übereinſtimmend an, und ebenſo berichtete mir — unter ausdrücklicher Betonung, daß ich mich auf die Beſtimmung verlaſſen könne — im Mai 1881 der inzwiſchen verſtorbene Landesgeologe Dr. K. Koch⸗Wiesbaden, ein eifriger Forſcher auf dieſem Felde, daß an beſchränkten Fundſtellen bei Deidesheim, Wachenheim, Dürkheim und Neuſtadt a. d. Hardt die echte Lac. viridis regelmäßig anzutreffen ſei, während die ihm zu Geſicht gekommenen grünen Eidechſen vom Niederwald (von wo die viridis auch angegeben würde) nur große Männchen der Lac. agilis waren; dem gegenüber ſchreibt mir ein anderer zu— verläſſiger Beobachter und Kenner der Pfälziſchen Reptilien, Herr Apotheker M. Kruel ) Aehnliche Verhältniſſe begegnen uns bei der Würfel- und Aeskulap-Natter, ebenſo bei manchen anderen Thieren und, worauf Noll i. J. 1878 treffend hingewieſen, bei mehreren Pflanzen. — **) „Der Iſteiner Klotz wies früher auch einige ganz ſüdliche Pflanzenarten auf, die nun durch mehrere ſchnöde Botaniker gänzlich ausgerottet ſind“, bemerkt Herr Dr. M. dabei; und Herr Apotheker F. Keller (damals in Mannheim), welcher laut brieflicher Mittheilung vom Mai 1880 die viridis ebenfalls auf dem Grenzacher Horn und dem Iſteiner Klotz beobachtete, fügt die Notiz bei: „Auf dem Grenzacher Horn kommt auch der Buxbaum, Buxus sempervirens, maſſenhaft vor, jedenfalls ein hübſches Zuſammentreffen, man könnte jagen: eine Ausſtrahlung der mediterranen Fauna und Flora“. Ober⸗Rhein. Mittel-Rhein. Brandenburg, 134 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Otterberg, daß die viridis dort völlig fehle. Ein abſchließendes Urtheil hinſichtlich dieſes Punktes möchte alſo noch nicht zu fällen ſein. Am Mittel-Rhein iſt die viridis von der Mündung der Nahe an bis etwa zu der der Lahn und Moſel auf beiden Ufern an mehreren Orten gefunden worden, gleicherweiſe auch an der mittleren Moſel bei Trier [Noll] und der unteren Nahe, ſodaß der auf vorvor. Seite vermerkte Schluß betreffs einer Einwanderung von Weſten her durch das Moſelthal nahe liegt. Einen ſolchen hat ſchon Noll gezogen, jedoch nimmt dieſer Autor auch eine Einwanderung durch das Nahethal an. Ob ſie noch an anderen Stellen des Moſelthales, ob ſie z. B. auch bei Metz auftritt, bleibt noch nachzuweiſen, iſt aber ſehr wahrſcheinlich, zumal, wie das ſpäte Auffinden bei St. Goarshauſen und Boppard erhellt, auch „ein ſo großes Thier dennoch leicht über— ſehen werden kann“. Aus der Gegend zwiſchen Boppard und St. Goar erhielt Noll das erſte Stück im September 1880 durch Herrn Apotheker Meyer in St. Goar, nachdem er im Juli deſſelben Jahres die Art am Fuße der Lurley bei St. Goars— hauſen entdeckt und in einem 38,5 em langen Exemplar erbeutet hatte [Zool. G.]; im April 1881 bekam er von daher durch Herrn Dir. Harrach daſelbſt ein zweites Stück. Oberhalb dieſes Ortes iſt ſie, wie wir durch Kirſchbaum 1865 erfahren, bereits in den 60 er Jahren bei Caub durch Lex und nach demſelben Berichterſtatter in den 50 er Jahren einmal bei Rüdesheim von Freſenius gefunden worden. Ein vereinzeltes Vorkommen bei Caub und Rüdesheim verzeichnet auch Herr W. v. Reichenau, welcher übrigens im April 1886 ein lebendes Weibchen von Boppard zugeſandt erhielt. Im eigentlichen Rheingau, am Taunus, bei Wiesbaden, Mainz und Frankfurt a. M., wie überhaupt im Main- und dann auch im Neckar-Gebiet fehlt jedoch, wie mir die Herren W. v. Reichenau, Dr. K. Koch, Dr. O. Böttger und Dr. J. v. Bedriaga über- einſtimmend angaben, die viridis gänzlich. Hingegen findet ſie ſich Rüdesheim gegen— über, bei Bingerbrück und Bingen an der Nahe-Mündung nicht ſelten, und von hier aus, wo ſie laut Mühr und Glaſer z. B. die ſüdliche Abdachung des Münſterer Kopfes bewohnt, geht ſie die ſonnigen Ufer und Bergwände an der Nahe aufwärts bis Kreuznach und Münſter am Stein. Sie iſt hier, wo ſie die Berge auf beiden Nahe-Ufern zwiſchen dieſen Ortſchaften bewohnt, zwar laut brieflicher Mittheilung des Herrn L. Geiſenheyner-Kreuznach infolge des Umſtandes, „daß jedes Stückchen Land gerodet und in Weinberg verwandelt wird, ſchon ſeltener geworden, aber doch noch ziemlich oft anzutreffen“; im Einzelnen nennt Herr Geiſenheyner folgende Fundorte: den Rothenberg auf feiner Abdachung nach Münſter zu, Langenlonsheim (recht häufig !), Burgruine Trutzbingen, Waldrand bei Sprendlingen; am Lemberg wurde ſie vergeblich geſucht, die Berge bei Kreuznach und Münſter ſcheinen die letzte Station dieſer Eidechſe im Nahethal zu ſein. — Nach dem oben Geſagten liegt im Rheingebiet die Nordgrenze der Verbreitung etwas über dem 50. Grad n. Br. Bei Oderberg im brandenburgiſchen Kreiſe Angermünde, wo ſie ein lleines, 1—1% km langes und ½ km breites, nach der Oder zu ſteil abfallendes Terrain bewohnt, beobachtete Herr Lehrer Lange-Oderberg die Lac. viridis zuerſt vor etwa 30 Jahren, nachdem ſie ſchon längſt von anderen Orten der Mark bekannt war; er fing damals ein 22 Zoll (56 em) großes Exemplar, doch kommt ſie heute, nachdem ſie lange den Nachſtellungen namentlich Berliner Fänger ausgeſetzt geweſen, weder in dieſer Größe noch ſo zahlreich wie früher mehr vor. Oderberg iſt der einzige Ort an der Oder, an welchem die viridis mit Sicherheit nachgewieſen worden. So fehlt ſie auch allem Anſchein nach in Schleſien, obwohl die Einwanderung nach Brandenburg wohl durch Schleſien ſtattgefunden hat. Aeltere ſchleſiſche Fauniſten laſſen ſie aus Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 135 ihren Verzeichniſſen ſchleſiſcher Thiere entweder ganz fort (Kaluza und Tobias) oder ſie „vermuthen“ ſie nur für Schleſien (Gloger), und Herr Konſervator Tiemann— Breslau ſchreibt mir: „Lac. viridis kommt ganz beſtimmt in Schleſien nicht vor; es ſind die ganz intenſiv grün gefärbten Thiere hier auf dem Muſeum zu Profeſſor Grube's Zeiten eingehend unterſucht worden, ich ſelbſt habe eine große Anzahl aus verſchiedenen Gegenden Schleſiens geſammelt oder durch Bekannte beſchafft, es konnte aber nur feſtgeſtellt werden, daß es Männchen der Lac. agilis im Hochzeitkleide waren“. Ob die Angabe des Görlitzer Naturforſchers Fechner: „im Gebüſch und Steingeröll bei Königshayn beobachtet; ſelten“ auch in dieſer Weiſe aufzufaſſen iſt, bleibe dahin— geſtellt; ſehr wahrſcheinlich iſt es jedoch, daß die viridis bei ihren Wanderungen nach manchen Orten Schleſiens und der Lauſitz ſich verbreitet hat, aber wieder verſchwunden iſt. Dagegen hat ſie ſich an einigen Stellen der Mark Brandenburg, abgeſehen von Oderberg, dauernd erhalten. So wird ſie, wie ich durch Herrn H. Schalow Berlin erfahre, noch an anderen Stellen des Angermünder Kreiſes: in der Umgegend von Chorin, Berdewin, Liepe, alljährlich und nicht ſelten gefunden und gefangen. Ferner iſt ſie aus der öſtlich und ſüdlich von Berlin gelegenen, von der Spree und Dahme durchfloſſenen Landſchaft, dem Gebiet der „Oberſpree“, ſeit langem nachgewieſen. Zunächſt wurde ſie vielleicht vor 60 Jahren oder vor noch längerer Zeit auf den Rüdersdorfer Kalkbergen, öſtlich von Berlin, entdeckt: bereits in Lichtenſteins, i. J. 1823 erſchienenem Verzeichniß der Doubletten des Berliner Zoolog. Muſeum, in welchem die heimiſchen Eidechſen mit beſonderer Sorgfalt von Lichtenſteins damaligem Aſſiſtenten, stud. med. Ferd. Schulze von Halle, bearbeitet ſind und namentlich L. agilis ſchon ſcharf von L. viridis unterſchieden iſt, ſteht auf Seite 97 bei Lac. viridis: „in Mesomarchia plures eam offendisse certo scio“; und in dem genannten Muſeum befinden ſich 10 Eier, geſammelt von Prof. Lichtenſtein i. J. 1832, mit der Bezeichnung „Mark“ (Nr. 957), alſo wahrſcheinlich von Rüdersdorf, woher auch das aus jener Zeit ſtammende Exemplar Nr. 962 ſtammt !); jetzt iſt die Echſe daſelbſt ſelten. So— dann wurde ſie, wie ich durch Herrn Dr. Bolle Berlin, den trefflichen Kenner der märkiſchen Wirbelthier-Fauna, höre, Anfang und Mitte der 50 er Jahre wiederholt auf dem Gebiete von Rudow (Kreis Teltow), alſo nur einige Stunden ſüdlich von Berlin, gefangen; heut ſcheint ſie daſelbſt ganz verſchwunden. Endlich entdeckten die Herren Dr. Böhm, der kühne, leider im Dienſt der Wiſſenſchaft ſo früh gefallene Afrika⸗Reiſende, und Herm. Schalow dieſe Eidechſe Ende der 70 er Jahre in einem bis dahin nicht als Wohnplatz der viridis bekannten Theile der Mark, nämlich im ſüd— öſtlichen Zipfel des Kreiſes, bei Egsdorf am Teupitz-See; hier auf ihrem Jagdrevier beobachteten ſie dieſelbe zahlreich auf dem ein weites Bruchland, welches zwiſchen dem großen und kleinen Labenſee ſich ausdehnt, ſäumenden Terrain, in deſſen langen, engen Erdſpalten die Thiere ſich mit Vorliebe aufhielten. Nach den vorliegenden Nachrichten iſt die S. noch weiter nach Norden und Nordoſten hin, bis in die Provinz Pommern vorgedrungen. Friedels Angabe zufolge (Zool. G. 82] kommt ſie bei dem Städtchen Barth, nordweſtlich von Stralſund, vor; ebenſo ſoll ſie auf der benachbarten Inſel Rügen vorgekommen ſein, wenigſtens fand Herr F. „12 Exemplare davon in den 50 er Jahren unter der Bezeichnung „Rügen! im Berliner Zoologiſchen Garten“. Dem gegenüber ſchreibt mir Herr Dr. Katter— ) Damit wird auch die Vermuthung oder Annahme, daß der in den 50 er bis 70er Jahren in und bei Berlin thätige Reptilien-Sammler Linde die Smaragd-Eidechſe von einer ungariſchen Reife mit- gebracht und fie abſichtlich bei Rüdersdorf aus geſetzt habe, hinfällig. Pommern Preußen. Elbgebiet? Wohnort. 136 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Putbus, daß er die viridis auf Rügen trotz eifrigen Nachforſchens noch nicht bemerkt, wohl aber in Hinterpommern bei Dramburg gefangen habe. Endlich iſt ſie an der Weichſel bei Thorn, in der ſüdlichſten Spitze Weſt— preußens, „zweimal gefangen worden“, wie mir Prof. Zaddach-Königsberg im Dezember 1880 mittheilte. Entdeckt wurde ſie dort — und ebenſo die Glattnatter — bei Podgurz und in dem Cherniewicer Walde i. J. 1847 vom Oberlehrer v. Nowicki— Thorn, welcher ſie daſelbſt „ziemlich häufig“ fand, mehrere Exemplare in Gefangenſchaft hielt und eins derſelben an die Königsberger Zoologen ſchickte, die ſich von der Richtigkeit der Beſtimmung überzeugten (3. Bericht]. Möglicher Weiſe iſt ſie jetzt dort verſchwunden, dafür aber weſtwärts gegangen; denn Herr Gymnaſiallehrer F. Zerbſt-Schneidemühl benachrichtigte mich, daß er ſie in der Umgebung dieſer Stadt beobachtet habe. Worauf ſich die Angabe in Brehm's „Thierleben“, daß die S. bei Danzig vorkomme, gründet, iſt mir nicht bekannt; die Danziger Zoologen kennen die viridis aus dortiger Gegend nicht. Dem Gebiete zwiſchen Elbe und Rhein ſcheint ſie vollſtändig zu fehlen. Zwar iſt ihr Vorkommen von Hamburg und von Helmſtedt im nördl. Braunſchweig gemeldet worden; allein bezüglich Hamburg's haben, falls wirklich die viridis „in der Haake“ beobachtet worden, Fachmänner ſogleich die Vermuthung ausgeſprochen, ſie möge dort ausgeſetzt worden ſein, da ihr Auftreten daſelbſt zu auffallend wäre — und was Helmſtedt anbetrifft, ſo glaubt zwar Herr Prof. Nehring, wie er mir auf meine Fragen mitzutheilen die Freundlichkeit hatte, die von ihm während ſeiner Gymnaſialzeit (1855—58) in Helmſtedt beobachteten und gefangenen großen grünen Eidechſen auf Grund ſeiner lebendigen Erinnerungen heut noch als Smaragd-Eidechſen anſprechen zu müſſen, möchte jedoch, zumal ihm Belags-Exemplare fehlen, nicht jeden Zweifel für unberechtigt halten. Wenn man ferner aus der beiläufigen Bemerkung Nehring's im „Zool. Garten“ 1880, S. 298: „Auch bei Blankenburg a. H. ſoll ſie gefunden ſein“ die Angabe konſtruirt hat, daß Lac. viridis thatſächlich bei Blankenburg vor— komme oder ſogar, daß ſie von Nehring daſelbſt „konſtatirt worden ſei“, ſo iſt dies ein durchaus willkürliches Verfahren; der betreffende Beobachter, deſſen bezügliche Mittheilung Herrn Prof. Nehring (damals noch in Wolfenbüttel) zu jener bedingten Notiz veranlaßte, Herr Dr. J. Elſter, ſchreibt mir dahingehend: „Glaube einmal ein Exemplar auf der Teufelsmauer bei, Blankenburg gefangen zu haben. Das Thier hatte eine von Lac. agilis vollſtändig abweichende Färbung und Körperform“. Die bei Brehm und anderwärts zu findenden Angaben endlich, daß die S. bei Zeitz im Elſterthal, bei Leipzig und bei Annaberg in Sachſen auftrete, entbehren jeder Begründung und nöthigen aufs neue dazu, dem Vorkommen der einzelnen Reptilien-Arten rege Aufmerkſamkeit zuzuwenden und jeden Fund ſowie jeden Fundbericht ſorgfältig zu prüfen. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Der Naturfreund, welcher eine Smaragd— Eidechſe in ihrem friſch- und freudig-grünen Gewand betrachtet, kann nimmermehr zu der Meinung kommen, dieſe prächtige Schuppenträgerin ſei eine Bewohnerin finſterer Waldgebiete, ſchattiger Schluchten, feuchter Gründe, düſterer Moore, kahler, kalter Hochgebirge! Und in der That heißt der Wahlſpruch der viridis: Warmer Unter— grund, ſonnige Lage! Zwar iſt ſie in verſchiedenen Theilen der Alpen heimiſch, allein ſie ſteigt, wie es laut Tſchudi [Echſen!] und Fatio [Suisse] in der ſüdlichen Schweiz der Fall ſein ſoll, doch nur bis zur Höhe von 4000 Fuß (1300 m) überm Meeres- ſpiegel, alſo noch bei weitem nicht bis in die ſubalpine Region bezw. bis zur Grenze des Holzwuchſes, ſie bleibt vielmehr durchweg im Bereich der Voralpen, während die Mauer-Eidechſe bis zu 1500 oder 1700 m und die Wald- (Berg-) Eidechſe bis 2000, Erſte Art. Smaragd⸗Eidechſe. 137 ja ſelbſt bis 3000 m abſoluter Höhe geht. Uebrigens hat man die von Tſchudi für die Südſchweiz bezw. von Fatio für den Kanton Wallis angegebene Höhe von 4000 Fuß eben nur als oberſte und nur ausnahmsdweiſe erreichte Stufe der vertikalen Ver— breitung zu betrachten; vielmehr wird hinſichtlich des letzteren Punktes für die Alpen im Allgemeinen eine Bemerkung gelten, welche Venance Payot betreffs des Auftretens der viridis am Montblanc macht. Der Verfaſſer der „Expétologie etc. des environs du Montblanc“ ſagt nämlich, die genannte Art werde auf allen Südabhängen jenes gewaltigen Gebirgsſtockes bis zur Höhe von 600 m, ſelten darüber, angetroffen; (auch in Süd⸗Portugal, in der Serra de Monchique, fand man fie in einer Höhe von 600 bis 850 m). Wenn ſie ſich weiter hinauf ins Gebirge ziehen ſoll, müſſen ihr wenigſtens ſonnige Abhänge, wie ſie die Seiten der Flußthäler ſchaffen, geboten werden. So gehört ſie denn auch in Tirol zunächſt nur dem wärmeren Süden an, aber ſie verbreitet ſich doch in alle Querthäler und ſteigt, wie auf S. 130 erwähnt, z. B. im Etſchthal aufwärts bis Mals, 3300 Fuß (1100 m) überm Meer, und im Eggenthal bis Gummer und Welſchnofen, 3700 Fuß hoch. Wir ſehen, die Smaragd— Eidechſe iſt eben ſo wenig ein Kind des rauhen Nordens wie des Hochgebirges; ſie fühlt ſich wohl und heimiſch im Mittel- und Unter-Gebirge, in den Vorbergen und Hügelgeländen, meidet aber je nach den Verhältniſſen ſelbſt die Ebene nicht. Hinſichtlich der Höhen-Verbreitung zeigt ſie manche Aehnlichkeit, manchen Anknüpfungspunkt mit der Zaun-Eidechſe, dagegen weichen beide Arten in Betreff der horizontalen oder geographiſchen Verbreitung gänzlich von einander ab. Kalk und Schichten des Bunt— ſandſteins als Untergrund ſcheint ſie den Vorzug zu geben; die Abhänge der warmen Kalkberge, mit mehr oder weniger Geſtrüpp und Geſträuch beſtanden, ſind ihr im Baſeler Gebiet ebenſo wie in Italien, innerhalb der Mark Brandenburg (Rüdersdorf) ebenſo wie in den höhlenreichen Diſtrikten Ober-Ungarns (Torna) und anderwärts beſonders angenehm. Licht und trocken, warm und ſonnig iſt ihr Aufenthalt. Dazu will ſie mindeſtens etwas Pflanzenwuchs haben: nicht nur, daß ſie ſich gern auf Buſch und Aſt, an Baumſtämmen und auf hohen Grasbüſcheln lagert, um die Strahlen der Sonne förmlich aufzuſaugen, ſie ſucht auch bei Gefahr in und unter dichtem Buſch— werk und in Baumkronen Schutz vor den Verfolgern. Gebüſchreiche Lehnen, ſonnige Waldſchläge, nach Süden gelegene Felspartien und alte Mauern, hohe, mit Geröll und Geſtrüpp oder Gekräut bekleidete Halden und Böſchungen, freundliche Ufergelände und Bergabdachungen und ähnliche Oertlichkeiten bewohnt ſie mit Vorliebe. Die Nähe eines Waſſers iſt erwünſcht, doch nicht Bedingung, denn ſie findet ſich in Süd-Europa (Griechenland) zuweilen an Plätzen weit entfernt vom Waſſer und weiß dann ihr Bedürfniß nach Feuchtigkeit durch den Thau zu befriedigen. In die unmittelbare Nähe menſchlicher Wohnungen kommt ſie nicht, wenigſtens nicht in dem Maaße, wie es Zaun- und noch mehr Mauer -Eidechſe thun; innerhalb 23 Jahren ſtellte ſich z. B. nur einmal ein Exemplar in Gredler's Garten zu Bozen ein, während in dieſer Gegend Süd-Tirols die Mauer-Eidechſen „ihr prüfendes Spitzſchnäuzchen allenthalben dareinhaben“. Ueberhaupt iſt die Smaragd-Eidechſe trotz ihrer Größe äußerſt Scheu. „Prangend mit allen Schattirungen des Grünen“, jagt Schinz im erſten Theil der Fauna Hel- vetica (1837), „gewährt dieſes ſchöne Thier einen herrlichen Anblick, aber nur dem ruhigen Wanderer; ſie läßt ſich ſelten auf einen Schritt nahe kommen, ſondern eilt mit Blitzes ſchnelle in ihren Schlupfwinkel, gewöhnlich eine Mauerlücke in den lockeren, blos aus Steinen, ohne Mörtel verfertigten Mauern, oder unter Steine und Moor, wo ſie auch in der Erde überwintert“. Allein unter geſchickter Verwerthung der jeweils vor Scheu. Flucht. Fang. Bewegungen. 138 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. handenen Gelegenheiten, weiß ſie ſich ebenſowohl zwiſchen Steinhaufen und Felsblöcken, in Erdſpalten und dichtem Buſchwerk wie auf Sträuchern und Bäumen zu bergen; und wird ſie auch dann, wenn ſie an einem Stamm hinaufgelaufen iſt und ſich an dieſem oder auf einem Aſte feſtgeſetzt hat, beunruhigt, ſo verſucht ſie zuweilen, durch ganz gewaltige Sprünge auf den Boden herab zu entkommen. Zwecks weiterer Erläuterung dieſer Bemerkungen kann ich mir nicht verſagen, einige Bruchſtücke aus einem von Freundeshand an Ad. Franke-Stötteritz gerichteten Briefe hier einzuflechten. Der Schreiber des letzteren machte an einem Pfingſttage in Geſellſchaft von fünf Perſonen von Wien aus einen Ausflug nach dem 10 Stunden entfernten Baden und dem Triestingthal. Dicht bei Baden, beim Abſtieg von der Ruine Rauheneck, wurde der Ruf: „Eine Schlange!“ laut und nach einigem Suchen ein Birkbuſch von kaum 1 m Umfang durch die Geſellſchaft umzingelt. Die Wurzeln deſſelben werden ver— geblich durchſucht; „da ſehe ich mir auch den Buſch von oben an und erblicke, auf einen Aſt geduckt unter Blättern verſteckt, eine ſchöne grüne Eidechſe, die ich auch mit einem glücklichen Griffe erhaſchte“. Vier ſehr große Stücke wurden dann in dem mit etwas Unterholz gemiſchten Buchenhochwald bemerkt, wo ſie ihre Anweſenheit durch Raſcheln in dem hochliegenden dürren Laube anzeigten; eine derſelben wurde vom Berichterſtatter verfolgt und hatte manchmal einen Vorſprung von 10 bis 15 Schritt; als ſie jedoch matt war, verſchwand ſie hinter einem Buchenſtamm, wo ſie auf der dem Verfolger abgewendeten Seite in einer Höhe von etwa drei Ellen ſitzen blieb und nun dem vorſichtig Nahenden ebenſo in die Hände fiel wie ein von einem Begleiter in gleicher Weiſe „geſtelltes“ zweites Exemplar. „Die Smaragd -Eidechſen wiſſen übrigens ſehr gut das Terrain zu benutzen. Hatten wir eine in einen großen unzu— gänglichen Buſch gejagt, ſo war ſie kaum wieder herauszubringen; ſie ſaß im Mittel— punkte deſſelben ruhig auf dem Boden und ſchaute uns an, als wenn ſie genau wüßte, daß wir ſie nicht erreichen konnten. Und hatten wir ſie endlich, indem wir alle ſechs von drei Seiten mit Stöcken hineinfuhren und nur eine Seite frei ließen, zum Ver— laſſen ihrer Zuflucht gebracht, ſo ſuchte ſie dieſelbe doch immer wieder zu gewinnen, was wir jedoch thunlichſt vereitelten. Später im Sommer (Auguſt), als ich mit P. allein eine Partie in die Vöslauer Gegend machte, mußte dieſer zweimal bis in die Krone einer Kiefer ſteigen, um eine dieſer Eidechſen herabzujagen.“ — Man erſieht daraus, gerade die Erbeutung von Smaragd-Eidechſen erfordert Uebung und Geduld und wird am beſten zu Zweien oder Mehreren ausgeübt; klagt doch ſchon Germar 1817 in ſeiner „Reiſe nach Dalmatien“, daß er ihrer auf verſchiedener Art habhaft zu werden geſucht habe, „aber vergebens, ſie war mir zu ſchnell“. Anders freilich in den frühen Morgenſtunden, wenn, wie Milde in ſeinen Naturgeſchichtlichen Mittheilungen über Meran ſagt, erſt einzelne Eidechſen am Fuße der Weingartenmauern ſitzen und ihre erſtarrten Glieder wärmen: „während die bis faſt 1½ Fuß lange grüne Eidechſe bei der vorſichtigſten Annäherung eines Menſchen ſonſt im reißendſten Laufe davonſchießt, bleibt ſie jetzt, wie an allen Gliedern durch die Kälte der Nacht gelähmt, ruhig ſitzen und ſtrengt ſich vergeblich an, der Gefangennahme durch eine ſchnelle Flucht zu entgehen, da ihr die Glieder den Dienſt verſagen“. Wenn wir von früher her (Seite 80, 88) ſchon wiſſen, welche Bedeutung der lange Schwanz für alle Eidechſen hat, ſo muß hier doch beſonders hervorgehoben werden, daß ein unverſehrter Schwanz gerade für die große viridis einen erhöhten Werth beſitzt; denn ohne jenen vermag ſie, worauf Leydig bereits aufmerkſam machte, bei der Flucht nicht die bekannten Sprünge auszuführen. Während ſie mit Hilfe derſelben, unter geſtreckter Haltung des Schwanzes, „in geradeſter Richtung pfeilähnlich Eee ME u in ei Ds /ꝗ ꝛ ee nn Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 139 über ganze Flächen wegſchießt“, können Thiere mit verſtümmeltem Schwanze trotz allen Mühens nicht die pfeilſchnellen Bewegungen gewinnen, ſondern ſtrengen ſich an, „durch einfachen Lauf unter zahlreichen, raſchen Schlängelungen des Leibes zu ent— kommen“. Auch beim Klettern und beim Schwimmen bedarf ſie des Schwanzes als Steuer. Zwar ſucht ſie nicht jo oft als die Wald-Eidechſe ihr Heil im Waſſer; indeß ſchreckt ſie, falls bei Verfolgung ihr eine Waſſerfläche in die Quere kommt und ein anderer Ausweg ſich nicht bieten will, nicht zurück, dem feuchten Element ſich anzu— vertrauen: weiß ſie doch, daß zur warmen Sommerzeit ihre Muskelkraft und Ge— ſchmeidigkeit fie wohl befähigen, vorzüglich ſchwimmen und ebenſo zierlich als ſchnell die Fluth durchſchneiden zu können — wogegen allerdings im zeitigen Frühjahr die eben erſt aus der Winterherberge hervorgekrochene und zufällig ins Waſſer gerathene Eidechſe nur zu leicht ertrinkt, da ſie noch ſchlaftrunken iſt, ihre Gliedmaßen noch ſteif und ungelenk, ihre Bewegungen noch unbeholfen und ſchwerfällig ſind. Obſchon auch die im Zimmer gehaltenen Smaragd-Eidechſen gleich den freilebenden gern klettern, wenn es ein recht warmes, ſonniges Plätzchen zu erreichen gilt, und dann im Terrarium auf die Krone und die oberſten Blätter der daſſelbe zierenden Strauch- und Kraut— pflanzen ſich lagern oder bei verſtattetem Aufenthalt in der Stube das Fenſterkreuz, ein Eckſpind ꝛc. erſteigen oder hoch oben in einer Gardinenfalte behaglich dem ſüßen Nichtsthun ſich hingeben, ſo bleibt die viridis Alles in Allem doch eine Bewohnerin des Bodens, die dieſen nur verläßt, wenn beſondere Umſtände und Verhältniſſe (Angſt, Nahrung, Sonne) ſie zum Beſuche „höherer Regionen“ bewegen. Auf Grund der in Dalmatien geſammelten Erfahrungen berichtet J. Erber in jeinen „Amphibien der öſterreichiſchen Monarchie“, die Smaragd-Eidechſe entfliehe in dem Falle, daß ſie unter einen Stein ſich verkrochen habe und derſelbe nun entfernt werde, nicht, ſondern laſſe ſich leicht faſſen. Auch geſchieht es zuweilen, daß ſie erſchrocken ſitzen bleibt und ſomit ſich ſelbſt der Gefangenſchaft überliefert, wenn ein Schlag nach ihr geführt wurde, ohne ſie zu treffen. Gern aber ſperrt ſie — und das thut auch die Zaun-Eidechſe — nun, nachdem ſie nicht mehr zu entweichen im Stande iſt, dem Angreifer das drohend geöffnete Maul entgegen, was dem letzteren mitunter doch ſo gefährlich erſcheint, daß er nicht zupacken mag. Manchen furcht— ſamen Verfolger wird eine große viridis, zumal wenn fie, wie es bei ſtarken Stücken vorkommt, noch dazu ein ſchwaches Ziſchen vernehmen läßt, durch derartiges Gebahren von ſich abhalten; der Kenner weiß jedoch, daß das Zubeißen des Thieres nur ein empfindliches Kneifen bedeutet und keine Nachtheile mit ſich bringt. Jene Kampfſtellung nehmen die Eidechſen, inſonderheit die muthigen und ſtarken Männchen, ſelbſt in der Gefangenſchaft ein, falls man ihnen einen Finger nähert, ſie ſpringen wohl auch auf denſelben los und beißen ſich ſo feſt, daß man ſie mit dem Finger in die Höhe zu heben vermag. Daß die viridis unter den vier deutſchen Arten am leichteſten in Harniſch gebracht werden kann?), erfuhr auch H. Fiſcher-Sigwart an einem ſonſt ganz zahmen Exemplar ſeines Freiland-Terrarium, als es im Frühjahr 1882 ſoeben aus dem Winterſchlafe erwacht war und ſich ſonnte: der Beſitzer bot der Eidechſe Mehl— würmer an, doch ſchloß ſie die Augen und wollte nichts wiſſen; als man den Mehl— wurm ihr wieder und wieder am Maul herumſtrich, wurde ſie ärgerlich, ſchüttelte den ) In Erinnerung an dieſe Eigenheit der Eidechſe nennt daher der Bewohner des Hunsrückens, wie wir durch L. Geiſenheyner wiſſen, einen leicht aufbrauſenden, zornigen, auch wohl geradezu einen zankſüchtigen Menſchen, beſonders wenn er klein iſt, einen „Grinedis“. (Das Wort „Grinedis“, aus „Grüneidechſe“ oder „Grünedis“ entſtanden, wird im Nahegebiet außer für die Smaragd- und die grüne Zaun⸗Eidechſe auch für andere Eidechſen gebraucht.) Zorn. Kampfluſt. Kämpfe mit Schlangen. 140 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Kopf und öffnete die Augen, um dann plötzlich im hellen, bis zur Wuth ſich ſteigernden Zorn mit einem Satze an den Finger zu ſpringen und ſich feſtzubeißen; ruckweiſe biß ſie mehr und mehr zu mit krampfhaften Bewegungen, welche ſich deutlich ſichtbar über den ganzen Körper fortpflanzten, und als der Finger zurückgezogen wurde, blieb fie an demſelben hängen mit geſchloſſenen Augen und unter fortgeſetzten krampfhaften Beiß-Anſtrengungen, ſodaß der Beſitzer Mühe hatte, ſie von der Hand zu löſen; nach— dem dies geſchehen, verlor ſich das aufgeregte Weſen ganz plötzlich, die krampfartigen Bewegungen waren weg, die Eidechſe kam gleichſam wieder zur Beſinnung, öffnete die Augen und entrann, und ſpäter fraß ſie wieder dem Pfleger wie im Jahre vorher aus der Hand. In einem anderen Falle beobachtete derſelbe Pfleger, wie eine ſich ſonnende Grünechſe, als ſie von einer in dem gleichen Freiland-Terrarium untergebrachten Waſſer-Ralle unverſehens getreten wurde, blitzſchnell ſich wandte und den im Verhältniß zu ihr ſehr großen Vogel ins Bein biß, worauf dieſer ſchleunigſt Reißaus nahm. Welch' ein kampfbereites, muthiges oder übermüthiges, ja leidenſchaftliches und zuweilen ſchier unberechenbares Geſchöpf die Smaragd-Eidechſe iſt, offenbart ſich auch in ihrem Verhalten anderen Thieren gegenüber. Mit den geſchworenen Feinden der kleineren Eidechſen, der Schling- und der Aeskulap Natter, leben die kraftbewußten großen Exemplare unſeres Grüneders auf ſtändigem Kriegsfuß; denn ſie ſuchen nicht nur den Nachſtellungen der Schlangen entgegen zu treten, ſondern gehen unter Um— ſtänden ſelbſt zum Angriff vor, und die Schlingnatter, die dies erfahren, wird ſich nur dann an die viridis wagen, wenn ſie ſchwächere Verwandte derſelben zur Stillung ihres Hungers nicht mehr antrifft. Am Mittag des 7. Juli 1880 fand ich eine 50 em lange Glattnatter, welche mit einer großen Smaragd-Eidechſe den Aufenthalt theilte, todt vor, ſie lag in drei Windungen da; die Eidechſe mochte von der Schlange angegriffen und umſchlungen worden ſein, die erſtere aber hatte dieſe, wie die Wunde erwies, am Halſe gepackt und ihr die Kehlgegend dermaßen zugeſchnürt, daß die Natter — welche während des Kampfes auch, wie die auf dem Moos und auf der Haut ihrer Gegnerin bemerkbaren hellrothen Flecken bekundeten, viel geblutet hatte — erſticken mußte, wogegen dem Grüneder keinerlei Unbill erwuchs. Selbſt einer Aeskulap— Natter gegenüber, welche faſt die dreifache Länge jener Schlingnatter (an 150 em) beſaß, zeigte ſich die 38 em lange viridis furchtlos und wehrhaft. Als ich nämlich in ein Terrarium, in welches die Smaragd-Eidechſe nebſt verſchiedenen kleineren Ge— noſſen und Verwandten übergeſiedelt war, die Aeskulap- Natter brachte, gerieth die kleinere Geſellſchaft in hellen Aufruhr, um ſich aber ſchleunigſt aus dem Staube zu machen (vergl. Seite 99); nur der Grünz räumte der Natter nicht das Feld, nahm vielmehr, den Vorderkörper hoch aufgerichtet und zuweilen erregt mit den Vorder— füßen trippelnd, Gefechtsſtellung ein, packte den Feind, als derſelbe ſich langſam heran— ſchlängelte, ungeſtüm am Halſe und biß ſich hier, wie er es bei der Glattnatter gethan, krampfhaft feſt; indeß war die Eidechſe diesmal dem Gegner nicht gewachſen, denn mit einer energiſchen Seitenbewegung ſchüttelte dieſer den Grünrock ab, ſodaß dieſer nun auch verdutzt das Weite ſuchte. Ein auffälligeres Vorkommniß erzählt der Tiroler Fauniſt V. Gredler: Eine Aeskulap- Natter, ſeit langem ſchon mit einer viridis in beſtem Einverſtändniß lebend und im Uebrigen ebenfalls ganz gutartig, war plötzlich nach der Hand des Pflegers geſchoſſen; „aber in demſelben Augenblick auch hatte die Eidechſe ſich mit höchſter Erbitterung in den Nacken der Natter gebiſſen und ſchlug ſich längere Zeit mit ihr herum, bis ſie wieder losließ“. Gredler ſieht dies Gebahren der Eidechſe als einen Beweis „rührender Ergebenheit“ für ihn an; wir würden daſſelbe ſonach mit dem Verhalten guter, treuer Hunde in eine Reihe zu ſtellen haben, Z ³ĩü2Q u Be ei ie ee Die ee Erſte Art. Smaragd-Eidechſe. 141 damit indeß der Eidechſe zu viel Ehre anthun, denn kein Reptil ſteht auf einer ſolchen Stufe geiſtiger Ente daß es die zwiſchen ſeinem Herrn und einem anderen Geſchöpf unvermuthet geſchaffene ſchlimme oder gefährliche Lage begreifen könnte und ſofort zur V Vertheidigung ſeines Pflegers bereit wäre; jenes Benehmen des Grüneders iſt vielmehr als ein Ausfluß ſeiner Laune oder einer plötzlichen Anwandlung von Kampfluſt zu betrachten, vielleicht auch glaubte er, der Vorſtoß der Natter ſolle ihm gelten. Einen Beleg für dieſe Anſicht wird der folgende Bericht eines erfahrenen Beobachters, Karl Baudiſch in Trieſt, liefern. Herr Baudiſch beherbergte neben großen Grünechſen auch giftige und ungiftige Schlangen, die ſich unter einander ſehr gut vertrugen. Da geſchah es, daß einer Sandviper (Vipera ammodytes), als jie auf einen jungen Sperling losſchoß, eine große viridis in die Quere kam, welche dabei nicht gebiſſen, ſondern nur geſtoßen wurde. „Die Eidechſe, erſchreckt oder in der Meinung, der Angriff gelte ihr, ſprang wüthend auf die Viper los, biß ſie in den Bauch und wollte nicht loslaſſen. Die Otter erſchrak über dieſen unverhofften Zwiſchenfall und verſuchte im erſten Augenblick die Flucht zu ergreifen, vermochte aber die große Eidechſe nicht mitzuziehen, drehte ſich deshalb um und gab der letzteren einen Biß in die Weiche, wobei ich genau ſah, wie die Giftzähne tief ein— drangen. Da ich von dem Schauſpiel genug hatte, ſo trennte ich die beiden Thiere gewaltſam. Die Eidechſe lebte noch einen Monat, während die Viper nach acht Tagen an dem erhaltenen Biſſe ſtarb. Die erſtere kannte genau ihre Feindin, weshalb ſie, in deren Nähe kommend, ſtets ein nervöſes Zucken im Schwanze bekam, mit den Vorderfüßen im Sande kratzte und dabei den Rachen aufſperrte. Um weiteren Unfug zu verhüten, nahm ich die Eidechſe heraus und brachte ſie in ein beſonderes Behältniß. Als ich übrigens nach ihrem Tode die Bißſtelle unterſuchte, ſah ich noch ganz genau die beiden Narben als zwei fahlgelbe aufgetriebene Punkte. Merkwürdig erſcheint es immer, daß bei dieſer Echſe der Tod erſt nach einem Monat erfolgte“ (vergl. S. 96). Trotz ſolcher Zwiſchenfälle it und bleibt die Smaragd-Eidechſe gleich ihren Verwandten ein geſelliges und im Allgemeinen verträgliches Thier. Daß bei ihrem Uebermuth und ihrer Lebhaftigkeit ſie mal die Luſt anwandelt, mit Ihresgleichen Händel anzubinden, oder daß ſie, wie auf Seite 99 erwähnt, im Bewußtſein ihrer Stärke und Ueberlegenheit mal einen kleinen Genoſſen angreift und gemächlich ver— ſpeiſt, wird der verſtändige Pfleger des ebenſo prächtigen als gelenkigen und behenden Geſchöpfes ganz natürlich finden. Dem Beſitzer, welcher einſichtsvoll mit ihnen um— geht, vertrauen ſich die aufmerkſamen Grüneder gar bald, und nicht nur im Zwinger untergebrachte Stücke werden nach und nach zahm und kommen beim Herantreten ihres Gönners an die Thür, um das Futter in Empfang zu nehmen, ſondern auch diejenigen, welche das Zimmer oder das Freiland-Terrarium bewohnen und hier ungeſtörten Daſeins ſich erfreuen, lernen mit der Zeit den ihnen vor wie nach ruhig und fürſorglich begegnenden Freund und ſeine willkommene Leckerbiſſen ſpendende Hand kennen und ſchätzen: eine in meiner Stube ſich aufhaltende Grünechſe eilte mir immer entgegen, wenn ich nach längerem oder kürzerem Fernbleiben den Raum wieder betrat, und mitunter ſprang ſie mir in kurzem Satze an die Beinkleider, kletterte dann mit förmlichem Ungeſtüm am Körper hinauf bis zur Schulter und lief von da am Arm herunter zur Hand in Erwartung einiger Mehlwürmer und dergleichen. Freilich, jo zahm und zutraulich, ſo liebenswürdig zudringlich wird nur hin und wieder eine der ſchönen, ſelbſtbewußten Koſtgänger, und eher wird man derartige Erfolge bei den im engeren Glaskaſten hauſenden, als bei den im geräumigeren Gemach und Freiland— Terrarium lebenden Thieren erreichen. Auch den durch zahme Vögel und Säugethiere Zähmung. Berftand. 142 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. in dieſem Punkte etwas verwöhnten und anſpruchsvoll gewordenen Liebhaber gewährt es großes Vergnügen, wenn er die auf einer geringeren Stufe geiſtiger Entwickelung ſtehenden Eidechſen vermöge der ihnen zu Theil gewordenen freundlichen und freund— ſchaftlichen Behandlung ſoweit gebracht hat, daß ſie nicht nur die Nahrung ihm lang— ſam und zierlich von der Hand nehmen, ſondern auch auf die letztere kriechen, um ſie „nach Mehr“ zu unterſuchen, ſich dabei, ohne entweichen zu wollen, berühren, erfaſſen und allſeitig betrachten laſſen, ja vielleicht auch noch ruhig ſitzen bleiben, wenn man ſie wieder freigiebt. Während Zaun- und Mauer-Eidechjen zuweilen nach kurzer Zeit des Gefangenſeins ſchon den ſich bewegenden Mehlwurm aus den vorſichtig genäherten Fingerſpitzen weghaſchen, iſt die viridis in der Regel zurückhaltender; aber man gelangt auch bei ihr zum Ziel, wenn man ihr den zappelnden Leckerbiſſen zunächſt an einer langarmigen Pincette oder einer langen Futternadel hinreicht, nur achte man darauf, daß die Eidechſe beim Wegſchnappen des Futterthieres ſich nicht etwa an einer Spitze der benutzten Vorrichtung ſtechen kann, da ſie ſonſt aufs neue ſcheu und mißtrauiſch wird. Ueberhaupt hängt es manchmal nur von einer Kleinigkeit, einem im Augenblick gerade ſich bietenden Umſtande ab, die Lacerte ſich geneigt oder aber ſich abwendig zu machen, denn ſie merkt ſich das ihr erwieſene Gute ebenſo wie das ihr widerfahrene wirkliche oder vermeintliche Unrecht. Eine grüne Eidechſe, welche H. Fiſcher-Sigwart im Frühjahr 1881 als ertrunken aus dem Waſſer gezogen und nach langen Bemühungen wieder zum Leben zurück gerufen hatte, ſprang ihm anderen Tages an den Finger und biß; „ſie hatte die Manipulationen, die ich mit ihr hatte vornehmen müſſen, als Feindſeligkeiten angeſehen und wollte ſich nun rächen“. Es darf uns daher auch nicht wundern, wenn Stücke, welche bei und nach der Gefangen— nahme unliebſame Erfahrungen gemacht haben, den Verluſt der goldenen Freiheit nicht verſchmerzen können und gegen jeden Annäherungs Verſuch des Beſitzers gleichgiltig oder ablehnend ſich verhalten, ſodaß der letztere, trotzdem er ſich vielleicht oft mit dem Pflegling beſchäftigt, auf lange Zeit hinaus keine Spur von Vertraulichkeit und Zahmheit wahrnimmt. Indeß, mögen auch manche Grünechſen vorſichtig, ſcheu, mißtrauiſch bleiben und fortgeſetzt ihren Behälter nach einer Ritze, einer Oeffnung unterſuchen, die ihnen das Entrinnen geſtatte — die weitaus meiſten der friſchgefangenen Thiere ſöhnen ſich doch raſch mit ihrem Schickſal aus, und ſelbſt diejenigen, welche nach ihrer Ueberſiedelung in den Zwinger zunächſt wild gegen Wände und Decke ſpringen und toben, lernen bald mit den neuen Verhältniſſen rechnen und widerſtehen der Lockung appetitlicher Mehl— würmer und Käfer oder feiſter Regenwürmer, Engerlinge und beweglicher Heuſchrecken nicht. Ja man hat die Erfahrung gemacht, daß im Allgemeinen gerade ſolche Stücke, welche zu Beginn der Gefangenſchaft recht ungeſtüm und toll ſich geberdeten und auch ſpäterhin öfter zu plötzlichen Zornausbrüchen geneigt waren, ſchneller zahm und viel zutraulicher gegen den Beſitzer wurden als die Exemplare von weniger heftigem Weſen. Daß ſie ſolche Einſicht gewinnen, ſpricht ſicherlich ebenſo für ihre Intelligenz wie der Umſtand, daß ſie ſich in geräumigen Terrarien genau die Futterſtätte merken und ſchließlich auch, denn ſie finden ſich zu der regelmäßig innegehaltenen Stunde an dem Platze ein, einen Zeitſinn bekunden. Nach der auf Seite 83 bis 88 ent— worfenen allgemeinen Schilderung dürfen und müſſen wir uns hier einer weiteren eingehenden Erörterung über die Verſtandskräfte der viridis entſchlagen, nur ein Beipiel von Ueberlegung möge noch angeführt ſein, da es von einem in faſt unbeſchränkter Freiheit lebenden Thier geboten wurde: Aus dem 45 Quadratmeter umfaſſenden Terrarium des Herrn H. Fiſcher-Sigwart war am Morgen des 1. November eine Grüneidechſe Erſte Art. Smaragd⸗-Eidechſe. 143 durch ein von Mäuſen in die Zwiſchenwand genagtes Loch in den daneben liegenden, von Vögeln bewohnten Raum gekrochen, und zwar um ſich dort der Einwirkung der Sonnenſtrahlen, die in das Terrarium noch nicht fielen, auszuſetzen. Als nun Nach— mittags die Sonne ins Terrarium, aber nicht mehr in den Nebenraum ſchien, bemühte ſich die Eidechſe wieder dorthin zurückzukommen, wobei ſie, da das Schlupfloch von dieſer Seite aus ſchwer zu erreichen war, alle Schlauheit und Vorſicht anwandte, um zu demſelben zu gelangen. Sie verſuchte zunächſt von unten an der rauhen Wand empor zu klettern. Nach verſchiedenen mißglückten Verſuchen ging ſie indeß auf Um— wegen an eine Stelle, von der aus ſie ſchließlich von oben ſich nähern konnte: ſie rückte mühevoll und langſam vor und würde zuletzt ſicherlich das Ziel, von dem ſie nur noch etwa 20 em entfernt war, erreicht haben, hätte nicht der vorrückende Abend — die Verſuche hatten ſtundenlang gedauert — und die damit erſcheinende Kühle ſie erſtarren gemacht, ſodaß der Beſitzer ſie mittelſt des Fangnetzes wegzunehmen und ins Terrarium zurückzubringen ſich veranlaßt ſah. Es liegt klar zu Tage, daß die Durchwinterung dieſer unſerer größten Art mit beſonderen Schwierigkeiten verknüpft iſt und gewiſſer Vorkehrungen bedarf. Selbſt der glückliche Beſitzer eines Freiland-Terrarium hat in unſerem Klima, zumal bei den in verſchiedener Härte auftretenden Wintern, mit Fährniſſen zu kämpfen; denn die Thiere gehen, da ſie in ihrer ſüdlichen Heimat nicht nöthig haben, tief unter der Erdoberfläche liegende Ruheſtätten aufzuſuchen, auch in unſerem Vaterlande bei Wahl einer Winterherberge oft zu ſorglos vor, ſodaß der eindringende Froſt ſie ereilt und tödtet. So klagte denn auch Ad. Franke, der Inhaber eines 40 Quadratmeter großen und ſehr naturgemäß eingerichteten Freiland-Terrarium in Stötteritz bei Leipzig, über mehrere fehlgeſchlagene Ueberwinterungs-Verſuche; und J. J. Tſchudi — welcher von den Eidechſen jagt, daß ſie ſchon bei 7— 2“ R. in Erſtarrung fallen und einer niedrigeren Temperatur unterliegen — ſtimmt in ſeinen „Schweizeriſchen Echſen“ völlig der Anſicht des Herrn von Charpentier zu, welcher als Haupturſache der Ver— minderung der viridis bei Bex (vergl. S. 129) den ſtrengen Winter von 1829 auf 1830 annimmt, weil während deſſelben „gewiß eine große Anzahl Thiere dieſer beſonders gegen Kälte empfindlichen Spezies in ihren Löchern, wenn ſie nicht tief genug gegraben waren, erfror“. Baron von Freyberg war in Griechenland, wo er eine Menge, in ganz kurzer Zeit zutraulich gewordene Grüneidechſen auf ſeinem von drei Seiten mit poröſen Felſen umgebenen Hofe hielt, beſſer daran: „Ueberwintert haben ſie immer ſehr gut. Nachdem ſie ſich unter Gerölle, welches mit Grasboden bedeckt war, ver— krochen hatten, deckte ich ſie mit dürrem Laub zu und ließ ſie in Frieden“, denn „unterbrochenen Winterſchlof können ſie nicht leicht ertragen“. In dem auf voriger Seite erwähnten, innerhalb des Wohnhauſes belegenen Terrarium des Herrn Fiſcher— Sigwart zu Zofingen begeben ſich die wohlgenährten Smaragd-Eidechſen im Spät— herbſt, wenn die Temperatur für gewöhnlich unter 10 Grad R. bleibt und ſelten mehr darüber ſteigt, am liebſten unter die Erde, um hier in ſelbſtgegrabenen, 20 bis 30 em tiefen Löchern in Erſtarrung zu verfallen und bis Ende Februar oder in den März hinein zu ſchlafen. Auch dort wurde die Beobachtung gemacht, daß unter— brochener Winterſchlaf den Thieren ſchadet, und die auf Seite 112 vermerkte Erfahrung — daß ſolche Stücke, welche durch künſtliche Wärme verhindert werden, dem die Kräfte erhaltenden Winterſchlaf obzuliegen, im Laufe des neuen Jahres eingehen — beſtätigt: als wegen einiger afrikaniſcher Terrarium-Genoſſen (Chamäleons, Geckos, Gongylus) die Temperatur des Raumes ſchon zu Anfang des Winters 1882/1883 immer hoch gehalten wurde, ſuchten einige Grünechſen nicht das Winterquartier auf, Durchwinterung. Ausdauer in Gefangenſchaft. Freileben. 144 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſondern wählten ſich nur oberflächliche Verſtecke, kamen bei ſteigender Wärme ſogleich hervor, wie wenn ſie ſich ſonnen wollten, wurden aber dabei ſchwach und abgezehrt und ſtarben, trotzdem ſie bei zunehmender Frühjahrswärme zu freſſen verſuchten, im kommenden Frühling, Sommer, ſpäteſtens im nächſten Winter an Entkräftung, da die in ihrem Körper aufgeſpeicherten Nährſtoffe zu ſchnell, d. h. ſchon während des Winters aufgebraucht, nicht aber erſetzt wurden. Und doch wird der Liebhaber, welcher nur über kleinere Zimmer-Terrarien (Glas- häuschen) verfügt und für den Winter den großen Smaragd-Eidechſen geeignete Ruhe— ſtätten nicht zu bieten vermag, jene „naturwidrige“ Haltungsweiſe befolgen müſſen. Doch iſt es dann ſeine Pflicht, die ſchlimmen Seiten derſelben etwas zu mildern. Dies kann geſchehen, indem er die Pfleglinge in einen geräumigen, durch Heißwaſſer oder Flämmchen heizbaren Glaskaſten mit gleichmäßiger, etwa 15 oder 16 Grad R. betragender Wärme überſiedelt und dieſen an einem Fenſter, durch welches möglichſt viele der ſchrägen Sonnenſtrahlen hereinlachen, aufſtellt; der gewöhnliche, irgendwo in der warmen, aber in ihrer Temperatur ſehr wechſelnden Stube untergebrachte Sommer— Käfig genügt nicht zur Beherbergung der Grünechſen im Winter. Im Uebrigen beachte der Liebhaber auch für dieſe Zeit die auf Seite 110 verzeichneten Winke. Immer aber habe er im Auge: größeren, reichliche Bewegung geſtattenden Raum, ſonnigen Platz, ſeichten Badenapf ), trockenen Boden, öfteren Futterwechſel ““). Man vermag dann die viridis immerhin zwei oder drei Jahre zu erhalten, während ſie allerdings im großen Terrarium, wo ſie im guten Futterzuſtande das Winter— quartier aufſuchen und unbehelligt der Winterruhe ſich hingeben kann, gern vier oder fünf Jahre ausdauert. Nachdem wir auf Seite 77 den Winterſchlaf der Eidechſen im Allgemeinen beſprochen, wäre nur noch zu bemerken nöthig, daß die Grünechſe im ſüdlichen Tirol und jenſeits der Alpen während des Novembers den Schauplatz ihrer Thätigkeit im Freien verläßt, um zu längerem Schlummer ſich zurückzuziehen; in Meran z. B. ſah Milde, wie er 1862 in der Botan. Zeitung (Nr. 50) mittheilt, die letzte viridis am 3. November, die letzte muralis jedoch am 15. Dezember. Bei uns im nördlichen Deutſchland verſchwindet ſie weit früher und bleibt ſie bis in den April hinein ver— borgen, wogegen ſie im ſüdlichen Tirol im März hervorkommt und ſelbſt im ſüdlichen Baden bei ſchöner, warmer Witterung ſchon Ende Februar und Anfang März ſich zeigt: am Kaiſerſtuhl gewahrte ſie Herr W. Tiesler 1890 und in demſelben Gebiet Herr H. Kober 1885 zu Ende Februar. Je nach der Witterung und dem Lande vollzieht ſich im März, im April oder auch erſt im Mai und Anfang Juni, wenn das Männchen im ſchönſtgeſchmückten Kleide prangt, die auf Seite 105 beſprochene Paarung. Ende April bereits begegnet man trächtigen Weibchen und ſchon Ausgangs oder gar Mitte Mai kann man die erſten Eier finden. Meiſtens aber werden die Eier im Juli abgelegt; ) Baden und künſtlicher Sprühregen iſt, wie erwähnt, wichtig für die Hautpflege. Außer von der auf Seite 98 genannten Zecke hat, wie wir von mehreren Pflegern mitgetheilt wird, gerade die Smaragd-Eidechſe noch von einem zweiten Schmarotzer, welcher Mißbildungen der Oberhaut und der Schuppen verurſacht, zu leiden; der braune Paraſit ſcheint eine Gamasus-Art, eine jener Zecke verwandte Milbe, zu fein, doch habe ich ſelbſt fie noch nicht kennen gelernt. — **) Betreffs der Nahrung gefangener Grünechſen ſei noch eines merkwürdigen Falles gedacht. Profeſſor J. Krieſch in Budapeſt hielt mehrere aus dortiger Gegend ſtammende Grünechſen in Geſellſchaft von verſchiedenen Schlangen. Als nun eines Tages den Waſſernattern (Tropidonotus-Arten) wieder einmal in einem Glasgefäß kleine lebende Fiſchchen vorgeſetzt wurden, holte ſich, wie der Beſitzer im „Zool. Garten“ 1877, S. 142, berichtet, einer der prächtigen Grüneder oder „Krauthähne“ einen ſchon in den letzten Zügen taumelnden Bitterling (Rhodeus) aus dem Waſſer, „um ihn zu meinem Erſtaunen mit ſichtlichem Behagen zu verſchlingen“. Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 145 dies thaten unter anderen auch im Jahre 1887 fünfzehn Weibchen, welche ich kurz vorher von A. Mulſer in Bozen bekommen hatte (das letzte legte in der Nacht vom 22. zum 23. Juli). Ausnahmsweiſe kann daſſelbe noch ſpäter, im Auguſt, geſchehen, wie ich denn am 10. Auguſt 1880 noch ein während der verfloſſenen Nacht abgeſetztes Ei im Behälter fand. Dieſes Ei war übrigens auffallend zugeſpitzt, die Längsachſe betrug 15,5 mm, die Querachſe 8 mm, die Eier der eben erwähnten Weibchen hingegen maßen, bei gewöhnlicher Eiform, 17 bis 18 mm in der Länge und 8 mm in der größten Breite. Die Zahl der Eier beträgt 5 bis 13. Die Jungen ſchlüpfen je nach der Zeit des Eierlegens im Juli, Auguſt oder Anfang September, in der Regel jedoch wohl bei uns während der zweiten Hälfte des Auguſt, aus; die 8 oder 9 langen beweglichen Dinger nehmen ſchon in den erſten Tagen ihres Daſeins kleine Spinnen, zarte Mehlwürmer und Fliegen. Da wir die ſonſtigen Erſcheinungen und Regungen des Lebens unſerer Eidechſen, ſo die mehrmals im Jahre vollzogene Häutung, die Ernährung u. a., bereits früher behandelt haben, dürfen wir die Schilderung des prächtigen Grüneders hiermit ſchließen. Landesübliche Benennungen. Grüne, Smaragd-, große Eidechſe, Krauthahn; am Mittelrhein: Grün- oder Grinedis, Grüneder; in Tirol: Grünz (alle drei ent— ſtanden aus Grünedechs oder Grünechs); Geßner'ſche Bezeichnung i. J. 1554: Grüner Heydox. Engliſch: Green Lizard; Franz.: Lezard vert; Ital.: Ramarro, Ragano, Liguro; Span.: Lagarto verde; Poln.: Jaszezurka zielona; Böhm.: Jesterka zelenä. Lacerta major et viridis, Gesner 1554. — Lac. viridis, Aldrov. 1637. — Seps viridis, S. varius et S. terrestris, Laurent! 1768. — Lac. bilineata, Daudin 1803. — Lac. chloronota, serpa et sicula, Nai. 1810. — Lac. viridis et tiliguerta, Merrem 1820. — Lac. smaragdina, Meisner 1820. — Lac. elegans, Andrzej. 1829. — Lac. strigata, Eichwald 1831. — Lac. quinquevittata, Menetries 1832. — Lac. bistriata, Schinz 1833. — Lac. cyanolaema, Glückselig 1851. — Lac. viri- dissima, Fitzinger 1855 [Menag.]. — Podarcis cyanolaema, Glückselig 1863. 2. Art: Zaun-Eidechfe. Lacerta agilis, Moly. Abbildung: Tafel XI Nr. 1 bis 3. Hopf hoch, breit, dick, ſtumpfſchnauzig; das obere der beiden hinter dem Naſenloch befindlichen Schildchen (Nasofrenalia) liegt theilweiſe auf dem unteren Naſofrenalſchild, theilweiſe auf dem ihm folgenden eigentlichen Sügelſchild auf, ſodaß dieſe 5 Schilder zuſammen ein Dreieck darſtellen; Schläfen gegend mit unregelmäßigen größeren Schildern bedeckt; jedes Scheitelſchild am Außenrande mit zwei, ausnahmsweiſe drei großen, länglichen Tafeln umſäumt; Hinterhaupt— ſchild trapezförmig; Augendiskus und obere Augenlidſchilder ſtoßen, da keine Reihe Körnerfhuppen ſich dazwiſchen befindet, durchweg zuſammen; Kehlfurche verwiſcht, nur zuweilen bei jungen Exemplaren vorhanden; Halsband gezähnt; 6 Kängsreihen wirklicher großer Bauchſchilder und außerdem an jeder Bauch— ſeite eine Längsreihe kleiner Kandſchildchen; Schuppen längs der Rücken mitte ſchmal, reichlich doppelt ſo lang als breit und dachig gekielt, eine von den breiteren, größeren, flachen Schuppen der Kückenſeiten und Flanken ſcharf abgeſetzte Längszone 10 Namen. Synonyma. Artkennzeichen. Körperbau. Größe. Oberkopf⸗ Schilder. 146 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. bildend; Hinterbeine, nach vorn gelegt, niemals die Achſeln erreichend; Schwanz anderthalb mal fo lang als der übrige Körper; Geſammtlänge 15—2C cm, nur die oſteuropäiſcher Varietäten bis 25 oder gar 27 em. Aeußere Erſcheinung. Die Zaun -Eidechſe beſitzt einen ziemlich kräftigen und gedrungen gebauten Körper, im Verhältniß zur Smaragd-Eidechſe iſt ſie kurz und plump. Dies drückt ſich nicht nur in dem von dem Halſe an nach hinten zu allmählich dicker werdenden Rumpf, ſondern auch in dem hohen und breiten, in der Schläfen— gegend mehr oder weniger backenartig aufgetriebenen, von den Augen nach vorn zu ziemlich ſchnell in die kurze, ſtumpf zugerundete oder faſt abgeſtutzte, hohe Schnauze ſich verengenden, in ſeinem Scheiteltheil ziemlich abgeplatteten, in der Stirnpartie ſchwach abfallenden Kopf, in dem den Kopf gewöhnlich hinſichtlich der Breite noch um etwas übertreffenden, vorn ein wenig eingeſchnürten Hals, in dem kürzeren Schwanz und in den kurzen Beinen und Füßen aus. Die Ohröffnungen ſind groß, ziemlich eiförmig; am Gaumen ſtehen jederſeits etwa 12 größere und kleine“), im Zwiſchenkiefer 7 bis 9, im Oberkiefer auf einer Seite 15 bis 18 und auf jedem Aſte des Unterkiefers ungefähr 20 oder 21 Zähne. Daß die Beine und die Zehen, namentlich die der Hinterfüße, im Vergleich zu denen der viridis auffällig kurz ſind, ſodaß die Füße faſt plump erſcheinen, wurde bereits auf Seite 114 hervorgehoben; die Vorderfüße reichen daher, an den Leib gelegt, nur bis zum Auge bezw. zum vorderen Augenrand oder höchſtens und ausnahmsweiſe „bis zur Mitte zwiſchen Auge und Naſenöffnung“, die Hinterfüße etwa bis zur Rumpfmitte oder ein wenig darüber hinaus, aber nie bis an die Achſeln (wie es bei der viridis vorkommt); die Krallen der Vorderfüße ſind drei— mal länger als an der Wurzel breit, die der Hinterfüße gut zweimal ſo lang als breit; es ſind alſo auch die Krallen verhältnißmäßig kürzer als die der viridis. Der Schwanz, an der Wurzel rundlich-viereckig und oberſeits längs der Mitte etwas eingedrückt erſcheinend, verdünnt ſich nach hinten zu allmählich, um in eine kurze Spitze auszulaufen, und iſt, wenn vollſtändig — vergleiche Seite 115 — bei unſeren Eidechſen etwa anderthalb mal ſo lang als der übrige Körper, bei ſüdruſſiſchen Stücken etwas länger. Bei letzteren iſt auch die Geſammtlänge eine bedeutendere, und wenn dieſelbe bei ausgewachſenen Thieren unſerer deutſchen und mitteleuropäiſchen Gebiete 15 bis 18 em und nur ausnahmsweiſe etwa 20 em beträgt, ſo beläuft ſie ſich bei gewiſſen in Südrußland heimiſchen Formen auf 20 bis 25 em, ja, wie Leydig (Saurier S. 209], Schreiber [Herp. S. 439], Bedriaga [Lae.] u. A. angeben, nicht ſelten reichlich auf 10 Zoll — 26 bis 27 em. Zum Schluß mögen einige Maaße, genommen an einem rheinpreußiſchen weiblichen Exemplar, verzeichnet ſein: Kopf- und Halslänge (bis Halsband einſchließlich) 25 mm, Kopflänge allein!) 18 mm, Rumpflänge “) 55 mm, Schwanzlänge 90 mm, Geſammtlänge 170 mm; Kopfhöhe 10 mm, größte Kopfbreite (an der Ohröffnung) 12,5 mm, Breite des Oberkopfes 8,5 mm; Länge der Vorder— beine bis zur Kralle der längſten Zehe 23 mm, Vorderfuß mit Krallen allein 10 mm; Hinterbein 32 mm, Hinterfuß mit Krallen allein 14 mm. Andere von mir unter ſuchte deutſche und mitteleuropäiſche Stücke zeigten entſprechende Maaße. Von den 20 Schildern der Oberfläche des Kopfes iſt, nächſt dem 4. oberen Augenſchild, das Hinterhauptſchild am kleinſten, kaum halb ſo groß als das davor— liegende unpaarige Interparietalſchild, ſeiner Form nach trapeziſch und oft ſo breit ) Brandt [Med. Zool.] zählt nur 5, Tappe 7 bis 8 jederſeits. — **) Vergl. die Anmerkung Seite 115. Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 147 oder breiter als lang; mitunter hat es nur die Größe einer Rückenſchuppe “) oder es iſt durch die zuſammenſchließenden Scheitelſchilder ganz verdrängt worden. Die letzteren zeigen die gewöhnliche Form und Lagerung, ihren Außenrxand umſäumen, wie bei der viridis, zwei (ausnahmsweiſe drei) große, längliche, etwas nach oben über— greifende Tafeln. Das Interparietale iſt länglich-fünfedig, nach vorn verbreitert und mit einer ſtumpfen Spitze zwiſchen den Hintertheil der beiden Stirnſcheitelſchilder eingeſchoben, das Stirnſchild verhältniß— mäßig und im Vergleich zu dem der Smaragd-Eidechſe kurz 4 und breit, hinten unmerklich verſchmälert und mit einer ganz kurzen, mittleren Spitze verſehen, ſeitlich ſchwach ausgerandet und vorn bogenförmig oder ſtumpfwinkelig zwiſchen die beiden vorderen Stirnſchilder (Frontonasalia) vortretend, welch letztere mit ihrer kürzeſten Kante, der inneren, aneinander ſtoßen und mit der Außenkante das hinterſte der die Zügel— gegend bedeckenden Schilder, das Frenookularſchild, und das 1. und 2. obere Augenſchild berühren. Von den vier oberen Augen- oder Brauenſchildern iſt wie gewöhnlich das vorderſte Fig. 16. Kopfplatte und Kopf— am kleinſten, das 4. iſt verhältnißmäßig größer als bei der ſeite der Zaun-Eidechſe. Smaragd-Eidechſe; das 2. und 3., welche zuſammen den bei agilis deutlich hervor— ragenden Augendiskus bilden und beträchtlich ſchmäler ſind als das Stirnſchild, legen ſich, wenigſtens gilt dies für alle mittel-, weſt- und nordeuropäiſchen Stücke, mit ihrem Außenrande unmittelbar an die Wimperſchildchen an, ſind alſo, im Gegenſatz zur viridis, durch keine Körnerreihe von dieſen getrennt. Die Zahl der Wimperſchildchen beträgt gewöhnlich 5, das erſte iſt das größte und ſtützt das vorderſte obere Augen— ſchild. Das die Frontonaſalſchilder von den ziemlich dreieckigen, vorn und unten das Naſenloch umſchließenden oberen Naſenſchildern ſcheidende Zwiſchennaſenſchild hat etwa die Geſtalt eines Rhombus mit etwas bogigen Seiten und iſt bald länger als breit, bald breiter als lang, das Rüſſelſchild breit und hoch, ſein oberer Theil ſpitz dreieckig aus— gezogen und mehr als bei der viridis auf die Oberſeite des Kopfes übergewölbt. Die Kopfſeiten ſind durchweg mit Schildern bekleidet. An das Rüſſelſchild ſchließen ſich jederſeits 7 Oberlippenſchilder an, von welchen das hinterſte am kleinſten, das 5. und größte unter das Auge geſtellt, das 4. trapeziſch iſt und die vorderen drei hochviereckig ſind. Dem vorderſten Oberlippenſchild liegt ein kleines, das Naſen— loch hinten umgebendes Schild, das untere Naſen-Zügelſchild, und dem 2. Oberlippen— ſchild das eigentliche Zügelſchild auf, über dem unteren Naſen-Zügelſchild und dem Zügelſchild aber liegt das obere Naſofrenale und zwar ſo, daß es mit ſeiner unteren Kante theilweiſe auf dem erſteren, theilweiſe auf dem letzteren ruht und die drei Schildchen mithin zuſammen ein Dreieck bilden. Während bei der Smaragd -Eidechſe in der Regel die beiden Naſen-Zügelſchilder gerade über einander ſtehen und das hinter ihnen befindliche Zügelſchild allein ſo hoch als jene beiden zuſammen iſt, hat das letztere bei der Zaun-Eidechſe nur die Höhe des unteren Naſen-Zügelſchildes und kann nicht bis an das Internaſalſchild hinaufreichen. Dies iſt die Regel. Doch kommen auch, wenngleich ſelten, Ausnahmen vor: zuweilen, und wohl vorzugs— weiſe bei oſteuropäiſchen Stücken, iſt das Zügelſchild jo hoch wie bei der viridis, d. h. wie die beiden vor ihm liegenden Naſen-Zügelſchilder zuſammen, oder es iſt durch eine . ) Tſchudi beſaß ein männl. Exemplar, bei welchem ſogar der ganze hintere Theil des Oberkopfes mit Schuppen ſtatt mit Schildern bedeckt war [Echſen S. 24]. 10* Kopfſelten⸗ Schilder. Unterkiefer⸗ Schilder. Bauchſchilder. Körperſchuppen. 148 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Querfurche in zwei zerfallen, ſodaß man vier kleine Schildchen hinter dem Naſenloch ſieht, oder umgekehrt die beiden Naſofrenalſchilder ſind verſchmolzen zu einem, oder das obere dieſer beiden iſt nochmals getheilt, oder das obere Naſofrenale liegt dem Zügel— ſchild allein auf; manchmal betreffen dieſe Abweichungen nur die eine Kopfſeite, immer aber erſcheint es wie bei der viridis ſo auch bei der agilis geboten, bei der Beſtimmung der Art nicht die Kopfſchilder allein als maßgebend zu betrachten. — Das hinter dem Zügelſchild ſtehende, auf dem 3. Oberlippenſchild ruhende und wie das der Smaragd— Eidechſe am Hinterrande mit zwei buchtartigen Einſchnitten verſehene Zügel-Augenſchild iſt durch ein ſchmales oder zwei kleinere Vorder-Augenſchildchen vom 5. Oberlippen= ſchild getrennt. Letzteres wird von der Augenhöhle durch eine Bogenreihe ganz kleiner Schuppen⸗Schildchen, den unteren Augenhöhlenſchildchen, geſchieden. Den Raum zwiſchen Hinterrand der Augenhöhle und Ohröffnung decken vielleicht 20 unregelmäßig geſtaltete, vier- und mehreckige Schläfenſchilder, deren größte die ſchon erwähnten beiden Saum— tafeln der Scheitelſchilder ſind; ein wohl ausgeprägtes großes Maſſeterſchild inmitten der Schläfengegend und ein deutliches längliches Ohrſchild (Tympanicum) vor der Ohröffnung vermißt man bei unſeren Zaun-Eidechſen; umſchloſſen wird die letztere, entſprechend der der viridis, durch eine Reihe ganz kleiner Schüppchen. Die Beſchilderung des Unterkiefers bietet nichts Abſonderliches. An das mehr in die Breite als in die Länge entwickelte Kinnſchild ſchließt ſich jederſeits eine Reihe von 6 länglichen, ſchmalen Unterlippen- und von 5 Unterkiefer-Schildern an; die 3 erſten Paare der letzteren ſtoßen zuſammen, das 4. Paar iſt das größte. Die Kehlſchuppen find länglich- oder eiförmig-ſechseckig und in ſchiefe, nach hinten und außen gerichtete Längsreihen geſtellt. Eine von Ohr zu Ohr über die Kehle ziehende Quer— reihe ganz kleiner mehreckiger Täfelchen, welche den Verlauf der bei erwachſenen Zaun— Eidechſen allerdings ganz verwiſchten und nur bei jungen Exemplaren öfters deutlicher erſcheinenden Kehlfurche anzeigt, grenzt die Kehlſchuppen von den größeren, und namentlich breiteren, mehr oder minder geſchindelten, in Querreihen angeordneten Halsſchuppen ab. Das leicht bogige Halsband beſteht gewöhnlich aus 9, ſeltener aus 7 oder 11 vier— eckigen Schuppen, welche von außen nach innen ſchindelförmig übergreifen und das Band gezähnt erſcheinen laſſen, wie es bei der Smaragd-Eidechſe der Fall iſt. Das Bruſtdreieck umfaßt 7 bis 13 oder auch bis 15 Schilder. Die Beſchilderung des Bauches verhält ſich wie bei der viridis, d. h. die Bauchſchilder ſind in Querreihen und zugleich in Längsreihen angeordnet, und wie bei der vorbenannten Verwandten zählt man auch bei der agilis gewöhnlich 26 bis 30 Querreihen und ſtets nur ſechs Längsreihen echter Bauch- oder Ventraltafeln und außerdem längs des Außenrandes der 1. und 6. Reihe noch eine Reihe kleinerer Randſchilder, welche den Uebergang zu den Flankenſchuppen ver— mitteln. Betreffs dieſer Randſchilder gilt das auf Seite 118 )Geäußerte. Von den Bauchtafeln find die der 2. und 5. Längs- reihe etwa doppelt ſo breit als die der beiden mittelſten und ungefähr um ein Drittel breiter als die der beiden äußerſten Reihen. Nach der Bruſt hin verſchmälern ſich insbeſondere die Tafeln der Mittel— Fig. 17. Afterpartie der reihen, um dann in die vier-, fünf- und ſechseckigen Schilder des 1 e Bruſtdreiecks überzugehen. Das große Afterſchild iſt vorn und sc. a. Afterſchild oder seutum ſeitlich von einer Bogenreihe ziemlich anſehnlicher Schilder um— anale, b Schenkelporen-Reihe. ſäumt (Fig. iu): Die Schuppen des Nackens find fehr klein, rundlich- oder länglich-ſechseckig und längsgekielt, die der Halsſeiten mehr rundlich, körnerartig und vollkommen glatt. Zweite Art. Zaun⸗-Eidechſe. 149 Größere Bedeutung aber haben die Schuppen des Rumpfes — welche in 80 bis 100 regelmäßige Quergürtel angeordnet ſind, deren jeder ca. 38 bis 48 Schuppen enthält, ſodaß gleichzeitig 38 bis 48 Längsreihen entſtehen —; denn während die Schüppchen der längs der Rücken mitte verlaufenden 8 bis 12 oder auch nur 6 Reihen ſchmal, über doppelt ſo lang als breit und deutlich dachig gekielt erſcheinen, ſind die anſtoßenden Schuppen der Rücken ſeiten auffallend verſchieden: größer, beträchtlich breiter, mehr ſechseckig, ungleichſeitig, und gegen den Bauch hin nehmen ſie noch mehr an Breite zu, werden rundlich, viereckig und vollkommen flach (ungekielt). Rücken mitte und Rücken ſeiten zeigen ſich demnach, wie ſchon Schreiber und ganz beſonders O. Böttger [Zool. G. 85 S. 142] betont hat, ganz verſchieden beſchuppt, ohne daß ein allmählicher Uebergang von der einen zur andern Beſchuppung ſtattfindet — eine Eigenthümlichkeit, welche von O. Böttger als das wichtigſte aller Kennzeichen der agilis gegenüber der viridis betrachtet wird. Bemerkt ſei noch, daß zwei Schuppengürtel des Rumpfes auf eine Querreihe Bauchſchilder gehen. Von den in einer größeren oder geringeren Anzahl (50 bis 100) Ringen oder Wirteln ſtehenden länglichen Schwanz ſchuppen ſind die der Oberſeite am Hinterrande ſcharf ſpitzwinkelig ausgezogen und deutlich dachartig gekielt, die der Unter— ſeite mit Ausnahme der kürzeren, breiteren, flachen Schwanzwurzelſchuppen ebenfalls deutlich gekielt, jedoch in eine ſtumpfere, durchſcheinende Spitze auslaufend. Die die Oberſeite der Beine bekleidenden Schuppen ſind klein, gekielt und geſchindelt. Schenkel— poren zählt man gewöhnlich 11 bis 14 oder 15; nach Fatio [F. s. III S. 77] kann ihre Zahl zuweilen bis auf 18 ſteigen, indeſſen iſt mir kein ſolcher Fall vorgekommen. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich außer durch die Färbung durch einige körperliche Eigenheiten, die namentlich bei direktem Vergleiche augenfällig werden. Beim Männchen iſt der Kopf dicker, der Rumpf kürzer, der Schwanz etwas kürzer und an der Wurzel, wie bei der Smaragd -Eidechje, verdickt, die Hinterbeine ſind länger und ſtärker, die Schenkeldrüſen kräftig hervortretend. Das Weibchen iſt feiner gebaut, der Kopf länger und ſchmäler, der Rumpf geſtreckter und nur vor dem Ablegen der Eier von größerem Umfang, der Schwanz ohne Verdickung an der Wurzel und ver— hältnißmäßig länger, die Hinterbeine kürzer, die Schenkeldrüſen wenig bemerkbar. Die jungen Thiere laſſen körperliche Eigenthümlichkeiten, in denen ſie von den alten abweichen, kaum erkennen, wenngleich ſie ſehr ſchlank und zierlich gebaut ſind; man iſt hier alſo auf Größe und Färbung angewieſen. Färbung und Zeichnung. Da die Zaun⸗-Eidechſe hinſichtlich der Färbung nach dem Geſchlecht, den Altersſtufen, dem Wohnort und auch nach der Jahreszeit abändert, ſo ließe ſich, wollte man alle die daraus ſich ergebenden Verſchiedenheiten als beſondere Spielarten anſehen, allerdings eine ziemliche Reihe von Varietäten aufſtellen. Da dies jedoch, obwohl es von mancher Seite verſucht worden, nicht zuläſſig iſt, ſo bleibt neben der Stammform nur eine kleine Anzahl wichtigerer oder ſtändiger Varietäten, und wie dieſe ſelbſt, ſo laſſen auch die innerhalb dieſes Formenkreiſes ſich noch zeigenden mannigfaltigen, jedoch unerheblicheren Abänderungen — deren Anzahl allerdings zahl— reich genug iſt, um zuweilen unter fünfzig oder mehr Exemplaren kaum zwei über— einſtimmend gefärbte und geeignete Stücke zu finden — den Typus der agilis in der Regel alsbald erkennen. Die Augen ſind „goldglänzend“, die Nägel braun. a) Stammform (Lac. agilis typica). Das erwachſene Männchen im Hoch- 5 nn zeitkleid, d. i. von Ende April bis Mitte Juni etwa, iſt eine prächtige Erſcheinung ö (ſ. Tafel XI, 1): der Scheitel, ein Streifen längs der Rückenmitte und der Schwanz und die Oberſeite der Hinterbeine ſind ſchön grau-braun bis zimmtbraun; die braune Längszone der Rückenmitte, in welcher ſich ſchwarze, oft einen rundlichen weißen Punkt Geſchlechter. Junge. Färbung. 150 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. einſchließende Flecken (Augenflecken) hübſch abheben, iſt jederſeits von einem weißlichen Längsſtreifen begrenzt, und da dieſe ſich auch auf den Schwanz fortſetzen, ſo erſcheint der letztere vermöge ſeiner geringen Breite mit ſchmalen, dunkeln und hellen Streifen gezeichnet, während die Flecken der Rückenmitte auf ſeiner vorderen Hälfte mehr oder weniger hervortreten, bezw. nur angedeutet ſein können; die Rumpfſeiten (Flanken), die Schnauze und Kopfſeiten, die Vorderbeine und die innere Seite der Hinterbeine zeigen ſich im ſchönſten, freudigſten Grün, in welches vornehmlich an den Flanken oft ſchwärzliche Punkte oder weißliche, ſchwarz umſäumte Punkt- und Strichfleckchen eingeſtreut ſind, die bei normal gefärbten Stücken jederſeits gern eine oder zwei Längsreihen bilden, ſodaß das Thier durch drei oder fünf Reihen Augenflecken oder ſchwarze Makeln gezeichnet iſt; Kehle und Bauch ſind grünlichgelb, ſchwarz geſprenkelt, die Unterſeite des Schwanzes iſt matter gefärbt als der Bauch. Der geſättigte grüne Farbenton bleibt zuweilen nicht blos auf die angeführten Körpertheile beſchränkt, ſondern dehnt ſich nach oben hin aus, um die das braune Rückenband begrenzenden hellen Längsſtreifen, ja mitunter auch noch dieſes Braun des Rückens zu verdrängen. In ſolchem Falle, wie er nicht ſelten an ſüdoſt-europäiſchen Stücken, bei uns jedoch vereinzelter (3. B. in der Rheinebene bei Straßburg) zu beob- achten iſt, erſcheint das Thier am Körper ganz grün und der Smaragd-Eidechje ähnlich, und es darf deshalb nicht Wunder nehmen, wenn man ſolche ſchön grüne, große Zaun-Eidechſen für die verwandte viridis gehalten und daraufhin das Vorkommen der Smaragd-Eidechſe aus Gebieten und Oertlichkeiten Deutſchlands u. a. gemeldet hat, in denen die letztere nicht vorkommt; denn der Nichtkenner achtet nicht auf die körper— lichen Verſchiedenheiten und auch nicht auf die Abweichungen betreffs der Färbung, welche das kundige Auge wahrnimmt: bei der grünen männlichen agilis iſt das Grün des Rückens im Verhältniß zu dem der Seiten abgeſchwächt, indem es einen Stich ins Gelbliche zeigt, während bei der männlichen viridis der Rücken gewöhnlich dunkler iſt als die Seiten; außerdem verliert ſich das Grün des Rumpfes bei der agilis bereits an oder dicht hinter der Schwanzwurzel, bei der viridis aber erſt in der hinteren Schwanz— hälfte, um dem Graubraun oder Braun Platz zu machen; und endlich bleiben bei der grünen Zaun-Eidechſe die Hinterbeine, welche bei der viridis grün ſind, wenigſtens an der Rückſeite immer braun; dazu kommt noch, daß bei der agilis das Grün der Seiten nicht ſelten von weißen Augenflecken unterbrochen iſt, welche allerdings in zahlreichen Fällen ſehr undeutlich erſcheinen. Daß zuweilen umgekehrt das Schwarz der Fleckung ſich ausbreitet und, indem es das Grün bis auf geringe Spuren verdrängt, zur Grund— farbe wird, ſei hier nur beiläufig vermerkt (vergl. Varietät 3). 5 im derbſt⸗ Nach geſchehener Fortpflanzung, etwa von Mitte oder Ende Juni ab, verblaßt leid. das metallreiche, leuchtende Grün zu einem matten Gelb- oder Graugrün und binnen wenig Wochen hat ſich auch dieſer Ton verloren — das Thier hat das Herbſt- oder Winterkleid angelegt, welches es von Anfang September oder Ende Auguſt an ungefähr 8 Monate lang, bis Mitte oder Ende April, trägt. Die männliche agilis beſitzt alſo beim Verlaſſen der Winterherberge noch das düſtere Gewand, welches erjt nach der Häutung ſich aufhellt und den prächtig grünen Ton annimmt, wie es ſchon der Verfaſſer der Fauna boica, Schrank, i. J. 1798 berichtet, obgleich er die Zeiten nicht genau angiebt: „Im Sommer verwandelt ſich die erdgraue Grundfarbe, die das Thier im Frühling hat, in ein ſchön blühendes Grün“. Das Herbſtgewand des Männchens unterſcheidet ſich von dem ſchmucken Hochzeitkleid dadurch, daß die Körper-, Hals— und Kopfſeiten braun, gelblichbraun oder gelblichſchwarz ſind, und daß die in Längs— reihen geordneten ſchwarzen Makeln und Punkte bezw. dunkelbraun oder ſchwarz Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 151 begrenzten und umſäumten Punkt- oder Strichfleckchen (Augenflecke), welche im Hochzeit— kleid von dem Grün oft überſtrahlt werden, etwas ſchärfer hervortreten, obgleich letzteres in der Regel nie in dem Grade geſchieht wie beim Weibchen. Betrachten wir alſo jetzt das Männchen auf ſeine Grundfarbe hin, ſo bemerken wir längs der Rückenmitte ein dunkles, braunes Band, das jederſeits von einem hellen, weißlichen Streifen ein— gefaßt iſt, an welches nach unten hin wiederum eine braune Längszone grenzt, die ſich an den Flanken gewöhnlich aufhellt, um in das matte Gelb oder Weißblau der Unter— ſeite überzugehen; und während die letztere dicht ſchwarz geſprenkelt iſt, ziehen ſich über die braunen Längszonen der Oberſeite jene erwähnten, gewöhnlich in fünf oder in drei Reihen geſtellten Flecken. Das Weibchen (ſ. Taf. XI Nr. 2) ähnelt dem Männchen im Herbſtkleid. Im Allgemeinen iſt die Grundfarbe der Oberſeite ein Braun, das gegen den Bauch hin in Graugelb oder Aſchgrau übergeht und längs der Rückenmitte in Geſtalt eines braunen Bandes am dunkelſten erſcheint. Das letztere iſt jederſeits von einer lichteren Binde begrenzt, die jedoch in der Regel nicht ſo hell iſt als beim Männchen. Dieſe dunklen und hellen Zonen ſetzen ſich wie bei dem letzteren auf den Schwanz fort. Ueber das braune Rückgratsband zieht ſich eine Reihe rundlicher (punktförmiger) oder länglicher (ſtrich— artiger) heller Flecken, deren jeder von etwa drei bis fünf weißlichen oder weißgelben Schuppen gebildet und von einem größeren, zuweilen über 15 bis 20 oder noch mehr Schuppen ſich erſtreckenden dunkelbraunen bezw. ſchwärzlichen Fleck, welcher bald ring— förmig, bald vier- und mehreckig iſt, umſchloſſen oder nur begleitet wird. Eine Reihe gut ausgeprägter heller, dunkel umſäumter Augenflecken läuft dicht unterhalb der hellen Rückenbinde hin, und endlich verbreiten ſich über jede Flanke noch eine oder auch zwei Reihen meiſt kleinerer Flecken, ſodaß man auf der Oberſeite des Körpers 5 oder 7 Längsreihen weißgeaugter Flecken zählen kann. In manchen Fällen fehlt den Rück— gratsflecken der helle Kern, in anderen ſind die hellen Flecke punktartig, ſehr klein, nur eine oder zwei Schuppen bedeckend und von einem ganz geringen oder gar keinem dunklen Hof umgeben. In letzterem Falle iſt die Unterſeite gewöhnlich auf bläulich— weißem oder grauem Grunde nur ſpärlich dunkel gepunktet oder auch ganz ungefleckt, während bei gut ausgeprägter Augenfleckung der Oberſeite der Bauch und ebenſo die Unterſeite der vorderen Schwanzhälfte und die Unterſeite der Hinterbeine auf gelblichem (grünlichgelbem) Grunde mehr oder weniger dicht mit braun- oder grünſchwarzen Punkten, die ſich gern in mehrere Längsreihen zu ſtellen ſcheinen, gezeichnet. Ein grüner Farbenton, wie er in dem Hochzeitkleid des Männchens zur ſchönſten Geltung gelangt, fehlt dem Gewand des Weibchens vollſtändig, falls man eben nicht in dem grünlichen Gelb des Bauches oder in den zuweilen hier auftretenden grünſchwarzen Punkten eine Andeutung deſſelben ſehen will. Es konnte kaum ausbleiben, daß, ehe man die Bedeutung der verſchiedenen Kleider kannte, die grünen und die grauen Zaun-Eidechſen für beſondere Arten gehalten wurden, und daß älterere Autoren ihnen auch beſondere Namen beilegten. Linne nannte die grüne Zaun-Eidechſe Lacerta viridis (var. 6), Latreille zieht 1800 das grüne Männchen als Var. e und das Weibchen als Var. e zu ſeiner Lézard vert (Tacerta viridis), Daudin beſchreibt 1803 das Männchen als Lacerta stirpium, das Weibchen als Lac. arenicola. Inzwiſchen hatte der wiſſenſchaftliche Beirath Jakob Sturm's, Johann Wolf in Nürnberg, i. J. 1798 alle Eidechſen, die ihm „unter die Hände kamen“, unterſucht und dabei die grünen als männliche und die braunen als weibliche erkannt: „Alle Eidechſen, welche ich fand, hatten entweder grüne Seiten und einen braunen Scheitel, Rücken und Schwanz, und dies waren allemal, wenn ich Weibchen. Unterſcheidung des 8 vom N Erſtes Jugendkleid. Zweites Jugendkleid. 152 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſie zergliederte, Männchen; oder ſie waren röthlichgraubraun mit einem grüngelben Unterleibe, dieſe enthielten allemal den Eierſtock und waren alſo Weibchen“ [Sturm’s Fauna, 2. Heft]. Daraufhin durfte Wolf die grünen und die braunen Zaun-Eidechjen mit Recht als eine Art zuſammenfaſſen und ihnen eine Bezeichnung, „agilis“, geben. Das erſte Jugendkleid zeichnet ſich dadurch aus, daß bei ihm die weißen Augen— flecken, welche einen Schmuck des Alterskleides bilden, trotz ihrer Kleinheit ſehr ſcharf auf der gleichmäßig gelbbraunen, gelb- oder dunkelgrauen Oberſeite hervortreten, ſodaß Laurenti im Jahre 1768 geneigt war, derart gezeichnete Thierchen, über deren Ver— hältniß zu anderen Eidechſen er noch nicht volle Klarheit erlangt hatte, als eine beſondere Art anzuſehen, welche er der zahlreichen „Augen“ wegen Seps argus benannte. Allein, wie ſchon angedeutet, der eigentliche Unterſchied zwiſchen 99 Jugend- und dem Alterskleid liegt, was die Oberſeite anbetrifft, in der Grundfärbung: bei den erwachſenen Thieren bietet ſie abwechſelnd helle und dunkle Längszonen, bei den jungen iſt ſie gleichförmig dunkel, und daher gelangen hier die hellen Augen— punkte weit 1 zur Geltung als im Alterskleid. Iſt der Grund ſehr dunkel getönt, ſo bemerkt man die ſchwarzbraune oder ſchwarze Säumung der zierlichen hellen Punkte kaum oder gar nicht und man kann deshalb eher von Perl- als von Augenflecken ſprechen. Solche Thierchen ſehen reizend aus, zumal die Perlflecken meiſt abwechſelnd in Längsreihen geſtellt I Bei einem Exemplar, das ich am 22. Juli 1880 im Brieſelang bei Berlin fing), ordnen ſich die ſtecknadelſtich-großen Punkte in 7 Längs— reihen, von denen ſich die vier ſeitlichen faſt bis zur Schwanzſpitze fortziehen, während die drei mittleren ſchon hinter der Schwanzwurzel ſich verlieren. Uebrigens ſtehen auch die wirklichen Augenflecken gern in (6 bis 9) Längsreihen. Manchmal fehlt die Rücken— fleckung gänzlich und es treten nur an den Rumpfſeiten Augen auf; manchmal finden ſich längs der Rückenmitte weißliche Strichfleckchen und an den Seiten runde Augen— flecken. An Embryonen laſſen ſich einige Tage vor dem Ausſchlüpfen die hellen Punkt— flecken ſchon ganz gut wahrnehmen. — Die Unterſeite der jungen Thierchen iſt ein— farbig, weißlich oder hellgrau, auch der bräunliche Oberkopf iſt in der Regel ungefleckt. Dieſes erſte Kleid, das reine Arguskleid, trägt das junge Thier vielleicht 8 oder 9 Monate. Denn alsbald nach dem Erwachen aus ſeinem erſtmaligen Winterſchlaf, und zwar bei der erſten Häutung, gehen Aenderungen vor in der Grundfarbe, indem zunächſt ein dunkelbrauner Ton den grauen zurückdrängt und eine Sonderung der gleichförmigen Färbung in mehrere Längsfelder eintritt, ſodaß ſich bei aufmerkſamerer Beobachtung ein dunkelbraunes Rückenband und jederſeits ein breiter dunkler Streifen erkennen laſſen, über welche die Augenflecken ſich verbreiten; die Partien zwiſchen den dunkeln Feldern und an der Bauchgrenze aber ſind etwas heller und, wie die gelblich-, grünlich- oder bläulichweiße Unterſeite, fleckenlos. Nach den wiederholten Häutungen des zweiten Sommers, in deſſen Verlauf das Thierchen zur doppelten Größe, 8 bis 9 oder 10 cm, heranwächſt, prägt ſich jene Sonderung immer kräftiger aus: die lichten, längs des dunkelbraunen Rückenbandes hinziehenden Streifen hellen ſich namentlich beim Männchen auf und erſcheinen als gelbliche oder hellgraue Binden; auch die vordere Schwanzhälfte nimmt infolge deſſen eine dunkle und helle Streifung an; die ſchwarz— braunen Flecken, welche die Umgebung der weißen Augenpunkte oder der weißen Strichel bilden, vergrößern ſich bezw. nehmen dadurch, daß mehrere benachbarte zu einem ) Das Thierchen mochte unlängſt erſt ausgeſchlüpft fein, es hatte eine Geſammtlänge von 43 mm bei einer Schwanzlänge von 23 mm. Beim Verlaſſen des Eies haben die jungen Zaun-Eidechſen, wie ich mich wiederholt überführt habe, gewöhnlich eine Geſammtlänge von 42 bis 47 mm. Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 153 zuſammenfließen, an Ausdehnung zu, an Zahl jedoch ab und laſſen eine Rückgrats— und jederſeits eine, zwei oder drei Flankenreihen entſtehen — nur zuweilen bleiben, wie ich auf Seite 151 ſchon erwähnte, bei Weibchen die Augenflecken zahlreich und klein —; auf der Unterſeite zeigen ſich ſchwärzliche Sprenkel. So werden die Thierchen den Alten hinſichtlich der Färbung immer ähnlicher, und in ihrem zweiten Frühling (d. h. dem zweiten Frühling nach dem Sommer, in welchem ſie geboren wurden), wenn ſie eine Länge von etwa 11 bis 13 em erreicht haben und noch nicht geſchlechtsreif ſind, findet ſich bei den Männchen auch ſchon das Grün der Körperſeiten ein. Im dritten Frühling werden ſie fortpflanzungsfähig. b) Varietäten. Ohne auf die mannichfaltigen, aber unwichtigen Abweichungen von der beſchriebenen Stammform, welche durch verſchiedene Größe, Anzahl und Anordnung der Flecken entſtehen, einzugehen, ſei hier nur der charakteriſtiſchen Varietäten und Formen gedacht. 1. Varietät: immaculata, ungefleckte Zaun-Eidechſe. Dieſe Spielart, welche ſehr ſelten beobachtet wird, kennzeichnet ſich durch den Mangel jeglicher Flecken. Sie ſtellt die Umkehrung der reinen Argusform dar: während bei dieſer die Grundfärbung des Oberkörpers ganz gleichförmig iſt und auf ihr die Augenflecken um ſo ſchöner hervor— treten, zeigt die immaculata ein dunkelbraunes, von hellen Streifen eingefaßtes Rücken— band und wiederum dunkle Seitenfelder, indeß keine Flecken. 2. Varietät: albolineata, weißgeſtreifte Z. Dieſe Varietät entſteht dann, wenn die von den ſchwarzbraunen Rückenflecken eingeſchloſſenen weißlichen Strichel der Länge nach zuſammenſtoßen, ſodaß ſie eine die Mitte der braunen Rückenzone durch— ziehende weißliche Linie bilden und daher die Eidechſe in dem Falle, daß die die Rückenzone einſäumenden hellen Binden einen recht lichten, weißlichen Ton zeigen, dreifach hell— oder weißlich-geſtreift erſcheint. Man begegnet dieſer Spielart, und zwar ſowohl Männchen als Weibchen, öfter als der vorigen. 3. Varietät: nigricans, dunkle Z. Im Gegenſatz zu Varietät 1 nimmt manch— mal die ſchwarzbraune oder ſchwarze Fleckung der Rumpfſeite und Beine ſo überhand, daß dieſer ſchwärzliche Ton zur Grundfärbung wird (vergl. S. 150) und die eigentliche Grundfarbe: das Grau bezw. das Braun, nur noch in Geſtalt von Sprenkeln, Punkten und ähnlichen unbedeutenden Reſten ſich Geltung verſchaffen kann. Kommt ſelten vor. 4. Varietät: melanonota, ſchwarzrückige Z. Dieſe ſchöne Varietät, welche von Tſchudi [Echſ. S. 23] nicht ſelten im Kanton Glarus beobachtet wurde, zeichnet ſich aus durch ein über den Rücken laufendes, von zwei weißlichgrauen Streifen ge— ſäumtes tiefſchwarzes Band; auch die Seiten, ähnlich denen der Varietät 3, ſind ſchwarz, am Bauch ins Tiefgrüne übergehend, mit einer Reihe weißer Punkte und Ringe; der Kopf iſt oben braun, der Schwanz mit acht abwechſelnd dunkeln und hellen Längs— ſtreifen gezeichnet; Kehle und Bauch find ſchmutzigweiß. Wenn Schreiber [Herp. S. 49] dieſe Spielart „nur für eine, wie es ſcheint ſeitdem nicht wieder beobachtete melaniſche Ausartung eines einzelnen Exemplars“ hält, ſo geht er mit letzterer Annahme zu weit. Wenigſtens wurden ſchwarze Zaun-Eidechſen noch wiederholt gefunden: im Mai 1890 erhielt ich ein Exemplar mit genau der angegebenen Zeichnung aus der Haſenhaide bei Berlin; im Baſeler Zool. Muſeum ſteht ein i. J. 1874 in Stollenhäuſer bei Schauenburg erbeutetes Stück, welches F. Müller als var. atra bezeichnet Baſ. Cat. S. 624], und der verſtorbene Berliner Herpetolog Rud. Effeldt hat, wie er auch an Lenz berichtet *) Die Augen- oder Sternflecke erwarben dieſer Eidechſe die Bezeichnung „stellatus“, welche Schrank ihr beilegte. Varietäten. 154 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. [Schl. S. 76), zu verſchiedenen Zeiten lebende ſchwarze Exemplare von Lacerta agilis (und von Lac. vivipara) beſeſſen. 5. Var. erythronota, rothrückige 5. Eine ausgezeichnete, auf Tafel X Nr abgebildete Varietät, charakteriſirt durch ein breites braun- oder kupferrothes 1 band, welches ſich vom Hinterrande der Hinterhauptsſchilder über Nacken und Rücken hinzieht und in entſprechender Breite auch auf den Schwanz fortſetzt. Während alſo bei der vorigen Varietät die dunkelbraune Rückenzone der typiſchen agilis ſich zu Schwarz verdunkelt hat, ſetzt ſich hier das Braun in einen helleren Farbenton, ein ſchönes Kupferroth um, ſodaß der erſte Beobachter dieſer Echſe, Laurenti, ſie Seps ruber benamte. In den weitaus meiſten Fällen bleibt das Rückenband fleckenlos, nur bei manchen Thieren zeigen ſich dunkle Fleckchen auf demſelben; die beim Männchen grünen, beim Weibchen bräunlichen oder graubraunen Körperſeiten ſind entweder mit ſchwarz eingefaßten hellen (beim Männchen grünlichweißen, beim Weibchen weißlichen) Augenflecken geziert oder nur ſchwarz gefleckt; die Unterſeite iſt auf grünlich- oder bläulichweißem Grunde ſchwarz geſprenkelt. Namentlich nach eben vollendeter Häutung ſieht dieſe Eidechſe prachtvoll aus, aber man kommt in Zweifel, ſoll man dem Männchen mit den friſchgrünen Seiten oder dem Weibchen mit den geaugten glänzend-braunen Flanken den Vorrang einräumen, und es iſt nicht zu verwundern, daß die älteren Autoren den Seps ruber (stellatus) als eigene Art anſprachen, bis dann Fitzinger und Bonaparte ihn als Varietät zu Lacerta agilis zogen. Bei den einjährigen Jungen hat das breite Rückenband in er Regel noch nicht das eigenartige Kupferroth an— genommen, ſondern es erſcheint nußbraun, aber ebenfalls ungefleckt, ſodaß derartige Thierchen ſich leicht von den gleichgroßen Jungen der Stammform unterſcheiden laſſen. — Die rothrückige Eidechſe iſt an kein beſtimmtes Gebiet gebunden, ſie lebt vielmehr ver— geſellſchaftet mit der Stammform. Man kennt ſie aus ner tebenier, Theilen Deutjch- lands und aus angrenzenden Ländern: Fitzinger giebt Deutſchland, Oeſterreich, Ungarn, Frankreich und Rußland als Heimatländer der var. erythronotus und zugleich an, daß in den Jahren 1812 bis 1826 einige dreißig Exemplare von verſchiedenen Gönnern in die Kaiſerl. Menagerie zu Wien kamen [Menag. S. 654]; Bechſtein [Lac.] fand fie nicht ſelten in Thüringen, Koch [Sturm 5. Heft] und e Hahn [F. b.] in der Oberpfalz bezw. um München „etwas ſelten“, Leydig Aung! im Verlauf vieler 85 je ein Exemplar bei München, im bairiſchen Hochland und bei Berchtesgaden Saur.], von Bingen verzeichnet ſie Mühr, aus Böhmen Glückſelig, nicht aber Fritſch, aus der Provinz Sachſen Woltersdorff, aus der Sächſ. Oberlauſitz bekam ich mehrere Stücke durch Hern P. Jung— Zittau; hier bei Berlin beobachtete ich ſie im Brieſelang — einer von allen Berliner Sammlern oft beſuchten großartigen Waldung, wo ich z. B. am 13. Juni 1880 gelegentlich einer mit Herrn Prof. E. v. Martens und anderen Berliner Zoologen unternommenen Exkurſion in den ſonnigen Gräben des Waldweges außer vier gewöhnlichen agiles 1 Männchen und 1 Weibchen der rothrückigen Form erhaſchte —, in der Haſen— haide und im Grunewald; im Harz iſt ſie nach brieflicher Mittheilung Dr. Elſter's häufig; H. Schalow bemerkte ſie ſehr häufig auf Rügen, auch auf der Inſel Wollin; Nanke [Bujack! fing ſie bei Brandenburg, Prov. Oſtpreußen. Bei Kaſchau in Ober⸗ Ungarn kommt ſie Jeitteles' Angabe zufolge nicht ſelten vor, und Daudin ſchon ver— zeichnet das Boulogner Wäldchen bei Paris als S 6. Var. chersonensis, ſüdruſſiſche Z. Dieſe Abart unſerer Zaun-Eidechſe, welche, weil ausſchließlich in Südrußland (einfchl. Krim und Kaukaſus) vorkommend, hier nur in Kürze beſprochen ſei, zeichnet ſich durch ihre erheblichere Größe — ſie wird bis 22 cm lang — und durch abſonderliche Färbung der Stammform gegenüber aus. Zweite Art. Zaun-Eidechſe. 155 Abweichend von der letzteren und den anderen Varietäten iſt nämlich bei der von Andrzejowski als Lacerta chersonensis beſchriebenen Eidechſe das jederſeits von einem weißlichen Längsſtreifen begrenzte breite braune Rückenband durch eine vom Kopf bis zum Schwanz auf dem Rückgrat hinlaufende dritte helle Binde in zwei braune Längs— felder zerlegt worden. Die Rumpfſeiten ſind hellbraun oder grünbraun und mit drei mehr oder weniger ſcharf ausgeſprochenen Längsreihen dunkelbrauner, weißliche Augen begleitender Flecken gezeichnet. Die von Eversmann [Eid. S. 344] unter dem Namen Lacerta sylvicola beſchriebene ſüdruſſiſche Eidechſe, deren kupferbrauner, ungefleckter Rücken von drei lichten Längsſtreifen durchzogen iſt und auf deren Seiten weißliche Flecken hervortreten, gehört jedenfalls auch hierher, ebenſo die Lacerta exigua Eich— wald's [Zool. III S. 188], indem fie wohl junge Thiere darſtellen. Keßler hat dieſe Abart als Lac. agilis var. orientalis bezeichnet. Endlich muß Er einer ſüdruſſiſchen Form der agilis gedacht werden, welche ins— beſondere den Gebieten des Don und der unteren Wolga, Nord- und Transkaukaſiens angehört und wohl die Eichwald'ſche Bezeichnung „eolchica“ führen darf: 7. Var. colchica, grüne 3. Man kann dieſe außerordentlich große, eigen— thümliche Form der agilis als eine Zaun-Eidechſe betrachten, welche ihr Hochzeitkleid dauernd beibehalten hat; denn das Männchen iſt nicht nur zur Begattungszeit, ſondern auch außer derſelben lebhaft grün und zwar auch am Rücken, ſodaß die längs deſſelben ſtehenden ſchwarzbraunen Flecken von der ſatten Farbe faſt überſtrahlt werden; an den Rumpfſeiten ziehen ſich mehrere Reihen von Augen- oder nur dunklen Flecken hin. Durch die grüne Färbung und durch ihre bedeutende Größe, 25 em, erinnern dieſe Eidechſen — wie auch Leydig [Saur. S. 209], welcher eine ganze Anzahl derſelben aus der Gegend von Sarepta an der unteren Wolga erhielt, hervorhebt — lebhaft an Lacerta viridis, und bei flüchtiger Beſichtigung würde man ſie auch dafür erklären; „allein die nähere Unterſuchung läßt nicht den mindeſten Zweifel übrig, daß man es nach der Tracht und den Einzelheiten mit der echten agilis zu thun habe und zwar mit jener Form, welche Eversmann zuerſt gefunden“.*) Immerhin aber wird dieſe grüne Eidechſe als eine Uebergangsform zwiſchen agilis und viridis angeſehen werden müſſen, wenngleich bei weitem noch nicht in dem Grade wie die von Rathke [Krim S. 299] als Lacerta viridis beſchriebene große, 13 bis 15 Zoll lange, grüne Eidechſe der Krim, welche von Böttger und Schreiber gleichfalls als L. viridis, von den ruſſiſchen Forſchern Keßler und Köppen aber als L. agilis angeſprochen wird und, aus Rathke's Beſchreibung zu ſchließen, hinſichtlich des Verhältniſſes der Schwanz- zur Geſammt— länge, der Kopfſchilder, der Rückenſchuppen, der geaugten Seitenflecken zu agilis, hin— ſichtlich der Zahl und Lagerung der Zügelſchilder, des grünen Rückens, der gelben Unterſeite und der Größe zu viridis gehört. Aber wie die Varietäten chersonensis und colchica wird man auch die Krimer grüne Eidechſe zu agilis ſtellen müſſen.““) Vorkommen: Südöſtliches Rußland (Don- und Wolgaland, Transkaukaſien, Kirgiſenſteppe). Geographiſche Verbreitung. Wenn die eigentliche Heimat der Smaragd-Eidechſe das ſüdliche und ſüdöſtliche Europa bildet, jo iſt als die der Zaun-Eidechſe das mittlere und nördliche Europa anzuſehen. Die Verbreitungsbezirke der beiden Arten ſchließen ſich, abgeſehen von einem verhältnißmäßig kleinen Gebiete, in Europa wenigſtens ) Von dieſen in der „kleinen Tatarei“ gefundenen Eidechſen brachte Eversmann Exemplare mit nach hier: Berl. Zool. Muſ. No. 938 — 945. — **) Daſſelbe thut auch, wie aus ſeiner neueſten Publikation [Lae. S. 133] zu erſehen, J. v. Bedriaga; und zwar ſtellt er die Rathke'ſche L. viridis der Krim zur agilis- Varietät chersonensis, während er die ſüdoſt-xuſſiſche Form der agilis als L. agilis var. doniensis behandelt. Verbreitungs⸗ Bezirk. Deutſchland. Süd⸗ Deutſchland. 156 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. gegenseitig aus: gerade die drei ſüdeuropäiſchen Halbinſeln, wo die /viridis faſt aller Orten zu Haufe iſt, bewohnt die agilis entweder gar nicht oder doch nur zum kleinen Theil; ebenſo iſt d Frage eines etwaigen Vorkommens in dem türkiſchen Aſien noch nicht geklärt, möglicher Weiſe fehlt ſie hier ebenſo, wie man ſie thatſächlich in Perſien vermißt, dagegen iſt ſie in Schweden und im ganzen europäiſchen Rußland, bis zum 61. Grad n. Br. hinauf, und im aſiatiſchen Rußland nördlich etwa bis zum 54. Grad und öſtlich bis zur chineſiſchen Grenze heimiſch. Da ſie in Nord-Afrika und Klein-Aſien wie in Süd⸗Europa fehlt, jo iſt ihr Auftreten im Mittelmeer-Gebiet ein ganz beſchränktes (vergl. S. 161). Die Angabe Poiret's [Barbarey], „welcher an der Hand Linne’s das Thier zu erkennen glaubte“, daß agilis in Nord-Afrika vorkomme, und die ent— ſprechenden Angaben Gervais' [Algerie] und Merrem's [Amphib.] haben ſich längſt als irrig erwieſen, ebenſo auch der Zuſatz des Letzteren, daß agilis ſich in der „Levante“ aufhalte; Strauch [Algier] und Schreiber halten bei Poiret eine Verwechslung mit der Perleidechſe für vorliegend. In Deutſchland fehlt die Zaun-Eidechſe keinem Lande, keiner Provinz, über— haupt keinem Gebiete: von den Alpen Südbayerns bis hinauf in die Gemarkungen Oſtpreußens und Schleswigs iſt ſie verbreitet. Sie findet ſich ſowohl in der Ebene und in hügeligen Landſchaften wie im Gebirge, zieht aber dieſem jene Diſtrikte vor, wenigſtens meidet ſie in unſeren Mittelgebirgen die oberen felſigen und moorigen Regionen; in der Ebene vermißt man ſie in der Regel nur in feuchten Niederungen, wo man hingegen die Lacerta vivipara antrifft. Wenn ſie alſo manchen Oertlichkeiten mangelt bzw. an der einen Stelle ſeltener auftritt als an der anderen, ſo liegt dies in Boden- oder Terrain Verhältniſſen begründet, wie dies ſpäter (unter „Aufenthalt“) a werden ſoll. So ſchreibt mir Herr H. Kober-Freiburg, daß agilis in Baden häufig ſei, im eigentlichen Gebirge (S chwarzwald) von ihm aber noch nicht beobachtet worden ſei, und in Uebereinſtimmung damit berichtete mir Herr Dr. v. Bedriaga aus Heidelberg, daß er ſie vorzugsweiſe und häufig im Norden Badens bei Heidelberg, Karlsruhe und Mannheim gefunden habe, während ſie im Schwarzwald ſelten ſei und wie es ſcheine durch die vivipara vertreten werde; und Nüßlin bemerkt geradezu, daß ſie in Baden „nur in der Ebene und den Vorbergen heimiſch“ ſei. Aehnlich liegen die Verhältniſſe in Württemberg, wie dies ſchon aus der kurzen Notiz bei Krauß [Württ.]: „Nicht überall häufig“ hervorgeht; im Neckar- und Jagſt⸗ Gebiet iſt ſie, laut Mittheilungen der Herren Prof. E. v. Martens und Forſtaſſiſtent Siler, überall ver— breitet und häufig, auf dem Plateau der Alb jedoch, wo die Lac. vivipara zahlreich vorkommt, laut Mittheilung des Herrn Dr. Weinland jeltener als im Unterland“); Leydig, welcher dies ebenfalls hervorhebt [Saur. S. 207] und auf die abweichenden Bodenverhältniſſe als Urſache dieſer Unterſchiede hinweiſt, fügt dem hinzu, daß ſich bei Tübingen Aehnliches beobachten laſſe, indem agilis auf Keuperboden recht zahlreich ſei, auf dem Gebiete des Muſchelkalkes indeß auf ſtundenlangen Strecken vermißt werde. Entſprechendes gilt von Bayern, obſchon ſie dort nach Jäckel [Reg.] „an ſonnigen trockenen Stellen der Anger, Raine, Straßengräben“ überall gemein ſein ſoll. So kommt ſie laut Prem. Lieut. Dittrich in der Umgegend von Lindau i. B. nicht jo zahlreich als anderswo, wenngleich nicht gerade ſelten vor; bei Miesbach in Ober— bayern iſt ſie häufig (W. v. Reichenau), bei Augsburg (J. F. Leu), Regensburg (A. Dünnbier), „im Nürnbergiſchen“ [Sturm 2. Heft], bei Erlangen (Dr. Broch), Doch fehlt ſie daſelbſt keinesfalls gänzlich; die Stuttgarter Sammlung z. B., welche unter anderen auch Stücke von Teinach und Waldſee beſitzt, bekam fie vom Heuberg bezw. aus dem Quellen- gebiet der Eyach (Oberamt Bailingen). Zweite Art. Zaun⸗-Eidechſe. 157 Rothenburg a. d. Tauber (A. Dünnbier) und Bamberg (Dr. Blumm, cand. Sippel“) ſehr häufig; im Mainthal findet ſich, Leydig's Beobachtungen zufolge, agilis all— gemeiner als in der Rhön und deren Vorbergen und beſonders zahlreich auf ſandigem Boden, indeß z. B. bei Bamberg häufiger als bei Würzburg [Saur. S. 207), ſie „zieht ſich auch in die Thäler des Odenwaldes und Speſſarts ſtreckenweiſe hinein, ſo bei Lohr, Miltenberg, Amorbach“ [Rhön S. 76]; bei Zellingen zwiſchen Würzburg und Gemünden fand Herr A. Dünnbier, in der Bayeriſchen Rheinpfalz Herr M. Kruel ſie ſehr häufig. Letzteres trifft auch hinſichtlich des Reichslandes zu, wo Herr Lieutn. Heinicke ſie unter Anderem ſowohl bei Metz als bei Hagenau zahlreich antraf, an jenems Orte in den gewöhnlichen Färbungen, auf dem Schießplatz bei Hagenau hingegen in prächtigen grünſchillernden Exemplaren, wie fie Herr Dr. A. Andreae auch oft in der Rheinebene bei Straßburg beobachtete. In dem mittel- und norddeutſchen Gebirgs-, Berg- und Hügelland, von den rheiniſchen und weſtfäliſch. en Höhenzügen an bis nach Schleſien, herrſchen die ſchon angegebenen Verhältniſſe. So iſt agilis, um nur Einiges oe ugreifen, nach W. v. Reichenau bei Mainz, woher ſie ſchon Nau verzeichnet, und Wiesbaden häufig, bei bung. am Weſterwald ſeltener; nach übereinſtimmenden Mittheilungen der Herren DDr. O. Böttger und C. Koch im Taunus (Naſſau) an den Abhängen bezw. an mehr niederen, weniger feuchten Lagen, z. B. bei Falkenſtein a. T., Schwalbach, Biebrich, überall häufig, im Gebirge jedoch ſeltener und auf den höchſten Spitzen (Alt— lönig, Feldberg ꝛc.) und den Moorwieſen des Gebirges vor der Wald-Eidechſe — welche bis 2700 Fuß ſteigt, während agilis nur bis zu einer Höhe von 1400 oder 1500 Fuß geht — weichend; nach den Beobachtungen des Herrn W. Bölſche-Köln fehlt ſie auf der Kuppe der Wolkenburg im Siebengebirge, während ſie an den grasbewachſenen und waldigen Abhängen der letzteren und ebenſo auf den anderen Höhen dieſes Gebirges ſowie in der Umgegend von Köln a. Rh., im Bergiſchen Land (Solingen, Bensberg, Burſcheid ꝛc.) und bei Duisburg überall häufig iſt; im Gegenſatz zu Düſſeldorf, wo Herr G. de Roſſi an den Abhängen nahe dem Rheinufer oft 15 bis 20 Stück kurz hinter einander ſah, iſt ſie demſelben Beobachter zufolge bei Neviges unfern von Elberfeld, wo das Klima rauher iſt wie im Rhein- und Ruhrthal und viele Thiere und Pflanzen der Rheinebene fehlen bezw. viel ſeltener auftreten, vereinzelt anzutreffen; laut Leydig [Rhön], welcher fie auch in der Eifel: bei Gerolſtein, Bertrich, Altenahr und am Laacher See bemerkte, kommt ſie in den Vorbergen der Rhön, z. B. bei Kiſſingen, vor, fehlt aber muthmaßlich auch den wärmeren Stellen der eigentlichen Rhön nicht. Im Harz bewohnt agilis, wie die Herren Dr. Elſter und Geitel berichten, häufig die Vorberge und Abhänge, während ſie die eigentlichen Höhen (Oberharz) der vivipara überläßt“); dementſprechend kommt agilis z. B. auch häufig bei Helmſtedt und Braunſchweig (Prof. Nehring) und Göttingen (J. D. Kobus) vor. Im Thüringer Wald vermißt man ſie gleichfalls auf den Gipfeln des Gebirges, während ſie in den mittleren und niederen, dabei trockenen und ſonnigen Lagen des Thüringer Berg- und Hügellandes allenthalben häufig iſt. Im Erzgebirge, d. h. auf dem Kamm, iſt ſie meiner Erfahrung nach eine ganz ſeltene Erſcheinung, wogegen ſie weiter abwärts namentlich an den Thalgehängen, z. B. in der Gegend von Wolkenſtein, Zſchopau, Erdmannsdorf, Stollberg, Zwickau, Chemnitz, Zwönitz, Freiberg und ſonſt gegen „das Niederland“ hin und ebenſo in den Elblandſchaften ſehr zahlreich ſich findet. Im ) Herr Sippel ſah fie auch in auffallender Menge im Auguſt 1876 zwiſchen Seeshaupt und Stallbach ſüdlich vom Starnberger See. — *) Schon W. Saxeſen zu Clausthal meldet Rimrod: „Lac. agilis am Vorharz. Lac. vivipara beſonders am Oberharz, wo L. agilis ganz zu fehlen ſcheint“. Mittel- und Norddeutſchland. Nordd. Flachland. Nord⸗ Europa. 158 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Lauſitzer Gebirge iſt ſie nach P. Jung's langjährigen Beobachtungen mit Ausnahme der Lauſche und des Jeſchken ſehr häufig; ebenſo im Neißethal, doch findet ſie ſich nicht auf dem Steinberg, Breiten- und Hirnitzerberg und im Schülerthal, wo ver— muthlich die Schlingnatter keine aufkommen läßt. In den Schleſiſchen Gebirgen ſteigt ſie, wie mir die Herren Profeſſor Born und F. Tiemann in Breslau mittheilen, nur bis zu geringer Höhe, überhaupt herrſcht im eigentlichen Gebirge die vivipara vor, während am Nordabhang, z. B. bei Reichenbach i. Schl. (P. Jung), und weiterhin durch Schleſien unſere Art gemein iſt. Im norddeutſchen Flach- und Tiefland iſt die Zaun⸗ Eidechſe gleichfalls die verbreitetſte Art, womit jedoch nicht geſagt ſein ſoll, daß ſie aller Orten die häufigſte oder gewöhnlichſte iſt. fe kommt, wie ſchon Vr eren (Bremen] hervorhebt, im nordweſtlichſten Theile des norddeutſchen Flachlandes die Wald-Eidechje (L. vivipara) häufiger vor als die L. agilis, was mit den Boden- und Terrain Ver⸗ hältniſſen zuſammenhängt: L. agilis liebt Sand- und Ackerboden, L. vivipara Moor- boden, und darum tritt die erſtere in den ausgedehnten Moorgebieten Weſt-Hannovers, Oldenburgs und Bremens gegen die letztere zurück, bezw. verſchwindet an manchen Stellen ganz und iſt, was Oldenburg anbelangt, laut brieflicher Mittheilung des Herrn Dr. Greve nur auf Sandboden im mittleren und ſüdlichen Theil des Herzogthums, vorzugsweiſe in den Amtsbezirken Wildeshauſen, Vechta und Oldenburg, ziemlich häufig. Daß Lac. agilis die San deidechſe, Lac. vivipara die Mooreidechſe iſt, zeigt ſich unter Anderem auch auf der Jütiſchen Halbinſel, wo Boie die erſtere z. B. in den Sanddünen auf Sylt und bei Badkegaard am Limfiord „in größter Menge“, ferner bei Dagbierg, in den Hölzungen von Dithmarſchen, bei Plön und im Gute Nehmten antraf, während er die vivipara nie in den Dünen noch in Geſellſchaft der genannten Art bemerkte. An manchen Oertlichkeiten kommt agilis ee gemeinſchaftlich mit vivipara vor, z. B. in der Umgegend von Berlin, Greifswald, Vegeſack, Stubbenkammer auf Rügen, doch zieht auch hier erſtere die trockenen Stellen vor. Weitere Fundorte aus dem norddeutſchen Flachlande anzuführen, it überflüſſig: von der Lüneburger Haide an durch Schleswig-Holſtein, Mecklenburg, Provinz Sachſen, Brandenburg, Pommern, Poſen und Weſtpreußen bis Oſtpreußen hinauf iſt die Zaun-Eidechſe in weitaus überwiegender Anzahl vertreten und gehört ſie zu den bekannteſten Kriechthieren. Aus der norddeutſchen Ebene verbreitet ſich die Zaun-Eidechſe, wie wir wiſſen, nach Dänemark, ferner nach den Niederlanden und öſtlich in das ruſſiſche Tief— land, wo ſie, wie Eversmann bemerkt, in den grasreichen Gegenden des Nordens, Südens und Oſtens häufig iſt. Das Letztere gilt insbeſondere auch von den Deutſch— land begrenzenden Gebieten: in Polen iſt ſie laut Taczauowski ſehr gemein; in den drei ruſſiſchen Oſtſee-Provinzen Kurland, Livland und Eſthland und der livländiſchen Inſel Oeſel iſt fie nach Seydlitz und O. v. Löwis [Rept.] „gleichmäßig verbreitet und ſehr gemein“, ebenſo im St. Petersburger Gouvernement ſehr häufig [v. Fiſcher]; als Bewohnerin Finnlands verzeichnet die Lac. agilis Sadelin in ſeiner Fauna fennica, ohne jedoch nähere Angaben zu machen; an dem den Onega- und Ladoga-See verbindenden Fluß Swir (61. Grad n. Br.) hat Sahlberg ſie gejammelt*). Auch in Schweden kommt ſie laut Nilsſon [Skand. F.] unterm 61. Grad n. Br. vor, da man ſie bei Mora in der Landſchaft Dalarne gefunden hat. Dies iſt für Skandinavien der nördlichſte Fundort, denn Mehwaldt läßt unentſchieden, ob die von ihm unterm ) Sahlberg: „Om Lacerta agilis (L., Nils.). och dess förekomst inom värt fauna omräde‘* in: Meddelanden af societas pro fauna et flora fennica, Helsingfors 1876 S. 65—69. Zweite Art. Zaun=Eidechfe. 159 63. Grad in Norwegen geſehenen Eidechſen zu agilis gehörten“); vermuthlich waren es Wald⸗Eidechſen, und ebenſo iſt die Bemerkung Brandts, daß L. agilis nördlich bis zu beiden Seiten des Bottniſchen Meerbuſens hinauf ſich verbreite, mit Vorſicht aufzufaſſen, da Brandt die Lac. vivipara, welche am weiteſten nach Norden geht, noch mit agilis zu— ſammenwirft. Im Uebrigen kommt agilis laut Nilsſon in den ſüdſchwediſchen Land— ſchaften Upland (Upſala), Oeſter-Götaland, Halland, Smoland, Blekinge und Stone vor. In England iſt ſie der Angabe Jenyns', Bell's und Boulenger's zufolge auf die ſüdlichen Grafſchaften (Dorſet und Hampſhire) beſchränkt; in Schottland und — entgegen der Mittheilung W. Thompſon's und E. Friedel's [Zool. G. 1878], welche agilis als Glied der iriſchen Fauna aufführen — in Irland wird ſie durch L. vivipara vertreten. Für die Niederlande gilt das von der nordweſtdeutſchen Ebene Geſagte: ſie iſt hier, wie mir Herr van der Veen in Uebereinſtimmung mit Schlegel [Kruip.] ſchreibt, „overal zeer gemeen of drooge plaatsen“. In Belgien iſt fie der Angabe Selys— Longchamps zufolge ſelten („assez rare“), dagegen in Luxemburg dem Anſchein nach recht verbreitet, denn Fontaine verzeichnet, außer Arlon (Belgien) und Hettange bei Thionville (Lothringen), folgende einzelne luxemburgiſche Fundorte: die Ufergelände der Eiſch und Mamer und Echternach an der Sure. Wie in Elſaß und Deutſch— Lothringen, jo kommt die Zaun-Eidechſe auch in den, dieſe Reichslande und die Schweiz begrenzenden franzöſiſchen Gebieten vor: in Lothringen, der Franche Comté, im Jura, in Savoyen (Gebirgsſtock des Montblanc); aus dem Norden Frankreichs verzeichnen ſie ſchon Daudin und Latreille und neuerdings Lataſte für die Umgegend von Paris, Collin de Plancy [Aube] fügt als Wohnorte die Departements Aube, Meurthe, Cöte d'Or hinzu; P. Bert kennt fie aus dem Dep. Nonne, E. Olivier aus dem Dep. Allier im mittleren [Wonne], Belthremieux aus dem Dep. Charente-Inferieur im weſtlichen Frankreich; für die Gironde führt Lataſte ſie nicht auf; bezüglich Süd-Frankreichs fehlen überhaupt noch ſichere Angaben, ein Exemplar mit der Angabe „Süd-Frankreich“ erhielt das Berliner Zool. Muſeum durch Lichtenſtein (Nr. 934), bei Nizza fehlt ſie Bedriaga's Angabe zufolge [Lac.]; mit Ausnahme einiger ſüdlichen Diſtrikte ſcheint agilis in ganz Frankreich zu Hauſe zu ſein. Hingegen dürfte ſie der Pyrenäiſchen Halbinſel mangeln, denn Barboza nennt ſie unter den portugieſiſchen Kriechthieren nicht, und E. Bosca, der treffliche ſpaniſche Fauniſt, konnte ſie auch i. J. 1880 noch nicht als Glied der ſpaniſchen Thierwelt anführen, da ihm weder ſpaniſche Stücke zu Geſicht gekommen ſind noch authentiſche Angaben über ihr Vorkommen in Spanien vorliegen; die älteren Angaben von Machado und Argas über ihr Vorkommen bei Madrid bezw. Sevilla beruhen jedenfalls auf falſchen Beſtimmungen oder irrthümlichen Nachrichten, und die grünlichen oder gelblichen, oberſeits tief ſchwarz gefleckten, unter— ſeits ſchwach ſchwarz punktirten, angeblich in der Umgebung von Granada geſammelten Eidechſen, welche Pr. E. Schreiber unterſuchte [Herp. S. 440] dürften wohl zu der vorn beſchriebenen Varietät Gadovi der Smaragd-Eidechſe gehören. Auf den Balearen hat weder Bosca, noch Bedriaga, Braun [L. Lilf.] und Will, entgegen einer Mittheilung Barcelo y Combis’ [Baleares], die agilis beobachtet. Ebenſo fehlt fie auf Korſika, Sardinien, Sizilien und den übrigen italieniſchen Inſeln, überhaupt, wie wir durch Bonaparte, de Betta und Camerano wiſſen, in ganz Italien; wenn manche der älteren Autoren L. agilis für Italien verzeichnen, ſo iſt darunter L. muralis bezw. eine der Varietäten dieſer zu verſtehen, da eben ältere Schriftſteller, dem Vorgange Daudin's folgend, die Mauer-Eidechſe „Lac. agilis“, die Zaun-Eidechſe hingegen ) Situngsber. der naturw. Geſ. „Iſis“ zu Dresden 1870 S. 159. Weſtliches Europa. Süd⸗Europa. Alpen. Oeſterreich⸗ Ungarn. Rußland. 160 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. „L. stirpium“ nennen. Am Süd fuß der Central-Alpenkette findet ſich die Zaun-Eidechſe überhaupt nicht, ſie iſt ſomit ebenſo wenig in Piemont, in der Lombardei und Venetien, wie, laut Schreiber und Erber, in den ſüdlich der Alpen gelegenen öſterreich. Kronländern Illyrien !), Iſtrien und Dalmatien heimiſch. Selbſt in Tirol iſt ſie nur auf den nördlichen, an Bayern grenzenden Theil, wo ſie laut Gredler das obere und untere Innthal und deſſen Nebenthäler (Achen-, Wipp-, Stubbaithal ꝛc.) und das anſtoßende Plateau (Seefeld) und ebenſo, laut Bruhin, ganz Vorarlberg bewohnt, beſchränkt, während ſie nach Leydig [Saur.] ſüdlich des Brenners nicht mehr angetroffen wird; der 47. Grad n. Br. würde hier alſo die Südgrenze bilden. In der Schweiz mag die Südgrenze ½ Grad ſüdlicher liegen, doch auch hier etwa mit der Kette der Central-Alpen bezw. den derſelben vorgelagerten Berner Alpen 20. zuſammenfallen, wenigſtens iſt agilis bis jetzt weder aus dem ſüdlichen Graubünden, noch aus den Kantonen Teſſin und Wallis gemeldet, wogegen wir ſie aus der öſtlichen Schweiz durch Schinz „Fauna helvetica“, aus der Umgebung von Chur und Flims im nördlichen Graubünden durch Brügger bezw. Fr. Müller, von Appenzell durch Schläpfer, aus der nördlichen und mittleren Schweiz durch Tſchudi's „Echſen“, von Weißenburg im Simmenthal und von Gryon im Waadt durch Fr. Müller kennen. Daß ſie in der weſtlichen Schweiz, wie Fatio angiebt, beſonders häufig iſt, beſtätigen mir die Herren DDr. G. Beck für die Umgebung Bern's, Studer für den Kanton Bern und Fr. Müller für Baſel. Im Weiteren kommt die Zaun-Eidechſe, abgeſehen von den oben genannten drei Kronländern, in allen Ländern des öſterreichiſch-ungariſchen Kaiſerſtaates vor: fie iſt nach brieflicher Mittheilung des Herrn Prof. v. Mojſiſoviez in Steiermark gemein, ferner verzeichnen fie Leydig, Schreiber und Storch für Salzburg, Fitzinger [Oeſterr.], Knauer und Laurenti für Oeſterreich, A. Fritſch für Böhmen, Herr Burkart-Brünn (brieflich) und Heinrich für Mähren und Schleſien, Herr Dr. M. Nowicki (brieflich) und Zawadski für Galizien und die Bukowina, Jeitteles für Ober-Ungarn, Kornhuber für die Umgegend von Preßburg, A. v. Mojſiſovicz für das ſüdliche Ungarn, Erber Amph. Oeſt.] für die Banatiſche Militärgrenze („ſelten bei Orſova“), Bielz für Sieben— bürgen; in den meiſten dieſer Länder iſt ſie zahlreich vertreten, z. Th. ſehr häufig oder gemein. Von den ſüdlich der Donau gelegenen Ländern wird ſie nur für Bosnien gemeldet, wo ſie laut Möllendorf in dem nördlichen und mittleren Theil häufig ſein ſoll. Im Uebrigen dürfte ſie, wie auch Böttger in ſeiner Arbeit über die Reptilien Syriens, Paläſtina's ꝛc. angiebt, auf der Balkan-Halbinſel, entſprechend der pyrenäiſchen und italiſchen Halbinſel, fehlen, wenigſtens iſt ſie in dem vielfach durch— forſchten Griechenland nebſt ſeinen Inſeln noch nicht geſehen worden. Dagegen iſt ſie in allen das Schwarze Meer umſäumenden Gebieten Rußlands zu Hauſe, alſo nicht nur im weſtlichen Rußland, wo ſie ſich bis zum 61. Grad n. Br. hinauf verbreitet (vergl. S. 158), ſondern auch in allen ſüdlichen, mittleren und öſtlichen Theilen des Reiches. Im ſüdlichen Rußland treten die auf Seite 155 beſprochenen Varietäten bezw. Zwiſchenformen chersonensis und colchica auf, in der Krim iſt eine ebenfalls dort erwähnte große grüne Zwiſchenform zu Haufe. Wie weit die agilis im Oſten nach Norden geht, wiſſen wir nicht gewiß; Dwigubsky verzeichnet ſie für Moskau und Eversmann, von welchem das Berliner Muſeum acht aus der „Kleinen Tatarei“ ſtammende Stücke (Nr. 938— 945) erhielt, für die „grasreichen Gegenden zwiſchen Nach dieſer Angabe Schreiber's iſt alſo die Mittheilung Freyer's, daß agilis in Krain vorkomme, unrichtig. . Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 161 Simbirsk und Siſran“ an der Wolga; mit der Bezeichnung „Wolga“ beſitzt das Berliner Muſeum auch einige durch den Prinz zu Wied überwieſene Exemplare (Nr. 4197/8); ſodann nennt ſie Eichwalds „Fauna“ für das Uralgebirge, wo ſie beſonders in der Mittel-Uralkette überall ziemlich gemein ſein ſoll. Aus dem europäiſchen geht ſie nach dem aſiatiſchen Rußland bezw. Weſt-Sibirien. Die erſten ſibiriſchen Exemplare kamen durch A. v. Humboldt und Ehrenberg, welche dieſelben am Altai geſammelt hatten, nach Europa und zwar in das Berliner Zoolog. Muſeum (Nr. 935 und 936). Daſſelbe Muſeum bekam Stücke aus der Kirgiſenſteppe durch Ehrenberg (Nr. 911) und verſchiedene Exemplare, von O. Finſch auf ſeiner weſtſibiriſchen Reiſe 1877 geſammelt in den Arcad-Bergen, in der Steppe am Ala-Kul, am Dſchaſil-Kul und in der dſungariſchen Alatau-Kette, am Karakol-Fluß, bei Lepſa im Alatau und in der Wüſte Maiterek (Nr. 9180— 9185), alſo an Oertlichkeiten nahe der ſibiriſch-chineſiſchen Grenze. Keßler endlich ſtellte, wie ich aus Bedriaga's „Lacertiden-Familie“, Seite 137, erſehe, ihr Vorkommen an den Jeniſſei-Quellen, bei Minuſinsk, — der öſtlichſte Punkt ihrer Verbreitung — feſt. Weder aus den dſungariſch-ſibiriſchen Diſtrikten und der aralo⸗kaſpiſchen Steppe, noch anderſeits aus Eis- und Trans-Kaukaſien, wo fie laut Keßler bis zum Goktſcha-See ſüdlich geht, verbreitet fie ſich weiter ſüdwärts, fie fehlt demnach auch in Perſien und Klein-Aſien, d. h. am Südufer des Aral- und Kaspi— Sees und des Schwarzen Meeres ). Faſſen wir die ſicher beſtimmten Fundorte ins Auge, jo ergiebt ſich, daß der Green der Verbreitungsbezirk der Zaun-Eidechſe vom 15. bis 115. Grad öſtl. Länge von Ferro , (ſüdliches England bezw. nordweſtl. Frankreich bis zu den Quellen des Jeniſſei) und vom 40. bis 61. Grad n. Br. (Transkaukaſien und öſtliches Ufer des Kaspiſees am Balchan⸗Buſen bis zum Fluß Swir in Nordrußland und Mora in Schweden), alſo über etwa 100 Längen- und 21 Breitengrade ſich erſtreckt. Dabei iſt nicht außer Acht zu laſſen, daß ſowohl die Süd- wie auch die Nordgrenze der Verbreitung in Europa nördlicher liegt als in Aſien: in Europa, abgeſehen von den Kaukaſusländern, bildet durchſchnittlich der 45. und für die Alpenländer etwa der 47. Breitengrad die Südgrenze und der 61. (für England der 51.) Breitengrad die Nordgrenze, in Aſien hingegen der 40. Grad die Süd- und der 54. Grad n. Br. die Nordgrenze. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Bereits auf Seite 156 wurde ange- Nuienthalt. deutet, an welchen Oertlichkeiten die Zaun-Eidechſe ſich vorzugsweiſe aufhält. Die Wohnſtätte muß frei und ſonnig, ihr Untergrund trocken und locker ſein: liebt ſie doch Erdlöcher, in denen ſie bei Nachſtellungen nicht nur, ſondern auch bei regneriſcher Witterung und bei ſengender Hitze verſchwindet. Daher meidet ſie den dichten Hoch— wald, durch deſſen geſchloſſene Baumkronen ſelten ein Sonnenſtrahl auf den Moos— teppich dringt, ebenſo wie kleine und große Torfmoore, wo uns die Wald-Eidechſe oft begegnet, kahle, ſteinige Berggipfel, Klüfte und Wände und überhaupt hartgrundige Strecken (Kalk) ebenſo wie feuchte, hochgraſige Wieſen. Und daher erklärt es ſich, daß man auf den Kuppen und Kämmen unſerer Gebirge mit ihren Felſen-Gruppen und Schichtungen, ihren hochſtämmigen düſteren Waldungen, ihren mit Haidegeſtrüpp und anderen Sumpfpflanzen beſtandenen Hochmooren und ihren kalten Schluchten die Zaun⸗Eidechſe vermißt, daß man ſie vielmehr in den tieferen und mittleren Lagen (bis 300 oder 500 m), in den Vorbergen, wo freie ſonnige Stellen mit Gehölz und „) Ob die von Lortet [Tiberiade] und von O. Böttger [Syr. Pal.] für einzelne Orte Syriens und Paläſtinas und von Unger-Kotſchy für die Inſel Cypern verzeichnete „agilis“ wirklich zu agilis ge⸗ 18 e noch der Aufklärung. U. J. Seetzen konnte in Syrien und Paläſtina nichts von einer -Ragilis entdecken. 11 Bewegungen. 162 : Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Gebüſch abwechſeln, antrifft und daß ſie nur dann höher ins Gebirge hinaufſteigt, wenn ſie dort ihre Wünſche befriedigt und wenigſtens lockeres Erdreich findet. So beobachtete ſie Schreiber auf dem „mit lockerem Erdreich bedeckten“ Gaisberg bei Salz— burg ſelbſt noch in 4000 Fuß oder 1300 m und Gredler in Nord-Tirol am Plateau von Seefeld in 3800 Fuß Meereshöhe, während fie im Gebirgsſtock des Montblanc laut Venance Payot gewöhnlich nur 800 bis 900 m, ſelten über 1000 m hoch geht und Leydig [Saurier S. 209] ſie im Hochgebirge, z. B. an ſonnigen Stellen der Salzburger Alpen, bis etwa zu einer Höhe von 2000 Fuß fand, „wo ſie allerdings auch ſchon in der erſten Hälfte des September da und dort erſtarrt unter den Steinen lag“. Man erkennt aus dieſen Angaben und aus den ſchon bei Beſprechung der Verbreitung im deutſchen Gebiete eingeſchalteten Bemerkungen, daß L. agilis keine eigent— liche Berg- und Gebirgs-Bewohnerin iſt. Sie fühlt ſich im Hügel- und Flachland, abgeſehen von ſumpfigen moorigen Strecken, wohler, heimiſcher. Wo hier an der Scheide von Feld und Flur ein Rain hinzieht, wo ein Fahrweg den Wald durch— ſchneidet, eine Kunſtſtraße „über Thal und Hügel“ läuft, ein Bahndamm ſich über die Gemarkung erhebt: da — an beraſten und mit Geſtrüpp oder leichtem Gebüſch beſtandenen ſonnigen Böſchungen, Abhängen, Grabenrändern, an denen ab und zu ein Steinhaufen lagert oder ein Grenz- und Meilenſtein aus dem Boden hervorragt — iſt ſie ebenſo zu Hauſe wie an den Säumen von Laub- und Nadelhölzern, in lichten Hainungen, an den oberen Partien der Flußthäler, auf ſandigen, ſonnigen Haiden und Waldblößen, auf und an den mit Berg Jaſione (Jasione montana), Immerſchön (Helichrysum arenarium), Dürrwurz (Erigeron acer) und anderen Sandpflanzen bekleideten Sandhügeln, an den Mauern der Weinberge und ausge— dehnter Friedhöfe, in Hecken und ſelbſt in Baumgärten nahe der menſchlichen Wohn— ungen, an den mit Sandhalm (Ammophila arenaria, LI.) bewachſenen Dünen und den nicht allen Pflanzenwuchſes baren Berghalden. Hier wie dort erfreut ſie den aufmerkſamen Naturfreund durch ihre gelenken Bewegungen und ſchmucke Tracht und erſchreckt ſie den Nichtkenner durch plötzlich verurſachtes Raſcheln. Fehlt ſie dennoch an manchen wie zu ihrem Tummelplatz geſchaffenen Oertlichkeiten, ſo kann dies daran liegen, daß ihre Todfeindin, die Glattnatter, ſie nicht aufkommen läßt. So iſt es nach P. Jung's Wahrnehmungen vermuthlich in der Oberlauſitz bei Zittau an den auf Seite 158 genannten Plätzen der Fall; ſelbſt als Herr Jung zwölf trächtige Weibchen im Schülerthal, einem Aufenthaltsort der Schlingnatter, ausgeſetzt, vermochte er mehrere Jahre ſpäter, 1880, nur ein einziges Weibchen dort zu entdecken: die Natter vertilgt entweder raſch die vorhandenen Echſen, oder ſie veranlaßt dieſelben zum Fortwandern. Weit mehr als die Smaragd-Eidechſe — man darf ſagen: ſtändig — verweilt unſere Art am Boden, und daher zieht ſie, wenn ſie z. B. an einer Mauer ihren Aufenthalt gewählt, als Schlupfloch eine am Fuße derſelben befindliche Oeffnung oder Erdſpalte gewiß einer oben im Gemäuer vorhandenen Ritze oder Lücke, welche von einer Mauer-Eidechſe ſicherlich aufgeſucht würde, vor. Sie vermag es eben im Klettern nicht entfernt der Smaragd- oder gar der Mauer-Eidechſe gleich zu thun, und deshalb iſt ſie auch keine Freundin dieſer Bewegungsart, obwohl ſie in der Freiheit zuweilen niedrige Hecken und Sträucher durchklettert (vielleicht nach Raupen) und auch in der Gefangenſchaft dann und wann, zum Zwecke des Sonnens, einen im Behälter ange— brachten ſchrägen Aſt hinaufläuft oder eine Pflanze erſteigt; ſo lagerten ſich im Jahre 1881 ein zweijähriges und ein noch kleineres rothrückiges Weibchen mit Vorliebe in dem Gezweig eines im geräumigen Terrarium ſtehenden Lebensbäumchens (Thuja), - Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 163 das ſie mühelos erkletterten, und mitunter begaben ſie ſich von dieſem aus noch in einen Tradescantia-Buſch, der ſeine Zweige aus einer einfachen Ampel herabhängen ließ. Immerhin fühlt ſich die Zaun-Eidechſe nur auf dem mit trockenem, ſpärlichem Graſe bewachſenen, mit Gekräut und Geſträuch beſtandenen, hier und da mit Geſtein und Geröll bedeckten warmen Erdboden wirklich heimiſch. Sie möchte in dieſer Hinſicht den ganz jungen Smaragd-Eidechſen, welche ſich, was bereits Leydig bemerkte, mit Vorliebe im Graſe zu ebener Erde aufhalten, zu vergleichen ſein. Auf das Boden— thier deutet übrigens ſchon die Ausrüſtung der Gliedmaßen, denn die Beine, Zehen und Krallen der agilis ſind, wie bei Behandlung des Körperbaues der in Frage kommenden Arten hervorgehoben wurde, kürzer und weniger ſchlank und zierlich, die Glieder nehmen ſich daher plumper aus als die einer gleichgroßen viridis oder einer muralis. Zwar leiſten auch dieſe kurzen Zehen und Krallen ihrer Beſitzerin im Be— darfsfall ganz weſentliche Dienſte: Herr Prof. v. Martens beobachtete, laut brieflicher Mittheilung, am 8. Mai 1851, daß eine männliche agilis ſich mit der vierten Zehe des linken Hinterfußes allein 5 Minuten lang an der Ritze einer Mauer feſthielt, und das würde ſie vielleicht noch länger gethan haben, wenn ſie der Beobachter nicht mehrmals berührt hätte. Indeß in ſolchen Fällen heißt es nur: „der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb!“; vielmehr überläßt die Zaun-Eidechſe das Klimmen und Klettern, das Spielen und Sichverſtecken an und in Mauern, an Wänden und Planken u. dergl. gern den Mauer-Eidechſen, welche durch die dort erwähnte Eigenheit der Zehen dazu ganz beſonders befähigt ſein mögen, und auch den Grünechſen. Sie er— ſcheint aus dieſem Grunde bei weitem nicht ſo beweglich als die genannten beiden Verwandten, und man darf es mithin den älteren italieniſchen Zoologen ſehr wohl verzeihen, wenn ſie die Linne’sche Bezeichnung „agilis“ auf die Mauer-Eidechſe bezogen. Von ihren Bewegungen fördert am meiſten das Laufen auf flachem Boden, das Schlüpfen durch dürres Gras und Laub, durch Zäune und Büſche und Geſtein. Führt der Zufall ſie in ein Waſſer, ſo verſteht ſie unter raſchem Schlängeln des Leibes wohl zu ſchwimmen; doch vermag ſie bei ihrer geringeren Kraft der „kalten Fluth“ nicht ſo lange Widerſtand zu leiſten als die Smaragd-Eidechſe, und ſie iſt daher dem Ertrinken noch eher ausgeſetzt als dieſe. Wie flink ſie auf der Flucht ſein kann, weiß der Naturfreund und Sammler ſehr gut; und doch wird es ihm nicht ſchwer, des gewandten Vierfüßlers habhaft zu werden, wenn er die auf Seite 86 beſprochenen Eigenſchaften deſſelben, die Neugier und eine gewiſſe Keckheit, ſich zu Nutze macht. Indem das von der geſammten Gattung entworfene Bild uns eines Eingehens auf Fang ꝛc. enthebt, haben wir nur noch daran zu erinnern, daß die Zaun-Eidechſe, namentlich alte, kräftige Männchen, gleich der Grünechſe beim Ergreifen oder ſchon beim Nähern der Hand ſich zur Wehr ſetzt; entweder ſperrt ſie funkelnden Auges nur das Maul drohend auf, um den furchtſamen Gegner zurückzuſchrecken, oder ſie beißt thatſächlich zu und verbeißt ſich oft dermaßen in einen Finger, daß man ſie, da ſie an demſelben hängen bleibt, in dieſer Situation herumtragen kann). Allein mitunter läßt ſich die Erregung friſchgefangener Zaun— echſen ſchon durch ein kaltes Bad dämpfen, wie Herr Prof. E. v. Martens bereits vor gut vierzig Jahren wahrzunehmen Gelegenheit hatte und in ſein Tagebuch ver— *) Für haſenherzige, ängſtliche, unaufgeklärte Perſonen, die in jedem Kriechthier eine gefährliche Beſtie ſehen, iſt ein derartiger Anblick ein furchtbarer, obgleich anderſeits das Thun eines Menſchen, der mit Seelenruhe ſich beißen läßt, nicht verfehlt, einen Eindruck auf ſie zu machen; ſolche Momente ſind dann — habe ich es doch oft genug erfahren! — die günſtigſten, um ſofort mit wenig Worten Belehrung und Aufklärung zu ſchaffen. al Weſen. Winkerſchlaf. 164 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. merkte: „Eine Eidechſe“, ſo lautet die Notiz vom 18. April 1848, „wird durch Ein— tauchen in das kühle Waſſer ſo ruhig, daß ich ſie in der Rocktaſche mit nach Hauſe nehmen kann und auf dem Wege von über ½ Stunde das Experiment nur einmal wiederholen muß.“ Und das ſpröde Weſen verwandelt ſich bei verſtändiger Behand— lung ſchon nach einigen Tagen ins Gegentheil und die klugen Augen blicken gar bald den Pfleger ſo ſanft und vertrauensvoll an, daß er mit Vergnügen den erbettelten Leckerbiſſen gewährt. Sogar freilebende Zaunechſen ſchließen mit dem Menſchen, nachdem ſie ihn kennen gelernt haben, einen Freundſchaftsbund, wie ich durch ein auf Seite 85 mitgetheiltes Beiſpiel erweiſen konnte. Ihrer Todfeindin jedoch, der Schlingnatter, müſſen ſie ſich auf Gnade und Ungnade ergeben, obſchon vornehmlich alte Männchen mit dem Muthe der Verzweiflung das traurige Schickſal von ſich ab— zuwenden ſuchen. Indeſſen ſelbſt dann, wenn es die von der beutegierigen Gegnerin umſchnürte Eidechſe ermöglicht, im Mundwinkel der letzteren ſich zu verbeißen, erreicht ſie nur ein Hinausſchieben des „letzten Augenblicks“, nicht aber eine Errettung, welche der ſtärkeren Smaragd Eidechſe nicht ſelten winkt (ſ. S. 140): über kurz oder lang gelingt es der Schlange dennoch, den Kopf des Opfers in den Rachen zu bekommen und daſſelbe nun verſchwinden zu laſſen. Nur ganz eigenartige Zwiſchenfälle, ſo das Einſchreiten eines Menſchen, helfen die eine oder die andere Zaunechſe aus ihrer Noth— lage befreien. Ein ſolches, noch von beſonderen Umſtänden begleitetes Geſchehniß er— zählt Herr Fiſcher-Sigwart, und da die Eidechſe dabei eben eine neue Seite ihres Weſens zeigte, möge der Bericht hier eine Stelle finden. Eine 50 em lange Schling— natter hatte ein ausgewachſenes Männchen der agilis gepackt und umſchlungen. Da daſſelbe ſich jedoch verzweifelt wehrte und in einen Pflanzenſtengel, der ihm quer durchs Maul ging, verbiſſen hatte, vermochte die Schlange den Vierfüßler nicht zu bewältigen und noch nach einer halben Stunde Ringens mühte ſie ſich vergeblich, den Kopf des Gefangenen von vorn zu packen. Die Eidechſe lag ſchließlich mit geſchloſſenen Augen auf dem Rücken, rührte ſich nicht mehr und biß nur krampfhaft in den Stengel, ihren Hoffnungsanker, der die Natter am Verſchlingen der Beute hinderte. Der Beobachter verſcheuchte nun die Schlange, um dieſem nutzloſen Kampfe ein Ende zu machen. Als ſie ſich entfernt, lag die Eidechſe immer noch mit geſchloſſenen Augen auf dem Rücken wie todt; nach einiger Zeit indeß öffnete ſie dieſelben, um, ſich befreit ſehend, mit ſolcher Haſt zu entweichen, „daß ſie ſogar aufzuſtehen vergaß und, indem ſie mit den Beinen äußerſt ſchnelle Bewegungen ausführte, auf dem Rücken rutſchend in den Pflanzen verſchwand — ſie hatte die Beſinnung verloren und nur der Trieb kam jetzt in ihr auf, ſich möglichſt ſchnell zu retten“. Die allgemeinen Erſcheinungen des Winterſchlafes und der Einleitung deſſelben wurden bereits auf Seite 77 behandelt. Was im Einzelnen unſere Zaun— Eidechſe anbetrifft, ſo ſagt Tſchudi in ſeinen „Schweiz. Echſen“, daß ſie ſich im Oktober in etwa 2 Zoll lange und 1 Zoll breite Röhren verkrieche und dieſe von innen mit Gras und Erde verſtopfe. „Es iſt mir nie gelungen, mehr als ein Individuum in einer ſolchen Röhre zu finden, und zwar nur alte Thiere; ich kann daher nicht ſagen, wie und in was für Höhlen die Jungen überwintern.“ Nach meinen Erfahrungen weichen die Jungen nicht ab von den Alten, inſofern als ſie gleich den letzteren in Erdlöchern, in Höhlungen unter Baumſtumpen und dergl. zum Zwecke des Winter— ſchlafes ſich verbergen und die Quartiere gegen die Unbilden der rauhen Jahreszeit verwahren; nur ſcheinen ſie ſich, wie mir auch Herr P. Jung beſtätigt, in der Regel um ein oder zwei, ja drei Wochen ſpäter zurückzuziehen als die Alten, ſodaß man kleine Stücke z. B. noch um Mitte Oktober an ſonnigen Lagen und ſonnigen Tagen Zweite Art. Zaun⸗Eidechſe. 165 im Freien beobachten kann, nachdem an denſelben Stellen alte ſchon Ende September verſchwunden waren. Im Frühjahr hinwiederum mögen die Jungen wohl ſtets vor den Alten die Winterwohnung verlaſſen, was ſich auf Seite 78 ſchon zu betonen Gelegenheit bot, und zwar mögen in einer und derſelben Gegend die jungen Zaun— echſen etwa gleichzeitig mit den alten Wald-Eidechſen erwachen. „Mit Sicherheit habe ich beobachtet,“ ſagt Leydig in ſeinen „Sauriern“, „daß die ganz jungen Thiere (der agilis), nachdem die Temperatur Mittags auf 13 bis 14 Grad R. im Schatten ſich gehoben, zuerſt aus ihren Löchern an die Sonne kommen; dann folgen die Männchen und zuletzt die Weibchen, welche etwa eine Woche ſpäter erſcheinen.“ Dieſe Wahr— nehmung hatte vor Leydig ſchon C. Bruch gemacht, der in feinen „Neuen Beobach— tungen“ unterm 11. April 1863 angiebt: „Alle bis jetzt im Freien begegneten Exem— plare waren Männchen, die demnach viel früher aus ihren Löchern hervorkommen als die Weibchen“. Das Erwachen der agilis geſchieht in Deutſchland je nach dem Gebiete und dem Eintritt milder Witterung in der Zeit zwiſchen Mitte März und Mitte (in rauhen Strichen Ende) April und das Schlafengehen in der Zeit von Mitte September bis Ende Oktober. Für die Umgegend Berlins, wo ich ſeit nun 17 Jahren die Regungen des Naturlebens verfolge, notirte ich den 27. Oktober (1879) und den 18. März (1880) als diejenigen Tage, an welchen ich im Herbſt die letzte bezw. im Frühjahr die erſte Eidechſe ſah und fing — in beiden Fällen waren es vorjährige Thiere —; den ſpäten Oktobertag hat man aber als Ausnahme zu betrachten, wogegen der 18. März den entſprechenden Terminen anderer Jahre, z. B. 1890, nur um wenige Tage voraus iſt. In dem genannten Jahre 1880 bemerkte Herr P. Jung in der Gegend von Zittau i. S. ſogar ſchon am 7. März Zaunechſen außerhalb ihres Winter— verſtecks, während er ſie im Jahre 1877 am 2. April, 1876 am 9. April und 1878 noch ſpäter erſt im Freien auffand. Bei Bamberg gewahrte Herr Sippel die erſten Ende März, die letzten um Mitte September; bei Mainz zeigen ſie ſich, wie mir Herr W. v. Reichenau ſchreibt, von Anfang der zweiten Märzwoche ab; im nördlichen Tirol iſt agilis laut Angabe V. Gredler's von Ende März oder Anfang April an im Freien; in Vorarlberg ſah Bruhin 1866 am 5. April, 1867 bereits am 27. März die erſte; in der Schweiz fand Tſchudi in manchen Jahren ſchon während der erſten Märzwoche Zaunechſen munter, andere mußte er zur nämlichen Zeit ausgraben, wobei er ſie „kreisförmig daliegend, den Kopf beim After, noch halberſtarrt ſah“. Immer aber, daran ſei nochmals erinnert, ſcheint die agilis dort, wo ſie mit der einen oder der anderen Artgenoſſin zuſammen lebt und daher auch Anlaß zu Vergleichen darbietet, ſpäter als die Verwandten aus dem Winterſchlupf ſich herauszuwagen: bezüglich der Wald⸗Eidechſe ſteht dies nach den Erfahrungen verſchiedener Beobachter ſicherlich feſt; und das Gleiche mag wenigſtens noch hinſichtlich der Mauer-Eidechſe zutreffen, wie denn beiſpielsweiſe Herr H. Kober-Freiburg i. Br. im Badiſchen während der ſchönen warmen Tage zu Ende Februar und zu Anfang März des Jahres 1885 wohl die letztgenannte Spezies und auf einem 3 bis 4 Stunden von Freiburg gelegenen Hügellande auch die große Grünechſe, aber noch nicht die Zaun-Eidechſe bemerkte. Sehr bald nach dem Beginn des friſchen, fröhlichen Freilebens vollzieht ſich die erſte Frühjahrshäutung — ſo thaten dies die während der letzten März- und der erſten April⸗Tage 1890 friſchgefangenen Thiere im Terrarium vom 10. April ab —, und nun läßt auch der Beginn der ſchon geſchilderten Paarungskämpfe und Hochzeitjpiele nicht mehr lange auf ſich warten. Die erſte wirkliche Paarung von Zaunechſen hieſiger Gegend verzeichnete ich, wie erwähnt, am 15. April (1890), die letzte (1880) am 21. Juni; meiſt fällt dieſelbe aber in den Mai. Leydig hat durch Fortpflanzung. Namen. Synonyma. 166 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Unterſuchungen an Lac. agilis feſtgeſtellt, daß die Entwickelung und Reife der Samen— Elemente gleichen Schritt mit der Ausbildung der Farbe des Hochzeitkleides geht, ſodaß Männchen, welche ſchon mit dem „freudig Grün“ geſchmückt ſind, den Neben— hoden und den Samengang prall erfüllt haben mit lebhaft ſich bewegenden Zooſper— mien, wogegen andere Männchen, deren Seiten erſt einen grünlichen Ton angenommen, auch innerlich noch jüngere Zuſtände (beginnende Samenbildung, Lagerung der Maſſe der Zooſpermien im zuſammengekrümmten Zuſtande in den Zellen) darbieten. — Die träch— tigen Weibchen, durch deren ausgedehnt-geſpannte Körperhaut hindurch die Umriſſe der einzelnen Eier ſich erkennen laſſen, legen unter den beſchriebenen Umſtänden je nach dem Zeitpunkte der Paarung im Verlauf des Juni und Juli, bei uns meiſtens gegen Ende des erſteren und während der Anfangshälfte des zweiten Monats, 5 bis 14 Eier ab. Hinſichtlich der Beſchaffenheit und Färbung der Schale und der Geſtalt unterſcheiden ſich dieſelben nicht von den Eiern verwandter Arten; die Längsachſe beträgt nach meinen Meſſungen 12 bis 13, die größte Querachſe 7 bis 9g mm. Die nach ungefähr acht Wochen im Auguſt und September ausſchlüpfenden Jungen haben die auf Seite 152 angegebene Länge und Färbung und nehmen zuvörderſt Blattläuſe, kleine Fliegen u. dergl. als Nahrung. Am 27. Auguſt 1878 erhielt ich ſieben, ſoeben im Garten gefundene, weichſchalige Eier, die ich, nachdem ſie einen Tag über auf dem bloßen Tiſch gelegen, in ein mit feuchtem Sande gefülltes Glas brachte. In einem am nächſten Tage geöffneten Ei fand ich ein vollſtändig ausgebildetes, lebendes Junges vor, das die Augen noch geſchloſſen hatte und die bekannte Lage einnahm: zuſammen— gerollt, Kopf zwiſchen Vorder- und Hinterfüßen, Schwanz nach innen und zwar bis an den Hals vor eingeſchlagen (Dotter nach außen und hinten). Am 30. Auguſt öffnete ich ein zweites Ei, in welchem das Junge ſchon geöffnete Augenſpalten zeigte. Die Größenverhältniſſe deſſelben waren folgende: Geſammtlänge 46 mm, Schwanz allein 22 mm, alſo Kopf und Rumpf zuſammen 24 mm; Hinterfüße bis zum Ende der längſten (vierten) Zehe 9, mm, die letztere allein faſt 4 mm; Vordergliedmaßen 7 mm; Augen ſehr groß, hervortretend, ſchwarz, 2, mm lang; die einfarbig hellgraue Unterſeite ließ die Eingeweide durchſchimmern, auf der dunkelgrauen Oberſeite ließ ſich die bekannte feine weiße Perlzeichnung ſchon ganz gut erkennen. Die übrigen Eier ergaben Eidechschen von derſelben Länge und Färbung. . Im Vorſtehenden werden die befonderen Eigenheiten der Zaun-Eidechſe genügend gekennzeichnet ſein; die ſonſtigen Erſcheinungen des Lebens und Treibens unſeres Lieb— lings haben ja in der allgemeinen Schilderung der Gattung verdiente Berückſichtigung gefunden. Landesübliche Benennungen. Zaun- gemeine, graue, kleinaugige Eidechſe; Niederdeutſch: Heidäfk, Erskrup, Arſchluke, Värföſch; Holl.: Hagedis; Däniſch: Für- bene, Ogle; Schwediſch: Odla, Sandödla, Fyrben, Fyrfot; Engl.: Sand Lizard; Franz.: Lözard des Souches; Walloniſch: Lougeard; Ital.: Lacerta dei ceppi; Span.: Lagartija; Ruſſiſch: Jastscheriza; Poln.: Jaszezurka pospolita; Ungar. Gyek; Böhm.: Jesterka obeenä; Lettiſch: Kirsak; Eſthniſch: Sissalik. Lacerta communis, Gesner 1554. — Lacerta indigena viridis, Seh 1734. — Lacerta agilis, Linne 1766 [partim]. — Seps caerulescens, Laurenti 1768. — Lacerta agilis et Lacertus pardus, Razoumowsky 1789. — Lacerta agilis Wolf 1799. — Lacerta sepium, Grifith 1831. — Lacerta europaea, Pallas 1831 [partim]. — Lacerta stirpium, Bonaparte 1839. — — Das Männchen: Lacerta viridis, Zinn 1746 (var. /); Lacerta viridis var. e, Zatreille 1800; Lacerta stirpium, Daudin 1803. — Das Weibchen: Lacerta viridis var. e, Latreille 1800; Lacerta Dritte Art. Wald⸗Eidechſe. 167 arenicola, Daudin 1803. — Das Junge: Seps argus, Laurentti 1768; Lacerta Laurenti, Daudin 1803. — Formen und Varietäten: Seps ruber, Zaur, 1768; Seps stellatus, Schrank 1798; Lacerta rubra, Hahn 1831; Lacerta agilis var. erythro- notus, Fitzinger 1826; Lacerta stelluta, G@lückseliy 1832. Lacerta sericea, Glücks. 1851. Lacerta chersonensis, Andrzej. 1832. Lacerta sylvicola, Eversmann 1834. Lacerta exigua et colchica, Eichwald 1842. 3. Art: Wald-Eidechfe. Lacerta vivipara, Jaquin. Abbildung: Tafel XII Nr. 1 u. 2. Kopf fein, etwas abgeflacht, um ein Drittel (mitunter faſt um die Hälfte) länger als breit und ein wenig breiter als hoch; Sügelgegend mit drei, hinter einander liegenden Schildern: J Vaſen-Sügelſchild, 1 Sügelſchild und 1 Sügel— Augenſchild (Nasofrenale, Frenale und Freno-Oculare); Schläfe mit unregel— mäßigen größeren Schildern bedeckt, welche in der Regel auch den Außenrand der Scheitelſchilder ſäumen, und nur mitunter ſind die letzteren ähnlich wie bei Lac. viridis und agilis von zwei längeren, ſchmalen Tafeln umſäumt; Wimperſchildchen und obere Augenſchilder ſtoßen, da keine Körnerfchuppen (vergl. S. 116) ſich dazwiſchen ſchieben, zufammen; Halsband gezähnelt oder geferbt; Kehlfurde fehlt; 6 Längsreihen echter Bauchſchilder und außerdem an jeder Bauchſeite eine Reihe kleiner Randfhilöhen; Schwanz ebenſo lang oder nur wenig länger als der übrige Körper (Hopf und Rumpf), bis zur Mitte ziemlich gleichdick und dann erſt gegen die Spitze hin dünner werdend; Körper ſchlank und zart gebaut; Ge— ſammtlänge 10, bis 15 oder 16 em. Aeußere Erſcheinung. Unter unſeren vier Eidechſen iſt die vivipara die am zarteſten, feinſten gebaute; und wenn vielleicht manchem Beobachter die zierlichen kleinen Mauer⸗Eidechſen ſchlanker, ſchmächtiger erſcheinen, jo beruht dies jedenfalls nur darauf, daß letztere einen längeren und dünneren Schwanz beſitzen. Dagegen läßt ſich der zarte, fein gegliederte Bau einer vivipara wohl erkennen, wenn man fie mit einer gleichgroßen, etwa 15 em langen Zaun-Eidechſe vergleicht, welch’ letztere vielleicht ein Drittel ſchwerer iſt als jene. Der Kopf iſt um ein Drittel oder faſt um die Hälfte länger als breit und etwas (1 bis 1, mm) breiter als hoch, ſeitlich ziemlich ſenkrecht abfallend, vom fünften Oberlippenſchild bezw. den Augen an nach vorn hin allmählich zur abgerundeten Schnauze verſchmälert, oben flach, doch oberhalb der Augen ſanft gewölbt und von da gegen die Schnauzenſpitze hin fanft nach abwärts geneigt. Der Gaumen iſt in der Regel nicht bezahnt*), obwohl, wie wir aus den Beobachtungen Menge's [1850] wiſſen, Exemplare mit jederſeits 4 Gaumenzähnen vorkommen; im Zwiſchenkiefer ſitzen nach Wagler's und Leydig's Angaben 7, im Oberkiefer auf jeder Seite 16 oder 17, im Unterkiefer zuſammen 32 bis 42 zweiſpitzige Zähne. Der Hals ſetzt ſich ohne merkliche Einſchnürung an den Kopf an. Der Rumpf iſt ſchmal, *) Das Fehlen der Gaumenzähne betrachtet Wagler [Syſtem] als Merkmal der von ihm gebildeten Gattung Zootoca, welche jedoch keine Bedeutung hat und bereits von Tſchudi höchſtens als Untergattung angeſehen wird. Artkennzeichen. Körperbau. Größe. Kopfplatte. 168 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchlank, oberſeits wenig gewölbt, ſodaß er faſt vierſeitig, allerdings mit abgerundeten Kanten, erſcheint. Auch der Schwanz zeigt ſich an der Wurzel rundlich-vierkantig und oben platt gedrückt, im weiteren Verlaufe jedoch rund; ſeine Stärke bleibt ſich in ſeiner vorderen Hälfte ziemlich gleich und erſt von der Mitte an nach hinten zu nimmt ſie ſtetig ab, die Spitze iſt kurz, dünn; die Länge des Schwanzes gleicht der des übrigen Körpers oder übertrifft ſie um einige Millimeter, bezw. um ein Viertel oder ein Drittel, zuweilen auch wohl um die knappe oder reichliche Hälfte, keineswegs aber iſt der Schwanz immer „mehr als zweimal ſo lang als der Rumpf“, wie Tappe [Eid. S. 34] als Regel hinſtellt, denn vivipara iſt und bleibt die kurzſchwänzigſte unſerer Eidechſen. Die Beine ſind kurz und zierlich, die vorderen reichen bis an die Augen, ausnahmsweiſe bis zu den Naſenlöchern, die hinteren etwa bis zur Bauch— mitte, nie indeß bis zu den Achſeln; die feingebauten Zehen ſind mit nur ganz kleinen Krallen bewehrt, welche an den Vorderfüßen etwas länger als an der Wurzel breit, an den Hinterfüßen faſt doppelt ſo lang als breit erſcheinen. Die Geſammtlänge beträgt meiſt nur 10, bis 12 cm, ſeltener 14 oder 15 und nur ausnahmsweiſe 16 cm*). Davon entfällt etwa die Hälfte (Weibchen) oder drei Fünftel bis fünf Siebentel (Mäunchen) auf die Schwanzlänge. Die Angabe einiger Maaße, genommen an einem 105 mm langen Männchen aus dem Grunewald bei Berlin und einem 110 mm langen Weibchen aus dem Erzgebirge, möge zur weiteren Erläuterung und zum Vergleiche dienen: Kopf- und Halslänge (bis Halsband ein— ſchließlich) 15, mm, 17 mm; Kopflänge allein 10,, mm, 10 mm; Rumpflänge 31, mm, 38 mm; Schwanzlänge 58 mm, 55 mm; Geſammtlänge 105 mm, 110 mm; Kopf— höhe 5, mm, 5, mm; größte Kopfbreite 6, mm, 7 mm; Breite des Pileus 5, mm, 6 mm; Länge des ganzen Vorderbeins (bis zur Krallenſpitze der längſten Zehe) 14 mm, 14 mm; Vorderfuß mit Krallen allein 6 mm, 6, mm; Länge des ganzen Hinter— being 20, mm, 21 mm; Hinterfuß mit Krallen allein 10 mm, 10, mm. Körperbedeckung. Die Beſchilderung der Kopfoberfläche bietet kaum etwas Abſonderliches. Das Hinterhauptsſchild iſt klein, ſtets (und zwar meiſt bedeu— tend) kleiner als das davor liegende meiſt fünfeckige, vorn verbreiterte und ſpitz ausgezogene, hinten abgeſtutzte Zwiſchen— ſcheitelſchild, ſeiner Geſtalt nach ungleichſeitig vier- oder ab— geſtumpft dreieckig, manchmal ſchmal und länglich, manchmal breiter. Die Scheitelſchilder ſind kurz und breit und an der Außenſeite, im Gegenſatz zur Smaragd- und Zaun-Eidechſe, — in der Regel nicht durch größere Tafeln umſäumt, ſondern von gewöhnlichen Schläfenſchildchen umgeben. Die beiden Stirnſcheitelſchilder ſind fünfſeitig, mitunter ebenſo lang als — breit, die den Augendiskus bildenden beiden mittleren Brauen— Fig. 18. Kopf der Wald- ſchilder merklich ſchmäler als das breite, kurze, mit entweder Eidechſe. geradlinigen und parallelen oder nur ſeicht ausgebuchteten A. von oben, B. von der Sete. Seitenrändern verſehene und vorn und hinten in eine ſtumpfe Spitze ausgezogene Stirnſchild und durch keine Körnerſchuppen von den vier oder fünf länglichen, ſchmalen Wimperſchildchen getrennt, ſodaß ſie ſich alſo unmittelbar an die letzteren anlegen; das vierte Brauenſchild iſt verhältnißmäßig groß und gut ) Der Verfaſſer einer vor mehreren Jahren in Frankfurt a. M. erſchienenen Schrift „Das Terrarium“ giebt die Totallänge dieſer unſerer Zwergeidechſe auf 20 em und die Schwanzlänge auf 11, em an! Dritte Art. Wald: Eidechie. 169 ausgebildet, das vorderſte klein, ſchmal, mit etwas bogigen Kanten, dem erſten Wimper— ſchildchen aufliegend, das Jnternaſalſchild ſtets breiter als lang, im Allgemeinen von rhombiſcher Geſtalt, vorn gewöhnlich ſpitzer ausgezogen als hinten, zuweilen jedoch nach hinten hin ſo weit verlängert, daß es bis an das Stirnſchild ſtößt. In letzterem Falle ſind die zwei vorderen Stirnſchilder (Frontonasalia), welche länger als breit und nach hinten ſtark verſchmälert erſcheinen, am Innenrande ſo verſchmälert, daß ſie ſich gegenſeitig gar nicht berühren, während ſie doch bei normalem Verhältniß in der Mittellinie des Kopfes zuſammenſtoßen und das Internaſalſchild von dem Stirnſchild trennen. Auch bei den beiden dreieckigen, etwas abgerundeten, unten das Naſenloch umgebenden Ober-Naſenſchildern kommt es ausnahmsweiſe vor, daß fie ſich nach innen ſo ſehr verjüngen, daß ſie hier in der Mittellinie ſich gar nicht berühren, vielmehr das auf den Oberkopf übergewölbte Rüſſelſchild mit ſeiner ſcharfen oberen Spitze bis an das Internaſalſchild reicht. Oberlippenſchilder zählt man jederſeits 6 oder 7, deren fünftes am größten und in der Regel unter das Auge geſtellt iſt, ſodaß er das untere Augenſchild darſtellt. Von allen die Kopfſeiten bekleidenden Schildern verdienen die der Zügelgegend, alſo die zwiſchen Naſenloch und vorderem Augenrande ſtehenden, die meiſte Beachtung. Ihre Zahl beläuft ſich nur auf drei: ein Zügel Naſenſchild, ein eigentliches Zügelſchild und ein Zügel-Augenjchild. Das erſtere, mit dem Vorderrande das Naſenloch um— grenzend und auf dem 1. Oberlippenſchild ruhend, iſt merklich höher als breit und nach oben hin ganz verſchmälert, das dem 2. Oberlippenſchild aufgeſetzte Zügelſchild noch höher als das ſoeben beſprochene Schildchen, etwa halb ſo breit als hoch und mit dem oberen Ende auf den Pileus übergreifend, das hinter ihm folgende Zügel— Augenſchild iſt gleichfalls oben übergewölbt, im Ganzen viereckig, hinten mit zackigem Vorſprung und vom unteren Augenſchild meiſt durch zwei kleine, ſchmale Vorder— Augenſchilder getrennt. Zwiſchen das unterm Auge ſtehende Oberlippenſchild und die Augengrube ſchiebt ſich eine Reihe kleiner Schuppen-Schildchen, die unteren Augen— höhlenſchildchen. Die Schläfen gegend iſt mit unregelmäßig geſtalteten, fünf- und ſechseckigen Schildern bedeckt, in deren Mitte nicht ſelten ein größeres, das Maſſeter— ſchild, ſich bemerklich macht; auch am Vorderrande der ſchmalen Ohröffnung liegt ein ziemlich großes, längliches Schild, das Ohrſchild oder Tympanicum. Wie bei der Zaun⸗Eidechſe, jo kommen auch bei vivipara Abweichungen hinſichtlich der Be— ſchilderung vor, nach meinen Wahrnehmungen allerdings in weit geringerem Grade. So kann das Maſſeterſchild auf der einen Kopfſeite vorhanden ſein, auf der anderen hingegen fehlen oder in Gemeinſchaft noch eines oder zwei größerer Schilder auftreten; einzelne Exemplare beſitzen jederſeits zwei Zügel Naſenſchilder, bei manchem iſt auch das Zügelſchild in zwei zerfallen, ſodaß man in der Zügelgegend jederſeits vier oder gar fünf (ſtatt drei) Schildchen zählen kann, doch ſind Fälle der letzteren Art ganz ſeltene Ausnahmen. Was die Unterſeite anbetrifft, ſo finden ſich jederſeits des großen Kinn— ſchildes 5 (mitunter jedoch nur 4 oder aber 6) Unterlippen- und 5 oder 6 Unter— kiefer⸗Schilder; die drei vorderen Paare der letzteren ſtoßen in der Mittellinie des Unterkopfes zuſammen, die zwei vorderen ſind faſt doppelt ſo breit als lang. Eine Kehlfurche fehlt; die in ſchrägen Längsreihen ſtehenden ſchmalen, ſchwach gewölbten Kehlſchuppen ſind von den erheblich breiteren Halsſchuppen durch eine Querreihe kleiner Schüppchen geſchieden. Das Halsband iſt aus 7 bis 10 Tafeln zuſammengeſetzt, deren mittlere als die größte erſcheint, während die anderen, von außen nach innen etwas ſchindelförmig übergreifenden bezw. hinten ſchwach winkelig vorgezogenen eine ſtumpfe Kopfſeiten⸗ Schilder. Unterſeite. Schuppen. Geſchlechter. Färbung. Stammform. Altes 170 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Zähnelung (Kerbung) des nur an den Seiten gebogenen Halsbandes bewirken. Das Bruſtdreieck enthält 5 bis 9 Schilder. Die Beſchilderung des Bauches entſpricht der der beiden vorbeſchriebenen Lacerten: es ſind 6 Längsreihen echter Bauchtafeln und am Außenrande der erſten und ſechsten Reihe noch eine Längsreihe kleiner, den anſtoßenden Seitenſchuppen ähnelnder Randſchilder vorhanden, für welche das ſchon früher (S. 118) Mitgetheilte ebenfalls Geltung hat. Die breiteſten Schilder finden ſich in der zweiten und fünften Längsreihe; die der beiden äußeren Reihen ſind am Hinterleib faſt doppelt ſo groß als die Tafeln der beiden Mittelreihen. Die Zahl der Querreihen, in welche ſich die Bauchtafeln gleichzeitig anordnen, ſchwankt zwiſchen 23 und 27. Die Aftergegend wird durch ein großes Analſchild bedeckt, welches vorn und zum Theil auch ſeitlich von einigen kleineren, in zwei Bogenreihen geordneten Tafeln umgeben iſt, deren beide mittleren am größten ſind. Die Schuppen des Nackens ſind ſehr klein, rundlich, körnig, glatt, die des Rückens länglich-fechsedig, hinten abgerundet, in der Regel länger als breit, deutlich längsgekielt, gegen die Seiten und den Bauch hin werden ſie allmählich breiter, rund— lich-viereckig, ſchwächer gekielt und die in der Umgebung der Randſchildchen ſtehenden ſind flach (ungekieltyx). Man zählt am Rumpf etwa 65 bis 80 Quergürtel Schuppen, deren jeder durchſchnittlich 31 oder 32 Schuppen enthalten mag. Zwei dieſer Quer— gürtel gehen auf eine Querreihe Bauchſchilder. Von den in 50 bis 75 Ringen au— geordneten Schwanz ſchuppen ſind die der Oberſeite ſcharf gekielt und, namentlich die in der zweiten Schwanzhälfte ſtehenden, am Hinterrande ſpitzwinkelig ausgezogen, während von den Schuppen der Unterſeite die in der Gegend der Schwanzwurzel be— findlichen glatt und vom Hinterrande abgerundet, die des mittleren und hinteren Schwanztheils dagegen wie die der Oberſeite Kiel und ſpitz ausgezogenen Hinterrand zeigen. Die Schuppen auf der Oberſeite der Beine erſcheinen als winzige Körnchen. Die Zahl der Schenkelporen iſt eine geringe und auch ziemlich beſtändige, ſie ſchwankt nur (jederſeits) zwiſchen 9 und 12. Bei direktem Vergleiche verſchiedener Stücke erkennt man bald einige Geſchlechts— merkmale. Das Männchen hat nicht nur längere Beine, beſonders die hinteren, ferner längeren, geſtreckten, abgeflachten Kopf und längeren Schwanz, denn die Länge des letzteren übertrifft die des übrigen Körpers um ein Viertel oder ein Drittel oder gar um die Hälfte — es erſcheint überhaupt, da der Rumpf oben weniger gewölbt und der Bauch dünner iſt, geſtreckter und ſchlanker als das Weibchen, deſſen Schwanz hinſichtlich der Länge den übrigen Körper nur um einige Millimeter über— trifft und an der Wurzel, im Gegenſatz zum Männchen, nicht verdickt iſt. Betreffs der jungen Thiere läßt ſich nichts Abſonderliches ſagen. Färbung und Zeichnung. Die Wald-Eidechſe zeigt ſich unter unſeren Eidechſen am verhältnißmäßig beſtändigſten in Färbung und Zeichnung, und es laſſen ſich, abgeſehen von unerheblichen, wenngleich zahlreichen Abweichungen, neben der Stammform nur zwei eigenthümliche Varietäten unterſcheiden, die früher ſogar als ſelbſtändige Arten aufgeſtellt wurden. Aber da ſich auch Uebergänge zwiſchen dieſen Varietäten und der Grundform finden, ſo konnten die Lacerta montana und die L. nigra ſchon aus dieſem Grunde nicht als beſondere Arten aufrecht erhalten werden, ſondern dürfen nur als Varietäten, die nicht mal unvermittelt daſtehen, gelten. Die Färbungs-Unterſchiede, welche ſich in Bezug auf Geſchlecht, Jahreszeit, Wohnort er— geben, ſind gleichfalls nur gering, ja z. Th. kaum bemerklich. a) Stammform. Beim Männchen (Tafel XII Nr. 1) iſt der Rücken muß, bronce-, kaſtanien- oder graubraun, und zwar tritt dieſe Färbung in Form eines Sure ee Dritte Art. Wald⸗-Eidechſe. 171 etwa 4 mm breiten Bandes auf, das ſich, ſchmäler werdend, auf den Schwanz fort— ſetzt; in der Mittellinie dieſer Längszone (alſo auf dem Rückgrat hin) zieht ſich vom Hinterhauptſchild bis etwa zur Schwanzmitte eine Reihe ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Punktflecken, die nicht ſelten zu einer mehr oder weniger vollſtändigen Längsbinde zuſammenfließen. Letzteres geſchieht auch oft mit den in eine Reihe geordneten, innen gewöhnlich noch von ſchwarzen Punktflecken begleiteten gelblichen oder weißlichen (perl— mutterweißen) Strichflecken. Dieſe weißliche Fleckenreihe bezw. Binde, welche gewöhn— lich am Außenrande der Scheitelſchilder beginnt, ſcheidet die braune Rückenzone von einem an jeder Rumpfſeite hinziehenden, ſcharf abgeſetzten dunkelbraunen Längsſtreifen, welcher jedoch bei manchen Exemplaren in dichtſtehende dunkelbraune Flecken aufgelöſt erſcheint. Oberhalb der Bauchgrenze bemerkt man längs der Flanken oft noch eine Reihe weißlicher und ſchwärzlicher Flecken, von denen die weißlichen gern eine, am unteren Rande der Ohröffnung anfangende und von da als untere Begrenzung des erwähnten dunkelbraunen Seitenſtreifens über die Flanken und die vordere Schwanz— hälfte hinlaufende Linie bilden. Die breite braune Rückenzone, die dieſelbe ſeitlich be— ſäumende gelblichweiße Fleckenreihe oder Längsbinde und der an dieſe unten ſich an— ſchließende, gleichlaufende dunkelbraune Seitenſtreifen ſind für vivipara kennzeichnend, während die ſchwärzlichen Flecken mancher, wenn auch unbedeutenden Abänderung unterworfen ſein können). — Kinn, Kehle und Hals ſind bläulich, blaugrün oder ſchön hellroth (roſa) angeflogen, Bauch, Unterſeite des Schwanzes und der Beine auf ſafrangelbem Grunde gewöhnlich dicht ſchwarz oder ſchwarzgrün gepunktet und ge— ſprenkelt. Am kräftigſten tritt das Safrangelb an der hinteren Partie des Bauches hervor, und zur Fortpflanzungszeit, wenn auch die hellen Rückenflecken einen ausge— ſprochenen gelblichen Ton annehmen, ſteigert es ſich nicht ſelten bis zu glanzreichem Orangeroth; dagegen erſcheint die Unterſeite der Gliedmaßen immer etwas bleicher oder unreiner: grünlichgrau oder graugelb grundirt. Bei manchen Exemplaren iſt über— haupt die ganze Unterſeite heller und matter, ſtatt des Orange- oder Safrangelb be— merkt man ein Dotter- oder Ledergelbs ). Die Augen find gold- oder bräunlichgelb, die Krallen braun. Das Weibchen (Tafel XII Nr. 2) ſtimmt in der Färbung der Oberſeite mit dem Männchen überein, die Unterſeite indeß iſt ſchlichter, blaſſer: an Kopf und Beinen bläulich oder gelblich, am Bauch weißlich, bläulich- oder grünlichweiß oder hell perl— grau, zuweilen karmeſinroth angehaucht und entweder vollſtändig ungefleckt oder höchſtens an den äußeren Bauchtafeln, am Schwanz und an den Hinterbeinen mit ſpärlichen Punkten gezeichnet. Es iſt hinſichtlich der Färbung der Geſchlechter alſo gerade umgekehrt als Tſchudi angiebt, welcher behauptet [Echſen S. 28 und 30], daß die weiblichen Thiere immer einen greller gefärbten (ſafranfarbigen) Bauch hätten als die männlichen. Die Jungen ſind bei der Geburt im Auguſt oder September etwa 15 bis 20 mm lang und auffallend dunkel gefärbt, ſodaß Jaquin ſagte, ſie ſeien von ſchwarzer Farbe („atro colore“). Die Oberſeite erſcheint entweder einfach ſchwarz, oder dunkel erzfarben bezw. ſtahlfarben mit Spuren einer dunkleren Rückgratslinie und zwei ſeitlichen Reihen kleiner, undeutlicher, heller Punkte, der Oberkopf oft etwas mehr braun oder roth— braun, bronceſchillernd, die Unterſeite ſchwärzlich bezw. ſchwarz mit einem Stich ins ) Die Abbildung der Bergeidechſe in Brehm's „Thierleben“ (S. 170) giebt die Zeichnung der Grundform ſehr gut wieder, nur iſt das Thier ſelbſt viel zu dick. — *) Zu berückſichtigen bleibt, daß bei Aufbewahrung der Eidechſe in Spiritus das Braun des Rückens einem bläulichen Ton weicht und das Orange des Bauches in Grauweiß übergeht. Altes N Junge. Varietäten. 172 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Grüne oder Bläuliche. Durch die hellen Pünktchen der Oberſeite insbeſondere gemahnt das junge Thierchen an die Argusform der Zaun-Eidechſe, nur daß man bei letzterer zahlreichere helle Pünktchen reſp. mehr als zwei Reihen derſelben wahrnimmt. Im nächſten Frühjahr hellt ſich die dunkle Grundfarbe der nun etwa 8 Monat alten Wald⸗Eidechſe oberſeits auf und die Punktzeichnung des Rückens markirt ſich beſſer, während die Unterſeite und der Schwanz noch grauſchwarz oder ſtahlgrau bleiben. Die Aufhellung des Bauches beginnt erſt im Laufe des Sommers, und im Herbſt läßt ſich bei dem nun einjährigen Thierchen, welches jetzt weit mehr als das Doppelte der urſprünglichen Länge, 50 bis 55 mm, erreicht hat, nicht nur die ſpätere Zeichnung der Oberſeite (dunkle Streifen der Rumpfſeiten, dunkle Flecken in der Rückenzone ꝛc.) ſchon erkennen, ſondern auch die Anfänge der gelben Bauchfärbung bemerken. Aber erſt im folgenden Jahre zeitigen wiederholte Häutungen das fertige Alterskleid. Eine Wald⸗Eidechſe im mehr oder weniger undeutlichen oder verwaſchenen Jugendkleid iſt wohl die Kuhl'ſche Lacerta unicolor. b) Varietäten. 1. Var. nigra (Wolf), schwarze Wald-Eidechſe. Man kann dieſe Eidechſe als eine vivipara bezeichnen, welche das ganz dunkle Jugendkleid dauernd behalten hat. Sie iſt entweder ober- oder unterſeits gleichmäßig tiefſchwarz (kohlſchwarz), oder oberſeits tiefſchwarz, zuweilen mit bläulichem Schiller, unterſeits aber ein wenig heller: ſchwarz-, ſtahl- oder braungrau. Der letztere Fall ſcheint öfter vorzukommen; ſchon Wolf, welcher im 4. Heft der „Amphibien“ von Jace. Sturm dieſe ſchwarze Eidechſe nach einem auf der Wengeralp im Kanton Bern gefundenen Exemplar zuerſt und zwar als neue „Art“ unter dem Namen Lacerta nigra beſchrieb, giebt an: „Oberleib ſchwarz, Unterleib etwas heller“, und auch das von Tſchudi — welchem die Sturm'ſche Abbildung „nur ein Phantaſiegemälde nach einer gegebenen Beſchreibung zu ſeyn ſcheint“ [Echſ. S. 32], weshalb er die ſeiner Abhandlung bei— gegebene Figur die „erſte treue“ Abbildung der nigra nennt — dargeſtellte Stück, bis dahin (1837) „das einzige beſtimmt gekannte Original-Exemplar“, iſt unterſeits heller als oberſeits. Ausnahmsweiſe kommt der umgekehrte Fall vor, daß nämlich die untere Seite ein dunkleres Kolorit beſitzt als die obere. So iſt ein aus Pommern ſtammendes Exemplar des Berliner Zoolog. Muſeums, Nr. 949, oberſeits dunkelbraun, unterſeits faſt ſchwarz (ſchwarzgrau). Uebrigens zeigt dieſes ſeit vielen Jahren in Spiritus aufbewahrte Stück eine Eigenthümlichkeit, die überhaupt bei dieſen Eidechſen nach längerem Liegen in Weingeiſt und bei noch vorhandener Oberhaut ſich bemerklich macht, nämlich Spuren von Fleckung oder Bänderung an den Rückenſeiten, wogegen dann, wenn die Oberhaut entfernt worden, die Eidechſe auch im Weingeiſt „ſchwarz wie Ebenholz“ erſcheint, wie Leydig [Saur. S. 215] ſagt. 2. Var. montana, Berg-Eidechfe, von Milan in Sturm's „Amphibien“, Heft 4, als beſondere Art unter dem Namen Lacerta montana beſchrieben. Während die vorige Form entſchieden dunkler als die Grundform iſt, neigt die Färbung bei der montana ebenſo entſchieden zu helleren Abſtufungen, insbeſondere zu einem grünlichen Ton. Da das Farbenkleid der mir zu Händen gekommenen Exemplare ganz mit Mikan's Beſchreibung und der Sturm'ſchen Abbildung übereinſtimmte, ſo werde ich mich im Folgenden an Mikan's Worte halten. Die Oberſeite des Körpers iſt grünlich— grau oder grünlichbraun, durch zwei die grünlich ſchimmernde Rückenzone einfaſſende bräunlich- oder grünlichweiße, ſchwarz oder dunkelbraun geſäumte Längsſtreifen in drei Längsfelder getheilt (von denen die Seitenzonen gewöhnlich etwas dunkler ſind als die Rückenzone) und überall mit ganzen oder halben Augenflecken — welche ſchwarz ſind und in ihrer Mitte oder Biegung einen weißlichen Fleck haben, gern in Reihen Dritte Art. Wald⸗Eidechſe. 173 ſtehen und auch auf den Schwanz übergehen — „wie ein Pantherfell beſetzt“, „beinahe wie das Männchen von Lacerta agilis in der Mitte des Rückens und deſſen Weibchen oft auf der ganzen Oberſeite des Körpers“. Oft zieht die Grundfarbe bis ins Schwärzliche. Die Unterſeite iſt beim Männchen meergrün oder bläulich-perlfarben, beim Weibchen perlfarben mit einem Stich ins Blaßgelbe und manchmal „mit einem ſehr ſanften Roſenroth überzogen“, bei den dunkler gefärbten Stücken erſcheinen auf der grünlichen Unterſeite (Bauch und Schwanz) oft zahlreiche bleifarbige oder ſchwärz— liche Punktflecken. Der Kopf iſt oberſeits dunkel- oder graubraun, „doch nicht ins Grünliche ziehend“, mit einigen ſchwarzen Punkten beſetzt, unterſeits aber ähnlich wie Bruſt und Bauch bläulich, gelblich oder „blaßmeergrün mit einem Silberglanze“. Betreffs der Jungen bemerkt Mikan, daß die Flecken am Rücken nur ſchwach zu erkennen ſeien und die meergrüne Farbe der Unterſeite dunkler ſei (als bei den Alten). Das Letztere bedeutet eine Uebereinſtimmung mit den Jungen der Stammform, und auch der erſtere Punkt drückt keinen eigentlichen Unterſchied aus, da bei den Jungen der Stammform die Flecken zuweilen ebenfalls nur ſchwach hervortreten“). In der That finden ſich ganz übereinſtimmend gefärbte junge „montana“ und „vivipara“, abgeſehen von mancherlei Uebergängen. Letztere begegnen uns gleichfalls bei den erwachſenen Thieren. Daraus ſchon erweiſt ſich die Arteinheit der vivipara und montana; und da auch die anderen Punkte: geringe Größe und Aufenthalt, auf welche hin Mikan zur Aufſtellung der L. montana „als eigene Art“ ſich für berechtigt hielt, und ebenſo diejenigen, mit welchen Tſchudi für Aufrechterhaltung der Spezies eintrat — abweichende Schuppenbildung und Größe einzelner Körpertheile, — mit der Zeit als wandelbar ſich erwieſen haben, ſo hat man die montana als Art fallen laſſen müſſen. Bezüglich des Aufenthalts nahm nämlich Mikan an, daß die montana nur in Gebirgsgegenden lebe, da er ſie ausſchließlich im Rieſen- und bayeriſchen Grenz— gebirge fand. Dies trifft wohl in erſter Linie zu, doch nicht in allen Fällen; und gleicherweiſe hat man die ſchwarze Wald-Eidechſe, welche Wolf nur aus den Schweizer Alpen kannte und allenfalls noch in den benachbarten Gebirgen Tirols und Oeſterreichs vermuthete, nach dem auch in anderen Gebieten, ſogar in der Norddeutſchen Ebene beobachtet. 3. Var. pallida, blaßfarbige Wald-Eidechſe. Fatio ſtellt in feiner Schweizer Reptilien-Fauna, in welcher er außer den beiden vorgenannten auch die nachſtehend erwähnten Varietäten berückſichtigt, als Var. k noch die „pallida“ auf, deren Kenn— zeichen in einer blaßfarbigen, ganz hellbraunen oder hellgrauen Oberſeite, auf welcher die dunklen Bänder und Flecken nur ſpurweiſe hervortreten oder gänzlich fehlen, beſteht. Dieſe von Fatio in den Alpen und dem Jura beobachtete Eidechſe habe ich noch nicht gefunden, wohl aber kenne ich eine andere ungefleckte, dunkle Spielart mit vollſtändig einfarbigem (braunem) Rücken und tieforangefarbigem ungefleckten Bauch. Die letztere Zeichnungsform wurde auch, laut brieflicher Mittheilung, von Herrn Dr. J. Elſter im Harz beobachtet. Zum Schluß muß noch der von Cocteau ſogar als beſondere Arten aufgeſtellten Lacerta de Jaquin und L. de Guörin, ſowie der Milne Edwards'ſchen Lacerta ) Es liegt ein Widerſpruch in den Worten Jeitteles, wenn er auf Seite 280 ſeines Prodromus vier von ihm am Berge Holicza gefangene, 52— 54 mm lange Junge zunächſt „kleine ſchwarze Indi— viduen“ nennt und einige Zeilen weiter unten ihre „Färbung im Leben“ folgendermaßen beſchreibt: „Oben dunkelgrün ins Bronceartige übergehend, Kopf kupferrothbraun, Unterleib lichter grünlichgrau mit metalliſchem Schiller, auf allen Körpertheilen zahlreiche ſchwarze Fleckchen“. Das Kolorit des auf Tafel 4, Fig. 4, dargeſtellten Exemplars deckt ſich mit dieſer Beschreibung. 174 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Schreibersiana gedacht werden. Dieſe „Arten“ ſtützen ſich auf Exemplare, bei welchen die ſchwarzen Flecken der Oberſeite zu Bändern zuſammenfließen, oder auf ähnliche ganz unweſentliche Zeichnungsverſchiedenheiten, wie man ſie in allen möglichen Formen und Uebergängen faſt jederzeit wahrnehmen kann. Dieſe „Arten“ repräſentiren dem— nach kaum eigenthümliche Varietäten, geſchweige denn Spezies. Berbreitungs- Geographiſche Verbreitung. Unter den curopäiſchen Eidechſen iſt die Wald— var Eidechſe die verbreitetſte Art; denn nicht nur daß fie in Europa erheblich weiter nach eorden (Lappland) hinauf und auch etwas ſüdlicher (Nord-Italien) und weſtlicher (Irland) geht als die Zaun-Cidechſe, fie dehnt auch nach Oſten hin ihren Wohnbezirk durch ganz Aſien bis zu den Küſtendiſtrikten Sibiriens aus, ſodaß ſie zu den ver— breitetſten Reptilien überhaupt zählt. Trotzdem würde ſie auf die Bezeichnung „gewöhnlich“ oder „gemein“ nicht Anſpruch machen können, da ſie innerhalb ihres Wohngebietes hinſichtlich der Häufigkeit hinter agilis zurückſteht und ihr nicht ſo viel paſſende Oertlichkeiten als dieſer zur Verfügung ſtehen; nur gewiſſe Plätze und Gegenden: höhere Regionen der Gebirge, Niederungs- und Hochmoore, feuchte Strecken von Waldungen und Wieſenthälern, bevölkert ſie ausſchließlich und oft in erheblicher Anzahl. Im Allgemeinen kann man ſagen, daß Zaun- und Wald-Eidechſe in das Wohngebiet ſich theilen; nur an wenigen Orten kommen ſie gemeinſchaftlich vor. Das Nähere werden die folgenden Seiten ergeben, denen noch vorausgeſchickt ſein mag, daß man bei manchen älteren Fauniſten die Lacerta vivipara vergeblich ſucht, weil dieſelben dieſe Art noch mit der Zaun- Eidechſe zuſammengeworfen haben. Das gilt auch für einige Gegenden Süd⸗Deutſchland. Deutſchlands. In unſerem Vaterlande iſt die Wald-Eidechſe jedenfalls ver— breiteter, als man gemeiniglich anzunehmen geneigt iſt; ihr Aufenthalt an weniger beſuchten Stätten, ihre verſtecktere Lebensweiſe, ihre geringe Größe, ihr einfaches, bodenähnlich gefärbtes Kleid bewirkten, daß man ſie vielfach überſah und überſieht. Um ſo aufmerkſamer müſſen wir nachſtehend ihr Auftreten verfolgen. Was Süd— deutſchland, wo ihr Vorkommen ein gleichmäßigeres als in Norddeutſchland iſt, anbetrifft, ſo liegen mir zunächſt Fundorts-Angaben aus allen acht Kreiſen Bayern's vor. Aus Oberbayern, wo ſie laut Fahrer [München 1877] weit ſeltener iſt als die Zaun-Eidechſe, kennt ſie Leydig [Saur.] von der Inſel Herrenwörth im Chiemſee, Jäckel [Kriechth.], welcher ſie auch für Schäftlarn, Bebingen, Wellenberg, Derſching, Zusmarshauſen und Lechhauſen verzeichnet, aus dem Bade Kreuth und aus der Um— gebung Münchens, Nördlinger [Zool. Garten 1885 S. 188] von Pertiſau am Achenſee, wo fie „überall verbreitet“ iſt, die ſchwarze Varietät fand Schrank [Fauna] bei Berchtesgaden, Hahn [Fauna] bei Tegernſee, auf der Grüneck-Alpe. Aus Niederbayern kennt Jäckel ſie von Landshut; aus Oberſchwaben nennen ſie derſelbe Forſcher für Straßberg bei Augsburg, Herr Leu-Augsburg für die Umgebungen dieſer Stadt (feuchte, ſumpfige Waldwieſen) und für Immenſtadt im Allgäu, Hahn für Donauwörth; in der Oberpfalz, wo Koch ein Exemplar der ſchwarzen Varietät fing und wo der „Fauna Ratisbonnensis“ zufolge dieſe und die Stammform bei Reichenbach vor— kommen ſollen, iſt die Art laut brieflicher Mittheilung des Herrn A. Dünnbier ſehr häufig bei Regensburg; in Mittelfranken wurde ſie von Herrn Dünnbier bei Rothen— burg a. T., von Leydig [Saur.] gleichfalls in dortiger Gegend: in dem die Waſſer— ſcheide zwiſchen Tauber, Wörnitz und Altmühl bildenden waldigen Höhenzug (Franken— höhe), und bereits von Wolf bei Nürnberg gefunden, dagegen laut brieflicher Mit— theilung Dr. Brock's bei Erlangen noch nicht bemerkt; im Mainthal hat Leydig [Rhön] die Art „nirgends im Bereiche des Weinbaues, wohl aber in den waldigen, das Main— Dritte Art. Wald-Eidechle. 175 thal begrenzenden Bergen, z. B. im Speſſart bei Lohr“, und nicht ſelten in weſtwärts gekehrten ſchattigen Abhängen bei Kiſſingen geſehen und Herr Dünnbier ſie bei Zellingen a. M. geſammelt; bei Bamberg iſt ſie weder von Herrn Dr. Blumm noch Herrn Sippel bemerkt worden. In der Rheinpfalz kommt ſie nach Angabe des Herrn M. Kruel häufig an ſonnigen Waldblößen, wenn Waſſer in der Nähe iſt, vor. — Als Glied der Fauna Württemberg's führt, im Jahre 1847, die Wald-Eidechſe zuerſt Plieninger auf, nachdem fie „in neueren Zeiten“ (d. i. in den vierziger Jahren) häufig und namentlich „in Gegenden von größerer Meereshöhe in Württemberg aufgefunden worden“; Profeſſor Nördlinger-Hohenheim hatte fie zuerſt erfannt und damals ſchon Männchen und trächtige Weibchen bei Tuttlingen im Schwarzwaldkreis und auf der Alb bezw. Hardt bei Heidenheim und Crailsheim Jagſtkreis), ſpäter auch bei Hohen— heim im Neckarkreis und im Schönbuch gefunden, und zwar mehr in Laub- als in Nadelwäldern. Bei Stuttgart beobachtete ſie Herr Profeſſor E. v. Martens am 28. Februar 1850, um Eßlingen und auf der Alb, z. B. um Urach, Herr. Dr. Weinland, bei Tübingen Herr Prof. Eimer, bei Schwäbiſch Hall, auch im Schönbuch und Mainharter Wald Herr Forſtaſſiſtent Siler, in den Waldungen über Derendingen und unweit Bebenhauſen Prof. Leydig [Tübing.]; aus dem im Südoſten nahe der bayeriſchen Grenze gelegenen Isny und aus Eiſenbach ſteht ſie in der Württemb. zoolog. Sammlung zu Stuttgart. Die Wald-Eidechje ſcheint ſonach durch ganz Württemberg verbreitet, vorzugsweiſe aber in den höheren Lagen heimiſch zu ſein. In Baden bewohnt ſie laut Nüßlin die Vorberge und höheren Gebirge; nach brief— licher Mittheilung des Herrn Prof. Wiedersheim, welcher ſie z. B. im April 1878 in großer Menge auf der oberſten Kuppe des „Schauinsland“ in einer Höhe von 4288 Fuß antraf, iſt ſie im ſüdlichen Schwarzwald, und zwar ſowohl in den Thälern und Schluchten wie auf der Höhe, ſehr häufig; bei der Schloßruine Neuenfels (Badenweiler) fand Herr Dr. Fr. Müller-Bafel ein Exemplar im Magen einer erbeuteten Schling— natter; in der Gegend von Rippoldsau im Schwarzwald fing Leydig [Saur. S. 220] ſchöne Exemplare der Varietät montana. Dagegen ſcheint ſie der ſonnigen ober— rheiniſchen Tiefebene zu fehlen; jo hat fie weder Herr Dr. J. v. Bedriaga bei Heidelberg noch Herr Dr. L. Glaſer bei Worms und Herr W. v. Reichenau bei Mainz beobachtet. Im Odenwald glaubt Leydig [Rhön] fie geſehen zu haben, und die Vermuthung wird ſich ſicher beſtätigen. Aus dem Reichs land mangeln umfaſſende Nachrichten; nach Holandre findet ſie ſich bei Metz, wo ſie indeß Herr Lieutn. Heinicke nicht bemerkt hat. Wie im ſüddeutſchen, ſo zeigt ſich die Wald-Eidechſe auch im mittel- und norddeutſchen Bergland an allen ihr zuſagenden Oertlichkeiten. Als Glied der Moſel-⸗Fauna wird fie bereits von Schäfer aufgeführt, im Nahethal bei Kreuznach wurde fie von Herrn Geiſenheyner an mehreren Stellen, nicht aber von Dr. L. Glaſer bei Bingen beobachtet. Aus der Eifel kennt Leydig [Rhön] fie von Gerolſtein und Montzjoie, doch ſuchte er ſie vergeblich am Laacher See. Herr A. Harrach traf fie einmal in St. Goarshauſen an der Lurley, häufiger aber bei Schwalbach. Im Taunus, aus deſſen „waldigen und ſteinigen Gegenden“ ſie bereits Römer-Büchner i. J. 1827 meldete, iſt fie laut brieflicher Mittheilungen der Herren DDr. O. Böttger und C. Koch in den oberen Theilen ſehr häufig, ſo auf dem großen Feldberg (2700 Fuß hoch), auf dem Altkönig und dem Südabhang des kleinen Feldberges und auf den Moor— wieſen oberhalb Königſtein, hingegen in der Ebene nur an einigen Stellen und ver— einzelt: bei Offenbach in den Anlagen am Letzen und im Frankfurter Wald; aus letzterem erhielt Herr W. v. Reichenau die ſchwarze Varietät, gefangen auf feuchtem Waldboden; Kirſchbaum fand je ein Exemplar vor der Artilleriekaſerne zu Wiesbaden Mitteldeuiſches Bergland. 176 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und in einem Buchenwalde ober der Ziegelhütte bei Weilburg. In der Umgegend von Linz a. Rh. ſah ſie Melsheimer auf feuchten Haiden, beſonders zahlreich am Will— ſcheiderberg bei Vettelſchoß. Daß vivipara im Weſtfäliſchen und Heſſiſchen Bergland nicht fehlt, wiſſen wir zunächſt durch Suffrian und A. Lenz; Erſterer zeigt ſie für die ſüdlichen Gebirgskreiſe (Sauerland) des Reg. Bezirks Arnsberg, Letzterer für die Umgegend Kaſſels an. Auch Weſthoff giebt an, daß ſie ſich im Sauerlande überall, „bis zu den höchſten Punkten hin“, findet; auf dem kahlen Aſtenberg wurde ſie mehr— fach erbeutet, bei Hilgenbach ebenfalls geſehen und für das Bergiſche von Behrens gemeldet. Im Teutoburger Wald iſt ſie nach H. Schacht nicht ſelten, bei Göttingen fing fie Herr Kobus. Im Harz bewohnt fie laut Saxeſen, Dr. R. Blaſius, Dr. Elſter und Geitel beſonders oder ausſchließlich den Oberharz (vergl. S. 157) und kommt hier auf allen ſumpfigen Wieſen ſehr häufig vor; Herr W. Bach, welcher ſie ſehr oft bei Goslar und Harzburg fand, fing im Juli 1877 unmittelbar unterm Brocken— Gipfel in einer Höhe von 3200 Fuß auch ein glänzendſchwarzes Exemplar (Var. nigra); als Fundorte nennt Woltersdorff noch Wernigerode, Ilſenburg, Thale, ferner die Waldungen von Marienborn bis Helmſtedt nördlich vom Harz. Ferner kenne ich die Art von der öſtlichen Abdachung des Harzes, von Halle und aus Thüringen; auf dem Kickelhahn bei Ilmenau, 800 m hoch, fing Brüggemann [Bremen] ein Weibchen, zwei Exemplare aus „Thüringen“ ſtehen unter Nr. 952 im Berliner Zool. Muſeum. In der Rhön ſammelte Leydig, nach deſſen Erfahrung ſie dort häufiger iſt als agilis, eine ganze Anzahl am Kreuzberg, Stellberg, Wadberg, an der Milſeburg, „zum Theil unter Baumrinde oder Steinen“, und am Dreiſtelz die Var. nigra. In der Goldfuß— Biſchof'ſchen Beſchreibung des Fichtelgebirges ſteckt die Wald-Eidechſe muthmaßlich mit unter „Lac. agilis“. Im Erzgebirge beobachtete ich ſie an vielen Stellen längs des Kammes und in der nördlichen Abdachung, jo an und in den Torfitichen von Gottes— gab, Grumbach und Helbigsdorf-Großhartmannsdorf, ferner am Fichtelberg und zwiſchen Wieſenthal und Crottendorf, weiter nördlich bei Annaberg, Thum, Zſchopau, Erd— mannsdorf ze. und bei Dresden, aus deſſen Umgebung ſie auch Reibiſch meldet. Man darf, wie Geinitz („Iſis“, Dresden 1869, S. 130] vermuthet, annehmen, daß die vivipara durch ganz Sachſen verbreitet iſt, denn ſie wurde auch in der Lauſitz und bei Leipzig konſtatirt. Im Lauſitzer Gebirge, bei Zittau, kommt ſie laut P. Jung an allen ihr zuſagenden Orten häufig vor, und nach Fechner iſt ſie in der Umgegend von Görlitz gemein. Im Uebrigen findet ſie ſich, vielleicht mit Ausnahme einiger Strecken Nieder-Schleſiens, in ganz Schleſien, vornehmlich und zahlreich jedoch in den gebirgigen Diſtrikten: ſo, laut Gloger, auf dem Schneeberge der Grafſchaft Glatz, laut J. G. Neumann in der Mummelgrube unter der Koppe, laut Geinitz [a. a. O.] und Milde“) in unendlicher Menge von Charlottenburg und Waldenburg an bis Görbersdorf und Adersbach, ferner laut Milde „in der (Adersbach) benachbarten Wieſe in Böhmen und um Grottkau bei Neiße“, laut P. Jung ziemlich häufig bei Reichenbach an der nördlichen Abdachung des Eulengebirges, laut Prof. Born an mehreren Stellen der Umgebung Breslau's, laut F. Tiemann im Gebirge an der öſterreichiſch-ſchleſiſchen Grenze, laut Neumann um Liſſa bei Breslau; Milde traf an den betreffenden Orten auch kohlſchwarze Exemplare, und der Var. montana begegnete Mikan [Sturm's Amphib.] im Rieſengebirge, Kaluza im Neißer und Glatzer Gebirge, Neumann im Jahre 1804 in der Nähe der Frieſenſteine ober— halb Schmiedeberg. ) Verh. d. zool. bot. Geſ. 1870 S. 133, Dritte Art. Wald⸗-Eidechſe. 7 Da die Wald-Eivechje nicht blos höhere Gebirgs-Regionen, ſondern auch Torf— ſtiche, Moore, feuchte Wald- und Wieſenſtrecken der Niederung bewohnt, ſo kann es nicht auffallen, daß ſie ſich durch das ganze norddeutſche Flach- und Tief— land verbreitet und in den ausgedehnten Moordiſtrikten Weſt-Hannover's (Aren— berg ꝛc.), Oldenburg's und Bremen's häufiger vorkommt als die Zaun-Eidechſe, ja hier zum Theil allein heimiſch iſt. So gehörten alle Eidechſen, welche Brüggemann von den Alluvialterrains der Bremer Gegend ſah, zu dieſer Art; ſie iſt hier nicht ſelten in dem Haidegeſtrüpp der Moore bei Lilienthal und Oyten, dagegen bedeutend ſpärlicher auf der Vorgeeſt, wo B. während mehrjähriger Sammelzeit nur drei Exem— plare, zu Rockwinkel und Oberneuland, erlangte; um Vegeſack findet ſie ſich mit Lac. agilis gemeinſchaftlich. Im Herzogthum Oldenburg, woher Brüggemann ſie von den Mooren bei Edewecht und Varel kennt, iſt ſie zufolge brieflicher Mittheilung des Herrn Dr. Greve auf Sand- und Moorboden häufig — aus dem Moor in der Nähe der Stadt Oldenburg wird ſie oft mit dem Torf zur Stadt gebracht —, auf Marſch— boden indeß nicht. Südlich von dieſen Gebieten iſt ſie nach Prof. Landois im Münſter— land gemein, laut W. Bölſche häufig auf Moorboden bei Rheidt; aus der Gegend von Münſter nennt Weſthoff folgende Fundorte: Sentruper Buſch, Nienberge, die Coerhaide, die Scheibenſtände auf der Loddenhaide, Albachten, außerdem das Torf— moor von Venne und das Steveder Venn bei Coesfeld; bei Bonn a. Rh. fing ſie Leydig im Kottenforſt, Bertkau an ſumpfiger Stelle des Venusberges [Rhön]. Aus der Altmark kenne ich ſie von Magdeburg; Woltersdorff nennt noch Neuhaldensleben und das ſüdlicher gelegene Bitterfeld. Im Lüneburgiſchen ſoll ſie zwar vereinzelt, doch nicht ſelten und auch in Städten und Dörfern ſich zeigen [10. Ber.]. Ihr „jo gut wie ausſchließliches Vorkommen auf der Jütiſchen Halbinſel“, Schleswig-Holſtein, ſtellte J. Boie [Tidsſkr.] feſt; derſelbe Forſcher bemerkte ſie auch auf den Haideſtrecken der Inſel Amrom, auf anderen der weſtlichen Inſeln jedoch nicht und auch nie in den Dünen (vergl. S. 158); „in der Marſch iſt ſie an die Elbdeiche mit dem dort aus— gelegten Eichenbuſch verpflanzt worden“. Ferner kommt ſie in Mecklenburg und in Pommern vor. Von der Inſel Rügen, wo ſie unter Anderen F. Palmgrén (nach Fr. Brüggemann] in Torfmooren und Herr O. Reinhardt-Berlin im Auguſt 1882 bei Lohme nahe Stubbenkammer antraf, und aus Pommern ſind ſchon vor Jahrzehnten mehrere Stück in das Berliner Zoolog. Muſeum gelangt (Nr. 946 und 954 und Nr. 949); ſpeziell in Neu⸗Vorpommern iſt ſie laut L. Holtz „nicht ſelten im ganzen Gebiet“. In der Mark Brandenburg ſcheint die Wald-Eidechſe, welche im Text der Fauna marchica von Schulz gar nicht als eine beſondere Art behandelt, ſondern nur auf Seite XXX der einleitenden Ueberſicht genannt wird, ſehr verbreitet zu ſein, wenigſtens tritt ſie nach meinen Erfahrungen auf feuchten, moorigen, torfigen Stellen der Mittelmark und des Havellandes allenthalben auf, und höchſtwahrſcheinlich ebenſo im Spreewald und im Oderbruch; nach Mittheilung des Herrn Schalow fing Dr. Gadow ſie 1878 wiederholt bei Colpin im Kreiſe Beeskow-Storkow, ich ſelbſt beobachtete und erbeutete ſie z. B. im Spandauer Forſt, im Brieſelang zwiſchen Spandau und Nauen, bei Brandenburg a. H. und Potsdam, im Grunewald, ferner in Berlin ſelbſt im Thier— garten und am Nordende des Friedrichshain. Hinſichtlich der Verbreitung in der Provinz Poſen vermag ich nur anzugeben, daß die Lac. vivipara weder bei Bromberg noch bei Schneidemühl von Herrn Dr. Kiehl bezw. Herrn F. Zerbſt wahrgenommen worden. Hingegen iſt ſie, wovon mich Herr Prof. Zaddach benachrichtigte, in den Provinzen Oſt- und Weſtpreußen häufig. Dies trifft laut Bail auch ſpeziell für die Umgebung Danzigs zu, und Bujack jagt, unter Erwähnung mehrerer Fundorte in 12 Norddeutſches Flachland. Nord- und Weſt⸗Europa. 178 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und bei Königsberg, daß ſie dort nicht gar ſelten ſei, jedoch überſehen werde. Die letztere Bemerkung gilt jedenfalls in Betreff zahlreicher anderer Oertlichkeiten und Gegenden. Verweilen wir nun eine kurze Zeit noch bei dem außerdeutſchen Verbrei— tungsgebiet der Wald-Eidechſe. Aus Oſtpreußen geht ſie durch Litthauen in die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen und von da weiter faſt durch das ganze nördliche und nord— öſtliche Rußland; in den Oſtſeeprovinzen iſt ſie laut Prof. M. Braun häufiger als die Zaun-Eidechſe, ſcheint aber früher, wie Dybowsky?) hervorhebt, für Lac. agilis gehalten worden zu ſein; ſodann findet ſie ſich nach J. v. Fiſcher im Peters— burger Gouvernement, laut Mejakoff in den Gouvernements Nowgorod, Wologda (als einzige Eidechſen-Art) und Wjatka, in den ſüdlichen Theilen der Gouvernements Olonetz — am rechten Ufer des Onega-See und bei Uſtjug-Weliki im Gouvernement Wologda ſah fie auch H. J. Blaſius [Reiſe S. 73 und 265] — und Archangel und in Ruſſiſch— Lappland. Von hier aus tritt ſie nach Skandinavien über, wo ſie laut Nilſſon vom ee Skone an bis hinauf nach Lappland und Finnmarken, alſo bis zum 70. Breitengrad **), verbreitet 5 und bereits von Linné bei Upjala und in Lulea Lappmarken bemerkt wurde; aus Lappland befinden ſich auch im Berliner Zoologiſchen Muſeum mehrere Exemplare auf Nr. 1148, und die von Dr. Mehwaldt unterm 63. Grad n. Br. in Norwegen beobachteten Eidechſen („Iſis“, Dresden 1870 S. 159 gehören ſicher zu dieſer Art. Des Vorkommens in Dänemark bezw. auf der Jütiſchen Halbinſel wurde ſchon auf voriger Seite gedacht; Herr Prof. E. v. Martens kennt ſie von Seeland. Ferner iſt ſie die eigentliche Eidechſe Großbritanniens, denn ihr Wohnbezirk umfaßt laut Bell und Cooke nicht nur die engliſch'ſchottiſche Inſel bis zur Grafſchaft Sutherland 68. Graden. Br.) hinauf, ſondern auch Irland; auf der letzteren Inſel kommt fie als einzige Art und laut Gray [Cat. Lig.] auch in der ſchwarzen Varietät vor. In Holland trifft man ſie laut Schlegel „hier en daar“ an, jo bei Nijmwegen, Arnheim und Leyden; Herr van der Veen kennt ſie aus den „oostelyken provincien“. In Belgien findet fie ſich, der Angabe Selys— Longchamps zufolge, in waldigen, bergigen Gegenden, namentlich der Ardennen, außer— dem aber auch, und dies erſcheint ſehr auffallend, auf den Sanddünen von Oſtende unter Seedorn-Geſträuch (Hippophae); des häufigen Auftretens bei St. Hubert ge— denkt nicht nur Selys-Longchamps, ſondern auch de la Fontaine, deſſen ſonſtigen Mittheilungen nach die von ihm unter dem Namen „Lacerta Schreibersiana“ auf geführte rothbäuchige Eidechſe im Luxemburgiſchen überall verbreitet iſt. In Frank— reich ſcheint die Art, wie ſchon die von Dumeril-Bibron [Erp.] und C. und Aug. Dumeril [Cat.] verzeichneten nord-, mittel- und ſüdfranzöſiſchen Fundorte: Eu, Vienne, Mont d'Or, franzöſiſche Pyrenäen, ferner die Angaben Lataſte's, Weſtphal-Caſtelnau's (Lozere ), Olivier s Doubs), Nördlinger's, welcher fie auf den Dünen bei Boulogne bemerkte“), und anderer Autoren erkennen laſſen, ähnlich wie in Belgien und Deutſch— land allgemein verbreitet zu ſein. Dagegen kann nicht wohl angenommen werden, daß ſie die Pyrenäen nach Süden hin überſchreitet: in der neueſten umfaſſenden Arbeit des ſpaniſchen Herpetologen Bosca [Cat.] wird das Vorkommen der Lac. vivipara in Spanien für zweifelhaft erklärt; ältere Angaben von Machado u. A. mögen auf Verwechſelung beruhen. ) Sitzungsberichte der Dorpater Naturf.-Geſ., 4. Bd. 1. Heft S. 89. Dorpat 1875. — **) Collet theilt Herrn J. v. Bedriaga mit, daß die Lac. vivipara am Waranger Fjord gefunden worden ſei [Lac. S. 348]. — ***) Württemb. naturwiſſ. Jahreshefte 1851, S. 128. Dritte Art. Wald-Eidechſe. 179 Daß die Wald-Eidechſe aus Savoyen, wo ſie z. B. den Gebirgsſtock des Mont— blanc bewohnt, nach dem Norden Italiens übertritt, iſt ſchon ſeit Bonaparte be— kannt, welcher ſie in ſeiner Iconografia als Bewohnerin des piemonteſiſchen Gebirgs— landes aufführt; nach de Betta und anderen italiſchen Fauniſten findet ſie ſich weiter— hin in der Lombardei und in Venetien, und zwar ſowohl in den gebirgigen Theilen der Gebiete von Bergamo, Trentino, Verona, Padua und Belluno, als auch in den feuchten, ſumpfigen Niederungen des Po- und Etſchlandes, z. B. auf den Dämmen der Reisgräben bei Verona; der 45. Grad n. Br. bezw. der Po wird die Südgrenze ihrer Verbreitung bilden. In der Schweiz iſt unſere Eidechſe ebenſo verbreitet wie in Deutſchland und auch mit ihren Abarten montana und nigra vertreten. Tſchudi meint, ihr eigentlicher Wohnbezirk ſei die Gebirgsregion, und daher komme ſie im Herzen der Schweiz, in den Kantonen Unterwalden, Schwyz, einem Theil von Uri, ziemlich häufig vor; für den Kanton Waadt verzeichnet ſie Fatio; im Kanton Bern bewohnt ſie das Oberland, wo laut Wolf-Sturm [Amph. 4. Heft] und Schinz [Fauna] die ſchwarze Varietät auf der Wenger-Alp bei Roſenlaui gefunden wurde, das Mittel— land, wo ſie Herr Prof. Th. Studer auf Torfmooren bei Bern, bei Burgdorf, Belp, Münchenbuchſee beobachtete, und den Jura, laut Dr. Fr. Müller im Baſeler Gebiet den Ettinger Blauen und im Kanton Luzern den Pilatus, laut W. Bölſche im Kanton Schwyz z. B. die feuchten Bergwieſen am Rigi; Tſchudi kennt fie von Zürich, ferner aus den Umgebungen von St. Gallen und Appenzell, Brügger aus der Gegend von Chur, Fatio aus dem Ober-Engadin [Engadin] und Giebel) ſpeziell von Pontreſina in Graubünden. Ferner gehört ſie zu den ſtändigen Erſcheinungen in den Alpen— ländern Oeſterreichs. So wurde ſie in Tirol von de Betta [Ven.] im Nonsberg am Mt. Toval, oberhalb Tret und Senale und im Pallade-Gebirge, von Gredler häufig auf Kalkgebirgen, im Beſonderen am Hahnekamm und auf der Aſchauer Alpe bei Reutte an der Bayriſchen Grenze, bei Telfs (6500 Fuß hoch), Seefeld, im Thale Ven am Brenner, auf dem Roßkopf bei Sterzing, bei Enneberg, Innichen, längs des Roſengarten-Gebirges wie am Kalbleck (6000 Fuß h.), bei Bad Ratzes, auf der Seiſer Alpe, über den Ritten bis an die Rittener Alpe, Salten und Kollererberg, bei Peters— berg, über den Labberg und das Joch Grim, auf feuchteren Wieſen bei Sigmunds— kron und St. Jakob, in Ulten und überaus häufig auf Thonſchiefer bei Steinwand im Hintergrunde des Thales Schalders angetroffen, außerdem von Milde bei Meran, von Prof. Heer laut Tſchudi am Umbrail (Wormſer Joch, 9134 hoch), von Bruhin auf den Alpen des Walſerthales in Vorarlberg beobachtet. Für Steiermark wird ſie von Herrn Prof. v. Mojſiſovicz als „nicht beſonders häufig“ gemeldet, für Kärnthen wird ſie von keinem Fauniſten, wohl aber von Freyer für Krain (Karſt) — falls hier keine Verwechſelung unterlaufen iſt — verzeichnet; in Dalmatien fehlt ſie muthmaßlich. Als Fundorte im Erzherzogthum Oeſterreich nennt Fitzinger [Dejterr.] die Abhänge der Voralpen (Schneeberg), wo ſchon vor 100 Jahren Jaquin die Art entdeckte, Knauer den Hermannskogel, die Umgebung der Sofien-Alpe, den Faßlberg und den Leopolds— dorfer Wald bei Kalchsburg, den Troppberg und deſſen Nebenberge bei Gablitz und den großen Lindkogel bei Baden; in den gebirgigen Gegenden Böhmens iſt ſie laut A. Fritſch faſt überall zu Hauſe, ſo insbeſondere im Böhmerwald — wo Mikan die Varietät montana und Glückſelig die Var. nigra fand —, im Mittelgebirge und in der Gegend von Daubic, ebenſo in den zum Gebirgszuge der Sudeten gehörigen Be— zirken; aus dem Altvater-Gebirge erhielt Herr Prof. M. Braun ein ſchwarzes Exem— ) Zeitſchr. f. d. geſ. Naturw. 50. Bd. (1878) S. 203. Süd⸗ und Mittel⸗Europa. Grenzen der Verbreitung. Aufenthalt. 180 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. plar, für die Gebirgswaldungen Mährens führt Heinrich die Art auf. In Galizien und der Bukowina iſt ſie laut Zawadzki im flachen Lande nicht ſo häufig als im Gebirge, bei Lemberg wurde ſie von Herrn Prof. Nowicki gefangen; auch auf den höheren Bergen Ober-Ungarns iſt ſie laut Jeitteles häufig, an der Südſeite des Tatra— Gebirges beobachtete ſie Horvath*); über ihr Vorkommen in Siebenbürgen macht Bielz keine näheren Mittheilungen. Den Donau-Staaten wie überhaupt der türkiſch— griechiſchen Halbinſel fehlt die Wald-Eidechſe. In Rußland hingegen iſt ſie nicht nur in den nördlichen (vergl. S. 178), ſondern auch in den mittleren und ſüdlichen Ge— bieten heimiſch: jo laut Taezanowski in Polen, laut Eichwald [Fauna] in Wolhynien, laut Keßler [Kiew] im Gouv. Kiew, laut Andrzejowsky im Gouv. Cherſon, laut Belke am Dnjeitr, laut Czernay und Krynicki im Gouv. Charkow, laut Eversmann [Lac. S. 347] im Kaſan'ſchen und Orenburg'ſchen Gouvernement (Ural); ebenſo iſt die von Pallas [Zoogr. S. 31] erwähnte kleine nordruſſiſche und ſibiriſche Eidechſe ſicherlich die vivipara, welche durch ganz Sibirien zu gehen ſcheint, da Maak fie auch im Amur— land bezw. im Thale des Fluſſes Uſſura, etwa unterm 45. oder 46. Grad n. Br. und 153. Grad öſtl. Länge von Ferro, auffand k). Dagegen hat die Angabe Eich— walds, daß Lac. crocea auch auf der Krim und im Kaukaſus [Fauna] bezw. in Georgien [„Reiſe“ II S. 746] vorkomme, durch neuere Forſchungen keine Beſtätigung erfahren; jedenfalls dürfte ſie der Krim fehlen. Der vorſtehende Ueberblick läßt erkennen, daß der Verbreitungsbezirk der Wald— Eidechſe 145 Längengrade und 25 Breitengrade umſpannt, nämlich vom 8. Grad (Irland) bis zum 153. Grad öſtl. Länge von Ferro (Oeſtliche Küſtendiſtrikte Sibi— riens: Amurland) und etwa vom 45. bis zum 70. Grad n. Br. (Finnmarken) ſich erſtreckt. Die Südgrenze bezw. der ſüdlichſte Punkt ihres Vorkommens iſt noch nicht hinreichend feſtgeſtellt; im Allgemeinen wird jene vom 45. Breitengrad gebildet und dieſer, die Richtigkeit der betreffenden Angaben vorausgeſetzt, nur in Südfrankreich (Pyrenäen) und in den Kaukaſusländern um 2 bis 4 Grade nach Süden hin über— ſchritten. Sonach fällt die Südgrenze der Verbreitung der Wald-Eidechſe ungefähr mit der der Zaun-Eidechſe zuſammen, aber der Wohnbezirk der vivipara iſt ein aus— gedehnterer, namentlich auch weiter nach Norden greifend, ſodaß man dieſe Eidechſe als „die nordiſche“ bezeichnen könnte. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Vergleichen wir die über Verbreitung und Aufenthalt der Zaun-Eidechſe verzeichneten Angaben mit den auf den vorſtehenden Seiten mitgetheilten Beobachtungen, ſo wird die oben gemachte Bemerkung, daß Zaun— und Wald-Eidechſe im Allgemeinen in das Wohngebiet ſich theilen, vollkommen gerecht— fertigt erſcheinen. Die Zaun-Eidechfe liebt warme, ſonnige, trockene Plätze, die Wald— Eidechſe iſt trotz ihres feinen Körperbaues unabhängiger von der Sonne und unempfindlich gegen Feuchtigkeit. Die letztere Art bewohnt daher in der Ebene und im Hügelland, wo die Zaun-Eidechſe recht eigentlich zu Haufe ift, nur feuchte Strecken der Waldungen und Wieſenthäler, Moore und naſſe Torfwieſen, die Ränder von Sumpf und Bruch, die Dämme von Abzugsgräben u. dergl., im Norden Italiens, in den ſumpfigen Niederungen des Po- und Etſchthales, u. A. die Dämme der Reisfelder; und im Gebirge, wo agilis nur in den mittleren und tieferen Lagen und Vorbergen vorkommt, geht ſie auf die Höhen hinauf und bevölkert die mit Torfmooſen (Sphagnum), Rauſch— und Moosbeere (Vaccinium uliginosum et oxycoccos), Torfhaide (Andromeda ) Verhandl. d. zool. bot. Geſ. Wien 1867 S. 560. — **) Vergl. Troſchels Jahresber. üb. die Leiſtungen i. d. Herpetol. während d. J. 1862. c Dritte Art. Wald⸗-Eidechſe. 181 polifolia), Krähenbeere (Empetrum nigrum), Wollgras (Eriophorum) und dergleichen Gewächſen beſtandenen Hochmoore, die mit Läuſekraut (Pedieularis), Seggen (Carex) u. a. Sumpfpflanzen überwucherten Bergwieſen, ſchattigere Abhänge, die Ränder der Gebirgsbäche und ſelbſt kahle, ſteinige Gipfel und Plateaus, ſobald ſie nur des Waſſers bezw. der Niederſchläge nicht zu entbehren braucht. „Die Zaun-Eidechſe meidet“, jo jagt O. v. Löwis mit Recht in feiner Schrift über die Reptilien Livlands ꝛe., „die Kultur der Menſchenhand keineswegs, ſondern ſcheint ſie eher zu lieben, wie der paſſende Name ſchon andeutet“, die Wald-Eidechſe aber hält ſich von ſonnigen Feld— rainen, Böſchungen und Wegrändern, von rebenbekränzten Hügeln — wie ſie denn den Weinbergen des Elbthales, den Weinbau-Gebieten des Nahe- und Mainthales, des Rheingaues, der oberrheiniſchen Tiefebene fehlt —, von Wein- und Baumgärten und ähnlichen Oertlichkeiten fern, ſie liebt eben mehr „die Wildniß“. Ein dementſprechender Unterſchied in den Gepflogenheiten der beiden Arten läßt ſich auch auf eng begrenzten Gebieten wahrnehmen. So bewohnen beide hier bei Berlin die unter den Namen Grunewald und Brieſelang weithin bekannten Waldungen; aber während die Zaun— Eidechſe und ihre rothrückige Varietät die ſonnigen, lockergrundigen, dürftig mit Sandpflanzen und ſtellenweiſe mit Dorngebüſch, in dem nicht ſelten der rothrückige Würger (Lanius collurio) niſtet, oder mit Brombeergerank ꝛc. überzogenen flach ver— laufenden Ränder der breiten Waldwege belebt, begegnet man ihrer Verwandten an tiefer gelegenen, feuchten und ſchattigeren Stellen und nahe der Wäſſer. Und da vivipara derartige Plätze in nackten, baumloſen Sandſteppen, z. B. denen des ſüdlichen Rußlands, nicht findet, ſo mangelt ſie denſelben ebenſo wie den nur mit Sandhalm beſtandenen Dünen, während daſelbſt die Zaun-Eidechſe angetroffen wird. Dieſe findet ihre Zuflucht in Löchern des lockeren Bodens, die Wald-Eidechſe hingegen verbirgt ſich unter niederem Gebüſch und Moosſtöcken, im Wurzelwerk und unter der Rinde von Baumſtumpen, unter abgefallenen Fichtennadeln und oben im Gebirge meiſt unter Steinen. Ein entſprechender Unterſchied hinſichtlich des Aufenthaltes beſteht auch zwiſchen der Mauer- und der Wald-Eidechſe. So begegnet man, laut Gredler, in Tirol im oberen trockeneren Theil des „Griesner Boden“ allenthalben der Mauer— Eidechſe, den feuchten anderen Theil hingegen, der noch vor wenigen Menſcheualtern verſumpft war, beherrſcht die Wald-Eidechſe. — Unſere deutſchen Mittelgebirge bewohnt die letztere bis zu den oberſten Kuppen, in den Alpen ſteigt ſie „bis zur oberen Holz— grenze“, ausnahmsweiſe noch weit höher, bis über die Schneelinie (8500 Fuß), hinauf: Herr Prof. Studer beobachtete ſie in den Berner Alpen und Gredler in den Tiroler Alpen in einer Höhe von 6000 bis 6500 Fuß (2000 bis 2200 m) überm Meeres— ſpiegel, laut Venance Payot ſoll fie im Gebirgsſtock des Montblanc noch in einer Höhe von 2500 bis 2800 m zu treffen ſein, Tſchudi giebt auf Seite 15 ſeiner „Echſen“ an, daß man ſie in den Schweizer Alpen „nicht gar ſelten“ in einer Höhe von 7000 bis 8000 Fuß finde, ja daß Prof. Heer ein Exemplar noch „oberhalb Sponda longa, in der Nähe des Umbrells (Wormſer Joch), in einer Höhe von 9134 ü. M.“ fing, und fügt hinzu: „Wenn wir bedenken, daß bei 9000 F. Höhe mehr als 9 Monate tiefer Schnee liegt, und daß ſich Mücken, Fliegen und Coleopteren, die ihre Nahrung ausmachen, nur ſelten hier herauf verirren, ſo iſt es nicht leicht zu begreifen, wie dieſe Thiere ihr kümmerliches Daſein friſten können“. Die Wald-Eidechſe geht ſomit unter allen europäiſchen Reptilien nicht nur am weiteſten nach Norden hinauf, ſondern ſie ſteigt auch am höchſten in den Gebirgen empor; ſie übertrifft darin ſelbſt die ihr hinſichtlich der geographiſchen und Höhen Verbreitung und der Eigenart des Aufenthaltes am nächſten ſtehende Kreuzotter — während die Zaun— Feuchtigkeit. Winterſchlaf. Weſen. 182 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Eidechſe die Genoſſin der Schlingnatter darſtellt —, da deren Wohngebiet im Norden nur bis zum 67. Grad n. Br. und in den Alpen bis zu einer Höhe von 6500 bis 7500, ausnahmsweiſe vielleicht bis 8000 Fuß ſich erſtreckt. Es bedarf nach dem Geſagten kaum noch des beſonderen Hinweiſes, daß die Wald⸗Eidechſe in Bezug auf Bodenbeſchaffenheit und Luftwärme wähleriſch, ihr Vor— kommen und Gedeihen von etlichen Bedingungen abhängig iſt: nicht nur ein gewiſſer Grad von Feuchtigkeit“), ſondern auch eine gewiſſermaßen niedrige Temperatur ſcheint für ihr Daſein unbedingt nöthig zu ſein. Ihre Vorliebe für Waſſer zeigt ſie auch dadurch, daß ſie in der Gefangenſchaft ſtundenlang im flachen Waſſernapf, namentlich wenn derſelbe mit Hilfe von Moosſtücken oder Haidekrautbüſcheln zu einem kleinen „Sumpf“ umgewandelt worden, liegt, das Köpfchen aus den Pflanzenſtengeln empor⸗ ſtreckend, und daß ſie im Freileben unter Waſſer durch Pfützen und Gräben läuft oder bei Gefahr in daſſelbe flieht; ſie erinnert in dieſer Beziehung an die wirklichen Amphibien. Auch kommt ſie nach Regen ſofort wieder zum Vorſchein, falls die Sonne wieder ſcheint, während andere Arten warten, bis die Sonne Boden und Pflanzen gehörig getrocknet und durchwärmt hat. Beweiſt ſie ſchon dadurch gleichzeitig ihre geringe Empfindlichkeit gegen niedere Wärmegrade, ſo auch durch den Umſtand, daß ſie im Frühjahr eher die Winterherberge verläßt als die Zaun-Cidechſe. Es wurde dies gelegentlich der Schilderung der agilis zwar ſchon erwähnt; doch muß hier noch betont werden, daß die Richtigkeit jener Angaben nicht nur durch meine eigenen Aufzeichnungen aus der Umgegend Berlins und aus dem Erzgebirge bekundet, ſondern auch durch Wahrnehmungen P. Jung's im Lauſitzer Gebirge, Ad. Franke's in der Leipziger Gegend, Prof. E. v. Marten's und Leydig's in der Umgebung Tübingen's beſtätigt wird. Wenn im Vorfrühling die Sonne die erſten Huflattich— Blüten zur Entfaltung gebracht, dann darf man auch Umſchau nach unſerer Wald— Eidechſe halten. So konnte Prof. v. Martens bereits 1850 am 28. Februar in ſein Tagebuch vermerken: „Die erſte braune Eidechſe (vivipara) zugleich mit der erſten Blume, Tussilago farfara“. Herr P. Jung fing im Zittauer Gebirge am 2. April 1876 die erſte „neben Schnee“, während die Zaunechſe erſt am 9. April ſich ſehen ließ; 1877 wurden dort die erſten am 30., 1879 am 31. März und 1880 gleich zu Beginn dieſes Monats bemerkt. Hier bei Berlin habe ich als früheſten Termin, jedoch nur zufolge eigener Wahrnehmungen, den 6. März notirt, Andere mögen hier Wald— Eidechſen vielleicht noch eher im Freien feſtgeſtellt haben; im Erzgebirge jedoch konnte ich ſie nie vor April entdecken. In der Umgegend von Hamburg erbeutete Herr A. Schiöttz 1891 die erſte, ein Männchen, am 1. März. Trotz der geringeren Empfindlichkeit gegen Kälte kann die Wald- oder Berg— Eidechſe ſelbſtverſtändlich der wärmenden Sonne nicht entbehren; aber während ihre Verwandten am liebſten die Strahlen voll auf ſich einwirken laſſen, legt ſie ſich unter die Moospolſter oder Geſträuche, auf deren Stengel und Blätter die Strahlen fallen, ſodaß ſie einen mittelbaren Genuß davon hat. Eine meiner das Terrarium bewohnenden Wald⸗Eidechſen lag bei Sonnenſchein in einem buſchigen Lebensbaum (Thuja), eine andere in einer Erika; auch im Freien klettert ſie, wie ſchon Boie auf der jütiſchen Halbinſel beobachtete, „im Herbſt und Frühling, um ſich zu ſonnen, an Baumſtämme hinauf“. Das Klettern geſchieht allerdings „mit ungleich geringerer Agilität als bei der h en Mauer-Eidechſe“. Ueberhaupt iſt ihr ganzes Weſen ruhiger, beſcheidener ) Mit der r Feuchtigkeit der Aufenthaltsorte ſteht nach Leydig die dunkle Färbung der Wald-Eidechſe und ihrer ſchwarzen Varietät in Verbindung [(„Saur.“ S. 220; „Rhön“ S. 156]. Dritte Art. Wald-Eidechſe. 183 als das anderer ihres Geſchlechts; ſie offenbart weder die reizende Keckheit und Neugier und das neckiſche Gehaben der Zaunechſe, noch die Leidenſchaftlichkeit und das Ungeſtüm des Grüneders und den leichten Sinn und die freundliche Lebensauffaſſung der Mauer-Eidechſe, aber auch nicht die ruhige Beſonnenheit der Blindſchleiche, ſie lebt vielmehr zurückgezogen und unbekümmert um Freunde und Verwandte ſtill für ſich hin, ein Beiſpiel verkörperter Schüchternheit und Harmloſigkeit. Wie in der Freiheit, ſo hält ſie ſich auch in der Gefangenſchaft fern von Raufereien und Neckereien, welche Zaun- und Mauer-Eidechſen nur zu gern anzetteln. In ſelbſtgenügſamer Beſchaulichkeit betrachtet ſie von dem einmal gewählten und gewöhnlich mit Vorliebe benutzten Plätzchen aus: einem Buſch, am oder im flachen Waſſernapf, auf oder im Moospolſter u. dergl., das vergnügliche und mitunter recht aufgeregte Treiben ihrer Genoſſen, um bei etwaiger Gefahr mit faſt übergroßer Aengſtlichkeit unter Moos— teppich, Gewurzel und Geſtein ſich in Sicherheit zu bringen. Selbſt dann, wenn Würmer, Käferlarven u. a. zur Fütterung dienende Kleinweſen gereicht werden und ein fröhliches Jagen und Schmauſen der übrigen Terrarium-Bewohner anhebt, ver— bleibt die Wald-Eidechſe beſcheidentlich im Hintergrunde, vornehmlich in dem Falle, daß ſie noch nicht lange in der Geſellſchaft weilt; ſchnellen Laufs kommt ſie vielleicht nur hervor, um einen zappelnden Regen- oder Mehlwurm zu packen, mit ihm eilends auf ihr Moospolſter dc. zurückzukehren und ihn nach einigem Schütteln hier zu verzehren — aber ſie läßt ſich meinen Wahrnehmungen zufolge nicht herbei, mit ihren Gefährten um einen Biſſen zu zerren und zu eifern, wie es Zaunechſen insbeſondere thun. Nur dem Pfleger, den ſie bald kennen lernt, erweiſt ſie ſich vertrauensvoller. Namentlich ſcheinen die aus Hochgebirgen ſtammenden Thiere, welche dort oben den Menſchen „noch nicht fürchten gelernt“ haben und, wie Gredler berichtet, bei plötzlichem Aufdecken ihres Unterſchlupfes (Steine) in der Regel keine Scheu und keine Neigung zu entfliehen zeigen, ſich raſch an den Beſitzer zu gewöhnen, mit ihm Freundſchaft zu ſchließen, und daher wohl ſagt Gredler von ihr: „Sie wird bälder zutraulich und kirre als ihre nächſten Gattungsverwandten“. Von den in niedrigeren Lagen erbeuteten Stücken läßt ſich das nicht ſo ohne Weiteres behaupten, im Gegentheil benehmen ſie ſich ſtändig zurückhaltender, ſchüchterner, nicht ſo liebenswürdig zudringlich gegen ihren Gönner als die anderen Arten. Vernimmt eine ſolche Wald-Eidechſe draußen in der Natur das Nahen eines Menſchen oder aber eines ihr verdächtig vorkommenden Thieres, ſo huſcht ſie geräuſchlos und hurtig in ihr Verſteck, und man gewahrt ſie ſelbſt gewöhnlich erſt dann, wenn ſie ſchon auf der Flucht ſich befindet; ſie läßt ſich auch nicht eher wieder blicken, als bis ſie jede Gefahr beſeitigt glaubt. Während Grün— echſen und auch kräftige Zaun-Eidechſen durch Aufſperren des Maules drohen oder zubeißen, wenn man ſie fangen will, greift unſere Art zu ſolchen Mitteln nicht; ſie ſetzt ſich nie zur Wehr, ſie ſucht vielmehr nur ſo bald als möglich der ſie faſſenden Hand zu entkommen, und dies meint ſie wie die Blindſchleiche und andere Skinke am eheſten in der Weiſe zu erreichen, daß ſie ihren Körper hin und her windet oder ihn gegen die hohle Hand ſtemmt, dabei auch mit dem Schwanze ſchlägt. Ihr Fang iſt überhaupt nicht mit ſonderlichen Schwierigkeiten verknüpft. Er wird aber hauptſächlich dann vereitelt, wenn die Eidechſe ins Waſſer oder in den Sumpf flüchtet, und das thut ſie, falls die Umſtände es geſtatten, ohne Bedenken, man möchte ſogar ſagen, mit Vorliebe. Mancher Naturfreund, der unſere Lacerten— Arten eben blos als Bewohner und Liebhaber trockener Oertlichkeiten kannte, hat ſich ſchon über jene Eigenheit der vivipara gewundert: „kaum wollte ich meinen Augen trauen“, ſagt der Tiroler Fauniſt V. Gredler, „als ich das erſte Mal bei Sigmunds— Fang. Bewegungen. Gefangenſchaft. 184 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. kron (auf feuchten Wieſen) eine vermeintliche muralis — ganz gegen deren Gepflogenheit — vor mir ins Waſſer flüchten ſah, ſie herauslangte und die Bergeidechſe erkannte, die ich bis dahin nur im Hochgebirge getroffen, auch nur dort geſucht hatte“. Man hat beobachtet, daß ſie beiſpielsweiſe an den Abzugsgräben der Wieſen plötzlich im Waſſer verſchwindet, in demſelben ſchwimmend oder am Grunde kriechend nach einem noch unter der Oberfläche befindlichen, ihr vertrauten Loche ſich begiebt und nun durch deſſen Höhlung wieder aufs Trockene zu kommen ſucht. Sie ſchwimmt alſo nicht nur, ſie taucht auch gut und darf, was Seite 182 bereits erwieſen, hinſichtlich ihrer Neigung zum Waſſer ein halbes Amphibium genannt werden. Wie das Waſſer, ſo gewährt ihr auch das hohe Gras der Wieſen gute Deckung; denn ſie verſteht es, äußerſt geſchickt am Boden zwiſchen den Stengeln entlang zu huſchen, ohne daß der Verfolger ſie gewahren oder im Auge behalten könnte. Ebenſo entzieht ſich das beſcheidene Thierchen in ſeinem braunen, dem gleichfalls dunklen Boden ähnelnden Kolorit ſehr leicht unſeren Blicken, wenn es an der Erde auf und zwiſchen verweſenden, düſterfarbigen Blättern und Nadeln ſein Weſen treibt. Dieſe Vortheile gehen ihr verloren, ſobald ſie auf kurzgraſigem Raſen oder auf friſchgrünem dichten Moospolſter zu entfliehen gedenkt. Unſchwer vermag man dann das mehr ſchleichende und huſchende als rennende und ſpringende Geſchöpf einzuholen; und es will mir daher nicht verſtändlich ſcheinen, wenn J. Erber in ſeinen „Amphibien der öſterreich. Monarchie“ den Ausdruck „äußerſt flüchtig“ zur Kennzeichnung der vivipara verwendet, zumal man bedenken muß, daß die Beweglichkeit der letzteren im Gebirge und in kühlen Rünſten oder gar auf froſtigen alpinen Höhen nicht dieſelbe wie zu Thal iſt und Gredler deshalb bei ſeiner Schilderung aus dem Bade Ratzes geradezu ſagt, daß die Berg-Eidechſe „träge wandelnd“ (und faſt furchtlos) getroffen werde. Die ruhigen, gleichförmigen Bewegungen entſprechen dem ganzen Weſen dieſer Eidechſe: ſie führt weder Sprünge wie die Grünechſe, noch ſolch' bunte Jagden wie Zaun- und Mauer-Eidechſe aus, bei Gefahr eilt ſie weder Mauern und Felsblöcke, Pfoſten und Planken hinauf wie die muralis, noch ſucht ſie die Höhe eines Buſches und Baumſtammes zu gewinnen wie die viridis. Die Kletter— fähigkeit iſt bei ihr überhaupt wenig entwickelt, geringer noch als bei der Zaunechſe, und wenn wir dieſe ſchon ein wirkliches Boden thier nannten, jo verdient die vivipara eine derartige Bezeichnung in noch höherem Grade; nur um ſich zu ſonnen, klimmt ſie mal, was auf Seite 182 bereits erwähnt, gemächlich einige Fuß an einem Baum— ſtamm hinauf und erſteigt ſie im Terrarium einen ihr zu dem Zwecke genehmen Buſch. Die in manchen Stücken von der ihrer Verwandten abweichende Lebensweiſe unſerer Wald-Eidechſe, die abſonderlichen Anforderungen und Wünſche, welche ſie hin— ſichtlich des Aufenthaltes, der Luftbeſchaffenheit u. a. ſtellt, bewirken, daß ihre Hal— tung und Erhaltung dem Pfleger Schwierigkeiten verurſacht. Sucht man dieſer Eidechſe im Behälter die gewohnte Heimſtätte nicht mindeſtens einigermaßen zu erſetzen, ſo wird man nicht viel und nicht lange Freude an ihr haben, ſie vielmehr ſehr bald eingehen ſehen. Kann man ſie nicht in ein Freiland-Terrarium bringen, wo ſie ſich natürlich wohler fühlt als in der Stube, ſo weiſe man ihr einen möglichſt geräumigen Zwinger an, deſſen Boden wenigſtens zu einem Theil mit Farnkrautbüſchen u. dergl. bepflanzt und mit Moosraſen (Waldmoos, Selaginellen) überzogen iſt. Der Pflanzen— wuchs muß oft mit Waſſer beſprengt werden, denn ich habe Waldechſen beſeſſen, die nur dann auf dem Moos ſich ſonnten, wenn daſſelbe von oben angefeuchtet war, während ſie ſonſt unter demſelben lagerten. Unbedingt nöthig iſt auch ein, wenngleich nicht tiefes, ſo doch umfangreiches Waſſerbecken, das ich in der Weiſe zu einem Mi— niatur-Sumpf umwandele, daß ich innen am Rande herum Wurzelſtöcke von Gras— Dritte Art. Wald⸗-Eidechſe. 185 ſtauden oder Haidekraut oder auch Torfmoos einlege: oft und gern verweilen die be— ſcheidenen Geſchöpfe in dieſem naſſen Gebiete und laſſen nur den feinen Kopf oder den Vorderkörper aus dem Gewurzel hervorgucken. Außerdem habe ich immer darauf geachtet, daß die eine Partie des Terrarium beſchattet iſt, was man mittelſt Vorhänge und Fenſter-Vorſetzer leicht erreichen kann. Mehr als andere ihres Geſchlechts macht ſie ihr Gedeihen von dem Abhalten eines ungeſtörten Winterſchlafes abhängig; unter⸗ bleibt dieſer, ſo geht ſie ſicher zu Grunde, denn die zur Winterzeit in dem geheizten Zimmer befindliche trockene Luft erträgt ſie keineswegs, und daher ſchreiben ſich die Klagen ſelbſt bewährter Pfleger, daß ſie die Wald-Eidechſe im Winter nicht zu er halten vermochten. Ernährt wird die vivipara mit Regenwürmern, welche ſie ja, was auf Seite 101 ſchon berührt wurde, von ihrem Freileben her genügend kennt. Mit Ueberraſchung ſieht man, ſo ſagt auch Leydig, wie das kleine Thier ſich auf ganz große Würmer ſtürzt und mit ihnen fertig zu werden weiß. In Ermangelung von Regenwürmern er füllen Mehlwürmer, Aſſeln, glatte Raupen, vielleicht auch kleine Nacktſchnecken, Spinnen de. denſelben Zweck. Draußen in der Natur ſetzt ſich ihr Speiſezettel vorwiegend aus Würmern, Tauſendfüßlern und Inſektenlarven zuſammen, und den Beobachtungen Ad. Franke's zufolge holt ſie ſich die letzteren gelegentlich ſogar aus dem Waſſer. Der Jagd auf fliegende und hüpfende Kerbthiere liegt ſie wohl in nur ſeltenen Fällen ob, da fie ſelbſt weiß, daß ihr die Gewandtheit im Klettern und Springen dc. mangelt um jene zu einer erfolgreichen geſtalten zu können. Jeitteles ſpricht in ſeinem „Pro— dromus“ die Vermuthung aus, daß die Wald-Eidechſe auch Ameiſen verzehre: „Die Hauptnahrung dieſer (d. h. der jungen) und der erwachſenen Individuen ſcheint in kleinen Ameiſen zu beſtehen. W̃ Venigſtens hielten ſich die kleinen Exemplare, und auch viele von den großen, vorherrſchend in und bei den zahlreichen Ameiſenbau-Hügeln auf, welche das obere Viertel des Tökés'er Berges (bei Kaſchau in Ober-Ungarn, 3500 Fuß hoch) überziehen.“ Da Jeitteles indeß keine näheren Unterſuchungen über dieſen Gegenſtand angeſtellt hat, ſo bleibt die Anſicht, zu der er hinneigt, eben nur Vermuthung; ein von mir zwecks Prüfung dieſer Frage gemachter Verſuch ergab ein negatives Reſultat, indem die Eidechſen, denen ich Ameiſen anbot, keine derſelben ver zehrten. Was aber die Wald-Eidechſe noch von all' ihren Gattungs-Verwandten unter— ſcheidet, das iſt die eigenartige Fortpflanzung, welche dem Thierchen den wiſſenſchaft— lichen Artnamen vivipara erworben hat. Die Paarung allerdings erfolgt wie bei allen Lacerten in der bereits geſchilderten Weiſe; aber die Weibchen legen dann nicht nach ! von fünf bis acht Wochen Eier, welche noch einer längeren Nachreife außerhalb des Mutterleibes bedürfen, ſondern ſie bringen in ihrem Uterus den Embryo innerhalb eines etwa dreimonatlichen Zeitraumes zur völligen Entwickelung und gebären ſomit lebendige, für wenige Augenblicke noch von einer Eihaut (Blafe) umſchloſſene Junge. Die erſte dahingehende Beobachtung, die Entdeckung dieſer Eidechſen-Spezies und ihrer merkwürdigen Fortpflanzung wurde vor reichlich hundert Jahren gemacht, und zwar i. J. 1778 durch Joſ. Frauz v. Jaquin, welcher Kenn Jahre ſpäter über En Fund und ſeine Wahrnehmungen Bericht erſtattete im I. Bande der Nova Acta Helvetica, Basileae 1787 („Lacerta vivipara, Observatio Jos. Francisci de Jaquin“). Die Veranlaſſung zur Entdeckung gab ein botaniſcher Ausflug, welchen der damals elfjährige Jaquin 1778 in Begleitung ſeines Vaters auf den Schneeberg ſüdlich von Wien unternommen: er hatte dort eine trächtige Eidechſe gefangen und in eine Kapſel geſetzt, und als man die letztere nach zwei Tagen öffnete, fand man in Geſellſchaft Nahrung. Fortpflanzung. Neugeborene Junge. 186 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. der Alten ſechs junge ſchwarze Eidechschen, aber keine Eiſchalen — die Jungen mußten ſonach lebend zur Welt gekommen ſein, und Jaquin bezeichnete daher ſpäter in ſeiner Abhandlung ganz mit Recht dieſe Eidechſe als die lebend-gebärende, vivipara*). Um dieſelbe Zeit hatte auch ein anderer Schriftſteller auf Grund eigener Unterſuchungen ausgeſprochen, daß ſich bei uns eine lebendig gebärende Eidechſe finde. Es iſt dies Graſſo, welcher 1788 in der damaligen Univerſitätsſtadt Helmſtedt als Inaugural— Diſſertation eine Arbeit über Lacerta agilis Zinne erſcheinen ließ; der Umſtand, daß Graſſo die fragliche Art noch nicht beſtimmt von der gewöhnlichen Lac. agilis trennt, kann dem Werthe der Schrift, auf deren Bedeutung vornehmlich Leydig hingewieſen hat, keinen Abbruch thun. Einige Jahrzehnte ſpäter wurden von verſchiedenen Forſchern jene erſten Beobachtungen beſtätigt, ſo von v. Bär, den Franzoſen Cocteau — Letz— terer benannte die Eidechſe aber wieder beſonders: Lacerta de Jaquin und Lac. Guérin — und Guérin, von Leuckart, von den Schweizern Otth und J. J. Tſchudi? ), von Reichenbach in Dresden und in den fünfziger Jahren vornehmlich eingehend von dem Ruſſen Mejakoff [Wologda]. Reichenbach war es auch, welcher darauf hinwies, daß die jungen Wald-Eidechjen von einer Eihaut umſchloſſen geboren werden, daß alſo ein kurzer Zuſtand des Eilebens dem wirklichen Freileben vorausgeht. Wenn nun nach all' den Beobachtungen und Unterſuchungen J. Erber noch 1864 in ſeinen „Amphibien der öſterreich. Monarchie“ das Lebendgebären der Lac. vivipara in Zweifel zieht und ſagt: „Soll lebende Junge gebären. Bei mir legten mehrere Weibchen zu verſchiedenen Malen Eier“ — jo kann man nur annehmen, daß eine Verwechſelung unterlaufen iſt. Zu dieſer Schlußfolgerung berechtigen die weiteren Angaben Erber's; er bemerkt nämlich: „Dieſe (d. h. die Lac. vivipara) und die drei folgenden Arten ſind ſchwer zu begränzen“, und führt als dieſe drei Arten Podareis muralis, P. oli- vacea und P. Merremmii, alſo die Mauer-Eidechſe und zwei ihrer zahlreichen Varie— täten auf!“) Die Geburt der Jungen hängt ſelbſtverſtändlich von dem Zeitpunkt der Paarung, mittelbar ſonach von dem Eintritt des Frühlings und der milderen Witterung ab. Man kann je nach den Jahren und der Gegend Ende Juni ſchon friſchgeborene Junge, aber auch im Auguſt und Anfang September noch trächtige Weibchen finden; die meiſten Jungen erblicken aber wohl in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte Auguſt das Licht der Welt. Da einerſeits keine der Nachreife bedürftige Eier abgelegt werden, und da anderſeits junge Eidechſen wie junge Reptilien überhaupt von Geburt bezw. von Beginn des Freilebens an ſelbſtändig ſind, ſo trifft das Mutterthier vor und zu dem beregten Akt keine Vorkehrungen. Nur bekundet es einen oder einige Tage vorher eine mehr oder minder auffallende, eigenthümliche Unruhe, kratzt auch wohl vorüber— gehend in Sand und Erde, oder drückt ſeinen Leib an harte Gegenſtände und biegt und rollt den Schwanz ein, kurzum man merkt ihm, und zwar dem einen Exemplar mehr als dem anderen, etwas Abſonderliches an. Ehe man es ſich ſchließlich verſieht, iſt das erſte Junge da: das Weibchen war für einen Augenblick ruhig ſtehen geblieben, hatte die Beine etwas geſpreizt und unter einem gelinden Preſſen, wie wenn es ſich entleeren wollte, die reife Frucht abgegeben. Dann geht die Alte einige Schritte vor— ) Zum Ueberfluß begründete daraufhin Wagler i. J. 1830 ſogar eine neue Gattung, für welche er den mit „vivipara“ gleichbedeutenden Namen „Zootoca“ wählte. — **) Tſchudi hatte von Dr. Otth Eihüllen und Junge erhalten und machte ſpäter, wie er 1837 berichtet, eigene Beobachtungen an einem aus dem Kanton Unterwalden und an mehreren aus der Züricher Gegend ſtammenden Weibchen. In entſprechender Weiſe begegnet man bei Gloger, F. S. Voigt u. A. dem Irrthum, daß die Mauer-Eidechſe lebendig-gebärend ſei! Dritte Art. Wald: Eidechfe. 157 wärts, um in der gleichen Weile ein zweites Junges und jo in Zwiſchenräumen von einigen Minuten, und zwar in der Regel des Nachts, ſelten am Tage, auch die übrigen Jungen abzuſetzen. An den ſie umhüllenden Blaſen iſt für den erſten Moment nichts wahrzunehmen. Aber gar bald, nach wenigen Sekunden oder Minuten, regt es ſich in ihnen, und die eingeſchloſſenen Jungen fangen heftig zu arbeiten an, um die Zelle zu ſprengen; dies gelingt ihnen ſehr raſch, der verhältnißmäßig große Kopf drängt ſich durch die Oeffnung und der Körper ſchiebt ſich nach. Während in der leeren Eihülle ein wenig Dotter zurückbleibt, zeigt ſich an den friſchgeborenen Kleinen keine Spur eines Dotterſackes mehr, indeß ſah Leydig am Bauche eine deutliche kleine Längsſpalte der Haut, welche etwa der Länge von drei Querreihen der Bauchſchilder entſprach, aus ihrem Grunde das Grau der Bauchmuskeln ſchimmern ließ und nie Tage offen blieb. Zuweilen auch kommt es vor, daß die u ſchon innerhalb des Uterus geſprengt und abgeſtreift wird und ſomit ein wirkliches Lebendig-Geborenwerden ſtattfindet; nur in dieſem, die Ausnahme von der Regel darſtellenden Falle iſt die Wald⸗Eidechſe rein vivipar, wogegen man fie im Allgemeinen als ovovivipar (lebende, aber noch mit einer Art Eihaut umhüllte Junge gebärend) bezeichnen müßte. Die Zahl der Jungen beläuft ſich meiſt auf fünf bis acht, kann jedoch auf zehn hinauf— und drei herabgehen; die Vermehrung der Wald-Eidechje iſt aus rein natürlichen Ur— ſachen mithin keine ſo reichliche als die der eierlegenden Arten. Aus denſelben Urſachen muß auch die Größe friſchgeborener Waldechſen geringer ſein als die neugeborener Zaun echſen, und in der That verhalten ſich die beiden Längen zu einander wie etwa 1 zu 3. Aber die reizenden, winzigen ſchwarzen oder ſchwärzlichen, bronceartig ſchillernden Jungen unſerer vivipara, welche nach der Geburt gern noch auf einige Tage in eine ſchützende Spalte oder Ritze des Bodens, unter Laub oder einen Stein ſich zurück— ziehen, wachſen ſo raſch heran, daß ſie bereits nach zwei oder drei Wochen das Doppe (te des ursprünglichen Maaßes erreicht haben. Leider werden nur zu viele von ihnen eine Beute alter Zaun- und Wald-Eidechjen, und im Terrarium wollen ſie oft keine Nah rung annehmen; Leydig ſah ſchöne Erfolge, als er „die allerliebſten, äußerſt behenden Thierchen“ einige Zeit mit Blattläuſen, welche eifrig verſpeiſt wurden, ernährte. Landesübliche Bezeichnungen. Wald-, Berg-, Wieſen-, ſafranbauchige, gelbe, lebendig-gebärende Eidechſe; Niederdtſch.: Heidäfk, Erskrup; Holl.: Kleine Hagedis; Schwediſch: Skogs-ödla; Norw.: Fjörfessle; Engl.: Common oder Scaly-Lizard; Franz.: Lezard 1 Ital.: Lucertola viviparo, Luserta; Span.: Lagartija; Ruſſ.: Jastscheriza; Poln.: Jaszezurka zoltobrzuch; Böhm.: ‚Jesterka Zivorodä; Lett.: Kirsak; Eſthniſch: Sissalik; Finn.: Sisalisko. Lacertus terrestris vulgaris (partim), Ray 1693. — Lacerta agilis var. 7, Linn Fauna suecica, Edit. 1115 1761, S. 103 No. 284 )J. — Lacerta vivi- para, Jaquin 1787. — Lacerta as (partim), Grasso 1788, Retzius 1800 [Linne- Retzius, Fauna suecica I p. 289], Lichtenstein 1823 [Doubletten S. 96 u. 93), Brandt-Ratzeburg 1825. — Lacerta viridis var. g, Latreillè 1800. — Lacerta aedura, Sheppard 1804. — Lacerta crocea, Wolf-Sturm 1805. — Lacerta pyrrho- gaster, Merrem 1820. — Lacerta Schreibersiana, Milne Edwards 1829. — Zootoca vivipara, Wägler 1830. — Lacerta chrysogastra, Andrzej. 1832. — Zoo- 5 Mit ber kurzen Diagnoſe: „Lacertus dorso punctis albis, duplice serie“ und dem Hinweis, daß ſie in Lappland vorkomme (ad templum Jorkmork Julensis Lapponiae . . .); ſpäter, in der 1766 erſchienenen 12. Ausgabe des Systema naturae, T. I S. 284, nennt er ſie einfach „Lacerta agilis“. Unſere jetzige Lac. agilis aber führt, wie ſchon erwähnt, bei ihm die Bezeichnung Lacerta viridis. Namen. Synonyma. Artkennzeichen. Körperbau. 188 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. toca erocea, Wiegmann 1834. — Lacerta de Jaquin et Guérin, Cocteau 1835. — Zootoca pyrrhogastra, TS, 1837. — Z. muralis, Grag 1838. — Varietäten: Lacerta montana, Mikan 1805 Sturm, Amph., Heft 4]; Zootoca montana, Tischudi 1837. Lacerta nigra, Wolf 1805 Sturm, Amph., Heft 4]; Atropis nigra, Glücks. 1851; Podareis nigra, Prach 1861. — Lacerta unicolor, Kuhl 1820. 4. Art: Mauer-Eidechſe. Lacerta muralis (Zaur.). Abbildung: Tafel XI Nr. 4 und 5. Kopf lang, niedergedrückt, ſpitzſchnauzig; Hügel gegend mit drei, hinter ein— ander liegenden Schildern: 1 Naſen-Sügelſchild, 1 Sügelſchild und 1 Sügel-Augen— ſchild; Schläfengegend mit kleinen Schuppen bekleidet, aus welchen nur zwei, und zwar große Schilder hervortreten: in der Mitte das rundliche Maſſeter- und am vorderen Ohrrande das längliche Ohrſchild; jedes der beiden Scheitelſchilder am Außenrande durch mehrere längliche Schildchen umſäumt; zwiſchen Augen— diskus und den oberen Augenlidfchildchen eine Cängsreihe feiner Körnerfchuppen ; Uehlfurche vorhanden; Halsband ganzrandig; nur ſechs Längsreihen Bauch— tafeln; Rückenſchuppen klein, rundlich, körnerartig; 5 oder 4 Quergürtel Rückenſchuppen gehen auf eine Querreihe Bauchſchilder; Hinterbeine mit der Kralle der längſten Sehe bis zu den Achſeln, zuweilen noch darüber hinausreichend; Schwanz länger als der übrige Körper; Geſammtlänge meiſt zwiſchen 14 und 18 cm fchwanfend. Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſer beweglichſten unſerer Eidechſen iſt im Allgemeinen ſchlank und ſchmächtig, jedoch nicht ſo fein und zart gebaut als der der vivipara, bei manchen Formen und Varietäten ſogar ziemlich kräftig, wenngleich durchaus nicht ſo derb und „knochig“ wie der der agilis; oberſeits erſcheint der Rumpf meiſt abgeplattet (niedergedrückt), unterſeits flach und daher im Durchſchnitt faſt ab- gerundet vierſeitig. An den breiten, etwas faltigen Hals ſetzt ſich in gleicher Breite der geſtreckte Kopf an, welcher ſich aber nach vorn zu raſch verſchmälert und ſpitz— ſchnauzig wird; er iſt abgeplattet, merklich breiter als hoch, nur bei manchen ſüdlichen Formen faſt ebenſo hoch als breit und etwa von vierſeitig-pyramidenförmiger Geſtalt, ſodaß man von platt- und von pyramidenköpfigen (platycephalen und pyramidoce- phalen) Mauer-Eidechſen ſpricht; gewöhnlich zeigt ſich über den Augen eine ſchwache Wölbung, von wo aus ſich die vordere (Stirn-) Partie ſanft nach der abgerundeten Schnauze hin ſenkt, wogegen die Seiten faſt ſenkrecht abfallen; oberhalb des 6. und 7. Oberlippenſchildes macht ſich eine Auftreibung der Schläfen bemerklich. Im Zwiſchen— kiefer ſtehen 6 oder 7, im Oberkiefer jederſeits 15 bis 18, im Unterkiefer im Ganzen etwa 40 zweiſpitzige Zähne, während am Gaumen nur ganz ausnahmsweiſe Zähn— chen auftreten. Die Vorderbeine reichen mit der Kralle der längſten Zehe bis zu den Naſenlöchern oder gar bis zur Schnauzenſpitze, mindeſtens aber bis zum vorderen Augenrand, die Hinterbeine gewöhnlich bis zu den Achſeln, mitunter noch darüber hinaus, zuweilen jedoch bleiben ſie um mehrere Millimeter hinter denſelben zurück. Die Zehen, wie überhaupt die Füße, ſind ſchlank und zierlich, namentlich die der Hinter— füße, und unter den Zehen der Hinterfüße fällt die vierte durch ihre außerordentliche Vierte Art. Mauer-Eidechſe. 189 Länge auf, denn ſie iſt in manchen Fällen faſt doppelt ſo lang als die zweitgrößte, i. die dritte. Von den Krallen erſcheinen die der Hinterfüße beſonders kräftig, faſt zweimal ſo lang als am Grunde breit, die der Vorderfüße ſind feiner. Der Schwanz iſt in ſeinem Wurzeltheil deutlich vierkantig, rundet ſich in ſeinem Umfang jedoch bald ab und läuft, indem er allmählich dünner wird, in eine lange Spitze aus; ſeine Länge übertrifft ſtets die des übrigen Körpers (Kopf und Rumpf), meistens beträgt fie, und ſo iſt es insbeſondere bei den bräunlichen (mitteleuropäiſchen) Stücken der Fall, das Doppelte derſelben, ſodaß etwa zwei Drittel der Geſammtlänge auf die Schwanzlänge entfallen; bei ſüdeuropäiſchen, ſpeziell Inſular-Varietäten, kommen Abweichungen von dieſer Regel vor. Die Geſammtlänge unſerer deutſchen und mittel- ſowie vieler ſüdeuropäiſchen murales ſchwankt zwiſchen 14 und 18 bis 19 em, bei gewiſſen ſüdeuropäiſchen Formen und Spielarten überſteigt ſie dieſes Maaß und beläuft ſich auf 20 bis 22 oder gar 23 em, wogegen ſie wiederum manchmal unter 14 em (bis 13 em) herabgeht. Zur Erläuterung und Vergleichung ſeien nachſtehend die Maaße einiger Mauer-Eidechſen, und zwar der uns zuvörderſt intereſſirenden gewöhnlichen oder typischen Form (Lac. mur. fusca, de Bedr.), angegeben, von denen Nr. 1 aus dem Rheingau, Nr. 2 und 3, Munch. und Wbchn., aus Bozen, Nr. 4 aus dem öſterreich. Küſtenland und Nr. 5 ein 8, von Sardinien anmnen, während Nr. 6 ein Munch. der Varietät maculata von Sizilien, Nr. 7 eine männl. Faraglione- und Nr. 8 eine männl. Lilford-Eidechſe iſt. Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 mm mm mm mm mm mm mm mm Kopflänge )))ʒr „„ e lee ee A ee e, e Kopf- und a 5 Halsband cue 20 19, 19 23 23 28 29 27, Rumpflänge “). 12 5 37 34,5 36 38 38 46 53 42, r u go an 113 10 lo 2 713122 123 136 95 nes 0 eines e ee een ee e ee 32187 1165 CCC Ben 6 6 5, 775 SW; 10,2 10 Größte Kopfbreite .. . 8,3 8755 7,5 10 9,5 11 2 Breite der Kopfbeſ ſchilderung e 6,5 6 6 8 7 8 9,5 8 Länge des Vorderbeins**) . . 2... .. 19 20 185 27 21 27 26 2175 Länge des Vorderfußes mit längſter Zehe. 8 9. 9 9,5 In. 13 12, 9, Lange des Hinter bein? 30 28 30 32 41, 47 45 36 Länge = Hinterfußes mit längſter Zehe. 14; 13 15 by en 2 22 fu Von den 20 Schildern der Kopfoberfläche iſt das hinterſte, das trapeziſche Oecpitalſchlt, in der Regel ſchmäler und kürzer als das ihm vorgelagerte ſchmale, fünfeckige, nach hinten verſchmälerte und 11 0 0 Interparietalſchild; nicht ſelten iſt es bis dreimal ſo kurz, ausnahmsweiſe jedoch ebenſo lang als letzteres. Jedes der beiden großen, am Hinterrande ſanft abgerundeten Scheitelſchilder wird an ſeinem ſchwachbogigen Außen— rande von einigen (3 bis 5) länglichen, ſchmalen Schildern umſäumt, welche, namentlich das vorderſte, merklich *' größer ſind als die Schuppen der Schläfe, jedoch nicht immer gut entwickelt, ſondern zuweilen in eine Anzahl kleiner Schildchen zerfallen erſcheinen, wie ich dies an Fig. 19. Kopfplatte der Mauer— ſüdtiroliſchen Stücken wahrnahm. Die mehr in die Eidechſe. Länge als in die Breite entwickelten Stirn-Scheitelſchilder entſenden einen ziemlich langen ſpitzen Fortſatz ſeitlich zum 4. Oberaugenſchild. Dieſes iſt klein, vier oder ) Vergleiche die Anmerkung Seite 115. — **) Bein längen, genommen von der Anſatzſtelle am Rumpf bis zur Kralle der längſten Zehe— Größe. Oberkopf⸗ Schilder. Kopfjeitenz= Schilder. 190 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. fünfkantig, doch noch größer als das dreieckig erſcheinende erſte Brauenſchild, während von den beiden mittleren und größten Brauenſchildern, die den Augendiskus bilden, das vordere das größere und überhaupt das größte iſt und ſich als eine nach vorn zugeſpitzte Tafel darſtellt. Am Außenrande wird der gewölbte Augendiskus von einer Reihe feiner Körnerſchüppchen begleitet, die alſo ihn von den 5 länglichen, ſchmalen Wimperſchildchen trennt. Die Stirntafel, nächſt den beiden Parietalen das größte Kopf— ſchild, iſt ziemlich breit, nach rückwärts meiſt nur wenig verengt, dagegen infolge ſeiner gewöhnlich nach einwärts geſchweiften Seitenränder in der Mitte am ſchmalſten, vorn am breiteſten; die beiden kurzen Hinterkanten ſind etwas ausgerandet und bilden beim Zuſammenſtoß in der Mitte eine zwiſchen die Stirn-Scheitelſchilder eingreifende kurze Spitze, während die meiſtens ſtark ausgerandeten (ſelten geradlinigen) Vorderkanten eine zwiſchen die beiden vorderen Stirnſchilder eingeſchobene dreieckige oder leicht abge— rundete Spitze entſtehen laſſen. Die vorderen Stirnſchilder ſind länger als breit, fünf— oder ſechsſeitig und am Innenrande, wo ſie ſich berühren, je nach der Länge der vor— deren Stirnſchildſpitze mehr oder minder ſchmal, ja ausnahmsweiſe ſo verſchmälert, daß ſie ſich gar nicht berühren, vielmehr der vordere Theil des Stirnſchildes bis an das ungefähr rhombenförmige, etwas abgerundete Internaſalſchild vorſtößt, wie man es zu— weilen auch bei der Berg-Eidechſe findet (vergl. S. 169). Ebenſo kommt der dort ſchon erwähnte außergewöhnliche Fall hier vor, daß die beiden unter regelmäßigen Verhältniſſen innen in einer ſehr kurzen Naht zuſammenſtoßenden Ober Naſenſchilder durch Berührung des weit vorgezogenen Vordertheils des Zwiſchennaſenſchildes und der Spitze des nach oben übergewölbten, faſt doppelt jo breit als langen Rüſſelſchildes von einander getrennt werden. Die Bekleidung der Kopfſeiten ſichert der muralis vor den anderen heimiſchen Eidechſen dadurch eine beſondere Stellung, als die Bedeckung der Schläfengegend, ab— geſehen von einem rundlichen, in der Mitte liegenden und nur bei manchen ſüdlichen Formen fehlenden Maſſeterſchild und einem an dem Vorder— rande der ovalen Ohröffnung befindlichen länglichen, bohnen— förmigen Ohrſchild, lediglich aus kleinen rundlichen, faſt körner— artigen Schuppen beſteht; zwei oder drei Reihen der letzteren trennen das Maſſeterſchild von den nächſten hinteren Augen— Fig. 20. Kopfſeite der ſchildern. Von den 6 oder 7 Oberlippenſchildern iſt das Mauer⸗Eidechſe. größte, das fünfte, unter das Auge geſtellt und ſomit als unteres Augenſchild (Suboculare) zu betrachten, von der Augenhöhle aber noch durch eine Bogenreihe feiner Schüppchen (untere Augenhöhlenſchuppen) geſchieden. Hinter dieſem Suboculare bemerkt man gewöhnlich noch zwei Oberlippenſchilder (Supralabialia posteriora), ein kleines als hinterſtes und ein langes als ſechstes. Dem ſechsten liegt das unterſte der hinteren Augenſchilder, dem vierten aber, welches etwa halb ſo lang als das fünfte und nach hinten zu in eine ziemlich lange Spitze ausgezogen iſt, das kleine Vorder-Augenſchild auf, welches ſich zwiſchen das 5. Oberlippenſchild und den unteren und hinteren Theil des Zügel-Augenſchildes einſchiebt. Letzteres, auf dem 3. und theilweiſe noch auf dem 4. Oberlippenſchild ruhend, iſt groß, hinten ausgerandet und hoch und grenzt mit der oberen hinteren Spitze an das erſte und zugleich größte Wimperſchildchen, welchem wiederum das vorderſte der vier Brauenſchilder aufliegt. Den Raum zwiſchen Zügel-Augenſchild und Naſenloch füllen zwei kleinere Schilder aus, ſodaß man mithin in der Zügelgegend drei Schilder vorfindet, welche einfach hinter einander liegen. Das mittlere dieſer drei Tafeln, das eigentliche Zügelſchild, ſtützt ſich auf das 2. Oberlippenſchild, iſt ſchmal, höher als lang und mit dem oberen, meiſt ein Vierte Art. Mauer-Eidechſe. 1 191 wenig verbreiterten Theil leicht auf den Pileus übergewölbt; das dem 1. Oberlippen ſchild aufliegende, unten breite, oben verſchmälerte Zügel Naſenſchild umſchließt den Hinterrand des über der Vordernaht des 1. Oberlippenſchildes gelegenen runden Naſen— loches, welches vorn und oben vom Ober-Naſenſchild begrenzt wird. Abweichungen in der Beſchilderung des Oberkopfes und der Kopfſeiten kommen auch bei der muralis mehrfach vor. So tritt manchmal, allerdings nur ganz aus— nahmsweiſe, neben dem regulären Zügel Naſenſchild noch ein zweites derartiges Schild— chen auf, was vielleicht auf eine Verſtümmelung zurückzuführen iſt. Verhältnißmäßig öfter, wiewohl auch nur höchſt ſelten, läßt ſich ein anderes überzähliges Schildchen wahrnehmen, welches nämlich vor dem Stirnſchild gelegen und jedenfalls dadurch ent— ſtanden iſt, daß ſich der vordere Fortſatz desſelben abſchnürte. Zuweilen findet eine Verſchmelzung zweier Schilder zu einem ſtatt, insbeſondere des Hinterhaupt- mit dem vorgelagerten Interparietalſchild; umgekehrt aber kann das eine oder das andere dieſer zwei Schilder, oder auch beide, in zwei kleine Schildchen zerfallen, wodurch drei oder gar vier mittlere Hinterhauptſchilder entitehen. Am Unterkiefer ſchließen ſich an das Kinnſchild jederſeits ſechs, ſeltener ſieben Unterlippen- und neben dieſen gewöhnlich ſechs, ſeltener fünf Unterkieferſchilder an. Die erſteren ſind länglich und ſehr ſchmal, von den letzteren ſind die des vierten Paares am größten und die erſten drei Paare ſtoßen in der Mittellinie zuſammen. Die zwiſchen den hinteren drei Paaren befindlichen Kehl— ſchuppen, welche in ſchrägen, mit dem inneren Rande der Unterkieferſchilder gleichlaufenden Reihen ſtehen, Fig. 21. Kehlgegend der Mauer⸗Eidechſe. erſcheinen länglich, ſchmal, flach und werden von e Kinnſchtlo, Salden e Flehen. den in ziemlich regelrechten Querreihen angeordneten breiteren Halsſchuppen durch eine deutlich ausgeprägte, auffallend fein beſchuppte Quer furche getrennt, die meiſt von einer Querfalte begleitet bezw. nach oben in eine bis auf den Nacken reichende Querfalte fortgeſetzt erſcheint. Eine zweite, von winzigen Schuppen bekleidete, bis 2 mm breite Querfurche zieht ſich zwiſchen Halsband und der erſten Querreihe der Bauchſchilder von Schulter zu Schulter, wird jedoch bei gewöhn— licher Körperhaltung von dem ganzrandigen (ungezähnelten) Halsband, welches ſich aus einer größten Mittel- und je vier bis ſechs ſeitlichen kleineren Tafeln zuſammen— jeßt, ganz oder doch zum größten Theil verdeckt. Das gut markirte Bruſtdreieck ent— hält 5 bis 13 Schilder. Der Bauch wird bedeckt von 6 Längsreihen Tafeln, welche gleichzeitig in 25 bis 30 Querreihen angeordnet ſind, deren beide hinterſten aus kleineren, an die angrenzenden Afterſchuppen erinnernden Schildchen beſtehen. Die Bauchtafeln ſind breiter als lang, ihrer Geſtalt nach quer rechteckig, die der mittleren Längsreihen mehr trapezförmig oder quadratiſch und ſchmäler als die der angrenzenden Längsreihen. Bei den mitteleuropäiſchen Mauer-Eidechſen ſtoßen die äußerſten (1. und 6.) Längs reihen der Bauchtafeln und die Flankenſchuppen gewöhnlich direkt zuſammen!), oder es ſchieben ſich zwiſchen ſie, alſo längs des Außenrandes der erſten und ſechsten Bauch tafelreihe, höchſtens ganz kleine rundliche, die Seitenſchuppen nur wenig an Umfang übertreffende Schildchen, welche wie umgewandelte und etwas vergrößerte Rückenkörner erſcheinen und zuweilen ganz vereinzelt auftreten, zuweilen zu zweien oder gar zu dreien ſich an eine Bauchtafel anlegen; bei manchen ſüdlichen Varietäten und Stücken ) Auch Tſchudi jagt von den Schweizer murales [Echſ. S. 34], daß die Schüppchen des Ober— körpers „zu den Bauchſchildern keine Uebergangsformen zeigen“. Abweichungen. Untertiefer⸗ Schilder. Bauchſchilder. Körperſchuppen. Geſchlechter. Junge. 192 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. > hingegen erreichen dieſe Randſchildchen!) eine merklichere Größe, ſodaß ſie an jeder Bauch— ſeite eine neue Reihe Schildchen bilden, die jedoch mit den echten Bauchtafeln nicht rangiren können, und keinenfalls wird man von 8 Reihen Bauchſchildern ſprechen dürfen, wie es z. B. Ad. Franke thut, vielmehr zeigt unter unſeren Eidechſen gerade die muralis am ausgeprägteſten und zweifelloſeſten ſechs Längsreihen. Das After ſchild iſt groß, breiter als lang, abgerundet fünfſeitig, mit Ausnahme des freien Hinter— randes von kleinen, in 2 oder auch 3 Bogenreihen ſtehenden vieleckigen Schildchen um— geben, deren größte unmittelbar am Afterſchild liegen. Durch die eigenartige Beſchuppung der Oberſeite unterſcheidet ſich die muralis von allen unſeren anderen Eidechſen. Die Rückenſchuppen ſind nämlich gewölbt, rund— lich, körnig und verhältnißmäßig ſehr klein, denn es gehen nicht blos zwei (wie bei anderen Eidechſen), ſondern mindeſtens drei, öfter aber vier und zuweilen ſogar fünf Quergürtel derſelben auf eine Querreihe Bauchſchilder, und Rücken und Seiten er— ſcheinen daher wie gekörnelt; im Uebrigen ſind die Rückenſchuppen faſt immer, wenn— gleich ſtumpf, gekielt, die der Rumpfſeiten indeß nur ſpurweiſe und die an die äußeren Bauchtafeln oder an die kleinen Randſchildchen ſich anlegenden, welche mehr die Form eines abgerundeten Vierecks haben, gar nicht gekielt. Nur bei manchen ſüdlichen Varie— täten weichen die Rückenſchuppen von der runden Körnerform ab, indem, ſo bei der Lilford-Eidechſe, die nach außen gerichtete Fläche dreieckig erſcheint. Die Schuppen des Nackens ſind noch kleiner, gekörnelt und entweder gekielt oder glatt, die nach der Schwanzwurzel zu gelegenen werden länger als breit, ſechseckig, längsgekielt. Im Ganzen zählt man etwa 130 bis 150 oder 160 Quergürtel Rumpfſchuppen und in Ka derjelben 40 bis 60 Schuppen. Die Schwanzſchuppen ſtehen in durchſchnitt— lich 90 bis 100 Ringen (Wirteln); von den länglichrrechteckigen, am Hinterrande ab— geſtutzten oder in eine ſtumpfe Spitze ausgezogenen Schuppen der Oberſeite ſind die der vorderen Schwanzhälfte ſtumpf und erſt gegen die Schwanzſpitze zu ſcharf gekielt, während von denen der Unterſeite die den vorderſten Schwanztheil (die Baſis) decken— den kurz, glatt, gerade abgeſtutzt, die am Schwanzende befindlichen aber mit ziemlich ſcharfen Längskielen verſehen und zuweilen deutlich zugeſpitzt ſind. Die Schuppen der Beine ähneln oder gleichen den Nackenſchuppen, nur erſcheinen ſie womöglich noch winziger. Die Zahl der Schenkeldrüſen beträgt jederſeits meiſt 18 bis 20, zu— weilen nur 15 bis 17 oder gar nur 13 und bei ſüdlichen Stücken oft 22 bis 24 oder 25. Das Männchen iſt größer und kräftiger gebaut als das Weibchen, mit größerem, breiterem Kopf, etwas winkelig erhobenem Augendiskus, kräftigeren Hinterbeinen, ſtark, faſt kammartig hervortretenden Schenkeldrüſen, verdickter Schwanzwurz el — das Weibchen kleiner und zarter, mit feinerem, ſchmälerem, ſpitzſchnauzigerem Kopf, einem als ein ſanfter, flacher Bogen verlaufenden Augendiskus, dünnen Beinen, undeutlichen Schenkeldrüſen, ſchlanker Schwanzwurzel. Weitere Geſchlechtskennzeichen bietet die Färbung. Bei jungen Thieren fällt der lange Schwanz, welcher verhältnißmäßig länger iſt als in 1 Jahren — bei unſerer muralis reichlich doppelt ſo lang als Rumpf und Kopf — und die kaum bemerkbare Trennung der Oberkopfſchilder auf; denn während dieſe im Alter durch tiefe und weite Furchen von einander geſchieden ſind, ſtoßen ſie im erſten Jahre ſo dicht aneinander, daß man als Grenzen nur feine Linien entdeckt. Oft fehlen auch bei den ſüdlichen Varietäten die ſog. Randſchildchen am Außenrande der erſten und ſechsten Bauchſchilder-Reihe gänzlich, um ſich erſt mit zu— nehmendem Alter zu entwickeln. ) Eimer bezeichnet fie Lac. mur. coer, S. 13] als Oberſchildchen. F . Vierte Art. Mauer⸗Eidechſe. 193 Färbung und Zeichnung. In der Gruppe unſerer deutſchen Eidechſen, wie überhaupt aller Lacerten zeigt keine Art eine ſolch' große Neigung zur Abänderung in Betreff der Färbung und Zeichnung als die Mauer-Eidechſe, und von keiner kennen wir deshalb eine ſolch' beträchtliche Anzahl von Varietäten als von dieſer. Es würde den Rahmen des Buches überſchreiten, wollten wir uns hier in Auslaſſungen über die etwaige Urform oder Ur-Urform der muralis und die Entſtehung der Tochterformen und Varietäten ergehen, zumal die letzteren nicht dem deutſchen bezw. mittel-europäiſchen Gebiete, ſondern ausſchließlich dem Süden Europa's angehören; wir werden daher in erſter Linie die Stammform (Typus) beſprechen und dieſer, zur Vervollſtändigung des Geſammtbildes, die kurze Beſchreibung der wichtigſten Varietäten, welche neuerdings zum Theil zu uns lebend in den Handel kamen, anreihen. Als a) Stammform (Lacerta muralis typica) betrachten wir die Form, welche auch in unſerer Rheingegend und dem Donauthal vorkommt und oberſeits auf braunem oder graubräunlichem Grunde mit dunklen Fleckenbändern gezeichnet iſt. Schon Aldro— vandi beſchrieb fie i. J. 1663 als Lacerta vulgaris und Laurenti bezeichnete ſie 1768 als Seps muralis, während Latreille i. J. 1800 unter Verwendung des alten Gattungs— namens Lacerta ihre Benennung in Lacerta muralis umänderte; v. Bedriaga erhob die typiſche braune muralis und die anderen braunen Mauer-Eidechſen zu einer eigenen Unterart: zu der Subſpezies fusca. Beim Männchen iſt der Rücken braun oder graubräunlich, oft und nament— lich unter entſprechender Beleuchtung mit einem Stich ins Broncebraune, Bronce- oder Graugrüne. Längs der Mittellinie deſſelben, auf dem Rückgrat, verläuft eine Reihe ſchwärzlicher Flecke, die ſich gern zu einem ſchwärzlichen Längsſtreifen ordnen, nicht ſelten jedoch mehr oder weniger zuſammenhangslos bleiben bezw. eine dunkle Mar— morirung oder wolkige Zeichnung des Rückens entſtehen laſſen. Das braun grundirte Rückenfeld wird an jeder Seite von einem aus dunkelbraunen bis ſchwarzen Flecken gebildeten, gewöhnlich ſchon hinterm Naſenloch beginnenden und von da über das Auge und die Schläfe hinweg längs der Rumpfſeiten hin bis zur Schwanzwurzel ziehenden Bande begrenzt, das jedoch nur bei wenig Thieren als ein überall gleichbreites, un— unterbrochenes Band ſich markirt, vielmehr in jene dunklen Flecke aufgelöſt erſcheint, weil die an ſeinem Rande befindlichen weißlichen oder hellgrauen Flecke bei alten Exem— plaren in größerem, bei jüngeren in geringerem Grade in die dunkle Binde eingreifen; von der Schwanzwurzel an nach hinten läßt ſich dieſes Fleckenband überhaupt nur noch ſpurweiſe erkennen, nämlich in Geſtalt kleiner ſchwärzlicher und weißlicher Flecke, welche an beiden Schwanzſeiten in etwa ſchuppengroßen Abſtänden hinter einander folgen, ſodaß zwiſchen zwei gefleckten ein ungefleckter Schuppenring liegt. Die Ober— ſeite des Schwanzes und der Beine, ebenſo die des Kopfes iſt bei den Exemplaren mit kräftig gezeichneter Rumpfoberſeite gleichfalls deutlich dunkelbraun oder ſchwarz gefleckt, bei matter gezeichneten Stücken indeß nur ſpurweiſe gepunktet oder hell marmorirt. Auf jeder der beiden äußerſten (erſten und ſechsten) Längsreihen der Bauchſchilder zieht ſich eine entweder aus lebhaft blauen bezw. blaugrünen, unten ſchwarz gerandeten, oder aber aus abwechſelnd blauen und ſchwarzen Flecken gebildete Fleckenreihe hin. Der Bauch ſelbſt iſt entweder einfarbig blauweiß, mattgrünlich, gelb, rothgelb oder ziegel— roth, oder aber, und zwar bei weitem häufiger, auf derartig hellem Grunde rothbraun, ſchwarzbraun oder ſchwarz getüpfelt, wie denn überhaupt die Männchen durch ſatter gefärbten und ſtärker gefleckten Bauch von den Weibchen ſich unterſcheiden, ja nicht ſelten erſcheint die Unterſeite beim Männchen förmlich hell und dunkel gewürfelt, oder der urſprüngliche helle Grundton durch die dunkle Zeichnung faſt ganz verdrängt: 13 Färbung. Stammform. Altes G Altes Q Jugendkleid. 194 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. namentlich zur Frühjahrs zeit, wenn überhaupt die Farben voller, glanzreicher werden und der Rücken einen anſprechenden broncegrünen Schiller zeigt, nimmt der ſonſt vielleicht nur weißliche bezw. gelbe Bauch eine ſattere, lebhaftere, kirſchrothe bezw. tief orangegelbe bis orangerothe Färbung an und die Kehle ſchmückt ſich bei Männchen gewiſſer Gegenden ſogar mit einem ſchönen Blau. Unterlippen- und Unterkieferſchilder ſind in den meiſten Fällen auf bläulichem Grunde dunkel gefleckt, Kehlgegend und Bruſt faſt immer, ſelbſt bei einfarbigem Bauch, dunkel getüpfelt und gemarmelt; die Unterſeite der Gliedmaßen und des Schwanzes entſpricht betreffs der Zeichnung dem Bauch, doch ſind die erſteren gewöhnlich etwas heller und der Schwanz iſt unterſeits längs der Mittellinie gelblich oder grauröthlich grundirt. Das Weibchen unterſcheidet ſich vom Männchen im Allgemeinen durch mattere Farben, im Beſonderen durch kleinere und weniger zahlreiche ſchwärzliche Rückenflecke, die ſich aber ebenfalls gern in eine Längsreihe ordnen, ferner durch ſchärfer markirtes, gewöhnlich einen zuſammenhängenden Streifen bildendes dunkelbraunes, oben und unten weißlich geſäumtes Seitenband, durch kleine und mattbläuliche Flecke (die aber auch gänzlich fehlen können) auf den beiden äußeren Bauchſchilder-Reihen und endlich durch weißliche, allenfalls bleigrau, bläulich oder hellgelb angeflogene einfarbige, nur in der Kehl- und Bruſtgegend öfters ſchwärzlich gefleckte und gemarmelte Unterſeite. Das Kleid der jungen Thiere zeichnet ſich durch ungefleckten braunen, grau oder olivenfarben überflogenen Rücken und gleichfalls meiſt fleckenloſe Oberſeite des Kopfes, Schwanzes und der Beine und durch eine vom Naſenloch an längs der Kopf— und Rumpfſeite hinziehende, gewöhnlich ſcharf markirte dunkel- oder ſchwarzbraune, oben und unten fein weißlich geſäumte Binde aus, welche an der Schwanzwurzel endigt, aber doch ihre Ausläufer in Geſtalt ſchwarzbrauner Schuppenflecken und weißlicher Schuppenränder (Strichel) auf die Schwanzſeite entſendet; die geſammte Unterſeite iſt einfarbig weißlich oder hellgrau und oft mit bläulichem Anflug, und an der Grenze der Rumpfſeiten und des Bauches bemerkt man ein dem der oberen Längsbinde ent— ſprechendes dunkel- bis ſchwarzbraunes Kolorit. — Bereits im zweiten Sommer ſtellen ſich bei den Männchen auf der in den meiſten Fällen heller (hellnußbraun, hell grau— braun oder gelblichbraun) werdenden Rückenzone mehr oder zahlreiche ſchwärzliche Flecke ein, die Seitenbinde wird infolge Ausbreitens der weißen Saumflecke zackiger, unter— brochen oder in ein Fleckenband aufgelöſt, der weißliche Ton des Bauches wird durch eine tiefere bezw. grellere Färbung verdrängt und dieſe tritt, im Verein mit dunklen Tüpfeln, im nächſten Frühjahr, wenn ſich auch die blauen und ſchwarzen Flecke auf der erſten und ſechsten Bauchſchilder-Längsreihe zeigen, noch kräftiger hervor. Bei den Weibchen hingegen laſſen ſich mit fortſchreitendem Alter entweder gar keine oder nur geringe Veränderungen der Färbung, welche ſich auf Hellerwerden und ſparſame Fleckung des Rückens, auf Verſchwinden der weißlichen Säume der dunklen Seitenbinde und auf einen bläulichen oder hellgelben Anflug des Bauches erſtrecken, wahrnehmen. b) Varietäten. Wie aus dem Geſagten erhellt, ſchwankt die Färbung des Bauches ſchon bei der gewöhnlichen Mauer-Eidechſe je nach dem Geſchlecht, weiterhin aber auch nach dem Alter — am geſättigtſten treten die Farben bei alten Männchen auf — und zum Theil auch nach der Jahreszeit, und es will daher nicht thunlich ſcheinen, dieſelbe zur Aufſtellung und Unterſcheidung von Varietäten der muralis zu verwenden, wie es die italieniſchen Fauniſten und Herpetologen Bonaparte und Maſſalongo, welchen dann Fatio u. A. wenigſtens theilweiſe folgten, gethan, indem fie eine weiß, eine gelb-, roth⸗, ſchwarzbäuchige Mauer-Eidechſe (var. albiventris, flavi-, rubri-, nigriventris etc.) unterschieden. Dieſe „Varietäten“ zeigt uns allein ſchon die Stammform, und zwar Vierte Art. Mauer-Eidechfe. 195 würde das Männchen zumeiſt entweder als flaviventris oder rubriventris oder auch, bei Ueberhandnahme der ſchwarzen Zeichnung, als nigriventris, das Weibchen hingegen vorwiegend als albiventris zu bezeichnen ſein. Dem entſprechend verfährt in der That de Betta, wenn er auf Seite 152 bis 154 ſeiner 1857 erſchienenen Erpetologia delle Provincie Venete zwei Hauptformen oder Varietäten der in Nord Italien heimischen Podareis muralis, nämlich A. die gewöhnliche muralis (muralis auctorum) und B. die var. campestris, aufſtellt und bei der erſteren die fünf Unter-Varietäten nigriventris Bonap., albi-, rubri-, flaviventris und die cupreiventris Massal. unterſcheidet. In einer neueren, 1879 publicirten Arbeit jedoch, auf Seite 14 bis 18 feiner „Nuova serie di Note erpetologiche —“, bringt derſelbe Forſcher alle ihm bekannten italiſchen Mauer-Eidechjen, 19 Varietäten, in fünf Gruppen, indem er dieſer Eintheilung die Farbe des Rückens zu Grunde legt. Weil aber außer der Färbung auch die Körper— größe und die Geſtaltung oder Bauart des einen oder anderen Körpertheils Schwank— ungen unterworfen iſt — was bei einer über ein weites feſtländiſches Gebiet und zudem über viele große und kleine Inſeln verbreiteten Spezies füglich nicht Wunder nehmen darf —, ſo ſtellte J. von Bedriaga in der von ihm gegebenen Eintheilung vor Allem zwei umfaſſende Gruppen auf, deren jeder er den Rang einer Unterart, Subſpezies, beimißt. Die eine iſt die Gruppe der braunen, die zweite die der grünen Mauer— Eidechſen, bezw. die Subſpezies fusca und neapolitana. Die von ihm zur erſteren gezählten Varietäten (außer den gewöhnlichen Abänderungen die Var. milensis, Ras- quineti, persica, saxicola, flaviundata, corsica, Erhardii, melisellensis) kennzeichnen ſich nach Bedriaga durch geringe Körpergröße, flacheren Kopf und vorherrſchend braune Grundfärbung; die Subſpezies neapolitana (zu welcher B. die Varietäten und Sub— varietäten olivacea, campestris, albiventris, lineata, Cettii, sicula, reticulata, Latastei, filfolensis, coerulea, viridiocellata, coerulescens, livorniensis rechnet) unterſcheidet ſich dem genannten Autor zufolge durch bedeutendere Körpergröße, vierſeitig pyramiden— förmigen Kopf, der nahezu oder eben ſo breit iſt als hoch, und durch vorherrſchend grüne Rückenfarbe. Dieſen beiden formenreichen Gruppen der fuscae und neapolitanae reiht B. noch drei Unterarten an. Zunächſt die Subſp. Bruggemanni, welche ein Verbindungsglied zwiſchen fusca und peapolitana darſtellt, indem fie in Geſtalt und Größe des Körpers mit der erſteren, in der Grundfarbe mit der letzteren überein— ſtimmt. Sodann läßt B. die Mauer-Eidechſen der Balearen eine vierte Subſpezies, balearica (mit den Varietäten Lilfordi, Gigliolii und pityusensis), bilden; breiter Hals, dicker, verhältnißmäßig kurzer Rumpf, an der Wurzel breiter, in eine kurze Spitze ausgezogener, oftmals nur wenig länger als der Körper erſcheinender Schwanz, pyra— midaler Kopf mit ziemlich ſtark zugeſpitzter Schnauze werden als die Kennzeichen an— geführt. Als fünfte Unterart ſtellt v. Bedriaga Lac. mur. Steindachneri auf. Im Nachſtehenden folgen wir jedoch der Einfachheit wegen der de Betta'ſchen Eintheilung, und zwar mit der Abänderung, daß wir alle braun oder bräunlich und ebenſo alle grün und grünlich grundirten Eidechſen in je eine Gruppe vereinigen und dieſen beiden als dritte die ſchwarz, blauſchwarz und blau grundirten anſchließen. Auf die etwaige Abſtammung der einen Varietät von der anderen bezw. auf Erörterungen über muthmaßliche Mutter- und Tochterformen oder ähnliche Fragen gehen wir, wie erwähnt, bei dieſer knappen Ueberſicht nicht ein. Die letztere wird aber alsbald erkennen laſſen, daß nicht nur die Grundfärbung der Oberſeite vielfach variirt, indem das urſprüngliche Braun einerſeits durch Braungrün und Olivenfarben in Gelbgrün und weiter in Hell- und Dunkelgrün und anderſeits durch Braungrau, Grau und Grau— blau in reines Blau, Dunkelblau und Schwarz übergeht, ſondern auch die dunkle 13 * 196 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Fleckung in Maſchen- und Marmorzeichnung, in Quer- und Längsbänderung ꝛc. ſich umſetzt und zuweilen — wie wir es in ähnlicher Weiſe ſchon betreffs der Unterſeite kennen lernten — ſo ſich ausbreitet, daß das Schwarzbraun oder Schwarz zur Grund— färbung wird und der urſprüngliche bezw. etwas abgeänderte Grundton in Geſtalt von Zeichnungen erſcheint; ausnahmsweiſe verſchwindet jede Zeichnung, ſodaß die Thiere einfarbig ausſehen. Gruppe A. Braune Mauer -Eidechſen (von Bedriaga zumeiſt unter Lac. muralis subsp. fusca zuſammengefaßt): Rücken braun, grau-, röthlich-, oliven- oder ſchwarzbraun. Indem wir die geringfügigeren Abänderungen übergehen, führen wir nur folgende Varietäten auf. 1. Var. immaculata, ungefleckte M. Rückenzone hell grau- oder nußbraun, ohne ſchwarze Zeichnung; dunkelbraune, weißlich geſäumte Seitenbänder vorhanden; Unterſeite bläulich, gelblich oder grünlichgelb. Entſpricht ganz der Jugendform. Spanien. 2. Var. fasciata, geſtreifte M. Rücken hellbraun, ungefleckt oder mit wellen- förmigen ſchwarzbraunen Fleckenbändern; an der Grenze der Rückenzone und ebenſo weiter unten, längs der Rumpfſeiten läuft je ein feiner grünlichweißer oder grünlich— gelber Streifen, welche beiden entweder das bekannte dunkelbraune bezw. ſchwärzliche Seitenband oder nur noch Reſte und Andeutungen deſſelben (Flecken, Tüpfel, Schnörkel) zwiſchen ſich einſchließen, hin, ſodaß der Körper jederſeits zweifach weiß oder gelb ge— ſtreift erſcheint. Verbreitung: Süd-Europa. 3. Eine auf graubraunem Grunde drei- oder vierfach gelbgrün längsgeſtreifte M. beobachtete J. von Bedriaga auf der Inſel Seriphos im griechiſchen Archipel, und eine auf ſchwarzer Oberſeite mit etlichen blaßgelben Längsſtreifen gezeichnete Varietät fand derſelbe Herpetolog auf der Inſel Korſika [Korſ. S. 269]; die Bauchſchilder der 1. und 6. Längsreihe ſind bei der erſteren blaugrün, bei der letzteren grün gefleckt, die übrigen Bauchſchilder bei der korſikaniſchen auf grauweißem Grunde ſchwarz ge— punktet, bei der griechiſchen, welche eitrongelbe Kehle hat, ſchmutzigweiß. Die griechiſche Varietät iſt Erhardi, die andere corsica benannt worden. 4. Var. milensis (de Bedriaga), getüpfelte M. [Griech. S. 98]. Rücken und Oberſeite des Kopfes und Schwanzes hellnußbraun, der erſtere mit grauen Augen— flecken, ſeltener mit dunkelbraunen Tüpfeln; Rumpf- und Kopfſeiten gelb oder grüngelb, mit ſchwarzen Querbinden, die Rumpfſeiten, beſonders an den Wurzeln der Vorderbeine, außerdem mit blauen Augenflecken; Kehle und Bauch auf bläulichem Grunde ſchwarz gewürfelt, die äußerſten Längsreihen blau und grün gefleckt; Unterſeite des Schwanzes röthlich angeflogen. Fundort: Cykladen-Inſel Milo. 5. Var. Ras quineti (de Bed.), Deva-M., zu Ehren des Entdeckers E. Ras— quinet benannt. Rücken, Oberſeite des Kopfes und Schwanzes dunkelbraun oder trüb— ölfarben bezw. braun mit einem Stich ins Grüne, längs des Rückgrats eine ſchwarze Fleckenbinde und parallel mit dieſer feine ſchwarze Streifen, welche ſich nach den Körperſeiten hin veräſteln und hier, auf prächtig himmelblauem Grunde, eine ſchwarze Netzzeichnung bilden, ſodaß das Blau in Form von Augenflecken erſcheint; Oberſeite der Beine auf hellbraunem Grunde dunkel gefleckt, des Schwanzes braun; Kopfſeiten ſchmutzigroſa, ſchwarz gepunktet; Kehlſchuppen weißlich, ſchwarz, blau, braunroth ge— würfelt; Bauchſchilder der 1. und 6. Längsreihe einfarbig himmelblau, der mittleren 4 Reihen roth oder roth und blau, mit ſchwarzen Punkten; Unterſeite der vorderen Gliedmaßen ſchmutzigroſa und grau gefleckt, der hinteren moſaikartig blau, ſchwarz und roth, des Schwanzes roth mit ſchwarzen Punkten. Fundort: Inſel La Deva bei Arnao an der Cantabriſchen Küſte Nord-Spaniens. [Troſchel's Archiv 1878, Bd. I S. 260.] Vierte Art. Mauer⸗Eidechſe. 197 6. Var. viridiocellata (de Bedr.), grün-geaugte M. Oberhalb der Wurzel der Vorderbeine jederſeits ein hellgrüner Augenfleck; Oberſeite des Kopfes dunkelbraun, Wangen und Unterkiefer weißgrau; Rücken braun, mit einem ſchwarzen Fleckenbande auf dem Rückgrat; jederſeits von dieſem Bande zwei gleichlaufende ſchwarze, aus loſe aneinander gereihten Flecken beſtehende Binden, von welchen nach der Seite hin breite ſchwarze Streifen abzweigen; Beine oberſeits auf braunem Grunde ſpärlich ſchwarz geſtreift und gepunktet; Bauch weißlich, die Schilder der 1. und 6. Längsreihe hell— grün. Länger als vorige, etwa 22 cm. Sizilien, Korſila, Capri. [Troſchel's Archiv 1877, Bd. 1 S. 115. 7. Var. Latas tei (de Bedr.), Ponza-M. Steht hinſichtlich der Länge (20, em), der Geſtalt und in gewiſſer Beziehung auch der Färbung der vorigen nahe. Sie hat auch ſchwarz umrahmte Augenflecke oberhalb der Wurzel der Vorderbeine, doch ſind dieſelben blau oder grünblau, und öfters treten auch an den Körperſeiten blaue oder hellgrüne, in eine Reihe geſtellte Augenflecke auf [Archiv 1879, Bd. 45, S. 267]. Oberſeite des Körpers hell- oder dunkelbraun (in der Halsgegend mit einem Stich ins Grüne), gezeichnet mit in Binden angeordneten ſchwarzen Flecken, die mitunter durch Ausläufer in Verbindung treten und ein Netzwerk bilden, zuweilen nur mit ſchmalen ſchwarzen Streifen; an den Flanken die ſchwarze Zeichnung manchmal nur in Geſtalt von ſchwarzen, die Augenflecke umgebenden Halbkreiſen vorhanden. Kopf oberſeits braun, unterſeits weiß, Bauch ſchwach röthlich, die 1. und 6. Bauchſchilder-Reihe blaugrün. Männchen dunkler im Ton als die Weibchen. Bewohnt nur die pontiniſche Inſel Ponza, weſtwärts von Neapel gelegen. 8. Var. balearica (de Bedr.), Balearen-M. Gegenüber anderen M. durch kräftigen Rumpf, breiten Hals und kurzen Schwanz ausgezeichnet; Gleiches gilt von der noch zu erwähnenden Lilford-, Giglioli- und Pithyuſen-Eidechſe. Oberſeite bräun— lich mit eingeſtreuten dunkelbraunen Schuppenflecken, oder aber graubraun mit ſchwach grünlichem Ton bezw. broncebraun; an den Flanken einige bräunlichweiße rundliche, zuweilen eine vom hinteren Augenwinkel an über die Wurzel der Vorderbeine bis auf den Wurzeltheil des Schwanzes hinziehende Längsreihe bildende Flecken; unterhalb derſelben, zwiſchen ihr und der Bauchgrenze, eine zweite gleichlaufende Fleckenreihe; Wangen und Oberſeite der Beine ſpärlich dunkelbraun und bräunlichweiß gefleckt; Kehle und Hals auf grauweißem, bläulichem oder röthlichem Grunde grau gemarmelt; Bauch und Unterſeite der Beine bläulich, kupfer- oder ziegelroth, mit einzelnen dunkeln Punkten oder feinen Streifen; Schwanz unterſeits bläulich. Bewohnt die Balearen— Inſeln Mallorka und Menorka. Hierher gehören wohl auch die von Braun [Lac. Lilf.] beſchriebenen murales der kleinen Balearen-Eilande Isla den Colon und Isla del Rey. 9. Var. persica, perſiſche M. Ein Exemplar (No. 10238) des Berliner Zoolog. Muſeums zeigt folgende Färbung: Oberſeite hellnußbraun, Kopf und Schwanz einfarbig, Rücken fein dunkelbraun gepunktet; Schläfen mit zwei Längsreihen dunkler Punkte; Bauch gelb, Unterkiefer, Unterſeite der Beine und der Schwanzwurzel grün— lichgelb. Perſien. Hier darf wohl auch eine Form angereiht werden, welche von Eversmann [Lac. S. 349] unter dem Namen Lacerta saxicola als eigene Art beſchrieben wurde: 10. Bar. saxicola, kaukaſiſche M. Oberkörper grünbraun, auf dem Rücken mit ſchwarzen, in zwei Reihen ſtehenden Flecken; Seiten braun, mit zwei ſchwärzlichen Bändern; Bauch perlmutterfarben oder gelblich, die Schilder der äußerſten Längsreihen himmelblau gefleckt. Kaukaſusländer. 198 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 11. Endlich ſei hier noch der Bedriaga'ſchen Subſpezies Steindachneri, welche von Steindachner als var. hispanica der ſpitzköpfigen Eidechſe (Lacerta oxi- cephala) betrachtet wurde, gedacht. Charakteriſirt durch ſtark abgeplatteten, in der Wangengegend ſehr breiten, von den Augen nach vorn zu raſch abnehmenden Kopf, ſtark zugeſpitzte Schnauze, plattgedrückten Rumpf, bis zum Vorderrande der Orbital— höhle reichende Vorderbeine. Oberkörper mit brauner oder grünlicher, hell eingefaßter Mittelzone und mehreren dunkelbraunen Längsſtreifen, Vorder- und Hinterbeine auf ſchwarzem Grunde mit grüngelben Augenflecken, Unterſeite einfarbig grünlich- oder bläulichweiß. Pyrenäiſche Halbinſel. Gruppe B. Grüne Mauer-Eidechſen (von Bedriaga zumeiſt unter Lac. muralis subsp. neapolitana zuſammengefaßt): Rücken mehr oder minder lebhaft grün. 12. Var. olivacea, olivengrüne M., von Rafinisque-Schmalz 1810 als Lacerta olivacea beſchrieben (Lac. mur. modesta, Eimer). Oberſeite einfarbig oliven— oder graugrün, an den Rumpfſeiten, auf dem Kopf, dem Schwanz und den Beinen mehr olivengrau, zimmt- oder broncebraun; Rumpfſeiten zuweilen mit bräunlichen Binden; Bauch und übrige Unterſeite einfarbig weißlich oder bleigrau, mitunter gelb— bis ziegel- oder kupferroth. Die oberſeits olivenbräunlichen oder olivengrauen, unter— ſeits weißlichen Stücke hat Rafinisque auch als Lac. puceina beſchrieben, während man die unterſeits einfarbig kupferfarbenen wohl unter Podareis cupreiventris, Massal. zu ſuchen hat. Dalmatien, Italien. 13. Var. elegans (Eimer), grasgrüne M. Der vorigen ſehr naheſtehend. Rücken beim Männchen einfarbig gras- oder hellgrün, beim Weibchen gelbgrün oder zimmtfarben; Rumpfſeiten mehr ins Braune ſpielend, bei den Männchen mitunter dunkel gefleckt; über der Wurzel der Vorderbeine, beſonders bei den Männchen, blaue, bei manchen Weibchen kleine gelbgrüne Augenflecke; Färbung der Unterſeite ähnlich wie bei der vorigen mehrfach abändernd. Italien. 14. Var. campestris (de Betta [Ven. S. 152), geſtreifte M. Rücken gleichmäßig grün, jederſeits begrenzt von einer bräunlichen, oben und unten weißlich geſäumten und von ſchwarzen Flecken beſetzten Binde; eine ähnliche Binde zieht vom Hinterhaupt an längs der Rückenmitte zum Schwanz, ſodaß die grüne Grundfarbe des Rückens zwiſchen dieſen drei braun und ſchwarzen Streifen in Form zweier breiter Binden ſchön hervortritt; Bauch gleichmäßig weißlich, oder grünlich, gelblich oder röth— lich. Iſt nach de Betta identiſch mit Podarcis (Lacerta) tiliguerta, de Filippi, aber nicht mit der tiliguerta Cetti's und Camerano's, und Eimer ſieht ſie als identisch mit ſeiner Lac. mur. striata an, während Camerano ſie unter dem Namen Lacerta serpa, Rafın. anführt. Bewohnt Nord-Italien, und zwar das ebene freie Feld und ſandige Ufer, nicht an Fels und Gemäuer. 15. Var. albiventris, Bonap. neapolitana albiventris, de Bedr. = maculato-striata, Eimer, fleckenſtreifige grüne M. Größer als Var. 14 und über— haupt die verwandten grünen Mauer-Eidechſen. Männchen gewöhnlich 23 cm, Wbch. etwa 4 cm kleiner. Kopf oberſeits braun oder grünlichgrau, mit ſchwarzbraunen Zeichnungen; Rücken grasgrün (beim Wbch. mehr olivengrün), längs der Mitte und an jeder Seite der Rückenzone ein aus zahlreichen ſchwärzlichen und gelblichen Flecken („molte macchie nerastre e giallastre“) beſtehender Streifen, von denen der mittlere manchmal eine ununterbrochene ſchwärzliche Zickzackbinde bildet, manchmal jedoch nur in Geſtalt einer aus einzelnen viereckigen oder ſchnörkelartigen ſchwärzlichen, mit hell— braunen Makeln gemiſchten Flecken zuſammengeſetzten Fleckenreihe erſcheint; Rumpfſeiten mit ſchwarzen Flecken, die manchmal zu ungleich breiten, geſchlängelten, von bräun— Vierte Art. Mauer-Eidechſe. 199 lichen oder bräunlichweißen Zeichnungen durchſetzten Binden zuſammengreifen, manchmal ein Netzwerk bilden; Schwanz auf braunem Grunde wie der Oberkörper gefleckt; über den Wurzeln der Vorderbeine jederſeits ein blauer Augenfleck; Hinterſchenkel, beſonders beim Männchen, oberſeits nicht ſelten grünlich- oder bläulichweiß gefleckt; Unterkiefer bläulich; Bauchſchilder der 1. und 6. Längsreihe blau, der übrige Bauch und die Unterſeite der Gliedmaßen weiß, nur zuweilen grünlich oder bläulich überhaucht. Mittel- und Unter-Stalien, Inſel Capri, auch Sizilien. 16. Var. pelagosa (Schreiber-Bedr.), Pelagoſa-M. Die Grundfarbe der Oberſeite, ein Grün, Dunkel- oder Bräunlichgrün beim Männchen, ein Hellgrün beim Weibchen, tritt in Geſtalt ſchmaler, an ihren Rändern leicht gezähnelter Binden, welche ſchmäler als die drei ſchwarzbraunen Fleckenbänder des Rückens ſind, auf. Mittleres Fleckenband in der Regel genau ſo breit als die hintere Kante des Hinterhauptſchildes, am Nacken und Vorderrücken fließen die Flecke völlig ineinander zu einem gleichbreiten, ununterbrochenen Bande, das ſich gegen die Mitte des Rückens in einzelne, aber zu— ſammenhängende Flecke auflöſt; die anliegenden ſchmalen Streifen der Grundfarbe werden gegen die Schwanzwurzel hin allmählich ſchmäler und verlieren ſich meiſtens auf der letzteren; das erwähnte Rückgrat-Fleckenband und die ihm parallelen, an der hinteren Kante der Scheitelſchilder entſpringenden ſchwarzbraunen Fleckenbänder gehen auch auf den Schwanz über; ſeitliche Fleckenbänder von ſchmalen, leicht geſchlängelten, am äußeren Seitenrande der Scheitelſchilder beginnenden grünlichweißen, hinten mit— unter bräunlichweißen Streifen begrenzt, ſodaß die Rumpfſeiten mit je zwei dunklen, durch einen hellen Streifen getrennten Fleckenbändern gezeichnet erſcheinen; manchmal treten ſtatt der ſchmalen hellen Streifen bräunliche und grünliche Augenflecken auf. Oberkopf und Zügelgegend braun oder olivengrün mit dunkler Zeichnung; Beine ober— ſeits ſchwarzbraun gezeichnet und hell gefleckt; Unterſeite des Körpers beim Männchen bläulich, an den Bauchſeiten und der Kehlgegend zuweilen intenſiver blau, Weibchen an Kehle und Bauch blau oder gelblich angehaucht. Bedeutend kleiner als Var. 15. Inſel Pelagoſa im Adriatiſchen Meer. 17. Var. Merremii (Fitzinger), Merrem's M., von Fitzinger, Schinz, Erber als beſondere Art (Lacerta s. Podarcis Merremii) behandelt“). Rücken grün; längs der Mitte deſſelben ein ſchwarzes oder ſchwarzbraunes Fleckenband, das zuweilen nur in Geſtalt ſchwarzer Punkte angedeutet iſt; von dem hinteren Außenwinkel der Scheitel— ſchilder an ziehen feine weiße oder grünlichweiße, entweder von hellbraun umſäumten, oder von auf hellbraunen Binden ſtehenden ſchwarzen Flecken und Schnörkeln beider— ſeits — manchmal jedoch nur an der unteren Seite — begleitete Streifen bezw. Längsreihen ſchmaler Fleckchen an der Rückenkante hin zur Schwanzwurzel; an den Flanken oft noch eine ſchwarzbraune, am unteren Rande von einem aus weißen Punkten oder Längsflecken beſtehenden Streifen begrenzte Binde; Oberſeite des Kopfes auf olivengrünem oder olivenbraunem Grunde dunkelbraun gefleckt, der Beine auf hellbraunem Grunde grün geaugt; über der Wurzel der Vorderbeine blaue oder grün— liche Rundflecke; Bauch und übrige Unterſeite weiß oder mit einem gelblichen, röth— lichen oder grünlichen Anflug, der an den äußeren Bauchſchildern kräftiger hervortritt. Nach Erber in Dalmatien, Iſtrien, Montenegro und der Herzegowina. Hierher gehört wohl die Podareis olivaceus albiventris Bonaparte's, ſowie die Lac. mur. punctato- striata und punctato-fasciata Eimer's. *) Wiegmann hat im Archiv f. Naturg. 