Y in Helhe ! f HAIMHIR HI SHE Kuh une "ı rt hi a A i \ h IR “ = Yu ÄrERLHRL Ni hy Ni Hi ‚ II LarE RR Hi iM BEN SNIN, H D OTTTTOD TOED D INN IN INN NN III ie (A {EIN ea Kay hin khatan . 4 % R" % we ” * e u FE “ “ 5 « RK. e | * a Pe D $ a 2 ur EN fi u x F Fr Eu v u n ar z “ r > er Sun * ’ > : ze g , wi i . FR.) > %r u. E > «€ r eu “ es - n * » “u % \ 3 = D n 3, L: S 4 *” en ra ’ > ; MR. Ag \ de [ii ri j 0 : Sa nn = 5: ’ 2 =) £ R \ “ f. « 5, En x di = . nat 2 - ö >® ER A - £ « 2 In der E. ‚Sch weizerbart’schen Verlagshandlung (E. Koch) in Stuttgart sind ferner erschienen: Charles Darwin über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. Aus dem Englischen übersetzt von H. @. Bronn. Nach der 5. englischen sehr vermehrten Auflage durchgesehen u. berichtigt von J. Vietor Carus. = Vierte Auflage. Mit dem Portrait des Verfassers. Preis broch. 7. 3. — oder ££. 5. 15, in Leinw. geb. 92. 3. 10. z y.! Das N dee Thiere en Dina im Zustande der Domestication von Charles Darwin. « Aus dem Englischen übersetzt von J. Vietor Carus. Zwei Bände mit 43 Holzschnitten. Preis Rthlr. 6. 10 oder fl. 11. — Obiges Werk enthält einen Schatz von Thatsachen und Untersuchungen als weitere Ausführung der in der „Entstehung der Arten“ aufgestellten Lehrsätze, und ist es als solehes den Käufern dieses Werkes beinahe unentbehrlich. Ueber die Einrichtungen zur Befruchtung britischer und ausländischer Orchideen „durch Insecten und über die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtung _ von Charles Darwin. Mit34Holzschnitten. Aus dem Englischen übersetzt von Dr. H. G. Bronn, Preis Rthlr. 1. 12 oder fl. 2. 20. Kurze Darstellung der Lehre Darwin’s über die » Entstehung der Arten der Organismen, Mit erläuternden Bemerkungen und 38 Holzschnitten von Dr. Julius Dub, Professor in Berlin. Preis Rthlr. 2. — fl. 3. 30. By; Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl von Charles Darwin. Aus dem Englischen übersetzt von J. Victor Carus. In zwei Bänden. I. Band. Mit fünfundzwanzig Holzschnitten. Zweite nach der letzten Ausgabe des Originals berichtigte Auflage. STUTTGART. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch). 1811. i 4 4 Druck von Fr. Sehiweiadepie in B- 2.5 w - 5 £ 0 Einleitung . Inhalt. un Erster Theil: Die Abstammung des Menschen. Erstes Capitel. Thatsachen, welche für die Abstammung des Menschen von einer niederen Form zeugen. Natur der Beweise für den Ursprung des Menschen. — Homologe Bildungen beim Menschen und den niederen Thieren. — Verschiedene Punkte der Ueberein- stimmung. — Entwickelung. — Rudimentäre Bildungen, Muskeln, Sinnes- organe, Haare, Knochen, Reproductionsorgane u. s. w. — Die Tragweite die- ser drei grossen Classen von Thatsachen in Bezug auf die Entstehung des Menschei ee 2 Tai ee Zweites Capitel. Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der nie- deren Thiere. Die Verschiedenheit in den geistigen Kräften zwischen dem höchsten Affen und dem niedersten Wilden ist ungeheuer. — Gewisse Instincte sind gemeinsam. — Gemüthsbewegungen. — Neugierde. — Nachahmung. — Aufmerksamkeit. — Gedächtniss. — Einbildung. — Verstand. — Progressive Vervollkomm- nung. — Von Thieren gebrauchte Werkzeuge und Waffen. — Sprache. — Selbstbewusstsein. — Gefühl für Schönheit. — Glaube an Gott, spirituelle Keiltte; Abeselaübent uteu ss ni elani an. na = air B.,28. Drittes Capitel. Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der nie- deren Thiere (Fortsetzung). Das moralische Gefühl. — Fundamentalsatz. — Die Eigenschaften socialer Thiere — Ursprung der Fähigkeit zum Geselligleben. — Kampf zwischen entgegen- gesetzten Instineten. — Der Mensch ein sociales Thier. — Die ausdauernden socialen Instinete überwinden andere weniger beständige Instinete. — Sociale Tugenden von Wilden allein geachtet. — Tugenden, die das Individuum betref- NE . » wi. fen, erst auf späterer Entwickelungsstufe erlangt. — Bedeutung der Urtheile über das Benehmen von Mitgliedern derselben Gesellschaft. — Ueberliefe- rung moralischer Neigungen. — Zusammenfassung. . . ...2...8.59. Viertes Gapitel. Ueber die Art der Entwickelung des Menschen aus einer nie- deren Form. Variabilität des Körpers und Geistes beim Menschen. — Vererbung. — Ursachen der Variabilität. — Gesetze der Abänderung sind dieselben beim Menschen und den niederen Thieren. — Directe Wirkung der Lebensbedingungen. — Wir- kungen des vermehrten Gebrauchs und des Nichtgebrauchs von Theilen. — Entwickelungshemmungen. — Rückschlag. — Correlative Abänderung. — Verhältniss der Zunahme. — Hindernisse der Zunahme. — Natürliche Zucht- wahl. — Der Mensch das herrschendste Thier auf der Erde. — Bedeutung seines Körperbaues. — Ursachen, welche zu seiner aufrechten Stellung führ- ten. — Von dieser abhängende Aenderungen des Baues. — Grössenab- nahme der Eckzähne. — Grössenzunahme und veränderte Gestalt des Schädels. — Nacktheit. — Fehlen eines Schwanzes. — Vertheidigungsloser Zestandides Menschen Were mern NONE, 2: 121002: u re Fünftes Capitel. Ueber die Entwickelung der intellectuellen und moralischen Fähigkeiten während der Urzeit und der civilisirten Zeiten. Fortschritt der intellectuellen Kräfte durch natürliche Zuchtwahl. — Bedeutung der Nachahmung. — Sociale und moralische Fähigkeiten. — Ihre Entwicke- lung innerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes. — Natürliche Zuchtwahl in ihrem Einflusse auf civilisirte Nationen. — Beweise, dass civi- lısırte Nationen einst barbarisch waren . . . . 2. „u »...8. 1837. Sechstes Capitel. Ueber die Verwandtschaften und die Genealogie des Menschen. Stellung des Menschen in der Thierreihe. — Das natürliche System ist genea- logisch. — Adaptive Charactere von geringer Bedeutung. — Verschiedene kleine Punkte der Uebereinstimmung zwischen dem Menschen und den Qua- drumanen. — Rang des Menschen in dem natürlichen Systeme. — Geburts- stelle und Alter des Menschen. — Fehlen von fossilen Uebergangsgliedern. — Niedere Stufen in der Genealogie des Menschen, wie sie sich erstens aus seinen Verwandtschaften und zweitens aus seinem Baue ergeben. — Früher hermaphroditer Zustand der Wirbelthiere. — Schluss . . . . . 8. 161. Siebentes Capitel. Ueber die Rassen des Menschen. Die Beschaffenheit und der Werth specifischer Merkmale. — Anwendung auf die Menschenrassen. — Argumente, welche der Betrachtung der sogenannten vu Menschenrassen als distincter Species günstig und entgegengesetzt sind. — Subspecies. — Monogenisten und Polygenisten. — Convergenz des Cha- racters. — Zahlreiche Punkte der Uebereinstimmung an Körper und Geist zwischen den verschiedensten Menschenrassen. — Der Zustand des Menschen, als er sich zuerst über die Erde verbreitete. — Jede Rasse stammt nicht von einem einzelnen Paare ab. — Das Aussterben von Rassen. — Die Wir- kung der Kreuzung. — Geringer Einfluss der direeten Wirkung der Lebens- bedingungen. — Geringer oder kein Einfluss der natürlichen Zuchtwahl. — Geschlegkslliche Zuchtiyähl.n.- 4. Sem ee er Zweiter Theil: Geschlechtliche Zuchtwahl. 5 Achtes Capitel. Grundsätze der geschlechtlichen Zuchtwahl. Secundäre Sexualcharactere. — Geschlechtliche Zuchtwahl. — Art und Weise der Wirkung. — Ueberwiegen der Männchen. — Polygamie. — Allgemein ist nur das Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt. — Begierde des Männchens. — Variabilität des Männchens. — Wahl vom Weibchen aus- geübt. — Geschlechtliche Zuchtwahl verglichen mit der natürlichen. — Ver- erbung zu entsprechenden Lebensperioden, zu entsprechenden Jahreszeiten und durch das Geschlecht beschränkt. — Beziehungen zwischen den ver- schiedenen Formen der Vererbung. — Ursachen, weshalb das eine Geschlecht und die Jungen nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt werden. — Anhang: über die proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter durch das ganze Thierreich. — Ueber die Beschränkung der Zahlen der beiden Ge- schlechter durch geschlechtliche Zuchtwahl. . . . 2 2 .2.2.....8. 223. Neuntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere in den niederen Classen des Thierreichs. Derartige Charactere fehlen in den niedersten Classen. — Glänzende Farben. — Mollusken. — Anneliden. — Crustaceen, secundäre Sexualcharactere hier stark entwickelt; Dimorphismus; Farbe; Charactere, welche nicht vor der Reife erlangt werden. — Spinnen, Geschlechtsfarben derselben; Stridulation der Mäunchen: — Myrıapodn ... 0 ee EB. Zehntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere der Insecten. Verschiedenartige Bildungen, welche die Männchen zum Ergreifen der Weibchen besitzen. — Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern, deren Bedeutung nicht einzusehen ist. — Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in Be- zug auf die Grösse. — Thysanura. — Diptera. — Hemiptera. — Homo- ptera ; Vermögen, Töne hervorzubringen, nur im Besitze der Männchen. — Or- ihoptera; Stimmorgane der Männchen, verschiedenartig in ihrer Structur; VII Kampfsucht; Färbung. — Neuroptera; sexuelle Verschiedenheiten in der Färbung. — Hymenoptera; Kampfsucht und Färbung. — Coleoptera ; Fär- bung; mit grossen Hörnern versehen, wie es scheint, zur Zierde; Kämpfe; Stridulationsorgane allgemein beiden Geschlechtern eigen . . . . 8. 305. Elftes Capitel. Inseeten. (Fortsetzung) Ordnung Lepidoptera. Geschlechtliche Werbung der Schmetterlinge. — Kämpfe. — Klopfende Ge- räusche. — Farben beiden Geschlechtern gemeinsam oder brillanter bei den Männchen. — Beispiele. — Sind nicht Folge der directen Wirkung der Le- bensbedingungen. — Farben als Schutzmittel angepasst. — Färbungen der Motten. — Entfaltung. — Wahrnehmungsvermögen der Lepidoptern. — Va- riabilität. — Ursachen der Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Männchen und Weibchen. — Helle Farben der Raupen. — Zusammenfassung und Schlussbemerkungen über die secundären Sexualcharactere der Insecten. — Vögel und Insecten mit einander verglichen . . . ....2.....8. 344. N * ge 7 z P_ al » * Y \ v „'. 4. “ 2 ei 4 “ RN B # wi ‚ . u a k » % ed a v _ - | "ie 5 A - y j t * ® a Einleitung. Die Natur des vorliegenden Buches wird am besten verstanden wer- den, wenn ich kurz angebe, wie ich dazu kam, es zu schreiben. Viele Jahre hindurch habe ich Notizen über den Ursprung oder die Abstam- mung des Menschen gesammelt, ohne einen mir etwa vorschwebenden Plan, über den Gegenstand einmal zu schreiben, vielmehr mit dem Entschluss, dies nicht zu thun, da ich glaubte, dass ich dadurch nur die Vorurtheile gegen meine Ansichten verstärken würde Es schien mir hinreichend, in der ersten Ausgabe meiner „Entstehung der Arten“ darauf hinzuweisen, dass durch dieses Buch auch Licht auf den Ursprung des Menschen und seine Geschichte geworfen werden würde, und diese Andeutung schloss doch den Gedanken ein, dass der Mensch bei jedem allgemeinen Schluss in Bezug auf die Art der Erscheinung aller andern organischen Wesen auf der Erde mit inbegriffen sein müsse. Gegen- wärtig trägt die Sache ein vollständig verschiedenes Ansehen. Wenn ein Naturforscher wie Carı Vocr in seiner Eröffnungsrede als Präsident des Nationalinstituts von Genf (1869) sagen darf: »personne, en Europe au moins, n’ose plus soutenir la creation independante et de toutes pieces, des especes,“ so muss doch offenbar wenigstens eine grosse Zahl Naturforscher der Annahme zugethan sein, dass Arten die modifieirten Nachkommen anderer Arten sind; und vorzüglich gilt dies für die jün- geren und aufstrebenden Naturforscher. Die grössere Zahl nimmt die Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl an, obschon Einige, ob mit Recht, muss die Zukunft entscheiden, hervorheben, dass ich deren Wirk- samkeit bedeutend überschätzt habe. Von den älteren und angesehe- neren Häuptern der Naturwissenschaft sind unglücklicherweise noch viele gegen eine Entwickelung in jeglicher Form. In Folge der von den meisten Naturforschern, denen schliesslich, wie in jedem andern Falle, noch andere folgen werden, jetzt angenom- menen Ansichten bin ich darauf geführt worden, meine Notizen zu- sammenzustellen, um zu sehen, wie weit sich die allgemeinen Schluss- DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. l 2 Einleitung. folgerungen, zu denen ich in meinen früheren Schriften gekommen war, auf den Menschen anwenden lassen. Dies schien um so wünschens- werther, als ich diese Ansichten noch niemals mit Absicht auf eine Art einzeln genommen angewendet hatte. Beschränken wir unsere Aufmerk- samkeit auf irgend eine Form, so entbehren wir die gewichtigen Be- weismittel, die aus der Natur der Verwandtschaft, welche grosse Grup- pen von Organismen unter einander verbindet, aus ihrer geographischen Vertheilung in der Gegenwart und in vergangenen Zeiten und aus ihrer geologischen Aufeinanderfolge fliessen. Es müssen ferner noch die ho- mologen Bildungen, die embryonale Entwickelung und die rudimentären Organe einer Art, mag dies nun der Mensch oder irgend ein anderes Thier, auf welches sich unsere Aufmerksamkeit richtet, sein, noch be- trachtet werden. Diese grossen Classen von Thatsachen bieten aller- dings, wie es mir scheint, umfassende und endgültige Zeugnisse zu Gunsten des Princips einer stufenweisen Entwickelung dar; indessen sollte man die kräftige Unterstützung anderer Argumente deshalb doch immer vor Augen halten. Die einzige Aufgabe dieses Werks ist erstens, zu betrachten, ob der Mensch, wie jede andere Species, von irgend eimer früher existiren- den Form abstammt, zweitens, die Art seiner Entwickelung, und drittens, den Werth der Verschiedenheiten zwischen den sogenannten Menschenras- sen zu untersuchen. Da ich mich auf diese Punkte beschränken werde, so wird es nieht nothwendig sein, im Einzelnen die Verschiedenheiten zwischen den verschiedenen Rassen zu beschreiben; es ist dies ein äus- serst umfangreicher Gegenstand, welcher in vielen werthvollen Werken ausführlich erörtert worden ist. Das hohe Alter des Menschen ist in der neueren Zeit durch die Bemühungen einer Menge ausgezeichneter Männer nachgewiesen worden, zuerst von BOUCHER DE PERTHES; und dies ist die unentbehrliche Grundlage zum Verständniss seines Ursprungs. Ich werde daher diesen Beweis für erbracht annehmen und darf wohl meine Leser auf die vorzüglichen Schriften von Sir CHARLES LYELL, Sir Jortn LuB- BOCK und Anderen verweisen. Auch werde ich kaum Veranlassung haben mehr zu thun, als auf die Grösse der Verschiedenheiten zwischen dem Menschen und den anthropomorphen Affen hinzuweisen; denn nach der Ansicht der competentesten Beurtheiler hat Professor HuxLEY über- zeugend nachgewiesen, dass der Mensch in jedem einzelnen sichtbaren Merkmale weniger von den höheren Affen abweicht, als diese von den niederen Gliedern derselben Ordnung der Primaten abweichen. Einleitung. . ) Das vorliegende Werk enthält kaum irgend welche originelle That- sachen in Bezug auf den Menschen; da aber die Folgerungen, zu welchen ich nach Vollendung einer flüchtigen Skizze gelangte, mir interessant zu sein schienen, so glaubte ich, dass sie auch Andere interessiren dürf-. ten. Es ist oft und mit Nachdruck behauptet worden, dass der Ur- sprung des Menschen nie zu enträthseln sei. Aber Unwissenheit er- zeugt viel häufiger Sicherheit, als es das Wissen thut. Es sind immer Diejenigen, welche wenig wissen, und nicht Die welche viel wissen, - welche positiv behaupten, dass dieses oder jenes Problem nie von der Wissenschaft werde gelöst werden. Die Schlussfolgerung, dass der Mensch, in gleicher Weise wie andere Arten, ein Nachkomme von irgend welchen anderen niedrigeren und ausgestorbenen Formen sei, ist durch- aus nicht neu. Lamarck kam schon vor langer Zeit zu dieser Folge- rung, welche neuerdings von mehreren ausgezeichneten Naturforschern und Philosophen zu der ihrigen gemacht worden ist, z. B. von WALLACE, Huxvey, Lyetz, VoGT, LuBBock, BÜCHNER, ROLLE etc. ! und besonders von Häcker. Der letztgenannte Naturforscher hat ausser seinem gros- sen Werke: Generelle Morphologie (1866) noch neuerdings (1868 und in zweiter Auflage 1870) seine „Natürliche Schöpfungsgeschichte* her- ausgegeben, in welcher er die Genealogie des Menschen eingehend er- örtert. Wäre dieses Buch erschienen, ehe meine Arbeit niedergeschrie- ben war, würde ich sie wahrscheinlich nie zu Ende geführt haben; fast alle die Folgerungen, zu denen ich gekommen bin, finde ich durch die- sen Forscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel reicher sind als meine. Wo ich irgend eine Thatsache oder Ansicht aus Pro- ! Da die Werke der erstgenannten Schriftsteller in England allgemein be- kannt sind, hat der Verfasser deshalb ihre Titel nicht speciell anzuführen für nöthig gehalten; doch glaubt der Uebersetzer auch diese hier mit aufnehmen zu sollen: A.R. Wallace, Contributions to the theory of natural selection. London, 1870 (Cap. IX. u. X); Huxley, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Uebers. Braunschweig, 1863. Sir Ch. Lyell, Das Alter des Menschen- geschlechts auf der Erde. Uebers. Leipzig, 1864. L. Büchner, Sechs Vor- . lesungen über die Darwin’sche Theorie. 2. Aufl. 1868. Rolle, der Mensch im Lichte der Darwin’schen Theorie. Frankfurt, 1865. Verf. fährt fort: Ich will hier nicht den Versuch machen, alle Schriftsteller zu citiren, welche dieselbe An- sicht vertreten. So hat G. Canestrini eine interessante Abhandlung über rudi- mentäre Charactere und deren Beziehung auf die Frage nach dem Ursprung des Menschen veröffentlicht (Annuario della Soc. d. Nat. Modena, 1867, p. 81). Ein anderes Werk hat Dr. Barrago Francesco herausgegeben unter dem Titel (italienisch, 1869): „Der Mensch geschaffen zum Ebenbilde Gottes, auch geschaffen als Ebenbild des Affen.“ n 1 a A . Einleitung. fessor Häcker’s Schriften hinzugefügt ‚habe, gebe ich seine Gewähr im Text, andere Angaben lasse ich so, .wie sie ursprünglich in meinem Manuscript standen, und füge dann gelegentlich in den Anmerkungen Hinweise auf seine Schriften hinzu, als eine Bestätigung der zweifel- hafteren oder interessanteren Punkte. Viele Jahre hindurch ist es mir äusserst wahrscheinlich erschienen, dass geschlechtliche Zuchtwahl eine bedeutende Rolle bei der Differenzi- rung der Menschenrassen gespielt habe; in meiner „Entstehung der Arten“ (Erste Ausgabe, S. 209) begnügte ich mich aber, nur auf diese Ansicht hinzuweisen. Als ich nun dazu kam, diese Gesichtspunkte auf den Menschen anzuwenden, fand ich es für unumgänglich, den ganzen Gegenstand in ausführlichem Detail zu behandeln ?. In Folge dessen ist der zweite Theil des vorliegenden Werks, welcher von der geschlecht- lichen Zuchtwahl handelt, zu einer ungehörigen Länge, wenn mit dem ersten Theile verglichen, angewachsen; dies liess sich indessen nicht vermeiden. Ich hatte beabsichtigt. den vorliegenden Bänden einen Versuch über den Ausdruck der verschiedenen Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den niederen Thieren hinzuzufügen. Sir CHARLES BELL’s wunder- volles Buch hatte meine Aufmerksamkeit vor vielen Jahren schon auf diesen Gegenstand gelenkt. Dieser berühmte Anatom behauptet, dass der Mensch mit gewissen Muskeln ausgerüstet sei, ausschliesslich zu dem Zwecke, seine Gemüthsbewegungen auszudrücken. Da diese Ansicht offenbar mit dem Glauben in Widerspruch steht, dass der Mensch von irgend einer anderen und niedereren Form abstammt, so wurde es für mich nothwendig,: dieselbe eingehender zu betrachten. Ich wünschte gleichermaassen festzustellen, in wie weit die Gemüthsbewegungen in derselben Weise von den verschiedenen Menschenrassen ausgedrückt wer- den; aber wegen des Umfangs des vorliegenden Werks hielt ich es für besser, diesen Versuch, der zum Theil schon vollendet ist, für eine selbstständige Veröffentlichung vorzubehalten. ® Prof. Häckel ist der einzige Schriftsteller, welcher seit dem Erscheinen der „Entstehung der Arten“ in seinen verschiedenen Arbeiten den Gegenstand der geschlechtlichen Zuchtwahl in sehr umsichtiger Weise erörtert und die volle Bedeutung desselben ergriffen hat. Erster Theil. Die Abstammung des Menschen. a simuliert 1 Erstes Gapitel, Thatsachen, welche für die Abstammung des Menschen von einer niederen Form zeugen. Natur der Beweise für den Ursprung des Menschen. — Homologe Bildungen beim Menschen und den niederen Thieren. — Verschiedene Punkte der Ueberein- stimmung. — Entwickelung. — Rudimentäre Bildungen; Muskeln, Sinnes- organe, Haare, Knochen, Reproductionsorgane u. s. w. — Die Tragweite die- ser drei grossen Classen von Thatsachen in Bezug auf den Ursprung des Menschen. Ein Jeder, welcher zu entscheiden wünscht, ob der Mensch der modifieirte Nachkomme irgend einer früher existirenden Form sei, würde wahrscheinlich zuerst untersuchen, ob der Mensch in einem wie geringen Grade auch immer seiner körperlichen Structur nach und in seinen geistigen Fähigkeiten varürt, und wenn dies der Fall ist, ob diese Ab- änderungen seinen Nachkommen in Uebereinstimmung mit den bei nie- deren Thieren geltenden Gesetzen überliefert werden, wie z. B. nach dem Gesetze der Ueberlieferung von Characteren in demselben Alter oder auf dasselbe Geschlecht; ferner, ob die Abänderungen, soweit es unsere Unwissenheit zu beurtheilen gestattet, die Resultate derselben allgemeinen Ursachen sind und ob sie von denselben allgemeinen Ge- setzen beherrscht werden wie bei anderen Organismen, z. B. von der Correlation, den vererbten Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs u. s. w. Ist ferner der Mensch ähnlichen Missbildungen unterworfen, in Folge von Bildungshemmungen , von Verdoppelung von Theilen u. s. w., und bietet er in irgendwelchen seiner Missbildungen einen hückschlag auf einen früheren und älteren Bildungstypus dar? Natür- lich liesse sich auch untersuchen, ob der Mensch, wie so viele anderen Thiere, Varietäten und Unterrassen habe entstehen lassen, die nur un- bedeutend von einander abweichen, oder Rassen, welche so verschieden von einander sind, dass, sie als zweifelhafte Species zu elassificiren sind. Wie sind derartige Rassen über die Erde verbreitet und wie wirken sie bei einer Kreuzung auf einander, sowohl in der ersten Generation, als + 8 Körperbau des Menschen. I. Theil. in den folgenden? Und so liessen sich noch über viele andere Punkte Fragen aufstellen. Bei dieser Untersuchung würde man dann zunächst zu der wich- tigen Frage kommen, ob der Mensch zu einer im Verhältniss so ra- piden Zunahme neigt, dass hierdurch gelegentlich heftige Kämpfe um das Dasein und in Folge dessen wohlthätige Abänderungen veranlasst werden, gleichviel ob am Körper oder am Geiste, welche dann bewahrt bleiben, während die nachtheiligen beseitigt werden. Greifen die Rassen oder Arten, gleichviel welcher Ausdruck hier angewandt wird, über einan- der über und ersetzen einander, so dass einige schliesslich unterdrückt wer- den? Wir werden sehen, dass alle diese Fragen, wie es in der That in Bezug auf die meisten derselben auf der Hand liegt, bejahend be- antwortet werden müssen, in derselben Weise wie bei den niederen Thieren. Die verschiedenartigen, hier angedeuteten Betrachtungen können aber füglich eine Zeit lang noch zurückgestellt werden, und wir wollen zuerst nachsehen, in wie weit die körperliche Bildung des Menschen mehr oder weniger deutliche Spuren seiner Abstammung von irgend einer niederen Form zeigt. In den beiden folgenden Gapiteln werden die geistigen Fähigkeiten des Menschen im Vergleich mit denen der niederen Thiere betrachtet werden. Die körperliche Bildung des Menschen. — Es ist notorisch, dass der Mensch nach demselben allgemeinen Typus oder Modell wie die anderen Säugethiere gebildet ist. Alle Knochen seines Skelets können mit entsprechenden Knochen eines Affen oder einer Fledermaus oder Robbe verglichen werden; dasselbe gilt für seine Muskeln, Nerven, Blutgefässe und Eingeweide. Das Gehirn, dieses bedeutungsvollste aller Organe, folgt denselben Bildungsgesetzen, wie Huxtey und andere Ana- tomen gezeigt haben. BiscHorr !, welcher zu den Reihen der Gegner gehört, gibt zu, dass jede wesentliche Spalte und Falte in dem Gehirn des Menschen ihr Analogon in dem Gehirn des Orang findet; er fügt aber hinzu, dass auß, keiner Entwickelungsperiode die Gehirne beider voll- ständig unter einander übereinstimmen. Dies konnte man auch nicht ‚erwarten, denn sonst würden ihre geistigen Fähigkeiten dieselben ge- - wesen sein; VuLpIan ? bemerkt: »Les differences reelles, qui existent ® Lecons sur la Physiol. 1866, p. 890, nach dem Citat bei Dally, L’ordre des Primates et le Transformisme. 1868, p. 29. K v .. > Cap. 1; Homologe Bildungen. 4) entre l’encephale de lU’homme et celui des singes superieurs, sont bien minimes. Il ne faut pas se faire dillusions a cet egard. L’homme est bien plus pres des singes anthropomorphes par les caracteres ana- tomiques de son cerveau, que ceux-ci ne le sont non seulement des autres mammiferes, mais meme de certains quadrumanes, des quenons et des macaques.« Es wäre aber überflüssig, hier noch weitere Ein- zelnheiten in Betreff der Uebereinstimmung zwischen dem Menschen und den höheren Säugethieren in der Bildung des Gehirns und aller anderen Theile des Körpers anzuführen. Es dürffte indessen der Mühe werth sein, einige wenige Punkte, welche nicht direct oder offenbar in Verbindung mit dem Körperbau stehen, speciell anzuführen, aus denen diese Uebereinstimmung oder Verwandtschaft deutlich hervorgeht. Der Mensch ist fähig, von den anderen Thieren gewisse Krank- heiten aufzunehmen oder sie ihnen mitzutheilen, wie Wasserscheu, Pocken, Rotz u. s. w., und diese Thatsache beweist die grosse Aehnlichkeit ihrer Gewebe und ihres Blutes, sowohl in ihrem feineren Bau, als in der Zu- sammensetzung, und zwar viel deutlicher, als es durch deren Verglei- chung unter dem besten Mikroskop oder mit Hülfe der sorgfältigsten chemischen Analyse nachgewiesen werden kann. Die Aflen sind vielen nicht eontagiösen Krankheiten ausgesetzt, und zwar denselben wie wir. So fand RENGGER?, welcher eine Zeit lang den Cebus Azarae in seinem Vaterlande sorgfältig beobachtete, dass er Katarıh bekam, mit den ge- wöhnlichen Symptomen, welcher bei häufigem Rückfall zu Schwindsucht führte. Diese Affen litten an Schlagfluss, Entzündung der Eingeweide und grauem Staar am Auge. Die jüngeren starben oft am Fieber während der Periode, in der sie ihre Milchzähne verloren; Arzneien haben dieselbe Wirkung auf sie wie auf uns. Viele Arten von Affen haben eine starke Vorliebe für Thee, Kaffe und spirituöse Getränke; sie können auch, wie ich selbst gesehen habe, mit Vergnügen Tabak rauchen. Brenn behauptet, dass die Eingeborenen von Nordafrika die wilden Paviane dadurch fangen, dass sie Gefässe mit starkem Bier hinstellen, in welchem sich die Affen betrinken. Er hat mehrere dieser Thiere, die er in Gefangenschaft hielt, in diesem Zustande gesehen und gibt einen höchst komischen Bericht ihres Benehmens und ihrer wunderbaren Grimassen. Am folgenden Morgen waren sie sehr verstimmt und un- aufgelegt, sie hielten ihren schmerzenden Kopf mit beiden Händen nnd 3 Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 50. 10 Körperbau des Menschen. I. Theil. boten ein äusserst erbarmungswürdiges Ansehen dar. Wurde ihnen Bier oder Wein angeboten, so wandten sie sich mit Widerwillen ab, labten sich dagegen an Citronensaft +. Ein amerikanischer Afle, ein Ateles, wollte, nachdem er einmal von Branntwein betrunken geworden war, nie mehr solchen anrühren und war daher weiser als viele Menschen. Diese unbedeutenden Thatsachen beweisen, wie ähnlich die Geschmacksnerven bei den Affen und den Menschen sein müssen und in wie ähnlicher Weise ihr ganzes Nervensystem affieirt wird. ! Der Mensch wird von inneren Parasiten geplagt, welche zuweilen tödtliche Wirkungen hervorbringen, in gleicher Weise auch von äusseren, und alle diese Schmarotzer gehören zu denselben Gattungen oder Fa- milien wie die, welche andere Säugethiere bewohnen. Der Mensch ist in gleicher Weise wie andere Säugethiere, Vögel und selbst Insecten, jenem geheimnissvollen Gesetz unterworfen, welches gewisse normale Vorgänge, wie die Trächtigkeit, ebenso wie die Reife und die Dauer gewisser Krankheiten den Mondperioden zu folgen veranlasst °. Seine Wunden werden durch denselben Heilungsprocess wieder hergestellt und die nach der Amputation seiner Gliedmaassen gelassenen Stumpfe be- sitzen gelegentlich, besonders während der früheren embryonalen Pe- riode, eine gewisse Fähigkeit der Regeneration wie bei den niedersten Thieren ®. Der ganze Process jener bedeutungsvollen Verrichtung der Fort- pflanzung der Art ist bei den Säugethieren in auffallender Weise der- selbe, von dem ersten Acte der Werbung des Männchens? an bis zu der * Brehm, Thierleben. Bd. 1. S. 75, 86. Ueber den Ateles S. 195. Wegen anderer analoger Angaben s. S. 25, 107. > In Bezug auf Insecten s. Dr. Laycock, On a general law of vital perio- dieity. British Associat. 1842. Macceuloch sah einen Hund an dreitägigem Wechselfieber leiden. Silliman’s Americ. Journ. of Science. XVII, 305. 6 Die Beweise hiefür habe ich gegeben in der Schrift: „Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ Bd. 2. S. 20 d. Uebers. ” „Mares e diversis generibus Quadrumanorum sine dubio dignoseunt feminas humanas a maribus. Primum, credo, odoratu, postea aspectu. Mr. Youatt, qui diu in Hortis Zoologieis (Bestiariis) medicus animalium erat, vir in rebus obser- vandis cautus et sagax, hoc mihi certissime probavit, et curatores ejusdem loci et alii e ministris confirmaverunt. Sir Andrew Smith et Brehm notabant idem in Cynocephalo. Illustrissimus Cuvier etiam narrat multa de hac re, qua ut opinor nihil turpius potest indicari inter omnia hominibus et Quadrumanis com- munia. Narrat enim Öynocephalum quendam in furorem ineidere aspectu femi- narum aliquarum, sed nequaquam accendi tanto furore ab omnibus. Semper eli- gebat juniores et dignoscebat in turba et advocabat voce gestuque“. . r Cap. 1. Embryonale Entwickelung. 11 Geburt und der Ernährung des ‚Jungen. Die Affen werden in einem fast genau so hülflosen Zustande geboren wie unsere eigenen Kinder, und in gewissen Gattungen weichen die Jungen in ihrem Aussehen von den Erwachsenen genau so viel ab, als menschliche Kinder von ihren erwachsenen Eltern ®. Einige Schriftsteller haben als einen wichtigen . Unterschied hervorgehoben, dass beim Menschen die Jungen in einem viel späteren Alter zur Reife gelangen, als bei irgend einem anderen Thiere. Wenn wir aber einen Blick auf die Menschenrassen werfen, welche tropische Länder bewohnen, so ist der Unterschied nicht gross. Denn der Orang wird, wie man glaubt, nicht vor einem Alter von 10 bis 15 Jahren reif. Der Mann weicht von der Frau in der grossen Körperkraft, in dem Behaartsein u. s. w., ebenso wie in Bezug auf den Geist, in derselben Weise ab, wie die beiden Geschlechter vieler Säuge- thiere von einander abweichen. Es ist überhaupt kaum möglich, die enge Uebereinstimmung im allgemeinen Bau, in der feinen Structur der Gewebe, in der chemischen Zusammensetzung und in der Constitution zwischen dem Menschen und den höheren Thieren, besonders den an- thropomorphen Affen, zu übertreiben. Embryonale Entwiekelung. Der Mensch entwiekelt sich aus einem Eichen von ungefähr Yı2as Zoll im Durchmesser, welches in kei- ner Hinsicht von den Eichen anderer Thiere abweicht. Der Embryo selbst kann auf einer frühen. Stufe kaum von dem anderer Glieder des Wirbelthierreichs unterschieden werden. Auf dieser Periode verlaufen die Halsarterien in bogenförmigen Aesten, als wenn sie das Blut zu Kiemen brächten, welche bei den höheren Wirbelthieren nicht vorhan- den sind, obschon die Spalten an den Seiten des Halses noch übrig sind und deren frühere Stellung angeben. Auf einer etwas späteren Periode, wenn sich die Gliedmaassen entwickeln, entstehen, wie der berühmte v. BAER bemerkt, die Füsse von Eidechsen und Säugethieren, die Flügel und Füsse der Vögel und ebenso die Hände und Füsse des Menschen sämmtlich aus derselben Grundform. „Erst auf späteren Entwickelungs- stufen“, sagt Professor Huxtey !%, „bietet das junge menschliche Wesen deutliche Verschiedenheiten von dem jungen Affen dar, welcher letztere ® Diese Bemerkung machen in Bezug auf Cynocephalus und die anthropo- morphen Affen Geoffroy St. Hilaire”wmd Fr. Cuvier, Hist. natur. des Mammiferes. Tom. I. 1824. ° Huxley, Stellung des Menschen in der Natur. S. 38 (Uebers.) % Huxley, Stellung des Menschen in der Natnr. S. 75. Ü . iD Körperbau des Menschen. I. Theil. ebenso weit vom Hunde in seiner Entwickelung abweicht, als es der Mensch thut. So auffallend diese letztere Behauptung zu sein scheint, so ist sie doch nachweisbar richtig. Da manche meiner Leser vielleicht noch niemals die Zeichnung eines Embryo gesehen haben, _habe ich hier eine solche von einem Men- schen und eine andere vom Hunde von ungefähr derselben Entwickelungs- Fig. 1. Die obere Figur ist ein menschlicher Embryo nach Ecker, die untere der eines Hundes nach Bischoff. ; a) Vorderhirn, Grosshirnhemisphären ete. b) Mittelhirn, Vierhügel. ec) Hinterhirn, Kleinhirn, ver- längertes Mark. d) Auge. e) Ohr. f) Erster Visceralbogen. g) Zweiter Visceralbogen. H) Wir- belsäule und Muskelmasse. i) Vordere Gliedmaassen. K) Hintere Gliedmaassen. L) Schwanz oder Coceyx. stufe gegeben, beides Copien nach zwei Werken von zweifelloser Ge- nauigkeit !!, !! Der menschliche Embryo (obere Figur) ist nach Ecker, Icones physiol. + v Cap. 1. Embryonale Entwickelung. 3 Nach den vorstehenden, auf Grund bedeutender Autoritäten mit- getheilten Angaben würde es meinerseits überflüssig sein, noch eine An- zahl entlehnter Einzelnheiten zu geben, um zu zeigen, dass der Embryo des Menschen streng dem anderer Säugethiere gleicht. Es mag indess noch hinzugefügt werden, dass der menschliche Embryo in verschiede- nen Punkten seiner Bildung gleichfalls gewissen niederen Formen in deren erwachsenem Zustande ähnlich ist. So ist z. B. das Herz zuerst einfach ein pulsirendes Gefäss, die Exceremente werden durch eine Kloake entleert und das Schwanzbein springt wie ein wahrer Schwanz vor, indem es sich beträchtlich „jenseits der rudimentären Beine“ ver- längert '?. Bei den Embryonen aller Iuftathmenden Wirbelthiere ent- sprechen gewisse Drüsen, die sogenannten Wolff’schen Körper, den Nie- ren erwachsener Fische und wirken auch wie diese 13. Selbst in einer späteren embryonalen Periode lassen sich einige auffallende Ueberein- stimmungen zwischen dem Menschen und den niederen Thieren' beob- achten. BıscHorr sagt, dass die Gehirnwindungen eines menschlichen Fötus vom Ende des siebenten Monats ungefähr die Entwickelungsstufe erreichen, welche ein erwachsener Pavian zeigt '*. Wie Professor OWEN bemerkt !?, „ist die grosse Zehe, welche beim Stehen oder Gehen den Stützpunkt bildet, vielleicht die characteristischste Eigenthümlichkeit des menschlichen Bau’s“. Aber bei einem Embryo von ungefähr einem Zoll Länge fand Professor Wyman !6, „dass die grosse Zehe kürzer als die anderen und, statt diesen parallel zu sein, unter einem Winkel von dem Fussrande vorsprang und daher mit dem bleibenden Zustande dieses Theils bei den Affen übereinstimmte“. Ich will mit der Anführung einer Stelle von Huxrey schliessen !7, welcher frägt, ob der Mensch in Tab. XXX. Fig. 2. Dieser Embryo war zehn Linien lang, so dass die Zeich- nung sehr vergrössert ist. Der Hundeembryo ist nach Bischoff, Entwickelungs- geschichte des Hunde-Eies. 1845. Taf. XI, Fig. 42 B. Die Zeichnung ist fünf- mal vergrössert; der Embryo war 25 Tage alt. Die inneren Eingeweide sind weggelassen und die Uterinanhänge in beiden Figuren entfernt worden. Mich führte Prof. Huxley auf diese Abbildungen, dessen Werke, „Stellung des Men- schen in der Natur“ die Idee, sie hier zu geben, entnommen ist. Auch Häckel hat analoge Figuren in seiner Schöpfungsgeschichte gegeben. 2 Prof. Wyman, in: Proceed. Americ. Acad. of Sciences. Vol. IV. 1860, p. 17. !3 Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I, p. 533. 4 Die Grosshirnwindungen des Menschen. 1868. 8. 95. 15 Anatomy of Vertebrates. Vol. II, p. 553. 16 Proceed. Soc. Nat. Hist. Boston, 1863. Vol. IX, p. 185. 1" Stellung des Menschen in der Natur. 8. 74. 14 Körperbau des Menschen. I. Theil. einer vom Hund, Vogel, Frosch oder Fisch verschiedenen Weise ent- steht, und dann sagt: „die Antwort kann nicht einen Augenblick zweifel- „haft sein, die Ursprungsweise und die frühen Entwickelungsstufen des „Menschen sind mit denen der in dem Thierreiche unmittelbar unter „Ihm stehenden Formen identisch. Ohne allen Zweifel steht er in diesen „Beziehungen den Affen viel näher, als die Affen dem Hunde stehen.“ Rudimente. — Obgleich dieser Gegenstand seinem inneren Wesen nach nicht von grösserer Bedeutung ist als die beiden letzterwähnten, so soll er doch aus mehreren Gründen hier mit grösserer Ausführlich- keit behandelt werden !®. Es lässt sich nicht eines der höheren Thiere anführen, welches nicht irgend einen Theil in einem rudimentären Zu- stande besässe, und der Mensch bietet keine Ausnahme von dieser Regel dar. Rudimentäre Organe müssen von solchen unterschieden werden, welche auf dem Wege der Bildung sind, obschon in manchen Fällen die Unterscheidung nicht leicht ist. Die ersteren sind entweder absolut nutzlos, wie die Zitzen der männlichen Säugethiere oder die oberen Schneidezähne von Wiederkäuern, welche niemals das Zahnfleisch durch- schneiden, oder sie sind von so untergeordnetem Nutzen für ihre jetzigen Besitzer, dass wir nicht annehmen können, sie hätten sich unter den jetzt existirenden Bedingungen entwickelt. Organe in diesem letzteren Zustand sind nicht streng genommen rudimentär, sie neigen nach dieser Richtung hin. Andererseits sind Organe in der Bildung, wenn auch noch nicht völlig entwickelt, für ihre Besitzer von grossem Nutzen und weiterer Entwickelung fähig. Rudimentäre Organe sind äusserst variabel, und dies lässt sich zum Theil daraus verstehen, dass sie nutzlos oder nahezu nutzlos sind und in Folge dessen nicht länger mehr der natür- lichen Zuchtwahl unterliegen. Sie werden oft vollständig unterdrückt. Wenn dies eintritt, können sie nichtsdestoweniger gelegentlich durch Rückschlag wiedererscheinen, und dies ist ein der Aufmerksamkeit wohl werther Umstand. Niehtgebrauch während der Lebensperiode, in welcher ein Organ hauptsächlich gebraucht wird, und dies ist meist während der Reifezeit 15 Ich hatte eine Skizze dieses Capitels niedergeschrieben, ehe ich eine werthvolle Abhandlung von G. Canestrini gelesen hatte, welcher ich beträcht- lich zu danken habe: Caratteri rudimentali in ordine all’ origine del uomo, in: Annuario della Soc. d. Nat. Modena, 1867, p. 81. Häckel hat ganz vorzüg- liche Erörterungen über diesen ganzen Gegenstand unter dem Titel Dysteleologie in seiner „Generellen Morphologie“ und seiner „Schöpfungsgeschichte“ angestellt- aA u r Cap. 1. Rudimente. 15 der Fall, in Verbindung mit Vererbung auf einem entsprechenden Le- bensalter scheinen die hauptsächlichsten Kräfte gewesen zu sein, welche das Rudimentärwerden der Organe veranlasst. Der Ausdruck „Nicht- gebrauch“ bezieht sich nicht bloss auf die verringerte Thätigkeit der Muskeln, sondern umfasst auch einen verminderten Zufluss von Blut nach einem Theile oder Organe hin, weil dasselbe weniger Aenderungen von Druck ausgesetzt ist, oder weil es in irgendwelcher Weise weniger gewohnheitsgemäss thätig ist. Es können indessen Rudimente von Theilen in dem einen Geschlecht auftreten, welche im anderen Geschlecht normal vorhanden sind; und solche Rudimente sind, wie wir später sehen werden, oft in einer verschiedenen Art entstanden. In manchen Fällen sind Organe durch natürliche Zuchtwahl verkümmert, weil sie der Art und der veränderten Lebensweise nachtheilig geworden sind. Der Process der Verkümmerung wird wahrscheinlich oft durch die bei- den Principe der Compensation und Oekonomie des Wachsthums unter- stützt; aber die letzten Stufen der Verkümmerung, — wenn nämlich der Nichtgebrauch Alles, was ihm einigermaassen zugeschrieben werden kann, vollbracht hat, und sobald die durch die Oekonomie des Wachsthums bewirkte Ersparniss sehr klein sein würde !% —, sind nur schwer zu er- klären. Die endliche und vollständige Unterdrückung eines Theils, wel- cher bereits nutzlos und in der Grösse sehr verkümmert ist, in welchem Falle ‘weder Compensation noch Oekonomie des Wachsthums in’s Spiel kommen können, lässt sich vielleicht mit Hülfe der Hypothese der Pan- genesis verstehen und, wie es scheint, auf keine andere Weise. Da in- dess der ganze Gegenstand der rudimentären Organe in einem früheren Werke ?% ausführlich erläutert und erörtert worden ist, brauche ich hier über dieses Capitel nichts mehr im Allgemeinen zu sagen. In vielen Theilen des menschlichen Körpers hat man Rudimente verschiedener Muskeln beobachtet ?!; und nicht wenige Muskeln, welche '» Einige gute kritische Bemerkungen über diesen Gegenstand haben Murie und Mivart gegeben, in: Transact. Zool. Soc. Vol. VII, p, 92. 2° Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2. S. 418 und 520. s. auch Entstehung der Arten. 4. (deutsche) Aufl. S. 475. 21 So z. B. beschreibt Richard (Annal. d. science. natur. 3. Ser. Zool. T, XVIL, p. 15) und bildet ab Rudimente des von ihm sogenannten „muscle pedieux de la main“, welcher, wie er sagt, zuweilen „infinement petit“ sei. Ein anderer, „Tibial posterieur“ genannter Muskel ist meist an der Hand gar nicht vorhan- den, erscheint aber von Zeit zu Zeit in einem mehr oder weniger rudimentären Zustande, 16 Körperbau des Menschen. r I. Theil. ‘in einigen niederen Thieren regelmässig vorhanden sind, können gele- gentlich beim Menschen in einer beträchtlich verkümmerten Form nach- gewiesen werden. ‚Jedermann muss die Kraft beobachtet haben, mit welcher viele Thiere, besonders Pferde, ihre Haut bewegen oder er- zittern machen, und dies wird durch den Panniculus carnosus bewirkt. Ueberbleibsel dieses Muskels in einem noch wirksamen Zustande werden an verschiedenen Theilen unseres Körpers gefunden, z. B. an der Stirn, wo sie die Augenbrauen erheben. Das Platysma myoides, welches am Halse entwickelt ist, gehört zu diesem System, kann aber nicht will- kürlich in Thätigkeit gebracht werden. Wie mir Professor TURNER von Edinburg mittheilt, hat er gelegentlich Muskelfasern an fünf verschie- denen Stellen entdeckt, nämlich in den Achselhöhlen, in der Nähe der Schulterblätter u. s. w., welche alle auf das System des grossen Haut- muskels bezogen werden müssen. Er hat auch gezeigt’, dass der Musculus sternalis brutorum, weleher nicht etwa eine Verlängerung des Rectus abdominalis, sondern eng mit dem Pannieulus verwandt ist, in dem Verhältniss von ungefähr 3° unter mehr als 600 Leichnamen vorkam. Er fügte hinzu, dass dieser Muskel „eine vorzügliche Erläute- rung der Angabe darbiete, dass gelegentlich auftretende und rudimen- täre Bildungen besonders einer Abänderung in der Anordnung ausge- setzt sind.* Einige wenige Personen haben die Fähigkeit, die oberflächlichen Muskeln ihrer Kopfhaut zusammenzuziehen, und diese Muskeln befinden sich in einem variabeln und zum Theil rudimentären Zustand. Herr A. Dr CanvoLzE hat mir ein merkwürdiges Beispiel der lange fortge- setzten Dauer oder Vererbung dieser Fähigkeit ebenso wie ihrer unge- wöhnlichen Entwickelung mitgetheilt. Er kennt eine Familie, von wel- cher ein Glied, das gegenwärtige Haupt der Familie, als junger Mann schwere Bücher von seinem Kopfe schleudern konnte, allein durch die Bewegung seiner Kopfhaut, und er gewann durch Ausführung dieses Kunststücks Wetten. Sein Vater, Onkel, Grossvater und alle seine drei Kinder besitzen dieselbe Fähigkeit in demselben ungewöhnlichen Grade. Vor acht Generationen wurde diese Familie in zwei Zweige getheilt, so dass das Haupt des oben genannten Zweigs Vetter im siebenten Grade zu dem Haupte des andern Zweigs ist. Dieser entfernte Verwandte wohnt in einem anderen Theile von Frankreich; und als er gefragt 22 Prof, W. Turner, Proc. Roy. Soc. Edinburgh, 1866—67, p. 65. % Cap. 1. | Rudimente. 17 wurde, ob er diese selbe Fähigkeit besässe, produeirte er sofort seine Kraft. Dieser Fall bietet eine nette Erläuterung dafür dar, wie zäh eine absolut nutzlose Fähigkeit überliefert werden kann. Die äusseren Muskeln, welche dazu dienen, das ganze äussere Ohr zu bewegen, und die inneren Muskeln, welche dessen verschiedene Theile bewegen (welche alle zu dem System des Hautmuskels gehören), finden ' sich bei dem Menschen in einem rudimentären Zustande; sie sind auch in ihrer Entwickelung, oder wenigstens in ihren Functiönen, variabel. Ich habe einen Mann gesehen, welcher seine Ohren vorwärts, und einen anderen, welcher sie rückwärts ziehen konnte ??; und nach dem, was mir eine dieser Personen sagt, ist es wahrscheinlich, dass die Meisten von uns dadurch, dass wir oft unsere Ohren berühren und hierdurch unsere Aufmerksamkeit auf sie lenken, nach wiederholten Versuchen etwas Bewegungskraft wiedererlangen können. Die Fähigkeit, die Ohren aufzurichten und sie nach verschiedenen Richtungen hinzuwenden, ist ohne Zweifel für viele Thiere von dem höchsten Nutzen, da diese hier- durch den Ort der Gefahr erkennen; ich habe aber nie von einem Menschen gehört, welcher auch nur die geringste Fähigkeit, die Ohren aufzurichten, besessen hätte, die einzige Bewegung, welche für ihn von Nutzen sein könnte. Die ganze äussere Ohrmuschel könnte man als Rudiment betrachten, zusammen mit den verschiedenen Falten und Vor- sprüngen (Helix und Antihelix, Tragus und Antitragus u. s. w.), welche bei den niederen Thieren das Ohr kräftigen und stützen, wenn es auf- gerichtet ist, ohne sein Gewicht sehr zu vermehren. Manche Autoren vermuthen indess, dass der Knorpel der Ohrmuschel dazu dient, die Schallschwingungen dem Hörnerven zu übermitteln. Mr. ToynBEr kommt aber ?*, nachdem er alle bekannten Erfahrungen über diesen Punkt ge- sammelt hat, zu dem Schluss, dass die äussere Ohrmuschel von keinem bestimmten Nutzen ist. Die Ohren des Schimpanse und Orang sind denen des Menschen merkwürdig ähnlich, und mir haben die Wärter in den zoologischen Gärten versichert, dass diese Thiere sie nie bewegen oder aufrichten, so dass also dieselben in einem gleichermaassen rudi- mentären Zustande sind, soweit es die Function betrifft, wie beim Men- schen. Warum diese Thiere, ebenso wie die Voreltern des Menschen, die Fähigkeit, ihre Ohren aufzurichten, verloren haben, können wir nicht 23? Canestrini eitirt für ähnliche Thatsachen Hyrtl (Anuario della Soc. dei Natural. Modena, 1867, p. 97). ”4 The Diseases of the Ear by J. Toynbee. ZLondon, 1860, p. 12. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 2 18 Körperbau des Menschen. I. Theil. sagen. Es könnte sein, doch bin ich nicht völlige von dieser Ansicht zufriedengestellt, dass sie in Folge ihres Lebens auf Bäumen und wegen ihrer grossen Kraft nur wenigen Gefahren ausgesetzt waren und des- halb während einer langen Zeit ihre Ohren nur wenig bewegten und dadurch allmählich das Vermögen, sie zu bewegen, verloren. Dies würde ein paralleler Fall mit dem jener grossen und schweren Vögel sein, welche das Vermögen, ihre Flügel zum Fluge zu gebrauchen, in Folge des Umstands verloren haben, dass sie oceanische Inseln bewohnen und daher den Angriffen von Raubthieren nicht ausgesetzt. gewesen sind. Der berühmte Bildhauer Mr. Woornxer theilt mir eine kleine Eigenthümlichkeit am äusseren Ohre mit, welche er oft sowohl bei Männern wie bei Frauen beobachtet und deren volle Bedeutung er erfasst hat. Seine Aufmerksamkeit wurde zuerst auf den Gegenstand gerich- tet, als er seine Statue des „Puck“ arbeitete, welchem er spitze Ohren gegeben hatte. Er wurde hierdurch veranlasst, die Ohren verschiedener Affen und später noch sorgfältiger die des Menschen zu untersuchen. Die Eigenthümlichkeit besteht in einem kleinen stumpfen, von dem in- neren Rande der äusseren Falte oder des Helix vorspringenden Punkte. Mr. WooLner hat ein sorgfältiges Modell eines solchen Falles gemacht und mir die beistehende Zeichnung (Fig. 2) übersandt. Dieser Punkt springt nicht bloss nach innen, sondern oft etwas nach aussen vor, so dass er sichtbar wird, wenn der Kopf direct von vorn oder von hinten betrachtet wird. Er ist in der Grösse und auch etwas in der Stel- lung variabel, indem er entweder etwas höher oder tiefer steht; zuweilen kommt er auch nur an dem einen Ohr und nicht gleichzeitig am andern vor. Meiner Meinung nach ist nun die Bedeutung dieser Vorsprünge nicht zweifel- haft; man könnte aber glauben, dass, da sie einen so unbedeutenden Character darbieten, sie kaum der Bemerkung werth wären. Dieser Menschliches Ohr, gezeichnet una Glaube ist indess ebenso falsch als natürlich. modellirt von Mr. Woolner. Jedes, Merkmal, so unbedeutend es auch sein u mag, muss das Resultat irgend einer bestimmten Ursache sein. Der Helix besteht offenbar aus dem nach innen gefalte- ten äusseren Rande des Ohrs und diese Faltung scheint in irgend einer Weise damit zusammenzuhängen, dass das ganze äussere Ohr beständig Fig. 2. “ = Cap. 1. Rudimente. 19 nach rückwärts gedrückt wird. Bei vielen Affen, welche nicht hoch in der ganzen Ordnung stehen, wie bei den Pavianen und manchen Arten von Macacus ?°, ist der obere Theil des Ohrs leicht zugespitzt und der Rand ist durchaus nicht nach innen gefaltet. Wäre aber der Rand in dieser Weise gefaltet, so würde nothwendig eine kleine Spitze nach innen und wahrscheinlich auch etwas nach aussen vorspringen. Dies konnte man thatsächlich an einem Exemplar des Ateles Beelzebuth im zoologischen Garten beobachten; und wir können ruhig schliessen, dass es eine ähnliche Bildung, nämlich eine Spur früher gespitzter Ohren ist, welche gelegentlich beim Menschen wieder erscheint. Die Nickhaut, oder das dritte Augenlid, mit ihren accessorischen Muskeln und anderen Gebilden ist besonders wohl entwickelt bei den Vögeln und ist für diese von höherer functioneller Bedeutung, da sie sehr schnell über den ganzen Augapfel gezogen werden kann. Sie findet sich auch bei manchen Reptilien und Amphibien und bei gewissen Fi- schen, wie z. B. bei Haifischen. Sie ist ziemlich gut entwickelt in den beiden unteren Abtheilungen der Säugethiere, nämlich bei den Mono- tremen und Marsupialien und in einigen wenigen unter den höheren Säugethieren, wie beim Walross. Beim Menschen und den Quadru- manen dagegen, wie bei den meisten übrigen Säugethieren existirt sie, wie alle Anatomen annehmen, nur als blosses Rudiment, als die so- genannte halbmondförmige Falte 2®. Der Geruchssinn ist für die grössere Zahl der Säugethiere von der höchsten Wichtigkeit, für einige, wie die Wiederkäuer, dadurch, dass er dieselben vor Gefahren warnt, für andere, wie die Carnivoren, dass er sie die Beute finden lässt, für noch andere, wie den wilden Eber, zu beiden Zwecken. Der Geruchssinn ist aber von äusserst unterge- ordnetem Nutzen, wenn überhaupt von irgendwelchem, selbst für Wilde, bei denen er allgemein noch höher entwickelt ist als bei den eivilisirten Rassen ; er warnt sie weder vor Gefahren, noch leitet er sie zur Nah- rung; auch verhindert er nicht, dass die Eskimo’s in der übelriechend- 25 5. auch die Bemerkungen und die Abbildungen der Lemuridenohren in der vortrefflichen Abhandlung von Murie und Mivart in der Transact. Zool. Soc. Vol. VII. 1869, p. 6 und 90. 26 J. Müller, Handbuch der Physiologie. 4. Aufl. B. 2. S. 312. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. IH, p. 260; derselbe über das Walross: Proceed. Zool. Soc. 8. Novbr. 1864. s. auch R. Knox, Great Artists and Anatomists, p- 106. Dies Rudiment ist, wie es scheint, bei Negern und Australiern etwas grösser als bei Europäern. s. C. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 162, )%* 20 Körperbau des Menschen. I. Theil. sten Atmosphäre schlafen, oder dass viele Wilde halbfaules Fleisch essen. Wer an das Princip einer stufenweisen Entwickelung glaubt, wird nicht leicht zugeben, dass dieser Sinn in seinem jetzigen Zustande ursprünglich vom Menschen, wie er jetzt existirt, erlangt wurde. Ohne Zweifel ererbte er die Fähigkeit in einem abgeschwächten und insofern rudimentären Zustande von irgend einem früheren Vorfahren, dem sie äusserst nutzbar war und von dem sie beständig gebraucht wurde. Es lässt sich vielleicht hierdurch verstehen, woher es kommt, dass, wie Dr. MaupsLeY richtig bemerkt hat ?”, der Geruchssinn beim Menschen „in einer merkwürdig wirksamen Weise Ideen und Bilder bereits ver- gessener Scenen und Orte wieder erweckt“; denn bei den Thieren, welche diesen Sinn in hoher Entwickelung besitzen, wie bei Hunden und Pfer- den, sehen wir, dass alte Erinnerungen an Personen und Orte entschie- den mit ihrem Geruchssinn vergesellschaftet sind. Der Mensch weicht auffallend von allen übrigen Primaten darin ab, dass er fast nackt ist. Doch finden sich wenige kurze steife Haare über den grösseren Theil des Körpers beim männlichen Geschlecht und feine dunenartige an dem des weiblichen. Bei Individuen, welche zu derselben Rasse gehören, sind diese Haare äusserst variabel, nicht bloss in der Menge, sondern auch in der Stellung. So sind bei manchen Europäern die Schultern völlig nackt, während sie bei anderen dicke Haarbüschsel tragen ?®. Es lässt sich wohl kaum bezweifeln, dass die in dieser Weise über den Körper zerstreuten Haare die Ueberbleibsel des gleichförmigen Haarkleids der niederen Thiere sind. Diese Ansicht wird dadnrch um so wahrscheinlicher, dass, wie bekannt ist, feine, kurze und hellgefärbte Haare an den Gliedmaassen und anderen Theilen des Körpers sich gelegentlich zu dicht stehenden langen und im Ganzen groben dunklen Haaren entwickeln, wenn sie in der Nähe alter, ent- zündeter Oberflächen abnorm ernährt werden 2°. Mr. Pıser theilt mir mit, dass Personen, welche zu einer und derselben Familie gehören, oft in ihren Augenbrauen einzelne wenige Haare haben, die viel länger als die übrigen sind, so dass diese unbedeutende Eigenthümlichkeit vererbt zu werden scheint. Diese Haare repräsen- 2” The Physiology and Pathology of Mind. 2. Edit. 1868, p. 134. 25 Eschricht, Ueber die Richtung der Haare am menschlichen Körper, in: Müller’s Archiv für Anat. und Phys. 1837. S. 47. Ich werde mich oft auf diese sehr interessante Arbeit zu beziehen haben. 29 Paget, Lectures on Surgical Pathology. 1853. Vol. I, p. 71. u « Cap. 1. Rudimente. 74 tiren offenbar die Tasthaare, welche von vielen der niederen Thiere als Tastorgane gebraucht werden. An einem jungen Schimpanse beobachtete ich, dass ein paar aufrechte, etwas lange Haare oberhalb der Augen vorsprangen, wo die eigentlichen Augenbrauen, wenn sie vorhanden wären, gestanden haben würden. Das feine, wollähnliche Haar oder der sogenannte Lanugo, mit welchem der menschliche Fötus während des sechsten Monats dicht be- deckt ist, bietet einen noch merkwürdigeren Fall dar. Er entwickelt sich zuerst während des fünften Monats an den Augenbrauen und dem Gesicht und besonders um den Mund, wo er viel länger als der auf dem Kopfe ist. Ein Schnurrbart dieser Art wurde von EScHrichTt ?° an einem weiblichen Fötus beobachtet. Doch ist dies kein so auffallender Umstand, als er auf den ersten Blick scheinen mag, denn die beiden Geschlechter gleichen einander in allen äusseren Merkmalen während der früheren Wachsthumsperioden sehr. Die Richtung und Anordnung der Haare auf allen Theilen des Embryonalkörpers sind dieselben wie beim erwachsenen Körper, unterliegen aber bedeutender Variabilität. So ist die ganze Oberfläche, selbst mit Einschluss der Stirn und der Ohren, dicht bekleidet; es ist aber eine bezeichnende Thatsache, dass die Handflächen und Fusssohlen völlig nackt sind, wie es die unteren Flächen aller vier Extremitäten der niederen Thiere sind. Da dies eine zufällige Uebereinstimmung sein kann, so müssen wir die wollige Bedeckung des Fötus für den rudimentären Repräsentanten des ersten bleibenden Haarkleids derjenigen Säugethiere ansehen, welche behaart geboren werden. Diese Stellvertretung ist viel vollständiger in Ueber- einstimmung mit dem gewöhnlich befolgten Gesetz der embryonalen Entwickelung, als jene’einzelnen Fälle zerstreut stehender Haare auf dem Körper des Erwachsenen. Es scheint, als wenn der hinterste Backzahn, der sogenannte Weis- heitszahn, bei den eivilisirten Menschenrassen rudimentär zu werden strebte. Diese Zähne sind meistens kleiner als die anderen Backzähne, _ wie es gleichfalls der Fall mit den entsprechenden Zähnen beim Schim- panse und Orang ist; auch haben sie nur zwei getrennte Wurzeln. Sie durchbrechen das Zahnfleisch nicht eher als im siebenzehnten Jahre ungefähr, und Zahnärzte haben mir versichert, dass sie viel mehr der Zerstörung ausgesetzt sind und früher verloren werden, als die anderen Wschricht, a. ©... 40, AT. 39 Körperbau des Menschen. 1. Theil. Zähne. Es ist auch merkwürdig, dass sie viel mehr, sowohl in ihrer Bildung, als in der Zeit ihrer Entwickelung, zu variiren geneigt sind als die anderen Zähne ?!. Bei den schwarzen Rassen sind dagegen die Weisheitszähne gewöhnlich mit drei getrennten Wurzeln versehen und meist gesund; auch weichen sie von den anderen Backzähnen nicht so in der Grösse ab, wie bei den kaukasischen Rassen ??, Professor SCHAAFF- HAUSEN erklärt diese Verschiedenheit zwischen den Rassen dadurch, dass „der hintere zahntragende Abschnitt der Kiefer“ bei den eivilisirten Rassen ?? „immer verkürzt“ ist; und ich meine, diese Verkürzung kann man ruhig dem Umstande zuschreiben, dass civilisirte Menschen sich gewöhnlich von weichen, gekochten Speisen ernähren und daher ihre Kinnladen weniger gebrauchen. Mr. BrAcE theilt mir mit, dass es in den Vereinigten Staaten eine durchaus gewöhnliche Operation werde, bei Kindern einige Backzähne zu entfernen, da die Kinnladen nicht gross genug wachsen für die vollständige Entwickelung der normalen Zahl. In Bezug auf den Verdauungskanal ist mir nur ein einziger Be- richt von einem Rudimente vorgekommen, nämlich dem wurmförmigen Anhange des Blinddarms. Der Blinddarm ist eine Abzweigung oder ein Divertikel des Darms, welcher mit einem Blindsack endigt, und bei vielen niedrigeren pflanzenfressenden Säugethieren ist er ausserordentlich lang, bei dem marsupialen Koala ist er factisch über dreimal so lang als der ganze Körper #4. Zuweilen ist er in einen langen, sich allmählich zuspitzenden Fortsatz ausgezogen und zuweilen in Abtheilungen abge- schnürt. Es scheint, als wenn in Folge veränderter Ernährung oder Lebensweise der Blindsack bei verschiedenen Thieren sehr verkürzt wor- den sei, wo dann der wurmförmige Anhang als Rudiment des verkürz- ‘ten Theils übrig bleibt. Dass dieser Anhang ein Rudiment ist, können wir aus seiner unbedeutenden Grösse und aus den Beweisen für seine Veränderlichkeit beim Menschen schliessen, welche Professor CANESTRINI ®® gesammelt hat. Er fehlt gelegentlich vollständig oder ist wiederum bedeutend entwickelt; seine Höhle ist zuweilen vollständig für die Hälfte 31 Dr. Webb, Teeth in Man and the Anthropoid Apes. Citirt von C. Car- ter Blake in Anthropolog. Review. July, 1867, p. 299. 32 Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 320, 321, 325. 33 Deber die primitive Form des Schädels. Uebers. in Anthropolog. Review. Oct. 1868, p. 426. #3 Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 416, 434, 441. 35 Annuario della Soc. dei Natur. Modena, 1867, p. 9. Cap. 1. Rudimente. 23 oder zwei Drittel seiner Länge verschlossen, wobei dann der Endtheil aus einer abgeplatteten, soliden Ausbreitung besteht. Beim Orang ist dieser Anhang lang und gewunden; beim Menschen entspringt er vom Ende des kurzen Blindsacks und ist gewöhnlich 4—5 Zoll lang, wäh- rend er nur ein Drittel Zoll im Durchmesser hat. Er ist nicht bloss nutzlos, sondern wird zuweilen die Todesursache, von welcher Thatsache mir vor Kurzem zwei Fälle bekannt geworden sind. Es rührt dies daher, dass kleine, harte Körper in den Kanal eindringen und dadurch Entzündung verursachen °®. Bei einigen Vierhändern, bei den Lemuriden und besonders bei den Carnivoren findet sich in der Nähe des unteren Endes des Ober- armbeins ein Kanal, das sogenannte supracondyloide Loch, durch welches der grosse Nerv der vorderen Gliedmaassen und zuweilen auch die grosse Arterie hindurchtritt. Nun findet sich, wie Dr. STRUTHERS 37 und Andere gezeigt haben, am Oberarmbein des Menschen gewöhnlich eine Spur dieses Kanals; und zuweilen ist er ziemlich vollständig ent- wickelt, indem er von einem überhängenden hakenförmigen Knochen- fortsatze gebildet wird, welcher sich dann durch einen Bandstreifen zu einem Loche vervollständigt. Ist er vorhanden, so tritt unveränderlich der grosse Armnerv durch ihn hindurch, und dies beweist deutlich, dass er das Homologon und Rudiment des supracondyloiden Lochs der nie- deren Säugethiere ist. Nach einer Schätzung von Professor 'TURNER kommt er, wie mir derselbe mittheilte, an ungefähr einem Procent neuerer Skelette vor. Dieses Vorkommen bietet aber nicht so grosses Interesse dar, da das Foramen nicht regelmässig bei den höheren Qua- drumanen vorhanden ist. Es ist daher zweifelhaft, wie Mr. Busk gegen mich geäussert hat, ob seine gelegentliche Anwesenheit beim Menschen einem Beibehalten einer ursprünglichen Bildungseigenthümlichkeit oder einem Rückschlage auf eine solche zugeschrieben werden kann. Es findet sich am Oberarmbein noch ein anderes Loch, welches das intercondyloide genannt werden kann. Dieses kommt bei verschie- denen anthropomorphen und andern Affen ?®, aber gleichfalls bei vielen 3° Ch. Martins (De V’unit& organique, in: Revue des Deux Mondes. 15. Juin, 1862, p. 16) und Häckel (Generelle Morphologie. Bd. 2, S. 278) haben beide bemerkt, dass dies eigenthümliche Rudiment zuweilen den Tod verursacht. #7 „The Lancet“. Jan. 24, 1863, p. 83. R. Knox, Great Artists and Ana- tomists, p. 63, s. auch einen wichtigen Aufsatz von Gruber im Bulletin de l’Acad. Imp. de St. Petersbg. Tom. XII, 1867, p. 448. »® Mr. St. George Mivart, in: Philosoph. Transact. 1867, p. 310. 24 Körperbau des Menschen. I. Theil, = der niederen Säugethiere und gelegentlich beim Menschen vor. Es ist merkwürdig, dass dies Loch während alter Zeiten viel häufiger vorhan- den gewesen zu sein scheint, als in neuerer Zeit. Mr. Busk ?°% hat über diesen Gegenstand die folgenden Beweisstücke gesammelt: Professor Broca „beobachtete die Durchbohrung an 41/20 der von ihm auf der „Cimetiere du sud in Paris gesammelten Armknochen, und in der Höhle „von Orrony, deren Inhalt der Bronzeperiode zugeschrieben wird, fand sie „sich selbst an acht Oberarmbeinen unter zwei und dreissig. Dieses aus- „serordentliche Verhältniss glaubt er aber dem Umstande zuschreiben zu „müssen, dass die Höhle vielleicht eine Art ‚Familiengruft‘ gewesen ist. „Ferner fand Mr. Dupoxt 30% durchbohrter Armknochen in den Höhlen „des Lesse-Thals, welche der Renthierperiode angehören, während Mr. „Lesvay in einer Art von Dolmen in Argenteuil 25%, perforirt fand, „und PRUNER-BEY fand von den Knochen von Vaureal 26% in diesem „Zustande. Auch darf man nicht unbeachtet lassen, dass PRUNER-BEY „angibt, dieser Zustand sei bei Guanchenskeletten der gewöhnliche“. Die Thatsache, dass alte Rassen in diesem Falle wie in mehreren anderen häufiger als neuere Rassen Bildungen darbieten, welche denen niederer Thiere gleichen, ist interessant. Eine hauptsächliche Ursache hiervon scheint die zu sein, dass ältere Rassen in der langen Descendenzreihe. ihren entfernten, thierähnlichen Urerzeugern etwas näher stehen als moderne Rassen. Obgleich das Schwanzbein beim Menschen als Schwanz keine Func- tion hat, so wiederholt es doch offenbar diesen Theil anderer Wirbel- thiere. Auf einer früheren Embryonalperiode ist es frei und springt, wie wir gesehen haben, über die unteren Extremitäten vor. In gewissen seltenen und anomalen Fällen hat man nach den Angaben von IsıporE GEOFFROY St. HitAıRE und anderen *0 gefunden, dass es ein kleines äusseres Rudiment eines Schwanzes bildet. Das Schwanzbein ist kurz und enthält gewöhnlich nur vier Wirbel, und diese sind in einem rudi- mentären Zustande, denn sie bestehen mit Ausnahme des obersten nur aus dem Wirbelkörper *!. Sie sind mit einigen kleinen Muskeln ver- sehen, von denen, wie mir Professor TURNER mittheilt, der eine aus- drücklich von THEILE als eine rudimentäre Wiederholung des Extensor 39 On the Caves of Gibraltar, in Transact. Internat. Congress of prehist. Arch. Third Session. 1869, p. 54. #% Quatrefages hat neuerdings die Beweise über diesen Punkt gesammelt. Revue des Cours Scientifiques. 1867—1868, p. 625. +1 Owen, On the nature of Limbs. 1849, p. 114. u‘ Cap. 1. Rudimente. 25 des Schwanzes beschrieben worden ist, welcher bei vielen Säugethieren so kräftig entwickelt ist. Das Rückenmark erstreckt sich beim Menschen nur bis zum letz- ten Rücken- oder Lendenwirbel nach abwärts; doch läuft ein faden- artiges Gebilde (das filum termiale) in der Achse des Kreuztheils des RKückenmarkskanals und selbst dem Rücken der Schwanzwirbel entlang noch hinab. Der obere Theil dieses Gebildes ist, wie mir Professor TURNER mittheilt, unzweifelhaft mit dem Rückenmark homolog, der untere Theil besteht aber offenbar nur aus der pia mater oder der ge- fässreichen Hüllmembran. Selbst in diesem Fall kann man sagen, dass das Schwanzbein eine Spur eines so wichtigen Gebildes wie des Rücken- marks trägt, wenngleich es nicht mehr in einen knöchernen Kanal ein- geschlossen ist. Die folgende Thatsache, für deren Mittheilung ich gleichfalls Professor TURNER zu Dank verpflichtet bin, zeigt, wie genau das Schwanzbein dem wirklichen Schwanz bei niederen Thieren ent- spricht: LuschkA hat nämlich neuerdings an der Spitze der Schwanz- knochen einen sehr eigenthümlich gewundenen Körper entdeckt, welcher mit der mittleren Kreuzbeinarterie in Zusammenhang steht, und diese Entdeckung veranlasste Krause und MEYER, den Schwanz eines Affen (Macacus) und einer Katze zu untersuchen; bei Beiden fanden sie, wenn auch nicht gerade an der Spitze, einen ähnlich gewundenen Körper. Die Fortpflanzungsorgane bieten verschiedene rudimentäre Bildungen dar; diese weichen aber in einer bedeutungsvollen Hinsicht von den vor- stehenden Fällen ab. Wir haben es hier nicht mit dem Ueberbleibsel eines Theiles zu thun, welcher der Art nicht mehr in einem funetions- fähigen Zustande angehört, vielmehr mit einem Theile, welcher bestän- dig bei dem einen Geschlecht vorhanden und in Function ist, während .er in dem anderen von einem blosen Rudiment vertreten wird. Nichts- destoweniger ist das Vorkommen solcher Rudimente ebenso schwer unter zu Grundelegung des Glaubens an die besondere Schöpfung jeder ein- zelnen Species zu erklären, als die vorhin erörterten Fälle von Rudi- menten. Ich werde später auf diese Rudimente zurückzukommen haben und werde zeigen, dass ihr Vorhandensein allgemein nur auf Erblich- keit beruht, insofern nämlich, als das eine Geschlecht Theile erlangt hat, welche zum Theil auch dem anderen überliefert worden sind. An dieser Stelle will ich nur einige Beispiele solcher Rudimente anführen. Es ist allgemein bekannt, dass bei den Männchen aller Säugethiere, mit Einschluss des Menschen, rudimentäre Brustdrüsen vorhanden sind ; diese 26 Körperbau des Menschen. I. Theil. haben sich in mehreren Fällen vollständig entwickelt und eine reich- liche Menge von Milch gegeben. Ihre wesentliche Identität in den beiden Geschlechtern zeigt sich gleichfalls durch ihre sympathische Ver- grösserung bei beiden während der Masern. Die sogenannte Vesieula prostatica, welche in vielen männlichen Säugethieren beobachtet worden ist, ist jetzt ganz allgemein für das Homologon des weiblichen Uterus in Verbindung mit dem zuführenden Kanal anerkannt worden. Man kann unmöglich LruckArr’s klare Beschreibung des Organs und seine Betrachtungen darüber lesen, ohne die Richtigkeit seiner Folgerungen zuzugeben. Dies ist besonders der Fall bei denjenigen Säugethieren, in welchen der weibliche Uterus sich gabelförmig theilt; denn bei den Männchen derselben ist die Vesicula prostatica in gleicher Weise ge- theilt #2. Es liessen sich noch andere rudimentäre Bildungen, die zu dem Fortpflanzungssystem gehören, hier anführen *#*. Die Tragweite der drei grossen, jetzt mitgetheilten Classen von Thatsachen ist nicht miszudeuten. Es würde aber überflüssig sein, hier die ganzen Folgerungen, welche ich im Einzelnen in meiner „Entstehung der Arten“ gegeben habe, zu wiederholen. Die homologe Bildung des ganzen Körpers bei den Gliedern einer und derselben Classe ist sofort verständlich, wenn wir ihre Abstammung von einem gemeinsamen Ur- erzeuger und gleichzeitig ihre spätere Anpassung an verschieden ge- wordene Bedingungen annehmen. Nach jeder anderen Ansicht ist die Aehnlichkeit der Form zwischen der Hand eines Menschen oder eines Affen und dem Fusse eines Pferdes, der Flosse einer Robbe, dem Flügel “einer Fledermaus u. s. w. völlig unerklärlich. Es ist keine wissenschaft- liche Erklärung, wenn man sagt, dass sie alle nach demselben ideellen Plane gebaut sind. In Bezug auf die Entwickelung können wir nach dem Prineip, dass Variationen auf einer im Ganzen späteren embryo- nalen Periode und zu entsprechenden Altern vererbt werden, deutlich verstehen, woher es kommt, dass die Embryonen sehr verschiedener Formen doch mehr oder weniger vollkommen den Bau ihres gemein- samen Urerzeugers beibehalten. Von keinem anderen Standpunkte aus ist je eine Erklärung der wunderbaren Thatsache gegeben worden, dass 42 Leuckart, in Todd’s Cyelopaedia of Anatomy. 1849—52. Vol. IV, p. 1415. Beim Menschen ist dies Organ nur von drei bis sechs Linien lang, ist aber, wie so viele anderen rudimentären Organe, in Bezug auf seine Entwicke- Jung, wie auf andere Merkmale, variabel. #3 5, hierüber Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 675, 676, 706. 2 Cap. 1. Rudimente. 27 die Embryonen eines Menschen, Hundes, einer Robbe, Fledermaus, eines Reptils u. s. w. anfangs kaum von einander unterschieden werden können. Um das Vorhandensein rudimentärer Organe zu verstehen, haben wir nur anzunehmen, dass ein früherer Vorfahre die in Frage stehenden Theile in vollkommenem Zustande besessen hat und dass dieselben unter veränderten Lebensgewohnheiten bedeutend redueirt wurden, und zwar entweder in Folge einfachen Nichtgebrauchs oder mittelst der natür- lichen Zuchtwahl derjenigen Individuen, welche am wenigsten mit über- flüssigen Organen belastet waren, und dies mit Unterstützung der früher angegebenen Vorgänge. Wir können hierdurch verstehen, woher es gekommen ist, dass der Mensch und alle übrigen Wirbelthiere nach demselben allgemeinen Plane gebaut sind, warum sie die gleichen Stufen früherer Entwickelung durch- laufen und warum sie gewisse Rudimente gemeinsam beibehalten haben. In Folge hiervon sollten wir offen die Gemeinsamkeit ihrer Abstammung zugeben: irgend eine andere Ansicht sich zu bilden, hiesse annehmen, dass unser eigener Bau und der sämmtlicher Thiere um uns her nur eine Falle sei, um unser Urtheil gefangen zu nehmen. Diese Folgerung wird noch bedeutend verstärkt, wenn wir die Glieder der ganzen Thier- reihe und die Thatsachen ihrer Verwandtschaft oder Classification, ihrer geographischen Verbreitung und geologischen Aufeinanderfolge betrach- ten. Es ist nur unser natürliches Vorurtheil und jene Anmassung, die unsere Vorfahren erklären hiess, dass sie von Halbgöttern abstamm- ten, welche uns gegen diese Schlussfolgerung einnehmen. Es wird aber nicht lange dauern, und die Zeit wird da sein, wo man sich darüber wundern wird, dass Naturforscher, welche mit dem Bau und der Ent- wickelung des Menschen und anderer Säugethiere in Folge eingehender Vergleichungen bekannt sind, haben glauben können, dass jedes dersel- ben die Folge eines besonderen Schöpfungsactes gewesen sei. Zweites Capitel, Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere. Die Verschiedenheit in den geistigen Kräften zwischen dem höchsten Affen und dem niedersten Wilden ist ungeheuer. — Gewisse Instinete sind gemeinsam. — Gemüthsbewegungen. — Neugierde. — Nachahmung. — Aufmerksamkeit. — @edächtniss. — Einbildung. — Verstand. — Progressive Vervollkomm- nung. — Von Thieren gebrauchte Werkzeuge und Waffen. — Sprache. — Selbstbewusstsein. — Gefühl für Schönheit. — Glaube an Gott, spirituelle Kräfte; Aberglaube. Wir haben im letzten Capitel gesehen, dass der Mensch in dem Bau seines Körpers deutliche Spuren seiner Abstammung von irgend einer niederen Form darbietet; man könnte aber behaupten, dass sich bei diesem Schluss irgend ein Irrthum eingeschlichen haben müsse, da der Mensch in seinen Geisteskräften so bedeutend von allen anderen Thieren abweicht. Die Verschiedenheit in dieser Hinsicht ist ohne Zweifel enorm, selbst wenn man die Seele eines der niedrigsten Wilden, welcher kein Wort besitzt, eine höhere Zahl als vier auszudrücken, und welcher keine abstracten Bezeichnungen für die gewöhnlichsten Gegenstände oder Af- feete! gebraucht, mit der des höchstorganisirten Affen vergleicht. Ohne Zweifel würde der Unterschied immer noch ungeheuer bleiben, selbst wenn einer der höheren Affen so weit veredelt oder civilisirt wäre, wie es em Hund ist im Vergleich mit seiner Stammform, dem Wolfe oder Schakal. Die Feuerländer gehören zu den niedrigsten Barbaren; ich habe mich aber fortwährend darüber verwundern müssen, wie genau die drei an Bord des Beagle befindlichen Feuerländer, welche einige Jahre in England lebten und etwas Englisch sprechen konnten, uns in ihrer ganzen Anlage und in den meisten geistigen Fähigkeiten glichen. Wenn kein organisches Wesen ausser dem Menschen irgendwelche geistige Fähigkeit besessen hätte, oder wenn seine Fähigkeiten von einer völlig 's. die Beweise hierfür in Sir J. Lubbock, Prehistoric Times, p. 354 und figde. $ Cap-2.73 Verschiedenheiten der Geisteskräfte. . 29 verschiedenen Natur wären im Vergleich zu denen der he, Thiere, so würden wir nie im Stande gewesen sein, uns zu überzeugen, dass unsere hohen Fähigkeiten allmählich entwickelt worden sind. Es lässt sich aber deutlich nachweisen, dass kein fundamentaler Unterschied die- ser Art besteht. Wir müssen auch zugeben, dass ein viel weiterer Ab- stand in den geistigen Fähigkeiten zwischen einem der niedrigsten Fische, wie der Pricke oder einem Amphioxus, und dem der höheren Affen be- steht, als zwischen dem Aflen und dem Menschen: und doch wird diese Lücke durch zahllose Abstufungen ausgefüllt. Auch ist iu den moralischen Anlagen der Unterschied zwischen einem Barbaren, wie dem von dem alten Seefahrer Byron beschriebenen Mann, welcher sein Kind an den Felsen zerschlug, weil es einen Korb mit Seeigeln hatte fallen lassen, und einem Howarp oder ÜLERKSON nicht gering, ebensowenig wie der Unterschied in Bezug auf den Verstand zwischen einem Wilden, der keine abstracten Ausdrücke gebraucht, und einem NEWTON oder SHAKESPEARE. Verschiedenheiten dieser Art zwi- schen den grössten Männern der höchsten Rassen und den niedrigsten Wilden werden durch die feinsten Abstufungen mit einander verbunden. Es ist aber möglich, dass sie in einander übergehen und aus einander sich entwickeln können. Ich beabsichtige in diesem Capitel nur zu zeigen, dass zwischen dem Menschen und den höheren Säugethieren kein fundamentaler Un- ‚terschied in Bezug auf ihre geistigen Fähigkeiten besteht. Jeder Ab- schnitt dieses Gegenstandes hätte sich in eine besondere Abhandlung ausdehnen lassen, muss aber hier nur kurz behandelt werden. Da keine Eintheilung der geistigen Fähigkeiten ganz allgemein angenommen wor- den ist, werde ich meine Bemerkungen in einer meinen Zwecken am meisten dienenden Weise anordnen und werde diejenigen Thatsachen auswählen, welche mich am meisten frappirt haben, in der Hoffnung, dass sie auch auf den Leser ihre Wirkung äussern werden. In Bezug auf die sehr tief auf der Stufenleiter stehenden Thiere werde ich noch einige weitere Thatsachen in dem Abschnitt über ge- schlechtliche Zuchtwahl zu geben haben, welche zeigen werden, dass ihre geistigen Fähigkeiten bedeutender sind, als man hätte erwarten können. Die Veränderlichkeit dieser Fähigkeiten bei Individuen einer und derselben Art ist ein bedeutungsvoller Punkt für uns, und einige wenige Erläuterungen hierüber mögen hier gegeben werden. Es würde aber über- flüssig sein, hier auf viele Einzelnheiten über diesen Gegenstand einzu- 30 Geisteskräfte. I. Theil. gehen; denn nach häufigen Erkundigungen habe ich gefunden, dass alle Diejenigen, welche lange Zeit Thiere vieler Arten, mit Einschluss der Vögel, aufmerksam beobachtet haben, der Meinung sind, dass die In- dividuen in jedem geistigen Characterzuge bedeutend von einander ab- weichen. Zu untersuchen, in welcher Weise die geistigen Fähigkeiten zuerst in den niedrigsten Organismen sich entwickelt haben, ist eine ebenso hoffnungslose Untersuchung als die, wie das Leben zuerst ent- stand. Dies sind Probleme für eine ferne Zukunft, wenn sie überhaupt je von Menschen gelöst werden können. Da der Mensch dieselben Sinne wie die niederen Thiere besitzt, so müssen seine fundamentalen Eindrücke dieselben sein. Der Mensch hat auch einige wenige Instinete mit den Thieren gemeinsam, wie den der Selbsterhaltung, der geschlechtlichen Liebe, der Liebe der Mutter für ihr Neugeborenes, die Fähigkeit des Letzteren zu saugen u. s. w. Doch hat vielleicht der Mensch etwas weniger Instinete als diejenigen Thiere besitzen, welche zunächst in der Stufenreihe auf ihn folgen. Der Orang auf den indischen Inseln und der Schimpanse in Afrika bauen Plattfor- men, auf denen sie schlafen, und da beide Arten dieselbe Gewohnheit haben, so könnte man schliessen, dass dies die Folge eines Instincts sei; wir sind aber nicht sicher, ob es nicht das Resultut des Umstan- des ist, dass beide Thiere ähnliche Bedürfnisse und die gleiche Fähig- keit der Ueberlegung haben. Wir können annehmen, dass diese Affen die vielen giftigen Früchte der Tropen vermeiden, und der Mensch be- sitzt diese Kenntnisse nicht. Da aber unsere Hausthiere, wenn sie in fremde Länder gebracht und zuerst im Frühjahr hinausgetrieben wer- den, oft giftige Pflanzen fressen, welche sie später vermeiden, so sind wir nicht sicher, ob die Affen nicht nach ihrer eigenen Erfahrung oder nach der ihrer Eltern lernen, welche Früchte sie zu wählen haben. In- dessen ist es gewiss, wie wir sofort sehen werden, dass die Affen eine instinetive Furcht vor Schlangen und wahrscheinlich auch vor anderen gefährlichen Thieren haben. Die geringe Zahl und vergleichsweise Einfachheit der Instincete bei den höheren Thieren ist merkwürdig contrastirend mit denen der nie- deren Thiere. Cuvier behauptet, dass Instinet und Intelligenz in umgekehrtem Verhältniss zu einander stehen, und manche Schriftsteller haben gemeint, dass die intellectuellen Fähigkeiten der höheren Thiere sich allmählich aus deren Instineten entwickelt haben. Es hat aber - Y Cap: 2: Instinet und Intelligenz. 31 PoucHET in einem interessanten Aufsatze ? gezeigt, dass ein derartiges umgekehrtes Verhältniss factisch nicht besteht. Diejenigen Insecten, welche die wunderbarsten Instinete besitzen, sind sicher auch die in- telligentesten. Unter den Wirbelthieren besitzen die am wenigsten in- telligenten Glieder, nämlich die Fische und Amphibien, keine complexen Instinete; und unter den Säugethieren ist das Thier, welches wegen seiner Instinete merkwürdig ist, nämlich der Biber, sehr intelligent, was Jeder zugeben wird, welcher Morsan’s ausgezeiehnete Beschreibung _ dieses Thieres ? gelesen hat. Obgleich sich die ersten Spuren der ‚Intelligenz nach HERBERT SPENCER * dureh die Vervielfältigung und Coordination von Reflexwir- kungen entwickelt haben, und obschon viele der einfacheren Instinete in Wirkungen dieser Art übergehen und kaum von ihnen unterschieden werden können, wie bei dem Saugen junger Thiere, so scheinen doch die complieirten Instincte unabhängig von irgend einer Intelligenz ent- standen zu sein. Ich möchte aber durchaus nicht läugnen, dass in- stinetive Thätigkeiten ihren fixirten und nicht angelernten Character verlieren und durch andere Thätigkeiten ersetzt werden können, welche durch Hülfe des freien Willens ausgeführt werden. Andererseits werden aber Handlungen des Verstandes, wie z. B. wenn Vögel auf oceanischen Inseln zuerst sich vor Menschen zu fürchten lernen, in Instinete um- gewandelt und werden vererbt, wenn sie viele Generationen hindurch ausgeführt worden sind. Man kann dann von ihnen sagen, dass sie im Character verderbt sind, denn sie werden nun nicht mehr durch den Verstand oder nach der Erfahrung ausgeführt. Dagegen scheint die grössere Zahl der complieirten Instinete in einer völlig verschiedenen Weise erlangt worden zu sein, nämlich durch die natürliche Zuchtwahl von Variationen einfacher instinctiver Handlungen. Derartige Varia- tionen scheinen aus denselben unbekannten Ursachen, welche hier auf die Organisation des Gehirns wirken, zu entstehen, wie solche unbe- deutende Abänderungen oft individuelle Verschiedenheiten in anderen Theilen des Körpers hervorrufen; und in Folge unserer Unwissenheit sagt man dann häufig, dass diese Variationen spontan auftreten. Ich glaube, wir können auch mit Bezug auf den Ursprung der complieir- teren Instinete zu keinem anderen Schlusse gelangen, wenn wir an die 2 T’instinet chez les Insectes, in: Revue des Deux Mondes. Febr. 1870, p. 690. ® The American Beaver and his Works. 1868. * The Principles of Psychology. 2. edit. 1870, p. 415—443, 39 Geisteskräfte. I. Theil. wunderbaren Instinete steriler Achetkän eisen und Bienen uns erinnern, welche keine Nachkommen hinterlassen, denen sie die Wirkungen der Erfahrung und veränderten Lebensweise überliefern könnten. Obschon ein hoher Grad von Intelligenz mit dem Vorhandensein complieirter Instinete verträglich ist, wie wir bei den eben genannten Insecten und beim Biber gesehen haben, so ist es doch nicht unwahr- scheinlich, dass sie in einer gewissen Ausdehnung ihre gegenseitige Entwickelung stören. Ueber die Funetionen des Gehims ist nur wenig bekannt; aber wir beobachten, dass in dem Maasse, wie die intellectu- ellen Fähigkeiten höher entwickelt werden, auch die verschiedenen Theile des Gehirns durch die feinst verwobenen Kanäle gegenseitigen Aus- tausches mit einander in Verbindung gebracht werden müssen; und als Folge hiervon würde jeder einzelne Theil vermuthlich weniger geschickt werden, besondere Empfindungen oder Associationen in einer bestimm- ten und gleichförmigen, das ist instinctiven, Weise zu entwickeln. Ich hielt es für der Mühe werth, diese Abschweifung hier einzu- schalten, weil wir die geistigen Fähigkeiten der höheren Thiere und besonders des Menschen leicht unterschätzen können, wenn wir ihre auf die Erinnerung vergangener Ereignisse, auf Vorsicht, Nachdenken und Einbildungskraft gegründeten Handlungen mit den vollständig ähnlichen Handlungen vergleichen, welche von niederen Thieren instinetiv ausge- führt werden. In diesem letzteren Falle ist die Fähigkeit zur Aus- führung solcher Handlungen Schritt für Schritt durch Variabilität der psychischen Organe und natürliche Zuchtwahl erreicht worden, ohne dass eine bewusste Intelligenz seitens des Thieres während einer jeden der auf- einanderfolgenden Generationen dazu gekommen wäre. Ohne Zweifel ist viel von der Verstandesarbeit, die der Mensch ausführt, auf Nachahmung und nicht auf Ueberlegung zu schieben, wie Mr. Warzack bemerkt hat’; aber zwischen seinen Handlungen und vielen der von niederen Thieren aus- geführten besteht der grosse Unterschied, dass der Mensch beim ersten Versuche nicht im Stande ist z. B. ein steinernes Beil oder ein Boot nur ‚durch die Fähigkeit der Nachahmung zu fertigen. Er hat seine Arbeit durch Uebung zu erlernen. Ein Biber dagegen kann seinen Ka- nal und ein Vogel sein Nest genau so oder nahezu so gut das erste Mal, wo er’s versucht, bauen, als wenn er alt und erfahren ist. Doch kehren wir zu unserem vorliegenden Gegenstande zurück. 5 Contribution to the Theory of Natural Selection. 1870, p. 212. 4’ Cap. 2. Gemüthsbewegungen. 33 Die niederen Thiere empfinden offenbar wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Elend. Das Glück zeigt sich nirgends besser als bei jungen Thieren, wie bei jungen Hunden, Katzen, Lämmern u. 8. W., wenn sie zusammen spielen wie unsere eigenen Kinder. Selbst Insecten spielen zusammen, wie jener ausgezeichnete Beobachter P. HußEr be- schrieben hat 6, weleher sah, wie Ameisen sich jagten und einander zu beissen vorgaben, als wenn es junge Hunde gewesen wären. Die Thatsache, dass die niederen Thiere durch dieselben Erregun- gen betroffen werden wie wir, ist so sicher festgestellt, dass es nicht nöthig ist, den Leser durch viele Einzelnheiten zu ermüden. Der Schreck wirkt auf sie in derselben Weise wie auf uns, er macht ihre Muskeln erzittern, ihr Herz schlagen, die Schliessmuskeln erschlaffen und das Haar sich aufrichten. Verdacht, das Kind der Gefahr, ist äusserst cha- racteristisch für viele wilde Thiere. Muth und Furchtsamkeit sind bei Individuen einer und derselben Species äusserst veränderliche Eigen- schaften, wie wir bei unseren Hunden deutlich sehen. Manche Hunde und Pferde sind schlechten Temperaments und werden leicht bös, andere sind guten Temperamients, und diese Eigenschaften werden sicher ver- erbt. Jedermann weiss, wie leicht die Thiere wüthend werden und wie deutlich sie es zeigen. Viele und wahrscheinlich wahre Anekdoten hat man von der lange verschobenen und überlegten Rache verschiedener Thiere veröffentlicht. Der zuverlässige RenseER und BREHM 7 geben an, dass die amerikanischen und afrikanischen Affen, welche sie zahm besassen, sich sicher rächten. Die Liebe eines Hundes für seinen Herrn ist eine notorische Thatsache, im Todeskampfe hat er seinen Herrn noch geliebkost, und Alle haben davon gehört, wie ein Hund, an dem man die Vivisection ausführte, die Hand seines Operateurs leckte. Wenn nicht dieser Mann ein Herz von Stein hatte, so muss er bis zur letzten Stunde seines Lebens Gewissensbisse gefühlt haben. WHEwELL ® hat bemerkt: „Wer nur die rührenden Beispiele mütterlicher Liebe liest, „die so oft von Frauen aller Nationen und von den Weibchen aller „Thiere erzählt worden sind, kann der wohl zweifeln, dass das Prineip „der Thätigkeit in beiden Fällen dasselbe ist?* 6 Recherches sur les moeurs des Fourmis. 1810, p. 173. ” Alle die folgenden Angaben, welche nach der Autorität dieser beiden Na- turforscher gemacht sind, sind entnommen aus Rengger, Naturgesch. der Säu- gethiere von Paraguay. 1830. S. 41—57 und aus Brehm’s Thierleben. Bd. 1, S. 10—87. ® Bridgewater-Treatise, p. 263. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 5 34 Geisteskräfte. I. Theil. Wir sehen mütterliehe Zuneigung in den unbedeutendsten Zügen sich äussern; so beobachtete RENGGER einen amerikanischen Affen (einen Cebus), welcher sorgfältig die Fliegen verscheuchte, die sein Junges peinigten, und DuvaucEL sah einen Hylobates, welcher seinen Jungen in einem Flusse die Gesichter wusch. Der Kummer weiblicher Affen um den Verlust ihrer Jungen war so intensiv, dass er ohne Ausnahme den Tod gewisser Arten verursachte, welche Breum in Nordafrika in Gefangenschaft hielt. Verwaiste Affen wurden stets von den anderen Affen, sowohl Männchen als Weibchen, adoptirt und sorgfältig bewacht. Ein weiblicher Pavian hatte ein so weites Herz, dass er nicht bloss junge Affen anderer Arten adoptirte, sondern auch noch junge Hunde ‚und Katzen stahl, welche er beständig mit sich herumführte. Doch ‚gieng seine Liebe nicht so weit, mit seinen adoptirten Nachkommen die Nahrung zu theilen, worüber sich BREHM deshalb verwundert, weil seine Affen stets Alles gewissenhaft mit ihren eigenen Jungen theilten. Ein ‚adoptirtes Kätzchen kratzte den ebenerwähnten liebevollen Pavian, welcher sicher einen feinen Verstand besass; denn er war sehr erstaunt, gekratzt zu werden, untersuchte sofort die Füsse des Kätzchens und biss ihm, ohne sich viel zu besinnen, die Krallen ab. Im zoologischen Garten hörte ich von einem Wärter, dass ein alter Pavian (C. Chacma) einen Rhesus-Affen adoptirt hatte; als aber ein junger Drill und Man- drill in den Käfig gethan wurden, schien er zu bemerken, dass diese Affen, trotzdem sie verschiedenen Arten angehörten, doch noch näher mit ihm verwandt wären, denn er verstiess sofort den Rhesus und adop- tirte jene Beiden. Ich sah dann, dass der junge Rhesus sehr unzufrie- den damit war, in dieser Weise verstossen zu werden; er neckte und atta- kirte den jungen Drill und Mandrill, wie ein ungezogenes Kind, so oft er es mit Sicherheit thun konnte, welches Betragen bei dem alten Pa- vian grosse Indignation erregte. Nach Brean vertheidigen auch Affen ihre Herren, wenn diese von irgend Jemand angegriffen werden, eben- sogut wie sie Hunde, denen sie zugethan sind, gegen die Angriffe an- derer Hunde vertheidigen. Wir berühren aber hiermit den Gegenstand der Sympathie, auf welchen ich noch zurückkommen werde. Einige von BrEHM’s Affen amüsirten sich damit, einen gewissen alten Hund, den sie nicht leiden konnten, und ebenso andere Thiere in verschiedenen ingeniösen Weisen zu necken. Die meisten der eomplieirteren Gemüthsbewegungen sind den höhe- ren Thieren und uns gemeinsam. Jedermann hat gesehen, wie eifer- J Cap. 2. Intelleetuelle Regung en. 35 süchtig ein Hund auf die Liebe seines Herrn ist, wenn diese auch irgend einem anderen Wesen erwiesen wird, und ich habe dieselbe Thatsache bei Affen beobachtet. Dies zeigt, dass die Thiere nicht bloss Liebe, sondern auch die Sehnsucht haben, geliebt zu werden. Die Thiere haben offenbar Ehrgeiz; sie lieben Anerkennung und Lob, und ein Hund, welcher seinem Herrn einen Korb trägt, zeigt Selbstgefälligkeit und Stolz in hohem Grade. Ich glaube, es kann kein Zweifel sein, dass ein Hund Schamgefühl, und zwar verschieden von Furcht, besitzt, ebenso Etwas von Bescheidenheit, wenn er zu oft um Nahrung bettelt. "Ein grosser Hund verachtet das Knurren eines kleinen Hundes, und dies könnte man Grossmuth nennen. Mehrere Beobachter haben angegeben, dass Affen es sicher nicht leiden können, ausgelacht zu werden, und sie erfinden zuweilen eingebildete Beleidigungen. Im zoologischen Gar- ten sah ich einen Pavian, der jedesmal in grenzenlose Wuth gerieth, wenn sein Wärter einen Brief oder ein Buch herausholte und ihm laut vorlas; und diese Wuth war so heftig, dass er bei einer Gelegenheit, bei welcher ich selbst zugegen war, sein eigenes Bein biss, bis das Blut kam. Wir wollen uns nun den intellectuelleren Erregungen und Fähig- keiten zuwenden, welche von grosser Bedeutung sind, da sie die Grund- lage zur Entwickelung der höheren geistigen Kräfte bilden. Die Thiere freuen sich offenbar der Anregung und leiden unter der Langeweile, wie man bei Hunden und, nach REnsseEr, bei Affen sehen kann. Alle Thiere empfinden Verwunderung und viele zeigen Neugierde. Von dieser letz- teren Eigenschaft haben sie zuweilen zu leiden, so wenn der Jäger Grimassen schneidet und sie dadurch anlockt. Ich habe dies beim Reh selbst gesehen, und dasselbe gilt für die behutsamen Gemsen und manche Arten von wilden Enten. BrEHM theilt eine merkwürdige Erzählung von der instinetiven Furcht mit, welche seine Affen vor Schlangen zeigten; ihre Neugierde war aber so gross, dass sie sich nicht enthal- ten konnten, gelegentlich ihre Neugierde in einer äusserst menschlichen Art und Weise zu befriedigen, dadurch, dass sie den Deckel des Ka- stens, in dem die Schlangen gehalten wurden, aufhoben. Mich wunderte diese Erzählung so, dass ich eine ausgestopfte und zusammengerollte Schlange in das Affenhaus im zoologischen Garten mitnahm, und die dadurch verursachte Aufregung war eines der merkwürdigsten Schau- spiele, was ich jemals zu Gesicht bekommen habe. Drei Arten von Cercopithecus waren am meisten beunruhigt, sie flogen in ihrem Käfig 2% {97 36 Geisteskräfte. I. Theil. herum und stiessen scharfe Warnungsrufe aus, welche von den anderen Affen verstanden wurden. Nur wenige junge Affen und ein alter Anubis- Pavian nahmen von der Schlange keine Notiz. Ich legte dann das ausgestopfte Exemplar in einem der grösseren Behälter auf den Boden. Nach einiger Zeit hatten sich alle Affen rings um dasselbe in weitem Kreise versammelt und boten, dasselbe anstierend, einen äusserst lächer- lichen Anblick dar. Sie wurden äusserst nervös, und als z. B. eine hölzerne Kugel, welche ein ihnen vollständig vertrautes Spielzeug war, zufällig im Stroh, unter dem sie theilweise verhüllt war, bewegt wurde, stoben sie sofort auseinander. Diese Afien benahmen sich sehr ver- ‚schieden, wenn ein todter Fisch, eine Maus oder irgend andere neue Gegenstände in ihre Käfige gebracht wurden. Denn obwohl sie zuerst erschreckt waren, näherten sie sich doch bald, nahmen dieselben in die Hände und untersuchten sie. Ich brachte dann eine lebendige Schlange in einem Papiersack, dessen Oeffnung lose verschlossen war, in einen der grösseren Behälter. Einer der Affen näherte sich sofort, öffnete vorsichtig den Sack ein wenig, guckte hinein und prallte sofort zurück. Dann beobachtete ich, was BREHM beschrieben hat; denn einer von den Afien nach dem anderen, mit hocherhobenem und auf die Seite ge- wandtem Kopf, konnte der Versuchung nicht widerstehen, von Zeit zu Zeit einen kurzen Blick in den aufrechtstehenden Sack und auf den schreckenerregenden Gegenstand, der ruhig auf seinem Boden lag, zu werfen. Es möchte fast scheinen, als wenn die Affen irgend eine Vor- stellung von zoologischer Verwandtschaft hätten, denn diejenigen, welche BREHM hielt, zeigten eine merkwürdige und doch nicht miszudeutende instinetive Furcht vor unschuldigen Eidechsen und Fröschen. Auch ist beobachtet worden, dass ein Orang von dem ersten Anblick einer Schild- kröte sehr beunruhigt wurde ®. Das Princip der Nachahmung ist beim Menschen sehr stark und besonders beim Menschen in einem barbarischen Zustande. Desor !® hat bemerkt, dass kein Thier willkürlich eine vom Menschen verrich- tete Handlung nachahmt,, bis wir, in der Stufenleiter aufsteigend, zu den Affen kommen, von denen ja sehr bekannt ist, dass sie in lächer- licher Weise nachahmen. Thiere ahmen aber zuweilen ihre Handlungen unter einander nach: so lernten zwei Arten von Wölfen, welche von Hunden aufgezogen worden waren, zu bellen, wie es zuweilen auch der » W.C.L. Martin, Natur. Hist. of Mammalia. 1841, p. 405. 10 Angeführt von C. Vogt, Memoires sur les Microc&phales. 1867, p. 168. - 4 ; ” Cap. 2. Aufmerksamkeit. — Gedächtniss. 37 Schakal thut "1. Ob dies indessen eine willkürliche Nachahmung ge- nannt werden kann, ist eine andere Frage. Einer Angabe zufolge, welche ich gelesen habe, haben wir Grund zu glauben, dass junge von Katzen gesäugte Hunde zuweilen lernen, ihre Füsse zu lecken und sich damit ihr Gesicht zu reinigen. Es ist wenigstens gewiss, dass, wie ich von einem völlig glaubwürdigen Freunde höre, manche Hunde sich in dieser Weise benehmen. Vögel ahmen den Gesang ihrer Eltern nach und zuweilen auch den anderer Vögel, und von Papageien ist es noto- risch, dass sie jeden Laut, welchen sie oft hören, nachahmen. Kaum irgend eine Fähigkeit ist für den intellectuellen Fortschritt des Menschen von grösserer Bedeutung als die Fähigkeit der Aufmerk- samkeit. Thiere zeigen diese Fähigkeit offenbar, so wenn eine Katze vor einer Höhle wartet und sich vorbereitet, auf ihre Beute zu springen. Wilde Thiere werden zuweilen hierdurch so befangen, dass man sich ihnen leicht annähern kann. Mr. Bartterr hat mir einen merkwürdi- gen Fall mitgetheilt, wie variabel diese Fähigkeit bei den Affen ist. Ein Mann, welcher Affen abrichtete, pflegte die gewöhnlichen Arten von der zoologischen Gesellschaft zum Preise von 5 Pfund (Sterling) das Stück zu kaufen; er erbot sich aber, die doppelte Summe zu zahlen, wenn ihm erlaubt sei, drei oder vier derselben ein paar Tage lang bei sich zu halten, um einen auszuwählen. Als er gefragt wurde, wie es mög- lich sei, dass er so bald schon sehe, ob ein besonderer Affe sich als ein guter Schüler herausstellen würde, antwortete er, dass Alles von ihrer Fähigkeit, aufzumerken, abhänge. Würde die Aufmerksamkeit des Affen, während er mit ihm spräche und ihm irgend etwas erklärte, leicht abgezogen, sei es durch eine Fliege an der Wand oder irgend einen anderen unbedeutenden Gegenstand, so sei der Fall hoffnungslos. Versuche er einen unaufmerksamen Affen durch Strafe heranzuziehen, so werde er böse. Andererseits meinte er, dass ein Affe, welcher auf- merksam auf ihn merkte, immer abgerichtet werden könne. Es ist fast überflüssig, noch zu erwähnen, dass Thiere ein ausge- zeichnetes Gedächtniss für Personen und Orte haben. Mir hat Sir ANDREW Smith mitgetheilt, dass ihn ein Pavian am Cap der guten Hoffnung voller Freude nach einer Abwesenheit von neun Monaten wie- dererkannt habe. Ich hatte einen Hund, welcher wild und unwirsch gegen alle Fremden war, und versuchte absichtlich sein Gedächtnis l Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, 8.33. 38 Geisteskräfte. I. Theil. nach einer Abwesenheit von fünf Jahren und zwei Tagen. Ich gieng zu dem Stall, wo er war, und rief ihn an in meiner alten Weise; er zeigte keine Freude, aber folgte mir augenblicklich, kam heraus und gehorchte mir so genau, als wenn ich ihn erst vor einer halben Stunde verlassen hätte. Ein Strom alter Ideenverbindungen, welche fünf Jahre lang ge- schlummert hatten, war hierdurch in seiner Seele augenblicklich erweckt worden. Selbst Ameisen erkannten, wie P. Huper !? entschieden nach- gewiesen hat, ihre Genossen, die demselben Haufen angehörten, nach einer Trennung von vier Monaten wieder. Thiere können sicher durch irgend welche Mittel die Zeitintervalle zwischen wiederkehrenden Er- eignissen beurtheilen. Die Einbildungskraft ist eine der höchsten Prärogativen des Menschen. Durch dieses Vermögen verbindet er unabhängig vom Willen frühere Eindrücke und Ideen und erzeugt damit glänzende und neue Resultate. Jean Paun FRIEDRICH RicHTER bemerkt !®: „ein Dichter, „welcher erst überlegen muss, ob er einen seiner Charactere Ja oder „Nein sagen lassen soll — zum Teufel mit ihm. Er ist nur ein seelen- „loser Körper.* Das Träumen gibt uns die beste Idee von dieser Fähigkeit, wie ebenfalls Jean Paur sagt: „Der Traum ist eine unwill- „kürliche Kunst der Diehtung.“ Der Werth der Producte unserer Ein- bildungskraft hängt natürlich von der Zahl, Genauigkeit und Klarheit unserer Eindrücke ab, ferner von dem Urtheil und dem Geschmack bei der Auswahl und dem Zurückweisen der unwillkürlich sich darbietenden Combinationen und in einer gewissen Ausdehnung von unserer Fähigkeit, sie willkürlich zu combiniren. Da Hunde, Katzen, Pferde und wahr- scheinlich alle höheren Thiere, selbst Vögel, wie nach gewichtigen Au- toritäten !* angeführt wird, lebhafte Träume haben und sich dies durch ihre Bewegungen und ihre Stimme zeigt, so müssen wir auch zugeben, dass sie eine gewisse Einbildungskraft haben. Unter allen Fähigkeiten des menschlichen Geistes steht, wie wohl allgemein zugegeben wird, der Verstand obenan. Es bestreiten nur wohl wenige Personen noch, dass die Thiere eine gewisse Fähigkeit des Nachdenkens haben. Fortwährend kann man sehen, dass Thiere zu- warten, überlegen und sich entschliessen. Es ist eine bezeichnende That- sache, dass je mehr die Lebensweise irgend eines besonderen Thieres !? Les Moeurs des Fourmis. 1510, p. 150. 13 Gitirt in: Maudsley, Physiology and Pathology of Mind. 1868, p. 19, 220. 12 Jerdon, Birds of India. Vol. 1. 1862, p. XXI. - 4 Be Cap. 2. Verstand. 39 von einem Naturforscher beobachtet wird, dieser ihm desto mehr Verstand zuschreibt und desto weniger die Handlungen nicht gelernten Instineten beilegt !5. Im späteren Capiteln werden wir sehen, dass Thiere, welche äusserst niedrig in der Stufenleiter stehen, offenbar einen gewissen Grad von Verstand zeigen. Es ist ohne Zweifel oft schwierig, zwischen den Aeusserungen des Verstandes und den des Instinets zu unterscheiden. So bemerkt Dr. HayEs in seinem Werk über „das offene Polarmeer* wiederholt, dass seine Hunde, statt die Schlitten in einer compacten Masse zu ziehen, auseinandergiengen und sich trennten, wehn sie auf dünnes Eis kamen, so dass ihr Gewicht gleichmässiger vertheilt wurde. Dies war oft das erste Warnungszeichen, welches die Reisenden erhiel- ten, dass das Eis dünn und gefährlich wurde. Handelten nun die Hunde nach der Erfahrung jedes einzelnen Individuums so oder nach dem Bei- spiele der älteren und gescheidteren Hunde oder nach einer ererbten Gewohnheit, d. h. nach einem Instinete? Dieser Instinet könnte wohl in jener Zeit entstanden sein, als vor langen Jahren Hunde zuerst von den Eingeborenen dazu benutzt wurden, Schlitten zu ziehen, oder es könnten die arcetischen Wölfe, die Urväter der Eskimohunde, diesen Ö aM. Instinet erlangt haben, der sie zwang, ihre Beute nicht in einer ge- schlossenen Masse anzugreifen, wenn sie sich auf dünnem Eise befan- den. Fragen dieser Art sind äusserst schwierig zu beantworten. = Es sind so viele Fälle in verschiedenen Werken angeführt worden, welche zeigen, dass Thiere einen gewissen Grad von Verstand besitzen, dass ich hier nur zwei oder drei von REngGER gewährleistete Beispiele anführen will, welche sich auf amerikanische, in ihrer Ordnung ziem- lich tief stehende Affen beziehen. Er gibt an, dass, als er seinen Affen zuerst Eier gab, sie dieselben zerbrachen und daher viel von ihrem In- halt verloren. Später schlugen sie vorsichtig das eine Ende an einen harten Köper und nahmen die Schalenstückchen mit ihren Fingern heraus. Hatten sie sich einmal mit irgend einem scharfen Werkzeug geschnitten, so wollten sie es nicht wieder berühren oder es nur mit der grössten Vorsicht behandeln. Stücke Zuckers wurden ihnen oft in Papier eingewickelt gegeben, und RENGGER that zuweilen eine lebendige Wespe in das Papier, so dass sie beim hastigen Entfalten gestochen wurden. War dies einmal der Fall gewesen, so hielten sie stets das '» L.H. Morgan’s Buch über „The American Beaver“ 1868 bietet eine gute Erläuterung dieser Bemerkung dar. Ich kann mich indessen nicht erwehren zu glauben, dass er die Kraft des Instincts viel zu sehr unterschätzt, 40 Geisteskräfte. ++, T.:Theil, Päckchen zuerst an ihre Ohren, um irgend eine Bewegung im Innern zu entdecken. Wer durch Thatsachen, wie die vorliegenden und durch das, was er bei seinen eigenen Hunden beobachten kann, nicht überzeugt wird, dass Thiere überlegen können, der wird durch nichts, was ich noch hinzufügen könnte, überzeugt werden. Nichtsdestoweniger will ich in Bezug auf Hunde einen Fall erwähnen, da er von zwei verschie- denen Beobachtern bezeugt wird und kaum von der Modification irgend welches Instinets abhängen kann. Mr. CorquHoun 16 schoss zwei wilde Enten flügellahm, welehe auf das jenseitige Ufer eines Flusses fielen. Sein Wasserhund versuchte Beide auf einmal herüberzubringen, es gelang ihm aber nicht. Trotz- dem man wusste, dass er nie vorher auch nur eine Feder gekrümmt hätte, biss er die eine Ente todt, brachte die andere herüber und gieng nun zu dem todten Vogel zurück. Oberst Hurchmson erzählt, dass zwei Rebhühner auf einmal geschossen wurden, das eine wurde ge- tödtet, das andere verwundet. Das Letztere rannte fort und wurde vom Hunde gefangen, welcher auf dem Rückwege beim todten Vogel vor- beikam. „Er blieb stehen, offenbar sehr in Verlegenheit, und nach ein- „oder zweimaligem Versuchen, wobei er fand, dass er es nicht mit- „nehmen konnte, ohne das flügellahm geschossene entwischen zu lassen, „überlegte er einen Augenblick, biss dann dieses mit einem kräftigen „Ruck absichtlich todt und brachte dann beide Vögel auf einmal. Es „war dies das einzige bekannte Beispiel, dass er je mit Absicht irgend „welches Wildpret verletzt hätte.“ Hier haben wir Verstand, wenn auch nicht durchaus vollkommenen. Denn der Hund hätte den ver- wundeten Vogel zuerst bringen und dann nach dem todten zurückkehren können, wie es in dem Falle mit den zwei wilden Enten geschah. Der Maulthiertreiber in Südamerika sagt: „ich will Ihnen nicht „das Maulthier geben, dessen Schritt am leichtesten ist, sondern la mas „racional, das, welches es sich am besten überlegt“, und Humsoror !7 fügt hinzu, „dieser populäre Ausdruck, den lange Erfahrung dietirt, „widerspricht der Annahme von belebten Maschinen vielleicht besser, „als alle Argumente der speculativen Philosophie.* Ich glaube, es ist nun gezeigt worden, dass der Mensch und die höheren Thiere, besonders die Primaten, einige wenige Instinete gemein- = The Moor and the Loch p. 45. Hutchinson, Dog.-Breaking. 1850. p. 46. !" Personal narrative. Vol. III, p. 106. 4 ’ Cap. 2. Fortschreitende Ausbildung. 4 sam haben. Alle haben dieselben Sinneseindrücke und Empfindungen, ähnliche Leidenschaften, Affeete und Erregungen, selbst die complexeren. Sie fühlen Verwunderung und Neugierde, sie besitzen dieselben Kräfte der Nachahmung, Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Einbildung, des Verstandes, wenn auch in verschiedenen Graden. Nichtsdestoweniger haben viele Schriftsteller behauptet, dass der Mensch durch seine gei- stigen Fähigkeiten von allen niederen Thieren durch eine unüberschreit- bare Schranke getrennt sei. Ich habe mir früher eine Sammlung von über zwanzig solcher Aphorismen gemacht; es ist aber nicht der Mühe werth, sie zu geben, da ihre grosse Zahl und Verschiedenheit die Schwie- rigkeit, wenn nicht die Unmöglichkeit des Versuches darlegen. Es ist - behauptet worden, dass nur der Mensch einer allmählichen Vervollkomm- nung fähig sei, dass er allein Werkzeuge und Feuer gebrauche, andere Thiere sich angewöhne, Eigenthum, Besitz und Sprache gebrauche, dass kein anderes Thier Selbstbewusstsein habe, sich selbst verstehe, die Kraft der Abstraction habe oder allgemeine Ideen besitze, dass nur der Mensch ein Gefühl für Schönheit habe, Launen ausgesetzt sei, das Gefühl der Dankbarkeit, des Geheimnissvollen u. s. w. besitze, dass er an Gott ‘ r, glaube oder mit einem Gewissen ausgerüstet sei. Ich will über die wichtigeren und interessanteren der angegebenen Punkte ein paar Be- merkungen zu geben versuchen. Erzbischof Sumser behauptete früher '#, dass nur der Mensch einer fortschreitenden Veredelung fähig sei. Was die Thiere betrifft, so wollen wir zunächst das Individuum betrachten. Hier weiss Jeder, der nur irgend eine Erfahrung im Legen von Fallen besitzt, dass junge Thiere viel leichter gefangen werden können als alte, sie lassen auch Feinde viel leichter sich annähern; und selbst in Bezug auf alte Thiere ist es unmöglich, viele an einer und derselben Stelle und in derselben Art von Fallen zu fangen oder durch dieselbe Art von Giften zu tödten. Und doch ist es unwahrscheinlich, dass Alle von dem Gifte genossen hätten, und unmöglich, dass Alle in der Falle gefangen worden seien. Sie müssen Vorsicht lernen dadurch, dass sie ihre Genossen gefangen oder vergiftet sehen. In Nordamerika, wo die pelztragenden Thiere lange Zeit verfolgt worden sind, zeigen sie nach dem einstimmigen Zeugniss aller Beobachter einen fast unglaublichen Grad von Scharf- sinn, Vorsicht und List; so ist das Fallenstellen dort so lange schon '® Citirt von Sir Ch. Lyell, das Alter des Menschengeschlechts. Original S. 497. (Der betreffende Abschnitt wurde in der Uebersetzung weggelassen. / 42 Geisteskräfte. I. Theil. ausgeführt worden, dass hier vielleicht Vererbung mit in’s Spiel kommt. Betrachten wir aufeinanderfolgende Generationen oder die Rasse, so ist keinem Zweifel unterworfen, dass Vögel und andere Thiere all- mählich Vorsicht in Bezug auf den Menschen oder andere Feinde sowohl erlangen als verlieren 1%. Und diese Vorsicht ist gewiss zum grössten Theil eine angeerbte Gewohnheit oder ein Instinet, zum Theil aber das Resultat individueller Erfahrung. Ein guter Beobachter, LEroY 2", führt an, dass in Distrieten, wo Füchse sehr viel gejagt werden, die Jungen, wenn sie zuerst ihre Höhlen verlassen, unstreitig viel schlauer sind als die alten in Distrieten, wo sie nicht sehr gestört werden. Unsere domestieirten Hunde stammen von Wölfen und Schakals *1 ab, und trotzdem sie nicht an Verschlagenheit gewonnen und an Be- dachtsamkeit und ängstlicher Vorsicht verloren haben mögen, so haben sie doch in gewissen moralischen Eigenschaften, wie Zuneigung, Zuverlässig- keit, Temperament und wahrschemlich in allgemeiner Intelligenz Fort- schritte gemacht. Die gemeine Ratte hat mehrere andere Species durch Reanz Europa, in Theilen von Nordamerika, in Neuseeland und neuerdings in Formosa ebenso wie auf dem Festlande von China besiegt und zurück- getrieben. Mr. SwinHoE ??, welcher die letzteren Fälle mittheilt, schreibt den Sieg der gemeinen Ratte über die grössere Mus coninga ihrer über- legenen List zu; und diese letztere Eigenschaft lässt sich wohl der be- ständigen Anstrengung aller ihrer Fähigkeiten zuschreiben, die sie der Verfolgung und Zerstörung dureh den Menschen entgegengesetzt, ebenso wie dem Umstande, dass fast alle weniger schlauen oder schwachköpfi- geren Ratten mit Erfolg vom Menschen vertilgt worden sind. Ohne Bezugnahme auf irgendwelche direeten Beweise behaupten zu wollen, dass kein Thier im Verlaufe der Zeit in Bezug auf den Intellect oder andere geistige Fähigkeiten fortgeschritten sei, heisst die Frage von der Entwickelung der Arten überhaupt verneinen. Wir werden später sehen, dass nach LArTET jetzt lebende und zu mehreren Ordnungen ge- hörende Säugethiere grössere Gehirne haben, als ihre alten tertiären Prototypen. 19 Journal of Researches during the Voyage of the „Beagle“ 1845, p. 398. Entstehung der Arten. 4. Aufl. S. 238. ?0 Lettres philos. sur l’Intelligence des Animaux. nouv. edit. 1802, p. 86. 21 5. die Belege hierfür im 1. Capitel des 1. Bdes. von „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.“ 22 Proceed. Zool. Soc. 1864, p. 186. * ‚ Cap. 2. Gebrauch von Werkzeugen. 43 Es ist oft gesagt worden, dass kein Thier irgend ein Werkzeug gebrauche. Der Schimpanse knackt aber im Naturzustande eine wilde Frucht, ungefähr einer Wallnuss ähnlich, mit einem Steine ??. RexG- GER 2* lehrte sehr leicht einen amerikanischen Affen auf diese Weise harte Palmnüsse zu öffnen, und später gebrauchte dieser dann auf eigenen Antrieb Steine, um andere Arten von Nüssen ebenso wie Kästen zu öffnen. Er entfernte auch die weiche Rinde einer Frucht, welche einen unangenehmen Geschmack hatte. Einem anderen Affen wurde ge- lehrt, den Deckel einer grossen Kiste mit einem Stocke zu öffnen, und später brauchte er den Stock als Hebel, um schwere Körper zu be- wegen; und ich habe selbst gesehen, wie ein junger Orang einen Stock in einen Spalt steckte, seine Hände an das andere Ende brachte und ihn in der richtigen Weise als Hebel benutzte. In den eben erwähnten Fällen werden Steine und Stöcke als Werkzeuge gebraucht; sie werden aber gleicherweise als Waffen benutzt. Breum ?> führt nach der Au- torität des bekannten Reisenden SCHIMPER an, dass, wenn in Abyssinien die zu der einen Art gehörenden Paviane (C. Gelada) truppenweise von den Bergen herabsteigen, um die Felder zu plündern, sie zuweilen Trup- pen einer andern Species (©. Hamadryas) begegnen, und dann beginnt ein Kampf. Die Geladas rollen grosse Steine herab, welchen die Ha- madryas auszuweichen suchen, und dann gehen beide Species mit gros- sem Lärm wüthend auf einander los. Als Breum den Herzog von Coburg-Gotha begleitete, stand er einem Angriff mit Feuerwaffen auf einen Trupp von Pavianen an dem Passe von Mensa in Abyssinien bei. Die Paviane wälzten ihrerseits so viele Steine, einige so gross wie ein Menschenkopf, den Berg herab, dass die Angreifer sich schnell zurück- ziehen mussten, und der Pass war thatsächlich eine Zeit lang für die Karawane verschlossen. Es verdient Beachtung, dass diese Paviane hier in Uebereinstimmung handelten. Mr. Warrack 26 sah bei drei Gelegen- heiten weibliche Orangs in Begleitung ihrer Jungen „Zweige und die „grossen dornigen Früchte der Durianbäume mit allen Zeichen der „Wuth abbrechen und einen solchen Schauer von Geschossen herab- „werfen, dass es ihnen gelang zu verhindern, dass er sich dem Baume „zu sehr näherte. ”? Savage and Wyman, in Boston Journal of Nat. Hist. Vol. IV. 1843—44, pP. 383. Säugethiere von Paraguay. 1830, 8. 51-56. 5 Thierleben. Bd. 1. S. 79, 82. ’° The Malay Archipelago. Vol. I. 1869, p. 87. 44 Geisteskräfte, I. Theil. Im zoologischen Garten gebrauchte ein Affe, welcher schwache Zähne hatte, einen Stein, um sich Nüsse zu öffnen, und mir versicher- ten die Wärter, dass das Thier, wenn es den Stein gebraucht habe, ihn im Stroh verberge und keinen anderen Affen ihn berühren lasse. Hier haben wir die Idee des Eigenthums, doch ist diese Idee jedem Hunde, der einen Knochen hat, und den meisten oder allen Vögeln in Bezug auf ihre Nester eigen. Der Herzog von Arsyıı ?? bemerkt, dass das Formen eines Werk- zeugs zu einem speciellen Zweck dem Menschen absolut eigenthümlich sei, und er hält dies für einen unermesslichen Abstand zwischen ihm und den Thieren. Es liegt ohne Zweifel ein sehr bedeutender Unter- schied hierin, aber mir scheint in Sir J. Luggock’s Vermuthung ?® viel Wahres zu liegen, dass, als die Urmenschen zuerst Feuersteine zu irgend welchem Zwecke benutzten, sie sie zufällig zerschlagen und dann die scharfen Bruchstücke benutzt haben werden. Von diesem Standpunkte bedurfte es dann nur eines kleinen Schritts, um die Feuersteine ab- sichtlich zu zerbrechen, und keines sehr grossen Schritts, um sie roh zu formen. Indessen dürfte der letztere Fortschritt sehr langer Zeit bedurft haben, wenn wir nach dem ungeheuren Zeitintervalle urtheilen, welcher vergieng, ehe der Mensch der neueren Steinperiode begann, seine Werkzeuge zu schleifen und zu poliren. Beim Zerbrechen der Feuer- steine werden, wie Sir J. LugBßock gleichfalls bemerkt, Funken hervor- gesprungen sein und beim Schleifen derselben wird sich Wärme ent- wickelt haben: „hierdurch können die beiden gewöhnlichen Methoden, „Feuer zu erhalten, entstanden sein.“ Die Natur des Feuers wird in den vielen vulkanischen Gegenden, wo Lava gelegentlich durch die Wäl- der fliesst, bekannt geworden sein. Die anthropomorphen Affen bauen sich, wahrscheinlich durch Instinct geleitet, temporäre Hütten auf Bäu- men. Wie aber viele Instinete in grossem Maasse vom Verstande con- trolirt werden, so können auch die einfacheren, wie dieser, sich solche flache Nester zu bauen, leieht in einen willkürlichen, bewussten Act übergehen. Es ist bekannt, dass der Orang sich zur Nachtzeit mit den Blättern des Pandanus zudeckt, und BreHm führt an, dass einer seiner Paviane sich gegen die Sonnenwärme dadurch schützte, dass er eine Strohmatte über den Kopf warf. In diesen letzteren Gewohnheiten sehen wir wahrscheinlich die ersten Schritte zu einigen der einfacheren 27 Primeval Man. p. 145, 147. #2 Prehistoric Times. 1865, p. 473 flgde. ; Cap. 9, Sprache. 45 Künste, nämlich rohe Architeetur und Kleidung, wie sie unter den frühen Stammeltern des Menschen entstanden. Sprache. — Diese Fähigkeit ist mit Recht als einer der Haupt- unterschiede zwischen dem Menschen und den niederen Thieren betrachtet worden. Aber der Mensch ist, wie ein äusserst competenter Richter, Erzbischof WHaATELY bemerkt, „nicht das einzige Thier, welches von „der Sprache Gebrauch machen kann, um das auszudrücken, was in „seinem Geiste vorgeht, und welches mehr oder weniger verstehen kann, „was in dieser Weise von Anderen ausgedrückt wird“ 2°. Der Cebus Azarae in Paraguay gibt, wenn er aufgeregt wird, wenigstens sechs verschiedene Laute von sich, welche bei anderen Affen ähnliche Erre- gungen veranlassen ?°. Die Bewegungen des Gesichts und die Gesten .von Affen können von uns verstanden werden und sie verstehen zum Theil uns, wie REnGGER und Andere erklären. Es ist eine noch merk- würdigere Thatsache, dass der Hund seit seiner Domestication in we- nigstens vier oder fünf verschiedenen Tönen zu bellen gelernt hat ®!. Obgleich das Bellen ihm eine neue Kunst ist, so werden doch ohne Zweifel auch die wilden Arten,. von denen der Hund abstammt, ihre Gefühle durch Schreie verschiedener Arten ausgedrückt haben. Bei dem domesticirten Hunde haben wir das Bellen des Eifers, wie auf der Jagd, das des Aergers, das heulende Bellen der Verzweiflung, z. B. wenn sie eingeschlossen sind, das der Freude, wenn sie z. B. mit ihrem Herrn spazieren gehen sollen, und das sehr bestimmte Bellen des Verlangens oder der Bitte, z. B. wenn sie wünschen, dass eine Thüre oder ein Fenster geöffnet werde. Die artikulirte Sprache indessen ist dem Menschen eigenthümlich ; aber er benutzt gemeinsam mit den niederen Thieren unartikulirte Aus- rufe in Verbindung mit Gesten und Bewegungen seiner Gesichtsmus- keln 32, um seine Gedanken auszudrücken. Dies gilt besonders für die einfacheren und lebendigeren Gefühle, welche aber nur wenig mit unserer höheren Intelligenz in Zusammenhang stehen. Unsere Ausrufe des 29 Citirt in der Anthropological Review. 1864, p. 158. 0 Rengger a.a. 0.8. 45. 31 5, mein Buch „Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestiation.“ Bd. 1, 8. 32. 32 5, eine Erörterung dieses Gegenstandes in Mr. E. Tylor’s sehr inter- essantem Buche: Researches into the Early History of Mankind. 1865. Capit. 2—4. Ab 8 Geisteskräfte. I. Theil. Schmerzes, der Furcht, der Ueberraschung, des Aergers, in Verbindung mit entsprechenden Handlungen, und das Murmeln einer Mutter mit ihrem geliebten Kinde sind ausdrucksvoller als irgend welche Worte. Es ist nicht sowohl die blosse Fähigkeit der Articulation, welche den Menschen von anderen Thieren unterscheidet, denn, wie Jedermann weiss, können Papageien sprechen; es ist vielmehr die grosse Fähigkeit, be- stimmte Klänge mit bestimmten Ideen zu verbinden, und dies hängt offenbar von der Entwickelung der geistigen Fähigkeiten ab. Wie HornE Tookk, einer der Gründer der edlen Wissenschaft der Philologie bemerkt, ist die Sprache eine Kunst, wie das Bauen und Backen ; es würde aber das Schreiben ein viel entsprechenderes Gleich- niss dargeboten haben. Sicher ist die Sprache kein Instinct, da eine jede Sprache gelernt werden muss. Sie weicht indessen von allen gewöhnlichen Künsten sehr weit ab, denn der Mensch hat eine instinetive Neigung zu sprechen, wie wir in dem Lallen junger Kinder sehen, während kein Kind eine instinetive Neigung zu bauen, backen oder schreiben hat. Ueberdies nimmt kein Philolog jetzt an, dass irgend eine Sprache mit Ueberlesung erfunden worden sei; eine jede hat sich langsam und un- bewusst durch viele Stufen entwickelt. Die Laute, welche Vögel von sich geben, bieten in mehreren Beziehungen die nächste Analogie mit der Sprache dar, denn alle Glieder derselben Art äussern dieselben in- stinetiven, zur Beziehung ihrer Erregung dienenden Laute; und alle Arten, welche das Singvermögen besitzen, äussern dieses Vermögen in- stinetiv. Aber der wirkliche Gesang und selbst die Lockrufe werden von den Eltern oder Pflegeltern gelernt. Diese Laute sind, wie DAINES BARRINGTON ?? bewiesen hat, „ebensowenig eingeboren als die Sprache „dem Menschen ist.* Die ersten Versuche zum Singen „lassen sich „mit dem unvollkommenen Stammeln bei einem Kinde vergleichen, „welches zu lallen beginnt.“ Die jungen Männchen üben sich beständig oder, wie der Vogelsteller es ausdrückt, sie probiren zehn oder elf Mo- nate lang. Ihre ersten Versuche lassen kaum eine Spur ihres späteren Gesangs erkennen; wenn sie aber älter werden, kann man ungefähr erkennen, wonach sie streben, und endlich sagt man, sie singen ihren Gesang rund ab. Nestlinge, welche den Gesang einer verschiedenen Art gelernt haben, wie z. B. in Tyrol aufgezogene Canarienvögel, lehren und überliefern ihre neue Sangesweise ihren Nachkommen. Die unbe- 33 Hon. Daines Barrington, in: Philos. Transaet. 1773, p. 262. s. auch Dureau de la Malle in: Annal. des science. natur. 3. Ser Zool. Tom. X, p. 119. 4 Cap. 91 Sprache. AT deutenden natürlichen Verschiedenheiten des Gesangs bei Individuen der- selben Species, welche verschiedene Gegenden bewohnen, können ganz passend, wie BARRINGTON bemerkt, mit Provincialdialecten verglichen werden, und die Sangesweisen verwandter, wenn “uch verschiedener, Species lassen sich mit den Sprachen verschiedener Menschenrassen ver- gleichen. Ich habe die vorstehenden Einzelnheiten gegeben, um zu zei- gen, dass eine instinetive Neigung, eine Kunst sich anzueignen, keine auf den Menschen beschränkte Eigenthümlichkeit ist. Was den Ursprung der artieulirten Sprache betrifft, so kann ich, nachdem ich einerseits die äusserst interessanten Werke von Mr. HEns- LEIGH WEDGWOOD, F. FARRAR und Professor SCHLEICHER °*, und die berühmten Vorlesungen von Professor MAx MÜLLER auf der anderen Seite gelesen habe, nicht daran zweifeln, dass die Sprache ihren Ur- sprung der Nachahmung und den durch Zeichen und Gesten unter- stützten Modificationen verschiedener natürlicher Laute, der Stimmen anderer Thiere ‘und der eigenen instinctiven Ausrufe des Menschen ver- dankt. Wenn wir die geschlechtliche Zuchtwahl behandeln werden, wird sich zeigen, dass der Urmensch oder wenigstens irgend ein sehr früher Stammvater des Menschen wahrscheinlich seine Stimme, wie es heutigen Tages einer der gibbonartigen Afien thut, in ausgedehnter Weise dazu benutzte, echt musikalische Cadenzen hervorzubringen, d. h. also zum Singen. Nach einer sehr weit verbreiteten Analogie können wir schlies- sen, dass dieses Vermögen besonders während der Werbung der beiden Geschlechter ausgeübt sein wird, um verschiedene Gemüthsbewegungen auszudrücken, wie Liebe, Eifersucht, Triumph, und gleichfalls, um als Herausforderung für die Nebenbuhler zu dienen. Die Nachahmung mu- sikalischer Ausrufe durch artieulirte Laute mag Worten zum Ursprung gedient haben, welche verschiedene complexe Erregungen ausdrückten. Da es auf die Frage der Nachahmung ziemliches Licht wirft, verdient die bedeutende Neigung bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, bei Mikrocephalen, Idioten ?° und bei den barbarischen Menschenrassen, »* On the origin of Language by H. Wedgwood. 1866. Chapters on Lan- guage by the Rev. F, Farrar, 1865. Diese Werke sind äusserst interessant. s. auch „De la Physion. et de la Parole“ von Alb. Lemoine. 1865. p. 190. Die Schrift des verstorbenen Aug. Schleicher ist auch von Dr. Bikkers in’s Eng- lische übersetzt worden unter dem Titel: Darwinism tested by the science of language. 1869. » Vogt, M&m. sur le Microcephales. 1867, p. 169. In Bezug auf Wilde habe ich im, Journal of Researches‘ 1845, p. 206 einige Thatsachen mitgetheilt. 48 Geisteskräfte. I. Theil Alles, was sie nur hören, nachzuahmen, wohl eine Beachtung. Da die Affen sicher vieles von dem verstehen, was von Menschen zu ihnen gesprochen wird, und da sie im Urzustande Warnungsrufe bei Gefahren ihren Genossen ?° zurufen, so erscheint es durchaus nicht unglaublich, dass irgend ein ungewöhnlich gescheidtes, aftenähnliches Thier darauf ge- fallen sein könne, das Heulen eines Raubthiers nachzuahmen, um da- durch seinen Mitaffen die Natur der zu erwartenden Gefahr anzudeu- ten; und dies würde ein erster Schritt zur Bildung einer Sprache ge- wesen sein. Als nun die Sprache immer weiter und weiter benutzt wurde, wer- den die Stimmorgane weiter gekräftigt und in Folge des Prineips der vererbten Wirkung des Gebrauchs vervollkommnet worden sein und werden wieder auf das Vermögen der Rede zurückgewirkt haben. Aber noch viel bedeutungsvoller ist ohne Zweifel die Beziehung zwischen dem fortgesetzten Gebrauch der Sprache und der Entwickelung des Gehirns gewesen. Die geistigen Fähigkeiten müssen bei irgend einem frühen Vorfahren des Menschen viel höher entwickelt gewesen sein, als bei irgend einem jetzt lebenden Aflen, selbst bevor die unvollkommenste Form der Rede hat in Gebrauch kommen können. Wir können aber zuversichtlich glauben, dass der beständige Gebrauch und die weitere Entwickelung dieses Vermögens dadurch auf die Seele zurückgewirkt haben wird, dass sie dieselbe in den Stand setzte und ermuthigte, lange Gedankenzüge zu durchdenken. Ein langer und complexer Gedanken- zug kann ebensowenig ohne die Hülfe von Worten durchgeführt werden, mögen sie gesprochen werden oder stumm bleiben, als eine genaue Be- rechnung ohne den Gebrauch von Zahlen oder der Algebra. Es scheint auch, als wenn selbst die gewöhnlichen Gedankenreihen irgend eine Form von Sprache fast erforderten, denn das taubstumme und blinde Mädchen Laura Bridgman gebrauchte ihre Finger, als man sie träumend beob- achtete #7. Nichtsdestoweniger kann auch eine lange Reihenfolge von lebendigen und zusammenhängenden Ideen durch die Seele ziehen, ohne die Hülfe von irgend einer Form von Sprache, wie wir aus den langen Träumen von Hunden schliessen können. Wir haben auch gesehen, dass Wasserjagdhunde im Stande sind, bis zu einem gewissen Grade 36 5, verschiedene Beweise hierfür in den so oft eitirten beiden Werken von Rengger und Brehm. 37 3, Bemerkungen hierüber von Dr. Maudsley, The Physiology and Pa- thology of Mind. 2. edit. 1868, p. 199. “ ; Cap. 2. Sprache. 49 nachzudenken, und dies thun sie offenbar ohne die Hülfe der Sprache. Der innige Zusammenhang zwischen dem Gehirn, wie es jetzt bei uns entwickelt ist, und der Fähigkeit der Sprache zeigt sich deutlich in ‚jenen merkwürdigen Fällen von Gehirnerkrankung, bei denen die Sprache besonders affieirt ist, wie in dem Falle, wo das Vermögen, sich sub- stantiver Wörter zu erinnern, verloren ist, während andere Wörter völlig eorreet gebraucht werden können *°. In der Annahme, dass die Wirkungen des fortgesetzten Gebrauchs der Stimme und der geistigen Organe vererbt seien, ist nicht mehr Unwahrscheinliches als in der gleichen Annahme für die Form der Handschrift, welche zum Theil von der Bildung der Hand, zum Theil von der Geistesbeschaffenheit abhängt ; und die Form der Handschrift wird sicher vererbt 3°, Warum die jetzt für die Sprache benutzten Organe ursprünglich schon zu diesem Zweck vervollkommnet sein sollten, und zwar eher als irgend andere Organe, ist nicht schwer einzusehen. Ameisen haben ein ziemlich beträchtliches Vermögen, sich mit Hülfe ihrer Antennen unter einander verständlich zu machen, wie HUBER gezeigt hat, welcher ein ganzes Capitel der Sprache der Ameisen widmet. Wir könnten auch unsere Finger als passende Hülfsmittel benutzt haben, denn eine hierin geübte Person kann einem Tauben jedes Wort einer in einer öffentlichen Versammlung schnell gehaltenen Rede auf diese Weise mit- theilen; der Verlust einer weiteren Benutzbarkeit unserer Hände bei einem solchen Gebrauche würde aber eine sehr bedenkliche Störung ge- wesen sein. Da alle höheren Säugethiere Stimmorgane besitzen, welche nach demselben allgemeinen Plan wie unsere gebaut sind und welche als Mittel der Mittheilung benutzt werden, so war es offenbar wahr- scheinlich, dass, wenn das Vermögen der Mittheilung weiter entwickelt werden sollte, diese selben Organe noch weiter entwickelt werden wür- den; und dies ist durch Zuhülfenahme der benachbarten und gut an- gepassten Theile bewirkt worden, nämlich der Zunge und der Lippen #0, Die Thatsache, dass höhere Affen ihre Stimmorgane nicht zur Sprache benutzen, erklärt sich ohne Zweifel dadurch, dass ihre Intelligenz nicht hinreichend entwickelt worden ist. Der Umstand, dass sie dieselben %® Viele merkwürdige Fälle der Art sind mitgetheilt worden. s. z. B. Inqui- ries concerning the Intellectual Powers von Abercrombie 1838, p. 150. ” Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domesti- eation. Bd. 2, 8. 7. 40 5, einige gute Bemerkungen hierüber in Maudsley, The Physiology and Pathology of Mlind. 1868, p. 199. IDARSAETmIE Auen. Tl Van Arıfiinnen A 50 Geisteskräfte. I. Theil. Organe besitzen, welche bei lange fortgesetzter Uebung zur Sprache hätten benutzt werden können, obschon sie sie nicht in dieser Weise benutzen, ist dem Falle parallel, dass viele Vögel, welche Singorgane besitzen, trotzdem doch niemals singen. So haben die Nachtigall und die Krähe ähnlich gebaute Stimmorgane; die Erstere benutzt dieselben zu mannichfaltigem Gesange, die Letztere nur zum Krächzen *, Die Bildung verschiedener Sprachen und verschiedener Spesies und die Beweise, dass beide durch einen stufenweise fortschreitenden Gang entwickelt worden sind, beruhen in merkwürdiger Weise auf gleichen Grundlagen *”. Wir können aber den Ursprung vieler Wörter weiter zurück verfolgen, als den Ursprung der Arten, denn wir können beob- achten, dass sie aus der Nachahmung verschiedener Laute entstanden sind, wie bei der Allitteration in der Dichtung. In verschiedenen Spra- chen finden wir auffallende Homologien, welche Folgen der Gemeinsam- keit der Abstammung sind, und Analogien, welche Folgen eines ähn- lichen Bildungsprocesses sind. Die Art und Weise, in welcher gewisse Buchstaben oder Laute abändern, wenn andere abändern, erinnert sehr an Correlation des Wachsthums; wir finden in beiden Fällen Verdoppe- lung von Theilen, die Wirkung lange fortgesetzten Gebrauchs u. s. w. Das häufige Vorkommen von Rudimenten sowohl bei Sprachen als bei Species ist noch merkwürdiger. Der Buchstabe m in dem englischen Worte „am“ bedeutete „ich“, so dass in dem Ausdruck J am ein über- flüssiges und nutzloses Rudiment beibehalten worden ist. Auch beim Schreiben von Wörtern werden oft Buchstaben als Rudimente älterer Formen der Aussprache beibehalten. Sprachen können wie organische Wesen in Gruppen classifieirt werden, die anderen Gruppen untergeord- net sind, und man kann sie entweder natürlich nach ihrer Abstam- mung oder künstlich nach anderen Characteren classifieiren. Herrschende Sprachen und Dialecte verbreiten sich weit und führen allmählich zur Ausrottung anderer Sprachen. Ist eine Sprache einmal ausgestorben, 41 Macgillivray, Hist. of British Birds. Vol. I. 1839, p. 29. Ein aus- gezeichneter Beobachter, Mr. Blackwall, bemerkt, dass die Elster leichter ein- zelne Worte und ganze Sätze aussprechen lernt, als irgend ein anderer britischer Vogel; doch fügt er hinzu, dass er nach langer und aufmerksamer Beobachtung nie erfahren habe, dass der Vogel im Naturzustande eine ungewöhnliche Fähig- keit im Nachahmen gezeigt habe. Researches in Zoology. 1834, p. 158. 42 s, den sehr interessanten Parallelismus zwischen der Entwickelung der Sprachen und Arten, den Sir Ch. Lyell gibt: Das Alter des Menschengeschlechts. Uebers. Cap. 23, S. 395. Cab. 2. Sprache, 51 so erscheint sie, wie Sir C. Lyesz bemerkt, gleich einer Species niemals wieder. Ein und dieselbe Sprache hat nie zwei Geburtsstätten. Ver- schiedene Sprachen können sich kreuzen oder mit einander verschmel- zen *?. Wir sehen in jeder Sprache Variabilität, und neue Wörter tau- chen beständig auf; da es aber für das Erinnerungsvermögen eine Grenze gibt, werden einzelne Wörter, wie ganze Sprachen allmählich ausgestorben. Max Mütter ** hat sehr richtig bemerkt: „in jeder Sprache findet be- „ständig ein Kampf um’s Dasein zwischen den Wörtern und gramma- „tischen Formen statt; die besseren, kürzeren, leichteren Formen er- „langen beständig die Oberhand, und sie verdanken ihren Erfolg ihrer „eigenen inhärenten Kraft.* Diesen wichtigeren Ursachen des Ueber- lebens gewisser Wörter lässt sich, wie ich glaube, auch noch die blosse Neuheit hinzufügen, denn in dem Geiste aller Menschen findet sich eine starke Vorliebe für geringe Veränderungen in allen Dingen. Das Ueber- leben oder die Beibehaltung gewisser beliebter Wörter in dem Kampfe um’s Dasein ist natürliche Zuchtwahl. Die vollkommen regelmässige und wunderbar complexe Construction der Sprachen vieler barbarischer Nationen ist oft als ein Beweis ent- weder des göttlichen Ursprungs dieser Sprachen, oder des hohen Cul- turzustandes und der früheren Civilisation ihrer Begründer vorgebracht worden. So schreibt FRIEDRICH von SCHLEGEL: „wir beobachten häufig „bei den Sprachen, welche auf der niedrigsten Stufe intelleetueller Cul- „tur zu stehen scheinen, einen sehr hohen und ausgebildeten Grad in „der Kunst ihrer grammatischen Struetur. Dies ist besonders der Fall „bei dem Baskischen und Lappländischen und bei vielen der amerika- „nischen Sprachen“ #5. Es ist aber zuverlässig ein Irrthum, von irgend einer Sprache als einer Kunst zu sprechen, in dem Sinne, als sei sie mit Mühe und Methode ausgearbeitet worden. Die Philologen geben Jetzt zu, dass Conjugationen, Declinationen u. s. f. ursprünglich als ver- schiedene Worte existirten, die später mit einander vereinigt wurden ; und da solche Worte die augenfälligsten Beziehungen zwischen Objecten und Personen ausdrückten, so ist nicht zu verwundern, dass sie von Menschen der meisten Rassen während ihres frühesten Alters benutzt worden sind. Was die Vervollkommnung betrifft; so wird die folgende 43 5, Bemerkungen hierüber in einem interessanten Aufsatz, betitelt: Philo- logy and Darwinism in: „Nature“, March 24th, 1870, p. 528. #: „Nature“, Jan. 6th, 1870, p. 257. #5 Citirt von ©. S. Wake, Chapters on Man 1868, p. 101. 4* 52 Geisteskräfte. I. Theil. Erläuterung am besten zeigen, wie leicht man irren kann: Ein Crinoide besteht zuweilen aus nicht weniger als 150,000 Schalenstückchen #$, welche alle vollständig symmetrisch in strahlenförmigen Linien ange- ordnet sind; aber ein Naturforscher hält ein Thier dieser Art nicht für vollkommener als ein seitlich symmetrisches mit vergleichsweise wenigen Theilen, von denen keine einander gleichen mit Ausnahme der auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers befindlichen. Er betrachtet mit Recht die Differenzirung und Specialisirung der Organe als den Prüf- stein der Vervollkommnung. So sollte man, was die Sprachen betrifft, die am meisten symmetrischen und complieirtesten nicht über die un- regelmässig abgekürzten und verbastardirten Sprachen stellen, welche ausdrucksvolle Worte und zweckmässige Formen der Construction von verschiedenen erobernden oder eroberten oder einwandernden Rassen sich angeeignet haben. Aus diesen wenigen und unvollständigen Bemerkungen schliesse ich, dass die äusserst complicirte und regelmässige Construction vieler barbarischer Sprachen kein Beweis dafür ist, dass sie ihren Ursprung einem besonderen Schöpfungsacte #” verdanken. Auch bietet, wie wir gesehen haben, die Fähigkeit artieulirter Sprache an sich kein unüber- steigliches Hinderniss für den Glauben dar, dass der Mensch sich aus irgendwelcher niederen Form entwickelt hat. Selbstbewusstsein, Individualität, Abstraction, all- gemeine Ideen u. s. w. — Der Versuch wäre nutzlos, diese höheren Fähigkeiten selbst hier zu erörtern, welche nach der Ansicht mehrerer neuerer Schriftsteller den Unterschied zwischen den Menschen und den Thieren einzig und allein ausmachen; denn kaum zwei Schriftsteller stimmen in ihren Definitionen überein. Derartige Fähigkeiten haben sich beim Menschen nicht eher ausbilden können, als bis seine geistigen Kräfte bis zu einem hohen Punkte entwickelt waren, und dies schliesst wieder den Gebrauch einer vollkommenen Sprache ein. Niemand nimmt an, dass irgend eines der niederen Thiere darüber Betrachtungen an- stellt, woher es selbst komme und wohin es gehe, was Tod sei und was Leben u. s. w. Können wir aber sicher sein, dass ein alter Hund mit einem ausgezeichneten Gedächtniss und etwas Einbildungskraft, wie #6 Buckland, Bridgewater Treatise, p. 411. +" Einige treffende Bemerkungen über die Vereinfachung der Sprachen s. bei Sir J. Lubbock, Origin of Civilisation. 1870, p. 278. Cap. 2. Selbstbewusstsein. — Schönheitsgefühl. 53 sie sich durch seine Träume zeigt, niemals über die Freuden Betrach- tungen anstellt, welche er früher auf der Jagd hatte? Dies wäre aber eine Form des Selbstbewusstseins. Wie aber andererseits BÜCHNER #8 bemerkt: wie wenig kann das abgearbeitete Weib eines verkommenen australischen Wilden, welches kaum irgendwelche abstracte Worte ge- braucht und nieht über vier zählen kann, wie wenig kann ein solches Weib sein Selbstbewusstsein bethätigen oder über die Natur ihres Da- seins reflectiren ? Dass Thiere ihre geistige Individualität beibehalten, ist durchaus nicht fraglich. Als meine Stimme eine Reihe alter Assoeiationen in der Seele des obengenannten Hundes erweckte, muss er seine geistige Individualität behalten haben, obschon jedes Atom seines Gehirns wahr- scheinlich mehr als einmal während des Verlaufs von fünf Jahren ge- wechselt hatte. Dieser Hund hätte das vor Kurzem in der Absicht, alle Evolutionisten niederzuschlagen, angezogene Argument vorbringen und sagen können: „ich verbleibe inmitten aller geistigen Stimmungen „und aller materiellen Veränderungen derselbe.... Die Lehre, dass „Atome die empfangenen Eindrücke als Erbschaften den anderen an „ihre Stelle rückenden Atomen überlassen, widerspricht der Aeusserung „des Bewusstseins und ist daher falsch; aber dies ist auch die Lehre, „welche die Theorie der Entwickelung nothwendig macht, und demzu- „folge ist diese Hypothese eine falsche“ #9. Gefühl für Schönheit. — Dieses Gefühl ist für ein dem Men- schen eigenthümliches erklärt worden. Wenn wir aber sehen, wie männ- liche Vögel mit Vorbedacht ihr Gefieder und dessen prächtige Farben vor den Weibchen entfalten, während andere nicht in derselben Weise geschmückte Vögel keine solche Vorstellung geben können, so lässt sich unmöglich zweifeln, dass die Weibchen die Schönheit ihrer männlichen Genossen bewundern. Da sich Frauen überall mit solchen Federn schmücken, lässt sich die Schönheit solcher Ornamente nicht bestreiten. Dadurch, dass die Kragenvögel (Chlamydera) ihre Spielplätze geschmack- voll mit heiter gefärbten Gegenständen schmücken, wie es manche Co- libris mit ihren Nestern thun, liefern sie einen weiteren Beweis dafür, dass sie ein Gefühl für Schönheit besitzen. So werden auch, was den Gesang der Vögel betrifft, die reizenden Klänge, welche die Männchen 48 Vorlesungen über die Darwin’sche Theorie. S. 190. 49 The Rev. Dr. J. M’Cann, Anti-Darwinism. 1869, p. 15. 54 Geisteskräfte. I. Theil. während der Zeit der Liebe von sich geben, gewiss von den Weibchen bewundert, für welche Thatsache später noch Beweise werden beige- bracht werden. Wären weibliche Vögel nicht im Stande, die schönen Farben, den Schmuck, die Stimmen ‘ihrer männlichen Genossen zu wür- digen, so würde alle die Mühe und Sorgfalt, welche diese darauf ver- wenden, ihre Reize vor den Weibchen: zu entfalten, weggeworfen sein, und dies lässt sich unmöglich annehmen. Warum gewisse glänzende Farben und gewisse Töne, sobald sie in Harmonie stehen, Vergnügen erregen, lässt sich, wie ich vermuthe, ebensowenig erklären, als warum gewisse Gerüche und Geschmäcke angenehm sind; aber zuverlässig wer- den dieselben Farben und dieselben Töne gleichmässig von uns und von vielen niederen Thieren bewundert. Der Geschmack für das Schöne, wenigstens was die weibliche Schön- heit betrifft, ist nicht in einer specifischen Form dem menschlichen Geiste eingeprägt; denn in den verschiedenen Menschenrassen weicht er vielfach ab, wie später gezeigt werden wird, und ist selbst bei den verschiedenen Nationen einer und derselben Rasse nicht derselbe. Nach den widerlichen Ornamenten und der gleichmässig widerlichen Musik zu urtheilen, welche die meisten Wilden bewundern, liesse sich behaup- ten, dass. ihr ästhetisches Vermögen nicht so hoch entwickelt sei als bei gewissen Thieren, z. B. bei Vögeln. Offenbar wird kein Thier fähig sein, solche Scenen zu bewundern, wie den Himmel zur Nachtzeit, eine schöne Landschaft, oder verfeinerte Musik; aber an solchen hohen Ge- schmacksobjeeten, welche ihrer Natur nach von der Cultur und von complexen Associationen abhängen, erfreuen sich Barbaren und uner- zogene Personen gleichfalls nicht. Viele Fähigkeiten, welche dem Menschen zu einem allmählichen Fortschritte von unschätzbarem Dienste gewesen sind, wie das Vermögen der Einbildung, der Verwunderung, der Neugierde, ein unbestimmtes Gefühl für Schönheit, eine Neigung zum Nachahmen und die Vorliebe für Aufregung oder Neuheit, mussten natürlich zu den wunderlichsten Aenderungen der Gewohnheiten und Moden führen. Ich führe diesen Punkt deshalb an, weil ein neuerer Schriftsteller ?° wunderbar gemug die Laune „als eine der merkwürdigsten und typischsten Verschieden- „heiten zwischen Wilden und den Thieren“ bezeichnet hat. Wir können aber nicht blos wahrnehmen, woher es kommt, dass der Mensch launisch 5° The Spectator‘, Dec. 4tb 1869, p. 1430. Cäp. 2. Gottesglaube. — Religion. 55 ist, sondern wir sehen auch, dass die niederen Thiere, wie sich später noch zeigen wird, in ihren Zuneigungen, Widerwillen und ihrem Gefühl für Schönheit ebenfalls launisch sind. Wir haben auch Grund zu ver- muthen, dass sie Neuheit ihrer selbst wegen lieben. Gottesglaube, Religion. — Wir haben keine Beweise dafür, dass dem Menschen von seinem Ursprunge an der veredelnde Glaube an die Existenz eines allmächtigen Gottes eigen war. Im Gegentheil sind reichliche Zeugnisse, nicht von flüchtigen Reisenden, sondern von Män- nern, welche lange unter Wilden gelebt haben, beigebracht worden, dass zahlreiche Rassen existirt haben und noch existiren, welche keine Idee eines Gottes oder mehrerer Götter und keine Worte in ihren Sprachen haben, eine solche Idee auszudrücken °!. Natürlich ist diese Frage von der anderen höheren völlig verschieden, ob ein Schöpfer und Regierer des Weltalls existirt, und diese ist von den grössten Geistern, welche je gelebt haben, bejahend beantwortet worden. Verstehen wir indessen unter dem Ausdruck „Religion“ den Glau- ben an unsichtbare oder geistige Kräfte, so stellt sich der Fall völlig verschieden; denn dieser Glaube scheint bei den weniger civilisirten Rassen fast allgemein zu sein. Auch ist es nicht schwer zu verstehen, wie er entstanden ist. Sobald die bedeutungsvollen Fähigkeiten der Einbildung, Verwunderung und Neugierde, in Verbindung mit einem Vermögen nachzudenken, theilweise entwickelt waren, wird der Mensch ganz von selbst gesucht haben, das was um ihn her vorgeht zu ver- stehen, und wird auch über seine eigene Existenz dunkel zu speculiren begonnen haben. Mr. M’Lexnan ?? hat bemerkt: „irgend eine Erklä- „rung der Lebenserscheinungen muss der Mensch sich ausdenken und „nach ihrer Allgemeinheit zu schliessen scheint die einfachste und dem „Menschen sich zuerst darbietende Hypothese die gewesen zu sein, dass „die Erscheinungen der Natur der Anwesenhei$ solcher Geister in Thie- „ren, Pflanzen, Gegenständen und auch in den Naturkräften zuzuschrei- „ben seien, welche jene in derselben Weise zur Thätigkeit veranlassen, „wie die geistigen Thätigkeiten, von denen der Mensch sich bewusst 5l 5, einen ausgezeichneten Aufsatz hierüber von F. Farrar in: Anthropo- logical Review. Aug. 1864, p. CCXVI. Wegen weiterer Thatsachen s. Sir J. Lubbock, Prehistoric Times. 2. edit. 1869, p. 564 und besonders die Capitel über Religion in seinem Origin of Civilisation. 1870. 52 The Worship of Animals and Plants. in: Fortnightly Review. Oct. 1, 1869, p. 422. 56 Geisteskräfte. I. Theil. „ist, ähnliche selbst zu besitzen.“ Wie Mr. Tyror klar entwickelt hat, ist es wahrscheinlich, dass Träume der Annahme solcher Geister zuerst Entstehung gegeben haben, denn Wilde unterscheiden nicht leicht zwi- schen subjeetiven und objectiven Rindrücken. Wenn ein Wilder träumt, so glaubt er, dass die Bilder, welche vor ihm erscheinen, von Weitem hergekommen sind und über ihm stehen; oder „die Seele des Träumers „geht auf Reisen aus und kommt heim mit der Erinnerung Dessen, was „sie gesehen hat“ 3. So lange aber die obengenannten Fähigkeiten der Einbildung, Neugierde, des Verstandes u. s. w. nicht ziemlich gut in dem Geiste des Menschen entwickelt waren, werden ihn seine Träume nicht zu dem Glauben an Geister veranlasst haben, ebensowenig wie einen Hund. Die Neigung bei Wilden, sich einzubilden, dass natürliche Dinge und Kräfte durch geistige oder lebende Wesen belebt sind, wird viel- leicht durch eine kleine Thatsache, welche “ich früher einmal beobachtet habe, erläutert. Mein Hund, ein völlig erwachsenes und sehr aufmerk- sames Thier, lag an einem heissen und stillen Tage auf dem Rasen ; aber nicht weit von ihm bewegte ein kleiner Luftzug gelegentlich einen offenen Sonnenschirm, welchen der Hund völlig unbeachtet gelassen haben würde, wenn irgend Jemand dabei gestanden hätte. So aber knurrte und bellte der Hund wüthend jedesmal, wenn sich der Sonnen- schirm leicht bewegte. Ich meine, er muss in einer schnellen und un- werthe Capitel über die Entwickelung der Religion in Lubbock’s Origin of Ci- vilisation. 1870. In gleicher Weise erklärt Herbert Spencer in seinem geist- vollen Aufsatz in der Fortnightly Review (May 1, 1870, p. 535), die frühesten Formen religiösen Glaubens in der ganzen Welt dadurch, dass der Mensch durch - Träume, Zwielichtbilder und andere ‚Veranlassungen dazu gebracht wurde, sich selbst als ein doppeltes Wesen zu betrachten, ein körperliches und geistiges. Da von dem geistigen Wesen angenommen wird, es lebe nach dem Tode fort und sei mächtig, so wird es durch verschiedene Geschenke und Ceremonien günstig zu stimmen versucht und um seinen Beistand angefleht. Er zeigt dann weiter, dass die nach irgend einem Thiere oder Gegenstande den frühesten Vorfahren oder Gründer eines Stammes gegebenen Namen oder Spitznamen nach Verlauf langer Zeiträume für Bezeichnungen des wirklichen Urerzeugers des Stammes angesehen wurden; und von einem derartigen Thiere und Object wird dann ge- zlaubt, dass es noch immer als ein Geist existire, es wird heilig gehalten und als ein Gott verehrt. Nichtsdestoweniger kann ich mich der Vermuthung nicht erwehren, dass es einen noch früheren und roheren Zustand gab, wo Alles, was nur Kraft oder Bewegung äusserte, als mit einer Art von Leben und geistigen, unsern eigenen analogen, Fähigkeiten begabt angesehen wurde. Cap. 2. Religion. 57 n welche offenbare Ursache die Gegenwart irgend einer fremdartigen le- bendigen Kraft andeutete; und kein Fremder hatte ein Recht, Sr auf seinem Territorium zu befinden. Der Glaube an spirituelle Kräfte wird leicht in den Glauben an die Existenz eines Gottes oder mehrerer Götter übergehen; denn Wilde werden naturgemäss Geistern dieselben Leidenschaften, dieselbe Lust zur Rache oder die einfachste Form der Gerechtigkeit und dieselben Zuneigungen zuschreiben, welche sie selbst in sich erfuhren. Die Feuer- länder scheinen in dieser Beziehung sich in einem mittleren Zustande zu befinden; denn als ber Arzt an Bord des Beagle einige junge Enten zum Aufbewahren als zoologische Exemplare schoss, erklärte YoRK Min- STER in der feierlichsten Weise: „Oh! Mr. Bynor, viel Regen, viel „Schnee, viel Blasen“, und dies war offenbar als zu befürchtende Strafe für das Verwüsten menschlicher Nahrung verstanden. So erzählt er ferner, als sein Bruder einen wilden Mann getödtet habe, hätten lange Zeit Stürme geherrscht und es sei viel Regen und Schnee gefallen. Und doch konnten wir nie finden, dass die Feuerländer an das glaubten, was wir einen Gott nennen würden, oder dass sie irgendwelche religiöse Ge- bräuche ausübten. JEmmy Burton behauptete mit gerechtfertigtem Stolze fest und sicher, dass in seinem Lande kein Teufel sei, und diese letz- tere Behauptung ist um so merkwürdiger, als bei den Wilden der Glaube an böse Geister bei weitem gewöhnlicher als der Glaube an gute herrscht. Das Gefühl religiöser Ergebung ist ein in hohem Grade compli- eirtes, indem es aus Liebe, vollständiger Unterordnung unter ein er- habenes und mysteriöses höheres Etwas, einem starken Gefühle der Abhängigkeit ®*, der Furcht, Verehrung, Dankbarkeit, Hofinung in Be- zug auf die Zukunft und vielleicht noch anderen Elementen besteht. Kein Wesen hätte eine so complicirte Gemüthserregung an sich er- fahren können, bis nicht seine intellectuellen und moralischen Fähig- keiten zum mindesten auf einen mässig hohen Standpunkt entwickelt wären. Nichtsdestoweniger sehen wir eine Art Annäherung an diesen Geisteszustand in der innigen Liebe eines Hundes zu seinem Herrn, welche mit völliger Unterordnung, etwas Furcht und vielleicht noch anderen Gefühlen vergesellschaftet ist. Das Benehmen eines Hundes, wenn er nach einer Abwesenheit zu seinem Herrn zurückkehrt, und, wie ich hinzufügen kann, eines Affen bei der Rückkehr zu seinem ge- 5! 5. auch einen guten Aufsatz über die psychischen Elemente der Religion von L. Owen Pike in: Anthropolog. Review, Apr. 1870, p. LXIH. 58 Geisteskräfte. I. Theil. liebten Wärter, ist sehr weit von Dem verschieden, was diese Thiere gegen Ihresgleichen äussern. Im letzteren Falle scheinen die Freuden- bezeigungen etwas geringer ‚zu sein, und das Gefühl der Gleichheit zeigt sich in jeder Handlung. Professor BrAuBacH °? geht so weit, zu be- haupten, dass ein Hund zu seinem Herrn wie zu einem Gott aufblickt. Dieselben hohen geistigen Fähigkeiten, welche den Menschen zuerst dazu führten, an unsichtbare geistige Kräfte, dann an Fetischismus, Polytheismus und endlich Monotheismus zu glauben, werden ihn, so lange seine Verstandeskräfte nur wenig entwickelt waren, unfehlbar zu verschie- denen fremdartigen Gebräuchen und Formen des Aberglaubens geführt haben. Schon der Gedanke an viele Arten dieser ist schaudervoll, so das Opfern menschlicher Wesen einem blutliebenden Gotte, das Ueberführen unschuldiger Personen durch das Gottesgericht mit Gift oder Feuer, Zau- berei u. s. w., — und doch verlohnt es sich wohl, gelegentlich über diese Formen von Aberglauben nachzudenken; denn sie zeigen uns, in welch unendlicher Weise wir der Vervollkommnung unseres Verstandes, der Wissenschaft und unseren aufgestapelten Kenntnissen zu Danke ver- pflichtet sind. Wie Sir J. LußBock #6 sehr gut bemerkt hat, ist es nicht zu viel, wenn wir sagen, dass die schauerliche Furcht vor unbe- kannten Uebeln wie eine dichte Wolke über dem Leben der Wilden hängt und jedes Vergnügen verbittert. Diese traurigen indirecten Folge- zustände unserer höchsten Fähigkeiten können mit den zufälligen und gelegentlichen Misgriffen der Instinete niederer Thiere verglichen werden. 55 Religion, Moral u. s. w. der Darwin’schen Art-Lehre. 1869. S. 53. 56 Prehistoric Times. 2. edit. p. 571. In demselben Werke findet sich (8. 553) eine vorzügliche Schilderung der vielen fremdartigen und capriciösen,Ge- . bräuche der Wilden. Drittes Capitel. Vergleichung der Geisteskräfte des Menschen mit denen der niederen Thiere (Fortsetzung). Das moralische Gefühl. — Fundamentalsatz. — Die Eigenschaften socialer Thiere — Ursprung der Fähigkeit zum Geselligleben. — Kampf zwischen entgegen- gesetzten Instineten. — Der Mensch ein sociales Thier. — Die ausdauernden socialen Instinete überwinden andere weniger beständige Instinete. — Sociale Tugenden von Wilden allein geachtet. — Tugenden, die das Individuum betref- fen, erst auf späterer Entwickelungsstufe erlangt. — Bedeutung der Urtheile über das Benehmen von Mitgliedern derselben Gesellschaft. — Ueberliefe- rung moralischer Neigungen. — Zusammenfassung. Ich unterschreibe vollständig die Meinung derjenigen Schriftsteller ', welche behaupten, dass von allen Unterschieden zwischen dem Menschen und den niederen Thieren das moralische Gefühl oder das Gewissen weitaus der bedeutungsvollste ist. Dieses Gefühl, wie MAckInTosH ? bemerkt, „beherrscht rechtmässiger Weise jedes andere Princip mensch- „licher Thätigkeit.* Diese Gewalt wird in jenem kurzen, aber gebiete- rischen und so äusserst bezeichnenden Worte „soll“ zusammengefasst. Es ist das edelste aller Attribute des Menschen, welches ihn, ohne dass er sich einen Augenblick zu besinnen braucht, dazu führt, sein Leben für das eines Mitgeschöpfes zu wagen, oder ihn nach sorgfältiger Ue- berlegung einfach durch das tiefe Gefühl des Rechts oder der Pflicht dazu treibt, sein Leben irgend einer grossen Sache zu opfern. IMMANUEL Kant ruft aus: „Pflicht, wunderbarer Gedanke, der du weder durch „sanfte Ueberredung , Schmeichelei, noch durch irgendwelche Drohung, „sondern nur dadurch wirkst, dass du dein blosses Gesetz der Seele vor- „hältst und dir damit stets Ehrerbietung, wenn auch nicht immer Ge- „horsam, erzwingst, vor dem alle Bestrebungen stumm sind, so verbor- „gen sie sich auch auflehnen: woher stammst du ?* ®. 's. z. B. über diesen Gegenstand: Quatrefages, Unite de l’espece hu- maine 1861, p. 21. * Dissertation on ethical philosophy 1837, p. 231. ? Metaphysik der Sitten. 60 Geisteskräfte. I. Theil. Es ist diese Frage von vielen Schriftstellern ausgezeichneter Be- fähigung * erörtert worden und meine einzige Entschuldigung, sie hier nochmals zu berühren, ist sowohl die Unmöglichkeit, sie ganz zu über- gehen, als auch der Umstand, dass, so weit ich es weiss, sich ihr Nie- mand ausschliesslich von naturhistorischer Seite her genähert hat. Es besitzt diese Untersuchung auch einiges selbständige Interesse, nämlich als ein Versuch zu sehen, wie weit das Studium der niederen Thiere Licht auf eine der höchsten psychischen Fähigkeiten des Menschen werfen kann. Der folgende Satz scheint mir in hohem Grade wahrscheinlich zu sein, nämlich dass jedes Thier, welches es auch sein mag, wenn es nur mit scharf ausgesprochenen socialen Instineten versehen ist, unver- meidlich ein moralisches Gefühl oder Gewissen erlangen würde, wenn sich seine intellectuellen Kräfte so weit oder nahezu so weit als beim Menschen entwickelt hätten. Denn erstens führen die socialen In- stinete ein Thier dazu, Vergnügen an der Gesellschaft seiner Genossen zu haben, einen gewissen Grad von Sympathie mit ihnen zu fühlen und verschiedene Dienste für sie zu verrichten. Diese Dienste können von einer sehr bestimmten und offenbar instinetiven Natur sein; sie können aber auch ein blosser Wunsch oder, wie es bei den meisten der höheren * Mr. Bain gibt (Mental and Moral Science, 1868, p. 543—725) eine Liste von sechsundzwanzig englischen Autoren, welche über diesen Gegenstand ge- schrieben haben und deren Namen hier allgemein bekannt sind; diesen lassen sich die Namen von Bain selbst, von Lecky, Shadworth Hodgson, Sir J. Lubbock und noch anderer beifügen. 5 Sir B. Brodie bemerkt, dass der Mensch ein sociales Thier sei (Psycho- logical Enquiries, 1854, p. 192) und stellt dann die bezeichnende Frage auf: „sollte dies nicht die streitige Frage über -die Existenz eines moralischen Gefühls beilegen?“ Aehnliche Ideen sind wahrscheinlich Vielen schon gekommen, wie schon vor langer Zeit dem Marcus Aurelius. J. S. Mill spricht in seinem be- rühmten Buche über „Utilitarianism“ (1864, p. 46) von den socialen Gefühlen als einer „kraftvollen natürlichen Empfindung“ und als „dem natürlichen Grunde des Gefühls für utilitäre Moralität.“ Auf der vorhergehenden Seite sagt er aber: „wenn nun, wie das meine eigene Ueberzeugung ist, die moralischen Gefühle nicht _ angeboren, sondern erlangt sind, so sind sie doch aus diesem Grunde nicht we-" niger natürlich.“ Nur mit Zögern wage ich von einem so tiefen Denker abzu- weichen; doch lässt sich kaum bestreiten, dass die socialen Gefühle bei den nie- deren Thieren instinetiv oder angeboren sind; und warum sollten sie dann beim Menschen nicht ebenso sein? Mr. Bain (s. z. B. The Emotions and the Will. 1865, p. 481) und andere glauben, dass das moralische Gefühl von jedem Indi- viduum während seiner Lebenszeit erlangt werde. Nach der allgemeinen Ent- wickelungstheorie ist dies mindestens äusserst unwahrscheinlich. Cap. a. Sociale Thiere. 61 socialen Thieren der Fall ist, eine Bereitwilligkeit sein, ihren Genossen in gewisser allgemeiner Weise zu helfen. Diese Gefühle und Dienste erstrecken sich aber durchaus nicht auf alle Individuen derselben Spe- cies, sondern nur auf die derselben Gemeinschaft. Zweitens: sobald die geistigen Fähigkeiten sich hoch entwickelt haben, durchziehen Bil- der aller vergangenen Handlungen und Beweggründe unaufhörlich das Gehirn eines jeden Individuums, und jenes Gefühl des Unbefriedigtseins, welches, wie wir hernach sehen werden, unabänderlich die Folge irgend eines unbefriedigten Instinets ist, wird entstehen, so oft bemerkt wird, dass der andauernde und stets gegenwärtige sociale Instinct irgend einem anderen zu der Zeit stärkeren, aber weder seiner Natur nach dauernden, noch einen sehr lebhaften Eindruck zurücklassenden Instinete nachgegeben hat. Offenbar sind viele instinctive Begierden, wie die des Hungers, ihrer Natur nach nur von kurzer Dauer und werden, wenn sie befrie- digt sind, nicht leicht und nicht lebendig zurückgerufen. Drittens: nachdem die Fähigkeit der Sprache erlangt worden ist und die Wünsche der Mitglieder einer und derselben Gemeinschaft deutlich ausgedrückt werden können, wird die allgemeine Meinung darüber, wie ein jedes Mitglied zum allgemeinen Besten wirken soll, naturgemäss in einer grossen Ausdehnung das Bestimmende bei den Handlungen werden. Die socialen Instinete werden aber noch immer den Impuls zum Handeln für das Beste der Gemeinschaft abgeben, während die öffentliche Mei- nung, deren Kraft, wie wir sofort sehen werden, auf instinetiver Sym- pathie beruht, jenen Impuls kräftigt, leitet und zuweilen selbst ablenkt. Endlich wird auch die Gewohnheit beim Individuum eine sehr wich- tige Rolle in Bezug auf die Bestimmung der Handlungsweise jedes Mit- glieds spielen; denn die socialen Instincte und Impulse werden, wie alle anderen Instinete, durch die Gewohnheit bedeutend gekräftigt werden, wie es auch mit dem Gehorsam gegen die Wünsche und das Urtheil der Gesellschaft geschieht. Diese verschiedenen subordinirten Sätze müssen nun erörtert werden und einige von ihnen in ziemlicher Aus- führlichkeit. Es dürfte zweckmässig sein, zunächst vorauszuschicken, dass ich nicht behaupten will, dass jedes streng sociale Thier, wenn nur seine intelleetuellen Fähigkeiten zu gleicher Thätigkeit und gleicher Höhe wie beim Menschen entwickelt wären, genau dasselbe moralische Gefühl wie der Mensch erhalten würde. In derselben Weise wie verschiedene Thiere ein gewisses Gefühl von Schönheit haben, trotzdem sie sehr ver- 62 Geisteskräfte. I. Theil. schiedene Gegenstände bewundern, können sie auch ein Gefühl von Recht und Unrecht haben, trotzdem sie durch dasselbe veranlasst werden, sehr verschiedene Arten von Benehmen zu zeigen. Um einen extremen Fall anzuführen: wäre z. B. der Mensch unter genau denselben Zuständen erzogen wie die Stockbiene, so dürfte sich kaum zweifeln lassen, dass unsere unverheiratheten Weibchen es ebenso wie die Arbeiterbienen für eine heilige Pflicht halten würden, ihre Brüder zu tödten, und die Mütter würden suchen, ihre fruchtbaren Töchter zu vertilgen, und Nie- mand würde daran denken, dies zu verhindern. Nichtsdestoweniger würde in unserem angenommenen Falle die Biene oder irgend ein anderes so- ciales Thier, wie es mir scheint, doch irgend ein Gefühl von Recht und Unrecht oder ein Gewissen erhalten. Denn jedes Individuum würde ein innerliches Gefühl von dem Besitze gewisser weniger starker und an- dauernder Instincte haben, so dass oft ein Kampf entstehen würde, welchem Impuls zu folgen wäre; und Befriedigung und Unbefriedigt- sein würden gefühlt werden, da vergangene Eindrücke während ihres beständigen Zuges durch die Seele mit einander verglichen werden wür- den. In diesem Falle würde ein innerer Warner dem Thiere sagen, dass es besser gewesen wäre, eher dem einen Impuls als dem anderen zu folgen. Dem einen Zug hätte gefolgt werden „sollen“, der eine würde „recht“, der andere „unrecht“ gewesen sein. Aber auf diese Ausdrücke werde ich sogleich zurückzukommen haben. Neigung zur Geselligkeit. — Thiere vieler Arten sind ge- sellig; wir finden selbst, dass verschiedene Species zusammenleben, so einige amerikanische Affen und die sich vereinigenden Schaaren von Raben, Dohlen und Staaren. Der Mensch zeigt dasselbe Gefühl in der starken Liebe zum Hunde, welche der Hund mit Interesse erwidert. Jedermann muss beobachtet haben, wie unglücklich sich Pferde, Hunde, Schafe u. s. w. fühlen, wenn sie von ihren Genossen getrennt sind, und welche Freude sie, wenigstens bei den ersteren Arten, bei ihrer Wieder- vereinigung zeigen. Es ist interessant, über die Gefühle eines Hundes zu speculiren, welcher stundenlang in einem Zimmer mit seinem Herrn oder irgend Einem der Familie ruhig daliegen wird, ohne dass von ihm die geringste Notiz genommen wird; sobald er aber eine kurze Zeit allein gelassen wird, bellt oder heult er schrecklich. Wir wollen un- sere Aufmerksamkeit auf die höheren soeialen Thiere beschränken mit Ausschluss der Insecten, obgleich diese einander in vielen wichtigen * Cap: 3. Soeiabilität. 63 Beziehungen helfen. Der gewöhnlichste Dienst, welchen sich höhere Thiere gegenseitig erweisen, ist, dass sie durch Hülfe der vereinigten Sinne Aller einander vor Gefahr warnen. Jeder Jäger weiss, wie Dr. JiGER bemerkt 6, wie schwer es ist, Thieren in Heerden oder Truppen nahe zu kommen. Wilde Pferde und Rinder geben, wie ich glaube, kein Warnungssignal, aber die Haltung eines Jeden, welches zuerst einen Feind wittert, warnt die Uebrigen. Kaninchen stampfen laut mit den Hinterfüssen auf den Boden als Signal; Schafe und Gemsen thun dasselbe, aber mit den Vorderfüssen, und stossen auch einen pfeifenden Ton aus. Viele Vögel und manche Säugethiere stellen Wachen aus, welches bei den Robben, wie man sagt *, gewöhnlich die Weibchen sind. Der Anführer einer Truppe Affen dient als Wache und stösst Rufe aus, die sowohl Gefahr als Sicherheit verkünden 8. Sociale Thiere verrich- ten einander manche kleine Dienste, Pferde zwicken einander und Kühe lecken einander an jeder Stelle, wo sie ein Stechen fühlen ; Affen suchen einander äussere Schmarotzer ab, und BREHM führt an, dass, nachdem ein Trupp des Cercopithecus chryseoviridis durch ein dorniges Gebüsch geschlüpft war, jeder Affe sich auf einem Zweig ausstreckte und ein anderer sich aufmerksam zu ihm setzte, seinen Pelz untersuchte und jeden Stachel auszog. Thiere leisten sich auch noch wichtigere Dienste: so jagen Wölfe und andere Raubthiere in Truppen und helfen einander beim Angriff auf ihre Beute; Pelikane fischen in Gemeinschaft. Die Hamadryas-Pa- viane drehen Steine um, um Inseeten zu suchen u. s. w., und wenn sie an einen grossen kommen, wenden ihn so viele als herankommen kön- nen zusammen um und theilen die Beute. Sociale Thiere vertheidigen sich gegenseitig; die Männchen mehrerer Wiederkäuer kommen vor die Heerde, wenn Gefahr vorhanden ist, und vertheidigen sie mit ihren Hörnern. In einem späteren Capitel werde ich auch Fälle anführen, wo zwei junge wilde Bullen einen ' alten gemeinsam angriffen und wo zwei Hengste zusammen versuchten, einen dritten von einer Heerde 6 Die Darwin’sche Theorie, p. 101. ” R. Browne in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 409. 5 Brehm, Thierleben. Bd. 1. 1864. S. 52, 79. In Bezug auf die Affen, welche sich gegenseitig Dornen ausziehen s. S. 54. In Bezug auf die Hama- dryas-Paviane, welche Steine umdrehen, wird die Thatsache nach dem Zeugniss von Alvarez gegeben (S. 76), dessen Beobachtungen Brehm für völlig glaub- würdig hält. Wegen der Fälle, wo die alten Pavianmännchen die Hunde angrei- fen s. S. 79 und wegen des Adlers S. 56. 64 Geisteskräfte. I. Theil. Stuten wegzutreiben. BREHM begegnete in Abyssinien einer grossen Heerde von Pavianen, welche quer durch ein Thal zogen: einige hatten bereits den gegenüberliegenden Hügel erstiegen und einige waren noch im Thale. Die Letzteren wurden von den Hunden angegriffen, aber sofort eilten die alten Männchen von den Felsen herab und brüllten mit weitgeöffnetem Munde so fürchterlich, dass die Hunde sich bestürzt zurückzogen. Sie wurden von Neuem zum Angriff angefeuert, aber dies- mal waren alle Paviane wieder auf die Höhen hinaufgestiegen mit Aus- mahme eines jungen, ungefähr sechs Monate alten, welcher laut um Hülfe rufend einen Felsblock erkletterte und umringt wurde. Jetzt kam eines der grössten Männchen, ein wahrer Held, nochmals vom Hügel herab, gieng langsam zu dem jungen, liebkoste ihn und führte ihn triumphirend weg; — die Hunde waren zu sehr erstaunt, um ihn an- zugreifen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, noch eine an- dere Scene mitzutheilen, welcher derselbe Naturforscher als Zeuge bei- wohnte. Ein Adler ergriff einen jungen Cercopithecus, konnte ihn aber, da sich jener an einen Zweig klammerte, nicht sofort wegschleppen. Der Affe schrie laut um Hülfe, worauf die anderen Thiere der Truppe mit vielem Gebrüll zum Entsatz herbeieilten, den Adler umringten und ihm so viel Federn ausrissen, dass er nicht länger an seine Beute dachte, sondern nur daran, wie er wegkäme. Dieser Adler, bemerkt BREHM, wird sicher niemals wieder einen einzelnen Affen in einer Truppe angreifen. Es ist gewiss, dass in Gesellschaft lebende Thiere ein Gefühl der Liebe zu einander haben, welches erwachsene nicht sociale Thiere nicht fühlen. Wie weit sie in den meisten Fällen thatsächlich mit den Schmerzen und Freuden der Anderen sympathisiren, ist besonders mit Rücksicht auf die letzteren zweifelhafter. Doch gibt Mr. Buxron, welcher ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung hatte, an, dass seine Macaws, welche in Norfolk frei lebten, ein „extravagantes Inter- „esse* an einem Paare mit einem Neste nahmen; so oft das Weibchen dasselbe verliess, wurde es von einer Schaar anderer umringt, welche „zu seiner Ehre ein fürchterliches Geschrei erhoben.“ Es ist oft schwer zu entscheiden, ob Thiere Gefühl für die Leiden anderer haben. Aber wer kann sagen, was Kühe fühlen, wenn sie um einen sterbenden oder todten Genossen herumstehen und ihn anstarren? Dass % Annals and Magaz. of Natural History. 1868. Novhr. p. 382. Cap! 3. Sociabilität. 65 Thiere zuweilen weit davon entfernt sind, irgendwelche Sympathie zu zeigen, ist sicher ; denn sie treiben ein verwundetes Thier aus der Heerde oder stossen und plagen es zu Tode. Dies dürfte beinahe der schwärzeste Punkt in der Naturgeschichte sein, wenn nicht die dafür aufgestellte Erklärung riehtig ist, wonach der Instinet oder Verstand der Thiere sie dazu führt, einen verwundeten Genossen auszustossen, damit nicht Raubthiere, mit Einschluss des Menschen, versucht würden, der Heerde zu folgen. In diesem Falle ist ihr Betragen nicht viel schlimmer als das der nordamerikanischen Indianer, welche ihre schwachen Kameraden in den Steppen umkommen lassen, oder der Feuerländer, welche, wenn ihre Eltern alt oder krank werden, sie lebendig begraben !". Es sympathisiren indessen sicher viele Thiere mit dem Unglück oder der Gefahr ihrer Genossen. Dies ist selbst bei Vögeln der Fall; Capt. Sranspury !! fand am Salzsee in Utah einen alten und vollstän- dig blinden Pelican, welcher sehr fett war und von seinen Genossen lange Zeit, und zwar sehr gut, gefüttert worden sein musste. Mr. BryrH theilt mir mit, dass er sah, wie indische Krähen zwei oder drei ihrer Genossen, welche blind waren, fütterten, und ich habe von einem ähn- lichen Falle bei unserem Haushuhne gehört. Wenn man will, kann man diese Handlungen instinctive nennen, doch sind derartige Fälle viel zu selten, um der Entwickelung irgend eines speeiellen Instinetes zum Aus- gangspunkte zu dienen !?. Ich selbst habe einen Hund gesehen, wel- cher niemals bei einem seiner grössten Freunde, nämlich einer Katze, welche krank in einem Korbe lag, vorübergieng, ohne sie ein paar Mal mit der Zunge zu belecken, das sicherste Zeichen von freundlicher Ge- sinnung bei einem Hunde. Es muss Sympathie genannt werden, welche einen muthvollen Hund veranlasst, sich auf Jeden zu stürzen, der seinen Herrn schlägt, wie er es sicher thun wird. Ich sah, wie Jemand die Bewegung machte, als schlüge er eine Dame, die einen sehr furehtsamen kleinen Hund auf ihrem Schoosse hatte, auch war dieser Versuch noch nie zuvor gemacht 10 Sir J. Lubbock, Prehistorie Times. 2. edit. p. 446. ıı WieL.H. Morgan in seiner Schrift: The American Beaver. 1868, p. 272 eitirt. Capt. Stansbury gibt auch einen interessanten Bericht über die Art und Weise, wie ein sehr junger Pelican, welcher von einer starken Strömung fort- getrieben wurde, in seinen Versuchen das Ufer zu erreichen, von einem halben Dutzend alter Vögel geleitet und ermuthigt wurde. 2 Wie Mr. Bain bemerkt: „wirksame Hülfe einem Leidenden gebracht ent- springt wirklicher Sympathie.“ Mental and Moral Science. 1868, p. 245. Darwin, Abstammung. I. Zweite Auflage. 5 66 Geisteskräfte. I. Theil. worden. Das kleine Geschöpf sprang sofort auf und davon; sobald aber das vermeintliche Schlagen vorüber war, war es wirklich rührend zu sehen, wie unablässig es suchte, seiner Herrin Gesicht zu lecken und sie zu trösten. BREHM !? führt an, dass, als ein Pavian in der Ge- fangenschaft gehascht werden sollte, um ihn zu strafen, die anderen ihn zu beschützen suchten. In den oben angeführten Fällen muss es Sympathie gewesen sein, welche die Paviane und Üercopitheken ver- anlasste, ihre jungen Genossen gegen die Hunde und den Adler zu ver- theidigen. Ich will nur noch ein einziges weiteres Beispiel eines sym- pathischen und heroischen Betragens bei einem kleinen amerikanischen Affen anführen. Vor mehreren Jahren zeigte mir ein Wärter im z00- logischen Garten ein paar tiefe und kaum geheilte Wunden in seinem Genick, die ihm, während er auf dem Boden kniete, ein wüthender Pavian beigebracht hatte. Der kleine amerikanische Affe, welcher ein warmer Freund dieses Wärters war, lebte in demselben grossen Be- hältniss und war schrecklich furehtsam vor dem grossen Pavian; so- bald er aber seinen Freund, den Wärter, in Gefahr sah, stürzte er nichtsdestoweniger zum Entsatz herbei und zog dureh Schreien und Beissen den Pavian so vollständig ab, dass der Mann im Stande war, sich zu entfernen, nachdem er, wie der ihn behandelnde Arzt später äusserte, in grosser Lebensgefahr gewesen war. Ausser Liebe und Sympathie zeigen Thiere noch andere Eigen- schaften, welche man beim Menschen moralische nennen würde; und ich stimme mit Acassız !* überein, dass Hunde etwas dem Gewissen sehr Aehnliches besitzen. Sie besitzen sicherlich etwas Kraft der Selbst- beherrschung, und diese scheint nicht Folge der Furcht zu sein. Wie BraupAcH bemerkt !?, wird ein Hund sich des Stehlens von Nahrung in Abwesenheit seines Herrn enthalten. Hunde sind schon lange für den echten Typus der Treue und des Gehorsams genommen worden. Alle Thiere, welche in Massen zusammenleben und einander vertheidi- gen oder ihre Feinde gemeinsam angreifen, müssen in gewissem Grade einander treu sein, und Derjenige, welcher einem Anführer folgt, muss in einem gewissen Grade gehorsam sein. Wenn die Paviane in Abys- sinien !6 einen Garten plündern, so folgen sie schweigend ihrem An- 13 Thierleben. Bd. I. S. 85. 14 De l’espece et de la Classification. 1869, p. 97. 15 Die Darwin’sche Art-Lehre. 1869, S. 54. 16 Brehm, Thierleben. Bd. I. S. 76. Cap. 3. Soeiabilität. 67 führer, und wenn ein unkluges junges Thier ein Geräusch macht, so bekommt es von den Anderen einen Klapps, um es Schweigen und Ge- horsam zu lehren ; sobald sie sich aber sicher wissen und keine Gefahr vorhanden ist, zeigen sie alle ihre Freude mit vielem Lärm. In Bezug auf den Impuls, welcher gewisse Thiere dazu führt, sich gesellig mit einander zu verbinden und einander auf viele Weisen zu helfen, kann man schliessen, dass sie in den meisten Fällen durch das- selbe Gefühl der Befriedigung oder des Vergnügens dazu getrieben wer- den, welches sie bei der Ausübung anderer instinetiver Handlungen an sich erfahren, oder durch dasselbe Gefühl des Nichtbefriedigtseins, wie in anderen Fällen verhinderter instinctiver Handlungen. Wir sehen dies in zahllosen Beispielen, und es wird in auflallender Weise durch die erworbenen Instinete unserer domestieirten Thiere erläutert. So ergötzt sich ein junger Schäferhund an dem Treiben der Schafe und dem rund um die Heerde Herumlaufen aber nicht am Beissen; ein junger Fuchs- hund ergötzt sich am Jagen eines Fuchses, während manche andere Hundearten, wie ich selbst erfahren habe, Füchse nicht beachten. Wel- ches starke Gefühl innerer Befriedigung muss einen Vogel, ein Thier von so viel innerem Leben, dazu treiben, Tag für Tag über seinen Eiern zu sitzen! Zugvögel sind unglücklich, wenn man sie am Wan- dern hindert, und vielleicht freuen sie sich der Abreise zu ihrem langen Fluge. Einige wenige Instinete werden nur durch schmerzliche Gefühle bestimmt, so durch die Furcht, welche zur Selbsterhaltung führt oder ganz speciell gegen gewisse Feinde gerichtet ist. Ich vermuthe, dass wohl Niemand die Empfindungen des Vergnügens oder des Schmerzes analysiren kann. Es ist indessen in vielen Fällen wahrscheinlich, dass Instineten durch die blose Kraft der Vererbung ohne das KReizmittel weder von Vergnügen noch Schmerz gefolgt wird. Ein junger Vor- stehhund kann, wenn er zuerst Wild wittert, scheinbar nicht anders, als er muss stehen, ein Eichhorn in einem Käfig, welches die Nüsse, die es nicht essen kann, bekratzt als wenn es dieselben im Boden ver- graben wollte, wird kaum so angesehen werden können, als handle es dabei entweder aus Vergnügen oder aus Schmerz. Die gewöhnliche Annahme, dass die Menschen zu jeder Handlung dadurch angetrieben werden müssten, dass sie irgend ein Vergnügen oder einen Schmerz dabei erfahren, dürfte daher irrig sein. Wird auch einer Gewohnheit blind und ohne weitere Ueberlegung und unabhängig von irgend einem im Augenblick gefühlten Vergnügen oder Schmerz nachgegeben, so wird 5* 68 Geisteskräfte. I. Theil. doch wenn sie zwangsweise und plötzlich aufgehalten werden würde, ein unbestimmtes Gefühl des Unbefriedigtseins allgemeim empfunden wer- den; und dies gilt vorzüglich in Bezug auf Personen von schwachem Verstand. Es ist oft angenommen worden, dass die Thiere an erster Stelle gesellig gemacht wurden, und dass sie als Folge hiervon sich unge- müthlich fühlten, wenn sie von einander getrennt wurden, und gemüth- lich, so lange sie zusammen waren. Eine wahrscheinlichere Ansicht ist aber die, dass diese Empfindungen zuerst entwickelt wurden, damit die- jenigen Thiere, welche durch das Leben in Gesellschaft Nutzen hätten, veranlasst würden, zusammen zu leben, in derselben Weise, wie das Gefühl des Hungers und das Vergnügen am Essen ohne Zweifel zuerst erlangt wurden, um die Thiere zum Essen zu veranlassen. Das Gefühl des Vergnügens an Gesellschaft ist wahrscheinlich eine Erweiterung der elterlichen oder kindlichen Zuneigungen ; und diese Erweiterung dürfte hauptsächlich der natürlichen Zuchtwahl zuzuschreiben sein, zum Theil aber vielleicht blosser Gewohnheit. Denn bei denjenigen Thieren, welche durch das Leben in enger Gemeinschaft bevorzugt wurden, werden die- jenigen Individuen, welche das grösste Vergnügen an der Gesellschaft empfanden, am besten verschiedenen Gefahren entgehen, während die- jenigen, welche sich am wenigsten um ihre Kameraden kümmerten und einzeln lebten, in grösserer Anzahl untergehen werden. In Bezug auf den Ursprung der elterlichen und kindlichen Zuneigungen, welche, wie es scheint, den socialen Neigungen zu Grunde liegt, zu speeuliren, ist hoff- nungslos, wir können aber annehmen, dass sie zum grossen Theil durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind. So ist dies fast sicher der Fall gewesen bei den ungewöhnlichen und entgegengesetzten Gefühlen des Hasses gegen die nächsten Verwandten, wie bei den Arbeiterbienen, welche ihre Drohnenbrüder tödten, und bei den Bienenköniginnen, welche ihre Tochterköniginnen tödten. Es ist nämlich hier der Wunsch, ihre nächsten Verwandten zu zerstören, statt sie zu lieben, für die Gemein- schaft von Nutzen gewesen. Das überaus wichtige Gefühl der Sympathie ist verschieden von dem der Liebe. Eine Mutter kann ihr schlafendes und passiv da lie- gendes Kind leidenschaftlich lieben, aber man kann kaum sagen, dass sie dann Sympathie für dasselbe fühle. Die Liebe eines Menschen zu seinem Hnnde ist verschieden von Sympathie; in ähnlicher Weise ist es die Liebe eines Hundes für seinen Herrn. Wie früher Avam SMmitH Cap. 3. Soeiabilität. 69 so hat neuerdings Mr. Baın behauptet, dass der Grund der Sympathie in der starken Nachwirkung liege, welche wir für frühere Zustände des Leidens oder Vergnügens empfinden. In Folge dessen „erweckt der Anblick einer anderen Person, welche Hunger, Kälte, Ermüdung er- duldet, in uns eine Erinnerung an dieselben Zustände, welche selbst in der Idee schmerzlich sind.“ Wir werden auf diese Weise veranlasst, die Leiden eines Andern zu mildern, um zu gleicher Zeit auch unsere eigenen schmerzlichen Gefühle zu besänftigen. In gleicher Weise wer- den wir yeranlasst, an der Freude Anderer theilzunehmen !”,. Ich kann aber nicht einsehen, wie diese Ansicht jene Thatsache erklärt, dass Sympathie in einem unmessbar stärkeren Grade von einer geliebten Person als von einer indifferenten erregt wird. Der blosse Anblick des Leidens, ganz unabhängig von Liebe, würde schon hinreichen, lebhafte Erinnerungen und Associationen in uns zu erwecken. Es kann wohl zunächst die Sympathie in der angegebenen Weise entstanden sein; jetzt scheint sie aber ein Instinet geworden zu sein, welcher besonders auf geliebte Gegenstände gerichtet ist, in derselben Weise, wie sich bei Thieren die Furcht besonders gegen gewisse Feinde richtet. Da die Sympathie hierdurch eine bestimmte Richtung erhält, so wird die gegen- seitige Liebe der Mitglieder einer und derselben Gemeinschaft ihre Gren- zen erweitern. Ohne Zweifel fühlt ein Tiger oder ein Löwe Sympathie mit dem Leiden seines Jungen, aber nicht für irgend ein anderes Thier. Bei Thieren, welche im strengen Sinn sociale sind, wird das Gefühl mehr oder weniger auf alle in dieser Gemeinschaft vereinigten Glieder ausgedehnt sein, wie wir ja wissen, dass dies der Fall ist. Beim Men- schen verstärkt wahrscheinlich Selbstsucht, Erfahrung, Nachahmung, wie Mr. Baın gezeigt hat, die Kraft der Sympathie; denn die Hoffnung, im Austausch -Gutes zu erfahren, treibt uns dazu, Handlungen sympa- thischer Freundlichkeit Andern zu erweisen; und es lässt sich auch 7 s. das erste wunderbare Capitel n Adam Smith, Theory of Moral Sen- timents, auch Bain’s Mental and Moral Sciene. 1868, p. 244 und 275—282. Mr. Bain führt an, dass „Sympathie indirect eine Quelle des Vergnügens für den sie empfindenden sei“; und erklärt dies als eine Folge der Reciproeität. Er bemerkt, dass „die Person, welche Wohlthaten empfieng, oder andere an ihrer Stelle, durch Sympathie oder gute Dienste für das Opfer sich erkenntlich zeigen können.“ Wenn indessen Sympathie, wie es der Fall zu sein scheint, streng genom- men ein Instinet ist, so würde ihre Ausübung direct Vergnügen machen, in der- selben Weise wie die Ausübung fast jeden anderen Instinctes oben als solche dargestellt wurde, e 70 Geisteskräfte. 1. Theil. nicht zweifeln, dass das Gefühl der Sympathie sehr durch die Gewohn- heit verstärkt wird. Wie eomplicirt auch die Weise sein mag, in wel- cher dieses Gefühl zuerst entstanden ist, da es eines der bedeutungsvoll- sten für alle diejenigen Thiere ist, welche einander helfen und vertheidigen, so wird es durch natürliche Zuchtwahl vergrössert worden sein; denn jene Gemeinschaften, welche die grösste Zahl der sympathischsten Mit- glieder umfassen, werden am besten gedeihen und die grösste Anzahl an Nachkommen erzielen. In vielen Fällen ist es unmöglich, zu entscheiden, ob gewisse so- ciale Instinete durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind, oder ob sie das indirecte Resultat anderer Instinete und Fähigkeiten sind, wie der Sympathie, des Verstandes, der Erfahrung und einer Neigung zur Nachahmung, oder ferner, ob sie einfach das Resultat lange fort- gesetzter Gewohnheit sind. Ein so merkwürdiger Instinet wie der, Wachen aufzustellen, um die ganze Gemeinschaft vor Gefahr zu warnen, kann kaum das indirecte Resultat irgend einer andern Fähigkeit gewesen sein; er muss daher direct erlangt worden sein. Auf der andern Seite mag die (rewohnheit, nach welcher die Männchen einiger socialen Thiere die Heerde zu vertheidigen und ihre Feinde oder ihre Beute gemeinsam anzugreifen pflegen, vielleicht aus gegenseitiger Sympathie entstanden sein; aber Muth, und in den meisten Fällen auch Kraft, muss schon vorher und ' wahrscheinlich durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sein, Von den verschiedenen Instinecten und Gewohnheiten sind einige viel stärker als andere, d. h. einige geben entweder mehr Vergnügen, wenn sie ausgeführt werden, und mehr Unbehagen, wenn sie verhindert werden, oder, und dies ist wahrscheinlich völlig ebenso bedeutungsvoll, sie werden viel beständiger in Folge der Vererbung: befolgt, ohne irgend ein specielles Gefühl der Freude oder des Schmerzes zu erregen. Wir selbst sind uns dessen wohl bewusst, dass manche Gewohnheiten viel schwerer zu heilen oder zu ändern sind, als andere. Man kann daher auch oft bei Thieren einen Kampf zwischen verschiedenen Instineten beobachten oder zwischen einem Instinet und einer gewohnheitsgemässen Neigung; so, wenn ein Hund auf einen Hasen losstürzt, gescholten wird, pausirt, zweifelt, wieder hinausjagt oder beschämt zu seinem Herrn zurückkehrt; oder wenn eine Hündin zwischen der Liebe zu ihren Jun- gen und zu ihrem Herrn kämpft, denn man sieht sie sich zu jenen wegschleichen, gewissermassen als schäme sie sich, nicht ihren Herrn zu begleiten. Das merkwürdigste mir bekannte Beispiel aber von einem Cap. 3. Der Mensch ein sociales Thier. ER Instinet, welcher einen andern bezwingt, ist der Wanderinstinet, welcher den mütterlichen überwindet. Der erstere ist wunderbar stark; ein gefangener Vogel schlägt zu der betreffenden Zeit seine Brust gegen den Draht seines Käfigs, bis sie nackt und blutig ist; er veranlasst junge Lachse, aus dem Süsswasser herauszuspringen, wo sie ruhig weiter leben könnten, und führt sie damit unabsichtlich zum Selbstmord. Je- dermann weiss, wie stark der mütterliche Instinet ist, welcher selbst furchtsame Vögel ermuthigt, grösserer Gefahr sich auszusetzen, doch immer mit Zaudern und im Widerstreit mit dem Instincete der Selbst- erhaltung. Nichtsdestoweniger ist der Wanderinstinet so mächtig, dass spät im Herbst Ufer- und Hausschwalben häufig ihre zarten ‚Jungen verlassen und sie elendiglich in ihren Nestern umkommen lassen 1°. Wir können wohl sehen, dass ein instinetiver Antrieb, wenn er in irgendwelcher Weise einer Species vortheilhafter ist als irgend ein anderer oder entgegengesetzter Instinet, durch natürliche Zuchtwahl der kräftigere von beiden werden kann; denn diejenigen Individuen, welche ihn am stärksten entwickelt haben, werden in grösserer Zahl andere überleben. Ob dies aber der Fall ist mit dem Wanderinstinet in Ver- gleich mit dem mütterlichen, liesse sich wohl bezweifeln. Die grössere Beständigkeit und ausdauernde Wirkung des Ersteren zu gewissen Zei- ten des ‚Jahres und zwar während des ganzen Tags, können ihm eine Zeitlang eine überwiegende Kraft verleihen. Der Mensch ein sociales Thier. — Die meisten Leute geben zu, dass der Mensch ein sociales Wesen ist. Wir sehen dies in seiner Abneigung gegen Einsamkeit und in seinem Wunsch nach Gesellschaft noch über die seiner eigenen Familie hinaus. Einzelhaft ist eine der schärfsten Strafarten, welche über Jemand verhängt werden können. Einige Schriftsteller vermuthen, dass der Mensch im Urzustande in IS Diese Thatsache wurde nach der Angabe L. Jenyns’s (s. dessen Ausgabe von White’s Natural History of Selborne. 1853, p. 204) zuerst von dem be- rühmten Jenner berichtet in den Philos. Transact für 1824, und ist seit jener Zeit von mehreren Beobachtern, besonders von Mr. Blackwall bestätigt wor- den. Der letztgenannte sorgfältige Beobachter untersuchte zwei Jahre hinter- einander spät im Herbst sechsunddreissig Nester. Er fand, dass zwölf davon junge todte Vögel, fünf dem Ausschlüpfen nahe Eier und drei nur eine Zeitlang bebrütete Eier enthielten. Es werden auch viele Vögel, welche zu einem so langen Fluge noch nicht alt genug sind, gleichfalls aufgegeben und zurückge- lassen. s. Blackwall, Researches in Zoology. 1854, p. 108, 118. Für weitere Beweise, deren kaum nöthig sind, s. Leroy, Lettres philos. 1802, p. 217. 2 Geisteskräfte. I. Theil. einzelnen Familien lebte; wenn aber auch heutigen Tages einzelne Fa- milien oder nur zwei oder drei die einsamen Gefilde irgend eines wil- den Landes durchziehen, so stehen sie doch immer, soweit ich es nur ermitteln konnte, mit anderen, denselben Bezirk bewohnenden Familien in freundsehaftlichem Verkehr. Derartige Familien treffen gelegentlich zu Berathschlagungen zusammen und vereinigen sich zur gemeinsamen Vertheidigung. Darin, dass die, benachbarte Bezirke bewohnenden Stämme fast immer mit einander im Kriege sind, liegt kein Grund dagegen, dass der Mensch ein sociales Thier ist; denn sociale Instincte erstrecken sich niemals auf alle Individuen einer und derselben Art. Nach Ana- logie der grösseren Zahl der Quadrumanen zu schliessen, ist es wahr- scheinlieh, dass die frühen aftenähnlichen Urerzeuger des Menschen gleichfalls social waren; dies ist aber für uns von keiner grossen Be- deutung. Obschon der Mensch, wie er jetzt existirt, wenig specielle Instinete hat und wohl alle, welche seine frühen Urerzeuger besessen haben mögen, verloren hat, so ist dies doch kein Grund, warum er nicht von einer äusserst entfernten Zeit her einen gewissen Grad instinetiver Liebe und Sympathie für seine Genossen behalten haben sollte. Wir sind uns im der That alle bewusst, dass wir derartige sympathische Gefühle besitzen !?; unser Bewusstsein sagt uns aber nicht, ob dieselben instinetiv und vor langer Zeit in derselben Weise wie bei den niederen Thieren entstanden ‚sind, oder ob sie von jedem Einzelnen von uns während unserer früheren Lebensjahre erlangt worden sind. Da der Mensch ein sociales Thier ist, so wird er auch wahrscheinlich eine Neigung, seinen Kameraden treu zu bleiben, vererben, denn diese Eigen- schaft ist den meisten socialen Thieren gemein. Er wird auch in glei- cher Weise eine gewisse Fähigkeit der Selbstbeherrschung besitzen und vielleicht auch des Gehorsams gegen den Anführer der Genossenschaft, er wird auch in Folge einer angeerbten Neigung noch immer geneigt sein, gemeinsam mit Anderen seine Mitmenschen zu vertheidigen, und bereit, ihnen in allen Weisen zu helfen, welche nicht zu stark mit seiner eigenen Wohlfahrt oder seinen eigenen lebhaften Wünschen sich kreuzen. k 1% Hume bemerkt (An Enquiry concerning the Principals of Moral edit. 1751, p: 132): „es scheint das Bekenntniss nothwendig zu sein, dass das Glück und Unglück Anderer uns keine völlig indifferenten Schauspiele sind, dass im Gegentheil die Betrachtung des ersteren uns eine heimliche Freude bereitet, während das Auftreten des letzteren einen melancholischen Schatten über unsere Phantasie breitet.“ Cap. 3. Der Mensch ein sociales Thier. 73 Diejenigen socialen Thiere, welehe am untern Ende der Stufenleiter stehen, werden fast ausschliesslich, und diejenigen, welche. höher in der Reihenfolge stehen, in grossem Maasse bei der Hülfe, welche sie den Gliedern derselben Genossenschaft angedeihen lassen, durch specielle In- stinete unterstützt. In gleicher Weise werden sie aber auch zum Theil durch gegenseitige Liebe und Sympathie und, wie es wohl scheint, mit Unterstützung eines gewissen Betrags von Verstand dazu veranlasst werden. Obgleich der Mensch, wie eben bemerkt, keine speciellen In- stinete hat, welche ihm sagen, wie er seinem Mitmenschen helfen soll, so fühlt er doch den Antrieb dazu, und bei seinen vervollkommmeten intelleetuellen Fähigkeiten wird er in dieser Hinsicht natürlich durch Nachdenken und Erfahrung geleitet werden. Auch wird ihn instinetive Sympathie veranlassen, die Billigung seiner Mitmenschen hoch anzu- schlagen, denn die Empfänglichkeit für Lob und das starke Gefühl für Ruhm einer-, andererseits der noch stärkere Widerwille gegen Spott und Verachtung sind, wie Mr. Baın klar gezeigt hat *®, Folge der Sym- pathie. In Folge hiervon wird der Mensch durch die Wünsche, den Beifall und Tadel seiner Mitmenschen, wie diese durch deren Gesten und Sprache ausgedrückt werden, bedeutend’ beeinflusst. So, geben die soeialen Instinete, welche der Mensch in einem sehr rohen Zustand er- langt haben muss, und die vielleicht selbst von seinen früheren affen- ähnlichen Urerzeugern erlangt worden sind, noch immer den Anstoss zu vielen seiner besten Handlungen, werden aber in hohem Maasse durch die ausdrücklichen Wünsche und die Beurtheilung seiner Mitmenschen und unglücklicherweise noch öfter durch seine eigenen starken selbsti- schen Begierden bestimmt. In dem Maasse aber als die Gefühle der Liebe und Sympathie und die Kraft der Selbstbeherrschung durch die Gewohnheit verstärkt werden und das Vermögen des Nachdenkens klarer wird, so dass der Mensch die Gerechtigkeit der Urtheile seiner Mit- menschen würdigen kann, wird er sich ımabhängig von irgend einem Gefühl der Freude oder des Schmerzes, das er in dem Augenblick fühlen könnte, zu einer gewissen Richtung seines Benehmens getrieben fühlen. Dann kann er sagen: ich bin der oberste Richter meines eigenen Be- tragens: oder mit den Worten Kanr’s; „ich will in meiner eigenen „Person nicht die Würde der Menschheit verletzen.* 2” Mental and moral Science. 1868, p. 254. 74 Geisteskräfte. I. Theil. Die beständigeren socialen Instinete überwinden die we- niger beständigen. — Wir haben indessen bis jetzt noch nicht den wichtigsten Punkt, um welchen sich die ganze Frage des moralischen Gefühls dreht, betrachtet: warum soll ein Mensch fühlen, dass er der einen instinetiven Begierde eher gehorchen soll als der andern? Warum bereut er es bitterlich, wenn er dem starken Gefühl der Selbsterhal- tung nachgegeben und sein Leben nicht gewagt hat, um das eines Mit- geschöpfes zu retten, oder warum bereut er es, im Folge peinlichen Hun- gers Nahrung gestohlen zu haben. An erster Stelle ist es offenbar, dass beim Menschen die instincti- ven Impulse verschiedene Grade der Mächtigkeit besitzen. Eine junge furehtsame Mutter wird vom 'mütterlichen Instinet getrieben, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, sich der grössten Gefahr um ihres Kindes willen auszusetzen, aber nicht um eines blossen Mitgeschöpfes willen. Schon mancher Mann oder selbst Knabe, welcher noch niemals zuvor sein Leben für ein anderes wagte, in dem aber Muth und Sym- pathie schön entwickelt waren, hat mit Hintansetzung des Instinets der Selbsterhaltung sich augenblicklich in den Strom gestürzt, um einen dem Ertrinken nahen Mitmenschen zu retten. In diesem Falle wird der Mensch durch dasselbe instinetive Motiv getrieben, welches den kleinen heroischen amerikanischen Affen, den ich früher erwähnte, ver- anlasste, den grossen und von ihm gefürchteten Pavian anzugreifen, um seinen Wärter zu retten. Derartige Handlungen, wie die ebengenannten, scheinen das einfachste Resultat davon zu sein, dass die socialen oder mütterlichen Instinete stärker sind als irgend welche andere Instinete oder Motive; denn um Folge einer Ueberlegung oder Folge eines Ge- fühls von Frende oder Schmerz sein zu können, werden sie zu augen- blieklich ausgeübt, wennschon die Nichtausübung ein Unbehagen ver- anlassen würde. Ich weiss wohl, dass manche Personen behaupten, dass Handlun- gen, welche durch einen plötzlichen Antrieb zur Ausführung gelangen, wie in den obenerwähnten Fällen, nicht in den Bereich des moralischen Gefühls gehören und daher nicht moralisch genannt werden können. Dieselben beschränken diesen Ausdruck auf Handlungen, welche mit Ue- berlegung und nach einem siegreichen Wettstreit über entgegenstehende Begierden ausgeführt werden, oder auf Handlungen, welche Folgen irgend eines edlen Motivs sind. Es scheint indessen kaum möglich zu sein, eine scharfe Unterscheidungslinie dieser Art zu ziehen, wennschon die . Cap. 3. Die socialen Instincte kräftiger als andere, 75) Unterscheidung selbst in der Natur begründet sein mag. Was erha- bene Motive betrifft, so sind viele Beispiele von Barbaren mitgetheilt worden, welche jeden Gefühls eines allgemeinen Wohlwollens gegen die Menschheit bar und nicht durch irgendwelches religiöse Motiv geleitet mit völliger Ueberlegung .in der Gefangenschaft eher ihr Leben opfer- ten ?!, als ihre Kameraden verriethen; und sicherlich ist ihr Benehmen als ein moralisches zu betrachten. Was die Ueberlegung und den Sieg über entgegenstehende Motive betrifft, so lässt sich auch beobachten, dass Thiere zwischen einander entgegenstehenden Instincten zweifeln: so, wenn es sich darum handelt, ihren Nachkommen oder ihren Kame- raden in Gefahr zu helfen; und doch werden ihre Handlungen, trotzdem sie zum Besten Anderer ausgeführt werden, nicht moralische genannt. Ueberdies wird eine wiederholt von uns ausgeführte Handlung zuletzt ohne Ueberlegung oder Zaudern verrichtet werden, und doch wird sicher- lich Niemand behaupten, dass eine in dieser Weise verrichtete Hand- lung aufhört, moralisch su sein; im Gegentheil fühlen wir alle, dass eine Handlung nicht als vollkommen oder in der edelsten Weise aus- geführt angesehen werden kann, wenn sie nicht in Folge eines augen- blieklichen Impulses ohne Ueberlegung oder Anstrengung und in der- selben Weise ausgeführt wird, wie sie ein Mensch thun würde, bei dem die nöthigen Eigenschaften angeboren sind. Indessen verdient Derjenige, welcher erst seine Furcht oder seinen Mangel an Sympathie überwin- den muss, ehe er zur Handlung schreitet, nach einer Seite hin noch mehr Anerkennung als Derjenige, dessen angeborene Disposition ihn zu einer guten Handlung ohne. weitere Anstrengung führt. Da wir zwischen den Beweggründen nicht weiter unterscheiden können, so be- zeichnen wir alle Handlungen einer gewisseu Classe als moralisch, wenn sie von einem moralischen Wesen ausgeführt werden. Ein moralisches Wesen ist ein solches, welches im Stande ist, seine vergangenen und künftigen Handlungen oder Beweggründe unter einander zu vergleichen und sie zu billigen oder zu misbilligen. Zu der Annahme, dass irgend eimes der niederen Thiere diese Fähigkeit habe, haben wir keinen Grund. Wenn daher ein Affe sich im Gefahr begibt, um seinen Kameraden zu er- retten, oder einen verwaisten Affen in sorgsame Pflege nimmt, so nen- nen wir dieses Benehmen nicht moralisch; beim Menschen dagegen, ?! Ich habe einen solchen Fall, den von drei Patagonischen Indianern, von denen sich einer nach dem andern erschiessen liess statt die Pläne ihrer Kriegs- kameraden zu verrathen, erzählt in Journal of Researches. 1845, p. 103, 76 Geisteskräfte. T I. Theil. welcher allein mit Sicherheit als moralisches Wesen bezeichnet werden kann, werden Handlungen einer gewissen Classe moralische genannt, mögen sie mit Ueberlegung nach einem Kampf mit entgegenstehenden Beweggründen oder in Folge der Nachwirkung einer nach und nach er- langten Gewohnheit oder in Foige eines augenblicklichen Impulses durch den Instinct ausgeführt werden. Doch kehren wir zu unserem zunächst vorliegenden Gegenstand. zurück. Obgleich manche Instincte kräftiger sind als andere und damit zu entsprechenden Handlungen führen, so kann doch nicht behauptet werden, dass die socialen Instinete beim Menschen gewöhnlich stärker sind oder durch langandauernde Gewohnheit stärker geworden sind, als z. B. die Instinete der Selbsterhaltung, des Hungers, der Lust, der Rache u. s. w. Warum bereut der Mensch, — selbst wenn er sich Mühe gibt, jedes solche Gefühl der Reue zu verbannen —, dass er mehr dem einen natürlichen Impuls gefolgt ist als dem andern, und ferner, warum fühlt er, dass er sein Betragen bereuen sollte? In dieser Beziehung weicht der Mensch völlig von den niederen Thieren ab, doch können wir, wie ich glaube, die Ursache dieser Verschiedenheit mit einem ziem- lichen Grade von Deutlichkeit erkennen. In Folge der Lebendigkeit seiner geistigen Fähigkeiten kann der Mensch es nicht vermeiden zu refleetiren: vergangene Eindrücke und Bilder durehziehen unaufhörlich mit Deutlichkeit seine Seele. Bei den- jenigen Thieren nun, welche beständig in Massen vereinigt leben, sind die socialen Instinete fortwährend gegenwärtig und ausdauernd. Der- ‚artige Thiere sind immer bereit, das Warnungssignal auszustossen, die Genossenschaft zu vertheidigen und ihren Genossen in Uebereinstim- mung mit ihren Gewohnheiten zu helfen; sie fühlen zu allen Zeiten, ohne den Antrieb einer speciellen Leidenschaft oder Begierde, einen ge- wissen Grad von Liebe und Sympathie für sie; sie sind unglücklich, wenn sie lange von ihnen getrennt sind, und in ihrer Gesellschaft immer glücklich. Dasselbe gilt für uns: ein Mensch, welcher keine Spur der- artiger Gefühle besässe, würde ein unnatürliches Monstrum sein. Auf der andern Seite ist die Begierde, den Hunger oder irgend eine Leiden- schaft, wie die der Rache, zu befriedigen, ihrer Natur nach temporär und kann zeitweise vollständig befriedigt werden. Es ist auch nicht leicht, vielleicht kaum möglich, mit der vollständigen Lebendigkeit z. B. das Gefühl des Hungers sich zurückzurufen und, wie oft bemerkt wor- den ist, nicht einmal das Gefühl irgendwelchen Leidens. Der Instinct . Cap. 3. Die socialen Instincte kräftiger als andere. 