1837, S. 222, irrthümlich die Lacerta taurica, Pallas als identiſch mit Podareis Merremii, Fitz. bezeichnet. 200 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 18. Var. line ata (de Betta [Fauna S. 29), weißgeſtreifte grüne M. Der vorigen ähnlich. Rücken mehr oder minder intenſiv grün; längs der Mitte deſſelben eine breite röthlichbraune, von ſchwarzen, in regelmäßigen Reihen angeordneten Flecken beſetzte und durch eine zierliche weiße Linie geſäumte Binde; Rumpfſeiten verſchieden⸗ artig ſchwarz gefleckt und mit einer anderen, der des Rückens gleichlaufenden weißen Linie geziert; Kopf röthlichbraun; Bauch weißlich mit einem Anflug von Blau oder von Blaßgelb. Bei jungen Thieren iſt die breite Rückenbinde röthlich und ungefleckt, und die weißen Linien treten daher mehr hervor. Sardinien, Korſika. Iſt laut de Betta [Tiliguerta S. 19] identiſch mit der Lac. podareis var. Genei Cara's und mit der Podarcis tiliguerta Camerano's, während Camerano in ſeiner Monografia dei Sauri italiani [ſ. auch Zool. Anz. 1885 S. 418] dieſe Cara'ſche Lac. podarcis var. Genéi als Subſpezies zu Lac. taurica, Pallas zieht und der letzteren als Syno— nym auch „Lac. tiliguerta , Gmelin“ beifügt. 19. Var. Cettii (Cara, de Betta), Tiliguerta. Rücken des Männchens dunkel- grün und wie die matter grünen Seiten mit unregelmäßigen, ſchwarzen oder dunkel— braunen, in Längsreihen angeordneten und entweder mehr oder weniger von einander getrennten oder zu einem grobmaſchigen Netz zuſammengreifenden Flecken beſetzt; Unter— feite bläulichweiß [de Betta, Nuova serie — ©. 15]. Weibchen mehr grünbraun, mit ſchwarzen Fleckenbinden. Sardinien). 20. Var. sicula (Bonap.), ſiziliſche grüne M. Bonaparte bildet auf Tafel IL, Fig. a und b, ſeiner „Iconografia“ von dieſer Form eine albiventris (weißbäuchige) und eine rubriventris (rothbäuchige Spielart) ab. a) Unter-Varietät sicula albi- ventris: Oberſeite einfarbig gras-, oliven- oder graugrün (beim Weibchen zuweilen der Rücken grau); „an den Seiten zwei weiße, gelbe oder hellgrüne Längslinien, welche zwei ſchwarze Streifen oder Fleckenreihen oder ſchwarzes und graues Netzwerk zwiſchen ſich einſchließen“; Kopf oberſeits einfarbig braun oder braungrün, manchmal mit einigen mattſchwarzen Tüpfeln; Schwanz graugrün oder broncebraun; Kehle einfarbig grün— lich- oder bläulichweiß; Bauch und übrige Unterſeite bläulich- oder gelblichweiß oder hellroth überhaucht, die äußeren Bauchſchilder-Reihen manchmal grau gefleckt. Dieſe Form, mit welcher wohl die Lacerta bifasciata Riſſo's identiſch und die dalmatiniſche Varietät Merremii (ſ. Var. 17) nahe verwandt ift**), geht durch Rötherwerden des Bauches in die Unter-Varietät sicula rubriventris über, die ſich von jener durch prächtig roſa bis lebhaft orange- und mennigroth gefärbte einfarbige Unterſeite — die Kehle iſt häufig roth und ſchwarz gepunktet —, durch blaue, ſchwarz und roth getüpfelte äußere (1. und 6.) Bauchtafelreihen und durch größere, viereckige, in vier, drei oder auch in fünf Längsſtreifen geſtellte ſchwarze Flecke unterſcheidet; ein Rück— ) Die Akten über die ſardiniſche Eidechſe, welche Cetti i. J. 1777 unter dem dortigen volks— thümlichen Namen „Caliscertula“ oder „Tiliguerta“ beſchrieb und für eine beſondere Art hielt, von Gmelin, Bonnaterre, Meyer, Latreille, Shaw, Daudin, Merrem und Dugss unter dem gleichen Namen erwähnt und entweder ebenfalls für eine eigene Art oder für eine Varietät der viridis angeſehen, von Gens aber als eine muralis erkannt wurde, ſind noch nicht geſchloſſen; de Betta erklärt 1878 in einer beſonderen Schrift, „Sulla Tiliguerta o Caliscertula“, die Cetti'ſche Tiliguerta für eine lokale Farben⸗ varietät der gewöhnlichen (braunen) Mauer-Eidechſe, 1879 aber in ſeiner Nuova serie di note erpetol. dieſelbe für identiſch mit Cara's Podareis Cettii; Camerano ſtellt in feinen Sauri italiani 1885 das Männchen der Lac. tiliguerta Gmelin's zu de Betta's campestris, das Weibchen jedoch zu Cara's Genéi; Cara [Lucertola] vergleicht 1878 feine Cettü mit muralis albiventris, und mit dieſer dürfte ſie wohl eine Varietät bilden. — **) Dagegen macht J. v. Bedriaga 1882 in ſeiner Arbeit über die Reptilien-Fauna Korſika's ausdrücklich darauf aufmerkſam, daß ſeine braune viridiocellata nicht identiſch iſt mit der Bonaparte'ſchen und de Betta'ſchen sicula albiventris. Vierte Art. Mauer⸗-Eidechſe. 201 gratsſtreifen fehlt oder iſt nur im hinteren Theile durch runde ſchwarze Flecken ange— deutet. In ſeltenen Fällen iſt die Oberſeite des Körpers einfarbig olivengrün und die Unterſeite iſt ſchmutzig röthlichgelb oder mennigroth, nach vorn gelbgrün. Die letztere Lokalform, welche C. Hirſch bei Aranella und am Mte. Cuccio bei Palermo auf Sizilien ſammelte und von O. Böttger [Sizil. S. 138] erwähnt wird, nähert ſich e, der Unter-Varietät sicula Doderleini (de Betta [Nuova serie 1879): Rücken grün, mit ſehr wenigen, in Längsreihen ſtehenden ſchwarzen Punkten; die weißlichen Seitenlinien fehlen; an den Flanken eine grauliche, braun gefleckte Binde; Unterſeite weißlich mit grünlichem Anflug. Sizilien. — Hier ſei auch angefügt die Podareis roseiventris Maſſalongo's: Rücken grün oder bräunlichgrün, unregelmäßig ſchwarz geſprenkelt; Unterſeite fleiſchfarben. 21. Var. livornensis (de Bedr. Archiv f. Nat. 1879, I. Bd. S. 279), grünrückige M. Die breite Mittelzone des Rumpfes grasgrün, umſäumt von aus größeren ſchwarzen Flecken beſtehenden, hinter den Vordergliedmaßen beginnenden und in der Wurzel der Hinterbeine endenden Bändern; letztere begrenzt durch hellgrüne, am äußeren Rande der Scheitelſchilder entſpringende, mitunter nur ſpurweiſe ange— deutete Streifen; eine mittlere ſchwarze Fleckenbinde fängt erſt kurz vor der Schwanz— wurzel an und geht auf den braunen Schwanz über; Flanken bunt: mit grünen, hell— braunen, röthlichen und lilafarbigen Schuppen, nahe der Bauchgrenze auch mit einer zweiten, aber unbedeutenderen ſchwarzbraunen Fleckenbinde; Oberkopf und Schläfe gras— grün; hinter den Achſeln je zwei blaue Augenflecke; Oberſeite der Vorderbeine grün und ſchwarz gefleckt, die der Hinterbeine grünlichbraun und nur vorn dunkel gefleckt; Halsſeiten unten hell lila oder bläulich, Oberlippenſchilder hellgrün; Kieferſchilder bläulich angeflogen, Bruſt ſtellenweiſe blau gefleckt; äußere Längsreihen der Bauch— ſchilder blau, ſchwarz gefleckt, die übrigen Bauchſchilder röthlichgelb oder bläulich ge— färbt oder aber grünlich mit weißgelbem Rande. Bei Livorno und auf Sizilien; eine echte Feldbewohnerin. 22. Var. maculata (Fitzinger, de Betta, Eimer) = var. reticulata, Schreiber — var. insulanica, de Bedr., grün und ſchwarz quergeſtreifte M. Rücken grün, hell apfelgrün, grüngelb, broncegrün oder (Weibchen) broncegrau, jederſeits mit einer Reihe ſchräger, wellenförmiger, in der Mittellinie des Rückens (mit der Spitze nach vorn) zuſammenſtoßender ſchwarzer Querbänder, die jedoch nicht ſelten unterbrochen oder in Querflecke aufgelöſt ſind, ſodaß entweder eine üppige ſchwarze Querbänder-, oder eine Marmel- oder Netzzeichnung entſteht; Rumpfſeiten grau oder ſchwärzlich gefleckt und gemarmelt; Kopf oberſeits hell nuß- oder graubraun mit ſchwarzbraunen Tüpfeln; Beine oberſeits graugrün mit hellgrauen Augenflecken, die bei manchen Stücken in der Achſelgegend blau, ſchwarz umrandet, erſcheinen; Unterkiefer grünlich oder bläulich, 3. Th. grau gezeichnet; Bauch und übrige Unterſeite gelblich, auf den äußeren Bauch— ſchilder-Reihen meiſt grau und weiß, ſeltener blau und ſchwarz gefleckt. Sizilien; ferner auf den kleinen toskaniſchen Inſeln Pianoſa, Giglio, Ventotene, ſeltener auf dem Feſtlande Italiens. — Thiere mit üppiger, die Grundfärbung bis auf grüne Flecken oder wellenförmige Querſtreifen verdrängender ſchwarzer Marmel- und Netzzeichnung auf der Oberſeite und weißer, ſchwarz und dunkelgrau gewürfelter Unterſeite bilden die Varietät nigriventris Maſſalongo's, welche, ſobald der weiße Grundton von der ſchwarzen Zeichnung faſt verdrängt wird, in die Var. nigriventris Bonaparte's- de Betta's und in Schreiber's var. u übergeht. Süd- und Mittel-Italien: Sizilien, Neapel, Rom, kleines toskaniſches Felſen-Eiland La Scuola di Pianosa bei der Inſel Pianoſa. f 202 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Hier möge gleich eine Varietät angefügt ſein, welche zwar einen ſchwarzen Rücken hat, jedoch ihrem übrigen Zeichnungstypus nach nicht zu der Gruppe der ſchwarz— blauen M. gehört, vielmehr ſich ſehr gut an die Var. maculata anſchließt: das ur— ſprüngliche Grün iſt aufgehellt zu Goldgelb, aber ganz zurückgedrängt durch das Schwarz der Zeichnung, ſodaß dieſes als Grundfärbung erſcheint—. 23. Var. flaviundata (de Bedr. Archiv f. Nat., 45. Jahrg. I. Bd.] ), gelb- gewellte M. Ganze Oberſeite rabenſchwarz, Schädeldecke und Kehle mit gelben Makeln, Rücken und Rumpfſeiten mit feinen wellenförmigen, goldgelben Querſtreifen, Beine (namentlich die hinteren) mit gelben Augenflecken, Schwanzſchuppen mit gelben Rändern, der weißliche Grundton des Bauches durch eine würfelförmige ſchwarze Zeichnung ver— drängt, die Schilder der äußeren Längsreihen intenſiv grün; Unterſeite des Schwanzes ſtahlgrau mit gelben Flecken. Rom. 24. Var. Brüggemanni (de Bedr. Archiv, 45. J., I. Bd.]). Oberſeits auf gelb- oder hellgrünem, beim Weibchen braungrünlichem Grunde mit feinen, wellen— förmigen, an den Rumpfſeiten ein Netzwerk bildenden ſchwarzen Querſtreifen; an den Schultern große, oft hellblau erſcheinende Maſchen; Oberſeite des Kopfes braun mit grünen Flecken, der Beine grau und grün mit hellgrünen Augenflecken, des Schwanzes grünbraun mit dunkelbraunen Zickzacklinien; Unterkopf mit weißen, ſchwarz umſäumten Augenflecken, übrige Unterſeite weiß mit ſchwarzen Würfelflecken, die 1. und 6. Längs— reihe der Bauchſchilder blau. Spezia (Provinz Genua). 25. Var. pityusensis (Bosc 1883), Pithyuſen-M. Rücken ganz hellgrün oder grünlichgelb mit 3 bis 5 feinen, zuſammenhängenden oder aus loſen Strichelchen zuſammengeſetzten ſchwarzen bezw. ſchwarzbraunen Streifen; oft verzweigen ſich die Strichel der mittleren Längsſtreifen und bilden dunkle Schnörkel; zwiſchen dem ge— zeichneten Rücken und der mit einer aus dunllen Ringflecken beſtehenden Binde gezeich— neten Rumpfſeite ein breiter, fleckenloſer Streifen Grundfarbe; Bauchgrenze dunkel— braun und roth bezw. gelb gefleckt; Bauch, Kehle und Unterſeite des Schwanzes gelb, orange- oder ziegelroth, 1. und 6. Bauchſchilderreihe blaugrün, oder grün und bräun— lich; über der Wurzel der Vorderbeine öfters ein grüner, ſchwarzbraun umzogener Augenfleck. Pithyuſen. Gruppe C. Schwarze und blaue Mauer-Eidechjen: Rücken entweder ſchwarz, oder ſchwarzblau, oder blau, oder grünblau. Aus dieſer Gruppe ſchließen ſich, was den Körperbau anbetrifft, die Varietäten Gigliolii und Lilfordi an die vorgenannte Var. pityusensis eng an, mit der fie zu der Unterart der Balearen-Mauer-Eidechſe zählen; ſie ſeien daher zuerſt aufgeführt. Als Stammform der unter Nr. 28 bis 33 aufgezählten Varietäten ſieht J. v. Bedriaga die grüne muralis (neapolitana) an. 26. Var. Gigliolii (de Bedr. [Herp. Stud. 1879), Dragoneras-M. Weib- chen glänzender gefärbt als das Männchen: Rücken blau oder blaugrün, von etwa vier aus kleinen braunen Flecken beſtehenden Streifen durchzogen; Seiten hellnußbraun mit drei Reihen blaugrüner Augenflecke und einer dunkelbraunen Zickzackzeichnung; Oberkopf hellnußbraun mit kleinen ſchwarzen oder ſchwarzbraunen und blaugrünen Flecken; Schläfenſchilder abwechſelnd grün, blau, ſchwarz und braun; Kehle auf orange— rothem Grunde blaugrün geſpritzt; Bauchſchilder grauroth oder ziegelroth, die der 3. und 4. Längsreihe mit feinen blauen Streifen, die der 2. und 5. Reihe mit blauen Flecken, die der 1. und 6. Reihe ſaphirblau; Schwanz unterſeits milchkaffeefarben oder röthlich, oberſeits blaugrün bis ſaphirblau; Beine hellnußbraun mit dunkelbraunen Tüpfeln und blaugrünen Augenflecken. Männchen: Grundfarbe der Oberſeite vor— wiegend hellnußbraun, nur in der Gegend der Schwanzwurzel ausgeſprochen dunkel— Vierte Art. Mauer-Eidechje. 203 blau mit vier parallelen deutlichen oder aber nur angedeuteten blaugrünen Längs— ſtreifen, die nach vorn hin (Halsgegend) dem Grundton ähnlich hellbraun werden; Rumpfſeiten und Oberſeite der Beine meiſt einfarbig hellnußbraun, an den erſteren manchmal grüngelbe Augenflecken; Schädeldecke dunkelbraun; Schwanz oberſeits blau, ſeitlich und unten röthlichbraun und grün gezeichnet; Bauch und übrige Untertheile ähnlich denen des Weibchens. Länge 15—18 em. Wohnort: Inſel Dragoneras an der Weſtküſte von Mallorka. 27. Var. Lil fordi, Lilford-Eidechſe, von Günther i. J. 1874 [Ann. and Mag. of nat. hist., Ser. IV, vol. XIV, S. 158] als Zootoca Lilfordi beſchrieben und von M. Braun in feiner Schrift über Lacerta Lilfordi 1875 eingehend behandelt. Ganze Oberſeite glänzend ſchwarz, nur an den Rumpfſeiten (Flanken) dicht an der Grenze gegen die Bauchſchilder eine unregelmäßige Reihe von 3 bis 5 ganz dunkel— blauen, kleinen runden Flecken (bei jüngeren Thieren zwei Reihen); Bauch ſaphirblau; Schwanz⸗Unterſeite gegen die Spitze hin graublau bezw. rauchgrau; Hals an den Seiten meiſt mit ſchwarzen Ringflecken. 15— 16 cm lang. Wohnort: die kleine Inſel Ayre ſüdöſtlich von Menorka. 28. Var. kilfolensis, Filfola-Eidechſe. Von Günther 1874 zuerſt erwähnt, von Bedriaga 1876 [Faragl.-Eid.] benannt. Größer als die vorige, bis 22 cm lang. Oberſeite des Körpers tiefſchwarz, mit zahlreichen grünen und blauen Tüpfeln, längs der Rückenmitte meiſt mit grünlichgelben Tüpfeln, Rumpf- und Kopfſeiten entweder mit größeren oder mit kleinen runden Flecken bezw. Punkten beſetzt; Kopfoberfläche einfarbig ſchwarz oder auf ſchwarzbraunem Grunde braun gezeichnet; über oder hinter der Wurzel der vorderen Gliedmaßen ein großer kobaltblauer Augenfleck; Beine ober— ſeits braunſchwarz mit blaugrünen oder bräunlichen Tüpfeln, unterſeits dunkel blau— grau mit gelblichen Schilderſäumen; Schwanz ſchwarzbraun bis graubraun, unterſeits braunroth oder grau; Bauch blauſchwarz oder dunkel blaugrau; Kehle ſchwarzblau mit einigen hellblauen Flecken. Beim Weibchen zeigt das Schwarz der Oberſeite einen Stich ins Braune oder Grüne. Wohnort: die kleine Felſeninſel Filfola ſüdlich von Malta. Von dem unweit der toskaniſchen Inſel Ventotene gelegenen kleinen Eilande Santo Stefano und der Felſeninſel Seoglio di Mezzogiorno bei Palmarola werden gleichfalls Eidechſen mit faſt ſchwarzem, grün geflecktem Rücken und blauem Bauch erwähnt. 29. Bar. coerulea, Eimer 1874 = faraglionensis, de Bedr. 1876, Faraglioni-Eidechſe. Kopf glänzend pechſchwarz; Rücken Schwarz, bei den Weibchen zuweilen mit grünlichem Schimmer; Rumpfſeiten und Schwanzwurzel dunkelblau; Oberſeite des Schwanzes und der Gliedmaßen entweder gleichfalls dunkelblau oder blau mit lebhaft broncegrünem Anflug, letzteres namentlich auf der Oberſeite der Hinterbeine, die beim Männchen theilweiſe auch mit grünen Augenflecken und ſchwarzen Zeichnungen geſchmückt ſind; oberhalb der Wurzel der Vorderbeine ein broncegrüner Augenfleck; Bauch und übrige Untertheile, mit Ausnahme der gelblichen Fußſohlen und Schenkeldrüſen, ſchön königsblau, die Bauchſchilder gewöhnlich mit etwas hellerem Rande. 19—22—24 cm lang. Faraglioni-Felſen bei Capri. [Eimer, Capri II; J. v. Bedriaga, Faragl.-Eid.; M. Braun, Lac. Lilfordi]. 30. Var. coeruleo-coerulescens (Eimer), blaurückige M. Rücken tief— blau, gegen die Rumpfſeiten, die Schwanzwurzel und die Oberſeite der Gliedmaßen hin mehr blaugrün; Bauch etwas heller blau als der Rücken. 1877 von Eimer auf dem mittleren Faraglione gefunden. [Arch. f. Nat. 1881.] 31. Var. coerulescens monaconensis (mer), Monacone-Eidechſe. Rücken mattgrün mit nach den Seiten zunehmendem bläulichen Ton, auf der Rücken— Variation. Verbreitungs⸗ Bezirk. 204 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. höhe und den Kopfſchildern mit Miſchung von Braun; doch erſcheinen dieſe Theile dann, wenn man die Eidechſe ſo zwiſchen Sonne und Auge hält, daß das Licht ſchief über den Rücken fällt, gleichfalls prachtvoll dunkelblau (wie bei Var. 30); Bauch und Kehle bläulich. Monaconc-Fels öſtlich von Capri. 32. Var. coerulescens gallensis (Eimer), Galli-Eidechſe. Rücken grün, namentlich beim Männchen und an den Rumpfſeiten mit ausgeſprochen ſattblauem Ton; bei den Männchen der blaue Augenfleck hinter der Wurzel der Vorderbeine außer— ordentlich groß; Bauchſchilder der äußeren Längsreihen beim Männchen ſattblau, beim Weibchen grün gefleckt; Bauch blau. Galli-Felſen, im Meer zwiſchen Capri und Amalfi gelegen. 33. Var. archipelagica (de Bedr.), Schwarze Cykladen-Eidechſe, von Erhard auf den Cykladen entdeckt und 1858 auf S. 80 ſeiner Fauna der Cykladen als var. 8 beſchrieben: Varietät mit ſchwarzem Bauch und Schwanz, ſchwarzen, grün gefleckten Schenkeln und ſchwarzem Rücken mit grünen Fleckenreihen. Sie ſteht alſo hinſichtlich der Färbung am nächſten der Var. filfolensis.*) 34. Var. melisellensis (Draun), Meliſello-Eidechſe; von M. Braun in ſeiner „Lacerta Lilfordi“ und im Zool. Anzeiger 1886 Nr. 227 behandelt. Ganze Oberſeite ſchwarz; Unterſeite azurblau, Bauchſchilder der ſeitlichen Längsreihen heller: grünlichblau oder auch himmelblau. Einzelne Exemplare (jedenfalls Weibchen) auf dem Rücken ſchwarz- oder kaffeebraun, mit einigen helleren Längsbinden und Längsreihen von Flecken, welche im Spiritus bei allen Exemplaren mehr oder minder deutlich hervortreten und an die muthmaßliche Stammform, die braune muralis fusca er- innern. Wohnort: Inſeln Meliſello (Brusnik) und St. Andrea bei Liſſa im Adria— iſchen Meer. Hiermit ſchließen wir die Reihe der Spiel- und Abarten, der Varietäten und Sub— ſpezies. Es galt dabei in erſter Linie diejenigen Abänderungen der Stammform zu berückſichtigen, welchen von dem einen oder dem anderen Autor ein beſonderer Name beigelegt worden iſt. Jene Reihe würde ſich, wollten wir alle die zahlreichen kleineren Verſchiedenheiten und Uebergänge in Färbung und Zeichnung in Betracht ziehen, er— heblich verlängern, und ſie wird ſich ohnehin ausdehnen, wenn die einzelnen Theile des Verbreitungsgebietes unſerer muralis, namentlich gewiſſe ſüdländiſche Striche und Inſeln, noch genauer durchforſcht ſein werden. Indeß erweiſt ſchon die auf den vor— ſtehenden Seiten dargebotene Ueberſicht, daß die Mauer-Eidechſe unter ihren ſämmt— lichen Gattungsgenoſſen, ja wohl unter allen bis jetzt bekannten Echſen und Reptilien überhaupt, die bedeutendſte Variabilität beſitzt: die Neigung und Fähigkeit, die Körper— größe und gewiſſe Körpertheile nicht nur, ſondern auch und vor Allem die Grund— färbung, ſowie das Kolorit und die Art der Zeichnung abzuändern und beſtimmte Variationen feſtzuhalten, zeigt ſich bei der muralis am ausgeprägteſten. Welche Um— ſtände und Verhältniſſe immer dabei ihren Einfluß ausübten und ausüben, welche Rolle 3. B bei Ausbildung der den mittelmeeriſchen Eilanden eigenthümlichen Varietäten Inzucht und einſeitige Nahrung ſpielten, darüber läßt ſich, wie bereits auf Seite 54 berührt wurde, heut noch kein abſchließendes Urtheil fällen. Geographiſche Verbreitung. Die Mauer-Eidechſe iſt gleich der großen viridis eine ſü deuropäiſche Art; aber wie bei der einen der beiden mittel- und nordeuropäiſchen ) Hierbei ſei des auffallenden Umſtandes gedacht, daß die Erhard'ſche Beſchreibung einer anderen, nach Erhard auf den Cykladen heimiſchen Varietät mit ſchwarzgeflecktem grasgrünem Rücken und orange— rothem Bauch ganz mit der von Schinz [Eur. Fauna S. 22] gegebenen Beſchreibung der Bonaparte'ſchen sicula rubriventris übereinſtimmt (ſ. oben S. 200). Vierte Art. Mauer-Eidechfe. 205 Spezies, nämlich der Wald-Eidechſe, die geographiſche Verbreitung eine etwas ausge— dehntere iſt als bei der anderen, jo umfaßt auch der Wohnbezirk der Mauer-Eidechſe ein umfangreicheres Ländergebiet als der ihrer ſtärkeren Genoſſin, da ſie auch ſüdlich des Mittelmeeres, alſo in Nord-Afrika, heimatet. Von den europäiſchen Mittelmeer— ländern aus iſt ſie, wie die viridis, weiter nordwärts vorgedrungen und auf dieſe Weiſe im Donauthal bis ins Erzherzogthum Oeſterreich und im Rheingebiet bis in die Rheinprovinz und ſelbſt bis nach den Niederlanden gewandert, wo ſie ſich ſeit langer, nicht bekannter Zeit ſeßhaft gemacht hat. Die Niederlande, Provinz Groningen, bilden den vorgeſchobenſten Poſten ihrer geographiſchen Verbreitung, die eigentliche Nordgrenze der letzteren liegt indeß mehrere Grade ſüdlicher; öſtlich geht die muralis bis in die am Südufer des Kaspi-Sees gelegenen perſiſchen Diſtrikte, die Weſtgrenze bilden die atlantiſchen Küſten Portugals, Spaniens und Frankreichs. Wenn wir uns der beiden Hauptgruppen der muralis, der braunen und der grünen (Subſpezies fusca und neapolitana), erinnern und dieſe auf ihre geographiſche Verbreitung hin anſehen, ſo ergiebt ſich die Thatſache, daß die grüne und größere Form in Mittel- und Süd— Italien und auf den anliegenden Inſeln durchaus vorherrſcht und hier ſomit ihre eigentliche Heimat hat, daß ſie ſodann aus Venetien nach dem Karſt und nach Dal— matien und von hier aus nach der Balkan-Halbinſel und nach Kleinaſien übertritt, wie ſie anderſeits auch dem ſüdlich von Sizilien gelegenen Tunis und den zwiſchen— liegenden Inſeln angehört — daß ſie dagegen auf der Pyrenäiſchen Halbinſel und dem früher mit dieſer verbundenen weſtlichſten Nordafrika, ferner in Frankreich und Mittel— Europa, wo überall die braune muralis zu finden iſt, fehlt. Im Folgenden behan— deln wir jedoch nicht das Verbreitungsgebiet der einen oder der anderen Gruppe im Einzelnen, ſondern das der muralis überhaupt. Was zunächſt Nord-Afrika anbetrifft, fo kennen wir die Mauer-Eidechſe durch M. Wagner's „Reiſen“ aus der „Berberei“, durch H. Simon bezw. O. Böttger [Marokko II] von Tanger in Marokko, durch Strauchs „Algérie“ von Tlemcen in Algier“), durch Camerano [Conſid.] aus Tunis, durch das Berliner Zool. Muſ. aus der „Cyrenaika“, alſo vom Plateau von Barka im öſtlichen Tripolis, ſodaß ihre Ver— breitung bis zum 33. bis 32. Grad n. Br. hinab mit Sicherheit feſtſteht, muthmaß— lich aber noch weiter ſüdlich ſich erſtreckt. In Portugal iſt ſie laut Barboza du Bocage's „Liste“, in Spanien laut Ed. Bosca, Böttger-Kobelt und J. v. Bedriaga, welche Fundorte aus allen Provinzen des Landes nennen, ſehr häufig; auf den ſpaniſchen Inſelgruppen der Balearen und Pithyuſen tritt ſie, wie wir bereits wiſſen, in mehreren Varietäten auf. Kaum weniger gemein dürfte ſie in Frankreich, wenigſtens, wie die Arbeiten Riſſo's, Lataſte's [Gir.], Beltremieux', Olivier's, Ogeriens u. A. ergeben, in den ſüdlichen und mittleren Theilen deſſelben, ſein; doch fehlt ſie auch den nörd— lichen Bezirken, z. B. nach Lataſte der Umgebung von Paris, keineswegs. Aus Frank— reich geht ſie oſtwärts in die nördliche Schweiz und (durch die Reichslande) nach Deutſchland und nordwärts, dem Laufe der Maas folgend, nach Belgien. Hier iſt ſie laut Selys-Longchamps die gemeinſte Eidechſe, in Luxemburg iſt ſie laut Fontaine namentlich an den Befeſtigungen der Stadt Luxemburg, in Holland laut Schlegel's „Dieren van Nederland“ bei Nimwegen und — ein vorgeſchobener, iſolirter Poſten — in der Provinz Gröningen beobachtet worden; in dem letzteren Wohngebiet, unterm *) Aus Algerien ſtehen auch Stücke im Baſeler und im Berliner Zoolog. Muſeum; in dem letz— teren befinden ſich auch, auf Nr. 10672 und 10673, Exemplare aus Portugal bezw. Liſſabon (durch H. Simroth), ferner unter Nr. 3399 aus Malaga (durch Schlüter), von den Balearen u. a. O. Afrika. Weſt⸗Europa. Italien. Schweiz. 206 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 53. Breitengrad, erreicht ſie überhaupt den nördlichſten Grenzpunkt ihrer Verbreitung. Denn in England kommt fie, entgegen der Angabe Merrem's [Syſtem S. 67], keinen⸗ falls vor. Indem wir der Verbreitung dieſer Eidechſe im weſtlichen Deutſchland ſpäter uns zuwenden, überblicken wir zunächſt noch die anderen Gebiete ihrer Heimat. In Italien iſt ſie von den Alpenbezirken im Norden an bis zu der Südſpitze Calabriens ſo gemein, daß es Eulen nach Athen tragen hieße, wollte man die von den italiſchen und außer— italifchen Fauniſten verzeichneten einzelnen Fundorte hier aufzählen. Schon die Reiſenden des vorigen Jahrhunderts können ſich des Staunens über die allenthalben und in reichſter Anzahl ihnen begegnenden zierlichen, ſpielenden, ſich ſonnenden Mauer-Eidechſen nicht erwehren. So auch Goethe gelegentlich ſeiner italieniſchen Reiſe, indem er einer— ſeits über die Fahrt von Bozen nach Trient (September 1786) folgende Beobachtungen notirt: „Ueber Mauern wirft ſich der Attich lebhaft herüber; Epheu wächſt in ſtarken Stämmen die Felſen hinauf und verbreitet ſich weit über ſie; die Eidechſe ſchlüpft durch die Zwiſchenräume“, und indem er anderſeits dieſe „viergefüßeten Schlängelchen“ in einem, von uns auf Seite 80 bereits mitgetheilten Gedicht (Venedig 1790) ver— ewigte. Im nördlichſten Italien findet ſich hauptſächlich die gewöhnliche braune M., während die grüne Form und verwandte Varietäten vor allem das Land etwa vom Po an ſüdwärts bewohnen; ebenſo bevölkert die muralis in dieſer oder jener Form bezw. Varietät die großen Inſeln Sizilien, Sardinien und Korſika, die zahlreichen kleineren Inſeln des Tyrrheniſchen Meeres, die Lipariſchen, die Aegadiſchen und Mal— teſiſchen Inſeln. Während ſie in den franzöſiſchen und italieniſchen Alpengebieten überall zu Hauſe iſt, bewohnt ſie von dem Schweizer und öſterreichiſchen Alpenland nur gewiſſe und zwar die ſüdlichen Theile. Zwar kommt ſie, was die Schweiz an— betrifft, auch in den weſtlichen Diſtrikten und den nördlichen Grenzbezirken vor, wohin ſie von Weſten (Frankreich) her eingewandert iſt, allein im eigentlichen Hochgebirgs— land bewohnt ſie nur die ſüdlichen, von Savoyen, Piemont, der Lombardei und Süd— Tirol begrenzten Kantone; die Angaben Tſchudi's: die Mauer-Eidechſe komme in großer Anzahl in der ſüdlichen, weſtlichen und nördlichen Schweiz, in Teſſin, Wallis, Waadt, Bern, Aargau, Baſel ꝛc. und im Jura, vor, wogegen fie der ganzen mittleren (von der Wald- und Berg-Eidechſe bewohnten) Schweiz zu fehlen ſcheine, da der ganze Kanton Zürich, die kleinen Kantone?) und der ſüdliche Theil von St. Gallen, wahr— ſcheinlich auch der größte Theil des Kantons Graubünden keine Mauer-Eidechſen habe, entſprechen alſo auch dem heutigen Standpunkt unſerer Kenntniß noch. Im Kanton Graubünden iſt ſie laut Fatio's „Faune“ an einzelnen Punkten, ſo nahe der italieniſchen Grenze in den Thälern von Poſchiavo, Bergell und Miſocco, ferner laut Brügger bei Chur beobachtet worden; „an den Straßen Teſſins, an den Felſen des Wallis und an den Mauern, welche die Weinberge der Kantone Waadt und Neuchätel umſchließen“, findet ſie ſich laut Schinz' „Fauna helvetica“ in unzählbarer Menge; aus der Weſt— ſchweiz nennt ſie bereits der Verfaſſer der Naturgeſchichte des Jura, Razoumowsky; aus der Umgebung des Genfer See's verzeichnet ſie mir Herr Max Hoffmann, von Bern, wo ſie an Mauern überall zu ſehen iſt, die Herren Dr. Beck und Prof. Th. Studer, von Baſel Herr Dr. F. Müller, deſſen Mittheilungen zufolge ſie dort haupt— ſächlich und ſehr häufig an den Reſten der Stadtbefeſtigung und an der Albanſchanze ſowie an der Rheinhalde angetroffen wird. Von hier aus hat ſie ſich ſowohl rhein— abwärts, auf deutſches Gebiet, als auch rheinaufwärts verbreitet. In letzterer Beziehung ) Das heißt die Kantone Uri, Unterwalden, Glarus, Schwyz, Zug. D. Vierte Art. Mauer⸗Eidechſe. 207 kennt ſie ſchon Schinz [Fauna helv.] von Rheinfelden und von den Mauern und Felſen des Schloſſes Lenzburg im Aargau, Dr. Fr. Müller von Brugg in demſelben Kanton; für St. Gallen wird ſie von Bruhin und Fatio angezeigt. In der Schweiz findet fie ſich mithin noch unterm 47¼ Grad n. Br., im an- ſtoßenden Tirol jedoch ſinkt die Nordgrenze, entſprechend der Verbreitung im Schweizer Hochgebirge, um ½ bis 1 Grad nach Süden hin. Denn obgleich die muralis laut Gredler's „Fauna“ einzeln noch im oberen Theile des Innthales: bei Pfunds und Landeck, und von Hermann Krauß häufig an den Abhängen der Brennerſtraße zwiſchen Innsbruck und Schupfen!) beobachtet worden iſt, jo dürfen dieſe Fundorte doch wohl nicht als Punkte des allgemeinen Wohngebietes, ſondern nur als vorgeſchobene Stand— quartiere gelten; das letztere umfaßt vielmehr Tirol ſüdlich des Brenners oder genauer: ſüdlich des Vinſchgaues und des Puſterthales. Wie im Etſch- und im Eiſackthal ſelbſt, ſo findet ſie ſich nach Gredler auch „in allen Querthälern“ dieſer Flüſſe: in Lüſen, Villnöß und Eggenthal, im Sarnthal und Paſſeier (hier bei Moos, 3060 Fuß ü. M., noch ziemlich häufig), auf dem Nonsberge, im Thale von Primier, im Valſugana und Sarkathale ꝛc. — im Vinſchgau ſcheint ſie die Reſchener Höhen überſprungen zu haben und jo nach Pfunds im oberen Innthale gelangt zu ſein —, im Puſterthale bis an die „Windſchnur“ am Eingang des Antholzer Thales und jenſeits der Waſſerſcheide im Drauthale bei Lienz und Nikolsdorf, und in außerordentlicher Anzahl von dieſer nördlichen Grenzlinie an nach Süden hin, während ſie den Alpenländern nördlich der Brenner-Linie: Vorarlberg, Nordtirol, Bayern (vergl. hinten), Salzburg, Ober-Oeſterreich, fehlt. Jedenfalls aber iſt ſie dem oberen und unteren Drauthal weiter gefolgt und nach Kärnthen gelangt, wo ſie laut Kohlmayer an den öſtlichen Abhängen des Reißkofl in den Gaithaler Alpen und laut Gallenſtein überhaupt ſehr häufig an Mauern und Felſen, auch noch auf „höheren Gebirgen“ vorkommt. Ebenſowenig mangelt ſie dem Draugebiete Steiermark's, überhaupt dem ſüdlichen Theile dieſer Provinz und dem Herzogthum Krain: Herr Hermann Schalow fand ſie in Steiermark bei Graz und in Krain bei Adelsberg, und Herr Prof. A. v. Mojſiſovicz ſchreibt mir, daß muralis namentlich im mittleren Mur-Thale ſtellenweiſe häufiger als agilis ſei. In dem illyriſchen Küſtenland und Iſtrien begegnet man ihr, laut Schreiber und Erber, in „endloſen Abänderungen“. Ob ſie nach Nieder-Oeſterreich, wo ſie Laurenti's Angabe zufolge ſchon im vorigen Jahrhundert und laut Knauer gleicherweiſe noch jetzt „an günſtigen Orten“ allgemein verbreitet und ſpeziell in und bei Wien („ſchon längs des Linienwalles und am Gemäuer des Ufers der Wien“) zu bemerken iſt, von den Steieriſchen Alpen her gelangt, oder ob ſie, was mancherſeits allgemein angenommen wird, wie die Smaragd-Eidechſe das Donauthal herauf von Ungarn aus dahin ein— gewandert iſt, möge dahingeſtellt bleiben. Herr Prof. A. v. Mojſiſovicz äußert ſich mir über dieſen Punkt: „L. muralis verbreitet ſich, wie es ſcheint, ohne Unterbrechung einerſeits nach Nieder-Oeſterreich, anderſeits nach Ungarn, woſelbſt ich ſie auch in den Rieden des Drauecks erhielt.“ Von Nieder-Oeſterreich iſt ſie weſtwärts nicht weiter und nordwärts nur bis zum 49. Breitengrad, bis in die ſüdlichen Grenzſtriche Mährens, wo ſie jedoch laut Heinrich „nur ſelten“ vorkommt, vorgedrungen, ihr Verbreitungsbezirk bleibt hier alſo ein beſchränkterer als der der ſtärkeren viridis. Von den ſüdöſtlichen Alpenländern, von Mittel- und Süd-Steier, Krain und Iſtrien, aus läßt ſich ihre Verbreitung ſowohl unmittelbar nach Oſten hin in die Drau⸗, Sau⸗, Donau-Gebiete, als auch weiter gen Südoſten hin verfolgen, alſo einer— ) Verhandl. d. zool.-bot. Geſ. in Wien 1873 S. 8. Oeſterreich. Alpenländer. Ungarn. Donauländer. 208 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſeits durch Kroatien und das weſtliche Ungarn nach den Landſchaften des mittleren und öſtlichen Ungarns und der Donauſtaaten bis nach Siebenbürgen und zur Mün— dung der Donau, anderſeits durch Dalmatien auf die türkiſch-griechiſche Halbinſel. Da ſie in Ungarn ſich vorzugsweiſe der Donau entlang hält, ſo kommt ſie, wie E. Schreiber in ſeiner „Herpetologia“ ſagt, in den ſüdlichen Theilen des Landes durchgängig häufig, in den nördlichen hingegen nur ſehr vereinzelt oder auch gar nicht vor. Letzteres wird beſtätigt durch Jeitteles, der während ſeines dreijährigen Aufenthaltes in Kaſchau nur, und zwar im Sommer 1861, drei Stück erhielt, welche in einem Garten der Stadt bezw. in der Nähe derſelben gefangen waren!). Kaſchau, welches in gleicher Breite mit dem von Heinrich erwähnten ſüdmähriſchen Winkel liegt, dürfte der nördlichſte Punkt der Verbreitung der muralis in jenen Gebieten ſein; denn in Galizien fehlt ſie. Dagegen verzeichnet ſie aus der Umgebung Preßburg's Kornhuber, aus dem Donau-Drau-Eck Herr Prof. A. v. Mojſiſovicz, welcher auch [Süd⸗Ungarn 1889] anführt, daß es auch auf der banatiſchen Inſel AdahKaleh, welche außer „der kleinen türkiſchen Gemeinde und unſerer Beſatzung überhaupt nicht viel Lebendes beherbergt“, allerorts, auf den Baſteien, in den Kaſematten u. ſ. w. von dieſen behenden, munteren Thierchen wimmelte; aus dem ſüdlichen Ungarn kennt ſie Erber gleichfalls, und in Siebenbürgen iſt ſie dem dortigen Fauniſten Bielz zufolge im ſüdlichen Theile des Landes an ſteinigen Hügeln und ſonnigen Stellen der Vor— gebirge bis zu 3000 Fuß Höhe faſt überall häufig, ſo z. B. bei Michelsberg, Zoodt, am Rothenthurmpaß. Sie iſt ferner unweit der Donaumündung bei Tultſcha durch Graf Ferrari und Zelebor beobachtet worden, und von der Dobrudſcha und der Moldau aus tritt ſie nach Beſſarabien, wo ſie laut Tardent häufig vorkommen ſoll, über, um ſich von da aus weiter durch die ruſſiſchen Geſtade am Nordufer des Schwarzen Meeres bis nach Kaukaſien hin zu verbreiten. Exemplare aus der Um— gegend von Odeſſa ſtehen nach Bedriaga's Angabe im Zoolog. Muſeum der K. Aka— demie zu Petersburg; auf der Halbinſel Krim findet ſich muralis, laut der Mit- theilung Keßler's und Köppen's, an der Südküſte zahlreich, im Norden nur vereinzelt; Keßler meldete ſie auch aus dem Gouv. Kiew und Czernay aus dem Gouv. Charkow (Var. saxicola „nicht ſelten“). Dort ſcheint ſich alſo die Nordgrenze der Verbreitung bis gegen den 50. Grad n. Br. hin zu erheben, um jedoch im kaukaſiſch-kaspiſchen Gebiete bis zum 44. und 43. Grad ſich wieder zu ſenken. Schon Eichwald erwähnt auf Seite 745 des II. Bandes ſeiner in den Jahren 1825/26 unternommenen „Reiſe“, daß in Georgien die „ſchöne neue Art Lacerta chalybdea, Kichw., die ſpäterhin Herr Prof. Eversmann Lac. saxicola**) genannt hat“, vorkomme, und jagt 1842 in ſeiner Fauna caspio-caucasica betreffs ihres Wohngebietes: „Hab. in Caucaso, Iberia, ad Tiflisios urbem, Somchetia; etiam ad aquas carbonicas Kislawodskienses“. Spezielle Fund— orte aus jenem ſüdöſtlichſten Zipfel Rußlands kennen wir noch durch Eversmann, Keßler, O. Böttger [Paläarkt. Rept.], v. Bedriaga: Ufer des Fluſſes Belaja (Kuban), Sandſteinfelſen unweit des Sauerbrunnens Nordzana im Kaukaſus, Tarki und Lenkoran am Weſtufer des Kaspi-See, Elenowka, Daratſchitſchak, Kasbeck-Gebirge, Mleti im Aragwathal, Bad Abaſtuman, Berg Salawat bei Nucha, Umgebung des Goktſcha-See. Der Heimatbezirk der muralis zieht ſich nun am Weſtufer des Kaspi herunter und um das Südufer herum, mithin nach Perſien, wo ſie auch in einer beſonderen, auf Seite 197 behandelten Varietät auftritt; Blanford traf die Mauer-Eidechſe in der ) Sie waren 13,8 bis 15 em lang und gehörten, wie aus der Beſchreibung hervorgeht, zur ge— wöhnlichen braunen Form. — **) Sie ftellt aber keine neue Art, ſondern nur eine Varietät der Lac. muralis dar (vergl. S. 197). Vierte Art. Mauer-Eidechſe. 209 Provinz Maſenderan bezw. im Elburz-Gebirge, wo fie, und zwar bei Demawend, bereits de Filippi gefunden hatte; der letztere Reiſende zeigt ſie zudem für die ſüdperſiſche Provinz Lariſtan an. Ebenſo iſt ſie in den türkiſchen Gebieten Vorder-Aſiens zu Hauſe, wie aus dem Folgenden erhellen wird. Im nördlichen Perſien, etwa unterm 72. Ferro-Grad, ſcheint fie die Oſtgrenze ihrer Verbreitung zu erreichen. Wie den Karſt, ſo bewohnt die muralis auch Dalmatien in der braunen und in der grünen Form, bezw. in mehreren Varietäten: nach Erber machen ſich außer den gewöhnlichen Mauer -Eidechſen „in endloſen Abänderungen“ auch die Schinz'ſchen Abarten olivacea, welcher Erber am zahlreichſten bei dem Lago di Bocagnazzo unweit Zara begegnete, und Merremii ſehr bemerklich, und Franz Werner nennt im „Zool. Garten“ 1891 S. 229 für Dalmatien die Lac. mur. fusca ſowie die Lac. mur, cupreiventris und campestris. Bereits Germar erzählt i. J. 1817, daß Dalmatien von dieſen Eidechſen „wimmelt“. Erber fand ſpeziell die Merremii häufig auch in der Herzegowina und in Montenegro, und nach O. von Möllendorf iſt muralis auch in Bosnien, jo in zahlreichen Abänderungen bei Serajewo und Travnik, gemein. Aus der Türkei, z. B. der Umgebung von Konſtantinopel, iſt die Mauer⸗Eidechſe gleichfalls bekannt; ebenſo aus verſchiedenen Strichen des feſt— ländiſchen Griechenlands, worüber Bory de St. Vineent, de Betta, v. Heldreich, v. Bedriaga berichten. Die die Balkan-Halbinſel begleitenden Inſel-Gruppen beherbergen die muralis in größerer oder geringerer Menge und dieſen oder jenen Varietäten. M. Braun nennt im Zool. Anz. 1886, S. 429, die dalmatiniſchen Inſeln Meliſello (Brusnik), St. Andrea, Buſi, Torcola und die entfernter von Liſſa und Leſſina gelegene J. Pelagoſa, J. v. Bedriaga Luſſin und Leſſina und die Iufel Cephalonia; auf Corfu fand Erber [Griechenld.] die Var. Merremii, von Kreta find Belegſtücke im Berliner Zool. Muſ. (Nr. 10527 Var. neapolitana durch Maltzan); auf den Cykladen wurde ſie ſchon durch Erhard feſtgeſtellt und neuerdings durch v. Bedriaga, welcher auch Exemplare von Andros und von den zwiſchen Attika und Negroponta liegenden kleinen Petali-Inſeln in Augenſchein nehmen konnte, auf Syra, Tinos, Mykonos, Phanar, Seriphos und Milo in großer Anzahl angetroffen; von Rhodus meldete fie Erber (Lac. Merremmii) und für Cypern verzeichnen fie Unger und Kotſchy. Aus dem benachbarten Syrien und Paläſtina, und zwar von Beirut, Saida, Tyrus, Hangonueh und dem See Hule, iſt fie durch A. Günther [Palestine] und L. Lortet |Tiberiade] bekannt geworden, und Fr. Müller- Baſel erwähnt fie noch [III. Nachtrag] für Jeruſalem. Als kleinaſiatiſche Fundorte ſind zu vermerken Bruſſa und Trapezunt. Durch das türkiſche Armenien aber iſt die Verbindung mit den ruſſiſch— armeniſchen, kaukaſiſchen und perſiſchen Theilen des Verbreitungs Bezirks hergeſtellt. In Deutſchland bewohnt die Mauer-Eidechſe ausſchließlich das Gebiet des Rheins, und zwar in erſter Linie das des Ober- und Mittel-Rheins, von Baſel an bis Bonn. Ihres Vorkommens in Deutſchland gedenken zuerſt Memminger 1820 für Neuenbürg im württembergiſchen Schwarzwaldkreis, Römer-Büchner 1827 für die Darmſtädter Gegend, Koch 1828 in Sturm's „Fauna“ für die Rheinpfalz, Schäfer 1844 für die Moſel. Faſſen wir die Oertlichkeiten ihres Vorkommens auf deutſchem Boden ins Auge und vergleichen wir unter Anderem die hinſichtlich ihres Auftretens in Württemberg von Paulus i. J. 1857 und von Klunzinger i. J. 1883 mitgetheilten Beobachtungen, ſo werden wir erkennen, daß die muralis aus Frankreich und der Schweiz, und zwar durch das Thal des Doubs und die zwiſchen Jura und den Vogeſen beſtehende Gebirgslücke, nach der oberrheiniſchen Ebene und gleichfalls aus Frankreich her durch das Moſelthal nach dem Gebiet des Mittel-Rheins einwanderte, 14 Balkan⸗ Halbinſel. Deutſchland. Reichslande. Baden. Württemberg. 210 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und daß ſie ſich vom Rheinthal aus dann in verſchiedene Nebenthäler verbreitete, um in dieſen ganz allmählich nach der Quelle der betreffenden Flüſſe hin vorzurücken— Und wenn ſie an manchen, zwiſchen Eingang und Ausgang des einen oder anderen Thales gelegenen Punkten nicht, wohl aber ſeit wärts davon zu finden iſt, jo beſagt dies nur, daß an den erſteren Plätzen keine entſprechenden und günſtigen Verhältniſſe zum ſtändigen Verweilen einluden. Dieſelbe Wahrnehmung ließ uns ja auch die Smaragd-Eidechſe machen. Ueberhaupt bildet die letztere Art hinſichtlich Einwanderung und Ausbreitung in Deutſchland manchen Berührungspunkt mit der muralis; jedoch umſpannt der Wohnkreis der Mauer-Eidechſe, da er Baden, einen großen Theil Württembergs, Heſſens, Rheinpreußens, Naſſaus und die Rheinpfalz umfaßt, nicht nur einen viel größeren Bezirk Südweſt- und Weſt-Deutſchlands als der der viridis, ſondern er reicht in der Rheinprovinz auch weiter nach Norden hin als der ihrer großen Gattungsgenoſſin. Anderſeits treffen wir dieſe auch im öſtlichen Deutſchland, im Gebiete der Oder und Weichſel; ſie konnte ja dem Lauf dieſer Ströme folgen, da ſie in deren Quellgebiet heimiſch war, was bei der muralis eben nicht der Fall iſt. Was zunächſt die Reichslande auf dem linken Rheinufer anbelangt, jo liegen mir mehrere direkte Nachrichten über ihr dortiges Vorkommen vor: Herr Hans Simon beobachtete ſie in den Vogeſen und gab ein erbeutetes Stück an das Senckenberg'ſche Muſeum zu Frankfurt a. M.; Herr Dr. Andreae fand ſie 1880 auf dem Waſichen— ſtein und bei Barr im Elſaß, allerdings ſeltener als in der Pfalz; Herr Lieutenant Heinicke ſah ſie in reicher Anzahl an den ſonnigen Weinbergsmauern bei Metz und auf den Bruſtwehren und Wällen der Feſtung; aus Lothringen wird ſie übrigens auch ſchon von franzöſiſchen Fauniſten erwähnt. In Baden dehnt ſich ihr Wohnbezirk von der Süd- bis zur Nordgrenze des Landes hin. Freilich iſt ſie nicht über alle Theile deſſelben gleichmäßig verbreitet, vielmehr bevorzugt ſie, Nüßlin's Angabe 1883 zufolge, die wärmeren Seitenthäler in der Region der Vorberge, ſo das Murg-, das Neckarthal u. a.; an ſolchen Orten aber tritt ſie ſo zahlreich auf, daß Herr H. Kober— Freiburg mir meldete, ſie ſei noch häufiger als die Zaun-Eidechſe. Aus der ſüdweſt— lichen Ecke des Landes, in der Nähe von Baſel, wo ſie ſehr gemein iſt, nennt Herr Dr. Fr. Müller mir die heißen Muſchelkalkhänge und Rebberge zwiſchen Grenzach und Wiehlen als Fundorte der muralis. Und da ſie vom Rheinthal- aus die Thäler der in dieſen Strom ſich ergießenden Schwarzwald-Flüſſe aufſucht, ſo fehlt ſie auch dem ſoeben genannten Gebirge nicht. Wie bereits Paulus i. J. 1857 feſtſtellte, folgt ſie der Wutach und deren Zuflüſſen bis über Waldshut hinaus, der Gutach bis Triberg, der Kinzig bis nahe an Loßburg, der Rench bis Oppenau, der Murg mit deren Zu— flüſſen bis Freudenſtadt und Umgebung, der Alb bis Herrenalb, der Pfinz, der Salza bis Bretten, der Kraich, dem Schwetzinger Bach bis in die Nähe von Sinsheim, ferner vom Unter-Neckar aus dem in dieſen einmündenden Odenwald-Fluß Elſenz bis Sins— heim. Ihr Vorkommen ſpeziell bei Heidelberg hat Welcker i. J. 1866 angezeigt, und Herr J. v. Bedriaga theilte mir 1880 mit, daß ſie daſelbſt, und zwar am Neckar— Ufer bei Neuenheim gegenüber der Stadt, ſehr häufig ſei, während ſie einige Jahre ſpäter infolge der Ueberſchwemmungen dort recht gelitten hat. Indem die muralis aus der Rheinebene und vom Unterlauf des Neckar bergwärts wanderte, gelangte ſie auf württembergiſches Gebiet. Bereits 1857 hatte Paulus ihre Verbreitung im Neckarthal und den Thälern der dem Neckar unmittelbar und mittelbar zugehenden Flüſſe mit Aufmerkſamkeit verfolgt, ſodaß er dem Verein für vaterländ. Naturkunde in Württemberg ein diesbezügliches Kärtchen vorlegen konnte. Danach zog ſich der Wohnkreis der Mauer-Eidechſe damals durch das Neckargebiet Vierte Art. Mauer⸗-Eidechſe. 211 bis oberhalb Hoheneck, längs der Jagſt bis Möckmühl, des Kochers bis Neuenſtadt, der Enz bis zum Enzklöſterle, der Glems bis nahe an Leonberg, der Würm bis über Döffingen hinaus, der Nagold bis nahe an Wildberg, einer kurzen Strecke an der Eyach und längs der kleinen Enz bis nach Fautsberg, wo fie ſich auch auf dem Plateau bis nach Neuenbürg — hier wurde ſie bereits 1820 durch den als Entomologen bekannten Geh. Legationsrath Roſer entdeckt — ausbreitete, während ſie an den bezeichneten Flüſſen nur dem engeren Flußthal gefolgt war; außerdem gab Paulus an, daß muralis bei Wahl ihres Aufenthaltes ſich auf die Gebirgsformationen vom Urgebirg aufwärts bis zum Muſchelkalk beſchränke, wogegen fie den Keuper und die über demſelben lagernden Schichten nicht zu bewohnen ſcheine. Dieſe Ergebniſſe der Paulus'ſchen Nachforſchung erfuhren 1883 durch die Feſtſtellungen und Mittheilungen von Klunzinger mehrfache Erweiterung. Zunächſt hebt Klunzinger hervor, daß muralis auch in echten Keuper⸗Gegenden aufgefunden worden ſei, jo bei Brackenheim, wo fie bis auf die höchſten Höhen des Stromberges hinaufgehe; bei Maulbronn ſei ſie, der Oberamts— beſchreibung von 1870 zufolge, „die häufigſte Eidechſe und in neueſter Zeit eingewandert“. Sodann iſt ſie auch im Tauberthal bei Mergentheim, alſo im nördlichen Zipfel Würt— tembergs, angetroffen worden. Daß ſie ſich überhaupt allmählich weiter verbreitet, darf auch aus anderen Umſtänden geſchloſſen werden; ſo z. B. ſagt Paulus 1857, ſie gehe im Nagoldthal „bis nahe an Wildberg“, während es bereits 1874 bei dieſem Orte förmlich von Mauer-Eidechſen wimmelte. Die flinkere muralis ſcheint übrigens die langſamere und plumpere agilis in der That zu verdrängen; doch fehlt ſie noch in Oberſchwaben, auf der ganzen Alb, wo nur Zaun- und Wald-Eidechſe vorkommen; vom Neckarthal bewohnt ſie den „mittleren Theil mit ſeinem ganzen Gebiet (Stuttgart bis Rottenburg)“ nicht, wohl aber den unteren Theil — ſo laut F. Keller bei Beſigheim und Bietigheim, ferner Lauffen, Gebiet der Zaber (Michelberg), Heilbronn (am Wartberg), Weinsberg, am Unterlauf von Kocher und Jagſt —, und ebenſo tritt ſie im oberen Theil wieder auf, ſo an Muſchelkalkfelſen bei Horb, wo ſie vermuthlich auch neuerdings erſt eingewandert iſt. Im Allgemeinen findet ſich muralis alſo im unteren Neckar— und im Schwarzwald-Gebiet, außerdem aber auch am Hohentwiel, der bekannten würt— tembergiſchen Enklave im ſüdöſtlichen Baden nahe der Schweizer Grenze, welche geo— graphiſch ins eigentliche Rheingebiet gehört. Aus dem Badiſchen tritt die Mauer-Eidechſe, dem Rhein folgend, nach Heſſen über. Paulus bemerkt 1857, daß ſie ſich längs der aus dem Odenwald kommenden Zuflüſſe des Neckar verbreite, doch giebt Pr nichts Näheres an; Herr Prof. Glaſer ſah ſie bei Heppenheim an der Bergſtraße ſchon in den vierziger Jahren und fand ſie all— gemein um Worms an Weinbergs- und Gartenmauern; in dem Verzeichniß der Thiere und Steine des Frankfurter Gebietes von Römer-Büchner 1827 wird erwähnt, daß ſie „gegen Darmſtadt“ vorkomme; Herr W. v. Reichenau beobachtete ſie bei Groß-Gerau und theilte mir mit, daß ſie 1886 zu Hunderten an den Weinbergsmauern auf dem rechten Rheinufer bei Mainz, 1887 aber infolge des ſchlechten Frühjahres nur vereinzelt ſich zeigte, und daß die dortigen Stücke denen aus Roveredo in Welſch-Tirol ganz gleich ſeien; bei Bingen iſt ſie durch Glaſer und Leydig, z. B. vom Rochusberg und Scharlachskopf, nachgewieſen. Dem Mainthal und Taunus fehlt ſie. Um ſo zahlreicher iſt ſie im Rheinthal von Rüdesheim und Bingen an abwärts bis zum Siebengebirge ſowie in der Rheinpfalz, im unteren Nahe- und im Moſelthal. Wenn ſchon 1828 Koch ſagt, daß ſie in der bayeriſchen Rheinpfalz häufiger als jede andere Eidechſe vor— komme, ſo gilt das vielleicht heute auch; Herr M. Kruel ſchreibt mir, daß ſie dort an ſonnigem Mauerwerk häufig ſei, Herr Dr. Andreae fand ſie beiſpielsweiſe 1880 14* Miltel-Rhein. Nieder-Rhein. Eifel. 212 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. zwiſchen Trifels und Madenburg zahlreich, Jäckel nennt 1871 als Fundorte Freinsheim bei Dürkheim, Grünſtadt und Duttweilen und Dr. C. Koch theilte mir mit, daß er ſie in der Rheingegend nirgends ſo oft angetroffen habe als am Haardtgebirge. Das Nahethal bewohnt die muralis, Geiſenheyners Feſtſtellungen zufolge, von Kirn an abwärts bis zum Rhein, außerdem auch laut Angabe des Hern Lehrer Pfeifer in Gemünden das Nebenthal des Hahnebach aufwärts bis zum letztgenannten Orte; im Einzelnen werden als Fundplätze vermerkt Sponheim, Schloß Dhaun, Kreuznach (Monau, Winzenheim), Langenlonsheim, Ebernburg, Rheingrafenſtein, Münſter a. St., Binger— brück. Noch häufiger als an der Nahe iſt die Mauer-Eidechſe, wie mir Herr L. Geiſen— heyner ſchreibt, an der Moſel, für welche ſie denn auch bereits Schnur 1857 als die gemeinſte Eidechſe angezeigt hat. Auch Leydig [Rhön] „ſah fie dort in Menge an Felſen und Steinbergen, ſowie innerhalb der altersgrauen Städtchen, an Kloſter- und Burgruinen“, und an manchen recht günſtigen Stellen von der ſtattlichen Größe der Meraner Exemplare. Das linke Rheinufer zwiſchen Bingen und Koblenz bewohnt ſie gleichfalls, v. Bedriaga beobachtete ſie z. B. bei St. Goar, Noll bis Koblenz und zwiſchen dieſer Stadt und Winningen a. d. Moſel. Nicht minder fehlt ſie gegenüber, am Naſſauiſchen Rheinufer; Herr Harrach erbeutete ſie hier an verſchiedenen Plätzen, Herr Dr. O. Böttger fing ſie häufig bei St. Goarshauſen, Herr Dr. C. Koch fand ſie in den felſigen Partien von Rüdesheim regelmäßig, ebenſo im unteren Wisper- und im unteren Lahnthal; aus dem letzteren, und zwar von Ems und von Hohenrhein, war fie durch die Herren Vogelsberger und Inſp. Münſter bereits in den 50er Jahren dem Profeſſor Kirſchbaum bekannt geworden. Sodann zieht ſie ſich weiter rhein— abwärts bis ins Siebengebirge: Melsheimer wies ſie für die Umgebung von Linz nach, Leydig bemerkte ſie bei Höningen und auf dem Drachenfals des Siebengebirges, W. Bölſche auf der Wolkenburg. Nach dem jetzigen Stande unſerer Kenntniß erreicht ſie hier die Nordgrenze ihrer Verbreitung am Rhein, d. h. in der preußiſchen Rheinprovinz, denn bei Nimwegen, ſomit dicht an der Scheide des preußiſchen Gebietes, wurde ſie wieder angetroffen. Bei und in der Stadt Bonn, alſo gegenüber dem Siebengebirge, iſt muralis wenigſtens früher auch, und zwar von la Valette St. George an ſonnigen Mauern der alten Anatomie und von Bertkau am fogen. alten Zoll und an der Mauer der gynäkologi— ſchen Klinik, beobachtet worden; doch weiß der Berichterſtatter, Leydig, 1881 [Rhön] keine neueren Funde mehr anzuführen, und es iſt möglich, daß ſie dort gänzlich wieder verſchwunden iſt. Dagegen hat ſie ihr Wohngebiet von der betreffenden Rheinthal— ſtrecke, von dem Unterlauf der Ahr, wo fie bei Altenahr vorkommt, und von der Moſel aus weſtwärts bezw. in nordweſtlicher Richtung ausgedehnt, in die Eifel, ohne indeſſen auf dieſem weiten, einförmigen Plateau allgemein verbreitet zu ſein. So vermißte Leydig, welcher daſſelbe wiederholt und zu verſchiedener Jahreszeit beſuchte, unſere Eidechſe in der Umgegend von Daun ſowohl an den ſonnigen Berghängen als auch in der Umgebung der Maare, außerdem im Liſerthal; erſt im tief eingeſchnittenen Thal der kleinen Kyll, auf dem Wege von Manderſcheid nach Meerfelden, erſchien ſie an ſonnigen Felſen, zahlreich insbeſondere bei Manderſcheid am Anſtieg zum Belvedere; ferner fand ſie Leydig bei Gerolſtein im Kyllthal, im Uesthal bei Bertrich, wo ſie ebenfalls bis zum Saum der Hochfläche hinaufgeht, endlich an den Steinhalden Nieder— mendig's und häufig am Laacher See. Der äußerſte vorgeſchobene Poſten nach Nord— weſten hin dürfte aber wohl der folgende Fundort ſein: „Vor kurzem habe ich“, ſo ſchrieb mir Herr Dr. Koch am 2. Mai 1881, „ein Exemplar in der hohen Venn bei Lammersdorf, nahe der preußiſch-belgiſchen Grenze, beobachtet.“ (Daß ſie in Belgien, Vierte Art. Mauer⸗-Eidechſe. 213 mit Ausnahme der Ardennen, ſowie in Luxemburg wieder zahlreich auftritt, erfuhren wir bereits durch Selys-Longchamps und Fontaine.) Nach den auf Seite 207 vermerkten Angaben wiſſen wir, daß die Mauer-Eidechſe den Alpenländern nördlich der Brenner-Linie im Allgemeinen vollſtändig fehlt. Als Ausnahme durften wir das Auftreten bei Pfunds und Landeck im oberen Innthal und an den Abhängen der Brennerſtraße (an Glimmerſchieferfelſen, Stein- und Holzgeländer) zwiſchen Innsbruck und Schupfen verzeichnen. Hinſichtlich des erſteren Vorkommens vermuthet Gredler, daß muralis aus dem Vinſchgau, alſo dem oberen Etſchthal, über die Reſchener Höhen nach dem oberen Innthal gelangt ſei; doch kann man auch an— nehmen, daß ſie ſchon von Graubünden her dem Jun (Engadin) gefolgt und ſo nach dem oberen Junthal Tirols gekommen iſt. Das Erſcheinen an der Brennerſtraße aber weiſt auf ein Einwandern der Eidechſe aus dem Thal des Eiſack über den bequemen Brennerpaß in das Thal der Sill hin. Iſt das aber geſchehen, ſo dürfte es nicht auffallen, wenn muralis nun auch die Sill bis zur Mündung bei Innsbruck begleitete und von da ab in das tiroliſche Unter-Innthal und weiter auch nach Oberbayern ſich verbreitete. In dieſer Beziehung gilt es allerdings noch allenthalben ein aufmerkſames Auge auf ein etwaiges Auftreten unſerer Eidechſe zu haben, damit Feſtſtellungen ge troffen werden; und bereits vor einigen Jahren ſchrieb Herr W. v. Reichenau mir, daß er ſie bei Miesbach in Oberbayern häufig beobachtet habe. Die auf den vorſtehenden Seiten dargebotene Ueberſicht bekundet, daß die Mauer— Eidechſe ſich etwa über 63 Längen- und 21 Breitengrade verbreitet; denn der ge— ſammte Wohnbezirk reicht vom 9. Ferrograd (atlantiſche Küſten Portugals und Spaniens) im Weſten bis zum 72. Grad ö. L. (Perſien) im Oſten, und vom 32. Grad (Nordafrika) im Süden bis zum 53. Grad n. Br. (Holland) im Norden. Die Nord— linie hebt und ſenkt ſich in ihrem Verlaufe gar merklich; ganz außergewöhnlich ſteigt ſie im Weſten, in Belgien und Holland, um von da längs des Rhein- und Neckar— thales hinab in Württemberg, Baden, der nördlichen Schweiz und in Tirol bis auf den 47 ½ oder 47. Grad zu fallen, dann in Nieder-Oeſterreich und Ober-Ungarn bis zum 49., in Klein-Rußland bis zum 50. Grad ſich wieder zu erheben und nun nach Kaukaſien und dem Kaspi hin ſich ſtetig zu ſenken bis auf den 37. Grad hinab, ſo— daß alſo die Nordgrenze der Verbreitung hier der allgemeinen Südgrenze ſich erheblich nähert. Es muß auffallen, daß die Mauer-Eidechſe, die, wie wir kennen gelernt haben, durch Fortwandern ihren urſprünglichen Verbreitungsbezirk bedeutend vergrößert hat und dabei dem Kulturboden ſich anpaßt und anſcheinend mit Vorliebe dieſem folgt, doch einer etwaigen künſtlichen, d. h. von Seiten des Menſchen verſuchten Erweiterung des Wohnkreiſes gegenüber ſich gern ablehnend verhält. Dieſe Erfahrung mußte zunächſt Welcker machen, indem er in den ſechziger Jahren zweimal eine größere Anzahl Mauer-Eidechſen von Heidelberg nach der Haardtburg am Fuße des Gleiberges bei Gießen brachte, ohne daß es gelungen wäre, ſie hier zu erhalten [Zool. G. 1866, S. 210]. Auch von Wildberg wurden, wie Revierförſter Biberſtein an Herrn Prof. Klunzinger berichtete, 1874 zwölf Prachtſtücke an Prof. G. Jäger-Stuttgart geſchickt und von dieſem in den Kriegsbergen bei Stuttgart ausgeſetzt, indeſſen ſeitdem dort nichts wieder von den Thieren bemerkt. Hingegen iſt die Einbürgerung von Mauer Eidechſen, und zwar Bozener Exemplaren, an einem anderen Württemberger Orte, in Tübingen, ſeit 1880 „vollkommen geglückt“; denn, ſo ſchreibt mir Herr Dr. C. Fickert i. J. 1887, „die Eidechſen pflanzen ſich fort und haben ſich ſchon über das urſprüng— liche Akklimatiſations-Gebiet, den Garten des Herrn Prof. Eimer, hinaus verbreitet“. Ober-Bayern. Grenzen der Verbreitung. Künſtliche Verpflanzung. Aufenthalt. Weſen. 214 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Ein Kind des Südens, verlangt die Mauer-Eidechſe zum Wohlbefinden warmen, ſonnigen, lichten, freien Aufenthalt. Ob der Untergrund deſſelben hart oder lockerer iſt, gilt ihr gleich; nur trocken muß er ſein. Dann verſteht ſie auch allen Verhältniſſen ſich anzuſchmiegen, mag der Wohnort nun die Abdachung und Einfaſſung eines Weingeländes oder das Gemäuer von Feſtungen und altersgrauen Städtchen, Kloſter- und Burgruinen, die Felspartie und Sohle eines Flußthales oder der Abhang eines Berges, das kahle, zerklüftete Geſtein einer Felſeninſel oder Obergeſchoß und Fachwerk eines Hauſes, eine Wingerts-, Garten-, Ufermauer oder die ſteile löcherige Erdwand eines Hügels, einer Böſchung, die Lava— blöcke in größerer und ger agen Nähe eines Kraters oder aber der ausgetrocknete Graben und das Geländer einer Landſtraße, das mit Bäumen beſtandene Geſtade eines Sees oder aber ſelbſt (wie es bei der Varietät campestris der Fall) das grasbewachſene freie Feld und der ſandige Meeresſtrand ſein. Den ſonnigen Lagen freundlicher Gebirgsthäler folgt ſie aufwärts bis zu 4000, ja ſelbſt bis zu 5000 Fuß Meereshöhe, wie es z. B. an der Seiſer-Alpe und auf dem Salten in Südtirol geſchieht; laut Venance Payot geht fie im Gebirgsſtock des Montblanc ſelten höher als 1500 m und laut Fatio in der Schweiz auf der nördlichen Seite der Alpen ſelten höher als 1250 m, während ſie am Südabhange der letzteren auch wie in Tirol bis 1700 m hinaufſteigt; ſie übertrifft mithin hinſichtlich der Höhen-Verbreitung die Smaragd— und vornehmlich die Zaun-Eidechſe, bleibt jedoch hinter der Wald-Eidechſe zurück. Eine beſondere Geſteinsart als Untergrund ſcheint ſie, wie wir von Seite 211 her wiſſen, nicht zu bevorzugen; wohl aber bleibt ſie, wenigſtens bei uns in Deutſchland, am liebſten in den Thälern und beſiedelt die Plateaus nur ausnahmsweiſe (ſo in Württemberg bei Langenbrand, Freudenſtadt, Neuenbürg). Neben der Zaun-Eidechſe iſt ſie es, welche die unmittelbare Nachbarſchaft der menſchlichen Wohnungen aufſucht, ja in dieſe ſelbſt kommt. Dies thut ſie unter Anderem in Südtirol, wo ſie zur Ver⸗ wunderung des Nordländers in Schaaren alle ſonnigen Stellen, Pfoſten und Bäume, alte Mauern und Barrieren, Hausmauern, ja Kirchthürme bis zur Spitze belagert und, wie Gredler ſchildert, „die unvermeidlichen flinken Thierchen den Fliegen gleich hier kreuz und quer über Gemüſe huſchen, dort über Früchten, die zur Dörre ausge— legt, leidenſchaftlich ſich balgen und allenthalben ihr prüfendes Spitzſchnäuzchen darein— haben“. Und wenn die Alten ſchon behaupteten, daß die Eidechſen die Nähe der Menſchen lieben, ſo hatten ſie dabei jedenfalls die muralis, die „menſchenfreundliche Eidechſe“, vor Augen. In der Regel wählt ſie Ritzen und Spalten, die ſich an ihrem Aufenthalt in Mauern und Felſen, Geſtein- und Holzwerk vorfinden, oder Löcher und Lücken ſteiler Erdwände, Wälle und dergleichen als Zufluchtsort; und nur wo derartige Verſtecke fehlen, birgt ſie ſich, ſo am Lido bei Venedig, unter Stauden und Sträucher oder im Wurzelwerk der Grasbüſche. Wie die Mauer-Eidechſe die Menſchen zu erkennen und abzuſchätzen weiß und demgemäß ihr Benehmen denſelben gegenüber einrichtet, das haben wir bereits auf Seite 84 ff. beſprochen und durch Beiſpiele erhärtet. Auch über die Scheu und die unbezwingliche Neugier, den leichten Sinn und die freundliche Lebensauffaſſung, die Entwickelung des Geſchmacks und der anderen Sinne, den Fang und die Ernährung, das ganze Weſen und Gebahren dieſer beweglichſten, im Käfige wie in der Freiheit durch Anmuth und Behendigkeit erfreuenden Eidechſe iſt ſchon in der Schilderung der Gattung ſo manche Bemerkung eingeflochten, daß wir, um Wiederholungen zu ver— meiden, hier im Einzelnen nicht darauf eingehen dürfen. Aber einiger beſonderer Züge müſſen wir noch gedenken. Der eine beſteht, wie auf Seite 87 berührt, in der Em— Vierte Art. Mauer-Eidechſe. 215 pfänglichkeit für muſikaliſche Töne, und zwar ſollen vornehmlich die ſüdlichen Formen der Mauer-Eidechſe dieſen Sinn für Muſik offenbaren. Bereits Selys-Longchamps, der Verfaſſer der Faune belge, machte vor Jahrzehnten eine dahingehende Bemerkung auf Grund ſeiner in der Umgegend von Turin geſammelten Erfahrungen. Eimer theilte 1882 im „Humboldt“ mit, in Italien ſei es ſchon den Knaben bekannt, daß man durch Vorpfeifen eines Liedchens oder einzelner Töne eine „Eidechſe im Laufe hemmen, auf die Stelle bannen, ihr näher und näher kommen und ſchließlich ſie mit der Hand fangen könne; ſie ſcheine ſich vor den Tönen ſelbſt zu vergeſſen, ſo auf— merkſam, unbeweglich lauſche ſie mit neugierig dem Pfeifenden zugewendetem Ohr“. In der Eifel vernahm Leydig etwas Aehnliches: ein im Ahrthal anſäſſiger Thierfreund und aufmerkſamer Beobachter, ſo berichtet L. in ſeiner Schrift über das Rhön— gebirge ꝛce., erzählte ihm, daß er die an den Weinbergsmauern dort häufigen Eidechſen durch Vorpfeifen auf einem Schlüſſel allezeit zu ſich heranlocken könne. Sodann ſoll ſpeziell die blaue Faraglioni-Eidechſe, welche ſich im Uebrigen ungemein leicht an die Gefangenſchaft gewöhnt, außerordentlich zahm und gegen den Pfleger ſogar zudringlich wird, ihren Genoſſen gegenüber Streitluſt, Biſſigkeit, Mordluſt an den Tag legen. J. v. Bedriaga führt dieſe Kämpfe auf Eiferſucht und Futterneid zurück: „Gemein— ſchaftlich mit anders gefärbten Mauer-Cidechſen gehalten, ruhen fie (die blauen) ſolange nicht, bis ſie das fremde Element ausgerottet haben. Dieſe Hetzjagd wird geradezu ſyſtematiſch betrieben. Anfangs flößen ſie ihren Geſchwiſtern nur ſoviel Achtung ein, daß dieſe es nicht wagen, ſich dem Futterteller zu nähern; dann aber folgen ſie ihnen ſogar in ihre Verſtecke, ſuchen ſie dort auf und beißen ſie ſo lange, bis die Thiere von ihren Wunden ermattet zu Boden ſinken. Sobald ſie die alleinigen Herrſcher des Terrariums ſind, fangen die Männchen an, ſich miteinander zu zanken. Auf dieſe Weiſe wurde öfters mein Terrarium entvölkert. Anfangs verſchwanden die grünen und braunen Mauer -Eidechſen, dann aber auch die Faraglioni- Männchen bis auf ein oder zwei Stück; auch die Weibchen ſind von der nämlichen Eiferſucht und Kampfes wuth beſeelt. Beſonders zornig wird dieſe Negerraſſe, ſobald ſie merkt, daß man an ihrer Nahrung ſpart. Läßt man ſie im Sommer einige Tage ohne Nahrung (Mehl— würmer, Spinnen ꝛc., Kirſchen, Birnen, Pfirſiche), jo freſſen ſie die Jungen der braunen L. muralis auf. Die größeren Smaragd-Eidechſen, ſowie namentlich auch die Geckonen werden gleichfalls angegriffen.“ Dieſe Ausführungen treffen aber, was Seite 89 bereits hervorgehoben, nur hinſichtlich der Faraglioni-Eidechſe zu; und es heißt der Mauer— Eidechſe bitteres Unrecht zufügen, wenn man, wie es ſeitens Brehm's geſchieht, jene üble Eigenſchaft der genannten blauen Varietät verallgemeinert und die reizendſte unſerer Eidechſen die „zankſüchtigſte und ſtreitluſtigſte“ nennt. Entſprechend dem ganzen Weſen ſind auch die Bewegungen der „viergefüßeten Schlängelchen“, wie Goethe in dem auf Seite 80 mitgetheilten Gedichte die Mauer Eidechſen bezeichnet, äußerſt lebhaft. In der Schnelligkeit und Gewandtheit im Laufen und vornehmlich im Klettern übertrifft ſie ſelbſt noch die Grünechſe; wie der Blitz iſt ſie verſchwunden, ja ſie läßt uns ſogar in Zweifel darüber, welche Richtung ſie ein— geſchlagen. Senkrechte Felspartien, ſteile, glatte Mauern, hohe Bretterwände nimmt ſie ohne Schwierigkeit, kurzum ſie iſt die flinkſte und behendeſte unſerer Lacerten. Wenn ſie im Süden Europas einen eigentlichen Winterſchlaf nicht hält, ſondern, was wir bereits durch Cetti und durch A. Duges von Sardinien und Südfrankreich wiſſen, bei heiterem Wetter den ganzen Winter ſich zeigt, und wenn ſie auch noch im ſüdlichen Tirol bis in den Dezember hinein ſich im Freien herumtreibt, um ſchon gegen Mitte Februar, ja an warmen Punkten mitten im Winter hervorzukommen — Lebensweiſe. Namen. Synonyma. 216 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſo ſcheint ſie auch im ſüdweſtlichen Deutſchland unter den dort heimiſchen Arten den kürzeſten Winterſchlaf zu halten, denn im Württembergiſchen wurde ſie noch Mitte November an warmen Tagen in Geſellſchaften beobachtet und bei Kreuznach 1887 bereits am 1. März wieder geſehen. Bald nach dem Munterwerden beginnen die Paarungsſpiele. In dieſen wie überhaupt in der Fortpflanzung unterſcheidet ſie ſich nicht von der Zaun- und Smaragd -Eidechſe. Während des Juni, nicht ſelten jedoch ſchon im Mai oder erſt im Juli, legt das Weibchen nach meinen Erfahrungen 3 bis 8 Eier ab, deren größte Länge und Breite 11 bis 13 bezw. 6, bis 7 mm (Mittenumfang 20 bis 23 mm) beträgt. Einmal hingen die drei von einem Weibchen abgelegten Eier unter ſich zuſammen, und zwar das erſte mit dem zweiten durch einen 2 mm langen, 0, mm dicken, etwas zuſammengerollten, in der Beſchaffenheit der Schalenhaut gleichenden Faden und das dritte mit dem zweiten mittelſt einer klebrigen Haut. N Landesübliche Benennungen. Mauer-Eidechſe; Engl.: Scaly Lizard; Franz.: Lézard des murailles (Lezar tola, Lucertola delle muraglie, Caliscertula, Tiliguerta. Lacerta vulgaris, Aldrov. 1663. — Seps muralis, Laurenti 1768. — Lac. caliscertula, Donnaterre 1789. — Ameiva tiliguerta, Meyer 1795. — Lacerta tiliguerta et agilis et muralis, Zatreille 1802. — Lac. Brognardii, Daudin 1803. — Lac. muralis, Merrem 1820. — Lac. agilis, Risso 1826. — Podareis muralis, Wagler 1830. — Zootoca muralis, Gray 1838. oll.: Muur-Hagedis ; H d gris); Ital.: Lucer- 2. Unter-Ordnung: Kurzzüngler. Brevilingua (Brachyglossi). Zunge kurz, wenig vorſtreckbar, an der Wurzel dick und ohne Scheide, vorn verdünnt und nur wenig ausgeſchnitten (Seite 40), auf der vorderen Hälfte beſchuppt, nach hinten zu mit Wärzchen (Papillen) beſetzt; Trommelfell oft unter der Haut verborgen; Augenlider meiſtens vorhanden, bei der deutſchen Gattung deutlich, längsgeſpalten; Füße ſchwach entwickelt oder, fo bei unſerer Schleiche, ganz fehlend; Bezahnung pleurodont (S. 41). Eigenthümlich iſt dieſer Unterordnung eine oft zu beobachtende Verkümmerung der Gliedmaßen. Bei manchen Gattungen und Arten ſind dieſe kurz, ſchwach, weit auseinander gerückt; manche haben vier, ſo Gymnophthalmus, drei (Seps), zwei oder eine Zehe; manche, ſo der Scheltopuſik, beſitzen an Stelle der Beine nur noch zehen— loſe Stummel; bei anderen, ſo bei unſerer Blindſchleiche, ſchwinden auch dieſe Stummel und es iſt von äußerlichen Gliedmaßen gar nichts mehr wahrzunehmen, nur unter der Haut liegen noch Reſte. 2. Familie: Wühlſchleichen oder Schuppen⸗Echſen, Seincoidae. Körper walzig geſtreckt, nebſt dem Schwanz ober- und unterfeits mit gleich— artigen, großen, glatten, glänzenden, feſtanliegenden, vollkommen geſchindelten, mehr breit als langen, am Hinterrande bogigen, in ſchiefe Reihen geſtellten Schuppen Familie der Wühlſchleichen. 217 bedeckt; in der Haut, welche drüſenlos iſt, Unochenplättchen oder alktäfelchen; Schwanz im vollkommenen Suſtande jo lang, oder noch länger, als der Körper, mit ſtumpfer Spitze; Hopf hinten ohne Einſchnürung in den Rumpf übergehend, oberſeits mit größeren, flachen Schildern bekleidet; Halsband fehlt; ohne Gaumenzähne. Da der walzig geſtreckte, allerdings manchmal ziemlich gedrungen gebaute Körper bei manchen Arten, und ſo auch bei unſerer Blindſchleiche, fußlos iſt, ſo erinnert er zwar an die Schlangen, allein die Unterſchiede zwiſchen dieſen Reptilien und den fuß— loſen Schleichen fallen doch alsbald ins Auge: der Schwanz der letzteren iſt weit länger, etwa von Körperlänge oder noch darüber, der Kopf iſt hinten ſo breit als der Rumpf und geht meiſt ohne Andeutung einer halsartigen Verengung in denſelben über, die Bedeckung iſt ganz anders geartet. Das Fehlen der Gliedmaßen iſt daher bedeutungs los, die fußloſen Schleichen gleichen im Uebrigen den mit Beinen verſehenen und ſomit den anderen Echſen. Die meiſten Skinke beſitzen vier, allerdings gewöhnlich ziemlich kurze, ſchwache, für die Fortbewegung wenig in Betracht kommende Füße, deren Zehen bald rundlich, bald flach und in verſchiedener Anzahl, fünf oder weniger, vorhanden ſind; die bei den eigentlichen Eidechſen vorhandenen Schenkelporen fehlen hier. Der Schwanz iſt ſeiner Geſtalt nach gewöhnlich walzig oder kegelförmig, ſelten zuſammen— gedrückt. Die kleinen Naſenlöcher liegen ſeitlich an der Schnauzenſpitze, entweder inmitten des Naſenſchildes oder an der Grenze mehrerer Schilder; die verſchieden großen Augen haben gewöhnlich längsgeſpaltene (bei Ablepharus verkümmerte) Lider; die Ohröffnung (Paukenfell) iſt entweder ſichtbar, wenngleich zuweilen klein, oder ſie fehlt, die Zunge iſt kurz, nur wenig vorſtreckbar, flach, an der ſtumpfen Spitze ſchwach aus— gerandet, an der Wurzel dicker und nicht in einer Scheide liegend, auf der Oberfläche mit ſchuppenähnlichen Wärzchen bedeckt, der Gaumen zahnlos, dafür ſtehen hakenförmige, nach rückwärts gekrümmte, einſpitzige Zähne in der Ober— und Unterkinnlade und zwar dem inneren Rande der Zahnrinne angewachſen (pleurodont). Die Körperhaut zeichnet ſich dadurch aus, daß ihr Drüſen (Schenkelporen) fehlen und daß die durch Verhornung der Oberhaut gebildeten Schuppen als Grundlage Knochentäfelchen oder Kalktäfelchen beſitzen, welche einer theilweiſen Verkalkung der Lederhaut ihre Gegenwart verdanken und thatſächlich als Stücke verkalkter Lederhaut anzuſehen find*). Die Schuppen, welche den Rumpf und Schwanz auf der Ober— und Unterſeite belleiden, ſind ſchon gekennzeichnet worden; ein Schuppen halsband, wie es den Eidechſen eigen iſt, fehlt; der Kopf iſt mit einer größeren oder geringeren Anzahl größerer, regelmäßig angeordneter Schilder bedeckt. Die Färbung der zu dieser Familie zählenden Thiere ſtimmt mit der des Bodens überein, auf und in dem ſie leben, denn alle Schleichen ſind Land- bezw. Bodenthiere; Braun, Grau und Gelb in ihren Schattirungen herrſchen vor, Grün tritt nur ausnahmsweiſe auf und iſt dann matt und trübe. Näheres bei Beſprechung unſerer einzigen einheimiſchen Art, welche folgender Gattung angehört. 2. Gattung: Schlangenſchleiche. Anguis, L. Körper walzig geſtreckt, ſchlangenartig, vollkommen fußlos; Schwanz von Körperlänge, cylindriſch; Schnauze koniſch, ſtumpf abgerundet; Augen klein mit *) Durch dieſe Knochenſchuppen erinnern die Skinkoiden („Glanzſchleichen“) einerſeits an die ge— panzerten Schmelzſchupper (Ganoidei) unter den Fiſchen, deren Knochenſchuppen, abgeſehen von dem hier fehlenden Hornüberzug, in Gefüge und Vertheilung denen der Glanzſchleichen ähneln, und anderſeits an eine ausgeſtorbene Vogel-Eidechſe, den foſſil bekannten und auf Seite 66 erwähnten Adtosaurus ferratus. Körperbau. Bekleidung. Körperbau, 218 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. deutlichen, längsgeſpaltenen beſchuppten Lidern; Kopf mit Schildern bedeckt; ein Hinterhauptſchild (Occipitale) vorhanden, Stirnſchild und Swiſchen-Scheitelſchild länger als breit; Naſenloch in der Mitte des Naſenſchildes; Ohröffnung in der Regel äußerlich nicht ſichtbar; Schuppen des Körpers glatt, glänzend, oben wie unten in Querringen angeordnet, die größten längs des Rückens und an der Unter— ſeite, ſechseckig, die ſeitlichen kleiner und mehr ſchief viereckig. Nur eine Art: 5. Art: Blindſchleiche. Anguis fragilis, L. Abbildung: Tafel XII Nr. 5 u. 6. Aeußere Erſcheinung. Die Artkennzeichen find die Merkmale der Gattung. Zur näheren Beſchreibung ſei aber noch Folgendes angegeben. Die Geſammtlänge des erwachſenen Thieres beträgt 32—40 em, in Ausnahmefällen etwas mehr, bis 45 em; davon entfällt auf den Schwanz ungefähr die Hälfte. Selbſtverſtändlich trifft Letzteres nur dann zu, wenn der cylindrifche, in einer ſtumpfen Spitze endende Schwanz, welcher ſich ohne merkliche Einſchnürung an den ebenfalls drehrunden Leib anſetzt, vollkommen iſt. Denn bekanntlich bricht infolge des Umſtandes, daß die Wirbel und auch die kurzen Muskeln ſehr leicht auseinander reißen bezw. ſich von einander löſen, der Schwanz leicht ab — was Linns veranlaßte, der Schleiche den Artnamen „fragilis“ (zerbrechlich) beizulegen — und verwächſt nur, ohne ſich wirklich wieder zu erſetzen, an der Bruchſtelle zu einer ſtumpfkegelförmigen Spitze oder einem „eichelartigen Stumpf“, der alſo keine neugebildeten Wirbel, ſondern blos ein vielleicht 4 oder 5 mm langes oder wohl auch noch längeres Knorpelſtück aufweiſt. Solche Thiere mit kurzem, ver— ſtümmeltem Schwanz, deren es genug giebt, ſind früher wohl gar als einer beſonderen Form oder Art angehörig betrachtet und mit dem Namen Anguis clivica belegt worden. Der Schwanz ſowohl wie der fußloſe Körper ſind nur mit Schuppen, welche bereits auf Seite 217 gekennzeichnet wurden, bedeckt. Dort wurde auch ſchon auf die Eigenthümlichkeit hingewieſen, daß die Schuppen als Grundlage Kalktäfelchen beſitzen. Dieſe Hautknochen, welche ſchon Pallas vom Scheltopuſik und Heuſinger 1822 von gewiſſen Skinken kannte und Leydig [Hiſtologie, 1857, S. 90] beſonders von der Blindſchleiche nachwies, bilden, vom Hinterkopf an bis zum Schwanzende in regelmäßigen Querringen (wie die Schuppen) angeordnet, eine Art zuſammenhängender Bepanzerung und ſtellen eins der beſten Unterſcheidungsmerkmale der Schleichen ſowohl ihren Ordnungs-Verwandten, den Eidechſen, als auch den Schlangen gegenüber dar. In ihrem Vorhandenſein liegen noch einige andere Eigenheiten begründet: Zunächſt geſtatten ſie der Schleiche keine wagerecht-wellenförmigen Bewegungen und zierlichen Windungen, durch welche ſich die Schlangen auszeichnen, ſie vermag ſich vielmehr, und ebenſo der Scheltopuſik nebſt Verwandten, nur unbeholfen aufzurollen und fort— zuſchieben bezw. ihren Körper blos in eine Hauptkrümmung zu legen, worauf ſchon 1832 der Berliner Phyſiolog Johannes Müller hinwies “); ſodann reißt die Haut zwiſchen den Querringen leicht durch, ſodaß man von einem getödteten Thier zwar ohne Mühe die Haut in Querringen, aber wohl kaum einmal in Längsſtreifen bezw. in Einem Stück abziehen kann; endlich erſcheint die Oberfläche der Haut der lebenden Blindſchleiche nicht nur glatt, ſondern auch äußerſt glanzreich, die der Eidechſen im ) Beiträge zur Anatomie und Naturgeſch. der Amphibien in: Treviranus Zeitſchrift f. Phyſiologie, Tom. IV 1832. ) Ueber Organe eines ſechsten Sinnes, in: Nov. Act. Acad. Leopold. Carol. 1868. Fünfte Art. Blindſchleiche. 219 die Oberhaut an manchen Körperſtellen pneumatiſch (lufthohl) iſt, und zwar beſitzen beſonders die Hornſchuppen des Bauches an den Rändern hohle mit Luft gefüllte Räume; dieſer Luftgehalt erzeugt an den Rändern der Schuppen, bei auffallendem Lichte betrachtet, einen Silberſtreifen — eine Eigenthümlichkeit, welcher bereits Laurenti in ſeiner Beſchreibung der Blindſchleiche gedenkt, ohne jedoch eine Erklärung dafür anzugeben. Die eigenthümlichen Drüſen, welche bei den Lacerten als ſog. Schenkel— poren an der Innenfläche der Hinterſchenkel münden, können ſelbſtverſtändlich bei der Schleiche nicht vorkommen, es fehlen ihr ſomit alle Hautdrüſen; denn die abſonder— lichen kleinen epithelialen Bildungen in der äußeren Haut, welche bei Anguis über die ganze Körperoberfläche verbreitet ſind, am gehäufteſten jedoch an den Lippen ſtehen („Endknospen“, „becherförmige Organe“), können nicht als Drüſen gelten, ſondern ſind wohl als Endorgane von Nerven — nach Leydig als Organe eines ſechsten Sinnes — anzuſehen. Der kleine, walzige, oberſeits ziemlich flache, ſeitlich ziemlich ſteil abfallende, in der Schläfengegend ein wenig verdickte, nach der ſtumpf abgerundeten, doch noch breiten und hohen Schnauze ſich allmählich verſchmälernde Kopf, welcher — hinten ohne halsartige Verengung in den Rumpf übergeht, iſt ober ſeits mit größeren Schildern, im Uebrigen mit Schuppen oder ſchuppenartigen Schildchen bekleidet. Von den erſteren fallen ins— beſondere ein Stirnſchild, zwei Scheitel- oder Parietal-Schilder, ein ſehr großes Interparietal- und ein Hinterhaupt-Schild (Occipitale) auf. Das letztere, alſo das hinterſte, iſt unregelmäßig delta- oder Fig. 22 rautenförmig, am Hinterrande ſtark abgerundet. Seine vordere Spitze Kopfbetleidung der ſtößt mit der hinteren Spitze des großen, dreieckigen Interparietale Blindſchleiche (Zwiſchenſcheitelſchild), welches mit feiner Grundlinie vorn an das un- (oben und ſeitlich). merklich breitere Stirnſchild grenzt, zuſammen. An jeder Außenſeite des Interparietale liegt eins der ſchmalen, länglich-viereckigen Scheitelſchilder, welche nach hinten einander ſich nähern und hier das Hinterhauptſchild zwiſchen ſich nehmen. Das Stirnſchild iſt noch etwas größer als das Interparietale und ſomit das größte aller Kopfſchilder, ſeiner Form nach etwa dreieckig, mit der Grundlinie an das Interparietale ſtoßend, die Außenſeiten etwas gebogen, mit der Spitze vorn zwiſchen die beiden unregelmäßigen vier- bis ſechseckigen Stirn-Naſenſchilder eingreifend. An deren Vorderſeiten befindet ſich ein größeres Internaſal-Schild, welches gewöhnlich etwas länger als breit iſt und vorn von einigen, zwei bis vier, kleinen Schildchen begrenzt wird, den oberen Naſen ſchildchen. Zwiſchen dieſen und dem kleinen dreieckigen, von oben kaum ſichtbaren Rüſſelſchild ſchieben ſich, der Quere nach, noch drei kleine Schilder ein, deren größtes in der Mitte liegt und vorn das Rüſſelſchild berührt, während die beiden ſeitlichen den Innenrand der Naſenſchilder flankiren. Jedes der beiden rundlichen Naſenſchilder, in deſſen Mitte ungefähr das kreisrunde Naſenloch liegt, iſt vom Rüſſelſchild durch ein kleines vorderes Naſenſchildchen (Praenasale) getrennt. Brauenſchildchen ſind fünf oder ſechs vorhanden; die erſten drei begrenzen den Außenrand des Stirnſchildes, über dem vierten liegt ein kleines, unregelmäßig viereckiges Stirn-Scheitelſchild (Fronto— parietale). Oberlippenſchilder zählt man etwa 10; dem zweiten derſelben liegt das Naſenſchild auf. Auf jeder Kopfſeite iſt die ganze Partie zwiſchen Oberlippen- und Oberkopfſchildern und Auge, alſo die Zügelgegend, mit Schuppen, die in drei oder vier Längsreihen ſtehen, bekleidet; ebenſolche, aber etwas größer, bedecken die Schläfen— gegend, weit kleinere dagegen die Augenlider, und von zwei Reihen ſolcher Schuppen endlich werden die ſchmalen Unterlippenſchilder an der unteren Seite eingefaßt. An Kopfſchilder. Ohr. Zähne. Stammform. Geſchlechter. 220 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. dieſe Beſchuppung des Kopfes ſchließt ſich dann unmittelbar die gleichförmige Be— ſchuppung des Körpers an, welche in etwa 24 oder 25 Längsreihen geordnet it. Eine äußere Ohröffnung fehlt, wenigſtens bei unſeren deutſchen Exemplaren, die allgemeine Beſchuppung des Körpers zieht ſich ununterbrochen über das Gehör— Organ hinweg, ſodaß alſo auch kein Trommelfell zu bemerken iſt. Dies muß jeden— falls als die Regel gelten, als Ausnahme hingegen iſt anzuſehen, wenn in gewiſſer Entfernung hinter der Mundſpalte unter einer Schuppe verborgen eine äußerſt feine Ohröffnung ſich findet, wie es Dumeril und Bibron [Erp. V. S. 792] als allgemein vorkommend hinſtellen, oder wenn gar eine deutliche, vollkommene Oeffnung vorhanden iſt, wie es einige öſterreichiſche Herpetologen: Jeitteles Prodx.] und Schreiber |Herp. S. 343], vorzugsweiſe an ungariſchen bezw. ſüdruſſiſchen Stücken wahrgenommen haben und wie es gewiß früher ſchon Fitzinger beobachtet haben muß, da er auf dieſe Eigenheit hin ſogar eine neue Gattung, Otophis, gründete. Ueber die Zunge wurde das Nöthige ſchon geſagt. Der Gaumen iſt von einer deutlichen Längsfurche durchzogen und zahnlos “). In der Ober- und Unterkinnlade aber ſteht je eine Hauptreihe hakenförmiger, einſpitziger, etwas nach Butler: gekrümmter Zähne und hinter derſelben noch eine Reihe kleinerer oder Erſatz-Zähne. Da dieſe letzteren nur in der Schleimhaut (beweg— lich) haften und deshalb leicht ausfallen, ſo erklärt es ſich, daß die Zahl der Zähne bei jungen Thieren größer iſt als ſpäter, und während Leydig (Saur. S. 247] beim reifen Embryo im Zwiſchenkiefer 7 bis 9, in einer Seite des Oberkiefers 14 und in einer Seite des Unterkiefers 14 bis 16 Zähne 15 „bemerkt man bei alten Thieren in der einen Hälfte des Oberkiefers meiſt nur 5 bis 6, in der einen Hälfte des Unter— kiefers etwa 7, während am Zwiſchenkiefer ſich die frühere Zahl vorwiegend erhält“. Tſchudi [Echſ. S. 37], und nach ihm Schinz [Fauna S. 34], Fatio auf S. 102 ſeiner „Faune suisse“ und Brehm auf S. 195 ſeines „Thierlebens“, giebt die Zahl der Zähne des Zwiſchenkiefers mit 9, des Oberkiefers mit 18 und des Unterkiefers mit 28 an. Färbung und Zeichnung. Im Allgemeinen läßt ſich ſagen: Oberſeite heller oder dunkler braun, Unterſeite bleigrau mit mehr oder weniger Schwarz. Nimmt man dies Kolorit als das der Stammform an, ſo muß doch gleich vermerkt werden, daß — ſelbſtverſtändlich zunächſt wieder ganz abgeſehen von jungen und halberwachſenen Thieren — namentlich die e e des Rückens vielfach abändert und von Iſabell-, Grau- oder Braungelb ins Bronce- oder Kupferfarbige, Chokoladen- oder gar Schwarzbraun übergehen kann; die Seiten ſind heller oder dunkler, grau oder ſchwärz— lich, die Unterſeite iſt bleigrau mit breitem ſchwarzen Streifen oder ſchwärzlichen Sprenkeln längs der Mitte. Die Farbe der Iris iſt ein hübſches Gelbroth oder Braunroth. Soviel Blindſchleichen ich auch daraufhin geprüft habe, es iſt mir doch nicht gelungen, ein beſtändiges Kennzeichen der Geſchlechter zu finden. Zwar giebt der als aufmerkſamer Beobachter bekannte Lenz auf Seite 278 ſeiner „Schlangenkunde“ an, a beim alten Männchen die Farbe des Oberkopfes und Rückens blaßröthlich- oder *) Es iſt intereſſant, zu ſehen, wie Wolf im 3. Amphibien-Heft von Sturm's Fauna ſchon i. J. 1802 in dieſer Beziehung von der Anſicht ſeiner Vorgänger und Zeitgenoſſen, z. B. Blumenbach's, auf Grund eigener Wahrnehmungen abweicht und die Blindſchleiche als eine Ausnahme von der Regel, daß alle „Schlangen“ — denn zu dieſen zählte man die Schleiche — Gaumenzähne beſitzen, hingeſtellt wiſſen möchte — allerdings nicht ohne ſeinen Worten vorſichtig hinzuzuſetzen: „ſollte ich richtig unterſucht haben“. Er hatte nämlich zwei Exemplare ohne und mit Vergrößerungsglas unterſucht und dabei „in der oberen Kinnlade keine Gaumenzähne entdecken können“. Fünfte Art. Blindſchleiche. 221 graubraun, der ſchwarze Streif über die Rücken- und Schwanzmitte, welcher das Jugendkleid auszeichnet, geſchwunden ſei, die Farbe des Rückens allmählich in die der Rückenfarbe ähnliche und wenig oder kein Schwarz enthaltende Farbe der Seiten über— gehe und die Farbe des Bauches nicht ſtark mit Schwarz gemiſcht ſei, während beim alten Weibchen jener ſchwarze Streif über den ebenfalls blaßröthlich- oder grau— braunen, zuweilen faſt ſilbergrauen Rücken und Schwanz noch vorhanden, die Farbe der Seiten ſehr deutlich durch eine ſchwärzliche Linie von der des Rückens geſchieden und ſtark mit Schwarz gemiſcht und der Bauch faſt ganz ſchwarz ſei — allein für alle Fälle zutreffende Merkmale bieten dieſe Angaben leider nicht, wenngleich hervor— gehoben werden muß, daß man oft einfarbig braune, hellbauchige alte Männchen und ſchwarzbauchige alte Weibchen findet. Im Gegenſatz zu Lenz nimmt ein anderer Beobachter, Ad. Franke, das Silber- oder Bleigrau des Rückens gerade für das Männchen in Anſpruch, und will überdies bemerkt haben, daß der Kopf ſich vom Hals beim Männchen gar nicht, beim Weibchen nur wenig abſetze und daß der Schwanz bei erſterem bedeutend kürzer als der Leib ſei und in einer ſtumpfen Spitze verlaufe, beim Weibchen hingegen die Leibeslänge meiſt übertreffe und nach hinten ſich allmählich verdünne, um in ein mehr oder 1 ſpitzes Ende auszulaufen, ſodaß die Geſammt— länge des ausgewachſenen Männchens etwas hinter der des Weibchens (40 em) zurückbleibe. Herr Sur Jung endlich meint wie Lenz, daß die Weibchen einen ſchwarzen Rückenſtreif haben, während alte Männchen an und auf dem Halſe blaue Flecken beſäßen. Indeſſen immerhin fehlen, wie ſchon erwähnt, kichere be⸗ ſtändige äußere Kennzeichen der Geſchlechter noch, und wenn A. E. Brehm auf S. 196 im „Thierleben“ behauptet: „Die Geſchlechter unterſcheiden ſich ebenfalls“, ohne daß er Unterſchiede angiebt, ſo erhellt der Werth oder vielmehr Unwerth ſeiner Worte von ſelbſt. Friſch ausgeſchlüpfte Thiere ſehen ſehr hübſch aus: die Oberſeite iſt glänzend ſilbergrau, hell iſabellfarben oder perlfarben, längs der Mitte derſelben läuft eine feine ſchwarze Linie hin, welche an einem auf dem Oberkopf (am Interparietale) befindlichen, nach vorn nicht ſelten gabelförmig getheilten ſchwärzlichen Fleck beginnt und ſich mehr oder minder weit nach hinten au — wenigſtens bis zum Anfang, gewöhnlich aber bis zur Spitze des Schwanzes erfolgen läßt; Bauch und Körperſeiten ſind tiefſchwarz, das Schwarz iſt von dem Hellen der Oberſeite ſcharf abgegrenzt; nicht ſelten bemerkt man vor dem dunklen Scheitelfleck zwiſchen den Augen noch eine zweite ſchwärzliche Zeichnung in Geſtalt eines Delta oder dergleichen; die Iris iſt hellbraun. Solche ſoeben ausgeſchlüpfte Junge haben eine Länge von 80 bis 90 mm; fo z. B. wieſen vierzehn am 4. 5 5 5 bei mir geborene Junge folgende Maaße auf: 87, 84, 85, 89, 81, 86, 86, 85, 91, = en 89 mm. (Die erſte Spur einer Zeichnung bei Embryonen fund M. B Braun [Lac. Lilf. S. 43], als dieſelben von der Schnauzen- bis zur Schwanzſpitze 70 bis 80 mm lang waren, der Embryo bereits die Ausbildung des Thieres bald nach dem Auskriechen erreicht hatte, alle Schuppen gebildet und die Knorpel in der Knochenbildung begriffen waren ꝛc.: bei dieſen Em— bryonen verläuft längs der Rückenmitte ein ſchmales dunkles Band, wie bei den friſch ausgeſchlüpften Jungen; ferner erkennt man an den Seiten des Kopfes an der Grenze zwiſchen der oberen und der ſeitlichen Fläche einen dunklen Streif, der hinter den Kiefern ſich raſch verbreitert und die ganze Unterſeite und die Seiten des Rumpfes einnimmt, nach dem Rücken zu mit ſcharfer Linie aufhört. „Dieſe Zeichnung ſetzt ſich nun im weiteren Wachsthum von vorn nach hinten fort, nur fehlen noch die Farben, um das ausſchlüpfende Thier zu erhalten.“) Neugeborene Junge. Aeltere Junge. Benennung des Jungthieres. Varietäten. 1 1 1 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Noch im erſten Jahre, bezw. ſchon wenige Wochen nach der Geburt, macht zuweilen das tiefe, glänzende Schwarz oder ſatte Blauſchwarz der Unterſeite einem matteren Farbenton Platz, auf welchem das urſprüngliche Tiefſchwarz noch in Form von Punktlinien ſich markirt, ſodaß der Bauch und die Unterſeite des Schwanzes fein grauſchwärzlich und ſattſchwarz geſtreift oder linüirt erſcheinen, während an der Kehle und an den Lippen helle und dunkle Flecken ſich zeigen. Doch wie bereits angedeutet, dieſe Veränderung der Färbung kann ſchon früh eintreten, es geſchieht indeſſen bei weitem nicht immer. Im Frühling oder Frühſommer des zweiten Jahres ſind die Thierchen 10 bis 12 em lang und ſchon merklich dicker als ein Regenwurm, etwa wie ein Taſchenbuch-Bleiſtift; die Grundfarbe des Rückens geht von dem eigenartigen zarten Hell-Iſabell oder Grauweiß in ein ausgeſprocheneres Graugelb oder Bräunlich— gelb über, die dunkle Mittellinie des Rückens iſt noch vorhanden, die Unterſeite zeigt reines Schwarz oder aber die ſoeben erwähnte Färbung. Oft noch im Laufe des zweiten Jahres wird der helle Ton des Rückens durch ein hübſches Kaſtanien- oder Chokoladebraun, eine anſprechende Kupfer- oder Erzfarbe erſetzt, der dunkle Rücken— ſtreif verliert ſich, das gleichmäßige Dunkel der Körperſeiten löſt ſich in dunkle Längs— linien auf — kurzum, die Färbung und Zeichnung nähert ſich der der alten Thiere, und Varietäten entwickeln ſich. Das mit dem dunkeln Rückenſtreif gezeichnete junge Thier wurde von Laurenti, welcher es nur aus einer Sammlung kannte, für eine beſondere Art angeſehen und als Anguis lineata beſchrieben. Dieſer Irrthum erhielt ſich bis in unſer Jahrhundert hinein, trotzdem ſchon Schneider 1799 in ſeiner Historia Amphibiorum die Farbe der jungen Blindſchleiche genau kennt und beſchreibt und auf Grund ſeiner Kenntniß durch Vergleich wohl leicht die Uebereinſtimmung der jungen Anguis fragilis und der Laurenti'ſchen Anguis lineata hätte darthun können. Er wagte es aber vielleicht nicht, ebenſo wenig wie es Wolf i. J. 1802 that, obgleich er vielleicht wie dieſer das Richtige vermuthete: Wolf beſchreibt in Sturm's Fauna, 3. Heft, neben der Blind— ſchleiche noch „die geſtreifte Schuppenſchlange, Anguis lineatus“, welche er durch Unter— ſuchung von zwei Exemplaren kannte, und bemerkt dazu: „Uebrigens hat ſie viel Aehnlichkeit mit der Blindſchleiche. Vielleicht lehren künftige genauere Unterſuchungen, daß ſie eine junge Blindſchleiche iſt.“ Dies wurde denn auch bald geklärt; und es muß auffallen, wenn noch i. J. 1837 Krynicki [Obſerv. S. 54] die Anguis lineata, deren Länge er auf 4“ 9“ angiebt, als beſondere Art beſchreibt, nachdem ſchon lange vorher andere Fauniſten die A. lineata als Junges zu A. fragilis gezogen haben. Variation. Die Mannigfaltigkeit im Kolorit erwachſener Blindſchleichen iſt ſo beträchtlich, daß man kaum einmal zwei übereinſtimmend gefärbte und gezeichnete Exemplare findet, wenngleich die Abweichungen meiſt nicht weſentlicher Natur ſind. Wir laſſen deshalb nur gut ausgeſprochene Varietäten folgen, zumal, wie Seite 48 bereits angedeutet, wohl manche Farben-Abänderung auf die Thätigkeit bezw. auf lebendige Zuſammenziehung der beweglichen Farbzellen, wodurch ein relativ raſcher Farbenwechſel bewirkt wird und ſomit ein und daſſelbe Thier vorübergehend dieſe oder jene Färbung zeigt, ſich zurückführen läßt. 1. Var. punctata, gepunktete Blindſchleiche. Oberhalb einfarbig graubraun, braungrau oder kupferfarben, an den Seiten mit in Längsreihen geordneten, auch mehr oder minder zuſammenfließenden ſchwarzen oder ſchwärzlichen Punkten; unterhalb ſchwarz oder dunkel bleigrau. Hierher wohl die var. vulgaris de Betta's. 2. Var. striolata, ſchwarz geſtrichelte B. Von anderen Varietäten dadurch unterſchieden, daß die Schuppen der Oberſeite — zuweilen alle, gewöhnlich aber nur Fünfte Art. Blindſchleiche. 223 ein großer Theil derſelben — auf ihrer Mitte einen ſchwärzlichen Längsſtreif, ent— ſprechend dem Schaftſtriche der Vogelfedern, zeigen, ſodaß die Oberſeite auf bräunlichem oder mehr grauem Grunde ſchwärzlich geſtrichelt oder geſprenkelt erſcheint; Unterſeite dunkel. Seltener als die vorige und Var. 6. 3. Var. vittata, geſtreifte Blindſchleiche (var. Iineata, de Betta). Erinnert an das Jugendkleid. Auf bräunlichem, grauem oder ähnlichem Grundton zieht ſich auf der Rückenmitte ein ſchwärzlicher Längsſtreif hin; zuweilen finden ſich ſtatt der einen zwei Rückenlinien, ja es können auch drei oder fünf feine dunkle Längsſtreifen ſich deutlich von der hellen Grundfarbe der Oberſeite abheben, und mitunter iſt dazu noch das Schwarz der Bauchfläche in mehrere Punktſtreifen aufgelöſt. Hierher gehört die Anguis Besseri Andrzejowski's und Anguis bicolor, iss. 4. Var. ocellata, weißgetüpfelte B. Rücken auf hell erzfarbenem Grunde mit zahlreichen kleinen weißen, nur zum Theil oder aber rings herum ſchwarz ein— gefaßten Tüpfeln oder Augenflecken gezeichnet; Unterſeite mit wenig Dunkel. Scheint ganz vereinzelt aufzutreten; Leydig fand zwei Exemplare, unter vielen Thieren von gewöhnlicher Färbung, in Südtirol. 5. Var. coeruleo-maculata, Jeitteles (1862) — cyaneo-punctata, Geisen- heyner (1888) = var. e bei Schreiber (1875), blaugefleckte Blindſchleiche: Rücken braun mit unregelmäßig zerſtreuten, bisweilen (namentlich am Vorderrücken) ſehr dicht geſtellten, ausnahmsweiſe auf dem Rückgrat ſogar zu einem nur wenig unterbrochenen Längsſtreifen zuſammenfließenden himmel- oder kornblumenblauen Punktflecken, welche etwa 1 mm Durchmeſſer haben, geſchmückt; Bauch bleigrau oder weißlich, längs der Mitte etwas dunkler. Durch Geiſenheyner und O. Böttger für die Gegend von Kreuznach und Frankfurt a. M., durch Weſthoff für das Münſterland, durch V. Gredler für Tirol, Jeitteles für Ober-Ungarn, Schreiber und Krynicki für Südrußland nach— gewieſen ꝛe. Im Jahre 1837 hatte Krynicki [Obſerv. S. 52] dieſe Form neben der gewöhnlichen Anguis fragilis und der „Anguis lineata“ (Jugendkleid, ſ. S. 222), als beſondere und neue Art beſchrieben und ab— gebildet. Im ſelben Jahre hatte Tſchudi in ſeinen Schweizeriſchen Echſen der hellblau gefleckten Blind— ſchleichen gleichfalls gedacht, indem er ſie jedoch nicht mal als Varietät, geſchweige denn als Spezies gelten laſſen wollte — er führt die auffallende Erſcheinung der blauen Flecken einfach auf eine Ver— letzung des Schuppenkleides, welche beim Durchwinden zwiſchen Steinen und Stauden entſteht, zurück; denn er fand immer da, wo ſich blaue Tupfen zeigten, die Schuppen bezw. die Oberhaut abgerieben oder verletzt und vermochte für ſeine Behauptung auch den direkten Nachweis zu erbringen: löſte er einzelne Schuppen ab, ſo erſchienen an deren Stelle nach einigen Tagen blaue Flecken, welche nach der 5. oder 6. Häutung wieder verſchwanden; und der Umſtand, daß die im Freien aufgefundenen blaufleckigen Thiere ausgewachſene Exemplare waren, ſprach ebenfalls für Tſchudi's Anſicht, da eben ſtarke Stücke beim Paſſiren enger Ritzen und Löcher ꝛc. weit eher Beſchädigungen der Haut ausgeſetzt ſind als junge Individuen. Dem gegenüber hebt Schreiber in ſeiner Herpetologia hervor, daß wenngleich die blaue Zeichnung „ihre Entſtehung häufig einer bloßen Abreibung der Oberhaut verdanke“, ſo dies doch nicht immer der Fall ſei, indem man auch vollkommen reine Exemplare dieſer Form finde, bei denen dieſe eigenthümliche Art der Zeichnung dadurch entſtehe, daß durch die feine braungelbe Oberhaut ein blaßblaues oder faſt weiß— liches Pigment hindurchſchimmere; auch ſeien es namentlich derartige Stücke, und zwar vorzugsweiſe aus dem Oſten Europa's, bei denen eine äußere Ohröffnung — dieſe Eigenheit bot Fitzinger Anlaß, 1842 derartige Stücke zu Vertretern einer beſonderen Gattung und Art, Otophis Eryx, zu erheben — oft ſehr gut ſichtbar ſei, obwohl letzterwähnte Eigenſchaft auch mit den gewöhnlichen Zeichnungen verbunden ſein könne. Jeitteles möchte Tſchudi Recht geben. Heiſenheyner endlich, welcher übrigens an den von ihm unterſuchten Kreuznacher Thieren eine äußere Ohröffnung nicht zu finden vermochte und ſowohl bei alten als auch bei jüngeren Stücken den blauen Flecken begegnete, betont ausdrücklich, daß die letzteren nicht von Abreibung der Schuppenoberhaut (wie er dies mehrfach bei Ringel- und Würfelnatter beobachtet habe) her— rühren, ſondern auf einer Anhäufung von blauem Farbſtoff unter der Oberhaut beruhen, welcher durch dieſe hindurchſcheine; daher komme es auch, daß derartige Stücke nach der Häutung am prächtigſten ausſehen. Verbreitungs— Bezirk. 224 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 6. Var. ventrimaculata, fleckbauchige B. Oberſeite graugelb, kupfer- oder broncefarben, Unterſeite auf gelblichem oder grauem Grunde mit ſchwarzen Tüpfel— flecken, die in drei oder vier Längsreihen ſtehen, ſodaß man die Varietät auch lineo- maculata bezeichnen könnte. (Anguis cinerea, Kisso.) 7. Var. coeruleoventris, blaubauchige B., von L. Geiſenheyner 1888 be— ſchrieben. Oberſeite von der anderer Thiere nicht abweichend, wohl aber der Bauch: die beiden mittleren Längsreihen der Bauchſchuppen ſind reinblau, die drei ſeitlich davon ſtehenden blau und roſa marmorirt; bei den folgenden Reihen werden die blauen Stellen immer dunkler und die Färbung geht allmählich in das Braun der Flanken über; Schwanz unterſeits weiß und blau marmorirt. Vorkommen: Haardt; auch aus Böhmen erhielt ich ein ähnliches Stück. f 8. Var. nigra, ſchwarze B. Von allen anderen Varietäten durch gleichförmig dunkles, braun- oder tiefſchwarzes, Kleid unterſchieden; in ſeltenen Fällen iſt die Rückenmitte etwas heller (dunkelbraun) als Körperſeiten und Bauch, welche ſtets glänzend ſchwarz find (var. kusca, de Betta). Bei dieſer Varietät hat alſo das bei der Stammform als Zeichnungsfarbe auftretende Schwarz die urſprüngliche Grund— farbe gänzlich verdrängt, welche Verfärbung Leydig, was auf Seite 53 erwähnt, als eine Folge des Aufenthalts an ſehr feuchten Orten anſieht. Bedenkt man aber, daß auf torfigem feuchten Boden außer einer vielleicht einmal gefundenen ſchwarzen Blind— ſchleiche verhältnißmäßig viel mehr andere, normal gefärbte Stücke leben, ſo wird man wohl der Anſchauung, daß in jenem Falle nur ein zufälliger Melanismus vorliege, beipflichten müſſen, wie ja auch bei anderen, beſtändig am Waſſer und auf feuchten Plätzen lebenden Reptilien, z. B. der Ringelnatter, nur hin und wieder ſchwarze Stücke beobachtet werden.“) 9. Var. graeca, griechiſche B., von J. v. Bedriaga, welcher dieſe Form im Parnaß-Gebirge fand, 1881 in den „Reptilien Griechenlands“ beſchrieben und benannt. Zeichnet ſich dadurch aus, daß ſie die charakteriſtiſche Färbung und Zeichnung der jungen Blindſchleiche beinahe vollſtändig beibehalten hat. Seiten und Bauch ſchwarz, längs der Mittellinie des Rückens auf kaffeebraunem Grunde ein ſchwarzer Streifen, welcher auf den Scheitelſchildern eine hufeiſenförmige, einen ſchwarzen Punkt einſchließende Gabelung bildet; unter jedem Auge am Rande des Oberkiefers ein weißer Augenfleck, zwei ſolche Flecken jederſeits am Unterkiefer. Geographiſche Verbreitung. Unter allen deutſchen und europäiſchen Sauriern iſt die Blindſchleiche am weiteſten verbreitet; denn ſie fehlt keinem der europäiſchen Länder und außerdem tritt ſie auch ſüdlich und öſtlich des Mittelländiſchen Meeres auf, denn man kennt ſie aus Algerien und aus Paläſtina. Die Grenzen ihres Ver— breitungsbezirks bilden, ſoweit unſere jetzige Kenntniß reicht, im Weſten der 9. Grad (Portugal) und im Oſten etwa der 70. Grad öſtl. Länge von Ferro (Teheran), im Süden ungefähr der 30. oder 32. Grad (Algerien, Sahara, Paläſtina) und im Norden vielleicht der 65. oder 66. Grad n. Br. (Skandinavien). Dieſelben fallen alſo im Weſten, Süden und Norden etwa mit denen der Ringelnatter, welche allerdings viel weiter nach Oſten hin geht, zuſammen, und in der That ſind denn auch dieſe zwei Reptilien die beiden einzigen deutſchen bezw. europäiſchen Arten, welche in allen Ländergebieten unſeres Erdtheiles vorkommen.. Dagegen muß die früher zuweilen geäußerte Anſicht, man könne faſt mit Beſtimmtheit annehmen, daß der Verbreitungs— ) Leukismus bezw. Albinismus ſcheint bei der Blindſchleiche nur ganz ausnahmsweiſe vor— zukommen; ich ſelbſt habe noch nie ein weißes oder weißliches Exemplar geſehen, doch gelangte ein ſolches Stück („White variety“) am 4. Auguſt 1881 in den Londoner Zool. Garten, Fünfte Art. Blindſchleiche. 225 bezirk der Anguis fragilis und der Lacerta agilis die nämlichen ſeien, von der Hand gewieſen werden, denn die Zaun-Eidechſe fehlt in folgenden Heimatgebieten der Blind— ſchleiche: Portugal, Spanien, Italien, den ſüdlich der Alpen gelegenen öſterreichiſchen Ländern, in Griechenland, Kleinaſien, Paläſtina, Perſien, Algerien. Was nun Deutſchland, das etwa die Mitte des Verbreitungsbezirkes bildet, anbetrifft, ſo wird ſie in keinem Lande, keiner Provinz dieſes Reiches vermißt, ſie iſt ebenſowohl in unſeren Mittelgebirgen und hügeligen Landſchaften, wie auf den ſüd— deutſchen Hochebenen und im norddeutſchen Flachlande zu Hauſe, und zwar, wie die mir zugegangenen Mittheilungen als auch die Berichte der deutſchen Fauniſten beſagen, faſt aller Orten „häufig“, „recht häufig“, „gemein“, „zahlreich“, ſodaß ich es wohl unterlaſſen darf, all' die Beobachter zu nennen. Wie in den deutſchen, jo findet fie ſich auch überall in den ruſſiſchen Oſtſee— Provinzen und auf den nahe der Küſte gelegenen Inſeln. Auf Rügen iſt ſie nach Katter's Mittheilung häufig, auf der livländiſchen Inſel Oeſel iſt ſie, laut O. v. Löwis, wohl ebenſo „ziemlich gleichmäßig ausgebreitet“, wie in Kurland, Livland, Eſthland und Ingermanland. In letzterem Theile, bei St. Petersburg, unter 59 Grad n. Br., iſt ſie nach O. v. Löwis bereits recht rar — nach Joh. v. Fiſcher „nicht ſehr gemein“ — und zugleich ſpricht v. Löwis die Anſicht aus, daß ſie wahrſcheinlich den 60. Grad als Nordgrenze ihrer Verbreitung nicht mehr erreiche. Dem gegenüber muß ich her— vorheben, daß ſie ſchon 1819 in der von Sadelin in Abo herausgegebenen Fauna fennica II S. 36 unter den in Finnland heimiſchen Thieren aufgeführt und auch ihre dortige Bezeichnung, Vaski-kärme, angegeben wird. Ob fie jedoch nur in dem ſüdlichen Striche Finnlands heimiſch iſt, oder ob ſie, was nicht wahrſcheinlich, noch weiter hinaufgeht, darüber fehlen die Nachrichten. In Skandinavien bewohnt ſie namentlich die ſüdſchwediſchen Landſchaften Skäne, Blekinge, Smäland, Kalmar Län, Halland, Weſter- und Dfter-Götaland, Nerike, im ſüdlichen Norwegen findet ſie ſich, wie Nilsſon erwähnt, im Bergen'ſchen und wahrſcheinlich noch weiter nördlich; in Smäland beobachtete fie Linné im Sommer 1741 gelegentlich feiner Olands- und Gottlands-Reiſe mehrmals, auch die rückenſtreifige Ormsla [Resa S. 306 und 326]. Auf der jütiſchen Halbinſel iſt ſie ebenſo verbreitet wie in England, von Devonſhire ꝛc. an bis ins Schottiſche Hochland hinauf, in den Niederlanden ebenſo wie in Frankreich; bei keinem der betreffenden Fauniſten wird man ſie vergeblich ſuchen. Auch auf der pyrenäiſchen Halbinſel iſt ſie heimiſch: ſo weiſt ſie für Portugal Barboſa du Bocage, für Spanien Machado nach; aus Cordova in Andaluſien iſt ſie auch im Berliner und aus dem ſüdlichen Spanien überhaupt im Wiener Zoolog. Muſeum vertreten. Im franzöſiſchen Nord-Afrika, der Provinz Algier und der Sahara, iſt ſie, nach Gervais und Strauch [Erpet.] gleichfalls beobachtet worden („quoique assez rarement‘“). In Italien ſcheint ſie nirgends zu fehlen, die italieniſchen Fauniſten bezeichnen ihr Vorkommen mit „comune“, „comunissimo“, doch betont ſchon Gene, daß man ſie auf der Inſel Sardinien vermiſſe („Insula Sardinia caret Angue fragili“), und gleicherweiſe mangelt ſie laut Camerano u. A. den Inſeln Korſika und Sizilien. In der Schweiz findet ſie ſich beſonders in den weſtlichen und nördlichen Theilen; als Bewohnerin des Jura-Gebietes verzeichnet ſie ſchon Razoumowsky, im Baſeler und Berner Land und im Genfer Diſtrikt iſt ſie nach brieflichen Mittheilungen der Herren Dr. F. Müller⸗Baſel, Prof. Th. Studer-Bern und Lehrer M. Hoffmann-Genf überall häufig; daß ſie aber auch in der mittleren und in den Thälern der ſüdlichen Schweiz vorkommt, beſtätigten bereits Tſchudi und Schinz. Ebenſo wenig fehlt ſie den Alpenländern Oſterreichs und den weſtlich, nördlich und öſtlich der Donau 15 Deutſchland. Nord- u. Weſt⸗ Europa. Afrika. Süd-Europa. Aufenthalt. 226 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. gelegenen Ländern des öſterreichiſch-ungariſchen Kaiſerſtaates: Böhmen, Mähren, Oſterreich, Ungarn, Galizien, Bukowina, Siebenbürgen, Banat, Kroatien x. Von Dalmatien und Bosnien, auch in letzterem Lande iſt ſie nach O. v. Möllendorf „nicht ſelten“, zieht ſich ihr Verbreitungsbezirk durch die türkiſchen Gebiete hinab nach Griechenland, wo ſie laut de Betta, Heldreich und v. Bedriaga allgemein verbreitet bezw. gemein iſt; unter den Bewohnern der Cykladen führt Erhard ſie zwar nicht auf, doch beobachtete Erber ſie auf der Inſel Tino. In Rumelien (Thracien) findet fie ſich gleicherweiſe; ein Stück von Konſtantinopel z. B. ſteht in der Senden- berg. Sammlung zu Frankfurt a/ M. — Wie in den Rußland im Weſten begrenzenden Ländern: Donauſtaaten, Galizien, Preußen, ſo iſt ſie auch in dieſem ausgedehnten Reiche weit verbreitet. Schon Pallas jagt auf Grund ſeiner Wahrnehmungen | Zoogr.]: „In omni Rossia tam boreali, quam temporata, nec non per Caucasum, in Georgiam usque, satis frequens observatur“. Die ruſſiſchen Fauniſten ſtimmen damit überein. So verzeichnet ſie Belke für Podolien, Taczanowsky für Polen, Dwigubsky ſür das Moskauer Gebiet, Czernay für das Gouv. Charkow, aus der Gegend von Wilna in Litthauen und von Charkow erhielt Krynicki in den Jahren 1823 und 1830 je ein Exemplar ſeiner Anguis incerta u. ſ. w. Dagegen fehlt ſie, wie Fr. Th. Köppen ausdrücklich betont, auf der Halbinſel Krim. Aus den Kaukaſus-Ländern bezw. Transkaukaſien (Tiflis, Lenkoran), von wo ſie Schon früher durch Pallas, Menetries, Eichwald bekannt war und wo ſie neuerdings Hans Leder wieder ſammelte, tritt ſie auch nach Perſien, woher de Filippi und Blanford ſie von Teheran — hier erreicht ſie nach dem Stande unſerer heutigen Kenntniß die Oſtgrenze ihrer Verbreitung — und Reſcht kennen, und nach dem türkiſchen Aſien über: aus Trebiſont an der ſüdöſtlichen Küſte des Schwarzen Meeres ſteht ein Exemplar, Nr. 1329, im Berliner, aus Paläſtina, woher ſie auch Günther [Proc. 1864] zuging, ein Exemplar im Baſeler Zoolog. Muſeum, letzteres dahin geſchenkt von H. J. Kober. Und da ſie nach Unger und Kotſchy auch auf der kleinaſ. Inſel Cypern vorkommt, jo wird man vermuthen dürfen, daß ſie ſowohl in anderen Theilen Kleinaſiens, als auch im oberen Gebiete des Eu— phrat und Tigris, dem Verbindungsglied zwiſchen Paläſtina und Perſien, zu Hauſe iſt. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Beſondere Anforderungen an den Boden ſtellt die Blindſchleiche nicht. Sie lebt auf fetter Humusſchicht ebenſo wie an mageren Gehängen, auf ſchwerer Moor- und Lehmerde ebenſo wie auf leichtem Sand— boden. Daher trifft man ſie in weiten, fruchtbaren Thalmulden wie an den Lehnen unſerer Berge, auf und an grasreichen Wieſen wie an geſtrüpp-bewachſenen Halden, in der Nähe des Waſſers wie an trockneren Stellen, auf und unter dem Moosteppich gemiſchter Gehölze und Laubwaldungen wie an den Fahrwegen ſandiger, lichter Nadel— hölzer, auf unbebauten Plätzen wie in den Gärten zerſtreut liegender Ortſchaften und ſelbſt auf Kirchhöfen, im Tieflande wie an und auf Bergen und Hügeln — wenn auch freilich nicht überall in gleicher oder verhältnißmäßiger Anzahl; denn obſchon ſie auf die Bodenart keine Rückſicht nimmt, ſo meidet ſie doch kahle öde Plätze und giebt dafür raſigen oder mit Buſch und Gehölz beſtandenen Oertlichkeiten, wo ihr Erd— löcher, Gras, Wurzelwerk oder größere Steine, unter Umſtänden auch ein Ameiſen⸗ haufen Unterſchlupf bieten, den Vorzug, da ſie am Tage, und zwar bei großer Hitze ebenſo gern wie bei windigem, ſtürmiſchem Wetter, ſich gewöhnlich verſteckt hält. Deshalb muß man ſich billig wundern über die beträchtliche Anzahl von Blindſchleichen, die man an Abhängen, Böſchungen und anderen entſprechenden Orten, wo man vor— her gar keine oder nur einzelne wahrgenommen, zuweilen zu Tage fördert, ſobald man die daſelbſt liegenden größeren Steine umwendet. Nur iſt dabei nicht außer Acht zu Fünfte Art. Blindſchleiche. 227 laſſen, daß fragilis keine Freundin der Trockenheit iſt, daß fie vielmehr nicht nur feuchtwarme Luft, ſondern auch mäßig feuchte Wohn- und Verſteckplätze — allerdings nicht in dem Grade wie die Wald-Eidechſe — liebt. Daher meidet ſie von der Sonne ausgetrocknete Abhänge und Halden, namentlich wenn ſchattenſpendendes Geſträuch und Geranke fehlt; daher kommt ſie zur Sommerzeit gern des Morgens früh und gegen Abend zum Vorſchein; daher unternimmt ſie, falls ein Regen die trockene Hitze gedämpft, die Luft mit Feuchtigkeit geſchwängert und den Boden durchfeuchtet hat, ſehr gern auch am Tage ihre kurzen Wanderungen und ſtillen Raubzüge, zumal dann ihre Beutethiere, Regenwürmer und kleine Nacktſchnecken, an die Erdoberfläche ſteigen bezw. ſich bemerkbar machen. Dies konnte ich beiſpielsweiſe ſo recht beobachten, als ich am 10. Juli 1880 gegen Abend, nachdem etwa 4 Stunden vorher ein tüchtiger Gewitterregen niedergegangen war, in Gemeinſchaft mehrerer Berliner Zoologen vom Bahnhof Müncheberg nach der Hauptſtadt der Märkiſchen Schweiz, Buckow, wanderte: neben hunderten von Kröten, die beim Begehen der Chauſſee unſere Schritte hemmten, neben Laubfröſchen und Molchen, die uns am Waldesſaum in die Hände fielen, waren es kleine und große Blindſchleichen, welche die feuchte Witterung hervorgelockt hatte und die über den Moos- und Grasteppich ſich hinſchoben. Uebrigens erſtrecken ſich ihre Strei— fereien auf ein ſehr beſchränktes Gebiet; die Blindſchleiche bleibt gern in der Nähe ihrer Zufluchtsſtätte, ihrer Erdhöhle; ſie zeigt ſich recht anhänglich an ihre enge Heimat und verläßt dieſelbe nur in dem Falle, daß veränderte Bodenverhältniſſe ſie dazu zwingen. Was ſchließlich die Frage anbelangt, bis zu welcher Höhe die Blindſchleiche im Gebirge verbreitet iſt, ſo ſei bemerkt, daß ich ſie im ſächſiſchen Erzgebirge bis zu einer Höhe von 700 bis 800 m mehrfach angetroffen habe und daß ſie vermuthlich noch höher ſteigt; im Harz dürfte ſie, nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Dr. Elſter-Blankenburg, nur auf den höchſten Plateaus fehlen; im Taunus fand Herr Dr. Böttger ſie ſehr häufig auf dem Altkönig (800 m); auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb geht ſie, wie Herr Dr. Weinland mir ſchreibt, bis zu einer Höhe von 2300 Fuß, auch an der Adelegg iſt ſie nach Dr. v. Krauß häufig; im Schwarz— wald beobachtete Herr Herm. Kober ſie noch in einer Höhe von 3000 Fuß. Für das Alpengebiet der Schweiz giebt Tschudi [Echſen S. 39] an, daß fie von 2000 Fuß an verſchwinde, „daher wir ſie in keinem der höher gelegenen Schweizerthäler mehr finden“. Allein andere und neuere Beobachtungen widerſprechen dem, und zwar auch für weitere Theile der Alpen. Bereits Fitzinger giebt 1832 in ſeiner „Landeskunde“ an, daß die Blindſchleiche „ſelbſt noch in der Krummholzregion“ anzutreffen ſei; nach Gredler's Wahrnehmungen geht ſie in Tirol „bis ea. 4000 Fuß“ (1300 m); in der Nähe des Mont Blanc findet man fie laut Venance Payot gleichfalls noch bis zu einer Höhe von 1200 bis 1300 m, im Ober-Engadin und am großen St. Bernhard, laut Fatio, in noch beträchtlicherer Höhe, bis 2000 m überm Meeresſpiegel. Wie ſchon Frivaldsky auf Seite 30 ſeiner Monographia serpentum Hungariae berichtet („Cavitates terrae quas ipse rostro fodicat petere solet. Hiemne somno detinetur‘‘), wühlen die Blindſchleichen vermöge ihrer Schnauze, die ja bei ihrer ſtumpfkegelförmigen Geſtalt zum Bohren und Graben recht geeignet erſcheint, Er d— höhlen aus, in welchen ſie ihren Winterſchlaf abhalten. Dieſe Winterherbergen, welche ſich in Form enger, mehr oder minder langer (15 bis 50 em langer oder noch längerer) Röhren unter der Erdoberfläche hinziehen, werden im Vor- oder Nachwinter beim Graben oder Pflügen zuweilen bloßgelegt; dagegen entdeckt man ſie beim Suchen nur zufällig, da ſie ſich nach außen durch nichts verrathen, denn das Eingangsloch ver— ſtopfen die Blindſchleichen von innen mit Erde und Gras, um vor Wind und Kälte geſchützt zu 15* Höhen Verbreitung. Winters Herbergen. Winterſchlaf. 228 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſein. Und Tſchudi, welcher einen ſolchen Stollen gern während des Winters unter— ſuchen wollte, glückte die Auffindung nur dadurch, daß er im Herbſt neben ein Loch, in das er ſchon häufig hatte Blindſchleichen verſchwinden ſehen, ein Stück Holz ſteckte. Im Februar nun grub er neben dem Loch, das von außen keinenfalls als ein ſolches zu erkennen war, ein anderes, um von da aus die Schleichenherberge beſichtigen zu können. Das Loch war rund, ſchlauch- oder röhrenförmig, ging etwa 4 Zoll tief ſchräg in die Erde und war von innen mit Gras und Erde zugeſtopft. „Von dieſer Röhre lief horizontal mit dem Profil des Hügels einen halben Schuh tief unter der Oberfläche der Seite des Hügels ein 2 Zoll hoher, 1½ Zoll breiter Stollen, 34 Zoll lang mit mehreren Krümmungen nach oben und unten und einer ſeitlichen Biegung nach außen über einen großen Stein hin, in eine ſtumpfe Spitze aus. Die Seiten- wände des Stollens waren glatt und feſt, die Decke mit vielen Eindrücken verſehen.“ In der Röhre, und zwar gleich beim Eingang, lagen mehrere ganz junge Thiere, dann folgten ein wenig ältere und größere, und ſo weiter durch den ganzen Stollen faſt immer größere Exemplare, hinten aber in der Verengung lag ein altes Weibchen und vor ihm ein altes Männchen; der Kopf und ein Theil des Rumpfes des Weibchens waren eng von den Wandungen umſchloſſen, ſodaß die Erdſcholle voll— kommen den Abdruck des Vorderkörpers zeigte. Die Zahl der entweder zuſammen— gerollt oder ineinander verſchlungenen oder gerade geſtreckt in tiefer Erſtarrung in der Wohnung liegenden Blindſchleichen belief ſich auf 23. Die beobachteten Erſcheinungen erklärt Tſchudi ſich folgendermaßen: Im Herbſt begiebt ſich eine Anzahl Blindſchleichen in ein geräumiges, jedoch nicht allzugroßes Loch, von welchem aus die älteſte und ſtärkſte mit der Schnauze in der noch feuchten, weichen Erde vorwärts wühlt. Beim Graben findet ſie Widerſtand und krümmt ſich nach ſeitwärts und nach oben, um denſelben zu überwinden. Iſt ſie eine Strecke weit ge— kommen, ſo folgen ihr die andern nach, und durch ähnliche Bewegung erlangt die Höhlung eine regelmäßige Geſtalt und die Wände Feſtigkeit. Je nachdem Kälte ein— tritt oder der Boden hart wird, muß ein weiteres Arbeiten unterbleiben und Er— ſtarrung tritt ein, „weshalb die Stollen nach vorn ſpitzig und von der Geſtalt der arbeitenden Anguis“ find. Hört die Arbeit früh auf, jo müſſen die Jungen in der - Eingangsröhre verweilen; dauert ſie lange an, ſo können ſie ebenfalls im langen Gange, wo die Wärme unſtreitig bedeutender iſt, ein Unterkommen erhalten. „Im Frühling ſuchen ſie die verſtopfte Oeffnung zu lichten und herauszukriechen, was ich in der zweiten Woche des April im Kanton Glarus zu ſehen Gelegenheit hatte, als eine ſolche Kolonie ſich langſam ans Tageslicht begab. Der Stollen, den ich auch da ſogleich bloßlegte, zeigte eine ganz ähnliche Beſchaffenheit wie die früher unter— ſuchten.“ Obgleich Barkow, geſtützt auf die von Lenz angeſtellten und in deſſen „Schlangenkunde“ geſchilderten Verſuche, Seite 73 ſeines im Jahre 1846 erſchienenen Buches: „Der Winterſchlaf“ jagt: „Anguis fragilis iſt gegen Wind und Kälte am empfindlichſten“ und empfindlicher als Ringel-, Glatt- und Aeskulap-Natter, ſo wird man durch Beobachtung freilebender Thiere zu dem Schluſſe geführt, daß die Blind— ſchleiche doch nicht ſo weichlich iſt. Denn nicht ſelten haben, wie ich dies am Fuße des Erzgebirges beobachten konnte, die erſten Stücke in Mitteldeutſchland ſchon gegen Ende März, wenn zuweilen noch recht kalte Winde wehen, das etwa an geſchütztem Bergeshang gelegene, von der Sonne einige Tage hindurch recht freundlich beſchienene Winterquartier verlaſſen, ſodaß man ſie dann vereinzelt an ſonnigen Plätzchen oder aber unter Steinen, welche ihnen wieder bei Kälte und Wind einen Unterſchlupf bieten, antreffen kann. Und in zeitigen Frühjahren und in geſchützteren Landſtrichen, Fünfte Art. Blindſchleiche. 229 wie z. B. im Rheingau, begegnet man den Vorboten bereits um Mitte März; bei Braunſchweig fand Herr Dr. Rud. Blaſius im Jahre 1871 die erſten am 24. März. Immerhin freilich rückt das Gros, wenigſtens was Mittel- und Nord— deutſchland anbelangt, erſt ſpäter, während der erſten Tage oder des erſten Drittels des April, nach, und ungefähr am 10. oder 15. dieſes Monats beginnt das eigentliche Freileben der Blindſchleichen, welches ſie bei uns bis Anfang oder Mitte Oktober fortſetzen. Schon in der erſten Hälfte Oktober ſieht man ſie nur ſelten auf dem freien Boden; mehr und mehr ſuchen ſie das ſchützende Obdach auf, um ſich Ende Oktober oder ſpäteſtens Anfang November ganz in ihr Winter— quartier zurückzuziehen. Das Verlangen nach Feuchtigkeit ſchließt keineswegs aus, daß die Blindſchleiche ſich nicht hin und wieder auch ſonnen ſollte. Immerhin aber zieht ſie, was auf Seite 226 ſchon berührt, die mittelbare Sonnenwärme (unter überhängendem Gerank und Geſträuch, im hohen Graſe und dergl.) den direkten Strahlen vor und nimmer— mehr iſt „Sonne“ für ſie in dem Grade Lebensfrage, wie für ihre vierfüßigen Ver— wandten, die Eidechſen. Auch im Terrarium lebende Thiere laſſen dieſen Unterſchied erkennen: Eidechſen werden von den einfallenden Sonnenſtrahlen alsbald hervorgelockt und folgen dieſen, Blindſchleichen verbleiben alsdann in ihren Löchern und unterm Moos oder ſtrecken nur den Kopf hervor; kündigt ſich Regenwetter an, fo halten die Lacerten ſich mehr verſteckt, wogegen die Schleiche an die Oberfläche kommt, ſodaß man ſie als einen ziemlich zuverläſſigen Wetteranzeiger betrachtet. Sonnt ſie ſich, oder liegt ſie überhaupt außerhalb der Herberge, ſo verharrt ſie ganz regungslos in der ein— genommenen Stellung, und dieſer Umſtand im Verein mit der braunen Erdfarbe der Schleiche bewirkt, daß ſchon ein geübtes Auge dazu gehört, um ſie wahrzunehmen. Noch ſchwieriger wird dies, wenn nur der Kopf oder der Vorderkörper aus ihrem Unterſchlupf hervorguckt, fie bleibt dann gewöhnlich vor jeder Entdeckung geſichert. Bemerkt man ein Thier in der letzteren Lage und verſucht man daſſelbe aus dem Erd— loch hervorzuziehen, ſo ſtemmt ſich der im Innern der Höhle befindliche Theil mit einer ganz auffallenden Kraft dagegen, und eher läßt es ſich zerreißen, als daß es ‚nachgeben ſollte. Dieſe Stärke zeigt ſich auch unter anderen Verhältniſſen: Glückt es der Schleiche, wenn ſie von einer Glattnatter erfaßt worden, mit dem Schwanz— ende ſich an einem Pflanzenſtengel oder dergl. feſtzuhalten, ſo zwingt ſie oft ihre Todfeindin, ſtundenlang ſich mit ihr abzumühen; nimmt man eine Blindſchleiche in die Hand, ſo ſchlingt ſie ſich gern um die Finger und drückt dieſelben mit einer Kraft zuſammen, die man von dem ſo unbeholfenen Geſchöpf gar nicht erwartet hätte; haben ſich mehrere Exemplare ineinander verſchlungen, ſo koſtet es viele Mühe, eins derſelben herauszulöſen, und ſelbſt dann, wenn man eins bis auf die Schwanzſpitze frei gemacht hat, hält es mit der letzteren den ganzen Knäuel noch ſo feſt, daß man an ihr die ganze Geſellſchaft in die Höhe zu heben vermag. Eigenthümlich iſt es, daß die Blindſchleichen überhaupt die Neigung haben, ſich durcheinander zu ſchlingen, denn man kann das nicht nur an den in Säckchen oder Kapſeln und Kiſtchen trans— portirten, ſondern auch an den in Terrarien untergebrachten Thieren wahrnehmen; im erſteren Falle bilden manchmal zwanzig, dreißig Stück einen ſchier unentwirrbaren Knäuel, im letzteren Falle lagern ſie wenigſtens zuſammen auf dem Moospolſter ıc. Die einzelne Blindſchleiche hingegen liegt im Sonnenſchein flach auf dem Boden, den Kopf in der Regel geſenkt, zuweilen ihn jedoch nebſt dem Vorderkörper auf kurze Zeit in die Höhe hebend. Dabei achten die verhältnißmäßig kleinen aber hellen Augen wohl auf die Umgebung. Weſen. Sinne. Bewegungen. Fang. Gefangenſchaft. 230 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Daß die Schleiche weit ſehen könnte, dürfen wir freilich nicht annehmen, immer— hin aber ſieht ſie, dem vom Volke ihr beigelegten Namen zum Trotz, ja das Geſicht ſcheint neben dem Gehör unter ihren Sinnen obenan zu ſtehen. Eine der von mir gepflegten Blindſchleichen bemerkte z. B. eine 45 mm lange grüne Raupe, die, in den Behälter gebracht, in einer Entfernung von etwa 4 em an ihr vorüberkroch, ſofort; eine andere wurde auf eine Schmetterlingspuppe, von welcher ſich doch nur die untere Spitze bewegte, ſogleich aufmerkſam; und daß fie die der Glaswand ſich nähernde Hand gewahren, bekunden ſie dadurch, daß ſie ſich vor ihr in das Verſteck zurückziehen. Zahme Stücke freilich, die ihren Pfleger kennen, thun das letztere nicht; im Gegen— theil, ſolche kommen, was für die Entwickelung ihres Gehörs ſpricht, mitunter ſchon aus ihrem Unterſchlupf hervor, ſobald ein beim Oeffnen der Thür oder beim Abheben des Deckels verurſachtes leiſes Geräuſch die Gegenwart des Pflegers bezw. die Zeit der Fütterung verräth. Im Uebrigen läßt ſich über die etwaige Schärfe oder aber über die mangelnde Ausbildung ihrer Sinne nicht ſo leicht ein Urtheil fällen, da die Schleiche in ihrem Weſen und Gebahren ſich ganz anders giebt, als die allzeit be— weglichen, erregten Eidechſen, denen gegenüber unſere Anguis ruhig, beſonnen, nach— denklich iſt; ſie ſcheint alles wohl zu erwägen, ehe ſie etwas unternimmt, während die Lacerten wageluſtig und ohne viel Beſinnen ihr Ziel zu erreichen ſuchen. Die letzteren erſcheinen daher nicht blos körperlich, ſondern auch geiſtig gewandter, alſo intelligenter. Aber trotzdem hat man kein Recht, den Verſtand der Schleiche gering anzuſchlagen; ſchon die Thatſache, daß ſie bereits nach einigen Tagen der Gefangen— ſchaft ihrem Pfleger das Futter aus der Hand nimmt, geſtattet einen derartigen Entſcheid nicht. Mit dem Grundzug ihres Weſens ſtehen die Bewegungen der Blindſchleiche im Einklang: ſie ſind langſam, etwas unbeholfen und ſteif. Allerdings dürfen wir die Urſache dieſer Ungelenkigkeit nicht etwa in dem Temperament des Thieres ſuchen, ſie liegt vielmehr, was wir von Seite 218 her wiſſen, in der Beſchaffenheit der Körperhaut — ein Panzerhemd iſt kein Schuppenkleid! Daher vermag die Schleiche weder die ſchnellen, ſchlängelnden Bewegungen der Eidechſen, noch die kurzen, ſchmeidigen Wellenlinien und zierlichen Windungen der Schlangen auszuführen, ſie it. nur im Stande, die weit bogigen Seitenwendungen zu machen, und dies geſchieht auf ebenem Boden auch nur in einem ſolchen Zeitmaaß, daß man „mit ruhigem Schritte bequem nebenher gehen kann“; blos auf rauhem oder bewachſenem Grunde und bergab weiß ſie ſchneller vorwärts zu kommen, während ihr wiederum das Berg— ſteigen erhebliche Anſtrengung verurſacht. Mit Hilfe ihrer Schnauze wühlt ſie in lockerem Wald-, Wieſen- oder Sandboden etwa fingerſtarke, glatte Höhlungen; in feſtem, bindigem Lehm- oder Thonboden jedoch bleibt ihr ein Vordringen verſagt, und findet man dennoch in derartigem Grunde Schleichen, ſo wurden die Löcher hier ent— weder vordem, als der Boden noch ganz locker war, gebohrt, oder ſie ſind urſprünglich von anderen Thieren, vielleicht Regenwürmern oder Inſekten, geſchaffen worden. Trotz ihrer Vorliebe für gewiſſen Grad von Feuchtigkeit meidet ſie doch die Wäſſer; durch irgend einen Zufall in ein ſolches gerathen, verſteht ſie indeß unter ſeitlichen Krümmungen des Körpers, den Kopf über die Oberfläche erhoben, recht flink zu ſchwimmen, um bald das Land wieder zu erreichen. Zufolge ihrer langſamen Bewegungen iſt die Blindſchleiche leicht zu fangen; trifft man keine außerhalb des Verſtecks an, ſo muß man durch Umwenden größerer, alleinliegender Steine oder durch Unterſuchen ausgehöhlter Baumſtümpfe, ſparrigen Wurzelwerks und dergl. ihnen nachgehen. Beim Ergreifen darf man unſere Schuppen— r Fünfte Art. Blindſchleiche. 231 Echſe nicht am Schwanze faſſen, da dieſer, wie Seite 218 erwähnt, leicht abbricht. Das letztere geſchieht zuweilen auch noch, wenn man ſie ſchon in den Fingern hat, weil ſie, in der Abſicht, zu entwiſchen, mitunter ganz unerwartet heftige, unbändige Bewegungen ausführt. Unter Umſtänden auch ſpritzt ſie, freilich nicht in dem Grade wie Scheltopuſik und Ringelnatter, Unrath aus; nur ganz ausnahmsweiſe aber beißt ſie in die Hand, um dann jedoch, wenn ſie dies mal thut, nicht ſobald wieder los— zulaſſen keinenfalls indeß können ihre dünnen Zähnchen, mit denen ſie zuweilen auch gegen die Glattnatter, ihre Todfeindin, ſich zu wehren und in deren Körperſeiten oder Mundwinkel zu verbeißen ſucht, zur Vertheidigung dienen, oder auch nur den geringſten Schaden anrichten. Den Beweis, daß ſie ungiftig iſt, hat bereits Laurenti vor mehr als hundert Jahren geliefert. Ein Ziſchen, durch welches die Schlangen furchtſame Gegner zurückſchrecken, läßt ſie ebenſowenig vernehmen; kurzum, ſie iſt eins der harmloſeſten Geſchöpfe der Welt und darum ſelbſt bedenklicheren Menſchen als Zimmergenoſſe zu empfehlen. Ihre Anſprüche in dieſer Beziehung ſind äußerſt gering: ſie verlangt nur einen, zum Theil mit ſtarker Erd- und Sandſchicht, zum Theil mit Geröll und öfter zu beſprengender Mooslage, ſowie mit einem Waſſernapf verſehenen, der Sonne nicht entbehrenden Behälter und als Nahrung Regenwürmer, glatte Raupen und Nacktſchnecken (Limax agrestis u. a.), um dann, eine zweckmäßige Durchwinterung im ungeheizten, aber froſtfreien Raume vorausgeſetzt, jahrelang in der Gefangenſchaft auszudauern. Die ſoeben genannten, der Landwirthſchaft nachtheiligen Lebeweſen machen die eigentliche Nahrung der Blindſchleiche aus; flüchtigeren Thieren vermöchte ſie gar nicht zu folgen. Hat ſie einen Wurm oder dergleichen erblickt und zur Beute erkoren, ſo nähert ſie ſich ihm langſam, beſchaut ihn bedächtig durch Seitenwendungen des Kopfes, erhebt den letzteren etwas, ſperrt gemächlich den Rachen auf und fährt endlich in mäßiger Schnelle nieder, um ihn meiſt in Leibesmitte zu faſſen, gegen den Boden zu drücken und dadurch feſt anzubeißen; nachdem ſie das zappelnde und ſich lehaft windende Opfer ruhig eine Zeit lang, bis es matter geworden iſt, feſtgehalten hat, verſchlingt ſie, unter Vorwärtsgreifen der Zähne, daſſelbe allmählich. Iſt dieſe, fünf bis 10 oder 20 Minuten in Anſpruch nehmende Arbeit vollbracht, ſo wiſcht ſich die Schleiche nach Eidechſenart zierlich die Mundränder am Moos oder am Boden ab und ſieht etwaigenfalls nach weiterer Nahrung aus. Zu einer Mahlzeit genügen ihr, je nach— dem ſie ſelbſt größer oder kleiner iſt, etwa zwei oder drei mittellange Regenwürmer. Haben zwei Schleichen denſelben Wurm zu gleicher Zeit gepackt, ſo kann man nicht ſelten beobachten, daß ſie ſich mit ziemlicher Schnelligkeit um ihre eigene Achſe drehen und wälzen und daß dieſe Bewegung von beiden Thieren auch wohl nach entgegen— geſetzter Richtung ausgeführt wird. Offenbar bezwecken ſie damit nur, die Beute zu theilen oder ſich gegenſeitig zu entreißen, denn jede ſucht nach geſchehener Trennung ihr Stück ſchleunigſt unterm Moos ꝛc. vor den Augen der andern zu bergen. In entſprechender Weiſe verfährt manche Schleiche auch, wenn der erfaßte Wurm am andern Ende von einer Eidechſe ergriffen wird. Außer glatten nimmt ſie nur ſchwach behaarte Raupen, doch verzehrte ein Exemplar bei mir auch die mit borſtigen Warzen verſehene Raupe des Schwammſpinners (Oeneria dispar, L.). Hingegen geht ſie an Mehlwürmer nur ſelten, in der Regel ſcheint ſie dieſelben zu verſchmähen. Anderer— ſeits aber hat man ſie an wurmförmig geſchnittene Streifen rohen Rindfleiſches ge— wöhnt, freilich erſt unter Anwendung einer Art Kriegsliſt. Ueber einen derartigen Fall berichtet Dr. K. Heermann im II. Bande der „Blätter für Aquarien- und Terrarien-Freunde“ 1891. Da die drei vom Berichterſtatter gehaltenen Blindſchleichen Ernährung. Häutung. Paarung. Junge. 232 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. nach der Fütterung mit Regenwürmern und Nacktſchnecken nichts von Mehlwürmern und Fleiſchſtückchen wiſſen wollten, wurde ein lebender Mehlwurm in geſchabtes Rind— fleiſch eingewickelt und das kleine Packet zwei Blindſchleichen vorgelegt. Kaum be— gann ſich das Ding zu regen, ſo ſtürzte ſich eine nach der andern darauf und ver— ſchlang ein Stück Fleiſch, während der freigewordene Mehlwurm davoneilte. Am nächſten Tage wiederholte ſich der Vorgang, am dritten Tage bereits nahmen ſie Fleiſch an, in welchem kein Mehlwurm ſteckte; und als die dritte Blindſchleiche eine Genoſſin Fleiſch freſſen ſah, machte ſie ſich ohne Beſinnen über daſſelbe Stück her — was nicht Wunder nehmen darf, da eine Blindſchleiche oft gerade für die von einer Geſellſchafterin gepackte Beute beſondere Vorliebe zeigt. Wie hier eine von der andern lernte und die gemachte Erfahrung ihrem Gedächtniſſe einprägte, ſo geſchieht es auch in weiteren Fällen. Waſſer trinkt die Blindſchleiche nach Eidechſenart, indem ſie die Zunge wiederholt vorſtreckt und zurückzieht, alſo die Flüſſigkeit tropfen— weiſe aufleckt. Hinſichtlich der Häutung dagegen nähert ſich die Blindſchleiche den Schlangen: ſie ſtreift die Oberhaut, welche dabei zuſammengeſchoben wird und einen Wulſt bildet, vom Kopfe nach dem Schwanze zu ab; jedoch bleibt das abgezogene „Hemd“, im Gegenſatz zu dem der Schlangen, gewöhnlich nicht ganz, ſondern es reißt meiſtens in zwei Stücken oder auch in noch mehr Theile. Die abgelöſte Oberhaut, einſchließlich der der Augenlider, iſt ſehr fein und waſſerhell. Die Häutung erfolgt, wie auf Seite 45 erwähnt, mehrmals im Laufe des Sommers; doch vermag ich Har. O. Lenz nicht ohne Weiteres beizupflichten, wenn er eine regelmäßige monatliche Häutung, und zwar fünf mal des Jahres, Anfang Mai, Juni, Juli, Auguſt, Sep— tember, annimmt, denn ich habe in Bezug auf die Zahl und die Aufeinanderfolge der Häutungen je nach den Thieren, den Witterungsverhältniſſen ꝛc. mancherlei Ab— weichungen wahrgenommen. Die Paarung hinwiederum vollzieht ſich wie bei den Eidechſen, nicht wie bei den Schlangen). Das Männchen ſucht die Nähe des Weibchens, und wenn beider— ſeits Neigung vorhanden iſt, ſo packt das erſtere mittels der Kinnladen das Weibchen am Nacken oder Vorderkörper, drückt daſſelbe nieder und biegt ſeinen Körper zu einem Halbfreife, ſodaß der After an den des geſtreckten Weibchens kommt, worauf es, wie Seite 71 erwähnt, die herausgeſtülpten Ruthen gegen die Kloake des letzteren drückt und nun beide Geſchlechter, ſo verbunden, mehrere Stunden lang in dieſer Lage verharren; eine „innige Umſchlingung“, nach Art der Schlangen, findet demnach nicht jtatt. Die Paarung erfolgt von Anfang Mai ab, und zwar an verborgenen Orten, und dem letzteren Umſtande iſt es zuzuſchreiben, daß man ſo lange über die Begattungsweiſe im Unklaren blieb, während bereits Gesner und Aldrovandi wußten, daß die Blindſchleiche lebende Junge zur Welt bringt. Zur Entwickelung der Jungen im Mutterleibe bedarf es eines Zeitraumes von etwa 12 Wochen, die Reife der erſteren fällt mithin in den letzten Abſchnitt des Auguſt oder in die Anfangshälfte des September, bei den zu Ende Mai oder Anfang Juni begatteten Weibchen allerdings drei oder vier Wochen ſpäter. Har. O. Lenz Das iſt aber erſt vor zwei Jahrzehnten feſtgeſtellt; die erſte ſichere Beobachtung darüber wurde von Fritz Meyer im „Zool. Garten“ 1874 Seite 318 veröffentlicht. Lenz 1860 und Leydig 1872 hatten noch keine Begattung der Blindſchleiche geſehen; und wenn Wolf-Sturm 1802 und Tſchudi 1837 ſagten, ſie gehe „wie bei den andern Schlangen“ bezw. „wie bei den Nattern“ vor ſich, ſo lag dieſen Angaben jedenfalls nur ein aus der äußeren Aehnlichkeit der Blindſchleichen und Schlangen hergeleiteter Schluß, nicht aber eine wirkliche Wahrnehmung zu Grunde. Fünfte Art. Blindſchleiche. 233 fand in weiblichen Blindſchleichen die Eier an den Eierſtöcken zur Winterszeit von Geſtalt und Größe kleiner Hirſekörner, die zum Ablegen beſtimmten in den Eiergängen (Eileitern) zu Anfang April ſchon von der Größe kleiner Hanfkörner, Anfang Juni gleich großen Erbſen „ohne Junges“, Mitte Juni 6 bis 7 Linien (13 bis 15 mm) lang und gegen 5 Linien (11 mm) dick, aber mit einem ſehr zarten, kleinen, ſeitlich im Ei liegenden und daher durch die feine, durchſichtige Eihaut deutlich zu er— kennenden Jungen; in der erſten Hälfte des Auguſt waren bei manchem Weibchen die Embryen in den Eihäuten ſchon 3 Zoll lang und gegen 1¼ Linie oder 2 mm dick, der Körper ziemlich zäh, der Schwanz leicht zerreißbar, die Farbe weißlich, am Kopf und Bauch etwas ins Bläuliche fallend, eine Linie längs der Rückenmitte bläulich, Augenlider und Kinnladen getrennt, die inneren Theile ausgebildet, „der Nabel, durch deſſen Gefäße das Geſchöpfchen mit dem Dotterſack, um den es gewickelt iſt, in Verbindung ſteht“, 3 Linien vorm Schwanzanfang gelegen. Die letztere Be— merkung wird durch Leydigs Angaben über einige, an geöffneten hochträchtigen Weibchen gemachte Wahrnehmungen ergänzt. Der Embryo iſt um den Dotterſack ſpiralig gerollt und zwar ſo, daß bei allen Embryen der Dotterſack nach unten, d. h. gegen die Bauchſeite der Mutter ſteht; beim Schwinden des Dotterſacks nimmt das anfänglich mehr walzenförmige Ei eine ſcheibenförmige Geſtalt an. Die Menge der Eier im Fruchthälter wechſelt und ſcheint auf beiden Seiten immer verſchieden zu ſein, z. B. neun Embryen rechts und 11 links, oder ſieben auf der einen, neun auf der andern Seite. Die Zahl der von einem Weibchen abgeſetzten Jungen, deren Größe und Färbung auf Seite 221 angegeben wurde, beträgt 5 bis 20, durchſchnittlich etwa acht; das Alter der Weibchen, welche übrigens erſt mit dem fünften Jahre geſchlechts— reif werden, ſpricht dabei mit. Meiſtens kommen die Jungen eines Wurfes in kurzen Pauſen von einigen Minuten nacheinander zur Welt, einzelne Weibchen jedoch quälen ſich tagelang damit. Die von einer dünnen, durchſichtigen Eihaut noch umſchloſſenen Thierchen zerreißen alsbald das letztere, um nun ihr eigentliches Freileben zu beginnen. Leider will es nur ſelten gelingen, die in der Gefangenſchaft geborenen kleinen Dinger zum Freſſen zu bewegen und ſie aufzuziehen; man muß es mit ganz kleinen Regen— würmern, mit Räupchen und Maden verſuchen; Tſchudi giebt an, daß junge Blind— ſchleichen, die er öffnete, Fliegen und Räupchen verzehrt hatten. Landesübliche Benennungen. Blindſchleiche, Haſelwurm, Hartwurm, Blin— ſchleech; Holl.: Hazelwurm; Schwediſch: Ormslä, Kopparorm, Fjällorm; Norw.: Blindorm, Kobberslange; Engl.: Slowworm, Blindworm; Franz.: Orvet (Anvın, Anvau, Anvoie, Anvronais, Borgne); Wallon.: Morvet, Orvege; Ital.: Angue fragile, Lucignola, Ghiaceiolo (Cecelia, Orbiga, Bissa, Orbisola); Span.: Lucion, Culebra de vidrio; Ruſſiſch: Wereteniza, Medjäniza; Polniſch: Padalec; Ungar.: Törödekeny kigyo; Böhm.: Slepys obeeny; Lettiſch: Glohdens; Eſthniſch: Waskus; Finniſch: Vaskikärme. Caecilia s. Typhlus graecis, @esner 1621 [Serp. V. p. 36] — Caecilia vul- garis, Aldrov. 1640. — Caec. typhlus, Ray 1693. — Anguis fragilis et A. eryx, Linne 1758. — Anguis clivica et lineata, Laurenti 1768. — Erix cli- vieus, Daudin 1803. — Anguis bicolor et einerea, Risso 1826. — Typhlus fragilis, Koch-Sturm 1829. — Anguis Besseri, Andrzej. 1832. — Anguis incerta, KÄrynicki 1837. — Otophis Eryx, Fitzinger 1428. Namen. Synonyma. 234 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Südeuropäiſche Schſen. Während in Mittel- und Nord-Europa nur die vorſtehend beſchriebenen fünf Arten heimiſch ſind, hat die Fauna Süd- und Südoſt-Europas noch nahezu vierzig, nur dieſen Gebieten eigene Spezies aufzuweiſen. Dieſelben vertheilen ſich auf 7 Familien: 1. Echte Eidechſen oder Lacertidae; 2. Wühlſchleichen, Scincoidae; 3. Seitenfaltler, Ptychopleurae; 4. Ringelſchleichen, Amphisbaenidae; 5. Agamen, Agamidae; 6. Haftzeher, Geckonidae; 7. Chamäleons, Chamaeleontidae. I. Familie: Echte Eidechſen, Lacertidae, ſ. S. 68. Mit 7 Gattungen. Ueberſicht: [ Körperſchuppen klein, körnig oder beckig, | Hinterhauptſchild weder aufliegend gekielt noch deutlich ge— Halsband | vorhanden Twen . . Bü ſehr deutlich Körperſchuppen groß, flach, rhombisch, auf . 88 ausgeprägt liegend gekielt und deutlich geſchindelt. . 2. Algiroides. 2 = | Hinterhauptſchild [Zehenränder glatt. .. . 6. Eremias. 8 2) 9 S | fehlend K gezähnt oder ge franſt .. 7. Acanthodactylus- Statt der Augenlider nur eine zuſammenhängende, ringförmige, mit kleinen Schuppen bedeckte, in beiden Augenwinkeln etwas erweiterte Fat! Urne Augenlider Tängs- geſpalten, das m tere viel größer als das obere Halsband | fehlend, oder kaum | erkennbar Familie: Schuppen der unteren Zehenfläche glatt . 3. Tropidosaura. „„ 7 „ „ längs⸗ |getiet Me e Zur 1. Gattung, dem auf Seite 72 gekennzeichneten Genus Lacerta, zählt zunächjt die größte und ſtattlichſte Art, die auf der Pyrenäiſchen Halbinſel, in Südfrankreich und an der Liguriſchen Küſte ſich findende Perl-Eidechſe (Lac. ocellata, Daudin), welche ſich durch ihre Länge, 45 bis 65 em und darüber, das auffallend große und breite Hinterhauptſchild, die ſehr kleinen Schuppen und die blauen, ſchwarz eingefaßten, an den Rumpfſeiten ſtehenden Augenflecken (Ocellen) auszeichnet. Eine auf Korſika lebende 22,5 em lange grüne und hellnußbraune, plattköpfige und plattrumpfige Lacerte, welche von Dumeril-Bibron u. A. mit Lac. oxycephala vereinigt wurde, iſt neuerdings durch Camerano zur Spezies Lac. Bedriagae erhoben worden. Gleich der letzteren beſitzt auch die dalmatiniſche ſpitzköpfige Eidechſe, die Lac. oxycephala D. B., ein ganzrandiges Halsband, 6 Längsreihen Bauchſchilder, 5 vordere Oberlippenjchilder *) und zwiſchen dem Augendiskus und den oberen Augenlidſchildchen eine Längsreihe feiner Körnerſchuppen, indeſſen, abgeſehen von anderen Punkten, zwei Naſen-Zügelſchilder, Bedriagae aber nur eins. Weiter ſchließt ſich der ſpitzköpfigen ſowie der Mauer— Eidechſe eine dritte dalmatiniſche Spezies an, welche 1886 durch Kolombatovié als Moſor-Eidechſe, Lac. mosorensis, bekannt gemacht wurde und ſich von der blau— bäuchigen oxycephala durch gelbe Unterſeite, größere, flachere Schläfenſchuppen, viel größere und flachere, in ſehr deutliche Querreihen geſtellte Rückenſchuppen, deutlich gekielte Oberſchwanzſchuppen, kräftigere Geſtalt u. a. unterſcheidet. Hinſichtlich der zwei Naſen-Zügelſchilder, des Halsbandes, der Bauch- und Oberlippenſchilder und der Augen-⸗Körnerſchüppchen ſtimmt ferner auch die von Bedriaga als Lac. graeca auf- geſtellte ſüdgriechiſche, etwa 24 em lange, auf hellbraunem Grunde dunkelbraun gefleckte Eidechſe mit oxycephala überein, allein graeca iſt 4—8 cm größer, anders gefärbt, ) Vergl. Seite 59. Südeuropäiſche Echſen. 235 an den Schläfen ohne Maſſeterſchild u. ſ. w. Und die das griechiſche Feſt- und Inſelland noch bewohnende, auf ſchwarzem oder braunem Grunde mit 4 bis 6 weißlichen oder grünlichen Längsſtreifen gezierte, 17 bis 24 em lange Lacerta peloponnesiaca Bibron— Bory's beſitzt zwar ein ganzrandiges Halsband und ein Maſſeterſchild wie oxycephala, Bedriagae und muralis und nur ein Naſen-Zügelſchild wie die letztgenannten beiden, aber ihr fehlen im Gegenſatz zu all' den genannten Arten die Körnerſchüppchen zwiſchen Augendiskus und oberen Augenlidſchildchen (welche bekanntlich auch unſerer Zaun— und Wald⸗Eidechſe mangeln). In Griechenland, bezw. auf der Balkan-Halbinſel ſowie in der Krim lebt endlich noch eine kleinere Eidechſe, die Lacerta taurica Pallas. Sie zeichnet ſich den vorigen gegenüber durch ein gezähneltes Halsband und 4 (nicht 5) vordere Oberlippenſchilder aus und ſtimmt hierin mit der in Cis- und Transkaukaſien heimatenden kleinen, nur 11 bis 15 cm langen und in mehreren Eigenheiten an unſere L. vivipara ſich anſchließenden Eversmann'ſchen Lacerta praticola überein, welche gleich der taurica auch die erwähnte Körner-Reihe über den oberen Augenlidſchildchen, ein ausgebildetes Maſſeterſchild und ein Naſen-Zügelſchild beſitzt, jedoch von ihr durch das Fehlen der Kehlfurche, die bei taurica deutlich ſich markirt, und den Mangel der Gaumenzähne, den kurzen, ſchmächtigen Körper, die kleinen (taurica hat große) Rand— ſchildchen an der Außenſeite der 1. und 6. Bauchſchilder-Längsreihe und andere Merk— male ſich unterſcheidet. Die 2. Gattung: Algiroides Bibron (Notopholis Wiegmann), Großſchuppen— Eidechſe, ſteht der Gattung Lacerta durchaus nahe; denn fie gleicht dieſer hinſichtlich der Zehen, des Halsbandes, Hinterhauptſchildes, Augendiskus, der Augenlider und Bauch— ſchilder (ſ. S. 72) und unterſcheidet ſich von ihr im Weſentlichen durch die großen, flachen, rhombiſchen, aufliegend gelielten und vollkommen geſchindelten Körperſchuppen; auch ſind bei Algiroides ſtets 2 über einander geſtellte Naſen-Zügelſchilder (Nasofrenalia) und 6 Längsreihen Bauchſchilder vorhanden. Von den drei ſüdeuropäiſchen Arten iſt die illyriſch-⸗dalmatiniſche, auf olivengrünlichem oder bräunlichem Rücken ſchwarzpunktirte (A. nigropunctatus D. B.) die größte, da ſie bei ziemlich ſchlankem und geſtrecktem, an unſere Wald- und Mauer-Eivechje erinnerndem Bau eine Länge von 16 oder 16,5 cm erreicht, während die griechiſche (A. moreoticus Bib.) nur etwa 11 und die ſardiniſche (A. Fitzingeri Wiegm.) 10—12 cm lang wird. Bei der erſteren find die Rücken— ſchuppen etwa doppelt ſo groß als die Seitenſchuppen, die Gliedmaßen lang, die Schenkel— drüſen jederſeits in einer Zahl von 14 bis 18 vorhanden, das Stirnſchild iſt lang, der Bauch roth oder gelb oder blau, die Kehlgegend blau, mehr oder minder gefleckt. 5 Bei der einen der beiden kleinen Arten, dem von Morea und der Inſel Zante nachgewieſenen A. moreoticus, ſind die Rückenſchuppen fait ebenſo lang, aber etwas breiter als die Seitenſchuppen, bei dem auf Sardinien und Korſika ſich findenden A. Fitzingeri etwas kürzer und ſchmäler als die letzteren; die griechiſche Art hat ein kurzes, breites Stirnſchild, 2 Bogenreihen kleiner Schildchen um das Afterſchild, jederſeits 12—15 Schenkelporen, kräftigeren, kurzen Körper und Schwanz, einförmig graue oder weißliche Untertheile und olivenfarbene Oberſeite mit jederſeits einem vom Ohr bis zur Schwanzwurzel hinziehenden gelben Längsſtreifen, die ſardiniſche Zwergeidechſe hingegen ein Stirnſchild, das kürzer als bei nigropunctatus, länger als bei moreoticus iſt, nur eine Bogenreihe Schildchen um das Anale, jederſeits 10—12 Schenkelporen, zart gebauten, geſtreckten Körper, ſehr langen Schwanz (mitunter von reichlich doppelter Körperlänge), eintönig dunkel olivenfarbene oder ſchwärzliche Oberſeite und bläuliche oder gelbe Unterſeite. 236 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Die 3. Gattung: Tropidosaura Fitzinger (Psammuros Wagler), die Kiel— Eidechſe, unterſcheidet ſich von den vorgenannten beiden Gattungen, denen ſie hinſichtlich der Beſchaffenheit der Zehen gleicht, vornehmlich durch das Fehlen des Halsbandes und des ſogenannten Bruſtdreiecks (ſ. S. 62), von allen verwandten überhaupt aber durch den außerordentlich langen, dünnen Schwanz. Außerdem ſind die Körperſchuppen nicht nur ſehr groß und flach, ſcharf gekielt und vollkommen geſchindelt, ſondern dazu am Hinterrande infolge des ſtachelartig verlängerten Kiels in eine ziemlich lange und ſcharfe Spitze ausgezogen, die Schläfe mit ziemlich großen, unregelmäßig vielſeitigen Schildern bedeckt, die Bauchſchilder klein, an ihrem Hinterrande gerundet und ſchwach geſchindelt, in ſechs einander ziemlich gleichbreite Längsreihen geordnet und am Vorderleib ohne weiteres in die gleichartigen, nur verſchmälerten und dichter ſtehenden Bruſt-, Hals- und Kehlplatten übergehend; die Schulterfalte indeß iſt vorhanden. Die einzige europäiſche, in Portugal, Spanien und Südfrankreich ſowie an der gegenüber— liegenden afrikaniſchen Küſte lebende und äußerſt hübſch gefärbte Art, Tropidosaura algira Linné, erreicht eine Länge von 25 bis 27 cm, wovon reichlich Zweidrittel auf den Schwanz kommen (3. B. 19 em bei 27 em Geſammtlänge), und hat jederſeits 13 bis 18 Schenkelſporen. Die 4. Gattung: Psammodromus Fitz, Sandläufer, hat zwar gleich den drei vorgenannten noch glatte (ungezähnelte) Zehenränder, indeß ſind bei ihr im Gegenſatz zu jenen drei die Schuppen auf der Unterſeite der Finger und Zehen nicht mehr glatt, ſondern gekielt. Halsband kaum zu unterſcheiden, Schulterfalte und Hinter— hauptſchild (letzteres klein) vorhanden, Schläfe mit nicht ſehr zahlreichen, vieleckigen Schildchen, Halsſeiten (zwiſchen Ohr und Oberarm) mit kleinen Körnerſchuppen bedeckt, Rückenſchuppen ziemlich groß, rhombiſch, dachziegelig, gekielt, hinten kurz zugeſpitzt, 1 Naſen-Zügelſchild, Bruſtdreieck klein, 6 regelmäßige Längsreihen Bauchſchilder nebſt 2 Reihen Randſchildchen. Nur eine Art, Ps. hispanicus Fitz, in Spanien, Portugal, Südfrankreich, 10— 13 em lang, mit 9—15 Schenkelporen. Die 5. Gattung: Ophiops Menetries, Schlangen-Auge, zeichnet ſich vor allen Lacertiden durch das in der Tabelle angegebene Merkmal, die reducirten Augenlider, aus. Zehen, Halsband, Schulterfalte, Hinterhauptſchild wie bei Psammodromus, 2 Naſen-Zügelſchilder, Schläfenſchilder ziemlich klein, Kehle und Unterhals mit kleinen, Bruſt mit größeren flachen, glatten Schuppen bedeckt, 8 Längsreihen Bauchſchilder, Rückenſchuppen groß, rhombiſch, geſchindelt, ſcharf gekielt, obere Schwanzſchuppen wie bei 4, geſchindelt, ſchneidig ſcharf gekielt, hinten ſcharf zugeſpitzt. In Südoſt-Europa (Türkei, Kaukaſien) eine, auch in Vorder-Aſien heimatende Art: Ophiops elegans Menetr., betreffs der Färbung an den Sandläufer, der Tracht an die Mauer-Cidechſe erinnernd; 13—16 em lang. Den ſchmälerſchuppigen cyperiſchen Ophiops hat Böttger als O. Schlueteri aufgeſtellt. Die 6. Gattung: Eremias Dum. Bibr. (Podareis Wagler), Steppen-Eidechſe oder Buckelnaſe, unterſcheidet ſich von allen vorstehenden durch das Fehlen des Hinter- hauptſchildes und durch die feinen Körnchen, welche in die Zwiſchenräume zwiſchen den Querreihen der kleinen, flachkörnigen, glatten Rückenſchuppen eingeſtreut ſind; außerdem iſt das Naſenloch, wie Figur 7A auf Seite 59 zeigt, in der Mitte eines mehr oder weniger hervortretenden, vom Naſen-Rüſſelſchild und den beiden übereinander ſtehenden Naſen-Zügelſchildern gebildeten Wulſtes gelegen und die beiden Brauenſchilder werden meiſt ringsum von feinen Körnerſchuppen geſäumt. Zehen wie bei 4 und 5; Halsband ſehr deutlich, Kehlfurche angedeutet; Schläfe mit feinen Körnerſchuppen. Zwei Arten in Südrußland: Eremias velox Pallas und Er. arguta Pallas (Varia- Südeuropäiſche Echfen. 237 bilis Pall.), die man ſchon an der Begrenzung der Augenhöhle unterſcheiden kann: bei velox wird die letztere unten direkt von einem Oberlippenſchild (und zwar iſt es das ſiebente) begrenzt, bei arguta aber ſchiebt ſich zwiſchen Augenrand und Oberlippen— ſchild ein großes, langes Unter-Augenſchild oder Suboculare ein (Fig. 7 A h). Kleinere Eidechſen von etwa 16 em Länge. Die 7. Gattung endlich: Acanthodactylus Wiegm., Säge- oder Franſen— finger, trennt ſich von all' den anderen durch die nicht nur unterſeits gekielten, ſondern auch ſeitlich gezähnten oder gefranſten, d. h. am Rande mit einer Reihe franſenartiger Schüppchen verſehenen Finger und Zehen. Hinterhauptſchild fehlt, Rückenſchuppen rhombiſch und geſchindelt; Naſenloch zwischen Naſen-Rüſſelſchild, Naſen-Zügelſchild und dem 1. Oberlippenſchild eingeſtochen; Halsband vorhanden, Kehlfalte ſchwach angedeutet; Bauchſchilder in 10—14 Längsreihen; Schläfe mit kleinen Schuppen. Auf dem Feſt— lande Europas, nämlich in Spanien-Portugal und Südfrankreich, nur eine Art: Ac. vul- garis D. B., einſchließlich des 11—12 em langen Schwanzes 18—20 om lang; beſitzt 8—10 Bauchſchildreihen, nur 2 Brauenſchilder (Supraocularia), ſcharf gekielte obere Schwanz⸗ und glatte, bezw. ſehr ſchwach gekielte (gegen die Schwanzwurzel hin wenig größere als auf dem Nacken) Rückenſchuppen; nur die nordafrikaniſche, bunter gezeich— nete Spielart, var. lineomaculatus, hat ſcharf gekielte Rückenſchuppen. Auf Cypern lebt eine 2. Art, Ac. Schreiberi Boulenger 1878 (Ac. Savignyi Schreiber non Au- douin), etwa 17,5 em lang, mit 4 Brauenſchildern. II. Familie: Wühlſchleichen, Seincoidae, ſ. S. 216. Mit 3 Gattungen; unſere deutſche Gattung Anguis hat keinen weiteren Vertreter. Die 1. Gattung: Ophiomorus J. B., Natternſchleiche, gleicht der Blindſchleiche in dem Mangel äußerer Gliedmaßen, unterſcheidet ſich jedoch von dieſer durch das Fehlen des Hinterhauptſchildes, ferner dadurch, daß Stirnſchild und Zwiſchen-Scheitel— ſchild viel breiter als lang ſind und das Naſenloch an der Grenze des Naſen- und des Supranaſalſchildes liegt. Nur eine Art, O. punctatissimus Bibr. Bor, in Griechen— land und Kleinaſien, etwa 30 em lang. Die 2. Gattung: Ablepharus Fitz, Nattern-Auge, zeichnet ſich durch die durchſichtigen, unbeweglichen, miteinander verwachſenen und wie bei den Schlangen uhr— glasartig das Auge bedeckenden Lider aus; Gliedmaßen vorhanden, Zahl der Finger je nach den Arten zwiſchen 2 und 5, die der Zehen zwiſchen 3 und 5 wechſelnd. In Europa, Ungarn, Griechenland, Türkei bis Nordarabien, eine Art, die ſog. Johannis— Echſe, A. pannonicus Fitz, ein nur 8—11 cm langes niedliches, langſchwänziges bronzes und olivenbraunes Thierchen mit 5 Fingern und 5 Zehen. In der 3. Gattung: Chalcides Zaur., vereinigt man die ſonſt unterſchiedenen Gattungen Seps und Gongylus. Gliedmaßen immer vorhanden, aber in ſehr verſchiedener Entwickelung. 4 Arten in Europa. Ch. tridactylus Zaur. (Seps chaleides part.), die Erzſchleiche Italiens, Sardiniens, Siziliens, Tunis und Algeriens mit vier winzigen, dreizehigen Beinen und ſehr langem zugeſpitzten Schwanz, iſt die größte Art, bis 42 cm lang, blindſchleichen-artig geſtreckt. In Spanien-Portugal, Südfrankreich und Marokko wird ſie durch den kleineren, nur 26 em lang werdenden Ch. lineatus Zeuekart erſetzt, deſſen 2. Zehe jo lang (bei tridactylus länger) als die dritte und deſſen Rücken mit 9 oder 11 (bei trid. mit höchſtens 6) ſchwarzen oder braunen Streifen geziert iſt. In Spanien-Portugal findet ſich noch der von Bosca 1880 unterſchiedene Ch. Be— driagai, mit 22 — 26 (oder 28) Schuppen-Längsreihen (lineatus hat gewöhnlich 22, tri- dactylus 24), olivenbrauner Oberſeite, einem mehr oder minder ausgeſprochenen lichteren Bande an der Rückenſeite und zuweilen mit kleinen, gelblichen, braun gerandeten Tüpfeln 238 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. (Ocellen). Letztere Zeichnung leitet ſchon über zu der eigentlichen Tüpfelſchleiche, dem bekannten Chaleides (Gongylus) ocellatus Forskal, auch Tiligugu oder, des kräftigen, walzigrunden Körpers wegen, Walzen-Echſe genannt, welcher im Gegenſatz zu den erſtgenannten Verwandten 5 Finger und 5 Zehen und einen kurzen, derben Schwanz beſitzt; er bewohnt Sardinien, Sizilien, Griechenland, Cypern u. ſ. w. bis Perſien und Somaliland. III. Familie: Seitenfaltler, Ptychopleurae. Sie ſchließt ſich durch den ſüd— oſteuropäiſchen Scheltopuſik ganz an unſere Schleiche an, unterſcheidet ſich jedoch von dieſer durch eine mit kleinen Schuppen beſetzte Falte oder Furche, welche hinter den Vordergliedern beginnt und an der Leibesſeite, Rücken- und Bauchpartie von einander ſondernd, hinläuft. In Europa eine Gattung (Ophisaurus Daudin = Pseudopus Merrem) mit einer Art, dem bis 1,10 m langen, einer ſtarken Schlange ähnelnden, nur mit ſtummelartigen, 1 em langen Hintergliedern, aber nicht mit Vorderfüßen ver— ſehenen, braunen oder dunkelgelben Scheltopuſik, Ophisaurus (Pseudopus) apus Pallas, deſſen dunkelbraun quergebändertes und geflecktes Junges als Pseudopus d'Urpilli von Cuvier beſchrieben wurde. Die IV. Familie: Ringel-Echſen, Amphisbaenidae, gleicht der vorigen in dem Vorhandenſein einer Seitenfurche, unterſcheidet ſich jedoch von ihr wie von allen anderen Gruppen durch völlig wurmförmige, d. h. überall gleichdicke Geſtalt und die Bedeckung; letztere beſteht in einer derben, lederartigen, durch ringförmige Querfurchen und vertiefte Längslinien in zahlreiche längliche Vierecke getheilten Haut. Augen un— vollkommen, von der Körperhaut überzogen; faſt alle Gattungen ohne Füße. In Eu— ropa nur 1 Gattung, Blanus Wagler, mit 2 Arten: Blanus cinereus Vand., die graue Netzwühle, in Spanien-Portugal, Marokko, Algier, 22 em lang, mit einem großen Stirnſchild und 3 Paar Hinterhauptſchildern; die türkiſch⸗kleinaſiatiſche Art, Bl. Strauchii Bedr. 1884, unterſcheidet ſich von der erſteren durch bedeutend größeres Stirnſchild und durch die Form des Kopfes, welcher in der Wangen- und Halsgegend viel breiter, in der Schnauzengegend ſchmäler als bei ein. iſt. V. Familie: Agamen, Agamidae In Tracht, Körper und Schuppenbildung ſehr wechſelnd je nach den Gattungen. Kopf mit kleinen Schildern, der übrige Körper ober- und unterſeits mit größeren Schindelſchuppen bedeckt; Kopf und Rumpf oft mit beſonderen Anhängen oder Horngebilden; Augenlider deutlich, längsſpaltig; Beine wohl ausgebildet, in der Regel mit 5 dünnen, bekrallten Zehen. In Europa 4 Gat- tungen, alle zu den plattrumpfigen Boden- oder Erd-Agamen gehörend. Die 1. Gattung: Agama Daudin, Agame, kennzeichnet ſich durch abgeplatteten Rumpf, kurzen, ſtumpfdreieckigen, nach vorn abſchüſſigen Kopf, rundlichen Schwanz, deutliche Hals-Querfalte, ziemlich flache, gekielte und geſchindelte Körperſchuppen und gleichartige, alſo ſtachellſe Schwanzſchuppen. Im ſüdöſtlichen Grenzgebiet Europas, von den Ufern des Kaspi bis Central-Aſien, eine Art, die ſchwarzgefleckte bräunliche, 32 — 40 cm lange A. sanguinolenta Pallas. Die 2. Gattung: Stellio Daudin, Schleuderſchwanz, unterſcheidet ſich von Agama leicht durch ſtärkeren Rumpf und den mit rundumlaufenden ſtacheligen Wirbel— ſchuppen bekleideten Schwanz. In Südoſt-Euxopa, in der Türkei und auf einigen ägäiſchen Inſeln, eine Art, der etwa fußlange, auch über das türkiſche Aſien und Egypten verbreitete Hardun, Stellio vulgaris Latr. (Agama Stellio Hasselgu.). Die 3. Gattung: Phynocephalus Kaup, Krötenkopf, charakteriſirt ſich durch kurzen, breiten, krötenartigen Kopf, mit ſpitzdreieckig abſtehenden Schuppen beſetzte, wie gewimpert erſcheinende Augenlider, ſeitlich ſcharf geſägte Zehen ſowie den Mangel Südeuropäiſche Echſen. 239 einer äußeren Ohröffnung. In Südrußland, an der Küſte des Kaspi und in Turkeſtan lebt der durch einen in den Mundwinkeln ſtehenden großen, etwa ohrförmigen, fein— beſchuppten Hautlappen ausgezeichnete Phr. mystacius Pallas (auritus), welchem ſich vom Kaspi an der öſtlichere, kleinere, mit ausgedehnteren Occipitalſchildern verſehene Phr. helioscopus Pall. uralensis Gmelin) anſchließt. Die 4. Gattung: Uromastix Merrem, Dornſchwanz, hat gleich dem Schleuder— ſchwanz ſtachelige Wirtelſchuppen am Schwanz, aber die Rumpfſchuppen ſind nicht wie bei Stellio, ſondern rundlich viereckig, klein, flach; Schenkelporen vorhanden (bei Stellio fehlend), Schwanz breit und platt, Kopf dreiſeitig, plattgedrückt, ſchildkrötenartig, Hals mit zahlreichen welligen Falten, Beine mit Höckerſchuppen. Ur. spinipes Daudin auf Kreta, in Egypten und Arabien. VI. Familie: Haftzeher oder Geckonen, Geckonidae. Das weſentlichſte Merkmal beſteht in den auf der Unterſeite der 5 Zehen ſich findenden Haftapparaten oder Blatt— kiſſen, d. ſ. häutige Verbreiterungen, oder querliegende häutige Blättchen verſchiedener Größe, Geſtalt und Stellung, welche entweder die ganze Unterſeite der Zehen oder nur die Spitze bezw. nur den Wurzeltheil einnehmen und, wie Saugnäpfe wirkend, die Thiere zum beliebigen Umherlaufen an ganz glatten, ſenkrechten und überhängenden Flächen befähigen (ſ. S. 40). Augen mit ſenkrechter, ſpaltartiger Pupille und verküm— merten, als kreisförmige Falte erſcheinenden Lidern; Körper mit zahlreichen kleinen, oft von größeren Höckerſchuppen unterbrochenen Schüppchen und Körnchen bekleidet. In Europa 4 Gattungen. Die 1. Gattung: Gymnodactylus Spix, Nacktfinger, beſitzt ſchlanke, ſeitlich zuſammengedrückte, in der Mitte winkelig eingeknickte, an der Wurzel unten mit einer Plättchenreihe verſehene Zehen und ungleichartige Beſchuppung (feine Körner mit ein— geſtreuten größeren Höcker- oder Stachelſchuppen). In Süditalien, Griechenland, Cy— pern und weiter öſtlich der S—10 cm lange Gymn. Kotschyi Steind. 2. Gattung: Phyllodactylus Gray, Blattfinger. Zehen alle bekrallt, an der Spitze verbreitert zu einer herzförmigen, unten flachen, glatten, durch eine tiefe Längs— furche getheilten Haftſcheibe; Rumpf-Beſchuppung gleichartig (feine rundliche Schüppchen). Auf den Mittelmeer-Inſeln weſtlich von Italien 1 Art, der Phyll. europaeus Gene, (Ph. Wagleri Fitz., Ph. Doriae Lataste), 7—8 em lang. 3. Gattung: Hemidactylus Cuvier, Scheibenfinger. Zehen mit einer die Wurzelhälfte einnehmenden, eine Doppelreihe Blättchen aufweiſenden Haftſcheibe, das vorletzte und das bekrallte letzte Zehenglied frei; Beſchuppung des Oberkörpers ungleich— artig. In den Küſtenländern des Mittel- und des Rothen Meeres 1 Art, H. turcicus Linn (H. verruculatus Cuv.), 9— 10 em lang. 4. Gattung: Tarentola Gray (Platydactylus Cuv. p.). Zehen mit einem, ihre ganze Unterfläche einnehmenden, durch keine Längsfurche getheilten, eine einfache Reihe querer, breiter Lamellen darſtellenden Blattkiſſen; 1., 2. und 5. Zehe ohne Krallen; Beſchuppung ungleichartig. In den Küſtenländern des Mittelmeeres eine Art, der bekannte, 12— 16 em lange Mauergecko, T. mauritanica L. (facetanus Aldrov., muricatus Laur.). Die VII. Gruppe, die der Chamäleons, weicht in ihren weſentlichen inneren und äußeren Merkmalen dermaßen von allen übrigen Familien der Echſen ab, daß man fie zum Range einer Unterordnung: Rhiptoglossa oder Wurmzüngler, erhoben hat und fie als ſolche der die geſammten übrigen Echſen umfaſſenden Unterordnung der La- certilia gegenüberſtellt. Der eigenthümlich eckige, kantige Kopf, die großen, kugelig vor— ſtehenden, in ihren Bewegungen von einander völlig unabhängigen Augen mit dem Schlangen und Eidechſen. Körperbau. 240 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſtarken, das Auge kapſelartig umſchließenden, nur in der Mitte eine ſehr kleine, runde Oeffnung für die Pupille freilaſſenden Lid, die außerordentlich lange, wurmförmige, an der Spitze verdickte, nach Art der Spechtzunge ſehr weit vorſtreckbare Zunge (ſ. S. 40), der ſeitlich ſtark zuſammengedrückte und ſchmale, mit ſchneidigem Rückenfirſt verſehene Rumpf, der ſchlanke, am Ende ſpiralig einrollbare und ſomit zum Greifwerkzeug um— gewandelte Schwanz, die hohen, mageren Beine, die in zwei einander gegenüberſtehende Bündel verwachſenen (fünf) Zehen, die die eigentlichen Schuppen vertretenden körner— artigen Erhöhungen auf der Körperhaut und andere Eigenheiten berechtigen zu ſolchem Vorgehen. Die U.-O. der Wurmzüngler zählt nur eine Familie (Chamaeleontidae) mit einer Hauptgattung, Chamaeleo. Faſt alle Arten leben in Afrika, europäiſch iſt nur das gewöhnliche Chamäleon (C. vulgaris Daudin), welches in Südſpanien, auf Samos, Chios, Cypern, in Kleinaſien, Syrien und ganz Nordafrika vorkommt. III. Ordnung. Schlangen. Ophidia (Serpentes). Sehr geſtreckte, fußloſe, in ein Schuppengewand (bezw. Schuppen und Schilder) gekleidete Reptilien mit Kiefer- und Gaumenzähnen, zweigeſpaltener vorſtreckbarer Junge, quergeſpaltener Kloake und in der Regel nur durch dehnbare Band— maſſe am Uinnwinkel mit einander verbundenen Unterfiefer-Hälften, ſowie über— haupt ſehr verſchiebbaren, eine bedeutende Erweiterung des Rachens ermöglichenden Geſichtsknochen, aber ohne Augenlider und Trommelfell, ohne Schultergürtel und Bruſtbein. Die Schlangen ſind den Eidechſen, namentlich deren fußloſen Arten, am nächſten verwandt. Wegen der mehrfachen Verwandtſchafts-Beziehungen hat man denn auch beide Gruppen zu einer einzigen Hauptabtheilung oder Ordnung der Reptilien, der der Schuppen⸗Kriechthiere (Squamata, Lepidosauria oder Plagiotremata) zuſammengefaßt und hebt als die weſentlichſten Punkte, in denen beide übereinſtimmen, hervor: die Beſchuppung der Haut, die Queröffnung der Kloake und die paarigen, ausſtülpbaren Begattungswerkzeuge (. S. 4). Eidſechen und Schlangen einerſeits ſtehen ſomit den Panzer-Echſen oder Krokodilen gegenüber. Doch wenden wir uns nun im Einzelnen den Schlangen zu. Der lange, ſpindel-, walzen- oder wurmförmige Rumpf geht nach hinten ohne Weiteres in den mehr oder minder langen, bei manchen ziemlich kurz zugeſpitzten, bei anderen ſehr verlängerten und dünn auslaufenden Schwanz über, ſodaß man die Trennungsſtelle nicht oder kaum wahrnimmt; bei den meiſten Schlangen iſt der Schwanz, gleich dem Leib, im Querſchnitt rund oder rundlich, nur bei gewiſſen außereuropäiſchen Arten ſeitlich zuſammengedrückt. Dem Rumpf fehlen die Gliedmaßen; und wenngleich manche Schlangen — unter den Europäern nur die Sandſchlange, Eryx jaculus — rechts und links vom After Ueberbleibſel der Hinterbeine in Geſtalt kleiner, klauen artiger Stummel beſitzen, jo find dies doch nur Ausnahmen, und Theile der Vorder— gliedmaßen ſowie der Schultergürtel kommen überhaupt nicht vor. Nach vorn ver— jüngt ſich der Körper gewöhnlich etwas, und von dieſer verſchmälerten Halsregion Dritte Ordnung. Schlangen. 241 ſetzt ſich der breitere, im Umriß einförmige, ſtumpfkegelförmige oder mehr dreieckige, von oben gewöhnlich abgeplattete Kopf um ſo beſſer ab. Seine Seiten fallen bald mehr ſchräg nach außen, bald ſteil und ſenkrecht ab, ſodaß dann an der Grenze von Kopf— platte und Geſichtstheil, zwiſchen Naſenloch und oberem Augenrande, eine auch den Lacertiden eigene, mehr oder minder deutlich vorſpringende Kante, die ſog. Schnauzen— kante (Canthus rostralis) entſteht; nicht ſelten auch iſt der Kopf ſeitlich, und zwar in der unterhalb der Schnauzenkante zwiſchen Naſenloch und Auge liegenden Zügel— gegend (Regio frenalis), vertieft, und die giftigen Gruben- oder Lochottern oder Cro— talinae, zu welchen die zwiſchen Wolga und Ural vorkommende Halysſchlange zählt, zeigen an dieſer Stelle eine tiefe, mit Schuppen ausgekleidete Grube. Das Maul iſt gewöhnlich von der Schnauzenſpitze an bis weit hinter die Augen geſpalten, ſodaß der Rachen bis über die hintere Kopfgrenze hinauszugehen ſcheint. Dieſen Weitmäulern oder Eurystomata ſtehen die wenigen, aus der europäiſchen Fauna nur die Wurm— ſchlangen (Thyphlops) in ſich begreifenden Engmäuler (Angiostomata, Stenostomata) gegenüber, deren Mundſpalte nicht erweiterungsfähig bezw. hinter die Schnauzenſpitze an die Unterſeite des Kopfes gerückt iſt. Durch einen am Vorderrande der Schnauzen— ſpitze in der Oberlippe befindlichen Ausſchnitt kann die langgeſtreckte, ſchmal band— förmige, im Vordertheil mehr oder minder tief geſpaltene, hinten von einer an die untere Wand des Kehlkopfes reichenden Scheide umſchloſſene Zunge, welche in dieſe Scheide zurückziehbar iſt, auch bei völlig geſchloſſenem Munde herausgeſtreckt werden, um als Taſtwerkzeug zu dienen. Die kleinen Naſenlöcher liegen vorn an der Schnauzenſpitze, bald ſeitlich, bald über derſelben, die Augen hingegen, welche bei den erwähnten Wurmſchlangen oder Typhlopiden u. a. klein und verkümmert und von den Kopfſchildern bedeckt, bei den meiſten Schlangen aber verhältnißmäßig groß und frei ſind, auf den Kopfſeiten etwa über der Mitte der Mundſpalte und nahe dem Kiefer— rande. Lidbildungen haben, im Gegenſatz zu unſeren deutſchen und faſt allen europäiſchen Echſen, die Augen der Schlangen niemals aufzuweiſen; vielmehr wird der Augapfel mit ſeiner rundlichen oder aber länglichen Pupille von der auch über das Auge hinwegziehenden Körper-Oberhaut, welche allerdings hier zu einer uhrglas— artigen durchſichtigen Kapſel ſich wölbt, bedeckt und hinter dieſer Kapſel von der Thränenflüſſigkeit reichlich beſpült. Eine äußere Ohröffnung fehlt, wie denn überhaupt das Gehörorgan der Schlangen der ſchallleitenden Apparate, des Trommelfells, der Paukenhöhle und der euſtachiſchen Röhre entbehrt. So abwechſelungsarm die äußere Geſtalt der Schlangen, ſo einfach iſt der die erſtere bedingende Bau 838 des Knochengerüſtes, das e,, e Gerippe oder Skelet, N 8 wie ein Blick auf Ab- N N 75 bildung 23 lehrt. Denn, abgeſehen von den bei einigen Familien ſichnoch [FR findenden kümmerlichen Ueberreſten des Beckens und der Hinterglied— 5 > maßen, ſetzt ſich das (66 WW Stelet der Schlangen . nur zuſammen aus dem Schädel und der Wirbel— Fig. 23. Skelet der Schlange. u N Skelet. Zähne. 242 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſäule mit den Rippen. Das vorderſte Rippen-Paar wird von dem 2., 3. oder 4. Wirbel (Halswirbel) getragen, im Schwanztheil der Wirbelſäule verkümmern die Rippen allmählich und hören nach der Spitze hin gänzlich auf. Die Wirbel, deren Zahl je nach Größe und Art der Schlangen zwiſchen 200 und 400 und darüber ſchwankt, ſind durch freie Kugelgelenke ihrer konvex-konkaven Körper und durch horizontale Gelenkflächen der Querfortſätze in der Weiſe verbunden, daß dorſo-ventrale Bewegungen, alſo Bewegungen in Geſtalt ſenkrechter Bogenlinien, ausgeſchloſſen ſind. Ebenſo ſtehen die Rippen in freier Gelenkverbindung mit den Wirbelkörpern, während ihre freien Enden (ſeitlich) in einer mit den Bauchſchildern wiederum zuſammen— hängenden Muskelſchicht liegen. Auf dieſer Einrichtung der Wirbel und Muskeln beruht die weiterhin noch zu beſprechende Bewegungsart der Schlangen; erwähnt ſei aber hier noch, daß einzelne außereuropäiſche Schlangen (Hut- oder Schildottern) die Halsrippen auch ſeitlich auszubreiten vermögen. Der bedeutſamſte und in Geſtalt wie Einrichtung eigenthümlichſte Theil des Knochengerüſtes iſt der Schädel, welcher ſich im Weſentlichen aus Hinterhauptbein, Scheitel-, Stirn-, Schläfen-, Joch-, Naſen⸗ und Thränenbeinen, dem Keilbein, einem Zwiſchenkieferbein, zwei Oberkiefer- und zwei Gaumenbeinen ſowie den mit ihm verbundenen, aus mehreren Stücken gebildeten Unterkieferknochen zuſammenſetzt. Eine Ueberbrückung der Schläfengegend fehlt. Die Schädelhöhle iſt ſehr langgeſtreckt, ihre vorderen und mittleren Seitentheile werden durch abſteigende Flügelfortſätze der Scheitelbeine und Stirnbeine gebildet. Das auf— fallendſte und bezeichnendſte Merkmal des Schädels aber beruht, wie oben kurz erwähnt, darin, daß nur der Zwiſchenkiefer feſt mit dem Naſenbein zuſammenhängt, daß dagegen die Knochen des Oberkiefer-Gaumen-Apparates, d. h. Oberfiefer-, Flügel⸗ und Gaumenbeine, beweglich mit dem Gehirntheil des Schädels verbunden und daher ſowohl nach den Seiten als auch nach vorn und hinten verſchiebbar ſind und daß eine ebenſolche Beweglichkeit und Verſchiebbarkeit an dem Unterkiefer ſich darthut. Das lange, ſchuppenförmige Zitzenbein iſt nämlich nur durch Bänder und Muskeln am Hinterhaupt angeheftet und trägt an ſeinem Ende das gleichfalls lange, ſtab— förmige und beweglich mit ihm verbundene Quadratbein, an welchem der Unterkiefer eingelenkt iſt, und der letztere ſelbſt beſteht gewöhnlich aus zwei ſtabförmigen, nur wenig gebogenen, völlig getrennten, alſo vorn am Kinnwinkel blos durch lockere, dehnbare Faſern bezw. Bänder miteinander verknüpften Hälften (Aeſten), deren Trennung ſchon äußerlich gewöhnlich „durch die ſogenannte Kinnfurche an der Unterfläche des Kopfes ausgedrückt iſt“. Infolge dieſer Einrichtung, welche in der europäiſchen Fauna nur der Wurmſchlange Typhlops vermicularis mangelt, vermögen die meiſten der den Mund umgebenden Knochen beim Ergreifen und Verſchlingen der Beute erheblich auseinander zu weichen und die Schlangen daher weit größere Stücke zu bewältigen und hinabzuwürgen, als es die Maulöffnung zuzulaſſen ſcheint. Obgleich die Zähne der Schlangen in Geſtalt, Bau und Befeſtigung nicht dieſelbe Mannichfaltigkeit aufweiſen wie die der Echſen, ſo bieten doch auch ſie einige wichtige Unterſchiede dar, welche bei der Aufſtellung von Familien ꝛc. bedeutungsvoll ſind. Gemeinſam mit denen der Eidechſen iſt den Schlangen-Zähnen, daß ſie nie in beſonderen Alveolen oder Zahnhöhlen eingekeilt, ſondern dem ſie tragenden Knochen angewachſen ſind und daß ſie niemals zum Zerreißen und Kauen, ſondern nur zum Verwunden, Ergreifen und Feſthalten der Beute dienen. Aber ſie bleiben nicht auf Ober-, Zwiſchen- und Unterkiefer beſchränkt, ſondern finden ſich meiſt auch auf den Gaumen- und Flügelbeinen und werden, falls es nöthig ſein ſollte, durch neue, hinter oder neben ihnen ſich entwickelnde und in eine Schleimhautfalte eingeſchloſſene Dritte Ordnung. Schlangen. 243 erſetzt (Erſatzzähne). Und wenn ſie auch im Allgemeinen dieſelbe Form wie bei den Eidechſen, das iſt die eines ſchlanken, ſpitzen, hakenartig nach hinten gekrümmten Kegels, haben, ſo begegnen uns doch bei den Schlangen zwei Arten Zähne, die wir bei den Echſen vermiſſen, nämlich die röhrenförmig durchbohrten und die gefurchten Giftzähne “). Im Ganzen treten bei den Schlangen dreierlei Zähne auf. Am ver— breitetſten ſind die allen unſeren Schlangen zukommenden derben oder ſoliden Haken— oder Fangzähne, welche feſte, aus harter Zahnmaſſe gebildete, mit dünnem Schmelz bekleidete Kegel darſtellen und den Unterkiefer in einfacher, den Oberkiefer-Gaumen— Apparat meiſt in doppelter Reihe und bei manchen auch den Zwiſchenkiefer bewaffnen. Dagegen unterliegen ſowohl die nahezu in ihrer ganzen Länge von einem röhren— förmigen, an der Vorderſeite etwas oberhalb der Zahnſpitze in einer ſchlitzartigen Oeffnung nach außen mündenden Kanal durchzogenen oder durchbohrten Gift- oder Röhrenzähne, als auch die an ihrer gekrümmten Vorderſeite mit einer von der Wurzel bis gegen die Spitze verlaufenden tiefen Rinne verſehenen Rinnen- oder Furchenzähne einer doppelten Beſchränkung, indem ſie erſtens in der Regel nur den Giftſchlangen eigen ſind und zweitens nirgend anders als im Oberkiefer ſich vor— finden. Bemerkenswerth dabei iſt, daß Oberkiefer und Bezahnung in einem gewiſſen Verhältniß zu einander ſtehen: bei den Solenoglyphen oder Röhrenzähnern, alſo den Vipern und Lochottern, iſt der Oberkiefer zu einem ganz kurzen Knöchelchen ver— kümmert und jederſeits nur mit einem großen durchbohrten, glasartig harten und ſpröden, aber außerordentlich ſpitzigen Giftzahn ausgerüſtet, welchem zwar noch einige Erſatz⸗Giftzähne anliegen, indeſſen ſolide Hakenzähne niemals folgen; bei den nur außereuropäiſche Arten umfaſſenden giftigen Proteroglyphen oder Furchenzähnern (Giftnattern, Colubrina venenosa, mit den Familien der Prunkottern und See— ſchlangen) iſt der Oberkiefer nach hinten verlängert und wagerecht geſtellt und enthält vorn einzelne gefurchte Giftzähne, hinter denen meiſt noch eine Anzahl kleiner, ſolider, ungefurchter Hakenzähne ſich anreiht; bei den Opistoglyphen oder den mit hinteren Furchenzähnen ausgerüſteten und mindeſtens als giftig verdächtigen Trugnattern, zu welchen aus der ſüdeuropäiſchen Fauna die Katzen- und die Eidechſen-Natter gehören, ſtehen, im geraden Gegenſatz zu den giftigen Furchenzähnern, nur am Hinterrande des gleichfalls verlängerten Oberkiefers zwei zu Furchenzähnen umgewandelte Fangzähne, welche länger und ſtärker ſind als die vor ihnen reihenartig angeordneten ſoliden Hakenzähne; bei den Aglyphodonten oder Glattzähnern endlich, alſo all' den ungiftigen, durchweg mit glatten Hakenzähnen ausgeſtatteten und ſomit der Furchen— wie auf der Röhrenzähne eutbehrenden Schlangen (3. B. unſere Nattern), hat der Oberkiefer nicht nur den größten Umfang, ſondern auch die reichſte Bezahnung! ). Die hohlen wie die gefurchten Giftzähne ſtehen mit dem, von der äußeren Fläche des Oberkiefers entlang zur Wurzel des Zahns leitenden Ausführungsgange einer Giftdrüſe in Verbindung. Eine ſolche liegt an jeder Kopfſeite über dem Ober— kiefer in der Schläfengegend, hinter und unter dem Auge. Bei den Röhrenzähnern iſt ſie ſehr groß, länglich (bei manchen Arten über die Schläfengegend und noch über ) Eine einzige Ausnahme unter den Echſen bilden die mexikaniſchen Kruſten-Echſen (Heloderma), welche gleich den Furchenzähnern unter den Schlangen ſpitze, deutlich längsgefurchte Zähne beſitzen und giftig ſind. — ) Sogenannte Schlund zähne, welche durch die verlängerten unteren Dornfortſätze der erſten Rumpfwirbel in der Speiſeröhre gebildet werden bezw. über der Vorderſeite des Magens ſtehen und die an ihnen vorbeipaſſirenden, ganz verſchluckten Vogeleier zerdrücken, kommen bei keiner europäiſchen Schlange, wohl aber bei der afrikaniſchen Gattung Dasypeltis (Rhachiodon) und der indiſchen Gattung Elachistodon vor. 16* Giftdrüſe. Gift. 244 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. den Nacken hinaus verlängert), blätterigen Gewebes, von einem ſehr ſtarken Muskel umhüllt, der in Gemeinſchaft mit dem Kaumuskel dazu dient, ſie zuſammenzudrücken und dadurch das Gift in den Ausführungsgang zu preſſen. Bei den giftigen Furchen— zähnern hingegen erſcheint ſie unvollkommener, da ihr, obzwar ſie bei dieſen gleichfalls weich und ſchwammig iſt, doch jene muskulöſe Umhüllung fehlt, ſodaß ſie nur durch den vorderen Schläfenmuskel etwas zuſammengedrückt werden kann. Schlägt eine Giftſchlange, z. B. unſere Kreuzotter, ihre beiden Gifthaken in das Fleiſch des Gegners oder des Beutethieres ein, ſo fließt in demſelben Augenblick das ausgepreßte Gift in die Wunde, um nun, mit dem Blute des Opfers in Berührung gebracht, binnen kürzerer oder längerer Friſt den Tod des letzteren zu veranlaſſen. Denn wenngleich die Drüſe bei einem Biſſe nur eine geringe Menge, einige wenige Tropfen, ihrer verderbenbringenden Abſonderung abgiebt, jo genügt doch ſchon der kleine Bruch— theil eines Tropfens, um das Blut ſelbſt eines größeren Säugethieres in wenigen Minuten zu verändern, zu zerſetzen. Freilich hängt die mehr oder minder heftige und ſchnelle Wirkung des Biſſes ab von der Menge des in die Wunde eingedrungenen Stoffes, von der Größe und Art der Schlange und des Opfers, von dem Klima und anderen Umſtänden; und obſchon eine Otter, welche innerhalb einer kurzen Zeit mehrmals gebiſſen und dabei vielleicht ſogar den einen oder anderen Giftzahn verloren hat, nicht mehr ſo gefährlich iſt als vordem, ſo muß man doch bedenken, daß das verbrauchte Gift ſehr raſch wieder und auch der ausgeriſſene oder zerſprungene Zahn binnen wenig Wochen, oft ſogar bereits nach 3 oder 4 Tagen durch einen neuen erſetzt wird. Wiewohl wir das dem Speichel zu vergleichende Gift, eine dünne, durchſichtige, waſſerhelle, ſchwach gelblich bezw. grünlich gefärbte Flüſſigkeit, der Wirkung und dem Ausſehen nach kennen, jo iſt uns doch trotz vieler-Unterſuchungen noch verborgen geblieben, was eigentlich der blutzerſetzende Beſtandtheil der unheimlichen Abſonderung iſt. Nach den mühevollen Unterſuchungen und Verſuchen, welche neuerdings die amerikaniſchen Forſcher Weir Mitchell und Edward Reichert mit dem Gifte von 200 Schlangen, beſonders Klapperſchlangen, gemacht haben, laſſen ſich als wirkſame Beſtandtheile aus allen Schlangengiften zwei Reihen von Eiweißkörpern, die Globu— line und die Peptone, darſtellen; der Globulin-Gehalt wechſelt jedoch nach den ver— ſchiedenen Arten ſehr, und daher mögen ſich vielleicht die Abweichungen in den phyſiologiſchen Eigenſchaften der einzelnen Gifte erklären. Nächſt jenem in reinem Alkohol, nicht aber bei höherer Wärme gerinnenden eiweißartigen Stoffe ſind die Beſtandtheile des Schlangengiftes ein dem erſteren ähnlicher, indeß mehr zuſammen— geſetzter, keine Wirkung äußernder und ebenſowohl in der Wärme wie in Alkohol gerinnender Stoff, ferner ein gelber Farbſtoff und eine gleich dieſem in Alkohol lös— liche unbeſtimmbare Maſſe, ſodann Fett und freie Säure und endlich Salze, außerdem enthält es Chlor und Phosphor. Eintrocknen (wobei es einen firnißähnlichen Glanz annimmt) und jahrelanges Aufbewahren des Giftes vermögen ſeine Wirkſamkeit ebenſo— wenig abzuſchwächen wie ein Auflöſen in Alkohol oder Glyzerin. Wohl aber wird das Gift zerſtört durch Brom, Jod, Bromwaſſerſtoffſäure, Natriumhydrat, über— manganſaures Kali. Daher erwieſen ſich das letztere, ebenſo Eiſenchlorid und Jod— tinktur bei den Mitchell-Reichert'ſchen Verſuchen (über welche Dr. Kreckel im „Biolog. Centralbl.“ 1887 berichtete) als die geeignetſten Mittel, um das Gift an der Stelle, wo es durch Biß dem Organismus des Opfers zugeführt iſt, zu zerſtören; auch Brompräparate hatten guten Erfolg. Allein ein eigentliches Gegengift für die Fälle, in denen das Schlangengift Schon in das Blut des Gebiſſenen aufgenommen iſt, wird ſich kaum je Dritte Ordnung. Schlangen. 245 finden laſſen. Denn einerſeits ſind es zu viele Organe, die durch das Gift in ihren Funktionen geſtört werden, und anderſeits beſteht das Schlangengift aus Eiweiß— körpern, die mit denen im normalen Blut enthaltenen und für die Erhaltung des Lebens ſehr wichtigen nahe verwandt ſind, ſodaß man bei Zerſtörung der einen auch die anderen mit vernichten würde; „es könnte höchſtens ein Mittel entdeckt werden, welches die Wirkung des Schlangengiftes auf die am meiſten gefährdeten Theile des Organismus zu mildern oder hintanzuhalten vermöchte“; bis jetzt aber hat ſich von allen empfohlenen Mitteln immer noch das ſeit alter Zeit ſchon angewendete als am wirkſamſten gezeigt: Weingeiſt, recht reichlich genoſſen! Indem wir bei Beſprechung der Vipern dieſen Punkt nochmals berühren, ſei hier jedenfalls noch hervorgehoben, daß den erwähnten Verſuchen zufolge der durch Schlangengift veranlaßte Tod auf verſchiedene Weiſe erklärt werden kann. Er tritt ein, je nachdem eben die verderbliche Wirkung an und in dem einen oder dem anderen Theile des Organismus zum Aus— druck gelangt, entweder infolge Lähmung der Athmungscentren, oder durch Herz— lähmung, oder durch Blutergüſſe in das verlängerte Mark, vielleicht auch infolge der ſchweren Schädigung der rothen Blutkörperchen, welche ihre bikonkave Geſtalt ver— lieren, kugelig werden und unter einander zu unregelmäßigen Maſſen verſchmelzen; jedenfalls kommt der erſtere Fall am häufigſten vor, weil die Hirntheile, welche die Athmung regeln, am ueiſten der ſchädlichen Einwirkung des Schlangengiftes ausgeſetzt ſind. Weiter haben die Verſuche dargethan, daß in den Magen aufgenommenes Gift nur in den Zwiſchenzeiten der Verdauung, von den Schleimhäuten eingeſogen, ins Blut übergeht, während des Verdauungsaktes aber die giftigen Beſtandtheile durch Einwirkung des Magenſaftes unſchädlich gemacht werden. Zum Schluß dieſer Aus— einanderſetzung haben wir aber noch beſonders zu betonen, daß alle rothblütigen Thiere, mögen es Warm- oder Kaltblüter ſein, widerſtandslos gegen die Heimtücke des Schlangengiftes ſind; nur offenbart ſich die Wirkung des letzteren um ſo ſchneller und auffallender, je raſcher und vollkommener der Blutumlauf des Gebiſſenen iſt: ein Vogel oder ein Säugethier (namentlich kleinere) ſtirbt ſchneller und ſicherer als ein Reptil, ein Lurch oder ein Fiſch. Und wenn es weiter als ausgemacht gilt, daß eine Giftſchlange ſich ſelbſt beißen kann, ohne Schaden zu leiden, ſo vermögen doch giftloſe und giftige Schlangen der Wirkung des Giftes einer ihrer Verwandten ebenſo— wenig zu trotzen“) wie die ſogenannten giftfeſten, in Wirklichkeit aber nur durch ſtraffes Haar- und Federkleid oder dicke Fettlage vor Verwundung mehr als andere geſchützten Säugethiere und Vögel (Igel, Adler u. a.). Nächſt den Giftdrüſen haben die allen Schlangen eigenen Speicheldrüſen beſondere Bedeutung für ihre Träger; denn ſie erleichtern, indem ſie infolge des beim Verſchlingen einer Beute auf ſie ausgeübten ſtarken Druckes ſehr reichlich abſondern, den Durchgang des Fraßes durch die Rachenöffnung. Im Allgemeinen finden ſich im Kopfe der Schlangen, abgeſehen von den nur den Giftſchlangen zukommenden Giftdrüſen, fünf Drüſenpaare und eine unpaarige Drüſe, alſo mehr wie bei den Eidechſen (vergl. S. 63), nämlich die vorderen Unterzungendrüſen, die hintere Unterzungendrüſe, die Naſendrüſe, die öfter als Thränendrüſe bezeichnete, meiſt hinter der Augenhöhle liegende Harder'ſche Drüſe, die unteren und die oberen Backen- oder Lippendrüſen. Die Schlangen ſind, gleich den Echſen, vom Kopf bis zur Schwanzſpitze in eine feſte, zuſammenhängende, aus zwei Hauptſchichten (Leder- und Oberhaut) beſtehende ) Auch gegen mineraliſche Gifte, z. B. die gewöhnlichſten Mäuſegifte Arſenik und Phosphor- ſind die Schlangen ebenſo empfindlich wie Warmblüter, ſodaß man es vermeiden muß, gefangen gehaltenen Schlangen durch jene Stoffe vergiftete Mäuſe als Futter zu reichen. Kopfdrüſen. Haut. Schuppen. 246 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Haut gekleidet, welche in ihrem Verlauf entweder ſogenannte Schuppen oder Schilder bildet, ſodaß man das Ganze ein Schuppengewand nennt. Da wir aber all' die Eigenheiten und Verhältniſſe der Haut bei Behandlung der Saurier, Seite 42 und folgende, eingehend erörtert haben, ſo ſind wir hier einer Beſprechung derſelben ent— hoben, möchten deshalb auch nur Einzelnes beſonders in Erinnerung bringen. Während bei der B Blindſchleiche und verwandten Echſen die Lederhaut ſich durch beſondere Hautverknöcherungen, in Geſtalt von Knochenſchuppen, auszeichnet (Seite 42 u. 218), treten ſolche bei den Schlangen nie auf, weshalb denn auch die Bewegungen der letzteren weit geſchmeidiger und zierlicher ſind als die der Schleichen. In der Ver— theilung von Schuppen und Schildern entſprechen ſich Echſen und Schlangen. Bei den letzteren treffen wir auf der Oberſeite von Rumpf und Schwanz ausnahnslos, mitunter auch noch auf Kopf und Unterſeite Schuppen (squamae) an; indeß begegnen wir durchaus nicht der Mannichfaltigkeit und Abwechſelung in der Beſchuppung, wie ſie uns bei der Ordnung der Echſen auffällt, ſondern einer gewiſſen, faſt ſtetig wiederkehrenden Gleichartigkeit. Im Allgemeinen ſind die Schuppen länger als breit, abgerundet rautenförmig oder länglich-ſechseckig und entweder am ganzen Rumpf ziemlich gleich groß oder aber nach den Flanken zu erheblich vergrößert und dabei etwas breiter als länger werdend; auch die Schwanzſchuppen erweitern ſich gern der Quere nach. Wie Abbildung 24 erkennen läßt, ſtehen die Schuppen in Längsreihen und zugleich in ſchrägen (ſelten in ziemlich geraden) Querreihen, und ſind dabei ent— weder flach, d. h. vollkommen angewachſen und neben einander liegend, oder aber geſchindelt bezw. dachziegelig, d. h. jede iſt nur in ihrem vorderen Theile angeheftet und bedeckt mit ihrem mehr oder minder freien Hinterende die folgende Schuppe. Die Zahl der Längsreihen nimmt zwar bei ein und demſelben Thier von dem mittleren Theil des Rumpfes nach dem Kopfe und dem Schwanze zu allmählich ab, ſie bleibt jedoch an den gleichen Körperſtellen bei allen 1 g f Thieren einer und derſelben Art ziemlich beſtändig, @ n ſodaß ſie als Merkmal bei Unterſcheidung der Spezies 76 237° ,, und Gattungen gut zu verwenden iſt. So z. B. Fig. 24. Schuppenreihen der Natter. beſitzt unſere Schlingnatter 19, die Aeskulap- Natter 1, 2, 3, 4, 5, 6 die aufeinander folgenden hingegen 21 bis 23 Längsreihen. (Dabei hat man N zu beachten, daß die Zählung im mittleren Theil des Rumpfes vorgenommen wird und zwar in der durch Abbildung 24 erläuterten Weiſe: Man beginnt mit der erſten Schuppe an der Grenze der Bauchſchilder und ſetzt die Zählung, indem man am beſten in derſelben Querreihe weitergeht, über die Rückgrats— linie hinweg bis zur letzten Schuppe an der anderen Flanke fort.) — Auf ihrer Oberfläche erſcheinen die einzelnen Schuppen entweder glatt oder aber gekielt, letztere mit einer mehr oder minder ſcharf ausgeſprochenen, längs der Mittellinie hin— ziehenden erhabenen Leiſte, dem ſogenannten Kiel, verſehen; ihren vollkommen glatten Schuppen verdankt unſere Schlingnatter die Bez zeichnung „laevis“ oder „glatte“ Natter, im Gegenſatz zu Ringel- und Würfel Natter, welch’ beide außerordentlich ſcharf gekielte Rückenſchuppen aufweiſen und deshalb nebſt verwandten Arten die Gattung Tropido- notus, d. h. Kielrücken, bilden“). Als die Umkehr der ſogenannten Kiele könnte man ) Die auf Seite 44 erwähnten Skulpturen oder Reliefbildungen auf der äußerſten Epidermis— ſchicht kommen, wie Unterſuchungen mit bewaffnetem Auge darthun, auch bei den Schlangen vor. Nach Leydig hat die Ringelnatter jederſeits vom Kiel der Schuppen ein Syſtem nicht ganz gleichlaufender, auch abgebrochener und getheilter, durch ſehr feine Bogenlinien netzartig unter einander verbundener Dritte Ordnung. Schlangen. 247 die Längsvertiefungen betrachten, durch die ſich die Schuppen der mittelmeeriſchen Gattung Coelopeltis (= Hohlſchupper), zu welcher die ſüdeuropäiſche Eidechſen-Natter zählt, auszeichnen. Dieſe Art Vertiefungen hat aber nichts zu thun mit jenen zuerſt von Reinhard 1860 beſchriebenen winzigen Grübchen, welche zu einzeln oder zu zweien nahe dem hinteren Ende der Schuppen gewiſſer Schlangen, z. B. der Vipern, auf— treten und jedenfalls Hautſinnesorgane andeuten. Schließlich ſei bemerkt, daß Kerbert's Unterſuchungen zufolge bei den Embryonen der Natter die Schuppenbildung beginnt, nachdem die Kiemenöffnungen ſich geſchloſſen haben: die zukünftigen Schuppen erheben ſich, von den Seiten des Halſes anfangend, als Bindegewebswucherungen. Schilder (scuta), d. h. größere, vier- oder ſeckseckige, glatt anliegende, ſich in der Regel micht dachziegelig deckende Hautgebilde, werden nur am Kopfe und an der Unterſeite von Körper und Schwanz angetroffen; manchmal werden ſie auch hier durch Schuppen erſetzt, ſo bei der Viper auf dem Kopfe, bei der griechiſchen Blind— ſchlange (Typhlops) an der ganzen Unterſeite. Ueberhaupt haben die Schlangen je nach Arten, Gattungen und Gruppen beſtimmte Unterſchiede hinſichtlich der Größe, Zahl und Anordnung der Schilder aufzuweiſen, und daher erlangen die letzteren, am vornehmlichſten die Kopfſchilder, für ſyſtematiſche Zwecke eine hohe Bedeutung. Die Kopfſchilder der Schlangen benennt man im Allgemeinen wie die der Eidechſen (ſ. S. 58), aber wir finden bei ihnen nicht ſo viel und ſo viclerlei als bei den Sauriern. Bei einem vollbeſchilderten Kopf ſetzt ſich, wie es bei dem durch Ab— bildung 25 vergegenwärtigten Kopf der Aeskulap-Natter und überhaupt bei den meiſten unſerer deutſchen und europäischen Schlangen der Fall iſt, die Kopfplatte oder der Pileus aus 9 Schildern, nämlich vier Paaren und einem unpaarigen, zuſammen. Unmittelbar über dem die Schnauzenſpitze vorn bildenden Rüſſel-, Schnauzen— oder Roſtral-Schild (scutum rostrale) liegt das erſte Paar, die verhältnißmäßig kleinen Vorder-Stirnſchilder (praefrontalia; Fig. 25 dd), dann folgen die beiden eigentlichen oder hinteren Stirnſchilder (frontalia; 25 ce), Fig. 25. Kopſplatte der Aestulap- hinter dieſen das große unpaarige Scheitel- oder Wirbel- . e 8 ſchild (verticale oder parietale; 25 a), rechts und links a Scheitelſchild, v Oberaugen, e Hinter— von ihm je ein Brauen- oder Oberaugen-Schild (supra- e ocularia; 25 b) und hinter ihm die beiden ſehr großen Hinterhaupt-Schilder (occipi— talia; 25 ee). An jeder Kopfſeite zieht ſich von dem unten ausgerandeten Rüſſelſchild (Fig. 26 f) an als Einfaſſung des Oberkiefers, alſo unterm Auge hinweg Längsleiſten; bei der Würfelnatter ſind die Verbindungen der Längsleiſten gitterartig faſt ſo ſtark wie die letzteren ſelbſt, bei der Glattnatter hingegen durch winkelig von den Längsleiſten gegen einander laufende Strichelchen vertreten; bei der Aeskulap⸗Natter ſtehen die Längsleiſtchen ungemein dicht und durch ganz feine Querrippchen verbunden, ſomit quergeſtreifter Muskelſubſtanz und Schmetterlingsſchuppen ähnlich; bei der Aspis zeigt ſich infolge Veräſtelung der Bogenlinien ein zartes Netz zwiſchen den Längsrippen. So prägt ſich auch in dieſer Beziehung bei den heimiſchen Schlangen ein ſpezifiſcher Unterſchied aus. Und, „was hier (d. h. auf der allgemeinen Hautdecke) in größerem Maßſtabe auftritt, das wiederholt ſich in feinerer Nachbildung als winziger Höckerbeſatz auf dem Epithel der Schleimhaut der Zunge“ [Leydig, Schlangen S. 44]. „) In der Benennung der Pileus-Schilder begegnet man einzelnen Abweichungen. In manchen Schriften, jo in der Herpetologia europaea von E. Schreiber, werden die Vorder-Stirnſchilder d.d „vordere Schnauzenſchilder (internasalia)“, die hinteren Stirnſchilder oe „hintere Schnauzen- oder Praefrontalſchilder (praefrontalia)“, das Wirbelſchild a „Stirnſchild (krontale)“ und die Hinterhaupt⸗ ſchilder ee „Scheitelſchilder (parietalia)“ genannt. Kopfſchilder. Schilder der Unterſeite. 248 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. bis zum Ende der Mundſpalte, eine Reihe nach hinten größer werdender Schilder hin: die Oberlippen-Schilder (supralabialia; Fig. 26 gg). Zwiſchen dieſer Reihe und der Kopfplatte finden wir noch einzelne andere: zwiſchen dem Vorder-Stirnſchild oben und den erſten Oberlippenſchildern unten das das Naſen— loch einſchließende, oft durch eine Quernaht in zwei Hälften getheilt ſcheinende Naſenſchild (nasale; Fig. 26 h); unmittel- bar an den vorderen Rand der Augenhöhle grenzen die Vorderaugen-Schilder (praeocularia; 26 ii), deren Zahl — bei den meiſten unſerer deutſchen Nattern (Aeskulap-, Glatt— „ und Ringelnatter) nur eins, bei der Würfelnatter zwei oder drei beträgt, wonach ſich denn auch die Größe und Geſtalt richtet; zwiſchen Naſenſchild und Vorder-Augen— ſchildern, alſo unterhalb der Stirnſchilder, bemerkt man noch ein oder mehrere Schildchen, die Zügel- oder Frenal— ſchilder (frenalia, loria; 26 k), während die unmittelbare hintere Begrenzung der Augenhöhle die hinteren Augen— ſchilder (postocularia; 26 11) bilden und dieſen nach hinten, den ganzen Raum zwiſchen Hinterhauptſchildern oben und Fig. 26. Beſchilderung der Kopf- den letzten Oberlippenſchildern unten ausfüllend, die gewöhn— ſeite (J. Viper, II. Hufeiſen- lich in mehreren Reihen über einander ſtehenden Schläfen- e Don ſchilder (temporalia; 26 m) folgen, von welchen man die lippen, i vordere, I hintere und n untere direkt an die hinteren Augenſchilder ſtoßenden als die Augenſchlder, w Schlofenſchlder. Temporalia erſter (vorderſter) Reihe bezeichnet. Bei manchen Schlangen ſchieben ſich auch noch zwiſchen Unterrand der Augenhöhle und Oberlippen— ſchildern wenige Schildchen, die Unter-Augenſchilder (subocularia; Fig. 26 II n), ein. Die Unterſeite des Kopfes der Schlangen bietet etwas Eigenthümliches in der 5 ſogenannten Kinnfurche (sulcus gularis) 2 4 7 dar, welche vorn an dem unpaarigen Kinnſchild 1 * (mentale; Fig. 27 0) beginnt, in der Längs⸗ 8 e 75 N richtung hinterwärts verläuft und, wie erwähnt, TRIER die völlige Trennung der beiden Unterkiefer— 9 fi BR m 0 0 2 5 80 5 F eee Aeſte äußerlich markirt. In der Kinnfurche g ö 1 treffen ſich zunächſt das erſte Paar der Unter- rg Pr yP . eo e e ; 115 P) 15 Fig. 27. Kopf» Unterſeite der Aeskulap⸗ dieſem zwei Paar lange Schilder, die Rinnen— Natter. ſchilder (infra- o Kinnſchild, v Unterfippenz, 4 Rinnen v Kehlſchilder, maxillaria; 27 5 „ 60 01 s Kehlſchuppen; hinter r die querliegenden Bauchſchilder. qq). Während N ! die Unterlippe rechts und links vom Kinnſchild durch F eine Reihe Unterlippenſchilder geſäumt wird, ſchließen N e NN \ 55 ; : ; EZ Neal.) Ta ſich dem zweiten Paar Rinnenſchilder nach rückwärts 1 \ 15 15 kleine Schildchen, die Kehlſchilder (scuta gularia; 27 1), e e oder aber kleinere Gebilde, Kehlſchuppen (squamae ö ö . \ Sarg . a ; en! hs var \ gulares; 27 s) an. Dann aber beginnt die lange 2 e Reihe der großen, breiten, querliegenden, ſchienen- oder tafelartigen Bauchſchilder (ventralia, abdominalia; Fig. 28. Theil der 170 der gelb⸗ ig. 2 a Ra er N 4 1715 grünen Natter. Fig 8 a a), welche nicht ſelten mit ihren jeitlichen _ Hack, b. Sohren e, ie Enden nach den Körperſeiten oder Flanken aufgebogen Ufterchud, a angrenzende Schuppenreihen. Dritte Ordnung. Schlangen. 249 ſind, ſodaß dadurch zuweilen förmliche Bauchkanten (. S. 253) entſtehen. Die Bauchſchilder der Schlangen ſind, ganz im Gegenſatz zu denen der Eidechſen, ſtets in einfacher Reihe hinter einander angeordnet, erſt hinter dem einfachen oder getheilten Afterſchild (anale; 28 c), alſo auf der Unterſeite des Schwanzes, zeigt ſich bei den meiſten Schlangen eine Doppelreihe Schilder, die Schwanzſchilder (subcaudalia; 28 b b). Daß die Bekleidung der Unterſeite des Körpers mit feſten Querſchienen von großer Bedeutung für die auf jeder Bodenart nur kriechend ſich fortbewegenden Schlangen iſt, das wurde bereits auf Seite 55 hervorgehoben, und damit im Einklang ſteht die andere von der Natur getroffene Einrichtung, daß bei vielen Seeſchlangen und gleich— falls ein Waſſerleben führenden Warzenſchlangen (Acrochordinae) ſowie bei den nach Wurmart unterirdiſch lebenden Blindſchlangen (Typhlopidae) und Rollſchlangen (Tortricidae) die Schilder verkümmert bezw. zu Schuppen umgewandelt find. Indem wir über das Zuſammenwirken von Schildern, Muskeln und Rippen bei der Bewegung weiterhin ſprechen werden, ſei zum Schluß dieſes Abſchnittes noch vermerkt, daß unſere deutſchen Schlangen weder beſondere häutige Anhänge des Schwanzes noch häutige Auswüchſe am Kopfe beſitzen und daß in der europäiſchen Fauna nur die Sandviper, Vipera ammodytes L., einen mit Schuppen bekleideten zapfenartigen Aufſatz über der Schnauze hat. Gleich der Haut der Echſen unterliegt auch die der Schlangen alljährlich einer mehrmaligen Erneuerung. Die Einleitung der Häutung, wie man bekanntlich das Abſtreifen der alten, mißfarbenen und abgeſtorbenen Hornlage der Oberhaut und deren Erſetzung durch eine inzwiſchen neugebildete nennt, geht unbemerkt von uns vermöge der auf Seite 45 beſprochenen Häutungshaare vor ſich; äußerlich giebt ſich das Herannahen der Häutung zu erkennen, indem die Schlange an Freß- und Beißluſt verliert, ſich träge und zunehmend kränklich zeigt, ihre Farben unrein werden und die Augen, weil das dieſelben überziehende Häutchen eine trübe, milchige oder bläuliche Färbung annimmt, ein ſehr blödes Ausſehen gewinnen. Mit dem Ablöſen der feinen, waſſerhellen Oberhaut an den Lippenrändern beginnt die eigentliche Häutung. Es entſteht infolge deſſen an der Schnauze in der Haut eine große Oeffnung mit zwei Klappen, deren eine nach dem Hinterkopf, deren andere nach der Kehlgegend ſich um— ſchlägt, ſodaß die Schlange in dieſem Zuſtande dem furchtſamen Unkundigen als ein mit einer Kopfbedeckung verſehenes Thier erſcheinen und dadurch vielleicht die noch heute ſpukende Sage von dem kronentragenden Schlangenkönig veranlaßt haben mag. Nun, nachdem der Kopf frei geworden, kriecht und zwängt ſich die Schlange durch Geſtrüpp, Gewurzel, Geſtein und dergl. und ſtreift ſomit die ganze Haut, deren Inneres nach außen kehrend, in einem Stück ab. Man findet daher ſolche „Nattern— hemden“ faſt immer zwiſchen Moos, Geſtrüpp, Geröll ꝛc. liegend bezw. eingeklemmt. Sie ſind im friſchen Zuſtande etwas feucht, fettig, dabei geſchmeidig und zähe, ſchon nach einigen Stunden jedoch trocken und ſpröde, erſcheinen farblos und wie aus Seidenpapier gefertigt; das nach Geſtalt und Glanz einem Uhrglas ähnelnde Augen— häutchen wie alle Schuppen und Schilder treten deutlich hervor, und man vermag ſomit an einem unverſehrten Natternhemd ſofort mit Leichtigkeit Gattung und Art ſeiner vormaligen Beſitzerin feſtzuſtellen. Unter unnatürlichen Verhältniſſen, ohne Darbietung eines Waſſergefäßes u. ſ. w. im Käfig gehaltene, mithin ſich unwohl oder krank fühlende Schlangen häuten ſich entweder gar nicht oder ſtoßen nur einzelne Fetzen des unter ſolchen Umſtänden vermehrt trockenen Kleides ab; und während das Abſtreifen der Haut geſunder, wohlgenährter Thiere mühelos binnen einer oder weniger Stunden und noch kürzerer Friſt ſich vollzieht, gehen matte, ſchwächliche Exemplare tage— Häutung. Hautfärbung. 250 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. lang damit um, ohne daß es ihnen auch dann noch gelingt. Die nach dem Verlaſſen der Winterherberge etwa im Mai ſtattfindende Frühjahrshäutung wiederholt ſich bei kräftigen Schlangen mehrmals im Jahre. Nach H. O. Lenz geſchieht die Häutung in monatlichen Pauſen fünfmal im Jahre, von Ende April und Anfang Mai bis Ende Auguſt bezw. Anfang September; Ad. Franke widerſpricht dem beſtimmt, indem er ſagt, er habe bei größeren Stücken in der Regel nur zwei (Mai und Auguſt), bei mindergroßen drei Häutungen beobachtet. Meine eigenen Erfahrungen laſſen mich dem letztgenannten Reptilienfreund, wennſchon ich auch die von Lenz angegebene Regel nicht als verbindlich für mich an— ſehen kann, nicht beipflichten. Denn um nur ein Beiſpiel anzuführen, es häuteten von zwei großen weiblichen Ringelnattern — welche ich am 13. Juni, nachdem ſie alſo jedenfalls die erſte Frühjahrshäutung längſt hinter ſich hatten, ſelbſt fing und dann ganz genau überwachte — die eine am 27. Juni, 23. Auguſt, 22. September und 30. Oktober, die zweite am 22. Juni, 17. Juli, 22. Auguſt und 13. September, mithin jede fünfmal; eine in dem gleichen Sommer am 11. Juni bekommene ſüdeuropäiſche zweiſtreifige Spielart aber entledigte ſich ihres Gewandes bei mir am 21. Juli, 18. Auguſt, 5. September (Anfang Oktober erhielt ſie ein ſchlimmes Auge und ſtarb) und eine ſtarke, 1%, Meter lange, am 1. Mai 1890 in meine Hände gelangte Schlangenbader Aeskulap-Natter im ſelben Jahre gleichfalls drei mal. Unbedingt jedoch iſt die Franke'ſche Aeußerung, daß junge Thiere ihr Kleid häufig wechſeln, zu unterſchreiben, denn im verhältnißmäßig ſchnellen Wachsthum begriffenen Stücken muß daſſelbe raſcher zu eng und ſomit unbrauchbar werden als alten und erwachſenen. Im Uebrigen ſpielen warme Witterung und die dadurch erhöhte Freßluſt und ver— mehrte Nahrungsaufnahme, wie überhaupt der Nährzuſtand der Schlangen und ähnliche Umſtände die Hauptrolle“). Ob gefangen gehaltene Schlangen ſich in einem Sommer öfter häuten als freilebende, wie Manche annehmen wollen, ſoll erſt noch erwieſen werden. Ein oberflächliche Betrachtung der heimiſchen Schlangen ſchon lehrt, daß die Färbung derſelben mehr oder weniger derjenigen ihres Aufenthaltes ähnelt, ſich anpaßt; auch hier iſt alſo das Seite 47 beſprochene Moment der „Schutzfärbungen“ zu beachten. Bei all' unſeren Arten herrſcht ein an den Ton des Erdbodens, nackter Aeſte und Zweige, trockenen Geſträuchs und abgefallenen Laubes bezw. düſteren Schlammes erinnerndes Erd-, Gelb-, Roth-, Grau- und Grünlichbraun vor, und, einzelne Spielarten ungerechnet, immer iſt der Bauch heller grundirt als die Oberſeite. Während unſere Eidechſen je nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit merkliche Ver— ſchiedenheiten in der Färbung und Zeichnung ihres Hautkleides aufweiſen, ſodaß man bei ihnen von Jugend- und Alters-, von Frühling- und Herbſtkleid, von Hochzeit— gewand, von männlicher und weiblicher Tracht ſprechen kann, laſſen unſere Schlangen beſtimmte, durch Färbung und Zeichnung ausgedrückte Alters- und Geſchlechts-Kenn— zeichen in der Regel vermiſſen; nur ganz junge Thiere weichen zuweilen, z. B. bei der Aeskulap-, der Würfel- und der glatten Natter, in dem einen oder anderen Punkte von ihren Eltern ab, indem die Grundfarbe heller iſt und eine dunkle Zeichnung ſich daher ſchärfer abhebt u. ſ. w. Die Beſchreibung der Arten wird ja das Nähere in dieſer Beziehung ergeben ſowie auch zeigen, daß diejenigen Spezies, welche über ein weites Gebiet verbreitet und dabei dem Einfluß verſchiedener klimatiſcher, Boden— u. a. örtlicher Verhältniſſe ausgeſetzt ſind, betreffs Färbung und Zeichnung vielfach abändern, daß dagegen ſolche, welche hier wie dort am gleichen Aufenthaltsort die ) A. Pagenſtecher ſtellt in ſeiner Allgem. Zoologie IV S. 749 ſogar die nicht durch Belege erhärtete Behauptung auf: „Bei den Schlangen wiederholt ſich die Häutung nach jeder reichlichen Mahl— zeit, acht- bis zehnmal im Jahre“! Dritte Ordnung. Schlangen. 251 gleiche Lebensweiſe führen, z. B. die Würfelnatter und die Kreuzotter, nur geringe Neigung zur Varietätenbildung bekunden. Zuweilen verdrängt das in der Färbung und Zeichnung vorhandene Schwarz die übrigen Töne gänzlich. Fälle ſolchen auch bei Eidechſen und Schleichen auftretenden Schwarzwerdens oder Melanis mus (vergl. S. 53) kennen wir von jungen und alten Kreuzottern und Vipern, Ringel— und Aeskulap-Nattern, ſowie von den ſüdeuropäiſchen grüngelben und vierſtreifigen Nattern; ſie haben ſogar zur Aufſtellung beſonderer Arten Veranlaſſung geboten. Umgelehrt ſind auch, allerdings weit ſeltener und nur ganz vereinzelt, Fälle von einer Abblaſſung der Hautfarbe zu Fleiſchfarbe oder gelblichem Ton (Chlorochroismus) oder fait zu reinem Weiß (Leukismus) vorgekommen, jo bei der Aeskulap-, Ringel— und Würfelnatter und der Kreuzotter. Schließlich muß noch der Leydig'ſchen Beobachtung gedacht werden, daß nämlich wie bei Eidechſen und Schleiche, ſo auch bei Ringel- und glatter Natter unter den auf Seite 48 erwähnten Umſtänden, durch das Spiel der beweglichen Farbzellen, eine Aufhellung oder Verdunkelung der Grund— färbung herbeigeführt werden kann. Dem Mangel an Hautknochen nicht nur, ſondern auch der auf Seite 242 er— wähnten Anheftung der Rippen und deren Verbindung mit den zahlreichen Muskeln und den Bauchſchildern danken die Schlangen die Vielſeitigkeit, Geſchmeidigkeit, Leichtigkeit und Sicherheit ihrer Bewegungen auf dem Boden, im Gezweig und im Waſſer. Die Art und Weiſe der Fortbewegung muß ja bei den der Füße entbehrenden Schlangen eine ganz andere ſein, als bei den vierbeinigen Eidechjen*). Die beweglich an den Wirbeln des Rückgrats eingelenkten und ſeitlich frei endigenden Rippen würden trotzdem den Zwecken der Lokomotion nicht dienen können, wenn ſie einestheils nicht mit gleich— vielen Zwiſchenrippenmuskeln und anderntheils mit verſchiedenen, von den Wirbeln an die nachfolgenden und die vorliegenden Rippen gehenden, als Heber und Vorzieher bezw. als Zurückzieher thätigen Muskeln, ſowie mit den von den Rippen zu den ſchuppigen Seiten und dem beſchilderten Bauche hinabſteigenden Muskelſchichten in Zuſammenhang ſtänden; (die Richtung der letzterwähnten Muskellagen iſt theils ſo, daß die Zuſammenziehung der Faſern zugleich die Rippe vorzieht und die Wurzel des Schildes hebt, dieſes lüftet und vorgreifen macht, theils ſo, daß dieſelbe zugleich die Rippe zurückbringt und die Schilder an den Bauch drückt und ſolcherweiſe den Leib auf dem Schilde, welches auf dem Boden mit dem Rande infolge der Körper— ſchwere feſtgeſtellt iſt, vorſchiebt). Die Thätigkeit der Muskeln iſt alſo eine vielſeitige, und die Bauchſchilder bilden in Verbindung mit den Rippen „einen lokomotoriſchen Apparat, welcher recht wohl einer einmal gegliederten Extremität verglichen werden kann, nur daß die Gliedmaßen gleich gefaltenen Händen für die zwei Seiten verbunden operiren“. Aeußerlich drückt ſich die Thätigkeit der Muskulatur in den wagerechten Wellenlinien aus, in welchen der Körper ſich fortbewegt““): Die wechſelnde Anſpannung dieſer und jener Rippenmuskeln läßt den Leib beſagte Kurven beſchreiben, wobei die Rippen ) Schon an dem Geräuſch, welches die einen oder die anderen Thiere beim Davoneilen im trockenen Laube, Graſe und Geſtrüpp verurſachen, vermag der Aufmerkſame, ohne daß er ſie ſieht, zu erkennen, ob er Schlangen oder Eidechſen vor ſich hat: die Eidechſe ruft ein kurzes, energiſches, unter— brochenes, die Schlange ein ſchleichendes, anhaltendes Raſcheln hervor. **) Mit dieſen Seitenbewegungen (mouvements de lateralite) der Wirbelſäule, welche „zum höchſten Grade bei den Schlangen entwickelt find“, bringen Jolyet und Blanchard [Zool. Anz. II S. 284] ſtarke bindegewebige, an der ſeitlichen Fläche des Rückenmarks hinlaufende Bänder in Zuſammen⸗ hang, indem ſie die Anſicht ausſprechen, daß dieſe Bänder dazu dienen möchten, ein bei der Weite der in den Wirbelſäule-Gelenken ſtattfindenden Bewegungen ſonſt wohl mögliches Hin- und Herziehen des Rückenmarks zu verhüten. Bewegung. Kriechen. Springen? 252 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. bis zur ſenkrechten oder nahezu ſenkrechten Stellung vorgezogen und dann wiederum in eine von vorn nach hinten gerichtete ſchiefe Lage gebracht werden; die Rippen kommen mithin nach Art der Ruder zur Verwendung und führen Bewegungen aus, welche vielleicht am beſten mit den Bewegungen der Beine eines Tauſendfußes zu vergleichen wären. So ſchnell und leicht nun aber auch der ganze Apparat arbeitet, ſo wird doch der Schlange das raſche Vorwärtskommen in der eingeſchlagenen Richtung durch den Umſtand erſchwert, daß ſie eben zahlreiche Kurven beſchreiben, einen wirk— lichen „Schlangenweg“ einhalten muß; es ergeht ihr wie dem Wagen, welcher auf einen Berg hinauf will und dies Ziel auch nicht ſchnurſtracks, ſondern auf gewundener Fahrſtraße zu erreichen vermag, wobei eben viele Zeit verloren wird. Und wie es dem, einen geraden, alle Bogen abſchneidenden Steig verfolgenden Fußgänger nicht ſchwer fällt, mit dem eine windungsreiche Straße befahrenden Wagen zu gleicher Zeit am Ziele anzulangen, ſo iſt er auch thatſächlich im Stande, jeder unſerer heimiſchen Schlangen auf ebenem Boden Schritt zu halten bezw. ſie einzuholen. Die Schnelligkeit dieſer Kriechthiere dünkt uns ungemein groß, allein nur die Einzelbewegungen ſind ſo raſch, zuweilen ungeſtüm und blitzartig ſchnell, die Lokomotion, die Fortbewegung der Thiere ſelbſt aber fördert infolge des berührten Umſtandes trotz raſtloſer Arbeit nicht genug. Mäuſe, Eidechſen, Fröſche, alſo ſolche Geſchöpfe, von denen unſere Schlangen ſich nähren, kommen beſſer vorwärts, ſie gerathen daher in der Regel auch nur durch Ueberumpelung in die Gewalt der letzteren und entwiſchen dieſen in den weitaus meiſten Fällen bei einer etwa angeſtellten Verfolgung, namentlich wenn dieſe auf dem bloßen, weder mit Moos noch mit Gras und Geſtrüpp bewachſenen, alſo nicht „federnden“ Erd— boden vor ſich gehen ſollte. Bei ſteil abſchüſſigem Gelände allerdings ſind die Schlangen im Vortheil, da ſie hier, falls es ihnen gerathen erſcheint, einfach hinabkollern oder ſich, wie ich dies von Ringelnattern an einer ſenkrecht aufſteigenden hohen Mauer und einem Gartenbalkon des zweiten Stockwerks bemerkt habe, fallen laſſen, nachdem ſie ſich ungefähr in halber Körperlänge über den Rand vorgeſchnellt haben. Das letztere iſt eine Art „Sprung“, wenn man dieſen Vorſtoß überhaupt ſo nennen will. Denn wirklich ſpringen, d. h. vom Boden, von der Plattform eines Buſches ꝛc. aus auf weitere oder geringere Entfernung ſich frei fortſchnellen, wie es Fröſche und warmblütige Vierfüßler, mitunter auch Eidechſen thun, können die Schlangen nicht, und die Erzählungen von Kreuzottern z. B., welche Menſchen und Thieren entgegenſpringen ſollen, ſind nur auf falſcher Beobachtung, auf Einbildung und Uebertreibung beruhende Fabeln; ſie vermögen, wie erwähnt, höchſtens die Vorderhälfte des Körpers vorzuſchleudern, wobei der Hintertheil feſt gegen ſeine Unterlage gedrückt wird. So unmöglich wie das Springen iſt ihnen auch ein Erheben vom Boden, ein Sichaufrichten, ſobald ihnen nicht eine Stütze zu Gebote ſteht. Beim Vorhandenſein einer ſolchen erheben ſie, je nach der Länge des Schwanzes, vier Fünftel oder fünf Sechstel, vielleicht auch noch etwas mehr, ihres Körpers; ohne Stütze aber ſind ſie nur etwa den vierten Theil (die Brillenſchlangen freilich ein Drittel) ihres Leibes aufzurichten im Stande, wie ſie denn auch beim gewöhnlichen Dahinkriechen nur den Kopf und die Halspartie frei überm Boden halten, und in dem Falle, daß man ſie an der Schwanzſpitze faßt und frei hängen läßt, meiſtens trotz aller Anſtrengung ſich doch nicht ſoweit aufwärts krümmen können, um mit dem Maule den Arm zu erreichen. Zwängen ſie ſich durch enge Löcher, ſo müſſen ſie natürlich die ſeitlichen Wellen— bewegungen des Körpers einſtellen, und die Rippen erfüllen dann mehr als unter anderen Verhältniſſen ihre Aufgabe als Hebel und Fußpaare: nur vermöge gang— artigen Aufſtelzens der Rippen und damit zuſammenhängenden Anſtemmens der Schilder Dritte Ordnung. Schlangen. 253 bezw. Schuppen gleitet das Thier durch Spalten und Lücken von Geſtein, Mauerwerk u. dergl. Das Erſteigen von Baumſtämmen hinwiederum, das ſogenannte Klettern, Ketten. geſchieht wie das Kriechen auf wagerechten Flächen in ſeitlichen Wellenlinien des Körpers, denn ſenkrechte Bogen ſchlägt die Schlange blos beim Umſtricken der Beute. An ſchrägen Stämmen geht ſie in die Höhe, indem ſie ſich auf der Oberſeite derſelben, falls ſie nicht zu glatt iſt, bergan ſchlängelt. Senkrechte Stämme kann ſie allerdings nicht in dieſer Weiſe nehmen, vielmehr muß ſie hierbei in ſchraubenförmigen Windungen den Stamm umringeln und ſich gleichzeitig durch die bekannten Muskelbeweguugen hinaufſchieben. Das hält nicht ſchwer, ſobald der Baum eben nicht zu ſtark iſt; in dem Falle aber, wenn ſie den Stamm nicht umſchlingen kann, bleibt ihr ein Er— klimmen deſſelben überhaupt verſagt, falls ſie nicht, wie es die Aeskulap-Natter thut, die Kanten ihres Leibes in vorhandene Riſſe der Borke zu ſchieben vermag. Daß eben beim Steigen und Klettern die mit dem ſcharfkantigen, freien, ein wenig erhobenen Hinterrande gegen die Unterlage gedrückten und ſomit ein Rückwärtsgleiten, ein Aus— rutſchen verhindernden Bauchſchienen den Nattern von höchſtem Vortheil ſind, erhellt von ſelbſt; zur Unterſtützung dieſer Funktion ſind bei vielen Baumſchlangen die Bauch— ſchilder ſeitwärts winkelig aufgekantet oder längs dieſer Kanten noch mit Kielen ver— ſehen. Im Geäſt und Gezweig eines Baumes oder Buſches zeigt ſich die Geſchmeidigkeit und Zierlichkeit der Bewegungen einer Schlange noch weit mehr als auf dem Erdboden, wo ihre Fortbewegung weniger anmuthig erſcheint als die der ſchmucken, behenden Eidechſen. Beim Schwimmen wird dem Bauche kein beſonderer Halt geboten, es Schwimmen. ſind mithin weite Seitenbewegungen nöthig, um in dem naſſen, einen gewiſſen Wider— ſtand — welcher die Landſchlangen bald ermüdet — entgegenſetzenden Element fort— zukommen; beim Schwimmen muß auch der Schwanz ſehr thätig ſein, und zu dem Zwecke iſt der der eigentlichen Seeſchlangen ſeitlich zuſammengedrückt und ſteuerartig verbreitert. Alle unſere Schlangen ſchwimmen, gern und gewandt und ausdauernd aber blos Ringel- und Würfelnatter, inſonderheit die letztere, welche überhaupt nebſt ihrer Verwandten zu den ſchnellſten, behendeſten deutſchen und europäiſchen Schlangen zählt, nur daß ſie hinſichtlich der Kletterfähigkeit und Kletterluſt übertroffen wird, z. B. von der Aeskulap-Natter. Die langſamſten und verhältnißmäßig trägſten hei— miſchen Ophidier ſind Kreuzotter und Glattnatter; einzig diejenigen Bewegungen, mit welchen ſie ſich ihrem Feinde oder der erkorenen Beute zuwenden, werden von ihnen haſtig, ja blitzſchnell ausgeführt; im Uebrigen verharren ſie meiſt in der auch von anderen Arten mit Vorliebe und oft eingenommenen Stellung: den Leib in mehrere Ringe zu einer Scheibe oder einem Teller zuſammengelegt, den Schwanz außen an den letzteren angeſchloſſen, den Kopf in der Mitte des Ganzen und häufig (namentlich thun dies die Giftſchlangen) emporgerichtet; ſeltener liegen die Thiere langausgeſtreckt, alſo in der Stellung, welche verendete Stücke gewöhnlich zeigen. Aus der letzteren Poſition, in welcher manche gern den Hals aufgerichtet halten und den Kopf dann wiederum mehr (im ſtumpfen Winkel) nach vorn geneigt tragen, gehen wenigſtens die biſſigen Arten gewöhnlich in jene Teller-Lagerung, die eigentliche Kampfſtellung, über, wenn ſie einen Angriff machen wollen. Beabſichtigt die Schlange, z. B. wenn ſie etwas Verdächtiges wahr— nimmt, aus der geſtreckten Lagerung ſich ſchnell zurück zuziehen, jo legt fie, wie ſchon H. O. Lenz angab, die Hinterränder der Schuppen (Schilder) glatt an die Haut, die letzteren verhalten ſich dann alſo umgekehrt als beim Auf- und Vorwärtsgleiten des Thieres. Hin- und wieder wühlen manche Schlangen, ſo nach meinen Beobachtungen die Aeskulap-Natter, mit Hilfe ihrer Schnauze ſich in ganz lockeren Boden ein und ziehen dicht unter der Oberfläche, gleichwie unter einem Moosteppich, lange Gänge hin. Verbreitung. Wohnort. Winterſchlaf. 254 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Von den ſechs in unſerem Vaterlande vorkommenden Schlangen ſind nur drei echt⸗deutſch, die anderen drei aus Südeuropa ſtammende Einwanderer; und während die erſteren über ganz Deutſchland (einzelne Bezirke ausgenommen) ſich verbreiten und auch in nördlicher gelegenen Ländern, die Kreuzotter bis zum 67. Breitengrad hinauf, heimiſch ſind, finden ſich die übrigen drei blos in gewiſſen ſüdweſtlichen und weſtlichen Grenzgebieten: Rheinprovinz, Heſſen-Naſſau, Baden, wo ſie ſich vor längerer oder kürzerer Zeit angeſiedelt und ſomit das deutſche Bürgerrecht erworben haben. Sie wanderten wohl in ähnlicher Weiſe wie Smaragd- und Mauer-Eidechſe (vergl. Seite 75 und 77) und wurden jedenfalls nur durch beſondere Umſtände dazu bewogen; denn gleich den Eidechſen iſt auch den Schlangen eine Seßhaftigkeit eigen, indem ſie an ihrer Geburtsſtätte und dem einmal gewählten Aufenthalt feſthalten. Sie kennen dieſen und die von ihm gewährten Verſtecke und entſchließen ſich nur ſelten zu weiteren Streifzügen, wie denn die Ringelnatter zwecks Abſetzens der Eier oder auch aus anderen Ur— ſachen vom Saume ihres Gewäſſers aus die Miſtbeete in Gärten, ländliche Gehöfte u. a. auf— ſucht. Wird aber die betreffende Oertlichkeit ohne oder mit Zuthun des Menſchen, durch Austrocknen von Gewäſſern, durch die fortſchreitende Bodenkultur, durch Abholzungen und Ausrodungen, durch Wegräumung von Geröll und dergleichen Maßnahmen derart ver— ändert, daß es ihnen nunmehr an Nahrung, Waſſer, Unterſchlupf und zuſagenden Ruheplätzchen mangelt, ſo ſind ſie gezwungen, derſelben den Rücken zu kehren und ſich ein neues Heim zu ſuchen. Namentlich gilt dies von Würfel- und Ringelnatter, welche gleich der nahverwandten ſüdeuropäiſchen Vipernatter als Waſſerbewohner bezw. waſſer— liebende Geſchöpfe an das feuchte Element gebunden ſind. Alle übrigen deutſchen und europäiſchen Arten ſind ausgeſprochene Landthiere, die ſich an und auf Berghalden und Waldblößen, Böſchungen und Felspartien, moorigen Wieſen und Brüchen oder aber auf ſandigen Flächen und Haiden aufhalten, jedoch faſt durchgängig das Kultur— land meiden und das Waſſer freiwillig nur zum Zwecke des Trinkens und Badens auf— ſuchen. Als Unterſchlupf dienen ihnen Steinhaufen und einzelne Steine, Erdlöcher, Mauerſpalten, Baumgewurzel, Moospolſter, die Aeskulap-Nattern flüchten auch ins Gezweig, die Waſſernattern hingegen tauchen in die Fluth. Sie ziehen die Ebene, Hügellandſchaften und Vorberge dem eigentlichen Gebirge vor, obwohl die Kreuzotter und die Viper in dieſem bis zu einer Höhe von 6000 bis 7000 Fuß aufſteigen. Aber wie ſie in den freundlichen, ſonnigen Thälern behender und beweglicher ſind als auf rauhen Höhen, ſo zeichnen ſich die Schlangen auch, entſprechend den Eidechſen, in ſüdlicheren Breiten durch merklichere Größe und lebhaftere, abwechſelungsreichere Färbung aus. Den Winterſchlaf halten die Schlangen unter denſelben Bedingungen ab wie die Eidechſen. Da wir bei Beſprechung der letzteren auf Seite 76 bis 78 dieſe Bedingungen und einſchlägigen Verhältniſſe, die Vorboten und Nachwehen der Winter— ruhe eingehend erörtert haben, ſind wir hier einer näheren Darlegung enthoben. Ver— merken wollen wir indeß noch beſonders, daß die Schlangen höchſtens 1 Grad Kälte zu ertragen vermögen; ſie erſtarren dann, ihr Körper wird ſteif und hart, ihr Augen— ſtern eisfarbig. Je nach der Art der Schlange dienen Baumſtumpen, Kompoſthaufen, Erdhöhlungen u. a. als Winterlager, und manche Arten, ſo die Kreuzotter, beziehen daſſelbe gern gemeinſchaftlich. Das Verlaſſen dieſer Herberge erfolgt ſpäter als bei den Eidechſen; nächſt der Schildkröte kommen die Schlangen unter all' unſeren Am— phibien und Reptilien am letzten zum Vorſchein, d. h. zwecks Beginn des Sommer— lebens, den Anfang macht in der Regel die Kreuzotter, den Beſchluß die Glatt- und die Aeskulap-Natter. Dritte Ordnung. Schlangen. 255 Mit ordentlichem Fettpolſter ausgerüſtet, waren die Schlangen im Herbſt, je nach der Witterung und der Art im September, Oktober oder gar erſt im November, zur Ruhe gegangen, dünner, ſchmalrückiger, matt erſcheinen ſie im März oder April zum erſten Mal wieder vor ihrer Winterherberge. Vielleicht lockt die Sonne ſie nun tag— täglich heraus, vielleicht auch bannt das wiederum rauh werdende Wetter ſie aufs neue eine Zeitlang an das Innere des Schlupfwinkels. Indeſſen mit der vorrückenden Jahreszeit und dem höher ſteigenden Tagesgeſtirn erwärmen ſich Luft und Erdboden und die Kälte der verkürzenden Nächte läßt nach, und die Wirkung dieſer Umſtände auf die Schlange bleibt denn nicht lange aus: das Thier kommt regelmäßig ins Freie, ſonnt ſich, achtet wieder auf die Umgebung, wird beweglicher, geſchmeidiger und ſucht die gewohnte Beute, welche wir weiterhin kennen lernen werden, zu erhaſchen. Die Schlangen halten ſich nun einzeln, und erſt nach einiger Zeit, nachdem ſie das alte Winterkleid abgeſtreift, finden ſich die fortpflanzungsfähigen Thiere zum Zwecke der Paarung wieder zuſammen. Jede bleibt in der Nähe des gewählten Schlupfwinkels und fahndet von hier aus auf Raub. Faſt alle unſere Schlangen, ausnahmslos die Nattern, find ausgeſprochene Tag thiere, welche ſich mit ſinkender Sonne in ihr Verſteck zurückziehen, um am anderen Morgen Vormittag früher oder ſpäter — die Glattnatter z. B. meidet den Morgenthau, die Ringelnatter jagt auf bethauten Wieſen nach Fröſchen — hervorzukommen, Nahrung zu erlangen und ſich zu ſonnen; die Giftottern zeigen ſich zwar auch am Tage und ſonnen ſich, allein ſie ſcheinen ihre Thätigkeit vor— nehmlich während der Dämmerung und Dunkelheit zu entfalten. Die Vormittags— und die Abendſonne behagt den Schlangen ganz beſonders, ſie ſuchen deren Strahlen an günſtigen Plätzen, die in ſchlangenreichen Oertlichkeiten zuweilen von mehreren Thieren beſetzt werden, anhaltend auf ſich einwirken zu laſſen. Dagegen wollen ſie von der ſtechenden mittäglichen Sommerſonne nichts wiſſen, und ſie bergen ſich vor den ſengenden, brennenden Gluthwellen derſelben unter überhängenden Zweigen, in Gewurzel, Geſtrüpp und dergleichen: pralle, glühende Hitze vermögen ſie gleich den Eidechſen ebenſowenig zu ertragen wie Kälte; nur an kühlen Tagen verſchmähen ſie auch die Mittagsſonne nicht. In ſolcher Weiſe, in einer gewiſſen, nur durch die mehrmalige Häutung und die Fortpflanzung unterbrochenen Einförmigkeit verbringen die Schlangen die Sommerzeit, bis im Vorherbſt mit verminderter Wärme und längeren kühlen Nächten die Freßluſt zu ſchwinden beginnt und anhaltende unfreundliche Witterung oder Kälte im September und Oktober ſie zum Aufſuchen des Winterlagers mahnt. Etwa von Mitte und Ende April ab, im Mai und Juni — die Kreuzotter im warmen Frühjahr zuweilen ſchon Anfang April — finden ſich, wie oben vermerkt, die fortpflanzungsfähigen, d. h. vierjährige und ältere Thiere zuſammen, um ſich zu paaren. Hochzeitliche Spiele und Kämpfe, entſprechend den auf Seite 78 und 105 geſchilderten Fehden und Werbungen der Eidechſen und den weiterhin zu erwähnenden Tändeleien der Tritonen, werden nicht ausgeführt; nur hin- und wieder, beiſpielsweiſe bei der Glattnater, mag es geſchehen, daß ein Männchen feinen Nebenbuhler abzubeißen ſucht. Hingegen iſt die Begattung inniger und von viel längerer Dauer als bei den Echſen, weil die in die Kloake des Weibchens eingeführten und dabei umgeſtülpten männlichen Ruthen an der inneren Seite mit harten Stacheln“) beſetzt ſind und deshalb feſt in ) Dieſe Stacheln erweiſen ſich, Leydig's hiſtologiſchen Unterſuch ungen zufolge, als Verknöcherungen des Bindegewebes; ſie gehören alſo nicht zum Horngewebe, ſondern zu jenen Verkalkungen oder Haut— knochen, welche in der Körperhaut der Schlangen zwar nicht, wohl aber, wie wir wiſſen, in der der Blind— ſchleiche und auch mancher Amphibien (Kröten) vorkommen. Die größten Stacheln ſtehen am freien Ende der Ruthe. Sommerleben Fortpflanzung. 956 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. den weiblichen Geſchlechtstheilen haften; ſie währt wenigſtens einige Stunden, und das Paar bleibt auch vereinigt, wenn es geſtört und beläſtigt wird und ſich, um zu ent- kommen, trennen möchte. Begegnet das Männchen einem willfährigen Weibchen und haben ſie ſich gegenſeitig durch Bezüngeln begrüßt, ſo kriecht das Männchen auf den Rücken der Erkorenen, welche durch ſeitliche Drehung der Aftergegend die Abſicht des erſteren unterſtützt und ſomit die Vereinigung herbeiführt, die ſich durch ſtarke, während der Dauer derſelben ſtändig wiederholte Zuckungen und Schwanzbewegungen anzeigt. Mitunter umſchlingen ſich dabei die Geſchlechter mit dem Schwanze; mitunter haben ſie ſich auch gleich beim Zuſammenfinden mehrfach umwunden, doch löſen ſie gewöhnlich dieſe Windungen wieder auf, um mit gegenſeitig aufgerichtetem Vorderkörper oder in ähnlicher Stellung zuſammen zu bleiben. Verändert das Weibchen die Körper— lage, ſo verfährt das Männchen dementſprechend. In der Regel aber verweilt das Paar unausgeſetzt auf ein und derſelben Stelle und fühlt ſich dabei durch andere Genoſſen, welche die gleiche Oertlichkeit aufſuchen und über oder unter ihm hinweg— kriechen, keineswegs behelligt. Nicht ſelten trifft man an einem ſonnigen Plätzchen außer dem vereinigten Paar eine ganze Anzahl Artverwandter über- und durch— einander verknäult in einem Haufen beiſammen an, da eben die Schlangen gern ſich ſonnen und an behaglichen Stätten gemeinſchaftlich lagern; indeſſen ſchon eine geringe Beunruhigung genügt, um die „verwickelte“ Geſellſchaft auseinanderfahren zu laſſen, ſodaß nur das zuſammenhängende Paar hilflos zurückbleibt. Die Paarungszeit einer Art umfaßt etwa vier bis ſechs Wochen (bei einzelnen Schlangen hat man im Herbſt eine zweite Paarung, die jedoch anſcheinend erfolglos iſt, beobachtet); aber nur bei der geſchlechtlichen Vereinigung ſelbſt kümmern ſich die Thiere um einander, im Uebrigen geht Alt und Jung jedes ſeinen eigenen Weg. Etwa 8 bis 10 Wochen nach ſtattgehabter Begattung und Befruchtung legen die Weibchen unſerer eierlegenden Arten: Ringel-, Würfel- und Aeskulap-Natter, an feuchtwarme Orte, unter Moos, Steine, in Düngerhaufen, Miſtbeete, Mulm, Erdhöhlungen de., 5 bis 40 Eier unmittelbar hinter einander ab, um ſie ruhig ihrem weiteren Schickſal zu überlaſſen; die Eier ſind länglich-oval, weiß, prall, ſehr dotterreich und eiweißarm, mit einer im friſchen Zuſtande pergamentartig weichen und klebrigen, unter dem Einfluß der Luft jedoch trocken, härter werdenden und dann kallig ſich an— fühlenden Schale verſehen und bedürfen einer mehrwöchigen Nachreife, ehe die Jungen ausſchlüpfen. Die „Ausbrütung“, wenn dieſer Ausdruck hier ſtatthaft iſt, wird bewirkt vermittelſt der an den Lagerplätzen der Eier vorwaltenden feuchten Wärme, alſo unter denſelben Verhältniſſen wie bei den Eidechſen (Seite 107), nur macht das Schlangen— Weibchen im Gegenſatz zu der Eidechſe weder vor dem Legen eine beſondere Grube zurecht, noch deckt es nach vollführtem Akte die Eier mit Bodengrund eigens zu. Die Weibchen der anderen drei heimiſchen Arten: Glattnatter, Kreuzotter und Viper, behalten die Eier ſo lange in dem unteren Abſchnitt des Eileiters oder Legeſchlauches, bis die Jungen ſich in ihnen vollſtändig entwickelt haben, wozu ein ungefähr vier— monatlicher Zeitraum nöthig iſt, ſodaß man von Ende Auguſt ab jungen Thieren der letztgenannten drei Spezies begegnen kann. Ein Weibchen bringt drei bis zwölf, je in eine häutige Blaſe eingeſchloſſene Junge zur Welt, welche ihre Hülle, falls dieſelbe nicht ſchon während des Geburtsaktes zerriſſen iſt, alsbald durchſtoßen. Die Jungen der lebend-gebärenden (ovo-viviparen) wie auch der eierlegenden (oviparen) Schlangen erfreuen ſich keinerlei Fürſorge ſeitens der Alten; ſie ſuchen einen paſſenden Schlupf— winkel auf, häuten ſich einige Stunden oder Tage nach dem Abſetzen bezw. Ausſchlüpfen und ſehen ſich bei günſtiger Witterung nach zuſagender Nahrung um. Dritte Ordnung. Schlangen. 257 Nähere Angaben über die Jungen wird die Beſchreibung der einzelnen Arten bieten. Für jetzt ſei aber noch vermerkt, daß man verſchiedene Fälle von der Geburt zweiköpfiger Schlangen kennt. Bereits Aldrovandi erzählt davon; Linns ſpricht von einem Coluber bicephalus der Roberg'ſchen Sammlung [Amoen. acad. II p. 87]; Bonaparte bildet eine zweiköpfige Vipera aspis ab; Froriep macht in Band 15, Nr. 8, ſeiner „Notizen“ Mittheilung über eine in ſeiner Sammlung befindliche getrocknete Schlange mit zwei Köpfen und zwei Schwänzen, aber zuſammengewachſenen Leibern; de Betta berichtet 1865 und 1878 in den Atti del Istituto veneto über eine junge zweiköpfige Aspis bezw. zwei ſehr junge in Oberitalien geſammelte zweiköpfige Ringel— nattern; die eingehende Beſchreibung des Körperbaues und des Benehmens einer bei Ratzeburg aufgefundenen und im Hamburger Zoologiſchen Garten vier Tage lebend erhaltenen jungen Kreuzotter mit zwei Köpfen veröffentlicht H. Dorner im „Zoolog. Garten“ 1873 S. 407—410, eine zweiköpfige Glattnatter wurde geboren bei dem bekannten Reptilienpfleger Rud. Effeldt in Berlin, lebte jedoch nur 10 Tage, und ein verkrüppeltes Junges derſelben Art, das „gewiſſermaßen zwei zuſammengewachſene Köpfe“ hatte, befreite A. Schiötz-Hamburg am 5. September 1891 aus ſeiner Eiblaſe [Blätter f. Aqu.⸗ u. Terr.⸗Freunde II ©. 181]. Da überhaupt genaue Beobachter in den Eiern verſchiedener Reptilien zwei von einer gemeinſamen Hülle umſchloſſene Embryonen, welche die ſeltſamſten Anomalien aufwieſen, vorgefunden haben, ſo läßt ſich aus dieſem Umſtande und aus der Beſchaffenheit der lebendgeborenen zweiköpfigen Schlangen ent— nehmen, daß derartige Mißbildungen, Abnormitäten und Monſtroſitäten, aus zwei Keimen zuſammengewachſene Doppelweſen, nicht aber theilweis gedoppelte Einzel— weſen darſtellen. Während die deutſchen Echſen ausſchließlich oder doch nahezu ausnahmslos von lebenden Kerfen, Würmern und Schnecken ſich nähren, verzehren die heimiſchen Schlangen durchweg lebende kleine Wirbelthiere: die Waſſernattern Fröſche, Molche, Kaul— quappen und Fiſche, die Glattnatter Eidechſen und Schleichen, die Aeskulap-Natter Eidechſen und Mäuſe, die beiden Giftſchlangen vornehmlich Mäuſe ?); die eine Spezies giebt dieſer, die andere jener Art den Vorzug, und jede Schlange verſchlingt die gemachte Beute unzerſtückt. Das letztere würde gar nicht möglich ſein, wenn, wie Seite 242 erörtert, die Geſichtsknochen nicht ſehr verſchiebbar wären und ſomit eine beträchtliche Erweiterung des Rachens geſtatteten. Trotz alledem bedingt das Hinab würgen eines gefangenen Thieres, inſonderheit eines umfangreicheren Stückes, einen bedeutenden Kraftaufwand und vollzieht ſich unter mehr oder minder auffallenden und unförmlichen Verſchiebungen und Verrenkungen der Geſichtsknochen bzw. der Kinnladen. Iſt das Opfer, ſei es durch Auflauern, ſei es durch Beſchleichen und kurze Verfolgung ſeitens der Schlange, ſei es durch Zufall, in Schußweite gekommen, ſo kann der Angriff, je nachdem die Räuberin der einen oder der anderen Art angehört, in dreierlei Weiſe vor ſich gehen. Entweder wird daſſelbe, nachdem der Kopf der Otter plötzlich vorgeſchnellt, infolge blitzſchnellen einmaligen Einſchlagens der beiden Gifthaken zu Tode verwundet, aber nicht gepackt, ſondern ſeinem traurigen ) Die Nahrung der ſüdeuropäiſchen Schlangen iſt in der Hauptſache dieſelbe, jedoch ver— ſchlingen die Zorn- oder grüngelbe Natter (Zamenis gemonensis Laur. = Z. viridiflavus Latr.) und die Vierſtreifen-Natter (Coluber quaterradiatus Gmelin), auch wohl die Leoparden-Natter (Col. quadrilineatus Pallas) mitunter kleinere Ihresgleichen, die Vierſtreifen-Natter auch gern Eier, und die engmäuligen Wurmſchlangen (Typhlops) verzehren kriechendes und laufendes Geſchmeiß, nämlich Würmer, Tauſendfüße, Ameiſen ze. Hingegen fehlen Schneckenfreſſer, als welche laut Günther [Ann. Mag. N. Hist. 1872, IX, 29] die Gattungen Leptognathus und Amblycephalus anzuſehen ſind, der europäiſchen Fauna gänzlich. 17 Mißbildungen. Ernährung. 958 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Schickſal überlaſſen und nach dem Verenden gemächlich verzehrt; oder es wird ebenſo unerwartet als raſch mit den Zähnen erfaßt, vielleicht im ſelben Augenblick aber, da der Körper der Schlange in mehreren Windungen die Beute umſtrickt und feſthält, von den Kiefern wieder freigegeben, um dann erſt binnen kürzerer oder längerer Friſt verſpeiſt zu werden; oder endlich es wird einfach zwiſchen die Kinnladen genommen und, nachdem es nöthigenfalls durch Wenden und Drehen im Maule ſchlinggerecht gelegt, hinabgewürgt. Die erſtere Jagdweiſe können natürlich nur die Giftſchlangen anwenden; das zweite Verfahren befolgt die Glattnatter“) und unter Umſtänden die Aeskulap— Natter“), das dritte die beiden Waſſernattern. Gern ſuchen die Schlangen, und manche zeigen durchweg dieſes Beſtreben, dem erlangten Wild vorm Verſchlingen im Maule eine ſolche Lage zu geben, daß der Kopf zuerſt im Schlunde verſchwinden muß: das Beutethier wird dadurch, falls noch lebendig, am erſten widerſtandsunfähig gemacht und rutſcht überhaupt, da die Beine bezw. Flügel, Schwanz, Floſſen deſſelben ſich ja nach hinten zu an den Körper anlegen, alſo ſich nicht ſperrig verhalten können, am verhältnißmäßig raſcheſten hinab. Während die Speicheldrüſen infolge des auf ſie ausgeübten bedeutenden Druckes reichlich ihre Flüſſigkeit abſondern, welche das Hindurchgleiten des Fraßes durch den Rachen erleichtert, und der Kehlkopf zwiſchen den Aeſten der Kinnlade zwecks Unterhaltung der Athmung hervortritt, greifen die Kieferzähne unter abwechſelndem Vorſchieben der Kopfſeiten fortſchreitend immer weiter, ſodaß ſich gewiſſermaßen Rachen und Schlund allmählich nach vorn zu über das ver— gewaltigte Geſchöpf hinzieht. Hat das Beuteſtück erſt mal den Schlundeingang der Ueberwältigerin paſſirt, ſo iſt dieſer geholfen, denn nun wird der mehr und mehr zuſammengequetſchte und verlängerte Biſſen vermöge der Bewegungen der muskel— kräftigen Speiſeröhre von ſelbſt in den langen, ſackförmigen Magen, dem ſich hinten ein kurzer, wenig gewundener Darmſchlauch anſchließt, hinabgedrückt, um einer lang— ſamen aber fast vollſtändigen, auch die Knochen (jedoch nicht Federn, Haare dc.) ein— begreifenden Verdauung entgegenzugehen. Oft werden zu einer Mahlzeit mehrere Thiere verſchluckt: dann lagern dieſelben, was man beiſpielsweiſe an dem Körper einer froſchfreſſenden Ringelnatter von außen wahrnehmen kann, in der Reihenfolge, wie ſie hinabgewürgt wurden, in Magen und Speiſeröhre hinter einander, und je nach— dem der erſtere ſeine Arbeit verrichtet, rücken die zunächſt in der Speiſeröhre auf— geſpeicherten Stücke allgemach nach. Der Vorgang des Packens und Verſchlingens — wobei faſt jede einzelne Muskel in Mitthätigkeit geräth und ſelbſt der Schwanz ſich mehr oder minder lebhaft bewegt — erfordert je nach der Stärke des Opfers kürzere oder längere Zeit: die Aeskulap-Natter befördert eine gewöhnliche Eidechſe, die Ringel— und Würfelnatter einen beim Kopf erfaßten 5 bis 8 em langen Fiſch binnen wenig Minuten in den Schlund hinab, eine große Maus macht der erſteren, eine ſtarke Zaun-Eidechſe der Glattnatter, ein kräftiger Froſch den Waſſernattern ſchon mehr zu ſchaffen und mit einem der behaarten Vierfüßler müht eine mittelgroße Kreuzotter, mit einer dicken Kröte müht ſelbſt eine Ringelnatter von etwa 80 em Länge ſich zu— weilen eine und mehrere Stunden ab; hat die Schlange nun gar mit den Zähnen eine Beute feſtgehakt, die unbedingt zu unförmlich für ſie iſt, ſo liegt ſie mitunter viele Stunden lang mit dem Thiere im Rachen da, ſich vergeblich auſtrengend, daſſelbe zu verſchlingen oder aber wieder herauszuſtoßen, bis es ihr endlich gelingt, durch energiſches Schütteln des Kopfes, deſſen Unterkinnlade ſie abwärts geſenkt hat, die ) Die Behauptung A. E. Brehm's [Thierleben 7. Bd., 1878, S. 281], daß Eidechſen vor dem Verſchlingen erſt erwürgt würden, trifft in dieſer Allgemeinheit weder für die Glatt- noch für die Aeskulap-Natter zu. Dritte Ordnung. Schlangen. 259 nicht zu bewältigende Maſſe abzuwerfen. Auch kommt es vor, daß Nattern, welche zu viele Stücke verzehrt haben, ein oder zwei Tage darauf vielleicht eins derſelben nach wiederholtem Aufſperren des Maules und würgenden Bewegungen wieder aus— ſpeien, und daß friſchgefangene Schlangen nicht ſelten, jedenfalls aus Unmuth und Aerger ob ihres Schickſals, die in der Speiſeröhre befindliche Nahrung ausbrechen; das Gleiche kann geſchehen, wenn die Schlange erſchreckt oder auf andere Weiſe in ihrem Treiben beläſtigt wurde, und oft zieht jene gewaltſame Störung des Ernährungs— und Verdauungs-Vorganges ein tagelanges Unbehagen, zuweilen ſelbſt den Tod des Ophidiers nach ſich. Hat derſelbe ſich recht voll gefreſſen, ſo wird er eine Zeitlang unbehülflicher und träger als ſonſt. Da die Schlangen unter naturgemäßen Verhältniſſen gewöhnlich derbe Portionen verzehren, ſo pflegen ſie nach jeder Mahlzeit eine merkliche Pauſe in der Nahrungs— aufnahme zu machen, und gut genährte Thiere, die ein förmliches Fettpolſter anſetzen, vermögen lange Zeit, unbeſchadet ihrer Geſundheit, zu faſten. Sie ſind hierin glücklicher daran als die Eidechſen. Wir haben bereits auf Seite 103 dieſen Vergleich gezogen, und dort auch an einem Vorkommniß dargethan, welche unglaubliche „Hunger— kur“ manche Schlange durchzumachen im Stande iſt. Aber inzwiſchen hat mir eine 1 Meter lange Schlangenbader Aeskulap- Natter gezeigt, daß ſie noch mehr leiſten konnte als jene Boa. Die Natter, ſehr kräftig, geſund und wohlgenährt, kam im Mai 1890 in meinen Beſitz; ſie bezog ein geräumiges, entſprechend ausgeſtattetes Terrarium, erhielt Eidechſen und Mäuſe zugezählt und wurde genau beobachtet; ſie rührte keins von den Thieren an, war munter und biſſig, häutete ſich im Sommer dreimal (. Seite 250), durchwinterte gut, verſchmähte im Sommer 1891, in dem fie am 1. Juni häutete, wiederum jede Nahrung, durchwinterte zum zweiten Mal, zeigte ſich aber im März 1892 in der warmen Stube äußerſt ſelten, ſodaß ich ſie zu tödten beſchloß — da auf einmal packt ſie an einem Tage des genannten Monats, als ich das Terrarium wieder auf ſeinen ſonnigen Standplatz gerückt und einige friſchgefangene kleine bewegliche Zaun-Eidechſen eingeſetzt hatte, ganz plötzlich eine der letzteren und verſchlingt ſie, um von dieſer Zeit an regelmäßig zu freſſen. Ich habe über dieſe Erfahrung oft zu Bekannten geſprochen und geſtehe auch hier: mir würde das Berichtete ſelbſt unglaublich erſcheinen, wäre das Terrarium und ſeine Bewohner nicht unter meiner ſteten Aufſicht und überhaupt jeder Irrthum ausgeſchloſſen geweſen. Fälle, daß die Schlangen auch außerhalb des Winterſchlafes ein viertel oder ein halbes Jahr faſten, kommen dagegen gar nicht ſelten vor, und Kreuzottern, die, was die Regel iſt, in der Gefangenſchaft keine Nahrung annehmen, dauern trotzdem ſechs bis neun oder zwölf Monate, ausnahmsweiſe noch länger aus. Und dabei merkt man ihrem Leibe die Hungerkur nicht in dem Grade an wie den Eidechſen, welche erſt einige Wochen, einen oder zwei Monat faſteten. Mit ſteigernder Luft- und Boden— wärme, nach beendeter Häutung und bei weiblichen Thieren nach geſchehener Befruchtung erhöht ſich die Freßluſt. Im weiteren Gegenſatz zu unſeren Eidechſen iſt das Waſſer— bedürfniß der Schlangen gering. Jedenfalls aber müſſen auch fie trinken, ſei es auch nur, daß ſie Thau- und Regentropfen von Pflanzen und Steinen lecken, wie es die Eidechſen thun. Viele Stücke indeß, namentlich wenn ſie einige Wochen gedurſtet haben, trinken, indem fie den Vorderkopf bis etwa zu den Augen in das Naß tauchen, in langen Zügen und ohne abzuſetzen: ſo ſog eine Ringelnatter, welche ſeit dem 13. Juni nicht Waſſer zu ſich genommen, am 17. Juli drei Minuten hindurch in langen Zügen die belebende Feuchtigkeit aus einem gläſernen Napf, und nach einer Pauſe von zehn Minuten that ſie noch 47 Züge. Sie ſchlappen (lecken) dabei nicht 172 Hunger, Durſt. Zählebigkeit. 260 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. nach Art der Echſen und Hunde, ſondern ſchlürfen mit eingezogener Zunge unter deutlich ſichtbaren, faſt kauenden Bewegungen der Kinnladen, alſo in der Weiſe, wie beiſpielsweiſe die Pferde trinken. Von Fruchtſäften und anderen Süßigkeiten, welche für gewiſſe Eidechſen Leckerei und Labung bilden (Seite 102), wollen die Schlangen nichts wiſſen. Aber ebenſowenig als jene Klaſſen-Verwandten können ſie, beſonders vor der Häutung, des erfriſchenden, die Hautthätigkeit fördernden Thau- oder Waſſer— bades entbehren. Obwohl die Schlangen, wie wir wiſſen, den Aeußerungen von Wärme und Kälte und von Giften gegenüber ſich durchaus nicht gleichgiltig verhalten, ſo darf man ihnen doch nicht große Empfindlichkeit zuſchreiben; auf jeden Fall ſind ſie weniger empfindlich als die Eidechſen. Für ihre Zählebigkeit ſpricht ſchon das Vermögen, daß ſie Nahrung und Waſſer lange Zeit entbehren können. Demzufolge erliegen ſie 9 auch gewiſſen Verwundungen und Verletzungen ſpäter als die Saurier. Am Mai 1888 erbeutete ich im Grunewald bei Berlin eine ſtarke Ringelnatter, und 115 mit Leichtigkeit, da ſie nur langſam fortzukommen vermochte: der ungeſtüme Schlag eines übereifrigen Spaziergängers hatte ihr die Wirbelſäule einige Zoll vor der Schwanzwurzel zerſchmettert, einige Knochenſplitter und abgeriſſene Muskeln zeigten ſich in der Fleiſchwunde, der hinter der Verletzungsſtelle befindliche Körpertheil ſchleppte beim Kriechen der Schlange ſchlaff nach. Da die äußere Wunde der ins Terrarium geſetzten Natter ſich zwar ſchloß, die innere Verletzung jedoch blieb, ſo war das Thier nicht im Stande, ſich zu ernähren, d. h. die den geſammten Organismus und ſeine Kräfte in Mitleidenſchaft ziehende Verſchlingung lebender Beute auszuführen; die Natter mußte ſich ſomit von den in ihrem Körper aufgeſpeicherten Nährſtoffen unterhalten und ſtarb, als dieſe aufgebraucht waren, im Spätherbſt, ohne daß ſie während der Gefangenſchaft einmal gehäutet hatte; ſie würde wohl eher verendet ſein, hätte ſie ſich nicht zur Zeit der Verletzung in einem guten Ernährungszuſtande befunden. Uebrigens ſtellen viele Schlangen auch ſchon bei leichteren Verwundungen daß Freſſen ein, ſodaß dieſe mittelbar — infolge fehlender Nahrungszufuhr und dadurch allmählich herbeigeführten Verfalls der Muskel- und Lebenskräfte — den Tod des Thieres veranlaſſen. Verletzungen des Gehirns und Rückenmarks tödten die Schlangen nur langſam. H. O. Lenz erzählt von einer Kreuzotter, die er beim Fange auf unebenem Felſenboden ſo auf den Rücken getreten hatte, daß in der Mitte des Leibes Wirbel und Rückenmark auseinander geriſſen, Haut und Verdauungskanal hingegen unverſehrt geblieben waren, und die doch noch mehrere Wochen lebte. Ad. Franke erhielt eine Glattnatter, bei welcher durch gewaltſame Zerrung ſeitens des Fängers etwa 15 em vor dem After eine Zerreißung des Rückgrats nebſt der inneren Theile erfolgt war, ſodaß man, da der vordere Theil mit dem hinteren nur mittelſt der dünnen Körperhaut noch zuſammenhing, in die entſtandene Rückgratslücke bequem zwei Finger legen konnte; das Thier, welches in ſeinem Betragen, abgeſehen von einer außerordentlichen Biſſigkeit, nichts Ungewöhnliches zeigte, wurde erſt nach acht Tagen plötzlich matt und ſtarb am zehnten Tage, und bei der Zergliederung fand der Beſitzer im Fruchthälter ſieben lebende Junge, davon drei ſogar in dem ab— geriſſenen Hintertheil des Körpers. Derartigen Verletzungen gegenüber will der Verluſt eines Stück Schwanzes ſammt eingeſchloſſenen Markes nicht viel beſagen; ſolcher Verluſt ſchadet ihnen denn auch gar nichts, an der Wundſtelle heilt der Schwanz, ohne ſich wieder zu erſetzen, in einem ſtumpfen oder en Kegel zu. In der Gefangenſchaft, bei unzweckmäßiger Unterbringung und Verpflegung, werden nicht ſelten Schlangen von gewiſſen, unter Umſtänden mit dem Tode Dritte Ordnung. Schlangen. 261 endenden Krankheiten (Seite 270) heimgeſucht — ein Beweis, daß auch ihrer Zäh— lebigkeit eine Grenze geſetzt iſt. Haut-Schmarotzer, wie ſie die Eidechſen plagen, ſind mir von unſeren Schlangen nicht bekannt geworden, obwohl gefangen gehaltene Schlangen zuweilen von Milben beläſtigt werden ſollen. Auch habe ich noch in keiner der heimiſchen Arten Band— oder andere Eingeweide-Würmer gefunden, wennſchon deren Vorkommen gleichfalls nicht ausgeſchloſſen ſcheint, da ſie bei Ordnungs-Verwandten, beiſpielsweiſe Rieſen— ſchlangen, feſtgeſtellt wurden. Die Feinde unſerer Schlangen find in erſter Reihe gewiſſe Vögel und Säugethiere: Schlangen-Adler, Buſſarde, Raben, Störche, Iltiſſe, Wieſel, Igel. Ihr eifrigſter Gegner aber iſt der Menſch, der ſeinen begründeten Haß wider die Giftottern auch auf die nichtgiftigen Nattern übertragen hat, obgleich die letzteren weder ihn ſelbſt noch ſein Eigenthum jchädigen*) und zudem unſchwer von den giftigen zu unterſcheiden ſind. Nur in einzelnen Gegenden unſeres Vaterlandes finden ſich noch verwiſchte Spuren früherer (und jetzt noch bei Naturvölkern, ſowie in manchen Diſtrikten Rußlands, Griechenlands, Italiens verbreiteter) abergläubiſcher Anſchauung, welche in der Schlange die Beſitzerin gewiſſer übernatürlicher Kräfte ſah und demzufolge dieſelbe entweder mit einer eigenartigen, in Verehrung übergehenden heiligen Scheu betrachtete, oder doch Theile ihres Körpers als Heilmittel gegen be— ſtimmte Krankheiten und Gebreſten verwendete? ), bezw. das in das Gehöft kommende Thier als Verkünderin und Bringerin von Glück und Segen — alſo wie in anderen Gebieten unſerer Heimat heute noch die Schwalbe und den Storch — begrüßte. Aber ein Ausfluß jener Anſchauung hat ſich bis heute zu erhalten gewußt, und zwar nicht nur in den breiten Schichten des Volkes, ſondern auch bei gebildeten Perſonen: es iſt die Meinung, die Schlangen wären im Stande, vermöge ihres Blickes kleinere, ihnen zur Ernährung dienende Thiere (Eidechſen, Fröſche, Vögel, Mäuſe) zu bannen oder zu fasciniren, d. h. ihr ſtarrer Blick ſolle den kleinen Thieren, in deren Geſichts— kreis die Schlange kommt, plötzlich alle Kräfte benehmen, ſie augenblicklich lähmen und ſomit unfähig zu Flucht und Widerſtand machen. Man hat vielleicht einmal wahr— genommen, wie eine Eidechſe, die ganz unerwartet eine ihrer ſchleichenden Feindinnen zu Geſicht bekam, gleichſam vor Erſtarrung in der innegehabten Stellung ſtehen blieb und nun der ſchnell zufahrenden Schlange mühelos zur Beute wurde; oder wie ein Froſch, nachdem er vor Entſetzen über eine unvermuthet erſchienene Ringelnatter zu— nächſt in den tollſten, planlos ausgeführten Sprüngen ſein Heil verſucht, in Todes— angſt vor der ihm auf den Ferſen befindlichen Räuberin und vom Schreck gelähmt platt liegen bleibt und nun bequem ergriffen wird; oder wie ein kleiner Vogel einer ) Denn unſere deutſchen und im Allgemeinen auch die europäiſchen Nattern können weder durch ihren Biß noch durch ihre Stärke gefährlich werden. Und wenn man früher erzählte — C. G. Carus führt 1824 in ſeiner Preisſchrift „Von den äußeren Lebensbedingungen der weiß- und kaltblütigen Thiere“ mehrere anſcheinend verbürgte Fälle an —, daß die Nattern zuweilen den im Freien ſchlafenden Kindern in den Schlund und Magen ſchlüpfen und damit deren Tod herbeiführen könnten, ſo ſind dies eben gruſelige Geſchichten einer hinter uns liegenden Zeit. — **) Namentlich die Vipern, die deutſchen ſowohl wie die auf dem Handelswege zu uns gebrachten ſüdeuropäiſchen und egyptiſchen, wurden zu dem Zwecke benutzt: man ließ den Schlangenförper in einem geſchloſſenen Topfe verkohlen und zerrieb ihn dann zu Pulver, das ſogenannte Vipernſalz; oder man zerkochte ihn, ſetzte Semmelmehl u. a. hinzu und knetete die Maſſe zu einem Teig, welcher die in allen Apotheken käuflichen Theriak-Pillen gab; ferner wurden Vipern-Suppen, -Syrup, die Ottern-Galle, Otternfett u. ſ. w. als Arzenei bei Haut- und inneren Leiden verordnet. Im Schweizeriſchen Jura hielt ſich damals, wie Giebel angiebt, ein Apotheker einen ganzen Park voll Vipern, um ſie in Schachteln mit Sägeſpänen das Stück für 40 Kreuzer zu verſenden. Ja noch i. J. 1851 wurden beiſpielsweiſe auf dem Berliner Wochenmarkt Ottern für mediziniſche Zwecke feilgeboten. Feinde und Opfer. Zauberkraft. 262 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſeiner gefährlichen Gegnerinnen ſich nahte, Zeichen der Lähmung zur Schau trug und ſchließlich dem geöffneten Rachen des ihn unverwandt anblickenden Reptils als Opfer anheimfiel — und man vermochte ſich ſchließlich das auffallende Gebahren der ſchwachen Zwei- und Vierfüßler nicht anders als durch Annahme einer von der Schlange, ſei es nun von ihrem Auge oder aber ihrem „giftigen Hauche“, bewirkten Bannung, Bezauberung zu enträthſeln. Allein erklären ſich jene Erſcheinungen nicht auf einfache, natürliche Weiſe? Beſitzen jene ſchwachen Geſchöpfe nicht ebenſo Nerven wie wir ſelbſt? Und wenn nun eine im Laub und Geſtrüpp raſchelnde und namentlich eine unerwartet ſich zeigende Schlange nicht nur bei dem ahnungsloſen Spazier— gänger, ſondern bei den weitaus meiſten der Menſchen Furcht oder gar Schrecken erregt; oder wenn ein Menſch, der ſich oder die Seinen urplötzlich einer fürchterlichen Gefahr (Feuer, Waſſer u. a.) ausgeſetzt ſieht, infolge der ſtarken Ueberreizung der Nerven die Herrſchaft über ſeine Organe verliert und weder ſich noch Anderen ſogleich zu helfen vermag, vielmehr angeſichts des Schreckniſſes „wie eingewurzelt ſtehen bleibt“ — wie ſollten entſprechende Zuſtände nicht auch bei den viel ſchwächeren Ge— ſchöpfen hervorgerufen werden? Manches dieſer Thiere allerdings ſucht, was man an gefangen gehaltenen beobachten kann, durch Rennen und Springen dem Feinde zu entgehen, falls es dieſen überhaupt als ſolchen kennt und frühzeitig bemerkt hat; allein nur zu oft ſind ſeine Mühen vergeblich, und dann erwartet das abgehetzte, abgemattete Weſen in einer Ecke oder einem anderen Platze wie in ſtiller Verzweiflung das ſich ihm in Geſtalt der beutegierig züngelnden und zielenden Schlange nahende Schickſal. Anderſeits muthmaßen viele jener kleinen befiederten oder behaarten, ſchuppen- oder nackthäutigen Geſchöpfe in der Schlange, weil ſie noch gar nicht wiſſen, was eine ſolche iſt, keinen Feind, ſie tummeln ſich ſorglos neben und auf ihr herum, begegnen ihr, vornehmlich ſo lange ſie ruhig liegt, mit Argloſigkeit und ſonder Furcht, beſchauen und beſchnuppern ſie, ſetzen ſich vor ſie hin, um ſich zu ſonnen und zu putzen, und machen dadurch der raubluſtigen Gleißnerin, die dies oder jenes Kleinthier bereits „auf's Korn genommen“ hatte, die Arbeit um ſo bequemer. Und was endlich das merkwürdige Gebahren mancher kleinen freilebenden Vögel einer herumkriechenden Schlange gegenüber anbelangt, ſo ſteht dies durchaus auf einer Stufe mit ihrem Be— nehmen gegen andere ihnen gefährlich erſcheinende Geſchöpfe, Menſchen ſowohl als Raubthiere: ſie geberden ſich wie bethört und wie an Flügeln und Beinen gelähmt, kommen dem Feinde entgegengehüpft, hinken und flattern um ihn herum, laſſen ſich wie todt von einem Zweige herabfallen, kurzum, fie verstellen ſich in jeder Weiſe, um durch ſolche Liſt die Aufmerkſamkeit des erkannten Gegners von ihrer Brut abzu— wenden und auf ſich ſelbſt zu lenken. Man betrachte nur jedes derartige Geſchehniß mit unbefangenem Blick, und man wird auch hierbei nicht nöthig haben, zwecks Deutung der Vorgänge über- und widernatürliche „Kräfte“ in's Gefecht zu führen. Man könnte übrigens auch, wenn man dem Afterglauben Vorſchub leiſten wollte, von einer unſererſeits auf die Schlangen ausgeübten Bezauberung ſprechen: denn wie die egyptiſchen Brillenſchlangen in demſelben Augenblick, da ſie von einem der in das Geheimniß eingeweihten Gaukler an einer beſtimmten Stelle des Nackens gedrückt werden, in eine Art Starrkampf fallen, ſich ſtrecken und todtähnlich daliegen, ſo wandelt auch manche Ringelnattern, die man plötzlich erfaßt und dabei vielleicht unverſehens auf die Herzgegend drückt, eine ſofortige Ohnmacht an, ſie werden regungslos, ſperren auch wohl den Rachen dabei auf und er— halten erſt nach einigen Minuten, einer Viertel- oder halben Stunde ihre Bewegungsfähigkeit wieder. Dritte Ordnung. Schlangen. 263 Während unſere Eidechſen den ihnen drohenden Gefahren hauptſächlich vermöge ihrer ſchnellen Bewegungen und ihres meiſt ſcharf entwickelten Gehörs, auch durch die dem Aufenthalt ähnelnde Körperfärbung und die Zerbrechlichkeit des Schwanzes ent— gehen können, ſtehen den Schlangen noch andere paſſive und außerdem aktive Ver— theidigungsmittel zu Gebote. Gleich den Eidechſen ſind die Ophidier ſcheu und furcht— ſam, und verlaſſen, ſobald ihnen ihr Gehör das Nahen eines Menſchen wie überhaupt ein verdächtiges Geräuſch angezeigt hat, den gewählten Ruheplatz, um ſich in Erd— und Steinhöhlen, in Baum- und Mauerlöchern, unter Moos und Ufervorſprüngen, zwiſchen Waſſerpflanzen oder im Gezweig zu bergen; nur gelingt ihnen, wie wir wiſſen (Seite 252), die Flucht nicht ſo leicht als den beweglichen Eidechſen. Iſt die Schlange eingeholt, ſo ſchreckt ſie noch manchen Verfolger zurück, indem ſie ſich zuſammenringelt, die früher erwähnte Kampfſtellung einnimmt, ie aufbläht und dabei heftig ziſcht. Nützt ihr auch das nichts, ſo verfügt fie noch über aktive Wehr— mittel: manche, ſo unter unſeren Arten die Ringelnatter, ſpritzen beim Erfaſſen einen ſehr übelriechenden Saft oder Unrath aus dem After und beſudeln dadurch Hände und Kleider des Fängers (manche würgen auch den unappetitlichen Fraß wieder aus), andere, ſo die Glatt- und die Aeskulap- und oft auch die Würfel-Natter, beißen den Angreifer; noch andere beſitzen in ihrem Gift, das im Augenblick des Zubeißens in die dem Opfer geſchlagene Wunde einfließt, das unheimlichſte und furchtbarſte aller Vertheidigungsmittel. Hingegen gehört, wie aus dem oben Geſagten erhellt, der „Gifthauch“ oder das betäubende „Effluvium“, welches die Schlangen ausſtrömen ſollen, wenn ſie jagen und „bezaubern“ oder aber verfolgt werden, in den Rumpel— kaſten der Wiſſenſchaft; Thatſache iſt nur, daß manche Arten, ſo die Ringelnatter, infolge des ihnen eigenen Stinkſaftes bei Reizung einen unausſtehlichen oder doch widerlichen Geruch verbreiten, der aber keineswegs mit etwelchem Gifte in Zuſammen— hang ſteht, ſondern von der Ernährung und Verdauung abhängt. Da den Schlangen beſondere Vorrichtungen zur Stimmbildung im Kehlkopf völlig fehlen, ſo kann auch kein muſikaliſch beſtimmbarer Ton erzeugt werden. Sie äußern ihre Aufregung, ihren Aerger und Zorn durch ein heiſeres Ziſchen, das meiſtens bei geſchloſſenem, mitunter auch bei geöffnetem Munde hervorgebracht wird und dadurch entſteht, daß das Thier die vorher in die Lunge eingezogene Luft mit mäßiger oder ſtärkerer Gewalt durch die Kehlkopfſpalte zwängt und ausſtößt. Auch hinſichtlich der Ausbildung und Schärfe der Sinne im Allgemeinen ſteht die Ordnung der Schlangen hinter der der Saurier, ja ſogar hinter einem Theil der Schildkröten, zurück. Die verhältnißmäßig höchſte Stufe der Entwicklung hat bei den Ophidiern jedenfalls das Gefühl, d. h. der Taſtſinn, deſſen Werkzeug die Zunge iſt, erreicht. Obzwar aus dem Umſtande, daß die Schlangen gegen Wärme und Kälte empfindlich ſind und daß ſie ſelbſt leiſe Berührungen ſofort wahrnehmen, auf ein gewiſſes körperliches Gefühl bezw. Empfindungsvermögen geſchloſſen werden kann, ſo muß das letztere doch immerhin nur als gering bezeichnet werden dem Taſtſinn gegenüber, wie er in der Zunge concentrirt iſt. Die Zunge (. S. 241) der Schlange möchte ich betreffs ihrer phyſiologiſchen oder biologiſchen Bedeutung den Flug⸗ und Ohrhäuten der Fledermaus vergleichen. Und wenn auch den Nachtflatterern vermöge der auf größere Entfernungen wirkenden häutigen Anhänge die Nähe und Beſchaffenheit eines Gegenſtandes weit eher zum Bewußtſein gelangt als den Schlangen, ſo dürfen wir doch auch bei dieſen annehmen, daß das Thier, und zwar vermittelſt der Zunge, ſich ſchon von der Natur des bezüglichen Dinges unterrichtet hat, ohne daß eine wirkliche Berührung deſſelben vorhergegangen iſt; die Schlange Vertheidigungs⸗ mittel. Stimme, Taſtſinn. Geſchmack. Geruch. 264 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. „wittert“ gleichſam mit der Zunge, wie der Hund mit der Naſe. Dieſe Funktion der Zunge erſcheint um ſo bedeutſamer, als das Auge der Schlange ja nur ein Seh— vermögen für ſich bewegende Körper hat. Bereits der ſchlangenkundige H. O. Lenz, Ad. Franke und andere ſorgfältige Beobachter haben ſich mit der Frage beſchäftigt und ſind zu demſelben Schluß gekommen. Man iſt geneigt, jene Diſtanz auf etwa einen Centimeter zu veranſchlagen. Eine auf Bäume kletternde Schlange beiſpiels— weiſe ſucht, wie Lenz ſich ausdrückt, „Aſt für Aſt mit der Zunge, erachtet es jedoch nicht immer für nöthig, den Aſt, auf den ſie übergehen will, erſt wirklich mit der Zunge zu berühren“. Zwar züngeln die Eidechſen gleichfalls, indeſſen beiweitem nicht in dem Grade als die Schlange und mit der Feinfühligkeit derſelben. Je munterer und erregter die Schlange, deſto lebhafter, ſchneller, unausgeſetzter iſt die Zunge in Vor- und Rückwärtsbewegung begriffen; je ſeltener, ſchwerfälliger, langſamer das Herausſtrecken und Einziehen vor ſich geht, deſto ſicherer darf man annehmen, daß die Beſitzerin ſich unbehaglich, ſchwach, krank fühlt und daher für ihre Umgebung und ihre eigene Sicherheit kein ſonderliches Intereſſe mehr hat. Eine geſunde Natter oder Otter züngelt, ausgenommen im Zuſtande der Ruhe, faſt unaufhörlich und vor— nehmlich lebhaft in Gegenwart neuer Geſellſchaft und unbekannter Gegenſtände; gegen jeden Stein, Baum, Grasbuſch ꝛc. ze, ſtreckt fie ihr Taſtwerkzeug, um über ihn ſich Klarheit zu verſchaffen; ſie züngelt gegen ihren Feind und bezüngelt ihr Opfer vorm Erfaſſen und vorm Verſchlingen; fie züngelt in den leeren Raum hinaus, ſobald fie einem Gefäß entſteigt, oder über die Oberfläche des Waſſers hin, bevor ſie in daſſelbe ſich begiebt; ſie thut daſſelbe, mag ſie auf dem Boden dahinkriechen oder auf und unterm Waſſer ſchwimmen; ſie iſt auf den Taſtſinn angewieſen, wenn ſie in dunklen unterirdiſchen Höhlungen und Löchern ſich herumtreibt. Von welcher gewaltigen Be— deutung die Zunge — trotzdem ſie nur als Taſtwerkzeug und gelegentlich des Trinkens, nicht aber zum „Stechen“ der Feinde, beim Fangen und Herabwürgen des Raubes und in anderer Weiſe benutzt wird — für die Schlange iſt, bekunden jene unglück— lichen Stücke, denen abergläubiſche und unwiſſende Menſchen aus Furcht vor dem „giftigen Stich“ dieſes fadengleiche und fadenweiche Taſtorgan weggeſchnitten haben: die Verſtümmelten bewegen ſich zwar und leben auch noch eine Zeitlang, aber ſie zeigen ſich theilnahmslos, freſſen und trinken nicht und ſiechen elend dahin. Da man in der Zunge der Schlange noch nichts von Geſchmacksnerven— Endigungen entdeckt hat und da ferner die Zunge beim Verſchlingen der Beute nicht Antheil nimmt, ſondern in ihrer Scheide verbleibt, jo hat man geglaubt, dieſen Kriech— thieren den Geſchmacks ſinn abſprechen zu müſſen. Ob man dies ohne Weiteres thun darf, bezweifle ich, zumal F. Leydig neuerdings in der Mundhöhle der Otter becherförmige Sinneswerkzeuge aufgefunden hat, die vielleicht dem Geſchmack dienen mögen. Außerdem möchte ich an die Erfahrungen Rudolf Effeldt's in Berlin erinnern, deſſen Schlangen das mit wenig Zucker verſetzte Waſſer nur dann genoſſen, wenn ſie kein reines hatten, ſehr ſüßes Waſſer aber hartnäckig verſchmähten und gegen ſüßen und ſauren Wein entſchiedenen Abſcheu an den Tag legten; auch nahmen ſeine Ringel- und Glattnattern nur dann Milch an, wenn ihnen das Waſſer entzogen war. Trotz alledem kann man nicht die Zunge als Organ des Geſchmacks anſehen. Ebenſo— wenig wie den Geſchmacks- wird man den Geruchs ſinn den Schlangen ganz ab— ſprechen dürfen, wenngleich man einräumen muß, daß beide nur gering entwickelt find. Zunächſt hat man zu bedenken, daß die Schlange blos in unregelmäßigen Zeitabſtänden und ſehr wenig athmet. Da nun aber alle Thiere, und ſo auch die Schlangen, nur dann riechen, wenn ſie durch die Naſe Luft einziehen (athmen) bezw. die von der Luft Dritte Ordnung, Schlangen. 265 getragenen Gerüche mit den Geruchsnerven in Berührung bringen, jo ergiebt ſich von ſelbſt, daß die Schlangen bei ihrer geringen Athmung auch nur ſelten und wenig riechen und hauptſächlich bei ſtarken und heftigen Athemzügen Geruchsempfindungen zu haben ſcheinen, wogegen ſie einen während der Athmungspauſe vor ihre Naſenlöcher kommenden Geruch nicht wahrnehmen. Wirkt jedoch der Duft länger, ſo wird er nicht an ihnen vorübergehen, ohne einen Eindruck auf ſie gemacht zu haben. Einen Beleg für dieſe Annahme finde ich in folgender Beobachtung. Hält man einer in einem Glaſe untergebrachten Natter oder Otter, wie es H. O. Lenz that, ein z. B. in Tabakſaft getauchtes Stäbchen auf kurze Zeit vor die Naſe, ſo wird ſie ſich kaum oder überhaupt nicht darum kümmern; bringt man aber in das Glas ein mit Aether oder Chloroform beträufeltes Stückchen Watte und ſchließt das erſtere feſt, ſo geräth das Thier alsbald in ſtarke Erregung und ſucht unter ſchnellem Züngeln und leb— hafteſten Bewegungen den ſich entwickelten ſcharfriechenden und betäubenden Dämpfen zu entfliehen. O. E. Eiffe [Zool. G. 1885 S. 44] meint ſogar, daß der Geruchsſinn der Schlangen bedeutend entwickelter ſei, als allgemein zugegeben werde: „Würde die Schlingnatter bei der Unterſcheidung der Beute lediglich durch den Taſtſinn geleitet, ſo würde ſie die Annahme eines von aller Haut entblößten Eidechſen-Rumpfes ver— weigern, was ſie indeſſen nicht thut; einen Froſchſchenkel verſchmäht ſie, obwohl die Ringelnatter einen ſolchen verzehrt, einen Eidechſenfuß aber nicht beachtet.