7T der Selbsterhaltung wird nicht gefühlt, ausser bei einer gegenwärtigen drohenden Gefahr, und mancher Feigling hat sich für tapfer gehalten, bis er seinem Feinde Auge in Auge gegenüber gestanden hat. Der Wunsch nach dem Besitzthum eines anderen Menschen ist vielleicht ein so beständiger wie irgend einer, der angeführt werden kann; aber selbst in diesem Falle ist das befriedigende Gefühl wirklichen Besitzes meist ein schwächeres Gefühl als der Wunsch darnach. Schon mancher Dieb, wenn er kein gewohnheitsgemässer war, hat sich nach glücklichem Er- folg gewundert, warum er Dies oder ‚Jenes gestohlen hat. Da nun der Mensch es nicht vermeiden kann, dass alte Eindrücke beständig wieder durch seine Seele ziehen, so wird er gezwungen, die schwächeren Eindrücke, z. B. vergangenen Hungers oder befriedigter Rache oder auf Kosten anderer Menschen vermiedener Gefahr, mit dem Instinete der Sympathie und des Wohlwollens gegen seine Mitmenschen, welcher noch immer vorhanden und in einem gewissen Grade stets in seiner Seele thätig ist, zu vergleichen. Er wird dann in seiner Erinne- rung fühlen, dass ein starker Instinet einem andern, welcher jetzt ver- gleichsweise schwach erscheint, nachgegeben hat und dann wird unver- meidlich jenes Gefühl des Unbefriedigtseins gefühlt werden, welches dem Menschen wie jedem anderen Thiere eigen ist, um ihn zum Gehorsam gegen seine Instincte zu bewegen. Der vorhin mitgetheilte Fall der Schwalbe bietet eine Erläuterung , wenn auch ‚in umgekehrter Weise, eines nur zeitweise, aber doch für diese Zeit stark vorherrschenden In- stinets dar, welcher einen andern, welcher gewöhnlich alle übrigen be- herrscht, überwindet. Zu der betreffenden Zeit des Jahres scheinen diese Vögel den ganzen Tag lang nur die eine Begierde zu kennen, zu wandern. Ihre Gewohnheiten ändern sich, sie werden rastlos, lärmend und versammeln sich im Haufen. So lange der mütterliche Vogel seine Nestlinge ernährt oder über ihnen sitzt, ist der mütterliche Instinet wahrscheinlich stärker als der Wanderinstinet; aber derjenige, welcher der andauernde ist, erhält den Sieg, und zuletzt fliegt der Vogel in einem Augenblick, wo seine Jungen nicht in Sicht sind, auf und davon und verlässt sie. Ist er am Ende seiner langen Reise und hört der Wanderinstinet zu wirken auf, welch’ schmerzliche Gewissensbisse würde ein jeder Vogel fühlen, wenn er mit grosser geistiger Lebendigkeit aus- gerüstet sich dem nicht entziehen könnte, dass das Bild seiner Jungen, welche in dem rauhen Norden vor Kälte und Hunger umkommen muss- ten, beständig durch seine Seele zöge. 78 Geisteskräfte. I. Theil. In dem Momente der Handlung wird der Mensch ohne Zweifel ge- neigt sein, dem stärkeren Antriebe zu folgen, und obschon ihn dies gelegentlich zu den edelsten Thaten führen kann, so wird es doch bei Weitem häufiger ihn dazu bringen, seine eigenen Begierden auf Kosten anderer Menschen zu befriedigen. Nach deren Befriedigung aber, wenn die vergangenen und schwächeren Eindrücke mit den immer vorhande- nen socialen Instineten verglichen werden, wird sicherlich Reue ein- treten; der Mensch wird dann unbefriedigt mit sich selbst sein und sich entschliessen, mit mehr oder weniger Kraft in Zukunft anders zu handeln. Dies ist das Gewissen; denn das Gewissen schaut rückwärts und beurtheilt vergangene Handlungen, indem es jene Art von Unbe- friedigtsein veranlasst, welche, ist sie schwach, Bedauern, ist sie stark, (ewissensbisse genannt wird. Ohne Zweifel sind diese Empfindungen von jenen verschieden, welche eintreten, wenn andere Instinete und Begierden unbefriedigt gelassen werden ; aber ein jeder unbefriedigter Instinet hat seine eigene ihn be- sonders treibende Empfindung, wie wir beim Hunger, Durst u. s. w. bemerken. Auf diese Weise geieitet wird der Mensch durch lange Ge- wohnheit eine so vollkommene Selbstbeherrschung erlangen, dass seine Begierden und Leidenschaften zuletzt augenblicklich seinen socialen Sym- pathien nachgeben und dass kein Kampf mehr zwischen ihnen eintreten wird. Der noch immer Hungrige oder noch immer nach Rache Dür- stende wird nicht daran denken, Nahrung zu stehlen oder seine Rache auszuüben. Es ist möglich oder, wie wir später sehen werden, selbst wahrscheinlich, dass die Gewohnheit der Selbstbeherrschung, wie andere Gewohnheiten, vererbt wird, und so kommt zuletzt der Mensch durch erlangte und vielleicht ererbte Gewohnheit zu dem Gefühl, dass es am besten für ihn ist, seinen andauernderen Instineten zu gehorchen. Das gebieterische Wort „soll“ scheint nur das Bewusstsein von der Exi- stenz eines entweder angeborenen oder theilweise erlangten beständigen Instinets auszudrücken, welcher ihm als Führer dient, trotzdem ihm auch einmal nicht gehorcht werden kann. Wir gebrauchen das Wort „soll“ kaum in einem übertragenen Sinne, wenn wir sagen, Jagdhunde sollen jagen, Vorstehhunde sollen stellen und Wasserhunde sollen das Wild apportiren. Führen sie diese Handlung nicht aus, so vernach- lässigen sie ihre Pflicht und handeln unrecht. Wenn irgend eine Begierde oder ein Instinet, welcher zu einer dem Besten Anderer entgegenstehenden Handlung führt, einem Menschen, Cap. 3. Sociale Tugenden anfangs allein geschätzt. 19 wenn dieser sich ihn vor die Seele ruft, noch immer als eben so stark oder noch stärker als sein socialer Instinet erscheint, so wird er kein heftiges Bedauern fühlen, ihm gefolgt zu sein, er wird sich aber dessen bewusst sein, dass, wenn sein Betragen seinen Mitmenschen bekannt würde, er von ihnen Misbilligung erfahren würde, und nur Wenige sind so völlig der Sympathie bar, um nicht Misbehagen zu empfin- den, wenn dies eintritt. Hat er keine solche Sympathie und sind seine Begierden, die ihn zu schlechten Handlungen leiten „zu der Zeit stark und werden sie, vor die Seele zurückgerufen, nicht von den persistente- ren socialen Instineten bekämpft, dann ist es seinem Wesen nach ein schlechter Mensch ?? und das einzige ihn zurückhaltende Motiv ist die Furcht vor der Strafe und die Ueberzeugung, dass es auf die Dauer für seine eigenen selbstischen Interessen am besten sein würde, mehr das Beste der Andern, als sein eigenes in’s Auge zu fassen. Offenbar kann Jeder mit einem weiten Gewissen seine eigenen Be- gierden befriedigen, wenn sie nicht mit seinen socialen Instineten sich kreuzen, d. h. mit dem Besten Anderer; aber um völlig vor eigenen Vorwürfen sicher zu sein oder wenigstens vor Unbehagen, ist es beinahe nothwendig, die Misbilligung seiner Mitmenschen, mag sie gerechtfer- tigt sein oder nicht, zu vermeiden. Auch darf der Mensch nicht die feststehenden Gewohnheiten seines Lebens, besonders wenn dieselben verständige sind, durchbrechen; denn wenn er dies thut, wird er zu- verlässig ein Unbefriedigtsein empfinden; auch muss er gleichzeitig den Tadel des einen Gottes oder der Götter vermeiden, an welchen oder an welche er je nach seiner Kenntniss oder nach seinem Aberglauben glauben mag. In diesem Falle tritt aber oft noch die weitere Furcht vor göttlicher Strafe hinzu. Die eigentlichen socialen Tugenden zuerst allein be- achtet. — Die oben gegebene Ansicht von dem ersten Ursprung und der Natur des moralischen Gefühls, welches uns sagt was wir thun sollen, und des Gewissens, welches uns tadelt, wenn wir jenem nicht gehorcht, stimmt ganz gut mit dem überein, was wir von dem früheren unentwickelten Zustand dieser Fähigkeit beim Menschen kennen. Die Tu- genden, welche wenigstens im Allgemeinen von rohen Menschen aus- *" Dr! Prosper Despine bringt in seiner „Psychologie naturelle“ 1868 (Tom. I, p. 243. Tom. II, p. 169) viele merkwürdige Fälle von den schlimmsten Verbrechern, welche dem Anscheine nach vollkommen eines Gewissens entbehrten, _. 80 Geisteskräfte. I. Theil. geübt werden müssen, um es zu ermöglichen, dass sie in einer Gemein- samkeit verbunden leben können, sind diejenigen, welche noch immer als die wichtigsten anerkannt werden. Sie werden aber fast ausschliess- lich nur in Bezug auf Menschen desselben Stammes ausgeübt; und die ihnen entgegengesetzten Handlungen werden, sobald sie in Bezug auf Menschen anderer Stämme ausgeübt werden, nicht als Verbrechen be- trachtet. Kein Stamm würde zusammenhalten können, bei welchem Mord, Räuberei, Verrätherei gewöhnlich wären; in Folge dessen werden solche Verbrechen innerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes „mit ewiger Schmach gebrandmarkt“ 23, erregen aber jenseits dieser Grenzen keine derartigen Empfindungen. Ein amerikanischer Indianer ist mit sich selbst wohl zufrieden und wird von anderen geehrt, wenn er einen Menschen eines andern Stammes scalpirt, und ein Dyak schnei- det einer ganz friedlichen Person den Kopf ab und trocknet ihn als Trophäe. Der Kindesmord hat im grössten Maassstab in der ganzen Welt geherrscht ** und hat keinen Tadel gefunden; es ist indessen die Ermordung von Kindern, besonders von Mädchen, als etwas Gutes für den Stamm oder wenigstens nicht als schädlich für denselben angesehen worden. In früheren Zeiten wurde der Selbstmord nicht allgemein als Verbrechen betrachtet ?°, sondern wegen des dabei bewiesenen Muths eher als ehrenvolle Handlung; und er wird noch immer von einigen halbeivilisirten Nationen ausgeübt, ohne für tadelnswerth zu gelten, denn der Verlust eines einzelnen Individuums wird nicht als ein für die Nation fühlbarer angesehen. Wie ich von Sir J. LuBBock höre, wird Selbstmord, was auch die Erklärung hiervon sein mag, von den nied- rigsten Barbaren nur selten verübt. Man hat berichtet, dass ein indi- scher Thug es in seinem Gewissen bedauerte, nicht ebensoviele Reisende strangulirt und beraubt zu haben, als sein Vater vor ihm gethan hatte. Auf einem niedrigen Zustand der Civilisation wird allerdings die Be- raubung von Fremden meist für ehrenvoll gehalten. 23 5. einen guten Aufsatz in der „North British Review“, 1867 p. 395. vgl. auch W. Bagehot’s Abhandlungen über die Bedeutung des Gehorsams und des Zusammenhaltens für den Urmenschen in „The Fortnightly Review“ 1867, p. 529 und 1868, p. 457 u. s. w. 24 Dje ausführlichste Erörterung dieses Punktes, welche ich gefunden habe, findet sich bei Gerland, Ueber das Aussterben der Naturvölker. 1868. Ich werde aber auf den Kindesmord in einem späteren Capitel zurückzukommen haben. 25 s. die sehr interessante Discussion über den Selbstmord in Lecky’s Hi- story of European Morals. Vol. I. 1869, p. 223. Cäp. 3. Sociale Tugenden anfangs allein geschätzt. 8 Die grosse Sünde der Selaverei ist fast allgemein verbreitet gewesen und oft sind die Selaven in einer infamen Weise behandelt worden. Da Barbaren auf die Meinung ihrer Frauen gar nichts geben, werden die Weiber gewöhnlich wie Sclaven behandelt. Die meisten Wilden sind für die Leiden Fremder völlig indifferent oder ergötzen sich selbst an ihnen, wenn sie dieselben sehen. Es ist bekannt, dass die Frauen und Kinder der nordamerikanischen Indianer bei den Martern ihrer Feinde mit- helfen. Einige Wilde haben schaudererregende Freude an der Grausam- keit mit Thieren 2° und menschliches Rühren mit diesen ist eine bei ihnen unbekannte Tugend. Nichtsdestoweniger finden sich Gefühle der Sympathie und des Wohlwollens, besonders während Krankheiten, zwi- schen den Gliedern eines und desselben Stammes gewöhnlich und er- strecken sich zuweilen auch über die Grenzen des Stammes hinaus. Mungo Park’s rührende Erzählung von der Freundlichkeit einer Negerin aus dem Innern Afrika’s gegen ihn ist bekannt. Es lassen sich viele Fälle edler Treue von Wilden gegen einander, aber nicht gegen Fremde anführen; die gewöhnliche Erfahrung rechtfertigt den Grundsatz des Spaniers: „Traue niemals, niemals einem Indianer.“ Treue kann nicht ohne Wahrheit bestehen, und diese fundamentale Tugend ist nicht sel- ten bei den Gliedern eines Stammes unter einander zu finden: so hörte Mungo Park, dass die Negerin ihre Kinder lehrte, die Wahrheit zu lieben. Dies ist ferner eine von den Tugenden, welche so tief in die Seele sich einwurzeln, dass sie zuweilen von Wilden gegen Fremde, selbst unter grossen Gefahren, ausgeübt worden; aber den Feind zu be- lügen, ist selten für eine Sünde gehalten worden, wie die Geschichte der modernen Diplomatik deutlich zeigt. Sobald ein Stamm einen an- erkannten Führer hat, wird Ungehorsam zum Verbrechen, und selbst _ kriechendes Unterordnen wird als geheiligte Tugend angesehen. Wie in Zeiten der Rohheit kein Mensch seinem Stamme nützlich sein oder treu bleiben kann ohne Muth, so ist auch diese Eigenschaft früher allgemein im höchsten Ansehen gehalten worden ; und obgleich in eivilisirten Ländern ein guter, aber furchtsamer Mensch der Gesellschaft viel nützlicher sein kann, als ein tapferer, so können wir uns doch des (efühls nicht erwehren, den Letzteren höher als den Feigling zu schätzen, mag Letzterer auch ein durchaus wohlwollender Mensch sein. Auf der andern Seite ist Klugheit, welche die Wohlfahrt Anderer nicht berührt, 26 5, z.B. Hamilton’s Erzählung von den Kaffern: Anthropological Review. 1870, p. XV. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 6 82 Geisteskräfte. I. Theil. wenn sie auch an sich eine sehr nützliche Tugend ist, niemals sehr hoch geschätzt worden. Da Niemand die für die Wohlfahrt des Stam- mes nothwendigen Tugenden ohne Selbstaufopferung, Selbstbeherrschung und Ausdauer üben kann, so sind diese Eigenschaften zu allen Zeiten, und zwar äusserst gerechter Weise, hochgeschätzt worden. Der ameri- kanische Wilde unterwirft sich freiwillig ohne Murren den schrecklich- sten Qualen, um seine Tapferkeit und seinen Muth zu beweisen und zu kräftigen, und wir müssen ihn unwillkürlich bewundern, wie selbst einen indischen Fakir, welcher in Folge eines närrischen religiösen Motivs an einem in sein Fleisch gestossenen Haken in der Luft hängt. Die andern auf das Individuum selbst Bezug habenden Tugenden, welche nicht augenfällig die Wohlfahrt des Stammes berühren, wenn sie es auch in der That wohl thun können, sind von Wilden nie geschätzt worden, trotzdem sie jetzt von ceivilisirten Nationen hoch anerkannt werden. Die grösste Unmässigkeit ist für Wilde kein Vorwurf; die ungeheure Zügellosigkeit derselben, ihrer unnatürlichen Verbrechen gar nicht zu gedenken, ist etwas Staunenerregendes ?”. Sobald indess die Ehe, mag sie Polygamie oder Monogamie sein, gebräuchlich wird, führt die Eifersucht auch zur Entwickelung der weiblichen Tugend, und da diese dann geehrt wird, trägt sie auch dazu bei, sich auf unver- heirathete Frauen zu verbreiten. Wie lange es dauert, ehe sie sich auch auf das männliche Geschlecht verbreitet, sehen wir bis auf den heutigen Tag. Keuschheit erfordert vor allen Dingen Selbstbeherr- schung, sie ist daker schon seit einer sehr frühen Zeit in der morali- schen Geschichte civilisirter Völker geehrt worden. Als eine Folge hier- von ist der sinnlose Gebrauch des Cölibats seit einer sehr frühen Zeit als Tugend betrachtet worden ?®. Die Verabscheuung der Unzüchtig- keit, welche uns so natürlich erscheint, dass man diesen Abscheu für angeboren halten könnte, und welcher eine so wirksame Hülfe zur Keusch-- heit ist, ist eine moderne Tugend, welche ausschliesslich, wie Sir G. Staunton bemerkt ?°, dem civilisirten Leben angehört. Dies wird durch die religiösen Gebräuche verschiedener Nationen des Alterthums durch die Pompejanischen Wandgemälde und durch die Gebräuche vieler Wilden bewiesen. 27 Mr. M’Lennan hat eine gute Sammlung von Thatsachen über diesen Ge- genstand gegeben in: Primitive Marriage, 1865, p. 176. 28 Lecky, History of European Morals. Vol. I. 1869, p. 109. 29 Embassy to China. Vol. Il., p. 348. Cap. 3. Entwickelung der Moralität. 83 Wir haben nun gesehen, dass Handlungen von Wilden für gut oder schlecht gehalten werden und wahrscheinlich auch von dem Urmenschen so betrachtet wurden, nur insofern sie in einer auffallenden Weise die Wohlfahrt des Stammes, nicht die der Art, ebensowenig wie die des Menschen als eines individuellen Mitglieds des Stammes betreffen. Diese Folgeruig stimmt sehr gut mit dem Glauben überein, dass das soge- nannte moralische Gefühl ursprünglich den socialen Instineten ent- stammte; denn beide beziehen sich zunächst ausschliesslich auf die Ge- sellschaft. Die hauptsächlichsten Ursachen der niedrigeren Moralität Wilder, wenn sie nach unserem Maassstab beurtheilt wird, sind erstens die Beschränkung der Sympathie auf denselben Stamm; zweitens unzu- reichendes Vermögen des Nachdenkens, so dass die Beziehungen vieler Tugenden, besonders der das Individuum betreffenden, zu der allgemei- nen Wohlfahrt des Stammes nicht erkannt werden. So erkennen z. B. Wilde die mannichfachen Uebel nicht, welche einem Mangel an Keusch- heit, Mässigung u. s. w. folgen. Und drittens ist als Ursache der ’nie- deren Moralität Wilder die schwache Entwickelung der Selbstbeherr- schung zu nennen; denn dieses Vermögen ist noch nicht durch lange fortgesetzte, vielleicht vererbte Gewohnheit, durch Unterricht und Re- ligion gekräftigt worden. Ich bin auf die eben erwähnten Einzelnheiten in Bezug auf die Immoralität der Wilden °® eingegangen, weil einige Schriftsteller neuerer Zeit eine sehr hohe Meinung von der moralischen Natur derselben ge- äussert haben oder die meisten ihrer Verbrechen einem misverstande- nen Wohlwollen zugeschrieben haben ?!. Diese Schriftsteller scheinen ihre Folgerungen darauf zu gründen, dass die Wilden, wie sie es un- zweifelhaft und oft in einem sehr hohen Grade thun, diejenigen Tugen- den besitzen, welche für die Existenz einer Stammesgemeinschaft von Nutzen oder selbst nothwendig sind. Schlussbemerkungen. — Die Philosophen der derivativen ?? Schule der Moralisten nahmen früher an, dass der Grad der Moralität in einer Art von Selbstsucht läge, neuerdings aber, dass er in „dem % Zahlreiche Belege über denselben Gegenstand findet man im VII. Capitel von Sir J. Lubbock’s Origin of Civilisation. 1870. 31 2. B. Lecky, History of European Morals. Vol. I. p. 124. 32 Dieser Ausdruck wird in einem guten Artikel in der Westminster Review, Oct. 1869, p. 498 gebraucht. Ueber das Princip des grössten Glücks s. J. S. Mill, Utilitarianism. p. 17. 6* 84 Geisteskräfte. . I. Theil. „Prineip des grössten Glücks“ zu finden sei. Nach den oben angege- benen Gesichtspunkten ist das moralische Gefühl dem Grunde nach identisch mit den socialen Instincten ; und was die niederen Thiere be- trifft, so würde es absurd sein, hier zu sagen, dass die Instincte aus Selbstsucht oder zum Glücke der Gesellschaft entwickelt worden seien. Sicher sind sie indessen für das allgemeine Beste der Gesellschaft ent- wickelt worden. Der Ausdruck „allgemeines Beste“ kann definirt wer- den als die Mittel bezeichnend, durch welche die grösstmögliche Zahl von Individuen in voller Kraft und Gesundheit mit allen ihren Kräften vollkommen, und zwar unter den Lebensbedingungen, denen sie ausge- setzt sind, erzogen werden kann. Da sich ohne Zweifel die socialen Instinete Beider, sowohl des Menschen 'als der niederen Thiere, in ein und derselben Stufenreihe entwickelt haben, so würde es rathsam sein, wenn es ausführbar wäre, dieselbe Definition für beide Fälle zu brauchen und als Prüfstein der Moralität das allgemeine Beste oder die Wohl- fahrt der Gesellschaft zu gebrauchen im Vorzug gegen das allgemeine Glück; doch dürfte diese Definition vielleicht eine Einschränkung wegen der politischen Moral erheischen. Wenn ein Mensch sein Leben wagt, um das eines Mitgeschöpfes zu retten, so scheint es passender, hier zu sagen, dass er für das all- gemeine Beste oder die allgemeine Wohlfahrt handelt, als zu sagen, dass er es für das allgemeine Glück der Menschheit thue. Ohne Zweifel fallen die Wohlfahrt und das Glück‘ des Individuums gewöhnlich zu- sammen, und ein zufriedener glücklicher Stamm wird besser gedeihen als einer, welcher unzufrieden und unglücklich ist. Wir haben gesehen, dass auf einer frühen Periode der Geschichte der Menschheit die aus- gesprochenen Wünsche der Gesellschaft nothwendig in hohem Grade das Benehmen jedes einzelnen Mitglieds beeinflusst haben werden; und da alle nach Glück streben, so wird das Prineip des grössten Glücks ein sehr bedeutungsvoller secundärer Führer und ein wichtiges Ziel ge- worden sein; denn als primärer Antrieb und Führer werden immer die socialen Instinete mit Einschluss der Sympathie dienen. Hierdurch wird der Vorwurf, dass man den Grimd des edelsten Theils unserer Natur in das niedere Prineip der Selbstsucht legt, beseitigt, man müsste denn in der That die Genugthuung, welche jedes Thier fühlt, wenn es seinen eigenen Instineten folgt und das Unbefriedigtsein, welches das- selbe fühlt, sobald es daran gehindert wird, selbstisch nennen. Der Ausdruck der Wünsche und des Urtheils der Glieder einer Cap. 3. Entwickelung der Moralität. 85 und derselben Gemeinschaft, anfangs mündlich, später durch Schrift- sprache, dient, wie eben bemerkt wurde, als eine sehr bedeutungsvolle secundäre Richtschnur des Benehmens, meist die socialen Instincte unter- stützend, aber zuweilen auch in Opposition mit ihnen. Diese letztere Thatsache wird durch das Gesetz der Ehre sehr wohl erläutert, d.h. das Gesetz der Meinung von Unseresgleichen und nicht aller unserer . Landsleute. Ein Verstoss gegen dieses Gesetz, — selbst wenn anerkannt werden muss, dass der Verstoss in strenger Uebereinstimmung mit der wirklichen Moral ist —, hat manchem Mann mehr Gewissensbisse verur- sacht, als ein wirkliches Verbrechen. Wir erkennen denselben Einfluss wieder in dem brennenden Gefühl der Scham, welches die meisten von uns selbst nach Verlauf von Jahren gefühlt haben, wenn sie irgend einen zufälligen Verstoss gegen *eine unbedeutende, wenn nur einmal feststehende Regel der Etikette sich in’s Gedächtniss zurückrufen. Das Urtheil der ganzen Gemeinschaft wird durch eine gewisse rohe Erfah- rung von Dem bestimmt werden, was auf die Länge der Zeit für alle Mitglieder das Beste ist. Dies Urtheil wird aber nicht selten in Folge von Ungewissheit oder von einem schwachen Vermögen des Nachden- kens fehlen. Daher sind die merkwürdigsten Gebräuche und Formen des Aberglaubens im vollen Gegensatz zur wahren Wohlfahrt und Glück- seligkeit der Menschheit durch die ganze Welt so übermächtig gewor- den. Wir sehen dies in dem Entsetzen, welches ein Hindu fühlt, der seine Kaste verlässt, in der Scham einer Muhamedanerin, wenn sie ihr Gesicht zeigt, und in unzähligen anderen Beispielen. Es dürfte schwer sein zwischen den Gewissensbissen, die ein Hindu fühlt, der unreine Nahrung gegessen hat, und denjenigen zu unterscheiden, welche nach dem Begehen eines Diebstahls gefühlt werden; die ersteren dürften aber wahrscheinlich die härteren sein. Auf welche Weise so viele absurde Gesetze des Benehmens, ebenso wie so viele absurde religiöse Glaubensansichten entstanden sind, wis- sen wir nicht, ebensowenig woher es kommt, dass sie in allen Theilen der Welt sich dem menschlichen Geist so tief eingeprägt haben. Es ist aber der Bemerkung werth, dass ein beständig während der früheren Lebensjahre eingeprägter Glaube, und zwar so lange das Gehirn Ein- drücken leicht zugänglich ist, fast die Natur eines Instinets anzuneh- men scheint: und das eigentliche Wesen eines Instincts liegt ja darin, dass man ihm unabhängig vom Nachdenken folgt. Ebensowenig können wir sagen, warum gewisse bewundernswerthe Tugenden, wie die Wahr- 86 Geisteskräfte. I. Theil. heitsliebe, von einigen wilden Stämmen viel höher anerkannt werden als von andern ?®, und ferner warum ähnliche Verschiedenheiten selbst "unter eivilisirten Nationen bestehen. Da wir wissen, wie stark viele fremdartige Gebräuche und Aberglauben fixirt worden sind, brauchen wir uns darüber nicht zu verwundern, da die auf das Individuum Be- zug habenden Tugenden uns jetzt in einem Grade natürlich erscheinen (da sie in der That auf Nachdenken beruhen), dass man sie für einge- boren hält, trotzdem sie vom Menschen in seinem frühesten Zustand nicht geschätzt wurden. Trotz vieler Zweifelsquellen kann der Mensch meistens und zwar leicht, zwischen den höheren und niederen moralischen Regeln unter- . scheiden. Die höheren gründen sich auf die socialen Instinete und be- ziehen sich auf die Wohlfahrt Anderer, sie beruhen auf der Billigung unserer Mitmenschen und auf Nachdenken. Die niederen Regeln, trotz- dem manche von ihnen, wenn sie Selbstaufopferung mit im Gefolge haben, kaum den Namen niederer verdienen, beziehen sich hauptsäch- lich auf das eigene Selbst und verdanken ihren Ursprung der öffent- lichen Meinung, sobald diese durch Erfahrung und Cultur gereift ist; denn sie werden von rohen Stämmen nicht befolgt. Wenn der Mensch in der Cultur fortschreitet und kleinere Stämme zu grösseren Gemeinschaften vereinigt werden, so wird das einfachste Nachdenken jedem Individuum sagen, dass es seine socialen Instincte und Sympathien auf alle Glieder derselben Nation auszudehnen hat, selbst wenn sie ihm persönlich unbekannt sind. Ist dieser Punkt ein- mal erreicht, so besteht dann nur noch eine künstliche Grenze, welche ihn abhält, seine Sympathien auf alle Menschen aller Nationen und Ras- sen auszudehnen. In der That, wenn gewisse Menschen durch grosse Verschiedenheiten im Aeussern oder in der Lebensweise von ihm ge- trennt sind, so dauert.es, wie uns unglücklicherweise die Erfahrung lehrt, lange, ehe er sie als seine Mitgeschöpfe betrachtet. Sympathie über die Grenzen der Menschheit hinaus, d. h. Humanität gegen die niederen Thiere scheint eine der spätesten moralischen Erwerbungen zu sein. Wilde besitzen dieses Gefühl, wie es scheint, nicht, mit Ausnahme der Humanität gegen ihre Schoossthiere. Wie wenig die alten Römer dasselbe kännten, zeigt sich in ihren abstossenden Gladiatorenkämpfen. Die blosse Idee 33 Gute Beispiele. theilt Mr. Wallace mit in „Scientifie Opinion“, Sep. 15, 1869 und ausführlicher in seinen Contributions to the Theory of Natural Selec- tion. 1870, p. 353. Cap. 3. Entwickelung der Moralität. 87 der Humanität war, soviel ich beochten konnte, den meisten Gauchos der Pampas nen. Diese Tugend, eine der edelsten, welche dem Men- schen eigen ist, scheint als natürliche Folge des Umstands zu ent- stehen, dass unsere Sympathien immer zarter und weiter ausgedehnt werden, bis sie endlich auf alle fühlenden Wesen sich erstrecken. So- bald diese Tugend von einigen wenigen Menschen geehrt und ausgeübt wird, verbreitet sie sich durch Unterricht und Beispiel auf die Jugend und weiter eventuell auch durch die öffentliche Meinung. Die höchste Stufe der moralischen Cultur, zu der wir gelangen können, ist die, wenn wir erkennen, dass wir unsere Gedanken contro- liren sollen und „selbst in unsern innersten Gedanken nicht noch ein- „mal die Sünden nachdenken dürfen, welche uns die Vergangenheit so „angenehm machten“ ?*. Was nur immer irgend eine schlechte Hand- lung der Seele vertraut macht, macht auch ihre Ausführung um so vieles leichter, wie Marc AUREL schon vor langer Zeit sagte: „so wie deine „gewöhnlichen Gedanken sind, wird auch der Character deiner Seele sein ; „denn die Seele ist von den Gedanken gefärbt“ 3°. Unser grosser Philosoph HERBERT SPENCER hat vor Kurzem seine Ansichten über das moralische Gefühl ausgesprochen. Er sagt 36: „ich „glaube, dass die Erfahrungen der Nützlichkeit, welche durch alle ver- „gangenen Generationen in der menschlichen Rasse organisirt und befestigt „worden sind, entsprechende Modificationen hervorgebracht haben, welche „in Folge fortgesetzter Ueberlieferung und Anhäufung zu gewissen Fähig- „keiten moralischer Intuition in uns geworden sind, — gewisse Erre- „gungen entsprechen dem rechten und unrechten Betragen, welche keine „zu Tage tretende Grundlage in den individuellen Erfahrungen der Nütz- „lichkeit haben.“ Wie mir scheint, gibt es nicht die geringste in der Sache liegende Unwahrscheinlichkeit für die Annahme, dass tugendhafte Neigungen nicht mehr oder weniger stark vererbt würden; denn — um hier nicht die verschiedenen Dispositionen und Gewohnheiten zu erwähnen, welche viele unserer domestieirten Thiere überliefert haben, — ich habe von Fällen gehört, in welchen eine Sucht zu stehlen und eine Neigung zu lügen durch Familien selbst höherer Stände durchgieng ; und da das Steh- len ein so seltenes Verbrechen in den wohlhabenden Classen ist, so können % Tennyson, Idylis of the King, p. 244. 3 Betrachtungen des Kaisers M. Aurelius Antonius. Englische Ueber- setzung, 2. Ausg. 1869, p. 112. Marc Aurel war 121 geboren. »° Brief an Mill in Bain’s Mental and Moral Science. 1868, p. 722, 88 Geisteskräfte. I. Theil. wie die in zwei oder drei Mitgliedern derselben Familie auftretende Neigung nicht durch eine zufällige Coineidenz erklären. Werden schlechte Neigungen überliefert, so ist es wahrscheinlich, dass auch gute in glei- cher Weise vererbt werden. Ausgenommen das Prineip der Vererbung moralischer Neigungen haben wir kein Mittel, die Verschiedenheiten zu erklären, welche, wie man annimmt, in dieser Beziehung zwischen den verschiedenen Menschenrassen existiren. Indessen haben wir bis jetzt kaum hinreichendes Beweismaterial für diesen Punkt. Selbst die theilweise Vererbung tugendhafter Neigungen würde eine unendliche Unterstützung für den primären Antrieb sein, welcher direct aus den socialen Instineten und indireet aus der Gutheissung un- serer Mitmenschen entspringt. Nehmen wir für einen Augenblick an, dass tugendhafte Neigungen vererbt werden, so erscheint es wenigstens in solchen Fällen, wie Keuschheit, Mässigkeit, Humanität gegen Thiere u. s. w. wahrscheinlich, dass sie der geistigen Organisation sich zuerst durch Gewohnheit, Unterricht und Beispiel, mehrere Generationen hin- durch in derselben Familie fortgesetzt, einprägten und nur in einem völlig untergeordneten Grade, wenn überhaupt, dadurch, dass diejenigen Individuen, welche solche Tugenden besassen, in dem Kampf um’s Da- sein am besten fortkamen. Die hauptsächlichste Quelle meines Zweifels mit Rücksicht auf irgend eine derartige Vererbung liegt in jenen sinn- losen Gebräuchen, abergläubischen Formen und Geschmacksrichtungen, wie das Entsetzen eines Hindu vor unreiner Nahrung, welche doch nach demselben Princip vererbt werden müssten. Obschon dies an sich viel- leicht nicht weniger wahrschemlich ist, als dass Thiere durch Verer- bung den Geschmack für gewisse Arten von Nahrung oder die Furcht vor gewissen Feinden erlangen, so ist mir doch kein Zeugniss vorge- kommen zur Unterstützung der Annahme, dass auch abergläubische Ge- bräuche und sinnlose Gewohnheiten vererbt würden. Endlich werden die socialen Instinete, welche ohne Zweifel im Men- schen ebenso wie bei den niederen Thieren zum Besten der ganzen Gemeinschaft entstanden sind, von Anfang an den Wunsch, seinen senossen zu helfen, und ein gewisses Gefühl der Sympathie in ihm angeregt haben. Derartige Antriebe werden ihm in einer sehr frühen Periode als ein roher Maassstab von Recht und Unrecht gedient haben. Aber in dem Maasse, als der Mensch nach und nach an intellectueller Kraft zunahm und in den Stand gesetzt wurde, die weiter ab liegenden Cap. 3. Entwickelung der Moralität. 89 Folgen seiner Handlungen zu übersehen, als er hinreichende Kenntnisse erlangt hatte, verderbliche Gebräuche und Aberglauben zu verwerfen, als er, je länger desto mehr, nicht bloss die Wohlfahrt, sondern auch das Glück seiner Mitmenschen in’s Auge fasste, als aus Gewohnheit, einer Folge wohlthätiger Erfahrung, wohlthätigen Unterrichts und Bei- spiels, seine Sympathien zarter und weiter ausgedehnt wurden, so dass sie sich auf alle Menschen aller Rassen, auf die schwachen, gebrech- lichen und andern unnützen Glieder der Gesellschaft erstreckten, end- lich sogar auf die niederen Thiere, — in dem Maasse wird auch der Maassstab seiner Moralität höher und höher gestiegen sein. Und die Moralisten der derivativen Schule und auch einige Intuitionisten geben zu, ‘dass der Maassstab der Moralität seit einer frühen Periode der Geschichte der Menschheit ein höherer geworden ist ?”. Da man zuweilen sieht, dass zwischen verschiedenen Instineten der niederen Thiere ein Kampf besteht, so ist es nicht überraschend, dass auch beim Menschen ein Kampf zwischen seinen socialen Instinc- ten, mit den davon abgeleiteten Tugenden, und seinen niederen, wenn auch im Augenblick stärkeren, Antrieben und Begierden sich erhebt. Dies ist, wie Mr. Gawron ?® bemerkt hat, um so weniger überraschend, als der Mensch sich aus dem Zustand der Barbarei innerhalb einer ver- hältnissmässig neueren Zeit erst erhoben hat. Haben wir irgend einer Versuchung nachgegeben, so empfinden wir ein Gefühl des Unbefriedigt- seins analog dem, welches in Folge anderer nicht befriedigter Instinete empfunden wird, und in diesem Falle nennen wir es (Gewissen; denn wir können nicht verhindern, dass vergangene Bilder und Eindrücke be- ständig durch unsere Seele ziehen, und diese vergleichen wir in ihrem abgeschwächten Zustande mit den beständig gegenwärtigen socialen In- stineten oder Gewohnheiten, welche wir in früher Jugend erlangt und durch unser ganzes Leben gekräftigt haben, so dass sie zuletzt fast so stark wie Instincte geworden sind. Blicken wir auf spätere Generatio- nen, so haben wir keine Veranlassung zu befürchten, dass die socialen »” Ein Schriftsteller, welcher der Bildung eines gesunden Urtheils wohl fähig ist, drückt sich in der North’ British Review, July 1869, p. 531 sehr entschieden in diesem Sinne aus. Mr. Lecky scheint (History of Morals. Vol. I, p. 143) in gewissem Maasse einzustimmen. | #® s. sein merkwürdiges Buch „On Hereditary Genius.“ 1869, p. 349. Der Herzog von Argyll gibt in seinem: Primeval Man, 1869. p. 188 einige gute Bemerkungen über den in der Natur des Menschen auftretenden Kampf zwischen Recht und Unrecht. 90 Geisteskräfte. I. Theil. Instinete schwächer werden würden, und wir können wohl erwarten, dass tugendhafte Gewohnheiten stärker und vielleicht durch Vererbung fixirt werden. In diesem Falle wird der Kampf zwischen unsern höhe- ren und niederen Antrieben weniger hart sein und die Tugend wird triumphiren. Zusammenfassung der letzten beiden Capitel. Es lässt sich nicht zweifeln, dass die Verschiedenheit zwischen der Seele des niedrigsten Menschen und der des höchsten Thieres ungeheuer ist. Wenn ein anthropomorpher Afie leidenschaftslos seinen eigenen Zustand beurtheilen könnte, so würde er zugeben, dass, obgleich er einen kunst- vollen Plan sich ausdenken könnte, einen Garten zu plündern, obgleich er Steine zum Kämpfen oder zum Aufbrechen von Nüssen benutzen könnte, doch der Gedanke, einen Stein zu einem Werkzeug umzufor- men, völlig über seinen Horizont gienge. Er würde ferner zugeben, dass er noch weniger im Stande wäre, einen Zug metaphysischen Nach- denkens zu verfolgen 'oder ein mathematisches Problem zu lösen oder über Gott zu refleetiren oder eine grosse Naturscene zu bewundern. Einige Affen würden indess wahrscheinlich erklären, dass sie die Schön- heit der farbigen Haut und des Haarkleides ihrer Ehegenossen bewun- dern könnten und wirklich bewundern; sie würden zugeben, dass ihnen, obschon sie den andern Aften durch Ausrufe einige ihrer Wahrnehmun- gen und einfacheren Bedürfnisse verständlich machen könnten, doch die Idee, bestimmte Gedanken durch bestimmte Laute auszudrücken, nie- mals in den Sinn gekommen sei. Sie können behaupten, dass sie be- reit wären, ihren Genossen in derselben Heerde auf viele Weisen zu helfen, ihr Leben für sie zu wagen und für ihre Waisen zu sorgen; _ sie würden aber genöthigt sein, anzuerkennen, dass eine interesselose Liebe für alle lebenden Geschöpfe, dieses edelste Attribut des Menschen, völlig über ihre Fassungskraft hinausgienge. So gross nun auch nichtsdestoweniger die Verschiedenheit an Geist zwischen dem Menschen und den höheren Thieren sein mag, sie ist sicher nur eine Verschiedenheit des Grads und nicht der Art. Wir haben gesehen, dass die Empfindungen und Eindrücke, die verschiede- nen Erregungen und Fähigkeiten, wie Liebe, Gedächtniss, Aufmerksam- keit, Neugierde, Nachahmung, Verstand u. s. w., deren sich der Mensch rühmt, in einem beginnenden oder zuweilen selbst in einem gut ent- wickelten Zustand bei den niederen Thieren gefunden werden. Sie sind Cap. 2. Zusammenfassung der letzten beiden Capitel. 9 auch in»einem gewissen Grade der erblichen Veredelung fähig, wie wir an dem domestieirten Hund im Vergleich mit dem Wolf oder Schakal sehen. Wenn behauptet wird, dass gewisse Fähigkeiten, wie Selbstbe- wusstsein, Abstraction u. s. w. dem Menschen eigenthümlich sind, so kann es wohl der Fall sein, dass diese die begleitenden Resultate an- derer weit fortgeschrittener intelleetueller Fähigkeiten sind; und diese wiederum sind hauptsächlich das Resultat des fortgesetzten Gebrauchs einer höchst entwickelten Sprache. In welcher Art entwickelt sich bei dem neugeborenen Kinde das Vermögen der Abstraction, in welchem Alter wird das Kind selbstbewusst und reflectirt über seine eigene Exi- stenz? Wir können hierauf nicht antworten, auch können wir eine Ant- wort nicht ertheilen auf die gleiche Frage mit Bezug auf die aufstei- gende Reihe organischer Wesen. Das halb Künstliche und halb In- stinetive der Sprache trägt noch immer den Stempel ihrer allmählichen Entwickelung an sich. Der veredelnde Glaube an Gott ist den Men- schen nicht allgemein eigen und der Glaube an thätige spirituelle Kräfte folgt naturgemäss aus seinen andern geistigen Kräften. Das moralische Gefühl bietet vielleicht die beste und höchste Unterscheidung zwischen dem Menschen und den niederen Thieren dar; doch brauche ich kaum etwas hierüber zu sagen, da ich erst vor kurzem zu zeigen versucht habe, dass die socialen Instinete — das wichtigste Prineip der mora- lischen Constitution des Menschen 3? — mit der Unterstützung der thätigen intelleetuellen Kräfte und der Wirkungen der Gewohnheit na- turgemäss zu der goldenen Regel führen; „was Ihr wollt, dass man „Euch thue, das thut auch Andern“; und dies ist die Grundlage der Moralität. In einem späteren Capitel werde ich einige Bemerkungen über die wahrscheinlichen Stufen und Mittel machen, durch welche die verschie- denen geistigen und moralischen Fähigkeiten des Menschen allmählich weiter entwickelt worden sind. Dass diese Entwickelung wenigstens möglich ist, dürfte nicht zu läugnen sein, wenn wir täglich eine solche an jedem Kinde beobachten und wenn wir eine vollständige Stufenreihe von dem geistigen Zustand eines völligen Idioten, noch niedriger als der des niedrigsten Thieres, bis zu dem Geist eines Newron verfolgen können. » Betrachtungen des Marc Aurela. a. O. p. 159. Viertes Capitel. Ueber die Art der Entwickelung‘ des Menschen aus einer niederen Form. Variabilität des Körpers und Geistes beim Menschen. — Vererbung. — Ursachen der Variabilität. — Gesetze der Abänderung sind dieselben beim Menschen und den niederen Thieren. — Directe Wirkung der Lebensbedingungen. — Wir- kungen des vermehrten Gebrauchs und des Nichtgebrauchs von Theilen. — Entwickelungshemmungen. — Rückschlag. — ' Correlative Abänderung. — Verhältniss der Zunahme. — Hindernisse der Zunahme. — Natürliche Zucht- wahl. — Der Mensch das herrschendste Thier auf der Erde. — Bedeutung seines Körperbaues. — Ursachen, welche zu seiner aufrechten Stellung führ- ten. — Von dieser abhängende Aenderungen des Baues. — Grössenab- nahme der Eckzähne. — Grössenzunahme und veränderte Gestalt des Schädels. — Nacktheit. — Fehlen eines Schwanzes. — Vertheidigungsloser Zustand des Menschen. Wir haben im ersten Capitel gesehen, dass die homologe Bildung des Menschen, seine embryonale Entwickelung und die Rudimente, welche er noch immer besitzt, sämmtlich in der deutlichsten Weise zeigen, dass er von einer niederen Form abstammt. Der Besitz erhabener geistiger Kräfte ist kein unüberwindlicher Einwand gegen diese Folge- rung. Damit ein affenähnliches Geschöpf in einen Menschen umgewan- delt werde, ist es nothwendig, dass diese frühere Form ebenso wie zahlreiche spätere aufeinander folgende Verbindungsglieder sämmtlich an Geist und Körper variirt haben. Hierüber directe Zeugnisse zu er- langen ist unmöglich; wenn aber gezeigt werden kann, dass der Mensch noch jetzt variirt, dass seine Abänderungen durch dieselben allgemeinen Ursachen veranlasst werden und denselben allgemeinen Gesetzen unter- liegen, wie bei den niederen Thieren, so lässt sich kaum zweifeln, dass (lie vorhergehenden zwischenliegenden Glieder in einer ähnlichen Weise varlirten. Auch müssen auf jeder der aufeinanderfolgenden Stufen der Abstammung die Abweichungen in einer gewissen Weise sich gehäuft und fixirt haben. Die in diesem Capitel mitzutheilenden Thatsachen und Folgerungen Cap. 4. Variabilität des Menschen. 93 ' beziehen sich fast ausschliesslich auf die Mittel, durch welche die Um- wandlung zum Menschen wahrscheinlich ausgeführt worden ist, soweit es seine körperliche Bildung betrifit. Das folgende Capitel wird der Entwickelung seiner intelleetuellen und moralischen Fähigkeiten gewid- met sein. Die vorliegende Erörterung bezieht sich aber gleicherweise auf den Ursprung der verschiedenen Rassen oder Species des Menschen, welchen Ausdruck man auch vorziehen mag. Offenbar unterliegt der Mensch gegenwärtig einer bedeutenden Va- riabilität. Nicht zwei Individuen einer und derselben Rasse sind völlig gleich. Wir mögen Millionen Gesichter unter einander vergleichen, jedes wird vom andern verschieden sein. Ein gleich grosser Betrag von Verschiedenheit besteht in den Proportionen und Dimensionen der verschiedenen Theile seines Körpers. Die Länge der Beine ist eine der variabelsten Punkte !. Wenn auch in einigen Theilen der Erde ein lan- ger Schädel, in anderen Theilen ein kurzer Schädel vorherrscht, so be- steht doch eine grosse Verschiedenheit der Form selbst innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse, wie bei den Ureinwohnern von Amerika und Australien — und die letzteren bilden wahrscheinlich dem Blut, den Gewohnheiten und der Sprache nach eine so homogene Rasse, als irgend eine existirende — und selbst bei den Einwohnern eines so beschränkten Gebiets wie der Sandwichsinseln ®. Ein ausgezeichneter Zahnarzt versicherte mich, dass die Zähne fast ebenso viele Verschie- denheiten darbieten als die Gesichtszüge. Die Hauptarterien haben so häufig einen abnormen Verlauf, dass man es zu chirurgischen Zwecken für nützlich erkannt hat, aus 12000 Leichen zu berechnen, wie oft jede Verlaufsart vorkommt ?”. Die Muskeln sind ausserordentlich variabel ; so fand Professor TURNER *, dass die des Fusses in zwei unter 50 Lei- chen nicht einander genau gleich sind, und bei einigen waren die Ab- weichungen beträchtlich. Professor TURNER fügt noch hinzu, dass die Fähigkeit, die passenden Bewegungen auszuführen, in Uebereinstimmung Investigations in Military and Anthropological Statistics of American Sol- diers by B. A. Gould. 1869, p. 256. ® In Bezug auf die Schädelform der Eingeborenen von Nord-Amerika s. Dr. Aitken Meigs in: Proceed. Acad. Natur. Sc. Philadelphia. May 1866. Ueber die Australier s. Huxley in Lyell, Alter des Menschengeschlechts. 1863, 8. 51. Ueber die Sandwichsinsulaner: Prof. J. Wyman, Observations on Crania. Boston 1868, p. 18. 3 Anatomy of the Arteries von R. Quain. * Transact. Roy. Soc. Edinburgh. Vol. XXIV, p. 175, 139. 94 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. mit den verschiedenen Abweichungen modifieirt sein muss. Mr. J. Woon hat das Vorkommen von 295 Muskel-Varietäten an sechsunddreissig Leichen mitgetheilt ° und bei einer andern Reihe von derselben Zahl nicht weniger als 558 Varietäten, beide Seiten des Körpers für eine gerechnet. Bei der letzten Reihe fehlen nicht an einem Körper unter den sechsunddreissig „Abweichungen von den gültigen Beschreibungen „des Muskelsystems, welche die anatomischen Handbücher geben, voll- „ständig.“ Eine einzige Leiche bot die ausserordentliche Zahl von fünf- undzwanzig verschiedenen Abnormitäten dar. Derselbe Muskel variirt zuweilen in verschiedener Weise: so beschreibt Professor MACALISTER ® nicht weniger als zwanzig verschiedene Abweichungen an dem Palnfaris accessorius. Der alte berühmte Anatom Worrr ? hebt hervor, dass die inneren Eingeweide variabler sind als die äusseren Theile: Nulla particula est, quae non aliter et aliter in alüs se habeat hominibus. Er hat selbst eine Abhandlung über die Auswahl typischer Exemplare der Eingeweide zu deren Darstellung geschrieben. Eine Erörterung über das ideal Schöne der Leber, Lungen, Nieren u. s. w., als wenn es über das des göttlich schönen menschlichen Antlitzes sei, klingt für unsere Ohren fremdartig. Die Variabilität oder Verschiedenartigkeit der geistigen Fähigkei- ten bei Menschen einer und derselben Rasse, der noch grösseren Ver- schiedenheiten zwischen Menschen verschiedener Rassen gar nicht zu gedenken, ist so notorisch, dass es nicht nöthig ist, hier noch ein Wort darüber zu sagen. Dasselbe gilt für die niederen Thiere, wie durch ein paar Beispiele im letzten Capitel erläutert worden ist. Alle die Leute, welche Menagerien geleitet haben, geben die Thatsache zu und wir sehen dieselbe auch deutlich bei unseren Hunden und anderen do- mestieirten Thieren. Besonders Breum legt auf die Thatsache Nach- druck, dass jeder individuelle Affe unter denen, welche er in Afrika in Gefangenschaft hielt, seine eignen ihm eigenthümlichen Anlagen und Launen gehabt habe; er erwähnt vorzugsweise einen Pavian wegen sei- ner hohen Intelligenz; und die Wärter im zoologischen Garten zeigten mir einen zu der Abtheilung der Affen der neuen Welt gehörigen, der 5 Proceed. Roy Soc. 1867, p. 544, auch 1868, p. 485, 524; ebenso ein früherer Aufsatz 1866, p. 229. 6 Proceed. Roy. Irish Academy. Vol. X. 1868, p. 141. ? Acta Acad. Petropolit. 1778. Ps. II, p. 217. \ Cap. 4. Variabilität des Menschen. 095 gleichfalls wegen seiner Intelligenz merkwürdig war. Auch RENnGGER betont die Verschiedenheit der einzelnen geistigen Charactere bei Affen derselben Species, die er in Paraguay hielt, und fügt hinzu, dass diese Verschiedenheit zum Theil angeboren, zum Theil das Resultat der Art und Weise sei, in welcher sie behandelt oder erzogen wären ®, Ich habe an einem andern Orte ® das Thema der Vererbung so ausführlich erörtert, dass ich hier kaum irgend etwas hinzuzufügen nöthig habe. Eine grosse Anzahl von Thatsachen sind in Bezug auf die Ueberlieferung sowohl der äusserst unbedeutenden, als der bedeutungs- vollsten Charactere gesammelt worden, und zwar eine viel grössere An- zahl in Bezug auf den Menschen als in Bezug auf irgend eines der niederen Thiere; doch sind in Bezug auf die letzteren die Thatsachen immer noch reichlich genug. Was z. B. die Ueberlieferung geistiger Eigen- schaften betrifft, so ist dieselbe bei unseren Hunden, Pferden und anderen domestieirten Thieren offenbar. Ausser den speciellen Neigungen und Gewohnheiten werden allgemein Intelligenz, Muth, schlechtes und gutes Temperament u. s. w. sicher überliefert. In Bezug auf den Menschen sehen wir ähnliche Thatsachen fast in jeder Familie; und wir wissen jetzt durch die ausgezeichueten Arbeiten Mr. Gauron’s 10, dass das Genie, welches eine wunderbar complieirte Combination höherer Fähig- keiten umfasst, zur Erblichkeit neigt; andererseits ist es nur zu gewiss, dass Verrücktheit und beschränkte geistige Kräfte gleichfalls durch ganze Familien gehen. Was die Ursachen der Variabilität betrifft, so sind wir in allen Fällen in grosser Unwissenheit; wir sehen nur, dass dieselbe beim Men- schen wie bei den niederen Thieren in irgend einer Beziehung zu den Lebensbedingungen stehen, welchen eine jede Art mehrere Generationen hinter einander ausgesetzt gewesen ist. Domesticirte Thiere variiren mehr als Thiere im Naturzustand ; und dies ist offenbar Folge der ver- schiedenartigen und wechselnden Lebensbedingungen, denen sie aus- gesetzt gewesen sind. Die verschiedenen Menschenrassen gleichen in dieser Hinsicht domestieirten Thieren, und dasselbe gilt von den Indi- viduen einer und derselben Rasse, sobald sie einen sehr grossen Bezirk, ® Brehm, Thierleben, Bd. I, S. 58, 87. Rengger, Säugethiere von Para- guay. 8. 57. » Varüiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, Cap. 12. 10 Hereditary Genius; an Inquiry into its Laws and Consequences. 1569, 4 96 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. wie z. B. Amerika bewohnen. Den Einfluss verschiedenartiger Beding- ungen sehen wir an den eivilisirten Nationen, deren Glieder verschie- denen Rangelassen angehören und verschiedene Beschäftigungen haben, wodurch sie eine grössere Reihe von Merkmalen darbieten als die Glie- der barbarischer Nationen. Doch ist andererseits die Gleichförmigkeit unter den Wilden bedeutend übertrieben worden, und in manchen Fällen kann man kaum sagen, dass sie überhaupt existire !!. " Nichts- destoweniger ist es ein Irrthum, selbst wenn wir nur auf die Lebens- bedingungen sehen, denen er unterworfen gewesen ist, vom Menschen so zu sprechen, als sei er „weit mehr domestieirt“ 1? als irgend ein anderes Thier. Einige wılde Rassen, z. B. die Australier, sind keinen mannichfaltigeren Bedingungen ausgesetzt gewesen als viele Species, welche sehr weite Verbreitungsbezirke haben. In einer andern und noch bedeutungsvolleren Beziehung weicht der Mensch sehr weit von jedem im strengen Sinn domestieirten Thier ab; die Nachzucht ist nämlich bei ihm weder durch methodische noch durch unbewusste Zuchtwahl con- trolirt worden. Keine Rasse oder grössere Zahl von Menschen ist von anderen Menschen so vollständig unterworfen worden, dass gewisse In- dividuen, weil sie in irgendwelcher Weise ihren Herren von grösserem Nutzen gewesen wären, erhalten und so unbewusst zur Nachzucht ge- langt wären. Auch sind sicherlich nicht gewisse männliche und weib- liche Individuen absichtlich ausgewählt und mit einander verbunden worden mit Ausnahme des bekannten Falles der preussischen Grena- diere, und in diesem Falle folgte, wie man von vornherein erwarten konnte, der Mensch dem Gesetze methodischer Zuchtwahl; denn es wird ausdrücklich angeführt, dass in den Dörfern, welche die Grenadiere mit ihren grossen Weibern bewohnten, viele ebenso grosse Leute aufgezogen worden sind. Betrachten wir alle Menschenrassen als eine einzige Art bildend, so ist ihre Verbreitung ganz enorm; aber schon einzelne verschiedene Rassen, wie die Amerikaner und Polynesier, haben sehr weite Verbrei- tungsbezirke. Es ist ein bekanntes Gesetz, dass weitverbreitete Species !l Mr. Bates bemerkt (The Naturalist on the Amazons. 1863. Vol. II, p. 159) in Bezug auf die Indianer eines und desselben südamerikanischen Stammes; „nieht zwei von ihnen waren in der Form des Kopfes einander überhaupt ähn- „lich; der eine hatte ein ovales Gesicht mit schönen Zügen, ein anderer war völlig „mongolisch in der Breite und dem Vorspringen der Backen, der Oeffnung der „Nasenlöcher und der Schiefheit der Augen.“ 12 Blumenbach, Treatises on Anthropology, engl. Uebers. 1865, p. 205. Cap. 4. Variabilität des Menschen. 97 vie] variabler sind als Species mit beschränkter Verbreitung; und man kann weit zutreffender die Variabilität des Menschen mit der weitver- breiteter Species als mit der domesticirter Thiere vergleichen. Die Variabilität scheint nicht bloss beim Menschen und den nie- deren Thieren durch dieselben allgemeinen Ursachen veranlasst worden zu sein, sondern in beiden Fällen werden auch dieselben Merkmale in einer streng analogen Weise affieirt. Dies ist mit so ausführlichen De- tails von GODRON und QUATREFAGES erwiesen worden, dass ich hier nur auf deren Werke zu verweisen habe !?. Auch die Monstrositäten, welche allmählich in unbedeutende Varietäten übergehen, sind beim Menschen und den niederen Thieren einander so ähnlich, dass für beide dieselbe Classification und dieselben Bezeichnungen gebraucht werden können, wie man aus ISIDORE GEOFFROY Sr. HILArRE’S grossem Werk sehen kann !#. Dies ist eine nothwendige Folge davon, dass dieselben Ge- setze der Veränderung durch das ganze Thierreich hindurch herrschen. In meinem Buche über das Variiren domesticirter Thiere habe ich den Versuch gemacht, in einer flüchtigen Weise die Gesetze des Variirens unter die folgenden Punkte zu ordnen: Die direete und bestimmte Wir- kung veränderter Bedingungen, wie sich dieselben bei allen oder fast allen Individuen einer und derselben Species zeigt, welche unter den- selben Umständen in einer und derselben Art und Weise abändern; — die Wirkungen lange fortgesetzten Gebrauchs oder Nichtgebrauchs von Thei- len; — die Verwachsung homologer Theile; — die Variabilität in Mehr- zahl vorhandener Theile; — Compensation des Wachsthums, doch habe ich von diesem Gesetz beim Menschen kein entscheidendes Beispiel ge- funden; — die Wirkungen des mechanischen Drucks eines Theils auf einen andern, wie der Druck des Beckens auf den Schädel des Kindes im Mutterleibe; — Entwickelungshemmungen, welche zur Verkleinerung oder Unterdrückung von Theilen führen; — das Wiedererscheinen lange ver- lorener Charactere durch Rückschlag; — und endlich correlative Abände- rung. Alle diese sogenannten Gesetze gelten in gleicher Weise für den Menschen, wie für die niederen Thiere und die meisten derselben sogar für Pflanzen. Es wäre hier überflüssig, sie alle zu erörtern !?; meh- 13 Godron, De l’espece. 1359. Tom. II. Buch 3. Quatrefages, Unite de l’espece humaine. 1861; auch die Vorlesungen über Anthropologie, mitge- theilt in der Revue des Cours Scientifique. 186668. 4 Histoire gener. et partic. des Anomalies de l’Organisation. Tom. I. 1832. 15 Ich habe diese Gesetze ausführlich in dem Buche „Ueber das Variiren DAntwın, Abstammung 1. Zweite Auflage. 7 98 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. rere sind aber für uns von solcher Bedeutung, dass sie mit ziemlicher Ausführlichkeit behandelt werden müssen. Die direete und bestimmte Wirkung veränderter Bedin- gungen. — Dies ist ein äusserst verwickelter Gegenstand. Es lässt sich nicht läugnen, dass veränderte Bedingungen irgendwelchen Einfluss und gelegentlich sogar eine beträchtliche Wirkung auf die Organismen aller Arten äussern, und es scheint zunächst wahrscheinlich, dass, wenn man hinreichend Zeit gestattete, ein solches Resultat unabänderlich ein- treten würde. Doch ist mir’s nicht gelungen, deutliche Beweise zu Gun- sten dieser Folgerung zu erhalten; es lassen sich auch auf der andern Seite gültige Gründe für das Gegentheil anführen, mindestens soweit die zahllosen Bildungs-Eigenthümlichkeiten in Betracht kommen, welche spe- ciellen Zwecken 'angepasst sind. Es kann indessen kein Zweifel sein, dass veränderte Bedingungen einen fast endlosen Betrag von fluetuirender Variabiltät veranlassen, wodurch die ganze Organisation in gewissem Grade plastisch gemacht wird. In den Vereinigten Staaten wurde über eine Million Soldaten, welche während des letzten Kriegs dienten, gemessen und die Staaten, in denen sie geboren und erzogen waren, notirt 16. Aus dieser stau- nenswerthen Zahl von Beobachtungen ergibt sich der Beweis, dass lo- cale Einflüsse irgendwelcher Art direct auf die Grösse wirken; und wir lernen ferner, „dass der Staat, in dem das Wachsthum. zum grossen „Theil stattgehabt hat, und der Staat der Geburt, welcher die Abstam- „mung ergibt, gleichfalls einen ausgesprochenen Einfluss auf die Grösse „auszuüben scheinen.“ So ist z. B. als feststehend ermittelt, dass „ein „Aufenthalt in den westlichen Staaten während der Jahre des Wachs- „thums eine Zunahme der Grösse hervorzubringen neigt“. Andrerseits ist es sicher, dass bei Matrosen die Lebensweise das Wachsthum hemmt, wie sich „aus der bedeutenden Verschiedenheit der Grösse von Soldaten „und Matrosen im Alter von 17 und 18 Jahren ergibt“. Mr. B.. A. (uoLD versuchte die Ursachen dieser Einflüsse festzustellen, welche der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“. Bd. 2, Cap. 22 u. 23 erörtert. J. P. Duraud hat vor nicht langer Zeit (1868) eine werthvolle Ab- handinng veröffentlicht: De l’Influence des Milieux etc. Er legt auf die Beschaf- fenheit des Bodens grosses Gewicht. 16 Investigations in Military and Anthropological Statisties by B. A. Gould. 1869, p. 95, 107, 126, 131, 154. sh - Cap. 4. Wirkung veränderter Bedingungen. 99 hiernach auf die Grösse einwirken; er gelangte indess nur zu negativen Resultaten, nämlich dass sie weder im Clima noch in der Bodener- hebung des Landes, noch selbst „in irgendwelchem controlirbaren Grade“ in der»Reichlichkeit oder dem Mangel der Lebensannehmlichkeiten lie- gen. "Diese letzte Schlussfolgerung steht im directen Gegensatz zu der, zu welcher VILLERME nach der Statistik der Körpergrösse der in ver- schiedenen Theilen Frankreichs Conseribirten gelangte. Wenn wir die Verschiedenheit in der Körpergrösse zwischen den polynesischen Häupt- lingen und den niedrigeren Volksstämmen derselben Inselgruppeu, oder zwischen den Einwohnern der fruchtbaren vulkanischen und der nied- rigen unfruchtbaren Koralleninseln desselben Oceans !7, oder ferner zwi- schen den Feuerländern der östlichen und westlichen Küsten ihres Hei- matlandes, wo die Subsistenzmittel sehr verschieden ‘sind, mit einan- der vergleichen, so ist es kaum möglich, den Schluss zu umgehen, dass bessere Nahrung und grösserer Comfort die Körpergrösse beeinflussen. Die voranstehenden Angaben zeigen aber, wie schwierig es ist, zu ir- gend einem präeisen Resultate zu gelangen. Dr. BEppor hat vor Kur- zem nachgewiesen, dass bei den Einwohnern Grossbritanniens der Auf- enthalt in Städten und gewisse Beschäftigungen einen die Körpergrösse beeinträchtigenden Einfluss haben; und er schliesst ferner, dass das Resultat in einer gewissen Ausdehnung vererbt wird, wie es auch in den Vereinigten Staaten der Fall ist. Weiter glaubt auch Dr. BEDDoE, dass, wo nur immer „eine Rasse das Maximum ihrer physischen Ent- „wickelung erlangt, sie auch an Energie und moralischer Kraft sich am „höchsten erhebt“ '®, Ob äussere Bedingungen irgend eine andre directe Wirkung auf den Menschen äussern, ist nicht bekannt. Es hätte sich erwarten las- sen, dass Verschiedenheiten des Clima einen ausgesprochenen Ein- fluss haben würden, da bei einer niederen Temperatur die Lungen und Nieren zu grösserer Thätigkeit und bei einer höheren Temperatur die Leber und die Haut zu einer solchen herangezogen werden !°, Man meinte 17 In Bezug auf Polynesier siehe Prichard, Physical History of Mankind. Vol. V. 1847, p. 145, 283; auch Godron, De l’espece, Tom. II, p. 289. Es be- steht auch eine merkwürdige Verschiedenheit in der äusseren Erscheinung zwi- schen den nahe verwandten Hindus des oberen Ganges und Bengalens, s. E- phinstone, History of India. Vol. I, p. 524. 15 Memoirs Anthropolog. Soc. Vol. Ill. 1867—69, p. 561, 565, 567. 19 Dr. Brakenridge, Theory of Diathesis, in: Medical Times June, 19, und Juli, 17, 1369. De 77 100 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. früher, dass die Hautfarbe und die Beschaffenheit des Haares durch Licht oder Wärme bestimmt würden; und obgleich sich kaum läugnen lässt, dass eine gewisse Wirkung hierdurch ausgeübt wird, so stimmen fast alle Beobachter jetzt darin überein, dass die Wirkung nur sehr,gering gewesen ist, selbst nach viele Jahre dauernder Einwirkung. Doch wird dieser Gegenstand besser dann noch erörtert werden, wenn wir von den verschiedenen ‘Rassen der Menschen reden. In Bezug auf unsere do- mesticirten Thiere haben wir Gründe zu der Annahme, dass Kälte und Feuchtigkeit direet das Wachsthum der Haare affıciren; für den Men- schen ist mir aber kein entscheidender Beweis hierfür begegnet. Wirkung des vermehrten Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Theilen. — Es ist allgemein bekannt, dass der Gebrauch die Muskeln des Individuums kräftigt und dass völliger Nichtgebrauch oder die Zerstörung des betreffenden Nerven sie schwächt. Wird das Auge zerstört, so wird der Sehnerv häufig atrophisch; wenn eine Arterie un- terbunden wird, so nehmen die seitlichen Blutgefässe nicht bloss an Durchmesser, sondern auch an Dicke und Kraft ihrer Wandungen zu. Hört in Folge von Krankheit die eine Niere auf zu wirken, so nimmt die andere an Grösse zu und verrichtet doppelte Arbeit. Knochen nehmen nicht bloss an Dicke, sondern auch an Länge zu, wenn sie grössere (Gewichte zu tragen haben 2°. Verschiedene gewohnheitsgemäss ausge- übte Beschäftigungen bringen veränderte Verhältnisse zwischen ver- schiedenen Theilen des Körpers hervor. So wurde durch die Commis- sion der Vereinigten Staaten mit Bestimmtheit festgestellt ?!, dass die Beine der im letzten Kriege verwendeten Matrosen um 0,217 Zoll län- ger waren, als die der Soldaten, trotzdem dass die Matrosen im Mittel kleiner waren; dagegen waren ihre Arme um 1,09 kürzer und daher ausser Verhältniss kürzer in Bezug auf ihre geringere Grösse. Diese Kürze der Arme ist offenbar Folge ihres stärkeren Gebrauchs und ist ein ganz unerwartetes Resultat; doch benutzen Matrosen ihre Arme hauptsächlich zum Ziehen und nicht zum Tragen von Lasten. Der Um- fang des Nackens und die Höhe des Spanns sind bei Matrosen grösser, 20 Ich habe Gewährsmänner für diese verschiedenen Angaben angeführt in meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.“ Bd. 2, S. 394—397. Dr. Jäger, über das Längenwachsthum der Knochen in der Jenaischen Zeitschrift. Bd. 5, Heft 1. 2! Investigations etc. von B. A. Gould, 1869, p. 288. Cap. 4. Vermehrter Gebrauch und Nichtgebrauch. 101 während der Umfang der Brust, der Taille und der Hüften geringer ist als bei Soldaten. Ob die verschiedenen hier angeführten Modificationen erblich wer- den würden, wenn dieselbe Lebensweise während vieler Generationen befolgt würde, ist unbekannt, aber wahrscheinlich. Rensger 2? schreibt die dünnen Beine und die dieken Arme der Payaguas-Indianer dem Um- stande zu, dass aufeinanderfolgende Generationen fast ihr ganzes Leben in Booten zugebracht haben, wobei ihre unteren Gliedmassen bewe- gungslos geworden sind. Andere Schriftsteller sind in Bezug auf andere analoge Fälle zu einem ähnlichen Schlusse gelangt. Nach Uranz ?®, welcher lange Zeit unter den Eskimos lebte, „glauben die Eingebore- „nen, dass der Scharfsinn und das Geschick zum Robbenfangen (ihre „höchste Kunst und Tugend) erblich sind, und jedenfalls ist etwas Wah- „res hieran; denn der Sohn eines berühmten Robbenfängers wird sich „auszeichnen, auch wenn er seinen Vater in der Kindheit schon ver- „loren hat.“ Doch scheint in diesem Falle die geistige Anlage ebenso wie die körperliche Bildung vererbt zu sein. Es wird angeführt, dass die Hände englischer Arbeiter schon bei der Geburt grösser sind als die der besitzenden Classe?*. Nach der Correlation, welche wenigstens in manchen Fällen 2° zwischen der Entwickelung der Gliedmaassen und der Kiefer besteht, ist es möglich, dass bei den Classen, welche nicht viel mit ihren Händen und Füssen arbeiten, die Kiefer schon aus diesem Grunde an Grösse abnehmen. Dass sie allgemein bei veredelten und eivilisirten Menschen kleiner sind als bei harte Arbeit verrichtenden oder Wilden, ist sicher. Doch wird, wie Mr. HERBERT SPENCER 26 bemerkt hat, bei Wilden der bedeutendere Gebrauch der Kiefer zum Kauen grober, ungekochter Nahrung in einer direeten Weise auf die Kaumuskeln und auf die Knochen, an welchen diese befestigt sind, einwirken. Bei Kindern ist schon lange vor der Geburt die Haut an den Fusssohlen dicker als an irgend einem andern Theile des Körpers 2°; und es lässt sich kaum zweifeln, dass dies eine Folge der vererbten Wirkungen des Drucks durch eine lange Reihe von Generationen ist. ?? Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 4. >3 History of Groenland. 1767, Vol. I, p. 230. 24 Intermarriage by Alex. Walker. 1838, p. 377. 25 Variiren der Thiere und Pflanzen, Bd. 1, S. 214. 26 Principles of Biology. Vol. I. p. 455. 27 Paget, Lectures on Surgical Pathology. Vol. I. 1853, p. 209. 102 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, dass Uhrmacher und Kupferstecher sehr leicht kurzsichtig werden, während Matrosen und besonders Wilde meist weitsichtig sind. Kurzsichtigkeit und Weitsich- tigkeit neigen sicher zur Vererbung ?®. Die Inferiorität der Europäer in Bezug auf das Gesicht und die anderen Sinne im Vergleich mit Wil- den ist ohne. Zweifel die sich häufende und vererbte Wirkung eines viele Generationen hindurch verminderten Gebrauchs; denn RENGGER führt an ?°, dass er wiederholt Europäer beobachtet hat, welche unter wilden Indianern aufgezogen waren und ihr ganzes Leben dort ver- bracht hatten und welche nichtsdestoweniger es ihnen an Schärfe ihrer Sinne nieht gleichthun konnten. Derselbe Naturforscher macht die Be- merkung, dass die zur Aufnahme der verschiedenen Sinnesorgane am Schädel vorhandenen Höhlen bei den amerikanischen Ureinwohnern grös- ser sind als bei Europäern; und dies weist ohne Zweifel auf eine ent- sprechende Verschiedenheit in den Dimensionen der Organe selbst hin. Auch BrLumEnBacH hat über die bedeutende Grösse der Nasenhöhlen in den Schädeln amerikanischer Eingeborener Bemerkungen gemacht und bringt diese Thatsache mit ihrem merkwürdig scharfen Geruchsinn in Beziehung. Die Mongolen der weiten Ebenen von Nordasien haben ‘ Parzas zufolge wunderbar vollkommene Sinne; und PricHarp glaubt, dass die grosse Breite ihrer Schädel, von einem Backenknochen zum andern, Folge ihrer höchst entwickelten Sinnesorgane sei ?". Die Quechua-Indianer bewohnen die Hochplateaux von Peru; und ALCIDE D’ORBIGNY führt an ?!, dass sie in Folge des Umstands, dass sie beständig eine sehr verdünnte Luft einathmen, Brustkasten und Lungen von ausserordentlichen Durchmessern erlangt haben. Auch sind die Lungenzellen grösser und zahlreicher als bei Europäern. Diese Beob- ”° Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, Ss 10: 29 Säugethiere von Paraguay. S. 8, 10. Ich habe reichlich Gelegenheit ge- habt, das ausserordentliche Sehvermögen der Feuerländer zu beobachten. S. auch Lawrence (Lectures on Physiology etc. 1822, p. 404) über denselben Gegen- stand. Mr. Giraud-Teulon hat neuerdings (Revue des Cours scientifiques, 1870, p-. 625) eine grosse und werthvolle Zahl von Beweisen gesammelt, welche zeigen, dass die Ursache der Kurzsichtigkeit „e’est le travanl assidu, de pres. 3° Prichard, Physic. Hist. of Mankind (nach der Autorität von Blumen- bach). Vol. 1. 1851, p. 311; die Angabe von Pallas ebenda. Vol. IV. 1844, p. 407. 3! Citirt von Prichard, Researches into the phys. hist. of Mankind. Vol. V, p- 463. Cap. 4. Vermehrter Gebrauch und Nichtgebrauch. 103 achtungen sind in Zweifel gezogen worden; aber Dr. ForBES hat sorg- fältig viele Aymaras, von einer verwandten Rasse, gemessen, welche in der Höhe von zehn und fünfzehntausend Fuss leben; und er theilt mir mit; 3? dass sie von den Menschen aller andern Rassen, welche er gesehen habe, auffällig in dem Umfang und der Länge ihrer Körper abweichen. In seiner Tabelle von Maassen wird die Grösse jedes Men- schen zu tausend genommen und die andern Maassangaben auf diese Zahl bezogen. Es zeigt sich hier, dass die ausgestreckten Arme der Aymaras kürzer als die der Europäer und viel kürzer als die der Neger sind. Die Beine sind gleichfalls kürzer und sie bieten die merkwür- dige Eigenthümlichkeit dar, dass bei jedem durchgemessenen Aymaras der Oberschenkel factisch kürzer als das Schienbein ist. Im Mittel verhält sich die Länge des Oberschenkels zu der des Schienbeins wie 211:252, während bei zwei zu derselben Zeit gemessenen Europäern die Oberschenkel zu den Schienbeinen sich wie 244 : 230 und bei drei Negern wie 258: 241 verhielten. Auch der Oberarm ist im Verhält- niss zum Unterarm kürzer. Diese Verkürzung des Theils der Glied- massen, welcher dem Körper am nächsten ist, scheint mir, wie Mr. FoRBES vermuthungsweise andeutet, ein Fall von Compensation im Verhältniss zu der bedeutend vergrösserten Länge des Rumpfs zu sein. Die Aymaras bieten auch einige andre eigenthümliche Punkte in ihrem Körperbau dar, so z. B. das sehr geringe Vorspringen ihrer Fersen. Diese Leute sind so vollständig an ihren kalten und hohen Auf- 'enthaltsort acelimatisirt, dass sie sowohl früher, als sie von den Spa- niern in die niedrigeren östlichen Ebenen hinabgeführt, als später, wo sie durch die hohen Lohnsätze versucht wurden, die Goldwäschereien aufzusuchen, eine schreckenerregende Sterblichkeitsziffer darboten. Nichts- destoweniger fand Mr. ForBzs ein paar rein im Blut erhaltene Fami- lien, welche zwei Generationen hindurch leben geblieben waren, und machte die Beobachtung, dass sie noch immer ihre characteristischen Eigenthümlichkeiten vererbten. Aber selbst ohne Messung fiel es auf, dass diese Eigenthümlichkeiten sich alle vermindert hatten, und nach der Messung zeigte sich, dass ihre Körper nicht in dem Maasse ver- längert waren, wie die der Leute auf dem Hochplateau, während ihre Oberschenkel sich etwas verlängert hatten, ebenso wie ihre Schienbeine, wenn auch in geringerem Grade. Die Maassangaben selbst kann man 32 Mr. Forbes’s werthvolle Arbeit ist jetzt publieirt in: Journal of the Eth- nological Soc. of London. New. Ser. Vol. II. 1870, p. 195. 104 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. in Mr. Forges Abhandlung nachsehen. Nach diesen werthvollen Be- obachtungen lässt sich, wie ich meine, nicht zXeifeln,, dass ein viele (Generationen lange dauernder Aufenthalt in einem sehr hoch gelegenen Theile sowohl direct als indirect erbliche Modificationen in den Körper- proportionen herbeizuführen neigt 3. Mag auch der Mensch während der späteren Zeiten seiner Existenz in Folge des vermehrten oder verminderten Gebrauchs von Theilen nicht sehr modifieirt worden sein, so zeigen doch die hier gegebenen That- sachen, dass er die Eigenschaft, hierdurch beeinflusst zu werden, nicht verloren hat, und wir wissen positiv, dass dasselbe Gesetz für die Thiere (Gültigkeit hat. In Folge hiervon können wir schliessen, dass, ale zu einer sehr frühen Epoche die Urerzeuger des Menschen sich in einem Uebergangszustand befanden und sich aus Vierfüssern zu Zweifüssern umwandelten, natürliche Zuchtwahl wahrscheinlich in hohem Maasse durch die vererbten Wirkungen des vermehrten oder verminderten Ge- brauchs der verschiedenen Theile des Körpers unterstützt worden sein mag. Entwickelungshemmungen. — Entwickelungshemmungen wei- chen von Wachsthumshemmungen darin ab, dass die Theile auf einem früheren Zustand stehen bleiben und nur zu wachsen fortfahren, wäh- rend sie noch immer ihre frühere Form beibehalten. Verschiedene Mon- strositäten fallen unter diese Kategorie und einige sind bekanntlich ge- legentlich vererbt worden, wie z. B. die Gaumenspalte. Für unsern Zweck wird es genügen, auf die Entwickelungshemmung («es Gehirns bei mierocephalen Idioten hinzuweisen, wie sie Vo@T in seiner grösseren Abhandlung beschrieben hat **. Ihre Schädel sind kleiner und ihre Gehirnwindungen weniger complieirt als beim normalen Menschen. Die Stirnhöhlen oder die Vorsprünge über den Augenbrauen sind bedeutend entwickelt und die Kiefer sind prognath in einem „effrayanten“ Grade, so dass diese Idioten gewissermassen den niederen Typen des Menschen ähnlich sind. Ihre Intelligenz und die meisten.ihrer geistigen Fähig- keiten sind äusserst schwach. Sie sind nicht im Stande, die Fähigkeit der Sprache zu erlangen und sind einer fortgesetzten Aufmerksamkeit völlig unfähig, aber sehr geneigt, nachzuahmen. Sie sind kräftig und 33 Dr. Wilekens (Landwirthschaftliches Wochenblatt, No. 10, 1869) hat vor Kurzem eine interessante Abhandlung veröffentlicht, worin er zeigt, wie domesti- eirte Thiere, welche in bergigen Gegenden leben, einen modifieirten Körperbau haben. 34 Mömoire sur les Microc&phales. 1867, p. 50, 125, 169, 171, 184—198. Cap. 4. Entwickelungshemmungen. — Rückschlag. 105 merkwürdig lebendig, beständig herumtanzend und springend und Gri- massen schneidend. Sie kriechen oft Treppen auf allen Vieren hinauf und klettern merkwürdig gern an Möbeln oder Bäumen in die Höhe. Wir werden hierdurch an das Entzücken erinnert, mit welchem alle Knaben Bäume erklettern; und dies wiederum erinnert uns an junge Lämmer und Ziegen, welche, ursprünglich alpine Thiere, sich daran er- götzen, auf jeden Hügel, wie klein er auch sein mag, zu springen. Rückschlag. — Viele der nun mitzutheilenden Fälle hätten unter der letzten Ueberschrift schon gegeben werden können. Sobald irgend eine Bildung in ihrer Entwickelung gehemmt ist, aber noch fortwächst, bis sie einer entsprechenden Bildung bei einem niedrigeren und erwach- senen Mitglied derselben Gruppe streng ähnlich wird, können wir sie in gewissem Sinne als einen Fall von Rückschlag betrachten. Die niederen Mitglieder einer Gruppe geben uns eine Idee, wie der gemein- same Urerzeuger der Gruppe ‘wahrscheinlich gebildet war; und es ist kaum glaublich, dass ein auf einer früheren Stufe der embryonalen Ent- wickelung stehen gebliebener Theil im Stande sein sollte, in seinem Wachsthum so weit fortzuschreiten, dass er schliesslich seine besondere Function verrichten kann, wenn er nicht diese Fähigkeit des Fortwach- sens während eines früheren Zustandes seiner Existenz, wo der aus- nahmsweise oder gehemmte Bildungszustand normal war, erlangt hätte. Das einfache Gehirn eines microcephalen Idioten kann, insoweit es dem eines Affen gleicht, in diesem Sinne wohl als ein Fall von Rückschlag bezeichnet werden. Es gibt aber andere Fälle, welche noch strenger unter das vorliegende Capitel des Rückschlags gehören. Gewisse Bildun- sen, welche regelmässig bei den niederen Thieren der Gruppe, zu wel- cher der Mensch gehört, vorkommen, treten gelegentlich auch bei ihm auf, wenn sie sich auch nicht an dem normalen menschlichen Embryo vorfinden, oder sie entwickeln sich, wenn sie an dem normalen Embryo vorhanden sind, in einer abnormen Weise, obschon diese Entwickelungs- weise den niedrigeren Gliedern derselben Gruppe eigen ist. Diese Be- merkungen werden durch die folgenden Erläuterungen noch deutlicher werden. Bei verschiedenen Säugethieren geht der Uterus allmählich aus der Form eines doppelten Organs mit zwei getrennten Oeflnungen und zwei Canälen, wie bei den Beutelthieren, in die Form eines einzigen Organes über, welches mit Ausnahme einer kleinen inneren Falte kein weiteres 106 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. Zeichen der Verdoppelung zeigt; so bei den höheren Affen und dem Menschen. Die Nagethiere bieten eine vollständige Reihe von Abstu- fungen zwischen diesen beiden äussersten Zuständen dar. Bei allen Säugethieren entwickelt sich der Uterus aus zwei primitiven "Tuben, deren untere Theile die Hörner bilden, und mit den Worten des Dr. FARRE: „der Körper des Uterus bildet sich beim Menschen durch die „Verwachsung der beiden Hörner an ihren unteren Enden, während bei „denjenigen Thieren, bei welchen kein mittlerer Theil oder Körper exi- „stirt, die Hörner unvereint bleiben. In dem Maasse, als die Entwicke- „lung des Uterus fortschreitet, werden die beiden Hörner allmählich „kürzer, bis sie zuletzt verloren oder gleichsam in den Körper des „Uterus absorbirt werden.“ Die Winkel des Uterus sind noch immer, selbst so hoch in der Stufenreihe wie bei den niederen Affen und ihren Verwandten, den Lemuren, in Hörner ausgezogen. Nun finden sich nicht selten bei Frauen anomale Fälle vor, wo der reife Uterus mit Hörnern versehen oder theilweise in zwei Organe gespalten ist; und derartige Fälle wiederholen nach Owen die Ent- wickelungsstufe „der allmählichen Concentration“, welche gewisse Nage- thiere erreichen. Wir haben vermuthlich hier ein Beispiel einer ein- fachen Hemmung der embryonalen Entwickelung vor uns mit nachfol- gendem Wachsthum und völliger functioneller Entwickelung; denn beide Seiten des theilweise doppelten Uterus sind fähig, die ihm eigenen Leistungen während der Trächtigkeit zu vollziehen. In noch andern und selteneren Fällen sind zwei getrennte Uterinhöhlen gebildet, von denen jede ihre eigene Oeffnung und ihren Canal besitzt ?°. Während der gewöhnlichen Entwickelung des Embryo wird kein derartiger Zustand durchlaufen und es ist schwer, wenn auch vielleicht nicht unmöglich, anzunehmen, dass die beiden einfachen kleinen primitiven Tuben (wenn der Ausdruck gestattet ist) wissen sollten, wie sie in zwei getrennte Uteri auszuwachsen haben, jeder mit einer wohlgebildeten Oeffnung und einem Canal und jeder mit zahlreichen Muskeln, Nerven, Drüsen und (refässen versehen, wenn sie nicht früher einmal einen ähnlichen Ver- lauf der Entwickelung, wie bei den noch jetzt lebenden Bentelthieren, durchschritten hätten. Niemand wird behaupten mögen, dass eine so vollkommene Bildung wie der abnorme doppelte Uterus bei Frauen das 3 s.Dr. A. Farre’s bekannten Artikel in der Cyclopaedia of Anatomy and Phys. Vol. V. 1859, p. 642. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. II. 1868, p. 687. Prof. Turner, in: Edinburgh Medical Journal, Febr. 1865. Cap. 4. Rückschlag. 107 Resultat blossen Zufalls sein könne. Aber das Prineip des Rückschlags, durch welches lange verlorene latente Bildungen von Neuem in’s Leben gerufen werden, mag als Führer für die volle Entwickelung des Organs dienen, selbst nach dem Verlauf einer enorm langen Zeit. Professor CAnESTRInI ?° kommt nach Erörterung der vorstehenden und noch anderer analogen Fälle zu demselben Schluss, wie der eben mitgetheilte. Er führt als ferneres Beispiel noch das Wangenbein an, welches bei einigen Quadrumanen und andern Säugethieren normal aus. zwei Theilen besteht. Dies ist sein Zustand im zweimonatlichen mensch- lichen Fötus; und so bleibt es zuweilen in Folge von Entwickelungs- hemmung beim erwachsenen Menschen und besonders bei den niederen prognathen Rassen. Hieraus schliesst CAnESTRINI, dass irgend ein frühe- rer Urerzeuger des Menschen diesen Knochen normal in zwei Theile getheilt besessen haben muss, welche später mit einander verschmolzen sind. Beim Menschen besteht das Stirnbein aus einem einzigen Stück, aber im Embryo und bei Kindern und bei fast allen niederen Thieren besteht es aus zwei durch eine deutliche Naht getrennten Stücken. Diese Naht bleibt gelegentlich mehr oder weniger deutlich beim Men- schen noch nach der Reifeperiode bestehen und findet sich häufiger bei alten als bei neuen Schädeln und besonders, wie CAnESTRINI beobachtet hat, bei den aus der Driftformation ausgegrabenen und zum brachyce- phalischen Typus gehörigen Schädeln. Auch hier gelangt er wieder zu demselben Schluss, wie bei dem analogen Falleevom Wangenbein. Bei diesen und andern sofort zu gebenden Beispielen scheint die Ursache des Umstandes, dass ältere Rassen niederen Thieren in gewissen Merk- malen sich häufiger annähern, als es neuere Rassen thun, die zu sein, dass die letzteren durch einen etwas grösseren Abstand in der langen Descen- denzreihe von ihren früheren halbmenschlichen Vorfahren getrennt sind. Verschiedene andere Anomalien beim Menschen, welche den vor- stehenden mehr oder weniger analog sind, sind von verschiedenen Schrift- stellern 3” als Fälle von Rückschlag aufgeführt worden; doch scheinen 36 Annuario della Soc. dei Naturalisti in Modena. 1867, p. 83. Prof. Cane- strini gibt Auszüge aus verschiedenen Autoren über diesen Gegenstand. Lau- rillard bemerkt, dass er in der Form, den Proportionen und der Verbindung der beiden Wangenbeine bei mehreren menschlichen Körpern und gewissen Affen eine vollständige Aehnlichkeit gefunden habe und dass er diese Anordnung der Theile als einen blossen Zufall nicht zu betrachten vermöge. 3? Eine ganze Reihe von Fällen hat Isid. Geoffroy St. Hilaire gegeben Hist. des Anomalies. Tom. III, p. 437. 108 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. dieselben ziemlich zweifelhaft zu sein; denn wir müssen ausserordent- lich tief in der Säugethierreihe hinabsteigen, ehe wir derartige Ver- hältnisse normal vorhanden finden 3®, Beim Menschen sind die Eckzähne vollständig wirkende Kauwerk- zeuge; aber ihr eigentlicher Character als Eekzähne wird, wie Owen bemerkt ?° „durch die conische Form ihrer Krone angedeutet, welche „in einer stumpfen Spitze endet, nach aussen gonvex, nach innen eben „oder subconvex ist und an der Basis der innern Fläche einen schwa- „chen Vorsprung zeigt. Die eonische Form ist am besten bei den me- „lanischen Rassen, besonders bei den Australiern ausgedrückt. Der „Eckzahn ist tiefer und durch eine stärkere Wurzel als die Schneide- „zähne eingepflanzt.* Und doch dient dieser Eckzahn beim Menschen nicht mehr als eine specielle Waffe zum Zerreissen seiner Feinde oder seiner Beute; er kann daher, soweit es seine eigentliche Function be- 38 In meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domesti- cation“, Bd. 2, S. 74 schrieb ich den nicht seltenen Fall überzähliger Milchdrüsen bei Frauen dem Rückschlage zu. Ich war hierzu als zu einem wahrschein- lichen Schlusse dadurch geführt, dass die überzähligen Drüsen meist symmetrisch auf der Brust stehen, und besonders dadurch, dass in einem Falle, bei der Toch- ter einer Frau mit überzähligen Brustdrüsen, eine fungirende Milchdrüse in der Weichengegend der Frau auftrat. Prof. Preyer (der Kampf um’s Dasein. 1869, S. 45) gibt aber an, dass mammae erraticae auch an andern Stellen beobachtet worden sind, selbst auf dem Rücken; und hierdurch ist die Kraft meines Argu- ments bedeutend geschwächt, wenn nicht ganz zerstört. Mit grosser Zögerung schrieb ich in demselben Werke, Bd. 2, S. 16 die häu- figen Fälle von Polydactylismus beim Menschen dem Rückschlage zu. Zum Theil] wurde ich durch die Angabe Prof. Owen’s, dass einige Ichthyopterygier mehr als fünf Finger haben und daher, wie ich annahm, einen ursprünglichen Zustand beibehalten haben, zu dieser Erklärung veranlasst. Nachdem ich aber den Auf- satz Prof. Gegenbaur’s, der grössten Autorität in Eüropa über einen solchen Punkt, gelesen habe (Jenaische Zeitschrift Bd. V, Heft 3, S.341), worin er Owen’s Schlussfolgerung bekämpft, sehe ich wohl, dass es äusserst zweifelhaft ist, ob überzählige Finger in dieser Weise erklärt werden können. Es war die That- sache, dass derartige Finger nicht bloss häufig vorkommen und streng vererbt werden, sondern auch das Vermögen haben, nach Amputation wieder zu wachsen, wie die normalen Finger der niederen Wirbelthiere, welche mich hauptsächlich zu der obigen Folgerung führte. Diese ausserordentliche Thatsache des Wieder- wachsens bleibt unerklärlich, wenn die Annahme eines Rückschlags zu der Form eines äusserst entfernten Urerzeugers verworfen werden muss. Ich kann indess Prof. Gegenbaur nicht in der Annahme folgen, dass überzählige Finger nicht durch Rückschlag erscheinen könnten, ohne dass gleichzeitig andere Theile des Skelets gemeinsam und ähnlich modifieirt würden; denn es erscheinen oft einzelne Merkmale durch Rückschlag wieder. 39 Anatomy of Vertebrates. Vol. III. 1868, p. 323. Cap. 4. Rückschlag. 109 trifft, als rudimentär betrachtet werden. In jeder grösseren Sammlung menschlicher Schädel können einige gefunden werden, wie Häcker #0 bemerkt, bei denen der Eckzahn beträchtlich, in derselben Weise aber in einem geringeren Grade wie bei den anthropomorphen Affen, über die andern Zähne vorspringt. In diesen Fällen bleiben zwischen den Zähnen der einen Kinnlade offene Stellen zur Aufnahme der Eckzähne, welche dem entgegengesetzten Kiefer angehören. Ein Zwischenraum die- ser Art an einem Kaffernschädel, den WAGNER abbildete, ist überraschend gross *!. Bedenkt man, wie wenig alte Schädel im Vergleich mit neueren untersucht worden sind, so ist es eine interessante Thatsache,, dass in mindestens drei Fällen die Eckzähne bedeutend vorspringen und in der Kinnlade von Naulette sind sie, wie man sagt, enorm #2. Nur die Männchen der anthropomorphen Affen haben völlig ent- wickelte Eekzähne; aber beim weiblichen Gorilla und in’ einem gerin- geren Grade beim weiblichen Orang springen diese Zähne beträchtlich über die andern vor; die Thatsache also, dass, wie man mir ver- sichert hat, Frauen zuweilen beträchtlich vorspringende Eckzähne be- sitzen, bietet keinen ernstlichen Einwand gegen die Annahme dar, dass ihre gelegentlich bedeutende Entwickelung beim Menschen ein Fall von Rückschlag auf die Form des affenähnlichen Urerzeugers sei. Wer die Ansicht verlacht, dass die Form seiner eigenen Eckzähne und deren gelegentliche bedeutende Entwickelung bei andern Menschen Folge des Umstands ist, dass unsere frühen Urerzeuger mit diesen furchtbaren Waffen versehen gewesen sind, wird doch einmal die Entdeckung machen, dass er seine eigene Ahnenreihe verhöhnt hat. Denn obschon er nicht mehr diese Zähne als Waffen zu gebrauchen geneigt ist und nicht ein- mal die Kraft dazu hat, so wird er doch unbewusster Weise seine Fletschmuskeln (wie sie Sir ©. Bern *? nennt) zusammenziehen und da- durch jene Zähne, ebenso bereit einzugreifen, darbieten, wie ein Hund, der zum Kampfe bereit ist. Gelegentlich entwickeln sich viele Muskeln beim Menschen, welche andern Vierhändern oder andern Säugethieren eigen sind. Professor ee - 40 Generelle Morphologie 1866. Bd. 2, S. CLY. #1 CO. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. 1863. Bd. 1, S. 189, 190. #2 0. Carter Blake, on a jaw from La Naulette. Anthropolog. Review. 1867, p. 295. Schaaffhausen, ibid. 1868, p. 426. 43 The Anatomy of Expression. 1844, p. 110, 131. 110 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. VracovıcH ** untersuchte vierzig männliche Leichen und fand bei neun- zehn unter ihnen einen Muskel, den er den ischiopubicus nennt; bei drei andern war ein Band vorhanden, welches diesen Muskel ersetzte, und bei den übrigen achtzehn fand sich keine Spur davon. Unter dreis- sig weiblichen Leichen war dieser Muskel auf beiden Seiten nur bei zweien entwickelt, aber bei drei andern fand sich das rudimentäre Band. Es scheint daher dieser Muskel beim männlichen Geschlecht viel häu- figer zu sein als beim weiblichen, und aus dem Prineip, nach welchem der Mensch von einer niederen Form abstammt, lässt sich seine An- wesenheit wohl verstehen. Denn bei mehreren niederen Thieren ist er nachgewiesen worden und dient bei allen ausschliesslich nur den Männ- chen beim Reproductionsgeschäft. Mr. J. Woop hat in einer Reihe werthvoller Aufsätze #° eine un- geheure Anzahl von Muskelvarietäten beim Menschen ausführlich be- schrieben, welche normalen Bildungen bei niederen Thieren gleichen. Betrachtet man nur die Muskeln, welche denen gleichen, die bei unsern nächsten Verwandten, den Vierhändern, regelmässig vorhanden sind, so sind diese schon zu zahlreich, um hier auch nur angeführt zu werden. Bei einem einzigen männlichen Leichnam, welcher eine starke körper- liche Entwickelung und einen wohlgebildeten Schädel besass, wurden nicht weniger als sieben Muskelabweichungen beobachtet, welche sämmt- lich deutlich Muskeln repräsentirten, welche verschiedenen Arten von Affen eigen sind. So hatte dieser Mensch z. B. auf beiden Seiten des Halses einen echten und kräftigen Levator elavieulae, so wie er sich bei allen Arten von Affen findet und von dem man sagt, dass er bei un- gefähr einer unter sechzig menschlichen Leichen vorkommt #6. Ferner * Citirt von Prof. Canestrini in dem Annuario etc. 1867, p. 90. *: Diese Aufsätze verdienen sämmtlich von allen denen sorgfältig studirt zu werden, welche kennen zu lernen wünschen, wie häufig unsere Muskeln variiren und wie sie bei iesen Abweichungen denen der Quadrumanen ähnlich werden. Die folgenden Citate beziehen sich auf die wenigen oben im Texte mitgetheilten Punkte: Proceed. Royal Soc. Vol. XIV. 1865, p. 379—384. Vol. XV, p. 241, 242. Vol. XV. 1867, p. 544. Vol. XVI. 1868, p. 524. Ich will hier noch hinzufügen, dass Murie und St. George Mivart in ihrer Arbeit über die Lemuriden gezeigt haben, wie ausserordentlich variabel einige Muskeln bei diesen Thieren, den niefersten Formen der Primaten, sind (Transact. Zoolog. Soc. Vol. VII. 1869, p. 96). Auch allmähliche Abstufungen an den Muskeln, welche zu Bildungseigenthümlichkeiten führen, die noch niedriger stehenden Thieren eigen sind, finden sich zahlreich bei den Lemuriden. #6 Prof. Macalister in: Proceed. Roy. Irish Academy. Vol. X, 1868, p. 124. \ Cap. 4. Rückschlag. 111 hatte dieser Mensch „einen speciellen Abductor des Metatarsalknochens „der fünften Zehe, einen solchen wie er nach den Demonstrationen „von Professor Huxtzy und Mr. FLowEr gleichförmig bei den höheren „und niederen Affen existirt“. Die Hände und Arme ‘des Menschen sind ausserordentlich characteristische Bildungen, doch sind ihre Muskeln äusserst geneigt, zu variiren, so dass sie dann den entsprechenden Mus- keln bei niederen Thieren gleichen #7. Derartige Aehnlichkeiten sind entweder vollständig und vollkommen oder unvollkommen, im letzteren Fall aber offenbar von einer Uebergangsbeschaffenheit. Gewisse Abwei- chungen sind häufiger beim Mann, andere häufiger bei der Frau, ohne dass wir im Stande wären, irgend einen Grund hierfür anzuführen. Nach der Beschreibung zahlreicher Fälle macht Mr. Woon die folgende be- zeichnende Bemerkung: „bemerkenswerthe Abweichungen von dem ge- „wöhnlichen Typus der Muskelbildungen laufen in gewissen Richtungen, „welche für Andeutungen irgend eines unbekannten Factors gehalten „werden müssen, der für eine umfassende Kenntniss der allgemeinen „und wissenschaftlichen Anatomie von hoher Bedeutung ist“ #8. Dass dieser unbekannte Factor Rückschlag auf einen früheren Zu- stand der Existenz ist, kann als im höchsten Grade wahrscheinlich an- genommen werden. Es ist völlig unmöglich, dass ein Mensch nur in Folge eines blossen Zufalls abnormer Weise in nicht weniger als sieben seiner Muskeln gewissen Affen gleichen sollte, wenn nieht ein geneti- scher Zusammenhang zwischen ihnen bestände. Stammt auf der andern Seite der Mensch von irgend einer affenähnlichen Form ab, so lässt 47 Macalister (ebend. p. 121) hat diese Beobachtungen in Tabellen ge- bracht und findet, dass Muskelvarietäten am allerhäufigsten am Vorderarm sind, dann kommt das Gesicht, dann der Fuss u. s. w. 48 Dr. Haugthon theilt einen merkwürdigen Fall von Abweichung am menschlichen Flexor pollieis longus mit (Proceed. Roy. Irish Academy, June, 27; 1864, p.715) und fügt hinzu: „Dieses merkwürdige Beispiel zeigt, dass der Mensch zuweilen diejenige Anordnung der Sehnen des Daumens und der übrigen Finger besitzen kann, welche für den Macacus characteristisch ist; ob man aber einen solchen Fall so beurtheilen solle, dass hier ein Macacus aufwärts in die mensch- liche Form, oder dass ein Mensch abwärts in die Macacus-Form übergehe, oder ob man darin ein angeborenes Naturspiel sehen darf, vermag ich nicht zu ent- scheiden.“ Es gewährt wohl Genugthuung, von einem so tüchtigen Anatomen und einem so erbitterten Gegner des Evolutionismus auch nur die Möglichkeit erwähnen zu hören, dass einer der beiden ersten Annahmen zugestimmt werde. Auch Prof. Macalister hat (Proceed. Roy. Irish Academy Vol. X. 1864, p. 138) Abweichungen am Flexor pollicis longus beschrieben, welche wegen ihrer Be- ziehungen zu den Muskeln der Quadrumanen merkwürdig sind. 112 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil sich kein triftiger Grund beibringen, warum gewisse Muskeln nach einem Verlauf von vielen tausend Generationen nicht plötzlich in der- selben Weise wiedererscheinen sollten, wie bei Pferden, Eseln und Maul- thieren dunkelfarbige Streifen auf den Beinen und Schultern nach einem Verlauf von Hunderten oder wahrscheinlich Tausenden von Generationen plötzlich wieder erscheinen. Diese verschiedenen Fälle von Rückschlag sind denen von rudi- mentären Organen, wie sie im ersten Capitel mitgetheilt wurden, so nahe verwandt, dass viele von ihnen mit gleichem Recht in jedem der beiden Capitel hätten untergebracht werden können. So kann man sagen, dass ein menschlicher Uterus, welcher Hörner besitzt, in einem rudimentären Zustande dasselbe Organ gewisser Säugethiere im normalen Zustande repräsentirt. Manche Theile, welche beim Menschen rudimen- tär sind, wie das Schwanzbein bei beiden Geschlechtern und die Brust- drüsen beim männlichen Geschlecht, sind immer vorhanden, während andere, wie das supracondyloide Loch, nur gelegentlich erscheinen und daher in die Kategorie der Rückschlagsfälle hätten aufgenommen wer- den können. Diese verschiedenen auf Rückschlag ebenso wie auf Ver- kümmerung im strengen Sinne zu beziehenden Bildungen, decken die Abstammung des Menschen von irgend einer niederen Form in einer nicht miszuverstehenden Weise auf. Correlative Variationen. — Beim Menschen stehen wie bei den niederen Thieren viele Bildungen in einer so intimen Beziehung zu ein- ander, dass, wenn der eine Theil abweicht, ein anderer es gleichfalls thut, ohne dass wir in den meisten Fällen im Stande wären, irgend einen Grund beizubringen. Wir können nicht sagen, ob der eine Theil den andern beherrscht oder ob beide von irgend einem früher entwickel- ten Theile beherrscht werden. Wie Isın. GEOFFROY wiederholt betont hat, sind in dieser Weise verschiedene Monstrositäten ganz eng mit einan- der verknüpft. Ganz besonders sind homologe Bildungen geneigt, ge- meinsam abzuändern, wie wir es an den beiden Seiten des Körpers und an den oberen und unteren Gliedmaassen sehen. MECcKEL hat schon vor langer Zeit die Bemerkung gemacht, dass, wenn die Armmuskeln von ihrem eigentlichen Typus abweichen, sie fast immer die des Beins nachahmen; und so umgekehrt mit den Beinmuskeln. Die Organe des Gesichts und Gehörs, die Zähne und Haare, die Farbe der Haut und der Haare, Farbe und Constitution stehen mehr oder weniger in Corre- Cap. 4. Verhältniss der Zunahme. 113 lation #9. Professor SCHAAFFHAUSEN hat zuerst die Aufmerksamkeit auf die Beziehung gelenkt, welche otlenbar zwischen einem muskulösen Bau und den stark ausgesprochenen Oberaugenhöhlenleisten existirt, welche für die niederen Menschenrassen so characteristisch sind. Ausser den Abänderungen, welche mit mehr oder weniger Wahr- scheinlichkeit unter die vorgenannte Kategorie gruppirt werden können, gibt es noch eine grosse Classe von Variationen, welche provisorisch als spontane bezeichnet werden können; in Folge unserer Unwissenheit scheinen sie nämlich ohne irgendwelche anregende Ursache zu entstehen. Es kann indess gezeigt werden, dass derartige Variationen, mögen sie nun in unbedeutenden individuellen Verschiedenheiten oder in stark mar- kirten und plötzlichen Abweichungen des Baues bestehen, viel mehr von der Constitution des Organismus abhängen als von der Natur der Be- dingungen, welchen derselbe ausgesetzt war >”. Verhältniss der Zunahme. — Man weiss, dass eine civili- sirte Bevölkerung unter günstigen Bedingungen, wie in den Vereinigten Staaten, ihre Zahl in fünfundzwanzig Jahren verdoppelt, und nach einer Berechnung von EuULER kann dies in wenig über zwölf Jahren ein- treten °?!. Nach dem ersterwähnten Verhältniss würde die. jetzige Be- völkerung der Vereinigten Staaten, nämlich dreissig Millionen, in 657 Jahren die ganze Erdoberfläche, Wasser und Land, so dicht bevölkern, dass auf einem Quadratyard vier Menschen zu stehen haben würden. Das primäre und fundamentale Hinderniss für die fortgesetzte Zunahme des Menschen ist die Schwierigkeit, Existenzmittel zu erlangen und mit Leichtigkeit zu leben. Dass dies der Fall ist, können wir aus dem schliessen, was wir z. B. in den Vereinigten Staaten sehen, wo die Exi- stenz leicht und Raum für Viele vorhanden ist. Würden diese Mittel plötzlich in Grossbritannien verdoppelt, so würde sich auch unsere Ein- wohnerzahl schnell verdoppeln. Bei civilisirten Nationen wirkt das oben erwähnte primäre Hinderniss hauptsächlich durch das Erschweren 49 Die Autoritäten für diese verschiedenen Angaben sind aufgeführt in mei- nem Buche „Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Do- mestication“ Bd. 2, S. 425—443. : 50 Dieser ganze Gegenstand ist in dem 23. Capitel des 2. Bdes. in dem Buche „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ erörtert worden. 5I 5, das für immer merkwürdige „Essay on the prineiple of Population, by The Rev. T. Malthus. Vol. I. 1826, p. 6, 517. Darwın, Abstammung. I. Zweite Auflage. 8 414 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. der Heirathen. Auch ist das Sterblichkeitsverhältniss der Kinder in den ärmsten Classen von grosser Bedeutung, ebenso die grössere Sterb- lichkeit auf allen Altersstufen in Folge verschiedener Krankheiten bei den Bewohnern dicht bevölkerter und elender Häuser. Die Wirkungen schwerer Epidemien und Kriege werden bald bei Nationen ausgeglichen, welche unter günstigen Bedingungen leben, und sogar mehr als ausge- glichen. Auch hilft Auswanderung als ein zeitweises Hinderniss, aber bei den äusserst armen Classen in keiner grossen Ausdehnung. Wie MarrtHus bemerkt hat, haben wir Grund zu vermuthen, dass die Reproductionskraft bei barbarischen Rassen thatsächlich geringer ist als bei ceivilisirten. Positives wissen wir über diesen Gegenstand nicht, denn bei Wilden ist eine Volkszählung nie vorgenommen worden; aber nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Missionäre und An- derer, welche lange mit solchen Völkern gelebt haben, scheint es, dass ihre Familien gewöhnlich klein, dass dagegen grosse Familien im Ganzen selten sind. Zum Theil wird dies, wie man annimmt, dadurch zu er- klären sein, dass die Frauen ihre Kinder eine sehr lange Zeit hindurch stillen; aber es ist doch auch äusserst wahrscheinlich, dass Wilde, welche oft viel Noth leiden und welche keine so reichliche und nahrhafte Kost erhalten als eivilisirte Menschen, factisch weniger fruchtbar sind. In einem früheren Werke ?? habe ich gezeigt, dass alle unsere domestieir- ten Vierfüsser und Vögel und alle unsere eultivirten Pflanzen frucht- barer sind als die entsprechenden Species im Naturzustand. Die That- sachen bieten keinen triftigen Einwand gegen diesen Schluss dar, dass plötzlich mit einem Excess von Nahrung versorgte oder sehr fett ge- machte Thiere und dass plötzlich aus einem sehr armen in einen sehr reichen Boden versetzte Pflanzen mehr oder weniger steril gemacht werden. Wir können daher erwarten, dass eivilisirte Menschen, welche in einem gewissen Sinne hoch domestieirt sind, fruchtbarer als wilde Menschen seien. Es ist auch wahrscheinlich, dass die erhöhte Frucht- barkeit civilisirter Nationen, wie es bei unsern domesticirten Thieren der Fall ist, ein erblicher Character wird; es ist wenigstens bekannt, dass beim Menschen eine Neigung zu Zwillingsgeburten durch Familien läuft 3. Trotzdem, dass Wilde weniger fruchtbar erscheinen als civilisirte 32 Deber das Variüren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestica- tion. Bd. 2, S. 147—150, 219. 55 Sedgwick, British and Foreign Medico-Chirurg. Review, July, 1863, p- 170. Cap. 4. Verhältniss der Zunahme. 