“ Eine Reihe auch an anderen Schlangen gemachte Verſuche beſtätigten dem genannten Reptilien freund ſeine Anſicht. Die ſeitliche Lagerung der Augen und die geringe Beweglichkeit des Augapfels bringen es mit ſich, daß die Schlange nicht das ſehen kann, was unmittelbar vor ihrer Mundöffnung liegt; und da ſie ferner ihren Kopf, deſſen untere Fläche ja ſelbſt einen Theil der allgemeinen Sohle darſtellt, nicht ſo nach unten zu wenden im Stande iſt wie ein auf Füßen gehendes Thier, ſo muß ihrem Geſicht eben das Spürvermögen der Zunge zu Hilfe kommen. H. E. Linck vergleicht deshalb in jenem Falle die Zunge der Schlange, d. h. der dahinkriechenden, mit dem Stabe des ſeine Straße wandelnden Blinden: die Schlange unterſucht mittelſt der Zunge, der Blinde mittelſt des Stockes das unmittelbar vor ihnen Befindliche, beide „taſten“ ihren Weg, beiden dient das beregte Hilfsmittel nicht blos zur Unterſtützung, ſondern zum Erſatz des Sehvermögens. Wennſchon nun unter anderen Verhältniſſen die Schlange ſowohl dem Auge wie dem Taſtſinn folgt und der letztere das Geſicht nicht vollſtändig zu erſetzen vermag, ſo kann ſich doch das Sehvermögen des Auges durchaus nicht mit der Empfindlichkeit der Zunge auf eine Stufe ſtellen, und es wäre verfehlt, wollte man aus der Größe und dem Glanze der Augen einen Schluß ziehen auf ihre Sehſchärfe und Sehweite. Denn das Schlangenauge leidet nicht nur an einer Kurzſichtigkeit, es iſt auch nicht im Stande, unbewegte Gegenſtände zu unterſcheiden. Wie Ad. Franke— Stötteritz durch Beobachtungen in ſeinem großen Freiland-Terrarium ermittelt hat, beträgt das Geſichtsfeld der Ringelnatter nur etwa anderthalb Meter (und umfang— reicher wird das der anderen heimiſchen Arten auch nicht fein): erſt auf ſolche Ent- fernung wurden hüpfende Fröſche bemerkt und nun lebhaft gejagt, und bei anderen Gelegenheiten hat derſelbe Reptilien-Pfleger „zu hundertmalen beobachtet, daß Schlangen in der unmittelbarſten Nähe ihrer Beute und im vollſten Bewußtſein von dem Vor— handenſein doch dieſelbe durch das Geſicht nicht wahrnahmen, wenn der Froſch regungslos blieb“. Erſt in einem gewiſſen Umkreis achten ſie alſo auf Gegenſtände, und zwar auch nur auf ſich bewegende, während ſie ruhig daſtehende und daliegende Menſchen und Thiere nicht zu erkennen und zu unterſcheiden vermögen und ſich ihnen ſorglos Geſicht. Gehör. 266 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. nähern, wogegen ſie bei Bewegungen derſelben unverzüglich das Weite ſuchen. Aller— dings hat man Aehnliches auch bei befähigteren und gutſehenden Thieren bemerkt, allein bei den Schlangen iſt jene Eigenheit ganz beſonders auffällig und auf Rechnung einer Unvollkommenheit der Augen zu ſetzen; die Eidechſen ſind, was wir von Seite 81 her wiſſen, er dieſer Beziehung weit beſſer daran als ihre beregten Klaſſen-Verwandten. Finden z. B. im Terrarium Giftſchlangen auch todte Thiere auf, ſo geſchieht dies jedenfalls 15 Hilfe ihres Taſtſinns, nicht aber des Geſichts. Von der Unvollkommen— heit des Auges und einer gewiſſen Unſicherheit im Sehen legt auch die Thatſache Zeugniß ab, daß giftige und ungiftige Schlangen beim Zufahren oft nach einem Schatten oder in's Leere beißen, das auf's Korn genommene Thier, namentlich wenn es ein kleines iſt, alſo nicht treffen. Daß Schlangen mit ſenkrechter, einem Spalt ähnlicher Pupille zum Sehen in der Dunkelheit mehr befähigt ſind als ſolche mit rundem Augenſtern, darf als ſicher gelten. Das Auge der erſteren, zu welchen unſere Giftottern zählen, erhält zugleich einen unheimlichen Ausdruck infolge ſeiner Lage unter den Oberaugenſchildern und Schuppen, durch die es überwölbt wird. Das dem Auge eigene Starre und Glaſige verbleibt ihm auch nach dem Tode der Beſitzerin — während die Augen der Eidechſen von den Lidern bedeckt werden und einfallen —, bis ſchließlich die Fäulniß ihr zerſtörendes Werk beginnt. Wenn H. O. Lenz und H. E. Linck aus dem Umſtande, daß das Ohr der Schlangen (ſ. S. 241) nur ein „trümmerhaftes Organ“ darſtellt und daß wenigſtens die heimiſchen Arten an helle Klänge bezw. Muſik ſich nicht im Geringſten kehren, auf „nur kümmerliche Dienſte“ des Gehörwerkzeuges, mithin auf „ſehr ſchwaches Gehör“ folgern, ſo gehen ſie darin entſchieden zu weit. Die erſte Beobachtung, welche meine abweichende Anſicht begründete, machte ich vor einer Reihe von Jahren an zwei Würfelnattern und einer Ringelnatter, welche im Mai jenes Jahres in meinen Beſitz gelangt waren und, nach den Arten geſondert, in zwei vollſtändig durch Glasſcheiben abgeſchloſſenen Terrarien untergebracht wurden. Weil friſchgefangen, anfangs ſcheu und bei unſerem Herantreten und Hantiren an den Käfigen ſofort unter 9 Farnkrautbuſch und umgeſtürzten Blumentopf verſchwindend, fraßen ſie doch von Beginn der Gefangenſchaft an gut und wurden ſehr bald heimiſch, ſodaß ſie nach Verlauf von etwa zwei Monaten trotz unſerer Bewegungen und Arbeiten im Zimmer bezw. in der Umgebung der Behälter ruhig ihrem Treiben nachhingen. Im Auguſt überſiedelte ich ſie in ein ganz entſprechend eingerichtetes, aber mit Gaze— wänden verſehenes Terrarium. Obgleich im Allgemeinen ihr Thun und Gebahren das gleiche blieb, zeigten ſie doch ſofort eine gewiſſe Aufmerkſamkeit, Erregung, und machten ſie ſich fluchtbereit oder ſuchten wohl auch ungeſäumt ihr Verſteck auf, ſobald Jemand im Zimmer laut ſprach oder beim Aufſtehen mit dem Stuhl ſchurrte, der herabgelaſſene Jalouſie-Verſchluß des Schreibpultes ſchnarrte und klappte u. ſ. w., kurzum, ſobald ein Geräuſch entſtand, das die Nattern vordem in dem ringsum ab— geſchloſſenen Glashauſe nicht oder doch nur ganz gedämpft vernommen hatten, das ſie jetzt aber durch die Gazewände ihres neuen Käfigs hindurch ſehr deutlich hörten; (ſehen konnten ſie ihre Umgebung in dem früheren Behälter beſſer als in dem neuen). Meine Meinung von dem „ſchlechten Gehör“ der Schlangen ſchwand, und es freute mich einige Jahre ſpäter, nachdem ich an freilebenden und in Gefangenſchaft gehaltenen Thieren noch verſchiedene desfallſige Wahrnehmungen gemacht, in dem damals erſchienenen Werkchen von Ad. Franke zu leſen, daß dieſer gewiſſenhafte Beobachter bei Sammel-Ausflügen und im Freiland-Terrarium gewonnenen Erfahrungen zu dem— ſelben Ergebniß kam. Franke weiſt unter anderem darauf hin, daß es für den Erfolg Dritte Ordnung. Schlangen. 267 einer Jagd auf Ringelnattern ausſchlaggebend ſei, wenn man ſich den Standquartieren jo geräuſchlos als nur möglich nähern könne; der Fuß habe daher beim Vorſchreiten jedes vertrocknete Blatt zu meiden, und trete man z. B. auf einen dürren Aſt, jo werde eine vielleicht 6 bis 10 Schritt davon an einem Teichdamm anſcheinend ruhig ſchlafende Ringelnatter in den allermeiſten Fällen ihren Kopf in die Höhe richten, der ganze Körper infolge der Muskel-Anſpannung in zitternde Bewegung gerathen und das Thier beim Hinzueilen der Fänger ins Waſſer gleiten. Der genannte Beobachter betont ausdrücklich, daß die Aufmerkſamkeit der Natter nicht etwa durch eine Erſchütterung des Bodens, alſo durch das körperliche Gefühl erregt worden ſei; das war, wie in dieſem Falle, ſo auch in anderen ausgeſchloſſen. „Man wird alſo nicht fehl gehen, wenn man das Gehör dem Taſtſinn, als die zwei ausgebildetſten Sinne, an die Seite ſtellt.“ Es wäre ein verfehltes Beginnen, wollte man ein Lob auf den Verſtand der Schlangen anheben. „Das Gehirn der Schlangen iſt verhältnißmäßig ſehr klein, ſowie denn auch ihre Geiſtesfähigkeiten ſehr gering ſind.“ Dieſes Urtheil fällt Lenz, der Jahrzehnte hindurch giftige und nichtgiftige Arten, inſonderheit unſere deutſchen, draußen und im Zimmer beobachtet hat, und wir ſtimmen ihm ohne Vorbehalt bei. Sie ſtehen in dieſer Beziehung hinter unſeren Eidechſen, Schildkröten und Kröten zurück, zum Theil ganz erheblich. Das Schriftwort „Seid klug wie die Schlangen“ entſpricht ſomit nicht der Wirklichkeit. Dies erweiſt ſich auch in der Gefangen— ſchaft. Während hier die beweglichen Eidechſen, die muntere Teichſchildkröte, die bedächtige Erdkröte bei guter, verſtändiger Behandlung über kurz oder lang Vertrauen zu dem Pfleger faſſen, ſein Thun mit gewiſſermaßen klugem Blick verfolgen, bei ſeinem Herantreten näher kommen, ihn von anderen Perſonen unterſcheiden und ſogar an ſeiner Stimme erkennen lernen, manche ſelbſt auf einen gewiſſen Ruf herbeieilen, um das hingehaltene Futter aus den Fingern zu naſchen, ſich ruhig in die Hand nehmen und ſtreicheln zu laſſen, ja die einen oder die anderen eine geradezu auffallende Anhänglichkeit an ihren Gaſtfreund bezeigen — verrathen die meisten Schlangen ſelbſt nach jahrelangem Käfigleben nichts oder höchſtens geringe Anfänge von derartigen empfehlenden Eigenſchaften. Sie wollen unbehelligt bleiben, in ihrem Gehaben durchaus nicht geſtört ſein, das iſt ihre Hauptforderung! Um ihnen erwieſene Liebenswürdigkeiten zu verſtehen und zu würdigen, dazu mangelt es ihnen meiſt am Können, obwohl es mit— unter den Anſchein gewinnt, als liege dies am Wollen. Was man durch ſtändigen Umgang bei den einzelnen Stücken am eheſten noch erreicht, beſteht darin, daß ſie ihre ängſtliche oder wilde Scheu wenigſtens theilweiſe ablegen und daß, wie es z. B. bei der Glattnatter der Fall, nach öfterem Anfaſſen und Ergreifen ihre Biſſigkeit gegen den Beſitzer nachläßt und ſie ein Berühren und Herumtragen ſich ohne Widerſtand gefallen laſſen; aber man ſoll eine neuangekommene Schlange nicht eher berühren, als bis ſie beim Anblick des Pflegers ruhig auf ihrem Platze verbleibt, ohne ſich alſo ſcheu zur Flucht zu wenden! Immerhin werden die Schlangen nicht wirklich zuthunlich und zutraulich. Das läßt ſich auch nicht von jenen Ringelnattern ſagen, die unter Umſtänden ein menſchliches Gehöft, weil es in der Nähe eines Waſſers liegt und zuſagenden Auf— enthalt ſowie einen günſtigen Ablegeplatz für die Eier bietet, aufſuchen. Ihrem Betragen gegen den Menſchen entſpricht ihr Verhalten unter und gegen einander: es darf in das Wort „Gleichgiltigkeit“ zuſammengefaßt werden. Von gegenſeitiger Zu— neigung, von Luſt und Spiel und Neckerei offenbaren ſie nichts, und wenn ſie im Freien oder im Käfig ſich oft eine gemeinſchaftliche Lagerſtätte aufſuchen und benutzen, ſo geſchieht dies nicht infolge einer ausgeprägten Geſelligkeit, ſondern lediglich aus Weſen Gefangenſchaft. 268 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Gründen der Praxis, denn die eine wie die andere weiß ein behagliches, ſonniges, windgeſchütztes Plätzchen wohl zu ſchätzen. Sie bekunden damit zugleich einen gewiſſen Ortsſinn. Und in der That ſcheint ſich hierin ihr Gedächtniß noch am eheſten zu bethätigen. Als einen Beleg hierzu theilt G. Ludwig 1888 in der Zeitſchrift „Iſis“ mit, daß eine aus einem oben durch Drahtgaze verſchloſſenen Glasbehälter entwiſchte Würfelnatter am Morgen des fünften Tages wieder auf der Decke des Käfigs lag, daß dann derartige Wanderungen noch öfter vorkamen und daß die Spaziergängerin ſpäter ſogar das Glas wieder auffand, als ein Wechſel in der Stellung der Möbel auch den Standort des Behälters verändert hatte. Von einem Verſtändniß und Gedächtniß für muſikaliſche Töne und für ihnen erzeigte Wohlthaten und Liebens— würdigkeiten laſſen ſie jedoch, wie erwähnt, im Allgemeinen nichts oder kaum etwas verſpüren, ebenſowenig von einem Zeitſinn und von einem höheren Nervenleben (das bei den Eidechſen jo reizvoll erſcheint) überhaupt. Und ob das Maulaufjperren, welches man zuweilen bei gefangenen Stücken bemerkt, immer als ein Gähnen, d. h. als eine Aeußerung der Langenweile aufzufaſſen iſt, möchte ich verneinen. Denn ab— geſehen davon, daß die Schlangen auch vor Beginn des Hautabſtreifens und nach übermäßigen Mahlzeiten (geſtörte Verdauung?) öfter den Rachen öffnen, wobei nicht ſelten der Vorderkörper in wellenförmige Bewegung geräth — ich habe das Mund— aufreißen z. B. auch an geſunden, kräftigen Aeskulap-Nattern beobachtet, als fie die Jagd auf eine gewitterte Eidechſe begannen, mithin zu einem Zeitpunkt und unter Umſtänden, die der Langenweile doch ſicherlich keinen Spielraum ließen. Aus dem Geſagten erhellt, daß die Schlangen im Zimmer nicht das Vergnügen gewähren können als die Eidechſen. Indeſſen bieten doch auch ſie gewiſſe Anziehungs— punkte, und der Reptilienfreund und Liebhaber wird auch ſie nicht miſſen wollen, denn ſie vervollſtändigen ja das Bild und erhöhen das Intereſſe dadurch, daß es hinſichtlich ihrer Lebensweiſe, ihrer Fähigkeiten, ihres Charakters noch Manches näher zu erforſchen und aufzuklären gilt. Während man die Echſen oder Saurier als die verhältnißmäßig weichlichſten Reptilien betrachten muß, ertragen die Schlangen im Allgemeinen die Gefangenſchaft ganz gut; ſie machen auch weniger Anſprüche an den Pfleger als jene. Der Käfig kann ſehr einfach eingerichtet werden. Für die ein— heimiſchen, auch ſüdeuropäiſchen (dalmatiniſchen) Schlangen genügt ein Kiſten-Terrarium oder ein Behälter mit Gaze- und Glaswänden ohne Heizung. Ich bemerke hierbei gleich, daß es für dieſe Schlangen entſchieden mehr zu empfehlen iſt, ſie Winterſchlaf halten zu laſſen als ſie in geheizten Terrarien bezw. geheizten Zimmern zu durch— wintern. Wie die in letzterer Weiſe behandelten Eidechſen während der kalten Jahres— zeit kein rechtes Leben zeigen und gewöhnlich im folgenden Sommer ſchon eingehen, fo iſt es auch vielfach bei den genannten Schlangen der Fall. Zum Zweck des Winterſchlafes füllt man eine recht geräumige Kiſte zum Theil mit Erde und Sägeſpänen, zum Theil mit dürrem Laub, Moos, Heu, Tropfſteinſtücken u. a. an, bringt die Thiere, ſobald die Witterung kühler wird und ſie, ohne Nahrung zu nehmen, ſich ruhiger verhalten, in die Kiſte und ſtellt dieſe, nachdem ſie an den Seiten einige Luftlöcher erhalten und oben mit Gazedecke verſchloſſen worden, in einen Raum, deſſen Temperatur auch bei Froſt (im Freien) nicht unter 0“ R. ſinkt; 2 bis 4 Grad Wärme eignen ſich am beſten zur Abhaltung des Winterſchlafes für die Thiere. Hat man die Kiſte mit den Schlangen an den Winteraufenthalt gebracht, ſo läßt man, indem man Fenſter öffnet, die äußere Temperatur auf die Thiere einwirken, und dieſe werden dann bald ihre Schlupfwinkel aufſuchen. Wer die Schlangen auch Winters beobachten will, muß ihnen jedenfalls eine gleichmäßige Wärme bieten; für unſere Dritte Ordnung. Schlangen. 269 deutſchen Arten genügt eine Temperatur von 15° R., für die dalmatiniſchen eine ſolche von 16 oder 17° R. Es genügt alſo den meiſten europäischen Arten unſere Zimmer— oder Sommerwärme, ſodaß man ein heizbares Terrarium, falls man ſie nicht durch— wintern will, weniger braucht; an rauhen Frühlings- und Herbſttagen muß man natürlich die empfindlicheren Thiere vor dem Einfluß der niederen Temperatur durch Heizung des Zimmers bezw. des Behälters ſchützen, d. h. alſo Tag und Nacht die angegebene Temperatur gleichmäßig beſchaffen. — Der Käfig ſei nicht nur möglichſt lang und breit, ſondern auch hoch, da manche Arten gern ſteigen und klettern. Der Boden wird zur einen Hälfte mit trockenem Sand, zur andern mit Moos belegt. Die Topfpflanzen, welche man einſetzen will, ſeien kräftig oder holzig, da die Schlangen ſich oft gemeinſchaftlich darauf lagern und dabei ſchwächliche Gewächſe niederbrechen würden. Wer nicht lebende Topfpflanzen einſtellen mag, der lege einige Aeſte ſchräg aufwärts und bringe im oder am Deckel aus Zweigen eine Plattform an oder hänge eine einfache Ampel auf; viele Nattern ſteigen nämlich gern in die Höhe, um ſich dann oben auf einem geeigneten Stützpunkte zu ruhen. Auf den Sand und das Moos legt man Tropfſtein- und Schlackſtücke, umgeſtürzte Blumentöpfe u. dergl., ſo— daß den Schlangen nicht nur Verſtecke, ſondern auch Hilfsmittel geboten werden, um das Häutungsgeſchäft raſcher zu erledigen. In der Mitte des Terrarium errichtet man noch, falls der Raum es zuläßt, einen Tropfſteinfelſen mit Schlupfwinkelu. Der Trink- und Badenapf, welcher nie fehlen darf, ſei namentlich für Waſſernattern (natrix, tessellatus) recht geräumig, damit die Thiere ſich hineinlegen, ſowie Gelegenheit haben, lebende Fiſche herausfangen zu können. Er beſteht am beſten aus Glas oder Steingut und wird in den Sandboden eingeſenkt. Ein beſonderer Futternapf iſt nicht nöthig. Ueber die Nahrung werde ich bei den einzelnen Arten ſprechen; erhalten ſie die zuſagende Wärme, Sonne und Pflege, ſo freſſen unſere Arten, mit Ausnahme der Kreuzotter, in der Regel gut. — Die heimiſchen Nattern vertragen ſich ganz gut zuſammen, nur die Schlingnatter zeigt ſich zuweilen biſſig, und einige ſüd— europäiſche Arten, ſo die gelbgrüne und Vierſtreifen-Natter (ſ. S. 257) verzehren mitunter andere. Giftſchlangen möge man nicht mit ungiftigen zuſammenhalten, da dieſe nicht ſelten von jenen gebiſſen und getödtet werden, und zwar zuweilen blos aus Zorn über die unruhigen Genoſſen, die ſie in ihrer trägen Behaglichkeit ſtören. Die Begrüßung neuer Ankömmlluge erfolgt durch lebhaftes Bezüngeln, wobei der Körper nicht ſelten in die auf Seite 267 erwähnte zitternde oder zuckende Bewegung geräth. Hinſichtlich der Krankheiten gilt etwas Aehnliches wie bei den Eidechſen. Man ſieht zuweilen, daß dieſe oder jene Schlange das Maul weit öffnet und ſekunden-, ja minutenlang offen behält; dabei zittert namentlich der Unterkiefer oft, ſelbſt der ganze Körper zuckt zuweilen zuſammen, und die Haut zeigt Falten. Das letztere deutet auf längeres Faſten. Die Thiere ſind dann bereits ſo matt, daß ſie die Nahrung, namentlich wenn dieſe in größeren lebenden Thieren beſteht, nicht mehr bewältigen können; und ſelbſt wenn ihnen dies noch möglich wäre, ſo würden ihre durch das lange Faſten geſchwächten Verdauungs— werkzeuge doch den Dienſt verſagen. Die Thiere müſſen natürlich an den Folgen der Entkräftung eingehen, in der Regel verenden ſie unter krampfartigen Zuckungen. Sollten friſch angekommene Schlangen die obigen Erſcheinungen zeigen, ſo thut man beſſer, ſie gleich zu tödten, um wenigſtens noch gute Spiritus-Exemplare zu erhalten. Eine zuweilen, beſonders bei Rieſenſchlangen, durch mikroſkopiſche Pilze hervorgerufene Hautkrankheit iſt den „Pocken“ der Eidechſen (Seite 98) zu vergleichen, denn auch hier zeigen ſich an verſchiedenen Stellen der Haut Erhöhungen, Puſteln, welche Zucht. 270 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. dann in Eiterung übergehen. Iſt das Uebel ſo weit vorgeſchritten, ſo kann ihm nach meinen Erfahrungen nicht abgeholfen werden. Es empfiehlt ſich auch hier, den Schlangen von Zeit zu Zeit ein lauwarmes Bad zu geben; dadurch wird der Krankheit am erſten vorgebeugt. Mangelhaft verlaufender Häutungsprozeß kann in mehreren Umſtänden be— gründet liegen: entweder in ſchlechter Fütterung, ſodaß es den Schlangen an Kraft zur Ausführung der Arbeit fehlt; oder in dem Fehlen an Sonne und Wärme, oder endlich in dem Mangel an Gelegenheit zum Baden. Bei eingetretener Mundfäule (Scharbock), welche von mir allerdings erſt zweimal: an einer Ringel- und einer Eidechſen Natter, beobachtet wurde, liegen die betreffenden Thiere matt da, freſſen nicht und laſſen den Unterkiefer gewöhnlich ſchlaff herabhängen; nach verhältnißmäßig kurzer Zeit ſind ſie todt. Die von mir in dem einen Falle angewendeten Mittel blieben erfolglos. Ein erfahrener Reptilienpfleger empfiehlt mir auf Grund ſeiner Erfahrungen, ſobald man die erſten Anzeichen der Krankheit bemerkt, die betreffenden Theile mit Höllenſtein (Stängelchen) zu beſtreichen; ein anderer hat Erfolge geſehen, als er die Kieferränder und den Rachen mit Alkohol beſtrich und dem Trink- und Badewaſſer etwas Spiritus zuſetzte; O. Schneider wandte mit Erfolg Einpinſelungen von verdünnter Borſäure an. Gegen Schmarotzer— milben, die ſich etwa auf der Haut eingeniſtet haben, verſuche man Perubalſam. Es kommt nicht ſelten vor, daß Ringel-, Würfel- und Aeskulap-Natter im Terrarium Eier ablegen. Man hat nun, um dieſelben zur Reife zu bringen, ver— ſchiedene Verſuche gemacht und beiſpielsweiſe nach folgendem Verfahren Ergebniſſe erzielt. Man bedeckt den Boden eines großen, irdenen, poröſen Blumentopfes mit einer Lage Scherben und dieſe mit ſehr grobem, leicht durchlaſſendem Kies, auf welchen man eine etwa 6 bis 8 cm dicke Schicht lockerer, ſtark mit Sand gemiſchter Erde N ſchüttet. Nachdem man den Inhalt des Topfes in einem mr mit Waſſer gefüllten Unterſatz ſich von unten her hat durchfeuchten laſſen, wird er vielleicht einen Tag lang an einen ſchattigen Ort geſtellt, dann bringt man auf die Erd— ſchicht eine ganz lockere, 3 oder 4 em hohe Lage frischen, leicht angefeuchteten Mooſes, bettet auf dieſes die einzelnen — 5 5 Eier, überdeckt dieſe wiederum mit einer 6 oder 7 em hohen Fig. 29. Durchſchnitt eines Schicht angefeuchteten Mooſes und ſtülpt ſchließlich auf den Zuchtnapfes. Topf eine Glasglocke oder legt eine Glasplatte darüber. Das Gefäß erhält nun ſeinen Platz an einem warmen, luftigen Ort, wo es von Sonnenſtrahlen nur indirekt getroffen wird: auf einem Balkon, in einer Remiſe oder einem temperirten Terrarium, im Schatten einer Blattpflanze bezw. hinterm Vorhang an einem nach Süden belegenen Fenſter, oder an einer entſprechenden Stelle im Garten, wo man den Topf auch gleich bis nahe zum Rande eingraben kann. Jeden zweiten oder dritten Tag etwa iſt nachzuſehen, ob die Eier, die in brauchbarem Zu— ſtande gegen das Licht gehalten weiß, roſenroth durchſcheinend ſind, noch gut oder ob ſie wolkig gefleckt und ſomit ſchlecht ſind; die letzteren, welche zudem faulig riechen, müſſen nebſt dem ſie umgebenden Moos ſofort entfernt werden. Ein Einſchrumpfen der Eier mahnt daran, daß dieſelben zu trocken liegen und daß daher die obere Moos— ſchicht mittelſt des Zerſtäubers leicht anzufeuchten iſt; der Inhalt des Topfes ſoll dunſten, der Glasdeckel leiſe ſchwitzen. Sind die Eier naß oder hängen an dem Glaſe große Tropfen, ſo war die Waſſerſpende zu reichlich und man hat demgemäß mehrere Stunden zu lüften. Ringelnatter-Eier habe ich auch in der Weiſe gezeitigt, daß ich ſie in geräumige, unten mit Erde und mindeſtens zur anderen Hälfte mit feuchtem Pferdedung (in welchen ich die Eier legte) gefüllte Kiſten brachte und dieſe auf den e Dritte Ordnung. Schlangen. DU Balkon ſtellte oder im Garten einſenkte; ſelbſtverſtändlich mußten die Eier vor Regen— güſſen geſchützt bleiben. — Den jungen Ringel- und Würfelnattern muß man als Futter kleine Kaulquappen und ganz kleine Fiſche und Molche, junge Laub- und Gras— fröſche, verſuchsweiſe auch Regenwürmer, denen der Landnattern und Vipern ganz junge Eidechſen und Blindſchleichen — von mancher Seite werden Mehlwürmer und Heuſchrecken empfohlen — anbieten. In der Gefangenſchaft halten die heimiſchen Schlangen, abgeſehen von den Ottern, bei geeigneter Behandlung jahrelang aus. Doch kann man daraus keinen Schluß auf die Lebensdauer derſelben ziehen, vielmehr muß man hierbei von dem lang— ſamen Wachsthum und von der Anzahl der Jahre, welche die Schlange bis zur vollen Entwickelung braucht, ausgehen. Zum mindeſten wird man das erreichbare Alter unſerer Arten auf zwei Jahrzehnte veranſchlagen dürfen (eine nordamerikaniſche Waſſer⸗Mokaſſinſchlange, eine bis 1,5 Meter lang werdende Art, lebte im Berliner Aquarium 22 Jahre). Unter den Gruppen der Reptilien iſt die der Schlangen die jüngſte, denn der Verſteinerungskundige begegnet einzelnen Reſten ausgeſtorbener Arten erſt von den eocänen Tertiärſchichten (Molaſſe) an. So wurde im Unter-Miocän von Wiesbaden neuerdings der hohle Giftzahn einer Viper (Provipera) und in der Rheiniſchen Braun— kohle eine Landnatter, der Coluber papyreus Myr., welche der jetzigen Rieſenſchlangen— Gattung Morelia naheſteht, gefunden. Im Quartär Deutſchlands find mehrfach Reſte zu Tage gefördert worden, ſo durch Prof. Dr. A. Nehring im Ailsbachthal in Oberfranken (Aeskulap⸗Natter 7), in Thiede bei Wolfenbüttel und in Weſteregeln bei Magdeburg, ferner im Zwergloch bei Pottenſtein in Oberfranken und am Rothen Berge bei Saalfeld). Die heutige deutſche Schlangen-Faung umfaßt nur ſechs Arten, ſtellt ſomit einen ganz winzigen Bruchtheil der Geſammtheit aller Schlangen, die Boulenger auf 1500 Spezies beziffert, dar. Jene 6 Arten vertheilen ſich auf vier Gattungen, von denen drei (mit vier Arten) zur Familie der Nattern und eine zur Familie der Vipern zählen. Zur Beſtimmung der in Deutſchland vertretenen Familien und Gattungen möge umſtehende Ueberſicht dienen. J. Familie: Nattern, Colubridae. Körper geſtreckt, ſchlank, biegſam, wie der Schwanz oberſeits mit dachziegelig über einander gelagerten Schuppen (Schindelſchuppen) bekleidet; Hopf länglich, elliptiſch oder eiförmig, oberſeits mit neun größeren regelmäßigen Schildern bedeckt; Schwanz mäßig lang, von der Wurzel an nach hinten allmählich verjüngt und hier in eine dünne Spitze auslaufend, unterſeits mit einer Doppelreihe Schilder, der Bauch hingegen nur mit einer einfachen Cängsreihe großer Schilder bekleidet; Afterſchild getheilt; zwei Paar große Rinnenſchilder, Uinnfurche gut ausgeſprochen; Augen vollkommen frei mit (bei allen deutſchen Arten) runder Pupille; Naſen— ſchild unmittelbar hinterm Rüſſelſchild gelegen; Oberkiefer wagerecht geſtellt, micht aufrichtbar, ohne röhrenförmige Giftzähne; an beiden Kiefern und am Gaumen kurze, unbewegliche, ſolide Fangzähne. ) Vergl. u. A.: „Ueberſicht über 24 mitteleurop. Quartär-Faunen“ von Dr. A. Nehring in der Itſchr. d. Diſchn. Geol. Gef. 1880 S. 468 ff. Lebensdauer. Vorwellliche u. heutige Schlangen. törperbau. 272 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. [ Rückenſchuppen Auge vorn von 1 Vorder-, hinten ſehr ſcharf gekielt; von 3 Hinter-Augenſchildern, unten von dem 3. und 4. der ſieben Ober— lippenſchilder begrenzt: 1. Art, Ringelnatter, Trop. natrix. Zwei oder drei Vorder-, 3 bis 5 Hinter-Augenſchilder begrenzen das Auge vorn und hinten; 8 (nur aus⸗ | ein einziges Schlä— Tropidonotus Körper ſchlank, geſtreckt Schwanz in eine dünne e 7 oder 9) Oberlippen- ' fenſchild: 1. Gattung, Waſſernattern, — nen frei. Spitze auslaufend; Kopf ſchilder: 2. Art, Würfelnatter, elliptiſch oder eiförmig; Trop. tessellatus. oberſeits mit 9 größeren lugen vollkomr Schildern bedeckt (S. 247); [ la iS ( Pupille rund (bei unseren Arten); Afterſchild getheilt; ſtets vollkommen glatt,]. 5 — 1 8 Wige ee in der 1 oft ſehr[? e a aten S | Helft in ſenkrechtergti fein gekielt; 2 Bauchſchlderſnattern, e 2 ſtellt, in ſenkrechter Richtung 2 = ; nur 1 Art: Aeskulap⸗ icht b 1 f an den Seiten e f nicht beweglich, mit urzen, 0 den Fe ande Natter, Col. Acsen- unbeweglichen, nie durch Rückenſchuppen glatt ode ſodaß jederſeits]lapii. bohrten Fangzähnen: 8 1 5 oder aber nur unmerklich eine deutliche Bauchkante J. Familie: Nattern, gekielt; mehrere Schläfen— Colubridae. ſchilder 5 S Rückenſchuppen ſtets und überall nen glatt und glänzend; Bauchſchilder an den Seiten gerundet, nicht kantig aufwärts gebogen, | aljo keine Bauchkanten 3. Gattung: Glatt- nattern, Coronella, mit nur 1 Art: Glatte [Nat ter, Cor. austriaca. Körper kurz, ſehr se drungen, Schwanz kurz, [ ſtumpf; Kopf dreieckig oder faſt herzförmig, deutlich Unterſeite mit 2 Reihen breiter > vom Hals abgeſetzt, ober— Zwiſchen Auge und Oberlippen— S ſeits entweder durchweg ſchildern nur eine Schuppenreihe; S | oder doch wenigſtens auf! Körperſchuppen Schnauze flach: 5. Art, Kreuz— N der Schnauze mit kleinen] gekielt; das Auge otter, Vip. berus. unregelm. Schildchen bezw.] von den Oberlippen— mit Schuppen bedeckt (die] ſchildern durch 1 2 Paar Stirnſchilder fehlen] oder 2 Längsreihen immer); Pupille ſenkrecht;] kleiner Schuppen Afterſchild einfach; Ober-] getrennt: Zwiſchen Auge und Oberlippen— kiefer verkümmert, in ſenk— 4. Gattung, Ottern, Vipera.ſchildern zwei Schuppenreihen; rechter Richtung aufricht— Schnauze aufgeſtülpt: 6. Art, bar, jederſeits nur mit Aspis, Vip. aspis. einem langen, hohlen, zu— rückziehbaren Giftzahn: 2. Familie: Vipern, Viperidae. | Nachdem wir über äußeren und inneren Ren über die Bedeckung der Schlangen und andere in Betracht kommenden Punkte bereits eingehend gehandelt, haben wir hier den vorſtehenden Kennzeichen der Natternfamilie nur noch einige Be— merkungen anzuſchließen. Die echten Nattern oder Colubriden ſind unter den Schlangen das, was die eigentlichen Eidechſen oder Lacertiden in der Gruppe der Echſen dar— ſtellen: die typiſchen Vertreter ihrer Ordnung, die, ohne durch irgend ein Merkmal oder durch Länge und Stärke beſonders aufzufallen, in der Bildung und Form der auch mit einer, a B Erſte Familie. Nattern. 273 einzelnen Körpertheile, ſowohl als auch betreffs der ganzen Geſtalt die größte Regel— mäßigkeit erkennen laſſen. Ja auch in Bezug auf die anderen Eigenſchaften ergiebt ſich ein derartiges Verhältniß, eine derartige Uebereinſtimmung: die Nattern wie die Eidechſen zeigen außer der relativ bedeutendſten körperlichen auch die merklichſte geiſtige Beweglichkeit, ſie ſind die munterſten, aufgeweckteſten, verſtändigſten, klügſten ihres Geſchlechts. Die Nattern ſind kleine bis mittelgroße Schlangen von ſchlankem, ge— ſtrecktem Körperbau, deren durchweg bieg- und ſchmiegſamer, verlängert ſpindelförmiger, oft mit deutlichen Bauch-Seitenkanten verſehener Leib nach vorn meiſt ohne Abſatz in den wohlgeformten, länglich-eiförmigen oder elliptiſchen Kopf, nach hinten in den mäßig oder ziemlich langen, bis zur Spitze allmählich dünner werdenden Schwanz übergeht. Der Kopf, oberwärts flach, fällt ſeitlich entweder ſteil oder aber ſchräg nach außen zu ab; demgemäß entſteht entweder eine ſcharf ausgeſprochene oder eine mehr abgerundete Schnauzenkante und das Auge tritt, von oben geſehen, entweder voll oder aber nur wenig vor. Die Pupille iſt bei ſämmtlichen deutſchen und faſt bei allen europäiſchen Nattern rund, blos die Katzenſchlange (Tarbophis vivax) Südoſt-Europa's hat einen ſchlitz- oder ſpaltförmigen, ſenkrecht geſtellten Augenſtern. Das Naſenloch liegt in dem unmittelbar an das Rüſſel- oder Roſtralſchild der Schnauzenſpitze ſtoßenden Naſen— ſchild, welches meiſt infolge einer durch das Loch gehenden Naht mehr oder weniger deutlich in zwei Theile geſchieden, in einzelnen Fällen jedoch einfach iſt. Sämmtliche Nattern zählen zu den auf Seite 241 charakteriſirten Weitmäulern oder Eurystomata und faſt alle Arten unſeres Erdtheils hinſichtlich des Zahnbaues zu der auf Seite 243 gekennzeichneten Gruppe der Glattzähner oder Aglypha; nur einige wenige Süd— europäer: die erwähnte Katzenſchlange, die Eidechſen-Natter (Coelopeltis) und die ſüdſpaniſche Kappen-Glattnatter (Psammophylax cucullatus), beſitzen außer jenen glatten Hakenzähnen am Hinterrande des Oberkiefers zwei zu Furchenzähnen um— gewandelte Fangzähne und gehören mithin zu den verdächtigen Opisthoglyphen; die den Giftottern eigenen Röhrenzähne fehlen aber ſtets. Am Schädel fällt noch auf, daß dem Unterkiefer das Kronenbein mangelt, daß dagegen ein Oberſchläfenbein auf— tritt und daß die Vorderſtirnbeine von den Naſenbeinen durch eine Lücke getrennt find; am Rumpf⸗Skelet finden ſich keine Ueberreſte von Becken und Hinterbeinen. Die äußere Bedeckung wurde ſchon eingehend beſprochen. Die Kopfplatte beſteht aus den auf Seite 247 benannten neun Schildern: dem großen Scheitelſchild, je einem Paar vorderen und hinteren Stirnſchildern und je einem Paar Brauen- und Hinter— hauptſchildern; bei allen europäiſchen Nattern, mit Ausnahme der Hufeiſen-Natter, wird die Augenhöhle unten unmittelbar von den Oberlippenſchildern begrenzt; Schläfen— ſchilder ſind entweder ein großes oder mehrere kleinere vorhanden. Die großen, breiten Bauchſchilder ſind an den Seiten bei manchen Gattungen winkelig nach den Flanken aufgebogen, bei anderen gerundet, die dachziegelig ſich deckenden Rumpf- und Schwanz— ſchuppen entweder (Tropidonotus) ſcharf längsgekielt oder (Corxonella, Coluber) mehr oder weniger glatt. Da wir über die Ernährung, den Aufenthalt, über die Fortpflanzung, die Be— wegungen und andere Momente der Lebens weiſe unſerer Schlangen bereits geſprochen haben, müſſen wir es uns verſagen, hier bei kurzer Kennzeichnung der Familie nochmals dieſes Thema zu berühren, zumal die Schilderung der einzelnen Arten Näheres ergeben wird. Lebensweiſe. Körperbau. Größe. 274 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. I. Gattung: Kielrücken- oder Waſſernatter. Tropidonotus, Kuh. Körperfhuppen in 15 bis 29 (bei den deutſchen Arten in 19) Längsreihen geſtellt, die des Rückens namentlich mit ſcharfem Längskiel verſehen Seite, weil die Bauchſchilder ſeitlich nicht aufwärts gebogen; Hopf vom Halſe ge— ſondert; Augen von oben gut fichtbar, Brauenſchilder (supraocularia) nicht über das Auge vorgewölbt; Hinter-Augenſchilder hinten nur von einem großen Schläfenſchild begrenzt; Naſenlöcher etwas nach oben gerichtet; 12 bis 22 Ober— kieferzähne, von ihnen der letzte ſtets länger als die übrigen; Unterkieferzähne alle gleichgroß. Die Waſſernattern oder, wie ſie der ſcharf gekielten Rückenſchuppen wegen genannt werden, „Kielrücken“-Nattern ( Tropidonotus), bewohnen mit Vorliebe, z. Th. aus— ſchließlich Teiche, Flüſſe, Gräben, Seen und Bäche und das dieſe Wäſſer begrenzende Gelände, und nur zur Zeit des Eierlegens und im Herbſt entfernen ſie ſich mitunter weiter von ihrem Element. Beſſer als ihre Verwandten verſtehen ſie denn auch zu ſchwimmen und zu tauchen, außerdem aber entwickeln ſie zu Lande eine große Beweg— lichkeit, ſodaß ſie hierin gar manche echte Landnatter übertreffen, ebenſo wie die Sumpfſchildkröte zu Lande behender iſt als die ſchwerfälligen Landſchildkröten (Testudo). Im und am Waſſer finden ſie auch ihre Nahrung, Fiſche ſowie Fröſche und Molche und deren Kaulquappen, die ohne weiteres verſchlungen werden. Die europäiſchen, und gleicherweiſe weitaus die meiſten der nordamerikaniſchen und aſiatiſchen u. a. Arten legen Eier, welche außerhalb des Mutterleibes einer längeren Nachreife bedürfen. Echt-deutſch iſt nur die Ringelnatter, in einzelnen weſtdeutſchen Strichen kommt die Würfelnatter hinzu. Die dritte europäiſche Art iſt die Vipernatter. 1. Art: Ringelnatter. Tropidonotus natrix (Z.). Abbildung: Tafel VII Nr. 2. Jederſeits ein vorderes und 5 hintere Augenſchilder und 7 Oberlippenſchilder; von den letzteren ſtößt das dritte und vierte unten an das Auge; Schuppen in 19 Längsreihen; Bauchſchilder mindeſtens 162. Aeußere Erſcheinung. Der in der Jugend ziemlich deutlich vom Hals ab— geſetzte, länglich-elliptiſche, vorn geſtutzte und oben flache Kopf iſt bei älteren Thieren weniger vom Hals geſondert, von hinten nach vorn allmählich verſchmälert und daher ziemlich eirund, vorn nicht ſpitzwinklig zulaufend — wie es bei der Würfelnatter der Fall —, ſondern rundlich abgeſtutzt, oberſeits ſanft von hinten nach vorn gewölbt und ſeitwärts faſt ſenkrecht abfallend. Die Augen ſind groß, noch größer als die der folgenden Art, und von oben größtentheils ſichtbar. Der Körper iſt geſtreckt, doch kräftig und nicht ſo ſchlank als der der Würfelnatter, ſeitlich bemerkbar zuſammen— gedrückt, der vom Körper nicht abgeſetzte Schwanz ſpitz auslaufend, mittellang, ein Fünftel bis ein Sechſtel der Geſammtlänge beanſpruchend, bei mittelgroßen Thieren ungefähr 14 cm lang, beim Männchen verhältnißmäßig kürzer als beim Weibchen, wie denn überhaupt das erſtere gegen das Weibchen um faſt ein Drittel in der Länge Erſte Art. Ringelnatter. 275 zurückbleibt. Die Geſammtlänge alter Exemplare beträgt durchſchnittlich etwa 70 oder 80 em, doch kommen auch bei uns nicht ſelten größere vor: im Juni 1881 erhielt ich ein prächtiges Thier von 127 em Länge durch Herrn E. Burkert in Brünn und Rud. Effeldt in Berlin 1868 ein Weibchen von 4½ Fuß (1,5 m) Länge aus Ungarn; das größte der von Dr. J. Elſter-Blankenburg gefangenen Stücke, ein Weibchen, maß gleichfalls 4½ Fuß rheinländiſch, im Muſeum zu Detmold befindet ſich die Haut einer bei Schieder erſchlagenen Ringelnatter, deren Länge 5 Fuß beträgt, C. Struck— Waren erbeutete 1849 zu Ankershagen bei Penzlin ein über 5 Fuß langes Weibchen, und H. Fiſcher-Sigwart ſah bezw. bekam aus der Umgegend Zofingen's im Aargau zwei außergewöhnlich ſtarke Exemplare von 180 bezw. 155 em Länge. Indeß zählen derartige Stücke zu den Seltenheiten, wenigſtens in unſeren Gegenden, während ſie im Süden eher eine beträchtliche Länge erreichen, ſo daß z. B. auch im Pariſer Muſeum nach Angabe der Verfaſſer der Erpét. génér. (VII S. 558) ein ſizilianiſches Exemplar von 158 em Länge ſich befindet; Blumenbach's Behauptung hingegen [Nat. S. 212], daß man in Europa Ringelnattern von 10 Fuß, alſo 3 m Länge gefunden, wird jedenfalls nicht auf Wirklichkeit baſiren, obwohl auch J. G. Neumann i. J. 1831 berichtet: „In neueren Zeiten fand man dergleichen Ottern von 4—6 Fuß Länge, in älteren dagegen, da Schleſien weniger bevölkert war, tödtete man Waſſerſchlangen, die 8—10 Fuß lang und wie eine Wagendeichſel dick waren.“ Von den Kopfſchildern, welche alle ſehr glatt ſind, verdienen die Augen— und die Oberlippenſchilder die meiſte Beachtung. Die regelrechte Anzahl der Ober— lippenſchilder beträgt 7, deren drittes und viertes an den Augapfel ſtoßen; in ſeltenen Ausnahmen zählt man jederſeits 8 bezw. auf der einen Seite 7, auf der anderen 8 Supralabialen und in noch ſelteren Ausnahmen nur 6, von denen dann nur das dritte an das Auge grenzt; ein Exemplar mit 6 Oberlippen- und auch nur zwei hinteren Augen— ſchildern auf der linken Seite ſteht im Berner Mufeum. Die Dreizahl der hinteren Augenſchilder ſteigt aus— nahmsweiſe auch auf vier), oder fällt ausnahmsweiſe auf zwei und zwar entweder beiderſeits oder nur auf der einen Seite, doch erweiſt ſie ſich ſehr beſtändig. Fig. 30. Kopfbekleidung der Ringel— In noch höherem Maße trifft dies betreffs des vorderen natter. Augenſchildes zu, denn nur in äußerſt ſeltenen Aus— fte B Krpfee⸗ nahmefällen erſcheint daſſelbe (einer- oder jederſeits) getheilt, alſo in Geſtalt von 2 Praeokularen. Im Uebrigen iſt das vordere Augenſchild reichlich doppelt jo hoch als breit, das Zügelſchild, dem zweiten Oberlippenſchild aufliegend, viereckig und etwas höher als breit, das Naſenſchild, in welchem das Naſenloch ganz nach oben gerückt erſcheint, nach unten hin deutlich getheilt, ſodaß ein vorderer größerer und ein hinterer kleinerer Theil entſteht, und nur in ganz vereinzelten Fällen unterbleibt dieſe Theilung; das unpaarige Rüſſelſchild iſt gewölbt, viel breiter als hoch und an der unteren Seite zum Durchtritt der Zunge (welche bei natrix zum Unterſchied von tessellatus ſchwarz iſt) merklich aus— gebuchtet. Von den Schildern des Oberkopfes ſind die beiden vorderen Stirnſchilder (Seite 247) breiter als lang und ungefähr ein Viertel kürzer als die hinteren, die jederſeits in der Zahl eins das Auge oben begrenzenden Brauenſchilder nach hinten zu verbreitert und über dem Auge etwas ausgerandet; das zwiſchen ihnen ein— ) Dies gilt ſpeziell für den Trop. fallax Fatio's. Bedeckung. Gelbe Halsflecke. 276 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. geſchloſſene Scheitelſchild, bei alten Exemplaren nach vorn ſchwach verbreitert, bei jungen vorn und hinten faſt gleichbreit, greift hinten mit einer mäßig langen Spitze zwiſchen die beiden nach hinten ſtark ausgezogenen und verſchmälerten, vorn bis zum zweiten Poſtokular hinabgebogenen Hinterhauptſchilder, an deren Außenſeite das ſehr große, lange Schläfenſchild ſich hinzieht, welches dem 5. bis 7. Oberlippenſchild auf— liegt und vorn an die beiden unteren Poſtokulare ſtößt. Von den 10 Unterlippen- ſchildern jeder Seite“), deren 5. bis 7. die größten ſind, begrenzen in der Regel die ſechs erſten die Rinnenſchilder, von denen die beiden hinteren länger als die beiden vorderen, durch zwiſchengeſchobene Schuppen von einander getrennt ſind und nach hinten merklich auseinandergehen. — Die Bauchſchilder greifen ſeitlich weit, aber keineswegs kantig oder winkelig nach oben über und ſchwanken hinſichtlich der Zahl zwiſchen 162 und 180 *). Afterſchilder find 1 Paar, Schwanzſchilder meiſtentheils 55 bis 75 Paar vorhanden, doch können die letzteren Zahlen ausnahmsweiſe nach unten hin bis 50 oder gar 48 und nach oben hin bis 80 und ganz vereinzelt ſelbſt bis 85 oder 86 überſchritten werden. Die Körperſchuppen ſind in 19 Längs— und nicht ſehr ſchiefe Querreihen geſtellt, ſcharf und deutlich gekielt, rhombiſch, längs des Rückens ſchmal und länglich, nach dem Bauche hin beträchtlich vergrößert und verrundet . ung und Zeichnung. Obzwar, was übrigens bei dem ungemein aus— gedehnten Verbreitungsbezirke nicht auffallen kann, die eee je nach den ver— ſchiedenen Gebieten und deren mehr nördlicher oder ſüdlicher Lage einer ziemlich en Ab⸗ änderung in Grundfarbe und Zeichnung unterworfen iſt und daher in einer nicht geringen Zahl von klimatiſchen und lokalen Varietäten auftritt, ſo tragen doch alle Thiere dieſer Art mit Ausnahme einzelner Varietäten ein gemeinſames Abzeichen: das tief— ſchwarz eingefaßte, meiſt breite, gelbe bezw. orangefarbene oder aber weißliche, aller— dings in den wenigſten Fällen vollkommene Halsband. Daſſelbe entſteht dadurch, daß das Gelb oder Gelbweiß der Kehlgegend hinter den Mundwinkeln nach aufwärts herumgreift und ſomit dicht hinterm Kopfe an jeder Seite einen meiſt breit halbmond— förmigen Fleck bildet. Dieſe beiden Flecke verſchmälern ſich nach oben hin und ſtoßen nur in ſeltenen Fällen in der Mitte des Nackens zu einem vollkommenen Halsband zuſammen, werden vielmehr in den meiſten Fällen daran gehindert, entweder durch das Grau der Grundfarbe oder, und häufiger, durch das Schwarz der die Mondflecke W an dreieckigen Flecke (Querbinden), deren Spitzen ſich oben ver— ) Ein mir ſoeben vorliegendes Exemplar hat auf der linken Seite nur 9 Sublabialen. — ) De Betta [Fauna S. 46] und Fatio geben „160 à 180“ an, während der erſtgenannte Forſcher 17 Jahre früher [Erp. S. 211] als niedrigſte Zahl 162 anführt und Schreiber [Herp. S. 241] dieſelbe auf 163 normirt. Dagegen betont A. Strauch, welcher 141 Stück unterſuchte [Schl. S. 144], ganz beſonders, daß die Zahl nie unter 162 ſinke, und ich muß ihm darin durchaus beiſtimmen; denn die bei Schlegel [Ess., Bd. II S. 304] und auch bei Daudin [Rept., Th. VII ©. 34] ſich findende Angabe, daß die Zahl bis 144 herabgehe, verdankt ihr Daſein nur einem Verſehen Bechſtein's, welcher bei Uebertragung der von Weigel [Schlang. S. 25—29] angegebenen, auf Unterſuchung von zehn Ringel— nattern beruhenden Zahlen in die von ihm beſorgte Ueberſetzung der Lacépéde'ſchen Naturgeſchichte der Amphibien [III S. 302] jo flüchtig verfahren iſt, daß von den die Bauchſchilder betreffenden 10 Zahlen ſechs und von den die Schwanzſchilder betreffenden 10 Zahlen fünf falſch wiedergegeben ſind; die Zahl 144 findet ſich bei Weigel gar nicht, ſondern als niedrigſte Zahl: 168. Exemplare, welche mehr als 180 Bauchſchilder beſitzen, beobachtet man kaum einmal bei uns, dagegen ſcheint dieſe Zahl bei ſüdoſt⸗europäiſchen Stücken verhältnißmäßig nicht ſelten überſchritten zu werden; denn unter den 41 Stück, welche A. Strauch 1873 als dem Zool. Muf. der Kaiſ. Akademie der Wiſſenſch. zu Petersburg gehörig auführt, befinden ſich acht mit 180 bis 188 Bauchſchildern, und von dieſen acht ſtammt nur eins (mit 181) aus Dalmatien, die anderen ſieben aus dem Ural und den Kaukaſus-Ländern. Erſte Art. Ringelnatter. 277 einigen und zwiſchen das Gelb ſchieben. Die gelben Mondflecke, das „Halsband“, dürfte man bei unſeren deutſchen wie überhaupt mittel- und nordeuropäiſchen Stücken kaum einmal vermiſſen *), und man muß fie deshalb wenigſtens mit Rückſicht auf dieſe als ein untrügliches Merkmal der Ringelnatter betrachten, da ſie nur gewiſſen abweichenden Thieren Süd-Europas (Unter - Italiens und Griechenlands) mangeln. Durchaus beſtändig aber iſt die erwähnte ſchwarze Querbinde hinterm Kopfe, denn ſie findet ſich auch dann vor, wenn die ſonſt vor ihr liegenden gelben Mondflecke fehlen. Uebrigens werden zuweilen die Mondflecke auch vorn durch eine ſchwarze Binde umſäumt. Die Stammform zeigt, außer der gelb und ſchwarzen Zeichnung des Hinter— kopfes, folgende Merkmale. Die aſch- oder blaugraue Oberſeite des Körpers iſt mit kleineren oder größeren unregelmäßigen ſchwarzen Flecken gezeichnet, welche, mit einander abwechſelnd, in vier bis ſechs, zuweilen auch nur in zwei oder drei weit— läufige Längsreihen geſtellt ſind, die hinter der Nackenzeichnung beginnen und ſich auch auf den Schwanz fortſetzen; oft ſind die Flecken der mittleren Reihe oder Reihen ſehr klein und undeutlich, hingegen die Seitenreihen größer, markirter und ſenkrecht geſtellt. Die Oberſeite des Kopfes iſt gewöhnlich dunkler als die des Rumpfes und einfarbig (olivenfarbig), ebenſo die Kopfſeiten, nur die vorderen und hinteren Augen— ſchilder ſind in der Regel heller und die Oberlippenſchilder, ſpeziell das zweite bis vierte, auf gleichfalls ſehr hellem (weißlichgelbem) Grunde an den Nähten mehr oder minder ſchwarz gerandet. Die Unterſeite bleibt in Färbung und Zeichnung weit weniger Abänderungen unterworfen als die Oberſeite. Kopf und Hals ſind unterhalb einfarbig weißgelb; doch treten gewöhnlich am hinteren Theile des Halſes einzelne tief braun⸗ oder blauſchwarze Flecken auf, welche nach hinten an Größe und Zahl zunehmen, ſodaß dann Bauch und Unterſeite des Schwanzes auf weißgelbem Grunde ſchwarz, oder auf ſchwarzem Grunde hell gefleckt erſcheinen, und zwar beherrſcht das Schwarz in der Regel die Mitte der Bauchſchilder, während die helle Farbe nach den Seiten zurückgedrängt wird. Bemerkt ſei noch, daß die Grundfarbe des Oberkopfes, Rückens und Oberſchwanzes, welche bei friſch gehäuteten Thieren ſchön aſch-, blau- oder bleigrau, oft mit einem Stich ins Olivengrünliche, iſt, mit zunehmendem Alter der Haut mehr in unſchein— bares Grau und Braungrau übergeht, und daß dann auch die ſchwarzen Flecken der Oberſeite, welche nach beendeter Häutung deutlich hervortreten, undeutlicher, wie verwiſcht ausſehen. Schon in dieſem Umſtand liegt ein Grund, daß ſo zahlreiche Varietäten beobachtet und aufgeſtellt worden ſind, und als ein zweiter iſt zu beachten, daß, worauf Leydig [Schl. S. 5] beſonders hinweiſt, das Hell oder Dunkel der Grundfarbe ſehr abhängt von dem Stande der beweglichen Farbzellen (Chromato— phoren). Dieſe Chromatophoren ſcheinen nach Leydig in jüngeren Thieren beſonders empfindlich zu ſein: einjährige Exemplare, bei rauhem Nordoſtwind im Verſteck ge— funden, waren von dunklem Ausſehen, hellten ſich aber auf bei Erwärmung im Sonnen— ſchein; in der Kühle der Nacht konnte ſich die lichtgraue Färbung wieder in Stahl— grau umſetzen. Daß aber auch erwachſene Thiere unter dem Einfluß der Temperatur und durch Geſtalt-Veränderung der Chromatophoren gewiſſermaßen die Farbe wechſeln, hat Leydig ſchon 1873 in ſeinen „äußeren Bedeckungen einheimiſcher Schlangen“ be— wieſen. Man wird daher gut thun, auf die Grundfarbe allein — falls die Zeichnung *) In der Sammlung des Riga’er Naturforſcher-Vereins jedoch befindet fi O. v. Löwis' Angabe zufolge eine Varietät ohne gelbe Mondflecke, eingeſandt aus Oeſel durch Baron Nolcken. Stammform. Abänderungen. Varietäten. 278 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. die oben beſprochene bleibt — keine Varietäten zu gründen. Deshalb werden wir auch im Folgenden diejenigen „Spielarten“, bei denen nur der Grundton der Ober— ſeite Abänderungen gegenüber dem Aſchgrau der Stammform, alſo ein ganz helles Grau, ein Schieferblau, ein Braun- oder Gelbgrau oder eine Olivenfarbe aufweiſt, nicht berückſichtigen, ſondern nur die wichtigeren und ausgezeichneten Varietäten hervorheben. Zuvor ſei noch erwähnt, daß das Auge der Ringelnatter ſchwarz iſt und nur ein um die Pupille ſich herumziehender ſchmaler Ring gelb oder weißgelb erſcheint *). 1. Var. gronovianus, Zaur., ſchwarzbäuchige Ringelnatter, von Laurenti als Natrix gronoviana, von Gmelin als Coluber gronovianus et arabicus, von Bechſtein-Lacépede als Coluber gronovius aufgeführt. Unterſcheidet ſich von der Stammform vornehmlich durch einfarbig ſchwarze oder ſchwärzliche Unterſeite. Kommt nicht ſelten vor, namentlich wenn die Oberſeite ebenfalls dunkel ift. 2. Var. albiventris, weißbäuchige R. Iſt das Gegentheil der vorigen, denn bei ihr iſt das Schwarz der Unterſeite ganz von dem Weiß verdrängt. Sehr ſelten. 3. Var. concolor, einfarbige R. Bei ihr find die ſchwarzen Flecken der Oberſeite gänzlich verſchwunden, ſodaß dieſelbe einfarbig oliven- oder bräunlichgrau bezw. dunkel aſchgrau erſcheint. Auch die Nackenflecke ſind nur angedeutet, indem ſie die Farbe der Unterſeite zeigen. A. Strauch erwähnt eines ſolchen Exemplars [Schl. S. 148], das bei einfarbig bräunlichgrauer Oberſeite unten einfarbig grünlichgelb iſt, ſodaß es in auffallender Weiſe an die einfarbige Varietät der Schlingnatter, Coro- nella austriaca, erinnert, nur daß bei ihm noch die Stellen der Nackenflecken in der Färbung mit der Unterſeite harmoniren, ohne jedoch gegen die Grundfarbe der Ober— ſeite ſcharf abgegrenzt zu ſein (Nr. 1817 der Petersburger Akadem. Sammlung). Kommt nur vereinzelt vor. Sind auf der grauen oder grausolivenfarbigen Oberſeite die bei der Stammform deutlich ausgeprägten ſchwarzen Flecke wenigſtens in noch ver— einzelten, wenngleich unbedeutenden und verwiſchten Spuren vorhanden, ſo haben wir die ſogenannte pontiſche Varietät (Coluber ponticus Fallas) vor uns. 4. Var. sparsus, Schreiber, geſprenkelte R. Oberſeite durch zahlreiche kleine Flecken oder Strichelchen dicht hell (grau oder lichtbräunlich) und dunkel (ſchmutzig braungrau oder ſchwärzlich) geſprenkelt. Aus dem ſüdlichen Illyrien, dem Salz— burgiſchen und aus Spanien bekannt. Diejenigen Stücke, bei welchen, auf ziemlich dunkler, olivgrüner Oberſeite, die Strichelchen weniger dicht ſtehen, indem die urſprüng— lichen ſchwarzen Flecken bis auf geringe Spuren verſchwunden ſind und einzelne Schuppen an ihrem Rande einen kurzen weißlichen Strich zeigen, erhalten, wie A. Strauch richtig hervorhebt [Schl. S. 147], eine ganz auffallende Aehnlichkeit mit der Aeskulapnatter, Coluber Aesculap, die ja „bekanntlich auch mehr oder minder deutliche Nackenmakeln beſitzt“. Letztere Spielart iſt namentlich im ſüdlichen und ſüd— öſtlichen Rußland, in Kaukaſien und den Gegenden des Kaspiſees nicht ſelten. 5. Var. fasciatus, quergebänderte R. Die ſchwarzen Flecke der Oberſeite ſind hier zu theilweiſe ganz regelmäßigen kurzen Querbinden zuſammengefloſſen, welche in drei Längsreihen ſtehen und regelmäßig mit einander abwechſeln; manchmal ſind die Flecken der Mittelreihen (ſ. S. 459) als gewöhnliche Makeln vorhanden, die über einander liegenden Flecken der Seitenreihen jedoch zu ziemlich hohen, ſenkrecht geſtellten, ſcharf begrenzten und hervortretenden Querbinden verſchmolzen, ſodaß die Seiten des ) Auf der von Veltman und Philips 1772 hergeſtellten Tafel in van Lier's „Drentsche Slangen“ hat dieſer Ring die Geſtalt eines um den unteren Rand der Pupille ſich herumziehenden Halbkreiſes und eine rothe Farbe erhalten. Erſte Art. Ringelnatter. 279 Körpers und in geringerem Maaße auch des Schwanzes regelmäßig der Quere nach ſchwarz gebändert erſcheinen. Zerſtreut vorkommend, ausgeprägte Stücke in Mittel— und Nord-Europa kaum beobachtet, nicht ſelten in ſüdlichen und ſüdöſtlichen Gebieten. Geht die Verſchmelzung der dunklen Flecken bezw. Querbänder ſo weit, daß ſie förm— liche breite Querringe oder Gürtel, die nur hier und da unterbrochen ſind, bilden, ſo entſteht die Varietät, welche Gene 1839 als Natrix Cetti beſchrieben und Leunis als Tropidonotus Cetti auch in die 2. Auflage feiner Synopſis der Naturgeſchichte des Thierreichs (1860, S. 328) aufgenommen hatte. Dieſe Cetti'ſche Ringelnatter, bei welcher außerdem die Nackenflecke undeutlich erſcheinen, findet ſich wohl nur auf Korſika und Sardinien. Hier darf auch die ſiziliſche Ringelnatter angefügt werden, welche Cuvier 1829 als eigene Art unter dem Namen Coluber siculus beſchrieb. Sie iſt oberſeits auf hellgrauem Grunde tiefſchwarz gefleckt bezw. mit einer Mittel— reihe ſchwarzer Querbinden gezeichnet, an den Körperſeiten deutlich tiefſchwarz quer— gebändert, unterſeits auf milchweißem Grunde ſchwarz gewürfelt, und die bei der Stammform und faſt allen Varietäten kräftig ausgeſprochenen gelben Mondflecke ſind entweder nur weißlich oder aber gänzlich verloſchen, ſodaß dann von dem Collare nur die beiden runden ſchwarzen Flecke auf den Halsſeiten übrig geblieben ſind (vgl. S. 277); ſie findet ſich in Sizilien, Unter-Italien, Griechenland. 6. Var. pers a, Pallas (= persicus Eichw.; dalmatinus Schinz; bilineatus Bibr. Bory, Jan; murorum Bonap.), Streifen-Ringelnatter. Eine ausgezeichnete Varietät, indem ſich auf der grauen, ſchwarzgefleckten, alſo in dieſer Beziehung mit der Stammform übereinſtimmenden Oberſeite zwei ſehr auffallende ſchmale, ſcharf be— grenzte, lebhaft gelbe oder gelblichweiße Längsſtreifen hinziehen, welche am Nacken be— ginnen und, von einander gewöhnlich durch fünf Schuppenreihen getrennt, längs des Rückens bis etwa zur Hälfte des Schwanzes fortlaufen. Jan unterſcheidet neben diefer noch die Varietät subbilineata, welche aber der persa gegenüber nur erheblich dunklere (dunkel-olivenfarbene) Grundfärbung und ſchwächer hervortretende Streifen hat. Die gelben bezw. gelbweißen Halsbandflecken ſind oft nur undeutlich oder fehlen bei manchen Stücken gänzlich. Kommt persa ſchon im nordöſtlichen Italien, in Dal- matien und auf deſſen Inſeln, in der Herzegowina ſowie weiterhin in Griechenland und auf deſſen Inſeln neben der Stammform zahlreich vor, ſo gewinnt ſie nach Oſten hin immer mehr die Oberhand über die letztere, ſodaß ſie in Kleinaſien und Syrien, in den Kaukaſus- und Kaspi⸗Ländern zur herrſchenden Form wird. 7. Var. moreoticus, von J. v. Bedriaga im Athener Muſeum unterſucht und beſchrieben [Griechenld.]. Gleicht der vorigen hinſichtlich der beiden gelben Längs— binden, doch iſt die Grundfarbe ſchwarz. Fundort: Norden des Peloponnes. 8. Var. niger, Jan, Trauer- oder ſchwarze R. Ober- und unterſeits ſchwarz, höchſtens an der Unterſeite des Kopfes und den Seiten der erſten Bauchſchilder ver— einzelte helle Flecke; das gelbe Halsband gewöhnlich nicht ausgeſprochen (Natrix tor- quata var. minax, Bonap.). Im ſüdlichen Rußland, laut Erber und Jan in Dal— matien, ferner im Banat, von wo Rud. Effeldt-Berlin welche bekam, und im Alpen— Gebiet: bereits Wyder kennt die ſchwarze Ringelnatter als eine ſchweizeriſche Schlange, das Muſeum zu Bern bekam ein Stück mit graulichweißen Mondflecken aus der dortigen Umgegend, Herr P. Jung erhielt ein ſolches i. J. 1887 aus Zell am See, Herr Prof. A. v. Mojſiſoviez aus den Grazer Mur-Auen, V. Gredler ſammelte ſie bei Bozen, Leydig am Starenberger See, aus den ſchwäbiſchen Alpen ſteht ein Stück in der Sammlung des Naturhiſtor. Vereins zu Augsburg; bei München fing einſt Giſtl [DS 1829] ein ſammetſchwarzes Exemplar, aber mit weißem Unterleib. Das Albinismus. 280 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. letztere würde in jene Form hinübergreifen, welche Eichwald 1842 als Trop. scu- tatus aufſtellte. Dieſe kaspiſch-perſiſche Varietät entſteht aus der ſchwarzen, wenn die erwähnten hellen Flecke auf der Unterſeite des Kopfes an Umfang und diejenigen auf den Bauchſchildern an Zahl und Umfang zunehmen; ſie vermittelt ſomit, wie A. Strauch hervorhebt [Schl. S. 148], den Uebergang zu den dunklen, faſt ſchwarz— braun gefärbten Stücken der typiſchen Form, indem letztere ſich von dem ſogenannten Trop. scutatus nur dadurch unterſcheiden, daß bei ihnen auch die Oberlippenſchilder, bis auf die ſtets dunklen Ränder, hell gefärbt und ihre Nackenflecken mehr oder weniger deutlich ausgebildet ſind. Hier wird auch jenes Exemplar zu erwähnen ſein, welches Th. Studer 1869 unter der falſchen Bezeichnung „Vipera prester“ in einem Glaſe des Berner Muſeums auffand und welches ihn infolge der vier hinteren Augenſchilder und der abweichenden Schuppenreihen veranlaßte, es als Vertreter einer „neuen Spezies von Tropidonotus“ anzuſprechen, ohne jedoch der Natter einen be— ſonderen Namen beizulegen. Letzteres that V. Fatio in ſeiner Faune suisse, indem er fie „Trop. fallax* benannte. Doch ſtimmt das Stück in Tracht, Formen, Be— ſchilderung, ausgenommen jene Abweichung, mit der Ringelnatter überein, zu deren ſchwarzer Varietät ſie jedenfalls gehört; Kopf und Oberſeite ſind einfach ſchwarzbraun, Kehle und Kinngegend weiß, die Unterlippenſchilder bis auf das fünfte und ſechste ſchwarzbraun, das Weiß der Kehle verſchwindet gegen den blauſchwarzen Bauch hin und löſt ſich noch im oberen Drittel deſſelben in verwaſchene weiße Flecke auf, die gegen die Mitte zu an Zahl abnehmen und endlich verſchwinden. 9. Var. pieturatus, Jan, weißgeſpritzte R. Grundfärbung ſchwarz, oberſeits mit zerſtreuten milchweißen Spritzpünktchen, unterſeits am Kopf und an den Bauch— ſchildern mit vereinzelten hellen, ſchwarzgeſprenkelten Flecken, Halsband nicht ausge— ſprochen. Jan giebt als Fundorte des picturatus Eliſabethpol in Transkaukaſien und die Krim an [El. S. 69), auch ſoll er auf den Wolga-Inſeln gemein ſein. Jedenfalls wird man die ſüdöſtlichen Theile Rußlands als die Heimath dieſer Varietät anſehen dürfen, obgleich ſie vereinzelt auch an anderen Orten auftreten mag; wenigſtens beſitzt das Baſeler Muſeum ein Exemplar, welches von Herrn Lehrer Gutzwyler 1876 an der Tellskapelle, wohin es mit noch anderen Ringelnattern vom Vierwaldſtätter See hergeſchwommen kam, erbeutet wurde. Uebrigens ſind die angegebenen Merkmale dieſer Varietät nicht ſo beſtändig wie die der persa, und es ergeben ſich durch weitere Abweichungen fernere, aber weniger wichtige Spielarten. So iſt die von Demidoff 1840 aufgeſtellte kolchiſche Varietät (var. colchicus) von pieturatus nur dadurch unterſchieden, daß, bei blauſchwarzer Grundfärbung, die unteren Schuppen ſeitlich mehr oder weniger mit weißen Stricheln geſäumt ſind, welche wohl auch zu unregel— mäßigen Längslinien zuſammenſtoßen können; zuweilen auch erſcheinen die Bauchſchilder an den Seiten von gelblicher oder bräunlicher Färbung. Dieſe ziemliche unbeſtändige Spielart wurde im ſüdlichen Rußland beobachtet. Es braucht wohl kaum beſonders hervorgehoben zu werden, daß ſich zwiſchen verſchiedenen dieſer Varietäten noch mancherlei Uebergangsſtufen befinden und daß auch ſonſt noch kleinere oder größere Abweichungen auftreten. Wirklicher Albinismus kommt ebenfalls vor. Einen derartigen Fall theilt Herr Ingenieur H. F. Wieſe in Schönkirchen bei Kiel mit [Zool. G. 1884 S. 372]. Herr Wieſe fing am 18. Oktober in ſeinem Garten, in deſſen Miſtbeeten jährlich eine große Anzahl Ringelnattern aus— gebrütet werden, ein junges Thier von 17 em Länge und folgender Färbung: Ober— jeite hell fleiſchfarbig. die kleinen (bei der Stammform ſchwarzen) Flecken längs des Rückens durch einen etwas röthlicheren Ton von der Grundfarbe zart abgehoben, Erſte Art. Ringelnatter. 281 Nackenflecken ſchön orangegelb, Unterſeite weißlich, nur eben röthlich angehaucht, die Eingeweide blauröthlich durchſcheinend, Augen hell kirſchroth, Pupille durch ein wenig dunkleres Roth ſich abhebend, die weißen Flecken in der Augengegend deutlich markirt. Betreffs des Jugendkleides iſt nichts Sonderliches zu ſagen, denn das junge Thier trägt bereits beim Ausſchlüpfen ein dem des alten in Färbung und Zeichnung gleichendes oder doch ganz ähnliches Gewand, und zwar ſo, daß man auch bereits die Varietät, der das betreffende Exemplar angehört, deutlich zu erkennen vermag. Be— merkenswerth habe ich immer gefunden, daß das Halsband ſchärfer hervortritt und daß außerdem der Kopf dicklicher bezw. die Schnauze kürzer, weil abgeſtutzter, erſcheint als bei Alten. Friſch ausgeſchlüpfte Thiere ſind etwa 15 em lang; ein mir vor— liegendes, im Dezember geſtorbenes, alſo wenige Monate altes Exemplar hat eine Ge— ſammtlänge von 19 cm, wovon 4 cm auf den Schwanz kommen. Ueber die Ausbildung der Zeichnung bei den ſich entwickelnden Embryonen ſagt Braun [Lac. Lilf. S. 44] auf Grund ſeiner Unterſuchungen: „Bei Trop. natrix iſt es ebenfalls (entſprechend der Blindſchleiche) der Rücken, der die erſten Spuren einer Zeichnung trägt und zwar bei einer Geſammtlänge von etwa 130 mm (Embryo); über den Rücken zieht ein dunkles, ziemlich breites Band, welches je nach der Größe der Embryonen verſchieden weit reicht, bei kleineren bald hinter dem Nacken aufhört, bei etwas größeren über die Mitte des Rückens reicht, jedoch ſtets etwas weiter nach hinten vorhanden iſt als zwei andere, gleich zu erwähnende Bänder; dieſes mittlere Rückenband entſendet ſeitlich ziemlich regelmäßig kleine Zacken aus, die man ſchon angedeutet findet, wenn das Ganze ſich erſt noch wenig aus dem hellen reſp. ungefärbten Rücken hervorhebt. An den Seiten des Rückens beginnt mit einem größeren, dunklen Fleck, der ſpäter die hintere Begrenzung des in dieſem Stadium noch ungefärbten, beim Auskriechen bereits gelben Nackenfleckens bildet, eine Längs— reihe von querovalen dunklen Flecken; dieſe werden nach hinten je nach der Größe des Embryo mehr oder weniger früh kleiner und hören dann auf; die Oberſeite des Kopfes dunkelt auch bereits.“ Bei älteren Autoren, aber auch noch in neueren Schriften, ſo in der zweiten Auflage von Brehm's „Thierleben“, findet man die Angabe, daß die Halsbandzeich— nung beim Männchen gelb, beim Weibchen weißlich ſei. Dies mag manchmal zufällig ſtimmen, darf aber nicht als Regel angeſehen werden, denn man kann oft gerade das Gegentheil wahrnehmen. „Auf die Farbe der Ober- und Unterſeite des Thieres hat weder das Alter noch das Geſchlecht Einfluß“, ſagt der aufmerkſam beobachtende Lenz [Schl. S. 244]. Dagegen erreichen die Weibchen eine größere Länge als die Männchen und ihr Schwanz iſt an der Wurzel merklich dünner als der der letzteren. Geographiſche Verbreitung. Die Ringelnatter iſt unter allen deutſchen und europäiſchen Schlangen diejenige, welche ſich am gleichmäßigſten über Europa, ſowohl in der Richtung von Nord nach Süd als von Oſt nach Weſt verbreitet; denn ſie fehlt leinem europäiſchen Lande und findet ſich auch auf den meiſten Inſeln und Inſel— gruppen unſeres Erdtheils. Zwar geht die Kreuzotter um etwa zwei Grade weiter nach Norden hinauf, dafür aber nicht ſo weit nach Süden hinab, außerdem tritt die— ſelbe innerhalb der Grenzen ihres europäiſchen Gebietes nicht ſo gleichmäßig auf als natrix, ja ſie mangelt einigen Ländern und Diſtrikten gänzlich. Die Grenzen der Verbreitung unſerer Ringelnatter werden im Norden vom 65. Grad (Skandinavien) und im Süden vom 35. und 36. Grad n. Br. (Süd-Spanien, Algier, Sizilien, Griechenland, Cypern, Perſien), im Weſten vom 9. Grad (Portugal) und im Oſten etwa vom 122. Grad öſtl. Länge von Ferro (Baikal-See) gebildet. Jugendkleid. Geſchlechter. Verbreitungs⸗ Grenzen. Süddeutſchland. Rheinlande. 282 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Wenn wir Lacerta agilis die deutſche Eidechſe nennen, ſo dürfen wir die Ringel— natter mindeſtens mit demſelben Rechte als die deutſche Schlange bezeichnen. Denn man begegnet ihr, wenngleich in unterſchiedlicher Anzahl oder Häufigkeit, von den ſüdlichen Alpenländern durch das mittel- und norddeutſche Berg- und Hügel- und Flachland bis hinauf in die frieſiſchen, jütiſchen und baltiſchen Gebiete. Mit der An— gabe Jäckel's, daß natrix in ganz Bayern eine nirgends ſeltene Erſcheinung jet, ſtimmen die mir aus verſchiedenen Theilen dieſes Landes gewordenen Mittheilungen der Herren Dr. Blum, Dr. Brock, Dittrich, Dünnbier, Leu, W. v. Reichenau-Miesbach, Sippel, denen zufolge die Ringelnatter dort allgemein verbreitet ſei, überein, und gleicherweiſe berichtet A. Wiedemann, daß ſie im Bezirk Schwaben-Neuburg wohl keiner Gegend fehle. Betreffs ihres Auftretens in Württemberg ſagt bereits G. v. Martens 1830, daß ſie im ganzen Lande vorkomme, was mir von den Herren Profeſſor Eimer, Fleiſchmann, Dr. v. Krauß und Dr. Weinland beſtätigt wird, nur mit der Einſchränkung, daß ſie auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb ſelten ſei. Aus Baden erfahren wir bereits durch Fiſcher und brieflich durch die Herren Dr. v. Bedriaga, F. Keller-Mannheim, H. Kober und Prof. Wiedersheim, daß ſie dort allenthalben (abgeſehen von Schwarz— waldhöhen) häufig, ja höchſt gemein ſei. In den deutſchen Reichslanden iſt ſie wie durchgängig im angrenzenden Frankreich ebenfalls zu Hauſe: ſo wurde ſie von Dr. Andreae z. B. in einem Waſſertümpel bei Straßburg beobachtet und laut Dr. Fr. Müller-Baſel war ſie namentlich früher in den Gärten und den Trümmern der Feſtungswerke von Groß-Hüningen im Ober-Elſaß beſonders häufig. Doch ſcheint fie dort wie überhaupt in den linksrheiniſchen deutſchen Gebieten nicht gleichmäßig verbreitet zu fein; denn Herr Lieut. Heinicke ſchrieb mir von Metz, daß er ſie an dieſem Orte, in deſſen Umgebung er die Kreuzotter leider nur zu oft angetroffen, kaum bemerkt habe, Herr M. Kruel vermochte ſie im Pfälziſchen Haardtgebirge nirgends zu entdecken, und nach Prof. Glaſer iſt ſie, während ſie wie überall in Heſſen ſo auch am Mittelrhein nicht gerade ungewöhnlich ſei, z. B. um Worms äußerſt ſelten. Im linksrheiniſchen Preußen mag es ähnlich oder ebenſo ſein. Laut L. Geiſenheyner iſt ſie im Gebiete der unteren Nahe recht ſelten, mehr aber in den Thälern der Seitenbäche zu finden und während eines ſiebzehnjährigen Wohnens in Kreuznach kamen dem Beobachter nur vierzehn Stück zu Geſicht; für den Regierungsbezirk Trier gab zwar Schäfer 1844 an, daß ſie dort überall, auch in der Eifel vorkomme, indeſſen begegnete Leydig in der Eifel ihr nur bei Bertrich, und derſelbe Forſcher bezeichnet ſie auch für Bonn als ſelten, denn ihm ſtieß im Verlaufe von ſechs Jahren nur ein einziges Stück im Freien auf; ſpärlich auch iſt, laut W. Bölſche, ihr Auftreten bei Köln. Auf dem rechten Ufer des Rheins tritt ſie ebenfalls in der einen Gegend häufiger auf als in der anderen. Während W. v. Reichenau ſie bei Mainz — als Bürger des „Mainzer Landes“ kennen wir ſie bereits ſeit 1788 durch B. S. Nau — ſowohl im heißen Sande als im Rheinwaſſer bemerkte, hält Dr. Böttger ſie im Frankfurter Gebiet, obgleich ſie dort in der Ebene rechts und links des Mains und gleicherweiſe im Taunus vor— kommt, für etwas ſeltener als die glatte Natter, und damit im Einklange ſtehen die Angaben Kirſchbaums, der ſie in der Lahngegend häufiger als im Taunus antraf, und Dr. C. Koch's, welcher ſchreibt, daß ſie zwar durchs ganze Gebiet: ſüdlicher Taunus und Rhein-Main-Gebiet, verbreitet ſei und in einigen Taunus-Thälern noch ziemlich regelmäßig vorkomme, aber doch (durch Vertilgung) ſtetig abnehme. Vom Nordabhang des Taunus, z. B. Langenſchwalbach, Aarthal, meldet ſie A. Harrach als ſtellenweiſe häufig; als Fundorte in der Umgebung der Stadt Naſſau nennt Borcherding den Burgberg, die Ruine Burg Naſſau, beim Stein-Denkmal, den Wog Erſte Art. Ringelnatter. 283 und den Klottersberg; in der Umgegend von Linz a. Rh. iſt ſie nach Melsheimer in Waldungen und Steinbrüchen, beſonders zahlreich am Wiedbach und in den Neben— thälern zu finden; von Elberfeld-Barmen kennen wir ſie durch Behrens und Cornelius; und bei Neviges, zwiſchen Wupper- und Ruhrthal, mit rauherem Klima, iſt ſie wiederum ſo ſelten, daß Herr G. de Roſſi im Verlauf von zehn Jahren nur zwei Stück zu * bekam. Verfolgen wir die Verbreitung der Ringelnatter weiter nach Oſten hin durch das mittel- und norddeutſche Berg- und Hügelland, ſo giebt uns ſchon Suffrian den Fingerzeig, daß die Schwimmerin im Regierungsbezirk Arnsberg, ins— beſondere in den ſüdlichen, waldigen Gegenden, alſo dem weſtfäliſchen Sauerlande, gemein ſei; doch kann ſie lokal fehlen, ſo laut Weſthoff im Siegen'ſchen bei Hilchen— bach, wo ſie ſich erſt an tiefer gelegenen Thalſtrecken aufhält. Der letztgenannte Fauniſt berichtet weiter, daß natrix bei Siegen und Arnsberg ebenſo zu Haufe jet wie bei Hagen und Paderborn, dem Steveder Venn und Lünen an der Lippe (von hier meldet ihr häufiges Auftreten auch Herr Dr. Auguſtin), und daß ſie bei Münſter vornehmlich in der Werſegegend auftrete: ſchon auf der Loddenhaide und bei Lütken— beck angefangen bis zum Werſethal, bei Stapelskotten, Handorf und an der Haskenau, von der Werſe das Ellerbachthälchen hinauf und von da in die Coerhaide hinein, durch das Thal der Emmer in die ſumpfigen Reviere der Davert, auch im Emsthal u. a. bei Gimbte und Weſtbevern (Haus Langen), ferner bei Rheine, Marienfeld, Fuchtorf u. ſ. w., aber niemals wurde ſie z. B. in den Hügelpartien von Nienberge und Altenberge angetroffen. Herr Prof. Landois bezeichnet ſie mir für das Münſter⸗ land als ſehr gemein und ſah ſie auch im Wiehen-Gebirge auf einer Wieſe bei Haus Huffe unweit Lübbecke in großer Menge. Friedr. Borcherding beobachtete ſie bei Lengerich und Tecklenburg, ferner in und bei Osnabrück am Gertrudenberg, in der Gartlage, am Schölerberge, im Hone, in Hörne, Hellern, am Hüggel und Silberberg, endlich im Lippe ſchen: am Büchenberge bei Detmold, auf der Grotenburg und bei den Exterſteinen. In Ergänzung dazu ſchreibt mir H. Schacht, daß die Ringelnatter in einigen Gegenden Lippe-Detmolds recht häufig ſei, ſo im Teutoburger Walde, in der Nähe von Falkenhagen, Schieder, Langenholzhauſen, früher, vor Anlage der Eiſen— bahn, auch (nach Oberförſter Wagener) ſehr häufig auf den am rechten Weſer-Ufer belegenen Borlefzer Höhen, wo ſie in Folge einer alten Familientradition geſchont wurde, geweſen ſei. In der Gegend von Hildesheim und Hannover fand Leunis ſie während 45 Jahren nie in unmittelbarer Nähe der erſteren Stadt, wohl aber bei Elze, Ringelheim, Wickenſen, Hannover, am Deiſter ze. Nach Prof. Dr. Nehring iſt ſie in den Umgebungen von Braunſchweig, Helmſtedt, Wolfenbüttel überall heimiſch. Was weiter das eigentliche Harzgebiet anbelangt, ſo nennen ſie bereits Zimmermann in ſeinem „Harzgebirge“ und W. Sapeſen-Clausthal als Bewohnerin der Vorharz— Thäler, und gleicherweiſe bemerkte Dr. J. Elſter ſie nur am Nord- und Südrande des Harzes; auf den Höhen des Oberharzes fehlt ſie. Bei Blankenburg a. H., wo Dr. Elſter jeden Sommer etwa hundert Stück fing, iſt ſie laut Dr. R. Blaſius be— ſonders häufig im ſogen. braunen Sumpf. Dr. E. Schulze nennt als Fundorte das Bode- und Selkethal und giebt ſodann an, daß fie im Kyffhäuſer-Gebirge ebenfalls mehr in den Thälern anzutreffen und auch ſonſt in Nordthüringen verbreitet ſei. Ich ſelbſt kenne ſie von Eisleben bezw. aus dem Walde bei Rothenſchirmbach und von den Mansfelder Seen (durch A. Harrach), ſowie von Sangerhauſen; für die Umgegend von Göttingen nennt ſie Leunis, für das kurheſſiſche Bergland, und zwar für Kaſſel A. Lenz, für Homburg Dr. O. Böttger, für den Bezirk Eſchwege A. Strauch Mittel- und nordd. Bergland. 284 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. [Schlangen]. Während Joſ. Schneider die Ringelnatter ſ. Z. noch als Glied der Rhön-Fauna anführt, vermochte weder Leydig noch Geheeb [Rhön] fie im Rhöngebirge zu entdecken. Hinwiederum ſcheint fie im Thüringiſchen Berg- und Hügelland allent— halben vorzukommen. In der Umgebung von Eiſenach iſt ſie nach E. Scheller häufig; für den Schmalkaldener Kreis verzeichnet ſie A. Strauch, für Blankenburg im Schwarzathal, Greifenſtein, Keilhau bei Rudolſtadt, Lichſtedt bei Remda, Naumburg, Kamburg und Sulza, Goſeck bei Weißenfels W. Woltersdorff, welcher auf direkte An— gaben von Prof. K. v. Fritſch, O. Taſchenberg, Goldfuß und O. Keil fußt; für Greiz bezeichnet Dr. F. Ludwig ſie mir als häufig. Ueberhaupt iſt ſie im Voigtländiſchen und Sächſiſch-Lauſitziſchen Bergland überall zu finden, die Gipfel und Kämme aus— genommen. So habe ich fie auf dem Fichtel-, Pöhl- und Scheibenberg, und Paul Jung auf der Lauſche und dem Hochwald, wo man der Kreuzotter begegnet, vergeblich ge— ſucht, während ſie an den nördlichen und ſüdlichen Abdachungen des Erz- und Lau— ſitzer Gebirges und deren Thälern ſowie an den Waſſerläufen des Elbſandſtein-Ge— birges zahlreich auftritt und beiſpielsweiſe in und bei Erdmannsdorf (Schloßpark, Bahnböſchungen) und Wolkenſtein an der Zſchopau, bei Freiberg a. d. Mulde und Tharand und im Neiße- und Schülerthal bei Zittau geradezu gemein iſt. Entſprechende Verhältniſſe herrſchen in Schleſien. Obzwar ſie hier, wie mir E. Merkel ſchreibt, gleichmäßig verbreitet und häufig iſt, und unter anderem bei Kobyllno-Oppeln (Dr. O. Böttger), im Oderwalde bei Brieg (Prof. M. Braun) und in der Umgebung des Zobten (P. Jung) in erheblicher Zahl und ſehr großen Stücken ſich bemerklich macht, ſo will ſie doch von Bergeshöhen nichts wiſſen, wie denn bereits Uechtritz i. J. 1847 angiebt, daß ſie bei Reinerz in der Grafſchaft Glatz nur vereinzelt vorkomme. Norddeutſches Wie in den ebenen Gemarkungen Niederſchleſiens, wo man ſie z. B. bei Sprottau e fehr häufig antrifft, ſo iſt die Ringelnatter auch in dem geſammten norddeutſchen Flachlande zu Haufe Aus dem ſüdlichen Poſen kenne ich fie von Liſſa, Rawitſch und von der Obra, in der Umgegend Schneidemühls iſt ſie nach brieflicher Mittheilung des Herrn F. Zerbſt häufig, bei Bromberg tritt ſie laut Dr. Kiehl indeß vereinzelt auf. In den Provinzen Oſt- und Weſtpreußen fühlt ſie ſich, was bei dem Waſſer— Reichthum derſelben ſelbſtverſtändlich erſcheint, durchaus heimiſch; ſchon Bujack und Rathke gaben ihr den Zuſatz „sehr häufig“ und die Herren DDr. Dewitz und Zaddach beſtätigten mir es im Allgemeinen, wie Prof. Bail für die Umgebung von Danzig im Beſonderen. In waldigen feuchten Gegenden Pommerns iſt ſie laut Holland ſtellen— weiſe ſehr häufig; im Einzelnen wird mir das von L. Holtz für Neu-Vorpommern und von Dr. Katter für Misdroy (Inſel Wollin) und die Inſel Rügen angegeben, ebenſo kommt ſie auf der Inſel Uſedom, bei Heringsdorf, vor. Daß ſie hingegen auf der zur Hauptinſel Rügen gehörigen Halbinſel Wittow fehlt, wird nicht auffallen, wenn wir bedenken, daß Wittow noch im 12. Jahrhundert eine Inſel, durch einen Meeresarm von Rügen getrennt war und daß ſie ſich ſeitdem erſt durch einen Dünenzug aus dürrem Flugſande mit letzterem Eilande verbunden hat, daß aber trotzdem, da „die Wüſtenregion des Flugſandes ebenſo hermetiſch wie vordem das Meer“ beide Landestheile von einander abgeſchloſſen hat, die Jahrhunderte nicht genügten, die Ringelnatter und auch die Kreuzotter von Rügen nach Wittow hinüber zu führen. E. Friedel, welcher auf dieſe Thatſache 1878 im Zool. Garten hinwies, fand die natrix auch auf der von einem tiefen Graben umgebenen Ruine der Hjerteborg zwiſchen Prerow und dem Dorfe Zingſt. In den die Provinz Pommern begrenzenden Theilen der Mark Brandenburg, der Uckermark und Neumark, tritt die Natter allenthalben Erſte Art. Ringelnatter. 285 häufig auf; im Templiner Kreiſe fand H. Schalow ſtändig die ſtärkſten und längſten Exemplare; bei Friedeberg N. M. ſind laut Alex. Schulte die Umgebungen der Zanz— Seen ein beliebter Aufenthalt, von Landsberg a. W., von Eberswalde und Freien— walde erwähnt ſie bereits J. H. Schulz, bei Oderberg kommt ſie nach H. Lange ſehr zahlreich vor, in der Märkiſchen Schweiz, bei Brandenburg a. H., bei Nauen, Pichels— werder, Spandau, Finkenkrug, im Brieſelang, Bredower Forſt, Grunewald, in der Jungfern⸗ und Wuhlhaide, bei und in Tegel, Charlottenburg, Potsdam, Steglitz, Köpenick und anderen Orten in der Nähe Berlins habe ich ſie ſelbſt geſammelt; ebenſo kenne ich ſie aus den ſüdlichen Theilen der Mark nebſt Niederlauſitz, aus dem ſächſiſchen „Niederland“ (Großenhain, Wurzen, Leipzig ꝛc.) und den ebenen Gegenden der ſüd— lichen Provinz Sachſen, z. B. Bitterfeld und Schmiedeberg. Aus Anhalt und der Altmark ſind von Erwin Schulze und W. Woltersdorff verſchiedene Fundorte ge— nannt worden: Deſſau, Friederikenberg bei Tochheim (Zerbſt), Neuhaldensleben an der Bever, Althaldenslebener Park und Teiche, Hundisburger Steinbruch, im Klei bei Oſterburg (ſehr häufig); für die ſüdliche Altmark verzeichnet ſie auch A. Mertens, in der Umgegend Magdeburgs beobachtete ſie Herr W. Bach vereinzelt an umbuſchten Teichen, von Burg und Genthin iſt ſie mir bekannt. Aus der Altmark zieht ſie ſich ins Hannöverſche, wo ſie unter anderem für Celle, Uelzen und von Steinvorth für bruchige Oertlichkeiten des Lüneburgiſchen angegeben wird, und aus dem Havelland, der Priegnitz und Uckermark in die Mecklenburger Lande. Betreffs der letzteren ſchreibt Herr C. Struck mir, daß natrix im ganzen Mecklenburg, im ſüdöſtlichen jedoch häufiger als in anderen Theilen zu finden iſt und daß ſie überhaupt nicht mehr in der früheren Menge vorkommt; als einzelne Fundorte ſeien erwähnt Fürſtenberg, Malchow, Waren, Vieliſt, Neu⸗Gaarz, Glaſow, Malchin, Molzow, Teterow, Dargun, Gnoien. Als Glied der Lauenburger bezw. Hamburger Thierwelt kennen wir ſie durch Claudius bezw. Schmeltz, von Kiel und Plön durch Herrn P. Junge, von der Inſel Alſen (Auguſtenburg) durch E. Friedel, von Flensburg ſteht ſie im Berliner Zool. Muſeum; auch im übrigen Schleswig-Holſtein iſt ſie geeigneten Ortes ſicherlich anzu— treffen; bezüglich der Inſeln an der Weſtküſte mangeln noch Angaben, wir wiſſen nur, durch E. Friedel, daß ſie auf Sylt fehlt. Im Bremiſchen und nordweſtlichen Hannoverſchen (Unterweſer-) Gebiet gehört ſie zu den gewöhnlichen Erſcheinungen; als Fundorte werden uns durch Friedr. Brüggemann das Oyter Moor und die Vegeſacker Geeſt und durch Friedr. Borcherding folgende Plätze genannt: Umgegend von Bremer— hafen, Bederkeſa, Ringſtedt, Stinſtedt, Eikhöpen, Oppeler Zollbaum, hohe Wingſt, Oſterholz⸗Scharmbeck, Weyher Berg, Bredenberg, Leſumſtotel, Ilpoler Moor, Vegeſack und Umgebung, Eggeſtedt, Brundorf, Heilshorn, Erve, Stotel ꝛc., das Artland, Hanenmoor bei Menslage, Andorf, Kl. Bockern, Bippen, Schwagsdorf, Ueffeln, Giersfeld u. a. Im Herzogthum Oldenburg iſt ſie laut den von den Herren Dr. Greve und Dir. Wiepken mir zugegangenen Mittheilungen mit Ausnahme der Marſch allenthalben heimiſch, in den Amtsbezirken Delmenhorſt, Wildeshauſen, Olden— burg ſehr häufig; dort wo Sand- und Moorboden mit dem Marſchboden zuſammen— tritt, geht ſie mitunter noch eine Strecke auf den letzteren über. Somit hätten wir das Auftreten der Ringelnatter durch alle Gebiete unſeres Vaterlandes verfolgt, und es bliebe nur noch übrig, ihre außerdeutſche Verbreitung in allgemeinen Zügen zu behandeln. In Dänemark, als deſſen Bewohner wir ſie bereits durch O. F. Müller kennen, iſt ſie wie auf den übrigen Theilen der jütiſchen Halbinſel die gemeinſte Schlange [Zool. G. 1872 S. 309]. Daſſelbe gilt laut Nilsſon für Skandinavien; in Schweden, wo ſie nach C. J. Sundewall noch im ſüdlichen Nord- u. Weſt⸗ Europa. Süd⸗ u. Mittel⸗ Europa. 286 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Lappland gefunden ſein ſoll, und in Norwegen, wo ſie namentlich in den ſüdlichen Aemtern: Nedenäs (Arendal), Buskerud mit Ringerige (Kongsborg, Modum), Bradsberg oder Tellemarken und Hedemarken, häufig iſt, erreicht ſie die Nordgrenze ihrer Ver— breitung zwiſchen dem 65. und 66. Grad n. Br.; außer auf dem Feſtland hat man ſie auf verſchiedenen Inſeln, Hval— Oerne im Ehriſtiania⸗Fiord, Gottland, Gottska Sandö, beobachtet. Ju den öftlichen und mittleren Provinzen der Niederlande iſt Sie, wie Herr L. van der Veen mir ſchreibt, zeer algemeen; bezüglich der weſtlichen Nordſee-Provinzen, Zeeland, Süd- und Nord-Holland, hatte Schlegel früher angegeben, daß ſie dieſen mangele, indeſſen ließ er 1880 durch Herrn Prof. K. Martin mich wiſſen, daß ſie auch bei Amſterdam, Nord-Holland, angetroffen worden ſei. Ueber Belgien fehlen noch genaue Nachrichten, doch theilt Selys-Longchamps mit, daß natrix in den Gebirgen am rechten Maas⸗Ufer ſowie in den Ardennen zahlreich, außerdem auch im Hennegau und in der Umgegend von Löwen vorkomme; und in Luxemburg findet ſie ſich, laut A. de la Fontaine, von den Ardennen bis in die Moſel-Ebene überall. Auch in Frankreich dürfte ſie, wie ſchon Latreille i. J. 1800 hervorhebt, und wie man aus ihrem Auftreten in denjenigen nördlichen, öſtlichen, weſtlichen und ſüdlichen Departements, über welche ſichere und eingehende Aufzeichnungen vorliegen, zu ſchließen berechtigt iſt, allgemein verbreitet ſein. Jenſeits des Kanals gehört die Ningelnatzer, wie Flemming, Bell und Cook berichten, England, Wales und Schottland an, während fie wie überhaupt alle Schlangen auf Irland vermißt wird). In England hat man ſie in den verſchiedenſten Gegenden nachgewieſen, ſo in den Graf— ſchaften Cornwall und Devon im Südweſten, Hereford, Shrop, Lancaſter (Liverpool) und in Nord-Wales im Weſten, Kent (Cobham), Cambridge, Suffolk, Norfolk und Weſt⸗Riding (Leeds) im Oſten; in Schottland macht ſie ſich ſeltener. Aus Frankreich tritt ſie einerſeits auf die Pyrenäiſche Halbinſel und anderſeits nach Italien und der Schweiz über. In Portugal iſt ſie laut Barboſa du Bocage überall gemein; im nördlichen Spanien, bei Ferrol, Bilbao, Sanabria, hat Steindachner [Novaral, im ſüdlichen, Provinz Sevilla, hat Machado ſie ſchon feſtgeſtellt, ſodaß ſie in den dazwiſchen belegenen Theilen des Königreichs ſicherlich 11 vorhanden 15 wird. In Italien erſtreckt ſich der Verbreitungsbezirk unſerer Schlange, worüber wir durch Bonaparte, de Betta, Camerano, Döderlein, Jan, Maſſalongo u. A. genau unterrichtet find, von Piemont, der Lombardei und Venetien im Norden an bis hinunter zur ſübdlichſten Spitze Calabriens, er begreift auch die Inſeln Sicilien und Sardinien ſowie Korſika in ſich; auf letzteren beiden iſt fie durch die Varietät Cetti vertreten. In den ver— ſchiedenen Kantonen der Schweiz iſt die Natter, Schinz' und Fatio's Vermerkungen zufolge, überall nicht ſelten, ja mancher Orten gemein; im Einzelnen wird mir letzteres von den Herren Dr. Fr. Müller für die Umgebung Baſel's, DDr. G. Beck und Th. Studer für das Aar- bezw. Haslithal, M. Hoffmann für die Umgebung des Genfer See und H. Fiſcher— Sigwart für das mittlere Schweizer Hochplateau (Solo— thurn, Aargau, Luzern) berichtet. In Oeſterreich-Ungarn, einſchließlich des Okkupations— Gebietes (Bosnien, Herzegowina), iſt, wie Prof. A. von Mojfifovicz bekundet, T. natrix wohl faſt allerorts gemein, mindeſtens wird ſie allenthalben geſehen und tritt in manchen Gegenden in geradezu enormer Menge auf; ſie bewohnt die feuchte Niederung wie das Hügelland, die Alpen-Vorlandſchaft und geht im Gebirge bis zu 2000 Meter Seehöhe Man hat die Ringelnatter mehrfach in Irland eingeführt, jo während der 30er und 40 er Jahre in die Grafſchaften Down (Downpatrik) und Tipperary (Clonmel), indeß der ſtrenge Winter und insbeſondere die abergläubiſche Verfolgungswuth der Iren ließen ſie bald wieder verſchwinden. Erſte Art. Ringelnatter. 287 hinauf. Von der Bodenſeeſtadt Bregenz und Bludenz in Vorarlberg, wo Bruhin ſie beobachtete, und von Nordtirol an durch die Alpen- und Karſt-Gebiete bis hinunter zur Narenta in Dalmatien und der Herzegowina, wo die ſchöne gelbgeſtreifte Varietät ungemein häufig ſich zeigt, von den Gemarkungen Böhmens, Mährens und Nieder— Oeſterreichs, wo ſie an Gewäſſern aller Art eine der bekannteſten Erſcheinungen bildet, durch Galizien und die weiten Landſchaften der Donau- und Theis ⸗Diſtrikte bis nach Süd⸗Ungarn, „in deſſen Riedgegenden die Ringelnatter unſäglich gemein iſt“, dem Banat und Siebenbürgen bevölkert ſie laut Bericht der betreffenden Fauniſten alle zuſagenden Oertlichkeiten. Aus den Donau Tiefländern verbreitet fie ſich über die Balkan-Halbinſel bis zur Südſpitze Griechenlands, in welchem Lande die Ringelnatter nach den Erfahrungen J. de Bedriaga's [Griechenland], „allerorts die gemeinſte Schlangenart iſt und koloſſale Dimenſionen erreicht“; O. Böttger verzeichnet in ſeiner Arbeit über die Reptilien Griechenlands Funde aus Attika (Tatoi in Pentelikon) und Akarnanien, Süd-Eubba (Dyſtos), Morea, von der joniſchen Inſel Corfu, den Cykladen— Inſeln Tinos und Syra und der türkiſchen Inſel Chios. Von der Türkei aus zieht ſie ſich am Nordufer des Schwarzen Meeres herum. Aber dem Verbreitungsbezirk unſerer Natter gehören nicht nur die ſüdlichen Theile des europäiſchen Rußlands, Beſſarabien, Podolien, Süd-Rußland, die Krim und die kaukaſiſchen Länder an, er umfaßt überhaupt, wie die auf Angaben zahlreicher Beobachter ſich ſtützende Zuſammenſtellung A. Strauchs darthut, ſämmtliche weſt-, mittel- und oſtruſſiſchen Provinzen und Gouvernements bis etwa zum 60. Grad n. Br., im Weſten ſogar noch etwas darüber, bis ins ſüdliche Finnland, hinauf; und wenn ſie ſchon in Polen, Lithauen häufig (weniger in den baltiſchen Strichen) vorkommt, ſo iſt ſie in den waſſerreichen kleinruſſiſchen und Wolga-Kaspi-Gebieten ſehr gemein. Sie über— ſchreitet dann den Ural und dringt nach Oſten hin durch die Emba-Gegenden und Kirgiſen-Steppen bis zum Baikalſee (Irkutsk) vor, ſodaß fie Süd-Sibirien vom Ural bis ungefähr zum 122. Grad öſtlicher Ferro-Länge bewohnt. Auf dem Oſtufer des Kaspiſchen Meeres ſcheint ſie nur bis zur Halbinſel Mangyſchlak herabzugehen und dann erſt wieder im äußerſten Südweſtwinkel Transkaspiens, wo Dr. A. Walter 1886 ein Stück (var. persa) beim See Beum-bajch nördlich der Atrek-Mündung erbeutete, aufzutreten. Von hier aber greift der Verbreitungsbezirk, die Inſeln des Aſterabad— Buſens und die nordperſiſchen Provinzen Maſenderan, Ghilan, Aſerbeidſchan oder doch Theile derſelben umfaſſend, um das Südufer des Kaspi herum und erſtreckt ſich durch Transkaukaſien (Abchaſien, Tiflis, Eliſabethpol, Schemachi, Baku, Lenkoran), Armenien, Syrien nebſt Paläſtina (Jeruſalem) und der Inſel Cypern bis zur Weſtküſte Klein— Aſiens (Smyrna, Kiat-Chana). Endlich iſt die Ringelnatter auch in Afrika, allerdings bis jetzt nur in Algerien, wo ſie A. Strauch's Erfahrungen zufolge blos in dem Europa benachbarten Küſtenſtrich (Algier, La Calle) vorkommen dürfte, beobachtet worden. Somit haben wir geſehen, daß der Verbreitungsbezirk der Ringelnatter ſich über 113 Längengrade und etwa 30 Breitengrade erſtreckt und daß die Nordgrenze deſſelben von Skandinavien, zwiſchen 65. und 66. Grad, ſich allmählich zum 52. Grad (Irkutsk) herabſenkt, während die Südgrenze auf dem 35. oder 36. Grad hinzieht und nur in Syrien und Paläſtina eine merkliche Ausbuchtung, bis zum 31. Grad ungefähr, nach dem Aequator zu macht. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Wenn die glatte Natter lichte, ſonnige Waldſtellen und Lehnen und die Kreuzotter moorige, brüchige Strecken mit Vorliebe zur Wohnſtätte wählt, ſo fragt die Ringelnatter in erſter Linie nach dem Vorhandenſein eines Gewäſſers, während ihr die Bodenart und die Beſchaffenheit des Geländes im Rußland. Aſien. Aufenthalt. Häufigkeit. Bewegungen. 288 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Allgemeinen als Nebenſache gilt. Aber ſie iſt in gleicher Weiſe Freundin des Waſſers bezw. der Feuchtigkeit wie der Wärme und der Sonne; und daher will ſie von rauhen, zugigen Hochplateaus und Bergesrücken und den dem unfreundlichen Nord- und Oſtwind ausgeſetzten Gebirgshängen nichts wiſſen, wogegen ſie in den unteren Lagen der Gebirge, am Fuße derſelben keinen Unterſchied hinſichtlich der Himmelsrichtung macht. So wurde ſie auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb nur vereinzelt, auf den eigentlichen Höhen des Schwarzwaldes, des Erz-, Lauſitzer und Rieſen-Gebirges und des Oberharzes noch nicht gefunden; an zuſagenden Oertlichkeiten aber geht ſie in Württemberg laut Prof. Eimer bis 360 Meter, in der Rhön laut F. Keller bis 1500 Fuß, im Teutoburger Wald laut H. Schacht bis 1200 Fuß hinauf, auf der Pfändler-Kette in der Nähe Lindaus, die etwa 2500 Fuß hoch iſt, ſoll ſie öfter geſehen und gefangen worden ſein, im Kanton Aargau liegen laut H. Fiſcher-Sigwart die oberſten Punkte ihrer vertikalen Verbreitung in derſelben Höhe, 700 bis 800 Meter, gleichfalls aus einer Höhe von 2400 Fuß, nämlich vom Außerberg bei Visp in Wallis erhielt Prof. Studer ein Stück, indeß ſteigt ſie nach Fatio in den Alpen der Schweiz bis zu 1650 Meter (5000 Fuß), nach Gredler in Tirol bis zu 6000 Fuß (2000 Meter), und nach L. Camerano in Piemont ſogar bis zu 2300 Meter (7000 Fuß) unbedingter Höhe empor. In der Regel, das ſei nochmals betont, giebt ſie der Ebene und dem Hügellande den Vorzug und ſchlägt da gewöhnlich in der Umgebung eines Teiches oder Weihers, eines Wieſen— grabens oder Fluſſes, an und in Sumpf und Altwäſſern ihr Standquartier auf: ſie vermag dort ebenſo bequem ihren Hang nach Feuchtigkeit zu befriedigen wie ihre Nahrung zu erlangen, und daher begegnet man ihr in ausgedehnten Flußniederungen, ſo denen Ungarns und der Donautiefländer, ganz beſonders häufig. Unter entſprechenden Ver— hältniſſen ſtört es ſie auch nicht, wenn das Gewäſſer dicht an einer Straße, bei einem Gehöft, an oder gar inmitten einer Ortſchaft ſich befindet; im Gegentheil, oft genug ſucht ſie von dort aus Haus und Hof der Menſchen auf, um ſich im Garten und Park, in Kellern, Mühlſpeichern, Ställen anzuſiedeln — wie ſie denn beiſpielsweiſe früher in alten nahe dem Waſſer gelegenen Gartengrundſtücken Berlins häufig war — oder doch wenigſtens ihre Eier in Miſtbeeten, Dungſtätten, Lohhaufen, Viehſtreu, im Sägemehl der Schneidemühlen u. ſ. w. abzulegen. Da die alten Burgen mit Waſſer— gräben und Mauern umzogen und zuweilen außerdem an naſſen Oertlichkeiten angelegt waren, ſo erſcheint es ganz natürlich, daß zahlreiche Ringelnattern in und an ihnen hauſten und heute noch in den Ruinen, die vermöge der eingeſtürzten und verfallenen Gewölbe und Mauern und Wälle und des dieſelben umwuchernden Gebüſches Sicherheit und Schlupfwinkel gewähren, ſich aufhalten. In feuchten Waldungen, namentlich Laubhölzern, trifft man ſie auch an, vornehmlich des Sommers, nachdem die Fröſche vom Waſſer weg an derartige Plätze ſich zurückgezogen haben; nicht minder werden verfallene Steinbrüche, die eine Waſſerlache und Strauchwerk aufweiſen, als Aſyl erwählt; zur Sommerzeit jagt die Natter auch auf feuchten Kartoffelfeldern und Rüben— breiten, auf weite, trockene Sandflächen und dürre Haideſtrecken hingegen verliert ſie ſich nur ſelten einmal. Vor dem ſalzigen Meerwaſſer ſcheut ſie ſich nicht, denn man hat ſchon öfter Ringelnattern in der See ſchwimmend geſehen. Der Meinung Egid Schreiber's, daß die Stammform der natrix und ihr naheſtehende Stücke gewöhnlich in Sümpfen leben, die längsgeſtreiften und ſchwarzen Formen aber häufiger in klarem, fließendem Waſſer vorkommen, kann ich meinen Erfahrungen zufolge nicht beipflichten. An dem einmal gewählten Standort hält die Ringelnatter gern feſt. Allein die in Deutſchland ſtetig weiterſchreitende Trockenlegung der Sümpfe, die um ſich greifende Bebauung der bisher ungenutzten Theile der „Wildniß“ und die damit Hand in Hand Erſte Art. Ringelnatter. 289 gehende Beunruhigung der Thierwelt rauben unſerer Natter gar manche ihrer zum Aufenthalt und zur Eierablage dienenden Stätten und verdrängen ſie vielorts, ſodaß ſie da und dort nur ſelten noch auftritt oder gänzlich verſchwunden iſt. Blinde Ver— folgungswuth unſerer „aufgeklärten Zeit“ trägt auch das ihrige bei zur Abnahme der hübſchen Natter, die, wenn auch nicht zu vergleichen der Mauer-Cidechſe, ihrerſeits dem Menſchen anſcheinend ſo gern mit Vertrauen entgegenkommt. Wie freudig ſie jede paſſende Gelegenheit zur Anſiedlung beim Schopfe nimmt und dann ſich ausgiebig vermehrt, erhellt beiſpielsweiſe aus einer Mittheilung des Med.-Rathes Müller zu Calw in den „Württ. naturw. Jahresheften“ 1875, S. 30. Danach war die Ringel— natter früher in den lauen Thermen von Liebenzell im Schwarzwald ſo häufig, daß, als in den zwanziger Jahren die längere Zeit unbenutzt gelegene Badeanſtalt daſelbſt wieder eingerichtet wurde, der neue Beſitzer geraume Zeit zu kämpfen hatte, bis er ſie aus allen Winkeln des Hauſes, in denen ſie ſich eingeniſtet, vertreiben konnte. Immerhin ſehen wir in der Ringelnatter heute noch unſere verbreitetſte, faſt aller Orten bekannte Schlange. Ihre Zuflucht findet ſie je nach der Beſchaffenheit des Aufenthalts im Binſicht und Ried, unter Buſch- und Strauchwerk, in Erdhöhlungen und Mauerlöchern, geeigneten Falls im Waſſer ſelbſt. Das ſich ihr bietende Gebüſch weiß ſie bei der Flucht geſchickt zur Deckung zu benutzen. Ich habe beiſpielsweiſe im Juni 1880 an einem mit hohem und niederem Geſträuch umſtandenen Gewäſſer bei Tegel eine Ringelnatter mehrere Minuten lang verfolgt, ſie kroch unbehindert durch das Buſchwerk munter am Ufer entlang und kehrte, als ich ihr einmal einen Bogen abgeſchnitten hatte, ſofort um, als wüßte ſie genau, daß die mir ins Geſicht peitſchenden Zweige und die unteren Aeſte meine Schritte genugſam hemmten, um ihr ein Ent— kommen zu Lande bequem zu ermöglichen; erſt als ſie an einer deckungsloſen Stelle angelangt war, ging ſie ins Waſſer. Das letztere, mag es ein Graben, ein Fließ ſein, ſuchen dagegen jene Stücke, die man etwa im Wieſengras auf der Froſchjagd antrifft, ſchnellſtens auf. Sie bewegt ſich überhaupt gern und gewandt, wennſchon ſie auf ebenem Boden dem Menſchen nicht entrinnen kann. Während des Tages ſtreift ſie, falls ſie nicht ein, oft über eine und mehrere Stunden ausgedehntes Sonnenbad nimmt, da- und dorthin, um der Jagd obzuliegen. Indeß bleiben dieſe Streifereien in engen Grenzen. So fand ich ein weißgebändertes Exemplar (var. persa), das mir entwiſcht war, nach einigen Tagen nur wenige Meter von unſerem Hauſe entfernt auf einem großen Kompoſthaufen des anſtoßenden Nachbargartens wieder; ein zweites Stück hatte ſich, da ja die im Zimmer befindlichen, allerdings nicht für derartige un— gebetene Gäſte beſtimmten Gefäße Waſſer, Kaulquappen und Molche darboten, gar nicht mal bemüßigt geſehen, das Haus zu verlaſſen, ſondern unter einem auf dem Balkon ſtehenden Terrarium, wo ich ſie nach zwei Tagen entdeckte, ſich einquartiert und bei „reiner Luft“ den Amphibien, deren plötzlich abnehmende Zahl das verrieth, Beſuche abgeſtattet. Nur unpaſſende Verhältniſſe veranlaſſen ſie zu weiteren Wanderungen: von den ſechs Ringelnattern, welche James Cleland in ſeinem Garten zu Rathgael Houſe, Grafſchaft Down in Irland, ausgeſetzt hatte, wurden die eine etwa eine Woche danach in Milecroß, 3 Meilen entfernt, und drei andere kurz nachher in derſelben Entfernung vom Ausſetzungsplatze getödtet. Zuweilen geht ſie auch weit in die See hinaus: H. O. Lenz theilt mit, daß C. Irminger, Kapitän der däniſchen Orlogsbrigg „Adler“, Ende Juli 1849 auf offenem Meere, 3½ Meilen von der nächſten Küſte, der Inſel Rügen, eine ſchwimmende Ringelnatter mit Hilfe eines Bootes einfing und fie dann an den Kopenhagener Forſcher Eſchricht ſandte; und laut Dr. Gray und A. Strauch wurde eine natrix 25 Meilen von der norwegiſchen Küſte entfernt auf 19 Weſen. Ernährung. 290 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. hoher See bemerkt und mittelſt eines Eimers erlangt. Sie vermag alſo recht aus— dauernd zu ſchwimmen, obſchon nicht ſchneller, als daß man ſchwimmend bezw. am Ufer entlang gehend ihr nicht folgen könnte. Gewöhnlich hält fie ſich dabei an der Oberfläche des Waſſers, den fortgeſetzt züngelnden Kopf über dieſelbe emporgeſtreckt, mitunter aber ſchlängelt ſie zwiſchen Spiegel und Grund hin. Daß ſie unter Waſſer eine Viertel-, eine halbe Stunde oder noch länger auszuharren im Stande iſt, wird ſicherlich ſchon mancher Naturfreund an freilebenden oder im Zimmer gepflegten Thieren beobachtet haben. Will ſie tauchen, ſo ſtößt ſie, je nachdem jenes bedächtig oder plötzlich geſchieht, die in ihrer weiten Lunge befindliche Luft langſamer oder raſcher aus, um ſich ſchwerer zu machen, während ſie bei Antritt einer Schwimmtour durch reichliche Aufnahme von Luft ihr Gewicht beträchtlich erleichtert. Für Klettern ſchwärmt ſie nicht, ſie iſt eine Erd- und Waſſernatter, und nur manchmal erſteigt ſie einen Buſch oder ſtrauchartigen Baum, um oben vielleicht auf Laubfröſche zu fahnden oder ſich zu ſonnen. So anmuthig ihre Bewegungen, ſo friedfertig ihr Weſen. Eine Ringelnatter, welcher man ſich nähert, nimmt nicht wie Kreuzotter und Glattnatter eine Ver— theidigungsſtellung an, ſondern ſucht ihr Heil in der Flucht. Eingeholt und ergriffen, beißt ſie nur in ſeltenen Ausnahmefällen zu, vielmehr ſtrebt ſie durch Aufblähen des Körpers, ſtarkes Ziſchen und Entleerung ihres kalkweißen Unrathes und Stinkſaftes den Verfolger einzuſchüchtern und zu ſchrecken und vermöge derartiger paſſiver und aktiver Wehrmittel, unterſtützt noch durch heftige Windungen des Körpers, den Händen des Fängers zu entkommen, was ihr bei furchtſamen Gemüthern auch gelingt. Eine Beſchmutzung der Kleider und Hände kann man aber leicht verhindern, indem man die Natter an der Schwanzſpitze faßt und raſch in die Höhe hebt; ſie vermag dann auch nicht ihren Kopf zu Hand und Arm emporzubringen. Wie ſchlecht ſie ſich aufs Beißen verſteht, erkennt man ſo recht aus ihrem Benehmen gegen Raubvögel u. a.: unter heftigem Ziſchen fährt ſie zwar zu, haut aber ungeſchickter Weiſe oft daneben und kann ihnen kaum einen ordentlichen Riß verſetzen. Daß Ringelnattern unter Um— ſtänden, bei Druck und Schreck, leicht in eine Art Starrkrampf oder Ohnmacht fallen, wurde in der allgemeinen Beſprechung der Schlangen, Seite 262, bereits berührt. Ebendort, Seite 263, geſchah auch des widerlichen Bocksgeruches gereizter Thiere ſchon Erwähnung. Dieſer unausſtehlichen Ausdünſtung hat die Natter es wohl zu danken, wenn das Hausgeflügel, ſelbſt die gefräßige Ente, ſie „links liegen“, während es ſich Blindſchleichen gut ſchmecken läßt. Auch dem Beſitzer von Terrarien, welcher friſchgefangene Ringelnattern bekommt, iſt jener üble Geruch eine unangenehme Beigabe; indeſſen je mehr ſich die Thiere mit ihrer Lage ausſöhnen und je öfter ſie angefaßt werden, um ſo ſchneller verliert ſich derſelbe. Daher giebt der erfahrene Ad. Franke, um „den Geſtank ſchon den erſten Tag zu beſeitigen“, den Rath, die Natter von Zeit zu Zeit in die Hand zu nehmen und ſie dadurch von der Angſt und Scheu, die muthmaßlich die eigentliche Veranlaſſung dieſer Ausdünſtung ſind, zu be— freien. Die Ringelnatter zählt überhaupt zu denjenigen Schlangen, welche im Laufe der Zeit ihre Schüchternheit ablegen, den Pfleger kennen lernen und ihm das Futter ſogar aus der Hand nehmen: dann wird unſere Natter auch dazu gebracht, todte Fiſche, ganz oder in Streifen geſchnitten, und ſelbſt fingerlange, daumendicke Stücke rohen Rindfleiſches zu verzehren, und zur Freude des Pflegers jahrelang in der Ge— fangenſchaft ausdauern. Wie Sinne und Eigenſchaften der Schlangen ſchon beſprochen wurden, ſo haben wir in der Einleitung auch hinſichtlich der Ernährung der Ringelnatter bereits Erſte Art. Ringelnatter. 291 manchen Punkt, ſo die Art und Weiſe des Packens und Verſchlingens, erörtert. Die eigentliche Nahrung unſerer Schnake beſteht in Fröſchen, vornehmlich in braunen und Laubfröſchen. Die letzteren erlangt ſie vorwiegend oder ausſchließlich im Frühjahr, wenn ſie zur Paarung ins Waſſer kommen, die braunen Fröſche ſtehen ihr während der ganzen warmen Jahreszeit, am Waſſer, in Sumpf und Wald, auf Wieſe und Acker, zu Gebote. Grüne Teichfröſche ſagen ihr nicht ſo zu. Hingegen ſind ihr die Kaulquappen aller Fröſche und Kröten, welche ſie fängt, indem ſie mit geöffnetem Maul unter dem Waſſer hin- und herſchwimmt, ſehr willkommen. In ſolcher Weiſe erbeutet ſie auch kleine Fiſche (Karpfen, Karauſchen, Schleihen, Bitterlinge, Orfen, Ellritzen, Gründlinge, Weißfiſche, Schmerlen, auch Aale), falls ſie es nicht vorzieht, ſich um einen Pfahl, eine Schilfſtaude zu winden oder auf einem Steine ſich zu lagern und den Floſſenträgern aufzulauern, den in ihr Bereich kommenden zu packen und an Land zu verſchlingen. Kleine Fiſchchen, junge, weiche Waſſermolche und ſoeben entwickelte Froſchlurche machen auch den Speiſezettel junger Ringelnattern aus. Er— wachſene Thiere nehmen gelegentlich große und kleine Tritonen, unter Umſtänden ſogar Feuerſalamander, manche verſchmähen ſelbſt Kröten und Unken nicht; doch gehören Kröten nicht zur tagtäglichen Koſt der Ringelnatter, da ſie einerſeits als Nachtthiere ſelten der letzteren begegnen und anderſeits infolge ihres breiten, dicken, derbhäutigen Körpers beim Verſchlucken Schwierigkeiten bereiten. Bei gutem Appetit verſpeiſt eine Ringelnatter drei, vier, fünf große Fröſche oder mehrere Dutzend Jungfröſchchen bezw. Kaulquappen hinter einander. Die Beute wird erfaßt, wie es eben der Zufall mit ſich bringt. Aber gern ſucht ſie den Fang dann ſo zu drehen, daß der Kopf zuerſt in ihren Rachen gelangt; denn wenn es ihr auch gelingt, einen kleineren Froſch mit den Hinterbeinen voran hinabzuwürgen, ſo wird ihr das doch unmöglich bei ſtarken Fröſchen, bei plumpen Kröten und bei den Fiſchen, deren Rücken- und Bauchfloſſen Widerſtand leiſten (vergl. S. 258). Eidechſen, Mäuſe, Schnecken habe ich weder ver— zehren ſehen noch in dem ausgeſpieenen Fraß bezw. im Magen einer Ringelnatter ge— funden; wohl aber bemerkt man in demſelben zuweilen hartſchalige Reſte von Käfern u. a., welche mittelbar (im Speiſekanal der verſchlungenen Lurche) in das Ver— dauungswerkzeug der Natter gelangten. Daß die natrix gleich anderen Schlangen zuweilen Waſſer trinkt, wiſſen wir, auch leckt eine gefangen gehaltene wohl mal von der hingeſetzten wäſſerigen Milch; allein daß freilebende an Milch gehen oder gar den Kühen die Euter ausſaugen, iſt eine ebenſo alte wie grundfalſche Meinung. Nachdem die Ringelnatter ihren im Oktober oder November begonnenen und gern gemeinſchaftlich in Kompoſthaufen, in Höhlungen unter Waldbrücken, in mulmigen Baumſtubben an Gewäſſern, in und unter Torfſtapeln, in Erdhöhlungen u. a. ver— brachten Winterſchlaf abgeſchloſſen, und je nach der Witterung von April oder früheſtens Mitte März ab einige Wochen lang an den Strahlen der Frühlingsſonne ſich gelabt hat, fängt das eigentliche Sommerleben an: ſie ſieht ſich nach Nahrung um, ſtreift ihr Winterkleid ab und ſchreitet von Mitte Mai ab zur Paarung. Bei außergewöhnlicher Wärme geſchieht letzteres wohl ſchon bald nach dem Erwachen, wie denn W. v. Reichenau unſere natrix einmal bereits am 30. März bei Mainz in copula fand. Indeß die regelrechte Begattungszeit dauert etwa von Mitte Mai bis gegen Ende Juni. Außer dieſer eigentlichen Paarung hat man ſchon verſchiedenfach eine zweite Vereinigung der Thiere, im September oder Oltober, beobachtet. Ad. Franke, welcher dieſe Herbſt-Begattung alljährlich an zahlreichen Paaren verfolgt hat, neigt der Anſicht zu, daß dieſelbe mit einer Befruchtung nicht verknüpft ſei, da er bei ge— öffneten Weibchen keine Andeutung davon wahrgenommen habe; Herr W. Bach-Magde— 19* Paarung. Legeplätze. 292 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. burg indeß ſchrieb mir, daß er am 20. Dezember 1879 von einer Ringelnatter, nach— dem er die Schlangen am 1. Oktober in Begattung getroffen hatte, fünfzehn Eier erhielt, welche leider verdarben; und O. Edm. Eiffe, deſſen im Terrarium gepflegte Ringel- und Würfelnattern ſich ebenfalls im September paarten, theilt im „Zool— Garten“ 1891 mit, daß eine dieſer Würfelnattern im Juni des folgenden Jahres ſieben Eier legte. Da bei den Ringelnattern die Männchen ſtets kleiner bleiben als die Weibchen, ſo weichen an und für ſich ſchon die Gatten hinſichtlich der Größe voneinander ab; allein manchmal vereinigen ſich Thiere, von denen das Männchen vielleicht nur ein Dritttheil der Körperlänge ſeines Weibchens beſitzt. Wie die Ringel— nattern, gleich anderen Schlangen, geeignete Stellen zum Winterſchlaf, zum Sonnen, zur Eiablage aufzuſuchen, mittelſt eines gewiſſen Ortsſinnes immer wiederzufinden vermögen und, da ſie eben alle ſolche Stätten zu ſchätzen wiſſen, gemeinſchaftlich (zu zwei bis zehn oder dreißig Stück) benutzen, ſo trifft man ſie an paſſenden, ſonnigen, windſtillen Oertlichkeiten, wo ſie vielleicht ſchon vor der Paarungszeit an der ſtrahlenden Wärme ſich erquickten, auch oft geſellſchaftlich in Begattung an. Es iſt nicht der Geſelligkeitstrieb, der ſie hier, wie Leydig ſchließt, zu Zuſammenkünften führt, es iſt nicht ein zielbewußtes Sichverſammeln zum Zwecke der Fortpflanzung, ſondern es iſt die Behaglichkeit, die paſſende Beſchaffenheit des Plätzchens, was die Thiere dahin zieht und daher zu einer mehr oder minder zahlreichen Verſammlung Veranlaſſung geben kann. Bietet ein Bezirk mehrere ſolcher Stellen, ſo mindert ſich die Möglich— keit, größeren Geſellſchaften zu begegnen. Dies gilt in erhöhtem Maße hinſichtlich der Eiablage-Stätten. Bekanntlich legt die weibliche Ringelnatter in Miſtbeeten, Dung- und Kompoſt-, Sägemehl- und Lohhaufen, in Erdhöhlungen und Mulm, in und unter Laub und Moos und an ähnlichen feuchtwarmen Orten ihre Eier ab. Haben nun die Thiere eines Bezirks einen ihnen zu dem Zwecke ganz beſonders günſtig erſcheinenden Platz entdeckt, ſo wird er möglichſt von allen in der gedachten Weiſe verwerthet. Und ſo kommt es, daß man zuweilen in Haufen alten Sägemehls u. a. eine große Anzahl Eier findet, zu welcher mehrere Weibchen beigeſteuert haben, und daß zur Zeit der Eiablage an der— artigen Stätten eine Menge von Ringelnattern erſcheinen, während ſonſt dort nur einzelne oder gar keine zu bemerken ſind. Es liegen mehrere Berichte über ſolche auf— fallende Vorkommniſſe vor. Den einen verdanke ich dem Forſtmann Herrn Aug. Staake auf Waidmannsheil bei Wurzen in Sachſen. In einem außer Betrieb geſetzten, weit mit Waſſer gefüllten Steinbruch bei Leulitz hatte Herr Staake an einer beſtimmten Stelle auf dem nach Süden zu belegenen ſteilen Abhang im Juli immer einige Nattern geſehen, und dann auf einmal in den letzten Tagen des Monats nicht mehr. So auch am 1. Auguſt. Da gewahrte er an dieſem Tage, als er einen Schritt am Ab— hang hinunter, nach dem Waſſer zu, trat, in einer Höhlung Schlangen-Eier. Indem der Berichterſtatter nun gemeinſchaftlich mit Herrn Ad. Franke-Stötteritz nachgrub, entdeckten ſie 2 bis 6 Zoll tief in der Erde eine keſſelartige Höhlung, welche ebenſo wie mehrere von derſelben ausgehende kleine Röhren dicht mit Eiern angefüllt war; 309 Stück konnte man zählen, bei den übrigen gelang das nicht, da dieſe klumpen— artig zuſammenklebten, doch waren es mindeſtens noch 300 Stück, es hatten hier alſo im Laufe einiger Wochen (die Eier hatten nach der Schätzung des erfahrenen Franke ein Alter von ein bis drei Wochen) wohl zwanzig bis dreißig Nattern ſich ihrer Eier entledigt. Und daß derſelbe Platz im Jahre oder in den Jahren vorher ſchon zu gleichem Zweck benutzt worden war, erkannte man aus den in der Höhlung noch vor— gefundenen alten Eierſchalen. Die letztere Betrachtung machte auch Herr J. N. Kees Erſte Art. Ringelnatter. 293 in Waldſee (Württemberg), welcher am 14. Juli 1877 im Steinacher Torfmoor, 20 Minuten von Waldſee, beim Abgraben einer alten Kanalbrücke gegen 3000 Ringel— natter⸗Eier auffand. Dieſelben lagerten, zuſammengeklebt zu unregelmäßigen größeren oder kleineren Haufen (hin und wieder auch in Reihen oder einzeln), in ſtark fauſt— großen Löchern, welche auf der Nordſeite des Kanals etwa 40 bis 50 Centimeter unter dem mit Kies und Moorerde vermiſchten Boden und etwa 1,5 Meter über dem Waſſerſpiegel in altem faulen Brückenholz und Moorboden angelegt waren. Schließlich möchte ich noch eines dritten derartigen Fundes Erwähnung thun: Herr Realgymnaſial— Lehrer Wangemann-Sprottau konnte im Sommer 1889 einem Fichtenſtumpf etwa 1500 Nattern-Eier, drei Waſſereimer voll, entnehmen. Da die Paarung der Ringelnattern je nach der Witterung im Mai oder Juni vor ſich geht und die Ausbildung der Eier im Mutterleibe ungefähr zehn Wochen er— fordert, ſo erklärt es ſich von ſelbſt, daß man friſchgelegte Eier ſchon in der zweiten Hälfte Juli, aber auch noch in der erſten Hälfte des September auffinden kann. Die Eier größerer Thiere ſind 26 bis 33 mm lang und 13 bis 16 mm breit, bei denen kleinerer Weibchen gehen die Maße bis 21 bezw. 11 mm herab. Ihre Geſtalt iſt die eines ſchönen Ovals, ausnahmsweiſe findet man auch furzeiförmige oder aber fait birnförmige; einmal, am 29. Juli 1880, ſtieß bei mir ein Weibchen, nachdem es acht Eier abgeſetzt, hinterher ſchnell noch eine ſpiralig gewundene Maſſe Eihautſtoff aus. Die Stückzahl eines Geleges beträgt je nach der Größe und dem Alter des Thieres 6 bis 30 oder gar 40, meiſtens jedoch 15 bis 25. Das Weibchen giebt die Eier an einem und demſelben Orte und unmittelbar hinter einander ab. Allerdings verſtreicht zwiſchen dem Ablegen der einzelnen immer eine Anzahl Minuten, eine Viertel- oder halbe Stunde oder noch mehr und jedes wird nach wiederholten krampfartigen Preſſungen („Wehen“) zu Tage gefördert; ein fünf Wochen in Gefangenſchaft befindliches Weibchen beiſpielsweiſe, deſſen erſtes Ei ich am 16. Juli frühmorgens bemerkte, legte in der Zeit zwiſchen 8 Uhr 11 und 8 Uhr 40 Minuten das zweite, dann bis 9 Uhr 4 Min. das dritte, bis 9 Uhr 22 Min. das vierte Ei, worauf es bis 10 Uhr 13 Min. eine längere Pauſe machte u. ſ. f. Die Natter hebt beim Legen die Aftergegend bogen— förmig in die Höhe und verändert im Allgemeinen ihre Körperlage nicht. Daher kommt es, daß die Eier, deren Haut im feucht-friſchen Zuſtande kleberig iſt, nach dem Ablegen aneinanderſtoßen, zuſammenhaften und nun einen Klumpen, eine Traube, ſeltener eine Reihe bilden; nie aber kann davon die Rede ſein, daß die Eier eines Geleges perlſchnurartig verbunden ſind oder gar „in einem gemeinſamen Schlauche perlſchnurartig zuſammenhängen“, wie in vielen Büchern zu leſen iſt. Ebenſowenig darf man als Regel hinſtellen, daß die abgelegten Eier eine nur dreiwöchige Nachreife („Ausbrütung“) brauchten. Unter Umſtänden kann ja die Ent— wickelung des Keimlings in den noch im Mutterleibe befindlichen Eiern ſoweit vor— ſchreiten, daß die Friſt bis zur vollendeten Reife der abgegebenen Eier, d. h. alſo bis zum Ausſchlüpfen der Jungen, um mehrere Wochen verkürzt wird und ſomit nur einige wenige Wochen umfaßt; und auf ſolchen Fällen beruht ſchließlich auch die An— gabe des Verfaſſers der „Schlangenkunde“ H. O. Lenz, daß im Auguſt, wenn die Eier gelegt würden, die Jungen darin „noch nicht ganz“ ausgebildet ſeien und daß die Eier deshalb noch drei Wochen ..... geſchützt liegen müßten, bevor die Jungen die nöthige Länge von 6 bis 8 Zoll erreichten — aber das darf man doch nicht verallgemeinern! Es werden vielmehr unter gewöhnlichen Verhältniſſen die Eier in einem ſolchen Stadium abgelegt, daß ſie noch einer Nachreife von 7 oder 8 Wochen bedürfen. Die Entwickelung des Embryo hat natürlich auch dann ſchon begonnen, und bereits in der Eier. Entwickelung. Junge. Fleiſch. Namen. Synonyma. 294 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. zweiten Woche iſt der letztere jo weit, daß man den vogelembryo-artigen Kopf, die hervortretenden dicken Augen und die Herzthätigkeit wahrnimmt; mit der dritten Woche bemerkt man einige farbige Flecke an den Seiten (vergl. Seite 281), die Zeichnung wird bis zur ſechsten Woche allmählich deutlich, nur das ſpäter gelbe Halsband er— ſcheint noch weiß; ſieben Wochen alte Thierchen kriechen nach gewaltſamer Heraus- nahme aus dem Ei zwar bereits fort, ſind aber noch nicht lebensfähig; nach ungefähr acht Wochen endlich entſteht in der Eihülle ein feiner Spalt, der ſich erweiternd dem Natterchen den Durchbruch geſtattet, das ſich vor dem Herauskriechen erſt vorſichtig und neugierig umſchaut. Ad. Franke-Stötteritz, welchem zu dem Zwecke geeignete Ein— richtungen und wiederholt reichhaltiges Material (unter Anderem auch die auf S. 291 erwähnte Leulitzer Ausbeute) zur Verfügung ſtanden, hat dieſe Entwickelungsfolge öfter beobachtet und feſtgeſtellt. Im September trifft man an zuſagenden Orten junge Nattern an. Schlüpfen die, zum Freileben fertig ausgerüſteten Jungen (Seite 281) ſpät im Jahre, bei ſchon rauher Witterung aus, ſo ſuchen ſie alsbald eine Winter— herberge auf, und kraft ihres mit auf die Welt gebrachten Fettpolſters vermögen ſie ohne Nahrungsaufnahme bis zum Frühjahr wohl auszuhalten — dann aber können ſie ſich an jungen Larven der Amphibien gütlich thun. Der franzöſiſche Herpetolog Lataſte meint deshalb [Bull. Soc. zool. de France 1877 pag. 400], die jungen Ringelnattern verließen das Ei nicht im Herbſt, ſondern im kommenden Frühjahr. Indeſſen ſtehen dem alle unſere Erfahrungen entgegen, wie ich anderſeits auch über keinen Fall, daß unmittelbar nach dem Legen der Eier die Jungen ausgeſchlüpft wären, zu berichten weiß. Ueber Nutzen oder Schaden der Ringelnatter brauchen wir uns hier in keine langen Erörterungen einzulaſſen. Ob in Paris wirklich, wie O. v. Löwis angiebt, „jährlich viele tauſende dieſer Nattern als Aale eingemacht, conſervirt und unter falſchem Namen mit dem größten Vergnügen verzehrt werden“, vermag ich nicht zu entſcheiden; erwähnen möchte ich aber, daß H. E. Linck, welcher ſich, um der „Forſcherpflicht“ zu genügen, ein feiſtes Ringelnatter-Weibchen aalartig zurichten ließ, nie ein „trockneres, zäheres, in jeder Beziehung weniger genießbares“ Fleiſch als dieſes, das überdies ſelbſt in ſeiner Subſtanz nicht die entfernteſte Aehnlichkeit mit Fiſchbraten darbot, kennen lernte. Landesübliche Benennungen. Ringel-, Schwimm-, Waſſer⸗Natter, Haus⸗ ſchlange, Unk, Schnake. Niederdeutſch: Snake, Onk; Holl.: Ringslang, Hei-aal; Schwediſch: Allmän Snok, Tomt-, Ring-orm; Engl.: Common Snake; Franz.: OCouleuvre à collier, serpent nageur, anguille de haies; Wallon.: Coulieuvre, Coulieuve; Ital.: Natrice, Biscia dal collare, Biscia d’aqua, Mangiarospi; Span.: Culebra de agua; Ruſſiſch: Ush; Poln.: Waz wodny; Ungar.: Vizi kigyo; Böhm.: Uzovka obecnä. Natrix torquata, Gesner 1621. — Natrix torquata et N. rubetaria, Aldrov. 1640. — Coluber natrix, Linné 1749 |Amoen. Acad. II. — Natrix vulgaris et N. gronoviana, Zaurenti 1768. — Coluber scutatus, Pallas 1771. — Col. helveticus, Bonnat. 1780. — Col. torquatus, Zacep. 1787; Risso 1826. — Col. vulgaris, Razoum. 1789. — Col. bipes, tyrolensis, gronovianus et arabicus, Gmelin 1790. — Col. bipedalis et gronovius, Bechst. 1802. — Col. scopolianus, Daudin 1803. — Natrix torquatus et N. hybridus, Merrem 1820. — Col. viperinus, Metaxa 1823. — Tropidonotus natrix, Boie 1826. — Trop. hybridus et T. Oppelii, Boie 1827. — Col. sieulus, Cuvier 1829. — Col. ponticus, C. persa 1 f Zweite Art. Würfelnatter. 295 et C. minutus (juv.), Pallas 1831. — Trop. ater et T. persicus, Zichwald 1831. — Col. bilineatus, Bibron-Bory 1836. — Natrix Cetti, 6%,“ 1839. — Trop. persa et T. scutatus, Zichw. 1842. — Trop. Cetti, Zeunis 1860. 2. Art: Würfelnatter. Tropidonotus tessellatus (Zaur.). Abbildung: Tafel VII Nr. 1. Jederſeits 2 oder 5 vordere und 5 bis 5 hintere Augenſchilder und 8 (aus- nahmsweiſe 7 bezw. 9) Oberlippenſchilder, deren viertes das Auge unten begrenzt; Schuppen in 19 Cängsreihen; Kopf geftredt, länglich-dreieckig. Aeußere Erſcheinung. Die länglich-dreieckige oder faſt verlängert herzförmige Form des Kopfes, welche dadurch entſteht, daß der letztere, vom Hals deutlich abgeſetzt, nach vorn zu ſich verſchmälert und faſt ſpitzwinkelig zuläuft, giebt ein weſentliches Merkmal dieſer Natternart ab; denn nur bei ganz jungen Thieren iſt der Kopf nach vorn zu wenig verſchmälert, im Gegentheil vorn ziemlich breit zugerundet. Im Vergleich zu dem der verwandten Ringelnatter iſt der Kopf der Würfelnatter alſo ſchmaler, geſtreckter, zugeſpitzter, an den Seiten minder ſteil (vielmehr ein wenig ſchief von oben nach außen und unten) abfallend und flach, ſodaß die großen, rund vor— quellenden Augen von oben völlig ſichtbar ſind und etwas nach oben gerichtet er— ſcheinen. Der Rumpf iſt ſchmächtig zu nennen, in der Mitte wenig oder gar nicht verdickt, an den Seiten etwas eingedrückt und dadurch mehr hoch als breit, im Ver— hältniß zu dem der beiden europäiſchen Gattungsgenoſſen ſchlanker, der fein auslaufende Schwanz mehr abgeſetzt als der der Ringelnatter und durchſchnittlich etwas länger als der der Vipernatter, das Ende mit hornartiger Zuſpitzung oder „nagelartiger Schuppe“. Hinſichtlich der Länge kann es tessellatus nicht mit der Ringelnatter aufnehmen, denn Stücke von Meterlänge, wie fie bei der letzteren Art gar nicht fo ſpärlich anzutreffen ſind, ſtellen bei der Würfelnatter wirkliche Rieſen und Selten— heiten dar. Das größte Exemplar, welches ich erhielt (aus Mähren) maß 86 cm; Egid Schreiber ſagt, daß die Länge des erwachſenen Thieres ſelten mehr als dritthalb Fuß, alſo 78 oder 80 cm, betrage, während laut Geiſenheyner bei Kreuznach oft Stücke vorkommen, die dieſe Länge überſchreiten, und auch meterlange und faſt 5 em dicke Exemplare mehrfach durch die Hände dieſes Gewährsmannes gingen. Von der Geſammtlänge entfällt etwa ein Fünftel auf den Schwanz (bei Totallänge von 70 cm beiſpielsweiſe 13,5 bis 14 em); das heißt mit anderen Worten, die Schwanzlänge verhält ſich zur ganzen Größe wie 1 zu 5,2 bis 5,6. In entſprechender Weiſe wie bei der Ringelnatter ſind auch von den Kopf— ſchildern der Würfelnatter die Augen- und die Oberlippenſchilder die wichtigſten. Aber gerade die Zahl der letzteren und der vorderen Augenſchilder geben im Verein mit der Kopfform und der Färbung und Zeichnung die Merkmale ab, durch welche die Würfelnatter mühelos von der bereits beſchriebenen Verwandten ſich unterſcheiden läßt. An Oberlippenſchildern beſitzt natris jederſeits ſieben, tessellatus hingegen acht, und dieſe acht ſind ſo angeordnet, daß das Auge faſt allein auf dem vierten ruht; beim Vorhandenſein von nur ſieben Supralabialen, was als ſeltene Ausnahme gilt, wird das Auge hauptſächlich vom dritten geſtützt; ebenſo ausnahmsweiſe als ſieben kommen mal neun Oberlippenſchilder vor. Während natrix nur ein Vorder-Augen— Körperbau. Größe. Bedeckung. 296 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchild aufweiſt, hat die Würfelnatter jederſeits mindeſtens zwei ſolcher Schildchen zu eigen, bei vielen Stücken findet man drei, und dazu geſellen ſich meiſt drei oder vier, ſelten fünf hintere Augenſchildchen, Poſtokularen. Bei ſüdruſſiſchen, kaukaſiſchen, uraliſchen Stücken treten in der Regel drei vordere und vier hintere Augenſchilder auf und daraufhin hatte 1771 Pallas, ohne die weſtliche Würfelnatter, von dem Wiener Forſcher Laurenti 1768 mit tessellatus bezeichnet, zu kennen, jene ruſſiſche Waſſer— natter als Coluber hydrus aufgeſtellt. Spätere Zoologen hielten beide als Spezies — Trop. tessellatus ſollte 2 Prae- und 3 Poſtokulare, Trop. hydrus 3 Prae- und 4 Poſtokulare haben —, oder doch, da man ſich von der ſonſtigen Uebereinſtimmung des echten tessellatus und des hydrus überzeugte, als Subſpezies bezw. weſtliche und öſtliche Formen feſt. Das erſtere that vornehmlich Jan, ein Verfahren, das W. Peters 1863 und A. Strauch 1873 mit Recht als ein durchaus willkürliches bezeichneten, da ja öfter Exemplare anzutreffen ſind, welche auf der einen Kopfſeite zwei, auf der anderen drei, oder drei bezw. vier vordere Augenſchilder zeigen und deshalb ſowohl zu tessellatus wie zu hydrus gerechnet werden könnten; das letztere unternimmt noch 1881 J. v. Bedriaga in ſeinen „Reptilien Griechenlands“, indem er die öſtliche Form des tessellatus als Subſpezies hydrus aufrecht erhält, während er für die weſtliche Form mit geringerer Okular— zahl ſogar einen beſonderen Namen: Subſp. oder Var. Laurenti einführt. Daß jedoch die Bedriaga'ſche Muth— maßung: „die im Oſten Europas einheimiſche, meiſtens mit drei Praeokularen verſehene Würfelnatter habe einen begrenzten Wohnbezirk und überſchreite denſelben nicht“, den wirklichen Verhältniſſen nicht entſpricht, wird, abge— ſehen von meinen eigenen Unterſuchungen öſterreichiſch— mähriſch-ungariſcher Stücke, durch die von L. Geiſen— Fig. 31. Kopfbekleidung der heyner an 44 Kreuznacher Exemplaren gemachten Feſt⸗ R e ſtellungen vollauf dargethan. Sechs dieſer 44 Exemplare wieſen auf der linken Seite eine andere Beſchilderung auf als rechts; im übrigen geſtalteten ſich die Zahlen der jederſeitigen vorderen und hinteren Augenſchilder wie folgt: bei 12 Stücken drei und vier, bei 4 drei und drei, bei 2 drei und fünf, bei 11 zwei und vier, bei 6 zwei und drei, bei 2 zwei und fünf, und ein Stück hatte bei zwei Praeokularen ſogar nur ein einziges Poſtokulare. Dieſe Schwankungen hinſichtlich der Augenſchildchen bei Würfelnattern, welche von ein und derſelben Oertlichkeit ſtammen, laſſen es doch mehr als gewagt erſcheinen, von zwei getrennten, auf die Okulare hin begründeten Varietäten oder gar Unterarten ſprechen zu wollen! Auch andere Kopfſchilder gehen zuweilen eine Theilung in zwei Schildchen ein, oder es verſchmelzen, fo z. B. das Wirbelſchild mit den beiden Stirnſchildern, mehrere benachbarte zu einem. Eine große Neigung zu Formveränderungen bekundet auch das Schnauzenſchild. Die beiden vorderen Stirnſchilder (vergl. Seite 247) zeigen etwa die Geſtalt zweier mit der Spitze nach vorn gerichteter, hier aber häufig abge— ſtutzter Dreiecke, die beiden hinteren Stirnſchilder ſind unmerklich länger als die vorderen, dabei ſehr verbreitert, die Brauenſchilder gut halb ſo breit als das zwiſchen— liegende Scheitelſchild und über den Augen deutlich ausgerandet, die beiden Hinter— hauptſchilder groß, nach hinten beträchtlich verſchmälert, nahezu dreieckig, an der Außenſeite von dem länglichen Schläfenſchild und noch zwei ſchuppenartigen Schildchen geſäumt; auf den Oberhauptſchildern und ebenſo auf dem, bei alten Thieren faſt Zweite Art. Würfelnatter. 297 durchweg gleichbreit bleibenden, bei jungen nicht ſelten nach vorn und hinten ziemlich gleichmäßig verbreiterten Scheitel- oder Wirbelſchild macht ſich gern eine kurze Furche bemerkbar. Vor den Praeokularen liegt, gewöhnlich auf das zweite und dritte Ober— lippenſchild geſtützt, das in der Geſtalt recht wandelbare Zügelſchild und vor dieſem das doppelt ſo lang als hohe, mehr oder minder gehälftete Naſenſchild mit dem hinter feine Mitte und nahe an den oberen Rand gerückten Naſenloch. Die Körper— ſchuppen, in 19 Längsreihen geordnet, von länglich-lanzettlicher Form und nach dem Bauch zu an Größe zunehmend, ſind noch ſchärfer gekielt als die der Ringelnatter und zwar ſo, daß die Kiele auf dem Rücken und dem Schwanz (an den Seiten weniger) deutlich als erhabene Längslinien hervortreten und zuſammenſtoßen, wodurch die Natter etwas eigenthümlich geſtreift ausſieht. Die Beſchilderung der Unterſeite ſetzt fi; abgeſehen von den Kehlſchildern, zuſammen aus 158 bis 193, durchſchnittlich aber 164 bis 174 breiten Bauchſchildern, einem getheilten Afterſchild und gewöhnlich einigen 60 (54 bis 76) Schwanzſchilder-Paaren. Färbung und Zeichnung großer und mittelgroßer typiſcher Stücke. Den Grundton der Oberſeite bildet ein Oliven- oder Gelbgrau, Graubraun oder ſelbſt ein ſchönes Braun. Zu dieſer tritt als Zeichnungsfarbe ein Dunkelgrau oder Schwarz. Der Oberkopf allerdings bleibt, wie unſere Abbildung auf Tafel VII ver- anſchaulicht, einfarbig, nur die gelblichen Oberlippenſchilder zeigen faſt ausnahmslos ſchwärzliche Ränder, und von der Spitze der großen Hinterhauptſchilder laufen zu— weilen, ſo auch bei dem auf unſerer Tafel vergegenwärtigten Exemplar aus der Nahe, zwei ſchwärzliche, auf dem Nacken auseinander gehende und ungefähr ein /\ dar— ſtellende Streifen aus; dieſe letztere Zeichnung, welche an eine entſprechende unſerer Vipern erinnert, wird gewöhnlich mit zunehmendem Alter und Dunkelwerden des Thieres matter, undeutlicher. Daſſelbe geſchieht in der Regel auch mit der eigentlichen Zeichnung der Oberſeite, d. h. den fünf (vier) Längsreihen viereckiger oder rundlich— viereckiger ſchwarzer Flecken (Würfel), welche bei typiſchen Stücken ſo regelmäßig mit— einander abwechſeln, daß die ganze Zeichnung des Rückens eine ſchachbrettartige An— ordnung erhält, während ſie bei manchen Exemplaren nur in Geſtalt von unbedeutenden, die Ränder einzelner Schuppen einnehmenden Tüpfeln und Strichen erſcheinen und bei noch anderen die Flecken der Mittelreihen zu einzelnen ſchiefen Querbinden zu— ſammenfließen. Die Unterſeite iſt im Allgemeinen hell (grauweiß, gelblich bis orangegelb) und ſchwarz gefleckt. Oft ſind dieſe ſchwarzen, grau- oder blauſchwarzen Flecken des Bauches ſchön viereckig und ſo mit dem hellen Grundton abwechſelnd, daß auch hier eine ſchachbrettartige oder Würfel-Zeichnung!) erzielt wird. Indeſſen meiſt iſt das Hell und das Dunkel unregelmäßig vertheilt, bald herrſcht der gelbliche, bald der ſchwarze Ton vor; indem Unterſeite des Kopfes, Kehle und zum größeren oder ge— ringeren Theil auch der Hals einfach grauweißlich oder gelb bleiben, beginnt die Fleckung im Verlauf des letzteren oder erſt am Bauch und bald nehmen die Makel, da ſich nicht ſelten zwei oder mehrere vereinigen, an Ausdehnung zu, ſodaß der hintere Theil der Unterſeite längs der Mitte einfach ſchwarz und nur an den Enden der Bauchſchilder bezw. den ſeitlichen Enden der Schwanzſchilder weißlich oder gelb, ja die geſammte Unterſeite des Schwanzes zuweilen ganz ſchwarz erſcheint. Was ins— beſondere die in der Nahe lebenden Würfelnattern anbetrifft, ſo fand L. Geiſenheyner, *) Die Würfelflecken der Ober- und Unterſeite verſchafften der Natter den Namen (tessella = Würfelchen). Stammform. Oberſeite. Unterſeite. Abänderungen. 298 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. daß auch hier nur bei wenigen dunkle und helle Quadrate, von der Größe der Schilderbreite, faſt ſchachbrettartig über die ganze Bauchfläche ſich verbreiten, daß viel— mehr bei den meiſten etwa auf dem zehnten Schild ein dunkler Längsſtreifen beginnt, der, anfangs noch oft unterbrochen, bald ſehr ſchmal bald breiter und meiſt mit ge— zacktem Rande, nach hinten zieht und ſomit die helle Bauchfläche in zwei ſeitliche Längszonen ſcheidet, deren jede bisweilen an den Außenrändern noch durch eine ſchwarze Fleckenreihe eingefaßt iſt; bei manchen ging die Würfelung des Bauches faſt in derſelben Schärfe bis zur Spitze des Schwanzes, bei den meiſten aber wurden auf der Unterſeite des letzteren die hellen Theile etwas dunkler, waren jedoch trotzdem immer deutlich als die helleren Partien zu erkennen, und nur die allerwenigſten der unterſuchten Nattern hatten eine einfarbig ſchwarze Schwanz-Unterſeite. Der genannte Gewährsmann erinnert noch daran, daß man 1 förmlich blau nene Thieren begegnet, welche in dem Beobachter den Glauben erwecken, eine neue Varietät vor ſich zu haben; letzteres ſei indeß nicht der Fall, vielmehr werde das Blau unzweifelhaft durch „Ueberlagerung des ſchwarzen Farbſtoffes von Seiten eines trüben Mittels“ hervorgerufen und als ſolches wirke die undurchſichtig werdende Oberhaut, vielleicht auch die Luftſchicht unter der ſich lockernden Epidermis, man hat alſo das Auftreten von Blau mit dem Vorgang der Häutung in Verbindung zu bringen. — Die Iris, um das hier gleich anzufügen, zeigt einen gelben Pupillarrand und einen zweiten äußeren gelben e oder ſie iſt faſt durchweg dunkel beſprenkelt. Die Zunge iſt hell. Der im Vorſtehenden beſprochene Typus der Färbung, die Stammform, ändert mehrfach ab und es laſſen ſich demgemäß einige Varietäten beobachten: 1. Var. concolor, Jan, gleichfarbige W. Sie entſteht, entſprechend der concoloren Ringelnatter, dadurch, daß die ſchwarzen Würfelflecken der Oberſeite faſt oder völlig verſchwinden und letztere daher mehr oder minder gleichfarbig bezw. ein— farbig olivengrau, graugrün oder lederfarben erſcheint. Niche gerade ſelten. Hierher gehört bezw. hier ſchließt ſich an der von dem ruſſiſchen Akademiker Brandt 1838 be— ſchriebene Coluber (Tropidonotus) elaphoides. Denn die Oberſeite dieſer Würfel— natter-Varietät, weiter iſt es ja nichts, iſt entweder durchaus einfarbig bräunlichgelb- grau, oder aber einfach bleigrau mit kleinem gelblichem Punkte auf dem Rande ein— zelner Flankenſchuppen, beſonders auf jeder Schuppe der jederſeitigen drittletzten Längsreihe, wodurch jederſeits an den Flanken eine ſehr feine helle, allerdings nur in der vorderen Rumpfhälfte ganz deutliche Längslinie entſteht; Oberlippenſchilder und Unterſeite gelb, letztere von der zweiten Rumpfhälfte ab längs der Mitte ſchwarz, am Schwanz durchweg ſchwarz. 2. Var. nigrescens, de Betta (nigra), ſchwärzliche oder ſchwarze W. Ober- ſeits einfarbig grau- bis tiefſchwarz, Unterſeite gleichfalls ſchwarz, höchſtens an den Oberlippenſchildern, der Unterſeite des Kopfes und einzelne Flecke auf den Bauch— ſchildern gelblich. Bei dieſer Varietät hat alſo, im Gegenſatz zu den vorigen, das Schwarz der Zeichnung die helle Grundfarbe ganz verdrängt. Sehr ſelten; aus dem Uralfluß und dem Tſchagan z. B. bekannt. 3. Var. sparus, braungeſprenkelte W. Unterſeite wie bei der Stammform zweifarbig, Oberſeite ebenfalls wie bei der letzteren mit fünf Reihen ſchwärzlicher, jedoch verſchwommener Flecken, dabei indeß dadurch ausgezeichnet, daß die Kiele ſämmtlicher Schuppen braun gefärbt und die Oberlippen- und Schläfenſchilder ſowie die ungekielten Schuppen der beiden äußerſten Längsreihen jeder Flanke mit je einer kleinen braunen Makel geziert ſind. Infolge jener braunen Kielſtriche auf den Schuppen erinnert dieſe Varietät, wie A. Strauch ſchon hervorhob, an die typijche Zweite Art. Würfelnatter. 299 Form der ſüdruſſiſchen Kletternatter Coluber (Elaphis) sauromates. Ganz ver— einzelt vorkommend (Kaukaſus). 4. Var. rubro-maeulosus, rothfleckige W. Grundfarbe und dunkle Flecken der Oberſeite wie bei der Stammform, jedoch die ſenkrecht geſtellten, größeren Seiten— flecken mit gelb- bis ziegelrothen Flecken (Querbändern) abwechſelnd oder vermengt; auch an der Unterſeite herrſcht ſtatt des Grauweiß oder Gelblich ein Roth vor. Hin und wieder vorkommend. An ſie ſchließt ſich an: 5. Var. gabinus (Metaca), gabiniſche W., bei dunkel olivenbrauner Oberſeite unten vorherrſchend ſchwarz und nur an den Enden der Bauchſchilder roth-gewürfelt. 1827 als Coluber gabinus von Metaxa für das römiſche Gebiet angezeigt, findet ſich aber auch anderwärts. 6. Var. flavescens, Werner, gelbliche W. Grundfärbung der Oberſeite ein ſehr helles Gelbbraun, ſo, wie es bei jungen Thieren ſehr häufig iſt. Als ſchwarze Zeichnungen erſcheinen ſymmetriſche Flecken auf der Kopfplatte, Säume der Oberlippen— ſchilder, ein ſchmales Band von dieſen zum Mundwinkel und die bekannte Winkel— zeichnung im Nacken, endlich auf dem Rücken vier Reihen Flecken, oder, wie es bei einem der von Franz Werner unterſuchten Stücke der Fall war, längs der Rücken— mitte ein Zickzackband und an den Seiten große Flecken. Durch dieſes Zickzackband erhielt das Exemplar eine gewiſſe Aehnlichkeit mit der Vipernatter (Prop. viperinus), ſodaß man daraufhin eine Varietät viperinoides begründen könnte. Unterſeite, wie gewöhnlich, gelbweiß und grauſchwarz. Dr. Fr. Werner bekam die Var. flavescens in zwei Exemplaren aus der Umgebung von Zara, Dalmatien, und beſchrieb ſie in den Verhandl. der Zool.-bot. Geſ. Wien 1891 S. 766. Sodann führen italiſche und Schweizer Herpetologen, Bonaparte, de Betta und Fatio, noch zwei Varietäten auf, welche ſich im Gegenſatz zu den vorigen und zur Stammform durch Auftreten von Weiß (neben Schwarz) auf der Oberſeite auszeichnen: 7. Bar. albo-lineata, Bonap., weißgeſtrichelte W. Flanken geſchmückt mit weißen Punkten und weißen Querlinien. 8. Bar. decipiens, de Betta. Auffallend durch zahlreiche weiße Pünktchen (piccoli punti), die an den Seiten in kurzen Querreihen und oben in zwei Längs— reihen, welche die Rückenzone rechts und links begrenzen, ſtehen. Wurde gefunden laut de Betta in der Provinz Verona und von Fatio im Kanton Teſſin nahe bei Lugano. Es hat den Anſchein, als ſeien dieſe beiden Varietäten ausgeſprochene ſüdeuro— päiſche oder italiſche Spielarten, und es iſt auffällig, daß ſie gerade dort, wo die Verbreitungsbezirke der Würfel- und der Vipernatter ſich berühren, beobachtet wurden. Außer den namhaft gemachten Varietäten kommen noch verſchiedene kleinere Ab— weichungen von der Stammform vor, nie aber laſſen ſich gelbe oder weiße Längs— ſtreifen auf der Oberſeite, wie ſie bei gewiſſen Varietäten der Ringel- und auch der Vipernatter auftreten, und Augenflecken (Ocellen) an den Flanken, d. h. runde, ring förmige, ſchwarze, je einen weißen oder gelblichweißen Punkt hofartig umſchließende Flecken, welche zu den charakteriſtiſchen Merkmalen der Vipernatter gehören, beobachten; auch das ſchwarze Zickzackband iſt ein weſentliches Merkzeichen des umſtehend abge bildeten viperinus, was hingegen der Würfelnatter fehlt: das oben erwähnte Werner'ſche Exemplar bildet darin die einzige mir bekannte Ausnahme von dieſer Regel. Das Hervorſtechende des Jugendkleides beſteht in der äußerſt hellen Grund— färbung der Oberſeite: bei ganz jungen Thieren iſt ſie weißlich mit einem Stich ins Jugendkleid. Südweſt⸗Europa. 300 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Graue oder Gelbliche, bei etwas älteren Stücken grau-, grünlich-, röthlich-, ſtroh- und ſelbſt hoch wachsgelb; die beſprochene dunkle Nacken- und Rumpfzeichnung (Flecken) tritt auf ſolch' hellem Grunde ſehr deutlich und beſtimmt hervor, außerdem zeigen ſich auf dem Kopfe ganz junger Exemplare verſchiedene ſchwarze Striche und Makel— zeichnungen, welche jedoch bald vergehen. Die Unterſeite weiſt bei weißlichem Grunde die mehrfach erwähnte ſchwarze Würfelung oder Fleckung auf. Eichwald ſah in der zierlichen, hübſchen Jugendform eine beſondere Art und legte ihr 1831 den Namen Tropidonotus gracilis bei. Geographiſche Verbreitung. Da die Würfelnatter früher oft, ja gewöhnlich mit der Vipernatter vermengt und verwechſelt wurde — auch die zweite Auflage der „Schlangenkunde“ von H. O. Lenz, 1870, hält die beiden Arten noch nicht ausein— ander —, ſo ließ die Feſtſtellung des Wohnbezirkes unſeres tessellatus bis in die neueſte Zeit gar Manches zu wünſchen übrig, und noch heute fehlt es bezüglich mancher Gebiete Sad wet none an genauen, ſicheren Aufzeichnungen. Nachdem A. Strauch 1873 durch ſeine ſchöne Arbeit über die ruſſiſchen Schlangen Vieles zur Klärung der Frage beigetragen; nachdem ferner Egid Schreiber 1874 in ſeiner Her— petologia erklärt hatte, daß die in ſeinen Beſitz übergegangenen, aus Andaluſien ſtammenden „tessellatus“ Roſenhauers alle zu viperinus ge— hörten; nachdem weiter der bekannte langjährige Sammler und tüchtige Kenner der Schlangen u. a. Reptilien Rudolf Effeldt-Berlin im Aprilheft des „Zoolog. Gartens“ 1875 auf Grund ſeiner eigenen Erfahrungen — und der ihm Jahrzehnte hindurch Fig. 32. Vipernatter (Tropidonotus viperinus). zugegangenen Sendungen lebender Nattern mit Beſtimmtheit ausge— ſprochen, daß die Würfelnatter in Spanien, wo viperinus häufig vorkomme, gänzlich fehle — kam A. E. Brehm 1878, in der zweiten Auflage des „Thierlebens“, wiederum mit der Mittheilung, daß nach Angabe ſeines Bruders die Würfelnatter in Spanien faſt ebenſo häufig wie in Italien ſei. Jedoch hat erklärlicher Weiſe dieſe Nachricht nicht Stich halten können; vielmehr führt E. Bosca 1880 in ſeinem Catalog die Würfelnatter unter jenen Arten auf, die er auf der Pyrenäiſchen Halbinſel nicht aufzu— finden im Stande war, und Dr. O. Böttger ſchreibt 1888 an Prof. A. v. Mojſiſovies: „Aus dat as und Spanien habe ich niemals Tr. tessellatus erhalten; alle Stücke haben ſich als viperinus erwieſen. Auch Barboſa du Bocage und Sequeira für Portugal, Boscaà und Seoane und vor allem Boulenger ſtimmen jetzt mit mir darin überein.“ Kurzum: die Würfelnatter mangelt der Iberiſchen Halbinſel. Aber ſie wird auch wenigſtens in den ſüdlichen Theilen Frankreichs durch die Vipernatter vertreten und dürfte nur in gewiſſen Strichen Mittelfrankreichs, um den 48. oder 49. Breitengrad, bezw. nach O. Böttger und A. v. Mojſiſovies in Franzöſiſch-Lothringen ſüdlich des 49. Breitengrades und in einem kleinen Gebiete der weſtlichen Champagne vorkommen. Selys-Longchamps vertritt ſogar die Anſicht, daß tessellatus, der in Belgien ſchon fehlt, auch in Lothringen nicht anzutreffen ſei; im benachbarten Luxem— burg vermochte A. de la Fontaine unſere Natter, trotz aller Bemühungen, nicht zu entdecken. Zweite Art. Würfelnatter. 301 Im Uebrigen umſpannt der Verbreitungsbezirk der Würfelnatter, ſoweit es mit Sicherheit nachgewieſen worden, außer Nord-Afrika und Vorder-Aſien Theile folgender europäiſchen Länder: Italien, Schweiz, Deutſchland, Oeſterreich-Ungarn, Donau— Staaten, Rußland. Was Italien, deſſen Inſeln ſie fehlt, anbelangt, ſo bewohnt ſie die Diſtrikte Roms und Unter-Staliens in geringerer Anzahl als die nördliche Hälfte und das Feſtland der Halbinſel: Toskana, Aemilia, Piemont, Lombardei, Venetien. Von hier aus geht ſie nach Norden in das eigentliche Alpengebiet, wo ſie jedenfalls den Flußthälern des Teſſin (Ticino) und der Etſch folgte. Denn ſie findet ſich, nach Fatio, in der Schweiz nur im Kanton Teſſin. Schinz führt ſie zwar auch für den Kanton Wallis an, doch dürfte dies nicht erwieſen ſein und vielleicht liegt auch hier eine Verwechſelung mit der Vipernatter, welche in den Kantonen Teſſin, Wallis, Waadt und Genf vorkommt, vor; und bezüglich zweier im Berner Muſeum aufgeſtellten Exemplare mit der Fundorts-Angabe „Bern“ — deren eines eine ſchwarze Färbung (nur die Oberlippenſchilder weißlich mit ſchwarzen Hinterrändern) und Ab— weichungen in der Zahl der vorderen Augenſchilder (rechts eins, links zwei) zeigt — theilt Herr Prof. Th. Studer in Bern mir mit, daß die beiden Stücke alte Exemplare der Sammlung ſeien und daß, da die Würfelnatter im Kanton Bern nicht beobachtet worden, bei der Etikettirung wohl ein Irrthum unterlaufen ſei. Sie geht mithin in der Schweiz nicht nach dem Nordrand der Alpen. Weiter bewohnt ſie das Thal der Etſch nicht nur im Unterlauf, venetianiſches Gebiet, ſondern auch im Mittel- und Oberlauf und die Nebengaue, alſo deutſch— öſterreichiſches Gebiet. In Tirol fing de Betta ſie in der Umgebung von Trient und bei Tajo auf dem Nonsberg; V. Gredler giebt ferner als Fundorte St. Florian unterhalb Neumarkt, das Eiſack- und Talfer-Ufer bei Bozen und Sigmundskron, wo ſie von Mitte Mai ziemlich häufig und einzeln auch ſchon Mitte April zu ſehen iſt, ferner den ſogenannten Haarwaal bei Meran, dann Plaus und Rabland im Vinſchgau an, und Settari ſchreibt an Gredler, daß die Natter in Nebengewäſſern der Etſch zu hundert Exemplaren zu beobachten ſei; H. Schalow fing im Juni 1875 auf einem Ausflug von Bozen nach Meran im Etſchthal fünf Exemplare, von denen zwei in kleinen vom Fluß gebildeten Tümpeln umherſchwammen. — Von Tirol aus erſtreckt ſich der Verbreitungsbezirk nach Nordoſten bis Oeſterreich, Mähren und Böhmen in die Flußgebiete der Donau, March und Moldau, von Tirol und Venetien aus nach Oſten bezw. Südoſten bis in das Gebiet der unteren Donau, der Drau und Sau. In Nieder-Oeſterreich findet ſie ſich, nach Fitzinger u. A., nicht ſelten in der Gegend von Wien, Knauer beobachtete ſie hier in der Umgegend der Brühl, Badens (inSbe- ſondere in der Nähe der Krainerhütte) und bei Hainburg; im Zoolog. Muſeum Berlin ſteht auch ein Prop. hydrus mit der Bezeichnung „Wien“. Für Mähren und Dejterr.- Schleſien wird ſie von Heinrich bezw. Haslinger angeführt; in der Umgebung von Brünn tritt ſie laut brieflicher Mittheilung des Herrn W. Burkhart-Brünn häufig auf, namentlich beim Dorfe Obſan. Uebrigens erhielt ich aus Mähren, ebenſo aus Böhmen, ſelbſt Exemplare zugeſandt. Das Vorkommen in Boͤhmen — die erſte An— gabe darüber macht bereits Lindacker, welcher 1791 die Natter als Coluber hydro- philus beſchreibt, und Sturms Fauna (1828) enthält eine Abbildung des Coluber tessellatus und die Bemerkung, daß derſelbe an den Ufern der Beraun, bei Prag ſich finde — iſt mehrfach bezweifelt oder mit einem „wahrſcheinlich“ begleitet worden, wie es noch ſeitens E. Schreibers (1874) geſchieht; doch iſt daſſelbe nun ebenſo ſicher feſtgeſtellt, wie das iſolirt erſcheinende Auftreten der Natter im ſüdlichen Rheinpreußen und im Naſſauiſchen, worauf wir weiter unten eingehen werden, denn Dr. Anton Alpen. Oeſterreich⸗ Ungarn. Balkan⸗Halbinſel. Aſien, Egypten. 302 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Fritſch, deſſen „Wirbelthiere Böhmens“ E. Schreiber wohl entgangen find, jagt: „Sie iſt im mittleren Böhmen faſt ebenſo häufig wie der Trop. natrix, aber in den nörd— lichen und weſtlichen Nachbarländern ſcheint ſie ſchon ſelten vorzukommen.“ Ein Stück aus Prag beſitzt auch das Zool. Muſeum Berlin. Verfolgen wir den Lauf der Donau von ihrem Eintritt nach Ungarn bis zur Mündung, ſo wird in den zugehörigen Gebieten die Würfelnalter kaum einmal fehlen; bei Preßburg und Neuſiedl am See, woher unter Anderen Rud. Effeldt im Jahre 1855 über hundert Stück bekam, iſt ſie ebenſo heimiſch wie in den Donau- und Theiß— Niederungen, auch in Siebenbürgen iſt ſie, nach Bielz z. B. um Klauſenburg, zu Hauſe. Sie geht aber nicht über die nordungariſchen Waldgebirge hinaus und fehlt demgemäß, wie Dr. M. Nowicki mir mittheilte, in Galizien. Ferner iſt ſie eine Be— wohnerin der Gebiete der beiden ſüdlichen Donau-Nebenflüſſe, der Drau und Sau, und zwar ſchon in deren Oberlauf (Kärnthen und Krain) wie im Unterlauf. Von Venetien her zieht ſie ſich durch das Küſtenland, Kroatien und Dal— matien, wo ſie an zuſagenden Orten oft in reicher Auswahl anzutreffen iſt, nach Bosnien, wo ſie Möllendorf um Serajewo, im Bosnathal und ſonſt nicht ſelten beobachtete, der Herzegowina, Montenegro, von wo ſie Herr J. F. Leu in Augsburg erhielt, und jedenfalls auch nach den anderen Donauſtaaten. Da die Würfelnatter im Weſten der Balkan-Halbinſel: Kroatien, Bosnien, Dal: matien, Herzegowina, Montenegro, Albanien, ſowie im Norden derſelben, z. B. bei Tultſcha in der Dobrudſcha durch Steindachner und auf den Schlangen-Inſeln nahe der Donaumündungen (Pariſer Muſeum), und anderſeits in Griechenland nachgewieſen iſt, ſo wird ſie auch den mittleren und öſtlichen Theilen der Türkei nicht fehlen. Als griechiſche Fundorte geben Dumeril-Bibron [Erp. gen.] Morea, J. v. Bedriaga das Velouchi-Gebirge in Antolien, Miſſolonghi in Akarnanien, die Sümpfe der Phaleriſchen Bucht bei Athen, ferner de Betta die joniſche al S. Maura, Erhard die Eyeladen, Erber ſpeziell die Inſeln Tinos und Rhodus, O. Böttger nach v. Oertzen die Inſel Creta, Steindachner-Kotſchy die Inſel Cypern an. Aber ſie bewohnt auch das Feſtland Kleinaſien (Troja, Xanthus, Trapezunt, Euphrat-Thal ze.) und zieht ſich durch Syrien und Paläſtina (Beirut, Galiläa, Seen von Merom und Phiala, Haiffa, Jeruſalem) herunter nach Egypten, von wo fie das Wiener Muſeum durch Zelebor und das Berliner Zoolog. Muſeum (Nr. 1976) erhielt. Doch mangeln bezüglich der Ver— breitung der Würfelnatter im öſtlichen Nordafrika nähere Nachrichten, in den weſtlichen Theilen wird fie wie im weſtlichen Süd-Europa durch die Vipernatter vertreten. Von Kleinaſien läßt ſich ihr Wohnbezirk weiter verfolgen: einerſeits nach Norden durch Trans- und Ciskaukaſien um das Nordufer des Schwarzen Meeres herum — laut A. Strauch findet ſie ſich in Rußland nur in den ſüdlichſten, an das Schwarze, Aſow'ſche und Kaspiſche Meer grenzenden Gou— vernements —, anderſeits oſtwärts durch Armenien, Meſopotamien, Perſien und die kaspiſch-araliſchen Gebiete bis ins öſtliche Turkeſtan oder Thian-Schan— Nanlu, wo ſie bei Kaſchghar und Jangihiſſar, alſo unterm 92. bis 94. öſtlichen Ferro-Grad angetroffen wurde, und wahrſcheinlich geht ſie noch weiter, bis zum Altai-Gebirge. In ganz Transkaspien und Turan begegnet man ihr, laut Strauch, in einigermaßen waſſerreichen Gegenden nördlich bis zu einer Linie von der Ural— Mündung bis zum Nordufer des Aralſee und zum mindeſten bis zum Unter- und Mittellauf des Syr-darja; nach Dr. A. Walter tritt ſie an der Oſtküſte des Kaspi maſſenhaft auf. Im Berliner Zoolog. Muſeum ſtehen Stücke des „hydrus“ von Uralsk und der Halbinſel Mangyſchlak (Var. elaphoides), aus Aſtrachan, der Kirgiſen— Zweite Art. Würfelnatter. 303 Steppe und, durch Minutoli, aus Perſien. Eine Zuſammenſtellung der bekannten vorder⸗aſiatiſchen Fundorte giebt J. v. Bedriaga in ſeinem Verzeichniß der Amphibien und Reptilien Vorder-Aſiens. Werfen wir zum Schluß einen Blick auf Deutſchland. Die Würfelnatter hat deutſches Bürgerrecht erworben, aber nur in einem kleinen, Theile des ſüdweſtlichen Rheinpreußens und Naſſaus einſchließenden Gebiet, nämlich am Mittel-Rhein von Rüdesheim oder Bingen bis Koblenz, im Unterlauf der Lahn etwa von Naſſau bis Lahn— ſtein, in der Nahe bei Kreuznach und Münſter a. St., ſowie bei einigen Orten an der Moſel. Zuerſt wurde ſie in der unteren Lahn, bei Ems, entdeckt und zwar bereits i. J. 1819 durch den Frankfurter Senator H. G. von Heyden, welcher darüber jedoch erſt 1861 im XVI. Heft der Naſſauiſchen Naturk. Jahrbücher berichtete, ſodaß ſeine Entdeckung lange Zeit unbekannt blieb. Für den Rhein wies ſie Dr. Fr. Noll-Frankfurt, welcher die Natter 1869 an der Loreley bei St. Goarshauſen, wo ſpäter — und ebenſo zwiſchen St. Goar und Oberweſel — noch mehr Stücke gefangen wurden, beobachtete, im „Zoolog. Garten“ (1869 S. 299) nach. Sodann ſoll ſie 1870 von Dr. Bach in Boppard gefunden worden ſein. Indeſſen iſt ſie bis heutigen Tages im Rhein nur vereinzelt geſehen worden. Hingegen kommt ſie bei Ems zahlreicher vor; ſchon H. v. Heyden ſagte 1861: „Noch jetzt entſpringen bei Ems mehrere warme Quellen im Flußbett der Lahn und findet man hier und in den Abzugsgräben der Bäder die Schlange nicht ſelten“, und L. Kirſchbaums Mittheilungen ſtimmen damit überein. Noch häufiger tritt ſie in der Nahe bei Kreuznach auf. Das erſte Exemplar der ihm damals unbekannten Schlange kam Herrn Gymnaſiallehrer L. Geiſenheyner-Kreuznach Ende des Sommers 1871 zu Geſicht, während der folgenden Jahre wurde ſie in größerer Anzahl an und in der Nahe geſehen und erlangt und ihre geradezu außer— ordentliche Häufigkeit daſelbſt feſtgeſtellt. Beiſpielsweiſe erbeuteten am 21. Juli 1887 zwei Schüler in nicht ganz einer Stunde über dreißig Stück, meiſt jüngere und mittel— ſtarke Exemplare, indem ſie dieſelben aus ihrem Schlupfwinkel unter den Steinen herausholten. Ihr Vorkommen nahe-aufwärts konnte L. Geiſenheyner mit Sicherheit nur bis in die Gegend von Niederhauſen verfolgen. Bei Münſter a. St. oberhalb Kreuznach iſt ſie nicht ſelten; je näher aber an letztere Stadt heran, um ſo öfter be— gegnet man ihr: zahlreich trifft man ſie an der Saliner Brücke an, nirgend jedoch ſo häufig wie im Beltz und an der Eliſabethquelle. Unterhalb dieſer Gegend zeigt ſie ſich noch oft an Kiskys Wörth und bei den Schneegans'ſchen Mühlen, ebenſo an der alten Nahe. Weiter abwärts jedoch ſcheint ſie ſeltener zu ſein; einer einzigen Herrn Geiſenheyner zugegangenen Nachricht zufolge iſt ſie bei Laubenheim geſehen worden, und Herr Prof. Glaſer, vormals Realſchul-Direktor in Bingen, hat ſie hier trotz eifriger Nachforſchungen nicht entdecken können. Von der Moſel aber wurden erſt i. J. 1888, durch Dr. Fr. Noll, ſichere Funde gemeldet. Das Vorkommen der Würfelnatter auf reichsdeutſchem Gebiet iſt ſonach zweifellos, allein es iſt ein ſporadiſches, ja inſelartiges, und man fragt wohl, wie das zu er— klären ſein möge? H. v. Heyden gab, geſtützt auf das Auftreten der Schlange bei dem alten Badeort Ems, der Vermuthung Raum, daß ſie zur Zeit der römiſchen Er— oberungszüge von den, einen gewiſſen Schlangenkultus treibenden Römern mit nach den ihnen bekannten Heilquellen bezw. ihren Niederlaſſungen auf deutſchem Boden (ſo Ems, Kreuznach) gebracht und hier eingebürgert worden ſei. Dagegen ſprach Fr. Noll die Anſicht aus, die Natter möchte aus Frankreich die Moſel, und dann vielleicht auch die Nahe herab in den Mittel-Rhein eingewandert ſein. Da tauchte noch eine dritte Meinung auf, und zwar in einer Notiz, die das „Neue Jahrbuch für Mineralogie Deutſchland. Einbürgerung, Einwanderung. Verbreitungs⸗ Grenzen. Aufenthalt. 304 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. 1883“ und nach ihm der „Zoolog. Garten“ (1884 S. 28) brachte: „Bei Diez an der Lahn, am Zollhaus bei Hahnſtätten, wurden in einer nur 0,1 Meter breiten, mit Löß ausgefüllten Spalte im Dolomit intereſſante Knochenfunde gemacht, über welche Prof. Sandberger Mittheilung macht. Darunter waren auch die Kiefer und ein großer Theil der Wirbelſäule der Würfelnatter. Die gefundenen Stücke wurden direkt mit der lebenden Form verglichen, und die Würfelnatter, die wie auch die gelbliche Natter längere Zeit als von den Römern eingeführt galt, ſtellt ſich ſomit als uralter Bewohner der Lahngegend dar.“ Nun, das letztere wird man erſt dann ſagen dürfen, wenn der Fund über allen Zweifel erhaben iſt; dann würde die Würfelnatter auf eine Stufe zu ſtellen ſein mit jenen Schnecken- und Muſchel-Arten, die der Jetztwelt! noch angehören und deren Gehäuſe doch gleichfalls ſchon in dem Löß des Rheinthales und deſſen Nebenthäler ſich finden. Die oben wiedergegebene Anſicht H. v. Heydens hingegen erinnert an die Aeskulap Natter, bezüglich deren dieſer Forſcher, da er die Schlange auch nur in der Nähe von Heilquellen und Bädern (Schlangenbad, Baden— Baden) antraf, ebenfalls eine Einführung aus Italien durch die Römer annahm. Doch wird man nicht ſolchen Muthmaßungen ſich hinzugeben brauchen. Denn man muß bedenken, daß die Verbreitung der Mauer- und namentlich der Smaragd-Eidechſe (Seite 132), mit denen die Römer ſich keinenfalls befaßt haben, ganz entſprechende Erſcheinungen und Verhältniſſe zeigt als die der Würfel- und auch der Aesfulap- Natter: ſie wanderten aus der eigentlichen ſüdlichen Heimath nach Norden hin, ſetzten ſich an zuſammenhängenden Plätzen feſt und erhielten ſich hier, während ſie in un— günſtigen Strichen ſich wieder verloren — daher das zuweilen inſelartige, an— ſcheinend ganz unvermittelte Auftreten. Wie die Würfelnatter aus den öſterreichiſchen und den mähriſchen Gewäſſern nach Böhmen vorrückte, ſo mag ſie aus Lothringen die Moſel herab nach dem etwa in gleicher geographiſcher Breite (50. Grad n. Br.) liegenden Gebiet des Mittelrheins und der Nahe vorgedrungen ſein, und die im Juli 1888 an der Moſel zwiſchen Carden und Pommern ſowie am Wege in der Nähe von Bertrich aufgefundenen Exemplare dürften einen Beleg für die Noll'ſche Annahme erbringen; in der Nähe der warmen Quellen von Ems und Kreuznach fühlte ſich die Südländerin be— ſonders behaglich und vermehrte ſie ſich ungemein, an vielen Zwiſchenſtationen ver— ſchwand ſie infolge ungünſtiger Verhältniſſe wieder. Der Verbreitungsbezirk der Würfelnatter hält ſich in weit beſcheideneren Grenzen als der der Ringelnatter. Sie iſt eine ausgeſprochene Bewohnerin des mittleren und öſtlichen Mittelmeerbeckens, alſo der ſüdlich von den Alpen gelegenen Länder, der Balkan-Halbinſel und deren nördlichen Grenzſtaaten, der weſtaſiatiſchen Türkei und Egyptens. In letzterem Lande, etwa unterm 30. Grad n. Br., erreicht fie den ſüd— lichſten Strich ihrer Verbreitung, während weiter nach Oſten hin die ſüdliche Grenz— linie um mehrere Grade ſich hebt. Die Nordgrenze zieht ſich etwa auf dem 49. und 48. Grad n. Br. hin, nur am Mittel-Rhein und in Böhmen buchtet ſie nach Norden zu aus bis ziemlich 50½ Grad, wogegen fie im Oſten um einige Grade ſich zu ſenken ſcheint. In weſt-öſtlicher Richtung dehnt ſich das Wohngebiet über ungefähr 72 Längen— grade aus: vom 22. Ferrograd im Weſten (Lothringen, Champagne) bis mindeſtens zum 94. Grad im Oſten (Turkeſtan). Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Die Würfelnatter liebt noch weit mehr als die Ringelnatter das Waſſer, ſie iſt die eigentliche Waſſerſchlange unter unſeren heimiſchen Ophidiern, und unter den geſammten europäiſchen Arten macht ihr in dieſer Beziehung blos die Vipernatter den Rang ſtreitig. Man begegnet ihr nur am und im Waſſer und zwar, da ſie ſich faſt ausſchließlich von kleinen Fiſchen nährt Zweite Art. Würfelnatter. 2 305 und deren Fang eifrig obliegt, vorzüglich an hellen, klaren Gewäſſern: Flüſſe, Bäche, klare Abzugsgräben, Seen, große Fiſchteiche, außerdem an der Küſte des Meeres. Dabei giebt ſie, wie aus ihrer Verbreitung ſchon erhellt, den Gewäſſern der Niederungen und hügeligen Gelände den Vorzug, und in gebirgigen Diſtrikten geht ſie nicht über die Thalebene hinauf; auf dem Gebirge findet man ſie nie, im Tiroler Gebiet ſteigt ſie bis zu einer Seehöhe von 1000 Meter. Bei Kreuznach an der Nahe bilden Tümpel, welche der Fluß da, wo er ſich (dem Kurgarten gegenüber) verbreitert, ent— ſtehen läßt, den Lieblings-Aufenthalt der Natter; auch am Fuße der Loreley, und ebenſo anderwärts, ſcheint ſie gern die von Flüſſen gebildeten Tümpel ſtillen, klaren Waſſers aufzuſuchen; im Innern Transkaspiens fand ſie Dr. A. Walter 1886 am zahlreichſten in den Bewäſſerungskanälen um Duſchak. An den Standquartieren lagert ſie gern, insbeſondere bei ſonnigem Wetter, auf Steinen unter der Waſſerfläche oder auch auf vorragenden Felsplatten, zuweilen auch zwiſchen und auf Geſträuch am Waſſerrande oder am feuchten Ufer unter Steinen. An den warmen Quellen in der Nahe bei Kreuznach, vornehmlich der Eliſabethquelle, iſt ſie Sommers bei warmem oder beſſer heißem Wetter von 10 Uhr Vormittags bis 3 oder 4 Uhr Nachmittags ſicher anzutreffen, theils unterm Waſſer liegend, meiſt halb aufgerollt, theils in den Fugen der zur Uferbefeſtigung aufeinander gelegten Steine. Je nach der Witterung ver— ſchwindet fie im Herbſt früher oder ſpäter, um im Mai oder auch ſchon im April aus der Winterherberge wieder hervorzukommen. Die Würfelnatter gehört zu unſeren beweglichſten Schlangen, die es in mancher Beziehung darin mit ſüdeuropäiſchen Verwandten, der gelbgrünen, der Treppen- und der Dahl'ſchen Natter aufnimmt. Mag ſie gleich gern ſich ſonnen oder am Ufer ſich lagern, ſo iſt ſie doch nichts weniger als träge. Bei Annäherung eines ver— dächtigen Gegenſtandes gleitet ſie, falls ſie am Ufer ſich aufhielt, ins Waſſer und ſchwimmt in ſchönen Schraubenlinien der Tiefe zu; die letztere ſucht ſie dann auch auf, wenn ſie an einer ſeichten Stelle unter der Oberfläche lag. Im Schwimmen iſt ſie Meiſterin, und ſtundenlang vermag ſie unter Waſſer auszuhalten; auch die Nächte, wenigſtens im Sommer, ſcheint ſie, nach Beobachtungen in der Gefangenſchaft zu ſchließen, im naſſen Element zuzubringen. Die ebenſo zierlichen als raſch fördernden Bewegungen im Waſſer ſind erheblich ſchneller und lebhafter als die auf dem Lande, mit Gemächlichkeit kann man bei ihren etwaigen Fluchtverſuchen auf dem Lande neben ihr hergehen. Dagegen entwickelt ſie im Klettern beachtenswerthe Geſchicklichkeit und Ge— ſchwindigkeit und ſteigt auch in der Gefangenſchaft gern auf Strauchwerk und der— gleichen, um ſich zu ſonnen; äußerſt gewandt weiß ſie auch durch enge Spalten und Löcher zu ſchlüpfen. Darauf hat man, wenn man die Natter im Terrarium hält, wohl zu achten, denn zumal friſch eingeſetzte Exemplare machen die verſchiedenartigſten Anſtrengungen, um entwiſchen zu können. Hingegen ſchreibt Geiſenheyner, daß er ſchon friſch gefangene Thiere in Ermangelung eines beſſeren Gewahrſams ſtundenlang einfach in der Rock- oder Hoſentaſche mit ſich herumgetragen habe, ohne daß ſie den leiſeſten Verſuch zu entrinnen machten. Bei Verfolgung ſieht ſie ihr Heil in der Flucht. Wird ſie ergriffen, ſo ſtrebt ſie in ähnlicher Weiſe wie die verwandte Ringelnatter (Seite 290), alſo auch durch Ausſpritzen des Unrathes und Stinkſaftes, loszukommen. Wenngleich ſie dabei ſehr ſtark ziſcht und, was alte Stücke zuweilen thun, nach der Hand zufährt, beißen thut ſie nicht oder doch nur in Ausnahmefällen. Keinenfalls darf man deshalb die Würfelnatter ſchlechthin als biſſig bezeichnen, und der Biß, welcher eine kleine, wie von einer Katzenkralle oder Stecknadel herrührende Ritzwunde hinterläßt, hat ſelbſtverſtändlich keinerlei Nachtheil im Gefolge. Im Allgemeinen haben b 20 Weſen. Nahrung. Fiſchfang. 306 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. die Würfelnattern einen durchaus gutartigen Charakter, ſie werden bei verſtändiger Behandlung ſehr bald ruhig und mitunter außerordentlich zahm, ſodaß ſie Fiſche aus der Hand des Pflegers nehmen. Die Würfelnatter lebt gewöhnlich von kleinen Fiſchen, und nur bei Mangel an ſolchen ſcheint ſie auch Kaulquappen, Molche und Froſchlurche zu nehmen. Zwar fehlen hinſichtlich dieſes Punktes aus dem Freileben der Schlange ausreichende Beobachtungen, doch wird ſchon der Umſtand, daß ſie ihren Standort ſtets an fiſch— reichen Waſſerläufen, Teichen und Seen nimmt, zum Beweis für jene Behauptung genügen, welcher wirkſam durch die an gefangen gehaltenen Thieren gemachten Wahr— nehmungen unterſtützt wird. In der Gefangenſchaft werden, meinen Beobachtungen zufolge, Laub-, braune Gras- und ſelbſt Teichfröſche ziemlich anſtandslos verzehrt, dagegen große Kaulquappen, z. B. ſolche von der Knoblauchskröte, ferner Salamander und Kröten entweder gänzlich verſchmäht oder nur erſt nach langem Faſten ange nommen. Regenwürmer, welche die Vipernattern nach längerem Hunger gierig ver— ſchlingen ſollen, werden von Würfelnattern, laut O. E. Eiffe's Bekundungen („Zoolog. Garten“ 1885 S. 49), völlig abgelehnt. Derſelbe Pfleger berichtet auch, daß die drei Arten Waſſernattern junge Neunaugen nur bei ſtarkem Hunger freſſen. Jeden— falls ſtellen das Hauptkontingent zu den Futterfiſchen die Karpfenarten: Weißfiſche, Narpfen, Schleihen, Karauſchen, Elritzen, Bitterlinge, Orfen, Gründlinge, ſodann auch Schmerlen, Kaulköpfe, junge Aale u. a. Das Fiſchen geſchieht entweder derart, daß ſie unterhalb der Oberfläche das Waſſer ſchwimmend durchziehen und die Beute wirklich erjagen, oder aber in der Weiſe, daß ſie regungslos, ausgeſtreckt bezw. gerollt oder geſchlängelt, unter Waſſer auf Steinen oder, falls jenes ſeichter iſt, auf dem Grunde liegen und durch blitzſchnelles Vorſchnellen den in ihrem Bereich vorüberſegelnden Fiſch erhaſchen; die Würfelnatter geht entweder auf die Suche oder ſie liegt auf dem Anſtand. Nach Geiſenheyner's Beobachtungen iſt das letztere Jagdverfahren das gewöhnlichere, während er die „Suche“ nur in den ſpäteren Nachmittagsſtunden von ihr ausüben ſah. Hierbei ſteckt ſie ganz langſam und vorſichtig ihren Kopf unter einen Stein nach dem andern, „ſchwimmt eine Strecke weiter, hält plötzlich ein und bleibt wie verſteinert (ſie ſcheint zu horchen!) in der Stellung, die ſie gerade beim Schwimmen hatte, fährt dann mit dem Suchen fort, bis ſie einen von den unter den Steinen ſich aufhaltenden Fiſchen erbeutet hat“. Sobald die Natter einen Fiſch in der Bauchmitte oder am Kopfe gepackt, hält ſie ihn ganz feſt und ſchwimmt dem Ufer zu. Hier legt ſie ſich mit dem Vordertheil des Körpers aufs Land und wirft nun den Fiſch ſolange ſeitwärts, bis ſie den Kopf deſſelben zuerſt in den Rachen bekommt, da die Beute ſo am leichteſten hinunterrutſcht. Beim geringſten Geräuſch jedoch läßt ſie den Raub im Stich und ſchwimmt davon, und eine nach abgehaltener Mahlzeit gefangene Natter würgt die Fiſche wieder aus. Ueber den Fiſchfang der im Terrarium gepflegten Würfelnattern habe ich ſchon 1880 in der „Iſis“ (Berlin) einige Beobachtungen veröffentlicht. Dieſelben laſſen erkennen, und jeder andere Schlangenpfleger wird das beſtätigen, daß die Nattern auch im Käfig beim Fiſchen verſchieden verfahren. Ein in meinem Beſitz befindliches Tiroler Exemplar 3. B. ging beim Fiſchen ſtets ſelbſt in den Waſſerbehälter. Daß ſie aber einen be— ſtimmten Fiſch als Ziel genommen und dann auf dieſen losgefahren wäre, kann ich nicht als ihre ſtete Gewohnheit bezeichnen, wenn ſie es auch manchmal that; meiſt fuhr ſie ohne Plan in dem Waſſer herum und packte den Fiſch, der ihr gerade vorkam, wobei ſie eine außerordentliche Schnelligkeit und Geſchicklichkeit entwickelte. In der Regel, doch nicht immer, faßte ſie den Fiſch in der Bauchmitte und machte nun einige 5 Zweite Art. Würfelnatter. 307 nach der Kopfſeite des Opfers drängende Kieferbewegungen, ſodaß ſie den Kopf des Fiſches in ihr Maul bekam; nach wenigen Schluckbewegungen war dann der letztere bald verſchwunden. Solche kleinere, 5 oder 6 em lange Fiſche verzehrte ſie, indem ſie im Waſſer liegen blieb. Hatte ſie aber einen größeren erwiſcht, ſo ging ſie mit ihm auf das Land. Aehnlich verfuhr ſie, wenn ſie einen Fiſch falſch gepackt hatte. Mehrmals habe ich geſehen, daß ſie ihn am Schwanz erwiſcht hatte; da er nun ſehr zappelte und heftig herumſchlug, ſo hielt ſie den Kopftheil ihres Körpers mit der Beute über den Rand des Gefäßes hinaus, legte den Fiſch, ohne ihn loszulaſſen, auf das Moos und ſchlang ihn ſo, den Schwanz voran, hinab. Natürlich können nur kleine Fiſche, deren Floſſen und Kiemen kein Hinderniß bilden, in dieſer Weiſe ver— ſchlungen werden. Nach dem bisher geſchilderten Verfahren lagen noch verſchiedene Würfelnattern dem Fischfang ob. Dagegen fiſchten einige in anderer Weiſe. Merkten dieſe in dem Waſſerbehälter Fiſche, ſo machten ſie ſich behutſam an die letzteren heran, legten ſich außerhalb deſſelben hin und ſtreckten nur Kopf und Hals über den Rand nahe an den Waſſerſpiegel. Gelangt ein Fiſch in ihren Bereich, ſo ſchießen ſie blitzſcchnell nach demſelben hin, ziehen den Kopf zurück und verzehren die Beute, auf dem Moos lagernd; gewöhnlich ſuchen ſie den Kopf ihres Opfers zuerſt in den Rachen zu bekommen. Die Zeit, zu welcher gefiſcht wird, iſt bei den verſchiedenen Nattern nicht gleich, doch halten manche eine beſtimmte Tageszeit, ja Stunde inne, während andere zu verſchiedenen Zeiten die Gelegenheit zum Fiſchen wahrnehmen. Eingewöhnte Nattern holen auch todte Fiſche aus dem Waſſergefäß oder nehmen ſolche, und ſogar in Streifen geſchnitten, dem Pfleger aus der Hand. Die Vermehrung der Würfelnatter entſpricht der der Ringelnatter, auch ſie legt gegen Ende Juli oder im Auguſt weiße, ovale Eier am feuchten Ufer, in Dung, Lohe und dergleichen ab, in denen durch die Einwirkung der feuchten Wärme die Jungen ſich innerhalb einiger Wochen entwickeln. Nach L. Geiſenheyner ſucht ſie bei und in Kreuznach die an der Nahe befindlichen Gerbereien mit Vorliebe auf, um in die dort lagernde Lohe ihre Eier abzuſetzen. Die Zahl der letzteren beträgt nach meinen Wahrnehmungen und Unterſuchungen 5 bis 13; ſie ſind meiſt oval oder elliptiſch (an beiden Enden gleich), nur zuweilen etwas nierenförmig gekrümmt, bis 36 mm lang und 20 mm breit und, wie die der Ringelnatter, im friſchen Zuſtande mit einem klebrigen Stoff überzogen, vermöge deſſen ſie nach dem Ablegen oft zu einem Klumpen zuſammenbacken. Daß die Würfelnatter gleich ihrer Verwandten mitunter im September noch eine zweite Paarung eingeht, wurde bereits auf Seite 292 er— wähnt. Das Kleid der eben ausgeſchlüpften Jungen, welche man laut Geiſenheyner an der Nahe „in Knäueln bis zu zehn Stück unter den großen Steinen des Ufers 2c., oft noch neben den Eihüllen findet“, haben wir auf Seite 299 beſchrieben. Die Nahrung derſelben beſteht in kleinen Fiſchen und Amphibien-Larven. Es bedarf nach dem bisher Geſagten wohl kaum noch einer Empfehlung der Würfelnatter als Zimmergenoſſin: ſie gewöhnt ſich alsbald ein, wird zahm und zu— traulich gegen den Pfleger, ſodaß ſie ihm das Futter aus der Hand nimmt, läßt ſich leicht erhalten und durchwintern, erfreut den Beſitzer durch ihre zierlichen Schwimm— bewegungen und iſt faſt immer im Handel — je nach Größe und Jahreszeit das Stück zu 50 Pfennig bis 3 Mark — zu haben. Bei Einrichtung des Behälters möge man auf ihre Schwimm- und Kletterluſt Rückſicht nehmen und namentlich für größere Stücke geräumige Waſſerbecken nicht vergeſſen. Sie dauert jahrelang in der Gefangenſchaft aus. An landesüblichen Benennungen der Würfelnatter ſind wenige anzuführen. In Italien bezeichnet man ſie als Natrice tessellata, Vipera d'aqua, Bissa fiamaà, 20* Fortpflanzung. Gefangenſchaft. Synonyma. Körperbau, Größe. 308 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Marasseto, im Franzöſiſchen als Tropidonote tessellé, in anderen Ländern wird fie mit der Ringelnatter zuſammengeworfen. Coronella tessellata, Laurent! 1768. — Coluber hydrus, Pallas 1771. — Col. tessellatus, Bonnat. 1789. — Col. hydrophilus, Zindacker 1791. — Natrix tessellatus et N. hydrus, Merrem 1820. — Col. gabinus, Metaxa 1823. — Col. viperinus, Bendise. 1826. — Tropidonotus tessellatus, Wagler 1830. — Col. pontieus, Pallas 1831. — Trop. hydrus, T. Tantalus et T. gracilis (juv.), Eich. wald 1831. — Col. hydrus, pontius et Col. griseus, Diwigubsky 1832. — Col. scuttatus (part.), hydrus et reticulatus, Menetrits 1832. — Natrix gabina et N. tessellata, Bonaparte 1832. — Trop. viperinus (partim), Schlegel 1837; Dum. Bibron 1854. — Col. (Trop.) elaphoides, Brandt 1838. — Trop. scutatus var. elaphoides, Eichw. 1841. 2. Gattung: Landnatter. Coluber, L. Körperfchuppen in 19 bis 27 Längsreihen geftellt, glatt oder gekielt, mit End— poren; Rumpf lang, ſeitlich leicht zuſammengedrückt und, weil die Bauchſchilder ſeitlich immer winkelig aufwärts gebogen, jederſeits eine mehr oder weniger deutliche Bauchkante aufweiſend; Kopf vom Halſe abgeſetzt und regelmäßig beſchildert; Augen mäßig groß mit runder Pupille; mehrere Schläfenſchilder; 12 bis 22 gleichlange Oberkieferzähne; Unterkieferzähne gleichſtark. Die Land-, Kletter- oder Steignattern bewohnen trockene, ſteinige und buſchige oder bewaldete Oertlichkeiten, wo ſie ſich weniger auf der Erde als auf Sträuchern und Bäumen aufhalten und von Mäuſen u. a. kleinen Säugethieren, auch Vögeln, Eidechſen, Schlangen ernähren. Europa beherbergt fünf Arten dieſer Gattung, in Deutſchland tritt nur die folgende auf. 3. Art: Aeskulap Natter. Coluber Aesculapii, Host. Abbildung: Tafel VIII Nr. 1. Kopf klein, kaum vom Rumpf geſchieden, an den Schläfen meiſt etwas ein— geſchnürt; Naſenſchild durch eine Rinne in einen vorderen, niedrigeren und einen hinteren, höheren Theil geſchieden; I Sügelſchild, 1 vorderes und 2 hintere Augen— ſchilder, 2 Schläfenſchilder in der vorderen (erſten) Reihe; Wirbelſchild breit, beſonders nach vorn hin; 8 Oberlippenſchilder, das 4. und 5. unterm Auge ſtehend; Schuppen auf der Mitte des Körpers in 21 bis 25 Cängsreihen geſtellt, länglich— ſechseckig, glatt, nur am hinteren Theil des Rumpfes mit ganz ſchwachen Kielen verſehen; Bauch abgeplattet, an jeder Seite mit ſcharfer Kante, ſodaß die Bauch— ſchilder an den Flanken eine deutliche Unickung nach oben zeigen; Schwanz lang, ſchlank, unten ebenfalls abgeplattet und deshalb faſt dreieckig (im Querſchnitt). Aeußere Erſcheinung. Der Kopf iſt verhältnißmäßig klein, ſchmal, geſtreckt elliptiſch, ziemlich zweimal ſo lang als breit, an der wenig vorſtehenden Schnauze gerundet, oberſeits durchaus flach, an den Schläfen meiſt etwas eingeſchnürt, jedoch ſeitlich vor dem Auge nicht vertieft, bei ausgewachſenen Thieren kaum, bei jungen Dritte Art. Aeskulap-Natter. 309 etwas deutlicher vom Rumpf abgeſetzt; er erſcheint ſchmäler und mehr abgerundet als der Kopf der Ringelnatter, an den er ſehr erinnert, namentlich auch dadurch, daß am Hinterkopf zwei gelbe Flecken ſich vorfinden. Die Augen ſind mittelgroß und von oben größtentheils ſichtbar. Der Leib iſt eher kräftig als ſchlank, gegen den Kopf hin allmählich, aber merklich verdünnt, etwas höher als breit, mit deutlich abgeplattetem, an den Seiten eine ſehr deutliche Kante bildendem Bauch. Der Schwanz iſt ziemlich lang und allmählich dünner werdend, doch nicht ſcharf zugeſpitzt, unterſeits ebenfalls abgeplattet und deshalb (im Querſchnitt) faſt dreieckig oder dreikantig; ſeine Länge beanſprucht den fünften Theil der Geſammtlänge, welche bei erwachſenen Exemplaren 120-140, ſeltener bis 145 oder 150 em und nur ausnahmsweiſe darüber beträgt. Zu dieſen Ausnahmen würde zu rechnen ſein, wenn die Natter auf den „Euganeen und den anderen benachbarten Bergen“ wirklich eine Länge von 8 Fuß, wie G. von Martens in ſeiner Reiſe nach Venedig (Theil 2, S. 406) angiebt, erreichte. E. de Betta verzeichnet in ſeiner Erpetologia delle Provincie Venete, S. 201, durchaus keine dementſprechend großen Maaße, auch bei anderen italiſchen Herpetologen ſuche ich vergebens nach ſolchen oder ähnlichen Angaben; in der Fauna d'Italia (IV, S. 43) notirt de Betta als Maximum der Länge 1,50 m und bemerkt, daß das ge— wöhnliche Maaß 1— 1,20 m betrage. Das Scheitel- oder Wirbelſchild iſt groß und nach vorn, wo es gerade abgeſtutzt erſcheint und häufig mit der oberen Spitze des vorderen Augenſchildes zuſammenſtößt, in gerader Linie ſtark verbreitert; hinten ſchiebt es ſeine breite Spitze zwiſchen die langen, nach rückwärts merklich verſchmälerten, ſeitlich aber ein wenig auf die hinteren Augenſchilder herabgebogenen Hinter— hauptſchilder ein; die Brauenſchilder ſind verhältnißmäßig ſchmal, hinten etwas verbreitert, am Außenrande, welcher N gerade oder nur unmerklich ausgerandet iſt, nicht vor- Fig. 33. Kopfſeite der Aestulap— ſpringend, die vorderen und hinteren Stirnſchilder etwas Natter. “) breiter als lang. Das Rüſſelſchild iſt ziemlich gewölbt, doch, weil kaum oder nur unmerklich nach oben übergreifend, von oben wenig ſichtbar; von den 8 Oberlippen— ſchildern ſteht das vierte und fünfte unterm Auge; das Naſenſchild, nach hinten um ein Geringes über das erſte Oberlippenſchild hinausgehend, iſt hinten höher als vorn und durch eine von dem rundlichen, etwas nach oben gerückten Naſenloch aus nach oben und nach unten hin ziehende Rinne in einen vorderen und einen hinteren Theil zerfällt, welch' letzterer mit einer Spitze oben zwiſchen das vordere und das hintere Stirnſchild etwas eingreift; das dem zweiten und z. Th. dem dritten Oberlippen— ſchild aufliegende Zügelſchild iſt niedriger als das Naſenſchild, namentlich am hinteren Ende, das vordere Augenſchild dagegen viel höher, faſt doppelt ſo hoch als breit und mit ſeinem dreieckigen oberen Theil auf die Oberſeite des Kopfes zwiſchen das Brauen— und das hintere Stirnſchild übergreifend; die beiden hinteren Augenſchilder, deren oberes größer als das untere iſt, werden hinten von zwei länglichen Schläfenſchildern (Temporalia vorderſter oder erſter Reihe), welchen ſich nach hinten hin noch etwa ſieben andere Temporalia anſchließen, begrenzt. Von den 9 Unterlippenſchildern jeder— ſeits nehmen die erſten fünf, welche mit den Rinnenſchildern zuſammenſtoßen, allmählich an Größe zu, ſodaß das fünfte unter allen das größte iſt. Die Rinnenſchilder, zwei Paar, ſind nahezu gleichgroß und treten hinten ſtark auseinander. Alle Kopfſchilder ſind glatt. 22 5 en Abbildung der Kopfplatte ſ. S. 247. Kopfſchilder. Körper⸗Bedeckung. Färbung. Stammform. 310 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Die Schuppen, in der Mitte des Körpers in 21 bis 23 Längsreihen an— geordnet, ſind länglich-ſechseckig, werden aber an den Seiten nach den Bauchſchildern hin größer und breiter, ſodaß fie faſt rautenförmig erſcheinen; im Uebrigen ſind ſie vor der Spitze (namentlich unter der Lupe betrachtet) mit zwei eingedrückten Punkten verſehen, glattanliegend, ungekielt und nur die der hinterſten Partie des Körpers zeigen, beſonders bei ſchiefer Anſicht, öfters eine feine, in vielen Fällen jedoch kaum bemerkbare Kielung. Die Bauchſchilder ſind breit und mit ihrem rechten und linken Ende an der Bauchgrenze (ſ. oben) ziemlich hoch auf die Flanken hinauf um— geſchlagen, ſodaß ſie hier wie umgeknickt erſcheinen und in ihrer Geſammtheit eine deutliche Längskante entſtehen laſſen, die außerdem durch hellere Färbung ausge— zeichnet iſt. Entſprechende Verhältniſſe gelten in Betreff der Schwanzkante. Die Zahl der Schwanzſchilder-Paare beträgt meiſtens 70 bis 80, zuweilen bis 65, aus— nahmsweiſe auch wohl bis 60 herab, manchmal auch 80 überſteigend (nach Dumeril— Bibron bis 88). Die Zahl der Bauchſchilder ſchwankt gewöhnlich zwiſchen 220 und 230, fie ſteigt aber auch bis 236 — E. Schreiber notirt ſogar 247 als Maximum — und fällt bis 212, wie Strauch angiebt; als niedrigſte Zahl habe ich, an einem mir vorliegenden 103 em langen Exemplar aus Tirol, 213 gefunden. Ein Irrthum oder Schreibfehler muß aber unterlaufen fein, wenn Merrem [Syſtem S. 118] die Zahl der Bauchſchilder feiner Aesculap mit 175 bezeichnet, während er für die identiſche Scopolii (flavescens) ganz richtig 225 angiebt [Syſtem S. 105]. Das Afterſchild iſt getheilt. Färbung und Zeichnung. Gegenüber den bisher beſprochenen Arten und auch anderen Schlangen erſcheint die Aeskulap-Natter höchſt einfach, eintönig gefärbt, da ihr die bunte Zeichnung fehlt, und man kann kurz ſagen: Oberſeite olivenbraun (bräunlich— graugelb), Unterſeite gelblich. Indem dann die Oberſeite dunkler oder heller, oder auch die Unterſeite dunkel wird, oder auch mehr oder weniger Strichel und Fleckchen Platz greifen, entſtehen eine kleine Anzahl Farben-Spielarten, doch nicht ſo ausgezeichnete und viele Varietäten als beiſpielsweiſe bei der Ringelnatter. Wir faſſen zunächſt wieder nur alte Thiere ins Auge. Bei der Stammform iſt alſo die Oberſeite olivenbraun oder graubraun, am dunkelſten auf dem Rücken, dagegen nach den Seiten und nach dem Kopf zu in der Regel heller, ſodaß beſonders die Seiten des Vorderkörpers, der Hals und Kopf oliven- oder bräunlichgelb, ja oft ſtrohgelb erſcheinen. Sodann iſt dieſer Art eigen— thümlich, daß an manchen Schuppen, vornehmlich an denen der Flanken, ſeltener an denen des Rückens und des Vorder- und Hinterkörpers, kleine weißliche Striche oder Strichfleckchen auftreten. Dieſe Strichel, welche man hauptſächlich am Oberrande der Schuppen bemerkt, geben den betreffenden Körpertheilen ein weißgeſprenkeltes Ausſehen. Die Lippenſchilder und ein mit denſelben in Verbindung ſtehender großer Fleck hinter jedem Mundwinkel ſind gelb. Dieſe beiden Flecken erzeugen eine Art Halsband und verleihen, namentlich wenn ſie lebhaft gefärbt und hinten ſchwarz geſäumt ſind, den Thieren eine Aehnlichkeit mit der Ringelnatter, insbeſondere deren geſprenkelter Varietät (. S. 278). Zuweilen ſind die gelben Nackenflecken undeutlich, wie verwiſcht oder ſelbſt ganz verſchwunden. Die geſammte Unterſeite, vom Kopf bis zum Schwanz, iſt einfarbig ſchwefel-, ſeltener grünlich-, grau- oder weißgelb; in Schlangenbad hört man die Bezeichnung „Goldſchlange“ für die Stücke mit gelber und „Silberſchlange“ (ältere Weibchen?) für die mit weißlicher Unterſeite. Die nach oben umgebogenen Bauchſchilder zeigen gewöhnlich da, wo ſie mit der unterſten Schuppenreihe zuſammen— ſtoßen, ſeitlich einen ſchwärzlichen Strichfleck, während ſie an der Knickung, alſo an Dritte Art. Aeskulap-Natter. 311 der Bauchkante, einen weißlichen (milchweißen) Längsſtrich aufweiſen, und dieſe hellen Striche bilden durch Aneinanderſtoßen eine mehr oder weniger deutliche helle Linie längs der Bauchkante, wie es ſchon oben erwähnt wurde. Zuweilen entſteht dadurch, daß auch der Oberrand der umgebogenen Bauchſchilder weißlich iſt, eine zweite, wenngleich unbeſtimmte helle Längslinie an den Flanken. Nach vorn und ebenſo nach hinten hin werden dieſe hellen Linien undeutlich, ja verſchwinden ganz. 1. Bar. flavescens, gelbliche Aeskulap-Natter. Oberſeite viel heller als bei der Stammform, hell braun- oder graugelb mit ſpärlichen weißen Stricheln an den Flanken; Unterſeite einfarbig gelb. Hierher gehört z. B. das von Jakob Sturm in ſeiner deutſchen Fauna nach Hoſt dargeſtellte Exemplar a. 2. Var. virgatus, geſtreifte Ae., von Suckow als eigene Art unter dem Namen Coluber romanus aufgeführt. Oberſeite olivbraun oder ſchwärzlich, mit drei nach dem Schwanze hin verlaufenden, gelblichen oder bräunlichen Längsſtreifen, welche aber nicht immer gleichmäßig ausgebildet und ſcharf markirt ſind; Unterſeite gelb. Iſt ebenſo wenig wie die vorige und die folgende an beſtimmte Gebiete und Oertlichkeiten gebunden und kommt, nach Gredler, z. B. nicht ſelten bei Bozen vor. 3. Var. leprosus, graue Ae., von Bechſtein 1802 als Coluber leprosus behandelt. Oberſeite grau, die meiſten oder faſt alle Schuppen ringsum weißlich ge— rändert oder doch an mehreren Rändern mit weißlichen Strichflecken gezeichnet, ſodaß infolge Zuſammenſtoßen der letzteren eine Art Netz- oder auch Streifenzeichnung ent— ſteht; Unterſeite gelb oder weißlich. 4. Var. ventrimaculatus, fleckbäuchige Ae. Von der Stammform vor— nehmlich dadurch unterſchieden, daß die Bauchſchilder nicht nur an dem rechten und linken Ende dunkel gefärbt, ſondern auch an ihrem Hinterrande dunkel (oliv- oder ſchwärzlichbraun) geſäumt ſind, ſodaß der Bauch, namentlich in den letzten zwei Dritteln des Körpers, quergebändert erſcheint; gewöhnlich auch ſind die Enden der Schwanzſchilder dunkel (grau oder bräunlich) gewölkt und die weißen oder gelblichen Strichflecken der Flanken nur in ſpärlicher Anzahl vorhanden; längs der Bauchkante läuft die ſchon bekannte helle Linie hin, welche die dunkle Färbung der aufgebogenen Bauchſchildertheile von dem gelben Grundton der Unterſeite abſchneidet. Dieſe Färbung und Zeichnung zeigt im Allgemeinen das von Eichwald an einem Bache in Mingrelien erbeutete Exemplar, welches ihm — er hatte die „ſchöne Schlange ſchon früher beim Suram geſehen“ — zur Aufſtellung einer eigenen Art, Coluber fugax, Veranlaſſung bot [Reiſe I. Bd., 2. Abth., S. 272]. Auch erinnert dieſe Varietät, welche dem Südoſten des Verbreitungsbezirkes angehören dürfte, an gewiſſe Jugendſtadien. 5. Var. niger, Fitzinger Menag. S. 657], ſchwarze Ae. Entſteht, indem das Dunkel der Zeichnung intenſiver wird und die Grundfarbe verdrängt. Oberſeite im Allgemeinen tief ſchwarzbraun, jedoch die Oberlippenſchilder und die beiden ſeitlichen Halsbandflecke, welch' letztere übrigens vielfach gänzlich fehlen, gelblich, an den Flanken zwei Längsreihen unregelmäßiger gelblich-grauer, nach hinten hin ſich immer mehr in Punkte auflöſender bezw. verſchwindender Nebelflecken, oft auch noch längs der Rücken— mitte im vorderen Drittel des Rumpfes ein ſchmaler, gewellter, gelblichgrauer Streifen; Unterſeite tiefſchwarz, nur die des Kopfes und die Seiten der Halsſchilder gelblich. Kleine Abänderungen kommen auch bei dieſer Varietät vor, welche ich unter anderen in einem Stück aus Trieſt (Dalmatien), Rud. Effeldt-Berlin in verſchiedenen Exemplaren aus Dalmatien, Neapel und der Herzegowina geſchickt erhielt, während bereits Hoſt 1789 fie in Kroatien fing, E. Schreiber fie aus Slavonien, A. v. Moſſiſovicz aus Varietäten. Albinismus. Jugendkleid. 312 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. dem Donau-Drauwinkel, Strauch aus Lenkoran kennt und Möllendorf ſie bei Sera— jewo in Bosnien fand; ſie ſcheint nur im ſüdöſtlichen Europa aufzutreten. Auch Albinismus hat man beobachtet. Beſchreibung und Abbildung eines derartigen, im Juni 1877 bei Weidling am Bach, in der Nähe von Wien, gefangenen Blendlings veröffentlicht J. Erber in den Sitzungsberichten der zool.-botan. Geſellſchaft zu Wien, Bd. XXIX (2. Juli 1879). Die Natter, beim Fang 68 cm lang, iſt unterſeits ſtrohgelb wie die Stammform, oberſeits dagegen licht orangegelb mit den gewöhnlichen weißen Fleckchen, das Auge iſt hell karminroth, die Zunge roſtroth; die abgelegten Häute dieſes mehrere Jahre in der Gefangenſchaft lebenden Thieres waren weit feiner und zarter als die normal gefärbter Exemplare. Männchen und Weibchen der Aeskulap-Natter unterſcheiden ſich in der Färbung nicht. Abgeſehen davon, daß ſich junge Thiere an der geringen Größe, dem kurzen, dicken, oberſeits weniger flachen Kopf mit faſt durchweg gleichbreitem Wirbelſchild leicht erkennen laſſen, tragen fie auch ein von dem Alterskleid merklich abweichendes Gewand. Ganz junge Thiere zeichnen ſich durch ſchwarze Flecke auf dem grau-, gelb- oder nußbraunen Rücken, durch eine ſchwarze Schläfenbinde, durch gelbliche Halsbandflecke und bleigraue Unterſeite aus. Jene ſchwarzen Rückenflecke ſind bald größer bald kleiner, rundlich oder viereckig, und gewöhnlich in vier (ausnahmsweiſe ſechs) Längs— reihen angeordnet, welche vornehmlich auf dem Hals und Vorderrumpf ſich kräftig markiren, während ſie nach hinten zu allmählich ſich verlieren oder aber zu einigen ununterbrochenen, z. Th. bis zur Schwanzſpitze hinlaufenden Längsbinden zuſammen— fließen. Daneben zeigt in der Regel der Rücken gelbliche oder weiße Sprenkel, her— vorgerufen durch die helle Säumung der Schuppen. Auf den Schläfen, vom Hinter— rande des Auges bis gegen den Mundwinkel, findet ſich eine ſchwarze oder ſchwärzliche ſchiefe Binde (Temporalbinde), welche ſich oben allmählich in dem Braun des Scheitels verliert, während ſie an den anderen Seiten deutlich abgegrenzt wird; oft zieht ſich ein zweiter ſchwärzlicher Fleck vom Mundwinkel ſchräg gegen die Kehle und wohl auch ein dritter vom Unterrande des Auges längs der Naht zwiſchen dem 3. und 4., oder dem 4. und 5. Oberlippenſchild abwärts bis auf die Unterlippe reſp. die Naht zwiſchen dem 4. und 5. Unterlippenſchild. Zu dieſen ſchwarzen Kopfzeichnungen geſellt ſich häufig noch ein zweiſchenkliger oder faſt hufeiſenförmiger dunkler Nackenfleck, ſodaß alſo der hinter der ſchwarzen Schläfenbinde ſtehende gelbe oder gelblichweiße Halsbandfleck nicht nur vorn, ſondern auch hinten ſchwärzlich geſäumt erſcheint. Daß derartige Thiere an die Ringelnatter erinnern, wurde bereits hervorgehoben. Die Unterſeite des Kopfes und des erſten Drittels vom Rumpf iſt gewöhnlich ſtroh- oder bräunlichgelb, allein vom zweiten Drittel etwa an iſt ſie einfarbig grau oder bleifarben, oder infolge dunkler Flecke ſchwärzlich gewölkt, oder ſo dicht ſchwärzlich geſprenkelt, daß ſie faſt gänzlich einfarbig erſcheint. Bereits im Verlauf des erſten Jahres fangen die Eigenthümlichkeiten des erſten Jugendkleides an ſich zu verwiſchen. Zunächſt verlieren ſich die ſchwarzen Flecke der Oberſeite, ſpäter auch die des Kopfes. Manche der letzteren erhalten ſich zuweilen ſogar dauernd, und wenngleich nicht in voller Schärfe, ſo doch in Andeutungen; ſo bemerkt man bei manchen alten Thieren noch den dunklen Fleck ſenkrecht unterm Auge, oder die dunkle Schläfenbinde. Ebenſo erhalten ſich mitunter die ſchwarzen Rücken— flecke, ja ſie greifen manchmal derart um ſich, daß das Thier eine ganz dunkle Oberſeite zeigt, womit oft auch eine Zunahme der ſchwärzlichen Zeichnungen der Unterſeite Hand in Hand geht und dadurch die Varietät niger entſteht. Dritte Art. Aeskulap-Natter. 313 Geographiſche Verbreitung. Die geographiſche Verbreitung der Aeskulap— Schlange hat manches Gemeinſame mit der der Würfelnatter. Die eigentliche Heimat unſerer Schlange bilden die ſüdeuropäiſchen Länder von Spanien und Weſtfrankreich an bis zum weſtlichen Ufer des Kaspiſchen Meeres. Für Portugal freilich iſt G. Aesculapii noch nicht nachgewieſen, ſie ſcheint ſomit dort gänzlich zu fehlen; wohl aber hat E. Schreiber, nachdem bereits Roſenhauer 1856 ſie für die Sierra Nevada und Machado 1859 ihr Vorkommen in der Provinz Sevilla bekannt gemacht, ſie aus Andaluſien erhalten. Diesſeits der Pyrenäen, im ſüdlichen Frankreich, tritt ſie vielfach auf, wie wir ſchon durch Latreille wiſſen. Riſſo zeigte ſie für die Alpes maritimes, Schlegel [Essai]! für die Provence, Latreille auch für die Gegend von Bordeaux an; namentlich durch die weſtlichen Departements und durch die Loire— Gebiete (Loire inferieure, Maine et Loire, Vienne, Nievre) zieht ſich der Ver— breitungsbezirk bis ins Departement Seine et Marne, in die Gegend von Fontainebleau bezw. Paris, alſo über den 48. Grad n. Br. hinauf. In den ſüdlichen Alpenländern der Schweiz, wohin ſie gleicherweiſe von Italien aus vorgerückt iſt, begegnet man ihr ebenfalls und zwar laut Fatio im unteren Teſſin und in Wallis und in den benachbarten Theilen des Waadtland; Fatio beobachtete ſie ziemlich häufig zwiſchen Martigny und Brieg, nicht nur im Rhonethal, ſondern auch in den Seitenthälern und in den Bergzügen, ſo im Eringer-Thal bis zu 1250 Meter Meereshöhe hinauf. Auch im Schweizer Innthal wurde ſie bemerkt: Dr. Fr. Müller-Baſel zog, laut brief— licher Mittheilung, einmal beim Bade Tarasp im Unter-Engadin ein Exemplar aus einer Mauer. Ob ſie nun dem Inn und deſſen Nebenthälern gefolgt und ſo nach Tirol gelangt oder ob ſie von Süden her in Tirol eingewandert iſt, bleibe dahin— geſtellt; jedenfalls ſpricht die Thatſache, daß die Natter im ſüdlichen Theil dieſes Kronlandes, beiſpielsweiſe um Trient und Pergine und Mezzolombardo, auf dem Nonsberg, um Bozen, Meran und Brixen vorkommt, während Gredler ſie, was das nördliche Tirol anbetrifft, nur im Zillerthal geſehen zu haben meint, für ein Vor— dringen der Schlange vom öſtlichen Ober-Italien her. Die letztere hat ſomit ihren Verbreitungsbezirk erweitert, indem ſie von ihrer eigentlichen Heimat Italien aus — wo ſie nicht nur auf der langgeſtreckten Halbinſel bis Kalabrien hinab und in den nördlichen Gebieten mit Ausnahme der lombardiſchen Ebene, ſondern auch auf den großen Inſeln Sizilien und Sardinien überall und ſtellenweiſe (Friaul, Venetien, Rom, Kalabrien), wie wir durch E. de Betta, Maſſalongo, Bonaparte u. A. wiſſen, ſogar ſehr häufig auftritt — einerſeits nach Frankreich und der ſüdlichen Schweiz, anderſeits nach den öſterreichiſchen Alpenländern und ſodann von hier aus noch weiter nach Norden und Oſten hin vorgedrungen iſt, und man wird nicht umhin können, Italien als dasjenige Land zu bezeichnen, in dem der Schwerpunkt ihrer jetzigen Ver— breitung ruht. Beachtenswerth iſt die Bemerkung, welche E. Schreiber 1874 in ſeiner Herpetologia europaea macht: „ein ſolches Fortſchreiten“ (d. h. von Italien aus durch die am Südabhang der Alpen gelegenen Länder nach Norden hin) „ſcheint noch gegenwärtig und ziemlich raſch ſtattzufinden, da ich z. B. ganz beſtimmte Er— fahrungen habe, daß das Thier in einigen ſüdalpinen Landſtrichen, wo es noch vor 15 bis 20 Jahren entweder gar nicht oder nur äußerſt ſelten vorkam, gegenwärtig bereits ziemlich häufig iſt; E. Schreiber fügt hinzu, daß er in den genannten Gegenden, insbeſondere im ſüdlichen Illyrien, ſeit dem Auftreten und Ueberhandnehmen der Aeskulap-Natter eine entſchiedene Abnahme der Gelbgrünen Natter (Zamenis viridiflavus), die vordem dort die häufigſte Landſchlange war, beobachtete. In den Tirol und den nordöſtlichen Zipfel des heutigen Italiens begrenzenden Süd⸗Europa. Alpenländer. Italien. Oeſterreich. Donauländer. 314 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. öſterreichiſchen Kronländern Salzburg, Kärnten, Küſtenland und Krain it das Vor— kommen unſerer Natter ſchon ſeit Jahrzehnten feſtgeſtellt: für Salzburg allerdings erſt 1867 durch Fr. Storch — und nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Prof. Kaſtner-Salzburg an Prof. A. v. Mojſiſovicz 1887 findet ſich die Art „um Salzburg nicht ſelten“ —, dagegen für Kärnten bereits 1853 durch Gallenſtein (Greifenberg im oberen Drauthal) und ſpäter durch Kohlmayer (Gailthaler Alpen, Reißkofel), für Krain bereits 1842 durch H. Freyer (Feiſtenberg in Unterkrain und Oberfeld ob Wippach), für den Karſt durch Jan [Elenco] 1863 u. ſ. w. In Steier— mark iſt fie laut Prof. v. Mojſiſoviez' Erfahrungen hauptſächlich im Murthal zu Hauſe: ſo bei Graz, wo allerdings ihre Zahl zurückgeht, bei Bruck und Leoben; Rud. Effeldt-Berlin ſammelte ſie in den vierziger Jahren ſchon in Steiermark und erbeutete z. B. am Fuße des Semmering ein reichlich 2 Meter langes Exemplar. Ebenſo fing Effeldt ſie bei Laxenburg, und als andere niederöſterreichiſche Fundorte verzeichnet Fitzinger ſchon im Jahre 1832 den Schneeberg und Wiener Wald, Baden und Brühl bei Wien, welchen A. v. Mofſiſovicz Mödling, Purkersdorf, Gablitz, Siev— ring, alles Oertlichkeiten auf der rechten Donauſeite, hinzufügt; ferner ſchrieb mir Herr W. Burkart-Brünn, daß er die Natter in der Nähe von Holſtein an der Ybbs, zwei Stunden von Weyer entfernt, nicht ſelten antraf und dort als außerordentlich biſſig kennen lernte. Sie ſcheint dem Donaulauf noch weiter aufwärts gefolgt zu ſein, da man ſie in der Gegend von Paſſau nachgewieſen hat. Anderſeits iſt ſie noch weiter nördlich gegangen, denn 1877 berichtete Dr. A. F. Spitzer-Wien in der „Iſis“ (Berlin) gelegentlich einer Schilderung des nordmähriſchen Rautenberges, daß ſie ſich, wiewohl ſehr ſelten, in der Nähe des Fluſſes Mohra finde, und ältere Angaben über ihr vereinzeltes Auftreten in den mähriſch-ſchleſiſchen Sudeten, bei Wieſenberg und Ullersdorf am Altvater enthalten die Schriften von Heinrich und Haslinger. Wenn es ſich ſodann bei jenen drei oder vier Aeskulap-Nattern, die laut einer im Mai 1881 von Herrn Dr. Anton Fritſch, dem Verfaſſer dem „Wirbelthiere Böhmens“, mir gewordenen Mittheilung im Jahre 1880 bei Karlsbad erlegt worden ſein ſollen, um wirkliche, nicht der Gefangenſchaft entronnene Aeskulap-Nattern gehandelt hat, ſo würde damit ihr Auftreten auch in Böhmen feſtgeſtellt ſein. Nach Oſten hin zieht ſich ihr Verbreitungsbezirk zunächſt die Donau entlang, wohl bis zur Mündung derſelben. Für Preßburgs Umgebung (Gamſenberg) ver— zeichnet ſie, als die größte der dortigen Arten, Kornhuber; von Neuſiedl am See erhielt R. Effeldt-Berlin 1863 fünf Stück; im ſüdlichen Ungarn, ſpeziell in dem Komitat Baranya, alſo dem Donau-Drauwinkel, iſt fie A. v. Mojſiſovicz' Wahr— nehmungen zufolge ziemlich häufig und ihm beiſpielsweiſe aus den höheren Lagen des Donau- und Drauriedes, aus dem Keskender-Walde bei Darda und dem Halier-Walde bekannt. Für das übrige Ungarn find ſichere Fundorts-Angaben nicht vorhanden; nach E. Schreiber ſoll die Natter zwar in Ungarn und den Karpathenländern „allent— halben ziemlich häufig“ ſein, indeſſen bezeichnete Frivaldsky ſie als ſehr ſelten und als nur im Waldgebirge vorkommend, und Jeitteles vermochte ſie in ſein Verzeichniß der Wirbelthiere Ober-Ungarns, weil er fie in den Gebieten von Kaſchau de. nicht entdeckt, nicht mit aufzunehmen. In den „Gebirgen der Bukowina“ und „in ſteinigen Gegenden der Karpathen“ hat Zawadzki die Aeskulap-Natter bezw. ihre gelbe Varietät bemerkt; jedoch ſcheint ſie weiter nördlich in Galizien zu fehlen oder noch nicht mit Sicherheit nachgewieſen zu fein, denn Herr Dr. Nowick-Krakau führt fie in der mir zugeſandten Lifte der galiziſchen Reptilien nicht mit auf. Immerhin mag fie dafelbit vorkommen, da ſie auch im ſüdlichen Polen gefangen worden iſt. Ihr Auftreten in Dritte Art. Aeskulap-Natter. 315 Siebenbürgen iſt auch noch zweifelhaft, obwohl wahrſcheinlich. Hinwiederum kennen wir ſie durch Frivaldsky, Erber und Effeldt ſeit langem aus dem Banat, ſpeziell der Umgegend von Mehadia, durch Steindachner und A. v. Mofſiſoviez aus Slavonien (Syrmien: Obedska bara, Morovich ꝛc., Fruska Gora), bereits ſeit 1790 durch Hoſt aus Liburnien (d. i. Kroatien) und Dalmatien, durch Effeldt aus der Herzegowina und durch Möllendorf aus Bosnien; in dieſem Lande ſoll ſie ziemlich ſelten, in Dalmatien aber nach Erber und Schreiber allgemein verbreitet bezw. häufig ſein, und wie auf dem Feſtlande, ſo begegnet man ihr auch auf Dalmatiniſchen Inſeln: Dr. Franz Werner erbeutete ſie 1891 auf Solta und Leſina. Abgeſehen von den nörd— lichen, bereits zum Donaugebiet gehörigen Ländern ſcheint die Aeskulap-Natter weiten Strecken der türkiſch-griechiſchen Halbinſel zu fehlen; im Berliner Zoolog. Muſeum ſteht unter Nr. 1723 ein Exemplar, erhalten durch Frivaldsky, mit der Bezeichnung „Rumelien“, indeß ohne nähere Fundorts-Angabe; in Griechenland iſt die Natter, trotzdem ſie den Namen des im Tempel zu Epidauros gefeierten altgriechiſchen Heil— gottes Aeskulap trägt, bisher noch nicht entdeckt worden, und O. Böttger wies nach, daß der dem alten Epidauros nächſtgelegene Fundort unſerer C. Aesculapii Preveſa in Epirus ſei, ſomit die das Zeichen des Aeskulap bildende ſagenhafte Natter wohl die Gelbgrüne oder aber die Vierſtreifen-Natter (Zamenis viridiflavus bezw. Coluber quaterradiatus) geweſen ſein müſſe. Aus Rußland ſind gleichfalls nur einige Fundorte bekannt. Im Muſeum zu Warſchau befinden ſich, laut A. Strauch und L. Taczanowski, zwei ausgewachſene, faſt einfarbige Exemplare aus dem ſüdlichen Polen: das eine in der Nähe von Czen— ſtochow bei Potok Zloty, das andere im Zamoscer Kreiſe des Gouvernement Lublin bei Zwierzyniee (Bilgoraj) gefangen; in den Gouvernements Wolhynien, Podolien und Cherſon ſoll ſie nach Andrzejowsky ziemlich häufig ſein, jedoch in den beiden erſteren hat Keßler ſie niemals beobachtet, und unter den zahlreichen Reptilien, welche das Muſeum der Kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften zu Petersburg aus dem Gouvernement Cherſon beſitzt, findet ſich nur ein einziges Exemplar der Aeskulap— Natter, erbeutet in der Gegend der Kolonie Franzfeld am Tergopol'ſchen Buſen des Dnjeftr-Limans, ſüdweſtlich von Odeſſa. Auf der Krim vermißt man, laut Rathke und Köppen, unſere Natter und ebenſowenig erwähnen Göbel-Claus ſie aus den „Steppen des ſüdlichen Rußlands“. Hingegen kennen wir ſie aus Translaukaſien, dem Gouvernement Kutais, ſeit länger als ſechs Jahrzehnten. Ob die Natter am Südufer des Schwarzen Meeres zu Hauſe iſt, wiſſen wir nicht; aus der nördlichen Umgebung von Beirut in Syrien machte O. Böttger 1877 [Syr. Rept.] fie bekannt. Was nun das heutige Deutſchland anbetrifft, ſo deuteten wir ſchon auf Seite 314 au, daß die Aeskulap- Natter in Bayern, nahe des Austritts der Donau nach Ober⸗Oſterreich, nachgewieſen worden ift: bereits Waltl hat ſie bei Paſſau beob— achtet; Reider und Hahn erwähnen in ihrer „Fauna boica“ zweier i. J. 1824 in der Umgebung des bayeriſchen Pfarrdorfes Gottsdorf, an der öſterreichiſchen Grenze, 2‘ Meilen ſüdöſtlich von Paſſau, erſchlagenen Stücke; nach Jäckel bewohnte noch 1871 die Natter nicht eben ſelten die ſteilen, waldigen, buſchigen und felſigen Hänge des linken Donauufers von Paſſau bis hinab nach Obernzell; und im Mai 1880 ſchrieb mir Herr J. F. Leu-Augsburg: „Der einzige Ort in Bayern, wo dieſe Schlange vorkommt, ſind die waldigen Anhöhen um Paſſau an der Donau, ich erhielt ſie ein paar mal in lebenden Exemplaren von dort her.“ — Sodann liegen Nachrichten aus Baden vor. Dr. E. Weber-Karlsruhe berichtet 1855 auf Grund einer ihm gewordenen Mit— theilung des Arztes Stocker in den Mannheimer Naturk. Jahresheften, Seite 66, Rußland. Aſien. Deutſchland. Einwanderung. 316 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. daß die gelbliche Natter, welche in Schlangenbad öfter vorkomme, auch auf den ſonnigen Höhen des juraiſchen Randengebirges im Seekreis ſich finde, und wiederholt dieſe Angabe 1871 in denſelben Heften (38. Bericht S. 49]. Der bekannte Frankfurter Senator C. H. G. von Heyden, welcher die Aeskulap-Natter 1817 in Schlangenbad entdeckt hatte, fand ſie einige Jahre ſpäter auch bei Baden-Baden auf; muthmaßlich ſind auch die zwei Baumſchlangen, welche Prof. H. Sanders-Karlsruhe („Natur— forſcher“, 17. Stück, 1782, S. 246 — 248] 1781 in der Naturalienſammlung des Stiftes zu St. Blaſien ſah und welche vom Schwarzwald ſtammen ſollten, Aeskulap— Nattern geweſen. Heute läßt ſich, da Belags-Exemplare fehlen, eine Nachprüfung jener Angaben nicht mehr anſtellen, in Verfolg der eingezogenen Erkundigungen ver— mag ich vielmehr nur zu betonen, daß die Natter gegenwärtig im Badiſchen nicht an— zutreffen iſt, und auch das „nach Zeitungsbericht“ im Sommer 1870 auf dem Hofe der Domänenverwaltung in Pforzheim erlegte „große Exemplar“ wird, falls es keine Ringelnatter war, wohl nur ein der Gefangenſchaft entronnenes Stück geweſen ſein. Geſchehniſſe der letzteren Art ſind beiſpielsweiſe auch von Kirſchbaum 1865 aus Wies— baden, von Leydig 1881 aus Würzburg, von Geiſenheyner aus Kreuznach angezeigt worden, und muthmaßlich handelt ſichs bei dem Exemplar, welches nebſt einer Anzahl anderer Reptilien und Amphibien von Herrn Beſſelich in Trier der Sammlung des Naturhiſtor. Vereins für Rheinland und Weſtfalen zu Bonn geſchenkt wurde und die Etikette „Trier“ trug, gleicherweiſe um einen ſolchen Fall, wenn nicht bei der Fund— ortsbezeichnung ein Verſehen unterlaufen iſt.“) Es bleibt alſo in Deutſchland nörd— lich der Donau die einzige ſichere Fundſtätte der Aeskulap-Natter der wohl nach ihr benannte Badeort Schlangenbad im Taunus (in Schwalbach ſucht man ſie ebenſo vergeblich wie in Ems). Den erſten diesbezüglichen Nachweis lieferte, wie ſchon erwähnt, C. von Heyden, nachdem bis 1817 die Schlangenbader Natter allgemein für die Ringelnatter gehalten worden und ſelbſt dem Mainzer Fauniſten Nau nicht be— kannt geworden war. In der nächſten Umgebung Schlangenbads aber begegnet man ihr oft: die Hauptfundorte ſind, wie Herr W. Tiesler auf Grund eigener Beob— achtungen und Nachforſchungen mir im Sommer 1890 ſchrieb, der in unmittelbarer Nähe des reizenden Badeortes gelegene Bärſtädter Kopf und die Georgenborner Wand, obgleich die Schlange auch häufig im Thale ſelbſt und an allen der Sonne ausge— ſetzten Bergabhängen bemerkt wird; der ſüdlichſte Fundort bei Schlangenbad iſt an der ſog. Schulzer'ſchen Mühle, außerhalb Schlangenbads wird ſie nur noch auf dem Gebiete der benachbarten Ortſchaften Wambach und Georgenborn angetroffen. Die angeſtellten Betrachtungen werden dargethan haben, daß, wie im Eingange dieſes Abſchnitts angedeutet, die Verbreitung der Aeskulapſchlange mehrfach an die der Würfelnatter erinnert. So auch hinſichtlich des inſelartigen Vorkommens auf deutſchem Gebiet. Da C. von Heyden die gelbliche Natter nur bei Schlangenbad und einmal bei Baden-Baden fand, ſo hielt er es für ſehr wahrſcheinlich, daß die Römer die Schlange aus Italien mit nach jenen deutſchen Heilquellen gebracht und dort ausge— ) Welche' merkwürdige Umſtände in ſolchen Dingen mitſprechen, welche Irrthümer platzgreifen können, das bezeugt die von dem verſtorbenen Profeſſor der Zoologie zu Halle, C. Giebel, 1861 im 3. Band ſeiner Naturgeſchichte des Thierreichs und dann wiederholt in der Zeitſchrift für die geſammten Naturwiſſenſchaften (1866 S. 94, 1869 S. 303) u. ſ. w. gemachte Angabe, daß die Aeskulap-Natter im Harz und Thüringer Wald vorkomme und er ſelbſt zwei Exemplare aus dem Selkethal erhalten und im Halle'ſchen Univerſitäts-Muſeum aufgeſtellt habe — — denn bei näherer Beſichtigung der beiden Schlangen vom Mägdeſprung durch Dr. O. Böttger entpuppten fie ſich als Glatte Nattern (Coronella austriaca)!! Und damit wurden alle an jene Giebel'ſche Behauptung geknüpften Schlußfolgerungen hinfällig. Dritte Art. Aeskulap-Natter. 317 ſetzt hätten und daß ſie ſich in der ihr zuſagenden Umgebung Schlangenbads bis in unſere Zeit erhalten habe. Dieſe Anſicht hat Manches für ſich. Allein wenn man erwägt, daß die Schlange ſtets ihren Verbreitungsbezirk ſelbſtändig zu erweitern getrachtet hat und heute noch in gewiſſen Gegenden im Vorrücken nach Norden hin und im Zunehmen begriffen iſt, ſo wird man auf die gleiche Erſcheinung wie bei der Würfelnatter, der Smaragd- und auch der Mauer-Eidechſe ſtoßen: fie wanderte wie dieſe Arten aus der eigentlichen ſüdlichen Heimat nach Norden hin, ſetzte ſich an zuſagenden Plätzen feſt und erhielt ſich hier, während ſie an ungünſtigen Orten wieder verſchwand. Daher dürfen uns die lückenhafte Verbreitung, die zwiſchen der nördlichen und ſüdlichen Grenze der letzteren liegenden Aesculapii-freien Striche, das heutige ſprungweiſe, inſelartige, anſcheinend ganz unvermittelte Auftreten unſerer Schlange nicht wundern; und wenn der von Profeſſor A. Nehring in Hoeſch's Höhle im ober— fränkiſchen Ailsbachthal ausgegrabene ſubfoſſile Rückenwirbel einer Schlange, welcher an Größe und Dicke den größten Wirbel einer ſehr ſtarken weiblichen Ringelnatter etwa um das Doppelte übertrifft und „alſo von einer Schlange herrühren muß, welche ungefähr die Größe und Stärke der Aeskulap-Schlange gehabt hat“, thatſächlich einer ſolchen Natter angehörte, ſo würde dieſer Fund eben auch die oben gekennzeichnete Art der Verbreitung erkennen laſſen. Immerhin aber kann neben der ſelbſtändigen, aktiven Wanderung der Schlange auch ein paſſives Vorrücken derſelben, d. h. eine Ver— ſchleppung durch die Römer, ſtattgefunden haben. Wie gern die Aeskulap-Natter an außerhalb ihres urſprünglichen Verbreitungsbezirles liegenden paſſenden Oertlichkeiten verbleibt und ſich einbürgert und vermehrt, das wird durch jene Exemplare (vierzig) bewieſen, welche Graf Görtz in den Jahren 1853/54 nach und nach aus Schlangenbad kommen ließ und in der Nähe ſeines Landgutes Richthof unweit Schlitz im nordöſt— lichſten Theil des Großherzogthums Heſſen, etwa ½ Grad nördlich von Schlangen- bad, freigab: ſie machten ſich ſeßhaft und pflanzten ſich fort, einzelne wanderten auch auf etwa ſtundenweite Entfernungen fort und durchſchwammen dabei ſogar die Fulda. Ueberblicken wir nun noch mal den Verbreitungsbezirk der Aeskulap-Natter, ſo ſehen wir, daß derſelbe ſich über einige fünfzig Längengrade (vom 12. oder 15. Ferro— grad im Weſten und 68. Grad 6. L. im Oſten) und etwa 16 Breitengrade (34. oder 35. Grad n. Br. im Süden und 50. oder 51. Grad im Norden) erſtreckt; nur gilt es immer im Auge zu behalten, daß es innerhalb der Grenzlinien weite Strecken und Gebiete giebt, in denen die Natter vermißt wird. Die weſtliche Grenze, am Atlan— tiſchen Ozean, iſt noch nicht ſicher feſtgeſtellt, die öſtliche wird durch das Weſtufer des Kaspiſchen Sees gegeben, die ſüdliche bildet das Mittelländiſche Meer und deſſen Theile, die nördliche erhebt ſich in Frankreich auf den 48. und 49., in Weſtdeutſchland über den 50., in Polen ſogar bis nahe dem 51. Breitengrad, um dann nach Oſten hin allmählich etwa auf den 45. Grad n. Br. herabzuſinken. Der Verbreitungsbezirk unſerer Schlange hält ſich ſonach in noch beſcheideneren Grenzen als der der Würfelnatter. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Bei Schlangenbad bilden beſtandene, trockene und ſteinige Bergabhänge die bevorzugten Aufenthaltsorte unſerer Natter. In Südeuropa bewohnt ſie mit Vorliebe felſigen oder ſteinigen, dürftig mit Gebüſch bewachſenen Boden. Im Alpengebiet und nach Dalmatien hinunter ſcheint ſie zwar auch für ſteinige Oertlichkeiten beſonders eingenommen zu ſein, indeſſen begegnet man ihr nicht nur auf Bergen, ſondern auch im Thale, in lichten Wäldern wie an Feldern bezw. in offenen Gegenden; im Gebirge ſteigt ſie in der Schweiz bis zu 1250, in Tirol bis 1600 Meter (5000 Fuß) überm Meeresſpiegel hinauf. Beachtenswerth iſt Verbreitungs⸗ Grenzen. Aufenthalt. 318 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. die von J. v. Bedriaga in dem engen Thale von Cannobio in Piemont, am Langen See, gemachte Beobachtung, derzufolge die Aeskulap- (und die gelbgrünen) Nattern im Frühjahr ſich vorzugsweiſe auf den Bergen aufhalten, gegen Mitte des Sommers aber, wenn die Bergſtröme allmählich verſchwinden, in das Thal herunterkommen und in der Nähe des Waſſers gelegene Aufenthaltsorte ſich wählen, wo ſie ſich paaren und ihre Eier abſetzen, um wahrſcheinlich gegen Ende des Sommers wieder die Höhen aufzuſuchen; denn im nächſten Frühjahr iſt von den ausgewachſenen Schlangen keine Spur mehr im Thale zu ſehen, wohl aber zeigen ſie ſich dann, ſobald der Schnee ſchmilzt und das Schneewaſſer ſich durch Schluchten und Rinnen einen Weg bahnt, auf den Bergen. In der erwähnten Anſiedelung bei Schlitz treiben die Nattern ihr Weſen in einer durchlöcherten Mauer ſowie auf dem warmen Dachboden eines niedrigen, baufälligen, mit Epheuwein bewachſenen Backhauſes, in einer uralten, hohlen Eiche, durch deren 3 Meter (10 Fuß) über dem Erdboden befindliches Loch ſie fleißig ein— und ausſchlüpfen, in und auf einem für ſie beſtimmten Kompoſthaufen u. ſ. w. Unter ſolchen Haufen ſchlägt unſere Schlange auch gern ihr Winterquartier auf, in das ſie ſich wenigſtens bei Schlangenbad ſchon Ende Auguſt und Anfang September zurückzuziehen beginnt, und daher wird ſie an letztgenanntem Orte im Frühjahr nicht ſelten in Ställen aufgefunden. N Bald nach dem, bei uns im Mai erfolgenden Verlaſſen der Winterherberge phiäutet ſich die Natter zum erſten Mal und wiederholt dies nach meinen an Zimmer— genoſſen gemachten Beobachtungen im Laufe des Sommers drei- oder viermal (vergl. Seite 250) in der bekannten Weiſe. Das eigentliche Abſtreifen der Haut nahm bei— ſpielsweiſe bei einem 1¼ Meter langen Exemplar, wie ich verſchiedene Male bemerkte, nur drei oder vier Minuten in Anſpruch. Während ſie im Allgemeinen, trotzdem ſie geſchickt zu ſchwimmen verſteht, das Waſſer zu meiden ſcheint, liegt ſie, im Terrarium wenigſtens, zur warmen Jahreszeit vor Eintritt der Häutung oft ſtunden-, ja tage— lang in dem feuchten Element, nur den Kopf über die Oberfläche ſtreckend. Das Kriechen auf ebenem Boden zeichnet ſich nicht durch Raſchheit aus, ihre ganze Zier— lichkeit, Geſchmeidigkeit und Gewandtheit jedoch kommt beim Klettern, in dem ſie alle übrigen deutſchen Schlangen hinter ſich läßt und faſt mit den eigentlichen Baum— ſchlangen wetteifert, zur vollen Geltung: dünne Stämme umſchlingt ſie in ſchrauben— förmigen Umgängen und windet ſich an ihnen vermöge lebhafter Muskelbewegungen mühelos empor; alte ſtarke Bäume erklimmt ſie, indem ſie die Bauchkanten in die Riſſe der Borke klemmt und ſich ſo hinaufſchiebt (und in entſprechender Weiſe verfährt ſie beim Abſteigen); oben auf den Aeſten und im Gezweig aber weiß ſie mit vollende— ter Anmuth unter leichtem Feſthäkeln und zierlichem Schlängeln weiter zu ziehen. Auch an ſenkrechten Mauern, Haus- und Felswänden geht ſie, da ſie hier ebenfalls jede Ritze, jede Unebenheit ſich dienſtbar macht, ohne Anſtrengung hinauf. Im Zimmer klettert ſie an den Beinen der Stühle, des Tiſches, auch denen des Pflegers empor, ſchiebt ſie ſich durch Anſtemmen der Rippen zwiſchen Wand und Spind in die Höhe und verſteht ſie aus jeder ſich darbietenden Spalte, jeder dem Beſitzer vielleicht ſelbſt nicht bekannten Oeffnung Vortheil ſich zu verſchaffen, durch ſie zu entwiſchen oder in ihr einen Schlupfwinkel zu finden. Sie vermag ſich dabei mit großer Kraft feſtzu— halten. Schon Lenz machte die Erfahrung, daß eine Aeskulap-Natter, die ſich im Freien um einen Aſt geringelt, nicht anders loszubringen war, als indem der letztere abgeſägt und ſammt der Schlange unter Waſſer getaucht wurde; denn wenn er, nach— dem er ſie auf dem Baume eingeholt, das eine Körperende losgewickelt hatte, ſchlang ſie ſich mit dem anderen um ſo feſter herum. Im Auguſt 1890 war mir ein reichlich Dritte Art. Aeskulap-Natter. 319 meterlanges Exemplar aus dem Terrarium entwichen, auf das Schreibpult geklettert und dort in eine große, hinten offene Porzellan-Stutzuhr geſchlüpft, deren querliegende Meſſingſtange ſie in einigen Ringen ſo feſt umwand, daß ich das Thier, während die Uhr von einer zweiten Perſon gehalten wurde, nur entfernen konnte, indem ich es mit der linken Hand hinterm Kopfe packte und nun, mit der rechten die Windungen auflöſend, es ziehend „Schritt vor Schritt“ herausbeförderte. In ſolchen Fällen wie die ſoeben erwähnten beißt die Aeskulap-Natter auch um ſich; ſelbſt während des Dahinkriechens fährt ſie dann, ohne ſich erſt zuſammenzurollen, nach der nahenden Hand. Da friſchgefangene Stücke boshaft ſind, reißt man denſelben in Schlangenbad, um ſich vor den Biſſen zu ſchützen, vielfach die Zähne aus. Indeſſen mögen gleich die Nattern anfänglich ſehr biſſig ſein, ſie legen dieſe Eigenheit in der Regel bei zweckentſprechender Behandlung recht bald ab und gewöhnen ſich an den Pfleger dergeſtalt, daß ſie ihn nicht fliehen, ſondern ſich berühren, erfaſſen, herum— tragen laſſen, kurzum bis zu einer gewiſſen Grenze zahm und gutmüthig werden. Aber einzelne, namentlich alte Exemplare wird man immerhin finden, denen man nicht trauen darf, und unter außergewöhnlichen Umſtänden wird auch die ſanftmüthigſte wüthend. Im Sommer 1886 hatte ich, um fie einigen Bekannten zu zeigen, in der rechten Hand eine große, ganz zahme Aeskulap-, in der linken eine Glatte Natter; wie es im Charalter der letzteren Art liegt, ſuchte die kleinere Schlingnatter irgendwo anzuhäkeln, und ſo biß ſie denn die Aeskulap in die Flanke, worauf dieſe mit Blitz— geſchwindigkeit den Kopf herumwarf und wuchtig zufuhr, dabei jedoch nicht die Angreiferin traf, ſondern ihre Zähne in meinen Daumen ſo kräftig einſchlug, daß ſogleich aus allen Stichen Blut kam. Sehr gern ſonnt ſich unſere Natter und ſie geht den Strahlen nach bis auf das höchſte Geſträuch; eins meiner Thiere, das den Glaskaſten verlaſſen, hatte ſich vor das offene Fenſter in den Sonnenſchein gelagert und in dem Gefühl des Wohlbehagens gar nicht von der günſtigen Gelegenheit zu entrinnen Gebrauch gemacht. Nicht nur ihr anziehendes Weſen, ihre Beweglichkeit und Kletterfertigkeit ſichern der Aeskulap-Natter die Gunst des Reptilienfreundes, ſondern auch die Thatſache, daß ſie in der Regel ohne weitere Umſtände aus Futter geht. Nur einzelne Stücke, und zwar inſonderheit friſchgefangene alte Thiere, verweigern in der erſten Zeit aus Aerger über die Einkerkerung die Nahrungsannahme, aber auch ſie bequemen ſich, ſofern ſie geſund und in einem paſſenden, geräumigen, ſonnigen, mit Gelegenheiten zum Klettern ausgeſtatteten Käfig untergebracht ſind, ſchließlich zum Freſſen. Wenn in Schlangenbad die Meinung ſich verbreitet hat, unſere Natter verſchmähe das Futter, ſo iſt das kein Wunder; man ſteckt dort die im Frühling gefangene Natter, nachdem man ihr wohl gar die Zähne ausgeriſſen hat, in eine enge, mit wenig Gras verſehene Cigarrenkiſte, wo fie ſich nicht bewegen und demzufolge ja gar nicht freſſen kann! Daher unterläßt man dort, nach vielleicht einem fehlgeſchlagenen Verſuch, jegliche Fütterung, beläßt die Thiere in ihrem Zellengefängniß und ſchenkt ihnen, falls ſich kein Käufer findet, zum Herbſt die Freiheit, um ſie im nächſten Jahre womöglich wieder einzufangen. In der freien Natur ernährt ſich die Aeskulap-Natter von Mäuſen, außerdem von kleinen und jungen Vögeln und von Eidechſen; Hoſt ſagt, daß ſie auch Fröſche und Fiſche nicht verachte, und erzählt, daß ein von ihm im Juni 1789 am Ufer des Adriatiſchen Meeres erbeutetes Exemplar, welches kurz nach der Gefangennehmung fünf junge Vögel (Motacillen) und dann Blut erbrach und daran ſtarb, im Verdauungskanal noch die großköpfige Meeräſche (Mugil cephalus) und eine Eidechſe bei ſich hatte. Im Terrarium ziehen manche Stücke die Mäuſe, andere die Eidechſen vor, noch andere verzehren beiderlei und auch Vögel. So verſpeiſte auch die auf Seite 259 erwähnte Natter, je Weſen. Ernährung. Fortpflanzung. Synonyma. 320 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. nachdem was ihr vorkam, Mäuſe und Eidechſen, verſchmähte jedoch Lurche auf alle Fälle. Am Abend des 8. Mai 1893 war fie von oben her in den großen Vogelkäfig eingedrungen, um im Augenblick meines Hinzutretens eben mit dem Maule einen in voller Haſt hin- und herflatternden Wieſenpieper (Anthus pratensis) zu erfaſſen und ihn, trotzdem ihr Kopf und Körper frei herabhing, in einer Windung zu umſchnüren; ich packte den ganzen Knäuel und warf ihn ins Terrarium, wo die Natter den nun erdroſſelten Vogel ſofort losließ und davonkroch, ohne ihn wieder anzufaſſen (ſie fand ihn trotz eifrigen Umherſuchens anſcheinend nicht wieder, da das todte Geſchöpf nicht ihren Sinnen wahrnehmbar wurde). Das Wild wird durch einen ſchnellen Vorſtoß ergriffen, blitzſchnell mit einer oder mehreren Leibeswindungen umwickelt und ſomit erſtickt und erdrückt; hat jede Bewegung und Zuckung der Maus 2c. aufgehört, jo lockert die Schlange die Ringe, holt einigemal Athem, ſucht den Kopf des Erwürgten, erfaßt denſelben mit den Zähnen und ſchlingt die Beute hinab; in 5 bis 8 Minuten etwa iſt eine Maus von einer kräftigen Natter verſchluckt. Allein oft macht die Schlange weniger Umſtände, insbeſondere mit gewöhnlichen Eidechſen: fie packt die Echſe mit den Zähnen, hält ſie ohne ſie zu umſchnüren wenige Minuten zwiſchen den Kiefern, um ſie zu erſticken, und würgt ſie dann, den Kopf voran, raſch hinab, ſodaß die ganze Mahlzeit, vom Ergreifen des Biſſens bis zum Verſchlucktſein deſſelben, nur ungefähr ſechs Minuten in Anſpruch nimmt. Zuweilen wird ſelbſt eine Maus nicht umwickelt, ſondern einfach zwiſchen dem Schlangenkörper und dem Käfigboden oder der Käfigwand erdrückt. Größere Nattern verzehren mitunter drei bis fünf Zauneidechſen hinter einander. Eins meiner Exemplare vertilgte beiſpielsweiſe in der Zeit von Mitte März bis Mitte Auguſt 28 graue und weiße Mäuſe und eine Anzahl Eidechſen. Manche Thiere gewöhnen ſich auch, todte Mäuſe und Vögel, einzelne ſogar, was bei R. Effeldt geſchah, Stücke rohen Pferdefleiſches zu nehmen. Waſſer trinkt unſere Natter oft und verhältnißmäßig viel. Die Vermehrung geht wie bei den Waſſernattern vor ſich, d. h. die Aeskulap— Schlange legt im Sommer eine Anzahl Eier, welche dann noch einer Nachreife (vergl. Seite 256) bedürfen. Ein Gelege beſteht nach meinen Erfahrungen nur aus fünf bis acht Eiern, auch bei Hoſt legte ein Exemplar blos 5 Stück, während Lenz im Leibe der Weibchen 12 bis 20 Eier fand. Sie ſind auffallend walzenförmig geſtreckt, bei etwa 35 bis 40 mm Länge nur ungefähr 12 mm dick, ſodaß ſie in der Geſtalt ver— größerten Ameiſenpuppen oder den Quaglio'ſchen Bouillonkapſeln bezw. den Patronen des neuen Armeegewehres zu vergleichen wären. Zu Ablageſtätten benutzt unſere Natter Kompoſthaufen, Mulm, tiefe Moosſchichten u. a. In Italien wird die Aeskulap-Natter Colubro saettone, Col. d'Esculapio oder Angio, in Frankreich Couleuvre d'Esculape genannt. Anguis Aesculapii, Aldrov. 1640. — Anguis Aesculapii Grecis, Ray 1713. — Coluber scut. abd. 225 et squam. caud. par. 78, Scopoli 1767. — Natrix longissima, Laurenti 1768. — Col. longissimus, Bonnaterre 1789. — Coluber flavescens et Col. natrix var. ß, Gmelin 1790. — Coluber Aesculapii, Host 1790; Wolf - Sturm 1799. — Col. asclepiadeus, Sellmanni et pannonicus, Donndorf 1798. — Col. romanus, Suckow 1798. — Col. leprosus, Bechstein 1802. — Col. natrix var. a, Daudin 1803. — Col. (Natrix) Scopolii et Aesculapii, Merrem 1820. — Zamenis Aesculapii, Wagler 1830. — Coluber fugax, Eichwald 1831. — Callopeltis flavescens, Bonaparte 1839. — Elaphis Aesculapii, Dum. Bibron 1854. — Elaphis flavescens, Lichtenstein 1856. Vierte Art. Glatte Natter. 321 3. Gattung: Glattnatter. Coronella, Zaur. Körperſchuppen in 19 bis 25 (bei den europäiſchen Arten in 19 bis 21) Längsreihen angeordnet, vollkommen glatt und glänzend, jede vor der Spitze mit einem feinen Grübchen, der ſog. Endpore; Rumpf kräftig, faſt durchweg gleichdick (walzig), in der Mitte nicht zuſammengedrückt, ohne Bauchkante; Kopf kurz, abgeplattet, wenig vom Halſe abgeſetzt, Schnauze gerundet; Schwanz kurz; Augen klein, rundſternig, von oben ſichtbar; Naſengänge zwiſchen zwei Schildchen mündend; ein Sügelſchild; 4 bis 7 Schläfenſchildchen; Oberkieferzähne, 12 bis 16, von vorn nach hinten an Länge gleichmäßig zunehmend, Unterkieferzähne alle gleichgroß. Die Glatt⸗ oder Schlingnattern, von denen Europa zwei Arten beherbergt, bewohnen trockenes, mit Gebüſch und Wurzelwerk und Geſtein ausgeſtattetes Gelände, halten ſich am Boden auf und nähren ſich von Eidechſen und Blindſchleichen, mitunter auch von kleinen Schlangen. 4. Art: Glatte Natter. Coronella austriaca, Laus. Abbildung: Tafel VIII Nr. 2. Rüſſelſchild ungefähr fo hoch als breit, oben mit feinem Hintertheil als drei— eckige Platte zwiſchen die vorderen Stirnſchilder eingeſchoben; jederfeits ? Oberlippen— ſchilder, deren drittes und viertes den unteren Augenrand berühren; Sügelſchild über dem 2. Oberlippenſchild ſtehend und nach hinten nicht über daſſelbe hinausreichend; die beiden ziemlich gleichgroßen hinteren Augenſchilder hinten von zwei übereinander liegenden Schläfenſchildchen begrenzt; Körperfchuppen in 19 Cängsreihen geſtellt. Aeußere Erſcheinung. Der Körper, ſchlank und walzenförmig, verdünnt ſich nur wenig nach vorn und hinten, ſodaß ſich der Schwanz, welcher manchmal in größerem, manchmal in geringerem Maaße ſpitz ausläuft, jedoch ſich nie ſo zuſpitzt als bei der Würfel- oder auch bei jüngeren Exemplaren der Ringelnatter, ohne Einſchnürung an den Leib anſetzt. Ebenſo iſt der kleine oder mittelgroße, oben flache, ſeitlich längs der oberen Naht der Oberlippenſchilder ſchwach vertiefte Kopf — welcher bald breiter und kürzer, bald länger und geſtreckter erſcheint, immer aber am hinteren Ende bedeutend ſchmäler als der Kopf der Kreuzotter iſt und ſeinen größten Querdurchmeſſer dicht hinterm Auge erreicht, von wo er ſich nach der abgerundeten Schnauzenſpitze hin geradlinig verſchmälert — kaum merklich vom Hals abgeſetzt. Die mittelgroßen, rundſternigen Augen ragen wenig vor und ſind daher von oben nur etwas ſichtbar. Die Länge erwachjener Thiere beträgt 55 bis 70 em, in höchſt ſeltenen Fällen darüber, und zwar überſteigt die Länge ausgewachſener Männchen ſelten 60 und die ſolcher Weibchen ſelten 70 em. Das von Schreiber in ſeiner „Herpetologia“ angegebene Maaß: 63—80 cm dürfte, wenigſtens nach meinen Meſſungen, im Allgemeinen zu hoch gegriffen ſein, wennſchon das größte von Schreiber gemeſſene Exemplar eine Länge von 28 Zoll hatte. Die Schwanzlänge nimmt etwa ein Fünftel bis ein Sechstel der Geſammtlänge in Anſpruch. Friſchgeborene Thiere ſind gegen 15 em lang. Von den neun Schildern der Kopfplatte ſind die beiden Hinterhaupt-Schilder, welche wie die anderen ſieben Schädelſchilder glatt erſcheinen, im Alter aber uneben 21 Körperbau, Größe. Kopfſchilder. 322 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. werden, groß, und vorn breiter als hinten, die beiden Brauenſchilder länglich, am Außenrande etwas ausgebuchtet; das Wirbelſchild iſt groß, vorn entweder faſt gerad— linig abgeſchnitten oder doch nur mit unmerklicher, ſtumpfer Spitze zwiſchen die faſt quadratiſchen hinteren Stirnſchilder eingreifend, hinten aber als breite, dreieckige Spitze zwiſchen die Hinterhaupt-Schilder eingeſchoben; die zwei vorderen Stirnſchilder ſind weit kleiner als die hinteren, viel breiter als lang und innen an der Verbindungsnaht, wo das ſtark nach dem Oberkopf übergebogene, unten nur ſchwach ausgerandete Rüſſelſchild mit einer breiten dreieckigen Spitze zwiſchengreift, merklich verſchmälert, ſodaß ſie eine quer trapeziſche oder zuweilen gar faſt dreieckige Form erhalten. — Das Naſenſchild iſt ungefähr doppelt ſo lang als hoch (etwa ſo lang als das erſte Oberlippenſchild), vorn höher als hinten, mit rundem, in der Mitte gelegenem Naſenloch, von dem aus in zahlreichen Fällen eine Furche oder Naht nach oben und unten geht, ſodaß das Naſenſchild in ein vorderes und ein hinteres Schildchen getheilt erſcheint; das Zügel— ſchild iſt klein, nur ungefähr halb ſo lang und viel niedriger als das Naſale und viereckig; das vordere Augenſchild, vollkommen flach und nach oben hin etwas ver— ſchmälert, ſteht ſenkrecht und erreicht mindeſtens die doppelte, zuweilen faſt die dreifache Höhe des Zügelſchildes, iſt alſo das höchſte, wenngleich das ſchmalſte der letztgenannten drei Schilder. Die beiden über einander liegenden hinteren Augenſchilder jederſeits ſind unregelmäßig viereckig und ziemlich gleichgroß, von den beiden ſie hinten begrenzenden und ebenfalls über einander liegenden Schläfenſchildern jedoch iſt das untere mehr oder weniger ausgeprägt rautenförmig und viel größer als das obere, welches langgeſtreckt, ſchmal und manchmal faſt ſtrich— förmig iſt. An dieſe beiden eigentlichen Schläfenſchilder oder Temporalia erſter Reihe ſchließen ſich nach hinten (am Außen— 2 rande der Hinterhaupt-Schilder) noch drei Schildchen an, welche AED wohl gleichfalls als Schläfenſchilder bezeichnet werden, doch ID hier und für die Syſtematik nicht weiter in Betracht kommen. Fig. 34. Kopfbekleidung der Gewöhnlich iſt ein am hinteren Theile des Außenrandes der Glatten Natter. Hinterhaupt-Schilder liegendes Schild das größte unter dieſen, & Kopfplatte, B. Kopſſette den Uebergang zur Beſchuppung bildenden Schildchen. Von den ſieben Oberlippen— ſchildern jederſeits ſtößt das erſte oben in der Hauptſache an das Naſen-, mit dem hinteren Ende auch an das Zügelſchild, das 2. hauptſächlich an das letztere, z. Th. auch an das vordere Augenſchild (Vorderrand), das 3. an das letztere und den unteren Augenrand, das 4. an eben dieſen und an das untere Poſtokulare, das 5. an letzteres und an das untere der beiden Schläfenſchilder (erſter Reihe), das 6. an daſſelbe Schläfenſchild und an die vordere Kante des unteren Temporale zweiter Reihe, dem 7. liegt das letztere faſt gänzlich auf. Von den neun Unterlippenſchildern berühren in der Regel die erſten fünf die Rinnenſchilder, deren hintere beiden, unmerklich kürzer als die vorderen, nicht durch zwiſchengeſchobene Schuppen auseinandergedrängt ſind, wie es bei der Ringelnatter der Fall iſt. Die angegebenen Artmerkmale erweiſen ſich als durchaus beſtändig, und nur ganz vereinzelt machen ſich Abänderungen in der Beſchilderung des Kopfes bemerklich. So zeigt ſich, wie ſchon erwähnt, ausnahmsweiſe eine Furchung bezw. Theilung eines Schildes — beiſpielsweiſe des Naſale, oder eines hinteren Augenſchildes, oder, wie ich es an einem vorliegenden tiroliſchen Exemplar ſehe, eines Temporale (ſodaß links 3 Temporalia erſter Reihe auftreten) — oder um— gekehrt die Verwachſung zweier Schilder zu einem, z. B. der Schnauzenſchilder oder der beiden Schläfenſchilder erſter Reihe; auch kann ganz ausnahmsweiſe einmal die Vierte Art. Glatte Natter. 323 Zahl der Oberlippenſchilder ſchwanken, ſodaß man auf der einen Seite 8, auf der anderen 7 zählt. Die Zahl der Schuppenreihen in der Mitte des Körpers beträgt 19 und erſcheint ganz beftändig.*) Die Schuppen ſelbſt find ganz glatt, welche Eigenſchaft namentlich bei direktem Vergleich mit Würfel- und Ringelnatter und Vipern auffällt und unſerer Schlange den Namen „Glatte Natter“ verſchaffte, und glänzend, beſonders nach vollendeter Häutung ſchön metallglänzend, hinterm Kopfe klein und faſt breit— ſechseckig, dann längs des Körpers bis gegen den Schwanz hin größer und länglich— ſechseckig, nach den Seiten hin breiter, am Schwanze endlich wiederum ſich verkürzend und breiter werdend. Der Skulptur der Schuppen gedachten wir ſchon auf Seite 247. Die Zahl der mäßig breiten Bauchſchilder ſchwankt zwiſchen 159 (wie Bonaparte angiebt**) und 191, die der Schwanzſchilder-Paare zwiſchen 41. **) und 60, nach Angabe Schreiber's zwiſchen 46 und 64; das Afterſchild iſt getheilt. Als Abweichung kann, wie ich dies auch bei der Ringelnatter wahrgenommen, vorkommen, daß zwiſchen den Schwanzſchilder-Paaren plötzlich eins oder mehrere einfache Schwanzſchilder, oder zwiſchen den Bauchſchildern eins oder einige getheilte ſich zeigen. Wenn wir die Färbung und Zeichnung verſchiedener großer und mittelgroßer Thiere vergleichend betrachten, ſo begegnen uns die typiſchen Stücke, die Vertreter der Stammform, in nachſtehend beſchriebenem Kleide: Grundton des Oberkopfes und der übrigen Oberſeite ein Graubraun, mit einem gelblichen, röthlichen oder olivgrün- lichen Anflug, der Unterſeite ein Gelb-, Röthlich-, Chokoladen-, Stahl- oder Weißgrau, auch Röthlich- und Strohgelb, letztere entweder einfarbig, oder infolge dunkler, ſchwärz— licher Punkte, Tüpfel und Wolkenflecken geſprenkelt und marmorirt; auf dem Hinter— kopf ein bald größerer, bald kleinerer, nach hinten zweiſchenkliger oder ausgerandeter (hufeiſen- oder faſt herzförmiger) Fleck von nußbrauner bis ſchwarzer Farbe, dem ſogenannten Krönchen f); vom Naſenloch an durchs Auge bis zu dem Mundwinkel und der Halsſeite ein gleichfalls dunkler, ſchwarzbrauner oder ſchwarzer, ſchmaler Streifen; auf dem Rücken zwei Reihen dunkelbraune bis ſchwarze, als Fortſetzung der Schenkel der Hinterhaupt- oder Nackenmakel anzuſehende Flecken und zuweilen an jeder Körperſeite noch eine, die Richtung des Augenſtreifs verfolgende, aus kleineren und undeutlichen Tüpfeln beſtehende Fleckenreihe. Die Flecken der beiden längs des Rückens und zwar in der Regel auf der (von der Bauchkante an gezählten) achten, z. Th. auch der ſiebenten und neunten Schuppen— reihe hinziehenden Reihen, welche ein ſchmales, gewöhnlich etwas heller als die übrige Partie der Oberſeite getöntes Rückgratsband zwiſchen ſich laſſen, ſind gemeinhin ab— wechſelnd geſtellt und namentlich im vorderen Theil des Körpers gut ausgeprägt; die Zeichnungen markiren ſich um ſo kräftiger, wenn die betreffenden, ohnehin ſchon dunkler folorirten Schuppen ſchwarze Säume bezw. an den Rändern ſchmale ſchwärzliche Längsflecken⸗ und Strichelzeichnungen erhalten haben. Die letztere Eigenheit bringt es mit ſich, daß die Flecken nicht in durchgehender, gleichmäßiger Färbung, ſondern *) Die von Strauch in ſeiner „Erpétologie de l’Algöri“, S. 54, gemachte Angabe, daß austriaca 21 Schuppenreihen beſitze, erklärt er ſpäter, in ſeinen „Schlangen des Ruſſ. Reiches“ (S. 46), für durchaus irrig und entſtanden durch Herübernahme einer für richtig gehaltenen Angabe Günther's [Cat. of Col. Snakes p. 35]. — **) H. O. Lenz [Schlangentunde S. 260] fand als niedrigſte Zahl ſogar 155, doch ſtößt mir bei keinem anderen Forſcher eine ähnliche Angabe auf, ich zählte zum mindeſten 160 Bauch ſchilder. — ***) Dieſes Minimum finde ich bei dem ſchon erwähnten, 48 em langen tiroliſchen Exemplar, Weibchen, deſſen Schwanzlänge nur 7 em beträgt, alſo ungefähr ein Siebentel der Geſammtlänge ausmacht. — 7) Dieſer Kopfzeichnung verdankt der Gattungsname Coronella (Krönchen) ſeine Herleitung. 21* Körperbedeckung. Färbung. Stammform Geſchlechter. Jugendkleid. Abänderungen. 324 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. als ein ſchwarzes und braunes Netzwerk erſcheinen. Die Tüpfel der dritten und vierten Reihe werden nach hinten zu kleiner und undeutlicher, um ungefähr in der Mitte des Leibes gewöhnlich ganz zu verſchwinden; bei vielen Stücken fehlen die Seitenflecken überhaupt. Die erwähnte dunkle „Krone“ am Hinterhaupt, welche mit zunehmendem Alter an Größe und Ausdehnung verliert, ſieht im Vordertheil undeut— lich, verſchwommen aus, während ſie hinten eine ſchärfere Begrenzung aufweiſt und meiſt zwei entweder gleichlaufende oder aber leicht auseinander weichende Fortſätze, welche in einzelnen Fällen jedoch von der Hauptmakel abgeſchnürt ſind, nach dem Nacken hin ſchickt. Ihr geſellen ſich auf dem Oberkopf oft noch zwei dunkle Zeichnungen, Querbinden, zu: die eine erſtreckt ſich über den Hinterrand des Scheitelſchildes und der beiden Brauenſchilder, die eine weiter vorn über den Hinterrand der eigentlichen Stirnſchilder; die letztere etwa von der Form eines leichten Bogens zieht ſich häufig noch nach ſeitwärts über die Augen hinab, um ſich dort mit dem vom Naſenloch durchs Auge nach dem Mundwinkel gehenden dunklen Streifen zu verbinden. Der mitunter an dem Schwarzbraun der Kopfzeichnungen wahrzunehmende bläuliche Schimmer, eine Art Reif, auf welchen Leydig aufmerkſam machte, fällt beſonders bei jungen Thieren auf. Von den erwähnten Kopfſtreifen wird das braune, mit gold— farbiger Iris ausgeſtattete Auge bei manchen Stücken inſofern in Mitleidenſchaft gezogen, als der von ihnen getroffene Theil ganz dunkel erſcheint, der andere, obere Theil hingegen goldgelb bleibt. Die Sprenkelung und Marmorirung der Unterſeite verbreitet ſich bei der Stammform gewöhnlich nur über die Mitte der Bauch- und der Schwanzſchilder, ſchon am Halſe weicht ſie zurück und die Unterſeite des Kopfes ſieht in der Regel gleichmäßig hell aus; bei dunklem Grundton treten auf der Bauch— fläche zuweilen gelbe Tüpfel auf. Manche Sammler und Beobachter nehmen an, daß man die männlichen Glatt— nattern an der grauen, die weiblichen an der braunen Grundfärbung des Rückens, wozu bei den erſteren roſtbraune, bei den letzteren tiefbraune Nacken- und Rücken— fleckung komme, unterſcheiden könne. Indeß, wenn das oft auch zutrifft, durchſchlagende Merkmale hat man damit nicht gewonnen. Hingegen meinte Leydig, die Männchen beſäßen einen ſchmäleren, geſtreckteren, die Weibchen einen breiteren, zuſammengezogenen Kopf; doch bedarf auch dieſer Punkt noch weiterer Unterſuchung. Die Jungen gleichen im Allgemeinen, ſo namentlich hinſichtlich des Grund— tons und der Zeichnung der Rückenfläche, den Alten, nur fällt Dreierlei auf: die Fleckenzeichnungen treten infolge ihrer ſcharfen Begrenzung und tiefdunkeln, ſchwärz— lichen und ſchwarzen Farbe kräftig hervor, die Hinterhälfte der Kopfplatte, ja mit— unter der ganze Oberkopf iſt ſchwarz, ſammetartig glänzend, und endlich ſind die Bauchſchilder faſt immer einfarbig, meiſt ziegelroth oder kupferbraun. Mit zunehmendem Alter hellt ſich das Schwarz der Zeichnungen auf, an gewiſſen Kopfpartien verliert es ſich völlig, während an der Bauchfläche Sprenkel und Flecken ſich bemerklich machen, und im vierten oder fünften Jahre iſt das Bezeichnende des Jugendkleides geſchwunden. Auf die Grundfarbe allein hin, die wie bei der Kreuzotter — mit welcher die Glattnatter durch eben dieſe Färbung, durch die Hinterkopfzeichnung und die zuweilen als ein unterbrochenes Zickzackband ſich darſtellenden Rückenflecken oft verwechſelt wird — von Braun einerſeits ins Röthliche und Strohgelbe, anderſeits ins Graue und Olivenfarbige übergehen und auch durch die Thätigkeit der beweglichen Farbzellen beeinflußt werden kann, darf man keine Varietäten unterſcheiden. A. Strauch ſah in der Sammlung des Profeſſor Ballion zu Petersburg ein bei Noworoſſiisk gefangenes Vierte Art. Glatte Natter. 325 Exemplar, das bei durchaus normaler Zeichnung ſowohl oben wie unten vollkommen ziegelroth gefärbt war, und ein entſprechendes Stück mit brandrother Oberſeite erbeutete ich vor 21 Jahren in der Nähe meiner Heimat Erdmannsdorf in Sachſen. Den Ausſchlag bei Aufſtellung von Varietäten giebt die Zeichnung ab, und wir nehmen demzufolge nur einige ſolcher Spielarten und Formen an. 1. Var. faseiata, quergebänderte Glattnatter. Unterſcheidet ſich von der Stammform dadurch, daß die neben einander liegenden dunklen Rückenflecken namentlich im Vordertheil des Körpers paarweiſe zu etwas ſchiefgeſtellten Querbinden verſchmelzen. Kommt häufig vor. 2. Var. taeniata, geſtreifte G., bei welcher die hinter einander ſtehenden Rückenflecken in mehr oder weniger regelmäßige Längsbinden zuſammenfließen, die allerdings gewöhnlich nur auf dem vorderen Theil des Rückens hervortreten und blos bei manchen Stücken bis nach dem Schwanze hin ſich verfolgen laſſen. Nicht zu ver— wechſeln mit dieſer, übrigens ſehr ſeltenen ſchwarzbindigen Spielart ſind jene Glatt— nattern, bei welchen die ſchwarzen, nicht zuſammenhängenden Flecken jeder Reihe in einem dunklen Längsband liegen, das etwas heller (braun) als die Flecken, aber doch dunkler, ſattfarbiger als der allgemeine Ton der Rückenfärbung iſt: die Abbildung auf unſerer Tafel VIII vergegenwärtigt ein ſolches, typiſches Exemplar. Zuweilen, indeß recht ſelten, kommt es vor, daß die ſchwarzen Flecken nicht nur zu Längsbinden ver— einigt ſind, ſondern dazu noch in der Quere zuſammenſtoßen und auf ſolche Weiſe eine Art Leiterzeichnung hervorrufen. 3. Var. sparsa, geſprenkelte G. Oberſeite nicht mit dunklen Fleckenreihen gezeichnet, ſondern infolge zahlreicher, über die ganze Fläche unregelmäßig verſtreuter Tüpfel und Punkte dunkel geſprenkelt. Sehr ſelten; nach E. Schreiber vornehmlich in den Kaukaſusländern, und zwar ſollen dort bei dieſer Form die zwei Schläfenſchilder erſter Reihe gewöhnlich zu einem einzigen verſchmelzen. 4. Var. immaculata, ungefleckte G. Oberſeite braun oder braungrau, ohne ſchwarze bezw. braune Flecken und Sprenkel, höchſtens mit einigen Kopfzeichnungen, namentlich der dunklen Augen-Schläfenbinde; Unterſeite einfarbig gelblich oder weiß— lich oder röthlich. Hauptſächlich im ſüdlichen und ſüdöſtlichen Rußland, in der Krim, den Kaspi- und Kaukaſus-Ländern. Daher gehören hierher die durch einfarbig roſen— rothe Unterſeite ausgezeichnete Demidoff-Nordmann'ſche Varietät caucasica, der Pallas'ſche ungefleckte Coluber caucasicus und der Georgi-Pallas'ſche, ober- und unterſeits gleichfarbig dunkel-kupferbraune Coluber cupreus. 5. Var. oder Subſpezies italica, ausgezeichnet vor den mittel-, nord- und oſteuropäiſchen Glattnattern durch reichlich, faſt kuppenartig vor- und übergewölbtes und daher ungewöhnlich ſtark kegelförmig (ähnlich wie bei der ſüdeuropäiſchen und nordafrikaniſchen Treppennatter Rhinechis scalaris) über den Unterkiefer vorragendes Rüſſelſchild ſowie durch ſcharf nach den Flanken aufwärts gebogene und ſomit eine ziemlich deutliche Seitenkante hervorrufende Bauchſchilder, ſodaß dieſe Natter früher als eine beſondere Species angeſehen und von Bonaparte 1839 Zacholus Fitzingeri, von Fitzinger Zacholus italicus benannt wurde; doch gleicht ſie ſonſt der echten Glatt— natter und kann ſonach nur als eine ausgezeichnete Form oder Unterart derſelben gelten. Oberſeite meiſt hell graubraun, mit vier dunklerbraunen (unter Var. 2 er— wähnten), mehr oder minder deutlichen Längsbinden, auf denen die nur ganz wenig ausgebildeten ſchwarzen Flecken, die übrigens oft gänzlich fehlen, bemerkbar ſind; Kopfzeichnung hingegen gewöhnlich normal; Unterſeite roth oder gelblich, grau ge— Verbreitungs Gebiet. Süddeutſchland. 326 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. wolkt u. ſ. w. Italien und Sizilien, auch auf der Pyrenäiſchen Halbinſel und nach F. Werner auf Dalmatiniſchen Inſeln und ſelbſt in Nieder-Oeſterreich. Geographiſche Verbreitung. Die Glattnatter iſt nicht nur eine echtdeutſche Schlange, ſondern auch eine der häufigſten und verbreitetſten europäiſchen Arten, ob— ſchon fie in dieſen Beziehungen ſich mit der Ringelnatter noch nicht auf eine Stufe ſtellen kann. Sie findet ſich zwar auf den drei ſüdlichen Halbinſeln unſeres Erdtheils ebenſo wie auf der jütiſchen und ſkandinaviſchen Halbinſel, in Weſteuropa einſchließlich England ebenſo wie in verſchiedenen Gebieten des Ruſſiſchen Reiches bis zum Kaspiſchen Meere hin, indeſſen bilden ihre eigentliche Heimat doch die Länder Mittel-Europas; von da nimmt fie nach Norden zu an Häufigkeit ab und in vielen Theilen des ſüdlichen Europas wird ſie durch ihre Gattungs-Verwandte, die ihr ſehr ähnliche und oft mit ihr verwechſelte Gironden-Natter (Coronella girondica, Daudin) verdrängt und erſetzt. Unſere vornehmlichſte Aufgabe iſt es, die Verbreitung unſerer Glattnatter durch die verſchiedenen deutſchen Länder und Landestheile zu verfolgen. Es darf dabei vorausgeſchickt werden, daß das oben für die Verbreitung im Allgemeinen geſagte im Beſonderen auch für unſer Vaterland zutrifft: die Glattnatter iſt ziemlich überall und ſtellenweiſe auch zahlreich vertreten, ſie bleibt aber doch faſt durchgängig an Häufigkeit hinter der Ringelnatter zurück; nur in einzelnen Strichen, ſo im ſüdlichen Taunus und in der Rheinpfalz, am Haardtgebirge, überwiegt ſie die genannte Waſſerſchlange. Was zunächſt das Königreich Bayern, wo ſie laut Reider-Hahn „allenthalben an mit Gebüſch bewachſenen ſteinigen Anhöhen nicht ſelten“ vorkommen ſoll, anbelangt, ſo iſt unſere Natter nach J. Fahrer [München] in Oberbayern zu Hauſe, von ein— zelnen Fundorten giebt Jäckel 1871 die Herrnalpe, Wendelſtein, Tegernſee und Kreuth in den bayeriſchen Alpen ſowie die Abhänge bei Harlaching nahe München an. Im Bezirk Schwaben-Neuburg erſtreckt ſich laut Wiedemann ihr Vorkommen von den _ ſchwäbiſchen Alpen (3. B. Füſſen, Faulenbach) den ganzen Lauf des Lech entlang bis zu deſſen Mündung in die Donau und an dieſer abwärts bis unterhalb Neuburg; am zahlreichſten in den Lechauen bei Haunſtetten, am Ablaſſe und im Siebentiſch— wald bei Augsburg und in den Auen bei Gerſthofen, bis vor wenig Jahren ſelbſt mehrmals in der Nähe der Stadt Augsburg, beim rothen Thor, beobachtet; nördlich der Donau, im ſchwäbiſchen Jura, wurde fie auch öfters gefunden, fo bei Utzmemmingen, Niederaltheim, Mönchs-Deggingen, Untermagerbein und im Karthäuſerthal; im Iller— thal noch nicht mit Sicherheit nachgewieſen, fehlt ſie den ſämmtlichen mittleren Thälern des Kreiſes, dem Günz-, Kammel-, Mindel-, Zuſam- und Schmutterthal, gänzlich, ebenſo laut A. Dietrich in der Umgegend von Lindau am Bodenſee. Aus Nieder— bayern liegen Nachweiſe vor: Paſſau (Jäckel); aus der Oberpfalz: Regensburg; Mittel— franken: Rothenburg a. d. Tauber und Nürnberg (A. Dünnbier), Windsheim Jäckel), Erlangen (J. Sturm, Dr. Brock; häufig); Oberfranken: Ailsbachthal (Prof. Dr. Nehring), Bamberg (Dr. Blumm, Sippel; vereinzelt); im Steigerwald z. B. bei Ebrach (Jäckel); Unterfranken: Würzburg und Zellingen a. M. (Prof. Braun, Dünnbier), in der Rhön bei Brückenau und Biberſtein (Leydig), im Speſſart (O. Böttger). Für Württem⸗ berg giebt bereits 1830 G. v. Martens folgende Fundorte an: Stuttgart, Tübingen, Reutlingen, Ulm; Prof. E. v. Martens beobachtete ſie 1846/48 bei Stuttgart an der Silberburg und Feuerbach, nach Prof. Eimer iſt ſie bei Tübingen etwa ſo häufig wie die Ringelnatter, nach Dr. Weinland iſt ſie auf der Schwäbiſchen Alb bis zu 2300 Fuß Meereshöhe häufig, im Thal ſeltener, nach Prof. Krauß fehlt ſie in Oberſchwaben, während ſie im übrigen Württemberg häufig vorkommt; auch am Hohentwiel, in der im ſüdlichen Baden gelegenen Enklave, findet ſie ſich. Sie ſcheint in Baden überhaupt Vierte Art. Glatte Natter. 327 allgemein verbreitet zu ſein. Dies ſagt ſchon E. Weber 1855 und wiederholt daſſelbe 1871 mit dem Hinzufügen „in Gebirgswäldern“, doch ſei ſie im Allgemeinen nicht ſo häufig als die Ringelnatter; im Seekreiſe lebe ſie beſonders gern auf vulkaniſchem Boden, ſo im Hegau am Hohentwiel und Hohenſtoffeln und auf dem Randen. H. Kober— Freiburg ſchreibt mir: „Sehr häufig; ich fand immer mehr Glatte Nattern als Ringel— nattern; kommt in der Ebene und im Gebirge bei uns vor“; als Fundorte nennen Dr. Müller-Baſel: Badenweiler, Grenzach; J. v. Bedriaga: Heidelberg; Fr. Leydig: Brombach und Wertheim am Ausgang des Tauberthales. In der angrenzenden Süd— hälfte des Großh. Heſſen iſt fie gleichfalls heimiſch: Dr. O. Böttger kennt fie aus dem Odenwald und dem Offenbacher Gebiet, Dr. Fr. Müller von Darmſtadt, W. von Reichenau von Mainz (hier ſelten) und Dr. F. Glaſer aus den Geröllen der Binger— wald⸗Abhänge nach Rheinſtein hin und von dem Banquet der die Berge entlang führenden Rheinſteiner Chauſſee, allwo fie „ſehr gewöhnlich“ ſei. In der bayeriſchen Rheinpfalz bewohnt ſie nach Jäckel namentlich die Gegend von Kaiſerslautern, Deides— heim und Bergzabern, und M. Kruel bezeichnet ſie mir als die eigentliche Schlange des Haardtgebirges, das der Kreuzotter und der Ringelnatter ermangelt. Den deutſchen Reichslanden gehört die Glattnatter ebenfalls an, doch fehlen eingehendere Nachrichten darüber. Für das nördlich der Pfalz und der Reichslande gelegene linksrheiniſche Preußen verzeichnet ſchon Schäfers „Moſelfauna“ die Glattnatter, welche bei Trier (Sirzenicher, Euerner, Aweler und Pfalzeler Wald), wie überhaupt im Moſel, im Saar-, Ruwer— und Sauer⸗Thal nicht ſelten ſei. Laut Geiſenheyner kommt fie in den Wäldern des Nahegebietes überall, laut Leydig auch in der Eifel, wo ſie bei Bertrich und Nieder— mendig beobachtet wurde, vor. Leydig bemerkte ſie gleicherweiſe bei Bonn und auf der rechten Seite des Rheins im Siebengebirge, wo ſie W. Bölſche auch fand. Aus dem Duisburger Forſt ſah der letztgenannte Berichterſtatter ein Spiritus-Exemplar 1880 auf der Düſſeldorfer Ausſtellung; in der Umgegend von Neviges kamen G. de Roſſi innerhalb zehn Jahren nur 10 Stück zu Geſicht, für das Gebiet von Elberfeld— Barmen melden ſie Cornelius und Behrens, für Linz a. Rh. Melsheimer. Im Naſſauiſchen iſt ſie allgemein verbreitet, ſpeziell bei Wiesbaden, Schlangenbad und im ſüdlichen Taunus iſt ſie nach Dr. Böttger und Dr. C. Koch die häufigſte Schlange der Berge und der Ebene, nach Kirſchbaum im Taunus häufiger als in der Lahn— gegend; F. Borcherding begegnete ihr auf dem Burgberge an der Ruine Naſſau, am Wog und im Kaltbachthale. Jedenfalls verbreitet ſie ſich von hier nordwärts durch den Weſterwald, wenigſtens fand ſie W. v. Reichenau häufig bei Dillenburg. Ebenſo iſt ſie laut Suffrian und Weſthoff im ſüdlichen und nördlichen Sauerland Weſtfalens überall anzutreffen, vielorts recht zahlreich; ſie geht bis zur Haar herab, iſt aber im Siegerlande häufiger, an Fundorten nennt Weſthoff: Hilchenbach am Fuße des Rothhaargebirges (ſehr verbreitet), Meſchede, Arnsberg, Büren, auch Hagen; ſie iſt ferner heimiſch in den Höhenzügen der Egge, des Osning und Teutoburger Waldes, ſo an der Dörenſchlucht bei Feldrom (Schacht), in der Umgegend von Iburg und Bielefeld. Im Weſergebiet ſcheint ſie nirgends zu fehlen; wir kennen ſie von Herford und Hameln, durch W. Woltersdorff von Eſchershauſen im Kreis Holzminden, Haar— brück und aus dem Waldeck'ſchen, durch A. Lenz aus der Umgebung Kaſſel's, durch A. Strauch aus dem Gebiet der ehemals kuͤrheſſiſchen Ortſchaften Eſchwege und Schmalkalden, durch Geheeb (F. Leydig) aus dem „Erlich“ bei Geiſa und vom Dietrichs— berg der nördlichen Vorder-Rhön (vergl. S. 326); nicht minder aus dem Leine-Bergland durch Woltersdorff von Heiligenſtadt, Ballenhauſen ſüdlich Göttingens, Salzderhelden Mitteldeutſches und norddeutſches Bergland. 398 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und durch Leunis aus den bergigen Laubwaldungen, z. B. am Finkenberg und Knebel, bei Hildesheim. In dem braunſchweigiſchen Hügelland nördlich des Harzes, alſo bei Braunſchweig, Wolfenbüttel, Helmſtedt und im Elm, wird ſie ebenſo noch vermißt, wie auf dem Oberharz (nordweſtlichen Harz), dagegen iſt fie in den nördlichen oder öſtlichen Vorlanden des Harzes und im Unterharz, alſo im ſüdöſtlichen und ſüdweſtlichen Theile des Gebirges, nachgewieſen: ſo bei Quedlinburg und Halberſtadt (Steinholz, Hoppelberg bei Langenſtein, Huywald) durch Dr. E. Schulze und Woltersdorff und bei Blankenburg (Sägemühlenteich, Heidelberg, Teufelsmauer, Regenſtein) durch Dr. J. Elſter, Geitel u. A., bei Quenſtedt durch Rimrod, im Selkethal durch Prof. Giebel (als Col. de ee bei Ballenſtedt, Pansfelde, Stecklenberg im Wurmthal, an der Roßtrappe durch E. Schulze, bei Gernrode durch Brey (W. Woltersdorff), bei Sanger— hauſen durch Laue und Nordhauſen durch Petry und Schulze. Im Kyffhäuſer wurde ſie von Dr. Elſter beobachtet. Aus dem Thüringiſchen Berg- und Hügelland geben E. Schulze und W. Woltersdorff in ihren Zuſammenſtellungen folgende Fundorte an: Freiburg a. d. Unſtrut, Bibra bei Freiburg, Köſen, Sonnenkuppe und Herlesberg bei Sulza, Blankenburg im Schwarzathal; H. O. Lenz bezeichnet ſie als eine Bewohnerin der trockenen, mit Laubgebüſch beftandenen Höhen des Thüringerwaldes, ſo auch des Inſelsberges, laut brieflicher Mittheilungen der Herren Scheller und Dr. Ludwig iſt ſie in nächſter Nähe Eiſenachs ebenſo einheimiſch wie bei Greiz (hier häufig). Auch in dem Saal-Eiſenbergiſchen Kreiſe des Herzth. Altenburg kommt ſie, und zwar „bei Tautenhain in mäßiger Zahl neben zahlreichen Kreuzottern“ vor, wie Prof. Nehring auf Grund der Angaben des Oberförſters Ungarland-Tautenhain in der Naturw. Wochenſchrift (Berlin 1890, V. Bd. S. 327) mittheilte. Während ich ſie aus dem Fichtelgebirge noch nicht kenne, kann ich die Bemerkung Th. Reibiſch's, daß die Glatt— natter in den Gebirgs- und Hügellandſchaften des Königreichs Sachſen „eine gewöhnliche Erſcheinung“ ſei, beſtätigen; von einzelnen Fundorten aus der nördlichen Abdachung des Erzgebirges will ich nur die Umgebung von Erdmannsdorf und Zſchopau, Wolken— ſtein, Freiberg, Noſſen nennen. Im Lauſitzer Gebirge ſcheint ſie allgemein verbreitet zu ſein; Hr. Paul Jung-Zittau hat ſie im dortigen Diſtrikt angetroffen auf dem Breiteberg, der Kritſche, den Hörnitzer Höhen, dem Warnsdorfer und Oderwitzer Spitz— berg, dem Kottmar, dem Löbauer Berg, dem Königsholz im Wittgensdorfer Walde, an den Rändern des Neißethales, zuſammen mit der Kreuzotter aber nur auf dem Gickelsberg, hingegen fehlt ſie der Lauſche und dem Jeſchken. Tobias giebt ſie noch aus dem Cunnersdorfer Walde und von der Landskrone bei Görlitz an. Bezüglich Schleſiens ſagt Gloger, daß ſie dort „hin und wieder“ vorkomme, „jedoch nicht ge— wöhnlich, wiewohl auch nicht ſelten“ ſei; inwieweit die Meldung J. G. Neumann's aus dem Jahre 1831, daß die Glatte Natter im Jägerndorf'ſchen Fürſtenthum, im Lub— linitzer und Roſenberger Kreiſe, in der Grafſchaft Glatz, im Neißer Gebirge, auf dem Gräditzberg, im Plagwitzer Sandſteinbruch am Bober (Kr. Löwenberg) und auf den Lichtenauer Höhen unweit Lauban ſich finde, der Wirklichkeit entſpricht, vermag ich nicht zu entſcheiden — mir iſt ſie nur bekannt von Sprottau, Bunzlau und Salz— brunn am Fuße des Eulengebirges, und aus zwei Stellen des oberſchleſiſchen Kreiſes Oppeln: von Kobyllno, woher ſie Dr. O. Böttger durch O. Goldfuß erhielt, und von Dombrau, welchen Ort Hr. F. Tiemann mir anzeigte, indem er dazu noch ſchrieb, daß die Natter in Schleſien nur einen kleinen Verbreitungskreis nach der öſterreichiſch— ſchleſiſchen Grenze zu habe, während der der Kreuzotter viel größer ſei. lagen Wenn die Glattnatter in unſerem norddeutſchen Flachlande überhaupt nur ſpärlich auftritt, ſo gilt dies insbeſondere von dem öſtlichen Theil deſſelben. Vierte Art. Glatte Natter. 329 Daher meldet ſie mir kein Beobachter aus der Provinz Poſen, nur Hr. M. Queden— feldt berichtet, daß er im Jahre 1875 bei einer Schießübung in einem Kiefernwalde in der Nähe Bromberg's zwei Stück, welche von den Soldaten getödtet worden waren, geſehen habe. Ein ſolch zerſtreutes Vorkommen iſt mehrmals bemerkt worden. So auch, zuſammen mit der Smaragd-Eidechſe, in dem Cherniewicer Walde bei Thorn, alſo nicht ſehr entfernt von Bromberg: Oberlehrer von Nowicki-Thorn erhielt in den vierziger Jahren zwei Stück von daher und gab 1849 ein Belags-Exemplar an den Vorſtand des „Vereins für die Fauna der Provinz Preußen“ zu Königsberg (Rathke, Zaddach u. A.), der die Richtigkeit der Beſtimmung beſtätigte und dies im IV. Bericht über die Leiſtungen des Vereins, März 1849, bekannt machte. Im weiteren aber fehlt die Glattnatter auf dem feuchtkühlen Boden Oſt- und Weſtpreußens, und wie auf der Preußiſchen, ſo auch auf der Pommerſchen Seenplatte, und das Gleiche ſcheint hin— ſichtlich der Mecklenburgiſchen Seenplatte der Fall zu ſein, denn Hr. C. Struck ſchreibt mir, daß er ſie bis jetzt ſpeziell im ſüdöſtlichen Mecklenburg vergeblich geſucht habe. Die in der Roſtocker Sammlung ſtehende Coronella mit der Angabe „Mecklenburg“ mag ſomit vielleicht aus dem nordöſtlichen Theile des Landes ſtammen. Denn dieſer grenzt an Vorpommern, wo die Glattnatter nachgewieſen werden konnte. Allerdings ſcheint ſie auch hier nur vereinzelt vorzukommen: von Jarmen im Kreiſe Demmin wird ſie durch E. Friedel gemeldet, bei Barth, nordweſtlich von Stralſund, entdeckte ſie vor wenigen Jahrzehnten der Apotheker Hübner; von Barth (Hermannshagen) ſtehen einige Exemplare im Greifswalder Muſeum, ebendort ſowie im Berliner Zoologiſchen Muſeum (Nr. 2066) auch je ein Stück von der Inſel Rügen, wo ſie Dr. Katter jedoch nicht bemerkt hat. Den weſtlichen Begrenzungen Mecklenburgs mangelt ſie ebenfalls nicht; ſchon auf der Naturforſcher-Verſammlung zu Hamburg 1830 wurde ein bei Möören in der Gegend von Lübeck gefangenes Exemplar vorgezeigt. Aus der Mark Brandenburg kennt man die Natter bis jetzt von ſechs Plätzen, während Schulz 1845 fie in feiner Fauna marchica noch nicht aufführt. Die Fundorte liegen im und am Barnim, in der öſtlichen Mittelmark und am Fläming. Die erſten Funde machte der bekannte Direktor der Forſtakademie zu Eberswalde, Geh. Rath Ratzeburg, in der Umgebung dieſer Stadt; ſodann wurde die Natter im Frühjahr 1856 bei Oderberg, wo ſie daſſelbe Gelände wie die Smaragd-Eidechſe bewohnt (S. 134), durch Hrn. Lehrer Lange entdeckt; in den 70 er Jahren ſammelte fie, wie Hr H. Schalow mir mittheilt, Dr. Gadow wiederholt in der Umgegend von Colpin, Kreis Beeskow— Storkow; im Jahre 1890, am 22. Juli, wurde ein trächtiges Exemplar bei Ragow, zwiſchen Beeskow und Müllroſe gelegen, durch den Förſter Metzing zu Ragow auf— gefunden und die Natter dort „ziemlich häufig“ beobachtet; von Teupitz, weſtlich der Dahme meldet ſie E. Friedel, und für den Südweſten der Provinz zeigte ſie Hr. W. Bach— Magdeburg, der ſie vereinzelt auf den Schießplätzen bei Jüterbog angetroffen hatte, i. J. 1880 mir an. Möglicherweiſe zieht ſich ihr Verbreitungsbezirk durch die Kreiſe der Niederlauſitz hinab, da ſie ja bei Sprottau, wenngleich ſehr ſelten, gefangen wurde. — Aus dem Flachlande weſtlich der Elbe giebt ſie E. Schulze für die Altmark, und zwar für die Gegend von Neuhaldeusleben (Forſten Papenberg und Oberholz, am großen Graben, bei Olvensleben), ferner für Uelzen, Steinvorth für das Lüneburgiſche überhaupt, Boie, der ſie auch in Holſtein vermuthet, 1840 für die „ſchwarzen Berge bei Harburg“ an. In der Umgegend Hamburgs begegnet man ihr ebenfalls; auf einem der dortigen Torfmoore erbeutete A. Schiöttz am 10. April 1891 ein Weibchen. Dem Bremer Gebiet fehlt ſie auch nicht; nach Brüggemann, welchem ſie außerdem von Hoya an der Weſer, von Delmenhorſt und von Wildeshauſen an der Hunte Weſt⸗Curopa. Mittel- und Süd⸗Europa. 330 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. bekannt wurde, kommt ſie im Oyter Moor ſogar mit Ringelnatter und Kreuzotter zuſammen vor und iſt dort die am wenigſten ſeltene Art, während auf der Delmen— horſter und Vegeſacker Geeſt die Anzahl der Ringelnattern und in der Umgegend des Weyer Berges die Kreuzotter vorherrſcht. Im Oldenburgiſchen bewohnt ſie, laut brief— licher Mittheilung der Herren Dr. Greve und Wiepken, „nicht eben häufig“ die Geeſt (Sandboden) und die Ränder der anliegenden Moore, am zahlreichſten die etwa 12 Kilometer von der Stadt Oldenburg entfernten ſterilen Sandflächen: Litteler Sand und Oſenberge. Im ebenen Münſterlande iſt unſere Natter laut Weſthoff bis jetzt nur in dem ſüdweſtlichen Theile, bei Lembeck und Sterkrade, feſtgeſtellt worden. Von hier aus tritt die „Gladde Slang“ nach den Niederlanden über. In Holland findet fie ſich laut Schlegel [Kruip. Diere] in Heideſtrecken und bebuſchten trockenen Gegenden der Provinzen Groningen, Vriesland, Drenthe, Oberijſſel, Utrecht und Gelderland; in der Provinz Utrecht iſt ſie laut L. van der Veen ſeltener als die Ringelnatter, aber allgemeiner als die Kreuzotter. In Belgien, wo ſie vereinzelt beobachtet wurde, bewohnt ſie nach Selys-Longchamps die Berglandſchaften am rechten Maas-Ufer bis in die Gegend von Haut-ſur-Leſſe in den Ardennen, auch die Umgebung von Löwen und den Foret de Tongerloo, im Luxemburgiſchen laut Fontaine die Gelände der Moſel, Eiſch und Attert, kommt dort überhaupt nicht ſelten vor. Jenſeit des Kanals iſt ſie, nachdem früher, wie wir durch Sowerby und Fleming [Britisch Animals] wiſſen, ein Stück bei Dumfries im ſüdlichſten Schottland gefangen und von Sowerby ſogar als eine neue Art, Coluber dumfriensis, beſchrieben wurde, wiederholt auf den von Eidechſen bewohnten Kalkbergen der ſüdengliſchen Grafſchaften Hampſhire und Dorſetſhire geſammelt und von da während der letzten 15 Jahre mehrfach nach dem Londoner Zoolog. Garten gebracht worden. In Frankreich läßt ſich ihre Verbreitung in den Küſten-Provinzen des Atlantiſchen Ozeans und den denſelben öſtlich anliegenden Departements von der Bretagne an bis etwa zur Gironde hinab verfolgen, auch in den inneren Bezirken des Nordens, ſo Seine-et-Marne (Fontainebleau, Mon— tereau), Marne (Epernay), Oiſe und Nonne, iſt fie nachgewieſen. Obgleich fie laut Bedriaga in den Seealpen noch vorkommt, ſo ſcheint ſie im Allgemeinen dem ſüdlichen und ſüdweſtlichen Frankreich zu mangeln und hier durch die oft mit ihr verwechſelte Gironden-Glattnatter erſetzt zu werden. Entſprechende Verhältniſſe mögen auf der Pyrenäiſchen Halbinſel herrſchen, genaue Feſtſtellungen ſind aber noch ſehr nöthig. So giebt Roſenhauer die austriaca für Andaluſien an, während eine erhebliche Anzahl von E. Schreiber aus dieſer Provinz als austriaca bezogene Schlingnattern als zu girondica gehörend ſich entpuppten; nach E. Boscas „Catalog“ trifft man ſie aber im Norden und in der Mitte Spaniens: Galicien, Alt- und Neu-Caſtilien an, ſie wäre ſonach aus Frankreich durch die Pyrenäen nach der Iberiſchen Halbinſel über— getreten. In dem gegenüberliegenden Afrika iſt die girondica heimiſch. Die das deutſche Reich im Süden begrenzenden Länder beherbergen unſere Glatt— natter allgemein. In der Schweiz iſt ſie laut Fatio [Suisse] nächſt der Ringelnatter die gemeinſte Schlange des Landes und wie im Norden ſo auch ſüdlich der Alpen zu Hauſe. Laut Dr. Fr. Müller iſt ſie in der Umgegend Baſels ſogar noch häufiger als die Ringelnatter und auch auf den Plateaus des Baſel-Jura anzutreffen. Im Kanton Schaffhauſen begegnet man ihr ebenſo wie in dem angrenzenden Baden, ihr ziemlich häufiges Auftreten bei Zürich meldet ſchon Schinz [Fauna helv.]; gleicherweiſe iſt fie laut brieflicher Mittheilung des Hrn. Fiſcher-Sigwart in Zofingen auf dem mittleren Theil des ſchweizeriſchen Hochplateau (Solothurn, ſüdlicher Aargau, Luzern) ziemlich häufig, namentlich in der Nagelflue der Gletſcherperiode, bis zu einer Meereshöhe von Vierte Art. Glatte Natter. 331 800 Meter; laut Prof. Th. Studer iſt ſie bei Bern häufig und in den Alpen (Ober— ſimmenthal, Val d'Anniviers, Gadmenthal) bis zu 3600 und 4000 Fuß Meereshöhe aufſteigend, im Binnenthal, K. Wallis, wurde ſie nach Dr. Fr. Müller noch in einer Höhe von 6000 Fuß gefunden. Nach Bonaparte und E. de Betta iſt unſere Natter zwar „frequente in tutta Italia“, indeſſen doch in dem die Schweiz und Tirol be— grenzenden Norden, alſo dem eigentlichen Feſtlande Italiens (Friaul, Venetien), weit häufiger als im Süden; doch fehlt ſie auch nicht der Inſel Sizilien, wohl aber den Inſeln Sardinien und Korſika. Die öſterreichiſchen Alpenländer und, wie ſchon der Name „austriaca“ andeutet, die Länder des öſterreichiſchen Kaiſerſtaates überhaupt, bewohnt die Schlingnatter durchweg. Aus Welſch-Tirol verzeichnet E. de Betta folgende Fundorte: Tret, Fondo, Caſtel Thun und Segno im Nonsberg, Gardolo oberhalb Trient, Nomi und Riva, Strigno in Valſugana; aus dem Faſſathal ſteht ein Stück, Nr. 2065, im Berliner Zoolog. Muſeum; aus Mittel-Tirol nennt V. Gredler: Umgegend von Bozen (im Haslach und Abhänge von Campen), von Meran, Pavigl u. a. O., in Ulten (häufig), Obſteig im Oberinnthal; aus Vorarlberg Bruhin ſpeziell das Walſer— thal; auf dem Wege von Zirl nach Innsbruck begegnete ihr 1876 Hr. Sippel, welcher fie im ſelben Jahre auch in Schönne bei Meran fand. Für das Salzburgiſche zeigt ſie Fr. Storch an, für Kärnthen Gallenſtein und Erber, für Krain (Laibach, Oberlaibach, an der Saviza) Freyer, für das Küſtenland, beiſpielsweiſe Trieſt, Fr. Schlegel [Essai], für Dalmatien in ſeiner ganzen Ausdehnung Erber und Kolom— batovic, für die Dalmatiniſche Inſel Braza Dr. Fr. Werner [Rept. Dalm.], für Steiermark Prof. A. v. Mojſiſovicz, welcher ſie in den Steieriſchen Gebirgen, im mittleren Murthal und deſſen Seitenthälern (Mur-Auen) als eine gewöhnliche Er— ſcheinung antraf, in dem mit Vipern beſetzten Gebiete der Sannthaler Alpen jedoch vermißte. In Ober⸗-Oeſterreich iſt ſie dem letztgenannten Beobachter zufolge ziemlich häufig, ſo im Traunthal, namentlich bei Iſchl, jedoch auch in den moorigen Gründen des Thales von Windiſchgarſten und in der Ortſchaft Garſten; in Nieder-Oeſterreich kommt ſie laut Fitzinger allenthalben, in der Ebene und im Gebirge, vor, laut Knauer beſonders häufig in der Nähe von Sallmannsdorf, Weidling am Bach, der Sofien— Alpe, des Holländer Dörfels, von Ober- und Unter-Hainbach, auch von Kalchsburg, Rodann, Mauer und Perchtoldsdorf, laut Erber iſt ſie überhaupt am häufigſten um Wien, wo ja Laurenti ſie entdeckte. In Böhmen iſt ſie nach A. Fritſch viel ſeltener als Ringel- und Würfelnatter, bei Prag einzeln auf den Felſen bei Roztok, Kuchelbad und im Zaviſtthal bemerkt worden; in Schleſien und Mähren (Wurbenthal, Engels— berg, Einſiedel bez. Friedland, Deutſch-Haus, Bärn ꝛc.) bewohnt ſie laut Heinrich die Wälder des Mittelgebirges, im Ganzen aber ſelten, für die Umgebung Brünns meldet ſie Hr. W. Burkart mir als „nicht häufig“; in Galizien und der Bukowina iſt ſie laut Zawadzki ſeltener als die „gemeine“ Ringelnatter, auch Prof. Dr. Nowicki be— zeichnete ſie mir als „faſt ſelten“ oder doch „wenigſtens ſelten zu bemerken“; in den Vorgebirgen Siebenbürgens wird ſie nach Bielz' Angabe nicht ſelten geſehen; in Ober— Ungarn, Umgebung von Kaſchau, hat Jeitteles fie nur ſelten beobachtet, Frivaldsky kennt ſie aus den Komitaten von Borſod und Trentſchin, für die Umgegend von Preß— burg notirt ſie Kornhuber, aus Süd-Ungarn und dem Banat liegen Nachrichten über ihr Vorkommen bei Mehadia bezw. den Herkulesbädern durch Erber und Frivaldsky und in der Tiefebene der „blonden“ Donau, in den Rieden am Donax-Draueck durch A. v. Mojſiſovicz vor. Durch ganz Bosnien iſt die Glattnatter, laut O. v. Möllendorf, „die häufigſte Schlange“, die auch im Hochgebirge, jo auf dem Zee und der Treskavica, in einer Höhe von 5000 bezw. 6000 Fuß noch erbeutet wurde. In Serbien, wo ſie, Balkan⸗Halbinſel. Oſt- und Nord Europa. Alien. Verbreitungs Grenzen. 