115 Völker, so würden sie doch an Zahl reissend zunehmen, wenn nicht ihre Menge durch gewisse Einflüsse stark niedergehalten würde. Die Santali oder Bergstämme von Indien haben in neuerer Zeit für diese Thatsache eine gute Erläuterung gegeben; denn sie haben, wie Mr. Hunter 5t gezeigt hat, seitdem die Vaccination eingeführt ist, andere Seuchen gemildert sind und der Krieg rücksichtslos unterdrückt worden ist, sich in einem ausserordentlichen Maasse vermehrt. Diese Zunahme hätte indess nicht möglich sein können, wenn dieses rohe Volk sich nicht in die benachbarten Distriete verbreitet und dort um Lohn ge- arbeitet hätte. Wilde heirathen fast immer; es tritt aber irgend eine kluge Rückhaltung doch ein, denn sie heirathen gewöhnlich nicht in dem Alter, in welchem das Heirathen am frühesten möglich ist. Häufig verlangt man von den jungen Männern den Nachweis, dass sie ein Weib erhalten können, und sie haben gewöhnlich zunächst die Summe zu ver- dienen, um welche sie die Frau von ihren Eltern kaufen. Bei Wilden beschränkt die Schwierigkeit, eine Subsistenz zu finden, ihre Zahl ge- legentlich in viel directerer Weise als bei eivilisirteren Völkern; denn alle Stämme leiden periodisch von schweren Hungersnöthen. Zu sol- chen Zeiten sind die Wilden gezwungen, viel schlechte Nahrung zu ver- zehren, und es kann nicht ausbleiben, dass ihre Gesundheit hierdurch geschädigt wird. Viele Berichte sind über ihre geschwollenen Bäuche und abgemagerten Gliedmaassen nach und während der Hungersnoth veröffentlicht worden. Ferner sind sie auch dann gezwungen viel um- herzuwandern und, wie man mir in Australien versicherte, kommen ihre Kinder in grossen Zahlen um. Da die Zeiten der Hungersnoth perio- disch wiederkehren und hauptsächlich von extremen Verhältnissen der Jahreszeiten abhängen, müssen alle Stämme in ihrer Zahl schwanken, sie können nicht stätig und regelmässig zunehmen, da bei der Versor- gung mit Nahrung keine künstliche Zunahme eintritt. Gelangen Wilde in Noth, so greifen sie gegenseitig in ihre Territorien über und das Resultat ist Krieg; doch sind sie in der That fast immer mit ihren Nachbarn in Krieg. Zu Wasser und zu Lande sind sie bei ihren Be- mühungen um Nahrung vielen Zufällen ausgesetzt, und in manchen Ländern müssen sie auch von den grösseren Raubthieren viel leiden. Selbst in Indien sind manche Distriete durch die Käubereien der Tiger geradezu entvölkert worden. 54 The Annals of Rural Bengal. by W. W. Hunter. 1868, p. 259. 2 * 116 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. MarrHus hat diese verschiedenen Hindernisse erörtert; er betont aber dasjenige nicht stark genug, welches wahrscheinlich das bedeu- tungsvollste von allen ist, nämlich Kindesmord, und besonders die Töd- tung weiblicher Kinder, und die Gewohnheit, Fehlgeburten zu veran- lassen. Diese Gebräuche herrschen jetzt in vielen Theilen der Erde, und früher scheint Kindesmord, wie Mr. M’LEnnan ?° gezeigt hat, in einem noch ausgedehnteren Grade geherrscht zu haben. Diese Gebräuche scheinen bei Wilden dadurch entstanden zu sein, dass sie die Schwie- rigkeit oder vielmehr die Unmöglichkeit einsehen, alle Kinder, welche geboren werden, zu erhalten. Zügelloses Leben kann auch noch zu den obenerwähnten Hindernissen hinzugerechnet werden; doch ist dies keine Folge des Mangels an Subsistenzmitteln, obschon Grund zu der An- nahme vorhanden ist, dass es in manchen Fällen (wie z. B. in Japan) absichtlich ermuntert worden ist, als ein Mittel, die Bevölkerung niedrig zu erhalten. Wenn wir auf eine äusserst frühe Zeit zurückblicken, ehe der Mensch die Würde der Menschlichkeit erreicht hatte, so wird er mehr durch Instinet und weniger durch Vernunft geleitet worden sein als die Wilden zur jetzigen Zeit. Unsere frühen halbmenschlichen Vorfahren werden den Gebrauch des Kindesmords nicht ausgeübt haben; denn die Instinete der niederen Thiere sind nie so verkehrt, dass sie dieselben regelmässig zur Zerstörung ihrer eigenen Nachkommenschaft führten. Es wird auch keine kluge Zurückhaltung vom Heirathen stattgefunden haben und die Geschlechter werden sich im frühen Alter reichlich ver- bunden haben. Daher werden die Urerzeuger des Menschen zu einer rapiden Zunahme geneigt gewesen sein, aber Hindernisse irgendwelcher Art, entweder periodische oder beständige, müssen ihre Zahl niedrig erhalten haben und selbst noch kräftiger als bei den jetzt lebenden Wilden. Was die genaue Beschaffenheit dieser Hindernisse gewesen sein mag, können wir ebensowenig für unsere Vorfahren wie für die meisten andern Thiere sagen. Wir wissen, dass Pferde und Rinder, welche keine sehr stark fruchtbaren Thiere sind, sich, seit sie zuerst in Südamerika dem Verwildern überlassen wurden, in einem enormen Ver- hältniss vermehrt haben. Das Thier, bei welchem die Entwickelung die meiste Zeit erfordert, nämlich der Elephant, würde in wenigen Tau- send Jahren die ganze Erde bevölkern. Die Zunahme jeder Art von 55 Primitive Marriage. 1865. Cap. 4. Natürliche Zuchtwahl. 447 Affen muss durch irgendwelches Mittel gehindert worden sein, aber nicht, wie BREHM bemerkt, durch die Angriffe von Raubthieren. Niemand wird annehmen, dass das factische Keproduetionsvermögen der wilden Pferde und Rinder in America anfangs in irgend einem merkbaren Grade ver- mehrt gewesen wäre oder dass dieses Vermögen, nachdem jeder Bezirk vollständig bevölkert war, abgenommen hätte. Ohne Zweifel wirken in diesem Falle, wie in allen andern, viele Hindernisse zusammen und ver- schiedene Hindernisse unter verschiedenen Umständen. Zeiten periodi- schen Mangels, die von ungünstigen Jahreszeiten abhängen, sind wahr- scheinlich das bedeutungsvollste von allen, und dasselbe wird von den frühesten Erzeugern des Menschen der Fall gewesen sein. ’ Natürliche Zuchtwahl. — Wir haben nun gesehen, dass der Mensch an Körper und Geist variabel ist und dass die Abänderungen entweder direet oder indireet durch dieselben allgemeinen Ursachen ver- anlasst worden sind und denselben allgemeinen Gesetzen unterliegen, wie bei den niederen Thieren. Der Mensch hat sich weit über die Oberfläche der Erde verbreitet und muss während seiner unaufhörlichen Wanderungen °% den verschiedenartigsten Bedingungen ausgesetzt ge- wesen sein. Die Einwohner des Feuerlandes, des Caps der guten Hoff- nung und Tasmaniens in der einen Hemisphäre und der arctischen Ge- genden in der andern müssen durch verschiedene Climate hindurchge- sangen sein und ihre Lebensweise viele Male verändert haben, ehe sie ihre jetzigen Wohnstätten erreichten ?”. Die frühen Urerzeuger des Menschen müssen auch wie alle andern Thiere die Neigung gehabt haben, über das Maass ihrer Subsistenzmittel hinaus sich zu vermehren ; sie müs- sen daher gelegentlich einem Kampfe um die Existenz ausgesetzt ge- wesen und in Folge dessen dem starren Gesetze der natürlichen Zucht- wahl unterlegen sein. Wohlthätige Abänderungen aller Arten werden daher entweder gelegentlich oder gewöhnlich erhalten, schädliche be- seitigt worden sein. Ich beziehe mich hierbei nicht auf stark markirte Abweichungen des Baues, welche nur in langen Zeitintervallen auftreten, sondern nur auf individuelle Verschiedenheiten. Wir wissen z.'B., dass die Muskeln unserer Hände und Füsse, welche unser Bewegungsver- mögen bestimmen, wie die der niederen Thiere °® unaufhörlicher Varia- 56 s, einige gute Bemerkungen hierüber von W. Stanley Jevons, A de- duction from Darwin’s Theory. „Nature“, 1869, p. 231. 5” Latham, Man and his Migrations. 1851,‘ p. 155. 58 Murie und St. George Mivart sagen in ihrer Anatomie der Lemuri- 118 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. bilität unterliegen. Wenn nun die affenähnlichen Urerzeuger des Men- schen, welche irgend einen Distriet, besonders einen solchen bewohnten, der in seinen Bedingungen irgend eine Abänderung erfuhr, in zwei gleiche Massen getheilt würden, so würde die eine Hälfte, welche alle die Individuen umfasste, welche durch ihr Bewegungsvermögen am besten dazu ausgerüstet wären, ihre Subsistenz zu erlangen oder sich zu ver- theidigen, im Mittel in einer grösseren Zahl überleben bleiben und mehr Nachkommen hinterlassen als die andere und weniger gut ausgerüstete Hälfte. Der Mensch ist in dem rohesten Zustand, in welchem er jetzt exi- stirt, das dominirendste Thier, was je auf der Erde erschienen ist. Er hat sich weiter verbreitet als irgend eine andere hoch organisirte Form und alle andern sind vor ihm zurückgewichen. Offenbar verdankt er diese unendliche Ueberlegenheit seinen intellectuellen Fähigkeiten, seinen socialen Gewohnheiten, welche ihn dazu führten, seine enossen zu un- terstützen und zu vertheidigen, und seiner körperlichen Bildung. Die äusserst hohe Bedeutung dieser Charactere ist durch die endgültige Entscheidung des Kampfes um’s Dasein bewiesen worden. Durch seine intellectuellen Kräfte ist die articulirte Sprache entwickelt worden, und von dieser haben seine wundervollen Fortschritte hauptsächlich abge- hangen. Er hat verschiedene Waflen, Werkzeuge, Fallen u. s. w. er- funden und ist fähig, sie zu gebrauchen; und damit vertheidigt er sich, tödtet oder fängt er seine Beute und vermag sich auf andere Weise Nahrung zu verschaffen. Er hat Flösse oder Boote gemacht, auf denen er fischen oder zu benachbarten fruchtbaren Inseln übersetzen kann. Er hat die Kunst, Feuer zu machen, entdeckt, durch welches harte, holzige Wurzeln verdaulich und giftige Wurzeln oder Kräuter unschäd- lich gemacht werden. Diese letztere Entdeckung, wahrscheinlich die grösste mit Ausnahme der Sprache, die je vom Menschen gemacht wor- den ist, rührt aus der Zeit vor dem Dämmern der Geschichte her. Diese verschiedenen Erfindungen, durch welche der Mensch im rohe- sten Zustand ein solches Uebergewicht erhalten hat, sind das directe Resultat der Entwickelung seiner Beobachtungskräfte, seines Gedächt- nisses, seiner Neugierde, Einbildung und seines Verstandes. Ich kann den (Transact. Zoolog. Soc. Vol. VII. 1869, p. 96—98) „einige Muskeln sind so „unregelmässig, dass sie keiner der erwähnten Gruppen irgendwie eingeordnet „werden können.“ Diese Muskeln weichen selbst in den beiden Seiten eines und desselben Individuum von einander ab. Cap. 4. Natürliche Zuchtwahl. 119 daher nicht verstehen, wie Mr. Warrtack behaupten kann 0, dass „na- „türliche Zuchtwahl den Wilden nur mit einem um ein Weniges grös- „seren Gehirn als dem eines Affen hätte versehen können,* Obgleich die intellectuellen Kräfte und socialen Gewohnheiten von der äussersten Bedeutung für den Menschen sind, so dürfen wir doch die Bedeutung seines körperlichen Zustands, welchem Gegenstand der noch übrige Theil dieses Capitels gewidmet sein wird, nicht unterschätzen. . Die Entwiekelung der intelleetuellen und socialen oder moralischen Fähig- keiten wird in dem folgenden Capitel erörtert werden. Selbst mit Präeision zu hämmern ist keine leichte Sache, wie Je- der, der das Tischlern zu erlernen versucht hat, zugeben wird. Einen ' Stein so genau nach einem Ziele zu werfen, wie es ein Feuerländer kann im Falle der Selbstvertheidigung oder wenn er Vögel tödtet, er- fordert die höchste Vollendung der in Correlation stehenden Wirkungen der Muskeln der Hand, des Arms und der Schultern, einen feinen Ge- fühlssinn dabei gar nicht zu erwähnen. Um einen Stein oder einen Speer zu werfen, und zu vielen andern Handlungen, muss der Mensch fest auf seinen Füssen stehen, und dies wiederum erfordert die voll- kommene Anpassung zahlreicher Muskeln. Um einen Feuerstein in das roheste Werkzeug zu verwandeln, um einen Knochen zu einer mit Wi- derhaken versehenen Lanzenspitze oder zu einem Haken zu verarbeiten, bedarf es des Gebrauchs einer vollkommenen Hand. Denn wie ein äus- serst fähiger Richter, Mr. ScHOOLCRAFT bemerkt 6%, das Formen von 5% Quarterly Review. April, 1369, p. 392. Es ist dieser Gegenstand in Mr. Wallace’s Contributions to the Theory of Natural Selection, 1870, in welchem alle hier angezogenen Aufsätze wieder veröffentlicht sind, ausführlicher erörtert wor- den. Der „Essay on Man“ ist sehr gut kritisirt worden von Prof. Claparede, einem der ausgezeichnetsten [jetzt leider verstorbenen] Zoologen in Europa, in einem Artikel der Bibliotheque Universelle, Juni 1870. Die oben im Texte eitirte Bemerkung wird Jeden überraschen, welcher Wallace’s berühmten Aufsatz: On the Origin of Human Races deduced from the theory of Natural Selection gelesen hat, ursprünglich publieirt in der Anthropological Review, May, 1864, p. CLVIH. Ich kann mir nicht versagen, hier eine äusserst treffende Bemerkung Sir J. Lubbock’s in Bezug auf diesen Aufsatz (Prehistorie Times. 1865, p. 479) zu eitiren, wo er nämlich sagt, dass Mr. Wallace „mit characteristischer Selbst- „losigkeit dieselbe (nämlich die Idee der natürlichen Zuchtwahl) ohne Rückhalt „Hrn. Darwin zuschreibt, trotzdem es bekannt ist, dass er diese Idee ganz „selbständig erfasste und sie, wenn auch nicht in gleich durcharbeiteter Fülle, „zu derselben Zeit wie jener veröffentlichte.“ 6° Citirt von Mr. Lawson Tait in seinem „Law of Natural Selection“, in: 120 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. Steinfragmenten zu Messern, Lanzen oder Pfeilspitzen beweist ausser- ordentliche Geschicklichkeit und lange Uebung. Einen Beweis hierfür haben wir darin, dass die Urmenschen eine Theilung der Arbeit atıs- führten; es fabrieirte nicht Jeder seine eigenen Feuersteinwerkzeuge oder rohe Töpferei für sich, sondern gewisse Individuen scheinen sich solcher Arbeit gewidmet zu haben und erhielten ohne Zweifel im Tausch hier- für die Erträge der Jagd. Archäologen sind überzeugt, dass eine enorme Zeit verflossen sein muss, ehe unsere Voreltern daran dachten , abge- sprungene Feuersteinstücke zu glatten Werkzeugen zu poliren. Ein menschenähnliches Thier, welches eine Hand und einen Arm besass, hin- reichend vollkommen, um einen Stein mit Genauigkeit zu werfen oder einen Feuerstein in ein rohes Werkzeug zu formen, konnte bei hin- reichender Uebung, wie sich wohl kaum zweifeln lässt, fast Alles machen, soweit nur mechanische Geschicklichkeit in Betracht kommt, was ein eivilisirter Mensch machen kann. Die Structur der Hand lässt sich in dieser Beziehung mit der der Stimmorgane vergleichen, welche bei den Affen zum Ausstossen verschiedener Signalrufe oder, wie in einer Species, musikalischer Cadenzen gebraucht werden. Aber beim Menschen sind völlig ähnliche Stimmorgane, in Folge der vererbten Wirkungen des Gebrauchs, der Aeusserung articulirter Sprache angepasst worden. Wenden wir uns nun zu den nächsten Verwandten des Menschen und daher auch zu den besten Repräsentanten unserer früheren Urer- zeuger, so finden wir, dass die Hände bei den Vierhändern nach dem- selben allgemeinen Plane wie bei uns gebaut sind, aber viel weniger voll- kommen verschiedenartigen (ebräuchen angepasst. Ihre Hände dienen nicht so gut wie die Füsse eines Hundes zur Locomotion, wie wir bei den Affen sehen können, welche auf den äusseren Rändern der Sohlen oder auf dem Rücken ihrer gebogenen Finger gehen, wie der Schim- panse und Orang ®1. Indessen sind ihre Hände für das Erklimmen von Bäumen wunderbar geeignet. Affen ergreifen dünne Zweige oder Taue mit dem Daumen auf der einen und den Fingern und der Handfläche auf der andern Seite, in derselben Weise wie wir es thun. Sie können auch ziemlich grosse (segenstände, wie den Hals einer Flasche, zu ihrem Munde führen. Paviane wenden Steine um und scharren Wurzeln mit ihren Händen aus. Sie ergreifen Nüsse, Inseeten oder andere kleine Dublin Quaterly Journal of Medical Science. Febr. 1869. Auch Dr. Keller wird als weitere Bestätigung eitirt. 6‘ Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 71. ” : Oapınd. Natürliche Zuchtwahl. 121 Gegenstände mit dem Daumen den Fingern entgegengestellt, und ohne Zweifel ziehen sie in dieser Weise Eier und junge Vögel aus den Nestern. Amerikanische Affen schlagen die wilden Orangen auf Zweige auf bis die Rinde geborsten ist und zerren diese dann mit den Fingern ihrer beiden Hände ab. Andere Affen öffnen Muschelschalen mit den beiden Daumen. Mit ihren Fingern ziehen sie Dornen und Grannen aus und suchen einander die Schmarotzer ab. Im Naturzustand öffnen sie harte Früchte mit Hülfe von Steinen. Sie werfen Steine herab oder werfen sie nach ihren Feinden. Nichtsdestoweniger vollziehen sie aber diese verschiedenen Handlungen ungeschickt, und wie ich selbst gesehen habe, sind sie vollständig ausser Stande, einen Stein mit Präecision zu werfen. Es scheint mir durchaus nicht wahr zu sein, dass, weil „Gegen- „stände nur ungeschickt von Affen erfasst“ werden, ein viel weniger „specialisirtes Greiforgan* ihnen ebensogut gedient haben würde ©2, als ihre gegenwärtigen Hände. Im Gegentheil sehe ich keinen Grund zu zweifeln, dass eine noch vollkommener construirte Hand für sie ein Vortheil gewesen wäre, vorausgesetzt, und es ist von Wichtigkeit, dies hervorzuheben, dass ihre Hände damit für das Erklettern von Bäumen nicht weniger geschickt geworden wären. Wir können vermuthen, dass eine vollkommene Hand von Nachtheil für das Klettern gewesen wäre, da die am meisten auf Bäumen lebenden Affen in der Welt, nämlich Ateles in America und Hylobates in Asien, entweder in der Grösse sehr redueirte oder selbst rudimentäre Daumen oder ihre Finger zum Theil mit einander verwachsen haben, so dass ihre Hände in blosse Greif- haken verwandelt worden sind 6°. Sobald irgend ein frühes Glied in der grossen Reihe der Primaten in Folge einer Veränderung der Art und Weise seine Subsistenz zu erlangen oder einer Veränderung in den Bedingungen seines Heimath- landes dazu gelangte, etwas weniger auf Bäumen und mehr auf dem Boden zu leben, würde seine Art, sich fortzubewegen, modifieirt worden sein; und in diesem Fall wird die Form entweder noch eigentlicher 62 Quarterly Review. April, 1869, p. 392. 63 Bei Hylobates syndactylus sind, wie der Name es bezeichnet, zwei Finger regelmässig verwachsen; dasselbe ist, wie mir Mr. Blyth mittheilt, gelegentlich mit den Fingern von H. agilis, lar und leweiseus der Fall. Bei Colobus fehlt der Daumen gleichfalls; diese Affen sind im strengsten Sinne Baumthiere und ausser- ordentlich lebhaft (Brehm, Thierleben. Bd. 1, S. 50); ob sie aber bessere Klet- terer oder Greifer als die Arten der verwandten Gattungen sind, weiss ich nicht- 122 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. vierfüssig oder strenger zweifüssig haben werden müssen. Paviane be- wohnen bergige oder felsige Distriete und klettern nur nothgedrungen auf hohe Bäume®#, sie haben auch fast die Gangart eines Hundes angenom- men. Nur der Mensch ist ein Zweifüsser geworden; und wir können, wie ich glaube, zum Theil sehen, wie er dazu gekommen ist, die aufrechte Stellung zu erhalten, welche eine der auffallendsten Differenzen zwischen ihm und seinen nächsten Verwandten bildet. Der Mensch hätte seine jetzige herrschende Stellung in der Welt nicht ohne den Gebrauch sei- ner Hände erreichen können, welche so wunderbar geeignet sind, sei- nem Willen folgend zu wirken. Wie Sir C. Bes betont 6%; „die Hand „ersetzt alle Instrumente und durch ihre Uebereinstimmung mit dem „Intelleect verleiht sie ihm universelle Herrschaft.“ Die Hände und Arme hätten aber kaum hinreichend vollkommen vrerden können, Waf- fen zu fabrieiren oder Steine und Speere nach einem bestimmten Ziele zu werfen, solange sie gewohnheitsgemäss zur Locomotion benutzt wor- den wären, wobei sie das ganze Gewicht des Körpers zu tragen hatten, oder solange sie speciell, wie vorher schon bemerkt wurde, zum Er- klettern von Bäumen angepasst wären. Eine derartige rohe Behand- lung würde auch den Gefühlssinn abgestumpft haben, von dem ihr fer- nerer Gebrauch zum grossen Theil abhängt. Schon nach diesen Ur- sachen allein wird es ein Vortheil für den Menschen gewesen sein, dass er ein Zweifüsser geworden ist; aber für viele Handlungen ist es fast nothwendig, dass beide Arme und der ganze obere Theil des Körpers frei seien, und zu diesem Zweck musste er fest auf seinen Füssen stehen. Um diesen grossen Vortheil zu erlangen, sind die Füsse platt geworden und ist die grosse Zehe eigenthümlich modificirt, obgleich dies den Ver- lust der Fähigkeit zum Greifen mit sich gebracht hat. Es ist in Uebereinstimmung mit dem Princip der physiologischen Arbeitstheilung, welches durch das ganze Thierreich herrscht, dass in dem Maasse, als die Hände zum Greifen vervollkommnet wurden, die Füsse sich mehr zum Tragen und zur Locomotion ausbildeten. Doch haben bei einigen Wilden die Füsse ihr Greifvermögen nicht vollständig verloren, wie durch die Art des Erkletterns von Bäumen und durch den Gebrauch, der in verschiedener Weise von ihnen gemacht wird, bewiesen wird 66. 6 Brehm, Thierleben. Bd. 1, S. 80. 6 The Hand, its mechanism etc. „Bridgewater Treatise“. 1833, p. 38. 66 Häckel erörtert in ausgezeichneter Weise die Schritte, durch welche der Mensch ein Zweifüssler wurde: Natürliche Schöpfungsgeschichte, 1868, p. 507. Cap. 4, Natürliche Zuchtwahl. 123 War es ein Vortheil für den Menschen, seine Hände und Arme frei zu haben und fest auf seinen Füssen zu stehen, woran sich nach seinem so ausgezeichneten Erfolge in dem Kampfe um’s Dasein nicht zweifeln lässt, dann kann ich keinen Grund sehen, warum es für die Urerzeuger des Menschen nicht vortheilhaft gewesen sein sollte, immer mehr und mehr aufrecht oder zweifüssig zu werden. Sie würden da- durch besser im Stande gewesen sin, sich mit Steinen und Keulen zu vertheidigen oder ihre Beute anzugreifen oder auf andere Weise Nah- rung zu erlangen. Die am besten gebauten Individuen werden in der Länge der Zeit am besten Erfolg gehabt haben und in grösserer Zahl am Leben geblieben sein. Wenn der Gorilla und einige wenige verwandte Formen ausgestorben wären, würde man mit grosser Macht und scheinbar mit sehr viel Recht zu dem Schlusse getrieben werden, dass ein Thier nicht allmählich aus einem Vierfüsser in einen Zweifüsser umgewandelt worden sein könnte, da alle Individuen in einem Zwischenzustand er- bärmlich schlecht zum Gehen angelegt gewesen wären. Aber wir wissen (und dies ist wohl der Ueberlegung werth) ‚ dass mehrere Affen jetzt factisch sich in diesem Zwischenzustand befinden, und Niemand zweifelt, dass sie einen im Ganzen ihren Lebensbedingungen gut angepassten Bau haben. So läuft der Gorilla mit einem seitlich watschelnden Gang, schreitet aber gewöhnlich so fort, dass er sich auf seine gebeugten Hände stützt. Die langarmigen Affen gebrauchen gelegentlich ihre Arme wie Krücken, indem sie ihren Körper zwischen denselben nach vorwärts schwingen, und einige Arten von Hylobates können, ohne dass es ihnen gelehrt worden ist, mit ziemlicher Schnelligkeit aufrecht gehen oder laufen. Doch bewegen sie sich ungeschickt und viel weniger sicher als der Mensch. Kurz, wir sehen bei den jetzt lebenden Affen ver- schiedene Abstufungen zwischen einer Form der Bewegung, welche streng der eines Vierfüssers gleicht, und der eines Zweifüssers oder des Menschen. In dem Maasse als die Urerzeuger des Menschen mehr und mehr aufrecht wurden und ihre Hände und Arme mehr und mehr zum Grei- fen und zu andern Zwecken modifieirt wurden, werden auch endlose Dr. Büchner (Vorlesungen über die Darwin’sche Theorie. 1868, S. 195) hat eine Anzahl von Fällen, wo der Fuss vom Menschen als Greiforgan gebraucht wird, gegeben; ebenso über die Bewegungsweise der höheren Affen, welche ich im nächstfolgenden Satze erwähne. Ueber den letzten Punkt s. auch Owen, Ana- tomy of Vertebrates. Vol. III, p. 71. a Ri 124 | Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. andere Veränderungen im Bau nothwendig geworden sein. Das Becken muss breiter, das Rückgrat eigenthümlich gebogen und der Kopf in einer veränderten Stellung befestigt worden sein; und alle diese Ver- änderungen sind vom Menschen erlangt worden. Professor SCHAAFF- HAUSEN 9° behauptet,. dass „die kräftigen Zitzenfortsätze des mensch- „lichen Schädels das Resultat seiner aufrechten Stellung sind“, und diese Fortsätze fehlen beim Orang, Schimpanse u. s. w. und sind beim Gorilla kleiner als beim Menschen. Es liessen sich noch verschiedene andere Bildungen hier speciell anführen, welche mit der aufrechten Stellung des Menschen in Zusammenhang zu stehen scheinen. Es ist sehr schwer zu entscheiden, wie weit alle diese in Correlation stehenden Modifica- tionen das Resultat natürlicher Zuchtwahl und wie weit sie das Re- sultat der vererbten Wirkungen des vermehrten Gebrauchs gewisser Theile oder der Wirkung eines Theils auf einen andern sind. Ohne Zweifel wirken diese Mittel der Veränderung gegenseitig auf einander ein; wenn z. B. gewisse Muskeln und die Knochenleisten, an welche sie befestigt sind, durch beständigen Gebrauch vergrössert werden, so zeigt dies, dass gewisse Handlungen gewohnheitsgemäss ausgeführt werden und von Nutzen sein müssen. Es werden daher diejenigen Individuen, welche sie am besten ausführen, in grösserer Zahl leben zu bleiben neigen. Der freie Gebrauch der Hände und Arme, welcher zum Theil die Ursache, zum Theil das Resultat der aufrechten Stellung des Menschen ist, scheint auf indirecte Weise noch zu andern Modificationen des Baus geführt zu haben. Wie vorhin angegeben wurde, waren die früheren männlichen Vorfahren des Menschen wahrscheinlich mit grossen Eck- zähnen versehen; in dem Maasse aber, als sie allmählich die Fertigkeit erlangten, Steine, Keulen, oder andere Waffen im Kampfe mit ihren Fein- den zu gebrauchen, werden sie auch ihre Kinnladen und Zähne immer weniger und weniger gebraucht haben. In diesem Falle werden die Kinnladen in Verbindung mit den Zähnen an Grösse redueirt worden sein, wie wir nach zahllosen analogen Fällen wohl ganz sicher anneh- men können. In einem späteren Capitel werden wir einen streng pa- rallelen Fall anführen, nämlich die Verkümmerung oder das vollständige Verschwinden der Eckzähne bei männlichen Wiederkäuern, welches allem 6° „Ueber die Urform des Schädels“ (auch übers. in der Anthropologic. Re- view. Oct. 1868, p. 428). Owen (Anatomy of Vertebrates. Vol. II. 1866, p. 551), über den Mastoidfortsatz bei den höheren Affen. Cap. 4. Natürliche Zuchtwahl. 125 Anscheine nach zu der Entwickelung ihrer Hörner in Beziehung steht, ebenso bei Pferden, wo jene Verkümmerung mit dem Gebrauch in Be- zug steht, mit den Schneidezähnen und Hufen zu kämpfen. Wie RÜTIMEIER ®° und Andere behauptet haben, ist bei den er- wachsenen Männchen der anthropomorphen Affen entschieden die Wir- kung der Kiefermuskeln, welche durch ihre bedeutende Entwickelung auf den Schädel derselben ausgeübt worden ist, die Ursache gewesen, weshalb dieser letztere in so vielen Beziehungen so beträchtlich von dem des Menschen abweicht und „eine wirklich schreckenerregende Phy- siognomie* erhalten hat. In dem Maasse also als die Kinnladen und Zähne bei den Vorfahren des Menschen allmählich an Grösse redueirt wurden, wird auch der erwachsene Schädel nahezu dieselben Charactere dargeboten haben, welche er bei den Jungen der anthropomorphen Affen darbietet und wird hierdurch sich immer mehr dem des jetzt lebenden Menschen ähnlich gestaltet haben. Eine bedeutende Ver- kümmerung der Eekzähne bei den Männchen wird fast sicher, wie wir später noch sehen werden, in Folge der Verehnag auch die Zähne der Weibchen beeinflusst haben. Wie die verschiedenen geistigen Fähigkeiten nach und nach sich entwickelt haben, wird auch das Gehirn beinahe mit Sicherheit grösser geworden sein. Ich denke, wohl Niemand zweifelt daran, dass die be- deutende Grösse des Gehirns im Verhältniss zu seinem Körper und im Vergleich mit dem Gehirn des Gorilla oder Orang in enger Be- ziehung zu seinen höberen geistigen Kräften steht. Streng analogen Thatsachen begegnen wir bei Inseeten, unter denen die Kopfganglien von ausserordentlichen Dimensionen bei den Ameisen sind, während überhaupt diese Ganglien bei allen Hymenoptern viele Male grösser sind als bei den weniger intelligenten Ordnungen, wie z. B. bei den Käfern 69. Auf der andern Seite denkt Niemand daran, dass der In- tellect irgend zweier Thiere oder irgend zweier Menschen genau durch den eubischen Inhalt ihrer Schädel gemessen werden kann. Es ist so- gar sicher, dass eine ausserordentliche geistige Thätigkeit bei einer 68 Die Grenzen der Thierwelt, eine Betrachtung zu Darwin’s Lehre. 1868. S. 51. 6% Dujardin, Annal. d. seienc. natur. 3. ser. Zoolog. Tom. XIV. 1850. p. 203. s. auch Mr. Lowne, Anatomy and Physiology of the Musca vomitoria, 1870, p. 14. Mein Sohn, Mr. F. Darwin, hat mir die Cerebralganglien der Formica rufa präparirt. 126 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. äusserst kleinen absoluten Masse von Nervensubstanz existiren kann. So sind ja die wunderbaren verschiedenen Instinete, geistigen Kräfte und Affecte der Ameisen allgemein bekannt, und doch sind ihre Kopf- ganglien nicht so gross als das Viertel eines kleinen Steeknadelkopfs. Von diesem letzteren Gesichtspunkte aus ist das Gehirn einer Ameise das wunderbarste Substanzatom in der Welt und vielleicht noch wun- derbarer als das Gehirn des Menschen. Die Annahme, dass beim Menschen irgend eine enge Beziehung zwischen der Grösse des Gehirns und der Entwickelung der intellectuel- len Fähigkeiten besteht, wird durch die Vergleichung von Schädeln wilder und eivilisirter Rassen, alter und moderner Völker und durch die Analogie der ganzen Wirbelthierreihe unterstützt. Dr. J. BARNARD Davıs hat durch viele sorgfältige Messungen nachgewiesen °®, dass die mittlere Schädeleapacität bei Europäern 92,3 Cubikzoll, bei Amerika- nern 87,5 bei Asiaten 87,1 und bei Australiern nur 81,9 beträgt. Professor BrocA 7! hat gefunden, dass Schädel aus Gräbern in Paris vom neunzehnten Jahrhundert gegen solche aus Gräbern des zwölften Jahrhunderts in dem Verhältniss von 1484: 1426 grösser waren und auch PRICHARD ist überzeugt, dass die jetzigen Bewohner Grossbritan- niens „viel geräumigere Hirnkapseln“ haben als die alten Einwohner. Nichtsdestoweniger muss zugegeben werden, dass einige Schädel von sehr hohem Alter, wie z. B. der berühmte Neanderthalschädel , sehr gut entwickelt und geräumig sind. In Bezug auf die niederen Thiere ist Mr. LArTET ?? durch Vergleichung der Schädel tertiärer und jetzt lebender Säugethiere, welche zu denselben Gruppen gehören, zu dem merkwürdigen Schlusse gelangt, dass in den neueren Formen das Ge- hirn allgemein grösser und die Windungen complicirter sind. Auf der andern Seite habe ich gezeigt ??, dass die Gehirne domesticirter Ka- ninchen an Grösse beträchtlich redueirt sind, verglichen mit denen des wilden Kaninchens oder des Hasen; und dies mag dem Umstand zu- geschrieben werden, dass sie viele Generationen hindurch in enger Ge- fangenschaft gehalten wurden, so dass sie ihren Intelleet, ihren In- ‘0 Philosoph. Transact. 1869, p. 513. ”ı Citirt in C. Vogt’s Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 104—108. Prichard, Physie. Hist. of Mankind. Vol. I. 1838, p. 305. ?2 Comptes rendus. Acad. d. Sciences. Paris, Juni, 1, 1868. ?3 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. I, 8.194. Cap. 4. Schädel und Gehirn. 127 stinet, ihre Sinne und ihre willkührlichen Bewegungen nur wenig aus- geübt haben. Die allmähliche Gewichtszunahme des Gehirns und Schädels beim Menschen muss die Entwickelung der jenen tragenden Wirbelsäule besonders zu der Zeit beeinflusst haben, als er anfieng, aufrecht zu gehen. Und in dem Maasse als diese Veränderung der Lage allmählich zu Stande kam, wird auch der innere Druck des Gehirns einen Ein- fluss auf die Form des Schädels geäussert haben; denn viele Thatsachen weisen nach, wie leicht der Schädel auf diese Weise afficirt wird. Eth- nologen glauben, dass er durch die Form der Wiege modifieirt wird, in welcher die kleinen Kinder schlafen. Habituelle Contraetionen von Muskeln und eine Narbe nach einer schweren Verbrennung haben die Gesichtsknochen dauernd modifieirt. Bei jungen Individuen, deren Köpfe infolge einer Krankheit entweder nach der Seite oder nach rückwärts fixirt wurden, hat das eine Auge seine Stellung verändert und sind die Knochen des Schädels modificirt worden, und dies ist, wie es scheint, das Resultat davon, dass das Gehirn nun in einer andern Richtung drückt ”*. Ich habe gezeigt, dass bei langohrigen Kaninchen selbst eine so unbedeutende Ursache wie das Vorwärtshängen des einen Ohrs auf dieser Seite fast jeden einzelnen Knochen des Schädels nach vorn zieht, so dass die Knochen der beiden sich gegenüberliegenden Seiten sich nicht länger mehr genau entsprechen. Sollte endlich irgend ein Thier an allgemeiner Körpergrösse beträchtlich zu- oder abnehmen, ohne dass die geistigen Kräfte sich irgendwie veränderten, oder sollten die geisti- gen Kräfte bedeutend vergrössert oder verringert werden, ohne dass irgend eine beträchtliche Aenderung in der Körpergrösse einträte, so würde beinahe gewiss die Form des Schädels verändert werden. Ich komme zu dieser Folgerung nach meinen Beobachtungen an domesti- cirten Kaninchen, von denen einige Arten sehr viel grösser geworden sind als das wilde Thier, während andere nahezu dieselbe Grösse behal- ten haben; in beiden Fällen aber ist das Gehirn im Verhältniss zur Grösse des Körpers beträchtlich kleiner geworden. Ich war nun an- "4 Schaaffhausen führt die Fälle von krampfhafter Contraction und der Narbe nach Blumenbach und Busch an (Anthropolog. Review. Oct. 1868, p. 420). Dr. Jarrold (Anthropologia, 1808, p. 115, 116) führt nach Camper’s und seinen eigenen Beobachtungen Fälle von Modification des Schädels an in Folge einer Fixirung des Kopfes in einer unnatürlichen Stellung. Er glaubt, dass gewisse Handwerke, wie das der Schuhmacher, die Stirn runder und vor- springender machen, weil sie den Kopf beständig vorgebeugt halten lassen. 128 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. fangs sehr erstaunt, als ich fand, dass bei allen diesen Kaninchen der Schädel verlängert oder dolichocephal geworden war; so war z. B. von zwei Schädeln ziemlich derselben Breite, — der eine von einem wilden Kaninchen, der andere von einer grossen domestieirten Form, — der erstere nur 3,15, der letztere 4,3 Zoll lang ”°. Eine der ausgespro- ‚chensten Verschiedenheiten bei den verschiedenen Menschenrassen ist die, dass der Schädel bei den einen verlängert, bei den andern abge- rundet ist, und hier mag die aus dem Falle mit dem Kaninchen sich ergebende Erklärung zum Theil wohl gelten; denn WELCcKER findet, dass „kleine Menschen mehr zur Brachycephalie, grosse mehr zur Dolicho- „cephalie neigen“ °%, und grosse Leute lassen sich wohl mit den grös- seren Kaninchen mit längerem Kopfe vergleichen, welche sämmtlich verlängerte Schädel haben oder dolichocephal sind. Nach diesen verschiedenen Thatsachen können wir bis zu einem gewissen Punkte die Mittel erkennen, durch welche der Mensch’ die > beträchtliche Grösse und die mehr oder weniger abgerundete Form seines Schädels erlangt hat; und dies sind gerade Merkmale, welche ihm in einer ausgezeichneten Weise im Vergleich mit den niederen Thieren eigen sind. Eine andere äusserst auffällige Verschiedenheit zwischen dem Men- schen und den niederen Thieren ist die Nacktheit seiner Haut. Wal- fische und Delphine (Cetacea), Dugongs (Sirenia) und der Hippopotamus sind nackt. Dies mag für dieselben beim Gleiten durch das Wasser von Vortheil sein; auch wird es kaum wegen des Wärmeverlusts von Nachtheil für sie sein, da diejenigen ihrer Verwandten unter ihnen, welche kältere Gegenden bewohnen, von einer dieken Schicht von Thran umgeben sind, welche demselben Zwecke dient, wie der Pelz der See- hunde und Ottern. Elephanten und Rhinocerosse sind fast haarlos, und da gewisse ausgestorbene Arten, welche einstmals unter einem arctischen Clima lebten, mit langen Haaren oder Wolle bedeckt waren, so dürfte es fast scheinen, als wenn die jetzt lebenden Arten beider Gat- tungen ihre Haarbedeckung dadurch verloren hätten, dass sie lange Zeit der Hitze ausgesetzt waren. Dies scheint um so wahrscheinlicher, als diejenigen Elephanten in Indien, welche in höher gelegenen und kälte- ‘5 Varüren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, S. 144 über die Verlängerung des Schädels, S. 147 über die Wirkung des Hän- gens der Ohren. 6 Gitirt von Schaaffhausen in: Anthropolog. Review. Oct. 1868, p. 419. Cap. 4. 'Nacktheit des Menschen. 129 ren Distrieten leben, mehr Haare haben ?” als die in den Niederungen. Dürfen wir dann wohl schliessen, dass der Mensch von Haaren ent- blösst wurde, weil er ursprünglich irgend ein tropisches Land bewohnt hat? Die Thatsache, dass er Haare hauptsächlich im männlichen Ge- schlecht an der Brust und im Gesicht und in beiden Geschlechtern an der Verbindung aller vier Gliedmaassen mit dem Stamme behalten hat, begünstigt jene Folgerung, unter der Annahme freilich, dass das Haar verloren wurde, ehe der Mensch die aufrechte Stellung erlangt hatte; denn die Theile, welche jetzt die meisten Haare behalten haben, wür- den dann am meisten gegen die Hitze der Sonne geschützt gewesen sein. Die Schädelhöhe bietet indess eine merkwürdige Ausnahme dar; denn zu allen Zeiten muss sie einer der am meisten exponirten Theile gewesen sein, und doch ist sie dicht mit Haaren bedeckt. In dieser Beziehung stimmt der Mensch mit der grossen Majorität der Vierfüsser überein, welche im Allgemeinen die obere und exponirte Fläche dichter mit Haaren bekleidet haben als die untere Fläche. Nichtsdestoweniger « widerspricht die Thatsache, dass die andern Glieder der Ordnung der Primaten, zu welcher der Mensch gehört, trotzdem sie verschiedene heisse Gegenden bewohnen, doch mit Haaren, und zwar im Allgemei- nen auf der oberen Fläche am dichtesten ?®, bekleidet sind, sehr nach- drücklich der Annahme, dass der Mensch in Folge der Einwirkung der Sonne nackt wurde. Ich bin geneigt anzunehmen, wie ich in den Ca- piteln über geschlechtliche Zuchtwahl noch weiter zeigen werde, dass der Mensch oder vielmehr ursprünglich die Frau ihr Haarkleid zu or- namentalen Zwecken verlor, und nach dieser Annahme ist es durchaus nicht überraschend, dass der Mensch in Bezug auf das Behaartsein von allen seinen niedriger gestellten Brüdern so beträchtlich abweicht. Denn durch die geschlechtliche Zuchtwahl erlangte Charactere weichen oft bei nahe mit einander verwandten Formen in einem ausserordentlichen Grade von einander ab. '? Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. II, p. 619. ?8 Isidore Geoffroy St. Hilaire gibt in der Histoire natur. gener. Tom. II. 1859, p. 216—217 Bemerkungen über das Behaartsein des Kopfes beim Menschen, ebenso über den Umstand, dass die obere Körperfläche bei Affen und anderen Säugethieren dichter mit Haaren bekleidet ist, als die untere. Dies ist auch von verschiedenen anderen Autoren erwähnt worden. Doch führt Prof. Ger- vais (Hist. natur. des Mammiferes. Tom. I. 1854, p. 28) an, dass beim Gorilla das Haar am Rücken dünner sei, als an der unteren Fläche, da es oben theil- weise abgerieben werte. TaR WIN. Ahbstammuno. I Zweite Auflaee. 9 130 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. Nach einer populären Ansicht ist die Abwesenheit ües Schwanzes ein vorwiegend unterscheidendes Merkmal des Menschen; „da aber die- jenigen Affen, welche dem Menschen am nächsten in gleichfalls dies Organ nicht besitzen, so berührt uns dessen Verschwinden hier nicht besonders. Trotzdem müssen wir bereitwillig zugeben, dass, so viel mir bekannt ist, für den Verlust des Schwanzes bei gewissen Affen und dem Menschen bis jetzt noch keine Erklärung gegeben worden ist. Sein Verlust ist indessen nicht überraschend, denn seine Länge ist zu- weilen bei Species einer und derselben Gattung merkwürdig verschie-' den; so ist er bei einigen Arten von Macacus länger als der ganze Körper und besteht aus vierundzwanzig Wirbeln; bei anderen existirt er nur als ein kaum sichtbarer Stumpf und enthält nur drei oder vier Wirbel. Bei einigen Arten ven Pavianen sind fünfundzwanzig Schwanz- wirbel vorhanden, während beim Mandrill nur zehn sehr kleine abge- stutzte Wirbel und nach Cuvier’s Angabe ?°® zuweilen nur fünf solche vorhanden sind. Diese grosse Verschiedenheit in der Bildung und der Länge des Schwanzes bei Thieren, welche denselben Gattungen ange- hören und nahezu dieselben Lebensgewohnheiten haben, macht es wahr- scheinlich, dass der Schwanz für sie von keiner grossen Bedeutung ist; und wenn dies der Fall ist, so dürfen wir wohl erwarten, dass er zu- weilen mehr oder weniger rudimentär geworden ist, in Uebereinstim- mung mit dem, was wir beständig bei andern Structurverhältnissen eintreten sehen. Der Schwanz läuft beinahe immer nach dem Ende hin spitz zu, mag er nun kurz oder lang sein, und ich vermuthe, dass dies ein Resultat der durch Nichtgebrauch eintretenden Atrophie der terminalen Muskeln in Verbindung mit der der Arterien und Nerven ist, welche zuletzt zu einer Atrophie der endständigen Kochen führt. In Bezug auf das Os coceygis, welches beim Menschen und den höheren Affen ofienbar nur aus den wenigen. basalen und spitz auslaufenden Segmenten eines gewöhnlichen Schwanzes besteht, habe ich die Frage aufwerfen hören, wie diese vollständig in den Körper eingebettet werden konnten; doch ist in dieser Hinsicht keine Schwierigkeit vorhanden, denn bei vielen Affen sind die basalen Abschnitte des echten Schwanzes bereits in dieser Weise eingebettet. So theilt mir z. B. Mr. Murıe mit, “2 St. Gorge Mivart in Proceed. Zoolog. Soc. 1865, p. 562, 583. J. E. Gray, Catalogue Brit. Mus. „Skeletons*. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. II. p. 517. Isid. Geoffroy Saint-Hilaire, Hist. natur. göner. Tom. 1. p. 244. DE u Cap. 4. Schwanzlosigkeit. 131 dass er am Skelet eines nicht völlig erwachsenen Macacus inornatus neun oder zehn Schwanzwirbel gezählt habe, welche alle zusammen nur 1,5 Zoll lang waren. Von diesen schienen die drei vorderen oder ba- salen ia den Körper eingebettet gewesen zu sein; die übrigen bildeten den freien Theil des Schwanzes, welcher nur einen Zoll lang und einen halben Zoll breit war. Hier entsprechen denn die drei eingebetteten Schwanzwirbel ganz deutlich den vier verwachsenen Wirbeln des mensch- lichen Os coceygis. Ich habe nun zu zeigen versucht, dass einige der unterscheidend- sten Merkmale des Menschen aller Wahrscheinlichkeit nach entweder di- rect oder und zwar häufiger indireet durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Wir müssen im Auge behalten, dass Modificatioaen in der Bildung oder der Constitution, welche für einen Organismus zur Anpassung an Lebensgewohnheiten oder an die von ihm verzehrte Nah+ rung oder passiv an die ihn umgebenden Bedingungen von keinem Nutzen sind, auf diese Weise nicht erlangt werden können. Wir dürfen indessen bei der Entscheidung, welche Modificationen für jedes Wesen von Nutzen sind, nicht zu sicher sein; wir müssen uns daran erinnern, wie wenig wir über den Gebrauch vieler Theile wissen oder was für Veränderungen im Blute oder den Geweben einen Organismus für ein neues Clima oder irgend eine neue Art von Nahrung geeignet zu ma- chen dienen können. Auch dürfen wir das Princip der Correlation nicht vergessen, durch welches, wie ISIDORE GEOFFROY beim Menschen gezeigt hat, viele fremdartige Bildungsabweichungen unter einander verbunden werden. Unabhängig von der Correlation führt eine Verän- derung in einem Theile oft in Folge des vermehrten oder verminderten Gebrauchs andrer Theile zu andern Veränderungen einer vollständig un- erwarteten Art. Auch ist es gut sich solcher Thatsachen zu erinnern wie des wunderbaren Wachsthums von Gallen auf Pflanzen, welches das Gift eines Insects veranlasste, und .der merkwürdigen Farbenverände- rungen im Gefieder von Papageien, wenn sie sich von gewissen Fischen ernähren oder wenn ihnen das Gift von Kröten eingeimpft wird ®°, Denn wir sehen hieraus, dass die Körperflüssigkeiten, wenn sie zu ir- gend einem bestimmten Zweck geändert werden, andre merkwürdige 8 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, Bd. 2, 8. 371. 372... 374, I* 132 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. Veränderungen herbeiführen können; Ganz besonders müssen wir im Auge behalten, dass Modificationen, welche im Verlaufe vergangener Zeiten zu irgend einem nützlichen Zweck erlangt und gebraucht wor- den sind, wahrscheinlich sicher fixirt und schon lange vererbt wor- den sind. Man kann daher den directen und indirecten Resultaten natür- licher Zuchtwahl eine sehr beträchtliche, wennschon unbestimmte, Aus- dehnung geben; doch gebe ich jetzt, nachdem ich die Abhandlung von NäszLı über die Pflanzen und die Bemerkungen verschiedener Schrift- steller, besonders die neuerdings von Professor Broca in Bezug auf die Thiere geäusserten, gelesen habe, zu, dass ich in den früheren Aus- gaben meiner Entstehung der Arten wahrscheinlich der Wirkung der natürlichen Zuchtwahl oder des Ueberlebens des Passendsten zu viel zugeschrieben habe. Ich habe die fünfte Ausgabe der „Entstehung“ da- hin geändert, dass ich meine Bemerkungen nur auf die adaptiven Ver- änderungen des Körperbaus beschränkte. Ich hatte früher die Existenz vieler Structurverhältnisse nicht hinreichend betrachtet, welche, soweit wir es beurtheilen können, weder wohlthätig noch schädlich zu sein scheinen, und ich glaube, dies ist eines der grössten Versehen, welches ich bis jetzt in meinem Werke entdeckt habe. Es mag mir als Ent- schuldigung zu sagen gestattet sein, dass ich zwei bestimmte Absich- ten vor Augen hatte, erstlich, zu zeigen, dass Species nicht einzeln ge- schaffen worden sind, und zweitens, dass natürliche Zuchtwahl das bei der Veränderung hauptsächlich Wirksame war, wenn sie auch in gros- sem Maasse durch die vererbten Wirkungen des Gebrauchs und in ge- ringerem Maasse durch die direete Wirkung der umgebenden Bedin- gungen unterstützt würde. Nichtsdestoweniger bin ich nicht im Stande gewesen, den Einfluss meines früheren und damals sehr verbreiteten Glaubens, dass jede Species absichtlich erschaffen worden sei, zu annul- liren, und dies führte mich zu der stillschweigenden Annahme, dass jedes einzelne Structurdetail, mit Ausnahme der Rudimente, von irgend- welchem speciellen, wenn auch wunerkannten Nutzen sei. Mit dieser Annahme im Sinne würde wohl ganz natürlich Jedermann die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl, sei es während früherer oder jetziger Zeit, zu hoch anschlagen. Einige von Denen, welche das Prineip der Evo- lution annehmen, aber natürliche Zuchtwahl verwerfen, scheinen zu ver- gessen, während sie mein Buch kritisiren, dass ich die beiden eben er- wähnten Absichten vor Augen hatte. Wenn ich daher auch darin ge- Cap. 4. Natürliche Zuchtwahl. 133 irrt haben sollte, dass ich der natürlichen Zuchtwahl eine grosse Kraft zuschrieb, was ich aber durchaus nicht zugebe, oder dass ich ihren Ein- fluss übertrieben hätte, was an sich wahrscheinlich ist, so habe ich, wie ich hoffe, wenigstens dadurch etwas Gutes gestiftet, dass ich beige- tragen habe, das Dogma einzelner Schöpfungen umzustossen. Dass alle organischen Wesen mit Einschluss des Menschen viele Modificationen des Körperbaus darbieten, welche für dieselben jetzt von keinem Nutzen sind und es auch früher nicht gewesen sind, ist, soviel ich jetzt erkennen kann, wahrscheinlich. Wir wissen. nicht, was die zahllosen unbedeutenden Verschiedenheiten zwischen den Individuen einer jeden Species hervorbringt; denn der Rückschlag verlegt das Problem nur wenige Schritte rückwärts; und doch muss jede Eigenthümlichkeit ihre eigene wirksame Ursache gehabt haben. Sollten diese Ursachen, welcher Art sie auch gewesen sein mögen, gleichförmiger und energi- scher längere Zeit hindurch wirken (und es lässt sich kein Grund da- . für annehmen, warum dies nicht zuweilen eintreten sollte), so würde das Resultat das Auftreten nicht bloss unbedeutender individueller Ver- schiedenheiten, sondern scharf markirter, constanter Modificationen sein. Modificationen nun, welche in keiner Weise wohlthätig sind, können durch natürliche Zuchtwahl nicht gleichförmig gehalten worden sein, wennschon alle solche, welche nachtheilig waren, durch dieselbe besei- tigt worden sind. Indessen würde Gleichförmigkeit des Characters natürliche Folge der angenommenen Gleichförmigkeit der anregenden Ursachen sein, wie auch in gleicher Weise Folge der ungehinderten Kreuzung vieler Individuen. Derselbe Organismus kann daher auf diese Weise im Verlauf aufeinanderfolgender Zeiträume nach einander meh- rere Modificationen erlangen, und diese werden in einem nahezu gleich- förmigen Zustande überliefert werden, so lange die anregenden Ursachen dieselben bleiben und freie Kreuzung eintreten kann. In Bezug auf diese anregenden Ursachen können wir hier, ebenso wie bei Bespre- chung der sogenannten spontanen Abänderungen, nur sagen, dass sie in einer viel innigeren Beziehung zu der Constitution des abändernden Or- ganismus als zu den Naturbedingungen, denen jener ausgesetzt war, stehen. Schluss. — Wir haben in diesem Capitel gesehen, dass in der- selben Weise, wie der Mensch heutzutage so wie jedes andere Thier verschiedenartigen individuellen Verschiedenheiten oder unbedeutenden Abänderungen ausgesetzt ist, auch ohne Zweifel die früheren Urerzenger 134 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. des Menschen es waren. Die Abänderungen waren damals, wie sie es jetzt sind, Folgen derselben allgemeinen Ursachen und unterlagen den- selben allgemeinen und complieirten Gesetzen. Wie alle Thiere sich über die Grenzen ihrer Subsistenzmittel hinaus zu vervielfältigen streben, so muss dies auch mit den Urerzeugern des Menschen der Fall gewesen sein, und dies wird unvermeidlich zu einem Kampfe um’s Dasein und zu natürlicher Zuchtwahl geführt haben. Dieser letztere Vorgang wird in grossem Maasse durch die vererbten Wirkungen des vermehrten Ge- brauchs der Theile unterstützt worden sein, da beide Vorgänge unab- : lässig gegenseitig auf einander zurückwirken. Es scheint auch, wie wir hernach noch sehen werden, dass verschiedene bedeutungslose Charactere vom Menschen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Ein noch unerklärter Rest von Veränderungen, und vielleicht ein gros- ser, muss der Annahme einer gleichförmigen Wirkung jener unbekann- ten Einflüsse überlassen bleiben, welche gelegentlich scharf gezeichnete “und plötzlich auftretende Abweichungen des Bans bei unsern domesti- eirten Erzeugnissen hervorbringen. Nach den Gewohnheiten der Wilden und der grösseren Zahl der Quadrumanen zu urtheilen, lebte der Urmensch und selbst die affen- ähnlichen Urerzeuger des Menschen wahrscheinlich gesellig. Bei im strengen Sinne socialen Thieren wirkt natürliche Zuchtwahl zuweilen in- direet auf das Individuum durch die Erhaltung von Abänderungen, welche nur der Genossenschaft wohlthätig sind. Eine Genossenschaft, welche eine grosse Anzahl gut angelegter Individuen umfasst, nimmt an Zahl zu und besiegt andere und weniger gut begabte Gesellschaften, wennschon jedes einzelne Glied über die anderen Glieder derselben Ge- sellschaft keinen Vortheil erlangen mag. Bei gesellig lebenden Insecten sind viele merkwürdige Bildungs-Eigenthümlichkeiten, welche dem Indi- viduum oder seinen Nachkommen von geringem oder gar keinem Nutzen sind, wie z. B. der pollensammelnde Apparat oder der Stachel der Ar- beiterbienen oder die grossen Kiefer der Soldatenameisen, erlangt wor- den. Von den höheren gesellig lebenden Thieren ist mir nicht bekannt, dass irgendwelche Bildungs-Eigenthümlichkeit nur zum Besten der gan- zen Gesellschaft modificirt worden wäre, wenn auch einige für dieselbe von secundärem Nutzen sind. So erscheinen z. B. die Hörner der Wie- derkäuer und die grossen Eckzähne der Paviane von den Männchen als | Waffen für den geschlechtiichen Kampf erlangt worden zu sein, sie werden aber auch zur Vertheidigung der Heerde oder Truppe benutzt. Cap. 4. Hülfloser Zustand. 135 Was gewisse geistige Fähigkeiten betrifft, so liegt der Fall, wie wir im folgenden Capitel sehen werden, gänzlich verschieden; denn diese Fähigkeiten sind hauptsächlich oder selbst ausschliesslich zum Nutzen der Gesellschaft erlangt worden, wobei die Individuen, welche die Ge- sellschaft zusammensetzen, zu derselben Zeit indireet eine Begünstigung erfahren haben. Den im Vorstehenden entwickelten Ansichten ist oft entgegenge- halten worden, dass der Mensch eines der hülflosesten und vertheidigungs- losesten Geschöpfe in der Welt ist und das er während seines frühen und weniger gut entwickelten Zustandes noch hülfloser gewesen sein wird. Der Herzog von ArgytL 1 behauptet z. B., „dass der menschliche Kör- „perbau von der Bildung der Thiere nach der Riehtung grosser physi- „scher Hülflosigkeit und Schwäche hin abgewiehen ist; d. h. es ist eine „Divergenz eingetreten, welche von allen Uebrigen am unmöglichsten „blosser natürlicher Zuchtwahl zugeschrieben werden kann.“ Er führt an: den nackten und unbeschützten Zustand des Körpers, das Fehlen srosser Zähne und Klauen zur Vertheidigung, die geringe Körperkraft des Menschen, seine geringe Schnelligkeit im Rennen und sein unbe- deutendes Geruchsvermögen, durch welches Nahrung gefunden und Ge- fahr vermieden werden könne. Diesen Mangelhaftigkeiten hätte sich noch der noch bedenklichere Verlust der Fähigkeit, schnell Bäume zu erklettern und dadurch vor Feinden zu entfliehen, hinzufügen lassen. Wenn man sieht, dass die unbekleideten Feuerländer in ihrem schauer- lichen Clima existiren können, so wird der Verlust des Haarkleides für den Urmenschen keine grosse Schädigung gewesen sein, wenn er ein warmes Land bewohnte. Wenn man den vertheidigungslosen Menschen mit den Affen vergleicht, von denen viele mit fürchterlichen Eckzähnen ausgerüstet sind, so müssen wir uns daran erinnern, dass im völlig entwickelten Zustande nur die Männchen solche besitzen, indem sie sie hauptsächlich zum Kampf mit ihren Nebenbuhlern brauchen; und doch sind die Weibchen, welehe nicht damit versehen sind, völlig im Stande, leben zu bleiben. In Bezug auf die körperliche Grösse oder Kraft wissen wir nicht, ob der Mensch von irgend einer vergleichsweise kleinen Art, wie der Sehimpanse, abstammt oder von einer so mächtigen wie der Gorilla, und wir können daher auch nicht sagen, ob der Mensch grösser und stärker oder kleiner und schwächer im Vergleich zu seinen Urerzeugern 81 Primeval man 1869, p. 66. 136 Entwickelungsweise des Menschen. I. Theil. geworden ist. Wir müssen indess im Auge behalten, dass ein Thier, welches bedeutende Grösse, Kraft und Wildheit besitzt und welches, wie der Gorilla, sich gegen alle Feinde vertheidigen kann, wahrschein- lich, wenn auch nicht nothwendig, nicht social geworden sein wird, und dies würde in äusserst wirksamer Weise die Entwickelung jener höhe- ren geistigen Eigenschaften beim Menschen, wie Sympathie und Liebe zu seinen Mitgeschöpfen, gehemmt haben. Es dürfte daher von einem unendlichen Vortheil für den Menschen gewesen sein, von irgend einer verhältnissmässig schwachen Form abgestammt zu sein. Die geringe körperliche Kraft des Menschen, seine geringe Schnel- ligkeit, der Mangel natürlicher Waffen u. s. w. werden mehr als ausge- glichen erstens durch seine intelleetuellen Kräfte, durch welche er sich, während er noch im Zustande der Barbarei verblieb, Waffen, Werk- zeuge u. Ss. w. formen lernte, und zweitens durch seine sociale Eigen- schaften, welche ihn dazu führten, seinen Mitmenschen Hülfe angedeihen zu lassen und solche wiederum von ihnen zu empfangen. Kein Land auf der Erde ist in einem grösseren Grade so dicht mit gefährlichen Thieren erfüllt als Südafrika, kein Land bietet fürchterlichere Leidens- quellen dar als die aretischen Gegenden, und doch behauptet sich eine der schwächsten Rassen, nämlich die Buschmänner, in Südafrika ebenso wie es die zwergischen Eskimo’s in den aretischen Gegenden thun. Die früheren Urerzeuger des Menschen kamen ohne Zweifel an Intelleet und wahrscheinlich an socialen Anlagen den niedrigsten jetzt existirenden Wilden nicht gleich; es ist aber völlig gut einzusehen, dass sie existirt und sogar geblüht haben können, wenn sie in derselben Zeit an intel- lectueller Ausbildung gewannen, während sie allmählich ihre thierähn- lichen Fähigkeiten, wie die zum Klettern auf Bäumen u. s. w. verloren. Aber zugegeben, dass die Urerzeuger des Menschen bei Weitem hülfloser und vertheidigungsloser waren als irgendwelche jetzt existirende Wilde: sobald sie irgend einen warmen Continent oder eine grosse Insel, wie Australien oder Neuguinea oder Borneo bewohnten (die letztere Insel bewohnt jetzt der Orang), so würden sie keiner besonderen Gefahr aus- gesetzt gewesen sein. Auf einem Bezirk, welcher so gross als eine dieser Inseln ist, würde die Concurrenz zwischen den einzelnen Stäm- men hinreichend gewesen sein, um unter günstigen Bedingungen den Menschen durch das Ueberlebenbleiben des Passendsten in Verbindung mit den vererbten Wirkungen der Gewohnheit auf die jetzige hohe Stel- lung in der Reihe der Organismen zu erheben. Fünftes Capitel. Ueber die Entwickelung der intellectuellen und moralischen Fähigkeiten während der Urzeit und der eivilisirten Zeiten. Fortschritt der intellectuellen Kräfte durch natürliche Zuchtwahl. — Bedeutung der Nachahmung. — Sociale und moralische Fähigkeiten. — Ihre Entwicke- lung innerhalb der Grenzen emes und desselben Stammes. — Natürliche Zuchtwahl in ihrem Eimfluss auf eivilisirte Nationen. — Beweise, dass civi- lisirte Nationen einst barbarisch waren. Die in diesem Capitel zu erörternden Gegenstände sind von dem höchsten Interesse, werden aber von mir in einer sehr unvollkommenen und fragmentaren Weise behandelt werden. In einem schon vorhin erwähnten ausgezeichneten Aufsatze meint Mr. Warrace !, dass der Mensch, nachdem er zum Theil jene intelleetuellen und moralischen Fähigkeiten erlangt hätte, welche ihn von den niederen Thieren unter- schieden, nur wenig eine weitere, in Folge natürlicher Zuchtwahl oder anderer Ursachen eintretende Modifiecation seiner körperlichen Bildung erfahren haben würde. Denn durch seine geistigen Fähigkeiten ist der Mensch in den Stand gesetzt, sich bei einem nicht weiter verän- derten Körper mit dem sich weiter veränderten Universum in Har- monie zu erhalten. Er hat eine bedeutende Fähigkeit, seine Gewohn- heiten neuen Lebensbedingungen anzupassen, er erfindet Waffen, Werk- zeuge und verschiedene Pläne, um sich Nahrung zu verschaffen und sich zu vertheidigen. Wenn er in ein kälteres Clima wandert, benutzt er Kleider, baut sich Hütten und macht Feuer, und mit Hülfe des Feuers bereitet er sich durch Kochen Nahrung aus sonst unverdaulichen Stoffen. Er hilft seinen Mitmenschen in mannichfacher Weise und schliesst auf zukünftige Ereignisse. Selbst in einer sehr entfernten Zeit schon wandte er eine Theilung der Arbeit an. Andererseits müssen die niederen Thiere Modificationen ihres Kör- perbaues erleiden, um unter bedeutend veränderten Bedingungen leben ' Anthropological Review. May 1864. p. CLVII. 138 - Intellecetuelle Fähigkeiten. I. Theil. zu bleiben. Sie müssen stärker werden oder wirksamere Zähne oder Klauen erhalten, um sich gegen neue Feinde zu vertheidigen, oder sie müssen an Grösse reducirt werden, um weniger leicht entdeckt werden zu können und Gefahren zu entgehen. Wandern sie in ein kälteres . Clima aus, so müssen sie mit diekerem Pelze bekleidet werden und ihre Constitution muss sich ändern. Werden sie nicht in dieser Weise modificirt, so werden sie aufhören, zu existiren. Wie indessen Mr. Warrzack mit Recht betont hat, liegt der Fall in Bezug auf die intelleetuellen und moralischen Fähigkeiten des Men- schen sehr verschieden. Diese Fähigkeiten sind variabel, und wir haben allen Grund zu glauben, dass die Abweichungen zur Vererbung neigen. Wenn sie daher früher für den Urmenschen und seine affenähnlichen Urerzeuger von grosser Bedeutung waren, so werden sie durch natür- liche Zuchtwahl vervollkommnet oder fortgeschritten sein. Ueber die grosse Bedeutung der intelleetuellen Fähigkeiten kann kein Zweifel be- stehen, denn der Mensch verdankt ihnen hauptsächlich seine hervor- ragende Stellung auf der Erde. Wir sehen ein, dass auf dem rohesten Zustande der Gesellschaft diejenigen Individuen, welche die scharfsin- nigsten waren, welche die besten Waffen oder Fallen erfanden und be- nutzten und welche wohl am besten im Stande waren, sich zu verthei- digen, die grösste Zahl von Nachkommen erzogen haben werden. Die- jenigen Stämme, welche die grösste Anzahl von begabten Menschen umfassten, müssten an Zahl vermehrt worden sein und andere Stämme unterdrückt haben. Die Zahl hängt an erster Stelle von den Sub- sistenzmitteln ab und diese wieder theilweise von .der physikalischen Beschaffenheit des Landes, aber in emem bedeutend höheren Grade von den dort ausgeübten Künsten. In dem Maasse als ein Stamm sich vergrössert und siegreich ist, wird er sich oft noch weiter durch die Absorption anderer Stämme vergrössern *. Die Körpergrösse und Kraft der Menschen eines Stammes sind gleichfalls für seinen Erfolg von ziemlicher Bedeutung und hängen zum Theil von der Beschaffenheit und der Menge der Nahrung ab, welche erlangt werden kann. In Eu- ropa wurden die Menschen der Bronzeperiode von einer kräftigeren und, nach ihren Schwertgriffen zu urtheilen, auch grosshändigeren Rasse ver- ?2 Wenn die Glieder eines Stammes oder ganze Stämme eine Zeit lang in einem andern Stamm aufgegangen sind, nehmen sie, wie Mr. Maine bemerkt (Ancient‘Law, 1861, p. 131) an, dass sie Nachkommen derselben Voreltern wie die Glieder des letzteren seien. Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl. 139 drängt ?; der Erfolg dieser war aber wahrscheinlich in einem bedeu- tend höheren Grade Folge ihrer Ueberlegenheit in den Künsten. Alles was wir über Wilde wissen oder was wir aus ihren Tra- ditionen und alten Denkmälern, deren Geschichte von den jetzigen Ein- wohnern vollständig vergessen ist, schliessen können, weist darauf hin, dass von den entferntesten Zeiten an erfolgreiche Stämme andere Stämme verdrängt haben. Ueberreste ausgestorbener oder vergessener Stämme sind in allen eivilisirten Gegenden der Erde, auf den wilden Steppen von Amerika und auf den isolirten Inseln des Stillen Oceans entdeckt worden. Noch heutigen Tages verdrängen überall eivilisirte Nationen barbarische, ausgenommen da wo das Clima eine tödtliche Grenze zieht, und sie haben hauptsächlich, wenn auch nicht ausschliesslich, ihren Er- folge ihren Kunstfertigkeiten zu danken, welche wiederum das Produet ihres Verstandes sind. Es ist daher höchst wahrscheinlich, dass beim Menschen die intelleetuellen Fähigkeiten allmählich durch natürliche Zuchtwahl vervollkommnet worden sind, und dieser Schluss genügt für unseren vorliegenden Zweck. Unzweifelhaft würde es sehr interessant gewesen sein, die Entwickelung jeder einzelnen Fähigkeit von dem Zu- stande, in welchem sie bei niederen Thieren existirt, zu dem, in wel- chem sie beim Menschen vorhanden ist, zu verfolgen, doch. gestatten mir weder meine Fähigkeit noch meine Kenntnisse, diesen Versuch zu machen. ä i Es verdient Beachtung, dass, sobald die Urerzeuger des Menschen social wurden (und dies trat wahrscheinlich zu einer sehr frühen Pe- riode ein) die Fortschritte der intelleetuellen Fähigkeiten in einer be- deutungsvollen Weise, und zwar ineiner Weise unterstützt und motivirt sein werden, von welcher wir jetzt bei den niederen Thieren nur Spuren sehen, nämlich durch das Princip der Nachahmung in Verbindung mit Verstand und Erfahrung. Affen ahmen sehr gern Alles nach, wie es auch die niedrigsten Wilden thun, und die einfache, früher schon er- wähnte Thatsache, dass nach einer gewissen Zeit kein Thier an demsel- ben Ort durch dieselbe Art von Fallen gefangen werden kann, zeigt, dass Thiere durch Erfahrung lernen und die Vorsicht ihrer Genossen nachahmen. Wenn nun in einem Stamme irgend ein Mensch, welcher scharfsinniger war als die Uebrigen, eine neue Finte oder Wafle oder irgend ein anderes Mittel des Angriffs oder der Vertheidigung erfand, ® Morlot, Soc. Vaud. Science. Nat. 1860, p. 294. 140 Intelleetuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. so würde das offenbarste eigene Interesse, ohne die Unterstützung gros- ser Verstandesthätigkeit, die andern Glieder des Stammes dazu bringen, ihm nachzuahmen, und hierdurch würden Alle Vortheile haben. Die gewohnheitsgemässe Uebung jeder neuen Kunst muss gleichfalls in einem unbedeutenden Grade den Verstand kräftigen. Wäre die neue Erfindung von grosser Bedeutung, so würde der Stamm an Zahl zu- nehmen, sich verbreiten und andere Stämme verdrängen. In einem hierdurch zahlreicher gewordenen Stamme würde auch die Wahrschein- lichkeit immer grösser sein, dass andere ausgezeichnete und erfinde- rische Glieder geboren werden. Hinterliessen sölche Leute Kinder, welche deren geistige Ueberlegenheit erben konnten, so wird die Wahr- scheinlichkeit der Geburt von noch ingeniöseren Mitgliedern wieder grös- ser werden und bei einem sehr kleinen Stamme besonders ganz ent- schieden grösser. Selbst wenn sie keine Kinder hinterliessen, würde doch der Stamm wenigstens Blutverwandte von ihnen noch enthalten, und es ist von Landwirthen * nachgewiesen worden, dass durch das Er- halten einer Familie und das Nachzüchten von ihr, wenn sich überhaupt nur ein Thier aus derselben beim Schlachten als ein werthvolles her- ausstellte, die gewünschte Beschaffenheit erlangt worden ist. Wenden wir uns nun zu den socialen und moralischen Fähigkeiten. Damit die Urmenschen oder die affenähnlichen Urerzeuger des Men- schen social würden, mussten sie dieselben instinetiven Gefühle erlangt haben, welche andere Thiere dazu treiben, in Menge beisammen zu leben, und sie boten ohne Zweifel dieselbe allgemeine Disposition dazu dar. Sie werden sich ungemüthlich gefühlt heben, wenn sie von ihren Kameraden getrennt waren, für welche sie einen gewissen Grad von Liebe gefühlt haben; sie werden einander vor Gefahr gewarnt haben und werden sich gegenseitig beim Angriff oder bei der Vertheidigung geholfen haben. Alles dies setzt einen gewissen Grad von Sympathie, von Treue und von Muth voraus. Derartige sociale Eigenschaften, deren wichtige Bedeutung für die niederen Thiere Niemand bestritten hat, wurden ohne Zweifel von den Urerzeugern des Menschen auch in einer ähnlichen Weise erlangt, nämlich durch natürliche Zuchtwahl mit Unterstützung einer vererbten Gewohnheit. Kamen zwei Stämme des Urmenschen, welche in demselben Lande wohnten, mit einander in * Beispiele habe ich in meinem Variiren der Thiere und Pflanzen im Zu- stande der Domestication. Bd. 2, S. 265 gegeben. Cap. 5. Moralische Fähigkeiten eines Stammes. 141 Concurrenz, so wird, wenn der eine Stamm bei völliger Gleichheit aller übrigen Umstände eine grössere Zahl muthiger, sympathischer und treuer Glieder umfasste, welche stets bereit waren, einander vor Gefahr zu warnen, einander zu helfen und zu vertheidigen, dieser Stamm ohne Zweifel am besten gediehen sein und den andern besiegt haben. _ Man darf nicht vergessen, von welcher unendlichen Bedeutung bei den nie aufhörenden Kriegen der Wilden Treue und Muth sein müssen. Die Ueberlegenheit, welche diseiplinirte Soldaten über undiseiplinirte Massen zeigen, ist hauptsächlich eine Folge des Vertrauens, welches Jeder in seine Kameraden setzt. Gehorsam ist, wie Mr. BAGEHOT sehr gut ent- wickelt hat 5, von der höchsten Bedeutung, denn irgend eine Form von Regierung ist besser als gar keine. Selbstsüchtige und streitsüchtige Leute werden nicht zusammenhalten , und ohne Zusammenhalten kann nichts ausgerichtet werden. Ein Stamm, welcher die obengenannte Eigen- schaft in hohem Grade besitzt, wird sich verbreiten und anderen Stäm- men gegenüber siegreich sein; aber im Laufe der Zeit wird nach dem Zeugniss der ganzen vergangenen Geschichte auch er an seinem Theil von irgend einem andern und noch höher begabten Stamme überflügelt werden. Hierdurch werden die socialen und moralischen Eigenschaften sich langsam: zu erhöhen und dureh die ganze Erde zu verbreiten neigen. Man könnte aber nun fragen: woher kam es, dass innerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes eine grössere Anzahl seiner Glie- der zuerst mit socialen und moralischen Eigenschaften begabt wurde und wodurch wurde der Maassstab der Vorzüglichkeit erhöht? Es ist äusserst zweifelhaft, ob die Nachkommen der sympathischeren und wohlwollenderen Eltern oder derjenigen, welche ihren Kameraden am treuesten waren, in einer grösseren Anzahl aufgezogen wurden als die Kinder selbstsüchtiger und verrätherischer Eltern desselben Stammes. Wer bereit war, sein Leben eher zu opfern als seine Kameraden zu verrathen, wie es gar mancher Wilde gethan hat, der wird oft keine Nachkommen hinterlassen, seine edle Natur zu vererben. Die tapfersten Leute, welche stets sich willig fanden, sich im Krieg an die Spitze ihrer Genossen zu stellen, und welche ihr Leben für Andere in die Sehanze schlugen, werden im Mittel in einer grösseren Zahl umkom- men als andere Menschen. Wenn wir uns daher hier erinnern, dass wir nicht davon sprechen, dass ein Stamm einen andern besiegt, so 55. eine Reihe merkwürdiger Artikel „on Physies and Politics“ in: Fort- nightly Review. Nov. 1867, 1. Apr. 1868, 1. Juli 1869. 142 Moralische Fähigkeiten. I. Theil. scheint es kaum möglich , dass die Zahl mit solchen Tugenden aus- gerüsteter Menschen oder der Maassstab ihrer Vortrefflichkeit durch natürliche Zuchtwahl, d. h, durch das Ueberlebenbleiben des Passendsten erhöht werden könnte. Wenngleich die Umstände, welche zu einer Zahlenzunahme so be- gabter Leute innerhalb eines und desselben Stemmes führen, zu com- plieirt sind, um einzeln deutlich verfolgt zu werden, so können wir doch einige der wahrscheinlichen Schritte verfolgen. So wird an erster Stelle in der Weise wie die Verstandeskräfte und die Voraussicht der einzelnen Glieder sich bessern, jeder Mensch bald aus Erfahrung ler- nen, dass, wenn er seine Mitmenschen unterstützt, er auch gewöhnlich in Erwiderung Hülfe von ihnen erfahren wird. Aus diesem niedrigen Motive kann er die Gewohnheit, seinen Genossen zu helfen, erlangen ; und die Gewohnheit, wohlwollende Handlungen auszuüben, kräftigt sicherlich das Gefühl der Sympathie, welches den ersten Antrieb zu wohlwollenden Handlungen abgibt. Ueberdies neigen Gewohnheiten, wel- chen mehrere Generationen hindurch die Menschen gefolgt sind, wahr- scheinlich zur Vererbung. Es gibt aber einen andern und noch kräftigeren Antrieb zur Ent- wickelung der socialen Tugenden, nämlich das Lob und den Tadel un- serer Mitmenschen. Die Sucht nach Anerkennung und die Furcht vor Beschimpfung, ebenso wie die Aussprache von Lob und Tadel sind, wie wir im dritten Capitel gesehen haben, an erster Stelle Folge des In- stinets der Sympathie und dieser Instinet wurde ursprünglich wie alle übrigen socialen Instinete durch natürliche Zuchtwahl erlangt. In was für einer frühen Periode die Urerzeuger des Menschen im Lauf ihrer - Entwickelung fähig wurden, das Lob oder den Tadel ihrer Mitgeschöpfe zu fühlen und durch sie beeinflusst zu werden, können wir natürlich nicht sagen; aber es scheint, dass selbst Hunde Ermuthigung, Lob und Tadel wohl zu schätzen wissen. Die rohesten Wilden kennen das Ge- fühl des Ruhms, wie sie deutlich durch das Aufbewahren der’ Trophäen ihrer Tapferkeit, durch die Gewohnheit des excessiven Sich-Rühmens und selbst durch die extreme Sorgfalt zeigen, welche sie auf ihre per- sönliche Erscheinung und Decoration verwenden. Denn wenn sie die Meinung ihrer Kameraden gar nicht beachteten, so würden derartige Gewohnheiten sinnlos sein. Gewiss empfinden sie Scham bei dem Verletzen einiger ihrer ein- facheren Gesetze; inwieweit sie aber Gewissensbisse empfinden, ist zwei- Cap. 5. Moralische Fähigkeiten eines Stammes. 143 felhaft. Ich war anfangs erstaunt, dass ich mich keiner irgendwo er- zählten Beispiele für dieses Gefühl bei Wilden erinnern konnte, und auch Sir J. LuBBock führt an®, dass ihm keines bekannt sei. Wenn wir aber alle in Romanen und Schauspielen gegebenen Fälle und alle auf dem Sterbebette den Priestern anvertraute Bekenntnisse aus unserer Er- innerung streichen, so zweifle ich, ob Viele von uns wirklich Zeugen von Gewissensbissen gewesen sind, trotzdem wir oft Scham und Zer- knirschung wegen kleinerer Vergehen mit angesehen haben. Innere Vorwürfe sind ein sehr tief verheimlichtes Gefühl. Es ist unglaublich, dass ein Wilder, welcher sein Leben eher opfert, als dass er seinen Stamm verräth, oder dass Einer, der sich selbst eher als Gefangener überliefert, als dass er sein Wort bricht ?, nicht in seiner innersten Seele Vorwürfe fühlen sollte, wenn er sie auch verbirgt, sobald er eine Pflicht versäumt hat, welche er für heilig hält. Wir können daher schliessen, dass der Urmensch in einer äusserst entfernten Zeit durch das Lob und den Tadel seiner Genossen beein- flusst worden sein wird. Offenbar werden die Mitglieder eines und des- selben Stammes ein Benehmen, welches ihnen als ein das allgemeine Beste förderndes erschien, lobend anerkennen und ein solches verwerfen, welches ihnen übelbringend erschien. Andern Gutes zu thun, — An- dern zu thun als Ihr wollt, dass man Euch thue — ist der Grundstein der Moralität. Es ist daher kaum möglich, die während der Zeiten der Rohheit bedeutungsvolle Wirkung des Wunsches nach Lob und der Furcht vor Tadel zu überschätzen. Ein Mensch, welcher durch kein tiefes instinctives Gefühl dazu getrieben wurde, sein Leben für das Beste Anderer zu opfern, dagegen zu solchen Handlungen durch ein (Gefühl des Ruhms veranlasst wurde, würde durch sein Beispiel denselben Wunsch nach Ruhm bei andern Menschen erregen und würde durch Uebung das edle Gefühl der Bewunderung kräftigen. Er kann auf diese Weise seinem Stamme viel mehr Gutes thun, als durch Erzeugung einer Nach- kommenschaft, welcher die Tendenz innewohnt, seinen eigenen edeln Character zu erben. Mit der Zunahme der Erfahrung und des Verstandes lernt der Mensch die entfernteren Wirkungen seiner Handlungen erkennen und 6 Origin of Civilisation. 1870, p. 265. ” Mr. Wallace führt Fälle hiervon an in seinen Contributions to the theory of Natural Selection. 1870, p. 354. 144 Moralische Fähigkeiten. I. Theil. lernt auch die das Individuum betreffenden Tugenden, wie Mässigkeit, Keuschheit u. s. w., welche während sehr früher Zeiten, wie wir vorher gesehen haben, vollständig unbeachtet bleiben werden, nun sehr hoch- schätzen oder selbst für heilig halten. Ich brauche indessen nicht zu wiederholen, was ich im dritten Capitel über diesen Gegenstand gesagt habe. Zuletzt wird sich denn unser moralisches Gefühl oder Gewissen gebildet haben, jene äusserst complicirte Erscheinung, die ihren ersten Ursprung in den socialen Instineten hat, die in grossem Maasse von der Anerkennung unserer Mitmenschen geleitet, von dem Verstand, dem eigenen Interesse und in späteren Zeiten von tiefreligiösen Ge- fühlen beherrscht, durch Unterricht und Gewohnheit befestigt und durch alle die genannten Momente im Verein zur Aeusserung gebracht wird. Es darf nicht vergessen werden, dass, wenn auch eine hohe Stufe der Moralität nur einen geringen oder gar keinen Vortheil für jeden individuellen Menschen und seine Kinder über die andern Menschen in einem und demselben Stamme darbietet, doch ein Fortschritt in dem allgemeinen Maasse der Moralität und eine Zunahme in der Zahl gut begabter Menschen sicher dem einen Stamm einen unendlichen Vortheil über einen andern verleiht. Es lässt sich nicht zweifeln, dass ein Stamm, welcher viele Glieder umfasst, die in einem hohen Grade den Geist des Patriotismus, der Treue, des Gehorsams, Muths und der Sym- pathie besitzen und daher stets bereit sind, einander zu helfen und sich für das allgemeine Beste zu opfern, über die meisten andern Stämme den Sieg davontragen wird, und dies würde natürliche Zucht- wahl sein. Zu allen Zeiten haben über die ganze Erde einzelne Stämme andere verdrängt, und da die Moralität ein Element bei ihrem Erfolg ist, so wird die Stufe der Moralität und die Zahl gut begabter Men- schen überall zuzunehmen und sich zu vergrössern streben. Es ist indessen sehr schwer sich irgend ein Urtheil darüber zu bilden, warum ein besonderer Stamm und nicht ein anderer erfolgreich gewesen und in der Civilisationsstufe gestiegen ist. VieleWilde sind noch in demselben Zustande, in welchem sie sich vor mehreren Jahrhunder- ten befanden als sie entdeckt wurden. Wie Mr. BAGEHoOT bemerkt hat, sind wir geneigt, den Fortschritt als die normale Regel bei der mensch- lichen Gesellschaft zu betrachten, aber die Geschichte widerlegt dies. Die Alten hatten nicht einmal diese Idee, ebensowenig wie die orien- talischen Nationen sie heutigen Tages haben. Eine andere bedeutende Cap. 5. . Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. 145 Autorität, Mr. MAINE sagt ®: „der grösste Theil der Menschheit hat „niemals auch nur eine Spur eines Wunsches gezeigt, dass seine bür- „gerlichen Institutionen verbessert werden sollten. * Fortschritt scheint von vielen zusammenwirkenden günstigen Bedingungen abzuhängen, die viel zu complieirt sind, um sie hier einzeln zu verfolgen. Es ist aber oft bemerkt worden, dass ein kühleres Clima, weil es zur Industrie und den verschiedenen Kunstfertigkeiten führt, zu jenem Zwecke äusserst günstig oder selbst unentbehrlich gewesen ist. Die Eskimos haben, von starrer Nothwendigkeit bedrückt, viele ingeniöse Erfindungen ge- macht, aber ihr Clima ist zu streng gewesen, um einen beständigen Fortschritt zu gestatten. Nomadisches Leben, mag es auf weiten Ebe- nen oder in den dichten Wäldern der Tropenländer oder den Seeküsten entlang geführt worden sein, ist in allen Fällen äusserst nachtheilig ge- wesen. Bei Beobachtung der barbarischen Einwohner des Feuerlandes fiel es mir auf, dass der Besitz irgendwelchen Eigenthums, ein fester Wohnsitz und die Verbindung vieler Familien unter einem Häuptlinge die unentbehrlichen Requisiten zur Civilisation sind. Derartige Ge- bräuche fordern fast mit Nothwendigkeit die Cultur des Bodens; und die ersten Fortschritte in der Cultur würden wahrscheinlich, wie ich an einem andern Ort gezeigt habe ?, des Resultat irgend solcher Zu- fälle sein, wie wenn die Samenkörner eines Fruchtbaums auf einen Ab- raumhaufen fallen und eine ungewöhnlich schöne Varietät hervorbringen. Indessen ist das Problem des ersten Fortschritts der Wilden im Sinne ihrer Civilisation vorläufig viel zu schwer, um gelöst zu werden. Natürliche Zuchtwahl in ihrem Einfluss auf eivilisirte Nationen. — In dem letzten und dem vorliegenden Capitel habe ich den Fortschritt des Menschen von einem früheren halbmenschlichen zu seinem jetzigen Zustand als ein Barbarenvolk betrachtet. Es dürfte aber doch der Mühe werth sein, einige Bemerkungen über die Wirk- samkeit der natürlichen Zuchtwahl auf eivilisirte Nationen hier noch hinzuzufügen. Es ist dieser Gegenstand von Mr. W. R. Gres !® recht gut erörtert worden und früher schon von Mr. WALLACE und Mr. GAL- 8 Ancient Law. 1861, p. 22. Wegen Bagehot’s Bemerkungen s. Fort- nightly Review, 1. Apr. 1868, p. 452. » Das Varüren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, S. 384, 385. 10 Fraser’s Magazine. Sept. 1868, p. 353. Es scheint dieser Aufsatz viele Personen sehr frappirt zu haben; auch hat er zwei merkwürdige Abhandlungen DARWIN, Abstainmung. I. Zweite Auflage. 10 146 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. ron !! Die meisten meiner Bemerkungen sind diesen drei Schrift- stellern entnommen. Bei Wilden werden .die an Geist und Körper Schwachen bald beseitigt und die, welche leben bleiben, zeigen gewöhn- lich einen Zustand kräftiger Gesundheit. Auf der andern Seite thun wir eivilisirte Menschen alles nur Mögliche, um den Process dieser Be- seitigung aufzuhalten. Wir bauen Zufluchtsstätten für die Schwach- sinnigen, für die Krüppel und die Kranken, wir erlassen Armengesetze und unsere Aerzte strengen die grösste Geschicklichkeit an, das Leben eines Jeden bis zum letzten Moment noch zu erhalten. Es ist Grund vorhanden, anzunehmen, dass die Impfung Tausende erhalten hat, welche in Folge ihrer schwachen Constitution früher den Pocken erlegen wären. Hierdurch geschieht es, dass auch die schwächeren Glieder der civili- sirten Gesellschaft ihre Art fortpflanzen. Niemand, welcher der Zucht domestieirter Thiere seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, wird daran zweifeln, dass dies für die Rasse des Menschen im höchsten Grade schädlich sein muss. Es ist überraschend, wie bald ein Mangel an Sorgfalt oder eine unrecht geleitete Sorgfalt zur Degeneration einer domestieirten Rasse führt; aber mit Ausnahme des den Menschen be- treffenden Falls ist kein Züchter so unwissend, dass er seine schlech- testen Thiere zur Nachzucht zulässt. Die Hülfe, welche dem Hülflosen zu widmen wir uns getrieben fühlen, ist hauptsächlich das Resultat des Instinets der Sympathie, welcher ursprünglich als ein Theil der socialen Instinete erlangt, aber später in der oben bezeichneten Art und Weise zarter und weiter ver- breitet gemacht wurde. Auch könnten wir unsere Sympathie, wenn sie durch den Verstand hart bedrängt würde, nicht hemmen, ohne den edel- sten Theil unserer Natur herabzusetzen. Der Chirurg kann sich ab- härten, wenn er eine Operation ausführt, denn er weiss, dass er zum Besten seines Patienten handelt; aber wenn wir absichtlich den Schwa- hervorgerufen, ebenso eine Entgegnung in The Spectator, 3. Oct. und 17. Oct. 1868. Ebenso hat er Erörterungen veranlasst im Quart. Journal of Science, 1869, p. 152, von Mr. Lawson Tait in: The Dublin Quart. Journ. of Medical Science, Febr. 1869 und von E.Ray Lankester in seiner: Comparative Longe- vity. 1370, p. 128. Aehnliche Ansichten wurden früher schon geäussert in „Au- stralasian“ 13. Juli, 1867. Von mehreren dieser Schriftsteller habe ich Ideen entlehnt. ıı Wallace, in der Anthropolog. Review, am früher angeführten Orte; Galton, in Macmillan’s Magazine, Aug. 1865, p. 318. s. auch sein grösseres Werk „Hereditary Genius“. 1870. Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. 147 chen und Hülflosen vernachlässigen sollten, so könnte es nur geschehen wegen einer aus dieser Vernachlässigung entspringenden grossen Wohl- that trotz dem Vorhandensein eines sicheren und grossen Unglücks. Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Ueber- lebenbleibens und Vermehrens der Schwachen ohne weitere Klagen er- tragen; doch scheint wenigstens ein Hinderniss für die beständige Ver- mehrung derselben zu existiren, in dem Umstande nämlich, dass die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig als die Gesunden heirathen; und dies Hemmniss könnte noch ganz ausserordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heirathens enthielten. In allen eivilisirten Ländern häuft der Mensch Besitzthum an und hinterlässt es seinen Kindern, so dass alle Kinder eines und desselben Landes durchaus nicht gleich gut ausgerüstet ihr Streben nach Erfolg beginnen. Doch ist dies durchaus nicht allein ein Uebel. Denn ohne die Anhäufung von Capital könnten die Künste keine Fortschritte ma- chen und es ist hauptsächlich durch die-Kraft dieser geschehen, dass die eivilisirten Rassen sich verbreitet haben und jetzt noch immer ihren Bezirk erweitern, so dass sie die Stelle der niedrigeren Rassen ein- nehmen. Auch stört die mässige Anhäufung von Wohlstand den Pro- cess der Zuchtwahl durchaus nicht. Wenn ein armer Mensch reich wird, so beginnen seine Kinder den Handel oder ein Gewerbe, in wel- chem es des Kampfes genug gibt, so dass der an Körper und Geist Fähigere am besten fortkommt. Das Vorhandensein einer Menge gut unterrichteter Leute, welche nicht um ihr täglich Brod zu arbeiten haben, ist in einem Grade bedeutungsvoll, welcher nicht überschätzt werden kann; denn alle intellectuelle Arbeit wird von ihnen verrichtet und von solcher Arbeit hängt der materielle Fortschritt in allen For- men hauptsächlich ab, um andere und höhere Vortheile gar nicht zu erwähnen. Wird der Wohlstand sehr gross, so verwandelt er ohne Zweifel leicht die Menschen in unnütze Drohnen, aber ihre Zahl ist niemals gross und ein Eliminationsprocess tritt in emem gewissen Grade auch hier ein, da wir täglich sehen, wie reiche Leute närrisch oder verschwenderisch werden und allen ihren Wohlstand vergeuden. Primogenituren mit Majoritätsgütern ist ein direeteres Uebel, trotz- dem es früher von grossem Vortheil gewesen sein mag, nämlich wegen der durch sie erreichten Bildung einer vorherrschenden Classe; denn 10 * 148 Intelleetuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. irgend eine Regierung ist besser als Anarchie. Die ältesten Söhne, mögen sie auch an Körper oder Geist schwach sein, heirathen gewöhn- lich, während die jüngeren Söhne, so überlegen sie auch in den eben- genannten Beziehungen sein mögen, nicht so allgemein heirathen. Auch können unwürdige älteste Söhne mit Familiengütern ihren Reichthum nicht verschwenden. Aber hier sind, wie in andern Punkten, die Be- ziehungen des civilisirten Lebens so complicirt, dass noch andere com- pensatorische Hemmnisse eingreifen. Die’ Männer, welche durch Pri- mogenitur reich sind, sind im Stande, Generation nach Generation sich die schöneren und reizvolleren Frauen zu wählen, und diese müssen all- gemein an Körper gesund und an Geist lebendig sein. Den schlimmen Folgen, wie deren hier auftreten können, einer beständigen Reinhaltung derselben Descendenzreihe ohne irgendwelche Wahl wird stets von Män- nern von Rang vorgebeugt, welche ihre Macht und ihren Reichthum zu vergrössern wünschen; und diese bewirken sie dadurch, dass sie Er- binnen heirathen. Aber die Töchter von Eltern, welche nur einzige Kinder erzeugt haben, sind für sich schon, wie Mr. GaLton !? gezeigt hat, leicht steril. Daher werden beständig Adelsfamilien in der direc- ten Linie aussterben, so dass ihr Reichthum in irgend eine Seitenlinie überfliesst ; unglücklicherweise wird aber diese Linie nicht durch Supe- riorität irgend welcher Art bestimmt. Obgleich hiernach die Civilisation auf viele Weisen die Wirksam- keit der natürlichen Zuchtwahl hemmt, so begünstigt dieselbe offenbar mittelst der verbesserten Nahrung und des Befreitseins von gelegent- lichen Nothständen die bessere Entwickelung des Körpers. Dies lässt sich daraus schliessen, dass, woman auch den Vergleich angestellt haben mag, eivilisirte Leute immer physisch kräftiger gefunden wurden als Wilde. Sie scheinen auch gleiche Kraft der Ausdauer zu haben, wie in vielen abenteuerlichen Expeditionen sich gezeigt hat. Selbst der grosse Luxus der Reichen kann nur in geringem Grade nachtheilig sein. Denn die wahrscheinliche Lebensdauer unserer Aristokratie ist auf allen Altersstufen und in beiden Geschlechtern sehr unbedeutend geringer als diejenige gesunder Engländer der niederen Classen 13, Wir wollen nun die intellectuellen Fähigkeiten allein betrachten. Wenn wir auf jeder Stufe der Gesellschaft die Glieder in zwei gleiche 12 Hereditary Genius, 1870, p. 152—140. 13 5, die fünfte und sechste nach guten Quellen zusammengestellte Columne der Tabelle in E. Ray Lankester’s Comparative Longevity. 1870, p. 115. Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. . 149 Massen theilten, von denen die eine diejenigen umfasste, welche intel- lectuell höher begabt wären, die andere die ihnen untergeordneteren, so lässt sich kaum zweifeln, dass die erstere in allen Beschäftigungen bes- sere Erfolge erzielen und eine grössere Anzahl von Kindern aufbringen würde. Selbst in den niedrigsten Schichten des Lebens muss Geschick und Fähigkeit von irgendwelchem Vortheil sein, wenn auch wegen der grossen Arbeitstheilung in vielen Thätigkeitszweigen nur von sehr ge- ringem. Es wird daher bei ceivilisirten Nationen eine Neigung bestehen, sowohl der Zahl als dem Grade der intelleetuellen Fähigkeiteu nach zu- zunehmen. Doch möchte ich nicht behaupten, dass diese Neigung nicht auf anderem Wege mehr als ausgeglichen wird, wie z. B. durch die Vervielfältigung der Leichtsinnigen und Sorglosen; aber selbst für diese muss Geschicklichkeit von irgendwelchem Vortheil sein. Ansichten wie den eben vorgetragenen ist oft entgegengehalten worden, dass die ausgezeichnetsten Leute, welche je gelebt haben, keine Nachkommen hinterlassen haben, um ihren grossen Intellect zu ver- erben. Mr. GarLrton bemerkt !#: „ich bedaure, nicht im Stande zu sein, „die einfache Frage zu lösen, ob und in wie weit Männer und Frauen, „welche Wunder des Genies waren, unfruchtbar sind. Ich habe indes- „sen gezeigt, dass hervorragende Männer dies durchaus nicht sind.* Grosse Gesetzgeber, die Gründer segensreicher Religionen, grosse Phi- losophen und wissenschaftliche Entdecker unterstützen den Fortschritt der Menschheit in einem viel höheren Grade durch ihre Werke, als durch das Hinterlassen einer zahlreichen Nachkommenschaft. Was die körperliche Structur betrifft, so ist es die Auswahl der unbedeutend besser begabten und die Beseitigung der ebenso unbedeutend weniger gut begabten Individuen und nicht die Erhaltung scharf markirter und ‚seltener Anomalien, welche zur Verbesserung einer Species führt !?, Dasselbe wird auch für die intelleetuellen Fähigkeiten der Fall sein. Es werden nämlich auch hier die in irgend etwas fähigeren Menschen auf jeder Stufe der Gesellschaft bessere Erfolge erzielen als die weniger fähigen «und, wenn sie nicht auf andere Weise daran gehindert -werden, in Folge dessen stärker an Zahl zunehmen. Hat sich in irgend einer Nation die Höhe des Intelleets und die Anzahl intelleetueller Leute vermehrt, so können wir nach dem Gesetze der Abweichung vom Mittel, !4 Hereditary Genius. 1870, p. 330. 15 Entstehung der Arten. 4. Aufl. S. 104. 150 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. 1. Theil. wie Mr. GaLToN gezeigt hat, erwarten, dass Wunder des Genies etwas häufiger als früher erscheinen werden. In Bezug auf die moralischen Eigenschaften ist eine geringe Be- seitigung der schlechtesten Dispositionen stets in Thätigkeit, selbst bei den eivilisirten Nationen. Uebelthäter werden hingerichtet oder auf lange Zeit gefangen gesetzt, so dass sie nicht ihre schlechten Eigen- schaften in grösserer Menge fortpflanzen können. Melancholische und geisteskranke Personen werden in Gewahrsam gehalten oder begehen Selbstmord. Heftige und streitsüchtige Leute finden oft ein blutiges Ende. Ruhelose Leute, welche keiner stetigen Beschäftigung Folge lei- sten wollen — und dies Ueberbleibsel der Barbarei ist ein grosses Hemm- niss für die Civilisation 6 — wandern nach neugegründeten Staaten aus, wo sie sich als nützliche Pioniere erweisen. Unmässigkeit ist in so hohem Grade zerstörend, dass die wahrscheinliche Lebensdauer der Unmässigen z. B. im Alter von dreissig, nur 13,8 Jahre beträgt, wäh- rend sie für die Arbeiter auf dem Lande von demselben Alter in England 40,59 beträgt '7”. Lüderliche Frauen haben wenig Kinder und lüder- liche Männer heirathen selten; Beide leiden durch das Vorherrschen von Krankheiten. Bei der Zucht von domestieirten Thieren ist die Besei- tigung derjenigen Individuen, welche, wenn sie auch der Zahl nach wenig sind, in irgendwelchem markirten Grade untergeordneter sind, ein durchaus nieht bedeutungsloses Moment in Bezug auf den Erfolg. Dies gilt vorzüglich für die schädlichen Merkmale, welche durch Rück- schlag wieder aufzutreten neigen, wie 2..B. schwarze Farbe bei Schafen; und auch beim Menschen können einige der schlechtesten Anlagen, welche gelegentlich ohne irgendwelche nachweisbare Ursache in Fami- lien auftreten, vielleicht als Rückschlag auf einen wilden Zustand an- gesehen werden, von welchem wir durch nicht gar zu viele Generatio-: nen getrennt sind. Diese Ansicht scheint in der That durch die ge- wöhnliche Redensart anerkannt zu werden, dass derartige Leute die „schwarzen Schafe“ der Familien seien. Soweit es einen vorgeschrittenen Zustand der Moralität und eine erhöhte Zahl ziemlich gut begabter Menschen betrifft, scheint bei civi- 16 Hereditary Genius. ı 1870, p. 347. 17 E.Ray Lankester, Comparative Longevity. 1870, p. 115. Die Tabelle der -Unmässigkeit ist aus Neison’s Vital Statistics. In Bezug auf Ausschweifun- gen s. Dr. Farr, Influence of Marriage on Mortality: Nat. Assoc. for the Pro- motion of Social Science. 1858. Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. 151 lisirten Nationen die natürliehe Zuchtwahl nur wenig zu bewirken, trotz- dem die fundamentalen socialen Instinete ursprünglich hierdurch erlangt wurden. Ich habe aber, als ich von den niederen Rassen handelte, mich schon hinreichend über die Ursachen verbreitet, welche zum Fort- schritt der Moralität führen, nämlich die billigende Zustimmung unserer Mitmenschen — die Kräftigung unserer Sympathien durch Gewohn- heit — Beispiel und Nachahmung — Verstand — Erfahrung und selbst eigenes Interesse — Unterricht während der Jugend und religiöse Gefühle. Ein äusserst bedeutungsvolles Hemmniss für die Zunahme der Zahl von Menschen einer höheren Classe in civilisirten Ländern ist von Mr. GREG und Mr. GArTon sehr schaff hervorgehoben worden !®, nämlich die Thatsache, dass die sehr Armen und Leichtsinnigen, welche oft durch Laster heruntergekommen sind, fast unabänderlich früh heirathen, während die Sorgsamen und Mässigen, welche meist auch in anderer Beziehung tugendhaft sind, spät im Leben heirathen, so dass sie im Stande sind, sich selbst und ihre Kinder mit Leichtigkeit zu erhalten. Diejenigen, welche früh heirathen, erzeugen innerhalb einer gegebenen Zeit nicht bloss eine grössere Anzahl von Generationen, sondern sie bringen, wie Dr. Duncan gezeigt hat-!?, auch viel mehr Kinder her- vor. Ausserdem sind die Kinder, welche von Müttern während der Blüthe ihres Lebens geboren werden, schwerer und grösser und daher wahrscheinlich kräftiger als diejenigen, welche in andern Perioden ge- boren werden. Hierdurch streben die leichtsinnigen, heruntergekomme- nen und oft lasterhaften Glieder der Gesellschaft sich in einem schnel- leren Maasse zu vermehren als die vorsichtigen und im Allgemeinen tugendhaften Glieder. Oder wie Mr. Greg den Fall darstellt: „der „sorglose, schmutzige, nicht höher hinaus wollende Irländer vermehrt „sich wie die Kaninchen; der frugale, vorsichtige, sich selbst achtende „ehrgeizige Schotte, welcher streng in seiner Moralität, durchgeistigt „in seinem Glauben und diseiplinirt in seinem ‚Wesen ist, verbringt „die besten Jahre seines Lebens im Kampfe und im Stande des Cölibats „zu, heirathet spät und hinterlässt nur wenig Nachkommen. Man nehme 18 Frasers Magazine, Sept. 1868, p. 353. Macmillan’s Magazine, Aug. 1865 p. 318. F. W. Farrer (Fraser’s Magaz. Aug. 1870, p, 264) ist verschiedener Ansicht. 19 On the laws of the Fertility of Women, in: Transact. Roy. Soc. Edin- burgh. Vol. XXIV, p. 287. s. auch Galton, Hereditary Genius. p. 352—357, wo sich Beobachtungen zu Gunsten der obigen Ansicht finden. 4152 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. „ein Land, welches ursprünglich von tausend Sachsen und tausend Cel- „ten bevölkert sei; und nach einem Dutzend Generationen werden ?/s „der Bevölkerung Celten sein, aber °/6 des Besitzes, der Macht, des „Intellects werden dem einen übrig gebliebenen Sechstel der Sachsen „angehören. In dem ewigen Kampfe um’s Dasein wird die untergeord- „nete und weniger begünstigte Rasse es sein, welche vorherrscht und „zwar vorherrscht nicht kraft ihrer guten Eigenschaften, sondern kraft „ihrer Fehler.* Es sind indessen mehrere Hemmnisse gegen diese nach abwärts strebende Bewegung vorhanden. Wir haben gesehen, dass die Unmäs- sigen einem hohen Sterblichkeitsverhältniss unterliegen und die im höch- sten Grade Lüderlichen wenig Nachkommen hinterlassen. Die ärmsten Classen häufen sich in Städten an und Dr. Stark hat nach den stati- stischen Ergebnissen von zehn Jahren in Schottland bewiesen ?°, dass auf allen Altersstufen das Sterblichkeitsverhältniss in Städten höher ist als in ländlichen Bezirken, „und während der ersten fünf Lebensjahre „ist das Mortalitätsverhältniss der Stadt fast genau das doppelte von „dem der ländlichen Bezirke.* Da diese Angaben sowohl die Reicheren als die Armen umfassen, so würde ohne Zweifel mehr als die doppelte Anzahl von Geburten nöthig sein, um die Zahl der sehr armen Ein- wohner ın Städten im Verhältniss zu denen auf dem Lande in gleicher Höhe zu erhalten. Bei Frauen ist das Verheirathen in einem zu frühen Alter in hohem Grade schädlich ; denn in Frankreich hat man gefunden, dass „zweimal soviel verheirathete Frauen im Alter von unter zwanzig „Jahren im Jahre starben, als unverheirathete desselben Alters.“ Auch die Sterblichkeit von verheiratheten Männern unter zwanzig Jahren ist ganz „excessiv hoch“ ?2!; was aber die Ursache hievon sein mag, scheint zweifelhaft. Sollten endlich diejenigen Männer, welche in kluger Weise das Heirathen aufschieben, bis sie ihre Familien mit Comfort erhalten können, Frauen in der Blüthe des Lebens nehmen, wie sie es ja oft thun, so würde das Verhältniss der Zunahme in den bessern Classen nur unbedeutend verringert werden. Nach einer enormen Menge statistischer Angaben, welche im Ver- 2° Tenth Annual Report of Births, Deaths etc. in Scotland, 1867, p. XXIX. 21 Diese Citate sind unserer höchsten Autorität über solche Fragen entnom- men, nämlich Dr. Farr in seinem Aufsatz: On the Influence of Marriage on the Mortality of the French People, gelesen vor der Nat. Assoc. for the Promotion of Social Science. 1858. Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. 153 laufe des Jahres 1853 aufgenommen wurden, ist ermittelt worden, dass die unverheiratheten Männer in ganz Frankreich zwischen dem Alter von zwanzig und achtzig Jahren in einem viel grösseren Verhältnisse starben als die verheiratheten. So starben von jedem Tausend unver- heiratheter Männer zwischen dem Alter von zwanzig und dreissig Jah- ren jährlich 11,3, während von den verheiratheten nur 6,5 starben ??. Die Gültigkeit eines ähnlichen Gesetzes wurde während der Jahre 1863 und 1864 in Bezug auf die ganze Bevölkerung über das Alter von zwanzig in Schottland nachgewiesen. Es starben z. B. von jedem Tau- send unverheiratheter Männer zwischen dem Alter von zwanzig und dreissig Jahren 14,97 jährlich, während von den verheiratheten nur 7,24 starben, also weniger als die Hälfte 2°. Dr. Stark bemerkt hier- zu: „Junggesellenthum ist viel zerstörender für das Leben als es die „ungesündesten Handwerke sind oder als der Aufenthalt in einem „ungesunden Hause oder Bezirke es ist, wo niemals auch nur der ent- „fernteste Versuch zu einer gesundheitlichen Verbesserung gemacht „worden ist.* Er ist der Ansicht, dass die verringerte Mortalität das directe Resultat „der Verheirathung und der regelmässigen häuslichen „Gewohnheiten ist, welche diesem Zustande eigen sind.“ Er gibt in- dessen zu, dass die unmässigen, lüderlichen und verbrecherischen Clas- sen, deren Lebensdauer gering ist, für gewöhnlich nicht heirathen, und es muss zugegeben werden, dass Männer mit schwacher Constitution, _übler Gesundheit oder irgend einer bedeutenden Schwäche an Körper oder Geist oft nicht wünschen werden zu heirathen oder zurückgewiesen werden. Dr. Stark scheint zu dem Schlusse, dass das Verheirathetsein an sich eine hauptsächliche Ursache des verlängerten Lebens ist, da- durch gekommen zu sein, dass er fand, dass bejahrte verheirathete Männer noch immer einen beträchtlichen Vortheil in dieser Beziehung vor den unverheiratheten desselben hohen Alters voraus haben. Jedermann wird aber Beispiele erfahren haben, wo Männer von schwacher Gesund- heit, welche während ihrer Jugend nicht heiratheten, doch ein hohes Alter erreicht haben, trotzdem sie schwach blieben und daher immer 22 Dr. Farr, ebenda. Die weiter unten angeführten Angaben sind dersel- ben merkwürdigen Arbeit entnommen. 23 Ich habe das fünfjährige Mittel genommen aus The Tenth Annual Report of Births, Deaths etc. in Scotland. 1867. Das Citat nach Dr. Stark ist aus ‚einem Artikel in den Daily News, 17. Oct. 1868, welcher nach Dr. Farr’s Ur- theil mit grosser Sorgfalt verfasst ist. 154 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. 1. Theil. eine wahrscheinlich geringere Lebensdauer zu erwarten hatten. Noch ein anderer merkwürdiger Umstand scheint die Folgerung des Dr. Stark zu unterstützen, dass nämlich Wittwen und Wittwer in Frankreich im Vergleich mit den verheiratheten Personen einem sehr ungünstigen Mor- talitätsverhältnisse unterliegen; doch schreibt Dr. Farr dies der Armuth und den üblen Gewohnheiten zu, welche der Auflösung der Familie fol- gen, ebenso wie dem Kummer. Im Ganzen können wir mit Dr. Fark schliessen, dass die geringere Mortalität verheiratheter Personen gegen- über derjenigen unverheiratheter, welche ein allgemeines Gesetz zu sein scheint, „hauptsächlich Folge der constanten Beseitigung unvollkommener „Formen und der geschickten Auswahl der schönsten Individuen innerhalb „jeder der aufeinander folgenden Generationen ist“, wobei die Zucht- wahl sich nur auf den verheiratheten Zustand bezieht und auf alle körperlichen, intelleetuellen und moralischen Eigenschaften wirkt. Wir können daher wohl schliessen, dass gesunde und gute Männer, welche aus Klugheit eine Zeitlang unverheirathet blieben, keinem hohen Mor- talitätsverhältniss unterliegen. Wenn die verschiedenen, in den letzten beiden Absätzen speciell angeführten und vielleicht noch andere für jetzt unbekannte Hemmnisse es nicht verhindern, dass die leiehtsinnigen, lasterhaften und in anderer Weise untergeordneten Glieder der Gesellschaft sich in einem schnelleren Verhältnisse vermehren als die bessere Classe der Menschen, so wird die Nation rückschreiten, wie es in der Geschichte der Welt nur zu oft vorgekommen ist. Wir müssen uns daran erinnern, dass Fortschritt keine unabänderliche Regel ist. Es ist äusserst schwer zu sagen, warum die eine eivilisirte Nation emporsteigt, machtvoller wird und sich weiter verbreitet als eine andere; oder warum eine und dieselbe Nation zu einer Zeit mehr fortschreitet als zu einer andern. Wir können nur sagen, dass dies von einer Zunahme der factischen Anzahl der Bevöl- kerung, von der Zahl der Menschen, die mit hohen intelleetuellen und moralischen Fähigkeiten begabt sind, ebenso wie von der Höhe dessen abhängt, was bei ihnen für ausgezeichnet gilt. Körperliche Bildung scheint nur geringen Einfluss zu haben, ausgenommen insofern, als kör- perliche Kraft zu geistiger Kraft führt. Es ist von mehreren Schriftstellern hervorgehoben worden, dass, weil hohe intellectuelle Kräfte einer Nation vortheilhaft sind, die alten Griechen, welche in Bezug auf den Intellect einige Grade höher standen Cap. 5. Natürliche Zuchtwahl bei Culturvölkern. 155 als irgend eine Rasse, welche je existirt hat ?*, in ihrer ganzen Ent- wickelung noch höher gestiegen, an Zahl noch mehr zugenommen und ganz Europa bevölkert haben müssten, wenn die Wirksamkeit der natür- lichen Zuchtwahl wirklich bestände. Wir sehen hier die stillschwei- gende Annahme, die so oft in Bezug auf körperliche Bildung gemacht wird, dass irgend eine angeborene Tendenz nach einer beständigen Weiterentwickelung an Geist und Körper vorhanden sei. Aber Ent- wickelung aller Art hängt von vielen zusammenwirkenden günstigen Umständen ab. Natürliche Zuchtwahl wirkt nur in der Weise eines Versuchs. Individuen und Rassen mögen gewisse unbestreitbare Vor- theile erlangt haben und können doch, weil ihnen andere Charactere fehlen, untergegangen sein. Die Griechen können wegen eines Mangels an Zusammenhalten zwischen den vielen kleinen Staaten, wegen der geringen Grösse ihres ganzen Landes rückwärts geschritten sein, eben so wegen der Ausübung der Sclaverei oder wegen ihrer extremen Sinn- lichkeit; denn sie unterlagen nicht eher, als bis „sie entnervt und bis „in’s innerste Mark verderbt waren“ 25. Die westlichen Nationen Eu- ropa’s, welche jetzt so unmessbar ihre früheren wilden Urerzeuger über- treffen und auf dem Gipfel der Civilisation stehen, verdanken wenig oder gar nichts von ihrer Superiorität der directen Vererbung von den alten Griechen, obwohl sie den schriftlich hinterlassenen Werken dieses wunderbaren Volks viel verdanken. Wer kann positiv angeben, warum die spanische Nation, die zu einer Zeit so dominirend war, in dem Wettlaufe der Völker überflügelt worden ist? Das Erwachen der Nationen Europa’s aus den Jahrhunderten der Dunkelheit ist ein noch verwirrenderes Problem. In dieser frühen Zeit hatten, wie Mr. Gauron 26 bemerkt hat, fast alle Männer einer weicheren Natur, die, welche sich einer. beschaulichen Betrachtung oder der. Cultur des Geistes ergaben, keinen anderen Zufluchtsort als den Busen der Kirche, und diese forderte das Cölibat; und dieses wieder ?: siehe die geistvolle und originelle Erörterung dieses Gegenstandes von Galton, Hereditary Genius, p. 340—342. 25 Greg in Fraser’s Magazine. Sept. 1868, p. 357. 26 Hereditary Genius. 1870, p. 357—359. F. H. Farrar bringt Gründe für die gegentheilige Ansicht bei (Fraser’s: Magazine, August 1870, p. 257). Sir Ch. Lyell hat bereits in einer merkwürdigen Stelle (Prineiples of Geologie, Vol. II. 1868, p. 489) die Aufmerksamkeit auf den üblen Einfluss der Inquisition auf die durch Zuchtwahl herbeigeführte Herabsetzung des allgemeinen Standes der In- telligenz in Europa gelenkt. 156 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. musste fast sicher einen verschlechternden Einfluss auf jede der folgenden _ Generationen ausüben. Während dieser selben Periode wählte die heilige Inquisition mit der äussersten Sorgfalt die freisinnigsten und kühnsten Männer aus, um sie zu verbrennen oder gefangen zu setzen. Allein in Spanien wurden von den besten Leuten — von denen welche zweifelten und Fragen aufwarfen, und ohne Zweifeln ist kein Fortschritt möglich — während dreier Jahrhunderte jährlich eintausend eliminirt. Das Uebel, welches die katholische Kirche hierdurch bewirkt hat, ist unberechenbar, wenn es auch in gewisser, vielleicht grosser Ausdehnung auf andere Weise ausgeglichen wurde. Niehtsdestoweniger ist Europa in einem Verhältniss ohne Gleichen fortgeschritten. Der merkwürdige Erfolg der Engländer als Colonisten gegenüber anderen europäischen Nationen, welche durch einen Vergleich der Fort- schritte der Canadier englischen und französischen Ursprungs erläutert wird, ist deren „unerschrockener und ausdauernder Energie“ zugeschrie- ben worden; wer kann aber sagen, wie die Engländer ihre Energie er- langten. Wie es scheint, liest in der Annahme sehr viel Wahres, dass der wunderbare Fortschritt der Vereinigten Staaten ebenso wie der Character des Volks die Resultate natürlicher Zuchtwahl sind. Die energischeren, rastloseren und muthigeren Menschen aus allen Theilen Europa’s sind während der letzten zehn oder zwölf Generationen in jenes grosse Land eingewandert und haben dort den grössten Erfolg ge- habt ?”. Blicken wir auf die weiteste Zukunft, so glaube ich nicht, dass die Ansicht des Mr. Zicke übertrieben ist, wenn er sagt ?®: „alle übrigen Reihen von Begebenheiten, — z. B. die, welche das Resultat „der Geisteseultur in Griechenland waren, und die, welche die Folge „der römischen Herrschaft waren — scheinen nur Zweck und Bedeu- „tung zu erhalten, wenn sie im Zusammenhange oder noch eher als „Unterstützung für den grossen Strom anglosächsischer Auswanderung „nach dem Westen hin betrachtet werden.“ So dunkel das Problem des Fortschritts der Civilisation ist, so können wir wenigstens sehen, dass eine Nation, welche eine lange Zeit hindurch die grösste Zahl hoch intellectueller, energischer, tapferer, patriotischer und wohlwollen- der Männer erzeugte, im Allgemeinen über weniger begünstigte Natio- nen das Uebergewicht erlangen wird. ”" Galton in Macmillan’s Magazine, Aug. 1865, p. 325, s. auch „Nature“, Dec. 1869, p. 184: On Darwinism and National Life. 28 Last Winter in the United States. 1868, p. 29. Cap. 5. - Civilisirte Nationen einst Barbaren. 157 Natürliche Zuchtwahl ist die Folge des Kampfes um’s Dasein, und dieser ist die Folge eines rapiden Verhältnisses der Vermehrung. Es ist unmöglich, das Verhältniss, in welchem der Mensch an Zahl zuzu- nehmen strebt, nicht tief zu bedauern, — ob dies freilich weise ist, ist eine andere Frage, — denn dies führt bei barbarischen Stämmen zum Kindesmord und vielen anderen Uebeln, und bei eivilisirten Natio- nen zu der grässlichsten Verarmung, zum Cölibat und zu den späten Heirathen der Klügeren. Da aber der Mensch unter denselben physi- schen Uebeln leidet, wie die niederen Thiere, so hat er kein Recht, eine Immunität diesen Uebeln gegenüber als eine Folge des Kampfes um’s Dasein zu erwarten. Wäre er nicht der natürlichen Zuchtwahl unterlegen, so würde er zuversichtlich niemals den hohen Rang der Menschlichkeit erreicht‘ haben. Wenn wir in vielen Theilen der Erde enorme Strecken des fruchtbarsten Landes von einigen wenigen herum- wandernden Wilden bewohnt sehen, Strecken, welche im Stande sind, zahlreiche glückliche Heimstätten zu tragen, so möchte man wohl be- haupten, dass der Kampf um’s Dasein nicht hinreichend heftig gewesen sei, um den Menschen aufwärts auf seine höchste Stufe zu treiben. Nach alle dem was wir vom Menschen wissen zu schliessen, hat es stets eine hinreichende Variabilität in den intellectuellen und morali- schen Eigenschaften zum stetigen Fortschritt durch natürliche Zucht- wahl gegeben. Ohne Zweifel erfordert ein solches Fortschreiten viele günstig zusammenwirkende Umstände; aber es dürfte wohl zu bezwei- feln sein, ob die günstigsten dazu hingereicht haben würden, wenn nicht das Verhältniss der Zunahme ein rapides und der in Folge davon auf- tretende Kampf um’s Dasein bis zum äussersten Grade heftig gewesen wäre. Ueber die Beweise, dass alle eivilisirten Nationen einst Barbaren waren. — Da wir die Schritte zu betrachten hatten, auf denen irgend ein halb menschliches Wesen allmählich zum Rang des Menschen in seinem vollkommensten Zustand sich erhoben hat, so kann der ebengenannte Gegenstand nicht übergangen werden. Er ist indes- sen in einer so eingehenden und vorzüglichen Weise von Sir J. LuB- BOCK 26, Mr. Tyror, Mr. M’Lennan und Anderen behandelt worden, dass ich hier nur nöthig habe, einen sehr kurzen Auszug ihrer Resultate zu ee 29 On the origin of Civilisation; ‚Proc. Ethnolog. Soc. Nov. 26, 1867, 158 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. . I Theil. geben. Die früher vom Herzog von AreyLr ?® und noch früher vom Erzbischof von WHATELY zu Gunsten der Annahme, dass der Mensch als ein eivilisirtes Wesen auf die Welt kam und dass alle Wilden seit jener Zeit einer Entartung unterlegen sind, vorgebrachten Argumente scheinen mir im Vergleich mit den auf der andern Seite vorgebrachten schwach zu sein. Ohne Zweifel sind viele Nationen in ihrer Civilisa- tion rückwärts gegangen und einige mögen in vollständige Barbarei verfallen sein, trotzdem ich in Bezug auf den letzteren Punkt keine Beweise gefunden habe. Die Feuerländer wurden wahrscheinlich durch andere erobernde Horden gezwungen, sich in ihrem unwirthbaren Lande niederzulassen und sie können in Folge davon wohl noch etwas weiter entartet sein; es dürfte aber schwer zu beweisen sein, dass sie viel unter den Zustand der Botokuden gesunken sind, welche die schönsten Theile von Brasilien bewohnen. Die Zeugnisse für die Annahme, dass alle civilisirten Nationen die Nachkommen von Barbaren sind, bestehen auf der einen Seite aus deutlichen Spuren ihres früheren niedrigen Zustandes in noch immer existirenden Gebräuchen, Glaubensansichten, der Sprache u. s. w., auf der andern Seite aus Beweisen, dass Wilde unabhängig und selbstän- dig im Stande sind, einige wenige Schritte in der Civilisationsstufe sich zu erheben und auch wirklich sich erhoben haben. Der thatsächliche Beweis für den ersten Punkt ist im äussersten Grade merkwürdig, kann aber hier nicht gegeben werden: ich beziehe mich auf solche Fälle wie z. B. die Kunst des Zählens, welche, wie Mr. Tyror an den an einigen Orten noch immer gebrauchten Worten nachgewiesen hat, ihren Ursprung in dem Zählen der Finger, zuerst der einen Hand, dann der andern und endlich auch der Zehen gefunden hat. Wir haben Spuren hiervon in unserem eigenen Deeimalsystem und in den römischen Zahl- zeichen, welche, nachdem sie die Ziffer V erreicht hatten, dieselbe in VI u.s. w. verwandelten, nämlich dann ohne Zweifel, wenn die andere Hand gebraucht werden musste; — so ferner wenn die Engländer von three score and ten sprechen, wo sie im Vigesimalsystem zählen, wo- bei jedes score ideel gefasst für zwanzig steht — für „ein Mann*, wie es ein Mexicaner oder Caraibe ausdrücken würde 1. Den Ansich- ten einer grossen und an Anhängern noch zunehmenden Philologen- 3° Primeval Man, 1869. 3! Royal Institution of Great Britain. March 15, 1867; s. auch Researches into the Early of History of Mankind. 1865. ” Cap. 5. Civilisirte Nationen einst Barbaren. 159 schule nach trägt jede Sprache Merkzeichen ihrer langsamen und all- mählichen Entwickelung an sich. Dasselbe ist der Fall mit der Kunst zu schreiben, da die Buchstaben Rudimente bildlicher Darstellungen sind. Es ist kaum möglich, Mr. M’Lennan’s Werk ?2 zu lesen, ohne zuzugeben, dass fast alle civilisirten Nationen noch immer gewisse Spu- ren derartiger roher Gewohnheiten, wie das zwangsweise Gefangenneh- men der Weiber beibehalten. Welche Nation des Alterthums, frägt derselbe Schriftsteller, kann angeführt werden, welche ursprünglich mo- nogam gewesen wäre? Die ursprüngliche Idee der Gerechtigkeit, wie sie sich durch das Gesetz des Kampfes und anderer Gebräuche zeigt, deren Spuren noch jetzt übrig sind, war gleichfalls äusserst roh. Viele noch jetzt existirende abergläubische Züge sind die Ueberbleibsel frühe- rer falscher religiöser Glaubensansichten. Die höchste Form der Reli- gion — die grossartige Idee eines Gottes, welcher die Sünde hasst und die Gerechtigkeit liebt — war während der Urzeiten unbekannt. Wenden wir uns jetzt zu der andern Form von Beweisen: Sir J. LuBBock hat nachgewiesen, dass einige Wilde neuerdings in einigen ihrer einfacheren Kunstfertigkeiten fortgeschritten sind. Nach dem äusserst merkwürdigen Berichte, welchen er von den Waffen, Werk- zeugen und Künsten gibt, welche Wilde in verschiedenen Theilen der Welt -gebrauchen oder üben, lässt sich nicht zweifeln, dass dies fast alles unabhängige Entdeckungen gewesen sind, vielleicht mit Ausnahme der Kunst, Feuer zu machen ??. Der australische Bumerang ist ein gutes Beispiel einer solchen unabhängigen Entdeckung. Als man zuerst die Bewohner von Tahiti besuchte, waren sie in vielen Beziehungen gegen die Einwohner der meisten andern polynesischen Inseln vorgeschritten. Für die Annahme, dass die hohe Cultur der eingeborenen Peruaner und Mexicaner aus irgend einer fremden Quelle geflossen sei, lassen sich keine triftigen Gründe anführen °*; viele eingeborene Pflanzen wurden 32 Primitive Marriage, 1865; s. auch einen offenbar von demselben Verfasser herrührenden ausgezeichneten Artikel in der North British Review, July, 1869. Auch L. H. Morgan, A Conjectural Solution of the Origin of the Class. System‘ of Relationship. in: Proceed. American Acad. of Sciences. Vol. VI. Febr. 1868. Prof. Schaaffhausen erwähnt (Anthropol. Review, Oct. 1869, p. 373) „die Spu- „ren von Menschenopfern im Homer und im alten Testament.“ 33 Sir J. Lubbock, Prehistorie Times. 2. edit. 1869. Cap. XV und XVI, an mehreren Stellen. % Dr. Ferd. Müller hat einige gute Bemerkungen hierüber gemacht in der „Reise der Novara“. Anthrop. Theil. Abtheil. II. 1868. S. 127. 160 Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. I. Theil. dort eultivirt und einige wenige eingeborene Thiere domestieirt. Wir müssen im Auge behalten, dass eine wandernde Truppe aus irgend einem halb civilisirten Lande, wenn sie an die Küsten von Amerika angetrieben würde, nach dem geringen Einflusse der meisten Missionäre zu urtheilen, keine ausgesprochene Wirkung auf die Eingeborenen ge- äussert haben würde, wenn diese nicht bereits in einem gewissen Grade fortgeschritten gewessen wären. Werfen wir unsern Blick auf eine äus- serst entfernt zurückliegende Zeit in der Geschichte der Welt, so fin- den wir, um Sir J. Lugpock’s bekannte Ausdrücke zu gebrauchen, eine paläolithische und eine neolithische Periode; und Niemand wird be- haupten, dass die Kunst, rohe Feuersteinwerkzeuge zu poliren, eine er- borgte gewesen sei. In allen Theilen von Europa, und zwar im Osten bis nach Griechenland, dann in Palästina, Indien, Japan, Neuseeland und Afrika, mit Einschluss Egyptens, sind Feuersteinwerkzeuge in gros- ser Menge entdeckt worden, und von ihrem Gebrauche hat sich bei den jetzigen Einwohnern auch nicht einmal eine Tradition erhalten. Wir haben auch indireete Belege dafür, dass solche Werkzeuge früher von den Chinesen und alten Juden gebraucht wurden. Es besteht daher wohl kaum ein Zweifel darüber, dass die Bewohner dieser zahlreichen Länder, welche nahezu die ganze civilisirte Welt umfassen, einstmals in einem barbarischen Zustande sich befanden. Zu glauben, dass der Mensch vom Ursprung an eivilisirt gewesen und dann in so vielen Gegenden einer Entartung unterlegen sei, hiesse eine sehr erbärmliche Ansicht von der menschlichen Natur hegen. Allem Amscheine nach ist es eine richtigere und befriedigendere Ansicht, dass Fortschritt viel allgemeiner gewesen ist als Rückschritt, dass der Mensch, wenn auch mit langsamen und unterbrochenen Schritten, sich von einem niedrigeren Zustande zu dem höchsten jetzt in Kenntnissen, Moral und Religion von ihm erlangten erhoben hat. Sechstes Capitel, Ueber die Verwandtschaften und die Genealogie des Menschen. Stellung des Menschen in der Thierreihe. — Das natürliche System ist genea- logisch. — Adaptive Charactere von geringer Bedeutung, — Verschiedene kleine Punkte der Uebereinstimmung zwischen dem Menschen und den Qua- drumanen. — Rang des Menschen in dem natürlichen System. — Geburts- stelle und Alter des Menschen. — Fehlen von fossilen Uebergangsgliedern. — Niedere Stufen in der Genealogie des Menschen, wie sie sich erstens aus seinen Verwandtschaften und zweitens aus seinem Baue ergeben. — Früher hermaphroditer Zustand der Wirbelthiere. — Schluss. Selbst wenn es zugegeben wird, dass die Verschiedenheit zwischen dem Menschen und seinen nächsten Verwandten in Bezug auf seine körperliche Bildung so gross ist, wie einige Naturforscher behaupten, und obgleich wir zugeben müssen, dass die Verschiedenheit zwischen ihnen in Bezug auf die geistigen Kräfte ungeheuer ist, so zeigen doch, wie mir scheint, die in den vorausgehenden Capiteln mitgetheilten That- sachen in der deutlichsten Weise, dass der Mensch von irgend einer niedrigeren Form abstammt, trotzdem dass verbindende Zwischenglieder bis jetzt noch nicht entdeckt worden sind. Der Mensch bietet zahlreiche unbedeutende und mannichfaltige Ab- änderungen dar, welche durch dieselben allgemeinen Ursachen herbei- geführt und nach denselben allgemeinen Gesetzen bestimmt und über- liefert werden wie bei den niederen Thieren. Der Mensch strebt in einem so rapiden Verhältnisse sich zu vervielfältigen, dass seine Nach- kommen nothwendig einem Kampfe um’s Dasein und in Folge hiervon natürlicher Zuchtwahl ausgesetzt sind. Er hat viele Rassen entstehen lassen, von denen einige untereinander so abweichend sind, dass sie oft von Naturforschern als distinete Arten classificirt worden sind. Sein Körper ist nach demselben homologen Plane gebaut wie der anderer Säuge- thiere, ganz unabhängig von dem Gebrauche, welchen er von den ver- schiedenen Theilen desselben machen mag. Er durchläuft dieselben Zustände embryonaler Entwickelung. Er behält viele rudimentäre und DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 11 162 Genealogie des Menschen. I. Theil, nutzlose Bildungen bei, welche ohne Zweifel einstmals eine Function ver- richteten. Gelegentlich erscheinen Merkmale wieder bei ihm, welche, wie wir allen Grund zu glauben haben, im Besitze seiner früheren Urerzeuger waren. Wäre der Ursprung des Menschen von dem aller übrigen Thiere völlig verschieden, so wären diese verschiedenen Erscheinungen blosse nichtssagende Täuschungen; eine solche Annahme ist indessen unglaublich. Auf der andern Seite aber sind sie wenigstens in einer grossen Aus- dehnung verständlich unter der Annahme, dass der Mensch, wie andere Säugethiere, von irgend einer unbekannten und niederen Form abstammt. In Folge des tiefen Eindrucks, welchen die geistigen und seelischen Kräfte des Menschen gemacht haben, haben einige Naturforscher die ganze organische Welt in drei Reiche emgetheilt, das Menschenreich, das Thierreich und das Pflanzenreich, womit sie also dem Menschen ein besonderes Reich einräumen !. Geistige Kräfte können von dem Naturforscher nicht verglichen oder classificirt werden; er kann aber zu zeigen versuchen, wie ich es. gethan habe, dass die geistigen Fähig- keiten des Menschen und der niederen Thiere nicht der Art nach, wenn- schon ungeheuer im Grade von einander abweichen. Eine Verschieden- heit des Grades, so gross sie auch sein mag, berechtigt uns nicht dazu, den Menschen in ein besonderes Reich zu stellen, wie vielleicht am besten durch eine Vergleichung der geistigen Kräfte zweier Inseeten gezeigt wird, nämlich eines Coccus oder Schildlaus und einer Ameise, welche unzweifehaft zu einer und derselben Classe gehören. Die Ver- schiedenheit ist hier grösser, wenn auch von einer etwas verschiedenen Art, als zwischen dem Menschen und dem höchsten Säugethiere. Der weibliche Coceus befestigt sich in seiner Jugend mit seinem Rüssel an eine Pflanze, saugt deren Saft, aber bewegt sich nicht mehr, wird be- fruchtet und legt Eier; und dies ist seine ganze Geschichte. Anderer- seits aber die Gewohnheiten und geistigen Kräfte einer weiblichen Ameise zu beschreiben, würde, wie PIERRE HUBER gezeigt hat, einen ganzen Band füllen. Ich möchte indessen kurz eimige wenige Punkte anführen. Ameisen tauschen unter einander Mittheilungen aus und mehrere vereinigen sich zu derselben Arbeit oder zum Spielen. Sie er- kennen die Mitglieder ihres Haufens selbst nach monatelanger Ab- ı Isidore Geoffroy Saint-Hilaire gibt einen detaillirten Bericht über die Stellung, welche dem Menschen von verschiedenen Naturforschern in ihren Classificationen eingeräumt worden ist, in seiner: Hist. natur. gener. Tom. H. 1859, p. 170—189. Cap. 6. Stellung des Menschen im” System. 163 wesenheit wieder. Sie errichten grosse Gebäude, halten sie reinlich, schliessen am Abend die Thüren und stellen Wachen aus. Sie bauen Strassen und selbst Tunnels unter Flüssen. Sie sammeln Nahrung für die ganze Genossenschaft, und wenn ein für das Einbringen zu grosser Gegenstand an das Nest gebracht wird, so erweitern sie die Thüre und bauen sie nachher wieder auf?. Sie ziehen in regelmässigen Reihen zum Kampfe aus und opfern ohne Besinnen ihr Leben für das allgemeine Wohl. Sie wandern nach einem vorher gefassten Plane aus. Sie fan- gen sich Sclaven. Sie halten sich Blattläuse als milchende Kühe. Sie bewegen die Eier ihrer Aphiden ebenso wie ihre eigenen Eier und Co- cons nach den wärmeren Theilen des Nests, damit sie schneller zum Auskriechen gelangen; und es liesen sich noch endlose ähnliche That- sachen anführen. Im Ganzen ist der Unterschied in den geistigen Kräften zwischen einer Ameise und einem Coccus ganz ungeheuer, und doch hat sich Niemand auch nur im Traume einfallen lassen, beide in verschiedene Classen und noch viel weniger in verschiedene Reiche zu stellen. Ohne Zweifel wird dieser Abstand von den zwischenliegenden Graden geistiger Kräfte vieler andern Inseeten überbrückt, und dies ist beim Menschen und den höheren Affen nicht der Fall. Wir haben aber allen Grund zu glauben, dass die Unterbrechungen der Reihe einfach das Resultat des Umstands sind, dass viele Formen ausgestorben sind. Professor Owen hat die Säugethierreihe mit besonderer Berück- sichtigung der Bildung ihres Gehirns in vier Unterclassen eingetheilt. Eine derselben umfasst den Menschen, in eine andere stellt er die bei- den Abtheilungen der Marsupialien und Monotremen, so dass er den Menschen allen übrigen Säugethieren gegenüber als so verschieden hin- stellt wie die beiden letzten Gruppen zusammengenommen. Soviel mir bekannt ist, ist diese Ansicht von keinem Naturforscher angenommen worden, welcher der Bildung eines unabhängigen Urtheils fähig ist, und braucht daher hier nicht weiter betrachtet zu werden. Wir können wohl einsehen, warum eine Classification, welche auf irgend ein einzelnes Organ oder Merkmal — selbst auf ein Organ von einer so wunderbaren Complieirtheit oder von solcher Bedeutung wie das Gehirn — oder auf hohe Entwickelung der geistigen Fähigkeiten sich gründet, sich fast mit Gewissheit als unbefriedigend herausstellt. Der Versuch, nach diesem Prineipe einzutheilen, ist in der That bei den 2 Siehe den sehr interessanten Artikel „WInstinet chez les Inseetes“ von George Pouchet in: Revue des Deux Mondes. Febr. 1870, p. 682. 11% [3 164 Genealogie des Menschen. I. Theil. Hymenoptern unter den Insecten angestellt worden. Wurden aber diese nach ihrer Lebensweise oder ihren Instineten classifieirt, so erwies sich die Anordnung als durchaus künstlich 3. Die Classifieationen können natürlich auf irgendwelchen natürlichen Character basirt werden, so auf die Grösse, die Farbe und das Element, welches die Thiere bewohnen. Es haben aber die Naturforscher schon seit langer Zeit die tiefe Ueberzeugung gehabt, dass es ein natürliches System gebe. Wie jetzt allgemein zugegeben wird, muss dieses System soweit als nur möglich genealogisch in seiner Anordnung sein, — d. h. die verschiedenen Nach- kommen einer und derselben Form müssen zu einer Gruppe zusammen- gehalten werden und zwar getrennt von den verschiedenen Nachkommen einer andern Form. Sind aber die Stammformen mit einander ver- wandt, so werden es auch deren Nachkommen sein und die beiden Gruppen zusammen werden dann eine gemeinsame grössere Gruppe bilden. Der Betrag der Verschiedenheit zwischen den verschiedenen Gruppen, — welcher den Betrag der Modificationen, denen eine jede derselben unterlegen ist, bezeichnet, — wird durch solche Ausdrücke wie Gat- tungen, Familien, Ordnungen und Classen angegeben. Da wir keine Urkunden über die Descendenzreihen besitzen, so können diese Abstam- mungslinien nur durch Beobachtung der Aehnlichkeitsgrade zwischen den einzelnen zu classifieirenden Wesen entdeckt werden. Zu diesem Zwecke sind zahlreiche einzelne Punkte der Uebereinstimmung von viel grösserer Bedeutung als der Betrag von Aehnliehkeit oder Unähnlich- keit in einigen wenigen Punkten. Wenn nachgewiesen würde, dass zwei Sprachen einander in einer Menge von Worten und Constructionsweisen glichen, so würden sie ganz allgemein als aus einer gemeinsamen Quelle stammend anerkannt werden, trotzdem sie in einigen wenigen Punkten oder Constructionsweisen bedeutend von einander abwichen. Aber bei organischen Wesen dürfen die Punkte der Uebereinstimmung nicht aus Anpassungen an ähnliche Lebensgewohnheiten bestehen. Es können z. B. zwei Thiere ihren ganzen Körperbau zum Leben im Wasser mo- difieirt haben und werden doch trotzdem in keine irgend grössere Nähe zu einander im natürlichen Systeme gestellt werden. Wir können hieraus erkennen, woher es kommt, dass Uebereinstimmungen in unbedeutenden Bildungen, in nutzlosen und in rudimentären Organen und in Theilen, welche noch nicht völlig entwickelt oder noch nicht functionell thätig ® Westwood, Modern Classification of Inseets. Vol. II. 1840, p. 37. Cap. 6. Stellung des Menschen im System. 165 sind, für die Classification bei Weitem die zweckdienlichsten sind; denn sie können kaum Folgen von Anpassungen sein, die in einer späteren Zeit etwa eingetreten wären. Sie offenbaren uns daher die alten Des- cendenzlinien oder die eigentliche Verwandtschaft. Wir können ferner einsehen, warum ein grosser Betrag von Modi- ficationen an einem und demselben Merkmale uns nicht veranlassen darf, zwei Organismen deshalb weit von einander zu trennen. Ein Theil, welcher bereits von demselben Theile bei andern verwandten Formen sehr verschieden ist, variirt auch nach der Entwickelungstheorie bedeu- tend; und so lange der Organismus denselben anregenden Bedingungen ausgesetzt ist, würde jener Theil daher auch noch weiteren Abweichun- gen derselben Art unterliegen, und diese würden, wenn sie wohlthätig sind, erhalten und dadurch beständig vergrössert werden. In vielen Fällen, wie z. B. bei dem Schnabel eines Vogels oder bei dem Zahne eines Säugethiers, würde die beständige Weiterentwickelung dieses einen Theils für die Speeies von keinem Vortheil zur Erlangung ihrer Nah- rung oder zu irgend einem andern Zwecke sein; bei Menschen indessen können wir keine bestimmte Grenze für die fortgesetzte Entwickelung des Gehirns und der geistigen Fähigkeiten sehen, soweit ein Vortheil für die Art dabei in Rede kommt. Bei der Bestimmung der Stellung des Menschen in dem natürlichen oder genealogischen Systeme darf da- her die extreme Entwiekelung des Gehirns eine Menge von Ueberein- stimmungen in andern weniger bedeutungsvollen oder völlig bedeutungs- losen Punkten nicht überwiegen. | Die grössere Zahl der Naturforscher, welche die ganze Struetur des Menschen mit Einschluss seiner geistigen Fähigkeiten in Betracht gezogen haben, ist BLUMENBACH und CUuVviEr gefolgt und hat den Menschen in eine besondere Ordnung unter dem Titel der Zweihänder gebracht und daher auf gleiche Classificationsstufe mit den Ordnungen der Vierhänder, Fleischfresser u. s. w. Neuerdings sind viele unserer besten Naturforscher zu der zuerst von Linn£, der so merkwürdig we- gen seines Scharfsinns war, ausgesprochenen Ansicht zurückgekehrt und haben den Menschen in eine und dieselbe Ordnung mit den Quadru- manen unter dem Titel der Primaten gebracht. Die Richtigkeit die- ser Folgerung wird zugegeben werden, wenn man an erster Stelle die soeben gemachten Bemerkungen über die vergleichsweise geringe Be- deutung der grossen Entwickelung des Gehirns beim Menschen für seine Classification im Auge behält, wenn man sich ferner daran erinnert, 166 x Genealogie des Menschen. I. Theil. dass diesscharf ausgesprochenen Verschiedenheiten zwischen den Schä- deln des Menschen und der Quadrumanen, welche neuerdings von BrI- SCHOFF, AEBY und Anderen hervorgehoben worden sind, offenbar Folge ihrer verschieden entwickelten Gehirne sind. An zweiter Stelle müssen wir uns aber erinnern, dass fast alle die anderen und bedeutungsloseren Verschiedenheiten zwischen dem Menschen und den Quadrumanen offen- bar ihrer Natur nach adaptiv sind uud sich hauptsächlich auf die auf- rechte Stellung des Menschen beziehen. Dahin gehört die Bildung sei- ner Hände, seines Fusses und Beckens, die Krümmung seines Rückgrats und die Stellung seines Kopfes. Die Familie der Robben bietet eine gute Erläuterung für die geringe Bedeutung adaptiver Charactere in Bezug auf die Classification dar. Diese Thiere weichen von allen an- dern Fleischfressern in. der Form ihres Körpers und in der Bildung ihrer Gliedmaassen viel mehr ab, als der Mensch von den höheren Affen abweicht; und doch werden in jedem Systeme, von dem CuvIEr’s bis zu den neuesten von Mr. FrLower * die Robben als eine blosse Fa- milie in der Ordnung der Carnivoren angesehen. Wäre der Mensch nicht in der Lage gewesen, sich selbst zu classifieiren, so würde er nie- mals auf den Gedanken gekommen sein, eine besondere Ordnung zur Aufnahme seiner selbst zu errichten. Es würde über die mir gesteckten Grenzen und auch völlig über meine Kenntnisse gehen, die zahllosen Bildungsverhältnisse auch nur namentlich anzuführen, in welchen der Mensch mit den andern Pri- maten übereinstimmt. Unser grosser Anatom und Philosoph, Professor Huxtey, hat diesen Gegenstand ausführlich erörtert ? und ist zu dem Schlusse gekommen, dass der Mensch in allen Theilen seiner Organisa- tion weniger von den höheren Affen abweicht, als diese von den nie- drigeren Gliedern derselben Gruppe verschieden sind. Folglich „ist es „nicht gerechtfertigt, den Menschen in eine besondere Ordnung zu stellen.“ In einem früheren Theile dieses Bandes habe ich verschiedene That- sachen angeführt, welche zeigten, wie eng der Mensch in seiner Con- stitution mit den höheren Säugethieren übereinstimmt, und diese Ueber- einstimmung hängt ohne Zweifel von der grossen Aehnlichkeit unseres Körpers mit dem jener Thiere in der mikroskopischen Structur und chemischen Zusammensetzung ab. Ich führte das Beispiel an, dass wir * Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 4. 5 Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Uebers. S. 79 und an andern Orten. Cap. 6. Uebereinstimmung zwischen Mensch und Affen. 167 denselben Krankheiten und Angriffen verwandter Parasiten ausgesetzt sind; ferner unsere gemeinsame Neigung zu denselben Reizmitteln und die ähnlichen durch diese hervorgerufenen Wirkungen, ebenso die Wir- kung verschiedener Arzneimittel und ähnliche Thatsachen. Da geringe und nicht bedeutungsvolle Punkte der Uebereinstim- mung zwischen dem Menschen und den höheren Affen in den systema- tischen Werken gewöhnlich nieht erwähnt werden und da dieselben, wenn sie zahlreich sind, deutlich unsere Verwandtschaft aufdecken, will ich einige wenige dieser Punkte speciell anführen. Die relative Stellung der Gesichtszüge ist offenbar dieselbe beim Menschen und den Quadru- manen; und die verschiedenen Gemüthserregungen werden von nahezu ähnlichen Bewegungen der Muskeln und der Haut oberhalb der Augen- brauen und um den Mund herum ausgedrückt. Einige wenige Gesichts- ausdrücke sind in der That fast ganz dieselben, wie das, Weinen bei gewissen Aftenarten und das lärmende Lachen anderer, uohei die Mund- winkel rückwärts gezogen und die unteren Augenlider gerunzelt wer- den. Die äusseren Ohren sind merkwürdig gleich. Beim Menschen ist die Nase in viel höherem Maasse hervorstehend als bei den meisten Affen; wir können aber den Anfang zur Krümmung einer Adlernase an der Nase des Hoolock-Gibbon’s sehen; und dies ist bei dem Sem- nopithecus nasica bis zu einem lächerlichen Extrem geführt. Das Gesicht vieler Affen ist mit Bärten, Backenbärten oder Schnurr- bärten geziert. Bei manchen Arten von Semnopithecus ® wächst das, Haar auf dem Kopf zu einer bedeutenden Länge und bei dem Mützen- affen strahlt es von einem Punkte auf dem Scheitel aus, mit einer auf der Mitte herablaufenden Scheitelung wie beim Menschen. Es wird ge- wöhnlich gesagt, dass die Stirn dem Menschen sein edles und intellec- tuelles Ansehen gibt; aber das dichte Haar auf dem Kopfe des Mützen- affen (Macacus radiatus) endet nach unten ganz plötzlich und es folgt ihm hier so kurzes und feines Haar oder Wolle, dass von einer geringen Entfernung aus die Stirn mit Ausnahme der Augenbrauen vollständig nackt erscheint. Man hat irrthümlicher Weise angeführt, dass Augen- brauen bei keinem Affen vorhanden wären. In der eben genannten Species ist der Grad von Nacktheit an der Stirn bei verschiedenen Individuen verschieden, und Esc#ricur ? gibt an, dass die Grenze zwischen der be- 6 ei. Geoffroy Saint-Hilaire, Hist. natur. gener. Tom. II. 1859, p. 217. ?” Ueber die Richtung der Haare u. s. w.in: Müller’s Archiv für Anat. und Physiol. 1837. S. 51. 168 Genealogie des Menschen. I. Theil. haarten Kopfhaut und der nackten Stirn zuweilen nicht scharf bestimmt ist, so dass wir hier beiläufig einen Fall von Rückschlag auf einen Ur- erzeuger vor uns zu haben scheinen, bei welchem die Stirn noch nicht völlig nackt geworden war. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Haare an unsern Armen von oben und unten am Ellbogen in eine Spitze zusammenzukommen streben. Diese merkwürdige Anordnung, welche der bei den meisten niederen Säugethieren so ungleich ist, findet sich in gleicher Weise beim Gorilla, dem Schimpanse, dem Orang, einigen Arten von Hylo- bates und selbst einigen wenigen amerikanischen Affen. Aber bei Hy- lobates agilis ist das Haar am Unterarm abwärts gerichtet, oder nach der gewöhnlichen Weise nach der Hand zu, und bei H. Lar ist es fast aufrecht mit einer nur sehr geringen Neigung nach vorn, so dass in dieser letzteren Art das Haar sich in einem Uebergangszustand be- findet. Es kann kaum bezweifelt werden, dass bei den meisten Säuge- thieren die Dichte des Haars und seine Richtung auf dem Rücken dem Zwecke angepasst ist, den Regen abzuhalten; selbst die querstehenden Haare auf den Vorderbeinen eines Hundes können zu diesem Zwecke dienen, wenn er beim Schlafen sich zusammengerollt hat. Mr. WALLACE macht die Bemerkung, dass das Convergiren der Haare nach dem Ell- bogen zu an den Armen des Orang (dessen Lebensweise er sorgfältig studirt hat) dazu dient, den Regen abzuhalten, wenn die Arme, wie es der Gebrauch dieses Thieres ist, gebogen und die Hände um einen Zweig oder selbst auf seinem eigenen Kopf zusammengefaltet sind. Wir müssen indess auch beachten, dass die Haltung eines Thiers zum Theil vielleicht durch die Richtung seiner Haare bestimmt sein mag und nicht umgekehrt die Richtung der Haare durch die Haltung. Ist die eben gegebene Erklärung in Bezug auf den Orang correct, so bietet das Haar an unsern Vorderarmen ein merkwürdiges Zeugniss für un- sern frühern Zustand dar; denn Niemand kann die Vermuthung hegen, dass es jetzt von irgendwelchem Nutzen ist zur Abhaltung des Regens; es wäre auch bei unserer jetzigen aufrechten Stellung für diesen Zweck entschieden nicht passend gerichtet. Es würde indessen voreilig sein, dem Principe der Anpassung in Bezug auf die Richtung der Haare beim Menschen oder seinen frühen Urerzeugern zu sehr zu vertrauen; denn es ist unmöglich, die von EscHricHt über die Anordnung der Haare am menschlichen Fötus (und diese ist dieselbe wie beim Erwachsenen) gegebenen Figuren zu Cap. 6. Uebereinstimmung zwischen Mensch und Affen. 169 betrachten, ohne mit diesem ausgezeichneten Beobachter darin überein- zustimmen, dass noch andere und noch complieirtere Ursachen dazwi- schen getreten sind. Die Convergenzpunkte scheinen in einer gewissen Beziehung zu den Punkten beim Embryo zu stehen, welche sich wäh- rend seiner Entwickelung zuletzt geschlossen haben. Es scheint auch irgendwelche Beziehung zwischen der Anordnung der Haare an den Gliedmaassen und dem Verlaufe der Markarterien zu bestehen ®. Man darf nun aber auch nicht etwa annehmen, dass die Aehnlich- keit, in den eben genannten und yielen andern Punkten, zwischen dem Menschen und gewissen Affen — wie der Besitz einer nackten Stimm, eines wallenden Haarwuchses auf dem Kopfe u. s. w. — sämmtlich nothwendig das Resultat einer ununterbrochenen Vererbung von einem mit diesen Merkmalen versehenen Urerzeuger oder eines später einge- tretenen Rückschlags sind. Viele von diesen Uebereinstimmungen sind wahrscheinlich eine Folge analoger Abänderungen, welche, wie ich an einem andern Orte zu zeigen versucht habe ®, daher rühren, dass von gemeinsamen Stammformen ausgehende Organismen eine ähnliche Con- stitution haben und von ähnlichen, Variabilität hervorrufenden Ursachen beeinflusst worden sind. In Bezug auf die ähnliche Richtung der Haare am Vorderarme des Menschen und gewisser Affen lässt sich, da dieses Merkmal fast allen anthropomorphen Affen gemeinsam zukommt, wohl annehmen, dass es wahrscheinlich auf Vererbung zu beziehen ist; in- dessen doch nicht sicher, da auch einige sehr weit abstehende ameri- 'kanische Affen in gleicher Weise characterisirt sind. Diese Bemer- kung lässt sich auch auf den schwanzlosen Zustand des Menschen an- wenden; denn der Schwanz fehlt bei allen anthropomorphen Affen. Nichtsdestoweniger lässt sich dieses Merkmal nicht mit Sicherheit der Vererbung zuschreiben, da der Schwanz, wenn er auch nicht völlig fehlt, doch bei verschiedenen andern Arten der alten Welt und bei einigen der neuen Welt rudimentär ist und bei mehreren zu der verwandten (Gruppe der Lemuren gehörenden Species völlig fehlt. * Ueber das Haar bei Hylobates s. C. L. Martin, Natur. Hist. of Mam- mals. 1841, p. 415, auch Isid. Geoffroy Saint-Hilaire, über die amerika- nischen Affen und andere Arten in: Hist. natur. gener. Tom. I. 1859, p. 216, 243. Eschricht, a.a. 0. S. 46, 55, 61. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. IH. p. 619. Wallace, Contributions to the Theory of Natural Selection. 1870, p. 344. ®° Entstehung der Arten. (Uebers.) 4. Aufl. $. 181. Das Variiren der Thiere und Pflanzen etc. Bd. 2, S. 459. 170 Genealogie des Menschen. I. Theil. Obgleich nun, wie wir jetzt gesehen haben, der Mensch kein be- gründetes Recht hat, eine besondere Ordnung für sich zu bilden, so könnte er doch vielleicht eine besondere Unterordnung oder Familie beanspruchen. Professor HuxLry theilt in seinem neuesten Werk !® die Primaten in drei Unterordnungen; die Anthropiden mit allein dem Menschen, die Simiaden, welche die Affen aller Arten umfassen, und die Lemuriden mit den mannichfaltigen Gattungen der Lemuren. So- weit Verschiedenheiten in gewissen wichtigen Theilen des Baues in Be- tracht kommen, kann der Mensch ohne Zweifel mit Recht den Rang einer Unterordnung beanspruchen, und diese Stellung ist zu niedrig, wenn wir hauptsächlich auf seine geistigen Fähigkeiten blicken. Nichts- destoweniger scheint es von einem genealogischen Gesiehtspunkte aus, als sei dieser Rang zu hoch und dürfe der Mensch nur eine Familie oder möglicherweise selbst nur eine Unterfamilie bilden. Stellen wir uns vor, es giengen drei Descendenzlinien von einer gemeinsamen Stammform aus, so ist es völlig begreiflich, dass zwei von ihnen nach dem V.erlauf langer Zeiten so unbedeutend verändert sein könnten, dass sie noch immer Species einer und derselben Gattung blieben, während die dritte Descendenzlinie so bedeutend modificirt sein könnte, dass sie den Rang einer bestimmten Unterfamilie oder selbst Ordnung verdiente. Aber in diesem Falle ist es fast sicher, dass die dritte Linie noch immer in Folge der Vererbung zahlreiche kleine Punkte der Uebereinstimmung mit den andern beiden Linien darbieten würde. Hier würde denn nun die für jetzt unlösliche Schwierigkeit eintreten, wie viel Gewicht wir in unsern Classificationen auf scharf ausgesprochene Verschiedenheiten in einigen wenigen Punkten, d. h. dem Betrage an eingetretenen Modi- ficationen legen sollen und wie viel auf eine nahe Uebereinstimmung in zahlreichen bedeutungslosen Punkten als Andeutung der Descendenz- reihe oder der Genealogie. Die erste Alternative ist die am meisten in die Augen springende und vielleicht die sicherste, obgleich die letz- tere die correctere zu sein scheint, da sie eine wirklich natürliche Clas- sification gibt. Um uns in Bezug auf den Menschen ein Urtheil über diesen Punkt zu bilden, müssen wir einen Blick auf die Classification der Si- miaden werfen. Diese Familie wird fast von allen Zoologen in die Gruppe der Catarhinen oder Affen der alten Welt und in die Gruppe !° An Introduction to the Classification of Animals. 1869, p. 99. Cap. 6. Rang des Menschen im System. 171 der Platyrhinen oder Affen der neuen Welt getheilt. Die erstere ist in ihren sämmtlichen Gliedern, wie schon ihr Name ausdrückt, durch die eigenthümliche Structur ihrer Nasenlöcher und durch den Besitz von vier falschen Backzähnen in jeder Kinnlade characterisirt; die letz- tere, welche zwei sehr verschiedene Untergruppen enthält, umfasst For- men, welche sämmtlich durch verschieden gebaute Nasenlöcher und durch den Besitz von sechs falschen Backzähnen in jeder Gruppe cha- racterisirt sind. Es lassen sich noch einige andere kleinere Verschie- denheiten anführen. Der Mensch gehört nun ohne Frage rücksichtlich seiner Bezahnung, des Baues seiner Nasenlöcher und in einigen anderen Beziehungen zu der Abtheilung der Catarhinen oder der altweltlichen Formen, und den Platyrhinen gleicht er nicht mehr als die Catarhinen in irgend welchen Merkmalen, mit Ausnahme einiger weniger von nicht besonderer Bedeutung und offenbar von einer adaptiven Natur. Es würde daher gegen alle Wahrscheinlichkeit sein, wollte man annehmen, dass irgend eine alte Species der neuweltlichen Gruppe varürt und da- durch ein menschenähnliches Wesen mit allen den distinetiven Merk- malen, welche der altweltlichen Abtheilung eigen sind, hervorgebracht habe, wobei sie gleichzeitig auch ihre sämmtlichen eigenen Unterschei- dungsmerkmale verloren haben müsste. Es lässt sich folglich kaum irgend bezweifeln, dass der Mensch ein Zweig des altweltlichen Simia- denstammes ist und dass er von einem genealogischen Gesichtspunkte aus in die Abtheilung der Catarhinen einzuordnen ist I. Die anthropomorphen Affen, nämlich der Gorilla, Schimpanse, Orang und Hylobates, werden von den meisten Zoologen als eine be- sondere Untergruppe von den übrigen Affen der alten Welt getrennt. Es ist mir wohl bekannt, dass GrATIoLET unter Bezugnahme auf die Bildung des Gehirns das Vorhandensein dieser Untergruppe nicht zu- gibt, und sie ist auch ohne Zweifel eine unterbrochene. So ist der Orang, wie Mr. St. GEORGE Mıvarr bemerkt !?; „eine der eigenthüm- „lichsten und aberrantesten Formen , die sich in der ganzen Ordnung „finden lässt.* Die übrigen, nicht anthropomorphen Affen der alten Welt werden ferner von einigen Zoologen in zwei oder drei kleinere 1! Dies ist ziemlich dieselbe Classification wie die ‚provisorisch von St. George Mivart angenommene (Philos. Transact. Roy. Soc. 1867, p. 200), wel- cher nach Abscheidung der Lemuriden die übrigen Primaten in die Hominiden, die Simiaden, den Catarhinen entsprechend, die Cebiden und die Hapaliden theilt wobei die beiden letzteren Gruppen den Platyrhinen entsprechen. 12 Transact. Zoolog. Soc. Vol. VI. 1867, p. 214. 172 (Genealogie des Menschen. I. Theil. Untergruppen getheilt. Die Gattung Semnopithecus mit ihrem eigen- thümlich zusammengesetzten Magen bildet den Typus der einen dieser Untergruppen. Es scheint aber aus den wunderbaren Entdeckungen Mr. GAupry’s in Griechenland hervorzugehen, dass dort während der Miocenperiode eine Form existirte, welche Semnopithecus und Macacus verband, und dies erläutert wahrscheinlich die Art und Weise, in wel- cher die andern und höheren Gruppen einst mit einander zusammen- hiengen. | Wird zugegeben, dass die anthropomorphen Affen eine natürliche Untergruppe bilden, so kann man auch schliessen, dass irgend ein altes Glied dieser anthropomorphen Untergruppe dem Menschen Entstehung gegeben habe. Denn der Mensch stimmt mit ihnen nicht bloss in allen denjenigen Merkmalen überein, welche er mit der ganzen Gruppe der Catarhinen in Gemeinschaft besitzt, sondern auch in andern eigenthüm- lichen Characteren, so in der Abwesenheit eines Schwanzes und der Ge- sässschwielen und in der ganzen äusseren Erscheinung. Es ist nicht wahrscheinlich, dass ein Glied einer der andern niederen Untergrup- pen durch das Gesetz analoger Abänderungen ein menschenähnliches Geschöpf, welches den anthropomorphen Affen in so vielen Beziehungen gleicht, hätte entstehen lassen können. Ohne Zweifel ist der Mensch im Vergleich mit den meisten seiner Verwandten einem ausserordent- lichen Betrage von Modification unterlegen, und zwar hauptsächlich in Folge seines bedeutend entwickelten Gehirns und seiner aufrechten Stel- lung. Nichtsdestoweniger dürfen wir nicht vergessen, dass er nur „eine „der verschiedenen exceptionellen Formen der Primaten ist“ 1°. Jeder Naturforscher, welcher an das Prinecip der Entwickelung glaubt, wird zugeben, dass die beiden Hauptabtheilungen der Simiaden, nämlich die catarhinen und platyrhinen Affen mit ihren Untergruppen, sämmtlich von einem äusserst weit zurückliegenden alten Urerzeuger ausgegangen sind. Die frühen Nachkommen dieses Urerzeugers werden, ehe sie in irgend beträchtlichem Maasse von einander abgewichen waren, noch immer eine einzige natürliche Gruppe gebildet haben; aber einige ‘ dieser Arten oder dieser beginnenden Gattungen, werden bereits ange- fangen haben, durch ihre divergirenden Merkmale die künftigen Unter- scheidungszeichen der beiden Abtheilungen der Catarhinen und Platy- rhinen anzudeuten. Es werden daher die Glieder dieser angenommenen 13 St. George Mivart, Philos. Transact. 1867, p. 410. Cap. 6. Geburtsort und Alter des Menschen. 173 alten Gruppe weder in ihrer Bezahnung noch in der Natur ihrer Na- senlöcher so gleichförmig gewesen sein, wie es auf der einen Seite die jetzt lebenden catarhinen, auf der andern die jetzt lebenden platyrhinen Affen sind, sondern sie werden in dieser Beziehung den verwandten Le- muriden geglichen haben, welche in der Form ihrer Schnauze !# be- deutend und in Bezug auf ihre Bezahnung in einem ganz ausserordent- lichen Grade von einander abweichen. Die catarhinen und platyrhinen Affen stimmen in: einer Menge von Merkmalen mit einander überein, wie sich schon aus dem Umstande er- gibt, dass sie ohne Frage in eine und dieselbe Ordnung gestellt wer- den. Die vielerlei Charactere, welche sie in Gemeinschaft besitzen, können kaum von so vielen verschiedenen Species unabhängig erlangt worden sein, es müssen also diese Merkmale vererbt sein. Aber eine alte Form, welche Charactere besass, von denen viele den catarhinen und platyrhinen Aflen gemeinsam eigen sind, von denen andere in einem intermediären Zustande und einige wenige in einer von den gegenwärtig in beiden Gruppen vorhandenen vielleicht ganz verschiedenen Weise vor- handen waren, würde unzweifelhaft, wenn sie ein Zoolog zu bestimmen hätte, als ein Affe bezeichnet werden. Und da ‘der Mensch von dem genealogischen Standpunkte aus zu dem Stamme der catarhinen oder altweltlichen Formen gehört, so müssen wir schliessen, wie sehr sich auch unser Stolz gegen diesen Schluss empören mag, dass unsere frühen Urerzeuger wahrscheinlich in dieser Weise bezeichnet worden wären !?, Wir dürfen aber nicht in den Irrthum verfallen, etwa anzunehmen, dass der frühe Urerzeuger des ganzen Stammes der Simiaden, mit Ein- schluss des Menschen, mit irgend einem jetzt existirenden Affen iden- tisch oder ihm auch nur sehr ähnlich gewesen sei. Ueber den Geburtsort und das Alter des Menschen. — Wir werden natürlich darauf geführt zu untersuchen, wo der Geburts- ort des Menschen gewesen ist, d. h. auf derjenigen Stufe seiner Descen- denzreihe, wo unsere Urerzeuger von dem Stamme der Catarhinen sich abzweigten. Die Thatsache, dass sie zu diesem Stamme gehörten, zeigt 14 Murie and St. George Mivart, On the Lemuridae in: Transact. Zool- log. Soc. Vol. VI. 1869, p. 5. 15 Häckel ist zu demselben Schlusse gekommen. s. Ueber die Entstehung des Menschengeschlechts in Virchow’s Samml. gemein. wissensch. Vorträge. 1868, S. 61. s. auch seine „Natürliche Schöpfungsgeschichte“, in welcher er seine Ansichten über die Genealogie des Menschen im Einzelnen entwickelt. 174 Genealogie des Menschen. I. Theil. ganz entschieden, dass sie die alte Welt bewohnten, aber weder Au- stralien noch irgend eine oceanische Insel, wie wir aus den Gesetzen der geographischen Verbreitung schliessen können. In jedem grossen Bezirk der Erde sind die dort lebenden Säugethiere nahe mit den aus- gestorbenen Arten desselben Bezirks verwandt. Es ist daher wahr- scheinlich, dass Afrika früher von jetzt ausgestorbenen Affen bewohnt wurde, welche dem Gorilla und dem Schimpanse nahe verwandt waren; und da diese beiden Species jetzt die nächsten Verwandten des Men- schen sind, so ist es fast noch mehr als wahrscheinlich, dass unsere frühen Urerzeuger auf dem afrikanischen Festlande, und zwar hier eher als irgendwo anders, lebten. Es ist aber ganz unnütz, über diesen Ge- genstand Speculationen anzustellen; denn ein Affe, fast so gross als der Mensch , nämlich der Dryopithecus von Larıer, welcher mit dem an- thropomorphen Hylobates nahe verwandt war, existirte in Europa wäh- rend der oberen Miocenperiode, und seit dieser so entfernt liegenden Periode hat die Erde sicher viele Revolutionen erfahren und es ist auch hinreichende Zeit für Wanderungen im grössten Maassstabe ver- gangen. Zu der Zeit und an dem Orte, wann und wo dies auch gewesen sein mag, als der Mensch zuerst sein Haarkleid verlor, bewohnte- er wahrscheinlich ein warmes Land, und dies würde einer Ernährung von Früchten, von denen er nach Analogie. zu urtheilen lebte, günstig ge- wesen sein. Wir sind weit davon entfernt, wirklich zu wissen, wann der Mensch zuerst von dem Stamme der Catarhinen abzweigte; indess kann dies schon in einer so entfernten Periode eingetreten sein, wie der eocenen; denn die höheren Affen waren von den niedrigeren Formen der Ordnung bereits zu einer so frühen Zeit wie der oberen miocenen abgezweigt, wie durch die Existenz des Dryopithecus eben bewiesen wird. Wir sind auch vollständig unwissend darüber, in einem wie schnellen Verhältnisse Organismen überhaupt, mögen sie nun hoch oder niedrig in der Stufenleiter stehen, unter günstigen Umständen modifi- cirt werden können ; indessen wissen wir, dass einige Organismen eine und dieselbe Form während eines enormen Zeitraums beibehalten haben. Nach dem, was wir im Zustande der Domestication an Thieren vor sich gehen sehen, bemerken wir, dass innerhalb einer und derselben Periode einige der gleichzeitigen Nachkommen einer und derselben Art gar nicht geändert zu haben brauchen, einige nur wenig und andere wieder ‚be- deutend. So mag es mit dem Menschen der Fall gewesen sein, wel- Cap. 6. Geburtsort und Alter des Menschen. 175 ‚ cher im Vergleich mit den höheren Affen einen grossen Betrag an Mo- dificationen in gewissen Merkmalen erfahren hat. Die, grosse Unterbrechung in der organischen Stufenreihe zwischen dem Menschen und seinen nächsten Verwandten, welche von keiner aus- gestorbenen oder lebenden Species überbrückt werden kann, ist oft als ein schwer wiegender Einwurf gegen die Annabme vorgebracht worden, dass der Mensch von einer niedefen Form abgestammt ist; für Die- Jenigen aber, welche durch allgemeine Gründe überzeugt an das allge- meine Prineip der Evolution glauben, wird dieser Einwurf nicht als ein Einwurf von sehr grossem Gewichte erscheinen. Solche Unterbrechungen treten unaufhörlich an allen Punkten der Reihe auf, einige sind weit, sehr scharf abgeschnitten und bestimmt, andere in verschiedenen Graden weniger nach diesen Beziehungen hin, so z. B. zwischen dem Orang und seinen nächsten Verwandten — zwischen dem Tarsius und den andern Lemuriden — zwischen dem Elephanten und in einer noch auffallende- ren Weise zwischen dem Ornithorhynchus oder der Echidna und den andern Säugethieren. Aber alle diese Unterbrechungen beruhen ledig- lich auf der Zahl der verwandten Formen, welche ausgestorben sind. In irgend einer künftigen Zeit, welche nach Jahrhunderten gemessen nicht einmal sehr entfernt ist, werden die eivilisirten Rassen der Mensch- heit beinahe mit Bestimmtheit auf der ganzen Erde die wilden Rassen ausgerottet und ersetzt haben. Wie Professor SCHAAFFHAUSEN bemerkt hat !’, werden zu derselben Zeit ohne Zweifel auch die anthropomor- phen Affen ausgerottet sein. Die Unterbrechung wird dann noch weiter gemacht werden, denn sie tritt dann zwischen dem Menschen in einem noch eivilisirteren Zustande als dem kaukasischen, wie: wir hoffen können, und irgend einem so tief in der Reihe stehenden Affen wie einem Pa- vian auf, statt dass sie sich gegenwärtig zwischen dem Neger oder Australier und dem Gorilla findet. Was das Fehlen fossiler Reste betrifft, welche den Menschen mit seinen affenähnlichen Urerzeugern zu verbinden dienen, so wird Niemand auf diese Thatsache viel Gewicht legen, welcher Sir €. Lyzır's Erör- terung 1? gelesen hat, worin er zeigt, dass in sämmtlichen Classen der Wirbelthierreihe die Entdeckung fossiler Reste -ein äusserst langsamer und vom Zufall abhängiger Vorgang gewesen ist. Auch darf man nicht 16 Anthropological Review. Apr. 1867, p. 236. 1? Elements of Geology. 1865, p. 583—585. Das Alter des Menschenge- schlechts (Uebers.). S. 97. 176 Genealogie des Menschen. I. Theil. vergessen, dass diejenigen Gegenden, welche am wahrscheinlichsten solche Reste darbieten, welche den Menschen mit irgend einem ausgestorbenen affenähnlichen Geschöpfe verbinden, bis jetzt von Geologen noch nicht untersucht sind. Die niederen Stufen in der Genealogie des Menschen. — Wir haben gesehen, dass der Mense# sich als von der Abtheilung der Catarhinen oder altweltlichen Formen der Simiaden abgezweigt darstellt, welche Abzweigung also eintrat, nachdem diese Abtheilung von der der neuweltlichen Formen verschieden geworden war. Wir wollen jetzt ver- suchen, den noch entfernteren Zügen seiner Genealogie zu folgen, wobei wir uns an erster Stelle auf die gegenseitigen Verwandtschaften zwischen den verschiedenen Classen und Ordnungen beziehen und eine, wenn auch untergeordnete Unterstützung von den Perioden hernehmen, in welchen dieselben, soweit bis jetzt ermittelt ist, nach einander auf der Oberfläche der Erde erschienen sind. Die Lemuriden stehen unter und dicht bei den Simiaden, indem sie eine sehr verschiedene Familie der Primaten oder nach Häcken selbst eine besondere Ordnung bilden. Diese Gruppe ist in einem ganz ausserordentlichen Grade verschiedenartig geworden und auseinandergefallen und umfasst viele aberrante Formen. Sie hat da- her wahrscheinlich viel unter dem Aussterben einzelner Formen gelitten. Die meisten der Ueberbleibsel leben noch auf Inseln, namentlich auf Madagascar und auf den Inseln des malayischen Archipels, wo sie kei- ner so scharfen Coneurrenz ausgesetzt gewesen sind, als dies auf gut bevölkerten Continenten der Fall gewesen sein würde. Diese Gruppe bietet auch viele gradweise Verschiedenheiten dar, welche, wie Huxtey bemerkt !® „unmerklich von der Krone und Spitze der thierischen Schö- „Pfung zu Geschöpfen herabführt, von denen scheinbar nur ein Schritt „zu den niedrigsten, kleinsten, und wenigst intelligenten Formen der „placentalen Säugethiere ist.“ Nach diesen verschiedenen Betrachtun- gen ist es wahrscheinlich, dass die Simiaden sich ursprünglich aus den Vorfahren ‚der jetzt noch lebenden Lemuriden entwickelt haben und diese wiederum aus Formen, welche in der Reihe der Säugethiere sehr tief standen. Die Beutelthiere stehen in vielen bedeutungsvollen Merkmalen unter- halb der placentalen Säugethiere. Sie erscheinen in einer früheren !S Stellung des Menschen in der Natur. S$. 119. Cap. 6. Niedere Stufen des menschlichen Stammbaums. 177 geologischen Periode und ihr Verbreitungsbezirk war früher ein viel ausgedehnterer, als sich derselbe jetzt darstellt. Es wird daher allge- mein angenommen, dass die Placentalen sich von den Implacentalen oder den Beutelthieren heraus entwickelt haben, indessen nicht etwa von Formen, welche den jetzt existirenden Marsupialien sehr gleichen, sondern von deren frühen Urerzeugern. Die Monotremen sind ganz offenbar mit den Marsupialien verwandt, sie bilden eine dritte und noch niedrigere Abtheilung. In der ganzen Reihe der Säugethiere heutigen Tages werden sie nur von dem Ornithorhynchus und der Echidna re- präsentirt, und man kann diese beiden Formen wohl getrost als Ueber- bleibsel einer bedeutend grösseren Gruppe betrachten, welche in Folge des Zusammentreffens besonders günstiger Umstände in Australien er- halten worden sind. Die Monotremen sind ganz ausserordentlich inter- essant, da sie in mehreren bedeutungsvollen Punkten ihres Körperbaus nach der Classe der Reptilien hinführen. Wenn wir den Versuch machen, die Genealogie der Säugethiere und daher auch des Menschen noch weiter abwärts in der Thierreihe zu verfolgen, so kommen wir auf immer dunklere Gebiete der Wissen- schaft. Wer hier zu erfahren wünscht, was Scharfsinn und Kenntnisse hervorbringen können, mag die Schriften Professor HÄcker’s zu Rathe ziehen !9. Ich will mich mit einigen allgemeinen Bemerkungen hier begnügen. Jeder Anhänger der Evolutionstheorie wird zugeben, dass die fünf grossen Wirbelthierelassen, nämlich Säugethiere, Vögel, Rep- tilien, Amphibien und Fische, sämmtlich von einem gemeinsamen Pro- totype oder von einer Stammform abgestammt sind; denn sie haben sehr viel, besonders während ihrer embryonalen Zustände, gemeinsam. Da die Classe der Fische die am niedrigsten organisirte ist und vor den übrigen auf der Erde erschienen ist, so können wir schliessen, dass sämmtliche Glieder des Wirbelthierreichs von irgend einem fischähn- lichen Thiere herrühren, welches noch weniger hoch organisirt war als irgend eines, welches bis jetzt in den bekannten tiefsten Formationen 1% Ausgeführte Tabellen sind mitgetheilt in seiner „Generellen Morphologie“. Bd. 2, S. CLIH und S. 425 und mit speciellerer Beziehung auf den Menschen in seiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ 1870. Bei der kritischen Anzeige des letzteren Werkes in The Academy, 1869, p. 42 sagt Prof. Huxley, dass er das . Phylum oder die Descendenzlinien der Vertebraten für ausgezeichnet von Häckel erörtert hält, wenngleich er von ihm in einigen Punkten abweicht. Er drückt auch seine hohe Werthschätzung der allgemeinen Haltung und des Geistes des ganzen Werkes aus. DARWIn, Abstammung. I. Zweite Auflage. 12 27 178 Genealogie des Menschen. I. Theil. gefunden worden ist. Die Annahme, dass von einander so verschiedene Thiere, wie ein Elephant oder Affe und ein Kolibri, eine Schlange, ein Frosch und ein Fisch u. s. w. sämmtlich von denselben Eltern entspros- sen sein könnten, wird Denjenigen ganz monströs erscheinen, welche die neueren Fortschritte der Naturgeschichte nicht mit Aufmerksamkeit verfolgt haben; denn diese Annahme setzt die frühere Existenz von Zwischengliedern voraus, welche alle diese» jetzt so völlig ungleichen Formen eng mit einander verbanden. Nichtsdestoweniger ist es sicher, dass Thiergruppen existirt haben, oder selbst jetzt noch existiren, welche die verschiedenen grossen Wir- belthierclassen mehr oder weniger eng mit einander zu verbinden ge- eignet waren oder sind. Wir haben gesehen, dass der Ornithorhynchus sich in mehreren Beziehungen den Reptilien nähert und Professor Huxuey hat die merkwürdige Entdeckung gemacht, welche Mr. CopE und Andere bestätigt haben, dass die alten Dinosaurier in vielen wich- tigen Beziehungen mitten zwischen gewissen Reptilien und gewissen Vögeln inne stehen; und zu den letzteren gehören die straussartigen Vögel (offen- bar die weitverbreiteten Reste einer grösseren Gruppe) und der Archaeo- pteryz, jener merkwürdige Vogel, welcher einen langen Schwanz hatte wie eine Eidechse. Ferner bieten nach Professor Owen ?" die Ichthyo- saurier — grosse Meereidechsen, die mit Ruderfüssen versehen waren — viele Verwandtschaften mit Fischen oder vielmehr, Huxıey zufolge, mit Amphibien dar. Diese letztere Classe, welche in ihrer höchsten Abtheilung die Frösche und Kröten enthält, ist offenbar mit den ga- noiden Fischen verwandt. Diese letzteren Fische wieder waren während der früheren geologischen Perioden sehr zahlreich und nach einem, wie man sich auszudrücken pflegt, bedeutend verallgemeinerten Plane gebaut, d. h. sie zeigten verschiedenartige Verwandtschaften mit andern Grup- pen von Organismen. Die Amphibien und Fische sind auch durch den Lepidosiren so nahe mit einander verbunden, dass die Zoologen sich lange gestritten haben, in welche dieser beiden Gruppen jene Form zu stellen sei. Der Lepidosiren und einige wenige ganoide Fische sind dadurch vor völliger Zerstörung gerettet worden, dass sie unsere Flüsse bewohnen, welche schützende Häfen bilden und dieselbe Beziehung zu den grossen Wassermassen des Oceans darbieten, wie die Inseln zu den Continenten. 20 Palaeontology. 1860, p. 199. Cap. 6. Niedere Stufen des menschlichen Stammbaums. 179 Endlich ist ein einziges Glied der ungeheuer grossen und ver- schiedenartigen Classe der Fische, nämlich das Lanzettfischehen oder Amphioxus, so verschieden von allen übrigen Fischen, dass HäckeL behauptet, es müsste eine besondere Classe im Wirbelthierreiche bilden. Dieser Fisch ist wegen seiner negativen Merkmale merkwürdig; man kann kaum sagen, dass er ein Gehirn, eine Wirbelsäule, ein Herz u. s. w. besitzt, so dass er auch von den älteren Naturforschern unter die Wür- mer gestellt wurde. Vor vielen Jahren machte Professor GooDsır die Beobachtung, dass das Lanzettfischehen einige Verwandtschaften mit den Ascidien darbietet, welche wirbellose hermaphroditische marine Ge- schöpfe und beständig fremden Körpern angeheftet sind. Sie erscheinen kaum als Thiere und bestehen aus einem zähen lederartigen Sacke mit zwei kleinen vorspringenden Oeflinungen. Sie gehören zu den Mol- luscoiden Huxtry’s, einer niedrigen Abtheilung des grossen Unterreichs der Mollusken; neuerdings sind sie aber von einigen Zoologen unter die Vermes oder Würmer gestellt worden. Ihre Larven sind der Form nach den Kaulquappen etwas ähnlich ?! und haben das Vermögen frei herumzuschwimmen. Einige neuerdings von KOwALEvsKY ?? gemachte und seitdem von Professor Kupprkr bestätigte Beobachtungen werden eine Entdeckung von ausserordentlichem Interesse darbieten, wenn sie noch weiter ausgedehnt sein werden, wie es auch KowALEVSKY in Neapel nach dem, was ich darüber höre, jetzt ausgeführt hat. Die Entdeckung besteht darin, dass die Larven der Ascidien den Wirbelthieren verwandt sind und zwar in der Weise ihrer Entwickelung, in der relativen Lage ihres Nervensystems und in dem Besitze eines Gebildes, welches der Chorda dorsalis der Wirbelthiere gleicht. Dürfen wir uns nun auf Em- bryologie verlassen, welche sich stets als der sicherste Führer bei der Classification erwiesen hat, so scheint es hiernach, als hätten wir end- 2! Ich habe die Genugthuung gehabt, auf den Falkland-Inseln im April 1833 und daher mehrere Jahre vor irgend einem andern Naturforscher die locomo- tiven Larven einer zusammengesetzten Ascidie geschen zu haben, welche mit Sy- noicum nahe verwandt, aber, wie es scheint, doch generisch von ihm verschieden war. Der Schwanz war ungefähr fünfmal so lang als der oblonge Kopf und endete in einem feinen Faden. Er war, wie ich es unter einem einfachen Mi- kroskop gezeichnet habe, deutlich durch quere opake Abtheilungen getheilt, welche, wie ich vermuthe, die grossen von Kowalevsky abgebildeten Zellen darstellen. Auf einer früheren Entwickelungsstufe war der Schwanz dicht um den Kopf der Larve gewickelt. 22 Mömoir. de l’Acad. des Science. de St. Petersbourg. Tom. X, No. 15. 1866. . 127 180 Genealogie des Menschen. I. Theil. lich einen Schlüssel zu jener Quelle gefunden, aus welcher die Wirbel- thiere herstammen. Wir würden darnach zu der Annahme berechtigt sein, dass in einer äusserst frühen Periode eine Gruppe von Thieren existirte, in vielen Beziehungen den Larven unserer jetzt lebenden Asci- dien ähnlich, welche in zwei grosse Zweige auseinandergieng; von die- sen gieng der eine in der Entwickelung zurück und brachte die. jetzige Classe der Ascidien hervor, während der andere sich zu der Krone und Spitze des ganzen Thierreichs erhob dadurch, dass er die Wirbel- thiere entstehen liess. Wir haben bis jetzt versucht, in grossen Umrissen die Genealogie der Wirbelthiere mit Hülfe ihrer gegenseitigen Verwandtschaften zu entwerfen. Wir wollen nunmehr den Menschen betrachten, wie er ge- genwärtig existirt, und ich meine, wir werden theilweise im Stande sein, in den aufeinanderfolgenden Perioden, aber wohl nicht in der ge- hörigen Zeitfolge, den Bau unserer frühen Urerzeuger zu reconstruiren. Dies kann mit Hülfe der Rudimente ausgeführt werden, welche der Mensch noch besitzt, ferner durch die Charactere, welche gelegentlich bei ihm in Folge eines Rückschlags zur Erscheinung kommen, und end- lich durch die Hülfe der Gesetze der Morphologie und Embryologie. Die verschiedenen Thatsachen, auf welche ich mich hier beziehen werde, sind in den vorausgehenden Capiteln mitgetheilt worden. Die frühen Urerzeuger des Menschen waren ohne Zweifel einst mit Haaren be- kleidet, wobei beide Geschlechter Bärte hatten. Ihre Ohren waren zu- gespitzt und einer Bewegung fähig und ihre Körper waren mit einem Schwanze versehen, welcher die gehörigen Muskem besass. Auch auf ihre Gliedmassen und den Körper wirkten viele Muskeln, welche jetzt nur gelegentlich wiedererscheinen, aber bei den Quadrumanen im nor- malen Zustande vorhanden sind. Die grosse Arterie und der Nerv des Oberarms liefen durch ein supracondyloides Loch. In dieser oder einer noch früheren Periode gab der Darmkanal ein viel grösseres Divertikel oder einen Blinddarm ab als der jetzt beim Menschen vorhandene ist. Nach dem Zustande der grossen Zehe beim Menschen zu urtheilen war damals der Fuss ein Greiffuss und ohne Zweifel waren unsere Urerzeu- ger Baumthiere, welche ein warmes, mit Wäldern bedecktes Land be- wohnten. Die Männchen waren mit grossen Eckzähnen versehen, welche ihnen als furchtbare Waffen dienten. Auf einer noch viel früheren Periode war der Uterus doppelt, die Cap. 6. Zwitterzustand der Wirbelthiere. 181 Auswurfsstoffe wurden durch eine Cloake entleert und das Auge wurde von einem dritten Augenlide oder einer Nickhaut beschützt. Auf einer noch früheren Periode müssen die Urerzeuger des Menschen in ihrer Lebensweise Wasserthiere gewesen sein; denn die Morphologie lehrt ganz deutlich, dass unsere Lungen aus einer modifieirten Schwimmblase her- vorgiengen, welche einst als hydrostatisches Gebilde wirkte. Die Spalten am Halse des menschlichen Embryo’s zeigen uns, wo einst die Kiemen lagen. Ungefähr in dieser Periode wurden die echten Nieren durch die Worrr’schen Körper ersetzt. Das Herz bestand nur in der Form eines einfach pulsirenden Gefässes und die Chorda dorsalis nahm die Stelle einer Wirbelsäule ein. Diese frühen Vorläufer des Menschen, welche wir hiernach in den dunklen Zeiten vergangener Aeonen sehen, müssen so niedrig organisirt gewesen sein wie das Lanzettfischehen oder Am- phioxus, oder selbst noch niedriger. Es ist aber noch ein anderer Punkt, welcher einer ausführlichen Erwähnung bedarf. Es ist längst bekannt, dass in dem Wirbelthier- reiche das eine Geschlecht Rudimente verschiedener accessorischer, zu dem Systeme der Reproduetionsorgane gehöriger Theile besitzt, welche eigent- lich dem entgegengesetzten Geschlechte angehören, und es ist jetzt er- mittelt worden, dass auf einer sehr frühen embryonalen Periode beide Geschlechter echte männliche und weibliche Generationsdrüsen besassen. Es scheint daher ein äusserst weit zurückliegender Urerzeuger des grossen Wirbelthierreichs hermaphroditisch oder androgyn gewesen zu sein 29. Hier stossen wir aber auf eine eigenthümliche Schwierigkeit. In der Classe der Säugethiere besitzen die Männchen in ihren Vesiculae pro- staticae Rudimente eines Uterus mit dem daranstossenden Canal, sie besitzen auch Rudimente von Brustdrüsen ; und einige männliche Beutel- thiere haben Rudimente einer marsupialen Tasche ?*. Es liessen sich 23 Dies ist die Schlussfolgerung, zu welcher eine der höchsten Autoritäten in der vergleichenden Anatomie gelangte, nämlich Prof. Gegenbaur, in seinen Grundzügen der vergleichenden Anatomie. 2. Aufl. 1870, 8. 876. Er ist zu die- sem Resultate vorzüglich durch das Studium der Amphibien geleitet worden; es scheint aber nach den Untersuchungen Waldeyer’s (Eierstock und Ei. Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Sexualorgane. Leipzig, 1870, S. 152 figde.) die Uranlage der Sexualorgane auch bei den höheren Vertebraten herma- phroditisch zu sein (eitirt in Humphry’s Journ. of Anat. and Phys. 1869, p. 161). Aehnliche Ansichten haben mehrere Schriftsteller schon vor längerer Zeit ge- theilt, wenn schon nicht so gut begründet wie in neuerer Zeit. 2: Der männliche Thylacinus bietet das beste Beispiel dar. Owen, Ana- tomy of Vertebrates. Vol. IH, p. 771. 182 Genealogie des Menschen. I. Theil. noch andere analoge Thatsachen hinzufügen. Haben wir nun anzuneh- men, dass irgend ein äusserst altes Säugethier Organe besass, welche beiden Geschlechtern eigen sind, d. h. welches zwitterhaft blieb, nach- dem es die hauptsächlichsten Unterscheidungsmerkmale seiner eigenen Classe erlangt hatte, nachdem es daher von den niederen Classen des Wirbelthierreichs. abgezweigt war? Dies scheint im höchsten Grade unwahrscheinlich zu sein. Denn wäre dies der Fall gewesen, so hätten wir erwarten können, dass einige wenige Glieder der beiden niederen Classen, nämlich der Fische 2? und Amphibien, noch immer androgyn geblieben wären. Wir müssen im Gegentheile glauben, dass, als die fünf Wirbelthierclassen von ihrem gemeinsamen Urerzeuger divergirten, die Geschlechter bereits getrennt geworden waren. Um indessen die Thatsache zu erklären, dass männliche Säugethiere Rudimente der ac- cessorischen weiblichen Organe und dass weibliche Säugethiere Rudi- mente der männlichen Organe besitzen, brauchen wir nicht anzunehmen, dass ihre früheren Urerzeuger noch immer Zwitter waren, nachdem sie ihre hauptsächlichsten Säugethiermerkmale angenommen hatten. Es ist sehr wohl möglich, dass, in der Weise als das eine Geschecht allmäh- lich die ihm eigenthümlichen accessorischen Organe erlangte, einzelne der aufeinanderfolgenden Stufen oder Modificationen auf das andere Ge- schlecht mit überliefert wurden. Wenn wir die geschlechtliche Zuchtwahl zu behandeln haben werden, werden wir zahllose Beispiele dieser Form der Ueberlieferung antreffen, — so in den Fällen, wo Spornen, besondere Federn oder brillante Farben, welche von den männlichen Vögeln zum Kämpfen oder zum Schmuck erlangt worden sind, im einem unvollkom- menen oder rudimentären Zustand den Weibchen überliefert worden sind. Dass männliche Säugethiere funetionell unvollkommene Milchdrü- sen besitzen, ist in manchen Beziehungen ganz besonders merkwürdig. Die Monotremen haben die ordentlichen milchabsondernden Drüsen mit Oeffnungen aber ohne Zitzen; und da diese Thiere factisch auf dem Boden der ganzen Säugethierreihe stehen, so ist es wahrscheinlich, dass die Urerzeuger der Classe in gleicher Weise die milchabsondernden ? Bekanntlich findet sich Serranus oft in einem hermaphroditischen Zustande, wobei die den beiden Geschlechtern eigenen Organe symmetrisch entwickelt sind. Mehrere tüchtige Naturforscher sind überzeugt, dass dies der Normalzustand ist; Dr. Günther theilt mir indessen mit, er sei der Ansicht, dass dies nicht der nor- male Zustand sei. Abstammung von einem alten androgynen Prototype würde aber natürlich das Wiederauftreten dieses Zustandes bei Fischen begünstigen und in einem gewissen Maasse erklären, wenn er ein abnormer wäre. Cap. 6. Zwitterzustand der Wirbelthiere. 183 Drüsen, aber keine Zitzen besassen. Diese Folgerung wird noch durch das unterstützt, was wir von ihrer Entwickelungsweise wissen; denn Professor TURNER theilt mir nach der Autorität von KÖLLIKER und LAnGER mit, dass beim Embryo die Milchdrüsen deutlich nachgewiesen werden können, noch ehe die Warzen auch nur im geringsten sichtbar sind; und man muss im Sinne behalten, dass die Entwickelung nach einander auftretender Theile am Individuum im Allgemeinen die Ent- wickelung nach einander auftretender Geschöpfe in derselben Descendenz- reihe darzustellen oder mit dieser übereinzustimmen scheint. Die Mar- supialien weichen von den Monotremen durch den Besitz von Zitzen ab, so dass diese Organe wahrscheinlich von den Marsupialien zuerst erlangt wurden, nachdem sie von den Monotremen sich abgezweigt und sich über dieselben erhoben hatten, worauf sie dann den placentalen Säuge- thieren überliefert wurden. Niemand wird annehmen, dass irgend ein Glied der Säugethierreihe noch zwitterhaft blieb, nachdem die Marsu- pialien ihren gegenwärtigen Bau annäherungsweise erreicht hatten, d. h. in einer im Ganzen späten Periode der Entwickelung der Säugethiere. Wir scheinen daher genöthigt zu sein, auf die vorstehende Ansicht zu- rückzukommen und zu schliessen, dass die Zitzen zuerst bei den Weib- chen irgend einer sehr frühen marsupialen Form sich entwickelt und dann in Uebereinstimmung mit einem allgemeinen Gesetze der Ver- erbung in einem funetionell unvollkommenen Zustand sich auf die Männ- chen vererbt haben. Niehtsdestoweniger ist mir zuweilen eine Vermuthung durch den Sinn gegangen, dass lange nachdem die Urerzeuger der ganzen Säuge- thierclasse aufgehört hatten, 7witter zu sein, beide Geschlechter Milch erzeugt und damit ihre Jungen ernährt haben mögen und, was die Marsupialien betrifft, dass beide Geschlechter ihre Jungen in den mar- supialen Taschen mit sich herumgeführt haben mögen. Dies wird nicht völlig unglaubhaft erscheinen, wenn wir bedenken, dass die Männchen der Nadelfische (Syngnathus) die Eier der Weibchen in ihre abdomi- nalen Taschen aufnehmen, sie ausbrüten und, wie Manche annehmen, später die Jungen ernähren?®, — dass ferner gewisse andere männ- 26 Mr. Lockwood glaubt (nach dem Citat im Quart. Jour. of Science, Apr. 1868, p. 269) nach dem was er über die Entwickelung von Hippocampus beobachtet hat, dass die Wandungen der Abdominaltasche des Männchen in irgend einer Weise Nahrung darbieten. Ueber männliche Fische, welche die Eier in ihrem Munde ausbrüten s. einen sehr interessanten Aufsatz von Prof. Wyman 184 Genealogie des Menschen. I. Theil. liche Fische die Eier innerhalb ihres Mundes oder der Kiemenhöhlen ausbrüten, — dass gewisse männliche Kröten die rosenkranzförmigen ' Reihen von Eiern von ihren Weibchen abnehmen und sie um ihre eige- nen Schenkel herumwinden und dort behalten, bis die Kaulquappen ge- boren worden sind, — dass ferner gewisse männliche Vögel die Pflicht des Brütens ganz auf sich nehmen und dass männliche Tauben ebenso gut wie die weiblichen ihre Nestlinge mit einer Absonderung aus ihrem Kropfe ernähren. Die oben angegebene Vermuthung kam mir aber zu- erst, als ich sah, dass die Milchdrüsen bei männlichen Säugethieren so viel vollkommener entwickelt sind als die Rudimente jener andern ac- cessorischen Theile des Fortpflanzungssystems, welche sich in dem einen Geschlechte finden, trotzdem sie eigentlich dem andern angehören. Die Milchdrüsen und Zitzen können in der Form, wie sie bei männlichen Säugethieren existiren, in der That kaum rudimentär genannt werden, sie sind einfach nicht vollständig entwickelt und nicht funetionell thä- tig. Sie werden unter dem Einflusse gewisser Krankheiten sympathisch mit affıcirt, ganz wie dieselben Organe beim Weibchen. Bei der Ge- burt sondern sie oft einige wenige Tropfen Milch ab, und man hat Fälle kennen gelernt, wo sie gelegentlich beim Menchen und andern Säuge- thieren wohl entwickelt waren und eine reichliche Menge von Milch absonderten. Wenn wir nun annehmen, dass während einer frühen lange dauernden Periode die männlichen Säugethiere ihre Weibchen bei der Ernährung ihrer Nachkommen unterstützten und dass später aus irgend einer Ursache, wie, wenn eine kleinere Zahl von Jungen hervorgebracht wurde, die Männchen aufhörten, diese Hülfe zu widmen, so würde Nicht- gebrauch der Organe während des Reifezustands dazu führen, dass sie unthätig wurden; und nach zwei bekannten Prineipien der Vererbung würde dieser Zustand der Unthätigkeit wahrscheinlich auf die Männ- chen im entsprechenden Alter der Reife vererbt werden. Aber auf allen früheren Lebensaltern würde dieses Organ unaffieirt bleiben, so dass sie bei den Jungen beider Geschlechter gleichmässig wohl entwickelt sein würden. Schluss. — Die beste Definition der Weiterentwickelung oder des Fortschritts in der organischen Stufenleiter, welche je gegeben wor- in: Proceed. Boston. Soc. Nat. Hist. Sept. 15. 1857, auch Prof. Turner in Journ. of Anat. and Physiol. Nov. 1. 1866, p. 78. Aehnliche Fälle hat gleicherweise Dr. Günther beschrieben. Cap. 6. Genealogie des Menschen. 185 den ist, ist die von KARL ERNST von BAER und diese beruht auf dem Betrag der Differenzirung und Specialisirung der verschiedenen Theile eines und desselben Wesens, wenn es, wie ich geneigt sein würde hin- zuzufügen, zur Reife gelangt ist. Da nun Organismen mittelst der natürlichen Zuchtwahl langsam verschiedenartigen Richtungen des Lebens angepasst worden sind, so werden ihre Theile in Folge des durch die Theilung der physiologischen Arbeit erlangten Vortheils immer mehr und mehr für verschiedene Functionen differeneirt und speeialisirt worden sein. Ein und derselbe Theil scheint oft zuerst für den einen Zweck und dann lange Zeit später für irgend einen andern und völlig verschiedenen Zweck modificirt worden zu sein; und hierdurch sind alle Theile mehr oder weniger complieirt gemacht worden. Aber jeder Or- ganismus wird noch immer den allgemeinen Typus des Baues seines Urerzeugers, von dem er ursprünglich herrührte, beibehalten. In Ue- bereinstimmung mit dieser Ansicht ist es, wie wir "unter Berücksich- tigung der geologischen Zeugnisse annehmen, dass die Organisation im Ganzen auf der Erde in langsamen und unterbrochenen Schritten vorge- schritten ist. In dem grossen Unterreiche der Wirbelthiere hat sie im Menschen gegipfelt. Es darf indessen nicht angenommen werden, dass Gruppen organischer Wesen fortwährend unterdrückt werden und ver- schwinden, sobald sie andern und vollkommeneren Gruppen Entstehung gegeben haben. Wenn auch die Letzteren über ihre Vorgänger gesiegt haben, so brauchen sie doch nicht für alle Stellen in dem Haushalte der Natur besser angepasst gewesen zu sein. Einige alte Formen scheinen leben geblieben zu sein, weil sie geschützte Orte bewohnten, wo sie keiner sehr scharfen Concurrenz ausgesetzt waren; und diese unter- stützen uns oft bei der Construction unser Genealogien dadurch, dass sie uns ein leidliches Bild früherer und sonst verloren gegangener Bildungen geben. Wir dürfen aber nicht in den Irrthum verfallen, die jetzt lebenden Glieder irgend einer niedrig organisirten Gruppe als vollkom- mene Repräsentanten ihrer alten Urerzeuger zu betrachten. Die ältesten Urerzeuger im Unterreiche der Wirbelthiere, auf welche wir im Stande sind, einen, wenn auch nur undeutlichen, Blick zu wer- fen, bestanden, wie es scheint, aus einer Gruppe von Seethieren °7, 27 Alle Lebensvorgänge neigen zu einem Verlaufe in feststehenden und wie- derkehrenden Perioden und bei zwischen den Fluthgrenzen lebenden Thieren werden diese Perioden wahrscheinlich Mondperioden gewesen sein; denn solche Thiere müssen während zahlloser Generationen in regelmässigen lunaren Zwi- 3 186 Genealogie des Menschen. I. Theil. welche den Larven der jetzt lebenden Aseidien ähnlich waren. Diese Thiere liessen wahrscheinlich eine Gruppe von Fischen entstehen, welche gleich niedrig wie der Lanzettfisch organisirt waren; und aus diesen müssen sich die ganoiden und andere dem Lepidosiren ähnliche Fische entwickelt haben. Von derartigen Fischen wird uns ein nur sehr ge- ringer Fortschritt zu den Amphibien hinführen. Wir haben gesehen, dass Vögel und Reptilien einst innig mit einander verbunden waren, und die Monotremen bringen jetzt in einem unbedeutenden Grade die Säugethiere mit den Reptilien in Verbindung. Für jetzt kann aber Niemand sagen, durch welche Descendenzreihe die Jrei höheren und verwandten Classen, nämlich Säugethiere, Vögel und Reptilien, von einer der beiden niederen Wirbelthierelassen, nämlich Amphibien und Fischen, abzuleiten sind. Innerhalb der Classe der Säugethiere sind die einzelnen Schritte nicht schwer zu verfolgen, welche von den alten Monotremen zu den alten Marsupialien führen und von diesen zu den frühen Urerzeugern der placentalen Säugethiere. Wir können auf diese Weise bis zu den Lemuriden aufsteigen und der Zwischenraum zwischen diesen bis zu den Simiaden ist nicht gross. Die Simiaden zweigten sich dann in zwei grosse Stämme ab, die neuweltlichen und die altweltlichen Affen, und aus den letzteren gieng in einer frühen Zeit der Mensch, das Wunder und der Ruhm des Weltalls, hervor. Wir haben auf diese Weise dem Menschen einen Stammbaum von wunderbarer Länge gegeben, man könnte aber meinen nicht einen Stamm- baum von edler Beschaffenheit. Es ist oft bemerkt worden, dass die Welt sich lange auf die Ankuuft des Menschen vorbereitet zu haben scheint; und dies ist in einem gewissen Sinne durchaus wahr, denn er schenräumen trocken gelassen oder mit tiefem Wasser bedeckt, mit reichlicher oder beschränkter Nahrung versorgt gewesen sein. Wenn daher die Wirbelthiere von einem Thiere abgestammt sind, welches mit den jetzt zwischen den Fluth- grenzen lebenden Ascidien verwandt war, so wird die mysteriöse Thatsache, dass bei den höheren und jetzt auf dem Lande lebenden Wirbelthieren, — andere Classen nicht zu erwähnen — viele normale und abnorme Lebensvorgänge einen den Mondperioden entsprechenden Verlauf einhalten, verständlich. Eine wieder- kehrende Periode dürfte, wenn sie annäherungsweise die gehörige Dauer hatte, sobald sie einmal erlangt war, nicht leicht einer Veränderung unterliegen; sie könnte daher fast durch jede beliebige Anzahl von Generationen überliefert wer- den. Diese Schlussfolgerung würde, wenn sie als richtig erfunden würde, höchst merkwürdig sein; denn wir würden dann sehen, dass die Trächtigkeitsdauer bei allen Säugethieren, die Brütezeit aller Vogeleier, und viele andere Lebensvor- gänge noch immer die ursprüngliche Geburtsstätte dieser Thiere verrathen. Cap. 6. (senealogie des Menschen. 157 verdankt seine Geburt einer langen Reihe von Vorfahren. Hätte ein einziges Glied in dieser langen Kette niemals existirt, so würde der - Mensch nicht genau das geworden sein, was er jetzt ist. Wenn wir nicht absichtlich unsere Augen schliessen, so können wir nach unsern jetzigen Kenntnissen annähernd unsere Abstammung erkennen und wir dürfen uns derselben nicht schämen. Der niedrigste Organismus ist etwas bei weitem Höheres als der unorganische Staub unter unsern Füssen, und Niemand mit einem vorurtheilsfreien Geiste kann irgend ein lebendes Wesen, wie niedrig es auch stehen mag, studiren, ohne enthusiastisch über seine merkwürdige Struetur und seine Eigenschaf- ten erstaunt zu werden. Siebentes Capitel, Ueber die Rassen der Menschen. Die Beschaffenheit und der Werth specifischer Merkmale. — Anwendung auf die Menschenrassen. — Argumente, welche der Betrachtung der sogenannten Menschenrassen als distineter Species günstig und entgegengesetzt sind. — Subspecies. — Monogenisten und Polygenisten. — Convergenz des Cha- racters. — Zahlreiche Punkte der Uebereinstimmung an Körper und Geist zwischen den verschiedensten Menschenrassen. — Der Zustand des Menschen, als er sich zuerst über die Erde verbreitete. — Jede Rasse stammt nicht von einem einzelnen Paare ab. — Das Aussterben von Rassen. — Die Wir- kung der Kreuzung. — Geringer Einfluss der directen Wirkung der Lebens- bedingungen. — Geringer oder kein Einfluss der natürlichen Zuchtwahl. — (eschlechtliche Zuchtwahl. Es ist nicht meine Absicht, hier die verschiedenen sogenannten Ras- sen des Menschen zu beschreiben, sondern nur zu untersuchen, was der Werth der Unterschiede zwischen ihnen von einem classificatorischen Gesichtspunkte aus ist und wie dieselben entstanden sind. Bei der Be- stimmung des Umstands, ob zwei oder mehrere mit einander verwandte Formen als Species oder als Varietäten zu classificiren sind, werden die Naturforscher praetisch durch die folgenden Betrachtungen geleitet: ein- mal nämlich durch den Betrag an Verschiedenheit zwischen ihnen, dann ob derartige Verschiedenheiten sich auf wenige oder viele Punkte ihres Baues beziehen und ob dieselben von physiologischer Bedeutung sind; aber noch specieller durch den Umstand, ob diese Verschiedenheiten constant sind. Constanz des Characters ist das, was für besonders werthvoll gehalten und wonach von den Naturforschern gesucht wird. Sobald gezeigt oder wahrscheinlich gemacht werden kann, dass die in Frage stehenden For- men eine lange Zeit hindurch verschieden geblieben sind, so wird dies ein Argument von bedeutendem Gewichte zu Gunsten ihrer Behandlung als Species.’ Selbst ein unbedeutender Grad von Unfruchtbarkeit zwischen irgend zwei Formen bei ihrer ersten Kreuzung oder bei ihren Nach- kommen wird allgemein als eine entscheidende Probe ihrer speeifischen Verschiedenheit angesehen, auch wird ihr beständiges Getrenntbleiben Cap. 7. Rassen des Menschen 189 innerhalb eines und desselben Bezirks ohne Verschmelzung gewöhnlich als hinreichender Beweis angesehen entweder für einen gewissen Grad gegenseitiger Unfruchtbarkeit oder, was die Thiere betrifft, eines ge- wissen Widerwillens gegen wechselseitige Paarung. Unabhängig von einer Verschmelzung infolge einer Kreuzung ist der vollständige Mangel von Varietäten, welche irgend zwei nahe ver- wandte Formen in einer sonst gut untersuchten Gegend mit einander verbinden, wahrscheinlich das bedeutungsvollste von allen Kennzeichen für ihre specifische Verschiedenheit. Und hier liegt ein von der Be- rücksichtigung der blossen Constanz des Characters etwas verschiedener Gedanke zu Grunde; denn zwei Formen können äusserst variabel sein und doch keine Zwischenvarietäten erzeugen. Geographische Verbreitung wird oft unbewusst und zuweilen bewusst als Zeugniss mit herange- zogen, so dass Formen, welche in zwei weit von einander getrennten Bezirken leben, innerhalb deren die meisten andern Bewohner specifisch verschieden sind, gewöhnlich auch selbst als verschieden betrachtet werden; doch bietet dieser Umstand in Wahrheit keine Hülfe zur Unter- scheidung geographischer Rassen von sogenannten guten oder echten Species dar. Wir wollen nun diese allgemein angenommenen Grundsätze auf die Rassen des Menschen anwenden und ihn in demselben Sinne be- traehten, in welchem ein Naturforscher irgend ein anderes Thier an- sehen würde. Was den Betrag an Verschiedenheit zwischen den Ras- sen betrifft, so müssen wir unserem feinen Unterscheidungsvermögen etwas zu gute rechnen, welches wir durch die lange Uebung der Selbst- beobachtung gewonnen haben. Obschon, wie ELPHINSTONE bemerkt !, ein neu in Indien angekommener Europäer-zuerst die verschiedenen ein- geborenen Rassen nicht unterscheiden kann, so erscheinen sie ihm doch bald äusserst unähnlich; und ebenso kann der Hindu zuerst keine Ver- schiedenheit zwischen den verschiedenen europäischen Eingeborenen wahrnehmen. Selbst die verschiedensten Menschenrassen, mit Ausnahme gewisser Negerstämme, sind einander der Form nach viel ähnlicher als zuerst angenommen werden würde. Dies zeigt sich deutlich in den französischen Photographien in der Collection anthropologique du Mu- seum von Menschen, die verschiedenen Rassen angehören, von welchen die grössere Zahl, wie viele Leute, denen ich sie gezeigt habe, bemerkt 1 History of India. 1841. Vol. I, p. 323. Der Pater Ripa macht genau die- selbe Bemerkung in Bezug auf die Chinesen. 190 Rassen des Menschen. I. Theil. haben, für Europäer gelten kann. Nichtsdestoweniger würden diese Menschen, wenn man sie lebendig sähe, unzweifelhaft sehr verschieden erscheinen, so dass wir ganz entschieden in unserem Urtheile durch die blosse Farbe der Haut und des Haars, durch unbedeutende Ver- schiedenheiten in den Gesichtszügen und durch den Ausdruck sehr be- einflusst werden. Es ist indessen zweifellos, dass die verschiedenen Rassen, wenn sie sorgfältig verglichen und gemessen werden, bedeutend von einander abweichen, — so in der Textur des Haars, den relativen Proportionen aller Theile des Körpers ?, der Capacität der Lungen, der Form und dem Rauminhalte des Schädels und selbst in den Windungen des Ge- hirns?. Es würde aber eine endlose Aufgabe sein, die zahlreichen Punkte der Verschiedenheiten des Baues einzeln durchzugehen. Die Rassen weichen auch in der Constitution, in der Acclimatisationsfähig- keit und in dem Verhalten gegen verschiedene Krankheiten von ein- ander ab; auch sind ihre geistigen Merkmale sehr verschieden, haupt- sächlich allerdings, wie es scheinen dürfte, in der Form ihrer Gemüths- erregungen, zum Theil aber auch in ihren intelleetuellen Fähigkeiten. Ein Jeder, welcher die Gelegenheit zur Vergleichung gehabt hat, muss von dem Contraste überrascht gewesen sein zwischen dem schweigsamen, selbst morosen Eingeborenen von Südamerika und dem leichtherzigen schwatzhaften Neger. Ein ziemlich ähnlicher Contrast besteht zwischen den Malayen und Papuas *, welche unter denselben physikalischen Be- dingungen leben und nur durch einen sehr dünnen Meeresstrich von einander getrennt sind. Wir wollen zuerst die Gründe betrachten, die man zu Gunsten einer Classification von Menschenrassen als besonderer Arten vorbringen kann, und dann die, welche für die gegentheilige Ansicht sprechen. Wenn ein Naturforscher, welcher noch niemals zuvor solche Wesen gesehen hätte, einen Neger, Hottentotten, Australier oder Mongolen mit einander zu 2 Eine ungeheure Zahl von Maassangaben von Weissen, Schwarzen und In- dianern sind mitgetheilt in den Investigations in the Military and Anthropolog. Statistics of American Soldiers, by B. A. Gould. 1869. p. 298—358, über die Ca- pacität der Lungen, ebend. p. 471, s. auch die zahlreichen und werthvollen Ta- bellen von Dr. Weisbach nach den Beobachtungen des Dr. Scherzer und Dr. Schwarz in der Reise der Novara. Anthropolog. Theil. 1867. 3s. z.B. Marshall’s Bericht über das Gehirn eines Buschmann-Weibes in Philos. Transact. p. 519. * Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II. 1869. p. 178. Cap. 7. Beschaffenheit specifischer Merkmale. 191 vergleichen‘ hätte, so würde er sofort bemerken, dass sie in einer Menge von Characteren von einander abweichen, von denen einige unbedeutend, einige aber von ziemlicher Bedeutung sind. Bei, näherer Erörterung _ würde er finden, dass diese Formen einem Leben unter sehr verschie- denen Climaten angepasst sind und dass sie auch in ihrer körperlichen Constitution und ihren geistigen Anlagen etwas von einander verschie- den sind. Wenn man ıhm dann sagt, dass Hunderte ganz ähnlicher Exemplare aus denselben‘ Ländern herbeigebracht werden könnten , so würde er zuversichtlich erklären, dass sie so gute Species seien wie viele andere, welche er mit specifischen Namen zu versehen gewohnt wäre. Diese Folgerung würde noch au Stärke gewinnen, sobald er sich verge- wissert hätte, dass diese Formen dieselben Merkmale schon für viele Jahrhunderte beibehalten haben und dass Neger, die allem Anscheine nach mit den jetzt lebenden identisch waren, mindestens schon vor viertausend Jahren gelebt haben ?”. Er würde ferner von einem aus- gezeichneten Beobachter, Dr. Lunp ®, hören, dass die in den Höhlen von Brasilien gefundenen Menschenschädel, welche mit vielen ausgestor- benen Säugethieren dort begraben sind, zu demselben Typus gehören, welcher jetzt noch über den ganzen amerikanischen Continent vor- herrscht. 5 In Bezug auf die Abbildungen in den berühmten Aegyptischen Höhlen von Abu-Simbel bemerkt Pouchet (The Plurality of the Human Races. Transl. 1864. p. 50), dass er die Repräsentanten der zwölf oder noch mehr Nationen, welche einige Autoren darin wiedererkennen zu können meinen, auch nicht entfernt wie- dererkennbar finden könne. Selbst einige der am schärfsten markirten Rassen können nicht mit jenem Grade der Einstimmigkeit identificirt werden, welcher nach dem, was über diesen Gegenstand geschrieben worden ist, zu erwarten gewe- sen wäre. So führen Msrs. Nott and Gliddon (Types of Mankind, p. 148) an, dass Rameses II. oder der Grosse stolze europäische Gesichtszüge habe, während Knox, ein anderer überzeugter Anhänger der Meinung von der specifischen Verschiedenheit der Menschenrassen (Races of Man, 1850, p. 201) bei der Schil- derung des jungen Memnon (wie mir Mr. Birch sagt, ein und dieselbe Person mit Rameses II.) in der entschiedensten Weise behauptet, dass er in seinen Cha- racteren mit den Juden in Antwerpen identisch sei. Als ich ferner im British Museum mit zwei competenten Richtern, Beamten der Anstalt, die Statue des Amunoph III. betrachtete, stimmten wir darin überein, dass seine Gesichtszüge eine stark ausgesprochene Negerform haben. Die Herren Nott und Gliddon dagegen (a. a. O. p. 146, Fig, 53) beschreiben ihn als „einen Bastard, aber ohne Beimischung von Negerblut.“ 6 Citirt von Nott und Gliddon, Types of Mankind. 1854, p. 439. Sie füh- ren auch noch weitere bestätigende Belege an; doch meint C. Vogt, dass der Gegenstand noch weiterer Untersuchung bedürfe. 