332 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. wie A. v. Mojfſiſoviez [Weſtpal. Schlgn.] nach Panéis mittheilt, auch in den Serpentin— bergen „in Geſellſchaft der Blindſchleiche unter demſelben Perrückenſtrauche“ angetroffen wird, ſcheint ſie ebenfalls zahlreich aufzutreten; einige Exemplare aus Rumelien ſtehen unter Nr. 2061 und 2063 im Berliner Zoolog. Muſeum, aus dem Veluchi-Gebirge in Nord-Griechenland ſtammen die im Athener Muſeum aufbewahrten, von Bedriaga unterſuchten Stücke. Eingehende Nachrichten über die Glattnatter auf der Balkan— Halbinſel werden nur zu ſehr noch vermißt. Auf den Cykladen bemerkte J. v. Bedriaga unſere Natter nicht und er vermuthet, daß der Erhard'ſche „Coluber laevis“ dieſer Juſeln wohl nichts anderes als die Leopardenſchlange, Coluber quadrilineatus var. leopardinus, iſt, während E. de Betta in ſeinen Rettili Grecia dieſe vermeintliche laevis als eine girondica anſpricht. Auch unſere öſtlichen und nördlichen Greuzländer zählen die Glattnatter zu ihren Bewohnern. In dem ebenen Dänemark gehört ſie, einer Notiz im „Zoolog. Garten“ 1872 S. 309 zufolge, allerdings zu den Seltenheiten (ein Fundort it Vordingborg in Süd-Seeland), im benachbarten Schweden-Norwegen und in Rußland hingegen kennt man ſie aus vielen Bezirken und Gegenden. Nilsſon meldet ſie aus dem ſüdlichen Norwegen von Egerſund an der Südweſtküſte, von Brevik, Chriſtiania, Jerkin auf dem Dovre Fjeld, ja ſie ſoll laut Esmarck noch einige Meilen nördlich von Drontheim geſehen worden fein; ferner iſt fie in den ſchwediſchen Landſchaften bezw. Aemtern Schonen (Esperöd), Blekinge (Karlskrona,) Smäland (Odensjö), Kalmar, bei Göteborg und in Oeſter-Götaland, in Weſter-Götaland (Hunneberg), am Nordufer des Wetternſee häufig, auf den Inſeln Mörkö und Tjörn an der Küſte von Bohus Län, bei Norrköping und Nyköping, endlich im ehemaligen Upland bei Stockholm und Upſala feſtgeſtellt, ſodaß die Verbreitung in Schweden etwa den 60. Breitengrad erreicht. In den baltiſchen Oſtſee-Provinzen dringt ſie nur bis zur Düna (57. Grad) vor, im jenſeitigen Livland, in Eſthland und weiter hinauf fehlt ſie; ſie wurde, wie bereits zu Anfang dieſes Jahrhunderts Drümpelmann bekannt giebt, in Livland ſüdlich der Düna gefangen bei Pinckenhof ꝛc., ferner bei Bilderlingshof, bei Dondangen und bei dem „feuchtgründigen“ Kemmern in Kurland. Im Kgr. Polen wurde ſie laut Taczanowsky in den ſüdlichen Theilen, ſo im Gouv. Radom und bei Lublin gefunden, während ſie nach Eichwald [Skizze] in Weſt-Rußland: Lithauen, Wolhynien und Podolien, faſt überall vorkommen ſoll; aus Süd- und Klein-Rußland verzeichnen fie Andrzejowsky (im Cherſon'ſchen als häufig), Czernay und Keßler, aus der Krim Keßler und Köppen, vom Don und aus den Axai-Steppen Krynicki, von Sarepta an der Wolga Becker und Strauch [Ruſſ. Schlangen]. Nach dem letzteren Autor fehlt ſie im Ural. Da— gegen iſt ſie laut Eichwald und Strauch in den Kaukaſus-Ländern nicht blos weit verbreitet, ſondern auch ziemlich häufig: ſchon Güldenſtädt entdeckte ſie, und zwar die auf Seite 325 erwähnten Spielarten euprea und caucasica, in der Ebene des Terek [Pallas Zoogr. III. S. 45, 46] und ſpätere Sammler fanden ſie in Gruſien bezw. im Gouv. Tiflis und im ehemaligen Chanat Talyſch. Sie ſcheint auch in dem weiten Ländergebiet zwiſchen dem Schwarzen und dem Mittelländiſchen Meer und ſüdlich des Kaspiſchen Meeres heimiſch zu ſein, denn Blanford führt ſie in ſeinem Werke über Perſien mit auf, ein Exemplar von Beirut in Syrien beſchreibt O. Böttger, ein Stück aus der Umgebung von Jeruſalem erhielt das Baſeler Muſeum durch H. J. Kober. Endlich iſt ſie auch für Unter-Egypten, und zwar für Kairo, durch Jan [Elenco] nachgewieſen. Hingegen begegnen die Meldungen aus Algerien noch großen Zweifeln. Die angeführten Mittheilungen bekunden, daß der Verbreitungsbezirk unſerer Glattnatter über 58 Längengrade und etwa 30 Breitengrade ſich ausdehnt, denn er Vierte Art. Glatte Natter. 333 erſtreckt ſich in der Richtung Weſt —Oſt vom Atlantiſchen Ozean (Galicien, Weſt— frankreich) bis zur Weſtküſte des Kaspiſchen Sees, alſo vom 9. bis 67. öſtlichen Ferro— grad, und in der Richtung Nord — Süd vom 60. (Upſala) oder gar 63. Grad n. Br. (Drontheim*) bis zum 30. Gr. n. Br. (Kairo). Die Nordgrenze trifft in Groß— britannien etwa den 55., in Skandinavien den 60. (63.), in den baltiſchen Provinzen den 57. Grad, um ſich von hier ab in ſüdöſtlicher Richtung ungefähr auf den 47. Grad (Wolga) zu ſenken; die Südgrenze fällt in Europa (Sizilien) auf den 37., in Aſien (Paläſtina) auf den 31., in Afrika auf den 30. Grad nördlicher Breite. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Unſere Glattnatter iſt die Schlange der deutſchen Mittelgebirge und Hügellandſchaften, deren lichte, trockene, mit Laub— gebüſch beſtandene, mit Steingeröll oder Erdlöchern verſehene Anhöhen und Gehänge und ſonnige Halden ſie ebenſo liebt wie die oberen Säume der Flußthäler, freundliche Ufergelände und Bergabdachungen, warme, helle Waldſchläge und freie, mit Geſtrüpp und Gekräut bekleidete Sandhügel, buſchreiche Lehnen und ſelbſt Gärten an Stadt— mauern und ähnliche Oertlichkeiten. Bieten ſich ihr derartige oder wenigſtens ent— ſprechende Wohnplätze im Flachlande, ſo ſteigt ſie auch in dieſes herab und verbreitet ſich hier. Aber wie ſie im Gebirge nichts wiſſen will von den kahlen, kalten Fels— plateaus und finſteren, ausgedehnten Fichtenwaldungen, den mit Torfmooſen und Sumpfpflanzen beſtandenen düſteren Hochmooren und den ſchattigen Schluchten und feuchten Gründen, ſo iſt ſie in der Ebene keine Freundin feuchtkühler Gegenden und naßgrundiger mooriger Strecken — beide Gebiete überläßt ſie vielmehr ſehr gern der Kreuzotter; und der Umſtand, daß die letztere an ihren Aufenthalt das Verlangen nach einem gewiſſen Grad von Feuchtigkeit und Kühle und „Wildniß“ ſtellt, während die Glattnatter das Bedürfniß nach trockenen, ſonnigen, freundlichen Lagen zum Ausdruck bringt, hat die Thatſache herbeigeführt, daß im Allgemeinen beide Schlangen-Arten in das Gebiet ſich theilen, indem dort, wo die eine ſich heimiſch zeigt, die andere gar nicht oder doch nur in untergeordnetem Grade vertreten iſt. Solche Verhältniſſe herrſchen in unſeren Gebirgen und Niederungen, ſie laſſen ſich aber auch auf umfang— reichen Diſtrikten erkennen. So, um nur einige Fälle anzuführen, findet ſich die Glattnatter in dem Haardtgebirge der Pfalz und in dem Weinbaugebiet des Rhein— Main (Taunus ꝛc.) mehr oder minder zahlreich, wogegen dort die Kreuzotter gänzlich fehlt; auf der norddeutſchen Seenplatte iſt die Otter zu Hauſe, die Glattnatter aber wird vermißt; Oberſchwaben mit ſeinen Mooren beherbergt die Otter in großer Menge, die Natter indeß nur ganz vereinzelt an einigen wenigen Punkten, in Unterſchwaben aber, wo man der Otter nicht begegnet, erſcheint die Natter häufig. Zuweilen aller— dings bemerken wir, und zwar dann, wenn Oertlichkeiten verſchiedenen Gepräges — beiſpielsweiſe ſchluchtenreiche Hochwaldungen und feuchte Gründe mit trockenen, ſonnigen Gehängen, oder Moor und Bruch mit warmem Sandboden — ſich berühren, auf größere oder geringere, den Lebensbedingungen beider Schlangen genügende Strecken hin Schlingnatter und Otter im gleichen Bezirk, wie denn unter anderem im Olden— burgiſchen und an der Unterweſer die Glattnatter von dem als ihre Domäne geltenden Sandboden (der Geeſt) mitunter auf den anſtoßenden, von der Kreuzotter zahlreich bewohnten Moorboden übertritt. Wir haben in dem Abſchnitt „Verbreitung“ ſchon mehrere Plätze und Gegenden namhaft gemacht (Hamburg, Bremen, Ober-Oeſterreich, ) Das Vorkommen bei Drontheim iſt nicht ſicher verbürgt. Auch iſt nicht ſicher, ob die von Dr. Mehwaldt in der „Iſis“ zu Dresden [Sitzungsberichte 1870 S. 159] erwähnte, von ihm unterm 62. Grad n. Br. geſehene „Natter“ wirklich die Coronella austriaca war. Aufenthalt. Weſen. 334 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Donautiefland, Kurland), wo die Glattnatter von ihrer Gewohnheit, auf trockenem Gelände ſich aufzuhalten, abgewichen iſt oder doch abgewichen zu ſein ſcheint; allein das ſind Ausnahmen oder nicht einmal das, denn der Moorboden iſt nicht immer naß oder feucht und ſomit kühl, ſondern wird es, wie O. v. Löwis betont, namentlich erſt nach ſtarken Niederſchlägen, die er lange bei ſich aufgenommen behält. Nicht auf kahlen, rauhen Höhen und Kuppen, ſondern in den mittleren und unteren Lagen der Gebirge bezw. den Thalſenkungen und Thalſäumen derſelben fühlt ſich unſere Natter wohl; ſo fehlt ſie dem Oberharz und den unfreundlichen Theilen unſerer anderen Gebirge; auf der Schwäbiſchen Alb ſteigt ſie bis 750 Meter (2300) Fuß, in Baden bis 1000 Meter (3000 Fuß), auf dem Plateau der Mittelſchweiz bis 600 oder 800, in den Tiroler und Schweizer Alpen bis 1300, vereinzelt bis 2000 Meter oder 6000 Fuß, im Kaukaſus gleichfalls bis zu 2000 Meter Meereshöhe hinauf. Wie ſchon früher angedeutet, laſſen ſich gewiſſe Beziehungen und Uebereinſtimmungen in den Lebensbedingungen der Glattnatter mit unſerer Zaun- oder auch der Smaragd— Eidechſe — es iſt recht bezeichnend, daß auf deutſchem Gebiet, bei Oderberg i. d. M. und bei Thorn, die grüne Eidechſe an den Standplätzen der Glattnatter vorkommt — durchaus nicht verkennen, während die Kreuzotter die Partnerin der Wald-Eidechſe darſtellt. An ihrer Wohnſtätte hält die Glattnatter feſt, und nur zu wenig ausgedehnten Wanderungen oder Raubzügen entſchließt ſie ſich. Sie gleicht in dieſer Beziehung weit mehr der Kreuzotter als der Ringelnatter, ebenſo in der Fortbewegung, welche nur langſam vor ſich geht, in der Flucht und in der Vertheidigung (S. 253). Die Flucht erſcheint, ſagt Ad. Franke mit Recht, wie bei der Kreuzotter mehr als ein langſames Fortſchleichen; und hat ſie ihren Unterſchlupf, ein Erdloch, eine Steinhöhle und dergleichen, nicht ganz in der Nähe, ſo ſtrengt ſie ſich überhaupt nicht an zu entkommen, ſondern nimmt gleich der Otter die Vertheidigungsſtellung ein: ſie zieht ſich ring- oder tellerförmig zuſammen, bläht ſich auf und beißt wüthend um ſich. Dies ganze Benehmen, im Verein mit Färbung und Zeichnung, haben ſchon ſo mancher unſchuldigen, mit der giftigen Otter verwechſelten Glattnatter den Tod durch über— eifrige Menſchen gebracht; ſie beſtrebt ſich daher auch vor ihren zahlreichen Feinden, aber gleichzeitig auch vor 191 7 Opfern, zu verbergen, indem ſie ſich unter Steinen, unter Haide und Moos, hinter loſer Baumrinde und größeren Blättern verſteckt und oft nur mit dem Kopf hervorguckt. Auch bei ihren kleinen Wanderungen ſucht ſie nach Möglichkeit alle kahlen Plätze und Blößen zu vermeiden, vielmehr Geſtrüpp, Wurzelwerk und Gebüſch als Deckung zu benutzen. Eine echte, gedrungener und muskulöſer als unſere Waſſernattern gebaute Erd natter, ſteigt fie hl kaum einmal in luftigere Regionen hinauf; ich wenigſtens, darin ſtimme ich mit H. O. Lenz überein, habe ſie weder im Freien noch im Terrarium auf Geſträuch und Bäume klettern, ſondern höchſtens auf niederhängendem Geäſt bezw. durch daſſelbe ſich hinwinden oder über daſſelbe hinkriechen ſehen. Eine größere Beweglichkeit und Lebhaftigkeit als die Ringelnatter entwickelt ſie nur dann, wenn ſie auf die Beute ſtößt, oder wenn ſie ſelber erfaßt wird. In letzterem Falle umſchlingt ſie, vom Boden aufgenommen, ſo viel und ſo ſchnell ſie nur kann die Hand und beißt ſich an einem Finger bezw. in dem Handſchuh, der Weſte, dem Aermel de. feſt; ergreift man ſie an der Schwanzſpitze, um ſie mit ausgeſtrecktem Arm frei zu halten, ſo ſchwingt ſie, falls ſie nicht eben ein zu reichliches Mahl genoſſen hat, den Kopf mühelos bis zur Hand empor; und hebt man fie mittelſt eines Stockes von der Erde auf, jo umwindet ſie dieſen in raſcher Bewegung. Je wärmer die Luft, deſto lebhafter, erregter, jähzorniger, biſſiger zeigt Vierte Art. Glatte Natter. 335 ſich die Natter; bei kühlem, trübem, windigem Wetter bleibt ſie gern verborgen (ebenſo bei Morgenthau), liegt ſie gewöhnlich ſtill, rührt ſich beim Nahen eines Menſchen oder eines Thieres kaum, ja läßt ſich oft ohne Widerſtand aufnehmen. Zuweilen beißt ſie in ihrer Unverträglichkeit die eigenen Genoſſen, in ihrer Aufregung und blindem Grimm ſogar ſich ſelbſt; daß jedoch der Stich der kleinen Zähnchen dem Betroffenen, ſei es Menſch oder Thier, nichts ſchadet, bedarf kaum der Betonung. Es iſt mir unerfindlich, daß Linck behaupten konnte, die Glattnatter entſetze ſich vor dem Waſſer und Trinken ſei ihr ein Gräuel. Wennſchon ſie das feuchte Element nicht zu ſuchen ſcheint, ſo fürchtet ſie ſich doch nicht vor ihm: man hat ſie beiſpiels— weiſe in Torfmooren auf kleinen, von Torfmoos gebildeten Inſeln, die ſie doch nur ſchwimmend hat erreichen können, ſich ſonnend angetroffen. Ihre Bewegungen im Waſſer ſind geſchickt und flink. Das Trinken geſchieht, indem ſie das Naß vom Moos und von der Erde aufſaugt, oder den Vordertheil des Kopfes ins Waſſer ſteckt und in Zügen daſſelbe zu ſich nimmt (S. 260). Die eigentliche Nahrung unſerer Natter beſteht in kleinen Eidechſen und in Blindſchleichen; ſelten oder ausnahmsweiſe werden auch Mäuſe und Spitzmäuſe ſowie kleine Schlangen verzehrt; Ad. Franke beobachtete ſogar, wie eine weibliche Schlingnatter ſeines Freiland-Terrariums nach zehnwöchent— lichem Hungern mehrere ihr vorgeworfene Regenwürmer verſpeiſte, eine andere aus einer ſeichten Waſſerſchüſſel einen etwa fingerlangen Weißfiſch holte. In der Regel wird das zum Opfer auserſehene Thier von der Natter mit den Kiefern gepackt und blitzſchnell mit dem Leibe in drei Schraubenwindungen umſchnürt, wodurch ſie den Gefangenen lähmt und, falls es ein Vierfüßler iſt, ihm den Gebrauch der Vorder— und Hinterbeine unmöglich macht; dann, mitunter erſt nach einigen Minuten, fährt die, mindeſtens das erſte Drittel ihres Körpers freibehaltende Schlange plötzlich auf den aus den Schlingen hervorguckenden Kopf der Beute herab, um ihn mit dem ge— öffneten Maule zu umſpannen und nun den Raub, wobei ſich die Leibesfeſſeln nach und nach löſen, langſam hinabzuwürgen. Bei größeren Eidechſen mißglückt der Angriff jedoch oft, indem dieſelben, wie der auf Seite 140 mitgetheilte Fall bekundet, ſich zur Wehr ſetzen und ſelbſt nach ſtattgefundener Umſchnürung ſich noch in die Kinnladen oder die Kehle der Feindin verbeißen und auf ſolche Weiſe nicht ſelten den Angriff abſchlagen, dem Tode entrinnen. Daher ſtellt unſere Natter vorzugsweiſe Wald-, kleineren Zaun- und im Süden den Mauer-Eidechſen nach. Von dieſen vertilgt ſie manchmal zwei oder drei Stück hinter einander, während ihr das Verſchlingen einer großen Blindſchleiche, einer der Räuberin an Größe gleichenden oder ſie noch über— treffenden Schlange, der Länge dieſer Thiere wegen, Schwierigkeiten bereitet. Im Terrarium hat man beobachtet, daß ſich derartige Raubgelüſte der Glattnatter nament— lich gegen friſcheingeſetzte Art-, Gattungs- oder Ordnungs-Verwandte richten, und daß manche derſelben beſonders begierig nach den zappelnden Schwänzen und den Eiern der Eidechſen ſind. Selbſt junge Schlingnattern würgen, wie man ſchon mehrmals bemerkt hat, bereits einige Wochen nach der Geburt gleichgroße Geſchwiſter hinab. Einmal einem Angriff ausgeſetzt geweſene Eidechſen verrathen beim Erſcheinen ihrer Feindin gewaltige Angſt und ſtürzen ſich gewöhnlich wie wahnſinnig in die Flucht. Hat die Glattnatter ihre oft erſt im Oktober bezogene Winterherberge im April verlaſſen, die erſte Frühjahrshäutung durchgemacht und ſich gekräftigt, ſo ſchreitet ſie an warmen ſonnigen Tagen des Mai oder gegen Ende April zur Paarung, die in der auf Seite 256 geſchilderten Weiſe vor ſich geht; nur erweiſen ſich die Männchen zu dieſer Zeit recht eiferſüchtig, ſtreit- und beißluſtig. Nach mehreren Monaten, je nach der Paarungszeit entweder ſchon Ende Auguſt, meiſt jedoch im September oder Waſſer. Nahrung. Fortpflanzung. Gefangenſchaft. Namen. Synonyma. 336 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. erſt im Oktober, erfolgt die Geburt der im Mutterleibe völlig entwickelten Jungen, deren Zahl drei bis fünfzehn beträgt. Sie liegen bei der Geburt, wie die jungen Wald-Eidechſen, Blindſchleichen und Kreuzottern, noch zuſammengerollt in einer dünn— häutigen, etwa 5 bezw. 3 cm im Durchmeſſer haltenden Blaſe oder Hülle, die fie indeß ſofort mit dem Kopfe durchſtoßen, worauf ſie das ſelbſtändige Leben der Alten beginnen: im Verlauf der erſten Tage häuten ſie ſich und gehen nun, falls nicht un— freundliche Witterung ſie zum Aufſuchen des Winterquartiers zwingt, dem Erwerb ihrer in jungen Eidechſen und Blindſchleichen beſtehenden Nahrung nach. Einer Pflege ſeitens der Mutter werden ſie, trotzdem dies Dr. Settari beobachtet haben will und an Gredler berichtet, nicht theilhaftig; im Gegentheil, manches der kleinen, ungefähr 15 cm langen Geſchöpfe wird von einer alten Natter unbarmherzig verſpeiſt. An die Gefangenſchaft gewöhnt ſich, ſobald der Käfig ſonnig und trocken iſt, die ſchmucke Natter ohne Umſtände, und ſie, die während der erſten Zeit noch recht biſſig und launiſch ſich geberdet, legt dieſe Eigenheit ihrem Pfleger gegenüber meiſt ſchon nach Tagen oder Wochen ab und nimmt ſchließlich oft das Futter aus der Hand; doch erweiſen ſich manche Stücke als Trotzköpfe, welche die als Futterthiere beigegebenen Eidechſen und Blindſchleichen längere Zeit verſchmähen. Landesübliche Benennungen. Glatte, Schling⸗-, Oeſterreichiſche, Thü— ringiſche, Haſel-, Flecken-, Zorn-Natter, braune Herzſchlange, Jach-, Kupferſchlange (Kupferſchlängli). Holl.: Gladde Slang; Schwed.: Slät Snok; Engl.: Smooth Snake; Franz: Couleuvre lisse; Ital.: Colubro austriaco, Col. liscio, Vipereta, Vipera de suto, Sparti matrimoniu (Sizil.); Poln.: Waz; Böhm.: UZovka hladkä. Coronella austriaca, Laurenti 1768. — Coluber laevis, Lacep. 1788. — Col. versicolor, Razoum. 1789. — Col. coronella, Bonnaterre 1789. — Col. austriacus, Gmelin (Linne) 1790. — Col. ferrugineus, Sparmann 1795. — Natrix Coronilla, Schranck 1798. — Col. thuringiacus, Bechstein 1800. — Col. tetragonus, Latreille 1800. — Col. eupreus, Georgi 1800; Pallas 1831. — Natrix laevis, Mer- rem 1820. — Coronella laevis, Boie 1827. — Zacholus austriacus, Wagler 1830. — Col. caucasicus, Pallas 1831. — Natrix austriaca, Heider und Hahn 1832. — Col. paedera, Dwigubsky 1832. — Natrix Dumfrisiensis, Fleming 1838. — Zacholus Fitzingeri, Bonap. 1839. — Zacholus laevis, Kichwald 1842. — Tropidonotus austriacus, Gimmerthal 1845. — Trop. thuringicus, Merkel 1845. 2. Familie: Vipern, Viperidae. Körper kurz, ſehr gedrungen; Schwanz kurz, ſtumpfkegelförmig, unterſeits, wenigſtens bei den europäiſchen Arten, mit einer Doppelreihe, Bauch dagegen ſtets nur mit einer einfachen Reihe großer Querſchilder bekleidet; Afterſchild einfach; Kopf ungleichſeitig viereckig, oder dreieckig, faſt herzförmig, deutlich vom Hals ab— geſetzt, mit ſcharfer, oft aufgeworfener Schnauzenkante, platt, oberſeits entweder durchweg oder doch wenigſtens auf der Schnauze mit Schuppen bezw. mit zahl- reichen kleinen, in Geſtalt und Anordnung unregelmäßigen Schildchen bedeckt (die zwei Paar Stirnſchilder fehlen immer); Pupille ſenkrecht; Oberkiefer ver— kümmert, in ſenkrechter Richtung aufrichtbar, keine maſſiven Zähne, ſondern jederſeits nur einen langen, hohlen, ungefurchten, zurückziehbaren Giftzahn tragend. In Deutſchland nur eine Gattung: Fünfte Art. Kreuzotter. 337 4. Gattung: Viper. Vipera, Laur. Hörperſchuppen in 21 bis 37 (bei unſeren Arten in 21) Cängsreihen angeordnet, deutlich gekielt; Schwanz unterſeits mit zwei Längsreihen von Querſchildern; zwiſchen Auge und Oberlippenſchildern eine oder zwei Längsreihen kleiner Schuppen; Körper in der Mitte ſtark verdickt, Schwanz nach der Spitze zu ſich raſch verjüngend. Im Vebrigen Kennzeichen der Familie. Die Vipern oder Ottern ſind träge, ſchwerfälige, dabei jedoch jähzornige, bos— hafte, tückiſche, giftige Schlangen, welche lebendige Junge zur Welt bringen, durchweg auf dem Boden leben, gewöhnlich erſt mit Sonnenuntergang ihre Me Thätigkeit dean und ſich vorwiegend von kleinen Säugethieren und Vögeln, die ſie mittelſt ihres Giftes tödten, ernähren. Nachdem wir auf Seite 243 und 244 über die Verderben bringende Aus- rüſtung der Vipern, Giftdrüſe und Giftzahn, geſprochen, wird es genügen, jene Mittheilungen hier durch eine Abbildung, welche Gifthaken ſammt Giftkanal (5) ſowie die Giftdrüſe (a) veran— i ſchaulicht, zu erläutern und daran die Bemerkung zu knüpfen, Fig. 35. Giftapparat der daß die während der Ruhe in häutige Taſchen des Oberkiefers Viper. zurückgelegten, alſo mit der Spitze nach hinten gerichteten, zum be Gifte in ber Giftafm, Zweck des Beißens jedoch (ſ. Abbildung) ſammt dem verküm- (e Thränendrife) Rach Fate, merten Oberkiefer aufgerichteten hohlen Giftzähne bei Kreuzotter und Viper 3—5 mm lang ſind, und daß feſte, glatte, hakenförmige, zum Erfaſſen der Beute dienende und beim Verſchlingen helfende Hakenzähne nur im W und auf den Flügel-Gaumen— beinen ſtehen. — In Deutſchland kommen zwei Arten Vipern vor. 5. Art: Ureuzotter. Vipera berus (L.). Abbildungen: Tafel IX. Swiſchen dem Auge und den darunter liegenden Oberlippenſchildern nur eine einzige Schuppenreihe; auf dem Scheitel drei deutliche Schilder: ein Wirbelſchild und zwei Hinterhaupt-Schilder; Schnauzenſpitze abgerundet. Aeußere Erſcheinung. Der Rumpf, kräftig, ja gedrungen gebaut, iſt auf dem Rücken abgeflacht, am Bauch platt, in der Mitte breiter als hoch und nimmt von da mehr nach dem Halſe als wie nach dem Schwanze hin an Dicke ab, ſodaß er dem Thier ein plumpes Ausſehen verleiht. Der im Verhältniß zu dem der giftloſen Schlangen auffallend kurze, kegelförmige, im letzten Drittel ſehr verdünnte Schwanz endigt in eine hornartig harte, ziemlich feine Spitze, welche oberſeits gewöhnlich eine ziemlich deutliche kielartige Längskante aufweiſt und nicht ſelten ſchwach aufwärts gebogen erſcheint. Da der Hals nach vorn hin merklich verdünnt bezw. ſeitlich etwas zuſammen gedrückt iſt, ſo ſetzt ſich der mittelgroße, länglich-dreieckige, ungefähr an der Partie der Mundwinkel die größte Breite erreichende und von da nach vorn hin in etwas ge— bogenen Seitenlinien ſich verjüngende Kopf um ſo deutlicher ab. Dieſe geſchweiften Seitenlinien laufen vorn in einem leichten Bogen zuſammen, ſodaß die Schnauze nicht abgeſtutzt, ſondern kurz zugerundet ausſieht; und dieſe Schnauzenform wird noch charakteriſtiſcher dadurch daß die Spitze auch von oben nach unten abgerundet, alſo nicht ſcharfkantig iſt. In der Schnauzenform liegt ein gut unterſcheidendes Merkmal 22 2 Körperbau. Kopfbekleidung. 338 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. der Kreuzotter gegenüber der Aspis-Viper, deren Schnauzenſpitze ſich als abgeſtutzt ſcharfkantig oder gar leicht aufgeworfen darſtellt. Zudem iſt der Kopf der Kreuzotter weniger breit und weniger flachgedrückt als der der Aspis und ſpeziell am Scheitel ſchwach erhaben, in der Stirngegend aber leicht vertieft und an den Seiten ſteil ab— fallend; die Zügelgegend vor den Augen iſt kaum merkbar eingedrückt. Die beiden anderen Hauptmerkmale der Kreuzotter — von der Zeichnung vor— läufig abgeſehen — liegen in der Bekleidung des Kopfes. Zunächſt iſt die Oberfläche des letzteren nicht, wie bei der Aspis, ausſchließlich mit Schuppen oder kleinen unregelmäßigen, ſchuppenähnlichen Schildchen bedeckt, ſondern es ſind wenigſtens drei deutliche Schilder, ein Wirbelſchild und zwei Hinterhaupt-Schilder, vorhanden, mögen auch dieſelben oft unregelmäßig geformt und ziemlich klein ſein. Als Uunregelmäßig— keiten oder Ausnahmen bezw. individuelle Abweichungen müſſen die Fälle gelten, in denen das nie ganz verſchwindende Wirbelſchild in geringer Größe und unregelmäßiger Geſtalt, oder vor ihm noch ein unpaariges Schild auftritt, oder das Wirbelſchild in zwei geſpalten, oder jedes der beiden Hinterhaupt-Schilder in kleine unregelmäßige Schildchen zerfallen iſt. Gewöhnlich iſt, wie Abbildung 2 auf Tafel IX veranſchaulicht, das Wirbel— ſchild verhältnißmäßig kurz und breit, von den Brauenſchildern durch kleine unregelmäßige Schildchen geſchieden und nach hinten in eine dreieckige Spitze ausgezogen, welche, zuweilen als ein beſonderes Schildchen abgeſchnürt, zwiſchen den Vordertheil der Hinterhaupt-Schilder ſich einſchiebt. Die letzteren ſind nicht ſo lang ausgezogen wie bei unſeren Nattern, ſchmäler als das Wirbelſchild und gewöhnlich nach rückwärts mehr oder weniger verengt. Das obere Augen-(Brauen-) Schild iſt länglich, etwa (K7- halb fo breit als das Wirbelſchild, ſein Außenrand ſchwach N gebogen und über das Auge vorſpringend, wodurch das letztere „ „% Sn: 5 einen tückiſchen Ausdruck erhält (vergl. Seite 342). Im Uebrigen . b 5 iſt die Oberſeite des Kopfes, ſpeziell der Raum zwiſchen Wirbel⸗ Kopf von 55 von der Seite, und Rüſſelſchild, mit unregelmäßigen Schildchen oder Schuppen N bedeckt, deren 8 bis 20 an Stelle der vorderen und hinteren Stirnſchilder treten. Zwei dieſer Schuppen, ausnahmsweiſe nur eine, ſtoßen vorn an das unten bogenförmig oder ſtumpfwinkelig ausgeſchnittene, nach oben hin verſchmälerte und ſchief von unten nach aufwärts gewölbte Schnauzen- oder Rüſſelſchild. Von dieſem aus zieht ſich am Rand des Oberkiefers eine Reihe von in der Regel 9 (8—11) Oberlippenſchildern hin, deren drittes und viertes etwa am größten ſind. Zwiſchen dieſen, und zwar gewöhnlich dem vierten, und dem Auge befindet ſich nur eine einzige Reihe kleiner Schuppen. Dies iſt das zweite Hauptmerkmal und auch das beſtändigſte, denn weder Jan, welcher daſſelbe zuerſt erkannte und verwerthete, noch A. Strauch, Schreiber u. a. Herpetologen, die eine große Anzahl von Exemplaren unterſuchten, fanden eine Abweichung, auch mir iſt eine ſolche nicht vorgekommen; doch macht A. Strauch darauf aufmerkſam [Schl. S. 210], daß der Charkower Zoologe Pengo ein altes ſchwarzes Weibchen erbeutete, bei welchem und ebenſo bei ſieben ſeiner Jungen der Augapfel von den darunter liegenden Oberlippenſchildern durch zwei Schuppenreihen getrennt war, und auch J. Blum erwähnt zwei ſolche Fälle. Immerhin muß ein ſolches Vorhandenſein von zwei Schuppenreihen zwiſchen Auge und Oberlippenſchildern, welches ein charakteriſtiſches Merkmal der nächſtverwandten Aspis bildet, bei der Kreuzotter als eine ganz außer— ordentlich ſeltene und deshalb kaum in Betracht kommende Ausnahme gelten. — Dem — — Fünfte Art. Kreuzotter. 339 1. und 2. Oberlippenſchild liegt das ſehr große, am Hinterrande gewöhnlich eingeſchnit tene oder gekerbte, in der Mitte um das runde, weite Naſenloch etwas vertiefte Naſen— ſchild auf. Zwiſchen dieſem und dem Rüſſelſchild findet ſich ein nach oben dreieckig ver— breitertes, ſenkrecht geſtelltes Vorder-Naſenſchild oder Pränaſale, zwiſchen Naſenſchild und Auge aber liegen vier oder mehr kleine unregelmäßige Schildchen, einige ſolche umgrenzen auch den Hinterrand des Auges. Das Schläfenſchild iſt durch große flache Schuppen erſetzt. Die Zahl der Unterlippenſchilder beträgt 9 bis 11, in der Regel 10. Die drei oder vier erſten von ihnen berühren die vorderen Rinnenſchilder, welche kurz und breit ſind, während die hinteren klein, unſcheinbar und von den ſich anſchließenden Kehlſchuppen und Kehlſchildern kaum zu unterſcheiden ſind. Die Schuppen liegen auf Körper und Schwanz ziemlich locker, ſind auf dem Rücken läuglich⸗lanzettlich oder länglich-eiförmig, verbreitern ſich aber nach dem Bauche hin, ſodaß die der letzten, unterſten Reihe doppelt ſo groß als die der vorhergehenden erſcheinen, ſind mit ſcharfem, deutlichen = —/ Lüngsfiel, der jedoch auf denen der unterſten — — Reihe nur noch angedeutet iſt, verſehen und in 21 Längsreihen geſtellt. Die Zahl der verhältnißmäßig breiten Bauchſchilder beträgt 132 bis 158, die der Schwanz— Fig. 37. ſchilder-Paare 25 bis 40 oder 42, das e ee ann At . 2 R 3 gegend Körperſchuppen der Kreuzokter mit Anal⸗ oder Afterſchild iſt einfach, es ber giner mit dem un TEE u, ſteht alfo, im Gegenſatz zu dem der ſchon den After decken— beſchriebenen Schlangen-Arten, nicht aus zwei Schuppen. H. O. Lenz den einfachen fand die Zahl der Bauchſchilder bei Männchen zwiſchen 135 und 145, Analſchild. bei Weibchen zwiſchen 139 und 150, die der Schwanzſchilder-Paare bei Männchen zwiſchen 35 und 41, bei Weibchen zwiſchen 28 und 34 ſchwankend.“) Die gewöhnliche Länge der ausgewachſenen Kreuzotter beträgt 50 bis 60 em; Hochgebirgsthiere ſind ſchon bei 45 em Länge ausgewachſen. Stücke von 70 em zählen zu den Seltenheiten und ſolche von mehr als 70 em Länge zu den Ausnahmen. Wir treffen hier etwa daſſelbe Maaß wie bei der Glattnatter. Ein 73 em langes Otter-Weibchen, von Alex. Bau in der Spandauer Forſt gefangen, ſteht im Berliner, ein ebenſolanges im Augsburger und ein anderes von / m Länge, aus dem Köhra'er Pfarrholz bei Naundorf durch Geithe eingeliefert, im Dresdener Zoolog. Muſeum, und in der Samm— lung der Pollichia zu Dürkheim befindet ſich laut Mittheilung des Studienlehrers Pfißner dortſelbſt an J. Blum ſogar ein 80 em langes Exemplar, aus der Gegend von Weilheim in Oberbayern ſtammend. Die Weibchen ſind überhaupt größer als die Männchen und ſollen ſogar bis 90 em lang werden. H. O. Lenz fand als Maximum der Länge bei den Weibchen 2 Fuß 6 Zoll, bei den Männchen 2 Fuß 1 Zoll Xeip- ziger Maaß, berichtet aber auch, daß C. Struck-Waren ein Weibchen von faſt 2 Fuß 10 Zoll gemeſſen und v. Laffert zu Schwechow ſogar eins von 3 Fuß Länge erlegt habe; nach meinen Beobachtungen werden die Männchen höchſtens 60 bis 63 cm lang. Von der Geſammtlänge der Kreuzotter entfällt auf den Kopf ungefähr der zwanzigſte ) Fatio giebt als höchſte Zahl für Schwanzſchilder 46, A. Strauch „Schlangen“ und „Viper“.] und auch E. de Betta [Fauna S. 54] ſogar 48 an. Da man nun in A. Strauchs Ueberſichten der von ihm unterſuchten Thiere [Vip. S. 136 und Schlangen S. 279] als höchſter Zahl der 40 bezw. in einem Falle der 42 begegnet, ſo möchte vielleicht bei ſeiner eben erwähnten ſummariſchen Angabe ein Fehler unter laufen jein. 22 Körperbedeckung. Maaße. Färbung. Stammform. Zeichnung. 340 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Theil, auf den Schwanz beim Männchen ein Sechſtel oder ein Siebentel, beim Weibchen ein Achtel bis ein Zehntel. Beiſpielsweiſe haben ein mir vorliegendes Männchen und Weibchen folgende Maaße: Geſammtlänge 454 bezw. 450 mm, Kopflänge (bis zum Kieferwinkel) je 20 mm, Schwanzlänge 61 bezw. 50 mm, größte Kopfbreite 13 bezw. 12 mm. Als ſenkrechten Durchmeſſer des Körpers (in der Mitte) fand Fatio bei einem 455 mm langen Männchen 14 mm, bei einem 470 mm langen Weibchen 16 mm und einem 600 mm langen trächtigen Weibchen 35 mm. Friſchgeborene Junge ſind 14 bis 21 em lang. Betrachten wir die Färbung und Zeichnung einer erheblichen Anzahl von Kreuzottern, ſo nehmen wir wahr, daß die Grundfarbe der Oberſeite außerordentlich wechſelt, indem ſie einerſeits von einem Grauweiß und Silbergrau durch Hell- und Dunlel-Aſchgrau, Grüngrau bis zu Olivengrün und Braungrau, anderſeits von Hell— gelb und Sandfarbe durch Roth und Rothbraun ins Schwarzbrauu übergeht, während die Zeichnung wenigſtens in ihrem weſentlichen Theile beſtändig bleibt. Man findet ſelten einmal zwei Exemplare, die ſich in der Farbe gleichen. Da wir auf den Grundton der Färbung hin, welcher je nach der bevorſtehenden und vollendeten Häutung, nach dem Aufenthalt“) des Thieres abändert und durch die Thätigkeit der beweglichen Farbzellen bezw. durch Nerven-Erregung **) beeinflußt wird, keine Varietäten aufſtellen können und dürfen, ſo hat man zur Stammform der Kreuzotter alle jene Thiere zu zählen, die auf hellerem Grunde die nachſtehend beſprochene charakteriſtiſche dunklere Kopf und Rückenzeichnung tragen. Dabei wird man finden, daß die Farbe der Zeichnungen gern Hand in Hand geht mit der Grundfärbung, indem die erſtere je nach dem Grundton heller oder dunkler erſcheint: ſo zeigen bräunlich-gelbe Ottern hellkaſtanienbraune, dagegen dunkelbraune Stücke ſchwarze Bänder und Flecken. Der Oberkopf der Kreuzotter hat bei klar ausgeprägter Zeichnung acht dunkle Flecken aufzuweiſen. Wie die Abbildung der männlichen Otter auf unſerer Farbentafel veranſchaulicht, befindet ſich zunächſt ein Fleck auf der Oberfläche der Schnauze; hinter demſelben folgen drei in einer Querreihe angeordnet und zwar der mittlere auf dem Scheitelſchild, rechts und links von ihm je einer auf dem rechten bezw. linken Brauen— ſchild; hinter dem mittleren liegen zwei ſtrichartige Makel und endlich beginnt hinter jedem Brauenſchild ein Streifen, welche beiden von hier aus nach der Mitte des Hinterkopfes zu laufen und dort manchmal ſich bis zur Berührung nähern, um dann ſich wieder von einander zu entfernen. Hierdurch bilden dieſe beiden ſichel- oder halb— mondförmigen, mit ihrer konvexen Seite gegen einander gerichteten Bogenſtreifen hinten zwiſchen ſich einen dreieckigen Raum, der einen gewöhnlich rautenförmigen Fleck auf— nimmt, mit welchem das auf dem „Kreuz“ oder Rückgrat und bis zur Schwanzſpitze ſich hinziehende, aus ſchief geſtellten Rauten- oder verſchobenen querliegenden Vierecks— flecken beſtehende Zickzackband beginnt. Dieſes Band läßt ſich nur bei ganz dunklen ) Nach Prof. K. Möbius kommen braune Thiere mit deutlichem Zickzackſtreifen mehr auf der Haide, braunſchwarze mit verwiſchtem Bande mehr auf Mooren vor. Auch im Hochgebirge ſind die Ottern düſter, vorherrſchend ſchwarz gefärbt. Hingegen fand A. Strauch die meiſten der ihm vorliegenden trans— kaspiſchen Stücke von ſehr hellem, faſt ſandfarbigem und die meiſten oſtſibiriſchen Exemplare von hellem, ſtark ins Grünliche ſpielendem Grundton. HBeiſpielsweiſe werden friſchgefangene hellgraue Thiere im Käfig dunkelgrau oder fahl braun grau. Hierbei möge gleich daran erinnert ſein, daß friſche Kreuzottern, wie ſchon Wagner beobachtete und Brandt-Ratzeburg 1829 in ihrer „Medic. Zoologie“ mittheilen, zuweilen an Rücken und Seiten eine abſtreifbare Puderfarbe zeigen, welcher F. Leydig den „Reif“ und „Duft“ gewiſſer einheimiſcher Gon- chylien-Arten an die Seite ſtellt und welche unwillkürlich auch an den bläulichen Reif der Pflaumen u. a. Früchte gemahnt. Fünfte Art. Kreuzotter. ö 341 und ſchwarzen Ottern ſchwer oder gar nicht erkennen, und ebenſo vermißt man die erwähnten beiden Bogenſtreifen des Hinterkopfes, welche nach der Meinung Vieler ein Kreuz!) bilden ſollen, nur in ſeltenen Fällen, vielmehr ſind fie in der Regel ſelbſt dann kräftig markirt, wenn die übrigen Flecken der Kopfplatte undeutlich ſind oder ineinander verſchwimmen. Vom Hinterrande der Augen aus (nicht durchs Auge wie bei der Glattnatter) läuft ein dunkler Streifen in ſchräger Richtung gegen die Hals ſeiten, und als ſeine Fortſetzung zieht ſich an den Körperſeiten eine Reihe dunkler Flecken, deren je einer in die Winkel oder Ausbuchtungen des Zickzackſtreifens zu liegen kommt, hin. Zuweilen wird der letztere, was gleichfalls unſere Abbildung vergegen wärtigt, jederſeits von einer weißlichen Zone begrenzt. Die Oberlippenſchilder erſcheinen weißlich, an den Nähten mit dunklem Saum. Die Unterjeite der Otter zeigt meiſt eine dunkle Färbung, ein Blaugrau, Schwarz, Dunkelbraun, und zwar entweder eintönig oder aber (und häufiger) von helleren, gelblichen, hellgrauen und ähnlichen Flecken unterbrochen; bei Thieren mit lichter, braungelblicher Oberſeite kann an der Unterſeite ſogar der dunkle Grundton von der hellen Zeichnungsfarbe zurückgedrängt werden. Die Schwanzſpitze zeichnet ſich unterſeits gewöhnlich durch weißgelbliche, citron oder orangegelbe Färbung aus, ſelbſt bei ſchwarzen Stücken kann man das bemerken. In weit geringerem Grade als die Grundfarbe ändert die Zeichnung ab. Zwar verwiſcht ſich, wie ſchon erwähnt, nicht ſelten dieſe und jene Zeichnung der Kopfplatte, zwar ſtumpfen ſich mitunter die Zacken des Rückgratsbandes ab oder die Vierecke deſſelben fließen mehr zuſammen und erzeugen einen mehr gewellten als zackigen Streifen, während bei einzelnen anderen Thieren die Vierecke des Rückenbandes ihre Verbindung untereinander etwas lockern — indeſſen alle derartigen kleinen Verſchiedenheiten des letzteren Merkmals „laſſen ſich erſt bei genauer Unterſuchung auffinden und vermögen nicht dem Geſammtausdruck, der den Streifen als ein regelmäßig im Zickzack ver— laufendes Band erſcheinen läßt, Abbruch zu thun“; und Entſprechendes gilt betreffs der Hinterkopf- und Schläfenſtreifen. Man kann ſelbſt jenen roth grundirten Ottern, die früher als Kupferottern ſogar für eine beſondere Spezies, Coluber (Pelias) chersea, gehalten wurden, nicht den Rang einer ausgezeichneten Varietät zuerkennen, vielmehr nur eine ſolche aufſtellen: Var. prester, ſchwarze oder Höllen-Otter, mit ſchwarzer Ober- und Unterſeite; doch kommen Stücke vor, die wenigſtens an der Schwanzſpitze, einzelnen Lippen- und Bauchſchildern weißlichgelb gefleckt ſind, andere, die auch einzelne braun beſpritzte Schuppen am Rücken und an den Flanken oder braune Tüpfel und Makel auf der Unterſeite zeigen. Pallas gab den Ottern mit ſchwarzer Ober- und weißlicher (milch— weißer) Unterſeite den Namen Coluber Scytha und denjenigen mit ſchwarzer Ober-, dunkelgefleckter Unterſeite und bläulich gewölkten Flanken — beide Spielarten wurden von ihm in Rußland beobachtet — die Bezeichnung Coluber Melanis. Uebrigens begegnet man bei den ſchwarzen Ottern zuweilen einem ähnlichen Verhältniß wie bei dem ſchwarzen Panther, indem wie bei dieſem die intenſiven ſchwarzen Tupfen auf dem im allgemeinen ſchwarzen Fell, ſo bei den ſchwarzen Ottern die glänzenden Zeichnungen in Ebenholzſchwärze ſich noch abheben. Von der Anſicht Linné's und anderer Autoren, welche die „Höllennatter“, Coluber (Vipera, Pelias) prester, als eine beſondere Art betrachteten, mußte man zurückkommen, nachdem man beobachtet hatte, daß kohlſchwarze 1 ar ſchwarze, außerdem aber auch ganz in der Weiſe der gewöhnlichen g Kreuz⸗ =) Thalſächlc iſt das nicht der Fall, und der Name Kreuzotter wird der Schlange wohl infolge des auf dem Kreuz (Rückgrat) hinlaufenden Zickzackbandes beigelegt worden fein. Abänderungen. 342 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ottern gefärbte und gezeichnete Junge zur Welt brachten. Ebenſo iſt die weitere An— ſchauung, die ſchwarze Otter ſei eine Hochgebirgs-Varietät der Vipera berus hinfällig geworden; denn wenngleich im Hochgebirge bei Vipern die ſchwarze Farbe vorherrſcht, ja mancher Orten zur ausſchließlichen Färbung der berus wird, ſo kommen doch ſchwarze Ottern auch in den feuchten Moor- und Torfbezirken des norddeutſchen Flachlandes und laut Strauch recht häufig auch im Charkow'ſchen Gouvernement und in der Kirgiſenſteppe vor. Außer in den genannten deutſchen Gebieten trifft man die ſchwarze Varietät in den Bayerischen und Algäuer Alpen und den Mooren der deuſelben im Norden vorgelagerten Hochebene, ferner im gebirgigen Württemberg“) und Baden (Schwäb. Alb, Schwarzwald), vereinzelter im Erz- und Rieſengebirge. Die weitaus größte Zahl aller ſchwarzen Ottern iſt weiblichen Geſchlechts. Ueberhaupt neigt die Grundfärbung der Weibchen zu dunklen Tönen, und zwar Geschlechter. zu allen Abſtufungen in Braun, bis Grau- und Schwarzbraun und Schwarz, wogegen die der Männchen in Grau und Grüngrau ſchattirt. Die Farbe des friſchgehäuteten Männchens iſt alſo, indem ſie „von früheſter Jugend an bis ins höchſte Alter ſich faſt gleich bleibt“, ſilberweiß, hell-, aſch-, gelb- oder grüngrau, vor der Häutung fahl— bräunlich, die Zeichnungsfarbe ſchwarz, ſodaß Zickzackband u. ſ. w. ſchön abſtechen, während die braunen oder ſchwärzlichen Zeichnungen des Weibchens von dem wenigſtens in ſpäteren Jahren düſteren Grundton der Oberſeite ſich oft kaum abheben; merk— würdigerweiſe aber nehmen manche Weibchen im Alter die graue Färbung des Männ— chens an. Weitere Unterſchiede der Geſchlechter prägen ſich in Größe, Schwanzlänge, Kopfbildung aus. Daß die Weibchen größer und dabei kurzſchwänziger ſind als die Männchen, erwähnten wir ſchon auf Seite 340; die Männchen haben einen kürzeren, ſchmächtigen Leib und dagegen einen längeren, an der Wurzel (infolge der Begattungs— Werkzeuge) recht dicken Schwanz. Sodann findet Leydig [Schlangen], daß der Kopf des Weibchens mehr niedergedrückt, länglicher und feiner iſt als der dicke, kurze Kopf des Männchens, bei dem das Trotzige in der Geſichtsbildung geſteigert wird durch den mehr als beim Weibchen vorſpringenden Rand des Brauenſchildes. Dieſe, bereits auf Seite 338 vermerkte Geſtaltung und Lagerung des oberen Auge. Augenſchildes und der dadurch erzeugte tückiſche, widerwärtige Ausdruck des im Uebrigen großen, runden, nach der Seite gerichteten und mit ſenkrechter, ſchmaler Katzen-Pupille verſehenen Auges bildet ein eigenthümliches Kennzeichen der Kreuzotter gegenüber unſeren nichtgiftigen Schlangen. Die ſchräg von oben und vorn nach unten und hinten geſtellte Pupille, ein Längsſpalt, zieht ſich bei hellem Sonnenlicht zu einer winzigen Ritze zuſammen, erweitert ſich jedoch im Dunkeln ganz bedeutend. Die Regenbogenhaut (Iris) zeigt als Farbe ein lebhaftes Gelb- oder Feuerroth, das bei dunkeln Weibchen in ein Röthlichbraun übergeht, während es bei Männchen in der unteren Augenhälfte gern durch Schwarz erſetzt wird. Bei den friſchgeborenen Jungen iſt die charakteriſtiſche Zeichnung der Kreuzotter, Zugendkled. wenngleich vielleicht noch in matterer Färbung, bereits ausgeprägt; auch die Grund— färbung bietet nichts beſonderes, höchſtens daß bei den jungen Weibchen ſtatt des vom zweiten bis vierten Jahre vorherrſchenden hellen Rothbraun („Kupfernatter“) und der tieferbraunen Tinten ein blaſſes Röthlichgrau oder Sandgrau vorhanden iſt. Geographiſche Verbreitung. Die Kreuzotter darf ſich vor allen Landſchlangen Verbreitungs- überhaupt und den deutſchen und europäiſchen Arten insbeſondere rühmen, den aus— bite gedehnteſten Verbreitungsbezirk zu beſitzen. Denn derſelbe umſchließt nicht nur faſt ) In der Stuttgarter Central-Natur.⸗Sammlung ſteht auch ein von Auingen (Münſinger Hardt) ſtammendes Exemplar der var. scytha. Fünfte Art. Kreuzotter. 343 alle Länder unſeres Erdtheils vom nördlichen Polarkreis (Finn- und Lappland) bis auf den 41. oder 42. Breitengrad hinab und von der Pyrenäiſchen Halbiuſel bis zum Ural, ſondern er umſpannt auch noch das gemäßigte Aſien zwiſchen 45. bezw. 42. Grad n. Br. im Süden und 58. bezw. 54 Grad n. Br. im Norden bis zur oſtaſiatiſch-ruſſiſchen Inſel Sachalin oder Tarrakai; er erſtreckt ſich ſomit von der Küſte des Atlantiſchen Ozeans im Weiten bis zu dem Geſtade des Stillen Weltmeeres im Oſten, d. h. vom 9. bis 160. Ferro— Grad. Vor allem haben wir die Verbreitung der Kreuzotter auf deutſchem Gebiet Elarzulegen,*) und wir werfen zu dem Zwecke vorerſt einen Blick auf Süddeutſchland. Der Schwerpunkt ihrer dortigen Verbreitung liegt ſüdlich der Donau. Denn wenngleich ſie, was zunächſt Bayern anbetrifft, in allen rechtsrheiniſchen Regierungsbezirken vorkommt, jo findet ſie ſich doch vornehmlich auf allen Theilen des eigentlichen Hochgebirges: den Bayeriſchen, Algäuer und Salzburger Alpen, ſowie auf der dieſen Zügen im Norden vor— gelagerten Schwäbiſch-Bayeriſchen Hochebene und deren Mooren und Haiden, den ſogen. Filzen und Mooſen. Die erſte zuſammenfaſſende Darſtellung darüber gab 1865 Pfarrer Jäckel im XIX. Corr.-Bl. des Zoolog.-miner. Vereins zu Regensburg, Blum's Gewährs— männer und die meinigen traten ergänzend ein. So kennen wir ſie aus der Alpenkette Oberbayerns von Berchtesgaden, Reichenhall, Bad Kreuth, Holzkirchen und Föchingen im Amte Miesbach, Benediktbeuern und Kloſter Reitberg im Amte Tölz, Hohenſchwangau und aus den nördlicher gelegenen Oertlichkeiten und Umgebungen von Schongau, vom Starnberger See, von Wolfrathshauſen, Schäftlarn, Großheſſelohe, aus dem Rotterfilz und den Iſar-Auen bei München, den Filzen bei Eckſtädt, Halſing und Söchtenau im Amte Roſenheim, aus dem Forſtamt Haag bei Waſſerburg, von Troſtberg, Marquart— ſtein, aus dem Traunthal und den moorigen Gründen am Chiemſee, noch weiter nördlich aus dem Forſtamt Burghauſen nahe dem Grenzfluß Salzach, aus den Mooſen von Erding, Freiſing, Dachau, Garching (Hirſchau), den Haiden und Wäldern der Lech— ebene bei Mering-Friedeberg, dem Manchinger Moos bei Ingolſtadt und dem Geiſen— felder Forſt. Im Kreiſe Schwaben Neuburg iſt ſie gleichfalls ſehr verbreitet und dem Gebirge ſowohl wie den Mooſen des Flachlandes eigen, laut Wiedemann im ganzen ſchwäbiſchen Gebirgszuge einſchl. der Voralpen, von Lindau bis Füſſen, vom Urſprung der Flüſſe Lech, Wertach und Iller bis zu ihrer Mündung in die Donau und an letzterem Fluß von Ulm an bis zum Austritt aus dem Kreiſe nachgewieſen; von ein— zelnen Fundorten ſeien genannt die Umgebungen von Lindau (Moore von Hergats und Schlachters), Berg Grünten und Imberg und Algäu, Oberſtaufen und Oberſtdorf, Oy bei Neſſelſchwang, Kempten, Kaufbeuren, Ottobeuren und Memmingen, Mindelheim und Kirchheim a. M., Angelberg, Salgen, Weißenborn, die Wertach-Auen bei Bobingen, die Lech-Auen bei Gerſthofen und Haunſtetten, die Wälder der näheren und ferneren Umgebung von Augsburg (am zahlreichſten im Siebentiſchwald und auf der „Wolfs— zahn“ benannten Landzunge, ferner bei Wellenburg und Bannacker, an den Berg— abhängen bei Straßberg), an der Donau Günzburg, Lauingen, Donauwörth, Neuburg (Hüttinger Moor), nördlich des Fluſſes um Nördlingen, Wemding, Brachſtadt, Meges— heim, Oettingen, Ursheim, Harburg, im Karthäuſerthal. Von Niederbayern iſt ein nur ) Dieſe Aufgabe in einer umfaſſenden Arbeit zu löſen, hatte ſich 1885 Dr. J. Notthaft in Frank furt a. M. geſtellt und zu dem Zwecke Fragebogen an Sachverſtändige in allen Theilen Deutſchlands geſandt; leider ſtarb er, nachdem er nur erſt eine „Vorläufige Mittheilung“ über den Gegenſtand ver— öffentlicht hatte, im September 1886, es übernahm dann jedoch Herr J. Blum dortſelbſt die Bearbeitung des eingegangenen Materials und die Veröffentlichung des Ganzen in den Abhandlung. der Sendenberg. naturf. Geſ. 1888. Obgleich mir ſelbſt ſehr zahlreiche Mittheilungen und Nachrichten zur Verfügung ſtehen, werde ich im Folgenden gern da und dort auf Blums dankenswerthe Arbeit zurückgreifen. Bayern. Württemberg. 344 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. | zerſtreutes Vorkommen bekannt: Landshut, Kelheim, auch Deggendorf an den Aus— läufern des Bayeriſchen Waldes, in dem ſie laut Jäckel „ſehr ſelten“ auftritt. Hin— gegen findet ſie ſich in den Gebirgszügen und-Stöcken der Kreiſe Oberpfalz und Ober— franken faſt allgemein verbreitet, ja mancher Orten, ſo bei Vohenſtrauß, Kemnat, Erben— dorf, Tirſchenreuth in der nördlichen Oberpfalz, gegen das Fichtelgebirge hin und vor allem in dieſem ſelbſt (bei Waltershof, Goldkronach, Wunſiedel, Selb, Schwarzenbach ꝛc.), für das ſie ſchon 1817 durch Goldfuß gemeldet wurde, recht häufig. An Fundorten in der mittleren und ſüdlichen Oberpfalz ſeien genannt die Umgebung von Neuſtadt, Eſchenbach, Weiden, Vilseck, Amberg, Ober Viechtach, Bodenwöhr, Burglengenfeld, Regensburg. Der Fränkiſche Jura birgt die Kreuzotter beſonders in ſeinem ſüdweſt— lichen Theile, ſo bei den mittelfränkiſchen Orten Beilngries, Eichſtädt, Pappenheim, Weißenburg, Heidenheim, laut Leydig am Heſſelberg, in der Umgegend von Gunzen— hauſen, ferner bei Wendelſtein, und als eine Stätte, die ſie in erheblicher Menge be— herbergt, muß der nördlich von Wendelſtein, bei Nürnberg ſüdlich der Pegnitz ſich ausdehnende Lorenzer Wald ſammt ſeinen Vorwäldern genannt werden, wogegen ſie in dem nördlich der Pegnitz gelegenen Theil des Reichswaldes, dem Sebalder Walde, trotz der ähnlichen Bodenverhältniſſe laut Blum (Dr. Hagen) „mindeſtens ſehr ſelten“ iſt. Ebenſo fehlt ſie dem im Oſten zur Rednitz-Regnitz abfallenden mittelfränkiſchen Plateau und jedenfalls auch der Frankenhöhe, während ſie wiederum im Steigerwald, laut Jäckel bei Gerolzhofen und Ebrach, ſowie laut Sippel weiterhin bei Bamberg (Michaelberger Wald), im Muggendorfer Gebirge z. B. bei Muggendorf, Pegnitz und Baireuth, auch bei Lichtenfels, im Frankenwald bei Kronach, am Haßberg (Königshofen), in der bayeriſchen Rhön am Kreuzberg bei Biſchofsheim und im nördlichen Speſſart bei Frammersbach (nahe dem die Kreuzotter gleichfalls beherbergenden heſſen-maſſauiſchen Kreiſe Gelnhauſen) vorkommt. Dagegen vermißt man ſie in dem freundlichen Main— und Tauberthal gleicherweiſe wie in den dem Untermain und Mittelrhein anliegenden Weinbau-Gebieten und in der bayeriſchen Rheinpfalz. Demgemäß ſuchen wir ſie im Odenwald und in der ſüdlichen Hälfte des Großh. Heſſen, ſowie im nördlichen Baden und Württemberg bis etwa zum 49. Breiten— grade hinab vergebens. In Württemberg bewohnt ſie den Schwarzwald, ferner den ſchwäbiſchen Jura (die Alb) in ſeiner ganzen Länge von Tuttlingen im Südweſten an durch die Hohenzollernſchen Lande hindurch bis zum Aalbuch und Härdtfeld im Nordoſten, ſowie endlich die Riede dder Torfmoore und das Plateau Oberſchwabens. Im Schwäbiſchen Unterland, ſo bei Stuttgart, will man ſie zwar auch beobachtet und geſammelt haben, doch bedürfen dieſe Mittheilungen ebenſo wie die in einigen älteren Oberamts-Beſchreibungen verzeichneten Fundorts-Angaben (Gerabronn, Oehringen, Weinsberg, Schorndorf) noch der Beſtätigung,“) denn nach den Erfahrungen und Er— kundigungen der Herren Major Fleiſchmann, DDr. Finckh und v. Krauß beruhen ſolche vermeintlichen Funde im Unterland auf Verwechſelungen mit der dort häufigen Glatt— natter. Aus dem Schwarzwald wurde ſie bereits durch ältere Autoren von Freuden— ſtadt, von Kniebis und Herrenwies, ferner von Neuenbürg gemeldet. Im Jura und deſſen Vorbergen begegnet man ihr beiſpielsweiſe bei Friedingen (Tuttlingen), Mühl— heim, Spaichingen, Ebingen, Lauffen, Balingen (Quellengebiet der Eyach), Thalheim bei Rottenburg, Tübingen, Eningen bei Reutlingen, Urach (neuerdings wieder auf— getreten), in der Gegend von Münſingen, Blaubeuren, Wieſenſteig, Geislingen, Nür— Vielleicht iſt bei der Fundorts-Bezeichnung der im Gymnaſium zu Heilbronn befindlichen, vor langem angeblich bei Heilbronn geſammelten Stücke auch eine Verwechſelung unterlaufen. Fünfte Art. Kreuzotter. ö 345 tingen, bei Schopfloch und auf der Teck bei Kirchheim, laut F. Koch-Auingen im Schur, im Welzheimer und im Meinhardtswald, ſodann am Hohenſtaufen [Dr. Weinland], bei Heubach, Aalen und Lauterburg, auf dem Härdtfeld und Aalbuch, bei Utzmemmingen, Neresheim, Heidenheim, Sontheim, endlich noch weiter ſüdwärts bei Ulm und Ehingen. Auf der Hochebene und in den Mooren Oberſchwabens, ſüdlich der Donau, kommt ſie, ſtellenweiſe ſehr häufig, unter anderem vor bei Laupheim (ſelten), im Wurzacher Ried, im Steinacher Ried bei Waldſee und bei Schuſſenried, im Dolpenried bei Altshauſen und bei Blitzenreut, im Eiſenharzer Moor, wo fie wie im Wurzacher Ried laut Dr. Finckh ſehr häufig iſt, bei Wangen und gleicherweiſe recht zahlreich in der Umgebung von Isny; in den Mooren ſcheint die ſchwarze Varietät vorzuherrſchen oder doch der Stammform die Wage zu halten. Am Hohentwiel, württembergiſche Enklave, trifft man die Kreuzotter ebenfalls an — wenigſtens wird dieſer Fundort noch i. J. 1882 von F. v. Krauß verzeichnet — und nicht minder im ſüdlichen wie im nördlichen Hohenzollern (Oſtrachthal, Berg Hohenzollern). Wie im hohenzollern'ſchen, jo tt die Kreuzotter auch im baden' ſchen Theil des Oſtrachthales zu Hauſe, in der Gegend von Pfullendorf und Ilmenſee an der öſtlichen Grenze des Kreiſes Konſtanz, ſowie nordweſtlich von Radolfzell (öſtlich vom Hohentwiel ) in der Sauriedhalde bei Steißlingen, wo ſie laut Dr. Buck wiederholt gefunden wurde, ferner nach Stoll's und Weber's Angaben aus dem Jahre 1855 bei Blumenfeld und Thengen im Hegau und am Randen (Riedöſchinger Wald). Ihr eigentliches Wohngebiet im Großh. Baden iſt jedoch der Schwarzwald von St. Blaſien und der Gegend des Feldberges, von Neuſtadt und Donaueſchingen (Buchberg ꝛc.) im Süden bis zur Hornis— grinde und Herrenwies im Norden, nach Fiſcher und Weber bis in das Amt Gerns— bach. In den nordbadiſchen Kreiſen Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Mosbach fehlt ſie, aber auch im Süden des Landes in der ganzen Rheiniſchen Ebene von Baſel an, nur am Kaiſerſtuhl will man ſie einmal gefangen haben. Ingleichen mangelt die Kreuz otter, wie überhaupt alle Giftſchlangen, dem ganzen Elſaß, wogegen in Lothringen ſowohl die erſtere als auch die echte Viper vorzukommen ſcheinen. Wenigſtens ſchrieb Herr Lieutenant Heinicke i. J. 1880 mir, daß die Umgegend von Metz nach dem Plateau von Amanvillers zu berüchtigt ſei wegen der vielen dort hauſenden Giftſchlangen und daß der Hauptfundort der Kreuzotter die mit Geſtrüpp bewachſenen trocknen Hänge des Monvaux— Thales, woſelbſt er in einem Sommer fünf Stück getödtet habe, ſeien; auch werden noch die waldigen, bergigen Umgebungen von Gorze und Pierrevillers bei Metz ſowie Ueckingen ſüdlich von Diedenhofen als Wohnſtätten der Kreuzotter genannt, während anderſeits Soubeiran 1863 in ſeiner verdienſtvollen Arbeit über die geographiſche Verbreitung der Vipern in Frankreich [Bull. Soc. Zool. d’Acelim. X] das Moſel-Departement nicht mit unter den die Kreuzotter beherbergenden Landſchaften aufführt; es bedarf alſo noch genauer Feſtſtellungen betreffs der Verbreitung beider Vipern-Arten in Lothringen. Wie dem Ober- und Unter-Elſaß, der bayeriſchen Rheinpfalz, der Südhälfte des Großh. Heſſen “), jo fehlt die Kreuzotter auch der Nordhälfte des letztgenannten Staates *) Früher kam die Kreuzotter bei Mainz (laut B. S. Nau, 1778, an den Kalkſteinbrüchen hinter Weiſenau) vor, in den 30er Jahren indeß wurden, wie Herr W. v. Reichenau mir ſchreibt, in einem Steinbruch bei Laubenheim die letzten ausgerottet, und heute trifft man nur ihre eingewanderte Todfeindin, die Glattnatter, dort an. Möglicher Weiſe fand ſie ſich vordem auch bei Bingen, da laut Bericht von C. L. Kirſchbaum und L. Geiſenheyner der bekannte Frankfurter Senator K. von Heyden die mündliche Mittheilung machte, er habe um das Jahr 1820 ein Exemplar auf dem Wege zum Rochusberg zuſammen— gerollt liegen geſehen; falls hierbei alſo keine Verwechſelung unterlaufen iſt, wird man annehmen müſſen, daß die Otter bei Bingen durch „die Kultur der Rebe verdrängt“ wurde. Baden. Deutſches Berg⸗ land weſtlich der Weſer. 346 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und, da die Suffrian'ſche Angabe von einem Vorkommen bei Herborn nicht beſtätigt worden iſt, dem ehemaligen Naſſau, dem heutigen Reg.-Bez. Wiesbaden, alſo den Ge— bieten des Vogelsberg, des Taunus und im Allgemeinen des Weſterwald. Gleicher— weiſe ſind das oldenburgiſche Fürſtenthum Birkenfeld und faſt die ganze Rheinprovinz otterfrei. So mangelt ſie auch dem Hunsrück mit dem Hochwald, Soonwald und anderen Ausläufern, der Eifel, dem Siebengebirge, in den Vorbergen des Weſterwald dagegen iſt ſie neuerdings durch F. Weſthoff bei Neſchen an der Wied und durch Ober— förſter Melsheimer, welcher ſie auch mal im Bienhorn bei Pfaffendorf oberhalb Ehren— breitſtein fing, ſowie durch Prof. Landois in der Moorhaide bei Buchholz (3 Stunden öſtlich von Honnef und 1 Stunde nordwärts von Asbach) im Kreiſe Neuwied nach— gewieſen worden. Im Reg. Bez. Trier fehlt ſie: die beiden von N. Beſſelich-Trier an das Bonner Muſeum geſchenkten Stücke ſtammen nach eigener Mittheilung des Stifters gar nicht aus der Gegend von Trier. Ferner entbehrt die alte Angabe Schnur's über ein Vorkommen bei Bertrich im Kreiſe Kochem der Unterlage, während Prof. Holzapfel— Aachen laut Bericht an Blum zwei Exemplare im Wehethal bei Schevenhütte, Gebiet des hohen Venn, erſchlagen hat. Aus dem Reg.-Bez. Köln wird nur Wahn, Kreis Mülheim a. Rhein, genannt, von wo Anfang der 80 er Jahre ein Stück mit Haide— beſen nach Köln gekommen ſei Thomé-Blum]. Für das Bergiſche bezw. die Umgebungen von Elberfeld-Barmen wurde die Anweſenheit der Kreuzotter, ſo auch ſeitens Coruelius', Fuhlrott's und G. de Roſſi's, verneint, bis 1884 Dr. Behrens fie für das jog. Burg— holz bei Elberfeld, von wo auch einige Exemplare in der Sammlung des dortigen Realgymnaſium ſtehen, meldete. Im III. Bande von „Weſtfalens Thierleben“ werden aus den Ausläufern des Kohlengebirges als Verbreitungspunkte der Otter noch genannt: Mülheim a. d. Ruhr, die Ratingener Waldungen, der Grafenberg und der Aaperwald bei Düſſeldorf, Sterkrade im Kreiſe Duisburg. Aus dem Duisburger Forſt ſah W. Bölſche ein Spiritus-Exemplar 1880. auf der Düſſeldorfer Ausſtellung. In dem ebenen, z. Th. moorigen nordweſtlichſten Zipfel der Rheinprovinz iſt die Otter, um dies hier gleich zu erwähnen, mehrfach nachgewieſen worden, insbeſondere bei Schermbeck und Mahlberg im Kreiſe Rees (häufig!) und in den Waldungen der Oberförſterei Kleve. Fr. Weſthoff nimmt nun in ſeinen neueſten Arbeiten an, daß die Otter infolge einer Einwanderung aus der Rheiniſchen Ebene ruhr-aufwärts nach dem Sauerländiſchen Gebirge Weſtfalens, woſelbſt man ſie ganz vereinzelt: bei Hohenlimburg im Henk— hauſerthal 1869, im Garten des Schloſſes Bilſtein (Kreis Olpe) 1883, bei Lüdenſcheid, geſehen, gelangt ſei, ein wirkliches Heimiſchſein im Sieger- und Sauerlande muß aber nach wie vor verneint werden. Ebenſo fehlt ſie ſicher den Gebirgszügen des Haar— ſtrang, der Egge und des Teutoburger Waldes, ſowie dem Wiehen-Gebirge und dem ganzen weſtlichen Weſer-Bergland überhaupt und außerdem dem öſtlichen Theile des letzteren: dem Bückeberg, Deiſter, Süntel bis in die Gegend von Hameln, alſo dem nordöſtlichen Weſtfalen, den Lippe'ſchen Fürſtenthümern, der zwiſchenliegenden Ecken Hannovers (Osnabrück, Hameln) und dem Fürſtenthum Waldeck, und die bei Blum ſich findenden Angaben von einem Vorkommen bei Bielefeld und Herford beruhen auf Verwechſelung mit der Glattnatter. Aus dem übrigen Weſer-Bergland wird ſie durch E. Cruſe vom Eckberg bei Eſchershauſen und in Blum's Schrift von Holzminden und Münden angezeigt. Im vormalig kurheſſiſchen Bergland ſcheinen die weſtlich der Weſer und Fulda gelegenen Bezirke fie nicht zu beherbergen, wenigſtens fehlen Mel dungen von dort; auch in der näheren Umgebung Kaſſel's fehlt ſie; wohl aber iſt ſie in dem Gebiet zwiſchen Fulda und Werra zu Hauſe: ſo am Meißner bei Witzenhauſen und Allendorf, wo u. A. Herr Kobus in zwei Tagen drei Exemplare erbeutete, und Fünfte Art. Kreuzotter. 347 bei Germerode im Kreiſe Eſchwege, ferner laut Blum in den näheren und weiteren Umgebungen von Hünfeld (Neukirchen, Quecksmoor) und Fulda (Trätzwald) und laut Dr. O. Böttger namentlich im Kreiſe Gelnhauſen gegen den Speſſart hin: bei Bieber, Orb, Lohrhaupten, Wächtersbach, Flörsbach. Die Rhön bildet nicht nur in ihrem bayeriſchen, ſondern auch in ihrem weimariſchen Theil einen Aufenthalt der Otter, denn dieſe findet ſich außer am Kreuzberg nördlich von dieſem laut Leydig am Tag— ſtein bei Kaltennordheim und im Erbenhauſer Forſt, ſowie in der Umgebung von Lengsfeld, laut F. Keller in der Gegend von Dermbach und Geiſa, ſowie von Völkers— hauſen. Aus dem Meininger Bergland und den Henneberger Höhen endlich wird ſie von Henneberg, Römhild und Heldburg gemeldet, wo ſie allerdings nur vereinzelt vorkommt, und im Herzogthum Koburg fehlt ſie ganz, während ſie im Herzogthum Gotha an mehreren Orten auftritt. Im Thüringer Wald, wie überhaupt in den zwiſchen Werra und Saale ſich ausbreitenden bergigen und hügeligen Gemarkungen Thüringens und den dem wellen— förmigen Plateau des nördlichen Theils aufgeſetzten und vorgelagerten Berggruppen und Höhenzügen: Hainleite, Finne, Schmücke, Kyffhäuſer ꝛc., iſt die Kreuzotter recht heimiſch, wenn vielleicht auch nicht mehr in ſo großer Zahl als früher. So in den preußiſchen Antheilen des Thüringer Waldes bei Schleuſingen, Suhl, Schmalkalden, und um Brotterode am Inſelsberg [Blum]; aus dem nordweſtlichen Thüringer Wald, der Gegend des Inſelsberges, den Umgebungen von Waltershauſen, Friedrichsroda, Ruhla hatte bereits H. O. Lenz-Schnepfenthal folgende Fundorte genannt: den Inſels— berg ſelbſt und die Jagdberge, das Lauchaer Holz, den Wachſtein, die Laubgebüſche zwiſchen Friedrichroda und Reinhardsbrunn, den Abtsberg, die Haiden bei den Kallen— bacher Teichen, den Quer- und Burgberg, den Wald um Schwarzhauſen und Sondra, den Nonnenberg, die Berge um Fiſchbach und Winterſtein, weiterhin den Herrmann— ſtein, ſowie bei Gotha den Seeberg und Kronberg und bei Erfurt den Steigerwald; ferner wird ſie gemeldet durch E. Scheller-Eiſenach für die Berge öſtlich und weſtlich dieſer Stadt“) und für Markſuhl, durch verſchiedene Gewahrsmänner Blum's von Tambach und aus dem Dietharzer Grund bei Ohrdruf, von Tabarz und Ruhla, von Plaue und der Waſſerleite bei Arnſtadt, Berka a. d. Ilm (Diebſteig, Legefeld), Ilmenau und Martinroda, aus dem Paulinzeller Wald bei Stadt Ilm und dem Königſeer Walde, von Rudolſtadt, von Blankenburg und den benachbarten Dorfſchaften Oberwirbach und Braunsdorf, von Saalfeld und Sonneberg. In den Weimar'ſchen Bezirken Jena, Apolda, Buttſtedt ſcheint ſie nicht vorzukommen, auch bei Freiburg a. d. Unſtrut und ebenſo bei Naumburg, Weißenfels, Merſeburg, im Saalkreis und in der näheren Um— gegend Eislebens wurde ſie noch nicht beobachtet, wohl aber iſt ſie wiederum bekannt von Bibra, von Eckartsberga und aus der weiteren Umgebung dieſer Stadt (Finne), aus dem Willroda'er Forſt bei Erfurt, von Dietzenrode, Fretterode bei Heiligenſtadt auf dem Eichsfeld und von Wohlhauſen und Hülfenberg deſſelben Kreiſes, aus der Bergwaldung Bruck bei Göttingen, von Bleicherode, durch J. Sömmering vom nörd— lichen Abhang der Hainleite, aus den verlaſſenen Steinbrüchen des Kyffhäuſer bei Frankenhauſen und den ſüdlichen Vorbergen deſſelben, woſelbſt ſie ſehr häufig iſt, ſowie aus den übrigen Abhängen des Gebirges und aus der goldenen Aue, (Allſtedter und Ziegelrodaer Forſt?), und laut Blum von Sangerhauſen und Wettelroda. Am und im Harz, d. h. dem ſüdöſtlichen Unterharz und dem nordweſtlichen E. Scheller und Hofrath Dr. Senft-Eiſenach ſind der Meinung, daß die Kreuzotter erſt in neuerer Zeit von Oſten bezw. von Ruhla her, wo ſie ſehr häufig it, bis nach Eiſenach vorgedrungen iſt. Thüringen. Harz. Bergland zwiſchen Saale und Neiſſe. 348 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Oberharz, iſt die Kreuzotter nach den auf den Berichten Henneberg's, Klöber's, M. Koch's, P. Krefft's beruhenden Zuſammenſtellungen Woltersdorff's und den mir vorliegenden Mittheilungen überall zu Hauſe, vermißt wird ſie jedoch am Brocken und in der nächſten Umgebung von Blankenburg“) und Grund. Abgeſehen von den ſchon erwähnten Strichen bei Sangerhauſen hat man ſie angetroffen in den ſüdlichen Vorbergen, z. B. alter Stolberg bei Steigerthal, Steinberge bei Buchholz, an den Gypsbergen bei Crim— derode und Ellrich und am Kohnſtein bei Nordhauſen, bei Walkenried, im Ilfelder Thal und Teichthal, ferner bei Rothenſchirmbach ſüdlich von Eisleben, im Kliebichthal, am Kranichbrunnen, zwiſchen Hergisdorf und Annarode, bei Mohrungen, Wippra, im Neu-Aſſeburger Forſt, im Einethal bei Welbsleben, bei Quenſtädt, im Selkethal zwiſchen Alexisbad und Mägdeſprung, am Meiſeberg, am Hirſchteichthal, hinterm Schloßteich und am Lumpenſtieg bei Ballenſtedt, vor Degenershauſen bei Meisdorf, auf dem Plateau von Harzgerode, zwiſchen Thale und Gernrode: Bodethal, Steinbachsthal, Georgshöhe, Lauenburg, Kalte Thal (Suderode), Hagenthal; ferner bei Wernigerode, namentlich in den Vorbergen, ſodann zwiſchen Klausthal und Altenau, am Bruchberg und Kahlenberg bei erſterem Orte, auf der Katnäſe bei Harzburg, am Nordberg und Schieferberg und im Dörpkethal bei Goslar und im Grauhofer Gehölz, bei Seeſen und am Wohlenſtein, endlich in den nördlichen Vorlanden des Harzes am Huywald bei Halberſtadt und am Fallſtein zwiſchen Oſterwieck und Hornburg, ſowie laut V. v. Koch nördlich von Goslar an den Bärenköpfen bei Liebenburg, am Komthurkreuz bei Weddingen und am Harly— berg bei Vienenburg. Dem im Norden des Harzes, weſtlich bis zur Leine ſich aus— breitenden braunſchweigiſchen und hannoverſchen Hügel- und Bergland fehlt, mit Aus— nahme des Elm, die Otter auch nicht: ſie kommt vor laut Dr. R. Blaſius und Prof. Dr. Nehring im Pawel'ſchen und Riſchauer Holz bei Braunſchweig und im Bortfelder Holz, in haidebeſtandenen Waldſtellen nördlich und nordöſtlich von Helmſtedt (Aus— läufer des Lappwaldes, Grasleben), ferner laut Forſtmeiſter Beling bei Lutter a. B., im Leine-Bergland bei Gandersheim, Bodenburg, laut Mejer-Blum bei Gronau (Haus Eſcherde), laut Leunis in den Heidelbeergebüſchen des Eſcherberges und in den Grenz— gräben zwiſchen dem Kloſter- und dem Marienröder Holz bei Hildesheim, laut Weigel bei Wendhauſen-Heerſum-Lechſtedt und laut Homeyer bei Ringelheim und Lamſpringe Blum]. In dem zwiſchen Saale und Elbe gelagerten Elſter- und Erzgebirge nebſt dem Voigtländiſchen und Sächſiſchen Berg- und Hügelland ſcheint die Kreuzotter allenthalben heimiſch zu ſein, vielorts, beiſpielsweiſe in der Gegend von Oelsnitz i. V., tritt ſie in großer Anzahl auf. In den Reuß'ſchen Fürſtenthümern findet ſie ſich laut Prof. Dr. Ludwig bei Greiz am Hirſchſtein und zwiſchen Schönfeld und Frieſen, laut Prof. Dr. Liebe, der eine Abnahme infolge veränderter Kulturen feſtſtellte, bei Her— mannsgrün und Chamern, bei Köſtritz und Gr. und Kl.-Aga, laut Hartenſtein [Blum] im Pöllwitzer Walde bei Zeulenroda und vereinzelt in der Umgebung von Schleiz; im weimar'ſchen Kreiſe Neuſtadt laut Liebe bei Teichwolframsdorf und wahrſcheinlich in Moorgegenden bei Neuſtadt a. d. Orla, im altenburgiſchen Weſtkreis laut Mittheilung der Forſtverwaltungen an J. Blum in den Revieren Kloſterlausnitz, Tautenhain (vergl. S. 328), Hummelshain, Unterbodnitz, Meuſebach, Mörsdorf, Schöngleina, aber auch in den Oſtkreis-Revieren Breitenhain, Lucka, Lehma, Schömbach und Wilchwitz, ſowie laut Stoy häufig in dem Walde „Leina“ bei Altenburg. Das Königreich Sachſen Als angeblicher Fundort wird zwar das Helſunger Bruch bei Blankenburg genannt; indeß ſchreibt Herr Dr. J. Elſter mir, daß die ihm als Ottern übermittelten Schlangen ſtets Glattnattern waren. Fünfte Art. Kreuzotter. 349 iſt jedenfalls dasjenige Land, in dem die Kreuzotter am gleichmäßigſten verbreitet iſt, denn mit Ausnahme der Striche an der Elbe unterhalb Dresden und der angrenzenden Gebiete von Oſchatz und Großenhain ſowie der Elſter-Niederung hauſt ſie auf und an den Zügen und Stöcken des Erz- und Elſter- und Lauſitzer Gebirges ſowohl wie in dem nördlich vorgelagerten Berglande und weiterhin im „Niederland“, alſo im Gebiet der oberen Elſter und Elbe, der beiden Mulden, der ſchwarzen Elſter, Spree und Neiſſe. In der Sammlung des Kgl. Zool. Muſeum zu Dresden befinden ſich Stücke von Poppengrün bei Schöneck i. V., Reitzenhain, Bockau (Schwarzenberg), Hartenſtein, Buchholz⸗Sehma, Schmiedeberg, Grimmlitzthal bei Frauenſtein, Zeiſigwald bei Chem— nitz, Köhra bei Naundorf, Kohlenberg bei Brandis, Altenhain bei Trebſen, oſtelbiſche von Großröhrsdorf und vom Oybin; ich ſelbſt kenne die Otter aus dem Erzgebirge von Eibenſtock und Breitenbrunn, vom Filzteich bei Schneeberg, aus der Umgebung von Gottesgab, Ober-Wieſenthal und Crottendorf, vom Abhang des Scheibenberges, von Marienberg, Thum (Greifenſteine), Scharfenſtein, Lengefeld, Zſchopau, Erdmanns— dorf, Groß-Hartmannsdorf, Altenberg und Geiſing, Feſtung Königſtein. Indem ich noch bemerke, daß die Otter öſtlich der Elbe namentlich den ganzen Höhenzug von der Sächſiſch⸗Böhmiſchen Schweiz bis zum Iſergebirge hin, die Berge ſowohl wie die Thäler, bewohnt, während ſie auf den vom Hauptkamm entfernten, durch die Glattnatter beſetzten Bergen (vergl. S. 328) nicht vorkommt, unterlaſſe ich es, weitere Fundorte aus Sachſen anzuführen, darf aber wohl noch anfügen, daß zufolge ihrer Häufigkeit Herr Paul Jung-Zittau während der vierzehn Jahre 1876—89 in dortiger Gegend 352 Weibchen und 229 Männchen erbeuten konnte, und daß in der Amtshauptmann— ſchaft Oelsnitz i. V. 1889 nicht weniger als 2140 Ottern und 1890 ſogar 3335 Stück gefangen und eingeliefert wurden, wofür die Behörde je 50 bezw. 30 Pfennig bezahlte. Wenn Gloger i. J. 1833 ſagt, in Schleſien ſei die Otter ziemlich gemein in Gebirgsgegenden, oft bis hoch hinauf, hingegen in der Ebene etwas ſeltener, ſo trifft dies — mit dem Unterſchiede, daß ſie mancher Orten häufig und ſehr häufig iſt — auch heute noch zu. Denn wie im Königreich Sachſen iſt berus auch in Schleſien vorzugsweiſe eine Gebirgsbewohnerin und in den Zügen des Iſer- und Rieſengebirges ebenſo heimiſch wie im Glatzer Bergland, im Eulen- und Waldenburger Gebirge und ſelbſt auf den vom eigentlichen Gebirge abgeſonderten, nach Norden vorgeſchobenen Bergen und Berggruppen: der Landskrone und den Königshainer Bergen in der Oberlauſitz, dem Zobten, jenſeits der Oder auf den Tarnowitzer und Trebnitzer Hügeln (Katzengebirge); im Rieſengebirge geht ſie bis auf den Kamm, laut E. Merkel am Abhang der Schneekoppe und am Steinſeifen noch über die obere Holzgrenze. Ganz beſonders zahlreich iſt ſie in den Gegenden von Hirſchberg, Warmbrunn, Schmiedeberg, Waldenburg, Landeshut, ſodaß die dortigen Behörden gleichfalls ſchon Prämien für jede getödtete und abgelieferte Kreuzotter zahlten (1891 wurden auf dem Rathhauſe zu Schmiedeberg im Juni 70, im Juli 101 und in der erſten Hälfte Auguſt 116 Stück und dem Landrathsamt zu Landeshut von Frühlings-Anfang bis Ende Mai 600 Stück eingeliefert), ſowie in den Bezirken Oppeln, Kreuzburg-Roſenberg und an der Grenze Oberſchleſiens bei Pleß, Kattowitz, Gleiwitz, Tarnowitz. Merkwürdiger Weiſe konnte ſie dagegen in den oberſchleſ. Kreiſen Leobſchütz, Neiſſe und Grottkau nicht feſtgeſtellt werden. In dem von Hügeln und Hügelketten durchſetzten Niederſchleſien, das die Süd— grenze des norddeutſchen Flachlandes im Oſten bildet, begegnet man der Kreuzotter faſt in allen Bezirken, von den Strichen bei Wohlau-Steinau, Liegnitz, Bunzlau und Görlitz (Haide), allwo ſie zum Theil recht läſtig wird, bis in die Gegenden Schleſiſches Berg land. Oſtdeutſches Flach land. Pommern. 350 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. von Rothenburg-Niesky und Sagan-Sprottau, wo fie laut Mittheilung von Wange— mann ſtellenweiſe häufig iſt (Gewährsmann beobachtete am 20. April 1890 um die Mittagszeit an einem 300 Meter langen Waldſaum des Sprottauer Waldreviers fünfzehn Stück). Ueber die Provinz Poſen, welche dieſelbe Bodengliederung hat wie Niederſchleſien, findet ſich die Otter gleichfalls verſtreut, wennſchon, abgeſehen von den ſie in merklicherer Zahl bergenden feuchten und ſchwergründigen Niederungen an der Obra (Koſten, Bialsz, Kotuſch, Bomſt), der Warthe (Schrimm) und Netze (Kreis Wirſitz) und Hügelgeländen bei Kröben-Rawitſch-Liſſa, gewöhnlich nur vereinzelt. Letzteres iſt auch der Fall in den an die Provinz Weſtpreußen ſtoßenden Bezirken Schneidemühl und Bromberg. Da der Otter in den an beſtockten Moor- und Torf— partien, moorigen Gras- und Waldflächen, Haiden und Erlenbüſchen und dergleichen Oertlichkeiten reichen Provinzen Oſt- und Weſtpreußen die ihr willkommenſten Wohnplätze in ausgiebigem Maaße zur Verfügung ſtehen, ſo wird es in keiner Weiſe Wunder nehmen, wenn wir ſie dort, wo es der Glattnatter zu feuchtkühl iſt, nicht nur auf der Preußiſchen Seenplatte und weſtlich der Weichſel auf dem Pommerſchen Landrücken (Pommerellen), ſondern auch in den nördlichen Theilen des Gebietes, an der Oſtſee, an den Haffen oder doch in deren Nähe und ſogar auf der Friſchen Nehrung antreffen. In vielen Diſtrikten iſt ſie, wie ich auch den Berichten von Prof. Dr. Zaddach und Dr. Dewitz, ſowie aus den Mittheilungen bei Blum erſehe, leider recht häufig; ſo in den Geländen bei Königsberg — hier iſt deshalb am 1. Januar 1894 ein Kreuzotter-Vertilgungsverein ins Leben getreten — und Fiſchhauſen (auch auf dem Galtgarben-Berg und am großen Hauſenberg), alſo im Samland mit Ausnahme jedoch der ſandigen Landzunge von Pillau, wo ſie überhaupt fehlt, ferner in den Forſten bei Wehlau und Labiau, in und an Bruch und Wald bei Heydekrug und Memel, der Kreiſe Niederung, Tilſit, Ragnit, Gumbinnen, Goldap, Lyck, Ortelsburg, Sensburg, Röſſel-Biſchofſtein, im Ermeland zwiſchen Heilsberg und Wormditt und Braunsberg, bei Pr. Eylau, Friedland und bei Mühlhauſen im Kreiſe Pr. Holland, bei Mohrungen, Neuhakenberg-Stuhm, Finkenſtein-Roſenberg, Strasburg-Lautenburg (Lobdowo), weſtlich der Weichſel in der Tucheler Haide, bei Schlochau und Konitz, Pr. Stargard, Danzig— Langfuhr-Oliva und Krockow⸗Neuſtadt und ſelbſt beim Oſtſeebade Zoppot. Bei Dar- kehmen-Skalliſchen iſt ſie infolge Trockenlegung der Moore recht ſelten geworden, bei Thorn und Culm infolge Ueberſchwemmung ihres Aufenthaltsortes verſchwunden, in dem wohlkultivirten, der großen Moore und Haiden entbehrenden Kreiſe Raſtenburg tritt ſie nur ganz vereinzelt auf, in den Kreiſen Lötzen und Löbau hat man ſie noch gar nicht beobachtet, und thatſächlich fehlt ſie auf dem tiefgelegenen Weichſel-Werder bei Marienburg, während bei Elbing ihre Zahl zuzunehmen ſcheint. Aus den Kreiſen Neuſtadt, Karthaus, Berent, Schlochau, Flatow, Deutſch-Krone, in denen ſie vereinzelt oder häufiger vorkommt, verbreitet ſie ſich weſtlich nach dem vom mittleren Theile des norddeutſchen Landrückens durchzogenen Hinter-Pommern, wo ſie laut Dr. Katter nicht ſelten, ja in den Kreiſen Lauenburg, Neuſtettin, a bein, auch im Gollen bei Köslin, bei Cammin und Naugard-Gollnow häufig iſt. Da Pommern hinſichtlich ſeiner Bodenbeſchaffenheit im Allgemeinen Weſt- und Oſtpreußen entſpricht, ſo fällt es nicht auf, wenn auch hier die Otter über die ganze Provinz ſich zerſtreut und namentlich auch auf dem beſtockten und bewaldeten Moorboden Vor— pommerns ſich recht bemerklich macht. L. Holtz berichtet mir auf Grund ſeiner von tüchtigen Fachmännern unterſtützten Nachforſchungen, daß die Kreuzotter in den Wal— dungen und Mooren der Inſeln Uſedom und Wollin und den Oberförſtereien Falken— walde (Kr. Randow) und Rothenmühl nicht ſelten, in den Forſten um Ueckermünde Fünfte Art. Kreuzotter. 351 und Anklam häufig und im Haffbruch bei Anklam ſehr häufig ſei; im Reg. Bez. Stralſund komme ſie in den Waldungen und Mooren der Umgegend von Barth (Stadtwald, Divitzer, Neuendorfer Wald) recht häufig, in den Abtshagener, Poggen dorfer und Stubbendorfer Oberförſtereien und anliegenden Privatwaldungen nicht ſelten, in der Oberförſterei Jägerhof und anliegenden Forſten, um Wolgaſt, Laſſan und Greifswald (Hanshagen, Diedrichs-, Helms-, Grubenhagen) häufig, im Kieshofer Moor, auf der Halbinſel Dars und der Inſel Zingſt ſehr häufig, auf Mönkgut und Rügen im Allgemeinen nicht ſelten, auf der „Schaabe“ zwiſchen Jasmund und Wittow ſogar häufig vor, während ſie der Halbinſel Wittow ſelbſt laut E. Friedel wenigſtens i. J. 1878 noch fehlte (vergl. S. 284). Auch die der Ebene angehörenden Mecklen— burgiſchen Lande bergen in ihren moorigen und bruchigen Diſtrikten die Kreuzotter faſt überall; denn nur im Ueberſchwemmungsgebiet bei Boizenburg a. d. Elbe und in einigen anderen kleinen Bezirken, beiſpielsweiſe in der näheren Umgebung von Parchim, dürfte ſie fehlen, während ſie anderſeits bei Alt-Strelitz, in der Niederung der Lewitz, ſüdlich von Schwerin bei Kriwitz und Ludwigsluſt, bei Schlieffenberg u. a. O. häufig auftritt. Im Allgemeinen findet ſie ſich, wie Herr C. Struck-Waren mir mittheilte, mehr im Oſten und Südoſten des Landes, ſcheint aber, da man Ruſch und Buſch mehr beſeitigt, ſeltener zu werden. Das letztere gilt wie von Mecklenburg und Pommern, ſo auch für die Mark Brandenburg, wo ja ſchon viele Sümpfe und Torfmoore und ganze Strecken (Brüche) an der Warthe und Netze, Oder, Spree und Havel entwäſſert und dem Ackerbau gewonnen ſind. Daher ſchreibt es ſich, wenn man, abgeſehen von den Kreiſen um Berlin, die Otter nur vereinzelt und zerſtreut antrifft. Dem von Oder und Warthe umgrenzten Theil der Provinz: Kreiſe Züllichau, Kroſſen, Sternberg, ſcheint ſie überhaupt zu fehlen, ebenſo den ſüdlichen Gebieten, welche vom Lauſitz-Märkiſchen, mit dem Fläming im Weſten endigenden Landrücken durchzogen werden (nur im äußerſten Südoſten, im Revier Sorau, iſt ſie feſtgeſtellt), ſowie der Gegend von Guben und von Frankfurt-Müllroſe-Beeskow-Storkow-Teupitz, wo die Glattnatter wohnt, und anderſeits von Potsdam. Hingegen wird ſie in allen nördlichen, an Poſen, Preußen, Pommern, Mecklenburg grenzenden Gemarkungen und Kreiſen, Neumark, Uckermark, Ruppin, Priegnitz, noch vorhanden ſein, wennſchon meiſt nur in geringer Anzahl, und wenn ſie in der näheren Umgebung der Kreisſtädte Arnswalde, Prenzlau u. a. ver— mißt wird, ſo kommt ſie doch im weiteren Bezirke vor: z. B. im Kreis Arnswalde bei Neuwedell [Voſſ. Ztg. Nr. 353, v. 2. 8. 87], im Kreiſe Königsberg bei Küſtrin ꝛc.; häufiger iſt ſie unter anderem laut briefl. Mittheilung A. Schulte's im Zanzethal bei Friedeberg, N.-M. (in 14 Tagen 10 Stück getödtet), im Randow-Bruch an der Grenze der Uckermark und Pommerns und auch im Forſt bei Angermünde und bei Joachims— thal, während ſie laut Lange bei Oderberg, wo die Glattnatter ſich findet, und ebenſo bei Schwedt nicht beobachtet wurde; im Ruppin'ſchen war ſie, wie die Zuſchrift eines Forſtmannes an die Voſſiſche Zeitung (19. 8. 82.) bekundet, wenigſtens um das Jahr 1840 ſehr häufig in der ſogenannten Porſt der Kgl. Oberförſterei Mentz. Im Havel— land, Barnim, Teltow macht ſie ſich vielorts leider nur zu ſehr bemerklich, ſo in der Jungfernhaide hinter Berlin NW., am Papenberge bei Tegel, hinter Spandau bei Nieder-Neuendorf, Schönwalde, in der Spandauer und Falkenhagener Forſt, bei Pauſin und Finkenkrug, im Brieſelang und Bredower Forſt, bei Seegefeld und Rohrbeck, ſüdöſtlich und öſtlich von Berlin bei Johannisthal, zwiſchen dieſem Ort und Rudow, in der Köpenicker Haide, bei Erkner (vereinzelter) und Friedrichsfelde, weiterhin bei Fürſtenwalde, Lietzen, Buckow i. d. Märk. Schweiz, Wrietzen und Freienwalde, im Märkiſches Flachland. Niederſächſiſches Flachland. 352 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Weſthavelland in der Pritzerber Lake, ſüdwärts laut H. Schalow vereinzelter bei Baruth und im Spreewald-Gebiet bei Lübben und Straupitz. In dem Flachland der Provinz Sachſen lebt die Otter zahlreich in den Kreiſen Liebenwerda: bei Mückenberg an der ſchw. Elſter [Berl. Tageblatt v. 6. 9. 79], Gorden und Oberbuſchhaus, und Schweinitz: bei Herzberg und Schlieben, vereinzelt im Kreiſe Bitterfeld, während ſie den Gebieten zwiſchen Saale und Mulde ſowie von Wittenberg und dem Anhaltiſchen Unterland und gleicherweiſe bei Kalbe a. d. Saale und von hieraus nordwärts bis in die Gegend von Wolmirſtedt bisherigen Beobachtungen zufolge nicht angehört. Aber wie ſie öſtlich der Elbe bei Burg (Weißenwarthe, Stadtforſt, Grabower Forſt), Gloine— Leitzkau und im jog. Niederwald bei Genthin heimisch iſt, ſo auch weſtlich des Stromes im Neuhaldenslebener Bezirk, wo man ihr laut E. Schultze im Oberholz, ſchwarzen Pfuhl und Papenberg bei genannter Stadt und bei Emden und Benitz begegnet, und in der Altmark: im ſüdlichen Theil laut A. Mertens „gar nicht ſo ſelten“, bei Garde— legen (Born, Neuendorf), laut Beling und Woltersdorff im Sumpfwald des Drömling, bei Lockſtedt, Oebisfelde und vielleicht bei Weferlingen, laut Dr. Hentſchel [Blum] ziemlich häufig in den Gehölzen bei Salzwedel, Briels und Hoversburg. Aus der Altmark zieht ſich der Verbreitungskreis der Otter lückenlos in das Flachland Hannover's hinüber, ſodaß wir ihn einerſeits von Salzwedel den ganzen Strich auf dem weſtlichen Ufer der Elbe hinab über Lüchow-Gartow, Dannenberg, den Lüneburger Diſtrikt, Winſen, Harburg, das Alte Land und die Gebiete an der Oſte (Buxtehude, Zeven, Bremervörde) bis nahe der Mündung der letzteren und bis ins Land Hadeln (Neuhaus, Otterndorf), anderſeits vom Drömling aus weſtwärts über Gifhorn, Celle und Fallingboſtel im Gelände rechts der Aller bis zu ihrer Ein— mündung in die Weſer (Verden) und dem Unterlaufe dieſes Stromes entlang bis ins Land Wurſten (Bremiſches Gebiet, Br. Lehe und öſtlich die Umgebung von Bederkaſa, Beverſtedt, Ringſtedt, Stubben) verfolgen können. Aber ebenſo kommt ſie im Gebiet der Wümme (Dttersberg*), Rotenburg), an der mittleren Leine bei Hannover (Mis— burger Moor) und in der Nienburger Gegend, und gleicherweiſe im Ems-Land und in Oſt⸗Friesland: bei Papenburg, Leer, Aurich, Wittemund, Eſens [Blum] vor. Man ſieht, die Kreuzotter iſt zerſtreut faſt über die ganze Provinz anzutreffen, aber im Flachlande vorzugsweiſe auf mit Wald beſtandenem Moorboden, weniger auf bewal— detem Sandboden, gar nicht in der eigentlichen Marſch, wie ſie denn bei Emden fehlt. Mit der fortſchreitenden Umwandlung der Moore in Ackerland nimmt die Zahl der Ottern auch hier ab. Immerhin zeigt ſie ſich an einzelnen Plätzen noch recht vielfach, ſo auch laut Borcherding in der engeren und weiteren Umgebung von Bremen: im Oyter Moor, am Weyer Berg, Evertsberg, bei Blumenthal [Dr. Bergholz], Lüſſum, bei Vegeſack in der Mullhorſt, Lönhorſt, Blumenhorſt und am Gliedberg, in Wollah, Stotel, Erve, Garrelſtedt ꝛce., in Seedorfs Holz bei Meienburg, bei Lenſtedt und Hagen, im Fredeholz, häufig im Hahnenmoor bei Menslage und im Börſtel, bei Ueffeln. Im Herzogthum Oldenburg obwalten, laut Mittheilung Dr. Greve's und Dir. Wiepke's, entſprechende Verhältniſſe wie im weſtlichen und nördlichen Hannover. An einzelnen Fundorten werden von ihnen genannt: Hundsmühler Holz und Loyer— berg bei Oldenburg, von Borcherding Wildenloh bei Oldenburg, die Umgegend von Delmenhorſt, Elsfleeth, Wildeshauſen, Kloppenburg, das Neuenlander und Maibuſcher Moor, Eckerner Moor am Zwiſchenahner See, das Petersfenn, die Umgebung von Hude und Dangaſt, ferner die Gegend ſüdlich von Jever und durch Dr. F. Müller [Blum] Sollten Ottersberg und Otterndorf ihren Namen den Kreuzottern, die namentlich früher in jenen Gegenden häufig geweſen ſein mochten, verdanken? Fünfte Art. Kreuzotter. 353 die Umgegend von Varel. Im ebenen Weſtfalen, dem Münſterland, fehlt die Otter, wie wir durch Weſthoff's neue Arbeiten wiſſen, dem Theil öſtlich der Ems, ſowie an der Lippe von Schermbeck aufwärts. Hingegen bewohnt ſie im weſtlichen Theile des Diſtrikts zwei große Haide- und Moorgebiete, deren erſtes das durch— ſchnittlich drei Meilen ſüdlich von Münſter gelegene Wald- und Haiderevier der Davert und deren zweites die Haidegegenden längs der holländiſchen Grenze vom nördlichen Münſterland bis zum Rheingebiet, öſtlich bis zu den Baumberger Hügeln und den Borkenbergen bei Dülmen reichend, umfaßt; im erſteren iſt die Otter beobachtet worden bei Aſcheberg, Albersloh, Senden, Hiltrup bis nördlich 3 Kilometer von Münſter in der Loddenhaide, im letzteren bei Buer, Sterkrade-Fernewald, Schermbeck, Brünnen, Raesfeld, Borken, Laveſum, Dülmen, Almſik, Egelborg-Legden, Ahaus, Eper Veen, Ochtrup, Wettringen. Endlich ſind als iſolirte Fundſtellen zu nennen die Vellering— Maasbecker und Natruper Haide bei Hohenholte nordweſtlich und die Hornhaide zwiſchen Handorf und Telgte öſtlich von Münſter. Mit Sterkrade und Schermbeck ſind wir wieder in die Ebene der Rheinprovinz gelangt, die auf Seite 346 bereits berührt wurde. Auf der Jütiſchen Halbinſel bezw. den Schleswig -Holſtein'ſchen Gebieten lebt die Otter unter entſprechenden Verhältniſſen wie in Oſtfriesland und in Mecklenburg; ſie fehlt in der eigentlichen Marſch, verbreitet ſich im Uebrigen aber über das ganze Gebiet, alſo über die von der Fortſetzung des norddeutſchen Landrückens durchzogenen Gemarkungen an der Oſtküſte und über die Geeſt. Moorige Waldungen und Haide— flächen und die bebuſchten Grenzwälle der Felder, die ſog. Knicks, bilden, wie ſchon Boie und Steenſtrup andeuten, den bevorzugten Aufenthalt der Otter; da indeſſen die Knicks, wie Hr. Junge mir mittheilte, mehr und mehr beſeitigt werden, ſo nimmt auch die Schlange an Zahl und Häufigkeit ab. Trotzdem kommt ſie, gleichwie in den Ge— bieten Hamburg's (Bergedorf) und Lübeck's (Bauerholz bei Lübeck ꝛc.) und im Herzog— thum Lauenburg (Friedrichsruh, Schwarzenbeck), jo auch an vielen Oertlichkeiten Schleswig— Holſteins: bei Pinneberg, Itzehoe, Marne, Segeberg, Neumünſter, Lützenburg, Kiel, bei Cismar und Kaſſeedorf in der Landſchaft Oldenburg, in der Gegend von Hohen— weſtedt bei Rendsburg, von Eckernförde, Flensburg und Hadersleben laut Mittheilungen an Blum noch häufig und ſehr häufig vor. Ihr Heimiſchſein im däniſchen Jütland wiſſen wir bereits durch Steenſtrup, welcher im II. Bande von Kroyer's Naturh. Tidsſkrift ſie für Thy, Randers und Maringer, das nördliche Seeland und die Inſel Moen verzeichnet, nachdem Boie im vorhergehenden Bande ſie für die Halbinſel über— haupt angezeigt hatte. Welche jütiſchen Inſeln außer Seeland, Moen und dem ſchles— wigſchen Eiland Alſen die Otter noch bewohnt, iſt nicht näher bekannt, wohl aber, daß ſie wie in ganz Südſchweden auch auf der Inſel Gottland anzutreffen iſt. Vom ſüdlichen Schweden und Norwegen an verbreitet ſie ſich, laut Angabe Nilsſons u. A. durch ganz Skandinavien bis gegen Lappland hinauf, denn noch bei Quickjock, am 67. Breitengrad, wurde ſie gefangen. Hier und etwa unter gleicher Breite in Finn— land liegen die nördlichſten Punkte ihres umfaſſenden Wohnkreiſes. Mit der Berührung Jütlands und Skandinaviens haben wir das reichsdeutſche Gebiet verlaſſen, um uns nun den übrigen europäiſchen Ländern zuzuwenden, wobei wir uns, nachdem der Wichtigkeit des Gegenſtandes entſprechend die Verbreitung der Kreuzotter in unſerem Vaterlande ſehr eingehend behandelt werden mußte, kurz faſſen dürfen und können. Was die Niederlande anbelangt, ſo kennen wir bereits durch J. van Lier's „Drentſche Slangen“ 1781 die Otter als Bewohnerin der Buſch- und Haideſtrecken Friesland's, Groningen's, Oberijſſel's, der Drenthe (und der öſtlich an— grenzenden Münſter'ſchen und Bentheim'ſchen Landſchaften); ſpäter melden Herklots 23 Jütiſches Gebiet. Skandinavien. Weſt⸗Europa. Alpen-Gebiete. 354 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. und Schlegel's „Dieren“ ſie auch aus den Provinzen Gelderland, Utrecht und Nord— Brabant, doch komme ſie in den letzteren weniger häufig vor und in den Küſten— Provinzen Nord- und Süd-Holland und Zeeland fehle ſie überhaupt. Aus dem an Rheinpreußen ſtoßenden Hügel- und Bergland Oſt- und Südoſt-Belgiens liegt keine Fundangabe vor, erſt von Philippeville und aus mehreren Holzſchlägen Flanderns wird ſie durch Selys-Longchamps angezeigt. Auch im franzöſiſchen Flandern und von da ab anſcheinend durch das ganze Flachland des mittleren und weſtlichen Frank— reich, doch auch, wie wir aus Soubeiran's Zuſammenſtellung von 1863 [Bull. Soe. Imp. Zool. d’Acelim. X p. 399] ſowie aus älteren und neueren Angaben wiſſen, durch die Diſtrikte der Pyrenäen und die gebirgigen und hügeligen Gelände des Oſtens verbreitet ſie ſich, nur gewiſſe Striche im Meurthe-, Moſel- und Maas-Gebiet an der Weſtgrenze unſerer Reichslande und der Ardennen im Norden beherbergen ſie nicht; im Allgemeinen tritt ſie je nach den Landestheilen häufiger oder aber ſeltener auf und ſcheint nach Süden Hin bezüglich der Zahl erheblich hinter Vipera aspis zurückzuweichen. Indeß dringt ſie durch die Pyrenäen doch wenigſtens nach dem nördlichen Spanien, in deſſen aſturiſch-galiziſchem Nordweſten laut Lataſte, Tourneville, Bosca vornehmlich die i. J. 1879 von dem erſtgenannten Herpetologen als beſondere Form der Kreuzotter beſchriebene Vipera berus Seoanei heimiſch ſein ſoll, und anſcheinend nach dem nörd— lichen Portugal bis zum Douro vor; denn Steindachner vermerkt in der „Novara— Reiſe“, daß er berus bei Porto, Ferrol, Bilbao geſammelt habe. Immerhin fehlen hier noch ſchärfere Angaben hinſichtlich der Verbreitung von V. berus und mehrerer Zwiſchenformen auf der Iberiſchen Halbinſel. Wie im franzöſiſchen Departement Pas de Calais ſo findet ſich die Otter auch jenſeit der Meerenge, in Großbritannien, allerdings nur auf der engliſch-walliſiſch-ſchottiſchen Hauptinſel, wo ſie laut Bell, Gray, Jenyns und neueren Meldungen zerſtreut über das ganze Land, vielleicht mit Ausnahme beſchränkter Diſtrikte, vorkommt. Auch für ſchottiſche Inſeln, jo durch Gray's „Catalog“ für Arran, wird fie angezeigt, wogegen fie auf Irland ſicher fehlt. Während Riſſo die Kreuzotter für das franzöſiſche Departement der Secalpen verzeichnete, kommt laut Verany dort nur die Aspis vor. Wohl aber wird die erſtere durch Soubeiran für Savoyen angeführt und ebenſo nennt Payot 1864 ſie für die Umgebungen des Montblane. Im Alpenland Italiens ſcheint ſie weniger heimiſch zu ſein als in dem oberen Po- und Etſchland: wir kennen ſie zwar aus der gebirgigen Provinz Belluno, indeß iſt ſie laut Balſamo, de Betta, Bonaparte, G. v. Martens u. A. eigentlich zu Hauſe in den Niederungen von Verona, Padua, Mantua, Rovigo (Poleſine), der öſtlichen und weſtlichen Lombardei, ſelten bei Venedig, nach de Betta auch in den Sümpfen des Friaul, wogegen E. Schreiber ſie wenigſtens in dem öſtlichen Theil des Friaul niemals geſehen hat. Jan's „Elenco“ giebt auch Ferrara, und Bonaparte Ascoli bezw. die nördlichen Abruzzen als Fundorte an; jedoch mangeln aus der letzteren Oertlichkeit weitere Fundnachrichten, ſodaß bei Bonaparte höchſtwahrſcheinlich ein Irrthum zu Grunde liegt, und man wird für das nördliche bezw. nordöſtliche Italien den Po als Südgrenze der Verbreitung unſerer Kreuzotter betrachten dürfen, denn auch Carruccio verzeichnet als Bewohnerin der Emilia nur eine Art Viper, die Aspis; ebenſowenig konnte ſie auf den Inſeln des Mittelmeeres nachgewieſen werden. Von den 22 Schweizer Kantonen, deren fünf (Thurgau, Appenzell, Schwyz, Zug, Luzern) laut den Feſtſtellungen Dr. F. Mäller's völlig giftſchlangenfrei find, bewohnt die Kreuzotter elf, und zwar ſechs allein: Schaffhauſen, St. Gallen, Zürich, Glarus, Unterwalden und Uri, die anderen fünf (Bern, Waadt, Wallis, Teſſin und Graubünden) gemeinſchaftlich mit der Viper. Sie fehlt dem Jura, nur im Gebiet des die Verbin— Fünfte Art. Kreuzotter. 355 dung des Schweizer und Schwäbiſchen Jura vermittelnden Randen im Kanton Schaff— hauſen iſt ſie heimiſch; und da ſie auch in den Kantonen Bern (Prof. Dr. Studer erhielt ſie noch nie aus den Berner Alpen und bei Bern vermißt man ſie gänzlich), Waadt und Wallis nur ſporadiſch vorkommt, ſo erhellt, daß die Kreuzotter in der Schweiz eine Bewohnerin der centralen und öftlichen Alpenketten und der nordöſtlichen Voralpen iſt, hauptſächlich aber der Schweizer Oſthälfte angehört. Der Standbezirk ſetzt ſich nach Oſten hin fort in das öſterreichiſche Alpengebiet. Von Bregenz am Bodenſee, dem Walſerthal in Vorarlberg und vom weſtlichſten Tirol (Thalgebiete um das Montavon) an verbreitet ſie ſich, laut Dalla Torre's Darſtellung, über das ganze Kronland bis gegen die italiſche Grenze, ſüdwärts von Roveredo, doch iſt ſie hier wie überhaupt ſüdlich der Central-Alpen ſeltener als die hier vielorts auftretende Aspis, während ſie nordwärts der Central-Alpen bezw. nördlich von Bozen und Meran die einzige Giftſchlange und ſtellenweiſe recht häufig iſt. Für das Salzburgiſche nennen fie Frauenfeld [Zool. bot. V. Wien, IV. Sitzungsber. p. 21] und Storch, ohne jedoch nähere Angaben zu machen; in Kärnthen iſt fie laut A. v. Mojſiſovicz ſehr verbreitet, wogegen dem Verfaſſer der „Herpetologia europaea“ kein Stück aus dem öſterreichiſchen und dem dalmatiniſchen Küſtenlande zu Geſicht kam. Auch die neueren Arbeiten über die Fauna Dalmatien's führen von Vipern nur die Sandottern an, während in Krain außer der letzteren ſowohl im Süden wie im Norden (Schneeberg, Karſt, Steiner Berg bei Mojitrana u. a.) auch die Kreuzotter vorkommt. Ueberaus häufig iſt dieſe nach A. v. Mojſiſoviez in der ſüdlichen Steiermark, wenigſtens an der kärnthiſchen Grenze, minder zahlreich in den nördlichen Theilen, immerhin aber auch hier noch zahlreicher als im angrenzenden Ober- und Nieder-Oeſterreich, wo fie in manchen Strichen, z. B. im Salzkammergut, geradezu eine Seltenheit iſt, ja, ſo in der nächſten Umgebung Wiens, gänzlich fehlt. In Ober Oeſterreich fand fie Dr. A. Krauſe bei Hallſtadt, A. v. Mojji- ſovicz im Todten Gebirge, Dachſtein-Gebiet, am Mondſee — hier ſoll ſie, wie die Zeitungen im September 1882 [Schwäb. Merkur Nr. 216] berichteten, im genannten Jahre ganz unerwartet in großer Häufigkeit wieder erſchienen fein — und bei St. Wolf- gang, aus Nieder-Oeſterreich vermerken ſie der letztgenannte Autor ſowie Fitzinger und Strauch für den Schneeberg, Oetſcher und Wechſel, für die Gegend von Moosbrunn, Margarethen am Moos und Himberg, für Mayerling-Baden und Kürling. Im Gebiet der March zieht ſich der Verbreitungs- Bezirk der Kreuzotter nordwärts durch die Mähriſchen Karpathen und das Mähriſche Hügelland ins Geſenke und in die Sudeten und weſtwärts durch das böhmiſche Plateau ins Rieſen-, Lauſitzer- und Erzgebirge. Nach Heinrich begegnet man ihr in der Ebene ſelten, meiſt in den Gebirgs— gegenden: am Rautenberg, im Geſenke, im Keſſel an der Moraquelle, nach Kolenati auf dem Altvater, nach Haslinger auch bei Blansko und Adamsthal, laut W. Burkart bei Brünn ſelten, bei Kirſtein häufiger. In Böhmen iſt ſie laut Glückſelig und A. Fritſch ſehr verbreitet, als „beſonders gefährliche Lokalitäten“ nennt der letztere Autor: den Thiergarten bei Schwarzkoſtelec, die Prachover Felſen und die Lorett bei Gitſchin, die Torfmoore bei Borkovie (unweit Weſely), Hradecek bei Wittingau, den Böhmerwald, und als den der Hauptſtadt Prag nächſtgelegenen Fundort Dobrichovic. Oſtwärts von Mähren iſt ſie dem ganzen Zuge der Karpathen und deren Nebenzügen eigen, alſo auch in der Tatra, woſelbſt ſie wie in den Karpathen, laut Dr. M. Nowicki, bis in die Krummholz-Region ſteigt, und laut Frivaldszky in den Marmoroſer Alpen, bezw. in Ober-Ungarn (Komitate Zips, Zemplin, bei Kaſchau, im Ofener Gebirge u. a. O.), im gebirgigen Galizien (laut Zawadzki auch noch bei Lemberg) und in der Bukowina heimiſch. Ebenſo iſt ſie nach Bielz an vielen Orten Siebenbürgens, von 23* Karpathen⸗ und Donau⸗Länder. Rußland. Sibirien. Aufenthalt. 356 N Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Erber im Banat bei Orſova, durch A. v. Mojſiſoviez in Südungarn (Bellye und Darda), durch E. Schreiber im nördlichen Kroatien bei Warasdin feſtgeſtellt worden; und da ſie durch O. v. Möllendorff anderſeits noch im nördlichen Bosnien, obwohl nur zweimal: weſtlich von Travnid und im Hügellande bei Derben, beobachtet worden iſt, jo dürfte fie auch in Slavonien und Syrmien und gleicherweiſe im nördlichen Serbien und Rumänien nicht fehlen. Wohl aber wird das der Fall ſein hinſichtlich der Balkan-Halbinſel (Türkei und Griechenland), denn von dort liegt keine Fundortsangabe vor und nur aus Montenegro (42½ oder 43 Grad n. Br.) hat E. Schreiber einige Stücke unterſucht. Von den Karpathenländern aus greift der Verbreitungsbezirk auf das Ruſſiſche Reich und von deſſen uraliſcher Oſtgrenze auch auf Sibirien über. In Podolien, Wolhynien und Lithauen iſt die Otter laut Eichwald allenthalben häufig, in Polen laut Taczanowski „commune“, in den Oſtſee-Provinzen laut E. v. Löwis, Seyolitz, Strauch wohl überall heimiſch (in Livland neuerdings infolge der Moorkulturen a zahlreich) und auch in den nächſten Umgebungen Petersburg's anzutreffen, auf der Inſel Oeſel gleichfalls zu Hauſe, ferner laut Strauch „ohne Zweifel mehr oder 105 häufig in ganz Finnland“, denn Middendorf hat ſie hier noch in der Nähe des Polarkreiſes, 66 ½ oder 67 Grad n. Br., gefangen, ſodaß ſie hier dieſelbe geographische Breite erreicht wie in Skandinavien (Quickjockj). Aus dem übrigen Nordrußland kennt man fie von Archangelsk (64 Grad n. Br.), durch Blaſius vom Oſtufer des Onegaſee und von Uſtjug Weliki u. ſ. w. In Groß-Rußland kommt ſie wohl ebenſo allent— halben vor wie in Weſt- und Klein-Rußland, am Schwarzen Meer und auf der Krim. In den Ural und Wolga Diſtrikten beobachteten ſie ſchon Pallas und Eversmann an vielen Punkten, aus der kaspiſchen Steppe verzeichnen ſie auch Göbel-Claus, aus Cis- und Transkaukaſien (bis 31. Grad n. Br. hinab) iſt fie uns durch die ruſſiſchen Forſcher und Reiſenden Gchwald [Fauna], Ménétriés, M. Wagner u. A. gemeldet worden. Die Emba- und Kirgiſenſteppen und Weſt-Sibirien bewohnt die Kreuzotter ebenſo wie Mittel-Sibirien und Nord-Turkiſtan, den Tarbagatai ebenſo wie das Amur— land und die oſtſibiriſche Inſel Sachalin oder Tarrakai, und während in der Weſthälfte Aſiens der 58 Grad n. Br. (Jeniſſeisk) die Nord- und der 45. Breitengrad die Süd— grenze ihrer Verbreitung zu bilden ſcheint, geht ſie in der Oſthälfte bis zum 54. Grad n. Br. (Üdskoi Oſtrog) hinauf und zum 42. oder 43. Breitengrad (Chodſchent) hinab. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Wie die Kreuzotter der Wald-Eidechſe am weiteſten nach Norden hin folgt, ſo ſteigt ſie nächſt dieſer unter unſeren Reptilien auch am höchſten im Gebirge aufwärts: in den deutſchen Gebirgen bis auf den Kamm, im Rieſengebirge bis zu 1200 Meter und höher, im Schwarzwald bis 1500, im Allgäu laut Wiedemann bis 2500 Meter überm Meere; in Tirol iſt ſie noch in einer 1 von 6000 Fuß (2000 Meter) ſehr häufig und J. v. Trentinaglia [Dalla Torre] fand 100 ein Exemplar „ober der Radſeite in nahezu 8000 Fuß Höhe, wohl das höchſte Vorkommen dieſes Thieres“; in der Schweiz, wo ſie nach F. Müller „das Hochgebirgs— thier par excellence“ iſt, geht ſie laut Fatio an einzelnen Orten ſogar bis zu 2750 Meter hinauf; im Kaukaſus kommt ſie laut M. Wagner und Strauch auf den Höhen Oſſetiens in der Alpenregion zwiſchen 7000 und 7500 Fuß Meereshöhe vor. Sie bewohnt alſo noch jene Hochgebirgsſtriche, wo ſie, ähnlich wie in den Geländen des Nordens, den weitaus größten Theil des Jahres im Winterverſteck zu verbringen gezwungen iſt; freilich bleiben ſolche Stücke, da ſie der Wärme und Nahrung ſehr entbehren müſſen, recht merklich im Wachsthum zurück und erreichen allenfalls eine Länge von 45 em. Wenn die Aspis, wie wir durch Fatio's und F. Müller's Feſt— ſtellungen wiſſen, zum Fortkommen „länger andauernde, gleichmäßige Wärme braucht Fünfte Art. Kreuzotter. 357 und allzuſtarke nächtliche Abkühlung des Bodens nicht verträgt“, behauptet ſich die Kreuzotter auch da, wo ſie nur während einer verhältnißmäßig kurzen Zeit des Jahres intenſivere Sonnenhitze vorfindet. Im Uebrigen giebt ſie auf die Art und Beſchaffen heit des Bodens nicht viel; findet fie ſich im Gebirgsland an und auf Glimmerſchiefer-, Porphyr⸗, Baſalt-, Kalk- und Buntſandſteinbergen u. ſ. w., jo bevorzugt fie in der Ebene Moor- und Torfboden und meidet nur den reinen kahlen Sand und auch „ſtrengen Lehmboden“. Hingegen tritt ſie aus ihren Lieblingsſtandorten im Flachlande: den bruchigen, moorigen, torfigen Strecken, welche von niedrigen, mit Heidel- und Rauſchbeeren, Haidekraut, Porſt und Mooſen bewachſenen Hügeln unterbrochen und wenigſtens an ihren Rändern mit Erlen, Birken u. a. beſtanden find, auch auf Sand— boden über, ſobald derſelbe Haide und Kiefern aufzuweiſen hat, wie ſie anderſeits den blos Gras und Kraut tragenden Steppen Rußlands gleichfalls eigen iſt. Nur dem eigentlichen Kulturland, mag dies fette Marſch, fruchtbarer Acker oder freundliches Rebengelände ſein, bleibt ſie fern, ebenſo dem dichten, geſchloſſenen, reinen Hochwald und den finſteren Thaleinſchnitten. Wo ſie aber durch die ſchaffende Hand des Menſchen nicht geſtört und ihrer Schlupfwinkel nicht beraubt wird, wo ihr Verſtecke, genügende Nahrung und auch ſonnige Plätzchen zur Verfügung ſtehen, hält ſie aus, ganz gleich, ob das gewählte Standquartier ein mit Geröll und Schutt bedeckter und mit Gekräut und Geſträuch bewachſener Bergeshang, ein von lichten Stellen durchſetztes Nadel- oder Laubholz, eine Schälwaldung oder eine der alten Stöcke noch nicht völlig entbehrende junge Pflanzung, ein bruchiger Waldesſaum oder ein mit Steinhaufen und Hecken verſehener Wall an Feld und Wieſen, eine erdſchollen- und ſtumpenreiche Rodung oder eine ſteinige, bebuſchte Halde, ein einſames Hochmoor oder eine unwirthliche Haideſtrecke iſt. Daß Kreuzotter und Glattnatter in gewiſſem Sinne einander ausſchließen, daß ſie ſich aber auch an manchen Oertlichkeiten begegnen, konnte bereits auf Seite 333 gezeigt werden; und wenn anderſeits die Otter in verhältnißmäßig vielen, für ſie ganz geeigneten Gegenden und Punkten Deutſchlands fehlt, ſo liegen zwiſchen dieſen und den von ihr bewohnten Bezirken vielleicht ihr nicht zuſagende Gebiete, oder der Einwanderung ſtellen ſich durch Flüſſe Schwierigkeiten entgegen. Denn in Flüſſe und Bäche ſcheint ſie ſich nicht zu wagen, wenigſtens habe ich ſie noch nicht in derartigen Wäſſern bemerkt und auch von meinen Gewährsmännern liegt mir keine derartige Beobachtung vor; doch ſchreibt Boie 1840 [Kroyer, Naturh. Tidsſkr. III, S 207], daß er ein Exemplar in der Swentine auf den Blättern von Nymphaea ſich ſonnen ſah, und laut A. Strauch's „Ruſſ. Schlangen“ fing Mag. Alenizin am 7. September 1871 ein Exemplar auf dem See Tſchebarkulj, etwa 2 Werft (= 2,13 Kilom.) vom weſtlichen Ufer entfernt, das dort „zuſammengerollt auf dem Waſſer lag“ (ob freiwillig dorthin gekommen?), während A. Wiedemann 1883 in ſeinen Kriechthieren Schwabens von einem unfreiwilligen Aufſuchen des Waſſers berichtet: eine von ihm am Ufer eines breiten ſchlammigen Waſſergrabens im Haſpelmoor bemerkte alte Otter ſchwamm bei ſeinem Nahekommen über das Waſſer und verbarg ſich jenſeits unter einem Torfhaufen. Wenngleich die Kreuzotter an und für ſich keine Freundin weiter Wanderungen iſt, ſo geſchieht es doch, daß dieſe Schlangenart von ſtark beſetzten Standorten aus allmählich in benachbarte otterfreie Striche einrückt und in dem neuen Gebiet nun ent— weder auch ſich allgemein verbreitet oder doch an einzelnen iſolirt bleibenden Punkten ſich feſtſetzt. So kann ſie an Plätzen auftauchen, wo ſie vordem nicht heimiſch war (vergleiche in dem Abſchnitt über die Verbreitung Seite 346 u. g.); fie kann aber auch, was beiſpielsweiſe Dr. O. Böttger hinſichtlich des Spittelwaldes bei Freiberg i. ©. erfuhr, an manchen Stellen, wo ſie zuerſt heimiſch, dann indeß verſchwunden war, nach Ausbreitung. Winterſchlaf. Sommerleben. 358 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Jahren aufs neue erſcheinen, ja unter günſtigen Verhältniſſen ſich unbeachtet ſo ver— mehren, daß ihr unerwartetes Auftreten — ein ſolcher Fall wurde auf Seite 355 be— richtet — doppelt auffallen muß. Hingegen wird man beim plötzlichen Erſcheinen eines einzelnen Thieres in einer otterfreien Gegend oder Oertlichkeit zunächſt an eine un abſichtliche Verſchleppung durch Transport von Waldſtreu, Reiſig, Baumrinde zu denken haben. Unter Holz- und Rindenſtapel, unter Moos und Haidekraut, aber auch unter Heuhaufen und Garben, die in der Nähe ihres Verſtecks lagern, verkriecht ſie ſich nicht ſelten am Tage und wird dann mit dieſen Dingen zuweilen unverſehens aufgeladen und in die Gebäude gebracht oder weiter weg verſandt, falls ſie nicht beim Aufnehmen des Reiſig u. ſ. w. entdeckt wurde oder gar durch einen dem nichts Schlimmes Ahnenden beigebrachten Biß ſich böſe bemerkbar machte. Ihren eigentlichen Unterſchlupf bildet ein Mäuſe- oder Maulwurfsloch, ein Steinhaufen oder morſcher Baumſtumpf, eine Felsſpalte oder eine Höhlung unter Wurzelwerk und Erdſchollen. In derartigen Verſtecken, die natürlich froſtfrei bleiben müſſen, hält ſie auch ihren Winterſchlaf, und meistens wird ein alter Wurzelſtock, ein fauler, halbvermoderter Erlen-, Eichen- oder Birkenſtump, auch eine enge Steinkluft — alſo Plätzchen, die jeder Kreuzotter recht und paſſend dazu dünken — von einer kleineren oder größeren Ge— ſellſchaft dieſes Gezüchtes aufgeſucht, ſodaß Wald- und Erdarbeiter in der kalten Jahreszeit beim Stubbenroden u. ſ. w. öfters ſolche von 25 bis 30 Stück bezogenen Lager aufdecken. Der Winterſchlaf ſcheint im Allgemeinen nicht ſehr feſt zu ſein, und ſchon einige milde, ſonnige Tage im Dezember und Januar locken die Otter aus der Herberge hervor, wie ſie denn unter den deutſchen Schlangen zuerſt, in zeitigem Frühling ſchon um Mitte oder Ende März, das Winterquartier verläßt. Einige genaue Aufzeichnungen von Paul Jung-Zittau, welche die Tage angeben, an welchen Gewährsmann in den Jahren 1876/89 im Lauſitzer Gebirge die erſten bezw. letzten Kreuzottern fing, werden ſicheren Anhalt betreffs der Dauer der Winterruhe bieten: 1876: 9. April und 24. September, 1883: 25. Febr. und 24. September, 187% e ee f 1884: 16. März „ 18. 5 1878: 22. 122 15 1885: 3. April „ 16, Oktober, Te Bil, März 1285 5 1886: 26. März „ 26. September, 1880 „1 5 | 1887: 10. April „ 25. 5 e Jar 18 1888: 30. März „ 14. Oktober, 882 2. 5 5 Oktober, | es l „ 22. September. Abgeſehen von der bald nach beendetem Winterſchlaf beginnenden Paarungszeit, welche die fortpflanzungsfähigen Männchen und Weibchen noch mal zuſammenführt, geht jede Otter für ſich die warme Jahreszeit hindurch „ihrer Weide nach“. Da wir das Sommerleben der Schlangen auf Seite 255, wie überhaupt ihr Weſen und Weben in der Einleitung zu dieſem Kapitel bereits zur Genüge behandelt haben, ſo machen ſich hier nur einige ſpezielle Bemerkungen noch nöthig. Die hauptſächlichſte Nahrung der Otter beſteht in Mäuſen, vorwiegend Feld: und Waldmäuſen, die ſie auch in ihren Löchern, woſelbſt ihr gleicherweiſe die noch nackten Neſtjungen zum Opfer fallen, auf— ſucht. Nächſtdem ſchlägt ſie Spitzmäuſe, junge Maulwürfe, junge Vögel“), vornehmlich ſolche von Erdniſtern, wie Goldammern u. a., zuweilen auch Fröſche, Blindſchleichen und kleine Eidechſen, ſelbſt Wieſel, Siebenſchläfer, Salamander hat man im Magen getödteter Kreuzottern gefunden. In unſeren Gegenden tritt die Otter ihre kurzen ) Im VII. Jahresbericht des Ausſchuſſes für Beobachtungs-Stationen der Vögel Deutſchlands (1882) berichtet Lehrer Paulßen-Flensburg auf Seite 18 von zwei Fällen, daß eine Kreuzotter ein Neſt der Gartengrasmücke Sylvia hortensis ausraubte bezw. in einem ſolchen lag. Fünfte Art. Kreuzotter. 359 Raubzüge bei warmer Witterung zur Dämmerungs- und Abendzeit, ja während der Nacht, im Uebrigen jedoch am Tage an; in nördlichen Strichen und im Hochgebirge, wo die Kälte der Nacht lähmend auf ſie einwirken würde, muß ſie Tags über dem Nahrungserwerb obliegen und mit Sonnenuntergang ſich in ihr Verſteck zurückziehen, ſie iſt dort alſo ausſchließlich Tagthier, während ſie bei uns auch im Dämmerlicht und während der Dunkelheit ihr Weſen treibt; aber hier wie dort iſt ſie eine Freundin der wärmenden Sonnenſtrahlen (Seite 255), denen ſie daher gern nachgeht und zu dieſem Behufe auch ganz niedriges Geſträuch, Knieholzgebüſch ꝛc. erſteigt. Dem Verweilen der Kreuzotter außerhalb ihres eigentlichen Schlupfloches wärend der Tagesſtunden: in und unter Haidekraut und Beerengeſträuch, in Moos und Gras, an und auf Wegen und Stegen, iſt es zuzuſchreiben, daß achtloſe Beerenſammler und Spaziergänger, Wieſen— und Waldarbeiter und ebenſo weidendes Vieh und ſtöbernde Hunde unverſehens mit dem Reptil in Berührung kommen und gebiſſen werden. Darum iſt Vorſicht geboten, denn nicht immer verräth ſich die Otter durch Ziſchen, und nicht immer ſchleicht ſie vor dem ſich nähernden Menſchen langſam davon“). Rückt man ihr zu nahe, jo nimmt ſie Kopf und Hals zurück, um ihn dann zum Biſſe wüthend vorzuſchleudern und dies unter Umſtänden blitzſchnell zu wiederholen. Je nach der Witterung beginnt Ende März, zu Anfang, um Mitte oder Ende April die Paarungszeit, und von da ab bis in den Mai hinein kann man auf ſonnigen Plätzchen am Tage, jedoch auch in der Nacht einzelne Paare, denen ſich allerdings zuweilen eine Anzahl anderer Kreuzottern beigeſellen und ſomit einen „Haufen“ oder „Knäuel“ bilden (Seite 256), in der Begattung antreffen. Etwa vier Monate ſpäter, gewöhnlich im Auguſt und September, bringt die Otter ganz nach Art der Glattnatter fünf bis zwölf, ſeltener mehr (bis ſechszehn), ausnahmsweiſe nur drei oder vier in eine dünnhäutige Blaſe eingeſchloſſene, 14 bis 21 cm lange Junge zur Welt, die in mehr— minutigen, viertel- oder halbſtündigen oder noch größeren Pauſen abgeſetzt werden, alsbald die Hülle durchſtoßen, ſich häuten und nach Bedarf ſogleich von ihrer gefähr— lichen Waffe Gebrauch machen. Einige Beobachtungen haben dargethan, daß die Kreuzotter unter außergewöhnlichen Verhältniſſen ſich ſchon im Dezember oder noch etwas früher paart; und nur dadurch läßt ſich der von O. E. Eiffe [Zool. G. 1891 S. 352] mitgetheilte Fall, wonach drei am 12. März 1882 bei Hamburg gefangene Weibchen hoch— trächtig waren und eins der letzteren am ſelben Tage ein Junges gebar (worauf es ver— Man ſollte daher ſolche verdächtigen Plätze, bevor man an die Arbeit geht oder ſich zum Aus— ruhen hinlegt, immer erſt möglichſt genau beſichtigen und abſuchen und ſie nie betreten, ohne kräftig beſtiefelt zu ſein. Und demgemäß erging im Frühjahr 1887, wie A. Wiedemann mittheilt, ſeitens des General-Kommando an das 3. Infanterie-Regiment zu Augsburg der Befehl, das Niederliegen der Mann— ſchaften in Gras und Gebüſch auf dem durch Kreuzottern ſehr verrufenen Schießplatz zu Haunſtetten möglichſt zu vermeiden. — Der Gebiſſene ſoll, bevor ein Arzt zur Stelle iſt, ſofort die winzige Wunde durch Einſchnitte erweitern, ſie je nach den Umſtänden ausſaugen (doch dürfen die Lippen nicht auf— geſprungen ſein!), ausbrennen und, um das Eindringen des Giftes in das Blut zu verhindern, mittelſt eines Fadens oder Bandes unterbinden, außerdem und vor allem aber das einzig wirkliche aller bisher empfohlenen innerlichen und doch jo leicht zu beſchaffende Gegenmittel: Alkohol in beliebiger Form (Branntwein, Rum, Kognak, Arrak) und in „ungezählten“ Gaben zu ſich nehmen — von letzterem je mehr deſto beſſer, einen ſchädlichen Rauſch hat man nicht zu befürchten! Auch Waſchungen der Wunde mit übermanganſaurem Kalium (2%) oder Karbolſäure (5%) und ſubkutane Einſpritzungen von Salmiak werden ſehr empfohlen. Das Weſen und die verderbenbringende Wirkung des Giftes haben wir früher (Seite 244) kennen gelernt, es erübrigt nur noch die Mahnung, die Eignerin deſſelben todtzu— ſchlagen, wo man ſie findet — ſchon ein kräftiger Ruthen- oder Stockhieb reicht hin, ihr das Rückgrat zu zerſchmettern —, fie dann jedoch nicht liegen zu laſſen, ſondern vor allen Dingen ihren Kopf, der immer noch gefährlich werden kann, zu vernichten. Fortpflanzung. Gefangenſchaft. Namen. Synonyma. Unterſchiede zw. Kreuzotter und Viper. 360 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. endete), erklären. In der Regel iſt das Geheck der älteren Weibchen mehrköpfiger als das der jüngeren. Die Nahrung der Kleinen beſteht in jungen Eidechſen und Blindſchleichen. In der Gefangenſchaft bekundet die Kreuzotter ihr tückiſches Weſen dadurch, daß ſie nicht nur biſſig bleibt, ſondern auch, obwohl ſie die zu ihr geſetzten Mäuſe meiſtens tödtet, jede Nahrung verſchmäht. Infolgedeſſen verbleibt auch die Häutung, ja ſelbſt der Gebärungsakt, falls man nicht hochträchtige Weibchen mit zum Ausſchlüpfen reifen Jungen gefangen hat. Nur einige wenige Ausnahmefälle von Nahrungsaufnahme und Vermehrung in der Gefangenſchaft ſind bis jetzt bekannt geworden, obgleich man den Thieren einen ſonnigen, geräumigen und naturgemäß (mit Moorerde, Verſtecken, friſchem Moos, Pflanzen) eingerichteten Käfig anwies und jede Beunruhigung derſelben vermied — in der Regel gehen ſie nach einigen Monaten unter Abmagerung und Kräfteverfall ein. In keiner Weiſe dürfte mithin die Kreuzotter dem Terrarienbeſitzer Befriedigung ge— währen; er wird deshalb auch nicht dem Fange des tückiſchen Reptils obliegen, der mit Hilfe eines gabelförmig endenden Stockes — durch den man die Schlange am Nacken an den Boden drückt, um ſie dann mit der anderen Hand an derſelben Stelle zu erfaſſen und nun in einen ſtarkleinenen Beutel zu ſtecken —, oder einer meter— langen hölzernen Zange, von geübten Jägern auch auf noch einfachere Art zur Aus— führung gelangt. Wohl aber wird er wie jeder Natur- und Menſchenfreund das Seinige dazu thun, daß die Kenntniß der Kreuzotter durch den Anſchauungsunterricht in den Schulen gefördert und verbreitet, das Thier ſelbſt aber, nöthigenfalls durch Ausſetzung von Prämien, durch Unterſtützung berufsmäßiger Fänger vertilgt werde. Landesübliche Benennungen. Kreuzotter, Otter, 1 Feuer-, Kupfer-, Haſel-, Höllen-Natter und-Otter, Jochviper; Niederdtſch. und Holl.: Adder; Schwed.: Vanlig Huggorm; Engl.: Common, Viper, Adder; Franz.: Varere petit Vipére ä trois plaques ou Peliade; Ital.: Marasso, Vipera rossa; Span.: Vibora; Ruſſ.: e Medjanka; Boln.: Zmiia zykzak; Böhm.: Zmije obecenäd; Serb.: Smija; Lettiſch: Ohdse (Tschuska); Finn.: Kyy-kärme, Musta-kärme. Vipera ceilonica, V. squamosa, V. orientalis, Echis americanus, Coluber Tlehua, Seba 1734. — Coluber chersea, Linne 1749. — Col. Berus, Zinnd 1758. — Col. prester, Linn 1761. — Col. vipera anglorum, ZLaurenti 1768. — Col. Melanis et Col. Scytha, Pallas 1771. — Col. niger, Lacep. 1788. — Col. schytha, Bonnaterre 1789. — Vipera vulgaris, prester, melanis, schytha, Zatreille 1802. — Vipera Berus, V. prester et V. trigonocephala, Daudin 1803. — Col. coeru- leus, Sheppard 1804. — Pelias berus, Merrem 1820. — Vip. limnaea, Bendise. — Pelias chersea, Wagler 1830. — Pelias dorsalis, Gray 1831. — Vip. torva, Lenz 1832. — Vip. communis, Fleming 1838. — Echidnoides trilamina, Mauduyt 1852. — Vipera Pelias, en 1855. — Pelias Renardi, Christoph 1861. 6. Art: Aspis⸗Viper. Vipera aspis (I). Abbildung: Tafel X Nr. 1. Swiſchen dem Auge und den unterhalb deſſelben liegenden Oberlippenſchildern zwei Schuppenreihen; Oberkopf nicht mit regulären Schildern, ſondern, ausgenommen die beiden Brauenfchilder, durchweg mit kleinen unregelmäßigen, flachen oder ſchwach gewölbten (dachziegelförmigen) Schuppen bedeckt; Schnauzenſpitze abgeſtutzt, ſcharf— kantig und deutlich aufgeworfen. Neuere Erſcheinung. Halten wir dieſe drei Kennzeichen der Viper den als Artmerkmale der Kreuzotter angegebenen gegenüber, ſo kann, zumal namentlich bei Sechste Art. Aspis-Viper. 361 unmittelbarem Vergleich noch andere Charakteriſtika augenfällig werden, die Unter— ſcheidung der beiden nächſtverwandten Giftſchlangen Europa's nicht Schwierigkeiten bereiten, ſelbſt wenn man Abweichungen vor ſich haben ſollte. Letztere treten in mehrfacher Weiſe auf; vornehmlich zeigt ſich ein ziemlicher Wechſel in der Bildung bezw. Anordnung von Schildern und Schuppen auf dem Oberkopfe: jo iſt unter den Schuppen oder Schildchen nicht ſelten eins mehr ausgebildet, größer als die anderen, von rundlich-vieleckiger Geſtalt und an der Stelle des Wirbelſchildes gelagert, ſodaß man es als ſolches anſehen kann; oder es ſind die Schuppen, welche die Stelle des Wirbelſchildes und der beiden Hinterhaupt-Schilder einnehmen, zu Schildern, allerdings ſolchen von geringem Umfang, umgewandelt; oder es findet ſich an dem Platze, den bei der Kreuzotter die beiden Hinterhaupt-Schilder bedecken, ein größeres Schild. Wichtiger iſt daher das erſte der angeführten Merkmale, nämlich das Vorhandenſein von zwei Schuppenreihen zwiſchen dem Auge und den unter ihm liegenden Oberlippenſchildern; denn Fälle, wie der von F. Müller [Baſ. Kat. S. 695] mitgetheilte, daß ein ihm vorliegendes Exemplar linkerſeits zwiſchen Auge und viertem Oberlippenſchild nur eine Schuppe zeigt, ſtehen durchaus vereinzelt da. — Zu den ferneren unter— ſcheidenden Merkmalen der Aspis gehören: der ſehr deut— lich vom Hals abgeſetzte herzförmige, im Verhältniß zu dem der Kreuzotter viel breitere und auch flachere Kopf, das hinſichtlich der Geſtalt von dem der letzteren ab— weichende Naſenſchild, in dem das Naſenloch weiter nach vorn an die Schnauzenkante gerückt und mehr offen, alſo größer erſcheint, ferner das etwas kleinere Brauenſchild, ein nach abwärts gekrümmter, beim Männchen etwas längerer Stachel an der Schwanzſpitze“) und endlich die Zeichnung, in welcher ein auf dem Rücken hinlaufendes dunkles Zickzackband, das doch der Kreuzotter nie fehlt, Fig. 39. Kopfbetleidung der nur ausnahmsweiſe vorkommt. Trotzdem darf es bei . bi n e e SEN dem früheren Stande der Schlangenkunde nicht befremden, ö a i wenn ſelbſt noch Latreille, Cuvier u. A. aspis und berus zu einer Art zuſammenwerfen. Noch ſei bemerkt, daß ſich zwiſchen Rüſſel- und Naſenſchild ein hohes, nach oben dreieckig verbreitertes Praenaſale einſchiebt und im Uebrigen die Kopfſeiten mit kleinen Schuppen bedeckt ſind. Die Schläfenſchuppen ſind groß, flach und geſchindelt, Ober— lippenſchilder ſind meiſtens 10, ſeltener 9, Unterlippenſchilder, deren vier oder fünf erſte das vordere Rinnenſchilder-Paar berühren, 10 bis 12 vorhanden. Die lanzettlich— eiförmigen, ſcharf, am Schwanze jedoch etwas ſchwächer gekielten Schuppen des faſt walzenförmigen und ſchlanker als der der Kreuzotter erſcheinenden Körpers ſtehen in 21 Längsreihen; die Zahl der Bauchſchilder ſchwankt zwiſchen 139 und 158, die der Schwanzſchilder zwiſchen 33 und 46, nach E. de Betta [Fauna S. 55] zwiſchen 33 und 48; das Analſchild iſt einfach. An Länge kommt die Aspis der Kreuzotter etwa gleich, in den meiſten Fällen beträgt dieſelbe 50 bis 60 em; Fatio [Suiſſe S. 225 giebt das Maximum der Totallänge für Männchen mit 55 em, für Weibchen mit 62 bis 68 em und als Seltenheit 70 cm an. Im Baſeler Muſeum befindet ſich ein N ) Bei einem Exemplar des Baſeler Muſeums ſind die Kielſchuppen des Schwanzendes aufrecht geſtellt, wodurch das letztere, ähnlich wie bei der Todesotter Auſtraliens, Acanthophis antaretica, ein morgen ſternähnliches Ausſehen erhält [Baſ. Kat. S. 695). Färbung. Slammform. Abänderungen. 362 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. Weibchen, vom Gſteig bei Läufelfingen, von 69,5 em Länge. Von der Totallänge entfällt der 6. bis 10. Theil auf die Schwanzlänge; und zwar iſt auch hier der Schwanz des Männchens länger als der des Weibchens, indem er ein Sechstel oder ein Siebentel, ausnahmsweiſe ein Achtel, beim Weibchen dagegen ein Achtel bis ein Zehntel der Geſammtlänge beträgt. Beiſpielsweiſe iſt der Schwanz des auf Seite 367 erwähnten, 553 mm langen Weibchens aus dem Schwarzwald 62 mm, der eines von Fatio gemeſſenen, 550 mm großen Männchens aber 79 mm lang; der Kopf des letz— teren hat eine Länge (bis zum Kieferwinkel gemeſſen) von 23 und eine größte Breite von 15 mm, während der ſenkrechte Durchmeſſer des Körpers (in der Mitte) 16 mm beträgt. Alle die Erſcheinungen, welche betreffs der Grundfarbe der Kreuzotter zu berückſichtigen ſind, kommen in größerer oder geringerer Deutlichkeit auch bei ihrer ſüdlicheren Schweſter zur Geltung. So nimmt es denn auch nicht Wunder, daß die Grundfarbe der Aspis oberſeits gleichfalls in den verſchiedenſten Abſtufungen des Grau und des Braun, einerſeits von Weißgrau durch Aſchgrau zu Grüngrau, anderſeits von Iſabellfarbe und Graugelb durch Gelbbraun, Kupferroth und Kaſtanienbraun bis zu düſterem Grün- und Graubraun und Braunſchwarz, abändert; hingegen fehlt der Viper das die Kreuzotter auszeichnende dunkle Zickzackband des Rückens. Dieſes Band iſt bei den typiſchen, oberſeits gewöhnlich aſchgrau, erdfahl bis braun gefärbten Stücken erſetzt durch vier Längsreihen dunklerer Flecken, von denen die der beiden äußeren Reihen kleiner und rundlicher ſind als die der mittleren, welch letztere faſt viereckig er— ſcheinen und miteinander abwechſeln oder aber einander gegenüberſtehen. Die Oberſeite des Kopfes hat einige, nach Zahl, Form, Stellung abändernde Flecken, deren Färbung gleich der der Rückenmakeln je nach dem Grundton von Röthlichbraun bis Schwarz— braun und Schwarz ſchattirt, aufzuweiſen; auf oder hinter dem Scheitel entſpringen zwei kurze dunkle Binden, die nach hinten zu ſtark auseinanderweichen und hier zwiſchen ſich einem meiſt viereckigen Nackenfleck Raum gewähren; endlich zieht vom Hinterrande des Auges über die Schläfe eine dunkle Binde in ſchräger Richtung nach hinten und unten gegen die Halsſeite; die milch- oder gelblichweißen Oberlippenſchilder zeigen dunkle Säume. Die Färbung der Unterſeite ſtuft ſich zwiſchen Bräunlich- und Graugelb oder Gelblichweiß und Dunkelgrau, Schwarzbraun und Schwarz in allen Schattirungen ab; manchmal bleibt ſie eintönig, manchmal iſt Hell und Dunkel ſo gemiſcht, daß man nicht weiß, was man als die Grund- und was als die Zeichnungs— farbe anſehen ſoll; oft zeigt ſich auf hellem Grunde eine reichliche ſchwarze Sprenke— lung, oft umgekehrt auf dunklem Fond eine weißliche bezw. eine weiße und röthliche Punkt- und Tüpfelzeichnung. Die letztere finden wir ſelbſt bei Thieren mit im Uebrigen einfarbiger Unterſeite häufig an den, die unterſten (und gern ebenſo geſprenkelten) Schuppenreihen berührenden Seitenrändern der Bauchſchilder. Aehnlich wie bei der Kreuzotter bemerkt man an der Schwanzſpitze eine gelbe oder röthliche Tönung. Das mit ſenkrechter Pupille ausgerüſtete Auge iſt gelb- bis braunroth gefärbt, oft zur oberen Hälfte roth, zur unteren Hälfte ſchwärzlichbraun. Ehe wir einige Farben-Spielarten betrachten, muß die Aufmerkſamkeit auf eine von Dr. F. Müller-Baſel gemachte Unterſcheidung gelenkt werden. Dieſer Autor trennt nämlich die Schweizer Vipern in eine „Thalform“ und eine „Bergform“, und jeder derſelben würde, wenn die Uebergänge zwiſchen beiden fehlten, der Rang als Art zuzuſprechen ſein. Die Thalform, zu welcher die Stücke aus dem Jura, dem Waadt, dem unteren Walliſer Hauptthal gehören, hat laut Fr. Müller dreieckigen, ganz be— ſchuppten Kopf, meiſt ſtark aufgeſtülpte Schnauze, als Zeichnungen auf dem Rücken ſchmale Querbänder, die ſelten und nur auf kurze Strecken in ein Wellenband ver— Sechſte Art. Aspis-Viper. 363 ſchmelzen, auf dem Kopfe meiſt das oben erwähnte, nach dem Nacken divergirende Streifenpaar; die alpine oder Bergform hingegen, welcher die Stücke aus dem oberen Rhonethal und den Seitenthälern des Wallis ſowie zum Theil die Simmen— thaler Exemplare zuzuzählen ſeien, nähere ſich in Geſtalt, Kopfbekleidung und der Körperzeichnung mehr der Kreuzotter: Kopf ſchmäler, länger, elliptiſch, nicht ſelten mit den drei bekannten Scheitel- und Hinterhauptſchildern der Kreuzotter, Schnauze oft wenig geſtülpt, Rücken mit breiten, kräftig aus der Grundfarbe vortretenden, häufig zuſammenhängende Wellenbinden bildenden Querbändern, Kopf oberſeits mit drei Quer ſtreifen und dem erwähnten Streifenpaar, auch ſoll dieſe Form zuweilen 23, die Thal form indeß ausnahmsweiſe 19 Schuppenreihen haben. Dieſe Bemerkungen charakteri— ſiren die beiden Gegenſätze, welche jedoch durch Uebergänge verknüpft werden. Ueberhaupt laſſen ſich nur einige beſtimmte Varietäten der Aspis aufſtellen, da es, wie E. de Betta mit Recht betont, bei der großen Zahl von Zwiſchen- und Uebergangsformen ſehr ſchwierig, ja faſt unmöglich iſt, die einzelnen Spielarten — deren Bonaparte u. A. eine ganze Anzahl unterſcheiden und beſonders (cinerea, rufa, fusca, isabellina, rufiventris, ocellata ꝛc.) benennen — für alle Fälle ſicher voneinander zu unterſcheiden. 1. Var. Redii, quergebänderte Viper. Von der Stammform dadurch unter ſchieden, daß die Flecken der beiden Mittelreihen ſich vergrößern und, häufig unter Zuſammenfließen der gegen- oder wechſelſtändigen Paare, abgekürzte winkelige oder geknickte Querſtreifen bilden. Den letzteren Fall vergegenwärtigt die Abbildung auf Tafel X. (Vipera Redii, Zaur., Metawa.) 2. Var. line ata, geſtreifte V. Ausgezeichnet durch einen auf der Rückgrats— linie hinlaufenden ſchmalen Längsſtreifen, welcher die wechſel- bezw. gegenſtändigen gleichfarbigen Flecken der beiden Mittelreihen vereinigt, ſodaß die ganze Rückenzeichnung das Ausſehen einer Längsbinde, von der in beſtimmten Abſtänden kurze Querfortſätze oder Aeſte abgehen, gewinnt. (Vipera chersea, Latr.; Schreiber var. m.) 3. Var. Hug yi, Schinz, zickzackſtreifige V. Charalteriſirt durch ein mehr oder weniger deutlich ausgeſprochenes breites Zickzackband oder zackiges Wellenband längs der Rückenfirſte, welches entſteht, indem die Rückenflecken der beiden Mittelreihen die Geſtalt breiter, ſchief geſtellter Vierecke annehmen und mit einander in Verbindung treten. (Vipera Hugyi, Schinz; V. Heegeri, Fitz. Auch Linné's Coluber aspis, Daudin's Vipera berus var., de Betta's var. rufa u. a.) Dieſe in einem Kreuzotterge— wand erſcheinende Form iſt bekannt aus dem Berner Oberland, dem Wallis und durch E. de Betta aus dem oberen Valſeſia und einigen anderen Oertlichkeiten Piemonts. 4. Var. ocellata, augenfleckige V. Oberſeits grau oder bräunlich mit großen Augenflecken, d. h. großen, runden, braunen, ſchwarz umſäumten Flecken auf dem Rücken. Selten; E. de Betta erwähnt fie von Neapel und aus der Provinz Treviſo. (Vipera ocellata, Lat.; Aspis ocellata, Fitz.) 5. Var. isabellina, de Betta. Oberſeite von heller Iſabellfarbe, nur mit zwei Reihen bräunlicher, etwas verwiſchter Rückenflecken, ohne die der Stammform eigenen beiden Reihen Seitenflecken. Oberkopf ohne Flecken; Bauch weißlich oder röthlich, mit Schwarz geſprenkelt. Nach E. de Betta wurde fie bei Fumana und Marcelliſe in der Provinz Verona geſammelt. 6. Var. rufiventris, de Betta, rothbäuchige V. Oberſeite röthlich, die Flecken bisweilen ſehr ſpärlich; Unterſeite hochroth mit wenigen und feinen ſchwarzen Sprenkeln. 7. Bar. immaculata, ungefleckte V. Oberſeite einfach aſchgrau-olivenfarben, ohne irgend eine Spur der für die Viper charakteriſtiſchen Rückenflecken; Unterſeite Geſchlechter. Frankreich. 364 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. ſchwärzlich-bleifarben, Schwanzſpitze ockerfarbig. Höchſt ſelten und vereinzelt. Laut de Betta, welcher 1879 in ſeiner Nuova Serie di Note erpetologiche auf dieſe Varietät und die bezüglichen Mittheilungen Calderini's hinwies, kennt fie von Riva Valdobbia im oberen Valſeſia in Piemont. 8. Var. fusca, ſchwarzbraune V. Oberſeits beinahe durchweg ſchwarzbraun, nur mit unbedeutenden hellen, gelblichen oder gelbbräunlichen Querſtricheln. Sie ent— ſteht aus der Stammform bezw. der durch ſtarke dunkle Rückenflecken auffallenden, auch beſonders als Vipera Redii bezeichneten Form dadurch, daß das dunkele Schwarzbraun der Zeichnung die hellere Grundfarbe bis auf kleine unregelmäßige Querlinien, Strichel und Tüpfel verdrängt. Sehr ſelten; Fatio erwähnt nur zwei Funde aus den Alpen. 9. Var. atra, ſchwarze V., von Meißner 1820 als Vipera atra, von Metaxa 1823 als Vipera prester aufgeführt. Gleichförmig ſchwarz, entſprechend der ſchwarzen Kreuzotter, doch weit ſeltener als dieſe. Nach Meißner's Muſeum der Naturgeſch. Helvetiens in der Schweiz zuerſt 1811 bei Kanderſteg und („prester“) 1819 bei Brienz aufgefunden. Je nachdem die ſchwarze Färbung entweder durch Ausbreiten der ſchwarzen Rückenflecken oder aber durch Verdunkelung des Grundtons entſtand, erſcheint das Kleid glänzend rabenſchwarz oder mehr ſchieferſchwarz; im letzteren Falle laſſen ſich an den einige Zeit in Spiritus aufbewahrten Thieren die intenſiv ſchwarzen Flecken erkennen. 10. Var. infernalis, F. Müller, Höllenviper. Ganze Oberſeite ſchwarz, Unterſeite einſchl. Schwanzſpitze kräftig roth. (Iris ſchwarz mit äußerem rothen Ring.) Ein Stück von Oberwyl im Simmenthal ſtammend im Baſeler Muſeum. Bezüglich der Geſchlechter walten entſprechende Verhältniſſe ob wie bei der Kreuzotter, indem die Männchen gewöhnlich hellere, die Weibchen dunklere, mehr düſtere Farbentöne zeigen. Die jungen Thiere ſind, wie E. Schreiber hervorhebt, von den alten durch minder ſcharfe Farben und durch die ſtets einfarbige, bräunliche oder weiß— liche Unterſeite, die nur ſehr unmerklich grau oder ſchwärzlich geſprenkelt iſt, verſchieden. Geographiſche Verbreitung. Ganz im Gegenſatz zu ihrer nördlichen Schweſter, der Kreuzotter, verbreitet ſich die Viper über einen recht beſchränkten Bezirk. Sie findet ſich ausſchließlich in dem europäiſchen Mittelmeergebiet und zwar hier wiederum nur in dem mittleren Theil deſſelben, etwa vom 16. bis zum 31. Ferro-Grad, d. h. von der Atlanti-Küſte Frankreichs im Weſten bis zum öſterreichiſchen Küſtenland im Oſten!); nach Norden wagt ſie ſich blos in Frankreich bis zum 49., in Deutſchland kaum bis zum 48. Grad nördlicher Breite, die Südgrenze erreicht ihren vorgeſchobenſten Punkt ungefähr auf dem 37. Grad n. Br. (Sizilien). Auf der Pyrenäen-Halbinſel wird die Aspis erſetzt durch eine zwiſchen ihr und der Sandotter (Vipera ammodytes) ſtehende, alſo ganz nahverwandte Art, die ſogenannte Stülpnaſen-Otter (Vipera Latastei, Bosca), welche durch E. Bosca 1878 bekannt ge— worden und in Europa auf jene Halbinſel beſchränkt iſt; muthmaßlich dürften denn auch alle älteren Nachrichten über das Auftreten der Aspis dortſelbſt ſich auf die genannte Zwiſchenform beziehen. Um ſo verbreiteter und häufiger iſt die Viper in Frankreich, wenigſtens in den ſüdlichen und mittleren Departements. Bereits 1863 berichtet Soubeiran [Bull. Soc. Imp. zool. d'Acclim. X p. 398], daß aspis die Departements der Pyrenäen, Haute-Garonne, Arriöge, Hérault, See- und Ober-Alpen, Savoyen und Ober-Savoyen, Ardeche, Lozere, Lot, Lot-et-Garonne, Tarn-et-Garonne, Vendée, Deur- Sevres, Vienne, Loire inférieure, Morbihan, Ille-et-Villaine, Sarthe, Eureset-Loire, Allier, Creuze, Cantal, Nonne, Cöte d'Or, Jura, Doubs, Vogeſen, Haute-Marne, „Sollte ſich das neuerdings gemeldete, ganz iſolirte Auftreten in Bosnien beſtätigen, jo würde die Oſtgrenze um 5 Grade, bis zum 36. Ferro-Grad oſtwärts rücken. Sechſte Art. Aspis-Viper. 365 Seine⸗et⸗Marne, Seineet-Dife, Seine inferieure, Calvados bewohne und daß ſie nord wärts zwar bis in die Gegend von Rouen, Forét d'Eu und nach Calvados vordringe, aber nördlich von Paris, Meudon, Montmorency und Fontainebleau nur ſehr ver— einzelt angetroffen werde, auch z. B. in den Vogeſen ſehr ſelten, hingegen z. B. in den Depart. Cöte d'Or, Haute-Marne, Lot, Vendsée recht häufig ſei. Andere Fachjchrift- ſteller lieferten Ergänzungen zu dieſen Mittheilungen und meldeten die Aspis für die Departements Seine (Umgegend von Paris), Maine-et-Loire, Charente införieure, Gironde (Bordeaux), Iſère (Grenoble), Rhöne (Lyon) u. a. Während fie auch noch in Deutſch-Lothringen, dem ehemaligen franzöſiſchen Depart. Moſelle, auftritt, fehlt ſie wie alle Vipern in dem von den Vogeſen und dem Rhein eingeſchloſſenen Gebiet, den früher franzöſiſchen Depart. Unter- und Ober-Rhein, unſerem Elſaß. Dagegen findet ſie ſich wiederum am Rheinknie von Baſel und, wie im franzöſiſchen, ſo auch im Schweizer Jura und deſſen Ausläufern und ſodann durch den größten Theil der Schweiz überhaupt. Zunächſt ſei hervorgehoben, daß laut den Nachforſchungen Dr. F. Müller's die Aspis von den 22 Schweizer Kantonen (vergl. S. 596) ſechs für ſich allein beanſprucht, nämlich die Kantone Baſel, Neuenburg, Genf, Freiburg, Solothurn, Aargau, während ſie ſich in fünf Kantone: Bern, Waadt, Wallis, Teſſin, Grau— bünden, mit der Kreuzotter theilt. Sonach bewohnt die Aspis nur die weſtliche und ſüdliche Schweiz; den inneren, öſtlichen und — da ſie im Aargau nur in dem weſt— lichen Theil beobachtet wurde, — den nördlichen Kantonen fehlt ſie. Bei dem Solo thurner Städtchen Olten an der Aar iſt ſie, wie Hr. H. Fiſcher-Sigwart im Juni 1888 mir ſchrieb, „erſt ſeit einigen Jahren“ bemerkt worden, aber ſeitdem im Zunehmen begriffen; im Sommer 1886 erlegte man in einem nahe bei Olten gelegenen Steinbruch, Stelli genannt, elf Stück und weitere dann in jedem Sommer, und ebenſo erſchlug man in demſelben Sommer an der Südſeite des Hauenſtein einige Vipern, während bis dahin nur eine Stelle an deſſen Nordſeite berüchtigt war. Daß ſie im Schweizer Jura, von Schinznach im Aargau weſtlich der Aar an bis hinunter nach Genf, ſehr verbreitet und häufig iſt, meldet bereits Schinz 1837 in ſeiner Fauna helvetica; nur muß hinzugefügt werden, daß ſie noch nördlicher als bei Schinznach entdeckt worden iſt, nämlich am Geißberg beim Dorf Remigen, nordwärts von Brugg an der Aar, und dies dürfte zugleich der öſtlichſte Punkt ihrer Jurg- Verbreitung ſein, da die Viper aus den öſtlich der Aar auftretenden Ausläufern des Jura nicht bekannt iſt. Aus den näheren und weiteren Umgebungen bezw. Gebieten von Baſel verzeichnet Dr. F. Müller folgende Fundorte: Südſeite des Wartenberges bei Muttenz unterhalb der Schloßruine, Reichenſteiner Schloßruine und Schloßberg gegen die Ruine Birſeck, Gempenhöhe und Schutthalde der Schartenfluh, Mönchenſteiner Reben, Lieſtal, Rothen— fluh in Baſelland, Ruine Homburg, im Gſteig und am Hauenſtein-Tunnel bei Läufel— fingen, Rütiholz und Schwengifluh bei Langenbruck, der Rehhag (Schafmatt, Pelz— mühle- und Bogenthal), Helfenberg im Baſeler Jura; ferner Bächburg bei Oenſingen und Oberdorf am Weißenſtein i. K. Solothurn. Aus dem Berner Oberland, vom Nordabhang der Alpen, kennt Prof. Th. Studer die Viper von Rugen bei Interlaken, aus dem Gaſterenthal (Doldenalp), die ſchwarze Varietät von Brienz und Frutigen, aus dem Gadmen- und Haslithal. Dr. F. Müller nennt noch an einzelnen Fundplätzen: Brünig, Oberwyl im Simmenthal, Val de Travers i. K. Neuenburg, Veirier bei Genf, Bullet am Chaſſeron und die Gegend von Bex im Waadt, Sion, Balmhütte am Schönhorn und die Furca im Wallis. In einigen Theilen der Kantone Waadt, Wallis und Süd Teſſin ſoll ſie recht häufig ſein. Die gemeinſte Giftſchlange iſt ſie aber in Italien und zwar, wie wir durch Schweiz Italien. Tirol. Deutſchland. 366 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere. E. de Betta's Arbeit über die Verbreitung der Giftſchlangen und ſeine „Note Er— potologiche“ wiſſen, nicht nur auf dem Feſtlande und der langgeſtreckten Halbinſel, ſondern auch auf der Inſel Sizilien und auch auf einigen tyrrheniſchen Inſeln (Elba und Montecriſto). Hingegen mangelt ſie den Inſeln Sardinien und Korſika und laut A. Dumeril der Inſel Malta ebenſo wie den dalmatiniſchen Inſeln und Dalmatien ſelbſt und gleicherweiſe Iſtrien, Krain und Kärnthen. Denn die Vermuthung A. Strauch's (Viperiden), daß unter der von Gallenſtein für das kärthner Unter-Lavanthal auf- geführten „Vipera berus“ die Aspis zu verſtehen ſei, hat ſich nicht beſtätigt; und ebenſowenig die Bonaparte-Fitzinger'ſche Angabe von einem Vorkommen der Aspis in Iſtrien und die Bonaparte-Schinz'ſche Mittheilung von einem Auftreten derſelben in Dalmatien“). Nach Oſten hin verbreitet ſich die Aspis von Nord-Italien aus nur in den nördlichſten Theil des öſterreichiſchen Küſtenlandes, woſelbſt ſie E. Schreiber einzeln noch bei Görz, und zwar ausſchließlich im Sandſteingebirge und nie zuſammen mit der lediglich Kalkgrund bewohnenden Sandviper, beobachtete. Im Uebrigen iſt unter allen öſterreichiſchen Alpenländern Tirol das einzige, in der die Aspis mit Sicherheit nachgewieſen werden konnte. Nach Gredler ſtellt Aspis die herrſchende Giftſchlange Tirols ſüdlich der Central-Alpen dar und und ſcheinen die letzteren auch ihre Grenze nach Norden hin zu bilden. Prof. v. Dalla Torre theilt 1891 in ſeiner zoogeograph. Studie über die drei Vipern in Tirol mit, der nördlichſte Punkt, an dem die Aspis geſehen wurde, ſei die Gegend von Meran; man fand ſie in einem ſehr großen Exemplar beim Egger ober Marling. Laut Dalla Torre und Gredler begegnete man ihr ferner an folgenden Orten (von Norden nach Süden): im Ultenthal an Steingeröllen de., bei Burgſtall und Vilpian, bei Völlan an der Gall, bei Sigmundskron und St. Jacob, Glaning und Siebeneich nahe Bozen, Campen und Badl St. Iſidor, an der Gant bei Eppan, bei Karneid am Eingang ins Eggenthal, an Weingärten um Kaltern, bei Seit, auf der Tierſeralp im Tierſerthal, bei St. Florian unterhalb Neumarkt, ferner im Hauptthal der Etſch bei Branzoll und Gfrill unweit Salurn, bei Wälſchmetz und Lavis am Wege nach Fat und weiter ſüdwärts in Welſchtirol bei Trient, Calliauo, Roveredo [E. d. Betta, Erp. prov. Ven. e Tir.], Ala u. a.; ſodann weſtlich des Etſchthales im Val di Non, bei Caſtelfondo und Tajo, bei Lucia und im Val di Tres bei Brughier auf dem Nonsberg, bei Molveno und Terlago, in Judicarien, bei Riva und am öſtlichen Ufer des Gardaſee; öſtlich des Etſchthales im Fleimſerthal, im Val Sugana, bei Levico und Pergine, Folgaria, in Vall'Arſa und weiteren Oertlichkeiten Welſchtirols. In unmittelbarem Zuſammenhang mit der Verbreitung der Aspis in Frankreich und der Schweiz ſteht nun auch ihr Auftreten in zwei verſchiedenen deutſchen Ge— bieten. In das eine wird ſie wohl eingewandert ſein; in dem zweiten haben wir ſie mit übernommen, als dieſes Gebiet 1871 an das deutſche Stammland zurückfiel. Denn daß ſie in Deutſch-Lothringen bei Metz vorkommt, berichtet bereits Holandre in ſeiner Faune du Depart. de la Moselle, ihr heutiger Wohnbezirk dortſelbſt beſchränkt ſich auf die Rochers de Phraze zwiſchen den Orten Dornot und Novéant, von wo zwei Stücke auch in der Senckenberg. Sammlung zu Frankfurt a. M. ſtehen. Etwas Auffälliges bietet ihr Vorkommen in jener Gegend nicht, da dieſe ja nur den vor— geſchobenen nordöſtlichen Grenzpoſten für die Verbreitung der Aspis von Frankreich Um ſo auffallender erſcheint die von A. v. Mojfſiſovies in ſeinen „Weſtpaläarktiſchen Schlangen“ wiedergegebene Nachricht, daß das Bosniſche Landesmuſeum zu Serajewo zwei Exemplare der Aspis beſitzt, die aus Trebinje, alſo der ſüdlichſten Herzegowina ſtammen ſollen — um ſo auffallender, als dieſe Viper auf der Balkan -Halbinſel und deren Inſeln ſowie in Kleinaſien, im Gegenſatz zu den älteren Meldungen von Schinz, Bonaparte, Erhard, Dumeril, völlig fehlt und durch verwandte Arten erſetzt wird. Sechſte Art. Aspis-Viper. 367 her bildet. Hingegen muß betont werden, daß die Viper weiter moſel-abwärts noch nicht gefunden worden iſt; und wenn Schäfer ſie, als angeblich um das Jahr 1829 einmal bei Bertrich wahrgenommen, als Glied feiner „Moſelfauna“ aufführt, und Selys⸗Longchamps auf ihr Vorkommen bei Metz hin behauptet, daß fie ohne Zweifel auch im Luxemburgiſchen vorkommen müſſe, ſo ſind das nur Vermuthungen, die auch durch die neueren fauniſtiſchen Forſchungen eben nur als ſolche ſich erwieſen haben!). Dagegen iſt die Aspis im oberen Theil des Großherzogthums Baden mit Sicherheit nachgewieſen worden. Dieſes ihr Auftreten im ſüdlichſten Schwarzwald bezw. in deſſen Ausläufern ſchließt ſich an ihr Heimiſchſein im franzöſiſchen und Schweizer Jura an und darf wohl auf entſprechende Verhältniſſe wie das der Smaragd-Eidechſe im ſüd lichen Baden zurückgeführt werden. Die eigentliche Entdeckung der Aspis an dem ſüdlichen Abhange des Schwarzwaldes verdanken wir dem inzwiſchen verſtorbenen Apotheker Saul in dem Wutach-Städtchen Thiengen, welcher bereits 1867 ein bei der Witznauer Mühle im Schlüchtthale gefangenes Stück an den Rektor Müller zu Meers burg für die Sammlung des dortigen Seminars, ſodann ein zweites, von Thiengen ſtammendes Exemplar an das Gymnaſium zu Konſtanz und 1870 zwei Stück, deren eins an der Föhrenbacher Mühle bei Nöggenſchwiel auf dem Wege nach St. Blaſien erbeutet wurde, an die Sammlung des Mannheimer Vereins für Naturkunde ſandte. Durch den im 37. Jahresbericht (1871) des letzteren Vereins enthaltenen „Beitrag zur Schlangenfauna des Großh. Baden“ von Dr. E. Weber gelangte die Kunde von jener Entdeckung zuerſt in weitere Kreiſe; ich empfing in den achtziger Jahren auch direkte Mittheilung darüber aus Baden. Und wenn dann J. Blum im 1. Heft des „Zoolog. Gartens“ 1890 auf Grund bloßer Vermuthungen und in der vorgefaßten Meinung, Saul ſei durch Arbeiter und Fänger getäuſcht worden, die Forderung aufſtellte: „wir müſſen den Schwarzwald als Aufenthaltsſtätte der Aspisſchlange ſtreichen!“, ſo war er ſchon nach einigen Monaten (im 9. Heft jener Monatsſchrift) gezwungen, ſeine Folgerung als eine irrige einzugeſtehen; denn Herr Dr. med. E. Mayer in Thiengen machte ihm nicht nur brieflich das Gegentheil geltend, ſondern überſchickte ihm auch eine weibliche Aspis, welche ſoeben von der Frau des Straßenwärters Beck zu Berau im Schwarzathal an der neuen Brücke (Weg nach Nöggenſchwiel), in der Mitte etwa zwiſchen Witznauer Mühle und Leineg, beim Beerenſuchen betäubt und gefangen worden war. Ein von Aispel bei Thiengen ſtammendes Stück fand ich auch in der fürſtlichen Naturalienſammlung zu Donaueſchingen. Somit bleibt nur übrig, die Viper als deutſche Bürgerin anzuerkennen, und zwar als Bewohnerin nicht nur eines beſchränkten Gebietstheiles von Deutſch-Lothringen, ſondern auch des Schlüchtthales und deſſen Nebenthäler im badiſchen Oberland. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Schon die ſüdliche Heimath der Aspis läßt darauf ſchließen, daß dieſe Viper, wie auf Seite 357 berührt, weit mehr und länger andauernde, gleichmäßigere Wärme zum Daſein braucht als die Kreuzotter. Sie hält ſich daher in der Hügel- Region, auf warmgrundigen, dürren, ſteinigen Halden und Waldblößen, an den Mauern und den mit Steingeröll bedeckten Wieſenrändern und Feldzäunen, laut F. Müller im Kanton und auch nahe bei der Stadt Baſel gern in mit Gebüſch überwachſenen Steinhaufen und namentlich in den Schutthalden der nach Süden gelegenen Jurafluhen auf, wie ſie denn überhaupt im Jura, einem warmen Kalkgebirge, recht zu Hauſe iſt. Auf bedeutendere Höhen hinauf ſteigt ſie aus der angeführten Urſache nur ſelten; im Solothurner Jura beiſpielsweiſe geht ſie bis 600 ) Sie ſind von demſelben Werth wie der alte Vermerk an dem Glaſe Nr. 2864 des Berliner Zool. Muſeum: „Bayern, durch Wagler“. Aufenthalt. Weſen. Nahrung. Fortpflanzung. Namen. Synonyma. 368 Erſte Klaſſe. Reptilien oder Kriechthiere, oder auch 850 Meter Seehöhe, im Jura überhaupt wohl nirgends höher als 1600 Meter, in den Schweizer und Tiroler Alpen trifft man ſie da und dort noch in 1200 oder 1300 Meter (4000 Fuß) Meereshöhe, aber Funde wie die nachſtehenden ſind unbedingt Ausnahmen: laut F. Müller wurde ein Stück bei der Balmhütte am Schönhorn in Wallis in 2020 Meter Seehöhe erbeutet, und beobachtet, daß ſie auch „an der Walliſer Seite der Furca“ hoch hinauf ſteige; laut Gredler wurde in Südtirol auf der Tierſeralp im Tierſerthal ein Stück in 7000 Fuß oder 2300 Meter Seehöhe und ein anderes in derſelben Höhe auf der oberen Nardisalp gefangen [Herp. Beob.]. Während alſo die Kreuzotter das Hochgebirgsthier iſt, gehört die Aspis im Allgemeinen der Hügelregion und den unteren Thalgegenden an; und während, wie F. Müller jagt, die erſtere „in der Schweiz verhältnißmäßig klein bleibt, erreicht die Viper eine viel beträchtlichere Größe“. Sie verlangt milde, ſonnige, warme Lagen. Darum ſoll ſie laut Wyder gegen den Winter hin das Gebirge verlaſſen und ſich mehr nach der Ebene und gegen die menſchlichen Wohnungen hinziehen. Den direkten Sonnen— ſtrahlen ſcheint ſie ſich nach Müllers Beobachtungen nur im Frühjahr und Herbſt und in den erſten Morgenſtunden des Hochſommers auszuſetzen, weshalb ein warmer aber bedeckter Tag die meiſten Ausſichten bietet, ſie im Freien anzutreffen. Und Dr. Settari ſchreibt an Gredler, daß ſie in den Wieſen (von Ulten) fleißig auf Mäuſe jage und namentlich an warmen Tagen gern unter dem gemähten, halbtrocknen und gehäufelten Graſe liegen bleibe, wobei dann Heuer an Händen und Füßen gebiſſen werden können. Doch beißt, nach den Urtheilen von F. Müller und Schinz, die Viper — abgeſehen von ſolchen Fällen, wo ſie zufällig berührt wird — eben nur dann um ſich, wenn man ſie gänzlich in die Enge getrieben hat oder ſie „arg miß— handelt“, ſonſt greift ſie zu dem paſſiven Wehrmittel der Flucht; ſie ſcheint furchtſamer zu ſein als die Kreuzotter, ihre Bewegungen ſind langſam und ſchwerfällig. Im Uebrigen entſpricht ihr Weſen und Gebahren dem der norddeutſchen Genoſſin. Ihre Nahrung beſteht faſt ausſchließlich in Mäuſen, nächſtdem in Maulwürfen und wohl auch in Neſtvögeln; auch von ihr wird dieſelbe während der Gefangenſchaft in der Regel verſchmäht. Laut H. Fiſcher-Sigwart in Zofingen zieht ſich die Viper in dortiger Gegend im Oktober zur Winterruhe zurück, um im Mai wieder zu erjcheinen. Fatio hingegen bezeichnet Ende Oktober oder den November als den Termin des Ver— ſchwindens und bereits den März als die Zeit des Erwachens und giebt an, daß die Viper zwei bis drei Wochen ſpäter, gegen Ende März oder im April, zur Paarung ſchreite, um etwa vier Monate danach, gewöhnlich im Auguſt, acht bis fünfzehn, zu— weilen ſelbſt zwanzig Junge von 14 dis 19 Centimeter Länge zu werfen. Landesübliche Benennungen. Viper, Aspis, Schild-, Jura-, Redi'ſche Viper; Engl.: Asp; Franz.: Vipere commune, Vipere rouge, Vipere Aspic; Ital.: Vipera commune, Aspide, Lipara; Span.: Vibora. Coluber as pis, Linn“ 1758. — Vipera Franeisi Redii et V. Mosis Charas, Laurenti 1768. — Coluber berus et Col. Chersea, Razoum. 1789. — Col. berus (partim), Bonnat. 1789. — Col. Redii, Gmelin 1790. — Col. vipera, Zatreille 1800. Vipera vulgaris, ocellata, chersea et Redii, Latr. 1802. — Coluber Charasii, Shaw 1802. — Vip. berus var. 5, Daudin 1803. — Vipera (Echidna) Aspis, Merrem 1820. — Vip. Redii et V. aspis, Metaxa 1823. — Aspis ocellata, Fitzin- ger 1826. — Pelias aspis, Boie 1827. — Lachesis Redii, Hempr. — Vip. berus, Cuwier 1829. — Vip. Hugyi, Schinz 1833. — Vip. communis, Mauduyt 1852. Südeuropäiſche Schlangen. 369 * * * Südeuropäiſche Schlangen. Die ſüdeuropäiſche Schlangenfauna iſt nicht jo familien-, gattungs- und arten— reich als die dortige Eidechſenwelt. Immerhin umfaßt ſie gut dreimal ſo viel Arten, als wie Deutſchland beherbergt, und hat außer den bei uns auch heimiſchen Familien der Nattern und Vipern noch einige beſondere Familien aufzuweiſen. Die meiſten Arten gehören der ſchon früher gekennzeichneten Familie der Nattern an. Von der uns bekannten Gattung Tropidonotus (Seite 274) lebt in Portugal, Spanien, Südfrankreich, Italien, ſowie Nordweſt-Afrika die durch 21 Körperſchuppen-Reihen und zwei Hinter-Augenſchilder ausgezeichnete, der Kreuzotter und Viper in der Färbung ſehr ähnliche Vipernatter, Trop. viperinus Latr. (Seite 300). Von der Gattung Coluber (Seite 308) finden wir in Südeuropa noch vier Arten: die durch den Mangel eines unteren Vorder-Augenſchildes ausgezeich— nete Vierlinien-Natter (Col. quadrilineatus Pall.) mit ihrer farbenprächtigen Spielart, der Leopardennatter (var. leopardina), von Süditalien oſtwärts bis Kleinaſien und die Krim, ferner die mächtige, bis 2 m lange, mit der vorigen ungefähr die Heimath theilende olivbräunliche Vierſtreifen-Natter (Col. quaterradiatus Gmelin) und zwei nahe verwandte, auf das ſüdliche bezw. ſüdöſtlichſte Rußland beſchränkte Arten: Col. sauro— mates Eichw. und Col. dione Fall. Zur Gattung Coronella (Seite 321) zählt die mit 21 Schuppenreihen verſehene Gironden Natter (Cor. girondica Daudin), während die vordem auch oft dazu gerechnete und ganz nahverwandte ſüdſpaniſch⸗balcariſche Kapuzen-Natter (Psammophylax cucullatus Jan) der Furchenzähne wegen abgetrennt werden muß. Auch die im Bau den Glattnattern ähnliche Gattung Zamenis ſtellt drei Arten zur ſüdeuropäiſchen Fauna: die äußerſt ſchlanke und zierliche Dahl'ſche Natter (Z. Dahlii Sav.) in Dalmatien und Südrußland, die große Gelbgrüne Natter (Z. gemonensis Laur. [viridiflavus Zatr.]) im weſtlichen Theil des Gebietes und ihre noch mächtigere Varietät, die 2,5 m lange Balkennatter (var. trabalis Fall.), von Ungarn an oſtwärts, und ſchließlich die oft noch als Vertreterin einer eigenen Gattung (Periops) betrachtete ſchöne und ſtattliche Hufeiſen-Natter (Z. hippocrepis Merr.) auf der Pyrenäen-Halbinſel und Sardinien. Gleichfalls in Spanien heimathet die prächtig gefleckte und geſtreifte, durch das ſpitz vorgezogene Schnauzenſchild von den nahver— wandten Coluber-Arten ausgezeichnete Treppennatter (Rhinechis scalaris Bonap.). Die folgenden beiden Spezies ſind mit hinteren Furchenzähnen ausgerüſtet und daher zu den ſog. Trugnattern (Seite 243) zu zählen: die kräftige, in allen Mittelmeer— ländern heimiſche, an der eingetieften Zügelgegend und der tief eingedrückten Stirn ſowie (erwachſen) an den der Länge nach vertieften Rückenſchuppen erkennbare Eidechſen— Natter (Coelopeltis lacertina Nagler) und die von allen anderen europäiſchen Nattern durch die ſenkrecht geſpaltene Katzen- oder Vipern-Pupille unterſchiedene Katzenſchlange (Tarbophis vivax Fitz.) Dalmatiens und der Balkan-Halbinſel. Die zweite der uns bereits bekannten Familien, die der Vipern (Seite 336) hat im Süden und Südoſten Europas noch einige Arten, nämlich außer der ſchon in den öſterreichiſchen Alpenländern zu findenden, einen hornartigen Aufſatz auf der Naſe beſitzenden Sandotter (V. ammodytes J.) die zwiſchen ihr und der Aspis vermittelnde Stülpnaſen-Otter (V. Latastei Bosca) der Pyrenäen-Halbinſel und die ſtattliche, durch J. v. Bedriaga für die Cykladen-Inſel Milo nachgewieſene Levante-Otter (V. lebetina Strauch), und ſchließlich hat Boulenger 1893 noch eine neue Spezies, die von der Kreuzotter durch weniger Schuppenreihen (19) und kleineres Auge ſich unterſcheiden 24 370 Südeuropäiſche Schlangen. ſoll und bei Laxenburg, Rakos in Ungarn und in den Abruzzen vorkommt, als Vipera ursinii aufgeſtellt. Dieſen Arten ſchließt ſich als weitere europäiſche Giftſchlange die zur Familie der Orotalidae gehörende Halys (Trigonocephalus halys Pal.) an, welche von europäiſchem Gebiet die Steppen zwiſchen Wolga und Uralfluß bewohnt. Die letzten beiden Spezies der ſüdeuropäiſchen Schlangenfauna gehören zwei noch nicht genannten Familien an: die durch den ganz kurzen, ſtumpf zugerundeten Schwanz und die beiden ſpornartigen Anhängſel (Fußſtummel) ſeitlich der Afterſpalte ſofort erkennbare Sandſchlange (Eryx jaculus I.) den Stummelfüßern oder Peropodidae, und das nur fußlange, wurmförmige, rundum mit Schuppen bedeckte Blödauge (Typhlops vermicularis Merr.) den Blindſchlangen oder Typhlopidae. Beide Arten bewohnen Griechenland. Sweite Klaſſe. Amphibien oder Turche. Amphibia (Batrachia). Kaltblütige (pökilotherme), mit nackter, weicher Haut bekleidete, in der Regel vierbeinige “), am Hinterhaupt mit zwei Gelenkhöckern ausgerüſtete Wirbelthiere, welche in der Jugend eine Verwandlung (Metamorphoſe) durch— machen und zu dieſer Seit — manche ausländiſche Arten das ganze Leben hindurch — vermittelſt Kiemen athmen. Während die älteren Zoologen die hierher zählenden Thiere nur als eine Ord— nung der Reptilien betrachteten und ihr die Bezeichnung Amphibia bezw. Reptilia nuda, nackte Amphibien, beilegten, haben eingehende Unterſuchungen ihres Körper— baues und aufmerkſame Verfolgung ihrer Entwicklungsverhältniſſe durchweg dazu ge— führt, den Amphibien den Rang einer Klaſſe einzuräumen und dieſe zwiſchen die beiden anderen Klaſſen der kaltblütigen Wirbelthiere, die der Fiſche und der Reptilien, zu ſtellen. Und in der That ſtehen ſie in gewiſſen Beziehungen den Fiſchen verwandt— ſchaftlich näher als den beſchuppten und beſchildeten, ſtets durch Lungen athmenden Reptilien. Größe und Geſtalt zeigen nicht die reiche Abwechſelung wie bei den Repti— lien. In der Hauptſache treten zwei Formen auf: eine zuſammengeſchobene, kurze, gedrungene, niedergedrückte, und eine langgeſtreckte, eidechſenartige, im Körperdurch— ſchnitt rundliche; die erſtere iſt im ausgebildeten Zuſtande ſchwanzlos und langbeinig (Froſchlurche), die letztere mit wohlentwickeltem Schwanze ausgeſtattet und kurzbeiniger (Schwanzlurche oder Molche). Die Beine zeigen alſo einen verſchiedenen Grad der Ausbildung. Bei den Froſchlurchen ſind namentlich die hinteren lang und kräftig und ſelbſt zu förmlichen Sprungwerkzeugen entwickelt, bei den Molchen, von denen übrigens die nordamerikaniſche Gattung Siren oder Armmolch blos Vordergliedmaßen beſitzt, vermögen ſie dagegen wegen ihrer Kürze und Schwäche nur ein langſames Kriechen zu bewerkſtelligen. Bei all' unſeren deutſchen und europäiſchen Lurchen be— trägt die Zahl der Finger vier, die der Zehen fünf; alleinige Ausnahmen bilden der italieniſche Brillen-Salamander mit vier Zehen und der krainiſche Olm mit drei Fingern und zwei Zehen. Wirkliche Nägel oder Krallen fehlen; oft aber ſind Schwimmhäute vorhanden. Mit Abſchluß der Metamorphoſe ſchwindet bei den Froſch— *) Die fußloſen, wurmartigen, ſchienenartig verdickte Hautringe mit Schüppchen beſitzenden Schleichenlurche oder Blindwühler (Apoda s. Gymnophiona) kommen, weil auf tropiſche Länder beſchränkt, hier gar nicht in Betracht. 245 Hauptmerkmale. Aeltere Anſicht. Geſtalt. 372 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. lurchen der dem Jugend- oder Larven-Zuſtande aller Lurche eigene, ſeitlich zuſammen— gedrückte, als Ruderwerkzeug und Steuer dienende Schwanz gänzlich, während er den Molchlurchen erhalten bleibt, nur daß er bei den landbewohnenden Arten ſich mehr abrundet. Iſt der Schwanz ſtets deutlich vom Rumpf abgeſetzt, ſo iſt der Kopf, da ein eigentlicher Hals fehlt, vom Körper kaum oder überhaupt nicht ge— ſondert, im Uebrigen in ſeinem Verlaufe faſt immer gleichbreit, die Schnauze zugerundet bezw. mehr oder minder abgeſtutzt mit weitgeſpaltenem Maul und dünnen Lippen; die kleinen Naſenlöcher liegen weit nach vorn, ein äußeres Ohr fehlt, die (abgejehen vom Olm) deutlich ausgebildeten, mit oberem Lid und großer Nickhaut oder mit oberem und unterem Lid verſehenen Augen treten ſtark vor. 1 Die den Körper in all' ſeinen Theilen bedeckende Haut, das Integument, iſt durchweg nackt. Und wenngleich ſie bei den auf dem Lande ihre Zeit verbringenden Thieren oft rauh und höckerig erſcheint, ſo iſt ſie im Allgemeinen doch weich, glatt und bei den Waſſerbewohnern namentlich ſchlüpfrig, wie ſie denn überhaupt mehr den Charakter einer Schleimhaut als den der Hautdecke anderer Wirbelthiere beſitzt. Doch beſteht auch ſie gleich der der letzteren aus zwei Hauptlagen: der Oberhaut (Epider— mis, Ektoderm) und der Unter- oder Lederhaut (Cutis, Corium, Meſoderm). Schon bei ſehr jungen Larven findet man die Epidermis zweiſchichtig, ſpäter zeigt ſie wohl nicht weniger als drei oder vier, freilich nicht mehr durchgehend geſonderte Zellſchichten, deren äußere man bekanntlich als Hornſchicht (stratum corneum), die innere aber als Schleimſchicht (stratum mucosum) bezeichnet. Die Zellen ſelbſt ſind hauptſächlich gewöhnliche, entweder kugelige oder längliche, eckige, buchtige, platte, gezacktrandige, zum Theil ſchon farbſtoffhaltige Oberhautzellen, zu welchen die wohl all' unſeren heimiſchen Lurchen eigenen flaſchenförmigen, z. Th. nach außen ge— ſchloſſenen, z. Th. an der Oberfläche ſich öffnenden Drüſenzellen und die ihnen nächſtver— wandten „Sinneszellen“, ferner die ſpärlich entwickelten „Schaltzellen“ und verzweigte bewegliche oder kontraktile Farbzellen oder Chromatophoren kommen. Die Oberhautzellen - erzeugen a Beldiıtäng des äußeren Theils ihrer feinen Zellwand (Membran) ein feines Häutchen, eine ſogenannte Cuti— cula, und die freie Fläche dieſer die ganze Körperhaut noch überziehenden Cuticula— ö bleibt entweder, wie Unterſuchungen mittelſt Fig. 40. Durchſchnitt durch die Froſchhaut. Lupe und Miekroſkop ergeben, glatt, oder förmigen, fer genen gelen . vd einfader dag geber denk, aber ſie iſt, und zwar häufig, mit Relief⸗ zellen b dicht unter der Epidermis. bildungen oder Skulpturen bezw. mit Höcker— und el a Lana 5 feinſten Art und auch größeren Hügeln und Kämmen, in denen ſich laut Leydig die Verſchiedenheit der „Spezies“ in beſtimmteſter Weiſe darthun kann, ausgeſtattet. Den Grundſtock der Unter- oder Lederhaut, welche bei ſehr jungen Froſchlarven d durch eine homogene, gleichartige Gallertmaſſe vertreten wird und in der Vollendung je nach den Arten ungleich dick, von bindegewebiger, faſeriger Natur, drüſen-, farbzellen-, nerven-, blutgefäß-haltig iſt, bilden wagerecht gelagerte Schichten derben Bindegewebes und dieſe ſind nach außen und innen, alſo nach dem Körper und nach der Oberhaut zu, überzogen ſowie in ſenkrechten Zügen durchſetzt von Farb— ſtoff, Blut und Lymphe und Nerven führendem und die als weinen dieſer Schicht anzuſehenden Drüſen umziehendem weicheren, lockeren Bindegewebe. Die großen und kleinen Lymphräume, deren Inhalt erſt vor einigen fünfzig Jahren durch Johannes Müller, wie wir aus der e in ſeinem Handbuch der Phyſiologie Sa) Allgemeines. 373 des Menſchen [Koblenz 1838, Seite 257] wiſſen, als Lymphe erkannt wurde, erreichen aber je nach den Körpergegenden und nach den Amphibien-Arten oder -Gruppen einen verſchiedenen Grad der Entwicklung, den höchſten bei den ungeſchwänzten Lurchen; und daher ſchreibt ſich, da das Unterhautgewebe infolge ſeiner Ausdehnung bezw. großen Lymphhöhlen hier beſonders ablöſend, trennend gegen die Muskulatur hin wirkt, die weite, ſackförmige Haut der Fröſche und Kröten, alſo die Eigenſchaft, die ſchon von Forſchern des vorigen Jahrhunderts gekannt und als „laxitas cutis mira“ beſchrieben wurde. Aber dieſe Aelteren, jo z. B. Schneider [Amphib. 1799), dachten ſich die Räume, über deren Bedeutung als Lymphhöhlen ſie noch nichts wußten, be— theiligt bei dem Athmungsvorgang, insbeſondere bei der Fähigkeit der Fröſche und noch mehr der Kröten, ſich aufzublaſen; und Leydig [Allgem. Bedeck.] macht ferner darauf aufmerkſam, daß ſelbſt Wagler [Syſtem 1830] in dieſem Punkte noch der Darſtellung Schneiders folgt, wenn er meint, daß der geringe Zuſammenhang der Lederhaut mit dem Körper den Froſchlurchen das Vermögen ſich wie die Igelfiſche aufzublähen und dazu eine gewiſſe, im Waſſer ihnen weſentlich zu ſtatten kommende Leichtigkeit des Körpers verleihe. Sonach wohnt der eben erwähnten Eigenthümlichkeit der Lymphgefäße bezw. des Unterhautbindegewebes eine ſyſtematiſche Bedeutung inne. Und in der That haben denn auch ſchon ältere Zoologen den in dieſer Beziehung zwiſchen ge— ſchwänzten und ungeſchwänzten Amphibien ſich ergebenden Unterſchied nicht nur ge— ſehen, ſondern auch bei ſyſtematiſchen Aufſtellungen verwerthet; ſo der Pariſer Pro— feſſor Blainville und der Münchener Zoologe Michael Oppel, welch' Letzterer bereits i. J. 1811 in feiner Schrift über die Ordnungen ꝛc. der Reptilien die beiden „Familien“ der „nackten Reptilien“ in der Weiſe unterſcheidet, daß bei den Schwanzlurchen die Haut angeheftet, bei den Schwanzloſen aber faltig, abgeſondert, ſackförmig ſei (Caudata: cutis musculis infixa. Ecaudata: cutis plicatilis, sejuncta, sacculiformis). — Da die Haut aber auch noch, wie die Unterſuchungen Leydig's, Eilhard Schulze's, Eberth's u. A. gezeigt haben, infolge anderer Eigenheiten für die Kenntniß und Unterſcheidung der deutſchen Amphibien von Wichtigkeit iſt, ſo werden noch einige Bemerkungen darüber hier angebracht erſcheinen, umſomehr als wir ſpäter immer wieder darauf zurückgreifen müſſen. Obgleich die bereits erwähnte Hornſchicht der Epidermis keines Swegs jene feſte Beſchaffenheit annimmt wie bei anderen Wirbelthieren, obgleich ſie alſo nicht jenen Grad der Verhornung zeigt wie bei den letzteren, ſo treten doch bei manchen Lurchen an gewiſſen Stellen Verdickungen und Verhornungen der Epidermis auf. Hierher ge— hören zunächſt die bei grabenden und kletternden Kröten, insbeſondere bei Bufo calamita und viridis, ausgebildeten verdickten und verhornten und „alsdann diffus bräunlich gefärbten“ Partien an den Gliedmaßen, namentlich an den Zehenſpitzen und den weiterhin zu beſprechenden Hand- und Fußhöckern, ferner die vorzugsweiſe auf der Haut der Rückenpartien einiger Froſchlurche: der Erd- und grünen Kröte und der Unke, ſich bemerklich machenden Hornhöcker oder ſtachelartigen Auswüchſe. Dieſe letzteren ſind reine Erzeugniſſe der Epidermis und dürfen nicht mit den gewöhn— lichen Warzen der Lederhaut, den Buckeln und Beulen zuſammengeworfen werden, wenn ſchon die Lederhaut als ſolche es iſt, welche die Form der Hornwarzen, d. h. der auf dem Scheitel einen Hornhöcker tragenden Warzen, beſtimmt: die Warzen gehören der Lederhaut an, und erſt auf dem Gipfel derſelben ſchafft die Epidermis glatte braune oder bräunliche, in der Form der Warze angepaßte hornige Höcker oder Dornen, welche, wie nähere Unterſuchung darthut, abgehoben werden können und dann Grübchen im Bindegewebe der Warze zurücklaſſen; aber außer dieſen auf den Warzen Verhornungen. Fußknoten. Hautſäume. 374 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſitzenden Höckern läßt eine weitere mittelſt der Lupe vorgenommene Unterſuchung der Haut der Unke eine ganze Anzahl zwiſchen den Warzen befindliche Spitzen erkennen. Die Hornhöcker fehlen bei der Kreuzkröte, können hingegen bei der Erdkröte einen merklichen Umfang annehmen. Immerhin aber entſprechen dieſe Hornhöcker, da die Hautdecke der Batrachier eben vorwiegend das Weſen einer Schleimhaut beſitzt, mehr den auf der Schleimhaut der Rachenhöhle höherer Wirbelthiere vorkommenden Horn— zähnen und Schwielen als den aus verhornten Oberhautſchichten aufgebauten Hornge— bilden derſelben Thierklaſſen, d. i. den Schildpatt-Platten und Kieferſcheiden der Schild— kröten, den Hornſcheiden der Rinder ꝛc., den Krallen, Klauen, Haaren der Säuge— thiere, den Federn der Vögel u. a. m. In ebenſo geringem Grade betheiligt ſich die Lederhaut an der Bildung oberflächiger Harttheile; denn Verknöcherungen in der— ſelben, ſogenannte Hautknochen, finden wir, was die heimiſchen Amphibien anbe— langt, nur bei der Kopfhaut der Knoblauchskröte, und Erhärtung der Haut durch Einlagerungen von Kalkkörpern (Kalkkonkrementen) weiſt nach Leydig einzig und allein die graue Erdkröte Bufo vulgaris und ihre japanische Form Bufo japonicus auf. Es muß hier aber eines anderen Punktes gedacht werden, nämlich der am hinteren oder Wurzeltheile des Handtellers und der Fußſohle unſerer Amphibien beim erſten Blick Schon auffallenden kleineren und größeren Höcker, Knöpfe oder Ballen (calla metacarpi et metatarsi), welche alſo dort über die glatte, ebene Hautfläche hervor— ragen, wie es in entſprechender Weiſe an anderen Stellen die ſchon beſprochenen Hornhöcker und die noch zu berückſichtigenden Warzen thun. Allein fie find charakteriſtiſcher und noch wichtiger als Hornhöcker und Hautwarzen und Drüſenwülſte. Denn obſchon unſere Molche und im Allgemeinen auch unſere Froſchlurche in der Regel an oder hinter der Wurzel der erſten (inneren) und der vierten oder fünften Zehe und des erſten Daumen) und des dritten oder vierten Fingers je einen jener Hauthöcker auf— weiſen, ſo laſſen dieſe Gebilde jedoch hinſichtlich Größe, Zahl, Geſtalt, Zurundung oder Zuſchärfung, Färbung verſchiedene Abänderungen unſchwer erkennen, ſodaß ſie, und mit ihnen die bei Fröſchen und Kröten auf der Unterſeite der Finger und Zehen und zwar an den Beugeſtellen derſelben erſcheinenden Gelenk- oder Subartikular— Höckerchen, von Bedeutung ſind bei Unterſcheidung der Gattungen und Arten. Dieſe Höcker und Knöpfchen und Knötchen ſtellen ſich dar als örtliche, ſchwielenartige Hautver— dickungen, mit der bindegewebigen Lederhaut als Grundlage und der, wie erwähnt, zuweilen verhornten und bräunlichen Oberhaut darüber, alſo ohne knorpeligen oder knochigen Kern bezw. feſte innere Grundlage; eine ſolche iſt eben nur dem auch ſchon erwähnten, an der Wurzel der Innenzehe gewiſſer Fröſche und Kröten ſich ganz beſonders bemerklich machenden, als ſechſte Zehe, Ferſenhöcker oder innerer Metatarſal-Tuberkel bezeichneten Höcker eigen. Spielt der letztere unter anderem bei der Beſtimmung der Arten und Formen der Fröſche eine Rolle, ſo giebt die bei Beſprechung der Warzen und Drüſen noch zu berück— ſichtigende, den männlichen Thieren zukommende „Daumenwarze“, an deren Skulptur, Form und Ausdehnung ſich übrigens auch die Artverſchiedenheit unſerer Froſchlurche geltend macht, namentlich zur Laichzeit ein hervorragendes Merkmal zur Erkennung des Geſchlechts derſelben Batrachier ab. Weitere, gegenüber der gewöhnlichen, anliegenden Bedeckung auffallende häutige Anhänge ſind die als Floſſenſäume, Schwimmhäute ꝛc., auftretenden Bildungen. Floſſenſäume, wie fie ausländiſchen Fiſchmolchen während des ganzen Lebens zu eigen ſind, zeigen unter den deutſchen Arten im erwachſenen Zuſtande nur die männ- lichen Tritonen und auch nur zur Fortpflanzungszeit, wogegen ſie unſere ſämmtlichen Amphibien in der Larven- oder Quappenform aufzuweiſen haben. Den Larven dienen Allgemeines. 375 fie, gleich den Schwimmhäuten der erwachſenen Froſchlurche, den Zwecken der Fort— bewegung; bei den männlichen Molchen tritt dieſe Beſtimmung mehr zurück, hier muß der als Hautkamm oder Hautleiſte auf Rücken und Schwanz erſcheinende Hautſaum, bei dem männlichen Leiſtenmolch auch der Schwanzfaden, als Schmuck des werben— den Männchens gelten, welches zur Paarungszeit außerdem noch an der Oberlippe einen unbedeutenden Hautſaum und, wenigſtens beim Streifen⸗ und Leiſtenmolch, an den Zehen häutige Anhängſel entwickelt. Der als eine in der Mittellinie des Körpers ſich erhebende Hautfalte zu betrachtende Floſſenſaum erinnert zwar an die Floſſen der Fiſche, unterſcheidet ſich jedoch von denſelben ſtets durch den Mangel an ſtützen— den Trägern bezw. Skelettſtrahlen, weshalb er ſich außerhalb des Waſſers ſogleich umlegt, falls er nicht an und für ſich ſchon ſehr niedrig iſt. Schwimmhäute zwiſchen Fingern und Zehen mangeln, abgeſehen von den ſoeben vermerkten Fällen, unſeren Schwanzlurchen gänzlich, ſie kommen dagegen allen heimiſchen Froſchlurchen zu, wenngleich ſie ſich auch hier auf die hinteren Gliedmaßen beſchränken und zudem auch an dieſen blos bei Gras- und Waſſerfroſch, Feuer- und Knoblauchskröte in Ge— ſtalt von wirklich oder doch nahezu vollkommenen, bei den übrigen Arten in Form von halben oder noch mehr verkümmerten Schwimmhäuten auftreten, während ſich Spuren davon an den Vordergliedmaßen nur bei den Gattungen Rana und Hyla vorfinden. Bei den Männchen ſind die Schwimmhäute beſſer entwickelt als bei den Weibchen, bei den Kröten derber als bei den anderen Spezies und, insbeſondere bei der Kreuzkröte, am Rande gekerbt und verdickt. Ausgezeichnet iſt die Haut der Amphibien durch den Reichthum an D 1 welche, wie aus dem früher Geſagten erhellt, nebſt den Warzen (Papillen) der Leder— haut angehören. Die Warzen bergen in der Regel eine 5 mehrere, zuweilen ſogar einen Haufen Drüſen verſchiedener Größe; doch können ſie auch, und ſo iſt es Leydig's Unterſuchungen zufolge bei manchen Bauchwarzen der Erdkröte, ohne allen drüſigen Inhalt ſein. Daraus ergiebt ſich, daß die Warzenbildung unabhängig von den Drüſen iſt, bezw. daß die die Rauhigkeit der Haut bewirkenden Beulen oder Buckel für ſich beſtehen können und daß dieſe auch dann, wenn ſie gleich der übrigen Haut Drüſen enthalten, nicht erſt durch die letzteren hervorgerufen zu ſein brauchen. Anderſeits können, wie es ſich beim Kamm- und Bergmolch zur Zeit ihres Landaufenthalts wahrnehmen läßt, infolge Einſinkens der Lederhaut die größeren Drüſenſäckchen als Wärzchen hervortreten und eine mehr oder minder auffallende Körnelung der Haut bewerkſtelligen. Und noch weit auffallender ſind die Wülſte, welche die Drüſen an gewiſſen Körperſtellen, indem ſie ſich hier häufen oder zuſammendrängen, erzeugen. Dahin gehören der bei Salamander und Erdkröten ſehr ſtark ausgeſprochene, beim Feßler weniger kräftig ſich abhebende Drüſenwulſt, welcher an jeder Kopfſeite in der Ohrgegend ſitzt und als Ohrdrüſe oder Parotis bezeichnet wird, obgleich er weder anatomiſch noch phyſiologiſch, alſo weder ſeinem inneren Bau noch ſeiner Funktion nach der Parotis, d. h. Ohrſpeicheldrüſe der Säugethiere, entſpricht; ferner der beim Feßler und bei den echten Raniden von der Ohr- oder Augengegend an längs der Rückenkante nach dem After hin laufende, mehr oder weniger ſcharf ausgeprägte Drüſenwulſt (Drüſenleiſte), welcher aus einer langen Reihe dicht zuſammengedrängter Drüſenwarzen beſteht und bei manchen Arten infolge einer hellen Färbung umſomehr ſich bemerklich macht; endlich die Runzeln und die kugelig vorſpringenden Drüſen an Rumpf und Schwanz der Erdſalamander. Auch ſonſt ſind, wie ſchon die Poren auf der Hautfläche erkennen laſſen, zahlreiche Drüſen über den Körper erwachſener Amphibien, einſchließlich der Schwimmhäute, des Trommelfells, der Augen-Nickhaut, verbreitet, wenn— Hautwarzen und D rüſen. Hautabſonderung. Giftſtoff. 376 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. gleich die Haut im Uebrigen (ſo bei der Knoblauchskröte und den Fröſchen) glatt, zart, glänzend iſt; und ſchließlich erſcheinen zur Fortpflanzungszeit an den Gliedmaßen männlicher Froſchlurche gewiſſe Drüſen oder Warzen in Geſtalt von dunkel gefärbten Hautwucherungen oder dunklen, rauhen Anſchwellungen, vorzugsweiſe an der Innen— kante des innerſten Fingers oder Daumens („Daumenwarzen“, „Daumendrüſen“ oder „Daumenſchwielen“ bei den Männchen der Erdkröten, Fröſche und Unken), bei Kröten und Unken aber auch an den folgenden Fingern, bei den Unken zudem an der Beuge— ſeite des Vorderarmes und bei der Bergunke ſelbſt noch unter der zweiten und dritten Zehe des Hinterfußes. Dieſe ſogenannten Daumenſchwielen und verwandten Hautwucherungen, welche übrigens den deutſchen Land- und Waſſermolchen, ſicherlich auch dem Feßler fehlen, beſchränken ſich alſo faſt immer auf die vorderen Gliedmaßen, treten aber hier, wie bereits oben erwähnt, je nach der Art der Froſchlurche, in ver— ſchiedener Ausdehnung und Form auf und haben beſonders gut entwickelte und ge— häuft ſtehende Lederhaut-Papillen mit Taſtkörperchen, die auch ſonſt in der Hautfläche der ungeſchwänzten Batrachier vorkommen (vergl. Taſtſinn), zur Grundlage. Sie bilden ſich vor Beginn der Brunſtzeit aus, um nach derſelben allgemach zu ſchwinden, und helfen vermöge ihres rauhen oder höckerigen Weſens dem Männchen, das Weib— chen bei der oft tagelang dauernden Begattung feſtzuhalten; und da die einheimiſchen Molche ebenſowenig als die Geburtshelferkröte eine ſolche Umarmung bezw. Begattung eingehen, ſo erklärt es ſich, daß bei dieſen Lurchen derartige äußere Hilfsorgane, welche Lataſte Brosses copulatrices (kopulatoriſche Platten oder Begattungs-Warzen) genannt hat, ſich gar nicht entwickeln, wogegen ſie wiederum bei ausländiſchen, während der Paarung ſich umfaſſenden Molchen vorhanden ſind. Wohl aber ſtehen auch mit dem Geſchlechtsleben unſerer Tritonen gewiſſe Drüſen und Papillen in Ver— bindung, nämlich die in die Seitenwand der Kloake eingebetteten Drüſen und deren Ausführungswege, welch' letztere an den Rändern der Kloaken- oder Afterſpalte des Männchens als lange, am oberen und hinteren Winkel der Spalte jederſeits „zu einem Büſchel zarter, blaſſer, borſten- oder fadenförmiger Hervorragungen“ ſich ge— ſtaltende Hauthöcker oder Papillen mit Drüſenöffnungen erſcheinen und von Leydig als die Träger der Ausführungsgänge von Kloakendrüſen erkannt wurden [Molche S. 42]; denn daß die „büſchelförmigen Anhänge“, welche uns bei Beſprechung der Tritonen wieder begegnen werden, in beſtimmte Beziehung zu der geſchlechtlichen Thätigkeit treten, erhellt ſchon aus dem Umſtande, daß ſie ſich gleich den „Daumen— ſchwielen“ der Anuren und der an der hinteren Seite des Oberarmes von Pelobates ſich zeigenden großen Drüſe zur Begattungszeit ſonderlich entwickeln, um nach der— ſelben eine ganz bedeutende Rückbildung zu erleiden. Wie aber dieſe mit dem Geſchlechts-Apparat in Zuſammenhang ſtehenden Ge— bilde einen ſpezifiſchen, bei der Fortpflanzungsgeſchichte der Tritonen noch zu berück— ſichtigenden Stoff liefern, ſo ſondern auch andere, an gewiſſen Theilen des Körpers ſitzende oder über denſelben verſtreute Drüſen eine Flüſſigkeit ab: die Drüſen der Augenhöhlen ſchmieren die Augen ein, um ſie beim Verlaſſen des Waſſers gegen die Luft zu ſchützen, und weitere Hautdrüſen ſcheiden — hier ganz abgeſehen von dem durch die Haut ausgeſchwitzten Waſſer, wovon ſpäter die Rede ſein wird — einen milchigen Stoff aus, der „am meiſten dem Safte von Wolfsmilch oder Mohn ähnlich und von eigenartigem, beim Salamander von Miß Ormerod dem des Mohnſaftes, von Tiedemann und Leydig dem des Jasmin verglichenen Geruch“ iſt. Dieſes zähe Hautſekret, von Linné Oleum, von anderen Autoren weniger zutreffend Saliva benannt, „quillt nach Um— ſtänden reichlich aus den Drüſen hervor“ und zeichnet ſich einerſeits durch Klebrigkeit, Allgemeines. 377 anderſeits durch ätzende Schärfe aus. Infolge der erſteren Eigenſchaft dient es zur Unter— ſtützung der Kletterbewegung gewiſſer Amphibien, denn man kann, worauf auch Leydig hinweiſt, beobachten, daß der Laubfroſch nicht blos mit dem aus den Zehenballen ſchwitzenden Saft, ſondern auch mittelſt des an der Bauchhaut und der Unterſeite der Oberſchenkel aus⸗ geſchiedenen Sekrets an glatten Flächen ſich feſtzuhalten weiß, oder daß ganz junge Kreuzkröten die hintere Bauch- und Weichengegend beim Klettern benutzen, um ſich mit Hilfe derſelben an glatten Flächen feſtzuhalten, und daß kleine einjährige Unken, wie ich an zwei im Terrarium beherbergten Stücken bemerkt, an der Gazewand des Behälters aufſteigen, indem ſie mit den Zehen fortgreifen, aber während De in ganz kurzen Zwiſchenräumen gemachten Ruhepauſen mit durch Andrücken der Bauch- und Weichenpartie an die Fläche ſich vorm Herabfallen bewahren. Möglicher Weiſe iſt es der klebrigen Flüſſigkeit des Sekrets auch zu danken, daß ſie, indem ſie die Haut oder doch gewiſſe Stellen derſelben beſtändig etwas einölt bezw. wie mit einem Firniß überzieht, die Körperdecke des während der Sommerzeit außer Waſſer und immer frei in der Luft hauſenden Laubfroſches und vielleicht auch anderer Arten vor zu ſtarker Verdunſtung und Eintrocknung ſchützt. Die ätzende Schärfe des wohl aus einem Gemiſch eiweißiger, fettiger und anderer Stoffe beſtehenden Sekrets aber ſchafft zahlreichen Lurchen, insbeſondere den mit großen, viel ee erzeugenden Drüſen (Parotiden) ausgerüſteten Kröten und Salamandern, ein Vertheidigungsmittel, eine Abwehr gegen zudringliche Thiere und Menſchen, zu vergleichen dem brennenden Inhalt der Neſſel— faden ſeebewohnender Aktinien und ſonſtiger Pflanzenthiere. Eine dahingehende Er— fahrung machte unter Anderen ſchon Pallas, indem ſein Mopshund, der es nicht unterlaſſen konnte, Kröten todt zu beißen, geſchwollene Lippen bekam, erkrankte und verendete. Und wenn ſowohl Gratiolet und Chloez durch die von ihnen angeſtellten Verſuche als auch Rübbeler den Drüſenſaft der Kröten, innerlich gegeben und ein— geimpft, als eine kleinere Thiere (Vögel bezw. Hündchen, Kaninchen, Fröſche) lähmende und tödtende Subſtanz erkannten, ſo konnte Zalesky bei ſeinen ausgedehnten Unter— ſuchungen vermittelſt der Drüſen-Abſonderung des Salamanders Fiſche, Fröſche, Enten, Hunde tödten. Behalten wir dies im Auge und erinnern uns ferner einiger Beobachtungen, denen zufolge 3. B. durch das Sekret eines im Aquarium ſterbenden Feuer-Salamanders die jahrelang in demſelben Behälter gepflegten Fiſche während einer Nacht eingingen, oder daß eine Eidechſe, die ſich an einem Salamander verbiſſen, binnen kurzem ſtarb, oder daß ein Chamäleon, welches in Gegenwart des Herrn Prof. A. v. Mofſiſovicz einen außergewöhnlich großen Kamm-Molch mittelſt des Maules am Hinterkopf er— faßte, ſchüttelte, wieder losließ, um ihn dann nochmals in gleicher Weiſe anzugreifen, die heftigſten Vergiftungs-Erſcheinungen zeigte und nach zwei Stunden verſchied — ſo werden wir das milchige Sekret der Hautdrüſen als eine Art Giftſtoff (Zalesky nannte den des Salamanders „Samandrin“) anerkennen müſſen, der allerdings hin— ſichtlich der Formung und Miſchung ſeiner Elemente und ſelbſtverſtändlich auch be— züglich der Stärke von dem Schlangengift abweicht. Nach Zalesky, welcher das Sekret von mehr als 1000 Salamandern zwecks Anſtellung von Verſuchen und Unter— ſuchungen ſammelte, iſt der Giftſtoff eine kryſtalliniſche organiſche, ſtark alkaliſche Baſe, in Alkohol und Waſſer leicht löslich: den erwähnten kleinen Thieren beigebracht, er— zeugt er nach einigen Minuten eigenthümliche, den epileptiſchen Krämpfen ähnliche Zuckungen, Maulſperre (Trismus), Speichelfluß, Nackenſtarre ( Opiſthotonus), während der Krämpfe iſt die Athmung unterbrochen, und indem jene 155 Pauſen ſich verſtärkt wiederholen, tritt der Tod unter lähmungsartiger Ermattung ein; das Gift, deſſen ſpezifiſcher Geruch wohl von mehr nebenfüchlichen Fettſäuren herrührt, ſcheint direkt 378 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. auf die Nervencentren zu wirken. Aus den Unterſuchungen G. Calmels über das Gift der Batrachier („Sur le venin des Batraciens“) aber wiſſen wir zunächſt, daß das „Gift“ der Kröte eine gewiſſe Menge Methylkarbylamin, dem es z. Th. ſeinen Geruch und ſeine giftigen Eigenſchaften verdankt, außerdem noch Methylkarbylamin— ſäure, Kohlenſäure und Iſocyomſäure enthält, ferner daß der Stoff beim Erwärmen harzartig wird, die Salze deſſelben in ihren Löſungen Glykokoll abſetzen und gleich— zeitig Ameiſenſäure ſich bildet und daß die ſonſt farbloſen Salze gewöhnlich von einem gelben Farbſtoff begleitet ſind, weiter daß beim Kamm Molch die entſprechende Säure in einer beſonders merkwürdigen, von Calmels früher als grain de venin beſchriebenen, zuerſt beim Erdſalamander von Zalesky und dann auch von Joyeux Loffuin beim Skorpion bemerkten Form vorkommt u. ſ. f., ſchließlich auch daß die phyſiologiſchen Eigenthümlichkeiten des Giftſtoffes vom Erdſalamander (nach Vulpian) und vom Skorpion (nach Paul Bert) übereinſtimmen und beide Stoffe eigenthümliche Zuckungen, die Calmels eben bei Amylkarbylamin beobachtet hat, erregen und man überhaupt ſchließen darf, daß das „Gift“ aller dieſer Thiere ſich derſelben chemiſchen Reihe unter— ordnet „und etwa dem Leucin oder einer anderen zweibaſiſchen Säure entſpricht“. n Wenn wir alſo durch die oben mitgetheilten Erſcheinungen die alte Volksmeinung von der Giftigkeit der Kröten und Salamander inſofern beſtätigt ſehen, als ihre ee Rund, in den Magen gebracht oder unter die Haut eingeſpritzt und dadurch ins Blut übergeführt, kleinen und ſelbſt nahverwandten Thieren gefährlich, tödtlich werden kann, während die betreffenden Amphibien gegen das Gift der eigenen Art unempfindlich ſind, ſo iſt die Wirkung des friſch ausquellenden Saftes auf den Menſchen weit unbedeutender. Dieſelbe äußert ſich inſonderheit gegenüber der Haut bezw. der Schleimhaut, iſt namentlich in Bezug auf die Augen ſchon längſt bekannt und wird einem beſonderen Stoff, dem „Phrynin“ (Phryne oder Bufo, Kröte), zugeſchrieben; unter Anderen macht auch bereits J. Sturm im erſten Heft ſeiner „Amphibien“ die Bemerkung, daß die ausgeſchiedene „Flüſſigkeit“ des Laubfroſches und der „ätzende Schaum“ des großen Waſſermolches, an die Augen bezw. wunde Theile gebracht, Beißen reſp. Schmerzen verurſacht, und Leydig [Bedeckgn.] ergänzt dieſe Bemerkung nur, wenn er hervorhebt, daß die Haut unſerer Handfläche, unter Auftreten eines brennenden Gefühls, ſich röthet, falls man ſich längere Zeit mit einem lebenden Laub— froſch oder einem Molch zu ſchaffen macht; J. Davy, welcher das Sekret der Kröte unterſuchte, fand es ſcharf, bitter, reizend und in der Wirkung auf die Haut (Zunge) dem Akonit ähnlich, und gar Mancher wird gleich mir die Erfahrung gemacht haben, wie der von den Ohrdrüſen einer Kröte oder eines Salamanders ausgeſchwitzte Saft, der entweder direkt (durch ein zum Transport benutztes Taſchentuch etwa) oder indirekt (durch ſeine flüchtigen Stoffe) mit der Naſe in Berührung kam, die Schleim— häute derſelben zu wiederholtem Nieſen reizte. Ja dieſe Erſcheinung kann ſich ver— ſchlimmern und in Schnupfen, Kopfſchmerzen, Betäubtheit ihren Ausdruck finden, falls dem Sekret in ſtärkerem Grade oder in längerer Dauer auf die Schleimhäute einzuwirken geſtattet iſt. Und man wird, wenn man Beobachtungen anzuſtellen und feine e zu ſammeln in der Lage war und nebenher auch der entſprechenden Ver— hältniſſe bei den Giftſchlangen ſich erinnert, im Allgemeinen annehmen dürfen, daß der Stärkegrad, die Schärfe, die reizende oder betäubende Wirkung der Hautabſonde— rung bei geſteigerter Lebensthätigkeit, d. h. zur Fortpflanzungs- und (da die betreffen— den Lurche doch vorwiegend nächtliche Thiere ſind) zur Abendzeit, eine erhöhte iſt. Leydig ſpricht dann noch, gewiſſermaßen in Erweiterung dieſes Satzes, die Erfahrung aus, daß bei Thieren, welche aus ſüdlicheren Gegenden ſtammen, die Wirkung des Allgemeines. 379 Hautſaftes noch empfindlicher ſei als bei Stücken gleicher Art aus dem Inlande: lebende ſardiniſche Laubfröſche, beunruhigt und mit der Hand ergriffen, rochen ſcharf wie eine geängſtigte Unke und ätzten die Haut in ſehr entſchiedener Weiſe; ſie übertrafen hierin den reizenden Stoff unſeres Laubfroſches bedeutend, hatten indeß nach etwa viermonatlichem Aufenthalt in Tübingen die ätzende, ſcharf riechende Be— ſchaffenheit des Sekrets völlig verloren — ein neuer und beachtenswerther Beweis dafür, daß Boden und Luft auf thieriſche wie pflanzliche Abſcheidungen ſehr beſtimmend einzuwirken vermögen. *) Es wurde bereits angedeutet, daß eine Kröte, eine Unke, ein Salamander de. das Sekret willkürlich in kleinerer oder größerer Menge abzuſcheiden im Stande iſt. Sieht der Lurch ſich beunruhigt und erſchreckt, verfolgt oder angegriffen, in wirklicher oder vermeintlicher Lebensgefahr, ſo quillt der Saft um ſo reichlicher und läßt nicht nur einen ſcharfen, übeln, ja unleidlichen Geruch wahrnehmen (ſodaß die älteren Autoren von einem heftigen oder unerträglichen Geſtank der verſchiedenen Kröten ſprechen), ſondern bedeckt womöglich auch das Thier wie ein weißlicher oder graulicher Schleim, indem das austretende Sekret an den Drüſen— mündungen haften bleibt und gerinnt. Freilich iſt Letzteres, was man z. B. auch beim Einwerfen eines Stückes in Spiritus bemerken kann, nicht bei einem Thier wie beim andern und nicht bei einer Art wie bei der andern übereinſtimmend und auf— fallend; denn die Erdkröten entleeren ihre Drüſen nur bei äußerſter Aufregung und Gefahr, während es Unken, meinen und Anderer Beobachtungen nach, eher thun. Immer aber ſuchen die betreffenden Batrachier durch Abſonderung dieſes Stoffes nur einer Gefahr zu entgehen, einen thatſächlichen oder eingebildeten Feind von ſich ab— zuhalten oder abzuſchrecken, alſo daſſelbe zu erzielen, was die Fröſche durch Ablaſſen des Urins beim Ergreifen beabſichtigen; nie benutzen ſie das Sekret als Angriffs— waffe, ſondern ſtets nur zur Warnung und zur Abwehr, als ein Ver— theidigungsmittel und noch dazu, gleich dem erwähnten Urin der Fröſche, als ein größeren Thieren — deren viele ſich ja von Lurchen nähren — und den Menſchen gegenüber recht unſchuldiges. Es wäre daher thöricht, ja vermeſſen, wollte man die ihrer Lebensweiſe nach ſo nützlichen Kröten, Salamander und verwandte Sippe auf eine Stufe ſtellen mit den alsbald zum Biß bereiten, ungereizt angreifenden und deshalb höchſt gefährlichen, unbedingt zu vertilgenden Giftſchlangen. Neben dem ſoeben beſprochenen ſtehen den Lurchen, wenngleich nicht allen, einige andere paſſive Schutz- und Vertheidigungsmittel zu Gebote, nämlich eine in erheblicherem oder geringerem Grade ausgebildete, jedoch nur gewiſſen Arten eigene Fertigkeit im Springen, Schwimmen und Tauchen und, was für die Allgemeinheit wichtiger und wirkſamer iſt, eine der Wohnſtätte, der Umgebung oft ſo trefflich an— gepaßte Hautfärbung. Obwohl in den Zellen der Oberhaut Farbſtoff abgelagert ſein kann, ſo iſt doch, wie auf Seite 372 angedeutet, der größte Theil des Haut— pigments ſtets in der Unterhaut abgeſetzt. Leydig bemerkt in ſeinen „Allgem. Be— *) Mit dem ſoeben Mitgetheilten ſtimmen auch die durch den Botaniker Andre beſtätigten Be— richte Saffray's über die Giftigkeit des von gewiſſen Arten der amerikaniſchen Laubfroſch-Gattung Phyllo- bates gelieferten Sekrets überein. Demzufolge bewahren die Choco-Indianer der Urwälder Neu-Grana— das ꝛc., wenige Grade vom Aequator, das vorſichtig mittelſt Blätter ergriffene Thier in Bambusrohr auf und hängen es, wenn man Gift braucht, in dem Rohr oder an einem Zweige über Feuer, um den nun von ihm in ſtarkem Maaße abgeſonderten gelben, giftigen Saft, der das Thier alsbald völlig be— deckt, entweder abzukratzen oder beim Abtropfen in untergeſtellten Schälchen zu ſammeln. Das Gift, welches allmählich die Konſiſtenz des Urari annimmt, wird auf die Spitzen der mit dem Blasrohr zu verſendenden Pfeile geſtrichen und tödtet den kleinen Hirſch in zwei Minuten. Sekret als Wehrmittel. Hautfarben. Schutzfärbung. 380 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. deckungen d. Amphib.“, daß er die Epidermis der Bauchgegend bei Alytes und die über den gelben Flecken des Feuerſalamanders hergehenden Zellen pigmentfrei fand und daß die Epidermis des Laubfroſches überall pigmentlos zu ſein ſcheine, wogegen bei ſehr dunkler Farbe (Land- und Kamm Molche) auch die Epidermiszellen in reich— lichem Maaße bankelbngts Pigment in ſich ſchließen, und zwar ſind es bei Anweſen— heit des letzteren „immer die unteren Lagen der Oberhaut, wo ſich daſſelbe am eheſten verdichtet“.“) In der Lederhaut aber bleibt, demſelben Forſcher zufolge, der oberſte Saum allezeit frei von färbendem Stoff, ſodaß derſelbe als ein heller, wenngleich mit— unter ſehr ſchmaler Streifen von der Pigmentzone ſich abhebt; der eigentliche Sitz des Pigments iſt eben immer der aus dem lockeren Bindegewebe gebildete Theil (Seite 624). Am allgemeinſten verbreitet in der Lederhaut iſt das dunkelkörnige oder ſchwarze Pigment, weniger allgemein iſt ein Pigment von gelblichem oder orangefarbigem bezw. rothem Ton (Unterſeite der Waſſermolche), ſodann ein weißes, nicht iriſirendes und ein metalliſch glänzendes oder iriſirendes Pigment, welch' letzteres von gelbem, weißem, bläulichem oder auch (wie bei der Unke) erzfarbenem Schimmer iſt. Wie nun infolge dieſer Ver— theilung der verſchiedenen Pigmente nach Körperregionen und Flecken mehr oder minder auffällige und ſchöne Färbungen (3. B. Schwarz und Gelb beim Feuerſalamander) zu Stande kommen, ſo beruhen andere Färbungen, namentlich grüne und blaue, und der Farbwechſel (Seite 381) auf der Vertheilung und der Bewegungsfähigkeit der veräſtelten kontraktilen Farbzellen oder Chromatophoren. Jene nachahmende Hautfärbung befähigt die Lurche, dem Einfluß und den Blicken der Feinde mehr oder minder leicht und ſicher ſich entziehen zu können, während anderſeits, und dies iſt ein zweiter Vortheil, die ſympathiſche Färbung den Lurch den Augen ſeiner zahlreichen Opfer (Fliegen, Gewürm u. a.) verbirgt. Die oberſeits ſchlammfarbene Unke fühlt ſich in ihrem moorigen Tümpel und Weiher ſehr wohl geborgen, die erdfarbige Kröte duckt ſich gegen den braungrauen Boden und möchte einem Erdklumpen ähneln, der düſter erſcheinende oder grau und braun oder ſchwärz— lich und olivengrünlich gemarmelte und getüpfelte Triton weiß ſich ſicher auf dem mit verweſenden Blättern und Pflanzentheilen überſäten Grunde der Lachen, Teiche und Altwäſſer, der blattgrüne Laubfroſch drückt ſich im Bewußtſein des ihm durch ſein Kleid verliehenen Schutzes ruhig an das gleichfarbige Geblätter luftiger Kronen, wogegen der ſtill auf graſigem Uferſaum ſitzende grüne Teichfroſch bei nahender Ge— fahr in weiten Bogen in's Waſſer ſetzt, um ſich hinter und unter Pflanzen zu retten u. ſ. w. Wenn uns ſchon die Ke e der Eidechſen zeigte (Seite 47), daß ört— liche und verwandte Einflüſſe: Licht-, Wärme, Feuchtigkeits Verhältniſſe 15 Gebietes, auch die Ernährung dc. bei der Schaffung und Fixirung der Hautfärbungen ſich geltend machten, ſo trifft dies in noch höherem Grade hinſichtlich der Lurche zu, es entſtanden alſo bei den einzelnen Arten mit der Umgebung bleibend harmonirende Farben, ſoge— nannte Schutzfärbungen, fi ympathiſche Färbungen, Bergungs-Farben oder „ſchützende Aehnlichkeiten“, die Thiere ahmten in Farbe und Zeichnung den Wohnplatz nach, was ihnen im Kampfe ums Daſein von weſentlichſtem Vortheil wurde. Als Beleg ſeien hier nur noch zwei Fälle angeführt. Auf der 50. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu München berichtete Prof. R. Wiedersheim über eine Aupaſſung der Färbung des Grasfroſches (Rana temporaria, aut.) an den überall von einer Unmaſſe kleinerer und größerer, infolge des in ihnen enthaltenen mannigfach gefärbten Feldſpaths bunt ) Verſchieden von den gewöhnlichen länglichen, rundlichen, platten Oberhautzellen, welche Farbſtoff enthalten können, ſind die veräſtelten beweglichen Chromatophoren. Allgemeines. 381 ausſehender Granitſtückchen bedeckten Grund der pflanzenleeren Waſſergräben in der Nähe der Landſtraße von Ponte nach Samaden im Ober-Engadin; die Fröſche ſind ſich ihrer ſchützenden Aehnlichkeit ſehr wohl bewußt, denn ſie ſtürzen ſich bei Annähe— rung des Menſchen ſofort in die Gräben, um ſich am Boden zwiſchen den Granit— ſtückchen platt auszuſtrecken, ſodaß man ſie erſt bei genauem Zuſehen gewahrt; und hat man die Fröſche heraufgeholt, ſo iſt man erſtaunt über die auffallende Ueberein— ſtimmung der Farben: Rücken und Oberſeite der Gliedmaßen mit einer gröberen oder feineren Tigerzeichnung in den allerverſchiedenſten Variationen, ſodaß man oft den Eindruck bekommt, als wäre die theils rothbraun, theils gelbbraun grundirte Haut wie mit Tinte beſpritzt — „es iſt dies ein merkwürdiges Beiſpiel der Fixation einer Färbung“. Der grünen Kröte (Bufo viridis Laur.), deren Farbwechſel bereits den Forſchern des vorigen Jahrhunderts bekannt war, fehlt nach den Beobachtungen Alfred Walters das bei uns ihr eigene Grün in Transkaſpien ſehr vielfach, ganz entſprechend dem dortigen häufigen Auftreten eines hellen Braun beim großen Seefroſch (Rana esculenta ridibunda). Das wird leicht verſtändlich bei Berückſichtigung des Umſtandes, daß durch jenes ganze Gebiet in der Pflanzenwelt, von einigen unglaublich widerſtandsfähigen Formen und den künſtlichen Oaſengärten abgeſehen, das Grün eine äußerſt vergängliche Erſcheinung darſtellt: „dem überwiegenden einfarbigen Ledergelb oder Braun der dortigen Steppe paßten eben die zum Farbenwechſel beſonders geeigneten Amphibien ſich bald an“. Dem Beobachter begegneten zahlreiche Exemplare der genannten Kröte, die auf licht ledergelbem Grunde dunkelbraune Flecken trugen, ohne jeden Schimmer des Grün, ferner nicht ſelten ganz einfarbige, bis auf den unteren Theil der Hintergliedmaßen ungefleckte Stücke u. ſ. w. Da wir über die Entſtehung von bleibenden Farben-Abänderungen, ſtändigen Varietäten, geographiſchen (Lokal-) Raſſen bereits auf Seite 47/48 geſprochen haben, ſo werden wir eines nochmaligen Eingehens auf jene Erſcheinungen und Momente ent— hoben. Ebendort haben wir auch des Ausführlichen über die vorübergehenden Farben— ſpiele gehandelt, die durch die veräſtelten Farb- oder Pigmentzellen (Chromatophoren) der Haut bedingt werden, welche auf ge— wiſſe Reize hin, bezw. unter dem Einfluß des Nervenſyſtems ſich zuſammenzuziehen und auszubreiten, höher gegen die Haut— oberfläche zu ſteigen oder in die Tiefe ſich zurückzuziehen vermögen. So wird, wenn 5 alle Chromatophoren ausgedehnt find, „ ee (Fig. 41), Braun oder Schwarz vorherrſchenn und an Stellen, wo helle Chromatophoren gehäuft ſtehen, die Farbe der letzteren ab— ändern; ziehen ſich jene zuſammen (Fig. 41a und e), während die hellen ausgedehnt bleiben, ſo wird die Farbe der letzteren mehr zum Vorſchein kommen. Zunächſt 0 feſtzuhalten, e ee au 19 0 8 Fig. 41. Bewegliche Farbzellen oder Chromatophoren Temperatur, größere oder geringere Feuch— der Amphibienhaut (Froſch), nach Liſter. tigkeit, ſtärkerer oder verminderter Lichtreiz, a und e in ganz zuſammengezog. Zuſtande (e an einem Haargefäß geſchlechtliche Erregung, Angſt, Wohlbe⸗ liegend), b und e halb a h ausgebreitete, d ganz hagen, Aufregung die Stimmung des Nervenſyſtems umändern und auf die beweglichen Farbzellen einwirken, d. h. zum Farbwechſel 382 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. 2 gegebenen Zeitpunkt einen Farbwechſel der Haut herbeiführen. Daher werden, wie F. Leydig feſtſtellte [Bededungen], Lurche in Sonnenlicht und Wärme, bei Wohl— behagen hell, indem die dunkeln Chromatophoren in die Tiefe der Haut zurück— ſinken, wogegen die Thiere bei Herunterſtimmung des Nervenſyſtems, beiſpiels— weiſe durch niedere Temperatur, dunkeln oder ſchwarzen Farbenton annehmen. So waren Laubfröſche bei hellem Himmel, warmer Witterung und Windſtille ſchön hellgrün und gelb, bei bedecktem Himmel, heruntergegangener Temperatur, Wind und Gewitterſchwüle trüb- und ſchmutziggrün, während des Transports in geſchloſſenem Gefäß und noch einige Zeit nach demſelben ebenſo wie bei Kälte und im Winter graugrün, ſchwärzlich oder fleckig, und namentlich junge Thiere änderten fortwährend, je nachdem trüber Himmel oder Regenwetter oder Sonnenſchein herrſchte, die Farbe von Schmutziggrün ins Schwärzliche und dann wieder ins ſchönſte Hellgrün um.?) Die großen dunklen Flecken auf den Schenkeln junger grüner Teichfröſche (Rana esculenta) ſetzten ſich, als die während der Nacht in einer Blechkapſel gehaltenen Thierchen anderen Tages einzeln herausgenommen wurden, in eine ſo raſche Thätigkeit, „daß man an das Farbenſpiel eines Cephalopoden erinnert werden konnte“: ſobald das Licht die dunklen Stellen getroffen hatte, zogen ſie ſich faſt plötzlich zu dunkelbraunen, um die Hälfte und mehr ſich verkleinernden Flecken zuſammen und dieſer Vorgang folgte genau ſo weit, als das grelle Licht die Farbzellen erreichen konnte. An dieſe Wahrnehmung ſchließt ſich eine von Leydig ſpäter [Zool. G. 92 S. 3] mitgetheilte: Einige von dem Forſcher zur Mittagszeit bei hoher Sonne und heißer Luft in einem in der Rocktaſche verwahrten Säckchen aus dem Zimmer nach dem Botaniſchen Garten getragene blaue Teichfröſche änderten, als ſie aus dem Dunkel hervorgeholt wurden und Licht und Wärme plötzlich auf ſie einwirkten, auch die Farbe gleich plötzlich um, indem die den Angenblick zuvor dunkel— blauen Thiere mit einem Schlage weiß wurden, bald darnach allerdings wieder bläulichweiß erſchienen. — Andere, geſchlechtsreife Teichfröſche der kühlen Quellwaſſer bei Chriſtanzen auf der Höhe von Völs in Südtirol fielen dadurch auf, daß kein einziger einen grünen Rücken hatte, ſondern nur einen bronze— braunen, durchſetzt von dem mittleren gelblichen und den zwei hellen bronzenen Seitenſtreifen; mehrere dieſer Fröſche in eine Botaniſirkapſel geſteckt, erſchienen beim Oeffnen derſelben am anderen Morgen mit grüner Rückenfarbe. In entſprechender Weiſe ſind braune Grasfröſche (Rana muta) im Waſſer während der Laichzeit ganz dunkel, ſpäter während des Landlebens hellt ſich die Farbe ſehr auf, um jedoch unter gewiſſen Umſtänden ſchnell wieder ins Dunkle zurückzufallen: an echten warmen Sommertagen gefangene Exemplare waren auf dem Rücken auffallend hellgrau oder gelb, bis auf den dunklen Ohrfleck und den Spuren von Querbinden auf den Hinterbeinen ſchien faſt alles dunkle Pigment zurückgetreten, am anderen Morgen, nach einer im Käfig verbrachten Nacht jedoch zeigten ſie ſich in ganz dunklem Gewande. Daſſelbe Kleid tragen ſie bei rauhem Nordoſt im Felde oder an Waldrändern, während ältere Thiere zu gleicher Zeit in geſchützten mittägigen Lagen hell ledergelb ausſehen können. Ganz ſchwärzliche Grasfröſche, zur Winterzeit aus dem ungeheizten Raum in das geheizte Zimmer gebracht, wurden binnen zwei Stunden zu hellgelblichen. Junge Kreuzkröten (Bufo calamita), im September bei Sonnenſchein gefangen, wieſen eine ziemlich helle, graubräunliche Grundfarbe des Rückens auf, waren aber über Nacht in Gefangen— ſchaft dunkelbraun geworden; andere Exemplare, während des milden Winters 1873 im Hauſe gehalten, ſetzten in der Nacht vom 3. zum 4. Januar bei ſehr dickem Nebel und 4 Grad R. Kälte ihre Farbe ſtark ins Dunkle um, ja waren am Rücken faſt ſchwarz geworden und ließen ſelbſt den gelben Rückenſtreif bis auf eine leiſe Spur vermiſſen, indeſſen Tags darauf hatte der letztere wieder ſeine alte Helle und Breite und der Rücken wieder die olivenbraune Grundfarbe. Die grüne oder Wechſelkröte (Bufo viridis), welche bereits Pallas 1769 mit dem Chamäleon verglich, vertauſcht ihr weißes, mit ſchönen grasgrünen, ſchwarz umrahmten Flecken geziertes Kleid bei Kälte, ſchlechtem Wetter oder Abſperrung vom Lichte gegen ein dunkelgraues oder ſchwärzliches, der Flecken entbehrendes mißfarbiges Gewand, um ſich unter ihr zuſagenden ) Gerade über den Laubfroſch wird gleich mir mancher Lurchfreund mehr oder minder zahlreiche und auffallende Beobachtungen gemacht haben. Eine der abſonderlichſten iſt die von Dr. E. Budde „Blätter f. Aqu.-Fr.“ 1893 S. 112], welcher einen Laubforſch binnen einer halben Minute von oben bis unten ſchwarz werden ſah, nachdem derſelbe beim Fliegenfang nicht das Inſekt erſchnappte, ſondern die Spitze eines Glasſtabes erwiſcht hatte und dieſe ihm in Mundhöhle und Hals gedrungen war. Dr. Budde machte aber auch die Erfahrung, daß Laubfröſche, welche grau und mißvergnügt in einem Käfig ſitzen, nicht nur dann ſchnell grün werden, wenn fie einen in ihr Gefängniß gebrachten grünen Zweig beſteigen können, ſondern auch dann, wenn ſie auf dem Zweige herumklettern können, ohne ihn geſehen zu haben, d. h. indem man ihnen vor der Einführung des grünen Zweiges ſchwarze Kappen über die Augen zieht: in letzterem Falle werden ſie zum Farbwechſel veranlaßt durch den „Taſtreiz, das Gefühl (Wohlbehagen), auf den gewohnten, biegſamen Aeſtchen oder auf dem glatten, ſchwanken Blatt zu ſitzen“. Allgemeines. 383 Verhältniſſen aufs neue zu ſchmücken. K. Th. Liebe fing eine Anzahl Wechſelkröten gleich nach dem Ab— laichen aus den Teichen heraus, wies ihnen im Grasgarten im Schatten eines Obſtbaumes einen Platz an, begoß den ihnen Verſtecke bietenden Raſen fleißig und ſah nun, wie die Kröten unter deſſen üppigem Grün ſo lebhaft lichtgrün wurden, „daß ſogar Frauen ſie ſchön fanden“, wogegen ihre freilebenden, des Nachts ſtreifenden Genoſſen nur trüb dunkelgrüne Flecken zeigten. Noch erinnern wir daran, daß auch unſere Waſſermolche das Vermögen des Farbwechſels beſitzen und beiſpielsweiſe der im Frühjahr ſo prächtige Bergmolch (Triton alpestris) von feinen Farbenſchmelz einbüßt, ſobald er aus einem geräumigen Be— hälter in ein enges Glas verſetzt und darüber ängſtlich und aufgeregt wird. Die ſoeben berichteten Beobachtungen an Froſchlurchen ſtimmen mit den Wahr— nehmungen und Unterſuchungen über die Einwirkung der phyſikaliſchen Kräfte auf die mit ſchwarzem Farbſtoff gefüllten Säckchen (Chromatophoren) der Froſchhaut überein, welche Prof. Dutaſtre im Auguſt 1893 auf der Verſammlung franzöſiſcher Natur— forſcher zu Beſancon mittheilte. Dutaſtre ſtellte feſt, „daß durch das weiße Licht und die weniger brechbaren Farbenſtrahlen eine Zuſammenziehung der Chromatophoren— Aeſte bewirkt wird, die eine Aufhellung, ein Erblaſſen der Hautfarbe in ihrem Gefolge hat; Dunkelheit und ſtärker brechbare Strahlen erweitern dagegen die Aeſte, und ſo nehmen Fröſche in jeder Umgebung eine derſelben harmoniſche Farbe an. Da das Centralnervenſyſtem vom Augennerv aus erregt wird und in ſeiner Wirkung als Reflexeentrum aufzufaſſen iſt, jo tritt, ſobald der Froſch geblendet wird und der Augennerv auf das Centralnervenſyſtem nicht mehr einwirken kann, auch keine Nach— ahmung der Umgebungsfarben ein, ähnlich wie es Pouchet vor Jahren bei Fiſchen gleichfalls nachwies. Die nervöſe Erregung des Centralorgans ſetzt ſich durch das ſympathiſche Syſtem bis in die Chromatophoren fort, wobei die Ganglien dieſes Syſtems als Centra zweiter Klaſſe dienen, aber ohne das Rückenmark paſſiren zu müſſen. Außerdem ſind aber dieſe Chromatophoren auch direkt durch Licht- und Wärmeſtrahlen erregbar, wobei allerdings die Zuſammenziehung und Erweiterung der Farbſtoffäſte langſamer erfolgen, wie Dutraſtre an geblendeten, ihres Centralnerven— ſyſtems beraubten Fröſchen bemerkte“. Daß bei Thieren mit „chromatiſcher Funktion“ — ſo nennt man bekanntlich die Fähigkeit der erſteren, durch Ver— mittelung der Augen die Färbung ihres Körpers mit der Färbung ihrer Um— gebung in Einklang zu bringen —, inſonderheit beim Froſch auch eine direkte Ein— wirkung auf die Chromatophoren durch Lichtſtrahlen in geringem Maaße ſtattfindet, wird ſchon durch einige Beobachtungen von Wittich's u. A. bewieſen; indeſſen darf man ſolche Fälle, wie bereits auf Seite 50 betont, nicht unter den Begriff der chromatiſchen Anpaſſung ſtellen, da durch ſie keine Anpaſſungen an die Färbung der Umgebung bewirkt werden — die chromatiſche Funktion erliſcht eben, was ſchon die von Liſter am Froſch gemachten Experimente bekundeten, mit der Vernichtung der Seh— kraft des Thieres. Wohl aber gehört dahin die oft genug wahrgenommene Erſcheinung, daß ein Laubfroſch in einem mit abgeſtorbenem Moos, Borke, Geſtein verſehenen Gefäß trüb⸗ oder graugrün, ſchwärzlich oder marmorirt ausſah, dieſe Mißfärbung jedoch in reines, lebhaftes Grün umänderte, nachdem eine friſch grünende Pflanze in den Be— hälter geſetzt wurde und der Wetterprophet dieſelbe zu ſeinem Aufenthalt erwählte (S. 382). Außer dem unter dem Einfluß des Nervenſyſtems ſtehenden Farbenwechſel, deſſen Erſcheinungen zum Theil ſchon den Forſchern des vorigen Jahrhunderts: Röſel, Schneider, Pallas, Vallisneri, bekannt waren, laſſen ſich bei den einzelnen Amphibien-Arten je nach Jahreszeit, Geſchlecht und Alter, in merklicherem oder unmerklicherem Grade ge— wiſſe Färbungs-Verſchiedenheiten wahrnehmen. Was zunächſt die Veränderungen nach Geſchlecht und Jahreszeit anbelangt, ſo wiſſen wir, daß die Männchen der Waſſermolche zu Beginn der Paarungszeit im Frühjahr mit der Entwicklung von Chromaliſche Funktion. Schmuckfarben. Melanismus. Häutung. 384 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Hautſäumen (Seite 375) auch ein in glänzenden Schmuckfarben prangendes Hochzeit— kleid anlegen, und daß die Farbe der männlichen braunen, mancher Orten auch der grünen Fröſche zur Fortpflanzungszeit an der Kehle wie mit blauem Reif oder Duft überzogen iſt, während die anderen heimiſchen Lurche nichts von derlei Auszeichnungen aufweiſen können. Das Hochzeitgewand erblaßt allmählich, und wenn bei den Tritonen, deren Weibchen übrigens während der Laichzeit auch mit friſcheren, bunteren Farben erſcheinen, auch das Landkleid gewiſſe Merkmale zur Unterſcheidung der Geſchlechter darbietet, ſo vermag bei den Landſalamandern und den Froſchlurchen — mit geringen Ausnahmen, z. B. Laubfroſch und Erdkröte — das Farbenkleid allein ſelten oder kaum durchſchlagende Anhaltspunkte dafür abzugeben. Von verſchiedenem Jugend— und Alterskleid läßt ſich füglich gleichfalls nur bei den Molchen ſprechen, während die Froſchlurche mit Abſchluß der Verwandlung im Allgemeinen gleich das Gewand der erwachſenen Thiere anthun. Machen es die auf den vorhergegangenen Seiten behandelten Punkte uns zur Pflicht, bei der Aufſtellung von Farbenſpielarten, Varietäten vorſichtig zu ſein, ſo gilt es auch feſtzuhalten, daß diejenigen Färbungen, bei welchen der eine Ton zum herrſchenden, ja zum alleinigen wird, nur vereinzelte, zufällige Erſcheinungen darſtellen. Fälle vom Melanismus, wie er bei Schlangen und Echſen, und insbeſondere bei einer Gruppe der Mauer-Eidechſen auftritt und auf Seite 53 erörtert wurde, begegnen uns bei den heimiſchen Lurchen nur ausnahmsweiſe, während gerade die Larven ge— wiſſer Amphibien (Erdkröte) durch ſchwarze Färbung ſich auszeichnen. Anderſeits wird in vereinzelten Fällen das Schwarz zurückgedrängt und Gelb, oder Hellbraun, oder Aſchgrau zur herrſchenden Farbe, wie man beim Kamm- bezw. Bergmolch und bei Larven des Feuerſalamanders beobachtet hat. Solche Bleichſucht kann ſich bis zum Leucismus, zum Weißwerden ſteigern, was mir von der letzteren Spezies, der Geburtshelferkröte und vom ſüdfranzöſiſchen Meſſerfuß, ſowie von Baſtardlarven („Humboldt“ 1887 ©. 22. 168] bekannt geworden iſt. . Auf die Körperfärbung, bezw. auf das lebhaftere oder mattere Hervortreten der Farbentöne wirkt aber noch das Alter der Oberhaut und ſomit die Beſchaffenheit der— ſelben ein. Bekanntlich ſtoßen oder ſtreifen die Amphibien gleich den Eidechſen und Schlangen von Zeit zu Zeit die alte, mißfarbig gewordene, abgeſtorbene äußerſte Schicht der Haut, die ſog. Häutungsſchicht, ab und es tritt eine inzwiſchen gebildete neue Lage an deren Stelle. Selbſtverſtändlich wird die Färbung des Lurches kurz vor der Häutung infolge der noch aufliegenden abgenutzten Hautſchicht beeinträchtigt, wogegen die Farbentöne nach Vollendung des Prozeſſes um ſo reiner, ſchöner hervortreten; daher ſieht ein aus der Winterherberge hervorkommendes Amphibium trüb und un— ſcheinbar aus, einige Tage darauf aber erſcheint es in farbenfriſcherem Kleide. Ja der alte Röſel führte überhaupt alle die merkwürdigen Veränderungen in der Hautfärbung des Laubfroſches auf die Häutungen zurück, denn ſo oft die Veränderung der Farbe vor ſich gehe, lege der Froſch ein zartes und ſchleimiges Häutchen ab. Am leichteſten mag ſich die Häutung bei den im Waſſer lebenden Molchen vollziehen, und zwar deshalb, weil das Waſſer in die Oberhaut, nachdem dieſe gewöhnlich zuerſt an den Kiefern und am Bauche ſich abgelöſt hat, eindringt und ſie ſackartig ausdehnt; dem Molch fällt dann nur noch die Aufgabe zu, dieſes ſackartig ausgedehnte und wie bei den Eidechſen meiſt im Nacken abreißende Oberhäutchen mittelſt einiger raſcher Be— wegungen abzuwerfen bezw. aus ihm förmlich herauszukriechen. Zuweilen geht das alte „Hemd“ dabei in Stücke und Fetzen, zuweilen wird es ſo ausgezogen, daß es die ganze Geſtalt des Thieres bis zu den Fußzehen herab wiedergiebt, es herrſchen hier Allgemeines. ä 385 alfo entſprechende Verhältniſſe wie bei den Eidechſen. Mitunter, jo beim Feuer- und Alpenſalamander, greifen die Kiefer helfend ein, indem dieſelben die größtentheils ſchon abgeſtreifte alte Haut vollends abziehen und in den Mund befördern Im Gegenſatz zu den Molchen häuten ſich, was bereits C. Bruch [Neue Beob.] beobachtete, die Kröten auf dem Lande und müſſen ſich dabei mehr anſtrengen als die Molche. Nachdem ſie eine Zeitlang verſucht haben, durch Krümmen des Rückens und Aufſperren des Mauls, durch Strecken und Schütteln der Gliedmaßen, durch Streichen des Rückens mittelſt der Hinterbeine und dergleichen Bewegungen die alte Haut zum Berſten zu bringen, ſondern die Drüſen der Oberhaut plötzlich reichlich Flüſſigkeit ab und die abgetragene Epidermis zerreißt in der Mittellinie des Körpers, von der Nackengegend nach dem After zu; nun befreit das Thier, vermöge lebhafter Bewegungen des Hinter— leibes, zunächſt Afterpartie und Schenkel von der alten Hülle und dann bemüht es ſich, indem es abwechſelnd mit dem rechten und linken Hinterbein weit von hinten her ausholend, vorſichtig nach vorn an den Körperſeiten hinſtreicht, die abgelöſte feuchte Haut herabzuziehen, die denn auch gleich einem „naſſen Hemd“ heruntergleitet, um zuletzt nur noch an Kopf und Beinen zu hängen; von den letzteren wird ſie bald ab— geſchüttelt und mit Hilfe der Vorderfüße werden die beiden Hälften endlich auch über die Kopfſeiten herabgeſtreift. Bemerkenswerth iſt, daß bei der Arbeit des Auskleidens auch das Maul in Aktion tritt, indem die Kröte die Hauptpartien der Vordertheile mit den Kiefern ergreift und loslöſt, dabei auch wohl in den Mund ſchiebt. Daß Kröten die auf ſolche Art erfaßte Haut verſchlingen (wie es die Geckonen thun), iſt von Pflegern dieſer Thiere im Zimmer oft ſchon beobachtet worden. Fröſche häuten ſich in entſprechender Weiſe wie die Kröten. Die Häutung der Amphibien findet während des Frühlings und Sommers wiederholt ſtatt, zum erſten Mal alsbald nach dem Verlaſſen der Winterherberge. Bei kranken Thieren unterbleibt ſie, und dieſelben gehen ein. Hinſichtlich des Skeletts ſteht die Klaſſe der Amphibien den Fiſchen näher als den Reptilien. Schon am Schädel der Lurche ergiebt ſich ein Gegenſatz zu den letzteren, indem, als bezeichnendes Merkmal der Amphibienklaſſe, zwei ſeitliche Gelenk— höcker des ſtets verknöcherten Hinterhauptbeines hervortreten, die in zwei Vertiefungen des erſten, ringförmigen Halswirbels paſſen und die Verbindung zwiſchen Schädel und Wirbelſäule herſtellen. Im Uebrigen iſt der nur unvollſtändig verknöchernde Schädel ſtets ſehr breit, niedrig, platt, ſeine Decke bilden zwei oft ſehr verkümmerte Scheitel— beine, zwei Stirnbeine und gewöhnlich zwei mehr oder weniger entwickelte Naſenbeine, während das ringartig verknöcherte Siebbein der Froſchlurche auf der Oberfläche des Schädels nicht ſichtbar wird. Auf der Unterfläche des letzteren bildet das Keilbein eine entweder kreuzförmige oder breite, auf ihrer oberen Fläche mit Knorpeln bedeckte Platte. Auffallend ſind die ſehr großen und durchgehenden Augenhöhlen. Die Seiten— flächen des Schädels bleiben bei den Kiemenlurchen faſt ganz knorpelig, bei den Froſch— lurchen hingegen verknöchern das Felſenbein und die Keilbeinhügel, um allerdings dennoch häutige Zwiſchenräume zu laſſen. Der Oberkiefergaumenapparat und das Quadratbein ſind unbeweglich mit dem Schädel verbunden; zwiſchen die vorderen Enden der Oberkiefer ſchieben ſich paarige Zwiſchenkiefer ein; der Unterkiefer beſteht jederſeits aus mehreren Stücken. Die ganze Einrichtung dieſes knöchernen Kopftheiles, die oft ziemlich weit hinter den Schädel ſich erſtreckende Mundſpalte bewirken, daß der Rachen ſich ſehr erweitern kann. — Die Wirbelſäule ſetzt ſich bei den Schwanzlurchen aus einer größeren Anzahl Wirbel zuſammen (beim Salamander z. B. 53, beim Olm 58, beim Siren 99); die Froſchlurche beſitzen außer dem Atlas oder Halswirbel nur 7 25 Knochenbau. Gehirn. 386 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. oder 8 Rückenwirbel, an die ſich ein breites Kreuzbein (Sacrum) anſchließt, welches mit dem langen ſäbelförmigen, die Wirbelſäule bis zum After fortſetzenden Steißbein (Coceyx) in Verbindung ſteht. Die Wirbel ſelbſt unterſcheiden ſich hinſichtlich der Geſtalt bei den Kiemenmolchen kaum von Fiſchwirbeln, während ſie bei den echten Molchen bereits völlige Ausbildung erfahren haben, vorn einen runden Gelenkkopf, hinten eine Pfanne auf— weiſen und dadurch miteinander gelenken. Die Quer- fortſätze der Wirbel ſind bei allen Amphibien gut ausgebildet, ja zuweilen außerordentlich lang, ſodaß ſie in gewiſſem Grade die Rippen, die bei den dig. 42. Stelett des Froſches en nur in N vorhanden, bei a Schulterblattz b Unterſchenkelz e Oberſchenkel; d Sprung⸗ en Froſchlurchen nur in Form winziger Knorpel⸗ und Ferſenbeinz e Handwurzel; £ Unterarm. anhänge angedeutet ſind, erſetzen können und müſſen. Von echten Rippen kann bei den Amphibien überhaupt niemals die Rede ſein, da ſich niemals eine Verbindung der unteren Rippen-Enden mit dem Bruſtbein, das zudem den Blindwühlen gänzlich fehlt, bei den übrigen Lurchen aber in Geſtalt einer dünnen Knorpelplatte erſcheint, vorfindet; die etwa vorkommenden Rippen ſind alſo ſtets „falſche“. — Der Schultergürtel iſt meiſt nur theilweiſe verknöchert und ſetzt ſich aus dem ſtielförmigen Schulterblatt, dem breiten Rabenſchnabelbein und häufig auch einem geſonderten Schlüſſelbein zuſammen; er iſt ſeitlich an den Halswirbeln befeſtigt und das kräftig entwickelte Rabenſchnabelbein verbindet ihn mit dem Bruſtbein. Während der Schultergürtel bei den Molchen nur theilweiſe verknöchert iſt, bildet er bei den Fröſchen einen aus mehreren, für die Unterſcheidung von Gruppen und Gattungen wichtigen Stücken beſtehenden Bruſtkorb. Der Beckengürtel zeigt gleichfalls verſchiedenen Grad der Entwickelung: bei den Molchen iſt er nur ſchwach entwickelt, die Kreuzbein— wirbel weichen hinſichtlich der Bildung kaum von den übrigen Wirbeln ab, auch bleibt das aus Schambein, Sitzbein und Darmbein beſtehende Becken meiſt knorpelig; bei den mit breitem Kreuzbein ausgerüſteten Fröſchen hingegen erſcheint das Becken um ſo entwickelter, indem es ja den kräftigen Springbeinen als Stützpunkt und deren Muskeln zum Anſatz dienen muß. Das Gerüſt der vorderen Gliedmaßen ſetzt ſich aus einem einfachen Oberarmknochen, zwei, bei den Froſchlurchen allerdings zu einem Stück ver— einigten Vorder- oder Unterarmknochen (Fig. 42), einer oft knorpelig bleibenden Hand— wurzel (e) und vier, ſelten drei oder zwei aus mehreren Knöchelchen (Phalangen) beſtehenden Fingern zuſammen. Die Gliederung des Hinterbeines iſt dementſprechend: ein Oberſchenkel- (e), zwei, bei den Froſchlurchen miteinander verſchmolzene Unter— ſchenkelknochen (b), Fußwurzel- und Mittelfußknochen, ſowie endlich die Zehenglieder; bei den Froſchlurchen find Ferſen- und Sprungbein (d) verlängert und an ihrem oberen und unteren Ende miteinander verwachſen. Während bei den Fröſchen die Beinmuskeln überwiegen, ſind bei anderen, vornehmlich den waſſerbewohnenden Amphibien die Seiten— muskeln mehr ausgebildet. Die Farbe der Muskeln iſt blaß röthlichweiß. Gehirn und Sinne ſtehen noch auf einer niederen Entwickelungsſtufe, ja das erſtere iſt, wie Edinger ſagt, das einfachſte und tiefſtſtehende in der Wirbelthier-Reihe und wird an Maſſe ſtets von dem Rückenmark, welches meiſt den Wirbelkanal ſeiner ganzen Länge nach ausfüllt, übertroffen. Die einzelnen Theile oder Knoten des lang— geſtreckten Gehirns liegen in einer wagerechten Ebene hinter einander. Am bedeutendſten entwickelt iſt das Vorderhirn, deſſen beide ſeitlichen Hälften, die Hemiſphären, größer als bei den Fiſchen ſind, und verhältnißmäßig auch das Mittelhirn, namentlich bei den Schwanzlurchen; auch erſcheint die Trennung zwiſchen dem Mittelhirn und dem ä Allgemeines. 387 vor ihm noch ſich einſchiebenden „Zwiſchenhirn“, abgeſehen von den Blindwühlen, deutlicher als bei den Fiſchen; dagegen bleibt das Hinterhirn oder kleine Gehirn ſchwach entwickelt und wird nur durch einen brückenartigen Querwulſt an der breiten, am vorderen Rückenmarks-Ende gelegenen „Rautengrube“ vertreten. An die Fiſche erinnern die Lurche wiederum dadurch, daß nur eine ziemlich geringe Anzahl von Hirnnerven vorhanden iſt; vom Rückenmark gehen zehn Nervenpaare aus. Wenngleich wir bei den meiſten Lurchen Geſichts-, Gehör-, Geruchs- und Ge— ſchmacks-Werkzeuge, auch ein Taſtorgan, ja ſogar noch Organe eines ſechſten Sinnes vorfinden, ſo können wir doch eben nicht ſagen, daß die Sinne der Amphibien im Allgemeinen ſonderlich ausgebildet ſeien. Die Augen treten ſtark vor. Wenn wir beim Auge das eigentliche Sehorgan (den Augapfel), die Bewegungs- und die Schutz— organe deſſelben, alſo die Augenmuskeln und die Lider, zu beachten haben, ſo wird uns das der Froſchlurche als das verhältnißmäßig entwickeltſte erſcheinen; denn es iſt groß, bei manchen förmlich dick und vorgequollen, durch verſchiedene Muskeln ſehr be— weglich und durch ein oberes Augenlid ſowie eine Nickhaut geſchützt, die Regenbogen— haut oder Iris ſchön bronce-, gold-, kupferfarben oder ähnlich gefärbt, der Augenſtern (Pupille) in ſeiner Form je nach den Gruppen und Gattungen wechſelnd: ſo bei den echten Kröten queroval, bei den echten Fröſchen rundlich, bei der Unke eine ſenkrecht geſtellte dreieckige Spalte, bei der Knoblauchskröte eine ſenkrechte länglichrunde Spalte, bei der Geburtshelferkröte ſenkrecht rautenförmig, beim Laubfroſch ein Queroval mit zwei ſpitzen Winkeln. Unter den Schwanzlurchen iſt das Auge bei den Salamandrinen auch noch wohlgeformt, halbkugelförmig vortretend und wie bei den Fröſchen zurück— ziehbar, zudem mit einem oberen und einem unteren Augenlid ausgeſtattet, mit meiſt hübſch gefärbter Iris und rundem Stern, während die Augen der waſſerbewohnenden Froſchlurche, entſprechend denen der Fiſche, der Lider entbehren, ja überhaupt nur unvoll— kommen entwickelt ſind. Einer eigentlichen Thränendrüſe ermangeln alle Amphibien— Augen. Das Gehör werkzeug ſtimmt im Allgemeinen mit dem der Fiſche überein: ein äußeres Ohr fehlt vollſtändig, das innere beſteht insbeſondere bei den Schwanzlurchen nur aus dem Labyrinth, deſſen drei halbkreisförmige Kanäle ſtets wohl entwickelt erſcheinen, und blos bei den Froſchlurchen tritt in der Regel noch die Paukenhöhle mit dem oberflächlich liegenden Trommelfell und einer kurzen Euſtachiſchen Röhre hinzu. Als Geruchsorgan ſind paarige, mit Schleimhautfalten verſehene drüſenreiche, nach innen (in die Rachenhöhle) zwiſchen Oberkiefer und Gaumenbein mündende Naſenhöhlen thätig, deren äußere Oeffnungen, nach oben oder aber nach den Seiten gerichtet, vorn an der Schnauzenſpitze liegen und bei vielen Froſchlurchen durch beſondere klappen— artige Häute verſchloſſen werden können; auf der Naſenſchleimhaut der Molche hat J. Blaue gut ausgebildete Sinnes-Endorgane, ſogenannte Geruchsknospen, nachge— wieſen. Auch als Geſchmacks werkzeuge dienen muthmaßlich Nervenendknospen, nämlich jene, die man in der Schleimhaut der Zunge und Mundhöhle aufgefunden hat, im Allgemeinen aber darf die Zunge weniger als Geſchmacks-, denn als Fangwerkzeug angeſehen werden. Der Tajtjinn hat ſeinen Sitz in der ganzen, bekanntlich ſehr nerven— reichen Körperhaut, in welcher gleichfalls beſtimmte Nervenendapparate nachgewieſen ſind. Außer den erwähnten Sinnesorganen enthält die Körperhaut der Amphibien— Larven bezw. der waſſerbewohnenden Schwanzlurche (Olm, amerikaniſche Fiſchmolche c.) noch andere, ſogenannte Seiten-Organe, welche durchaus in Beziehung zu dem reinen Waſſerleben der Amphibien ſtehen und in Bau und Anordnung ſich ganz denen der Fiſche anſchließen, alſo auch mehrere Linien an jeder Körperſeite, die „Seitenlinien“, 25* Sinnes⸗Werk⸗ zeuge. Athmung. Ertrinken. 388 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. bilden, im Uebrigen indeß nach Bedeutung und Zweck noch nicht genügend erkundet find, ſodaß man fie als Organe eines noch unbekannten, ſechſten Sinnes betrachtet. Abſonderliche Verhältniſſe obwalten in der Athmung der Lurche, indem in derſelben je nach dem Alter und dem Aufenthalt der Thiere eigenartige Abweichungen und Verſchiedenheiten zum Ausdruck kommen. In ihrer erſten Jugend athmen die Amphibien durch Kiemen, welche an jeder Halsſeite liegen und gewöhnlich in drei Paaren vorhanden ſind. Bei vielen Arten entſpringen von den Kiemenbogen äußere Kiemen in Geſtalt veräſtelter oder gefiederter, frei über die Körperhaut vorragender Blätter, bei anderen finden ſie ſich als innere Kiemen von einer Hautfalte überdeckt in einer beſonderen Kiemenhöhle. Durch die Kiemenſpalten, d. h. die zwiſchen den Kiemen in den Schlund führenden Spalten, gelangt das Athemwaſſer aus der Mund— höhle zu den Kiemen. Im Verlauf des Larvenlebens bildet ſich die Lunge aus und iſt zunächſt neben den Kiemen, ſpäter, nach Verſchwinden der letzteren, als alleiniges Athmungswerkzeug thätig; nur bei einigen ausländiſchen Schwanzlurchen, ſo dem Olm, dem Siren und dem Furchenmolch, bleiben die Kiemenbüſchel und bei anderen (Schlamm— teufel, Aalmolch) wenigſtens die Kiemenlöcher das ganze Leben hindurch erhalten; anderſeits hat der ſchwarze Alpenſalamander nur als Keimling, vor der Geburt, jeder— ſeits drei lange Kiemenbüſchel. Bedeutſam erſcheint es nun, daß den Amphibien noch eine dritte Art der Athmung eigen iſt, nämlich der durch die für das Leben der Lurche überhaupt ſo wichtige Körperhaut vermittelte Gaswechſel (Perſpiration); ja die— ſelbe ſcheint in manchen Fällen ſo geſteigert werden zu können, daß ſie völlig ausreicht zur Beſchaffung der dem Thiere nöthigen Luft und die Verwendung der eigentlichen Athmungsorgane entbehrlich macht. Schon die eine Beobachtung Townſons — welcher gegen Ende des vorigen Jahrhunderts genaue, mit der Waage durchgeführte Verſuche über Athmung der Amphibien und Aufſaugung ihrer Haut anſtellte und veröffentlichte |Observationes physiologicae de amphibiis. Goettingae 1794| —, daß nämlich Fröſche in einer verſchloſſenen Blechbüchſe bei feuchter, nicht über 10 bis 12 Grad warmer Luft ausſchließlich vermöge der Thätigkeit ihrer Haut 20 bis 40 Tage lebten, auch wenn alle Verbindung zwiſchen der Luft und den Lungen aufgehoben war, wies darauf hin. Wenn aber Henri Milne-Edwards 1857 in jeinen Lecons d’anat. et de physiol. comparée anzeigt, daß Fröſche unter Waſſer zu leben vermögen, falls man fie an die Oberfläche zu kommen verhindere, nur dürfe ihnen nicht die Möglichkeit des Nahrungs— erwerbes und die freie Zufuhr friſchen Waſſers abgeſchnitten werden, ſo ſind die Be— dingungen doch nicht ſo einfach. Bereits Milne-Edwards jüngerer Kollege Paul Bert ſchränkte 1869 in ſeinen Lecons sur la physiol. comp. de la respiration jenen Satz dahin ein, daß bei Fröſchen die Lungen-Athmung nur dann durch die mittelſt der Haut erſetzt werden kann, wenn, d. h. alſo in der kalten Jahreszeit, die Wärme zwiſchen 0 und 13 Grad C. ſchwankt. Dieſe Feſtſtellung würde ſonach mit der Beobachtung Townſon's Hand in Hand gehen. Bei 19“. Waſſertemperatur ſtarb, wie P. Bert berichtet, ein Froſch in einem faſt fünf Liter Waſſer faſſenden Ballon, nachdem er (laut angeſtellter Analyſe) allen im Waſſer enthaltenen Sauerſtoff ausgezogen hatte, bereits in 36 Stunden, während Fröſchen bei Temperaturen zwiſchen O und 13 Grad der Sauerſtoffgehalt des Waſſers für ſehr lange Zeit genügt, da ſie bei niedriger Temperatur eben wenig verbrauchen. Je höher die Wärme, deſto lebhafter die Athmung, deſto geringer die Wider— ſtandsfähigkeit unter beregten Verhältuiſſen. Dem muß auch K. Semper beipflichten, welcher im Uebrigen angiebt, daß Weißfiſche (Leueiscus-Arten) eher zum Ertrinken Allgemeines. 389 gebracht werden könnten als wie Fröſche, wenn man beide durch ein unter dem Waſſer— ſpiegel des fie beherbergenden Aquarium angebrachtes Gitter verhindere, an die Ober— fläche zu kommen und Luft zu ſchnappen; Fröſche ſeien „auf dieſe Weiſe kaum zu tödten“! Nun, daß Waſſerfröſche unter gewiſſen Umſtänden verhältnißmäßig raſch ertrinken können, erfuhr ich im Sommer 1880, als ich gelegentlich der Internationalen Fiſcherei-Ausſtellung zu Berlin gegen dreißig grüne italieniſche Teichfröſche erhalten und ſie vor der Hand in eine zur halben Höhe mit Waſſer gefüllte große Holzwanne geſetzt hatte. Schon nach drei Tagen waren einige todt. Die Fröſche verweilten in der erſten Zeit viel unter Waſſer, kamen aber ſchon am zweiten Tage zu längerem Verbleib an die Oberfläche und ſuchten ſich hier, den Kopf herausſteckend und Luft athmend, hängend zu erhalten; da aber die ſenkrechten glatten Holzwände ihren Beinen keine Stützpunkte darboten und auch andere Ruheplätze fehlten, ſo erlahmten die dauernd in Anſpruch genommenen Kräfte allmählich, die am erſten ermatteten Fröſche mußten ſinken, ſie vermochten nur in immer länger werdenden Pauſen an die Oberfläche zu kommen, bis ſie auch hierzu keine Kraft mehr hatten und ertranken, d. h. im Waſſer erſtickten. Ueber eine entſprechende Beobachtung berichtete 1881 Ad. Franke, welcher gleichzeitig vermerkt, daß Fröſche je nach Beſchaffenheit der Thiere und der mehr oder weniger glatten, ſchlüpfrigen Wandungen des Behälters ſich von 24 Stunden bis acht Tage lang zu halten im Stande ſind. Dem genannten Beobachter waren in dem glattwandigen Baſſin ſeines Freiland-Terrarium einmal ſämmtliche Fröſche ertrunken, ſodaß er, um ſolche unliebſame Zwiſchenfälle für die Folge zu verhindern und den Fröſchen die Fortſetzung der Luftathmung auch im Winter zu ermöglichen, recht grobe Packleinwand vom Baſſinrand aus ins Waſſer hängen ließ, in welcher die Thiere mit Leichtigkeit ſich feſthalten und ihr Maul zum Waſſerſpiegel recken konnten. Uebrigens hatte ſchon 1862 C. Bruch in ſeinen „Beiträgen“ betont, „daß die ächten Fröſche mit ihren kleinen Lungen es im Sommer nur eine kurze Zeit, etwa zehn Minuten bis eine Viertelſtunde, unter Waſſer und Schlamm aushalten und dann wieder an die Oberfläche kommen, um Luft zu ſchöpfen, während Pelobates (infolge der großen Lungen) es mehrere Tage lang unter feſter Erde aushält“. Daß aber auch Waſſermolche unter ähnlichen Verhältniſſen ertrinken müſſen, wird uns bei Betrachtung und Beſprechung dieſer Gattung klar werden. Sehen wir von etwaigen Ausnahmen ab, ſo ergiebt ſich als Regel, daß mit der allmählichen Entwicklung der Lungen und der Größenzunahme der aus den letzten Kiemenbogen entſpringenden Lungenſchlagadern die Einſchrumpfung der Kiemen vor ſich geht und ſchon während dieſer Einſchrumpfung die direkte Luftathmung beginnt; die Lungenſchlagadern werden immer mächtiger, die vorderen Kiemenbogen wandeln ſich völlig in die Kopf- und Augen-Schlagadern um und die mittleren bilden die Aorta, die große Körper-Schlagader. Bei den Larven geht die ganze aus dem Herzen gepreßte Blutmenge durch die Kiemen und vertheilt ſich dann erſt im Körper, bei den erwachſenen Lurchen erhalten zufolge der mangelnden Theilung der Herzkammer ſämmtliche Körper— theile gemiſchtes Blut. Zwar hat ſich mit Eintritt der Lungenathmung in dem urſprünglich ſchlauchförmigen Herzen eine Scheidung der Vorkammer in einen rechten und einen linken Vorhof vollzogen, ſodaß der Kreislauf des rothen „kalten“ Blutes nun ein doppelter wird und dem rechten Vorhof die Körpervenen, dem linken die Lungenvenen das aus dem Körper zurückſtrömende bezw. das aus den Lungen kommende Blut zuführen; indeſſen bleibt doch die dickwandige Herzkammer ſtets einfach und ſo werden denn in dieſer beide Blutmaſſen gemiſcht und aus ihr Körper und Athmungswerkzeuge gleichmäßig mit ſolch' gemiſchtem Blut geſpeiſt. Somit haben wir Blutlauf. Kiemen und Lunge. Stimme. Verdauung. 390 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. gleich die Cirkulation des Lebensſaftes, deſſen Temperatur ſich der umgebenden Luft oder des Waſſers anpaßt und mit dieſer ſteigt und fällt („wechſelwarm“, pökilotherm), kennen gelernt, und es wäre nur noch darauf hinzuweiſen, daß von den hierher gehörigen Organen die Milz, deren Lymphzellen unmittelbar ins Blut übertreten, die vor den tieren gelegenen Nebennieren und die paarige Thymusdrüſe hinterm Unterkieferwinkel bei allen Amphibien vorhanden ſind; ebenſo die Lymphgefäße, die wohl entwickelt erſcheinen und an einzelnen Stellen als „Lymphherzen“, deren bei Froſch- und Schwanz- lurchen je ein Paar in der Schultergegend und dicht hinter den Darmbeinen ſich vor— findet, rhythmiſch pulſiren können. Wenn die Waſſer- d. h. Kiemen-Athmung ein Hauptmerkmal der unterſten Wirbelthierklaſſe bildet, da ſie allein mit Ausnahme der auch durch Lungen athmenden Lurchfiſche allen Fiſchen zukommt, ſo treffen wir dieſelbe in der Klaſſe der Amphibien faſt durchweg nur bei den Jugendformen an und blos einige ausländiſche Gattungen nehmen bekanntlich die Kiemen mit ins ſpätere Leben hinüber und athmen entſprechend den Lurchfiſchen als Erwachſene gleichzeitig mittelſt Kiemen und Lungen. Die Lunge der Amphibien (Seite 388) iſt jedenfalls aus der Schwimmblaſe, wie wir ſie noch bei den Fiſchen finden, hervorgegangen, ſie erſcheint daher auch noch in einfacher Form, nämlich als zwei mit Luft gefüllte Säcke, Lungenſäcke, die nur bei den höherſtehenden Gliedern der Klaſſe, den Froſchlurchen, in mehrere zellige Räume geſchieden ſind. In der Regel ſehen wir beide Lungen, rechts und links, ſymmetriſch entwickelt, nur bei den ausländiſchen ſchlangenförmigen Blindwühlen iſt ähnlich wie bei den Schlangen die rechte viel länger als die linke. Die durch Knorpelſtreifen geſtützte weite Luftröhre bleibt meiſt äußerſt kurz, ſodaß ſich die Aeſte derſelben (Bronchien) unmittelbar an den Kehlkopf anſchließen. Da der letztere bei den Froſchlurchen eigenthümliche Schleimhautfalten, die Stimm— bänder, beſitzt und zudem die Mundhöhle bei vielen Gattungen mit einfach oder paarig auftretenden „Stimmſäcken“ oder „Schallblaſen“ in Verbindung ſteht, ſo erklärt es ſich, daß eine Anzahl dieſer ungeſchwänzten Amphibien eine laute Stimme er— ſchallen läßt, wogegen die Schwanzlurche höchſtens einen ſchwachen, piependen oder quitſchenden Ton von ſich geben können (und die tropiſchen Blindwühlen unſeres Wiſſens überhaupt ſtumm ſind). Der Verdauungskanal ſtellt ſich als eine von der Mund- zur After-Oeffnung verlaufende, je nach ihren Abſchnitten verſchieden weite und zum Theil gewundene Röhre dar. An der meiſt weit geſpaltenen Mundöffnung bemerkt man in der Regel dünne Lippen. Mit Ausnahme einiger ausländiſchen Kröten haben alle Amphibien Zähne, welche klein, ſpitz, hakenförmig nach hinten gerichtet ſind und nur zum Feſt— halten und Hinterſchieben des Beuteſtücks dienen. Bei den meiſten Arten ſitzen Zähne im Oberkiefer und auf den Pflugſcharbeinen (Vomera), bei anderen ſolche auf Ober— kiefer und Gaumenbeinen (Palatina) in zwei vollkommenen Bogen, Unterkieferzähnen begegnet man bei Schwanzlurchen und Blindwühlen gewöhnlich, bei Froſchlurchen nur ſelten; die beiden Reihen oder Gruppen der Gaumenzähne ſind entweder hinter den inneren Naſenlöchern quergeſtellt oder ſie ziehen nach hinten in der Längsrichtung über den Gaumen hin. Die Kiefer der Larven von Froſchlurchen ſind mit einer Horn— bekleidung (Hornzähnchen, ſpäter Hornſcheiden) ausgerüſtet. Eine Zunge iſt allen europäiſchen Amphibien eigen, bei den einen (fo den tropiſchen Blindwühlen, einigen Molchen und termitenfreſſenden Froſchlurchen) iſt ſie ganz auf dem Boden der Mund— höhle angewachſen, bei den anderen nur vorn angeheftet, ſodaß ſie in dieſem Falle mit dem hinteren Ende aus dem Munde hervorgeſchleudert und zum Beutefang benutzt Allgemeines. 391 werden kann. Der Darmſchlauch erweiſt fich, entſprechend der Fleiſchnahrung der Lurche, in der Regel als kurz. Den erſten Teil des ſogenannten Mund- oder Vorder— darmes bildet die kurze, weite Speiſeröhre, den zweiten der bei den Froſchlurchen deut— licher als bei den Schwanzlurchen geſonderte Magen; dann folgt der gewundene, bei den Anuren-Larven ſogar in zahlreichen Windungen aufgerollte Mitteldarm und endlich der weitere Enddarm. Dieſer mündet mit den Ausführungsgängen des Harn— und Geſchlechts-Apparates in die Kloake, deren äußere Oeffnung bei den Froſchlurchen rundlich, bei den Schwanzlurchen eine Längsſpalte iſt. Am Mitteldarm lagert die meiſt zweilappige Leber, ebenſowenig vermißt man Gallenblaſe und Bauchſpeicheldrüſe, wohl aber fehlen die eigentlichen Speicheldrüſen am Kiefer u. a. Als Ausſcheidungs⸗Organ fungiren die paarig zu beiden Seiten der Wirbelſäule gelegenen Nieren, welche, im Gegenſatz zu den bei den höheren Wirbelthieren ob— waltenden Verhältniſſen, aus einem Theil der embryonalen Niere (Urniere) hervorgehen. Von den Nieren treten zahlreiche Harnkanälchen aus, um ſich jederſeits, indem ſie hinterwärts verlaufen, zum Harnleiter zu vereinigen, welcher in die Hinterwand der Kloake mündet, ohne mit der in der gegenüberliegenden Vorderwand durch Ausbuchtung der letzteren geſchaffenen und eine ungefärbte helle Flüſſigkeit führenden Harnblaſe in unmittelbarer Verbindung zu ſtehen. Während der Harn der Schlangen bald nach der Entleerung zu einer weißen Maſſe erſtarrt und hauptſächlich aus Harnſäure, ſauren harnſauren Salzen, etwas Harnſtoff und phosphorſaurem Kalk beſteht, iſt der der Fröſche flüſſig und enthält Harnſtoff, Kochſalz und etwas phosphorſauren Kalk. Die Geſchlechts-Organe der Amphibien, welch' letztere ſtets getrennten Ge— ſchlechts ſind, laſſen immer den Zuſammenhang mit den Harnwerkzeugen erkennen, ſie entwickeln ſich in engſtem Zuſammenhange mit der Niere und behalten denſelben wenigſtens zum Theil auch noch im erwachſenen Thiere, vornehmlich dem männlichen. Sie liegen paarig an der Rückwand der Bauchhöhle und zeigen einen einfachen Bau. Die Hoden, vorderwärts von den Nieren gelegen, geben den Samen durch die Samen— kanälchen zunächſt an den Nebenhoden, d. i. der vorderſte Abſchnitt der Niere, ab und von hier wird er mittelſt der Harnkanälchen dieſes Abſchnittes in den Harnleiter über— geführt, der nun den Samen in die Kloake entleert, alſo Harn- und Samenleiter iſt. Die weiblichen Geſchlechtswerkzeuge beſtehen jederſeits aus einem traubenförmigen Eier— ſtock und einem gewundenen Eileiter. Der letztere hat vorn eine trichterförmige Oeffnung und mündet hinten in die Kloake und erzeugt in gewiſſen Drüſen ſeiner Wandung die Eiweißſtoffe zur Umhüllung der abzulegenden Eier. Außere Begattungswerkzeuge fehlen den Froſch- und Schwanzlurchen. Bei vielen unſerer Amphibien laſſen ſich die Geſchlechter an gewiſſen Eigenheiten der Körpertheile und auch der Färbung erkennen. Namentlich gilt dies zur Zeit der Fortpflanzung, in welcher bei manchen Schwanzlurchen (Waſſerſalamander) die auf Seite 375 berührten und auf unſeren Molchtafeln vergegenwärtigten Hautanhänge des Rückens, Schwanzes, Fußes, oder bei den einheimiſchen Froſchlurchen die auf Seite 376 beſprochenen „Daumenſchwielen“ das ſtärkere und hier zugleich ſchönere Ge— ſchlecht auszeichnen. Im Uebrigen geben kleinere und größere Abweichungen hinſichtlich der Größe (das Weibchen in der Regel größer als das Männchen, namentlich bei Erdkröte und Teichfroſch), Färbung und Zeichnung (Seite 384), bei einer Anzahl Froſchlurche auch die den Männchen eigenen, Seite 414 behandelten Stimmſäcke Unterſcheidungsmerkmale der Geſchlechter ab; oft aber fehlen alle derartigen Merkzeichen und man muß dann auf andere Punkte, ſo auf die bei männlichen Schwanzlurchen ſtärker hervortretenden Kloakenwülſte u. a. achten. Ausſcheidung. Geſchlechts⸗ Organe. Geſchlechter. Laichen der Schwanzlurche. Laichen der Froſchlurche. 392 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Da den Froſch- und den Schwanzlurchen eigentliche Begattungswerkzeuge fehlen, ſo kann bei ihnen von einer wirklichen, mit innerer Beſamung verbundenen Begattung, wie ſolche bei den mit thätigen Fortpflanzungsorganen ausgerüſteten Blindwühlen, den Reptilien, Vögeln und Säugern vorkommt, nicht die Rede ſein. Obzwar, was bereits Spallanzani vor mehr als hundert Jahren nachwies, auch bei den Schwanz— lurchen eine Befruchtung der Eier im Mutterleibe ſtattfindet, ſo erfolgt doch dieſelbe, wie an Tritonen, Landſalamandern und den ausländischen Rippenmolchen und Axolotln beobachtet wurde, ohne direktes Zuthun des Männchens in der Weiſe, daß die Weibchen Theile der vom Männchen ins Waſſer abgeſetzten Samenpackete durch die Kloaken— ſpalte in ſich aufnehmen, die aufgenommenen Samenfäden oder Spermatozoen, welche in die Schläuche der eine Vorrathskammer dafür bildenden Samentaſche (Receptaculum seminis) eingedrungen ſind, in dieſer letzteren aufſpeichern und ſie nach kürzerer oder längerer Zeit verwenden, d. h. die Weibchen der wirklich eierlegenden Arten befruchten mit dem Samen (Sperma) die Eier erſt unmittelbar vor dem Legen, ſobald dieſelben die Eileiter verlaſſen, die Weibchen der lebendige Junge gebärenden Arten (Landſala— mander) thun dies früher, da ja bei dieſen die Jungen im Mutterleibe in einer Er— weiterung der Eileiter ſich entwickeln. Stets erfolgt das Abſetzen und Aufnehmen des Samens, wie auch ſpäter das Laichen, im Waſſer, wo die Geſchlechter ſich aufſuchen und vielfach (Tritonen) netten Paarungsſpielen, die bei einzelnen ausländischen Arten — ſo dem nordamerikaniſchen Tüpfelmolch, Triton viridescens, dem ſüdſpaniſchen Rippenmolch, Pleurodeles, und dem pyrenäiſchen Molch, Hemitriton pyrenaeus — zu Um⸗ ſchlingungen führen, ſich hingeben. Nachdem das Männchen einen gallertigen glocken— oder kegelförmigen Samenträger (Spermatophor) mit der auf deſſen Spitze loſe ſitzenden Samenmaſſe in höchſter Erregung herausgepreßt und am Boden abgeſetzt bezw. feſt⸗ geklebt hat, kriecht es weiter, das Weibchen aber folgt, ſchreitet dabei über den abge— ſetzten Samenträger hinweg und hebt nun durch einige kurze ſeitliche Bewegungen die Samenmaſſe aus der Gallerte heraus, wobei dieſelbe in der Rinne der Kloakenſpalte ſich anhängt und dann die beweglichen Samenfäden in die Kloake und die Samen— taſche eindringen. Beim Laichen läßt der weibliche Schwanzlurch die Eier einzeln ab— gehen und klebt ſie, wenigſtens gilt das von unſeren Tritonen und Verwandten, gern mittelſt eines Schleimes an die Blätter oder in die Blattwinkel von Waſſerpflanzen; auch der weibliche Feuerſalamander ſetzt die im Eileiter entwickelten Larven im Waſſer ab (und gleicherweiſe ſcheinen alle Blindwühlen zur Laichzeit ins Waſſer zu gehen). 8 Das Fortpflanzungsgeſchäft der heimiſchen Froſchlurche ſpielt ſich, einige weiterhin zu erwähnende Ausnahmen ungerechnet, ebenfalls im Waſſer ab, und oft unternehmen zu Beginn der Brunſt, die bei manchen ſehr heftig iſt, die Thiere verhältnißmäßig weite Wanderungen zum nächſten Graben, Tümpel, Weiher, Teich, in deſſen zuweilen noch eiſiger Flut die Geſchlechter ſich umarmen. Das Männchen umfaßt mit den Vorderbeinen das Weibchen vom Rücken her entweder unter den Achſeln, oder aber (Geburtshelfer-, Feuer-, Knoblauchskröte) an den Hüften und preßt deſſen Leib zu— ſammen, ſodaß infolge des Druckes — der beim Waſſerfroſch und Verwandten ſo heftig ſein kann, daß dem Weibchen die Bruſt völlig eingeſchnürt oder vom männlichen Daumen durchbohrt wird und es daraufhin verendet — nach Verlauf von Stunden oder Tagen die Eier aus den Eileitern durch die Klogkenſpalte in Form von Klumpen oder Schnüren nach außen gelangen; in dieſem Augenblick ergießt das Männchen den Samen über den zu Tage beförderten Laich: die Befruchtung iſt bei den Froſchlurchen mithin eine äußere. Allgemeines. 393 Dem aufmerkſamen Beobachter und Pfleger der Amphibien wird es nicht ent— gangen ſein, daß Stockungen und Verſchiebungen des Laichgeſchäfts ſowohl bei Froſch- wie bei Schwanzlurchen gar Der Selten eintreten. Namentlich find trächtige Weibchen, die einige Zeit vor dem Laichen aus der Freiheit in die Gefangenſchaft übergeführt werden, trotz Anregung durch brünſtige Männchen nicht zur Abgabe der Eier zu bewegen, vielmehr laſſen ſie die letzteren in den Eierſtöcken verkümmern; und nur dann, wenn das gefangene Weibchen unmittelbar vor dem Ablaichen ſtand und die Laichmaſſe nicht mehr zurückzuhalten vermag, ſetzt es dieſelbe, ſelbſt ohne Mit— wirkung eines Gatten, ab. Anderſeits kann, wie ich mehrmals erfahren habe, es vor— kommen, daß eins jener Weibchen, die nicht zu gegebener Zeit ablaichten, nach einigen Monaten der Gefangenſchaft, der es ſich inzwiſchen ganz wohl anbequemte, eine Anzahl oder Maſſe neu ausgebildeter Eier ablegte. Ob Fälle verſpäteten Laichens durch ſpäter eingetretene Geſchlechtsreife der betreffenden Thiere erklärt werden können und dürfen, bezw. ob bei Amphibien eines Jahrganges ein auf Monate ſich belaufender Unterſchied in dem Eintritt der Mannbarkeit überhaupt zum Ausdruck gelangt, iſt noch nicht ſicher feſtgeſtellt. Durch C. Vogt u. A. wiſſen wir, daß die reifen Eier eine kugelförmige Dotter— maſſe enthalten, die bei den meiſten eine Ablagerung dunkel gefärbten Pigments in ihrer Rindenſchicht zeigt, welche beſonders um die eine Hälfte ſo ſtark iſt, daß das Ei hier vollkommen ſchwarz erſcheint; eine ſehr zarte Dotterhaut umſchließt das Ganze. Beim Durchgleiten durch den langgewundenen Eileiter werden die Eier mit gallert— artigem Stoff umhüllt, der bei einigen unſerer Arten (Kröten, Knoblauchskröte, Feßler) feſter wird und dann eine elaſtiſche Schnur darſtellt, „bei den meiſten Froſchlurchen dagegen im Waſſer ungemein anſchwillt und die gewaltigen Maſſen und Klumpen von Laich bildet, die wir im Frühjahr in Gräben und Teichen finden“. Jene gallertige, ſchlüpfrige, elaſtiſche Umhüllung der Froſcheier iſt ein wirkſames Schutzmittel für dieſe nicht nur gegen das u ſondern auch gegen mechaniſche Verletzung, ſowie gegen das Gefreſſenwerden durch Vögel und die Angriffe von Fiſchen, Schnecken, Floh— krebſen. Nach Bernard's und Bratuſcheck's Verſuchen iſt, entgegen der Meinung Röſels von Roſenhof u. A., der Laich „auch im Zuſtande vollſtändiger Quellung nicht leichter als Waſſer und wird wohl nur durch die Gasblaſen, die ſich unter ihm an— ſetzen, ſchwimmend erhalten“; anderſeits bleibt Laich mit geringer entwickelter Gallerte zu ſchwer, um an die Oberfläche ſteigen zu können, und ſodann geſchieht das letztere überhaupt nicht bei kälterer Witterung, weil da die Gas- bezw. die Sauerſtoff-Ent— wicklung der Waſſerpflanzen nur ſehr gering iſt. Die genannten Autoren weiſen noch auf ein beachtenswerthes Moment hin. Außer den Eiern des Grasfroſches beſitzen die des Waffer- und des Laubfroſches, ſowie die der Feuerkröten kugelige Gallerthüllen; aber während all' dieſe letzteren Eier, die in der wärmeren Jahreszeit (Ende April, im Mai und Juni) gelegt werden, ſchwach gefärbt ſind und ſchwächere Gallerthüllen zeigen, ſich auf dem Grunde der Gewäſſer entwickeln, haben die ſchon im März und Anfang April gelegten Eier des Grasfroſches eine tiefſchwarze Färbung und große Gallerthüllen und ſteigen an die Oberfläche des Waſſers. Warum? Beim Schwimmen wird dieſer Laich von den Sonnenſtrahlen unmittelbar getroffen und erhält dadurch die zur Entwicklung nothwendige, in den Gewäſſern indeß noch nicht vorhandene Wärme; außerdem iſt die ſchwarze Farbe der Eier „eine Einrichtung zur beſſeren Aufnahme der Sonnenwärme“, und dieſe Wirkung wird noch weſentlich unterſtützt durch die Gallerte, die den Sonnenſtrahlen das Eindringen ungehindert geſtattet und die Wärme treibhausartig zurückhält. Stockungen im Laichen. Laich. Entwicklung. Froſch- und Molchlarven. 394 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. In den im Waſſer alſo allmählich umfangreicher werdenden Eiern, um die ſich die Elternthiere, wenn wir von der Geburtshelferkröte abſehen, nicht weiter kümmern, geht die Ausbildung des Keimlings raſch vor ſich. Schon wenige Tage nach der Be— fruchtung kann die ganze Dotterkugel in eine fertige Larve umgewandelt ſein, und je nach der Art und der Waſſerwärme entſchlüpfen bereits nach drei oder vier Tagen, zuweilen aber auch erſt nach ſo viel Wochen den Eihüllen kleine, durch geſtreckten, fußloſen Leib mit mehr oder minder aufgetriebener, weil den Dotter enthaltender Bauchgegend, durch ſeitlich zuſammengedrückten Ruderſchwanz und die zickzackförmige Anordnung der Muskelbündel deſſelben, ſowie durch die bald ſich zeigenden äußeren Kiemen an die Fiſche erinnernde Weſen, welche man eben Larven oder Kaulquappen nennt. Zu bemerken iſt aber, daß in ſalzigem oder brackigem Waſſer die Entwicklung der Eier unterbleibt; ſchon in Waſſer mit einem Prozent gelöſten Kochſalzes ſah A. Rauber alle Keimlinge von Fröſchen abſterben. Haben die Larven ihre erſte Ent— wickelungsperiode, die Embryonal-Entwicklung, innerhalb der Eihüllen durchgemacht, ſo müſſen ſie nun als freilebende Weſen eine zweite Entwicklungsperiode (Larven-Ent— wicklung) durchlaufen, in welcher der Körper und ſeine Theile verſchiedene Umwandlungen erfährt, bis eben mit Abſchluß dieſer mehrere Monate dauernden Metarmophoſe! die bleibende Form der Elternthiere erreicht iſt. Das Uebereinſtimmende der Amphibienlarven beſteht darin, daß fie während der erſten Stufe des Freilebens allein durch Kiemen athmen, der Gliedmaßen entbehren und als Bewegungswerkzeug!) den mit einem ſehr hoch werdenden Floſſenſaum ver- ſehenen Ruderſchwanz benutzen. Indeß ergeben ſich zwiſchen den Larven der Froſch— und der Schwanzlurche — Ausnahmen laſſen wir hier außer Berückſichtigung — mancherlei Abweichungen: die allen Larven an den Halsſeiten in Geſtalt kleinſter Bäumchen und Blättchen hervorſproſſenden, auf Seite 388 erwähnten äußeren Kiemen verſchwinden bei den Larven der Froſchlurche, wie dort noch beſprochen werden ſoll, bald wieder, um durch innere erſetzt zu werden, wogegen ſie bei den Molchlarven, die keine inneren Kiemen bilden, viel länger beſtehen, ja bei manchen, der deutſchen Fauna fremden Fiſchmolchen durchs ganze Leben erhalten bleiben; die Larven der Froſchlurche beſitzen an der Unterſeite in der Nähe der (beim Aus— ſchlüpfen noch nicht durchgebrochenen) Mundöffnung eine Haftvorrichtung, die laut J. Thiele als ein drüſiges, eine Flüſſigkeit zum Ankleben oder Feſthalten der jungen Larven abſonderndes Gebilde erſcheint und nach ein oder zwei Wochen der erſten Jugendzeit ſpurlos verſchwindet, die ausſchlüpfenden Molchlarven hingegen haben zwei „ſtielförmige Haftorgane“, d. ſ. fädchenartige, an den Kopfſeiten vor den Kiemen ſtehende, ſpäter ſich verlierende Gebilde; nach dem Verſchwinden der äußeren Kiemen bekleiden ſich bei den Froſchlarven die Ränder (Kiefer) des nach dem Auftreten der erſteren ſichtbar werdenden Mundes mit eigenthümlichen Hornzähnchen und Horn— ſcheiden, die nach dem Hervorkommen aller Gliedmaßen und dem Eintritt der Lungen— athmung verloren gehen, bei den Molchlarven aber wird überhaupt eine ſolche Kiefer— ) Bei den ganz jungen, noch ruhig an ihrem Platze verharrenden Larven (der Knoblauchskröte) bemerkte bereits Röſel eine Flim merbewegung, d. h. er nahm wahr, daß die Larve mittelſt eines um die Gegend des Kopfes erzeugten Wirbels oder Strudels im Waſſer ſich weiter begab und auch an den Seiten eines Glaſes ſich in die Höhe ſchob; allerdings vermochte der alte treffliche Beobachter infolge ſeines unzureichenden Mikroſkopes die Verurſacher des Waſſerwirbels und der merkwürdigen Fortbewegung der winzigen Quappen — nämlich die mikroſtopiſch kleinen, äußerſt zarten, aus dem Innern der Zellen hervorragenden Flimmerhärchen oder Cilien, welche regelmäßig hin- und herſchwingen und durch dieſe Bewegung die kleinen Körper, wie es ja die jüngſten Larven ſind, nach einer beſtimmten Richtung hin langſam fortſchieben nicht zu erkennen. Allgemeines. 395 bewaffnung nicht erzeugt; der Dünndarm der auch Pflanzenkoſt mit genießenden Froſch— larven zeigt ſich ſpiralig gerollt, während er bei den Molchlarven ebenſo wie bei den nur kleines Gethier verzehrenden erwachſenen Schwanz- und Froſchlurchen wohl Biegungen oder Windungen machen kann, allein jene ſpiralige Rollung nie aufweiſt; bei den Larven der Froſchlurche brechen zunächſt die Hinterbeine und erſt ſpäter die Vorderbeine hervor und dann ſchrumpft auch der der Wirbelkörper entbehrende Schwanz gänzlich ein (wie auf Farbentafel III vergegenwärtigt iſt), bei den Molchlarven indeß treten die vorderen Gliedmaßen früher als die hinteren heraus und der ſeitlich zu— ſammengedrückte Ruderſchwanz erleidet nur inſofern eine Veränderung, als er bei den meiſten Arten ſeinen hohen Floſſenſaum einbüßt und mehr drehrund wird. u BE RN N Fig. 44. Entwicklung des Molches im und außerm Ei. Fig. 43. Entwicklung des Froſchlurches im und außerm Ei. Dieſe Umwandlung der ſtändig das Waſſer bewohnenden, ſchwimmenden, an . Pflanzen und thieriſchen Stoffen nagenden, Schlamm und mit dieſem kleinſte Lebe- en weſen in ſich aufnehmenden bezw. winzige Waſſerbewohner freſſenden Kaulquappen zu laufenden, kriechenden, hüpfenden, kletternden, auch ſchwimmenden, auf lebende Beute jagenden Land- und Waſſerbewohnern nimmt bei unſeren Arten einen Zeitraum von etwa drei Monaten in Anſpruch. Doch kann ſich dieſelbe infolge verſchiedener Um— ſtände und Einflüſſe ſehr verzögern, ſodaß die Kaulquappen dann zuweilen monates, ſelbſt jahrelang noch im Larvenzuſtande verbleiben und unter im Uebrigen zuſagenden Verhältniſſen nicht nur eine ganz außerordentliche Größe erreichen, ſondern ſogar auch, wie es beiſpielsweiſe vom Bergmolch und von den amerikaniſchen Axolotln bekannt iſt, geſchlechtsreif werden können. Solche Hemmungen der Metamorphoſe laſſen ſich beobachten bei ungünſtiger Herbſtwitterung und frühzeitigem Winter, ſowie über— haupt bei Mangel an Licht und Wärme, indem Schatten und niedere Temperatur die Entwicklung verlangſamen, während Sonnenlicht und Wärme unter ſonſt normalen Verhältniſſen dieſelbe fördern; ferner bei Mangel an Waſſer und Nahrung, wodurch ſelbſtverſtändlich Wachsthum und Umwandlung der Larven geſtört und verzögert wird *), ) Doch ſoll laut D. Barfurth Hunger die letzten Stadien der Verwandlung der Froſchlurche abkürzen, „weil die Haut, welche die Vorderglieder deckt, bei hungernden Thieren dünner iſt und infolge deſſen beim Durchbruch der letzteren ſchneller reſorbirt wird“ (vergl. Allgemeines über die Froſchlurche S. 417). Neotenie. 396 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. endlich bei Vorhandenſein von ſteilen Ufern und Einfaſſungen der die Quappen be— herbergenden und ſomit die letzteren in ihnen feſthaltenden Wäſſer, wohl auch bei ſchwacher Körperkonſtitution der Larven und bei verſpäteten Bruten; und nach D. Barfurth hemmt Verſtümmelung des Schwanzes der Froſchlarven ebenfalls, „weil der⸗ ſelbe regenerirt wird“. Dabei gilt es jedoch, die in der freien Natur durch gewiſſe Umſtände und Ver— hältniſſe bewirkten und die im Zimmer und Laboratorium durch künſtliche Mittel (Verminderung der Nahrung, Wärme und des Lichtes) herbeigeführten Verlängerungen des Larvenlebens aus einander zu halten. Der italieniſche Herpetolog Lorenzo Camerano, welcher ſich mit dieſem Gegenſtand eingehend beſchäftigt hat, betrachtet in den Atti Accad. Torino (Vol. XY die künſtliche Feſthaltung der jugendlichen Form als Allgemein-Hemmungen der Entwicklung, welche durch Störung der Geſammt— funktionen des Thieres geſchaffen werden und das letztere in eine Art krankhaften Zuſtandes verſetzen. Demgemäß ſchließt er ſie aus der Reihe der neoteniſchen Er— ſcheinungen aus; denn die eigentliche Neotenie, wie man nach J. Kollmann's Vor— gang das Beharren der Lurche in der Larvenform nennt, begreift „nicht ein allgemeines Stehenbleiben der Entwicklung in ſich, ſondern allein die Konſervirung eines oder mehrerer Charaktere des Larvenlebens infolge einer beſonderen Anpaſſung“. Und dus geht ſoweit, daß der Organismus dieſer Weſen einige der jugendlichen Merkmale ſogar mit in das Landleben hinüber zu nehmen vermag, wie ſich denn überhaupt die ver— ſchiedenartigſten Zuſammenſtellungen ergeben. Bald iſt es der Darm, bald die Lungen oder die Kiemen, bald die Körperform, die Färbung, die Haut und der Schädel, bald mehrere von dieſen Dingen, welche das frühere Gepräge beibehalten. Auf Grund ſeiner ausgedehnten, mit Axolotl, Alpen-, Kamm- und Teichmolch, Teichfroſch und grüner Kröte angeſtellten Unterſuchungen konnte Camerano vor zehn Jahren erklären, daß die Modifikationen der Kopfform in Korrelation oder Wechſelbeziehung ſtehen mit dem vollſtändigen Verſchluß der Kiemenſpalten, nicht aber mit dem einfachen Schwund der Kiemen, und daß, obgleich das innere Thier ſchon ganz die Beſchaffenheit des kiemen— loſen Individuum beſitzen kann, der Kopf doch immer ſeine Larvenform behält, ſo lange die Kiemenſpalten offen bleiben; ferner daß der Verſchluß des Kiemendeckels und die Schließung der Kiemenſpalten nicht in nothwendigem Zuſammenhang mit der Lungen— Athmung ſtehen und ebenſo wenig die Lungen-Athmung durch ſich ſelbſt die Ver— änderung der allgemeinen Körperform bedingt; weiter daß die Ausbildung die Geſchlechts— werkzeuge wie im Allgemeinen die Geſammt-Entwicklung des Thieres gleichfalls nicht mit der Lungen- und Kiemen-Athmung zuſammenhängt, ſowie daß Färbung und Fleckung von der Entwicklung der Kiemen nicht bedingt ſind. Zur ſelben Zeit, im Februar 1884 [Zool. Anz. Nr. 167), ſprach J. Kollmann es aus, daß wider Er— warten nicht die Entwicklung der Geſchlechts-Organe — denn es können die Geſchlechts— drüſen reifen, das Sperma entleert, die Eier befruchtet werden, wie z. B. beim Axolotl, und dennoch kann der Körper jugendlich geformt bleiben —, ſondern der Eintritt der vollen Thätigkeit der Lunge die weitgehendſten Umänderungen des Organismus nach ſich zieht. Fälle langen, ſelbſt mehrjährigen Larvenlebens ſind bekannt von unſeren Fröſchen, beſonders dem braunen Grasfroſch, von Geburtshelfer- und Knoblauchs— kröte und den echten Kröten, ſowie von unſeren Molchen; und bei Beſprechung der letzteren werden uns kiementragende fortpflanzungsreife Berg- und Teichmolche begegnen, welche dem amerikaniſchen Axolotl ſich an die Seite ſtellen und uns auf's neue be— kunden, daß die Fähigkeit, den verſchiedenſten Verhältniſſen der Umgebung ſich an- zupaſſen, auch die europäiſchen Lurche e — denn als eine Anpaſſung an äußere Allgemeines. 397 Exiſtenzbedingungen dürfen wir jene höchſt merkwürdige und anziehende Erſcheinung der Neotenie jedenfalls betrachten. Der berühmte franzöſiſche Phyſiolog und Politiker Paul Bert ſtellte i. J. 1870 die Behauptung auf, die Larven des mexikaniſchen Axolotl ſeien unfähig Pigment zu bilden, wenn ſie im gelben Lichte aufgezogen würden. Zur Bezeichnung des Mangels oder Verſchwindens des Hautfarbſtoffes, dieſer Bleichſucht der Larven, verwandte Bert das Wort „Etioliren“, durch das bekanntlich die Gärtner und Botaniker das Ver— ſchwinden von Blattgrün bei den im Dunkeln (in Kellern) wachſenden Pflanzen, deren Zweige und Blattſtiele dann außerordentlich lang, dünn und weißlichgelb werden, aus— drücken. Allein jene Behauptung iſt ebenſo wenig zu halten wie dieſe Bezeichnung. Nachdem ſchon der Engländer Higginbottom*) vor einem halben Jahrhundert Triton— und Froſchlarven in tiefen Kellern und vollſtändiger Dunkelheit erzogen, ohne irgend welche Unterſchiede in ihrer Entwicklung, abgeſehen von der durch niedrigere Temperatur bewirkten Verzögerung derſelben, zu bemerken, iſt auch durch die Experimente Anderer gezeigt worden, daß Molch- oder Froſchlarven ihr Pigment ausbilden, mögen ſie im vollſten Tageslicht oder in reiner Finſterniß aus dem Ei erzogen worden ſein. Auch K. Semper, der verſtorbene Würzburger Zoologe, ſtellte durch zweijährige Verſuchs— reihen feſt, daß ſich bei den Kaulquappen unſerer Kröten und Fröſche das Pigment ſowohl im gelben, blauen und rothen Licht, als auch in der Dunkelheit entwickelt, und meint, das von P. Bert erwähnte Verſchwinden des Pigments ſei wahrſcheinlich nicht auf Mangel des Lichts oder Anweſenheit des gelben Lichts, ſondern auf Ein— wirkung anderer bis dahin unbekannter Urſachen, mangelnder oder ſchlechter Nahrung, Sinken oder Steigen der Temperatur u. ſ. w. zurückzuführen oder vielleicht echter Albinismus und ſomit eine Krankheit geweſen. Abgeſehen von dem ausgedehnten Larvenleben bietet die Fortpflanzungsgeſchichte des Feßlers (Alytes) überhaupt etwas Außergewöhnliches, eine Art Brutpflege dar, und erinnert hierdurch an entſprechende, allerdings z. Th. noch merkwürdigere Er— ſcheinungen der tropiſchen Lurchwelt. Die Geſchlechter dieſes Krötenfroſches paaren ſich zwar in der uns bekannten Weiſe, indeß kommt der austretende Laich nicht in's Waſſer, ſondern das auf dem Weibchen hockende Männchen wickelt ſich die von letzterem ausgeſtoßenen und dabei befruchteten Eierſchnüre um die Hinterſchenkel (ſ. Farbentafel I), zieht ſich dann eine Zeitlang unter die Erde ꝛc. zurück und begiebt ſich nach etwa 30 Tagen, währenddem in den Eiern die Keimlinge ſich entwickeln, ins Waſſer, um die ſchon ziemlich vorgeſchrittenen Larven auskriechen zu laſſen, welche ihre weitere Umwandlung dann gleich anderen Froſchlarven in dieſem durchmachen. Unter den europäiſchen Schwanzlurchen weichen unſere Landſalamander (Salamandra) inſofern von der Regel ab, als ſie lebendig gebärend oder vivipar find, und der ſchwarze Alpenſalamander insbeſondere nimmt geradezu eine Ausnahmeſtellung unter all' ſeinen Ordnungsgenoſſen ein, da die Jungen, deren das Weibchen nie mehr als zwei auf einmal zur Welt bringt (während beim Feuerſalamander die Zahl der Larven einer Brut bis fünfzig betragen kann), bereits im Eiergange der Mutter ihre volle Ent— wicklung durchmachen und kiemenlos von der erſteren auf dem Trocknen abgeſetzt werden. Bekanntlich ſind die männlichen Froſchlurche zur Brutzeit förmlich blind und umarmen dann nicht nur Weibchen der eigenen Art, ſondern auch näher oder ent— fernter verwandten Spezies, ſodaß man beiſpielsweiſe den grünen mit dem braunen Froſch, die Erd- mit der Knoblauchskröte, Erdkröte mit Grasfroſch, Unke mit Teich— ) Influence of Physical agents etc. in: Philosophical Transactions 1850 S. 431. Färbung der Larven. Außergewöhnliche Fortpflanzung. Baſtarde. Doppelbildungen. 398 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. froſch paarweiſe vereinigt vorfindet, ja Froſch oder Kröte ſogar an großen Waſſer— molchen, an Fiſchen und ſelbſt an todten Gegenſtänden angeklammert antrifft; und man hat ſich demnach die Frage vorgelegt, ob wohl die äußere Umarmung der ver— ſchiedenen Arten angehörenden Geſchlechter zur wirklichen Begattung und Befruchtung führen könne. Nun hat man zwar zwiſchen nächſtverwandten Bufo-Arten, ſo zwiſchen Kreuz- und Erdkröte (de U’ Isle) und zwiſchen Wechſel- und Erdkröte (G. Born), durch künſtliche Befruchtung Baſtardlarven erzielt, während man in anderen Fällen noch nicht mal ſo weit kam: jo ſah B. Bruch [Beitr. S. 194] in einem Falle, daß der Laich einer Wechſelkröte, die ein Kreuzkröten-Männchen mehrere Tage umfaßt ge halten hatte, bis zum Ende der Furchung ſich entwickelte, dann aber abſtand; und Walt. Gebhardt giebt in feiner Snaug.-Differtation Ueber die Baſtardirung von Rana esculenta und R. arvalis (Breslau 1894) an, daß die Baſtardirung, d. h. die Ber fruchtung der Eier, zwar in beiden Richtungen möglich ſei, daß die Eier ſich jedoch nicht bis zur Froſchlarve entwickeln, ſondern in einem weit davon liegenden Stadium zu Grunde gehen. Noch weniger iſt es gelungen, in der freien Natur Kreuzungs— produkte von Froſchlurchen nachzuweiſen, und es mag der Vermiſchung außer der Formverſchiedenheit der Samen-Elemente auch die abweichende Laichzeit hindernd im Wege ſtehen. Wohl aber hat man bei Molchen hybride oder Zwiſchenformen entdeckt: ſolche erzeugen an der Grenze ihres Verbreitungsgebietes, im nordweſtlichen Frankreich, der Kamm- und der Marmor-Molch (Triton cristatus und Tr. marmoratus), und man hat dieſelben den Blaſius'ſchen und den Troueſſart'ſchen Molch genannt. Wie wir bei den Eidechſen und Schlangen (Seite 109. 257) aus zwei Keimen zuſammengewachſene Doppelweſen kennen gelernt haben, ſo liegen auch über Doppel— bildungen in der Klaſſe der Amphibien Mittheilungen vor. Allerdings ſind dieſe nur ſpärlich und betreffen ſehr frühe Entwicklungsſtadien. Zunächſt machte M. Braun 1876 in den Würzburger Verhandlungen [N. F. Bd. X S. 68. Taf. III] einen Doppel-Embryo vom Feuerſalamander bekannt, und G. Born berichtete ſodann 1881 im Zoolog. Anzeiger, Nr. 78 S. 136, über eine auf einer noch jüngeren Entwicklungs— ſtufe, nämlich im Embryonalſtadium vom ſiebenten bis zehnten Tage nach der Be— fruchtung des Eies ſich befindliche, mit zwei verkümmerten Köpfen verſehene Doppel— bildung vom braunen Grasfroſch (Rana fusca). Zum Ausſchlüpfen gelangte dieſe Doppel-Larve nicht, und da derartige Doppelbildungen — muthmaßlich entſtanden durch ein ausnahmsweiſes Eindringen mehrerer Samenkörper (Spermatozoen) in den Dotter — wohl „niemals das Ausſchlüpfen aus der Gallerthülle zu bewirken bezw. zu über— ſtehen vermögen“, ſo dürfte die Erklärung für das Fehlen von ſolchen Monſtroſitäten im Freileben gegeben ſein. Für die eigenthümliche Organiſation und Anpaſſungs— fähigkeit des Amphibienkörpers aber ſpricht, daß Doppelbildungen, wie ſie gelegentlich auf natürlichem Wege im Ei ſich entwickeln, außerhalb des Eies auf künſtliche Weiſe erzeugt werden können, und zwar dadurch, daß Amphibienlarven durchſchnitten und dann die Theilſtücke aneinander geſetzt werden, worauf die Verwachſung derſelben er— folgt. Der genannte Breslauer Anatom G. Born iſt bei derartigen, mit den Larven von Fröſchen, Kröten, Unken und Waſſermolchen unternommenen Verſuchen zu ganz überraſchenden Ergebniſſen gekommen; denn er hat nicht nur Theilſtücke verſchiedener Einzelweſen ein und derſelben Art, ſondern auch Theilſtücke von Angehörigen ver— ſchiedener Arten, ja ſogar verſchiedener Gattungen und Familien zum Verwachſen ge— bracht. Sehr leicht gelang die Vereinigung von Hinterſtücken, da dieſe infolge einer von hinten nach vorn gerichteten Flimmerbewegung aneinander gepreßt werden; junge, etwa in der Mitte des Rumpfes durchſchnittene Larven gleicher Art waren nach 24 Allgemeines. 