192 Rassen des Menschen. I. Theil. Unser Naturforscher würde sich dann vielleicht zur geographischen Verbreitung wenden und würde wahrscheinlich erklären, dass Formen, welche nicht bloss dem äussern Anscheine nach von einander abweichen, _ sondern welche einerseits für die heissesten, andererseits für die feuch- testen oder auch trockensten Länder ebensogut wie für aretische Ge- senden angepasst sind, distinete Species sein müssen. Er dürfte sich wohl auf die Thatsache berufen, dass keine einzige Species in der dem Menschen zunächst stehenden Thiergruppe, nämlich den Quadrumanen, einer niederen Temperatur oder einem einigermaassen beträchtlichen Wechsel des Clima’s wiederstehen kann und dass diejenigen Species, welche dem Menschen am nächsten kommen, niemals selbst unter dem temperirten Clima von Europa bis zur Reife aufgezogen worden sind. Die zuerst von Acassız ? erwähnte Thatsache würde einen tiefen Ein- druck auf ihn machen, dass nämlich die verschiedenen Rassen auf der Erde innerhalb derselben zoologischen Provinzen vertheilt sind, wie die- jenigen sind, welche von unzweifelhaft verschiedenen Arten und Gat- tungen von Säugethieren bewohnt sind. Dies ist ganz offenbar der Fall mit den Australiern, den mongolischen und Neger-Rassen des Menschen, -in einer weniger scharf ausgesprochenen Weise mit den Hottentotten, aber wieder deutlich mit den Papuas und Malayen, welche, wie Mr. WALLACK gezeigt hat, ziemlich durch dieselbe Linie von einander geschieden werden, welche die beiden grossen zoologischen Provinzen von einander trennt, die Malayische und Australische. Die Ureinwohner von Ame- rika haben ihren Verbreitungsbezirk über diesen ganzen Continent und dies scheint zuerst der eben angegebenen Regel entgegen zu sein, denn die meisten Naturerzeugnisse der südlichen und nördlichen Hälfte sind sehr verschieden. Doch verbreiten sich einige wenige Lebensformen, wie das Opossum, von der einen Hälfte in die andere, wie es früher auch mit einigen der gigantischen Edentaten der Fall war. Die Eski- mos erstrecken sich, wie andere arctische Thiere, rund um die ganze Polargegend herum. Man muss auch beachten, dass die Säugethier- formen, welche die verschiedenen zoologischen Provinzen bewohnen, nicht in gleichem Grade von einander verschieden sind, so dass man es auch kaum als eine Anomalie betrachten kann, dass der Neger mehr und der Amerikaner weniger von den andern Menschenrassen abweicht als es die Säugethiere derselben Continente von denen anderer Provinzen ? Diversity of Origin of the Human Races, in dem: Christian Examiner, July, 1850. Cap. 7. Werth specifischer Merkmale, 193 thun. Es kann auch noch hinzugefügt werden, dass allem Anscheine nach der Mensch ursprünglich keine oceanische Insel bewohnt hat; und in dieser Beziehung gleicht er den andern Mitgliedern seiner Classe. Wenn man zu bestimmen sucht, ob die Varietäten einer und der- selben Form von domestieirten Thieren als specifisch verschieden clas- sifieirt werden sollen, d. h. ob einige von ihnen von verschiedenen wil- den Species abgestammt sind, so würde jeder Zoolog viel Gewicht auf die Thatsache legen, wenn sie sich ermitteln liesse, ob ihre äusseren Parasiten specifisch verschieden sind. Es würde nur um so mehr Ge- wicht auf diese Thatsache gelegt werden, als sie eine ausnahmsweise sein würde; denn Mr. Denny hat mir mitgetheilt, dass die verschie- densten Arten von Hunden, Haushühnern und Tauben in England von denselben Species von Pedieulinen oder Läusen heimgesucht werden. Nun hat Mr. A. Murray sorgfältig die in verschiedenen Ländern von den verschiedenen Menschenrassen abgesuchten Pedieulinen untersucht $; und er findet, dass sie nicht bloss in der Farbe, sondern auch in der Struetur ihrer Kiefern und Gliedmaassen von einander abweichen. In jedem Falle, wo zahlreiche Exemplare erlangt wurden, waren die Ver- schiedenheiten constant. Der Arzt eines Walfischfängers im Stillen Ocean hat mich versichert, dass wenn die Läuse, welche einige Sand- wichsinsulaner an Bord dieses Schiffes zahlreich bedeckten, sich auf die Körper der englischen Matrosen verirrten, sie im Verlauf von drei oder vier Tagen starben. Diese Pediculinen waren dunkler gefärbt und schienen von denen verschieden zu sein, welche den Eingeborenen von Chilo& in Südamerika eigenthümlich waren und von welchen man mir einige Exemplare gab. Diese wiederum scheinen viel grösser und wei- cher zu sein als europäische Läuse. Mr. Murray verschaffte sich vier Arten aus Afrika, nämlich von den Negern der Ost- und Westküste, von den Hottentotten und von den Kaffern, zwei Arten von den Ein- geborenen von Australien, zwei von Nordamerika und zwei von Süd- amerika. In diesen letzten Fällen darf vermuthet werden, dass die Läuse von Eingeborenen kamen, welche verschiedene Distriete bewohn- ten. Bei Insecten werden unbedeutende Verschiedenheiten des Baues, wenn sie nur constant sind, allgemein als von specifischem Werthe an- gesehen, und die Thatsache, dass die Menschenrassen von Parasiten heimgesucht werden, welche specifisch verschieden zu sein scheinen, ® Transact. Roy. Soc. Edinburgh. Vol. XXII. 1861. p. 567. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 13 194 Rassen des Menschen. I. Theil. kann ganz ruhig als ein Argument betont werden, dass die Rassen selbst als distincte Species classifieirt werden sollten. Wäre unser angenommener Zoolog in seiner Untersuchung bis hieher vorgeschritten, so würde er zunächst untersuchen, ob die Men- schenrassen, wenn sie sich kreuzen, in irgend einem Grade steril seien. Er dürfte das Werk eines vorsichtigen und philosophischen Beobach- ters, Professor BrocA °, zu Rathe ziehen, und darin würde er gute Be- lege dafür finden, dass einige Rassen völlig fruchtbar unter einander sind, aber auch Belege einer entgegengesetzten Natur in Bezug auf andere Rassen. So ist behauptet worden, dass die eingeborenen Frauen von Australien und Tasmanien selten mit europäischen Männern Kinder hervorbrächten; indessen sind die Zeugnisse gerade über diesen Punkt jetzt als fast werthlos erwiesen worden. Die Mischlinge werden von den reinen Schwarzen getödtet, und es ist kürzlich ein Bericht veröf- fentlicht worden über einen Fall, wo elf junge Leute einer Mischlings- rasse zu gleicher Zeit ermordet und verbrannt wurden, deren Ueber- bleibsel dann von der Polizei gefunden wurden !0. Ferner ist oft ge- sagt worden, dass, wenn Mulatten unter einander heirathen, sie wenig Kinder erzeugen. Auf der andern Seite behauptet Dr. BacHMmAn von Charlestown !! positiv, dass er Mulattenfamilien gekannt habe, welche mehrere Generationen hindurch unter einander geheirathet hatten und im Mittel genau so fruchtbar waren als sowohl rein Weisse als rein Schwarze. Neuerdings von Sir C. LyEır angestellte Untersuchungen über diesen Gegenstand haben ihn, wie er mir mittheilt, zu derselben Schlussfolgerung geführt. Die Volkszählung für das Jahr 1854 in den Vereinigten Staaten umfasste Dr. BacHman zufolge 405751 Mulatten, und diese Zahl scheint unter Berücksichtigung aller bei dem Falle in Frage kommenden Umstände gering zu sein, sie dürfte aber zum Theil durch die herabgekommene und anomale Stellung der Classe und durch ° On the Phenomena of Hybridity in the genus Homo. Engl. transl. 1864. 10 5. den interessanten Brief von T. A. Murray in der Anthropolog. Re- view. Apr. 1868, p. LI. In diesem Briefe wird die Angabe des Grafen Strze- lecki widerlegt, dass Australische Frauen, welche mit einem weissen Manne Kinder gehabt haben, später mit ihrer eigenen Rasse unfruchtbar wären. A. de Quatrefages hat gleichfalls zahlreiche Belege dafür gesamwelt (Revue des Cours scientifiques. Mars, 1869, p. 239), dass Australier und Europäer bei einer Kreuzung nicht unfruchtbar sind. 1! An Examination of Prof. Agassiz’s Sketch of the Natur. Provinces of the Animal World. Charleston, 1855, p. 44. Cap. 7. Werth der specifischen Merkmale. 195 das ausschweifende Leben der Frauen zu erklären sein. In einem ge- wissen Grade muss eine Absorption von Mulatten rückwärts in die Neger immer im Fortschreiten begriffen sein, und dies würde zu einer offenbaren Verringerung der Zahl der Ersteren führen. Die geringere Lebensfähigkeit der Mulatten wird in einem zuverlässigen Werke !2 als eine wohlbekannte Erscheinung besprochen; doch wäre dies eine von der verringerten Fruchtbarkeit etwas verschiedene Thatsache und könnte kaum als ein Beweis für die specifische Verschiedenheit der beiden elter- lichen Rassen vorgebracht werden. Ohne Zweifel sind sowohl thierische als pflanzliche Bastarde, wenn sie von äusserst verschiedenen Species hervorgebracht sind, einem frühzeitigen Tode ausgesetzt; aber die Eltern der Mulatten können nicht in die Kategorie äusserst verschiedener Species gebracht werden. Das gewöhnliche Maulthier, dessen langes Leben und Lebenskraft und doch so grosse Unfruchtbarkeit noterisch sind, zeigt, wie wenig nothwendig bei Bastarden eine Verbindung zwischen verringerter Fruchtbarkeit und Lebensfähigkeit besteht, und andere ana- loge Fälle könnten noch angeführt werden. Selbst wenn später noch bewiesen werden sollte, dass alle Men- schenrassen vollkommen fruchtbar unter einander wären, so dürfte doch derjenige, welcher aus anderen Gründen geneigt wäre, sie für distincte Species zu halten, mit vollem Rechte schliessen, dass Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit keine sicheren Kriterien specifischer Verschiedenheit darbieten.. Wir wissen, dass diese Eigenschaften durch veränderte Le- bensbedingungen oder durch nahe Inzucht leicht affieirt und dass sie von sehr complieirten Gesetzen beherrscht werden, z. B. dem der un- gleichen Fruchtbarkeit wechselseitiger Kreuzungen zwischen denselben zwei Species. Bei Formen, welche als unzweifelhafte Species classifieirt wer- den müssen, besteht eine vollkommene Reihenfolge von denen an, welche bei einer Kreuzung absolut steril sind, bis zu denen, welche fast ganz oder vollkommen fruchtbar sind. Die Grade der Unfruchtbarkeit fallen nicht scharf mit den Graden der Verschiedenheit im äusseren Bau oder in der Lebensweise zusammen. Der Mensch kann in vielen Beziehun- gen mit denjenigen Thieren verglichen werden, welche schon seit langer Zeit domesticirt worden sind, und eine grosse Menge von Belegen kann zu Gunsten der Pallas’schen Theorie !? vorgebracht werden, dass die 2 Military and Anthropolog. Statistics of American Soldiers by B. A. Gould 1869, p. 319. 13 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 13: 196 Rassen des Menschen. I. Theil. Domestication die Unfruchtbarkeit, welche ein so allgemeines Resultat der Kreuzung von Species im Naturzustande ist, zu eliminiren strebt. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen kann man mit Recht betonen, dass die vollkommene Fruchtbarkeit der mit einander gekreuzten Ras- sen des Menschen, wenn sie festgestellt wäre, uns nicht absolut daran hindern könnte, sie als distincte Species aufzuführen. Unabhängig von der Fruchtbarkeit hat man zuweilen geglaubt, dass die Charactere der Nachkommen aus einer Kreuzung Beweise da- für darböten, ob die elterlichen Formen als Species oder als Varietäten einzuordnen seien; aber nach einer sorgfältigen Erwägung der Belege Bd. 2. S: 145. Ich möchte hier den Leser daran erinnern, dass die Unfruchtbar- keit der Arten bei ihrer Kreuzung keine speciell erlangte Eigenschaft, sondern wie die Unfähigkeit gewisser Bäume auf einander gepropft zu werden, Folge an- derer erlangter Verschiedenheiten ist. Die Natur dieser Verschiedenheiten ist unbekannt; sie stehen aber in einer specielleren Weise mit dem Reproductions- system und viel weniger mit der äusseren Structur oder mit den gewöhnlichen Verschiedenheiten der Constitution in Beziehing. Ein für die Unfruchtbarkeit gekreuzter Species bedeutungsvolles Element liegt allem Anscheine nach darin, dass die eine oder beide seit langer Zeit an fest stehende Lebensbedingungen gewöhnt waren; denn wir wissen, dass veränderte Lebensbedingungen einen spe- ciellen Einfluss auf das Reproductionssystem äussern; auch haben wir, wie vor- hin bemerkt, zu der Annahme guten Grund, dass die fluctuirenden Zustände der Domestication jene Unfruchtbarkeit zu eliminiren strebt, welche bei Species im Naturzustande ihrer Kreuzung so allgemein folgt. Es ist an andern Orten von mir gezeigt worden (Variiren der Thiere und Pflanzen u. s. w. Bd. 2, S. 248 und Enstehung der Arten. 4. Aufl. S. 288), dass die Unfruchtbarkeit gekreuzter Arten nicht durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden ist. Man sieht ja ein, dass es, wenn zwei Formen bereits sehr unfruchtbar geworden sind, kaum mög- lich ist, dass ihre Unfruchtbarkeit durch die Erhaltung oder das Ueberleben der immer mehr und mehr unfruchtbaren Individuen vermehrt werden könnte; denn in dem Maasse als die Unfruchtbarkeit zunimmt, werden immer weniger und weniger Nachkommen erzeugt werden, welche die Art fortpflanzen könnten, und endlich wer- den nur in grossen Zwischenräumen einzelne Individuen hervorgebracht werden. Es gibt aber selbst einen noch höheren Grad von Unfruchtbarkeit als diesen. So- wohl Gärtner als Kölreuter haben nachgewiesen, dass bei Pflanzengattungen, welche zahlreiche Species umfassen, sich eine Reihe bilden lässt von Arten, welche bei ihrer Kreuzung immer weniger und weniger Samen erzeugen, bis zu Arten, welche niemals auch nur einen einzigen Samen erzeugen, aber doch vom Pollen der andern Arten afficirt werden, da ihr Keim zu schwellen beginnt. Hier ist es offenbar unmöglich, die sterilen Individuen, welche bereits aufgehört haben, Samen zu pro- duciren, zur Nachzucht zu wählen, so dass also der Gipfel der Unfruchtbarkeit, wo nur der Keim affieirt wird, nicht durch Zuchtwahl erreicht werden kann. Dieser höchste Grad und zweifelsohne auch die andern Grade der Unfruchtbar- keit sind Resultate, welche mit gewissen unbekannten Verschiedenheiten in der Constitution des Reproductionssystems der gekreuzten Arten zusammenhängen. ‘ Cap. 7. Werth der specifischen Merkmale. 197 bin ich zu der Folgerung gekommen, dass keiner allgemeinen Regel dieser Art getraut-werden kann. So gleichen 'beim menschlichen Ge- schlechte die Nachkommen verschiedener Rassen in allen Beziehungen den Nachkommen echter Species und Varietäten. Dies zeigt sich z. B. in der Art und Weise, in welcher die Charactere beider Eltern mit einander verschmolzen werden, und darin, wie die eine Form durch wiederholte Kreuzung die andere absorbirt. In diesem letzteren Falle behalten die Nachkommen sowohl gekreuzter Species als gekreuzter Varietäten für eine lange Zeit noch eine Neigung, auf ihre Voreltern zurückzuschlagen und besonders auf denjenigen ihrer früheren Urerzeuger, welcher bei der Vererbung ein Uebergewicht besass.. Wenn irgend ein Character bei einer Rasse oder einer Species als das Resultat eines einzigen Actes der Abänderung plötzlich erschienen ist, wie es allge- mein bei Monstrositäten !* der Fall ist, und wenn dann- diese Rasse mit einer andern nicht in derselben Weise characterisirten gekreuzt wird, so erscheinen die in Frage stehenden Merkmale gewöhnlich nicht bei den Jungen in einem verschmolzenen Zustande, sondern werden densel- ben entweder in vollkommener Entwickelung oder gar nicht überliefert. Da bei den gekreuzten Menschenrassen Fälle dieser Art selten oder niemals vorkommen, so kann dieser Umstand als ein Argument gegen die von einigen Ethnologen vorgebrachte Ansicht benutzt werden, dass nämlich gewisse Charactere, wie z. B. die Schwärze des Negers, zuerst als eine plötzliche Abänderung oder ein Naturspiel erschienen wären. Wäre dies aber eingetreten, so würden wahrscheinlich Mulatten oft ent- . weder vollständig schwarz oder vollständig weiss geboren worden sein. Wir haben nun gesehen, dass ein Naturforscher sich für völlig be- rechtigt halten könnte, die Menschenrassen als distinete Species einzu- ordnen; denn er hat gefunden, dass sie durch viele Verschiedenheiten im Bau und in der Constitution, von denen einige von grosser Bedeutung sind, von einander unterschieden werden. Auch sind diese Verschieden- heiten für sehr lange Zeit constant geblieben. Er wird auch in einem gewissen Grade von dem enormen Verbreitungsverhältnisse des Menschen beeinflusst worden sein, welches in der Classe der Säugethiere eine grosse Anomalie sein würde, wenn das menschliche Geschlecht als eine einzige Species angesehen werden sollte. Er wird von der Vertheilung der verschiedenen sogenannten Rassen überrascht gewesen sein, wenn '* Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, S. 122. 198 Rassen des Menschen. I. Theil. er sie in Uebereinstimmung zu bringen suchte mit der anderer, zwei- fellos distincter Species von Säugethieren. Endlich dürfte er betonen, dass die wechselseitige Fruchtbarkeit aller Rassen noch nicht vollstän- dig bewiesen ist, und selbst wenn sie bewiesen wäre, würde sie keinen absoluten Beweis ihrer specifischen Identität darbieten. Wenn sich nun unser angenommener Naturforscher nach Gründen für die andere Seite der Frage umsieht und untersucht, ob die Formen des Menschen sich wie gewöhnliche Species verschieden halten, wenn sie in einem und demselben Lande in grossen Zahlen unter einander gemischt leben, so würde er sofort sehen, dass dies durchaus nicht der Fall ist. In Brasilien würde er eine ungeheure Bastardbevölkerung von Negern und Portugiesen bemerken; in Chilo& und anderen Theilen von Südamerika würde er sehen, dass die ganze Bevölkerung aus In- dianern und Spaniern besteht, welche in verschiedenen Graden in ein- ander übergegangen sind !?. In vielen Theilen desselben Continents würde er die complicirtesten Kreuzungen zwischen Negern, Indianern und -Europäern antreffen, und derartige dreifache Kreuzungen bieten die schärfste Probe für wechselseitige Fruchtbarkeit der elterlichen Formen dar, wenigstens nach den Erfahrungen aus dem Pflanzenreiche zu schlies- sen. Auf einer Insel des Stillen Oceans würde er eine kleine Bevöl- kerung von mit einander vermischtem polynesischen und englischen Blute finden; und auf allen Inseln des Viti-Archipels @ine Bevölkerung von Polynesiern und Negritos, welche sich in allen Graden gekreuzt haben. Viele analoge Fälle könnten noch z. B. aus Südafrika angeführt werden. Es sind daher die Menschenrassen nicht hinreichend distinct, um ohne Verschmelzung zusammen zu bestehen, und das ist es, was in allen gewöhnlichen Fällen die herkömmliche Probe für die specifische Verschiedenheit abgibt. Unser Naturforscher würde gleichfalls sehr beunruhigt werden, so- bald er bemerkte, dass die Unterscheidungsmerkmale aller Rassen des Menschen in hohem Grade variabel sind. Dies fällt sofort Jedem auf, wenn er zuerst die Negersclaven in Brasilien sieht, welche aus allen Theilen von Afrika eingeführt worden sind. Dieselbe Bemerkung gilt 15 A. de Quatrefages hat in der Anthropolog. Review, Jan. 8, 1869, p. 22 einen interessanten Bericht über den Erfolg und die Energie der Paulistas in Brasilien gegeben, welche eine stark gekreuzte Rasse von Portugiesen und In- dianern mit einer Zumischung von Blut anderer Rassen darstellen. Cap..7. Werth der specifischen Merkmale. 199 auch für die Polynesier und für viele andere Rassen. Es kann be- zweifelt werden, ob irgend ein Character angeführt werden kann, wel- cher für eine Rasse distinetiv und constant ist. Wilde sind selbst in- nerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes auch nicht entfernt so gleichförmig im Character, wie oft gesagt worden ist. Die Hotten- tottenfrauen bieten gewisse Eigenthümlichkeiten dar, welche schärfer markirt sind als diejenigen, welche bei irgend einer andern Rasse auf- treten; aber man weiss, dass sie nicht von constantem Vorkommen sind. Bei den verschiedenen amerikanischen Stämmen weichen die Farbe und das Behaartsein beträchtlich ab; dasselbe gilt bis zu einem gewissen, und in Bezug auf die Form der Gesichtszüge bis zu einem bedeutenden Grade für die Neger in Afrika. Die Form des Schädels variirt in man- chen Rassen bedeutend !°; und so ist es mit jedem anderen Character. Nun haben alle Naturforscher durch theuer erkaufte Erfahrungen gelernt, wie vorschnell der Versuch ist, Species mit Hülfe inconstanter Charac- tere zu definiren. Aber das gewichtigste aller Argumente gegen die Betrachtung der Rassen des Menschen als distincter Species ist, dass sie gradweise in einander übergehen und, so weit wir es beurtheilen können, in vielen Fällen ganz unabhängig davon, ob sie sich mit einander gekreuzt haben. Der Mensch ist sorgfältiger als irgend ein anderes Wesen studirt worden und doch besteht die grösstmögliche Verschiedenheit des Urtheils zwischen fähigen Richtern darüber, ob er als eine einzige Species oder Rasse classifieirt werden solle oder als zwei (Vırey), als drei (Jacqumor), als vier (Kant), fünf (BLuMENBAcH), sechs (BurFon), sieben (HUNTER), acht (Asassız), elf (PICKERING), fünfzehn (Bory Sr. VIncENT), sechszehn (Drs- MOULINS), zweiundzwanzig (MoRToN), sechszig (CRAWFURD) oder als drei- undsechszig nach Burke !7. Diese Verschiedenartigkeit der Beurtheilung beweist nicht, dass die Rassen nicht als Species zu classifieiren wären, es zeigt aber dieselbe, dass sie allmählich in einander übergehen und 16 z.B. bei den Eingeborenen von Amerika und Australien. Prof. Huxley sagt (Transact. Internation. Congress of Prehistor. Archaeol. 1868, p. 105), dass „die Schädel vieler Süddeutscher und Schweizer so kurz und breit sind, wie die „der Tartaren“ u. s. w. 17 5. eine gute Erörterung dieses Gegenstandes bei Waitz, Introduct. to Anthropology. Engl. transl. 1863, p. 198—208. 227. Mehrere der obigen An- gaben habe ich aus H. Tuttle’s Origin and Antiquity of Physical Man, Boston, 1866, p. 35 entnommen. 200 Rassen des Menschen. I. Theil. dass es kaum möglich ist, scharfe Unterscheidungsmerkmale zwischen ihnen aufzufinden. Jedem Naturforscher, welcher das Unglück gehabt hat, sich an die Beschreibung einer Gruppe äusserst veränderlicher Organismen zu machen, sind Fälle vorgekommen, — und ich spreche aus Erfahrung — welche dem des Menschen völlig gleichen; und ist er zur Vorsicht dis- ponirt, so wird er damit enden, dass er alle die Formen, welche all- mählich in einander übergehen, zu einer einzigen Species vereinigt. Denn er wird sich selbst sagen, dass er kein Recht hat, Objeete mit Namen zu belegen, welche er nicht definiren kann. Fälle dieser Art kommen auch in der Ordnung, welche den Menschen mit einschliesst, vor, nämlich bei gewissen Gattungen von Affen, während in andern Gat- tungen, wie bei Cercopithecus, die meisten Species mit Sicherheit be- stimmt werden können. In der amerikanischen Gattung Cebus werden die verschiedenen Formen von manchen Naturforschern als Species rangirt, von andern als blosse geographische Rassen. Wenn nun zahl- reiche Exemplare von Cebus aus allen Theilen von Südamerika ge- sammelt würden und es stellte sich heraus, dass diejenigen Formen, welche jetzt specifisch verschieden zu sein scheinen, durch kleine Ab- stufungen allmählich in einander übergehen, so würden sie von den meisten Naturforschern als blosse Varietäten oder Rassen aufgeführt werden; und in dieser Weise ist die grössere Zahl der Naturforscher in Bezug auf die Rassen des Menschen verfahren. Nichtsdestoweniger muss man bekennen, dass es wenigstens im Pflanzenreiche 18 Formen gibt, welche man Species zu nennen nicht umhin kann, welche aber unabhängig von einer zwischen ihnen auftretenden Kreuzung durch zahl- lose Abstufungen verbunden werden. Einige Naturforscher haben neuerdings den Ausdruck „Subspecies“ angewendet, um Formen zu bezeichnen, welche viele der characteristi- schen Eigenschaften echter Species besitzen, welche aber kaum einen so hohen Rang verdienen. Wenn wir nun die gewichtigen Argumente, die oben für das Erheben der Menschenrassen zur Würde von Species mitgetheilt wurden, uns vergegenwärtigen und auf der andern Seite die unübersteiglichen Schwierigkeiten, sie zu definiren, so dürfte der Ausdruck 18 Prof. Nägeli hat mehrere auffallende Fälle in seinen Botanischen Mit- theilungen Bd. 2. 1866, S. 294—369 beschrieben. Aehnliche Bemerkungen hat Prof. Asa Gray über einige intermediäre Formen der Compositen Nord-Ameri- ka’s gemacht. Cap. 7. Sind die Menschenrassen Species ? 201 „Subspecies* hier sehr passend angewendet werden. Aber schon aus langer Gewohnheit wird vielleicht der Ausdruck „Rasse“ stets vorge- zogen werden. Die Wahl von Ausdrücken ist nur insofern von Be- deutung, als es äusserst wünschenswerth ist, soweit es nur überhaupt möglich ist, dieselben Ausdrücke für dieselben Grade von Verschieden- heit zu gebrauchen. Unglücklicherweise ist dies sehr selten möglich ; denn innerhalb einer und derselben Familie umfassen die grösseren Gat- tungen allgemein näher verwandte Formen, welche nur mit grosser Schwierigkeit auseinandergehalten werden können, während die kleineren Gattungen Formen einschliessen, welche vollkommen distinet sind; und doch müssen alle gleichmässig als Species rangirt werden. Ferner sind auch die Species innerhalb einer und derselben grossen Gattung durch- aus nicht in demselben Grade einander ähnlich; im Gegentheil können in den meisten Fällen einige von ihnen .in kleinen Gruppen um andere Arten herum, wie Satelliten um Planeten, angeordnet werden 19, Die Frage, ob das Menschengeschlecht aus einer oder aus mehreren Species besteht, ist in den letzten Jahren von den Anthropologen sehr lebhaft behandelt worden, welche sich in zwei Schulen trennen, die Monogenisten und die Polygenisten. Diejenigen, welche das Princip der Entwiekelung nicht annehmen, müssen die Species entweder als einzelne Schöpfungen oder als in irgend einer Weise distinete Einheiten ansehen, und welche Formen sie als Species zu betrachten haben, müssen sie nach der Analogie anderer organischer Wesen entscheiden, welche ge- wöhnlich als solche hingestellt werden. Es ist aber ein hoffnungsloser Versuch, diesen Punkt nach triftigen Gründen entscheiden zu wollen, bis irgend eine Definition des Ausdruckes „Species“ allgemein ange- nommen sein wird; und diese Definition darf kein Element einschlies- sen, welches sich möglicherweise nicht ermitteln lässt, wie eben ein solcher Schöpfungsact. Wir können ebensogut ohne irgend eine Defi- nition zu entscheiden versuchen, ob eine gewisse Anzahl von Häusern ein Dorf, ein Flecken oder eine Stadt genannt werden soll. Eine practische Illustration oder Schwierigkeit haben wir in den kein Ende nehmenden Zweifeln, ob viele nahe verwandte Säugethiere, Vögel, In- secten und Pflanzen, welche einander in Nordamerika und Europa ähneln, als Species oder als geographische Rassen aufgeführt werden sollen ; 19 Entstehung der Arten. 4. Aufl. S. 71. 202 Rassen des Menschen. I. Theil. und dasselbe gilt für die Erzeugnisse vieler Inseln, welche in geringer Entfernung von dem nächsten Festlande gelegen sind. Auf der. anderen Seite werden diejenigen Naturforscher, welche das Prineip der Evolution annehmen, — und dies wird von der grösseren Zahl der aufstrebenden Männer jetzt angenommen, — keinen Zweifel haben, dass alle Menschenrassen von einem einzigen ursprünglichen Stamm herrühren, mögen sie es nun für passend oder nicht für passend halten, dieselben als distincte Species zu bezeichnen zum Zweck, damit den Betrag ihrer Verschiedenheit auszudrücken 2°. Bei unsern dome- stieirten Thieren steht die Frage, ol die verschiedenen Rassen von einer oder mehreren Species ausgegangen sind, verschieden. Obgleich alle solche Rassen ebenso wie alle natürlichen Species innerhalb einer und derselben Gattung unzweifelhaft einem und demselben primitiven Stamme entsprungen sind, so ist es doch ein völlig zulässiger Gegenstand der Diseussion, ob alle die domestieirten Rassen des Hundes ihre jetzigen Verschiedenheiten erlangt haben, seitdem irgend eine Species zuerst vom Menschen domestieirt und gezüchtet wurde, oder ob sie einige ihrer Charactere einer Vererbung von distineten Species verdanken, welche be- reits im Naturzustande modifieirt worden waren. In Betreff des Menschen kann keine solche Frage entstehen, denn man kann nicht sagen, dass er zu irgend einer besonderen Periode domestieirt worden wäre. Als die Rassen des Menschen in einer äusserst entfernt liegenden Zeit von ihrem gemeinsamen Urerzeuger divergirten, werden sie nur wenig von einander abgewichen und der Zahl nach nur wenig gewesen sein. In Folge dessen werden sie, soweit ihre unterscheidenden Merk- male in Betracht kommen, weniger Ansprüche gehabt haben, als di- stinete Species betrachtet zu werden als die jetzt existirenden sogenann- ten Rassen. Nichtsdestoweniger würden solche frühe Rassen vielleicht von einigen Naturforschern als distincte Species aufgeführt worden sein, — so willkürlich ist der Ausdruck, — wenn ihre Verschiedenheiten, obschon äusserst unbedeutend, constanter gewesen als jetzt und nicht allmählich in einander übergegangen wären. Es ist indessen möglich, wenn auch entfernt nicht wahrscheinlich, dass die frühen Urerzeuger des Menschen anfangs bedeutend in ihren Characteren auseinander giengen, bis sie einander unähnlicher wurden, 20 5, Prof. Huxley, welcher sich in diesem Sinne ausdrückt in: Fortnightly Review. 1865, p. 275. Cap. 7. Convergenz des Characters. 203 als es die jetzt bestehenden Rassen irgendwie sind, und dass sie später, wie Voer !2 vermuthet, in ihren Characteren convergirten. Wenn der Mensch mit einem bestimmten Ziele vor Augen die Nachkommen zweier distinc- ter Species zur Nachzucht auswählt, so führt er zuweilen, soweit die allgemeine äussere Erscheinung in Betracht kommt, einen beträchtlichen Grad von Convergenz herbei. Dies ist, wie NarHusıus ?? gezeigt hat, mit den veredelten Rassen der Schweine der Fall, welche von zwei distineten Species abgestammt sind, und in einem weniger scharf mar- kirten Grade auch mit den veredelten Rassen des Rindes. Ein bedeu- tender Anatom, GRATIOLET, behauptet, dass die anthropomorphen Affen keine natürliche Untergruppe bilden, sondern dass der Orang ein hoch entwickelter Gibbon oder Semnopithecus, der Schimpanse ein hoch ent- wickelter Macacus und der Gorilla ein hoch entwickelter Mandrill ist. Wenn man diese Folgerung, welche fast ausschliesslich auf Characteren des Gehirns beruht, zugibt, so würde man einen Fall von Convergenz, mindestens in äusseren Merkmalen, vor sich haben. Denn die anthro- pomorphen Affen sind sicherlich in vielen Punkten sich untereinander ähnlicher als sie andern Affen sind. Alle analogen Aehnlichkeiten, wie die eines Walfisches mit einem Fisch, kann man in der That als Fälle von Convergenz bezeichnen. Es ist aber dieser Ausdruck niemals auf oberflächliche und adaptive Aehnlichkeiten angewendet worden. In den meisten Fällen würde es ausserordentlich voreilig sein, eine grosse Aehnlichkeit in vielen Punkten des Baues bei Wesen, welche einst weit von einander verschieden waren, einer Convergenz zuzuschreiben. Die Form eines Krystalls wird allein durch die Molecularkräfte bestimmt und es ist nicht überraschend, dass unähnliche Substanzen zuweilen ein und. dieselbe Form annehmen können; aber bei organischen Wesen soll- ten wir uns doch daran erinnern, dass die Form eines jeden von einer endlosen Menge complieirter Beziehungen abhängt, nämlich von den Abänderungen, welche aufgetreten sind und welche von Ursachen ab- hängen, die viel zu intricat sind, um einzeln verfolgt werden zu kön- nen; — ferner von der Natur der Abänderungen, welche erhalten wor- den sind, und dies hängt wieder von den umgebenden physikalischen Bedingungen und in einem noch höheren Grade von den umgebenden 21 Vorlesungen über den Menschen. Bd. 2, S. 285. 22 Die Rassen des Schweins. 1860, S. 46. Vorstudien für eine Geschichte etc. Schweineschädel. 1864, S. 104. In Bezug auf das Rind s. A. de Quatrefages, Unite de ’Espece Humaine. 1861, p. 119. 204 Rassen des Menschen. I. Theil. Organismen ab, mit welchen ein jeder in Concurrenz getreten ist; — und endlich von Vererbung, an sich schon ein schwankendes Element, wobei alle die zahllosen Voreltern wieder Formen besassen, welche durch ganz gleichmässig complieirte Beziehungen bestimmt worden waren. Es erscheint im äussersten Grade unglaublich, dass zwei Organismen, wenn sie in einer ausgesprochenen Weise von einander verschieden sind, je- mals später so nahe convergiren sollten, dass sie durch ihre ganze Or- ganisation hindurch sich einer Identität näherten. Was den oben an- gezogenen Fall der convergirenden Formen der Schweine betrifft, so haben sich Beweise ihrer Abstammung aus zwei ursprünglichen Stäm- men noch immer deutlich erhalten, und zwar nach Narnusıus an ge- wissen Knochen ihrer Schädel. Wären die Menschenrassen, wie es einige Naturforscher vermuthen, von zwei oder mehreren distineten Species abgestammt, welche von einander so weit oder nahezu so weit abgewichen wären, wie der Orang vom Gorilla abweicht, so liesse sich kaum bezweifeln, dass ausgesprochene Verschiedenheiten in der Structur gewisser Knochen noch immer beim Menschen, wie er jetzt existirt, nachweisbar sein würden. Obgleich die jetzt lebenden Menschenrassen in vielen Beziehungen, so in der Farbe, dem Haar, der Form des Schädels, den Proportionen des Körpers u. s. w., verschieden sind, so stellen sie sich doch, wenn man ihre ganze Organisation in Betracht zieht, als einander in einer Menge von Punkten äusserst ähnlich heraus. Viele dieser Punkte sind so bedeutungslos oder von einer so eigenthümlichen Natur, dass es äusserst unwahrscheinlich ist, dass dieselben unabhängig von ursprüng- lich verschiedenen Species oder Rassen erlangt worden sein sollten. Dieselbe Bemerkung trifft mit gleicher oder noch grösserer Kraft zu in Bezug auf die zahlreichen Punkte geistiger Aehnlichkeit zwischen den verschiedensten Rassen des Menschen. Die amerikanischen Ein- geborenen, die Neger und Europäer weichen von einander ihrem Geiste nach so weit ab, als irgend drei Rassen, die man nur nennen könnte. Und doch war ich, als ich mit den Feuerländern an Bord des Beagle zusammenlebte, unaufhörlich von den kleinen Characterzügen überrascht, welche zeigten, wie ähnlich ihre geistigen Eigenschaften den unsrigen waren; und dasselbe war der Fall in Bezug auf einen Vollblutneger, mit dem ich zufällig eine Zeit lang intim war. 4 Cap. 7. Uebereinstimmung der Menschenrassen. 205 Wer Mr. Tyror’s und Sir J. Luppock's interessante Werke *? auf- merksam liest, wird kaum umhin können, einen tiefen Eindruck von der grossen Aehnlichkeit zwischen den Menschen aller Rassen in ihren Ge- schmäcken, Dispositionen und Gewohnheiten zu erhalten. Dies zeigt sich in dem Vergnügen, welches sie alle an Tanz, an roher Musik, Schauspielen, Malen, Tättowiren und sich auf andere Weise Decoriren finden, in ihrem gegenseitigen Verständniss einer Geberdensprache und, wie ich in einer späteren Abhandlung in der Lage sein werde zu zei- gen, durch den Ausdruck in ihren Zügen und durch dieselben unarti- eulirten Ausrufe, wenn sie durch verschiedene Gemüthsbewegungen er- regt sind. Diese Aehnlichkeit oder vielmehr Identität ist auffallend, wenn man sie mit den verschiedenen Ausdrücken zusammenhält, welche bei verschiedenen Species von Affen zu beobachten sind. Es sind gute Beweise dafür vorhanden, dass die Kunst, mit Bogen und Pfeilen zu schiessen, nicht von einem gemeinsamen Urerzeuger des Menschenge- schlechts überliefert worden ist; und doch sind die steinernen Pfeil- spitzen, welche aus den entlegensten Theilen der Erde zusammenge- bracht sind und in den entferntesten Zeiten verfertigt wurden, wie Nirsson gezeigt hat ?*, fast identisch; und diese Thatsache kann nur dadurch erklärt werden, dass die verschiedenen Rassen ähnliche Fähig- keiten der Erfindung oder geistige Kräfte überhaupt gehabt haben. Die- selbe Bemerkung ist von Archäologen ?° in Bezug auf gewisse weit- verbreitete Ornamente, so z. B. Ziekzacks u. s. w., gemacht worden, ebenso in Bezug auf verschiedene ‚einfache Zeichen des Glaubens und Gebräuche, wie das Begraben der Todten unter megalithischen Bauten. Ich erinnere mich, in Südamerika beobachtet zu haben 2°, dass dort, wie in so vielen andern Theilen der Erde, der Mensch allgemein die Gipfel hoher Berge gewählt hat, um auf ihnen Massen von Steinen auf- zuhäufen, entweder zum Zweck, irgend ein merkwürdiges Ereigniss zu bezeichnen, oder seine Todten zu begraben. Wenn nun Naturforscher eine nahe Uebereinstimmung in zahlrei- chen kleinen Einzelnheiten der Gewohnheiten, der Geschmacksrichtungen 23 Tylor, Early History of Mankind. 1865; in Bezug auf Belege für eine Gestensprache, s. p. 54. Lubbock, Prehistoric Times. 2. edit. 1869. 24 The Primitive Inhabitants of Scandinavia. Engl. transl. ed. by Sir J. Lubbock. 1868, p. 104. a 2: Hodder M. Westropp, On Cromlechs etc. in: Journal of Ethn olog, Soc., mitgetheilt in Scientific Opinion, 2. June, 1869, p. 3. 26 Journal of Researches: Voyage of the „Beagle“, p. 46. 206 Rassen des Menschen. I. Theil. nnd Dispositionen zwischen zwei oder mehreren domestieirten Rassen oder zwei nahe verwandten natürlichen Formen beobachten, so benutzen sie diese Thatsachen als Argumente dafür, dass alle von einem gemein- samen Urerzeuger abstammen, welcher in dieser Weise begabt war, und dass folglich alle unter eine und dieselbe Species eingeordnet wer- den sollten. Dasselbe Argument kann mit vieler Kraft auf die Rassen des Menschen angewandt werden. Da es unwahrscheinlich ist, dass die zahlreichen und bedeutungs- losen Punkte der Aehnlichkeit zwischen den verschiedenen Menschen- rassen in dem Bau des Körpers und in geistigen Fähigkeiten (ich be- ziehe mich hier nicht auf ähnliche Gebräuche) sämmtlich unabhängig von einander erlangt worden sind, so müssen sie von Voreltern vererbt worden sein, welche damit ausgezeichnet waren. Wir erhalten hierdurch etwas Einsicht in den frühen Zustand des Menschen, ehe er sich Schritt für Schritt über die Oberfläche der Erde verbreitete. Der Verbreitung des Menschen in durch das Meer weit von einander getrennte Gegenden gieng ohne Zweifel irgend ein beträchtlicher Grad der Divergenz des Characters in den verschiedenen Rassen voraus, denn im andern Falle würden wir zuweilen ein und dieselbe Rasse in verschiedenen Continen- ten antreffen, und dies ist niemals der Fall. Nachdem Sir, J. LuBBock die jetzt von den Wilden in allen Theilen der Erde ausgeübten Künste "mit einander verglichen hat, führt er diejenigen einzeln auf, welche der Mensch nicht gekannt haben konnte, als er zuerst aus seinem ursprüng- lichen Geburtsorte auswanderte; denn wenn sie einmal gelernt waren, werden sie niemals wieder vergessen worden sein ??. So zeigt er, dass der Speer, welcher nur eine Weiterentwickelung der Messerspitze ist, und die Keule, welche nur ein langer Hammer ist, die einzig übrig- bleibenden Sachen sind. Er gibt indessen zu, dass die Kunst, Feuer zu machen, wahrscheinlich schon entdeckt worden war, denn sie ist allen jetzt lebenden Rassen gemeinsam und war den alten Höhlenbe- wohnern Europa’s bekannt. Vielleicht war die Kunst, rohe Boote oder Flösse zu machen, gleichfalls bekannt. Da aber der Mensch zu einer sehr entfernten Zeit existirte, als das Land an vielen Stellen in einem sehr verschiedenen Niveau erhoben war, so kann er wohl auch im Stande gewesen sein, ohne die Hülfe von Booten sich weit zu verbreiten. Sir J. LuUBBOCK bemerkt ferner, wie unwahrscheinlich es ist, dass unsere frühesten Vorfahren höher hätten zählen können, als bis zu zehn, wenn 7 Prehistoric Times. 1869, p. 574. Cap. 7. Zustand des Menschen bei der ersten Verbreitung. 207 man in Betracht zieht, dass so viele der jetzt lebenden Rassen nicht über vier hinauskommen. Nichtsdestoweniger konnten zu jener frühen Periode die intellectuellen und socialen Fähigkeiten des Menschen kaum in irgend einem extremen Grade geringer als diejenigen gewesen sein, welche die niedrigsten Wilden jetzt besitzen. Andernfalls hätte der Urmensch nicht so ausgezeichnet erfolgreich im Kampfe um’s Dasein sein können, wie sich durch seine frühe und weite Verbreitung zeigt. Aus der fundamentalen Verschiedenheit zwischen gewissen Sprachen haben manche Philologen den Schluss gezogen, dass der Mensch, als er sich zuerst weit verbreitete, noch kein sprechendes Thier gewesen sei. Indess lässt sich vermuthen, dass Sprachen, welche bei Weitem weniger vollkommen waren als irgend jetzt gesprochene, unterstützt von Gesten, benutzt worden sein können und doch in den späteren und höher entwickelten Sprachen keine Spuren zurückgelassen haben. Es scheint zweifelhaft, ob ohne den Gebrauch irgend einer Sprache, wie unvollkommen sie auch gewesen sein mag, der Intellect des Menschen sich bis zu der Höhe hätte entwickeln können, welche durch seine schon zu einer frühen Zeit vorherrschende Stellung bedingt war. Ob der Urmensch in der Zeit, wo er sehr wenig Kunstfertigkeiten der rohesten Art besass und wo auch sein Vermögen zu sprechen äus- serst unvollkommen war, schon verdient haben dürfte, Mensch genannt zu werden, hängt natürlich von der Definition ab, die wir anwenden. In einer Reihe von Formen, welche unmerkbar aus einem affenähnlichen Wesen in den Menschen übergiengen, wie er jetzt existirt, würde es un- möglich sein, irgend einen solchen Punkt zu bezeichnen, wo der Ausdruck Mensch angewandt werden müsste. Doch ist dies ein Gegenstand von sehr geringer Bedeutung. Ferner ist es ein fast vollständig indifferenter Gegenstand, ob die sogenannten Menschenrassen mit diesem Ausdrucke bezeichnet oder als Species oder Subspecies rangirt werden. Doch scheint der letztere Ausdruck der angemessenste zu sein. Endlich dürfen wir wohl voraussetzen, dass in der Zeit, in welcher die Grundsätze der Evo- lutionstheorie angenommen sein werden, was sicher in sehr kurzer Zeit der Fall sein wird, der Streit zwischen den Monogenisten und Polyge- nisten still und unbeobachtet absterben wird. Eine andere Frage darf nicht ohne eine Erwähnung gelassen wer- den, nämlich ob, wie man zuweilen annimmt, jede Subspecies oder Rasse des Menschen von einem einzigen Paare von Voreltern abgestammt ist. 208 Rassen des Menschen. I. Theill Bei unsern domestieirten Thieren kann eine neue Rasse leicht von einem einzelnen Paare aus gebildet werden, welches einige neue Merkmale be- sitzt, ja selbst von einem einzigen in dieser Weise ausgezeichneten In- dividuum, und zwar dadurch, dass man die Nachkommen mit Sorgfalt zur Paarung auswählt. Aber die meisten unserer Rassen sind nicht absichtlich von einem ausgewählten Paare, sondern unbewusst durch die Erhaltung vieler Individuen, welche, wenn auch noch so unbedeutend, in einer nützlichen oder erwünschten Art und Weise variirt haben, ge- bildet worden. Wenn in einem Lande kräftigere und schwerere Pferde und in einem andern Lande leichtere und flüchtigere Pferde beständig vorgezogen würden, so könnten wir sicher sein, dass im Laufe der Zeit, ohne dass irgendwelche besondere Paare oder Individuen in jedem der Länder getrennt oder zur Nachzucht ausgelesen worden wären, zwei verschiedene Unterrassen gebildet werden würden. Viele Rassen sind in dieser Weise gebildet worden und die Art und Weise ihres Ent- stehens ist der der natürlichen Species sehr analog. Wir wissen auch, dass die Pferde, welche nach den Falklandinseln gebracht worden sind, während der auf einander folgenden Generationen kleiner und schwächer geworden sind, während diejenigen, welche in den Pampas verwildert sind, grössere und gröbere Köpfe erlangt haben; und derartige Verän- derungen sind offenbar Folgen des Umstands, dass nicht etwa irgend ein Paar, sondern alle Individuen denselben Bedingungen ausgesetzt ge- wesen sind, wobei vielleicht das Prineip des Rückschlags unterstützend eingewirkt hat. In keinem dieser Fälle sind die neuen Unterrassen von irgend einem einzelnen Paare abgestammt, sondern von vielen Indivi- duen, welche in verschiedenem Grade, aber in derselben allgemeinen Art, varürt haben; und wir dürfen schliessen, dass die Menschenrassen ähnlich entstanden sind, indem die Modificationen entweder das Resultat des Umstands waren, dass sie verschiedenen Bedingungen ausgesetzt wurden, oder das indirecte Resultat irgend einer Form von Zuchtwahl. Aber auf diesen letzteren Gegenstand werden wir sofort zurückkommen. Ueber das Aussterben von Menschenrassen. — Das theil- weise und vollständige Aussterben vieler Rassen und Unterrassen des Menschen sind historisch bekannte Ereignisse. HumBorLpr sah in Süd- amerika einen Papagei, welcher das einzige lebende Wesen war, das die Sprache eines verlorenen Stammes noch kannte. Alte Monumente und Steinwerkzeuge, welche sich in allen Theilen der Welt finden und Cap. 7. Aussterben von Rassen. 209 von welchen unter den gegenwärtigen Einwohnern keine Tradition mehr erhalten ist, weisen auf reichliches Aussterben hin. Einige kleine und versprengte Stämme, Ueberbleibsel früherer Rassen, leben noch in iso- lirten und gewöhnlich bergigen Distrieten. In Eufopa standen die alten Rassen sämmtlich nach SCHAAFFHAUSEN ?® auf der Stufenreihe niedriger als die rohesten jetzt lebenden Wilden; sie müssen daher in einer ge- wissen Ausdehnung von jeder jetzt existirenden Rasse abgewichen sein. Die von Professor Broca ?® aus Les Eyzies beschriebenen Ueberreste weisen, obgleich sie unglücklicherweise einer einzelnen Familie angehört zu haben scheinen, auf eine Rasse hin mit einer höchst merkwürdigen Combination niederer oder affenartiger und höherer characteristischer Merkmale, welche „völlig verschieden von irgend einer andern alten ® oder modernen Rasse war, von der wir je gehört haben.“ Sie wich daher auch von der quaternären Rasse der belgischen Höhlen ab. Ungünstige physikalische Bedingungen scheinen nur einen geringen Einfluss auf das Aussterben von Rassen gehabt zu haben ?°. Der Mensch hat in den äussersten Gegenden des Nordens lange gelebt, wo er kein Holz hatte, aus dem er sich seine Boote oder andere Werkzeuge hätte machen können, und wo er nur Thran zum Brennen und zum Wärmen und besonders noch zum Schmelzen des Schnee’s hatte. An der Süd- spitze von Amerika leben die Feuerländer ohne den Schutz von Klei- dern oder von irgend einem Bau, welcher eine Hütte genannt zu wer- den verdient. In Südafrika wandern die Eingebornen über die dürr- sten Ebenen, wo gefährliche Thiere in grosser Anzahl vorhanden sind. Der Mensch kann den tödtlichen Einfluss des Terai am Fusse des Hi- malaya und die pesthauchenden Küsten des tropischen Afrika ertragen. Das Aussterben ist hauptsächlich eine Folge der Coneurrenz eines Stammes mit dem andern und einer Rasse mit der andern. Verschiedene hindernde Momente sind fortwährend in Thätigkeit, wie in einem früheren Capitel einzeln aufgeführt wurde, welche dahin führen, die Zahl jedes wilden Stammes niedrig zu halten — so die periodisch eintretenden Hungersnöthe, das Wandern der Eltern und das in Folge hiervon auf- tretende Sterben der Kinder, das lange Stillen, das Stehlen von Frauen, Kriege, Naturereignisse, Krankheiten, zügelloses Leben, besonders Kin- 28 Webersetzung in: Anthropolog. Review. Oct. 1868, p. 431. 29 Transact. Internat. Congress of Prehistor. Archaeolog. 1368, p. 172—175. s. auch Broca in: Anthropolog. Review, Oct. 1868, p. 410. 30 Gerland, Ueber das Aussterben der Naturvölker, 1868, S. 32. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 14 210 Rassen des Menschen. I. Theil. desmord und eine vielleicht verminderte Fruchtbarkeit in Folge weniger nahrhafter Kost und vieler Mühseligkeiten. Wird in Folge irgend einer Ursache eines dieser Hindernisse vermindert, wenn auch nur in einem unbedeutenden Grade; so wird der auf diese Weise begünstigte Stamm zur Vermehrung neigen, und wenn einer von zwei an einander stossen- den Stämmen zahlreicher und machtvoller als der andere wird, so wird der Kampf sehr bald durch Krieg, Blutvergiessen, Cannibalismus, Sela- verei und Absorption beendet. Selbst wenn ein schwächerer Stamm nicht in dieser Weise plötzlich hinweggeschwemmt wird, nimmt er doch, wenn er einmal beginnt abzunehmen, beständig weiter ab, bis er ausgestorben ist ?'. Wenn eivilisirte Nationen mit Barbaren in Berührung kommen, so ist der Kampf kurz, mit Ausnahme der Orte, wo ein tödtliches Clima der eingeborenen Rasse zu Hülfe kommt. Von den Ursachen, welche zum Siege der eivilisirten Nationen führen, sind einige sehr deutlich, andere sehr dunkel. Wir können einsehen, dass die Cultur des Landes aus vielen Gründen den Wilden verderblich sein wird; denn sie können oder werden ihre Gewohnheiten nicht ändern. Neue Krankheiten und Laster sind in hohem Grade zerstörend, und es scheint, als ob in jeder Nation eine neue Krankheit viele Todesfälle veranlasst, bis Diejenigen, welche für ihren zerstörenden Einfluss am meisten empfänglich sind, nach und nach ausgejätet sind 3?. Dasselbe dürfte mit den schlimmen Wirkungen der geistigen Getränke und ebenso mit dem unbezwingli- chen starken Geschmack an solchen, den so viele Wilde zeigen, der Fall sein. So mysteriös die Thatsache ıst, so scheint es doch ferner, als ob die erste Begegnung distineter und getrennt gewesener Völker Krankheiten erzeuge ??. Mr. Sproat, welcher die Frage des Ausster- bens in Vancouvers-Island eingehend untersuchte, glaubt, dass verän- derte Lebensgewohnheiten, welche stets Folge der Ankunft von Euro- päern sind, eine Störung der Gesundheit herbeiführen. Er legt auch auf eine so unbedeutende Ursache grosses Gewicht, wie die ist, dass 3! Gerland führt a. a. O. S. 12 Thatsachen zur Unterstützung dieser An- gabe an. 32 s. Bemerkungen in diesem Sinne bei Sir. H. Holland, Medical Notes and Reflections 1839, p. 390. 33 Ich habe eine ziemliche Anzahl sich auf diesen Punkt beziehender That- sachen gesammelt: Journal of Reseraches, Voyage of the Beagle, p. 435. s. auch Gerland, a. a. 0. S. 8. Pöppig spricht von dem Hauche der Civilisation, wel- cher den Wilden giftig ist. Cap. 7. Aussterben von Rassen. 211 die Eingeborenen durch das neue Leben um sich herum „verdutzt und „dumm werden. Sie verlieren den Trieb zu eigener een und „erhalten keine neuen Reize an dessen Stelle“ ®*#, Der Grad der Civilisation scheint ein höcht bedeutungsvolles Ele- ment bei dem Erfolge der in Concurrenz kommenden Nationen zu sein. Noch vor wenigen Jahrhunderten fürchtete Europa das Eindringen östlicher Barbaren; jetzt würde irgend eine solche Furcht lächerlich sein. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass in früheren Zei- ten, wie Mr. BAGEHOT bemerkt hat, die Wilden nicht vor den classi- schen Nationen verschwanden. Wäre dies der Fall gewesen, so würden die alten Moralisten sicher über dieses Ereigniss ihre Bemerkungen ge- macht haben, aber es findet sich in keinem Schriftsteller jener Periode über die untergehenden Barbaren irgend eine Klage ®°. Obgleich die allmähliche Abnahme und endliche Erlöschung der Menschenrassen ein dunkles Problem ist, so können wir doch sehen, dass sie von vielen Ursachen abhängt, welche an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen sind. Es ist dasselbe schwierige Problem wie das, was sich beim Aussterben irgend eines der höheren Thiere darbietet — z. B. des Pferdes, welches aus Süd- amerika verschwand und nur noch fossil gefunden wird, um bald nach- her innerhalb derselben Bezirke von zahlreichen Heerden des spanischen Pferdes wieder ersetzt zu werden. Der Neuseeländer scheint sieh dieses Parallelismus bewusst zu sein, denn er vergleicht sein künftiges Schiek- sal mit dem der eingeborenen Ratte, welche von der europäischen Ratte fast ganz 'ausgerottet ist. Ist auch die Schwierigkeit einer Erklärung sowohl für unsere Einbildung, als auch factisch gross, wenn wir die Ur- sachen genau festzustellen wünschen, so sollte sie es doch nicht unserem Verstande sein, so lange wir beständig vor Augen behalten, dass die Zu- nahme jeder Species und jeder Rasse fortwährend durch verschiedene Hindernisse aufgehalten wird; denn da, wenn irgend ein neues Hinder- niss oder eine neue Zerstörungsursache, wenn auch noch so unbedeu- tend, hinzutritt, die Rasse sicherlich an Zahl abnehmen wird, und da es überall beobachtet worden ist, dass Wilde jeder Veränderung der Lebensgewohnheiten entgegen sind, durch welches Mittel schädliche Hemm- nisse wieder aufgewogen werden könnten, so wird-eine einmal auftretende 3 Sproat, Scenes and Studies of Savage Life 1868, p. 284. 3 Bagehot, Physics and Politics in: Karkaigliiy Review. Apr. 1, 1868, p- 455. 14 * 919 Rassen des Menschen. I. Theil. Abnahme der Zahlen früher oder später zum Aussterben führen. Das Ende wird dann in den meisten Fällen durch das Eindringen sich ver- grössernder und erobernder Stämme mit Sicherheit herbeigeführt. Ueber die Bildung der Menschenrassen. — Es mag vor- ausgeschickt werden, dass, wenn wir ein und dieselbe Menschenrasse, wenn auch in verschiedene Stämme aufgelöst, über einen grossen Be- zirk, wie über Amerika, verbreitet finden, wir allgemein ihre Ueber- einstimmung der Abstammung von einem gemeinsamen Stamme zu- schreiben können. In einigen Fällen hat die Kreuzung von bereits ver- schiedenen Rassen zur Bildung neuer Rassen geführt. Die eigenthüm- liche Thatsache, dass Europäer und Hindus, welche zu demselben arischen Stamme gehören und eine fundamental gleiche Sprache sprechen, in der äusseren Erscheinung weit von einander verschieden sind, während die Europäer nur wenig von den Juden abweichen, welche zum semi- tischen Stamm gehören und eine völlig andere Sprache sprechen, hat Broca 36 dadurch zu erklären gesucht, dass er meint, die verschiedenen Zweige hätten sich während ihrer weiten Verbreitung mit verschie- demen eingeborenen Stämmen in reichlichem Maasse gekreuzt. Wenn zwei in dichter Berührung lebende Rassen sich kreuzen, so ist das erste Resultat eine heterogene Mischung. So sagt Mr. Hunter bei Beschrei- bung der Santali oder Bergstämme von Indien, dass sich Hunderte von unmerkbaren Abstufungen verfolgen lassen „von den schwarzen unter- „setzten Stämmen der Bergländer bis zu den schlanken olivenfarbigen „Brahmanen mit ihren intelligenten Augenbrauen, ruhigen Augen und „hohen aber schmalen Köpfen ;* so dass es bei Gerichtshöfen nothwen- dig ist, die Zeugen zu fragen, ob sie Santalis oder Hindus sind 3”. Ob ein heterogenes Volk wie die eingeborenen Neger der polynesischen In- seln, die sich durch die Kreuzung zweier distincter Rassen gebildet haben, wobei nur wenig oder gar keine rassenreine Individuen erhalten sind, jemals homogen werden könne, ist durch directe Belege nicht ermittelt. Da aber bei unsern domesticirten Thieren eine gekreuzte Zucht im Laufe weniger Generationen mit Gewissheit fixirt und durch sorgfältige Zuchtwahl gleichförmig gemacht werden kann, so dürfen 36 On Anthropology in: Anthropolog. Review. Jan. 1868, p. 38. 37 The Annals of Rural Bengal. 1868, p. 134. 38 Das Variiren der Thiere 'und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, S. 126. Cap. 7. Bildung der Rassen. 213 wir schliessen, dass das reichliche und langdauernde Kreuzen einer he- terogenen Mischlingsbevölkerung während vieler Generationen die Stelle der Zuchtwahl ersetzen und jede Neigung zum Rückschlag überwinden wird, so dass endlich eine gekreuzte Rasse homogen werden wird, wenn- schon sie nicht in gleichem Grade an den Characteren der beiden elter- lichen Rassen Theil zu haben brauchte. Von allen Verschiedenheiten zwischen den Menschenrassen ist die der Hautfarbe die augenfälligste und eine der bestmarkirten. Verschieden- heiten dieser Art glaubte man früher dadurch erklären zu können, dass die Menschen lange Zeit verschiedenen Climaten ausgesetzt gewesen seien; aber ParLas zeigte zuerst, dass diese Ansicht nicht haltbar ist, und ihm sind fast alle Anthropologen gefolgt ?%. Die Ansicht ist vor- züglich deshalb verworfen worden, weil die Verbreitung der verschieden gefärbten Rassen, von denen die meisten ihre gegenwärtigen Heimath- länder lange bewohnt haben müssen, nicht mit den entsprechenden Ver- schiedenheiten des Clima’s übereinstimmt. Es muss auch auf solche Fälle Gewicht gelegt werden wie den der holländischen Familien, welche, wie wir von einer ausgezeichneten Autorität *° hören, nicht die geringste Farbenveränderung erlitten haben, nachdem sie drei Jahrhunderte hin- durch in Südafrika gelebt haben. Die in verschiedenen Theilen der Welt doch gleichförmige äussere Erscheinung der Zigeuner und Juden ist, wenn auch die Gleichförmigkeit der Letzteren etwas übertrieben worden ist*1, gleichfalls ein Argument für dieselbe Ansicht. Man hat gemeint, dass eine sehr feuchte oder eine sehr trockene Atmosphäre auf die Modification der Hautfarbe einen noch grösseren Einfluss habe als blosse Hitze. Da aber v’OrBIGnY in Südamerika und LivingstonE in Afrika zu diametral entgegengesetzten Folgerungen in Bezug auf die Feuchtigkeit und Trockenheit gelangten, so muss jeder Schluss über diese Frage als sehr zweifelhaft betrachtet werden *?. Verschiedene Thatsachen, welche ich an einem andern Ort mitge- 3 Pallas in: Acta Acad. Petropolit. 1780. Pars II, p. 69. Ihm folgte R u- dolphi in seinen Beiträgen zur Anthropologie. 1812. Eine ausgezeichnete Zusam- menfassung der Beweise hat Godron gegeben: De l’Espece. 1859. Tom. II p. 246 ete. # Sir Andrew Smith, eitirt von Knox, Races of Man. 1850, p. 473. #1 5. hierüber A. de Quatrefages in: Revue des Cours seientifiques. Oct. 17, 1868, p. 731. #2 Livingstone, Travels and Researches in South Africa. 1857, p. 338, 329. d’Orbigny, eitirt von Godron, De l’Espece. Tom. II, p. 266. 214 Rassen des Menschen. I. Theil. theit habe, beweisen, dass die Farbe der Haut und des Haars zuweilen in überraschender Weise mit einer vollkommenen Immunität für die Wirkung gewisser vegetabilischer Gifte und für die Angriffe gewisser Parasiten in Correlation steht. Es kam mir daher der Gedanke, dass Neger und andere dunkelfarbige Rassen ihre dunkelfarbige Haut da- durch erlangt haben könnten, dass während einer langen Reihe von Generationen die dunkleren Individuen stets dem tödtlichen Einflusse der Miasmen ihrer Geburtsländer entgangen sind. ; Ich fand später, dass dieselbe Idee schon vor langer Zeit dem Dr. Werrs gekommen seit?. Dass Neger und selbst Mulatten fast voll- ständig exempt vom gelben Fieber sind, welches im tropischen Ame- rika so zerstörend auftritt, ist längst bekannt **. Sie bleiben auch in grosser Ausdehnung von den tödtlichen Wechselfiebern frei, welche in einer Ausdehnung von mindestens zweitausendsechshundert Miles an den Küsten von Afrika herrschen und welche jährlich den Tod von einem Fünftel der weissen Ansiedler und die Heimkehr eines andern Fünftels in invalidem Zustand verursachen #°. Diese Immunität des Negers scheint zum Theil angeboren zu sein und zwar in Abhängigkeit von irgend einer unbekannten Eigenthümlichkeit der Constitution, zum Theil als Resultat der Acclimatisation. Poucker #6 führt an, dass die vom Vicekönig von Aegypten für den mexicanischen Krieg geborgten Negerregimenter, welche sich aus der Nähe des Sudan rekrutirt hatten, dem gelben Fieber fast ebensogut entgiengen als die ursprünglich aus verschiedenen Theilen von Afrika ausgeführten und an das Clima von Westindien gewöhnten Neger. Dass die Acclimatisation hierbei eine Rolle spielt, zeigt sich in den vielen Fällen, wo Neger, nachdem sie eine Zeit lang in einem kälteren Clima sich aufgehalten haben, in einer gewissen Ausdehnung für tropische Fieber empfänglich geworden sind #7. 43 5, einen vor der Royal Society 1813 gelesenen Aufsatz, welcher in seinen Essays 1818 veröffentlicht ist. Einen Bericht über Dr. Wells’s Ansichten habe ich in der historischen Skizze in meiner Entstehung der Arten (4. Aufl., S. 5) gegeben. Verschiedene Fälle von Correlation der Farbe mit constitutionellen Eigenthümlichkeiten habe ich mitgetheilt im dem „Variiren der Thiere und Pflan- zen im Zustande der Domestication.*“ Bd. 2, S. 302, 443. 44 5. z. B. Nott and Gliddon, Types of Mankind, p. 68. 45 Major Tulloch in einem Aufsatz, ‘gelesen vor der Statistical Society, Apr. 20. 1840 und mitgetheilt im Athenaeum, 1840, p. 353. 46 The Plurality of the Human Races (Uebers.) 1864, p. 60. # A. de Quatrefages, Unite de ’Espece humaine. 1861, p. 205. Waitz, Cap. 7. Bildung der Rassen. 215 Es hat auch die Natur des Clima’s, in welchem die weissen Rassen lange gelebt haben, gleichfalls Einfluss auf sie; denn während der fürchterlichen Epidemie des gelben Fiebers in Demerara im Jahre 1837 fand Dr. Braır, dass das Sterblichkeitsverhältniss der Eingewanderten proportional den Breitengraden des Landes war, aus dem sie gekommen waren. Bei dem Neger lässt die Immunität, soweit sie das Resultat einer Acelimatisation ist, auf ein ungeheuer lange wirksames Ausge- setztsein schliessen, denn die Ureinwohner des tropischen Amerika, die dort seit unvordenklichen Zeiten gewohnt haben, sind nicht exempt vom gelben Fieber und Mr. B. Trısrram führt an, dass es Bezirke in Nordafrika gibt, welche die eingeborenen Einwohner jedes Jahr zu ver- lassen gezwungen sind, wogegen die Neger mit Ruhe dort bleiben können. Dass die Immunität des Negers in irgendwelchem Grade mit der Farbe seiner Haut in Correlation stehe, ist eine blosse Conjeetur ; sie kann ebensogut mit irgend einer Verschiedenheit in seinem Blute, sei- nem Nervensysteme oder andern Geweben in Correlation sein. Nichts- destoweniger schien mir diese Vermuthung nach den oben angezogenen Thatsachen und in Folge des Umstands, dass ein Zusammenhang zwi- schen dem Teint und einer Neigung zur Schwindsucht offenbar besteht, nicht unwahrscheinlich zu sein. In Folge dessen versuchte ich, aber mit wenig Erfolg *%, zu bestimmen, wie weit sie Gültigkeit habe. Der Indroduet. to Anthropology. Uebers. Vol. I. 1863, p. 124. Livingstone führt in seinen Reisen analoge Fälle an. 48 Im Frühjahr des Jahres 1862 erhielt ich vom General-Director des medi- ceinischen Departements der Armee die Erlaubniss, den verschiedenen Regimentsärzten im auswärtigen Dienste eine Tabelle zum Ausfüllen mit den folgenden dazu gefügten Bemerkungen zu schicken. Ich habe aber keine Antwort erhalten. „Da mehrere „gut ausgesprochene Fälle bei unsern domestieirten Thieren beschrieben worden „sind, wo eine Beziehung zwischen der Farbe der Hautanhänge und der Consti- „tution bestand, und es notorisch ist, dass in einem einigermaassen beschränkten „Grade eine Beziehung zwischen der Farbe der Menschenrassen .und dem von „ihnen bewohnten Clima besteht, so scheint die folgende Untersuchung wohl der „Betrachtung werth: nämlich, ob bei Europäern zwischen der Farbe ihrer Haare „und ihrer Empfänglichkeit für die Krankheiten der Tropenländer irgend eine Be- „ziehung besteht. Wenn die Aerzte der verschiedenen Regimenter, während sie in un- „gesunden tropischen Districten stationirt sind, die Freundlichkeit haben wollten, zu- „erst als Maassstab der Vergleichung zu zählen, wie viele Leute in dem Truppentheile, „von welchem die Kranken herkommen, dunkle und hell gefärbte Haare und Haare „einer mittleren oder zweifelhaften Färbung haben; und wenn dann von dem- „selben Arzte ein ähnlicher Bericht über alle die Leute geführt würde, welche „an Malaria- und gelbem Fieber oder an Dysenterie leiden, so würde €s sich „sehr bald ergeben, nachdem Tausende von Fällen tabellarisch zusammengestellt 216 Rassen des Menschen. I. Theil. verstorbene Dr. Danterr, welcher lange an der Westküste von Afrika gelebt hatte, sagte mir, dass er an keine solche Beziehung glaube. Er “war selbst ungewöhnlich blond und hatte dem Clima in einer wunder- baren Weise widerstanden. Als er zuerst als Knabe an der Küste an- kam, sagte ein alter und erfahrener Negerhäuptling nach seiner äus- seren Erscheinung voraus, dass dies der Fall sein würde. Dr. NıcHoL- son von Antigua schrieb mit, nachdem er dem Gegenstand eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hatte, dass er nicht glaube, dass dunkel- farbige Europäer dem gelben Fieber mehr entgiengen als diejenigen, welche hell gefärbt wären. Mr. J. M. Harrıs läugnet gänzlich *, dass Europäer mit dunklem Haar einem heissen Clima besser wider- stehen als andere Menschen. Im Gegentheil hat die Erfahrung gelehrt, bei der Auswahl der Leute zum Dienste an der Küste von Afrika die mit rothem Haar zu wählen. Soweit daher diese wenigen Andeutungen reichen, scheint die Hypothese, welche mehrere Schriftsteller angenom- men haben, dass die Farbe der schwarzen Rassen daher rühren könnte, dass immer dunklere und dunklere Individuen in grösserer Zahl über- leben geblieben wären, während sie dem Fieber erzeugenden Clima ihrer Heimathländer ausgesetzt waren, der Begründung zu entbehren. Obgleich wir mit unsern jetzigen Kenntnissen die so stark ausge- sprochenen Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Menschen- rassen weder durch die Correlation mit constitutionellen Eigenthümlich- keiten, noch durch die direete Einwirkung des Clima’s zu erklären ver- mögen, so dürfen wir doch die Wirkung des Letzteren nicht vernach- lässigen; denn wir haben guten Grund zu glauben, dass ein gewisser vererbter Effect hierdurch hervorgebracht wird °®. „sein würden, ob zwischen der Farbe des Haares und der 'constitutionellen Em- „pfänglichkeit für Tropenkrankheiten irgend eine Beziehung existirt. Vielleicht „lässt sich keine derartige Beziehung nachweisen, die Untersuchung ist aber wohl „des Anstellens werth. Im Fall ein positives Resultat erreicht wird, dürfte es „auch von einigem ‘praktischen Nutzen bei der Auswahl der Leute zu ‚irgend „einem speciellen Dienste sein. Theoretisch würde das Resultat von höchstem „Interesse sein, da es eins der Mittel andeutete, durch welches eine Menschen- „rasse, welche seit einer unendlich langen Zeit ein ungesundes tropisches Clima „bewohnt, dunkelgefärbt geworden sein dürfte, nämlich durch die bessere Erhal- „tung, dunkelhaariger Individuen oder solcher mit dunklem Teint während einer „langen Reihe von Generationen.“ 49 Anthropological Review. Jan. 1866, p. XXI. 50 5, z.B. A. de Quatrefages (Revue des Cours scientifiques, Oct. 10. 1868, p. 724) über die Wirkung des Aufenthalts in Abyssinien und Arabien, und andere analoge Fälle. Dr. Rolle gibt (Der Mensch, seine Abstammung u. Ss. W. Cap.. 7. Bildung der Rassen. 217 In unserem dritten Capitel haben wir gesehen, dass die Lebens- bedingungen — wie sehr reichliche Nahrung und allgemeiner Comfort — in einer directen Weise die Entwickelung des ganzen Körpers affi- ciren und dass diese Wirkungen überliefert werden. Durch die combi- nirten Einwirkungen des Clima’s und der veränderten Lebensgewohn- heiten erleiden europäische Ansiedler in den Vereinisten Staaten, wie allgemein angenommen wird, eine geringe aber ausserordentlich schnelle Veränderung in der äusseren Erscheinung. Wir haben auch eine be- trächtliche Menge von Beweisen, welche zeigen, dass in den südlichen Staaten die Haussclaven der dritten Generation eine markirte Ver- schiedenheit in ihrer äusseren Erscheinung von den Feldsclaven dar- bieten °1. Wenn wir indessen die Menschenrassen in ihrer Verbreitung auf der ganzen Erde betrachten, so müssen wir zu dem Schlusse gelangen, dass ihre characteristischen Verschiedenkeiten durch die direete Wir- kung verschiedener Lebensbedingungen , selbst nachdem sie solchen für eine enorme Zeit dauernd ausgesetzt waren, nicht erklärt werden können. Die Eskimo’s leben ausschliesslich von animaler Kost, sie sind mit dieken Pelzen bekleidet und sind einer intensiven Kälte und lange dauernden Dunkelheit ausgesetzt; und doch weichen sie in keinem aus- serordentlichen Grade von den Einwohnern des südlichen China ab, welche gänzlich von vegetabilischer Kost leben und beinahe nackt einem heissen, ja glühenden Clima ausgesetzt sind. Die unbekleideten Feuer- länder leben von den Meereserzeugnissen ihrer unwirthlichen Küste. Die Botokuden wandern in den heissen Wäldern des Innern umher und leben hauptsächlich von vegetabilischen Erzeugnissen; und doch sind diese Stämme einander so ähnlich, dass die Feuerländer an Bord des Beagle von mehreren Brasilianern für Botokuden gehalten wurden. Fer- ner sind die Botokuden, ebenso wie die andern Einwohner des tropi- schen Amerika, völlig von den Negern verschieden, welche die gegen- überliegenden Küsten des atlantischen Oeceans bewohnen, einem nahezu 1865, S. 99) nach der Autorität Khanikof’s an, dass die grössere Zahl der sich in Georgien niedergelassen habenden deutschen Familien in zwei Generationen dunkle Haare und Augen bekommen haben. Mr. D. Forbes theilt mir mit, dass die Quechuas in den Anden sehr bedeutend je nach der Lage der von ihnen bewohnten Thäler in der Farbe variiren. 5! Harlan, Medical Researches p. 532. A. de Quatrefages, Unite de l’Espece humaine, 1861, p. 128 hat sehr viele Belege über diesen Gegenstand gesammelt. 218 Rassen des Menschen. I. Theil. gleichen Clima ausgesetzt sind und nahebei dieselben Lebensgewohn- heiten haben. Auch durch vererbte Wirkungen des vermehrten oder verminderten Gebrauchs von Theilen können die Verschiedenheiten zwischen den Men- schenrassen nicht erklärt werden, ausgenommen in einem vollkommen nichtssagenden Grade. Menschen, welche beständig in Booten leben, können ihre Beine etwas stämmiger haben, diejenigen, welche hohe Ge- genden bewohnen, haben einen etwas grösseren Brustkasten und die- jenigen, welche beständig gewisse Sinnesorgane gebrauchen, haben die Höhlen, in welche diese eingebettet sind, der Grösse nach etwas er- weitert und in Folge hiervon ihre Gesichtszüge ein wenig modificirt. Bei eivilisirten Nationen haben die etwas redueirte Grösse der Kinn- laden in Folge eines verminderten Gebrauchs, das beständige Spiel ver- schiedener Muskeln, welche verschiedene Gemüthserregungen auszu- drücken dienen, und die vermehrte Grösse des Gehirns in Folge der grösseren intellectuellen Lebendigkeit, Alles in Verbindung eine beträcht- liche Wirkung auf die allgemeine Erscheinung im Vergleich mit Wil- den hervorgebracht 5°. Es ist auch möglich, dass vermehrte Körper- grösse, ohne eine entsprechende Zunahme der Grösse des Gehirns, manchen Rassen (wenigstens nach den früher angeführten Fällen bei Kaninchen zu urtheilen) einen verlängerten, dem dolichocephalen Typus angehörigen Schädel verschafft haben mag. Endlich wird auch das nur wenig erklärte Prineip der Correlation beinahe mit Sicherheit zur Thätigkeit gelangt sein, wie in dem Falle einer bedeutenden Entwickelung des Muskelsystems und stark vorsprin- sender Oberaugenbrauenleisten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Textur des Haares, welche in den verschiedenen Rassen bedeutende Verschiedenheiten darbietet, in einer gewissen Art von Correlation mit der Structur der Haut stehen dürfte; denn die Farbe des Haars und der Haut sind bestimmt mit einander in Correlation, wie seine Färbung und Textur es bei den Mandan-Indianern sind ®?. Die Farbe der Haut 52 s. Prof. Schaaffhausen in: Anthropological Review. Oct. 1868, p. 429. 53 Mr. Catlin gibt an (North American Indians, 3. edit. 1842. Vol. I, p- 49), dass in dem ganzen Stamme der Mandan-Indianer ungefähr eines unter je zehn oder zwölf Individuen aller Altersstufen und beider Geschlechter helle silbergraue Haare habe, was erblich sei. Dies Haar ist nun so grob und barsch wie die Mähne eines Pferdes, während die Haare anderer Farben weich und dünn sind. Cap. 7. Bildung der Rassen. 219 und der von ihr ausgehende Geruch stehen gleichfalls auf irgendwelche Weise in Verbindung. Bei den Schafrassen steht die Zahl der Haare auf einem gegebenen Stücke Hautfläche und die Zahl der Drüsenöffnun- gen auf demselben im Verhältniss zu einander °*. Wenn wir nach der Analogie von unsern domesticirten Thieren urtheilen dürfen, so fallen viele Modificationen der Structur beim Menschen unter dieses Princip des correlativen Wachsthums. Wir haben nun gesehen, dass die characteristischen Verschieden- heiten zwischen den Rassen des Menschen in einer zufriedenstellenden Weise weder durch die directe Wirkung der Lebensbedingungen noch durch die Wirkungen des fortgesetzten Gebrauchs von Theilen noch durch das Prineip der Correlation erklärt werden können. Wir werden daher zu untersuchen veranlasst, ob unbedeutende individuelle Verschie- denheiten, denen der Mensch im äussersten Maasse ausgesetzt ist, nicht im Verlaufe einer langen Reihe von Generationen durch natürliche Zucht- wahl erhalten und gehäuft worden sind. Hier begegnet uns aber sofort der Einwurf, dass nur wohlthätige Abänderungen auf diese Weise er- halten werden können; und soweit wir im Stande sind hierüber zu ur- theilen (denn über diesen Punkt sind wir beständig der Gefahr eines Irrthums ausgesetzt), ist nicht eine einzige der äussern Verschieden- heiten zwischen den Menschenrassen von irgendwelchem direeten oder speciellen Nutzen für dieselben. Bei dieser Bemerkung müssen natür- lich die intellectuellen und moralischen oder socialen Eigenschaften aus- genommen werden; es können aber Verschiedenheiten in diesen Fähig- keiten nur wenig oder gar keinen Einfluss auf äussere Merkmale ge- habt haben. Die Variabilität der sämmtlichen vorhin erwähnten cha- racteristischen Verschiedenheiten zwischen den Rassen weist gleichfalls darauf hin, dass diese Verschiedenheiten von keiner grossen Bedeutung sein können; denn wären sie von Bedeutung gewesen, so würden sie schon lange entweder fixirt und erhalten oder eliminirt worden sein. In dieser Beziehung ist der Mensch jenen von den Naturforschern pro- teisch oder polymorph genannten Formen ähnlich, welche äusserst va- riabel geblieben sind und zwar wie es scheint in Folge des Um- standes, dass ihre Abänderungen von einer indifferenten Beschaffenheit 54 Ueber den Geruch der Haut s. Godron, Sur l!’Espece. Tom. I, p. 217. Ueber die Poren der Haut s. Dr. Wilckens, die Aufgaben der landwirthschaft- lichen Zootechnik. 1869, S. 7. 220 Rassen des Menschen. I. Theil. und in Folge hiervon der Entwickelung der natürlichen Zuchtwahl ent- gangen sind. So weit sind denn also alle unsere Versuche, die Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Rassen des Menschen zu erklären, vereitelt wor- den; noch bleibt aber eine bedeutungsvolle Kraft übrig, nämlich G e- schlechtliche Zuchtwahl, welche mit der gleichen Energie auf den Menschen wie auf viele andere Thiere gewirkt zu haben scheint. Ich will nicht behaupten, dass geschlechtliche Zuchtwahl sämmtliche Ver- schiedenheiten zwischen den Rassen erklären wird. Ein unerklärter Rest bleibt übrig, über welchen wir in unserer Unwissenheit nur sagen können, dass, wie ja Individuen beständig z. B. mit ein wenig runderen oder schmäleren Köpfen oder mit ein wenig längeren oder kürzeren Nasen geboren werden, derartige unbedeutende Verschiedenheiten wohl fixirt und gleichförmig werden können , wenn die unbekannten Kräfte, welche sie herbeiführten, in einer beständigeren Art und Weise wirken und durch lange fortgesetzte Kreuzung unterstützt würden. Derartige Modificationen gehören in die Classe provisorischer Fälle, welche ich im vierten Capitel angedeutet habe, und welche in Ermangelung einer bessern Bezeichnung spontane Abänderungen genannt wurden. Ich be- haupte auch nicht, dass die Wirkungen der geschlechtlichen Zuchtwahl mit wissenschaftlicher Genauigkeit angegeben werden können; es kann aber nachgewiesen werden, dass es eine unerklärliche Thatsache sein würde, wenn der Mensch durch diese Kraft nicht modificirt worden wäre, welche in so wirksamer Weise zahllose Thiere, sowohl hoch als tief auf der Stufenleiter stehend, beeinflusst hat. Es kann ferner ge- zeigt werden, dass die Verschiedenheiten zwischen den Rassen des Men- schen, wie die der Farbe, des Behaartseins, der Form der Gesichtszüge u. s. w. von einer sölchen Natur sind, auf welche, wie man hätte er- warten können, die geschlechtliche Zuchtwahl wohl eingewirkt haben dürfte. Um aber diesen Gegenstand in einer entsprechenden Art und Weise zu behandeln, habe ich es für nöthig gehalten, das ganze Thier- reich Revue passiren zu lassen und habe demselben daher den zweiten Theil dieses Werks gewidmet. Zum Beschluss werde ich auf den Men- schen zurückkommen und werde, nachdem ich den Versuch gemacht habe zu zeigen wie weit er durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt worden ist, eine kurze Zusammenfassung der in diesem ersten Theile enthaltenen Capitel geben. Zweiter Theil. Greschlechtliche Zuchtwahl. Da "7 DE PRRnS don odsiklsahlnene. a Wu ‘ rs x ’ 5 (72 . } | x Achtes Capitel, Grundsätze der geschlechtlichen Zuchtwahl. Secundäre Sexualcharactere. — Geschlechtliche Zuchtwahl. — Art und Weise der Wirkung. — Ueberwiegen der Männchen. — Polygamie. — Allgemein ist nur das Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt. — Begierde des Männchens. — Variabilität des Männchens. — Wahl vom Weibchen aus- geübt. — Geschlechtliche Zuchtwahl verglichen mit der natürlichen. — Ver- erbung zu entsprechenden Lebensperioden, zu entsprechenden Jahreszeiten und durch das Geschlecht beschränkt. — Beziehungen zwischen den ver- schiedenen Formen der Vererbung. — Ursachen, weshalb das eine Geschlecht und die Jungen nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt werden. — Anhang: über die proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter durch das ganze Thierreich. — Ueber die Beschränkung der Zahlen der beiden Ge- schlechter durch geschlechtliche Zuchtwahl. Bei Thieren mit getrenntem Geschlechte weichen die Männchen nothwendig von den Weibchen in ihren Reproductionsorganen ab; diese bieten daher die primären Geschlechtscharactere dar. Die Geschlechter weichen oft auch in dem ab, was Hunter secundäre Sexualcharactere genannt hat, welche nicht in einer directen Verbindung zu dem Act der Reproduction stehen. Es besitzen z. B. die. Männchen gewisse Sinnesorgane oder Locomotionsorgane, welche den Weibchen völlig feh- len, oder haben dieselben höher entwickelt, damit sie die Weibchen leicht finden oder erreichen können; oder ferner es besitzt das Männ- chen besondere Greiforgane, um das Weibchen sicher zu halten. Diese letzteren Organe von unendlich mannichfacher Art gehen allmählich in diejenigen über und können in manchen Fällen kaum von denselben unterschieden werden, welche gewöhnlich für primäre angesehen werden, so z. B. die complieirten Anhänge an der Spitze des Hinterleibs bei männlichen Insecten. In der That, wenn wir nicht den Ausdruck „pri- mär“ auf die Generationsdrüsen beschränken, ist es kaum möglich, wenigstens soweit die Greiforgane in Betracht kommen, zu entscheiden, welche derselben primär und welche secundär genannt werden sollen. I24 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Das Weibchen weicht oft vom Männchen dadurch ab, dass es Or- gane zur Ernährung oder zum Schutze seiner Jungen besitzt, wie die Milchdrüsen der Säugethiere und die Abdominaltasche der Marsupialien. Auch das Männchen weicht in einigen wenigen Fällen vom Weibchen durch den Besitz von analogen Organen ab, wie der Taschen zur: Auf- nahme der Eier, welche die Männchen gewisser Fische besitzen, und der temporär entwickelten Bruttaschen gewisser männlicher Frösche. Weib- liche Bienen haben einen speciellen Apparat zum Sammeln und Ein- tragen des Pollen und ihre Legeröhre ist zu einem Stachel für die Vertheidigung ihrer Larven und der ganzen Genossenschaft modificirt. Bei den Weibchen vieler Insecten ist die Legeröhre in der complieir- testen Weise zur sicheren Unterbringung der Eier modificirt. Zahl- reiche ähnliche Fälle könnten angeführt werden, doch berühren sie uns hier nicht. Es gibt indessen andere geschlechtliche Verschiedenheiten, die uns hier besonders angehen und welche mit den primären Organen in gar keinem Zusammenhange stehen, so die bedeutendere Grösse, Stärke und Kampflust der Männchen, ihre Angriffswaffen oder Vertheidigungs- mittel gegen Nebenbuhler, ihre auffallendere Färbung und verschiedenen Ornamente, ihr Gesangsvermögen und andere derartige Charactere. Ausser den vorgenannten primären und secundären geschlechtlichen Differenzen weichen die Männchen von den Weibchen zuweilen in Bildun- gen ab, welche mit verschiedenen Lebensgewohnheiten in Verbindung stehen und entweder gar nicht oder nur indireet auf die Reproductions- funetionen Bezug haben. So sind die Weibchen gewisser Fliegen (Culi- cidae und Tabanidae) Blutsauger,, während die Männchen von Blüthen leben und keine Kiefer an ihrer Mundöffnung haben !. Nur die Männchen gewisser Motten und einiger Crustaceen (z. B. Tanais) haben unvoll- kommene, geschlossene Mundöffnungen und können sich nicht ernähren. Die complementären Männchen gewisser Cirripeden leben wie epiphy- tische Pflanzen auf der weiblichen oder der hermaphroditischen Form und entbehren einer Mundöffnung und der Greiffüsse. In diesen Fällen ist es das Männchen, welches modifieirt worden ist und gewisse be- deutungsvolle Organe verloren hat, welche die andern Glieder derselben Gruppe besitzen. In andern Fällen ist es das Weibchen, welches der- artige Theile verloren hat. So ist z. B. der weibliche Leuchtkäfer ohne ı Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. II. 1840, p. 541. In Bezug auf die Angaben über Tanais, welche unten erwähnt werden, bin ich Fritz Müller zu Dank verbunden. Cap. 8. Verschiedenheiten der Geschlechter. 295 Flügel, wie es auch viele weiblichen Motten sind, von denen einige nie- mals ihre Cocons verlassen. Viele weibliche parasitische Crustaceen haben ihre Schwimmfüsse verloren. Bei einigen Rüsselkäfern (Cureulionidae) besteht eine bedeutende Verschiedenheit zwischen dem Männchen und Weibchen in der Länge des Rostrums oder des Rüssels 2 Doch ist die Bedeutung dieser und vieler anderer Verschiedenheiten durchaus nicht erklärt. Verschiedenheiten der Structur zwischen den beiden Ge- schlechtern, welche zu verschiedenen Lebensgewohnheiten in Beziehung stehen, sind meist auf die niederen Thiere beschränkt; aber auch bei einigen wenigen Vögeln weicht der Schnabel des Männchens von dem des Weibchen ab. Ohne Zweifel stehen in den meisten, aber allem An- scheine nach nicht in allen solchen Fällen die Verschiedenheiten in einer indireeten Verbindung mit der Fortpflanzung der Art. So wird ein Weibchen, welches eine Menge Eier zu ernähren hat, mehr Nahrung erfordern als ein Männchen und wird in Folge dessen specieller Mittel bedürfen, sich dieselben zu verschaffen. Ein männliches Thier, welches nur eine sehr kurze Zeit lebt, kann ohne Schaden in Folge von Nicht- gebrauch seine Organe zur Beschaffung von Nahrung verlieren, es wird aber seine locomotiven Organe in vollkommenem Zustande behalten, damit es das Weibchen erreichen kann. Andererseits kann das Weib- chen getrost seine Organe zum Fliegen, Schwimmen oder Gehen ver- lieren, wenn es allmählich Gewohnheiten annimmt, welche ein derartiges Vermögen nutzlos machen. Wir haben es indessen hier nur mit jener Art von Zuchtwahl zu thun, welche ich geschlechtliche -Zuchtwahl genannt habe. Dieselbe hängt von dem Vortheile ab, welchen gewisse Individuen über andere Individuen desselben Geschlechts und derselben Species erlangen in aus- schliesslicher Beziehung auf die Reproduction. Wenn die beiden Ge- schlechter in ihrer Structur in Bezug auf die verschiedenen Lebens- gewohnheiten, wie in den oben erwähnten Fällen, von einander abweichen, so sind sie ohne Zweifel durch natürliche Zuchtwahl modificirt worden in Verbindung mit einer auf ein und dasselbe Geschlecht beschränkten Vererbung. Es fallen ferner die primären Geschlechtsorgane und die Organe zur Ernährung und Beschützung der Jungen unter diese selbe Kategorie. Denn diejenigen Individuen, welche ihre Nachkommen am “ besten erzeugten oder ernährten, werden ceteris paribus die grösste ?2 Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III. 1826, p. 309. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 15 226 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Anzahl hinterlassen, diese Superiorität zu erben, während diejenigen, welche ihre Nachkommen nur schlecht erzeugten oder ernährten, auch nur wenige hinterlassen werden, dieses ihr schwächeres Vermögen zu erben. Da das Männchen das Weibchen aufzusuchen hat, so braucht es für diesen Zweck Sinnes- und Locomotionsorgane. Wenn aber diese Or- gane für die anderen Zwecke des Lebens nothwendig sind, wie es meistens der Fall ist, so werden sie durch natürliche Zuchtwahl entwickelt worden sein. Hat das Männchen das Weibchen gefunden, so sind ihm zuweilen Greiforgane, um dasselbe fest zu halten, absolut nothwendig. So theilt mir Dr. WALLACE mit, dass die Männchen gewisser Motten sich nicht mit den Weibchen verbinden können, wenn ihre Tarsen oder Füsse ge- brochen sind. Die Männchen vieler oceanischer Urustaceen haben ihre Füsse und Antennen in einer ausserordentlichen Weise zum Ergreifen des Weibchens modifieirt. Wir dürfen daher vermuthen, dass diese Thiere wegen des Umstandes, dass sie von den Wellen des offenen Meeres um- hergeworfen werden, jene Organe absolut nöthig haben, um ihre Art fortpflanzen zu können; und wenn dies der Fall ist, so wird deren Ent- wickelung das Resultat der gewöhnlichen oder natürlichen Zuchtwahl sein. Wenn die beiden Geschlechter genau denselben Lebensgewohnheiten folgen und das Männchen hat höher entwickelte Sinnes- oder Loco- motionsorgane als das Weibchen, so kann es wohl sein, dass diese in ihrem vervollkommneten Zustand für das Männchen zum Finden des Weibchens unentbehrlich sind; aber in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle dienen sie nur dazu, dem einen Männchen eine Ueberlegenheit über ein anderes zu geben. Denn die weniger gut ausgerüsteten Männ- chen werden, wenn ihnen Zeit” gelassen wird, auch noch dazu kommen, sich mit den Weibchen zu paaren, und sie werden in allen übrigen Beziehungen, nach der Structur des Weibchens zu urtheilen, gleich- mässig ihrer gewöhnlichen Lebensweise gut angepasst sein. In der- artigen Fällen muss geschlechtliche Zuchtwahl in Thätigkeit getreten sein. Denn die Männchen haben ihre jetzige Bildung nicht dadurch erreicht, dass sie zum Ueberleben in dem Kampfe um’s Dasein besser ausgerüstet sind, sondern dadurch, dass sie einen Vortheil über andere Männchen erlangt und diesen Vortheil nur auf ihre männlichen Nach- kommen überliefert haben. Es war gerade die Bedeutung dieses Unter- schieds, welche mich dazu führte, diese Form der Zuchtwahl als geschlecht- liche Zuehtwahl zu bezeichnen. Wenn ferner der hauptsächlichste Dienst, welchen die Greiforgane dem Männchen leisten, darin besteht, das Ent- Cap. 8. Secundäre Sexualcharactere. 297 schlüpfen des Weibehens noch vor der Ankunft anderer Männchen oder während des Angriffes von solchen zu verhüten, so werden diese Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl vervollkommnet worden sein, d.h. durch den Vortheil, welchen gewisse Männchen über ihre Nebenbuhler erlangt haben. Es ist aber in den meisten Fällen kaum möglich, zwischen den Wirkungen der natürlichen und der geschlechtlichen Zucht- wahl zu unterscheiden. Es liessen sich leicht ganze Capitel mit Einzeln- heiten über die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern in ihren Sinnes-, Locomotions- und Greiforganen füllen. Da indessen diese Bil- dungen von nicht mehr Interesse als andere den gewöhnlichen Lebens- zwecken angepasste sind, so will ich sie fast ganz übergehen und nur einige wenige Beispiele von jeder Classe anführen. Es gibt viele andere Bildungen und Instincte, welche durch ge- schlechtliche Zuchtwahl entwickelt worden sein müssen, — so die An- grifiswaffen und die Vertheidigungsmittel, welche die Männchen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern und zum Zurücktreiben derselben be- sitzen — ihr Muth und ihre Kampflust - ihre Ornamente verschie- dener Art — ihre Organe zur Hervorbringung von Vocal- und Instru- mentalmusik — und ihre Drüsen zur Absonderung riechbarer Substanzen. Die meisten dieser letzteren Bildungen dienen nur dazu, das Weibchen anzulocken oder aufzuregen. Dass diese Charactere das Resultat ge- schlechtlicher und nicht gewöhnlicher Zuchtwahl sind, ist klar, da unbewaffnete, nicht mit Ornamenten verzierte oder keine besonderen Anziehungspunkte besitzende Männchen in dem Kampfe um’s Dasein gleichmässig gut bestehen und eine zahlreiche Nachkommenschaft hinter- lassen würden, wenn nicht besser begabte Männchen vorhanden wären. Wir dürfen schliessen, dass dies der Fall sein würde; denn die Weib- chen, welche ohne Waffen und Ornamente sind, sind doch im Stande, leben zu bleiben und ihre Art fortzupflanzen. Secundäre Geschlechts- charactere von der eben erwähnten Art werden in den folgenden Capiteln ausführlich erörtert werden, da sie in vielen Beziehungen von Interesse sind, aber ganz besonders, da sie von dem Willen, der Auswahl und der Rivalität der Individuen beider Geschlechter abhängen. Wenn wir zwei Männchen wahrnehmen, welche um den Besitz des Weibchens kämpfen, oder mehrere männliche Vögel, welche ihr stattliches Gefieder entfalten und die fremdartigen Gesten vor einer versammelten Menge von Weibchen anstellen, so können wir nicht daran zweifeln, dass sie, wenn auch nur mit Instinet dazu getrieben, doch wissen, was sie thun, 15 * 228 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. und mit Bewusstsein ihre geistigen und körperlichen Kräfte zur Dar- stellung bringen. In derselben Art und Weise, wie der Mensch die Rasse seiner Kampfhähne durch die Zuchtwahl derjenigen Vögel verbessern kann, welche in den Hahnenkämpfen siegreich sind, so haben auch, wie es den Anschein hat, die stärksten und siegreichsten Männchen oder die- jenigen, welche mit den besten Wafien versehen sind, im Naturzustande den Sieg davon getragen und haben zur Veredelung der natürlichen Rasse oder Species geführt. Im Verlaufe der wiederholten Kämpfe auf Tod und Leben wird ein geringer Grad von Variabilität, wenn derselbe nur zu irgend einem Vortheile, wenn auch noch so unbedeutend, führt, zu der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl beitragen ; und es ist sicher, dass secundäre Sexualcharactere ausserordentlich variabel sind. In derselben Weise wie der Mensch je nach seiner An- sicht von Geschmack seinem männlichen Geflügel Schönheit geben kann, — wie er den Sebright-Bantam-Hühnern ein neues und elegantes Ge- fieder, eine aufrechte und eigenthümliche Haltung geben kann — so haben auch allem Anscheine nach im Naturzustande die weiblichen Vögel die Schönheit ihrer Männchen dadurch erhöht, dass sie lange Zeit hin- durch die anziehendsten Männchen sich erwählt haben. Ohne Zweifel setzt dies ein Vermögen der Unterscheidung nnd des Geschmacks von Seiten des Weibchens voraus, welches anf den ersten Blick äusserst unwahrscheinlich erscheint; doch hofle ich, später zu zeigen, dass es dies nicht ist. Nach unserer Unwissenheit in Bezug auf mehrere Punkte ist die genaue Art und Weise, in welcher geschlechtliche Zuchtwahl wirkt, bis zu einer gewissen Ausdehnung nicht sicher zu bestimmen. Wenn trotz- dem diejenigen Naturforscher, welche bereits an die Veränderlichkeit der Arten glauben, die folgenden Capitel lesen wollen, so werden sie, denke ich, mit mir darüber übereinstimmen, dass geschlechtliche Zucht- wahl in der Geschichte der organischen Welt eine bedeutende Rolle gespielt hat. Es ist sicher, dass bei fast allen Thieren ein Kampf zwischen den Männchen um den Besitz des Weibchens besteht. Diese Thatsache ist so notorisch, dass es überflüssig sein würde, hier Bei- spiele anzuführen. Es können daher die Weibchen unter der Voraus- setzung, dass ihre geistigen Fähigkeiten für die Ausübung einer solchen Wahl hinreichen, eines von mehreren Männchen auswählen. In zahl- reichen Fällen aber scheint es, als wenn eine besondere Anordnung Cap. 8. Wirkungsweise der geschlechtlichen Zuchtwahl. 229 getrofien worden wäre, dass ein Kampf zwischen vielen Männchen ein- treten müsse. So kommen bei Zugvögeln allgemein die Männchen vor den Weibchen auf den Brüteplätzen an, so dass viele Männchen bereit sind, um jedes Weibchen zu kämpfen. Die Vogelfänger behaupten, dass dies unabänderlich bei der Nachtigall und dem Plattmönche der Fall ist, wie mir Mr. JENNER WEIR mitgetheilt hat, welcher die Angabe in Bezug auf die letztere Species bestätigt. Mr. Swaystann von Brighton, welcher während der letzten vierzig Jahre unsere Zugvögel bei ihrem ersten Eintreffen zu fangen pflegte, schreibt mir, dass er nie erfahren habe, dass die Weibchen irgend einer Art vor ihren Männchen ankämen. Während eines Frühlings schoss er neununddreissig Männchen von Ray’s Bachstelze (Budytes Rai), ehe er ein einziges Weibchen sah. Mr. Gousnp hat durch die Section be- stätigt, wie er mir mittheilt, dass in England die männlichen Becassinen vor den weiblichen ankommen. Was die Fische betrifft, so sind zu der Periode, wenn der Lachs in unseren Flüssen aufsteigt, die Männ- chen in grosser Anzahl vor den Weibchen zur Brut bereit. Allem Anscheine nach ist dasselbe bei den Fröschen und Kröten der Fall. In der ganzen grossen Classe der Insecten schlüpfen die Männchen fast immer vor dem andern Geschlechte aus ihrem Puppenzustande aus, so dass sie meistens eine Zeit lang schwärmen, ehe irgendwelche Weibchen sichtbar sind ?. Die Ursache dieser Verschiedenheit zwischen der Periode der Ankunft der Männchen und der Weibchen und deren Reifeperiode ist hinreichend klar. Diejenigen Männchen, welche jährlich in ein anderes Land wandern oder welche im Frühjahre zuerst zur Brut bereit sind oder die eifrigsten sind, werden die grösste Anzahl von Nachkommen hinterlassen, und diese werden ähnliche Instinete und Constitutionen zu vererben neigen. Im Ganzen lässt sich nicht zweifeln, dass fast bei allen Thieren, bei denen die Geschlechter getrennt sind, ein beständig wiederkehrender Kampf zwischen den Männchen um den Besitz der Weibchen stattfindet. ® Selbst bei denjenigen Pflanzen, bei denen die Geschlechter getrennt sind, werden die männlichen Blüthen allgemein vor den weiblichen reif. Viele her- maphroditische Pflanzen sind, wie zuerst ©. K. Sprengel gezeigt hat, dichogam, d. h. ihre männlichen und weiblichen Organe sind nicht zu derselben Zeit fort- pflanzungsfähig, so dass sie sich nicht selbst befruchten können. In solchen Pflanzen ist nun allgemein der Pollen in derselben Blüthe früher reif, als die Narbe, obschon einige exceptionelle Fälle vorkommen, bei denen die weiblichen Organe vor den männlichen die Reife erlangen. 2330 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Die Schwierigkeit in Bezug auf geschlechtliche Zuchtwahl liegt für uns darin, zu verstehen, wie es kommt, dass diejenigen Männchen, welche andere besiegen, oder diejenigen, welche sich als den Weibchen am meisten anziehend erweisen, eine grössere Zahl von Nachkommen hinterlassen, um ihre Superiorität zu erben, als die besiegten und weniger anziehenden Männchen. Wenn dieses Resultat nicht erlangt wird, so können die Charactere, welche gewissen Männchen einen Vortheil über andere verleihen, nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl vervollkommnet und angehäuft werden. Wenn die Geschlechter in genau gleicher Anzahl existiren, so werden doch die am schlechtesten ausgerüsteten Männchen schliesslich auch Weibchen finden (mit Ausnahme der Fälle, wo Polygamie herrscht) und dann ebenso viele und für ihre allgemeinen Lebensgewohnheiten gleichmässig gut ausgerüstete Nach- kommen hinterlassen als die bestbegabten Männchen. In Folge ver- schiedener Thatsachen und Betrachtungen war ich früher zu dem Schlusse gekommen, dass bei den meisten Thieren, bei denen secundäre Se- xualcharaetere gut entwickelt sind, die Männchen den Weibchen an Zahl beträchtlich überlegen sind, und dies ist auch für einige wenige Fälle richtig. Verhielten sich die Männchen zu den Weibchen wie zwei zu eins oder wie drei zu zwei oder selbst in einem noch etwas geringeren Verhältnisse, so würde die ganze Angelegenheit einfach sein. Denn die besser bewaffneten oder grössere Anziehungskraft darbietenden Männchen würden die grösste Zahl von Nachkommen hinterlassen. Nachdem ich aber, soweit es möglich ist, die numerischen Verhältnisse der Geschlechter untersucht habe, glaube ich nicht, dass irgend welche bedeutende Ungleichheit der Zahl für gewöhnlich existirt. In den meisten Fällen scheint die geschlechtliche Zuchtwahl in der folgenden Art und Weise in Wirksamkeit gekommen zu sein. Wir wollen irgend eine Species, z.B. einen Vogel, annehmen und die Weibchen, welche einen Bezirk bewohnen, in zwei gleiche Massen theilen; die eine bestehe aus den kräftigeren und besser genährten In- dividuen, die andere aus den weniger kräftigen und weniger gesunden. Es kann darüber kaum ein Zweifel bestehen, dass die ersteren im Frühjahre vor den letzteren zur Brut bereit sein werden; und das ist _ auch die Meinung von Mr. JENNeR Weir, welcher viele Jahre hindurch die Lebensweise der Vögel aufmerksam beobachtet hat. Auch darüber kann kein Zweifel bestehen, dass die kräftigsten, gesündesten und am besten genährten Weibchen im Mittel es dahin bringen, die grösste Zahl Cap. 8. Wirkungsweise der geschlechtlichen Zuchtwahl. 231 von Nachkommen aufzuziehen. Wie wir gesehen haben, sind allgemein die Männchen schon vor den Weibehen zum Fortpflanzungsgeschäft be- veit; von den Männchen treiben an die stärksten und bei einigen Species die am besten bewaffneten die schwächeren Männchen fort, und die ersteren werden sich dann mit den kräftigeren und am besten ge- nährten Weibchen verbinden, da diese die ersten sind, welche zur Brut bereit sind. Derartige kräftige Paare werden sicher eine grössere Zahl von Nachkommen aufziehen, als die zurückgebliebenen Weibchen, welche unter der Voraussetzung, dass die Geschlechter numerisch gleich sind, gezwungen werden, sich mit den besiegten und weniger kräftigen Männ- chen zu paaren; und hier findet sich denn Alles was nöthig ist, um im Verlaufe aufeinander folgender Generationen die Grösse, Stärke und den Muth der Männchen zu erhöhen oder ihre Waffen zu verbessern. Aber in einer Menge von Fällen gelangen die Männchen, welche andere Männchen besiegen, nicht in den Besitz der Weibchen unab- hängig von einer Wahl seitens der letzteren. Die Bewerbung der Thiere ist durchaus keine so einfache und kurze Angelegenheit, als man wohl denken möchte. Die Weibehen werden durch die geschmück- teren oder die sich als die besten Sänger zeigenden oder die am besten gestikulirenden Männchen am meisten angeregt oder ziehen vor, sich mit solchen zu paaren. Es ist aber offenbar wahrscheinlich, wie es auch in manchen Fällen factisch beobachtet worden ist, dass diese Männchen in derselben Weise es auch vorziehen werden, sich mit den kräftigeren und lebendigeren Weibchen zu begatten*. Es werden daher die kräf- - tigeren Weibchen, welche zuerst zum Brutgeschäfte kommen, die Aus- wahl unter vielen Männchen haben, und wenn sie auch nicht immer die stärksten und am besten bewaffneten wählen werden, so werden sie sich doch diejenigen aussuchen, welche überhaupt kräftig und gut be- waffnet sind und in manchen anderen Beziehungen am meisten An- ziehungskraft ausüben. Solche zeitige Paare werden beim Aufziehen von Nachkommen auf der weiblichen Seite, wie oben auseinandergesetzt wurde, denselben Vortheil und auf der- männlichen Seite nahezu den- selben Vortheil haben. Und offenbar hat dies während eines langen Verlaufes aufeinander folgender Generationen hingereicht, nicht bloss die * Ich habe Mittheilungen in diesem Sinne in Bezug auf die Hühner erhalten, welche ich später noch erwähnen werde. Selbst bei solchen Vögeln, welche sich, wie der Tauber, für ihre Lebenszeit paaren, verlässt, wie ich von Mr. Jenner Weir höre, das Weibchen seinen Genossen, wenn er krank oder schwach wird. 239 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Stärke und das Kampfvermögen der Männchen zu erhöhen, sondern auch ihre verschiedenen Zierathen oder andere Punkte der Anziehung entwickeln zu lassen. / In dem umgekehrten und viel selteneren Falle, wo die Männchen besondere Weibchen auswählen, ist es klar, dass diejenigen, welche die kräftigsten sind und andere besiegt haben, die freieste Wahl haben; und es ist beinahe gewiss, dass sie ebensowohl kräftigere als mit ge- wissen Anziehungsreizen versehene Weibchen sich wählen werden. Der- artige Paare werden bei der Erziehung von Nachkommen einen Vor- theil haben und dies noch besonders, wenn das Männchen die Kraft besitzt, das Weibchen während der Paarungszeit zu vertheidigen, wie es bei einigen der höheren Thiere vorkommt, oder wenn es das Weib- chen bei der Sorge um das Junge unterstützt. Dieselben Grundsätze werden gelten, wenn beide Geschlechter gegenseitig gewisse Individuen des andern Geschlechts vorzogen und auswählten, unter der Voraus- setzung allerdings, dass sie nicht bloss die mit grösseren Reizen ver- sehenen, sondern gleichfalls auch die kräftigeren Individuen auswählten. Numerisches Verhältniss der beiden Geschlechter. — Ich habe eben bemerkt, dass geschechtliche Zuchtwahl eine einfache Angelegenheit wäre, wenn die Männchen den Weibchen an Zahl be- trächtlich überlegen wären. Ich wurde hierdurch veranlasst, soweit ich es thun konnte, die Verhältnisse zwischen den beiden Geschlechtern bei so vielen Thieren als nur möglich zu untersuchen; doch sind die Materialien nur dürftig. Ich will hier nur einen kurzen Abriss der Resultate geben und die Einzelnheiten für eine anhangsweise Erörterung aufbewahren, um hier den Gang meiner Beweisführung nicht zu unter- brechen. Nur domesticirte Thiere bieten die Gelegenheit dar, die pro- portionalen Zahlen bei der Geburt festzustellen; es sind aber speciell für diesen Zweck keine Berichte abgefasst oder Listen etc. geführt worden. Indessen habe ich auf indireetem Wege eine beträchtliche Menge statistischer Angaben gesammelt, aus denen hervorgeht, dass bei den meisten unserer domestieirten Thiere die Geschlechter bei der Geburt nahezu gleich sind. So sind von Rennpferden während einund- zwanzig Jahren 25,560 Geburten registrirt worden, und die männlichen Geburten standen zu den weiblichen in dem Verhältnisse von 99,7 : 100. Bei Windspielen ist die Ungleichheit grösser als bei irgend einem anderen Thiere, denn während zwölf Jahren verhielten sich unter 6878 Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 233 Geburten die männlichen Geburten zu den weiblichen wie 110,1 : 100. Es ist indess in einem ziemlichen Grade zweifelhaft, ob es richtig ist, zu schliessen, dass dieselben proportionalen Zahlen ebenso für die natür- lichen Verhältnisse wie für den Zustand der Domestication gelten ; denn unbedeutende und unbekannte Verschiedenheiten in den Lebens- bedingungen afficiren in einer gewissen Ausdehnung das Verhältniss der beiden Geschlechter zu einander. So verhalten sich in Bezug auf den Menschen die männlichen Geburten in England wie 104,5, in Russland wie 108,9, und bei den Juden in Livland wie 102 zu hundert weib- lichen Geburten. Das Verhältniss wird auch in einer mysteriösen Weise noch durch den Umstand affieirt, ob die Gehurten legitim oder illegi- tim sind. Für unsern gegenwärtigen Zweck haben wir es hier mit dem Ver- hältnisse der beiden Geschlechter nicht zur Zeit der Geburt, sondern zur Zeit der Reife zu thun, und dies bringt noch ein anderes Element des Zweifels mit sich. Denn es ist eine sicher bestätigte Thatsache, dass bei dem Menschen ein beträchtlich bedeutenderer- Theil von den Männchen vor oder während der Geburt und während der ersten wenigen Jahre der Kindheit stirbt als von den Weibchen. Dasselbe ist fast sicher mit den männlichen Lämmern der Fall und dasselbe dürfte wohl auch für die Männchen anderer Thiere gelten. Die Männchen mancher Thiere tödten einander in Kämpfen oder sie treiben einander herum, bis sie bedeutend abgemagert sind. Sie müssen auch, während sie im eifrigen Suchen nach Weibchen umherwandern, oft verschiedenen Ge- fahren ausgesetzt sein. Bei vielen Arten von Fischen sind die Männ- chen viel klemer als die Weibchen und man glaubt, dass sie oft von den letzteren oder von anderen Fischen verschlungen werden. Bei manchen Vögeln scheint es, als ob die Weibehen in einem bedeutend grösseren Verhältnisse stürben als die Männchen; auch sind sie einer Zerstörung, während sie auf dem Neste sitzen oder während sie sich um ihre Jungen mühen, sehr ausgesetzt. Bei Insecten sind die weib- lichen Larven oft grösser als die männlichen und dürften in Folge des- sen wohl häufiger von anderen Thieren gefressen werden. In manchen Fällen sind die reifen Weibchen weniger lebendig und weniger schnell in ihren Bewegungen als die Männchen und werden daher nicht so gut im Stande sein, den Gefahren zu entrinnen. Bei den Thieren im Naturzustande müssen wir uns daher, um über die Verhältnisse der Geschlechter im Reifezustande uns ein Urtheil zu bilden, auf blosse 234 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Schätzung verlassen, und diese ist, vielleicht mit Ausnahme der Fälle, wo die Ungleichheit stark markirt ist, nur wenig zuverlässig. Soweit sich aber ein Urtheil bilden lässt, können wir nichtsdestoweniger aus den im Anhange gegebenen Thatsachen schliessen, dass die Männchen einiger weniger Säugethiere, vieler Vögel und einiger Fische und In- secten die Weibchen an Zahl beträchtlich übertreffen. Das Verhältniss zwischen den Geschlechtern fluctuirt unbedeutend während aufeinanderfolgender Jahre. So variirte bei Rennpferden für je hundert geborener Weibchen die Zahl der Männchen von 107,1 in dem einen Jahre bis zu 92,6 in einem andern Jahre, und bei Wind- spielen von 116,3 zu 95,3. Wären aber Zahlen aus einem noch aus- gedehnteren Bezirke als es England ist tabellarisch zusammengestellt worden, so würden wahrscheinlich diese Fluctuationen verschwunden sein; aber auch so wie sie sind dürften sie kaum genügen, um zur An- nahme einer wirklichen Thätigkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl im Naturzustande zu führen. Nichtsdestoweniger scheinen bei einigen we- nigen wilden Thieren, wie im Anhange gezeigt werden wird, die Pro- portionen entweder während verschiedener Jahre oder in verschiedenen Oertlichkeiten in einem hinreichend bedeutenden Grade zu schwanken, um zu einer derartigen Wirksamkeit zu führen. Denn man muss be- achten, dass irgendwelcher während gewisser Jahre oder in gewissen Oertlichkeiten von denjenigen Männchen erlangte Vortheil, welche im Stande waren, andere Männchen zu besiegen, oder welche für die Weib- chen die meiste Anziehungskraft besassen, wahrscheinlich auf deren Nachkommen überliefert und später nicht wieder eliminirt wurde. Wenn während der aufeinanderfolgenden Jahre in Folge der gleichen Zahl der (reschlechter jedes Männchen überall im Stande wäre, sich ein Weib- chen zu verschaffen, so würden die kräftigeren oder anziehenderen Männ- chen, welche früher erzeugt wurden, mindestens ebensoviel Wahrschein- lichkeit haben, Nachkommen zu hinterlassen, als die weniger kräftigen und weniger anziehenden. Polygamie. — Die Gewohnheit der Polygamie führt zu denselben Resultaten, welche aus einer factischen Ungleichheit in der Zahl der Geschlechter sich ergeben würden. Denn wenn jedes Männchen sich zwei oder mehrere Weibchen verschafft, so werden viele Männchen nicht im Stande sein, sich zu paaren; und zuverlässig werden die letzteren die schwächeren oder weniger anziehenden Individuen sein. Viele Säuge- Cap. 8. Polygamie. 235 thiere und einige wenige Vögel sind polygam; bei Thieren indessen, welche zu den niederen Classen gehören, habe ich keine Zeugnisse hier- für gefunden. Die intellectuellen Kräfte solcher Thiere sind vielleicht nicht hinreichend gross, um sie dazu zu führen, einen Harem von Weib- chen sich zu sammeln und zu bewachen. Dass irgend eine Beziehung zwischen Polygamie und der Entwickelung secundärer Sexualcharac- tere existirt, scheint ziemlich sicher zu sein; und dies unterstützt die Ansicht, dass ein numerisches Uebergewicht der Männchen der Thätig- keit geschlechtlicher Zuchtwahl ganz ausserordentlich günstig sein würde. Niehtsdestoweniger bieten viele Thiere, besonders Vögel, welche ganz streng monogam leben, scharf ausgesprochene secundäre Sexual- charactere dar, während andrerseits einige wenige Thiere, welche po- lygam leben, nieht in dieser Weise ausgezeichnet sind. Wir wollen zuerst schnell die Classe der Säugethiere durchlaufen und uns dann zu den Vögeln wenden. Der Gorilla scheint ein Poly- gamist zu sein, und das Männchen weicht beträchtlich vom Weibchen ab. Dasselbe gilt für einige Paviane, welche in Heerden leben, die zweimal so viele erwachsene Weibchen als Männchen enthalten. In Süd- amerika bietet der Mycetes earaya gut ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheiten in der Färbung, dem Barte und den Stimmorganen dar; und das Männchen lebt meist mit zwei oder drei Weibchen. Das - Männchen des Cebus capueinus weicht etwas von dem Weibchen ab und scheint auch polygam zu sein ®. In Bezug auf die meisten andern Affen ist über diesen Punkt nur wenig bekannt, aber manche Species sind streng monogam. Die Wiederkäuer sind ganz ausserordentlich polygam und sie bieten häufiger geschlechtliche Verschiedenheiten dar, als vielleicht irgend eine andere Gruppe von Säugethieren, besonders in ihren Waffen, aber gleichfalls in anderen Merkmalen. Die meisten hirschartigen, rinderartigen Thiere und Schafe sind polygam, wie es auch die meisten Antilopen sind, obgleich einige der letzteren mono- sam leben. Sir Anprew Saurmn erzählt von den Antilopen in Süd- afrika und sagt, dass in Heerden von ungefähr einem Dutzend selten mehr als ein reifes Männchen sich findet. Die asiatische Antilope Saiga 5 Weber den Gorilla s. Savage and Wyman in: Boston Journ. of Natur. Hist. Vol. V. 184547, p. 423. Ueber Oynocephalus s. Brehm, Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. 1864, S. 77. Ueber Mycetes s. Rengger, Naturgesch. d. Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 14, 20. Ueber Cebus s. Brehm, a. a. 0. S. 108. 236 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. scheint der ausschweifendste Polygamist in der Welt zu sein; denn Parras 6 gibt an, dass das Männchen sämmtliche Nebenbuhler fort- treibt und eine Heerde von ungefähr Hundert um sich sammelt, welche aus Weibchen und Kälbern besteht. Das Weibehen ist hornlos und hat weichere Haare, weicht aber in anderer Weise nicht viel vom Männ- chen ab. Das Pferd ist polygam; mit Ausnahme der bedeutenderen Grösse und der Verhältnisse des Körpers weicht aber der Hengst nur wenig von der Stute ab. Der wilde Eber bietet in seinen grossen Hauern und einigen andern Characteren scharf markirte sexuelle Merk- male dar. In Europa und in Indien führt er mit Ausnahme der Brunst- zeit ein einsames Leben, aber um diese Zeit vergesellschaftet er sich in Indien mit mehreren Weibchen, wie Sir W. Errıor annimmt, wel- cher reiche Erfahrung in der Beobachtung dieses Thieres besitzt. Ob dies auch für den Eber in Europa gilt, ist zweifelhaft, doch wird es von einigen Angaben unterstützt. Der erwachsene männliche indische Elephant bringt, wie der Eber, einen grossen Theil seiner Zeit in Ein- samkeit hin; aber wenn er sich mit andern zusammenthut, so findet man, wie Dr. Campeere angibt, „selten mehr als ein Männchen mit „einer grossen Heerde von Weibchen.“ Die grösseren Männchen trei- ben die kleineren und schwächeren fort oder tödten sie. Das Männchen weicht vom Weibchen durch seine ungeheuren Stosszähne und bedeu- tendere Grösse, ıKraft und Ausdauer ab. Die Verschiedenheit ist in dieser letzteren Beziehung so gross, dass die Männchen, wenn sie ge- faugen sind, zwanzig Procent höher geschätzt werden als die Weib- chen”. Bei anderen pachydermen Thieren weichen die Geschlechter sehr wenig oder gar nicht von einander ab, auch sind sie, soweit es bekannt ist, keine Polygamisten. Kaum eine einzige Species unter den Chiroptern und Edentaten oder aus den grossen Ordnungen der Nage- thiere und Inseetenfresser bietet gut entwickelte secundäre Geschlechts- differenzen dar; und mit Ausnahme der gemeinen Ratte, von der, wie einige Rattenfänger versichern, die Männchen mit mehreren Weibchen 6 Pallas, Spicilegia Zoologica. Fascie. XH. 1777, p. 29. Sir Andrew Smith, Ilustrations of the Zoology of South Africa. 1849, pl. 29 über den Kobus. Owen gibt in seiner Anatomy of Vertebrates, Vol. III, 1868, p, 633, eine Tabelle, welche unter Anderem auch zeigt, welche Arten von Antilopen sich paaren und welche in Heerden leben. R ” Dr. Campbell in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 138. s. auch einen in- teressanten Aufsatz von Lieutenant Johnstone in: Proceed. Asiatic. Soc. in Bengal, May, 1868. Cap. 8. Polygamie. 237 leben, kann ich keine Angabe dafür finden, dass irgend eine Species polygam lebe. Wie ich von Sir Anp«kew SımitH höre, lebt der Löwe in Südafrika zuweilen mit einem einzigen Weibchen, meistens aber mit mehr als einem, und in einem Falle fand man, dass er sogar mit fünf Weibchen lebte, so dass er also polygam ist. Er ist, soweit ich es entdecken kann, der einzige Polygamist in der ganzen Gruppe der landbewohnen- den Carnivoren und er allein bietet wohlausgesprochene Sexual- charactere dar. Wenn wir uns indess zu den See-Carnivoren wenden, so stellt sich der Fall sehr verschieden. Denn viele Species von Rob- ben bieten, wie wir hernach sehen werden, ausserordentliche sexuelle Verschiedenheiten dar, und sie sind in eminentem Grade polygam. So besitzt der männliche See-Elephant der Südsee nach der Angabe von P£ron stets mehrere Weiber und von dem See-Löwen von FORSTER sagt man, dass er von zwanzig bis dreissig Weibchen umgeben wird; im Norden begleitet den männlichen See-Bär von STELLER selbst eine noch grössere Zahl von Weibchen. Was die Vögel betrifft, so sind viele Species, in denen die Geschlech- ter bedeutend von einander abweichen, sicher monogam. In Gross- britannien sehen wir z. B. gut ausgesprochene Verschiedenheiten bei der wilden Ente, welche mit einem einzigen Weibchen sich paart, bei der gemeinen Amsel und beim Gimpel, von dem man sagt, dass er sich für’s Leben paart. Dasselbe gilt, wie Mr. WarrAcE mitgetheilt hat, für die Cotingiden von Südamerika und zahlreiche andere Vögel. In mehreren Gruppen bin ich nicht im Stande gewesen, ausfindig zu machen, ob die Species polygam oder monogam lehen. Lrsson sagt, dass die Paradiesvögel, welche wegen ihrer geschlechtlichen Verschiedenheiten so merkwürdig sind, polygam leben; Mr. Warzack zweifelt aber, ob er für diese Ansicht hinreichende Belege habe. Mr. Sarvın theilt mir mit, er werde zu der Annahme veranlasst, dass die Kolibri’s polygam leben. Der männliche Wittwenvogel (Vidua), welcher wegen seiner Schwanz- federn so merkmürdig ist, scheint sicher ein Polygamist zu sein ®. Mr. JENNER WEIR und Andere haben mir versichert, dass nicht selten drei 5 The Ibis. Vol. III. 1861, p. 133, über den Progne-Wittwenvogel. s. auch über Vidua axillaris ebenda. Vol. I. 1860, p. 211. Ueber die Polygamie des Auerhahns und der grossen Trappe s.L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 19 und 182. Montagu und Selby sprechen vom Birkhuhne als einem poly- gamen, vom Schneehuhne als einem monogamen Vogel. 238 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Siaare ein und dasselbe Nest frequentiren; ob dies aber ein Fall von Polygamie oder Polyandrie ist, ist nicht ermittelt worden. Die hühnerartigen Vögel bieten fast ebenso scharf markirte ge- schlechtliche Verschiedenheiten dar als die Paradiesvögel und Kolibri’s, und viele ihrer Arten sind, wie bekannt ist, polygam; andere dagegen leben in strieter Monogamie. Welchen Contrast bieten die beiden Ge- schlechter des polygamen Pfauen oder Fasans und des monogamen Perl- huhns oder Rebhuhns dar! Es liessen sich viele ähnliche Fälle noch anführen, wie in der Gruppe der Waldhühner, bei denen die Männchen des polygamen Auerhuhns und des Birkhuhns bedeutend von den Weib- chen abweichen, während die Geschlechter des monogamen Moor- und schottischen Schneehuhns nur sehr wenig von einander abweichen. Un- ter den Laufvögeln bietet keine grosse Zahl von Species scharf mar- kirte sexuelle Verschiedenheiten dar, mit Ausnahme der trappenartigen, und man sagt, dass die grosse Trappe (Otis tarda) polygam sei. Unter den Wadvögeln weichen nur äusserst wenige Arten sexuell von einan- der ab, aber der Kampfläufer (Machetes pugnax) bietet eine sehr auf- fallende Ausnahme dar und Moxta@u glaubt, dass diese Art polygam sei. Es scheint daher, als wenn bei Vögeln oft eine nahe Beziehung zwischen Polygamie und der Entwickelung scharf markirter sexueller Verschiedenheiten bestände. Als ich Mr. Bartrert, welcher über Vö- gel so bedeutende Erfahrung besitzt, im zoologischen Garten frug, ob der männliche Tragopan (einer der Gallinaceen) polygam sei, über- raschte mich seine Antwort: „Ich weiss es nicht, ich sollte es aber „nach seinen glänzenden Farben wohl meinen.“ Es verdient Beachtung, dass der Instinet der Paarung mit einem einzigen Weibchen im Zustande der Domestication leicht verloren geht. Die wilde Ente ist streng monogam, die domesticirte Ente stark poly- gam. Mr. W. D. Fox theilt mir mit, dass bei einigen halb gezähm- ten Wildenten, welche auf einem grossen Teiche in seiner Nachbarschaft gehalten wurden, so viele Entriche von den Wildhütern geschossen wur- den, dass nur einer für je sieben oder acht Weibchen übrig gelassen wurde, und doch wurden ganz ungewöhnlich grosse Bruten erzogen. Das Perlhuhn lebt in strieter Monogamie. Mr. Fox findet aber, dass dieser Vogel am besten fortkommt, wenn man auf zwei oder drei Hen- nen einen Hahn hält®. Die Canarienvögel paaren sich im Naturzu- » E.S. Dixon sagt indessen positiv (Örnamental Poultry, 1848, p. 76), dass Cap. 8. Polygamie. 239 stande; aber die Züchter in England bringen mit vielem Erfolge nur ein Männchen zu vier oder fünf Weibchen. Nichtsdestoweniger wird, wie dem Mr. Fox versichert worden ist, nur das erste Weibchen als das eigentliche Weib behandelt, nur dieses und seine Jungen werden von den Männchen gefüttert; die andern werden als Coneubinen be- handelt. Ich habe diese Fälle angeführt, da sie es in ziemlichem Grade wahrscheinlich machen, dass im Naturzustande monogame Arten sehr leicht entweder zeitweise oder beständig polygam werden können. In Bezug auf die Reptilien und Fische muss bemerkt werden, dass zu wenig von ihrer Lebensweise bekannt ist, um uns in den Stand zu setzen, von ihren Hochzeitsarrangements zu sprechen. Man sagt in- dess, dass der Stichling (Gasterosteus) ein Polygamist sei 10, und das Männchen weicht während der Brütezeit auffallend vom Weibchen ab. Fassen wir nun die Mittel zusammen, durch welche, soweit wir es beurtheilen können, die geschlechtliche Zuchtwahl zur Entwiekelung secundärer Sexualcharaetere geführt hat. Es ist gezeigt worden, dass die grösste Zahl kräftiger Nachkommen durch die Paarung der kräftigsten und am besten bewaffneten Männchen, welche andere Männ- chen besiegt haben, mit den kräftigsten und am besten ernährten Weib- chen, welche im Frühjahr am ersten zur Brut bereit sind, erzogen wird. Wenn sich derartige Weibchen die anziehenderen und gleichzeitig auch kräftigeren Männchen auswählen, so werden sie eine grössere Zahl von Nachkommen aufbringen als die übrig gebliebenen Weibchen, welche sich mit den weniger kräftigen und weniger anziehenden Männchen paaren müssen. Dasselbe wird eintreten, wenn die kräftigeren Männ- chen die mit grösserer Anziehungskraft versehenen und zu derselben Zeit gesünderen und kräftigeren Weibchen auswählen; und besonders wird dies gelten, wenn das Männchen das Weibchen vertheidigt und es bei der Beschaffung von Nahrung für die Jungen unterstützt. Der in. dieser Weise von den kräftigeren Paaren beim Aufziehen einer grös- seren Anzahl von Nachkommen erlangte Vortheil hat allem Anscheine nach hingereicht, geschlechtliche Zuchtwahl in Thätigkeit treten zu lassen. Aber ein grosses Uebergewicht an Zahl seitens der Männchen über die Weibchen würde noch wirksamer sein: — mag das Ueberge- wicht nur gelegentlich und local oder bleibend sein, mag es zur Zeit die Eier des Perlhuhns unfruchtbar seien, wenn man mehr als ein Weibchen mit einem Männchen halte. ° Noel Humphreys, River Gardens, 1857. 240 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. der Geburt oder später in Folge der bedeutenderen Zerstörung der Weibchen eintreten, oder mag es indirect ein Resultat eines polygamen Lebens sein. Das Männchen allgemein mehr modifieirt als das Weib- chen. — Wenn die beiden Geschlechter von einander in der äusseren Erscheinung abweichen, so ist es durch das ganze Thierreich hindurch das Männchen, welches, mit seltenen Ausnahmen, hauptsächlich modi- fieirt worden ist; denn das Weibchen bleibt den Jungen seiner eigenen Species und ebenso auch den andern Gliedern derselben Gruppe ähn- licher. Die Ursache hiervon scheint darin zu liegen, dass die Männchen beinahe aller Thiere stärkere Leidenschaften haben als die Weibchen. Daher sind es die Männchen, welche mit einander kämpfen und eifrig ihre Reize vor den Weibchen entfalten ; und diejenigen, welche siegreich aus solchen Streiten hervorgehen, überliefern ihre Superiorität ihren männlichen Nachkommen. Warum die Männchen ihre Merkmale nicht auf beide Geschlechter vererben, wird hernach betrachtet werden. Dass die Männchen aller Säugethiere begierig die Weibchen verfolgen, ist allgemein bekannt. Dasselbe gilt für die Vögel. Aber viele männliche Vögel verfolgen nicht sowohl die Weibchen, als entfalten auch ihr Ge- fieder, führen fremdartige Gesten auf und lassen ihren Gesang erschallen in Gegenwart der Weibchen. Bei den wenigen Fischen, welche beobachtet worden sind, scheint das Männchen viel eifriger zu sein als das Weib- chen; und dasselbe ist bei Alligatoren und, wie es scheint, auch bei Batrachiern der Fall. Durch die ungeheure Classe der Insecten hindurch herrscht, wie Kırey bemerkt !!, „das Gesetz, dass das Männchen das „Weibchen aufzusuchen hat.“ Wie ich von zwei bedeutenden Autori- täten, Mr. BLACKWALL und Mr. C. SpEncE BATE, höre, sind unter den Spinnen und Crustaceen die Männchen lebendiger und in ihrer Lebens- weise herumschweifender als die Weibchen. Wenn bei Insecten und Crustaceen die Sinnes- oder Locomotionsorgane in dem einen Geschlechte vorhanden sind, in dem andern dagegen fehlen, oder wenn sie, wie es häufig der Fall ist, in dem einen Geschlechte höher entwickelt sind als in dem andern, so ist es beinahe unabänderlich, soweit ich es nach- weisen kann, das Männchen, welches derartige Organe behalten oder dieselben am meisten entwickelt hat, und dies zeigt, dass das Männ- !! Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III. 1826, p. 342. Cap. 8. Das Männchen mehr modificirt. 24 chen während der Bewerbung der beiden Geschlechter der lebendigere Theil ist !?. Das Weibchen ist andererseits mit sehr seltenen Ausnahmen we- niger begierig als das Männchen. Wie der berühmte Hunter !3 schon vor langer Zeit bemerkte, verlangt es im Allgemeinen geworben zu werden; es ist spröde, und man kann oft sehen, dass es eine Zeit lang den Versuch macht, dem Männchen zu entrinnen. Jeder, der nur die Lebensweise von Thieren aufmerksam beobachtet hat, wird im Stande sein, sich Beispiele dieser Art in’s Gedächtniss zurückzurufen. Nach verschiedenen später mitzutheilenden Thatsachen zu urtheilen und nach den Resultaten, welche getrost der geschlechtlichen Zuchtwahl zuge- schrieben werden können, übt das Weibchen, wenn auch vergleichsweise passiv, allgemein eine gewisse Wahl aus und nimmt ein Männchen im Vorzug vor andern an. Oder wie die Erscheinungen uns zuweilen zu glauben veranlassen dürften: es nimmt nicht dasjenige Männchen, wel- ches ihm das anziehendste war, sondern dasjenige, welches ihm am wenigsten zuwider war. Das Ausüben einer gewissen Wahl von Seiten des Weibchens scheint ein fast so allgemeines Gesetz wie die Begierde des Männchens zu sein. Wir werden natürlich veranlasst, zu untersuchen, warum das Männ- chen in so vielen: und so weit von einander verschiedenen Classen gie- riger als das Weibchen geworden ist, so dass es das Weibchen auf- sucht und den lebendigeren Theil bei der ganzen Bewerbung darstellt. Es würde kein Vortheil und sogar etwas Verlust an Kraft sein, wenn beide Geschlechter gegenseitig einander suchen sollten. Warum soll aber fast immer das Männchen der suchende Theil sein? Bei Pflanzen müssen die Eichen nach der Befruchtung eine Zeit lang ernährt werden, daher wird der Pollen nothwendig zu den weiblichen Organen hinge- bracht, er wird auf die Narbe entweder durch die Thätigkeit der In- !2 Ein parasitisches Insect aus der Ordnung der Hymenopteren bietet (vergl. Westwood, Modern Classific. of Insects, Vol. II, p. 160) eine Ausnahme von dieser Regel dar, da das Männchen rudimentäre Flügel hat und niemals die Zelle, in welcher es geboren wurde, verlässt, während das Weibchen gut entwickelte Flügel besitzt. Audouin glaubt, dass die Weibchen von den Männchen befruchtet werden, welche mit ihnen in derselben Zelle geboren werden; es ist aber viel wahrscheinlicher, dass die Weibchen andere Zellen besuchen und dadurch nahe Inzucht vermeiden. Wir werden später einigen wenigen exceptionellen Fällen aus verschiedenen Olassen begegnen, wo das Weibchen anstatt des Männchens der aufsuchende und werbende Theil ist. 13 Essays and Observations, edited bei Owen. Vol. I. 1861. p. 194. DARWwIN, Abstammun®. I. Zweite Auflaee. 16 242 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. secten oder des Windes oder durch die eigenen Bewegungen der Staub- fäden gebracht. Bei den Algen und anderen Pflanzen geschieht dies sogar durch die locomotive Fähigkeit der Antherozoiden. Bei niedrig organisirten Thieren, welche beständig an einem und demselben Orte befestigt sind und getrennte Geschlechter haben, wird das männliche Element unabänderlich zum Weibchen gebracht, und wir können hiervon auch die Ursache einsehen; denn die Eier, selbst wenn sie sich vor ihrer Befruchtung lösten und keiner späteren Ernährung oder Beschützung bedürften, könnten wegen ihrer relativ bedeutenderen Grösse weniger leicht transportirt werden als das männliche Element. Daher sind die Verhältnisse bei Pflanzen !* und vielen der niederen Thiere in dieser Beziehung analog. Da die Männchen fest angehefteter Thiere dadurch veranlasst wurden, ihr befruchtendes Element auszustossen, so ist es natürlich, dass diejenigen ihrer Nachkommen, welche sich in der Stufen- leiter erhoben und die Fähigkeit der Ortsbewegung erlangten, dieselbe Gewohnheit beibehielten und sich den Weibchen bedeutend näherten, damit das befruchtende Element nicht der Gefahr eines langen Weges durch das Wasser des umgebenden Meeres ausgesetzt würde. Bei ei- nigen wenigen der niederen Thiere sind die Weibchen allein festgehef- tet und in diesen Fällen müssen die Männchen der suchende Theil sein. In Bezug auf Formen, deren Urerzeuger ursprünglich freilebend waren, ist es schwer zu verstehen, warum unabänderlich die Männchen die Gewohnheit erlangt haben, sich den Weibchen zu nähern, anstatt von ihnen aufgesucht zu werden. In allen Fällen würde es aber, damit die Männchen erfolgreich Suchende werden, nothwendig sein, dass sie mit starken Leidenschaften begabt würden; die Erlanguug solcher Leiden- schaften würde eine natürliche Folge davon sein, dass die begierigeren Männchen eine grössere Zahl von Nachkommen hinterliessen als die weniger begierigen. Die grössere Begierde des Männchens hat somit indirect zu der viel häufigeren Entwickelung secundärer Sexualcharactere beim Männ- chen als beim Weibchen geführt. Aber die Entwickelung solcher Charactere wird auch, wenn die Schlussfolgerung, zu welcher ich nach meinem Studium der domestieirten Thiere. gelangt bin, zuverlässig ist, 14 Prof. Sachs (Lehrbuch der Botanik, 1870, S. 633) bemerkt bei der Schil- derung der männlichen und weiblichen reproductiven Zellen: es „verhält sich die eine bei der Vereinigung activ,.... . die andere erscheint bei der Vereinigung passiv.“ Cap. 8. Das Männchen mehr modifieirt. 243 noch durch einen andern Umstand bedeutend unterstützt werden, da- durch nämlich, dass das Männchen viel häufiger variirt als das Weib- chen. Ich weiss sehr wohl, wie schwierig es ist, eine Schlussfolgerung dieser Art zu verificiren. Einige nieht sehr gewichtige Zeugnisse kann man indessen durch eine Vergleichung der beiden Geschlechter des Menschen erlangen, da der Mensch viel sorgfältiger beobachtet worden ist, als irgend ein anderes Thier. Während der Novara-Expedition 3 wurde eine ungeheure Zahl von Messungen der verschiedenen Körper- theile bei verschiedenen Rassen angestellt; und dabei wurde gefunden, dass die Männer in beinahe allen Fällen eine grössere Breite der Va- riation darboten als die Weiber. Ich werde aber auf diesen Gegenstand in einem späteren Capitel zurückzukommen haben. Mr. J. Woon !6, welcher die Abänderungen der Muskeln beim Menschen sorgfältig ver- folgt hat, druckt die Schlussfolgerung gesperrt, dass „die grösste Zahl „von Abnormitäten an eimem einzelnen Leichnam bei den Männern ge- „funden wird“. Er hatte vorher bemerkt, dass „im Ganzen unter „hundertundzwei Leichnamen die Varietäten mit überzähligen Bildungen „ein halb Mal häufiger bei Männern vorkommen als bei Frauen, was „sehr auffallend gegen die grössere Häufigkeit von Varietäten mit Feh- „len gewisser Theile bei Weibern contrastirt, was vorhin besprochen „wurde.“ Professor MAcaLıstEr bemerkt gleichfalls 17, dass Variationen in den Muskeln „wahrscheinlicher bei Männern häufiger sind als bei „Weibern.* Gewisse Muskeln, welche normal beim Menschen nicht vorhanden sind, finden sich auch häufiger beim männlichen Geschlechte entwickelt als beim weiblichen, obgleich man annimmt, dass Ausnahmen von dieser Regel vorkommen. Dr. Burr WirLper !° hat hundertzwei- undfünfzig Fälle von der Entwickelung überzähliger Finger in Tabellen gebracht. Von diesen Individuen waren 86 männliche und 39, oder weniger als die Hälfte, weibliche, während die übrigbleibenden sieben- undzwanzig in Bezug auf ihr Geschlecht unbekannt waren. Man darf indess nicht übersehen, dass Frauen häufiger wohl versuchen dürften, 15 Reise der Novara: Anthropologischer Theil. 1867, S. 216, 269. Die Re. sultate wurden nach den von K. Scherzer und Schwarz ausgeführten Mes- sungen berechnet von Dr. Weisbach. Ueber die grössere Variabilität der Männ- chen bei domestieirten Thieren s. mein „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.*“ Bd. 2, 8. 98. 16 Proceedings of the Royal Society. Vol. XVI. July 1868, p. 519, 524. 1? Proceed. Royal Irish Academy. Vol. X. 1868, p. 123. !5 Massachusetts Medical Society. Vol. II. No. 3. 1868, p. 9. 163 / 944 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. eine Missbildung dieser Art zu verheimlichen, als Männer. Ob die ver- hältnissmässig grosse Zahl von Todesfällen unter den männlichen Nach- kommen des Menschen und allem Anscheine nach auch der Schafe vor, während und kurz nach der Geburt im Vergleich mit der Zahl der Todesfälle unter den weiblichen Nachkommen (s. Anhang) irgend eine Beziehung zu einer stärkeren Neigung seitens der Organe des Männ- chens zu variiren und daher in der Structur oder Funetion abnorm zu werden hat, darüber will ich nieht wagen, auch nur eine Vermuthung zu äussern. In verschiedenen Classen des Thierreichs kommen einige wenige ausnahmsweise Fälle vor, in welchen das Weibchen statt des Männ- chens gut ausgesprochene secundäre Sexualcharactere erlangt hat, wie z. B. glänzendere Farben, bedeutendere Grösse, Kraft oder Kampflust. Wie wir hernach sehen werden, findet sich bei Vögeln zuweilen eine vollständige Transposition der jedem Geschlechte gewöhnlich eigenen Charactere; die Weibchen sind in ihren Bewerbungen viel gieriger ge- worden, die Männchen bleiben vergleichsweise passiv, wählen aber doch, wie es scheint und wie man nach den Resultaten wohl schliessen darf, sich die anziehendsten Weibchen aus. Hierdurch sind gewisse weib- liche Vögel lebhafter gefärbt oder in anderer Weise auffallender verziert, sowie kräftiger und kampflustiger geworden als die Männchen, und es werden dann auch diese Charactere nur den weiblichen Nachkommen überliefert. Man könnte vermuthen, dass in einigen Fällen ein doppelter Vor- gang der Zuchtwahl stattgefunden habe, dass nämlich die Männchen die anziehenderen Weibchen und die letzteren die anziehenderen Männ- chen sich ausgewählt haben. Doch würde dieser Process, wenn er auch zur Modification beider Geschlechter führen könnte, doch nicht das eine Geschlecht vom andern verschieden machen, wenn nicht geradezu ihr Geschmack für das Schöne ein verschiedener wäre. Dies ist indess für alle Thiere, mit Ausnahme des Menschen, eine zu unwahrscheinliche Annahme, als dass sie der Betrachtung werth wäre. Es gibt jedoch viele Thiere, bei denen die Geschlechter einander ähnlich sind, bei denen beide mit denselben Ornamenten ausgerüstet sind, welche der Thätig- keit der geschlechtlichen Zuchtwahl zuzuschreiben uns wohl die Ana- logie veranlassen könnte. In solchen Fällen dürfte mit grösserer Wahrscheinlichkeit vermuthet werden, dass ein doppelter oder wech- selseitiger Process geschlechtlicher Zuchtwahl eingetreten war. Die Cap. 8. Das Männchen mehr modifieirt. 245 ) stärkeren und früher reifen Weibehen würden die anziehenderen und kräftigeren Männchen gewählt, und die letzteren alle Weibchen mit Aus- nahme der anziehenderen zurückgewiesen haben. Nach dem aber, was wir von der Lebensweise der Thiere wissen, ist diese Ansicht kaum wahrscheinlich, da das Männchen allgemein begierig ist, sich mit irgend einem Weibehen zu paaren. Es ist wahrscheinlicher, dass die, beiden Geschlechtern gemeinsam zukommenden Zierden von einem Geschlechte, und zwar im Allgemeinen dem männlichen, erlangt und dann den Nach- kommen beider Geschlechter überliefert wurden. In der That, wenn während einer langdauernden Periode die Männchen irgend einer Spe- cies bedeutend die Weibchen an Zahl überträfen und dann während einer gleichfalls lange andauernden Periode unter verschiedenen Lebens- bedingungen das Umgekehrte einträte, so könnte leicht ein doppelter aber nicht gleichzeitiger Process der geschlechtlichen Zuchtwahl in Thätigkeit treten, durch welchen die beiden Geschlechter sehr von ein- ander verschieden gemacht würden. Wir werden später sehen, dass viele Thiere existiren, bei denen weder das eine, noch das andere Geschlecht brillant gefärbt oder mit speciellen Zierathen versehen ist, und bei denen doch die Individuen beider Geschlechter oder nur des einen wahrscheinlich durch geschlecht- liche Zuehtwahl modifieirt worden sind. Die Abwesenheit glänzender Farben oder anderer Zierathen kann das Resultat davon sein, dass Abänderungen der richtigen Art niemals vorgekommen sind oder dass die Thiere selbst einfache Farben, wie schlichtes Schwarz oder Weiss, vorziehen. Düstere Farben sind oft durch natürliche Zuchtwahl zum Zweck des Schutzes erlangt worden, und die Entwickelung auffallen- derer Farben durch geschechtliche Zuchtwahl kann durch die damit verbundene Gefahr oft gehemmt worden sein. In andern Fällen aber haben die Männchen wahrscheinlich lange Zeit hindurch mit einander gekämpft, entweder durch rohe Gewalt oder durch die Entfaltung ihrer Reize oder durch beide Mittel in Verbindung; und doch wird keine Wirkung erreicht worden sein, wenn nicht eine grössere Zahl von Nach- kommen von den erfolgreicheren Männchen zur weiteren Vererbung ihrer Superiorität hinterlassen worden ist, als von den weniger erfolgreichen Männchen; und dies hängt, wie früher gezeigt wurde, von verschiedenen complieirten Zufälligkeiten ab. Geschlechtliche Zuchtwahl wirkt in einer weniger rigorösen Weise als natürliche Zuchtwahl. Die Letztere erreicht ihre Wirkungen durch 246 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. das Leben oder den Tod, auf allen Altersstufen, der mehr oder weniger erfolgreichen Individuen. In der That folgt zwar der Tod auch nicht selten dem Streite rivalisirender Männchen. Aber allgemein gelingt es nur dem weniger erfolgreichen Männchen nicht, sich ein Weibchen zu verschaffen, oder dasselbe erlangt später in der Jahreszeit ein übhrig- gebliebenes und weniger kräftiges Weibchen, oder erlangt, wenn die Art polygam ist, weniger Weibchen, so dass es weniger oder minder kräftige oder gar keine Nachkommen hinterlässt. Was die Struetur- verhältnisse betrifft, welche durch gewöhnliche oder natürliche Zucht- wahl erlangt werden, so findet sich in den meisten Fällen, solange die Lebensbedingungen dieselben bleiben, eine Grenze, bis zu welcher die vortheilhaften Modificationen in Bezug auf gewisse specielle Zwecke sich steigern können. Was aber die Structurverhältnisse betrifft, welche dazu führen, das eine Männchen über das andere siegreich zu machen, sei es im directen Kampfe oder im Gewinnen des Weibchens durch aller- hand Reize, so findet sich für den Betrag vortheilhafter Modificationen keine bestimmte Grenze, so dass die Arbeit der geschlechtlichen Zucht- wahl so lange fortgehen wird, als die gehörigen Abänderungen auftre- ten. Dieser Umstand kann zum Theil den häufig ausserordentlichen Betrag von Variabilität erklären, welchen die secundären Geschlechts- charaetere darbieten. Nichtsdestoweniger wird aber die natürliche Zucht- wahl immer entscheiden, dass die siegreichen Männchen keine Charactere solcher Art erlangen, welche für sie in irgend hohem Grade schädlich sein würden, sei es dass zu viel Lebenskraft auf dieselben verwendet würde oder dass die Thiere dadurch irgend grossen Gefahren ausgesetzt würden. Es ist indess die Entwickelung gewisser solcher Bildungen — z. B. des Geweihes bei manchen Hirscharten — bis zu einem wun- derbaren Extreme geführt worden und in manchen Fällen bis zu einem Extreme, welches, soweit die allgemeinen Lebensbedingungen in Betracht kommen, für das Männchen von nicht unbedeutendem Nachtheile sein muss. Aus dieser Thatsache lernen wir, dass die Vortheile, welche die begünstigten Männchen aus dem Siege über andere Männchen im Kampfe oder in der Bewerbung erlangt haben, wodurch sie auch in den Stand gesetzt wurden, eine zahlreichere Nachkommenschaft zu hinter- lassen, auf die Länge bedeutender gewesen sind als diejenigen, welche aus einer vollkommeneren Anpassung an die äusseren Lebensbedingun- gen resultiren. Wir werden ferner sehen, und dies hätte sich niemals voraus erkennen lassen, dass das Vermögen, das Weibchen durch Reize Cap. 8. _ Gesetze der Vererbung. 247 zu fesseln, in einigen wenigen Fällen von grösserer Bedeutung gewesen ist als das Vermögen, andere Männchen im Kampf zu besiegen. Gesetze der Vererbung. Um zu verstehen, in welcher Weise geschlechtliche Zuchtwahl ge- wirkt und im Laufe der Zeit auffallende Resultate bei vielen Thieren vieler Classen hervorgebracht hat, ist es nothwendig, die Gesetze der Vererbung, soweit dieselben bekannt sind, im Geiste gegenwärtig zu halten. Zwei verschiedene Elemente werden unter dem Ausdrucke „Ver- erbung“ begriffen, nämlich die Ueberlieferung und die Entwickelung von Charaeteren. Da aber diese meistens Hand in Hand gehen, wird die Unterscheidung oft übersehen. Wir sehen diese Verschiedenheit an den- jenigen Merkmalen, welche in den früheren Lebensaltern überliefert wer- den, welche aber erst zur Zeit der Reife oder während des höheren Alters entwickelt werden. Wir sehen denselben Unterschied noch deut- licher bei secundären Sexualcharacteren; denn diese werden durch beide Geschlechter hindurch vererbt und doch nur in dem einen allein entwickelt. Dass sie in beiden Geschlechtern vorhanden sind, zeigt sich offenbar, wenn zwei Species, welche scharf markirte sexuelle Merkmale besitzen, gekreuzt werden. Denn eine jede überliefert die ihrem männ- lichen und weiblichen Gesehlechte eigenen Charactere auf die Bastard- nachkommen beider Geschlechter. Dieselbe Thatsache wird offenbar, wenn Charactere, welche dem Männchen eigen sind, gelegentlich beim Weibchen sich entwickeln, wenn dieses alt und krank wird; und dies gilt auch umgekehrt für das Männchen. Ferner erscheinen gelegent- lich Merkmale, als seien sie von dem Männchen auf das Weibchen über- tragen: so z. B. wenn in gewissen Hühnerrassen Sporne regelmässig bei den jungen und gesunden Weibchen auftreten; in Wahrheit haben sie sich aber nur einfach beim Weibchen entwickelt. Denn in jeder Brut wird jedes Detail der Structur des Spornes durch das Weibchen hindurch auf dessen männliche Nachkommen vererbt. In allen Fällen von Rückschlag werden Charaetere durch zwei, drei oder viele Generationen hindurch vererbt und dann unter gewissen unbekannten günstigen Bedingungen entwickelt. Diese bedeutungsvolle Unterscheidung zwischen Ueberliefe- rung und Entwickelung wird am leichtesten im Sinne behalten werden mit Hülfe der Hypothese der Pangenesis, mag man dieselbe nun als wahr annehmen oder nicht. Dieser Hypothese zu Folge stösst jede Ein- heit oder Zelle des Körpers Keimehen oder Entwickelungsatome ab, 248 Geschlechtliche Zuchtwahl. Il. Theil. welche den Nachkommen beider Geschlechter überliefert werden und sich durch Selbsttheilung vervielfältigen. Sie können während der früheren Lebensjahre oder während aufeinanderfolgender Generationen unentwickelt bleiben: ihre Entwiekelung zu kleinsten Einheiten oder Zellen, die denen gleichen, von welchen sie selbst herrühren, hängt von ihrer Verwandtschaft oder Vereinigung mit andern Einheiten oder Zellen ab, die sich vor ihnen im gesetzmässigen Gange des Wachsthums ent- wickelt haben. Vererbung auf entsprechenden Perioden des Lebens. — Die Neigung hierzu ist eine sicher ermittelte Thatsache. Wenn ein neues Merkmal an einem Thiere auftritt, so lange es Jung ist, mag dasselbe nun während des ganzen Lebens bestehen bleiben oder nur eine Zeit lang währen, so wird es der allgemeinen Regel nach in demselben Alter und in derselben Art und Weise auch bei den Nachkommen wiedererscheinen. Wenn auf der anderen. Seite ein neuer Character im Alter der Reife erscheint oder selbst während des hohen Alters, so neigt er dazu, bei den Nachkommen in demselben vorgeschrittenen Alter wiederzuerscheinen. Treten Abweichungen von dieser Regel auf, so erscheinen die über- lieferten Charactere viel häufiger vor als nach dem entsprechenden Alter. Da ich diesen Gegenstand mit hinreichender Ausführlichkeit in einem anderen Werke !? erörtert habe, so will ich hier nur zwei oder drei Beispiele anführen, um den Gegenstand in das Gedächtniss des Lesers zurückzurufen. Bei mehreren Hühnerrassen weichen die Hühnchen, während sie noch mit dem Dunenkleide bedeckt sind, dann die jungen Vögel in ihrem ersten wirklichen Gefieder und auch die Hühner in ihrem erwachsenen Federkleide bedeutend von einander, ebenso wie von ihrer gemeinsamen elterlichen Form, dem Gallus bankiva, ab; und diese Charactere werden von jeder Zucht ihren Nachkommen zu den ent- sprechenden Lebensaltern treu überliefert. So haben z. B. die Hühn- chen der geflitterten (spangled) Hamburger, so lange sie mit Dunen bekleidet sind, einige wenige dunkle Flecke auf dem Kopfe und am Rumpfe, sind aber nicht längsweise gestreift, wie in vielen anderen Zuchten; in ihrem ersten wirklichen Gefieder sind sie „wunder- 1% Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, S. 99. In dem vorletzten Capitel desselben Bandes ist die oben erwähnte provisorische Hypothese der Pangenesis ausführlich erörtert worden. Cap. 8. Gesetze der Vererbung. 249 „voll gestrichelt“, d. h. jede Feder ist von zahlreichen dunklen Strichen quer gezeichnet; aber in ihrem zweiten Gefieder werden die Federn alle geflittert, d. h. erhalten einen dunklen runden Fleck an der Spitze 2°. Es sind daher in dieser Zucht in drei verschiedenen Lebensperioden Abänderungen aufgetreten und sind dann überliefert worden. Die Taube bietet einen noch merkwürdigeren Fall dar, da die ursprüngliche elter- liche Species mit Vorschreiten des Alters keine Veränderung des Ge- fieders erleidet, ausgenommen, dass zur Zeit der Reife die Brust mehr iridescirtt. Und doch gibt es Rassen, welche ihre characteristischen Farben nicht eher erlangen, als bis sie sich zwei-, drei- oder viermal gemausert haben; und diese Modificationen des Gefieders werden regel- mässig vererbt. Vererbung zu entsprechenden Jahreszeiten. — Bei Thieren im Naturzustande kommen zahllose Beispiele vor, dass Merk- male zu verschiedenen Zeiten des Jahres periodisch erscheinen. Wir sehen dies an dem Geweihe der Hirsche und dem Pelzwerke aretischer Thiere, welches während des Winters diek und weiss wird. Zahlreiche Vögel erlangen allein während der Brutzeit glänzende Farben und andere Zierden. Ich kann auf diese Form von Vererbung von den an Thieren im domesticirten Zustande gemachten Beobachtungen aus nur wenig Licht werfen. Parıas gibt an?!, dass in Sibirien die domesticirten Rinder und Pferde während des Winters periodisch heller gefärbt wer- den, und ich habe eine ähnliche auffallende Veränderung der Farbe bei gewissen Ponies in England beobachtet. Obgleich ich nicht weiss, dass diese Neigung, ein verschieden gefärbtes Kleid während verschie- dener Jahreszeiten anzunehmen, vererbt wird, so ist dies doch wahr- scheinlich der Fall, da alle Farbenschattirungen vom Pferde streng vererbt werden. Auch ist diese durch die Jahreszeit bestimmte Ver- 20 Diese Thatsachen sind nach der hohen Autorität eines grossen Züchters, Mr. Teebay, iu Tegetmeier’s Poultry Book, 1868, p. 158 mitgetheilt. Ueber die Charactere von Hühnchen verschiedener Rassen und über die Rassen der Tauben, welche oben erwähnt werden, s. das Variiren der Thiere und Pflanzen u. s. w. Bd. 1, S. 109, 308. Bd. 2, 101. 2! Novae species Quadrupedum e Glirium ordine. 1778, p. 7. Ueber die Vererbung der Farbe bei Pferden s. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication Bd. 1, S. 63. Vergl. auch in demselben Buche Bd. 2, S. 91 eine allgemeine Erörterung über die durch das Geschlecht beschränkte Vererbung. 250 Geschlechtliche Zuchtwahl. 1, Theil. erbung nicht merkwürdiger als eine durch Alter oder Geschlecht be- schränkte. Vererbung durch dasGeschlecht beschränkt. — Die gleichmässige Ueberlieferung von Characteren auf beide Geschlechter ist die häufigste Form der Vererbung, wenigstens bei denjenigen Thieren, welche keine stark markirten geschlechtlichen Verschiedenheiten dar- bieten und in der That auch bei vielen mit solchen. Es werden aber nicht selten Charactere ausschliesslich auf dasjenige Geschlecht vererbt, bei welchem sie zuerst erschienen. Hinreichende Belege über diesen Punkt sind in meinem Werke über das Variiren der Thiere und Pflan- zen im Zustande der Domestication mitgetheilt worden; ich will aber auch hier ein paar Beispiele anführen. Es gibt Rassen vom Schafe und der Ziege, bei denen die Hörner des Männchens bedeutend in der Form von denen des Weibchens abweichen ; und diese im Zustande der Do- mestication erlangten Verschiedenheiten werden regelmässig auf dasselbe Geschlecht wieder überliefert. Bei weiss, braun und schwarz gefleckten - Katzen („tortoise-shell“) sind der allgemeinen Regel zufolge nur die Weibchen so gefärbt, wogegen die Männchen rostroth sind. Bei den meisten Hühnerrassen werden die jedem Geschlechte eigenen Charactere nur auf dieses selbe Geschlecht vererbt. Diese Form der Ueberlieferung ist so allgemein, dass es eine Anomalie ist, wenn wir bei gewissen Rassen Variationen gleichmässig auf beide Geschlechter vererbt sehen. So gibt es auch gewisse Unterrassen von Hühnern, bei welchen die Männchen kaum von einander unterschieden werden können, während die Weibchen beträchtlich in der Färbung abweichen. Bei der Taube sind die Geschlechter der elterlichen Species in keinem äusseren Cha- racter von einander verschieden; nichtsdestoweniger ist bei gewissen domesticirten Rassen das Männchen vom Weibchen verschieden ge- färbt ??. Die Fleischlappen bei der englischen Botentaube und der Kropf bei der Kropftaube sind beim Männchen stärker entwickelt als beim Weibchen; und obschon diese Charactere durch lange fortgesetzte Zuchtwahl seitens des Menschen erlangt worden sind, so ist doch die Verschiedenheit zwischen den beiden Geschlechtern gänzlich Folge der Form von Vererbung, welche hier geherrscht hat. Denn sie sind nicht 22 Dr. Chapuis, Le Pigeon Voyageur Belge. 1865, p. 87. Boitard et Corbie, Les Pigeons de Voliere etc. 1824, p. 173. Cap. 8. Gesetze der Vererbung.. 251 in Folge der Wünsche des Züchters, sondern eher gegen dıese Wünsche aufgetreten. Die meisten unserer domestieirten Rassen sind durch die Anhäufung vieler unbedeutender Abänderungen gebildet worden; und da einige der aufeinanderfolgenden Stufen nur auf ein Geschlecht, einige auf beide Geschlechter überliefert worden sind, so finden wir in den verschiedenen Rassen einer und derselben Species alle Abstufungen zwischen bedeuten- der sexueller Verschiedenheit und vollständiger Aehnlichkeit. Es sind bereits Beispiele angeführt worden von den Rassen des Huhns und der Taube, und im Naturzustande sind analoge Fälle von häufigem Vor- kommen. Bei Thieren im Zustande der Domestication, ob aber auch im Naturzustande will ich nicht zu sagen wagen, kann das eine Ge- schlecht ihm eigenthümliche Charactere verlieren und hierdurch dazu kommen, dass es in einer gewissen Ausdehnung dem andern Geschlechte ähnlich wird; z. B. haben die Männchen einiger Hühnerrassen ihre männlichen Schwanz- und Sichelfedern verloren. Auf der andern Seite können aber auch die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern im Zustande der Domestication erhöht werden, wie es beim Merinoschafe der Fall ist, wo die Mutterschafe die Hörner verloren haben. Ferner können Charactere, welehe dem einen Geschlechte eigen sind, plötzlich beim anderen erscheinen, wie es bei den Unterrassen des Huhnes der Fall ist, bei denen die Hennen, während sie noch jung sind, Sporne erhalten, oder, wie es bei den Unterrassen der polnischen Hühner sich findet, bei denen, wie man wohl anzunehmen Grund hat, ursprünglich zuerst die Weibchen eine Federkrone erhielten und sie später auf die Männchen vererbten. Alle diese Fälle sind unter Annahme der Hypothese der Pangenesis verständlich ; denn sie hängen davon ab, dass die Keim- chen gewisser kleinster Einheiten des Körpers, trotzdem sie in beiden Geschlechtern vorhanden sind, doch durch den Einfluss der Domestication in dem einen Geschlechte ruhend erhalten werden oder, wenn sie ihrer Natur nach ruhen, zur Entwickelung gebracht werden. Es findet sich hier noch eine schwierige Frage, welche passender auf ein späteres Capitel verschoben werden mag, nämlich ob ein ur- sprünglich in beiden Geschlechtern entwickelter Character durch Zucht- wahl in seiner Entwickelung auf ein Geschlecht allein beschränkt werden kann. Wenn z. B. ein Züchter beobachtete, dass einige seiner Tauben (bei welcher Species Charactere gewöhnlich in gleichem Grade auf beide Geschlechter überliefert werden) in ein blasses Blau variirten, kann er 252 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil, dann durch lange fortgesetzte Zuchtwahl eine Rasse erziehen, bei welcher nur die Männchen von dieser Färbung sind, während die Weibchen unverändert bleiben? Ich will hier nur bemerken, dass dies äusserst schwierig sein dürfte, wenn es auch vielleicht nicht unmöglich ist. Denn das natürliche Resultat eines Weiterzüchtens von den blassblauen Männchen würde das sein, seinen ganzen Stamm mit Einschluss beider Geschlechter in diese Färbung hinüberzuführen. Wenn indessen Ab- änderungen der bewussten Färbung auftreten, welche vom Anfang an in ihrer Entwickelung auf das männliche Geschlecht beschränkt wären, so würde nicht die mindeste Schwierigkeit vorliegen, eine Rasse zu bilden, welehe dadurch characterisirt ist, dass beide Geschlechter eine verschiedene Färbung zeigen, wie es in der That mit einer belgischen Rasse erreicht worden ist, bei welcher nur die Männchen schwarz ge- streift sind. Wenn in einer ähnlichen Weise irgend eine Abänderung bei einer weiblichen Taube aufträte, welche vom Anfang an in ihrer Entwiekelung geschlechtlich beschränkt wäre, so würde es leicht sein, eine Rasse zu erziehen, bei welcher nur die Weibchen in dieser Weise characterisirt wären. Wäre aber die Abänderung nicht ursprünglich in dieser Weise beschränkt, so würde der Process äusserst schwierig, vielleicht unmöglich sein. Ueber die Beziehung zwischen der Periode‘ der Ent- wickelung eines Characters und seiner Ueberlieferung auf ein Geschlecht oder auf beide. — Warum gewisse Charac- tere von beiden Geschlechtern, andere nur von einem Geschlechte, näm- lich von demjenigen, bei welchem der Character zuerst auftrat, geerbt werden, ist in den meisten Fällen völlig unbekannt. Wir können nicht einmal eine Vermuthung aufstellen, warum bei gewissen Unterrassen der Taube schwarze Streifen, trotzdem sie durch das Weibchen zur Vererbung gelangen, sich nur beim Männchen entwickeln, während jedes andere Merkmal gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert wird; warum ferner bei Katzen die schwarze, braun und weisse Färbung (tortoise-shell) mit seltener Ausnahme nur bei den Weibchen sich entwickelt. Ein und derselbe Character, wie fehlende und überzählige Finger, Farbenblindheit u. s. w. kann beim Menschen nur von den männlichen Gliedern einer ‚Familie und in einer andern Familie nur von den weiblichen geerbt werden, trotzdem er in beiden Fällen ebenso gut durch das entgegengesetzte wie durch das gleichnamige Geschlecht Cap. 8. Gesetze der Vererbung. 253 überliefert wird *?. Obgleich wir uns hiernach in Unwissenheit befinden, so gelten doch häufig zwei Regeln: nämlich, dass Abänderungen, welche zuerst in einem von beiden Geschlechtern in einer späteren Lebenszeit auftreten, sich bei demselben Geschlechte zu entwickeln neigen, während Abänderungen, welche zeitig im Leben in einem der beiden Geschlechter zuerst auftreten, zu einer Entwickelung in beiden Geschlechtern neigen. Ich bin indessen durchaus nicht gemeint, hierin die einzige bestimmende Ursache zu erblicken. Da ich nirgends anders diesen Gegenstand er- örtert habe und er eine bedeutende Tragweite in Bezug auf geschlecht- liche Zuchtwahl hat, so muss ich hier in ausführliche und etwas in- trieate Einzelnheiten eingehen. Es ist an sich wahrscheinlich, dass irgend ein Character, welcher in frühem Alter auftritt, zu einer gleichmässig auf beide Geschlechter sich äussernden Vererbung neigt. Denn die Geschlechter weichen der Constitution nach nicht sehr von einander ab, so lange das Reproduc- tionsvermögen noch nicht erlangt ist. Ist auf der andern Seite dieses Vermögen eingetreten und haben die Geschlechter begonnen, ihrer Con- stitution nach von einander abzuweichen, so werden die Keimehen (wenn ich mich hier der Sprechweise der Hypothese der Pangenesis bedienen darf), welche von jedem variirenden Theile in dem einen Geschlechte abgestossen werden, viel mehr in der Lage sein, die eigenthümlichen Beziehungen zu einer Verbindung mit den Geweben des gleichnamigen Geschlechts darzubieten und sich daher zu entwickeln , und zwar mehr mit diesen, als mit den Keimehen des andern Geschlechts. Zu der Annahme, dass eine Beziehung dieser Art existire, wurde ich zuerst durch die Thatsache geführt, dass, sobald nur immer in irgendwelcher Weise das erwachsene Männchen von dem erwachsenen Weibehen verschieden geworden ist, das erstere in derselben Weise auch von den Jungen beider Geschlechter verschieden ist. Die Allgemeinheit dieser Thatsache ist durchaus merkwürdig. Sie gilt für beinahe alle Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische, auch für viele Crustaceen, Spinnen und einige wenige Insecten, nämlich gewisse Orthopteren und Libellen. In allen diesen Fällen müssen die Abänderungen, durch deren Anhäufung das Männchen seine eigenthümlichen männlichen Charactere erlangt hat, in einer etwas späten Periode des Lebens eingetreten sein, sonst würden die jungen Männchen ähnlich ausgezeichnet worden sein; ?% Verweisungen sind gegeben in meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ Bd. 2, S. 94. 254 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. und in Uebereinstimmung mit unserem Gesetz werden sie nur auf er- wachsene Männchen vererbt und entwickeln sich nur bei diesen. Wenn andererseits das erwachsene Männchen den Jungen beider Geschlechter sehr ähnlich ist (wobei diese mit seltener Ausnahme einander gleich sind), so ist es meist auch dem erwachsenen Weibchen ähnlich; und in den meisten dieser Fälle traten die Abänderungen, durch welche das junge und alte Thier ihre gegenwärtigen Merkmale erlangten, wahr- scheinlich in Uebereinstimmung mit unserer Regel während der Jugend auf. Hier kann man aber wohl zweifeln, da zuweilen die Charactere auf die Nachkommen in einem früheren Alter vererbt werden als in dem, in welchem sie zuerst bei den Eltern erscheinen, so dass die Eltern abgeändert als sie erwachsen waren, und ihre Charactere dann auf die Nachkommen vererbt haben können, während diese jung waren. Ueberdies gibt es viele Thiere, bei denen die beiden Geschlechter ein- ander sehr ähnlich und doch von ihren Jungen verschieden sind; und hier müssen die Charactere der Erwachsenen spät im Leben erlangt worden sein; trotzdem werden diese Merkmale im scheinbaren Wider- spruch gegen unser Gesetz auf beide Geschlechter vererbt. Wir dürfen indessen die Möglichkeit oder selbst Wahrscheinlichkeit nicht übersehen, dass Abänderungen der nämlichen Natur zuweilen gleichzeitig und in gleicher Weise bei beiden Geschlechtern, wenn sie ähnlichen Bedin- gungen ausgesetzt sind, zu einer im Ganzen späteren Periode des Lebens auftreten; und in diesem Falle werden die Abänderungen auf die Nachkommen beider Geschlechter in einem entsprechenden späten Lebensalter vererbt. Hier würde denn kein wirklicher Widerspruch gegen unsere Regel eintreten, dass die Variationen, welche spät im Leben auftreten, ausschliesslich auf das Geschlecht vererbt werden, bei dem sie zuerst erscheinen. Dieses letztere Gesetz scheint noch allgemeiner zu gelten als das zweite, dass nämlich Abänderungen, welche in einem der beiden Geschlechter früh im Leben auftreten, zu einer Vererbung auf beide Geschlechter neigen. Da es offenbar unmög- lich war, auch nur annäherungsweise zu schätzen, in einer wie grossen Anzahl von Fällen durch das ganze Thierreich hindurch diese beiden Sätze Gültigkeit haben, so kam ich auf den Gedanken, einige auffallende und entscheidende Beispiele zu untersuchen und mich auf das von ihnen gebotene Resultat zu verlassen. Einen ausgezeichneten Fall bietet für diese Untersuchung die Familie der hirsehartigen Thiere dar. Bei sämmtlichen Arten, mit Ausnahme Cap. 8. Gesetze der Vererbung. 255 einer einzigen, entwickelt sich das Geweih nur beim Männchen, trotzdem es ganz sicher dureh das Weibchen überliefert wird und auch wohl im Stande ist, sich gelegentlich abnormer Weise bei diesem zu entwickeln. Andererseits ist beim Renthiere das Weibchen mit einem Geweihe ver- sehen, so dass bei dieser Art das Geweih entsprechend unserem Gesetze zeitig im Leben auftreten müsste, lange zuvor ehe die beiden Geschlechter zur Reife gelangten und in ihrer Constitution sehr auseinander giengen. Bei allen den anderen Arten der Hirsche müsste das Geweih später im Leben auftreten und in Folge hiervon nur bei demjenigen Geschlechte zur Entwickelung gelangen, bei dem es zuerst am Urerzeuger der ganzen Familie erschien. Ich finde nun bei sieben zu verschiedenen Sectionen der Familie gehörigen und verschiedene Gegenden bewohnenden Species, bei welchen nur die Männchen Geweihe tragen, dass das Geweih zuerst in einer Zeit erscheint, welche von neun Monaten nach der Geburt, und dies beim kehbock, bis zu zehn oder zwölf oder selbst noch mehr Monaten nach derselben variirt, letzteres bei den Hirschen der sechs anderen grösseren Species **. Aber bei dem Renthier liegt der Fall sehr verschieden. Denn wie ich von Professor Nırsson höre, welcher meinetwegen monatelang specielle Untersuchungen in Lappland freundlich genug anstellen liess, erscheinen die Hörner bei den jungen Thieren innerhalb der ersten vier oder fünf Wochen nach der Geburt, und zwar zu derselben Zeit bei beiden Geschlechtern. Wir haben daher hier ein Gebilde, welches sich zu einer sehr ungewöhnlich frühen Lebenszeit in einer Species der Familie entwickelt und welches beiden Geschlechtern in dieser einen Species eigen ist. Bei mehreren Arten von Antilopen sind die Männchen allein mit Hörnern versehen, während in der grösseren Zahl beide Geschlechter Hörner haben. In Bezug auf die Periode der Entwickelung derselben theilt mir Mr. Bryr# mit, dass im zoologischen Garten gleichzeitig einmal ein junger Kudu (Antilope strepsiceros), bei welcher Art nur ?: Ich bin Herrn Cupples sehr verbunden, welcher von Mr. Robertson, dem erfahrenen Oberwildwart des Marquis of Breadalbane, Erkundigungen über den Rehbock und den Hirsch in Schottland für mich eingezogen hat. In Bezug auf den Damhirsch bin ich Mr. Eyton und Anderen für Mittheilungen zu Danke verpflichtet. Wegen des Cervus alces von Nord-Amerika s. Land and Water, 1868, p. 221 u. 254. und wegen Üervus virginianus und strongylocerus desselben Continents s. J. D. Caton in: Ottawa Acad. of Natur. Seience. 1868, p. 13. Wegen des ÜÖervus Eldi von Pegu s. Lieutenant Beavan in: Proceed. Zoologie. Soc. 1867, p. 762. 256 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. die Männchen gehörnt sind, und das Junge einer nahe verwandten Species, nämlich des Eland (Antilope oreas) lebten, bei welchem beide Geschlechter gehörnt sind. Nun waren in strenger Uebereinstimmung mit unserem Gesetze bei dem jungen männlichen Kudu, trotzdem der- selbe bereits zehn Monate alt war, die Hörner merkwürdig klein, wenn man die schliesslich von ihnen erreichte Grösse in Betracht zieht, während bei dem jungen männlichen Eland, obgleich er nur drei Monate alt war, die Hörner bereits sehr viel grösser waren als bei dem Kudu. Es ist auch der Erwähnung werth, dass bei der gabelhörnigen Anti- lope *®, bei welcher Species die Hörner zwar bei beiden Geschlechtern vorhanden, aber beim Weibchen fast rudimentär sind, sie nicht eher erscheinen, als ungefähr fünf oder sechs Monate nach der Geburt. Bei Schafen, Ziegen und den Rindern, bei denen die Hörner in beiden Ge- schlechtern gut entwickelt sind, wenn sie auch in der Grösse nicht völlig gleich sind, können sie schon bei der Geburt oder bald nachher gefühlt oder selbst schon gesehen werden ?®. Unser Gesetz lässt uns indess in Bezug auf einige Schafrassen im Stiche, z. B. bei den Merinos, wo nur die Widder gehörnt sind. Denn in Folge eingezogener Erkun- digungen *? bin ich nur im Stande, zu sagen, dass die Hörner bei dieser Rasse später im Leben entwickelt werden als bei gewöhnlichen Schafen, bei denen beide Geschlechter gehörnt sind. Es ist aber bei domesti- cirten Schafen das Vorhandensein oder das Fehlen der Hörner kein scharf fixirter Character. Eine gewisse relative Anzahl der Merino- mutterschafe trägt kleine Hörner und einige Widder sind hornlos, wäh- rend bei gewöhnlichen Schafen auch hornlose Mutterschafe gelegentlich geboren werden. 25 Antilocapra americana. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 627. 26 Mir ist versichert worden, dass bei den Schafen in Nord-Wales schon zur Zeit der Geburt die Hörner immer gefühlt werden können und zuweilen selbst einen Zoll lang sind. In Bezug auf das=Rind sagt Youatt (Cattle, 1334, p. 277), dass der Vorsprung des Stirnbeins bei der Geburt die Haut durchbohrt und dass die Hornsubstanz sich bald auf demselben bildet. 27 Prof. Vietor Carus hat für mich bei den höchsten Autoritäten in Bezug auf die Merino-Schafe in Sachsen Erkundigungen eingezogen. An der Guinea- küste in Afrika gibt es vier Schafrassen, bei welchen wie bei den Merinos nur die Widder allein Hörner haben; und Mr. Winwood Reade theilt mir mit, dass in dem einen beobachteten Falle ein junger, am 10. Febr. geborener Widder zuerst am 6. März die Hörner zeigte, so dass die Entwickelung der Hörner in diesem Falle zu einer späteren Lebensperiode eintrat, unserem Gesetze zufolge, als bei dem Waliser Schaf, bei denen beide Geschlechter gehörnt sind. . Cap.. 8. Gesetze der Vererbung. 957 In den meisten Arten der prachtvollen Familie der Fasanen weichen die Männchen auffallend von den Weibehen ab und erreichen ihre Kör- perzierde in einer verhältnissmässig späten Periode des Lebens. Der Ohrenfasan (Crossoptilon auritum) bietet indess eine merkwürdige Aus- nahme dar, denn hier besitzen beide Geschlechter die schönen Schwanz- federn, die grossen Ohrbüschel und den scharlachnen Sammet um den Kopf; und eine Erkundigung im zoologischen Garten hat mir ergeben, dass alle die Charactere in Uebereinstimmung mit unserem Gesetze sehr zeitig im Leben erscheinen. Das erwachsene Männchen kann in- dessen vom erwachsenen Weibchen durch ein Merkmal unterschieden werden, nämlich durch das Vorhandensein von Spornen; und in Ueber- einstimmung mit unserer Regel fangen diese, wie mir Mr. BArRTLETT versichert hat, sich nicht vor dem Alter von sechs Monaten zu ent- wickeln an und können selbst in diesem Alter in beiden Geschlechtern kaum unterschieden werden 2°. Der männliche und weibliche Pfau differiren auffallend von einander in fast jedem Theile ihres Gefieders, mit Ausnahme des eleganten Federstutzes auf dem Kopfe, welcher beiden Geschlechtern eigen ist; und dieser entwickelt sich sehr früh im Leben, lange zuvor, ehe die anderen Zierathen sich entwickeln, welche auf das Männchen beschränkt sind. Die wilde Ente bietet einen ana- logen Fall dar, denn der schöne grüne Spiegel auf den Flügeln ist beiden Geschlechtern gemeinsam, trotzdem er beim Weibchen dunkel und etwas kleiner ist; und dieser entwickelt sich zeitig im Leben, während die gekräuselten Schwanzfedern und andere dem Männchen eigenthüm- lichen Zierden später entwickelt werden ?9®. Zwischen solchen extremen 2 Beim gemeinen Pfau (Pavo ceristatus) besitzt nur das Männchen Sporne, während beim Javanischen Pfau (Pavo muticus) der ungewöhnliche Fall eintritt, dass beide Geschlechter mit Spornen versehen sind. Ich glaubte daher sicher er- warten zu dürfen, dass sich dieselben bei der letzten Species früher im Leben entwickeln würden, als beim gemeinen Pfau. Mr. Hegt in Amsterdam theilt mir aber mit, dass bei jungen, zu beiden Species gehörenden Vögeln des vorher- gehenden Jahres eine am 23. April 1869 vorgenommene Vergleichung keine Verschiedenheit in der Entwickelung der Sporne zeigte. Indessen waren zu dieser Zeit die Sporne nur durch unbedeutende Höcker oder Erhebungen repräsentirt. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass man es mir mitgetheilt haben würde, wenn später irgend eine Verschiedenheit in der Schnelligkeit der Entwickelung bemerk- bar gewesen wäre. 29 Bei einigen anderen Arten der Familie der Enten ist der Spiegel bei bei- den Geschlechtern in einem bedeutenden Grade verschieden; ich bin aber nicht im Stande gewesen, nachzuweisen, ob seine völlige Entwickelung bei den Männchen DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 17 258 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Fällen grosser sexueller Uebereinstimmung und bedeutender Verschieden- heit, wie die des Crossoptilon und des Pfaus, könnten viele mitten innen- liegende angeführt werden, in denen die Charactere in der Reihenfolge ihrer Entwickelung unseren beiden Gesetzen folgen. Da die meisten Insecten ihre Puppenhülle in einem geschlechts- reifen Zustande verlassen, so ist es zweifelhaft, ob die Periode der Entwickelung das Uebertragen ihrer Merkmale auf eines oder beide Geschlechter bestimmt. Wir wissen aber nicht, ob die gefärbten Schuppen z. B. in zwei Arten von Schmetterlingen, von denen die eine in den beiden Geschlechtern verschieden ist, während in der anderen beide gleich sind, in demselben relativen Alter im Cocon sich ent- wickeln. Auch wissen wir nicht, ob alle Schuppen gleichzeitig auf den Flügeln einer und derselben Species von Schmetterlingen entwickelt werden, bei welcher gewisse gefärbte Auszeichnungen auf ein Geschlecht beschränkt sind, während andere Flecke beiden Geschlechtern gemeinsam sind. Eine Verschiedenheit dieser Art in der Periode der Entwickelung ist nicht so unwahrscheinlich, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn bei den Orthoptern, welche ihren erwachsenen Zustand nicht durch eine einzige Metamorphose, sondern durch eine Reihe auf- einanderfolgender Häutungen erreichen, gleichen die jungen Männchen einiger Species zuerst den Weibchen und erlangen ihre unterscheidenden männlichen Merkmale erst während einer späteren Häutung. Streng analoge Fälle kommen auch während der aufeinanderfolgenden Häutungen gewisser männlichen Krustenthiere vor. | Wir haben bis jetzt nur die Uebertragung von Merkmalen in Be- zug auf die Periode der Entwickelung bei Species im Naturzustande betrachtet. Wir wollen uns nun zu den domestieirten Thieren wenden und zuerst Monstrositäten und Krankheiten berühren. Das Vorhanden- sein überzähliger Finger und das Fehlen gewisser Phalangen muss zu solcher Arten später im Leben eintritt als bei der gemeinen Ente, wie es unserer Regel zu Folge der Fall sein sollte. Wir haben aber bei dem verwandten Mergus cucullatus einen Fall dieser Art: hier weichen die beiden Geschlechter auffallend in der allgemeinen Befiederung und auch in einem beträchtlichen Grade in dem Spiegel ab, welcher beim Männchen rein weiss, beim Weibchen gräulich weiss ist. Nun sind die jungen Männchen zuerst in allen Beziehungen den Weibchen ähnlich und haben einen gräulich-weissen Spiegel; dieser wird aber in einem früheren Alter rein weiss, als in dem, in welchem das erwachsene Männchen seine stärker ausgesprochenen sexuellen Verschiedenheiten im Gefieder erhält. s. Au- dubon, Ornithological Biography. Vol. III. 1855, p. 249— 250. % Cap. 8. Gesetze der Vererbung. 959 einer frühen embryonalen Periode bestimmt werden — wenigstens ist die Neigung zu profusen Blutungen angeboren, wie es wahrscheinlich auch die Farbenblindheit ist —; doch sind diese Eigenthümlichkeiten und andere ähnliche oft in Bezug auf ihre Ueberlieferung auf ein Ge- schlecht beschränkt, so dass das Gesetz, dass Charactere, welche in einer frühen Periode sich entwickeln, auf beide Geschlechter vererbt zu werden neigen, hier vollständig fehlschlägt. Wie aber vorhin bemerkt wurde, scheint dieses- Gesetz keine nahezu so allgemeine Gültigkeit zu haben, wie der umgekehrte Satz, dass Charactere, welche spät im Leben an einem Geschlechte erscheinen, auch nur ausschliesslich auf dieses selbe Geschlecht vererbt werden. Aus der Thatsache, dass die oben erwähnten abnormen Eigenthümlichkeiten auf ein Geschlecht beschränkt werden, und zwar lange ehe die geschlechtlichen Functionen in Thätig- keit treten, können wir schliessen, dass eine Verschiedenheit irgend welcher Art zwischen den Geschlechtern schon zu einem äusserst frühen Lebensalte: bestehen muss. Was geschlechtlich beschränkte Krank- heiten betrifft, so wissen wir zu wenig von der Zeit, zu welcher sie überhaupt entstehen, um irgend einen sicheren Schluss zu ziehen. In- dessen scheint die Gicht unter unser Gesetz zu fallen, denn sie ist meist verursacht durch Unmässigkeit nach der ersten Jugend und wird vom Vater auf seine Söhne in einer viel ausgesprocheneren Art als auf seine Töchter vererbt. Bei den verschiedenen domestieirten Schafen, Ziegen und Rindern weichen die Männchen von ihren respectiven Weibchen in der Form oder der Entwickelung ihrer Hörner, ihrer Stirn, ihrer Mähne, ihrer Wamme, ihres Schwanzes und ihrer Höcker auf den Schultern ab; und in Uebereinstimmung mit unserem Gesetze werden diese Eigenthümlich- keiten nicht eher vollständig entwickelt, als ziemlich spät im Leben. Bei Hunden weichen die Geschlechter nicht von einander ab, ausgenommen da- rin, dass bei gewissen Rassen, besonders bei dem schottischen Hirschhunde das Männchen viel grösser und schwerer als das Weibchen ist. Und wie wir in einem späteren Capitel sehen werden, nimmt das Männchen bis zu einer ungewöhnlich späten Lebenszeit beständig an Grösse zu, welcher Umstand nach unserer Regel es erklären wird, dass die be- deutendere Grösse nur seinen männlichen Nachkommen vererbt wird. Andrerseits ist die dreifarbige Beschaffenheit des Haares (tortoise-shell), welche auf weibliche Katzen beschränkt ist, schon bei der Geburt völlig deutlich, und dieser Fall streitet gegen unser Gesetz. Es gibt eine 17 * 260 (Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Taubenrasse, bei welcher nur die Männchen mit Schwarz gestreift sind, “und die Streifen können selbst bei Nestlingen schon nachgewiesen wer- den; sie werden aber deutlicher mit jeder später eintretenden Mause- rung, so dass dieser Fall zum Theil unserer. Regel widerspricht, zum Theil sie unterstützt. Bei der enzlischen Botentaube und dem Kröpfer tritt die völlige Entwickelung der Fleischlappen und des Kropfes ziem- lich spät im Leben ein; und diese Charactere werden in Ueberein- stimmung mit unserem Gesetze in Vollkommenheit nur den Männchen vererbt. Die folgenden Fälle gehören vielleicht in die früher erwähnte Classe, bei welcher die beiden Geschlechter in einer und derselben Art und Weise auf einer ziemlich späten Periode des Lebens variirt und in Folge dessen ihre neuen Merkmale auf beide Geschlechter in einer ent- sprechend späten Periode vererbt haben; und wenn dies der Fall ist, so widersprechen derartige Fälle unserer Regel nicht. So gibt es Unter- rassen der Tauben, welche NEUMEISTER ?0 beschrieben hat, bei denen beide Geschlechter, nachdem sie sich zwei- oder dreimal gemausert haben, die Farbe verändern, wie es in gleicher Weise auch der Mandel- purzler thut. Nichtsdestoweniger sind diese Veränderungen, trotzdem sie ziemlich spät im Leben auftreten, beiden Geschlechtern gemeinsam. Eine Varietät des Canarienvogels, nämlich der „London Prize“, bietet einen ziemlich analogen Fall dar. Bei den Hühnerrassen scheint die Vererbung verschiedener Charac- tere auf ein Geschlecht oder auf beide Geschlechter allgemein durch die Periode bestimmt zu werden, in welcher sich solche Charactere entwickeln. So weicht in allen den Zuchten, bei welchen das erwach- sene Männchen bedeutend in der Färbung von den Weibchen und von der erwachsenen männlichen elterlichen Form abweicht, dasselbe auch von dem jungen Männchen ab, so dass die erst neuerdings erlangten Charactere in einer verhältnissmässig späten Periode des Lebens er- schienen sein müssen. Andererseits sind bei den meisten Rassen, bei denen die beiden Geschlechter einander ähnlich sind, die Jungen in nahezu derselben Art und Weise gefärbt wie ihre Eltern, und dies macht es wahrscheinlich, dass ihre Farben zuerst früh im Leben auf- traten. Wir sehen Beispiele dieser Thatsache bei allen schwarzen und weissen Rassen, bei denen die Jungen und Alten beider Geschlechter 3” Das Ganze des Taubenzucht. 1837, S. 21, 24. In Bezug auf die gestreiften Tauben s. Dr. Chapuis, Le Pigeon Voyageur Belge, 1365, p. 87. Cap. 8. Gesetze der Vererbung. 261 einander gleich sind. Auch kann nicht behauptet werden, ‚dass in einem schwarzen oder weissen Gefieder etwas Eigenthümliches liege, welches zu seiner Vererbung auf beide Geschlechter führe. Denn allein die Männchen vieler natürlicher Species sind entweder schwarz oder weiss, während die Weibchen sehr verschieden gefärbt sind. Bei den soge- nannten Kukuksunterrassen des Huhns, bei welchen die Federn quer mit dunklen Streifen gestrichelt sind, sind beide Geschlechter und die Hühnchen in nahezu derselben Art und Weise gefärbt. Das Gefieder der Sebright-Bantam-Hühner mit schwarz geränderten Federn ist in beiden Geschlechtern dasselbe und bei den Hühnchen sind die Federn nur schwarz gefleckt, was eine beträchtliche Annäherung an das Ge- rändertsein darstellt. Die geflitterten Hamburger bieten indess eine theilweise Ausnahme dar, denn wenn schon die beiden Geschlechter sich nicht vollkommen gleich sind, so ähneln sie sich doch einander mehr, als es die Geschlechter der ursprünglichen elterlichen Species thun; und doch erreichen sie ihr characteristisches Gefieder spät im Leben, denn die ‘ Hühnchen sind deutlich gestrichelt. Wendet man sich zu anderen Merkmalen ausser der Farbe, so besitzen allein die Männchen der wilden elterlichen Species und der meisten domestieirten Rassen einen gehörigen, wohlentwickelten Kamm ; aber bei dem jungen spanischen Huhne ist er in einem sehr frühen Alter bedeutend entwickelt und dem Anscheine nach in Folge hiervon auch bei den erwachsenen Weibchen von unge- wöhnlicher Grösse. Bei der Kampfhahnrasse wird die Kampfsucht in einem wunderbar frühen Alter entwickelt, wovon merkwürdige Beweise gegeben werden könnten; und dieser Character wird auch auf beide Geschlechter vererbt, so dass die Hennen wegen ihrer ausserordentlichen Kampfsucht jetzt allgemein in besonderen Behältern ausgestellt werden. Bei den polnischen Rassen bildet sich die Protuberanz des Schädels, welche die Federkrone trägt, zum Theil schon ehe die Hühnchen aus- schlüpfen und die Federkrone selbst beginnt sehr bald zu wachsen, wenn auch anfangs nur schwach 3!. Und in dieser Rasse characterisirt eine grosse knöcherne Protuberanz und eine ungeheure Federkrone die erwachsenen Thiere beider Geschlechter. 31 Wegen ausführlicher Einzelheiten und Verweisungen über alle diese Punkte in Bezug auf verschiedene Rassen des Huhns s. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, S. 309 u. 316. Was die höheren Thiere betrifft, so sind die geschlechtlichen Verschiedenheiten, welche im Zustande der Domestication entstanden sind, in demselben Werke unter den die einzelnen Species behandelnden Abschnitten beschrieben, 262 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Nach dem nun endlich, was wir jetzt von den Beziehungen ge- sehen haben, welche in vielen natürlichen Species und domestieirten Rassen zwischen der Periode der Entwickelung ihrer Merkmale und der Art und Weise ihrer Ueberlieferung existirtt, — z. B. die auffallende Thatsache des frühen Wachsthums des Geweihes beim Renthier, bei dem beide Geschlechter Geweihe tragen, im Vergleich mit dessen viel später eintretenden Wachsthum bei den anderen Species, bei denen das Männchen allein ein Geweih trägt, — können wir schliessen, dass die eine, wenn auch nicht die einzige Ursache des Umstandes, dass Cha- ractere ausschliesslich auf ein Geschlecht vererbt werden, deren Ent- wickelung in einem späteren Alter ist, und zweitens, dass eine, wenn auch wie es scheint weniger wirksame Ursache des Umstandes, dass Charaetere von beiden Geschlechtern vererbt werden, deren Entwickelung in einem frühen Alter ist, in einer Zeit also, wo die Geschlechter in ihrer Constitution nur wenig von einander abweichen. Es scheint indessen, als wenn doch irgend eine Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern selbst während einer frühen embryonalen Periode existiren müsste; denn in diesem Alter entwickelte Merkmale werden nicht selten auf ein Ge- schlecht beschränkt. Zusammenfassung und Schlussbemerkungen. — Nach der vorstehenden Erörterung über die verschiedenen Gesetze der Ver- erbung sehen wir, dass Merkmale oft oder selbst allgemein geneigt sind, sich bei demselben Geschlecht in dem nämlichen Alter und periodisch in derselben Jahreszeit, in welcher sie zuerst bei den Eltern auftraten, zu entwickeln. Diese Gesetze sind aber in Folge unbekannter Ursachen sehr einer Abänderung ausgesetzt. Die aufeinanderfolgenden Stufen in der Modifiecation einer Species können daher leicht auf verschiedenen Wegen überliefert werden; einige dieser Stufen werden nur auf ein Geschlecht, andere auf beide vererbt, einige auf die Nachkommen eines bestimmten Alters und einige andere auf alle Altersstufen. Es sind nicht bloss die Gesetze der Vererbung äusserst complicirt, sondern es sind auch die Ursachen so, welche die Variabilität herbeiführen und beherrschen. Die auf diese Weise verursachten Abänderungen werden durch geschlechtliche Zuchtwahl aufbewahrt und angehäuft, welche an sich wieder eine äusserst complieirte Angelegenheit ist, da sie von der Gluth der Liebe, dem Muthe und der Nebenbuhlerschaft der Männchen und von dem Wahrnehmungsvermögen, dem Geschmacke und dem Willen Cap. 8. Allgemeines über. geschlechtliche Zuchtwahl. 263 der Weibchen abhängt. Geschlechtliche Zuehtwahl wird auch in Bezug auf das allgemeine Wohlsein der Species von der natürlichen Zuchtwahl beherrscht. Es kann daher nicht anders sein, als dass die Art und Weise, in welcher die Individuen eines von beiden Geschlechtern oder beider Geschlechter durch geschlechtliche Zuchtwahl beeinflusst werden, im äus- sersten Grade complicirt ist. Wenn Abänderungen spät im Leben bei einem Geschlechte auf- treten und auf dasselbe Geschlecht in demselben Alter überliefert wer- den, so werden nothwendigerweise das andere Geschlecht und die Jungen unverändert bleiben. Treten die Abänderungen spät im Leben auf, werden sie aber auf beide Geschlechter in demselben Alter vererbt, so werden nur die Jungen unverändert gelassen. Indessen können Ab- änderungen auf jeder Periode des Lebens in einem Geschlechte oder in beiden auftreten und auf beide Geschlechter in allen Altersstufen über- liefert werden, und dann werden alle Individuen der Art in ähnlicher Weise modifieirt werden. In den folgenden Capiteln werden wir sehen, dass alle diese Fälle im Naturzustande häufig auftreten. (reschlechtliche Zuchtwahl kann niemals auf irgend ein Thier wirken, bevor nicht das Alter der Reproduction erreicht ist. In Folge der grossen Begierde des Männchens hat sie meistens auf dieses Geschlecht und nicht auf die Weibehen gewirkt. Hierdurch sind die Männchen mit Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern oder mit Organen zur Entdeckung und zum sichern Festhalten der Weibchen oder zum Reizen oder zum Gefallen derselben versehen worden. Wenn die Geschlechter in dieser Hinsicht von einander abweichen, so ist es auch, wie wir ge- sehen haben, ein äusserst allgemeines Gesetz, dass das erwachsene. Männchen mehr oder weniger vom jungen Männchen verschieden ist; und wir können aus dieser Thatsache schliesen, dass die aufeinander- folgenden Abänderungen, durch welche das erwachsene Männchen modi- fieirt wurde, allgemein nicht lange vor dem Eintritt des reproduetions- fähigen Alters entwickelt wurden. Sobald aber nur immer einige oder viele der Abänderungen früh im Leben aufgetreten sind, werden die jungen Männchen in einem grösseren oder geringeren Grade an den Characteren der erwachsenen Männchen theilhaben. Verschiedenheiten dieser Art zwischen den alten und den jungen Männchen können häufig beobachtet werden, z. B. bei Vögeln. Es ist wahrscheinlich, dass junge männliche Thiere oft in, einer Weise zu variiren gestrebt haben, welche in einem frühen Alter nicht 2654 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. bloss für sie von keinem Nutzen, sondern geradezu schädlich gewesen sein würde — wie z. B. die Erlangung glänzender Farben, welche sie ihren Feinden viel sichtbarer gemacht haben würden, oder von Gebilden, wie grossen Hörnern, welche während ihrer Entwickelung viel Lebens- kraft beansprucht haben würden. Bei jungen Männchen auftretende Abänderungen dieser Art werden beinahe gewiss durch natürliche Zucht- wahl beseitigt worden sein. Andererseits wird bei erwachsenen und erfahrenen Männchen der durch Erlangung derartiger Charactere ein- tretende Vortheil in Bezug auf ihre Nebenbuhlerschaft gegenüber am- deren Männchen häufig den Umstand, dass sie dadurch Gefahren ih mancherlei Graden ausgesetzt wurden, mehr als aufgehoben haben. Da Abänderungen, welche denen, die dem Männchen eine Superio- rität über andere Männchen beim Kampfe oder beim Aufsuchen, Fest- halten oder Bezaubern des andern Geschlechts geben, analog sind, wenn sie durch Zufall beim Weibchen auftreten, diesem von keinem Nutzen sein würden, so werden sie in diesem Geschlechte durch geschlechtliche Zuchtwahl nicht erhalten worden sein. Wir haben hinreichende Belege dafür, dass bei domestieirten Thieren Abänderungen aller Arten durch Kreuzung und zufällige Todesfälle bald verloren gehen, wenn sie nicht sorgfältig bei der Nachzucht ausgewählt werden. In Folge hiervon werden Abänderungen der obigen Art, wenn sie durch Zufall bei Weib- chen auftreten, äusserst geneigt sein, verloren zu gehen, und die Weib- chen würden dann unverändert gelassen werden, sofern diese Charaetere in Betracht kommen, ausgenommen insoweit, als sie durch Uebertra- gung von den Männchen her dieselben erhalten. Ohne Zweifel werden, wenn die Weibchen variiren und ihre neu erlangten Charactere ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts überlieferten, die Charactere, welche den Männchen von Vortheil waren, durch geschlechtliche Zuchtwahl er- halten werden, trotzden sie für die Weibchen selbst von keinem Nutzen sind. In diesem Falle werden beide Geschlechter in der nämlichen Art und Weise modifieirt werden. Ich werde indessen später auf diese verwickelten Fälle zurückzukommen haben. Unaufhörlich hat die Natur von Abänderungen, welche spät im Leben auftreten und nur auf ein Geschlecht überliefert werden, Vor- theil gezogen und hat solche durch geschlechtliche Zuchtwahl mit Be- ziehung auf die Reproduetion der Art angehäuft. Es erscheint daher auf den ersten Blick als unerklärliche Thatsache, dass ähnliche Abände- rungen nicht auch häufig durch natürliche Zuchtwahl mit Beziehung auf %, Cap. 8. Allgemeines über geschlechtliche Zuchtwahl. 265 die gewönhliche Lebensweise angehäuft worden sind. Wäre dies ein- getreten, so würden die beiden Geschlechter häufig in verschiedener Weise modifieirt worden sein, z. B. zum Zwecke des Fangens von Beute oder des Entgehens der Gefahr. Wir haben solche Fälle bereits kennen gelernt und werden später noch anderen Beispielen von Verschieden- heiten dieser Art zwischen den beiden Geschlechtern begegnen, beson- ders bei den niederen Thieren; doch sind sie bei den höheren Classen selten. Wir sollten indessen im Sinne behalten, dass die Geschlechter in den höheren Classen allgemein eine gleiche Lebensweise haben; und angenommen, dass die Männchen allein in einer Weise variirten, welche ihr Vermögen, sich Subsistenz zu verschaffen, begünstigte u. s. w., und dass sie solche Abänderungen auch nur auf ihre männlichen Nachkommen vererbten, so würden diese allerdings eine Organisation erhalten, welche der der Weibchen überlegen wäre. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Weibchen, welche dieselbe allgemeine Constitution haben und den- selben Bedingungen ausgesetzt sind, früher oder später in derselben Art und Weise variiren werden; und sobald dies eintritt, werden die Abänderungen gleichmässig durch natürliche Zuchtwahl in beiden Ge- schlechtern erhalten werden, welche hierdurch schliesslish einander gleich werden. Der Fall ist von dem weit verschieden, wo Variationen durch natürliche Zuchtwahl angehäuft werden; denn die Lebensbedingungen der beiden Geschlechter in Bezug auf die reproductiven Functionen sind nicht dieselben, und geschlechtlich überlieferte Modificationen, die nur dem einen (reschlechte von Nutzen sind, werden in diesem erhalten wer- den, während ähnliche Modificationen oft für das andere Geschlecht vollständig nutzlos sind und in Folge dessen in diesem bald verloren gehen werden. In den folgenden Capiteln werde ich von den secundären Sexual- characteren bei Thieren aller Classen handeln und werde in jedem einzel- nen Falle die in dem vorliegenden Capitel auseinandergesetzten Grundsätze anzuwenden versuchen. Die niedrigsten Classen werden uns nur für eine sehr kurze Zeit aufhalten, aber die höheren Thiere, besonders die Vögel, müssen in einer ziemlichen Ausführlichkeit betrachtet werden. Man muss dabei im Auge behalten, dass ich aus bereits angeführten Grün- den nur beabsichtigte, einige wenige erläuternde Beispiele von den zahl- losen Bildungen zu geben, durch deren Hülfe das Männchen das Weib- chen findet oder, wenn es dasselbe gefunden hat, festhält. Auf der 266 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. andern Seite werden alle die Bildungseigenthümlichkeiten und Instincte, durch welche ein Männchen andere Männchen besiegt und durch welche dasselbe das Weibchen anlockt oder aufreizt, ausführlich erörtert wer- den, da diese in vielen Fällen die interessantesten sind. Anhang über die proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter bei Thieren verschiedener Classen. Da Niemand, so weit ich darüber nachkommen kann, den relativen Zahlen der beiden Geschlechter durch das ganze Thierreich Aufmerk- samkeit geschenkt hat, will ich hier meine Materialien geben so wie ich sie mir habe sammeln können, obschon sie ausserordentlich unvoll- ständig sind. Sie enthalten nur in einigen wenigen Fällen wirkliche Zählungen und auch diese Zahlen sind nicht sehr gross. Da die Ver- hältnisszahlen mit Sicherheit und auf Grund im grossen Maassstabe unternommener Zählungen nur vom Menschen bekannt sind, will ich zuerst diese als Maassstab der Vergleichung mittheilen. Mensch. — In England wurden während des Zeitraums von zehn Jahren (von 1857 bis 1866) 707,120 Kinder im jährlichen Mittel leben- dig geboren und zwar im Verhältniss von 104,5 Knaben auf 100 Mäd- chen. Im Jahre 1857 verhielten sich aber die männlichen Geburten durch ganz England wie 105,2 und im Jahre 1865 wie 104,0 zu 100 weiblichen. Betrachtet man einzelne Bezirke, so war in Buckingham- shire (wo im Mittel jährlich 5000 Kinder geboren werden) das mitt- lere Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Geburten während der ganzen Periode der oben genannten zehn Jahre 102,s zu 100, wäh- rend es in Nord-Wales (wo das jährliche Mittel der Geburten 12,373 beträgt) sich bis auf 106,2 zu 100 erhob. Nimmt man einen noch kleineren Bezirk, z. B. Rutlandshire (wo die jährlichen Geburten im Mittel nur 739 betragen), so verhielten sich im Jahre 1864 die männ- lichen Geburten wie 114,6 und im Jahre 1862 wie 97,0 zu 100; aber selbst in diesem kleinen Bezirke war das mittlere Verhältniss aus den 7385 Geburten während der ganzen zehnjährigen Periode wie 104,5, zu 100, d. i. also das nämliche Verhältniss wie durch ganz England ®?. #2 Twenty-ninth Annual Report of the Registrar-General for 1866. In die- sem Eerichte ist (p. XII) eine specielle zehnjährige Tabelle gegeben. Cap. 8. Zahlenverhältniss der beiden Geschlechter. 267 Die Proportionen werden zuweilen durch unbekannte Ursachen in ge- ringem Grade gestört; so gibt Prof. FayE an, „dass in einigen Bezirken „von Norwegen während einer zehnjährigen Periode beständig zu wenig „Knaben geboren wurden, während in andern das umgekehrte Verhält- „niss bestand“. In Frankreich verhielten sich während vierundvierzig Jahren die männlichen zu den weiblichen Geburten wie 106,2 zu 100; aber während dieser Periode ist es in einem Departement fünfmal, in einem andern sechsmal vorgekommen, dass die weiblichen Geburten die männlichen übertrafen._ In Russland erhebt sich das Verhältniss sogar “bis auf 108,0 zu 100 3%. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass bei Juden das Verhältniss der männlichen Geburten entschieden grösser ist als bei Christen: so verhalten sich die männlichen Geburten der Juden in Preussen wie 113, in Breslau wie 114 und in Liefland wie {20 zu 100 weiblichen, während die christlichen Geburten in denselben Gegenden das gewöhnliche Verhältniss zeigen, z. B. in Liefland von 104 zu 100 *. .Eine noch eigenthümlichere Thatsache ist es, dass bei ver- schiedenen Nationen unter verschiedenen Bedingungen und Climaten, in Neapel, Preussen, Westphalen, Frankreich und England der Ueberschuss der Knaben über die Mädchen in den Geburten geringer ist, wenn sie unehelich als wenn sie ehelich geboren werden °°. Dem Prof. Fayz und andern Schriftstellern zufolge würde in ver- schiedenen Theilen von Europa „ein noch grösseres Ueberwiegen der „Knaben angetroffen werden, wenn der Tod beide Geschlechter im Mut- „terleibe und während der Geburt im gleichen Verhältnisse träfe. Es „ist aber Thatsache, dass auf je 100 todtgeborene Mädchen in meh- „reren Ländern von 134,6 bis 144,» todtgeborener Knaben kommen.“ Ausserdem sterben auch während der ersten vier oder fünf Lebensjahre mehr‘Knaben als Mädchen; so sterben z. B. in England während des „ersten Jahres 126 Knaben auf je 100 Mädchen, — ein Verhältnis, „welches sich in Frankreich noch ungünstiger herausstellt“ 3%. Als 33 In Bezug auf Norwegen und Russland s. einen Auszug von Prof. Faye’s Untersuchungen in: British and Foreign Medico-Chirurgical Review April, 1867, p. 345, 345. In Bezug auf Frankreich s. das Annuaire pour l’an 1867, p. 213. 34 In Betreff der Juden s. Thury, La loi de Production des Sexes. 1863, p- 25. 3 Babbage, Edinburgh Journal of Science, 1829. Vol. I, p. 88, auch p. 90 über todtgeborene Kinder. Ueber uneheliche Kinder in England s. den Re- port of Registrar-General für 1866, p. XV. 36 British and Foreign Medico-Chirurgical Review, April 1867, p. 343. D. 268 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil- eine Folge dieses Ueberwiegens des Sterblichkeitsverhältnisses bei Knaben und des Umstandes, dass Männer im erwachsenen Alter verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind, ebenso ihrer Neigung zum Auswandern, er- scheinen die Frauen in allen lange bestehenden Staaten, wo statistische Erhebungen angestellt worden sind ?”, als beträchtlich die Männer an Zahl überwiegend. Es ist oft vermuthet worden, dass das relative Alter der Eltern das Geschlecht der Nachkommen bestimme; und Prof. LEeuckArT’® hat seiner Ansicht nach einen Zweifel ausschliessende Belege in Bezug auf den Menschen und gewisse domestieirte Thiere vorgebracht, um zu zeigen, dass dies ein bedeutungsvoller Factor bei dem Resultate sei. Ferner glaubte man, dass die Periode der Befruchtung eine wirksame Ursache sei; neuere Beobachtungen erschüttern aber diese Ansicht. In Bezug auf den Menschen vermuthet man ferner, dass Polygamie die Geburt einer grösseren Proportion von Mädchen veranlasse; aber Dr. CAMPBELL ?° hat diesem Gegenstande in den Harems von Siam eingehende Aufmerksamkeit gewidmet und ist zu dem Schlusse gelangt, dass das Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Geburten dasselbe ist wie bei monogamen Verbindungen. Kaum irgend ein Thier ist in solchem Maasse polygam gemacht worden als unsere Englischen Rennpferde, und doch werden wir sofort sehen, dass deren männliche und weibliche Nachkommen fast genau gleiche Zahlen darbieten. Pferde. — Herr Teserrmeier hat die Güte gehabt, aus dem „Racing Calendar“ die Geburten von Rennpferden während einer Periode von vier- undzwanzig Jahren, nämlich von 1846 bis 1867 für mich in Tabellen zu bringen; das Jahr 1849 ist weggelassen, da in diesem Jahre die Er- Stark bemerkt gleichfalls (Tenth Annual Report of Births, Deaths ete. in Scot- land, 1867, p. XXVII), dass „diese Beispiele hinreichen dürften, um zu zeigen, dass beinahe :auf jeder Altersstufe die Männer in Schottland dem Sterben mehr unterliegen und ein höheres Sterblichkeitsverhältniss zeigen als die Frauen.“ Diese eigenthümliche Thatsache macht sich indessen am stärksten in der Periode der Kindheit geltend, wo doch Anzug, Nahrung und allgemeine Behandlung bei- der Geschlechter gleich sind, was zu beweisen scheint, dass das höhere Sterb- lichkeitsverhältniss des männlichen Geschlechts eine vom Geschlecht allein ab- hängige, eingeprägte, natürliche und constitutionelle Eigenthümlichkeit ist. 3” Rei den wilden Guaranys von Paraguay stehen die Weiber nach den An- gaben des sorgfältigen Azara (Voyages dans l’Amerique möridionale, Tom. I. 1809, p. 60, 179) zu den Männern im Verhältniss von 14: 13. 3# Leuckart in: Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie, Bd. 4. 1853, 8. 774. 