399 Stunden glatt verwachſen und ließen ſich, trotzdem fie des Herzens entbehrten, acht Tage am Leben erhalten, wuchſen auch ganz beträchtlich. Theilſtücke von Larven des grünen Waſſerfroſches, deren Herz vor der Vereinigung nicht zu ſehen, deren Darm noch gerade geſtreckt und deren Hautfärbung kaum angedeutet war, zeigten ſieben Tage nach der Vereinigung als Doppelweſen mit rothem Blut pulſirende Herzen, ſchnecken— förmig gewundene Därme und die eigenthümliche Färbung der Larven jenes Froſches. Sehr gut gelangen auch Vereinigungen zweier Froſchlarven bezw. einer Froſch- und einer Unkenlarve an der Bauchſeite, nachdem an der Bauchfläche ein ganz geringer Theil der Haut- oder Dotterſchicht abgetragen worden war, ſodaß zweiköpfige Doppel— bildungen (wie die oben erwähnten aus dem Ei) entſtanden. Ein durch Zuſammen— ſetzung des Vorderſtückes einer Molchlarve mit dem Hinterſtücke einer Froſchkaulquappe - erzeugtes Doppelweſen lebte zwei Tage. Betreffs der inneren Beſchaffenheit der zu— ſammengewachſenen Theilſtücke ließ ſich bereits mit Sicherheit feſtſtellen, daß es ſich bei der Vereinigung „nicht etwa um eine epitheliale Verklebung, ſondern thatſächlich um ein vollkommenes Ineinanderübergehen, um eine Kontinuität aller Gewebe der beiden zu einem Ganzen vereinigten Theilſtücke“ handelt, und G. Born macht auf eine gewiſſe Aehnlichkeit der von ihm beobachteten Vorgänge mit den Verpflanzungen der Chirurgen aufmerkſam. Auch andere mißbildete Larven erfreuen ſich eines langen Lebens nicht. So berichtet C. Bruch [Neue Beob. S. 141], daß die aus dem Laich einer Wechſelkröte geſchlüpften Larven, welche faſt ohne Ausnahme mißbildet, d. h. theils waſſerſüchtig aufgeblaſen, theils eigenthümlich verkrümmt waren (mit einer, wie von ſtändiger Zuſammenziehung der Rückenmuskeln nach oben gebogenen Wirbelſäule), trotz ſorgfältiger Pflege in kurzer Zeit zu Grunde gingen. Hingegen haben Deformitäten der Augen, der Gliedmaßen und des Schwanzes Mißbildungen. wenig zu bedeuten. Solche kommen auch gar nicht ſehr ſelten vor. So wurden Fröſche und Unken mit ungleichgroßen Augen, eine Feuerſalamander-Larve mit nur einem, auf der Stirnmitte ſtehenden Auge, dreibeinige Fröſche und Unken, aber auch fünf- und ſogar ſechsbeinige Salamander und Fröſche und Molche beobachtet. Eine ganz ab— ſonderliche Bildung aus der Gruppe der letzteren Abnormitäten beſchreibt uns G. Simmermacher [Zool. Garten 1885 S. 93]: Bei einem jungen, 57 mm langen Kamm⸗Molch, deſſen Vorderglieder und rechtes Hinterbein naturgemäß gebildet find, ſproßt am linken, richtig fünfzehigen Hinterbein in der Gegend des Oberſchenkels ein zweiter abwärts gerichteter Schenkel, der an ſeinem Ende zwei mal vier ſeitliche Zehen trägt, zwiſchen denen ſich noch eine mittlere Zehe befindet, ſodaß der überſchüſſige Auswuchs neun Zehen beſitzt. Manche der ſoeben erwähnten oder ähnlichen Mißbildungen, inſonderheit Mangels ange meg von Füßen und Zehen bei Froſchlurchen, wird auf Verletzungen und Verſtümmelungen ratten, der Thiere durch ihre Feinde, manche andere Verbildung auf urſprüngliche falſche An— lage und Wachsthumsrichtung zurückzuführen ſein. Bei Fröſchen und Kröten kommt es nach Verluſt von Gliedmaßen oder Theilen derſelben ebenſowenig zu wirklichen Neubildungen wie bei den nur den Schwanz nacherzeugenden Eidechſen, bei ihnen ver— narbt nur die Wunde und überzieht ſich mit der Körperhaut, allenfalls tritt ein un— gegliederter, ſtummelhafter Auswuchs an die Stelle des verlorenen Gliedes, während den Froſch- und Krötenlarven der Schwanz wieder nachwächſt, ſobald er nicht zu dicht am Leibe abgeriſſen oder abgeſchnitten wurde, d. h. die Neubildungen nun aus den gleichartigen Theilen des Stumpfes hervorgehen können — es greifen eben auch hier die Bedingungen platz, die uns von Seite 93 her bekannt ſind, wenngleich bei den Molchen und deren Larven, welche ſich unter allen Reptilien und Amphibien des Wohnbezirk. 400 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſtärkſten Regenerations-Vermögens erfreuen, etwas weniger ſchroff als bei anderen Lurchen. Immerhin bemerkte bereits der italieniſche Gelehrte Spallanzi im vorigen Jahrhundert, daß bei den Waſſerſalamandern ein mitten durchſchnittenes Glied ſich ſchneller erſetzt als ein gebrochenes oder aus den Gelenken gelöſtes; und Blumenbach in Göttingen fand 1787, daß die Neubildung des Auges beim Triton nur dann ge— ſchieht, wenn der Augennerv und ein Stückchen der mit ihm in Verbindung ſtehenden hinteren Augenhäute unverletzt bleiben, eine Wahrnehmung, die in neuerer Zeit der Franzoſe Phillippeaux gleichfalls bei ſeinen einſchlägigen Studien machte und der Pariſer Akademie mit bekannt gab (1866—1880). Im Uebrigen lehrten ſchon die Verſuche und Unterſuchungen Spallanzanis, welcher bei den Waſſerſalamandern ſowohl den Schwanz als auch die Beine und Theile und Organe des Kopfes, ja bei einem Exemplar die Kiefer mit den Zähnen ſich ergänzen ſah und bei einem zweiten ſechsmal nacheinander die Reproduktion der Beine verfolgen konnte, daß warme Witterung, be— hagliche Waſſertemperatur und gute Ernährung jene Neubildungen ſehr begünſtigen, ferner daß bei Larven der Nachwuchs verlorener Körpertheile noch beſſer als bei ent— wickelten Thieren und bei dieſen Waſſerbewohnern durchweg ſchneller“) als bei den landbewohnenden Eidechſen vorſchreitet. Und was weiter auffallend iſt: die Molche und Larven laſſen ſich, wie ſchon der franzöſiſche Naturforſcher Ch. de Bonnet, der Ueberſetzer von Spallanzani's Werk (1768) und eifrige Fortſetzer der Verſuche des Italieners, hervorhob und wie die neueren Beobachtungen beſtätigen, durch den Verluſt von Füßen und Zehen, Schwanz und Auge, auch Kiemenbüſchel nicht anfechten, ſie liegen dem gewohnten Thun und Treiben, dem Nahrungserwerb u. ſ. w. nach wie vor ob. Das kaltblütige Volk der Lurche hat von allen Zonen Beſitz genommen, und auch unſer Vaterland kann ſich über Mangel an Amphibien nicht beklagen: da unſere heimiſchen Gelände mit Ausnahme weniger Striche von kleineren und größeren, den Amphibien unbedingt nöthigen Wäſſern unterbrochen und durchzogen ſind, ſo begegnen uns faſt allenthalben Schwanz- und Froſchlurche, und es iſt nicht nur die Zahl ihrer Arten, ſondern auch die Zahl der Individuen beträchtlicher als die der Reptilien. Einige Arten: die graue Kröte, der braune Grasfroſch, der Teich- und Laubfroſch, der Kamm⸗- und der Teich-Molch ſind, indem fie bei uns und in Mittel-Europa überhaupt die Ebene wie das Gebirge bewohnen und gleicherweiſe zur Fauna Frankreichs, Italiens, Rußlands, Skandinaviens, meiſt auch Großbritanniens und der Pyrenäen- und Balfan- Halbinſel ꝛc. zählen, als Allerweltsbürger anzuſprechen; einige andere: den großen grünen Seefroſch (Rana esculenta ridibunda), die Knoblauchskröte, die rothbäuchige Unke und wohl auch den Moorfroſch (R. arvalis), haben wir als Bewohner der Ebene und der weiten Flußthäler zu bezeichnen, hingegen müſſen der Alpen- und der Feuer— Salamander, der Bergmolch, die gelbbauchige Unke und auch die Geburtshelferkröte als dem Gebirge oder doch dem Berg- und Hügelland zukommende Arten gelten; der Springfroſch iſt als eine ſüdliche, der Leiſtenmolch und ebenſo die Geburtshelferkröte als eine weſtliche Form zu betrachten; auch die Kreuzkröte hat man als eine weſtliche, im deutſchen Binnen— lande oſtwärts bis ins Weichſelgebiet gehende und die Ebene gern bewohnende Form anzuſehen, während die verwandte Wechſelkröte den Oſten vorzieht und unter Umſtänden im Gebirge hoch hinauf ſteigt. In letzterer Beziehung wird ihr allerdings g ) Unter Umſtänden dauert es indeß auch bei Molchen verhältnißmäßig lange: bei einem männ⸗ lichen Kamm-Molch, dem, als er im April 1877 in meinen Beſitz kam, die äußere Zehe des rechten Vorderfußes fehlte, zeigte es ſich erſt im Juni, daß dieſelbe ſich ergänzen würde, und erſt im Auguſt war ſie nachgewachſen, jedoch nicht zur natürlichen Länge, ſie ſah immer wie verkrüppelt aus. Allgemeines. 401 wenigſtens in den europäiſchen Gebirgen der Rang jtreitig gemacht von der Erdkröte und dem braunen Grasfroſch, welche auf den Alpen noch in einer Höhe von 2000 bis 2250 Metern beobachtet worden und ebenſo noch in der Gegend von Archangel und im nördlichen Skandinavien (65 bis 70 Grad n. Br.) gefunden worden ſind, ſo— wie von dem Alpenſalamander, dem Bergmolch, dem Laubfroſch, der gelbbauchigen Unke und dem Feuerſalamander, welche in einer Höhe von 2800 bezw. 2100 bis 1300 Metern angetroffen wurden. Einige der hier zu berückſichtigenden Arten ſcheinen, den Wahrnehmungen der jüngſten Zeit zufolge, ihren urſprünglichen Wohnbezirk erweitert zu haben und von Weſten (Leiſtenmolch, Geburtshelferkröte) oder Süden (Springfroſch) her im deutſchen Gebiet vorgedrungen zu ſein, wobei ihnen wohl durch die Waſſerläufe der Weg vor— gezeichnet wurde. Derartige Wanderungen vollziehen ſich nur ganz allmählich und ausnahmsweiſe, — in der Regel zeichnen ſich die Thiere durch Seßhaftigkeit, durch Anhänglichkeit an ihre angeſtammte Oertlichkeit aus und entſchließen ſich zu lleineren und größeren Ausflügen und zu Ueberſiedelungen nur vor und nach der Laichzeit oder aber dann, wenn ſich der urſprüngliche Wohnort durch Ausfüllung von Teichen und Weihern ꝛc., Austrocknung von Sümpfen und Brüchen, Abholzung feuchter, am Waſſer gelegener Haine oder ähnliche Maßnahmen ganz verändert hat und ihnen die Daſeins— bedingungen nicht mehr erfüllt; und ſo kann dieſe und jene Art in und an einem Gewäſſer erſcheinen, wo ſie vordem fehlte. Aber auch ohne eigenes Zuthun werden manche Lurche zuweilen weiter verbreitet, ſogar im Wüſtengebiet, und zwar durch Ver— ſchleppung des Laiches ſeitens der im Waſſer watenden Zugvögel. Namentlich kommt das ſolchen Amphibien zu ſtatten, welche (Kröten) lange, zähe Laichſchnüre ablegen, die ſich, im Gegenſatz zu den ſchweren, ſchlecht theilbaren Laichklumpen anderer Lurche (Fröſche), leicht um die Zehen der zur betreffenden Zeit verſchiedene Gewäſſer be— ſuchenden Sumpfvögel ſchlingen und ſomit von einem Waſſer zum anderen übertragen werden. „Sicher ſcheint mir“, ſo ſchreibt A. Walter aus dem Wüſtengebiete Trans— kaſpiens, „dieſe Transportmethode an den Wüſtenbrunnen nördlich Tſchikiſchljar's und der Atreklinie ſtattgefunden zu haben, die ich von Bufo viridis reich bevölkert fand. Sie liegen 3 und 6 Meilen vom nächſten Süßwaſſer der Atrekmündungs-Niederung t inmitten trockenſter, ödeſter Wüſte. Es ſpricht hier für den Vogeltransport z. B., daß die zwiſchen der Atrek-Mündung und den Brunnen des weißen Hügels 11 5 von der grünen Kröte bewohnten Punkten) gelegenen ſüßen Brunnen des Ortes Tſchikiſchlſar keine Kröten beherbergen, wohl nur weil eben im bewohnten Orte ſich kein ziehender Vogel am Waſſer niederläßt. Namentlich dürfte an den beregten Punkten Oedienemus crepitans (der Triel) die Uebertragung vermitteln, der in jener Gegend nicht ſelten iſt und deſſen regelmäßige, oft weite Flüge zur Tränke ja bekannt ſind“; der große grüne Seefroſch, der in dem bezüglichen Gebiete ſonſt allenthalben die grüne Kröte treu begleitet, fehlt hingegen, wohl aus dem erwähnten Grunde, in dieſen Wüſtenbrunnen. Auf eine derartige paſſive Verbreitung wird auch das Auftreten von Lurchen auf Inſeln, falls ſich nicht eine früher oder jpäter vorhanden geweſene Ver— bindung der Eilande mit dem Feſtland nachweiſen läßt, zurückzuführen ſein. Denn Meere und Meeresarme ſetzen, was ſchon Darwin in ſeiner „Entſtehung der Arten“ hervorhob, infolge ihrer Ausdehnung und ihres Salzgehaltes den aktiven Wanderungen der Lurche ebenſo ein Ziel wie umgekehrt der Mangel an Gewäſſern, weite, trockene Sand⸗ und Steinwüſten und hohe Gebirge. Nach K. Semper's zahlreichen Verſuchen ertrugen alle benutzten Fröſche einprozentige Salzlöſung ohne jeglichen Schaden. Aber das ſcheint die Grenze zu bilden, da Fröſche ſchon in 1½ prozentiger Löſung nach 26 Wanderungen. Bewegungen. Aufenthalt. 402 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. reichlich 24 Stunden, in zweiprozentiger nach knapp ſieben, in Löſung von 3 ½ Prozent nach drei und in fünfprozentiger Löſung bereits nach 2¼ Stunden ſtarben. Damit ſoll nicht geſagt ſein, als ob ſie auf dem Lande ſich nicht ſonderlich fort— bewegen könnten; im Gegentheil, die Bewegungsweiſe mancher Arten, inſonderheit das Springen der Fröſche, fördert mehr als das Kriechen der Schlangen und Schleichen. Am ſchwerfälligſten erſcheinen die Salamander und Molche und die graue Kröte, die nur verhältnißmäßig langſam dahinhumpeln. Einige Molche, die Kreuz- und die grüne Kröte verſtehen auch an Mauerwerk, Fels- und Lehmwänden emporzuklettern und zu klimmen, und der Laubfroſch ſteigt in die luftigen Kronen von Baum und Strauch hinauf, die Kreuz- nebſt Knoblauchs- und Geburtshelferkröte wiſſen geſchickt zu graben, während die Unken und Fröſche auf feſtem Lande niemals graben, die letzteren aber mit dem Kopfe voran in den weichen Schlamm fahren und ſich darin völlig zu verſtecken im Stande ſind. Im Waſſer zeigen alle ihre volle Gewandtheit; nicht nur daß ſie die Fähigkeit beſitzen, trefflich zu tauchen und lange Zeit am Grunde zu verweilen, ſie vermögen in der Regel auch meiſterlich zu ſchwimmen: die Froſchlurche durch kräftige Stöße der gleich einem à tempo bewegten Ruderpaar wirkenden Beine, die Schwanz— lurche, indem ſie ſich vornehmlich (und bei den Larven geſchieht dies ja ausſchließlich ſo) mittelſt ſchlängelnder Bewegungen des Schwanzes vorwärts treiben. Freilich müſſen die jungen Froſchlurche am Abſchluß ihrer Verwandlung die Schwimmweiſe der alten, d. h. das Schwimmen mittelſt der Beine, erſt erlernen, was allerdings nur höchſtens einige Tage in Anſpruch nimmt. Schrumpft nämlich der bisher als alleiniges Be— wegungswerkzeug zum Schwimmen (wobei die ſchon durchgebrochenen Hinterbeine parallel zum Schwanze gerade von ſich geſtreckt werden) benutzte breite Ruderſchwanz ein, jo beginnt der junge Lurch die Beine nach Art der Erwachſenen anzuwenden, was zunächſt noch unbeholfen geſchieht und eine wellenförmige, etwas ſchaukelnde Fortbewegung bewirkt; aber nach kurzer Uebung iſt das überwunden, die Beine arbeiten kräftiger und gleichmäßiger und der Schwanzſtummel wird ohne noch gebraucht zu werden, geradeweg nach hinten getragen. Ganz drollig ſieht es auch aus, wenn die noch mit einem Schwanzſtumpf verſehenen Fröſchchen — gleich den Larven, die Luft ſchöpfen wollen — im Waſſer hängen und dabei häufig nach hinten umſchlagen: ſie haben nach dem Verluſt des Schwanzes „den neuen Schwerpunkt noch nicht gefunden“. Unter unſeren Lurchen halten ſich während des Sommerlebens die grünen Fröſche und die Unken am meiſten und längſten, die Geburtshelferkröte und die Landſalamander am wenigſten und nicht gern im Waſſer ſelbſt auf. Von den ſoeben erwähnten „Waſſerfreunden“ abgeſehen, geben unſere Amphibien nach beendetem Fortpflanzungsgeſchäft (Seite 392) im: Großen und Ganzen den ſtändigen Aufenthalt im Waſſer auf, ſelbſt die während deſſelben innigſt vereinten Paare trennen ſich, jedes Geſchlecht, jede Art wandelt nun wieder den eigenen Pfad. Je nach der Gattung und Spezies ſchlagen ſie ſich auf ſandige Felder und Brachen, wie die Knoblauchskröte, in Steinbrüche und Halden 2c., wie der Feßler, oder auf Krautäcker und Wieſen, an den Saum von Buſch und Wald und Sumpf, wie die braunen Fröſche, oder in Haine und Gärten, auf Haiden und Ackerbreiten, in Gemäuer und Lehmſtiche ꝛc., wie die Kröten, oder ſie ziehen ſich, wie die Molche, in Uferhöhlen, Acker- und Gartenland u. a. O. zurück, und der Laubfroſch ſucht ſeine Wohnung im Blätterreich über der Erde. Moospolſter, Pflanzenſtauden, Baumſtumpfe, Gewurzel, Maulwurfs-, Maus- und Grillenlöcher, Mauerlücken, Felsritzen, Geſteinsſpalten und ſonſtige höhlenartige Räume bieten ebenſo wie dunkle Keller und Erdgeſchoſſe von Gartenhäuſern und dergl. geeignete Schlupfwinkel für die Landbewohner, und die zum Allgemeines. 403 Graben Befähigten ſchaffen ſich mit Leichtigkeit auch ſelber in Sand- und Lehm- und Ackerboden eine vorübergehende oder bleibende Unterkunft. In derartigen Verſtecken, überhaupt an ſchattigen, feuchten Plätzen verbringen unſere Lurche weitaus meiſtens den Tag hin, um hier der Ruhe zu pflegen und erſt gegen Sonnenuntergang und Dämmerungsbeginn, falls nicht etwa trockner Wind und drückendheiße Luft ſie auch dann noch den Ausflug unangebracht ſcheinen läßt, ſich zu regen und zu bewegen, ihrer faſt ausſchließlich in Nahrungserwerb beſtehenden Thätigkeit nachzugehen. Nur bei feuchtwarmem, regneriſchem Wetter, nach einem Gewitter er— ſcheinen viele auch früher außerhalb ihres Zufluchtsortes, und die jungen Thiere mancher Art führen, wie man an Erd-, Kreuz-, Wechſel- und Knoblauchskröten beobachten kann, ſogar mehr ein Tag- als ein Nachtleben — vielleicht oder vorwiegend deshalb, weil am Tage der Tiſch reicher mit ihnen paſſender Koſt (kleinem Inſektengeſchmeiß) beſetzt iſt? Allein das ſind Ausnahmen, und auch diejenigen Arten, die, wie die Fröſche, am Tage der Einwirkung der Sonnenſtrahlen ſich hingeben, werden doch erſt im Spätnachmittag reger und vergnügter. Ueberdies ſpricht ja, wie auf S. 378 erwähnt, die Zunahme der Schärfe der Hautabſonderung am Abend ebenfalls für eine Steigerung der Lebensthätigkeit zu dieſer Zeit. Mit einer Steigerung der Lebensthätigkeit, hervorgerufen und gefördert durch höhere Temperatur und zuſagende Witterung ꝛc., wird auch der Hunger, das Nahrungs— bedürfniß geweckt und verſtärkt. Wenn dagegen ungünſtige Witterung die Lurche von Raubgängen zurückhält oder wenn das Schickſal ihnen auf kürzere oder längere Friſt nur kärgliche Nahrung „in den Schooß wirft“, ſo ſcheint ſie das nicht gerade ſehr tief zu berühren. Zwar haben ſolche Thiere einen leeren oder faſt leeren Darm— kanal, indeſſen verzehren ſie dann zu anderen Zeiten, wie der gewöhnlich ſtrotzend überfüllte Verdauungsſchlauch dann bekundet, eben ſoviel auf einmal, als ſie in mageren Tagen und Wochen entbehren müſſen. Vermögen die Amphibien ſchon an und für ſich, da Fleiſchfreſſer länger zu hungern im Stande ſind als wie Pflanzenfreſſer, in ihrer Eigenſchaft als Fleiſchfreſſer eine Zeitlang zu faſten, ſo iſt dieſes Vermögen bei ihnen noch verſtärkt, indem fie kaltblütige Geſchöpfe und indem die Lebens vorgänge in ihnen verhältnißmäßig recht ſchwache ſind, ſchwächer als unter anderen bei den Eidechſen. Denn da ein Thier umſo weniger Nahrung braucht, je weniger aktiv es iſt, ſo wird es klar, daß die Lurche — die ſelbſt während des Sommers ein ſtilles, beſchauliches Leben führen, ja bei denen ſogar „im aufgeregten Zuſtande der Fortpflanzungsperiode“ die Athmung nicht energiſch genug iſt, „um die Wärme ihres Körpers erheblich über die des umgebenden Mediums (Luft oder Waſſer) zu erhöhen“ — auch viel weniger Futter als wie lebenskräftige Thiere benöthigen. Es folgt daraus weiter, daß, da in ſolchen Thieren die Lebensvorgänge (Thätigkeit der Muskeln und des Hirns, der Sinnes- und Ausſcheidungs-Organe, Athmung, Verarbeitung und Umwandlung der Nährſtoffe ꝛc.) ohne Gefährdung des Lebens dieſer Geſchöpfe leicht auf ein Minimum herab— geſetzt werden können, die Nothwendigkeit einer Nahrungsaufnahme für geraume Zeit überhaupt wegfallen kann. Aber, um K. Semper's Worte zu gebrauchen, es beweiſt in ſolchem Falle die Enthaltung der Nahrungsaufnahme nicht, daß die Thiere ein aktives Leben ohne Nahrung zu führen vermöchten, ſondern nur, daß ihre Lebens— thätigkeit gewiſſermaßen latent, gebunden werden kann für eine lange Zeit!), „jedoch nicht in die Ewigkeit“; es iſt vielmehr ſicher, daß ſelbſt bei ſcheinbar ganz latentem *) Bei Gehäuſe-Schnecken kann ſich dieſe Zeit, wie u. A. im Britiſchen Muſeum zu London erwieſen wurde, auf Jahre hinaus erſtrecken. 26 * Tagleben. Nahrungs⸗ Bedürfniß. Nahrung. 404 Zweite Klaſſe: Amphibien oder Lurche. Leben doch ein gewiſſer Verbrauch organiſcher Stoffe ſtattfindet, da ohne ihn die immer nothwendige, wenngleich aufs äußerſte beſchränkte Reſpiration nicht ſtattfinden kann, und daß ſomit auch für dieſe ſo widerſtandsfähigen Geſchöpfe früher oder ſpäter der wirkliche Tod eintreten muß. Vermögen alſo die Lurche — die ſich nach der beſprochenen Beziehung von anderen und namentlich warmblütigen Wirbelthieren im Weſentlichen nur durch die Abweichungen in den Verbrauchsmengen an Nahrung und die dadurch bedingte mehr oder minder ſtarke Widerſtandsfähigkeit unterſcheiden — mit latentem Leben eine ganze Reihe von Monaten ohne Nahrungsaufnahme ſich zu erhalten, während die Warmblüter *) ſchon nach mehreren Tagen oder ſpäteſtens einigen wenigen Wochen eingehen, jo darf man doch auch von ihnen nichts Uebernatürliches erwarten und jenen aus vergangener Zeit ſtammenden Erzählungen von Kröten de., die zufolge hermetiſchen Einſchluſſes in Geſtein ſeit längſt entſchwundenen Zeiten ſich lebend erhalten hätten, mit berechtigtem Achſelzucken begegnen, da die thatſächlichen Angaben darüber zu lücken- oder zu laienhaft ſind. Allerdings ſcheinen die Kröten die widerſtandsfähigſten unter ihren Klaſſenverwandten zu ſein, und vielleicht trägt, wie C. Bruch meint, die kräftige und faſt vollſtändige Magenverdauung der Nahrung, welche die Kröten auszeichnet, zur Erhöhung jener Eigenſchaft bei. Wie erwähnt, und wie ſolches durch den verhältnißmäßig kurzen Darmſchlauch angezeigt wird, bekennen ſich die Froſch- und Schwanzlurche im ausgebildeten Zuſtande zur Sippe der Fleiſchfreſſer (Carnivora), d. h. der Raubthiere. Und wenn manche mit kleinem Gewürm, mit Kerfen und Nacktſchnecken ſich begnügen, ſo laſſen andere, kräftigere und kühnere Arten — unter den Anuren der grüne Waſſerfroſch, unter den Urodelen der Kammmolch — auch kleine Wirbelthiere nicht unbehelligt: der Molch nimmt Kaulquappen und Fiſchchen von einigen Centimeter Länge, ja er ſowohl wie der genannte Froſch, welchem auch kleine Eidechſen, junge Nattern, ausgewachſene Teichmolche zum Opfer fallen, verſchonen ſelbſt junge Genoſſen der eigenen und ver— wandter Spezies nicht, ſie ſuchen überhaupt jedes lebende, ſich bewegende Thier zu verſchlingen, das ſie zu bewältigen im Stande ſind. Die Molche ergreifen die Beute einfach mit den Kiefern, nachdem dieſelbe in unmittelbaren Bereich der letzteren ge— kommen iſt; die Kröten ſchleudern in ſolchem Augenblick die vorn angeheftete Zunge heraus auf den ins Auge gefaßten Biſſen, um ſie mit dieſem ebenſo ſchnell wieder zu— rückzuziehen; die Fröſche führen zu dem Zwecke oft weite Sprünge? ), manchmal ſo— gar von der Waſſeroberfläche in die Höhe, aus. Die Beutethiere werden unzertheilt verſchlungen. Die Amphibien-Larven ernähren ſich vorwiegend, wenn nicht aus— ſchließlich, von thieriſchen Stoffen. Die Larven unſerer Schwanzlurche ſind ent— ſchieden carnivor, indem ſie vom Ausſchlüpfen an kleinſte und kleine Waſſerbewohner: Krebsthierchen aus den Familien der Lyncelden, Daphniden, Cypriden verſchlucken, ſpäter auch kleine Inſektenlarven und Würmer, ganz junge Kaulquappen von Fröſchen und Kröten und ſogar die ihres eigenen Geſchlechtes verzehren bezw. anfreſſen. Die Larven der Froſchlurche hielt man und hält ſie z. Th. noch jetzt für herbivor oder phytophag. Allein auch fie nehmen Pflanzenkoſt nur nebenbei, und E. Jung, der Nachfolger Karl Vogt's an der Genfer Hochſchule, hat durch ſeine Verſuche mit Froſch— ) Eine Ausnahme bilden die Winterſchläfer unter den Säugethieren, die ja auch während des Monate hindurch andauernden latenten Lebens (Winterſchlaf) ohne Nahrungsaufnahme beſtehen und daher zu dieſer Zeit den Amphibien und Reptilien gleichgeſtellt werden dürfen. — **) Wenn der Froſch einmal nach Getreideähren ſpringt, ſo thut er dies lediglich der an ihnen ſitzenden Inſekten wegen, nicht aber zu dem Zwecke, daß er die noch weichen oder reifen Körner zu erlangen ſuchte; dieſe Annahme iſt ebenſo irrthümlich wie diejenige, daß die Kröte Erd- oder Himbeeren verſchlucke. Allgemeines. 405 larven erwieſen, daß letztere bei bloßer Pflanzenkoſt ſich nicht zu Fröſchchen entwickeln, ſondern daß dazu ſtets eiweißhaltige Nahrung nöthig iſt. Selbſt dann, wenn die kleinen Dinger an Pflanzen und Pflanzentheilen (Waſſerlinſen, Weidenſchößlingen, im Waſſer ſchwimmenden faulenden Pilzen u. a.) nagen und knabbern und anſcheinend Algenbeſatz abweiden, thun ſie es jedenfalls hauptſächlich des anhaftenden winzigen Gethieres wegen, ebenſo wie ſie ihren Darm mit Schlamm füllen, um mit ihm Infu— ſorien, Räderthiere, Krebschen und ſonſtige kleine thieriſche Weſen in den Verdauungs— kanal zu bekommen, wobei es natürlich nicht ausbleiben kann, daß ſie auch Kieſel— u. a. Algen mit einführen. In Ermangelung ſolcher Organismen und anderer paſſender thieriſcher Stoffe, oder bei größerem Nahrungsbedarf machen ſie ſich außer an ver— weſende Regenwürmer und dergleichen an todte und an ſchwächere lebende Genoſſen und Molchlarven, und darauf hat man bei Aufzucht von Kaulquappen wohl zu achten, ſonſt kann man durch die Mord- und Freßluſt ſtärkerer Larven ſogar ſolche verlieren, die bereits vier Beine und vom Schwanz nur noch einen Stummel tragen. Sie ver— leugnen alſo ſchon in der Jugend die Raubthiernatur nicht. Iſt die Umwandlung zu vierbeinigen, ſchwanzloſen Landbewohnern beendet, ſo wechſelt die Nahrung, indem fie nun auf und über der Erde lebende Würmer, Raupen, Inſekten, Spinnen ꝛc. er- jagen und, ohne ſie vorher anzunagen oder anzufreſſen, verſchlingen. Bekanntlich trinken die Lurche nicht, und ſie unterſcheiden ſich dadurch von den höherſtehenden Klaſſen der Reptilien, Vögel und Säugethiere. Aber das darf uns nicht zu der Annahme verleiten, als ob ihr Waſſerbedürfniß gering wäre; gerade das Gegentheil iſt der Fall! Nur nehmen ſie eben das zur Unterhaltung der Körper— thätigkeit, zur Erhaltung des Lebens nöthige Waſſer einzig und allein durch die Körperhaut in ſich auf, ebenſo wie ſie Feuchtigkeit durch dieſe ausdünſten. Bereits Townſon, deſſen Verſuche wir ſchon auf Seite 388 berührten, erfuhr beiſpielsweiſe, daß ein im „ausgedörrten“ Zuſtande 95 Gran wiegender Laubfroſch ſchon eine Stunde ſpäter, währenddem er mit Waſſer in Berührung gebracht worden war, 67 Gran mehr wog und daß Fröſche, die nur durch die Lungen Feuchtigkeit erlangen können, bei trockner Witterung nach wenigen Tagen ſterben, während andere in einer verſchloſſenen Blechbüchſe bei feuchter, nicht über 10 bis 12 Grad warmer Luft das auf Seite 388 mitgetheilte Ergebniß zeigten. Aber trotzdem er alſo nachwies, daß Fröſche und gleicherweiſe Salamander durch die ſchwammige Beſchaffenheit der Körper— haut Mengen von Waſſer aufnehmen, erkannte er nicht, daß die unter der äußeren Haut belegenen Räume — in welche das aufgeſaugte Waſſer unmittelbar gelangt — große Lymphſäcke (Seite 373) ſeien, ſondern meinte, das letztere werde auf unbekannten Wegen in die Harnblaſe geführt. Ueber die Ausſcheidung des Verbrauchten durch das Harnſyſtem ſprachen wir auf Seite 391. Als eine ganz natürliche Folge des regen Waſſerbedürfniſſes wird es nun erſcheinen, daß alle Amphibien entweder im und am Waſſer, an naſſen, feuchten Orten hauſen oder doch dann, wenn ſie ſich von dem— ſelben entfernt haben, blos bei regneriſcher Witterung, gewitterſchwüler Luft und zur kühlen, dem Einfluß des Sonnenbrandes entrückten Tageszeit aus ihren ſchattigen, feuchten Verſtecken hervorkommen; im trocknen Raum, der trocknen Wärme anhaltend ausgeſetzt, wird der Lurch magerer, trockner, ſchwächer, bis er nach einigen Tagen eingeht, denn nicht nur, daß die Haut hier nichts einſaugen kann, ſie muß doch obendrein noch ausdünſten! Sehr bedeutend iſt die Ausſchwitzung im luftleeren Raum, weshalb die Lurche in dieſem noch ſchneller ſterben als im luftleeren Waſſer. Da, wie wir wiſſen, die Körperwärme der „kaltblütigen“ Lurche immer genau der Temperatur des umgebenden Medium entſpricht (Seite 390) und dieſe Thiere im Waſſer⸗Bedürfniß. Winterſchlaf. 406 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Gegenſatz zu den Warmblütern nicht im Stande ſind, die zur kräftigen Lebensäußerung ihrer Organe nöthige Wärme durch innere Vorgänge ſich ſelbſt zu erzeugen (Seite 403), ſo vermögen ſie dem einſchläfernden Einfluß der Kälte nicht zu widerſtehen; d. h. eine Erniedrigung der äußeren Temperatur unter das Minimum des für ihr aktives Leben nöthigen Maaßes an Luft- oder Waſſerwärme ſtimmt die Lebenskraft der Thiere der— art herab, daß ſie einſchlafen und in einem ſchlafähnlichen Zuſtande ſo lange verharren, als die ihn bedingende niedrige Temperatur anhält. Aus letzterem Grunde iſt die Dauer des Winterſchlafes — wie man dieſen Ruhezuſtand, während deſſen das aktive Leben der Betreffenden auf ein, durch den Verbrauch von in Organen und Ge— weben aufgeſpeicherten Nährſtoffen erhaltenes Minimum herabgeſetzt iſt, nennt — er— heblichen Schwankungen unterworfen und zuweilen unterbrochen; man ſieht dann, wenn zur Winterszeit plötzlich einige warme Tage eintreten, nicht ſelten den einen oder anderen Winterſchläfer außerhalb ſeines Unterſchlupfes. Wie es falſch wäre anzunehmen, daß im Leben der Amphibien bei einem beſtimmten Temperaturgrad ſtets die gleichen Erſcheinungen und Vorgänge zum Ausdruck kommen, ſo irrig iſt auch die Meinung, der Winterſchlaf trete bei einem beſtimmten Grade und zu einem beſtimmten Zeitpunkt, wie auf ein gegebenes Zeichen hin, ein. Vielmehr kann eine höhere Wärme im Herbſt den Beginn des latenten Lebens ſehr verzögern, und daſſelbe nimmt ganz allmählich, nach Maßgabe des Sinkens der mittleren Temperatur, ſeinen Anfang: wird die Witterung im September oder Oktober unfreundlich, ſo läßt die Lebhaftigkeit der Thiere nach, die Waſſerfröſche, die ſonſt die Ufer bevölkerten, verkriechen ſich in den Schlamm, die Kröten u. a. in Erdlöcher und laſſen ſich wohl mehrere Tage lang nicht ſehen; milderes Wetter lockt ſie wieder hervor, ſie freſſen wohl auch noch einmal, indeſſen je mehr die Temperatur ſinkt bezw. je mehr fie ſich unter das Optimum!) erniedrigt, je unwirſcher das Wetter ſich geſtaltet, deſto träger, ſchwerfälliger werden ſie, die Aufnahme und Umwandlung von Nährſtoffen (Aſſimilation) hört auf, die Zahl der im Freien ſich zeigenden Thiere ſchrumpft immer mehr zuſammen, ſie graben ſich tiefer ein und kommen auch an einzelnen wärmeren Tagen nicht mehr zum Vorſchein, nur die jungen Genoſſen, die in oberflächlichere Schichten ſich einbetten und hier „um ſo leichter und länger von den ſchwachen Sonnenſtrahlen erreicht werden“ (weshalb ſie auch im Frühjahr zu— erſt hervorkriechen), halten länger aus und laſſen ſich wohl erſt von dem wirklichen Froſt unter die Oberfläche treiben. Ueberhaupt führen manche Arten, ſo der grüne Teichfroſch und die Unken, im Herbſt ihr Freileben fort bei einer noch niedrigeren Temperatur als diejenige iſt, bei welcher ſie im Frühjahr wieder erſcheinen, während andere: Erdkröte, Grasfroſch und Molche, oft ſchon bei nur einigen wenigen Grad über Null aus dem Winterſchlaf erwachen und dann ſich in die Gewäſſer begeben, um hier, zuweilen noch zwiſchen ſchwimmenden Eisſtücken, die vorbereitenden Schritte zur Fortpflanzung einzuleiten; die Knoblauchskröte zählt zwar auch zu den frühe laichenden Arten, indeß verſchwindet ſie im Herbſt ſehr bald (September). Pe Als die in Bezug auf extreme Temperaturgrade widerſtands- und anpaſſungsfähigſten Er unter unſeren Lurchen werden Erdkröte und Grasfroſch zu betrachten fein, welche denn auch in Europa am weiteſten nach Norden hin ſich verbreiten und in den Alpen ſehr hoch hinaufſteigen. Und wenn im Allgemeinen die Amphibien unſerer Gegenden den Einfluß ſinkender Wärme erſt bei einer nur verhältnißmäßig wenige Grade über dem Gefrier— punkt des Waſſers liegenden Temperatur empfinden, ſo wirkt doch ein und derſelbe *) Als Temperatur-Optimum bezeichnet man den für das Thier günſtigſten, ſeinem Gedeihen förderlichſten Temperaturgrad. Allgemeines. 407 Grad oder dieſelbe Schwankung der letzteren auf die verschiedenen Arten und Alters— ſtufen unſerer Lurche in ungleicher Weiſe; und wenn es ferner zutreffen wird, daß nur aus— gebildete Lurche, nicht aber ihre Larven eine dem Gefrierpunkt naheſtehende Kälte oder gar das Einfrieren ſelbſt ertragen können, ſo darf man doch auch den erſteren nicht allzuviel zumuthen. Zwar finden ſich Angaben vor, daß Fröſche und Kröten nicht ſterben ſollen, ſelbſt wenn ſie ſo vollſtändig gefrieren, daß Haut, Muskel und Knochen gleichmäßig in kleine Stücke zerbrochen werden könnten, und Gaimard will im Winter 1828/29 auf Island beobachtet haben, wie Kröten jo gefroren, „daß alle ihre flüſſigen Theile Eis und die Thiere ſo hart waren, daß man ſie mit Leichtigkeit zerbrechen konnte, ohne daß Blut floß, und wie fie im warmen Waſſer in 8—10 Minuten ihr Leben und große Lebendigkeit wieder erlangten“ — indeß darf man doch, von der Unwahrſcheinlichkeit der ſogenannten Beobachtung Gaimard's ganz abgeſehen, aus der Härte der Thiere allein noch nicht folgern, daß ſie durch und durch gefroren ſeien, vielmehr brauchten ja, wie Semper hervorhebt, in den anſcheinend hartgefrorenen Thieren doch diejenigen Theile und Säfte, auf deren Eigenſchaften die Erhaltung des Lebens nach dem Aufthauen beruhte, nicht wirklich gefroren zu ſein. Man wird alſo, ehe man derartige Angaben wie die erwähnten macht, umfaſſende, konſequent durch— geführte Verſuchsreihen und ſomit einwandsfreie Beobachtungen vor ſich haben müſſen. K. Kuauthe hat ſolche Verſuche und Beobachtungen gemacht und verweiſt auf Grund der Ergebniſſe jene Mittheilungen über Hartgefrieren der Amphibien bis zum Zerbrechen und ein folgendes Wiederaufleben ebenfalls vollſtändig ins Reich der Fabel [Zool. Anz. Nr. 359, 360]: kein brüchig hart gefroren geweſenes Amphibium erwachte wieder, keins gab auch nur die geringſten Lebenszeichen von ſich, ſelbſt wenn ſich daſſelbe blos einige Momente in hartgefrorenem Zuſtande befunden hatte. „Schwacher Froſt (2 bis 4, 5° C.) ſchadet den Amphibien nur wenig oder gar nicht. Ich ſelbſt habe unter ſolchen Umſtänden Fröſche und Kröten, deren hintere Gliedmaßen und Hände im Eiſe eingefroren waren und deren Kopf ſowie Rücken und Bauch eine ganz feine Eiskruſte umgab, doch wieder bei naturgemäßem Abthauen zum Leben erweckt. (Der Körper war aber unter der Eisrinde weich und geſchmeidig, die Thiere nie hart oder erſtarrt, ſondern zeigten ſich blos hochgradig lethargiſch und bewegten ſich nach dem Heraus— nehmen aus dem Eiſe ſogleich wieder.) Völlig eingefrorene Thiere verendeten dagegen auch hierbei immer, und ebenſo tödtet ſtarker Froſt (5 C. und darüber) ſicher alle am Lande befindlichen Fröſche und Kröten.“ Von Fröſchen und Kröten, deren Gliedmaßen im Froſt ſo ſteif geworden waren, daß man dieſelben nicht mehr ziehen und recken konnte, während der Körper noch ziemlich weich war und die Eigenwärme mitunter bis — 0,9“ C. herabſank, erholten ſich, nachdem fie in vorbeſchriebenem Zuſtande in einer Temperatur von — 0,5“ C. einige Stunden lang gelegen hatten, beim Abthauen nur 10 bis 15 Prozent Fröſche (namentlich R. esculenta) und etwa 50 Prozent Kröten; ein weiteres „Hartwerden“ ertrug aber kein Thier, vielmehr ſtarb jedes, ſobald der Körper auch „ſteif“ wurde. Die Winterſtarre der in ihrem Verſteck ruhenden Lurche darf füglich nicht einmal als Starre bezeichnet werden, da dieſelben, wenn herausgeholt, allerdings für den erſten Augenblick ſteif und ungelenk und tief ſchlaftrunken erſcheinen, jedoch ſehr raſch dieſen Schwächezuſtand abſtreifen und munter davongehen. Das Winterquartier wird, oft gemeinschaftlich, im Schlamm (Teichfröſche), in Erdhöhlen, Baumſtümpfen, unter Acker— ſchollen u. dergl. bezogen und im Großen und Ganzen nicht vor dem März verlaſſen. Die gemeinſchaftliche Ueberwinterung, der gemeinſchaftliche Aufenthalt in und an einem beſtimmten Gewäſſer u. a. beruht nicht auf einer, in gegenſeitiger Zuneigung Weſen. 408 Zweite Klaffe. Amphibien oder Lurche. und Hilfsbereitſchaft wurzelnden Geſelligkeit, ſondern es iſt lediglich die all den Thieren für den jeweiligen Zweck beſonders zuſagende Oertlichkeit, welche ſie zuſammenführt und aneinander bindet; keins ſteht dem andern bei, keins kümmert ſich um das andere, nur daß dann und wann ein junger, kleiner Genoſſe von einem beuteluſtigen ſtarken Verwandten als leckerer Biſſen erkannt und erwählt wird. Um ſo auffälliger muß die von der männlichen Geburtshelferkröte (und in entſprechender Weiſe von einigen ausländiſchen Lurchen) der Brut gewidmete Fürſorge erſcheinen, namentlich wenn wir bedenken, daß andere, in ſonſtiger Hinſicht verhältnißmäßig gut veranlagte Arten, ſo die Wechſel-, Kreuz- und Erdkröte, ſchon bei der einfachen Wahl der Laichſtätten zu— weilen jedes weiterreichende Beurtheilungsvermögen vermiſſen laſſen, indem ſie, blos um die Unterbringung und allernächſte Verſorgung der Eier bekümmert, dieſelben in zwar mehr durchwärmten (weil ſeichteren), aber vielleicht nur von Thau- und Ueber— ſchwemmungswaſſer gebildeten und daher bald verſchwindenden Tümpeln abſetzen, ſodaß Eier oder die etwa ſchon ausgeſchlüpften Larven zu Grunde gehen müſſen. Daß die bedächtigen Kröten unter den Lurchen, welche hinſichtlich des geiſtigen Weſens auf einer ziemlich niedrigen Stufe, doch nicht ſo tief als die Schlangen ſtehen, zu den begabteſten gehören, bemerkt man ſo recht in der Gefangenſchaft, wo ſie, bald in ihr Schickſal ſich ergebend, den Verhältniſſen ſich anzupaſſen wiſſen, den Pfleger kennen, auf ſeinen Ruf oder Pfiff herbeikommen lernen, auf der Hand ſitzen bleiben, von einem Tiſch oder anderem erhöhten Punkt aus den Abgrund abzuſchätzen wiſſen und nach Gelegen— heit zum Hinabſteigen ſuchen, während der Waſſerfroſch, raſch und unbeſonnen in ſeinen Handlungen, „vom fünften Stockwerk eines Hauſes ſpringen würde ohne irgend welches Bedenken über die Folgen“ und ſein unbändiges Weſen beibehält oder nur ganz allmählich mäßigt, ſeine neidiſche, diebiſche Natur aber wohl überhaupt nie ver— leugnet. Trotzdem iſt bei den Fröſchen, gleichwie bei den Kröten, unter anderem ein Ortsgedächtniß ausgebildet: Ad. Franke beobachtete, daß in feinem Freiland- Terrarium jeder Waſſerfroſch nach beendeter Fortpflanzungszeit ein beſtimmtes Nachtquartier be— zog und beiſpielsweiſe der eine immer genau dieſelbe Stelle zwiſchen zwei breiten Klettenblättern mit Eintritt der Dunkelheit beſetzte, von wo aus er bei der geringſten Störung in zwei mächtigen Sätzen nach dem Baſſin ſprang; die Kröte kehrt nach be— endetem Jagdausflug ſtets zu ihrem Unterſchlupf zurück, und auch der anſcheinend ſtumpfſinnige Salamander prägt ſich das Plätzchen im Terrarium, wo man ihm regel— mäßig das Futter verabfolgt, ein und ſucht es jeden Tag zur gewiſſen Zeit auf. Gewonnene Erfahrungen werden, bei den einen mehr als bei den anderen, behalten und angewendet, die Thiere werden gewitzigter, klüger, geſchickter, ſie lernen beſſer auf— merken und beobachten. So zeigen Fröſche anfangs vor jeder Schlange und Eidechſe im Terrarium Furcht, ſpäter finden ſie den Unterſchied heraus und legen den letzteren und den ſie unbehelligt laſſenden Schlingnattern ꝛc. gegenüber die Scheu ab; der ſchlau gewordene Froſch weiß ſogar, daß auch die Ringel- und Würfelnatter, weil ſie unbewegte Gegenſtände nicht unterſcheiden können, ihm nichts thun, wenn er wie leb— los ruhig ſich an den Boden duckt; ſelbſt die nicht ſonderlich befähigte Knoblauchs— kröte bekundet, wie ich wiederholt wahrgenommen habe und wie auch durch eine ent— ſprechende Beobachtung Weſthoff's erwieſen wird, Gedächtniß: eine ſolche Kröte, welche einmal mit einer Zange am Hinterbein gefaßt worden war und dabei den bekannten jämmerlichen Schrei ausgeſtoßen hatte, ließ ſpäter denſelben hören, ſobald ſie nur leiſe berührt, ja ſchließlich nur der Behälter angefaßt wurde; in anderer Weiſe brachte eine Erdkröte die Erinnerung an eine ihr wohl früher einmal von einer Schildkröte zugefügte Unbill zum Ausdruck: beim Anſichtigwerden einer Teichſchildkröte blies ſie Allgemeines. 409 ſich dick auf, bedeckte ſich mit Feuchtigkeit, erhob den Körper nach Art einer buckel— machenden Katze und ſtand nun mit ſtarr ausgeſtreckten Beinen und weit geöffneten Augen vor dem „Feinde“. Den Schildkröten, Echſen und Schlangen gegenüber ſind die Amphibien, insbeſondere die ungeſchwänzten durch den Beſitz einer Stimme (Seite 390, 414) ausgezeichnet, und durch die öffentlichen Muſikaufführungen, die manche Arten ver— anſtalten, drücken ſie nicht nur ihr körperliches Wohlbehagen, ſondern anſcheinend auch ihr Wohlgefallen an lauten Tönen, ein gewiſſes Verſtändniß für ſolche aus. Vielleicht darf daſſelbe mit auf Rechnung des ziemlich gut entwickelten Ohres (Seite 387) geſetzt werden. Denn daß das Gehör wenigſtens einzelner Arten fein iſt, beweiſen gefangene Erdkröten, welche im Terrarium die kratzende Schabe ſchon hören, ehe ſie dieſelbe zu Geſicht bekommen haben, und daraufhin das Verſteck verlaſſen, um dem ſich bemerklich machenden Kerf nachzuſchleichen, oder welche, und ebenſo iſts mit Wechſel⸗ und Kreuzkröten, auf Zimmerweite Geräuſche und Rufe vernehmen und dann entweder aufhorchen oder ihre etwaige Thätigkeit (Graben ꝛc.) einſtellen oder ſich ver— bergen. Dem Auge fehlt, gleich dem der Schlangen, die Fähigkeit, unbewegte Dinge zu erkennen und zu unterſcheiden, weshalb ſie, von zahmen, gefütterten Thieren ab— geſehen, nur lebende, ſich bewegende Nahrung aufſchnappen. Aber auch ſolche ver— mögen ſie nur innerhalb eines engumſchriebenen Kreiſes wahrzunehmen, und wenn für das Geſicht der Knoblauchskröte zwei Meter „ſchon eine beträchtliche Ferne“ bedeuten, ſo beherrſchen die Molche ein noch geringeres, die Waſſerfröſche hingegen, die vor dem als Feind erkannten, ſich nähernden Menſchen ſchleunigſt in die Tiefe flüchten, ein weiteres Geſichtsfeld. Ueber den Geruch mangeln uns Beobachtungen, die für oder gegen eine Ausbildung dieſes Sinnes ſprächen, doch glaube ich, daß derſelbe bei den ja nur in geringem Grade athmenden Lurchen blos unbedeutend entwickelt iſt. Etwas beſſer mag es um den Geſchmack beſtellt ſein, da Fröſche, Kröten es ſogleich merken, wenn ſie etwas Ungenießbares bezw. mit der lebenden Nahrung ein Holzſtückchen, ein Theilchen Erde oder dergleichen in den Mund bekommen haben (jo daß fie das Unerwünjchte wieder herausgeben oder mit Unterſtützung der Finger fortwiſchen) — falls man dies nicht dem Gefühlsvermögen gutſchreiben will. Denn, wenngleich die Zunge in der Hauptſache zum Erlangen der Nahrung dient, ſo darf doch nicht verkannt werden, daß die in der Schleimhaut von Zunge und Mundhöhle ſich vorfindenden Nervenend— knoſpen wohl als Geſchmacksorgan dienen; und wenn ſie anderſeits, ganz im Gegenſatz zur Zunge der Eidechſen und Schlangen, auch nicht als Werkzeug, als Sitz des Taſt— ſinnes gelten kann, ſo wird doch die Haut der Kiefer und des Rachens Gefühlsem— pfindungen vermitteln. Jedenfalls iſt die ſehr nervenreiche Körperhaut der Sitz eines ausgeſprochenen Taſtſinnes. Manche Arten, jo die Erdkröte, der Laubfroſch und ſelbſt der Feuerſalamander, offenbaren eine nervöſe Empfindlichkeit, wie man ſie bei den im Rufe der „Gefühlloſigkeit“ ſtehenden Amphibien ſicherlich nicht ſucht; Gewitterſchwüle, d. h. die elektriſche Spannung in der Atmoſphäre, übt auf ſie ſolchen Einfluß aus, daß Kröte und Salamander aus ihrem Verſteck hervorkommen, unruhig, lebhafter werden und in einer gewiſſen Erregung und Erregbarkeit umherwandern, oder daß der Laub— froſch durch lebhafteres, muntereres Gebahren zum Ankündiger von Gewitter und Regen wird. Obſchon die Lurche nicht zu den ſcharfſinnigen, hochbegabten Geſchöpfen gehören, ſo bildet die Beſchäftigung mit ihnen trotzdem, oder vielmehr gerade deshalb eine be— herzigenswerthe Aufgabe aller Naturfreunde, denn ſie ſind in ihrem Thun und Treiben, in ihrem Gehaben und Gebahren noch immer nicht zur Genüge beobachtet und belauſcht. Zudem erſchweren ſie, da ſie keine ſonderlichen Anſprüche an den Pfleger ſtellen, dieſe Sinnes⸗ Fähigkeiten. Gefangenſchaft. Alter. Feinde. 410 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Aufgabe in keiner Weiſe. Einige, in erſter Linie die Molche, ſind während des Früh— jahres und Frühlings entſchiedene Waſſer- und darum Aquarium-Bewohner, die anderen bringt man ins Terrarium, das allerdings auch mit einem recht geräumigen, in den Erdboden eingeſenkten Waſſerbehälter verſehen ſein muß. Das Terrarium braucht nur eine Glasſcheibe (im Uebrigen Gaze- oder allenfalls Holzwände) zu haben, da die Amphibien, abgeſehen von den Fröſchen, Schatten, Dämmerung lieben. Dem kann ja durch entſprechende Aufſtellung des Käfigs und durch eingeſetzte Blattpflanzen mühelos Rechnung getragen werden, und ebenſo iſt durch Einbringen einer 15 bis 30 em hohen Erdſchicht die Neigung der Knoblauchs-, Kreuz- und Wechſelkröte zum Graben leicht zu be— friedigen, wie man anderſeits mittelſt umgeſtürzter Blumentöpfe, zerklüfteten Tropfſteins u. a. auch für die übrigen Genoſſen Schlupfwinkel ſchafft; die eine Hälfte des Erdbodens bedeckt man mit feucht zu haltenden Moos. Junge Thiere, welche ſoeben ihre Ver— wandlung beendet haben, vereint man nicht mit größeren in ein und demſelben Behälter, da ſie ſonſt verſpeiſt werden, ſondern überſiedelt fie in geſonderte Käfige und verſorgt ſie hier reichlich mit Kleingethier: junge Anuren mit Spinnen, Fliegen, Ameiſen, kleinen Mehlwürmern, Käferchen, junge Schwanzlurche mit kleinen Würmern u. dergl. Aeltere Lurche bekommen das in Mehl- und Regenwürmern, Nacktſchnecken, Käfern, Schaben, Engerlingen, Vielfüßen und ähnlichen Weſen beſtehende Futter, und manchen mag man auch zur Annahme von Fleiſchſtreifen, die man zunächſt vor ihnen hin- und herbewegt, zu veranlaſſen. Im warmen und ſelbſt nur mäßig geheizten Zimmer bleiben unſere Amphibien den Winter hindurch wach; doch erſcheint es naturgemäßer, ihnen Gelegenheit zur Abhaltung des Winterſchlafes zu bieten, und das geſchieht in der Weiſe, daß man ſie in mit Erde, Steinen, Baumwurzeln, Moos, Laub gefüllte Kiſten bringt und dieſe in kalte, aber froſtfreie Keller de. ſtellt. Bei geeigneter Behandlung dauern die Lurche jahrelang in der Gefangenſchaft aus; einen Feuerſalamander pflegte ich ſechs, eine Erdkröte nahezu acht Jahre und gab fie dann einem Bekannten, bei Ph. L. Martin-Stuttgart blieb ein Froſch 7½ Jahr am Leben, bei einem Freunde ſah ich eine Kröte, die ſchon 15 Jahre in ſeinem Beſitz war, ja Pennant berichtet von einer, welche 36 Jahre lang in der Gefangenſchaft geweſen war, als ſie durch einen Zufall verunglückte. Dieſe Fälle werden zu der Annahme berechtigen, daß die Amphibien, entſprechend ihrem langſamen, acht bis zwölf oder noch mehr Jahre umfaſſenden Wachsthum, ein hohes Alter erreichen. Viele aber fallen dem Hieb und Schlag eines mit „Vernunft“ begabten Menſchen oder den Sumpf- und Raubvögeln, Schlangen, Iltiſſen und ſonſtigen Räubern zum Opfer, Fröſche werden auch getödtet, um durch ihre feiſten Schenkel die Tafelfreuden mancher Feinſchmecker zu erhöhen, außerdem haben die Lurche auch von kleinen Feinden und Krankheiten zu leiden. So wird ziemlich oft die Erdkröte, vereinzelt auch die Kreuzkröte im Sommer, wenn ſie am Tage in eine Art Halbſchlummer verſunken in ihrem Schlupfwinkel ſitzen und nur den Vorderkopf aus dem Verſteck vortreten laſſen, von Schmeiß- und Aasfliegen der Gattung Musca (Untergattungen Lucilia, Calliphora) heimgeſucht, welche ihnen in die offenen Naſenhöhlen Eier legen; die aus dieſen ſich entwickelnden Larven oder „Maden“ freſſen nun nicht nur die äußeren Oeffnungen und die Scheidewand der Naſe aus, ſondern ſie bohren ſich auch in die Augen und das Gehirn, den Schlund und die Bruſthöhle durch und unterwühlen die Haut des Kopfes und Rumpfes und martern die armen Wirthe, welche, ſolange ſie noch die Kräfte dazu beſitzen, in ſeichten Gewäſſern oder an ſumpfigen Plätzen Linderung ihrer Pein ſuchen, buchſtäblich zu Tode; dann erſt verlaſſen die Quälgeiſter das Feld ihrer ſcheußlichen Thätigkeit, um ſich zu verpuppen. Gegenüber dieſen gräßlichen Eindringlingen, welche Allgemeines. 411 als Urheber jener epizootiſchen Krankheit bereits vor mehr als drei Jahrzehnten von C. Bruch beobachtet und gekennzeichnet wurden, wollen die Innen-Schmarotzer aus den Gruppen der Fadenwürmer oder gar der Infuſorien — ſo der Fadenwurm Rhabditis (Ascaris) nigrovenosa Rud. in den Lungen des Froſches, deſſen Ordnungs— verwandter Hedruris androphora Crepl. an der Magenwand der Unke und des Molches, die im Darmkanal paraſitiſch lebenden winzigen Wimper-Infuſorien aus den Gattungen Balantidium (B. entozoon Ehrdg. bei Unke, Gras- und Teichfroſch und Molchen), Opalina (O. ranarum, dimidiata, obtrigona bei Fröſchen, Kröten, Laubfroſch) u. a. — wenig oder nichts beſagen. Wohl aber muß noch darauf hingewieſen werden, daß im Käfig befindliche Lurche bei unzweckmäßiger Behandlung leicht von Krankheiten, die durch äußere Urſachen entſtehen und oft zum Tode führen, befallen werden. Namentlich iſt das Waſſer und ſeine Beſchaffenheit dabei von Einfluß. Auch hier war es wieder der aufmerlſam beobachtende Bruch in Würzburg, welcher erfuhr und zuerſt berichtete (1863), daß gefangen gehaltene Grasfröſche im Waſſer nur kurze Zeit ausdauern, ohne von Waſſerſucht (Hydrops), Brand (Gangraen) und ſkorbutartigen Zuſtänden befallen zu werden, und daß insbeſondere Waſſerfröſche häufig einer Art Starrkrampf (Tetanus) erliegen. Bruch theilt mit, wie Waſſerfröſche, die ſich lange Zeit anſcheinend ganz wohl befanden, obgleich das den Boden ihres Behältniſſes bedeckende Waſſer bald eine ſchlechte Farbe und einen fauligen Geruch bekommt, bei Erneuerung deſſelben im Sommer — wenn ſie längere Zeit gefaſtet hatten und ſchon ziemlich abgemattet waren — in eine eigenthümliche Aufregung geriethen, welche ſich durch lebhafte Bewegungen aller Art äußerte und bei einigen ſogar zu begattungsartigen Verſuchen ſteigerte, trotzdem die Paarungszeit vorüber war. Dieſe Erregung dauerte jedoch nur kurze Zeit, manchmal blos einige Minuten, und gewöhnlich ſchloß der Auftritt mit jener krampfhaften Erſtarrung, die nicht ſelten unmittelbar in Todtenſtarre überging, ſodaß auf ſolche Weiſe beſonders in der heißen Zeit oft alle gefangenen Fröſche eingingen. Da die letzteren einen täglichen Waſſerwechſel ungleich beſſer vertrugen, ſo vermuthet Bruch, der Temperaturunterſchied des friſchen und des abgegoſſenen Waſſers bewirke jene einer Vergiftung ähnlichen Erſcheinungen. Ein jüngerer Amphibiolog, Dr. Fr. Werner in Wien, bezeichnet das ſchlechte, ſtinkende Waſſer und Uebervölkerung der Käfige als Urſachen des Starr— krampfes und meint (alſo ganz abweichend von Bruch), daß gerade durch eine Douche von kaltem Waſſer bereits erkrankte Thiere oft noch gerettet werden können. Werner führt aus, daß die Krankheit, welcher alle Amphibien erliegen, durch eine gewiſſe Unruhe der Lurche ſich anzeige: ſie hüpfen und laufen wie raſend herum und durcheinander, wobei Kröten, Unken und Salamander ſehr ſtark ſchäumen; ſpäter fangen die Bewegungen an ſteif und unbeholfen zu werden, die Beine verſagen den Dienſt, die Augen ſehen, indem das untere Lid ganz oder theilweiſe über dieſelben gezogen wird, verglaſt aus; bei Fröſchen und Kröten beginnt ſich nach und nach ein krampfhaftes Zucken in den Hinterbeinen, zuerſt in den Zehenſpitzen, dann immer weiter aufwärts, einzuſtellen, ohne daß ſich die ſchließlich ſtarr ausgeſtreckten Hinterbeine ſelbſt bewegen würden; bei Schwanzlurchen bewegt ſich der Schwanz ſchlängelnd ſehr lange, wenn ſchon der übrige Körper kein Lebenszeichen mehr giebt; endlich liegen die Thiere lang ausgeſtreckt todt da, wobei ſie einen ganz merkwürdigen Geruch verbreiten. Um der Krankheit vorzubeugen, empfiehlt Werner, nicht zu viele, beſonders nicht zu viel lebhafte Lurche (Fröſche) in einen Käfig zu bringen und auf ſtrenge Reinlichkeit zu ſehen. Bei mir hat ſich während einer zwanzigjährigen Amphibien- und Reptilienpflege dieſes Uebel nicht gezeigt, ich kann ſonach kein eigenes Urtheil darüber fällen. Die von Bruch er— Krankheiten. Foſſile. 412 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. wähnten ſkorbut- und waſſerſucht-artigen Zuſtände treten nicht nur bei Fröſchen, ſondern auch bei Molchen auf, wenngleich mir ſolche blaß, aufgeſchwollen erſcheinende Tritonen nur vereinzelt (Axolotl mehrfach) vorgekommen ſind. Das von Bruch ebenfalls zuerſt bemerkte Erſcheinen einer röthlichen Blaſe am After gefangener Laubfröſche, die „offenbar von der ausgetretenen Darmſchleimhaut gebildet“ wird, mithin als ein Darmvorfall (Prolapsus) zu deuten iſt, habe ich einige Mal bei den deutſchen und auch amerikaniſchen Laubfröſchen eines Händlers kennen gelernt; da ich die Sache aber nicht vom Beginn an hatte verfolgen können, ſo weiß ich nicht, ob Bruch mit ſeiner Muthmaßung: der Vorfall ſei verurſacht durch Erkältung, die ſich die Fröſche in erneuertem, ſehr kaltem Waſſer zugezogen, das Richtige trifft. Verwundungen und Geſchwürsbildungen an der Schnauze bei Fröſchen, die mit der letzteren bei ihrem unbändigen Springen an den Käfigdeckel ſtoßen, ſind nichts Seltenes und führen zuweilen zum Tode. Kurzum, auch die Amphibien haben ihre Leiden und ihre Feinde, und darum möge wenigſtens der vernunftbegabte Menſch die letzteren nicht noch ver— mehren, ſondern eingedenk des nützlichen oder doch harmloſen Weſens dieſer Mitgeſchöpfe das Wort beherzigen: Schutz den Lurchen! In den älteren Erdſchichten, von der Steinkohle bis zur Triasformation, ſind zwar genug verſteinerte Lurche aufgefunden worden, indeſſen haben dieſe, die Schuppen— oder Panzerlurche (Stegocephala, Labyrinthodonta), wenig mehr als die ſalamander— ähnliche Geſtalt mit unſeren heutigen Amphibien gemein. Die Vorfahren der letzt— genannten treten vielmehr erſt im Tertiär auf: im Oligocän und Miocän Deutſchlands, Böhmens, Frankreichs hat man zahlreiche Reſte aufgedeckt. Außer der allerdings ſchon im oberen Miocän wieder verſchwindenden Gattung der Urfröſche (Palaeobatrachus), von welcher beiſpielsweiſe mehrere Arten aus der Rheiniſchen Braunkohle (Erpel, Siebengebirge) bekannt ſind, war die Gattung der echten Fröſche (Rana) damals am meiſten verbreitet, auch die Gruppen der Krötenfröſche (Bombinator beiſpielsweiſe in den Kalkſchiefern von Oeningen, die auch die Fundſtelle des von Scheuchzer irrthümlich für den verſteinerten Sintfluthmenſchen [Homo diluvii testis] gehaltenen Urſalamanders [Andrias Scheuchzeri T'schudi; Cryptobranchus primigenius C.] bildeten) und der Kröten ſtellen ſich, zum Theil ſchon im Oligocän und unteren Miocän, ein. Die im Diluvium nicht ſelten aufgefundenen Kröten, Fröſche u. a. gehören bereits den heutigen Gattungen und Arten an, ſo auch der von A. Nehring 1878 und 1880 im Diluvium von Weſteregeln und Thiede entdeckte Pelobates. Die jetzige deutſche Lurchfauna umfaßt 8 Gattungen mit 18 Arten, während die Zahl der überhaupt bekannten lebenden Spezies ſich auf rund 1200 beziffert. Von jenen 18 Arten gehören zwölf zur Ordnung der Froſch- und ſechs zur Ordnung der Schwanzlurche. Dieſe beiden Ordnungen unterſcheiden ſich ſchon im Aeußeren ſehr leicht dadurch, daß die Thiere der erſteren im ausgebildeten Zuſtande einen kurzen, zuſammengeſchobenen, ſchwanzloſen, die der letzteren einen geſtreckten, geſchwänzten Körper beſitzen. ö I. Ordnung. Froſchlurche, Schwanzloſe Amphibien. Anura (Ecaudata. Batrachia salientia). Körper kurz, zuſammengeſchoben, viereckig- eiförmig, ziemlich flach, im aus— gebildeten Zuftande ſchwanzlos; vier wohlentwidelte Beine, davon die hinteren verlängert. Obgleich der Laubfroſch gegen die Erdkröte geradezu zierlich erſcheint, ſo laſſen doch beide gleich den anderen Froſchlurchen ein und denſelben Typus in der Bauart erkennen, denn ſtets iſt der Körper, wenn auch nicht eigentlich plump, ſo doch kurz, dick, gedrungen, abgerundet, rechteckig oder eiförmig, oberſeits flach, oder nur leicht ge— wölbt. Der Rumpf geht, da ein eigentlicher Hals fehlt, unmittelbar in den breiten, weitmäuligen, im Schnauzentheil bogig zugerundeten Kopf über. Die Augen haben wir Seite 387 beſprochen; das Trommelfell tritt bei allen unſeren Gattungen, aus— genommen Unke (der es fehlt) und Knoblauchskröte, deutlich zu Tage. Die Bezahnung der heimiſchen Froſchlurche iſt verſchieden; den Kröten fehlen alle Zähne, bei den Froſchkröten, Unken, Laub- und echten Fröſchen ſind Oberkiefer und Gaumen bezahnt, Unterkinnlade zahnlos: die feinen Zähnchen ſind an der Spitze mehrzinkig oder mehr— lappig, die Zacken nach einwärts gelrümmt; die Gaumenzähnchen bilden zwei ziemlich kurze, zwiſchen oder etwas hinter den inneren Naſenlöchern quergeſtellte Gruppen oder Reihen. Die fleiſchige, klebrige Zunge iſt faſt bei allen nur mit ihrem Vordertheil, im Winkel des Unterkiefers befeſtigt und daher mit dem hinteren Ende vorſchnellbar. Die Hinterbeine ſind noch kräftiger entwickelt als die vorderen, oft ſehr lang, ja beim Springfroſch u. a. erheblich länger als der ganze Körper, dagegen bei der Kreuzkröte unter oder gleich der Kopf⸗Rumpflänge, ihre fünf Zehen, von denen in der Regel die innerſte lerſte) die kürzeſte, die vierte die längſte iſt, gewöhnlich durch Schwimmhäute geſäumt oder verbunden, während die vier ausgebildeten Zehen (Finger) der Vordergliedmaßen frei bleiben. Zu beachten gilt es noch, daß an den letzteren der Daumen verkümmert iſt und der Reſt deſſelben nur in Geſtalt eines Knorpelſtückes oder Knochens unter der Haut verborgen liegt, ſodaß der äußerlich als Daumen oder erſter Finger (Pollex) erſcheinende und als ſolcher auch benannte Finger eigentlich den zweiten Finger (Index) darſtellt; ferner daß ein am Innenrande der Ferſe bezw. der Innenzehe ziemlich all— gemein ſich findender Ferſenhöcker gemeinhin als ſechste Zehe bezeichnet wird. Die Kloakenöffnung iſt rundlich. Da wir über das Kuochengerüſt das wichtigſte auf Seite 385 gejagt haben, jo genügt es hier zunächſt mit Rückſicht auf die neuere Syſtematik hervorzuheben, daß der Bruſtſchultergürtel bei den Froſchlurchen eine bedeutende Entwicklung erlangt, aber doch eine verſchiedene Einrichtung aufweiſt, indem derſelbe entweder dadurch, daß die eigentlichen Rabenſchnabelbeine und die Schlüſſelbeine (Coracoidea und Praecoracoidea) Körperbau. Skelett. Stimme. 414 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. beider Seiten unten in der Mittellinie des Bauches zuſammenſtoßen und mittelſt eines unpaarigen, harten Knorpels Mittelſtück- oder Epicoracoid-Knorpel) feſt mit einander verbunden ſind, ſich durch Unbeweglichkeit auszeichnet, oder aber dadurch, daß der doppelt vorhandene und dann bogenförmige, weiche Knorpel nur Coracoid und Präcoracoid jeder Seite verbindet und der Knorpel der einen Seite ſich über den der anderen hinweg legt, eine ſeitliche Verſchiebung zuläßt. Demgemäß hat man die Froſchlurche in zwei Reihen oder Gruppen gebracht: die Firmisternia oder Starr— bruſtfröſche, d. h. ſolche mit feſtem, ſtarrem Bruſtkorb, und die Arcifera (Bogentragende) oder Schiebebrüſtigen. Von den einheimiſchen Froſchlurchen zählen zu der erſteren Gruppe nur die echten Fröſche (Rana), alle übrigen zu der zweiten. Die Wirbelkörper der echten Rückenwirbel (Seite 386) ſind entweder vorn oder hinten ausgehöhlt, alſo procoel oder opiſthocoel, und beſitzen, außer kurzen Dornfortſätzen auf der Rückenſeite (Processus spinales), ſehr kräftige, ſtabförmige Fortſätze an der rechten und linken Seite (Processus transversi). Dieſe Querfortſätze vertreten gewiſſermaßen die Rippen, denn wirkliche Rippen fehlen ſtets, und auch die bei Unken und Geburtshelferkröte ſich findenden Knochenſtummel, welche mittelſt Bandmaſſe an mehreren Querfortſätzen der Rückenwirbel noch anſitzen, ſind nur als Rippen-Rudimente anzuſehen. Die Quer— fortſätze des Kreuzbeins haben entweder die gewöhnliche, ſtabförmige Geſtalt (ſo bei der Gattung Rana), oder ſie bilden, nach außen verbreitert, jederſeits eine dreieckige Knochenplatte (jo bei Laubfroſch, Erd- und Feuerkröte). Der Mangel an Rippen bedingt einen anderen Athmungs-Organismus als bei den höheren Wirbelthieren; denn da ſich beim Froſchlurch kein Bruſtkorb in un— willkürlicher Bewegung heben und ſenken kann, ſo muß derſelbe beſtändig die durch die Naſenlöcher eintretende Luft ſchlucken, was man an den Schluckbewegungen der Kehle eines am Glaſe klebenden Laubfroſches bequem wahrzunehmen vermag. Bei dieſem ruhigen Athmen ſowohl wie auch beim Schreien hält der Froſch den Mund geſchloſſen, und die zur eigentlichen Reſpiration nöthige Luft kann auch während des Schreiens leicht durch die Naſenlöcher den äußerſt grobmaſchigen Lungen, welche eine überaus große Menge Luft enthalten, und durch die Lungen dem Blut zugeführt werden. In dem Umſtande aber, daß die Athmungsluft ein ſtetiges Reſervoir bildet und nicht zu jedem neuen Schrei wieder aufgenommen zu werden braucht, liegt die Ausdauer des Froſches beim Schreien namentlich begründet. „Sobald die Luft, welche die Stimmbänder des Kehlkopfes in ſchwingend tönende Bewegung verſetzt hat, den Kehlkopf verlaſſen, tritt ſie durch die Oeffnung der Schallblaſen (Seite 390) in deren Inneres. Letztere blähen ſtark auf, mehr oder minder bis zur größten Spannkraft; iſt dieſe erreicht, ſo wird augenblicklich durch die Elaſticität der Schallblaſe die Luft wieder in die Lunge zurückgetrieben. Der ganze Vorgang der Stimmerzeugung wird dadurch gleichſam mechaniſch, und eben deswegen weniger anſtrengend und auch ſo an— haltend“ [Landois, Thierſtimmen S. 191]. Die erwähnten „Schallblaſen“, „Stimm“ oder „Kehlſäcke“ ſind beſonders gut bei dem grünen Teichfroſch (ſ. Farbentafel IV.) und dem Laubfroſch ausgebildet und erweiſen ſich hier als äußere, zu beiden Seiten des Kopfes bezw. an der Kehle ſtehende Ausſackungen oder Ausſtülpungen der Haut, die im gewöhnlichen Zuſtande der Ruhe unter der äußeren gefärbten Haut verſteckt liegen und durch zwei, hinten zwiſchen Unterkinnlade und vorderem Zungenbeinhorn belegene Oeffnungen in die Mundhöhle, von welcher aus ſie mit Luft gefüllt werden, münden. Sonach dienen die Schallblaſen, als Reſonanz-Apparat wirkend, zur Ber: ſtärkung der Stimme, und zugleich ſtellen ſie, wie bemerkt, gleichſam einen mechaniſch thätigen Blaſebalg dar, der es den Trägern ermöglicht, ganze Nächte ohne Unter- I. Ordnung. Froſchlurche, Schwanzloſe Amphibien. 415 brechung und ohne merkliche Anſtrengung zu ſchreien. Die Wand der Blaſe iſt „eine Fortſetzung des Bodens der Mundhöhle“ und hat gleich dieſer ein an elaſtiſchen Faſer— netzen reiches Bindegewebe zur Grundlage, woher es auch kommt, daß die Säcke je nach Ein: oder Austreiben der Luft ſtark ſchwellen bezw. ſchnell wieder zuſammen— fallen; die äußere Körperhaut aber bildet dort, wo ſie im erſteren Falle als ein runder Beutel hervortritt, im luftleeren Zuſtande der Schallblaſe einen ſchlaffen Sack bezw. eine Art Taſche nach einwärts. Nächſt Teich- und Laubfroſch ſind die rothbauchige Unke, die Kreuz- und die Wechſelkröte, auch der Gras- und der Moorfroſch mit mehr oder weniger merklicheren Stimmſäcken ausgerüſtet, wogegen ſolche der Erd-, Knoblauchs— und Geburtshelferkröte, der gelbbauchigen Bergunke und dem Springfroſch und im, Uebrigen den Weibchen aller Arten, welche zudem einen ſchwächer entwickelten Kehlkopf als die Männchen beſitzen, fehlen. Sonach erfreuen uns nur die Männchen durch ihre Konzerte, „Damen-Kapellen“ giebt es nicht unter dieſer feucht-fröhlichen Geſellſchaft. Am bekannteſten iſt der abwechſelungsreiche Chorgeſang der grünen Teich⸗ und Seefröſche, das helle Quäken der Laubfröſche, das von Unkundigen oft mit Froſchlärm verwechſelte laute Schreien und Lärmen der Kreuzkröten, das weiche Unken der Feuerkröte, weniger das Trillern und Schrillen der Wechſelkröte und der an— ſprechende Glockenruf des Feßlers. Die Stimme der Weibchen iſt belanglos. Schließlich mögen noch einige Bemerkungen über Sonderbarkeiten hinſichtlich der Fortpflanzung der Froſchlurche, die im Uebrigen auf früheren Blättern mit behandelt wurde, angefügt ſein. Ebenſo wie der Laich, der bei den Laub- und echten Fröſchen klumpige Haufen, bei Unken kleinere Klumpen, bei Erd- und Wechſelkröte lange, zier— liche, bei Knoblauchs-, Geburtshelfer- und Kreuzkröte kürzere Schnüre bildet, zeigt auch die Eutwicklung der Keimlinge im Ei je nach den Gruppen Verſchiedenheiten. Wie ſchon der aufmerkſame Bruch vor mehr als drei Jahrzehnten durch wiederholte voll— ſtändige Beobachtungsreihen erkannte, entwickelt ſich der Charakter des Luft- oder Landthieres bei den Kröten merklich früher und die Eigenheiten des Waſſerthieres ſind bei ihnen vergänglicher als bei den Fröſchen, Laubfröſchen und der Knoblauchskröte; die Kröten entwickeln ſich nicht nur im Ganzen raſcher, ſondern ſie verlaſſen auch die Eihüllen beträchtlich früher als die genannten, nämlich noch ehe die erſten Spuren der äußeren Kiemen auftreten, ja ſelbſt ehe ſie die erſten ſelbſteigenen Bewegungen machen: „ſie ſcheinen durch eine freiwillige Zerſetzung und Auflöſung der Eihüllen frei zu werden und ſozuſagen herauszufallen, während ſich die Larven der Ranae in den ge— ſchloſſenen Eiern bewegen und durch ihre ſpontanen Bewegungen befreien“. Und wenn zur warmen Jahreszeit die Larven der Wechſel- und Kreuzkröte ſchon am dritten oder vierten Tage nach dem Laichen außerhalb der Eihüllen, „obwohl in oder an der Ei— ſchnur ſuspendirt und aufgereiht“, erſcheinen, zu einer Zeit, da fie außer den jog. Saugnäpfen oder Haftvorrichtungen (Seite 394) keine äußerlich ſichtbaren Organe be— ſitzen — ſo durchbrechen die Larven der anderen genannten Lurchgattungen die Ei— häute erſt mehrere Tage ſpäter, nachdem die äußeren Kiemen, welche „lediglich als Sproſſen und Schlingenbildungen der inneren Kiemengefäße“ entſtehen, ſich gezeigt, der Schwanz ſchon zu einer beträchtlichen Länge herangewachſen iſt und ihre Be— wegungen ſchon innerhalb des Eies ſehr lebhaft ſind. Und bei der Geburtshelfertröte geht die Entwicklung des Embryo im Ei, welche laut Héron-Royer gewöhnlich 30 bis 35 Tage beanſprucht, noch viel weiter; denn bei den zum Ausſchlüpfen reifen Larven ſind die äußeren Kiemen bereits geſchwunden, hingegen die Schwanzwirbelſäule nebſt Floſſenſaum ſowie das Pigment der Körperhaut (ſchwärzlich-brauner Grund mit gelb- weißen glänzenden Sprenkeln) bereits ausgebildet. Deshalb wies C. Koch im Jahre Ausſchlüpfen. Kiemen. Kiemenloch. 416 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. 1872 darauf hin, daß, während die Larven unſerer Froſchlurche mit Ausnahme der des Feßlers beim Freileben im Waſſer drei Stufen durchlaufen: zuerſt die an Geftalt den Planarien gleichende Jugendform, ſodann die geſtreckte Form mit zartem Ruder— ſchwanz und frei heraustretenden Kiemenbündeln, und endlich die eigentliche, innere Kiemen beſitzende Kaulquappe, und dieſe Entwicklung bis zum Beginn der dritten Stufe frei im Waſſer binnen wenig Tagen ſich vollzieht — die Larve des Feßlers innerhalb der Eihülle durch die beiden erſten Stadien auf dem Trocknen in längerer Zeit ſich entwickelt. Mit dem embryonalen und Larven-Leben ſteht auch die Länge der äußeren Kiemen in Zuſammenhang. Zu dieſem Schluß wird man veranlaßt, wenn man er— wägt, daß Alytes hinſichtlich der Länge der letzteren, welche bei ihm „jederſeits ein zierliches Kiemenbäumchen oder Quaſte von acht- bis zehnmaliger Vertheilung“ darſtellen, alle unſere Froſchlurche übertrifft, während die äußeren Kiemen bei der Larve der Wechſelkröte auf die Bildung einfacher, ſich nicht weiter veräſtelnder und nicht über einen Tag beſtehender Gefäßſchlingen ſich beſchränken, ja bei der Kreuzkröte noch kürzer und vergänglicher ſind, die Knoblauchskröte dagegen durch die Länge ihrer einfachen, länger ſich erhaltenden Kiemenfranſen und auch die Erdkröte durch die langen Kiemen— äſte den Fröſchen ſich nähern, welche in dieſer Beziehung jedoch trotzdem den Feßler noch nicht erreichen. Zu dieſen unter den Froſchlurchen obwaltenden Verhältniſſen haben wir ein entſprechendes Seitenſtück in der Gruppe der Schwanzlurche, indem bei den lebend-gebärenden oder viviparen Landſalamandern (Seite 397) die Kiemen auch in höherem Grade ſich ausbilden als bei den eierlegenden Tritonen und die Larven des ſchwarzen Alpenſalamanders insbeſondere, die im Mutterleibe ihre volle Entwicklung durchmachen, wie die des Feßlers bei Beginn des Freilebens äußere Kiemen nicht mehr aufweiſen, ſodaß Leydig in ſeinen „Anuren“ mit Recht ſagt, das Verweilen des Eies im Uterus bei Salamandra unterſcheide ſich nur wenig von dem Verweilen des Eies an den Hinterbeinen des Alytes oder dem Aufenthalt der Eier im Rückenſack des, als Larve gleichfalls überaus große Kiemen beſitzenden ſüdamerikaniſchen Taſchenfroſches (Notodelphys): in all dieſen Fällen handelt es ſich um den Ablauf eines Zeitabſchnittes im Larvenleben, der bei den anderen Lurchen ſchon außerhalb der Eihüllen und ohne äußere oder innere Brutpflege im Waſſer erfolgt. Leydig führt dieſe Nebeneinander— ſtellung noch weiter, indem er daran erinnert, daß es bei den Embryen des Alytes wie auch bei denen des Notodelphys und der Gattung Salamandra zur Hervor— bildung eines eigentlichen Dotterſackes kommt, der unſeren anderen Lurchen abgeſprochen werden muß. Auch hinſichtlich des Kiemenloches oder Spiraculum nimmt Alytes mit Bombinator eine Ausnahmeſtellung ein, denn bei den Larven dieſer beiden Gattungen liegt das Kiemenloch, wie Lataſte 1876 nachwies, in der Mittellinie des Körpers, am Anfang der Bauchgegend, bei denen der übrigen heimiſchen Gattungen jedoch links an der Seite. Dieſes Kiemen- oder Athemloch iſt die äußere Mündung einer kurzen Röhre, der Athemröhre, durch welche für die linke Kiemenhöhle ein unmittelbarer Weg nach der Außenwelt geſchaffen und das Waſſer aus der erſteren hinausgeleitet wird, ſie ſteht ſonach in direkter Beziehung zur Athmung; die rechte Kiemenhöhle entbehrt einer Athemröhre und eines Athemloches, den Waſſerwechſel der rechten Seite vermittelt vielmehr, da ja von einer Kiemenhöhle zur anderen ein (vollkommen geſchloſſener) Kanal hinüberleitet, auch die Röhre der linken Höhle; zugleich ſtehen beide Kiemenhöhlen durch die Visceralſpalten mit der Rachenhöhle gleichmäßig in Verbindung. Das Waſſer nun, welches durch Abgabe des abſorbirten Sauerſtoffes die Athmung unterhält, I. Ordnung. Froſchlurche, Schwanzloſe Amphibien. 417 nimmt alſo ſeinen Weg beiderſeits durch die Visceralſpalten, an den Kiemen vorüber und gelangt auf der linken Seite direkt nach außen, während es von der rechten Seite erſt den erwähnten Verbindungskanal und die linke Kiemenhöhle paſſiren muß, um ins Freie zu gelangen. Mit dem Schwinden der Kiemen, was auf beiden Seiten gleichmäßig durch Reſorption erfolgt, und dem Beginn der Lungenthätigkeit ſchließt ſich das Kiemenloch. Die Götte'ſche Angabe [Unfe S. 677], daß die Lage der Athem— röhre bezw. des Kiemenloches mit der Lage des Hautafters, d. i. der Außenmündung der Analröhre, inſofern korreſpondire, als dem linksſeitig gelegenen Athemloch eine Verſchiebung des Afters an die rechte Seite der unteren (ventralen) Schwanz— floſſenwurzel entſpreche, während bei Mittellage des Kiemenloches auch der After ſich in der Mittellinie befinde, trifft wohl für die Gattungen Rana und Hyla, bei denen das erſtere Verhältniß, und für die Gattungen Alytes und Bombinator, bei denen das zweite Verhältniß zur Geltung gelangt iſt, zu, indeß weichen die Gattungen Bufo und Pelobates ab, indem die Larven derſelben bei linksſeitigem Kiemenloch eine in der Mittellinie ſich öffnende Analröhre beſitzen. Wie wir von Seite 395 her wiſſen, auf welcher die Eigenheiten der Anurenlarven hervorgehoben wurden, brechen bei den Kaulpadden zunächſt die Hinterbeine und erſt ſpäter die Vordergliedmaßen, deren erſte Anlagen mit der Bildung der Kiemenhöhle zuſammen— fallen, hervor; trotzdem aber entſtehen, wie ſchon Rathke feſtgeſtellt hat, die vorderen gleichzeitig mit den hinteren Gliedmaßen und ſie halten dann auch in der weiteren Entwicklung ganz gleichen Schritt, ſodaß zwiſchen ihnen immer das auch beim reifen Thier obwaltende Größenverhältniß herrſcht. Der Durchbruch des bis auf die noch ausſtehenden vollſtändigen Verknöcherungen vollkommen fertigen Vorderbeins erfolgt an einer Stelle, die ſich vorher als ein kreisrunder oder ovaler, gegenüber ſeiner Umgebung durch geringere Hautdicke und durch Transparenz deutlich wahrnehmbarer Fleck im Kiemendeckel abhebt. Nachdem man — ſo beſchreibt Paul Jordan in ſeiner Arbeit über die Entwicklung der vorderen Extremität der Anuren [Leipzig 1888. Differtation] den Vorgang — eine kurze Zeit das Bein unter dem Kiemendeckel, gegen den es drückte, ſich hat bewegen ſehen, bricht daſſelbe endlich nach außen hervor, und zwar durch eine verhältnißmäßig kleine Oeffnung in der Regel zunächſt mit der Handwurzel, welche bald weiter herausrückt, wodurch die Hand ſtark nach rückwärts gebogen wird, bis die Finger unter dem Kiemendeckel hervorſchnellen und der Unterarm zum Vorſchein kommt; der Oberarm ſchiebt ſich dann nach, manſchettenartig umgeben von der Haut des Kiemendeckels, deren runde, den Durchmeſſer des Oberarmes beſitzende Oeffnung bis zum Schultergelenk ſich zurückzieht. Der erwähnte durchſcheinende Fleck iſt der Ort der beginnenden Reſorption des Kiemendeckels, welche vielleicht durch den Druck des Carpalgelenkes gegen denſelben eingeleitet wird und hauptſächlich in der Unterhaut (Cutis) vor ſich geht“), dabei aber nicht blos in dem zum Heraustreten der Gliedmaßen aus der Kiemenhöhle erforderlichen Umfange ſtattfindet, ſondern nach dem Durchbruch der letzteren immer fortſchreitet: gegen den Rücken hin iſt ſie bald beendet; nach der Mitte der Bauchfläche breitet ſie ſich weiter aus, und je mehr der Kiemendeckel von beiden Seiten nach der Mitte zu ſchwindet — um dieſe Zeit ungefähr iſt auch die ) Auf dem Schwinden der Cutis beruht die Verdünnung an der betreffenden Stelle, und wo die Cutis vollſtändig verſchwunden iſt, vereinigt ſich die Epidermis der Körperoberfläche mit der der Kiemenhöhle. Dieſe Vereinigung dürfte phyſiologiſch nicht unwichtig ſein. Denn laut Nußbaum und Barfurth ſtarben Larven mit (künſtlich) verletzter Epidermis faſt regelmäßig ab, da ſie in dem ſtets etwas verunreinigten Waſſer einer Infektion ausgeſetzt waren, welcher Gefahr eben durch das Unverletztſein der Epidermis, das Barfurth bei der Reſorption des Larvenſchwanzes auch beobachtete, vorgebeugt wird. 27 Durchbruch der Beine. Larven-Größe. 418 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Aufſaugung des Schwanzes vollendet —, deſto mehr wird von der unter demſelben gelegenen, der Bruſtmuskulatur entſprechend entwickelten Haut der Bruſt ſichtbar, deren Epidermis ſich inzwiſchen aus der die Kiemenhöhle auskleidenden Epidermis ebenſo herausgebildet hat wie die der Gliedmaßen, und von dem einſtigen Kiemendeckel bleibt nur ein winziger Streifen in der Mittellinie der Bruſt übrig, aus welchem dann die dieſen Bruſttheil des fertigen Thieres bedeckende Haut gebildet wird. Sonach vermitteln Reſorptions-Vorgänge den Durchbruch der Vorderbeine, nicht aber ſteht der letztere mit einer Häutung in Zuſammenhang, wie C. E. v. Baer 1837 und nach ihm Balfour u. A. annehmen. Ebenſowenig hat die Durchbruchsſtelle mit dem Kiemenloch etwas zu thun, denn thatſächlich iſt bei Froſchlarven jene weiter nach vorn gerückt als das Athemloch, und ſchon daher wird auch die Behauptung hinfällig, daß das linke Vorderbein eher zum Vorſchein komme als das rechte, weil es beim Austritt ſeinen Weg durch das Athemloch als den Ort des geringſten Widerſtandes nehmen könne. Und abgeſehen davon, daß auf beiden Seiten und gewöhnlich gleichzeitig der erwähnte Reſorptionsfleck ſich zeigt und daß ebenſo gleichmäßig auf beiden Seiten die inneren Kiemen kleiner bezw. reſorbirt werden, widerſpricht jener Behauptung die einfache nackte Beobachtung. Denn wenngleich ich bemerkt habe, daß bei Larven der Knoblauchs— kröte, des Gras- und Teichfroſches vorwiegend der linke Vorderfuß zuerſt und am anderen Tage etwa der rechte heraustrat, und wenn Röſel beim Grasfroſch wahrgenommen haben will, daß ſogar ausſchließlich das linke Vorderbein zunächſt durchbreche, ſo berichtet hinwiederum Barfurth, daß beim Grasfroſch weitaus meiſtens (81 vom Hundert) gerade die rechte Seite den Anfang machte, und bei P. Jordan brachten unter 27 Teichfroſch- und 17 Laubfroſch-Larven 16 bezw. 6 Stück die rechte Vordergliedmaße zuerſt heraus; man wird ſich alſo vor Aufſtellung einer Regel zu hüten haben. Dem Umſtande, daß die bis auf die noch ausſtehenden vollſtändigen Verknöcherungen fertigen Vorderbeine unter der weiten Haut des Kiemendeckels liegen, iſt es zuzu— ſchreiben, wenn die zweibeinigen Kaulquappen größer und dicker ſich ausnehmen als wie die vierbeinigen. Sobald der Kiemendeckel von den Vordergliedern durchbrochen iſt und dieſe außen ſich frei entwickeln, wird das Kopf-Rumpfſtück ſchlanker, und da auch die Kiemen geſchwunden find, der lange und breite Ruderſchwanz aufgeſogen oder reſorbirt wird, der ſpiralige Darm ſich entleert und zuſammenzieht und die lymphatiſch und gallertig gedunſene Haut ſich verliert, was eine ſcheinbare allgemeine Abmagerung zur Folge hat, ſo ſtellt ſich der umgewandelte Froſchlurch als ein kleines, ſchmächtiges Geſchöpf dar, deſſen Länge etwa die Hälfte oder gar nur den dritten Theil der einſtigen Larve ausmacht und beiſpielsweiſe eine insgeſammt 9 oder 10 Centimeter lange Kaulquappe der Knoblauchskröte einen nur ungefähr 3 Centim, langen Lurch giebt. Ihre größte Länge haben. die Larven in der Regel beim Durchbrechen der Hinterbeine, d. h. beim Eintritt in die Umwandlung, erreicht. Dieſen Punkt feſtgehalten, ſo ordnen ſich die Larven unſerer Froſchlurche unter normalen Verhältniſſen wie folgt: Knoblauchskröte 80 bis 100 mm, Feßler 60— 70, Teichfroſch 50 (bis 80), Springfroſch 45—56, Laubfroſch und Unke durch— ſchnittlich bis 43, Wechſelkröte und Grasfroſch rund 40, Moorfroſch bis 32, Kreuzkröte 25 — 30, Erdkröte etwa 24 mm. Sonach hat unſer größter Batrachier, die Erdkröte, die kleinſte Larve, während die Quappe des Feßlers, Laubfroſches und der Unken, die doch zu den kleinen Arten gehören, eine im Verhältniß dazu ganz bedeutende Länge erreicht. Entſprechend der Larve überragt auch die junge, ſoeben in der Umwandlung fertige Knoblauchskröte die Jungthiere der anderen Gattungen hinſichtlich der Länge und Stärke, denn ihre Größe beträgt etwa 31 mm, die des friſch ausgebildeten Fehlers 25 oder 26, des Teichfroſches 18—20, des Springfroſches und der Wechſelkröte 15 I. Ordnung. Froſchlurche, Schwanzloſe Amphibien. 419 bis 20, des Laubfroſches 13—18, der Unke 14 —15, des Grasfroſches 11—14, des Moorfroſches 12, der Kreuzkröte 10—15, der Erdkröte 9—12 Millimeter. Ziehen wir in Betracht, daß die geringer organiſirten Schwanzlurche im Larvenzuſtande ver— hältnißmäßig ſehr groß ſind, (ja, was einige ausländiſche Gruppen anbetrifft, über den Larvenzuſtand kaum oder überhaupt nicht hinausgehen), ſo wird die Knoblauchskröte die niedrigſte, die Erdkröte aber die höchſte Stufe in der Entwicklungsreihe unſerer Froſchlurche einnehmen. Bekanntlich ſind Ernährung und Aufenthalt der Larven von maßgebendem Einfluß auf die Größe derſelben und die Zeitdauer und Vollſtändigkeit der Entwicklung, und es bleiben nicht nur manche Bruten gegen gleichalte andere Bruten derſelben Art um ein Viertel oder ein Drittel und mehr in der Größe zurück, ſondern es können auch die in einem Gewäſſer ſich zerſtreuenden Quappen einer Brut eine ganz ab— weichende Länge und Entwicklung aufweiſen, ſodaß man meint, die Angehörigen ver— ſchiedener, aufeinander folgender, ungleich alter Bruten vor ſich zu haben. Solchen individuellen Verhältniſſen begegnet man namentlich bei der Knoblauchskröte und dem Teichfroſch, am wenigſten bei der, während der Larvenzeit ſtets geſellig in großen Schaaren lebenden Erdkröte. Allein die Nahrung ſcheint in noch anderer Hinſicht die Kaulquappen zu berühren. Aus den von dem ſchon mehrfach erwähnten Kenner der Larven, L. F. Héron-Royer, 1877 veröffentlichten Ergebniſſen ſeiner Unterſuchungen über die Einwirkung der Außen-Umſtände auf die Färbung der Quappen erhellt nämlich, daß „Nahrung und Licht auf indirekte Weiſe, d. h. durch den damit zuſammenhängenden chemiſchen Prozeß im Waſſer, nicht aber der Anpaſſungsdrang des Thieres an die Umgebung, auf die Färbung Einfluß auszuüben vermag“. Dieſer Einfluß jedoch bleibe von geringer Bedeutung bei der Feßler-Larve, weil dieſe, wie wir von Seite 415 her wiſſen, in bereits vorgeſchrittenem Entwicklungsſtadium die Eihülle verläßt und zu dieſer Zeit ſchon eine verhältnißmäßig ſtändigere Färbung erhalten habe und gegen äußere Einflüſſe ſich weniger empfänglich zeige als die Larven all' jener Arten, deren embryonale Entwicklung auf Koſten der Larven-Entwicklung (Seite 394) erheblich verkürzt iſt. Die Ausbildung und Umwandlung einer Froſchlarve geſtaltet ſich alſo im Allgemeinen folgendermaßen. Nach Entwicklung der Kiemenbögen, noch vor Durchbruch der Mundöffnung verläßt der kurzgeſchwänzte Embryo als platt-wurmförmige Larve, die je nach der Art bereits mit äußeren Kiemen ausgerüſtet oder noch ohne ſolche iſt (Seite 415), die Eihülle und hängt ſich mittelſt einer Haftvorrichtung (S. 394) an die gallertigen Reſte des Laiches ꝛc. an. Zweite Stufe: Die äußeren Kiemen vergrößern ſich oder bilden ſich aus; der Leib ſtreckt ſich, der floſſenartige Schwanz bildet ſich aus, die anfänglich kaum bemerklichen Augenpunkte treten deutlicher unter der Haut hervor; die Bewegung wird ſicherer, die durchgebrochene Mundöffnung vermittelt die beginnende Nahrungsaufnahme. Dritte Stufe: Die Körperhaut überwächſt nach Art eines Kiemendeckels die Kiemenſpalten und läßt nur ein Kiemenloch (S. 416); es haben ſich innere kammartige Kiemenblättchen in doppelten Reihen an jedem Kiemen— bogen entwickelt. Die nun von einem Hornſchnabel (S. 395) bekleidete Mundöffnung iſt in den Stand geſetzt, Pflanzen- und thieriſche Stoffe zu benagen; der Darmkanal hat ſich vielfach gewunden und dadurch eine bedeutende Länge erreicht; auch ſind die Lungen in Form länglicher Säckchen aus dem Schlunde hervorgewachſen. Abſchluß: Später erſcheinen zunächſt die Hinterbeine, und nachdem der Kiemen-Apparat mehr und mehr gegenüber der Lungenthätigfeit zurücktritt, brechen mit dem Verluſt der inneren Kiemenblättchen auch die längſt unter der Haut verborgenen Vorderbeine 27 Färbung. Metamorphoſe. 420 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. hervor; der Hornſchnabel fällt ab, der Darmkanal verkürzt ſich, der Schädel verliert den Larvencharakter (hyaliner Primordialſchädel), die Abſchattirungen der Färbung und Zeichnung des künftigen Froſchlurches markiren ſich, wie die Iris ſchon früher ihren gold- oder grüngelben Ton angenommen hat, und binnen einer Reihe von Tagen iſt auch der Schwanz aufgeſogen und damit die etwa drei Monate beanſpruchende Metamorphoſe völlig abgeſchloſſen. Nun verlaſſen die jungen behenden Vierfüßler, die zur Zeit des erſten Larvenlebens nichts von höheren Fähigkeiten verrathen oder bekunden und als Quappen erſt nach und nach wenigſtens „aus der gleichgiltigen ſtumpfen Stimmung in ein ſcheueres Weſen übergehen“, das Gewäſſer und beziehen das Land, das ſie ſchon als noch mit Schwanzſtummel verſehene Geſchöpfchen zu— weilen betraten. Manche Arten führen ſolche Auswanderungen oft in Schaaren von Hunderten und Tauſenden aus und wählen dazu einen regenwarmen, luftfeuchten Tag. Vornehmlich gilt das von den jungen Erdkröten, welche ja bereits als Larven geſellſchaftlich an hellen Sonnentagen in langen Zügen durchs Waſſer ſegeln, bei trübem Himmel und kühlem Wetter aber „in dichtgedrängten Schaaren, Kopf an Kopf, auf ſeichten Stellen des Grundes, auf flachen Steinen und Sandflächen lagern“. Und dann belebt das junge Völkchen inſonderheit an feuchten und warmen Abenden nicht nur die Umgebung des Brutplatzes, ſondern auch das Gelände weiterhin. Die zwölf deutſchen Arten vertheilen ſich auf 5 Familien mit 6 Gattungen. Die fünf Familien führt nachſtehende Ueberſicht vor. [(Bruſtkorb unbeweg⸗ Geſtalt ſchlank, geſtreckt; Haut glatt, nur ſtellenweiſe warzig; Hinter— lich, ſtarr; Fort- beine bedeutend länger als die vorderen; Zehen gewöhnlich (ſpitz); ſätze des Kreuz- Pupille rundlich (queroval); Zunge länglich, vorn angeheftet, hinten beinwirbels ftabf., frei und tief ausgeſchnitten; Ohrdrüſenwulſt fehlend; Trommelfell nicht verbreitert: | deutlich; Oberkiefer: und Gaumenzähne vorhanden; Wirbel vorn Firmisternia. ausgehöhlt; Rippen völlig fehlend... . Fröſche, Ranidae. höhlt; rudimentäre Rippen] Tracht krötenartig; Haut warzig; Sinter- vorhanden; Zunge runde! beine wenig verlängert; Zehen gewöhn— lich (ſcheibenf.), nicht aus-] lich; Pupille ſenkrecht; Oberkiefer- und geſchnitten, mit der Unter-] Gaumenzähne vorhanden; (Ohrdrüſen und fläche ganz oder faſt 5 Trommelfell nach den Gattungen ver— Wirbel hinten ausge— | an den Boden der Mund- ęſchieden ) ... Scheibenzüngler, Discoglossidae. höhle angeheftet Tracht mehr froſch- als krötenartig; Haut glatt, zart, ſpiegelnd; Hinterbeine verlängert; Zehen gewöhnlich; Pupille ſenkrecht; Zunge rundlich, hinten kaum ausgeſchnitten; Ohrdrüſen fehlend; Trommelfell verborgen; Oberkiefer- und Gaumen— zähne vorhanden... Krötenfröſche, Pelobatidae. Froſchlurche, Anura., verſchiebbar; Fort— ſätze des Kreuzbein— wirbels außen ver— breitert: Arcifera. l rdnung: — Tracht froſchartig; Haut nur am Rücken glatt; Hinterbeine ſehr verlängert; Zehen an der Spitze mit ſcheibenf. Haftballen; Pupille rundlich, quer erweitert; Ohrdrüſen fehlend; Oberkiefer— und Gaumenzähne vorhanden . . Baumfröſche, Hylidae. ( Wirbel vorn aus gehöhlt; Rippen ) vollitändig fehlend Zunge hinten frei. Tracht gedrungen, plump; Haut infolge Warzen und Hornhöcker rauh; Beine faſt gleichlang, dick; Zehen gewöhnlich; Pupille queroval; Zunge länglich, hinten nicht ausgeſchnitten; Ohrdrüſen und Trommelfell deutlich; vollſtändig zahn— Los % » r f ſeitlich Erſte Gattung. Froſch. 421 1. Reihe: Starrbruſt-Fröſche, Firmisternia. J. Familie: Echte Fröſche, Ranidae. Körper im Verhältniß zu dem der Kröten ſchlank und geſtreckt; Bruſtkorb unbeweglich; Querfortſätze des Kreuzbeinwirbels ſtab- oder walzenförmig, am freien Ende nicht verbreitert; Wirbel vorn ausgehöhlt (procoel); Rippen völlig fehlend; Haut glatt, nur ſtellenweiſe höckerig (Drüſenwülſte); Hinterbeine bedeutend länger als die vorderen; Sehen gewöhnlich, ſpitz, die der Vorderbeine ſtets frei, die der hinteren wenigſtens am Grunde durch Schwimmhäute verbunden; Pupille rundlich; Ohrdrüſen— wulſt (Parotis) fehlend; Oberkiefer und Gaumen bezahnt, Unterkiefer zahnlos. In Deutſchland nur eine Gattung: J. Gattung: Froſch. Rana, L. Rumpf hinten gegen die Hinterbeine zu ſtark eingezogen und oben durch die kräftig vorſpringenden Beckenknochen höckerartig aufgetrieben; zwiſchen Rücken und Flanke je ein ſtark hervortretender Cängsdrüſenwulſt (Seitenwulſt); Trommelfell deutlich, freiliegend; Augen groß, ſehr vorſtehend, Pupille wagerecht, quereiförmig; Zunge länglich, vorn an den Boden der Mundhöhle befeſtigt, hinten vollkommen frei und infolge tiefen Ausſchnitts zweihörnig; Gaumenzähne in zwei kurzen, neben einander liegenden Quer-Gruppen angeordnet; ſämmtliche Sehen unterſeits an den Gelenken mit deutlichen Anſchwellungen (Gelenkhöcker); an den Hinterfüßen an der Wurzel der inneren Sehe ein großer, länglicher, ſchwielenartiger Höcker (Mittelfuß— oder Ferſenhöcker, Metatarſal-Tuberkel, 6. Sehe). Die Fröſche ſind bewegliche, lebhafte, vermöge ihrer langen Hinterbeine ſehr ſprungkräftige Anuren, die ſich mindeſtens zur Frühjahrszeit in und an Teichen, Seen, Sümpfen, langſam fließenden Gewäſſern aufhalten und nach vollzogener Begattung oft, nach Hundeart auf den Hinterbeinen ſitzend, am Ufer ſich ſonnen. Grabende und kletternde Raniden haben wir in unſerer Lurchwelt nicht. Die Nahrung beſteht in lebenden Würmern, Nacktſchnecken, Kerb- und kleinen Wirbelthieren, welche mit Hilfe der herausgeſchnellten Zunge erbeutet und in den Mund gebracht wird. Die eine Art, der Grasfroſch, gehört zu unſeren am früheſten, eine andere Art (Teichfroſch) zu den am ſpäteſten laichenden Amphibien. Bei der Paarung wird das Weibchen von dem auf dem Rücken ſitzenden Männchen mit den Vorderbeinen unter den Achſeln um— faßt (Seite 392), ſodaß die männlichen Hände auf der Bruſtmitte des Weibchens ſich nähern oder berühren. Der Laich bildet umfangreiche Klumpen. Die Larven verlaſſen die Eihüllen mit bereits entwickelten äußeren Kiemen und zeigen ſpäter ein links an der Seite gelegenes Kiemenloch (Seite 416). Aeußere Schallblaſen beſitzen nur die männlichen Teichfröſche, die bekannteſten Muſikanten unſerer frühſommerlichen Monſtre- Konzerte. Die Gattung Rana gliedert ſich in zwei leicht und ſcharf zu unterſcheidende Gruppen, nämlich in die Gruppe der das ganze Jahr hindurch im und am Waſſer ſich aufhaltenden grünen oder Waſſerfröſche und in die Gruppe der nur im Frühjahr das Waſſer bewohnenden, dann aber das freie oder bebaute Land bevölkernden braunen oder Landfröſche. Umſtehende Tabelle bietet den nöthigen Ueberblick. Artkennzeichen. Körperbau. 422 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. A. Rücken grün oder grünlich; Oberſchenkel bezw. Hinterbacken ſtets ſchwarz und hell (gelblich) marmorirt; kein oder ein ganz undeutlicher dunkler Ohrfleck; Männchen mit zwei äußeren Schall⸗ blaſen . 9888 DEE Re Grüne Fröſche. Zehen mit vollkommenen, d. h. die Spitze der längſten Zehe mit den anderen Zehen bis zur Spitze verbindenden Schwimmhäuten; die beiden Gruppen der Gaumenzähne zwiſchen den inneren Naſenlöchern then nsngngnd er. De R. esculenta. B. Rücken braun, grau- oder gelbbraun; Hinterbacken nie dunkel marmorirt, nur mit braunen Querbinden; ein gut ausgeſprochener ſchwarzer oder ſchwarzbrauner Ohrfleck; Männchen nur mit inneren oder ohne alle Schallblaſen; Gaumenzähne hinter der Linie der inneren Naſenlöcher ſtehend; Schwimm— häute unvollkommenen Braune Fröſche. a) Hinterbein nach vorn gelegt mit dem Ferſengelenk (unteres Gelenk des Unterſchenkels) die Schnauzenſpitze entſchieden überragend; an der Wurzel der längſten Zehe ein kleiner warzenartiger Höcker; Ferſenhöcker (6. Zehe) groß, ſtark vortretend, hart, ſeitlich zuſammengedrückt; Gelenkhöcker auf der Unterſeite der Finger und Zehen ſehr ſtark knopfartig vorſpringend; Schnauze lang und ſpitz; Bauch ungefleck !:!!! SE Eee R. agilis. Hinterbein nach vorn gelegt, mit dem Ferſengelenk die Schnauzenſpitze nicht oder kaum erreichend; an der Wurzel der längſten Zehe kein warzenartiger Höcker vorhanden; Gelenkhöcker auf der Unterſeite der Finger und Zehen ſchwach entwickelt: Ferſenhöcker (6. Zehe) n weich, kurz, einen länglich-runden, ſtumpfen Wulſt bildend; b Schnauze kurz, ſtumpf; Bauch grau, roth oder gelblich gefleckt. ..... R. muta. Ferſenhöcker (6. Zehe) ſtark, hart, ſeitlich zuſammengedrückt, ſchaufelförmig (wie bei escul.); Schnauze zugeſpitzt, Oberlippe vorgezogen; Bauch ungefleckt .... . K. arvalis. 1. Gruppe: Grüne oder Waſſerfröſche, Ranae virides (aduaticse). Zu den oben unter A verzeichneten Merkmalen dieſer Gruppe wäre noch zu be— merken, daß der grüne Ton der Oberſeite bei den verſchiedenen Unter- und Abarten, welche man hier vereinigt, zwar zuweilen ins Bronzefarbige, Braune, Graue oder gar Blaue ſpielen kann, daß wir in Deutſchland jedoch ſelten mit ſolchen Abänderungen zu rechnen haben und daß dann immer als durchſchlagendes Erkennungszeichen die ſchwarze und helle (gelbe, weißliche, grünliche) Fleckung bezw. Marmorirung auf den Hinterbacken, bezw. der Oberſeite der Oberſchenkel, beſtehen bleibt. In der Regel läuft ein heller, gelber Streifen auf dem Rückgrat entlang und ſind auch die Seitenwülſte ell gefärbt; ſelten fehlen ſchwarze Flecken und Tüpfel auf der grünen Oberſeite. In Deutſchland kommt 15 dem typiſchen Teichfroſch ſeine größere Form, der Seefroſch, vor. Art: Waſſerfroſch. Rana esculenta, L. Abbildung Tafel IV, Nr. 1. Länge etwa 7 oder 8 cm (die genannte Abart 10—15 em); Schnauze lang, ſpitz; Stirn ſehr ſchmal, der zwiſchen den Augen gelegene, der Länge nach vertiefte Theil viel ſchmäler als ein Augenlid, die Augen alſo nahe beiſammen ſtehend; Schwimmhaut der Hinterfüße ganz vollkommen, an der längſten Sehe bis zur Spitze reichend; der als 6. Sehe an der Wurzel der inneren (erften) Sehe ſtehende Ferſenhöcker wenigſtens bei der Stammart ½ bis ½ fo lang als die letztere, ſtark, ſeitlich zuſammengedrückt, ſcharfkantig, halbmondförmig; an der Wurzel der längſten Sehe noch ein kleiner, rundlicher Ballen; Rücken grün grundirt, gewöhnlich mit gelbem Rückgratsſtrich; dunkelbrauner Ohrfleck (überm Trommelfell) fehlt oder iſt nur ſchwach angedeutet; Hinterbacken und Weichen ſchwarz und hell marmorirt. Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſer größten deutſchen Froſchart it ziemlich ſchlank, geſtreckt gebaut, an den Flanken nur mäßig ausgebaucht, im Hinter theil rückſeits ziemlich jäh abfallend, der Kopf ſo breit als lang oder unmerklich breiter, abgeplattet, dreieckig, mit verlängerter, vorn ſpitz abgerundeter und etwas ge— wölbter Schnauze, an den Seiten ſteil nach außen abfallend, in der Zügelgegend Erſte Art. Waſſerfroſch. 423 merklich vertieft, das Stirnbein ſehr ſchmal und deutlich gewölbt, der zwiſchen den Augen bezw. den Wölbungen der Augenlider liegende Theil (Interpalpebral-Raum) gewöhnlich der Länge nach vertieft und ſchmäler als ein einzelnes Augenlid reſp. halb ſo breit als der zwiſchen den vorderen Augenwinkeln liegende Raum oder etwa ein Drittel ſo breit als der Abſtand zwiſchen der Mitte der beiden Augapfel (Interocular— Raum); die ſtark vorſpringenden Augen ſtehen, wie aus dem Geſagten erhellt, nahe beiſammen, die Pupille iſt rundlich, d. h. quereiförmig mit in der Mitte winkelig ge— brochenem unteren Rande, das ziemlich kreisrunde Trommelfell faſt ſo groß wie der Augapfel, die Zunge groß, länger als breit, nach vorn verſchmälert, am freien Hinter— ende tief ausgeſchnitten, ſodaß zwei ſeitliche Hörner entſtehen, der Gaumen in der Mitte der Länge nach gefurcht, die Gaumenzähne (Seite 413) bilden zwei kurze, neben einander liegende Quergruppen zwiſchen den inneren Oeffnungen der Naſe, den Choanen, die äußeren Naſenlöcher find länglich-eirund und von einander etwa jo weit wie von den vorderen Augenwinkeln und der Schnauzenſpitze entfernt; die das Männchen aus— zeichnenden Schallblaſen, welche Cuvier vom morphologiſchen Standpunkt aus den Backentaſchen gewiſſer Säugethiere und Rapp in phyſiologiſcher Hinſicht den Kehl— kopf⸗Beuteln oder Trommeln gewiſſer Affen vergleicht, werden ſpäter, bei Kennzeichnung des Männchens, näher betrachtet. Die vorderen Gliedmaßen reichen, nach vorn an den Kopf gelegt, gewöhnlich mit der Wurzel des 1. Fingers bis zur Schnauzen— ſpitze, und nach hinten an den Körper gelegt, etwa bis zur Einlenkung der Schenkel; von ihren vier walzenförmigen, kräftigen Fingern iſt der erſte oder Daumen der ſtärkſte, aber dabei zuweilen der kürzeſte, obwohl in der Regel der zweite am kürzeſten oder doch von gleicher Länge wie der erſte iſt, am längſten iſt der dritte; am 2. und 3. Finger macht ſich ein Hautſaum bemerklich. Die Hinterbeine ſind faſt dreimal ſo lang als die vorderen bezw. um die Hälfte länger als der geſammte Körper, ſodaß ſie nach vorn geſtreckt mit dem am Grunde der Innenzehe ſtehenden Höcker oft noch über die Schnauzenſpitze hinausreichen; ihre Zehen, die ſehr geſtreckt, auf der Unter— ſeite an den Gelenkſtellen mit mäßig ſtarken Knötchen verſehen und unter einander durch derbe und vollkommene, die längſte Zehe noch bis zur Spitze umſäumende Schwimmhäute verbunden ſind, nehmen an Länge von der 1. zur 4. zu, während die 5. wenig kürzer als die dritte iſt; an der Wurzel der erſten oder Innenzehe ſteht als ſog. ſechſte Zehe der oben gezeichnete Ferſen- oder Mittelfußhöcker, der bei typiſchen Exemplaren etwa halb ſo lang als die Innenzehe iſt (vergl. die Maaßangaben) und dem des Moorfroſches ähnelt; ein zweiter, aber ganz kleiner runder, warzenartiger Höcker von heller Färbung zeigt ſich an der Wurzel der längſten (4.) Zehe. — Die Haut iſt im Allgemeinen glatt, bei manchen Thieren bezw. Abarten treten aber an den Körper— ſeiten, wohl auch auf dem Rücken und den Beinen mehr oder minder deutliche Wärzchen auf; vom Hinterrande des Auges zur Wurzel der Hinterbeine läuft, das Trommelfell umziehend, eine Drüſenreihe in Form eines gelblichen, mehr oder weniger markirten Seitenwulſtes bezw. einer Längsleiſte, und ein kürzerer Wulſt findet ſich zwiſchen Mundwinkel und Achſel. In Bezug auf die Größe macht der Waſſerfroſch der Erdkröte den Rang ſtreitig; denn wenn auch die von Schnauze bis After genommene Geſammtlänge erwachſener Teichfröſche im Allgemeinen 7 oder 8 em beträgt, ſo nehmen dieſe Thiere, wie wir weiterhin ſehen werden, in manchen Gegenden, z. B. in Norddeutſchland, Ungarn, Südrußland, ganz bedeutende Dimenſionen an und erreichen eine Länge von 12 oder 13, ja 15 cm*). Von der Geſammtlänge entfallen etwa zwei Drittel auf den Rumpf, ) So ſtehen auch im Wiener Muſeum, Steindachners Angabe zufolge [Novara ©. 17], aus Ungarn, Kroatien ze. Exemplare „von 6 Zoll Körperlänge und darüber“. Maaße. Geſchlechter. Färbung. 424 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ein Drittel auf den Kopf, welch' letzterer meiſt um ein Geringes breiter als lang, oft jedoch ebenſo lang als breit, dagegen ſtets merklich, zuweilen viel (3 bis 15 mm) kürzer als der Unterſchenkel iſt; die Länge des Hinterfußes (von der Ferſe bis zur Spitze der längſten Zehe) verhält ſich zu der des Unterſchenkels wie 4 zu 3 oder 5 zu 3, zu der der ganzen Hintergliedmaße etwa wie 4 zu 8 oder 9, zu der der Vorder— gliedmaße wie 4 zu 3. Nachſtehende Maaße in mm find genommen an je einem Weibchen aus Tirol (Nr. 1), aus Japan (Nr. 2) und Berlin (Nr. 5, var. fortis) und je einem Männchen von Elberfeld (Nr. 3) und aus Nord-Italien (Nr. 4). Entf. zw. 5 Geſammt Vorder⸗ Hinter⸗ Ober⸗ Unter 515 Größte vord. gehe. 8 % Nr. Länge. liedm. gliedm. ſchenkel. chenkel. Kopflänge. Kopfbr. Augen 6. Zehe. Innenzehe. 0 9 9 j pf ug winkeln. 1 50 29 83 20, 21 18 18 Ts 3, 6 2 54 30 85 21 22 19 20 8 4,5 7 i 57 33 93 22,5 23 20 20 78 4 83 4 71 40 111 33 33 23 2308 9 4.5 9 5 112 58 163 46 48 33 34 11,5 4 . Das Männchen zeichnet ſich dem Weibchen gegenüber durch mehrere Eigen— thümlichkeiten aus. Zunächſt beſitzt es zwei ſehr entwickelte Stimmſäcke, welche im luftgefüllten Zuſtande als zwei milchweiße oder graue, erbſen- bis kirſchengroße kugelige Blaſen hinterm Mundwinkel und unterm Trommelfell hervortreten (ſ. Tafel IV. Nr. 2), während im luftleeren Zuſtande der Schallblaſe die äußere, verdünnte Körperhaut an der Stelle der früheren Hervortreibung „eine Art Taſche nach einwärts“ bildet, deren Eingang als ein mit dem Unterkiefer gleichlaufender Längsſchlitz ſich zeigt. Sodann trägt der Daumen des Männchens zur Fortpflanzungszeit die auf Seite 376 be— ſprochene dunkle rauhe Hautwucherung, die ſog. Daumenſchwiele, welche gleichmäßig, ohne Abtheilungen vom Ballen bis zum letzten Gliede ſich erſtreckt und nur mäßig hohe und dicke Papillen hat. Auch erfreut ſich das Männchen, welches im Allgemeinen kleiner als das Weibchen iſt, kräftiger entwickelter Vordergliedmaßen, insbeſondere eines dickeren Vorderarmes. Der Bauch erſcheint gewöhnlich ungefleckt. Das Weibchen iſt größer, ohne Schallblaſen und ohne Daumenſchwielen, die Vordergliedmaße ſchlanker, der Bauch gern grau gefleckt. Die Angabe C. Bruch's, daß die Weibchen auch durch größere und zahlreichere ſchwarze Flecken und beſonders durch breite ſchwarze Schenkelbinden von den Männchen ſich unterſcheiden, trifft nicht durchweg zu. Wenn wir zunächſt nach dem Farbenkleid der eigentlichen oder typischen Form des Grünfroſches fragen, ſo werden wir daſſelbe kurz folgendermaßen beſchreiben dürfen: Oberſeite grün mit vereinzelten, namentlich auf dem Hinterrücken und den Flanken erſcheinenden ſchwarzen Flecken und drei gelben oder gelbgrünlichen Längs— ſtreifen, von denen einer das Rückgrat entlang läuft und je einer (als Drüſenwulſt) an der Grenze von Rücken und Rumpfſeite hinzieht; an jeder Kopfſeite zwei ſchwarze Streifen, und zwar einer von der Schnauzenſpitze über Naſenloch durchs Auge, der ſich gern oberhalb des Trommelfelles hin, ohne einen wirklichen dreieckig ausgezogenen Ohrfleck zu bilden, als Fleckenbinde oder Fleckenreihe längs des hellen Drüſenwulſtes ſortſetzt, und einer unterhalb des erſten längs der Kinnlade, deſſen Fortſetzung bis zur Vordergliedmaße geht; oberhalb dieſes Kieferſtriches eine bräunliche oder grünliche Zone; die Vordergliedmaßen, an deren Wurzel ein kurzer, ſchmaler dunkler Fleck ſteht, oberſeits mehr oder weniger ſchwarz gefleckt oder gar quergebändert; die Weichengegend vor der Einlenkungsſtelle der Hinterbeine ſowie die Hinterbacken (Keulen) ſchwarz und gelb marmorirt, Schenkel und Fuß oberſeits auf grünem Grunde ſchwarz gefleckt und gebändert. Unterſeite des Froſches weißlich oder gelblich, zuweilen grau oder Erſte Art. Waſſerfroſch. 425 fleiſchröthlich überflogen, entweder einfarbig oder aber grau gefleckt und getüpfelt. An den Bauchſeiten tritt bisweilen ein Perlmutterſchein, auf den Lidern, dem Trommelfell, den Hinterbeinen und den hellen Rückenbinden ein Gold- oder Bronzeglanz auf. Schallblaſen milchweiß. Iris entweder rein goldgelb oder aber, ein unmittelbar die Pupille umſäumender Goldrand ausgenommen, auf ſolchem Grunde ſchwarz geſprenkelt. Im Uebrigen gilt es feſtzuhalten, daß bei der Stammform der an der Wurzel der Innenzehe ſtehende Ferſenhöcker groß, zuſammengedrückt, ſtark, ſcharfkantig, halb ſo lang oder noch etwas länger als die vom Ferſenhöcker an gemeſſene Innenzehe ſelbſt iſt (alſo 4 bis 5 mm bei 9 bis 11 mm langer Innenzehe), ferner daß das nach vorn geſtreckte Hinterbein mit dem Ferſen- (tibiotarſalen) Gelenk gewöhnlich über das Auge hinausragt und das Naſenloch oder ſogar die Schnauzenkante erreichen kann und daß der Unterſchenkel ebenſo lang oder etwas länger als der Oberſchenkel iſt. Die angegebene Färbung ändert nach Geſchlecht kaum oder überhaupt nicht, nach Alter unmerklich oder unbedeutend, nach Jahreszeit nur inſofern ab, als die Fröſche beim Verlaſſen der Winterherberge, vor der Frühjahrshäutung in ihrem abgetragenen Winterkleid ſchäbig, fahl, ſchmutzig- oder graugrün oder bräunlich ausſehen, während und nach der Laichzeit jedoch im friſcheſten grünen Hochzeitgewand glänzen. Auch begegnen wir Verſchiedenheiten nach dem Aufenthalt, indem beiſpielsweiſe in und an Moorwäſſern, auf Torfwieſen dunkel-, braun- oder ſchwarzgrüne Stücke uns auffallen. Indeß wandeln ſich ſolche Dunkelmänner in anderer Umgebung bisweilen zu freudig— grünen „Jägern“ um und beſtätigen dem Beobachter die uns ſchon von Seite 382 her bekannte Thatſache, daß die beweglichen Farbzellen bei den Waſſerfröſchen ein gar lebhaftes Spiel treiben. Anderſeits können auch hier „die färbenden Beeinfluſſungen durch die Summirung und die Zeitdauer beſtimmend ſtark werden“ und die Färbung der Thiere mit der der Umgebung bleibend in Einklang bringen, wie denn unter anderem bei den Grünfröſchen Transkaſpiens laut A. Walter's Beobachtung das Grün und lebhafte Gelb ſtets ſehr auf Koſten eines einfachen Braun, entſprechend dem ſpär— lichen Grün der Umgebung, zurücktritt. So kann der grüne Grundton aufhellen zu Grüngelb und anderſeits zu Dunkel-, Oliven- und Blaugrün, ja, wie Leydig an nieder— und G. H. Douglaß an oberrheiniſchen Stücken erfahren hat, zu einem entſchiedenen Himmel- oder Dunkelblau“) ſich umſetzen, aber auch durch ein Grünlichgrau ins Röth— lichgraue und Roſt- oder Kaſtanienfarbige oder gar in Schwarzbraun übergehen. In entſprechender Weiſe kann die gelbe Rückgratslinie in Grünlich, Hellblau oder Weißlich variiren oder aber von der Farbe des Ruͤckens zur Unkenntlichkeit übergrünt werden und auf den Drüſenwülſten ein brauner Ton mit Gold- und Kupferglanz auftreten. Außerdem trifft man Stücke an, bei denen die ſchwarzen Flecken der Rückenpartie ent— weder verſchwunden ſind, oder zu Tüpfeln ſich verringert, oder umgekehrt zu förm— lichen Fleckenbinden ſich vereinigt haben, ſodaß man, wenn der Froſch in der eigent— lichen Färbung und Zeichnung mit „maculata“ zu bezeichnen iſt, dieſe Abänderungen als var. immaculata, punctata und nigrovittata (Camerano) benennen könnte. Neben dieſen Färbungs- und Zeichnungs-Abänderungen bleibenden Charakters „) Die Entſtehung dieſes Blau beruhte laut Leydig offenbar darauf, daß individuell und wahr⸗ ſcheinlich unter dem Einfluß der Oertlichkeit die Menge der dunkeln Chromatophoren in der Haut eine ſehr große war, ſodaß ſie als Ganzes eine ſchwärzliche zuſammenhängende Schicht erzeugten, und indem nun dieſes Schwarz von dem „trüben Mittel“ des Bindegewebes und der Epidermis überlagert wurde, das Blau hervortrat. Mit dieſem Blau als Hautfarbe hat der jog. blaue Reif, der zu Zeiten das Grün des Teichfroſches wie das Braun der Landfröſche gleich einem bläulichen Duft oder Hauch über zieht, nichts zu thun. [Zool. G. 92 S. 4]. Abänderungen. 426 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. hat man der über Deutſchland, Oeſterreich-Ungarn, Schweiz, Italien, Korſika, Frank reich, Niederlande, Dänemark, Süd-Schweden, Rußland verbreiteten typiſchen Form einige auf Abweichungen in der Größe, den Maaßverhältniſſen, dem Ferſenhöcker, der Haut begründete Formen an die Seite geſtellt, die bald als Varietäten, bald als Raſſen, Ab- und Unterarten oder gar als Arten aufgefaßt worden, aber doch auch durch Uebergänge verbunden ſind. 1. Bar, ridibunda, Seefroſch. (Tafel IV Nr. 2.) Größer und ſchwerer als der echte Teichfroſch, denn er erreicht eine Länge von 10 bis 12 em und wohl noch mehr und ein Gewicht von 1 Pfund und darüber. Ferſenhöcker klein, elliptiſch, ſeitlich nicht zuſammen— gedrückt, ſchwach wulſtartig vorragend, ſtumpfrandig, ziemlich weich, nicht halb, ſondern nur / bis ½ fo lang als die vom Ferſenhöcker ab gemeſſene Innenzehe, ſodaß er bei— ſpielsweiſe bei Thieren mit 9 bis 12 bezw. 15 oder 16 mm langer Innenzehe eine Länge von 2 bis 4½ bezw. 5 oder 6 mm hat (bei den ſüdruſſiſch-vorderaſiatiſchen Stücken, wie ſie von Pallas als Rana ridibunda und R. cachinnans bezeichnet werden, iſt der Ferſenhöcker vergleichsweiſe länger als beim deutſchen, von Boulenger 1884 als R. fortis aufgeſtellten Seefroſch, etwa 5: 12, 6:14 mm'); Hinterbeine, nach vorn geſtreckt, mit dem Ferſengelenk bis zum Auge oder etwas darüber hinaus reichend; Unterſchenkel länger als der Oberſchenkel; Haut warziger, weniger glatt als beim Teichfroſch; Schallblaſen grau bis ſchwärzlich; zwiſchen der dunklen Fleckung und Marmorirung der Weichen und Hinterbacken zeigt ſich ein weißlicher oder grünlicher Ton, aber kein Gelb. Ueberhaupt iſt die ganze Färbung matter, einförmiger, aller— dings im Allgemeinen auch beſtändiger als die des echten Teichfroſches, die Oberſeite weiſt das ſaftige Grün des letzteren nur ſelten auf, hingegen gewöhnlich ein Oliven— oder Braungrün, ein Braun oder Braunſchwarz und ſtatt glänzendſchwarzer oliven— farbige, grauſchwarze und bronzebraune Fleckung, auch die Rückenwülſte erſcheinen gern in Bronzebraun und der Rückgratsſtreifen (welcher übrigens oft fehlt) iſt grünlich, die Kopfzeichnung variirt, die Unterſeite iſt wenigſtens bei deutſchen und ungariſchen Stücken meiſt weißlich mit grauen bis dunkelbraunen Schnörkeln oder Flecken. — Dieſer ſtatt— liche Lurch wurde von Pallas, welcher ihn von feinen Reiſen aus dem ſüdöſtlichen Rußland kannte, zuerſt und der lauten Stimme zu Ehren als „Lachfroſch“, nämlich 1771 unter dem Namen Rana ridibunda und (eine Farbenvarietät) 1811 als R. cachinnans beſchrieben; 1884 gab dann der Londoner Herpetolog Boulenger dem reſpektablen Seefroſch aus den ſeeartigen Ausbreitungen der Oberſpree bei Berlin die Bezeichnung kortis, vereinigte dieſe Form aber 1885 mit der Pallas'ſchen ridibunda, von der ſie wiederum A. Walter aus den oben angegebenen Gründen getrennt halten möchte. Zu beachten iſt, daß der Seefroſch dem Anſchein nach nur in der Tiefebene bezw. den weit ausladenden Stromläufen und Flußthälern und zwar faſt ausſchließlich im mittleren und öſtlichen Europa, etwa mit dem Rhein als Weſtgrenze, ſowie in Vorder- und Central-Aſien lebt: ſo wurde er gefunden ſüdöſtlich von Berlin in dem Seengebiet der Oberſpree, von wo Fiſcher Noack in Köpenick jahrelang ſie an deutſche phyſiologiſche Inſtitute ſchickte und von wo auch die Stücke ſtammten, die den Bonner Phyſiologen Pflüger zu beſonderen Bemerkungen und Hinweiſen beſtimmten Archiv )Dieſer Umſtand, ſowie die weit ausgeprägtere typiſche Zeichnung (Rücken düſter olivgrün mit hellem Rückgratsſtrich und meiſt je zwei Reihen großer dunkler Flecken zu Seiten des letzteren, Rumpf⸗ ſeiten mit kleineren Flecken) und die von denſelben abzweigenden zahlreichen Variationen laſſen es dem Zoologen der Radde'ſchen Transkaſpien-Expedition 1886, Dr. A. Walter, rathſam erſcheinen, die alte Pallas'ſche var. ridibunda-cachinnans von der deutſchen var. fortis getrennt zu halten; die Aſiaten ſollen auch eine abweichende Stimme haben. Erſte Art. Waſſerfroſch. 427 Phyſ. Bd. 29 u. 32] und die Boulenger zu ſeinen Unterſuchungen veranlaßten, außer— dem nordweſtlich und ſüdweſtlich Berlins in dem Seengebiet der Havel, wo ich ihn im Tegeler See und im Kleinen Wannſee, Dr. Weltner ſpäter auch ein 111 mm großes Weibchen im Tegeler See fing; ferner in dem ebenen Theil des Königreichs und der Provinz Sachſen bei Dresden (ein reichlich ½% Kilo ſchweres Weibchen aus dem Oſtragehege im Dresdener Muſeum) und Leipzig (Zoolog. Muſ.), bei Schkeuditz im Elſterthal, laut W. Woltersdorff im Saalthal bei Naumburg, Ammendorf, Paſſen— dorf und Halle, am Galgenberg und Petersberg, am Salzigen See bei Eisleben, in den nördlichen Vorlanden des Harzes in einem großen Teich zu Waſſerleben a. d. Ilſe, im Mönkmühlenteich unterhalb des Kloſters Michaelſtein bei Blankenburg a. H. und im Bodethal auf den Auwieſen unterhalb Egeln, ſehr häufig bei Magdeburg, ſeltener bei Neuhaldensleben und Oſterburg; laut Borcherding in den Knick-Parks des Schaum— burg⸗Lippe'ſchen Schloſſes Hagenburg am Steinhuder Meer, in einem Teiche in der Holthorſt bei Vegeſack, im Dümmer See, im Teiche von Dreiberg am Zwiſchenahner See (Oldenburg), im „großen Meer“ bei Emden bezw. an der Mündung der Ems, wo Tümler ihn fing; laut Geiſenheyner bei Kreuznach an der Nahe von Münſter a. St. bis Bretzenheim; vermuthlich gehören auch die in Leydigs „Anuren“ vom Niederrhein bei Bonn und aus den Altwäſſern des Mains bei Schweinfurt erwähnten großen Waſſerfröſche zu dieſer Form. Auch im Oder-, im oberen Elb-, im Weichſel- und Donau⸗Gebiet kommt der Seefroſch vor. Bei Clausdorf im Reg. Bez. Stralſund fand ihn Landois [Weſtf. Thierleben]; von Greifswald (Roſenthal) ſtehen Stücke im dortigen Univerſitäts-Muſeum; bei Prag und in den ungariſchen Niederungen der Donau und Theiß, wo er laut A. v. Mofſiſovicz wie überhaupt in Süd-Ungarn und weiterhin nach Oſten vorherrſcht, erreicht er oft Rieſengröße; auf den iſtrianiſchen Inſeln, auf dem Feſtlande und den Inſeln Dalmatiens iſt er laut F. Werner [Bei— träge Amph. Iſtr. und Dalm.], welcher ihn in nur braunen Exemplaren auf Cherſo, in grünen und braunen an und in den Sümpfen und Gewäſſern bei Raguſa, Spalato, Trau, Sebenico, Zara beobachtete, häufig; von Polen aus oſtwärts durchs ſüdliche Ruß— land gewinnt er die Oberhand, bis er in den Kaukaſus- und Kaspi-Ländern zur ausſchließ— lich auftretenden Form wird; von hier aus verbreitet er ſich laut O. Böttger (Transkaſp.) einerſeits bis Turkeſtan, anderſeits über Afghaniſtan, Perſien, Armenien, Kleinaſien, Syrien, Cypern, auch die griechiſchen Inſeln und Griechenland. Er ſcheint im ſüdlichen Europa inſelartig aufzutreten, denn J. v. Bedriaga meldet ihn aus der Um— gebung von Nizza (Var) und von Perugia und vermuthlich gehören die in F. Leydigs Anuren erwähnten „Rieſen“ aus den Sümpfen um Mantua, nach Böttger wahrſchein— lich auch die nordafrikaniſchen Waſſerfröſche ebenfalls zu dieſer Abart. 2. Var. Lessonai, von Camerano 1883 als Subſpezies der echten esculenta aufgeſtellt. Kleiner, kurzbeiniger als der Teichfroſch, 5 bis 6, oder 7 em lang. Ferſenhöcker ſehr groß und ſtark entwickelt, ſeitlich zuſammengedrückt, ſchaufelförmig mit bogigem, ſcharfem Rande, namentlich in der Mitte ſehr hoch, ſtets länger als die Hälfte der vom Ferſenhöcker ab gemeſſenen Innenzehe, alſo bei Thieren mit 7 mm langer Innenzehe 4 bis 5, mm (am längſten bei engliſchen Stücken); Hinterbein, nach vorn an den Körper gelegt, mit dem unteren Gelenk des Unterſchenkels bis zum Trommelfell oder etwas darüber hinaus reichend; Unterſchenkel gewöhnlich merklich kürzer als der Ober— ſchenkel; Haut glänzend, meiſt ganz glatt. Färbung der Oberſeite hell grasgrün, gelb— lich bis bläulich-graugrün, mit ſchwarzen oder ſchwärzlichen Flecken, heller Rückgrats— linie und hellen, von ſchwarzen Flecken begleiteten Seitenwülſten, Rumpfſeiten heller grundirt als der Rücken mit dunklen Flecken und Schnörkeln, Hinterbeine breit ſchwarz Larven. 428 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. gebändert, Hinterbacken und Hüften gelb und ſchwarz gefleckt; Unterſeite weißlich, fleckenlos oder mit wenigen dunklen Flecken. Bei manchen ſind die oberen Partien ungefleckt, bei anderen olivenbraun oder bronzefarben grundirt. Italien, insbeſondere der Norden, aber auch Sizilien; außerdem laut Boulenger im ſüdöſtlichen England: Cambridgeſhire und Norfolk, nachgewieſen. 3. Var. hispanica, von Michahelles 1830 als Rana hispanica beſchrieben, von Sevane mit dem Namen Perezi belegt. Der ſpaniſche Grünfroſch unterſcheidet ſich von unſerem Teichfroſch durch den auffallend kleinen Ferſenhöcker und durch den Mangel des Gelb auf den Hinterbacken und den Weichen, ſodaß er in dieſer Beziehung an den Seefroſch erinnert. Im Uebrigen iſt der Spanier von gewöhnlicher Größe, 6 bis 8, em lang, der ſehr kleine Ferſenhöcker ſchwach vortretend, leicht zuſammen— gedrückt, hinſichtlich der Länge zu der der Innenzehe in einem Verhältniß wie etwa 1 zu 4 ſtehend (2 bis 3 mm lang bei 8 bis 9, mm langer Innenzehe); das nach vorn geſtreckte Hinterbein reicht mit dem tibiotarſalen Gelenk bis zum Auge oder ein wenig darüber hinaus; Unter- und Oberſchenkel ſind nahezu gleichlang, die Haut iſt etwas warzig. Oberſeite grün bis oliven- und bronzebraun mit großen ſchwarzen, gern in ziemlich regelmäßige Längsreihen ſich ordnenden Flecken, kupferglänzenden Drüſenwülſten und mehr oder minder deutlicher heller Rückgratslinie, die zuweilen jedoch fehlt; Flanken dunkel gemarmelt, Weichen und Hinterbacken ſchwarz und weißlich (nicht gelb) gefleckt, Schenkel und Füße quergebändert; Unterſeite weißlich. Außer in Spanien (Seoane: Galizien) wurde dieſe Form gefunden in Portugal: Coimbra, Porto und benachbartes Gebiet, Ovar, Aveiro, Braga, Liſſabon, intra, Serra do Gerez, Abrantes, Portalegre, Portoſpada, Tavira (O. Böttger), auch ſtehen Stücke der var. Perezi von den Azoren, durch H. Simroth geſammelt, im Berliner Zoolog. Muſeum. 4. Var. japonica, Schlegel (nigromaculata, Hallowell). Die chineſiſch-japaniſche Form zeichnet ſich vor den anderen durch ſchmale, unterbrochene Hautleiſten oder Haut— falten längs des Rückens, ſehr großen, ſchaufelförmigen Ferſenhöcker und glänzende, metall— reiche Färbung (große, tiefſchwarze, bisweilen zu Längsbändern vereinigte Rückenflecken und ebenſolch' kräftige Flanken- und Beinflecke 2c.) dergeſtalt aus, daß wir auf weitere Einzel— heiten nicht einzugehen brauchen. Im Berliner Muſeum ſtehen außer japaniſchen auch chineſiſche Exemplare dieſer var. japonica aus Tientſin, Peking, ſowie aus dem Amurland. Sehen wir einmal von der in Betreff der Fortpflanzung eine ſonderbare Stellung einnehmenden Geburtshelferkröte gänzlich ab, ſo müſſen wir ſagen, daß der Teichfroſch nächſt der Knoblauchskröte die größten Larven hat, ja daß er dieſer in nicht ſeltenen Fällen den Rang ſtreitig macht. Zwar zu Beginn des Freilebens nur 6 oder 7 mm lang, erreicht die Kaulquappe doch (und zwar nach 8 bis 10 Wochen, vorm Durch— bruch der Vorderbeine) eine Geſammtlänge von mindeſtens 48 bis 50, oft aber von 70 bis 80 mm. Zweibeinige Larven von weniger als 45 mm Länge muß ich meinen Beobachtungen zufolge als Kümmerer erklären; ſchon 48 oder 50 mm lange ſind mir im Freien nur vereinzelt vorgekommen, jedenfalls weit ſeltener als ſolche von über 70 mm Länge: unter zehn Zweifüßlern, die ich am 15. Juli 1880 erhielt, war je eine 62 mm, 65 mm, 67 mm, 70 mm, vier 75 bis 78 mm und zwei je 85 bezw. 86 mm lang; auch am 27. Auguſt 1887 fiſchte ich aufs Gerathewohl aus einem Teiche des Friedrichhains zu Berlin drei Kaulquappen von rund 80 mm Länge. Bei den letzteren entfiel auf den Schwanz, welcher an der höchſten Stelle 14 mm hoch war und wie gewöhnlich in dieſem Stadium ſich zur Länge des Körpers wie 5 zu 3 ver— hielt, 50 mm, während die vollſtändig ausgebildeten Hinterbeine geſtreckt bis zur Spitze der längſten Zehe 37 um maßen. Es mögen noch einige an den erſterwähnten Larven Erſte Art. Waſſerfroſch. 429 gemachte Meſſungen hier verzeichnet ſein. Am 15. Juli: Körper 26 mm, Schwanz bei 14 mm Höhe 49 mm lang, Geſammtlänge 75 mm, Hinterbein bis Zehenſpitze 16 mm; am 27. Juli, kurz vorm Durchbrechen der Vorderbeine: Körper 26, Schwanz 49, Hinterbein einſchl. der 8 mm meſſenden vierten Zehe 26 mm lang, Höhe des Körpers in der Mitte 13 mm, des Schwanzes an der Wurzel 11, in der Mitte 13 mm, Maulſpalte 3 mm breit; am 29. Juli waren die Vorderbeine durch— gebrochen und 11 mm, die Hinterbeine 31 mm lang; am 5. Auguſt, Schwanz im Einſchrumpfen begriffen: Körper 21 mm lang und 10 mm hoch, Schwanz 25 mm lang und 8 mm hoch, alſo Geſammtlänge nur noch 46 mm, hintere Gliedmaße 30, vordere 11 mm lang. Die Färbung der Larven iſt nach dem Ausſchlüpfen ein Graugelb, das dann in ein unbeſtimmtes dunkles Oliven- oder Bräunlichgrau über— geht, welches wiederum bei der zweibeinigen Quappe mit dem Aufhellen der grauen Unterſeite oberſeits einem immer entſchiedener werdenden grünen Ton weicht, bis denn hier nach dem Erſcheinen der Vorderbeine der grüne Grund und die dunkle Zeichnung des Froſches deutlich ſich bemerkbar machen. So war die Färbung der oben erwähnten drei zweibeinigen Quappen vom 27. Auguſt folgende: Ganze Rückenpartie bis Schwanz— wurzel dunkel graugrün, Rücken mit einigen ſchwarzen Tüpfeln und bei einem Stück mit hellgrünem Rückgratsſtreif, Rumpfſeiten mit ſchwärzlichen Sprenkeln; Bauch hell graugelblich, metalliſch glänzend, ſeitlich und an der Kehle mit ſchwärzlicher Marmelung; Beine oberſeits ſchwarz und grünlich gemarmelt (auf den Hinterbacken macht ſich ſchon das Gelb zwiſchen der ſchwarzen Fleckung bemerklich), unterſeits wie der Bauch; Schwanz hell und dunkel gefleckt, auf den dunkeln Flecken heben ſich gelbe iridiſirende Pünktchen in der Größe von Stecknadelſtichen hübſch ab; Iris ſchwach goldgelb mit geringer ſchwärzlicher Punktirung. Bei anderen Zweifüßern gewahrt man auch ſchon ein gelbliches Längsband an jeder Rückenkante, und dieſes nebſt dem hellen Mittel— ſtrich und dem ſpitz zulaufenden Kopf geben ein bequemes Erkennungszeichen gegenüber anderen Anurenlarven ab. Der Körper ſolcher Zweifüßler iſt länglich-eiförmig, in der Mitte nicht oder kaum eingeſchnürt, oben niedergedrückt, unten flach, ſeitlich gering ausgebaucht, der Kopf nach vorn verjüngt mit weit nach hinten zu liegenden großen Augen, die Schnauze verrundet, unten ſchwach vorgezogen, die Oberlippe am Rande mit einer Reihe Cutikularzähnchen, an der Innenſeite rechts und links mit einer äußerſt kurzen, wenig ſichtbaren Reihe Zähnchen, der Unterlippenrand mit Papillen beſetzt, die Unterlippe an der Innenſeite mit drei hinter einander ſitzenden Reihen zwei- bis vierzackiger Zähnchen, die an der Rumpfſeite links gelegene Athemröhre groß, gut ſicht— bar, der Schwanz faſt doppelt ſo lang als der Körper (ſ. S. 428), mit einem derben, muskulöſen Strang am Rumpf angeſetzt und mit hohem, oberſeits auf den Rücken übergreifenden, hinten ſich zuſpitzenden Floſſenſaume verſehen, die Analröhre kurz, in ſchiefer Richtung von links nach rechts auf der rechten Seite der Unterecke der Schwanz— floſſe ſich öffnend; die ſog. Seitenlinien ſind deutlich ausgeprägt. Nachdem die Quappe vierbeinig geworden, tritt das Grün nebſt den gelben Seitenwülſten und dem Mittelſtreifen und den ſchwarzen Flecken der Oberſeite, ſowie auch der von der Naſe zum Auge laufende ſchwarze Strich ſtetig ſchöner hervor, während das metalliſch glänzende Pigment des Bauches immer mehr zurückweicht, der Schwanz, d. h. ſowohl der auf hellbräunlichem Grunde namentlich im vorderen Drittel dunkelbraun gefleckte muskulöſe Theil (deſſen ſpitzwinkelig zuſammentreffenden queren Einfurchungen wohl erkennbar ſind) als auch der ſchwarzgeſprenkelte durchſcheinende Floſſenſaum, raſch einſchrumpft, der Ferſenhöcker ſich kräftig entwickelt und überhaupt die früher ſchon beſprochene Metamorphoſe ihrem Abſchluß entgegeneilt. Und ſo be— Junge. Verbreitungs Grenzen. Einbürgerung. 430 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. merkt man denn gegen Ende Auguſt und Anfang September im und am Waſſer die ſchwanzloſen Jungfröſche, die nicht mehr jo ſchwappig aufgedunſen wie die Larve er— ſcheinen, ſondern ſich in der knappen Tracht der erwachſenen Jäger vorſtellen und ge— wöhnlich eine Länge von 19 oder 20 mm, manchmal nur 18 oder anderſeits bis 26 mm haben. Nach einem Jahre zeigen ſie etwa die doppelte Größe und ein glänzenderes Gewand, deſſen Farbenreinheit und Glanz im dritten Jahre den Höhe— punkt erreicht. Dreijährige haben Geſchlechtsreife und eine Länge von etwa 7 em erreicht, aber ihr Wachsthum noch nicht abgeſchloſſen. Geographiſche Verbreitung. Der Verbreitungsbezirk des grünen Froſches um— faßt nicht nur Europa von Südſchweden und Rußland (dem 58. oder 59. Grad n. Br.) bis einſchließlich der Mittelmeerländer und von Portugal bis zum Ural und Kaspiſee, ſondern auch das nördliche Afrika und das mittlere Aſien oſtwärts bis China und Japan; er erſtreckt ſich ſomit vom 58. oder 59. Grad im Norden bis über den 30. Grad n. Br. hinab und vom Geſtade des Atlantiſchen bis zu dem des Stillen Ozeans bezw. vom 9. Ferrograd im Weſten bis zum 160. Grad im Oſten. Von den öſtlichſten Punkten ſtehen u. a. Stücke im Berliner Zoolog. Muſeum: Jokohama, Nagaſaki, auch Tientſin am Gelben Meer und Sungatſchi im Amurland (Nr. 5531. 5530. 10054. 8756); ebenſo von den weſtlichſten, d. h. portugieſiſchen Orten: intra, Porto (Nr. 7776. 10696; vergleiche auch Seite 428). Hinſicht— lich der Nordgrenze kennen wir den Teichfroſch durch Collin aus Dänemark, durch Nilsſon aus Südſchweden: Skaͤne, Oeſter-Götaland, durch Prof. M. Braun, der laut briefl. Mittheilung als den nördlichſten Punkt der Verbreitung in den Oſtſee-Provinzen einen 30 Werſt (32 Kilom.) nördlich von Dorpat bei Ludenhof belegenen Tümpel feſtſtellte, aus Livland, durch J. v. Fiſcher aus den großen undurchdringlichen Sümpfen des Petersburger Gouvernements, in denen in hellen ſchönen Sommernächten „die unzähligen Schreier“ ausdauernd ſich hören laſſen, ferner durch Sobanejew [Bedriaga, Lurche! aus dem Gouv. Jaroslaw und dem mittleren Ural. Die ſüdliche Grenz— linie liegt etwa auf dem 30. Grad n. Br., den ſie in Oſtaſien (Schanghai, Ningpo, Inſel Tſchuſan) und Nordafrika (Marokko, Algier, Tunis ſowie Aegypten [Baſeler Sammlung!) erreicht und hier ſogar überſchreitet; denn G. Rohlfs und Dr. Strecker ſammelten auf ihrer Reiſe nach der Oaſe Kufra am 5. Januar 1879 in Ain Scherſchara alte und junge Exemplare, welche laut W. Peters [Monatsb. d. Akad. d. Will. Berlin] in der Färbung ganz mit den früher aus Algier erhaltenen übereinſtimmen. Außerdem iſt das Verbreitungsgebiet im Süden und Norden durch Zuthun des Menſchen erweitert worden. Das iſt im Süden nicht nur hinſichtlich der Inſel Sardinien, wo der Scheibenzüngler (Discoglossus) den eingeborenen Vertreter des Teichfroſches darſtellt, ſondern auch betreffs einiger nordweſt-afrikaniſcher Inſeln: Teneriffa, Madeira“), der Fall. Auch in Großbritannien war die esculenta ur- ſprünglich nicht einheimiſch. Aus den Nachforſchungen Boulenger's [Zoologiſt 1884] wiſſen wir, daß zu verſchiedenen Zeiten und aus verſchiedenen Gebieten anſcheinend zwei Formen des Grünfroſches eingeführt wurden: die eine, der Form Lessonai an- gehörig und jetzt in Cambridgeſhire und Norfolk zu finden, iſt vermuthlich ſchon in älterer Zeit der ſchmackhaften Keulen wegen von Mönchen aus Italien, und der ) R. Greef ſagt: „In Madeira iſt vor längerer Zeit durch einen in Funchal wohnenden Portu— gieſen der grüne Waſſerfroſch (Rana esculenta) aus Laune oder Vorliebe für dieſe Thiere aus Europa eingeführt worden, der ſich dann auch in den feuchten und waſſerreichen Gründen der Ribeiros bald an— geſiedelt und ausgebreitet hat. Auf den Kanaren findet ſich dieſer Froſch ebenfalls und mag dort einen ähnlichen Urſprung als auf Madeira haben.“ Erſte Art. Waſſerfroſch. 431 typiſche Waſſerfroſch, gegenwärtig in Norfolk anzutreffen, vielleicht ſpäter aus Nordfrank— reich und Belgien nach England gebracht worden. In Irland aber fehlt er nach wie vor. Nachdem wir den einzelnen deutſchen Fundorten des Seefroſches bereits früher unſere Aufmerkſamkeit zugewandt haben, dürfen wir uns hier auf einige Bemerkungen über die Verbreitung des Grünfroſches im Allgemeinen beſchränken. Dieſelbe erſtreckt ſich, was unſer Vaterland anbelangt, zunächſt über die ganze waſſerreiche norddeutſche Ebene von Oſtpreußen bis zum Nieder-Rhein (auch Inſel Rügen), und zwar wird in dieſer an manchen Orten dem eigentlichen Teichfroſch von ſeinem größeren Bruder erfolg— reich der Rang ſtreitig gemacht, nach dem mittel- und ſüddeutſchen Berg- und Ge— birgsland zu wird indeß der erſtere geradezu alleinige Form. Doch bewohnt der Teichfroſch nicht das Gebirge an ſich, er bevölkert nur die ſtehenden und ruhigen Ge— wäſſer am Fuße des Gebirges und in den Vorlanden und mittleren Lagen deſſelben, geht jedoch nicht an den Flüſſen und Bächen hinauf. So ſagt ſchon der ſchleſiſche Fauniſt Gloger, daß er dortſelbſt ſehr gemein oder häufig in ſtehenden und langſam fließenden Gewäſſern ſei, jedoch „nicht hoch im Gebirge“ vorkomme (in Niederſchleſien, auch bei Breslau, Brieg, am Zobten, an der Eule bei Reichenbach u. a. iſt er häufig). Ebenſo vermißte ich ihn auf den Höhen des Erzgebirges, während er in der Frei— berger, Chemnitzer, Zſchopauer Gegend de. ſein feuchtfröhliches Daſein führt. Im Harz fehlt er wiederum dem rauheren nordweſtlichen Theil (Oberharz), er gehört nur dem Gebirgsrande (bei Goslar, Seeſen, Gittelde und laut Dr. Elſter häufig bei Blankenburg) und dem niederen ſüdöſtlichen Theil (Unterharz) und wie der ſüdlichen Vorlagerung, d. i. dem Kyffhäuſer-Gebirge, jo auch den nördlichen Vorlanden: dem Braunſchweigiſchen Hügelland (laut Prof. A. Nehring bei Wolfenbüttel, Helmſtedt, Braunſchweig ꝛc. häufig) und dem Hannover-Lippe'ſchen Leine- und Weſerbergland an; im Detmolder Gebiet bezw. Teutoburger Wald iſt er laut H. Schacht „überall in Menge zu finden“. Dieſe Bemerkung läßt ſich im Großen und Ganzen auch auf das Voigtländiſch-Thüringiſch-Heſſiſche Hügel- und Bergland anwenden, obwohl er da— ſelbſt gleichfalls den unwirthlichen Strichen mangelt: ſo konnte Leydig ihn im eigent— lichen Rhöngebirge (und an dem merkwürdigen See von Frickenhauſen) nicht entdecken, ſondern ihn dort nur aus der Umgebung des Thiergartens, aus der Saale bei Kiſſingen und dem Bach der Oelmühle kennen lernen; ſo theilt C. Koch die intereſſante Thatſache mit, daß der Teichfroſch trotz häufigen Vorkommens an der unteren Lahn am Oberlauf dieſes Fluſſes und der Sieg und in den Seitenthälern fehlt, daß ferner die erſten Waſſerfröſche bei Dillenburg ſich erſt i. J. 1864 nach dem Bau der Deutz— Gießener Eiſenbahn in den zur Seite derſelben entſtandenen Waſſerſammlungen an— ſiedelten; ſo fehlt der Froſch endlich auch, demſelben Autor zufolge, auf einem großen Theil des Weſterwaldes. Aber während er im höheren, ſüdöſtlichen Diſtrikt des Sauer— ländiſchen Schiefergebirges, dem Siegerland, nicht oder doch nur ſelten vorkommt, findet er ſich im Gelände und zumal in den Thälern des niedrigeren, nordweſtlichen Sauerlandes allenthalben verbreitet und ſtellenweiſe fait jo zahlreich wie im ebenen Münſterland. Am Rhein tritt er überall und häufig auf, wogegen er jenſeits des Stroms in der Eifel nach Leydig's Bekundung [Rhön] an den Maaren zwar vor— handen, doch nicht häufig und klein iſt. Im Nahe-Gebiet kommt laut Geiſenheyner der Seefroſch bei Kreuznach nicht ſelten, der Teichfroſch bei St. Wendel, Ottweiler, Blieſen oft, ja „maſſenhaft“ vor. Für das ehemalige Depart. de la Moſelle (Loth— ringen) verzeichnet den letzteren Holandre; bei Metz ſah Hr. Lieut. Heinicke ihn ver— einzelt in Lachen auf dem Glacis, während es bei Hagenau davon „wimmelte“ (z. B. im Graben einer Schanze); ungemein häufig iſt er auch bei Straßburg, Hüningen ac. Deutſchland. Außer-Deutſchland. Aufenthalt. 432 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. und diesſeits des Rheins in der Ebene und den Vorbergen Badens. In den oberen Regionen des Schwarzwaldes iſt er mir nicht begegnet. Im oberen Neckarthal, bei Rottweil, Tübingen, kommt er nach Leydig's „Anuren“ nicht allzu häufig vor und bleibt klein; auch Hr. Prof. Eimer ſchreibt mir, daß der grüne Froſch bei Tübingen bedeutend ſeltener als der braune ſei, und laut Prof. v. Krauß und Dr. Weinland iſt er im württembergiſchen Unterland gemein, auf der Alb ſelten und ſehr ſelten. Was Wiedemann von Schwaben-Neuburg ſagt: „der Teichfroſch iſt mit Ausnahme der höheren Gebirge und Gebirgsthäler im ganzen Regierungsbezirk an geeigneten Stellen eine allbekannte Erſcheinung“, das gilt für Bayern überhaupt; wenigſtens laſſen das die mir vorliegenden Mittheilungen aus Lindau am Bodenſee, Augsburg, München, Regensburg, Erlangen, Bamberg, Zellingen a. M., Rothenburg a. d. Tauber erkennen — alle bezeichnen den Grünfroſch als ſehr häufigen Bewohner der Teiche und Seen und z. Th. auch der Altwäſſer, Lachen und Tümpel der Flüſſe. In ähnlicher Weiſe ſprechen ſich die Fauniſten der öſterreichiſchen Alpenländer aus: Gredler für Tirol, Bruhin für Vorarlberg (Bregenz), Fitzinger und Knauer für Oeſterreich, Storch für Salzburg, A. v. Mojſiſovicz für Steiermark, Gallenſtein für Kärnthen, Freyer für Krain, Erber und Fr. Werner (ridibunda) für Dalmatien. Die Verbreitung „ſcheint eine völlig allgemeine durch ganz Tirol zu ſein, ſoweit die Bedingungen ſeiner anſpruchsloſen Lebensweiſe gegeben ſind, und nur in Hochthälern und auf bedeutenden Höhen räumt er ſeinen Platz dem einſamern Grasfroſch ein“, ſagt unter Anderen V. Gredler. Die gleichen Verhältniſſe obwalten in der Schweiz und in den Gebirgsdiſtrikten Italiens und Frankreichs, obwohl er laut J. v. Bedriaga's „Anura“ im Departement der Secalpen recht ſelten ſein fol. Im Uebrigen jagt be— treffs Frankreich Héron-Royer, daß es dort keine Waſſerlache gäbe, die den Grün— froſch nicht beherberge, und betreffs Italien bekundet der Verfaſſer der Anuri Italiani, daß der echte Teichfroſch die nördlichen, feſtländiſchen Gebiete (Piemont, Bologna), die Leſſonai'ſche Abart die Po-Ebene, die eigentliche Halbinſel und Sizilien bevölkere. Ebenſo bewohnt er die ganze Pyrenäiſche Halbinſel. Für Belgien und Niederland gelten die Verhältniſſe Nordfrankreichs bezw. des Norddeutſchen Flachlandes. Aus dieſem und aus den Donauftaaten, wo gleicherweiſe der Teichfroſch bezl. der Seefroſch überall zu Haufe iſt und vielorts in gewaltiger Anzahl und rieſigen Stücken ſich be— merkbar macht, zieht ſich der Verbreitungsbezirk durch Galizien, Polen und das ebene Mittel- und Süd-Rußland einſchließlich der Krim zur unteren Wolga, zum Kaspi— See und Kaukaſus und über dieſen hinweg um das Südufer des Schwarzen Meeres (Armenien, Syrien mit Paläſtina, Kleinaſien) bis auf die Balkan-Halbinſel, die er bis zu den Südſpitzen Griechenlands zu umſpannen ſcheint. Auch von den türkiſchen Inſeln Cypern [Günther], Kreta, Rhodos, Kos und Samos, den Cykladen Milos, Seriphos, Syros, Mykonos, Tinos und Andros [v. Bedriaga] iſt er bekannt und am See von Dyſtos auf Euböa ſammelte ihn Hr. v. Oertzen. Was die übrigen Inſeln des Mittelmeeres anbelangt, ſo kennen wir den Grünfroſch durch Fr. Werner von dem iſtriſchen Eiland Cherſo, durch die italiſchen Fauniſten von Sizilien und Korſika und durch Barcelo y Combis und Will-Böttger von den Balearen. — Auf der Süd— und Oſtſeite des Kaspi, von Perſien und Transkaſpien aus, von wo die Art durch Blanford, A. Walter u. A. bekannt gemacht wurde, ſetzt ſich der Verbreitungsbezirk über Afghaniſtan, Turkeſtan, China und vermuthlich Südſibirien fort und erreicht mit Japan die vorn angegebene Oſtgrenze. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Wenn der große Seefroſch als aus— geſprochenes Niederungsthier die ausgedehnten Waſſeranſammlungen der Ebene, die Erſte Art. Waſſerfroſch. 433 Seen, die ſeenartigen Ausſackungen und den Unterlauf der Ströme, die erweiterten Thäler langſam dahinfließender Flüſſe beſetzt hält, ſo bewohnt der eigentliche Teichfroſch auch die geeigneten Gewäſſer hügeliger und bergiger Gelände bezw. der unteren Gebirgslagen, ohne alſo zum wirklichen Gebirgsfreund zu werden; denn ſelbſt in den Schweizer Alpen geht unſer Grünrock, wie vorn ſchon angedeutet, nicht in die Hochthäler und laut Fatio ſelten über 1000 oder 1100 Meter Meereshöhe hinauf, und die Angabe Keßler's, daß dieſe Art in Armenien ſich noch in einer Höhe von 6500 Fuß vorfinde, muß ſomit auffallen — er liebt eben mehr als der Grasfroſch die Wärme und daher ſind ihm, dem ans Waſſer Gebundenen, die Gewäſſer des Hochgebirges in gleicher Weiſe wie die des unwirſchen Nordens zu kalt. Teiche, Seen, Weiher, Gräben, deren Ränder mit Binſen, Schilf, Weidicht oder hohem Graſe bewachſen ſind, auch Kanäle, Lachen, Flußtümpel, Sümpfe, Brüche, Moorgewäſſer und im Süden die unter Waſſer gehaltenen Reisfelder bilden Jahr für Jahr den Aufenthalt der alten, die Wiege der jungen Fröſche. Nur ſelten laſſen ſie darin, und zwar „der Noth gehorchend, nicht dem eigenen Trieb“, eine Aenderung eintreten. So bewohnte in der Umgegend von Rothenburg a. d. Tauber, wie Leydig's „Anuren“ angeben, der Teichfroſch früher blos die Seen und Teiche, nicht den Tauberfluß ſelber; ſeitdem aber viele der ſtehenden Waſſer eingegangen und die Tauber ſich immer mehr zu Lachen verkleinerte und auflöſte, ſiedelte ſich der Froſch auch in den Flußtümpeln an. In anderer Weiſe ändert ſich laut A. Walter [Amph. Transkaſp.] in den bebauten Oaſen der trans— kaſpiſchen Ebene der Aufenthalt der Wechſelkröte und des Grünfroſches oft ganz mit der Jahreszeit, indem er ſich zum Theil nach der Bewäſſerungsthätigkeit des Menſchen richtet: es erſchienen beiſpielsweiſe 1886, als nach feuchtem Frühjahr erſt mit be— ginnender Trocken- und Gluthzeit die tägliche Bewäſſerung der Gärten nothwendig wurde, mit dem herbeigeführten Waſſer Mengen der beiden Amphibien in der Stadt Askhabad, während ſie im erſten Frühling hier fehlten und ſich alle ſüdlich der Stadt in den meiſt abgeſchloſſenen Steppenkanälen aufhielten; ebenſo traten ſie nun in den regelmäßig überflutheten Luzernefeldern auf. Daß der Grünfroſch neben ſolcher gewiſſermaßen paſſiven Wanderung auch aktive Orts veränderungen vornehmen kann, wird durch die auf Seite 431 mitgetheilte Be— obachtung C. Koch's beſtätigt. Und Karl Knauthe-Schlaupitz berichtet 1891 im „Zoolog. Garten“, daß am 12. Juni d. J. auf einem ſandigen, vom nächſten Gewäſſer / Stunde Wegs abliegenden Acker um die Mittagszeit zahlreiche große Waſſerfröſche im Sonnenſchein herumhüpften und am nächſten Morgen gegen 9 Uhr auf demſelben Ge— lände mindeſtens fünfzig große Stücke der gleichen Art zu ſehen waren, die wie die vom vorigen Tage und eine kleinere Geſellſchaft am Morgen des 15. Juni ſchnell gen Oſten, der Lohe (Nebenfluß der Oder mit ſumpfigen Ufern) zu, wanderten. “) Indeß das ſind nur Ausnahmefälle, und nur in ſolchen ſtrebt der erwachſene Teichfroſch über das Ufer des ihm heimischen Gewäſſers hinaus; Leid und Freud ſpielt ſich ihm im naſſen Elemente ab. Junge und ganz junge Thiere allerdings erproben ihre Beine auch außerhalb deſſelben, denn man ſieht ſolche zuweilen in Feld und Buſchwerk, auf Wieſen und Brachen ſich herumtreiben. Im Frühjahr erwachen die Jungfröſche, welche ſich ja nicht ſo tief in Schlamm und Erde eingraben wie die alten, früher als dieſe und zeigen ſich ein oder einige ) Vermuthlich find ſie durch Austrocknung des ihnen bisher zum Aufenthalt dienenden Gewäſſers oder aus einem ähnlichen Grunde zu ihrem Vorhaben veranlaßt worden. Doch machte F. Leydig in der Rhön die Wahrnehmung, daß der Teichfroſch in Waſſern, welche durch Flachsröſten trüb und häßlich geworden waren, noch ausdauert. 28 Ortswechſel. Sommerleben. Winterſchlaf. Laichzeit. 434 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Wochen vor dieſen außerhalb des Verſtecks in ihrem Weſen und Weben. Im milden Frühjahr 1880 bemerkte ich am 29. März in einem Waſſergraben bei Johannis⸗ thal-Berlin neben verſchiedenen Paaren von Erdkröten und den Laichklumpen der ver— einzelt noch im bläulichen Hochzeitkleid ſchimmernden Grasfröſche eine Anzahl vor— jähriger Teichfröſche und dabei einen erwachſenen. Das iſt jedoch wenigſtens für Norddeutſchland ein zeitiger Termin, denn vor Mitte und Ende April bekommt man alte Thiere ſelten zu ſehen. Im Mai beginnt dann das laute Konzert, das nament— lich an feuchten warmen Abenden erſchallt, gegen die Laichzeit um Ende Mai und Anfang Juni hin zunimmt und auch im ſchwülen Juli und Auguſt bis Anfang September noch ertönt (im Jahre 1887 klang es mir noch um die Mitte dieſes Monats aus dem Kanal bei Bethanien in Berlin entgegen.) Am Tage liegt oder hängt der Froſch an der Waſſeroberfläche, den Kopf über dieſelbe emporſtreckend oder ſitzt auf einem ſchwimmenden Gegenſtand bezw. am Ufer, um ſich der Einwirkung der Sonnenſtrahlen voll hinzugeben und dabei ebenſo ſorglich nach etwaiger Beute aus— zuſpähen wie auf jede Gefahr zu achten. Und es macht einen gar wunderlichen Ein— druck, wenn die durch den Schritt des am Gewäſſer hinwandelnden Spaziergängers aufgeſcheuchten Fröſche ſammt und ſonders in meterhohem Bogen ins ſchützende Naß ſetzen, damit ſie die Fluth mit ihren Pflanzen oder der Schlamm berge vor dem Störenfried. Als erwünſchte Beute aber betrachtet der alte Froſch nicht nur Schnecken, Raupen, Würmer, Inſekten, ſondern auch Fiſchbrut, Kaulquappen, Molche, kleinere Froſchlurche, ſelbſt Feuerkröten, die doch ſonſt von Lurchfreſſern verſchmäht werden. Wenn die Grünröcke im warmen Sommer nur bei Gefahr ſich in den Schlamm des Gewäſſers einzuwühlen pflegen, ſo thun ſie dies in den allmählich eintretenden kühlen Nächten des Herbſtes regelmäßig, und wird dann im Oktober die Witterung rauher, ſo bleiben ſie auch an trüben, ſonnenloſen Tagen im Verſteck und graben ſich mit ſinkender Temperatur zur Winterruhe tiefer in den Schlamm ein. Mitte Oktober ſind die erwachſenen Thiere in der Regel alle verſchwunden und nur die jungen halten oft noch bis zum Eintritt des Froſtes im Freien aus. So gewahrte Hr. W. von Reichenau-Mainz noch am 1. November 1880 in Lachen Waſſerfröſche und zog am 10. Dezember 1879 vier friſche Stück aus dem Kropfe eines Fiſchreihers hervor. Im Süden wird der Winterſchlaf abgekürzt oder gänzlich umgangen; in Transkaſpien hörte A. Walter ſchon im Februar die Fröſche ſchreien, und in Nordafrika unter— ſcheidet ſich das Winter- kaum vom Sommerleben. Trotzdem ſchreitet auch im Süden der Grünfroſch erſt ſpät zur Fortpflanzung: In Transkaſpien, und zwar bei Bagyr unterm 40. Grad n. Br., traf Walter 1886 erſt am 12. April das erſte Paar in copula an, zu einer Zeit, da von der grünen Kröte ſchon lange die erſten Larven vorhanden waren; unter gleicher Breite auf der Pyrenäiſchen Halbinſel mag dies noch ſpäter geſchehen, wenigſtens hatten die aus Coimbra Mitte Mai an J. v. Bedriaga geſchickten Weibchen ſich ihrer Eier noch nicht entledigt und in Nizza (44. Grad) beginnt, laut Angabe des letztgenannten Autors, esculenta ihr Laichgeſchäft nicht vor Ende Mai, wenn der Schlammtaucher, der Laubfroſch und Bufo bereits abgelaicht haben. So geht denn bei uns Ende Mai oder meiſt erſt Anfang Juni, alſo im Vollfrühling oder Vorſommer, Paarung und Laichen in der auf Seite 392 vermerkten Weiſe vor ſich; und nur ſehr warmes Wetter oder erwärmtes Waſſer verfrüht die Laichzeit, wie beiſpielsweiſe in dem Teiche bei dem Militärlazareth zu Münſter, in welchen das warme Keſſelwaſſer der Kieſekamp'ſchen Dampfmühle fließt, ſchon zu Anfang des Mai 1½ em lange Larven mit erbjen- großem Kopfe durch die Verfaſſer von „Weſtfalens Thierleben“ angetroffen wurden. Erſte Art. Waſſerfroſch. 435 Der Laich wird vom Weibchen nicht am Rande, ſondern nach der Mitte der Gewäſſer zu ſtoßweiſe, d. h. in mehreren kleineren und daher nicht ſo wie bei anderen Fröſchen auffallenden Mengen, welche ſogleich vom Männchen befruchtet werden und dann zu Boden ſinken und dort zwiſchen Waſſerpflanzen und Algen liegen bleiben, abgeſetzt. Die Eier ſehen oben bräunlich, unten gelb aus und ſind kleiner als die des Gras- und ſogar des Laubfroſches; der Durchmeſſer des einzelnen beträgt bis 1,7 mm und der der faſt kryſtallhellen Gallertkugel, welche das Laichkorn umhüllt (Seite 393), etwa 6 mm. In den durch das Auſquellen ſich mehr ſondernden Eihüllen geht bei der warmen Witterung die Entwicklung der Keimlinge raſch vor ſich, welche ſchon am vierten Tage Lebenszeichen von ſich geben und bereits am 6. oder 7. Tage als winzige Larven die Hülle verlaſſen (Seite 428). Die letzteren, deren äußere Kiemen ſich mit etwa 14 Tagen eingezogen haben, machen nun innerhalb eines Vierteljahres ihre Ausbildung und Umwandlung entſprechend den früher oder den bei Schilderung der Erdkröte vermerkten Angaben durch; doch kommt es gerade bei dieſer Froſchart nicht ſelten vor, daß Kaulquappen überwintern (Seite 395) und uns dann im Frühjahr als Rieſenlarven entgegentreten. In dem ſchon erwähnten Konzert der „Schwätzer des Torfmoors“, das „froh beginnt nach heißer Sonne Brunſt“ und ein Ausfluß des Luſtgefühls ſeiner in der lauwarmen Fluth vergnüglich lebenden Urheber iſt, ſingen die Alten den Baß, jüngere Bariton und Tenor; verſchiedene Motive werden in dem Singſang durcheinander ge— worfen, aber, wie H. Landois ſagt, das trillernde r und das Schleifen zweier oder dreier benachbarter Töne durch die geringſten Intervalle herrſcht darin vor. Indeß dieſes nüaneirte Konzert ertönt erſt mit Eintritt warmer Nächte; vorher iſt der Ge— ſang einförmiger, dem Bré-ke-ke des „Kantors“ folgt ein dumpfes, wiederholtes Quärr, Uärr, Uérr oder Uörr?), während am Tage die Männchen unter grunzenden, ſchwächeren Lauten im Waſſer hin- und herfahren. Das gewöhnliche Geſchrei (Quaken) des männlichen Waſſerfroſches unterſcheidet ſich, ſo ſagt C. Bruch 1862, von dem der Kröten hauptſächlich dadurch, daß es in der Regel aus zwei Silben beſteht, die jedoch, wie man aus der Bewegung der Bauchmuskeln erkennt, mit einer einzigen Ausathmung erzeugt werden; die erſte Silbe entſteht im Kehlkopf allein, der zweiten kommen die beiden Schallblaſen des Froſches zu Hilfe, und der Ruf lautet im Frühjahr, „wenn ſie einander auf der Oberfläche des Waſſers nachjagen und wie närriſch umherfahren“, je nach dem Alter des Thieres Uérr, Uärr oder Uörr, mit dem Aecent auf der zweiten Silbe. „Wie bei allen Thieren, die mit geſchloſſenem Maul ſchreien, hat die Stimme etwas Dumpfes, Singendes, dem Naſenklang der menſchlichen Stimme Aehnliches, auch knurrend oder ſtöhnend, wie ein Träger unter einer ſchweren Laſt. Zuerſt ſchwillt die Kehle auf und der erſte Ton beginnt als ein leiſes Grunzen, das ſich allmählich verſtärkt; dann treiben ſich plötzlich die Schallblaſen hervor und zugleich ſchlägt der Ton in ein lautes und höheres Schnarren um, welches dem der Kreuzkröte ſehr ähnlich iſt und aus größerer Entfernung allein gehört wird. Wie bei der genannten Kröte kann dieſer zweite Ton in ein fortdauerndes Geräuſch übergehen, welches, von dem eigentlichen Quaken wohl zu unterſcheiden, dem Meckern der Ziegen am ähnlichſten iſt. Den erſten Ton haben auch die weiblichen Fröſche; er ſtimmt bei alten Weibchen vollſtändig mit dem Grunzen der Schweine überein.“ Und mit dem erſten Ton muß ſich auch der männ— ) Dieſen eigentlichen Klanglaut des Froſchgequakes giebt der münſterländiſche Ausdruck, „Fuorſk“ (für Froſch) in bezeichnendſter Weiſe wieder. Zugleich möge hier erwähnt ſein, daß in Schwaben die Land— leute die Teichfröſche nach ihrem verſchieden modulirten Geſchrei in katholiſche und proteſtantiſche ein— theilen und die einen „Papſt, Papſt!“, die anderen „Luther, Luther!“ rufen laſſen. 28 * Laich. Larven. Stimme. Weſen. Namen. Synonyme. 436 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. liche Froſch begnügen, wenn man ihm die Schallblaſen zuhält und deren Auftreibung verhindert. H. Landois hat zuerſt auf die Erſcheinung aufmerkſam gemacht, daß ein Froſch, dem man eine Zeitlang mit Zeigefinger und Daumen abwechſelnd den Leib mäßig gedrückt hat, ſehr oft auf jede weitere Berührung mit einem leiſen Quaken antwortet. Einzelne Züge aus dem Charakterbild des Waſſerfroſches ſind ſchon gezeichnet, die Freßluſt und Raubſucht, die Sprungfertigkeit, vermöge deren er aus dem Waſſer heraus zu ziemlicher Höhe ſich emporſchnellen kann und beiſpielsweiſe aus dem Aquarium nach oberhalb deſſelben zappelnder Beute Sätze von einem halben Meter ausführt, das aufmerkſame Weſen u. ſ. w. bereits berührt worden. Aber ebenſo wie vorſichtig iſt er neugierig, und als Belag dafür ſei an die von A. Wiedemann angegebene Be— obachtung erinnert: Läßt man aus der gefüllten Gießkanne gleichmäßig und ruhig einen ſchwachen Waſſerſtrahl auf den Spiegel eines mit zahlreichen Fröſchen be— völkerten Gewäſſers fallen, ſo kommen bald einige derſelben herbei, um vielleicht in Erwartung einer Beute die Sache ſich zu betrachten, ſie umgeben im Kreiſe die Ausflußſtelle, nähern ſich derſelben mehr und mehr und einzelne laſſen ſich ſogar vom Waſſerſtrahl treffen ohne zu entfliehen. Eine ſchlimmere Eigenſchaft iſt der „Brotneid“, von dem er namentlich in der Gefangenſchaft recht offenbare Beweiſe ablegt. Dieſer Neid erſcheint im Gefolge einer ſchier unſtillbaren Freßluſt, und daher kann man die Waſſerfröſche, die durch die Raſchheit und Unüberlegtheit ihrer Handlungen ſich ſelbſt manchen Streich ſpielen, mit einer gut beköderten Angel einen nach dem andern vom Waſſer oder Ufer wegfangen, während ſie den mit einer Zimmerflinte auf ſie Jagenden ſehr bald kennen und vor ihm eiligſt fliehen [Weſtf. Thierl.]. Alles in Allem iſt der Teichfroſch ein munterer, beweglicher, gewandter, dabei aber neugieriger, neidiſcher, gefräßiger, raubluſtiger Ge— ſell, der in Gefangenſchaft für lange Zeit oder für immer ſein unbändiges, ſeinem ſchmucken Kleide keine Ehre machendes gieriges Gehaben beibehält und, wenigſtens nach meinen Erfahrungen, nur in Ausnahmefällen an den Umgang mit Menſchen ſich ge— wöhnt und wirklich zahm wird. Daß der Froſch einen Theil des von ihm an der Fiſchbrut bezw. in Fiſchteichen angerichteten Schadens dadurch wett macht, daß er zu wiſſenſchaftlichen Verſuchen und als Nahrungsmittel (Italien) dienen oder doch ſeine feiſten Schenkel oder Keulen an die Tafeln der Feinſchmecker, namentlich in Frankreich, im Elſaß und in Süddeutſchland, abgeben muß, iſt bekannt; beiſpiels— weiſe wurden im März 1880 auf den Wochenmarkt zu Straßburg 76475 Paar Froſchſchenkel gebracht! Landesübliche Benennungen. Teich-, Waſſer-, grüner, eßbarer Froſch. Nieder— deutſchland: Forſch, Fuorſk, „Schakkerpogge“; Holl.: Groener Kikvorsch; Schwed.: Atlig Groda, Källfrö; Engl.: Edible Frog; Franz.: Grenouille verte, Raine caurette; Ital.: Rana, Rana verde; Span.: Rana verde; Poln. bezw. Slaviſch: Zaba jadalna; Zaba lipicia (Dalmat.); Böhm.: Zäba zelenä; Ungar.: Zöld-beka ; Ruſſ.: Ljagüschka; Finn.: Konna; Japan.: Kairo. Rana fluviatilis, Rondel 1554. — Rana aquatica eitrina et R. aqu. viridis, Schwenckf. 1605. — Rana edulis, Aldrovandi 1663. — Rana aquatica, I/ 1713. — Kana viridis, se 1758. — Rana esculenta, Linné 1758 [S. N., Edit. X, I p. 212]. — Rana vulgaris, Bonnaterre 1789. — Rana palmipes, Spi 1840. — Pelophylax esculentus, Fitzinger 1843. — Formen und Varietäten: Rana ridi- bunda, Pallas 1771; R. gigas, Gmelin 1790; Bufo ridibundus, Schneider 1799; Rana cachinnans et caucasica, Pallas 1811/31; Rana tigrina Eichwald 1842; Pelophylax ridibundus, Fitzinger 1853 [Menag.]; Rana fortis, Boulenger 1885. — Zweite Art. Grasfroſch. 437 Rana maritima, Risso 1826. — Rana hispanica, Michahelles 1830. — Rana dentex, Krynicki 1837. — Rana scotica, Bell 1839. — R. Perezi, Seoane 1885. 2. Gruppe: Braune oder Landfröſche, Ranae fuscae (terrestres; temporariae). Die Rückenfärbung der Angehörigen dieſer Gruppe iſt ſtets eine Schattirung von Braun, niemals ein Grün, höchſtens daß ſich auf den Schenkeln mitunter ein Anflug von ſchmutzigem Braungrün zu erkennen giebt; die Oberſeite all der hierher gehörigen Arten wechſelt ſonach von Braun durch Düſterbraun bis Braungrau oder aber durch Braunroth bis Roſa und Braungelb. Meiſtens erſcheinen auf der braunen Oberſeite dunklere, bis ſchwarze Flecken, doch können ſolche auch fehlen; ſtändig iſt aber ein großer, nach hinten ſpitz ausgezogener dunkelbrauner oder ſchwarzer Ohrfleck (Schläfen- oder Tympanalfleck) zwiſchen Auge und Schulter. Die Hinterbacken ſind, wiederum im Gegenſatz zu den „Grünen“, nie dunkel und hell marmorirt, ſondern nur dunkelbraun quergebändert und die Schwimmhäute ſind nie vollkommen, d. h. ſie reichen nie bis zum Ende der längſten Zehe. Auch fehlen den Männchen die äußeren Schallblaſen, und der Kopf der Braunen iſt verhältnißmäßig breiter als der der Grünen. Die drei deutſchen Arten unterſcheiden ſich, wie aus der Ueberſicht auf Seite 422 erhellt, durch die Länge der Beine und Schwimmhäute, die Größe und Geſtalt der Zehenhöcker, die Kopfform, das Vorhandenſein oder Fehlen innerer Schallblaſen, auch die Bauchfärbung u. a. Früher nahm man nur eine Art an: 2. Art: Grasfroſch. Rana muta, Laus. Abbildung: Tafel III Nr. 4. Länge durchſchnittlich 6 bis 8 em; Schnauze kurz, ſtumpf; Stirn breit, der zwiſchen den Augenhügeln gelegene (Interpalpebral-) Raum vollkommen fo breit als die größte Dimenſion des Augenhügels, die Augen alſo weit von einander ent— fernt; Schwimmhaut der Hinterzehen faſt vollkommen, und zwar an der längſten Zehe bis an die Wurzel des letzten Gliedes reichend; ſechſte Sehe, d. i. der an der Wurzel der inneren Sehe ſtehende Ferſenhöcker, ſchwach, weich, einen länglich— runden ſtumpfen Wulſt bildend, kürzer als die Hälfte der Innenzehe, höchſtens ſo lang als der Trommelfell Durchmeſſer; hinter der Wurzel der längſten Sehe ſtatt einer (beim Teich- und Springfroſch vorkommenden) Höckerwarze nur ein heller, gewöhnlich etwas erhabener Punkt; die Gelenkhöcker auf der Unterſeite der Finger und Sehen ſchwach entwickelt; Hinterbein, nach vorn gelegt, mit dem unteren Gelenk des Unter— ſchenkels, alſo dem Ferſengelenk, die Schnauzenſpitze nicht oder kaum erreichend; Unterſchenkel (Tibia) merklich kürzer als die ganze Vordergliedmaße; die Drüſen— Cängswülſte an den Kückenſeiten wenig vorſpringend, in der Färbung der des Rückens ziemlich gleich; Bauch gewöhnlich mit rothbraunen oder grauen Flecken; Männchen mit inneren Schallblaſen. Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſer zweitgrößten deutſchen Froſchſpezies zeichnet ſich vor dem ihrer Verwandten, insbeſondere der nachfolgenden, durch kräftigen, derben, faſt plumpen Bau und an den Flanken bauchig erweiterten Rumpf, der Kopf j p 88 pf, p durch kurze, ſtumpfe, „an die Halbkreisform erinnernde“, am Ende gewölbte Schnauze, ſehr breite und flache Stirn und breiten Scheitel — die Ossa fronto-parietalia, Körperbau 438 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. d. i. die Stirn-Scheitelbeine, ſind flach, jedoch nicht vertieft — und infolge deſſen durch weit von einander entfernte Augen aus. Der Kopf, deſſen Seiten ziemlich ſteil nach außen abfallen und zwiſchen Naſenloch und Auge eine deutliche Kante aufweiſen, iſt alſo kurz- und ſtumpfſchnauziger als bei Rana esculenta und R. arvalis und fat immer einige Millimeter breiter als lang; nur bei einer Form oder Varietät, welche hier und da in Deutſchland und der Schweiz beobachtet worden und in allen weſent— lichen Punkten mit der Stammform vollkommen übereinſtimmt, iſt die Schnauze reſp. die Kopfbildung der der Rana agilis ähnlich, alſo verlängert, rundlich-ſpitz, ſodaß Fatio [Suisse S. 328] dieſe Form im Gegenſatz zum Typus (Rana temporaria obtusirostris) als „var. acutirostris“ bezeichnete. Die Mundwinkel liegen unter der vorderen Hälfte des Trommelfells, welches in der Regel einen merklich oder erheblich (um 2,5 mm) kleineren Durchmeſſer als das Auge hat; die Pupille iſt ein Queroval mit in der Mitte winkelig gebrochenem unteren Rande; die Zunge gleicht der des Teichfroſches; die etwas hinter und zwiſchen den inneren Naſenöffnungen, alſo mehr nach rückwärts als beim Teichfroſch gelegenen beiden Gruppen der Gaumenzähne erſcheinen als zwei ſchmale, nach hinten winkelig gegen einander geneigte Leiſten, nicht als runde Haufen. Die dem Männchen eigenen Schallblaſen ſind als „innere“ zu bezeichnen, denn ſie liegen nach hinten und unten vom Mundwinkel einfach unter der äußeren Haut, ohne mit dieſer zu verwachſen, und geben ſich als Ausſackungen der Mundhöhle, „welche bei der Füllung mit Luft zu querovalen Beuteln hinter dem Winkel der Unterkinnlade hervorgetrieben werden“ und zwiſchen der letzteren und dem vorderen Horn des Zungenbeins ihre Oeffnung zur Mundhöhle haben (Leydig); da ſie nach außen kaum merkbar hervortreten, ſo hat man ſie dieſem Froſch und ebenſo der folgenden, früher mit R. muta-fusca als Rana temporaria zuſammengefaßten Art zuweilen irrthümlicher Weiſe ganz abgeſprochen. Die vorderen Gliedmaßen, von deren vier walzenförmigen Fingern der längſte (dritte) mit einem feinen Hautſaum am Innenrande verſehen und der innere oder Daumen beim Mäunchen durch eine ſtarke Schwiele ausgezeichnet iſt, ſind erheblich, nämlich 6 bis 10, ſeltener nur 2 bis 4 mm länger als die Schienen (Unterſchenkel) der hinteren Gliedmaßen, welch' letztere reichlich zweimal ſo lang, aber wohl nie ganz dreimal ſo lang als die vorderen und gut um die Hälfte länger als der geſammte Körper ſind und nach vorn geſtreckt mit dem Ferſengelenk die Schnauzenſpitze kaum oder überhaupt nicht erreichen, vielmehr oft nur bis zum Trommel— fell oder vorderen Augenwinkel oder bis zum Naſenloch reichen. Die Zehen der Hinterfüße ſind geſtreckt, auf der Unterſeite an den Gelenkſtellen mit nur ſchwach ent— wickelten Knötchen beſetzt und unter einander durch eine faſt vollkommene, d. h. an der längſten Zehe bis an die Wurzel des letzten Gliedes reichende und über die Wurzel des vorletzten Gliedes an der 1., 2. und 3. Zehe ſich erſtreckende Schwimmhaut („Dreiviertels-Schwimmhaut“) verbunden; der 1. Finger (Daumen) iſt der kürzeſte, der 2. aber nur wenig länger als dieſer, der 3. als längſter um etwa zwei Fingerglieder den zweiten und um anderthalb Glieder den vierten übertreffend; von den auf der Unterſeite der Handwurzel ſtehenden drei Ballen iſt der Daumenballen der größte. Der Ferſen— höcker ꝛc. wurde unter „Artkennzeichen“ bereits charakteriſirt. — Die Haut iſt in der Regel, abgeſehen von einigen Drüſenreihen, vollkommen glatt, ja bei manchen Männchen zur Fortpflanzungszeit „von ſchwappigem, ſchleimigem Weſen“ ) und beim ) Leydig ſieht dieſes eigenthümlich ſchwappige Weſen der Haut, welches er unter gleichen Umſtänden auch an männlichen Erdtröten (Bufo vulgaris) wahrnahm, als Ausdruck einer gewiſſen Stimmung des Nervenſyſtems während der Laichzeit — wobei „eine vom Nervenſyſtem abhängige kontraktile Subſtanz“ der Haut im Spiele ſei — an [Bedeckungen S. 88]. Zweite Art. Grasfroſch. 439 Weibchen zur Paarungszeit auf dem Hinterrücken, der Lenden- und Aftergegend, an den Rumpfſeiten bis faſt zur Ohrgegend, auch auf der Oberſeite der Ober- und Unter— ſchenkel gern mit weißen Perlen beſetzt; dieſe weiße Beperlung, welche bereits an dem von Röſel abgebildeten Weibchen zu bemerken und dann von Leydig unterſucht worden iſt, beruht auf Wucherungen bezw. Höckerbildungen der Oberhautzellen, ohne daß dieſe aber verhornen. Was die Drüſen anbelangt, ſo läuft vom Hinterrande des Auges längs der Rückenkante bis gegen den After hin eine, am Trommelfell und in der Körpermitte etwas ausgebuchtete Drüſenwulſt oder Drüſenleiſte, die jedoch niemals ſo breit und wulſtig und ſo hell gefärbt (gelb oder weißgelb) als beim Teich- und Moorfroſch, ſondern undeutlicher und ziemlich von der Färbung der Umgebung iſt. Außerdem gewahrt man im Nacken der meiſten Stücke eine A fürmige Figur, erzeugt durch zwei ganz kurze, vorn ſpitzwinkelig zuſammenſtoßende dunkle Drüſenreihen. Unter den drei braunen Fröſchen iſt Rana muta die größte und ſtärkſte Art, wenngleich ſie ſich mit dem Teichfroſch noch nicht meſſen kann. Im Durchſchnitt be— trägt die Totallänge, von der Schnauze bis zum After, 6 bis 8 em, doch begegnet man auch Stücken von 8 bis 9 oder ausnahmsweiſe ſelbſt 10 em Länge; die ſtatt— lichſten Exemplare findet man gewöhnlich unter den Weibchen. Von der Geſammt— länge entfällt ein knappes Drittel auf den Kopf, das Uebrige auf den Rumpf. Der erſtere iſt meiſtens 1 oder 2 mm, bei den Weibchen zuweilen gar 4 oder 5 mm breiter als lang, bei jungen Thieren dagegen mitunter ½ oder 1 mm länger als breit; im Vergleich zum größten Durchmeſſer des Auges iſt er dreimal ſo lang als dieſer. Die Schiene (Unterſchenkel) iſt 4 bis 10 mm, ausnahmsweiſe nur 2 oder 3 mm kürzer als die ganze Vordergliedmaße und nie ganz doppelt jo lang als der Kopf, indem 5 bis 12 mm, nur zuweilen weniger, an dieſer doppelten Länge fehlen; zum Hinter— fuß verhält ſie ſich etwa wie 2 zu 3. Ober- und Unterſchenkel zuſammen bleiben noch um ein Geringes hinter der Körperlänge zurück, woraus ſich eben ergiebt, daß das nach vorn geſtreckte Hinterbein (ſ. S. 438) mit dem Ferſengelenk die Schnauzen— ſpitze nicht erreicht — das umgekehrte Verhältniß wie bei Rana agilis. Einige auf Seite 451 zuſammengeſtellte Maaßangaben mögen das Nähere erläutern. Eine Auszeichnung des Männchens vor dem Weibchen haben wir ſchon nen gelernt: der Beſitz innerer Schallblaſen (Seite 438). Außerdem iſt bei ihm der Kopf etwas ſchmäler, der Vorderarm dicker, fleiſchiger, auch der Daumen dicker und die Schwimmhaut derbhäutiger und entwickelter. Dazu treten während der Paarungszeit einige auffallende ſexuelle Eigenheiten: die Brunſtſchwiele am Daumen, welche u. A. ſchon Sturm im 1. Heft ſeiner „Amphibien“ beſchreibt und darſtellt, und ein bläu— licher Schimmer an der Kehle und anderen Hautpartien. Die Brunſtſchwiele (Seite 376), ſehr ſtark entwickelt, wird durch Furchen und Einſchnitte in vier Ab— theilungen zerlegt, welche dem Daumenballen, dem os metacarpi und den beiden Daumengliedern entſprechen und ſich über den Ballen, den Innenrand und die Ober— ſeite des Daumens erſtrecken, und hebt ſich zur Laichzeit durch ihre ſchwarzbraune Färbung und ihr rauhes, faſt plüſchartiges Aeußere ſcharf ab, während ſie ſonſt grau und unbedeutend erſcheint. Der bläuliche Schimmer der Haut, auf welchen J. Steenſtrup 1846 zuerſt hinwies, gehört zu den hochzeitlichen Schmuckfarben der Männchen. Er zeigt ſich, wie wir von Seite 384 her wiſſen, insbeſondere an der Kehle und Oberkinnlade und kann hier als blaugrauer oder tiefblauer Anflug die eigentliche Färbung völlig übertönen, während am übrigen Körper nur ein bläulicher Hauch oder nicht einmal ein ſolcher ſich wahrnehmen läßt. Betreffs der Entſtehung dieſes blauen Reifes, der nach dem Herausnehmen der Thiere aus dem Waſſer bald Maaße. Geſchlechter. Färbung. 440 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſchwindet, kam F. Leydig [Zool. Anz. Nr. 212] zu dem Schluß, daß die ſchwarzen beweglichen Farbzellen unter dem uns bekannten Einfluß des Nervenſyſtems aus der Tiefe der Haut herauf das in den oberſten Schichten der Lederhaut ſich aus— breitende weißliche, leicht bläulich iriſirende Pigment durchſpinnen, wobei die bei den männlichen Fröſchen zur Paarungszeit allgemein auftretende Schwellung der Lederhaut das durchſcheinende Weſen hervorruft, was Alles zuſammen für Den, welcher nur mit freiem Auge die Erſcheinung vor ſich hat, den Eindruck von einem „blauen Reif“ erzeugt; in dem Beweglichen und Veränderlichen aber, welches zwei jener Momente (Farbzellen und Schwellung der Haut) mit ſich bringen, liegen das Flüchtige und Wechſelnde im Auftreten und Verſchwinden des Blau, die Abſtufungen von Bläulich, Blaugrau und Sattblau und umgekehrt das völlige Fehlen dieſes Schmuckes bei manchen Thieren begründet. Erinnert dieſe hochzeitliche Zier des Männchens an die blaue Kehle der männlichen Smaragd-Eidechſe, jo die auf Seite 439 beſprochene weiße Beperlung des Weibchens, welche zu der völlig glatten Haut des brünſtigen Männchens im Gegenſatz ſteht, an den bei Männchen oder beiden Geſchlechtern gewiſſer Karpfen— fiſche: Bitterling, Ellritze, Perlfiſch u. a., auch Grundeln ze. zur Laichzeit hervor— kommenden Wärzchen-Ausſchlag. Schließlich wäre noch zu erwähnen, daß das Roth— braun der Fleckung der Unterſeite bei Weibchen zur Laichzeit nicht nur Kehle und Bauch überziehen, ſondern auch über die Unterfläche der Gliedmaßen ſich erſtrecken kann. Der Grundton der geſammten Oberſeite iſt ein Braun, das in Roth, Gelb— braun und Fleiſchroth, aber auch in Grau-, Oliv- und Schwarzbraun übergehen kann, und zwar haben die Weibchen die Neigung zu den helleren, die Männchen zu den düſteren Schattirungen. Dieſe Grundirung des Rückens bleibt jedoch nur in ganz ſeltenen Fällen allein, faſt immer ſind dunkelbraune bis ſchwarze Flecken, die aller— dings nach Form, Zahl, Größe, Deutlichkeit, Stellung und Zuſammenhang ſehr wechſeln, aufgeſetzt; zuweilen erſcheinen ſie nebelhaft und verſchwommen, zuweilen in zwei Längsreihen, zu denen noch je eine am Außenrand des Seitenwulſtes ſich gern geſellt, angeordnet. Die beiden Drüſenwülſte an der Rückenkante zeigen denſelben oder einen nur wenig helleren Ton als der Rücken ſelbſt; ein lichter Rückgratsſtreif fehlt den echten Grasfröſchen. Die Zeichnung der Kopfplatte richtet ſich nach der des Rückens und iſt ſomit gefleckt, gepunktet oder faſt einfarbig. Beſtändig indeſſen iſt der große dunkel- oder ſchwarzbraune Ohr- oder Schläfenfleck, der vom Auge über das Trommelfell und in ſpitzer Verlängerung bis gegen die Schulter hinzieht, ferner der zwiſchen Auge und Naſenloch ſich abhebende dunkle Zügelſtrich, die dunklen Streifen auf der Vorderfläche der Oberarme und die oberſeitige dunkle Querbänderung der Schenkel und Hinterbacken, ſchließlich auch meiſtens die auf Seite 439 vermerkte dunkle Figur im Nacken — welche Wiepken und Greve geradezu als ein charakteriſtiſches Merkmal des Grasfroſches gegenüber dem Moorfroſch anſehen — und dunkle, allerdings meiſt in Flecken aufgelöſte oder blos in Spuren erhaltene ſeitliche Längsſtreifen an der Oberkinnlade. Der bräunliche oder röthliche Grundton der mit dunklen Tupfenz, Marmel-, Schnörkel- oder Nebelflecken gezeichneten Flanken hellt ſich nach unten hin derart auf, daß er allmählich in das Gelblich-, Röthlich- oder Grauweiß des Bauches und der anderen Partien der Unterſeite übergeht. Auch auf dieſer, namentlich beim Weibchen und inſonderheit an der Kehle und den Bauchſeiten, zeigen ſich Tupfen, Schnörkel und Nebelflecken, und zwar von rother, gelblicher oder bräunlicher Farbe, und dieſelben können ſo überhandnehmen, daß der weißliche Grund vollſtändig zurück— gedrängt wird und dieſe Theile roſa- oder braunroth oder gelb erſcheinen (Rana Haviventris). Solch' ſchöne, anſprechende Tinten markiren ſich vornehmlich zur Laich— Zweite Art. Grasfroſch. 441 zeit, nicht nur an Bruſt und Bauch, ſondern auch auf den Hinterbacken, der Innen— ſeite des Unterſchenkels, vor der Wurzel der Arme und Beine, in den Achſelhöhlen. Die Iris iſt glänzend goldgelb, jedoch tritt dieſe Metallfarbe nur in der oberen Hälfte und in einem die Pupille umſäumenden gelben Ring deutlich hervor, während die untere Hälfte durch ſchwarze Sprenkelung ſehr dunkel werden kann. Welche Farbenwechſel und Abänderungen die Thätigkeit der beweglichen Farb— zellen hervorzurufen vermag und welche Anpaſſungen der Körperfärbung an die Farbe des Aufenthalts zu Stande kommen, iſt uns ſchon aus den früher (Seite 380, 382) mitgetheilten Beobachtungen klar geworden. Indem wir uns deſſen erinnern, haben wir uns noch nach etwaigen beſonderen, ſtändigen Formen, Ab- oder Spielarten umzu— ſchauen. Da hat C. Koch 1872 in ſeiner Arbeit über die Froſchlurche des Unter— Main- und Lahn-Gebietes außer der ſtumpfſchnauzigen typischen Form fünf Varietäten unterſchieden: eine Var. maximus von rieſigen Maaßen und mit ſehr breiter Schnauze, eine Var. verrucosus mit normal gerundeter Schnauze, gedrungener Geſtalt und warziger Oberhaut, eine Var. montanus: klein, großköpfig, gedrungen, dunkelbraun gefärbt, eine Var. cinereus: klein, ſpitzerſchnauzig, ſchmächtig, ohne hellere Seiten— linien (auf Torfboden und Wieſen gefunden), und endlich die nur in Sümpfen bei Enkheim gefundene ſtumpfſchnauzige, ſchlanke Var. gracilis mit großem ſtarkem Ferſen— höcker, in welcher C. Koch ſelbſt den Springfroſch (Rana agilis) oder einen Baſtard von Gras- und Teichfroſch bezw. Gras- und Moorfroſch vermuthet. Die letztere „Varietät“ wird als eine zweifelhafte Form hier auszuſchließen ſein und die übrigen ſind derart, daß einige ſich zuſammenziehen und mit den von dem Schweizer Fauniſten im Jahre 1871 unterſchiedenen beiden Formen obtusirostris und acutirostris ſich ver— einigen laſſen. Zu der typijchen ſtumpfſchnauzigen (obtusirostris) Form des Grasfroſches dürfen die Rieſen⸗ und die im Gebirge lebende kleinere Varietät, alſo var. maximus und var. montanus Koch's, gezählt werden, jedenfalls aber auch der nur auf dem Lande gefundene „warzige“ Froſch (var. verrucosus), deſſen aufgetriebene Seitenwülſte normal gefärbt, d. h. kaum heller als der Rückengrund ſind. N 1. Var. acutirostris, ſpitzſchnauziger Grasfroſch. Nähert ſich durch den ver- längerten Kopf bezw. die vorgezogene Schnauze und die geringere Größe dem Moor— froſch, gleicht jedoch in Körperbau, Ferſenhöcker, Daumenſchwiele, Färbung u. a. dem echten Grasfroſch. Wurde von Fatio aus der Schweiz, von F. Müller aus der Gegend des Baſeler Rheinknie, von Nüßlin aus dem gebirgigen Baden, von F. Leydig aus dem Siebengebirge und der Umgebung von Linz a. Rh., von C. Koch (als var. einereus) aus der Gegend von Offenbach a. M. und dem Schwanheimer Walde und von Weſthoff aus Weſtfalen bekannt gemacht, wird jedoch auch anderwärts ange— troffen. Hierher wäre noch, als „eine beſonders langbeinige Form der muta acutirostris“, die bei Badenweiler entdeckte Var. longipes F. Müller's, deren Unterſchenkel ſo lang iſt wie die Vordergliedmaße, zu ſtellen und dieſer wiederum dürfte laut J. v. Bedriaga die von den franzöſiſchen Fauniſten Héron-Royer, Honnorat und Neguis aus ver— ſchiedenen Oertlichkeiten der Nieder-Alpen 2c. gemeldete Rana fusca Honnorati Héron— Royer's [Bull. Acad. Belgique 1881], eine Gebirgsform mit langen Beinen, ſchlankem Körper, wenig zugeſpitztem Kopf und ſtärker vortretenden Seitenwülſten, anzuſchließen ſein. (2) 2. Var. parvipalmata (Seoane), ſpaniſcher Gr. Ausgezeichnet durch kurze, bis zur Wurzel des vorletzten Gliedes an der 1. und 5. und bis zur Wurzel des zweiten Gliedes an der längſten Zehe reichende Schwimmhaut, auch durch mehr zuge— Abänderungen. Larven. 442 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſpitzte Finger- und Zehenſpitzen und ſchmäleren Interpalpebralraum; die dunkle Fleckung verſchwindet bei ihr mitunter auf Rücken und Kopf gänzlich und auf der Schenkel— oberſeite bis auf ſpärliche Reſte. Wurde von Sevane 1885 in „The Zoologist“ be- kannt gemacht; Verbreitung: Nordweſtliches Spanien (Corunna: Berl. Muf.). 3. Var. striata, geſtreifter Gr. Zeichnet ſich aus durch ein helles Rückgrats— band, das vom Vorderkopf an über die Rückenmitte bis in die Aftergegend hinzieht und zuweilen etwas dunkler geſäumt iſt. Dieſe auffallende Zeichnung bringt be— ſagte Varietät in Uebereinſtimmung mit dem Moorfroſch, während ſie ſich in allem Uebrigen als ein echter Grasfroſch erweiſt. Man begegnet ihr hier und da: Leydig lernte ſie am Nieder-Rhein, Weſthoff in den naſſen Haidegründen bei Münſter i. W., ich ſelbſt in der Umgebung Berlins am Lietzen- und am Tegeler See kennen. Neben dieſer ſcharf ausgeprägten Zeichnungs Varietät andere Farben-Spielarten aufzuzählen, erſcheint nicht angebracht, da ſich hierbei allerlei Uebergänge vorfinden. Aber es möge nicht unerwähnt bleiben, daß wie die Rana flaviventris Millet's ſo auch die ruſſiſch-ſibiriſche Rana cruenta Pallas' und Middendorff's und die Rana alpina verſchiedener Autoren als ein Grasfroſch mit gelber, orangefarbener oder rother Unterſeite und zum Theil auch ins Röthliche ziehender Oberſeite aufzufaſſen iſt. Die Larven des Grasfroſches, welche auf der erſten Stufe des Freilebens im April etwa 6 bis 8 mm lang ſind, erreichen nach zwei oder dritthalb Monaten eine größte Länge von 35 bis 40, unter Umſtänden auch 45 mm oder in ungünſtigen Verhältniſſen nur 28 mm, werden mithin im Allgemeinen halb oder zweidrittel ſo lang als die des Waſſerfroſches. Von der Geſammtlänge kommen auf den Schwanz drei Fünftel, der letztere verhält ſich alſo zum Körper wie 3 zu 2. Mehrere zwei— beinige Larven, die ich am 20. Juni 1880 fing, waren einſchließlich des 21 mm langen Schwanzes 34 mm lang: von der einen, welche am 22. die Vorderbeine erhielt, war der Schwanz am 24. nur noch 18 mm, am 26. noch 9 und am 27. blos 5, mm lang (und ohne Saum 2 mm hoch), fie ging demnach ſehr rasch ihrer Umwandlung entgegen. Eine vierbeinige Larve, am 17. Juni aus einem Graben gefiſcht, zeigte folgende Maaße: Körper 14, Schwanz 18, insgeſammt 32 mm lang; Hinterbeine, geſtreckt, bis zur Spitze der längſten Zehe 17 mm, Vorderbeine 8 mm lang, Schwanz 9 mm hoch. Im Uebrigen find die Larven nach ihren verſchiedenen Entwicklungs— ſtufen und in natürlicher Größe auf Tafel III dargeſtellt. In der erſten Zeit ihres Daſeins ſind ſie bläulichſchwarz. Dieſe Färbung geht aber ſchon nach einigen Wochen in ein Dunkelbraun über (ſodaß man die Froſchlarven bequem von den gleichzeitig vorkommenden, in allen Entwicklungsſtufen ſammetſchwarz bleibenden Kaulquappen der Erdkröte unterſcheiden kann), und der braune Ton, dem ſich eine graue oder oliven— farbene Schattirung beimiſcht, bleibt der Oberſeite erhalten, während die Unterſeite ſich aufgehellt hat. Auf dem graubraunen Grund erkennt man ſchwarzbraune Sprenkelung und ebenſo iſt der Schwanzſaum dunkel getüpfelt und geſprenkelt. Noch bei zwei— beinigen, oberſeits entweder einfarbig bräunlichen oder auf ſolchem Grunde dunkelbraun und ſchwarz gefleckten Larven machen ſich am grauen Bauch zahlreiche gelbliche, metall— glänzende Punkte und ähnliche goldſchimmernde Tüpfel auch am Schwanz bemerklich; die Iris iſt goldgelb mit ſchwarz. Der Kopf der erwachſenen Kaulquappen iſt ziemlich kurz, nach vorn allmählich in die breit zugerundete Schnauze übergehend, mit kleinen Augen, der Mund etwas kleiner als der Interocular-Raum, der untere Lippenrand wie die Mundwinkel mit dicht aneinander gereihten winzigen Papillen beſetzt, der obere Lippenrand bezahnt, die Innenfläche der Oberlippe rechts und links vom Kiefer mit je zwei bis drei kurzen Zahnreihen, die Innenfläche der Unterlippe mit zwei oder drei Zweite Art. Grasfroſch. 443 ununterbrochen Zahnreihen und nach innen zu noch mit einer in zwei ſeitliche Stücke zerlegten vierten Reihe, der Rumpf oberſeits gewölbt, nach hinten zu bauchig erweitert, die Athemröhre linkerſeits am Rumpf gelegen, die Analröhre kurz, auf der rechten Seite der Unterecke der Schwanzfloſſe ſich öffnend, der Schwanz anderthalb mal ſo lang als das Kopfrumpfſtück (Seite 442), ſpitz zulaufend, mit einem an der Schwanzwurzel beginnenden, nicht ſehr hohen Saum; am Rücken, und ebenſo um die Augen und Naſenlöcher, ſind Reihen heller Hautdrüſen, die ſog. Seitenlinien ſichtbar. Bei vierbeinigen Kaulquappen iſt die Färbung des fertigen Fröſchchens gegeben. Die erwähnte Larve vom 17. Juni zeigte oberſeits einen olivenbraunen Grund, die beiden hellbraunen Drüſenwülſte an der Rückenſeite und auf dem Rücken zwei im Nacken winkelig zuſammenſtoßende Längsreihen ſchwärzlicher Flecken; Rumpfſeiten ſchwärzlich geſprenkelt; Schenkel oberſeits dunkel quergebändert, Unterſeite der Glied— maßen und des Leibes weißlich, Schwanz hell graubraun; Iris goldgelb. Im Allge— meinen jedoch tritt bei den vierbeinigen Kaulquappen und bei den jungen Fröſchen, die nach Vollendung ihrer Umwandlung im Juni und Juli eine durchſchnittliche Länge von 12 (11 bis 14) mm aufweiſen und bis zum Beginn des Winterſchlafes vielleicht 20 oder einige 20 mm lang werden, die ſchwarze Fleckung nicht ſo ſtark hervor als bei mehrjährigen Fröſchen. Dieſe ſind mit drei Jahren geſchlechtsreif. Geographiſche Verbreitung. Das Verbreitungsgebiet des Grasfroſches deckt ſich hinſichtlich ſeiner Ausdehnung von Weſt nach Oſt im Allgemeinen mit dem des Waſſerfroſches, denn es reicht von den atlantiſchen Diſtrikten Spaniens (Galicien) bis zur Küſte Chinas und Südoſt-Sibiriens am Stillen Ozean und darüber hinaus bis ins Japaniſche Inſelreich, alſo vom 9. bis zum 160. Ferrograd. Dagegen verſchieben ſich die Grenzen der Breiten-Ausdehnung beträchtlich nach Norden hin, indem der Grasfroſch 11 bis 12 Breitengrade weiter nordwärts geht als der Waſſerfroſch, indeß 12 Grade vor deſſen ſüdlicher Verbreitungsgrenze ſchon Halt macht: die Nord- und die Südgrenze liegt beim Waſſerfroſch auf dem 58. bezw. 30., beim Grasfroſch auf dem 70. bezw. 42. Grad n. Br. Die nördlichſten Punkte erreicht K. muta in Skandinavien, nahe dem Nordkap, wo die Art durch Collet [Norges Rept.] und Nilsſon aus Weſt-Finnmarken: Tromsö, Magerö, Vadsö und Hammerfeſt bekannt ge— macht und weiter vom Porſanger Fjord, Kaa Fjord und Waranger Fjord angegeben wird. Was die nördlichſten Fundorte in Rußland anbelangt, jo wird Kana temporaria (ob muta? oder arvalis? bleibt unentſchieden) in Hofmanns „Nördlicher Ural“ aus Ruſſiſch Lappland und dem nördlichen Ural, und in Blaſius Reiſe, I. Band, aus der Umgebung des Onega-See und dem nordöſtlichen Rußland nachgewieſen; im nördlichen Sibirien endlich iſt der Grasfroſch am Unterlauf des Ob und der Lena, an der Unteren Tunguska geſammelt worden. Die öſtlichſten Fundſtätten liegen am Ochotskiſchen Meer und auf der ſibiriſchen Inſel Sachalin oder Tarakai [v. Middendorff; Peters— burger Sammlung], auf der japaniſchen Inſel Jeſo, von wo der Froſch durch Hilgen— dorf und Boulenger genannt wird, und in der öſtlichſten Mongolei, von wo ihn der letztgenannte Forſcher und Dr. Fr. Mäller-Baſel [V. Nachtrag] aufführen. Dieſe japaniſch-chineſiſchen Plätze dürften zugleich an der Südgrenze des Verbreitungs— bezirkes liegen, welche ſich vielleicht auf dem 42. oder 40. Grad n. Br. bewegt; aus Kaukaſien iſt der Grasfroſch durch A. Strauch vom Nordabhang des Gebirges bekannt, ſo von Stauropol und von Mat-Choch am Terek, ferner vom Fluß Belaia, von Kasbek, Lagodechi und Jelenowka (Goktſcha), während er laut Keßler und Köppen auf der Halbinſel Krim fehlt und auf der Balkan-Halbinſel durch den Springfroſch Junge. Verbreitung. Aufenthalt. 444 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. R. agilis erſetzt wird“), welchen F. Werner auch für Dalmatien verzeichnet. Hier in dieſem Gebiet und bis nach der atlantiſchen Küſte Frankreichs wird man etwa den 45. Graden. Br. als Südgrenze der Rana muta anſehen dürfen: jo fand fie L. v. Mehely noch, und zwar als einzigen braunen Froſch, auf der Burzenländer Hochebene im ſüdlichen Siebenbürgen und A. v. Mojſiſoviez in der Baranya im Donau-Drau-Eck, wo R. muta auf der Strecke Mohäcz — Gombos das Gelände mit R. agilis theilt, während der letztgenannte Forſcher den Grasfroſch im Banat bei Orſova a. Donau noch nicht erbeuten konnte. Von Süd-Ungarn zieht ſich die Südgrenze der Verbreitung durch die ſüdlichen Diſtrikte der Alpenländer nach dem nördlichen Italien. Für Steiermark, Krain, Tirol wird der Froſch, der hier wie in Nord-Italien und der Süd— Schweiz z. Th. gemeinſchaftlich mit Rana agilis auftritt und auch im übrigen Alpen— gebiet zu Haufe iſt, durch A. v. Mojfſiſovicz, Freyer, Gredler angegeben. Von Italien bewohnt der Grasfroſch, welche Feſtſtellung wir Camerano verdanken, nur den feſt— ländiſchen Theil, nicht aber die eigentliche Halbinſel, welche er dem Springfroſch über— läßt; er kommt in Piemont, in der Lombardei und Venetien vor, und unter anderen führt Camerano folgende Fundorte [Proc. London 1884 p. 425] an: Roccaforte, Caſteldelfino, Monceniſio, Col. d. S. Giovanni (Viu), Ceres, Pra See du Ferret, Col. d'Ollen, Ochieppo inferiore, Alpi di Devero, Alpi di Veglia, Cascata della Frua, Paſſo della Colma (Oſſola), Domodoſſola, Valle di Non (Trentino), Bardonecchia. Als ſüdlichſte Punkte der Verbreitung in Frankreich werden die an Italien grenzenden Departements der See-Alpen und Nieder-Alpen, wo eine auf Seite 441 erwähnte langbeinige Gebirgsform vorkommen ſoll, und von Boulenger [Etude] und Lataſte Hautes Pyrenees] die Pyrenäen und Ober-Pyrenäen genannt; doch iſt den Angaben aus dem Süden Frankreichs gegenüber Vorſicht am Platze, während R. muta nördlich der Gironde-Puy de Dome-NHone-Linie (45 ¼ bis 46% n. Br.) allgemein und z. Th. häufig zu ſein ſcheint. In Spanien endlich ſenkt ſich die Südgrenze wiederum, denn die Var. parvipalmata iſt in Galicien, etwa unter 43½ Grad, zu Haufe. Dieſe nordweſt— lichſte Ecke Spaniens bildet zugleich den weſtlichſten Punkt der Verbreitung unſeres Froſches. Zwar liegt beiſpielsweiſe der See von Killarney im ſüdweſtlichſten Irland, wo E. Friedel im Juni 1878 den braunen Froſch mehrfach im Garten des Lake-Hotel bemerkte, noch um einen Grad weſtlicher, indeſſen iſt der Froſch, wie Friedel im „Zool. Garten“ 1878 erörtert, in Irland nicht einheimiſch, ſondern im 17. Jahrhundert erſt eingeführt, wogegen er von Steenſtrup in allen Theilen Schottlands gefunden wurde und ebenfalls in England angetroffen wird. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Somit haben wir, indem wir den Grasfroſch in den Grenzländern ſeines Verbreitungsbezirkes aufſuchten, gleichzeitig ein Bild von dem letzteren überhaupt gewonnen. Und es erübrigt nur noch die Bemerkung, daß R. muta innerhalb ſeines Bereiches weit gleichmäßiger als der Waſſerfroſch ver— breitet iſt und insbeſondere auch in Deutſchland keinem Staat und keiner Provinz fehlt: man begegnet ihm bei uns in der Ebene ebenſo wie auf dem Hochmoor, im Hügelland wie im Mittel- und Hochgebirge. Als ein Lurch, der ſich dem Leben in rauhen Gegenden anbequemt hat, geht er nicht nur in nordiſche Gebiete, ſondern auch in die mittleren und oberen Regionen der Gebirge, ja im Süden ſcheint er ſich über— haupt auf das Gebirge zu beſchränken. In dem ſchleſiſchen Gebirge und den Karpathen ſteigt er „bis in die Krummholz-Region“, im Harz hat man ihn noch auf dem Gipfel des Brockens gefangen, in den Schwäbiſchen Alpen wird er laut Wiedemann in Höhe ) Die Angabe in Unger-Kotſchy's „Cypern“, daß Rana temporaria L. auf dieſer türkiſchen Juſel vorkomme, bedarf daher noch der näheren Aufklärung. Zweite Art. Grasfroſch. 445 von 1450 m überm Meer gefunden, in den Tiroler Alpen lebt er nach V. Gredler noch in unbedingter Höhe von mehr als 5000 Fuß: Salten und Lavace-Alpe, und auf dem Stuhljoch im Rißthal von ungefähr 6000 Fuß bezw. 2000 m, in Piemont unter anderem im Aoſta-Thal und am See Madeleine am Col de Larche in 1850 bezw. 1995 m Meereshöhe, in den Franzöſiſchen und Schweizer Alpen ſogar noch in einer Höhe von 8000 bis 9000 Fuß, d. h. 2500 bis 2800 m: ſo laut Venance Payot im Thal von Diozaz (2800 m), laut Héron-Royer u. A. im See von Pelouſette und im See von Lauzanier (2700 bezw. 2400 m), in der Nähe des Mont Viſo und des Grand-Rubren (2220 m); als höchſtgelegene Fundorte in der Schweiz werden ge— nannt der Todtenſee auf der Grimſel (6615 Fuß) von v. Tſchudi, das Seeloch auf der Mühlebachalp im Glarner Gebirge (6636), die kleinen Gotthardſeen (6300), das Berner Hochland (laut brieflicher Mittheilung Prof. Studer's in Höhe von 2050 m), die Simplonpaßhöhe (2010 m), Sur Saß (2357 m), der Mont Roſa, wo H. Fiſcher— Sigwart ihn am ſüdlichen Abhang und im Sellaſee in einer Höhe von 2500 bezw. 2231 m beobachtete. In der Macht und Natur der örtlichen Verhältniſſe liegt es begründet, daß der Grasfroſch in jenen Höhen ein anderes Sommerleben führen muß als bei uns in der Ebene und im Berg- und Hügelland. Hier erwacht er als erſter unter allen Froſch— lurchen ſchon im Februar und März und begiebt ſich zum Paarungs- und Laichge— ſchäft ins Waſſer, wenn häufig die letzten Reſte der Eisdecke noch nicht geſchwunden ſind, um dann vom April ab auf Wieſen, Feldern, Aeckern, in Park und Wald und Garten, mitunter ſelbſt auf Angern und Gartenland der Städte und oft in beträcht— licher Entfernung vom Waſſer ſeinem geräuſchloſen Tagewerk ſich zu widmen und im Spätherbſt zum etwa viermonatlichen Winterſchlaf ſich zurückzuziehen; im Hochgebirge hingegen, wo die Gewäſſer erſt im Juni eisfrei werden, rückt der Anfang und das Ende ſeines Sommerlebens näher zuſammen, er laicht daſelbſt erſt im Juni und Juli und es verbleiben ihm danach zum Landaufenthalt nur einige wenige Monate, obwohl es vorkommen kann, daß der abgehärtete Froſch auch dort erſt ſpät ſeine Winter— herberge bezieht und daß er beiſpielsweiſe, wie v. Tſchudi's „Alpenleben“ erzählt, noch Ende Oktober, nachdem die Höhen bereits zweimal tüchtig überſchneit waren, in den Grasgehängen der Gloggernfelſen (5200 Fuß ü. M.) in munterſter Hantirung ange— trofſen wurde. Der Grasfroſch it ein echter Land bewohner und daher ſucht er das Gewäſſer, nachdem er es im Frühjahr meiſtens unmittelbar nach vollendetem Laich— geſchäft verlaſſen, erſt im Spätherbſt wieder auf, um im Schlamm des Grundes ein— gewühlt zu überwintern. Frieren ſolche Gewäſſer in ſtrengen Wintern aus und bleiben ſie ungewöhnlich lange zu, ſo erſticken die Fröſche. So berichtet uns A. Wiedemann, daß, als er am 4. März 1887 nach langer harter Winterszeit das Eis auf einem Altwaſſer bei Augsburg an mehreren Punkten durchſchlug, auf der Oberfläche des Schlammes in einigen keſſelartig vertieften Stellen je vier bis zehn todte Grasfröſche, junge und alte beiſammen lagen, während an Plätzen, an welchen den Winter über öfter zu gewerblichen Zwecken Eis ausgehoben worden und ſomit Luft zugetreten war, weder todte Fröſche noch todte Flohkrebſe (die im erſten Falle mit erſtickt waren) ſich vorfanden. „In Gegenden, wo waſſerreiche Höhlen, Bergwerke, Brunnenkammern oder dergleichen dem Grasfroſch zugänglich ſind, ſucht er dieſe beſonders zu ſeinem Winter— aufenthalt auf und bewohnt ſie einzeln oder geſellig; ſind dieſe Plätze froſtfrei, ſo erſtarrt der Froſch nicht und erhält ſich den Winter hindurch mit der kümmerlichen Nahrung, die ihm ſein Aufenthalt an überwinternden Inſekten, Würmern u. a. bietet; er bleibt dabei aber meiſt in dem Waſſer und jagt nur ſelten im Trocknen ſeiner Sommerleben. Winterſchlaf. Weſen. Stimme. 446 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Schlupfwinkel.“ Dieſen von C. Koch gemachten Erfahrungen kann ich keine ent— ſprechenden Beobachtungen aus dem Freileben des Froſches anreihen, wohl aber weiß ich, daß derſelbe zuweilen in Erdhöhlungen, unter Ackerſchollen und Laubpolſtern über— wintert. Obzwar unſer Braunrock, um ſich in einer Höhlung im lockeren Erdreich ein be— hagliches Plätzchen zu ſchaffen, die Beine als Nachſchieber und Schaufel gebraucht, ſo kann er doch nicht zu den wirklichen Gräbern, deren ausgeſprochenſter die Knoblauchs— kröte iſt, gezählt werden; und im Springen wiederum vermag er es dem Teichfroſch nicht gleichzuthun, wennſchon er auf der Flucht ganz nette Sätze auszuführen im Stande iſt. Seine gewöhnlichen Sprünge ſind nur von geringer Weite, und bei dieſem ge— mächlichen Umherhüpfen in Gras und Gekräut und Gebüſch äugt er beſtändig nach fliegendem und kriechendem und krabbelndem Kleingethier, um ſich beim Erblicken eines derartigen Geſchöpfes ſofort zu ſetzen, daſſelbe aufs Korn zu nehmen und auf das in fanggerechter Nähe befindliche Lebeweſen ſeine „im gewöhnlichen Zuſtande kaum 10 bis 12 mm lange, aber auf das Fünffache ausdehnbare Zunge“ blitzſchnell herauszu— ſchnellen und durch ſie die Beute dem Munde zuzuführen; nur umfangreichere Stücke werden unmittelbar mit den Kiefern erfaßt. Durch Vertilgung von Kerfen, Würmern, Aſſeln, Nackt- und ſogar Gehäuſeſchnecken wird der Grasfroſch dem Feld- und Garten— bau recht nützlich, und es bedeutet daher ſchnödes Unrecht, wenn man das von Mäuſen verübte Zerbeißen des auf dem Felde ausgebreiteten und von ihm nach Bedarf als Unterſchlupf benutzten Getreides ihm zur Laſt legt, ihn daraufhin und aus aber— gläubiſchen Vorurtheilen todtſchlägt, Laich und Brut vernichtet. Geradezu abſcheulich aber iſt es, den zu Speiſezwecken gefangenen Fröſchen bei lebendigem Leibe das Hinter— theil ſammt den ob ihrer feiſten Schenkel geſchätzten Beinen abzuſchneiden und die Vorderhälfte einfach bei Seite zu werfen! Er hat ja jo ſchon genug zu leiden von Schlangen, Vögeln, Säugethieren*), Raubfiſchen, Krebſen und anderen Unver— nünftigen! Auch Bandwürmer (Taenia dispar) ſchmarotzen oft in ſeinem Darm. In ſeinem Gebahren und Gehaben iſt der Grasfroſch ruhiger und verſtändiger als ſein grüner Vetter und deßhalb paßt er ſich auch eher den in der Gefangenſchaft ob— waltenden Verhältniſſen an, gewöhnt ſich an den Verkehr mit Menſchen — was er auch im Freileben dadurch bezeugt, daß er Gärten in der Nähe menſchlicher Wohnungen beſucht — und wird bei einigermaßen ſachverſtändiger Pflege im feuchten Terrarium (nicht Aquarium!) zahmer und zahm, ohne freilich in dieſen Punkten den Vergleich mit der beſchaulich überlegenden Erdkröte aushalten zu können. Trotz ſeiner Ab— härtung gegen niedere Temperatur erweiſt er ſich doch empfänglich für die Witterungs— einflüſſe, denn die auf Seite 382 berührten Farbwechſel ſind von der veränderten Stimmung des Nervenſyſtems bezw. mittelbar von dem Einfluß der jeweiligen Wärmegrade, Feuchtigkeit, des Lichtes und der Sonne, der geſchlechtlichen Erregung u. a. bedingt. Die Artbezeichnung „muta“ (ſtumm, ſtill) iſt für den Grasfroſch durchaus zu— treffend, ſobald er nach dem Laichgeſchäft das Waſſer verlaſſen hat, indem er während ſeines Sommerlebens auf dem Lande keinen Laut von ſich giebt, es ſei denn in Augen— blicken der höchſten Angſt. Hat einer feiner heimtückiſchen Feinde, etwa eine Moll⸗ Hierbei möge erwähnt ſein, daß jene ſchleimigen Maſſen, welche, hier und da bisweilen (Herbſt) auf den Fluren gefunden und als „Sternſchnuppen-Materie“ oder „Meteor-Gallerte“ Jahrhunderte lang für das Erzeugniß oder den Rückſtand heruntergefallener Sternſchnuppen betrachtet, gewöhnlich aus auf- gequollenen Froſcheileitern beſtehen, die von den die Fröſche verzehrenden Iltiſſen und Reihervögeln nicht mit gefreſſen bezw. nach Art der Gewölle wieder ausgewürgt wurden. Zweite Art. Grasfroſch. 447 maus, ihn plötzlich am Hinterbein erfaßt und beginnt der Räuber ihn nach einer andern Stelle, in eine Höhlung zu zerren, ſo ſtößt der arme Gefangene „ein jämmer— lich klagendes, lang anhaltendes und eintöniges Geſchrei“ aus. Zur Paarungszeit im Waſſer hingegen' laſſen, was bereits der alte Röſel vor anderthalb Jahrhundert bemerkte, die „Männlein“ und weniger oft und laut auch die „Weiblein“ eine Art Grunzen vernehmen. Der grunzende, oder beſſer knurrende Ton, der in den meiſten Fällen in langen Zwiſchenpauſen je einmal, ſelten zwei- oder gar dreimal hinter ein— ander, ausgeſtoßen wird, klingt etwas ſchnarchend oder ſchnarreud, wie ein bei enger Mundſpalte durch das Gaumenſegel hervorgebrachtes R gutturale und daher ſehr tief, nach Landois Feſtſtellungen liegt er je nach dem Alter des Froſches in der Tiefe des dreigeſtrichenen e bis zur Höhe des dreigeſtrichenen a; er iſt, wie C. Bruch 1863 ſagt, etwas anhaltender als der kurz abgeſtoßene, dem Grunzen der Schweine ganz ähnliche erſte Ton im Quaken des Waſſerfroſches, und ſehr verſchieden von dem R gutturale der Rohrkröte, welches viel heller mit dem Vokal a lautet und nur bei weitgeöffnetem Munde nachgeahmt werden kann. Unter unſeren Batrachieren laicht der Grasfroſch am früheſten: in Mittel- und Norddeutſchland bei gewöhnlichen Verhältniſſen im Monat März, im wärmeren Rhein— und Mainthal während der erſten Hälfte dieſes Monats oder ſchon zu Ende des Februar, in der Bretagne laut de l'Isle zwiſchen dem 15. und 25. Januar, in den hochgelegenen Alpenſeen dagegen erſt im Juni und Juli. Daß die Grasfröſche in Wieſengräben, Weihern, Teichen ꝛe. gern geſellſchaftlich laichen und die hochzeitlich ge— ſchmückten Männchen in ihrer Brunſt die Weibchen oft ſo kräftig umarmen, daß bei letzteren der Erſtickungstod bezw. ein Platzen des Leibes eintritt oder daß man an größeren Weibchen noch mehrere Wochen nach beendeter Paarung „auf der Haut der Bruſtgegend die Spuren der angedrückt geweſenen rauhen Daumenſchwielen in Form von zwei weißen, pigmentfreien Flecken bemerkt“, dürfte genügſam bekannt ſein; ebenſo die Thatſache, daß der Froſch zuweilen ein Krötenweibchen, ſelbſt einen Fiſch umarmt. Am 29. März 1880 fand ich hier in einem Graben neben vielen Laichklumpen des Grasfroſches ein Weibchen dieſer Art in copula mit einer männlichen Erdkröte; das Paar blieb während des Transports und auch noch einige Tage im Zimmerbecken vereinigt, am 18. April aber ſtarb das eheverlaſſene Weibchen beim verſuchten Ausſtoßen des Laiches. Bei natürlicher Verpaarung indeß geht der letztere ſehr raſch ab und mitunter werden in einer Stunde 600 bis 1000 oder mehrere tauſend Eier abgeſetzt und befruchtet. Die von regelmäßigen Gallertkugeln umhüllten dunkel- bis ſchwarzbraunen Laichkörner, welche einen Durchmeſſer von 2 mm haben und ſomit größer als die des Teichfroſches find, bilden umfangreiche Laichklumpen von 15 bis 20 oder 25 cm Durchmeſſer, die nach dem Legen gewöhnlich zunächſt zu Boden fallen, jedoch nach wenig Tagen, wenn die Gallertkugeln durch Aufquellen etwa einen Durchmeſſer von 10 mm erreicht haben, an die Oberfläche ſteigen und auf dem Waſſer ſchwimmen. Bei der noch geringen Waſſer- und Luftwärme des zeitigen Frühjahrs kann die Entwicklung des Keimlings nur langſam vorſchreiten; nach Héron-Royers belangreichen Verſuchen und Beobachtungen [Remarques et exper. etc. Bull. Angers 1876/77] verlaſſen die winzigen Larven annähernd am 21. oder 23. Tage nach dem Laichen die Eihüllen, wenn der Laich im Freien gehalten wird. Die ausgeſchlüpften Kaulquappen durchlaufen die verſchiedenen Stufen ihrer Aus- und Umbildung raſch; ſchon nach zwei Monaten, Ende Mai und Anfang Juni, begegnet man hier bei regelrechter Witterung zweibeinigen, zwiſchen Mitte und Ende Juni vierbeinigen Larven, zu Beginn des Heu— monats, alſo nach einem im Ganzen dreimonatlichen Zeitraum, allenthalben den kleinen Laichen. Entwicklung. Namen. Synonyma. Artkennzeichen. 448 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Fröſchen. Letztere vollführen ihren Auszug aus dem Waſſer zuweilen in ganzen Schaaren, ſodaß die Sage von „Froſchregen“ entſtehen konnte; eine derartige Er— ſcheinung wurde laut briefl. Mittheilung Dr. O. Böttgers am 3. Juni 1862 an einer feuchten Waldſtelle im Sachſenhäuſer Wald nahe einem begangenen Wege beobachtet. Auch im Hochgebirge ſpielt ſich, wenn nicht beſondere Umſtände hindernd dazwiſchen treten, die Entwicklung und Umwandlung der Brut innerhalb dreier Monate ab, ſodaß in der erſten Junihälfte abgeſetzter Laich zu Anfang oder um die Mitte des September fertige Fröſchchen ergiebt: H. Fiſcher-Sigwart ſah am 2. September 1886 in der jüd-. lichen Ausbuchtung des oben erwähnten, 2231 m überm Meer in geſchützter Lage liegenden Sellaſee an ſeichten, von der Sonne durchwärmten Stellen ein Gewimmel von 40—45 mm langen, ausgewachſenen Larven ſowie junge, noch mit Schwanz ſtummel verſehene und am Lande auch ſchon gänzlich ſchwanzloſe, 12 mm lange Fröſchchen, und erfuhr, daß in dem Jahre der See am 10. bis 15. Juni aufgethaut ſei. Unter abweichenden Verhältniſſen aber kann der Frühwinter die Larven über— raſchen und ſie zwingen, als ſolche unter der Eisdecke zu überwintern. Landesübliche Benennungen. Brauner Grasfroſch, Thau-, ſtummer Froſch, Bach-, Märzfroſch. !) Niederdtſch.: Pogge, Fuorſk; Holl.: Bruiner Kikvorsch; Schwed.: Groda, Vanlig Groda, Frö, Klossa; Engl.: Common Frog; Franz.: Grenouille rousse, Raine; Ital.: Rana rossa, Campee, Pissacan; Span.: Rana roja; Poln. bezw. Slav. (Dalmat.): Zaba wezesna, Zaba prorocie; Böhm.: Zaba hnedä, Rosnice; Ungar.: kerti-beka; Ruſſ.: Ljaguschka; Finn.: Samakko. Rana s. Rubeta gibbosa, @esner 1617. — Rubeta gibbosa, Aldrov. 1663. — Rana temporaria, Charlet 1677. — Rana fusca terrestris, se 1758. — Rana muta (et R. alpina) Laurenti 1768. — R. atra, Bonnat. 1789. — R. temporaria, Sturm 1797, Schneider 1800 ete., non Linné. — R. alpina, Kisso et Fitzinger 1826. — RK. flaviventris, Millet 1828. — R. cruenta, Pallas 1831. — R. platyrrhinus, Steenstrup 1846. — R. Dybowskü, Günther 1876. 3. Art: Moorfroſch. Rana arvalis, Nilsson. Abbildung: Tafel III Nr. 3. Länge 4 bis 5, ausnahmsweife 6 em; Schnauze zugeſpitzt, Oberlippe vorgezogen; Stirn ſchmal, Augen nahe beiſammen: der zwifchen den Augen: hügeln befindliche (Interpalpebral-) Raum nicht ſo breit als der Durchmeſſer des Augenhügels, bezw. ſchmäler als das Lid; Interpalpebral-Raum, Durchmeſſer des Trommelfells und Länge des Ferſenhöckers unter einander annähernd gleich; Schwimmhaut der Hinterfüße zart, unvollkommen, an der längſten Sehe höchſtens bis zur Wurzel des vorletzten Gliedes reichend; der an der Wurzel der Innenzehe ſtehende Höcker, die ſog. 6. Sehe, ſtark, hart, ſeitlich zuſammengedrückt, ſchaufel— förmig (alfo wie beim Teichfroſch), länger als die Hälfte der Innenzehe; hinter der Wurzel der längſten Sehe keinerlei Andeutung einer Höckerwarze; die Gelenk— höcker auf der Unterſeite der Finger und Zehen ſchwach entwickelt; Hinterbein, nach vorn gelegt, mit dem Ferſengelenk die Schnauze eben erreichend; Unterſchenkel (Tibia) ) Im Breisgau heißen beim Volke die Feldfröſche heute noch „Schwaben“ — vielleicht wegen der gelbledernen Beinkleider der württembergiſchen (ſchwäbiſchen) Bauern? A. Wiedemann. Dritte Art. Moorfroſch. 449 merklich kürzer als die Vordergliedmaße; die Drüſenwülſte längs der Rückenſeiten ſtark vorſpringend, hell gefärbt (weißgelb); ſehr oft auch ein gleichfalls heller (gelb- licher oder röthlicher), ſeitlich ſchwarz eingefaßter Rückgratsſtreifen vorhanden; Bauch ungefleckt; Männchen mit inneren Schallblafen. Aeußere Erſcheinung. Zur näheren Charakteriſtik ſei noch Folgendes bemerkt. Der Körper des Moorfroſches iſt verhältnißmäßig zierlich gebaut, kleiner und ſchlanker als der des Grasfroſches, der mittelgroße Kopf ziemlich ſpitz-dreieckig, nach hinten verbreitert, und deshalb um ein Geringes breiter als lang, in der Mitte mäßig hoch, die Seiten ziemlich ſteil abfallend, mit ſchmaler, ſchwach gewölbter Stirn, ſodaß, wie oben erwähnt, die Augen nahe zuſammentreten, mit langer, am Ende flacher, vorn kegelförmig zugeſpitzter Schnauze und verlängerter, über den Unterkiefer vorgreifender Oberlippe. Die Mundſpalte endet unter der hinteren Hälfte des kreisrunden Trommel— fells oder noch weiter rückwärts; der Durchmeſſer des letzteren iſt kleiner als der des Auges, die Pupille, die Zunge und die inneren Schallblaſen ſind wie die des Gras— froſches gebildet. Dagegen gewähren die beiden, aus je drei größeren und einigen kleineren, ganz kurzen, zweiſpitzigen Zähnchen beſtehenden Gruppen der Gaumenzähne im Vergleich zu Rana muta mehr das Bild zweier eirunden Inſeln, welche zudem etwas weiter auseinander und etwas mehr nach hinten (unterhalb der die Choauen verbindenden Linie) gerückt ſind als die Gruppen des ſoeben genannten Verwandten; im Uebrigen ſtehen ſie gleich denen des Grasfroſches ſchräg, ſodaß ſie einen Winkel bilden (Leydig). Die Vordergliedmaße, deren Daumen beim Männchen eine ſtarke, ungetheilte Schwiele trägt, iſt einige Millimeter länger als der Unterſchenkel (Tibia) der Hinterbeine und vielleicht ein Drittel ſo lang als die letzteren ſelbſt, welche nach vorn gelegt mit dem Ferſengelenk die Schnauzenſpitze eben erreichen, alſo verhältniß— mäßig länger ſind als die des Grasfroſches. Von den vier Fingern iſt der erſte etwas länger als der zweite, der dritte um zwei Zehenglieder länger als der zweite. Die Zehen der Hinterfüße, von denen die vierte die längſte iſt und die dritte etwas kürzer oder länger ſein kann als die fünfte, ſtimmen hinſichtlich der Gelenkknötchen mit denen der vorigen Art überein, beſitzen jedoch zartere und unvollkommenere Schwimmhaut, in— dem dieſe den Raum zwiſchen den einzelnen Zehen nur zu zwei Dritttheilen ausfüllt und beim Männchen zur Laichzeit an der längſten Zehe die beiden Endglieder, nach der Laichzeit 2 Glieder und beim Weibchen 2 bis 3 Glieder frei läßt. Außer— dem iſt der an der Wurzel der Innenzehe ſtehende Höcker, die ſog. 6. Zehe, ähnlich der des Teichfroſches ſtark, knorpelhart, lang und hoch, ſeitlich zuſammengedrückt, ſchaufel- oder kammförmig und länger als die Hälfte der vom Ferſenhöcker an ge— meſſenen Innenzehe, etwa Zweidrittel ſo lang als dieſe oder gleich dem Trommelfell— Durchmeſſer, während die Länge des Ferſenhöckers beim Grasfroſch in der Regel nur ein Drittel, zuweilen ſelbſt nur ein Viertel, ausnahmsweiſe einmal die Hälfte der Länge der Innenzehe beträgt; und dem Ferſenhöcker gegenüber, d. h. hinter der Wurzel der längſten (vierten) Zehe, iſt beim Moorfroſch keinerlei Andeutung einer Höckerwarze, weder ein erhabener noch ein hell gefärbter Punkt, vorhanden. — Die Haut iſt durchweg glatt, nur die glatte Hautfläche der Oberſeite iſt durch einzelne Gruppen von Drüſen unterbrochen. Regelmäßig zugegen ſind die bei Beſchreibung des Grasfroſches ſchon erwähnten Drüſenwülſte an den Rückenſeiten, welche jedoch beim Moorſroſch ſtark vorſpringen und auch eine wejentlich hellere (weißgelbe) Färbung als der Rücken zeigen. Außerdem haben diejenigen Exemplare mit breitem hellen Rück— gratsband an den Rändern des letzteren gewöhnlich eine geringere oder größere Anzahl 29 Körperbau. Innere Unterſchiede. Artenwerth. Maaße. 450 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Drüſenhöcker und umgekehrt die ungebänderten die dem Grasfroſch eigene Figur aufzuweiſen; zuweilen auch bemerkt man an den Numpffeiten helle Wärzchen, wie wir denn die beim weiblichen Grasfroſch beobachtete weiße Beperlung zur Laichzeit auch bei arvalis nicht vermiſſen. Obgleich ſich ſchon aus dem Vorſtehenden genug Merkmale ergeben, die eine ſpezifiſche Trennung der Rana arvalis von Rana muta durchaus berechtigt erſcheinen laſſen, ſo ſei doch noch auf einige unterſcheidende innere, anatomiſche Eigenheiten des Moorfroſches hingewieſen. So hat Prof. Born-Breslau einen wichtigen Unterſchied in den Skelettheilen des Fußes nachgewiefen*), indem hier bei Rana arvalis Tarſale I fehlt, und vorher ſchon hatte Leydig in ſeinen „Anuren“ gezeigt, daß der Kamm der Darmbeine beim Moorfroſch auffällig höher und ſchärfer als beim Grasfroſch, viel— mehr dem bei R. esculenta ähnlich iſt, daß ferner am Quadratbein (Os tympanicum) der vordere Arm bei R. arvalis wiederum der Form von R. esculenta ſich nähert und länger als bei R. muta iſt, daß weiter die Stirn-Scheitelbeine oder Ossa fronto- parietalia ſchmal und leicht gewölbt (bei R. muta flach) find und daß auch betreffs der Fortpflanzungs-Werkzeuge bedeutſame Unterſchiede ins Auge fallen: der Hode iſt bei R. arvalis gleich dem von R. esculenta unpigmentirt und daher rein gelb, bei R. muta aber pigmentirt und ſomit ſchwärzlich-gelb; die Samenblaſe fit bei R. arvalis in der Mitte des Harnleiters und iſt nur 3 mm lang, bei R. muta beginnt ſie gleich unter der Niere und iſt 10 mm lang; die Zooſpermien (Samenfäden) von R. arvalis haben ähnlich denen des Teichfroſches einen wurſt- oder walzenförmigen, vorn abge— ſtumpften, in der Mitte leicht verdickten, nach hinten zum Anfang des langen, dünnen Schwanzes ſich zuſpitzenden Kopf, die von R. muta hingegen einen weit längeren, ſchmalfadigen, vorn zugeſpitzten rutenförmigen Kopf, ſodaß Prof. Pflüger-Bonn „einzig und allein auf die Form der Zooſpermienköpfe hin die Thatſache zu erklären verſuchte, warum es ihm nicht gelang, Baſtarde von den beiden genannten Froſcharten zu erzielen“ .**) Behalten wir dieſe Thatſachen und Eigenheiten vor Augen, rufen wir uns ferner die bereits be— ſprochenen Verſchiedenheiten im äußeren Bau ins Gedächtniß und berückſichtigen wir endlich die ſich noch ergebenden Eigenthümlichkeiten hinſichtlich der Maaßverhältniſſe, der Färbung, des Laiches und der Lebens— weiſe, „jo müſſen wir“, um Leydigs Worte zu gebrauchen, „die Ueberzeugung ſchöpfen, daß Rana arvalis und R. agilis auf derſelben Stufe der Sonderung und Formbeſtändigkeit ſtehen, wie Rana fusca (muta) und R. esculenta“, daß alſo ſowohl Rang arvalis als auch R. agilis die Bedeutung einer vollen Spezies hat. Dieſer Ueberzeugung war bereits Steenſtrup, indem er, nachdem Nilsſon i. J. 1842 dieſen nordiſchen Froſch als Rana arvalis unterſchieden hatte, im Jahre 1846 auf der deutſchen Naturforſcher— Verſammlung klar nachwies, daß die bisherige Kana temporaria der Autoren zwei verſchiedene Arten umfaſſe, welche er nun als Rana oxyrrhinus und R. platyrrhinus bezeichnete — ein Nachweis, den er i. J. 1869 noch durch die Feſtſtellung ergänzte, daß der von Linné gekannte und „Rana temporaria‘ benannte braune Froſch gleich ſei der Rana oxyrrhinus Steenſtrups bezw. der Rana arvalis Nilsſons; dieſer Ueberzeugung war auch der treffliche K. von Siebold, welcher 1852 im „Archiv f. Naturg.“ auf Grund eigener Forſchungen dem Vorgehen Steenſtrups durchaus beipflichtete, ferner Schiff (1855) u. A. Der Moorfroſch, die kleinſte Art der einheimiſchen braunen Fröſche und ſomit unſerer Raniden überhaupt, mißt von der Schnauzenſpitze bis zum After 4 bis 5 oder 5,5, ausnahmsweiſe 6 em, wovon der Kopf faſt ein Drittel in Anſpruch nimmt. Die Länge der Schiene (Unterſchenkel) verhält ſich zu der des Kopfes etwa, bei manchen Exemplaren ſogar genau, wie 3 zu 2, zu der des Fußes indeß ungefähr wie 3 zu 5; ) 57. Jahresbericht d. Schleſ. Geſellſch. f. vaterl. Kultur 1879 S. 232. **) Hierbei ſei gleich erwähnt, daß auch der franzöſiſche Forſcher De PIsle den Mißerfolg der von ihm mit großer Sachkenntniß und Sorgfalt unternommenen Befruchtungs-Verſuche zwiſchen Rana escu- lenta, R. muta und R. agilis aus der großen Verſchiedenheit, welche im männlichen Zeugungsapparat zwiſchen den drei genannten Arten beſteht, ſich erklärt [Ann. d. seiene. natur. 1872 N. 17]. Dritte Art. Moorfroſch. 451 der Fuß ſelbſt iſt nicht ganz halb ſo lang als die ganze Hintergliedmaße und verhält ſich in feiner Länge zur Vordergliedmaße wie 4 zu 3. Zum Beleg des Geſagten und zum Vergleich mit den betreffenden Maaßen der beiden verwandten Arten ſei nach— ſtehende Tabelle angefügt, zu welcher Exemplare gewählt wurden, die ſich in der Körper— länge entſprechen. Nr. 1 iſt ein Männchen aus Bromberg, Nr. 2 ein Männchen aus Breslau, Nr. 3 ein Mäunchen aus Görz, Nr. 4 ein Weibchen aus Neviges bei Elber— feld, Nr. 5 ein Weibchen aus Berlin, Nr. 6 ein Weibchen aus Turin. Angaben in mm: Körpers En 5 3 9 * Entferng. 1 länge Vorder- Hinter- Hinter- Unter- Kopf⸗ Größte zw. vord. Augen⸗ 6. Zehe Innen⸗ 7 E r 1 A Augen— N Or 0955 (iotal) gliedm. gliedm. fuß ſchenkel länge Kopfbr. elle durchm. zehe 1. R. muta (fusca) 56 36 100 45 28 17 19 10 5 2, 7 2. R.arvalis. . 56 34 101 44 28 18 18 1 3,8 6 3. R agilis 56 35 105 46 36 19 20 9 5, 2,8 6 4. R. muta (fusca) 47 30 83 38 23 16 17 8,5 5 2,8 6 5. R. arvalis 47 28 87 38 24 15 16, 2 4,5 3% 5, 6. R. agilis 47 28 93 39° 30 16 17 URS 4,8 2,5 5,5 Die Geschlechter find zur Laichzeit ſehr leicht zu unterſcheiden, indem während dieſer Periode das Männchen gleich dem des Grasfroſches (Seite 439) durch den bläulichen Reif oder Schimmer der Haut und die dunkle Brunſtſchwiele, welche beim Moorfroſch gleichmäßig ununterbrochen über Ballen und Innenrand des Daumens ſowie die nach innen zu liegende Partie der Daumenoberfläche bis zum letzten Zehen— glied ſich ausbreitet, ausgezeichnet iſt. Dazu kommen die inneren Stimmſäcke, zu welchen nahe am Unterkiefer, vom Mundwinkel einwärts gelegene Oeffnungen führen, die man beim Aufmachen des Froſchmaules gewahrt. Bei Vergleichung verſchiedener Stücke ergiebt ſich noch, daß die Männchen dickere Vorderarme und Daumen und derbere Schwimmhaut als die in Kopf und Leib breiteren Weibchen haben. Die Färbung der geſammten Oberſeite iſt im Allgemeinen gelblichbraun, manchmal rothbraun, beim Mäunchen oft graubraun. An jeder Rückenkante entlang läuft ein hellerer, weißgelber Drüſenwulſt (ſ. Abbildung), in deſſen Begleitung gern dunkel— oder ſchwarzbraune Tüpfel und Striche auftreten, während die eigentliche Rückenzone entweder ungefleckt iſt oder dunkle Flecken aufweiſt und die Flanken, d. h. unterhalb eines gewöhnlich fleckenfreien helleren Längsfeldes, mit dunkelbraunen Flecken, Marmel— binden und Schnörkeln beſetzt ſind. Als charakteriſtiſch für den echten Moorfroſch be— trachte ich ein breites helles, gelbliches oder bräunliches, ungeflecktes, aber ſeitlich gern ſchwarz eingefaßtes Band, das von der Schnauze ab über die Rückenmitte zum After hinzieht (0. Abbildung) und dem gelben Rückgratsſtreifen des typiſchen Waſſerfroſches entſpricht, wie denn auch die beiden hellen Seitenwülſte an die gelben Drüſenreihen des Grünrocks lebhaft erinnern. Die Kiunlade deckt ein ununterbrochener ſchwarzbrauner bis ſchwarzer, oberſeits weiß oder gelblichweiß geſäumter Randſtreifen bezw. Lippenſtrich, mit dem ziemlich parallel von der Schnauze durchs Naſenloch zum Auge ein breiteres dunkelbraunes Zügelband ſich abhebt, das ſich hinterm Auge in den noch breiteren, oben bogig gerandeten, unterſeits weißlich eingefaßten dunkelbraunen Ohr- oder Schläfenfleck fortſetzt, während wiederum der dunkle Lippenſtrich an ſeinem unteren Ende in dem mit ihm meist verbundenen langen, ſchmalen Streifenfleck des Oberarms gewiſſermaßen einen Ausläufer beſitzt. Die Hinterſeite des Vorderbeins zeichnet ein, allerdings oft in Flecken aufgelöſter dunkler Längsſtreif, wogegen auf der Oberſeite der Hinterbeine ſchmälere oder breitere dunkelbraune Querbänder und an der Außenſeite des Unterſchenkels auch ein gleichfarbiger Streifen ſich abheben; bei brünſtigen Männchen erſcheint häufig Gelb oder Fleiſchroth zwiſchen der dunklen Zeichnung auf 29 * Geſchlechter. Färbung. Variation. Larven. 452 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. den Hinterbacken und den Weichen, außerdem an der Innenfläche des Unterſchenkels, in der Achſelgrube und den Bruſtſeiten. Der Bauch iſt bei beiden Geſchlechtern unge— fleckt, weiß oder gelblichweiß, nur an der Kehle machen ſich bisweilen einige graue Fleckchen bemerkbar. Die Iris gleicht der des Grasfroſches, namentlich in der Dunkelung der unteren Hälfte. Wenn wir die im Vorſtehenden beſchriebene, durch helles Rückgratsband ausge— zeichnete und daher von C. Koch var. striata benannte Form als den eigentlichen, den typiſchen Moorfroſch anſehen, ſo können wir eine davon abweichende, in Färbung und Zeichnung lebhaft an den echten Grasfroſch (Seite 440) erinnernde Spielart als var. maculata oder fusca bezeichnen. Die hierher gehörigen Thiere beſitzen zwar wie alle Moorfröſche die zwei hellen Drüſenwülſte an der Rückenkante, indeß keinen hellen Rückgratsſtreifen, vielmehr iſt die Rückenzone nur dunkel gefleckt oder getigert, und zwar in verſchiedener Art und Weiſe, und die Flecken bilden im Nacken die bekannte Winkel-Figur N. Obgleich das Kleid des Moorfroſches nicht jo abwechſelungsreich iſt wie das des Grasfroſches, ſo treten doch neben der ausgeprägt geſtreiften Form, die vieler Orten die alleinige iſt, und der gefleckten Varietät mancherlei Uebergänge auf, indem das Rückgratsband nur auf dem Hintertheil des Rückens erſcheint, oder ſich auf eine einfache Linie verſchmälert oder umgekehrt die ganze Rückenzone einnimmt, oder indem die dunklen Rückenflecken auf Punkte ſich verringern oder gar verſchwinden u. ſ. w. Die Larve des Moorfroſches iſt der ſeines größeren braunen Vetters ſehr ähnlich, doch wird ſie meinen Erfahrungen nach nicht ſo lang (höchſtens 32 mm), während die Hinterbeine und der Schwanz vergleichsweiſe länger ſind, der Hautſaum des fleiſchigen, allmählich in eine lange Spitze auslaufenden Schwanzes auch höher, bogiger gerandet und in eine längere Spitze ausgezogen iſt als bei der Grasfroſchlarve; laut J. von Bedriaga unterſcheidet ſich und giebt ſich die Moorfroſchlarve auch durch die etwas längere Analröhre und die Zahl der Zahnreihen zu erkennen: an der Innenfläche der Ober— lippe ſah dieſer Autor rechts und links vom Kiefer je eine (ſtatt zwei bis drei) kurze Zahnreihe, an der Innenfläche der Oberlippe drei hintereinander geſtellte Zahnreihen, deren dritte (vom Mundrand an gezählt) in der Mittellinie eine Unterbrechung auf— weiſt. Im Uebrigen tritt die mit Zähnen bewaffnete Oberlippe ſtark wulſtartig vor, erſcheint in ſtärkerem Bogen gerundet als bei der Grasfroſchlarve und wird oben von einem mehr oder weniger deutlich ausgeprägten Wulſt begleitet, „ſodaß dieſe Lippe bei oberflächlicher Betrachtung aus zwei neben einander herlaufenden Wülſten gebildet zu ſein ſcheint“; Unterlippenrand und Mundwinkel find mit Papillen beſetzt, die Mund— öffnung ſelbſt iſt etwas größer als der Raum zwiſchen den Naſenöffnungen, das mehr ſeitlich als oben liegende Auge größer wie bei der Grasfroſchlarve, der Kopf oberſeits ſchwach gewölbt, vorn gerundet abgeſtutzt, der Rumpf eiförmig, oben gewölbt und ſeit— lich etwas bauchig aufgetrieben, der Schwanz nimmt von der Geſammtlänge mehr als drei Fünftel in Anſpruch, indem ich beiſpielsweiſe bei 31 mm langen zweibeinigen Quappen eine Schwanzlänge von 20 mm fand. Die ſog. Seitenlinien entſprechen den der Grasfroſchlarve. — Zum Schluß mögen noch einige Notizen aus meinen Auf— zeichnungen angefügt ſein. Am 15. Juni 1888 erlangte ich 36 Larven von durch— ſchnittlich 25 (21 bis 28) mm Geſammt- und 12 bis 17 mm Schwanzlänge, welche alſo nahezu ausgewachſen, indeß noch ohne ſichtbare Beine waren. Färbung: Ober— ſeits ſchwarz bezw. ganz dunkel braunſchwarz, beſpritzt mit äußerſt zahlreichen, dicht ſtehenden, nadelſtichgroßen glänzenden Goldpunkten, ſodaß manche Exemplare faſt ganz gleichmäßig dunkel und goldfarbig gepunktet erſcheinen und, da das metalliſche Pigment deſto mehr hervortritt, je größer die Larven ſind, bei ſolchen Stücken die ſchimmernde Dritte Art. Moorfroſch. 453 Gold⸗ oder Bronzefarbe förmlich zum Grundton wird; auffällig iſt ein meiſt an der Mitte des Oberkiefers ſtehender Strichfleck von knapp 1 mm Länge; unterſeits auf bläulichſchwarzem bis grauviolettem Grunde gleichfalls mit gold- oder bronzefarbigen Sprenkeln; Schwanzkörper auch dunkelgrau und gelblich geſprenkelt, ſein durchſcheinender grauweißlicher Hautſaum mit zahlreichen ſchwärzlichen Nadelpunkten und einzelnen größeren Tüpfeln von derſelben Farbe; Iris goldfarben mit ſchwarzer Sprenkelung, im rechten und linken Winkel ſchwarz. Am 25. Juni waren bei den nun 30 mm langen Larven die 3 mm langen Hinterbeine zwar noch nicht durchgebrochen, indeß ſchon deutlich unter der Körperhaut wahrzunehmen. Am 1. Juli kam bei der am weiteſten vorgeſchrittenen, einſchl. des 21 mm meſſenden Schwanzes 31 mm langen zweibeinigen Larve das linke Vorderbein durch, deſſen Länge 4 mm, die einer Hintergliedmaße 12 mm betrug. Von zwei beſonders hellen, braunen, nur 25 mm langen Quappen, die ich an dieſem Tage abgeſondert hatte, zeigte die eine am 2. Juli das linke, am 8. Juli das rechte Vorderbein, ſie hüpfte am 12. Juli von dannen, während die zweite am 18. Juli noch einen Schwanzſtummel beſaß und eine Körperlänge von nur 10 mm hatte. Am 20. Juli verfügten 15 Stück der noch übrigen erſt über 2—3 mm lange Hintergliedmaßen, bei vier Stück waren dieſelben länger, bei zweien ſah man dagegen noch nichts davon. Während dieſe 21 Larven im Allgemeinen noch die Färbung vom 15. Juni und auch noch einen ungegliederten Körper zeigten, war an drei anderen trotz des Schwanzſtummels der Froſch völlig zu erkennen und das letzte Exemplar ſtellte ſich überhaupt als fertiges Fröſchchen vor mit folgenden Maaßen: Körper 12 mm, Hinterbeine bis zur Spitze der längſten Zehe 13,5 mm, Hinterfuß allein (einſchl. Zehe) 5 mm, Vorder— gliedmaßen 5,5 mm lang; wie ſchon bei der vierbeinigen Larve blickten die großen Augen frei ins Weite und zog an jeder Rückenſeite ein weißgelblicher Drüſenwulſt hin und zudem wurde das kleine Geſchöpf durch den ſtarken Ferſenhöcker, die vor— gezogene Schnauze, den hellen Rückgratſtreif als zu Rana arvalis gehörend legitimirt. So befinden ſich die jungen Fröſche, welche unmittelbar nach vollendeter Metamorphoſe 11 bis 13, ausnahmsweiſe blos 10 mm in der Länge meſſen, aber raſch wachſen und mit drei Jahren geſchlechtsreif werden, betreffs des Körperbaues und im Allge— meinen auch hinſichtlich der Färbung mit den alten in Uebereinſtimmung. Geographiſche Verbreitung. Unſer Wiſſen von der geographiſchen Verbreitung des Moorfroſches iſt ein noch ſehr mangelhaftes, da die braunen Fröſche bis in die neueſte Zeit artlich nicht geſondert wurden und mithin gar manche über „Rana temporaria“ gemachte Angabe auf Rana arvalis ſich beziehen wird. Wir müſſen uns daher hüten, die Grenzen der Verbreitung unſeres Moorfroſches jetzt ſchon abzu— ſtecken. So viel uns heut bekannt, deckt ſich die Weſtgrenze ungefähr mit der Rhein— linie bezw. dem 24. oder 25. Ferrograd (Elſaß, Niederrhein, Holland), die öſtliche liegt vielleicht auf dem 110. oder 115. Ferrograd (Weſtſibirien, doch wird der Froſch im ſibiriſchen Tiefland wohl noch weiter oſtwärts gehen), die nördliche auf dem 65. und 66. Grad n. Br. (Rußland), die ſüdliche in Europa auf dem 47 bezw. 46'/, Grad (Elſaß, Ungarn), doch ſenkt fie ſich nach Oſten hin auf den 38. Graden. Br., da arvalis in den Kaukaſusländern und in Nordperſien, auch im ſüdöſtlichen Kleinaſien [Ebene von Albiſtan) vorkommt. Sonach würde ſich der Verbreitungsbezirk des Moorfroſches über 90 Längen— und 27 Breitengrade erſtrecken. Von den öſtlichſten Punkten ſtammende Stücke ſtehen in der Zoolog. Sammlung der Petersburger Akademie; zu jenen Plätzen gehören Turuchansk am unteren Jeniſſei, die Untere Tunguska, Tomsk, Uſt-Kamenogorsk, ſowie das Buchtarma-Thal am Altai und Sarai-Gor am Ob; von letzteren beiden Junge. Verbreitg.⸗ Grenzen, Tieflands Bewohner. Norddeutſchland. 454 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Orten befinden ſich A durch Ehrenberg-Humboldt bezw. Finſch geſammelt, im Berliner Zoolog. Muſeum, Nr. 3248 und 9193. Turuchansk und überhaupt das Vereinigungsgebiet der Unteren Tunguska mit dem Jeniſſei bilden zugleich die nörd— lichſten Fundorte im ruſſiſchen Aſien, denn ſie liegen auf dem 65. und 66. Grad u. Br., alſo in der gleichen Breite mit den nördlichſten europäischen Fundſtätten: Meſen, Archangel, Ruſſiſch Lappland [Lilljeborg!. Innerhalb des von den angedeuteten Grenzlinien umzogenen Gebietes bewohnt der Moorfroſch nur das Tiefland und die großen, weiten Flußthäler; er iſt im Gegenſatz zu ſeinem Verwandten, dem Allerweltsbürger Rana muta, ein ſtrenger Be— wohner der ungeheuren nordeuropäiſchen Tiefebene vom Niederrhein bis zur Wolga und Kama und deren öſtlich des Ural ſich ausbreitenden ſibiriſchen Fort— ſetzung und ſtellt ſich ſomit dem grünen Seefroſch (ridibunda), der rothbauchigen Unke und der Knoblauchskröte an die Seite, die mit ihm in dem beregten Gebiet vergeſellſchaftet ſind. Und wo er außerhalb des letzteren, wie bei Baſel, anſcheinend inſelartig auftritt, ſo iſt das doch nur an Oertlichkeiten, zu denen er die Fluß- und Stromläufe entlang unſchwer vordringen konnte. Führen wir nun die einzelnen Fundorte an. Was die norddeutſche Ebene anbelangt, jo iſt der Moorfroſch in all deren Ab— ſchnitten nachgewieſen, und vermuthlich wird er auch in den Niederlanden wenigſtens nördlich des Rheins, von wo er durch M. Weber bereits für Apeldoorn am 99 namigen Kanal in der Propinz Geldern angezeigt und durch Herrn L. J. van der Veen— Utrecht 1880 gleichfalls für Apeldoorn und außerdem für Deventer und Utrecht mir gemeldet wurde, allgemeiner vorkommen. Im ebenen Münſterland iſt er laut Weſthoff ([Nordweſtd. Berglde.] auf feuchten Moor- und Haidegründen überall verbreitet und wohl kaum für größere Strecken fehlend: im Jahre 1889 wurde er von Weſthoff zuerſt zahlreich in der Hornhaide zwiſchen Handorf und Telgte beobachtet, 1890 wurde er entdeckt auf dem Venner Moor, auf der Körhaide bei Münſter, an den Fürſten— teichen bei Telgte und im Füchtorfer Moor, 1891 in der Ventruper Haide bei Albachten, im Hanſeller Floth und in der Weſterodener Mark, zwiſchen Altenberge und Greven, Emsdetter Haide, 1892 in der Gelmer Haide und in den weiten Haide— gründen zwiſchen Wettringen, Ochtrup und Meteln, 1893 auf der Brüskenhaide bei Weſtbevern und in der Haide bei Ladbergen; außerdem wurde arvalis am Nordrande des Weſtfäliſchen Faunengebietes, nämlich auf den nördlichen Moorſtrichen bei Vörden im Osnabrücker Land 1890 entdeckt. In dem angrenzenden Oldenburg kommt unſer Froſch, wie die Herren Dr. Greve und Dir. Wiepken, welcher ihn ſchon 1850 als verſchieden von dem Grasfroſch erkannte, mir mittheilten, auch nur auf den mit Haide beſtandenen Moorſtrecken (Litteler Moor ꝛc.) und ſelbſt im Hochmoor vor; auf mit Gras bewachſenem Moor hat Dr. Greve ihn nicht gefunden. In der Um— gebung Vegeſack's wurde arvalis laut F. Borcherding in einem kleinen Moor bei Hammersbeck und bei Schönebeck angetroffen. Durch das Hannover'ſche Gebiet, wo er von Hannover ſelbſt bekannt iſt, zieht ſich der Verbreitungsbezirk des Moorfroſches nach der Elbe zu: bei enger] nächſt Hamburg konſtatirte ihn Schmeltz, in der Haide bei Letzlingen und im Bürgerholz bei Salzwedel Vibrans [Schulze, F. saxon. )], aus der Altmark, aus der Gegend von Magdeburg, wo ihn Herr W. Bach laut briefl. Mittheilung vom 15. April 1880 damals zweimal gefangen hatte, und Halle a. S. nennen Woltersdorff's „Amphibien der Provinz Sachen folgende Fundorte: Oſter— burg, Neuhaldensleben, Rogätz, ferner den Biederitzer Buſch, das Rothehorn und die Rothenſeer Wieſen im Alluvium der Elbe bei Magdeburg, ſodann Ammendorf, Paſſen— Dritte Art. Moorfroſch. 455 dorf, Cröllwitzer Höhen und der Salzige See bei Halle, ſowie Schkeuditz im Elſter— thal. Auch zwiſchen Magdeburg und Hannover, nämlich nördlich und weſtlich der Stadt Braunſchweig — von wo ich die erſte Mittheilung über das dortige Auftreten dieſer Art durch Herrn Dr. R. Blaſius 1881 erhielt — iſt der Moorfroſch häufig, beſonders zahlreich (laut Krefft's Mittheilung an W. Wolterstorff) im nördlichſten Theile des Gebietes zwiſchen Querumer Holz und Bienrode und bei Waggum, und im Weſten im Timmerlaher Buſch, auch im Querumer Holz und am Butterberg nicht ſelten, vor dem Holze an der Windmühle ziemlich häufig, außer im Norden und Weſten noch, doch ſeltener, in der Buchhorſt bei Klein-Schöppenſtedt, bei den Riddags— hauſener Teichen auf einer an Waſſertümpeln reichen Thonwieſe öſtlich der Wind: mühle, und im Süden der Stadt im Kennel auf ſumpfigen Wieſen des Ocker-Alluvium. Oeſtlich der Elblinie treffen wir den Moorfroſch an im Lauenburg'ſchen, in Schleswig— Holſtein, wo er noch neuerdings von A. Goldfuß [Bedriaga, Auura] bei Flensburg konſtatirt iſt, und laut Steenſtrup und Collin auf der Jütiſchen Halbinſel überhaupt ſowie den zugehörigen Eilanden; ſodann in Mecklenburg und der Mark Brandenburg: ſo enthält die Roſtocker Univerſitäts-Sammlung Exemplare aus Roſtock, und Herr Prof. M. Braun fand ihn im Mai 1889 ſelbſt in dortiger Gegend, nachdem Herr C. Struck bereits 1862 den Froſch bei Dargun entdeckt, aber nicht ſonderlich beachtet hatte; das Vorkommen bei Berlin hatte ſchon von Siebold angezeigt, nach meinen Beobachtungen iſt er in der näheren und weiteren Umgebung der Reichshauptſtadt gar nicht ſelten, beiſpielsweiſe an Seen und feuchten bezw. moorigen Stellen im Grunewald, bei Charlottenburg, Spandau, Tegel, Stralau, Treptow, Köpenick, weiter oſtwärts bei Strausberg, nördlich bei Bernau, Stolpe, Lehnitz, Oranienburg, im Luch bei Schönwalde und Nauen; in Neu-Vorpommern iſt er laut briefl. Mittheilung von L. Holtz gleichfalls zu Hauſe, wenngleich nicht ſo gemein wie Gras- und Teichfroſch, von Stettin kanute ihn ſchon Steenſtrup. Aus verſchiedenen Theilen des Gebietes zwiſchen Oder und Weichſel liegen zwar eingehende Nachrichten nicht vor, jedoch fehlt der Moorfroſch hier ſicherlich nicht, und wenn v. Siebold ihn von Danzig, ſowie aus Oſtpreußen: Heilsberg im Ermland und Königsberg, verzeichnete, jo wiſſen wir jetzt, daß arvalis in ganz Weſt- und Oſtpreußen heimiſch iſt. Das ausgedehnte norddeutſche Tiefland verläßt der Froſch aber auch, um den großen Flußthälern quellwärts folgend, bis in den Mittellauf unſerer Hauptſtröme zu gelangen und hier mehr oder weniger vorgeſchobene Poſten zu bilden. So geht er an der Oder ſicher bis Breslau, von wo ihn bereits v. Siebold meldete und neuerdings beſonders Prof. Born, durch deſſen Freundlichkeit ich auch eine Anzahl Stücke empfing, bekannt machte, an der Elbe bis Dresden, aus deſſen Umgebung ihn E. Haaſe er— wähnt, im Saalgebiet bis Leipzig, aus deſſen Botaniſchem Garten wir ihn ſchon durch Steenſtrup kennen, am Rhein aber gar durch das Gebiet des Mittellaufes bis an die Südgrenze der oberrheiniſchen Tiefebene am Baſeler Knie. Für die Elberfelder Gegend vermerkt ihn 1884 Dr. Behrens, nachdem ich im Auguſt 1880 die erſte Mittheilung über das Vorkommen im Bergiſchen Land durch Herrn W. Bölſche empfangen hatte; in den Sümpfen von Siegburg fing ihn F. Leydig [Rhön], bei Wiesbaden am Taunus hatte Kirſchbaum den Moorfroſch bereits vor 1859 entdeckt und neben Rana platyr— rhinus unterſchieden, im Rheingau traf ihn C. Koch nur vereinzelt an; von Mainz ) In Heilsberg, Königsberg und Danzig war K. Th. E. von Siebold während der 30 er Jahre Phyſikus, 1840 ging er als Profeſſor der Zoologie nach Erlangen, 1845 nach Freiburg, 1850 nach Breslau und 1853 nach München. Mittel⸗ Deutſchland. Außer⸗Deutſchland. 456 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. führt ihn W. v. Reichenau an. Im Untermain-Gebiet ſcheint den eigentlichen Knoten— punkt der Verbreitung der torfige Wieſengrund des „Hengſter“ zwiſchen Offenbach a. M. und Seligenſtadt zu bilden; daß der Froſch das Mainthal auch weiter quellwärts verfolgt, iſt erwieſen, indem F. Leydig [Rhön] ihn auf den Torfgründen des Schwein— fürter Beckens bei Schwebheim in Franken ſammelte und K. v. Siebold ihn von Er— langen *) angiebt. Von Mainz ab rheinaufwärts, im weiten Thal dieſes Stromes iſt unſer Froſch anſcheinend viel verbreitet: nach W. v. Reichenau iſt er namentlich häufig im feuchten Wald bei Groß-Gerau in der heſſiſchen Provinz Starkenburg; laut C. Koch iſt er zu Haufe längs der ganzen Bergſtraße hin in den ſumpfigen Partien der Ebene, ebenſo bei Mannheim, Speyer und „weiter am Rhein hinauf“, und Herr Prof. Glaſer-Mannheim beſtätigt mir das Vorkommen im dortigen Gebiet; bei Karls— ruhe in Baden ſtellte ihn G. H. Douglaß [Zool. G. 1889 feſt und von Freiburg i. B. macht ihn Ecker bekannt. Sodann kommt er laut Dr. F. Müller- Baſel zwiſchen der badiſchen Eiſenbahn-Grenzſtation Leopoldshöhe und Baſel, auf Schweizer Gelände, vor; jenſeits des Stromes aber, nur etwa ½ Stunde von der Schweizer Grenze ent— fernt, bei Neudorf im Unter-Elſaß, hat laut Angabe von Dr. F. Müller-Baſel Herr Bider den Froſch entdeckt. Das ſind nach dem heutigen Stande unſeres Wiſſens die ſüdlichſten Punkte im weſtlichen Theile des Verbreitungsgebietes, ungefähr auf 47½ “ n. Br. gelegen. Ebenſowenig wie in deutſchen Gebirgsdiſtrikten findet ſich Kana arvalis in den Alpenländern. Aber jenſeits der öſterreichiſchen Alpen tritt der Froſch wieder auf, nämlich im Wiener und Preßburger Becken und ſodann weiterhin in den nördlichen und nordöſt— lichen Theilen der großen Ungariſchen Tiefebene und dem mittleren Hügelland Sieben— bürgens (dem Mezöſég) bis zum Marosfluß im Süden; hier auf dem Mezöſég kommt der Moorfroſch bei Dess, Szamos-Ujvar und Boncz-Nyires, ferner bei Gyeke und Mezö-Samſond in großer Menge vor, während der Grasfroſch fehlt. L. v. Méhely zu Kronſtadt in Siebenbürgen, dem dieſe Feſtſtellungen zu danken ſind, bemerkt, daß Rana arvalis und R. muta auch in anderen Bezirken Ungarns einander ausſchließen und daß der ſüdlichſte Punkt der dortigen Verbreitung nach den bisherigen Nach— forſchungen in der ſumpfigen Gegend von Mezö-Samſond im Maros-Tordaer Komitat zwiſchen dem 46. und 47. Grad n. Br. (46° 40°) liegt. Nachrichten aus den übrigen Donauſtaaten ſtehen noch aus. Aus dem ſüdlichen Rußland wird arvalis durch J. v. Bedriaga aus Taganrog am Aſow'ſchen Meer, durch Keßler von Kiew und Orel gemeldet; nach Oſten und Norden hin bis zu den auf Seite 453 vermerkten Punkten ſcheint ſie allgemein verbreitet zu ſein. Vielleicht iſt auch die Verbindung des ruſſiſchen Verbreitungsbezirks mit dem ſkandinaviſchen hergeſtellt, indem derſelbe von den Oſtſeeprovinzen, dem Gouv. Petersburg (J. v. Fiſcher), vom Ilmen- und Ladoga— Sce an durch Ruſſiſch Lappland möglicherweiſe nach dem Flachland Schwedens hin— überzieht; allerdings haben wir jetzt erſt aus den ſüdlichen Theilen dieſes nordiſchen Reiches, bis etwa zum 60. Grad n. Br. hinauf, ſowie von den Inſeln Oeland und Gottland durch Boulenger, Lilljeborg, Nilsſon u. A. ſichere Nachrichten über den Moorfroſch, und wie in anderen Ländern, ſo gilt es mithin auch in Schweden der Verbreitung deſſelben weitere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Hingegen wiſſen wir vor— nehmlich durch Steenſtrup, daß arvalis im nördlichen und ſüdlichen Jütland, auf See— „Nach brieflicher Mittheilung v. Siebold's an Selenka vom 4. 4. 78 iſt Rana oxyrrhinus in den Dechſendorfer Weihern im Frühjahr regelmäßig beim Laichen zu finden“ — jo ſchrieb Herr Dr. Brock-Erlangen unterm 15. Novbr. 1880 an mich. Dritte Art. Moorfroſch. 457 land und den kleineren däniſchen Juſeln überall angetroffen wird, zum Theil mit R. muta gleichhäufig, zum Theil, jo in der Umgegend von Sorö auf Seeland, als die vorherrſchende Art — alſo ähnlich wie in der ſich anſchließenden norddeutſchen Ebene. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Der ſpitzſchnauzige braune Froſch gehört dem Sumpf- und Moorland an und würde die Bezeichnung „palustris“ oder „uliginosa* mit weit größerem Rechte führen als die Benennung „arvalis“, welch’ letztere eher dem Grasfroſch, der während ſeines mehrmonatlichen Landlebens gern auf Feld und Acker ſein Weſen treibt, zukäme. Sumpfige Niederungen des Schwemm— landes, moorige, thonige, von Gräben und Waſſeranſammlungen unterbrochene Wieſen, torfige, mit Sauergräſern, Moorhaide (Erica tetralix), Moorheidelbeere (Vaceinium uliginosum), Sonnenthau (Drosera), Läuſekraut (Pedicularis), Erlen und Sumpf— weiden beſtandene Luch- und Bruchſtrecken und Haiden, die nähere und weitere Um— gebung von Schilfteichen, naſſe Abdachungen und Mulden au und bei Landſeen und Flußläufen, feuchte Gründe und Waldungen und ähnliche Oertlichkeiten bilden den eigentlichen Aufenthalt des Moorfroſches, der zwar an manchen dieſer Plätze mit dem Grasfroſch zuſammen vorkommt, indeſſen demſelben nur ausnahmsweiſe auf's freie, offene, bebaute Land, auf Felder und trockene Wieſen, folgt. Es ſcheinen ſich alſo Moorfroſch und Grasfroſch in ähnlicher Weiſe wie die den feuchten Untergrund liebende Waldeidechſe und die auf trockenem Gelände lebende Zauneidechſe in das Gebiet zu theilen, nur geht abweichend von der Lacerta vivipara der Moorfroſch nicht ins Ge— birge hinauf, ſondern überläßt auch dieſes dem Grasfroſch. Rana arvalis hält ſich mehr am und im Waſſer auf als der letztere und ſteht daher nicht blos betreffs der körperlichen Eigenheiten, ſondern auch hinſichtlich jener Seite der Lebensweiſe etwa in der Mitte zwiſchen Grasfroſch und Teichfroſch, ſodaß man geneigt war, ihn für eine Baſtardform dieſer beiden Arten anzuſehen. Allem Anſchein nach ſind die mit entwickelteren Schwimmhäuten verſehenen männlichen Moorfröſche mehr an das Waſſer gebunden als die weiblichen. Bereits Steenſtrup machte 1846 darauf aufmerkſam, nachdem er in mehrjähriger Beobachtung wahrgenommen hatte, daß die zu Hunderten aus dem grasbewachſenen Boden der kleinen Gewäſſer in den allererſten Frühlingstagen, ſobald die Eisdecke geſchwunden war, hervorkommenden Moorfröſche immer Männchen waren, ausgezeichnet durch die überaus glatte, ſchlüpfrige, bläulich bereifte Haut. Und zu Ende des Oktober und An— fang des November hatte derſelbe Forſcher die Männchen wieder auf den Stellen, wo ſie im Frühjahr erſchienen, bemerkt und geſammelt, die Weibchen aber auf den um— liegenden Wieſen angetroffen; manche der Weibchen ſaßen in Höhlen und Vertiefungen des mit Graswurzeln durchwebten Bodens, andere unter den Wurzeln der Erlen und Weiden, und beim Aufſtöbern ſuchten ſich die Weibchen nicht ins Waſſer zu retten, ſondern in Höhlen und unter Reiſern zu verbergen. Dieſe Beobachtungen dürften den Schluß zulaſſen, daß die weiblichen Moorfröſche auf dem Lande, die männlichen im Bodengrund oder doch in unmittelbarer Nähe der Gewäſſer überwintern. Der Winterſchlaf wird erſt ſpät im Jahre, im November angetreten und bereits im zeitigſten Frühjahr, im Februar oder März, beendet. Immerhin aber iſt Rana arvalis ein Landfroſch, der im Schwimmen nicht mit dem Teichfroſch wetteifern kann, in der Sprungſertigkeit jedoch dem letzteren nahezu gleichkommt und den Grasfroſch übertrifft. Er iſt überhaupt behender, körperlich und anſcheinend auch geiſtig regſamer als ſein größerer brauner Vetter, der zwar ebenfalls nach jedem verdächtigen Geräuſch in ſeiner Nähe auslugt und den Kopf aufmerkſam dorthin wendet, indeß Unterſcheidungsvermögen und Urtheilsfähigkeit dabei doch nicht Aufenthalt. Lebensweiſe. Weſen. Laichzeit. Laich. Larven 458 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. in dem Grade erweiſt wie der mehr beobachtende und erwägende Moorfroſch, welcher wiederum Luft- und Witterungs Veränderungen durch lebhafteres Gebahren anzeigt und gegen Kälte empfindlicher zu fein ſcheint als Kana muta. Die Stimmlaute des brünſtigen Männchens wurden von K. v. Siebold 1852 mit dem Geräuſch verglichen, welches die aus einer leeren, unter Waſſer getauchten Flaſche entweichende Luft ver— urſacht. M. Schiff beſtätigte dies 1855 und ſetzte hinzu, daß nach der Paarung die Stimme des Männchens lauter, rauher und ſehr tief klinge, ſo als wenn ſie heiſer wäre. Nach verſchiedenen, übereinſtimmenden Beobachtungen iſt zwar die Stimme etwas rauh und heiſer und leiſer, aber dabei doch klarer als die des Grasfroſches. Die zur Laichzeit in kurzen Zwiſchenräumen hinter einander ausgeſtoßenen, alſo nicht zuſammenhängenden Laute werden von Manchen mit rua, rua, rua, von Anderen mit groe, groe, groe überſetzt. In Angſt und Gefahr ſtößt auch das Weibchen, entſprechend dem weiblichen Grasfroſch, ein Klagegeſchrei aus, deſſen Töne heller, feiner klingen als die dumpfere, murrende Stimme des Männchens. Auf die Bemerkung M. Schiff's hin, daß die Paarung des Moorfroſches zwei bis drei Wochen ſpäter vor ſich gehe als die des Grasfroſches, begegnet man einer dem— entſprechenden Angabe in mehreren Büchern und Schriften. Ich kann dem jedoch nicht beipflichten, da eigene Erfahrungen mich belehrten, daß die Laichzeit beider Arten in hieſiger Gegend zuſammenfällt oder nur um wenige Tage auseinanderweicht. Dieſe Wahrnehmung finde ich durch die neueſten Veröffentlichungen anderer Beobachter be— ſtätigt. So ſchreibt P. Krefft in Wolterstorff's „Amph. d. Nordweſtd. Berglande“ aus der Braunſchweiger Gegend, daß die Laichzeit der vorgenannten zwei Arten dort nicht mehrere Wochen, ſondern höchſtens einige Tage auseinander falle. „Freilich be— bemerkt man Rana muta ſchon ſehr früh, im Februar mitunter ſchon, in Kopulation, doch wohl nur vereinzelt, denn die Hauptlaichzeit fällt ſelten früher als in das letzte Drittel des März, oft aber auch erſt in den Anfang des April, und um dieſe Zeit legt auch Rana arvalis bereits ihre Eier ab. So beobachtete ich am 24. März 1890 bei der Querumer Windmühle beide Arten in Kopulation, auch Anfang April 1893 ſäh ich im Raffteich und im Timmerlaher Buſch beide Arten zu derſelben Zeit mit Laichen beſchäftigt. Auch Heller beobachtete in einem früheren Jahre das Zuſammenfallen der Laichzeit beider Arten.“ Und Fr. Borcherding-Bremen theilt in E. Schulze's Fauna saxonica mit, daß Rana arvalis ſogar eher als R. muta zum Leaichgeſchäft ſchreitet. „Den erſten Laich fand ich 1890 ſchon am 21. März. Am 27. März 1891 zog ich zwei in Kopulation begriffene Paare mit dem Netz aus einem Graben; die Verſchlingung war ſo krampfhaft, daß ſich die Paare weder im Netz noch in dem Behälter, in dem ſie nach Haufe gebracht wurden, noch im Spiritus trennten.“ Aus der letzteren Bemerkung erſehen wir zugleich, daß die Fortpflanzung beider Arten auch in ſonſtiger Beziehung Berührungspunkte bietet. Die Paarungsweiſe der mit bläulich ſchimmerndem Hochzeitkleid geſchmückten Männchen mit den einige Tage nach ihnen in Tümpeln und Teichen und Gräben ſich einſtellenden Weibchen, die Zeit und auch die Oertlichkeit des Laichens, die Form des Laiches (Klumpen), die Ent— wicklung u. ſ. f. zeigen Uebereinſtimmung. Jedoch ergeben ſich bei vergleichender Be— trachtung des Laiches und der Keimlinge Unterſchiede. Schon F. Leydig wies 1881 in ſeiner Arbeit über die Fauna des Rhöngebirges ꝛc. darauf hin, daß die einzelnen ſchwarzbraunen Laichkörner bei R. arvalis um ein Drittel, wenn nicht mehr, kleiner als bei dem Grasfroſch ſeien, ihre Hülle zarter, der nach unten gekehrte weiße Pol ausgedehnter ſei und daß dann bei dem ſich entwickelnden „Würmchen“ der gleiche Größenunterſchied bleibe. Ueber die Larven haben wir bereits Mittheilungen gemacht. Vierte Art. Springfroſch. 459 Landesübliche Benennungen. Moorfroſch, Feld-, Sumpf, ſpitzſchnauziger Froſch. Niederdeutſch: Pogge, Fuorſk. Schwediſch: Aker-Groda. Im Uebrigen die Namen des Grasfroſches. Rana temporaria, Zinne 1761 (non autorum!). — Rana arvalis, Nilsson 1842. — Rana oxyrrhinus, Steenstrup 1846. 4. Art: Springfroſch. Rana agilis, Thomas. Abbildung: Tafel III Nr. 2 Länge 5,8 bis 7 em; Schnauze lang, am Ende rundlich-ſpitz, mit vorge— zogener gewölbter Oberlippe (wie beim Teichfroſch); Kopf niedergedrückt, Stirn ſchmal, Augen nahe beiſammen; Trommelfell ſehr groß, faſt ſo groß wie das Auge; Schwimmhaut der Hinterfüße zart, unvollkommen (wie bei R. arvalis); ſechſte Sehe ſtark, hart, einen länglichen Wulſt bildend; ein kleiner warzenartiger Höcker (wie bei R. esculenta) hinter der Wurzel der längſten Sehe; die Gelenk— höcker auf der Unterſeite der Finger und Sehen ſehr ſtark knopfartig vorſpringend; Hinterbein ſehr lang und dünn, nach vorn gelegt mit dem Ferſengelenk die Schnauzen— ſpitze entſchieden (bis 10 mm) überragend; Unterſchenkel (Tibia) länger, oder eben— folang, oder vielleicht nur I mm kürzer als die ganze Vordergliedmaße; die Drüſen— wülſte längs der Kückenſeiten entſprechend denen von R. muta, nur ſchmäler; Bauch ungefleckt; Männchen ohne jede Schallblafen. Aeußere Erſcheinung. Zur näheren Charakteriſtik der Art mögen noch folgende Bemerkungen dienen. Da die Springfröſche ſchon auf den erſten Blick durch ihren zarten, ſchlanken, geſtreckten Körperbau, ihre langen dünnen Hinterbeine, ihre lange vorgezogene Schnauze, die auffallend, knopfartig vorſpringenden Gelenkhöcker auf der Unterſeite der Finger und der Zehen und den ungefleckten weißlichen Bauch auffallen, ſo laſſen ſie ſich gewöhnlich mit Leichtigkeit aus einer Sammlung brauner Fröſche aus— ſcheiden; und ſelbſt zweifelhafte Stücke wird man bei näherer Betrachtung und Unter— ſuchung unſchwer erkennen und beſtimmen können. Die Geſtalt iſt alſo, wenngleich durchweg etwas größer als Rana arvalis, jo doch ſchlanker und zarter als bei dieſem und namentlich bei dem gedrungen, faſt plump gebauten Grasfroſch, der Kopf entweder ſo breit oder noch etwas breiter als lang, mitunter jedoch um ein Geringes länger als breit, in der Form ähnlich dem des Teichfroſches, ſtark niedergedrückt, mit niedriger Zügelgegend, ſchief nach außen und abwärts gerichteten Seiten, langer, am Ende rundlich-ſpitzer Schnauze, über die Unterlippe weit vorragender, gewölbter Oberlippe und ſchmaler, abgeplatteter Stirn; das Trommelfell von wenig kleinerem oder gleichgroßem Durchmeſſer als die nahe zuſammengerückten Augen, die Zunge geformt wie die des Grasfroſches. Schallblaſen ſind nicht vorhanden, weder äußere wie beim Teichfroſch, noch ſolch ausgeſprochen „innere“ wie beim Gras- und Moorfroſch, da ſowohl wirk— liche Hervortreibungen am Kehlwinkel als auch „innerlich zuleitende Spalten“ fehlen. Die Gaumenzähue als Ganzes ſtellen bei Beſichtigung mit 1 Auge zwei rundliche, ſchwach gegen einander neigende Höcker vor, während, nach Leydigs Unterſuchungen, unter dem Mikroskop klar wird, daß der eigentliche Zahnſtreifen um Vieles kleiner und ſchmäler iſt und aus 2 bis 3 größeren und 2 bis 3 kleineren — Fatio [Suisse S. 334] ſpricht von 4 oder 5 Paaren —, ſehr niedrigen, zweiſpitzigen, ſtark im Epithel ſteckenden Zähnen beſteht. Die Vorderbeine ſind im Vergleich zu den Hinterbeinen ſehr kurz, Namen. Artkennzeichen. Körperbau. Maaße. 460 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. höchſtens ein Drittel ſo lang als die letzteren (bei den Weibchen gewöhnlich noch kürzer), reſp. von gleicher Länge wie die Schienen (Unterſchenkel) der Hinterbeine, höchſtens Umm länger, zuweilen jedoch noch um einen halben, 1 oder einige mm kürzer als dieſe. Die Hinterbeine, deren abſonderliche Länge und Schlankheit namentlich beim Kriechen und bei Ausführung der Sprünge auffällt, reichen, über den Rücken nach vorn gelegt, mit dem Ferſengelenk merklich (bis 10 mm) über die Schnauzenſpitze hinaus; ein zweites charakteriſtiſches Merkmal des Springfroſches bieten die Hinterglieder in den auf der Unterſeite der Zehen — und ebenſo der Finger — an den Gelenkſtellen ſehr ſtark knopfartig vorſpringenden Höckern (Gelenkhöckern ) dar; endlich zeigt ſich, im Gegen— ſatz zu Rana muta und R. arvalis, hinter der Wurzel der längſten Zehe wie beim Teichfroſch ein kleiner warzenartiger, hell gefärbter Höcker oder Ballen. Dagegen ſtimmt die zwiſchen den Zehen der Hinterfüße ausgeſpannte Schwimmhaut im Allgemeinen mit der des Moorfroſches überein, d. h. fie iſt dünn, unvollkommen; auch iſt die og. ſechſte Zehe wie bei der ſoeben genannten Spezies ſtark und hart, indeß verhältnißmäßig kürzer, denn ſie erreicht nicht die Länge der halben Innenzehe und die des Trommelfell-Durchmeſſers. — Die Haut erſcheint zart und glatt, in der Schenkel- und Aftergegend jedoch gern mit kleinen weißlichen Körnchen (Perlen) beſetzt und längs der Rückenſeiten mit je einem Drüſenwulſt verſehen, der nicht ſo ſcharf hervortritt wie beim Moor- und Teichfroſch, ſondern mehr dem des Grasfroſches gleicht; nicht ſelten auch zeigt ſich im Nacken die bei Beſchreibung des letzteren erwähnte Wförmige Figur. — Auch einige anatomiſche Eigenheiten, und zwar ſowohl betreffs der Fortpflanzungs-Werkzeuge des Männchens (vergl. Seite 450) als auch am Knochengerüſt, fallen bei Unterſuchung dieſer Froſch— ſpezies auf, wie ſchon Leydig u. A. gelehrt haben: die Samenblaſe liegt am Harn— Samenleiter entfernt von der Niere, ähnlich wie beim Moorfroſch; die Zooſpermien wiederum erinnern ſtark an die des Grasfroſches und beſtehen aus einem langen, ſchmächtigen, vorn zugeſpitzten Kopf und einem ſehr feinen Schwanzfaden; der Kamm der Darmbeine iſt ſehr hoch, der vordere Arm des Quadratbeins länger als bei Rana muta, jedoch nicht jo entwickelt als bei R. esculenta, die Stirn-Scheitelbeine (Ossa fronto-parietalia) ſind ohne Fontanelle, flach, doch nach der Mitte hin mit geringer Vertiefung. Somit kann und darf man auch der Rana agilis den Rang einer Spezies nicht abſprechen. Wie in manch' anderer Beziehung, ſo ſteht auch hinſichtlich der Größe der Springfroſch gewiſſermaßen zwiſchen Gras- und Moorfroſch. Die durchſchnittliche Länge des Körpers erwachſener Thiere, von der Schnauzenſpitze bis zum After, wird man auf 5,5 oder 6 em beziffern können, fie ſchwankt überhaupt zwiſchen 4,5 und 7,5 em, und zwar find die Weibchen verhältnißmäßig länger als die Männchen. Von der Körperlänge nimmt der Rumpf zwei Drittel, der Kopf ein Drittel weg, nur bei ſehr großen Exemplaren verſchiebt ſich dieſes Verhältniß zu Gunſten des Rumpfes; im Uebrigen entſpricht die Länge des Körpers ſo ziemlich der des Hinterbeins ohne Fuß, d. h. der Länge von Ober- und Unterſchenlel zuſammen, indem die erſtere viel— fach nur um einen oder einige Millimeter, bei den Weibchen allerdings oft um 5 bis 7 mm hinter der Länge der beiden Schenkel zurückbleibt. Die Schiene oder Tibia (Unterſchenkel) allein, deren Verhältniß zum Vorderbein ſchon vorn angegeben wurde, iſt faſt doppelt jo lang — es fehlen nur 1 bis 4 mm an der doppelten Länge — als der Kopf! Das Verhältniß ihrer Länge zu der des Hinterfußes ſtellt ſich gleich 3 zu 4. ‘) „Evidentissimi i tubercoli sottoarticolari“ jagt Lessona [Piemonte S. 1076]. Vierte Art. Springfroſch. 461 Dem Männchen geht durch den Mangel von äußeren und inneren Schall— blaſen ein weſentliches Erkennungszeichen gegenüber dem Weibchen ab. Ueberhaupt iſt bei dieſer Art die äußere Charakteriſirung der Geſchlechter nicht ſo ſcharf ausge— ſprochen als bei den beiden anderen „Braunen“. Selbſt zur Laichzeit trägt das Männchen eine nur gering entwickelte und im Vergleich zu der des männlichen Gras— und Moorfroſches weniger rauhe, ſchwärzlichgraue Daumenſchwiele, die ſich über den Daumenballen, die Rück-, Innen- und Unterſeite des Mittelhandknochens, den Innen— rand und die Unterſeite des erſten und den Innenrand des zweiten Daumengliedes erſtreckt. Der hochzeitliche Schmuck des „blauen Reifes“ an Kehle und Bruſt, den man früher bei dieſer Art nicht beobachtet hatte, iſt neuerdings bemerkt und von Wolterstorff 1890 [Naturw. Verein Magdebg.] zuerſt bekannt gemacht worden. Ueber— haupt kleidet ſich das Männchen gern in lebhaftere Farben als das Weibchen, welches einen dünneren, ſchlankeren Daumen und Vorderarm und gewöhnlich etwas ſchmäleren Kopf als das Männchen hat. Der Springfroſch zeichnet ſich nicht blos durch zarten Körperbau, ſondern auch durch zarte, d. h. lichte Grundfärbung aus; er iſt, um mit den Franzoſen zu ſprechen, der „Blonde“, alſo die hellſte Art in der Gruppe der braunen Fröſche, welcher Ein— druck in der Laichzeit noch durch einen an den Drüſenwülſten, dem Trommelfell, den Lippen und oberen Lidern angenehm auffallenden Goldglanz erhöht wird. Die Grund— farbe der Oberſeite iſt röthlich, hell bräunlichgelb oder gelbgrau, an den Flanken oft mit grünlicher Beimiſchung (ſ. Abbildung), doch dunkelt jener Grundton in der Periode des Waſſeraufenthalts zu Rothbraun, Graubraun, Dunkelgrau; die Unterſeite des Körpers und der Gliedmaßen hingegen iſt weiß oder gelblichweiß und ſtets, abgeſehen von einigen röthlichen Tupfen und Schnörkeln an Kehle und Bruſt oder vielleicht einigen dunkeln Sprenkeln am Kieferrand, ungefleckt. Mit Ausnahme des tief dunkel— braunen Ohrflecks und des als ſeine Fortſetzung zu betrachtenden, vom vorderen Augen— winkel zur Schnauzenſpitze ziehenden dunkelbraunen Zügelſtreifens ſowie auch bei anderen braunen Fröſchen vorkommenden dunkeln Längsſtriches am Vorderarm zeigen die Flecken auf Rumpf und Gliedmaßen die Neigung zum Verblaſſen und Verlöſchen, doch nur in ſeltenen Fällen verſchwinden ſie gänzlich. Zwiſchen dem dunkeln Ohrfleck und Zügelſtreif (oben) und dem dunkel-bindigen oder -geflectten Oberkieferrand (unten) läuft längs der Oberlippe und bis gegen die Schulter eine weißliche Linie hin. Die hellen Drüſenwülſte am Rücken ſind an der Außenſeite meiſt von dunklen Tüpfeln und Flecken begleitet und auf der Rückenzone ſelbſt zwei Fleckenreihen, die im Nacken ſpitz— winkelig zu der bekannten Figur A zuſammenſtoßen, bemerklich. Auf dem Scheitel läßt ſich bei vielen Stücken ein allerdings nur matter dunkler Querſtrich, der die beiden Augen verbindet, erkennen, auch an den mit gelblichen Punkten beſpritzten Flanken die Spur verwiſchter grauer Marmelflecken oft noch wahrnehmen. Die Hintergliedmaßen, nicht ſelten auch die Arme erſcheinen oberſeits dunkel quergebändert, die Hinterbacken gern dunkel gemarmelt. Die Iris iſt in der oberen Hälfte rein goldgelb, in der unteren „überſchwärzt“. Die Larven des Springfroſches ſcheinen nach den örtlichen u. a. Verhältniſſen hinſichtlich ihrer Größe und Färbung mancher Abänderung unterworfen zu ſein, wie wir dies in erheblicherem oder geringerem Grade allerdings auch bei den Kaulquappen anderer Anuren wiederfinden. So machte J. v. Bedriaga die Beobachtung, daß dalmatiniſche Larven von 41 mm Länge bereits verwandlungsfähig ſind, wogegen die franzöſiſchen eine Länge von 56 mm erreichen, und während die letzteren eine be— deutend hellere Färbung als die Larven des Gras- und des Moorfroſches zeigten, die Geſchlechter. Färbung. Larven. Junge. Verbreitung. 462 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. dalmatinifchen in ihrer dunklen Tönung eher der Grasfroſchquappe ähnlich ſahen. Nach der Beſchreibung des genannten Autors ſind die franzöſiſchen Larven im er— wachſenen Zuſtande oberſeits hellbraun oder gelblich mit ziemlich undeutlichen dunkleren oder röthlichen Einzel- oder Marmelflecken am Rücken, die Rumpfſeiten dunkel gefleckt, die Beine oben dunkel quergebändert, der Fleiſchtheil des Schwanzes mit großen braunen bis dunkelbraunen Flecken, die häutige Schwanzfloſſe mit etwas helleren und ziemlich dicht vertheilten Sprenkeln, die Kehle gelblich oder roſa, der Bauch gelblich— weiß, die Beine unterſeits fleiſchfarben; bei den dunkleren Dalmatinern hingegen ſind auch die Flecken dunkler, obſchon nicht jo ſcharf ausgeſprochen wie bei den franzöſiſchen, die größeren Schwanzfleden dunkelbraun, beinahe ſchwärzlich, die kleineren und zer— ſtreuten wiederum etwas heller, die ſilberweißen, bräunlichgrau oder grau umſponnenen Flecken der Rumpfſeiten auf die Unterſeite übergreifend und dadurch die Kehle gegen den Bauch abgrenzend (während dieſe nach der Mittellinie des Körpers zu ſtetig ſich verſchmälernde Querbinde bei den helleren franzöſiſchen Larven ſich kaum durch ihre etwas dunklere Farbe von der Umgebung abhebt). Schon bei den zweibeinigen Larven fallen die langen Hinterbeine auf: beiſpielsweiſe waren die letzteren bei einer franzöſiſchen Larve von 18 mm Körper- und 56 mm Geſammtlänge 22 mm lang und bei einer dalmatiniſchen von 41 mm Geſammtlänge 16 mm lang. Der oben flach gewölbte, ſeitlich und unten bauchige Rumpf ſolcher Kaulquappen iſt von dem kaum gewölbten Kopf durch eine ſeitlich ſchwach angedeutete Einſchnürung leicht abgeſondert, die Schnauze ſpitz zugerundet, die ſeitlich gelegenen ziemlich großen Augen ſind weit von— einander entfernt, der Unterlippenrand und die Mundwinkel mit Papillen beſetzt, der Oberlippenrand iſt bezahnt, die Innenfläche der Oberlippe jederſeits mit zwei hinter einander geſtellten Zahnreihen, die der Unterlippe mit vier Zahnreihen (von denen die letzte, innere Reihe in der Mittellinie zerriſſen erſcheint), die Zahl der Zacken am Rande der Zahnköpfe beträgt 9 bis 11, Kiefer und Zähne ſind dunkel- oder hellbraun, das Kiemenloch liegt linkerſeits am Rumpf, der ſehr lange Schwanz erreicht die doppelte oder mehr als doppelte Körperlänge, iſt in eine lange Spitze ausgezogen und ſein Floſſenſaum ſetzt ſich bei franzöſiſchen Stücken etwas weiter auf den Rücken fort als bei dalmatiniſchen, die Analröhre öffnet ſich auf der rechten Seite der Unterecke des Floſſenſaumes. Schon bei vierbeinigen Larven iſt die Zeichnung des Froſches deutlich zu er— kennen: ein dunkler Ouerſtrich zieht ſich über die Stirn von einem Auge zum andern, die A Figur erſcheint am Vorderrücken, die von dunklen Säumen begleiteten Drüſen— wülſte an den Rückenſeiten treten auf, ebenſo der dunkle Zügelſtreifen, Ohr- und Ober— armfleck, die dunklen Querbänder auf den Gliedmaßen zeigen ſich kräftiger, die Bauch— fläche wird heller und ſpielt ins Gelbliche, nach dem Verſchwinden des Stummel— ſchwanzes erhält auch die anfangs grauweiße Kehle ihre bleibende gelbliche Färbung. (J. v. Bedriaga.] Im Allgemeinen ſollen die jungen, umgewandelten Fröſchchen, welche unmittelbar nach Abſchluß der Metamorphoſe 15 bis 20 mm lang ſind, von den alten durch ein etwas dunkleres Kolorit ſich unterſcheiden. Mit drei Jahren tritt die Geſchlechtsreife ein. Geographiſche Verbreitung. Der Springfroſch hat unter den hier in Be— tracht kommenden vier Froſcharten den engſt umgrenzten Verbreitungsbezirk. Wenn von ſeinen nächſten Verwandten der Grasfroſch als Allerweltsbürger in allen Ländern Europas, die Balkanſtaaten und Portugal vielleicht ausgenommen, zu Hauſe iſt und der Moorfroſch als eine nördliche Art erſcheint, fo tritt uns im Springfroſch eine ſü d europäiſche Spezies entgegen, deren Verbreitung nach Norden hin ſchon im nörd— Vierte Art. Springfroſch. 463 lichen Frankreich, mittleren Deutſchland, in Böhmen und Ungarn und in Kaukaſien ihre Schranke findet. Am gleichmäßigſten iſt Rana agilis über Frankreich ver— breitet, denn dort ſcheint ſie nur im äußeren Nordoſten zu fehlen bezw. lediglich durch den Grasfroſch erſetzt zu ſein, während ſie von der Pariſer Gegend und der Bretagne an bis hinab zu den See-Alpen, der Provence, dem Languedoc, der Gascogne und den Pyrenäen (F. Lataſte] in größerer oder geringerer Anzahl dem Forſcher und Kenner ſich darbietet. Von Frankreich tritt der Springfroſch nach Italien und nach der Schweiz ſowie auf reichsdeutſches Gebiet über. In Italien bewohnt er das Feſtland im Norden und gleicherweiſe die eigentliche Halbinſel und die Inſel Sizilien. Namentlich aus der Ebene und dem Gebirge des Nordens ſind zahlreiche Fundorte bekannt, an denen er übrigens nicht ſelten gemeinſchaftlich mit dem Grasfroſch oder auch dem Lataſte'ſchen Froſch ſich zeigt. Nachdem Fatio über das Vorkommen der agilis in der Umgegend von Piſa berichtet und Cornalia ſie in den Wäldern von Somma und am Tieino ſowie an den Ufern des Lambro entdeckt hatte, wurde ſie in vielen Diſtrikten nachgewieſen, ſo laut den Veröffentlichungen de Betta's und nament— lich Camerano's in Piemont: bei Turin, Eremo und Maddalena, Rivoli, Roſta, Teſtona, Rivaroſſa, Gattinara, Dechieppo inferiore, im Bresciano, in der Lombardei: bei Mailand und Vareſe, in Venetien: bei Verona, Fumane di Valpolicella und Macelliſe, Padua, Gorgo, Barbarighe, Meſtre, Venedig, Treviſo und Belluno, ſodann ſüdlich des Po bei Bologna, Imola, Modena, am Monte Morello bei Florenz, bei Piſa und Livorno, in Ligurien bei Porto Maurizio. Während alle dieſe Oertlichkeiten im nördlichen Italien zwiſchen 43 ½ und 46 Grad liegen, it der Springfroſch auch auf Sizilien (bei Modica) gefunden worden, ſodaß der Schluß auf eine allgemeine Verbreitung über die anderen italieniſchen Theile wohl zuläſſig iſt. In der Schweiz bewohnt er laut Fatio in nicht zu großer Anzahl die Flußthäler in den an Frankreich und Italien grenzenden Kantonen Genf (Moräſte von Sionex), Waadt, Wallis, Teſſin, auch Bern; doch glaubt der Schweizer Fauniſt ihn auch noch an anderen Orten heimiſch. Für Südtirol ſtehen die Nachrichten noch aus, wohl aber meldet ihn A. v. Mojſiſovicz für Kärnthen, Boulenger für die Umgebung Wiens, L. v. Méhely 1891 für verſchiedene Gebiete Ungarns: das Preßburger Becken, das Beregher Komitat in Oberungarn (Värpalänka, Szernye-Sümpfe), und den ganzen mittleren Theil Sieben— bürgens, wo Rana agilis überall mit R. arvalis zuſammenlebt, ferner M. v. Kimakowicz 1885 und Bielz 1888 für die Hermaunſtädter Gegend, A. v. Mojſſiſovicz [Zoogeogr. Notizen] 1889 für das Donau-Drau-Eck, Wolterstorff 1891 für die Agramer Gegend in Kroatien, Fr. Werner 1891, und vorher ſchon Kolombatovie und de Betta, für Dalmatien; aus dem öſterreichiſchen Küſtenland erhielt ich durch die Güte des Herrn Dr. E. Schreiber in Görz einige Stück zugeſchickt. Aus Bosnien und Albanien, aus Griechenland und weiter öſtlich aus dem weſtlichen und öſtlichen Transkaukaſien am Schwarzen Meer (Suchum-Kale) und Kaspiſee (Lenkoran, Talyſch) kennen wir die Art durch O. Böttger, Boulenger und J. v. Bedriaga. Auf reichsdeutſchem Gebiet iſt der Froſch erſt an wenigen, gar nicht miteinander in Verbindung ſtehenden Orten aufgefunden worden, und immer nur in einzelnen Stücken. Die Fundſtätten liegen bei Straßburg i. E., Würzburg, Traunſtein. Die erſte Entdeckung verdanken wir dem damaligen stud. rer. nat. Ach. Andreae, welcher ein Exemplar dieſes Froſches im Herbſt 1880 bei Straßburg im Rheinwald nahe dem ſtädtiſchen Waſſerhaus, nicht weit von Neuhof gegen das Ochſenwörth hin, fing und mir darauf hier in Berlin davon Mittheilung machte. Die Erbeutung des Froſches bei Würzburg: Höchberg und Veitshöchheim, gab F. Leydig 1888/89 bekannt. End— Deutſchland. Verbreitungs Grenzen. Aufenthalt. Lebensweiſe. 464 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. lich zeigt O. Böttger in Brehm's „Thierleben“ 1892 an, daß Fräulein B. Troger 1891 einen Springfroſch bei Matzing nächſt Traunſtein in Oberbayern erlangte. Das Vorkommen bei Straßburg wird durch die Verbreitung des Springfroſches in Frank— reich zu erklären ſein; die anderen Fundorte laſſen einen Schluß vorläufig noch nicht zu, obwohl Leydig aus dem vereinzelten Auftreten der Rana agilis die Meinung ge— winnt, es handele ſich für Deutſchland um eine im Ausſterben begriffene Art. Die Gegend von Würzburg und ſodann von Prag, von wo W. Wolterstorff 1890 [Zool. Anz. Nr. 335] Rana agilis meldete, liegt etwa unterm 50. Grad n. Br., alſo um mehr als einen Grad nördlicher als Straßburg und einerſeits die nord— franzöſiſchen (Paris, St. Malo in der Bretagne), anderſeits die nordungariſchen (Beregher Komitat) Fundorte. Soviel wir bis jetzt wiſſen, bewegt ſich die Nordgrenze der Verbreitung des Springfroſches zwiſchen dem 48. und 50. Grad n. Br. hin, ſinkt jedoch in Rußland auf den 43. Grad, welcher Grad in Frankreich ſchon die Südgrenze darſtellt, die ſich wiederum in Italien und Griechenland und Transkaukaſien auf den 37. oder 38. Grad ſenkt; im Weſten iſt der 13. oder 14. (Bretagne), im Oſten der 62. Ferrograd (Lenkoran) die äußerſte Grenze. Mit der Zeit werden möglicherweiſe die Grenzen anders geſteckt werden müſſen. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Inbezug auf dieſe Punkte ſind wir, da vom Springfroſch nur einzelne Exemplare in Deutſchland bemerkt und gefangen wurden, auf die Mittheilungen aus der eigentlichen Heimath des Froſches angewieſen, wie ſie namentlich die franzöſiſchen Herpetologen Héron-Royer und Lataſte uns ge— boten haben. Einer der mancherlei Anklänge des Springfroſches an ſeinen nordiſchen Vetter und Vertreter, den Moorfroſch, bekundet ſich dadurch, daß er nicht in das wirkliche Gebirge hinaufſteigt, ſondern die Ebene, gegebenen Falles auch die Flußthäler und Gehänge der hügeligen Gelände und der Vorberge bewohnt und ſich daſelbſt auf Wieſen, Graslehnen, in feuchten Wäldern aufhält. In der Preßburger Gegend, an den obengenannten Oertlichkeiten des Beregher Komitat und im mittleren Theil Sieben— bürgens, wo das Verbreitungsgebiet des Spring- und des Moorfroſches ſich berühren und ineinander übergreifen, behauptet (nach den Beobachtungen L. v. Méhely's) Rana agilis, trotzdem fie mit Rana arvalis gemeinſchaftlich vorkommt, doch andere Theile des Terrains als der Moorfroſch. „Während nämlich R. arvalis die feuchten Niederungen der Thalſohle und die Umgebung der Teiche und Sümpfe bewohnt, findet ſich der Springfroſch an dem feuchten Saum der Wälder, auf naſſen Waldwieſen und an den mit Geſtrüpp und hohem Gras dicht bewachſenen Lehnen der niederen Hügel. Auch iſt mir der Springfroſch aus höher gelegenen Vorgebirgen bekannt, z. B. aus Ober-Komäna (Fogaraſcher Kom.), Kronſtadt, Klauſenburg, Oroszhegyer Gegend (Beregher Kom.), wo er nach der Paarungszeit immer an naſſen Waldwieſen, und zwar in Geſellſchaft des Grasfroſches, angetroffen wird.“ Uebrigens darf das Vor— kommen des Springfroſches nicht vorzugsweiſe in Sümpfen vermuthet werden, denn beiſpielsweiſe ſammelte Prof. A. v. Mojfſiſoviez eine ganze Anzahl in der Baranya bei Föherezeglak auf einem Gelände, deſſen Boden infolge der enormen Hitze und Trockenheit Riſſe und Spalten aufwies; ſowie der abendliche Thau aber fiel, wurde das befeuchtete Gras „lebendig“ und auch der Springfroſch ſichtbar. Auch inſofern erinnert der Springfroſch an Rana axvalis, als namentlich die Weibchen eine ausgeſprochene Vorliebe für den Landaufenthalt an den Tag legen: nicht nur daß ſie wie die Männchen nach beendetem Laichgeſchäft das Waſſer wieder verlaſſen, ſie begeben ſich auch ſpäter als die Männchen zwecks Paarung in die kalte Fluth und überwintern zumeiſt auf dem Lande unter Moospolſtern, Erdſchollen, Ge— Vierte Art. Springfroſch. 465 wurzel, Steinen, Blätterhaufen, in hohlen Baumſtämmen, wogegen die Männchen meiſt den Winter im Schlamm vergraben durchmachen; auch entfernen ſich, laut F. Lataſte, die Männchen während des Sommers viel weniger weit vom Waſſer als die Weibchen, in welchem aber zu dieſer Zeit weder das eine noch das andere Geſchlecht angetroffen wird, „kaum daß der Froſch ſich in zwei Meter weiten Sätzen dahin flüchtet, wenn er zufällig aufgeſtört wird“, und „einmal im Waſſer, hält er ſich lieber auf den Blättern der Waſſerpflanzen als im feuchten Element ſelbſt auf“. Hat er ähnlich wie andere Landfröſche die warme Jahreszeit verbracht und ſich tüchtig von Kerbthieren genährt, „die er geſchickt im Fluge fängt“, ſo begiebt er ſich laut F. Lataſte im Laufe des Oktober zur Winterruhe zurück. Wenn der Springfroſch im Schwimmen ſich vor den übrigen Braunröcken nicht auszeichnet, ſo übertrifft er ſie doch alle, und in gewiſſer Beziehung den Teichfroſch dazu, durch ſein Sprung vermögen, indem er infolge ſeiner langen und doch mustel- kräftigen Beine und feines ſchlanken Körpers Sätze von 1, bis 2 m Weite und m Höhe mit vollendeter Grazie ausführt, ſodaß er ſowohl der Thomas'ſchen Bezeichnung „agilis“ als auch der Fatio'ſchen Benennung „gracilis“ alle Ehre macht. Die An— muth ſpricht ſich aber auch in ſeinem Gebahren und Gehaben aus, indem der Spring— froſch trotz aller Behendigkeit und Beweglichkeit nicht das wilde, ſtürmiſche, fait plan— los ungeſtüme Weſen des Teichfroſches zur Schau trägt, ſondern in ſeinem Naturell „etwas Sanftes, Geduldiges“ zum Ausdruck kommen läßt. Dieſer ſchon von F. Leydig hervorgehobene Zug des Charakters wird auch von L. v. Mehely erwieſen: „In der Gefangenſchaft kann man ruhig nach ihm greifen, ihn ſtreicheln und aufheben, ohne daß er wegſpringt. Die von mir gezeichneten Thiere lagen ſtundenlang auf dem Rücken vor mir und ließen ſich geduldig gefallen, daß ihre Füße vorgezogen oder zu ſammengefaltet wurden. Für ſein zartes Weſen ſpricht auch der Umſtand, daß er die Verſendung unter allen unſeren braunen Fröſchen am ſchwerſten verträgt, welche Eigenſchaft er mit Rana Latastei Boulgr. theilt.“ Die Stimme, ſehr ſchwach und nur in der Nähe vernehmbar, erinnert an die des Moorfroſches und beſteht in einem halblauten, raſch ausgeſtoßenen und ſchnell wiederholten Laut ko, ko, ko, oder korr, korr, lorr, leiſer und heller als das dumpfe knurrende kruu des Grasfroſches. “) Nach der Brunſtzeit verſtummt auch dieſe Aeußerung des Paarungstriebes und nur dann, wenn ihnen beim Ergreifen, Drücken, Kneifen ein Angſt- und Schmerzgefühl erzeugt wird, ſtoßen Männchen und (das im Uebrigen gänzlich ſtumme) Weibchen ein feines Klagegeſchrei, das nach Lataſte an das „i iti“ einer Maus erinnern ſoll, aus. Die Laichzeit ſoll nach Thomas ſechs oder ſieben Wochen ſpäter fallen als die des Grasfroſches. Indeſſen dieſe Angabe dürfte keineswegs allgemeine Giltigkeit haben. Denn der italiſche Fauniſt Camerano theilt mit, daß er bereits gegen Ende Januar aus Vareſe Springfröſche mit Brunſtmerkmalen verſehen erhalten habe und daß dieſer Froſch bei Turin öfters Ende Februar laiche; und für das mittlere Sieben— bürgen berichtet L. v. Méhely, daß dort Rana agilis zur gleichen Zeit mit R. arvalis, durchſchnittlich am 23. März angefangen, laiche und dann „beide Arten haufenweiſe neben einander“ im Waſſer, z. B. bei Szamos-Ujvar, ſich finden. Daher wird die Bemerkung v. Bedriaga's in den „Anuren“, daß agilis bei einigermaßen günſtiger Witterung bereits Ende Februar, bei ungünſtiger im April laiche, eher das Richtige „) M. von Kimakowiez in Hermannſtadt jagt [Zool. G. 85 S. 315], der „Geſang“ des ſieben— bürgiſchen Springfroſches ſei ähnlich dem des Laubfroſches, nur nicht ſo markirt, alſo gedehnter und gröber, dann auch nicht ſo kreiſchend, dem des Waſſerfroſches aber gar nicht ähnlich. 30 Weſen. Laichen. Namen. Synonyma, 466 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Fırcche. treffen als wie die Thomas'ſche Angabe. Nach de l'Isle (1872) beſteht der Laich— klumpen, welcher in tiefes Waſſer abgeſetzt werde, aus Eiern, die zahlreicher und kleiner ſind als die des Grasfroſches und auch in der Färbung und der Gallerthülle von derſelben abweichen, inſofern als das Schwarz der Dotterkugel dunkler und das Weiß reiner, die eine Farbe mithin ſchärfer von der anderen abgehoben iſt, und als die Gallerte hell und weniger konſiſtent ſein ſoll als beim Grasfroſch. Héron-Royer (1878) hingegen giebt die Zahl der Eier eines Laichklumpens vom Springfroſch auf nur 600 bis 1200, vom Grasfroſch auf 2000 bis 4000 an, und belehrt uns zudem, daß die Larven der R. agilis am ſechſten Tage nach der Geburt ihre Kiemen verloren haben, am achten Tage 12 mm lang ſind und unter gewöhnlichen Verhältniſſen nach Verlauf von zehn bis zwölf Wochen ſich verwandeln. Der Springfroſch wird von franzöſiſchen Fauniſten Grenouille agile, im Italieniſchen Rana agile, Saltafossi oder Saltaguazzo, im Kroatiſchen Plavke modrake (Blaufroſch) genannt. Rana temporaria, Milet 1828. — Rana agilis, Thomas 1855. — Rana gracilis, Fatio 1862. 2. Reihe: Schiebebruſt-Fröſche, Arcifera. 2. Familie: Kröten, Bufonidae. Körper dick, zuſammengeſchoben, Tracht überhaupt plump; Haut durch Warzen und Hornhöcker rauh; Beine dick, die vorderen faſt jo lang als die hinteren; Sehen gewöhnlich; Pupille queroval; Ohrdrüſenwulſt über dem ſichtbaren Trommel— fell deutlich hervortretend; Sunge länglich, etwa doppelt ſo lang als breit, mit freiem, ganzrandigen Hintertheil; vollſtändig zahnlos; Bruſtkorb ſeit— lich verſchiebbar; Querfortſätze des Ureuzbeinwirbels am freien Ende dreieckig verbreitert; Wirbel vorn ausgehöhlt; Rippen vollſtändig fehlend. In Deutſchland nur eine Gattung: 2. Gattung: Erdkröte. Bufo, Laus. Rumpf rundlich zuſammengeſchoben, oberfeits gewölbt; Kopf flach, aber die Augen ſtark vorſtehend, Schnauze kurz, breit zugerundet (ſtumpf); Finger frei, Sehen mit Spann- oder etwa halben Schwimmhäuten; auf dem Handteller und der Fuß— ſohle je ein an der Wurzel des Daumens bezw. der Innenzehe und ein mehr nach innen zu ſtehender kräftiger Höcker. Im Uebrigen Kennzeichen der Familie. Die Kröten, welche zufolge ihres plumpen Körperbaues und ihrer kurzen Beine an Beweglichkeit hinter den anderen Froſchlurchen zurückſtehen, ſind echte Landthiere, da ſie das Waſſer nur zur Paarungszeit im Frühjahr aufſuchen, im Uebrigen aber an feuchten, ſchattigen Orten ſich aufhalten und hier eine nächtliche Lebensweiſe führen. Auf dem Lande erhaſchen ſie auch, indem ſie die Zunge aus dem Maul herausſchlagen, ihre aus Würmern, Schnecken, Nacktraupen, kriechenden Kerbthieren u. dergl. ſich zu— ſammenſetzende Nahrung. Nach dem Erwachen aus dem Winterſchlaf bezw. zum Be— ginn der Fortpflanzungszeit finden ſie ſich in Rohrteichen, Weihern, Gräben, Pfützen ein, wobei man gewahren kann, daß gewöhnlich die männlichen Thiere an Zahl er— heblich überwiegen. Die an Brünſtigkeit alle anderen Batrachier übertreffenden Männchen umfaſſen die Weibchen unter den Achſeln und ſtemmen dabei die Vorder— Fünfte Art. Graue Kröte. 467 füße in die Bruſtſeiten des „ſchöneren“ (dieſer Ausdruck iſt in der Regel wörtlich zu nehmen, da die Weibchen bunter ſind als die Männchen) Geſchlechts, wobei ihnen die rauhen ſchwarzen Paarungsſchwielen an den erſten drei Fingern (Seite 376) zwecks Feſthaltens ſehr zu ſtatten kommen. Die Eier gehen in Schnüren ab, und die winzigen Larven verlaſſen, wie wir gleichfalls von Seite 415 her wiſſen, noch ehe ſie eine An— deutung der bei ihnen übrigens ſehr vergänglichen äußeren Kiemen aufweiſen können, oft ſchon wenige Tage nach dem Abſetzen des Laiches die Eihüllen. Das Kiemenloch der ſich raſch entwickelnden Quappen liegt wie bei denen der Froſchlarven links an der Seite. Aeußere Schallblaſen ſind keiner unſerer Arten eigen, die Männchen der Wechſel- und Kreuzkröte beſitzen wenigſtens innere, die der Erdkröte überhaupt keine Kehlſäcke (Seite 415). Die drei deutſchen Arten, deren allgemeine Verbreitung gewiſſe Berührungspunkte mit der der drei braunen Raniden hat, laſſen ſich unſchwer erkennen. Hinterfüße mindeſtens mit halben Schwimmhäuten; Lauf ohne Hautlängsfalte; an den Gelenk— ſtellen der Zehenglieder (Unterſeite der Zehen) je ein Paar rundliche Höckerchen; Ohrdrüſe groß, jtarf hervortretend, etwa halbmondförmig; Oberſeite der Kröte braun, grau, oder olivenfarbig, zuweilen dunkler gefleckt „ e , TEE e eee, e TEE OR ER B. vulgaris. Hinterfüße mindeſtens mit halben Schwimmhäuten; eine deutliche Hautfalte längs des Laufes vor handen; an den Gelenkſtellen der Zehenglieder je ein einzelner (nicht paariger) Höcker; Ohrdrüſe flach, ſeitlich eingebuchtet; Rücken hell graugrün mit unregelmäßigen dunkelgrünen Flecken und einzelnen rothen PCB. Viridis. Hinterbeine ſehr kurz, nur mit ganz kurzer Spannhaut in den Zehenwinkeln; eine erhöhte Haut falte längs des Laufes vorhanden; Gelenkhöckerchen je pa arweiſe; Ohrdrüſe wenig hervortretend, kurz, nach hinten verſchmälert (abgerundet dreieckig); Rücken grünlichgrau oder olivengrün mit dunkeln Mar meln, röthlichen Warzenpunkten und ſchwefelgelbem Rückgratſtrichchchch e.... B. calamita. 5. Art: Graue Kröte, Bufo vulgaris, Laur. Abbildung: Tafel I Nr. 1. Länge 8 bis 12 cm, ausnahmsweife länger; Haut rauh, mit dicht geſtellten großen, auf ihrem Scheitel oft, insbeſondere bei denen des Oberkörpers, braune, durchſcheinende, glatte Hornhöder oder Hornſpitzen (ſ. S. 373) tragenden Warzen; Ohrdrüſe ſtark hervortretend, 2 bis 3 mal fo lang als breit, im Ganzen halbmondförmig, am ſchwärzlichen Außenrand ſteil abfallend, mit dem hinteren, etwas nach auswärts gerichteten Ende bis zur Schultergegend reichend; Sehen der Hinterfüße unter einander mindeſtens durch halbe, oft faſt ganze Schwimmhäute verbunden; an den Gelenk— ſtellen der Sehenglieder auf der Unterſeite der Füße je 1 Paar rundliche Höckerchen (ſ. S. 374); ohne Hautlängsfalte am Lauf; Rücken braun, oder grau, oder oliven- farben, zuweilen mit dunkleren Flecken. Aeußere Erſcheinung. Der Körper der größten und bekannteſten einheimiſchen Kröte und überhaupt des größten europäiſchen Froſchlurches iſt breit und plump ge— baut, der Bauch ſtark aufgetrieben, der Kopf kurz, in der Regel breiter als lang, oberſeits platt und zwiſchen den Augen gewöhnlich ſchwach vertieft und hier bedeutend breiter als ein Augenlid, an den Seiten ſchwach nach unten und auswärts geneigt, die Schnauze kurz, hoch, entweder ſpitzer oder ſtumpfer zugerundet (var. acutirostris und obtusirostris), mit einem kleinen winkeligen Einſchnitt im Vorderrand des Oberkiefers, die Mundſpalte bis ziemlich weit hinters Auge reichend, die Zunge faſt bandförmig, nahezu doppelt ſo lang als breit und hinten vollkommen frei; eine Schallblaſe fehlt. Die Entfernung der rundlichen, kleinen Naſenlöcher von einander gleicht gewöhnlich 30 * Artkennzeichen. Körperbau. Haut. 468 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. der zwiſchen Naſenloch und gleichſeitigem Auge oder Oberkieferrand, während der Ab— ſtand der mittelgroßen, kugelförmigen, namentlich ſtark nach oben hin vortretenden Augen von einander auf dem Scheitel größer als die größte Breite des oberen Lides, zuweilen auch als der Durchmeſſer des Augapfels, und die Entfernung zwiſchen den Augenwinkeln kleiner als die Länge des inneren Fingers iſt. Die Pupille bildet ein Queroval, deſſen unterer Rand in der Mitte winkelig eingeknickt iſt, oder eine Art Dreieck mit unterem ſtumpfen Winkel, in der ſtärkſten Verengerung, alſo bei grellem Lichte, aber nur einen feinen Querſpalt. Hinterm Auge, unter dem vorderen Ende der Ohrdrüſenwulſt, liegt das runde, kleine, von der verdünnten, hier aber warzen— loſen äußeren Haut überzogene, wenig ſichtbare Trommelfell, ungefähr halb ſo groß wie das Auge. Die in der auf Seite 375 angegebenen Weiſe hervorgerufene Ohrdrüſe oder Parotis, welche die Oeffnungen der Drüſenſäcke auf ihrer Oberfläche in Geſtalt zahlreicher Poren zeigt, iſt ſchon oben gekennzeichnet worden, doch ſei noch erwähnt, daß der ſteile Außenrand faſt immer auffallend ſchwarz- oder dunkelbraun gefärbt iſt, daß ſie vom Hinterrande des Auges und vom Oberrande des Trommelfells durch einen deutlichen Zwiſchenraum geſchieden iſt und daß infolge der etwas nach auswärts gerichteten hinteren Spitze die Entfernung der rechten und linken Ohrdrüſe von einander bei erwachſenen Stücken hinten etwa 5 bis 15 mm mehr beträgt als am vorderen Ende (nur aus— nahmsweiſe find die Ohrdrüſenwülſte faſt geradeaus gerichtet). Die Vorderbeine ſind kräftig, ungefähr von Rumpflänge, die Finger, deren erſter dem zweiten — im Gegenſatz zu Bufo viridis — in der Länge gleicht, dick, ziemlich flach, auf ihrer Unterſeite an den Gelenkſtellen mit je einem Paar rundlicher Höckerchen verſehen, die jedoch während des Waſſer-Aufenthalts aufſchwellen und ſomit ineinander übergehen können; auch auf dem Handteller ſtehen zahlreiche Höckerchen, und am Hinterrande deſſelben tritt ein Paar großer Höcker hervor: ein länglich-eiförmiger, faſt kammartiger an der Wurzel des Daumens und nach innen zu neben demſelben ein noch größerer, kreisförmiger, ſchwach gewölbter (ſ. S. 466). Die Hinterbeine, nahezu von doppelter Länge der vorderen, erreichen nach vorn geſtreckt etwa mit der Spitze der 1. oder 2. Zehe die Schnauzenſpitze, ragen alſo mit der Spitze der längſten Zehe beträchtlich über die Schnauze hinaus; ihre Zehen ſind an der Spitze hornbraun und an den Gelenk— ſtellen mit Höckerchen ausgeſtattet wie die Finger, aber etwas flacher als dieſe und unter einander mindeſtens durch halbe, oft faſt ganze, derbe, am vorderen Rande ge— kerbte Schwimmhäute verbunden, welche mithin größer ſind als bei einer anderen Art, denn ſie reichen zur Fortpflanzungszeit bis zum letzten Gliede der vier kürzeren Zehen, während die längſte, d. i. die vierte Zehe allerdings an den drei vorderſten Gliedern nur mit einem Randſaum verſehen erſcheint. Von den beiden, ſehr entwickelten Höckern am Hinterrande des Fußballens iſt der an der Wurzel der Innenzehe ſtehende, die ſogenannte 6. Zehe (ſ. S. 374), ſtark leiſtenartig vorſpringend, länglich, vorn ab— gerundet und hier gewöhnlich auch dunkler (dunkelbraun) als hinten, der hinter der Außenzehe befindliche Höcker jedoch mehr rundlich und flach gewölbt. Die Haut zeichnet ſich durch Derbheit und durch Reichthum an Warzen, Horn— höckern und Drüſen aus. Die erſtere Eigenſchaft iſt, wie wir aus der Einleitung dieſes Abſchnittes wiſſen, die Folge der Einlagerung von Kalkkörperchen in der Lederhaut und zwar ſpeziell der des Oberkörpers, wodurch Bufo vulgaris nicht nur unter den einheimiſchen Amphibien, ſondern auch unter allen Bufonen eine ganz vereinzelte Stellung einnimmt, da ſelbſt die nächſtverwandten Arten keine kalkige Haut beſitzen. Mit Ausnahme des Trommelfells, der Kieferränder und der Schnauze iſt die Haut überall mit mehr oder weniger rundlichen, dicht ſtehenden Warzen beſetzt, von denen die der Unterſeite ſehr gedrängt ge— Fünfte Art. Graue Kröte. 469 ſtellt, flach, ziemlich klein und gleichartig ſind, während die des Oberkörpers größer, bis linſengroß, rundlich oder kegelförmig und meiſt ziemlich erhaben erſcheinen, ſodaß ee Autoren fie mit Pocken oder Blattern vergleichen und nach dem Vorgange Röſels das Thier die „blatterichte Landkröte“ nennen. Viele dieſer auf Seite 375 be— ſprochenen Warzen, insbeſondere die der Halsſeiten und des Rückens, weniger die der Kehl— und Bruſtgegend, tragen auf ihrem Scheitel einen braunen, glatten, oben entweder abge— rundeten oder mehr ſpitz ausgezogenen Hornhöcker bezw. Dorn, und manche Exemplare ſind an Rücken und Oberſeite der Beine geradezu ſtachelig (Var. spinosus), wogegen die Haut— warzen anderer Thiere kaum eine Spur von Hornhöcker beſitzen. Unabhängig von einander ſind Warzen und Drüſen inſofern, als manche der Bauchwarzen, wie Leydig gezeigt hat, ohne allen drüſigen Inhalt ſein können; im Allgemeinen jedoch bergen die Warzen der Bauchgegend in ihrem Innern eine größere oder mehrere mittelgroße Drüſen, und ebenſo umſchließen die großen Hautwarzen des Rückens eine entſprechend große Drüſe, deren Oeffnung in der Regel auf dem Gipfel der Warze bezw. des Hornhöckers, mitunter indeß ſeitwärts vom Hornhöcker liegt. Der großen, meiſt glatten Ohrdrüſenwulſt wurde ſchon gedacht; mäßig entwickelt iſt die Unterſchenkeldrüſe. Die Größe der Erdkröte iſt jetzt in unſeren Gegenden, wo das Thier nicht mehr ſo ungeſtört leben und mithin ſelten einmal ein ſo hohes Alter erreichen kann als früher, merklich zurückgegangen und erheblich geringer als bei Exemplaren Süd— Europas bezw. Süd-Italiens, denn dort erreichen ſie eine Länge von 14 bis 16, ja bis 20 em, während bei uns Stücke von 10 oder 11 em zu den ſeltenen Ausnahmen gehören. Von der Geſammtlänge entfällt ein Viertel auf den Kopf, welcher breiter als lang iſt; der Hinterfuß allein (von der Ferſe an bis zur Spitze der 4. Zehe) nimmt die Hälfte der Länge des ganzen Hintergliedes in Anſpruch, Unterſchenkel zu Hinterfuß verhält ſich etwa wie 2 zu 3. Es folgen hier die Maaße von drei Exemplaren, deren erſtes ein altes Männchen aus Ober-Italien, das dritte hingegen ein junges Thier ift. Geſammtlänge ) No. 1: 110 mm, No. 2: 75 mm, No. 3: 46 mm; größte Kopfbreite 40 bezw. 25 und 14 mm; Entfernung zwiſchen den Augen (Interocular-Raum) von Augenmitte zu Augenmitte 21 mm, 17 und 11 mm, zwiſchen den vorderen Augenwinkeln 12, bezw. 11 und 6,, mm; Länge der Ohrdrüſe 20 bezw. 15, und 9, mm; größte Breite derſelben 9 bezw. 5, und 3, mm; geringſte Entfernung der beiden Ohrdrüſen von einander vorn 22 bezw. 18 und 11 mm, hinten 39 bezw. 25 und 13 mm; Länge der Vordergliedmaße 70, 51, 31 mm; Länge der Hintergliedmaße 132, 97, 57 mm, des Hinterfußes allein 63, 47, 27 mm, des Unter— ſchenkels 38 bezw. 27 und 17 mm. Ueber die Färbung iſt wenig zu ſagen. Sie wechſelt nach Geſchlecht, Alter, Aufenthalt und Jahreszeit verhältnißmäßig unerheblich, jedenfalls in einem weit ge— ringeren Grade ab als z. B. bei den Molchen; doch wie dieſe ſchon durch die erſte Häutung im Frühjahr zu ihren Gunſten verändert werden, ſo bringt ſie auch den Kröten lebhaftere Töne in das triſtere Winterkleid u. ſ. f. Im Allgemeinen erſcheint die geſammte Oberſeite erwachſener Stücke in einem Graubraun bezw. in einem von der Aſchfarbe bis zum Schwärzlichen abändernden Grau oder in ſchmutzigem Oliven— grün, nicht ſelten mit dunklerem Rücken und heller getönten Seiten oder mehreren dunklen und lichten Längsfeldern, zuweilen mit ſchwärzlichen oder braunen Flecken und Streifen auf hellerem Grunde oder mit röthlich gefärbten Warzen, der Außen— *) Geſammtlänge, gemeſſen von der Schnauzenſpitze bis zum After; Hintergliedmaße, gemeſſen vom After bis zur Spitze der 4. Zehe; Vordergliedmaße, gemeſſen von der Schulter an bis zur Spitze des 3. Fingers. Größe. Färbung. Männchen. Weibchen. Abänderungen. Varietäten. 470 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. rand der Ohrdrüſe faſt durchweg mit einer tief dunkelbraunen Längsbinde. Die Unter— ſeite iſt ſtets heller als die obere, nämlich weißgrau oder gelbgrau, im Frühjahr gern mit röthlichem Anflug, beim Weibchen mit dunkelgrauen Flecken. Die Iris iſt orangeroth oder orangegelb bis goldgelb, hinten und vorn mit ſchwarzem Pigment, die untere Hälfte durch einen ſenkrechten ſchwarzen Strich in zwei Theile geſchieden. Das Männchen zeichnet ſich zur Fortpflanzungszeit aus durch eine ſchwarze, ſchwielen- oder feilenartig rauhe Hautwucherung an der nach dem Leib zu gelegenen Seite des Daumens (Daumenſchwiele, ſ. S. 376) und am inneren und oberen Rande der beiden nächſten Finger aus. Im Uebrigen iſt das Männchen, wovon man ſich namentlich zur Paarungszeit leicht überzeugen kann, kleiner und ſchmächtiger als das Weibchen, ſein Vorderarm dicker, fleiſchiger, der Oberarm etwas kürzer als der Vorderarm, die Gliedmaßen länger, die Hinterbeine ragen, nach vorn geſtreckt, um die ganze Fuß— länge über die Schnauzenſpitze hinaus; die Unterſeite (Bauch 2c.) it weißgrau, un— gefleckt, die Oberſeite gewöhnlich blei-, aſch- oder braungrau, mit einem Stich ins Olivengrüne, aber ohne den ausgeſprochen grünen Ton der Sturm'ſchen Abbildungen. Das Weibchen iſt größer, dickbäuchiger, plumper — bei trächtigen Exemplaren beträgt der Rumpfumfang zuweilen das doppelte der Geſammtlänge — mit dünnerem Vorderarm, ohne Daumenſchwiele, die Unterſeite auf weiß- oder gelblichgrauem Grunde dunkelgrau gefleckt oder marmorirt, die Oberſeite grau oder ſchwärzlich mit einem Stich ins Braune oder Rothe, ja bisweilen ausgeſprochen röthlich oder rothbraun wie die der jungen Thiere, der Oberarm erheblich, bei manchen Stücken um die Hälfte kürzer als der Vorderarm, die Beine kürzer als beim Männchen, ſodaß die nach vorn geſtreckten Hinterbeine höchſtens um einige Zehenglieder über die Schnauzen— ſpitze hinausragen, die Hornhöcker der Haut zahlreicher, Hand- und Fußballen, auch die Zehenſpitzen dunkler. Von den verſchiedenen Färbungen alter und junger Thiere, Schreiben ſich die Artnamen einereus (aſchgraue), ferruginosus (roſtfarbene), rubeta (rothe Kröte) her. Außer den von Geſchlecht, Alter und Jahreszeit bedingten Färbungs Verſchieden— heiten dieſer Kröte laſſen ſich auch bei einem und demſelben Thiere Farben- Ver— änderungen beobachten, welche auf die durch Wechſel der Temperatur, des Lichtes de. und ſomit durch das Nervenſyſtem beeinflußten beweglichen Farbzellen zurückzuführen ſind (ſ. S. 381), wennſchon dies nicht in ſo augenfälligem Grade ſich kund giebt als bei dem deshalb „Wechſelkröte“ genannten Buto viridis und beim Laubfroſch. Dunkel gefärbte Thiere können ſich bei Erregung, unter Einwirkung von Wärme und Sonnen— ſchein oder auch bei Südwind und warmem Regen aufhellen, hübſche röthliche, gelb— liche oder braune Farbentöne annehmen und namentlich die Warzenhöcker roth er— ſcheinen laſſen, während z. B. bei Naßkälte das röthliche und gelbliche Pigment der Haut ſich mehr zurückzieht und das dunkle ſich geltend macht, ſodaß die Thiere dann ſchwärzlich- oder dunkel graubraun ausſehen. Wenn derartige vergängliche Verſchieden— heiten der Färbung daher, wie in der Einleitung ſchon betont, nicht zur Aufſtellung von Varietäten dienen dürfen, ſo ſind hier doch einige auf abweichende Größe, Be— ſchaffenheit der Haut, Kopfbildung, Zeichnung gegründete Formen anzuführen. Var. spinosus, dornige Erdkröte, von Daudin 1803 als Bufo spinosus aufgeführt, von Cuvier ſpäter als Bufo palmarum beſchrieben und von Anderen unter letzterem Namen behandelt. Wie ſchon Bonaparte bemerkt, iſt der Bufo pal- marum nur ein ſtarker Bufo vulgaris, ausgezeichnet durch außerordentliche Größe (bis 21 em oder 8 Zoll), ungemein entwickelte Hornſpitzen oder Dornen auf den Hautwarzen, namentlich denen der Gliedmaßen und der Halsſeiten, und durch ſehr wulſtige Fünfte Art. Graue Kröte. 471 Ohrdrüſen. Im Süden von Italien und Spanien. Soll ſich am Tage gern unter den Wedeln der Zwergpalme aufhalten, daher der Artname „palmarum“. Dieſer Abart bezw. Lokalform ſchließt ſich die Var. asiatica (Steindachner) unmittelbar an, welche Steindachner in folgender Weiſe charakteriſirt: Warzen mehr oder minder zahlreich und groß, mit einem hornigen ſtachelähnlichen Ueberzug; Körperſeiten ſehr lebhaft ſchwarz marmorirt, Bauchſeite ſchwarz gefleckt, auch der Rücken gern netzförmig marmorirt, und die ſchwarze Binde am Außenrand der Ohrdrüſe ſetzt ſich gern bis zur Lendengegend fort — denn Steindachner bemerkt dazu Novara]: „Dieſe Varietät findet ſich übrigens auch im ſüdlichen Spanien; bei Murcia ſammelte ich im April viele große Exemplare mit Stacheln auf den Warzen“. Schließlich gehören hierher wohl auch die von Pallas als beſondere Art aufgeſtellte Rana verrucosissima und der von Eichwald in den Kaukaſusländern gefundene Bufo colchicus, der Cantor'ſche Bufo gargarizans und die japanische Form Bufo japonieus (Schlegel). Var. commutatus (Seenstr.) — Var. medius (C. Koch), mittlere Erd— kröte, von Steenſtrup i. J. vom Bufo vulgaris unter dem Namen Bufo commutatus abgezweigt; iſt jedoch als beſondere Art nicht aufrecht zu halten. Nach C. Koch [Wandl. S. 179], welcher dieſe Form bei Frankfurt a. M. beobachtete, unterſcheidet fie ſich von der Stammform durch Folgendes: Geſtalt ſchlanker; Stirnbein länger und ſchmäler; die Zehenſpitzen und die beiden großen Höcker am Hinterrande der Fuß— ſohle hellgrau; die Naſenlöcher liegen dem vorderen Augenwinkel näher als der Spitze der Oberlippe — bei der Stammform genau in der Mitte zwiſchen dieſen beiden Punkten —; die Entfernung zwiſchen den beiden Augenhügeln iſt kleiner als der längſte Durchmeſſer der Augen (bei der Stammform iſt beides gleichgroß); Färbung im Ganzen dunkler einförmiger grau. Von Steenſtrup an einigen Orten Dänemarks beobachtet. Zu dieſer mehr ſpitzſchnauzigen Form gehört wohl auch der Bufo vulgaris acutirostris Leſſona's aus Piemont. Die Rana rubeta Linné's und der Bufo alpinus Schinz' ſind jedenfalls junge Thiere. Die Larven der Erdkröte ſind nächſt denen der Kreuzkröte die kleinſten unter denen all' unſerer Froſchlurche; denn ſie verlaſſen als 4 bis 6 mm lange Dingerchen die Eihülle und erreichen während ihres nun beginnenden wochenlangen Freilebens nur eine größte Geſammtlänge von etwa 25 bis höchſtens 29, oft aber nur 18 oder 20 mm. Von dieſer Länge entfallen zwei Fünftel auf den Körper, bei dem der Kopf kaum oder überhaupt nicht vom Rumpf geſchieden iſt, und drei Fünftel auf den Schwanz, z. B. 10 zu 15 mm. Der letztere mißt bei ausgewachſenen Stücken in der Höhe 4 bis 5 mm, während die Hinterbeine dann 3, höchſtens 4 mm lang find. Der Floſſenſaum des Schwanzes geht nicht auf den Rücken über und iſt am hinteren Ende breit abgerundet. Das Kopf-Rumpfſtück erſcheint etwa eiförmig, die Kopfoberſeite Schnauze bogenförmig zugerundet, die Mundöffnung ſehr lang (fo lang wie die Breite des Interocular-Raumes), in den Winkeln mit ziemlich langen, bartfäden-ähn— lichen Papillen beſetzt, die wulſtartig vorſtehende Oberlippe nebſt der Unterlippe nach innen zu bezahnt, der Rücken flach gewölbt, der Bauch nach hinten zu etwas mehr aufgetrieben, das kleine Kiemenloch oder Spiraculum liegt links, vom Auge un— gefähr ebenſoweit entfernt als von der Anſatzſtelle des Hinterbeins, die ſehr lange, ſchlauchartige, in der Mitte hinter den Beinen ſich befindende Analröhre wird hinten vom Floſſenſaum begrenzt; die kleinen Augen liegen mehr ſeitlich als oben, die Naſen⸗ löcher viel näher den Augen als dem Lippenrand; die „Seitenlinie“ oder die in Längsreihen Larven. 472 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. geſtellten Hautdrüſen treten bei der Larve weniger hervor, bei den ganz jungen, noch mit Schwanzſtummel verſehenen Thieren laſſen ſie ſich ſchon mittelſt des unbewaffneten Auges unterſcheiden. Außer durch ihre Kleinheit zeichnen ſich die Larven unſeres größten Batrachiers durch eine in allen Entwicklungsſtufen gleichbleibende tief blau— oder ſammetſchwarze Färbung aus. Auf ſolchem Grunde treten an den Körper— ſeiten und an Bauch und Kehle, zuweilen auch an der Rückenpartie goldglänzende Punkte auf, die indeß keinen Einfluß auf die allgemeine Färbung gewinnen, überhaupt kaum wahrzunehmen ſind. Bemerklicher machen ſich feine dunkle, ſchwärzliche Sprenkeln auf dem durchſcheinend hellen Floſſenſaum des Schwanzes. Bei vierbeinigen Larven kann ſich der Grundton zu Braun aufhellen. Junge. Auch die jungen Kröten, welche nach Abſchluß der Verwandlung als vier— beinige, plumpe, winzige Geſchöpfchen das Waſſer verlaſſen, zeigen eine dunkel grau— braune oder ſchwarzgraue Oberſeite bei heller gefärbten unteren Partien und Glied— maßen. Dieſes Graubraun oder Schwarzgrau ſetzt ſich aber bald, noch im Laufe des Sommers, in eine Lehm- oder Lederfarbe, ein Kupfer- oder Rothbraun, Roſt— roth oder Roſtgelb um, welches ſich gewöhnlich bis ins zweite oder ſelbſt ins dritte Lebensjahr, ja beim Weibchen gern noch länger und ſogar dauernd erhält. Solche junge, ein- oder zweijährige rothe Erdkröten, die oberſeits entweder einfarbig roth oder auf derartigem Grunde mit Andeutungen von Flecken verſehen ſind, hat man früher als eine beſondere Art angeſehen und beſchrieben, ſo Linns als Rana rubeta. Vielleicht gehört auch der „dichtwarzige“ Bufo roseus Merrem's [Syſtem S. 183] hierher; denn nicht nur, daß zuweilen bei jüngeren Thieren die früher erwähnten hornigen höcker- oder ſtachelartigen Oberhautgebilde ſtärker entwickelt ſind als ſpäter, bei einjährigen Exemplaren zeigt die Spitze der Hautwarzen auch ein rojenrothes Pigment, mit dem auch die auf den Ohrdrüſen ſitzenden Wärzchen geziert ſind, und unter ſtarker Einwirkung von Wärme und Sonnenſchein werden die an ſich ſchwach röthlichen Hauthöcker ganz lebhaft roth. Bei Männchen verlieren ſich, wie erwähnt, in unſeren Gegenden die rothen Farbentöne eher, in den Alpen und ſüdlich derſelben mag dies bei beiden Geſchlechtern geſchehen; die von Schinz nach einem von Pro— feſſor Heer auf der Mühlebach-Alp im Kanton Glarus in einer Höhe von 6200 Fuß gefundenen Exemplar als eigene Art (Alpenkröte, Bufo alpinus) aufgeſtellte und be— ſchriebene Kröte iſt, was auch Tſchudi auf Seite 138 (Anmerkg.) der Schinz'ſchen Fauna helvetica betont, nur ein junger, 1 Zoll 3 Linien oder 32 mm langer, etwas dunkel gefärbter Bufo vulgaris. Die Länge der ſoeben entwickelten Krötchen, gemeſſen von der Schnauzenſpitze bis zum After, beträgt durchſchnittlich 10 oder 12 mm. Näheres über die Entwicklung wolle man weiterhin nachleſen. Verbreit. - Grenzen. Geographiſche Verbreitung. Die Erdkröte iſt gleich dem braunen Gras- und dem Laubfroſch ein Allerweltsbürger und übertrifft in der Weite des Verbreitungs— gebietes noch den Grasfroſch, da ſie im Gegenſatz zu letzterem auch in ganz Süd— europa und noch an der Südweſtküſte des Mittelmeeres in Nordweſt-Afrika lebt, ſodaß ſich ihr in dieſer Beziehung nur der Laubfroſch an die Seite ſtellen kann. Im Norden geht ſie bis zum 65. Grad n. Br. (Archangel), im Süden bis zum 30. Grad (Schanghai, Ningpo, Tſchuſan), im Weſten bis zum 9. (Galicien und Portugal) und im Oſten bis zum 160. Ferrograd (Japan), ſie bewohnt mithin ein zwiſchen 35 Breiten- und 151 Längengraden ſich ausdehnendes Gebiet. Mit Ausnahme des höchſten Nordens ſowie Irlands und einiger Mittelmeer-Inſeln: Balearen, Korſika, Sardinien, ägäiſche Inſeln, kommt die Erdkröte in ganz Europa, außerdem in Marokko und Algerien, ferner in Vorder- und Mittel-Aſien und in Japan vor. Verfolgen wir die Pr 3 Fünfte Art. Graue Kröte. 473 Nordgrenze der Verbreitung, ſo beginnt dieſelbe im ſüdlichen Schottland (Inſel Arran) etwa auf dem 56. Breitengrad, liegt in Dänemark an deſſen nördlichſter Spitze bei Skagen auf 57°/,°, hebt ſich in Skandinavien, wie ein durch Prof. v. Martens dem Berliner Zool. Muſeum überwieſenes Stück (Nr. 3412) von Bergen bezeugt, und ebenſo in den ruſſiſchen Oſtſee-Provinzen (Gouv. Petersburg) über den 60., im eigent— lichen Rußland, da laut Blaſius' „Reiſe“ Graf Keyſerling zwei Exemplare in der Nähe von Archangel fand, bis zum 65. Grad, um ſich muthmaßlich im Ruſſiſchen Aſien wieder bis etwa auf den 55. oder 50. Grad zu ſenken — wenigſtens kennen wir als nördlichſte Fundſtätte in jenem Gebiet durch die Finſch'ſche Reiſe (Nr. 9194 des Berl. Muf. von Alexandrowsk oberhalb Siranowsk im Thal der Buchtarma im Altai) bezw. die Peters'ſchen Mittheilungen das Altai-Gebirge. In entſprechender Weiſe wie die Nordgrenze in Aſien um mehrere Grade tiefer liegt als in Europa, iſt es auch mit der Südgrenze. Dieſe iſt im weſtlichen Theile des Verbreitungskreiſes, alſo in Nordweit-Afrifa (el Araiſch oder Laraſch an der Weſtküſte Marokko's Camerano, Anuri d. Marocco]) und ebenſo auf Cypern durch den 35. Grad n. Br. gegeben, fällt jedoch in Aſien auf den 27. bis 30. Grad, denn Bufo vulgaris iſt, wie Nr. 4581 des Berl. Zool. Muf. beweiſt, im Himalaya), und laut Boulenger, Lataſte [Chine] und Steindachner [Novara] bei Ningpo, Schanghai und auf der Inſel Tſchuſan ſüdöſtlich von Schanghai beobachtet und geſammelt worden. Ob die Erdkröte im japaniſchen Reich, welches ihre Verbreitung im Oſten abſchließt, auch ſoweit ſüdwärts geht, iſt wahrſcheinlich, da Prof. v. Martens ſie von Nangaſaki auf der Südinſel Kiuſiu meldet; außerdem fand derſelbe Autor 1860 die Art in Yokohama und Dr. Hilgendorf fie bei Yedo auf Nipon, v. Möllendorf in dem chineſiſchen Küſtenſtrich bei Peking [Berl. Muſ.]. Als weſtlichſte Fundorte kennen wir el Araiſch an der marokkaniſchen Weſtküſte (11 Grad 6. v. F.), ſodann in Portugal auf 9 oder 9°), Ferrograd durch v. Maltzan Silves in Algarve [Berl. Muf.], durch J. v. Bedriaga Monchique und Coimbra, Boulenger Porto, Sequeira Penafiel, Böttger-Simroth Braga und die Serra de Gerez; im nordweſtlichſten Spanien, d. h. Galicien, durch Sevane, Bosca und Boulenger's „Catalogue“ Tuy, Santiago, Corunna, Ferrol, Lugo, Mondonedo, Vivero. In Frankreich und England weicht mit den natürlichen Landes— grenzen auch die Verbreitungsgrenze der Kröte um einige Längengrade oſtwärts zurück bis auf den 12. bis 14. Ferrograd. Innerhalb der beſprochenen, ein außerordentlich weites Gebiet einſchließenden eee Linien ſcheint die Erdkröte faſt gleichmäßig verbreitet zu ſein, denn ſie bewohnt Ebene, Hügel⸗ und Bergland und ſcheut auch vor dem Hochgebirge nicht zurück. In Deutſch— land dürfte ſie, den vorliegenden Mittheilungen nach, keinem Landſtrich fehlen. Und da ſie nicht nur allgemein verbreitet, ſondern auch faſt allenthalben zu den ge— wöhnlichſten Erſcheinungen gehört, jo wird es überflüſſig ſein, im Einzelnen Fundorte anzuführen. Nur das möge erwähnt fein, daß fie wie auf der Oſtſee-Inſel Rügen jo laut Borcherding auch auf den frieſiſchen Inſeln Wangeroog, Spiekeroog, Norderney, Juiſt, Borkum vorkommt. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Gleich den meiſten ihrer Verwandten, iſt Wesen die Erdkröte eine Bewohnerin des Flach- und Hügellandes, wenngleich nicht in dem ausge— ſprochenen Maße wie der an die an Teichen und Flußausbuchtungen, Sümpfen und Seen reichen Niederungen und an die Waſſerflächen des Hügellandes gebundene Teich— *) Im II. Bande von Schlagintweit's Reiſen in Hochaſien (1872) wird die Erdkröte als von Siktim bis Balti verbreitet angegeben, ſie findet ſich dort alſo wie die Wechſelkröte auch in angloindiſchen Strichen. Winterſchlaf. 474 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. froſch, denn ſie geht auch höher im Gebirge hinauf und kommt in den Alpen, wie wir geſehen, noch in einer Höhe von 2000 m, im Berner Oberland beiſpielsweiſe 2100 m und laut Gredler in Tirol bis zu 5000 Fuß (1600 m), ja laut Schlag- intweit in Hochaſien ſogar in einer Höhe von 9000 bis 10000 engl. Fuß — 3000 m überm Meeresſpiegel vor. Nach beendeter Laichzeit, der Periode ihres Waſſer-Aufenthalts, verweilt ſie faſt ausſchließlich auf dem Lande, aber ſtets müſſen ihre Schlupfwinkel ſchattig und feucht ſein: als Nachtthier hält ſie ſich am Tage verborgen an dunklen Orten des Waldes, Feldes und Gartens, der Flur und Wieſe, in ſelbſtgegrabenen Höhlungen, nuter Gewurzel und Gerank, in Gebüſch und Hecken, unter Baumſtumpfen oder flachen Steinen, in altem Mauerwerk oder Grotten, auch in Kellern oder ſelbſt unter den Futtertrögen der Viehſtälle. Gern verbirgt ſie ſich unter breitblätterigen, den Boden bedeckenden Kräutern und Stauden, wobei ſie für ſtark riechende, ſtinkende Pflanzen (Salbei, Schierling) eine beſondere Vorliebe zeigen ſoll!“) Fehlen ihr natürliche Verſtecke, ſo gräbt ſie mehr oder weniger tiefe Höhlen, welche entweder aus einer ſchräg oder ziemlich ſenkrecht von oben nach unten oder aber in einer am Fuße von Erhöhungen wagerecht in Sand und lockeres Erdreich geführten, 20 bis 50 em langen Röhre beſtehen, aber keinesfalls in langen oder verzweigten Gängen, wie ſie von Maulwürfen, Mäuſen und Maulwurfsgrillen angelegt werden und dem Pflanzenwuchs nachtheilig ſein können. Das Aſyl wird in der Regel ſtändig benutzt, indem die Kröte, nachdem ſie es gegen Abend verlaſſen, mit der Morgendämmerung daſſelbe wieder aufſucht. Am Tage zeigt ſie ſich nur an tiefſchattigen Plätzen und bei regneriſchem oder feucht— warmem (gewitterſchwülem) Wetter außerhalb ihres Unterſchlupfes; ebenſo bleibt ſie bei kaltem Winde oder trocknem Wetter überhaupt verborgen, während uns in thau— feuchten Nächten und an warmen Sommerabenden, namentlich nach einem leichten Regen, an und auf Wegen und Rainen förmliche Mengen junger und alter Kröten begegnen. Wie bei allen Batrachiern, ſo iſt auch bei dem Lork das Waſſerbedürfniß der äußeren Haut ein ſehr großes (S. 405): Wennſchon er nach beendeter Laichzeit das Waſſer verläßt und zum Landbewohner wird, ſo ſucht er doch bei ſeinem ausge— ſprochenen Feuchtigkeits- Bedürfniß, das man auch an gefangen gehaltenen Exemplaren recht beobachten kann, während des Sommers von Zeit zu Zeit noch einmal ein Ge— wäſſer auf, um ſtill am Grunde hockend ein Bad zu nehmen. Doch meiden die Kröten, im Gegenſatz zu den Fröſchen, die Sonne und das Licht, ſie geben alſo einer niedrigen Tempe— ratur den Vorzug, nur darf eben dabei die Witterung nicht ſcharf-trocken, der Wind nicht ſcharf-kalt fein. Dies läßt ſich auch im Herbſt beobachten: je nach der Witterung bezieht die Erdkröte im September oder Oktober ihr Winterquartier in Schlamm, Erdhöhlen, Steinhalden, unter Mauern und Baumwurzeln ꝛc., und zwar thun dies alte Thiere eher als junge. Denn erwachſene Stücke verkriechen ſich gewöhnlich ſchon gegen Mitte Sep— tember, um ſich allerdings zunächſt ab und zu noch zu zeigen, aber von Ende Sep— tember oder Anfang Oktober ab in den wohlgeſchützten Verſtecken bis zum März hin völlig zu verſchwinden; junge Thiere indeß treiben ſich wohl bis in den Spätherbſt, Ende Oktober und Anfang November, hinein des Abends und Nachts auf Wald— wegen, Buſchpfaden und ähnlichen Oertlichkeiten herum und machen ſich, wennſchon ſie am Tage meiſtens unter flachen Steinen, und zwar gern geſellſchaftlich zuſammen gekauert, ſich aufhalten, unter günſtigen Umſtänden häufig auch des Vor- und Nach— mittags im Freien bemerklich, um erſt dann, unangenehm berührt von trockner Kälte Dies iſt jedenfalls auch eine der von ehedem her weiter geſchleppten irrthümlichen Anſchau— ungen, nur etwas abgeſchwächt, denn nach Angabe der alten Schriftſteller meinte man früher ſogar, daß die Erdkröte neben Gewürm 2c. auch das Kraut von der Salbei und vorzüglich dis Schierlings freſſe! Fünfte Art. Graue Kröte. 475 bezw. Froſt, ſcharfem Wind oder gar dem erſten Schnee, zum monatelangen Winter— ſchlaf, über welchen wir auf Seite 406 ſprachen, unter die Erde ſich zurückzuziehen. In normalen Frühjahren verläßt die Erdkröte ihre Winterherberge im März, um alsdann ihr Sommerleben zu beginnen und vorerſt zur Fortpflanzung zu ſchreiten. Es kann allerdings vorkommen, daß ein außerge— wöhnlich milder Winter das eine oder andere Exemplar ſchon im Januar oder Februar hervorlockt, allein das Waſſer wird deshalb doch nicht aufgeſucht. Wenn bei uns Ende März oder Anfang April der braune Grasfroſch, welcher unter den heimischen Froſchlurchen am früheſten im Jahre laicht, ſein Fortpflanzungsgeſchäft beendet, ſo ſtellt ſich zu dem gleichen Zwecke die Erdkröte in Gräben und tiefen Stellen überſchwemmter Wieſen, in Teichen und Weihern ein. Befindet ſich in einer Gegend nur ein derartiges ſtillſtehendes Gewäſſer, ſo dient dieſes zum Verſammlungs- und Laichplatz für alle im Umkreiſe wohnenden Erdkröten ), denn zur Paarungszeit leben ſie geſellig; alle wandern, von Paarungsluſt getrieben, demſelben zu, oft finden ſich die Pärchen ſchon unterwegs, das kleinere Männchen beſteigt den breiten Rücken des erwählten Weibchens und läßt ſich von dieſem nach dem Waſſer tragen — falls nicht beide auf dem Wege dahin durch Kinder oder afterweiſe Erwachſene erſchlagen werden. Bei dem Wandern, und ebenſo ſpäter im Waſſer, ſtemmen die Männchen ihre Vorder— füße ſo feſt in die Achſelhöhlen der Weibchen, daß es eines ziemlichen Kraftaufwandes bedarf, um die beiden Thiere von einander zu trennen. Man kann, wie Hr. G. de Roſſi bemerkt, ein Männchen lange Zeit an einem Beine in der Luft ſchweben laſſen, ohne daß es ihm einfällt, das Weibchen loszulaſſen, obgleich letzteres heftige An— ſtrengungen macht, um dieſer unangenehmen Lage zu entrinnen; und trennt man ein Paar mit Gewalt, und ſetzt dann die Thiere nahe bei einander auf die Erde, ſo eilt das „heißblütige“ Männchen ſofort wieder ſeinem alten Sitze zu und klammert ſich feſt. So können in einem Gewäſſer Hunderte von Paaren vereint ſein, ohne daß ſie ſich dermaßen bemerklich machen wie ſpäter eine vielleicht weit geringere Anzahl von Kreuzkröten, Waſſer- oder Laubfröſchen, welche mit ihrem Geſchrei die Luft erfüllen, da die männlichen Erdkröten nur ein verhältnißmäßig leiſes, kurz abgebrochenes dumpfes öng, öng, öng und die Weibchen von Zeit zu Zeit einen tiefen und knarren den oder grunzenden Ton hören laſſen. Jedes der gepaarten Männchen iſt beſtrebt, den Genuß und Sinnesrauſch, welchen ihm die brünſtige Umarmung gewährt, zu einem ungetrübten zu machen und deshalb jede Störung abzuwenden: gegen körperlichen Schmerz iſt es jetzt unempfindlich, durch einen ſich nahenden Nebenbuhler aber wird ſeine Eiferſucht, ſein Zorn erregt, und durch Stöße mit den Hinterbeinen ſucht es dieſen von dem Weibchen fern zuhalten — aber nicht immer mit Glück, zuweilen ſogar kommen Nebenbuhler und? zaar um. Da nämlich die Zahl der Männchen eine weit größere iſt als die der Weibchen, ſo klammert ſich in einem ſtark bevölkerten Gewäſſer manches der überzähligen Männchen an ein bereits vereintes Paar, in der Abſicht, den begünſtigten Liebhaber zu verdrängen, neue Exemplare dieſer Unbeweibten ſchwimmen herzu und heften ſich gleichfalls an das Paar, es bildet ſich ſomit ein feſt aneinander geballter Klumpen, in welchem, wenn auch nicht jedesmal, das unglückliche Paar und einige oder alle Nebenbuhler durch Ertrinken den Tod finden. Herr G. de Roſſi in Neviges hat mehrfach ſolche Fälle in dem nördlich von Neviges gelegenen Hardenberger Schloßteich beobachtet, Herr Poſtſekretär Lahn in Eſſen hat ihm die gleiche Erfahrung mitgetheilt, und ich vermag ) Die Beſchreibung eines derartigen Maſſen-Laichplatzes, der große Weiher unweit des Kloſters Roggenburg im bayeriſchen Schwaben, iſt ſelbſt in dem Geographiſch-Statiſtiſch-Topographiſchen Lexikon Schwabens vom Jahre 1791 zu finden. Paarung. Latchen. Laich Eulwicklung. 476 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. die Richtigkeit der Thatſache zu beſtätigen, indem ich im ſog. Schäferteich in meiner Heimat Erdmannsdorf i. S. ebenfalls einen derartigen „todten Klumpen“ fand. Es kann auch geſchehen, daß dies oder jenes unbeweibte Männchen in ſeiner Aufregung auf einem bereits todten Exemplar, oder auf einem anderen Lurch, ja ſelbſt auf einem Fiſch ſich feſtſetzt, oder daß es ein ſchon von ſeinem Männchen verlaſſenes, ab— gelaichtes Weibchen beſteigt. Uebrigens dulden ſolche abgelaichten Weibchen eine fernere Begattung „mit ſichtlichem Behagen“, ſie ſcheinen ſogar, wie ſchon der alte Röſel, Profeſſor Bruch u. A. beobachteten, dazu aufzufordern; und wie mitunter die männlichen Erdkröten mit Weibchen anderer Arten, z. B. Bufo viridis und calamita, ſich begatten, ſo gehen auch umgekehrt die weiblichen Erdkröten mit Männchen ver— wandter Spezies und Gattungen Paarungen ein, die gleichfalls zum Ablaichen führen. So bemerkte Brüggemann Ende April 1873 in einem Graben der Bremer Gegend eine große weibliche Erdkröte, welche gleichzeitig von zwei männlichen Knoblauchskröten (eine oben, die andere unten) begattet wurde und fortgeſetzt ihre Eierſchnur von ſich ließ. Natürlich kann von einer Entwicklung ſolchen Leiches und dadurch etwa er— zeugter Baſtarde zwiſchen derart weit auseinander ſtehenden Spez ies nicht die Rede ſein; überhaupt muß man ſich der auf Seite 398 berührten Frage der Baſtardformen gegenüber, obwohl manche im Freien vorkommende Bildungen als ſolche angeſprochen werden könnten, kühl verhalten. Je nach der Witterung und anderen Umſtänden bleiben die einzelnen Paare im Waſſer einen oder mehr Tage, zuweilen ſogar zwei bis drei Wochen vereint, ehe die Abgabe des Laiches beginnt. Dieſer wird, wie bei allen echten Kröten, von dem Weibchen in zwei Schnüren herausgepreßt, von dem Mäunchen, welches durch Taſten und Schlagen mit den Zehen bezw. der Hand das Weibchen zu reizen und anzuſpornen ſuchte, ſogleich befruchtet und durch das hin- und herrudernde Paar loſe um Waſſerpflanzen, Reiſer, Steinblöcke und dergl. gewickelt und auf dieſe Weiſe unter der Waſſerfläche feſtgehalten, wobei es als ſelbſtverſtändlich erſcheint, daß in ſtark beſuchten Gewäſſern die Laichſchnüre der verſchiedenen Paare unter ſich und mit den Pflanzen ꝛc. oft zu wirrem Knäuel ſich verſtricken. Da die Schnüre nicht ununterbrochen, ſondern abſatzweiſe heraus— treten, ſo dauert das Laichgeſchäft an und für ſich ſtundenlang. Zuweilen wird das Weibchen vom Männchen verlaſſen, ehe noch das letzte Stück abgegeben worden, ſodaß dieſes dann unbefruchtet bleibt; in der Regel jedoch trennen ſich die Geſchlechter erſt nach vollſtändigem Ablaichen, um darauf das Waſſer zu verlaſſen und unter dem Schutz der Dämmerung in „die Beſchaulichkeit der heimiſchen Wälder und Gründe“ ſich zurückzuziehen, wo die ohnehin noch vom Winterſchlaf her geſchwächten und daher nun doppelt abgeſpannten Thiere ſich allgemach erholen. In den aus zäher, kryſtallheller Gallerte gebildeten Laichſchnüren, welche an— fänglich 3 oder 4 mm dick find, bald aber durch Aufquellen den doppelten Durch— meſſer und die Dicke eines ſtarken Bleiſtifts, mitunter die des kleinen Fingers, erreichen und eine Länge von mehreren, drei bis fünf ja ſelbſt bis zehn Metern haben, liegen einige Tauſend ſehr kleine, etwa 1 (bis 2) mm im Durchmeſſer haltende braunſchwarze, mit kleinem weißlichen Dotterfleck verſehene Laichkörner oder Eier, angeordnet in zwei abwechſelnden Längsreihen, alſo in einer Zickzacklinie, eins vom andern ½ bis 1 mm entfernt. Alsbald beginnt die Entwicklung derſelben; immerhin aber verſtreicht vom Ablegen der Eier bis zur abgeſchloſſenen Entwicklung der jungen Thiere unter normalen Orts-, Witterungs- und Nahrungs- Verhältniſſen ein Zeitraum von 12 oder 13 Wochen (drei Monat), ſodaß die aus dem in den erſten Tagen des April abgelegten Laich gezeitigten fertigen Krötchen Ende Juni oder Anfang Juli das Waſſer verlaſſen. Fünfte Art. Graue Kröte. 477 Schon am 2. und 3. Tage nach dem Laichen haben ſich die Eier merklich vergrößert, etwa vom 5. Tage an werden ſie länglicher, am 8. Tage find fie ungefähr 4 mm lang und die dunklen Embryonen ſchimmern durch die glasartigen Eihüllen in der aufgequollenen Gallertmaſſe, am 10. und 11. bemerkt man Leben in den Eihüllen, die 5 oder 6 mm langen ſchwarzen, kurzgeſchwänzten Larven (vergl. S. 471), an welchen weder die Mundöffnung durchgebrochen noch die Augen und die erſten Spuren der äußeren Kiemen zu ſehen ſind, verlaſſen die aufgelöſte Eihaut und hängen ſich mittelſt Haftvorrichtung (ſ. S. 394) an die Laichgallerte, bald auch an Stengel oder Blätter; am 15. Tage ſind ſie 8 oder 9 mm lang, geſtreckt, Kopf, Leib und der zarte Ruder— ſchwanz laſſen ſich, ebenſo wie die Kiemenbüſchel“) und die kleinen ſchwarzen Augen— punkte, ſchon deutlich unterſcheiden, dagegen die Haftorgane nicht mehr bemerken, ſie verlaſſen jetzt bereits die Laichplätze und ſegeln namentlich bei Sonnenſchein in großen Schaaren durch das Gewäſſer, während ſie an trüben Tagen in Mengen an den leichten Stellen deſſelben ſich zuſammendrängen. Am 18. oder 20. Tage haben ſie meinen Beobachtungen nach eine Länge von 10—11 mm erreicht, die äußeren Kiemen— anhänge wieder verloren und einen zum Benagen von Nahrungsſtoffen dienenden Hornſchnabel ausgebildet; mit 4 Wochen find fie etwa 14 mm, mit 8 Wochen, wenn etwa gleichalte Larven der Knoblauchskröte ſchon eine Länge von 60 —90 mm erlangt haben, 24 oder 25 mm lang. Nun wachſen ſie entweder gar nicht mehr oder nur noch um einige Millimeter, ſodaß ſie, wie auf Seite 471 beſprochen, höchſtens eine Länge von 28 bis 29 mm erreichen. Der Durchbruch der Hinterbeine (Seite 418) geſchieht mit etwa 9 Wochen, mit 10 oder 11 Wochen ſind dieſelben 6 bis 10 mm, die noch hornſchnäbeligen Quappen ſelbſt 25 bis 29 mm (Körper 12 bis 13, Schwanz 12 bis 17 mm) lang; mit 11 oder 12 Wochen iſt der Schwanz noch etwa 10 mm lang, die Vorder— beine brechen durch, der Hornſchnabel wird durch das wirkliche Maul erſetzt; mit 13 Wochen iſt der Schwanz ganz oder doch bis auf einen kleinen Stumpf eingeſchrumpft, die Hintergliedmaßen ſind etwa 15, die vorderen 7 mm lang, die Krötchen verlaſſen als 8 bis 13 mm lange ſchwärzliche Thierchen das Waſſer, um wenigſtens zunächſt noch eine Zeit lang geſellſchaftlich in der Umgebung des Laichplatzes zu verweilen. Bietet dieſe feuchte, ſchattige Oertlichkeiten, wie es bei Parkweihern, hier in Berlin z. B. im Thiergarten, der Fall iſt, ſo wimmelt es in der näheren und weiteren Um— gebung des Gewäſſers auf Grasflächen, Wegen, unter Gebüſch an warmen Abenden und bei regneriſcher Witterung auch am Tage von jungen, munter hüpfenden und kriechenden Krötchen; im anderen Falle wandern dieſelben zu Hunderten und Tauſen— den über Weg und Flur nach einem weiterhin ſich erſtreckenden Wald, Hain oder Park, dem Aufenthat ihrer Eltern, und ſolch' plötzliches Erſcheinen ungezählter Thiere nach eingetretenem Regenwetter mag die Fabel vom „Froſchregen“ hervorgerufen haben. Die jungen Kröten führen nun die Lebensweiſe der Alten, ohne daß ſie ſich gegenſeitig um einander kümmern. Im Spätherbſt, wenn ſie ſich zum Winterſchlaf zurückziehen, haben ſie das Doppelte der urſprünglichen Größe, alſo eine Länge von 16 bis 24, auch wohl 30 mm erreicht und eine röthliche oder braune Färbung an— genommen, wie auf Seite 472 beſprochen wurde. Einjährige Thiere ſind 30 bis 35, zweijährige etwa 45 mm lang, mit vier Jahren (alſo z. B. 1888 geborene Kröten im ) Die beträchtliche Größe, welche der alte Röſel den Kiemen-Aeſten giebt, mußte, da die Erdkröte dadurch weſentlich von den anderen beiden Bufo-Arten ſich unterſcheiden und den echten Fröſchen nahe ſtehen würde, ſpäteren Forſchern zunächſt auffallen, bis ſie ſich von der Richtigkeit der Röſel'ſchen Angabe überzeugten; jo auch Prof. Bruch [Neue Beob. S. 132], welcher zugleich die Beobachtung machte, daß die äußeren Kiemen lediglich als Sproſſen und Schlingenbildungen der inneren Kiemengefäße entſtehen. Wachsthum. Ernährung. 478 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Frühjahr 1892) find ſie geſchlechtsreif und dann je nach dem Geſchlecht 60 bis SO mm lang, womit ihr Wachsthum noch nicht abgeſchloſſen iſt. Daß die Erdkröte im wärmeren Klima raſcher wächſt als in kälteren Strichen, bedarf kaum der beſonderen Hervorhebung. Sind doch ſchon bei uns wärmere Frühjahre und Sommer der Ent— wicklung weit günſtiger als rauhere; und wenn unter normalen Verhältniſſen die Ausbildung bezw. Metamorphoſe der Jungen bei uns Ende Juni oder Anfang Juli beendet iſt, ſo haben in warmen, zeitigen Frühjahren die fertigen Krötchen ſchon Aufang Juni das Waſſer verlaſſen und Anfang Auguſt bereits die doppelte Größe erreicht, während anderſeits bei rauher Witterung, Mangel an Sonnenſchein und Wärme und dadurch bedingter ungenügender Ernährung die Ausbildung der Krötchen, nachdem die Larven wohl erſt am 20. Tage oder noch ſpäter nach dem Laichen die Eihäute verlaſſen, bis in den September hinein ſich verzögern (vergl. S. 395) und ihre Länge dann erſt 7 bis 8 oder 10 mm betragen kann. Im Allgemeinen ſchreitet die Metamorphoſe bei den Larven einer Brutperiode recht gleichmäßig fort, ſodaß die Jungkröten gewöhnlich binnen wenig Tagen insgeſammt dem Waſſer entſteigen können; für die Wechſel- und die Kreuzkröte trifft das in geringerem Grade zu. Wenn übrigens Röſel die Lebensdauer der Kröte auf 15 Jahre veranſchlagt, ſo greift er wohl zu niedrig, mindeſtens ſprechen einige mir bekannte Beiſpiele gegen dieſe Annahme. Ueber das Sommerleben der jungen und alten Kröten iſt nach dem bereits Mitgetheilten wenig mehr zu berichten. Die in der Regel allnächtlich unternommenen Wanderungen geſtalten ſich zu Raubzügen gegen Regenwürmer, Spinnen, Aſſeln, Nacktſchnecken, Raupen und Nacht-Inſekten. Unter den Kerfen ſchließt die graue Kröte nur Schmetterlinge aus, von allen Beutethieren aber ſcheint ſie, wenigſtens meinen Beobachtungen nach, Regenwürmern immer den Vorzug zu geben. Todte Thiere verſchmäht ſie. Auf dieſen nächtlichen Streifereien, welche bei der bekannten Gefräßigkeit der Erdkröte den berührten Oertlichkeiten von großem Vortheil ſind!), kommt, trotzdem ſich die Wanderungen auf ein verhältnißmäßig eng begrenztes Gebiet beſchränken, gar mancher der unbeholfenen Lurche zu Schaden: der eine wird todt getreten, der andere am Meeresſtrande durch den Wellenſchlag überraſcht und von den ſalzigen Wogen erſäuft, ein dritter fällt in einen tiefen Brunnen oder Schacht hinab, um hier entweder auch ertrinken oder doch nur kümmerlich von dem gleich— falls hinabfallenden Kleingethier ſein Daſein friſten zu müſſen, u. ſ. f. Nimmt eine Kröte von ihrem Verſteck, ihrem Standort aus in einiger Entfernung ein Beuteſtück wahr, ſo beginnen ihre Augen ſich zu beleben, ſie richtet ſich höher empor, ſpannt, läuft mit verhältnißmäßig bedeutender Geſchwindigkeit darauf zu, hält „in Schußlinie“ inne, „ſteht“, um bedächtig die Diſtanz gewiſſermaßen abzumeſſen, vor dem verfolgten Wild, zielt förmlich mit den Augen und ſchießt dann blitzſchnell die Zunge auf das— ſelbe; dann kauert ſie ſich wieder mehr nieder oder kriecht in geduckter Stellung vor— wärts, bis eine neue Beute ihre Aufmerkſamkeit erregt. Das Herausſchleudern der Zunge geſchieht mit einer auffallenden Beweglichkeit und Trefffähigkeit; aber ebenſo ſchnell wird ſie wieder zurückgezogen und damit das förmlich angeleimte Gewürm in den weit geöffneten Rachen geworfen, aus welchem es vermöge heftiger, von raſchem Schließen und Oeffnen der Augen begleiteten Schluckbewegung in den Magen befördert wird. Iſt der Biſſen ſehr lang, ſodaß er noch aus dem Maule heraushängt, ſo helfen der eine, oder abwechſelnd beide Vorderfüße mit, indem ſie durch einen kräftigen ) Engliſche und holländiſche Gärtner wiſſen das wohl zu ſchätzen und laſſen in Deutſchland Kröten auftaufen, um ſie in ihre Gärten zu ſetzen; auch für Waarenhäuſer wurden ſchon Kröten, zur Vertilgung der in ihnen hauſenden Kelleraſſeln (2) geſucht. Fünfte Art. Graue Kröte. 479 Stoß oder Schlag den noch außerhalb der hornigen Kiefern befindlichen Theil der Beute in den Mund zu bringen ſuchen, wobei zugleich die der letzteren etwa an haftenden Erdtheilchen und Sandkörner abgewiſcht werden; gar poſſirlich ſieht es namentlich aus, wenn eine kleine Kröte ſich minutenlang mit einer großen Fliege oder einem Wurm abmüht. Hatte die Zunge das erſte Mal ſehlgeſchoſſen, ſo wird ſie, falls die Beute ſich regt, ein zweites und drittes Mal vorgeſchnellt. Das Benehmen der Kröte bei Beobachtung und Verfolgung ihrer Nahrungsthiere, der Umſtand, daß ſie unter den vor ihr befindlichen Kerfen Unterſchiede wohl zu machen und nach beendigter Wanderung den alten Schlupfwinkel wieder aufzufinden weiß, die ebenfalls bereits mitgetheilte Thatſache, daß ſie zur Paarungszeit „merk— würdige Beſtrebungen, die Nebenbuhler zu verdrängen“, erkennen läßt, rechtfertigen den Schluß, daß unſer Lork hinſichtlich der geiſtigen Fähigkeiten und Eigenſchaften keinenfalls die ihm von verſtändnißloſen Gelehrten und Ungelehrten angewieſene niedrige Stufe einnimmt, wenngleich ſie nicht beanſpruchen kann, für ein hoch beanlagtes Ge ſchöpf gehalten zu werden. Andere, auf Seite 408 und 409 ſchon angedeutete Züge aus ihrem Leben und Gebahren unterſtützen jenen Schluß: ſie verſteht ſich in ver— änderte Verhältniſſe zu ſchicken, ihre Gewohnheiten dieſen anzupaſſen; ſie macht keine fortgeſetzten vergeblichen Entrinnungsverſuche, ſie giebt, wenn ſie regelmäßig am Tage gefüttert wird, ihre nächtliche Lebensweiſe auf, ſie lernt bald den Pfleger erkennen und von anderen Perſonen unterſcheiden, ſie merkt ſich mit der Zeit den ihr bei— gelegten Namen („Hans“, „Krott“) und kommt auf dieſen Ruf herbei, ſie läßt ſich dann anfaſſen und ſtreicheln ohne von ihrer Wehr, der ſcharfen Drüſen-Abſonderung, Gebrauch zu machen, ſie zeigt ſich ſomit ihrem Pfleger für die erwieſenen Gutthaten gewiſſermaßen dankbar; ſie weiß ebenſo unter den ihr vorkommenden Thieren Freund und Feind zu unterſcheiden; ſie ſcheint auch, was durch eine auf Seite 408 verzeichnete Beobachtung erwieſen ſein dürfte, für die ihr von irgend einem Genoſſen zugefügte Unbill ein Gedächtniß zu haben und das Aeußere des Uebelthäters ſich einzuprägen, ſodaß eine Wiederbegeguung mit dieſem (oder einem ebenſo ausſehenden zweiten Ge— ſchöpf) ein Erkennen des Feindes herbeiführt und ein gewaltiges Entſetzen bei ihr hervorruft. Man iſt ſonach durchaus im Recht, wenn man, wie es auf Seite 408 geſchehen, die Kröte für verſtändiger, intelligenter erklärt als den Froſch, ſpeziell den grünen Waſſerfroſch. Und darum empfiehlt ſie ſich auch mehr als dieſer und ſeine Sippe für die Gefangenſchaft, wo man fie in einem der auf Seite 410 beſchriebenen feuchten, ſchattigen Terrarien unterbringt. Um ſie an ſich zu gewöhnen, muß man ſie aller— dings vor Schreck bewahren, fie nicht viel anfaffen oder dem grellen Sonnenlicht ausſetzen, ſie regelmäßig täglich mit Regen- und Mehlwürmern, Nacktraupen, Fliegen u. dergl. füttern, welche (und oft ſelbſt Fleiſchſtreifen) ſie bald aus der Hand nehmen wird. Die Kröte, deren Feinde wir auf Seite 410 namhaft machten, erweiſt ſich dann als ein dankbarer Zimmergenoſſe und bezeugt, daß ſie ein in vieler, ja faſt in jeder Hin— ſicht verkanntes Geſchöpf iſt, über das unter den Leuten, gebildeten und unge— bildeten, noch immer die abenteuerlichſten Gerüchte verbreitet ſind; die Scheu vor einem ſolchen Thier hielt ja ab, es aufmerkſam zu beobachten, ſich mit ihm zu be— ſchäftigen! Wie konnte dies aber auch anders kommen, wenn in wiſſenſchaftlichen und in gemeinverſtändlichen Büchern und Schriften die Afterweisheit in nackteſter Form aufgetiſcht wurde!“) *) So ſchrieb unter Anderen ein Lehrer der Jenenſer Hochſchule, der Hofrath und Profeſſor F. S. Voigt 1837 in ſeinem Lehrbuch der Zoologie (III. S. 100): „. .. . Ihre Phyſiognomie Trägheit und dumme Hartnäckigkeit andeutend. Iſt unreinlich in ihrer Wohnung, ekelhaft in ihrer Weſen. Bewegungen. Stimme. Namen. Synonyma. 480 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Der plumpe Körperbau, das behäbige Gebahren, vor Allem auch die ruhigen, langſamen Bewegungen, welche im Vergleich zu denen der folgenden Art ungeſchickt, täppiſch zu nennen ſind, haben dazu beigetragen, die Kröte in den Ruf eines dummen, ſtumpfſinnigen Geſchöpfes zu bringen. Ihr Gang iſt im Allgemeinen mehr ein ſchwer— fälliges, ſchleppendes Kriechen, obgleich er ſich bei Verfolgung von Beute zu einer ſchnelleren Bewegung, einem Dahinhumpeln ſteigern kann; von Hüpfen iſt bei großen und mittelgroßen Thieren nicht die Rede, dagegen vermögen junge Stücke, deren Be— wegungen entſprechend dem Nahrungsbedürfniß überhaupt lebhafter ſind, ganz hübſche Sprünge auszuführen. Mit Hülfe ihrer Beine verſteht ſie in lockerem Erdreich recht ſchnell Höhlungen (Seite 474) anzulegen bezw. ſich nur mit dem Hinterheil einzu— wühlen; beim ruhigen Daſitzen hat ſie, wie alle Kröten, die Vorderfüße nach einwärts, d. h. die Zehen nach der Bruſt zu gedreht; im Schwimmen Meiſterin, muß ſie doch im Kampfe mit anhaltendem Wellenſchlag unterliegen. Die Häutung wird in der allen Kröten eigenen und auf Seite 385 geſchilderten Weiſe mehrmals im Laufe des Jahres vollzogen. Eine Stimme vernimmt man von der Erdkröte unter gewöhnlichen Umſtänden gar nicht, und daher ſchreibt es ſich, daß man ſo wenig über dieſelbe in Erfahrung gebracht hat. Man kennt mit Sicherheit nur die kurz vor und bei der Paarung aus— geſtoßenen Töne: ein leiſes, kurzes Quaken der Männchen, welches namentlich bei Störungen, alſo im Gefühl des Unbehagens, ausgeſtoßen und von Prof. Bruch mit dem Geſchrei junger Hühner („wi, wi, wi“, fein und raſch ausgeſtoßen) verglichen wird, — von den Japanern wohl auch in dem Namen Fiski angedeutet iſt. H. Landois giebt den männlichen Ruf durch die Silben „öng, öng, öng“ wieder, die ziemlich raſch auf einander folgen, eine dumpf glockenartige Klangfarbe haben und ſich je nach Alter und Größe der Thiere in der Höhe von e' bis g' bewegen. Am 23. März 1871 hörte H. Landois zwei nicht weit von einander im Waſſer ſchwimmend ruhende Männchen einen regelmäßigen Wechſelgeſang ausführen, in dem das öng des einen auf g', das des anderen auf fis“ geſtimmt war. Das Weibchen knarrt, wie erwähnt, noch ſeltener und in tieferen Lagen. Landesübliche Bezeichnungen. Erd-, Feld-, gemeine oder graue Kröte, Lork, Krott, Hutſche; „blatterichte Landkröte mit rothen Augen“ (Röſel). Niederdtſch.: Uetze, Aefk; in einzelnen havelländiſchen Strichen der Mark Brandenburg auch Muggel, Mugge oder Mummel; Holl.: Gewone Pad; Schwed.: Vanlig Padda, Tossa; Norw.: Groe; Engl.: Common Toad; Franz.: Crapaud commun (Crapaud brun, Cr. cendré); Ital.: Rospo comune, Botta, Sciatt; Span.: Sapo comun; Poln.: Ropucha popie- lata; Böhm.: Ropucha obeenä; Dalmat.: Zaba zabuaca, Z. krastavica; Ung.: varas beka; Fenn.: Konna; Ruſſ.: Shäba. N Bufo terrestris major, Schwenkfeldt 1603. — Rana Bufo, Linne 1754. — Bufo terrestris, Aösel 1758. — Bufo vulgaris, Laur. 1768. — Bufo cinereus et B. salsus, Schneider 1799. — B. Roeselii, Zatreile 1800. — B. ventricosus, Daudin 1803. — B. ferruginosus et B. tuberculosus, Asse 1826. — B. praetextatus, Boie Isis 1826 S. 224]. — Phryne vulgaris, Fitzinger 1843. — Lebensart, ſchleppt ſich mühſam fort, iſt ohnmächtig und doch dabei zornig und wüthig; nur angegriffen, ſperrt ſie ſogleich den Rachen auf, bläht ſich, geifert, ſchwitzt ihren gelben ſcharfen Saft aus und ſpritzt ihren ſtinkenden Urin weg. Dabei erträgt ſie Schläge und iſt ſchwer zu erdrücken und todt zu treten“ .. . .! Wahr iſt von dieſen Behauptungen ſchließlich nur, daß die Kröte ſich mühſam fortſchleppt (obgleich auch dies nicht unter allen Umſtänden zutrifft) und daß, in der Regel aber auch nur, wenn fie geängjtigt oder verletzt wird, ein ſcharfer Saft ihren zahlreichen Hautdrüſen (vergl. S. 377) entquillt. Sechste Art. Grüne Kröte. 481 Bufo commutatus, Steenstr. 1846 [Ber. üb. d. 24. Verf. dtſchr. Naturf. S. 134]. — B. communis, Bruch 1862. — Das junge Thier: Rana rubeta, Linné 1761. — Bufo alpinus, Schinz 1833. — Varietät: Bufo spinosus, Daudin 1803; Rana verru- cosissima, Pallas 1831; Bufo colehieus, Hieſnseald 1831; Bufo vulgaris japonicus, Schlegel 1838; B. palmarum, ‘Cuwvier 1829; B. gargarizans, Cantor Ann. of nat. hist. 1842, ©. 483]. 6. Art: Grüne Kröte. Bufo viridis, Zaur. Abbildung: Tafel I Nr. 2. Länge 7 bis 8 em, ausnahmsweife darüber; Geſtalt weniger plump als Graue und Kreuzkröte; Hautwarzen in Gruppen zuſammengeſtellt, klein und mittelgroß, weniger hervortretend als bei der vorigen Art, einzelne mit horngelben, durch— ſcheinenden Hornhöckern auf ihrer Spitze; Ohrdrüſe flach, ſchmal, cylindriſch oder nierenförmig, das hintere Ende einwärts gerichtet (daher rechte und linke Ohrdrüſe nach hinten etwas ſich nähernd) und mit dieſem bis hinter die Achſel reichend, alſo länger als bei B. vulgaris; eine deutliche Hautfalte längs des Caufes; Innenfinger etwas länger als der zweite Finger; Sehen der Hinterfüße unter einander durch halbe bis Sweidrittel-Schwimmhäute verbunden; an den Gelenkſtellen der Sehen— glieder (Unterſeite der Füße) je ein einzelner, ſtark hervortretender Höcker; Rücken grauweiß mit unregelmäßigen dunkelgras grünen Flecken und einzelnen kleinen rothen Warzen. Aeußere Erſcheinung. In Tracht und Körperbau erſcheint dieſe hübſcheſte unſerer Kröten geſtreckter, zierlicher als die vorige und die folgende Art, und hier— durch ſowie durch ihr lebhafteres Weſen erinnert ſie mehr als ihre Verwandten an die Fröſche und Froſchkröten. Der Leib iſt zwar auch in der Mitte erweitert, aber bei weitem nicht ſo dick als der ihrer beiden Verwandten, der Kopf flach, mindeſtens ſo breit als lang, je nach der Körpergröße des betreffenden Thieres jedoch gewöhnlich 2 bis 6 oder 7 mm breiter als lang, an den Seiten in der Jugend ziemlich ſteil, im Alter mehr ſchief nach außen und unten abfallend, der Interocular-Raum etwa jo breit wie ein einzelnes Augenlid, die Schnauze mehr verzogen als bei Bufo vulgaris, ſtumpf zugeſpitzt, mit einem ſchwach winkeligen, eine kleine Erhebung des Unterkiefers aufnehmenden Einſchnitt im Vorderrand des Oberkiefers, „die Mundſpalte endigt um mehr als ein Viertel Augendurchmeſſer hinter dem hinteren Augenwinkel“, die Zunge iſt elliptiſch oder länglich-eiförmig, faſt doppelt fo lang als breit, mit der vorderen Hälfte am Boden der Mundhöhle befeſtigt, die Schallblaſe an der Kehle klein, durch eine unvollkommene dünne Scheidewand in zwei ſeitliche Hälften getrennt, die Ent— fernung der kleinen eiförmigen Naſenlöcher von einander ungefähr ebenſo weit wie die zwiſchen ihnen und den Augen, die „ſchön ſchwarze“ Pupille queroval (bei hellem Sonnenlicht zu einem feinen Querſpalt verengert; Nachts faſt rund, d. h. nur um ein Geringes breiter als hoch), unten ſchwach winkelig geknickt, das dicht unter der Anfangsſtelle der Ohrdrüſe liegende Trommelfell zwar klein, nämlich knapp halb ſo groß als das Auge (Verhältniß der Durchmeſſer in Millimetern 3 zu 7 oder 2 zu 5), aber doch deutlich ſichtbar und oft mit Warzenhöckerchen bejegt.*) Die oberſeits deut— „) Bei der baleariſchen Form der grünen Kröte, die ſich auch durch andere Eigenheiten vor der typiſchen Form auszeichnet, iſt das Trommelfell größer, nämlich halb ſo groß als der Augapfel. 31 Artkennzeichen. Körperbau. Haut. Maaße. 482 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. liche Poren zeigenden Ohrdrüſen ſind weniger vortretend und wulſtig als bei der Erd— kröte, ſondern flach, gewöhnlich am Außenrande ſchwach eingebuchtet und daher dann ſchwach nierenförmig, hinten gewöhnlich verſchmälert und etwas einwärts gerichtet; in der Länge übertreffen ſie verhältnißmäßig die der Erdkröte, indem ſie vom Hinter— rande der Augen an bis auf den Anfang des Rückens bezw. noch etwas hinter die Achſeln reichen. An den Vorderbeinen, welche in der Länge nicht ganz dem Rumpf gleichkommen, iſt der erſte Finger deutlich länger als der zweite und dieſe beiden ebenſo wie die anderen Finger auf ihrer Unterſeite an den Gelenkſtellen mit je einem einzelnen, knopfartig hervortretenden Höcker beſetzt; ähnliche Höckerchen ſtehen auf dem eigentlichen Handteller, und von den beiden großen, am Hinterrande des letzteren befindlichen Höckern it der an der Wurzel des Daumens gelegene (innere) länglich und nur halb ſo groß als der rundliche äußere. Die Hinterbeine ſind ſchlanker als die der Erdkröte und länger als bei B. calamita, etwa doppelt ſo lang als die vorderen und reichen, nach vorn geſtreckt, mit dem Ferſenhöcker bis zum Auge oder Naſenloch bezw. mit der Spitze der längſten Zehe merklich über die Schnauze hinaus; die Zehen ſind an der Spitze horngelb, an den Gelenkſtellen mit Höckerchen ausgeſtattet wie die Finger, und unter einander gewöhnlich durch halbe, d. h. bis zur halben Länge der vier kürzeren Zehen reichende Schwimmhäute verbunden, von dieſen an bis zur Spitze aber noch mit einem Hautſaum verſehen; die vierte Zehe iſt die längſte, die dritte kaum länger als die fünfte, am kürzeſten iſt die erſte; der hinter der Wurzel der Innenzehe ſtehende Ferſen-Höcker iſt ziemlich groß, länglich, walzen— förmig, zuweilen kantig, länger, höher und härter als bei der Kreuzkröte, der ihm gegenüber liegende rundlich, flacher. Die bei der Erd- und der Kreuzkröte wohl ent— wickelte Drüſe an der hinteren Fläche des Unterſchenkels fehlt unſerer Wechſelkröte, hingegen tritt an der Innenſeite des Laufes (der Fußwurzel), und zwar mehr nach innen zu, eine Hautleiſte oder Hautfalte auf. Die Haut entbehrt, im Gegenſatz zur Erdkröte, der Kalkeinlagerungen und ſomit auch der Derbheit, ſie iſt weicher, zarter und außerdem weniger warzig. Die Schnauzen— gegend und Kopfſeiten bis an das Trommelfell, zuweilen auch faſt der ganze Ober— kopf ſind, und ebenſo der Unterarm und die Schienen, überhaupt glatt, ja bei ſehr großen, alten Thieren erſcheint die ganze Oberſeite ziemlich glatt, da die Warzen mit der Zeit immer flacher werden, während ſie bei kleinen und mittelgroßen Stücken ſchärfer hervortreten. Sie ſtehen gern in Gruppen zuſammen und an den Körper— ſeiten dichter als am Rumpfe, und auf ihrem Gipfel tragen manche von ihnen, jedoch keinenfalls in dem Maaße wie es bei der Erdkröte der Fall, Horngelbe, durchſcheinende Hornhöcker. Die Unterſeite iſt, wie ſchon Jakob Sturm im Jahre 1799 ſagt, „mit vielen kleinen Wärzchen beſtreuet“, die jedoch nach hinten zu gewöhnlich mehr ent— wickelt und daher „vorzüglich zwiſchen den Hinterſchenkeln weit häufiger bemerkbar ſind als auf dem Oberkörper“. Hinſichtlich der Größe kann ſich die grüne Kröte bei weitem nicht mit der Erd— kröte meſſen, obwohl auch ſie in Süd-Europa und Transkaſpien erheblich größer als in unſern Breiten, nämlich bis 10 oder 12, ja bis 13, em lang wird, bei uns hin— gegen nur eine Geſammtlänge von 6 bis 7, allenfalls auch 8 cm erreicht, wobei die Mäunchen kleiner bleiben als die Weibchen. Von der Geſammtlänge entfällt ein reich— liches Viertel auf den Kopf; der Hinterfuß mit Zehen allein iſt halb ſo lang als die ganze Hintergliedmaße und die letztere um ein Achtel bis ein Viertel, mitunter ſogar um ein Drittel länger als Kopf und Rumpf zuſammen. Es ſeien nun noch einige von einem erwachſenen Männchen (Nr. 1) und Weibchen (Nr. 2) genommene Maaße Sechste Art. Grüne Kröte. 483 angeführt. Geſammtlänge des Körpers von der Schnauzenſpitze bis zum After Nr. 1: 60 mm, Nr. 2: 72 mm; Länge des Kopfes allein 17 bezw. 20 mm; Länge der Vorder— gliedmaße 34 bezw. 41 mm; Länge der Hintergliedmaße 82 bezw. 94 mm, des Unter— ſchenkels allein 23 bezw. 25 mm; größte Kopfbreite 22 bezw. 26 mm. Die Färbung dieſer urſprünglich von Schreber entdeckten und zuerſt von Röſel 1758 auf Seite 107 ſeines Froſchwerkes kurz angezeigten, dann i. J. 1768 von Laurenti als Bufo viridis und i. J. 1769 von Pallas, welcher ſie allerdings ſchon 1767 in Lübeck bei dem Apotheker Edler geſehen, als Rana variabilis be— ſchriebenen Kröte iſt unſtreitig eine hübſche: auf dem hell grünlichgrauen oder ſchweins— lederfarbigen, grau- bis ſchneeweißen Grundton der Oberſeite heben ſich große, ſcharf begrenzte, verſchieden geſtaltete und von feinen ſchwarzgrünen Punkten durch— ſetzte ſammt⸗ oder dunkelgrasgrüne Landkarten-Flecken und außerdem, namentlich an den Körperſeiten und dem Halſe, kleine röthliche oder mennigrothe Warzen ſehr ſchön und deutlich ab. Dieſe rothen Warzen treten in der Regel nicht in ſo großer An— zahl auf als bei der Kreuzkröte; nur ſüdliche und ſüdöſtliche ruſſiſche Stücke machen oft eine Ausnahme. Hierbei ſei noch daran erinnert, daß die Thiere im zeitigen Frühjahr und während des Waſſer-Aufenthalts zur Laichzeit dunkler, unreiner ge— färbt erſcheinen als ſpäter und daß ähnliche, wie die hier durch Waſſer bezw. die atmoſphäriſche Luft veranlaßten Verſchiedenheiten auch dann hervorgerufen werden, wenn Veränderungen in der Temperatur und dem Lichtreiz, wenn Angſt oder Schreck die beweglichen Farbzellen (Chromatophoren) beeinfluſſen und ſomit einen Farben— wechſel bewirken. Die Unterſeite iſt grau- oder gelblichweiß, beim Weibchen öfter als beim Männchen mit vereinzelten grünlichen oder grauen Fleckchen. Die Augen ſind auf leuchtend-grünem oder gelbem Grunde ſchwarz geſprenkelt, zunächſt um die Pupille aber mit einem ſchmalen Goldſaum verſehen. Es wurde bereits auf Seite 382 hervorgehoben, welche Urſachen einen Farben— wechſel bei dieſer Kröte hervorzurufen im Stande ſind. Da dieſe Veränderungen, welche ſchon im vorigen Jahrhundert vom Apotheker Edler in Lübeck bemerkt wurden und der Kröte den Beinamen „variabilis“ (veränderlich, wechſelnd) einbrachten, ſomit nur zeitweilige, bei einem und demſelben Thier zu beobachtende ſind, ſo muß man ſich hüten, daraufhin Varietäten aufſtellen zu wollen. Ob die von Eichwald unter dem Namen Bufo erucigera beſchriebene Varietät aus dem ſüdöſtlichen Europa, bei welcher die dunklen Flecken in der Nackengegend in Geſtalt zweier mit der gewölbten Seite aneinander gelehnten Halbmonde zuſammenſtoßen und dadurch eine Art griechifches Kreuz (X) bilden, zwiſchen deſſen Schenkel ſich je eine rundliche Makel einſchiebt, eine ſtändige iſt, vermag ich nicht anzugeben. Camerano führt in ſeiner Monographie der italienischen Anuren dieſe Varietät ebenfalls auf, außerdem noch eine Var. lineata und eine Var. concolor; lineata ſoll einen allerdings nur angedeuteten oder unter— brochenen Rückgratsſtrich ähnlich wie B. calamita zeigen, die Var. concolor eine fleckenloſe graubraune Oberſeite beſitzen. Die einfarbige Varietät (concolor) wird auch von Blanford für Perſien und von A. Walter für Transkaſpien angegeben; außer— dem wurden in letzterem Gebiet häufig Wechſelkröten, die (entſprechend dem Ton der Steppe) das Grün gänzlich vermiſſen ließen und auf ledergelbem Grunde dunkelbraune Flecken trugen, beobachtet. Var. balearica, Böttger. Ausgezeichnet vor der typiſchen Form durch nahezu vollkommene, bis an die Zehenſpitzen reichende und nur vor der längſten Zehe beider— ſeits bogig ausgerandete Schwimmhaut an den Hinterfüßen und merkliche Spannhäute zwiſchen den Fingern der Vordergließmaßen, meiſt auch iſt das Trommelfell größer 30 Färbung. Abänderungen. Geſchlechter. Larven. 484 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. (vergl. S. 481) und der innere Höcker am Hinterrande des Handtellers oft faſt ſo groß als der äußere. Balearen. Die Geſchlechter weiſen dieſelben körperlichen Eigenſchaften wie die der vorigen Art auf: das Männchen iſt kleiner und ſchmächtiger als das Weibchen, ſein Vorder— arm dicker, weniger gelenkig, die Gliedmaßen länger, die Hinterbeine reichen nach vorn geſtreckt mit dem Ferſenhöcker bis zum Naſenloch oder doch zum vorderen Augenwinkel (beim Weibchen nur bis zum hinteren Augenwinkel oder höchſtens bis zur Augenmitte), auch iſt das Männchen durch Schallblaſen und zur Fortpflanzungszeit durch dickeren Daumen und durch eine dunkelbraune bis ſchwärzliche Daumenſchwiele oder feilenartig rauhe Hautwucherung, die ſich außer am Innenrande und Ballen des Daumens auch am Innenrande des 2. und 3. Fingers vorfindet, ausgezeichnet. Hingegen macht ſich der beim brünſtigen Männchen einſtellende bläuliche Anflug an der Unterſeite des Rumpfes und der Oberſchenkel beim Weibchen ebenfalls bemerklich. Ob die Beobachtung, daß die Flecken des Männchens zu Hell-, die des Weibchens zu Dunkelgrün neigen, durchgängig zutrifft, bedarf noch der Aufklärung. ? Unter den drei heimischen Kröten hat Bufo viridis die größten Larven, denn ſie ähneln in der Größe, und ebenſo in der Geſtalt und Tracht, denen des grünen Waſſerfroſches auffallend, jedoch erreichen ſie nie die gewaltige Länge, durch welche ſich in gewiſſen Fällen die letzteren auszeichnen. Im Allgemeinen verlaſſen ſie bei einer Größe von 3 bis 4 mm die Eihülle und kommen während ihres Freilebens etwa auf das Zehnfache dieſer Länge, d. i. 35 oder 36 bis 40 oder 44 mm, und von dieſer entfallen ungefähr zwei Fünftel auf den Körper und drei Fünftel auf den Schwanz. Der letztere ift bei ausgewachſenen Stücken 22 bis 25 mm lang und 8 oder 9 mm hoch, während die Beine 11 mm lang ſind; fein oberer, bogenförmig (und zwar mehr als bei B. vulgaris) ge— krümmter Hautſaum geht leiſe auf den Rücken über, der untere Hautſaum erſcheint kaum bogig und am Ende abgeſtutzt. Der Rücken iſt flach gewölbt, Rumpfſeiten und Bauch ſind auf— getrieben. Der Kopf, durch eine ſchwache ſeitliche Einſchnürung vom Rumpf abgeſetzt, iſt unterhalb der Augen aufgetrieben, oberſeits hinten ſchwach gewölbt, vorn erheblich ver— ſchmälert, mit verhältnißmäßig langer, in ſpitzem Bogen gerundeter Schnauze, ſtark bogenförmig gekrümmter Ober- und an beiden Enden nach unten (nicht wie bei Erd— und Kreuzkröte nach oben) gebogener Unterlippe; Ober- und Unterlippe ſind bezahnt, die äußere Zahnreihe an der erſteren iſt ſehr lang, in den Mundwinkeln ſtehen Papillen; die Augen liegen mehr ſeitlich als oben, die großen, von einem ſchmalen, ſchwachen Wulſt umzogenen Naſenlöcher näher dem Auge als dem Munde und zwar iſt der Abſtand der letzteren vom Lippenrand etwa gleich der Entfernung zwiſchen beiden Augen; das linkerſeits liegende Kiemenloch iſt größer als die Afteröffnung, die Anal— röhre kurz, 1 mm lang, dünnwandig, in der Mitte gelegen, an ihrer hinteren Wandung mit dem Floſſenſaum vereinigt; die Seitenlinien ſind zwar vorhanden, treten indeß nur wenig hervor; die langen Hinterbeine machen ſich bei etwa 30 oder ſchon bei 25 mm langen Larven bemerklich. Die Färbung iſt in der erſten Zeit oberſeits ein Dunkel- oder Schwarzbraun mit metalliſch glänzenden Tüpfeln, unterſeits ein helleres Grau oder Bräunlichgrau mit mehr oder minder kräftigen kupferſchillernden Punkten und Tüpfeln, der obere Schwanzſaum zeigt deutliche dunkle Fleckung, der untere da— gegen nur am Schwanzende einige wenige dunkle Spritzer. Nach dem Hervorbrechen der Hinterbeine vertauſcht ſich die dunkle Färbung der Oberſeite gegen ein helles Grau, ein helles Graubraun oder Graugrün, auf dem mehr und mehr Flecken von dunklerer Tönung, auch ſchwärzliche Höckerchen und gelbliche Wärzchen ſich abheben; und während Sechste Art. Grüne Kröte. 485 der Bauch eine weißlichgraue Schattirung aufweiſt, nehmen Kehle und Unterſeite der Beine einen gelblichen Ton an. Somit iſt die Färbung der jungen Kröten bereits bei den älteren Larven aus— geprägt und ſie unterſcheidet ſich von der der mehrjährigen Thiere im Weſentlichen nur durch hellere Tönung und insbeſondere hellere grüne Flecken. Nachdem der Schwanz eingeſchrumpft, verlaſſen die Jungkröten als etwa 15 oder 16 bis höchſtens 20, aus— nahmsweiſe nur 10 bis 12 mm lange Vierbeiner das Waſſer und erreichen bis zum Eintritt des Winterſchlafes oft das Doppelte dieſer Größe. Geographiſche Verbreitung. Der Verbreitungskreis der Wechſelkröte iſt zwar auch ein weiter, indem derſelbe ungefähr zwiſchen 30 Breitengraden und 120 Längen— graden ſich ausdehnt, indeß weiſt er doch gegenüber dem des Allerweltsbürgers Bufo vulgaris mancherlei Abweichungen und eigenartige Momente auf. Zunächſt erſtreckt er ſich nicht ſo weit nach Norden hinauf, ſondern in den äußerſten Punkten (Skagen in Jütland, Inſel Gottland, Ruſſiſche Oſtſee-Provinzen) bis zum 57. oder 58. Graden. Br., im mittleren bezw. öſtlichen Rußland (Moskau, Orenburg am Ural) und in Sibirien (Barnaul), bis zum 56. bezw. 52 Grad. Umgekehrt greift er weiter nach Süden hin aus. Denn nicht nur, daß er, abgeſehen von der Pyrenäiſchen Halb— inſel, in Europa bis zu den ſüdlichſten Spitzen des Feſtlandes (Italien, Griechenland) reicht und dazu die Mittelmeer-Inſeln — Pythiuſen, Balearen, Korſika, Sardinien, Capri [Statiftica], Lipari, Uſtiea, Sieilien, die dalmatiniſchen [J. Werner] und joniſchen Inſeln, die Cykladen und Kreta ſowie oſtwärts Cypern — einſchließt, alſo hier bis zum 35. Grad n. Br. ſinkt, er umfaßt auch ganz Nordafrika von Marokko bis Aegypten, und die Südgrenze, die nach den bisherigen Feſtſtellungen in Marokko und in Tripolis (Bengaſi in Barka) vielleicht auf dem 32. Grad (Linie Mogador — Marokko) liegt, buchtet ſich um einige Grade mehr äquatorwärts bis zu den Oaſen der Sahara hin aus und ſenkt ſich auch in Aegypten, von wo durch Hemprich und Ehrenberg einige Stücke mit nach Berlin gelangten, mindeſtens bis auf den 30. Grad 6. B. Heluan ſüdlich von Kairo); ziemlich auf demſelben Breitengrad bewegt ſich die Süd⸗ grenze in Vorder-Aſien: Todtes Meer in Paläſtina, Schiras und Kirman in Süd⸗ Perſien (von welchen beiden Orten einige Stücke im Berliner Zool. Muſeum ſtehen), um ſich weiter oſtwärts wieder um einige Grade zu ſenken, denn unſere Kröte kommt nicht nur in den tibetaniſchen Himalaya-Ländern Balti und Ladak [Boulenger Cat.], und im „Thal des Spiti-Fluſſes“ (Steindachner, Novara], ſondern auch am Südfuße des Himalaya auf indiſchem Gebiete vor, wie die im Berliner Muſeum befindlichen Stücke Nr. 3422 und 3433 und die Fundorts-Angabe „Sikkim“ [Blanford, Eaſtern— Perſia] bekunden. Das Ländchen Sikkim wird vom 106. Ferrograd durchſchnitten, doch dringt die grüne Kröte noch weiter nach Oſten vor; O. Böttger meldet ſie für die Mongolei und Boulenger 1880 in ſeiner Arbeit über die Bufo-Spezies für Barnaul und die Quellen der Tunguska, wo vielleicht gleichzeitig auch die Nordgrenze ihrer ſibiriſchen Verbreitung zu ſuchen iſt. Immerhin läßt ſich die Oſtgrenze noch nicht beſtimmen. Merkwürdig geſtaltet ſich das Vorkommen im weſtlichen Theile des Gebietes. Während die weſtlichſten Fundorte in Afrika (Marokko) auf dem 8. bis 10. Ferrograd liegen, kommt die Wechſelkröte in Europa unter dieſen Längengraden Portugal, Spanien, Irland) gar nicht vor, ja ſie fehlt überhaupt auf der Pyrenäiſchen Halbinſel und in Großbritannien und anſcheinend auch in Frankreich, Belgien, Holland, ſodaß ſich die Weſtgrenze ihrer europäiſchen Verbreitung etwa mit der Rheinlinie deckt; denn auch der einzige mit Sicherheit nachgewieſene Fundplatz auf franzöſiſchem Boden, nämlich der von Blanchard [Bull. Soc. Zool. France 1888 Nr. 2] angezeigte, aller- Junge. Verbreitungs⸗ Grenzen. 486 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. dings nur einige hundert Meter von der italieniſchen Grenze im Depart. Hautes-Alpes belegene Ort Bourget liegt in der Richtung Mainz-Baſel. Um fo auffallender aber iſt wiederum ihr Auftreten auf den ſpaniſchen Inſeln Ibiza [Barcelo y Kombis], Minorka und Mallorka, wo die Böttger'ſche Varietät balearica geſammelt wurde. Wenn alſo die Weſtgrenze in Afrika durch den 8. oder 9. Ferrograd gegeben iſt, ſo für die ſüdeuropäiſchen Inſeln durch den 19. und für das feſtländiſche Europa un— gefähr durch den 24. Grad. eee In Deutſchland iſt die Wechſelkröte mehr verbreitet, als man gemeinhin wähnt. Freilich vermag ſie ſich darin noch bei weitem nicht mit der Erdkröte zu meſſen; denn einestheils tritt ſie nicht ſo häufig auf wie die letztere, anderntheils fehlt ſie in ge— wiſſen Strichen gänzlich, obwohl ſie mancher Orten noch überſehen ſein dürfte. Was zunächſt Süddeutſchland anbetrifft, ſo wiſſen wir durch J. Fahrer, daß ſie in Oberbayern zu Hauſe und um München — entgegen der Reider-Hahn'ſchen Angabe, daß ſie ſich daſelbſt gar nicht vorfinde — ſogar „häufig“ iſt, und bereits durch Giſtl [„Iſis“ 1829], daß ſie um Moosach und bei Maria Einſiedel an der Iſar vorkommt, ferner durch A. Wiedmann, daß ſie in Mittelſchwaben nicht ſelten iſt; dieſer Beobachter ſammelte im Zuſamthal wenigſtens zwei Dutzend ſolcher Kröten und nennt als Fund— orte Breitenbronn, Kutzenhauſen, Gerſthofen und Stettenhofen ſowie die Umgegend von Augsburg und Haunſtetten, von wo ſie mir auch durch J. F. Leu angezeigt wurde. Um Regensburg war ſie zu Hahn's Zeit, d. h. vor ſieben Jahrzehnten, ſo häufig als die gemeine Kröte; derſelbe „Naturhiſtoriker“ hat ſie auch einigemal in und bei Nürnberg aufgefunden, was vorher den Nürnbergern Röſel und Sturm nicht gelungen war. Bei Erlangen und Bamberg konnten meine Mitarbeiter ſie noch nicht entdecken, hingegen begegnet man ihr laut F. Leydig im Thale der Tauber bei Rothenburg und im Mainthal bei Würzburg: am Fuße des Steinberg, auf dem Kugelfang, im Thal von Gerabrun, Maininſel, nicht ſelten. Hinſichtlich Württembergs bemerkt Plieninger 1847, daß ſie dort „nicht ſehr ſelten“ vorkomme, und Prof. v. Krauß 1882, daß ſie im Unterland nicht häufig ſei, in Oberſchwaben fehle; damit ſtimmt die Mittheilung Dr. Weinlands überein, derzufolge die Wechſelkröte auf der Alb und in deren Thälern nirgends beobachtet worden iſt; als Fundorte nennen bereits G. v. Martens 1830 Mergentheim a. d. Tauber und Stuttgart, Plieninger Stuttgart-Canſtatt, die „Württ. Nat. Jahresh.“ 1857 auf Seite 5 Kirchheim unter Teck, F. Leydig's „Anuren“ die Tübinger Gegend und die Oberämter Brackenheim und Maulbronn im Neckar⸗Kreis, Hr. Siler Eßlingen; in der Stuttgarter Sammlung ſtehen Stücke von Winnenthal und Waiblingen. Für das obere Baden bezeichnet ſie Hr. Kober-Freiburg mir als „vereinzelt“ vorkommend, Hr. Tiesler beſtätigt ſie mir als Gebirgsbewohnerin, doch ſcheint ſie im badiſchen Unterland, ſo bei Heidelberg und Weinheim, nach den Angaben J. v. Bedriaga's und Leydig's jedenfalls verbreiteter und zahlreicher zu ſein. Ueber— haupt iſt ſie, wie Hr. Prof. Glaſer mir ſchreibt, dort in der Rheinebene z. B. bei Worms eine gewöhnliche Erſcheinung; bei Speier ſammelte ſie F. Leydig, bei Deides— heim C. Koch, und es erſcheint um ſo beachtenswerther, daß Medicus ſie in der übrigen Rheinpfalz vermißte und daß dementſprechend Nachrichten über ein Vorkommen im Elſaß mangeln und auch Dr. F. Müller-Baſel in der Gegend von Hüningen und Neudorf im Ober-Elſaß nur Kreuzkröten erlangte. Mittel- und norb- Selbſt am Mittel-Rhein hält ſich B. viridis ſtreng an das Thal des Stromes. ee am Knie bei Bingen, wo Glaſer fie nicht fand, Leydig [Rhön] fie aber am Fuße des Rochusberges ſammelte, weicht ſie weiter nach links hin aus und geht an der Nahe wenigſtens bis Kreuznach, und gerade hier iſt ſie laut Geiſenheyner außer— Sechste Art. Grüne Kröte. 487 ordentlich häufig. Im Uebrigen liegen über ihr Auftreten im linksrheiniſchen Preußen nur zwei Nachweiſe vor: im Frühjahr 1879 erbeutete F. Leydig die Kröte bei Bonn [Rhön S. 83], wo fie bis dahin nicht bemerkt worden war, alſo am Eingang der rheiniſchen und norddeutſchen Tiefebene, und W. Bölſche beobachtete ſie oft bei Köln, beſonders auf Lehmboden. Aus dem Hügel- und Bergland des diesſeitigen Rhein— preußens haben wir verſchiedene Meldungen: von Behrens für die Umgegend von Elberfeld (aus Neviges kennt Hr. G. de Roſſi ſie nicht), von W. Bölſche für die Mühlheimer Haide, von Melsheimer für Linz a. Rh., weiter aus dem Naſſauiſchen ze. von J. Harrach für die Umgebung von Langenſchwalbach und Oberröblingen, von C. Koch, nach welchem B. viridis im Weſterwald, in dem oberen Lahnthal, dem Sieg- und Dillthal fehlt, für den unteren Taunus, die Umgegend von Wiesbaden, Mainz, Frankfurt und Offenbach. Der letztgenannte Forſcher ſchrieb mir, daß die Wechſelkröte dort in der Ebene ebenſo häufig ſei als die graue Erdkröte, beſonders am Main oberhalb und bei Frankfurt; ſie kommt laut O. Böttger auch in die äußeren Straßen dieſer Stadt ſelbſt, und daſſelbe theilt Hr. W. v. Reichenau für Mainz — Nau erwähnt 1788 dieſe Spezies nicht für das Mainzer Land — und L. Kirſchbaum 1859 und 1865 für Wiesbaden mit. Für den Speſſart, das oberheſſiſche Bergland und die Rhön mangeln Nachweiſe; im letzteren Gebirge wurde ſie von F. Leydig und F. Keller vermißt — nur in dem nach dem Mainthal mündenden Sinn— grunde kommt fie vor —, und ebenſowenig vermochte ſie A. Lenz für das Keſſelthal Kaſſel's und die anſchließenden Höhen und Längsthäler zu melden. Ueberhaupt konnte ſie trotz aller Nachforſchungen im ganzen Leine- und Weſerbergland und in Weſtfalen noch nicht nachgewieſen werden, ſodaß angenommen werden muß, ſie gehört nicht zur Fauna dieſes Gebietes. Erſt öſtlich der Leine und der Werra, in den Landſchaften des Harzes und Thüringens tritt ſie wieder auf. In den fauniſtiſchen Zuſammenſtellungen E. Schulze's und Wolterstorff's werden folgende Fundorte aus den in Rede ſtehenden Strichen genannt: am Querumer Holz, im Botaniſchen Garten, am Nußberg und Bültenweg bei Braunſchweig, und zwar immer nur vereinzelt, bei Wolfenbüttel — von hier und ebenſo vom ſüdlicheren Hornburg erhielt laut briefl. Mittheilung auch Hr. Prof. Nehring einzelne Stücke — und in und bei Schöningen im Braunſchweigiſchen hingegen häufig, ſodann im ſüdöſtlichen Harz oder Unterharz bei Blankenburg (im Badeteich und in einem Graben unterm Negenftein *), Ballenſtedt (am Kohlenſchacht) und Quenſtädt, während ſie im und am weſtlichen oder Ober-Harz vermuthlich ganz fehlt; ferner bei Quedlinburg: am Thurm auf der Altenburg, im Klei und am Kleerſe, bei Pabſtdorf im Aderſtedter Buſch, bei Schladen, Hoyen und beim alten Kloſter Roßleben, in deſſen Nähe, wie wir aus Röſel's Historia ranarum erſehen, vor faſt anderthalb Jahrhunderten der Hallenſer Zoologe Schreber in einem Steinbruch die grüne Kröte für Deutſchland entdeckten“); weiter in der Hallenſer Gegend im Saalthal, auf den Cxöllwitzer Höhen, Trothaer Felſen, am Vorwerk Cröllwitz, in der ſandigen Dölauer Haide, bei Seeben, auf dem Petersberg, am Salzigen See (3. B. Teutſchenthal, Erdeborn), Seeburg und ſelbſt in Gärten der Stadt Halle, endlich noch weiter ſüdlich im eigentlichen Thüringen, für das bereits Zenker die *) Dr. J. Elſter ſchreibt mir, daß er ſie am Fuße des Harzes vereinzelt in Teichen, im Harz aber nur einmal im Bodethal fing. **) Wenn Bufo viridis und B. calamita bei Schöningen beide häufig find, jo wird viridis nörd⸗ lich und (abgeſehen von Wolfenbüttel) weſtlich davon ſeltener und um Weferlingen und Braunſchweig überwiegt laut W. Wolterstorff die Kreuzkröte, welche aus den öſtlichen Harzvorlanden nur von Queblin- burg angezeigt iſt. 488 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Wechſelkröte im Allgemeinen meldet, bei Sulza, Weimar, Arnſtadt. Aus dem nord— weſtlichen Thüringen (Eiſenach) kenne ich ſie nicht, wohl aber aus dem Bergland öſtlich der Saale von Neuſtadt a. d. Orla, durch Dr. F. Ludwig von Greiz (ziemlich häufig), aus dem ſächſiſchen Bergland von Chemnitz-Erdmannsdorf, Freiberg und dem Elbthal bezw. Dresden-Mockritz, vermißte ſie jedoch auf dem Erzgebirge z. B. bei Annaberg, Scheibenberg, Schwarzenberg, Wieſenthal, Bärenſtein, ſodaß ſich B. viridis anſcheinend nur in den Vorlanden und am Rande des Erzgebirges (entiprechend dem Harz) findet; im Uebrigen bezeichnet Reibiſch ſie als „ſehr häufig“ für Sachſen. Im Lauſitzer Gebirge bezw. bei Zittau iſt ſie laut P. Jung häufig, insbeſondere im Thale in den der Eiſenbahn entlang führenden Gräben. Für die Umgegend von Görlitz wurde ſie durch Fechner, für Friedeberg am Queis durch J. G. Neumann 1831, für den Kreis Reichenbach (Schlaupitz am Zobten) durch K. Knauthe („Blätter“ II, 136], für die Oberlauſitz überhaupt durch Tobias, für Schleſien, ſpeziell für den Strich von Breslau, über Prausnitz, Trachenberg bis hinter Rawitſch im Poſenſchen, ſchon durch Kaluza nachgewieſen; Gloger nennt fie ein auf der rechten Oderſeite Schleſiens „faſt überall gemeines“ Thier, über ihr häufiges Auftreten in den Vorſtädten und der nächſten Nähe Breslau's berichten Neumann, Barkow [Winterfchlaf] und noch neuer— dings Prof. G. Born. 9 Abgeſehen von einigen dürftigen oder unbeſtimmten Angaben liegen Nachrichten aus der Provinz Poſen nicht vor, doch wird die Kreuzkröte hier ebenſo zu Hauſe ſein wie im angrenzenden Polen („commun partout“ jagt Taczanowski) und Branden— burg. Aus Oſt- und Weſtpreußen erwähnt fie ſchon Rathke [N. Pr. Prov. Bl. II], und Prof. Zaddach bezeichnet ſie mir für daſſelbe Gebiet als „ziemlich häufig“. „In Vorpommern iſt ſie häufig, nicht ſo in Hinterpommern“ bemerkt Th. Holland, und L. Holtz ergänzt mir das dahin, daß B. viridis in Neu-Vorpommern und Rügen zwar nicht ſo gemein wie B. vulgaris, aber auch nicht ſelten ſei; in Greifswald wird ſie oft in alten Kellern geſehen. In Mecklenburg, von wo bereits Jakob Sturm im Herbſt 1798 zwei Stück zugeſchickt erhielt, und wo ſie ſich laut Struck durchs ganze Land verbreitet, ſammelte der letztgenannte Beobachter ſie bei Penzlin, Malchin, Dargun, Züſow⸗Wismar. Bei Lübeck hatte ſie der dortige Apotheker Edler vor 130 Jahren entdeckt, denn Pallas ſah ſie bei ihm i. J. 1767. Aus der Stadt Lauenburg giebt ſie Claudius, von Wandsbeck bei Hamburg E. Schmeltz an; in Hohenfelde im Gute Panka, 2½ Meilen öſtlich von Kiel, fand fie Hr. Hauptlehrer Junge; aus Jütiſchem Gebiet bekam ſie auch F. Boie [Nat. Tidskr. III, 212], nämlich aus einem beim Dorfe Kembs im Gute Water Neversdorf der Oſtſee zufließenden Bach, und daß ſie auf der Jütiſchen Halbinſel bis Skagen hinaufgeht und ebenſo auf den däniſchen Inſeln Seeland, Amager, Saltholm und dem jetzt durch den Waſſerſtreifen des Sund von dieſen Eilanden getrennten ſüdlichen Schweden (Lund) heimiſch iſt, wiſſen wir durch Collin bezw. Nilsſon. Aus Märkiſchem Gebiet iſt ſie gleichfalls ſeit Jahr— zehnten bekannt: den älteſten Fundort in der näheren und weiteren Umgebung Berlins bilden die Rüdersdorfer Kalkberge oſtwärts der Hauptſtadt, wo der Verfaſſer der Fauna marchica ſie in den vierziger Jahren ſammelte und wo fie heut noch vor— kommt; ſüdlich und weſtlich Berlins erbeutete ich ſie oft bei und in Köpenick, Teltow, Lankwitz, Steglitz, Tempelhof, Wannſee, Potsdam, Charlottenburg ünd ebenſo be— gegnete ich ihr wiederholt in der Hauptſtadt ſelbſt, nämlich im und am Friedrichshain und auf den Aeckern und Gartenplätzen an der Landsberger Allee, wie ſie früher auch, einer mündlichen Mittheilung Dr. Stein's zufolge, in allen Kellern und Gartenhäuſern der Köpenicker Straße ihr Heim aufgeſchlagen hatte; nordöſtlich von Berlin, bei Ebers— Sechste Art. Grüne Kröte. 489 walde, ward ſie einzeln von Prof. Altum angetroffen. Am Biederitzer Buſch bei Magdeburg auf dem rechten Elbufer beobachtete ſie W. Wolterstorff, im Norden Magdeburgs in der Neuſtadt und in den Parkanlagen W. Bach. Aus der Altmark liegen noch keine und aus dem Flachland zwiſchen Unterelbe und Weſer nur von Lüneburg (Moore und feuchte Haiden) durch Steinvorth, von Bremen durch Brügge— mann [nach Ph. Heineken! und aus der Umgebung Vegeſaks: Lönhorſt, Eggeſtedt, Schönebeck und Leſumbrook, durch F. Borcherding [Fauna saxonica] Fundnach— weiſe vor. Hier an der Weſer erreicht die Wechſelkröte, da ſie in Oldenburg nicht entdeckt a werden konnte und da fie auch im ebenen Münſterland und in Holland und Belgien fehlt, allem Anſchein nach die Weſtgrenze ihrer Verbreitung im norddeutſchen Tiefland. Ueberhaupt werden wir feſthalten müſſen, daß die untere Weſer, die Leine und dann die Werra die weſtliche Schranke ihrer Verbreitung nördlich der Mainlinie darſtellen, d. h. daß die Weſtgrenze des nord- und mitteldeutſchen Wohngebietes unſerer Wechſel— kröte zwiſchen dem 26. und 28. Ferrograd hinläuft und daß in das nach Weſten hin nun folgende weite, bis zur Weſtküſte Hollands und Belgiens ſich erſtreckende viridis- freie Gebiet vom Taunus und Mainzer Land her ein mit B. viridis beſetzter Streifen keilartig den Rhein hinunter bis zur Höhe Elberfelds ſich vorſchiebt. Südlich der Mainlinie (50. Grad n. Br.) folgt die weſtliche Verbreitungsgrenze den Rhein hinauf. Sonach fehlt die grüne Kröte den Niederlanden, England, Belgien, Luxemburg, Außen Deuschland. der weſtlichen Rheinprovinz, der Rheinpfalz, dem Reichsland, Frankreich — denn die aus Frankreich angegebenen Fundorte, mit Ausnahme des genannten, beruhen auf der früheren und jenſeits der Vogeſen beſonders eingewurzelten Verwechſelung von Bufo calamita mit B. viridis — und der Pyrenäiſchen Halbinſel ſowie dem größten Theil der Schweiz: Tſchudi-Schinz kannte 1837 als einzige Schweizer Fundſtätte das Teſſin, wo Dr. Otth die Kröte entdeckt hatte; Fatio nennt 1872 das untere Teſſin, das Thal von Poſchiavo und die Bernina in Graubünden ſowie das (ttalieniſche) Veltlin; zweifelhaft iſt das Vorkommen bei Chur; im Uebrigen verneinen die mir von H. Fiſcher⸗Sigwart über den mittleren Theil des Schweizer Hochplateau (Aargau, Solothurn, Luzern, Bern), ſowie von den Herren Dr. Müller, Prof. Studer, Dr. G. Beck, M. Hoffmann über das Gebiet von Baſel, Bern, Genf zugegangenen Nach— richten ein Auftreten der Wechſelkröte in den betreffenden Landſchaften, ſodaß ſie in der Schweiz auf die ſüdöſtlichen Striche beſchränkt ſein dürfte. Das Gleiche ſcheint laut V. Gredler für Tirol (Brixen, Bozen, Lavis, Trient, Nonsberg ſehr häufig!) zu gelten, und von hier aus verbreitet ſie ſich einerſeits, wie wir oben erwähnten, über ganz Italien, woſelbſt ſie die dort völlig fehlende Kreuzkröte vertritt, anderſeits über die öſtlichen und nördlichen Alpenländer Oeſterreichs. Und wie in den letzteren, ſo iſt ſie auch in allen übrigen Ländern dieſes Kaiſerſtaates, bis nach Böhmen (wo Dr. A. Fritſch ſie beiſpielsweiſe bei Kuchelbad und Slichow antraf) und Schleſien im Norden, Bukowina und Siebenbürgen im Oſten und Dalmatien im Süden, zu Hauſe. Aus den ſüdlichen Donauländern Bosnien, Serbien (Belgrad, Ravaniza) und der Dobrudſcha (Tultſcha) haben wir Fundnachweiſe durch Möllendorf, Blanchard [Bull. Soc. Zool. France 1888 p. 67] und Steindachner. Obzwar ſolche aus den türkiſchen Gebieten noch nicht vorliegen, ſo wird viridis denſelben noch nicht mangeln, da ſie durch Heldreich, Bibron-Bory u. A. für Griechenland (Peloponnes, Meſſenien) und durch de Betta [Grecia] für Corfu, durch Erber und v. Brediaga für die Inſeln des ) Doch ſah Dr. C. Koch, wie er mir ſchrieb, auch bei Landeck und Prutz die Wechſelkröte. Aufenthalt. 490 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Aegäiſchen Meeres und durch Raulin für Kreta gemeldet werden konnte. Je weiter nach Oſten, deſto häufiger wird ſie, und ſo iſt ſie denn, wie aus den Aufzeichnungen der ruſſiſchen Fauniſten erhellt, die eigentliche Kröte Rußlands, die laut Prof. M. Braun auch in den Oſtſee-Provinzen Kurland, Livland — wie auf Gottland, in Südſchweden und Dänemark — an einzelnen Orten nicht ſelten iſt, laut Johann v. Fiſcher im Gouv. St. Petersburg aber fehlt, und im übrigen europäiſchen und auch aſiatiſchen Rußland etwa am 52. Breitengrad die Nordgrenze ihrer Verbreitung zu erreichen ſcheint. Nachdem wir bereits auf Seite 485 die Grundzüge ihrer außer— europäiſchen Verbreitung verfolgt haben, dürfte es überflüſſig ſein, nochmals darauf einzugehen. Auf eine Thatſache aber, die im Vorſtehenden genugſam erhärtet iſt, müſſen wir zum Schluß noch einmal hinweiſen: Die grüne Kröte iſt eine ausgeſprochene öſtliche Form, die ihre Weſtgrenze an der Rheinlinie findet, in Deutſchland vielorts noch mit der Kreuzkröte zuſammen anzutreffen iſt, nach Oſten hin indeß immer häufiger wird, bereits öſtlich der Weichſel die genannte Verwandte gänzlich verdrängt und hinſichtlich ihrer Verbreitung ſehr an den Moorfroſch erinnert. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Mehr noch als die Erdkröte iſt bei uns die grüne Kröte eine Bewohnerin des Flach- und Hügellandes; im Gebirge be— obachtet man ſie ſeltener, wie ſie denn bei uns der Rhön und dem Oberharz, dem oberen Erz- und Rieſengebirge, dem Leine- und Weſer-Bergland ganz fehlt, und nur dann, wenn weite Thäler ſtehende Wäſſer bieten, im Gebirge bis vielleicht zu 600 oder 1000 m über dem Meeresſpiegel emporſteigt; in den Alpen Tirols und der Schweiz geht ſie bis zu 1000 oder 1100 Meter Seehöhe, dagegen hat man ſie in Kaukaſien noch in einer Höhe von 6400 bis 6500 Fuß, in Nordperſien (Schahkuh) von 9000 Fuß und im Himalaya-Gebiet im Thale des Spiti-Fluſſes in einer Höhe von 10000 bis 12000 bezw. laut Stoliczka [Journ. As. Soc. Beng. 1870] von 15000 Fuß ü. M. ges funden. Sie fühlt ſich an die Nähe von Sümpfen, Altwäſſern, Gräben, Pfützen u. a. gebunden, ohne im Uebrigen ſehr nach der Bodenbeſchaffenheit zu fragen, und daher ſieht man ſie bei uns ebenſowohl auf feſtem wie auf weichem, auf fruchtbarem und bebautem wie auf ödem Boden, und wie man ihr in den Oaſen der Sahara begegnete, ſo traf ſie A. Walter in den Wüſten— brunnen der transkaſpiſchen Steppe (ſ. S. 401) an. Sie hält ſich nicht nur zur Laichzeit, ſondern auch noch eine Zeitlang nach derſelben, bis Ende Juni etwa, im Waſſer auf und beſucht daſſelbe ebenfalls ab und zu im Laufe des Sommers; während des übrigen Theils des Sommerlebens hauſt ſie an trockenen Tagen in der Nähe des Waſſers unter Baumwurzeln, Steinen, in Löchern und Ritzen alter, feuchter Mauern und Steinhaufen, in Erdhöhlen an Straßen- und Feldgräben “), auf feuchten Feldern im Lehmboden, auf ausgedehnten Breiten unter Pflanzenſtauden **), in Gärten unter die lockere Erde vergraben, in alten Gartenhäuſern, nicht ſelten auch in feuchten Gewölben und Kellern der Dörfer, Vor- und Landſtädte, des Nachts aber und in der Regel ebenſo an feuchten, regneriſchen, gewitterſchwülen Tagen treiben ſich mittelgroße und große Thiere in Gärten, Feldern, auf Wieſenland und Brachen, Kirchhöfen, Bahndämmen ) „In Canſtatt wurde“, ſo ſchreibt Plieninger 1847, „unter der römiſchen Säule, (die jetzt auf der Höhe des Sulzrains aufgerichtet ſteht), nachdem ſie 8 Jahre lang umgeſtürzt gelegen hatte, beim Aufrichten ein erwachſenes Exemplar des B. viridis nebſt zwei kleineren je in Keſſeln liegend gefunden, die ſie ſich ſelbſt gebildet hatten und die innen ſehr glatt waren. Doch waren dieſe Keſſel nur ſo groß, daß die Thiere Platz fanden, und ringsum geſchloſſen, ſodaß ſie nicht ein- und auskriechen konnten. Ich hatte ſie mehrere Jahre lang im Glas am Leben“. So fand fie Hr. W. Bölſche wiederholt auf der ſogen. Mülheimer Haide bei Köln, wo die weit ausgedehnten Wolfsmilch-Felder ihr ein treffliches Verſteck boten und „wo auch die Hautfärbung ihr zu ſtatten kam“. Sechste Art. Grüne Kröte. 491 und Straßen umher, und die jungen führen überhaupt mehr ein Tage- als ein Nacht— leben. An gefangen gehaltenen Stücken habe ich beobachtet, daß ſie in drückend heißen Nächten ruhig in der feuchten Erde oder unter Moos verſteckt blieben und nur mit Kopf und Augen etwas vorguckten. Das von der grünen Kröte alltäglich bezw. allnächtlich begangene Gebiet iſt ein verhältnißmäßig größeres als das der Erdkröte: ihre raſcher fördernden Bewegungen ſetzen ſie dazu in den Stand. Mit Hilfe ihrer langen Hinterbeine, welche länger und ſchlanker als bei anderen Kröten ſind, vermag ſie nach Froſchart zu hüpfen und Sprünge von Fußweite und mehr auszuführen, ſodaß man bei nicht genauem Zuſehen glaubt einen Froſch vor ſich zu haben. In dieſem Irrthum wird man beſtärkt, wenn man das ſitzende Thier betrachtet, welches nicht zuſammengeduckt dahockt, ſondern einen hoch aufgerichteten Kopf und Körper und ſtark vorgequollene Augen zeigt. Wie ihre Verwandten kann ſie mit den Hinterbeinen kräftig graben, ſie ſchwimmt auch, und zwar mit niedergebogenem Kopfe, recht gut. Wird ſie verfolgt, ſo macht ſie ſich in weiten Sprüngen davon; eingeholt aber und erfaßt ſucht ſie ſich durch energiſche, gegen die ſie haltende Hand gerichtete Stöße ihrer Hinterbeine und gern durch plötzliches Ablaſſen einer waſſerhellen Flüſſigkeit (aus dem After) zu befreien. Durch Anwendung des letztgenannten Vertheidigungsmittels gleicht ſie wiederum den Fröſchen. Dieſe Flüſſigkeit hat aber bekanntlich mit der allen Kröten eigenen ſcharfen, ätzenden, betäubend wirkenden Abſonderung der Ohr- und anderer Hautdrüſen, dem auf Seite 377 beſprochenen Hautſekret, nichts zu thun. Wie in den Bewegungen, ſo iſt Bufo viridis im ganzen Weſen und Gebahren lebhafter als die Erdkröte. Schon der Naturfreund in Mecklenburg, welcher das von Jakob Sturm abgebildete Exemplar nach Nürnberg ſandte, ſchrieb dem Empfänger: „Dieſe Kröte iſt gegen das Temperament aller Kröten ſehr munter und lebhaft, hüpft wie ein Froſch. . . . Wenn ihr am Tage die Sonnenſtrahlen empfindlich fallen, weiß ſie ſehr ſchnell mit den Hinterfüßen eine Höhle zu kratzen. . .. Zu ihrer Nahrung wußte ſie alle Arten von Inſekten mit der größten Schnelligkeit zu erhaſchen, nachdem ſie vorher viele Tage Alles verſchmäht hatte, was ihr vorgelegt ward“. Dieſes „Alles“ bezieht ſich doch nur auf todte Dinge, denn lebende Würmer und Raupen nimmt ſie ebenſo wie lebende Inſekten. Ihre größere Lebhaftigkeit zeigt unſere Kröte auch dadurch, daß ſie, gleich dem Froſch, ſich ſchwerer an die Gefangenſchaft gewöhnt als Bufo vulgaris, die erſten Tage unruhig herumhüpft, an der Lichtſeite des Käfigs nach einem Wege zum Entkommen ſucht u. ſ. w. Weit eher aber als der Froſch ſieht ſie das Vergebliche ihrer Bemühungen ein, lernt den Pfleger kennen und früher oder ſpäter ihm das Futter (Regenwürmer, Fliegen u. a.) aus der Hand nehmen und erfreut den Pfleger auch durch ihre hübſche Färbung und ihr munteres Weſen, ſodaß ſie, namentlich die drolligen Jungen, in dieſer Beziehung den Vorzug vor der unge— ſchickteren und beim beſten Willen nicht „ſchön“ zu nennenden Erdkröte verdient. Damit ſoll indeß nicht geſagt ſein, daß die Lebhaftigkeit eine Folge größerer Intelligenz ſei, Beweiſe einer ſolchen liegen nicht vor. Im Uebrigen gilt hinſichtlich der Ver— pflegung und der Gefangenſchaft dieſer Buntkröte das von ihrer Verwandten Geſagte. Nur ſei noch bemerkt, daß ich die Richtigkeit der von Prof. Bruch wiederholt betonten Behauptung: Bufo vulgaris, ſowohl alte als junge Thiere, zeige ſich viel empfindlicher und hinfälliger als Bufo viridis und B. calamita, nicht beſtätigt gefunden habe. Wenn Bruch ſagt [N. B., S. 106]: „Von den beiden letzteren Spezies beſitze ich Exemplare, welche nun ſchon den zweiten Winter in der Gefangenſchaft begonnen haben, welche ich von der Metamorphoſe an beſeſſen habe und welche ganz munter und wohl— Bewegung. Weſen. Ueberwinterung. Stimme. 492 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. genährt ſind; aber ich habe keinen einzigen Bufo vulgaris unter ganz gleichen Ver— hältniſſen länger als einige Monate erhalten. Sie kränkeln ſozuſagen vom erſten Tage der Gefangenſchaft und ſiechen langſam dahin, ohne ſich aus ihrer Trägheit auf— zuraffen“ — ſo mag dies an der vielleicht durch Wegſchnappen der Beute ſeitens der flinkeren Buntkröten herbeigeführten ungenügenden Ernährung, an fehlerhafter Ueber— winterung 2c. oder an dabei zu Tage getretener Sorgloſigkeit der Erdkröten gelegen haben. In letzterer Beziehung mußte ich auch eine Erfahrung machen: Im Jahre 1880 hielt ich fünf grüne und eine Anzahl gemeine Kröten zuſammen in einer geräumigen, mit einer tiefen Lage Erde verſehenen, auf dem unüberdeckten Gartenbalkon ſtehenden Kiſte, welche ich, nachdem die Thiere alle einen vergnügten Sommer und Frühherbſt verlebt und gegen den Spätherbſt hin in die Erde ſich eingegraben hatten, in das ungeheizte Zimmer und zwar an die Balkonthür ſtellte, in welchen Raum der Froſt Eingang fand. Da ich Anfang April meine Wohnung verlegen wollte, ſo grub ich, nachdem bis zum 30. März ſich noch keiner der Schläfer gezeigt hatte, an dieſem Tage nach und fand, daß einige der Erdkröten erfroren waren, weil ſie zu ſeicht lagen, während die anderen und insbeſondere die Wechſelkröten tief gegangen waren und nach dem Erwachen im warmen Zimmer munter weiter lebten. Gewöhnlich dauert der Winterſchlaf, auch im Freileben, von September oder Oktober an bis in den April, unter Umſtänden bis in den Mai; alte Thiere ziehen ſich im Herbſt eher zurück als junge, alle aber werden nach und nach träger und ſchlafen allmählich ein, nicht plötzlich. Im Freien wird der Winterſchlaf abgehalten in Erdhöhlen am Ufer der Teiche oder entfernter davon, in Kellern ꝛc., allem Anſchein jedoch nie wie bei Fröſchen im Schlamm der Teiche und Sümpfe. Die Stimme der grünen Kröte zeichnet ſich vor der aller unſerer anderen Batrachier durch eine verhältnigmäßig. große Abwechſelung aus. Eine Stimmäußerung kannte bereits Pallas, und dieſelbe vernahm auch Rathke im Mai auf der Südküſte der Krim von den Männchen der ihm dort ſehr häufig begegnenden Wechſelkröte: „Das Männchen bläht, wenn es lockt, die Kehle weit auf, ſodaß ſie einen beinahe halbkugelförmigen und verhältnißmäßig ſehr großen Sack bildet, wie beim Laubfroſch. Der Ton, den es dabei hören läßt, iſt, wie Pallas richtig angiebt, einigermaßen zu vergleichen mit demjenigen, welcher entſteht, wenn man Luft durch eine Röhre in Waſſer bläſt“. Bruch hatte wohl keine Kenntniß von der Beobachtung Pallas' und Rathke's, als er den in der Dämmerung des 18. April 1863 aus dem Waſſer zum erſten Mal, ſpäter aber des Oefteren gehörten „ganz eigenthümlichen, ſehr melodiſchen und angenehmen trillernden Ton“ der männlichen Wechſelkröte eingehend kennzeichnete: „Der Ton iſt ſehr hoch und wird ziemlich lange angehalten, zuweilen lautet er meckernd, immer aber ſehr rein vibrirend. Ich überzeugte mich, daß die Schallblaſe dabei aus— gedehnt iſt, nahm aber keine Vibration an derſelben wahr. Eine entfernte Aehnlichkeit damit im Rhythmus, aber nicht im Klang, hat das bekannte Meckern der Waſſer— fröſche, welches von dem gewöhnlichen Quaken wohl zu unterſcheiden iſt“. In gewiſſer Hinſicht erinnert dieſes Getön, welches übrigens nicht blos von den im Waſſer ſich aufhaltenden, ſondern auch, wenngleich ſeltener, von den in Gärten u. a. ſich herum— treibenden Männchen ausgeſtoßen wird, auch an das Schrillen und Zirpen der Grillen und Maulwurfsgrillen; ja Héron-Royer wurde durch das hochzeitliche klangvolle, rollende Pfeifen etwas an den Geſang der Nachtigall gemahnt. Einen noch anderen Ton läßt das in der Begattung geſtörte Männchen hören, es grunzt nämlich „wie ein Schwein“; das Weibchen hingegen beſitzt als Stimmäußerung nur ein leiſes quikendes oder quäkendes wi, wi, das man gewöhnlich vernimmt, wenn man lurz Sechste Art. Grüne Kröte. 493 abſetzend die Seiten ſanft drückt oder auch wenn im Behälter unverſehens ein ungeſtümer Geſell daſſelbe quetſcht. Der Beginn der Laichzeit richtet ſich nach dem Erwachen aus dem Winterſchlaf. Daß das letztere in kalten Frühjahren ſpät geſchieht, erſcheint ganz natürlich; aber auffallen muß es, wenn in einem und demſelben Jahre manche Wechſelkröten ſehr früh erwachen und ſich nach dem Waſſer begeben, um hier abzulaichen, andere um Wochen ſpäter hervorkommen und das Waſſer aufſuchen, und ſo kann es geſchehen, daß die erſten Paare ſchon im April, unmittelbar nach Bufo vulgaris, ſich begatten und ab— laichen, die Laichzeit der letzten indeß in den Schluß des Mai, ja in den Anfang des Juni, alſo mit der der Kreuzkröte, des Laub- und ſelbſt des grünen Waſſerfroſches zuſammen fällt. Der eigentliche Laichmonat bei uns iſt der Mai; auf der Cykladen— Inſel Syra fand J. v. Bedriaga bereits im März ausgewachſene Kaulquappen vor und in Transkaſpien beginnt laut A. Walter die Laichzeit Anfang März, um bis über die Mitte des Juni hinaus fortzudauern, ſodaß man im Hochſommer Larven und Krötchen in allen Größen und Entwicklungsſtufen neben einander ſieht. Als Laich— plätze werden Weiher, Schilfgräben, Waſſertümpel und Pfützen auf Feld und Wieſen und in Lehmgruben ꝛc. benutzt; da aber die Tümpel und Pfützen oft nur von Früh— jahrs⸗Ueberſchwemmungen herrühren oder Anſammlungen von Regenwaſſer find, jo trocknen dieſelben ſpäter gewöhnlich aus, wodurch in manchen Jahren viele Bruten des ohnehin bei uns nicht häufig zu findenden Batrachiers vernichtet werden. Die geringere Zahl der grünen Kröten bringt es auch mit ſich, daß dieſe nicht in ſo großen Geſellſchaften laichen wie die Erdkröte, vielmehr nur zu einigen Paaren beiſammen oder ganz iſolirt dem Fortpflanzungsgeſchäft ſich hingeben. Aber auch bei dieſer Spezies läßt ſich hin und wieder beobachten, wie das Männchen bei Mangel des zweiten Geſchlechts ein Weibchen einer anderen Art oder Gattung, z. B. der Erd— oder der Kreuzkröte, gern auch des Waſſerfroſches beſteigt und mit demſelben bis zum Ablaichen in copula verbleibt, oder wie manchmal zwei Männchen ein Weibchen um— ſchlingen und wie jedes gepaarte Männchen den Nebenbuhler unter Grunzen durch Stöße mit den Hinterbeinen abzuweiſen ſucht. Die Paarung und das Ablaichen erfolgt in der früher beſchriebenen Weiſe, doch finden ſich die einzelnen Paare wohl immer erſt im Waſſer, nicht ſchon auf dem Wege dahin, zuſammen. Der innerhalb eines halben Tages etwa abgegebene Laich bildet zwei ungefähr 3 bis 4 m lange, zähe Schnüre von etwa 3 mm Durchmeſſer, deren braunſchwarze Eier ſehr gedrängt liegen und, da ſie ebenfalls in zweizeilig ab— wechſelnder Stellung angeordnet und ſehr klein (noch nicht einen halben Millimeter im Durchmeſſer haltend) ſind, kaum von denen der Erdkröte unterſchieden werden können. Die von einem Weibchen gezeitigten Laichkörner mögen gegen tauſend be— tragen. Die Entwicklung der Embryen in den Eihüllen geht, namentlich bei warmer Witterung, ſehr raſch vor ſich. Unter günſtigen Umſtänden verlaſſen die 3 bis 4 mm langen „Würmchen“ ſchon am vierten Tage nach dem Laichen die Eihaut, um zunächſt noch an der an Pflanzen angehefteten Gallertſchnur hängen zu bleiben, bis ſie nach Verlauf von noch einigen Tagen, nur mit Saugvorrichtung, aber noch nicht mit äußeren Kiemen ausgerüſtet, auch dieſer den Rücken kehren und an ſeichten Stellen des Ufers liegen. Die äußeren Kiemen, welche ſich, wie Bruch zuerſt zeigte [Beiträge S. 197], auf die Bildung einfacher Gefäßſchlingen beſchränken und niemals weiter veräſteln, be— ſtehen nur einen Tag. Bis nach begonnener Verwandlung erſcheinen, wie wir wiſſen, die Larven einförmig dunkel, grauſchwarz, denen der anderen Kröten ähnlich, doch von dieſen bald durch raſcheres Wachsthum und größere Länge zu unterſcheiden, nach Laichzeit. Laichplätze. Laich. Entwicklung. Namen. Synonyma. Artkennzeichen. Körperbau. 494 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. dem Durchbrechen der Hinterbeine aber tritt die erwähnte hellere Färbung und dunkle Fleckung hervor. Beim Durchbrechen der Hinterbeine ſind die dann ungefähr acht— wöchentlichen Larven 25 bis 30 bis 35 mm lang, manche, je nach den mehr oder minder günſtigen Witterungs- und Ernährungs- Verhältniſſen, etwas länger oder kürzer. Nach dem Erſcheinen der Vorderbeine ſchwindet der Schwanz zuſehends, und mit 12 oder 13 Wochen verlaſſen die fertigen, 15 bis 17 mm langen jungen Krötchen das Waſſer. Dies geſchieht mithin Anfang Juli, wenn der betreffende Laich im erſten Drittel des April abgeſetzt war; im Auguſt aber kann man neben dieſen aus der Frühbrut ſtammenden, auf weiß- oder perlgrauem Grunde hübſch grün gefleckten Krötchen, die ſich an feuchten Orten, unter Moos und Steinen in der Nähe des Waſſers aufhalten, noch aus ſpäteren Bruten herrührende Larven, in den letzten Ent— wicklungsſtadien befindlich, im Waſſer antreffen. Die jungen Thiere, welche wie er— wähnt, mehr ein Tage- als ein Nachtleben führen, haben bei Beginn des erſten Winter— ſchlafes im Spätherbſt etwa das Doppelte der anfänglichen Größe und im dritten Jahre ſchon faſt die Länge alter Stücke erreicht, im vierten Frühling auch die Geſchlechts— reife erlangt. Landesübliche Bezeichnungen. Grüne oder Wechſel-Kröte. Holl.: Groene Pad; Schwed.: Grönfläckig Padda, Groda; Engl.: Green Toad; Franz.: Crapaud vert ou Crapaud variable; Ital.: Rospo smeraldino; Span.: Sapo verde: Poln.: Ropucha zmienna; Böhm.: Ropucha pesträ (menivä). Bufo viridis et B. Schreberianus, Zaur. 1768. — Rana variabilis, Pallas 1769. — Rana sitibunda, Pallas [Reife I] 1771. — R. bufina, Müller 1776. — R. Bufo, Gmelin 1790. — Bufo sitibundus, Schneider 1799. — Rana viridis, Shaw 1802. — Bufo variabilis, Merrem 1820. — Bufo arabicus, Rüppel 1827. — ?Rana picta Pallas 1831. — Bufo cerucigera, Eichwald 1831. — B. variab. var. balearica, Böttger [Zool. Anz. 1880 S. 642]. 7. Art: Kreuzfröte. Bufo calamita, Lau. Abbildung: Tafel I Nr. 3. Länge 5 bis 8 em; Hautwarzen vereinzelt ſtehend, ohne Hornhöcker (Dornen); Sehen der Hinterfüße ohne eigentliche Schwimmhaut, nur mit ganz kurzer Spannhaut in den Sehenwinkeln; Hinterbeine ſehr kurz, nach vorn an den Körper gelegt, mit der Spitze der längſten (4.) Sehe höchſtens bis zum Schnauzen— Ende reichend; eine erhöhte Hautfalte längs des Laufes ftets ſehr deutlich; an den Gelenkſtellen der Sehenglieder (Unterſeite der Füße) je ein Paar rundliche Höckerchen; Ohrdrüſe wenig hervortretend, kurz, nach hinten verſchmälert, alſo abgerundet dreieckig, geradeaus gerichtet; Trommelfell klein, undeutlich; Rücken grünlichgrau oder bräunlichgrün mit unregelmäßigen, ziemlich kleinen ſchwarzgrünen oder braunen Flecken (Marmorirung), röthlichen Warzenpunkten und ſchwefelgelbem Rückgratsſtrich. Aeußere Erſcheinung. Wenn man die körperlichen und ſonſtigen Eigenheiten dieſer und der vorhergehenden Art vergleicht, ſo erſcheint es nicht erklärlich, wie man früher, wohl hauptſächlich auf die Aehnlichkeit in Größe und Zeichnung fußend, beide mit einander vermengen, ſie als eine Art zuſammenwerfen konnte. Schon die zu— ſammengeſchobene Geſtalt, der plumpe, feiſte, faſt rundliche Körper mit den kurz— zehigen Füßen und den ſehr kurzen, nur eine humpelnde Bewegung geſtattenden Hinter— beinen laſſen die Kreuzkröte auf den erſten Blick als ein von der Wechſelkröte ganz Siebente Art. Kreuzkröte. 495 verſchiedenes Thier erkennen. Der Kopf iſt um ein Merkliches breiter als lang, oben platt, flach und zwiſchen den Augen höchſtens ſo breit als ein einzelnes Augen— lid, an den Seiten ſteil abfallend, die hohe Schnauze vorn ſtumpf abgerundet, der Einſchnitt im Oberkiefer und die Entfernung zwiſchen Naſenlöchern und Augen wie bei der grünen Kröte, „die Mundſpalte endigt unter dem hinteren Augenwinkel“, die Zunge iſt elliptiſch, ziemlich bandförmig, bisweilen doppelt ſo lang als breit, dick, nach hinten nur wenig verbreitert, die in der Kehlmitte des Männchens gelegene Schall— blaſe ähnelt der des Laubfroſches, die querovale Pupille erſcheint infolge einer ſchwach winkeligen Einbuchtung am unteren Rande theilweiſe dreieckig, das Auge überhaupt iſt groß, vortretend, durch ein breites oberes Lid geſchützt und ſomit nur von der Seite ſichtbar, die Naſenlöcher ſind ziemlich groß, weit vor an die Schnauzenſpitze gerückt, von einander nicht ſo weit als vom Kieferrand entfernt, das Trommelfell iſt gewöhnlich glatt und ſehr undeutlich, die Ohrdrüſenwulſt ganz flach, ja bei jungen Exemplaren nur wenig oder kaum bemerkbar, kurz, vorn merklich breiter als hinten und ſomit ab— gerundet dreiſeitig, kürzer und breiter als bei der grünen Kröte, mit dem gerade nach hinten gerichteten Ende bis hinter den Vorderrand der Armwurzel reichend. Die Vorderbeine ſind meiſt etwas kürzer als der Rumpf, ihre walzigen Finger mit Ausnahme des längeren dritten faſt gleichgroß (am kürzeſten der vierte) und ebenſo wie die Zehen der Hinterfüße an der Spitze braun oder ſchwarz, ſtark verhornt und auf der Unterſeite an den Gelenkſtellen mit je einem Paar rundlicher Höckerchen aus— gerüſtet, auch ſtehen zahlreiche kleine weiche Höckerchen auf dem Handteller ſelbſt und auf der Fußſohle, und außerdem am Hinterrande des erſteren wie der letzteren zwei große Höcker, von denen der an der Innenſeite (an der Wurzel des Daumens bezw. der 1. Zehe) befindliche kleiner und länglich, der äußere hingegen ſcheiben- oder flach— kegelförmig iſt. Die Hinterbeine ſind nicht nur kürzer als bei den anderen beiden Kröten, ſondern kürzer als bei einem anderen europäiſchen Froſchlurch überhaupt, denn ſie reichen, nach vorn an den Körper gelegt, mit dem Ferſenhöcker bis zum vorderen (8) oder hinteren (2) Augenwinkel, bezw. mit der Spitze der längſten oder vierten Zehe in der Regel höchſtens bis zum Schnauzen-Ende, nicht aber über dieſe hinaus; im Uebrigen find die Schenkel ſtämmig, die Zehen kurz und verhältnißmäßig breit, abgeplattet, und nicht durch eine eigentliche Schwimmhaut unter einander ver— bunden, ſondern nur am Grunde mit einer kurzen Spannhaut verſehen (geheftet!), welche ſich von hier ab dann in Geſtalt ſchmaler Hautſäume bis zum letzten Glied der Zehen fortſetzt. Dieſe kurzzehigen, dicken Füße, an denen noch dazu oft die Zehen bezw. die Finger kleiner, verſtümmelt ſind, erſcheinen ganz anders als die ſchlanken Gliedmaßen der grünen Kröte, erinnern vielmehr „bei älteren Exemplaren an die Klumpfüße mancher Schildkröten“. Am Unterſchenkel breitet ſich eine große, ovale Drüſe aus, auch eine Vorderarmdrüſe iſt vorhanden. Die Haut iſt einfacher als ſpeziell bei der Erdkröte, da ſie weder Kalkkörperchen enthält, noch auf dem Gipfel der Rückenwarzen Hornhöcker aufweiſt, doch ſtehen auf ihr, nur die Schnauzen- und Wangengegend, Hand und Fuß ausgenommen, ſowohl ober- als unterſeits Warzen, und zwar auf der Oberſeite zerſtreut geſtellte größere, auf der Unterſeite zahlreiche kleine, die indeß am Hinterleib wiederum größer und viel flacher werden. Die Größe ſtimmt ungefähr mit der der grünen Kröte überein, wenigſtens zeigen in unſeren Gegenden beide Arten im erwachſenen Zuſtande meiſtens eine Länge *) Bei ſüdweſt⸗europäiſchen Stücken (ob als Regel?) finden ſich jedoch faſt halbe Schwimmhäute; vergl. O. Böttger, Amph. aus Süd⸗Portugal S. 526 und Amph. Süd⸗Spaniens ©. 383. Maaße. Wechſel- und Kreuzkröte. Färbung. 496 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. von etwa 6 em; während aber B. viridis erheblich größer werden kann, wird man von der Kreuzkröte nur ausnahmsweiſe Stücken begegnen, die mehr als 7,5 cm meſſen. Solche größeren Exemplare erweiſen ſich in der Regel als Weibchen, Männchen ſind gewöhnlich 5,5 bis 6,5 em lang. Auf den Kopf, der in der Länge mit der des Unterſchenkels (der Tibia) übereinſtimmt, entfällt ein Viertel oder ein knappes Drittel der Geſammtlänge; der Hinterfuß iſt etwa halb ſo lang als die ganze Hintergliedmaße und die letztere (vom After an bis zur Spitze der längſten Zehe) nur ſo lang als Kopf und Rumpf zuſammen. Zum Vergleich ſeien noch einige Maaße angegeben; Nr. 1 iſt ein erwachſenes Männchen, Nr. 2 ein Weibchen. Geſammtlänge von der Schnauzenſpitze bis zum After Nr. 1: 58 mm, Nr. 2: 72 mm; Länge des Kopfes allein 18 bezw. 19 mm; Länge der Vordergliednmaße 34 bezw. 43 mm; Länge der Hintergliedmaße 61 bezw. 70 mm, des Hinterfußes allein 30 bezw. 36 mm, des Unterſchenkels 18 bezw. 19,5 mm; größte Kopfbreite 21 bezw. 25 mm. Rufen wir uns ins Gedächtniß, daß bei der grünen Kröte der erſte Finger länger als der zweite, die Ohrdrüſe cylindriſch oder ſchwach nierenförmig iſt, die Unterſchenkeldrüſe fehlt, die Hinterbeine erheblich über körperlang und die Hinterfüße mit nahezu halben Schwimmhäuten verſehen ſind, während bei der Kreuzkröte die Ohrdrüſe abgerundet dreieckig und der Unterſchenkel durch eine große elliptiſche Drüſe ausgezeichnet iſt, die erſten beiden Finger gleichlang, die Hinterbeine kurz und ſtämmig und an den Hinterfüßen kaum Spuren einer Schwimmhaut vorhanden ſind, daß ferner, abgeſehen von den übrigen, in der Beſchreibung aufgeführten Unterſcheidungs— Merkmalen, trotz einiger Aehnlichkeit in der Fleckenzeichnung Bufo calamita auf grünlichgrauem Grunde verſchwommene olivenfarbene Flecken bezw. Marmorirung und längs der Rückenmitte einen ſcharf abgegrenzten gelben Strich, Bufo viridis hingegen auf weißlicher Grundfarbe große dunkelgrasgrüne Landkarten-Flecken und nie den gelben Rückenſtreif aufweiſt: jo muß es uns Wunder nehmen, daß zwei ſo tüchtige Herpetologen wie Dumeril und Bibron und gleicherweiſe andere franzöſiſche Zoologen (Duges u. A.) beide Kröten-Arten als eine Spezies zuſammenwerfen *) und die grüne Kröte nur als „un calamita sans rail jaune sur le dos“, eine Varietät der Kreuz— kröte ohne gelben Rückenſtreif betrachten. Wahrſcheinlich haben dieſe franzöſiſchen Forſcher den wahren Bufo viridis, der in Frankreich fehlt und dort durch B. calamita vertreten wird, gar nicht ſelbſt gekannt und führen ihn nur auf eine andere Be— ſchreibung hin mit an; vielleicht auch mögen, wie Dr. Fr. Müller-Baſel hervorhebt, Sammlungs-Exemplare von B. calamita, die der Oberhaut verluſtig gegangen ſind und, indem dann der helle Rückenſtreif faſt ganz zurücktritt, die Grundfarbe hell, ſchmutzig— weiß, und die vorher dunkel-olivgrüne Marmorirung hellgrün wird, in der Färbung ſehr an die Beſchreibung des B. viridis erinnern, zu der lange herrſchenden Ver— mengung der beiden Arten beigetragen haben. Noch mehr Unterſchiede ergeben ſich, wie wir weiterhin ſehen werden, bei Berückſichtigung der Stimme, Lebensweiſe und Fortpflanzung. Die Färbung bietet, wie ſoeben erwähnt, ein weſentliches Artkennzeichen dar. Die Grundfarbe der Oberſeite iſt niemals ein Schneeweiß oder ein Grauweiß wie bei der grünen Kröte, ſondern höchſtens ein grünliches oder gelbliches Grau, oft aber dunkler getönt (olivengrün, olivenbraun) und manchmal, namentlich bei Weibchen und im zeitigen Frühjahr, ſogar röthlich, gelbbraun oder rothbraun; gern ähnlicht ſie ſich dem Ausſehen des betreffenden Bodens an. Auf dieſer Grundfarbe bemerkt man eine ) Latreille [Sal.] und Cuvier jedoch behandeln ſie als verſchiedene Arten. Siebente Art. Kreuzkröte. 497 dunkler grüngraue, grünbraune oder ſchwärzliche, durch verſchwommene rundliche, ziemlich kleine unregelmäßige Flecken entſtandene Marmorirung, welche in der Lippen— gegend und auf den Augenlidern durch beſſer markirte Flecken und auf den Hinter— beinen und wohl auch an den Körperſeiten durch quergeſtellte breite, bandartige Makeln erſetzt wird, außerdem rothe Warzenpunkte und, als charakteriſtiſch für dieſe Kröte, einen vom Kopf an über die Mitte des Rückens bis zum After laufenden ſchwefel— gelben glatten, etwas vertieften Strich. Dieſer gelbe Streif, welcher dadurch, daß er über „das Kreuz“ d. i. das Rückgrat hinzieht, dem Thier den Namen verſchaffte, fehlt nach meinen Beobachtungen nie, obwohl er bei manchen (ſüdlichen) Stücken weißlich, undeutlicher oder durch die Flecken und Warzen hier und da unterbrochen bezw. ver— ſchoben werden kann. Manche Thiere zeigen auch an jeder Rückenſeite, zwiſchen Auge und der Wurzel des Hinterbeins, eine parallel mit jenem Rückgratsſtrich laufende unregelmäßige, ausgebuchtete röthliche Binde. Oft werden die rothen Warzen von den erwähnten dunklen Flecken hofartig umſchloſſen; gewöhnlich zeigt ſich am vorderen und hinteren Augenwinkel ein gelblicher Fleck. Der Bauch ſammt der übrigen Unter— ſeite iſt weißlich oder weißgrau, meiſt mit rundlichen ſchwärzlichen Flecken überſpritzt, ſeltener einfarbig; die Zehenſpitzen erſcheinen braun oder ſchwarz, Hand- und Fuß— ballen gelb oder bräunlich. Die Iris iſt gelblich oder grünlichgelb, mit feiner ſchwärz— licher Beſprenkelung. Die im Vorſtehenden beſprochene Färbung kann zwar, wie wir von Seite 382 her wiſſen, unter dem Einfluß des Nervenſyſtems wechſeln, außerdem je nach dem Alter und dem Geſchlecht der Thiere, der Jahreszeit und den Einzelweſen in dem Grundton oder der Fleckenzeichnung Abweichungen erkennen laſſen, indeſſen ſind dieſe Abänderungen ſo unbedeutend und unweſentlich, daß ſie nimmer zur Aufſtellung von beſtimmten Formen und Varietäten ausreichen. Was die Verſchiedenheit rückſichtlich der Jahres— zeit angeht, ſo möge erwähnt ſein, daß im Spätherbſt die Farben dunkeln und bei der winterſchlafenden Kröte das Roth der Warzenpunkte ſich verliert, zu einem Gelb verblaßt, während es nach der erſten Frühjahrshäutung in der vormaligen Sättigung wieder erſcheint und die Grundfarbe ſich dergeſtalt aufhellt, daß die dunkle Fleckung kräftig hervortritt. Zur Unterſcheidung der Geſchlechter bietet die Färbung inſofern einige Anhalts— punkte, als die dunkler gefärbten, durch prächtig rothe Punkte und Punktflecken an den Rumpfſeiten, den Hinterbeinen und hinterm Mundwinkel und durch rothe, gelb umſäumte Tüpfel am Halſe ausgezeichneten Thiere in der Regel Männchen, die auf hellem (graulichem) Grunde grün gefleckten, einfach gelbe Halswarzen und an der Seite des Rumpfes eine ausgebuchtete helle Binde aufweiſenden Thiere hingegen Weibchen ſind; auch heben ſich bei den Männchen auf der weißgrauen, zur Paarungszeit an der Kehle gern bläulich oder violett überflogenen Unterſeite ſchwarze und ſchwärzliche Sprenkel und rundliche Flecken ab, während die mehr gelblichweiße, zur Laichzeit an der Kehle oft gelbfleiſchfarben angehauchte Unterſeite der Weibchen keine ſolche ausgeſprochene Neigung zur Fleckenbildung bekundet. Im Uebrigen iſt das Männchen kleiner, ſchlanker als das dickbauchigere Weibchen, durch eine wohlentwickelte Schallblaſe an der Kehle und zur Fortpflanzungszeit durch eine am Daumenballen, an der Oberfläche des Daumens und des 2. Fingers ſowie am Rande des 3. Fingers ſich abhebende braune oder ſchwarzbraune rauhe, kruſtenartige Brunſtſchwiele, ferner durch ſehr dicken Vorder— arm, ftärfer zugeſpitzte Finger und längere, d. h. beim Vorſtrecken mit der 1. Zehe die Schnauzenſpitze erreichende Hinterbeine ausgezeichnet. Das Weibchen dagegen ent⸗ behrt der Schallblaſe und der Brunſtſchwiele, hat dünneren Vorderarm, 1 zu⸗ Abänderung. Geſchlechter. Larven. x e Junge. 498 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. geſpitzte Finger und kürzere, mit der 1. Zehe höchſtens den vorderen Augenwinkel, mit der 2. höchſtens das Naſenloch erreichende Hinterbeine. Die Larven ſind nächſt denen der Erdlröte die kleinſten unter unſeren Anuren (Seite 418), denn fie verlaſſen bei einer Länge von 3,5 oder 4 mm die Eihüllen und wachſen bis zu einer Größe von 25, höchſtens 30 mm heran. Bei einer Geſammt— länge von 30 mm nimmt der 5 mum hohe Schwanz etwa 18 oder 19 mm für ſich in Anſpruch, der Interocularraum mißt ziemlich 3 mm, die Analröhre nahezu 2 mm. Der Kopf ſolcher etwas ins Breite und Platte gehenden Quappen iſt im hinteren Theil ebenſo wie der Rücken flach gewölbt, von den Augen an ſanft gegen die Naſenlöcher geneigt und von da ziemlich ſteil nach unten abfallend, der Schnauzentheil kürzer und breiter als bei Erd- und Wechſelkröte und in flachem Bogen gerundet, die Mundöffnung bedeutend ſchmäler als bei Erdkrötenlarven bezw. als der Interocularraum (2 mm), mit Papillen in den Mundwinkeln und mit Zähnchen am Rande, die Oberlippe an der Innenfläche rechts und links mit einer kurzen Zahnreihe, die Innenfläche der Unter— lippe mit zwei ununterbochenen Zahnreihen, die ſeitlich liegenden Augen ſind verhältniß— mäßig größer als bei B. viridis, die Naſenlöcher mittelgroß, von einem vortretenden Randwulſt umſchloſſen und von einander etwas weiter entfernt als wie das Naſen— loch vom gleichſeitigen Auge; der Bauch erſcheint ſchwach aufgetrieben, das Kiemenloch (Seite 416) iſt kleiner oder ebenſo groß wie die Afteröffnung, näher am Auge als am Bein gelegen, die Analröhre dickwandig, lang, zuweilen vom Schwanzſaum getrennt, hinter der Anſatzſtelle der Beine in der Mittellinie des Körpers liegend, der Schwanz gut anderthalb mal ſo lang als der letztere, mit ziemlich niedrigem, an der Schwanzwurzel beginnendem, etwas mehr als bei B. vulgaris bogig gerandetem und am Schwanzende weniger breit als bei Erd- und Wechſelkröte abgerundetem Floſſenſaum. Die Färbung der Larven iſt in der erſten Zeit ein Schwarz oder Schwarzbraun, insbeſondere unterſeits mit kleinen, erzfarbenen Punkten beſprengt, nur Kinn und Kehle erſcheint weißlich, der fleiſchige Theil des Schwanzes iſt auch ſchwärzlich, ſein häutiger Floſſenſaum auf hellem Grunde mit ſchwarzen Sprenkeln und Veräſtelungen. Sie laſſen ſich von den um dieſelbe Zeit zu findenden, gleichfalls dunklen Larven der Wechſelkröte zunächſt nur an der um ein reichliches Drittel geringeren Größe unterſcheiden. Aber ſchon mit beginnender Verwandlung machen ſich Andeutungen des hellen Rückgratsſtreifens bemerkbar. Ueber— haupt hellt mit zunehmendem Wachsthum die Färbung ſich auf; nachdem die Hinter— beine durchgebrochen ſind, wird die Oberſeite braun oder bräunlich und mit den Vorder— beinen erſcheint auch allgemach hellere und dunkle Fleckung, die Rückgratslinie wird deutlicher, die Farbe der Flanken und des Bauches wird aſchgrau und ſpäter, wenn auch bereits kleine Warzenpunkte auf Kopf und Rücken ſich zeigen, am Bauch grau— weiß, an der Kehle noch heller. So iſt denn die Färbung der jungen Krötchen, welche nach Verluſt des Schwanz— ſtummels als 10 bis 12, unter günſtigen Verhältniſſen als 14 oder 15, unter minder zuſagenden Umſtänden als nur 6 oder 7 mm lange, breitrumpfige, kurzbeinige, beweg— liche Vierfüßer das Waſſer verlaſſen und eine äußerlich ſichtbare Ohrdrüſe noch nicht ausgebildet haben, im Allgemeinen bereits gegeben. Nur zeigen die Jungen auf der fein gekörnelten Oberſeite eine Zeitlang noch einen grauen Grundton der Färbung, auf dem ſich aber der ſchwach gelbliche Rückenſtrich, große matt-rothbraune Warzen ſowie dunklere Flecken wohl abheben, während die Bauchfläche oft ſo dicht mit grauen Fleckchen beſetzt iſt, daß dazwiſchen das Grauweiß der ſpäteren Grundfarbe nur in Geſtalt eingeſtreuter heller Punkte oder „heller Puderung“ wahrnehmbar wird. Nach den erſten Frühjahrshäutungen, welche die dann ziemlich einjährigen Kleinen durch— Siebente Art. Kreuzkröte. 499 machen, kommt indeß eine lebhaftere, die der alten Thiere an Friſche noch übertreffende Färbung zur Geltung: namentlich hat ſich das unſcheinbarere Grau oder Braungrau der Oberſeite in ein reines Orange- oder Olivenbraun umgewandelt, auf welchem die röthlichen Warzen des Rückens und der Seitenlinie, die gelbe Rückgratslinie und die dunklen, grün getönten Marmorflecken gut abſtechen, hier und da treten gelbe und rothe Augentüpfel auf, die Ohrdrüſen erſcheinen in Hellgelb und die früher noch trüb gefärbte Iris beſitzt nun ein ſchönes Grüngelb. Geographiſche Verbreitung. Im Gegenſatz zur grünen und ganz beſonders zur grauen Kröte hat Bufo calamita ein recht beſchränktes Verbreitungsgebiet, indem daſſelbe ſich nur von der ſpaniſch-portugieſiſch-iriſchen Küſte im Weſten bis etwa zur Weichſel im Oſten ), d. h. vom 9. bis ungefähr zum 39. Ferrograd, und von Dänemark, Süd⸗Schottland und -Schweden im Norden (57.“ n. Br.) bis Gibraltar (36°) im Süden, ſonach über etwa 30 Längen- und 21 Breitengrade ſich erſtreckt. Dabei iſt feſtzuhalten, daß der Röhrling ganz Italien und den weſtlichen Mittelmeer-Inſeln, außerdem auch wohl den öſterreichiſch-ungariſchen Staaten fehlt, mithin blos in Portugal, Spanien, Frankreich, Schweiz, Deutſchland, Belgien, Niederland, England, Irland, Dänemark und Südſchweden lebt. Es hat den Anſchein, als ob Frankreich den Knoten— punkt der Verbreitung bilde und die Kröte ſich von da aus nach allen Seiten hin (nur nicht über die Alpen nach Italien) gezogen habe. Auf jeden Fall haben wir in der Kreuzkröte eine ausgeprägt weſteuropäiſche Form vor uns, die weſtlich der Rhein— linie die grüne Kröte ausſchließt, in Deutſchland, Dänemark, Südſchweden mit dieſer öſtlichen Form gemeinſchaftlich auftritt, hinwiederum Oeſterreich-Ungarn und die Donau— ſtaaten ſowie das weite Gebiet öſtlich der Weichſel überhaupt der viridis überläßt. Ueber ihre weite Verbreitung auf der Pyrenäiſchen Halbinſel find wir außer durch die ſpaniſchen und portugieſiſchen Fauniſten durch Michahelles [Iſis 1830 S. 808], Steindachner [Novara], Böttger-Simroth, Boulenger, v. Bedriaga u. A. unterrichtet, ſodaß die Angabe einzelner Fundorte überflüſſig erſcheint; nur möge ver— merkt ſein, daß ſie für verſchiedene Provinzen Portugals und aus den ſpaniſchen Ländern Andaluſien, Murcia, Valencia, Neu- und Altaſtilien, Leon, Eſtremadura, Galicien gemeldet wird und daß als vorgeſchobenſte Poſten Gibraltar im Süden, Coimbra, Ovar und Porto im Weſten, Vivero im Nordweſten bekannt ſind. Aus den eigentlichen Pyrenäen-Bezirken Frankreichs liegen zwar keine Nachrichten vor, wohl aber von Bayonne und durch J. v. Bedriaga und Nöguis aus Herault, der Provence und den Sce-Alpen (Nizza), und von dieſen ſüdöſtlichſten Strichen des Landes zieht ſich der Wohnkreis des in Frankreich oft mit Bufo viridis verwechſelten und zuſammen— geworfenen B. calamita bis in die nördlichen Grenzdiſtrikte Somme (Abbeville), Calais u. ſ. w., und faſt allenthalben ſcheint die Kreuzkröte häufig zu ſein. Von Frankreich aus tritt fie nach der Schweiz, nach Deutſchland und Belgien über, nicht aber nach Italien. Wie in den franzöſiſchen Grenzgebieten, ſo wird ſie auch in der weſtlichen Schweiz (Jura) wohl überall zu Hauſe ſein, denn nach Schinz Fauna helvetica joll fie in der „ebeneren Schweiz“ allenthalben anzutreffen, obgleich nicht ſo häufig als die gemeine Kröte ſein; für Genf meldet ſie Boulenger [Bufo], für Turtmann im Rhonethal, Kanton Wallis, und für die Umgebung Baſel's Dr. Fr. Müller, im Kanton Aargau hat Hr. Fiſcher-Sigwart fie einmal bei Aarburg gefunden, auch wird ſie von Heer und Blumer für den Kt. Glarus und von Brügger für Chur im Kt. Grau— ) Bei der galiziſch-polniſchen Grenzſtadt Sandomierz an der Weichſel iſt die Kreuzkröte, wie Hr. Prof. M. Nowicki 1880 mir mittheilte, einmal gefunden worden. 925 Verbreitungs⸗ gebiet. Außer⸗ Deutſchland. Süd⸗Deutſchland. 500 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. bünden angegeben; hingegen liegt aus der ſüdöſtlichen Schweiz, wo B. viridis vor— kommt, keine Anzeige vor, ſie fehlt alſo wohl dort, und ebenſo vermißt man ſie laut Prof. Studer im Kt. Bern, muthmaßlich auch in anderen Theilen des Hochgebirges. Im Luxemburger Land iſt die Rohrkröte laut Fontaine ziemlich allgemein, ſo auch im Sure- und Moſelthal und in den Ardennen, in Belgien laut Selys-Longchamps gleich— falls in den Ardennen-Strichen, hauptſächlich aber auch in der nordöſtlichen Ebene (Kempenland), in Holland laut Schlegel vornehmlich in Gelderland und Groningen und in den anderen Grenzprovinzen verbreitet. Jenſeits des Kanals kommt ſie in England, Schottland und Irland vor; als Fundorte nennen Bell: Blackheath, Dept— ford u. a. in der Nähe Londons, Fleming: Cambridgeſhire und Norfolk, Pennant: Lincolnſhire, Clarke und Roebuck [Fauna of Yorkshire]: Porkſhire, ferner Bell eine Oertlichkeit am Ufer des Solway Firth im ſüdlichen Schottland, E. Friedel nach W. Tompſons Natural History und A. G. More [Journal of Botany 1877 S. 350] die Grafſchaft Kerry bezw. die Küſte längs der Dingle-Bai im ſüdweſtlichſten Irland, wo ſie an vielen Plätzen zahlreich vorhanden fein fol. Während man in den vor— ſtehend berührten Ländern von den beiden Buntkröten nur dem Röhlling begegnet, fo geſellt ſich in Dänemark, Südſchweden und Deutſchland die grüne Kröte zu ihm. Laut Collin bevorzugt B. calamita in Dänemark den öſtlichen Küſtenſaum der Halbinſel, und dementſprechend iſt fie auch auf den Inſeln Samsö, Aggersß, Omö, Fünen, See— land, Laaland, wahrſcheinlich auch auf den übrigen Eilanden heimiſch und durch ſie alle iſt die Verbindung mit Südſchweden hergeſtellt, wo die „Stink-Padda“ durch Nilsſon für den Küſtenſtrich Halland am Kattegatt und für das ſüdliche Schonen nach— gewieſen wurde. Im ganzen weiten ruſſiſchen Reich mit Ausnahme Polens fehlt ſie, die älteren Angaben Seydlitz' und Eichwald's [Litthauen], welche die Kreuzkröte als Glied der Fauna der Oſtſceprovinzen, Litthauens, Wolhyniens und Podoliens an— führen, haben ſich nicht beſtätigt; in Polen iſt ſie laut Taczanowski weniger gemein als die anderen beiden Bufonen und im nördlichen Theil des Landes zahlreicher als im ſüdlichen. Daß hier an der Weichſel die Oſtgrenze der Verbreitung liegt, wurde auf Seite 399 betont. Die früheren Meldungen von Zawadzki, Bielz u. A. für Galizien, Bukowina, Siebenbürgen, Ungarn, Erzh. Oeſterreich ꝛc. find durch neuere Beobachtungen nicht unterſtützt, vielmehr widerlegt worden, und man wird für jetzt bis zur Beibringung unumſtößlicher gegentheiliger Beweiſe feſthalten müſſen, daß B. calamita in Oeſterreich-llngarn — mit Ausnahme des an den bayeriſchen und ſächſiſchen Wohnkreis grenzenden nördlichen Böhmens, woher ſie Dr. A. Fritſch von Prelaué, Elbeteinie und Pilſen aus eigener Anſchauung kennen lernte — fehlt. Obgleich Bayeriſche Fauniſten, jo Reider und Hahn 1831, vermerken, daß man die Kreuzkröte „beinahe in allen Gegenden“ Bayerns finde, ſo ſcheint ſie im Weſten und namentlich Nordweſten dieſes Landes doch allgemeiner und häufiger zu ſein als im Oſten am bezw. im Böhmiſchen und Bayerischen Wald und im Südoſten gegen die Alpen hin. In dieſem Viertel mag wohl der Inn ihre Verbreitungsgrenze bilden, ſie gehört im Uebrigen aber laut Fahrer [München! der oberbayeriſchen Fauna an. Ebenſo iſt ſie laut A. Wiedemann über den ganzen, gleichfalls ſüdlich der Donau liegenden Reg.-Bez. Schwaben verbreitet, wennſchon nirgends zahlreich; nachgewieſen wurde ſie dort in Altwaſſern des Lech bei Haunſtetten, Augsburg (hier laut J. F. Leu „ziemlich häufig“), Meitingen und Rain, ferner in der Umgebung Memmingens und im Zuſam— thal. Bei Regensburg traf während eines dreijährigen Aufenthalts daſelbſt Hr. Dünn— bier viele Rohrkröten au. Eine gewöhnliche Erſcheinung iſt ſie in Franken, ſo laut Dr. Brock bei Erlangen, laut H. Sippel bei Bamberg, laut Leydig bei Rothenburg Siebente Art. Kreuzkröte. 501 an der Tauber am Wachſenberg, bei Amorbach im Odenwald und im Mainthal bei Würzburg, laut A. Dünnbier bei Zellingen (in den Altwaſſern des Main in un— zähligen Mengen“). Für Württemberg wird die Hausunke bereits durch G. v. Martens und Plieninger verzeichnet; ſpätere Nachrichten melden ſie für Schwaben (Hr. Siler; Prof. v. Krauß: Waldſee) und für das Gebiet der Alb und des Neckar: an der Soli— tude bei Stuttgart ſammelte fie am 7. Juni 1847 E. v. Martens, bei Tübingen (Spitzberg, Roſeck, Waldhäuſerhöhe, Pfrondorfer Höhe) F. Leydig, Prof. Eimer und Hr. Siler, von Kirchheim und Waiblingen kennt ſie Prof. v. Krauß; den Schwarz— wald ſcheint ſie zu meiden. Daſſelbe dürfte, wie Hr. Tiesler mir mittheilt, in Baden der Fall ſein, wo ſie im Uebrigen laut H. Kober zwar weniger ſelten als die Wechſel— kröte, doch nicht häufig auftritt; bei Heidelberg vermißte fie J. v. Bedriaga, während ſie laut Dr. L. Glaſer wiederum in und bei Mannheim, z. B. im und am Weiher des dortigen Stadtparks „ſehr allgemein“ iſt. Und das wird für das ganze Ober— rheinthal bis nach Baſel hinauf zutreffen; von der badiſchen Seite kennen wir ſie bei— ſpielsweiſe von Karlsruhe und durch Dr. F. Müller von Müllheim und vom Iſteiner Klotz, gleicherweiſe aus dem Elſaß von Neudorf und Groß-Hüningen ſowie durch Dr. Andreae aus dem noch mehr ſüdweſtlich belegenen Pfirt, ferner durch Dr. C. Koch aus den das Rheinthal beſäumenden Vogeſen und aus der Pfalz und durch Dr. L. Glaſer aus der Umgebung von Worms, weiterhin von dem Plateau Lothringens und der Moſel durch Schäfer und die franzöſiſchen Fauniſten Holandre u. A. Auch im preußiſchen Moſelthal bezw. im Gebiet der Eifel, des Hunsrück ſowie der Nahe iſt das Vorkommen der Kreuzkröte feſtgeſtellt: bei Kreuznach durch L. Geiſen— heyner („nicht ſelten“), bei Trier durch Schäfer, bei Alf im Moſelthal und in der Eifel ſowie am Eingang der niederrheiniſchen Tiefebene bei Bonn („nicht ſelten in Gärten der neuen Stadttheile“) durch F. Leydig. Dem rechtsrheiniſchen Bergland fehlt fie ebenſowenig wie der Ebene des Unter-Main: es verzeichnen fie G. de Roſſi für Neviges bei Elberfeld, W. Bölſche für das Bergiſche Land und Duisburg, F. Leydig's „Anuren“ für Schwarz-Rheinfeld (an den Kirchmauern) und das Sumpfgebiet von Siegburg, Melsheimer 1877 für Linz a. Rh. und Neuſtadt, Dr. C. Koch für das Lahn- oder Weſterwald- und Taunus-Gebiet, im Beſonderen für Dillenburg und Her— born im Weſterwald, das Lahnthal von Wetzlar an abwärts bis zum Rhein, die Ab— hänge des Taunus, den Rheingau und die Gegend von Frankfurt a. M. (Enkheim Seckbach), C. L. Kirſchbaum [Naſſau] für Wiesbaden, Mosbach, Soden am Taunus, Höchſt a. M., Dr. O. Böttger für die Gärten der Vorſtädte von Frankfurt, W. v. Reichenau für Mainz („ſehr gemein“); von Offenbach ſtehen Exemplare in der Sammlung des dortigen Naturk. Vereins. Auch die Rhön und das übrige, oſtwärts an die Werra ſtoßende heſſiſche Bergland beherbergen die Kreuzkröte: in der Rhön fand Leydig erwachſene Stücke zwiſchen dem Stollberg und der Milſeburg und in einem pflanzenloſen Feldtümpel bei Kleinſaſſen die Larven; für den Kreis Rotenburg zeigt ſie Eiſenach, für die Umgebung Kaſſels A. Lenz an. Ihr Vorkommen im ſüd— lichen Theil des Weſtfäliſchen Berglandes, d. h. dem Sauer- und Siegerland, erfahren wir ſchon 1846 durch E. Suffrian, und F. Weſthoff ergänzt dieſe Angabe in Wolters— torff's „Nordweſtd. Berglde.“ durch folgende Nachweiſe: „Im Sauerländiſchen Diſtrikt überall, aber nirgends häufig; kommt bei Hilchenbach und Siegen noch vor; am häufigſten auf dem Haarſtrang, von mir bei Paderborn gefunden; nicht nachgewieſen im Eggegebirge, wurde aber auf dem Osning bei Lengerich (kahle Kalkhöhen) erbeutet; über das Vorkommen im Osnabrücker Lande und im Wiehengebirge liegen keine An gaben vor.“ Bei Lünen an der Lippe ſah Dr. Auguſtin im Juli 1879 zwei Exemplare; Bergland weſtl. der Weſer. 502 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. von Falkenhagen im Detmold'ſchen meldet ſie H. Schacht, von Haarbrück im links— ſeitigen und Eſchershauſen im rechtsſeitigen Weſerbergland F. Weſthoff bezw. E. Cruſe fin Wolterstorff Nw. Bgld.], von Göttingen find Belegſtücke im dortigen Zoolog. Muſeum. Aus den nördlichen Vorlanden des Harzes verzeichnet Wolterstorff in der ſoeben genannten Schrift außer Braunſchweig (Gliesmarode, am Bültenweg, Querumer Holz, Moor vor Bienrode), wo bereits am 25. Juni 1841 J. H. Blaſius in einem Graben nahe der Stadt die Kreuzkröte in Begattung antraf, als Fundorte Wefer— lingen, Schöningen (vergl. S. 487), Thiede bei Wolfenbüttel, Schladen — von dem öſtlicher gelegenen Hornburg erhielt Prof. Nehring drei Exemplare — und die Alten— burg bei Quedlinburg und aus dem Harz ſelbſt: Nonnenberg bei Goslar, Trogthaler Steinbrüche im Innerſtethal, Grund (Teufelsthal laut P. Krefft), Oberhütte bei Badenhauſen, Oſterode; bei Blankenburg und im ſüdöſtlichen Harz fehlt die Kreuz— kröte, ſie kommt dagegen laut Sömmering wiederum im Köyffhäuſer, und zwar in den ſüdlichen Ausläufern dieſes kleinen Maſſengebirges, vor. Aus der Umgebung von Halle: Ufer des Salzigen Sees, Cröllwitzer Höhen und Galgenberg liegen mir Nach— weiſe von J. D. Kobus, außerdem von Goldfuß [Bedriaga, „Anura“), O. Taſchen— berg u. A. vor. Für „Thüringen“ wird die Kreuzkröte zwar ſchon von Zenker 1825 angegeben, doch mangelt es noch an einzelnen Fundortsvermerken von dort und ebenſo vom Fichtelgebirge. Im Erzgebirge ſtieß ſie mir nicht auf, wohl aber in der Dresdener Gegend, und im Lauſitzer Gebirge iſt ſie laut brieflicher Mittheilung P. Jung's in Niederungen häufig. Für die Umgebung von Görlitz verzeichnet ſie Fechner, für den Gräditzberg bei Goldberg 1831 J. G. Neumann, für Breslau 1829 Gravenhorſt's „Deliciae“; doch kommt fie laut brieflicher Nachricht des Hrn. Prof. Born bei letzt— genannter Stadt „ſehr ſelten“ vor: viele Jahre hindurch bekam dieſer Beobachter dort keine Kreuzkröte zu ſehen und erſt „nach langen Mühen hat i. J. 1886 mein Froſch— fänger ein Exemplar aufgetrieben“; auch Hr. F. Tiemann bezeichnet ſie mir als ſehr ſelten für Schleſien, nachdem Gloger 1835 ſie mit der Beifügung „garnicht häufig, ſeltener als die gemeine Kröte“ in feine Wirbelthier-Fauna Schleſiens aufgenommen hatte. Flachland. Weiter kennen wir die Kreuzkröte aus dem norddeutſchen Flachlande öſtlich der Oder und auch noch öſtlich der Weichſel, wennſchon ſie daſelbſt nicht ſo zahlreich und allgemein auftritt als im nordweſtlichen Theil der deutſchen Ebene und den zugehörigen Inſeln. Von Bromberg kennt ſie Dr. A. Krauſe-Berlin (durch Dr. Fieberg); nach Rathke und Zaddach iſt ſie in Oſt- und Weſtpreußen „ziemlich häufig“, nach W. Wolters— torff im Weichſelgebiet „ſpärlich“, Dr. Dewitz beobachtete ſie im Beſonderen auf der Nehrung. Für Pommern vermerkt ſie Th. Holland; in Neu-Vorpommern und auf Rügen begegnet man laut L. Holtz ihr „hin und wieder“, Exemplare von Greifswald und von Jasmund auf Rügen ſtehen im Greifswalder Muſeum. In Mecklenburg fand C. Struck, nach deſſen freundlicher Mittheilung ſie dort „wohl überall, jedoch nicht häufig“ vorkommt, die Kreuzkröte z. B. in der Nähe von Schwarzenhof und Federow bei Waren und bei Dargun. Für die Umgebung von Lauenburg meldet fie 1866 Claudius, für die Hake bei Hamburg 1874 E. Schmeltz. Aus Schleswig— Holſtein fehlen nähere Nachrichten, doch wird ſie daſelbſt ebenſo verbreitet ſein wie im däniſchen Theil der Halbinſel (vergl. S. 400); auf der Inſel Amrum ſammelte ſie Prof. K. Möbius, von der Inſel Sylt erwähnt ſie Leydig. In der Mark Brandenburg trifft man ſie da und dort an, in der Umgebung Berlins unter anderen in und bei Lankwitz, Steglitz, Weißenſee, in der Altmark laut Wolters— torff bei Oſterburg, ſüdlicher bei Magdeburg und Pechau, laut W. Bach in der Klus Bergland öſtl. der Weſer Siebente Art. Kreuzkröte. 503 bei Magdeburg; ſodann in dem Flachlande zwiſchen Unter-Elbe und Weſer laut Steinvorth bei Lüneburg, laut Brüggemann und Poppe bei Bremen (Kuhgraben) bezw. in Lehe bei Bremerhafen, laut Borcherding [Fauna saxonica] in der Gegend von Vegeſack an vielen Orten: Graben an der Eggeſtedter Straße, Schönebecker Karpfen— teich, Teufelsbrücke in Schönebeck, Entwäſſerungsgraben in Leſumbrook, 2. Brale in Lehmwerder. Derſelbe Autor kennt die Kreuzkröte auch von verſchiedenen Plätzen weſtlich der Weſer, ſo von Hüde am Dümmer See, von Waſſerhauſen bei Quakenbrück und von Wildeshauſen ſowie von den frieſiſchen Inſeln Wangeroog, Spiekeroog, korderney, Juiſt, Borkum, auf denen fie recht häufig iſt. Bezüglich Oldenburg's ſchreibt Hr. Dr. Greve mir, daß B. calamita im Herzogthum nicht ſelten auf Sand— und Moorboden, aber nicht in der Marſch vorkomme und daß ſie im Amtsbezirk Oldenburg auf Sandboden und im Amtsbezirk Wildeshauſen auf Moorbodeu gefunden wurde. In der Münſterländiſchen Ebene endlich, welche an das holländiſche Ver— breitungsgebiet ſtößt, iſt die Kreuzkröte laut Fr. Weſthoff an geeigneten Oertlichkeiten, unter denen ſie beſonders trockene Sand- und Kalkhöhen und Haiden zu lieben ſcheint, nicht gerade ſelten, ſtellenweiſe ſogar häufig; zuerſt in den 70 er Jahren von Treuge am Nubbenberg erbeutet, wurde ſie dann von Weſthoff bezw. Landois u. A. geſammelt auf der Loddenhaide (zahlreich), in der Umgegend Münſters bei Albersloh, in der Lehmhaide, bei Pleiſtermühle und auf dem Weſtbeverbrink, ferner auf den Altenberger Kalkhöhen und im Steveder Veun bei Coesfeld. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Die im Verhältniß zur Wechſelkröte eine weſtliche Art zu nennende Kreuzkröte hält ſich an ähnlichen Orten auf wie jene, kommt gleichfalls gern in die Gärten der Dörfer und Landſtädte ſowie in die Kirch— höfe, Parks und Gärten der äußeren Bezirke größerer und großer Städte und hier auch nicht ſelten in die Gartenhäuſer und in die Erdgeſchoſſe der menſchlichen Be— hauſungen. Aber ſie bindet ſich, obwohl ſie mancher Orten das ganze Jahr hindurch auf ſandigen Flußufern, in feuchten Niederungen und Wieſen, unfern von ſtehenden Gewäſſern, in und an Sümpfen und Brüchen zu finden iſt, doch nicht in der Weiſe an das Waſſer wie die vorige, denn man begegnet ihr oft ganz weit entfernt von demſelben in dürren Gegenden, auf trockenen Haiden und Kalk- und Sandhöhen und Berghalden, in Lehden (Berggärten) und alten Steinbrüchen; ſie bewohnt unſere deutſchen Mittelgebirge, den Schweizer Jura und die nördlichen Alpen bis zu Höhen von 1000 bis 1200 Meter ü. M., ebenſo wie unſere flache Nord- und Oſtſeeküſte mit ihrem Grünland der Dünenränder und den „aus Rollſteinen aufgeführten Mauern“. Hin— ſichtlich der Schlupflöcher, in denen ſie ſich außer der Laichzeit am Tage, ins— beſondere bei ſcharf⸗windiger und trockner Witterung, gewöhnlich verbirgt, iſt ſie gleich ihren Verwandten wenig wähleriſch, ſie richtet ſich hierin eben nach den jeweiligen Verhältniſſen: der Moosteppich des Waldes, Mäuſelöcher des Feldes, Oeffnungen unter eingeſetzten und eingedrückten Steinen und Platten auf Raſenflächen, Spalten und Ritzen in Steinbrüchen und Felſen dienen ihr gleicherweiſe als Unterſchlupf wie Mauerlücken, Geröllhaufen und feuchte Keller, und wo ſie nichts Annehmbares antrifft, da erweitert ſie die auf Wieſe und Feld etwa vorhandenen unterirdiſchen Gänge von Maulwurfsgrillen, Acker- und Wühlmäuſen, oder ſie gräbt ſich ſelbſt eine paſſende Höhlung in Sand- und Lehmboden. Bei Wahl und Anlegung von Wohnungen wird ſie weſentlich unterſtützt durch ihre Fertigkeit im Graben und im Klettern, und ſpeziell durch letztere zeichnet ſie ſich vor all' ihren Verwandten aus. Schon Röſel fiel dies auf; der Altmeiſter der deutſchen Froſchkunde meint, daß, indem ſie ihre Zehen und ihre Bauchſeite feſt an Aufenthalt. Klettern. Graben. 504 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Mauer oder Geſtein anpreſſe, der Luftdruck ihr beim Klettern ſehr zu ſtatten komme. In der That wird man bemerken, daß die Kreuzkröte beim Emporſteigen an Felſen und Mauern die harten Zehenſpitzen feſt in die Ritzen und Fugen des Geſteins und die hintere Partie des warzigen, infolge einer klebrigen Drüſen-Abſonderung feuchten Bauches oder die Weichengegend ſcharf gegen die Fläche drückt (Seite 377), aber jeden— falls muß man dem klebrigen Hautſekret eine größere Rolle beim Klettern, eine weſent— lichere Unterſtützung dieſer Bewegungsweiſe zuſchreiben als dem Luftdruck. Auf ſolche Art vermag die Hausunke ſicher, wennſchon langſam, Höhlungen oder Löcher zu er— klimmen, die mehrere Fuß über dem Erdboden in Mauern und Geſtein ſich befinden. Leichter noch wird ihr dies, wenn die Höhlungen in ſenkrechten Erd- und Lehmwänden über der Bodenfläche liegen. So traf ich einige dieſer Kröten, durch kleine runde Löcher in der Erdwand aufmerkſam geworden, vor faſt zwanzig Jahren in einem von der Berlin-Potsdamer Eiſenbahn hinter Schöneberg geſchaffenen Durchſtich an, wo die Thiere ½ bis 1¼ Meter überm Boden wagerecht und ſchräg nach abwärts führende Gänge oder Höhlungen in die Wand gewühlt hatten, wie es in ähnlicher Weiſe, nur in größerer Höhe über dem Bahnniveau, ſpäter an derſelben Stelle die Erdſchwalben gethan; auch Hr. W. Bölſche fand bei Köln in den ſenkrechten Lehmwänden der Ausſtiche einer Ziegelei in Gängen einige Zoll hinter den Mündungslöchern Kreuzkröten, unter denen Exemplare waren, deren bedeutende Größe in gar keinem Verhältniß zur Enge der Gänge ſtand. Beim Graben tieferer Schlupfwinkel geht ſie zunächſt rückwärts, kratzt mit den hornartigen Spitzen der Zehen die Erde fort, und gelangt ſie in größere Tiefe, jo dreht ſie ſich um, gräbt nun mittelſt der nach Eidechſenart abwechſelnd gebrauchten Vorderfüße, und ſchleudert die losgeſcharrte Erde ähnlich wie der Maulwurf mit den Hinterbeinen heraus. Hierbei entwickelt fie ſolche Gewandtheit, daß ſie binnen verhältniß— mäßig kurzer Zeit zuweilen bis zu Metertiefe in Dämme ſich einwühlt; vorgefundene Maus— löcher erweitert ſie entweder nur durch die nöthigen Scharr- und Drehbewegungen zu paſſender Weite, oder fie macht dann noch von dieſen Gängen aus tiefergehende Höhlungen, in welche ſie ſich gewiſſermaßen einbettet. Will die Rohrkröte ſich nur vorübergehend verbergen oder von einem oberflächlichen Verſteck aus auf Beute lauern, ſo befolgt ſie lediglich das erſterwähnte Verfahren, d. h. ſie gräbt ähnlich wie die Knoblauchskröte, das Hintertheil voranſchiebend, blos mit den Hinterbeinen und ſetzt ſich dann in der geſchaffenen Vertiefung bequem zurecht. Auch junge, dreiviertel- oder halbjährige Kröten, die bis dahin vielleicht die Höhlungen der älteren mit benutzt haben, ſieht man unter Verwendung ihrer Vorderfüße ſich bereits Gänge anlegen, in welchen ſie bisweilen zu mehreren hocken. Bezüglich der ſonſtigen Bewegungen ſteht ſie wenigſtens in einer Hinſicht hinter Bufo viridis zurück: ſie vermag keine Sprünge auszuführen. Die Urſache liegt, wie ſchon früher erwähnt, in der Kürze der Hinter— beine. Dagegen iſt ſie im Stande, trotz der kurzzehigen Füße behend „hundeartig“ zu ſchwimmen und, was jchon der alte Röſel hervorhebt, mit einer eigenen Geſchwindigkeit, „faſt ſo ſchnell wie eine Maus“, auf allen Vieren, den Körper gehoben, dahinzulaufen. Sieht ſie einen wirklichen oder einen vermeintlichen Feind, ſo rennt oder humpelt ſie — falls die Liſt, durch Niederdrücken auf den Boden ſich den Blicken des Verfolgers zu entziehen, nicht glückt — eilig in gerader Richtung davon; kaum iſt ſie aber einige Schritte weit in dieſer Weiſe dahingeſchoſſen, jo hält ſie plötzlich wieder an, als ob fie hoffe, daß ſie bei der raſchen Flucht den Verfolgern aus den Augen gekommen ſei; naht ſich der Feind dennoch, ſo wiederholt die Kröte das geſchickte, dem Beobachter einen drolligen Anblick gewährende Spiel von Neuem und klettert dabei auch über ihr im Wege ſtehende dichte Grasbüſche hinweg. . Siebente Art. Kreuzkröte. 505 Dieſes abſonderliche Flucht-Verfahren, wie überhaupt ihr überſtürzendes und doch nicht genug förderndes Laufen, ferner ihre Kletterbewegungen und ihre geduckte Stellung und Haltung beim Sitzen laſſen die Kreuzkröte ſelbſt in der Dämmerung von Bufo variabilis unterſcheiden. Dagegen hat ſie mit dieſer Verwandten ein anderes Schutz⸗ und Vertheidigungsmittel gemein, nämlich die auf Seite 378 ſchon beſprochene ſcharfe Abſonderung der Hautdrüſen. Gerade der Kreuzkröte ſoll dieſes in ausreichendſter Weiſe zu Gebote ſtehen. Daß die Abſonderung aber häufig unterbleibt und ſowohl der Geruch, als die Schärfe und die Wirkung des Sekrets von der Jahres— und Tageszeit und von individuellen Eigenheiten abzuhängen ſcheint, kann nicht genug betont werden. Der Geruch des Sekrets hat etwas Eigenartiges; Röſel vergleicht ihn mit dem Geſtank abgebrannten Schießpulvers, Dumeril mit dem des Schwefelarſenik. Das drollige Gebahren der Kreuzkröte, namentlich kleiner Stücke, die im Freileben ſo— wohl wie im Käfig gern auch bei Tage lebendig ſind und der Kerbthierjagd obliegen, empfiehlt ſie ebenſo wie ihre Färbung für die Gefangenſchaft, wo ſie ſich ruhiger, bedächtiger zeigt als Bufo viridis, alſo mehr an die Erdkröte gemahnt. Ihre Erhaltung im Zimmer erfordert nichts Außergewöhnliches, weder hinſichtlich der Ueberwinterung (Seite 409), noch des Käfigs noch der Nahrung: Würmer, Fliegen, auch Tauſend— füßer (Julus), Ohrwürmer (Forficula) u. a. Gliederfüßer. Schon kleine, kaum zoll— lange Kröten, die ein beweglicheres, behenderes, eilfertigeres Gehaben offenbaren als die alten, ſtellen den noch lebenden und zappelnden Fliegen ꝛc. eifrig nach und ſelbſt ſolchen, die ſie kaum zu packen im Stande ſind. An großen Fliegen würgen ſie oft einige Minuten, wobei ihre Augen weit aus dem Kopfe hervortreten. Mit beiden Vorderbeinen ſuchen ſie dem erlangten Biſſen nachzuhelfen, indem ſie die vorſtehenden Theile nach vorn ſtreichen und in den Mund zu bringen ſuchen; ebenſo ſtreichen fie. Steinchen und Erdſtückchen ab, die zufällig mit gefaßt wurden. Höchſt charakteriſtiſch, ſagt C. Bruch in ſeinen Neuen Beobachtungen“ iſt der Ernſt, mit dem alle Thiere ihre ſämmt— lichen Geſchäfte verrichten und dabei oft in wunderliche Lagen gerathen. „Einmal hatte ich den jungen Kröten eine Fliege gebracht, auf welche mehrere Jagd machten. Als ſich dabei ein halbwüchſiger Bufo viridis und ein kleiner B. calamita begegneten, packte der erſtere den letzteren plötzlich am Kopfe und ſuchte ihn zu verſchlingen. Als dies nicht gelang, obgleich er den Kopf wirklich verſchlungen hatte, ließ er ihn wieder los, worauf der Gepackte ſich ſchüchtern in einen Winkel zurückzog. Ein zweiter B. calamita, halb ſo groß als der Miſſethäter, hatte aber den Vorgang bemerkt, fiel den letzteren leidenſchaftlich an und ſprang ihm gegen den Kopf, wie ich es früher ſchon von einer jungen Erdkröte bemerkt hatte.“ Wie ihre Verwandten zieht ſie ſich draußen, und zwar alte Thiere eher als junge, im September oder Oktober in Sand- oder Erdhöhlen, die aber ſehr tief ſind, in die Spalten von Steinhalden und ähnliche Orte zum Winterſchlaf zurück, der bis in die letzten Tage des März, gewöhnlich aber bis gegen Mitte April ausgedehnt wird; junge bemerkt man gewöhnlich eher im Freien als alte, und unter den letzteren ſcheinen wiederum die Männchen ſtets um einige Tage früher als wie die Weibchen das Winterverſteck zu verlaſſen und ins Waſſer zu gehen, um hier ihr Konzert zu beginnen. Dieſe Chorgeſänge der geſchlechtsreifen, mit ausgedehnter Schallblaſe aus⸗ gerüſteten Männchen vernimmt man an warmen Abenden bereits im April aus dem Geröhricht von Teichen und Weihern oder aus Pfützen, wogegen die Paarungs— und Laichzeit erſt in den Mai und Juni fällt. Das Waſſer wird in der Regel erſt nach Eintritt der Dunkelheit aufgeſucht und als eigentliches Konzerthaus für Sejammt- aufführungen benutzt, während die Muſikanten am Tage in ihren Höhlungen ſitzen und Weſen. Winterſchlaf. Stimme. Laichen. Entwicklung. 506 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. von hier aus gegen Abend, ehe ſie ſich in den Gewäſſern verſammeln, jeder für ſich ſein ſchnarrendes Solo zum Beſten giebt. Wie ſchon der alte Röſel bemerkt, iſt das ſtarke Lärmen der Kreuzkröte „faſt dem Geſchrei des Laubfroſches ähnlich“, und zwar nicht blos im Klang, ſondern auch in der Stärke, denn B. calamita hat nach dem Laub— froſch unter den einheimiſchen Froſchlurchen die lauteſte Stimme. Gewöhnlich beginnt, wie C. Bruch vor mehr als drei Jahrzehnten beobachtete und berichtete, das Locken des Männchens „mit einem leiſen gluck, gluck, gluck, dem Gluckſen brütender Hühner ähnlich, worauf dann das charakteriſtiſche ra, ra folgt, das bald, wenn einmal der Chorus einſtimmt, in ein fortdauerndes, weithin ſchallendes, intonirtes R gutterale übergeht“. Es entſteht auf ſolche Weiſe ein lang anhaltendes ärrrrrrr, das durch ſein ſchnarrendes, ruhiges, eintöniges Weſen die Kreuzkröte viel leichter verräth, als wenn jenes fortlaufende ärrrrrrr in einzelne mehr oder weniger abgeſetzte ärr, ärr, ärr zer— legt wird; in letzterem Falle liegt dann eine Verwechſelung mit dem aus kurz hervor— geſtoßenen, hellen gäk, gäk, gäk oder äpp, äpp, äpp beſtehenden Laubfroſchgeplärr recht nahe. Der Chorgeſang der männlichen Rohrlröten, welcher an lauen, windſtillen Abenden mit Unterbrechungen oder aber ununterbrochen bis gegen Mitternacht erſchallt, wird von Unkundigen häufig für das Konzert der grünen Teichfröſche gehalten, obwohl dies im April noch gar nicht erklingt. Das der Kehlſäcke entbehrende Weibchen läßt nur ein zartes, meckerndes wi wi oder wä wä vernehmen. Nach einigen Wochen ſolchen vergnüglichen Frühlingslebens wird zur Paarung, die in der allen Kröten eigenen bekannten Weiſe ſich vollzieht, geſchritten. Zu Konzert— und Laichſtätten wählt der Röhrling, was ſchon dieſe alte Bezeichnung und auch der wiſſeuſchaftliche Artname calamita (calamus — Rohr) andeutet, gern mit Rohr und Binſicht beſtandene, aber nicht zu tiefe Teiche, Weiher, Sumpflachen, Waſſergräben, in Ermangelung derſelben nimmt er jedoch auch mit Feldtümpeln, Pfützen, Waſſer— anſammlungen in Kies-, Lehm- und Thongruben und ſelbſt Steinbrüchen fürlieb. An beſonders zuſagenden Plätzen wimmelt es dann manchmal förmlich von Kreuzkröten, wovon man ſich überzeugen kann, wenn man, dem weithin hörbaren Chorgeſang nach— gehend, bei eingebrochener Dunkelheit mittelſt Laterne oder angezündeter Streichhölzer, wodurch die Kröten geblendet werden und an ihrer Stelle verharren, das Ufer bezw. Waſſer beleuchtet. Mitunter findet fie ſich zuſammen mit der Grünen Kröte. Aber während man dieſe und die Erdkröte zu allen Tageszeiten in der Begattung antrifft, iſt calamita, wie erwähnt, gewöhnlich nur Nachts im Waſſer, laicht Nachts und führt dieſes Gefchäft in einer Nacht zu Ende; in der Gefangenschaft kommen allerdings Ausnahmen vor. Die kurze Dauer des eigentlichen Laichaktes hängt mit der Kürze der beiden Eierſchnüre zuſammen, welche bei weitem nicht ſo lang als die der Erd— und Wechſelkröte und zudem wenigſtens dünner als die der erſteren Art ſind; anfangs nur 2,5 bis höchſtens 4 mm dick, können fie bis zu 6 mm Dicke aufquellen, und da— bei findet eine Verſchiebung der urſprünglich in einer Doppelreihe angeordneten tief— ſchwarzen, mit grauem oder grauweißem Fleck verſehenen Laichkörner dergeſtalt ſtatt, daß dieſelben dann als in einer einfachen Reihe liegend erſcheinen. In den von Gallerte eingeſchloſſenen Eiern regt es ſich ſehr bald und bei der gewöhnlich warmen Witterung des Mai verlaſſen die winzigen Larven wohl ſchon am dritten oder vierten Tage die Eihüllen (Seite 415), um binnen fünf oder ſechs Wochen ihre größte Länge zu erreichen und dann innerhalb einiger Wochen die Umwandlung zu vollenden. Beiſpielsweiſe fand ich am 6. Mai Larven von knapp 5 mm Länge in Reihen an den Gallertſchnüren noch hängend, am 15. Juni gab es neben noch fußloſen, 20 mm langen Larven auch Kaulquappen mit Hinterbeinen, am 25. Juni aber ſchon Achte Art. Laubfrofch. 507 ſchwanzloſe, ausgebildete Krötchen. In manchen Jahren, ja ſelbſt in ein und dem— ſelben Jahre findet man den Laich erſt im Juni und Juli und demgemäß friſch— entwickelte Jungthiere erſt im Auguſt und September, ſogar noch im Oktober, alſo zu einer Zeit, da in den anderen Fällen die vor dem Ueberwintern ſtehenden Krötchen bereits das Doppelte ihrer anfänglichen Größe, nämlich 20 bis 30 mm Länge, erreicht haben. Mit drei oder vier Jahren wird die dann 5 bis 6 em lange Kreuzkröte ge— ſchlechtsreif, womit jedoch das Wachsthum im Allgemeinen noch nicht abgeſchloſſen ift. Landesübliche Bezeichnungen. Kreuzkröte, Rohr-, Sumpf- oder ſtinkende Kröte, Röhrling, Hausunke. Schwed.: Stipk-Padda; Engl.: Natter Jack Toad; Franz.: Crapaud calamite ou Crapaud des jones; Ital.: Rospo palustre; Boln.: Ropucha krzyzowa; Böhm.: Ropucha bachratä; Fenn.: Rupi Sammakko. Bufo terrestris foetidissima, Aösel 1758. — B. calamita, Laur. 1768. — Rana foetidissima, Hermann 1783. — Rana bufo et R. salsa, Gmelin 1790. — Rana portentosa, Sturm 1797. Blumenbach. — Bufo cruciatus, Schneider 1799. Rana mephitica, Shaw 1802. — Bufo cursor, Daudin 1803. — Bufo portentosus, Schinz 1837. — Bufo viridis (partim), D. B. [Erp. gen. VIII S. 681] 1841. 5. Familie: Baumfröſche, Hylidae (Calamitae). Tracht froſchartig; Haut auf dem Rücken faſt immer glatt, an der Unterſeite durch zahlreiche feine, auf der Spitze mit Schweißloch verſehene Wärzchen gekörnelt; Hinterbeine gewöhnlich ſehr verlängert; alle Finger und Sehen mit klauenförmis gebogenen, geſchwollenen knöchernen Endgliedern, die an der Spitze ſcheiben— förmige drüſige Haftballen tragen; Ohrdrüſen fehlend; Pupille rundlich, quer erweitert; Oberkiefer und Gaumen bezahnt (Unterkiefer wie bei den anderen Familien zahnlos); Bruſtkorb, Ureuzbeinfortſätze, Wirbel, Rippen wie bei den Uröten In Deutſchland nur eine Gattung: 3. Gattung: Laubfroſch. Hyla, Laur. Körper gewöhnlich ſchlank; Kopf flach, mit gerundeter Schnauze; Augen ſtark vorſpringend, mit quereiförmiger Pupille; Trommelfell deutlich; Schallblaſe des Männchens kehlſtändig, groß; Sunge rundlich oder länglichrund, entweder ganz an— gewachſen oder aber (ſo bei unſ. Art) hinten frei und ausgerandet; Hinterbeine ſehr lang, ſchlank, mit Shwimmhäuten zwiſchen den Sehen; Finger gewöhnlich mit Hautſaum. In Deutſchland wie überhaupt in Europa nur eine Art: 8. Art: Europäiſcher Caubfroſch. Hyla arborea, L. Abbildung: Tafel IV Nr. 3. Länge etwa 4 em; Rüden gewölbt; Schnauze abgerundet; Trommelfell halb ſo groß wie das Auge; die beiden Gaumenzahn-Gruppen zwiſchen den inneren Naſenlöchern ſtehend; Sunge ziemlich kreisförmig, hinten ausgerandet und faſt bis zur Hälfte frei; zwiſchen den Fingern nur eine ganz kurze Spannhaut, Sehen der Hinterbeine zu Zweidrittel ihrer Länge durch Schwimmhäute verbunden; Haftſcheiben faft fo groß als das Trommelfell. Farbe oben blattgrün, unten gelblihweiß, an jeder Seite gewöhnlich ein ſchwarzer Cängsſtreif. Namen. Synonyma. Artkennzeichen. Körperbau. Maaße. 508 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Aeußere Erſcheinung. Zur näheren Kennzeichnung diene Folgendes. Die Geſtalt iſt froſchaͤrtig, der Körper mäßig ſchlank, der Rumpf oberſeits gewölbt, unter— ſeits platt, vor den Hinterbeinen ſtark ſeitlich eingezogen, nach dem Kopfe zu ver— hältnißmäßig ſehr breit, ſodaß er faſt dreieckig erſcheint, der Kopf ſo breit als der Rumpf und einen oder einige Millimeter breiter als lang, ſeitlich und ebenſo vorn von den Naſenlöchern an faſt ſenkrecht abfallend, oben zwiſchen den Augen flach, gegen die Seite hin mit einer zwiſchen Naſenloch und Auge hinziehenden und dann vom hinteren Augenwinkel an in Geſtalt eines Wulſtes um das Trommelfell herumlaufenden deutlichen Kante, die Schnauze gerundet, das Trommelfell gut markirt, ziemlich kreis— rund, faſt ebenſo groß als der Saugnapf an den Zehen und merklich kleiner als das Auge, letzteres ſeitlich ſtehend, ſtark vortretend, mit gebrochener querovaler, in Schatten und Dunkelheit nahezu kreisförmig erweiterter Pupille; die Naſenlöcher ſind mittelgroß, am Ende der Schnauzenkante gelegen und von einander faſt ſo weit wie von den Augen entfernt; die Gaumenzähne ſind zwiſchen den inneren Naſenlöchern in zwei kurzen, aus je drei oder vier zweiſpitzigen, ſchwach gebogenen Zähnchen beſtehenden getrennten, nach hinten einander genäherten Quergruppen angeordnet; ähnliche zwei— ſpitzige Zähne ſitzen am Oberkiefer, der Unterkiefer iſt zahnlos; die Zunge iſt ober— ſeits gefurcht, flach, ziemlich groß und rundlich, im hinteren Theile frei und dort deut— lich ausgerandet; Ohrdrüſenwülſte fehlen. An der Kehle bemerkt man eine quer— laufende ſchlaffe Hautfalte, und das Männchen zeichnet ſich durch einen großen Kehl— ſack (Schallblaſe) aus, deſſen beide Oeffnungen zwiſchen dem Bogen der Unterkinnlade und dem vorderen Zungenbeinhorn liegen. Die vorderen Gliedmaßen ſind ſo lang oder knapp ſo lang als der Rumpf bezw. zwei Drittel ſo lang wie Kopf und Rumpf zuſammen, die hinteren hingegegen etwa ein Drittel länger als Kopf und Rumpf zu— ſammen, ſodaß ſie nach vorn geſtreckt um ein Bedeutendes über die Schnauzenſpitze hinausragen, und ſowohl die Finger wie die Zehen ſind ziemlich abgeplattet und an der Spitze zu einer Art Saugſcheibe (Haftballen) teller- oder ſcheibenförmig erweitert, wodurch ſich der Laubfroſch vor allen anderen heimiſchen Lurchen auf den erſten Blick erkennen läßt; im Uebrigen ſind die vier Finger, deren dritter nur wenig über den äußeren hinausragt, mit einem unmerklichen Hautſaum verſehen, die Zehen aber unter— einander bis zur Hälfte ihrer Länge durch dünne Schwimmhäute verbunden und ebenſo wie die Finger unterſeits an den Gelenken knopfig verdickt; auch die Handteller er— ſcheinen durch kleine Polſter rauh, dagegen fehlt eine wirkliche Daumenſchwiele; von den fünf Zehen iſt die 3. und die 5. faſt gleichlang, die 4. am längſten, die innerſte an ihrer Wurzel mit länglichem Höcker, der ſogenannten 6. Zehe. Die Haut der Ober— ſeite iſt glatt, die des Bauches und der Unterſeite der Schenkel indeß erſcheint infolge zahlreicher, dichtſtehender Drüſenwärzchen, welche einen ätzenden klebrigen Saft ab— ſondern, rauh, wie gekörnelt. Außer der erwähnten Kehlfalte und dem am Trommelfell ſich zeigenden Wulſte bemerkt man an der Handwurzel und zuweilen an den Rumpf— ſeiten Hautfalten. Der Laubfroſch iſt unſer kleinſter Froſchlurch und ſomit die kleinſte Art unſerer Reptilien und Amphibien, denn die Geſammtlänge beträgt gewöhnlich 35—40 mm und ſteigt im Süden bis 50 mm. Da das allgemeine Verhältniß der Kopflänge zur Kopfbreite und das der Länge der Vorder- und Hinter-Gliedmaßen zur Körpergröße ſchon oben angegeben worden, ſei nur noch bemerkt, daß die ganze Vordergliedmaße ſo lang als der Hinterfuß, und der Unterſchenkel anderthalb mal ſo lang als der Kopf iſt. Das Nähere dürfte ſich aus den nachfolgenden Maaßen, genommen an einem hieſigen Männchen und einem norditaliſchen Weibchen, ergeben. Geſammtlänge von Achte Art. Laubfroſch. 509 der Schnauzenſpitze bis zum After 8, 40 mm, 2 45 mm; Länge der Vorder— gliedmaße bis zur Spitze des 3. Fingers 26,5 bezw. 28 mm; Länge der Hinter— gliedmaße bis zur Spitze der 4. Zehe 58 bezw. 64 mm, des Hinterfußes mit Zehen 26 bezw. 29 mm, des Unterſchenkels 17 bezw. 18 mm; Kopflänge 12 bezw. 13,5 mm; größte Kopfbreite 14,5 bezw. 15 mm; Abſtand zwiſchen den vorderen Augenwinkeln 7 bezw. 7,5 mm. Im Allgemeinen zeichnet ſich die ganze Oberſeite durch ein freudiges, lebhaftes Blattgrün aus, das von dem Gelblichweiß der Unterſeite durch einen von dem Naſen— loch über Auge und Trommelfell nach dem Hinterbein laufenden ſchwärzlichen Streifen geſchieden wird. Die Kehle iſt beim erwachſenen Männchen ſchwärzlich, olivenfarben oder ſchwarzbraun, beim Weibchen weißlich bezw. gelblichweiß; die Iris bei beiden auf goldgelbem oder kupferglänzendem Grunde fein dunkel geſprenkelt. Aber dieſe Färbung, im Beſonderen die der Oberſeite, iſt zunächſt gar manchen mehr oder minder ſchnell vorübergehenden Wandlungen unterworfen. Ja bei keinem zweiten deutſchen bezw. europäischen Batrachier tritt der Farbwechſel jo zu Tage und von keinem iſt er deshalb ſo lange — denn ſchon der alte Röſel hat ihn vor 150 Jahren bemerkt und die Erſcheinung auf die Häutung des Thieres zurückgeführt — und ſo allgemein bekannt, wie vom Laubfroſch: die Zeit der Häutung und der Paarung, die Witterung, die Art und der Grad der Beleuchtung, der Standort, der jeweilige Geſundheitszuſtand und ſonſtige Erregungen des Nervenlebens üben, was be— reits auf Seite 382 beſprochen wurde, auf die Farbe ihren Einfluß aus. So er— ſcheint die ſonſt lebhaft grüne Oberſeite unmittelbar nach der Häutung grau oder aſchblau oder grasgrün, nach dem Laichen nicht ſelten einfarbig grau oder grau und grün marmorirt oder ſchwärzlich, bei Südwind und Gewitterſchwüle, bei trübem Wetter und ſinkender Temperatur trüb- oder ſchmutziggrün oder dunkelfleckig bis ſchwarz, bei hellem Himmel, Windſtille, an warmen ſonnigen Tagen gern hell- bis gelbgrün, ja hellgelb, bei Kälte, beſonders Naßkälte olivenbraun oder chokoladengrau mit Bronze— glanz, auch grau mit ſchwärzlichen Flecken oder ganz grauſchwarz, bei Mangel an Licht (in dunklen Behältern) gleichfalls mißfarbig dunkel: grüngrau, ſchwärzlich bis ſchwarz, braun und ſchwarz marmorirt oder ähnlich, in Gefäßen mit grauem Geſtein und abgeſtorbenem Moos und mit düſterer Umgebung dunkelgrün, grau oder heller und dunkler gefleckt, dagegen in mit friſchgrünen Pflanzen beſetzten oder mit lebhaft grünen Papierſtreifen umgebenen Glasbehältern, dem grünen Kolorit ſich anpaſſend, wiederum lebhaft grün, bei Unbehagen braun, bei Schreck grau oder blau oder ſchwarz (ſ. S. 382) getönt. Aber man würde im Irrthum ſein, wollte man einerſeits mit Glückſelig [Syn.] und Anderen dieſe blos durch die Thätigkeit der beweglichen Farb— zellen hervorgerufenen, faſt momentan zu nennenden Farben-Veränderungen für ſtändige oder wirkliche Spiel- und Abarten, Varietäten auſehen und andererſeits die früher allgemein und zum Theil heute noch verbreitete Meinung, daß der Laubfroſch die Fähigkeit beſitze, beliebig ſeine Farbe zu ändern und dadurch jene Farbenſpiele herbeizuführen, als richtig unterſchreiben. Vielmehr iſt, wie aus dem früher, Seite 382 und 383, Geſagten erhellt, der beim Laubfroſch u. a. zu beobachtende Farben— wechſel keine willkürliche Handlung dieſes Thieres, ſondern ein unabhängig vom Willen deſſelben vor ſich gehender mechaniſcher Vorgang im Organismus. Dabei ſpielt, wie die Verſuche Liſter's u. A. bezeugen und die Mittheilungen auf Seite 50 und 383 erörtern, das Auge die Hauptrolle; indeß hängt nach den Feſtſtellungen Biedermann's das Ergrünen und Dunkeln des Laubfroſches auch von Berührungs-Empfindungen der Haftſcheiben ab: dieſe Empfindungen ſind verſchiedene, je nachdem ſich die Zehen— Färbung. Farbwechſel. Formen, Dunkle Zeichnungen. 510 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſcheiben auf friſchen Blättern oder aber an unebenen Gegenſtänden feſtheften müſſen. Neben dieſen vorübergehenden Farbwandlungen giebt es eine Anzahl ſtändig ge— wordener Färbungs- und Zeichnungsformen, die jedoch auch in anderer Beziehung Beſonderheiten haben und daher, mögen ſie nun als Ab-, Unter- oder Spiclarten oder geographiſche Raſſen aufgefaßt werden, ebenſo wie die Stammform eine nähere Betrachtung verdienen dürften. Die Stammform, Hyla arborea typica, als welche wir die in Deutſchland und den anderen mittel- und nordeuropäiſchen Gebieten heimiſche, doch auch in Piemont und Toskana noch vertretene Form betrachten, wurde bereits oben kurz gekennzeichnet und auf Tafel IV verbildlicht: Oberſeite von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen lebhaft blattgrün, ohne ſchwarze Flecken; ein ſchwärzlicher oder ſchwarzer Streifen (Frenal— oder Zügelſtreif) läuft vom Naſenloch zum Auge, ſetzt ſich, gewöhnlich mit gelblich— weißer oder gelber Einfaſſung oben, von da übers Trommelfell zur Wurzel der Vorder— beine und weiter als welliger Seitenſtreif an der Seite des Rückens bis zum Hinterbein fort, um auf der Hüfte eine gegen den Rücken bezw. nach vorn gewendete ſcharf mar— kirte haken- oder ſchlingenförmige Zeichnung zu bilden; dieſer Seitenſtreif ſcheidet das Grün der Oberſeite von dem gelblichen oder graulichen, ſilberglänzenden Weiß der Unterſeite; die Finger und Zehen erſcheinen gewöhnlich fleiſchfarben. Sehr hübſch werden ſolche typiſche Stücke ſchon durch Röſel und Sturm bildlich dargeſtellt. Noch ſei daran erinnert, daß das Thier, entſprechend dem Kolorit des Erdbodens, im Winter entweder einfarbig graubraun oder braun oder aber auf ſolchem Grunde dunller klein— gefleckt iſt. Auch iſt im Auge zu behalten, daß bei unſerem Laubfroſch der Fuß (ohne Zehen, vom Ferſenhöcker an gemeſſen) wenig, vielleicht 1 mm, kürzer oder ebenſolang als der Unterſchenkel und dieſer wiederum um ½ oder 1mm kürzer bezw. von gleicher Länge als der Oberſchenkel — beiſpielsweiſe Fuß 15,5 mm, Unterſchenkel 16,5 mm, Oberſchenkel 16,5 bis 17,5 mm — iſt, während bei der nachſtehend aufgeführten Mittel— meer-Raſſe Fuß und Oberſchenkel von gleicher Länge ſind und der Unterſchenkel den einen wie den anderen um einige Millimeter in der Länge übertrifft. Je mehr wir nach Süden kommen, deſto häufiger zeigt ſich die bei unſerem deutſchen Laubfroſch einfarbige Oberſeite ſchwarz, braun oder ähnlich gefleckt und auch der ſchwarze Seitenſtreif, falls er nicht überhaupt fehlt, gern in dunkle Flecken auf— gelöſt. Ueberhaupt werden wir ſehen, daß der dunkle Seitenſtreif nebſt Hüftſchlinge vermöge der verſchiedenen Ausdehnung und Stärke eins der wichtigſten Trennungs— und Erkennungsmerkmale der Varietäten abgiebt. Wenn er bei der Stammform die oben vermerkte vollſtändige Ausbildung zeigt, ſo ſind bei einer ſüdruſſiſchen Varietät Rumpfſtreif und Hüftſchlinge von einander getrennt, bei der mittelländiſchen Form fehlen dieſe beiden Stücke, bei der Savignyiſchen Form iſt der Rumpfſtreif oft in Flecke aufgelöſt, der japaniſchen, für die das letztere auch zutrifft, mangelt die Hüft— ſchlinge u. ſ. w. In ähnlich verſchiedenem Grade iſt ein am Oberkieferrand auftretender ſchwarzbrauner, zuweilen hell geſäumter, auch auf die Halsſeiten und die Vorderglied— maße ſich fortſetzender Streif, ferner ein über dem After erſcheinendes ſchwärzliches, hell eingefaßtes, zum Theil auf die Oberſchenkel übergehendes Querband ausgeprägt. O. Böttger gab der ſoeben erwähnten, auch in körperlicher Beziehung von der Stamm— form abweichenden, den Mittelmeerländern eigenen Abart 1874 den Namen Var. meridionalis. Oberſeite auf lebhaft grünem Grunde gewöhnlich, wenn— gleich nicht immer in ſcharf ausgeprägter Weiſe ſchwarz, grau, braun gefleckt, mit— unter ſogar bläulich, röthlich oder (wie es Greef auf Teneriffa ſah) gelb punktirt; ohne dunklen Rumpfſeitenſtreif und ohne Hüftſchlinge, vielmehr geht die Rückenfarbe Achte Art. Laubfroſch. 511 allmählich in die dunkle Tönung der Unterſeite von Körper und Hinterſchenkel über; vorn zieht ſich das Grün der Oberſeite bis auf die Kehlſeiten herunter“) und über— grünt beim Männchen einen Theil des Kehlſackes; der dunkle Zügelſtreif zwiſchen Naſen— loch und Auge fehlt oder kann ſchwach ausgebildet ſein; der hinterm Auge beginnende dunkle Ohrſtreifen iſt vorhanden; zuweilen wird das ſchwarze Seitenband durch eine gelbe oder weißliche Linie bezw. Zone erſetzt, wie ich es z. B. an einigen norditaliſchen Stücken wahrnehme. Fuß und Oberſchenkel, wie oben angegeben, je um einige Milli— meter kürzer als der Unterſchenkel; Kehlſack größer als bei der deutſchen Stammform und außerdem abweichend von dieſer im luftleeren Zuſtande nicht in mehr quer ver— laufenden, ſondern in ſehr großen Längsfalten zuſammengezogen. Verbreitung: Nord— Italien, Südfrankreich, Pyrenäiſche Halbinſel, Balearen, Madeira, Kanariſche Inſeln, Marokko, Algier, Tunis. Zwiſchen den beiden am weiteſten auseinandergehenden Formen: der typica und der meridionalis, ſtehen nun einige vermittelnde Uebergangsformen bezw. Varietäten. 2. Var. intermedia, von Boulenger 1882 in ſeinem „Catalogue“ ſo benannt. Dieſer mittlere Laubfroſch, der ſich durch auffallend ſchmächtig und zierlich gebaute Hinterſchenkel auszeichnet, ſtimmt mit der mittelländiſchen Form durch die übergrünten Kinn- und Kehlſeiten überein), ſteht aber inſofern zwiſchen typica und meridionalis, als der dunkle Zügelſtreifen fehlt, der Ohrſtreifen vorhanden, der Rumpfſeitenſtreif ebenfalls vorhanden oder nach hinten zu in Punkte aufgelöſt und die Hüftſchlinge ſchwach ausgebildet iſt. Hierher, zum Theil auch zu meridionalis, gehört die Bonelli— ſche Hyla sarda und Fitzingers Dendrohyas sarda. Bekannt aus dem nördlichen Italien: Bologna, Piemont, ſowie durch Böttger [Sammlung Hirſch] aus Sizilien. 3. Var. Savignyi, Aud. Von der Stammform durch das Fehlen der Hüft— ſchlinge ſowie dadurch unterſchieden, daß der dunkle Rumpfſeitenſtreifen und deſſen heller Saum öfters in unregelmäßige Flecken aufgelöſt und der Zügelſtreifen zuweilen nur ſchwach angedeutet iſt (der Ohrſtreif iſt vorhanden); auch iſt der Unterſchenkel ein wenig länger als der Oberſchenkel (und ebenſo ein wenig länger als der Fuß), der Kehlſack groß, die ziemlich kurze Schnauze ſehr breit und in flachem Bogen gerundet und die Kopfſeiten find ſteil abfallend. Verbreitung im ſüdlichen Europa: Inſeln Elba, Korſika, Sardinien, in Aegypten, namentlich aber im vorderen und mittleren Aſien: Kleinaſien, Cypern, Paläſtina, Syrien, Euphratländer, Nordperſien, Hainan. 4. Var. Molleri, Bedr. Dieſe bei Coimbra in Portugal geſammelte, aber doch von intermedia verſchiedene Uebergangsſtufe zwiſchen typica und meridionalis wird von Bedriaga als eine meridionalis mit der Zeichnung der Stammform betrachtet. Denn während Rumpfſeitenſtreif und Hüftſchlinge ſehr ſtark ausgebildet, Zügel— und Ohrſtreif gleichfalls ausgeprägt ſind und die Kehle die Färbung der Stammform zeigt, iſt der Unterſchenkel ein wenig länger als der Oberſchenkel und der Fuß wiederum etwas länger als der Unterſchenkel, der Kehlſack übereinſtimmend mit meridionalis auffallend groß und in luftleerem Zuſtande in großen Längsfalten zuſammengezogen, die verhältnißmäßig lange Schnauze aber in ſpitzem Bogen gerundet und ſeitlich ſchief nach außen abfallend. N 1 5. Var. orientalis, Bedr. Von der typiſchen Form dadurch unterſchieden, daß *) Ausnahmsweiſe kommt eine derartige Zeichnung auch bei der deutſchen Stammform vor. Allerdings iſt mir nur ein ſolcher Fall bekannt, den Herr Sigm. Schenkling⸗Hamburg mir anzeigte. Der Berichterſtatter erhielt im Sommer 1895 einen von Herrn W. Buck bei Ahrensburg nächſt Hamburg gefangenen, 42 mm langen weiblichen Laubfroſch, deſſen Kehle ein lebhaft grünes, in der Mitte 5 mm breites Band aufwies, welches den ganzen Vorderrand der Kehle umzog und an beiden Seiten nach den Mundwinkeln hin ſpitz zulief. 512 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Rumpfſeitenſtreifen und Hüftſchlinge von einander getrennt, und mitunter ſchwach aus— geprägt ſind; der helle Saum des Seitenſtreifens iſt breit, zuweilen breiter als der letztere ſelbſt. Fuß ein wenig kürzer als der Unterſchenkel, dieſer und der Oberschenkel ungefähr gleichlang; Kopfſeiten ſteil abfallend. Fundorte: Charkow in Südrußland, Tultſcha an den Donaumündungen. 6. Var. japonica. Dieſe japaniſche Varietät hat den Zügelſtreifen wie die mitteleuropäiſche Stammform, erinnert aber durch das Fehlen der dunklen Hüftſchlinge und den dunkelgefleckten Rücken an meridionalis, unterſcheidet ſich jedoch von der Mittelmeerform wiederum durch die erheblichere Größe der Rückenflecken und die dunklen Querbänder auf den Gliedmaßen ſowie durch einen kurzen, allerdings oft in ſchwarze Flecken aufgelöſten Rumpfſeitenſtreif; Bauchſeiten unterhalb der Vorderbeine und Aftergegend ſchwarzgrau. Japan. = Das bekannteſte Merkzeichen unſeres Laubfroſch— Männchens iſt die dunkle, d. h. ſchwärzliche, ſchwarz- oder graubraune Kehlhaut, welche, im luftleeren Zuſtande in Längs- und kleinere Querfalten zuſammengezogen, zu einer anſehnlichen kugeligen Schallblaſe aufgebläht werden kann, während das ſtattlichere aber kleinerköpfige Weibchen eine weißliche, nicht blaſen- oder ſackförmig zu erweiternde Kehl— haut beſitzt. Ferner ſah Leſſona Piemonte! bei italieniſchen Stücken eine roja oder bräunliche Begattungsſchwiele am Daumen des Männchens. — Die nach dem Verlaſſen der Eihüllen einen halben Fig. 45. Männlicher Laubfroſch. Centimeter langen und alsbald eine Größe von 7 oder 8 mm aufweiſenden Larven zeichnen ſich durch eine weißgelbe Farbe und, wo— rauf C. Bruch 1863 aufmerkſam macht, einen „langen fiſchartigen Schwanz“ aus, der eine Aehnlichkeit mit den Pelobates-Larven bewirkt. Der Körper ſolcher 7 bis 8 mm langen Larven erinnert an einen gelblichen Stecknadellopf, der, wie der alte Röſel treffend bemerkt, von einer mit Waſſer angefüllten, eirunden, durch— ſichtigen Blaſe umſchloſſen zu ſein ſcheint. Mit fortſchreitendem Wachsthum ver— größert ſich der farbige Inhalt der durchſichtigen Hülle und wird allmählich dunkler, gelb bis gelblichgrün und gelblichgrau, wobei die verhältnißmäßig großen, weit von— einander entfernten Augen von der dunklen Körperpartie getrennt und wie in helle Umgebung eingebettet zu ſein ſcheinen, ſodaß ſie ſehr auffällig werden; zwei dunkle Fleckchen vor ihnen deuten auf die Naſenöffnungen und nach unten bogenförmige Linien auf die Hornkiefer; den hinteren Theil des Körpers nimmt zum größten Theil ein bräunlichgrüner, mit Goldpuder beſtreuter Fleck ein; die Rumpfſeiten und nament— lich der kugelig aufgetriebene Bauch ſind mit ſchönem Perlmutterglanz, die beiden Seiten der weit auf den Rumpf ſich erſtreckenden Schwanzfloſſe mit einem Goldſtrich geſchmückt, während im Uebrigen der Schwanz abwechſelnd dunkelgrün und gelb geſtreift und ſein feinhäutiger durchſichtiger Floſſenſaum wie mit goldglänzendem und braunem Puder beſtäubt ausſieht (J. v. Bedriaga]. Größere Larven find im Allgemeinen oberſeits olivenfarben mit Goldglanz, an den Seiten mit Goldſprenkeln, am Bauch weißlich mit perlmutterfarbigen oder goldenen Sprenkeln, im muskulöſen Theil des Schwanzes gelblich mit oder ohne ſchwärzliche Tüpfelchen und häufig mit einer ſchwarzen Mittellinie an ſeiner Wurzel, im Floſſenſaum entweder gleichförmig weißlich oder aber mehr weniger grau oder ſchwärzlich beſprenkelt. Im ſpäteren Alter wird die Oberſeite gleichförmig grün, und dieſes Moment ſowie der vorn ſtumpfe, faſt Geſchlechter. Larven. = > \ Achte Art. Laubfroſch. 513 abgeſtutzte Kopf laſſen, was ſchon C. Koch hervorhebt, die Laubfroſchlarven am beſten erkennen. Des Weiteren iſt bei den größeren Larven der lange Schwanz mit einem in eine lange Spitze ausgezogenen hohen, oberſeits ſehr bogig geſchwungenen und weit auf den Rücken, faſt bis zwiſchen die Augen übergreifenden, unterſeits gleichfalls ſtark entwickelten und beträchtlich über den After hinaus auf den Bauch ſich erſtreckenden Floſſenſaum verſehen, der geſtreckt eiförmige, ſtarkbäuchige Rumpf von dem breit- und ſtumpfſchnauzigen, niedrigen, flachſtirnigen Kopf durch eine ſeitlich ſichtbare Furche ge— ſchieden, der Interoeularraum etwa dreimal jo groß wie die Entfernung des Auges vom Naſenloch, die alſo ganz ſeitlich ſtehenden und weit nach hinten gerückten, d. h. ein wenig näher dem Kiemenloch als wie der Schnauzenſpitze liegenden Augen, deren Abſtand von einander anderthalb bis doppelt ſo groß iſt als die Entfernung zwiſchen den Naſenlöchern, treten ſtark hervor, die Naſenlöcher liegen um eine Kleinigkeit weiter von einander ab als vom Lippenrande, das Maul iſt ſo breit als die Entfernung zwiſchen den Naſenlöchern, die Oberlippe iſt am Rande mit einer langen Außenreihe und an der Innenfläche links und rechts mit einer kurzen Reihe, die Innenfläche der Unterlippe mit drei hinter einander liegenden Reihen geſägter Zähnchen ausgerüſtet, das Kiemenloch mit ſeiner nach hinten und oben gerichteten Oeffnung links, etwa auf der Grenze zwiſchen Rumpf⸗ und Bauchſeite belegen, die rechterſeits am Schwanzſaum ſich öffnende kurze Afterröhre erreicht nicht den Rand dieſes Saumes, die „Seitenlinien“ laſſen ſich wohl verfolgen. Wenn die Larven eine Länge von 20 oder einige zwanzig Millimeter er— reicht haben, zeigen ſich die Anfänge der Hinterbeine, welche bei ausgewachſenen Quappen etwa 14 mm lang ſind. Auf dieſer Stufe haben die Larven unſeres Laubfroſches eine Geſammtlänge von 32 bis 42 mm, die der größeren, ſüdlichen Varietäten bis 46, ja bis 50 mm, und von derſelben entfällt die ſehr reichliche Hälfte oder zwei Drittel auf den Schwanz, welcher beiſpielsweiſe bei 33 mm langen Ouappen 20 bis 22 mm lang, bei 46 mm langen Quappen 28 oder 30 mm lang und in dieſem Falle etwa 14 mm hoch iſt. Schon mit der Entwicklung der Hinterbeine geht das Graugrün der ausgewachſenen Quappen in ein gleichförmig reineres Grün über und bei der vierbeinigen Larve iſt die ganze Oberſeite friſch blatt- oder gelbgrün grundirt, wie bei dem fertigen, von der Schnauzenſpitze bis zum After 13 bis 18 mm meſſenden Fröſchchen. Dieſes präſentirt ſich in noch ſchmuckerem Gewande als wie die erwachſenen Fröſche, da ſich bei ihm zu dem Grün des Grundes und dem Schwarz der Zeichnung „noch Goldfarbe geſellt, welche von der Naſenſpitze und der Oberkinnlade aus an den Seiten des Körpers und der Gliedmaßen bis zum Rande der Zehen ſich erſtreckt“; die Unterſeite aber dieſer jungen Landbewohner iſt fleiſchfarben, gelblich oder grau überflogen. Geographiſche Verbreitung. Der Laubfroſch hat als ſogenannter Allerwelts— bürger eins der weiteſten Wohngebiete unter allen europäiſchen Lurchen; er kann ſich in dieſer Beziehung mit Gras- und Teichfroſch meſſen. Die Grenzen ſeines Verbreitungs— bezirks liegen faſt genau auf denſelben Breiten- und Längengraden wie bei Rana esculenta, nämlich im Norden etwa am 58. und im Süden am 28. Grad n. Br., im Weſten fallen ſie mit dem 9. und im Oſten mit dem 160. Ferrograd zuſammen. Und das Wohngebiet umſchließt ſonach ganz Europa mit Ausnahme Irlands, Groß— britanniens, Norwegens und der nördlichen Theile von Schweden und Rußland, ferner die Juſeln des Mittelmeeres, Madeira, die Kanaren, die Mittelmeerländer Afrika's, Vorder- und Mittel-Aſien bis zur chineſiſchen Oſtküſte und endlich Japan. Der von Middendorff einſt aufgeſtellte Satz, daß der Laubfroſch nicht ganz die Nordgrenze der echten Buche erreiche, d. h. etwa den 60. Breitengrad, gilt auch heute noch. Ob 83 Junge. Verbreitungs⸗ Gebiet. 514 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ” unſer Grünrock auf der ganzen Jütiſchen Halbinſel zu Haufe iſt, können wir durch Boie und Collin nicht erfahren, der letztere Autor nennt ihn für die Gegend von Kolding, Veile, Horſens, Aarhus und Als (57°) in Jütland ſowie für die Inſeln Fünen, Seeland, Möen und Bornholm. In Schweden iſt er laut Nilsſon namentlich in den ſüdlichen Theilen heimiſch. Die Angabe von Scydlis, daß der Laubfroſch in Livland vorkomme, iſt irrig, er ſcheint in den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen gänzlich zu fehlen. Und da man ihn auch in den Gouvernements Wologda und Jaroslaw ver— mißt, während er in Litthauen, im Gouvernement Moskau und laut Sabanejew im mittleren Ural vorkommt, ſo mag die Nordgrenze der Verbreitung in Rußland ſich auf dem 56. Grad hinziehen. Wie es mit derſelben in Aſien ſteht, iſt uns nicht genau bekannt; wir wiſſen vorläufig durch die ruſſiſchen bezw. japaniſchen Fauniſten nur, daß H. arborea in Südſibirien und auf der nördlichen Inſel Japans, Jeſo, vor— kommt, alſo auf 50 bis 45° n. Br. Dementſprechend dürfte die Südgrenze ſich an der öſtlichen Scheide gleichfalls erheblich ſenken, da die von Boulengers Catalogue als Fundort der Var. Savignyi angegebene chineſiſche Inſel Hainan unterm 19. Grad n. Br. liegt. In Vorder-Aſien hingegen bewegt ſich, ſoweit bekannt, die Südgrenze zwiſchen 35. und 32. Breitengrad (Nord-Perſien, Euphratländer, Syrien, Cypern, Paläſtina [(Jeruſalem, Todtes Meer!), ſinkt in Aegypten um einige Grade ſüdlicher und erreicht auf den Kanaren Inſeln, ſpeziell Teneriffa, mit dem 28. Breitengrad den ſüdlichſten Punkt im weſtlichen Theil des Wohngebietes. Dieſes Eiland und die von demſelben Längengrad : 2° öſtl. Ferro, beſtrichene atlantiſche Inſel Madeira bilden zugleich die am weiteſten nach Weſten hin vorgeſchobenen Verbreitungspoſten, denn die weſtlichſten Fundorte auf dem nordweſt⸗afrikaniſchen und ſüdweſt-europäiſchen Feſtland, d. h. in Marokko (Mogador, Mazagan) und auf der Pyrenäiſchen Halbinſel (Liſſabon, Coimbra, Porto, Panafiel, Tuy), liegen zwiſchen dem 8. und 10. Ferrograd. Die öſtlichſten Punkte hinwiederum ſind auf den japaniſchen Inſeln Jeſo und Hondo oder Nipon, 158. bis 162. Ferrograd, zu ſuchen. Deutſchland. Innerhalb dieſes weitgeſpannten Gebietes iſt allerdings die Verbreitung des Laub— froſches keine gleichmäßige, er mangelt den Hochgebirgen, den Wüſten und Sandſteppen und auch manchen anderen Strecken. In Deutſchland jedoch ſucht man ihn in keinem Staate und keiner Provinz vergebens, und wenn er die Ebene und das Hügel- und Berg— land bevorzugt und die eigentlichen Kämme und rauhen Höhen unſerer Gebirge, beiſpiels— weiſe des Rieſen- und Erzgebirges, des ſüdlichen Sauerlandes und des Weſterwaldes, der Rhön und des Schwarzwaldes, meidet, ſo iſt er doch immerhin noch Gebirgs— bewohner, denn er findet ſich noch im Oberharz bei Harzburg, Ocker, Goslar, Klaus— thal, in den Schwäbiſchen Alpen laut Wiedemann bis zu 1200 Meter (in der Schweiz laut Fatio bis 900 oder 1000 Meter, in Tirol laut Gredler bis zu 1500 Meter oder 4650 Fuß) überm Meeresſpiegel. Und anderſeits darf nicht vergeſſen werden, daß der unberufene Wetterprophet auch in manchen Strichen, die nicht zum Gebirgsland ge— hören, aber rauhes Klima beſitzen, entweder fehlt oder nur höchſt ſelten angetroffen wird, wie denn beiſpielsweiſe Herr G. de Roſſi aus der Umgegend von Neviges den Laubfroſch, der dort blos im warmgelegenen Thal des Wimmersberges dann und wann ſich zeigen ſoll, innerhalb zehn Jahren nur einmal erhalten konnte. Was die norddeutſche Ebene anbelangt, fo vermißt man ihn, wie Boie 1840 für Schleswig- Holſtein und Dr. Greve mir für Oldenburg mittheilt, in der waldloſen Marſch. Aufenthalt. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Nachdem in vorſtehenden Bemerkungen bereits einige Hinweiſe betreffs des Aufenthalts gegeben ſind, ſei noch erwähnt, daß man den Laubfroſch während des Sommers, d. h. in den Monaten zwiſchen Laichzeit Achte Art. Laubfroſch. 515 und Winterruhe, in Wieſen, Auen und Feldern, welche von Gräben und Waſſerläufen durchzogen oder von ſtehenden Gewäſſern unterbrochen ſind, an Sümpfen und Wald— rändern, in Gärten und Hainen, Parks und Laubgehölzen begegnet, wo er je nach der Pflanzenwelt der erwählten Stätte in dem luftigen grünen Gelaube von Baum und Strauch und Buſch, oder im hohen Röhricht und Graſe, im Getreide und an Kohl— ſtauden oder anderen Gewächſen „klebt“. Weht aber ein rauher Wind oder herrſcht unwirſches Wetter, ſo ſucht er ſeine Zuflucht auch wohl unter Steinen, in Mauer— lücken und hohlen Bäumen. Ins Waſſer geht er zur Sommerzeit nur ausnahms— weiſe; hingegen verweilt er nach Beendigung des Laichgeſchäfts gern noch einige Wochen lang in der Nähe des feuchten Elements und ſteigt dann an warmen Abenden in das— ſelbe herab, um aus dem Schilf ſeine Stimme erſchallen zu laſſen. Der Laubfroſch der Mittelmeerländer und der Kanaren (var. meridionalis) offenbart, nach Bolle's und Bedriaga's Beobachtungen, eine größere Vorliebe für das Waſſer als die mittel— europäiſche Stammart. An der Riviera, wo es der Waſſermangel der Fluren mit ſich bringt, daß der Laubfroſch die Gärten bezieht und ſich maſſenweiſe in der Nähe der Ciſternen aufhält, kommen die zierlichen Bewohner der Orangen- und Citronenbäume des Abends aus den luftigen Höhen herunter, wandern in Schaaren nach den Waſſer— behältern und nehmen daſelbſt ein Bad, wobei ſie unmittelbar über der Waſſerober— fläche an der Wand der Ciſterne kleben und den Hinterkörper von dem kühlen Naß beſpülen laſſen. Obgleich der Laubfroſch keineswegs ein Tagſchläfer iſt, ſondern auch im Licht und Sonnenſchein ſich zeigt und ſelbſt beim anſcheinend theilnahmloſen Daſitzen auf ein vorüberſummendes oder herankriechendes Kerbthier achtet, ſo wird er doch wirklich lebendig erſt mit der nahenden und beginnenden Dämmerung: dann hüpft und klettert er munter umher, dann ertönt im Frühling und Vorſommer das fröhliche Geſchrei, der bekannte Chorgeſang der angeregten Männchen. Beim Springen nach Beute, als welche ihm lebende Fliegen, Mücken, Käfer, Spinnen, glatte Raupen, unter Umſtänden auch Ameiſen und andere Inſekten dienen, entwickelt er große Fertigkeit und Treff— ſicherheit, ſodaß er nicht nur das ins Auge gefaßte Wild mittelſt der herausgeſchnellten Zunge feſtzumachen, ſondern auch ein anderes, ihm einen ſofortigen Halt bietendes Blatt oder Zweiglein zu erreichen verſteht. Im Uebrigen braucht er ſich hinſichtlich des letzteren Punktes nicht zu ängſtigen; denn das erſte beſte Blatt oder Reis genügt, den Springer vor einem Herabfallen zu bewahren: ſobald er den Ballen der Zehen— ſpitzen an den erreichten Gegenſtand andrückt, legt ſich die hellgefärbte blaſige, ober- ſeits vom ſcharfen Rand der Saugſcheibe überragte Unterfläche der Fingerpolſter dicht an und vermöge der augenblicklich wirkenden Flächenanziehung (Adhäſion) haftet der Froſch ſofort an dem Gegenſtand. Dies geſchieht ſelbſt dann, wenn er gegen ſenkrechte und ganz glatte Flächen, wie Glas u. a., ſpringt, und da er ſtets auch noch durch Andrücken der Kehlhaut und der geſammten Unterſeite des Rumpfes an die letzteren die Aufgabe der Haftballen unterſtützt, ſo kann er ſich immer leicht in ſeiner neuen Stellung erhalten. So bewegt er ſich mühe- und ſorgenlos in und auf Strauch und Baum wie im Glaskäfig auf- und ab-, vor- und ſeitwärts; er iſt als Springer, Kletterer, Steiger Meiſter, vermag aber auch als Schwimmer ganz vortrefflich fort- zukommen. Allein ebenſo wie er ſeine Sprungfertigkeit bei der Jagd u. ſ. w. beſtens auszunutzen verſteht, weiß er, daß ein unüberlegter Sprung ihn ſeinem vermeintlichen oder wirklichen Feind unbedingt verrathen würde. Deshalb verharrt er beim Nahen eines ſolchen, auf das gleichfarbige Blatt niedergedrückt, im Vertrauen auf dieſe Ueber einftimmung der Farben ganz ruhig und regungslos, und als Ausfluß dieſes Sicher— 33* Bewegungen. Winterſchlaf. Laichen. Entwicklung. 516 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. heitsgefühls iſt denn auch die dem Menſchen gegenüber kundgegebene geringe Scheu aufzufaſſen. Entſchließt der Laubfroſch ſich indeß zur Flucht, ſo geſchieht dies dem Verfolger völlig unverhofft und plötzlich und nur in ein oder zwei mächtigen Sätzen, worauf er wieder ſtill in Gras oder Kraut oder Geblätter ſitzen bleibt und alles an— geſtrengte Suchen nach ihm gewöhnlich vereitelt. So vergeht unſerem Zwerglurch der Sommer. Noch im September vernimmt man zuweilen aus den ſchon vergilbenden Baumkronen herab das Gequäk der Männchen; jedoch bald darauf verläßt er das hohe Podium, das nun der rauhe Herbſtwind be— ſtreicht, und ſucht ſich in hohlen Bäumen, in Mauerſpalten oder Erdlöchern, unter Steinen oder dicken Laubpolſtern, nach Ad. Franke gleicherweiſe unter Dunghaufen, anderwärts wohl auch im Schlamm eine Winterherberge, die er oft gemeinſchaftlich bezieht und im April oder Mai bezw. in zeitigen Frühjahren ſchon im März, die Männchen früher als die Weibchen, wieder aufgiebt. Sechs bis zehn Tage nach dem Erſcheinen der Männchen im Waſſer und nach— dem letztere während dieſer Zeit und oft in erheblicher Anzahl Tag und Nacht in den von Röhricht, Büſchen und Bäumen umſtandenen Teichen, Weihern, Tümpeln, Gräben ſich getummelt und durch lautes, brünſtiges Geplärr ihren Gefühlen Ausdruck ver— liehen haben, ſtellen ſich auch die Weibchen ein. Trübes, übelriechendes Waſſer wird dabei ebenſo gemieden wie raſch fließendes. Die Fortpflanzung erfolgt alſo in der Regel im Mai, „niemals ehender“, ſagt der alte Röſel, „als bis die Laichzeit des braunen Grasfroſches vollkommen vorbei iſt“. Trotz der Lebhaftigkeit der Männchen iſt die Brunſt keine ſonderlich ernſte und nachhaltige, ja C. Bruch bezeichnet dieſelbe, da die Laubfröſche ſich leicht ſtören laſſen, als die „am wenigſten lebhafte“ gegenüber dem Trieb aller anderen einheimiſchen Batrachier. „Auch iſt die Art, wie ſie die Weibchen umfaſſen, nicht vortheilhaft, da ſie ihnen die geballte Fauſt in die Achſel— grube ſtemmen und keine Haftorgane beſitzen wie die Fröſche und Kröten, welche den Weibchen entweder die Daumenſchwiele oder die mit rauhen Schwielen beſetzte Rücken— fläche der Finger gegen die Bruſt preſſen.“ Nach ein- oder mehrtägiger Umarmung erfolgt das Laichen und zwar meiſt Nachts: binnen wenig Stunden werden 800 bis 1000 kleine, 1 oder 1,2 bis 1,5 mm im Durchmeſſer haltende Eier ausgeſtoßen und befruchtet, um dann in unregelmäßigen Klumpen zu Boden zu ſinken oder auf und an und zwiſchen Algen und anderen Waſſerpflanzen hängen zu bleiben. Die einzelnen Laichkörner oder Dotterkugeln, welche ſchwefelgelb oder gelblichweiß und nur oben bräunlichgrau angeflogen ſind und eben durch dieſes vorherrſchende Gelb ſich leicht von dem Laich anderer Fröſche unterſcheiden, erſcheinen von einer waſſerhellen Eiweißmaſſe umſchloſſen und in Abſtänden von etwa 5 mm in die Gallerte eingeftreut. Gewöhnlich zehn bis vierzehn Tage nach dem Laichen ſchlüpfen die kleinen Larven aus. C. Bruch machte in ſeinen „Neuen Beobachtungen“ 1863 darauf aufmerkſam, daß unter allen unſeren Batrachiern die Keimlinge des Laubfroſches die größte Länge im Ei erreichen und daß ſie, was ſchon kurz erwähnt, beim Ausſchlüpfen ſich nament— lich durch einen langen fiſchartigen Schwanz auszeichnen, der ſie nächſt der gelben Farbe von den Larven aller anderen Anuren unterſcheidet; doch fehlen die Kiemen noch ganz. Eine fernere Abweichung liegt in der Art des Ausſchlüpfens (Seite 415): Die Eihaut bei Hyla „iſt nämlich viel derber und beſteht aus drei diſtinkten Schichten, während bei Rana und Bufo deren nur zwei zu unterſcheiden find. Die Eihaut dehnt ſich mit dem Wachsthum der Embryonen merklich aus und verdünnt ſich zugleich etwas, vergeht aber nicht wie bei den anderen ungeſchwänzten Lurchen, ſondern es ſpringt plötzlich, wie eine Fruchtkapſel, die äußere Schicht mit einem Querriß auf, um weit Achte Art. Laubfroſch. 517 auseinander zu klaffen und die inneren, nicht mit zerreißenden Schichten der Eihaut austreten zu laſſen. Die letzteren vergehen dann unmerklich wie bei den anderen Batrachiern ohne Riß und Spalte, worauf die Embryonen, die ſich ſchon im Ei leb— haft bewegt haben, frei werden.“ Das Aufſpringen der äußeren Schicht geſchieht vielleicht zwei Tage vorm Ausſchlüpfen der noch kiemenloſen Larven. Am zweiten Tage des Freilebens, wenn die Augen noch nicht pigmentirt, die ſogen. Saugnäpfe (Seite 394) kegelförmig und radiär geſtreift ſind, der Schwanz halb ſo lang als die ganze Larve, der After bereits angelegt und vom Dotter abgeſondert iſt, auch die Naſenöffnungen und eine Kiemenſpalte bereits angedeutet ſind, zeigen ſich die Anfänge der äußeren Kiemen, die am dritten Tage aus einem allerdings verhältnißmäßig kurzen Doppelaſt beſtehen, auch am folgenden Tage nur als je zwei kurze, an den beiden erſten Kiemenbogen ſich befindende Gefäßſchlingen ſich darſtellen (während der Kiemen— deckel ſich zu entwickeln beginnt), am fünften Tage etwa ſind die Kiemenfranſen etwas länger geworden, doch nicht ſo lang als bei Pelobates, und am nächſten Tage ſind ſie wieder vergangen und der Kiemendeckel iſt verwachſen. Die äußeren Kiemen des Laubfroſches erreichen ſonach „zwar eine verhältnißmäßig geringe Entwicklung, welche die der Kröten (Seite 416) kaum übertrifft, aber ſie haben eine verhältnißmäßig längere Dauer, welcher der der echten Fröſche nahekommt“. Am ſiebenten Tage des Freilebens bemerkt man die Entwicklung von Mund und Naſe, am zehnten etwa den Anfang der goldgelben Einfaſſung der Augen, in der ſiebenten oder achten Lebenswoche die hervorſproſſenden Hinterbeine, ungefähr vier Wochen darauf die durchbrechenden Vorderglieder und von nun ab das raſche Ein— ſchrumpfen des Schwanzes, ſodaß nach Verlauf eines Vierteljahres gewöhnlich die Metamorphoſe vollendet iſt und beiſpielsweiſe die in den erſten Maitagen aus dem Laich hervorgegangenen Quappen zu Anfang oder Mitte Auguſt als ſtummelſchwänzige oder völlig ſchwanzloſe Fröſchchen den Waſſer- mit dem Land-Aufenthalt vertauſchen, um allerdings des reichlicheren Futters wegen noch eine Zeitlang in der Nähe ihrer Geburtsſtätte zu verbleiben. Bis gegen Ende Auguſt dauert der Nachſchub fort, aber auch noch im September ſchließen manche Larven, aus dem Juni ſtammeud, ihre Ver— wandlung ab; man begegnet unter außergewöhnlichen Verhältniſſen ſelbſt noch um Michaelis Kaulquappen, dagegen ſind mir Fälle von überwinternden Laubfroſchlarven nicht bekannt. In ſüdlicheren Gegenden kürzt ſich die Entwicklung ab und ſchon Ende Juni laſſen ſich junge Fröſchchen beobachten. Die nach der erſten Ueberwinterung von mir erlangten Jungfröſche hatten eine Länge von 24 oder 25 mm. Mit drei Jahren werden ſie geſchlechtsreif, und dann ſchließt auch das Wachsthum im Großen und Ganzen ab. Wenn der grüne Teichfroſch der Konzertgeber der kühlen Fluth iſt, ſo der gleichfarbige Laubfroſch der „Sänger für Alles“, welcher ſeine Stimme im Röhricht wie im Getreide, auf der Wieſe wie in den Baumkronen und nicht minder im Zimmer von dem hölzernen Leiterchen des beſcheidenen Glaſes aus erſchallen läßt. Am eifrigſten und lauteſten ertönt der Chor, zu dem ſich manchmal Hunderte von einen Teich oder mehrere be— nachbarte Wäſſer bewohnende Männchen vereinen, zur Fortpflanzungszeit, d. h. an ſchönen Abenden des Frühlings und Vorſommers: von der Sonnenneige an bis Mitternacht vermag man dann das Konzert, zu dem ein Vorſänger den erſten lauten Ton angiebt, auf halbſtundenweite Entfernungen hin zu vernehmen und, wenn man die Kleinheit der Muſikanten denkt, zu bewundern Aber dieſe Zwerge haben eben große Inſtrumente! Keiner unſerer heimiſchen Lurche verfügt über einen ſo umfang— reichen Kehlſack wie der Laubfroſch; und da die ſüdliche Abart noch erheblich größere Umwandlung. Stimme. Gefangenſchaſt. 518 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Schallblaſen beſitzt als der deutſche Baumfroſch, ſo erſcheint es ganz natürlich, daß jene noch lauter und dabei rauher und in tieferer Tonlage quäkt. Im Hochſommer und Frühherbſt werden keine Maſſen-Aufführungen veranſtaltet, immerhin indeß iſt der Laubfroſch auch dann nicht ſtumm und namentlich vor und nach einem milden Regen geben die Männchen des für feuchtwarme Luft beſonders empfänglichen Lurches aus Baum und Strauch ihr fröhlich und raſch ausgeſtoßenes äpp äpp äpp zum Beſten; „am 16. September 1879“, ſo ſchreibt mir Herr W. v. Reichenau, „hörte ich bei Mainz in einem Eichengebüſch im Umkreiſe von etwa 80 Schritt an dreißig Männchen ſo laut knarren, daß ich, obwohl mit dieſer Tonleiſtung bekannt, ſtaunend an mehrere ausgeflogene Familien von Hehern oder Würgern erinnert und im erſten Moment wirklich getäuſcht wurde“. Das helle, kurz abgeſetzte, eintönige, gellende Ge— ſchrei unſeres Laubfroſches, das manche Beobachter zu Vergleichen mit dem Lockruf des Rebhahns oder mit dem Anſchlagen von Stäbchen auf Porzellanteller oder mit einem Schellengeläute angeregt hat, klingt wie äpp äpp äpp oder gäk gäk gäk und zwar in der Tonlage des eingeſtrichenen a oder g, während das Gequak des Süd— länders einem tieferen, volleren rab rab rab oder frua frua krua zu vergleichen ſein möchte. Bereits nach der erſten Ueberwinterung beginnt das junge Laubfroſch-Männchen, deſſen Kehle ſich dann auch ſchon bräunlich färbt, leiſe im Quäken ſich zu üben. Einen leiſen, quäkenden, aber ohne Mitwirkung der Schallblaſe erzeugten Ton ver— nimmt man auch zuweilen vom älteren Männchen, wenn man es in der Hand hält. Aehnlich iſt das feine Meckern der Weibchen, das ſie jedoch nur ſelten und nie ohne äußere Veranlaſſung hören laſſen. Daß der Laubfroſch gern in Geſellſchaft ſingt, be— kundet er auch im Zimmer, indem er bei Nachahmung ſeiner Stimme ohne Ziererei einfällt zum Duett. Ueberhaupt antwortet der Laubfroſch auf gewiſſe, durch Geräuſche hervorgerufene Sinnenreize gern mit ſeinem Geplärr; beiſpielsweiſe auf anhaltendes Raſcheln mit Papier, Aneinanderreiben zweier Feilen oder Meſſerklingen. Hier iſt ſein Geſchrei der Ausfluß ſeines Behagens, während man das in anderen Fällen nicht ſagen kann. Wenn er bei feuchtwarmer Luft und mildem Regen ſich am wohlſten fühlt und dieſem Wohlbefinden durch munteres Herumklettern in ſeinem Glaskäfig und durch lautes Rufen Ausdruck verleiht, hingegen bei heißem, trocknem Wetter ſtill und träge im Schatten verweilt, ſo darf man ihm als Wetterpropheten doch nicht allzuviel Ver— trauen ſchenken, denn oft ſchreit er erſt, wenn der Regen, den er vorher anzeigen ſollte, bereits da iſt u. ſ. w.; kurzum, allgemein zutreffende Regeln laſſen ſich nicht aufſtellen; wohl aber kann man einige Anhaltspunkte gewinnen, wenn man ein und denſelben Froſch längere Zeit hindurch genau beobachtet. Und darum möge man den kleinen netten Lurch immerhin im Zimmer halten. Er begnügt ſich hier mit einem einfachen Einmacheglas, deſſen Ausſtattung feuchtes Moos bezw. friſcher Grasbuſch und ein bequemes Sitzplätzchen, oder ein im Waſſer ſtehender Pflanzenſtock bildet, und das man oben durch weiche Stoffgaze — nicht Drahtgaze, denn an dieſer zieht er ſich beim Springen nach Inſekten wunde Schnauze und Naſe zu — verſchließt. Beſſer iſt natürlich eins der kleinen Froſchhäuschen, wie man ſie jetzt ſchon vielerorts findet. Als Nahrung nimmt er Fliegen und andere Inſekten; es empfiehlt ſich in— deſſen, ihn möglichſt bald an Mehlwürmer zu gewöhnen, da man dieſe im Winter jederzeit für ihn beſchaffen kann. Er wird ſchnell und leicht zahm und zutraulich, nimmt die zappelnden Kerfe aus der Hand, lernt auf den Ruf hören, bekundet auch Ortsgedächtniß, indem er das freiwillig oder unfreiwillig verlaſſene Glas wieder aufſucht und den Standort des Mehlwurmtopfes merkt u. ſ. w. Und Neunte Art. Knoblauchskröte. 519 bei fachgemäßer Verpflegung hält er nicht blos jahre-, ſondern jahrzehntelang im Käfig aus. Landesübliche Bezeichnungen. Laubfroſch, Wetter-, Heckenfroſch, Laub- Namen. kleber; Holl.: Boomkikvorsch; Däniſch: Loyfröen; Schwed.: Löfgroda, Hasslefrö; Engl.: Tree-Frog; Franz.: Rainette verte; Ital.: Raganella, Ranetta, Racola, Rana de S. Giovanni; Span.: Ranilla verde; Poln.: Zabka drzewna; Dalmat.: Prorocic zeleni; Böhm.: Rosicka obecna; Ung.: leveli-beka; Ruſſ.: Drewösniza, Kwäkscha; Finn.: Lebto-Rupsale. Rana arborea, Schwenkfeld 1605. Linné 1761. — Ranunculus viridis, @esner nns. 1617. — Rana viridis, Linné 1746 [F. S. ed. I]. — Rana Hyla, Linné 1758. — Hyla arborea, Linné 1766. — Hyla viridis, Laurenti 1768. — Calamita arboreus, Schneider 1799. — Hyas arborea, Wagler 1830. — Raganella arborea (Hyla viridis), Bonap. [Icon.]. — Dendrohyas arborea, Tschudi 1839. — Dendrohyas viridis, Fitzinger 1843. 4. Familie: Froſchkröten, Pelobatidae. Tracht mehr froſch- als krötenartig; Haut glatt, zart; Sehen gewöhnlich, mit einfachen Endgliedern; Pupille ein ſenkrechter Spalt; Sunge rundlich, hinten kaum ausgeſchnitten; Ohrdrüſenwulſt fehlend; Trommelfell verborgen. Sähne, Bruſtkorb, Kreuzbeinfortfäge, Wirbel, Rippen wie bei den Laubfröfchen. In Deutſchland nur eine Gattung: 4. Gattung: Land⸗Unke. Pelobates, Wagler. Körper rundlicher zuſammengeſchoben als bei den Fröſchen, doch nicht plump wie bei den Uröten; Kopf kurz, nach der gerundeten Schnauze zu ſtark abſchüſſig; Augen ſehr vorgequollen und durch einen breiten Swiſchenraum von einander ge— trennt; Pupille eine ſenkrechte elliptiſche Spalte; Schallblafen fehlen; Hunge rund— lich⸗herzförmig, groß, dick, hinten ſchwach ausgebuchtet, nur mit dem hinteren Drittel frei; Finger vollſtändig frei; Sehen der verhältnißmäßig langen Hinterbeine bis zur Spitze mit einander verbunden durch Schwimmhäute; hinter der Wurzel der innerſten (erſten) Zehe ein großer, ſtarker, ſchaufelförmiger, mit ſcharfem Hornkamm ver— ſehener Ferſenhöcker als Grabſchwiele oder 6. Sehe; Kreuzbein und Schwanzbein verwachſen. Von den beiden europäiſchen Arten lebt in Deutſchland nur eine Spezies: 9. Art: Unoblauchskröte. Pelobates fuscus (Laur.). Abbildungen: Tafel III Nr. 1, Tafel II Nr. 7. Länge 5—7 em; Kopf im mittleren und namentlich im hinteren, hier förmlich atenmzeichen. wulſtig oder höckerig aufgetriebenen Theil ſehr gewölbt; Hornkamm des Ferſen⸗ höckers braungelblich; Oberſeite grau mit verſchieden großen, unregelmäßig geſtalteten dunkelbraunen Flecken und zuweilen röthlichen Sprenkeln und Tüpfeln. Aeußere Erſcheinung. Nachdem die Artkennzeichen im Allgemeinen ſchon in sörpedau. den angegebenen Merkmalen ausgedrückt ſind, ſeien nur noch betreffs des Körperbaues einige nähere Mittheilungen angefügt. Obwohl die Knoblauchskröte in vielen Punkten 520 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. den Fröſchen nahe ſteht, ſo erinnert ſie in mancher Beziehung doch an die echten Kröten, während ſie in noch anderen Stücken — ſo hinſichtlich des Schädelbaues, des ſchneidigen Hornhöckers an den Hinterfüßen, der langen zarten Zehen — eine ge— ſonderte Stellung einnimmt. Der Körper iſt dick und gedrungen, faſt krötenartig ge— baut, oberſeits gewölbt, der Kopf deutlich kürzer als im hinterſten Theile breit, von vorn nach hinten gewölbt, nach der gerundeten, ziemlich kurzen Schnauze hin ſtark abſchüſſig, der hintere Theil längs ſeiner Mitte durch eine bald mehr, bald weniger wulſtige, höckerige oder faſt helmartige Auftreibung ausgezeichnet, die mit einer ſehr dünnen und ſtraff anliegenden, bei alten Thieren gewöhnlich rauhen oder ge— körnten Haut bedeckt erſcheint. Dieſe Eigenheit wird durch den merkwürdigen Bau des Schädels begründet, indem bei dieſem die beiden Scheitelbeine nicht durch eine Naht getrennt, ſondern, ganz abweichend von allen anderen europäiſchen Batrachiern, zu einem gewölbten Knochen verwachſen und mit zahlreichen, je nach dem Alter des betreffenden Thieres mehr oder minder ſtark entwickelten warzigen Knochenvorſprüngen beſetzt ſind. Die Gaumenzähne ſtehen zwiſchen den innern Naſenlöchern in zwei quer— laufenden kurzen, von einander durch einen Zwiſchenraum getrennten, ziemlich geraden und ſtark vorſpringenden Reihen; die ſehr große, dicke, feinwarzige, ziemlich kreis— förmige Zunge iſt hinten frei und mit einem kaum merklichen Ausſchnitt verſehen. Die Naſenlöcher ſind eiförmig, mittelgroß, von einander etwa ſo weit wie von dem vorderen Augenwinkel entfernt, die Augen ſehr ſtark vorgequollen, von einander durch einen breiten Zwiſchenraum getrennt, und zwar beträgt die Breite des Interpalpebral— raums gewöhnlich etwas mehr als der Durchmeſſer des Auges; die im Lichte eine ſenkrechte Spalte darſtellende Pupille (Katzenpupille) erweitert ſich Nachts und bei Beunruhigung zu einem ziemlich ſenkrecht ſtehenden, oben verbreiterten und abgerundeten, unten zugeſpitzten Oval. Ein geſondertes Trommelfell, Ohrdrüſenwulſt und Schallblaſe fehlen. Die Vordergliedmaßen ſind etwas kürzer als der Rumpf, indem ſie, nach hinten an den Körper gelegt, bis zu den Hinterbeinen reichen, ihre vier Finger, von denen der dritte die unter einander ziemlich gleichlangen übrigen an Länge beträchtlich über— trifft, vollkommen frei und ziemlich drehrund; ein Daumen-Rudiment fehlt, und ebenſo mangeln den Gelenkſtellen der Finger und der Zehen (Unterſeite) jene in Form kleiner Höckerchen oder Knöpfchen auftretenden Verdickungen, welche für die Kröten-Arten ſo charakteriſtiſch ſind. Die Hinterbeine reichen, nach vorn geſtreckt, um ein Beträchtliches über die Schnauze; von ihren fünf Zehen, welche unter einander durch vollſtändige, alſo bis zur Spitze reichende Schwimmhäute verbunden und im Uebrigen länger und zarter ſind als bei den anderen heimiſchen Froſchlurchen, iſt die vierte am längſten, die fünfte aber ungefähr der kürzeren dritten gleich; hinter der Wurzel der erſten, inneren Zehe ſteht ein großer, ſtark hervortretender breiter, länglichrunder oder linſen— förmiger, harter, am freien Rande mit ſchneidiger Hornleiſte verſehener gelblicher oder bräunlichgelber Ferſen- oder Metatarſal-Höcker oder Sporn — die „hornartige After- klaue“ älterer Autoren, — welcher die ſechste Zehe vertritt, ein Viertel ſo lang wie der Unterſchenkel oder ungefähr ſo lang als die erſte Zehe bezw. wie die Entfernung zwiſchen beiden Naſenlöchern und ſchon bei entwickelteren Larven deutlich ausgebildet iſt; er giebt, da eine ſolche ſchneidende Hornſchwiele ſonſt bei keinem unſerer Froſch— lurche gefunden wird, ein durchaus bezeichnendes Merkmal der Knoblauchskröte ab. *) In der dünnen und glatten Haut gleicht Pelobates den eigentlichen Fröſchen; wirk— liche Warzen fehlen ganz, dagegen zeigen ſich in der After- und Weichengegend deutliche ) Auf dieſe, bei einer ſüdeuropäiſchen Art noch ſtärker ausgebildete Hornleiſte wurde die Gattungs— bezw. Artbezeichnung Cultripes (Meſſerfuß) gegründet. Neunte Art.; „Knoblauchskröte. 521 Höckerchen, und am Rücken erſcheinen bei manchen Exemplaren infolge ſtärker ent— wickelter Drüſen ganz flache, oft kaum wahrnehmbare Hauterhebungen, wie uns Aehn— liches auch bei den Fröſchen begegnet; Kieferränder, Kopfſeiten, Kehle, Bauch und Unterſeite der Gliedmaßen ſind aber immer vollkommen eben, glatt. Die Größe geſchlechtsreifer Thiere ſchwankt zwiſchen 5 und 7 em, einzelne Exem— plare mögen bis 8 em lang werden, andere find nur 4,5 cm lang. Der Unterſchenkel iſt ſo lang als der Kopf, der letztere etwas kürzer als im hinteren Theile breit, der hintere Fuß gut ſo lang als die ganze Vordergliedmaße oder halb ſo lang als die ganze Hintergliedmaße, die letztere (vom After bis zur Spitze der längſten Zehe) ein Sechstel bis ein Drittel länger als der geſammte Körper (von der Schnauzenſpitze bis zum After). Im Folgenden noch einige Maaße; Nr. 1 iſt ein geſchlechtsreifes Männchen, Nr. 2 ein junges Thier. Geſammtlänge von der Schnauzenſpitze bis zum After Nr. 1: 60 mm, Nr. 2: 33 mm; Länge der Vordergliedmaße 37 bezw. 17 mm; Länge der ganzen Hintergliedmaße 79 bezw. 38 mm, des Hinterfußes mit Zehen 40 bezw. 18 mm, der Tibia 22 bezw. 9 mm; Kopflänge 20 bezw. 10,5 mm, größte Kopfbreite 22,5 bezw. 12 mm; Entfernung zwiſchen den Augen (Interpalpebralraum) 6,8 bezw. 4,5 mm. a In der Zeichnung erinnert die Knoblauchskröte lebhaft an die grüne Kröte, nur daß bei ihr die Zeichnungsfarben gewöhnlich andere find. Auf dem hell-, gelblich-, blau⸗ oder bräunlich-grauen Grunde der Oberſeite ſtehen nämlich verſchieden große, zuweilen breite bandartige und zuſammenſtoßende oder aber in kleine Makeln aufgelöſte Landkartenflecken von ſchön kaſtanienbrauner bis ſchwarzbrauner oder ſchwärzlicher Färbung (nicht aber von grünem Ton wie bei Bufo viridis) und außerdem bei den meiſten Exemplaren, namentlich an den Seiten und auf den Schenkeln, feuer- oder mennigrothe Punkte und Tüpfel, welche bei manchen Stücken zu großen rothen Flecken ſich ausgeſtalten und welche ſchon bei älteren vierbeinigen Larven deutlich zu ſehen ſind, in Spiritus jedoch allmählich weiß werden. Wie bereits angedeutet, iſt die Größe, Form und Anordnung der Flecken nicht beſtändig. Oft zieht ſich über die Mitte des Rückens die graue Grundfarbe als ein unregelmäßiges Band hin, zu deſſen beiden Seiten die dunkeln Flecken in je eine oder auch zwei unregelmäßige Längsreihen ſich ſtellen; oft aber fehlt ein durchgehendes helles Mittelfeld und die Flecken verlaufen mehr in die Quere. Oben auf dem Augenhügel findet ſich ein dunkler, oft hell— beſäumter Fleck, der ſich häufig nach hinten zu ausdehnt und mit den dunklen Rücken— feldern bezw. mit einem vom Hinterwinkel des Auges zu der Wurzel des Vorderbeines ausgeprägten dunkelbraunen Längsfleck zuſammenfließt; die helle Oberkinnlade erſcheint oft dunkelbraun und röthlich gefleckt. Gern zieht ein brauner Bindenfleck von der Schnauzenſpitze zu den Augen, zuweilen auch einer vom Hinterrande der letzteren ſchräg einwärts gegen den Nacken, wo er mitunter mit dem anderſeitigen zuſammen— ſtößt und eine \/ fürmige Zeichnung bildet. Die Unterſeite iſt weißlich, entweder einfarbig oder mattgrau gefleckt, die Schwimmhaut hell- bis dunkelgrau, die Hornkante der ſechsten Zehe gelblich oder bräunlich — während ſie bei dem ſüdeuropäiſchen Pelobates cultripes ſchwarz erſcheint —, die Iris bronzegelb, in der unteren Hälfte dunkel geädert. Ebenſowenig als von einer regelmäßigen Färbungs-⸗Verſchiedenheit nach dem Ge- ſchlecht die Rede ſein kann, laſſen ſich an einem und demſelben Thier Farben-Ver⸗ änderungen beobachten, wie wir ſie bei Laub- und Waſſerfroſch und anderen Batrachiern zu ſehen! gewöhnt ſind. Dagegen fallen im zeitigen Frühjahr einige Abänderungen auf: nach dem Erwachen aus dem Winterſchlafe und während des Waſſer⸗Aufenthalts Maaße. Färbung. Abänderungen. Geſchlechter. 522 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. zur Laichzeit iſt die Grundfärbung dunkel, graubraun bis ſchwarzgrau oder ſchwarz— braun, ſodaß die charakteriſtiſche braune und ſchwarze Landkartenzeichnung ſehr ver— wiſcht, undeutlich erſcheint; nach dem Verlaſſen des Waſſers hellt ſich unter dem Einfluß der atmoſphäriſchen Luft der Grundton zu einem helleren Grau auf, das die Landkarten— flecken und die mennigrothen Punkte ſchön hervortreten läßt. Vielleicht iſt durch derartige zeitliche Abänderungen C. Koch in ſeinen „Formen und Wandlungen“ veranlaßt worden, neben der typiſchen Form „mit hellbraungrauer Grundfarbe, kaſtanienbrauner Flecken— zeichnung und röthlichen Warzenflecken und mit hellfarbener Schwimmhaut“ eine Varietät lividis „mit dunkel bleigrauer Grundfarbe, die deutlich Blau durchſchimmern läßt, ſchwarzbrauner oder blauſchwarzer Fleckenzeichnung und dunklen Warzenflecken ohne röthliche Beimengung und dunkel blaugrauer mit weißlichem Wulſtſaum verſehener Schwimmhaut“ aufzuſtellen, obgleich ſich ja die ſeltene bleigraue Varietät von der typiſchen Form auch durch ſpitzere Schnauze bezw. dadurch unterſcheiden ſoll, daß der Raum zwiſchen den Augenhügeln ſchmäler als der Durchmeſſer des Augenhügels ſei, während bei der Stammform der Zwiſchenraum der Aughügel gleich ſei dem Durchmeſſer des Aug— hügels; ſelbſt hinſichtlich der Größe und Färbung der Larven — die der Stammform ſeien 70 bis 75 mm lang, hell ockerbraun bis ockergelb, die der Varietät 90 bis 94 mm lang, plumper und dicker, dunkel ſchwarzgrau oder blauſchwarz, ſeltner dunkel grau— braun — und hinſichtlich der Laichzeit (die Varietät ſoll mehrere Wochen früher laichen als der Typus) ſollen beide Formen von einander abweichen. Nach meinen eigenen Wahrnehmungen vermag ich indeß der Koch'ſchen Anſicht nicht beizupflichten, was ſich in Betreff der letzteren Punkte aus dem weiterhin zu Sagenden ergeben wird. Wennſchon alſo Grundfarbe und Zeichnung je nach den verſchiedenen Thieren mannigfach wechſelt, ſo laſſen ſich doch beſtimmte, regelmäßig wiederkehrende Varietäten und Raſſen nicht aufſtellen, die Abänderungen gehen eben durch allerlei Zwiſchenſtufen ineinander über und ſelbſt die Extreme gehen nicht ſo weit auseinander wie ver— gleichsweiſe bei Laub-, Teich- und Grasfroſch, Erdkröte ꝛc. Da beim Männchen die den männlichen Kröten und Fröſchen zukommende Daumenſchwiele nicht ausgeprägt iſt, ſo läßt es ſich auch zur Fortpflanzungszeit nicht ohne Weiteres vom Weibchen unterſcheiden, zumal eine dem letzteren meiſtentheils zu— kommende Eigenheit in der Färbung, nämlich zahlreicher auftretende rothe Tüpfel an den Seiten und Schenkeln und das Vorherrſchen eines grauen (beim Männchen braunen) Tones in Grundfarbe und Fleckenzeichnung, doch nicht für alle Fälle zutrifft. Für den Kenner ausſchlaggebend iſt erſtens eine zur Begattungszeit an der hinteren Seite des Oberarms vom Männchen ſich zeigende große länglich-eiförmige, gewölbte, mit vielen Poren verſehene helle Drüſe, ) die faſt die ganze Länge der oberen und gleich— zeitig hinteren Fläche des Oberarms einnimmt und bei Druck eine waſſerhelle Flüſſig— keit entleert, nach der Fortpflanzungszeit aber zurückgeht, und zweitens eine Anzahl kleiner, beim Männchen auf der Innenfläche des Armes und auf der Handoberfläche zerſtreut ſtehender Höcker, die, von Cornalia und Camerano zuerſt bemerkt, auch während der Laichzeit ſich entwickeln und wohl den Daumenſchwielen zu vergleichen ſind und wie dieſe zum beſſeren Feſthalten des Weibcheus bei der Begattung dienen. ) Durch das Fehlen dieſer Oberarmdrüſe ſoll der von Cornalia aufgeſtellte „Pelobates insubrieus“ ausgezeichnet ſein. Nach Héron-Royer ſoll dieſer piemonteſiſche Pelobates (insubrieus - latifrons) von der Stammform auch durch andern Schädelbau, ſtumpfere Schnauze, längeren Kopf, grellere Färbung ſich unterſcheiden; indeſſen durchſchlagende Eigenheiten ſind das nicht. Neunte Art. Knoblauchskröte. 523 Vor dem Ablaichen erſcheint das Weibchen etwas dickbauchiger als das Männchen. Die Bemerkung Sturm's und Anderer, daß das Weibchen einen dunkleren Unterleib habe als das Männchen, hat nicht allgemeine Geltung. Die erwachſenen, d. h. die etwa 8 Wochen alten Larven, welche vor dem Durchbrechen der Hinterbeine ſtehen, zeichnen ſich vor den Kaulquappen aller anderen deutſchen Batrachier erſtens durch die ganz außerordentliche Größe (durchſchnittlich 8 bis 10 em), zweitens durch den ſtumpfen Kopf, und namentlich durch den unge— wöhnlich ſtarken, fleiſchigen, von einem verhältnißmäßig ſchmalen Hautſaum beſetzten Ruderſchwanz aus, deſſen muskulöſer Mittelſtrang an der Wurzel ebenſo hoch iſt als das Hintertheil des Rumpfes. Dieſer dickfleiſchige Schwanz unterſcheidet die Larven des Pelobates auch leicht von den, unter günſtigen Verhältniſſen die gleiche Länge, 7 oder 8 cm, erreichenden Quappen des grünen Teichfroſches; denn der Schwanz der letzteren hat einen ſchmäleren (niedrigeren), dünneren Fleiſchſtrang, dafür aber einen höheren, dabei feineren, durchſichtigeren Hautſaum, ſodaß er bei durchfallendem Licht im Ganzen weit transparenter erſcheint als der Schwanz des Pelobates. Auch halb— erwachſene und noch kleinere Larven der Knoblauchskröte zeigen ſchon dieſes Charak— teriſtikum der Spezies, während es bei den in den erſten Entwicklungsſtufen befind— lichen Larven noch nicht auffällt. Im Uebrigen iſt bei den vor oder unmittelbar nach Entwicklung der Hinterbeine ſtehenden Larven (ſ. Tafel II Nr. 8) der Kopf vom Rumpf ſchwach geſondert, oben ſchwach abwärts geneigt, nach vorn zu etwas verjchmälert, die Schnauze breit abgerundet, der Interocularraum ſehr breit, etwa dreimal ſo breit als der Abſtand der kleinen Naſenlöcher von einander, die Entfernung der großen, ſeitlich liegenden Augen vom Naſenloch ungefähr der Entfernung des letzteren von der Oberlippe gleich, der Mundrand mit Ausnahme der oberen mittleren Partie dicht mit Papillen und jene mittlere Partie mit einer kurzen Reihe brauner Zähnchen beſetzt, Larven. die Oberlippe außer der letzteren noch mit drei, mehr nach innen zu liegenden Reihen — kleiner, ſpitzer, ſchwarzbrauner Zähnchen und die Unterlippe in faſt genau derſelben Weiſe bewaffnet, der Rumpf oben ſchwach gewölbt, ſeitlich und unten ſtark bauchig aufgetrieben, das Kiemenloch groß und ſeitlich links am Rumpf belegen, der bereits beſchriebene Schwanz in einer ziemlich dünnen Spitze endigend und mit ſeinem Haut— ſaum an der Schwanzwurzel oder kurz vor dieſer beginnend, die Oeffnung der Anal— röhre in der Mittellinie der Unterecke des Schwanzes, zwiſchen den Beinen belegen, die Beine ſind kräftig, die Zehen durch gut entwickelte Spannhäute verbunden, der gelbe Ferſenhöcker (6. Zehe) tritt deutlich hervor; die in drei Reihen erſcheinenden Seitenlinien (. S. 388) find wohl ausgeprägt. Von der Geſammtlänge der zwei— beinigen Larven entfällt die reichliche Hälfte oder Zweidrittel auf den Schwanz, beiſpiels— weiſe iſt der Schwanz einer mir vorliegenden 112 mm langen und 90 mm im Umfang meſſenden Larve 73 mm lang und 26 mm hoch, jede der Hintergliedmaße 22 mm lang. Was die Färbung der Larven anbelangt, ſo iſt dieſelbe während der erſten Tage ein eintöniges Bräunlichſchwarz oder Braungrau, gegen welches das Schwarz der Augenpunkte und das durchſcheinende Hellgrau des Floſſenſaumes merklich abſticht. Aber ſchon in der zweiten Lebenswoche hellt ſich der Farbenton der nunmehr 12 bis 15 mm langen und die Kiemen verlierenden dickrumpfigen Quappen zu einem Oliven⸗ braun — mit bräunlichgrauem oder grauem Bauch — auf, und dieſes bleibt denn nun der Hauptſache nach die Farbe der Oberſeite bis nach Beginn der Verwandlung, nur daß der fleiſchige Schwanz immer vorherrſchend braungelb iſt. Während der dritten Lebenswoche tritt an den Rumpfſeiten und dem Bauch, ſpurweiſe auch auf der Rückenpartie (am Schwanzanſatz) ein ſchöner, bald mehr in Gold ſpielender Bronze⸗ Larven⸗Färbung. 524 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. glanz auf,“) und zur ſelben Zeit erhält auch die Iris der ſchwarz umränderten und mit ſchwarzer (jetzt wie ein feiner ſchwarzer Nadelſtich ſich ausnehmender) Pupille ver— ſehenen Augen ihre bleibende Färbung, ein kräftiges Bronzegelb; die Hornlippen ſind und bleiben ſchwarz. Nachdem die Beine durchgebrochen und der Schwanz in der Rückbildung begriffen, treten an Ober- und Unterſeite verſchiedene Abſchattirungen der Farbe ſchon merklich hervor. Die folgenden Notizen, an einer 109 mm langen, noch mit einem 76 mm langen, an der Wurzel 19 mm, in der Mitte (einschl. Floſſen— jaum) 24 mm hohen Ruderſchwanz, mit 17 mm langen Vorder- und 39 mm langen Hinter-Gliedmaßen verſehenen Larve genommen, deren Körper in der Mitte 19 mm breit und 13 mm hoch und deren Mundſpalte 6 mm breit war, mögen dies erläutern: Rückenpartie dunkel olivenbraun mit ſchwärzlichen Flecken, Körperſeiten dunkelgelb und ſchwarz marmorirt, Bruſt und Bauch vorherrſchend gelb mit matten, durchſcheinenden ſchwarzen Flecken, Kehle ſeitlich ſchwarz und gelb marmorirt, in der Mitte mehr glänzend— gelb, Vorderbeine gelblich, oberſeits mit einzelnen kleinen ſchwärzlichen Flecken, Hinterbeine ähnlich, Schwanz graugelb mit mehreren Reihen ſchwärzlicher Flecken und dunklen Adern. Junge. Da auch, wie ſchon früher erwähnt, die den erwachſenen Kröten eigenen mennig— rothen Punkte und Tüpfel bei den im letzten Stadium der Verwandlung befindlichen Larven auf den Hinterſchenkeln und den Rumpfſeiten bereits erſcheinen, ſo iſt mithin in Färbung und Zeichnung ſolcher kurz- und breitſchnauziger gewordenen vierbeinigen Quappen die der fertigen jungen Kröten im Weſentlichen ſchon gegeben, nur daß bei dieſen die charakteriſtiſche Fleckenzeichnung ſich noch ſchärfer marlirt und auch der letzte Reſt des Goldglanzes noch verſchwindet. Die Färbung der jungen, deren eine auf Tafel II abgebildet iſt, entſpricht aber wiederum der der alten Kröten. Die jungen Dinger ſind nach ſoeben beendeter Metamorphoſe, beim Verlaſſen des Waſſers, ge— wöhnlich 30 oder einige 30 mm (unter ungünſtigen Entwicklungs- Verhältniſſen aller— dings mitunter nur 25 bis 28 mm), durchſchnittlich 31 oder 32 mm lang, alſo gut um die Hälfte größer als ein junger Teichfroſch oder dreimal bezw. nahezu dreimal ſo lang wie eine junge Erdkröte bezw. ein junger Grasfroſch. Bis zum Beziehen des Winterquartiers wachſen ſie nur wenig noch, überhaupt iſt das Wachsthum ein ver— hältnißmäßig langſameres als bei den letztgenannten Batrachiern, denn erſt im vierten Frühjahr haben die dann geſchlechtsreifen Thiere eine Länge von 50 bis 55 (690 mm erreicht. Dagegen ſei nochmals betont, daß bei keinem anderen unſerer deutſchen Batrachier weder die Larven noch die friſchverwandelten Jungen — ungewöhnliche Ausnahmen abgerechnet — eine derartige bedeutende Größe aufweiſen können. Berbreitungs- Geographiſche Verbreitung. Die Knoblauchskröte iſt nächſt dem Moorfroſch, der rothbauchigen Unke und dem großen grünen Seefroſch eine Bewohnerin der weiten nordöſtlichen, d. h. der mittel-, nordoſt- und oſt-europäiſchen Tiefebene vom Nieder— rhein bis zur Wolga, und als Centralpunkt ihrer Verbreitung darf das Flachland an der Elbe, Oder und Weichſel gelten. Und wie der Moorfroſch im ſüdlichen und ſüdweſtlichen Europa durch den Springfroſch und in entſprechender Weiſe die roth— bauchige Unke in den bergigen Theilen des mittleren und ſüdlichen Europa durch den ) Neben dieſem Bronzeglanz und ſelbſtverſtändlich unabhängig von demſelben zeigt die lebende Larve bei ſchräger Beleuchtung im Waſſer über den Leib hin einen — auf der Sturm'ſchen Abbildung z. Th. ſchon angegebenen — „ſchönen bläulichen Schimmer“, welcher auf Interferenz bezw. verſchiedener Brechung der Lichtſtrahlen beruht, die wiederum auf die „bindegewebigen, lockig geſchwungenen und in jeinjte Fäſerchen ausſplitternden Theile der Lederhaut zurückzuführen iſt; der von der letzteren ausgehende blaue Schiller durchſetzt oder durchdringt alſo die zarte helle Oberhaut und wird ſomit unſerem Auge wahrnehmbar [vergl. Leydig, Zool. Anzeiger 1885, ©. 753]. Neunte Art. Knoblauchskröte. 525 Gelbbauch erſetzt wird, ſo läßt ſich die Knoblauchskröte im Südweſten unſeres Erd— theils, im mittelländiſchen Frankreich und auf der Pyrenäiſchen Halbinſel, durch den verwandten Meſſerfuß Pelobates cultripes vertreten. Aus dem zuſammenhängenden Tiefland aber iſt ſie mancher Orten, den breiten Flußthälern aufwärts folgend, weiter vorgedrungen, ſo aus der Rhein-Main-Ebene bis Nürnberg. Die Nordgrenze wird durch eine Linie gebildet, die vom nördlichen Dänemark und ſüdlichen Schweden nach den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, wo Pelobates laut brieflicher Mittheilung Prof. M. Braun's in Livland nicht ſelten iſt, und dem Gouv. Petersburg hinüberzieht und von da nach dem Uralfluß zu (von Uralsk ſtehen Stücke im Muſeum zu Petersburg) oder, wenn Sabanejew recht berichtet, nach dem „mittleren Ural“ zu läuft, alſo mit dem 56. bis 58. Grad ihre höchſte Breite erreicht. Aus Dänemark kennen wir die Knob— lauchskröte ſeit 1841 durch Steenſtrup, ſodann durch Collin, namentlich von den Inſeln Laaland und Seeland (Kopenhagen, Charlottenlund, Helſingör, Holbäk, Neſt— ved u. a.), aus Südſchweden durch Nilsſon von Helſingborg, Skegrie ꝛc.); aus dem Gouv. Petersburg und von Uralsk ſowie aus dem Gouv. Moskau, von Galizino im Gt. Saratow, von den Wolga- und Emba⸗ÜUfern ſtehen, worauf J. v. Bedriaga hin— weiſt, Stücke in den Muſeen zu St. Petersburg und Moskau, und aus Polen, Podolien, Klein⸗Rußland wird fie durch die ruſſiſchen Fauniſten bekannt gemacht. Das Emba— Land bezw. die Kirgiſenſteppe, von wo das Berliner Muſeum ein Belags-Exemplar, Nr. 3868, beſitzt, ſowie die Halbinſel Mangiſchlak am Oſtufer des Kaspiſchen See, von wo das letztgenannte Muſeum durch Glitſch eine Larve erhielt, dürften wohl die öſtlichſten Grenzpoſten des Wohnbezirks unſeres Pelobates darſtellen. Zugleich liegt Mangiſchlak auf der ſüdlichen Grenzlinie unter 44½ Grad n. Br., alſo genau wie der ſüdlichſte Fundort im weſtlichen Theil des Verbreitungsgebietes: Bologna in Ober— Italien. Im europäiſchen Rußland ſcheint ſich die Südſcheide zwiſchen 46. und 48. Breitengrad zu bewegen, da wir die Knoblauchskröte von Sarepta an der unteren Wolga (durch Glitſch und Leydig), von Taganrog am Aſow'ſchen Meer und Nikolajew, nicht aber von der Halbinſel Krim kennen. Dagegen ſenkt ſich in Ungarn die erſtere wieder, und 1888 wurde dort im Donau-Drau-Winkel, 46. Grad n. Br., durch Prof. A. v. Mojſiſovicz's Sohn ein Exemplar des Pelobates im Schloßpark zu Föherezeglak (Bellye) aufgefunden. Im Tiefland Nord-Italiens, d. h. in der Po-Ebene und deren ſüdöſtlicher Fortſetzung, erreicht dieſer Lurch dann wieder die ſüdlichſten Grenzpunkte zwiſchen 45½ und 44½½ Grad. Camerano gab, nachdem bereits Rusconi vor ſechs Jahrzehnten die Knoblauchskröte dortſelbſt entdeckt und 1873 Cornalia ſie von Noverasco und Miraſole bei Mailand genannt hatte, 1883 in jeinen Anuri Italiani folgende Fundorte an: aus Piemont Rivoli, Turin, Teſtona, Settimo-Torineſe, Aqui, Vercelli, Quinto Vercelleſe, Nibbia (Novareſe), Vigevano, und dem fügt E. de Betta das Veroneſer Gebiet: Calcinaro, Gemeinde von Nogara, Boulengers „Catalogue“ endlich das ſüdlich des Po gelegene Bologna hinzu. In Frankreich hebt ſich die Süd— grenze ſofort um einige Grade gen Norden hin, auf den 47. Grad n. Br. Ogerien hat unſeren Pelobates für das Dep. Jura und Olivier für Montbeliard im Dep. Doubs, alſo nahe der elſäſſiſchen Grenze, nachgewieſen. Auch für andere Gebiete des nordweſtlichen Frankreich, im Beſonderen auch für die Umgebungen von Paris, wird er verzeichnet, und den das Gebiet von Orleans und Paris treffenden Längengrad (20. Grad öſtl. Ferro) wird man als die weſtliche Grenzlinie des Wohnbezirks unſerer Kröte betrachten dürfen. Dementſprechend verhält ſich die Verbreitung in Belgien, woher wir ſie durch Selys-Longchamps (Antwerpener Gegend) und van Bambeke (Gent) kennen. In Holland fehlt fie möͤglicherweiſe, wie man fie ja auch im nordweſtlichen Theil Weſtliches Nord: deutſchland. 526 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. des deutſchen Flachlandes in manchen Strichen vermißt. Alles in Allem erſtreckt ſich der Verbreitungsdiſtrikt vom 20. bis etwa 73. Ferrograd und vom 44½ bis ungefähr 58. Grad n. Br., mithin über vielleicht 53 Längen- und 13 bis 14 Breitengrade. Die Verbreitung der Knoblauchskröte in Deutſchland ſchließt ſich am engſten der unſeres Moorfroſches und unſerer rothbauchigen Unke an. Geographiſch betrachtet, jo iſt vielleicht Württemberg der einzige deutſche Staat, der den Pelobates nicht zu ſeiner Fauna zählen kann. Ganz natürlich erſcheint es, wenn dieſer Krötenfroſch als aus— geſprochener Tieflandbewohner vorzugsweiſe der norddeutſchen Ebene eigen iſt und aus ihr längs der weiten Flußthäler quellwärts bis an den Mittellauf bezw. Oberlauf der Oder, Elbe, Weſer und des Rheins und oft auch deren Nebenflüſſe geht. In Holland noch nicht aufgefunden, iſt ſie auch im Oldenburg'ſchen bis jetzt erſt einmal, in der Nähe von Jever, und zwar als Kaulquappe, die der Sammlung des Großh. Muſeum in Oldenburg einverleibt worden, von Dr. Greve geſammelt. Auch aus dem Osnabrück'ſchen noch nicht bekannt, it fie hingegen in der Münſterländiſchen Ebene + wohl überall heimiſch, ja, wie Fr. Weſthoff in Wolterstorff's „Nordw. Bergld.“ ſagt, in der Umgegend von Münſter wohl ebenſo häufig als der Laubfroſch und gleich dieſem ſchon innerhalb des Weichbildes der Stadt und in den alten Stadtgräben bezw. den angrenzenden Gärten (ſo in der Promenade am Neubrückenthor, in der Nähe des Lazareths und des Zoologiſchen Gartens) nicht ſelten, aber auch in der weiteren Um— gebung Münſters überall auf leichtem Senkel- und ſchwerem Mergelboden beobachtet worden; die auffallenden Larven traf Weſthoff an bei Ramert unweit Ropel, an der Gievenbecker Schule, auf der Körhaide im Graben der Liebesinſel, einem alten Enten— fang (116 mm lange Stücke), bei Angelmodde nördlich vom Dorfe und im Kanal hinter Kinderhaus. An der Unter-Weſer dürfte ſie gleichfalls viel verbreitet jein: ſchon Brüggemann fand fie auf der früher dem Bremer Bahnhof gegenüber liegenden Wieſe und in größerer Anzahl in Tümpeln bei Schwachhauſen und zwiſchen Oſterholz und Mahndorf ſüdöſtlich von Bremen; Borcherding [Fauna sax.] fügt als Fundorte aus der Umgebung von Vegeſack Hammersbeck, Leſumbrook und Eggeſtedt hinzu und erwähnt ſie außerdem von Süßſtedt im Lüneburgiſchen. Am ſchwarzen Berge bei Salzwedel wurde ſie durch Vibrans, bei und in letzterer Stadt auch vor der Buchhorſt, unfern des Bürgerholzes und ſelbſt in des Berichterſtatters Garten durch L. Köhnke, welcher ſie überdies im Thiergarten bei Zeitz antraf, feſtgeſtellt, ferner in der Gegend von Magdeburg („ſehr gemein im Frühjahr in der Ebene“) durch W. Bach, außerdem, wie aus Wolterstorff's „Vorl. Verzeichniß“ erhellt, durch dieſen Autor am Biederitzer Buſch und bis 1881 in dem jetzt verſchütteten Wallgraben am Fürſtenwall, durch M. Koch in Preſter, durch Gebr. Henneberg am Wege nach Gübs und weiter ſüdlich in der Saale— Niederung durch Wolterstorff und O. Taſchenberg bei Halle (am Klausthor, auf den Cröll— witzer Höhen, am Dautzſch bei Diemitz, bei Hohenthurm und Seeburg) beobachtet, und in der Umgebung von Leipzig kommt ſie, was P. Jordan in der auf Seite 417 angezogenen Diſſertation vermerkt, häufig vor. In den den Nordabhang des Harzes beſäumenden Landſtrichen iſt die Knoblauchskröte gleichfalls nachgewieſen: durch Smalian in dem Bahndreieck bei Aſchersleben [Nordw. Bgld.], durch E. Schulze's Fauna sax. auf der Altenburg und am Kleerſe ꝛc. bei Quedlinburg, durch V. v. Koch und W. Henne— berg am Badeteich bezw. am Regenſtein bei Blankenburg a. H., woher ich die Kröte bereits durch Dr. Elſter's und Geitel's Nachrichten kannte, durch E. Cruſe von Schöningen [Nordw. Bgld.]; Hr. Prof. A. Nehring verzeichnet ſie mir für Horn— burg unterm Fallſtein, woſelbſt zwei Stück im Garten des Bürgermeiſters Brinkmann teunte" Art. Knoblauchskröte. 527 ausgegraben wurden, für Wolfenbüttel“), woſelbſt ſie laut Geitel recht häufig iſt und von Dr. Steinacker in den Wallpromenaden erbeutet wurde, ferner für Braunſchweig und Helmſtedt; Hr. Prof. R. Blaſius ſchreibt mir, daß er ſchon am 25. und 28. März 1861 einige Exemplare bei Riddagshauſen geſammmelt habe und daß ſie auf den Aengern hinter St. Leonhard und vor dem Wendenthor vorkomme und im Jahresb. 1879/80 des Naturw. Vereins Braunſchweig führt Steinacker aus der Umgebung dieſer Stadt noch als Fundorte an: Nähe des Pawel'ſchen Holzes und beim Schöppenſtedter Thurm; P. Krefft endlich ergänzt, in der Wolterstorff'ſchen Schrift, die vorſtehende Fundortsliſte durch Angabe weiterer Beobachtungsorte um Braunſchweig: Schweine⸗ teich in der nördlichen Außenſtadt, Pulvermagazin am Bülten, vor dem Querumer Holz bei der Windmühle und der Ziegelei und hinter demſelben im Moor vor Bien— rode, Gliesmarode, Riddagshauſener Windmühle, Klein-Schöppenſtedter Teiche, Raff— teich im Weſten der Stadt. Aus Hannover beſitzt das Hannov. Prov.-Muſeum und laut Boulenger's Catalogue das Britiſche Muſeum einige Stücke. Oeſtlich der Elb⸗Linie wurde die Knoblauchskröte von Spengel in der Lehmgrube bei der Hohenluft und laut Fr. Dahl im Eppendorfer Moor und bei Ahrensburg nächſt Hamburg, von Claudius im Lauenburg'ſchen bemerkt, und höchſtwahrſcheinlich wird ſie ſich durch ganz Holſtein und Schleswig verbreiten, da ſie von Boll und Struck für Holſtein, von Dahl für Meinersdorf-Kiel und von Collin für Dänemark verzeichnet und von Struck, welcher die großen Kaulquappen vornehmlich im ſüdöſtlichen Theil des Landes fand, mir für Mecklenburg im Allgemeinen und von Hrn. Prof. Braun für Roſtock's Umgebung im Beſonderen gemeldet wird. Auch für Neu-Vorpommern und Rügen zeigt ſie Hr. L. Holtz mir mit den Worten an: „Hin und wieder durch das ganze Gebiet“; im Greifswalder Muſeum ſah ich Stücke von Grubenhagen und Kieshof bei Greifswald, als Rügener Wohnplätze werden Mönchgut und Putbus genannt, und für Pommern im Allgemeinen vermerkt ſie Dr. Holland-Stolp. In der Mark Branden— burg und der Niederlauſitz ſcheint die Knoblauchskröte gleichfalls allgemein verbreitet zu ſein; ſchon im Jahre 1833 erwähnt Wiegmann ſie in der „Iſis“ aus der Nähe Berlin's als damals „auffallende unbekannte Fröſche“ und bereits vor mehreren Jahr— zehnten fanden die Herren Dr. Gerſtäcker und E. v. Martens ſie bei Weißenſee bezw. in der Haſenhaide, im Grunewald bei Pichelsberg und zwiſchen Steglitz und Lichter— felde, und Hr. Schalow theilte mir im März 1881 mit: „Von Dr. Böhm und mir außerordentlich häufig im Frühjahr an verſchiedenen Stellen des Kreiſes Oſthavelland gefunden. Im Norden von Berlin, z. B. in der Umgegend von Schönhauſen habe ich die Art vor 1875 nie wahrgenommen, obgleich ich jene Gegenden fauniſtiſch ganz genau kenne. Frühjahr 1875 beobachtete der in Pankow wohnende Arzt Dr. Hadlich die Art vereinzelt in und an den kleinen Gräben, die den Schloßpark durchfließen und zum Theil mit der Panke in Verbindung ſtehen. 1876 war Pelobates häufiger, 1877 ſehr häufig, 1878 nur in auffallend wenigen Individuen, 1879 ſehr häufig, ja gemein, was ſie ſeit jener Zeit geblieben iſt.“ Mir ſelbſt iſt die Kröte bekannt von Rüders— dorf, Woltersdorf und Adlershof im Oſten Berlin's, vom „Tempelhofer Feld“, dem bekannten Exerzier- und Paradefeld der Berliner Garniſon, wo ich beiſpielsweiſe am *) Prof. A. Nehring konnte auch, da er Oſtern 1878 im Diluvium von Weſteregeln bei Magdeburg und 1880 in dem lößartigen Diluvium von Thiede bei Wolfenbüttel ſicher beſtimmbare Schädeldächer u. a. Foſſilreſte von Pelobates entdeckte, den intereſſanten Nachweis führen, daß die Knoblauchskröte oder doch eine ihr ganz naheſtehende Art ſchon in der Diluvialzeit unſere Gegend bewohnt hat. Das iſt um ſo intereſſanter, wenn man ſich erinnert, daß auch für Dänemark nach Knochenreſten, welche in dem Mergel einer Sandgrube gefunden waren, die bis dahin dort unbekannte Knoblauchskröte entdeckt wurde, und zwar durch Steenſtrup („Iſis“ 1841. Norddeutſchland öſtl. d. Elbe. Mitlel-Deutſch⸗ land. 528 Zweite Klaffe. " Amphibien oder Lurche. Abend des 16. Mai 1891 ein Exemplar fing, und von Lankwitz, wo ich am 26. März 1889 auf einer Wieſe ein durch Nachtfroſt getödtetes Stück fand, om 21. April ein copulirtes Paar erhielt und im September auf den Feldern ſie nicht ſelten antraf, ſowie von Wilmersdorf und aus dem Grunewald, wo auch 1890 Hr. Dr. Weltner außer— ordentlich große Larven erbeutete, im Süden der Hauptſtadt, endlich aus der Jungfern— haide und dem Brieſelang bei Nauen im Weſten Berlin's, ferner durch Gadow aus dem Spreewaldgebiet bei Peitz. Aus der Provinz Poſen fehlen uns zwar noch Nach— richten, indeß wird ſie auch dort zu Hauſe ſein, da ſie in Weſt- und Oſtpreußen, wo K. v. Siebold ſie bereits vor ſechs Jahrzehnten bei Heilsberg im Ermland, S. S. Schultze-Danzig 1878 im Kreiſe Karthaus und Wolterstorff bei Danzig (Jenkau) feſtſtellte, nach Rathke und Zaddach heimiſch und ſtellenweiſe ziemlich häufig, und da fie, wie wir durch Prof. M. Braun wiſſen, auch weiterhin in den ruſſiſchen Oſtſee— Provinzen „nicht ſelten“ iſt. Im Weichſel-Gebiet zieht ſich der Verbreitungsbezirk der Knoblauchskröte durch Polen, wo ſie laut Taczanowski zwar weniger gemein als die anderen Fröſche, aber doch überall gefunden worden iſt, bis in den Galiziſchen Grenzdiſtrikt, denn Prof. Nowicki beobachtete ſie bei Sandomierz. An der Oder geht ſie nicht nur bis Breslau, von wo ſie bereits 1829 durch Gravenhorſt's „Deliciae“ bekannt gemacht und neuerlich durch Prof. G. Born mir wieder gemeldet wurde, ſondern bis an die Provinzial— grenze — wenigſtens giebt Kaluza 1815 als Fundort Ratibor an — und auch in die Seitenthäler: ihr Auffinden in Göppersdorf bei Strehlen an der Ohlau wird noch auf Seite 536 erwähnt (während P. Jung ſie bei Reichenbach unter der Eule nicht entdecken konnte), von Görlitz an der Neiße und Loſa melden ſie Fechner bezw. Tobias und aus dem Thalgelände von Zittau Hr. P. Jung, allerdings als „ſelten“. Das Elbthal verfolgt ſie ſtromaufwärts mindeſtens bis Dresden, wo ſie mir 1874 an der Dresdener Haide und E. Haaſe auch bei Moͤckitz begegnete, nachdem Th. Reibiſch 1866 fie mit den Worten „in der Umgegend von Dresden nicht gar zu häufig“ notirt hatte. Und dabei ſei hervorgehoben, daß ſie auch jenſeits des Elbſandſtein— und Erzgebirges, im Keſſel Böhmens, wieder auftritt: nachdem Glückſelig 1832 auf fie Schon hingewieſen, nennt i. J. 1872 A. Fritſch-Prag, welcher die erwachſenen Kröten „erſt vor etwa drei Jahren aus der Nähe von Prag, die rieſigen Kaulquappen aber ſchon früher kennen gelernt“, als ihm bekannte Fundorte die Kaiſerwieſe bei Smichow, den Teich bei Kr&, die Tümpel in den Steinbrüchen bei Nehwizd, die tiefen Tümpel an der Elbe bei Kolin und bei Pardubice. An der Mulde geht ſie in das Sächſiſche Hügelland, wenigſtens bis Penig, von wo ſchon vor etwa ſieben Jahrzehnten zwei Exemplare, die dort gefangen waren, durch Dehne nach Nürnberg geſchickt wurden, um in dem letzten Heft von Sturm's Fauna 1828 als „Bombina marmorata“ den Leſern vorgeführt zu werden. An der Saale hinauf gelangt ſie bis Saalfeld, von wo fie ebenſo wie von Sulza an der Ilm durch Goldfuß und Wolterstorff nach— gewieſen wurde, und es iſt wohl möglich, daß ſie auch noch in anderen Thälern der Hochebene und des Hügellandes von Thüringen lebt; bei Greiz an der Elſter und bei Eiſenach am nordweſtlichſten Ende des Thüringer Waldes konnten die Herren Dr. Ludwig und Scheller ſie jedoch nicht entdecken, ſie wird dem Thüringer Wald ebenſo fehlen, wie man ſie im Harz und in den anderen deutſchen Gebirgen vermißt. Ein Exemplar der Breslauer Sammlung, auf einer ſumpfigen Wieſe bei Göttingen ge— fangen, erwähnt 1829 Gravenhorſt, doch ermangeln wir neuerer Nachrichten über ihr Vorkommen bei Göttingen. Für die Umgegend Kaſſel's verzeichnet A. Lenz die Knob— lauchskröte, ohne indeß einzelne Fundplätze anzugeben. Nach zwei, von verſchiedenen Neunte Art. Knoblauchskröte. 529° Seiten Hrn. H. Schacht⸗Feldrom gemachten Mittheilungen ſoll Pelobates angeblich auch im öſtlichſten Theile Detmold's, bei Falkenhagen und Riſchenau, wohnen, während die Art im Weſerbergland ſonſt nicht nachgewieſen iſt! Hingegen läßt ſich ihre Verbreitung im Rhein gebiet von der Nähe der MeinSebiet, Holländiſchen Grenze an bis zum Rheinknie bei Baſel hinauf, als vom Nieder-Rhein bis in die Oberrheiniſche Tiefebene verfolgen. Laut W. Bölſche's briefl. Nachricht findet ſie ſich bei Duisburg, wo auch Larven und Junge geſammelt wurden, häufig, bei Köln ſeltener, anſcheinend garnicht im Bergiſchen vor. Ebenſowenig kennen ſie Cornelius und Behrens aus dem Bergiſchen wie die weſtfäliſchen Fauniſten aus dem Sauerland. Daß ſie aber bei dem zwiſchen Elberfeld und der Ruhr belegenen Neviges, für das Hr. G. de Roſſi ſie mir zunächſt auch nicht genannt hatte, zu Hauſe iſt, erwieſen mehrere am 2. und 10. Juni 1880 mir überſandte Kaulquappen. Von Bonn iſt ſie mir außer durch Prof. Nehring durch F. Leydig, welcher beiſpielsweiſe im September in und bei einem Tümpel auf der rechten Rheinſeite ausgewachſene Larven bezw. Jungthiere autraf, bekannt. Auf der linken Rheinſeite, in einem Tümpel des Sinziger Feldes gegenüber von Linz entdeckte ſie Melsheimer. Vom mittleren Rhein aus hat ſie auch die Nebenthäler aufgeſucht. So ſchrieb i. J. 1859 C. L. Kirſchbaum, daß er ſie vor Jahren an dem jetzt eingegangenen Heſſenweiher an der Ziegelhütte bei Weilburg a. d. Lahn gefunden habe, daß ſie aber nicht mehr dort vorkomme. Von der Nahe-Mündung bei Bingerbrück, wo Mühr ſie vor einigen Jahrzehnten in den Sümpfen auf dem „Grün“ beobachtete, zieht ſie ſich wenigſtens bis in die Gegend von Kreuznach, denn Geiſenheyner fand die großen Larven in einem Graben auf dem rechten Nahe-Ufer, Norheim gegenüber, und in dem Weiher beim ſtädtiſchen Forſthauſe am Rheingrafenſtein. Von Mainz aus, wo ſie laut briefl. Mittheilung W. v. Reichenau's ſelten auf der Mainſpitze zu bemerken iſt, geht ſie mainaufwärts bis in den Mittellauf dieſes Fluſſes. Hinſichtlich des Untermainthales, wo ſie in der Umgegend Frankfurt's von Römer⸗Büchner bereits 1827 zwiſchen Haufen und Ginnheim, ſpäter vom Senator v. Heyden bei Griesheim a. M., von C. Bruch in den 50er und 60er Jahren bei Offenbach aufgefunden war, ſagte Dr. C. Koch i. J. 1872, daß P. fuscus nur auf dem zwiſchen Frankfurt, Hanau und Offenbach gelegenen Terrain vorzukommen ſcheine, und ſchränkte das in einer briefl. Nachricht 1881 noch mehr ein: „Röder-Spieß bei Frankfurt und Mombach bei Mainz ſind bis jetzt die einzig ſicheren Fundorte, früher ſoll ſie häufiger geweſen ſein“; Dr. O. Böttger beobachtete ſie im Waſſer der alten Baſaltbrüche bei Bockenheim. Bei Würzburg im Mainthal wurde ſie von F. Leydig 1843 zuerſt in der Quappenform, ſpäter wiederholt noch von ihm und dann auch von Prof. M. Braun geſammelt. Bei Bamberg konnte ſie Hr. H. Sippel nur an einer einzigen Stelle, häufiger dagegen bei Erlangen, wo auch Dr. Brock ihr begegnete, an— treffen. Sie hat ſich mithin über Bamberg die Regnitz hinauf gewandt und iſt wohl ſo in die Gegend von Nürnberg, wo der alte Röſel ſie ſchon i. J. 1758 entdeckt hatte, gelangt. — Von Mainz ab im Rheinthal aufwärts iſt ſie verſchiedenfach nach— gewieſen: durch Dr. L. Glaſer von Darmſtadt, indem er mir ſchreibt, daß der 1873 zu Darmſtadt verſtorbene Naturforſcher 3. J. Kaup feinen Bedarf an ſolchen Kröten aus Waldtümpeln der Umgebung der Stadt bezog; ferner durch Nüßlin [Badens Thier⸗ welt] für die Mannheimer Gegend, durch Dr. Fr. Müller von Speier, durch Prof. J. Hermann bereits i. J. 1790 für Straßburg [Leydig, Herp. Zeichn. p. 14], durch Dr. Fr. Müller für Neudorf in Ober⸗Elſaß, ½ Stunde von der Schweizer Grenze bei Baſel entfernt. Vermuthlich wird ſie auch noch an anderen Orten des Oberrhein— thales aufgefunden werden. 84 Donau⸗Gebiet. Aufenthalt. Sommerleben. 530 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Aber ſie ſcheint auch aus der Kleinen Ungariſchen Tiefebene, dem Preßburger Becken (für das ſie Kornhuber i. J. 1865 angezeigt hat), vom Marchfeld her (von wo ſie bereits Fitzinger's „Beiträge z. Landeskunde“ 1832 erwähnen) und aus dem Wiener Becken (von wo fie durch Stricker, Knauer u. A. bekannt gemacht iſt) das Donauthal aufwärts gegangen und von ihm aus in Bayern in den Thälern der Nebenflüſſe vorgedrungen zu ſein. Laut A. Wiedemann wurde ſie im Donauried zwiſchen Dillingen und Aislingen und von H. Siler bei Ulm angetroffen; ſie bewohnt außerdem laut Wiedemann ſtehende Gewäſſer und Sümpfe am Lech und der Wertach unweit Augsburg, z. B. bei Meitingen (von wo auch Stücke im Augsb. Muſeum ſtehen), Göggingen ꝛe., doch laut briefl. Mitth. von J. F. Leu „nicht häufig“; und an ähnlichen Oertlichkeiten wird ſie wohl auch bei München in der Iſar-Au, von wo ſie Fahrer und früher ſchon Dr. Hahn, der auch eine Original-Abbildung von ihr giebt, als ſelten angezeigt haben, leben. Vermuth— lich iſt ſie auf ähnliche Weiſe, nämlich aus der Großen Ungariſchen Tiefebene das weite Drau- und dann das Murthal herauf, nach Mittel-Steiermark gelangt: aus dieſem Gelände beſitzt Prof. A. v. Mojſiſoviez im Jahre 1889 erbeutete Exemplare, die in der Färbung ganz mit Stücken aus Süd-Ungarn übereinſtimmen. In Tirol iſt ſie bis jetzt ebenſowenig wie in der Schweiz und den übrigen Alpenländern ge— funden worden. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Betrachtet man die Hinterfüße der Knoblauchskröte, ſo wird man dieſes echte Kind der Ebene und Flußniederungen wegen ſeiner voll ausgebildeten Schwimmhäute als einen vollkommenen Waſſerbewohner und wegen des harten, ſchneidigen Ferſenhöckers als einen tüchtigen Gräber oder Kletterer anſprechen. In Wirklichkeit iſt es nun auch ein vollendeter Höhlengräber, hingegen trotz der großen Schwimmhäute ein richtiges Landthier, das nur zur Laichzeit ins Waſſer geht, nach Beendigung derſelben indeß ſogleich den trocknen Boden wieder aufſucht und hier das ganze Jahr hindurch ſich aufhält. Da es jedoch eine durchaus nächtliche Lebensweiſe führt, ſich alſo am Tage — wenigſtens trifft dies für erwachſene Stücke zu — nie außerhalb ſeines Verſtecks blicken läßt, ſo haben Röſel, Sturm-Wolf und ſpätere Fachſchriftſteller angenommen, daß es wie die Unke ein Bewohner der Ge— wäſſer ſei und beim Nahen eines Menſchen untertauche, um ſich im Schlamm und unter Pflanzen zu verbergen. Da die Knoblauchskröte außer der Laichzeit ſchwer auf zufinden und ihre Beobachtung während der letzteren (im Waſſer) auch nicht immer leicht gemacht iſt, ſo konnte ſie in den Ruf großer Seltenheit gelangen; denn ein Wegweiſer zur Feſtſtellung ihrer Anweſenheit in dieſer oder jener Gegend, nämlich die durch ungewöhnliche Größe und Dicke auffallenden Larven, iſt noch immer nicht genug beachtet worden. Immerhin aber iſt das Vorkommen der Knoblauchskröte ſelbſt in ihren Verbreitungsgebieten kein ſo allgemeines, wie beiſpielsweiſe das des Gras- und Teichfroſches, der Unke, der Erdkröte, indem ſie unter anderem gebirgige Diſtrikte mit hartem Boden gänzlich meidet, während ſie ebene und hügelige, von Wäſſern durch— ſetzte Landſchaften mit Sand- und Mergelboden in der Regel bewohnt. Hat die Knoblauchskröte ihrem Laichgeſchäft, durch das fie je nach der Witterung von Ende März bis in den April oder Mai ans Waſſer gefeſſelt wird, obgelegen, ſo beginnt ihr Sommerleben. Dies ſpielt ſich, wie erwähnt, ausſchließlich auf dem Lande ab; noch nie habe ich nach beendeter Laichzeit einen freilebenden Pelobates im Waſſer angetroffen. Sie überbietet mithin in dieſem Punkte noch die Erdkröte, fie iſt aber auch im Vergleich zu letzterer in ausgeſprochenerem Maße Nachtthier. Während, wie wir wiſſen, jene ſchon mit eintretender Dämmerung, unter beſtimmten Bedingungen Neunte Art. Knoblauchskröte. 531 ſogar zuweilen des Tages ihren Unterſchlupf verläßt, kommt die erwachſene Knoblauchs— kröte erſt mit Einbruch der Nacht, nicht aber am Tage, zum Vorſchein; und dieſe Lebensweiſe giebt ſie auch in der Gefangenſchaft nicht gern auf, wogegen die Erdkröte bei geeigneter Behandlung im Zimmer ein förmliches Tagleben vollführen kann. Nur junge Thiere, welche ſoeben die Verwandlung beendet haben, treiben ſich Ende Auguſt oder im September ſelbſt an ſonnigen Tagen auf Feld und Flur, Brachen und Kar— toffel⸗-Aeckern herum. In einer Hinſicht aber ſtimmen auch fie wiederum mit den alten überein: ſie bleiben nicht im und am Waſſer, ſondern zerſtreuen ſich über ein weites Gelände, oft eine Viertel- oder eine halbe Stunde vom heimiſchen Graben und Weiher entfernt. Den Schlupfwinkel, in welchem die Thiere den Tag verbringen, bildet immer eine ſelbſtgegrabene Höhlung im trocknen Erdreich, welche ſo tief geführt, bezw. derart angelegt wird, daß ſie in derſelben vollſtändig verſchwinden, ja, daß in der Regel weder eine äußere Oeffnung noch ſonſt ein Anzeichen auf das Vorhandenſein einer ſolchen unterirdiſchen Herberge hindeutet — ein Umſtand, der das Aufſuchen von Knoblauchskröten am Tage ſtets vereitelt. Dauerhafte, röhrenartige Gänge mit ver— hältnißmäßig feſten, geglätteten Wänden und offenbleibendem Auslauf, oder ent— ſprechende Schlupfwinkel in vorgefundenen Mauslöchern ꝛc. ſchafft ſich die Knoblauchs— kröte, im Gegenſatz zu den Kröten (und Eidechſen), nicht, trotzdem ihr die Anlegung derartiger unvergänglicherer Wohnſtätten leichter als ihren Verwandten fallen würde. Sie iſt überhaupt weniger zu Seßhaftigkeit geneigt als z. B. die Erdkröte, ſie kehrt nach Beendigung ihrer nächtlichen, mitunter weit ausgedehnten Wanderung nicht wieder in ihr voriges Quartier zurück, das ſie übrigens bei ihren vergleichsweiſe geringen geiſtigen Fähigkeiten gar nicht wieder auffinden würde, ſondern vergräbt ſich mit ein— tretender Morgendämmerung einfach an der Stelle, wo das junge Tageslicht ſie über— raſcht. Das Ein wühlen iſt ſozuſagen das Werk eines Augenblicks. „Mit einer un— glaublichen Behendigkeit und Geſchwindigkeit“, ſo bemerkte bereits C. Bruch 1862 ſehr zutreffend, „ſtoßen ſie die Erde hinter ſich nach beiden Seiten hinweg, indem ſie ſtets mit dem Hintertheil vorrücken und dasſelbe bald nach rechts, bald nach links, nach Maßgabe des gewonnenen Raumes, nachſchieben.“ Bald häuft ſich die weg— geräumte Erde zu einem Wall um das ſchon bis auf den Kopf eingegrabene Thier, und in weniger als zwei Minuten iſt es völlig unter der Erde verſchwunden, ja in lockerem Erdreich und Sand dauert dies kaum eine Minute. Bei dem Rückwärtsgehen tritt es mit den Ferſen nach den Seiten aus, und die meſſerſcharfe Hornſchwiele der Hinterfüße wirkt mit bedeutender Kraft ſchaufelartig nach außen; ein Vorwärtsgehen, ein Scharren mit den Vorderbeinen, wie wir es bei den Eidechſen und unter gewiſſen Verhältniſſen (in größeren Tiefen) auch bei den echten Kröten beobachten, iſt ausge— ſchloſſen. Uebrigens hören die Scharrbewegungen mit dem Verſchwinden des Thieres unter der Erdoberfläche gewöhnlich noch nicht auf, ſondern ſie werden, wie man das im Zimmer wahrnehmen kaun, fortgeſetzt und befördern den Nachtſchwärmer raſch in merklichere Tiefe bezw. bis auf den Boden des Behältuiſſes. In ſchlammigen Grund und ſehr naſſen Sand wühlen ſich die Knoblauchskröten nicht ein; überraſcht man im Waſſer ſitzende Thiere, ſo tauchen ſie unter und bleiben wie die Fröſche auf dem Grunde ſitzen oder verbergen ſich unter Waſſerpflanzen. Die Jungen gebahren ſich in dieſen Beziehungen wie die Alten. Bietet man Gefangenen keine Gelegenheit zum Eingraben, ſo ſitzen ſie, nachdem ſie die Vergeblichkeit ihrer Scharrverſuche eingeſehen haben, am Tage träge und ſchläfrig, mit zuſammengezogener Pupille oder mit ge— ſchloſſenen, wie eingefallen erſcheinenden Augen da. 31 Eingraben. Weſen. Nahrung. 532 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Am Abend, während der Sommermonate gewöhnlich erſt gegen 9 Uhr, kommt eine Landunke nach der anderen bedächtig aus ihrem Verſteck hervor; oft ſitzen ſie noch eine Zeitlang — den hinteren Theil des Körpers noch in der Erde, die Pupille aber ſchon erweitert — in der Oeffnung der Höhle, ehe ſie ſich zum Streifzug anſchicken, welcher ſich auf einen verhältnißmäßig umfangreichen Bezirk erſtreckt. Sie zeigen ſich dabei munter, beweglicher als Erd- und Kreuzkröte und vermögen nach Art der Fröſche und der Wechſelkröte in raſcher Folge und gut zu hüpfen. Daß ſie übrigens geſchickt zu ſchwimmen verſtehen, dürfte ſchon ein Blick auf die wohl entwickelten Schwimmfüße erweiſen. Bei Verfolgung entziehen ſie ſich der Gefahr durch ein raſches Einwühlen in den Erdboden. Drollig iſt in dieſer Beziehung das Benehmen der jungen Thiere: verwehrt ihnen ein zu harter, ſteiniger Boden ein raſches Sicheingraben, ſo ziehen ſie, allerdings nicht unter allen Umſtänden, Beine und Kopf an ſich und liegen wie leblos da; es iſt mir vorgekommen, daß ein mit der Hand oder mit dem Netz erfaßtes Krötchen dieſe Stellung ſogar beibehielt, als ich es auf den Felſen des Aquarium legte, und ſie erſt dann aufgab, als ich es nach einigen Minuten ins Waſſer kugelte, wo es mit ſchleunigſt ausgeſtreckten Gliedern in die Tiefe fuhr. In der geſchloſſenen Hand gehalten, führen manche der pflaumengroßen Geſchöpfe, als wollten ſie erſt dieſes Entrinnungsmittel verſuchen, die bekannten Scharrbewegungen aus, doch halten ſie damit in der Regel bald ein, und keineswegs geberden ſie ſich wild und ungeſtüm, wie unter anderen Gras- und Teichfröſche. Einzelne „Forſcher“ wollen auch den knoblauchsartigen Geruch, welchen dieſe Froſchlurche unter gewiſſen Bedingungen (bei Berührung und Reizung) verbreiten ſollen, als ein Vertheidigungsmittel anſehen, und namentlich war es A. E. Brehm, welcher dieſe Anſicht, aber wohl nicht auf Grund eigener Erfahrung, noch in der zweiten Auflage ſeines „Thierlebens“ vertrat. Indeſſen kann von einem „jo heftigen Geſtank“, der das Auffinden der Kröte mittelſt der Naſe geſtattet, nicht die Rede ſein; im Gegentheil, meiſtens iſt der zur Laichzeit bemerkbare Knoblauchsgeruch ſehr milde und ſchwach, ja oft vermag man an einer ganzen Anzahl von Thieren, und ſelbſt friſch gefangenen, gar nichts davon zu ſpüren. Dieſe Erfahrung habe nicht ich allein gemacht; als einen anderen Gewährsmann führe ich den als gewiſſenhaften Beobachter bekannten Leipziger Amphibiologen Ad. Franke an, welcher überhaupt nie einen Knoblauchsgeruch wahrgenommen hat, und daher ſo— gar für nicht ausgeſchloſſen hält, daß dieſe Kröte möglicher Weiſe wegen ihres Aufent— halts unter knoblauch- oder zwiebelartigen Pflanzen in dieſen „üblen Geruch“ ge— kommen iſt. Was die ſonſtigen Eigenſchaften der Knoblauchskröte anbelangt, ſo iſt wenig zu jagen: ſie geberdet ſich als ein unſchuldiges, verträgliches, ziemlich ſtumpfſinniges, dabei gefräßiges Geſchöpf; und da ſie eben eine nächtliche Lebensweiſe führt, mit dem Pfleger auch kein innigeres Verhältniß eingeht, ſo wird ſie als Zimmergenoſſin kaum Verehrer gewinnen. Als Nahrung nimmt ſie Regen- und Mehlwürmer ebenſo als Nacktſchnecken, glatte Raupen und Spinnen, Fliegen, Hausgrillen, Schaben und ähnliche Kerfe; ſie greift auch nach größeren Käfern, z. B. Maikäfer, läßt ſie aber, da ſie mit dieſen Hartflüglern nichts anzufangen weiß, wieder los. Beim Erhaſchen der Beute entwickelt ſie wie die Wechſelkröte großen Eifer und Lebhaftigkeit, nament— lich, wenn es gilt, die ihr vorgeworfenen flinken Schaben (Blatta) und Hausgrillen zu erjagen; dabei geſchieht es dann auch nicht ſelten, daß ſie nicht nur nach kleinen Kröten und Fröſchen, ſondern überhaupt nach Allem, was ſich bewegt, ſchnappt. Uebrigens mußte C. Bruch, welcher in dem Magen frisch eingefangener Pelobates außer Inſekten— larven und weichflügeligen Kerbthieren ſogar große Ameiſen fand, erfahren, daß die von Neunte Art. Knoblauchskröte. 533 ihm gefangen gehaltenen Exemplare zwar recht gern lebende Phalänen (Spanner) nahmen, die meiſten anderen der dargebotenen Inſekten, außer großen Fliegen, jedoch verſchmähten und darum ſehr abmagerten, um ſchließlich ganz einzugehen. Die Stimme der Knoblauchskröte ändert je nach Veranlaſſung, Geſchlecht und Alter ab. Am ſtärkſten ſind die Lautäußerungen zur Paarungszeit; dann „gleichet der Laut des Männleins“, wie der alte Röſel ſagt, „bald dem Geſchrei des Gras— froſches, bald aber dem Quaken des Laubfroſches, das Weiblein hingegen grunzet nur nach der Schweine Art“. Wahr iſt es, daß das brünſtige Weibchen nicht nur ſeltener, ſondern auch leiſer, dumpfer „grunzet“, während das Männchen öfter ein lautes, kräftiges, im Vergleich zu der Stimme des Waſſerfroſches ſehr tiefes wok hören läßt, das dreimal raſch hinter einander ausgeſtoßen und in längeren Zwiſchenpauſen wieder— holt wird; C. Bruch fand [Beitr. S. 193], daß dieſes, aus einiger Entfernung ver— nommene knurrende wok, wok, wok „dem Tiſchklopfen ähnlich it“. Von dem Paarungs— ruf ſind die Aeußerungen des Unbehagens, der Augſt und des Schmerzes gänzlich verſchieden. Ihr Unbehagen, das in ihr entſteht, wenn ſie etwa von einer großen Käfiggenoſſin erklettert und gedrückt wird, giebt die Knoblauchskröte durch ein mehr— mals raſch aufeinander folgendes kurzes, halbdumpfes, ſchwaches Quaken zu erkennen. Der Schmerzenslaut endlich beſteht in einem kreiſchenden, erbärmlichen Geſchrei, ähnlich dem Gejammer einer jungen Katze, welcher man auf den Schwanz tritt. Schon Röſel vermochte ſich dieſen Ohrenſchmaus zu verſchaffen, indem er Männlein oder Weiblein mit einer Zange an einem Fuß ergriff. Daß auch ganz junge, ſoeben erſt verwandelte oder noch mit Schwanzſtumpf verſehene Krötchen in derartige gellende, durch ein oder mehrere Zimmer dringende Klagen ausbrechen, wenn ſie gedrückt oder von einem großen Triton ꝛc. gepackt werden, habe ich bereits vor fünfzehn Jahren an anderer Stelle gezeigt“) und ebendort erwähnt, daß ſelbſt große, vierbeinige Larven unter Umſtänden einen einſilbigen, kurzen, quätſchenden Ton („quätz“) ſchon ausſtoßen, der an den hellen, allerdings ſehr ſelten zu vernehmenden Ruf der Tritonen erinnert. Hingegen habe ich das von M. v. Kimakovicz [Zool. Garten 1885, S. 315] erwähnte „Weh— klagen“ noch nicht vernommen, welches dieſer Beobachter eine Knoblauchskröte aus— ſtoßen hörte, als eine Ente ſie verſchlingen wollte; der ganz eigenthümliche Ton „glich auffallend dem Geſchrei eines jungen (Dunenkleid-)Falken, wenn dieſer gefüttert wird“, während die Kröte dann, als ſie aus dem Schnabel der Ente befreit war und vom Beobachter ergriffen werden ſollte, in jenes bekannte, an das Geſchrei junger Katzen gemahnende Kreiſchen ausbrach. Nach einem einförmigen Sommerleben zieht ſich Pelobates im September — alte Thiere in der Regel früher als junge — in eine ſelbſtgegrabene Höhlung, und zwar jedes Exemplar für ſich, zurück zum Winterſchlaf. Dieſer iſt indeß von verhältniß— mäßig kurzer Dauer, da die Art bereits im März, unter ſehr günſtigen Witterungs-Verhält— niſſen ſogar ſchon Ende Februar, wenn Feld und Flur kaum aus ihrem Traum er— wacht, Baum und Strauch noch kahl ſind und allenfalls Haſel- und Erlenkätzchen ſtäuben, zum Vorſchein kommt und nach dem Waſſer drängt, um in dieſem dem Fort— pflanzungs-Geſchäft obzuliegen. Auch die in einem kühl ſtehenden Käfig überwinterten Thiere zeigen ſich um die genannte Zeit und geben durch lebhafte Bewegungen und unruhiges Weſen zu erkennen, daß ſie den Aufenthalt im Trocknen mit dem im naſſen Element vertauſchen möchten, weshalb ihnen ein größeres Waſſerbecken zur Verfügung ) „Bemerkungen über Larven und junge Thiere der Knoblauchskröte“ in „Iſis“ (Berlin) 1880, 7 Nr. 36 und 37. Stimme. Winterſchlaf. Paarung. Laichen. Laich. 534 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. geſtellt werden muß: nicht nur, daß ſie ſich jetzt im Waſſer behaglich fühlen, es nimmt auch das Farbenkleid allgemach friſchere Töne an. Die Männchen finden ſich einige Tage früher als die Weibchen im Waſſer, einem Tümpel, Graben oder Weiher, ein, um zunächſt auf dem Grunde deſſelben ruhig zu verharren, die dann erſcheinenden Weibchen aber alsbald ungeſtüm zu umwerben; weil jedoch die Zahl der Männchen die des anderen Geſchlechts merklich überwiegt, denn es kommt nur ein Weibchen auf vier bis ſechs Männchen, ſo muß manches der letzteren unbeweibt bleiben, während andere, wie auf Seite 397 erwähnt, in ihrer Erregung entweder an ein Weibchen oder Männchen des gleichzeitig laichenden Grasfroſches oder der Erdkröte ſich anklammern. Die Vereinigung der Paare, bei welcher das Weibchen vom Männchen über den Hinterſchenkeln, alſo an den Hüften umfaßt wird, iſt in der Regel weniger innig als unter anderem bei der Erdkröte“) und auch von kürzerer Dauer, indem ſie nicht länger als zwei bis vier Tage, oft blos einen Tag, ja blos eine einzige Nacht währt. Und da die Laichſchnur nur eine ganz geringe Länge be— ſitzt, ſo iſt das Ablaichen ſelbſt ſchnell beendet, worauf die Thiere, welche während der Paarung an der Oberfläche des Gewäſſers ſich aufhalten und ab und zu das bekannte Knurren bezw. Grunzen ausſtoßen, ſogleich das Waſſer verlaſſen und ihr Sommer— leben zu Lande beginnen, in deſſen Verlauf ſie nur hin und wieder ein Waſſerbad nehmen. Nach dem Geſagten zählt Pelobates zu den am früheſten laichenden deutſchen Froſchlurchen: er laicht meiſt mit dem braunen Grasfroſch, der all' unſeren Batrachiern vorangeht, zuſammen, gewöhnlich noch etwas früher als die Erdkröte. Unter zu— ſagenden örtlichen und Witterungs-Verhältniſſen begegnet man vereinigten bezw. laichenden Paaren im letzten Drittel des März, durchſchnittlich aber im erſten Drittel des April, und nur bei lang andauerndem Nachwinter, wie 1889, verzögert ſich der Fortpflanzungsakt bis Mitte oder bis in das letzte Drittel des April (21/4. 1889). In der Wahl der Laichplätze verfährt die Knoblauchskröte recht ſorglos, ſie ſcheint ſogar mit Vorliebe die durch Grund- und Schneewaſſer auf Wieſe und Flur gebildeten ſeichten Tümpel, Lachen und Rinnſale aufzuſuchen; da dieſelben nun aber gegen den Juni oder Juli hin, ehe die Larven ihre Verwandlung vollbracht haben, austrocknen, ſo müſſen alljährlich Tauſende und aber Tauſende der Kaulquappen zu Grunde gehen, wodurch eben das nach Ort und Jahr ſporadiſche Auftreten dieſes Batrachiers mit bedingt wird. Wie ſchon angedeutet, bildet der Laich eine einfache, kurze und dicke, meiſt 30 bis 45 em lange und 10 bis 12 mm ſtarke Schnur, ebenfo leicht von den dünnen Doppel-Schnüren der echten Kröten wie von den Eihaufen oder Laichklumpen der Fröſche, Laubfröſche und Unken zu unterſcheiden. Dieſe Schnur, in deren zäher Gallert— maſſe einige hundert bis tauſend oder noch mehr runde, gut hirſekorngroße, etwa 1 mm im Durchmeſſer haltende braunſchwarze, mit ganz feinem weißlichen Dotterfleck ver— ſehene Eier nahe bei einander, d. h. in Zwiſchenräumen von 1 oder 2 mm liegen, wird je nach dem Heraustreten aus dem After von dem aufhockenden Männchen ſtück— weiſe befruchtet und nahe dem Waſſerſpiegel an Grasbüſcheln oder einzeln ſtehenden Waſſerpflanzen aufgehängt. Sinkt das Waſſer raſch, ſo geht von dieſem aufgehängten Laich viel verloren. Im ſeichten Aquarium findet man den Laichſtrang am Boden liegend, bei Vorhandenſein von Pflanzen jedoch auch hier das eine Ende gewöhnlich an einem Stengel oder im Blattgewirr befeſtigt. ) Doch kommt es auch bei der Knoblauchskröte vor, daß ein copulirtes Paar ſelbſt dann nicht von einander läßt, wenn es in Spiritus gebracht wird. u Neunte Art. Knoblauchskröte. 535 Die Eutwicklu ng der Keimlinge in den Eiern geht verhältnißmäßig raſch vor ſich. Iſt man im Stande, die unbefruchtet gebliebenen Laichkörner ſchon am zweiten und dritten Tage nach dem Ableichen au ihren großen weißen Flecken von den braun— ſchwarzen befruchteten Eiern zu unterſcheiden, ſo vermag man am fünften Tage ſehr wohl zu erkennen, wie die letzteren ſich geſtreckt haben, länglichrund und etwa doppelt ſo lang als urſprünglich (nämlich 3 bis 4 mm lang) geworden find, und am ſechsten Tage deutlich den gekrümmt liegenden Embryo im Ei zu bemerken, der zwiſchen dem 7. bis 9. Tage nach dem Laichen die Eihülle verläßt. Da die Ausbildung der nun freilebenden Larve je nach den Umſtänden entweder normal vor ſich gehen oder aber ſich mehr oder minder beſchleunigen bezw. verlangſamen kann, ſo ſei nur in allgemeinen Umrifjen hier angegeben, wie die Aus- und Umgeſtaltung der Larven (Kaulquappen) ſich abſpielt. Haben die „Würmchen“ die klebrigen Eihüllen verlaſſen, ſo ſind ſie 4 bis 6mm lang, braunſchwarz, ohne geſonderten Schwanz, bleiben aber zunächſt noch in der Hüllenmaſſe zerſtreut liegen, um erſt am folgenden Tage etwa aus der letzteren heraus— zutreten und mittelſt der nun entwickelten Haftvorrichtung in langen Reihen zu Hunderten an den Gallertſtrang und den in dieſen verwickelten Pflanzentheilen ſich anzuhängen, wobei ſie manchmal an den Endſpitzen der Stengel ꝛc. förmliche Büſchel, die mich von weitem an die Blüthenbüſchel der Rüſter (Ulmus campestris) erinnerten, bilden. In dieſer Stellung verharren ſie ganz ruhig; am dritten Lebenstage jedoch, wenn der Anfang des Floſſenſaums am Schwanz und die Kiemenwärzchen ſich zeigen und die ſchwarzen Augenpunkte immer kräftiger ſich markiren, werden ſie beweglicher, ſie ſchieben ſich von der Gallertmaſſe fort, ſteigen im Waſſer in die Höhe uud halten ſich vermöge der erwähnten Haftorgane unter der Oberfläche deſſelben an Blättern und dergleichen, im Glaſe auch an den Wänden feſt. Vom vierten Lebenstage ab, an welchem die äußeren Kiemenbüſchel deutlich wahrzunehmen ſind (ſ. Abbildung 10 auf Tafel II), ſegeln ſie munter im Waſſer herum, ohne daß ſich eins um das andere kümmert oder daß fie zu Schaaren und Zügen vereint umherſchwimmen; fie bleiben alſo, abweichend von den Larven der Erdkröte, blos während der erſten Lebenstage, ſo lange ſie noch an und von den Eihüllen ihr Daſein friſten, geſellig in dichtgedrängten Gruppen bei— ſammen. Während ſie am fünften Tage 9 oder 10 mm lang und noch eintönig braunſchwarz find, ihr Ruder- oder Floſſenſchwanz an der breiteſten Stelle 2, mm breit iſt und die im Vergleich zu denen der echten Kröten langfranſigen, in mehrere Zweige getheilten Kiemen noch vorhanden ſind, haben ſie am achten Tage eine Länge von 11 bis 13 mm erreicht, einen ins Olivenbraun ſpielenden Farbenton angenommen, einen breiteren Floſſenſaum des Schwanzes, dickeren Kopf und Leib erhalten, hingegen die äußeren Kiemen in der Regel ſchon verloren; und da inzwiſchen auch die Mund— öffnung durchgebrochen iſt, ſo ſieht man die Larven jetzt oft an Schlamm- und Pflanzen- theilen ꝛc. knabbern und ſaugende Bewegungen zwecks Nahrungsaufnahme machen; in der Ruhe liegen ſie entweder am Boden oder, den Kopf nach oben, im Pflanzengewirr bezw. an der Wand des Gefäßes. Das Längen- und Dicken-Wachsthum der Larven ſchreitet bei reichlich vorhandenem und zuſagendem Futter, als welches ſie thieriſche Stoffe, z. B. das im Schlamm vor⸗ handene winzige Kleingethier, verweſende Fleiſchtheile und ſelbſt thieriſche und menſch⸗ liche Exkremente, im Zimmer gekochtes Ei, Fleiſch- und Leberſtückchen ꝛc. mit Hilfe der hornartig harten Lippenränder verſpeiſen, raſch vorwärts, ſodaß die Quappen 8 oder 9 Wochen nach dem Ausſchlüpfen, beim Durchbrechen der Hinterbeine eine Ge— ſammtlänge von durchſchnittlich 8 bis 10 em (bei einer Körperlänge von 3 bis 4 em) Keimlinge. Ausbildung. Wachsthum. Umwandlung. Gefangenſchaft. Namen. Synony ma. 536 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. erreicht haben; zuweilen begegnet man aber auch 10 bis 13, ausnahmsweiſe ſogar 15 bis 17 em langen Exemplaren), letzteres natürlich nur unter ſehr günſtigen Orts-, Witterungs- und Nahrungs-Verhältniſſen, während bei Nahrungsmangel und be— ſchränkten Räumlichkeiten (im Zimmer) die Larven nicht nur hinter jener durch— ſchnittlichen Länge, ſondern ſelbſt hinter den unter normalen Verhältniſſen merklich kleineren Kaulquappen des Teichfroſches zurückbleiben. Außerdem muß hier noch mal auf die Seite 419 ſchon erwähnte Erſcheinung, nämlich die verſchiedene Länge und Entwicklungsſtufe der unter ganz gleichen Verhältniſſen aufwachſenden Larven einer Brut hingewieſen werden. Die eigentliche Verwandlung der Larven, über deren Färbung ſchon auf Seite 523 gehandelt wurde, beginnt mit 8 oder 9 Wochen, nachdem die Hinterbeine, die ſich in ihren erſten Spuren (unter der Haut) jedoch ſchon in der vierten Woche erkennen laſſen, durchgebrochen ſind. Geht jetzt ſchon der Schwanz in ſeiner Länge zurück, ſo ſchrumpft er nach Erſcheinen der Vorderbeine (12. oder 13. Woche) und Verſchwinden des Hornſchnabels zuſehends, jeden Tag um einige Millimeter, zuſammen, und bald iſt er ganz verſchwunden: im Alter von 13 oder 14 Wochen verlaſſen die nun völlig für das Landleben umgewandelten, durchſchnittlich 31 um langen, alſo etwa pflaumengroßen, auf Seite 524 beſchriebenen und auf Tafel II abgebildeten Krötchen das heimiſche Gewäſſer, aus deſſen Umgebung ſie ſich, abweichend von den jungen Erdkröten, ſogleich zurückziehen, um nach Art der Alten oft in erheblicher Entfernung vom Waſſer ihren Neigungen nachzugehen. Auch die im Becken des Zimmer-Terrarium zur vollſtändigen Metamorphoſe gelangten Larven ſuchen dann ſogleich Erde und Moos auf, während die im Aquarium großgezogenen, die hier den Erd- und Sandboden entbehren müſſen, wenigſtens auf den Tuffſteinfelſen ſich be— geben, ſobald ihr Entwicklungszuſtand dies geſtattet. Haben mithin die aus April— Laich entwickelten Quappen unter zuſagenden Verhältniſſen im Juli und Anfangs Auguſt ihre Metamorphoſe vollendet, ihr Waſſerleben abgeſchloſſen, ſo kann ſich dieſelbe zuweilen um einige Wochen, bis in den September oder den Spätherbſt hinein, verzögern, je nachdem die Witterung, die Ernährung, die Beſchaffenheit des Ge— wäſſers ſich geſtalteten; ja es ſind Fälle bekannt, daß unter Umſtänden die großen Larven als ſolche im heimiſchen Gewäſſer überwinterten: ſie liegen dabei, wie man vor etwa zehn Jahren im Winter gelegentlich des Ausſchachtens eines Teiches bei Göppersdorf-Strehlen in Schleſien beobachtete, ziemlich tief im Schlamm eingebettet. Da über Weſen und Betragen gefangener Knoblauchskröten ſchon im Vorſtehenden manche Bemerkung eingeflochten, ſo ſei nur der Hinweis geſtattet, daß ſie in den für Erdkröten beſtimmten Behälter (ſ. S. 410) ſehr wohl aushalten; die Erdſchicht ſei aber ſo dick als möglich und die Nahrung eine reichliche. Auch die jungen Thiere bringe man nach abgeſchloſſener Verwandlung ſogleich in einem ſolchen Terrarium unter, wo ſie mit jungen und halberwachſenen Fröſchen, wenngleich nicht ganz ſo ge— ſchickt als dieſe, nach Fliegen, Schaben, Spinnen, Käferchen, Aſſeln ꝛc. um die Wette ſpringen. Landesübliche Benennungen. Knoblauchs-, Waſſerkröte, Teichunke. Dän.: Logfröen; Schwed.: Lök-Groda; Engl.: Brown Mud-Frog; Franz.: Crapaud brug Ital.: Babi, Pelobate fosco; Roln.: Ropucha ruda; Böhm.: Ropucha. Zäba smrdutä. Bufo aquatieus maculis fuseis (Waſſerkröte mit braunen Flecken), Rose“ 1758. — Bufo fuscus, Laurent! 1768. — Rana vespertina, Pallas 1771. — Rana fusca, *) Eine 16 cm lange Larve ſteht im Breslauer, eine 17,, em lange im Berliner Muſeum. Fünfte Gattung. Unken. 537 Meyer 1795. — Bufo vespertinus, Schneider 1799. — Rana alliacea, Shaw 1802. Rana scorodosma, Herman 1804. — Bombinator fuscus, Fitzinger 1826. — Bombina marmorata, Sturm 1828. — Pelobates fuscus, Wagler 1830. — Bombina fusca, Halm 1831. — Cultripes minor, J. Müller 1832 [Isis XXV S. 538]. — Pelobates insubricus, Cornalia 1873. — Pelob. latifrons, Heron-Royer 1888. 5. Familie: Scheibenzüngler, Discoglossidae. Aeußeres kröten-artig; Haut warzig; Sehen gewöhnlich; Pupille ſenkrecht (Spalt oder Dreieck); Oberkiefer und Gaumen bezahnt, Unterkiefer zahnlos; Funge ſcheibenförmig, ganz oder faſt ganz angewachſen; Wirbel hinten ausgehöhlt; rudimentäre Rippen als kurze Anhänge der vorderen Querfortſätze der Rücken— wirbel vorhanden; Querfortſätze des Ureuzbeinwirbels außen verbreitert; Bruſt— korb ſeitlich verſchiebbar. In Deutſchland ſind zwei Gattungen vertreten, die ſich wie folgt unterſcheiden: Haut ſehr warzig; Pupille eine ſenkrechte dreieckige Spalte; Ohrdrüſenwulſt und Trommelfell fehlend; Zunge mit der ganzen Unterfläche angewachſen; Finger frei, Zehen mit Schwimmhäuten; Querfortſätze des Kreuzbeinwirbels ſtark verbreiterten ie Bombinator. Haut mit kleinen, unbedeutenden Warzen; Pupille ſenkrecht rautenförmig; Ohrdrüſenwulſt länglich, nach außen zu deutlich abgehoben; Trommelfell deutlich, ziemlich groß; Zunge im hinterſten Theil frei, ganzrandig; Finger am Grunde ſchwach geheftet; Zehen mit kurzer, derber (Drittels-) Schwimmhaut; eifd ee des enzbeins mäßig verbreitert 5 Alytes. 5. Gattung: Waſſer⸗Unke. Bombinator, Merrem. Körper krötenartig, doch ſchlanker, flach; Kopf platt mit abgerundeter Schnauze und ſchief nach außen abfallenden Seiten; Augen ſtark vortretend, nahe beiſammen ſtehend; Pupille wie ein ſenkrecht geſtelltes Dreieck geſtaltet; Ohrdrüſenwulſt und Trommelfell fehlend (Trommelhöhle und Ohrtrompete ſehr klein); Haut nament— lich am Kücken durch größere und kleinere drüſige Warzen ſehr uneben; Kehle mit Querfalte; Finger völlig frei; zwiſchen den Sehen der Hinterbeine vollſtändige oder Sweidrittel⸗Schwimmhäute; an der Wurzel der inneren Sehe ein kleiner Höcker als Andeutung einer 6. Sehe; Querfortſätze des Ureuzbeinwirbels ftarf verbreitert. Infolge des Umſtandes, daß bis vor wenig Jahren die beiden jetzt als Spogieöversreitung beider geltenden europäiſchen Unken nicht als ſelbſtſtändige Arten betrachtet wurden, hat unſere Kenntniß von der geographiſchen Verbreitung der einen und der anderen Form zur Stunde noch nicht die wünſchenswerthe Klarheit und Vollſtändigkeit erreicht; immerhin aber iſt unſer Wiſſen bereits ſoweit fortgeſchritten, daß wir im Stande ſind, einen Ueberblick, ein Bild von dem Verbreitungsgebiet der beiden Arten im Allge— meinen und von ihren deutſchen Wohnbezirken im Beſonderen zu gewinnen. Denn da die gelbbauchige Unke bis jetzt für Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, das gebirgige und hügelige Mittel- und Nord ⸗Deutſchland, die ſüddeutſchen Länder, die Schweiz, Ober- und Mittel-Italien, Tirol und die übrigen öſterreichiſchen Alpenländer einſchl. Dalmatien und Bosnien, Montenegro, Ungarn, Siebenbürgen und Rumänien, die rothbauchige hingegen für Südſchweden, Dänemark, das norddeutſche Flachland, Böhmen, Nieder-Oeſterreich, Ungarn, Siebenbürgen, Rumänien und das mittlere Rußland nachgewieſen iſt, ſo ergiebt ſich, daß B. pachypus die weſtliche und ſüdliche, Berg⸗ und Hügelland bevorzugende, B. bombinus jedoch die nördliche und öſtliche, Aufenthalt. Winterſchlaf. Bewegungen. 538 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. der Ebene angehörende Form darſtellt. Die nördliche Grenzlinie des B. pachypus liegt mindeſtens 5 Breitengrade, die ſüdliche vielleicht 6 Breitengrade ſüdlicher als die von der rothbauchigen Unke, die Weſtgrenze des B. pachypus iſt gegen die des B. bombinus um etwa n 9 bis 12 Längengrade nach Weſten hin vorgeſchoben, während die Oſtgrenze der Bergunke um 12 bis 15 Längengrade weſtlicher bleibt. Dabei iſt es nicht ausgeſchloſſen, daß da, wo die Wohnbezirke beider Arten ſich berühren, auch beide gemeinſchaftlich vorkommen können. Wiewohl die eine der beiden Unken-Arten, Bomb. pachypus, nur in unſerem Berg- und Hügellande lebt, im Schwäbiſchen Gebirge bis zu 1160 m, in der Schweiz und Tirol bis zu 1200 bezw. 1600 m (5000 Fuß) Meereshöhe aufſteigt und im Bozauer Gebirge Siebenbürgens laut L. v. Möhely auch in 1200 m Seehöhe noch ziemlich häufig anzutreffen, der rothbauchige B. bombinus hingegen im Tiefland heimiſch iſt, ſo gleichen ſie ſich doch in der Wahl des Aufenthaltes. Vielleicht mehr noch als der grüne Froſch ſind die Feuerkröten an das Waſſer gebunden, und vom Ver— laſſen der Winterherberge im Frühjahr an den Frühling und Sommer hindurch bis in den Herbſt hinein bevölkern ſie in größerer oder geringerer Anzahl umbuſchte Weiher und Tümpel, deren Boden mit abgefallenem Laub und abgeſtorbenen Pflanzen bedeckt iſt, reine und trübe Gräben und Fließe in und an Wieſen und Auen, Waldungen und Weiden und an Straßenrändern, Sümpfe und Brüche, Torf- und Moorlöcher, Waſſer— anſammlungen alter Steinbrüche, Lehm- und Mergelgruben, Regenlachen und zuweilen ſogar unſaubere und übelriechende Miſtpfützen der Dörfer; obzwar ſie ſtehenden Wäſſern geringen Umfanges den Vorzug geben, ſo beſetzt doch wenigſtens die Bergunke auch die Alt- und Widerwäſſer von Flüſſen und Bächen, ja in Gebirgsgegenden mitunter klare und kalte Quellen und deren Abflüſſe, dagegen meidet die eine wie die andere Art ausgedehnte Teiche und Seen und ſeenähnliche Ausbreitungen der Ströme, wie ſie der grüne Teich- und Seefroſch oft in Maſſen belebt. Das zum Standort erkorene Gewäſſer, aus welchem ſie gewöhnlich, in geringer Entfernung vom Rande ſich haltend, den Kopf hervorſtecken, verlaſſen ſie als echte Waſſerlurche nur gegen Abend oder in der Frühe zwecks Aufſuchens von Nahrung und außerdem zeitweiſe an trüben, regneriſchen Tagen, im Uebrigen aber kann nur ein Austrocknen des Gewäſſers und der Eintritt des Herbſtes ſie zum Aufgeben ihrer lieben Sommerwohnung bewegen. Und ſo begegnet man denn den zur Auswanderung genöthigten Feuerkröten im Hochſommer bezw. im September oder Oktober mitunter weit vom nächſten Pfuhl und Weiher entfernt im Walde und in feuchten Gründen auf der Ausſchau nach einem anderen Unterkommen bezw. einer paſſenden Winterherberge, wenn ſie es im erſteren Falle nicht vorziehen ſollten, gleich in der Nähe des urſprünglichen Gewäſſers unter feuchtliegenden Steinen ſich zu verbergen, um hier einer Art Sommerſchlaf ſich hinzu— geben. Unter gewöhnlichen Verhältniſſen erfolgt der Rückzug der Thiere, und zwar der jungen ſpäter als der alten, im Laufe des Oktober, und der Abſchluß des geſellig mit Seinesgleichen oder auch mit Kröten unter Baumgewurzel und Graspolſtern, unter Steinen und Dunghaufen, in natürlichen Erdhöhlen und vorgefundenen Krötenlöchern vollführten Winterſchlafes um Mitte oder Ende April; nur Junge ſieht man in günſtigeren Strichen und Frühjahren mitunter ſchon im März. Zählen ſonach die Unken zu jenen Lurchen, welche bei uns im Herbſt am längſten im Freien aushalten und ſich zum Theil erſt durch die eintretenden Nachtfröſte in das Winterverſteck drängen laſſen, jo anderſeits zu denjenigen, welche wie der Waſſerfroſch und im Gegenſatz zu Grasfroſch und Erdkröte im Frühling am ſpäteſten an der Außenwelt erſcheinen. Auch in anderer Beziehung weichen die Unken vom Waſſerfroſch ab, indem ſie Fünfte Gattung. Unten. 539 nämlich, obwohl in ähnlicher Weiſe wie er geſchickt ſchwimmend und bei etwaiger Ge— fahr ſchleunigſt untertauchend und im Laubmoder und Pflanzenſatz des Grundes ſich verbergend, doch nie zum Zweck des Winterſchlafes im Schlamm ſich vergraben. Sie gleichen hierin der überhaupt nicht in ſchlammigen Grund und naſſen Sand ſich ein— wühlenden Knoblauchskröte; aber während dieſe in trockenem Erd- und Sandboden ſelbſt ſich Tages- und Winterverſtecke ſchafft, graben die Unken niemals, ſondern ſuchen natürliche oder von anderem Gethier erzeugte Höhlungen und Löcher auf. Ihre Be— wegung auf dem Lande iſt ein eilfertiges, in kurzen Sprüngen ausgeführtes Dahin— hüpfen, das bei Angſt und Gefahr überhaſtet und demzufolge oft ungeſchickt erſcheint. Gewöhnlich nehmen ſolche Fluchtverſuche ein den ungeſchulten Beobachter verdutzt machendes Ende: das Vergebliche ihrer überſtürzten Bewegungen einſehend, werfen ſie ſich entweder auf den Rücken, oder aber ſie biegen den Kopf ähnlich wie bei Nacken— ſtarre zurück und ſchlagen, indem ſie ſomit eine eigenthümlich gekrümmte oder gebogene Stellung einnehmen, die Vordergliedmaßen über der Halsgegend zuſammen. In dem einen wie dem anderen Falle bekundet ſich vermuthlich eine Art Kriegs— liſt, wobei die Unken durch die eine Zeitlang beibehaltene ſonderbare Lage und das dabei zu Tage tretende grelle Roth oder Gelb der Unterſeite anſcheinend den Gegner zu ſchrecken ſuchen; vielleicht wollen ſie auch den „todten Mann“ ſpielen. In noch größere Angſt und Beunruhigung verſetzt, ſcheiden, wie wir auf Seite 379 be— ſprachen, die Unken aus den Drüſen des Rückens und der Schenkel einen weißlichen, ſeifenſchaumähnlichen, ſtark riechenden Saft aus, der bisweilen das Thier wie ein weißlicher Schaum bedeckt. Letzteres bemerkte ich beiſpielsweiſe, als ich einige Exemplare in einem Beutel von Buckow mit nach Berlin genommen hatte. Und zudem wurde ich dabei über die Schärfe dieſes Hautſekrets belehrt, denn mehrere mit ihnen im ſelben Behältniß untergebrachte Gras- und Laubfröſche und Molche fand ich beim Auspacken todt vor. Aus dieſem Grunde iſt denn auch das Beigeſellen von Unken zu werthvollen Aquarienthieren in der Gefangenſchaft eine heikle Sache, da die erſteren durch irgendwelchen Umſtand in einen Zuſtand des Unbehagens verſetzt werden und dann das für die Mitgenoſſen verderbliche Sekret abſondern können, während im Uebrigen die friedfertigen Feuerkröten mit Fiſchen, Molchen u. a. ſich aufs beſte ver— tragen. Und wenn ich auch ſelbſt einige Male Unken mit anderen Thieren, ſo ein Paar der rothbäuchigen Art im Juni und Juli 1880 mit ſechs Tritonen und fünfzehn Fiſchen, zuſammen gehalten habe, ſo iſt es mir doch ſtets gerathener erſchienen, die Unken nicht dem Aquarium, ſondern dem feuchten Terrarium zu überweiſen. Dies allein entſpricht, ſobald man für einen flachen, paſſend eingerichteten Waſſernapf, den die Thiere nach Belieben verlaſſen können, ſorgt, ihren Lebensgewohnheiten; ich habe zu dem Zweck immer einen länglichrunden, nur etwa 6 em tiefen, an der Außenſeite den Tropfſtein nachahmenden irdenen Napf verwendet und ihn reichlich mit Sumpfmoos und Haideſtöcken ausgeſtattet, deren Gewirr ihnen ſolche Deckung gewährte, daß man ſie oft, trotzdem ſie mit dem Kopf hervorlugten, nicht wahrzunehmen im Stande war. (Nur zur Paarungszeit verlangen ſie einen geräumigeren, tiefen Waſſerbehälter.) Im Terrarium halten ſie mit Kröten, Landunken, Feßler u. a. gute Freundſchaft und oft theilen fie mit den erſteren die engere Behauſung, d. i. die von denſelben durch Graben (wobei die Unken mitunter ganz oder theilweiſe verſchüttet werden) geſchaffenen Löcher. Immer aber ſuchen ſie, wenn ſie ans Land gehen, die feuchteſten Stellen auf. Denn in noch geringerem Grade als beiſpielsweiſe die Kröten vermögen die Unken Trockenheit und trockene Wärme zu ertragen. So kam eine Bergunke, welche mein Zeichner Herr Votteler am 30. Juli nebſt einer gleichgroßen Kreuzkröte in einem mit Moos ver— Weſen. Nahrung. Stimme, 540 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſehenen Kiſtchen von Stuttgart abgeſchickt hatte, am Nachmittag des 1. Auguſt todt und zuſammengetrocknet in Berlin an, während calamita noch lebte; ein Exemplar der rothbauchigen Art ſtarb ſchon, nachdem ich es längere Zeit in der bloßen Hand gehalten hatte, wie denn überhaupt die Unken auch wiederholte Berührung und Quetſchungen nicht wohl verwinden können. Hingegen behagt ihnen feuchte Wärme bezw. abge— ſtandenes laues Waſſer recht gut. Das läßt ſich ſowohl im Freien, wo ſie mitunter ganz ſeichte, durchwärmte Tümpel bewohnen, als auch im Zimmer beobachten: Feuer— kröten, die ich ins Terrarium brachte, ſuchten zunächſt den ganzen Glaskaſten ab, nach ungefähr einer Stunde aber bezogen ſie den oben erwähnten künſtlichen „Sumpf“, welcher der vollen Sonne ausgeſetzt war, den Thieren in ſeinem Pflanzengewirr aller— dings auch reichlichen Schutz vor den allzuprallen Strahlen gewährte; nur einmal bemerkte ich, wie eine rothbauchige Unke Mittags, als die Sonne ſtetig auf das ihr zum Aufenthalt dienende flache und zufällig völlig pflanzenleere Becken brannte, unter raſchem, ängſtlichem Ausſtoßen ihres Rufes lebhaft herumruderte, jedoch alsbald ſich beruhigte, nachdem ich einen Schutz vorgeſtellt hatte. Daß die Unken weder das Sonnen- noch das künſtliche Licht ſcheuen, bekunden ſie dadurch, daß ſie, wie ich wiederholt gewahrte, in die direkte Sonne und die brennende Lampe blicken, und oft wandte das rufende Männchen ſofort den Kopf der letzteren zu, ſobald ſie angezündet wurde. Im naturgemäß eingerichteten Käfig laſſen ſie auch ihre Stimmen hören und ſich zur Aufnahme von Nahrung nicht erſt nöthigen. Die eigentliche Jagdzeit iſt der Abend und der frühe Morgen, obwohl die Unken namentlich im Zimmer auch zu jeder anderen Stunde des Tages dem dargebotenen Gericht zuſprechen und insbeſondere die auf das Waſſer fallenden Fliegen durch raſches Zufahren oder durch einen vom Lande aus unternommenen Satz in den Bereich ihres Schlundes bringen. Die hauptſäch— lichſte Nahrung ſcheinen Regenwürmer auszumachen, nach denen die Unke am Ufer und in deſſen Umgebung fahndet. Darauf, daß ſie dabei den Wurm mit einem Ruck aus ſeinem Loch herauszieht, deutet ihr Benehmen im Käfig: wirft man ihr ein ſolch ſich ſchlängelndes Geſchöpf hin, ſo erfaßt ſie es, nachdem ſie die leckere Beute von links und rechts beſchaut und die Hinterbeine dicht an den Leib gezogen hat, mit kräftigem Ruck nach aufwärts und zwar oft ſo heftig, daß ſie ſich nach rückwärts überſchlägt. Der ergriffene und ſie nicht ſelten an Länge erheblich übertreffende Wurm wird dann unter lebhaften Schluckbewegungen und Schließen der Augen bald hinuntergewürgt, worauf ſie mittelſt der Vorderfüße, die zuweilen auch beim Verſchlucken des anſehn- lichen Biſſens nachhelfen, das Maul wiſcht. Noch komiſchere Wendungen kommen vor, wenn zwei Unken einen auf dem Boden ſich krümmenden Wurm gleichzeitig, jede an einem Ende, gepackt haben und nun unter fortgeſetztem Würgen und Zerren in dem Beſtreben, über die Beute das alleinige Verfügungsrecht zu erlangen, drollige Purzel— bäume ſchlagen. Manchmal holen ſie ſich auch einen aufs Moospolſter geworfenen Mehlwurm ꝛc. ins Waſſer. Zappelnde Futterthiere und gewöhnlich auch lebloſe Biſſen werden bald von der Futternadel genommen, ſofern man nur die letzteren etwas hin— und herbewegt. Obgleich die Unke vereinzelt auch auf dem Lande ſchreit, ſo iſt doch ihr eigent— liches Konzerthaus das Waſſer. Indem ſie mit ausgeſtreckten Beinen platt an der Oberfläche hängt und den Kopf aus dem Pflanzenwuchs über dieſelbe hervorſtreckt, läßt ſie ihre melodiſche, von denen der übrigen Lurche ganz verſchiedene Stimme er— ſchallen, deren ſchwacher und doch ſo vernehmlicher eigenartiger Klang ſchon manchen Spaziergänger über den Aufenthalt und die Entfernung des Sängers getäuſcht hat. Das Liedchen der mit Kehlſack ausgerüſteten rothbäuchigen Feuerkröte erklingt zwar im Fünfte Gattung. Unken. 541 Allgemeinen etwas lauter und heller und auch häufiger als das der Bergunke, indeß ſetzt es ſich bei beiden aus dem mehrfach wiederholten einſilbigen Ruf, den man von jeher mit „Unk“ überſetzt hat, zuſammen. Wie die ruſſiſchen Hörner nur je einen und denſelben Ton geben und erſt durch das Zuſammenwirken in der Kapelle die eigen— thümlich uns berührende Muſikaufführung bewerkſtelligen, oder wie im abwechſelungs— reichen Glockenſpiel jede Glocke für ſich auf einen gewiſſen Ton geſtimmt iſt, ſo hat jede Unke nur einen, je nach Alter und Größe des Thieres höheren oder tieferen Ton in ihrer Kehle, und dieſe verſchieden gefärbten Stimmäußerungen der Mitglieder eines Unken⸗Chores in einem Weiher oder Pfuhl können zu einem gar merkwürdig ſich an— hörenden Konzert zuſammenſchmelzen, während der Ruf des einzelnen Männchens, den man am ſtillen Ort vielleicht vernimmt, trotz ſeines metalliſchen Glockenklanges etwas Eintöniges und Schwermüthiges, Klagendes und für den furchtſamen Zuhörer und einſamen Wanderer wohl gar etwas Unheimliches an ſich hat. H. Landois, welcher auf ein Bergunken-Konzert zum erſten Mal bei Werden a. d. Ruhr aufmerk— ſam gemacht wurde und daſſelbe zunächſt für das Glockenſpiel einer mit verſchieden geſtimmten Glöckchen behangenen Schafheerde auf der Bergweide hielt, bis er denn durch Einfangen einiger der ſoeben zum Laichen ſich verſammelnden „Glockenfröſche“ Aufklärung über die wahren Muſikanten ſich verſchafft hatte — bemerkt, daß jeder der letzteren etwa in Zwiſchenräumen von einer Sekunde ſein öng, ong, ung oder üng erklingen ließ und daß dieſe einzelnen Töne je nach dem Alter der Thiere in der Ton— lage zwiſchen dem eingeſtrichenen k und dem zweigeſtrichenen e wechſelten. Ein Männchen der rothbäuchigen Art, das ich mehrere Jahre lang pflegte und das, mit Ausnahme des Morgens bis 10 Uhr, zu jeder Tageszeit unkte, ſchrie drei bis acht— zehn Mal hinter einander, wobei es zwiſchen je zwei Rufen (unf—unf) eine Pauſe von ein oder zwei Sekunden machte; jede einzelne dieſer Stimmäußerungen hörte ſich an wie üng oder öng und erklang auf d; beim Schreien war der Kehlſack aufgeblaſen und bei jedem Ton drückte ſich Kehle, Kopf und Vorderleib etwas ein- und abwärts. Der Doppelruf (unk—unk), welcher aus einem Unkentümpel im Freien erſchallt, kann den ahnungslos Dahinſchreitenden manchmal glauben machen, er vernehme einen Kukuksruf aus der Ferne. Während das gewöhnliche, ruhige, „aus einem ſanften Ton gehende“ Gurren ein Ausdruck des Wohlbehagens it, bezeigt die Unfe, wie oben an— gedeutet, Angſt, Aerger, Zorn und ähnliche Gemüthsverfaſſungen durch viel raſcher wiederholtes Ausſtoßen deſſelben, nur kürzer abgebrochenen Tones. H. Fiſcher-Sigwart bemerkte an ſeinen im Terrarium gehaltenen Bergunken, daß dieſelben bei recht ſchwüler Temperatur, vor einem Gewitter ꝛc. nicht blos eifriger ſchreien als ſonſt, ſondern dann auch ihrem eine Zeitlang wiederholten uh nicht ſelten ein ſchnell und kurz aus— geſtoßenes gaggaggaggagg anhängen. Dieſe Stimmäußerung iſt wohl dieſelbe, welche L. Geiſenheyner von gefangen gehaltenen Bergunken hörte: im eingeſtrichenen b wieder— holten die Thiere unaufhörlich die Silbe duck, und zwar durchſchnittlich fünfmal in der Sekunde. Von rothbauchigen Unken kenne ich dieſen Ton nicht, auch iſt mir das von dem gewöhnlichen Unkenruf verſchiedene „zarte Meckern“, welches laut Leydig die brünſtigen Weibchen von ſich geben, bisher unbekannt geblieben. Einjährige Männchen, welche ich pflegte, ſchrieen noch nicht, ſodaß Thiere in ſolchem Alter anſcheinend noch ſtumm ſind. Nachdem die Feuerkröten im April aus dem Winterverſteck hervorgekommen ſind und einige Zeit ſich erholt haben, ſchreiten die geſchlechtsreifen, im dritten Lebensjahre ſtehenden und älteren Thiere zur Paarung, deren Beginn bei der Bergunke etwas früher fällt als bei der rothbauchigen Art, nämlich an zuſagenden Oertlichkeiten be— Paarung. Laich. Entwicklung. Namen 542 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. reits in den Anfang des Mai, in Ungarn in die letzten Tage des April (am 2. Mai fand L. v. Méhely ſchon einige Tage alten Laich, während ihm brünſtige Männchen von B. bombinus vor Mitte Mai nicht zu Geſicht kamen), in der Gironde laut F. Lataſte in den April. Für die Bergunke wird man den Mai, für die rothbauchige Feuerkröte den Juni als den eigentlichen Paarungs- und Laichmonat bezeichnen dürfen, alſo etwa die Zeit, in welcher der grüne Waſſerfroſch ſeinem Vermehrungstrieb ge— nügt. Die erſten Paarungen, d. h. Vereinigungen von Männchen und Weibchen, wie man auch bei uns mitunter ſchon im April beobachten kann, ſind gewöhnlich nur Spielereien, denn nach kaum ein- oder mehrſtündiger Umarmung laufen ſie oft wieder auseinander. Ebenſolchen Spielen geben ſie ſich auch nach der eigentlichen Laichzeit, nämlich im Juli und Auguſt noch hin. So ging ein beim Empfang in copula befind— liches Paar eine Stunde nach dem Einſetzen in ein Aquarium auseinander, Abends 11 Uhr wieder zuſammen, um ſich am folgenden Morgen wieder zu trennen u. ſ. f.; als ich die Thiere vier Tage ſpäter in ein anderes Aquarium überſiedelte, vereinigten ſie ſich eine Stunde darauf wiederum und blieben, ohne ſich durch irgend etwas ſtören zu laſſen, bis Nachmittags zuſammen, worauf ſie ſich gänzlich trennten und nach dem Felſen zurückzogen; hier ſetzten ſie ſich ſo, daß ihr Hintertheil im Waſſer ſich befand. Selbſt bei der wirklichen, mit Abſetzung und Befruchtung von Laich einhergehenden Begattung, wobei das Männchen ebenſo wie bei den anderen Umarmungen das Weibchen um die Lenden faßt, verleugnet die Unke nicht ihr bewegliches, nervöſes Temperament, indem die Eiermaſſe nicht auf einmal, ſondern in mehreren Klümpchen ausgeſtoßen und befruchtet wird und dabei der ganze Vorgang nur wenige Stunden in Anſpruch nimmt. Schon der alte Röſel weiſt darauf hin, nachdem er beobachtet, wie beiſpielsweiſe ein Paar Bergunken, das bereits acht Tage vorher ſein Liebesſpiel getrieben, am 17. Juni Mittags 1 Uhr die Begattung begann und bis 4 Uhr in etwa viertelſtündigen Pauſen „zu zwölf verſchiedenen malen“ je einen kleinen Klumpen Laich abgegeben und bejamt hatte, worauf es ſich trennte. Dieſe Klümpchen haften gewöhnlich an abgeſtorbenen Pflanzenſtengeln, an Waſſergräſern und dergleichen und beſtehen aus vielleicht acht bis dreißig loſe aneinander gereihten graubräunlichen, laut C. Koch 1,4 mm dicken Dotter— kugeln, deren jede von einer einige Millimeter im Durchmeſſer haltenden hellen Gallert— hülle umſchloſſen wird. Die Embryonal-Entwicklung vollzieht ſich in fünf bis ſieben oder acht Tagen und danach ſchlüpft die etwa 6 mm lange Larve aus, welche binnen acht oder neun Wochen zu einer Länge von 35 bis 55 mm, durchſchnittlich wohl 40 mm heranwächſt und alsdann in die Verwandlung eintritt, die im Auguſt oder September, bei ſpäterem Laichen auch erſt im Oktober das junge, ungefähr 14 oder 15 mm lange Krötchen zeitigt. Nur höchſt ausnahmsweiſe und vereinzelt überwintert die Larve als ſolche; hingegen trifft man nicht ſelten gleichzeitig ganz junge neben faſt ausgewachſenen Kaul— quappen an, was wohl auf die erheblichen Schwankungen hinſichtlich des Zeitpunktes der Laichabgabe der Unken zurückzuführen, nicht aber in einem zweimaligen Laichen der Paare (Früh- und Spätſommer) begründet ſein dürfte. Die jungen Unken, welche oft noch mit Schwanzſtummel verſehen das Ufer des heimiſchen Gewäſſers verſuchsweiſe betreten, führen alsbald die Lebensweiſe der alten und haben nach zwei Jahren eine Länge von etwa 35 mm erreicht. Landesübliche Benennungen. Feuerkröte, Unke, Teichunke, Feuerbrotze. Holländ.: Vuurpad; Däniſch: Klokkefröen; Schwed.: Klockgroda, Eldpadda; Engl.: Fire-bellied Toad; Franz.: Sonneur igné, Sonneur en feu; Ital.: Ululone, Rospo, 1 Zehnte Art. Gelbbauchige Bergunke. 543 Rosco; Span.: Sapo; Poln.: Ropucha plomienista; Dalmat.: Zaba kukavica; Böhm.: Kuka (Zaba ohnivä); Ungar.: Czirkebéka. Die beiden in Mittel-Europa und auch in Deutſchland heimischen Formen, welche man in neuerer Zeit als ſelbſtſtändige Arten erkannt und aufgefaßt hat, unterſcheiden ſich leicht in folgender Weiſe: Körper gedrungener gebaut; Unterſchenkel mindeſtens ebenſo lang oder länger als der (bom Grunde der kleinſten Zehe an gemeſſene) Fuß oder Lauf ohne Zehen; Oberfeite lehm- oder gelbgrau, ohne ſchwarze Flecken; Unterſeite ſchwefel- bis pomeranzen gelb mit ſtahl- oder blaugrauen Flecken; Spitzen der Finger und Zehen gelb; Männchen ohne Schallblaſen, aber zur Brunſtzeit mit ſchwarzen Schwielen (Begattungsbürſten) an der Unterſeite der zweiten und dritten Zehe .. .. B. pachypus. Körper ſchlanker gebaut; Unterſchenkel kürzer als der (vom Grunde der kleinſten Zehe an gemeſſene) O Fuß oder Lauf; Oberſeite ſchwarzgrau oder dunkel-graubraun mit kleinen ſchwarzen Flecken und meiſt mit zwei flaſchengrünen runden Flecken zwiſchen den Schultern; Unterſeite blau ſch warz mit weißen Punkten und orange- oder mennig⸗ bis karmin rothen Flecken; Finger- und Zehenſpitzen ſchwarz; Männchen mit zwei unvollkommenen Schallſäcken an der Kehle, aber ohne Hornſchwielen an den Zehen B. bombinus (igneus). 10. Art: Gelbbauchige Bergunke. Bombinator pachypus, Bonap. Abbildung: Tafel II, Nr. 1, 2. Länge 4 bis 4,8 em; Körper kräftig gebaut, derber, gedrungener als bei der Aukennzeichen. rothbauchigen Art; Warzen der Überfeite groß, kegelförmig, entweder einzeln ſtehend oder mit kleineren zu Haufen gruppirt, auf dem Gipfel mit einem (manch— mal mehreren) großen, ſchwarzen, ſpitzen, von viel kleineren Stacheln um— ringten Hornſtachel; Unterfeite mit flachen ſpärlichen Hornhöckern; Schnauze kurz, mehr gerundet; Beine kräftig, Unterſchenkel ebenſo lang oder länger als der (vom Anfang der kleinſten Sehe an gemeſſene) Fuß oder Lauf ohne Sehen; Finger dicklich; Oberſeite erd- oder lehm- oder gelbgrau mit Erzſchimmer, aber ohne ſchwarze Flecken; Unterfeite ſchwefel- bis pomeranzengelb mit ſtahl- oder blau- grauen Flecken; Spitzen der Finger und Sehen gelb; Männchen ohne Schallblafen, aber zur Paarungszeit mit ſchwarzen Schwielen oder Hautwucherungen an der Unterſeite der zweiten und dritten Sehe der Hintergliedmaßen. Aeußere Erſcheinung. Der Körper iſt zwar krötenartig, gedrungen, doch merk⸗ Körperbau. lich flacher, dünner gebaut als bei den echten Kröten, „eiförmig“, der Kopf niedrig, oben auffallend flach, deutlich kürzer als im hinterſten Theile breit und verhältnißmäßig kürzer als bei Alytes und Pelobates, mit ſchräg nach unten und außen gerichteten Seiten und kurzer, breit abgerundeter Schnauze, die Zunge ziemlich kreisförmig, mit ihrer ganzen unteren Fläche an den Boden der Mundhöhle feſtgeheftet und auf ihrer flach gewölbten Oberfläche ziemlich glatt, die Unterkinnlade zahnlos, die Gaumenzähne ſtehen etwas hinter und zwiſchen den inneren Naſenöffnungen in zwei kurzen, durch einen ſchmalen Zwiſchenraum getrennten Reihen; ein Trommelfell iſt nicht ſichtbar, Ohrdrüſen— wulſt und Schallblaſen fehlen, die Kehle iſt nicht aufgetrieben. Die ſtark vorſpringenden Augen ſind näher an einander gerückt als bei allen anderen heimiſchen Lurchen; denn während ſie bei dieſen, und ſelbſt noch bei Alytes und den Fröſchen, ſeitlich geſtellt er— ſcheinen, ſind ſie bei Bombinator höher angebracht, ſodaß ſie auf dem Scheitel ſtehen und ihre Wölbung nach oben und außen richten. C. Bruch, welchem dies ebenfalls auffiel, machte denn auch noch in den „Neuen Beob.“ beſonders darauf aufmerkſam, daß die Thiere daher ſtets nach aufwärts zu ſehen ſcheinen, „was ihnen einen ſehr Haut. 544 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſonderbaren Geſichtsausdruck giebt, beſonders wenn ſie dem Lichte ausgeſetzt ſind; ſie ſcheinen dann blöder und unempfindlicher als andere Batrachier“. Eine zweite Eigen— thümlichkeit der Augen liegt in der abſonderlichen Form der Pupille; denn während dieſe Nachts wie faſt bei allen Froſchlurchen rund mit einem nach unten gerichteten vortretenden ſtumpfen Winkel iſt, ſtellt ſie ſich bei vollem Lichte als eine dreieckige ſenk— rechte Spalte bezw. als ein ſenkrecht, auf der Spitze ſtehendes gleichſchenkliges Dreieck dar. Schon ältere Autoren, ſo Sturm, Wagler und Tſchudi, nennen die Pupille drei— eckig und Sturm z. B. bietet auch eine beſondere Abbildung davon; C. Bruch hingegen will ſie beſſer als dreiſpaltig bezeichnen, da ſie „eine ſenkrechte, nach oben in zwei kurze Seitenſchenkel ſich ſpaltende Spalte“ ſei und nur bei mittlerer O effnung g und nach dem Tode zuweilen eine faſt dreieckige Geſtalt annehme, häufiger jedoch in der Form der eines Kartenherzens oder eines Kleeblattes ſich nähere. Die Naſenlöcher ſind klein, länglichrund, nach oben gerichtet und von einander nahezu eben ſo weit wie von den Augen entfernt. Die Vorderbeine, knapp halb ſo lang als der Körper, reichen nach hinten geſtreckt bis auf die Schenkel, nach vorn geſtreckt mit der Spitze des kürzeſten Fingers über die Schnauzenſpitze; die Hand iſt breiter als bei bombinus; von ihren vier ziemlich drehrunden, keine Gelenkverdickungen aufweiſenden Fingern, welche kürzer, dicker und dabei ſtärker abgeplattet als bei dem Rothbauch ſind und bei den männlichen Thieren insbeſondere zur Brunſtzeit ganz kurze, aber derbe Bindehäute zwiſchen dem dritten, vierten und zweiten Finger aufweiſen, iſt der dritte der längſte, der vierte un— bedeutend länger als der zweite, der Daumen am kürzeſten und kräftigſten; auch der Daumenballen iſt größer als bei bombinus, ihm gegenüber auf dem anderen Rande der Handwurzel findet ſich ein erheblich kleinerer Ballen und zuweilen zwiſchen beiden noch eine dritte Erhebung. Die Hintergliedmaßen ſind verhältnißmäßig ſtark und fleiſchig und merklich länger als der Körper, da ſie nach vorn geſtreckt mit der Spitze der längſten (vierten) Zehe ein gut Stück, oft 10 oder 12 mm, über die Schnauze hinausragen, oder mit dem Ferſenhöcker das Naſenloch erreichen, die fünf Zehen ohne Gelenkverdickungen, etwas kürzer, aber breiter und ſtärker und nicht ſo ſpitz als bei bombinus, ſehr abgeflacht und unter einander durch derbe, bis zu den Zehenſpitzen oder doch nahe an dieſelben heranreichende Schwimmhäute verbunden; ſie nehmen von der erſten zur vierten raſch an Länge zu, die fünfte iſt wieder kürzer als die dritte; die ſechſte Zehe iſt durch einen an 5 Wurzel der Innenzehe ſtehenden winzigen weichen Höcker nur angedeutet; ein zweiter Höcker an der Wurzel der Außenzehe fehlt, wie über— haupt alle Gelenkhöcker; der Fuß oder Lauf (ohne Zehen) von der ſechſten Zehe an ge— meſſen, iſt kürzer oder ebenſo lang als der Unterſchenkel. Die Haut des Rückens und überhaupt der Oberſeite iſt ſehr rauh infolge zahlreicher, dicht— gedrängter, großer, koniſcher, entweder einzeln ſtehender oder mit mehreren kleineren zu Haufen gruppirter Warzen, deren jede wenigſtens zur Paarungszeit einen (manchmal mehrere) großen ſchwarzen, am Grunde weißlich aufgehellten ſpitzigen Hornſtachel trägt, „welcher mit viel kleineren, den ganzen Hügel der Warze bedeckenden ſchwarzen ſpitzen Stächelchen umringt iſt, die ſchon unter der Lupe deutlich ins Auge fallen“.“) Dieſe Hornſtacheln, deren ſtärkſte auf den Schenkeln ſich vorfinden, beſchränken ſich auf die Oberſeite des Körpers und der ) L. v. Mehely, welcher auf Grund ausgedehnter Unterſuchungen die Form und Beſchaffenheit der Rückenwarzen als ein zuverläſſiges und bequemes Hilfsmittel zur Unterſcheidung der beiden Unken⸗ Spezies erkannte, muß jedoch auch zugeben, daß uns jener überraſchende Unterſchied nicht jederzeit voll zur Verfügung ſteht, da die Hornbekleidung der Warzen leider, entſprechend der Daumenſchwiele der Männchen, auch nur ein hochzeitliches Merkmal zu ſein ſcheint, das in unſeren Strichen Anfangs März noch nicht und im September ſchon nicht mehr charakteriſtiſch ausgeprägt jet. Zehnte Art. Gelbbauchige Bergunke. 545 Gliedmaßen und die Sohle, hingegen iſt die Haut der Unterſeite (Kehle, Bruſt, Bauch) nur mit flachen Hornhöckern ſpärlich beſtreut und erſcheint daher entweder glatt oder mit flachen Unebenheiten verſehen. Im Uebrigen enthalten die größeren Rückenwarzen einen Haufen, neun, zehn und mehr Drüſen verſchiedener Größe, ohne jedoch durch dieſe erſt hervorgerufen zu ſein. Auch in der übrigen Haut finden ſich Drüſen, ein beſonderer Drüſenwulſt über dem Ohr, eine ſogen. Parotis, bildet ſich indeß nicht. Wir ſehen alſo, daß die Unke in manchen Stücken an Alytes und, z. B. hinſichtlich der Horn— ſtacheln, an die echten Kröten, in anderen wiederum (Schwimmhäute, Pupille, Trommel— fell, fehlende Ohrdrüſe) an Pelobates gemahnt und daß ſie daher den Uebergang zwiſchen Geburtshelfer- und Knoblauchs-Kröte vermittelt. Die Größe ſtimmt im Allgemeinen mit der von Alytes überein; fie beträgt durch— ſchnittlich 4 em und ſchwankt, ſelbſtverſtändlich immer geſchlechtsreife Thiere voraus— geſetzt, zwiſchen 35 und 50 mm. Die Länge des Unterſchenkels übertrifft die des Kopfes um ein Geringes, vielleicht 2 mm, ſtimmt vielmehr im Allgemeinen nahezu mit der größten Breite des Kopfes überein, die ganze Vordergliedmaße iſt nicht voll ſo lang als der Hinterfuß (mit Zehen), der letztere nicht halb ſo lang als die ganze Hinter— gliedmaße und dieſe etwa 8 bis 10 mm, alſo ein Sechſtel oder ein Viertel länger als Topf und Rumpf zuſammen, der Fuß ohne Zehen jo lang oder wenig kürzer als der Unterſchenkel. Nachſtehende Maaße ſind von einem Lindauer Weibchen (Nr. 1) und einem kleineren Bozener Männchen (Nr. 2) entnommen. Geſammtlänge von der Schnauzenſpitze bis zum After Nr. 1: 40 mm, Nr. 2: 37 mm; Länge der Vorderglied— maße 19,5 bezw. 18 mm; Länge der Hintergliedmaße 49 bezw. 47 mm, des Hinter— fußes mit Zehen 22 bezw. 19,5 mm, ohne Zehen 13 bezw. 11 mm, des Unterſchenkels 14,5 bezw. 12 mm; Kopflänge 12 bezw. 11 mm; größte Kopfbreite 13 bezw. 12,5 mm; Entfernung zwiſchen der Mitte der Augenhügel 6,2 bezw. 6 mm. Wollte man von den körperlichen Eigenheiten ganz abſehen, ſo ſchützt ſchon die Färbung allein, vornehmlich die der Unterſeite, die Unken vor jeder Verwechſelung mit anderen heimiſchen Froſchlurchen. Die Oberſeite unſerer Bergunke zeigt als Grundton ein im Waſſer mit Bronzeſchimmer?) überflogenes Gelb-, Lehm-, Erd- oder Olivengrau, auf dem ſich meiſt einzelne undeutliche dunkle Fleckchen unterſcheiden laſſen; doch können dieſelben durch die Hornbekleidung der dann hellbraun erſcheinenden Warzen ganz unter— drückt ſein, während ſolche dunklen Flecken, wie die Abbildung veranſchaulicht, an der Oberkinnlade, auf dem Unterarm, dem Unterſchenkel und Fuß gern in Form einer ver— waſchenen Querbänderung ſich zu erkennen geben. Bei Thieren aus Lindau i. B. konnte man auf dem Vorderrücken zwei nach rückwärts auseinanderweichende, dabei jedoch vorn nicht zuſammenſtoßende kurze dunkle Strichflecke wahrnehmen; auch bemerkt man bei manchen Exemplaren auf jedem Schulterblatt einen bogenförmigen, mit der erhabenen Seite dem anderen zugekehrten dunklen Fleck, und bei jüngeren Stücken heben ſich, worauf bereits Leydig hinwies, zwiſchen den Schultern und am Rücken (Beckenwirbel) je ein Paar weißliche Tupfenzeichnungen ab, die für pachypus wohl charakteriſtiſch ſind. Die Grundfarbe der Unterſeite iſt heller als bei der zweiten Spezies, nämlich ein in ) Leydig ſagt darüber in feinen „Anuren“: Ein mattes metalliſches Pigment von brauner oder Erzfarbe iſt in großer Menge der Grundfarbe des Rückens beigemiſcht. Betrachtet man mit der Lupe Thiere, welche längere Zeit in Weingeiſt lagen und deren Haut durch Aufblähung des Leibes zwiſchen den Warzen ſich geglättet hat, jo bemerkt man auf grauem Grunde äußerſt feine metalliſch glänzende Pünktchen von Erzfarbe, womit die Hautfläche ganz dicht überſät iſt. Am friſchen Thier, bei zuſammen— gezogener Haut, ſchließen die Punkte nahe aneinander, ſodaß man einen gleichmäßigen Bronzeſchimmer wahrnimmt. Es iſt daſſelbe Pigment, welches auch der Iris die braune Erzfarbe giebt. 35 Maaße. Färbung. Abänderungen. Geſchlechter. 546 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. den Abſtufungen von Weißlich- oder Schwefel- bis Orangegelb ſich haltendes Gelb, welches von größeren und kleineren, entweder vereinzelt ſtehenden oder aber mehr zu— ſammenfließenden hell-, ſtahl- oder grau- bis ſchwarzblauen Flecken unterbrochen wird. Gewöhnlich ſchiebt ſich zwiſchen das Gelb der Kehle, auf welcher nur einzelne wenige dunkle Tupfen erſcheinen, und das Gelb der Bruſt und Achſeln ein breites, gewelltes dunkles Querband ein und auch das Gelb der Bruſt kann durch Vereinigung von dunklen Marmelzeichnungen bis auf zwei gelbe Flecken zuſammengedrängt werden. Hingegen geht, wie unſere Abbildung ferner vergegenwärtigt, von hier aus das Gelb meiſt ohne Unterbrechung auf die Unterſeite des Armes über, um dann, nachdem ſich allerdings an der Handwurzel von oben her wiederum ein grauer Keil zwiſchengeſchoben hat, auf dem Handteller in Geſtalt eines großen gelben Flecks und ebenſo an der Unterſeite und dem Innenrande des Daumens und an den Spitzen der übrigen drei Finger zu erſcheinen. In ähnlicher Weiſe erſtreckt ſich das Gelb des Bauches bezw. Hintertheils auf die Unterſeite der Oberſchenkel, um hier und weiterhin am Unterſchenkel ein ausgebuchtetes oder ausgezacktes breites Längsband zu bilden und ſodann als eine breite gelbe Binde auch auf der Unterſeite der Fußwurzel entlang zu laufen, und faſt ausnahmslos ver— einigt ſich das Gelb der Fußwurzel mit einem großen gelben Fleck auf der Fußſohle, während bei der rothbäuchigen Unke dieſe beiden (wie auch andere) hellen Zeichnungen getrennt bleiben; die erſte Zehe iſt unterſeits meiſt einfarbig gelb, oberſeits gelb gefleckt, der Ferſenhöcker, die Wurzel der zweiten und dritten und zum Theil (innerſeits) der vierten Zehe, ſowie die Spitze bei allen Zehen gleichfalls gelb, die Schwimmhaut dunkel gefleckt und geadert. Weiße, dunkel umſchloſſene Punkte, welche ſich bei bombinus ſehr markiren, laſſen ſich nur vereinzelt und ſchwach (an den Seiten) oder überhaupt kaum erkennen. Iris goldgelb und ſtark mit Hellbraun durchſetzt, ſodaß ſie „eine braune Erzfarbe“ zeigt, die obere Hälfte etwas dunkler als die untere. Daß die beweglichen Farbzellen auch bei der Unke, wenngleich nicht in dem Grade wie bei Wechſelkröte, Laubfroſch u. a., ihr Spiel treiben, läßt ſich beiſpielsweiſe daraus entnehmen, daß die ſchwärzliche Rückenfarbe von Exemplaren, die man in ſchattigen Waldtümpeln erbeutete, zu Hauſe ſich „in ein lichtes Gelblichgrau umſetzt“. Jene dunkle Tönung der Oberſeite kann aber auch zur bleibenden werden, und Leydig machte in dieſer Beziehung die Erfahrung, daß eine derartige dunkle, beinahe ſchwarze Rückenfärbung all— gemein bei den in den Hochalpen, ſo bei Lermoos und im unteren Innthal, geſammelten ausgewachſenen Thieren vorkam. Im Uebrigen bietet die Oberſeite für die Abwechſelung der Farbe nur geringe Angriffspunkte dar. Eher iſt das von der Unterſeite zu ſagen. Indeſſen auch hier ſind die auf Form und Art der hellen und dunklen Zeichnungen be— ruhenden Wandlungen ſo unbedeutſam, daß man eigentliche Varietäten nicht aufſtellen kann. Beachtung verdient jedoch jene Abänderung, bei welcher das Gelb vollkommen oder faſt ganz von dem Blaugrau oder Schwärzlich der Zeichnung verdrängt wird, ſo— daß man hier von einer var. nigriventris ſprechen dürfte. So ſind laut Möllendorff bei den bosniſchen Exemplaren die ſchwarzblauen Stellen ſo überwiegend, daß das Gelb als Flecken in dunkler Grundfarbe erſcheint. Und E. Schreiber in ſeiner Herpetologia europaea gedenkt einer ſtarkwarzigen „ausgezeichneten Lokalvarietät“ aus Montenegro, bei der die Unterſeite der Thiere „meiſt Schwarz zur Grundfarbe hat, auf welcher ge - wöhnlich nur ſehr vereinzelte untergeordnete oder auch gar keine gelben Flecken vor— kommen“. Größe, Geſtalt und Färbung gewähren keinen Anhalt für die Unterſcheidung der Geſchlechter, man muß zu dieſem Zweck gewiſſe körperliche, insbeſondere an den Glied— maßen ſich hervorkehrende Eigenheiten heranziehen. Namentlich zur Paarungszeit iſt das Zehnte Art. Gelbbauchige Bergunke. 547 brünſtige Männchen durch ſolche ausgezeichnet: es beſitzt nicht nur ſchwarze oder ſchwärz liche Brunſtſchwielen an der Vordergliedmaße, nämlich am Innenrande des zweiten und dritten Fingers, am Innenrande und auf der Oberſeite des innerſten Fingers oder Daumens, am Daumenballen und an der Innenfläche des Unterarmes, ſondern auch — und darin unterſcheidet es ſich zugleich von den männlichen bombinus — am Hinter— fuß an der Unterſeite der zweiten und dritten Zehe, wie auf Seite 376 bereits be— merkt. Leydig, welcher, nachdem C. Bruch auf Seite 97 ſeiner „Neuen Beob.“ 1863 die ſchwarzen Schwielen an der Volarfläche der erſten Zehen erwähut, 1876 in ſeinen „Allgem. Bedeckgn.“ auch auf die „ſchwärzlichen, dornigen Inſelflecke“ unter der zweiten und dritten Zehe aufmerkſam machte, wies noch darauf hin, daß dieſe Schwielen in mehrere Stücke zerfallen können und bei ſehr ſtarker Entwicklung ſelbſt noch an der vierten Zehe ein ſolch ſchwarzbrauner ſtacheliger, ſcharf umgrenzter Fleck zu beobachten ſei. Ausnahmsweiſe kann ſogar die Unterſeite und der Ballen der erſten Zehe mit rudimentären Schwielen verſehen ſein. Am kräftigſten und auffallendſten erſcheinen aber immer die Schwielen am Daumenballen und am Unterarm und die letztere erſtreckt ſich nicht ſelten bis gegen den Ellenbogen hin. Außer der Laichzeit geſtaltet ſich die Unter— ſcheidung der Geſchlechter ſchwieriger, doch bieten der größere Daumenballen, die breitere Hand, der verdickte Vorderarm und die längeren Schwimmhäute, welche beim Männchen faſt die Zehenſpitzen erreichen, beim Weibchen jedoch nicht ſo weit gehen, bei Vergleichen immerhin Merkmale zur Erkennung des „ſtärkeren Geſchlechts“; auch bleiben die Brunſt— ſchwielen als ſchwache, bräunliche Körnelung wohl immer erhalten und laſſen ſich wenigſtens mit der Lupe zu jeder Jahreszeit erkennen. Die Rückenwarzen des Männchens ſind größer, ihre Hornſtacheln kräftiger und ſpitziger als beim Weibchen; an der Unterſeite der Männchen ſind gewöhnlich nur die Hinterbacken, die Weichengegend und die Sohle, zuweilen noch die Bruſtgegend zwiſchen den Achſeln mit Hornhöckerchen bekleidet, während bei dem Weibchen ſolche Hornhöcker unterſeits nur an den dunkelgefärbten Theilen der Hinterbacken und an der Sohlenwurzel auftreten, meiſtens aber gänzlich fehlen. Die Larven der Bergunke, welche auf der erſten Stufe des Freilebens etwa 6 oder 7 mm lang ſind, erreichen nach ungefähr acht Wochen eine größte Länge von 35 bis 50, durchſchnittlich 40 bis 43 mm, ſie ſtellen ſich in dieſem Punkte alſo den Quappen des Laubfroſches an die Seite, kommen aber unter günſtigen Verhältniſſen auf die Länge der Larven vom Teichfroſch, ja ausnahmsweiſe faſt der von der Knoblauchskröte. Von der Geſammtlänge nimmt der Schwanz etwa drei Fünftel in Anſpruch und iſt beiſpielsweiſe bei einer 40 mm langen Quappe 25 mm lang, und an ſeiner höchſten Stelle ungefähr 9 mm hoch. Trotz der durch den eiförmigen Körper, die Tracht und Größe hervorgerufenen Aehnlichkeit der Larven mit denen von Hyla und Pelobates unterſcheiden ſie ſich jedoch leicht von dieſen vermöge des am Ende nicht lang und ſpitz auslaufenden, ſondern mehr abgerundeten Schwanzes, der nach oben gerichteten Augen, des in der Mittellinie des Körpers, nicht ſeitlich belegenen Kiemenloches (ſ. S. 416) und der bei hellerem Bauche ſchwärzlichen Rückenfärbung. Im Allgemeinen erſcheinen die zweibeinigen Bombinator-Larven gegenüber den vorgenannten breit, niedrig, abgeflacht, der Kopf iſt von dem ſeitlich und am Bauch etwas aufgetriebenen Rumpf kaum abgeſetzt und gleich der Rückenpartie ſchwach gewölbt, die Kehle eingedrückt, der in einer ſtumpfen Spitze endigende Schwanz oben mit einem auf den Rücken übergehenden, leicht geſchwungenen, unterſeits mit ſtärker gebogenem und dem oberen in der Höhe gleichkommenden Hautſaum verſehen, der fleiſchige Schwanzſtrang an der Wurzel ein halb bis zwei Fünftel ſo hoch als der ganze Schwanz, die ziemlich große Oeffnung der nach hinten und unten gerichteten Analröhre in der Mittellinie der Unterecke des Schwanzes belegen, der Ab— 355 Larven. Junge. Verbreitungs⸗ Grenzen. 548 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſtand der mäßig großen Augen voneinander iſt etwa gleich der Entfernung der kleinen, ganz vorn liegenden Naſenlöcher von der Oberlippe oder gleich der Breite des Maules, der Abſtand der Naſenlöcher voneinander geringer als ihre Entfernung vom Auge, die Lippenränder ſind mit außerordentlich feinen Papillen beſetzt, an der Innenfläche der Oberlippe ſtehen zwei, an der Innenfläche der Unterlippe drei lange Reihen Zähnchen; die Seitenlinien ſtellen ſich als in Reihen angeordnete weißliche Pünktchen dar. Wenn die jungen Larven oberſeits einfach grau oder braungrau, unterſeits heller ausſehen, ſo zeigen ſich allmählich am Rücken dunklere, an den Seiten und am Bauch weißliche Flecken und auf dem hellen Schwanzſaum macht ſich eine zierliche dunkle Netzzeichnung bemerkbar. Erwachſene bezw. zweibeinige Kaulquappen haben dieſe Gitterzeichnung beibehalten und laſſen daneben einige dunkelbraune Sprenkel erkennen, wie ſolche oder ähnliche auch auf dem bräunlich- grau oder braun grundirten Rücken ſich mehr oder minder abheben, während der bläu— lichgraue Bauch mit hellen glänzenden Flecken beſetzt, die licht gefärbte Kehle in der Mitte dunkel beſtäubt, an den Seiten dunkel genetzt und die gelbbraune oder bräunlich— gelbe Schwanzmitte gleichfalls braun beſtreut erſcheint. Mit der Entwicklung der Vorderglieder werden die Larven den ausgebildeten Thieren ähnlicher; denn nicht nur, daß aus dem heller werdenden, grauen Grunde der Oberſeite warzige Erhebungen heraustreten, es zeigen ſich auch ſchon Eigenheiten der ſpäteren Zeichnung an, und vierbeinige Quappen laſſen ſowohl die dunkle Fleckung bezw. Querbänderung auf den Beinen als auch oft bereits je ein Paar rundliche, durch helleren Ton von der Grundfarbe abſtechende Tupfen zwiſchen den Schultern und am Hinter— rücken deutlich erkennen, wogegen das ſchöne Gelb der Unterſeite noch fehlt. Erſt mit und nach dem Einſchrumpfen des Schwanzes wagen ſich die erſten Andeutungen des— ſelben, und zwar als weißlichgelbe Flecken auf den Fußſohlen und am Oberſchenkel, hervor; an Bauch, Bruſt, Kehle indeß find die friſch verwandelten, etwa 14 oder 15 mm langen Feuerkrötchen noch weißlich, aber mit fortſchreitendem Wachsthum und nach der nächſten Häutung ſchon geht dieſe unſcheinbare Färbung in ein helles, von tüpfel- und ſprenkelartigen Makeln durchzogenes Gelb über, das ſich wie überhaupt die ſchöne Zeichnung der Unterſeite immerhin erſt im folgenden Frühjahr in voller Ausbildung und Sättigung giebt. Geographiſche Verbreitung. Die vorgeſchobenſten Punkte der Verbreitung von B. pachypus nach Weſten hin liegen in der Nähe der Atlantiſchen Küſte Frankreichs, alſo etwa am 16. Ferrograd (auf der Pyrenäen-Halbinſel fehlen die Unken): von Bordeaux in der Gironde ſteht ein Stück im Berliner Zoologiſchen Muſeum, für die Depart. Charente inférieure, Charente, Vendée, Maine et Loire, Loire infeérieure ver— zeichnen ſie F. Lataſte und andere franzöſiſche Fauniſten ſowie J. v. Bedriaga's „Anuren“; ebenſo darf wohl ihr Heimiſchſein in der Bretagne und der Normandie, obgleich von dort keine Nachrichten vorliegen, angenommen werden, da ſie durch Bedriaga wenigſtens von Evreux im Dep. Eure und durch Baillon für die Gegend von Abbeville in der Picardie angegeben wird. In Belgien und den Niederlanden ſcheint die Weſt— grenze ihrer Verbreitung nicht mit den Küſtenſtrichen zuſammenzufallen, ſondern oſtwärts zurückzuweichen; Boulenger nennt Tournay und Lüttich und Luxemburg als Fundorte, und gleicherweiſe wird man in der Unke, die laut Selys Longchamps namentlich in den Ardennen und in der nördlich davor liegenden Landſchaft Condroz und laut Fontaine im Luxemburgiſchen, vorzugsweiſe in den Ardennen zu Hauſe iſt, unſere Bergunke zu ſehen haben; betreffs der Niederlande ſchreibt mir Herr van der Veen, der ſie bei Utrecht nicht bemerkte, übereinſtimmend mit H. Schlegel, welcher ſie in der Umgebung von Nijmwegen erbeutete, daß ſie in den öſtlichen Grenzprovinzen vorkomme. Hier in Zehnte Art. Gelbbauchige Bergunke. 549 den Niederlanden ſcheint ſie am Rhein, alſo ungefähr am 52. Grad n. Br., die Nord— grenze ihrer Verbreitung zu erreichen, und dieſer Grad bildet im Allgemeinen auch ihre Nordgrenze im weſtlichen Deutſchland bis gegen die Elbe hin: in Weſtfalen zieht ſich jene Grenzlinie allerdings faſt ½ Grad ſüdlicher am Gebirgsrand entlang auf Lipp⸗ ſtadt und Paderborn, ſchlägt aber von hier ab einen Bogen nordwärts bis ins Osna— brückſche und läuft nun etwa in der gleichen Höhe durchs Weſer- und Leine-Bergland auf den Rand des nordweſtlichen Harzes zu, um dann ſchnell zu ſinken, ohne daß ſich aber der genauere Verlauf gegenwärtig beſtimmen ließe. Die Oſtgrenze liegt in Sieben— bürgen und der Moldau, wo auch die rothbauchige Unke auftritt; Boulenger nennt Broſtenii als Fundort für beide Arten. Und wie B. pachypus in Bosnien und in Dal— matien, wo ihn Dr. F. Werner 1891 häufig in den Tümpeln bei Spalato antraf, ſowie in Montenegro vorkommt, ſo ſind auch die Unken Griechenlands, wo ſie durch Krüper im Parnaß-Gebirge und laut Bedriaga durch L. Münter in der Land— ſchaft Attika auf dem Berge Parnes in der Quelle Palikori (3000 Fuß Seehöhe) ge— ſammelt bezw. entdeckt wurde und von wo ſie W. Wolterstorff durch Boulenger erhielt, hierher zu zählen. Dieſe Orte liegen zwiſchen 38. und 39. Grad n. Br. und würden nebſt den in Calabrien als die ſüdlichſten Fundſtätten zu betrachten ſein. Nachdem Bonaparte den Bomb. pachypus für die Berge Italiens, ſpeziell für die Apuaniſchen Alpen nordweſtlich von Florenz und das Askolaniſche Gebirge angezeigt, iſt er durch die italieniſchen Fauniſten de Betta, Giglioli, Camerano und durch Boulenger auch für Verona und Venetien, Emilia, die Marken, Toskana, Neapolitanien und Calabrien genannt (aus Padua ſteht ein Stück im Berliner Muſeum, Exemplare aus Siena und Calabrien wurden durch Giglioli auf der Fiſcherei— Ausſtellung 1880 in Berlin vorgeführt). Ob im Süden Frankreichs unſere Unke, wo ſie durch Weſtphal-Caſtelnau's Sammlung auch für die Sevennen nachgewieſen iſt, bis in die Küſtenſtriche geht, bedarf noch der Aufklärung; auch wiſſen wir nicht, ob ihr Wohnbezirk dort bis an die Pyrenäen reicht, jedenfalls aber überſchreitet ſie dieſes Ge— birge nicht. Wie in den öſtlichen, bergigen und hügeligen Theilen Frankreichs, ſo finden wir, wenn wir nun einen Blick auf die innerhalb der oben angedeuteten Grenzen liegenden Länder werfen, die gelbbauchige Unke auch in der benachbarten Schweiz und dem reichs— deutſchen Gebiet. An der Iſére und in Savoyen (laut Venance Bayot in den Um— gebungen des Mt. Blanc, Chamounix, Servoz) zu Haufe, bewohnt fie auch die Um— gegend von Genf und das nördliche Ufer des Genfer Sees, z. B. bei Montreux und Vevey, ebenſo den Jura — im Baſeler Jura begegnet man ihr laut Dr. Fr. Müller allenthalb in Tümpeln auch der höchſt gelegenen Wieſen —, ferner laut Prof. Studer und Dr. Beck das Berner Gebiet, laut H. Fiſcher-Sigwart häufig die Kantone Solothurn, Luzern, Aargau, ſie iſt überhaupt laut Fatio in der Schweiz faſt allerorten bis zu 1200 Meter ü. M. anzutreffen, nur in den Südthälern des Teſſin ſoll ſie ſeltener ſein. Ihre allgemeine Verbreitung in dem anſtoßenden Vorarlberg und Tirol melden Bruhin und Gredler, und Bozener Exemplare habe ich ſelbſt jahrelang gepflegt; aus den übrigen öſterreichiſchen Alpenländern liegen Fund— angaben über B. pachypus beiſpielsweiſe aus Salzburg, Iſchl, Mondſee, Schwarzathal, Vöslau und St. Veit bei Wien, auch Trieſt [Fr. Werner], aus Steiermark vor u. ſ. w.; und L. v. Méhely vermerkt aus dem Ungariſchen Berg- und Hügelland nachſtehende Fund— orte: Schemnitz, Zävodka, Loſonez im nordweſtlichen Hochland, Munkäcz, Oroszvég, Zsdenyova, Pudpoläcz, Podhering, Paszika (alle im Bereger Komitat), Kaſchau [Seitteles] im nordöſtlichen Hochland, ferner aus dem Siebenbürgiſchen Hochland: Vlegyasza, Oläh-Läposbänya, Bethlen, Szamos-Ujvar, Czibles, St. Annen-See, Berg Büdös, Czik⸗Taplocza, Csicsö, Balänbänya, Gyimeſcher-Paß, Papolcz, Bereczker Ge— Alpenland. Sid-Deutfhland. Rheinlande. 550 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. birge, Ojtozer-Paß, Baröth, Székely-Udvarhely, Homoröd-Szt-Märton, Kronſtadt, Tömöſcher-Paß, Neuſtadt, Roſenau, Tartlau, Krizba, Wolkendorf, Bozauer und Burzen— länder Gebirge, Zerneſt, Fuß des Königſteins, Perſäny, Ober-Komäna. Daß dieſe Unke in den Alpen Bayerns nicht fehlt, bekunden uns Fahrer [München] und W. v. Reichenau, welche ſie für Oberbayern, und Wiedemann, welcher ſie für das gebirgige Schwaben, wo ſie bis zu einer Höhe von 1160 Meter ü. M. aufſteigt, verzeichnet; als einzelne Fundorte werden noch Berchtesgaden und der Starnberger See und Lindau i. B., von wo ich lebende Stücke erhielt, namhaft gemacht. In Bayern ſcheint ſie, was u. A. auch Reider und Hahn hervorheben, in allen Strichen und theilweiſe ſehr häufig, heimiſch zu ſein; ſo, wie meine Herren Mitarbeiter an— geben, bei Augsburg, Regensburg, in Franken in den Umgebungen von Nürnberg, Fürth, Erlangen (Rathsberg), Windsheim, Rothenburg a. T., Ochſenfurt, Würzburg, Zellingen a. M., Bamberg, Weißmain, Muggendorf, in der Iſarau bei München fand ſie W. Wolterstorff 1886; bei Bamberg iſt ſie mit Teich- und Grasfroſch laut H. Sippel der gewöhnlichſte Lurch; aus dem Fichtelgebirge mangeln mir nähere Nachrichten, im und am Rhöngebirge fand Leydig ſie bei Kiſſingen nahe der Oelmühle, bei der Kloſterruine Aurach und im See bei Winkels. Derſelbe Forſcher ſammelte in Württemberg, wo ſie laut briefl. Mittheilung des Herrn Siler überall ſehr häufig iſt, die Unke am Neckar bei Tübingen, Metzingen, Weilheim, kennt ſie durch Baron König-Warthauſen aus dem württ. Oberſchwaben und erinnert daran, daß ſie für die Umgebung Maulbronn's, das Oberamt Backnang und die Gegend von Oehringen gleichfalls angezeigt werde; Prof. E. v. Martens fand ſie vor ca. 50 Jahren oft in Degerloch und an der Solitude bei Stuttgart; W. Wolterstorff [Württemberg] kennt ſie von Reutlingen, Eislingen, Kirchheim u. T., Ehningen a. d. Achalm, vom Spitzberg bei Tübingen, von Kreglingen; auf der Alb hat Dr. D. F. Weinland ſie nicht beobachtet. Im badiſchen Neckarland, ſo laut Bedriaga bei Heidelberg, iſt die Bergunke ebenſo zu Hauſe wie in der oberrheiniſchen Tiefebene, ja allem Anſchein nach in ganz Baden; von Freiburg ſtehen Stücke im Berliner Muſeum, von Müllheim i. B., vom Iſteinerklotz und aus dem Thal der Wieſe entlang kennt ſie Dr. F. Müller-Baſel. Derſelbe Autor ſammelte ſie aber auch auf der linken Rheinſeite bei Gr. Hüningen und Neudorf im Ober-Elſaß, und jedenfalls wird ſie, obgleich ich ihrer bei Kolmar nicht anſichtig werden konnte, in ganz Elſaß-Lothringen vorkommen, da Dr. A. Andreae fie bei Straßburg antraf, Dr. R. Wolterstorff ſie in den Vogeſen fing, franzöſiſche Fauniſten ſie für das ehemalige Depart. Moſelle nennen und Schäfers Moſelfauna ſie für das Moſel-Saargebiet verzeichnet. Hinſichtlich der Rheinpfalz fehlen mir genauere Angaben. Dagegen wiſſen wir durch Geiſenheyner, daß die gelbbauchige Unke im Nahe— gebiet häufig zu finden iſt, bei Kreuznach beſonders im Beinder Graben, in der Kuh— tränke, an den Salinen, in Tümpeln am Nahe -Ufer, nicht minder hinter Ebernburg, im Weiher am ſtädtiſchen Forſthauſe u. ſ. w., ferner im Trollbach uud naheaufwärts bis Kirn, in Menge im oberen Gräfenbach, namentlich bei der Gräfenbacher Hütte, auch hat genannter Autor ſie von Laubenheim erhalten; und bei Bingerbrück beobachtete Prof. Glaſer die „feuergelbe“ Unke mehrfach in ſchlammigen Waldrandpfützen. Als Glied der Moſelfauna erwähnten wir fie ſchon. In der Eifel kommt fie laut Leydig [Rhön] nur ſpärlich, z. B. bei Bertrich, am Rhein indeß häufig vor: Bonn, Keſſenich, Dottendorf, Beuel, Drachenfels, Aggerthal. Aus Neviges bekam ich das Thier durch Herrn G. de Roſſi, von Elberfeld beſitzt ſie das Muſeum Münſter, von Werden a. d. Ruhr wird ſie in Landois' „Thierſtimmen“ notirt, im Bergiſchen Land und Siebengebirge iſt ſie laut W. Bölſche in Tümpeln nahe am Wald überall häufig, für die Umgebung von Linz a. Rh. giebt Melsheimer ſie an, aus dem Weſterwald- und Zehnte Art. Gelbbauchige Bergunke. 551 Lahngebiet kennt Dr. C. Koch den Bomb. brevipes ( pachypus) aus dem Lahn— und Dillthal und vom Stoppelberg bei Wetzlar, Prof. Glaſer nennt als Fundort noch Grünberg in Oberheſſen, F. Borcherding [Fauna sax.] das Mühlbachthal bei Naſſau a. L. In den Taunus -Bezirken, namentlich in den mittleren Höhen, iſt fie laut briefl. Mittheilung Dr. O. Böttger's häufig in Lehmpfützen, Randgräben ꝛc., beiſpielsweiſe an der Kaltwaſſer— Anſtalt bei Cronberg; Dr. C. Koch begegnete ihr auch bei Kirberg, A. Harrach bei Langen— ſchwalbach, W. v. Reichenau bei Wiesbaden, W. Wolterstorff laut briefl. Mittheilung in den Mainauen bei Frankfurt und in der Wetterau an mehreren Orten. Während in Weſtfalen die rothbauchige Art überhaupt fehlt, iſt B. pachypus laut Weſthoff im Sauerländiſchen bis zum Rand der Ebene überall zu Hauſe, in den ſüdlichen Theilen jedoch ſeltener als in den nördlichen; beſonders auf dem Kalkboden des Haarſtranges ſcheint die Bergunke heimiſch zu ſein. Weſthoff vermerkt als Fundorte: Siegen, Hilchenbach, Meſchede, Arnsberg, Möhnethal, Weſtherbede, den Haxtergrund bei Paderborn und ſagt, daß ſie auch im Eggegebirge und im öſtlichen Theile des Osning bezw. Teutoburger Wald überall verbreitet, im weſtlichen jedoch bislang nur bei Lengerich und im Osnabrück'ſchen bei Hellern und Hörne geſehen worden, über ihr Vorkommen im Wiehengebirge aber nichts bekannt ſei; in der Münſterländiſchen Ebene, ſelbſt in den Hügelpartien derſelben, werde ſie vermißt. Demgemäß fehlt ſie laut Dr. Auguſtin bei Lünen a. d. Lippe, während ſie ſüdlich Lippſtadt an der Haar ge— ſammelt wurde. f Als Fundorte im Weſer- und Leine-Bergland werden in Wolterstorff's „Nord-Veſer⸗u.Elbgebtet weſtd. Bergldn.“ genannt: die Berlebecker Quellen und die Falkenburg im Lippe'ſchen Wald durch Fr. Borcherding, Steinheim öſtlich von Horn durch W. Henneberg, Haarbrück bei Beverungen durch Weſtermeyer, an der Weſer die nähere und weitere Umgebung von Hameln (Torfſtichtümpel am Hohenſtein, Waſſergraben am Fuß der Süntel-Vorberge, Ohſen, Regenlachen auf dem Hofe der „Villa Spangenberg“ am Fuß des Klütberges, kleine, nur ½ Meter tiefe Teiche mit trübem, dunklem Waſſer mitten im Walde auf dem etwa 250 Meter ü. M. hohen Bergrücken des Finkenborn) durch W. Henneberg, ſodann Eſchershauſen (Angerteich, Schafbade, Kleeberg bei Wickenſen, Flachsrotten bei Dielmiſſen und Lürdiſſen, Thonkuhlen der Lenner Ziegelei) und Vorwohle im Braunſchweigiſchen durch E. Cruſe, Bursfelde durch Dr. Henking, Wäſſer der Fulda bei Münden durch Prof. Metzger, ferner die Umgegend von Göttingen, von wo bereits aus den Jahren 1838 bis 1846 Stücke im dortigen Zool. Muſeum ſtehen und wo Herr J. D. Kobus laut brieflicher Mittheilung an mich in einer Höhe von 1800 Fuß am 13. Auguſt 1880 ausgewachſene Junge fand, ſowie durch Dr. Henking das Bremker Thal am nordweſtlichen Eichsfeld. Ich ſelbſt kenne die Bergunke noch von Witzen hauſen a. W. und aus dem Kaufunger Wald öſtlich von Kaſſel; außerdem von Langels— heim und Goslar am Harz. Hier bei Goslar, wo J. H. Blaſius die von ihm „Bombinator brevipes“ benannte Bergunke für Deutſchland entdeckte, um dann in der Verſammlung des Naturwiſſ. Vereins des Harzes am 7. Auguſt 1839 zu Blankenburg Mittheilung über dieſe „neue, bei Goslar und anderwärts am Harz vorkommende Feuer kröte“ zu machen, iſt B. pachypus in Lachen, Tümpeln, Teichen, Gräben ſehr häufig; er wurde dort von Wolterstorff auf dem Oſterfeld, von W. Henneberg und M. Koch am Gebirgsrand beim Dorfe Oker und zwiſchen Oker und Goslar, von P. Krefft in Regen- waſſerlachen der Trogthaler Steinbrüche im Innerſtethal (alles Orte am Nord- und Weſtrand des Oberharzes) und von Geitel im Sieberthal im Vorharz beobachtet. In den nördlichen und öſtlichen Vorlanden des Harzes wird die Bergunke durch die roth bauchige Art erſetzt, hingegen kommt laut J. Sömmering (vergl. Wolterstorff, Ndwd Artkennzeichen. Körperbau. 552 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Bergl.] die erſtere in dem ſüdlich vorgelagerten Kyffhäuſer-Gebiet, und zwar in den Thongruben öſtlich von Frankenhauſen, vor. Noch weiter ſüdlich, auf der Thüringer Hochebene bezw. dem Thüringer Wald iſt ſie gleichfalls verbreitet, denn Wolterstorff erhielt durch Goldfuß Mittheilung über ihr Vorkommen bei Sulza im Thal der Ilm (nur 45 km ſüdlich von dem bekannten Fundort der rothbauchigen Unke bei Ammen— dorf in der Saalaue, unweit von Halle) und kennt ſie ſelber ſowohl von Jena und von Blankenburg im Schwarzathal wie auch vom ſüdöſtlichen und nordweſtlichen Ende des Thüringer Waldes: von Sonneberg und von Tiefenort unfern von Salzungen an der Werra, außerdem vom Meiſenſtein bei Winterſtein, und Fr. Borcher— ding fand ſie noch an einer zweiten Stelle des Ilmthales, in drei Tümpeln einer Wieſe bei Ober-Weimar nächſt Weimar. Betreffs des übrigen mitteldeutſchen Berglandes ent— behren wir noch genauerer Nachweiſe; doch möge erwähnt ſein, daß wie in der Umgegend von Blankenburg am Harz ſo auch laut P. Jung im Lauſitzer Gebirge bei Zittau die Unken gänzlich fehlen. Bombinator pachypus, Bonaparte 1838. — Bombinator brevipes, Blasius 1839. — B. bombinus, Doulenger 1886. 11. Art: Rothbauchige Unke. Bombinator bombinus (L.).; B. igneus, Lau. ; Abb. Tafel II, Nr. 3. 4. Länge 4 bis 4,5 em; Körper ziemlich ſchlank gebaut; Warzen der Oberſeite kleiner und weniger gedrängt beiſammenſtehend als bei B. pachypus, abgeflacht— eiförmig (nicht kegelförmig), auf dem Gipfel mit einem rindenartigen, flachen, vollkommen dunklen Hornhöcker, ohne kleine Stacheln, Unterſeite mit zahlreichen ähnlichen, nur viel kleineren Hornhöckerchen; Schnauze verlängert, etwas zugeſpitzt; Beine und Finger ſchlank; Unterſchenkel kürzer als der (vom Beginn der kleinſten Sehe an gemeſſene) Fuß; Oberſeite ſchwarzgrau oder dunkel- graubraun mit kleinen grünſchwarzen Flecken und meiſt mit zwei flaſchengrünen runden Flecken zwiſchen den Schultern; Unterſeite blauſchwarz mit orange- oder mennig- bis karminrothen Flecken und weißen Punkten; Finger- und Sehenſpitzen ſchwarz; Männchen mit, aufgetriebener Kehle bezw. zwei unvollkommenen inneren Schallblaſen an der Kehle, aber ohne Hornſchwielen an den Sehen der Hintergliedmaßen. Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſer Tieflands-Form iſt weniger gedrungen als der der Bergunke, die Geſtalt länger, geſtreckter, ſchlanker, oben und unten abgeflacht, der vom Rumpf durch eine beiderſeitige flache Einbuchtung geſonderte Kopf niedrig, platt, etwas länger und ſchmäler und die Schnauze nicht ſo breit verrundet, ſondern mehr vor— gezogen als bei pachypus, die Schnauzenkante angedeutet; Trommelfell, Zunge und Gaumenzähne entſprechen denen der Bergunke, hingegen hat das Männchen an der Kehle zwei innere Schallblaſen, welche die äußere Kehlhaut zu einem manchmal ganz anſehn— lichen, nicht nur unten, ſondern auch ſeitlich gut ſichtbaren Sack heraustreiben, und vor und hinter der Aufblähung wird durch dieſe eine deutliche Querfalte hervorgerufen (was ſchon Linné in ſeiner Diagnoſe der Rana bombina durch „plica gulari“ andeutet); für den eigentlichen Ohrdrüſenwulſt bietet ſich wenigſtens ein gewiſſer Erſatz in einem ‚vom hinteren Augenwinkel an zur Schulter hinziehenden Wulſt, der allerdings bisweilen fehlt. Die Augen ſind etwas kleiner als bei der Bergunke, ſonſt aber denſelben in der Bildung entſprechend, die Naſenlöcher etwas weiter von der Schnauzenſpitze entfernt als Elfte Art. Rothbauchige Unke. 553 bei pachypus, alſo den Augen näher gerückt als wie der Schnauzenſpitze. Die Vorder— beine, welche nach vorn gelegt über den Kopf hinausragen bezw. mit der Daumenſpitze knapp die Schnauzenſpitze erreichen, ſind dünner, ſchlanker, ebenſo ihre völlig freien Finger länger und ſchmäler als beim „Dickfuß“, die größte Länge zeigt der dritte Finger, gegen den der zweite und vierte und noch mehr der erſte bedeutend zurücktreten; der Daumen— ballen iſt nur unerheblich größer als der hinterm vierten Finger wahrzunehmende Ballen, und zwiſchen beiden machen ſich zuweilen zwei Wärzchen bemerkbar, während die Gelenk— höcker fehlen. Die Hintergliedmaßen, vielleicht 10 mm länger als Kopf und Rumpf zu— ſammen, reichen nach vorn gelegt mit dem übrigens ſehr kleinen Ferſenhöcker bis zum hinteren Augenwinkel oder bis reichlich zur Augenmitte, der vom Ferſenhöcker ab ge— meſſene Fuß oder Lauf (ohne Zehen) übertrifft den Unterſchenkel in der Länge um 3 oder 4 mm; wie die Finger ſind auch die Zehen, die von der erſten zur vierten an Länge zunehmen, während die fünfte bedeutend kürzer als die dritte und länger als die zweite iſt, länger, ſchlanker, zarter gebaut als bei der Bergunke, abgeplattet, gegen die Spitze ſehr verſchmälert und unter einander verbunden durch eine Schwimmhaut, die nicht ſo vollkommen iſt wie bei der genannten Verwandten, ſondern beim Männchen die letzten Glieder der erſten und zweiten Zehe freiläßt, an der dritten Zehe bis zur Hälfte des vorletzten und an der vierten nur bis zum vorletzten Gliede ſich erſtreckt und an der fünften die Spitze des letzten Gliedes nicht erreicht, beim Weibchen überdies gewöhnlich noch etwas kürzer erſcheint. Die Haut der oberen Körperſeite iſt glatter als bei pachypus, und die Rücken-Warzen ergeben, was namentlich L. v. Méhely nachgewieſen hat, einen bedeutſamen Unterſchied gegenüber der vorigen Spezies; denn ſie ſind, wie unter „Art— kennzeichen“ ſchon hervorgehoben, nicht nur im Allgemeinen kleiner und anders geſtellt (gern in Reihen geordnet), ſondern auch von anderer Form und Beſchaffenheit. Der bald größere bald kleinere flache Hornhöcker (nicht Hornſtachel!), welcher mit einer Handlupe, oft ſchon mit freiem Auge auf dem Gipfel jeder Rückenwarze zu erkennen iſt und in ſeiner vollen Entwicklung zur Frühlings- und Sommerzeit kruſtenartig den größten Theil des Warzengipfels bedeckt, zeigt bei Beſichtigung mittelſt der Lupe eine glatte Umgebung, da er niemals von kleinen Hornſtacheln und kegelförmigen Hervorragungen umringt iſt. An der Unterſeite des Körpers bemerkt man ähnliche flache, indeß viel kleinere Hornhöckerchen, die im Vergleich zu B. pachypus auch allgemeiner verbreitet und dichter geſäet ſind. In der Größe ergeben ſich gegenüber der Bergunke keine Unterſchiede, ſie ſchwankt hier ebenſo zwiſchen 35 und 50 mm Geſammtlänge, durchſchnittlich beträgt dieſelbe 40 mm. Auch die bei Beſchreibung des pachypus verzeichneten Vergleichsmaaße entſprechen denen des Rothbauches, nur iſt bei dieſem der Kopf um eine Wenigkeit länger als breit (bei pachypus breiter als lang), der Unterſchenkel einige Millimeter kürzer als der Lauf und ebenſo lang oder 1 bis 2 mm kürzer als der Oberſchenkel, die vordere verhält ſich zur hinteren Gliedmaße wie 2 zu 5. Ein Männchen und ein Weibchen aus der „Märkiſchen Schweiz“ bei Buckow zeigten folgende Maaße: Geſammtlänge von der Schnauzenſpitze bis zum After & 44 mm, 2 43 mm; Länge der Vordergliedmaße 22 bezw. 21 mm; Länge der Hintergliedmaße 54,5 bezw. 54 mm, des Hinterfußes bis zur Spitze der 4. Zehe 24 bezw. 24,5 mm, des Laufes (ohne Zehen) allein 17 bezw. 17,5 mm, des Unter— ſchenkels 14,5 bezw. 14 mm, des Oberſchenkels 16 bezw. 14 mm; Kopflänge 14 bezw. 13 mm; größte Kopfbreite 13 bezw. 12,5 mm. In der Färbung und Zeichnung ſowohl ober- als unterſeits fallen gegenüber der Bergunke weſentliche Unterſchiede und Merkmale auf. Die Oberſeite hat ein dunkles Dfiven-, Aſch- oder Braungrau, auf dem ſich größere oder kleinere, über eine oder mehrere Warzen ſich erſtreckende und gern in Reihen ſich ordnende ſchwärzliche Flecken verbreiten. Maaße. Färbung. 554 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Der im Allgemeinen düſtere Eindruck wird aber gemindert oder gehoben durch dunkel-, braun- oder flaſchengrüne rundliche Makeln, welche über die Rückenpartie verſtreut ſind und namentlich, wie die Abbildung 3 auf Tafel II veranſchaulicht, zwiſchen den Schultern als zwei anſehnliche, manchmal zuſammenſtoßende grüne Flecken heraustreten; und der dadurch wiederum gewonnene freundliche Anſtrich erhöht ſich noch, wenn, wie ich vor— züglich an männlichen Thieren aus dem Berliner und Buckower und Magdeburger Ge— lände im Frühjahr bemerkte, die ganze Gegend zwiſchen Augen und Nacken übergrünt erſcheint; bei manchen, ſo namentlich bei ſehr dunkel getönten öſtlichen Stücken vermißt man allerdings die grünen Schulterflecke gänzlich, bei anderen wenigſtens im Winter, bei anderen wiederum kann der ganze Rückengrund einen grünen Ton annehmen. Aus der Zahl jener ſchwärzlichen Rückenflecken treten insbeſondere zwei halbmondförmige, ihre erhabenen Seiten einander zukehrende Strichflecke am Vorderrücken oder über den Schulter— blättern (vergl. Abbildung) und eine förmige Zeichnung am Nacken ſowie ein über die Augenlider und die Stirn laufender Querſtreif hervor, doch ſind ſie nicht immer ausgeprägt; ferner bemerkt man an der Oberkinnlade aufrecht ſtehende und auf den Glied— maßen querlaufende Bandflecken, endlich längs der Schnauzenkante einen mehr oder weniger deutlichen dunklen Streif. Aber auch weißliche Punkte und Tüpfelchen, wie ſolche bei Beſprechung der Bergunke erwähnt wurden, machen ſich recht bemerkbar, und zwar am Oberkiefer, auf dem Vorderbein und dem Oberſchenkel, in der Aftergegend, ſowie an den Kehlſeiten und den Flanken, von denen aus ſie auf Kehle und Bauch ſelbſt übergehen. Dieſe weißen Punkte der Unterſeite ſtechen von der Grundfarbe der letzteren, einem ſchönen ſatten Blauſchwarz oder Schwarzblau, ebenſo kräftig ab wie die eigentliche, in Orange-, Mennige-, Zinnober- oder Karminroth gehaltene Fleckung aller unteren Theile. Die rothen Zeichnungen weichen jedoch nicht nur durch den Ton, ſondern auch durch die Ausdehnung und Form von denen der Bergunke weſentlich ab. Zunächſt verbreitet ſich das Roth nicht gern über ſo ausgedehnte Partien wie das Gelb bei pachypus, es läßt vielmehr gewöhnlich nur rundliche oder ausgezackt-eckige bezw. geſchnörkelte Flecken ent— ſtehen, und ſodann bleiben dieſe faſt immer von einander geſondert, ſodaß weder das Roth von der Bruſt und Schulter mit dem Roth an der Unterſeite des Armes und das Roth des Hinterleibes mit dem der Unterſeite des Oberſchenkels zuſammenfließt, noch auch die an den drei Haupttheilen einer jeden Gliedmaße befindlichen drei Flecken unter einander zuſammenhängen; nur die Flecken des Ober- und Unterarmes verbinden ſich öfter mit einander. Man ſieht mithin gewöhnlich, wie auch unſere Abbildung vorführt, am Oberarm und Unterarm je einen mehr oder minder ausgebuchteten langgeſtreckten und auf der Handfläche einen mehr rundlichen Fleck, und in entſprechender Weiſe an der Unterſeite des Ober-, des Unterſchenkels und der Handwurzel je einen langgezogenen Bandfleck, der indeß am Rande verſchnörkelt und ausgefreſſen erſcheint und, was nament— lich für den Oberſchenkelfleck gilt, durch Umſichgreifen der ſchwarzblauen Grundfarbe nicht ſelten in mehrere kleinere Makel und Figuren zerfällt. Die Wurzel des Daumens und des 2. und 3. Fingers iſt gleich dem Handtellerfleck roth, die übrigen Theile der Hand und der Finger, mit Ausnahme der gelblich- oder ſchmutzigweißen Spitzen der erſten drei Finger, ſind ſchwarz. Die eigentliche Fußſohle und die Zehenſpitzen erſcheinen ſchwärzlich, die Schwimmhäute unterſeits ſchwarz geadert. Am verhältnißmäßig um— fänglichſten geſtalten ſich die rothen Flecken an der Kehle dicht unterhalb des Kinns jo- wie je ein Fleck auf den Bruſtſeiten, während die Zeichnungen des Bauches mehr in Form von quer und ſchräg verlaufenden breiten, ausgezackten oder verzweigten Strichen und kurzen Bändern ſich geben. Die Iris iſt bronzebraun, nur an den Pupillenrändern oben und unten zeigt ſich ein Goldgelb. Elfte Art. Rothbauchige Unke. 555 Wie die vorſtehenden Bemerkungen ſchon andeuten, kann der Grundton der Ober— ſeite je nach der Natur des jeweiligen Aufenthaltes mehr oder minder düſter erſcheinen, und ebenſo kann das Grün der Zeichnungen lebhafter oder dunkler ſein bezw. einer anderen Färbung Platz machen und ganz verſchwinden. Auf der Unterſeite verlieren ſich mitunter die rothen Flecken an einzelnen Partien, doch meiner Erfahrung nach nicht in dem Maaße wie das Gelb zuweilen bei der Bergunke; und man wird bei bombinus um ſo weniger in die Lage kommen, von einer grau- oder ſchwarzbäuchigen Varietät zu ſprechen, als ja auf dem dunklen Grunde dann doch noch die erwähnten weißen Punkte ſich abheben. Die berührten Färbungs-Abweichungen allein reichen aber, weil zu un— weſentlich, nicht aus zur Aufſtellung beſonderer und feſter Varietäten. Mit der Unterſcheidung der Geſchlechter bei bombinus verhält es ſich ähnlich wie bei der Bergunke. Jedoch hat das Männchen der rothbäuchigen Art vor dem der gelb— bäuchigen Spezies eine bedeutſame Auszeichnung voraus, nämlich den auf Seite 552 beſchriebenen, namentlich im Frühjahr ſtark heraustretenden Kehlſack. Im Uebrigen ſind 85 brüſtigen e rauhe braune oder ſchwärzliche Schwielen am Innenrande des Fingers und des Daumens, au der oberen Kante und am Ballen des Daumens und an der Beugeſeite des Unterarmes eigen und die des Daumenballens und des Unterarmes vereinigen ſich manchmal zu einer Schwiele; hingegen ſcheinen die den männlichen Berg— unken zukommenden Schwielen der 2. und 3. Zehe der Hinterfüße bei den männlichen bombinus durchweg zu fehlen. Beim Weibchen verbreiten ſich die Hornhöcker über die ganze Unterſeite, beim Männchen zeigen ſie ſich gewöhnlich nur an der Sohle, der Fuß— wurzel, deren Oberſchenkel und den Weichen. Außer der Laichzeit muß man auf die längere und kürzere Schwimmhaut und die anderen bei pachypus angezeigten Punkte achten. Es . auf der Hand, daß zwei jo nahverwandte und gleichgroße Arten hin— ſichtlich der Larven, wenigſtens ſo lange dieſe noch auf den 1 Enwicklungsſtufen ſich befinden, keine äußerlich auffallenden Unterſchiede zeigen. Vielleicht, daß man mit der Zeit unter Prüfung eines ausgiebigen Vergleichsmaterials ein durchſchlagendes, ſtändiges Unterſcheidungsmerkmal gewinnt. Wohl aber vermag man Quappen der roth— bauchigen Unke, wenn die Gliedmaßen durchgebrochen ſind, an der ſchwarzen Fleckung auf der dunkel gefärbten und weniger rauhen Rückhaut und an den zunächſt braungelblichen oder röthlichen, dann grün werdenden Flecken zwiſchen den Schultern zu erkennen. Das Roth auf der Unterſeite erſcheint und entfaltet ſich in entſprechender Weiſe wie das Gelb bei pachypus. Und iſt das Roth erſchienen, jo hat man nicht nur an dem dunkleren Ton, ſondern auch an der Ausdehnung und der Form dieſer Zeichnungen einen auch bei Auseinanderhaltung der Alten mit ausſchlaggebenden Anhalt gewonnen, um die jungen bombinus von den jungen Bergunken zu unterſcheiden. Boulenger giebt als Schwanzhöhe einer aus Dänemark ſtammenden Larve, die bei 50 mm Geſammt— länge einen 20 mm langen Körper hatte, 15 mm an; ein derartiges bedeutendes Höhen— maaß habe ich noch nicht finden können. Geographiſche Verbreitung. Nachdem wir auf Seite 537 einen vergleichenden Ueberblick über die Verbreitungsgebiete der beiden Unken gewonnen, wird es jetzt unſere Aufgabe ſein, die Grenzen des Wohnbezirks von Bomb. bombinus, inſoweit dies nach dem dermaligen Stande unſeres Wiſſens möglich iſt, feſtzuſtellen. Die weſtlichſten Punkte der Verbreitung dürften im weſtlichen Norddeutſchland zu ſuchen ſein, das wäre zwiſchen 25. und 26. Ferrograd. In Bezug auf das bereits früher gemeldete Auffinden eines Exemplars bei Oldenburg theilt Herr Dr. Greve mir mit, daß er ein anderes Stück in einem an Moor grenzenden Graben, etwa 8 km von der Stadt Oldenburg entfernt, ge Abänderung. Geſchlechter. Larven. Junge. Verbreitungs⸗ Grenzen. Deutſchland. 556 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſammelt habe; ſchon einige Meilen öſtlicher liegt der von Fr. Borcherding notirte Fund— ort Lilienthal, nordöſtlich von Bremen, in deſſen Fauna bereits 1874 Fr. Saga die Unke, und zwar als „Geeſtbewohner“, mit aufgezählt hatte. Derſelbe Längengrad berührt auch die Weſtküſte der Jütiſchen Halbinſel; doch habe ich nicht erfahren können, ob die Unke in den Marſchen des weſtlichen Holſtein, im weſtlichen Schleswig und Jüt— land lebt, ich weiß nur, daß ſie im öſtlichen Holſtein [Dr. Auguſtin] und auf den däniſchen Inſeln vorkommt. Collin nennt als Fundorte Nyborg, Glorup und Svend— borg auf Fünen, die zwiſchen Nyborg und Korſör belegene Inſel Sprogö, Taarnborg bei Korſör, Slagelſe, Overby (Själlands Odde), Frederiksdal, Jägersborg und Bakkebölle bei Vordingborg auf Seeland, die Inſel Möen und das kleine Eiland Fejö an der Nord— küſte von Laaland*). In den nördlichen Strichen Seelands würde die Unke ſomit am 56. Grad n. Br. die Nordgrenze ihrer Verbreitung erreichen, und der gleiche Breiten— grad ſchneidet auch in Südſchweden und Rußland den Wohnbezirk im Norden ab. Nilsſon giebt als ſüdſchwediſche Fundorte an: Trelleborg, Svedala, Börringe, Andrarum, Jordberga, Söfdeborg ꝛc., J. v. Bedriaga außerdem Kullen und Chriſtianſtad und aus dem ruſſiſchen Wohnkreis das Gouv. Moskau, wo die Unke ſich durch beſondere Größe auszeichnen ſoll [Zool. Anz. 1879 S. 668], die Umgebung von Charkow, Kiew, Kaſin bei Kiew, Nowo-Zybkow im Gouv. Tſchernigow, Taganrog und den oberen Lauf des Or, von wo Exemplare im Muſeum der K. Akademie zu St. Petersburg ſtehen; für Moskau verzeichnet bereits 1802 Dwigubsky die Rana bombina („in paludibus“), für Charkow 1851 Czernay, für das Cherſonſche Gouvernement, Wolhynien und Podolien 1832 Andrzejowski, für die Umgegend von Kamjenjez-Podolski 1859 Belke, für Polen („commun partout“) 1877 Taczanowski. Wie 1 die Unke nach Oſten hin geht, läßt ſich noch nicht beſtimmen, muthmaßlich etwa bis zur Wolga, keinenfalls aber über den Ural. Wenn die Südgrenze in Rußland etwa auf dem 47. Breitengrad ſich be— wegen mag, ſo ſenkt ſie ſich in den Donauſtaaten noch um vielleicht einen Grad, denn die rothbauchige Unke findet ſich laut Boulenger nicht nur in der Moldau (bei Broſtenii) und ſodann, wie die Stücke im Wiener Muſeum und die Angaben L. v. Méhely's er— härten, in Siebenbürgen, ſondern auch laut A. v. Mojſiſovicz im Donau-Drauwinkel z. B. bei Siklos u. a. Von hier durch die große Ungariſche Tiefebene bis Budapeſt (laut L. v. Méhely gefunden auf dem Räkosfelde bei Budapeſt, bei Szegedin, Körös— Ladany, Fünfkirchen und an vielen Orten des Bereger Komitat: Munkäcz, Värpalänca, Podhering, Oroszvég, Szernye-Sümpfe) ſich verbreitend und fernerhin wieder in der kleinen Ungariſchen Tiefebene (Preßburg, Raab, Abda) bezw. im Preßburger und ebenſo im Wiener Becken (Prater-Inſel) und in der March-Niederung (3. B. bei Holicz im Kom. Neutra: L. v. Méhely) auftretend, hat ſich hier die Südgrenze bereits um zwei Grade, bis zum 48. Grad. n. Br., gehoben. Dieſelbe rückt in Böhmen, wo unſere Unke laut Boulenger bei Prag angetroffen wird, noch um zwei Grade weiter nordwärts, bis ſie dann in Deutſchland öſtlich der Saale im Allgemeinen auf dem 51. und im nordweſtlichen Deutſch— land auf 52 oder 52 ½ Grad ſich hinziehen dürfte. Man ſieht, die rothbauchige Unke iſt an die Ebene, das Tiefland gebunden. Und darum können wir uns auch bei Betrachtung ihrer Verbreitung in Deutſchland kurz faſſen. Im weſtlichen Theil des norddeutſchen Flachlandes noch ſelten, ja hier und da, ſo im Münſterland, gänzlich fehlend, wird ſie in der Altmark, wo W. Wolterstorff ſie beiſpielsweiſe bei Dfterburg**) ſammelte, und namentlich öſtlich der Saale und *) Hierbel möge an die Erzählung erinnert ſein, Peder Oxe, Reichskanzler in der Mitte des 16. Jahrhunderts, habe nicht nur den Karpfen, ſondern auch den „Klokkefröen“ nach Dänemark und Schonen erſt verpflanzt. — **) Jedoch bei Salzwedel, laut L. Köhnke, noch nicht beobachtet. Elfte Art. Rothbauchige Unke. 557 Elbe um ſo zahlreicher. Nachdem auf ihre Anweſenheit im Oldenburger, Bremer und Holſteiner Gebiet bereits hingewieſen, ſeien aus dem nordweſtlichen Deutſch— land noch Harburg, Lauenburg und Lüneburg als einige, durch Schmeltz bezw. Claudius und Steinvorth angezeigte Fundorte vermerkt. Aus dem Braunſchweigiſchen Uebergangs— land, d. h. dem nördlichen Haupttheil des Herzogthums, liegen verſchiedene Nachrichten vor, welche bekunden, daß die rothbauchige Unke im Norden und Nordoſten dieſes Ge— bietes lebt, im Süden hingegen, ſo laut Angabe von Prof. Nehring bei Wolfenbüttel, fehlt. In den Tümpeln nahe den Dörfern Schapen und Eſſehof bei Braunſchweig hat Dr. R. Blaſius ſie im Frühjahr ſehr oft angetroffen, nach V. v. Koch's Mittheilung kommt ſie auch bei Bienrode und bei der Querumer Windmühle und kam ſie früher in der Buchhorſt und in den Klein-Schöppenſtedter Teichen, ſowie im Hagenbruch vor Wolterstorff, Nordw. Berglde.]. Prof. Nehring fand fie bei Helmſtedt häufig in Teichen, E. Cruſe hörte ſie bei Weferlingen, und im Magdeburger Muſeum ſtehen durch Klöber auf der Altenburg bei Quedlinburg geſammelte Exemplare. Sodann haben wir Anzeigen aus dem Anfang der Unter-Saale. In ſeiner fauniſtiſchen Arbeit über die Unke [Magdeb. Naturw. V. 1890] hat Wolterstorff unter Zugrundelegung eigener Er— fahrungen und der Beobachtungen ſeiner Korreſpondenten die Aufmerkſamkeit darauf hin gelenkt, daß die rothbauchige Unke nicht nur an der Saale ſelbſt, ſondern auch in der völlig außer dem Bereich der Saale-Ueberſchwemmungen liegenden, meiſt waldloſen Ebene zwiſchen Halle a. S., Landsberg am Strengbach und dem Petersberg, alſo öſtlich der Saale, lebt und beiſpielsweiſe in einem Dorfteich zu Tornau bei Halle und ſowohl in den zahlreichen Teichen wie auch in der Waſſeranſammlung eines Porphyrſteinbruches bei Hohenthurm mit dem grünen Seefroſch und Pelobates-Larven vereint gefangen wurde, daß aber dieſe Fundorte an Individuen-Reichthum ſich nicht vergleichen laſſen mit dem ganzen waldigen Sumpfgelände zwiſchen Merſeburg und Leipzig, d. h. öſtlich der Saale an der Elſter und Luppe, von wo das häufige Vorkommen unſerer Unke z. B. von Ammendorf in der Saalaue und Schkeuditz im Elſterthal bekannt iſt; als einzelne Fundorte ſeien noch Lindenau und nordöſtlich von Landsberg Bitterfeld a. d. Mulde genannt. Entſprechende Verhältniſſe wie in dem eben genannten Sumpfgelände obwalten in dem Biederitzer Buſch auf dem rechten Elbufer bei Magdeburg; hier und bei Kreuzhorſt ſowie in dem Ueberſchwemmungsgebiet der Elbe zwiſchen Cracau und Preſter lebt ſie in großer Anzahl. Das Wohngebiet der Tieflands-Unke zieht ich ſo dann an der Elbe hinauf bis Dresden, wo ich ſie 1874 am rechten Ufer in der Lößnitz und in Tümpeln der Dresdener Haide beobachten konnte. Weiter iſt ſie in Nieder ſchleſien und der Niederlauſitz zu Hauſe; und wenn ſie nach H. Schalow's und meinen Wahrnehmungen der ganzen Provinz Brandenburg angehört, ſo hat H. Schalow ſie doch nirgend ſo auffallend häufig angetroffen als gerade in jenen ſüdlichen Theilen des Reg.-Bez. Frankfurt; mir dagegen iſt ſie in ungewöhnlicher Zahl begegnet auf der Platte des Barnim bezw. in der Märkiſchen Schweiz, wo ich namentlich am 10. und 11. Juli 1880 ſie in Regentümpeln am Wegrande und in der Thongrube zwiſchen Müncheberg und Buckow, in Lachen und Weiherchen im und am Walde hinterm Schermützelſee, nach den Bollensdorfer Höhen und dem Tornowſee zu ſah und aus ihnen ihren weichen Ruf erklingen hörte. Ebenſo ſammelte ich ſie bei Strausberg, Herr Prof. Altum ver zeichnet ſie mir für die Umgegend von Eberswalde, inſonderheit für den Schutzbezirk Breitefenn des Lieper Reviers, Herr Prof. v. Martens für die Steinbrüche bei Rüders dorf (1879); laut Dr. C. Müller bezw. Dr. Stein war ſie früher in Tümpeln um Weißenſee bei Berlin und an der Havel bei Pichelsberg häufig; beim Finkenkrug und im Brieſelang zwiſchen Spandau und Nauen iſt ſie eine bekannte Erſcheinung, ebenſo Artkennzeichen. Körperbau. 558 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. findet man ſie bei Potsdam, Wildpark, im Grunewald, bei Charlottenburg und anderen Orten um Berlin. Aus der Neumark, wo ſie ſowohl ſüdlich (3. B. Schwiebus, Züllichau) als auch nördlich der Warthe bis Arnswalde, Rohrbeck, Neuwedell an der Pommerſchen Seenplatte heimiſch iſt, tritt ſie ins Poſen'ſche über, und nach den mir aus der Gegend von Schwerin, Filehne, Czarnikau, Schneidemühl, Bromberg vorliegenden Mittheilungen ſcheint ſie dort allgemein verbreitet zu ſein. Das Gleiche gilt, wie Prof. Zaddach und Dr. Dewitz mir ſchrieben und wie W. Wolterstorff wenigſtens für Weſtpreußen beſtätigt, für die nordöſtlichen Gebiete des Königreichs. Daß ſie den Pommerſchen Küſtenſtrichen nicht mangelt, wird mir durch Nachrichten aus der Umgebung von Köslin ſowie auch von Greifswald erwieſen; von Köslin kenne ich ſie ſelbſt, Dr. Holland nennt außer— dem noch die Gegend von Bublitz, Stettin ꝛc., vermißte ſie jedoch bei Stolp; für die Inſel Rügen und für Neu-Vorpommern, insbeſondere die Kreiſe Franzburg und Grimmen, melden ſie mir die Herren L. Holtz und Dr. Katter, von Barth und von Poggendorf bei Grimmen ſtehen Stücke im Greifswalder Muſeum. Und in Mecklen— burg findet ſie ſich laut C. Struck überall, um ſich von da aus ins Lauenburg'ſche und ins öſtliche Holſtein (ſ. S. 556*) zu verbreiten. Rana bombina, Linn“ 1761. — Bufo igneus, Zaurenti 1768. — Bom- binator igneus, Merrem 1820. 6. Gattung: Fehler. Alytes, Wagler. Tracht krötenartig; Kopf breit, flach mit ſtark gewölbter Schnauze; Augen ſtark vorgequollen, Pupille eine ſenkrechte, in der Mitte ſeitlich erweiterte, bifonvere Spalte; Ohrdrüſenwulſt länglich; Trommelfell rundlich, ziemlich groß, deutlich; Zunge ſcheibenförmig, gefurcht, im hinterſten Theile frei und ganzrandig; Schallblaſen fehlend; Haut mäßig warzig; Finger kurz, frei; Sehen mit kurzer, derber (Drittels) Schwimmhaut; Querfortſätze des Kreuzbeinwirbels nur mäßig verbreitert. In Deutſchland eine Art: 12. Art: Geburtshelferkröte. Alytes obstetricans (Zaur.). Abbildung: Tafel I Nr. 4. Tafel II Nr. 5. Cänge knapp 4 bis höchſtens 5 em; Schnauze abgerundet dreieckig, gewölbt; Ohrdrüſenwulſt über und hinter dem Trommelfell deutlich abgehoben; als eine Art Fortſetzung von ihr an jeder Rückenſeite eine Reihe knopfartiger Warzen; Haut des Rückens mit ziemlich kleinen, rundlichen Warzen, aber ohne Hornſtacheln, am Bauche körnig; hinter der Wurzel der inneren Sehe eine fog. 6. Sehe als ein mäßiger, flacher Höcker; am Hinterrande des Handtellers drei Höcker, dem J., 3. und 4. Finger entſprechend; Oberſeite aſch- oder bräunlichgrau mit dunklen Flecken, Unterſeite weißlich. Aeußere Erſcheinung. Der Körper, die ganze Tracht des Feßlers iſt zwar krötenartig, indeß iſt der Rumpf nicht ſo breit und gedrungen wie bei den Kröten und der Knoblauchskröte, anderſeits aber auch nicht ſo verhältnißmäßig ſchlank als bei der Unke; Alytes hält darin etwa die Mitte zwiſchen beiden Formen. Der Kopf iſt ab— gerundet dreieckig, etwas breiter als lang, ſeitlich faſt ſenkrecht abfallend, im mittleren und hinteren Theile oben flach, an der Schnauze jedoch gewölbt, im Verhältniß zu ) Dr. Fr. Dahl iſt kein Fund aus Schleswig-Holſtein bekannt geworden. Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 559 dem der Knoblauchskröte weniger gedrungen erſcheinend, das hinterſte Ende der Mund— ſpalte leicht nach oben gegen das deutliche, ziemlich große und rundliche Trommelfell, deſſen ſenkrechter Durchmeſſer etwas kleiner als der des Auges iſt, gerichtet, das Auge groß und ſehr ſtark vortretend, die Pupille im Lichte eine ſenkrechte Spalte (wie bei Pelobates), die ſich im Schatten und gegen Abend ſeitlich verbreitert und eine ſenk— recht rautenförmige Geſtalt annimmt und bei Dunkelheit, des Nachts, rundlich wird; die Entfernung zwiſchen beiden Augen iſt verhältnißmäßig faſt doppelt ſo groß als bei Bombinator, wenngleich nicht ſo weit wie bei Pelobates; die Naſenlöcher ſind mittelgroß, eiförmig, weit vor an die Schnauze gerückt, ihre Entfernung von einander und von dem vorderen Augenrande iſt etwa ebenſo groß, wie der Raum zwiſchen den Augen (Stirnbein) breit; die Gaumenzähne bilden zwei kleine, hinter und einwärts von den inneren Naſenlöchern ſtehende Quergruppen; die ſehr große Zunge iſt breit eiförmig, faſt mit ihrer ganzen Unterſeite feſtgewachſen, am Hinterrande ohne jede Einbuchtung. Schallblaſen fehlen. Einen ſcharf ausgeprägten Ohrdrüſenwulſt, wie er den echten Kröten zukommt, vermißt man; die über dem Trommelfell befindliche Wulſt, welche nur am Außenrand deutlich ſich abhebt, nach innen zu aber allmählich ſich verliert, erſcheint nicht recht geſondert, ſondern als der vordere Abſchluß eines von der Wurzel der Hintergliednaße an längs der Grenze von Rücken und Körperſeite nach vorn ziehenden und namentlich in der mittleren Körperpartie ſtark ausgeſprochenen hellen Drüſenwulſtes bezw. einer durch die Drüſen erzeugten Längsreihe knopfartiger Warzen; ein weiterer Unterſchied der „Parotis“ des Alytes von der der echten Kröten beſteht darin, daß ſie bei jenem das Ohr auch hinten und zwar halbkreisförmig umſchließt. Auch ſonſt hat die im Uebrigen zarte, dünne Haut größere Drüſen aufzuweiſen: am Außenrand des Unterſchenkels einen Drüſenwulſt, auf welchem 1863 C. Bruch [N. B. S. 93] zuerſt hinwies; ebenſo längs des Außenrandes der Fußſohle, wie Leydig zuerſt bemerkte [Anuren S. 73], eine etwa 10 mm lange, aus dicht gehäuften Drüſenſäckchen beſtehende wulſtartige Verdickung, und auf dem Rücken bald dichter, bald ſpärlicher ſtehende rundliche Drüſenwarzen, die zwar nicht ſo kräftig hervortreten wie die der erwähnten Seitenreihe, aber doch beſſer entwickelt find als die Wärzchen des Bauches und der Weichengegend und aus ihren Drüſen ein grauweißes Sekret ausſcheiden, das bei der Tödtung der Thiere einen ſtarken knoblauchsartigen Geruch wahrnehmen läßt; die Schnauzen- und Wangengegend, Kehle, Bruſt und Unter— ſeite der Gliedmaßen bleiben glatt. Die Vordergliedmaßen ſind kurz und fleiſchig, etwa von Rumpflänge, nach hinten geſtreckt etwa bis zur Einlenkung der Hinterbeine reichend, ihre Handteller am Hinterrande mit je drei verhältnißmäßig großen, weichen, rundlichen Höckern verſehen, welche neben einander an der Wurzel des erſten oder inneren, des dritten und des vierten Fingers — der mittlere Höcker iſt etwas weiter vorgerückt und am kleinſten, der äußere der größte — ſtehen, ihre Finger ſchlank und drehrund, an den Gelenken nicht verdickt, nur am Grunde ſchwach geheftet, im Uebrigen aber vollkommen frei; der dritte Finger iſt der längſte, dann folgen der Länge nach der zweite, vierte, erſte. Die Hintergliedmaßen reichen, nach vorn geſtreckt, mit dem Tibiotarſalgelenk bis zum Trommelfell bezw. mit der Spitze der längſten, vierten Zehe um ein Beträchtliches, zuweilen faſt um die Länge des Fußes, über die Schnauzenſpitze hinaus. Ihre Zehen ſind ziemlich abgeplattet, ſtumpf zugeſpitzt, unterſeits glatt, durch eine derbe, kurze Schwimmhaut etwa bis zu einem Drittel ihrer Länge unter einander verbunden, während der nach der Spitze hin liegende Theil nur ganz ſchmal beſäumt iſt; ſie nehmen von der erſten bis zur vierten raſch an Länge zu, die fünfte wiederum iſt faſt ebenſo lang wie die zweite; an der Maaße. Färbung. Abänderung. 560 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Wurzel der inneren Zehe ſteht ein etwa hirſekorngroßer, aber flacher Höcker als An— deutung der ſog, ſechsten Zehe, im Uebrigen bemerkt man auf der Sohle ein bis drei winzige Tuberkeln. Die Größe geſchlechtsreifer Thiere beträgt 4 bis 5 em und iſt nur geringen Schwankungen unterworfen. Die ganze Vordergliedmaße iſt etwa ſo lang als der Fuß mit Zehen der Hintergliedmaße, die letztere um ein Drittel oder ein Viertel länger als Kopf und Rumpf zuſammen, der Unterſchenkel etwa fo lang als der Kopf und dieſer um ein oder einige Millimeter breiter als lang. Nachſtehende, an einem Männchen (Nr. 1) und einem Weibchen genommene Maaße mögen zum näheren Ver— gleich dienen. Geſammtlänge von der Schnauzenſpitze bis zum After Nr. 1: 40 mm, Nr. 2: 48 mm; Länge der Vordergliedmaße 23 bezw. 28 mm; Länge der ganzen Hintergliedmaße 53 bezw. 62 mm, des Hinterfußes mit Zehen 23 bezw. 27 mm, des Unterſchenkels 14 bezw. 17 mm; Kopflänge 14 bezw. 15,5 mm; größte Kopfbreite 16 bezw. 18,5 mm; Entfernung zwiſchen den vorderen Augenwinkeln 9 bezw. 9,3 mm. Die Färbung erſcheint ſehr einfach. Die der Oberſeite iſt ein, oft ins Blei— farbige oder ins Gelbliche, Braune und Grünliche ſpielendes Aſchgrau, auf welchem ſich die einzelnen weißgelblichen und ſchwarzen Warzen wie helle und dunkle Punkte ab— heben; die Warzen des ſeitlichen Längswulſtes ſehen durchweg hellgrau oder weißlich aus und zeigen bei manchen Thieren eine roſen- oder ſchwach mennigrothe Spitze; die Oberſeite der Beine iſt gewöhnlich mit größeren ſchwarzen Flecken gezeichnet, zuweilen faſt marmorirt; manchmal erſcheint auch der Rücken ſchwärzlich, braun oder bräunlich— grün gefleckt; am Oberkieferrand machen ſich zuweilen gelbliche Tüpfel, auf dem Trommelfell graubräunliche Sprenkel bemerkbar. Die Unterſeite iſt weißlich, oder hell graugelblich, gegen die Flanken hin und an der Kehle gern ſchwarzgrau geſprenkelt; die Aftergegend und die Unterſeite der Schenkel zeigt einen fleifchfarbenen Ton. Die Iris iſt goldgelb mit reichlicher ſchwarzer Aederung, namentlich in der unteren Hälfte, und mit einem ſchwarzen, aber nicht ſcharf ausgeſprochenen Bindenfleck zwiſchen Pupille und vorderem Augenwinkel; letztere Binde zieht ſich bei manchen Thieren, auch ſoeben entwickelten, quer durchs ganze Auge. Die Färbung des Feßlers erweiſt ſich, im Gegenſatz zu anderen Froſchlurchen, recht beſtändig, ſodaß man — da die durch das Spiel der beweglichen Farbzellen je nach der ſehr warmen, ſonnigen oder der kalten Witterung hervorgerufene Aufhellung bezw. Verdunkelung des Grundtons nicht ins Gewicht fällt — von Varietäten bei uns nicht ſprechen kann. Hingegen hat man Leucismen beobachtet, die bei reinweißer, röthlichweißer oder gelblicher Färbung rothe Iris haben, und F. Lataſte hat als Var. Boscai eine Varietät beſchrieben, die bisher nur auf der Iberiſchen Halb— inſel konſtatirt iſt und nicht blos hinſichtlich der Färbung, ſondern auch in körper— lichen Eigenheiten von der Hauptform abweicht. Zunächſt und vornehmlich iſt der Schädel bei der genannten Varietät länger und breiter als die Länge der Wirbelſäule (bei der Stammform kürzer und ebenſo breit wie die letztere), ihre Körperhaut feiner und glatter, der Drüſenwulſt der Seiten bedeutend ſchwächer, der das Trommelfell hinten umziehende Wulſt weniger ſichtbar, das erſtere ſelbſt iſt größer, die Schnauze höher und ſomit die Entfernung der Naſenlöcher vom Kinnladenrand etwas größer als bei der Stammform. Oberſeite hellgrau oder gelblich mit größeren braunen und grünlichen Flecken und eingeſprengten rothen Punkten, manchmal mit ausgeprägten hellen Winkelzeichnungen; Unterſeite gewöhnlich reinweiß oder gelblichweiß, an den Gliedmaßen mit fleiſchfarbigem Anflug, die Kehle mitunter (bei den aus dem gebirgigen Nordſpanien ſtammenden Stücken) dunkel gezeichnet; Iris röthlich mit Goldſchimmer. Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 561 Die Geſchlechter bieten keine augenfälligen Merkmale dar, und da das Männchen auch die Daumenſchwielen entbehrt, ſo iſt die Unterſcheidung ſelbſt im Frühjahr mit erheblichen Schwierigkeiten verknüpft und das Männchen erjt ſpäter, wenn es die Eier— ſchuüre um die Hinterbeine gewickelt trägt, mit Sicherheit zu erkennen. F. Lataſte giebt zwar an, daß beim Weibchen der Kopf etwas kleiner und länger ausgezogen, der Rumpf länger und dabei abgerundeter und breiter und die Beine etwas kürzer als beim Männchen und Kopf und Rumpf ſchwach abgeſondert ſeien; indeſſen er— ſcheinen dieſe Merkmale denn doch zu fein und nur bei ausreichendem Vergleichsmaterial verwendbar. Hingegen weiſt J. v. Bedriaga auf ein anderes Verhältniß hin, in dem die verſchiedene Beinlänge zum ausſchlaggebenden Faktor wird: ſitzen die Thiere ruhig da, ſo weiſen ſich die Weibchen (welche auch langrumpfiger und größer ſind) dadurch aus, daß bei ihnen „die Kniebeuge kaum die halbe Länge der Entfernung zwiſchen den Wurzeln der Vorder- und Hinterbeine erreicht“, während bei den Männchen „die Knie— beuge jene halbe Entfernung überragt und nahezu mit der Achſel in Berührung“ kommt. Die Larven verlaſſen, wie auf Seite 415 betont, die Eihüllen in einem viel weiter vorgeſchrittenen Zuſtande als die Kaulquappen unſerer übrigen Froſchlurche; ſie beſitzen beim Ausſchlüpfen eine Körperlänge von 5 oder 6 und eine Geſammtlänge von 15 bis 19 mm und eine zwar noch helle, aber infolge zahlreicher kleiner ſchwärzlichbrauner Pigmentkörnchen dunkel erſcheinende Grundfärbung, auf welcher ſich dichtgeſtellte, in den Oberhautſchichten lagernde, metalliſch glänzende Sprenkeln von gelbweißem Ausſehen ab— heben. Dieſe Sprenkeln, denen ſich einzelne goldſchimmernde Pünktchen auf der ſchwarzen Iris anreihen, ſind im Sommer und Herbſt bei der einige Monate älteren, 40 bis 50 mm langen Quappe größer und zahlreicher geworden; und an dieſem in Menge auftretenden ſilber- und goldglänzenden Pigment und vornehmlich an dem geraden, aus einer An— häufung der ſilberſchillernden Metallfleckchen entſtandenen Längsſtreifen auf der Bauch— mitte, in deſſen Anfang das in der Mittellinie des Körpers liegende Kiemenloch ſich befindet, iſt die Feßlerlarve leicht zu erkennen. Dieſelbe überwintert in der Regel als ſolche und erreicht dann im nächſten Frühling eine größte Länge von 60 bis 70, mit— unter ſogar bis 80 oder ſelbſt 90, zuweilen indeſſen nur 50 bis 55 mm, wovon der Schwanz, welcher je nach der Größe 12 bis 19 mm hoch iſt, drei Fünftel oder zwei Drittel in Anſpruch nimmt und beiſpielsweiſe bei einer 78 mm langen Larve in der Länge 50 mm, in der Höhe 18 mm mißt. Der Körper ſolcher Larven (Tafel II Nr. 6) iſt wie der Kopf ſehr breit, ſein Umfang faſt überall gleich, der Rücken leicht gewölbt, der faſt ohne Abſatz dem Rumpf ſich anſchließende Kopf an der Schnauze ſtark gewölbt, die letztere breit abgerundet, der Abſtand der großen, mehr ſeitlich als oben ſtehenden Augen von— einander iſt nahezu doppelt ſo groß wie die Entfernung zwiſchen den kleinen, ſtark nach oben gerückten Naſenlöchern bezw. zwiſchen Auge und Naſenloch, die Mundbreite gewöhnlich ein Weniges geringer als der Interocularraum; die Lippenränder ſind mit anſehnlichen, auch dem unbewaffneten Auge deutlich bemerkbaren Papillen beſetzt, die Lippen an der Innenfläche mit ſchwarzbraunen, am Rande ausgezackten Zähnchen bewehrt, welche oben in zwei, unten in drei Bogenreihen (von denen die untere dritte, dem wenig vortretenden Kiefer zunächſt ſtehende Reihe in der Mitte unterbrochen iſt) angeordnet erſcheinen; das auf Seite 416 erwähnte Kiemenloch liegt wie bei Bombinator in der Mittellinie des Bauches, vielleicht 1½ em von der Mundöffnung entfernt unterhalb des Herzens, die weite und lange Analröhre (S. 417) mündet gleichfalls in der Mittellinie, d. h. in der Unterecke der Schwanzfloſſe nach außen; der breit angeſetzte fleiſchige Schwanz iſt um⸗ geben mit einem hohen, bogigen, am Ende breit abgerundeten Floſſenſaum, deſſen oberer Theil leicht auf den Rücken übergreift und gewöhnlich ein wenig höher als der untere 36 Geſchlechter. Larven. Junge. Allgemeine Ver⸗ breitung. 562 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Theil iſt. Was die Färbung erwachſener Larven anbelangt, ſo ſei der Befund wieder— gegeben, den ich am 21. Mai 1888 von zwei überwinterten, 68 bezw. 60 mm langen Kaulquappen, deren erſtere bereits Hinterbeine beſaß, vermerkt und nachdem wie vordem in entſprechender Weile auch an anderen Stücken geſehen habe: Oberſeite auf ſchwärzlich— oder braungrauem Grunde mit ſehr zahlreichen, dichtgeſtellten metalliſch-glänzenden gelb— lichen Sprenkeln oder Tüpfeln, welche an manchen Stellen kaum etwas von dem dunkeln Grunde erkennen und dieſen nur fleckenweiſe recht deutlich werden laſſen?); Unterſeite hell ſtahlblau mit vielen ungleichgroßen metalliſchen gelblichen Punktflecken und längs der Mittellinie des Bauches bis zum After mit dem oben erwähnten charakteriſtiſchen Silberſtreifen; Hinterbeine obenher gelblich mit einzelnen ſchwärzlichen Flecken, Schwanz— körper bräunlichgelb, glänzend, mit zackigen ſchwärzlichen Flecken, wie ſolche auch, doch von mehr rundlicher Form, auf dem durchſcheinenden Floſſenſaum des Schwanzes, und zwar ſehr ſcharf hervortreten; Iris goldglänzend, an der rechten und linken Seite dunkel, ſodaß das Auge eine Art dunkler Querbinde erhält. Wenn auch die Vorderbeine durchgebrochen ſind, der Schwanz zurückgeht und der Hornſchnabel durch das Froſchmaul verdrängt wird, erſcheinen Haut und Färbung ſchon ganz denen der alten Kröten ähnlich. So beſaß die erſte der oben beſchriebenen beiden Larven am 15. Juni, an welchem Tage dieſer geſchwänzte Vierfüßler bei 40 mm Gejammt- länge noch einen 21 mm langen Schwanz hatte, eine bereits rauhkörnige Haut und namentlich hob ſich die an jeder Rückenſeite hinziehende Reihe hellgrauer oder weißlicher Warzen ſchon kräftig ab; Oberſeite des Rumpfes und Kopfes ſchwärzlichgrau oder aſch— braun mit ganz kleinen hellen, aber nicht mehr wie bei jüngeren Larven metalliſch gold— glänzenden Punkten; Oberſeite der Beine grau mit ebenfalls kleinen weißlichen Punkten und ſchon früher vorhandenen ſchwarzen Flecken, welch’ letztere auf den Vordergliedmaßen mehr punkt- oder tüpfelartig, auf den Hinterbeinen jedoch größer, zackiger ſind und mit— unter ſogar zu kurzen ſchwarzen Querbinden zuſammenſtoßen, Zehenſpitzen weißlich; Unterſeite der Beine, insbeſondere der hinteren, mit feinen weißlichen Wärzchenpunkten, Bauch und Kehlgegend noch hell ſtahlblau mit ungleichgroßen ſilberglänzenden Makeln, die an der Kehlgegend als rundliche Tupfen, am Bauch als größere unregelmäßige Flecken ſich ausprägen, dagegen iſt der frühere Silberſtreif längs der Bauchmitte geſchwunden; Iris blaß goldgelb mit vielem, in Pünktchen und Aederchen ſich zeigendem Schwarz, Pupille eine ſchwarze enge ſenkrechte Spalte „mit winkeliger Einkuickung“. Dieſe Färbung bemerken wir im Allgemeinen an allen jungen, friſch verwandelten Feßlern, nur daß die einen oberſeits heller grundirt ſind als die anderen, nämlich aſchgrau oder hell aſchblau, und darum, wie die Abbildung 5 auf Tafel II vergegenwärtigt, ſchärfer dunkelgefleckt erſcheinen; auch tritt an Bruſt und Bauch an die Stellen des hellen Stahlblau eine gelblichweiße Tönung. Bei Abſchluß der Verwandlung ſind die jungen Kröten durch— ſchnittlich 25 mm lang. Das aus der beſprochenen Larve Ende Juni entwickelte Exemplar wies folgende Maaße auf: Geſammtlänge 22 mm, vordere Gliedmaße 12, mm, hintere 27 mm, Hinterfuß allein (bis zur Spitze der längſten Zehe) 11 mm, Unterſchenkel 7, mm, größte Kopfbreite 8, mm, Entfernung zwiſchen den vorderen Augenwinkeln 4, mm. Geographiſche Verbreitung. Das Verbreitungsgebiet dieſes Batrachiers, der eine entſchieden weſteuropäiſche Art darſtellt, iſt ein recht beſchränktes, da es ſich nur über Auf ſolche Weiſe wohl entſtehen die von C. Koch als „ein ſehr charakteriſtiſches Erkennungs— merkmal für die Alytes-Larven“ erwähnten „kräflig markirten größeren kaſtanienbraunen Flecken über dem ganzen Körper mit Ausnahme des Bauches und namentlich auf der durchſchimmernden Schwimmfloſſe des Schwanzes, die mit dem Wachſen der Quappe und gegen die Zeit der weiteren Entwicklung immer größer und deutlicher werden“. + Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 563 ungefähr 20 Längen- und 15 Breitengrade erſtreckt, nämlich etwa vom 9. Ferrograd im Weſten bis 28 ½ » ö. L. im Oſten und vom 37. Grad n. Br. im Süden bis zum 52. Breitengrad im Norden. Die weſtlichſten und auch die ſüdlichſten Punkte der Ver— breitung liegen auf der Pyrenäiſchen Halbinſel, die öſtlichſten und gleicherweiſe die nörd— lichſten in Norddeutſchland, und außer Portugal-Spanien und Deutſchland werden nur noch Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Schweiz in den Wohnkreis des Glocken— froſches einbezogen. Auf der Pyrenäiſchen Halbinſel iſt er allgemein verbreitet und die die dortige Fauna behandelnden Schriften geben ihn für die verſchiedenen Provinzen der beiden Staaten, ſowie für die Balearen, ſpeziell die Inſel Majorka an. Diesſeits der Pyrenäen begegnen wir ihm laut Lataſte im Gouvernement der Nieder-Pyrenäen und muthmaßlich wird er auch weiter oſtwärts bis in die Landſchaft der Oſt-Pyrenäen vor— kommen, ebenſo wie er laut Reguis in dem ſüdoſtfranzöſiſchen Bergland der Nieder— Alpen zu Hauſe iſt, während er die See- und Hochalpen allem Anſchein nach meidet und ſicher auch nicht über die Alpen nach Italien übertritt. Hingegen iſt dieſe Art, und 3. Th. in großer Zahl, nicht nur in ganz Frankreich bis in den Ardennen-Bezirk und die Picardie und Normandie hinauf heimiſch, ſondern von hier aus auch nach der Schweiz, in die Deutſchen Lande, nach Luxemburg und Belgien, wo ſie laut Fontaine von der Moſel-Ebene an bis in die Ardennen hinein „commune partout“, laut Selys-Longchamps aber in Flandern und Lüttich „tres-rare* ift, vorgedrungen. Betreffs ihrer Verbreitung in der Schweiz finden wir in der 1837 veröffentlichten Fauna helvetica folgende Mittheilung: „Am Bieler und Neuenburger See. Zuerſt machte Studer ſie bekannt, welcher ſie in der Gegend von Gottſtadt fand, dann fand Prof. Agaſſiz viele bei Neuenburg, und im Herbſt 1835 entdeckte ſie Hr. Tſchudi auch bei Zürich im ſog. Zürichberg in Erdlöchern im Oktober, wobei ſie noch Eier trug.“ 1871 ergänzt dieſe Nachricht V. Fatio durch die Angabe, daß Alytes die nördlich der Alpen belegenen Kantone Waadt, Neuchatel, Solothurn, Bern, Zürich, Appenzell und St. Gallen bewohne, und daß er zwei Stück im Juni 1862 noch an der Megisalp im Berner Oberland, 1500 m überm Meeresſpiegel, angetroffen habe, während Prof. Th. Studer laut briefl. Mittheilung an mich ſie im Berner Oberland nicht beobachtet hat. Da die Herren Dr. Fr. Müller und H. Fiſcher-Sigwart, wie ſie mir meldeten, den Feßler auch aus der Nähe Baſels und aus der Stadt ſelbſt (vom Steinenbollwerk) bezw. vom mittleren Theil des ſchweizeriſchen Hochplateau: oberer Theil des Kantons Aargau, Kanton Solothurn, Luzern und z. Th. der Kanton Bern, kennen, jo iſt wohl erwieſen, daß die Geburtshelferkröte der ganzen nördlichen Schweiz vom Jura bis zum Rhein im Oſten angehört und nur den Strecken des Hochgebirges fehlt. Ingleichen mangelt ſie dem öſterreichiſchen Alpengebiet, wie überhaupt den Ländern des öſterr.-ungar. Kaiſerſtaates. Obzwar von der elſäſſiſchen Seite des Oberrheins mir kein Fundortsnachweis vorliegt, jo ſteht doch zu erwarten, daß Alytes wenigſtens in den Vogeſen-Strichen vorkommt, da er, wie wir durch Wiedersheim, Fr. Müller, Noll und Nüßlin wiſſen, auf der badenſchen Seite bei Müllheim und bei Freiburg“) konſtatirt iſt und da er auch in Lothringen und den angrenzenden Theilen Frankreichs nicht vermißt wird. Als Glied der Moſel-, Saar- und Sauer-Fauna kennen wir dieſe Froſchkröte durch Schäfer ja ſchon ſeit 1844, welcher im Einzelnen als Wohnplätze des Thieres nennt: ſteinige Orte des Sirzenicher Thales, des Pfalzeler, Eurener und Zewenner Waldes, Rahlinger Röder. Ferner iſt ſie laut Geiſenheyner an der Nahe häufig bei Kreuznach (am Oranienhof und D Prof. R. Wiedersheim theilte mir unterm 4. April 1880 freundlichſt mit: „Die Geburtshelfer kröte kenne ich aus dem Sulzburger Thal bei Müllheim, alſo einem Seitenthal des Rheinthals, früher ſoll ſie auch in den Bergen unmittelbar hinter Freiburg gelebt haben“. 36 * Rheinlande. Weſtfäliſches Gebiet. 564 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Viktoriaſtift, um den Graben der Kuhtränke, an der Theklawieſe, auf dem Hungerigen Wolf und dem Rothenfelsplateau, beim ſtädtiſchen Forſthaus, am Buſchberg im Goldloch, dem Thale des Trollbaches unterhalb Laubenheim), ſowie naheaufwärts bei Gemünden. Nördlich der Moſel und Sauer, d. h. in der Eifel, iſt fie durch Leydig und Max Weber [Rhön], welche mehrere Stücke am Palmberg bei Bertrich, an einem Abhang in dem bei Cochem ins Moſelthal mündenden Enderthal und am Moſenberg erbeuteten, und 1894 durch Gymnaſiall. J. Steffens in Ahrweiler für das Gebiet dieſer Stadt nach— gewieſen. Leydig erwähnt 1877 des Feßlers auch aus der Gegend von Bonn: Prof. Troſchel erzählte ihm, daß man früher regelmäßig den hellen Glockenton des Alytes im Botaniſchen Garten zu Poppelsdorf gehört habe, und Joh. Müller hatte bereits 1830 in ſeinem Werke „De glandularum ...“ den Bufo obstetricans von Keſſenich nahe bei Bonn angezeigt, nachdem einige Jahre vorher der Profeſſor der Naturgeſchichte zu Bonn, Goldfuß, in ſeinem Grundriß der Zoologie des Feßlers als „häufig im Rheinthal“ gedacht. Auch Pflüger hat ihn bei Bonn gefunden. Wenn ſüdlich der Mainlinie allem Anſchein nach die weſtlichen Abdachungen des ſüdlichen Schwarzwaldes bei Müll— heim und Freiburg i. Br. die einzigen deutſchen Fundplätze öſtlich des Rheins ſind und die Geburtshelferkröte im und am übrigen Schwarzwald, im Odenwald und an der Bergſtraße fehlt — nur Bonaparte giebt die Art für Mannheim an —, ſo tritt ſie nördlich jener Linie auf dem rechten Ufer des Rheins ſtellenweiſe recht häufig auf und iſt ſie durch den Taunus, den Weſterwald, das weſtfäliſche, lippeſche und heſſiſche Berg— land bis an die Weſer und über dieſe hinweg bis in den Harz und die nordweſtlichen Ausläufer des Thüringer Waldes vorgedrungen. Inbetreff des Taunus theilte der in— zwiſchen verſtorbene Dr. C. Koch 1881 mir mit, daß die Feßlerkröte dort wenigſtens an den Südabhängen nirgends zu fehlen ſcheine, hingegen in der Main-RMhein-Ebene ent— ſchieden nicht vorkomme, nachdem er 1872 ſchon berichtet hatte, Alytes finde ſich zahlreich in den Thälern der oberen, mittleren und unteren Lahngegenden, beſonders im Dillthal, und ferner durch den ganzen Mittelrhein zur rechten und linken Seite in den Gebirgen, und im hohen Taunus, namentlich an deſſen Abfällen nach dem Lahnthal und um den Weſterwald herum ſei der flötenartige Ruf den Bewohnern wohl bekannt. Noch früher, nämlich 1859 in der erſten Veröffentlichung ſeiner Arbeit über die Naſſau'ſchen Reptilien 2c., hatte C. L. Kirſchbaum gemeldet, daß bis dahin „blos einige junge Exemplare von Prof. Schenck am Wehrholz bei Weilburg unter Steinen angetroffen“ worden ſeien, konnte dem aber 1865 außer dem Koch'ſchen Fundort Dillenburg noch Hadamar, wo er ſie am Heidenhäuschen ſelbſt entdeckt, hinzufügen, und Fr. Noll nannte 1881 im „Zoolog. Garten“ als Fundplätze an der oberen Lahn noch die Umgebung der heſſiſchen Orte Biedenkopf und Marburg. Und wie vom Rhein aus der Gegend von Linz, wo Melsheimer bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten eierbeladene Männchen in Waſſertümpeln zu Dattenberg und im Hönniger Walde antraf, ſo iſt ſie auch aus dem nördlich an den Weſterwald grenzenden bergigen Siegener Land ſeit geraumer Zeit bekannt, denn hier wurde fie ſogar, wie Suffrian 1846 vermerkt, bereits im Frühjahr 1841 von dem Kandidaten Gröning am Häusling entdeckt. Häufiger aber als in dem kälteren Siegener Lande lebt ſie, wie Weſthoff betont, in der etwas wärmeren nördlichen Region der Sauerländiſchen Gebirge. Als Fundorte werden u. a. verzeichnet: Siegen, Hilchenbach, Brilon, Meſchede, Arnsberg, Hönnethal, Attendorn, Hohenlimburg, Weſtherbede, Werden; und ebenſo bewohnt ſie die zur Rheinprovinz gehörigen Striche an der oberen Wupper bei Barmen-Elberfeld, wo ſie beiſpielsweiſe von C. Hartmann 1893 am Hardtbuſch, einem aus der Wupper auf— ſteigenden Stalifeljen, und im Juli 1895 auch in den Anlagen auf der ſüdlichen Wupper— Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 565 ſeite erbeutet wurde. Ueberhaupt deckt ſich, wie Weſthoff noch hervorhebt, im Weſt— fäliſchen Gebiet der Verbreitungsbezirk dieſer Kröte faſt genau mit dem der Bergunke. Ob fie auf dem Haarſtrang, am Rande der Ebene, noch vorkommt, it unbekannt, ſie geht anſcheinend über das Ruhrgebiet nicht hinaus. Hingegen iſt ſie wiederum im Egge-Gebirge und im öſtlichen Theile des Teutoburger oder Lippeſchen Waldes ver— breitet, von wo H. Schacht ſie unter anderem für Feldrom, Schwalenberg, Brakelſiek, Würderfeld meldet. Erinnern wir uns noch, daß das Thier von Pyrmont, aus dem Jahre 1848, im Muſeum zu Göttingen ſteht, daß ferner die Feßlerkröte während der letzteren Jahre durch W. Henneberg Nordweſtdeutſche Berglande] weſtlich von Hameln am Fuße des als der öſtliche Rand des jog. Lipper-Berglandes an die Weſer heran— tretenden „Klüt“, und zwar auf dem Spangenberg'ſchen Grundſtück und in den Stein— brüchen am Felſenkeller — mehrfach gefangen wurde und daß endlich die Art laut Weſtermeyer bei Haarbrück nächſt Beverungen an der Weſer und in benachbarten Thälern des linksſeitigen Weſer-Berglandes häufig iſt, ſo können wir die Betrachtung des zwiſchen Rhein und Weſer belegenen Theiles des Verbreitungsbezirkes von Alytes abſchließen, um noch einen Blick auf das Gebiet öſtlich der Weſer zu werfen. In dieſem Theile ſteigt ebenſo wie am Klüt die nördliche Verbreitungsgrenze über den 52. Breitengrad hinauf und erreicht ſomit, nach dem heutigen Stande unſeres Wiſſens, bei Lauenſtein und Hameln die nördlichſten Punkte der Verbreitung überhaupt. Bei Lauenſtein, ſüdöſtlich von Hameln am Abfall des Ithberges, wurde laut Henneberg Alytes i. J. 1890 von Dr. Spangenberg in einem Steinbruch gefunden. Vorher ſchon war ſie durch den Geh. Kammerrath Grotrian, und zwar in der März-Sitzung 1881 des Naturw. Vereins Braunſchweig, aus den Buntſandſteinbrüchen bei Stadtoldendorf und Amelunxborn im weſtlichſten Braunſchweig bekannt gemacht und ſodann, das erſte Mal im April 1886 und nicht minder in den folgenden Jahren, durch Erich Cruſe in und bei dem benachbarten, am Lenne-Fluß zwiſchen Weſer und Leine gelegenen braun— ſchweigiſchen Städtchen Eſchershauſen nachgewieſen worden.“) Nach Cruſes Angabe iſt dieſer Lurch dortſelbſt „an allen Orten in Feld, Flur, Wald und Wieſe häufig“, ins— beſondere aber ſind als Konzertplätze der Männchen zu nennen die ſteilen Böſchungen des Lennethals zwiſchen Kleeberg und Homburger Bergen (im Juli 1893 ſah Cruſe in der damals allerdings ſehr ſeichten und langſam fließenden Lenne zahlreiche hochentwickelte Larven ſchwimmen und fing einige derſelben), die Böſchungen an der Wickenſer Schaf— bade, der Anger bei Eſchershauſen und die Schellenhube. Daß ferner nach Oſten hin die Bergzüge des Ith und des Hils kein Hinderniß der Verbreitung des Feßlers bildeten, erhellt aus der Thatſache ſeines Vorkommens bei Alfeld a. d. Leine und bei Bodenburg, ſechs Stunden öſtlich von Eſchershauſen. Auch an der Vereinigung der Werra und Fulda zur Weſer, bei Münden, lebt die Geburtshelferkröte, indem ſie laut Mittheilung Prof. Metzger's an W. Wolterstorff in ziemlicher Anzahl die nach Süden und Weſten ſich öffnenden Seitenthäler der Fulda bei Münden (bis 260 m Höhe) bewohnt und ebenſo in einzelnen Gärten der Stadt durchaus keine Seltenheit iſt. Sie geht noch weiter die Fulda und die Werra aufwärts, denn Kreisthierarzt Grimme in Melſungen fing fie im Mai 1894 unweit dieſer Stadt und Prof. K. v. Fritſch [Korr.-Bl. Natw. V. Sachſ. u. Thür. 1891 S. 35] hörte ihren Ruf am Meißner bei Kaſſel, und ebenſo hat ſie ſich auf dem rechten Ufer bei Eiſenach und Salzungen angeſiedelt. Die erſte Nachricht darüber empfing ich im April 1880 aus Eiſenach von dem dortigen Seminarlehrer *) Vergl. die Mittheilungen darüber von Prof. A. Nehring in „Zool. Garten“ 1887 Nr. 2; „Sitzungsber. Geſellſch. Naturf. Freunde Berlin“ 1887 Nr. 4; „Naturw. Wochenſchr.“ 1890 Nr. 28, von E. Cruſe in Wolterstorffs „Rept. u. Amphib. d. Nordweſtd. Berglande“ S. 177 ff. Rechtsſeitiges Weſerbergland. Leine-Bergland. Süd⸗Harz. 566 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Herrn E. Scheller in nachſtehenden Bemerkungen: „Als ich 1869 nach Eiſenach überſiedelte, hörte ich die mir unbekannten Glöckchentöne der Geburtshelferkröte ſehr auffällig. Alle Leute, die ich nach dem Urſprung derſelben fragte, gaben mir zur Antwort: Das iſt der ‚Inf. Meine Bemühungen, den Urheber zu erlangen, waren vergebens. Endlich, als ich eines Morgens im Juni oder Juli nach dem Inſelberg ging, vernahm ich die Töne wieder in der Nähe der Bahnſtation Wutha aus einem Haufen von Chauſſeeſteinen. Nachdem ich den ganzen Haufen fortgearbeitet hatte, fand ich richtig Alytes mit der Eierſchnur um die Hinterbeine. Der hauptſächliche Aufenthaltsort iſt das allbekannte Marienthal. Sie war dort 1869 ſo ſtark vertreten, daß die Bergwände wie von feinen Glöckchen einer Ziegenheerde klangen. So häufig iſt ſie nicht wieder erſchienen, aber ſelten iſt ſie durch— aus nicht geworden. Ihr Rufen ertönt in den frühen Morgenſtunden und beginnt dann wieder gegen Abend.“ Herr Scheller hatte noch die Güte, jenes in Spiritus geſetzte Stück mir zuzuſchicken. Nach Mittheilung von O. Scheller-Eiſenach iſt Alytes jetzt dort auf beiden Seiten des Thüringer Waldes anzutreffen, bei den Knöpfelsteichen, bei Farnroda, Schmerbach, in der Deubach, bei Unkeroda und Eckhartshauſen. Ueber das Vorkommen bei dem an der Werra ſüdlich von Eiſenach belegenen Salzungen hat Dr. Voigt-Leipzig, welcher i. J. 1892 Alytes dort hörte und ein eiertragendes Männchen erbeutete, in der Naturf. Geſellſch. Leipzig [Jahrg. 1892/93 S. 12] berichtet. Salzungen und Eiſenach ſind, ſoviel jetzt bekannt, die ſüdlichſten Wohnplätze der Feßlerkröte im Oſten der Weſer bezw. Werra. Nördlich von denſelben iſt ſie für das obere Leinebergland, d. h. für das nördliche Eichsfeld bei Heiligenſtadt und für Göttingen, ſowie für den ſüdweſtlichen Rand des Harzes nachgewieſen. In einem Steinbruch bei erſterer Stadt wurde 1879 ein Stück aufgefunden und dem Göttinger Zool. Muſeum überwieſen. Im Botaniſchen Garten zu Göttingen hat der Vater des Herrn Prof. Dr. R. Blaſius, der im Jahre 1870 verſtorbene Prof. H. Blaſius, ſie vor mehreren Jahrzehnten entdeckt und einige Exemplare von dort dem Naturhiſtor. Muſeum Braunſchweig einverleibt. Später iſt ſie aus dem genannten Garten verſchwunden, jedoch nicht aus der dortigen Gegend, denn in Schulze's Fauna saxonica giebt Rehberg ſie für die Orte Weißenborn und Diemarden bei Göttingen an, und an W. Wolterstorff [Nordw. Bergld.] ſchrieb F. Könnicke, daß er den Ruf der Kröte bei Wiemarden öſtlich von Göttingen gehört habe, und W. Henneberg machte aus Göttingen unterm 14. Mai 1893 die Mittheilung: „Alytes obstetricans ringsum“. Etwa 40 Kilometer öſtlich von Göttingen, unter dem Steinpflaſter des etwa halb— wegs zwiſchen Duderſtadt und Nordhauſen am Südrand des Harzes belegenen Dorfes Stöckei, fing Dr. J. Elſter laut briefl. Mittheilung in den ſechsziger Jahren ein eier— tragendes Männchen und ein Weibchen, welche von ihm ¼ Jahr hindurch im Zimmer gehalten und dann in Spiritus geſetzt wurden; „den zahlreichen Rufen nach muß ſie daſelbſt ſehr häufig ſein“, fügte Herr Dr. Elſter vorſtehender Anzeige an mich hinzu. Dies ſcheint wohl für die ganze Gegend nördlich und nordweſtlich von Nordhauſen zu— zutreffen. Denn ſowohl Dr. Voigt-Leipzig und Dr. Petry, als auch F. Könnicke— Bremen haben, nachdem bereits 1841 Rimrod ſie für den Hohenſtein bei Nordhauſen gemeldet hatte, die glockenhellen Töne dort vernommen, und zwar Dr. Voigt am Himmelberg weſtlich Niederſachswerfen, Dr. Petry [Mitth. V. Erdk. Halle 1891] an einem Abhang zwiſchen Niederſachswerfen und Crimderode ſowie am 19. Juli 1884 weiter nordweſtlich im Vorharz oberhalb Lauterbergs im Oderthal, F. Könnicke laut briefl. Mitth. an W. Wolterstorff am Puntelteich am Himmelreich bei Walkenried. Auch bei Kamſchlacken, nördlich von Lauterberg im Söſethal, hörte der Verfaſſer der Fauna saxonica Dr. E. Schulze eines Abends an einem Bergabhang Töne, die nur Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 567 auf Alytes bezogen werden konnten. Sehr häufig iſt er ſodann weſtlich von Clausthal bei dem als Kurort bekannten Bergſtädtchen Grund, wo P. Krefft dieſen intereſſanteſten Lurch der Harzer Fauna zuerſt i. J. 1886 antraf Iſis 1889 S. 345]. Wie aus den ſpäteren, im April 1893 abgeſchloſſenen und in der mehrfach erwähnten Schrift W. Wolterstorff's veröffentlichten Mittheilungen P. Krefft's erhellt, iſt unter den drei Wohn— plätzen der ſog. Geburtsfröſche in der Gegend von Grund der ergiebigſte Fundort das Teufelsthal. In dieſem ziemlich ausgedehnten und zum Theil ſumpfigen Wieſengrund begegnet man der kleinen Kröte überall: auf der Wieſe, in einem Graben, in der den Graben abdämmenden Mauer, im Gemäuer alter Eiſenöfen und beſonders auf der Schutthalde vor dem Mühlenteich, wo Krefft im Juli 1887 unſchwer 42 Stück, faſt ſämmtlich eier— beladene Männchen, erbeutete; den Anwohnern des Teufelsthales ſoll nach ihrer eigenen Verſicherung der vielſtimmige Ruf der Thiere, welche dort ſchon immer gelebt haben ſollen, in lauen Frühlingsnächten öfters den Schlaf ſtören. Der zweite Wohnplatz iſt die etwa 470 m hoch am Hang des Eichelnberges am Wege nach Clausthal belegene Wiegmannsbucht, wo P. Krefft erwachſene Stücke und in einem hinter dem Wirthſchafts— garten befindlichen, von einem Bergbach geſpeiſten Waſſerreſervoir auch Alytes-Larven fing. Etwa 7 km nördlich davon und in 200 m Seehöhe liegt der dritte Wohnplatz, Münchehof. Hier bei der Ziegelei in einem kleinen, grasplatz-umſäumten Teich fand P. Krefft ebenſo einige Feßlerquappen wie in einem Bach, welcher einen von Grund aus auf dem Wege nach Münchehof in etwa dreiviertel Stunden zu erreichenden mäßig feuchten Tannenhochwald durchfließt und dabei den Weg kreuzt. Früher, vor Zu— ſchüttung eines daſelbſt befindlichen kleinen Teiches, wurde der Alytes-Nuf auch häufig im Orte Grund ſelbſt bei der ſogenannten Zeche vernommen. Sonach zieht die Nordgrenze der Verbreitung in der Rheinprovinz öſtlich des Stromes und in Weſtfalen etwa auf 51½ Grad n. Br. hin, hebt ſich dann im Lippe— ſchen bis nahe zum 52., an der Weſer bei Hameln bis über den 52. Breitengrad, ſenkt ſich weiter oſtwärts an der Leine bei Alfeld wieder auf den 52., am Vorharz bei Grund auf 51¾ und am Südrand des Harzes wiederum auf 51½ Grad n. Br., und es bildet nicht nur für Deutſchland, ſondern überhaupt Hameln den nördlichſten!), die Gegend von Nordhauſen-Niederſachswerfen (28 ½ “ öſtl. v. Ferro) den öſtlichſten Punkt der geographiſchen Verbreitung unſerer Geburtshelferkröte. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Gänzlich abweichend von Knoblauchs— kröte und rothbauchiger Unke iſt der Feßler, wie die vorſtehenden Ausführungen ſchon durchblicken laſſen, gleich der gelbbauchigen Feuerkröte ein entſchiedener Bewohner des Berg- und Hügellandes, der bei uns im Teutoburger Wald laut H. Schacht bis zu einer Seehöhe von 350 m oder 1100 Fuß, im Harz bis zu 470 m (Wiegmannsbucht bei Grund) beobachtet worden iſt, auf dem Schweizer Hochplateau laut briefl. Mit— theilung H. Fiſcher-Sigwart's bis mehr als 700 m und in den Schweizer Alpen laut V. Fatio ſogar bis etwa 1500 m aufſteigt. Wie Gebirgsbewohner, jo iſt er auch ein echtes Land- und Nachtthier, das zwar oft oder gern in der Nähe eines Waſſers lebt, jedoch dieſes ſelbſt nur gezwungen aufſucht und ſeine Schlupfwinkel auch an regneriſchen Tagen nicht verläßt. Als Verſtecke liebt es Steinhaufen, Schutt und Schlackenhalden, Felsritzen, Mauerlücken, Maulwurfslöcher und ähnliche Erdgänge, Höhlungen unter Baumwurzeln und Weinſtöcken und ſogar unter Steinſchwellen von Wohn- und Stall gebäuden. Bietet ſich der Kröte kein natürlicher Unterſchlupf dar, jo ſchafft ſie ſich einen „) Bei einem in den 70 er Jahren angezeigten Fund mehrerer Exemplare des Alytes in der Nähe von Hamburg kann es ſich wohl nur um ausgeſetzte Thiere handeln. Auch anderwärts ſind Feßler ausgeſetzt worden, in neueſter Zeit, 1894, durch K. Knauthe am Zobten in Mittelſchleſien [Zool. Garten 94 S. 286. Grenzen in Deutſchland. Aufenthalt. Bewegungen. Weſen. 568 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſolchen, indem ſie in Sand, Mergel, Erde eine Grube, Röhre oder einen Keſſel gräbt; ſo fand L. Agaſſiz bei Neuenburg in der Schweiz etwa einen halben Meter unter der Oberfläche in einer Aushöhlung des Mergels gegen dreißig Stück beiſammen und nach Angabe des ebenfalls auf Seite 563 genannten Schweizer Tſchudi ſoll ſie ſogar Röhren von 30—40 Fuß, alſo 10 m Länge anlegen können. Das Herſtellen ſolcher Röhren iſt aber ſicherlich nur als Ausnahme zu betrachten. Für gewöhnlich, als Verſteckplätze zur Tageszeit, werden die Feßlerkröten überhaupt nicht derartige Ausſchachtungen bewirken, da ihnen das Graben in Folge des Mangels beſonderer Ausrüſtungen der Gliedmaßen durchaus nicht ſo von ſtatten geht wie der Knoblauchs- oder der Kreuzkröte und ein öfteres Ausruhen bedingt. Vielmehr wühlen ſie, falls ſie eben ſelbſt arbeiten müſſen, zu dem Zweck nur eine offene Grube oder in ſchräger Richtung geführte lochartige Höhlung, um in dem „kühlen Grunde“ bezw. in dem Eingang derſelben zu ſitzen, oder fie betten ſich jo in lockeres Erdreich oder in Sand ein, daß ſie die Oberfläche jederzeit ſofort und bequem erreichen können. Wohl aber graben ſie ſich mit Eintritt kälterer Jahreszeit, wenn auch andere Lurche vor den Unbilden der nordiſchen Witterung ſichernde Oertlichkeiten beziehen, tiefer in die Erde ein, ſobald eben keine natürlichen, wohlgeſchützten, dem Froſt unerreichbaren Quartiere zur Verfügung ſtehen. Solch' ſelbſtgeſchaffene Winterherbergen laſſen ſich von außen nicht immer erkennen, da ja die gegrabenen Röhren nicht zum öfteren Aus- und Eingehen benutzt und daher nicht (im Gegenſatz zu den auf Seite 228 beſchriebenen Stollen der Blindſchleichen) feſtwandig, ſondern entſprechend den täglichen Höhlungen der Knoblauchs— kröte ſowohl an der Oberfläche wie auch weiterhin durch das nachfallende Erdreich ver— wiſcht und verſchüttet werden, ſodaß die Thiere zuweilen in bedeutender Tiefe und von Erde und Sand eingehüllt, den Leib ſtark aufgebläht, verharren. Das Graben ſelbſt erfolgt mittelſt der nach Kreuzkrötenart abwechſelnd gebrauchten Vorderfüße (die beim ruhigen Sitzen nach außen gerichtet find), während die Hinterbeine die Stelle der das Fortſtoßen der losgekratzten Maſſe beſorgenden Schaufel vertreten, und erſt wenn die gewünſchte Tiefe erreicht iſt, dreht ſich der Arbeiter um und macht ſich mit ſeinem Hintertheil den zuſagenden Sitz zurecht. Obwohl der Feßler, wie auch andere Kröten, unter gewiſſen Verhältniſſen rückwärts geht, ſo ſucht er doch nicht nach Art der Knoblauchskröte durch rückläufige, mit den Hinterfüßen und dem Hinterleib ausgeführte Bewegung ſich einzupwühlen. Zur Dämmer- und Nachtzeit hüpft er munter auf dem Lande umher, und indem er dabei Sprünge von Fußweite und in ziemlich raſcher Folge macht, verräth er nichts von ſeiner Verwandtſchaft mit der langſamen, ſchwerfälligen Erdkröte, ſondern eher mit der Wechſelkröte. An die Kreuzkröte wiederum erinnert er durch eine gewiſſe Fertigkeit im Klettern, vermöge welcher er im Stande iſt, mehrere Fuß über dem Erdboden in ſenkrechten Mauern und dergl. befindliche Schlupfwinkel aufzuſuchen, oder in der Gefangenſchaft aus oben offenen Kiſtenkäfigen zu entwiſchen. Hingegen zeigen die Thiere durch ihre faſt ängſtlich zu nennenden Bewegungen im Waſſer an, daß ſie hier nicht in ihrem eigentlichen Elemente ſind; die Ruderſtöße mit den Hinterbeinen erſcheinen kurz abgeſetzt und fördern daher nicht ſo wie die weit ausholen- den Stöße der langen Hinterglieder unſerer Fröſche; wohl aber verſtehen ſie im Noth— fall ganz gut zu tauchen und ziemlich lange am Grunde zu verweilen, wobei ſie ent— ſprechend den letzteren mit ausgebreiteten Gliedmaßen, die Sohle der Vorderfüße „nach auswärts und hinten gerichtet“, ſtill am Boden liegen. Haben die Feßler einzeln oder, wie es wohl öfter der Fall iſt, in Geſellſchaften von zwei bis vier oder fünf Stück den Tag in ihrer Klauſe verbracht, ſo unternehmen ſie mit und nach Sonnenuntergang Spaziergänge in die nähere und weitere Umgebung Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 569 und äußern dann, was ſchon angedeutet, eine rege Munterkeit und Beweglichkeit. Namentlich nach einem warmen Regen ergehen ſie ſich, wie H. Schacht im Teutoburger Wald beobachtete, oft in Menge auf den Forſtwegen, es können ſomit auch ſie die eigentliche Lurchnatur, die zur Erhaltung des Daſeins einen gewiſſen Grad von Feuchtig— keit vorausſetzt, nicht verleugnen. Daß ſie aber auch am Tage nicht wirklich ſchlafen, bekunden die Rufe, die wenigſtens manche der Männchen zeitweilig erklingen laſſen, und außerdem ſieht man an den im Zimmer gehaltenen Stücken, wie ſie von ihrem Schlupf— winkel aus ein vorbeilaufendes oder -kriechendes Kleinweſen aufs Korn nehmen und verfolgen. Immerhin aber bleibt der Abend, die Nacht und der frühe Morgen die Tummel- und Jagdzeit: dann häufen ſich die Töne der Männchen und fließen zu einem förmlichen Glockenſpiel zuſammen, dann ſpringen und hüpfen die Thiere umher und ſtellen der Beute nach. Als ſolche betrachten ſie Würmer, Raupen, Kerfe, die ſie ent— weder an ſich herankommen laſſen und im geeigneten Augenblick der Annäherung nach Krötenart wegſchnappen, oder die ſie ähnlich den Fröſchen, auch Unken und Knoblauchs— kröten im Sprunge erhaſchen. In dem 45 Quadratmeter Bodenfläche deckenden Terrarium H. Fiſcher-Sigwart's, wo ſie tagsüber im Sande vergraben waren und ſich namentlich unter einer in die Bodenſchicht geſenkten und als Waſſerbehälter dienenden Schüſſel aufhielten, näherten ſie ſich gegen Abend der Oberfläche, bis die Sanddecke über ihnen einſtürzte, worauf ſie ſich eine förmliche Fall- oder Fanggrube herrichteten, in deren Grund ſie ſich, den Kopf nach oben gewendet, behufs Erlangung von Beute feſt— ſetzten. Alles Kleingethier, das da hineinfiel, wurde ergriffen, und wenn ſie auf dieſe Weiſe genug Nahrung erhaſchten, kamen ſie tagelang nicht zum Vorſchein; begann die— ſelbe indeß zu mangeln, ſo krochen ſie Abends hervor und wanderten umher. Zuerſt wurden ſie mit Mehl- und Regenwürmern regelmäßig in den Fanggruben, ſpäter in der oben erwähnten, innen glatten und daher ein Entweichen der Nahrungsthiere verhindernden Schüſſel geſättigt; bald hatten ſich die Feßler das gemerkt und es ſaßen oft ſchon, noch ehe man Futter hinein gethan, einige von ihnen in Erwartung deſſelben in dem Gefäß. Dieſem Beweis von Ortsgedächtniß laſſen ſich noch andere anreihen. Die Kröte bekundet aber auch Perſonen-Gedächtniß, lernt den Pfleger kennen und wird ihm gegenüber völlig zutraulich, ſo daß ſie ihm das Futter, und ſogar in Streifen geſchnittenes rohes Rindfleiſch, aus der Hand nimmt. Sie ſteht überhaupt hinſichtlich der Intelligenz auf einer höheren Stufe als die Knoblauchskröte und erweiſt ſich daher, zumal ſie mit Ver— wandten in Ruhe und Frieden lebt und in einem gewöhnlichen, ſchattigen, mit Verſteck— plätzen und Erdſchicht und kleinem Waſſernapf verſehenen Terrarium recht gut aus— dauert, als ein intereſſanter und dankbarer Zimmergenoſſe. Nur Eins möge man bei Wahl und Einrichtung des Käfigs nicht vergeſſen, daß nämlich die Kröte klettert und ſpringt. Und darum muß derſelbe entweder hoch und glattwandig ſein, damit ſie ihn nicht überſteigen kann, oder er muß eine weiche Decke haben, damit ſie bei ihren leb— haften Sprüngen des Nachts ſich nicht den Schnauzenrücken zerſtößt. In engen, un— natürlichen Behältniſſen entledigen ſich die Männchen auch gern der Eierſchnüre. So hatte H. Schacht einſt die unter einer Steinplatte gefundene Geſellſchaft, drei Weibchen und ein eiertragendes Männchen, in einem mit feuchtem Graſe ausgelegten Taſchentuch, in welchem das Männchen ſogar ſeinen hellen Glockenton erſchallen ließ, mit nach Hauſe genommen und ſie, da es Nachts war, vorläufig auf den Flur geſtellt; aber ſiehe da, am Morgen waren die Thiere ausgeſtiegen und nur die Eierſchnur war zurückgeblieben. Auch in Verſandtkiſtchen ſtreifen manche Männchen die letztere ab, ohne ſich dann weiter um ſie zu kümmern, während doch ſonſt dieſe „Geburtshelfer“ um ihre koſtbare Bürde beſorgt ſind und, ein Zeichen ihrer Vorſicht und Intelligenz, die Brut Gefangenſchaft. Fortpflanzung. Laichzeit. Paarung. Laichen. 570 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. nicht in ſchnell austrocknende Pfützen, Lachen und Gräben, ſondern in Flüſſe, Bäche und mit Quellwaſſer geſpeiſte Weiher und Tümpel abſetzen. Einige Paare, welche Dr. Schnitger in Schwalenberg an das Aquarium in Liverpool ſandte, hielten ſich, wie Hr. H. Schacht mir mittheilte, dort zwei Jahre lang und pflanzten ſich auch fort; die ge— zeitigten Larven ſtarben aber alle, „wahrſcheinlich weil das Waſſer zu ſalzreich war“. Die Fortpflanzungsweiſe des Alytes, welche wir auf Seite 397 und 416 ſchon kurz berührten, bildet überhaupt das anziehendſte Moment in der Naturgeſchichte dieſes Lurches. Und noch heute läßt ſich wohl ermeſſen, mit welchem Staunen und welcher Verwunderung die von dem i. J. 1795 verſtorbenen berühmten Augenarzt und Natur— forſcher Pierre Demours im Pariſer Pflanzengarten gemachten und der franzöſiſchen Akademie vorgelegten bezw. in deren Berichten 1741 („Orapaud mäle Accoucheur & la femelle*) und 1781 veröffentlichten Beobachtungen über Paarung und Fortpflanzung der „Geburtshelferkröte“ aufgenommen wurden. Dieſe Mittheilungen ſind in den folgen— den Jahrzehnten durch die Wahrnehmungen und Forſchungen Al. Brongniart's, Agaſſiz's, Vogt's, Tſchudi's, Joh. Müller's und in neuer und neueſter Zeit durch Beobachtungen in Frankreich (A. de l'Isle, Héron-Royer, Lataſte), in der Schweiz (V. Fatio, Fr. Müller, H. Fiſcher-Sigwart) und Deutſchland (C. Bruch, C. Koch, F. Leydig, R. Wiedersheim, A. Brunk, E. Pflüger, L. Geiſenheyner, Melsheimer, P. Krefft u. A.) vervollſtändigt und z. Th. berichtigt worden, ſodaß wir heute ein mindeſtens annähernd vollkommenes Bild von dem Fortpflanzungsgeſchäft des Feßlers gewinnen können. Nach dem Verlaſſen der Winterherberge, in den erſten warmen Frühjahrstagen und lauen Frühjahrsnächten, zuweilen ſchon um Mitte März, beginnen die Männchen zu rufen und bald darauf auch die Thiere mit der Paarung und Eiabgabe. In viel ausgeſprochenerem Maaße als bei anderen Lurchen dehnt ſich dieſer Vorgang je nach den Thieren durch Monate hin, ſodaß bereits gegen Ende März, aber auch noch im Juli und Auguſt, ausnahmsweiſe ſogar noch im September — nach Geiſenheyner's Erfahrungen iſt an der Nahe der 16. Auguſt der ſpäteſte Termin, bei Dillenburg fand Koch an ein und derſelben Fundſtelle am 26. März und 2. Juni deſſelben Jahres Männchen mit friſchen Eierſchnüren — eierbeladene Männchen zu ſehen und manchmal in einem Gewäſſer Larven in den verſchiedenſten Entwicklungsſtufen anzutreffen ſind und die Meinung aufkommen konnte, Alytes laiche zweimal im Jahre: im Frühling und im Herbſt. Doch ſteht dem ſchon entgegen, daß man auch im Mai und Juni Männ— chen mit friſchen Eierſchnüren begegnet und daß im Herbſt keine Paarungsrufe erſchallen. Am Rhein fällt die eigentliche Laichzeit laut Melsheimer in den Mai, in der Schweiz laut Tſchudi in den April. Der Feßler iſt die einzige Art unſerer deutſchen Froſchlurche, bei welcher der Paarungs- und Laichakt auf dem Lande ſtattfindet. Aber wie bei allen Arten, bei denen die Männchen häufiger ſind als die Weibchen, iſt auch hier das „ſchöne Geſchlecht“ oft von mehreren Seiten gleichzeitig umworben und umklammert. Schließlich gewinnt jedoch das eine Männchen die Oberhand, umfaßt das Weibchen in der bei Unken und Knoblauchskröten üblichen Weiſe um die Lenden, zieht den Körper zuſammen und reibt abwechſelnd mit den Zehen des rechten und linken Hinterbeins den After des Weibchens, das ſich mit dem Bauch platt auf die Erde gelegt und die Hinterbeine ausgebreitet hatte. Nachdem dieſes Vorſpiel eine halbe Stunde oder länger gedauert und zuweilen auch eine Unterbrechung erfahren hat, preßt das Männchen mit ſeinen Armen den Leib des Weibchens zuſammen, wodurch der Heraustritt der Eier bewirkt wird. Zur vorüber— gehenden Aufnahme der letzteren wird im ſelben Augenblick, in welchem das Männchen übrigens ſeine Vordergliedmaßen von den Lenden des Weibchens wegnimmt und mit Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 571 ihnen den Hals des letzteren umſchlingt, eine Art Behälter geſchaffen, zu dem die Sohlen und Zehen der zuſammengelegten männlichen Hinterfüße den Boden und die Hinterwand, die weiblichen Hinterglieder hingegen die Seitenwände bilden. Die in zwei, aber alsbald zu einer Schnur ſich vereinigenden Ketten und raſch ausgeſtoßenen Eier werden vom Männchen, welches nach Angabe franzöſiſcher Autoren, Koch's, Fiſcher-Sigwart's u. A. dem Weibchen die letzteren aus der Kloake herausziehen und ſomit thatſächlich Geburtshelferdienſte leiſten ſoll, durch mehrere Samenergießungen befruchtet und ſodann als ſüße Laſt auf— genommen. Zu dieſem Zweck werden die Hinterbeine abwechſelnd ausgeſtreckt und an— gezogen, ſodaß ſich die Eierſchnur nicht nur höher hinauf, nach dem Unterrücken zu ſchiebt, ſondern auch um die Schenkel haspelt oder ſchlingt, wonach das „gefeſſelte“ Männchen mit ſeiner in Geſtalt eines traubenförmigen Klumpens oder unregelmäßigen Knäuels auf den Schenkeln und z. Th. auch auf dem Hinterrücken ruhenden Bürde das Weibchen verläßt. Die Zahl der Eier eines ſolchen Bündels mag durchſchnittlich 40 —50 betragen, kann aber bis 18 oder 20 herabſinken und anderſeits 100 überſteigen, wie denn beiſpiels— weiſe L. Geiſenheyner ein Männchen mit einem Gelege von 126 Stück unterſuchte. Die Zahl hängt von dem Alter der Weibchen und von der Jahreszeit ab, indem junge Thiere weniger Eier und ſpäter im Jahre, ältere indeſſen mehr und früher legen; außerdem ſteigert ſich die Zahl der von einem Männchen getragenen Eier manchmal dadurch ganz erheblich, daß es zwei oder drei Packete, alſo die Gelege von zwei oder drei Weibchen ſich aufgeladen hat. Die Eier eines Geleges ſind ſich in Größe und Färbung gleich, anfangs etwa 3 mm im Durchmeſſer, vollkommen rund und von ſchleimig-klebrigem Aeußern; ſehr bald nach geſchehener Befruchtung jedoch erhärtet der ſchleimige Ueberzug und ge— winnt eine hornartige Beschaffenheit von waſſerhellem Ausſehen, ſodaß man den gelben, ein Viertel bis die Hälfte des Eies einnehmenden Dotter deutlich zu erkennen vermag, und die Gallertmaſſe, in welcher die Eier in einer Reihe liegen, trocknet derart ein, daß ſie kaum mehr ſichtbar iſt und dabei doch noch elaſtiſch genug bleibt, um das mit der Maſſe beladene Männchen in ſeinen Bewegungen nicht zu ſehr zu behindern. Die einzelnen Eier ſind durch zwei Fäden befeſtigt, ſodaß ſie faſt perlſchnurartig zuſammenhängen und zwar in Abſtänden von 2 bis 10, ja 12 bis 18 mm; indeſſen geht die Regelmäßigkeit einer einreihigen Schnur dadurch verloren, daß das Männchen ſie eben um ſeine Beine wickelt und ſomit „zu einem labyrinthiſchen Knäuel zuſammenwirrt“. Bei dieſer Arbeit kann es geſchehen, daß zufällig an der Laichſtelle liegende ſchmiegſame Dinge mit in den Knäuel verwickelt werden; ſo ſah Dr. F. Müller, wie in einen derſelben ein Grashalm, in einen zweiten ein langes Frauenhaar nach allen Richtungen eingeflochten war. Während nun das Männchen mehrere Wochen lang die Eier mit ſich herumträgt — und dabei nicht, wie man früher annahm, ängſtlich zwiſchen Steinhalden, in Mauer— und Erdlöchern und an ähnlichen Plätzen ſich beſtändig verſteckt, ſondern Abends ſeinen Geſchäften nachgeht?) —, machen dieſelben eine Färbungs- und Geſtalts-Veränderung und in ihnen die Keimlinge nicht nur die Embryonal-Entwicklung, ſondern auch noch die beiden erſten Stufen der Larven-Entwicklung, welche andere Lurche erſt nach dem *) A. de Isle hatte vor zwei Jahrzehnten [Mem. sur les moeurs et Paccouchement de l’Alytes obst. in den Ann. d. Se. nat. VI u. a.] im Gegenſatz zu früheren Beobachtern hervorgehoben, daß das eiertragende Männchen Nachts nach Belieben herumſtreife, Beute jage, noch neue Eierbündel auf ſich nehme und bei dem Umherſtreifen im Thau und regennaſſen Graſe den Eiern die nöthige Feuchtigkeit zuführe. Und bereits im Juni 1877 konnte Herr Konſervator H. Knecht, wie Dr. Fr. Müller-Baſel mittheilt, das beſtätigen, indem er eines Nachts in der Umgebung Baſels nach einem Regen bei Laternen— ſchein fünf eierbeladene Männchen (darunter zwei mit doppelten Packeten) und viele Weibchen außerhalb ihres Verſtecks erbeutete und dabei Männchen, mit der Eierfeſſel um einen und um beide Knöchel, munter herumhüpfen und „auch nicht zu verkennende Anſtrengungen bei Weibchen machen“ ſah. Eier. Entwicklung. Ausſchlüpfen. 572 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Verlaſſen der Eihüllen durchlaufen (Seite 416. 418), durch. Die langſam anſchwellenden Eier dehnen ſich, wie C. Koch beſchreibt, nach einer Seite zwiſchen den Anhefteſtellen der Verbindungsſchnur derart aus, daß ſie nun in der eigentlichen Eiform erſcheinen, und an dieſe Ausdehnungsſeite, die „Eiſpitze“, kommt die Schnauzenſpitze und ihr gegen— über die Aftergegend der ſich entwickelnden Larve zu liegen. Und wenn die Eier zuerſt lebhaft gefärbt ſind und in den erſten acht bis zwölf Tagen keine Veränderung wahr— nehmen laſſen, wird mit beginnender Ausdehnung das Gelb dunkler, rein ockergelb; „dann bemerkt man an der Spitze eine verloſchene graue Färbung, die reine Ockerfarbe geht in Ockerbraun über und drei Wochen nach dem Ablegen treten die Augen der Larve in zwei deutlich abgegrenzten ſchwarzen Punkten, auf der Eiſpitze neben einander liegend, hervor; nun geht die ockerbraune Färbung in eine braungraue über, läßt ſchließlich metalliſch ſchimmerndes Hautpigment durch die bernſteingelbe durchſichtige Eihülle er— kennen und die immer ſchärfer hervortretenden und ſich mehr auseinanderſchiebenden Augenpunkte umgeben ſich mit dem metalliſch glänzenden Ringe“. Bis dahin hat das Ei eine Länge von 5 mm erreicht und das Ausſchlüpfen ſteht nahe bevor. Aber ſchon bei einer 4 mm betragenden Dicke der Eier erkennt man durch die glaſige Hülle der letzteren hindurch deutlich den Embryo mit dem nach der rechten Seite bezw. nach vorn umgeſchlagenen zarten Ruderſchwanz (deſſen Spitze bei der vollkommen, im dritten Larven— ſtadium entwickelten Kaulquappe unter dem rechten Auge bemerkbar iſt) und mit der durch ſeine Bauchhöhle hindurchſchimmernden reſtlichen Dottermaſſe, der Pupille, den Blutgefäßen und anderen Körpertheilen. Auf dieſer Stufe beſitzt der Embryo geraume Zeit pigmentloſe, daher infolge des Blutes rothe äußere Kiemenbüſchel, welche, wie Seite 416 beſprochen, an Länge die äußeren Kiemen aller unſerer Froſchlurche über— treffen und nebſt dem gleichfalls nur bei Alytes zur Hervorbildung kommenden eigent— lichen Dotterſack unſerem Batrachier auch in dieſem Abſchnitt der Entwicklung eine Aus— nahmeſtellung ſichern und ihn dadurch als Seitenſtück der lebend-gebärenden Landſala— mander erſcheinen laſſen. Haben ſich die äußeren Kiemen der Keimlinge verloren und iſt das Hautpigment reichlich gebildet (Seite 415), ſowie die Schwanzwirbelſäule mit Floſſenſaum zur Ent— wicklung gelangt, ſo ſind die Embryen oder Larven reif und fähig, im Waſſer die etwa 5 mm langen Eihüllen zu durchbrechen und das Freileben zu beginnen. Deshalb be— giebt ſich das Männchen, das die Bürde je nach den Witterungs- u. a. Verhältniſſen drei bis ſieben oder acht Wochen zu tragen hat und wohl durch die lebhaften Bewegungen der noch eingeſchloſſenen Brut an den letzten Theil der übernommenen Verpflichtung erinnert wird, nun in einen Bach oder Fluß, ein von Quell- oder fließendem Waſſer geſpeiſtes Becken, einen vor dem Austrocknen geſchützten Weiher oder Teich oder Stein— bruchtümpel, wo alsbald das Naß ſeinen Einfluß auszuüben beginnt. Denn das Ei erweicht an der Spitze und öffnet ſich da, wo der Mund der Kaulquappe liegt und wo jedenfalls die Zähnchen derſelben durch Nagen dem Aufplatzen der Eihülle vorarbeiten, und wenn der Kopf in dem geſchaffenen Loch erſcheint, genügen nur noch einige ſchlängelnde Bewegungen des Schwänzchens, um die Larve ins Freie gelangen zu laſſen, „während die bernſteingelben Eihüllen durch ihren Verbindungsfaden vereinigt bleiben, das Aus— ſehen kleiner Hymenopteren-Waben haben und von dem Lurch in dem nunmehr durch das Waſſer gelöſten und erweichten Zuſtande in wenigen Beinbewegungen abgeſtreift werden“ [C. Koch]. Der ganze Vorgang von dem Einbringen der Eier ins Waſſer bis zum beendeten Ausſchlüpfen vollzieht ſich binnen wenig Stunden, manchmal bedarf es dazu nicht mal einer Stunde, ja zuweilen nur einiger Minuten, und zwar auch dann, wenn man die 5 mm großen Eier mit den reifen Embryen von den Schenkeln des Zwölfte Art. Geburtshelferkröte. 573 Männchens künſtlich abgelöſt und ins Waſſer gebracht hat. Das Männchen verläßt ſogleich das Waſſer wieder und anſcheinend auch deſſen nächſte Umgebung. Die ausgeſchlüpften kiemenloſen Larven, welche die auf Seite 561 vermerkte Färbung und eine Länge von 15 bis 19 mm haben, wachſen ſo raſch, daß ſie nach der erſten Woche des Freilebens ſchon 30 oder einige 30 mm und bis zum Spätherbſt vielleicht 50 mm lang oder noch länger ſind. Nach den Beobachtungen, die C. Koch und E. Pflüger im Lahn- und Rheingebiet und H. Fiſcher-Sigwart in der nördlichen Schweiz, Kanton Aargau, gemacht haben, überwintern die Larven regelmäßig als ſolche (und zwar laut Koch im Schlamm der Gewäſſer, gewöhnlich unter den Raſen der Waſſerhahnfuß— [Ranuneulus] und Chara-Arten, doch auch unter anderen Pflanzen und unter Steinen), ſind mit dem Freiwerden der Gewäſſer von Eis ſchon munter, erreichen in den Frühlings— monaten eine Länge von 60 bis 80 oder 90 mm und vollenden ihre Umwandlung zu einem durchſchnittlich 25 mm großen Krötchen im Juni oder Juli, ſodaß zwiſchen dem Ausſchlüpfen der Larven und dem Abſchluß der Metamorphoſe ein Zeitraum von einem reichlichen Jahr liegt. Man kann mithin im Frühling in einem und demſelben Gewäſſer gleichzeitig ſowohl kleine, friſch ausgeſchlüpfte als auch ganz große Quappen antreffen, obwohl es auch vorkommt, daß die im Frühjahr aus frühgelegten Eiern gezeitigten Larven noch im Herbſt des gleichen Jahres Jungfröſche geben. Daß die Alytes Larven überhaupt zu einer Verlängerung ihrer Quappen-Periode neigen, bekunden die Fälle, in denen ſolche Weſen ihren Larvencharakter zwei, ja dritthalb Jahre und länger behielten und jogar, wie ein von Dr. A. Brunk-Freiburg im Zoolog. Anzeiger 1882 mitgetheiltes Beiſpiel erhärtet, dann, wenn ihnen in ihrem, im warmen Zimmer ſtehenden Behältniß Gelegenheit geboten war, ans Land zu gehen, während in einem früheren von Prof. R. Wiedersheim mitgetheilten Fall einige durch Prof. A. Ecker im Mai 1869 aus dem Ei gelöſte Larven von ſolcher ihnen im März 1871 gegebenen Gelegenheit Gebrauch machten. Die im März getödteten, 22 Monat alten und 40 bis 43 mm langen Quappen waren aber noch vollkommene Larven mit Hornſchnabel, Kiemen, Ruderſchwanz, ſpiralig gerolltem Darm, ſackartig aufgetriebenem Bauch, einem rein hyalinen Primordialſchädel ohne eine Spur von Kalkſalzniederſchlägen, nur minimale, 2 bis 3 mm lange Hinter- gliednaßen waren äußerlich wahrzunehmen, und an den erſterwähnten, 2½ Jahr alten Larven, deren größte 77 mm lang war, bemerkte A. Brunk auch noch den Hornſchnabel, die noch nicht differenzirte Cornea der kleinen Augen, in der Tiefe der den Schwanz vom Rumpf abſetzenden Falte 7 mm lange Hinterglieder, aber äußerlich noch nichts von den Vorderbeinen und fand bei der anatomiſchen Unterſuchung neben den noch vollthätigen inneren Kiemen gut entwickelte Lungen. Ueber die Ernährung dieſer wie anderer Larven ſprachen wir auf Seite 405, als Erſatzfutter kann man Schnecken-, Fiſch- u. a. Fleiſch, gekochte und gehackte Leber, Herz und dergl. reichen. Ihre Anweſenheit in einer Gegend verräth die männliche Geburtshelferkröte durch den hellen, klangvollen Ruf, der vom März ab bis in den Auguſt hinein des Abends, Nachts und Morgens und zur Paarungszeit auch mitunter am Tage ertönt und von H. Landois mit dem Klingen eines Glasglöckchens verglichen, von C. Koch und Geiſenheyner als ein deutlicher klarer Flötenton in der Höhe des zweigeſtrichenen es oder e, ſeltener f bezeichnet wird. In der That hat der einſilbige Ton etwas Flötenartiges, ähnlich einem ziemlich kurzen ü, und kann, worauf W. Henneberg die Verfaſſer von „Weſtfalens Thier— leben“ aufmerkſam machte, ganz genau mit dem Munde nachgepfiffen werden; er iſt, entſprechend dem Ruf der Unken, bei ein und demſelben Thier, das ihn in Pauſen von einer oder einigen Sekunden wiederholt, immer derſelbe, und nur dadurch, daß er bei den verſchiedenen Muſikanten kleine Abänderungen hinſichtlich der Höhe zeigt, entſteht das Wachsthum. Stimme. Namen. Synonyma. Körperbau. 574 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. eigenthümliche chromatiſche Konzert in einer vollbeſetzten Kolonie, das weithin vernehmbar iſt und Manchen an ein Glockenſpiel erinnert. Ganz abweichend von dieſen hellen Tönen, die laut H. Fiſcher-Sigwart auch „täuſchend nachgeahmt werden“ können, wenn man Waſſertropfen aus ziemlicher Höhe in ein halbgefülltes Kryſtallglas fallen läßt, iſt der Klagelaut ein kurzes Quäken. Landesübliche Bezeichnungen. Geburtshelfer, aſchgraue, eiertragende Kröte, Feßler. Engl.: Midwife Toad; Frauz.: Crapaud accoucheur; Span.: Sapro cubridor; Poln.: Ropucha Ikronosz. Bufo obstetricans et Rana campanisona, Zaurenti 1768. — Rana Bufo var. d, Gmelin 1790. — Bufo vulgaris var., Bechstein 1800. — Rana obstetricans, Sturm- Wolf [Fauna, 4. Heft! 1805. — Bufo companisonus, Goldfuss 1820. — Bombinator obstetricans, Merrem 1820. — Alytes obstetricans, Wagler 1833. — Obstetricans vulgaris, Duges 1834. II. Ordnung. Molche, Schwanzlurche. Urodela (Caudata. Batrachia gradientia). Körper geſtreckt, eidechſen-artig, im Carven- und im ausgebildeten Suſtande langgefhwänzt; vier kurze Beine, deren hintere in Länge und Stärke nur wenig von den vorderen verſchieden. Schon aus den wenigen vorſtehenden Worten erhellt, daß ein Schwanzlurch ſich auf den erſten Blick leicht von einem Froſchlurch unterſcheiden läßt; aber ebenſo leicht vermag man die Urodelen an der ſchuppenloſen, ſchleimigen Haut, dem Mangel von Nägeln und einer Paukenhöhle gegenüber den gleich oder ähnlich geſtalteten Eidechſen zu erkennen. Der geſtreckte, nackthäutige, auf der Unterſeite bald mehr bald weniger abgeflachte, gewöhnlich jedoch im Körperdurchſchnitt rundliche und höchſtens in der Rumpfmitte etwas bauchig verdickte Leib ruht auf zwei weit auseinander ge— rückten Paaren kurzer, ſchwächlicher und daher nur ein langſames Kriechen bewerk— ſtelligender oder als Nachſchieber wirkender, beim Schwimmen indeß um ſo beſſere Dienſte als Ruder leiſtender Beine, deren vordere bei unſeren Arten vier Finger und deren hintere fünf Zehen beſitzen. Vom Rumpf ſetzt ſich der bei den Waſſermolchen ſeitlich zuſammengedrückte, als Ruder und Steuer benutzte, bei den Landſalamandern im Querdurchſchnitt gerundete Schwanz deutlich ab; auch von einem Hals läßt ſich hier eher ſprechen als bei den Froſchlurchen und daher markirt ſich der breite, platte, im Schnauzentheil abgerundete Kopf verhältnißmäßig gut. Die Augen wurden auf Seite 387 beſprochen; dem Gehörorgan fehlen Paukenhöhle und Trommelfell und Euſtachiſche Röhre; die kleinen Naſenlöcher liegen vorn und ſeitlich an der Schnauze und führen in gering entwickelte Naſenhöhlen, welche das Gaumengewölbe weit vorn, meiſt unmittelbar hinter den Kiefern durchbrechen. Die Zunge iſt bei den einheimiſchen Arten mäßig oder ziemlich groß, rundlich und unterſeits längs der Mitte an den Boden der Mundhöhle feſtgewachſen, ſodaß ſie gewöhnlich nur an den Seitenrändern, zwiſchen den bogenförmigen Aeſten des Unterkiefers, frei bleibt. Im Zwiſchen-, Ober— und Unterkiefer und auf dem Gaumen ſtehen, und zwar überall in mehreren Reihen, zweiſpitzige, nur zum Feſthalten der Beute dienende Zähnchen, von denen die des II. Ordnung. Molche, Schwanzlurche. 575 Gaumens bei unſeren Arten zwei von vorn nach hinten laufende bogig geſchweifte oder aber gerade Streifen bilden. Der After iſt eine Längsſpalte. Da Knochenbau, Sinne, Athmung, Verbreitung und Aufenthalt, Nahrung, Fort- pflanzung und andere Lebens-Erſcheinungen in der Einleitung zu den Amphibien be— handelt worden ſind, ſo genügt es hier, auf jene Blätter zurückzuweiſen. Die ein— heimiſchen ſechs Arten gehören zu denjenigen Schwanzlurchen, welche nur als Larve durch drei Paar äußere Kiemen athmen und bei Ablegung des Jugendzuſtandes ſofort, ohne erſt innere Kiemen zu bilden, zur Lungen-Athmung übergehen; ſie zählen alſo zur Unter-Ordnung der Caducibranchiata (Molche mit vergänglichen Kiemen) und zur höchſtſtehenden Familie der Schwanzlurche: Familie: Salamander, Salamandridae. Augen frei, mit deutlichen, längsgeſpaltenen, klappenförmigen Lidern; im ausgebildeten Suſtande ohne äußere Uiemen und Kiemenlöher; beide Kiefer und Gaumen bezahnt; Hals mehr oder minder deutlich eingeſchnürt, von der Kehle oft durch eine ſtark ausgebildete Hautfalte abgegrenzt; Vorderfüße ſtets mit vier, hintere bei unſeren Arten mit fünf gewöhnlich freien (ſchwimmhautloſen) Sehen; Schwanz von Rumpflänge oder etwas länger. Berückſichtige man nur die echten Molche und Salamander (Unterfamilie Sala- mandrinae), zu welchen eben unſere ſechs Arten zählen, ſo iſt noch hinzuzuſetzen, daß die Gaumenzähnchen die zwei oben erwähnten Längsſtreifen bilden und daß die Wirbel auf ihrer Hinterſeite ausgehöhlt oder opiſthocoel ſind. Die beiden Gattungen: die lebendige Junge bezw. Larven zur Welt bringenden Landmolche (Salamandra) und die cierlegenden Waſſermolche (Triton), unterſcheiden ſich in folgender Weiſe. Schwanz drehrund, am Ende zugerundet, niemals mit Hautſaum; in der Ohrgegend eine umfang— reiche, deutlich abgeſetzte, mit großen Poren verſehene Drüſenwulſt; längs des Rückgrats eine Doppelreihe von Drüſen, außerdem auf der Oberſeite der Flanken je eine ſolche Reihe; die beiden Reihen der Gaumen— e dne eee einig geſchweif e Salama. Schwanz ſeitlich zuſammengedrückt, floſſen- oder ſchwertförmig, zur Frühjahrzeit infolge eines Haut— ſaums eine hohe Lanzettform annehmend; ohne Ohrdrüſenwulſt und ohne Drüſenreihen am Körper; die beiden Längsreihen der Gaumenzähne ſind gerade, vorn einander genähert, nach hinten zu gewöhnlich F d y w Triton. 1. Gattung: Landmolch. Salamandra, Lau. Tracht ziemlich plump, ſchwerfällig; Schwanz drehrund, kegelförmig, am Ende zugerundet, ohne Hautfaum, aber ebenſo wie der Rumpf ſeitlich infolge von oben nach unten verlaufender Querfurchen wie geringelt oder gekerbt er— ſcheinend; Männchen niemals mit häutigem Rückenkamm oder Kückenſaum; längs des Rückgrats eine Doppelreihe von Drüſen, außerdem auf der Oberſeite der Flanken je eine ſolche (ſ. Farbentafel V); in der Ohrgegend eine umfangreiche, deutlich abgeſetzte, durch große Poren ausgezeichnete Drüſenwulſt, die ſog. Paro— tidenz die Sehen der dicklichen Füße“) ſtets frei, d. h. niemals mit Schwimmhäuten ) Von den 5 Zehen der Hintergliedmaßen find die dritte und die vierte die längſten und einander gleich oder beinahe gleich, die erſte und die fünfte die kürzeſten; von den 4 Fingern iſt der erſte (äinnerſte) der kürzeſte, der dritte der längſte, der vierte ſtets ein wenig kürzer als der zweite (in der Mitte zwiſchen dem 1. und 2. ſtehend). Körperbau. 576 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. oder Hautſäumen, auch die bei den Tritonen in der Sohle der Vorder- und Hinter— füße auftretenden runden Ballen oder Unöpfchen kaum unterſcheidbar; Iris dunkel; die Gaumenzähnchen bilden zwei Sförmig geſchweifte, vorn vor den inneren Naſenlöchern beginnende, nach hinten zu auseinander weichende Längsreihen. Die Landſalamander ſind ſtumpfſinnige, ruhige, langſame, etwas unbehilfliche und täppiſche Geſchöpfe, welche einer waſſerreichen Atmoſphäre bedürfen und daher in Waldungen, buſchigen Hängen, Weinbergen ze. an feuchten Orten leben, ohne ſich deshalb, ausgenommen eine kurze Friſt zur Fortpflanzungszeit, im Waſſer aufzuhalten; es ſind eben Lan dmolche, die aus ihren ſchattigen Verſtecken des Nachts und am Tage nur nach warmem Regen und bei feuchtigkeitsſchwerer Luft hervorkommen, um auf Würmer, Schnecken, langſam ſich bewegende Käfer und dergl. Jagd zu machen. Auch die Larven verzehren lebendes Gethier und Flohkrebſe, kleine Ringelwürmer und Aehnliches. Ueber die merkwürdige, von der der Waſſermolche abweichende Fort— pflanzungsweiſe haben wir auf Seite 392 und 397 geſprochen. Die beiden einheimiſchen Arten laſſen ſich leicht unterſcheiden, indem der Feuer— Salamander (Sal. maculosa) durch ſeine auf ſchwarzem Grunde goldgelb gefleckte Oberſeite ſich ſofort gegenüber dem einfarbig glänzend-ſchwarzen und dabei kleineren, weniger dicken Alpen-Salamander (Sal. atra) zu erkennen giebt. 1. Art: Feuer-Salamander. Salamandra maculosa, Laus. Abbildung: Tafel V Nr. 1—4. Länge 14 bis 25 em; tiefſchwarz mit goldgelben Flecken über den ganzen Körper; Sehen und Schwanz rundlich; Kopf breit (ebenſo breit wie lang oder höchſtens um 1 Viertel länger als breit). Aeußere Erſcheinung. Körper-, Kopf- und Schwanzbau unterſcheiden den Salamander auf den erſten Blick von den Tritonen: Alles iſt derber, maſſiger als bei dieſen. Der Körper iſt geradezu plump, der Leib in der Mitte verdickt und ſomit breiter als hoch, der Kopf ſtumpf, platt, ſehr breit, nämlich neun bis elf Zwölftel, zuweilen ſogar ganz ſo breit als lang, mit gerundeter Schnauze und hinten ein wenig eingeſchnürt, die Kehle mit deutlicher Querfalte. Die zweizinkigen Zähne ſtehen ent— ſprechend der der Tritonen, bei denen die Zinken jedoch feiner zugeſpitzt ſind, in jedem Kiefer in mehreren Reihen, von welchen allerdings nur die vorderſte größere, deutlichere Zähne aufweiſt; die Zähne des Gaumens bilden zuſammen zwei ſtark S förmig geſchweifte Streifen, welche ſich jedoch am vorderen Ende nicht vereinigen und bei ſüdeuropäiſchen Thieren (var. corsica) im mittleren und hinteren Theile oft mehr parallel laufen als gewöhnlich. Die Zunge iſt groß, dick, ziemlich kreisrund, das Naſenloch ebenſoweit von der Augenhöhle wie von der Schnauzenſpitze entfernt, die Pupille bei lebenden Exem— plaren rund, bei todten jedoch oft verengt, von der Form eines mit der Spitze nach unten gekehrten Dreiecks /, der Hals kaum abgeſetzt, der Schwanz im Allgemeinen ſo lang als die Entfernung von der Schwanzwurzel bis zum Mundwinkel, drehrund, am Ende zugerundet, an der Unterſeite meiſt mit einer ſeichten Längsfurche. Die Füße ſind dick, die Zehen im Umfang rundlich, an der Spitze abgeplattet; von den 4 Zehen der Vorderfüße iſt die dritte die längſte, von den 5 Zehen der Hinterfüße die dritte und vierte ziemlich gleichlang. — Beſondere Beachtung verdient noch die Haut mit ihren Drüſen und Verdickungen. Die Oberhaut erſcheint an der Unterſeite, an Kehle, Bauch und Gliedern, durchaus glatt und glänzend. Letztere Eigenſchaft Erſte Art. Feuer-Salamander. 577 zeigt auch die Haut des Oberkörpers, doch machen ſich hier verſchiedene Erhebungen und Vertiefungen bemerkbar: die Seiten des Rumpfes und Schwanzes laſſen deutliche Querfurchen und ſtarke Runzeln (Wülſte) erkennen; längs des Rückgrats und der Mittellinie des Schwanzes verläuft eine unregelmäßige Doppelreihe von Drüſen, wie ſich denn auch zerſtreute Drüſen an den Rumpfſeiten und in der Wangengegend finden; und endlich tritt in der Ohrgegend je ein großer beutel- oder nierenförmiger, gewöhnlich mit einem gelben Fleck gezeichneter, mit großen Poren verſehener Drüſenwulſt hervor, die ſogen. Ohrdrüſen (Parotis), welche mehr wie die anderen einen ätzenden Saft ab— zuſondern im Stande ſind. Die Geſammtlänge erwachſener Thiere beträgt gewöhnlich 13 bis 17, in ſeltenen Fällen bis 18 oder 20 oder gar 23 em. Der Schwanz (vom hinteren Ende der Kloakenſpalte an bis zur Spitze gemeſſen), iſt bei der typiſchen Form eine Wenig— keit, ein Siebentel bis ein Fünftel, kürzer als Kopf und Rumpf zuſammen, der Kopf ein knappes Drittel oder ein Viertel ſo lang als der Rumpf. So z. B. iſt bei einem 185 mm langen Exemplar der Kopf 24, der Rumpf 78, der Schwanz 83 mm lang; ſeine größte Kopfbreite beträgt 22 mm. Die Grundfarbe iſt ein tiefes, glänzendes Schwarz — „color aterrimus“ —, die in Flecken auftretende Zeichnungsfarbe ein lebhaftes Orange-, Gold- oder Schwefel- gelb, doch kann in einzelnen Fällen das Gelb auf der Rückenſeite die Oberhand ge— winnen. Von den gelben Flecken der Oberſeite, welche nach Zahl und Geſtalt im Allgemeinen ſehr variiren, findet man einige ganz regelmäßig vorhanden und nur ausnahmsweiſe fehlend, nämlich einen auf jedem Augenlid und jeder Ohrdrüſe und über dem Mundwinkel, welch' letzterer allerdings oft mit dem Drüſenfleck zuſammen— fließt; außerdem begegnet man auch auf dem Ober- und Unterarm, Ober- und Unter— ſchenkel, auf Hand und Fuß und auf der Schwanzwurzel gewöhnlich je einem Gold— fleck. Die übrigen Flecken der Oberſeite von Körper und Schwanz haben, wie man beiſpielsweiſe bei Stücken aus dem Harz oft beobachten kann, die Neigung, in zwei, den Rücken einſchließende Längsreihen ſich zu ordnen, die auf dem hinteren Theile des Schwanzes ſich vereinigen. Doch iſt dieſer paarige Charakter der Rückenflecken durchaus nicht immer ausgeprägt; nicht ſelten find die Makeln halbmond-, hufeiſen-, kreis- oder aber Hförmig und längs der Rückgratslinie quergelagert, und ihnen geſellen ſich dann an den Rumpf- und Schwanzſeiten noch andere Tupfen und Flecken. Die Unterſeite zeigt meiſtentheils ein matteres Schwarz und Gelb als die oberen Partien. Die Kehle iſt immer gelb gefleckt, ja zuweilen vollſtändig gelb, der Bauch entweder einförmig ſchwarz oder mit ſpärlichen Tupfen beſetzt, die Unterſeite des Schwanzes meiſt ganz ſchwarz, ſeltener gelb gefleckt oder geſüäumt. Die Iris erſcheint dunkel (nicht roth, wie man es bei Röſel und ſeinen Nachahmern ſieht). Ohne die durch verſchiedene Zahl und Form der gelben Flecke hervorgerufenen Färbungs-Abänderungen einzeln einer Beſprechung zu unterziehen, wollen wir nur einige recht ausgeſprochene Varietäten herausgreifen, indem wir noch bemerken, daß das Gelb bei ſüdlichen Stücken eine größere Neigung hat ſich auszubreiten, als bei nördlichen. 1. Var. taeniata, zweibindiger S.: mit zwei gelben Längsbinden auf der Oberſeite, hervorgerufen durch Zuſammenfließen der jederſeitigen Augenlid-, Parotis— und Rückenflecke; Oberſeite des Schwanzes vorherrſchend gelb. 2. Var. quadri-virgata, vierſtreifiger S.: mit vier breiten gelben Längs— ſtreifen (Bändern) oberſeits, welche dadurch entſtehen, daß ſowohl die gelben Flecken 37 Maaße. Färbung. Abänderungen. 578 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. längs der Rückengrenze als auch die an den Bauchſeiten zu je einem Streifen anein— anderſtoßen; die ſchwarze Grundfärbung bleibt dann nur noch in Geſtalt dreier ſchmalen Längsbinden erhalten, ja wird mitunter faſt ganz verdrängt. Unterſeite dieſer und der vorigen Varietät gleichfalls mit ausgebreiteten gelben Flecken bezw. vorherrſchend gelb. Es kommen auch völlig gelbbauchige Spielarten vor. 3. Var. nigriventris, ſchwarzbäuchiger S.: Unterſeite einfarbig ſchwarz (infra immaculata), Oberſeite mit ſpärlichen gelben Flecken. Total ſchwarze Sala— mander, welche übrigens von dem ſchwarzen Alpen-Salamander (Sal. atra) leicht durch ihre größere und plumpere Geſtalt, den breiten Kopf, die deutlicher ſich zeigenden Poren auf der Doppelreihe der Rückendrüſen und durch die weniger kugelig hervor— tretenden, ſondern mehr quer verlaufenden Wülſte der Rumpfſeiten zu unterſcheiden wären, ſind mir noch nicht vorgekommen, auch ſonſt meines Wiſſens nicht beobachtet worden. Nun folgen noch einige beſondere Formen: 1. Die von Savi (1838), Bonaparte, Duges, Giglioli als ſelbſtſtändige Art auf geführte Sala mandra corsica darf nicht als beſondere Spezies, ſondern höchſtens als eine Varietät oder Lokalraſſe von 8. maculosa angeſehen werden, welche ſich von der Stammform durch die in ihrer hinteren Hälfte vollſtändig parallel laufenden und vorn plötzlich und halbkreisförmig auseinander weichenden Gaumenzahnreihen, wohl auch durch noch breiteren Kopf und durch flache Rückenwarzen unterſcheiden ſoll. Bereits A. Strauch bezeichnete 1870 die angeblichen ſpezifiſchen Unterſchiede als außerordentlich gering, individuell, oder ganz unweſentlich und höchſtens zur Aufſtellung einer Varietät hinreichend. Und J. v. Bedriaga, welcher lebende korſikaniſche Salamander mit Heidelberger und algeriſchen Stücken ver— gleichen konnte, pflichtet Strauch bei und hebt hervor [Korſika], daß die Anordnung der Gaumen— zahnreihen bei den aus Baſtelica auf Korſika ſtammenden Thieren ganz und gar dieſelbe ſei wie bei der feſtländiſchen maculosa; auch in den übrigen Skelettverhältniſſen zeigten ſich keine nennenswerthen Ab— weichungen, indeſſen fielen von äußeren Merkmalen die Abplattung der Finger, die vergleichsweiſe kurzen, durch ſchwach entwickelte Spannhäute verbundenen Hinterzehen und die geringe Anzahl der Poren auf den Rumpfſeiten auf, und Bedriaga empfiehlt deshalb die Savi'ſche Benennung corsica als Varietäts— Namen beizubehalten. 2. Var. algira (Bedr. 1883). Gegenüber der plump ausſehenden mitteleuro— päiſchen Stammart und dem gleichfalls plumpen Korſikaner erſcheint die langſchwänzige algeriſche Form, deren Schwanz ſo lang iſt als Kopf und Rumpf zuſammen, deren Finger gleichfalls länger ſind als bei der Stammart und die ferner einen platten Kopf und glatte Haut beſitzt, als eine recht ſchlanke Raſſe und darf ſicherlich die Bezeich— nung var. algira beanſpruchen. Nach Berlin gelangte ſie zuerſt durch Dr. Buvry. 3. Var. Molleri (Bedr. 1889). Der von Ad. F. Moller u. A. an verſchiedenen Orten Portugals geſammelte Salamander, welchen J. v. Bedriaga var. Molleri benannt hat, ſteht wiederum der mitteleuropäiſchen Stammart in Geſtalt und Bau nahe. Au den dicken Rumpf ſetzt ſich ein kurzer und gleichfalls dicker, am Ende abgeſtumpfter Schwanz an, deſſen Länge der Entfernung zwiſchen Mundwinkel und Hintergliedmaße gleicht, und der vom Rumpf gut abgeſetzte Kopf, deſſen Vordertheil von den Augen an ſich in die lange und ziemlich ſpitze Schnauze verjüngt und oberſeits platt iſt, er— ſcheint im Hintertheil hoch und ſehr verbreitert, die Parotiden ſind ſehr entwickelt, die Finger und Zehen ohne Zwiſchenhaut, ziemlich zuſammengedrückt. Was aber ſofort auffällt, das ſind die Schwarz- oder Braungrau einſchließenden gelben Ringflecken des Rückens und die gelb und rothen Augenflecken auf Flanken, Gliedmaßen, Schwanz, Kehle, Parotiden und Augenlidern, und die Kehle erſcheint zuweilen in intenſivem Roth; die gelben Flecken auf der Unterſeite treten manchmal ſehr zahlreich auf. Als Geſammtlänge erwachſener Thiere giebt J. v. Bedriaga 174 mm an. Erſte Art. Feuer-Salamander. 579 Die Geſchlechter laſſen keine beſtimmten Färbungs-Merkmale wahrnehmen; dagegen kennzeichnet ſich das Männchen durch die beiderſeits der Afterſpalte erheblich geſchwollene, das Weibchen durch flache Kloakengegend. Allem Anſchein nach überwiegt die Zahl der Weibchen bei weitem die der Männchen. Die Larven, deren ein Weibchen 12 bis 40 oder 50 (ausnahmsweiſe mehr) Stück im Verlauf einiger Stunden oder Tage abſetzt, ſind bei der Geburt 25 bis 32 mm lang und, wie die Abbildung Nr. 1 auf Tafel V veranſchaulicht, viel weiter in der Entwicklung vorgeſchritten als die ihre Eihülle verlaſſenden Larven der Froſch— lurche und der Tritonen: der Schwanz allerdings mit Floſſenſaum verſehen, aber am Ende abgerundet, die vier Gliedmaßen vollkommen ausgebildet, der an jeder Seite mit ſtattlichen, 4 bis 5 mm langen Kiemenbüſcheln ausgerüſtete Kopf breit, dick, die Schnauze breit zugerundet, ſtumpf, der echte Salamandertypus alſo ſchon deutlich ausgeprägt. Der Floſſenſaum des Schwanzes reicht nach vorn bis zur Rückenmitte, und hierdurch iſt wiederum ein weſentliches Unterſcheidungszeichen gegenüber gleichgroßen Tritonlarven (Triton alpestris) gegeben, da bei dieſen jener Hautſaum ſich bis zum Nacken oder bis über die Einlenkungsſtelle der Vordergliedmaßen erſtreckt; außerdem zeigt ſich bei den Salamander-Larven abweichend von denen der Tritonen auf der Wurzel der Ober— arme und der Oberſchenkel ein heller, weißlicher oder gelblichweißer Fleck, der allerdings, wie H. Fiſcher-Sigwart hervorhebt, bei ganz jungen Exemplaren leicht überſehen werden kann. Im Uebrigen iſt der Schwanz der Larve kürzer als der übrige Körper, faſt in ſeiner ganzen Länge gleichhoch, in der Wurzelpartie merklich verdickt, nach rückwärts zu aber, namentlich bei jüngeren Stücken, ſtark zuſammengedrückt, der fleiſchige Strang undeutlich ſenkrecht gefurcht, ſein Floſſenſaum beinahe geradrandig, nur hinten oberſeits in ſchwachem Bogen ſich erhebend; der Rumpf iſt höher aber ſchmäler als der Kopf und merklich höher als dick, am Rücken flach gewölbt, am Bauch abgeplattet und mit 9 oder 10 Querfurchen, an den Seiten mit 14 oder 15 Querfurchen und einer ſeichten oder undeutlichen Längsfurche, der Kopf breiter als der Rumpf und daher deutlich geſchieden, der Längsdurchmeſſer des ſeitlich gelegenen, wenig vorſtehenden, mäßig großen Auges größer als die Entfernung zwiſchen Auge und Naſenöffnung und zwei Drittel ſo groß als der Abſtand zwiſchen beiden Naſenlöchern (Internaſalraum), die Diſtanz zwiſchen Naſenloch und Lippe mindeſtens ſo groß wie die halbe Entfernung vom Naſenloch zum Auge, die Stirn zwiſchen den Augenhügeln (Interpalpebralraum) wenigſtens doppelt ſo breit als das Augenlid, die Oberlippenlappen ſind bei jungen Stücken ſtark entwickelt, die dickſtieligen Kiemenbüſchel bei großen Larven bis 6 oder 7 mm lang, die Gliedmaßen ſtämmig und von halber Rumpflänge, Hand und Fuß kurz und breit, Finger und Zehen ziemlich breit, eylindriſch oder abgeplattet, Hand— teller und Fußſohle älterer Larven mit deutlich ſichtbaren Höckerchen. Hinſichtlich der Färbung erſcheinen ganz junge Larven namentlich am Rücken her ſchwärzlichgrau mit einem Stich ins Grünliche. Eigentlich iſt die Grundfarbe ein helles Braungelb oder Braungrau, nur wird dieſes durch ein fein vertheiltes braun— ſchwarzes Pigment dergeſtalt zurückgedrängt und verdeckt, daß die Rückengegend eben dunkel gepudert, die Seiten mehr gewölkt oder marmorirt erſcheinen, während der Bauch „faſt farblos hell“, weißgelblich bleibt. Die Körperhaut iſt ſo durchſcheinend, daß man die inneren Theile, wie den gelben Dotterſack in der Bauchmitte, die röthlichen Blut— gefäße am Unterleib, zu erkennen vermag. Bei vier— oder fünfwöchentlichen Larven bemerkt man, nachdem die Goldfarbe der Iris ſchon vordem aufgefallen iſt, an den Rumpfſeiten und dem Schwanz kleine goldglänzende Flecken, und dieſer Goldſchimmer bezw. „dieſes bei Fiſchen weit und allgemein verbreitete iriſirende Hautpigment“ hat 37* Geſchlechter. Larven. Färbung der Larven. Junge. Weiße Larven. 580 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. nach einigen Wochen am Bauch ſowohl wie auch an den Rückenkanten erheblich zu— genommen, um jedoch ſpäter mit den Kiemen und der häutigen Schwanzfloſſe ſich zu verlieren. Im dritten Monat, wenn die Larven etwa 45 bis 50 mm lang, obenher dicht ſchwarzbraun geſprenkelt, am Schwanz gröber dunkel gefleckt ſind und ihr Bauch ſchwärzlich angelaufen iſt, beginnt die Eutſtehung der bekannten gelben Flecke; aber dieſes nicht iriſirende Gelb hat, wie Leydig nachgewieſen, mit dem erwähnten Gold— ſchimmer nichts zu thun, ſondern entſteht für ſich. Zunächſt tritt das Gelb, welches vorerſt noch ſehr hell iſt, in Geſtalt von Flecken auf der Wurzel der Gliedmaßen, auf den Augenhügeln und den Ohrdrüſen auf. Larven, welche dieſen neuen Schmuck auf— weiſen, ſind etwa ein Vierteljahr alt und — immer gewöhnliche Verhältniſſe voraus— geſetzt und von „Zimmertreiberei“ oder aber von Entwicklungshemmungen abgeſehen — vielleicht 50 bis 60 oder einige 60 mm lang, aber auch im Begriff, zur Landform ſich umzubilden. Und ſo gewahrt man denn bald, wie bei den auf ſchwärzlichem Grunde grau- oder weißgelblich marmorirten und undeutlich gefleckten Larven (Tafel V Nr. 2) der Hautſaum des Schwanzes ſich verliert, der letztere und der Rumpf ſich mehr runden und der noch vierſchrötiger gewordene und werdende Kopf unmerklicher in den Rumpf übergeht; dieſer Eindruck wird hervorgerufen oder doch verſtärkt durch den Umſtand, daß die Kiemenbüſchel bis auf kurze Stummel eingeſchrumpft ſind. Nach einer kurzen Friſt, in welcher die Thiere ſchon freie Luft ſchnappen, und einer ſich anſchließenden Häutung iſt die Umwandlung aus der waſſerbewohnenden Larven- in die landbewohnende Salamanderform vollendet und höchſtens eine helle Hautfalte weiſt noch auf den Sitz der einſtigen Kiemen hin. Im Großen und Ganzen iſt den friſch umgewandelten Jungen die Farbe und Zeichnung der Alten ſchon eigen, nur entbehrt das Gelb und zuweilen auch das Schwarz noch der vollen Sättigung und Friſche und die gelben Flecken des Rückens zeigen ſich noch nicht in der ſpäteren Aus— dehnung und ſcharfen Begrenzung, wohl aber markiren ſich die erwähnten gelben Flecken auf Oberarm- und Oberſchenkel-Wurzel, Augenhügel und Ohrdrüſen kräftig, auch an Unterarm und Hand, Unterſchenkel und Fuß heben ſich helle Fleckchen klar ab. Bei jungen Thieren iſt der Kopf noch nahezu eben ſo breit als lang, beiſpielsweiſe bei 64 mm langen Stücken 10 mm. Später wird der Kopf verhältnißmäßig länger, ſodaß z. B. ein 150 mm langer Salamander einen 21 mm langen und 16 mm breiten Kopf beſitzt und das Verhältniß zwiſchen Kopflänge und Kopfbreite nicht mehr wie 1 zu 1, ſondern wie 1 zu rund 0,70 ſich ſtellt. Hingegen bleibt das Verhältniß von Kopf— zu Rumpflänge, das bei der jungen Larve etwa 1 zu 2¼ ũ betrug, im Allgemeinen das bei der erwachſenen Larve geltende, nämlich 1 zu 3. Auch das Verhältniß zwiſchen Schwanz- und Geſammtlänge bleibt ungefähr beſtehen, nämlich 1 zu 2 ½ bis 2. Zum Vergleich mögen noch einige Maaße, an drei Larven genommen, hier wiedergegeben ſein. Totallänge Nr. 1:64 mm, Nr. 2:45 mm, Nr. 3:25 mm; Kopflänge (unten gemeſſen) 10 mm bezw. 7 bezw. 4 mm; Rumpflänge 25 bezw. 18,5 bezw. 9,5 mm; Schwanzlänge 29 bezw. 19,5 bezw. 115 mm. Ein 45 mm langer junger Salamander war im Kopf 7,5 mm breit und 8 mm lang, fein Rumpf 18 mm, der Schwanz 19 mm lang. Das friſch verwandelte Thier erſcheint kleiner, im Körper— Umfang geringer, als es die Larve auf der letzten Entwicklungsſtufe war. Wie auf Seite 384 angedeutet, kommen beim Feuerſalamander bleichſüchtige Larven oder Leucismen vor, über echte Albinos mit rothen Augen ſtehen mir keine Er— fahrungen zu Gebote. Die Weißlinge, zarte, faſt durchſichtige Weſen, welche entweder vereinzelt unter natürlich gefärbten Geſchwiſtern geboren oder aber und ſeltener zu mehreren von einem Weibchen abgeſetzt und zuweilen als Larven ein- oder mehrjährig Erſte Art. Feuer-Salamander. 581 werden, haben dunkle Augen bezw. ſchwarze Pupille und metallifch angeflogene Iris, ſchwach röthlich ſchimmernde Kiemenbüſchel und eine porzellan, grau- und gelbweiße Körperhaut, auf welcher bei manchen Stücken dunkle Farbfleckchen längs der Rückenlinie oder am Schwanz hervortreten. Auch Gelblinge, Flavismen, können uns begegnen, wie deren einer unter Nr. 3 auf Tafel V vergegenwärtigt iſt. Geographiſche Verbreitung. Der Feuerſalamander iſt eine central-europäiſche und zugleich Mittelmeer-Form, indem er über Portugal und Spanien und die gegen— über liegenden, einſt mit der Pyrenäiſchen Halbinſel zuſammenhängenden Theile Nordafrika's, ferner über die Balearen, Korſika (aber nicht Sardinien), Frankreich, Belgien, Deutſchland, die Schweiz, Italien einſchl. Sizilien, Oeſterreich-Ungarn, Türkei und Griechenland ſich verbreitet, ſowie in Kleinaſien und Syrien auftritt. Im Ganzen genommen iſt fein Wohnbezirk ein ziemlich beſchränkter; ſein Charakter als Bewohner des Berg- und Hügellandes bringt es mit ſich, daß dieſer Molch der weiten nord- und oſteuropäiſchen Tiefebene (von einigen in be— ſonderer Beleuchtung erſcheinenden Ausnahmen abgeſehen) fehlt und erſt jenſeits der— ſelben, im weſtlichen Transkaukaſien durch eine kleinere, ſchlankere Art, Sal. caucasica, wieder vertreten wird. Die Weſtgrenze ſeiner Verbreitung fällt mit der natürlichen Grenze Europas, alſo Portugal, wo ihn unter Anderem Freiherr v. Maltzan bei Monchique und H. Simroth in Eſtremadura [Berl. Zool. Muf.] ſammelte, zuſammen. Von da aus zieht ſich das Wohngebiet durch Frankreich, Belgien bis in die Nieder— lande, wo der Salamander laut J. v. d. Veen noch, allerdings ſehr ſelten, in den öſt— lichen Provinzen und laut H. Schlegel wenigſtens in der Umgegend von Nijmwegen angetroffen wird. Die n ördlichſten Punkte feiner Verbreitung liegen im nordweſtlichen Deutſchland, auf 53 oder 53½ Grad n. Br.: Oldenburg, Bremen, Lüneburg, Lauen— burg. Oeſtlich der Elbe ſenkt ſich die Nordgrenze ſehr raſch nach der Neiſſe bei Görlitz (laut Fechner im Hirſchfelder Thal, auf den Königshainer Bergen, bei Leopoldshain, Mark— liſſa, Schadewalde u. a.) und gegen die weſtliche Einfaſſung des Oderthales in Mittelſchleſien bezw. den Zobten und feine Umgebung hin, während öſtlich der Oder laut Prof. Nowicki ,die Waldregion des Tatra- und Karpathen-Gebirges“ die Nordgrenze für unſeren Salamander dar— ſtellt. Sonach ſinkt die letztere von 53 ½ bis auf 49 Grad n. Br. Die Oſt grenze bildet im nördlichſten Deutſchland die Elbe, ſodann die Oder, in Galizien-Siebenbürgen ungefähr der Oberlauf des Dnieſtr und des Pruth bezw. der Sereth, und vermuthlich zieht ſie ſich zunächſt unter gleicher Länge auch auf der Balkan-Halbinſel hinab (45. Grad), um ſodann einerſeits in Makedonien, Theſſalien, Griechenland einige Grade weſtwärts zurück— zuweichen (im Berliner Muſeum ſtehen Stücke vom Olymp und vom Pelion an der Oſtküſte Theſſaliens, 40. und 41. Ferrograd, im Athener Muſeum einige Exemplare vom Parnaß-Gebirge unter derſelben Länge), anderſeits in Weſtaſien bezw. Syrien bis zum 54. oder 55. Ferrograd oſtwärts auszubiegen. Aus Syrien ſteht unter Nr. 3572 ein Exemplar (infra immaculata), durch Hemprich und Ehrenberg vor mehr als ſieben Jahrzehnten geſammelt, im Berliner e und daſſelbe Muſeum enthält in dem Glaſe Nr. 3565 ein gleichfalls durch Ehrenberg von ſeiner ägyptiſchen Reiſe mitgebrachtes Stück mit der Bezeichnung „Aegypten“, jedoch ohne nähere Fundortsangabe. Jedenfalls würde das Exemplar als von der äußerſten Süd grenze des Wohngebietes ſtammend anzuſehen ſein. Ob der Salamander in Algerien, wo ihn beiſpielsweiſe Buvry in Dſchebel Edugh ſammelte [Berl. Muſ. Nr. 3573], und in Marokko, von wo wir ihn durch Böttger kennen, ſich ebenfalls bis zum 30. Grad n. Br. hinab verbreitet, vermögen wir vor der Hand nicht anzugeben. Den 30. Grad als ſüdliche Schranke angenommen, würde der Verbreitungsbezirk ſich über 23 bis 24 Breitengrade und zudem in weſt— öſtlicher Richtung über vielleicht 45 bis 46 Längengrade ſpannen. Verbreitungs— Grenzen. Süd⸗Deutſchland. 582 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Innerhalb der angedeuteten Grenzen lebt der Feuerſalamander im Berg- und Hügelland faſt überall, in manchen derartigen Strichen Deutſchlands, ſo im Harz und in Thüringen, geradezu ſehr häufig. Immerhin zeigen ſich manchmal recht intereſſante Verhältniſſe. So in Bayern. Im April 1880 ſchrieb Herr A. Dietrich, damals Premier-Lieutenant in Lindau, mir Folgendes: „Eigenthümlicher Weiſe habe ich das Thier im ganzen Algäu nicht nur ſelbſt nicht finden, ſondern auch nie erlangen können, obwohl ich bei eintretenden Beurlaubungen, namentlich dem ſog. Ernte-Urlaub, meinen Soldaten, die ja alle im Algäu beheimatet ſind, zahlreiche Aufträge ertheilte und gute Bezahlung verhieß. Der Feuerſalamander war den Sennen ſowohl als auch den auf dem Flachlande Wohnenden von Anſehen gänzlich fremd, während mir von ihnen der Mohrenſalamander und alle Arten Molche in Maſſen gebracht wurden.“ Damit ſtimmt überein die Angabe A. Wiedemann's, welchem i. J. 1888 aus dem ganzen Reg. Bez. Schwaben-Neuburg nur eine verbürgte Mittheilung über das Vorkommen der maculosa dortſelbſt vorlag, indem dem Kuſtos Roger das Thier einmal ganz unvermuthet in einem engen Waldthal zwiſchen Dinkelſcherben und Zusmarshauſen an der Zuſam, weſt— lich von Augsburg, zu Geſicht gekommen war; auch der verſtorbene J. F. Leu in Augsburg kannte den Feuerſalamander nicht aus Schwaben, ſondern von Donauſtauf bei Regensburg, von Muggendorf u. a. Mangelt er ſonach dem Schwäbiſchen Hoch— gebirge, ſo doch nicht dem Bayeriſchen Oberland, denn bereits Schrank wies ihn von Berchtesgaden, Tegernſee und Miesbach (hier fand auch W. v. Reichenau ihn häufig und in großen Exemplaren) nach. Beachtenswerth iſt auch, daß der Salamander, wie die Herren Dr. Blumm und Sippel mir ſchrieben, in der nächſten Umgebung Bamberg's fehlt, dagegen in der nur einige Stunden entfernten kalkhöhlenreichen Fränkiſchen Schweiz bei Forchheim, Muggendorf und namentlich in Wäldern bei Streitberg ungeheuer häufig ſich zeigt. Für Erlangen verzeichnet ihn Herr Dr. Brock nicht, und Leydig vermißte ihn im Mainthal bei Würzburg und begegnete ihm erſt ſtromabwärts an den Speſſart— Ausläufern bei Rothenfels; indeß fand Herr Dünnbier ihn ſchon bei Zellingen a. M., allerdings in zwei Jahren blos ein Exemplar. Wie im bayeriſchen, ſo fehlt der Feuer— ſalamander laut Krauß auch im württembergiſchen Oberſchwaben, um nördlich der Donau, d. h. auf der Alb und am oberen Neckar (Urach, Reutlingen, Tübingen, Boll-Göppingen u. ſ. w.), um ſo zahlreicher zu erſcheinen. Herr Dr. Weinland theilte mir mit: „Sehr gemein auf der Alb, auch oben auf dem Plateau; ſelten in den Bergen des Unter— landes“; daß er aber im ganzen Neckargebiet heimiſch iſt und den Fluß bis in den Unterlauf begleitet, wiſſen wir durch verſchiedene Beobachter und wird beiſpielsweiſe mancher Beſucher der Heidelberger Schloßruine, wo er hauſt, gleich mir ſelbſt ſchon erfahren haben, auch ſchrieb Herr Dr. J. v. Bedriaga mir für Heidelberg: „ſehr gemein, auf den Hügeln und in der Ebene“. Im Schwarzwald dürfte feine X Verbreitung keine gleichmäßige ſein. So benachrichtigte Herr H. Kober-Freiburg mich, daß er den Feuer— molch trotz aller Häufigkeit in Baden doch oben auf dem eigentlichen tannen-düſteren Gebirge nie angetroffen habe. Intereſſant iſt auch nachſtehende briefliche Notiz des Herrn Prof. Wiedersheim: „Salamandra maculosa kenne ich nur aus der Gegend von Güntersthal (in der ſüdlichen Umgebung von Freiburg, nach dem Feldberg zu), wo der Molch ſowohl auf der Thalſohle als ziemlich hoch oben im Gebirge vorkommt. So traf ich in dem warmen Februar 1878 zwei Exemplare wenige Fuß unterhalb des Kibfelſens, alſo etwa 2500 Fuß hoch. An anderen Stellen in der Umgebung Freiburg's habe ich ihn nie geſehen.“ Ueber ein Vorkommen in der oberrheiniſchen Tiefebene liegen mir verbürgte Angaben nicht vor; aber jenſeits derſelben, in den Vogeſen und auf dem Plateau von Lothringen, wo ſ. Z. Herr Lieutenant Heinicke ihn z. B. bei Metz fing und Erſte Art. Feuer-Salamander. 583 durch einen Feldhüter der Gemeinde Woippy auf das zahlreiche Vorhandenſein der Thiere an feuchten Weinbergsmauern hingewieſen wurde, iſt er zu Hauſe, wie wir ihn als Glied der Moſelfauna bereits durch Schäfer und A. de la Fontaine ſowie durch Leydig (Trarbach, Eifel) kennen. Dem Gebiet der Hardt, des Soonwaldes und Hunsrück und dem Nahethal bis Bingerbrück gehört er ebenſo an wie dem Odenwald (an der Bergſtraße nicht felten) und den rechtsſeitigen Mittelrhein-Gebirgen, ſodaß nähere Fundortsvermerke nicht nöthig ſein dürften. Allein nicht unerwähnt darf bleiben, daß er aus dem Taunus, wo er laut Dr. O. Böttger bei Kronberg, Epftein ꝛc. lebt, auch in die untermainiſche Ebene herabſteigt; ſo wird er laut W. v. Reichenau nicht nur an den Hängen bei Wiesbaden, ſondern auch, obgleich ſelten, bei Mainz *) gefunden; Dr. E. Buck beſaß ein Exemplar aus dem Frankfurter Wald [Iſis 1889 S. 330], jedoch iſt Herrn Dr. O. Böttger trotz ausgeſetzter Belohnung kein Stück aus dem Walde links des Mains bei Offenbach, wo der Salamander vorkommen ſoll, bekannt geworden. Und indem ſich die Verbreitung des Feuermolches vom Taunus, Weſterwald, Siebengebirge, dem Bergiſchen und Sauer— Lande ꝛc. ab durch das geſammte mittel- und norddeutſche Berg- und Hügelland: Heſſen, Nordbayern, Thüringen, Weſtfalen, Lippe, Südhannover, Braunſchweig (Lichten— berge, Elm, Lappwald), Harzlande, Sachſen, Oberlauſitz bis Schleſien im Zuſammen— hang verfolgen läßt und der Salamander in dieſen Strichen bald häufiger, bald ver— einzelter anzutreffen iſt,“*) dürfen wir wohl auf eingehende Fundortsnachweiſe aus den angezogenen Gebieten verzichten, um nur noch einige intereſſante Sonderheiten zu berückſichtigen. Zunächſt iſt der Salamander aus den Sauerländiſchen Gebirgen, vom Haarſtrang und der Egge her in die Münſterländiſche Ebene gelangt und hat ſich dortſelbſt in größeren alten Waldungen feſtgeſetzt und erhalten, ja bisweilen trifft man ihn an ſolchen Orten gar nicht ſelten an. Im Dezember 1880 ſchrieb, nachdem Prof. H. Landois auf das Vorkommen in der Münſter'ſchen Ebene mich hingewieſen hatte, Dr. K. Auguſtin aus Lünen a. d. Lippe mir, daß ſeines Wiſſens bis zu jenem Zeitpunkte drei Exemplare in der dortigen ebenen Gegend gefunden worden ſeien, und ſpäter erwähnt Fr. Weſthoff die Hochwälder des alten Kloſters Kappenberg bei Lünen als einen ihm erinnerlichen Wohnort des Salamanders. Derſelbe Autor berichtet ſodann 1893 in Wolterstorff's „Nordweſtd. Berglon.“: „Der Münſter am nächſten gelegene Fundplatz iſt der alte fürſtbiſchöfliche Thiergarten von Wolbeck, 10 Kilometer ſüdöſtlich von Münſter und theilweiſe noch mit altem Baumbeſtand, wo ihn Weſthoff, Koch u. A. nicht ſelten er— beuteten; etwas weiter ſüdlich nach Albersloh zu ſammelte ihn Holtmann; ferner lebt er, aber ſeltener, in der Gegend von Oſtbevern und im fürſtlichen Bagno zu Burgſteinfurt.“ Der Molch geht jedoch weiter ins Emsland hinunter, denn er wurde dem Weſtf. Prov. Muſeum aus der Gegend von Lingen und anderſeits von Gildehaus zugeſchickt. Aus dem Hügellande von Osnabrück, wo er beiſpielsweiſe auf dem Schölerberg und in der Gartlage bei Osnabrück, im Hon am Piesberg, am Hüggel und Silberberg ſich aufhält, und aus dem Weſerbergland iſt er auch, vielleicht durchs Waſſer getragen, ins Tiefland „) Als Glied der Mainzer Fauna wird „Lacerta Salamandra Rösel“ bereits 1788 von Prof. B. S. Nau in feinem „Nachtrag zur Naturgeſchichte ... des Mainzer Landes“ verzeichnet. **) Am häufigſten wohl in gewiſſen Gegenden des Harzes, jo in der Grafſchaft Stolberg (Wernigerode, Ilſenburg), von wo bereits J. Sturm i. J. 1799 meldet, man könne dort „in kurzer Zeit ganze Kornſäcke voll davon anfüllen“, und ebenfalls bei Stolberg am Südharz, wo der Volkswitz das maſſenhafte Vorkommen des ſchwarzsgelben Salamanders damit erklärt, daß derſelbe ſich unter dem Schutze der gleicherweiſe ſchwarz-gelben Flagge der Stolberg'ſchen Grafſchaften ſo wohl fühle. In Berlin heißt dieſer Salamander geradezu „Harzmolch“. Miltel- und nordd. Bergland. Norddeulſches Flachland. Nachbarländer. 584 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. der Haſe, Hunte, Weſer gelangt. So meldete Dr. Greve mir für das Herzogthum Olden— burg, daß er dort, allerdings nicht häufig und nur auf Sandboden und in Laubwaldungen vorkomme; „gefunden bei Hude in der Nähe einer Kloſterruine, in dem davon nicht weit entfernten Holze, dem Hasbruch (Amtsbez. Delmenhorſt) und auf dem Ammerlande (Amtsbez. Weſterſtede).“ An einzelnen Fundorten im Oldenburg'ſchen nennt Borcherding noch das Griſtadter Holz und Aſchhauſen am Zwiſchenahner Meer ſowie den Bockhorner Urwald. Vom Harzland iſt er aber wohl unter ähnlichen Umſtänden auch nach der Altmark und dem Lüneburg'ſchen verſchleppt worden: bereits 1861 zeigte ihn Steinvorth als einzeln in den Laubwäldern Lüneburgs vorkommend an und 1866 verz zeichnete ihn Claudius als Bewohner der „langen Berge“ in Lauenburg; den erſten Fund in der Altmark machte Dr. O. Reinhardt-Berlin, welchem, wie er mir mittheilte, 1877 beim Sammeln und Eichen, von Schnecken ein Exemplar in dem Wäldchen Köhe bei Alten-Salzwedel (Clötze) in die Hände fiel, und 1890 berichtet Dr. A. Mertens, daß er am Moorrande der Jävenitzer Forſt neben zwei großen, ausgewachſenen auch ein ganz kleines Stück am Teufelsbach fing, nachdem aber keinen wieder antraf, außerdem giebt er noch das Thal von Zichtau als Fundort an. Ganz entſchieden um verſchleppte Stücke handelt es ſich auch bei den in der Mark Brandenburg gemachten en deren Herr H. Schalow mir drei, und zwar alle aus unmittelbarer Nähe Berlins), vermerkt: 1864 oder 1865 fing er ſelbſt an einem Herbſtabend nach heftigem Gewitter auf einem damals noch gänzlich unbebauten Gelände, wo jetzt in der Nähe des Zellengefängniſſes der Rangir-Bahnhof liegt, zwei Exemplare, ebenfalls in den 60 er Jahren fand Alb. Lütke auf dem kleinen Eiland Valentinswerder im Tegeler See mehrmals den Feuerſalamander unter altem Reiſig und Steinen, und endlich hat auf ſeiner Inſel Scharfenberg im Tegeler See Dr. K. Bolle denſelben mehrmals ſelbſt gefunden oder von ſeinen Leuten erhalten. In der Märkischen Schweiz bei Buckow kommt Salamandra, trotzdem in E. Schulze's Fauna saxonica das behauptet und als Gewährsmann Ed. von Martens angeführt wird, keinenfalls vor; Herr Prof. v. Martens entſinnt ſich nicht, eine derartige Angabe ge— macht zu haben, und auch ſonſt iſt hier kein Fund aus der genannten Gegend bekannt. Was unſere Nachbarländer anbelangt, ſo zählt ihn Dänemark und das der großen nordöſtlichen Tiefebene angehörende Ruſſiſche Reich ebenſowenig zu ſeiner Fauna wie das ebene Belgien, Holland (mit geringen Ausnahmen) und das jenſeits des Kanals liegende Britiſche Inſelreich. Hingegen iſt er im bergigen und hügeligen Belgien, Luxemburg, wo die Thäler der Moſel und Sauer laut Fontaine ſeine bevorzugten Aufenthaltsorte ſind, und Frankreich allenthalben zu Hauſe. Für die Schweiz wird er 1837 in Schinz Fauna helvetica als „häufig an ſchattigen Orten“ aufgeführt, doch iſt ſeine Verbreitung daſelbſt keine gleichmäßige: ſo kommt er laut Fr. Müller in der näheren Umgebung von Baſel ſelten, in der Gegend von Langenbruck und anderwärts im Baſeler Jura ungemein häufig vor; letzteres gilt laut Fiſcher-Sigwart auch für die Kantone Aargau, Solothurn, Luzern und den nördlichen Theil des K. Bern, während er laut Prof. Th. Studer, milch mir als Fundorte Reichenbach, Schwarzwaſſerthal, Kirchlindach, Gurtenthal nennt, bei Bern ſehr ſelten iſt; im Süden der Hochalpenzüge, in Teſſin, ſcheint er zahlreicher aufzutreten als im Norden derſelben. Hinſichtlich Tirol's ſagt Gredler, daß er dort kaum einem größeren Gebiete fehlen dürfte; am ſeltenſten iſt er im nordweſtlichen Theil dieſes Alpenlandes — und das entſpricht dem Fehlen oder dem höchſtens vereinzelten ) Sogar in der Stadt ſelbſt — und das kommt auch anderwärts vor — ſind ſchon entwiſchte Stücke gefunden worden, z. B. vor Jahren bei Pflaſterungs-Arbeiten in der Weißenburger Straße. Ander— ſeits ſind Feuerſalamander ausgeſetzt worden, ſo durch Dr. Ad. Stoffert-Hamburg im Eppendorfer Moor, im Bergedorfer, Reinbecker und Friedrichsruher Wald. Erſte Art. Feuer-Salamander. 585 Auftreten des gefleckten Salamanders im Algäu und Schwäbiſchen Hochgebirge (Seite 580) —, denn Bruhin vermerkt ihn, als „ſelten“, aus Vorarlberg nur für Thüringen und Ueberſaxen, und aus Nordtirol liegen mir überhaupt keine Fundangaben vor, „angeblich“ ſoll er bei Lermoos beobachtet ſein; am unteren Inn, nach Oberbayern zu, begegnet man ihm öfter, ſo am Eingang in die Wildſchönau, um Fieberbrunn, bei Kufſtein, ebenſo in Südtirol: um Klobenſtein, St. Michael, Seis, Völs, ferner um Bozen, Leifers, Gargazon, Meran, im Nonsberg u. a. Für Salzburg verzeichnet ihn F. Storch, in Oeſterreich iſt er laut Fitzinger und Knauer häufig in feuchten Wäldern (auch bei Wien), und Fr. Werner nennt als ſpezielle Fundorte Hütteldorf weſtlich von Wien, die untere Hälfte des Schneeberges und der Raxalpe, das Mondſee-Gebiet und Iſchl (bei Vöslau fehlt er); in Böhmen findet er ſich in Gebirgswaldungen, namentlich bei Tetſchen und im Eiſen gebirge bei Ronov; in Oeſterreichiſch-Schleſien, im Mähriſchen Geſenke ꝛc. häufig, kommt er laut briefl. Mittheilung W. Burkart's bei Brünn höchſt ſelten vor; in der Wald region des Tatra- und Karpathen-Gebirges iſt er, wie Prof. M. Nowicki bezw. Prof. A. v. Mofſiſovicz mir ſchrieben, ebenſo „gemein“ wie in Steiermark, in den Gebirgs wäldern Siebenbürgens ebenſo wie in Kärnthen, ebenſowenig fehlt er in Dalmatien, Bosnien u. ſ. w. Er zieht ſich aus den öſterreichiſchen und ungariſchen Gebirgen aber auch in das Tiefland herab; jo nennt ihn Kornhuber für Preßburg und A. v. Moſſiſovicz für den Donau-Drau-Winkel in Süd-Ungarn, wo er ſich von den typijch gefärbten Stücken aus anderen Gegenden nicht unterſcheidet, während die in Orſova an der banatiſch-wallachiſchen Grenze geſammelten Exemplare durch überwiegend ſchwarze Färbung und Kleinheit der gelben Makeln ſich auszeichneten. Aufenthalt, Lebeusweiſe, Eigenſchaften. Die erſte Forderung, welche der Feuermolch an den Aufenthalt ſtellt, iſt die nach Schatten und Feuchtigkeit, denn Licht und trockene Wärme ſind ihm zuwider und ſchädlich. Daher bewohnt er Waldthäler und Schluchten und bewachſene Berghänge in Berg- und Hügelland, die ihm unter Ge wurzel und Geſtein und Moospolſtern und Farnbüſchen, in Erdlöchern, Felshöhlungen und alten Baumſtümpfen den erwünſchten Unterſchlupf und Schutz gegen Sonne und Trockenheit bieten, mit Vorliebe, und daher hält er ſich, ſollte er ausnahmsweiſe in die Ebene herabſteigen, hier nur dann, wenn er ſich in urwüchſigen, ausgedehnten Waldungen, in alten, umfangreichen Beſtänden von Laub— und gemiſchtem Holz feſt— ſetzen kann. Trockene Nadelwälder auf Sand- und Kalkboden meidet er. Unſere Ge birge bewohnt er bis in die oberen Regionen, bis zu einer Höhe von 2000 bis 3000 Fuß, auf dem Dreifaltigkeitsberg öſtlich von Spaichingen, am ſüdweſtlichen Anfang der Alb in Württemberg, fand ihn W. Hinderer in einer Seehöhe von 980 m, im Harz fehlt er laut Dr. J. Elſter nur den oberſten Plateaus, in den Schweizer- und Tiroler Alpen geht er laut Fatio und Gredler bis zu 1250 m (3800 Fuß) Seehöhe hinauf. Abends und Nachts, am Tage aber nur nach einem warmen Regen kommt er aus ſeinem Verſteck hervor, um in der feuchten Luft ſeine Neigungen und Bedürfniſſe zu be friedigen, während er, falls er in ſeinen verborgenen Gelaſſen Nahrung genug findet, zuweilen längere Zeit ſich nicht der Außenwelt zeigt. In froſtfreier Tiefe, in Höhlungen aller Art, ein oder mehrere Fuß unter der Erdoberfläche, verbringt er auch, und zwar in Geſellſchaften, den Winter und ſteigt je nach der Witterung Ende März oder An— fang April wieder herauf. Die jüngeren Thiere ſcheinen, wie wir das ja auch bei den Froſchlurchen erfahren haben, die Winterherberge einige Tage vor den alten zu ver laſſen, und die trächtigen Weibchen ſuchen nun — denn auch die Larven wollen Schatten und Kühle und verbergen ſich bei einfallender Sonne unter Uferſteinen und Pflanzen — Quellwäſſer, Waldbäche und dergl. auf, um ihre Jungen abzuſetzen. Aufenthalt. Fortpflanzungs⸗ Geſchichte. Entwicklungs⸗ Gang. 586 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Die Fortpflanzungsgeſchichte des Feuerſalamanders hat das Intereſſe der Forſcher und Naturfreunde unausgeſetzt wach erhalten. Man wußte zwar ſeit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, alſo ſeit der Zeit des Nürnberger Arztes Wurfbain, bei dem ein gefangen gehaltenes Weibchen auf einmal 34 Junge zur Welt brachte, und des i. J. 1688 geſtorbenen Franzoſen Perrault, deſſen Arbeit über den Salamander allerdings erſt 1734 erſchien, daß der gefleckte Erdmolch lebendig-gebärend, vivipar ſei; man war durch Perrault unter anderem auch ſchon darauf hingewieſen worden, daß bei der Ent- wicklung des Keimlings im Mutterleibe um einen Dotterſack „ſich der hiervon ab— geſchnürte Embryo herumkrümmt“; es hatte ferner Bechſtein, wie er i. J. 1800 in einer Anmerkung zur Ueberſetzung von Lacepede mittheilte, „zur Zeit der Fortpflanzung im Juni die tölpiſchen Bewegungen der Thiere, wodurch ſich beide Geſchlechter zur Be— gattung zu reizen ſuchen, machen ſehen“; es hatte weiterhin Schreibers in Okens „Iſis“ 1833 auseinandergeſetzt, daß bei den Tritonen und den Landſalamandern die Be— fruchtung eine innere ſei, daß jedoch bei beiden eine Begattung nicht ſtattfinde (vergl. S. 392), wohl aber bei den letzteren ein Amplexus (Umarmung), wie er ihn nament— lich beim ſchwarzen Salamander, ſelbſt in der Gefangenſchaft, oft beobachtet habe; es hatte F. Leydig ſpäter wahrgenommen und 1853 in feinen Anat-hiſtolog. Unterſuchungen über Fiſche und Reptilien erwähnt, daß in der Kloake trächtiger Weibchen gewöhnlich Spermatozoiden anzutreffen ſeien, und daraus den Schluß gezogen, daß wohl auch bei dem Feuerſalamander ein einleitender Begattungsakt wie beim ſchwarzen Salamander vor ſich gehen möge; es waren im Jahre darauf die Unterſuchungen Rusconi's über den Salamandre terrestre veröffentlicht worden u. ſ. w. — aber erſt während der letzten anderthalb Jahrzehnte iſt durch die Unterſuchungen, Forſchungen und Beobachtungen B. Benecke's, G. Born's, Melsheimer's, Landois' und Weſthoff's, E. Zeller's u. A. die Fortpflanzungs— und Entwicklungsgeſchichte des Feuerſalamanders ſoweit geklärt worden, daß wir jetzt in kurzen Strichen folgendes Bild von derſelben entwerfen können: Die Paarung bezw. die Aufnahme des männlichen Samens durch das Weibchen findet im Frühling und Sommer ſtatt; die Abgabe des Samens (der Spermatophoren oder Samenpackete) ſeitens des Männchens und die Aufnahme der Samenmaſſe ſeitens des Weibchens erfolgt in der auf Seite 392 beſchriebenen Weiſe. Die in die Kloake und die Samentaſche (Receptaculum seminis) des Weibchens eingedrungenen Samen— fäden oder Zooſpermien werden in der Samentaſche aufgeſpeichert bis nach Abſetzung der Keimlinge oder Larven, welche ſich bei Aufnahme des Samens im Eileiter befinden, im nächſten Frühjahr, oder auch bis zu einer noch ferner liegenden Zeit. Die Be— fruchtung der Eier geſchieht alſo nicht gleich bei der Samenaufnahme, ſondern erſt etwa ein Jahr darauf bezw. zum Theil noch ſpäter, vielmehr haften zu dem erſteren Zeit— punkte die Eier in zum Theil noch ganz unentwickeltem Zuſtande noch in den Eierſtöcken oder Ovarien; hieraus iſt es leicht erklärlich, wenn eingefangene und dann von Männchen völlig getrennt gehaltene Weibchen nach halb- und einjähriger, ja noch längerer Iſolirung in Gefangenſchaft eine Anzahl Larven geboren haben. Die nach Abſetzung der Keim— linge zur Reife kommenden Eier erlangen ihre Keimfähigkeit durch die vom Weibchen früher aufgenommenen und bis dahin in der Samentaſche aufbewahrten Samenfäden und entwickeln ſich bis zum Herbſt zu Embryonen. Mit dieſen trächtig und gewöhnlich auch noch mit lebenden Samenfäden in der Samentaſche, ziehen ſich die Weibchen in der Nähe eines geeigneten Gewäſſers zum Winterſchlafe, währenddem die Keimlinge nicht weiter wachſen, zurück, um nach dem Erwachen gewöhnlich im März oder April, doch auch noch im Mai, in kühlen Waldbächen und Quellwäſſern die grauen, vierbeinigen, kiementragenden, ruderſchwänzigen, 25 bis 30 mm langen jungen Larven in größerer Pr Erſte Art. Feuer-Salamander. 587 oder geringerer Anzahl zur Welt zu bringen, wobei die letzteren je nach dem Grade ihrer Entwicklung entweder noch von einer dünnen und vollkommen waſſerhellen Eihaut umhüllt oder aber, wenn ſie dieſelbe bereits im mütterlichen Eileiter geſprengt haben, ſchon vollſtändig frei ſind. Im Waſſer machen die recht lebendigen, blitzſchnell ſich be— wegenden und von kleinen Krebsthierchen (Daphnien, Cyclopiden ꝛc.), ſpäter auch von Würmern ſich nährenden Larven nun, nachdem die Alten ſofort wieder das Laud auf geſucht haben, unter gewöhnlichen Verhältniſſen im Verlauf von etwa drei Monaten ihre, auf Seite 579 dargeſtellte Umfärbung und ihre Umwandlung vom Kiemen- zum Lungen-Athmer durch und verlaſſen je nach dem Zeitpunkt der Geburt früher oder ſpäter: im Juni, Juli oder Auguſt, als junge und im Vergleich zu den Larven recht ſchwer— fällige Landſalamander das ihnen zur Ausbildungsſtätte dienende Gewäſſer, um in Erd und Wurzelhöhlungen, Mauerlöchern und ähnlichen geſchützten Oertlichkeiten, aus denen ſie nur des Nachts und bei fortgeſchrittenem Wachsthum auch an feuchten Tagen hervor— kommen, während eines mehrjährigen Zeitraumes zu fortpflanzungsfähigen Thieren ſich auszugeſtalten. Die Tragezeit des Salamander-Weibchens dauert alſo, wie ſchon Baer vermuthete, ein Jahr, d. h. ein Weibchen, welches beiſpielsweiſe mit den i. J. 1895 aufgenommenen Samenfäden im Frühling 1896 eine Anzahl Eier befruchtet hat, ſetzt die aus dieſen entwickelten Larven im Frühjahr 1897 im Waſſer ab; und zwiſchen Ge burt und Geſchlechtsreife verſtreichen dann wiederum mindeſtens zwei Jahre, ſodaß die 1897 geborenen Larven früheſtens i. J. 1899 geſchlechtsreif werden dürften. Zur Erläuterung dieſer gedrängten Ueberſicht mögen noch einige Einzelheiten folgen. Bei der Begattung verbreiten laut Melsheimer, welcher dieſelbe wiederholt im Juli beobachtete, die Paare einen eigenartigen wohlriechenden, an den Blütenduft des Odermennig (Agrimonia eupatoria, I.) erinnernden Geruch, welcher leicht wahr zunehmen iſt und unſchwer zur Auffindung des in einer Erdhöhle verborgenen Pärchens führt; denſelben Duft ſollen Männchen und Weibchen für kurze Zeit von ſich geben, wenn ſie gleich nach der Begattung in der Aftergegend etwas gedrückt werden. Die Paarung konnte Dr. E. Zeller am 14. Mai 1891 wiederholt beobachten, nachdem er zwei kurz vorher gefangene Weibchen zu zwei, im Hauſe überwinterten Männchen gebracht hatte. Der Forſcher ſah, wie das Männchen, und zwar zunächſt auf dem Lande, ſpäter aber auch im Waſſer, an das Weibchen herankroch, daſſelbe in der Gegend des Kloaken wulſtes mit ſeiner Schnauze berührte, wohl auch beroch, dann ſeinen Kopf zwiſchen den Hinterbeinen des Weibchens hindurchdrängte und ſich unter deſſen Bauch vorwärts ſchob bis zum Kopfe deſſelben. Danach legte es ſeine Vorderbeine von unten und hinten her über die Vorderbeine des Weibchens herüber, wobei es die Ellbogen- wie die Hand— gelenke rechtwinklig beugte, und hielt in dieſer Weiſe das Weibchen feſt, um es ſo kriechend oder auch ſchwimmend längere Zeit herumzuſchleppen.“) Das Männchen iſt alſo unten und trägt das Weibchen, wie wir es ſeit Jahren ſchon vom Rippenmolch wußten. Zeller ſah auch, daß während dieſer Umarmungen die Weibchen einzelne Junge ausſtießen und die Männchen den Hinterleib und den Schwanz häufig hin- und her krümmten, ſo wie es die Axolotl- und die Tritonen-Männchen machen, wenn ſie ihre Spermatophoren abſetzen; doch kam es diesmal nicht zur Abgabe von Spermatophoren. Auch Dr. Ad. Stoffert-Hamburg nahm bei den Paarungsſpielen, welche die von ihm im Terrarium gehaltenen Feuerſalamander im Oktober ausführten, ſolche lebhaften Be wegungen des Schwanzes wahr und ſchreibt im Uebrigen Folgendes über dieſe Spiele: „bei beiden Geſchlechtern ſchwoll die Kloake an und das bedeutend kleinere Männchen Paarungsſpiele. *) Hiernach wäre alſo die Schreibers'ſche Angabe, zufolge welcher beim ſchwarzen Landſalamander das Männchen (gleich dem Froſch) das Weibchen vom Rücken her um die Bruſt faſſe, zu berichtigen, Befruchtung. Embryonal⸗ Entwicklung. 588 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. fing nun das große Weibchen zu treiben an; reibend drängte ſich das Männchen an die Seiten des Weibchens und biß wie im Zorne demſelben in die Flanken; gleich nach Sonnenuntergang fing das Spiel an, die ganze Nacht hindurch jagten ſie ſich, alle zarten Farne und Mooſe unbarmherzig zertretend, und heftig ſtießen ſie gegen die Scheiben an, wobei der Schwanz in lebhafter Bewegung erhalten und hin und her geſchlagen wurde. Acht bis zehn Tage dauerte dieſes Liebeswerben, dann traten wieder ruhige Verhältniſſe ein. Auffallend war es, daß gegen Ende deſſelben beide oft ins Waſſer gingen.“ Jedoch konnte Dr. Stoffert nie eine eigentliche Begattung beobachten. Die Samen-Abgabe und Aufnahme bemerkte zuerſt Dr. E. Zeller 1890, welcher ſchon vordem der Anſicht war, daß, im Gegenſatz zu Rusconi's Meinung, eine unmittelbar auf das Abſetzen der Larven folgende Befruchtung keineswegs ſo undenkbar, ſondern ſehr wahrſcheinlich ſei. Zehn am 23. April friſch gefangene Salamander, fünf Männchen und fünf Weibchen, wurden in einem mit Moos und Steinen belegten und mit einem flachen Waſſerbehälter verſehenen Terrarium untergebracht, und ſchon am Morgen des 27. April fanden ſich in dem Waſſer außer acht Larven ſechs Spermatophoren vor, von welchen zwei noch ein frisches Ausſehen hatten, die übrigen aber ſchon im Zerfall be— griffen waren. Aehnlich geſchah es am 28. und 30. April. Der einzelne Spermatophor beſtand aus einer kugeligen Samenmaſſe und einem dieſelbe tragenden und innig mit ihr verklebten, verhältnißmäßig nur wenig anſehnlichen Gallertkegel, welcher ſich ſolid, nicht wie bei den Tritonen in einer Hohlform zeigte; die Samenfäden der friſchen Spermatophoren wurden noch lebend angetroffen, und es konnte an ihnen ganz be— ſonders ſchön die lebhaft flatternde Seitenmembran, welche an der Fadenſpitze nicht endet, ſondern hier in einen ſehr feinen Anhang ſich fortſetzt, wahrgenommen werden. In den Weibchen fand Zeller die Samentaſche mit Sperma gefüllt, die Blindſchläuche von milchweißer Farbe und ihre wabenförmig geſtellten Mündungen waren ſchon bei einer ſchwachen Lupenvergrößerung auf das deutlichſte zu erkennen. Beachtenswerthe Beobachtungen und Unterſuchungen über die Entwickelung waren 1879 in der Anatomiſchen Anſtalt zu Königsberg gemacht worden. Wie Prof. Benecke in Nr. 46 des Zool. Anzeigers berichtete, bekam jene Anſtalt von Mitte Mai bis Mitte September in ungefähr acht- bis vierzehntägigen Pauſen etwa 600 Erdſalamander, unter denen beide Geſchlechter in ganz gleicher Anzahl vertreten waren, aus dem Harz, dem Rieſengebirge, aus Thüringen und Tirol. Unterſuchungen ergaben, daß die mehrtheiligen Hoden der Männchen während des ganzen Zeitraumes entwickelte, meiſtens auch beweg— liche Zooſpermien enthielten, im Mai und Juni aber ganz beſonders geſchwellt waren und in dieſer Zeit die lebhaft ſchwarz gefärbten Samenleiter von dickem rahmigen Sperma ſtrotzten. Die erſten, am 13. Mai unterſuchten Weibchen hatten in beiden Ovarien eine erhebliche Anzahl (zuſammen 40 bis 50) größere, weißlichgelbe Eier von 2 bis 4,5 mm Durchmeſſer, an denen das Keimbläschen als ein graulichweißer, durchſcheinender, kreis— förmiger Fleck ſchon mit bloßem Auge erkennbar war; neben ihnen bargen die Ovarien eine große Anzahl jüngerer Eier bis zu 1 mm Durchmeſſer und darunter. Die von der Achſelgegend bis zur Kloake ſich erſtreckenden Eileiter waren in ihrem oberen Theile weißlich gefärbt, dicklich und vielfach gewunden, ihr unterer Abſchnitt von faſt zur Geburt reifen Embryonen erfüllt, außerordentlich erweitert und von beinahe glasartiger Durch— ſichtigkeit. Im unteren Theile jedes Eileiters befanden ſich 20 bis 25 dieſer Embryonen noch in der dünnen Eihaut eingeſchloſſen mit über den Kopf gelegtem Schwanz. Wurden die Eileiter unter Waſſer geöffnet, ſo traten die Eier unverletzt als Ovale von ungefähr 10 mm Länge und 5 mm Dicke hervor, doch ſprengten die jungen, etwa 30 mm Erſte Art. Feuer-Salamander. 589 langen, am Rücken dunkel ſchwarzgrün, an den Seiten marmorirt, am Bauche graugelblich erſcheinenden, mit kräftigen Kiemenbüſcheln und vier vollkommen ausgebildeten Beinen ausgerüſteten Larven ſehr ſchnell ihre Hülle, um unmittelbar nach ihrer Befreiung munter umherzuſchwimmen und mit der Jagd auf die im Waſſer lebenden Daphnien zu beginnen. In dem Im langen und 25 cm breiten Waſſerbecken eines großen, wohnlichen Terrarium fanden denn auch von Mitte Mai bis Mitte Juni täglich zahlreiche natürliche Geburten ſtatt und bald wimmelte das Becken von vielen hundert jungen Larven, neben welchen häufig auch einzelne in früheren und ſpäteren Entwickelungsſtufen abgeſtorbene Eier aus geſtoßen wurden. Eine Begattung wurde bei den zahlreichen, täglich vielfältig beobachteten Thieren nicht geſehen, trotzdem fanden ſich vom 17. Juni an ſowohl bei ſolchen Weibchen, die im Inſtitut geboren hatten, als auch an friſch erhaltenen neue Eier im Eileiter, während bei anderen Exemplaren 40 bis 50 noch an den Eierjtöcen befeſtigte Eier die— ſelbe Größe von 5 mm erreicht hatten wie die eben in den Eileiter eingetretenen; ſie erſchienen, ebenſo wie die jüngeren Eier, gelblichweiß, das Keimbläschen war an den im Eileiter befindlichen Eiern niemals, an den noch am Eierſtock befindlichen häufig auch nicht ſichtbar. Nachdem die Eier in den nächſten Wochen den Furchungsprozeß ꝛc. und die Keimlinge die erſten Stufen der Embryonal-Entwickelung durchgemacht haben, bezw. eine geſchloſſene Rückenfurche mit ſcheibenförmig verbreitertem Kopf zeigen, wächſt, wie Prof. Benecke weiter ſchildert, allmählich der Kopf knopfförmig über den Dotter hervor, und wenn an ihm die erſten Anlagen der Kiemen als flache Wülſte bemerklich werden, beginnt auch der Schwanz hervorzuſprießen. Schon in dieſer Zeit machen die noch ganz gelblichweißen Embryonen bei Berührung, oder wenn man ſie in differente Flüſſigkeiten bringt, lebhafte Seitenbewegungen mit dem Kopfe. Bei weiterem Wachsthum muß ſich der Embryo krümmen, um im Eiraum Platz zu finden. Der Kopf verlängert ſich und hinter den vier ſich allmählich verzweigenden Kiemen wird die Anlage der vorderen, viel ſpäter die der hinteren Gliedmaße bemerklich. Die Muskulatur der Rumpfwandung, an ihrer ſcharfen Grenze leicht kenntlich, fängt nun an, den Dotter allmählich zu umwachſen und der Embryo ſetzt ſich von dem Dotter ab wie ein Fiſch. Schon vor dem Hervor— ſproſſen der hinteren Gliedmaße beginnt die Pigmentirung der Haut, zuerſt am Rücken, aufzutreten. Bis Anfang Oktober haben die Embryonen eine Länge von rund 25 mm erlangt und hat die Muskulatur der Bauchdecken die Mittellinie erreicht. Obgleich in dieſer Zeit der Mitteldarm noch aus einem zwar gewundenen, aber nur von Dotter⸗ Elementen ausgekleideten Kanal mit dünner Bindegewebswand und unregelmäßigem Lumen beſteht und nur Vorder- und Enddarm die normale Bildung zeigen, laſſen ſich die in dieſem Entwicklungsſtadium dem Eileiter entnommenen Embryonen Monate lang und bei beſſerer Pflege dauernd im Waſſer am Leben erhalten. Trotz ihres noch mangel haften Darmkanals nehmen ſie, ſo ſchließt Prof. Benecke ſeinen Bericht, ſofort nach der Befreiung aus den Eihäuten nicht nur kleine Daphnien, Cyclopiden und dergleichen Krebschen zu ſich, ſondern auch verhältnißmäßig ſehr große Regenwürmer, ja einer der Frühgeborenen verſchlang am Tage nach ſeiner Geburt ſchon den Schwanz und Hinter— leib eines ſeiner Geſchwiſter und würgte denſelben innerhalb zwei Tagen bis zu den Achſeln herunter, wo er ſich ablöſte. Der Koth dieſer Frühlarven beſteht aus kleinen Cylindern, in denen außer den Panzern der verſchluctten Flohkrebſe reichliche Mengen der den Darm noch erfüllenden Dottermaſſen ſich vorfinden. Wie oben angedeutet, erwählen die Salamander-Weibchen zwecks Abſetzung ihrer Brut kalte Quellwäſſer, kühle, klare Waldbäche, beſchattete, von fließendem Waſſer ge ſpeiſte und durchſtrömte Tümpel enger Schluchten. Das iſt für die Larven von doppeltem Vortheil, indem ſolche Waſſer zur heißen Jahreszeit nicht verſiechen und in nur geringem Geburten. 590 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Grade von larven-lüſternen Räubern bewohnt und beſucht werden. An derartigen günſtigen Oertlichkeiten finden ſich denn auch zuweilen die trächtigen Salamander aus der ganzen Umgegend ein; beiſpielsweiſe gewahrte Melsheimer am 29. April 1886 über tauſend Weibchen an einem größeren Waſſertümpel zu Dattenberg bei Linz am Rhein mit dem Ablegen ihrer Brut beſchäftigt. Den Geburts-Akt beobachtete ich mehrfach an gefangen gehaltenen Exemplaren, das erſte Mal am 17. März 1875 an einem Weibchen aus dem Erzgebirge, ſodann im April und Mai 1879 an einigen Thüringer Landmolchen. In beiden Fällen diente ein flaches, etwa zwei Zoll hoch mit Waſſer gefülltes und in einer Ecke mit Tuffſteinbrocken und Schlacken verſehenes Becken den trächtigen Thieren als Gebärſtelle. Der Vorgang vollzog ſich oder begann wenigſtens in der Nacht. Das Weibchen nahm in einer Steinſpalte eine Stellung ein, daß nur der auf den Vorder— füßen ruhende Vorderkörper aus dem Waſſer herausragte, Hinterleib und Schwanz jedoch ſchräg abwärts in's Waſſer tauchten; Prof. Benecke hebt hervor, daß die Weibchen, die bei ihm ſich in enge Ritzen zwiſchen den Steinen klemmten, durch dieſe Zuſammenpreſſung des Bauches offenbar die austreibende Thätigkeit des Eileiters unterſtützen. Das eine Mal ſah ich elf Larven in Pauſen von nur einigen Minuten nacheinander zur Welt kommen, dann nach einer Unterbrechung von ¾ Stunden noch 17 Stück; ein zweites Weibchen entledigte ſich unmittelbar hinter einander, d. h. in einem Zeitraum von knapp zwei Stunden, ihrer in 23 Jungen beſtehenden Nachkommenſchaft; das Exemplar von 1875 hatte am Morgen des 17. März acht Junge geboren und erhöhte deren Zahl im Lauf des Nachmittags auf fünfzehn. Es geſchieht auch, daß manche Thiere zur Ab— ſetzung ihres Nachwuchſes mehrere Tage gebrauchen und während der umfänglichen Pauſen oft wieder an's Land gehen, während andere bis zu 40 oder 50 Stück „in einer Tour“ an's Tageslicht treten laſſen. Dr. C. Hennicke-Gera, welcher am 15. Mai 1895 Nachmittags ein trächtiges Weibchen gefangen und zu Hauſe um 3 Uhr in ein ganz ſeichtes Aquarium gebracht hatte, ſah bereits einige Minuten ſpäter ein Junges neben der Alten ſchwimmen und aus der Kloake der letzteren einen zweiten kleinen Schwanz hervorgucken, dem nach wenigen Sekunden Beine und Kopf nachfolgten. Das Weibchen ſaß in dem einen Winkel des Gefäßes, den Kopf über Waſſer haltend und krampfhaft athmend und den Schwanz, ſobald ein Junges geboren wurde, lang und etwas über wagerecht ausſtreckend. Ein in's Waſſer gelegter Blumentopfſcherben wurde ſofort dankbar von der Alten benutzt, indem ſie mit den Vorderbeinen darauftrat und die oben gekennzeichnete Stellung annahm. So wurden nach und nach neun Junge, alle ohne Hülle und alle mit dem Schwanze voran, geboren. Nachdem die Alte durch krampfhafte Krümmungen des Leibes und Zuſammenbiegen des Schwanzes und un— ruhiges Umherlaufen lebhaften Schmerz verrathen und ein blutiger Ausfluß aus der Kloake ſich eingeſtellt hatte, kamen zu gleicher Zeit zwei Junge, das eine mit dem Kopfe, das andere mit dem Schwanze voran, zur Welt, von denen das letztere ſofort munter war, wogegen das andere etwa 20 Sekunden lang ſcheinbar todt auf dem Rücken liegen blieb und erſt dann ſich fortbewegte. Das 12. erſchien in einer dünnen Eihaut, das 13. und 14. ohne ſolche mit dem Schwanze voran, dann folgte in Form einer reiskorn— großen weißgelblichen Maſſe ein abgeſtorbener Embryo und mit ihm das in der Eihülle befindliche 15. Junge, welches in derſelben, Kopf und Schwanz bis zur Berührung zuſammengezogen, 80 Sekunden lang wie leblos dalag, worauf es die Beine zu regen begann und 30 Sekunden ſpäter durch eine kräftige Bewegung des Schwanzes die Hülle ſprengte, um ſofort mit ſchnellender Bewegung ſich von derſelben zu befreien. Das 16., 17. und 18. Junge wurde in der Weiſe des 13. und 14. geboren, nach ihnen kam wieder ein abgeſtorbener Embryo und endlich eine Anzahl zuſammengeballter Eihäute, Erſte Art. Feuer-Salamander— 591 und um 4 Uhr 10 Minuten war der Geburtsakt vorbei, wonach ſich die Alte ſogleich in eine Höhlung des Tuffſteinfelſens verkroch. ’ Findet das trächtige Weibchen im Käfig die geeigneten Verhältniſſe nicht vor, ſo muß es ſich zur Abſetzung der Larven auch unter erſchwerenden Umſtänden ent— ſchließen. So ſchrieb Herr G. S. Huntington mir, daß ein Weibchen, das in der Nacht zum 13. Dezember drei Junge geboren hatte und am Morgen in ein größeres, mit kaltem Waſſer gut gefülltes Baſſin überſiedelt wurde, anſcheinend voll Behagen auf der Oberfläche ruhig hin und her trieb, bis es nach einiger Zeit die geſtreckten Hinterbeine anzog und ſich etwas auf eine Seite legte, worauf ein Junges der Kloake entſchlüpfte; und dieſer Akt wiederholte ſich im Verlauf einiger Stunden, während dem das Weibchen ſich ſtändig auf der Oberfläche hielt, noch 25 mal, ſodaß an dieſem Morgen und Vormittag 29 Junge geboren wurden. Dieſes Geſchehniß bekundet zu— gleich eine zweite Abweichung von der Regel, nämlich hinſichtlich des Zeitpunktes der Geburten. Doch ſind entſprechende Abweichungen ſchon mehrmals wahrgenommen worden. Daß Embryonen bereits in einem frühen Entwicklungsſtadium zum Freileben befähigt ſind, erhellt unter anderem aus den Mittheilungen Prof. Benecke's, es werden alſo wohl auch jene am 13. Dezember abgeſetzten Larven als Frühgeburten zu be— trachten ſein, wie ſolche ebenfalls im November und Ende Oktober und anderſeits im Januar vorgekommen ſind. Eine entgegengeſetzte, als Hemmung aufzufaſſende Abweichung von dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge geht dahin, daß im Frühjahr geborene Larven, anſtatt ſich im Sommer oder Frühherbſt zum Landthier auszugeſtalten, als Larven überwintern und uns im Februar, März oder April als ausgewachſene, aber noch kiementragende, 35 bis 60 mm lange Fiſchlinge begegnen, während die um dieſe Zeit bereits friſchgeborenen Larven erſt einige 20 mm etwa lang find und ihre Jugend auch an ſonſtigen Merkmalen erkennen laſſen. Für die Wahrheit der von Manchen geäußerten Behauptung, der Salamander ſetze manchmal die Jungen nicht ins Waſſer, ſondern auf feuchte Erde oder Moos ab, ſtehen mir weder auf eigener Erfahrung noch auf einwandsfreien Mittheilungen gewiſſenhafter Beobachter beruhende Beweiſe zu Gebote; ich muß mich ſonach noch ablehnend verhalten. Es mußte von jeher auffallen, daß, während man Larven und erwachſene, d. h. 10 em und darüber meſſende Thiere zahlreich, ja zuweilen geradezu in Mengen an— traf, junge bezw. ein- bis dreijährige, 4 bis 8 em lange Stücke der Lan dform dem Beobachter ſo ſehr ſelten aufſtießen. Da fand Melsheimer im Sommer 1888 ge— legentlich der Reblausſuche in den Weinbergen zu Honnef und Linz a. Rh. Feuer⸗ ſalamander jeder Größe, von 42 bis 171 mm Länge, ſowohl an der Erdoberfläche als auch in geringer Tiefe an den Wurzelſtöcken der Reben. Und aus dieſer That— ſache und den begleitenden Umſtänden zieht er den Schluß, daß die umgewandelten Jungen beim Verlaſſen des Waſſers an geſchützte Orte in Weinbergen, Holzungen und dergl. ſich begeben und in Erdhöhlen, an Wurzelſtöcken, in Mauerlöchern u. a. ſich verbergen, aus denen ſie zwecks Nahrungserwerb nur Nachts hervorkommen, aber zu— folge ihrer Kleinheit von den vorhandenen Kräutern verdeckt und daher ſelbſt bei Be— leuchtung mittelſt Laterne nicht geſehen werden; erſt in ſpäteren Jahren erſcheinen die nun größeren Thiere zur Sommerzeit auf freien Plätzen an und auf Wegen, wo man ſie alsdann auch, beſonders des Nachts mit der Laterne nicht ſelten findet. Eine Beſtätigung erhielten die Melsheimer'ſchen Wahrnehmungen und Mittheilungen unter anderem dadurch, daß R. Becker aus Hilchenbach im Sommer 1889 junge Salamander von 7 bis 8 em Länge, welche er aus tief verborgenen alten Baumwurzelhöhlen her— vorgeholt hatte, an die Zoologiſche Sektion zu Münſter i. W. ſchickte. Abweihungen. Junge Landthiere. Nahrung. Weſen. Gefangenſchaft. 592 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. In der erſten Zeit ihres Freilebens nährt ſich die Larve von kleinen Krebs— thierchen oder Flohkrebſen (Daphnia, Lynceus etc.), Waſſeraſſeln und dergleichen, Erd- und Bachwürmern u. a., doch verſchonen die heranwachſenden Stücke auch nicht jüngere Genoſſen der eigenen Aub, ſowie Tritonlarven, und an den im Aquarium untergebrachten läßt ſich beobachten, wie jie in der Zeit gierig nach dem vom Pfleger ausgedrückten und ins Waſſer geworfenen Inneren der Mehlwürmer ſchnappen, ſpäter aber alles Lebende, das ſich vor ihnen bewegt und nur irgendwie bezwungen werden kann, packen und zu verzehren trachten. Dabei gerathen ſie zuweilen wegen eines Brockens in Streit, der eine faßt den andern am Schwanz oder einem Bein und nun drehen und wenden ſie ſich im Waſſer umher, bis es dem Angegriffenen gelingt ſich frei zu machen, allerdings manchmal nur unter Aufgabe des von dem Gegner mit den Kinnladen gepackten Gliedes. Viele nehmen auch ohne Umſtände Ameiſenpuppen oder Fleiſchſtückchen, die man mittelſt der Futternadel vorhält oder vor ihrer Schnauze hin- und herbewegt. Die ausgebildeten Landſalamander beköſtigen ſich mit Erd- und Regenwürmern (Enchytraeus, Lumbricus etc.), Nachtraupen, Nacktſchnecken, Erd— und Steinaſſeln und ſonſtigem langſam dahinkriechenden Kleingethier, doch fallen ihnen auch Spinnen, Käfer, flügelloſe Heuſchrecken u. a. Kerfe ſowie kleine Molche und Aehnliches zur Beute. Es ſpricht dabei die Größe und Stärke des Salamanders mit, aber ſelbſt kleine Stücke ſchon verſchlingen beiſpielsweiſe mit Leichtigkeit Regen⸗ würmer, die beinahe ſo lang als ſie ſelbſt ſind; die letzteren werden zu dem Zweck an dem einen Ende erfaßt und, ohne ſie zu zerreißen, ruckweiſe in den Schlund be— fördert. Auch andere Beute wird nicht zerbiſſen und gekaut, ſondern einfach ver— ſchluckt oder hinabgewürgt. Auch bei der Jagd iſt der Salamander anſcheinend aus der ihm eigenen Ruhe und Bedächtigkeit, die ſeinen Bewegungen den Stempel der Trägheit und Unbeholfen— heit aufdrücken, nicht herauszubringen: langſam und ſchleppend nähert er ſich dem ins Auge gefaßten Lebeweſen und nur ein verhältnißmäßig raſcher Vorſtoß des Kopfes gegen das „in Schußweite“ befindliche Wild hin belehrt, daß etwas Beſonderes vor— geht. Immerhin aber bekundet er, wenn es ſich um ſein leibliches Wohl handelt, einen bei ſeinem blöden Geſichtausdruck und plumpen Gehaben nicht erwarteten Grad von Bedachtſamkeit und Gedächtniß. Er merkt ſich mit der Zeit den regelmäßigen Futter— platz gar wohl und ſtellt ſich dort zur Abendzeit ein; unterbleibt dann mal einige Tage die Verabfolgung von Nahrung, ſo kehrt er der betreffenden Stelle den Rücken. Auch andere Dinge und Merkzeichen prägt er ſich ein. So habe ich zwei Stück be— ſeſſen, die gleich den zu anderer Zeit gepflegten Waſſerſchildkröten und verſchiedenen Aquarienfiſchen auf ein Klopfen mit dem Finger an die Glasſcheibe des Behälters aus dem Schlupfwinkel des Felſens hervor- bezw. herankamen, um das dargereichte Futter in Empfang zu nehmen. Wie in dem Aufſſuchen günſtiger Laichplätze, jo ſpricht ſich in der Auskundſchaftung und Verwerthung geeigneter Schlupfwinkel eine beachtenswerthe Begabung aus. In H. Fiſcher-Sigwarts großem, 45 qm deckenden Terrarium kounte man lange Zeit die Verſtecke der eingeſetzten Salamander nicht auskundſchaften, bis man dann einmal um Mitternacht beobachtete, wie die Thiere über einen überhängenden Stein ſich zurückzogen und in einem darunter befindlichen Loch verſchwanden: um dies zu bewerkſtelligen und den gefährlichen Abſturz in ein unterhalb des Steines eingerichtetes Waſſerbaſſin mit ſenkrechten Wänden abzuwenden, mußten ſie ſicherlich „einige Intelligenz entwickeln“. Wenngleich der maſſige, täppiſche, tumbe Geſell in Weſen und Gebahren den Gegenſatz der zierlichen, gewandten, nervös- beweglichen Eidechſe darſtellt, jo wird doch Erſte Art. Feuer-Salamander. 593 der Reptilienpfleger ihn ebenſowenig als dieſe miſſen wollen. Nur gehört er nicht ins trockne, ſonnige, ſondern ins feuchte, ſchattige Terrarium, deſſen Ausſtattung auf Seite 410 kurz beſprochen wurde. Hier dauert er bei beſcheidenen Anſprüchen zehn bis zwanzig Jahre, vielleicht auch noch länger aus, legt allmählich ſeine furchtſame Scheu ab, gewöhnt ſich an den Anblick des Menſchen und kommt dann auch am Tage zum Vorſchein, ſogar auf ein Klopfen mit dem Finger oder ein anderes Zeichen hin. Solches erfuhr Dr. E. Buck, als er mittelſt eines Sprühapparats den den Molch be— herbergenden Felſen benetzte, alſo den Regen im Kleinen nachahmte (ſ. S. 592): fait augenblicklich darauf kroch das Thier unter dem Felſen hervor und that dies auch bei ſpäteren Wiederholungen und im Laufe der Zeit kam es bei derartiger Gelegenheit ganz von ſelbſt dem Pfleger entgegen, ſtellte ſich in deſſen Nähe hoch auf die Vorderbeine, ſchaute nach ihm empor und nahm den hingehaltenen Fleiſchſtreifen ſäuberlich aus den Fingern; zur Annahme dieſer ungewöhnlichen Koſt war der Salamander bewogen worden, indem der Beſitzer zunächſt ein derartiges Stück rohen Fleiſches mittelſt eines dünnen Drahtes vor ihm hin- und herbewegt hatte. Der Waſſernapf des Terrarium ſei flach, damit der Molch bequem ein- und ausſteigen kann. Denn in manchen Nächten gelangt er gelegentlich ſeiner ſtillen Wanderungen auch in jenen, und wenn ihm durch hohe und glatte Wände des Gefäßes das Verlaſſen deſſelben abgeſchnitten iſt und keine Inſel ſich darbietet, ſo muß er ertrinken. Zur Abſetzung ſeiner Brut genügen ihm gleichfalls flache Waſſerbecken. Ebenſowenig als die Unke gehört der Landmolch ins Aquarium. Abgeſehen davon, daß ein derartiger Aufenthalt nicht mit der Natur des Thieres in Einklang zu bringen iſt, es kann ein im Aquariumwaſſer ſterbender Sala— mander durch den von ihm Todeskampfe ausgeſchiedenen und auf Seite 377 be— ſprochenen Drüſenſaft das letztere und, iſt die Waſſermaſſe klein, ſomit auch die Fiſche vergiften, ſodaß dieſe in Krämpfe fallen und eingehen. Umgekehrt iſt auch der Erd— molch, der früher als feuerfeſtes und unempfindliches Wunderthier?) galt, nicht gefeit gegen ſchädliche äußere Einflüſſe. Den auf ihn einwirkenden Sonnenſtrahlen fällt er bald zum Opfer; aus noch nicht befriedigend aufgeklärten Urſachen werden manchmal Salamander im Käfig von waſſerſucht-artigen Krankheiten (Seite 411) und als Blaſen und Wunden auftretenden Hautübeln, denen ſie gewöhnlich erliegen, heimgeſucht; Koch— ſalz auf ſeine Haut geſtreut, iſt ein heftiges Gift für ihn, und Prof. Dr. L. Glaſer vermochte auch eine Nikotinvergiftung feſtzuſtellen, indem ein durch einen Bekannten von der Bergſtraße in einer weiten Cigarrentaſche mit nach Worms gebrachtes großes Exemplar gänzlich gelähmt und betäubt ankam und tagelang im Aquarium und ſpäter auf Gartenland ſich nicht von der Stelle rührte. Unter allen unſeren Lurchen und Reptilien iſt der Feuerſalamander die ſchwer— fälligſte Art, die nur zur Paarungszeit und in der Gefangenſchaft vielleicht beim Ein— treffen neuer Ankömmlinge ein geringes Maaß von Leidenſchaft verräth. Seine Be— wegung zu Lande ift ein ſchleppendes Kriechen unter langſamem Vor- und Seitwärts— ſetzen der vier dicken Füße und ſeitlichen Biegungen des Körpers und Schwanzes, wie die Abbildung auf Tafel V erkennen läßt, feine Bewegung im Waſſer, die der Schwanz hauptſächlich fördert, mehr ein Gehen und Waſſertreten als ein wirkliches Schwimmen. Vor der herannahenden Häutung erſcheint er ganz beſonders träge. Sie ſelbſt be— ginnt, wie die Verfaſſer von „Weſtfalens Thierleben“ beſchreiben, indem die Haut rings um den Mundrand aufplatzt, der entſtandene Riß ſetzt ſich zwiſchen den Augen über den Kopf fort, infolge ſtärkerer Körperbewegungen ſchiebt ſich dann die Haut im Zu— „) Die abergläubiſchen Anſchauungen und Erzählungen des Alterthums und des Mittelalters, die noch bis in unſere Zeit Gläubige fanden, wollen wir hier nicht wiederholen, da ſie in das Fabelbuch gehören. 38 Bewegung. Häutung. Stimme. Namen, Synonyma. 594 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſammenhange mehr und mehr rückwärts (jo wie ein Handſchuh über Hand und Finger umgeſtülpt wird), wobei das freigewordene Maul behilflich eingreift. Nach etwa einer Viertelſtunde iſt die Häutung beendet, und nun fängt das Thier an, die in einem Klümpchen zuſammengewickelte Haut bis auf den letzten Reſt zu verzehren. Ueber die Frage, ob der Salamander eine Stimme beſitzt, weichen die Meinungen noch auseinander. Ich ſelbſt habe eine Stimmäußerung noch nicht vernommen. Bei anderen Beobachtern wird das Gleiche zutreffen und ſie ſind daher der Anſicht, der gefleckte Erdmolch ſei ſtumm. Dagegen berichtete Prof. H. Landois 1874 in ſeinen „Thierſtimmen“, daß am Abend des 29. Mai 1872 bei feuchtwarmem Regenwetter die von ihm ſeit längerer Zeit in einem wohnlichſt eingerichteten Vivarium untergebrachten Salamander auffallend munter waren und ihre Stimme in einzelnen kurz abgebrochenen Tönen, die ungefähr wie ük-ük klangen und die Höhe des a“ hatten, hören ließen. Gleichzeitig wies Landois auf eine von dem verſtorbenen Greifswalder Arzt Dr. Louis Höfer, der die Erdmolche in einem Vivarium jahrelang aufmerkſam beobachtete, in den Mitth. des Naturw. Ver. v. Neu-Vorpommern und Rügen I S. 64 veröffentlichte Notiz hin: „Salamandra maculosa iſt nicht ſtumm, ſondern giebt häufig, ſelbſt im Winter, wenn er in einem froſtfreien Zimmer gehalten wird, einen Laut von ſich, der wie usif klingt.“ Vor zehn Jahren verſicherte dann, ohne die ebenerwähnten Angaben zu kennen, H. Fiſcher-Sigwart auf Grund „direkter Beobachtung“, daß der Salamander im Frühling einen Ton hören laſſe, einen Paarungsruf, der ganz ähnlich, nur etwas kräftiger wie der Ruf der Geburtshelferkröte klinge und alle 5 Minuten einmal aus— geſtoßen werde. Endlich ſchrieb mir im April 1893 Herr Sigm. Schenkling aus Hamburg, er habe die Stimme der Feuerſalamander, ein leiſes Piepen ähnlich dem der Mäuſe, nur etwas weniger ſcharf, ſehr ſelten vernommen und zwar blos in ſolchen Momenten, wenn ſich 10 bis 20 Stück in einer dunklen Ecke des Terrarium zuſammengepreßt hatten und die unten befindlichen dadurch ſchwer gedrückt wurden. Hier wäre alſo der Stimmlaut ein Ausdruck des Unbehagens oder Schmerzes geweſen. Doch hat ein ſolches Piepen auch Fr. Lichterfeld, der Verfaſſer der 1877 erſchienenen „Thierbilder“, gehört, als er im Spätſommer 1873 das Kiſtchen, welches vier aus dem Harz anlangende Feuerſalamander barg, öffnete. Landesübliche Bezeichnungen. Feuer-Erdſalamander, Feuer-, Harz, Regen-, Erdmolch, gefleckter Erdmolch, Moll, Regenmännchen, gelber Schneider, Gielſchneider, Wegnarr. Holl.: Land-Salamander; Schwed.: Salamander; Engl.: Spotted Salamander; Franz.: Salamandre commune, terrestre (tachetee); Ital.: Salamandra terrestre, Sal. de terra, Sarmandola; Span.: Salamandra manchada; Poln.: Salamandre ognista; Ung.: tüz-gyek; Böhm.: Mlok obeeny; Dalm.: dazdenjak. Salamandra, Gesner 1617. — Salamandra terrestris, Aldrov. 1663. — Wurfbain 1683. — Sal. terr. maculis luteis distincta, Charlet 1677. — Sal. maculosa nostras, Seba 1734. — Lacerta Salamandra, Linn“ [Mus. Ad. Frid. I. S. 45] 1754. — Salamandra maculosa, Laurent 1768. — Salamandre terrestre, Zatreille1800.— Gekko Salamandra, Meyer 1795. — Sal. maculata, Merrem 1820. — Sal. vulgaris, Cloguet Diet. scienc. natur. XLVII, ©. 50] 1827. — Die Larve: Proteus tritonius, Laurent 1768. — Triton cor- thyphorus, Wagler 1820. 2. Art: Alpen-Salamander. Salamandra atra, Zaur. Abbildung: Tafel V, Nr. 5. Länge 10 bis 15 em; einfarbig ſchwarz; Sehen mehr platt, Schwanz ſchwach vierfantig; Kopf etwa um die Hälfte länger als breit. Zweite Art. Alpen-Salamander. 595 Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſes Alpenbewohners erſcheint ziemlich ſchlank, jedenfalls merklich zierlicher als der feines ſchwarz-gelben Verwandten, am Rücken gerundet, am Bauche abgeflacht, der Kopf gleichfalls zierlicher als der des Feuer⸗Salamanders, nach hinten oft etwas verſchmälert, die kurze Schnauze ab- oder ſtumpf zugerundet, die Zunge am vorderen Ende verſchmälert, am Hinterrande breit und gerundet. Die Zähne ſind zweizinkig wie die der vorigen Art; die Gaumenzähne bilden gleichfalls zwei Streifen (Reihen), aber die letzteren ſind weniger geſchweift als bei Sal. maculosa, ſondern mehr gerade, hinten und vorn ziemlich gleichweit von ein— ander entfernt, auch verhältnißmäßig kürzer, indem ſie vorn wenig oder gar nicht über die inneren Naſenlöcher hinausgreifen, während ſie bei Sal. maculosa merklich über dieſelben hinausgehen. Der Schwanz iſt im Querſchnitt ſchwach, immerhin jedoch deutlich vierkantig, unten oft mit einer ſeichten Längsfurche; die Zehen erſcheinen breiter und platter als beim vorigen. — Die Haut zeigt die Eigenheiten der des Feuer⸗Salamanders: fie iſt an Bauch und Beinen glatt, an den Seiten des Rumpfes und Schwanzes grob gerunzelt (wulſtig), längs des Rückgrats durch zwei dicht neben einander hinlaufende Reihen flacher Drüſen und an der Rumpſfſeite durch eine Reihe kugelig vorſpringender Drüſen, außerdem durch die bekannte wulſtige Ohrdrüſe (Parotis) und durch viele kleine über die ganze Hautfläche verbreitete, dem Auge als weißliche Punkte erſcheinende Drüſen ausgezeichnet. Aber während bei Sal. maculosa die Rück— gratsdrüſen ſtärker ſich markiren als die Seitendrüſen, treten bei Sal. atra gerade die letzteren ſtark kugelig oder hügelig vor und die Rückgrats-Drüſen dieſen gegenüber zurück; im Uebrigen iſt bei atra die Kehle nicht glatt, ſondern ſtark gerunzelt, hinten auch oft mit einer Querfalte verſehen. Die Größe erwachſener Thiere beträgt 10 bis 13 em, ſehr ſelten einmal 15,5 bis 14 cm, wovon auf den Schwanz etwa vier Zehntel, auf den Kopf drei Zwanzigſtel entfallen. Beiſpielsweiſe ſeien die betreffenden Maaße von einem Männchen und einem Weibchen gegeben: Kopf 15 bezw. 18 mm, Schwanz 44 bezw. 47 mm, Geſammtlänge 105 bezw. 120 mm; Länge der Vorderglieder, bis zur Spitze der dritten Zehe, 20 bezw. 21 mm, die der Hinterglieder (bis zur Spitze der vierten Zehe) 21 bezw. 23 mm. Die Fär bung iſt im Leben einfarbig tief und glänzend ſchwarz, bei todten, in Weingeiſt liegenden Thieren nußbraun, ſodaß in letzterem Falle alle Hautdrüſen fürs freie Auge ſehr deutlich hervortreten. Ob vielleicht die Laurenti'ſche Salamandra fusca ein ſolches Exemplar bezeichnet? Die Geſchlechter bieten keine äußeren Erkennungszeichen, nur daß die Kloaken— wülſte des Männchens ſtärker ſind als beim Weibchen. Und die Jungen wiederum ſtellen nur das verkleinerte Abbild der Alten dar, denn die Larven machen ihre voll— ſtändige Ausbildung und Umwandlung im Mutterleibe durch und werden als kiemen— loſe, fertige, 42 bis 54 mm lange Landthiere, deren Haut allerdings noch nicht ſo ausgeſprochen gerunzelt erſcheint als die der erwachſenen Stücke, geboren. Geographiſche Verbreitung. Der Alpenſalamander hat unter all unſeren Am⸗ phibien und Reptilien den engſten Wohnkreis, denn er beſchränkt ſich ausſchließlich auf die Alpen von Savoyen und Piemont im Weſten bis Ober-Oeſterreich und Steiermark im Oſten, und von Piemont und Krain im Süden bis Oberſchwaben und Oberbayern und Oeſterreich im Norden und ſomit ungefähr auf einen Bezirk vom 24. bis 34. Ferro— grad und vom 44½ bis knapp 48. Grad n. Br. Aus den Seealpen wurde er 1862 und 1874 von Verany bezw. E. de Betta erwähnt, aus den Piemonteſer Alpen ſtehen zwei Stück, durch das Turiner Muſeum hierher geliefert, im Berliner Zool. Muſeum, 38* Körperbau, Maape. Färbung. Geſchlechter. Junge. Verbreitung. 596 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. für den Monviſo verzeichnet ihn Camerano 1884. Auch im nordöſtlichen italiſchen Alpenland lebt atra. E. de Betta nennt ſie 1874 für den Veneto und fügt dem in ſeinen „Noten“ vom Mai 1878 zwei neue Fundorte in der Lombardei bezw. in der Provinz Brescia hinzu, nämlich das Valle di Scalve und den Berg Preſolana, wo der ausgezeichnete Malakolog und Hauptmann der 13. Alpen-Kompagnie G. B. Adami 1875 in einer Meereshöhe von 1800 m GBuchengehölz) reſp. 2000 m (über der Vege— tations-Grenze) verſchiedene Exemplare unter Steinen gefunden und für ihn geſammelt hatte. Auch Camerano führt die Alpen des Breseiano, Veneto und Friaul als Wohnplätze dieſes Salamanders an. Sein Vorkommen in der Schweiz wird in Schinz Fauna helvetica mit folgenden Worten vermerkt: „Sehr häufig auf den Alpen an feuchten Orten und Steinen, ſehr hoch hinauf, bis über den Holzwuchs.“ V. Fatio ergänzt das 1872 durch die Angabe, daß der Schwarzmolch in der Schweiz ſehr ſelten unterhalb einer Seehöhe von 850 m, dagegen über dieſer Grenze und bis zu 2800 bis 3000 m gefunden werde, und daß er nicht nur ſehr häufig in den Alpen-Kantonen lebe, ſondern daß man ihm auch in einigen Partien des Jura begegne, insbeſondere „au-dessus de Saint-Cergues, sur le chemin de la Dole“, dagegen fehle er dem wieſenreichen Ober-Engadin, während er im übrigen Graubünden (3. B. auch bei Chur) zu Hauſe iſt. Gleicherweiſe fehlt er dem nordſchweizeriſchen Plateau bezw. dem Berner, Baſeler, Solothurner und Aargauer Jura, Zürich, Schaffhauſen. Im K. St. Gallen iſt ein bekannter Fundort Bad Pfäffers, vom Pilatus im K. Luzern ſteht er im Baſeler Muſeum, ebenſo vom Engelberger Joch, von der Fruttalp, Iffinger Alp, Dent de Jaman, oberhalb Chamoſal an den Nochers de Naye in Höhe von 5500 Fuß fand ihn zahlreich Herr M. Hoffmann-Genf, und ſo könnte noch eine ganze Reihe von Fundorten verzeichnet werden. Was die öſterreichiſchen Alpenländer anbelangt, ſo iſt er in Tirol und Vorarlberg, von wo ihn Herr A. Dietrich mir ſchon für die Bregenzer Höhen meldet, namentlich in den nördlichen Theilen faſt überall und häufig anzutreffen, ſo laut Gredler im Walſerthal, bei Bludenz und am Arlberg, ferner in Nordtirol vornehmlich längs des nördlichen Kalkreviers und am zahlreichſten auf dem Wege durch den Schwangauer Wald, um Vils und Reutte, auch bei Lermoos, ſporadiſch auf der Thalebene des Inn, z. B. in der Haller Aue und bei Schwaz, ferner im Volderthal, Zillergrund und im äußerſten Nordoſten bei Kitzbüchel [Sippel] und Pillerſee, ſüdlich von Innsbruck in Stubai, im Flußgebiet der Drau z. B. bei Bad Innichen, „hingegen ſcheint er dem unteren Stromgebiet der Etſch völlig zu fehlen, obwohl er noch im Pragſer Thale wirklich, auf der Seiſer Alpe, bei Petersberg und Rabenſtein zu Hauſe ſein ſoll“ (bei Meran fehlt er). Für Salzburg führt ihn Fr. Storch auf; unter anderem wurde er laut briefl. Mittheilung am Unterberg bei Salz— burg und im Fuſcherthal, 1500 bezw. 1000 m hoch, von Dr. A. Krauſe beobachtet, welcher ihn auch auf der Zwieſelalp im Salzkammergut (1500 m) ſammelte; im Uebrigen wird der Molch für die Alpen und Voralpen Oeſterreichs von L. J. Fitzinger und Fr. Knauer verzeichnet, wobei Letzterer betont, daß der Alpenſalamander in Nieder— Oeſterreich ſich nur in den an die Steiermark grenzenden Gebirgspartien (Semmering, Raxalpe) finde; Fr. Werner [Oeſterr. Erzherzogth.] nennt als Fundorte die obere Hälfte des Schneeberges und der Raxalpe und aus dem Mondſee-Gebiet den oberen, über 1200 m hoch belegenen Theil des Schafberges. Betreffs der Steiermark ſchreibt Herr Prof. A. v. Mojſiſoviez mir: „Sal. atra im ganzen Gebiet, aber nur ſtrecken— weiſe; in großer Menge beim Brunnſteiner See, ſteier-oberöſterreichiſche Grenze, Hoch— lantſch in Mittelſteier u. a. m.“ Für die Alpenregion Kärnthens nennt ihn Gallen— ſtein, und am Karawanken-Grenzpaß Loibl, über welchen die Straße von Klagenfurt Zweite Art. Alpen⸗Salamander. 597 in Kärnthen nach Krainburg führt, wurde dieſer Molch überhaupt zuerſt entdeckt, nämlich von Laurenti, der ihn dann 1768 der Wiſſenſchaft bekannt machte. Es erſcheint ganz natürlich, daß der ſchwarze Salamander wie den Salzburger, Kitzbüchler und Nordtiroler ſo auch den Oberbayriſchen und Algäuer Alpenzügen an— gehört. Auf dem „hohen Alpengebirge“ Bayerns, Tirols, Salzburgs hatte ihn bereits vor hundert Jahren Schrank allenthalben angetroffen. Im Watzmann-Gebiet und Berchtesgadener Ländchen (Jenner), 1800 bis 2600 m hoch, ſowie weiter weſtwärts im bayriſchen Oberland und am Wetterſtein bei Partenkirchen ꝛc. iſt der ſchwarze „Wegnarr“ oder das „Tattermandl“ allgemein bekannt, ebenſo im Algäu beiſpiels— weiſe bei Füſſen, Kranzegg, Burgberg, Sonthofen, Oberſtdorf [Dr. Andreae, A. Wiede— mann], Immenſtadt, Staufen. Von hier aus tritt er auch auf Württembergſches Gebiet über, wo er ſich, allerdings nur ausſchließlich hier, an der Adelegg bei Isny vorfindet. Im übrigen Deutſchland fehlt er. Hingegen ſind während der letzten zwei Jahrzehnte mehrmals lebende, aus der Schweiz und Tirol bezogene Alpenſalamander im Schwarzwald ausgeſetzt worden; die erſte Anzeige darüber [Zeitſchr. f. wiſſenſch. Zoologie 1876] beſagt das für die Gegend von Wildbad und von Freiburg i. Br. Schon im Dezember 1880 ſchrieb Herr F. Kober-Freiburg mir, daß die von Dr. Thyrri dort auf einem Schwarzwaldberge 4200 Fuß hoch ausgeſetzten Thiere ſich eingebürgert hätten und anſcheinend gut fortkämen, da er ſelbſt ihre Vermehrung ſchon wahrgenommen habe. Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Wenn der Feuerſalamander ähnlich dem gelbbauchigen Triton und der gelbbauchigen Unke ein Kind des Berg- und Hügel— landes iſt, ſo der ſchwarze Molch ein echter Bewohner des Hochgebirges, der aus— ſchließlich in den alpinen und ſubalpinen Regionen hauſt und, obwohl er im Algäu und auch anderwärts vereinzelt ſchon in einer Seehöhe von 580 bis 600 m an— getroffen wird, am liebſten innerhalb eines zwiſchen 1000 und 2200 m hinziehenden Höhengürtels lebt und bis zu 3000 m aufſteigt. Dort hält er ſich an geeigneten, d. h. feuchten, mit Waldung, Gehölz, Gebüſch, Gekräut oder Gräſern beſtandenen Orten gewöhnlich in kleineren und größeren Geſellſchaften auf und wagt ſich nach der Weiſe ſeines gelbgefleckten Verwandten nur am Abend und Morgen bezw. bei regneriſchem Wetter und waſſerhaltiger Atmoſphäre aus ſeinem Schlupfwinkel unter Steinen, Moos, Baumſtrünken, Geſtrüpp und Gewurzel und aus Erdlöchern hervor, um die in Würmern, Schnecken, Raupen und Kerfen beſtehende Nahrung zu ſuchen. Dann begegnet man dem langſam und bedächtig dahinkriechenden ſchwarzen Burſchen gewöhnlich recht oft. Er ſcheint, wenn man ſo ſagen darf, noch ſtummer zu ſein, als 8. maculosa, denn eine Stimme hat man wenigſtens meines Wiſſens von ihm noch nicht vernommen. Die Häutung geht in entſprechender Weiſe wie bei unſerer mitteldeutſchen Spezies vor ſich, und auch er verzehrt die alte Haut, nachdem ſie vom Kopf an nach rückwärts bis zum oberen Schwanzdrittel hin durch Muskel— thätigkeit abgeſtreift uud nun von ihm mit den Kiefern erfaßt und vollends abgezogen iſt [Spengel, Zool. Jahrb., Syſtem., V. Bd.]. Da im Uebrigen der ſchwarze Molch hinſichtlich ſeiner Lebensweiſe und ſeines Weſens und Gebahrens ganz ſeinem größeren Verwandten ähnelt und gleicht und nur deſſen Vertreter in höheren Gebirgslagen darſtellt, ſo würden wir uns Wiederholungen ſchuldig machen, wollten wir jene Punkte wieder näher erörtern. Wohl aber müſſen wir ein Moment berückſichtigen, in dem beide Arten von einander abweichen. Und das iſt die Fortpflanzungsweiſe. Zwar ſtimmen beide Landſalamander darin überein, daß ſie im Gegenſatz zu den Tritonen keine Eier legen, ſondern gleich lebenden Nachwuchs zur Welt bringen. Allein während die Jungen des Feuerſalamanders wenigſtens noch als kiementragende, obwohl Deutſche Alpen. Aufenthalt. Weſen Fortpflanzung. Paarungsſpiel. 598 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. ſchon vierbeinige Larven im Waſſer abgeſetzt werden und in dieſem ihre Umwandlung zur lungenathmenden Landform durchmachen müſſen, durchlaufen die jungen Alpen— ſalamander im Leibe der Mutter ihren vollſtändigen Entwicklungsgang und werden von dieſer als bereits gänzlich oder nahezu kiemenloſe Landbewohner auf dem Trocknen geboren; den Lebensabſchnitt, welcher ſich für die Larven der maculosa im Waſſer abſpielt, legen die jungen Alpenmolche ſomit noch im Uterus des Mutterthieres zurück, und daher muß man, will man den Larvenzuſtand und die ſtattlichen Kiemenbüſchel ſehen und unterſuchen, das trächtige Weibchen tödten und öffnen und die lebensfähigen Kleinen herausnehmen. Sonach reicht der Alpenmolch in Betreff der Entwicklung an höher organiſirte Thiere heran und erinnert unwillkürlich an die Waldeidechſe. Die das Fortpflanzungsgeſchäft einleitende Paarung oder Umarmung, den „Amplexus“, hatte bereits Schreibers im Freien und in der Gefangenſchaft oft beobachtet und ſie 1833 in Oken's „Iſis“ beſchrieben: „Das Männchen umfaßt gleich den Fröſchen das Weibchen vom Rücken mit den Vorderfüßen feſt um die Bruſt und das Weibchen ſchlägt (was bei den Fröſchen nicht geſchieht) ſeine Vorderfüße über jene des Männchens von hinten nach vorn und ſo kriechen ſie oder vielmehr ſchleppen ſie ſich gemeinſchaftlich vom Lande, wo der Akt ſtets begann, ins Waſſer, wo ſie oft Stunden lang verblieben, theils ruhend, theils ſchwimmend, ohne daß weiter etwas bemerkt werden konnte, als bisweilen eine ſchwache Trübung der ihre Körper nächſt umgebenden Waſſermaſſe.“ Bei dem gleichen Ausſehen der Geſchlechter konnte jedoch den Beobachtern und Berichterſtattern leicht ein Irrthum unterlaufen. Nachdem Dumeril [Erp. gen. T. VIII p. 242] in Abweichung von Schreibers Mittheilung angegeben, daß das Männchen bei der Umarmung ſich unter das Weibchen lege, wendet ſich J. J. Tſchudi 1845 in einer „brieflichen Mittheilung“ [Archiv f. Naturg. 11. Jahrg. I. Bd.] gegen Dumeril’s „confuſe“ Angabe und beſtätigt ausdrücklich die Schreibers'ſche Beobachtung, daß das Männchen auf den Rücken des Weibchens ſteige und mit ſeinen Vorderbeinen die Seiten von deſſen Bruſt umſchlinge, während das Weibchen ſeine Vorderfüße „um die Vorderfüße des Männchens von hinten nach vorn, doch oberhalb der Ellbogen ſchlingt, ſodaß die Bewegung derſelben zwar etwas gehemmt, aber nicht aufgehoben iſt. Auf dieſe Weiſe iſt der Vorderkörper des Weibchens gewiſſermaßen unter dem des Männ— chens aufgehängt, ſodaß aber der Bauch des Männchens auf dem Rücken des Weibchens ruht“. Tſchudi betont noch, daß trotzdem das oben befindliche Männchen der bewegende bezw. gehende Theil ſei und das unter ihm in der Schwebe hängende Weibchen geſchleppt werde. Intereſſant iſt es nun, von E. Zeller auf Grund genauer Beobachtung zu hören, daß beim Feuerſalamander das Männchen ſich unten befinde und das auf den Rücken geladene Weibchen mit ſich herumſchleppe, was — die Uebereinſtimmung der beiden Landmolche in dieſem Punkte vorausgeſetzt — für die Richtigkeit der Dumeril'ſchen Angabe und gegen Schreibers ſpricht. Einen beſonderen Moment des Paarungsſpiels wohl ſah Ende Juli 1858 in der engen Taminaſchlucht bei Pfäffers C. G. Giebel [Zeitſchr. f. geſ. Naturw. 1858 S. 561], welcher bemerkte, daß die Weibchen auf dem Rücken und die Männchen ſie umarmend darauf lagen. Daß aber die zu Lande vor ſich gehende Umarmung nicht einen eigentlichen Be— gattungsakt darſtellt, erhellt aus all den gemachten Wahrnehmungen und unter anderem auch aus dem von Herrn M. Kruel mir brieflich geſchilderten Vorgang: „Anfang Auguſt 1883 machte ich an meinen aus Bozen bezogenen Pfleglingen eine eigenthümliche Beobachtung. Einer der Molche fand ſich mit einem zweiten in der Weiſe in Berührung, daß er in gerader Linie, d. h. der Länge nach über dem Rücken des andern lag, mit ſeinen ganz krumm gebogenen Vorderfüßen krampfhaft deſſen vordere Füße von oben umklammert hielt, den unteren Theil ſeines breiten Kopfes feſt auf den oberen Theil des unter ihm befindlichen preßte und in dieſer Stellung über eine Stunde lang verharrte; die hinteren Füße waren ohne Anſchluß. Von Zeit zu Zeit bewegte ſich das ſehr theilnahmsloſe untere Thier, jedenfalls das Weibchen, vor— wärts, das obere (Männchen) mit ſich führend, doch bald ſaßen ſie wieder und zwar längere Zeit ſtill. Eine unmittelbare Berührung der bei beiden Molchen völlig Zweite Art. Alpen-Salamander. 599 gleichen äußeren Geſchlechtstheile fand hierbei nicht ſtatt, bei dem Fortbewegen ließ ſich aber ein zäher waſſerheller Schleim beobachten, der öfter, wenn bei den Be— wegungen des vermeintlichen Weibchens der hintere Theil des Geſchleppten (Männchens?) von deſſen Körper abrutſchte, einen ſeifenblaſenähnlichen Spiegel zwiſchen den zwei dann etwas von einander getrennten Hinterkörpern bildete. Kam das unten befind— liche Thier beim Gehen mit dem dabei ziemlich unruhigen, den Hintertheil und be— ſonders den Schwanz oft hin und her bewegenden Genoſſen zufällig in ein Waſſer— gefäß, jo ſchwamm es einige Sekunden ſehr heſtig in demſelben herum und hing ſich dann einige Zeit lang mit ſeinem Vorderkörper auf den Rand des Waſſergefäßes, um jedoch bald wieder das Land aufzuſuchen. In den nächſten Tagen ließ ſich dieſe Beobachtung noch an mehreren Thieren, und zwar zu jeder Tageszeit, machen: ein Pärchen blieb längere Zeit in Berührung, ein anderes kürzere, alle aber benahmen ſich in der oben geſchilderten Weiſe. Bei den zur weitern Beobachtung geſondert gehaltenen Pärchen ließ ſich eine zweite derartige innigere Berührung nicht mehr bemerken, ſondern fie zeigten wie zuvor gegenſeitig völlige Theilnahnsloſigkeit.“ Man hat derartige Einleitungen zur Begattung bezw. Befruchtung gewöhnlich in den Monaten Juli, Auguſt gemacht — alſo verhältnißmäßig ſpät im Jahre; allein man muß erwägen, daß auch trächtige Weibchen mit weit entwickelten Jungen ſelten vor Auguſt gefunden werden, da die Dauer der Trächtigkeit, von der Befruchtung der Eier bis zur Geburt der Jungen, beim Alpenſalamander naturgemäß eine erheblich ausgedehntere iſt als bei Sal. maculosa.“) Die Ausbildung der Eier allerdings nimmt bei beiden die gleiche Zeit in Anſpruch, auch die Eierſtöcke des weiblichen Alpenmolches ſind wie die bei maculosa groß und geräumig und es treten bei ihm ebenfalls eine große Anzahl, vielleicht zwanzig bis vierzig und mehr Eier auf einmal aus dem Eier— ſtock in die Eiergänge (Uterus) ein; aber während dieſe Eier beim Feuermolch alle zu Keimlingen ſich umgeſtalten können und das Weibchen ſonach zwanzig bis vierzig oder mehr Kiemen-Larven auf einmal zur Welt bringt, bildet ſich beim Alpenmolch nur eins in jedem Eiergang aus, die übrigen bleiben unentwickelt und ihre Dotter fließen zu einer gemeinſchaftlichen, formloſen Maſſe zuſammen, welche den ſich entwickelnden Embryo bis zum Sprengen der Eihülle einſchließt und ihm nach dem zur Nahrung dient, ſodaß ſie bei der Geburt aufgezehrt iſt. Freilich zu den erſten Stufen der Embryobildung ſchreiten in den Eigängen gewöhnlich außer jenem einen Ei noch mehrere hinter ihm liegende, wie man hat feſtſtellen können. Und dieſer Befund erweiſt nicht nur, daß wie beim Feuerſalamander alle Eier eines Geleges vor Beginn der Entwicklung gleichzeitig und gleichmäßig befruchtet werden, ſondern er dürfte auch zur Erklärung der Thatſache, daß manchmal das in dem einen Eigang heranreifende Junge um mehrere Tage früher oder ſpäter geboren wird als das des zweiten Eileiters, einen Wink bieten: man wird anzunehmen berechtigt ſein, daß in ſolchem Falle das in Ausbildung des Keimlings begriffene Ei abſtarb und dann an ſeiner Stelle ein folgendes in die Weiterentwicklung eintrat. Stirbt allerdings der Embryo erſt ab, wenn die übrigen Eier ſchon zerdrückt oder zuſammengefloſſen ſind, ſo muß diesmal der eine Eiergang ohne Ergebniß bleiben. Indeſſen das ſind Ausnahmen. In der Regel machen die beiden Embryonen die verſchiedenen Abſchnitte ihrer Entwickelung gleichmäßig durch, ſodaß die Geburt beider Jungen zuſammenfällt bezw. um nur eine oder einige Stunden auseinanderweicht. ) Dabei möge daran erinnert ſein, daß bereits 1843 und 1858 Czermak und C. v. Siebold gezeigt haben, die weiblichen Sal. atra können nach einer einmaligen Befruchtung im Laufe eines Jahres mehr- mals trächtig werden und gebären. Befruchtung. Keimlinge. Namen. 600 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Es möge ſchließlich nochmals betont ſein, daß das Junge alle Stadien der Embryo— und Larven-Entwicklung durchzumachen hat wie die jungen Feuerſalamander und Tri— tonen, nur geſchieht das bei ihm von Anfang bis zu Ende im Mutterleibe. Und das intereſſanteſte Moment dabei iſt das Hervorwachſen gewaltiger Kiemenbüſchel. Wenn die durch langes Eileben ausgezeichneten Keimlinge der Geburtshelferkröte die Quappen aller anderen unſerer Anuren an Größe der äußeren Kiemen übertreffen, ſo läßt in dieſer Beziehung der Embryo des ſchwarzen Salamanders nicht nur die Larven der Schwanzlurche, ſondern aller deutſchen Lurche überhaupt hinter ſich; denn bei ihm reichen die ſchön roſenrothen Kiemenbüſchel mit der Spitze des letzten Aſtes bis an die Hinterbeine und kommen beinahe der halben Körperlänge gleich, indem ſie bei— ſpielsweiſe bei einem 36 mm langen Embryo 15 mm lang ſind. Man möchte es faſt bedauern, daß die Jungen, welche im hinteren Ende des Uterus ſchon lebhafte Be— wegungen machen und zu einer Länge von 42 bis 54 mm auswachſen, bei und nach der Geburt die Kiemenbüſchel nicht mehr beſitzen, ſie würden einen ſtattlichen Schmuck des neuen Weltenbürgers abgeben. An den dem getödteten und geöffneten trächtigen Weibchen entnommenen Jungen wird man auch bemerken, daß ihr Schwanz, welchen ſie gegen den Leib gebogen haben, noch ſtark ſeitlich zuſammengedrückt iſt, während er bei den Neugebornen ſchon ziemlich drehrund erſcheint. Landesübliche Bezeichnungen. Schwarzer, Mohren, Alpen-Salamander, ſchwarzer Regen- oder Erdmolch, in Tirol und Bayern: Tattermann “) oder Wegnarr. Engl.: Black Salamander; Franz.: Salamandre noire; Ital.: Salamandra nera; Poln.: Salamander czarna. Salamandra atra, Laurenti 1768. — Lacerta atra, Wolf [Sturm 4. Heft] 1805. — Lacerta Salamandra ß, Gmelin 1790. — Salam. nigra, Gray 1850. 2. Gattung: Waſſermolch. Triton, Zaur. Geſtreckter, im Allgemeinen ſchlanker Körper mit dünnen vierzehigen Vorder— und gleichfalls dünnen fünfzehigen Hinterfüßen“ ) und etwa körperlangem, am Ende zugeſpitzten, ſeitlich zuſammengedrückten, am oberen und unteren Rande ſchneidigen, alſo floſſen- oder ſchwertförmigen Schwanz (Ruderſchwanz); letzterer im Frühjahr, wenn ſich bei den Männchen auch auf dem Rücken ein gezackter, gewellter oder geradliniger Hautkamm (Keifte) entwickelt, mit einem dünnen, kamm coder leiſten— artigen Hautanhang; auf der Handfläche und am Grunde des Daumens fowohl wie auf der Fußſohle und an der Wurzel der Innenzehe je ein kleines, rundliches, warzenartiges, aus einer Hautverdickung beſtehendes Höckerchen oder Unöpfchen (Ballen); Haut entweder vollkommen glatt oder aber mehr oder minder (im Land— kleid) körnig, uneben, mit vielen hautdrüſen bezw. Poren, jedoch ohne die den Candſalamandern zukommende Ohrdrüſenwulſt (Parotis) und ohne durch das unbe— waffnete Auge zu erkennende Drüſenreihen an den Hörperfeiten; Iris goldgelb; Zunge rundlich oder eiförmig, unten längs der Mittellinie an die Mundhöhle an— ) Die Bezeichnung „Tattermann“ (Tottermann oder todter Mann) dürfte er vom Volksmund jedenfalls ſeines trägen Weſens wegen bekommen haben. ) Von den vier Fingern der Vordergliedmaßen iſt in der Regel der dritte der längſte, während der vierte hinſichtlich der Länge je nach der Spezies entweder beinahe dem erſten gleicht oder in der Mitte ſteht zwiſchen dieſem und dem zweiten. An den Hintergliedern ſind die dritte und vierte Zehe gewöhnlich die längſten und faſt einander gleich, die fünfte indeſſen hält ſehr oft die Mitte zwiſchen der erſten und zweiten. Zweite Gattung. Waſſermolch. 601 gewachſen, ſomit gewöhnlich nur an den Seiten frei bleibend; Gaumenzähne zuſammen zwei gerade, vorn meiſtentheils ſich nähernde Cängsreihen bildend. Das brünſtige Männchen aber zeichnet ſich im Frühjahr, abgeſehen von friſcheren, glänzenderen Farben des Hochzeitskleides, noch durch gewiſſe Eigenthümlichkeiten aus: einen je nach der Spezies gezackten, gewellten oder ganzrandigen bezw. leiſten— artigen dünnen Hautkamm auf dem Rücken und, als deſſen Fortſetzung, einen ähn— lichen Hautanhang längs der Schwanzkante (vergl. oben); ferner, wenigſtens bei einigen Arten, durch Hautlappen bezw. vollſtändige Schwimmhäute an den Zehen der Hinter— füße und durch einen Hautſaum an der Oberlippe; ſchließlich auch durch ungemein verdickte, bezw. kugelig angeſchwollene, wulſtartige Kloakenränder und einen Büſchel „zarter, fadenförmiger Hervorragungen“ jederſeits am oberen (hinteren) Winkel der Kloaken- oder Afterſpalte, welch’ letztere als verlängerte, mit Drüſenöffnung verſehene Hauthöcker (Papillen) zu betrachten ſind und zwar bereits im vorigen Jahrhundert von Röſel bemerkt, aber doch erſt von Leydig [Bedeck. S. 39] als Papillen für die Ausführungsgänge der Kloakendrüſen erkannt wurden; die Kloake der Weibchen tritt mehr kegelförmig vor. Dagegen ſcheinen ſogenannte Kopulations-Warzen, welche ebenfalls auf Seite 376 beſprochen wurden und bei manchen ausländiſchen Schwanzlurchen, z. B. laut M. Braun an der unteren Seite des Oberſchenkels und den Spitzen der Zehen des nordamerikaniſchen Triton viridescens, Raf. und laut Bedriaga an dem oberen und mittleren Theil des Oberarms vom Rippenmolch (Pleurodeles Waltlii, Michah.), ſich ent— wickeln, bei den Männchen unſerer Tritonen nicht vor— zukommen. Merkwürdiger Weiſe trifft man unter den Tritonen auf Zwitterbildungen, wie ſolche uns allerdings auch bei Kröten und Fröſchen begegnen. Eine hierher gehörige Bildung, die Prof. La Valette St. George Archiv f. mikr. Anat. 45. Bd.] bei einem, äußerlich als ein Männchen er— ſcheinenden Streifenmolch Triton vulgaris fand, veran— ſchaulicht die nebenſtehende Abbildung 46, auf welcher E den Eierſtock, K einen durch ſeichte Einſchnürungen drei- % theiligen Hoden und SI die Samenleiter bezeichnet; Eileiter . fehlten dem Thier und daher muß es als ein unvollkommener Zwitter betrachtet werden. Da die heimiſchen Waſſermolche in Aufenthalt und Lebensweiſe, in Fortpflanzung und Gewohnheiten eine auf— fallende Uebereinſtimmung zeigen, wie wir ſie bei keiner anderen Gruppe unſerer Amphibien wiederfinden, ſo dürfte es, um Wiederholungen zu vermeiden, geboten ſein, die ge— meinſamen Eigenheiten zu einem Geſammtbilde dieſer Schwanz- Fig. 46. Zwitterbildung beim lurche zu vereinigen und ſpäter bei Beſchreibung der vier Streifenmolch. (E Cierſtock. Arten nur die unterſcheidenden Punkte hervorzuheben. H Hoden. 81 Samenleiter.) Aufenthalt, Lebensweiſe, Eigenſchaften. Unter unſeren Molchen dürfen, wie auf Seite 400 angedeutet, der Kamm- und der Streifenmolch als Allerweltsbürger gelten, da ſie nicht nur geographiſch weit verbreitet ſind, ſondern auch die Ebene ſo— wohl wie das Hügel- und Bergland bewohnen, während der Tr. alpestris, ganz geringe Ausnahmen abgerechnet, das Tiefland meidet und der als eine weſtliche Form Männchen. Aufenthalt. 602 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. anzuſehende Leiſtenmolch gleicherweiſe dem welligen, hügeligen und gebirgigen Gelände den Vorzug giebt, ſodaß es immerhin vorkommen kann, in ſolchen Strichen zur Frühjahrszeit bisweilen drei, ja vier unſerer Arten in ein und demſelben Ge— wäſſer beiſammen zu finden. Wenn man nun die Tritonen, im Gegenſatz zu den eigentlichen Salamandern, „Waſſermolche“ nennt, jo hat man inſofern Recht, als die Thiere nicht nur ihre ganze, durch ein Vierteljahr und länger ſich hin— ziehende Verwandlung im Waſſer durchmachen, ſondern in dieſem auch während der Fortpflanzung zur Frühjahrszeit einige Monate ſich aufhalten, ja zum Theil daſſelbe das ganze Jahr nicht verlaſſen, wogegen die Landſalamander nur vorübergehend das naſſe Element aufſuchen. Und daß die erſteren wenigſtens während der Zeit nach dem Verlaſſen der Winterherberge auf das Waſſer angewieſen ſind, bezeugt ſchon der im Frühling und Frühſommer zu einem floſſenartigen Ruderwerkzeug verbreiterte Schwanz, welcher erſt eine an die der Salamander gemahnende drehrundliche Form annimmt, nachdem ſie das Land zu beziehen ſich anſchicken. Dies geſchieht je nach Eintritt und Verlauf des Frühlings zuweilen und vereinzelt bereits im Mai und Juni, öfter jedoch erſt ſpäter, im Juli, Auguſt oder ſelbſt im September und dann mitunter in förmlichen, wenn auch kleinen Geſellſchaften. Letzteres ſcheint nach meinen Beob— achtungen wenigſtens für den Teichmolch, dem häufigſten unſerer Tritonen, zuzutreffen, während Triton eristatus und wohl auch T. alpestris ſich nach und nach an das Landleben gewöhnen, indem fie vom Juni oder Juli ab Morgens früh oder Abends zeitweilig aus dem Waſſer ſteigen, indeß wieder, und zwar in größer werdenden Pauſen, in daſſelbe zurückkehren, um endlich ganz am Lande zu verbleiben und hier wie alle anderen Gattungsgenoſſen an feuchten Orten, in Uferhöhlen, unter Baumwurzeln und Laub, in Erdlöchern, Acker- und Gartenland, in Steinhaufen und Felsſpalten, in Kellern und Brunnen, das Ende des Sommers und den Herbſt zu verbringen. Während ſie aber zu dieſer Zeit aus ihren Verſtecken ab und zu hervorkommen, um ihr allerdings jetzt nur geringes Bedürfniß nach Nahrung zu befriedigen, verlaſſen ſie das eigentliche, in ähnlichen Schlupfwinkeln und mitunter geſellſchaftlich aufgeſchlagene Winterquartier in der Regel nicht eher, als bis die Februar- oder März-Sonne an die Thür deſſelben klopft. e Sogleich nach Beendigung des Winterſchlafes finden ſich die Tritonen, nicht ſelten gemeinſchaftlich mit Grasfröſchen, Erd- und Knoblauchskröten, in Wald- und Wieſengräben, Weihern, umbuſchten Teichen und ähnlichen ſtehenden Waſſerbecken, der Bergmolch gern in Gewäſſern mit ſteinigem Grunde und nebſt dem Fadenmolch in kühlen Waldtümpeln, ein — bei milder Witterung bereits Ende Februar, wenn zwiſchen Waldbäumen und in Thalſchluchten noch der Schnee lagert und das Eis kaum gewichen iſt, bei ſtrengem Nachwinter erſt im April und Mai. Im erſteren Falle werden die voreiligen Thiere oft wieder von einem Nachfroſt in ihre Verſtecke zurück— getrieben, mitunter auch von dieſem ſo plötzlich überraſcht, daß ſie mit eingefrieren, ohne indeß Schaden zu nehmen, was zu dem Schluß berechtigt, die Tritonen können ohne Nachtheil in Gewäſſern überwintern, die nahe bis zum Grunde gefrieren. Ausgehungert und abgemagert, wie die Molche nach vollbrachtem Winterſchlaf ſind, verharren ſie in dem neubelebenden Waſſer zunächſt noch eine kurze Zeit am Boden deſſelben, auf und unter und zwiſchen Schlamm, halbverfaulten Blättern und ſonſtigen Pflanzenreſten, um dort bei Gefahr ſich geſchickt zu bergen, wozu ihnen auch die vorerſt noch trüben Farben des Winterkleides treffliche Dienſte leiſten. Aber bald pulſirt das Leben raſcher, das mißfarbige Gewand wird ausgezogen, friſch aufgenommene Nahrung ſchafft neue Kräfte, die Farben werden freudiger, glänzender, die Männchen, welche meiſtens einige 0 nn Zweite Gattung. Waſſermolch. 603 Tage vor den Weibchen im Waſſer erſcheinen, entwickeln an Rücken und Schwanz oder auch an anderen Körpertheilen die bekannten Attribute des hochzeitlichen Kleides und beginnen dann etwa um Mitte oder Ende März ihre zierlichen Liebesſpiele, nach deren Anfang mehrere Wochen noch vergehen, ehe die mittlerweile herangebildeten Eier vom Weibchen abgeſetzt werden. Wenn die Bewegungen der Tritonen im Waſſer ſchon an und für ſich derart behend und anmuthig ſind, daß bereits Laurenti mit Recht ſagen durfte: „in aqua eleganter agilis“, ſo erreicht die Zierlichkeit derſelben in den Liebesſpielen, in den Brautwerbungen den Höhegrad. Bei dieſen verhalten ſich die Weibchen gewöhnlich paſſiv, indem ſie meiſt ruhig auf dem Boden ſitzen oder ihres Weges dahinſchwimmen, während das Männchen entweder trippelnde und tänzelnde Bewegungen gegen das Weibchen hin macht oder um daſſelbe herum- und neben dieſem herſchwimmt. Da ſtellt ſich, wie ich jetzt im April wieder bei fünf Pärchen Schwarzwälder Leiſtenmolche oftmals beobachten konnte, das Männchen dem Weibchen, Kopf gegen Kopf, gegenüber, biegt den Schwanz etwa zu zwei Drittheilen nach vorn zu um und führt mit dieſem umgebogenen Ende ſehr raſche, zitternde und wellenförmige Bewegungen aus. Hat es dieſelben eine Reihe von Sekunden fortgeſetzt und dabei wiederholt mit der Schwanz— ſpitze die Leibesſeiten berührt („die Flanken gepeitſcht“), um ſeine Erregung auszu— drücken, ſo biegt es ſich plötzlich faſt halbkreisförmig zuſammen, um aber alsbald gegen das Weibchen federartig hinzuſchnellen und dann zu neuem Spiel in die frühere Stellung zurückzukehren u. ſ. w. Es geht, wie wir von Seite 392 her wiſſen, bei unſeren heimiſchen Tritonen, ohne daß eine Umarmung (Begattung) der Geſchlechter ſtattfindet, eine innere Befruchtung der Eier und zwar mehrere Tage vor dem Ablegen derſelben vor ſich. Dies erhellt aus den Thatſachen, daß einerſeits die Eier auch derjenigen Weibchen, welche im Freien ohne Beiſein von Männchen laichen oder welche ein, zwei oder auch drei Tage vor dem Legen von den Männchen abgeſondert wurden, ſich weiter entwickeln, und daß ander— ſeits die Eier bereits beim Ablegen in den Anfangsſtadien der Entwicklung ſich be— finden und, wie ein Oeffnen der trächtigen bezw. in das Legegeſchäft eingetretenen Weibchen bekundet, dieſe Entwicklung ſchon im Eileiter beginnen. Bereits der ſcharf beobachtende C. Bruch konnte vor mehr als 30 Jahren dies nachweiſen und erkennen, daß die Eier vor dem Ablegen im Eileiter einen Theil des Furchungsprozeſſes durch— machen und ihr Austritt aus dem erſteren „gewöhnlich zwiſchen der Bildung der Aequatorialfurche und der Himbeerform erfolgt“ [N. B., S. 143]. Ebenſo hat Prof. Nauck auf Grund des an einem Paar Triton alpestris beobachteten, zur Beſamung führenden Liebesſpiel ſchon im Jahre 1864 ausgeſprochen ), daß „die Tritonen nicht unbefruchtete Eier legen“, d. h. daß die Eier, im Gegenſatz zu denen der Fröſche, Kröten, nicht erſt nach dem Austritt aus dem Eileiter von dem männlichen Samen befruchtet werden. Wie der Beginn der Liebesſpiele von der Temperatur und Witterung abhängt und je nachdem in den Ausgang des Februar, in den März und April oder gar erſt in den Mai fällt, ſo auch die Dauer derſelben und die Länge der Laichzeit: in manchen Jahren haben die Weibchen ſchon Ende April oder Mitte Mai völlig ab— gelaicht, in anderen begegnet man Ende Juni, ja ſelbſt zu Anfang des Juli noch *) Correſp.⸗Blatt des Naturf.-Vereins zu Riga, XIV. Bd. S. 85. Neuerdings ſchildert auch Prof. F. Gasco die Liebesſpiele und das Eierlegen des Triton alpestris in ſeiner Abhandlung „li amori del Tritone alpestre —“ (Estr. degli Annali del Museo Civico di Storia Naturale di Genova, Vol. XVI. 1880.) Liebesſpiele. Befruchtung. Laichzeit. Eier. 604 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. trächtigen Exemplaren. Obzwar die Tritonen im Allgemeinen weniger empfindlich gegen die Einflüſſe der Witterung ſind als ſonſtige Amphibien und ſich „auch unter Umſtänden zeigen, wo kein anderer Waſſerbewohner zu ſehen iſt“, ſo geht doch eine plötzliche Veränderung der Luft- und Waſſer-Temperatur nicht ſpurlos an den laichenden Weibchen und den ſpielenden Pärchen vorüber; denn Laichgeſchäft und Paarung werden bei unerwartetem Kälte-Rückſchlag, z. B. Mitte Mai, unterbrochen und erſt bei Ein— tritt höherer Wärme wieder aufgenommen, ſodaß man unter ſolchen Umſtänden wohl eine mehrmalige Begattung oder Vereinigung von Männchen und Weibchen anzunehmen berechtigt iſt. Und während in günſtig verlaufendem Frühling und unter glatter Ab— wicklung des Fortpflanzungsgeſchäfts die Männchen den hochzeitlichen Schmuck ihres Kleides ſchon im Juni abgelegt haben, trifft man in anderen Jahren noch im Juli und Auguſt mit Kamm u. a. ausgerüſtete Thiere an. Glaſers Wahrnehmung zufolge ſoll ein anderer Umſtand, nämlich das Einfangen der Molche, ſpeziell des Priton eristatus, zur Paarungszeit, das raſche Schwinden der hautlappigen Auszeichnungen (binnen 10 bis 14 Tagen) und damit eine Unterdrückung des Paarungs- bezw. Laich— triebes herbeiführen: „Ein ſolches (hochzeitliches) Männchen des T. eristatus nahm, zu zwei ſchon längere Zeit im Aquarium gehaltenen Weibchen gethan, von dieſen durchaus keine Notiz und legte, vielleicht vor Alteration über das Einfangen, alle Gelüſte ab . . . Von den großen Molchen bemerkte ich im Aquarium wohl ſchon eigen— thümlich liebkoſende Geſten der Männchen um die Weibchen herum, aber noch niemals Laich. Es ſcheint, daß die längere Alteration der Thiere durch ihr Einfangen gerade zur Laichzeit ihnen die Fähigkeit zum Laichen nimmt, wenn nicht die Gefangenſchaft überhaupt den Laichtrieb bei ihnen unterdrückt.“ Ich ſelbſt habe derartige Beob— achtungen noch nicht gemacht; doch iſt es wohl möglich, daß Aufregung und Aerger der Thiere über die Störung ihres Frei- und Liebeslebens, ferner der zweimal oder noch öfter plötzlich eintretende Wechſel des Aufenthalts, des Waſſers und der Tem— peratur, dem ſie inmitten der Paarungszeit ausgeſetzt werden, einen derartigen Ein— druck auf die Molche machen und entſprechende Erſcheinungen verurſachen. Die Eier werden im Freien und unter naturgemäßen Verhältniſſen auch im Aquarium vom Weibchen einzeln abgeſetzt, aber nicht in raſcher Folge hinter ein— ander, ſondern mit kleineren oder größeren Unterbrechungen, ſodaß das Laichgeſchäft eines Weibchens, je nachdem die Pauſen zwiſchen dem Ablegen der vergleichsweiſe großen Eier nur wenige Minuten oder aber eine und mehrere Stunden umfaſſen und die Zahl der Eier eines Geleges geringer oder beträchtlicher iſt, bei glattem Verlauf entweder blos einige Stunden oder aber einen und ſelbſt mehrere Tage in Anſpruch nehmen kann — ganz abgeſehen von den oben erwähnten Ausnahmefällen. Schon die Art und Weiſe des Laichens bedingt ein allmähliches Hervortreten und Abgeben der Eier: das Weibchen läßt dieſelben nicht einfach ins Waſſer oder auf den Grund des Gewäſſers bezw. Behälters gleiten, ſondern klebt jedes einzelne an ein Pflanzenblättchen, einen Moosſtengel oder Grashalm, im Nothfall an vermoderndes Laub, an ein Holzſtück, an einen Stein oder andere im Waſſer befindliche Gegenſtände, und nur bei gänzlichem Mangel dieſer Dinge und bei Geängſtigtwerden — alſo wohl ausſchließlich nur im Aquarium — laſſen die Molche die Eier, und zwar etwa 4 bis 10 Stück zu einer kurzen Schnur vereinigt, ohne Weiteres auf den Boden des Gefäßes fallen.“) Bei ) Dieſe Art und Weiſe der Eierabgabe, welche an die der Kröten erinnert und noch von Cuvier [Regne an., 2. edit.) für die normale gehalten wurde, iſt mithin als eine abnorme anzuſehen; denn ſobald man den auf ſolche Weiſe im kahlen Behälter laichenden Weibchen Waſſerpflanzen zur Verfügung ſtellt, jo gehen fie an dieſe. Zweite Gattung. Waſſermolch. 605 dem Anheften der Eier zieht das Weibchen unter allen Umſtänden Blätter und junge Triebe friſcher Waſſerpflanzen vor, ſo die des Waſſer-Hahnfuß (Ranunculus aquatilis), der Waſſerminze (Mentha aquatica), des Waſſer Ehrenpreis (Veronica Anagallis et Beccabunga), des Waſſerknöterich (Polygonum Persicaria et Hydropiper) u. a., außerdem benutzt es aber auch Pflanzen mit zerſchliſſenen Blättern, z. B. Tauſend— blatt (Myriophyllum), Hornkraut (Ceratophyllum demersum) u. a. Will es an einer Pflanze mit flachen, verbreiterten Blättern das Laichgeſchäft ausführen, ſo nimmt es, wie ſchon Rusconi [Am.] beobachtete, ein Blatt zwiſchen die Hinterfüße, drückt das— ſelbe muldenartig zuſammen bezw. krümmt oder rollt die Spitze deſſelben ein wenig zurück und legt nun in den auf dieſe Weiſe entſtandenen mulden- oder winkelartigen Hohlraum ein Ei, welches vermöge der der Eihülle eigenen Klebrigkeit nicht nur von ſelbſt an dem Blatte haften bleibt, ſondern auch das letztere in der ihm gegebenen Geſtalt zuſammenhält. Seltener wird das Ei an die ebene Oberfläche des Blattes geheftet oder ein Blatt mit zwei Eiern bedacht. Beiſpielsweiſe ſei angefügt, daß ein weiblicher Triton vulgaris, welcher ſoeben vor meinen Augen das Laichgeſchäft voll— brachte, vier Eier einzeln für ſich in der oben erwähnten Art vier verſchiedenen Blättern des Waſſer⸗Ehrenpreis übergab, das fünfte Ei einfach an die Oberfläche eines weiteren Blattes klebte und ein ſechstes Blatt des gleichen Stengels mit zwei Eiern verſah, deren eins unter die zurückgebogene Spitze und eins in der Nähe der Anwachſungs— ſtelle an die Unterfläche des Blattes geheftet wurde. Bei Benutzung von Pflanzen mit zerſchliſſenen Blättern oder von Moosſtengeln oder von jungen Trieben der Waſſergewächſe werden die Eier gewöhnlich in den Blattwinkeln oder in den Räumen zwiſchen den einzelnen Blattſtielen feſtgeklebt, und unter Umſtänden befolgt ein Weibchen dieſes Verfahren auch bei Verwendung der erſtgenannten Pflanzen. In reichbevölkerten Wieſen- und Waldgräben findet man manchmal die Blattzweige bezw. die Moosſtengel förmlich beſät mit den bräunlichen, gelblichen oder grauweißen Eiern. Das Zurückbiegen und Bekleben eines Blattes ſeitens des Weibchens nimmt eine oder wenige Minuten in Anſpruch. Schon Prof. Bruch [N. B., S. 143] macht aufmerk— ſam, daß bei dieſer Arbeit zuweilen ein Weibchen mit dem Fuß am Blatt kleben bleibt, da eben die gallertige Eihülle ſehr raſch aufquillt und ſehr klebrig iſt. Die Zahl der von einem Weibchen gezeitigten Eier beträgt nach meinen Wahrnehmungen 7 bis 24 Stück. Die Weiter⸗Entwicklung der gelegten Eier, welche zunächſt kugelrund, von einer vielleicht erbſengroßen Gallerthülle eingeſchloſſen und je nach der Spezies des Tritons von grauweißer, gelblicher, grauer oder brauner Farbe und von der Größe eines halben oder ganzen Hirſekorns find, ſchreitet im Vergleich zu der Umgeſtaltung der Froſch- und Kröten-Eier langſam vorwärts, d. h. zwiſchen dem Ablegen der Eier und dem Ausſchlüpfen der Larven vergeht ein längerer Zeitraum als bei den ſchwanz— loſen Batrachiern, nämlich je nach dem höheren oder minderen Wärmegrad 12 bis 21 Tage. Allerdings erſcheinen die Larven dann ſchon vollkommener als die kleinen, formlos ausſehenden Quappen der Froſchlurche: Kopf-, Rumpf- und Schwanztheil ſind deutlicher geſondert, die Augen offen und goldglänzend, die Kiemenbüſchel vorhanden, der Schwanz zierlich und geſtreckt. Unbefruchtet gebliebene Eier, welche hier und da in einem Gelege vorkommen, werden bald weißfleckig und dann auch gern von Schimmel— pilzen heimgeſucht, ſodaß ſie leicht zu unterſcheiden ſind, umſomehr als ſich die Form des befruchteten Eies raſch ändert: ſchon am 3. oder 4. Tage iſt daſſelbe mehr länglich- oder eirund geworden und in der glasartig durchſcheinenden Gallerthülle der dunkle längliche Embryo deutlich zu erkennen; am 5. oder 6. Tage bemerkt man, wie der Keimling eine gekrümmte Lage, parallel zur einen Längsſeite der Eihülle und Entwicklung. Larven. Verwandlung. 606 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. der Schwanz nach einer Kurzſeite der letzteren umgeſchlagen, angenommen hat; bald vermag man die einzelnen Körpertheile, die Andeutungen des Mundes, der Augen, die Spuren der äußeren Kiemen wahrzunehmen; vom 8., 9. oder 10. Tage an werden die Lebenszeichen des Embryo augenfälliger, denn er dreht oder wirft ſich, vorerſt noch langjamer und in Pauſen von 3 bis 6 Stunden, dann jedoch ſchneller, ruckartiger und öfter, von einer Seite auf die andere, ſodaß einmal die Rücken-, einmal die Bauchgegend nach der oberen oder unteren, nach der rechten oder linken Seite der Eihülle zu liegen kommt. Endlich vermögen die Eiwände den lebhaften Bewegungen des Embryo nicht länger Widerſtand zu leiſten: unter günſtigen Verhältniſſen am 12. oder 13., öfter aber erſt am 15. oder 18. Tage oder noch ſpäter, verläßt die durch— ſchnittlich 1 cm lange, infolge der geſtreckten Geſtalt und der blitzſchnellen Bewegungen mehr an junge Fiſchchen als an kleine Froſch-Kaulquappen erinnernde Larve die Ei— hülle, welch' letztere als eine rundliche, durchſcheinende, an einem Ende durchbrochene Gallertmaſſe gewöhnlich noch eine Zeitlang an dem betreffenden Blatte oder Stengel haften bleibt, bis ſie zerfällt oder weggeſpült wird. Die nun freilebenden Larven verhalten ſich zwar auch wie die Quappen der ungeſchwänzten Amphibien während der erſten Zeit ſtill und ruhig, allein ſie bleiben doch nicht mehr tagelang an den Eihüllen hängen, ſondern kehren dieſen ſofort nach dem Ausſchlüpfen den Rücken und hängen ſich entweder vermittelſt „geſtielter Haft— organe“ — dies ſind fädchenartige, an den Seiten des Kopfes vor den Kiemen ſtehende, zuerſt von Rusconi [Am.] als Halt- oder Stützwerkzeuge erkannte Gebilde, welche ſich in den letzten Tagen des Eilebens entwickeln und den ſogenannten Saugnäpfen der Kröten- und Froſch-Kaulquappen entſprechen — an Pflanzentheilen und ſonſtigen Gegenſtänden feſt oder ſie ruhen am Boden; nur von Zeit zu Zeit giebt eine oder die andere den eingenommenen Platz auf und ſiedelt unter Ausführung einer blitz— ſchnellen ruck- oder ſtoßartigen Bewegung nach einer neuen Stelle über. Das ruhige, wennſchon auch gut fördernde, durch gleichmäßige ſeitliche Bewegungen des breiten Floſſenſchwanzes bewirkte Dahingleiten der Froſch-Kaulquappen, welches an das be— dächtige Gehaben größerer Karpfenfiſche gemahnt, vermißt man bei den Triton— Larven überhaupt; ihr Schwimmen, zumal während der erſten Jugendzeit, iſt mehr ein Schießen oder Stoßen, das unwillkürlich zu einem Vergleich mit dem Hin- und Herfahren der bekannten Waſſerläufer (Hydrometra et Limnobates) und verwandter Schnabelkerfe, welche ja gleichfalls Lachen, Teiche und Gräben bewohnen, herausfordert. Nachdem ſich inzwiſchen die Kiemen mehr veräſtelt, die inneren Organe mehr entwickelt haben, das Maul ſich merklich geſpalten hat, liegt das mit ſeinen gold— glänzenden Aeuglein keck dreinſchauende, dabei ſehr ſcheue und lebhafte und ſchon bei Erſchütterung des Waſſers oder des Gefäßes davoneilende Geſchöpfchen nunmehr auch der Jagd auf ganz kleine Waſſerthierchen: Daphnien ꝛc. ob. Im Alter von 4 bis 6 Wochen etwa treten die Gliedmaßen vor, und zwar, da den Molch Larven die die Kiemen bedeckende Hautfalte fehlt, zunächſt die vorderen, einige Wochen ſpäter auch die hinteren; die Reihenfolge des Erſcheinens iſt ſonach eine umgekehrte als bei den Kaulquappen der Froſchlurche. Während dem ſchreitet das Wachsthum der auf Seite 395 in ihren Stufen gekennzeichneten und abgebildeten Larve, die jetzt 2 oder 3 em lang ſein mag, ſtetig fort; allmählich ſondern ſich auch die Zehen ſchärfer, die äußeren Kiemen ſchwinden, die Kiemenſpalten ſchließen ſich, der Schwanz verſchmälert ſich etwas — und damit iſt die Umwandlung oder Metamorphoſe der Larve zu einem für das Waſſer- und Landleben geſchaffenen Molch beendet. Eine vergleichende Zweite Gattung. Waſſermolch. 607 Maaß⸗Tabelle nach Bedriaga, welche die Larven der vier Triton-Arten und des Feuer— ſalamanders berückſichtigt, möge hier folgen. parad. vulg. alpestris eristatus Sal. mac. Geſammtlänge . mm 29 31 57 44 54½ 82 44 / „ie d d am 5 5% 9 8 10% 15 805 e e 15 3 3 3 ½ 37 5 77 475 eee e 1 4 4 6 5%; 7 7 6 Länge der oberen Kieme .. „ 30 4 2½ 4 775 7 4 Rumpfläng-e 97 9 11 21 14 10 15 15 Numpfhöhe - ».».... 4 4 5 / 5 7½ 10 5/1 Rumpfumfang 7 11% 12 ½ 29 178 23 31 18½ eee 15 5 57 92 Ta 10 15 7 Sintern 5 4¼ 5 % 10 71; 10% 16 7 Schwanzlännne 5 15 14½ 27 22 29 40 21 Schwanzhöhe - .» ». - - 4 4 5 5 75 l 6 Das friſch metamorphoſirte, durch Lungen athmende Thier erſcheint kleiner, ſchwächer, als die vor Abſchluß der Umwandlung ſtehende Larve, weil bei ihm das der letzteren noch eigene Kiemengerüſt geſchwunden iſt. Doch iſt dieſer Größen-Unter— ſchied bei den Tritonen viel weniger auffällig als bei den jungen Kröten und Fröſchen, da die Anuren, abgeſehen von anderen Umänderungen, in der Metamorphoſe des Schwanzes verluſtig gehen; die jungen Tritonen bezw. Schwanzlurche weichen daher im Aeußeren bei weitem nicht in dem Grade von ihren Larven ab wie die jungen Froſchlurche von ihren Kaulquappen-Zuſtänden. Nimmt die Entwicklung und Umwandlung der Larve, vom Verlaſſen der Eihülle bis zum Verlieren der Kiemen, unter zuſagenden Verhältniſſen drei bis vier Monate in Anſpruch, treten uns demgemäß im Auguſt und September ausgebildete Junge entgegen, ſo verzögert ſich doch die Beendigung der Metamorphoſe ſehr oft bis in den Spät— herbſt hinein, ja nicht ſelten unterbleibt dieſelbe während des erſten Jahres ganz und die kiementragenden, vierbeinigen Larven überwintern als ſolche, um erſt im nächſten Frühling zur Alters- bezw. Landform fortzuſchreiten. Das Letztere geſchieht bei Ein— wirkung ungünſtiger oder abſonderlicher Verhältniſſe (vergl. Seite 395), ſogar noch ſpäter, während des zweiten oder dritten Jahres; das Merkwürdigſte dabei aber iſt, daß die Fortpflanzungs-Organe dieſer äußerlich in einem neoteniſchen Zuſtand, d. h. in einer jugendlichen Form beharrenden Weſen ſich entwickeln, die letzteren ſomit Eier ablegen reſp. Eier befruchten können — gleich den umgewandelten, fertigen Molchen. Intereſſante Fälle derartiger, an die Eigenthümlichkeiten des nordamerikaniſchen Axolotl gemahnender „Neotenie“ (vergl. S. 396) theilten ſchon Schreibers, Filippi und Jullien u. A. mit: Bereits 1833 berichtete Schreibers in Oken's „Iſis“, er habe Tritonlarven mit ſehr entwickelten Kiemen und von der Größe ausgewachſener, mannbarer Thiere gefunden, deren Unterſuchung bekundete, daß die Geſchlechtswerkzeuge ſehr entwickelt waren und die Ovarien „von Eiern ſtrotzten“. Filippi“) fand im Auguſt 1861 in einem Sumpfe bei Pumeigen im Formazzathal weſtlich des Lago maggiore vom Triton alpestris, welcher ſich laut Camerano überhaupt durch die Häufigkeit eines neoteniſchen Zuſtandes auszeichnet, 50 Exemplare, deren zwei den ausgewachſenen (metamorphoſirten) Molchen glichen, während alle übrigen, und zwar Männchen wie Weibchen, ihre Kiemenbüſchel noch beſaßen und auch ſonſt den Bau der Larven beibehalten hatten, obwohl ſie in Körpergröße und, was das Wichtigſte iſt, in Entwicklung der Ge— ſchlechtswerkzeuge mit reifen Thieren übereinſtimmten. Jullien “) erbeutete im April *) Archivio per la Zoologia. Genova 1861 Vol. I p. 206—211. ) Compt. rend. de l’Acad. de Paris LXVIII (1869) pag. 938. Junge. Entwicklungs⸗ Hemmungen. 608 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. 1869 aus einem Sumpfe bei Chatillon vier weibliche Larven des Triton vulgaris (taeniatus), die ſich als fortpflanzungsfähig erwieſen, indem fie in ihren Eierſtöcken reife Eier hatten, welche denn auch von zwei Exemplaren abgelegt wurden; hingegen zeigten ſich vier männliche Larven aus demſelben Sumpfe in Bezug auf Körpergröße zwar ebenſo entwickelt, doch fand man bei ihnen noch kein Sperma (Samenfäden), ſondern erſt Samen-Mutterzellen. Neuerdings iſt feſtgeſtellt worden, daß beim Berg— molch am Südabhang der Alpen regelmäßige Neotenie vorkommt, denn dort ſind in einigen Seen geſchlechtsreife Larven ebenſo häufig wie ausgebildete Thiere. Aber auch nördlich der Alpen treten derartige Fälle ein. So beſagt eine Mittheilung aus München, daß dort im September 1891 zwölf aus der Gegend von Dachau ſtammende erwachſene, etwa 7 em lange, mit noch vollſtändigen Kiemenbüſcheln ver— ſehene, in Körperbau, Tracht und Färbung aber den fertigen Weibchen durchaus gleichende Bergmolche, deren drei der Berichterſtatter noch lange mit einem ausgebildeten Männchen im Aquarium hielt, vorgefunden wurden. Vier andere wurden laut Wiedemann am 19. Februar 1886 bei Dinkelſcherben erbeutet. Zufällige Neotenie hat man noch wahr genommen beim Kamm-Molch, wie eine in Steiermark gemachte Beobachtung v. Ebner's [Mitth. Nat. Ver. Steierm. 1877] erweiſt, und beim Streifenmolch. Geſchlechtsreife Larven des letzteren ſahen, außer Jullien, Fr. Weſthoff bei Münſter i. W. [Zool. Anz. 1893 S. 256], ferner W. Wolterstorff und ich. Wolters⸗ torff giebt in Nr. 11 der Blätter für Aquarienfreunde 1896 kurze Beſchreibung und Abbildung einer im Auguſt 1895 am Biederitzer Buſch bei Magdeburg erbeuteten, 4 em langen, nach der Ueberwinterung im März aber 6,5 em langen männlichen Larve (ſ. Nr. 4 auf beiſtehendem Vollbild) und erwähnt dabei, daß ihm 1892 im Zoologiſchen Inſtitut zu Jena eine im Jahre vorher im Grunewald bei Berlin ge— fangene geſchlechtsreife weibliche Larve gezeigt worden ſei. Mir ſelbſt fiel im März 1890 in einem Tümpel bei Tempelhof nächſt Berlin mit zahlreichen fertigen Thieren eine 55 mm lange weibliche Larve in die Hände. Daß aber auch, und zwar häufig, vom Leiſtenmolch im Frühjahr ſich Larven finden, welche die Größe, Geſtalt und Färbung der ausgebildeten Molche beſitzen, berichtet mir Herr H. Fiſcher-Sigwart in Zofingen. — Weismann*) ſieht die oben verzeichneten Fälle als einen Beweis dafür an, daß unter Umſtänden Schwanzlurche, welche die Land- oder Salamander— form in ihrer Entwicklung erreicht haben, auf die Stufe der durch Kiemen ath— menden, aber ſelbſtverſtändlich fortpflanzungsfähigen Fiſchmolche (Ichthyodea) zurück ſinken können, und betrachtet jene larvenartigen, jedoch geſchlechtsreifen Tritonen als Seitenſtücke zu dem amerikaniſchen Axolotl (Amblystoma mexicanum, Cope), deſſen bekannte Larvenform ſogar als eine beſondere Art der Fiſchmolche (Siredon pisciformis, Shaw) galt, bis man aus ihr die ſalamander-ähnliche Landform ſich ent— wickeln ſah und demgemäß die Spezies der Familie der Salamandriden überweiſen mußte. Feinde o. Larven. Aber nicht nur, daß manche Triton-Larven durch ungünſtige Verhältniſſe in der Entwicklung gehemmt werden, es treten auch noch ernſtere Fährlichkeiten auf, die dieſelben verunglücken laſſen: eine Anzahl geht an Nahrungsmangel ein oder wird von erwachſenen Thieren der eigenen Art, und namentlich von den großen Kamm— molchen, als paſſende Nahrung betrachtet; ebenſo fallen ſie den räuberiſchen Larven der großen Waſſerkäfer (Hydrophilus et Dytiseus), welch’ letztere ſelbſt ſchon die an den Pflanzen klebenden Eier und deren Inhalt vernichten, und ähnlichen „Hyänen des Waſſers“, von denen ja ſo verhältnißmäßig viele die ſonnigen Laichplätze der Tritonen unſicher machen, zur Beute. Auch Wirbelthiere machen ſich an große Larven ) Zeitſchrift f. wiſſenſch. Zoologie Bd. XXV. Suppl. 609 Zweite Gattung. Waſſermolch. egen een bed ur “parte ah usgo uog gun flag aaq og 29) eee eee eee UOILLL pe nag nagaug aun gag Bung ee, SER, > 89 Aufenthalt d. Jungen. Nahrung. 610 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. der Tritonen und an dieſe ſelbſt, ſo der Storch, der Teichfroſch, die Ringelnatter und Gattungs-Verwandte, ferner verſchiedene Fiſche, und auf dem Lande nehmen auch die Eidechſen gelegentlich einen kleinen Waſſermolch, wie bereits Lacepede berichtet. Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß die bekannten Roßegel (Hirudo vorax, Aulastomum gulo) vornehmlich die Teichmolche, auch im Aquarium, anfallen und dieſe „hohl ſaugen“. Man ſieht, Jung wie Alt hat ſeine Feinde. Darin liegt es begründet, daß manchmal in Wäſſern, deren Pflanzen wie mit Eiern überſäet ſchienen, doch nur eine geringe Zahl von Larven ſich vorfindet. Die Erſcheinung aber, daß uns noch viel ſeltener umgewandelte, ein- oder zweijährige Junge begegnen, erklärt ſich außerdem aus einem zweiten Umſtande: die jungen Molche halten ſich von Beendigung der Metamorphoſe an bis zur Geſchlechtsreife, welche muthmaßlich mit dem dritten Lebensjahre (3. B. bei 1888er Jungen im Frühling 1890) eintritt, meiſt verſteckt auf dem Lande auf. Hier ziehen ſie ſich gern — „ohne Zweifel des Schutzes vor größeren und der Würmchen-Ernährung wegen“, wie Prof. L. Glaſer mir ſchreibt — ähnlich den jungen Krötchen in lockeren Kulturboden zurück, und nur im Herbſt, wenn die friſch verwandelten Thierchen das Waſſer verlaſſen, trifft man öfter auch die vorjährigen außerhalb der bisherigen Schlupfwinkel; ſie ſuchen nun, gleich den Alten, ein ſicheres Winterquartier auf. Die Nahrung der Larven beſteht in der erſten Zeit aus jenen kleinen Krebs— thierchen, welche ſtehende Wäſſer reich bevölkern: Floh- und Muſchelkrebſen (Daphnia et Cypris), Hüpferlingen (Cyelops), ſpäter nehmen ſie Larven und „Maden“ von Mücken und Inſekten, kleine Würmer, ganz kleine Kaulquappen von Fröſchen und Kröten und die jungen Larven des eigenen Geſchlechts, ſowie ſonſtiges kleines Waſſer— gethier. Die Tritonen ſind alſo in all' ihren Entwicklungs- und Altersſtufen Fleiſch— freſſer (Carnivoren) und namentlich die größeren Arten zählen, wie auf Seite 404 er- wähnt, zu den ſchlimmſten Räubern. So verzehrt Triton eristatus nicht nur die auch dem Berg-, Teich- und Fadenmolch als Futter dienenden Inſekten, Würmer, kleinen Krebs— thiere, ſondern auch kleine Fiſchchen, 3 oder 4 em lange Kaulquappen, ferner ſehr gern und oft Teichmolche und andere kleine Verwandte, ſowie jüngere und mittelgroße (bis 5 oder 6 em lange) Thiere ſeiner eigenen Art und dann insbeſondere im Frühjahr Waſſer— ſchnecken, ſpeziell Schlammſchnecken (Limnaeus stagnalis) und Teller- oder Poſthorn— ſchnecken (Planorbis corneus). Um dieſe Weichthiere aus ihren Gehäuſen herauszuzerren, muß der Molch ſich allerdings anſtrengen; mit dem Maul packt und hält er den aus der Schale weit herausgereckten Vorderleib der Schnecke feſt, um ſie „durch heftiges Hin— und Herwerfen des Kopfes allmählich aus ihrem Hauſe heraus in ſeinen Leib zu ſchlürfen“. Wären die Schnecken überhaupt nicht ſo langſam und bedächtig in ihrem Gebahren, ſo würde es den Molchen — welche beim Fang und noch mehr beim Hinunterwürgen ihrer Beute höchſt unbeholfen ſich benehmen, „den Kopf hin und her werfen, um den erfaßten Gegenſtand tiefer in das Maul zu bringen, und unter Kopf— zucken und Auftreten der Vordertatzen oder unter krampfhaften Geſtikulationen mit denſelben ſchwerfällig ſchlucken“ (L. Glaſer) — vielleicht gar nicht gelingen, dieſelben in ihrer Burg zu überrumpeln und ihnen den Garaus zu machen; ja umgekehrt beobachtete Prof. K. Semper-Würzburg des Oefteren, daß die Schlammſchnecke Limnaeus stagnalis mit Vorliebe die kleinen Waſſermolche verzehrte bezw. raſch ganz geſunde, lebende Exemplare des Triton vulgaris (taeniatus) anfiel und auch überwältigte und verſpeiſte, obgleich das Aquarium voll war von üppig wachſenden Pflanzen, die für gewöhnlich dieſen Schnecken zur Nahrung dienen. Während der Futterverbrauch der Tritonen zur Zeit des Waſſerlebens ein verhältnißmäßig ſehr großer iſt, ſodaß ſie Zweite Gattung. Waſſermolch. 611 außer dem erwähnten lebenden Gethier auch todte Fiſchchen, Laich von Batrachiern und ſogar die eigene, abgeſtreifte Haut, ſobald dieſe Dinge nur von und in dem Waſſer leicht hin und her bewegt werden, aufſchnappen und verſchlingen, läßt die Freßluſt, das Nahrungsbedürfniß im Sommer und Herbſt auf dem Lande nach, und hier fallen ihnen wohl hauptſächlich kleine und große Regenwürmer 2c., graue Nacktſchnecken und dergleichen zur Beute. Gleich den Echſen, Schlangen und ungeſchwänzten Amphibien häuten ſich die Tritonen wiederholt im Laufe des Jahres, zur Frühlingszeit ſogar in ſehr kurzen, nur 3 bis 8 Tage umfaſſenden Zwiſchenräumen. Die Häutung der Molche geht in ähnlicher oder gleicher Weiſe wie bei den Eidechſen vor ſich und nimmt eine Stunde, unter Umſtänden auch etwas kürzere oder längere Zeit, bei geſchwächten Thieren ſelbſt einen oder zwei Tage in Anſpruch. Gewöhnlich löſt ſich, um die zutreffenden Worte C. Bruch's zu gebrauchen, die vor Beginn des Aktes trüb und farblos werdende Oberhaut zuerſt an den Kiefern und am Bauche ab, umgiebt dann das ganze Thier wie ein leerer Sack und wird nun unter Schütteln und fortgeſetzten Krümmungen des Leibes und Eingreifen der Vorderfüße langſam von vorn nach hinten bis über die Schwanzſpitze hinausgeſchoben, um endlich mit einigen raſchen Bewegungen abge— ſchleudert oder, und zwar öfter, mit dem Maule gepackt und vollſtändig abgezogen zu werden — wie ein Hemd. Das Thier kriecht alſo aus ſeiner Haut geradezu heraus, und die letztere giebt, falls die Häutung ungeſtört verläuft, ein getreues Bild von der Größe und Geſtalt des „Exmittirten“ wieder, indem ſie jetzt zwar die Innenſeite nach außen gekehrt (umgeſtülpt) trägt, dabei jedoch gewöhnlich unverſehrt geblieben iſt, ſo— daß man außer der Spalte in der Kiefergegend und den beiden Augenöffnungen kein Loch bemerkt, im Gegentheil ſelbſt die Füße und Zehen in ihrer feinen Gliederung unterſcheiden kann. Das Abſtreifen wird übrigens dadurch erleichtert, daß, wie be— reits angedeutet, das Waſſer zwiſchen die von ihrer Unterlage abgelöſte alte Haut und die erſtere ſelbſt eindringt und ſomit das alte „Hemd“ ſackartig ausdehnt. In manchen Fällen wird, wie bereits Wolf-Sturm [Fauna 2. Heft] und andere ältere Autoren wiſſen, das abgezogene Gewand von dem ſich entkleidenden Molch, in anderen aber von einem ſeiner Genoſſen verſchlungen, indeß ſpäter unverdaut durch den After ausgeſtoßen; doch geht die flockige Maſſe nicht glatt ab, hängt vielmehr oft tagelang aus der Kloakenſpalte, was früher zu der Meinung Anlaß gegeben hat, bei den Tritonen nehme auch der Darmſchlauch an der Häutung theil. Eigenthümlich erſcheint die Anſicht Malbranc's, man könne bei Tritonen die Häutung durch Faſtenlaſſen öfter hervorrufen, während doch jeder aufmerkſame Beobachter weiß, daß infolge Faſtens (Hungerns) das Thier entkräftet wird und daher kaum oder überhaupt nicht mehr im Stande iſt, die Arbeit des Häutens — abgeſehen davon, daß bei mangelnder Nahrungs— zufuhr der Stoffwechſel und damit die Neubildung von Haut auf ein Minimum be— ſchränkt iſt — auszuführen; oft genug gehen in der Gefangenſchaft ungenügend ge— fütterte Exemplare bei der Häutung ein, oder aber ſie erzeugen nur eine ganz zarte, durchſichtige Haut, die denn auch ſelten im Ganzen, ſondern meiſt ſtückweiſe abgeſtoßen wird. Die erſte Häutung im Jahre vollzieht ſich im Frühling bald nach Verlaſſen der Winterherberge und Beginn des Waſſerlebens. Bis in die neuere Zeit begegnet man der Anſicht der Anatomen, daß die Tritonen einen Stimmlaut nicht hervorbringen könnten; noch Stannius ſagt in ſeinem Handbuch der Zootomie (Berlin 1856, Seite 202): „bei den Urodela ſind, unter Mangel einer Luftröhre, einem kurzen zum Stimmorgan nicht verwendeten Kehlkopfe pneumatiſche Säcke (Luftſäcke) unmittelbar angeſchloſſen“. In dieſem Punkte ſind 39* Häutung. Stimme. Bewegungen. 612 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. alſo die Beobachtungen des mit lebendem Material arbeitenden Amphibiologen den auf anatomiſche Befunde ſich gründenden Anſchauungen voraus. Denn bereits zu Beginn unſeres Jahrhunderts war es Sturms gelehrtem Beirath Wolf bekannt [Fauna 2. Heft], daß ſowohl der große Waſſer- als auch der Teichmolch (T. eristatus und T. vulgaris) „zuweilen, wenn ſie ans Ufer oder auf die Oberfläche des Waſſers kommen, einen einfachen, quäkenden und hellen Ton von ſich geben, welches auch geſchieht, wenn man ſie berührt“. Dieſe Wahrnehmungen kann ich gern beſtätigen, nur möchte ich die Angaben dadurch ergänzen, daß ich auch vom Bergmolch wiederholt einen kurzen, glockenhellen Ton („Flötenton“) vernommen habe und daß dieſe Stimmäußerung nicht nur den Männchen, ſondern auch den Weibchen eigen iſt. Wenigſtens darf ich dies bezüglich des kleinen Teichmolches auf das Beſtimmteſte verſichern, da am 1. Juni d. J. gegen Abend aus einem dicht vor mir ſtehenden, nur zehn weibliche Teichmolche beherbergenden Glaſe zweimal jener charakteriſtiſche kurze, feine, helle Ton erklang und ein Zweifel hinſichtlich des Geſchlechts und der Spezies von vorn herein auch deswegen ausgeſchloſſen war, als von den in dem betreffenden Zimmer ſtehenden Gefäßen nur das eine erwachſene Amphibien bezw. Tritonen enthielt. Immerhin aber muß betont werden, daß die Stimme nur bei Erregung der Thiere — mag dies zur Zeit der Fortpflanzung in— folge des Paarungstriebes, oder aus Unbehagen über einen Druck, dem ſie bei raſcher, un— ſanfter Berührung ſeitens des Menſchen bezw. eines Artgenoſſen ausgeſetzt ſind, ge— ſchehen — ſich äußert und jener Ton demnach ſowohl als Paarungsruf, wie auch als Schmerzenslaut gelten darf. Vielleicht auch iſt der Ton noch in anderer Weiſe der Ausdruck der Nervenſtimmung, veranlaßt durch gewiſſe atmoſphäriſche Einflüſſe; denn Leydig [Rhön S. 176] bemerkte, daß im Juli vor Ausbruch eines Gewitters bei großer Stille im Zimmer aus den Gläſern, welche Triton marmoratus und zwei weitere ſüdeuropäiſche Urodelen: Euproctus Rusconii und Pleurodeles Waltlii ent- hielten, kurz abgebrochene Laute hervorkamen. Beim Verweilen unterm Waſſerſpiegel ſind die Molche, wie Landois in ſeinen „Thierſtimmen“ ſagt, „unter gewöhnlichen Verhältniſſen ſtets ſtumm; nur wenn ſie zur Oberfläche luftſchnappend ſich begeben“, oder wenn man ſie beim Herausnehmen aus dem Waſſer ſcharf anfaßt, ſo „öffnen ſie das Maul“, ſtoßen, jedoch bei weitem nicht immer, jenen Ton aus. Alles in Allem kommt daher C. Bruch zu dem Schluß [N. B., S. 122], daß es offenbar nur eine Folge der Lebensweiſe und Gewohnheit dieſer Thiere ſei, wenn man von ihnen ſelten einen Ton vernehme, was ſich aus ihrer Organiſation ſonſt nicht wohl erklären ließe, „da ihr Kehlkopf von dem der ungeſchwänzten Batrachier nicht weſentlich verſchieden gebaut iſt“. Wollte man in Bezug auf das Wann und Oft des Rufens aus der Reihe der letzteren den Tritonen eine Spezies an die Seite ſtellen, ſo könnte es nur der braune Grasfroſch ſein, der ja von älteren Schriftſtellern gleichfalls für ſtimmlos gehalten und „Rana muta“ (ſtummer Froſch) genannt wurde. Die Frage, ob die Tritonen auch während ihres Landlebens rufen, vermag ich aus eigener Erfahrung nicht zu bejahen; doch ſchreibt mir Hr. Prof. L. Glaſer in Uebereinſtimmung mit dem von ihm 1871 im „Zoolog. Garten“ Mitgetheilten, daß die aus ſeinem Aquarium entwiſchten und in der Küche unterm Waſſerſtein in Pflaſterfugen verſteckten Exemplare Abends „hellklingende Locktöne“, den bekannten „Unkenruf“, hören ließen „und dadurch ihren Aufenthalt verriethen“. Die Bewegungen der Tritonen ſind, wie ſchon auf Seite 603 erwähnt, blos im Waſſer anmuthig und behend: mit Hilfe ihres Ruderſchwanzes ſchwimmen ſie hurtig dahin, ſteigen ſie ſenkrecht an die Oberfläche, um hier Luft zu wechſeln und ſich dann wieder ruhig oder unter ſchlängelnden Bewegungen in die Tiefe ſinken zu laſſen, wo Zweite Gattung. Waſſermolch. 613 fie auch oft mit dem Maule ſchnappen und dabei einige Luftblaſen ausſtoßen “); über dem Grunde des Waſſers wiſſen ſie gleichfalls flink hin- und herzutreiben, während fie, vornehmlich die täppiſcheren, unempfindlicheren Kammmolche, auf dem Lande weit langſamer und ungeſchickter, wenngleich nicht gar ſo unbeholfen als die ſchwerfälligen Erdſalamander, fortkommen. Daher fallen ſie denn auch hier den ſie verfolgenden Thieren und Menſchen ſehr leicht zur Beute, umſomehr als ſie ſchlecht ſehen und keinerlei Widerſtand leiſten können. Selbſt die dem Feuerſalamander zur Verfügung ſtehende, auf Seite 377 beſprochene Waffe, nämlich eine ſcharfe, unter Umſtänden (für Kleingethier) giftige Hautabſonderung, iſt den Molchen nur in weniger zur Geltung gelangender Form verliehen; keinenfalls aber fehlt den Haut- und ſpeziell den Ohrdrüſen die Fähigkeit, eine mehr oder minder reizend, ätzend oder giftig wirkende Flüſſigkeit abzuſondern, gänzlich: ſo theilt mir Hr. W. Bölſche mit, daß ein geringer Theil dieſes Sekrets vom Triton eristatus und T. alpestris bei einem ſeiner Be— kannten, dem es durch das Taſchentuch zufällig an die Schleimhäute kam, ein heftiges Nieſen und ſpäter Schnupfen und Kopfſchmerzen veranlaßte, und auf einen von Prof. A. v. Mojſiſovies berichteten Fall wieſen wir auf S. 377 hin. An dieſer Stelle wurde auch auf die Klebrigkeit des Hautſekrets aufmerkſam gemacht. Dieſelbe allein reicht ſchon hin, eine Adhäſion zwiſchen der unteren Körperfläche des Molches und dem Gegenſtand, an dem er ſitzt oder emporklimmt, zu bewirken. Mit Hilfe jener klebrigen Flüſſigkeit alſo, die, von den Drüſen der Bauchhaut ꝛc. abgeſondert, eine dünne Schicht zwiſchen der Fläche des Bauches, der Unterſeite von Schwanz und Glied— maßen einestheils und einer Glasſcheibe oder einem entſprechenden Gegenſtand andern— theils bildet, vermag der Molch an Glas und derartigen glatten ſenkrechten Flächen nicht nur feſtzuhaften, ſondern auch emporzuklettern. Freilich iſt die Fähigkeit, die Haut an die Unterlage dicht anzupreſſen, nicht ſo entwickelt als beiſpielsweiſe beim Laubfroſch, und daher ſind, wie neuerdings auch O. Schuberg im „Biolog. Centralblatt“ 1892 gezeigt hat, die Bewegungen der Tritonen am Glaſe recht plump und bei ſehr raſcher Ausführung derſelben kann leicht ein Herabfallen der Thiere die Folge ſein. So gern ſich die Tritonen während der Frühjahrsmonate im Waſſer aufhalten, ſo unlieb iſt es ihnen, wenn ſie ihre verſteckte terreſtriſche Lebensweiſe einmal durch ein unfreiwilliges Bad zu unterbrechen gezwungen werden; unruhig unter heftigem Zappeln der Füße und Heben und Wenden des Kopfes fahren ſie dann an der Oberfläche und am Rande des Waſſers hin und her, um ſo raſch als möglich dem Naß, welches ſich mit der zuſammengezogenen, eingeſchrumpften Hautdecke der Thiere gar nicht mehr zu befreunden vermag, zu entkommen. Gelingt ihnen dies nicht und bietet das Waſſer — wie es z. B. bei einem glattwandigen, der Steine, Pflanzen u. a. entbehrenden Ge— fäße der Fall — keinerlei Ruhepunkt, von dem aus die Molche den Kopf über das Waſſer zu halten und Luft zu ſchöpfen im Stande ſind, ſo ermatten ſie infolge der andauernden und zum Zwecke des Athemholens nöthigen Bewegungen, können ſich ſchließlich trotz aller Anſtrengung nicht mehr an der Oberfläche halten und müſſen einfach ertrinken, was, wie auf Seite 389 erörtert, unter gleichen Umſtänden auch den Froſchlurchen widerfährt. Pflegen ſie auf dem Lande der Ruhe, ſo liegen ſie fie gewöhnlich platt da, den Schwanz nach dem Kopfe zu eingekrümmt. Was die vielgerühmte Lebenszähigkeit der Tritonen anbelangt, ſo möchte ich mich zurückhaltend ausſprechen. Zwar weiß auch ich, daß, wie an anderer Stelle bereits ) „Dieſes Aufſtoßen der Luftblaſen ſcheint eine Ausleerung der walzenförmigen Luftbehälter im Unterleibe, die mit der Lunge zuſammen hängen, zu ſein“ bemerkt Wolf 1802 in Sturm's Fauna (3. Heft). Ertrinken. Zählebigkeit. Gefangenschaft. 614 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. angedeutet, Molche bedeutende Kälte ertragen, ſelbſt in Eis eingefrieren können, und beim Aufthauen des letzteren doch wieder munter werden, daß ferner z. B. die kleinen Teichmolche während der Sommerzeit Wochen und Monate lang verſteckt in einer Felsritze ꝛc. ohne Nahrung am Leben bleiben, dabei zum wirklichen Skelett abmagern und ſchließlich ſich wieder erholen u. ſ w. — aber ich habe auch die Erfahrung ge— macht, daß ſolche Fälle nicht als Regel bezw. gar als Regel ohne Ausnahme, ſondern allenfalls als Regel mit vielen Ausnahmen gelten dürfen, daß unter Anderem mancher mir entwiſchte, in einer Ecke, in der Gardine ſich verkrochene oder in eine Spalte des Aquariumfelſen geſchlüpfte Molch nach dem Auffinden nicht wieder „zur Beſinnung“ kam; und nimmermehr vermag ich ſolche Loblieder auf die Lebenszähigkeit der Tritonen anzuſtimmen, wie es Brehm Thierleben III. Aufl. S. 764] nach Erber thut, da ich noch nicht das Vergnügen gehabt habe zu verfolgen, daß ein und derſelbe Triton von einer Ringelnatter gefreſſen und wieder ausgeworfen, dann in der Küche unter einer Kiſte gänzlich zuſammenſchrumpfte, einen Vorderfuß gewaltſam verlieren mußte, leblos auf den Blumen— topf gelegt, beim Begießen der Blumen mit befeuchtet und davon wieder munter wurde, im friſchen Waſſer binnen vier Monaten den verlorenen Vorderfuß durch einen anderen erſetzte, aber während einer Nacht des Spätherbſtes von einer außerordentlichen Kälte in dem zwiſchen den Fenſtern ſtehenden Glaſe überraſcht und von dem ſich ſofort bildenden Eis eingeſchloſſen, dann mit dem Glaſe zwecks Aufthauens des Eiſes auf den heißen Heerd gebracht, vergeſſen und hier nun einem förmlichen „Brühbade“ ausgeſetzt wurde, durch welches er „ins Leben zurückgerufen“ wurde, um hernach in friſchem Waſſer noch ein ganzes Jahr zu leben! Das iſt allerdings wirklich Alles, was man verlangen kann! Und es müſſen ſich dem gegenüber andere und gewiſſen⸗ hafte Beobachter förmlich beſchämt fühlen, vor deren Augen Tritonen (namentlich Teich— molche), die entweder dicht gedrängt ſtundenlang in Transportgefäßen herumgeſchüttelt und dabei vielleicht hoher Temperatur ausgeſetzt geweſen, oder die nach beendeter Fort⸗ pflanzung im Waſſer enger Behältniſſe, welche mehr oder weniger der Sonne zugängig, ſich aufzuhalten gezwungen ſind, ſo oft von brandigen oder waſſerſüchtigen Zuſtänden heimgeſucht werden und zuweilen überraſchend ſchnell eingehen. Auch die Repro— duktionskraft, d. h. das Vermögen, verloren gegangene Körpertheile zu erſetzen, darf nicht ſo hoch angeſchlagen werden, als es gewöhnlich geſchieht. Wahr iſt es zwar, daß dieſe Fähigkeit bei keiner Gruppe unſerer Reptilien und Amphibien ſo ent— wickelt erſcheint wie bei den Tritonen, allein ſie zeigt ſich auch bei dieſen je nach der Spezies, dem Individuum, dem Alter der Thiere und nach der Jahreszeit in ver— ſchiedenem Grade. Im Frühjahr, wenn die Lebensſäfte auch in dieſen Kaltblütern friſcher kreiſen als im Spätſommer, Herbſt und Winter, werden abgeriſſene Kamm— theile, Schwanzſtücke, Zehen eher und ſicherer wieder erzeugt als ſpäter; junge Thiere reproduziren im Allgemeinen ſchneller als alte, und bei beiden Altersſtufen geſtaltet ſich die Sache nicht beim einen wie beim anderen Thier; und bezüglich der Spezies ſcheint dem Triton cristatus der Vorrang zu gebühren. Der letztere iſt denn auch ſchon früher von Spallanzani und Blumenbach zu diesbezüglichen wiſſenſchaftlichen Verſuchen benutzt worden, die wir auf Seite 400 bereits beſprochen. In der Gefangenſchaft benehmen ſich die Molche anfangs ſcheu und ängſtlich, werden aber bei ruhiger, verſtändiger Behandlung bald zahm; und wenn fie zuerjt unter Fels und Pflanzen des Behälters ſich beſtändig verſteckt halten und nur zum Luftſchnappen hervorkommen bezw. an die Oberfläche des Waſſers ſteigen, ſo gewöhnen ſie ſich doch bald an den Menſchen, der ihnen Regenwümer u. a. reicht, ſpähen beim Herantreten an den Behälter nach ihm hin, ob er etwa Fntter bringt, und gehen, Zweite Gattung. Waſſermolch. 615 von ſeiner Gegenwart nicht mehr behelligt, unbekümmert ihren Trieben und Neigungen nach. Als Nahrung bietet man ihnen Regen- und Schlammwürmer, Fliegen und dergl. und als Erſatz dafür Streifen rohes Fleiſch. Da ſie ſchlecht ſehen, ſo muß man die zu ihrer Ernährung beſtimmten lebloſen Dinge mittelſt eines Stöckchens oder einer Nadel vor ihren Augen hin und her bewegen. Sie ſchnappen dann gierig darnach, und oft gerathen namentlich unter den großen Tritonen zwei Exemplare mit einander wegen eines Biſſens in Streit, packen ſich mit dem Maule am Beine, am Schwanz und zerren ſich herum, bis der Sieger großmüthig losläßt und zu dem Zankapfel zurückkehrt. Füttert man nicht ausgiebig, ſo fallen die großen Thiere über kleine Molche her und würgen dieſe hinab. In ihrer Gier freſſen ſie mitunter zu viel auf einmal und brechen es dann wieder aus, worauf es nicht ſelten von den Genoſſen in Beſchlag genommen wird. — Zur Frühjahrszeit hält man Tritonen am beiten für ſich allein (d. h. von einer Spezies und ohne Geſellſchaft von Fiſchen u. a.) und in nicht zu großer Zahl in einem geräumigen, mit Kiesgrund, einem Felſen und reichlichem Pflanzen— wuchs ausgeſtatteten Aquarium, um die Liebesſpiele und das Eierlegen beobachten zu können; zur Erreichung des letzteren Zweckes müſſen aber die Molche ſchon zeitig im Früh— ling eingefangen und eingeſetzt und ſomit an den Behälter gewöhnt ſein. Nach dem Laichen nimmt man die Thiere heraus, ſtellt das Gefäß mit den Eiern an einen ruhigen, vor Erſchütterungen geſicherten Ort und bringt die Tritonen in ein mit Waſſernapf ver— ſehenes ſchattiges Terrarium, da ſie jetzt das Landleben beginnen. Während man die aus dem Laich gewonnenen Larven mit der auf Seite 610 angegebenen Nahrung — die man leicht beſchaffen kann, indem man aus Wieſengräben, Lachen, Teichen Pflanzen— gewirr (Hornblatt, Waſſerlinſen ꝛc.) holt und es in dem Aufzuchtgefäß abſpült oder indem man jene Gewäſſer mit einem dichten Käſcher begeht — verſorgt, ſind die erwachſenen Molche unſchwer mit Regenwürmern zu erhalten. Will man die Tritonen auch nach der Fortpflanzungszeit im Aquarium belaſſen, ſo hat man wenigſtens für eine mit mooſigen, erdigen Ruhepunkten und Höhlen, aber nicht mit engen Ritzen ver— ſehene Inſel, weiter aber auch für einen, das Entweichen der Thiere verhindernden oberen Verſchluß des Behälters (Gazedeckel oder in deſſen Ermangelung ein am Rand ringsum laufender, nach innen überſtehender breiter Blechſtreifen) zu ſorgen. Der leb— haftere Bergmolch verweilt übrigens länger und lieber im Waſſer als die anderen Arten, welche zur Sommer- und Herbſtzeit als träge, theilnahmloſe, langweilige Ge— ſellen ſich erweiſen. Immer hat man alſo auch bei Beſitz dieſer Thiere eine naturgemäße Verpflegung im Auge zu behalten, nimmer darf man ſich auf die ſogenannte Lebens— zähigkeit (vergl. S. 615) derſelben verlaſſen! Die Erkennung und Unterſcheidung der deutſchen Arten bietet zur Fort-unterſcheidung der pflanzungszeit keine erheblichen Schwierigkeiten, da dann namentlich die Männchen we durch beſondere Eigenthümlichkeiten ſowohl gegen einander als gegenüber den Weibchen der gleichen oder anderen Spezies ſich auszeichnen. Weit heikler iſt es, die Thiere im Landkleid je nach Art, Geſchlecht und Alter zu erkennen. Und nimmermehr darf man dabei die Färbung als den Leitſtern betrachten, denn dieſe ändert, wenngleich im Großen und Ganzen unter Beibehaltung charakteriſtiſcher Merkmale, nicht nur nach Geſchlecht, Jahreszeit, Individuum und Alter, ſondern auch nach Heimath und Aufenthalt, nach Häutung und fogar, wie auf Seite 381 ff. behandelt wurde, nach der Stimmung des Nervenſyſtems ab, indem Aufregung, Angft, Schreck, Wohlbehagen oder Unbehagen (3. B. infolge höherer oder niederer Temperatur, ſonniger oder regneriſcher Witterung) die beweglichen Farbzellen oder Chromatophoren der Haut beeinfluſſen. Artkennzeichen. Körperbau. 616 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Zur Unterſcheidung der vier einheimiſchen Arten möge nachſtehende Ueberſicht dienen: Länge 12—17 em; Haut grobkörnig (rauh); Kehlfalte faſt ſtets ſehr deutlich; Oberſeite dunkelbraun mit großen runden ſchwarzen Flecken und vielen weißen Pünktchen, Unterſeite gelb mit ſchwarzen Flecken; Männchen zur Fortpflanzungszeit im Frühjahr mit hohem, ſcharf ge— zacktem, über der Schwanzwurzel unterbrochenem dunklen Hautkamm auf Rücken und Schwanz; ohne jeden knöchernen oder ſehnigen Schläfenbogen am Schädel. ... 1. eristatus. Länge 7—10 em; Haut außer der Fortpflanzungszeit fein-, beim Weibchen ſogar ziemlich rauhkörnig, während derſelben (Hochzeitkleid) beim Weibchen feinkörnig, beim Männchen faſt oder ganz glatt; Kehlfalte kaum bemerkbar; Oberſeite ſchiefergrau mit zackigen bräunlichen Flecken; Bauch einfarbig orangeroth; an der Grenze von Ober- und Unterſeite eine oder mehrere Reihen kleiner, ſchwarzer, auf weißlichem Grunde ſtehender Tüpfel; Männchen zur Laichzeit mit ganz niedrigem, ungezacktem, gelb und ſchwarz quergebändertem Kamm; am Schädel ein durch Sehnen— faſern hergeſtelller Schlafen LE ee ee Er En 2. alpestris. a) Haut grob- oder feinkörnig. reihe vertiefter Drüſenpunkte; Schwanz gegen das Ende hin ganz allmählich und lang, fein zugeſpitzt (ohne ſcharf abgeſetzten Endfaden)z Rumpf, d. h. bei Thieren im richtigen Nähr⸗ zuſtande, oben vollkommen gerundet, ohne Seitenkanten; Oberſeite auf olivenfarbigem oder bräunlichem, Unterſeite auf orangegelbem Grunde mit ſchwarzen Punktflecken; die zwei kleinen Höcker auf der Sohle der Hinterfüße dunkel; Männchen zur Laichzeit mit ſehr hohem, rundlich ausgekerbtem, über der Schwanzwurzel nicht unterbrochenem flatterhäutigen Kamm und mit Hautſäumen an den Hinterzehen; am Schädel ein durch Sehnenfaſern hergeſtellter Schläfen— pa a a len oo aan doc ae een eo 3. vulgaris. Länge 6,5, 8,5 em; die Drüſenpunkte des Kopfes mit freiem Auge nicht erkennbar; Schwanz am Ende abgeſtutzt mit ſcharf abgeſetztem, bis zu 5 mm langen fadenartigen An— hang; an jeder Seite des Rückens eine leiſtenartig hervortretende Längskante; Oberſeite oliven— bräunlich und gelblich mit dunkler Fleckung und Marmorirung; Unterſeite orangegelb, ungefleckt; die zwei Sohlenhöcker der Hinterfüße weißlich; Männchen zur Laichzeit mit vollſtändigen Schwimmhäuten zwiſchen den Zehen der Hinterfüße und, ſtatt des Kamms, mit erhabener Leiſte längs der Rückenmitte; am Schädel ein knöcherner Schläfenbogen .... 4. paradoxus. Triton b) Haut vollkommen glatt. Länge 6—8 cm; Kopf oben jederſeits mit einer gut ſichtbaren unregelmäßigen Doppel- 3. Art: Uamm⸗Molch. Triton cristatus, Laur. Abbildung: Tafel XII, Nr. 3. 4. Länge 12 bis 17 em; ohne knöchernen oder ſehnigen Schläfenbogen am Schädel; Haut infolge vieler dichtſtehender Wärzchen bezw. Körner grobförnig, rauh; Kehlfalte faft immer ſehr deutlich ausgeprägt; Oberſeite dunkelbraun mit großen runden ſchwarzen Flecken und zahlreichen weißen Pünktchen, Unterſeite gelb mit ſchwarzen Flecken; Auge (Iris) goldgelb mit einem von der Pupille ſenkrecht nach abwärts gehenden ſchwarzen Strich; Männchen zur Fortpflanzungszeit (Frühjahr) mit hohem, ſcharf gezacktem, über der Schwanzwurzel unterbrochenem dunklen Haut— kamm auf Rücken und Schwanz. Aeußere Erſcheinung. Bezüglich des Körperbaues iſt noch Folgendes zu ver— merken. Der Körper dieſes größten unſerer Tritonen iſt zwar kräftig, jedoch nicht ſo gedrungen gebaut als der des Bergmolches, ſondern geſtreckter, gerundet, in der Mitte etwas dicker, der vom Rumpf wenig abgeſetzte Kopf abgeflacht (vergl. „Varietäten“ ), platt, breit, vorn abgerundet — „wie bei einer Kröte“, ſagt Wolf in Sturms Fauna 3. Heft] zutreffend —, die Querfalte hinter der Kehle namentlich bei den Männchen ſehr ausgeſprochen. Die ſehr feinen ſpitzen Zähne ſtehen, wie Leydig gezeigt hat [Molche S. 20], in jedem Kiefer in einer doppelten Reihe, deren zweite den Unter— ſuchenden ſonſt immer entgangen iſt; die des Gaumens bilden — ein weſentliches Merkmal dieſes Molches gegenüber den anderen Arten — zwei in der Linie der inneren Naſenlöcher beginnende parallele, nur hinten ein wenig nach außen hin gerichtete Pr Dritte Art. Kamm-Mold. 617 und am vorderen Ende eine leiſe Neigung zum Zuſammenlaufen zeigende, ſich jedoch keinenfalls zuſammenſchließende Längsſtreifen, deren jeder, wie eingehende Unterſuchung mit dem Vergrößerungsglas gelehrt hat, wiederum aus mehreren Zahn— reihen beſteht. Die Zunge iſt elliptiſch oder ziemlich kreisrund. Die im Leben runde Pupille läßt nach dem Tode des Thieres in der Mitte, nach unten zu einen ſchwach einſpringenden Winkel erkennen, eine Erſcheinung, die auch bei anderen geſchwänzten und ungeſchwänzten Batrachiern beobachtet worden. Die Haut zeichnet ſich, im Gegen— ſatz zu der der übrigen heimiſchen Tritonen, durch eine reiche Entwicklung von warzen— artigen Körnern (Drüſenwärzchen) bezw. großen Drüſen oder Hautporen aus, ſodaß dieſelbe, und zwar namentlich an der Oberſeite des Körpers und nach beendeter Fort— pflanzungszeit (im Landkleid), grobkörnig erſcheint. Eine eigentliche Drüſenwulſt in der Ohrgegend iſt äußerlich nicht erkennbar, da die den Landſalamandern zukommende Parotis fehlt und durch eine allerdings nicht unbedeutende Anzahl großer Hautdrüſen vertreten wird, worüber ein Schnitt durch „ein in Weingeiſt gehärtetes Thier“ Auf— ſchluß giebt. Auch die beim kleinen Waſſermolch ſo deutlich hervortretenden Drüſen— punkte (Poren) des Kopfes laſſen ſich hier nicht mit freiem Auge, ſondern nur bei Unterſuchung mittelſt der Lupe erkennen; man ſieht dann, beſonders ſchön an den durch Liegen in Spiritus abgeblaßten, weniger gut an friſchen Thieren, mehrere Reihen derſelben jederſeits auf der Kopfdecke, ebenſo eine Gruppe vor und hinter dem Auge und am Vordertheil des Unterkiefers und einzelne an der Körperſeite bis zum Schwanze hin. Die Geſammtlänge erwachſener Thiere beträgt gewöhnlich 13 bis 15 em, in ſelteneren Fällen, namentlich bei Männchen, etwas weniger (12 oder 12,5 em), in anderen hingegen bis 17 em; nach meinen Meſſungen erreicht der Schwanz?) nie ganz die Länge des übrigen Körpers, doch erſcheinen die Weibchen oft langſchwänziger als die Männchen; von der Körperlänge entfällt ein Fünftel bis ein Viertel auf den Kopf, deſſen Breite hinter der Länge ein oder einige Millimeter zurückbleibt. Beiſpiels— weiſe ſeien die Maaße von zwei Männchen und zwei Weibchen hier angefügt: Geſammt— länge 128 mm, 120, 124, 132 mm, Schwanzlänge 55, 46, 56, 60 mm, Kopflänge 16, 13, 14, 15 mm. — Indem wir die Geſchlechter und jungen Thiere weiter unten beſprechen, möge hier noch an einige allgemeine Grundzüge der Färbung erinnert ſein. Die Grundfarbe des Rückens, Kopfes, Schwanzes, der Flanken und Oberſeite der Gliedmaßen iſt gewöhnlich ein dunkles Braun oder Grünlich— braun, das zuweilen in helles Oliven- oder Gelbbraun oder ein Graubraun oder aber in ein Braunſchwarz (Schwarz) abändert. Die Zeichnung des Oberkopfes beſteht in einer ſchwarzen Marmorirung oder Fleckung, die der übrigen Oberſeite in einzelnen großen runden ſchwarzen Flecken, welche jedoch bei ganz dunkler Grundfarbe nicht oder kaum wahrzunehmen ſind, und in zahlreichen weißen Pünktchen (Körnchen), welche gern truppweiſe beiſammen ſtehen und beſonders an der Kehle, den Flanken und längs der unteren Schwanzkante hervortreten. Der Bauch und die Unterſeite der Glied— maße ſind heller oder dunkler gelb mit großen ſchwarzen Flecken, die zwei allen Tritonen eigenthümlichen Sohlenballen (vergl. S. 600) gelblich; die Kloake iſt ge— wöhnlich einfarbig: gelb oder ſchwarz, die goldgelbe Iris durch einen von der Pupille ſenkrecht nach abwärts gehenden ſchwarzen Strich gezeichnet, welcher indeß bei manchen Exemplaren von einigen ſchwärzlichen „Wölkchen“ oder auch von einem in einiger Ent— fernung von der Pupille ſich herumziehenden ſchwarzen Ring begleitet bezw. erſetzt wird. ) Schwanz gemeſſen vom Hinterrand der Kloakenwulſt bezw. vom hinteren Ende der Afterſpalte an bis zur Spitze. Färbung. 618 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Männchen im Hochzeitfleid (inter nuptias). Das Männchen zeichnet ſich zur Paarungszeit, d. h. in den Frühjahrs-Monaten, nicht nur durch ſchönere Färbung, ſondern auch und namentlich durch gewiſſe Hautentwicklungen aus, welche in Geſtalt eines auf Rücken und Schwanz erſcheinenden Kammes und eines Hautſaumes an der Oberlippe auftreten. Der eigentliche (ſcharfzackige) Kamm beginnt als niedrige Leiſte ſchon zwiſchen, zuweilen ſogar noch etwas vor den Augen und erſtreckt ſich über die Mittellinie des Rückens bis zur Schwanzwurzel, in welchem Verlauf er ungefähr 12 bis 15, mitunter wiederum in mehrere ſpitze Läppchen zerfallende ſcharfe Zacken bildet und eine Höhe von 2 bis 5, ja bis 7 mm erreicht.“) Hinter einer über der Schwanz— wurzel befindlichen, 4 bis 6 mm langen kahlen Stelle — nur in ganz ſeltenen Fällen geht der Rückenkamm ohne Unterbrechung (Bucht) in den Hautſaum des Schwanzes über — erhebt ſich auf dem Schwanze ein an der oberen Kante nur wellig gerandeter, nicht gezackter, Hautſaum, der aber nie die Höhe des Rückenkammes erlangt und nicht ganz bis zur Schwanzſpitze hinläuft; ein ähnlicher Hautſaum zieht ſich an der unteren Kante des Schwanzes hin, ſodaß der letztere eine breite Lanzettform erhält und etwa in oder vor der Mitte 12 bis 14 mm, in einzelnen Fällen 17 oder 18 mm hoch (breit) wird. Weniger auffällig bleibt der Hautſaum am Oberkiefer, obgleich er „be— ſonders nach dem Mundwinkel hin ſehr ſtark ſein kann“ und, wie Leydig [Molche S. 19] betont, dem Thier eine entſchieden fiſchartige Mundbildung verleiht. Die Kloaken— gegend iſt ungemein verdickt, ſodaß bei manchem großen Männchen eine hinſichtlich der Länge und Stärke zwei kleinen Bohnen nahekommende Wulſt hervortritt, und am oberen oder hinteren Winkel der Kloakenſpalte jederſeits mit dem ſchon auf Seite 601 behandelten „Büſchel zarter, fadenförmiger Hervorragungen“ (Papillen) beſetzt. Das bezeichnendſte Färbungs-Merkmal des brünſtigen Männchens iſt ein 2 oder 2½ mm, mitunter auch 3 oder 4 mm breiter ſilber- oder perlmutterfarbiger Streifen, welcher etwa 10 oder 15 mm hinter der Schwanzwurzel beginnt und von da an, namentlich in der hinteren Hälfte ſchön hervortretend, an jeder Seite bis zur Schwanzſpitze ſich hinzieht; im Uebrigen iſt der Schwanz an der Wurzel dunkelbraun, nach der Spitze hin hellbraun, ungefleckt oder mit einzelnen ſchwarzen Flecken, die obere und untere Kante ſchwarz geſäumt, auf die letztere ſetzt ſich alſo das Gelb des Bauches nicht fort, wie dies beim Weibchen der Fall iſt. Auf dem geſättigten Orange des Bauches heben ſich die großen ſchwarzen Flecken (meiſt Querflecken) kräftig ab, und auf der Kehle zeigen ſich außer dunkeln Fleckchen zahlreiche weiße Körnchen, während die Kloaken— wulſt gewöhnlich einfarbig ſchwarz erſcheint und die Zehen oberſeits abwechſelnd gelb und ſchwarz quergeſtreift ſind, wobei die Zehenſpitzen gewöhnlich gelb bleiben. Der Kopf iſt auf gelb- oder hell olivbraunem Grunde ſchwarz marmorirt und getüpfelt, die Oberſeite des Körpers und der Beine auf gleichem Grunde ſchwarz gefleckt der Kamm in der Regel einfarbig dunkel- oder ſchwarzbraun; bei manchen italieniſchen Stücken find, wie dies ſchon die Rusconi'ſchen Abbildungen vergegenwärtigen und eigene Anſchauung mir gezeigt hat, die ſchwarzen Marmor- und Fleckenzeichnungen des Kopfes und Rumpfes mit hellem Hof umzogen. Die früher erwähnten, namentlich im Landkleid und beim Weibchen am Körper ſich vorfindenden weißen Pünktchen ver— mißt man an der Oberſeite des hochzeitlichen Männchens zuweilen gänzlich. Das Weibchen im Hochzeitkleid unterſcheidet ſich weſentlich vom Männchen: ) Michahelles ſpricht gelegentlich einer Beurtheilung der Bonaparte'ſchen Fauna italica aus (Iſis 1833), daß die Molche der Münchener Gegend im Gegenſatz zu den Thieren aus dem römiſchen Gebiet einen bis 6“ — alſo 12 mm! — hohen Kamm erhalten könnten; mir iſt ein derartiges Exemplar nie zu Geſicht gekommen. Dritte Art. Kamm-Molch. 619 Zunächſt fehlt ihm der Rückenkamm, der wellige oder gekerbte Hautſaum und der ſchöne Perlmutterſtreif des Schwanzes, der Hautſaum am Oberkiefer, die dicke Kloakenwulſt und die hübſche Marmorirung des Oberkopfes; ſtatt des Kammes bemerkt man bei manchen Exemplaren eine ſchwachgelbliche Rückgratslinie oder wohl auch, ſpeziell bei ſüdlichen Stücken, über den Hinterbeinen und auf dem Schwanze „einige flache Kerben“ (wie Wolf-Sturm ſagt) bezw. einen ſehr niedrigen Hautſaum, immerhin aber bleibt der Schwanz unter allen Umſtänden etwa 5 mm niedriger (ſchmäler), ſodaß die Weibchen langſchwänziger erſcheinen als die Männchen; auch der Perlmutterſtreif iſt höchſtens in Andeutungen vorhanden, die Kloake nur ſchwach verdickt und gewöhnlich einfarbig gelb, die Kehle blos dunkel getüpfelt, im Uebrigen glatt, ohne Weiß, der Oberkopf wie die übrige Oberſeite, d. h. dunkelbraun, oft ſchwärzlich, ſodaß die ſchwarzen Flecken ſich kaum markiren. Sodann ergeben ſich noch drei weitere Unterſchiede des Weibchens gegenüber dem Männchen: die gelbe Grundfarbe des Bauches und der Unter— ſeite der Beine iſt heller, mehr ſchwefel- als orangegelb; ferner ſäumt dieſes Gelb die ganze untere Kante des Schwanzes von der Wurzel an bis zur Spitze, und endlich treten gewöhnlich die Wärzchenpunkte zahlreicher und nicht nur an den Seiten des Rumpfes und Kopfes, ſondern auch an denen des Schwanzes und an der Oberſeite der Beine auf. Männchen im Landkleid (post nuptias). Nach beendeter Fortpflanzungs— zeit, von Mitte oder Ende Mai oder Juni ab, in ſehr zeitigen Frühjahren ausnahms— weiſe eher, ſchwindet der Kamm des Männchens mehr und mehr — das erſte auffällige Kennzeichen des Landkleides, welches die Thiere nun, nachdem ſie das Waſſer ver— laſſen, anlegen und bis nach dem Erwachen aus dem Winterſchlaf tragen. Der Kamm fällt nicht ab, wie Manche glauben, ſondern ſchwindet in ſich zuſammen, und dieſes allmähliche Verfallen dauert Monate hindurch, ſodaß man Ende Juli und Anfang Auguſt zuweilen noch kleine Spuren und Zackenreſte bemerken kann. Da auch der breite Hautſaum des Schwanzes ſich verliert, ſo wird der letztere naturgemäß, und zwar um ein Drittel oder um die Hälfte, niedriger und gleichzeitig dicklicher. Mit dieſem Verſchwinden des Hautſchmuckes „ſinkt auch die übrige Lederhaut etwas ein“ und infolge deſſen treten die ſchon mehrfach erwähnten Drüſenwärzchen ſchärfer hervor: die ganze Haut erſcheint rauh, körnig und an den Flanken, den Seiten des Halſes, Kopfes und Schwanzes (wenigſtens im vorderen Theile) und am Oberſchenkel mit weißen Pünktchen beſät. Auch der ſchöne Perlmutterſtreif an den Schwanzſeiten und die Marmorzeichnung des Kopfes haben ſich verloren, die ganze Oberſeite des Thieres ſieht einförmiger, triſt aus — dunkelbraun oder dunkelgrau mit kaum erkennbaren ſchwarzen Flecken, oder faſt ſchwarz —, während der Bauch ſich kaum verändert. Der Kloakenwulſt iſt geſchwunden. Dem Landkleid des Männchens iſt das Landkleid des Weibchens ſehr ähnlich; immerhin aber läßt ſich dieſes leicht an der bleibend gelben unteren Schwanzkante (ſ. oben) und auch an den zahl— reicheren weißen Pünktchen erkennen. Letztere beſetzen nicht nur die ſoeben erwähnten Stellen, ſondern greifen auch oft auf die Bruſt und die oberen Partien der Körper— ſeiten über, ſodaß der Körper wie mit einer Art grauem Reif überzogen erſcheint und Schneider dieſe Landform, welche er im Oktober weit entfernt vom Waſſer fand, ſogar für eine neue Art hielt und unter dem Namen Salamandra pruinata (bereifter Salamander i. J. 1799 beſchrieb. Es kommen zwar beim Kamm-Molch außer den von Alter und Geſchlecht und Jahreszeit bedingten Verſchiedenheiten noch andere Abänderungen in der Färbung vor, indeſſen wird man ſich hüten müſſen, in den Fehler zu verfallen, dieſe vermeintlichen Spiel— Varietäten. 620 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. arten als ſelbſtändige Varietäten aufzuſtellen. Dies gilt beiſpielsweiſe für jene Um⸗ färbungen und Wandlungen, auf welche bereits 1862 C. Bruch mit den Worten hin⸗ weiſt: „Triton eristatus, der im Frühjahr und in tiefen Gewäſſern ſchwarz erſcheint, wird in hellen Gewäſſern bald olivenfarbig, und nach der Laichzeit findet man im Freien nicht ſelten ganz aſchgraue Exemplare, deren Bauchfärbung ſich nicht verändert hat.“ Immerhin geht die letztere, und zwar je nach den Individuen, Abänderungen ein, und als charakteriſtiſche Spielarten geben ſich der gelbbauchige und umgekehrt der ſchwarzbauchige Kamm Molch, var. luteiventris und var. nigriventris: bei dem erſteren ſind die ſchwarzen Zeichnungsflecken der Unterſeite durch das Gelb der Grundfarbe verdrängt worden, und umgekehrt hat bei der zweiten Spielart das Schwarz infolge Zuſammenfließens der Zeichnungen über den gelben Grundton die Oberhand gewonnen. Es kann auch vorkommen, daß das Gelb des Bauches ſich noch über den Oberkörper verbreitet und es entſteht dann eine gelbe Farbenſpielart, die teichenbach beobachtet hatte und ſogar unter beſonderem Namen, Triton ietericus, 1865 beſchrieb. Sehr ſchön nimmt ſich die gelbbauchige Spielart aus, wenn, wie das in den Alpen vorkommt, die Oberſeite kohlſchwarz iſt. Neben dieſen Farbenſpielarten iſt aber noch auf gewiſſe Formen, Raſſen oder Unterarten des typiſchen Triton eristatus Be— dacht zu nehmen. In feiner, 1872 erſchienenen Histoire Nat. des Reptil, et des Batraciens der Faune suisse hatte der Schweizer Fauniſt V. Fatio auf Grund vergleichender Studien den Triton eristatus in zwei „konſtante Raſſen“ geſchieden, den hochköpfigen und den plattköpfigen Kamm-Molch, Tr. erist. eucloce- phalus und Tr. erist. platycephalus. Unter dem erſteren, in den Kantonen und Ländern nördlich der Alpenkette vorkommend, iſt der echte Kammtriton der deutſchen, franzöſiſchen u. a. Autoren zu ver⸗ ſtehen, die Form mit mehr abgerundetem Kopf, gewölbter Schnauze, großem Kamm, bräunlicher, ſchwarz gefleckter Oberſeite, weißen Pünktchen an den Flanken, ſchwarzgefleckter orangegelber Unterſeite. Die jüd- liche Form hingegen, welche Fatio im Teſſin nicht weit von Lugano, in einigen Lachen des Val Vedeggio beobachtet hatte, wurde von ihm des breiteren und platten Kopfes wegen platycephalus benannt und als ihre weiteren Sonderheiten eine breite, niedergedrückte Schnauze, ein oft kürzerer Körper, die vorn gern ſich mehr nähernden Gaumenzahnreihen, ein niedrigerer Schwanz, ein beim hochzeitlichen Männchen ſtets ſehr niedriger (wie bei alten Kamm-Molchen im Zuſtand des Einſchrumpfens nach der Paarungszeit) Rückenkamm mit tiefen Einſchnitten und dünnen ſpitzen Zacken und endlich die abweichende Färbung angegeben: oberſeits im Allgemeinen grau oder grünlichbraun beim Männchen, blaſſer und oft faſt reingrün, mit einem konſtanten und gut ausgeſprochenen, vom Hinterkopf bis über die erſte Schwanz⸗ hälfte laufenden gelben Rückgratsband beim Weibchen, bald ohne Flecken auf Rücken und Seiten, bald mit runden ſchwärzlichen Makeln auf dem erſteren, bläulichen auf den letzteren, wenig oder keine weiße Pünktchen an den Flanken, Oberkopf grün und ſchwärzlich gezeichnet; unterſeits orangegelb mit zerſtreuten blauen, oder ſchwarzen, blau umrandeten Rundflecken, an der Kehle braun mit weißen Stichpunkten. — Kurz vorher hatte A. Strauch in ſeiner „Reviſion der Salamandriden-Gattungen“ [Mem. Acad. Imp. Se. Petersbg. T. XVI Nr. 4. 1870], die dem Schweizer Fauniſten bei Verfaſſung ſeiner Arbeit jeden⸗ falls noch nicht bekannt war, unter dem Namen Triton Karelinii eine ihm in vier Weingeiſt⸗ Exemplaren vorliegende, vom perſiſchen Südufer des Kaspi-See ſtammende neue Art aufgeſtellt, die dem Triton eristatus „äußerſt nahe verwandt“ jet, von ihm jedoch durch den weniger geſtreckten Habitus, die abweichende Färbung der Oberſeite aller Theile (vollkommen einfarbig, hell grünlichbraungrau ohne ſchwarze Flecken) und durch einen „anders gebildeten“, nämlich auffallend dickeren und „durch eine Menge meiſt ſehr tiefer, vertikaler Einſchnitte ziemlich regelmäßig eingeſchnürt“ und daher entſchieden geringelt erſcheinenden Schwanz unterſcheide. Boulenger hat dann 1882 im „Catalogue“ den Triton eristatus platycephalus Fatio's und den Triton Karelinii Strauch's, der als ſelbſtändige Spezies nicht aufrechtzuhalten iſt, als identisch angeſehen und dieſe Form unter dem älteren Namen dem echten eristatus angegliedert. In demſelben Katalog des Britiſchen Muſeum hatte Boulenger geäußert, daß ein von Strauch gleichfalls als neue Art aufgeſtellter Triton longipes (langfüßiger Molch) — der hinſichtlich der Körperverhältniſſe, der Kopfform und des kurzen, dicken Rumpfes dem Karelinii gleiche und betreffs der Färbung und Zeichnung mit dem typiſchen eristatus übereinſtimme, vor beiden jedoch durch auf— fallend lange Gliedmaßen und ſehr geſtreckte Finger und Zehen (die nach vorn geſtreckten Vorderbeine reichen mit den Spitzen ſämmtlicher Finger über die Schnauzenſpitze hinaus) ſich auszeichne — muth⸗ maßlich als eine zweite Varietät des cristatus angeſehen werden müſſe. Nachdem dann Camerano in Dritte Art. Kamm⸗-⸗Molch. 621 ſeinen Urodeli italiani die Subſpezies longipes auch für Italien angeführt hatte, wies Boulenger im Februarheft 1892 des Ann. and Magazin of Nat. Hist. auf Grund der von ihm an zahlreichen, aus der Gegend von Neapel durch Dr. Monticelli erhaltenen Kamm-Molche angeſtellten Unterſuchungen nach, daß der Triton longipes Strauch's blos eine individuelle Spielart der Subſpezies Karelinii jet, denn unter den empfangenen Kamm-Molchen befand ſich ein Männchen im Landkleid, auf das die von Strauch für Triton longipes angegebenen Kennzeichen zutrafen, und ein und dieſelbe Lokalität ergab die Uebergänge zwiſchen ſolcher Abänderung und dem normalen Karelini. Zum Vergleich führt Boulenger noch die Maaße des letzterwähnten männlichen „longipes“ a) und eines normalen Karelinii (b) an, beide Männchen aus der Neapler Gegend: Geſammtlänge a 108, b 108 mm; von der Schnauze bis zur Kloake a 60, b 56 mm; Kopflänge (Schädel) a 14, b 14 mm, Kopfbreite beide 11 mm; vordere Glied— maße a 25, b 22 mm, hintere a 28, b 22 mm; vierter Finger a 8, b 6 mm; vierte Zehe a 10, b 7 mm; Schwanzlänge a 48, b 52 mm. Sonach iſt nur Triton Karelinii als Varietät oder Subſpezies aufrechtzuhalten. Var. (Subſpezies) Karelinii. Gaumenzahnreihen vorn zuſammentreffend, oft ein X bildend. Kopf größer, Schnauze breiter, niedergedrückter. Rumpf kürzer (gewöhnlich 15 Präſakral-Wirbel gegenüber 16 oder 17 bei dem typijchen Triton eristatus). Oberſeite heller, gewöhnlich grünlich, eine gelbliche Rückgratslinie konſtant beim Weibchen. Bekannt außer aus dem nordöſtlichen Perſien, aus dem Kaukaſus (Kutais), aus Dalmatien, den feſtländiſchen und Halbinſel-Provinzen Italiens und aus der italieniſchen Schweiz. Die im Mai oder Juni der Eihülle entflohenen jungen Larven erinnern während der erſten Lebenszeit in Bezug auf die Färbung durchaus mehr an den kleinen Teich— molch als an den T. eristatus: die Grundfarbe der Oberſeite iſt ein Gelbgrün, von dem das Roth der Kiemenbüſchel hübſch abſticht, der Bauch weißlich. Nach Verlauf von einigen Wochen macht ſich auf der grau- oder braungrün werdenden Oberſeite ein ſchwärzliches Pigment bemerklich, das in Geſtalt von ſchwarzen Binden- und einzelnen Tupfen⸗Flecken auftritt, während die gelbe, dunkel marmorirte Schwanzfloſſe von einem ganz ſchmalen, weißlichen Saum eingefaßt wird. — Haben die Larven, welche Anfang Juni etwa erſt 20 bis 30 mm lang find, mit 8 oder 9 Wochen, alſo Anfang bezw. Mitte Juli, eine Länge von 40 bis 60 mm erreicht und, bei Erhaltung des vollen, reichen, an der Vorderſeite goldglänzenden Kiemenſchmuckes (drei Kiemenbüſchel), ihre zierlichen, lang- und zartfingerigen Gliedmaßen bekommen, ſo zeigen ſie nicht blos eine ſchärfer abgetönte Färbung und markirtere Zeichnung, ſondern auch eine beſondere Auszeichnung, nämlich einen weiterhin noch zu erwähnenden 4 bis 8 mm langen, faden— förmigen Anhang an der Schwanzſpitze, wodurch die Larve an manche Männchen des Teichmolches, die ja im Hochzeitkleid zuweilen auch eine lang und fadenartig dünn auslaufende Schwanzſpitze beſitzen, erinnert (wogegen der Schwanzfaden des Leiſten— molches unvermittelt dem abgeſtutzten Schwanz ſich anſetzt). Die Grundfarbe iſt ent— weder noch ein Olivengrau oder ein helles Olivenbraun, auf dem Rücken mit ſchwarzen Punkten, an den Seiten des Rumpfes und Schwanzes mit ſchwarzen Tüpfeln und kleinen gelben Punkten; die Tupfen des Floſſenſaums ſtellen ſich gern in Reihen und auf dem Schwanz nahe dem oberen Saum macht ſich eine Reihe heller Punkte oder Strichel bemerklich; die fadenförmige Schwanzſpitze erſcheint in der Mitte dunkel, an den Rändern hell; dem Goldgelb der Iris miſcht ſich ein dunklerer Ton bei; die Seiten und den Bauch ziert ein Gold- oder Goldbronzeglanz, der zuweilen auch ins Silberfarbene ſpielt. Dieſen metalliſchen Schiller vermißt man an älteren, etwa ein Vierteljahr alten, je nach Lebensverhältniſſen 60 bis 90 oder gar 100 mm langen Larven, welche ſich den ausgebildeten Thieren auch infolge Schwindens der Kiemen, ſowie in Bezug auf die Geſtalt und auf einzelne Färbungs-Merkmale nähern; in letzterer Hinſicht fallen ſchon ein ſchwaches Gelb und dunkle Flecken am Bauch und die bekannten weißen Haut— Larven. Junge. 622 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. wärzchen der Seiten auf. Das Oliven- oder Graugelb bezw. helle Braungrau der Oberſeite wird unterbrochen von ſchwarzen Tüpfeln, z. Th. auch weißlichen Flecken und einer mattgelben Rückgratslinie. Im Uebrigen iſt der Rumpf der Larve unſeres Kamm Molches, welche unter denen aller europäiſchen Salamandrinen die größte Länge erreicht, kräftig gebaut, dick und hoch, in der Mitte bauchig aufgetrieben, ſeine „obere ſchmälere Partie deutlich von dem unteren bauchig erweiterten Theil durch eine bei jungen Stücken gut ſicht— bare Längsfurche geſchieden“, jede Leibesſeite mit 15 bis 16 bogigen und der Bauch mit 10 oder 9 Querfurchen verſehen, der vom Rumpf kaum abgeſetzte Kopf ſehr groß, ſehr breit und am Scheitel ſehr hoch, oberſeits ſtark gewölbt, von den Augen an nach vorn allmählich niedriger werdend, mit mittellanger, breit zugerundeter Schnauze und ſenkrecht abfallenden oder ſchief nach außen gerichteten Seiten, der Schwanz ſehr lang, länger als der übrige Körper (mur bei ausgewachſenen, vor der Umwandlung ſtehenden Larven etwas kürzer), ſtark ſeitlich zuſammengedrückt, mit hohem fleiſchigem Mittelſtrang, an den ſich ſowohl ober- als unterſeits ein hoher, ſtark bogenförmig gerandeter, in der vorderen Schwanzhälfte ſeine größte Höhe erreichender und von da auch auf den Rücken bis nahe an den Nacken hin übergreifender, gegen das Schwanz— ende aber ziemlich raſch an Höhe abnehmender Floſſenſaum anſetzt, und mit ſehr langer, allmählich in einen 4 bis 6 oder 7 mm langen fadenförmigen Anhang auslaufender Spitze, welch’ letzterer jedoch bei älteren bezw. 60 mm langen und noch größeren Larven zurückgeht und verſchwindet; die Gliedmaßen ſind ſehr lang, zart und zierlich gebaut, und namentlich die Finger ind in der erſten Zeit ſehr dünn und lang und werden erſt ſpäter dicker und cylindriſch, die den alten Tritonen zukommenden lleinen Höckerchen auf dem Handteller und der Fußſohle ſind bei erwachſenen Larven deutlich wahrnehmbar, die ſeitlich gelegenen, wenig vorſtehenden Augen groß, ihre Lider breit, zuweilen breiter als die halbe Breite des Interpalpebralraumes, die Naſenlöcher ſehr weit nach vorn, nahe an den Lippenrand gerückt, die Oberlippenlappen in der Jugend ſtärker ausgebildet als im Alter, von den drei langen, fein gefranſten Kiemenbüſcheln jederſeits erreicht der oberſte und längſte die Rumpfmitte, der Längsdurchmeſſer des Auges it ungefähr gleich der Entfernung zwiſchen beiden Nafenlöchern (Internaſal— raum) und die letztern kleiner als der Abſtand des Naſenloches vom Auge. Die Maaße wurden auf Seite 607 angegeben. Die friſch umgewandelten, kiemenloſen Jungen (Ende Auguſt, September), etwa von der Größe des Teich- oder des Bergmolches, alſo 6 bis 8, unter Um ſtänden bis 9 oder aber nur 4,5 bis 5 em lang?), zeigen in der Regel eine chagrinirte bezw. körnige höckerige Haut ähnlich den alten und erſcheinen hinſichtlich der Grundfärbung oberſeits außerm Waſſer gewöhnlich einförmig dunkelgrau oder ſchwarz, im Waſſer jedoch auf olivengrauem oder olivenbraunem Grunde mit großen dunkleren Flecken und (beſonders an den Kopf-, Rumpf- und Schwanzſeiten) weißen Körnchenpunkten gezeichnet. Charakteriſtiſch aber iſt eine prächtig orangegelbe, von der Kopfmitte bis zur Schwanzſpitze laufende Rückgratslinie, welche die Fortſetzung des über die Bruſt- und Bauchgegend und die untere Schwanzkante ſich erſtreckenden Orangegelb bildet und im Alterskleid ſchwindet bezw. höchſtens bei einzelnen Weibchen erhalten bleibt, wogegen bei fortpflanzungsfähigen Männchen an die Stelle jener gelben Rücken— linie der gezackte Hautkamm tritt. — Laurenti hat augenſcheinlich bei Aufſtellung und Beſchreibung ſeines Triton carnifex dieſes junge Thier des Triton cristatus vor ſich ) Ilie Kgl. Muſ. f. Naturk. zu Berlin ſteht auf Nr. 9272 ein derartiges, nur 47 mm langes Exemplar aus Turin. Dritte Art. Kamm⸗-Molch. 623 gehabt und daſſelbe mithin für eine geſonderte Spezies angeſehen, während Bechſtein [Zacepede] und Schinz [Europ. Fauna III irriger Weiſe den T. carnifex als eine Varietät des Weibchens von Triton taeniatus bezw. als das alte Thier der letzteren Spezies nahm. Wahrſcheinlich gehört auch die 82 mm lange Petraponia nigra Maſſalongo's [Nuovo gen.] hierher. Geographiſche Verbreitung. Der Kamm-Molch iſt ein echt europäiſcher Lurch, denn er fehlt mit Ausnahme von Portugal und Spanien keinem Lande unſeres Welt— theils und geht doch über die geographiſchen Grenzen des letzteren nur im äußerſten Südoſten hinaus, indem er den Kaukaſus überſchreitet“) und noch im ruſſiſchen Traus— kaukaſien und im nördlichen, das Kaspiſche Meer umſäumenden Perſien zu Hauſe iſt: aus der Umgegend von Poti in Transkaukaſien und von Reſcht (Abbas-Abbat) kennen wir ihn ſeit 1875 durch Keßler, aus Aſtrabad bezw. dem nordöſtlichen Perſien durch Strauch, welcher 1872 in feinen „Salam.-Gattungen“ die zu eristatus gehörigen Triton Karelinii und Tr. longipes von dorther beſchreibt. In dieſer Ecke, etwa an dem Treffpunkt des 72. bis 75. Ferrograd mit dem 36. oder 35. Grad n. Br., ſtößt die O ſt grenze des Verbreitungsgebietes mit der Süd grenze zuſammen. Die letztere hebt ſich weſtwärts um einige Grade: in Griechenland ſcheint eristatus nur über den nördlichen Theil (Krüper ſammelte ihn im Parnaß-Gebirge) verbreitet zu ſein und für Sizilien iſt er ebenſowenig wie für die anderen Mittelmeer-Inſeln mit Sicherheit nach— gewieſen, während er auf der italiſchen Halbinſel wohl allenthalben vorkommt. Der Pyrenäen-Halbinſel fehlt er, ebenfo den Pyrenäen-Diſtrikten und den dieſen ich nord- und oſtwärts anſchließenden Departements Frankreichs, wo er durch den Marmormolch ver— treten wird; die Südgrenze in Frankreich liegt auf dem 46. bis 47. Breitengrad (Charente-inférieure laut Beltrömieug, Vienne laut Mauduyt, Maine et Loire laut Millet, Jura laut Ogérien) und nur im Südoſten, zwiſchen Rhone und Alpen, ſenkt fie ſich etwas, wie denn cristatus für die Umgebungen des Mt. Blanc durch Payot ange— zeigt iſt. Wie bei Paris, jo ſcheint er auch im übrigen nördlichen Frankreich „tres- commun“ zu ſein, und daſſelbe gilt von den Niederlanden. Die weſtlichſten Punkte ſeiner Verbreitung erreicht er in Großbritannien. Zwar wiſſen wir nicht, ob er dort allgemein zu Hauſe iſt, doch dürfte dies der Fall ſein; Boulenger's Catalogue zählt ihn für Schottland und verſchiedene Orte Englands, jo auch für Exeter (14. Ferro⸗ grad) auf, und Thompſon giebt an, daß er auch in Irland, allerdings nur ſelten, beobachtet ſei. Hingegen erreicht er die Nordgrenze ſeiner Verbreitung, den 60. Breitengrad, in Norwegen und in den ruſſiſchen Oſtſee-Provinzen. Für jene Gegen— den Norwegens (Chriſtiania Fjord, Chriſtiania, Jarlsberg ꝛc.) nennt ihn R. Collett, für Schweden Nilsſon und Boulenger, für Gouvernement St. Petersburg als „häufig“ J. v. Fiſcher und für die Oſtſee-Provinzen überhaupt G. Seydli (Fundort Koken— Hufen) und Prof. M. Braun. Sonach umſchließt der Verbreitungsbezirk des cristatus etwa 25 Breitengrade und 60 bis 62 Längengrade. In den mitteleuropäiſchen Gebieten begegnet man ihm, das eigentliche Gebirge abgerechnet, wohl allenthalben. In Deutſchland gehört er während der Frühlingszeit zu den gewöhnlichen Bewohnern ſtehender Gewäſſer unſeres Tief, Hügel- und Berg⸗ landes, ſodaß die Aufzählung einzelner Fundorte unterbleiben kann, und wenn er in der Ebene, wo er pflanzenreiche Gewäſſer mit lehmigem oder kalkig-mergeligem Boden ) Die Vermuthung Schreiber's, daß eristatus in Rußland oſtwärts den Dnjepr nicht zu über⸗ ſchreiten ſcheine, beſtätigt ſich nicht; A. Strauch erwähnt ihn auch aus dem Gouv. Kurſt und Keßler [Bull. Nat. Moscou 1873 p. 209] fand ihn im oberſten Theile des Salghirthales auf der Krim, und bereits 1802 bezw. 1851 führen ihn Dwigubsky und Czernay für Moskau bezw. das Gouv. Charkow auf. Verbreitungs⸗ Grenzen. Deutſchland. Namen. Synonyma. Artkennzeichen. 624 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. liebt und, wie es in Oldenburg der Fall iſt, dem Marſchboden ausweicht, ſtrichweiſe fehlt, ſo mögen dem ungünſtige Boden-, Waſſer- und auch klimatiſche Verhältniſſe zu Grunde liegen, wie denn z. B. Prof. Zaddach und Dr. Dewitz ihn in Oſtpreußen bei Königsberg und Gumbinnen nicht, ſondern erſt vereinzelt ſüdlicher bei Bartenſtein an— trafen. Die rauhen Höhen unſerer Gebirge meidet er. So vermißt man ihn laut Wolterstorff's „Nordweſtd. Berglon.“ auf dem Plateau des Harzes, mit Ausnahme des ſüdöſtlichen Theils, und beobachtet ihn im Uebrigen nur am Rande und in den Vorlanden des Harzes; ſo bekam P. Jung auf dem Lauſitzer Gebirge, ich auf dem Erz- und Rieſengebirge, F. Leydig in den Bergwaſſern der Rhön, D. F. Weinland auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb ihn nicht zu Geſicht, auch in Oberſchwaben gehört er nur den Thalgebieten an und in Tirol konnte ihn V. Gredler [Fauna] überhaupt nicht entdecken. Doch mangelt er nicht den niederen Lagen der Alpenlande, ſo in Oeſterreich, Salzburg, Steiermark u. ſ. w. und der Schweiz; in der nördlichen Schweiz ſteigt er laut Fiſcher-Sigwart bis zu 600 m, in den Umgebungen des Mont Blanc laut Payot bis zu 1000 oder 1500 m Meereshöhe auf, V. Fatio fand ihn in den Schweizer Alpen niemals in größerer Höhe als 1200 m Meereshöhe und meint, daß er in vielen Alpen-Kantonen überhaupt nicht höher als 1000 Meter gehe. Landesübliche Bezeichnungen. Kamm-, Sumpfmolch, großer Waſſer— Salamander; Niederdtſch.: Erskrup; Holl.: Water-Salamander; Schwed.: Watten— ödla, Skrot-abborre; Engl.: Crested Newt; Franz.: Triton erete; Wallon.: Lougeard d’Yau; Ital.: Tritone crestato, Luserta d’aqua; Ruſſ.: Wodjanäja Jästscheriza; Poln.: Tryton wielki; Slav. (Dalmat.): Guscerika vodarica; Ungar.: toi-gyék; Böhm.: Colek velky; Fenn.: Jalkakala. Lacertus aquaticus, Gesner 1554. — Salamandra aquatilis, Camerarius 1590. — Salamandra aquatica, s. Batrachon vera, Wurfbain 1683. — La grosse Sala- mandre noire, Dufay 1729 [Mém. de l’Acad. de Paris p. 190]. — Lacerta africana et Salam. aquatica, Seba 1734. — Lacerta palustris, Linné [S. n. II) 1766. — Triton cristatus et T. americanus, Zaurenti 1768. — Salamandra alepidota verrucosa . . G@ronov 1781. — Sal. laticauda, Bonnaterre 1789. — Lac. aquatica, Gmelin 1790. — Gekko palustris et aquaticus, Meyer 1795. — Salam. cristata et S. pruinata, Schneider 1799. — Lacerta porosa, Retzius 1800. — Salamandre cretee, Latreille 1800. — Molge palustris, Merrem 1820. — Lacerta lacustris, Blumenbach 1821. — Salam. platycauda, Rusconi 1821. [Amours Taf. 1 u. 2]. — Triton palustris, Fleming 1838. — Hemisalamandra eristata, Duges [Urodeles] 1852. — Das junge Thier: Triton carnifex, Zaur. 1768; Gekko carnifex, Meyer 1795; Sal. carnifex, Schneider 1799; Triton nyethemerus (?), Michah. (Iſis 1830, S. 806]; T. Bibroni, Bell 1839; Petroponia nigra, Massalongo 1854. 4. Art: Bergmolch. Triton alpestris, Zaur. Abbildung: Tafel V Nr. 6. 7. Cänge 7 bis 10 em; am Schädel ein durch Sehnenfafern hergeſtellter Schläfenbogen; Haut außer der Fortpflanzungszeit (im Landkleid) fein-, beim Wbch. ſogar ziemlich rauhkörnig, während der Laichzeit (Hochzeitkleid) beim Wbch. feinkörnig, beim Munch. faſt oder ganz glatt; Kehlfalte verwiſcht, kaum oder überhaupt nicht bemerkbar; Oberſeite ſchiefergrau mit zackigen bräunlichen 0 * In der Fauna suceica von 1746 unter Nr. 256 (S. 95) folgendermaßen aufgeführt: Lacerta pedibus inermibus fissis, manibus tetradactylis, plantis pentadactylis, cauda ancipiti. Vierte Art. Bergmolch. 625 Flecken; Unterſeite einfarbig orangeroth, höchſtens an der Kehle einige ſchwarze Punkte; an der Grenze von Ober- und Unterſeite (Flanken, Kiefer, Schwanzkante, Oberſeite der Beine) eine oder mehrere unregelmäßige Reihen ſchwarzer, auf hellem (weißlichem) Grunde ſtehende Tüpfel; Männchen zur Fortpflanzungszeit im Frühjahr mit ganz niedrigem, ungezackten, gelb und ſchwarz quergebänderten Kamm. Aeußere Erſcheinung. Der Körper dieſes zweitgrößten unſerer Tritonen iſt kräftiger, gedrungener gebaut als der der anderen Arten; im Verhältniß zu dem des Streifenmolches möchte man ihn als ſtark bezeichnen. Der Kopf iſt vom Rumpf kaum abgeſetzt, breit und, weil oberſeits weniger platt und an der Schnauze vorn abgerundet, etwas dicker und mithin „noch mehr krötenartig“ als der des Kamm— Molches; die früher (Seite 617) erwähnten vertieften Drüſenpunkte oder Poren auf der Kopfdecke laſſen ſich am friſchen Thier und mit freiem Auge nicht erkennen, ſodaß ſie ganz zu fehlen ſcheinen, erſt bei den längere Zeit in Spiritus aufbewahrten Exemplaren und mit guter Lupe vermag man ſie wahrzunehmen. Von einer Kehlfalte kann man kaum ſprechen, da ſie in den weitaus meiſten Fällen ganz verwiſcht iſt. Die Gaumenzähne bilden zwei vorn, in der Linie der inneren Naſenlöcher, ganz nahe zuſammentretende, nach hinten zu aber ſtark auseinander weichende Streifen bezw. ein „weit geöffnetes umgekehrtes lateiniſches V“. Die mittelgroße, faſt kreisrunde, nach vorn ziemlich verdickte Zunge zeigt die Eigenthümlichkeit, daß ſie nach hinten in einen kurzen, ſtielartigen, in eine ſcheidenartige Hautfalte zurückgezogenen Anfang ſich verſchmälert. Der Schwanz iſt zwar an der Wurzel ziemlich dick, jedoch im weiteren Verlauf wie der der Verwandten ſtark ſeitlich zuſammengedrückt und allmählich zugeſpitzt (lanzettförmig), gewöhnlich nicht ganz von der Länge des übrigen Körpers, indeß bei den Weibchen verhältnißmäßig läuger als bei den Männchen. Im Allgemeinen verhält ſich die Länge des Körpers (vom Maul bis zum hinteren Ende der Kloakenwulſt gemeſſen) zu der des Schwanzes wie 9 zu 8 bis 8 zu 7 oder auch wie 8 zu 7½ bis 8 zu 8. Beiſpielsweiſe hier wieder die Maaße von zwei Männchen und zwei Weibchen, von denen das letzte ein italieniſches: Geſammt— länge 75 mm, 76, 93, 88 mm, Schwanzlänge 34, 32, 45, 39 mm, alſo Körper und Kopf zuſammen 41, 44, 48, 49 mm; von der Körperlänge entfällt auf den Kopf, welcher etwa 1 mm länger als breit iſt, vielleicht ein Viertel oder ein Fünftel: 10, 9½, 11, 9 mm. Ein Exemplar von mehr als 10 em Geſammtlänge iſt mir noch nicht vorgekommen, während Fatio [Suisse III ein Weibchen von 11,7 em Länge auf führt. Ueber die Haut wurde das Nöthige ſchon geſagt. Hinſichtlich der Färbung im Allgemeinen iſt zu bemerken, daß in den meiſten Fällen ein Schiefergrau, das in Schieferblau und ſelbſt in Hellblau oder auch in Aſch-, Dunkel— oder Braungrau ſpielen bezw. übergehen kann, die Grundfarbe der Oberſeite des Kopfes, Rumpfes, Schwanzes und der Beine bildet, auf welcher zackige, zuweilen mit ihren Rändern aneinander ſtoßende und dadurch eine Art Netzwerk darſtellende Flecken von dunklerer, d. h. brauner oder ſchwärzlicher Farbe mehr oder minder deutlich hervortreten, während die ganze Unterſeite (Bauch ꝛc.) ein ſchönes gleichmäßiges, höchſtens an der Kehle von einigen ſchwarzen Punkten und Tüpfeln unterbrochenes Orangeroth, Safrangelb oder auch Feuerroth aufweiſt und an der Grenze von Ober— und Unterſeite: an Lippen, Hals- und Rumpfſeiten (Flanken), untere Schwanzkante, eine oder mehrere unregelmäßige Reihen kleiner ſchwarzer Tropfenflecken hinziehen. Dieſe Tüpfel, welche ſich außerdem auf der Oberſeite der Beine finden, ſind an der Seite des Kopfes und Rumpfes angeordnet auf einem weißlichen, hell aſchgrauen oder hellbläulichen Grunde, ſodaß ſie um ſo ſchärfer ſich abheben; mitunter allerdings, 40 Körperbau. Färbung. 626 j Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. insbeſondere bei Weibchen, fehlt dieſer weißliche Untergrund entweder gänzlich oder er wird nur durch weißliche, um die ſchwarzen Tüpfel ſich gruppirende Punkte ange— deutet. Die Iris iſt ſchön goldgelb und mit Schwarz gezeichnet, welches entweder in Form eines von der Pupille ſenkrecht nach abwärts führenden Striches oder als zwei wagerechte | Flecke — rechts und links von der Pupille je einer — erſcheint, oder auch in beiden Formen gleichzeitig auftritt und 1 die Grundfarbe von der unteren Hälfte der Iris verdrängt. Männchen im Hochzeitkleid. Zur Fortpflanzungszeit zeichnet ſich das Männchen entſprechend dem des Kamm Molches durch prächtige Färbung und durch gewiſſe Hautanhänge an Oberlippe, Rücken und Schwanz aus. Der Hautſaum an der Oberlippe ähnelt dem der vorigen Art, dagegen unterſcheidet ſich der häutige Rückenkamm unſeres Molches weſentlich von dem des Tr. cristatus, indem er nicht wie bei dieſem ſcharf gezackt und hoch, ſondern vollſtändig ganzrandig und niedrig iſt, denn ſeine größte Höhe beträgt nur 2 oder 2,5 mm, oft aber nur 1 oder 1,5 mm; er iſt mithin kaum als Kamm, ſondern vielmehr als Leiſte anzuſprechen, welche im Nacken beginnt und von hier aus, im ganzen Verlaufe faſt gleichhoch bleibend, über die Mittellinie des Rückens läuft, um dann ohne Unterbrechung über den After, in den oberen Floſſenſaum des Schwanzes überzugehen. Da ein zweiter Hautſaum die untere Kante des Schwanzes entlang zieht, ſo erſcheint dieſer ſehr verbreitert, lanzett— förmig. Die Kloakengegend iſt ſehr verdickt, ſtärker als eine große Erbſe, faſt wie eine der kleinen Vogelkirſchen, aus den beiden Wülſten der geöffneten Spalte tritt ein Büſchel jener haarähulicher, langer Papillen hervor, welche wir ſchon bei Beſprechung des Kamm-Molches kennen lernten. Das Schiefergrau der Oberſeite nimmt gern einen ſchieferblauen Ton an, auf welchem bei manchen Thieren zackige braune Flecken, bei anderen ſchwärzliche Punkte ſich zeigen; ſchärfer als dieſe treten die oben erwähnten, in unregelmäßigen Reihen ſtehenden ſchwarzen Tüpfel der Kopf- und Rumpfſeiten hervor, da ſie auf einer grau- oder bläulich- oder auch gelblich-weißen Längsbinde liegen, welche von dem Orangeroth des Bauches durch einen ſchmalen rein hellblauen Streifen getrennt iſt. Die Grundfarbe des Rückenkammes iſt ein Weiß- oder Hellgelb, unterbrochen von ſchmalen, ſenkrechten ſchwarzen Binden, ſodaß der Kamm gelb und ſchwarz quergebändert bezw. regelmäßig abwechſelnd gelb und ſchwarz gefleckt erſcheint; nicht ſelten greifen außerdem ſchwarze Flecken, welche jederſeits des Kammes in einer Reihe auf dem Rücken entlang ſtehen, von dieſem aus in die untere Partie des Kammes ein und zwar dergeſtalt, daß zwiſchen je zwei der oberen ſchwarzen Flecken (Bänder) die Spitze eines der unteren eckigen Flecken her zu liegen kommt. Der obere und untere Hautſaum des Schwanzes iſt gleichfalls hellgelblich — hinter der Kloake jedoch kräftiger orangegelb — mit ſchwarzen Flecken, welche an der unteren Kante beſonders groß ſind; an den Seiten des Schwanzes zeigen ſich neben ſchwarzen eine Reihe großer bläulichweißer Flecken; auch die Beine bis zu den Zehenſpitzen herab und ebenſo der Hinter- oder Außenrand der Afterwulſt ſind mit kleineren oder größeren rundlichen ſchwarzen Flecken beſetzt, wogegen der Bauch immer und vielfach auch die Unterſeite von Kopf und Hals einfarbig orangeroth oder ſafrangelb, längs der Mitte oft ſogar feuerroth *) erſcheint, welche Färbung allerdings bei vielen Exemplaren an der tehle durch einige ſchwarze Punkte oder Tüpfel unterbrochen wird. Das Weibchen im Hochzeitkleid unterſcheidet ſich weſentlich von dem in ſchönſtem Farbenſchmelz prangenden brünſtigen Männchen. Zunächſt mangelt ihm ) Daher die von Bechſtein gewählte Art-Bezeichnung „ignea“ (feuerfarbig). 5 77e Vierte Art. Bergmolch. 627 der Rückenkamm und der Hautſaum am Oberkiefer, ſodann iſt die Haut wenigſtens am Rücken feinkörnig, der Schwanz weniger verbreitert, die Kloakenwulſt erheblich geringer, der Körper dickbauchiger, die Geſammtlänge etwas größer, die Oberſeite ſelten mit bläulichem Farbenton (mehr grau oder grünlich), der reinblaue Längsſtreifen an der Grenze von Bauch und Flanken fehlt. Statt des Rückenkammes bemerkt man ge— wöhnlich gerade das Gegentheil: eine vertiefte Rückgratslinie von matter oder kräftigerer gelblicher (hellbräunlicher) Farbe, an welche ſich der zuweilen gelb und ſchwarz gefleckte Hautſaum der oberen Schwanzkante anſchließt; nur ausnahmsweiſe kommen Weibchen mit einem, immerhin jedoch ganz unbedeutenden Rückenſaum vor. Die Grundfarbe der Oberſeite neigt ſelten ins Bläuliche, ſie iſt vielmehr ein helles oder dunkles Grau (Aſch⸗, Schiefex- bis Schwarzgrau), ein Oliven-, oder ein Gelbgrau, auf welchem je nach dem Grundton heller oder dunkler braune, zackige Inſelflecken ſich abheben, die nicht nur zahlreicher, größer, ſondern auch ſchärfer markirt ſind als bei dem Männchen und oft mit ihren Rändern derart zuſammenſtoßen, daß ein grob— maſchiges Netzwerk entſteht; ja zuweilen wird dadurch das Grau der Grundfarbe dermaßen verdrängt, daß es nur als Zeichnungs- und das Braun als Grundfarbe auftritt; außer den braunen Flecken weiſt die Oberſeite vielfach noch ganz feine ſchwärz— liche Punkte auf. Wie die ganze Rückenpartie, ſo ſind auch die Kopfdecke, die Oberſeite der Beine und die Seiten des Schwanzes grau und braun gefleckt bezw. genetzt (marmorirt“). Die beim Männchen in der Lippengegend und an den Flanken deutlich hervortretenden Reihen ſchwarzer Tüpfel erſcheinen beim Weibchen gewöhnlich weniger markirt, weil einestheils die Tüpfel kleiner und zackiger ſind und anderntheils oft der weißliche Untergrund gar nicht oder doch blos andeutungsweiſe vorhanden iſt; im Uebrigen ſtoßen ſie unmittelbar an das Orange des Bauches, da der beim Männchen längs der Bauchgrenze hinziehende rein hellblaue Streifen hier fehlt. Die ſafran— oder orangegelbe Kehle iſt meiſtens, alſo beſtändiger als beim Männchen, mit einigen ſchwarzen Punkten und Tüpfeln beſetzt, ſeltener ungefleckt, der Bauch immer voll— ſtändig einfarbig dunkelgelb. Dieſes Gelb zieht ſich über die Kloake weg, welche meiſt fleckenlos bleibt, an der ganzen unteren Schwanzkante — hier allerdings gewöhnlich unterbrochen von einzelnen rundlichen ſchwarzen Flecken — hin bis zur Schwanzſpitze. Männchen im Landkleid. Der Haut- und Farbenſchmuck, der das brünſtige Männchen auszeichnet, ſchwindet nach beendeter Laichzeit, etwa von Mai, mitunter ſchon von Mitte April ab, auch die Kloakenwulſt wird dünn; nur in Ausnahmefällen erhalten ſich Kamm, Schwanzſaum und Farbenſchmelz, d. h. das geſammte Hochzeit— kleid, bis in den Juni oder gar bis Anfang Juli, während die Frühjahrs-Färbung allein, nach dem Verluſt der Hautanhänge, zuweilen ſelbſt bis zu Ende des Sommers beſtehen bleibt. Das außerhalb des Waſſers lebende Männchen kennzeichnet ſich auch dadurch, daß die zur Frühjahrszeit glatte Haut jetzt entſchieden körnig iſt, was ſich Leydig Molche S. 40] daraus erklärt, daß mit dem Schwund des Kammes gleichzeitig in der ganzen Haut das Bindegewebe einſinkt, ſich zurückbildet und nun die größeren Drüſenſäckchen als Wärzchen hervortreten läßt; und an den Flanken ſowie an der Unterſeite der Beine erſcheinen dann wohl ebenſo weiß gefärbte Wärzchen (Punkte) wie beim großen Kamm⸗Molch. Im Uebrigen hat die Oberſeite eine dunklere, dunkelblau— *) Der von Dr. Otth „in der Gegend von Bern an Teichen“ gefundene, in Schinz Fauna helvet. unter dem Namen „Gefleckter Molch, Triton marmoratus, Triton marbré“ aufgeführte Molch iſt jeden— falls, wie auch Fatio annimmt, ein auf grünlichgrauem Grunde derart geflecktes und marmorirtes Berg— molch-Weibchen anſehnlicher Größe, nicht aber der wirkliche Triton marmoratus, welcher ja in der Schweiz gänzlich fehlt. 40* Abänderungen. Larven. 628 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. oder braungraue oder faſt ſchwarze, Färbung angenommen, wogegen die Färbung der Unterſeite keine Veränderung erleidet. Dieſer Tracht des Männchens iſt das Landkleid des Weibchens recht ähnlich, da auch dieſes nach beendeter Laichzeit dunkel wird; doch charakteriſirt es ſich durch warzigere, rauhkörnige Haut, auf welcher in der Flankengegend zahlreiche weiße Körnchenpunkte hervortreten, durch helleres Gelb der Unterſeite und durch die zahlreichen, zackigen, immerhin noch deut— lichen großen braunen Flecken auf der Oberſeite. Zwar unterſcheiden ſich in Betreff der Färbung die Thiere dieſer Molch-Art je nach Geſchlecht, Alter und Jahreszeit im Allgemeinen recht weſentlich von einander, indeß iſt die — bei manchen Arten von Reptilien und Amphibien (z. B. Mauer- und Smaragd-Eidechſe, Teichfroſch u. a.) jo ausgeprägte — Neigung zur Variabilität und Varietätenbildung an ſich beim Bergmolch nur gering; denn die Unterſeite bleibt ſich gleich, und die verſchiedenen, hellen und dunklen Töne der Grundfarbe der Oberſeite berechtigen nicht zur Aufſtellung von Spiel- und Abarten, zumal dieſelben ſogar bei ein und demſelben Thier auftreten können, je nachdem veränderte Temperatur und Umgebung und Aufregung auf die beweglichen Farbzellen (Chromatophoren) der Haut einwirken und dadurch einen mehr oder minder grellen Farbenwechſel bedingen, z. B. von Grauſchwarz in Hellgraugrün oder Hellſchieferblau, und umgekehrt. Auch hin— ſichtlſch der Zahl und Größe der Flecken find die Verſchiedenheiten zu gering und durch allerhand Uebergänge verknüpft; nur eine Varietät iſt aufzuführen: var. immaculatus, ungefleckter Bergmolch, welche ſich durch gänzlich flecken— loſe Oberſeite und zudem durch vollkommen glatte Haut auszeichnet; die Oberſeite iſt einfach bräunlich oder blei- bezw. aſchgrau, nur an den Flanken finden ſich vielleicht Punktflecken. Bonaparte kannte dieſe Varietät aus den Apuaniſchen Alpen (nördlicher Apennin) und benannte fie deshalb Triton apuanus [Icon.]. Nach Schreiber ſcheint ſie aber auch im ſüdlichen Illyrien vorzuherrſchen, außerdem kommt ſie z. B. in den Oeſterreichiſchen und den Schweizer Alpen vor (vergl. Fatio Faune suisse S. 548 u. Tafel III Fig. links). Die Larven des Bergmolches, deren Maaße auf Seite 607 angegeben wurden, ſind ſchon vielen Verwechſelungen ausgeſetzt geweſen, obwohl ſie durch gewiſſe Merkmale vor ſolchen geſchützt ſein ſollten. Wie die Larven unſeres Triton von denen des Feuerſalamander ſich unſchwer unterſcheiden laſſen, wurde auf Seite 579 berührt. Gegenüber gleichgroßen Larven des Kamm-Molches geben die des Bergmolches durch das zugerundete oder ſtumpfſpitzige (nicht fadenähnliche) Schwanzende, das Fehlen eines ſchmalen weißlichen Saumes der Schwanzfloſſe und den Mangel von ſchwarzen Tupfen auf der nur ſchwärzlich genetzten Schwanzfloſſe ſich zu erkennen. Die Larven des Streifen- und des Leiſtenmolch aber ſind viel kleiner, ſchlanker, heller, wie deren Beſchreibung zeigen wird. Der Rumpf der Larven von Priton alpestris, welche (abgeſehen von geſchlechtsreifen Stücken) meines Wiſſens höchſtens und nur ausnahmsweiſe eine Länge von etwa 60 mm erreichen, iſt verhältnißmäßig kurz und ſchlank, am Rücken ziemlich ſchmal, nach unten ſchwach bauchig erweitert, an den Seiten mit einer bogigen Längs— furche und 12 bis 13 und am Bauch mit 7 bis 8 Querfurchen, der Kopf etwas breiter als der Rumpf und daher von dieſem abgeſetzt, immerhin noch um ein Drittel länger als breit, oben abgeplattet oder ſanft von hinten nach vorn gewölbt, ſeitlich faſt ſenkrecht abfallend, die Schnauze rundlich abgeſtutzt oder breit zugerundet, der Schwanz kürzer oder ebenſolang als der übrige Körper, im Fleiſchtheil an der Wurzel bei jungen Stücken kaum, bei älteren mehr verdickt, nach hinten ſtark ſeitlich zuſammen— gedrückt, mit nahezu gleichlaufenden oder ſchwach bogigen Rändern, das Schwanzende Vierte Art. Bergmolch. 629 einfach zugeſpitzt oder ſpitz zugerundet, der häutige Floſſenſaum ober- und unterſeits hoch, in der erſten Zeit faſt ebenſohoch wie der fleiſchige Wurzeltheil, oberſeits über den Rücken bis über die Einlenkungsſtelle der Vorderfüße oder zum Nacken hin ſich fortſetzend, doch tritt an die Stelle des Rückenkammes bei erwachſenen Larven eine Rückenfurche; die Gliedmaßen ſind kräftig, von den drehrundlichen Fingern iſt der vierte wenig kürzer als der zweite, von den Zehen iſt die vierte etwas länger als die zweite, die fünfte etwa ebenſolang als die erſte, auf Fuß- und Handfläche bemerkt man zwei kleine Höckerchen; die Augen ſind klein und ziemlich weit nach hinten gerückt, wenig vortretend, ihre Lider kurz, die Naſenlöcher nicht ſo nahe den Lippen gelegen als wie bei Tr. eristatus, die Oberlippenlappen lang, die Kiemen mäßig lang, die oberſte hat bei 30 bis 40 mm großen Larven eine Länge von 3 bis 5 mm, der Längsdurch— meſſer des Auges iſt ungefähr ſo groß wie der Raum zwiſchen beiden Naſenlöchern oder wie die Entfernung vom Auge bis zum Naſenloch. — Was die Färbung aus betrifft, ſo ſehen die jungen Larven in der erſten Zeit des Freilebens ſehr dunkel aus, weil dunkelbraune Flecken durch Aneinanderſtoßen und Zuſammenfließen ein „feinmaſchiges Netzwerk“ bilden, in dem der helle, bräunlich- oder graugelbe Untergrund in Geſtalt von Tüpfeln oder Punkten erſcheint, auch der Floſſenſaum des Schwanzes läßt mehr oder weniger eine dichte ſchwärzliche oder bräunliche Gitterung erkennen, während am unteren Schwanzſaum die größeren dunklen Flecken der erwachſenen Larven noch fehlen und die Unterſeite des Körpers hell und fleckenlos iſt. Mit zunehmendem Alter erweitern ſich die hellen, d. i. licht oliven- oder grünlichbraun oder hellgrauen Maſchen der Ober— ſeite und das dunkle Netzwerk ſelbſt erſcheint dunkler braun oder graubraun, an den Leibesſeiten und am Bauch gewahrt man Gold- und Silberglanz, die Unterſeite des Körpers wird gelblich, auch der Schwanz erhält einen gelblichen Unterrand und an dieſem ſowie an der Kloakenwölbung, an den Bauchgrenzen, unterhalb der Gliedmaßen— wurzeln und am unteren Kieferrand ſtellen ſich dunkle rundliche Flecken ein. Bei den erwachſenen, vor der Umwandlung ſtehenden Larven haben ſich der helle und der dunkle Ton, alſo das ganz helle Braun und das dunkle Lederbraun, noch kräftiger geſondert und die hellen Maſchenflecken geben den nun mehrere Monate alten Geſchöpfen ein charakteriſtiſches Ausſehen. Mit dem Einſchrumpfen der Kiemenbüſchel verliert ſich auch der breite Hautſaum des Schwanzes und Rückens, die bisher zarten, verlängerten Finger und Zehen werden dicker und ſtämmiger, kurzum das junge Lebeweſen erhält die Tracht des ausgebildeten Thieres, und ebenſo beginnen ſich in den Geſchlechtswerkzeugen Eier und Samen zu entwickeln. Aber gerade bei unſerem Molch hat man, wie auf Seite 608 erwähnt, ſchon oft — und in mehreren Gewäſſern am Südabhang der Alpen regelmäßig — geſchlechtsreife Larven beobachtet, welche alſo trotz Beibehaltung der Kiemenbüſchel fortpflanzungsfähig ſind. Sie unterſcheiden ſich von den normal entwickelten Larven durch ziemlich ſtumpf abgerundetes Schwanzende, niedrigen Floſſenſaum des Schwanzes, niedrigen oder nur hinten bemerkbaren Rückenſaum u. ſ. w. und ähneln weit mehr den fertigen, durch Lungen athmenden Thieren, nur daß ihnen die lebhaften Farben, ſo das ſatte Orangeroth der Unterſeite (bei ihnen iſt dieſe blaßgelb), die ſchönen blauen Töne und die dunklen runden Flecken an den Bauchſeiten des Männchens fehlen. Die jungen Molche ſind im erſten und zweiten Lebensjahre, bei einer durchſchnittlichen Länge von 6 oder 7 em, oberſeits je nachdem grau oder braungelb, braun gemarmelt, oder auf braunem Grunde grau gefleckt, unterſeits gelb oder röthlich, an den Flanken und zuweilen auch über der Schwanzkante mit einem grauen, ſchwärzlich getüpfelten Strich; oft zieht ein am Nacken beginnender und in der Körpermitte ſchwächer werdender Junge. Verbreitung. Grenzen. 630 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. und verlöſchender gelber Streifen auf dem Rückgrat hin, der jederſeits durch ein welliges oder zackiges dunkles, braunes Band begrenzt wird, ſodaß ſolche Stücke an weibliche Streifenmolche erinnern. Geographiſche Verbreitung. Das Verbreitungsgebiet des Bergmolches iſt ein viel engeres als das des Kamm- und Streifenmolches, denn es erſtreckt ſich nur über etwa 15 Breiten- und 29 Längengrade. Zum Theil iſt das ja bedingt von der Eigenheit des alpestris, im Hügel- und Bergland ſich aufzuhalten und die Ebene zu meiden. Daher bleibt er, vereinzelte Ausnahmen ungerechnet, der großen europäiſchen Tiefebene, die ſich von den Niederlanden im Welten über Norddeutſchland und Rußland bis zum Ural ausdehnt, fremd. Er iſt eine ausgeſprochen mit teleuropäiſche, das Alpengebiet im weiteſten Sinne, die deutſchen Mittelgebirge und deren Vorberge und Vorlande bewohnende Art, die ſich ſüdlicher nur noch im Apennin und im gebirgigen Griechenland, vielleicht auch anderwärts auf der Balkan-Halbinſel findet. Geographiſch betrachtet, gehören alſo zu dem geſchloſſenen mitteleuropäiſchen Heimatsbezirk Deutſchland, Belgien, Nord- und Mittel-Frankreich, die Schweiz, Nord-Italien und Oeſterreich-Ungarn, und als Ausbuchtungen oder Erweiterungen dieſes Kreiſes mögen Mittel-Italien und Theile bezw. Länder der türkiſch-griechiſchen Halbinſel anzuſehen fein. Die Nordgrenze der Verbreitung deckt ſich ungefähr mit der des Feuerſalamanders. Der eigentliche Wohnkreis ſchließt hier mit den Harzlanden und dem Weſtfäliſchen Gebiet, d. h. im Allgemeinen mit 52 oder 52½ Grad n. Br. ab, und muthmaßlich nur von deren Gewäſſern iſt er auch ins Tiefland getragen worden und hat ſich dort an zu— ſagenden Orten im Herzogthum Oldenburg, bei Bremen, Lüneburg, Lauenburg, Hamburg erhalten, ſodaß ſeine nördlichſten Poſten bis auf 53¼ Grad vorgeſchoben find. *) Oeſtlich der Elbe ſinkt die Nordgrenze plötzlich auf 51¼ oder 51 Grad n. Br., um ſich dann durch Schleſien gegen das Tatra- und Karpathen-Gebiet hin zu ziehen, mithin bis auf den 49. Breitengrad zu fallen. In der Tatra fand Zeuſchner (welcher von da und von Krakau eine Anzahl Stücke an das Berliner Muſeum lieferte) und Prof. M. Nowicki, in ſtehenden Gewäſſern der Karpathen, oft noch auf Höhen von 4000 Fuß und darüber, Zawadzki ihn häufig, von den Bergen bei Banko nächſt Kaſchau erwähnt ihn Jeitteles, aus den Siebenbürgiſchen Gebirgsgegenden Bielz. Der Oberlauf des Pruth und der Sereth bezw. der 45. Ferro-Grad dürften hier die O ſt grenze der Verbreitung bilden. Dem unteren Donau Tiefland fehlt alpestris; doch kommt er muthmaßlich in den Balkan Diſtrikten wieder vor, da er einerſeits durch O. v. Möllendorff und Fr. Werner [Bosnien] für Bosnien nachgewieſen und ander— ſeits durch C. v. Oertzen im Parnaß-Gebirge Nordgriechenlands [Nr. 10650 Berliner Muſ.] geſammelt wurde. Der letztere Punkt, auf 38 ¼½ Grad n. Br. belegen, iſt der bis jetzt bekannte ſüd lichſte Fundort. Denn in Italien dürfte der Molch, abgeſehen von den Alpen, auf den nördlichen und mittleren Apennin ſich beſchränken, und auf der Pyrenäen-Halbinſel lebt er überhaupt nicht; er kommt auch in Südfrankreich, das Alpenland im Südoſten ausgenommen, noch nicht vor und tritt erſt im mittleren Frankreich (Vendée, Vienne, Nonne), alſo nördlich des 46. Breitengrades, auf, um ſich dann allerdings durch die nördlichen Theile, insbeſondere über die Ausläufer und Vorlande der Vogeſen, Argonnen, Ardennen bezw. die nordfranzöſiſchen Hochflächen allgemein zu verbreiten und ſtellenweiſe, ſo laut F. Lataſte bei St. Germain nächſt Paris, häufig zu ſein. Ebenſo iſt er in Luxemburg, wo er laut Fontaine überall „) Nilsſon giebt Triton alpestris auch für Landskrona im ſüdlichen Schweden an. Da dieſer Molch indeß in Dänemark wie überhaupt in den ganzen benachbarten Gebieten fehlt, ſo dürfte jener Angabe wohl ein Irrthum zu Grunde liegen. Vierte Art. Bergmolch. 631 ſehr gemein iſt, und in Belgien zu Hauſe. Im Allgemeinen wird in Frankreich der 16. und 17. Ferro-Grad die Weſt grenze bilden. Nach dem Norden Belgiens zu zeigt er ſich ſpärlicher und zur holländischen Tieflands-Fauna zählt er nicht; weder Schlegel noch einer meiner Herren Berichterſtatter nennt ihn für Holland, und es wird ſich bei Erſcheinen des Bergmolches auf holländiſchem Boden wohl nur um vertragene und verſchleppte Stücke gehandelt haben. In dem gebirgigen, hügeligen und welligen Süddeutſchland findet ſich der Berg— e molch zwar nicht gleichmäßig verbreitet, doch faſt überall, im Bayriſchen Oberland, für das ihn Schrank bereits vor hundert Jahren nachwies, und Algäu, im Schwarz— wald und Jura 2c., auf der Hochebene (jo laut Dr. Weinland beſonders häufig auch auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb, „wo immer es ſtehende Waſſer giebt“) gleicher— weiſe wie in den Thälern und Auen der Flüſſe, z. B. in Oberſchwaben im Günz— Mindel-, Zuſam⸗, Schmutter-, Wertach- und Lechthal, an der Ammer, im Iſarthal z. B. bei München, im Neckarthal bis Heidelberg (hier laut Bedriaga häufig) und Mannheim u. ſ. w. In Franken ſcheint er aber weniger zahlreich, ſein Auftreten einem größeren Wechſel unterworfen zu ſein als im ſüdlichen Bayern: bei Erlangen und bei Bamberg iſt er laut Dr. Brock und Dr. Blumm minder häufig als der Kamm⸗ und der Streifenmolch, er kommt bei Bamberg überhaupt nur vereinzelt vor und im Mainthal haben ihn Fr. Leydig, M. Braun und A. Dünnbier bei Würzburg und Bellingen ebenſowenig gefunden wie im Gebiet der Tauber bei Rothenburg u. a.; erſt bei Lohr, in den waldigen Abhängen des Speſſart nach dem Mainthal hin be— gegnete ihm Leydig wieder, der ihn auch in der Rhön, wo alpestris ſehr verbreitet iſt, z. B. bei Brückenau, Milſeburg, Stellberg, Ebersberg, Thiergarten ſammelte. In den die oberrheiniſche Tiefebene rechts und links beſäumenden Gebirgszügen und deren Abhängen nach der Ebene zu, ſo im Schwarzwald (laut W. Tiesler hinter Freiburg bis 1200 m hoch, laut O. Böttger im Wilden See zwiſchen Kniebis und Hornis— grinde 3200 Fuß oder 1000 m hoch), im Odenwald, in den Vogeſen und der Haar. t (von Dr. C. Koch z. B. bei Neuſtadt gefunden), laut Prof. Wiedersheim und W. Tiesler auch im Wellenland des Breisgau bezw. dicht bei Freiburg, iſt er zu Hauſe und ſteigt hier und da ſelbſt in die Ebene herab, wie ihn denn Dr. Fr. Müller-Baſel im Rheinthal bei Müllheim und auf der elſäſſiſchen Seite bei Groß-Hüningen und Neu— dorf ſammelte. In den „höheren Gegenden“ des Nahe-Gebietes ſcheint der Bergmolch Tautwiter ‚aan ancıs Geiſenheyner weit verbreitet, jedoch nirgend häufig zu fein, z. B. bei Gemünden, Neupfalz⸗Stromberg, bei Kreuznach in den Weihern des Städt. Forſthauſes, auf dem Hungrigen Wolf und an der Hüffelsheimer ee Aus dem Moſeldiſtrikt kennen wir ihn bereits ſeit 1844 durch Schäfer; auch Leydig ſammelte ihn bei Trier und in der Eifel, am Moſenberg, und giebt ihn gleicherweiſe für den Anfang des Nieder-Nhein, für Bonn, an. Auf dem rechten Rhein-Ufer iſt er laut G. de Roſſi bei Neviges, laut W. Bölſche im ganzen Bergiſchen Land häufig, laut Melsheimer bei Linz faſt immer mit Streifen- oder Leiſtenmolch zuſammen, in den Lahn und Taunus— Bezirken kommt er laut O. Böttger, C. Koch und W. v. Reichenau im und am Ge— birge (Königſtein, Wiesbaden u. a.) überall häufig vor, ohne jedoch in der Rhein— Main⸗Ebene, z. B. Mainz, Iſenburg und Louiſa, ganz zu fehlen. Im Weſterwald und im Heſſiſchen Bergland bis zur Fulda und Werra, laut W. v. Reichenau, Prof. Glaſer, Lenz und Dr. Eiſenach beiſpielsweiſe bei Dillenburg, Biedenkopf, Kaſſel und im Kreiſe Rotenburg, findet er ſich ebenſo zahlreich wie laut Landois, Suffrian und Fr. Weſthoff im ganzen Sauerländiſchen Gebirgs-Diſtrikt und Egge-Gebirge und laut 632 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Yırrche. H. Schacht im Teutoburger und Lipper Wald, wo er in Meereshöhe bis zu 400 m (Köterberg 1200’, auf der Möörte 1341’) oft beobachtet wird. Gleicherweiſe begegnet man ihm im Weſer- und Leine-Bergland ) und in den Harzlanden nördlich bis Hannover (aus dem Deiſter ſtehen Stücke im Hann. Prov.-Muſ.), Braunſchweig und Helmſtedt (Querumer und Pawelſches Holz und Nußberg bei Braunſchweig; bei Brunsleberfelde auf dem Elm wurde er ſchon 1838 von Prof. H. Blaſius gefangen, im Lappwald zwiſchen Marienborn und Helmſtedt von W. Wolterstorff, bei Weferlingen von M. Koch angetroffen); hingegen fehlt er beſtimmt ſchon bei Magdeburg und öſtlich des Kyffhäuſer, welcher ihn ebenſo wie der Thüringer Wald beherbergt, bei Halle a. S. Aus den Vogtländiſchen und Erzgebirgiſchen Strichen, wo Prof. Ludwig ihn bei Greiz und ich beiſpielsweiſe an den Hängen des Zſchopau- und Flöhathals, bei Schwarzenberg, Schneeberg. Chemnitz und Freiberg öfter beobachtete, geht er an der Mulde, wo er laut Th. Reibiſch ſchon 1825 bei Penig erbeutet wurde, bis in die Leipziger Gegend: Dr. Gaſch ſammelte ihn bei Grimma und, mit eristatus und vulgaris geſellſchaftlich, in einer Grube bei Brandis [Blätter f. Aqu. Freunde VI S. 229). Aus der Oberlauſitz iſt er mir durch P. Jung bezw. Prof. G. Born als ein ‚ges wöhnlicher Bewohner der Gegend von Zittau und Görlitz bekannt; von Löwenberg am Bober nennt ihn J. G. Neumann; laut Mittheilung von Prof. Born fehlt er in der nächſten Umgebung von Breslau, um erſt gegen das Gebirge hin, z. B. bei Freiburg, aufzutreten; H. G. Merkel verzeichnet mir als Fundort den Zobten, die Kynsburg und den „Kleinen Teich“ des Rieſengebirges, nachdem Gloger und Milde bereits den faſt 3750 Fuß hoch belegenen „Großen Teich“ als einen vom Bergmolch bevorzugten Aufenthaltsort erwähnt hatten; überhaupt iſt er in den mittleren und höheren Lagen Schleſiens allgemein verbreitet und nicht minder am Südfuße jener Gebirgszüge in Mähren und Böhmen (Böhm. Kamnitz, Neu-Paka, Sobotka, Adersbach, Pardubitz u. a.). Norbbeutfche Ebene. Nun haben wir noch der auf Seite 630 kurz angedeuteten, mehr oder minder frei— willigen Wanderungen aus dem Berg- und Hügelland nach der Tiefebene zu ge— denken, welche, indem der Pr. alpestris hier an feuchtigkeits- und baumreichen Oert— lichkeiten ſich feſtſetzte, erhielt und ausbreitete, zu einer Erweiterung des urſprünglichen Wohnbezirks führten. Alle jene Striche liegen im nordweſtlichen Deutſchland, im Gebiet der Lippe, Ems, Hunte, Weſer und deren Nebenflüſſen, bis zur Unter-Elbe. Von Lünen an der Lippe erhielt ich die erſte Nachricht über das Vorkommen des Bergmolch daſelbſt i. J. 1880, indem Herr Dr. Auguſtin mir ſchrieb, es ſeien dort in den beiden letzten Jahren ſechs Stück gefunden worden. Sodann gab Fr. Weſthoff, nachdem Prof. H. Landois ſchon auf das Vorkommen in der Münſterländiſchen Ebene hingewieſen hatte, in ſeinen Arbeiten an, daß alpestris in der letzteren nur auf ſchwerem Boden, vorzugs— weiſe auf mergeligem Boden des Kreidegeſteins, auf ſolchem aber im vollſtändig hügel— freien Gelände und durchaus nicht ſelten lebe, bei Münſter beſonders häufig in der Nienberger Gegend und in der Bauerſchaft Gievenbeck, hier ſchon 2 Km von der Stadtgrenze; ferner bei Roxel und nördlich Münſter bei Rumphorſt, alsdann in der Gegend der Baumberge, bei Burgſteinfurt, in der Davert bei Rinkerode, Herbern, unweit Warendorf a. d. Ems bei Freckenhorſt und bei Paderborn. Betreffs des Herzogthums Oldenburg theilte Herr Dr. Greve mir mit, daß der Feuerbauch dort auf Sandboden und zwar bisweilen vergeſellſchaftet mit Kamm- und Streifenmolch nicht ſelten ſich vorfinde, insbeſondere in den Amtsbezirken Delmenhorſt, Oldenburg *) Aus der Gegend von Göttingen wird Triton alpestris bereits 1789 im IX. Bande der Schriften d. Geſ. naturf. Freunde in Berlin erwähnt und zwar als Triton gyrinoides. Vierte Art. Bergmolch. 633 und Varel: am Hasbruch, bei Deichhorſt und Delmenhorſt, Zwiſchenahn u. a., und Poppe verzeichnet ihn für Atens unweit Nordenham an der Unter-Weſer. Von einem Fund bei Leuchtenburg berichtet Brüggemann [Fauna v. Bremen]. In der Nähe Hamburgs wurde alpestris von Schmeltz in der Lehmgrube bei Hoheluft, in Schwarzen— beck und an der Hake, und laut Fr. Dahl von Duncker bei Wohldorf feſtgeſtellt; für Lauenburg nennt ihn Claudius. Im Lüneburgifchen beobachtete ihn V. v. Koch 1886 bei Iſenhagen-Haukensbüttel [Fauna sax. von E. Schulze], und ſein Vorkommen in der Lüneburger Haide erfuhr A. Schiöttz Hamburg, indem er Ende Mai 1893 ihn in großer Anzahl in einem kleinen, inmitten eines Buchenwaldes bei Unterlüs, zwiſchen Uelzen und Celle, belegenen und auch von Pr. eristatus und vulgaris bevölkerten Tümpel, ſowie nördlich von Unterlüs in dem alten Eichenbeſtand „Urwald“ unter der Rinde alter Baumſtümpfe fing. Bei Salzwedel und in der übrigen Altmark hingegen iſt er meines Wiſſens bisher ebenſowenig wie in dem ganzen oſtelbiſchen Tiefland bemerkt worden. Daß der Bergmolch unſeren ebenen Nachbarländern: Rußland, Polen, Dänemark, Holland fern bleibt, während er ſich im Berg- und Wellenland von Belgien, Luxem— burg, Nord- und Mittel-Frankreich, Böhmen, Mähren, Galizien ſowie in den Alpen— ländern mehr oder minder häufig findet, wurde ſchon erwähnt. Zur Fauna der großen und kleinen ungariſchen Tiefebene gehört er nicht, doch wird er wohl in den an Steiermark grenzenden Theilen Ungarns vorkommen, da er in Steiermark allgemein verbreitet iſt und auch in der Mur-Ebene bei Graz vorkommt. In den Voralpen und Alpen Nieder-Oeſterreichs geht er laut Fitzinger bis zu 5000 Fuß ü. M. hin— auf, und vom Wiener Wald her iſt er laut Fr. Werner bis in die Sümpfe der Donau-Inſel Prater vorgedrungen. In Ober-Oeſterreich vermißte derſelbe Autor ihn in der Umgebung des Mondſee, fand ihn aber im Thalkeſſel bei Iſchl. In Salzburg iſt er laut Fr. Storch, „in den meiſten Alpen Kärnthens“ laut Gallenſtein heimiſch, in Tirol, wo er laut Gredler „kaum einem Rayon der heimathlichen Alpen gänzlich fehlen dürfte“, ſteigt er bis zu 6500 Fuß oder 2150 m Meereshöhe und iſt gerade in ſolchen Höhen beſonders in größeren Alpenteichen meiſt ſehr zahlreich. Auch im Veltlin des angrenzenden Ober-Italiens und in Savoyen geht er bis zu einer Höhe von rund 2000 m, im Rhätikon Graubündens bis 2200, im Kanton Bern bis 2000 m, ja hier und da in den Schweizer Alpen laut Fatio bis 2500 m ü. M. Auf dem mittleren Schweizer Hochplateau iſt nach H. Fiſcher-Sigwart alpestris ſehr häufig und in den oberen Bergen von Baſelland ſah Dr. Fr. Müller überhaupt nie einen anderen Triton als unſeren alpestris, der auch in der näheren Umgebung Baſels vielorts vorkommt. Landesübliche Bezeichnungen. Berg-, Gebirgs-, Alpen-, Feuer-, Brumnenz, Mittelmolch, Bergſalamander; Schwed.: Brumm-ödla; Engl.: Alpine Newt; Franz.: Triton ceintur& (alpestre); Ital.: Sarmandola de monte; Poln.: Tryton ognisty; Böhm.: Colek horni. _ Salamandra aquatica, a nullo hactenus deseripta, Wurfbain 1683. — Triton alpestris, Wurfbainii et salamandroides, Zaurenti 1768. — Lacerta palustris var. B. subtus ignea, Razoumowsky 1789. — Lac. gyrinoides et L. triton, Merrem 1789 [Naturf. Fr.]. — Lac. lacustris en, @melin 1790. — Gekko gyrinoides, Meyer 1795. — Salam. alpestris, Schneider 1799. — Salamandra ignea, Bechstein 1800. — Salam. eincta (Salamandre ceinturee), Latreille 1800. — Salam. rubriventris, Daudin 1803 [Xept.]. — Molge Wurfbainii et alpestris, Merrem 1820. — Molge ignea, Gravenhorst 1829. — Hemitriton alpestris, Duges [Urod.] 1852. — Varietät: Triton apuanus, Bonap. [Icon. tab. Fig. 3] 1841. Nachbarländer. Alpen. Namen Synonym Artkennzeichen. Körperbau. 634 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. 5. Art: Streifenmolch. Triton vulgaris (L.). Abbildung VI, Tafel Nr. 2. 3. Länge 6 bis 8 em, ausnahmsweiſe mehr; am Schädel ein durch Sehnen— fafern hergeſtellter Schläfenbogen; Haut glatt; Kopf oben jederſeits mit einer gut ſichtbaren unregelmäßigen Doppelreihe vertiefter Drüſenpunkte oder Poren; Schwanz gegen das Ende hin allmählich und lang, fein zugeſpitzt (ohne ſcharf abgeſetzten Endfaden); Rumpf, d. h. bei Thieren im richtigen Nähr— zuſtande, oben vollkommen gerundet, ohne Seitenkanten; Gberſeite auf oliven— farbenem oder bräunlichem, nach dem Bauch hin hellerem und die Unterſeite auf orangegelbem Grunde mit ſchwarzen Flecken, die oberfeits gern in Kängsreihen ſtehen oder ſich (beim Weibchen) zu zackigen Längsbinden vereinigen; Auge goldgelb mit ſchwachem dunkeln Querſtreif; Männchen zur Laichzeit mit ſehr hohem, rund— lich ausgekerbtem, über der Schwanzwurzel nicht unterbrochenem flatterhäutigen Uamm und mit Hautſäumen an den Hinterzehen. Aeußere Erſcheinung. Der Körper des Gartenmolches, unſerer kleinſten Art, iſt ziemlich ſchlank gebaut, drehrund, die Geſtalt deshalb ſchmächtiger, zarter als die des Bergmolches, der Kopf 1 bis 3 mm länger als breit, etwas gewölbt und nach vorn etwas zugeſpitzt — Wolf ſagt [Sturm 3. Heft]: „dreieckig, vorne etwas abge— rundet“ —, mithin nicht ſo platt- und ſtumpfſchnäuzig als der der beiden vorhergehen— den Verwandten; von den oben erwähnten feinen, aber ſchon mit bloßem Auge wahr— nehmbaren Drüſenpunkten zieht ſich, und zwar an jeder Kopfſeite, eine unregelmäßige Reihe von der Schnauzenſpitze zur oberen Augengegend, die andere unterhalb der erſten zwiſchen Naſenloch und Auge hin. Von einer ausgeprägten Kehlfalte läßt ſich bei dieſer Art ebenſowenig wie beim Berg- und Fadenmolch ſprechen; dagegen weichen die beiden, vorn in einer Linie mit den inneren Naſenlöchern beginnenden Zahnſtreifen am Gaumen nach hinten zu viel weniger auseinander als die dieſer zwei Verwandten, ſie bilden alſo beim Triton vulgaris „ein umgekehrtes enges lateiniſches V“, während ſich wiederum hinſichtlich einer Eigenheit der Zunge Garten- und Bergmolch gleichen, da wie bei dieſem auch bei jenem die rundliche, dicke Zunge hinten in einen mehr oder weniger deutlichen ſtielartigen Anfang ſich fortſetzt, welcher in eine „vom Boden der Mund— höhle abgehobene, ſcheidenartige Hautfalte“ hineinpaßt. Wenn der Rumpf nach Ver— ſchwinden des Kammes anſcheinend, oder während des Winterſchlafes und zuweilen in der Gefangenſchaft infolge unzureichender Ernährung wirklich kantig wird, ſo iſt dies eben nur ein vorübergehender, durch gewiſſe Umſtände veranlaßter Zuſtand, keinenfalls aber ein bleibendes, charakteriſtiſches, bei allen Stücken der Art zu beob— achtendes Merkmal, wie es thatſächlich dem Leiſtenmolch zukommt; vielmehr iſt der Rumpf des kleinen Waſſermolches unter naturgemäßen Verhältniſſen gerundet, beim Weibchen mehr bauchig als beim Männchen. Auch der Schwanz unſerer Art bietet ein weſentliches Unterſcheidungsmoment gegenüber dem im Allgemeinen gleichgroßen, mit ihm früher oft unter eine Spezies zuſammengeworfenen Leiſtenmolch: bei beiden Arten iſt er ſtark ſeitlich zuſammengedrückt und lanzettförmig, allein während aus dem abgeſtutzten Schwanzende des Leiſtenmolches ein ſcharf ſtaffelartig abgeſetzter jadenartiger Anhang hervorgeht, verjüngt ſich der Schwanz des T. vulgaris nach hinten zu ganz allmählich, um in eine feine, oft lange und fadenartige Spitze aus— zulaufen. Bei ſolchen lang- und ſpitzſchwänzigen Thieren, namentlich Männchen und Fünfte Art. Streifenmolch. 635 im Hochzeitkleid, übertrifft die Länge des Schwanzes die des ganzen übrigen Körpers (Rumpf und Kopf) noch um einen oder mehrere Millimeter *), bei anderen halten ſich beide Maaße ungefähr die Waage, und nur Thiere im Landkleid, beſonders Weibchen, erſcheinen kurzſchwänziger; der Gartenmolch iſt ſonach verhältnißmäßig langſchwänziger als die übrigen Arten, ſpeziell Kamm- und Bergmolch. Auf den Kopf entfällt ein Viertel bis ein Fünftel der Körperlänge. Die nachfolgend angegebenen Maaße, ge— nommen von Exemplaren aus der Nähe Berlins (Nr. 4, 5, 9, 11), aus Zittau i. S. (Nr. 12), Neviges i. Rheinpr. (Nr. 1— 3, 7, 8, 10) und aus Lindau i. Bodenſee (Nr. 6) mögen zum Beweis dienen; die Thiere ſind im Juni und Juli geſammelt: Nr. 1 Männchen: Kopf 9 mm, Rumpf 35 mm, Schwanz 50 am, Geſammtlänge 94 mm. „ 2 „ „ 876 „ 7 33, „ „ 4 in 8a 1, 7 3 " „ 85,5 7 „ 34% „ 7 42 „ „ 85 7 „ „ 5 U 7 „ 31 5 [7 40 „ n 80 " " 5 „ " 9, „ 7 39,5 7 7 45 „ 71 90 7 " 6 " „ 1 * 7 29 173 7 32 1 " 68 " 7 1 15 8 nn „ 31 15 „ 8 „ 57 Ad), „ 8 Weibchen „ „ ale Hil:- 55 3 7 8 „ 9 " n 8 7 „ 35 " 33 [7 7 16 7 10 7 7 8,5 er 72 32 „ 7 . 7 80 2 7 11 [77 7 6,5 [77 77 24% [7 ; n 25 [7 7 56 m „ 12 7 [7 8,5 5 7 32 5 7 3775 [7 [Z 78 „ Die Geſammtfärbung der Oberſeite iſt im Allgemeinen ein bald mehr ins Gelbe, bald mehr ins Graue ziehendes Olivengrün oder Olivenbraun, welches an den Flanken und der Lippengegend in ein zartes, bei günſtigem Lichte ſchwach ſilber— glänzendes Weißgelb übergeht und am Bauch, namentlich längs der Mitte deſſelben, durch ein mehr oder minder kräftiges Orange vertreten wird, das ſich über die Kloaken— wulſt hinweg auf die untere Schwanzkante fortſetzt. Die Grundfärbung der Ober— und Unterſeite iſt von ſchwarzen rundlichen Flecken unterbrochen, welche ſich, namentlich beim Weibchen, auf den Rückenſeiten oft vereinigen und ſchwärzliche zackige oder wellige Längsſtreifen bilden; auch der Kopf iſt mit ſolchen dunkeln Längsbinden gezeichnet, deren eine durch das Auge zieht, ſodaß die goldgelbe Iris in eine obere und eine untere Hälfte getheilt ſcheint. Die Einzelheiten der Färbung und etwaige Abänderungen ſoll das Folgende zeigen. Männchen im Hochzeitkleid. Der zur Sommer- und Herbſtzeit ſo ſchlicht, unſcheinbar ausſehende Teichmolch legt nach beendetem Winterſchlaf ein durch hübſche Farben und üppige Hautanhänge zur vollen Geltung gelangendes hochzeitliches Ge— wand an; Daudin hielt dieſe Form ſogar für eine befondere Art, die er den „feinen“ oder „zierlichen Salamander“, Salamandra elegans, nannte, während feine Salamandra punctata das Männchen im Landkleid iſt. Der Kamm beginnt im Nacken, erhebt ſich allmählich zu immer größerer Höhe (3 bis 5 mm) und geht, ohne Unterbrechung über den After, als womöglich noch höhere Flatterhaut auf die obere Kante des Schwanzes über; und da auch die untere Kante des Schwanzes von einem bis drei oder vier mm breiten Hautſaum begleitet wird, ſo erreicht der erſtere an der breiteſten Stelle eine Höhe (Breite) von 11 bis 13, ja bis 16 mm; der obere Rand des Kammes iſt weder ſcharf gezackt wie beim Kamm-Molch, noch ganzrandig wie beim Bergmolch, ſondern wellig ausgekerbt. Der zweite Hautanhang, welcher den beiden ſchon beſchriebenen Verwandten vollſtändig fehlt, beſteht in einem Hautſaum an jeder Zehe der Hinterfüße, am beſten entwickelt an der Außenzehe; durch dieſe Schwimmlappen ) Auch z. B. bei dem von J. Sturm abgebildeten Männchen a [Amph. 3. Heft] übertrifft die Länge des Schwanzes die des ganzen übrigen Körpers um etwa 1 mm. Färbung, 636 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. erinnert der „Lappenmolch“ (Triton lobatus — Lappenmolch) an die gleichfalls mit häutigen Zehenſäumen verſehenen Füße unferer heimiſchen Lappentaucher (Podiceps), einer Gruppe der Schwimmvögel. Die Kloake zeigt dieſelben Eigenheiten wie die der vorigen Art. Die glatte Haut iſt beſäet mit feinen weißlichen Punkten. Die Grund— farbe der geſammten Oberſeite iſt ein ſattes Olivengrün oder Olivenbraun, welches nach unten hin in ein Weißgelb übergeht und am Kopf von ſchwarzen oder ſchwärz— lichen Längsbinden, am Rumpf und Schwanz und mehr und minder auch auf der Oberſeite der Beine von rundlichen ſchwarzen Flecken unterbrochen wird. Dieſe Flecken ſind am Rumpf und Schwanz gewöhnlich ſcharf abgeſetzt und in Längsreihen geordnet, ſodaß man zuweilen an die Pantherzeichnung gemahnt wird, auf der Decke und den Seiten des Kopfes jedoch zu Längsſtreifen verbunden, von denen der mittelſte über die Mitte der Kopfdecke, je einer über dem rechten und linken Auge hin und je einer durch das Auge nach hinten zieht, wo ſie ſich im Nacken bezw. an den Halsſeiten in ſchwarze Quer-, Längs- oder Tüpfelflecken auflöſen; dieſe fünf, an der Schnauzen— ſpitze beginnenden, mehr oder weniger veränderlichen Längsbinden werden in der Regel noch begleitet von einem ſchwarzen Streifen, welcher an jeder Kopfſeite über die Lippen nach rückwärts läuft und ſomit die Kieferränder ſchwarz ſäumt. Ueber den Hautkamm bezw. über die Erhebungen deſſelben zieht gewöhnlich gleichfalls eine Reihe ſchwarzer Flecken, und ebenſolche ſtehen auf der Unterſeite (Kehle, Bauch) des Thieres, deren Grundfärbung ein Weißgelb iſt, welches längs der Bauchmitte durch ein mehr oder minder kräftiges Orange verdrängt wird. Dieſes Orange ſetzt ſich längs der meiſt ſchwärzlich gefärbten Kloakenwulſt auf den unteren Hautſaum des Schwanzes fort, doch nur auf den vorderen Theil, nicht bis zur Schwanzſpitze, und dieſe orange— farbene Saumkante wiederum wird oben begrenzt durch einen bläulichen oder perl— mutterfarbigen, mehr oder weniger mit ſchwarzen Flecken beſetzten Längsſtreifen. Wie die Kloakenwulſt, ſo erſcheinen in der Regel auch die Schwimmlappen der Hinterfüße und die zwei kleinen Ballen der Sohle (vergl. S. 600) dunkel. Das Weibchen im Hochzeitkleid unterſcheidet ſich vom brünſtigen Männchen hinſichtlich des Kammes, Schwanzes, der Hinterzehen, der Tracht, Grundfärbung und Zeichnung. Es iſt dickbäuchiger und in der Regel größer als das Männchen, ſtatt des Rückenkammes findet ſich nur eine feine, niedrige Hautleiſte — und auch dieſe fehlt zuweilen gänzlich —, der Schwanz beſitzt ſowohl oben als unten nur einen gering entwickelten Hautſaum und iſt infolge deſſen nur etwa halb oder zweidrittel ſo hoch und an der Wurzel auch rundlicher als der des Männchens, den Zehen der Hinterfüße fehlen die häutigen Säume (Schwimmlappen), die Grundfärbung der Ober— ſeite iſt in der Regel merklich heller als beim Männchen, die Zeichnung derſelben be— ſteht in ſchwärzlichen Längsſtreifen und undeutlichen Punkten, alſo nicht in ſcharf ab— geſetzten, großen, rundlichen, ſchwarzen Tüpfelflecken. Auf der ganzen oberen Partie des Kopfes, Rumpfes, Schwanzes und der Beine herrſcht als Grundton ein helles Olivengrün oder Olivenbraun vor, das zuweilen einen entſchiedenen Stich ins Gelbe, ja ſelbſt ins Röthliche zeigt und wie beim Männchen an der Grenze der Unterſeite immer in ein Weißgelb übergeht. Die längs der Rückenmitte hinziehende feine Haut— leiſte iſt bräunlich, oft jedoch wird ſie durch einen einfachen bräunlichen oder gelblichen Strich erſetzt. Im Uebrigen iſt der Rücken in der Regel jederſeits von einer gewellten oder zackigen ſchwärzlichen Längsbinde begrenzt, welche durch Zuſammenfließen der — beim Männchen ſo deutlich ausgeprägten und erheblich größeren — ſchwärzlichen Punkte entſtanden ſind und nach hinten zu auf den Schwanz übergehen. Außerdem iſt die Oberſeite oft mit kleinen, wie verwiſcht ausſehenden und mehr oder minder zahl- Fünfte Art. Streifenmolch. 637 reich vorhandenen ſchwärzlichen Punkten und Sprenkeln beſetzt, die zuſammen eine für das Weibchen charakteriſtiſche gewäſſerte Zeichnung des Oberkörpers bilden, zuweilen aber in größerer oder geringerer Ausdehnung zu zackigen Binden und Schnörkeln zuſammenſtoßen. Auch die Zeichnung des Oberkopfes iſt eine verwaſchene, von den Kopfbinden des Männchens findet man hier gewöhnlich nur die durch das Auge ziehende deutlich, die anderen indeß nur andeutungsweiſe oder gar nicht vorhanden. Die Unterſeite, deren Grundfärbung mit der des Männchens übereinſtimmt, nur daß gewöhnlich das Orange am Bauche weniger ausgedehnt und matter iſt, zeigt gleich— falls ſchwärzliche Tüpfelchen, die Kehle oft ſogar ſehr viele feine Punkte und Sprenkel. Das Orange des Bauches zieht ſich über die Kloake hinweg nach der unteren Kante des Schwanzes, welchem übrigens der an den Schwanzſeiten des Männchens hervor— tretende bläuliche Längsſtreifen mangelt. Männchen im Landkleid. Wenn die Männchen nach beendeter Laichzeit, im Juni und Anfang Juli, in zeitigen Frühjahren ſchon im Mai oder Ende April, an— fangen das Waſſer zu verlaſſen und den Landaufenthalt zu wählen, ſo ſchrumpfen Kamm und Schwanzſäume zuſammen, die Schwimmlappen der Hinterfüße ſchwinden, die Kloakenwulſt wird dünner, der Schwanz dicklicher, der Körper magerer, flach— rückiger, faſt kantig (vergl. S. 634), die Haut zieht ſich mehr zuſammen, der Glanz der Körperſeiten verliert ſich, das Orange der Bauchmitte verblaßt, die Grundfarbe der Oberſeite wird matter, das ganze Thier — was namentlich im Frühjahr unmittel— bar nach Verlaſſen der Winterherberge auffällt — ſomit unſcheinbar. Das Letztere gilt in noch höherem Grade von dem Weibchen im Landkleid. Denn daſſelbe bekommt, nachdem es den Laich ab— geſetzt und am Lande feuchte, ſchattige Orte (unter Moos, in Gärten und Wäldern, unter Baumrinden und Baumſtümpfen ꝛc.) bezogen hat, nicht nur eine eigenartige hell— oder dunkelbraune Färbung, an den Rumpfſeiten zahlreiche kleine Wärzchen und einen völlig drehrunden Schwanz („cauda teretiuscula“ jagt Linné bei Beſchreibung ſeiner Lacerta vulgaris), ſondern überhaupt einen zuſammengeſchrumpften, wie eingetrocknet ausſehenden Körper, ſodaß das Aeußere gar nicht an den Teichmolch im Hochzeitkleid erinnert; man glaubt, ein anderes Thier vor ſich zu haben, und in der That ſind ſolche veränderte, in Gärten, Kellern, Wäldern ꝛc. während des Sommers und Herbſtes gefundene Teichmolche früher als eine beſondere Art, als Erd- oder Garten-Salamander oder gar — jo von Schranck [Fauna I S. 285] und Saxeſen [Harz]! — als eine wirkliche Eidechſe, „Wald-Eidechſe“ „Lacerta einerea“, angeſehen und beſchrieben worden; vielleicht gehört auch die von Gesner und Laurenti erwähnte Salamandra fusca, brauner Salamander, hierher. Die Färbung unſeres Teichmolches in der Land— tracht entſpricht in den meiſten Fällen der der von Jakob Sturm und Wolf [3. Heft] durch Bild und Wort vergegenwärtigten Var. o: Oberſeite hellbraun, Seiten dunkler braun, Bauch und übrige Unterſeite gelb, eine ſchwärzliche Zeichnung fehlt oder iſt verwiſcht; überhaupt gehen die hellen und dunklen Töne gern in einander über. Obſchon ſich unter einer größeren Anzahl Teichmolche gar manche Abweichungen hinſichtlich der Grundfarbe der Oberſeite: helle und dunkle Schattirungen, der Unter— jeite: kräftiges, oder mattes, oder auch ganz fehlendes Orange, und der Zeichnung — Größe und Deutlichkeit der Flecken — erkennen laſſen, ſo gilt von unſerem Molch doch ganz das in Bezug auf dieſen Punkt vom Bergmolch Geſagte (ſ. S. 628), und es wäre gewagt, auf irgendwelche Abweichungen in der Färbung hin gleich geſonderte Varietäten aufſtellen zu wollen; wenigſtens reichen die bis jetzt an deutſchen Exemplaren wahrgenommenen Färbungs-Abänderungen zu dem Zwecke nicht aus. Wohl aber iſt Larven. 638 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. eine auch in Hinſicht der äußeren Merkmale vom typiſchen Triton vulgaris abweichende und zum Leiſtenmolch hinüberleitende Form aufzuführen, der von Boulenger 1882 auf— geſtellte Triton vulgaris meridionalis, welcher in den Mittelmeerländern: Italien, Oeſterreichiſche Küſtengebiete, Griechenland, Joniſche Inſeln, nachgewieſen worden und als die Mittelmeer-Raſſe oder als Subſpezies unſeres Streifenmolches zu betrachten iſt. Bereits 1872 wies E. Schreiber, ohne einen beſonderen Namen für dieſe Varietät vorzuſchlagen, darauf hin, daß die im ſüdlichen Illyrien, in Iſtrien und Dalmatien vorkommenden Streifenmolche (Männchen) von der Stammart durch einen niedrigeren, ganzrandigen Rückenkamm, durch Längskanten an den Rückenſeiten und durch die bei den Männchen auftretenden kleinen, aber oft ſehr zahlreichen ſchwarzen Flecken ſich unterſcheiden und ſomit dem echten Leiſtenmolch ſehr ähnlich ſeien, hingegen durch die Stellung der Gaumenzähne, die Zehenbildung ꝛc. ſich immer noch als Streifenmolche erweiſen. Später nahm man wahr, daß die Männchen dieſer Mittelmeerform auch den den männlichen Leiſtenmolchen eigenen Schwanzfaden beſitzen. Bedriaga glaubte deshalb in den im Muſeum zu Athen vorgefundenen griechiſchen Fadenmolchen den Triton para- doxus vor ſich zu haben und zählte ſie 1881 unter dieſem Namen auch in ſeinen „Amphibien und Reptilien Griechenlands“ auf. Die Larven des Streifenmolch, die in ihren Maaßen auf Seite 607 verglichen wurden, ſind nebſt denen der folgenden Art die kleinſten unſerer Arten und bleiben um ein bezw. zwei Drittel hinter den Larven des Berg- und des Kamm-Molches zurück, indem ſie nur 30 oder höchſtens einige dreißig Millimeter lang werden. Auch ſind ſie ſchlanker und zierlicher gebaut; der hohe Rumpf, welcher an den Leibesſeiten außer einer mehr oder weniger markirten vertieften Längslinie 13 oder 14 und am Bauch 7 bis 8 Querfurchen aufweiſt, iſt ſonach an den Flanken nur ſchwach bauchig erweitert, der Rücken ſchmal, vorn flach, hinten mit unbedeutender Wölbung, der vom Rumpf merkbar geſchiedene Kopf ſtark, etwas breiter als der letztere, aber doch länger als breit, ziemlich hoch, oberſeits entweder flach oder nur unbedeutend nach vorn und abwärts gewölbt mit faſt ſenkrecht abfallenden Seiten und mehr oder minder breit bezw. ab— geſtutzt verrundeter Schnauze, der Schwanz etwas kürzer oder länger als der übrige Körper, an der Wurzel ſchwach verdickt, im Uebrigen ſtark ſeitlich zuſammengedrückt, wie ein Weidenblatt („en feuille de saule“) ganz allmählich in eine feine, aber nicht fadenförmige Spitze ausgezogen und oben wie unten mit einem hohen, ſchwach bogig gerandeten Hautſaum umzogen, deſſen oberer Theil ſich über die Rückgratslinie bis zum Nacken hin fortſetzt; die Gliedmaßen ſind etwa von halber Rumpflänge, die Finger und Zehen bei jungen Larven dünner und ſpitzer als bei älteren und bei den letzteren die zwei Höckerchen auf Handteller und Fußſohle ſchon gut ſichtbar, de mäßig ge— wölbten Augen ſeitlich geſtellt und groß, ihre Lider halb ſo breit als Interpalpebral— raum, die Naſenlöcher von der Lippe nur etwa ein Drittel ſo weit entfernt wie das Naſenloch vom Auge, die Oberlippenlappen ſtark entwickelt, die Kiemenbüſchel lang gefranſt und ſehr entwickelt, denn der oberſte erreicht bei großen Larven eine Länge von 6 mm, der Längsdurchmeſſer des Auges iſt größer als die Entfernung zwiſchen beiden Naſenlöchern und meiſt auch größer als der Abſtand des Auges vom Naſenloch. — Die Färbung der Larven während der erſten Jugendzeit iſt oberſeits ein weiß— licher Ton, auf welchem ſich zahlreiche braune Pünktchen erheben, die manchmal ſo dicht ſtehen, daß der Körper bräunlich gefärbt erſcheint und der weißliche Grund nur oberhalb der erwähnten Längsfurche an den Leibesſeiten „als helle fleckenartige, reihen— weiſe angeordnete Zwiſchenräume“ erkennbar bleibt; Unterſeite weiß oder gelblichweiß Fünfte Art. Streifenmolch. 639 mit Fiſchglanz. Mit dem Aelterwerden der Larven dunkelt allmählich der Ton des Grundes und der Tüpfel zu Gelbbraun oder Hell-Olivenbraun bezw. zu Dunkelbraun, und die ſoeben erwähnte helle Punktreihe an den Leibes- und weiterhin an den Schwanz— ſeiten kann dann bei vierbeinigen Larven in Hell- oder Gelbbraun erſcheinen; durch Zuſammenfließen der früher getrennten dunklen Tüpfel entſtehen an manchen Körper— ſtellen, ſo an den Bauchgrenzen und am Schwanz, größere Flecken; auch auf dem kräftiger gelb werdenden Bauch treten dunkle Makel auf; der Floſſenſaum iſt wenig pigmentirt oder nahezu farblos, die Iris auf blaß goldglänzendem Grunde dunkel geſpreukelt. Wie in der Einleitung zu den Molchen und bei Beſprechung des Bergmolches ſchon vermerkt, find auch vom Triton vulgaris, freilich nur vereinzelt, geſchlechts— reife männliche und weibliche Larven beobachtet worden. Solche ſind weit größer als normale Larven, etwa wie erwachſene Thiere mittlerer Größe, und die Färbung entſpricht gleichfalls der der fertigen Tritonen, nur daß die Töne matter, verwaſchener erſcheinen und der zackige Rückenkamm des brünſtigen Männchens fehlt. Normal ent— wickelte und umgewandelte, 3 bis 4 em lange Junge im Juli und Auguſt und im 2. Jahre haben, ohne die Geſchlechtskennzeichen ſonderlich hervortreten zu laſſen, manche Aehnlichkeit mit alten Weibchen: die Oberſeite iſt ocker- oder röthlichgelb oder leder— braun mit ſchwärzlichen, gewäſſerten Seitenlinien, ſpeziell einer dunklen Wellenlinie an jeder Rückenſeite, auch hier und da mit verſtreuten dunklen Flecken und Tüpfeln (Männchen), am Oberkopf mit den ſchon mehr oder minder deutlichen Binden ſpäteren Alters, an den Flanken mehr grau, der an der Wurzel im Querſchnitt gerundete, weiterhin ſeitlich zuſammengedrückte Schwanz auch mit kleinen dunkeln Punkten und Stricheln gezeichnet, die Bauchgegend gelb, roſtfarben oder röthlich mit ſchwärzlichen Punkten. Geographiſche Verbreitung. Der Verbreitungsbezirk dieſes unſeres gemeinſten Molches deckt ſich faſt genau mit dem des cristatus, nur reicht er noch um einige Grade weiter nach Norden hinauf, indem der Streifenmolch laut Collett's Angabe in Norwegen nicht nur die ſüdlichen und ſüdweſtlichen Küſtenſtriche bewohnt, ſondern auch im Innern des Landes bis nach Drontheim angetroffen wird und, das iſt der nördlichſte Punkt, noch bei Ritſen auf der Nordſeite des Trondhjem-Fjord, 63½ Grad n. Br., gefunden wurde. In Schweden und Rußland ſcheint er nicht ſoweit nord— wärts zu gehen, doch iſt er im Gouv. Petersburg laut J. v. Fiſcher noch „ſehr gemein“. Die Südgrenze des Wohnkreiſes nimmt, da der Streifen- wie der Kamm-Molch in Südfrankreich, Spanien, Portugal, Korſika, Sardinien, Sizilien fehlt, ganz den Verlauf wie bei eristatus, nur ſenkt ſie ſich in Griechenland etwas mehr, indem Pr. vulgaris dort nicht nur nördlich des Buſens von Korinth, wo er und die Abart meridionalis durch Dr. Krüper im Parnaß- und Veluchi-Gebirge bezw. in den Seen von Vrachori (Agrinion) für das Athener Muſeum geſammelt wurde, ſondern auch ſüdlich deſſelben heimisch iſt, denn bereits 1828 ſtellten ihn die Mitglieder der Expedition scient. de Moree bei Modoni in Meſſenien, 36 Grad n. Br., und 1866 Erber auf Tinos, 37½ “ n. Br., feſt. Von Griechenland bezw. der Balkan-Halbinſel aus, auf der unſer Triton laut Berthold und E. Schreiber auch bei Konſtantinopel lebt, läßt ſich die Verbreitung durch den ſüdlichen kleinaſiatiſchen Küſtenſtrich des Schwarzen Meeres bis nach Armenien, von wo wir den Molch durch Keßlers „Zoolog. Reiſe durch Trans— kaukaſien 1875“ kennen, verfolgen, indeß vermögen wir die Oſtgrenze noch nicht ſicher zu beſtimmen. Die Weſtgrenze liegt im britiſchen Inſelreich, wo er laut Cook, Boulenger u. A. in England ſowohl wie in Schottland und Tompſon's Angabe zufolge auch auf Irland zu Haufe iſt, ſodaß er auch in dieſer Beziehung mit eristatus übereinſtimmen würde. Junge. Geographiſche Verbreitung. Deutſchland. Alpen. Namen, Synonyma. 640 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Innerhalb der angezeigten Linien und zumal in Deutſchland und deſſen Nachbar— ländern iſt der Streifenmolch die gewöhnlichſte Art, die ihrer Bezeichnung „vulgaris“ alle Ehre macht. Sie übertrifft darin noch merklich den eristatus, da fie zur Früh— jahrszeit bei uns nicht nur eine der alltäglichſten Erſcheinungen in den Weihern, Gräben, Sümpfen, Lachen und ſelbſt trübwäſſerigen Tümpeln und Pfützen der nord— deutſchen Ebene — auch der Inſel Rügen gehört Tr. vulgaris an —, des Hügellandes und der Vorberge bildet, ſondern auch in unſeren deutſchen Gebirgen bis zu den Kuppen hinaufſteigt. So fand Prof. Landois die Larven des Streifenmolches 1887 auf dem Gipfel des 800 m hohen Kahlen Aſtenberg in Weſtfalen; ſo iſt Tr. vulgaris ſowohl am Gebirgsrand wie auf der Hochfläche des Oberharzes, auf dem Plateau der Schwäbiſchen Alb, in den Schleſiſchen Gebirgen, im Jura (Val de Joux: Baſeler Muſeum) u. a. noch heimiſch; und wie in den Alpen des Algäu und Oberbayerns, ſo kommt er auch durch das öſterreichiſche Alpengebiet bis hinunter nach dem Karſt in geeigneten Höhenlagen (bis 1000 oder 1500 m ü. M.) vor, obwohl er ſtrecken— weiſe, ſo laut V. Gredler im nördlichen und mittleren Tirol, fehlen kann. Laut Fiſcher-Sigwart fehlt er ebenſo der Mittelſchweiz, wo der Leiſtenmolch ihn vertritt, wie es nach Dr. C. Koch's Mittheilung auch in gewiſſen Theilen des bergigen Rhein— bayerns zuzutreffen ſcheint; hingegen lebt er laut Prof. Studer wiederum nicht ſelten in Sümpfen der Umgebung Berns und laut Dr. F. Müller und V. Fatio ſowohl in der Schweizer, badiſchen uud elſäſſiſchen Umgebung Baſels wie auf der Südſeite der Alpen, z. B. in Teſſin. Landesübliche Bezeichnungen. Garten-, Streifen-, gefleckter, Lappen-, kleiner Waſſer-, glatter Molch, kleiner Waſſer-Salamander; Holl.: Kleiner Water— Salamander; Schwed.: Mindre Vatten-ödla; Engl.: Smooth or Common Newt; Franz.: Triton ponctué (lobe), Petite Salamandre; Ital.: Tritone punteggiato, Sarmandoletta; Ruſſ.: Wodjanäja Jästscheriza; Poln.: Tryton pstry; Böhm.: Colek teckovany. Petite Salamandre, Dufay 1729 |Mem. de l’Acad. de Paris 1729]. — Lacerta vulgaris (Wbch.) et Lac. aquatica, Linn“ [S. n. I)] 1766. — Triton palustris (Wbch.) et T. parisinus (Munch), Laurent! 1768. — Lacerta palustris A.: subtus lutea, Razoum. 1789. — Gekko triton, Meyer 1795. — Salamandra taeniata (Munch.) et S. palustris (Wbch.), Schneider 1799. — Lacerta Triton, Retzius 1800. — Salam. punctata (Munch.) et S. abdominalis (Wbch.), Latreille 1800. — Lacerta seu Salamandra taeniata, Bechstein 1800. — Salam. punctata, S. elegans (Mnunch.) et S. abdominalis (Wbch.), Daudin [Rept. VIII] 1803. — Lac. taeniata, Sturm- Wolf Fauna Heft 3] 1803. — Molge cinerea et M. punctata, Merrem 1820. — Salam. exigua, Rusconi [Amours Taf. 1] 1821. — Molge taeniata, Gravenh. 1829. — Triton abdominalis, Bihron Bor [Exp. Morea] 1832. — Sal. Lacepedii, Andrzejowsky 1832. — Triton lobatus, Otth-Schinz [Fauna helv.] 1837. — Triton lobatus et Tr. palmatus, Bonaparte 1839. — Tr. aquaticus et Tr. vulgaris, Fleming 1838. — Lissotriton punctatus, Bell 1839. — Lophinus punctatus, Gray |Catal.] 1850. — Triton punetatus, Dum. Bibr. [Erpet. IX] 1854. — Pyro- nicia punctata, Gray Proc. Zool. Soc.] 1858. — Triton taeniatus, Leydig 1867. — Das Junge: Salamandra exigua, Laurenti 1768. In der Fauna sueeica von 1746 unter Nr. 254 und Nr. 257 noch ohne bejondere Spezies— Bezeichnung aufgeführt. Sechſte Art. Leiſtenmolch. 641 6. Art: Leiſtenmolch. Triton paradoxus (Htasoum.). Abbildung Tafel VI Nr. 4. 5. Länge 6,5 bis 8,5 em, ſelten einige Millimeter darunter oder darüber; am Schädel ein knöcherner Schläfenbogen; Haut glatt; die Drüſenpunkte des Kopfes mit freiem Auge nicht erkennbar; Schwanz am Ende abgeſtutzt mit ſcharf abgeſetztem, bis zu 5 mm langem fadenartigen Anhang; an jeder Seite des Rückens eine ſtets ſehr deutlich leiſtenartig hervortretende Längskante; Oberſeite olivenbräunlich und gelblich mit dunkler Fleckung und Marmorirung; Unterſeite orangegelb, ungefleckt; Auge goldgelb mit fcharfer dunkler Querbinde; Männchen zur Laichzeit mit voll— ſtändigen Schwimmhäuten zwiſchen den Sehen der Hinterfüße und, ſtatt des Hammes, mit erhabener Ceiſte längs der Rückenmitte. Aeußere Erſcheinung. Der in Deutſchland bis jetzt nur in den weſtlichen und ſüdlichen Gebieten aufgefundene Leiſtenmolch gleicht hinſichtlich der Größe und Geſtalt im Allgemeinen dem kleinen Waſſermolch, nur erſcheint der Kopf etwas gedrungener, die Schnauze breiter, der Rumpf eckiger. Letzteres liegt darin begründet, daß zu beiden Seiten des flachen Rückens, auch bei ganz wohlgenährtem Körper (vergl. S. 634), je eine deutlich leiſtenartig vorſpringende Längskante hinläuft. Dieſe beiden Kanten, zwiſchen denen, in der Mittellinie des Rückens, beim hochzeitlich gekleideten Männchen (im Frühjahr) eine dritte Leiſte hinzieht, werden nach Leydig's Unterſuchungen lediglich von der Haut, ohne Antheilnahme der Muskulatur, erzeugt und entiprechen ſomit den Seitenwülſten der Gattung Rana. Daß dieſe Seitenkanten, welche dem Thier die deutſche Benennung „Leiſtenmolch“ einbrachten, eins der charakteriſtiſchen Merkmale der Art bilden, geht aus dem oben Geſagten hervor. Die Haut iſt glatt, glänzend, eine Kehlfalte bei typiſchen Exemplaren nicht oder kaum zu bemerken. Ebenſowenig ſind bei ſolchen Stücken die beim Gartenmolch deutlich wahrzunehmenden eingedrückten Drüſenpunkte (Poren) des Kopfes zu erkennen, vielmehr laſſen ſich die Doppelreihen derſelben an jeder Kopfſeite erſt mit Hilfe des Vergrößerungsglaſes nachweiſen. Die Gaumenzähne bilden, ähnlich wie beim Bergmolch, zwei vorn nahe zuſammentretende, nach hinten zu jedoch ſtark auseinander weichende (divergirende) Streifen bezw. „ein weit offenes umge— kehrtes lateiniſches V“. Die Zunge iſt klein, rundlich-viereckig. Der Schwanz, ſtark ſeitlich zuſammengedrückt, lanzettförmig und nur an der Wurzel etwas mehr gerundet, zeichnet ſich vor dem der übrigen Arten durch einen ganz dünnen fadenartigen, ent— weder geraden oder ein wenig nach aufwärts gekrümmten Anhang aus, welcher aus dem abgeſtutzten oder abgerundeten Ende frei und ſcharf hervorragt (vergl. S. 634) und je nach Alter, Geſchlecht und Jahreszeit einen oder mehrere Millimeter (bis 5 oder 6 mm) lang wird. Bei ſolchen mit Schwanzfaden ausgerüſteten Männchen wird die Länge des Körpers (Kopf und Rumpf bis zum Hinterrande der Kloake) von der des Schwanzes erreicht oder noch übertroffen, in anderen Fällen bleibt dieſe hinter jener zurück; von der erſteren entfällt 1 Fünftel auf den Kopf, welcher 1—2 mm länger als breit iſt. Die Geſammtlänge des Fadenmolches bewegt ſich im Allgemeinen zwiſchen 65 und 85 mm, nur einzelne Exemplare überſchreiten dieſes Maaß nach unten oder nach oben hin; das mir bis jetzt vorgekommene kleinſte, ſelbſtverſtändlich aber völlig entwickelte Stück, ein Männchen im Landkleid, war 58 mm, das größte, ein Weibchen, 88 mm lang. Nachſtehend die Maaße von 3 Männchen und 3 Weibchen (das 3. Männchen im Landkleid): 41 Artkennzeichen. Körperbau. Färbung. 642 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. Kopf 7,5, 7,5, 7; 7, 8, 9 mm; Rumpf 28,5, 28,5, 29; 32, 31, 39 mm; Schwanz 30, 33, 30; 31, 37, 40 mm; Geſammtlänge 66, 69, 66; 70, 76, 88 mm. Hinſichtlich der Färbung iſt im Allgemeinen nur zu bemerken, daß die Ober— ſeite je nach den Geſchlechtern auf olivenbraunem oder gelblichem, nicht ſelten ſchwach goldglänzendem Grunde mit ſchwärzlichen Tüpfeln, Strichen und Marmeln gezeichnet, die Unterſeite indeſſen in der Regel einfarbig orangegelb erſcheint. Ueber der Wurzel der Hinterbeine findet ſich ein länglicher, ſenkrecht geſtellter Fleck von hellgelblicher Färbung, der ſich namentlich bei dunklen Exemplaren recht ſchön abhebt und, meinen Wahrnehmungen wenigſtens nach, nur bei einzelnen Thieren nicht ausgeprägt iſt. Das lebhafte Goldgelb oder Goldbronze der Iris wird durch eine von vorn nach hinten zu mitten durch das Auge ziehende ſchwarze Binde in eine obere und eine untere Hälfte geſchieden, auf der unteren Hälfte jedoch zuweilen durch das ſich mehr aus— breitende Schwarz faſt oder gänzlich verdrängt. Das Männchen im Hochzeitkleid beſitzt nicht nur wie die Männchen unſerer anderen Tritonen gewiſſe Hautanhänge an Rücken und Schwanzkante, ſondern auch vollſtändige Schwimmhäute zwiſchen den Zehen der Hinterfüße und, als ſpezielle Auszeichnung, den namentlich jetzt zur Laichzeit ſehr entwickelten Schwanzfaden (vergl. S. 641). Ein eigentlicher Rückenkamm fehlt; ſtatt deſſen iſt, wie beim Bergmolch, die Rückgratslinte mit einer ganzrandigen, nur 0,5 bis 1,5 mm hohen Kante oder Leiſte beſetzt, welche im Nacken beginnt und ohne Unterbrechung über den After auf die obere Schwanzkante übergeht, wo ſie ſich zu einem höheren Hautſaum entwickelt; auch dieſer iſt vollkommen ganzrandig, nur bei einem der von mir unterſuchten Stücke finde ich ihn fein geferbelt. Da die untere Schwanzkante gleichfalls von einem Haut— anhang geſäumt iſt, ſo erſcheint der Schwanz lanzettförmig, hoch, wenngleich nur halb oder reichlich halb jo hoch (7 bis 9 mm) als der des brünjtigen Teichmolches. Die Zehen der Hinterfüße ſind nicht durch Schwimmlappen wie bei der ſoeben genannten Art, ſondern durch vollſtändige Schwimmhäute mit einander verbunden, es ſind alſo wirkliche Schwummfüße, welche denen der Entenvögel oder noch beſſer den Ruderfüßen unſerer Kormorane entſprechen, vorhanden.“) Dieſe Eigenthümlichkeit der Hinterfüße tritt um ſo mehr hervor, als die Schwimmhaut nebſt den Zehen, ebenſo aber auch das freie Schwanzfädchen und die in der Größe einer ſtarken Erbſe wulftig vorſpringende, an der Außenfläche gegen die Spalte hin warzige Kloake, ſchwärzlich bezw. ſchwarz— blau iſt. — Die Grundfarbe des Oberkopfes, des Rückens zwiſchen den beiden Längskanten und des oberen Schwanzſaumes iſt ein Oliven- oder Graubraun bis Schwarzbraun (auf dem Kopfe meiſt etwas heller als am Rumpfe), die der Kopf, Rumpf- und Schwanzſeiten ein mehr oder weniger metallſchimmerndes, goldglänzendes Gelb- oder helles Rothbraun, an welches ſich unten (untere Seitenpartie des Kopfes, Rumpfes, Schwanzes) ein Längsſtreifen von weißlicher oder weißgelblicher Färbung an— ſchließt, Die auch an der Kehle und der Unterſeite der Beine erhalten bleibt — nur daß ſie hier des Metallglanzes entbehrt —, während ſie am Bauch durch ein hübſches Orangegelb erſetzt wird. Die Zeichnungs farbe beſteht in einem Grau- oder Braun— ſchwarz. Zunächſt zeigen ſich auf der Kopfdecke und auf der Oberſeite der Vorder— beine zahlreiche kleine Fleckchen, Punkte oder Marmelſtreifen, welche eine zierliche Netz— oder Marmorzeichnung bilden; von den fünf ſchwarzen Binden, welche beim männlichen Teichmolch von der Schnauzenſpitz an über Oberkopf und Kopfſeiten nach hinten 0 Auf dieſe Eigenheit der Hinterfüße gründen ſich die von Schneider bezw. Latreille gewählten Artnamen „palmata“ und „palmipes“, während die Razoumowsky' ſche Bezeichnung „paxadoxa“ wohl mehr durch den Schwanzfaden veranlaßt worden iſt. Sechſte Art. Leiſtenmolch. 643 laufen, iſt hier nur der Augenſtreif, und zwar meiſt viel ſchärfer als beim T. vulgaris, vorhanden, wogegen die anderen drei entweder überhaupt nicht feſtzuſtellen oder doch nur in Geſtalt dreier, aus zahlreichen kleinen, an einander gereihten Pünktchen und Schnörkeln entſtandenen Streifen zu erkennen ſind. Die zwiſchen den beiden ſeitlichen Längsleiſten liegende Rückenpartie erſcheint bei manchen Thieren ganz ſparſam und un— deutlich oder überhaupt nicht, bei anderen indeß reichlicher und deutlicher dunkel gefleckt bezw. getüpfelt, die gelb- oder rothbraunen Körperſeiten und der an der Grenze von Ober- und Unterkörper hinziehende breite weißliche Längsſtreif ſind gewöhnlich mit einer größeren Anzahl unregelmäßiger, bald rundlicher Tüpfel-, bald mehr langgezogener Schnörkelflecken beſetzt. Dieſe Flecken laſſen alſo an Hals- und Körperſeiten die beim männlichen Streifen— molch wahrzunehmende Regelmäßigkeit hinſichtlich Geſtalt und Anordnung vermiſſen (vergl. S. 636), nur an jeder Schwanzſeite ordnen ſich die runden ſchwarzen Tüpfel in der Regel zu einer oberen und einer unteren Längsreihe, welche naturgemäß gegen die Spitze hin einander ſich nähern und an der Wurzel zuweilen noch zwiſchen ſich den Anfang einer dritten Längsreihe aufnehmen. Die Oberſeite der Hinterbeine iſt auf gelblichem Grunde ſparſamer gefleckt als die der vorderen, die Hinterfüße ſind, mit Ausnahme der beiden kleinen weißlichen Ballen auf der Sohle, einfarbig ſchwärzlich oder ſchwarz, die Vorderfüße gelblich; über der Wurzel der Hinterbeine hebt ſich der oben erwähnte ſenkrechte weißgelbliche Längsfleck gewöhnlich deutlich von der dunkleren Grundfarbe ab. Die untere Seite der Beine und die Kehle ſind ſtets einfarbig weiß— lich, die ſeitlichen Partien des Bauches auf ſolchem Grunde meiſt mit einzelnen kleinen ſchwärzlichen Tüpfeln, welche ſich ganz ausnahmsweiſe auch auf der orangegelben Zone der Bauchmitte einſtellen, in der Regel jedoch die letztere völlig frei laſſen. Gewiſſermaßen als Fortſetzung der Bauchfarbe findet ſich das Orangegelb ſpurweiſe noch im Anfangstheil der unteren Schwanzkante, faſt der ganze untere Schwanzſaum indeß erſcheint weißlich, oben meiſt begrenzt von einer bläulichen oder perlmutter— farbigen Längsbinde, auf welcher die erwähnte untere Reihe ſchwarzer Flecken hinzieht. Das Weibchen im Hochzeitkleid unterſcheidet ſich vom brünſtigen Männchen durch die Größe, Geſtalt, durch die Bildung und Färbung der Hınterfüße, des Schwanzes und der Kloake, endlich durch Färbung und Zeichnung des Kopfes und Rumpfes. Der Bau iſt geſtreckter, der Kopf plumper, der Leib dickbauchiger, die Kanten an den Rückenſeiten wenig ausgeprägt, die Kammleiſte auf der Rückgratslinie nur angedeutet (bis ½ mm hoch), der Schwanz infolge der geringen Hautſäume merklich niedriger (4 bis 6 mm), der freie Endfaden deſſelben nur ½ bis höchſtens 2 mm lang bezw. blos ſpurweiſe vorhanden, die Kloake dünner als beim Männchen und orangefarben oder noch heller, nicht aber ſchwärzlich, die Hinterfüße ſind immer gelblich, ohne jede Schwimmhaut zwiſchen den Zehen, jedoch mit ſtärker vorſpringendem Sohlenballen am Außenrande (ſechſte Zehe), das Orange des Bauches zieht ſich um die Kloakenwölbung herum und die untere Kante des Schwanzes entlang bis zu deſſen Spitze oder wenigjtens bis zu Beginn feines letzten Drittels, dem Oberkopf fehlt meiſt die zierliche Marmorzeichnung des Männchens. Die Grundfärbung der Oberſeite iſt meiſt heller als die des letzteren, nämlich lehmbraun, ockergelb oder hell olivenbraun, manchmal mit ganz ausgeſprochen oliven-, ja apfelgrünem, an die Färbung des mar— morirten Molches (Triton marmoratus, Latr.) erinnernden Ton.!) Ueber die Mittel— ) Brüggemann meint [Bremen S. 207], die Grundfärbung des männlichen Fadenmolches (Hell— braun) ſei, im Gegenſatz zu dem Olivengrün oder Olivenbraun des Teichmolches, ohne grüne Beimiſchung. Ausgiebiges lebendes Material läßt jedoch dieſe Meinung als eine nicht zutreffende erſcheinen: man findet viele Männchen mit olivenbrauner bis olivengrüner Grundfärbung und mehr noch kann ein grüner Ton bei den Weibchen wahrgenommen werden. 41⸗ Landkleid. Larven. 644 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. linie des Rückens zieht gern ein gelber Streifen, im Uebrigen erſcheint die Oberſeite bei manchen Thieren ziemlich einfarbig, bei den anderen mit ſehr kleinen, unregel— mäßigen ſchwärzlichen Punkten gejprenfelt, die ſehr häufig an jeder Seite des Rückens zu einer welligen oder gekerbten, mitunter auch auf den Schwanz ſich fortſetzenden Zickzacklinie zuſammenſtoßen. An der unteren Seitenpartie findet ſich wie beim Männchen ein weißlicher oder gelbweißer, mit ſchwärzlichen Punkten und Fleckchen beſetzter Längsſtreif; auch der ſenkrechte weißgelbliche Längsfleck über der Wurzel der Hinterbeine iſt in der Regel vorhanden, und ebenſo iſt der Schwanz entſprechend dem des Mänucheus gefärbt, nur daß die beiden ſchwarzen Tüpfelreihen an jeder Schwanz— ſeite gewöhnlich undeutlicher ſind und das Orange an der unteren Schwanzkante, wie erwähnt, ziemlich bis zur Spitze ſich verfolgen läßt. Hinterfüße und Kloake zeigen die ſchon erwähnten Unterjchiede, Kehle und Bauch hingegen Uebereinſtimmung mit dem Mäunchen, nur will mich bedünken, als ob öfter Weibchen mit — wenngleich ſparſam — getüpfeltem Bauch vorkämen. Im Landkleid, welches ſie im Juni oder z. Th. ſchon im Mai anlegen, weichen die beiden Geſchlechter durchaus nicht ſo voneinander ab wie im Hochzeitgewand, im Gegentheil: da beim Männchen nach der Laichzeit der Schwanzfaden bis auf einen Reſt oder auch gänzlich ſich verliert, die Rückenleiſte, die ja ohnehin nie hoch iſt, ſich zurückbildet, („in winter the dorsal erest is diminished by about onethird, although it is never very deep“ jagt Bell 1849), der Hautſaum an der oberen und unteren Kante des Schwanzes ſchwindet und der letztere dicklicher wird, die Hinterglieder das Gepräge der Schwimmfüße einbüßen und der Kloakenwulſt dünner wird, jo werden die Geſchlechter in der Tracht ſich immer ähnlicher und es läßt ſich dann oft das Männchen nur an der dunklen Färbung der Kloake und Hinterfüße erkeunen. Im Uebrigen weiſt das auch des ſchöuen Metallſchillers verluſtig gegangene Landkleid des Männchens oberſeits einen mehr dunklen oder aber mehr hellen Grundton auf, im erſteren Fall ſind die bekannten ſchwärzlichen Makeln faſt nicht zu ſehen, im zweiten Fall treten ſie mehr hervor, wenn ſie nicht überhaupt auch heller, matter werden und zuweilen ſogar völlig verwiſchen; die weißen und weißlichen Partien der Unterſeite erſcheinen viel weniger rein als im Hochzeitkleid, ſondern mehr gelblich, und die orangegelbe Zone der Bauchmitte verlöſcht mehr und mehr oder löſt ſich auf. Letzteres trifft auch für das Landkleid des Weibchens zu, deſſen Unterſeite im Allgemeinen gelblich oder gelb— weiß getönt iſt, mit kleinen dunklen Flecken oder ohne Makeln, während auf der gelblichen oder bräunlichen Oberſeite ausgeſprochene, getrennte Tüpfel und Flecken ge— wöhnlich weniger ſich zeigen, oft aber an jeder Seite des gelben oder doch gelblichen Rückgratsſtreifens ein graues oder olivengrünliches Wellenband hinzieht. Die Larve des Leiſtenmolch hat, wie ja auch die auf Seite 607 angegebenen Maaße darthun, jo große Aehnlichkeit mit der vorigen Art, welcher ſie ja auch in der Größe gleicht, daß ſie in den erſten Monaten ſchwer von jener ſich unterſcheiden läßt und J. von Bedriaga auf Grund ſeiner Unterſuchungen nur zwei Erkennungszeichen angiebt: die im Vergleich zum Interpalpebralraum ſchmäleren Lider (der Raum zwiſchen den Augenhügeln iſt von mehr als doppelter Augenlidbreite) und die geringere Entfernung des Naſenloches vom Auge. Der Rumpf iſt eher noch ſchlanker gebaut als der des Triton vulgaris mit einer zuweilen nur angedeuteten Längsfurche und 13 Querfurchen an der Seite und etwa 8 Querfurchen am Bauch, der Kopf ziemlich deutlich vom Rumpf abgeſetzt, von den Augen ab nach vorn zu gegen die breit verrundete Schnauzenſpitze ganz allmählich verſchmälert, der Schwanz ebenſolang oder etwas kürzer als der Körper, am Ende mehr oder minder abgeſtumpft oder in eine mäßig lange Sechſte Art. Leiſtenmolch. 645 Spitze ausgezogen, bei vierfüßigen, vor der Umwandlung ſtehenden Larven mitunter auch ein kleines Spitzchen aus dem im Uebrigen abgerundeten Ende vorſpringen laſſend, auch beſitzen ſolche Larven ſchon die breiten Hinterfüße mit den am Grunde dicklichen Zehen und die bekannten Höckerchen an der Fußſohle und dem Handteller; der Längs— durchmeſſer der ziemlich großen Augen iſt etwa ebenſolang wie die Entfernung zwiſchen Auge und Naſenloch und größer als der Abſtand zwiſchen beiden Naſenlöchern, die Oberlippenlappen ſind mäßig entwickelt, von den drei langfädigen Kiemen erreicht die oberſte bei großen Larven eine Länge von 3 bis 4 mm. — Auch in der Färbung erinnert die Larve des Leiſtenmolch an die des Triton vulgaris. In der Jugend er— ſcheint die Oberſeite bräunlichgelb oder matt gelbbraun, bedeckt mit äußerſt zahlreichen dunkelbraunen Pünktchen, welche bei manchen Stücken zu Schnörkeln und veräſtelten Fleckchen aneinanderſtoßen und in ſolchen Fällen den hellen Grundton nur in Geſtalt gelblicher Tupfen und kurzer Längsſtriche, die „am Rumpf eine oder zwei über der Längsfurche verlaufende und am Schwanz gegen den oberen Floſſenſaum hin ſich fort— ſetzende Reihen bilden“, zur Geltung kommen laſſen. Bei ſechs oder acht Wochen alten Larven hat ſich die Grundfarbe der Oberſeite zu einem hellen Oliven- oder Lederbraun umgeſetzt, ein dunklerer Strich zieht auf dem Rückgrat hin und auch ſeitwärts wird der Rücken durch dunkelbraune Säume, die eine Fortſetzung auf dem Schwanze finden, be— grenzt. Wie auf dieſen Partien, ſo gewahrt man auch auf dem im erſten Larvenleben weißlichen, ſpäter gelblichen, goldfarbigen oder blaßröthlichen, ungefleckten Bauch einen ſchönen Silber- bezw. Goldglanz, und die untere Schneide des Schwanzes zeigt ein leichtes Orange, während die blaßgoldgelbe Iris ſchwärzlich genetzt oder beſtäubt erſcheint. Obwohl von H. Fiſcher-Sigwart, F. Leydig u. A. überwinterte Larven beobachtet worden ſind, welche „ſchon die Geſtalt, Färbung und Größe der Alten angenommen haben“, ſo wandeln ſich die Kiementräger doch faſt immer im Spätſommer und Früh— herbſt zu Lungenathmern um. Dieſe durchſchnittlich etwa 25 mm langen Jungmolche erinnern ebenſo an die alten Weibchen im Landkleid wie an die jungen Streifenmolche. Die Oberſeite iſt gelblich bis bräunlich, entweder ungefleckt, oder mehr weniger getüpfelt, an den Rückenkanten mit oder ohne dunkle Wellenlinie, die Unterſeite iſt ſchwefel- bis orangegelblich oder röthlichgelb, einfarbig oder mit unbedeutenden dunklen Makeln; gern zieht über die Kopfſeiten und quer durch das Auge ein dunkler Strich. Geographiſche Verbreitung. In dem Leiſtenmolch haben wir wie in der Ge— burtshelferkröte eine ausgeſprochen weſteuropäiſche Art vor uns, und der Verbreitungs— bezirk beider Spezies weicht nur inſofern auseinander, als der Leiſtenmolch außer in den von beiden gemeinſam bewohnten Ländern Spanien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Schweiz und Weſt⸗Deutſchland auch in Holland und Großbritannien gefunden wird, dafür aber auf der Pyrenäiſchen Halbinſel nicht ſo weit nach Süden geht, ſondern nur im nördlichen Spanien heimiſch und in Portugal überhaupt nicht zu Hauſe iſt; ſein Wohnkreis würde ſich alſo über etwa 14 Breiten- und 19 Längengrade erſtrecken. Mit der Geburtshelferkröte hat der Leiſtenmolch noch einen anderen Zug gemeinſam: von Frankreich, dem „eigenthümlichen Heerd ſeiner Verbreitung“, wo er nach Mittheilung der franzöſiſchen Autoren vom Süden an bis in die nördlichen Grenzdiſtrikte hinauf angetroffen wird, iſt er auf deutſches Gebiet übergetreten und bei uns immer weiter nach Oſten, jetzt bis nahe an den 29. Ferro-Grad vorgedrungen. Ebenſo hat er ſich in der Schweiz, wo er bereits im vorigen Jahrhundert durch Razoumowsky im Jura entdeckt und daher auch mit dem zweiten Artnamen „helveticus“ bezeichnet wurde, von den Jura- und Baſeler Gebieten oſtwärts gezogen, ſodaß er gegenwärtig dort in der ganzen Schweiz weſtlich und nördlich der Hauptgebirgskette, bis zu 850 m Meereshöhe, Junge. Allgemeine Ver— breitung. Sid-Deutfchland. Mittel⸗Rhein. 646 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche. anzutreffen ift; V. Fatio ſtellte ſeineAnweſenheit in den Umgebungen von Genf, Lauſanne, Neuchätel, Solothurn, Bern, Baſel, Konſtanz und Chur feſt und erinnert an die Angabe Heer und Blumers, daß er auch in Glarus vorkomme; bei Bern iſt er laut Prof. Th. Studer nicht ſelten in Sümpfen, während er im Berner Oberland ebenſo wie im hochgebirgigen Wallis, Teſſin, Graubünden, Italien und in den öſterreichiſchen Alpen— ländern fehlt; in den Kantonen Luzern, Aargau, Solothurn, im Berner Mittel- und Seeland und Jura findet er ſich laut H. Fiſcher-Sigwart häufig und bis zu 600 m und wohl auch darüber; in der Umgebung Baſels tritt er laut Dr. Fr. Müller ſowohl auf ſchweizer, wie auf deutſchem Gebiete auf, ſo im unteren Birsthal, in den Langen Erlen, am Ettinger Blauen und bei Neudorf. Neudorf liegt im ober-elſäſſiſchen Rheinthal, und wie hier, ſo wird der Leiſtenmolch jedenfalls im ganzen Elſaß zu Hauſe ſein, da er uns wiederum in der Rheinpfalz und zwar laut C. Koch, welcher beiſpielsweiſe auch in einem hochgelegenen Moorgrund unter der rund 700 m hohen Kalmit im oberen Thal von St. Martin bei Neuſtadt a. d. Haardt ſchon zahlreiche Stücke ſammelte, und laut M. Kruel beſonders in und an der Haardt ſehr häufig bezw. ebenſo häufig als der Bergmolch begegnet. Auf der rechten Seite des Oberrheinthales, alſo zunächſt in Baden, finden wir den Leiſtenmolch, deſſen Verbreitung ſich rheinabwärts bis nach Holland verfolgen läßt, wenigſtens im und am Schwarzwald wohl allgemein. Laut brieflicher Mittheilung der Herren Prof. Wieders— heim und W. Tiesler iſt er bei Freiburg am häufigſten im Dreiſamthal, er erſetzt dort im Breisgau förmlich den ſeltenen Streifenmolch und ſteigt im Schwarzwald ge— meinſchaftlich mit dem Bergmolch in Gewäſſer bis zu 1200 m Meereshöhe empor; aus dem Mummekſee an der Hornisgrinde, 1030 m hoch, brachte laut E. Leydig (Württ. Nat. Jahreshefte 1871) Hr. stud. med. Fries zahlreiche Stücke nebſt Larven in den Pfingſtfertien 1871 nach Tübingen und in dem benachbarten, etwa gleichhoch belegenen Wilden See erbeutete ihn und mit ihm den Tr. alpestris Hr. H. Simon im Mai 1880 (Dr. O. Böttger); F. Leydig giebt ihn 1889 außerdem für den Herrenwieſer See nördlich der Hornisgrinde, über 800 m hoch, an. Auch längs des ganzen Württembergiſchen Schwarzwaldes dürfte er ſich finden, wie er denn auch dem Neckar— land angehört: bei Tübingen, wo er laut Prof. Eimer ſtellenweiſe durchaus nicht ſelten und in 350 m Meereshöhe beobachtet wird, bezw. im Schönbuch bei Bebenhauſen wies ihn, vor drei Jahrzehnten, zuerſt F. Leydig nach, ebenſo 1871 für Reutlingen; im Madenthal bei Stuttgart entdeckte ihn 1872 Hans Simon und Hr. Dr. O. Böttger giebt ihn mir mit dieſer Mittheilung zugleich für den Unterlauf des Neckar, für Heidelberg, an. Er iſt oſtwärts bis Bayern vorgedrungen, denn im Frühjahr 1880 fing A. Wiede— mann einige Stücke in einem bei Agawang (Schwaben) am Walde belegenen, auch von den anderen drei Tritonen bewohnten Tümpel, und laut briefl. Mittheilung des Hrn. S. Cleſſin an Dr. O. Böttger iſt er im Thierbach bei Tückelhauſen nahe Ochſenfurt a. M. häufig. Vom rechten Main-Ufer kennen wir den Leiſtenmolch ſeit 1889 durch Fr. Leydig aus dem Speſſart und laut briefl. Mittheilung Prof. M. Braun's weiterhin aus der Rhön, ferner aus dem das Unter-Mainthal und den Rheingau ſäumenden Taunus: bereits in den 50er Jahren war, wie Kirſchbaum meldet, dieſer Molch durch C. v. Heyden bei Königſtein und Anfang der 60er Jahre durch Kirſchbaum bei Wiesbaden feſtgeſtellt worden; auch Dr. C. Koch und Dr. O. Böttger nennen ihn mir für dieſe Orte ſowie für Homburg, Falkenſtein und Schloßborn im Taunus, aber nicht für die Ebene. Jenſeits des Rheins iſt er bis jetzt nur vereinzelt geſehen worden. So erhielt auch L. Geiſenheyner nur ein Exemplar von der Grenzſcheide zwiſchen Rhein und — Sechſte Art. Leiſtenmolch. 647 Nahe, aus einem Waldtümpel oberhalb Waldalgesheim, dagegen noch keins aus der Umgebung von Kreuznach. Von St. Goar am Rhein bekam Dr. O. Böttger im Mai 1880 vier Stück durch den damaligen stud. Fr. Noll, welcher den Molch auch bei Lollar in Heſſen (zwiſchen Marburg und Gießen) in einem kleinen Gerieſel auf den dortigen Wieſen fing. Weiter rheinabwärts wurde er bemerkt durch Melsheimer bei Linz, wo er ſich vergeſellſchaftet mit dem Bergmolch in Waſſertümpeln des Rhein— brohler und des Leubsdorfer Waldes zeigte, und durch Bertkau und Leydig [Rhön] bei Bonn, z. B. auf dem Venusberg und im Thale in den ſüdlich von Keſſenich ge— legenen Waſſeranſammlungen ſowie in Waldgräben des Kottenforſtes. Das Vorkommen in Hunsrück und Eifel bliebe noch zu erforſchen. Vom Taunus und Weſterwald iſt der Leiſtenmolch nordwärts ins Sauerland und Bergiſche Land und oſtwärts durch das Heſſiſche Bergland bis nach Thüringen und in den Harz vorgedrungen. Im Bergiſchen wurde er von Behrens im Frühjahr 1877 in den Sümpfen der Varresbeck gefunden und im ſüdlichen Sauerland laut Fr. Weſthoff durch R. Becker 1890 in der Umgegend von Hilchenbach entdeckt und ſeitdem daſelbſt in klaren Viehtränken nicht ſelten beobachtet, ſodaß man eine weitere Verbreitung in den Sauerländiſchen Gebirgszügen vorausſetzen durfte, und in der That iſt er denn auch im April 1895 in einem Teich des Seufzerthales bei Arensberg durch Poſtſekr. Mack geſammelt worden. Auch bei Osnabrück, in Tümpeln am Fuße des Muſenberges in der Bauerſchaft Dräper, wo ihn am 14. Mai 1894 Landger. Sekretär Zeiske entdeckte, lebt er [Zool. Anz. 1895 S. 332J. Im Weſer-Bergland iſt der Fadenmolch, wie aus Wolterstorffs „Nordweſtd. Bergldn.“ erhellt, durch Prof. Metzger bei Hannov. Münden (wo er mit Berg- und Streifenmolch z. B. am Catten— bühl bis zu einer Meereshöhe von 300 m geſehen wird), durch Erich Cruſe 1893 in der Gegend von Eſchershauſen: im Angerteich, am Weſtabhang der Homburger Berge, am Waldesrand des Vogler und im Grünenplaner Teich am Oſtabhang des Hils, durch W. Henneberg am Finkenborn auf dem Klüt bei Hameln feſtgeſtellt worden, und von hier aus iſt er nach dem Weſer-Tiefland bei Bremen gelangt: im Frühjahr 1869 fing Fr. Brüggemann ein Männchen in Oberneuland, und auf der rechtsſeitigen Weſergeeſt bei Vegeſack (53 ¼ “ n. Br.) entdeckte ihn 1879 Fr. Borcherding. Auch im Leine⸗Bergland, um Göttingen, iſt er zu finden, und im Harz in waldreicher Gegend des Gebirges überall gemein, ſo im Vorharz bei Lauterberg und Grund, auf der Hoch— fläche von Klausthal in Tümpeln bei Bockswieſe und am Dammhaus, am Nordrand des Gebirges im Innerſtethal, im Okerthal zwiſchen Goslar und Oker und bei Wernigerode, ferner bei Blankenburg im Sägemühlenteich, Kloſtergrund und Dreckthal und im Unterharz ſodann noch im Hagengrund und Kaltethal zwiſchen Thale und Gernrode, am ſchwarzen Stamm bei Mägdeſprung, im Selkethal und auf dem Plateau bei Ballenſtedt, Schloß Falkenſtein, Pansfelde, Molmerswende, Schielo und Stangerode ſowie bei Wippra, wo der Leiſtenmolch überhaupt zuerſt fürs Harzgebiet, und zwar 1887 durch W. Wolterstorff am Ramſengrund, erkannt wurde. Die letztgenannten Plätze, nahe dem 29. Ferro-Grad belegen, ſind die bis jetzt bekannten öſtlichſten Fund— orte des Leiſtenmolches; denn auch der kleine Teich am Wege zum Ringberg oberhalb Ruhla's in Thüringen, in dem Rich. Wolterstorff am 27. Mai 1890 drei Männchen und mehrere Weibchen fing und ſomit dieſe Art für Thüringen entdeckte [Zool. Anz. 1891 S. 65], liegt ziemlich einen Grad weſtlicher. Den Aufenthalt im Harz gebirge und gleicherweiſe in anderen Berglanden bilden vorzugsweiſe „feuchte Schluchten, tief eingeſchnittene Thäler und ſumpfige Stellen in waldiger Gegend“ und hier zur Laichzeit allenthalben Tümpel und Pfützen, beſonders wenn fie moderndes Laub ent— Nordweſt-Deutſch⸗ land. Synonyma. 648 Zweite Klaſſe. Amphibien oder Lurche— halten, Altwäſſer mit trübem oder klarem Waſſer, durch Schnee- und Regen- und Quellwaſſer entſtandene Lachen und Weiher, nicht aber große und frei gelegene Teiche. Obwohl Leiſten- und Bergmolch hinſichtlich der Lebensweiſe viele gemeinſame Züge haben, jo iſt doch der erſtere, wie W. Wolterstorff ſchreibt, empfindlicher und ent— ſchiedener an den Wald gebunden, und daher kommt im Harz der Triton alpestris zwar überall vor, wo der Leiſtenmolch ſich findet, nicht aber der letztere überall dort, wo alpestris heimiſch iſt. Landesübliche Bezeichnungen. Faden-, Schweizer-, Leiſtenmolch; Engl.: Palmated Newt; Franz.: Triton palme. Lacerta paradoxa s. helvetica, Razoumowsky 1789. — Salamandra palmata, Schneider 1799. — Sal. palmipes, Zatreille 1800. — Molge palmata, Merrem 1820. — Triton palmatus, Tschudi |Batr.| 1839. — Duges 1852. — Lissotriton palmipes, Bell. [2. Ausg.] — Lophinus palmatus, Gray 1850 [Cat. S. 28]. — Triton helveticus, Zeydig Molche] 1867. * Südeuropäiſche Lurche. I. Froſchlurche. Für Südeuropa haben wir nur wenige neue, d. h. in: Deutſchland nicht auch vorkommende Froſchlurche zu verzeichen. Neue Familien treten zu den mitteleuropäiſchen überhaupt nicht hinzu, wohl aber zwei neue Gattungen, Pelodytes und Discoglossus. Die in Südeuropa lebenden braunen Fröſche (Ranae fuscae s. temporariae) betrachtet Boulenger als Repräſentanten einer Anzahl von Arten und benannte deshalb 1879 einen langbeinigen, von unſerem Grasfroſch durch die längeren Hinterbeine und vom Springfroſch durch die dicht dunkel, grau— braun oder grau geſprenkelte Kehle und Bruſt und ein kleineres, weiter vom Auge entferntes Trommelfell unterſchiedenen, nur in Ober-Italien heimiſchen Braunrock Rana Latastei und eine im Weſten der Pyrenäiſchen Halbinſel vor- oder allein— herrſchenden, eine Uebergangsform zwiſchen R. Latastei, R. agilis und R. muta bildenden, der letzteren aber am nächſten ſtehenden Froſch Rana iberica. Auch eine Rana graeca hat man aufgeſtellt. Unſer Laubfroſch erſcheint in den Mittelmeer— ländern in einigen eigenthümlichen, auf Seite 511 beſprochenen Formen und Varietäten. Die Knoblauchskröte wird im Südweſten unſeres Erdtheils durch den nahverwandten, jedoch au dem flachen Scheitel, den ſehr großen Augen und dem ſchwarzen Ferſen— höckerkamm leicht zu erkennenden Meſſerfuß (Pelobates cultripes Cue.) erſetzt, und ihm ſchließt ſich als Familien-Genoſſe der von Pelobates durch den ſehr kleinen Ferſen— höcker, unbedeutende, nur am Grunde der Zehen ſich findende Schwimm- oder Spann— häute, durch ſichtbares Trommelfell und ſchmale Parotiden abweichende graugrüne Schlammtaucher (Pelodytes punctatus Daudin) Portugals, Spaniens und Frank— reichs an. Zu der uns ebenfalls bekannten Familie der Scheibenzüngler ſtellt Süd— europa außer der auf Seite 560 erwähnten iberiſchen Abart unſerer Geburtshelferkröte eine zweite Alytes-Spezies, nämlich den plump gebauten, glatthäutigen, kurzbeinigen, am Handteller mit nur zwei Höckern verſehenen Alytes Cisternasi (Bosca 1879) der Pyrenäiſchen Halbinſel, ſowie den auf der letzteren und in den gegenüberliegenden afrikaniſchen Küſtenländern, auf Korſika, Sardinien und Sizilien ꝛc. lebenden, äußerlich an die Fröſche erinnernden bräunlichen bis grünlichen, dunkler gefleckten Scheibenzüngler Discoglossus pietus Otth. II. Schwanzlurche. Die ſüdeuropäiſchen Schwanzlurche gehören ebenſo wie die deutſchen, ausgenommen den in den unterirdiſchen Höhlengewäſſern Krains ſich Südeuropäiſche Lurche. 649 aufhaltenden kiementragenden Fiſchmolch oder Olm (Proteus anguinus Zaur.), zur Familie der Salamander (Salamandridae), vertheilen ſich jedoch auf mehr Gattungen, denn außer den in unſerer Fauna vertretenen Gattungen Salamandra und Triton be— gegnen wir noch den Geſchlechtern Chioglossa, Salamandrina und Spelerpes, aller— dings mit nur je einer Spezies. Der portugieſiſch-ſpaniſche Goldſtreif- und der italienische Brillen-Salamander (Chiogl. lusitanica Docage et Salamandrina perspicillata Savt) find auf den erſten Blick ſchon an der Zeichnung zu erkennen: der erſtere an zwei auf der braunſchwarzen Oberſeite hinlaufenden rothgoldenen Längsbändern, der letztere, welcher auch durch ſeine geringe Größe (8 bis 10 em) und ſeine nur vierzehigen Füße auffällt, an einer röthlichgelben Brillenzeichnung, d. h. einer huf— eiſenförmigen, mit ihrer Wölbung nach hinten gerichteten und über den Augen erweiterten Querbinde auf dem ſchwärzlichen Kopfe. Dieſe beiden Arten und ebenſo der ſehr lang— ſchwänzige und ſchlank gebaute kleine kaukaſiſche Feuerſalamander (Salamandra caucasica Waga) ſowie der zur Unterfamilie der Keilbeinzähner oder Plethodontinae zählende kleine braune Erdtriton (Spelerpes [Geotriton] fuscus Bonap.) Italiens und der Seealpen leben im Allgemeinen nach der Weiſe unſeres Feuerſalamanders, alſo auf dem Lande, während die übrigen Südeuropäer ſich darin unſeren Waſſermolchen anſchließen. Da iſt der prächtige, oberſeits grün und ſchwarz marmorirte, unterſeits röthliche, braun— rothe oder grauſchwarze Marmormolch (Triton marmoratus Latr.) in Portugal, Spanien und Frankreich, der mit dem Kamm-Molch an der Grenze ihrer Verbreitungs— bezirke Baſtarde erzeugt, welche, vom Kamm-Molch als Vater und vom Marmormolch als Mutter abſtammend, Triton Blasii (de? Ble) und bei gegentheiliger Paarung der Eltern— thiere Triton Trouessarti (Peracca) genannt werden. Auf der Pyrenäiſchen Halbinſel heimiſch ſind auch der dem Leiſtenmolch naheſtehende, aber des Schwanzfadens entbehrende, am Schwanzende nur ein kurzes Spitzchen aufweiſende, kammloſe Bosca'ſche Molch (Triton [Pelonectes] Boscai Lataste — Tr. Maltzani Böttger) und der ob ſeiner langen, zugeſpitzten, die Körperhaut häufig durchbohrenden Rippen-Enden „berühmte“, nicht mit Rückenkamm, wohl aber mit Schwanzſaum verſehene olivenbraune, ſchwarz— fleckige Rippenmolch (Pleurodeles Waltli Michah.). Den Pyrenäen eigenthümlich iſt der etwa 10 em lange, kammloſe, durch gekörnelte Haut auffallende, ſtumpfſchwänzige olivenfarbige oder ſchwärzliche Rauhmolch (Triton [Hemitriton] asper Duges — Euproctus pyrenaeus Zataste). Auch die Inſeln Korſika und Sardinien zählen zu ihrer Fauna je einen hier anzureihenden Molch, erſtere den Euproctus montanus Savi, letztere den Euproctus Rusconii Gene. Und ſchließlich hat Boulenger 1880 einen mit Schwanzfaden ausgerüſteten, unſerem Leiſtenmolch nächſtverwandten Triton aus Rumä— nien als Triton Montandoni aufgeitellt, der zwar einen einfarbig orangerothen Bauch wie der Bergmolch, indeß keinen Kamm hat, ſondern eine etwas erhöhte Rückenfirſte und eine ähnliche Längskante an jeder Rückenſeite zeigt und an der Schwanzſpitze einen beim Männchen 5—6 mm langen Faden ſowie auf dem Kopfe drei Längsfurchen aufweiſt; er kommt auch in Siebenbürgen vor. Suſätze. 1. Zu Emys europaea, Sumpfſchildkröte (Seite 14— 28). Die auf Seite 15 verzeichneten Varietäten maculosa und concolor, welche durch Ueberwiegen des Gelb bezw. durch eintönig oder doch nahezu einfarbig dunkele Obertheile auffallen, erwähnt Fr. Werner in ſeinen nach Drucklegung dieſes Werkes erſchienenen „Reptilien und Amphibien Defterreich- Ungarns und der Okkupationsländer“ (Wien 1897) auch für Dalmatien ꝛc. und zwar die erſtere für den See von Bokanjac bei Zara und für Corfu, letztere, welche als var. atra aufgeführt wird, für Dalmatien und Cephallonia— — An der auf Seite 19 und 21 geäußerten Anſicht, daß die Schildkröte weſtlich der Elbe nicht vorkomme und daß es ſich bei Auffindung derſelben in jenen Strichen um ausgeſetzte, entwichene, verſprengte Stücke handele, ändern vorläufig auch die in den letzten Jahren gemachten Funde bei Leipzig, Deſſau, Salzwedel, Braunſchweig, Osna— brück u. a. nichts; da die Schildkröte jedoch allem Anſchein nach an einigen der neuen Aufenthaltsorte ſich fortgepflanzt hat, jo dürfte ſie, wie H. Simroth [Ber. Natf. Gef. Leipzig 1889] für die Umgebungen von Leipzig meint, mit der Zeit ſich wieder Theile ihres früheren Verbreitungs-Gebietes erobern. In Schleswig-Holſtein wurde, nachdem Skelettſtücke in Torfmooren bei Neuſtadt, Segeberg und Ellerbek geſammelt werden konnten, ein lebendes Exemplar laut Fr. Dahl auf dem Gute Kasmark bei Eckern— förde gefangen. 2. Zu Lacerta viridis, Smaragd-Eidechſe. Schwarzrückige Thiere, wie auf Seite 124 erwähnt wurden, ſcheinen namentlich im Adria-Gebiet vorzukommen: Fr. Werner kennt eine oberſeits ſchwarze, gelb punktirte, unterſeits hellgelbe Form, die er var. istriensis benennt, aus Iſtrien und von deſſen Inſeln, und eine ober- und unterſeits einfarbig graphitſchwarze Spielart, var. holomelas, aus der Herzegowina, aus Kärnthen und von Znaim in Mähren. Demſelben Autor zufolge fehlt viridis dem alpinen Theil von Ober- und Nieder-Oeſterreich, während ſie, was letzteres anbe— trifft, bei Mödling, Baden, Vöslau, Gloggnitz und namentlich in den an Mähren grenzenden Theilen ſehr häufig iſt. (S. S. 132.) 3. Zu Lacerta agilis, Zaun-Eidechſe. Eine Spielart, Weibchen, welche zwiſchen den von mir auf Seite 153 angeführten Varietäten immaculata und melanonota etwa in der Mitte ſteht, erwähnt P. Krefft auf S. 131 von Wolters— torff's „Nordweſtd. Bergldn.“: Grundfärbung ſchwarzbraun, der Rücken durch zwei breite weiße, auf den Schwanz übergehende Streifen begrenzt, von der Reihe heller Augenflecke auf der Rückenmitte iſt nur noch im Nacken und in der Sakralgegend ein wenige Millimeter langes Strichelchen übrig geblieben, die dunkle Umrahmung der Flanken-Augenflecken hebt ſich nur bei ſehr heller Beleuchtung ein wenig gegen die etwas lichtere Grundfärbung ab; Unterſeite gelbweiß mit ſchwärzlichen Sprenkeln. — Fr. Werner vermerkt in der angezogenen Arbeit ebenfalls einige Varietäten, von denen die var. „spinalis“ mit meiner „albolineata“ zuſammenfällt und die var. „annulata“, welche nur Weibchen umfaßt, mit der von mir auf Seite 151 angegebenen, durch fünf oder ſieben Längsreihen weißgeaugter ſchwarzer Flecken gekennzeichneten Zeichnungsform Zuſätze zu Zaun-Eidechſe, Wald-Eidechſe. 651 der Weibchen gleichbedeutend iſt, während die blos für männliche Thiere geltende hell— grüne, an den Seiten dunkel gepunktete, auf Rücken und Schwanz mit einem breiten braunen, außen heller geränderten Längsband verſehene var. „dorsalis“ der auf Seite 154 beſchriebenen rothrückigen Spielart naheſteht. Die letztere wurde noch beobachtet von A. Wiedemann in der Umgebung Augsburg's bezw. im Zuſamthal, von L. Köhnke vereinzelt bei Salzwedel, von P. Krefft und Prof. Steinacker bei Braunſchweig. Betreffs der Verbreitung der L. agilis ſei noch darauf hingewieſen, daß unſere Eidechſe vom Harz (Seite 157) laut Wolterstorff erſt von Sangerhaufen und Blankenburg bekannt iſt, während fie dem Gebirgsſtock fehlt und auch am Rande nicht immer zu finden, wiederum aber am Kyffhäuſer und im Leine- und Weſerbergland wie im Sauer— und Münſterland verbreitet iſt; ferner daß ſie (Seite 160) laut Fr. Werner in Dal— matien ausſchließlich in den Dinariſchen Alpen (Cincar, 2000 m) und im Velebit (bis 1300 m) an der kroatiſchen Grenze, laut Tommaſini in der Herzegowina nicht unter 600 m Meereshöhe vorkommt, wogegen wie erwähnt Iſtrien und Illyrien, nebſt den iſtriſchen und dalmatiniſchen Inſeln, die einzigen Länder der öſterr.-ungar. Monarchie find, denen die Zaun-Eidechſe vollſtändig abgeht. Aus Werners Mittheilungen erhellt zugleich, daß agilis in jenen ſüdlichen Strichen höher ins Gebirge hinaufſteigt als in den eigentlichen Alpen und den deutſchen Gebirgen. 4. Zu Lacerta vivipara, Wald-Eidechſe. Die ſchwarze Abart (S. 172) wurde nicht nur an verſchiedenen Orten des deutſchen Tief- und Gebirgslandes und der Alpen, ſondern auch laut Fr. Werner in Bosnien und nach L. v. Méhely in Oſt— Siebenbürgen beobachtet. Eine beſondere Abweichung der var. montana, nämlich eine einfarbig olivengrüne Spielart, kennt Fr. Werner aus Krain und nennt ſie deshalb var. carniolica. Zu den Angaben über die geographiſche Verbreitung möge Folgendes ergänzend bemerkt ſein: In Schwaben (Seite 174) fand A. Wiedemann die Wald— Eidechſe auf Alpenwieſen bei Kranzegg, Vorderburg, Immenſtadt, Füßen, Hohenſchwangau, Oberſtaufen, Lindau ꝛc., am häufigſten jedoch im mittleren Zuſamthal. Auch in Wolters— torff's „Nordweſtd. Bergldn.“ wird hervorgehoben, daß ſie im Harz (Seite 176) überall, z. B. Selke-Plateau, Gernrode, Thale, Blankenburg, Wernigerode, Ilſenburg, Harzburg, Goslar, Oberharz, Brocken, Grund, Nordhauſen, ebenſo im Vorland zwiſchen Harzburg und Braunſchweig (Waſſerleben, Schladen, Lappwald, Elm, Aſſe) häufig und gleicherweiſe im Kyffhäuſer, im Leine- und Weſerbergland und im Osnabrücker Land auftritt. In J. Schulze's Fauna saxonica wird durch Fr. Borcherding u. A. beſtätigt, daß L. vivipara in der nordweſtdeutſchen Tiefebene viel häufiger als L. agilis und beſonders zahlreich auf den Knicks, an Grabenufern auf Haiden, Mooren und anmoorigem Boden iſt und die Aufzählung einzelner Fundorte aus den Hannover— ſchen, Oldenburgiſchen und Bremer Moordiſtrikten ſich erübrigt; auch auf der Inſel Borkum u. a. wurde ſie feſtgeſtellt, in Schleswig-Holſtein ſcheint ſie nach Fr. Dahl faſt überall heimiſch zu ſein, in der Nähe Hamburgs beobachtete ſie Schmeltz beiſpiels— weiſe bei Bergedorf und Friedrichsruhe, in der Umgebung Salzwedels L. Köhnke ziem— lich häufig im Ferchau und an anderen Plätzen, bei Oſterburg W. Wolterstorff, bei Leipzig O. Taſchenberg. In der öſterr.-ungar. Monarchie (Seite 179) fehlt ſie laut Fr. Werner nur in Dalmatien und Iſtrien ſowie in der Herzegowina vollſtändig, während ſie in Bosnien — und dies dürfte der einzige bekannte Fundort auf der Balkan-Halbinſel ſein — auf dem Vlaſié-Plateau, etwa 44½ Grad n. Br., vom Grafen Brandis in etwa 1700 m Seehöhe geſammelt wurde; im Burzenland Sieben— bürgens konnte Méhely fie an zahlreichen Stellen, am tiefſten bei 800 m im Tömöſcher Paß, am höchſten bei 2400 m im Bucſees-Gebirge, beobachten. 652 Zuſätze zu Mauer-Eidechſe, Ringel-, Würfel-, Aeskulap- und Glatte Natter. 5. Zu Lacerta muralis, Mauer-Eidechſe. Fr. Werner bringt die Mauer-Eidechſen der öſterr.-ungar. Monarchie in zwei Hauptgruppen und zwar nach Bedriaga's Vorgang in die Gruppe der Subſpezies fusca und der Subſpezies neapo- litana. Zur erſten zählt außer der im Alpengebiet, in Nieder-Oeſterreich, Steiermark, Kärnthen, Tirol, im ſüdlichen Mähren, in Ober- und Süd-Ungarn (Bellye und Darda), in Siebenbürgen und Bosnien heimiſchen und ebenſo in Deutſchland zu findenden Stamm— form, der gewöhnlichen Mauer-Eidechſe (typica), eine Varietät mit ſchwarzgefleckter Unter: ſeite (maculiventris) von Görz, Trieſt, Fiume, Bosnien und eine ähnliche braune Varietät von der Inſel Liſſa (lissana); zur neapolitana -Gruppe, die größeren, kräf— tigeren, dickköpfigen Mauer-Eidechſen umfaſſend, gehören die meiſten der iſtriſch-dalma— tiniſch-herzegowiniſchen muralis-Exemplare und zwar in drei Hauptvarietäten: var. littoralis, Werner, var. olivacea, Hain. und var. Merremii, Fitz., und von der letz— teren wiederum unterſcheidet Werner außer der ſiebenfach dunkelgeſtreiften Form eine grüne Trieſtiner, eine norddalmatiner, eine Spalatiner, Pelagoſa- und Zaratiner Form. Der var. Merremii iſt auch die ſchwarze Form melisselensis (Seite 204) zuzurechnen. 6. Zu Tropidonotus natrix, Ringelnatter (Seite 278 ff.) In Oeſterreich-Ungarn wurde laut Fr. Werner die var. gronovianus und die mit ſchwarzen Querbändern gezeichnete Varietät (Cetti) im Alpengebiet, ſelten in Nieder-Oeſterreich, die fleckenloſe Spielart in Nieder-Oeſterreich, die Varietät persa, welche in Dalmatien häufiger als die ungeſtreifte Form ſei, in Mähren, Nieder-Oeſterreich, Steier— mark, Kärnthen, Südtirol, Dalmatien, Bosnien, Herzegowina und Ungarn, die ſchwarze Ringelnatter endlich, die vorwiegend alpine Form, in Nieder- und Ober— Oeſterreich, Steiermark, Kärnthen und Südtirol, bei Fiume, in Dalmatien und den Okkupationsländern nachgewieſen. Derſelbe Autor führt als neue, ihm von Corfu und aus Jedleſee bei Wien bekannte Spielart eine var. subfasciata auf: Bauch ohne Würfel— flecken, aber jedes Bauchſchild mit ſchwarzem Hinterrand, vorderſter Theil des Bauches ganz weiß, Schwanzunterſeite ſchwarz. 7. Zu Tropidonotustessellatus, Würfelnatter (S. 295). Fr. Werner giebt in der oben erwähnten Schrift an, daß das größte von ihm gemeſſene Stück aus Bosnien 1,06 m und ein ſchwärzliches Exemplar faſt 1½ m lang war und daß die Zahl der 33—36 mm langen und 19—22 mm dicken Eier 15 bis 25 betrage. 8. Zu Coluber Aesculapii, Aeskulap-Natter. Die von Fr. Werner aufgeſtellte var. subgrisea: oben ſchwarzgrau bis tiefſchwarz, unten dunkelgrau mit oft ganz heller Bauchkante, reiht ſich der Fitzinger'ſchen var. nigra (Seite 311) an. Unſere Vermuthung, daß die Natter auch in Siebenbürgen vorkomme (Seite 315), wird durch Mehely und Werner zur Gewißheit, indem dieſe Gewährsmänner folgende Fundſtätten nennen: Bereczk, Häromszeker Komitat, Ojtozer Paß, wahrſcheinlich auch Schulergebirge und Tömöſch. Die Angabe Werner's jedoch, daß unſere Natter auch in Dänemark zu Hauſe ſei, entſpricht nicht den Thatſachen. Méhely theilt noch mit, daß Aesculapii bis acht Eier, jedes von 5—5,5 em Länge, lege. 9. Zu Coronella austriaca, Glatte Natter. Außer den auf Seite 325 beſprochenen Varietäten, von welchen Fr. Werner die von uns als „immaculata“ bezeichnete ungefleckte Spielart als „concolor“ erwähnt, führt dieſer Autor noch eine ſeltene, im Naturhiſtor. Hofmuſeum Wien in einem Exemplar vorhandene var. lateralis auf, die ſich durch eine gegen die hellere Rückenzone ſcharf abgeſetzte dunkle Seitenzone und durch einen dunklen Längsſtrich auf der Mitte jeder Schuppe auszeichnet, und erinnert daran, daß V. Gredler in Tirol auch einen Albino beobachtete. Betreffs der Färbung der Geſchlechter (Seite 324) meint Fr. Werner, daß die Oberſeite beim Zuſätze zu Kreuzotter, Aspis-Viper. 653 Männchen mehr rothbraun oder gelbbraun, beim Weibchen mehr graubraun ſei. Bezüg— lich der geographiſchen Verbreitung ſei noch erwähnt, daß Exemplare der Glattnatter von Hannover, Colshorn und Münden im Prov.-Muſeum zu Hannover ſtehen, daß ferner die Natter laut L. Köhnke in der Altmark in der Wildbahn bei Klötze, in der altmärkiſchen Schweiz bei Zichtau und im Wismar und im Nieps bei Beetzendorf gefangen und laut Fr. Dahl im Eſinger Moor bei Pinneberg und im Eppendorfer Moor nördlich von Hamburg erbeutet worden iſt. In Norwegen (Seite 332) ver— breitet ſie ſich, laut R. Collett, bis zum 62 ½ en. Br.: Dovre, Trondhjemsfjord. 10. Zu Vipera berus, Kreuzotter. Eine ſehr beachtenswerthe, in mehr— facher Hinſicht von der Stammform ſich entfernende Abart iſt die allerdings lokal begrenzte var. bosniensis, Bligr., welche von Fr. Werner folgendermaßen charakteriſirt wird: Auge von den Oberlippenſchildern durch zwei Reihen Schildchen getrennt, wie bei V. aspis; Rücken, namentlich in der hinteren Körperhälfte, mit Querbinden jtatt eines Zickzackbandes; Grundfärbung ſtets braun oder graubraun, manchmal ſehr dunkel. Dieſer Varietät gehören nach Werner alle angeblichen „Vipera aspis“ aus Kärnthen, Krain und Bosnien an, und obwohl ſie auf den erſten Blick mit aspis eine große Aehnlichkeit beſitzt, ſo weiſt doch die flache, nicht aufgeſtülpte Schnauze und das ſtete Vorhandenſein des Frontale und der Parietalia auf V. berus hin. — Aus der Umgegend Salzwedels (Seite 352) nennt L. Köhnke als Fundorte das Salzwedeler Bürgerholz und die Buchhorſt, wo ſie überaus häufig iſt, und den ſchwarzen Berg. In der öſterr.- ungar. Monarchie iſt berus laut Fr. Werner mit Ausnahme von Iſtrien und Dalmatien, wo ſie gänzlich fehlt, überall verbreitet. Dieſer Autor kennt ſie u. a. aus Nieder-Oeſterreich (Seite 355) von der Raxalpe, vom Schneeberg und Sonnwendſtein, vom Kreuzberg bei Payerbach, von Moosbrunn und aus dem Wald— viertel (bei Mayerling-Baden iſt wahrſcheinlich V. Ursinü), aus Ober-Oeſterreich von Redl⸗Zipf, aus Kärnthen von Malborghet, aus Mähren von Rothwaſſer und Iglau, aus Siebenbürgen vom Tömöſcher Paß, von Elöpatak u. a. O., aus Bosnien und der Herzegowina vom Vlaſié-Plateau, von Sarajewo, Linie Gacko-Artovac bis Korito (Tommaſini) und Trebinje (v. Mojſiſovics). — Hinſichtlich des Giftes (S. 359 und 244) ſei vermerkt, daß nach den Unterſuchungen von Phiſalix und G. Bertrand [Bull. Mus. d' Hist. natur. Paris 1895] das Gift der Otter vom Frühling bis zum Herbſt an Stärke zunimmt und am Ende des Jahres am ſtärkſten iſt und der Igel zwar den Angriffen der Viper geſchickt auszuweichen weiß, indeß auch ohne Schaden mehrere Biſſe vertragen kann, ohne daß man beſtimmt anzugeben vermag, worauf die Immunität, die Widerſtandsfähigkeit des Igels gegen das Otterngift beruht. Bei den Verſuchen und Forſchungen A. Calmette's [Annal. Institut Pasteur VIII. et IX. Paris 1894/95] erwies ſich als ſehr gutes Mittel, Thiere gegen Schlangengift immun zu machen, Chlorkalk, der in gelöſtem Zuſtande unter die Haut geſpritzt wird: Kanin— chen ſo behandelt, zeigten ſich gegen Schlangengift vollkommen widerſtandsfähig. Des— halb empfiehlt Calmette, gegen Schlangenbiſſe Einſpritzungen von Chlorkalklöſung (1:60) unter die Haut zu machen, und das wirkſamſte Mittel gegen den Biß der Giftſchlangen iſt die Injektion von Serum immuniſirter Thiere. Freilich läßt ſich über die Erfolge bei Menſchen noch nichts ſagen. 11. Zu Vipera aspis, Aspis-Viper. Die von mir auf Seite 366 als „auffallend“ bezeichnete Nachricht A. v. Mojſiſovics' über das vermeintliche Auf— finden zweier „Aspis“ bei Trebinje hat ſich dahin aufgeklärt, daß dieſe beiden Stücke thatſächlich keine Aspis-Vipern find, ſondern zu der oben erwähnten bosniſchen Varietät der Kreuzotter gehören. 654 Zuſätze zu Vipera Ursinii, Froſchlarven und Waſſerfroſch. 12. Zu Seite 369. Die Vipera Ursinii wurde bereits 1835 von Bonaparte in Italien entdeckt, ging aber dann in die Synonymie der Vipera berus über und wurde erſt 1893 durch Boulenger wieder „der Vergeſſenheit entriſſen und in ihre wohlverdienten Rechte als ſelbſtändige Art eingeſetzt“, deren Unterſchiede gegenüber der berus wie folgt angegeben werden: Kopf kleiner als bei berus und vorn deutlich drei— eckig zugeſpitzt; Auge kleiner als bei berus, ſein ſenkrechter Durchmeſſer niemals größer als ſein Abſtand vom Mundrande; über dem Roſtrale ein unpaares Schildchen, ſehr ſelten zwei; Schuppen in 19 (ſelten in 20 oder 21) Längsreihen und ſtark gekielt; Frontale länger als bei berus, bedeutend länger als breit; um das Auge herum ſtehen 7—9 (ſelten 10) Schildchen; Bauchſchilder beim Männchen 120—135, beim Weibchen 125 —142, Schwanzſchilder-Paare beim Männchen 30—37, beim Weibchen 20—28. Vorkommen: Nieder-Oeſterreich, Ungarn, Siebenbürgen, Bosnien, Inſel Veglia, Abruzzen, Depart. Nieder-Alpen. 13. Zu Seite 399. Auch auf der deutſchen Naturforſcher-Verſammlung im September 1896 zu Frankfurt a. M. berichtete Prof. G. Born über ſeine, ſeit mehr als Jahresfriſt unternommenen und auf das Zuſammenwachſenlaſſen von Froſchlarven gerichteten Verſuche, inſonderheit über die Verwendung der Larven des Teichfroſches Rana esculenta auf einer Altersſtufe, auf der ſich die Rückenrinne eben geſchloſſen hat und Kopf und Schwanz eben als ſtumpfe Knospen aus dem Leibe hervortreten. (Man bringt die Larven in Kochſalzlöſung von 0,6 Proz. Salzgehalt und ſchneidet ſie dann mit ſcharfem Meſſer an. Je zwei der angeſchnittenen Thiere werden mit den Schnittflächen aneinandergebracht und zwar mit Hilfe eines kleinen Pinſels; ein auf— gelegtes Drahtſtückchen hält ſie darauf zuſammen. Bald kann man ſie in ein anderes Gefäß bringen, ohne daß ſie auseinanderfallen.) Von hundert ſo zuſammengefügten Larven blieben etwa dreißig bis zur Metamorphoſe und auch darüber hinaus am Leben. Die Vorbedingung dazu iſt, daß gewiſſe unentbehrliche Organe wenigſtens bei einem von beiden Theilen unverletzt geblieben ſind. So muß wenigſtens ein vollſtändiges Herz und ein durchgehender Darmkanal vorhanden ſein. Vortragender zeigte Thiere mit einem Kopfe und zwei Schwanzenden, Thiere mit acht Beinen, mit zwei Köpfen u. ſ. w. Sind beide Herzen vorhanden, jo müſſen doch die Blutgefäße beider Theile zuſammenhängen. Es laſſen ſich Thiere herſtellen mit einem Januskopf, wenn man die angeſchnittenen Rückenflächen zuſammenwachſen läßt. Dabei kommt es vor, daß eine von beiden Hälften raſcher wächſt. Dieſe gewinnt dann im Doppelweſen die Oberhand, bewegt ſich in der natürlichen Lage und ſchleppt die andere Hälfte auf dem Rücken mit ſich herum. Zumeiſt beſtehen die Doppelweſen des Vortragenden aus derſelben Froſchart. Es iſt aber auch gelungen, Rana esculenta mit Rana fusca zuſammen— wachſen zu laſſen, nicht aber den Froſch mit der Unke. 14. Zu Rana esculenta, Waſſerfroſch. Der große Seefroſch (S. 426) iſt von mir auch bei Brandenburg a. d. Havel gefunden worden und laut Fr. Werner (Rept. u. Amph. Oeſterr.-Ung.] die einzige esculenta-Form in Dalmatien, Iſtrien, auf den iſtrianiſchen Inſeln und in Bosnien, während er in Ungarn und Siebenbürgen und Nieder-Oeſterreich (Steinhof bei Inzersdorf, Lagerberg, Laxenburg) neben der Stamm— form vorkommt. Derſelbe Autor führt die Var. Lessonai (S. 427) für die Wiener Gegend: Prater, St. Andrä-Wördern und Oberweiden, an und bemerkt, der eigent— liche, typische Teichfroſch gehöre in Oeſterreich-Unngarn mehr dem Alpengebiete an und finde ſich, freilich nicht überall, von Salzburg und Tirol ab bis Siebenbürgen, wogegen er in Dalmatien, Iſtrien, Bosnien völlig durch var. ridibunda erſetzt werde. In der Zuſätze zu Gras-, Moor- und Springfroſch, grüne und Kreuzkröte. 655 Altmark hat L. Köhnke die letztere Varietät in den Gräben vor der Buchhorſt bei Salzwedel feſtgeſtellt. 15. Zu Rana muta, Grasfroſch. Fr. Werner unterſcheidet unter den in der öſterr.-ungar. Monarchie vorkommenden Formen außer einer oberſeits rothbraun und hellroſenroth marmorirten var. marmorata und einer grob ſchwarzgefleckten var. nigromaculata, beide aus dem Wienerwald, eine var. bosniensis — oben und unten dunkelgrau mit undeutlicher Zeichnung, Kehle und Bruſt mit heller Mittellinie, Schwimm— häute bis zur Mitte des letzten Gliedes der 4. Zehe reichend, Hinterbeine an den Kör— per angelegt, mit dem Ferſengelenk die Schnauzenſpitze überragend — aus Travnik in Bosnien, welchen ſich noch die Méhely'ſche, im Netyezätgebirge in Siebenbürgen von G. Entz geſammelte Varietät Entzi anreiht, deren Oberſeite mit tief ſammetſchwarzen großen und kleinen Flecken, zwiſchen deuen ſchmutzigweiße Tupfen eingeſtreut ſind, dicht beſetzt iſt. R. muta z fehlt laut Fr. Werner muthmaßlich dem ebenen Oſten Nieder— Oeſterreichs und auch den waldloſen, trockenen Karſtländern Iſtrien und Dalmatien, wo er durch R. agilis vertreten wird, während er in den öſterreich. Alpen häufig iſt und bis zur Schneegrenze, in den Karpathen, Fogaraſcher Gebirge, bis 2000 m Seehöhe aufſteigt. 16. Zu Rana arvalis, Moorfroſch. Als Fundorte (S. 454 ff.) erwähnt Fr. Dahl die Umgegend von Kiel und Hamburg, L. Köhnke die Ritzer Kuhweide und den Südrand des Bürgerholzes bei Salzwedel, W. Wolterstorff Amph. Weſtpr.)] Danzig, Berent, Hochpaleſchken, Fr. Werner aus Nieder-Oeſterreich Franz-Joſefsland bei Wien, St. Andrä-Wördern an der Franz-Joſefsbahn und (häufig!) Oberweiden im Marchfeld, außerdem noch Fiume nahe dem 45. Breitengrad. 17. Zu Rana agilis, Springfroſch. Die auf Seite 461 verzeichnete Angabe Wolterstorff's, auch das Männchen dieſer Art beſitze wie das des Gras— und Moorfroſches den hochzeitlichen Schmuck des „blauen Reifes“, wird von Boulenger, Méhely und Werner in Zweifel gezogen und die von Wolterstorff für Agram (S. 463) angezeigte R. agilis als R. arvalis angeſehen. Fr. Werner nennt aus der öſtlichen Hälfte Nieder-Oeſterreichs folgende Fundorte des Springfroſches: Schön— brunn, Hütteldorf, Rekawinkel, Laxenburg, Baden, Vöslau an der Südbahn, St. Andrä— Wördern an der Franz⸗Joſefsbahn, ferner nach A. v. Mojſiſovies Graz in Steier— mark, und weiſt noch darauf hin, daß dieſer Froſch in Nieder-Oeſterreich, wo er übrigens gegen früher bedeutend ſeltener geworden ſei, mit der Erdkröte und dem Grasfroſch dieſelbe Paarungszeit habe, nämlich -zwiſchen Mitte und Ende März, während in Sieben— bürgen ſeine Laichzeit mit der des Moorfroſches zuſammenfällt (S. 465). 18. Zu Bufo viridis, Grüne Kröte (S. 488/89). Einzelne Fundorte werden noch genannt durch W. Wolterstorff aus Weſtpreußen: Jenkau, Kurzebrack an der Weichſel, Lubochin; durch Fr. Dahl aus Holſtein: Oſtſeeſtrand bei Niendorf, Dahme, Kiel; durch L. Köhnke (handſchriftlich) aus der Umgegend von Salzwedel: die Jeetze und anliegende Gärten, wo ſie im Sommer 1893 das erſte Mal und jeit- dem jeden Sommer in einzelnen Exemplaren angetroffen wurde; durch Fr. Werner aus Nieder-Oeſterreich: in und um Wien, beim Arſenal, in Meidling, Steinhof, Schön— brunn und Hietzing, im Prater, bei Dornbach und St. Andrä-Wördern, bei Spillern und Oberweiden, Mödling, Baden und Vöslau, außerdem iſt er in der nicht alpinen Nordhälfte Ober-Oeſterreichs zu Hauſe; von Hannover befindet ſich ein Stück im Hannov. Prov.-Muſeum. 19. Zu Bufo calamita, Kreuzkröte (S. 500-502). Dieſe Kröte iſt bei München, laut briefl. Mittheilung des dortigen Vereins „Iſis“, ſehr ſelten, 1895 wurde ein Stück bei Schleißheim gefunden. Sie wird ferner gemeldet durch W. Wolters- 656 Zuſätze zu Knoblauchskröte, Bergunfe. torff für Pietzkendorf bei Danzig, durch Fr. Dahl für die Inſeln Föhr und Sylt und die holſtein. Orte Wohldorf, Niendorf, Dahme, durch L. Köhnke für Salzwedel (Stadtgärten, Bürgerholz, zwiſchen dem Ferchau und dem ſchwarzen Berge); ein Stück mit der Bezeichnung „Hannover“ ſteht im dortigen Provinz-Muſeum. 20. Zu Pelobates fuscus, Knoblauchskröte. Der Verein „Iſis“ in München ſchreibt mir, daß ſie in dortiger Gegend (Seite 530) nur ſtrichweiſe, dann aber in größerer Anzahl vorkomme, und Fr. Werner giebt an, daß er in Nieder— Oeſterreich außer dem Prater bei Wien, wo man allerdings gewöhnlich auch nur die zahlloſen rieſigen Kaulquappen zu ſehen bekomme, und St. Veit keinen Fundort kenne, und daß er die Kröte durch L. v. Méhely aus Szamos-Ujvar in Siebenbürgen erhalten habe. In der Mark Brandenburg beobachtete Hr. W. Hartwig ſie noch an folgenden Plätzen: Finkenkrug, Plötzenſee, Johannisthal und Erkner, im Oderbruch bei Neu-Trebbin, Neu- und Alt-Friedland, ſodann bei Freienwalde a. O., Eberswalde, Bieſenthal. 21. Zu Bombinator pachypus, Bergunke. Fr. Werner, welcher hervorhebt, daß mitunter dort, wo beide Unken-Arten gemeinſchaftlich vorkommen, durch Baſtardirung die Unterſchiede verwiſcht erſcheinen, hat die Färbung der Unterſeite (ſ. S. 546) ſehr oft von der Höhe des Aufenthaltsortes abhängig gefunden und bemerkt, daß z. B. bei Tullnerbach nur Exemplare mit vorwiegend gelber Unterſeite, auf dem wenige hundert Meter hohen Troppberg bei Tullnerbach unterſeits vorwiegend graublau gefärbte, mit wenig Gelb gezeichnete Stücke leben. Demſelben Autor zufolge kommt pachypus auch in Kroatien (Plitvicer Seen) vor und ſteigt in Bosnien (Alpe Tordkovac bei Zepce) bis 1700 m Meereshöhe auf, und laut Mittheilung des Vereins „Iſis“ in München iſt dieſe Unke dorten „gemein“. Literatur. 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Seite 5 Zeile 4 lies: Harnhaut ſtatt Hornhaut. n , „ hederolepidoten „ hederodoten. % ( % il „ ausgeſtatteten „ ausgeſtatten. % A la „ 1428. 12880 7,0546 „ Pbrynocephalus „ Phynocephalus. „ 20 8 Biß „ Riß. „ 304 „ 21 „ zuſagenden „ zuſammenhängenden. „ , d 0 „ Oder „ Wiek e l 15 dumfrisiensis „ dumfriensis. „843 „33 „ im Algau „ und Algäu. 35 ½%ͤ;ũ ͤSrod „ 31. Grad. „ e „ ee e „ 2 „ 470 „ 6 iſt das „und“ zu ſtreichen. Verzeichniß der Abbildungen. 2. Springfroſch; 3 Laich und Entwicklungsſtufen des Grasfroſches. 1. Waſſerfroſch; 2. Seefroſch (Rana escul. ridib.); 3. Laubfroſch. erwachſenes Thier des Feuerſalamanders; 5. Kreuzkröte; 3. 4. Rothbauchige Unke; 5. a. Auf Farbentafeln. 2. Grüne Kröte; 4. Geburtshelferkröte. Männchen u. 7. Weibchen des Bergmolches im Hochzeitkleid. 2. Glattnatter. 1. Weibchen, 2. Männchen, 3. ſchwarze Spielart der Kreuzotter. 3. Weibchen und 4. junges Tafel 1. 1. Graue Erdkröte; Tafel II. 1. 2. Gelbbauchige Unke; derſelben; 7 Tafel III. 1. Knoblauchskröte; 6 13. Tafel IV. Tafel V. 1-3. Larven u. 4. Tafel VI. 1. Sumpſfſchildkröte; licher Leiſtenmolch. Tafel VII. 1. Würfelnatter; 2. Ringelnatter. Tafel VIII. 1. Aeskulap⸗Natter; Tafel IX. Sof e I Viper; 2. Thier derſelben. Tafel XI. Tafel XII. Männliche Smaragd-Eidechſe im Hochzeitkleid; Hochzeitkleide; 5. Erwachſene, 6. junge Blindſchleiche. Figur Knochengerüſt der Schildkröte. Rückenſchale d. 7, > Bauchſchale d. 10 Griechiſche Schildkröte. Farbzellen der Froſchhaut Oberkopfſchilder d. Echſen Kopfſeitenſchilder d. Echſen. Unterkopfſchilder d. 65 e eee eee Afterpartie d. Zaumeidechie . — * 13. Kopfſeite „ 5 14. Kopfunterſeite d. 7 15. Bauchſchilder „ m 16. Kopfſchilder d. Zauneidechſe 17. Afterpartie d. 18. Kopfſchilder der Waldeidechſe 3 19. Kopfplatte d. Mauereidechſe 20. Kopfſeite d. 1 21. Kehlgegend d. 5 22. Kopfbekleidung d. Blindſchleiche 23. Skelett d. Schlange . 24. Schuppenreihen d. Natter Bauchſchilder-Reihen d. Eidechſe 8 11. Kopfplatte d. Smaragd-Edechſe .. b. Im Text. Seite Figur 725 826. 927 38 | 28. 49 29 58 | 30. 59 | 31. 61 32. 62 33. 62 34. 115 35. 116 | 36 117 | 37. 118 38 118 | 39. 147 | 40 148 | 41. 168 | 42 189 | 43 190 | 44. 191 | 45 219 | 46. 241 | 47. 246 . Afterpartie d. Kopfplatte der Aeskulap-Natter . Kopfſeitenſchilder d. Nattern Unterkopfſchilder d. Aeskulap-N.. Bauchſchilder d. gelbgrünen Natter Zuchtnapf (Nattern-Eier) Kopfſchilder d. Ringelnatter 55 „ Würfelnatter Vipernatter e Kopfſchilder d. Aeskulap-N. 1 „ Glattnatter . Giftapparat d. Viper . . Kopfbekleidung d. Kreuzotter . Körperſchuppen „ 75 Viper Kopfbekleidung d. Aspis. Durchſchnitt d. Froſchhaut . Chromatophoren d. Froſchhaut 2. Skelett des Froſches en Entwicklung des Krojchlurches . 17 „ Molches . Männlicher Laubfroſch Zwitterbildung beim Molch Geſchlechtsreife Molchlarven Alpen-Salamander; Junge Geburtshelferkröte; 6. Larve Junge Knoblauchskröte; 8— 10. Larven derſelben. Moorfroſch; 4. Grasfroſch; 5. Junger Grasfroſch; 6. 2. Männlicher, 3. weiblicher Streifenmolch; 4. Männlicher, 5. weib— 1. Männliche, 2. weibliche Zaun-Eidechſe; 3. Rothrückige Zaun-Eidechſe; 4. Männliche, 5. weibliche Mauer⸗Eidechſe. 1. Männliche, 2. weibliche Wald-Eidechſe; 3. Männlicher, 4. weiblicher Kamm-Molch im Seite 247 248 248 248 270 275 296 300 309 322 337 339 339 361 372 381 386 395 395 512 601 609 A. Ablepharus 40. 237. — pannonieus 237. Acanthodaetylus 57. — Savignyi 237. — Schreiberi 237. — vulgaris 237. Acrodonta 41. Adder 360. Aesculapnatter 259. 271. 272. 308. 652. Agama sanguinolenta 238. Agamidae 238. Aglyphodonta 243. 273 Algiroides Fitzingeri 235. — moreoticus 235. — nigropunctatus 235. Alpenmolch 633. Alpenſalamander 397. 594. Alpentriton 633 Alytes 537 5 Alytes Cisternasi 648. Alytes obstetricans 397. 416. 558. Ameiva tiliguerta 216. Amphibia 371. Amphibien 371. Amphisbaenidae 55. 238. Angiostomata 241. Anguis 217. Anguis Aesculapii 320. Greeis 320. — Besseri 223. 233. — bicolor 223. 233. — einerea 224. 233. — cliviea 233. — exyx 233. Anguis fragilis 53. 218. 233. — incerta 226. 233, — lineata 220. 233. Anura 413. Arcifera 420. Aspis ocellata 363. 368. Aspis⸗Viper 360. 653. Atropis nigra 188. B. Batrachia 371. Batrachia gradientia 574. — salientia 413. Batrachier 371. Baumfröſche 420. 507. Berg-Eidechſe 187. Bergmolch 624. Blanus einereus 238. — Strauchi 238. Blaſius'ſcher Molch 398. Blattfinger 239. Blindſchleiche 47. 52. 64. 218. Blindſchlangen 370. 234. 8 Re giſter. Bombina fusca 537. — marmorata 537. Bombinator 412. 537. Bombinator bombinus 543. 552. 656. Bombinator brevipes 552. — fuseus 537. — igneus 543. 552. — obstetrieans 574. Bombinator pachypus 543. 656. Brachyglossi 216. Braune Fröſche 422. 437. Brevilingua 68. 216. Bruchſchlange 233. Brunnenmolch 633. Buckelnaſe 236. Bufo 466. Bufo alpinus 472. 481. — arabieus 494. — aquatieus mac. fuseis 536. Bufo calamita 352. 467. 494. 655. Bufo ceinereus 480. -— colchieus 481. — communis 481. — commutatus 481. — companisonus 574. — ceruciatus 507. — crucigera 494. — cursor 507. — ferruginosus 480. — fuseus 536. — gargarizans 481. — japonicus 481. obstetrieans 574. — palmarum 481. — portentosus 507. — praetextatus 480. — Roeseli 480. — ridibundus 436. — roseus 472. — salsus 480. — Schreberianus 494. — sitibundus 494. — Spinosus 481, — terrestris 480. — foetid. 507. — — major 480. — tubereulosus 480, — variabilis 494. — ventricosus 480, — vespertinus 537. Bufo viridis 381. 382. 401. 467. 481. 496. 507. 655. Bufo vulgaris 467. 480. Bufo vulgaris var. 574. Bufonidae 420. 466, C. Cadueibranchiata 575. Caeeilia typhlus 233. Caeeilia typhlus graeeis 233. — vulgaris 233. Calamita arboreus 519. Calamitae 507. Jaliscertula 200. Callopeltis flavescens 320. Caudata 574. Chaleides 237. — Bedriagai 237. — lineatus 237. — ocellatus 238. — tridactylus 237. Chamäleon 55. 239. Chamaeleo vulgaris 240. Chelonia 6. Chersidae 10. Chioglossa lusitanica 649. Cistudo europaea 37. — helleniea 15. 37. — lutaria 37. Clemmys caspica 37. — lutaria 37. Coelopeltis 273. 369. Coluber 308, Coluber Aesculapii 308. 320. Coluber arabicus 278, 294, — asclepiadeus 320. — Aspis 368. — austriacus 336. — Berus 360. 368. — bicephalus 257. — bilineatus 294. — bipes 294. — caucasieus 325. 336. — Charasii 368. — Chersea 341. 360. 368. — eoeruleus 360. — coronella 336. — cupreus 325. 336. — dione 369. — elaphoides 298. 308. — ferrugineus 336. — flavescens 320. — fugax 311. — Gabinus 308. — griseus 308. — Gronovianus 278. — helveticus 294. — hydrophilus 308. — hydrus 298. 308. — laevis 332. 336. — leprosus 311. 320. — longissimus 320. — melanis 341. 360. — minax 279. — minutus 294. — murorum 279. — natrix 294. — — var. 5 320. 652. Coluber niger 360. — paedera 336. pannonicus 320. papyreus 271. — persa 294. pontieus 294. 308. Prester 341. 360. quadrilineatus 332. 369, quaterradiatus 369. Redi 368. reticulatus 308. romanus 311. -— sauromates 369. — Scopolianus 294. Scopoli 310. 320. — sentatus 294. 308. seut. abd. 225, squam. caud. p. 78. 320. Seytha 341. 360. — Sellmanni 320. sieulus 279. 294. tessellatus 298. tetragonus 336. thuringiacus 336. -— Tlehua 360. —— torquatus 294. versicolor 336. Vipera 368. — anglorum 360. viperinus 294. 308. — vulgaris 294. Colubridae 271. Coronella 321. Coronella austriaca 321. 336. 652. Coronella girondica 326. 369. — italica 325. — laevis 336. — tessellata 308. Cultripes minor 537. D Dendrohyas arborea 519. — sarda 511. 519. — viridis 519. Discoglossidae 420. 537. Discoglossus pietus 648. Dornſchwanz 239. E. Ecaudata 413. Echidna Aspis 368. Echidnoides trilamina 360. Echis americanus 360. Echſen 39. Südeuropäiſche 234. Vor⸗ weltliche 66. Färbung 47. Echte Eidechſen 56. 68. Eidechſe, Berg- 187; gelbe 187; gemeine 166; graue 166; Großſchuppen⸗ 235; grüne 145; Kiel⸗ 236; kleinaugige 166; lebendgebärende 187; Mauer- 188; ſafranbauchige 187; Steppen⸗ 236; Smaragd 114; Wald- 167; Wieſen⸗ 187; Zaun- 145. Eidechjen-Natter 369. Elaphis Aesculapii 320, — flavescens 320. Emydae 10, Emys 11. Emys caspiea 37. Emys europaea 12. 650. Emys hellenica 15. 37. — Hoffmanni 15. 37, — leprosa 37. | Negiiter. Emys lutaria 37. j — pulchella 16. 37. | — Sigriz 37, — turfa 29. Erdkröte 466. Erdmolch 594. Erdſalamander 594. Erdtriton 649. Eremias arguta 236. — velox 236. — variabilis 71. 236. Eryx clivieus 233. — jaculus 370. Erzſchleiche 237. Euproctus montanus 649. — pyrenaeus 649. — Rusconii 612. Europäiſche Sumpfſchildtröte 12. Eurystomata 241. Fadenmolch 648. Faraglione-Eidechje 84. Feßler 558. Feuerbrotze 542. Feuerkröte 542. Feuermolch 594. 633. Feuerotter 360. Feuerſalamander 576. Firmisternia 421. Fissilingua 67. 68. Franſenfinger 237. Fröſche 420. 421. Braune 422. Grüne 422; Land- 437 Schiebebruſt- 466 ; Starrbruſt- 421; Waſſer⸗ 422. Froſch (Gattung) 49. 50. 421. Froſch, Bach- 448; eßbarer 436; Feld⸗ 459; Gras- 437; grüner 43 Hecken⸗ 519; Laub- 507; M 448; Moor- 448; See⸗ 4 ſpitzſchnauziger 459; Spring⸗ ſtummer 448; Sumpf- 459; Tei 436; Thau⸗ 448; Waſſer⸗ 422; Wetter- 519. Froſchtröten 519. Froſchlurche 413. 437; G. Gartenmolch 640. Geburtshelferkröte 115. 558. Gedonen 55. 239 Geckonidae 23 Gefleckter Molch 594. Gekko aquaticus 624. — carnifex 624. — gyrinoides 633, — palustris 624. — Salamandra 594. — Triton 640. Gelbbauchige unte 543. 655. Geotriton 649. Glatte Natter 164. 260. 272. 321. 652. Gongylus 237. 3 Grasfroſch 350. 382. 437. 655. Graue Kröte 467. Grüne Fröſche 422. Grüneder 145. | Grün⸗Eidechſe 145. | Grüne Kröte 382. 481. 496. 655. Grüner Froſch 436. Grünz 145. | Gymnodactylus 239, Gymnophthalmus 92, 673 H. Haftzeher 239. Halsband⸗Eidechſen 68. Halys 370. Hardun 238. Hartwurm 233. Harzmolch 583. 594. Haſelotter 360. Haſelwurm 233. Hausunke 507. Heckenfroſch 519. Hemidactylus tureieus 239. Hemisalamandra 624. Hemitriton 633. Herzſchlange 336. Höllenotter 360. Hufeijen-Natter 369, Hyas arborea 519. Hylas 507. Hyla arborea 507. Hyla sarda 511. — viridis 519. — Varietäten 510. Hylidae 420. 507. S . Jachſchlange 336. Jochviper 360. K. Kamm⸗Molch 399, 616. Kapuzen⸗Natter 369, Kaſpiſche Sumpfſchildkröte 37. Katzenſchlange 369. Kiel⸗Eidechſe 236. Kielrücken⸗Nattern 274. Knoblauchströte 519. 56. Krauthahn 145. Kreuztröte 382. 494. 507. 655. Kreuzotter 259. 260. 324. 337. 653. Kriechthiere 1. . Kröte, aſchgraue 574; eiertragende 574; Erd⸗ 466; Feld 480; Feuer- 542; Geburtshelfer- 558; gemeine 480; graue 467; grüne 481; Knoblauchs⸗ 519; Kreuz- 494; Land- 480; Rohr- 507; ſtinkende 507; Sumpf- 507; Waſſer⸗ 536; Wechſel⸗ 494. Kröten 420. 466. Krötenfröſche 420. 519. Krötenkopf 238. Krott 480. Kupfernatter 360. Kupferotter 360. Kupferſchlange 336. Kurzzüngler 68. 216. L. Labyrinthodonten 66. Lacerta 68. 72. Lacerta aedura 187. — africana 624. Lacerta agilis 53. 113. 145. 187. 216. — var. 5 187. 651. Lacerta aquatica 624. 640. arenicola 151. 167. atra 600, Bedriagae 234. bifasciata 200. bilineata 121. 145. bistriata 121. 145. Brongnarti 216, — caliscertula 200. 216, 43 674 Lacerta chalybaea 208. — chersonensis 126. 155. — chloronota 124. 145. — chrysogastra 187. — einerea 637. - eolehica 155. 167. — communis 166. — crocea 187. — ceyanolaema 121. 145. — de Jaquin 173. — Dugesi 102. — Edwarsiana 65. — elegans 123. 154. — erythronatus 154. — europaea 166. — exigua 167. — Galotti 87. - graeca 234. — gyrinoides 633. — helvetica 648. — indigena vir. 166. — lacustris 624. 633. — Laurenti 167. — Lilfordi 52. 203. — major 145. — Merremi 199, — montana 172. 138, — mosorensis 234. Lacerta muralis 113. 188. 652. Lacerta nigra 172. — ocellata 234. — olivacea 198. — oxycephala 198. 234. — palustris 624. - pal. var. subt. ignea 633. — — subt. lutea 640. — paradoxa 648. — peloponnesica 235. — porosa 624. — praticola 235. - puceina 198. — pyrrhogaster 187. — rubra 167. -- quinquevittata 125. 145, — Salamandra 583. 594. 600. — saxieola 197. - Schreiberi 127. — Schreibersiana 174. — sepium 166. — sericea 167. — serpa 124. 145. 198. — sieula 124. 145. smaragdina 123. 145. — stellata 167. stirpium 151. 166. — strigata 125. 145. — sylvieola 155. 167. — taeniata 640. — taurica 52. 199. 235. — tiliguerta 145. 198. 216. triton 633. 640. — unicolor 188. — viridissima 123. 145. Lacerta viridis 113. 114. 155. 187. 650. 145, Lacerta vulgaris 193. 216. 640, Lacertidae 68. Lacertus aquaticus 624. — pardus 166. — terrestris vulg. 187. Lachesis Redi 368. Landmolch 397. 575. 594. Landſchildkröten 10. 38; breitrandige 39; griechiſche 38; mauriſche 39. 167. ipara 53. 113. 156.158.167.651. Negifter. Lappenmolch 640. Landunke 519. Laubfroſch (Gattung) 507. Laubfroſch 552. 507. Laubkleber 509. Leiodactylia 70. Leiſtenmolch 641. Leoparden-Natter 369. Levante-Otter 369. Lilford-Eidechſe 84. Lissotriton palmatus 648. — palmipes 648. — punctatus 640. Lophinus palmatus 648. — punetatus 640. Lork 480. Lurche 371; ſüdeuropäiſche 648. M. Märzfroſch 448. Mauer⸗Eidechſe 47. 52. 54. 76. 80. 84. 87. 108. 188. 652. — Varietäten 54. 194 ff. Mauergecko 51. Meſſerfuß 648. Meteor-Gallerte 446. Molche 574. Molch, Alpen- 633; Berg- 624; Brun⸗ nen- 633; Erd- 594; Faden- 648; Feuer- 594; Garten- 640; Gebirg 633; gefleckter 594; glatter 640; Harz- 594; Kamm- 624; kleiner Waſſer- 640; Land- 575; Lappen⸗ 640; Leiſten- 641; Mittel- 633; Regen- 594; Schweizer 648; Strei— fen- 634; Sumpf- 624; Waſſer⸗ 600, Molge alpestris 633. — cinerea 640. ignea 633. palmata 648. palustris 624. punctata 640. taeniata 640. Wurfbaini 633. Moll 594. Moorfroſch 448. 655. N. Nacktfinger 239. N Natter, Aeskulap- 308; Balken⸗ atrix austriaca 336. — Cetti 279. 295. Coronilla 336. Dumfrisiensis 336. Gabina 308, Gronoviana 278. 294. hybridus 294. hydrus 308. laevis 336. longissima 320. rubetaria 294. tessellata 308. torquata 279. 294. — minax 279. vulgaris 294. Dahl'ſche 369; Eidechſen— Flecken- 336; gelbgrüne 369 ; Giron⸗ den- 369; Glatt- 321; Glatte 321; Haſel- 336; Höllen- 360; Hufeiſen⸗ 369; Kapuzen- 369; Kielrücken⸗ 274; Land- 308; Leoparden- 369; öſterreichiſche 336; Ringel- 274; Schlinge 336; Schwimm- 294; Treppen- 369; Trug: 369; Vier- linien- 369; Vierſtreifen⸗ 369; Viper- 369; Waſſer- 274; Wür⸗ fel⸗ 295; Zorn- 336. Nattern 271. Netzwühle 238. Notopholis 235. O. Obstetrieans vulgaris 574. Oeſterreich. Natter 336. Olm 649. Ophidia 240. Ophiomorus punetat. 237. Ophiops elegans 236. — Schlueteri 236. Ophisaurus apus 238. Opistoglypha 243. Otophis 220. — exyx 223. Otter, Feuer- 360; Haſel- 360; Höllen⸗ 360; Kreuz- 337; Kupfer- 360; Levante- 369; Sand- 369; Stülp⸗ najen= 369. Ottern 272. P. Palaeobatrachus 412. Paludites 10. Pelias aspis 368. — Berus 360. — chersea 360. — dorsalis 360. — Renardi 360. Pelobates 412, 519. Pelobates eultripes 521. 648, Pelobates fuscus 519. 656. Pelobates insubrieus 522. 537. Pelobatidae 420. 519. Pelodytes punetatus 648. Pelonectes 649. Pelophylax eseulentus 436. — ridibundus 436. Periops 369. Perleidechſe 234. Peropodidae 370. Petraponia nigra 623. Pfuhlſchildkröte 36. Phryne vulgaris 480. Phrynocephalus helioscopus 239 — mystacinus 239. Phyllodactylus europ. 43. 259. Plagiotremata 240. Platydactylus maurit. 239. Pleurodeles Waltli 612. 649. Pleurodonta 41. Podareis eupreiventris 198. — ceyanolaema 145. — Merremi 199. — muralis 216. — nigra 188. — tiliguerta 198. 200. Rogge 448. Pristidactyles 70. Proteroglypha 243. Proteus anguinus 649. — tritonius 594. Provipera 271. Psammodromus hispan. 65. 236. Psammophylax cueull. 273. 369. Psammuros 236. Pseudopus apus 93. 238. Ptychopleurae 238. Pyronicia punctata 640. R. Raganella arborea 519. Rana 412. 421. Si Rana agilis 422. 451. 456.459. 460. 655. Rana alliacea 537. — alpina 448. — aquatica 436. — aqu. eitrina 436. — — viridis 436. — arborea 519. Rana arvalis 422. 448. 655. Rana atra 448. -- bombina — bufina 494. — Bufo 480. 494. 507. iar. 0 574. — eachinnans 426. 436. — campanisona 574. — caucasica 436. — ceruenta 448. — dentex 437. — Dybowski 448. — edulis 436. Rana esculenta 382. 422. 654. Rana flaviventris 448. — fluviatilis 436. — foetidissima 507. — fortis 426. 436. — fusca 536. — — terrestris 448. — gibbosa 448. — gigas 436. — gracilis 466. — hispanica 428, 437. — Hyla 519. — iberica 648. — Latastei 648. — Lessonai 427. — maritima 437. — mephitica 507. Rana muta 382. 422. 437. 448. 450. 655. Rana obstetricans 574. — oxyrrhinus 450. 459. — palmipes 436. — Perezi 428. 437. — picta 494. — platyrrhinus 448. — portentosa 507. — ridibunda 426. 436. 655. — rubeta 472. 481. — salsa 507. — Scotica 437. — scorodosma 537. — sitibunda 494. — temporaria 380. 448. 459. 466. — tigrina 436. — variabilis 483. 494. — verrucosissima 481. — vespertina 536. — viridis 436. 494. 519. — vulgaris 436. Ranue fuscae 437. — virides 422. Ranidae 420. 421. Ranunculus viridis 519. Redi'ſche Viper 368. Regenmännchen 594. Regenmolch 594. Reptilia 1. Reptilien 1. Rhinechis scalaris 369. Rhiptoglossa 239. Ringel⸗Echſen 238. Ringelnatter 259. 274. 652. 260. 267. 272. Regiſter. Röhrling 507. Rohrkröte 507. Nothbauchige Inte 552. Rubeta gibbosa 448. 6. Sägefinger 237. Salamander 575. Salamander, Alpen- 494; Berg- 633; Brillen- 649; Feuer- 576; großer Waſſer⸗ 624; kleiner Waſſer- 640; Mohren- 600; ſchwarzer 600. Sala mandra 397. 416. 575. Salamandra abdominalis 640. — alepid. verruc. 624. — alpestris 633. — aquatica 624. 633. — aquatilis 624. Salamandra atra 594. 600. Salamandra Batrachon vera 624, — camifex 624. — eausasica 649. — eincta 633. — corsica 578. — eristata 624. — elegans 635. 640. — exigua 640. — fusca 637. — ignea 633. — Lacepedi 640. — laticauda 624. — maculata 594. Salamandra maculosa 576. 594. 607. Salamandra nigra 600. — palmata 648. — palmipes 648. — palustris 640. — platycauda 624. — pruinata 619. 624. punetata 635. 640. — rubriventris 633. — taeniata 640. — terrestris 594. — terr. mac. luteis 594. — vulgaris 594. Salamandridae 575. Salamandrina perspieill. 649. Samandrin 377. Sandläufer 236. Sandotter 369. Sandſchlange 370. Sauria 39. Scheibenfinger 239. Scheibenzüngler 420. 537. 648. Scheltopuſik 238. Schiebebruſt-Fröſche 466. Schildkröte, Fluß- 36; Land- 38; Pfuhl⸗ 36; Schlamm- 36; Sumpf- 36; Teich- 36; Waſſer⸗ 36. Schildkröten 6. Land- 10. 38; Sumpf⸗ 10. 37. Südeuropäiſche 37. Schildviper 368. Schistoglossi 67. Schlammſchildkröte 36. Schlammtaucher 648. \ Schlange, Blind- 370; Haus- 294; Herz- 336; Jach- 336; Katzen- 369; Kupfer- 336; Sand- 370, Schlangen 240; vorweltliche 271. Schlangen-Auge 236. Schlangenſchleiche 68. 217. Schleichen 68. 216. Schleuderſchwanz 238. Schlingnatter 336. Schnake 294. 675 Schuppen⸗Echſen 216. Schwanzloſe Amphibien 413. Schwanzlurche 574. Schwimmnatter 294. Seineoidae 216. Seefroſch 426. Seitenfaltler 56. 238. Seps argus 152. 167. — chaleides 237. — coerulescens 166. — erythronotus 154. — muralis 193. 216. — ruber 154. 167. — stellatus 154. 167. — terrestris 125. 145. — varius 123. 145. — viridis 123. 145. Serpentes 240. Smaragd⸗Eidechſe 52. 85. 88. 89, 104. 114. 650. Solenoglypha 243. Spaltzüngler 67. Spelerpes fuscus 649. Springfroſch 459. 55. Squamata 39. Starrbruſtfröſche 421. Stellio vulgaris 238. Stenostomata 241. Steppen⸗Eidechſe 236. Streifenmolch 634. 640. Streifennatter 369. Stülpnaſen-Otter 369. Stummelfüßer 370. Sumpffroſch 459. Sumpfkröte 507. Sumpfmolch 624. Sumpfſchildkröte 11; europäiſche 12; kaſpiſche 37. Sumpfſchildkröten 10. 37. T. Tarbophis vivax 369. Tarentola maurit. 239. Tattermann 600. Teichfroſch 436. Teichmolch Teichſchildkröte 36. Teichunke 536. 542. Terrapene europaea 37. Testudo campanulata 38. 39. — europaea 37. — flava 37. — graeca 38. — ibera 39. — lutaria 15. 37. — marginata 39. — meleagris 37. — orbieularis 37. — pulchella 16. 37. — pusilla 39. Thaufroſch 448. Thüring. Natter 336. Tiligugu 238. Treppennatter 369. Trigonocephalus halys 370. Triton 575. 600. Triton abdominalis 640. Triton alpestris 383. 607. 616. 624. Triton apuanus 633. — americanus 624. — aquaticus 640. — asper 649, — Bibroni 624. — Blasii 649. — Boscai 649. 43* 676 Triton carnifex — cortyphorus 594. Triton eristatus 607. 616. — — Karelini 620. — — longipes 620. — helveticus 648. — ietericus 620. — lobatus 640. — Maltzani 649. — marmoratus 627, 649, Montandoni 649. — nycthemerus 624, — palmatus 640, 648, — palustris 624. 640. Triton paradoxus 607, 616. 641. Triton parisinus 640, — punetatus 640. — Rusconi 649. — Salamandroides 633. — taeniatus 640. — Trouessarti 649. Triton vulgaris 601. 607, 616, 634. — — merid. 638. Triton Wurfbaini 633. Tropidonotus 272. 2 Tropodinotus ater — austriacus 3 — Cetti 279. 2 — elaphoides 2 — fallax 280. — gracilis 300. 308. — hybridus 294. — hydrus 308. Tropidonotus natrix 274. 652. — — Varietäten 278. 653. Tropidonotus Opelli 294. — persa 295. — persicus 295. seutatus 295. — Tantalus 308. Tropidonotus tessellatus 245. 652. Tropid. thuringieus 336. — viperinus 300. 369, Tropidosaura 57. 236. — algira 236. Troueſſart'ſcher Molch 398. I} Negiiter. Trugnattern 369. Tüpfelſchleiche 238. Typhlops vermieularis 370. Typhlus fragilis 233, U. Unk 294. Unke 537. Berg- 543; gelbbauchige 543; Land- 519; rothbauchige 552; Teich- 536; Waſſer- 537. Urodela 574. | Uromastix spinipes 5. 239. | V. Vierlinien-Natter 369. Vierſtreifen-Natter 369. Vipera 272. 337. Vipera ammodytes 364. 369. Vipera aspis 360. 308. 653, Vipera atra 364. Vipera berus 337. 360. 368. 653. Vipera berus var. 5 368. 655 — ceilonica 360. — chersea 363. 368. — communis 360. 368. — Francisci Redii 368. — Heegeri 363. — Hugyi 363. 368, — Latastei 364, 369. — lebetina 369. — limnaea 360. — melanis 360. — Mosis Charas 368, — ocellata 363. 368. — prester 341. 360. — Redi 363. 364. 368. — schytha 360. — squamosa 360, — torva 360. — trigonocephala 360. | — Ursini — vulgaris : 360; Joch- 360; Jura- 368; Redi'ſche 368; Schild- 368. Viperidae 272. 336. Vipern 261. 272. 336. * Vipernatter 369. W. Wald⸗Eidechſe 47. 64. 167. 651. Waſſerfröſche 422. Waſſerfroſch 382. 389. 408. 422. 654. Waſſerkröte 536. Waſſermolch 383. 600. Waſſermolch, großer 624; kleiner 640. Waſſernatter 274. Waſſerſalamander, großer 624; kleiner 640. Waſſerſchildkröte 36. Waſſerſchlangen 240. Wafjer-Unfe 537. Wechſelkröte 494. Wegnarr 594. 600, Wetterfroſch 519. Wühlſchleichen 68. 216. Würfelnatter 268. 272. 295. 652. Wurmzüngler 239. 3. Zacholus austriacus 336, — Fitzingeri 325. 336. — laevis 336 — italicus Zamenis Aesculapii 320, — Dahlii 369. — gemonensis 369. — hippocrepis 369. — viridiflavus 369. Zaun⸗Eidechſe 47. 52, 76. 108. 145. 651. Zootoca 167. Zootoca crocea 188, — Lilfordi 203. — montana 188. — muralis 188. 216. — pyrrhögastra 188. — vivipara 187. Zwitterbildung 601. 25. . Graue Erdkröte (Bufo vulgaris). 2. Grüne Kröte (Bufo viridis). 3. Kreuzkröte (Bufo calamita). 4. Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans). lat. Il 1. 2. Gelbbauchige Bergunke (Bombinator pachypus). 3. 4. Rothbauchige Unk:« 5. Junge Geburtshelferkröte (Alytes obst.). 6. Larve derselben (Bomb. bombinus). Junge Knoblauchskröte (Pelobates fuscus). S--10. Larven derselben . 1. Knoblauchskröte (Pelobates fuscus). 2. Springfrosch (Rana agilis). 3. Moor- frosch (Rana arvalis). 4. Grasfrosch (Rana muta). 5. Junger Grasfrosch. 6-13. Laich und Entwicklungsstufen des Grasfrosches. Taf. IV. sefrosch (Rana esculenta ridibunda). 1. Wasserfrosch (Nana esculenta). 2. Se 3. Laubfrosch (Hyla arborea). Taf.V. 7 — Pu Feuer-Salamander (Salamandra maculosa): I—3 Larven, 4. erwachsen. 5. Alpen-Salamander (Sal. atra). 6. Männchen und 7. Weibchen des Bergmolchs (Triton alpestris) im Hochzeitkleid. Neu Anfinli e E. Socvany. Stuttgart 1. Sumpfschildkröte (Emys europaea) 2. Männchen und 3. Weibchen des Streifen-Molch (Triton vulgaris). 4. Männchen und 5. Weibchen des Leisten- Molch (Triton paradoxus). 5 Taf. VII. Hocdanz, Stuttgart 1. Würfelnatter (Tropidonotus tessellatus). 2. Ringelnatter (Trop. natrix). Kreuzottern (Vipera berus). . Weibchen, 2 Männchen, 3. Schwarze Spielart, Viper (Vipera aspis). — 2. bis 4. Smaragd-Eidechsen (Lacerta viridis 1 > 2. Männchen im Hochzeitkleid, 3. Weibchen, 4. Junges Tier. ra I. Männliche, 2. weibliche Zaun-Eidechse (Lacerta agilis). 3. Rothrückige Zaun-Eidechse (var. erythromotus). 4. Männliche, 5. weibliche Mauer-Eidechse (Lac. muralis). Srungart 1. Männliche, 2. weibliche Wald-Eidechse (Lacerta vivipara). 3. Männlicher, 4. weiblicher Kamm-Molch (Triton cristatus) im Hochzeitkleid. =. Erwachsene, 6. junge Blindschleiche (Anguis fragilis). 1 > — £ 38855 885 . 85 ae Br 5 ee 55 Be: „„ Kr IR) len ee nhrept QL658.6G3D ands Amphibien un = 8 8 u 2 oil