3% Anthropological Review, April, 1870, p. CV, Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 269 ’ hebungen nicht veröffentlicht wurden. Die Totalzahl aller Geburten betrug 25,56040, wovon 12,763 männliche und 12,797 weibliche waren, oder die männlichen standen im Verhältniss von 99.7 zu 100 weiblichen. Da diese Zahlen ziemlich gross sind und aus allen Theilen von England während des Verlaufs mehrerer Jahre zusammengetragen sind, so können wir mit vielem Vertrauen schliessen, dass bei dem domestieirten Pferde oder min- destens beim Rennpferde die beiden Geschlechter in fast gleicher Änzahl produeirt werden. Die Schwankungen in den Verhältnisszahlen während der aufeinanderfolgenden Jahre sind denjenigen sehr gleich, welche beim Men- schen vorkommen, wenn ein kleiner und dünn bevölkerter Bezirk in Betracht gezogen wird; so verhielten sich im Jahre 1856 die männlichen Pferde wie 107,1, und im Jahre 1867 nur wie 92,6 zu 100 weiblichen. In den ta- bellarisch geordneten Erhebungen variirt das Verhältniss periodisch, denn die Männchen überwogen die Weibchen während sechs aufeinanderfolgender Jahre; und die Weibchen überwogen die Männchen während zweier Perio- den, jede von vier Jahren; dies kann indessen wohl zufällig sein; wenig- stens kann ich nichts der Art beim Menschen in der zehnjährigen Tabelle aus dem Registrar’s Report für 1866 entdecken. Ich kann hinzufügen, dass in derselben Weise, wie dies auch für gewisse Kühe und Frauen gilt, gewisse Stuten mehr Junge von dem einen Geschlechte als vom andern her- vorzubringen neigen. Mr. Wrıcurt von Yeldersley House theilt mir mit, dass“ eine seiner arabischen Stuten, trotzdem sie siebenmal zu verschiedenen Hengsten gebracht wurde, sieben Stutenfüllen hervorbrachte. Hunde. — Während eines Zeitraums von zwölf Jahren, von 1857 bis 1868 sind die Geburten einer grossen Anzahl von Windspielen aus ganz England in das Journal „The Field“ eingeschickt worden; und ich bin wiederum Herrn TsGETMEIER dafür verbunden, dass er mir die Resultate sorgfältig in Tabellen gebracht hat. Die verzeichneten Geburten betrugen im Ganzen 6878, von denen 3605 männliche und 3273 weibliche waren; sie standen also zu einander im Verhältniss von 110,1 männlichen zu 100 weiblichen Geburten. Die grössten Schwankungen kamen vor im Jahre 1864, wo sich die Zahlen wie 95,3 männliche, und im Jahre 1867, wo sie #0 Während der letzten elf Jahre ist auch die Zahl der Stuten verzeichnet worden, welche sich als unfruchtbar herausstellten oder welche ihre Füllen zu früh gebaren; und dabei verdient es Beachtung, da es zeigt, wie unfruchtbar diese sehr gut genährten, vielmehr noch in enger Inzucht vermehrten Thiere ge- worden sind, dass nicht viel unter einem Drittel der Stuten keine lebenden Fül- len ergaben. So wurden während des Jahres 1866 809 Hengst- und 816 Stuten- füllen geboren und 743 Stuten brachten keine Nachkommen hervor. Während des Jahres 1867 wurden 836 Hengst- und 902 Stutenfüllen geboren und 794 Stuten schlugen fehl. 270 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. sich wie 116.3 männliche zu 100 weiblichen verhielten. Das oben ange- gebene mittlere Verhältniss von 110,1 zu 100 ist für den Windhund wahr- scheinlich nahezu correct; ob es aber auch für andere domesticirte Rassen gelten dürfte, ist in ziemlichem Grade zweifelhaft. Mr. Cuppres hat sich bei mehreren grossen Hundezüchtern erkundigt und dabei erfahren, dass alle ohne Ausnahme der Ansicht sind, dass die Weibchen in der Mehrzahl geboren werden; er vermuthet, diese Annalıme könne wohl dadurch entstanden sein, dass die Weibchen weniger hoch geschätzt werden, und die damit zusammen- hängende Enttäuschnng mache auf das Gemüth einen stärkeren Eindruck. Schaf. — Das Geschlecht der Schafe wird von den Landwirthen erst mehrere Monate naclhı der Geburt ermittelt, zu der Zeit, wenn die Männ- chen eastrirt werden, so dass die folgenden Erhebungen nicht die Verhält- nisszahlen zur Zeit der Geburt geben. Ueberdies finde ich, dass mehrere grosse Schafzüchter in Schottland, welche jährlich einige tausend Schafe er- ziehen, fest überzeugt sind, dass während des ersten oder der zwei ersten Jahre eine grössere Zahl von Männchen als von Weibehen stirbt; es würde hiernach zur Zeit der Geburt das Verhältniss der Männchen etwas grösser sein als zur Zeit der Castration. Dies ist ein merkwürdiges Zusammen- treffen mit dem, was, wie wir gesehen haben, beim Menschen eintritt; und wahrscheinlich hängen beide Fälle von einer gemeinsamen Ursache ab. Ich habe von vier Herren in England, welche während der letzten zehn oder sechszehn Jahre Niederungsrassen, hauptsächlich Leicesterschafe, gezüchtet haben, Zahlenangaben erhalten; die Zahl der Geburten beträgt im Ganzen 8965; davon sind 4407 männliche und 4558 weibliche, dies ergibt also ein Verhältniss von 96,7 männlichen zu 100 weiblichen Lämmern. In Bezug auf die Cheviotrasse und die in Schottland gezüchteten Schafe mit schwarzem Gesicht habe ich von sechs Züchtern, worunter zwei in grossem Maassstabe züchten, hauptsächlich aus den Jahren 1867 bis 1869 Angaben erhalten, einige reichen aber bis 1862 zurück. Die Gesammtzalıl aller notirten Ge- burten beläuft sich auf 50,685 und besteht aus 25,071 männlichen und 25,614 weiblichen, so dass die Männchen im Verhältniss von 97,9 zu 100 Weibchen stehen. Nehmen wir die englischen und schottischen Erhebungen zusammen, so erhebt sich die Gesammtzahl auf 59,650, von denen 29,478 männliche und 30,172 weibliche Geburten sind, also im Verhältniss von 97,7 männlichen zu 100 weiblichen. _Bei Schafen sind also ganz bestimmt im Alter, wo die Männchen castrirt werden, die Weibchen in der Mehrzahl; ob dies aber auch für die Zeit der Geburt gilt, ist zweifelhaft, weil die Männchen häufiger zeitig sterben *1. #1 Ich bin Herrn Cupples sehr verbunden, dass er mir die oben erwähnten statistischen Angaben aus Schottland ebenso wie einige der folgenden Mittheilun- gen über Rinder verschafft hat. Zuerst hat Mr. R. Elliot von Laighwood meine Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. „71 In Bezug auf Rinder habe ich Zahlenangaben von neun Herren er- halten, zusammen 982 Geburten betragend, also zu wenig, um zuverlässige Grundlagen zu geben. Es waren 477 Stierkälber und 505 Kuhkälber ge- boren, also in dem Verhältniss von 94,4 männlichen auf 100 weibliche. Der Rev. W. D. Fox theilt mir mit, dass unter 34 im Jahre 1867 anf einer Farm in Derbyshire geborenen Kälbern nur ein einziges Stierkalh sich fand. Mr. Harrıson Weir schreibt mir, dass er sich bei mehreren Schweinezüchtern erkundigt hat; die meisten schätzen das Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Geburten wie 7 zu 6. Derselbe Herr hat viele Jahre lang Kaninchen gezüchtet und dabei beobachtet, dass eine viel grössere Zahl von männlichen als weihlichen Jungen geboren werden. Ueber Säugethiere im Naturzustande bin ich nur sehr wenig zu er- fahren im Stande gewesen. In Bezug auf die gemeine Ratte habe ich widersprechende Angaben erhalten. Mr. R. Error von Laighwood theilt mir mit, ein Rattenfänger habe ihm versichert, dass er immer die Männ- chen in bedeutender Mehrzalil gefunden habe, selbst unter den Jungen in den Nestern. In Folge hiervon untersuchte Mr. Ernior später selbst einige Hundert alter Ratten und fand die Angabe bestätigt. Mr. F. BuckLanD hat eine grosse Anzahl weisser Ratten gezogen, und auch er ist der Mei- nung, dass die Männchen bedeutend an Zahl die Weibchen überwiegen. In Bezug auf Maulwürfe wird gesagt, dass „die Männchen weit zahlreicher „seien als die Weibehen“ #?; und da das Fangen dieser Thiere eine beson- dere Beschäftigung mancher Leute ist, so kann man sich vielleicht auf die Angabe verlassen. Bei der Schilderung einer Antilope von Süd-Afrika (Kobus ellipsiprymnus) bemerkt Sir A. Smiru *°, dass in den Heerden die- ser und anderer Species die Männchen im Vergleiche mit den Weibchen ge- ringer an Zahl sind: die Eingeborenen glauben, dass auch bei der Geburt der Thiere dies Verhältniss herrsche; Andere glauben, dass die jungen Männchen von den Heerden weggetrieben werden, und Sir A. SımitH sagt, dass er zwar selbst niemals Heerden gesehen habe, welche nur aus jungen Männchen bestanden hätten, dass aber Andere versichern, dass dies vorkomme. Es scheint wohl wahrscheinlich zu sein, dass, wenn die jungen Männchen von den Heerden fortgetriehen sind, sie sehr leicht den vielen Raubthieren des Landes zur Beute fallen. Aufmerksamkeit auf den frühen Tod der Männchen gelenkt, eine Angabe, die mir später Mr. Aitchison und Andere bestätigten. Dem letztgenannten Herrn und Mr. Payan bin ich Dank schuldig für die umfassenderen Zahlenangaben über Schafe. #2 Bell, History of British Quadrupeds, p. 100. *3 Illustrations of the Zoology of S. Africa. 1849, pl. 29. 272 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Vögel. ” In Bezug auf das Huhn habe ich nur einen einzigen Bericht erhal- ten, nämlich von 1001 Hühnchen eines hochgezüchteten Stammes von Co- chinchina -Hühnern, welche Mr. Strkercn im Verlaufe von acht Jahren er- zogen hat; 487 ergaben sich als Männchen und 514 als Weibchen, das ist also ein Verhältniss von 94,7 zu 100. Was die domestieirten Tauben be- trifft, so sind hier gute Belege vorhanden, dass die Männchen im Excess erzeugt werden, oder dass sie länger leben; denn diese Vögel paaren sich ausnahmslos treu, und einzelne Männchen sind, wie mir Mr. TeGETMEIER mittheilt, immer billiger zu kaufen als Weibchen. Gewöhnlich ist von den beiden aus den zwei in demselben Gelege sich findenden Riern erzogenen Vögeln das eine ein Männchen, das andere ein Weibchen; aber Mr. Har- RISON WEIR, welcher ein so bedeutender Züchter gewesen ist, sagt mir, dass er oft in demselben Neste zwei Tauber, selten dagegen zwei Tauben erzogen habe; ausserdem ist das Weibchen allgemein von beiden das schwächere Thier und geht leichter zu Grunde. Was die Vögel im Naturzustande betrifft, so sind Mr. GouLp und An- dere ** überzeugt, dass die Männchen allgemein zahlreicher sind; während doch, da die jungen Männchen vieler Arten den Weibchen ähnlich sind, natürlich die letzteren als die am zahlreichsten vertretenen scheinen soll- ten. Mr. Baker von Leadenhall hatte grosse Mengen von Fasanen aus von wilden Vögeln gelegten Eiern erzogen und theilt Mr. JExner WeEıRr mit, dass meistens vier oder fünf Hähne auf je eine Henne produeirt werden. Ein erfahrener Beobachter bemerkt *°, dass in Scandinavien die Bruten des Auer- und Birkhuhns mehr Männchen als Weibchen enthalten, und dass von dem „Dal-ripa“ (einer Art Schneehuhn [Lagopus subalpina Nırss.]) mehr Männchen als Weibchen die „Leks“ oder Balzplätze besuchen; den letzteren Umstand erklären indessen einige Beobachter dadurch, dass eine grössere Zahl von Hennen von kleinen Raubthieren getödtet wird. Aus ver- schiedenen von Wuıre in Selborne #9 mitgetheilten Thatsachen scheint klar hervorzugehen, dass von den Rebhühnern die Männchen im südlichen England in beträchtlicher Ueberzahl vorhanden sein müssen; und mir ist versichert worden, dass dies auch in Schottland der Fall sei. Mr. Weir erkundigte sich bei den Händlern, welche zu gewissen Zeiten des Jahres den Kampf- läufer (Machetes pugnax) erhalten, und erhielt die Auskunft, dass bei die- ser Art die Männchen bei weitem die zahlreichsten sind. Derselbe Natur- 4 Brehm kommt zu demselben Schlusse (Illustr. Thierleben. Bd. IV, S. 990). #5 Nach der Autorität von L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 12, 132. #6 Natural History of Selborne. Letter XXIX. Ausg. von 1825. Vol. I, p. 139. Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 373 forscher hat sich auch für mich bei den Vogelstellern erkundigt, welche jedes Jahr eine erstaunliche Menge verschiedener kleiner Vögel für den Londoner Markt lebendig fangen, und erhielt ohne Zögern die Antwort, dass beim Buchfinken die Männchen an Zahl weit überwiegen; und zwar glaubte er ein so hohes Verhältniss wie 2 zu 1 oder mindestens wie 5 zu 3 an- nehmen zu müssen #”. Auch bei Amseln waren, wie derselbe Mann be- hauptete die Männchen die zahlreichsten, mochten sie nun in Schlingen oder Nachts in Netzen gefangen werden. Allem Anscheine nach kann man sich auf diese Angaben verlassen, da derselbe Mann angab, bei der Lerche, dem Leinfinken (Linaria montana) und dem Stieglitz seien die Geschlechter in ziemlich gleicher Anzahl vorhanden. Auf der andern Seite ist es sicher, dass beim gemeinen Hänflinge die Weibchen bedeutend überwiegen, aber während verschiedener Jahre in ungleicher Weise; der genannte Beobachter fand in manchen Jahren das Verhältniss der Weibchen zu den Männchen wie vier zu eins. Man muss indessen nicht ausser Acht lassen, dass die Hauptjahreszeit zum Fangen der Vögel nicht vor dem September an- fängt, so dass bei einigen Species zum Theil schon die Wanderung begon- nen haben kann; und die Schwärme bestehen um diese Zeit oft nur aus Weibchen. Mr. Sarvm richtete seine Aufmerksamkeit besonders auf die Ge- schlechter der Colibri’s in Central-Amerika und ist überzeugt, dass bei den meisten Species die Männchen überwiegen; so erlangte er in einem Jahre 204 Exemplare, welche zu zehn Species gehörten, und darunter waren 166 Männchen und 38 Weibchen. Bei zwei anderen Arten waren die Weibchen in der Mehrzahl; die Verhältnisse variiren aber augenscheinlich entweder während verschiedener Jahreszeiten oder an verschiedenen Localitäten; denn bei einer Gelegenheit verhielten sich die Männchen von Campylopterus he- mileucurus zu den Weibchen wie fünf zu zwei und bei einer andern Gelegen- heit gerade im umgekehrten Verhältniss #9, Da es zu dem letztern Punkte in Bezug steht will ich hinzufügen, dass Mr. Powys fand, dass sich in Corfu und Epirus die Geschlechter des Buchfinken getrennt hielten und zwar waren „die Weibchen bei weitem die zahlreichsten*, während Mr. Trıstram in Palästina fand, dass „die männlichen Schwärme dem Anscheine nach die #” Mr. Jenner Weir erhielt ähnliche Auskunft als er während des fol- genden Jahres Erkundigungen anstellte. Um eine Idee von der Zahl der Buch- finken zu geben, will ich noch anführen, dass im Jahre 1869 zwei Sachverstän- dige eine Wette machten; der eine fieng an einem Tage 62, der andere 40 männ- liche Buchfinken. Die grösste Zahl, welche ein Mann an einem einzigen Tage fieng, war 70. 48 The Ibis. Vol. I, p. 260, eitirt in Gould’s Trochilidae, 1861, p. 52. In Bezug auf die vorstehenden Verhältnisszahlen bin ich Herrn Salvin für eine tabellarische Uebersicht seiner Resultate verbunden. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 18 nA Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. weiblichen bedeutend an Zahl übertrafen“ #9, So sagt ferner Mr. G. Tay- vor > in Bezug auf Quwiscalus major, dass in Florida „sehr wenig Weib- chen im Verhältniss zu den Männchen“ vorkämen, während in Honduras das umgekehrte Verhältniss herrschte und die Species den Character einer polygamen darböte. Fische. Bei Fischen können die Zahlenverhältnisse der beiden Geschlechter nur dadurch ermittelt werden, dass sie im erwachsenen oder fast erwachsenen Zu- stande gefangen werden; und auch dann noch sind viele Umstände vorhanden, welche das Erreichen irgend einer richtigen Folgerung erschweren ?1, Un- fruchtbare („gelte*) Weibchen können leicht für Männchen genommen werden, wie Dr. GüntHer in Bezug auf die Forelle gegen mich bemerkt hat. Man glaubt, dass bei einigen Species die Männchen sehr bald sterben, nachdem sie die Eier befruchtet haben. Bei vielen Species sind die Männchen von viel geringerer Grösse als die Weibchen, so dass eine grosse Zahl von Männchen aus demselben Netze entschlüpfen können, mit welchem die Weibchen ge- fangen werden. Mr. CARBoNNter ?2, welcher der Naturgeschichte des Hech- tes (Esox lucius) eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat, gibt an, dass viele Männchen in Folge ihrer geringeren Grösse von den grösseren Weibchen verschlungen werden: auch ist er der Ansicht, dass die Männ- chen fast aller Fische aus derselben Ursache grösserer Gefahr ausgesetzt sind als die Weibchen. Nichtsdestoweniger scheinen im den wenigen Fäl- len, in welchen die proportionalen Zahlen der Geschlechter wirklich beob- achtet worden sind, die Männchen in bedeutender Ueberzahl vorhanden zu sein.. So gibt Mr. R. Burst, der Oberaufseher der in Stormontfield einge- richteten Versuche, an, dass im Jahre 1865 unter 70 wegen der Beschaf- fung von Eiern ans Land gezogenen Lachsen über 60 Männchen waren. Auch im Jahre 1867 lenkt er die Aufmerksamkeit „auf das ungeheure „Misverhältniss der Weibchen zu den Männchen. Wir hatten im Anfange „mindestens zehn Männchen auf ein Weibchen.* Später wurden Weibchen in genügender Anzahl zur Erlangung von Eiern gefangen. Er fügt hinzu: „wegen der verhältnissmässig so grossen Anzahl von Männchen kämpfen „und zerren sie sich beständig auf den Laichplätzen herum“ ®3, Ohne 49 Ihis, 1860, p. 137. 1867, p. 369. 50 Jbis, 1862, p. 137. 5! Leuckart eitirt Bloch (Wagner’s Handwörterbuch der Physiol. Bd. 4. 1853, 8. 775), dass bei Fischen zweimal so viel Männchen als Weibchen vor- kommen. 52 Citirt in „The Farmer“, March 18. 1869, p. 369. 53 The Stormontfield Piscicultural Experiments. p. 23. „The Field“, 29. Juni, 1867. Cap 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 2375 Zweifel lässt sich dies Misverhältuiss wenigstens zum Theil, ob ganz ist sehr zweifeihaft, dadurch erklären, dass die Männchen vor den Weibchen in den Flüssen stromaufwärts wandern. In Bezug auf die Forelle bemerkt Mr. Fr. Bucktanp: „es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die Männchen „an Zahl sehr bedeutend die Weibchen übertreffen. Es findet sich aus- „nahmslos, dass, wenn die Fische zuerst in die Netze fahren, sich zum „wenigsten sieben oder acht Männchen auf ein Weibchen gefangen haben. „Ich kann dies nicht vollständig erklären; entweder die Männchen sind „zahlreicher als die Weibchen oder die letztern suchen sich eher durch „Verbergen als durch Flucht zu retten.* Er fügt dann hinzu, dass man durch sorgfältiges Absuchen der Ufer hinreichend Weibchen zur Gewinnung der Eier erlangen könne °#, Mr. H. Lex theilt mir mit, dass unter 212 zu diesem Zwecke in Lord Portsmouth’s Parke gefangenen Forellen 150 Männchen und 62 Weibchen sich fanden. Auch bei den Cypriniden scheinen die Männchen in der Mehrzahl vor- handen zu sein; aber mehrere Glieder dieser Familie, nämlich der Karpfen, die Schleihe, der Brachsen und die Elritze folgen dem Anscheine nach dem im Thierreiche seltenen Gebrauche der Polyandrie; denn beim Laichen begleiten stets zwei Männchen das Weibchen, eines auf jeder Seite, und beim Brach- sen sogar drei oder vier. Diese Thatsache - ist so wohl bekannt, dass es allgemein empfohlen wird, beim Besetzen eines Teiches zwei männliche Schleihen auf ein Weibchen oder wenigstens drei Männchen auf zwei Weib- chen zu nehmen. In Bezug auf die Elritze führt ein ausgezeichneter Be- obachter an, dass auf den Laichplätzen die Männchen zehnmal so zahlreich sind als die Weibchen; sobald ein Weibchen unter die Männchen kommt, „drücken sich sofort zwei Männchen, auf jeder Seite eines, an dasselbe „heran, und wenn sie sich eine Zeit lang in dieser Situation befunden haben, „werden sie von zwei andern Männchen abgelöst“ °°. Inseeten. In dieser Classe bieten nur die Lepidoptern die Mittel dar, über die proportionalen Zahlen der Geschlechter zu einem Urtheile zu gelangen; denn diese sind von vielen guten Beobachtern mit besonderer Sorgfalt gesammelt und vom Ei oder vom Raupenzustand in grosser Zahl erzogen worden. Ich hatte gehofft, dass mancher Züchter von Seidenwürmern vielleicht eine sorg- fältige Liste geführt haben würde; aber nachdem ich nach Frankreich und 5% Land and Water, 1868, p. 41. 55 Yarrell, History of British Fishes. Vol. I. 1836, p. 307; über Cyprinus carpio p. 331; über Tinca vulgaris p. 331; über Abramis brama p. 336. In Be- zug auf die Elritze (Leueiscus phoxinus) s. Loudon’s Mag. of Natur. Hist. Vol. V. 1832, p. 682. 15 * 276 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Italien geschrieben und verschiedene Abhandlungen eingesehen habe, kann ich nur sagen, dass ich nirgends finde, dass dies jemals geschehen ist. Die allgemeine Meinung scheint dahin zu gehen, dass die Geschlechter in ziem- lich gleicher Zahl auftreten; wie ich aber von Prof. Cangstriı höre, sind in Italien viele Züchter überzeugt, dass die Weibchen in der Mehrzahl er- zeugt werden. Indessen theilt mir derselbe Forscher mit, dass von den beiden jährlichen Zuchten des Ailanthus-Seidenwurms (Bombyx cynthia) die Männchen in der ersten bedeutend überwiegen, während in der zweiten die Geschlechter ziemlich in gleicher Anzahl oder vrelleicht die Weibchen eher in Mehrzahl auftreten. Was die Schmetterlinge im Naturzustande betrifft, so sind mehrere Beobachter sehr von dem, allem Anscheine nach enormen Uebergewicht der Männchen frappirt worden °6. So sagt Mr. Bares °’, wo er von den, und zwar nicht weniger als ungefähr einhundert Arten spricht, welche den oberen Theil des Amazonenstromes bewohnen, dass die Männchen viel zahlreicher sind als die Weibchen, sogar selbst bis zum Verhältniss von hundert zu vier. In Nord-Amerika schätzt Epwarps, welcher bedeutende Erfahrung hatte, bei der Gattung Papilio die Männchen zu den Weibchen wie vier zu eins; und Mr. Warsu, welcher mir diese Angabe mittheilte, sagt mir, dass es bei P. turnus sicher der Fali sei. In Süd-Afrika fand Mr. Trımex bei neunzehn Speeies die Männchen in der Mehrzahl °®; und bei einer derselben, welcher auf offenen Stellen schwärmt, schätzt er das Ver- hältniss der Männchen zu den Weibchen wie fünfzig zu eins. Von einer anderen Art, bei welcher die Männchen an gewissen Lokalitäten zahlreich waren, sammelte er während sieben Jahren nur fünf Weibchen. Auf der Insel Bourbon sind nach der Angabe des Mr. Martrarp die Männchen von einer Species Papilio zwanzigmal so zahlreich wie die Weibchen °®. Mr. Trımex theilt mir mit, dass es nach dem, was er selbst gesehen oder von Andern gehört hat, selten vorkommt, dass die Weibchen irgend eines Schmet- terlings an Zahl die Männchen übertreffe; doch ist dies vielleicht bei drei südafrikanischen Arten der Fall. Mr. Warracz 60 gibt an, dass von der Ornithoptera croesus im Malayischen Archipel die Weibchen häufiger sind 56 Leuckart eitirt Meinecke (Wagner’s Handwörterbuch der Physiol. Bd. 4, 1853, S. 775) in Bezug auf die Angabe, dass bei Schmetterlingen die Männchen drei- bis viermal zahlreicher sind als die Weibchen. 5” The Naturalist on the Amazons. Vol. II. 1863, p. 228, 347. 58 Vjer von diesen Fällen hat Mr. Trimen mitgetheilt in seinem Rhopalo- cera Africae Australis. 59 citirt von Trimen in: Transact. Entomol. Soc. Vol. V, part IV. 1866, p- 330. 6° Transact. Linnean Soc. Vol. XXV, p. 37. Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. DT und leichter gefangen werden als die Männchen; dies ist aber ein seltener Schmetterling. Ich will hier hinzufügen, dass GuentE in Bezug auf Hype- rythra, einem Genus der Motten, sagt, in Sammlungen aus Indien würden vier bis fünf Weibchen auf ein Männchen geschickt. Als diese Frage nach den proportionalen Zahlen der Geschlechter der Insecten vor die Entomologische Gesellschaft gebracht wurde 61, wurde all- gemein zugegeben, dass die Männchen der meisten Lepidoptern im erwach- senen oder Imagozustand in grösserer Zahl gefangen würden als die Weib- chen; aber mehrere Beobachter schrieben diese Thatsache dem Umstande zu, dass die Lebensweise der Weibchen mehr zurückhaltender sei und das Männchen zeitiger den Cocon verlasse. Dass das letztere bei den meisten Schmetterlingen ebenso wie auch bei anderen Insecten der Fall ist, ist allerdings wohl bekannt. Hierdurch gehen, wie Mr. Psrsoxnxar bemerkt, die Männchen des domestieirten Bombyx Yamamai im Anfange der Saison und die Weibchen am Ende derselben verloren, weil sie nicht gepaart werden können 62, Ich kann mich indessen doch nicht überzeugen, dass diese Ur- sachen genügen sollten, den bedeutenden Ueberschuss von Männchen bei den oben erwähnten Schmetterlingen, welche in ihrem Vaterlande so ausser- ordentlich gemein sind, zu erklären. Mr. Sramrox, welcher viele Jahre hindurch den kleineren Motten eine so eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hat, theilt mir Folgendes mit: als er sie im Imagozustande gesammelt habe, sei er der Meinung gewesen, dass die Männchen zehnmal so zahlreich wären als die Weibchen; seitdem er sie aber in grossem Maassstabe aus der Raupe erzöge, sei er überzeugt, dass die Weibchen am zahlreichsten seien. Mehrere Entomologen stimmen dieser Ansicht bei. Doch sind Mr, Doustepay und einige Andere der entgegengesetzten Meinung und sind überzeugt, dass sie aus deın Ei oder von dem Raupenzustande eine grössere Anzahl von Männ- chen als Weibchen aufgezogen haben. Ausser der beweglicheren Lebensweise der Männchen, ihrem zeitigeren Verlassen der Cocons und dem Vorzug, den sie in manchen Fällen offenen Plätzen geben, können noch andere Ursachen für die scheinbare oder wirk- liche Verschiedenheit in den proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter bei den Lepidoptern angeführt werden und zwar sowohl wenn sie im Imago- zustande gefangen, als auch wenn sie aus dem Ei oder dem Raupenzustande aufgezogen werden. Viele Züchter in Italien sind, wie ich von Prof. CAnE- STRInı höre, der Meinung, dass die weibliche Raupe des Seidenschmetterlings mehr von der neuerdings aufgetretenen Krankheit leidet als die männliche; und Dr. Sraupiscer theilt mir mit, dass beim Aufziehen von Schmetterlingen 61 Proceed. Entomol. Soc. Febr. 17, 1868. 62 eitirt von Wallace in: Proceed. Entomol. Soc. 3. Ser. Vol. V. 1867, p- 487. 278 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. mehr Weibchen im Cocon sterben als Männchen. Bei vielen Species ist die weibliche Raupe grösser als die männliche; ein Sammler wird aber natürlich die schönsten Exemplare auswählen und daher unbeabsichtigter Weise eine grössere Zahl von Weibchen sammeln. Drei Sammler haben mir erzählt, dass sie dies allerdings in der Gewohnheit hätten; Dr. WALLAcE ist indessen überzeugt, dass die meisten Sammler alle Exemplare von den selteneren Arten nehmen, welche sie finden können, da diese allein der Mühe des Aufziehens. werth sind. Haben Vögel eine grössere Zahl von Raupen um sich herum, so werden sie wahrscheinlich die grösseren ver- schlingen; auch theilt mir Prof. Canestrisı mit, dass in Italien einige Züchter, allerdings aber auf unzureichende Beweise gestützt, der Ansicht sind, dass in der ersten Zucht des Ailanthus-Seidenspinners die Wespen eine grössere Zahl weiblicher als männlicher Raupen zerstören. Dr. Waunack bemerkt ferner, dass die weiblichen Raupen, weil sie grösser als die männ- lichen sind, mehr Zeit zu ihrer Entwickelung brauchen und mehr Nahrung und Feuchtigkeit zu sich nehmen; sie werden dadurch während einer län- geren Zeit der Gefahr, von Ichneumonen, Vögeln u. s. w. zerstört zu werden, ausgesetzt sein und in Zeiten des Mangels in grösserer Anzahl umkommen. Es erscheint daher ganz gut möglich, dass im Naturzustande weniger weib- liche Lepidoptern den Reifezustand erreichen, als männliche; und für unseren speciellen Zweck haben wir es mit den Zahlen im Reifezustand zu thun, wenn die Geschlechter bereit sind, ihre Art fortzupflanzen. Die Art und Weise, in welcher die Männchen gewisser Motten sieh in ausserordentlichen Massen um ein einziges Weibchen ansammeln, weist dem Anscheine nach auf einen bedeutenden Ueberschuss an Männchen hin; doch kann diese Thatsache wohl vielleicht auch dadurch erklärt werden, dass die Männchen zeitiger ihre Puppenhülse durchbrechen. Mr. Sramrox theilt mir mit, man könne oft sehen, wie zwölf bis zwanzig Männchen sich um ein einziges Weibchen von Elachista rufocinerea versammeln. Es ist bekannt, dass, wenn man eine jungfräuliche Zasiocampa quercus oder Saturnia car- pini in einem Behältnisse an die Luft setzt, sich in grosser Anzahl Männ- chen um sie her versammeln, und ist sie in einem Zimmer eingeschlossen, so kommen die Männchen selbst (in England) durch den Kamin zu ihr. Mr. DousLepay glaubt sich erinnern zu können, dass er an fünfzig bis hundert Männchen von jeder oben erwähnten Species im Verlaufe eines ein- zigen Tages von einem gefangen gehaltenen Weibchen herbeigelockt ge- sehen habe. Mr. Trımex stellte auf der Insel Wight eine Schachtel frei hin, in welcher ein Weibchen der Lasiocampa am vergangenen Tage ein- geschlossen worden war, und sehr bald versuchten fünf Männchen sich Ein- gang zu verschaffen. Mr. Verresux steckte in Australien das Weibchen einer kleinen Bombyx-Art in einer Schachtel in seine Tasche und wurde ap. 3. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 279 dann von einer Menge Männchen begleitet, so dass ungefähr 208 mit ihm zusammen in das Haus kamen 63, Mr. Dousrepay hat meine Aufmerksamkeit auf Dr. Staupmweer’s Lepi- doptern - Liste © gelenkt, welche die Preise der Männchen und Weibchen von 390 Species oder gut markirten Varietäten von Schmetterlingen (Rho- palocera) aufführt. Die Preise der sehr gemeinen Arten sind natürlich für beide Geschlechter dieselben; aber bei 113 der selteneren Arten sind sie verschieden; dabei sind in allen Fällen mit Ausnahme eines einzigen die Männchen die billigeren. Im Mittel von den Preisen der 113 Species ver- hält sich der Preis der Männchen zu dem der Weibchen wie 100 zu 149; und dem Anscheine nach weist dies darauf hin, dass die Männchen im um- gekehrten Verhältniss aber in denselben Zahlen den Weibchen überlegen sind. Ungefähr 2000 Species oder Varietäten von Motten (Heterocera) sind catalogisirt, wobei diejenigen mit flügellosen Weibchen wegen der Ver- schiedenheit in der Lebensweise der beiden Geschlechter hier weggelassen werden; von diesen 2000 Species haben 141 einen nach dem Geschlechte verschiedenen Preis, darunter sind die Männchen von 130 billiger, dagegen die Männchen von nur 11 Species theuerer als die Weibchen. Im Mittel ver- hält sich der Preis der Männchen zu dem der Weibchen wie 100 zu 143. In Bezug auf die Schmetterlinge in dieser mit Preisen versehenen Liste ist Mr. Dousrepay (und kein Mensch in England hat eine grössere Erfah- rung gesammelt) der Ansicht, dass sich in der Lebensweise dieser Arten nichts findet, was die Verschiedenheit in den Preisen der beiden Geschlechter erklären könne und dass die einzige Erklärung nur im dem Ueberwiegen der Männchen der Zahl nach liegen könne. Ich bin aber verpflichtet hin- zuzufügen, dass Dr. STAUDINGER, wie er mir mittheilt, selbst anderer Mei- nung ist. Er meint, dass die weniger lebendigen Gewohnheiten der Weib- chen und das frühere Verlassen der Puppenhülsen seitens der Männchen es erkläre, warum seine Sammler eine grössere Anzahl von Männchen als von Weibchen erhalten, was denn natürlich auch den niedrigeren Preis der ersteren erkläre. In Bezug auf die aus Raupen erzogenen Exemplare glaubt, wie vorhin schon angeführt, Dr. Staupineer, dass eine grössere Zahl von Weibchen während der Gefangenschaft sterben, als von Männchen. Er fügt noch hinzu, dass bei gewissen Arten das eine Geschlecht während gewisser Jahre das andere überwiege. Von directen Beobachtungen über die Geschlechter von Lepidoptern, welche entweder aus dem Ei oder aus der Raupe erzogen wurden, habe ich - nur die wenigen folgenden Zahlenangaben erhalten: 63 Blanchard, Mötamorphoses, Moeurs des Insectes. 1868, p. 225—226. 64 Lepidoptern-Doublettenliste. Berlin, Nr. X, 1866. 280 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Männchen. Weibchen. The Rev. J. Heuuıms 6° in Exeter erzog während des Jahres 1868 Imagos von 73 Species, welche enthielten . £ - £ 4 ‚ 153 137 Mr. ALsert Jones in Eltham erzog im Jahre 1868 Imagos von 9 Species, welche enthielten 159 126 Im Jahre 1869 erzog derselbe Images von 4 Species, davon waren . - e 5 a - 112 Mr. BuckLer in Emsworth, Hants, erzog im Jahre \ 1869 Imagos von 74 Species, davon waren . 180 169 Dr. Warracr in Colchester erzog in einer Brut von Bombyz cynthia . - - 44/52 48 Dr. Warzace erzog 1869 aus Cocons von Bau Ya Pernyi, welche aus China geschickt worden waren . s 224 123 Dr. WarracE erzog in “= aha 1868 u. 1869 aus zwei Sätzen von Cocons der Bombyz Ya- mamai 2 > 3 ; . a - 46 Total . .. 934 761 In diesen acht Partien von Cocons und Eiern wurden daher Männchen im Ueberschuss erzeugt. Nimmt man sie alle zusammen, so ist das Ver- hältniss der Männchen zu dem der Weibchen wie 122,7 zu 100. Die Zahlen, sind aber kaum gross genug, um für zuverlässig gelten zu können. Nach den, von verschiedenen Quellen herrührenden oben mitgetheilten Belegen, welche sämtlich nach einer und derseiben Richtung hinweisen, gelange ich im Ganzen zu der Folgerung, dass bei den meisten Species der Lepidoptern die Männchen im Imagozustande allgemein die Weibchen der Zahl nach übertreffen, welches auch ihr Verhältniss bei ihrem ersten Ver- lassen der Eihülle gewesen sein mag. In Bezug auf die anderen Insectenordnungen bin ich nur im Stande gewesen, sehr wenig zuverlässige Informationen zusammenzubringen. Beim Hirschkäfer (Lucanus cervus) „scheinen die Männchen viel zahlreicher zu sein als die Weibchen‘; als aber, wie Corxerıus es im Laufe des Jahres 1867 beobachtete, eine ungewöhnliche Anzahl dieser Käfer in dem einen Theile von Deutschland auftraten, schienen die Weibchen die Männchen im Verhältniss von sechs zu eins zu übertreffen. Bei einem der Elateriden 65 Dieser"Beobachter ist so freundlich gewesen, mir einige Resultate aus früheren Jahren zu schicken, nach welchen die Weibchen das Uebergewicht zu haben scheinen; es waren aber so viele der Zahlenangaben blosse Schätzungen, dass ich es für unmöglich fand, sie tabellarisch zu ordnen. Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 281 sollen, wie man sagt, die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen sein, und „oft findet man zwei oder drei Männchen in Verbindung mit einem Weibchen“ 6, so dass hier Polyandrie zu herrschen scheint. Von Siagomium (Staphyliniden), bei welchem die Männchen mit Hörnern versehen sind, „sind die Weibchen bei weitem zahlreicher als das andere Geschlecht.“ In der entomologischen Gesellschaft führte Mr. Jansox an, dass die Weibchen des Rinden fressenden Tomicus villosus so häufig sind, dass sie zu einer Plage werden, während die Männchen so selten sind, dass man sie kaum kennt. In anderen Ordnungen sind aus unbekannten Ursachen, wie es aber in einigen Fällen scheint in Folge einer Parthenogenesis, die Männchen gewisser Species noch niemals aufgefunden worden oder sind äusserst selten, so bei mehreren Arten der Cynipiden 6”. Bei allen gallenbildenden Cynipiden, welche Mr. Warsu bekannt sind, sind die Weibchen vier- oder fünfmal so zahlreich als die Männchen; dasselbe ist auch, wie er mir mittheilt, bei den gallenbildenden Cecidomyidae Zweiflügler) der Fall. Von einigen ge- meinen Species der Blattwespen (Tenthredinae) hat Mr, F. Smirm Hunderte von Exemplaren aus Larven aller Grössen erzogen, hat aber niemals ein einziges Männchen erhalten. Auf der anderen Seite sagt Currıs 6°, dass sich bei mehreren von ihm aufgezogenen Arten (Atkalia) die Männchen zu den Weibchen wie sechs zu eins verhielten, während bei den geschlechts- reifen, in den Feldern gefangenen Insecten der nämlichen Species genau das umgekehrte Verhältniss beobachtet wurde. In Bezug auf die Neurop- tern führt Mr. Warsn an, dass bei vielen, aber durchaus nicht bei allen Arten der Odonaten-Gruppe (Ephemerina) ein bedeutender Ueberschuss an Männchen existirt; auch bei der Gattung Hetaerina sind die Männchen mindestens viermal so zahlreich als die Weibchen. Bei gewissen Arten der Gattung Gomphus sind die Männchen in gleicher Anzahl mit den Weib- chen vorhanden, während in zwei anderen Species die Weibchen zwei- oder dreimal so zahlreich sind als die Männchen. Von einer europäischen Spe- cies von Psocus können Tausende von Weibchen ohne ein einziges Männchen gesammelt werden, während bei andern Arten der nämlichen Gattung beide Geschlechter häufig sind 6”. Im England hat Mr. MacLacnLan Hunderte 66 Günther’s Record of zoological Literature, 1867, p. 260. Ueber die Ueberzahl der weiblichen Zucanus ebenda p. 250. Ueber die Männchen des Lucanus in England s. Westwood, Modern Classific. of Insects. Vol. I, p. 187. Ueber Siagonium ebend. p. 172. 6” Walsh, in: The American Entomologist. Vol. I, 1869, p. 113. F. Smith, in: Record of zoological Literature. 1867, p. 328. 68 Farm-Insects, p. 45—46. 6% Observations on North American Neuroptera by H. Hagen and B. D. Walsh in: Proceed. Entomol. Soc. Philadelphia, Oct. 1863, p. 168, 223, 239. 252 Geschlechtliche Zuchtwahl. ll. Theil. der weihlichen Apatania muliebris gesammelt, aber das Männchen niemals gesehen; und von Boreus hyemalis sind hier nur vier oder fünf Männchen gesehen worden ?®, Bei den meisten dieser Arten (ausgenommen, so viel ich gehört habe, die Tenthredinen) ist kein Grund zur Vermuthung vorhan- den, dass die Weibchen parthenogenetisch fortpflanzen; und da sehen wir denn, wie unwissend wir über die Ursache der offenbaren Verschiedenheit der proportionalen Zahlen der beiden Geschlechter sind. Was die anderen Classen der Arthropoden betrifft, so bin ich noch weniger im Stande gewesen, mir Information zu verschaffen. In Bezug auf Spinnen schreibt mir Mr. BrackwArn, welcher dieser Classe viele Jahre hindurch sorgfältige Aufmerksamkeit gewidmet hat, dass die Männchen ihrer herumschweifenden Lebensweise wegen häufiger gesehen werden und daher zahlreicher zu sein scheinen. Bei einigen wenigen Species ist dies factisch der Fall; er erwähnt aber mehrere Arten aus sechs Gattungen, bei denen die Weibchen viel zahlreicher zu sein scheinen als die Männchen ?l. Die im Vergleiche mit der der Weibchen geringe Grösse der Männchen, welche zuweilen bis zu einem extremen 'Grade getrieben ist, und ihr äusserst ver- schiedenes Aussehen kann wohl in einigen Fällen ihre Seltenheit in den Sammlungen erklären 72, Einige der niederen Crustaceen sind im Stande ihre Art geschlechtslos fortzupflanzen und dies wird wohl die äusserste Seltenheit der Männchen erklären. Bei einigen anderen Formen (so bei Tanais und Cypris) ist Grund zur Annahme vorhanden, wie mir Frırz Mürver mittheilt, dass das Männchen viel kurzlebiger ist als das Weibchen, wetcher Umstand, voraus- gesetzt dass die beiden Geschlechter anfangs in gleicher Zahl vorhanden sind, die Seltenheit der Männchen erklären würde. Auf der anderen Seite hat der nämliche Naturforscher an den Küsten von Brasilien ausnahmslos bei weitem mehr Männchen als Weibchen von den Diastyliden und Cypri- dinen gefangen: so waren unter 63 Exemplaren einer Species der letzten Gattung, die er an einem Tage gefangen hatte, 57 Männchen; er ver- muthet aber, dass dieses Ueberwiegen vielleicht Folge irgend einer unbekann- ten Verschiedenheit in der Lebensweise der beiden Geschlechter sein mag. Bei einer der höheren Brasilianischen Krabben, nämlich einem Gelasimus, fand Fritz Mürter die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen. Nach *° Proceed. Entomol. Soc. London, Febr. 17, 1868. ”! Eine andere bedeutende Autorität in Bezug auf diese Classe, Prof. T ho- rell in Upsala (On European Spiders, 1869—70. Part I, p. 205) äussert sich so, als wenn weibliche Spinnen im Allgemeinen häufiger wären als die männ- lichen. ?2 5. über diesen Gegenstand Mr. Pickard-Cambridge eitirt in Quarterly Journal of Science. 1868, p. 429. Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 283 der reichen Erfahrung des Mr. Spexer Bare scheint bei sechs gemeinen Britischen Krabben, deren Namen er mir mitgetheilt hat, das Umgekehrte der Fall zu sein. Ueber das Vermögen der natürlichen Zuchtwahl die proportionalen Zahlen der Geschlechter zu reguliren und über Allgemeine Fruchtbarkeit. — In einigen besonderen Fällen kann ein Ueberwiegen des einen Geschlechts an Zahl über das andere für eine Species von grossem Vortheile sein; dies ist z. B. mit den sterilen Weibchen socialer Inseeten oder bei denjenigen Thieren der Fall, bei welchen mehr als ein Männchen erforderlich ist um das Weib- chen zu befruchten, wie bei gewissen Cirripedien und vielleicht bei ge- wissen Fischen. Eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern kann in diesen Fällen durch natürliche Zuchtwahl nicht erlangt worden sein; ihrer Seltenheit wegen brauchen sie aber nicht eingehend betrachtet zu werden. In allen gewöhnlichen Fällen würde eine Ungleichheit gewissen Individuen von keinem grösseren Vortheile oder Nachtheile sein als anderen; und deshalb kann sie kaum das Resultat natürlicher Zucht- wahl sein. Wir müssen die Ungleichheit der directen Einwirkung jener unbekannten Bedingungen zuschreiben, welche es beim Menschen ver- ursachen, dass in gewissen Ländern die Männchen in einem etwas be- deutenderen Ueberschusse geboren werden als in anderen, oder welche die Ursache davon sind, dass das Verhältniss zwischen den Geschlech- tern unbedeutend bei legitimen und illesitimen Geburten differirt. Wir wollen nun einmal den Fall annehmen, eine Species produeire aus den eben erwähnten unbekannten Ursachen von dem einen Ge- schlechte — wir wollen sagen von dem männlichen — einen Ueber- schuss, welcher überflüssig und nutzlos oder beinahe nutzlos ist. Könnte nun die Zahl der Geschlechter durch geschlechtliche Zuchtwahl aus- geglichen werden? Nach der Thatsache, dass alle Charactere variabel sind, können wir mit Sicherheit annehmen, dass gewisse Paare einen etwas geringeren Ueberschuss an Männchen über die Weibchen -produ- eiren werden, als andere Paare. Angenommen, die faetische Zahl der Nachkommen bliebe constant, so würden die ersteren nothwendig mehr Weibchen produeiren und in Folge hiervon produetiver sein. Nach der Wahrscheinlichkeitslehre würde eine grössere Zahl von Nachkommen der productiveren Paare leben bleiben und diese würden eine Neigung erben, weniger Männchen und mehr Weibchen zu erzeugen. Hierdurch \ 234 Geschlechtliche Zuchtwahl. 11. Theil. würde sich eine Neigung zur Ausgleichung der Geschlechter entwickeln, Unsere Species würde aber durch diesen Process, wie oben bemerkt produetiver gemacht werden, und dies wird in vielen Fällen auch nicht entfernt einen Vortheil darbieten; denn sobald nur immer die Grenze der bestehenden Zahl nicht von der Zerstörung durch Feinde, sondern von der Menge der Nahrung abhängt, wird die erhöhte Fruchtbarkeit zu einer schärferen Concurrenz führen und die Meisten der Lebenblei- benden werden schlecht ernährt. In diesem Falle würde, wenn die Geschlechter durch eine Zahlenzunahme der Weibchen ausgeglichen würden, eine gleichzeitige Abnahme der Gesammtzahl der Nachkom- men wohlthätig oder selbst nothwendig für die Existenz der Art sein und dies kann, wie ich glaube, in der später zu schildernden Weise durch die natürliche Zuchtwahl bewirkt werden. Dieselbe Reihe von Betrachtungen ist für den obigen wie für den folgenden Fall anwend- bar, wenn wir annehmen, dass anstatt der Männchen Weibchen in Ueberschuss erzeugt werden; denn solche Weibchen wären, da sie sich nicht mit Männchen verbinden, überflüssig und nutzlos. Dasselbe würde für polygame Arten gelten, wenn wir annehmen, dass der Ueberschuss der Weibchen über die Maassen gross sei. Ein Ueberwiegen des einen Geschlechts, — wir wollen wieder sagen des männlichen, — könnte indessen dem Anscheine nach durch die natürliche Zuchtwahl in einer andern und indirecten Weise elimi- nirt werden, nämlich durch eine factische Verminderung der Männchen ohne irgend welche Zunahme der Weibchen und folglich auch ohne Zunahme der Productivität der Art. Nach der Variabilität aller Cha- ractere können wir uns überzeugt halten, dass einige Paare, welche irgend eine Localität bewohnen, einen etwas geringeren Ueberschuss an überzähligen Männchen, aber eine gleiche Anzahl productiver Weibchen hervorbringen werden. Wird die ganze Nachkommenschaft der mehr und der weniger Männchen producirenden Eltern vollständig durcheinander gemischt, so werden keine derselben irgend einen directen Vortheil vor anderen haben; aber diejenigen, welche wenig überzählige Männchen hervorbringen, werden einen grossen directen Vortheil haben, den näm- lich, dass ihre Eier oder Embryonen wahrscheinlich grösser und schöner oder ihre Jungen sowohl im Mutterleibe als später besser ernährt werden. Wir sehen Illustrationen dieses Princips bei Pflanzen ; diejenigen, welche eine ungeheure Anzahl von Samen produciren, bringen nur kleine her- vor, während diejenigen, welche vergleichsweise wenig Samen tragen, Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 2855 oft grosse mit Nahrungsstoff zum Gebrauche des jungen Sämlings gut versorgte Samen hervorbringen 3. Es werden daher die Nachkommen derjenigen Eltern, welche am wenigsten Kraft auf die Erzeugung über- zähliger Männchen verschwendet haben, die grösste Wahrscheinlichkeit haben, leben zu bleiben, und werden dieselbe Neigung, keine überzählige Männchen zu produciren, erben, während sie doch in Bezug auf die Erzeugung von Weibchen ihre volle Fruchtbarkeit bewahren. Dasselbe würde auch im umgekehrten Falle mit den Weibchen eintreten. Irgend ein unbedeutender Ueberschuss eines der beiden Geschlechter wird in- dessen kaum in einer so indireeten Weise gehemmt werden können. Auch ist factisch eine beträchtliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern nicht immer verhindert worden, wie wir an den in der vorstehenden Erörterung gegebenen Beispielen gesehen haben. In diesen Fällen sind die unbekannten Ursachen, welche das Geschlecht des Embryo bestim- men und welche unter gewissen Bedingungen zur Hervorbringung eines Ueberschusses des einen Geschlechts über das andere führen, nicht durch das Ueberleben derjenigen Varietäten überwunden worden, welche dem geringsten Verschwenden organischer Substanz und organischer Kraft durch Erzeugung überzähliger Individuen des einen Geschlechts ausgesetzt waren. Nichtsdestoweniger können wir schliessen, dass die natürliche Zuchtwahl, zwar zuweilen wirkungslos, die relativen Zahlen der beiden Geschlechter auszugleichen bestrebt sein wird. Nachdem ich so viel über die Ausgleichung der beiden Geschlechter gesagt habe, dürfte es nicht unzweckmässig sein, ein paar Bemerkungen über die Regulirung der gewöhnlichen Fruchtbarkeit der Species durch natürliche Zuchtwahl- hinzuzufügen. In einer eingehenden Erörterung hat Mr. HERBERT SPENCER gezeigt ?*, dass bei allen Organismen ein Verhältniss zwischen den beiden Momenten besteht, welche er Indivi- duation und Genesis nennt; daraus folgt, dass Wesen, welche in ihrem Wachsthume, complieirten Baue oder in ihren Lebensthätigkeiten viel Substanz oder Kraft verbrauchen, oder welche Eier und Embryonen von bedeutender Grösse erzeugen oder welche viel Lebenskraft auf die Er- nährung ihrer Jungen verwenden, nicht so productiv sein können, als ”® Mir ist oft die Thatsache aufgefallen, dass bei mehreren Species von Primula die Samen in denjenigen Kapseln, welche nur einige wenige Körner ent- hielten, sehr bedeutend grösser waren, als die zahlreichen Samen in den produc- tiveren Kapseln. ** Principles of Biology. Vol. II, 1867, Cap. II-—XI. 2986 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Wesen einer entgegengesetzten Natur. Mr. SPENCER zeigt ferner, dass unbedeutendere Verschiedenheiten in der Fruchtbarkeit durch natürliche Zuechtwahl regulirt werden. So wird die Fruchtbarkeit einer jeden Art sich zu vergrössern streben, da die fruchtbareren Paare eine grössere Zahl von Nachkommen hervorbringen; und diese wiederum werden schon ihrer Zahl wegen die grösste Wahrscheinlichkeit für sich haben, leben zu bleiben, und werden ihre Neigung zur grösseren Fruchtbarkeit vererben. Das einzige Hemmniss für eine beständige Zunahme der Fruchtbarkeit bei allen Organismen scheint entweder in dem Aufwande von mehr Lebens- kraft und den grösseren Gefahren zu liegen, denen Eltern, welche eine zahlreichere Nachkommenschaft erzeugen, ausgesetzt sind, oder in dem Umstande, dass die Erzeugung sehr zahlreicher Eier und Jungen mit ihrer geringeren Grösse und geringeren Lebenskraft oder später mit ihrer weniger guten Ernährung zusammenfällt, In jedem einzelnen Falle genau abzuwägen, wie gross die Nachtheile einer Erzeugung zahl- reicher Nachkommen für eine Art und wie gross die Vortheile sind (wie z. B., dass wenigstens einige Individuen verschiedenartigen Ge- fahren entgehen werden), liegt völlig jenseits unseres Beurtheilungs- vermögens. Wie die Fruchtbarkeit eines Organismus, wenn er einmal äusserst fruchtbar gemacht worden ist, durch natürliche Zuchtwahl verringert werden kann, ist nicht so deutlich zu verstehen als wie diese Eigenschaft zuerst erlangt wurde. Und doch liegt auf der Hand, dass, wenn die Individuen einer Species in Folge der Abnahme ihrer natürlichen Feinde beständig in grösserer Zahl aufgezogen würden, als sich zu erhalten im Stande wären, sie sämmtlich leiden würden. Nichtsdestoweniger wür- den die Nachkommen der weniger fruchtbaren Eltern keinen directen Vortheil über die Nachkommen der fruchtbareren Eltern voraus haben, wenn alle in einem und demselben Bezirke durch einander gemengt lebten. Sämmtliche Individuen würden versuchen, sich gegenseitig ein- ander auszuhungern. Allerdings würden die Nachkommen der weniger fruchtbaren Eltern unter einem grossen Nachtheile zu leiden haben; denn schon nach der einfachen Thatsache, dass sie in geringerer Zahl er- zeugt sind, werden sie einer Ausrottung am meisten ausgesetzt sein. Indireet indessen werden sie an einem grossen Vortheile Theil haben; denn unter der vorausgesetzten Bedingung starker Concurrenz, wo sämmt- liche Individuen in Noth um Nahrung sind, ist es äusserst wahrschein- lich, dass diejenigen Individuen, welche in Folge irgend einer Abände- Cap. 8. Zahlenverhältnisse der Geschlechter. 287 rung ihrer Constitution weniger Eier oder Junge hervorbringen, diese von besonderer Grösse oder Lebenskraft hervorbringen werden; und die aus solchen Eiern erzogenen oder aus solchen Jungen erwachsenen reifen Individuen werden offenbar die grösste Wahrscheinlichkeit haben, leben zu bleiben und werden eine Neigung zu verminderter Fruchtbar- keit vererben. Ueberdies werden die Eltern, welche weniger Nach- kommen zu ernähren und zu versorgen hatten, selbst einem weniger harten Stande im Kampfe um’s Dasein ausgesetzt sein und mit grösserer Wahrscheinlichkeit andere Formen überleben. In dieser Weise, und soweit ich es übersehen kann in keiner andern, wird unter den oben genannten Bedingungen einer scharfen Coneurrenz um Nahrung die natürliche Zuchtwahl zur Bildung einer neuen weniger fruchtbaren, aber besser als die elterliche Rasse zum Ueberlebenbleiben ausgestatteten Rasse führen. Neuntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere in den niederen Classen des Thierreichs. Derartige Charactere fehlen in den niedersten Classen. — Glänzende Farben. — Mollusken. — Anneliden. — Crustaceen, secundäre Sexualcharactere hier stark entwickelt; Dimorphismus; Farbe; Charactere, welche nicht vor der Reife erlangt werden. — Spinnen, Geschlechtsfarben derselben; Stridulation der Männchen. — Myriapoden. In den niedersten Classen des Thierreichs sind die beiden Ge- schlechter nicht selten in einem und demselben Individuum vereinigt und in Folge hiervon können secundäre Sexualcharaetere nicht ent- wickelt werden. In vielen Fällen, wo die beiden Geschlechter getrennt sind, sind die einzelnen verschiedengeschlechtlichen Individuen an irgend eine Unterlage dauernd befestigt, so dass das eine nicht das andere suchen oder um dasselbe kämpfen kann. Ueberdies ist es beinahe sicher, dass diese Thiere zu unvollkommene Sinne und viel zu niedrige Geisteskräfte haben, um gegenseitig die Mitwerbung zu empfinden oder die Schönheit und andere Anziehungspunkte des andern Geschlechts zu würdigen. In so niedrigen Classen wie den Protozoen, Coelenteraten, Echi- nodermen und Scoleciden kommen daher echte seeundäre Sexualcharac- tere nicht vor; und diese Thatsache stimmt zu der Annahme, dass derartige Charactere in den höheren Classen durch geschlechtliche Zucht- wahl erlangt worden sind, welche von dem Willen, den Begierden und der Wahl der beiden Geschlechter abhängt. Nichtsdestoweniger kommen dem Anscheine nach einige wenige Ausnahmen vor; so höre ich z. B. von Dr. Baırp, dass die Männchen gewisser Eingeweidewürmer von den Weibchen unbedeutend in der Färbung abweichen. Wir haben aber keinen Grund zu der Vermuthung, dass derartige Verschiedenheiten durch geschlechtliche Zuchtwahl gehäuft worden seien. Viele von den niederen Thieren, mögen sie hermaphroditisch oder Cap. 9. Polypen und Medusen. 289 getrenntgeschlechtlich sein, sind mit den glänzendsten Farbentönen ge- ziert oder in einer eleganten Art und Weise schattirt oder gestreift. Dies ist der Fall mit vielen Corallen und See-Anemonen (Actiniae), mit einigen Quallen (Medusae, Porpita u. s. w.), mit manchen Planarien, Ascidien, zahlreichen Seesternen, Seeigeln u. s. w.; wir können aber aus den bereits angeführten Gründen, nämlich aus der Vereinigung der bei- den Geschlechter bei einigen dieser Thiere, dem dauernd festgehefteten Zustande anderer und den niedrigen Geisteskräften aller, schliessen, dass solche Farben nicht als geschlechtliche Anziehungsreize dienen und nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Bei den höheren Thieren liegt die Sache sehr verschieden; denn wenn bei die- sen das eine Geschlecht glänzender oder auffallender gefärbt ist als das andere und wenn keine Verschiedenheit in den Lebensgewohnheiten der beiden Geschlechter besteht, welche diese Abweichungen erklären könnte, so haben wir Grund, an den Einfluss der geschlechtlichen Zuchtwahl zu glauben; diese Annahme wird auch dadurch noch kräftig unterstützt, dass die bedeutender verzierten Individuen, welches fast immer die Männchen sind, ihre Reize vor dem andern Geschlechte entfalten. Sind beide Geschlechter gleich gefärbt, so können wir diese Folgerung auch auf beide Geschlechter in dem Falle ausdehnen, dass ihre Färbung der- jenigen des in gewissen andern Species derselben Gruppe allein so ge- färbten Geschlechts offenbar analog ist. Wie haben wir denn nun die schönen oder selbst prachtvollen Farben vieler Thiere der niedersten Classen zu erklären? Es erscheint sehr zweifelhaft, ob derartige Färbungen gewöhnlich zum Schutze die- nen; doch sind wir in Hinsicht auf Merkmale aller Arten, sobald wir sie zu einem Schutze in Beziehung bringen wollen, äusserst leicht einem Irrthum unterworfen, wie jeder zugeben wird, welcher Mr. WALLACE’S ausgezeichnete Abhandlung über diesen Gegenstand gelesen hat. Es würde z. B. auf den ersten Blick wohl Niemanden der Gedanke kommen, dass die vollkommene Durchsichtigkeit der Quallen oder Medusen von dem höchsten Nutzen für sie als ein Schutzmittel sei; wenn wir aber von HÄcker daran erinnert werden, dass nicht bloss die Medusen, son- dern auch viele oceanische Mollusken, Crustaceen und selbst kleine oceanische Fische dieselbe glasähnliche Beschaffenheit darbieten, so kön- nen wir kaum daran zweifeln, dass sie durch dieselbe der Aufmerksam- keit pelagischer Vögel und anderer Feinde entgehen. Trotz unserer Unwissenheit darüber, wie weit in diesen Fällen die DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 19 290 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Färbung zum Schutze dient, scheint doch die wahrscheinlichste Ansicht mit Rücksicht auf die prachtvollen Tinten vieler der niedrigsten Thiere die zu sein, dass deren Farben das directe Resultat entweder der che- mischen Beschaffenheit - oder der feineren Structur ihrer Körpergewebe sind und zwar unabhängig von irgend einem daraus fliessenden Vor- theile. Kaum irgend eine Farbe ist schöner als das arterielle Blut; es ist aber kein Grund vorhanden zu vermuthen, dass die Farbe des Blutes an sich irgend ein Vortheil sei; und wenn sie auch dazu beiträgt, die Schönheit der Wangen eines Mädchens zu erhöhen, so wird doch Nie- mand behaupten wollen, dass sie zu diesem Zwecke erlangt worden sei. So ist ferner bei vielen Thieren, und besonders bei den niederen, die Galle intensiv gefärbt; in dieser Weise ist z. B. die ausserordentliche Schön- heit der Eoliden (nackter Seeschnecken), wie mir .Dr. Hancock mit- getheilt hat, hauptsächlich eine Folge der durch die durchscheinenden Hautbedeckungen hindurch gesehenen Gallendrüsen; und wahrscheinlich ist diese Schönheit von keinem Nutzen für diese Thiere. Die Färbungen der absterbenden Blätter in einem amerikanischen Walde werden von Allen, die sie gesehen haben, als prachtvoll beschrieben; und doch nimmt Niemand an, dass diese Färbungen für die Bäume von dem allergeringsten Nutzen sind. Erinnert man sich daran, wie viele Sub- stanzen neuerlich von Chemikern gebildet worden sind, welche natür- lichen organischen Verbindungen äusserst analog sind und welche die prachtvollsten Farben darbieten, so müssten wir es doch für eine be- fremdende Thatsache erklären, wenn nicht ähnlich gefärbte Substanzen oft auch unabhängig von einem dadurch erreichten nützlichen Zwecke in dem complieirten Laboratorium der lebenden Organismen entstanden wären. Unterreich der Mollusken. — Durch diese ganze grosse Ab- theilung des Thierreichs (in ihrer weitesten Bedeutung genommen) kommen secundäre Sexualcharactere, solche wie wir sie hier be- trachten, so weit ich es ausfindig machen kann, nirgends vor. In den drei niedrigsten Classen, nämlich den Ascidien, Bryozoen und Brachio- poden (die Molluseoiden Huxtey’s bildend) wären solche auch nicht zu erwarten gewesen, denn die meisten der hierher gehörigen Thiere sind beständig an irgend eine Unterlage befestigt oder haben die Geschlech- ter in einem und demselben Individuum vereinigt. Bei den Lamelli- branchiern, oder den zweischaligen Muscheln, ist Hermaphroditismus Cap. 9. ° Secundäre Sexualcharactere der Mollusken. 291 nicht selten. In der nächst höheren Classe, der der Gasteropoden oder einschaligen Schnecken, sind die Geschlechter entweder vereint oder ge- trennt. In diesem letzteren Falle aber besitzen die Männchen niemals specielle Organe zum Finden, Festhalten oder Reizen der Weibchen oder zum Kämpfen mit andern Männchen. Die einzige äusserliche Ver- schiedenheit zwischen den Geschlechtern besteht, wie mir Mr. GwyN JEFFREYS mittheilt, darin, dass die Schalen zuweilen ein wenig in der Form abweichen; so ist z. B. die Schale der gemeinen Strandschnecke (Littorina littorea) beim Männchen etwas schmäler und hat eine etwas verlängertere Spindel als die des Weibchens. Aber Verschiedenheiten die- ser Art stehen, wie wohl vermuthet werden kann, direct im Zusammen- hang mit dem Acte der Reproduction oder mit der Entwickelung der Eier. Wenn auch die Gasteropoden einer Ortsbewegung fähig und mit unvollkommenen Augen versehen sind, so scheinen sie doch nicht mit hinreichenden geistigen Kräften ausgerüstet zu sein, um den Individuen eines und desselben Geschlechts einen Kampf der Nebenbuhlerschaft zu gestatten und dadurch secundäre Sexualcharactere erlangen zu lassen. Nichtsdestoweniger geht bei den lungenathmenden Gasteropoden oder Landschnecken der Paarung eine Werbung voraus; denn wenn diese Thiere auch Hermaphroditen sind, so sind sie doch durch ihre Struc- tur gezwungen, sich zu paaren. Acassız bemerkt !: „Quiconque „a eu l’occasion d’observer les amours des limagons, ne saurail meltre „en doule la seduction deployee dans les mouvements el les allures „qui preparent et accomplissent le double embrassement de ces herma- „phrodites.“ Es scheinen diese Thiere eines geringen Grades dauernder Anhänglichkeit fähig zu sein. Ein sorgfältiger Beobachter, Mr. Loxs- DALE, theilt mir mit, dass er einmal ein Paar Landschnecken (Helix pomatia), von denen die eine schwächlich war, in einen kleinen und schlecht versorgten Garten gethan habe. Nach einer kurzen Zeit war das kräftige und gesunde Individuum verschwunden und konnte nach der schleimigen Spur, die es hinterlassen hatte, über die Mauer in einen benachbarten gut versorgten Garten verfolgt werden. Mr. LONsDALE folgerte daraus, dass es seinen kränklichen Genossen verlassen habe ; aber nach einer Abwesenheit von vierundzwanzig Stunden kehrte es zurück und theilte offenbar das Resultat seiner erfolgreichen Entdeckungs- reise seinem Gefährten mit, denn beide machten sich nun auf denselben Weg und verschwanden über die Mauer. ı De V’Espece et de la Olassifie. etc. 1869, p. 106. - 299 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Selbst in der höchsten Classe der Mollusken, der der Cephalopoden oder der Tintenfische, bei welchen die Geschlechter getrennt sind, kom- men secundäre Sexualcharactere von der Art, welche wir hier betrach- ten, so viel ich sehen kann, nicht vor. Dieser Umstand überrascht wohl allerdings, da diese Thiere hoch entwickelte Sinnesorgane besitzen und auch beträchtlich ausgebildete geistige Kräfte haben, wie alle die zugeben werden, welche die kunstvollen Bestrebungen dieser Thiere, ihren Feinden zu entgehen, beobachtet haben *. Gewisse Cephalopoden sind indessen durch ein ausserordentliches Geschlechtsmerkmal charac- terisirt: das männliche Sexualelement wird nämlich bei diesen in einem der Arme oder Tentakeln angesammelt, welcher dann abgeworfen wird und, sich mit seinen Saugnäpfen an den Weibchen festhaltend, eine Zeit lang ein selbständiges Leben führt. Dieser abgeworfene Arm ist einem besondern Thiere so vollständig ähnlich, dass er von CUVIER als parasitischer Wurm, Hectocotylus, beschrieben wurde. Diese wun- derbare Bildung dürfte aber eher als ein primärer denn als ein secun- därer Geschlechtscharaeter bezeichnet werden. Obgleich nun bei den Mollusken geschlechtliche Zuchtwahl nicht in’s Spiel gekommen zu sein scheint, so sind doch viele einschalige Schnecken und zweischalige Muscheln, wie Voluten, Conus, Pilgrim- muscheln u. Ss. w. schön gefärbt und geformt. Die Farben sind dem Anscheine nach in den meisten Fällen von keinem Nutzen als Schutz- mittel; sie sind wahrscheinlich wie in den niedrigsten Classen das di- recte Resultat der Beschaffenheit der Gewebe; und die Formen und die Sculptur der Schale hängt von der Art und Weise ihres Wachsthums ab. Die Menge von Licht scheint bis zu einem gewissen Maasse von Einfluss zu sein; denn obgleich, wie mir Mr. GwYN JEFFREYS wieder- holt bestätigt hat, die Schalen mancher in grösster Tiefe lebender Arten glänzend gefärbt sind, so sehen wir doch im Allgemeinen, dass die untern Schalenflächen und die vom Mantel bedeckten Theile weniger hell gefärbt sind, als die obern und dem Lichte ausgesetzten Flächen °. In manchen Fällen, wie bei Schalthieren, welche mitten unter Corallen ® s. z. B. den Bericht, welchen ich in meinem Journal of Researches, 1845, p- 7 gegeben habe. 3 Ich habe ein merkwürdiges Beispiel vom Einfluss des Lichts auf die Fär- bung einer sich verzweigenden Incrustation gegeben (Geolog. Observations on Volcanic Islands. 1844, p. 53.) Dieselbe war vom Wellenschlag an den Ufer- klippen der Insel Ascension abgelagert worden und war gebildet aus der Lösung zerriebener Muschelschalen. Cap. 9. Secundäre Sexualcharactere der Mollusken. 293 oder hell gefärbten Meerpflanzen leben, dürften die hellen Farben als Schutzmittel dienen. Aber viele der Nudibranchier oder nackten See- schnecken sind ebenso schön gefärbt wie irgendwelche Schneckenschalen, wie in dem prachtvolen Werke der Herren ALper und Hancock nach- gesehen werden kann; und nach einer mir freundlichst von Mr. Han- cock gemachten Mittheilung ist es äusserst zweifelhaft, ob diese Farben gewöhnlich den Thieren zum Schutze dienen. Bei einigen Arten mag dies wohl der Fall sein, wie bei einer, welche auf den grünen Blättern von Algen lebt und selbst schön grün gefärbt ist. Aber viele hellge- färbte, weisse oder in anderer Weise auffallende Species suchen kein Versteck; während andererseits gleichmässig auffallende Species, ebenso wie andere düster gefärbte Arten unter Steinen und in dunklen Höh- lungen leben. Offenbar steht daher bei diesen nudibranchen Mollusken die Färbung in keiner innigen Beziehung zu der Beschaffenheit der Oert- lichkeiten, welche sie bewohnen. Diese nackten Seeschnecken sind Hermaphroditen; trotzdem paaren sie sich aber, wie es auch die Landschnecken thun, von denen viele ausserordentlich nette Schalen besitzen. Es wäre wohl denkbar, dass zwei Hermaphroditen, gegenseitig durch die bedeutendere Schönheit an- gezogen, sich verbinden und Nachkommen hinterlassen könnten, welche die grössere Schönheit ihrer Eltern erben würden. Aber bei so niedrig organisirten Wesen ist dies ausserordentlich unwahrscheinlich. Es springt auch durchaus nicht sofort in die Augen, warum die Nachkommen der schöneren Paare von Hermaphroditen über die Nachkommen der weniger schönen irgendwelchen Vortheil von der Art haben sollten, dass sie nun an Zahl zunähmen, wenn nicht Lebenskraft und Schönheit aller- dings allgemein zusammenfielen. Wir haben hier nicht einen solchen Fall vor uns, wo die Männchen früher als die Weibchen reif werden und die schöneren Männchen dann von den lebehskräftigeren Weibchen ausgewählt werden. Allerdings wenn brillante Farben für ein herma- phroditisches Thier in Bezug auf seine allgemeinen Lebensgewohnheiten wohlthätig wären, würden auch die lebendiger gefärbten Individuen am besten fortkommen und an Zahl zunehmen; dies wäre aber dann ein Fall von natürlicher und nicht von geschlechtlicher Zuchtwahl. Unterreich der Würmer: Classe der Anneliden (oder Rin- gelwürmer). — Obgleich in dieser Classe die beiden Geschlechter, wenn sie getrennt sind, zuweilen in Merkmalen von solcher Bedeutung 294 Geschlechtliche Zuchtwahl. 1I. Theil. von einander verschieden sind, dass sie in verschiedene Gattungen oder selbst Familien gebracht worden sind, so scheinen die Verschiedenheiten doch nicht von der Art zu sein, dass man sie mit Sicherheit der ge- schlechtlichen Zuchtwahl zuschreiben könnte. Es stehen diese Thiere, wie diejenigen der vorhin erwähnten Classen, dem Anscheine nach zu tief auf der Stufenleiter, als dass man annehmen könnte, die beiden Ge- schlechter liessen irgend eine Wahl eintreten, um einen Genossen zu erlangen, oder die Individuen eines und desselben Geschlechts wären im Stande, mit ihren Nebenbuhlern zu kämpfen. Unterreich der Arthropoden; (lasse: Crustaceen. — In dieser grossen Classe begegnen wir zuerst unzweifelhaften secundären Sexualcharacteren, welche oft in einer merkwürdigen Weise entwickelt sind. Unglücklicherweise ist die Lebensweise der Crustaceen sehr unvollkommen bekannt und wir können daher den Gebrauch vieler, nur dem einen Geschlechte eigenthümlichen Structurverhältnisse nicht erklären. Bei den niedrigen parasitischen Species sind die Männchen von geringer Grösse und nur sie allein sind mit vollkommenen Schwimm- füssen, Antennen und Sinnesorganen versehen. Die Weibchen entbehren dieser Organe und ihr Körper besteht oft nur aus einer unförmlichen, sackartigen Masse. Diese ausserordentlichen Verschiedenheiten zwischen den beiden Geschlechtern stehen aber ohne Zweifel in Beziehung zu ihrer so sehr von einander abweichenden Lebensweise und berühren uns in Folge dessen hier nicht. Bei verschiedenen, zu verschiedenen Fami- lien gehörigen Crustaceen sind die vordern Antennen mit eigenthüm- lichen fadenförmigen Körpern versehen, von denen man glaubt, dass sie als Geruchsorgane fungiren; und diese sind bei den Männchen bedeu- tend zahlreicher als bei den Weibchen. Da die Männchen schon ohne eine ungewöhnliche Entwickelung ihrer Geruchsorgane beinahe mit Sicherheit früher oder später im Stande sein würden die Weibchen zu finden, so ist die bedeutendere Anzahl der Riechfäden wahrscheinlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden, und zwar dadurch, dass die besser damit ausgerüsteten Männchen bei dem Finden von Genos- sinnen und dem Hinterlassen von Nachkommenschaft am erfolgreichsten gewesen sind. Fritz MÜLLER hat eine merkwürdige dimorphe Species von Tanais beschrieben, bei welcher das Männchen durch zwei distincte Formen .repräsentirt wird, welche niemals in einander übergehen. Be; der einen Form ist das Männchen mit zahlreicheren Riechfäden, bei der Cap. 9. Secundäre Sexualcharactere der Crustaceen. 295 andern mit kräftigeren und verlängerteren Chelae oder Scheeren ver- sehen, welche dazu dienen, das Weibchen festzuhalten. Frrrz MÜLLER vermuthet, dass diese Verschiedenheiten zwischen den beiden männlichen Formen einer und derselben Species dadurch entstanden sein müssen, dass gewisse Individuen in der Anzahl ihrer Riechfäden variirt haben, während bei andern Individuen die Form und die Grösse ihrer Scheeren varlirt habe; so dass von den ersteren diejenigen, welche am besten im Stande waren, die Weibchen zu finden, und von a den letzteren diejenigen, welche am besten im Stande waren das Weibchen sobald sie es gefunden hatten festzuhalten, die grössere Anzahl von Nach- kommen hinterlassen haben, um ihre beziehent- lichen Vortheile zu erben #. Bei einigen der niederen Crustaceen weicht die rechte vordere Antenne des Männchens in ihrer Structur bedeutend von der der linken Seite ab, wo- bei die letztere in ihren einfachen spitz auslaufenden Gliedern den Antennen des Weibchen ähnlich ist. Beim Männchen ist die modifieirte Antenne ent- weder in der Mitte geschwollen oder winklig ge- bogen oder (Fig. 3) in ein elegantes und zuweilen wunderbar complieirtes Greiforgan verwandelt >. Wie ich von Sir J. LuBBock höre, dient es dazu, das Weibchen festzuhalten; und zudemselben Zwecke Fis: 3. Labidoeera Darwi- »ii (nach Lubbock). ist einer der beiden hinteren Füsse (b) auf dersel- a) Theil der vordern rech- . 2 a EIPRc . y Di ten Antenne des Männ- ben Seite des Körpers in eine Scheere verwandelt. mens, ein Greiforsan Bei einer andern Familie sind die unteren oder IS hinteren Antennen nur bei den Männchen „in merk- eg. ’ würdiger Weise ziekzackförmig gebildet.“ EEE TUE u Bei den höheren Crustaceen bilden die vordern Füsse ein Paar Zangen oder Scheeren und diese sind allgemein beim Männchen grösser als beim * „Für Darwin.“ Leipzig, 1864, S. 15. s. die vorausgehende Erörterung über die Riechfäden. Sars hat einen einigermaassen analogen Fall bei einem Norwegischen Kruster, der Pontoporeia affinis, beschrieben. s. das Citat in „Na- ture“, 1870, p. 455. 5. Sir J. Lubbock in: Ann. and Magaz. of Nat. Hist. Vol. XI. 1853. Pl. I. und X. und Vol. XI (1853) Pl. VII. s. auch Lubbock in: Transaet. Ento- mol. Soc. New Ser. Vol. IV. 1856—58, p. 8. In Bezug auf die oben erwähnten ziekzackförmigen Antennen s. Fritz Müller, Für Darwin. S. 27, Anm. 1. 296 Geschlechtliche Zuchtwahl. . II. Theil. Weibchen. Bei vielen Species sind die Scheeren auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers von ungleicher Grösse, wobei, wie mir Mr. ©. SpENncE Bare mittheilt, die der rechten Seite meistens, wenn auch nicht unabän- derlich, die grössten sind. Diese Ungleichheit ist oft beim Männchen viel bedeutender als beim Weibehen. Auch weichen die beiden Scheeren oft Fig. 4. WV.oordertheil des Körpers von Callianassa (nach Milne- Edwards), die ungleich und ver- schieden gebildeten Scheeren der rechten und linken Seite vom Männchen zeigend. NB. Durch Versehen des Zeichners ist die linke Scheere die grösste geworden; [die Zeichnung ist ohne Spiegel auf Holz übertragen worden]. Fig. 5. Fig. 6. Fig.5. Fuss des zweiten Paares von der männlichen Orchestia Tucuratinga (nach Fritz Müller). I » Fig. 6. Dasselbe vom Weibchen. in ihrer Structur von einander ab (Fig. 4, 5 und 6), wobei die kleineren denen des Weibchens ähnlich sind. Was für ein Vortheil durch die Ungleichheit dieser Organe auf den gegenüberliegenden Seiten des Kör- pers und dadurch erlangt wird, dass die Ungleichheit beim Männchen viel bedeutender ist als beim Weibchen; und warum sie, auch wenn sie von gleicher Grösse sind, oft beide beim Männchen viel grösser sind als beim Weibchen, ist unbekannt. Die Scheeren sind zuweilen von solcher Länge und Grösse, dass sie, wie ich von Mr. SPENcE BATE höre, unmöglich dazu benutzt werden können, Nahrung zum Munde zu führen. Bei den Männchen gewisser Süsswasser-Garneelen (Palaemon) Cap. 9. Secundäre Geschlechtscharactere der Crustaceen. 297 ist der rechte Fuss factisch länger als der ganze Körper®. Es ist wahrscheinlich, dass die bedeutende Grösse des einen Fusses und seiner Scheere dem Männchen bei seinem Kampfe mit seinen Nebenbuhlern hilft; dieser Gebrauch kann aber die Ungleichheit dieser Theile auf den entgegengesetzten Seiten des Körpers des Weibchens nicht erklären. Nach einer von MitLne-EowaArps mitgetheilten Angabe” leben bei der Gattung Gelasimus Männchen und Weibchen in einer und derselben Höhle, was der Beachtung werth ist, da es zeigt, dass sie sich paaren; das Männchen verschliesst die Oeffinung der Höhle mit einer seiner bei- den Scheeren, welche enorm entwickelt ist, so dass sie hier indirect als Vertheidigungsmittel dient. Ihr hauptsächlichster Nutzen besteht in- dessen wahrscheinlich darin, das Weibchen zu ergreifen und festzuhal- ten und dies ist in einigen Beispielen, wie bei Gammarus, bekanntlich der Fall. Indessen vereinigen sich, wie mir Mr. SPEncE BAtE mittheilt, bei der gemeinen Uferkrabbe (Careinus maenas) die Geschlechter di- rect, nachdem das Weibchen seine harte Schale abgestossen hat, wo es so weich ist, dass es verletzt werden würde, wenn es das Männchen mit seinen kräftigen Scheeren ergriffie; es wird aber vom Männchen - schon vor dem Acte der Häutung gefangen und herumgeschleppt, wo es eben ohne Gefahr ergriffen werden kann. Frrrz MÜLLER führt an, dass gewisse Arten von Melita von allen andern Amphipoden durch eine Eigenthümlichkeit der Weibchen unter- schieden sind; nämlich „die Hüftblätter des vorletzten Fusspaares sind „in hakenförmige Fortsätze ausgezogen, an die sich das Männchen mit „den Händen des ersten Fusspaares festklammert.* Die Entwickelung dieser hakenförmigen Fortsätze ist wahrscheinlich das Resultat des Um- standes, dass diejenigen Weibchen, welche während des Reproduetions- actes am sichersten gehalten wurden, die grösste Anzahl von Nach- kommen hinterlassen haben. Frırz Mütter beschreibt noch einen andern Brasilianischen Amphipoden (Orchestia Darwinii, Fig. 7), weleher ähnlich wie Tanats einen Fall von Dimorphismus darbietet; es finden sich hier nämlich zwei männliche Formen, welche in der Structur ihrer Scheeren von einander abweichen 8. Da Scheeren einer der beiden Formen ganz 6 5. einen Aufsatz von €. Spence Bate mit Abbildungen in: Proceed. Zool, Soc. 1868, p. 363 und über die Nomenclatur der Gattung ebenda p. 585. Ich bin Herrn Spence Bate für fast alle die oben erwähnten Angaben in Bezug auf die Scheeren der höheren Crustaceen ausserordentlich verbunden. * Histoire natur. des Crustac. Tom. II. 1837, p. 50. ® Fritz Müller, Für Darwin. S. 16—18. 298 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. entschieden zum Festhalten der Weibchen hingereicht haben würden, — denn beide Formen werden ja jetzt zu diesem Zwecke benutzt, — Fig. 7. Orchestia Darwinii (nach Fritz Müller), die verschieden gebildeten Scheeren der bei- den männlichen Formen zeigend. so entstanden die beiden männlichen Formen wahrscheinlich dadurch, dass einige in der einen, andere in emer andern Art und Weise varüir- ten, wobei beide Formen aus der verschiedenen Gestalt ihrer Organe gewisse specielle, aber beinahe gleiche Vortheile erlangten. Es ist nicht bekannt, dass männliche Crustaceen um den Besitz der Weibehen mit einander kämpfen, doch ist dies wahrscheinlich ; denn es gilt für die meisten Thiere, dass, wenn das Männchen grösser ist als das Weibchen, ersteres seine bedeutende Grösse dadurch erlangt hat, dass es viele Generationen hindurch andere Männchen besiegt hat. Nun theilt mir Mr. Spencer Bare mit, dass in den meisten Ordnungen der Crustaceen und besonders in der höchsten, der der Brachyuren, das Cap. 9. Secundäre Sexualcharactere der Crustaceen. 299 Männchen grösser als das Weibchen ist; dabei müssen indessen die pa- rasitischen Gattungen, wo die beiden Geschlechter verschiedene Lebens- weisen haben, und die meisten Entomostraken ausgenommen werden. Die Scheeren vieler Crustaceen sind Waffen, welche für einen Kampf wohl geeignet’ sind. So sah ein Sohn des Mr. Spenc# BATE, wie eine Krabbe, Portunus puber, mit einer andern, Careinus maenas kämpfte, wobei es nicht lange dauerte, bis die letztere auf den Rücken geworfen und ein Bein nach dem andern vom Körper losgerissen wurde. Wenn _ mehrere Männchen eines Brasilianischen Gelasimus, einer mit unge- heuren Scheeren versehenen Art, von Frırz MÜLLER zusammen in ein Glasgefäss gethan wurden, so verstümmelten und tödteten sie sich gegen- seitig. Mr. Bare brachte ein grosses Männchen von Carcinus maenas “in einen Trog mit Wasser, welchen bereits ein Weibchen bewohnte, das sich mit einem kleineren Männchen verbunden hatte; das letztere wurde sehr bald aus dem Besitze vertrieben. Mr. Barz fügt aber hin- zu: „wenn sie um den Besitz kämpften, so war der Sieg ein unbluti- „ger; denn ich sah keine Wunden.“ Derselbe Naturforscher trennte einen männlichen Sandhüpfer, Gammarus marinus, der so gemein an den Englischen Küsten ist, von seinem Weibchen; beide wurden in einem und demselben Gefässe mit vielen andern Individuen derselben Species in Gefangenschaft gehalten. Das hierdurch geschiedene Weib- chen begab sich wieder in die Gesellschaft seiner Kameraden. Nach einiger Zeit wurde das Männchen wiederum in dasselbe Gefäss gebracht, und nachdem es eine Zeit lang herumgeschwommen war, stürzte es sich mitten in die Menge und holte sich sofort ohne irgend einen Kampf sein Weibchen wieder. Diese Thatsache beweist, dass bei den Amphi- poden, einer in der Stufenreihe so tief stehenden Ordnung, die Männ- chen und Weibchen einander erkennen und eine gegenseitige Anhäng- lichkeit besitzen. 7” Die geistigen Fähigkeiten der Crustaceen sind wahrscheinlich höher, als man erwarten zu können meint. Jeder, der versucht hat, eine der Uferkrabben, welche an vielen tropischen Küsten so zahlreich sind, zu fangen, wird wahrgenommen haben, wie schlau und alert sie sind. Es - gibt eine grosse Krabbe, Börgus latro, welche sich auf Corallen-Inseln findet und sich auf dem Grunde einer tiefen Grube ein diekes Bett aus den abgezupften Fasern der Cocosnuss baut. Sie nährt sich von den abgefallenen Früchten des Cocosbaumes, indem sie die Schale, Faser für Faser, abreisst; und stets beginnt sie an dem Ende der Frucht, wo 300 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. sich die drei augenähnlichen Vertiefungen finden. Dann beisst sie durch eine von diesen Vertiefungen durch, wobei sie ihre schweren Vorder- scheeren wie einen Hammer benutzt, dreht sich dann herum und holt den eiweissartigen Kern mit ihren schmäleren hinteren Scheeren heraus. Diese Handlungen sind aber wahrscheinlich instinctiv, so dass sie wohl von einem jungen Thiere ebensogut wie von einem alten ausgeführt werden. Den folgenden Fall kann man indessen kaum in dieser Art beurtheilen: ein zuverlässiger Beobachter, Mr. GARDNER 9, sah einer Strandkrabbe (Gelasimus) zu, wie sie ihre Grube baute und warf einige Muschelschalen nach der Höhlung hin. Eine davon rollte hinein und drei andere Schalen blieben wenige Zolle von der Oeffnung entfernt liegen. In ungefähr fünf Minuten brachte die Krabbe die Muschel, welche in die Höhle gefallen war, heraus und schleppte sie bis zu einer Entfernung von einem Fuss von der Oeffinung; dann sah sie die drei andern in der Nähe liegen und da sie augenscheinlich dachte, dass diese gleichfalls hinein rollen könnten, schleppte sie auch diese auf die Stelle, wo sie die erste hingebracht hatte. Ich meine es dürfte schwer sein, diese Handlung von einer zu unterscheiden, die der Mensch mit Hülfe der Vernunft ausführt. Was die Färbung betrifft. welche so oft in den beiden Geschlech- tern bei Thieren der höheren Classen verschieden ist, so kennt Mr. SPENCE BATE kein irgend scharf ausgesprochenes Beispiel einer solchen Verschiedenheit bei den Englischen Crustaceen. Indess weichen in ei- nigen Fällen Männchen und Weibchen unbedeutend in der Schattirung ab; doch hält Mr. BarE diese Verschiedenheit nicht für grösser, als durch die verschiedenen Lebensgewohnheiten der beiden Geschlechter erklärt werden kann, wie denn das Männchen mehr umherwandert und daher mehr dem Lichte ausgesetzt ist. Bei einer merkwürdigen Krabbe von Borneo, welche in Schwämmen wohnt, konnte Mr. BarE stets die Geschlechter dadurch von einander unterscheiden, dass bei dem Männ- chen die Epidermis nicht so stark abgerieben war. Dr. PowER ver- suchte die Geschlechter der Arten, welehe Mauritius bewohnen, nach der Farbe zu unterscheiden, es gelang ihm indessen niemals, mit Aus- nahme einer Species von Squilla, wahrscheinlich die S. stylifera; das Männchen derselben wird als „schön bläulich-grün“, einige der Anhänge als kirschroth beschrieben, während das Weibchen grosse wolkige Flecke ° Travels in the Interior of Brazil. 1864, p. 111, Ich habe in meinem Jour- nal of Researches eine Schilderung der Lebensweise des Birgus gegeben. Cap: :9. ” Secundäre Sexualcharactere der Crustaceen. 301 von Braun und Grau hat und „das Roth an ihm viel weniger lebhaft „ist als bei dem Männchen“ !%, Wir dürfen wohl vermuthen, dass in diesem Falle geschlechtliche Zuchtwahl in Thätigkeit war. Bei Saphi- rina (einer oceanischen Gattung von Entomostraken und daher tief auf der Stufenleiter stehend) sind die Männchen mit sehr kleinen Schildern oder zellenähnlichen Körpern versehen, welche wunderschöne schillernde Farben darbieten; diese Gebilde fehlen bei den Weibchen, und in einem Falle fehlen sie bei beiden Geschlechtern !!. Es wäre indessen ausser- ordentlich voreilig, zu schliessen, dass diese merkwürdigen Organe dazu dienen, bloss die Weibchen anzuziehen. Wie mir Frırz MÜLLER mit- getheilt hat, ist bei den Weibchen einer brasilianischen Art von Ge- lasimus der ganze Körper nahezu gleichförmig gräulich-braun. Beim Männchen ist der hintere Theil des Cephalothorax rein weiss, der vor- dere Theil dagegen gesättigt grün und in dunkelbraun abschattirend ; dabei ist es merkwürdig, dass diese Farben sich leicht im Laufe nur weniger Minuten verändern, — das Weiss wird schmutziggrau oder selbst schwarz und das Grün „verliert viel von seinem Glanze“. Wie es scheint, sind die Männchen viel zahlreicher als die Weibchen. Es verdient noch besondere Beachtung, dass sie ihre glänzenden Farben nicht vor der Reifezeit erhalten. Auch weichen sie von den Weibchen in der bedeutenderen Grösse ihrer Scheeren ab. Bei einigen Species der Gattung, wahrscheinlich bei allen, paaren sich die Geschlechter und die Paare bewohnen je eine und dieselbe Höhle. Sie sind auch ferner, wie wir gesehen haben, hoch intelligente Thiere. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen scheint es in hohem Grade wahrscheinlich zu sein, dass bei dieser Art das Männchen mit muntern Farben verziert worden ist, um das Weibchen anzuziehen oder anzuregen. Es ist eben angegeben worden, dass der männliche Gelasimus seine auffallenden Farben nicht eher erreicht, als bis er reif und nahezu bereit ist, sich zu paaren. Dies scheint mit den vielen merkwürdigen Ver- schiedenheiten der Struetur zwischen beiden Geschlechtern die allge- meine Regel in der ganzen Classe zu sein. Wir werden hernach sehen, dass dasselbe Gesetz durch das ganze grosse Unterreich der Wirbel- thiere hindurch herrscht, und in allen Fällen ist es ganz ausserordent- lich bezeichnend für Merkmale, welche in Folge geschlechtlicher Zucht- 1° Ch. Fraser. in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 3. Ich verdanke der Freundlichkeit des Herrn Bate die Mittheilung von Dr. Power. [5] '!! Claus, die freilebenden Copepoden. 1863, S. 35. 302 - Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. wahl erlangt worden sind. Frırz Mütter !? gibt einige auffallende Beispiele für dieses Gesetz; so erhält der männliche Sandhüpfer (Or- chestia) seine grossen Zangen, welche von denen des Weibchens sehr verschieden gebildet sind, nicht eher, als bis er fast völlig erwachsen ist; in der Jugend sind seine Zangen denen des Weibchens ähnlich. So besitzt ferner der männliche Brachyscelus, wie alle anderen Am- phipoden, ein Paar hintere Antennen; dem Weibchen aber, und dies ist ein im höchsten Grade merkwürdiger Umstand, fehlt dies und ebenso fehlt es dem Männchen so lange es nicht geschlechtsreif ist. Classe: Arachnida (Spinnen u. s. w.). — Die Männchen sind oft dunkler, zuweilen indessen heller als die Weibchen, wie man in dem prachtvollen Werke BrackwALL’s sehen kann !?. In einigen Arten weichen die Geschlechter auffallend von einander in der Färbung ab; so ist das Weibchen von Sparassus smaragdulus mattgrün, während das Männchen ein schön gelbes Abdomen hat mit drei Längsstreifen von gesättigtem Roth. Bei einigen Arten von Thomisus sind die bei- den Geschlechter einander sehr ähnlich; so sind bei Th. citreus die Füsse und der Körper des Weibchens blass gelb oder grün, während die vorderen Füsse des Männchens röthlich braun sind; bei Th. flori- colens sind die Füsse des Weibchens blassgrün, die des Männchens sind dagegen in einer auffallenden Weise mit verschiedenen Farben geringelt. Zahlreiche analoge Fälle könnten noch angeführt werden aus den Gat- tungen Epeira, Nephila, Philodromus, Theridion, Linyphia u. s. w. Es ist oft schwer zu sagen, welches der beiden Geschlechter am meisten von der gewöhnlichen Färbung der ganzen Gattung, zu welcher die Species gehört, abweicht; doch glaubt Mr. BrackWALL, dass es, einer allgemeinen Regel zu Folge, das Männchen ist. Wie mir derselbe Schriftsteller mittheilt, sind in der Jugend die beiden Geschlechter ein- ander ähnlich; und beide erleiden häufig bedeutende Veränderungen in der Farbe während der aufeinanderfolgenden Häutungen ehe sie zum Reife- zustande gelangen. In anderen Fällen scheint nur das Männchen die Farbe zu verändern. So ist das Männchen des vorhin erwähnten glän- zend gefärbten Sparassus zuerst dem Weibchen ähnlich und erhält seine ihm eigenthümlichen Farben erst wenn es nahezu erwachsen ist. Spinnen ı2 „Für Darwin“. S. 58. '3 A History of the Spiders of Great Britain. 1861—64. In Bezug auf die oben erwähnten Thatsachen vergl. p. 102, 77, 88. / / Cap 9 Secundäre Sexualcharactere der Arachniden. 303 besitzen sehr scharfe Sinne und zeigen auch viel Intelligenz. Wie all- gemein bekannt ist, zeigen die Weibchen oft die stärkste Affeetion für ihre Eier, welche sie in ein seidenes Gewebe eingehüllt mit sich her- umtragen. Im Ganzen erscheint es wahrscheinlich, dass gut ausgespro- chene Verschiedenheiten in der Farbe zwischen den Geschlechtern allge- mein das Resultat einer geschlechtlichen Zuchtwahl entweder auf Seite des Männchens oder des Weibchens sind. Man könnte aber wohl in Be- zug auf diesen Punkt Zweifel hegen wegen der ausserordentlichen Va- riabilität der Farbe bei einigen Species, so z. B. bei T’heridion lineatum, bei welcher die Geschlechter, wenn sie erwachsen sind, von einander abweichen; es weist diese grosse Variabilität darauf hin, dass die Farben keiner Form einer Zuchtwahl unterworfen worden sind. Mr. BLACKWALL erinnert sich nicht die Männchen irgend einer Art untereinander um den Besitz des Weibchens kämpfen gesehen zu haben. Auch ist dies, nach Analogie zu schliessen, nicht wahrschein- lich. Denn die Männchen sind allgemein viel kleiner als die Weibchen, zuweilen in einem ausserordentlichen Grade !*. Hätten die Männchen die Gewohnheit gehabt, mit einander zu kämpfen, so würden sie wahr- scheinlicher Weise allmählich eine bedeutendere Grösse und Kraft er- langt haben. Mr. BLackwALL hat zuweilen gesehen, wie auf einem und demselben Gewebe zwei oder noch mehr Männchen mit einem einzigen Weibchen lebten; ihre Liebeswerbung ist aber eine zu langweilige und zu lange dauernde Angelegenheit, um leicht beobachtet zu werden. Das Männchen ist äusserst vorsichtig ehe es weitergeht, da das Weibchen seine Sprödigkeit zu einer gefährlichen Höhe treibt. DE GEER sah ein Männchen, welches „mitten in seinen vorbereitenden Liebkosungen von „dem Gegenstande seiner Aufmerksamkeit ergriffen, in ein Gewebe ein- „gewickelt und dann verzehrt wurde, ein Anblick, welcher ihn, wie er „hinzusetzt, mit Schrecken und Indignation erfüllte“ '?. Westking hat die interessante Entdeckung gemacht, dass die Männ- 14 Aug: Vinson theilt ein gutes Beispiel von der geringen Grösse des Männchens bei Epeira nigra mit (Arandides des Iles de la Reunion pl. VI, fig. 1 und 2). Wie ich hinzufügen will, ist bei dieser Species das Männchen braun, das Weibchen schwarz mit roth gebänderten Füssen. Andere selbst noch auf- fallendere Fälle von Ungleichheit der Grösse zwischen beiden Geschlechtern sind ‚ mitgetheilt worden in: Quarterly Journal of Seience. 1868. July, p. 429. Ich habe aber die Originalberichte nicht gesehen. 15 Kirby und Spence, Introduction to Entomology. Vol. I. 1818, p. 280. 304 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. { chen mehrerer Arten von Theridion !° die Fähigkeit haben, einen schwir- renden Laut hervorzubringen (ähnlich dem von vielen Käfern und an- dern Insecten hervorgebrachten, nur schwächer), während die Weibchen völlig stumm sind. Der Stimmapparat besteht aus einer gesägten Leiste an der Basis des Hinterleibes, gegen welche der harte hintere Theil des Thorax gerieben wird; und von dieser Bildung konnte bei den Weib- chen nicht die Spur entdeckt werden. Nach Analogie mit den im näch- sten Capitel zu beschreibenden Orthoptern und Homoptern können wir wohl mit Sicherheit annehmen, dass die Stridulation, wie WESTRING bemerkt, dazu dient, das. Weibchen entweder zu rufen oder anzuregen; und dies ist, soviel mir bekannt ist, in der aufsteigenden Reihe der thierischen Formen der erste Fall, wo Laute zu diesem Behufe ausge- stossen werden. Classe: Myriapoda. — In keiner der beiden Ordnungen dieser, Skolopendern und Tausendfüsse umfassenden Classe kann ich irgendwie scharf ausgesprochene Beispiele von geschlechtlichen Verschiedenheiten finden, wie sie uns hier ganz besonders angehen. Bei Glomeris limbata indessen und vielleicht noch bei einigen wenigen andern Species weichen die Männchen unbedeutend in der Färbung von den Weibchen ab; doch ist diese Glomeris eine äusserst variable Art. Bei den Männ- chen der Diplopoden sind die, einem der vordern Segmente des Körpers oder auch dem hintern Segmente angehörenden Füsse in Greifhaken verwandelt, welche das Weibchen festzuhalten dienen. Bei einigen Ar- ten von Julus sind die Tarsen des Männchens mit häutigen Saugnäpfen zu demselben Zwecke versehen. Es ist, wie wir bei Besprechung der Insecten sehen werden, ein bei Weitem ungewöhnlicherer Umstand, dass es bei Lithobius das Weibchen ist, welches am Ende des Körpers mit Greifanhängen zum Festhalten des Männchens versehen ist 17. 16 Theridion (Asagena Sund.) serratipes, quadripunetatum et guttatum. 8. Westring in: Kröyer, Naturhist. Tidskrift. Bd. IV. 1842—1843, S. 349 und And. Raekk. Bd. I. 1846—1849, S. 342. s. auch in Betreff anderer Species Ara- neae Suecicae, p. 134. !ı Walckenaer et P. Gervais, Hist. natur. des Insectes Aptöres. Tom. IV. 1847, p. 17, 19,268. Zehntes Capitel. Secundäre Sexualcharaetere der Insecten. Verschiedenartige Bildungen, welche die Männchen zum Ergreifen der Weibchen besitzen. — Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern, deren Bedeutung nicht einzusehen ist. — Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in Be- zug auf die Grösse. — Thysanura. — Diptera. — Hemiptera. — Homo- ptera ; Vermögen, Töne hervorzubringen, nur im Besitze der Männchen. — Or- thoptera,; Stimmorgane der Männchen, verschiedenartig in ihrer Structur; Kampfsucht; Färbung. — Neuroptera; sexuelle Verschiedenheiten in der Färbung. — Hymenoptera; Kampfsucht und Färbung. — (oleoptera ; Fär- bung; mit grossen Hörnern versehen, wie es scheint, zur Zierde; Kämpfe; Stridulationsorgane allgemein beiden Geschlechtern eigen. In der ungeheuren Classe der Insecten sind die Geschlechter zu- weilen in ihren Locomotionsorganen von einander verschieden und oft auch in ihren Sinnesorganen, wie in den kammförmigen und sehr schön gefiederten Antennen der Männchen vieler Species. Bei einer der Ephe- meren, nämlich Chloeon, hat das Männchen grosse, säulenförmig vor- springende Augen, welche dem Weibchen vollständig fehlen !. Die Punkt- augen fehlen bei den Weibchen gewisser anderer Insecten, wie bei den Mutilliden, welche auch der Flügel entbehren. Wir haben es aber hier hauptsächlich mit Bildungen zu thun, durch welche das eine Männchen in den Stand gesetzt wird, ein anderes zu besiegen, und zwar entweder im Kampfe oder in der Bewerbung, durch seine Kraft, Kampfsucht, Zierathen oder Musik. Die unzähligen Veranstaltungen, durch welche das Männchen fähig wird, das Weibchen zu ergreifen, können daher kurz über- gangen werden. Ausser den complicirten Gebilden an der Spitze des Hin- terleibs, welche vielleicht als primäre Organe ? aufgeführt werden kön- ! Sir J. Lubbock, Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1866, p. 484. In Bezug auf die Mutilliden s. Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 213. 2 Diese Organe der Männchen sind häufig bei nahe verwandten Species ver- schieden und bieten ausgezeichnete specifische Merkmale dar. Doch ist von einem funetionellen Gesichtspunkte aus, wie mir Mr. R. MacLachlan bemerkt hat, ihre DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 20 306 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. ten, „ist es“, wie Mr. B. D. Warsu ? bemerkt hat, „erstaunlich, wie „viele verschiedene Organe von der Natur zu dem scheinbar unbedeu- „tenden Zwecke umgestaltet worden sind, dass das Männchen das Weib- „chen festzuhalten im Stande sei.“ Die Kinnladen oder Mandibeln werden zuweilen zu diesem Zwecke benutzt. So hat das Männchen von Corydalis cornuta, einem mit den Libellen u. s. w. ziemlich nahe verwandten Insect aus der Ordnung der Neuroptern, ungeheure ge- krümmte Kiefer, welche viele Male länger als die des Weibchens sind; auch sind sie glatt, statt gezähnt zu sein, wodurch das Männchen in den Stand gesetzt wird, das Weibchen ohne Verletzung festzuhalten *. Einer der Hirschkäfer von Nordamerika (Lucanus elaphus) gebraucht seine Kiefer, welche viel grösser als die des Weibchens sind, zu dem- selben Zwecke, aber wahrscheinlich auch zum Kampfe. Bei einer der Sandwespen (Ammophila) sind die Kiefer in beiden Geschlechtern nahe- zu gleich, werden aber für sehr verschiedene Zwecke gebraucht. Die Männchen sind, wie Professor Westwoop bemerkt, „ausserordentlich „hitzig und ergreifen ihre Genossen mit ihren sichelförmigen Kiefern „um den Hals“ °, während die Weibchen diese Organe zum Graben in Sandbänken und zum Bauen ihrer Nester benutzen. Die Tarsen der Vorderfüsse sind bei vielen Käfern verbreitert oder mit breiten Haarpolstern versehen und bei vielen Gattungen von Was- serkäfern sind sie mit einem runden platten Saugapparate ausgerüstet, so dass das Männchen sich an dem schlüpfrigen Körper des Weibchens festheften kann. Es ist ein viel ungewöhnlicheres Vorkommen, dass Bedeutsamkeit wahrscheinlich überschätzt worden. Es ist die Vermuthung auf- gestellt worden, dass unbedeutende Verschiedenheiten in diesen Organen genügen würden, die Kreuzung gut ausgesprochener Varietäten oder beginnender Species zu verhindern, und daher die Entwickelung solcher befördern würden. Dass dies aber schwerlich der Fall sein kann, können wir aus den vielen mitgetheilten Fällen schliessen, wo verschiedene Species in der Begattung gesehen worden sind (s. z. B. Bronn, Geschichte der Natur. Bd. 2. 1843, S. 164 und Westwood, in: Transact. Entomol. Soc. Vol. III. 1842, p. 195). Mr. MacLachlan theilt mir mit (s. Stettiner Entomolog. Zeitung. 1867, S. 155), dass, als von Dr. Aug. Meyer mehrere Species von Phryganiden, welche scharf ausgesprochene Ver- schiedenheiten dieser Art darbieten, zusammen gefangen gehalten wurden, sie sich begatteten und das eine Paar befruchtete Eier producirte. ’ The Practical Entomologist. Philadelphia. Vol. II. May, 1867. p. 88. * Mr. Walsh, a. 2.-0: p. 107. ° Modern Classification of Insects. Vol. II. 1840, p. 206. 205. Mr. Walsh, welcher meine Aufmerksamkeit auf diesen doppelten Gebrauch der Kinnladen lenkte, sagt, dass er wiederholt diese Thatsache beobachtet habe. Cap. 10. Secundäre Sexualcharactere der Insecten. 307 die Weibehen mancher Wasserkäfer (Dytiscus) ihre Flügeldecken tief gefurcht und bei Acilius sulcatus dicht mit Haaren besetzt haben, als Halt für das Männchen. Die Weibchen einiger anderer Wasserkäfer (Hydroporus) haben ihre Flügeldecken zu demselben Zweck punktirt 6, Bei den Männchen von Crabro cribrarius (Fig. 8) ist es die Tibia, welche in eine breite hornige Platte mit äusserst kleinen häutigen Flecken erweit- tert ist, wodurch sie ein eigenthümliches siebartiges Ansehen erhält”. Bei den Männ- chen von Penthe (einer Gattung der Käfer) sind einige wenige der mittleren Anten- nenglieder erweitert und an der unteren Fläche mit Haarkissen versehen, genau denen an den Tarsen der Carabiden gleich „und „ofienbar zu demselben Zwecke“. Bei männ- lichen Libellen sind die Anhänge an der Spitze des Schwanzes in „einer fast unend- „lichen Verschiedenartigkeit zu merkwürdi- „gen Formen modifieirt, um sie fähig zu „machen, den Hals des Weibchens zu um- wipdaul orabge deraehs! „fassen“. Endlich sind bei den Männchen 2 Den = en, vieler Insecten die Beine mit eigenthüm- lichen Dornen, Höckern oder Spornen besetzt oder das ganze Bein ist gebogen oder verdickt — (dies ist aber durchaus nicht unabänderlich ein sexueller Character); — oder ein Paar oder alle drei Paare sind, und zwar zuweilen zu einer ganz ausserordentlichen Länge, ausge- zogen ®. In allen Ordnungen bieten die Geschlechter vieler Species Ver- 6 Wir haben hier einen merkwürdigen und unerklärlichen Fall von Dimor- phismus; denn einige Weibchen von vier europäischen Species von Dytiscus und gewisser Species von Hydroporus haben glatte Flügeldecken; und intermediäre Abstufungen zwischen gefurchten oder puncturirten und völlig glatten Flügel- decken sind nicht beobachtet worden, s. Dr. H. Schaum, eitirt im „Zoologist“ Vol. V—VI, 1847—48, p. 1896; auch Kirby and Spence, Introduction to En- tomology. Vol. III. 1826, p. 305. ” Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I. p. 193. Die folgende Angabe in Bezug auf Penthe und andere in Anführungszeichen mitgetheilte sind aus Walsh, Practical Entomologist. Philadelphia. Vol. II, p. 88 ent- nommen. 5 Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III, p. 332—336. 20 * 308 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. schiedenheiten dar, deren Bedeutung nicht zu erklären ist. Ein merk- würdiger Fall ist der von einem Käfer (Fig. 9), dessen Männchen die Mn linke Mandibel bedeutend vergrössert hat, so dass der | Mund in hohem Maasse verzerrt ist. Bei einem andern carabiden Käfer, dem Eurygnathus °, haben wir den, so- weit es Mr. Worsaston bekannt ist, einzigen Fall, dass der Kopf des Weibchens, allerdings in einem variabeln (Grade, viel breiter und grösser ist als der des Männchens. Derartige Fälle liessen sich in beliebiger Zahl anführen. Sie sind auch unter den Schmetterlingen unendlich zahl- reich; einer der ausserordentlichsten ist der, dass gewisse männliche Schmetterlinge mehr oder weniger atrophirte Vorderbeine haben, wobei die Tibien und Tarsen zu blos- sen rudimentären Höckern redueirt sind. Auch weichen die Flügel in den beiden Geschlechtern oft in der Ver- theilung der Adern !P und zuweilen auch beträchtlich in dem Umrisse von einander ab, so bei Aricoris epitus, wie mir im British Museum Mr. A. BUTLER gezeigt hat. Die Männchen gewisser südamerikanischer Schmetterlinge haben Haarbüschel an den Rändern der Flügel und hor- nige Auswüchse auf den Flächen des hinteren Paars !'. Bei mehreren britischen Schmetterlingen sind, wie mir Mr. Wonror gezeigt hat, nur die Männchen theilweise mit eigenthümlichen Schuppen bekleidet. Fig. 9. Taphro- deres distortus. Obere Figur d. Der Zweck der Leuchtkraft beim weiblichen Leucht- Männchen, un- ® s . 4 5 eh . tere Figur das Käfer ist gleichfalls noch nicht erklärt. Denn es ist sehr Weibeken. zweifelhaft, ob der primäre Nutzen des Lichtes der ist, das Männchen zum Weibchen zu leiten. Dass auch die Männchen ein schwaches Licht von sich geben, ist kein ernstlicher Einwurf gegen die eben erwähnte Ansicht; denn secundäre Sexualcharactere, welche einem Geschlechte eigen sind, werden oft in einem unbedeutenden Grade ° Insecta Maderensia. 1854, p. 20. 10° E. Doubleday, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1848, p. 379. Ich will hier noch hinzufügen, dass bei gewissen Hymenoptern (8. Shuckard, Fossorial Hymenoptera. 1837, p. 39—43) die Flügel nach dem Ge- schlechte in der Aderung verschieden sind, ıı 9. W. Bates, in: Journal of Proceed. Linnean Soc. Vol. VI. 1862, p. 74. Mr. Wonfor’s Beobachtungen werden eitirt in: Popular Science Review. 1868, pP. 343. Cap. 10. Secundäre Sexualeharaetere der Insecten. 309 auch im andern Geschlechte entwickelt. Ein Einwurf von grösserer Kraft ist der, dass auch die Larven leuchten und bei manchen Arten sogar sehr brillant. Frırz MüLter theilt mir mit, dass das am mei- sten leuchtende Insect, welches er jemals in Brasilien sah, die Larve eines Käfers war. Beide Geschlechter gewisser leuchtender Species von Elater geben Licht von sich. Kırsy und SPENCE vermuthen, dass. die Phosphorescenz dazu dient, Feinde zu erschrecken und fortzutreiben. Verschiedenheit in der Grösse beider Geschlechter. — Bei Insecten aller Arten sind gewöhnlich die Männchen kleiner als die Weibchen !?; und diese Verschiedenheit kann oft schon im Larvenzu- stande nachgewiesen werden. Die Verschiedenheit zwischen den männ- lichen und weiblichen Cocons des Seidenschmetterlings (Bombyz mori) ist so beträchtlich, dass sie in Frankreich durch eine eigenthümliche Methode des Wägens von einander geschieden werden 1°. In den niede- ren Classen des Thierreichs scheint die bedeutendere Grösse der Weib- chen allgemein davon abzuhängen, dass sie eine enorme Anzahl von Eiern entwickeln und dies dürfte auch in einer gewissen Ausdehnung für die Inseeten gelten. Dr. Warrzack hat aber eine viel wahrschein- lichere Erklärung aufgestellt. Nach einer sorgfältigen Beobachtung der Entwickelung der Raupen von Bombyx Cynthia und Yamamai und besonders einiger zwerghafter, aus einer zweiten Zucht mit unnatür- licher Nahrung gezogener Raupen fand er, „dass in dem Verhältnisse „als die individuelle Motte schöner ist, auch die zu ihrer Metamorphose „erforderliche Zeit länger ist; und aus diesem Grunde geht dem Weib- „chen, welches das grössere und schwerere Insect ist, weil es seine „zahlreichen Eier mit sich herumzutragen hat, das Männchen voraus, „welches kleiner ist und weniger zu zeitigen hat* !*. Da nun die mei- sten Insecten kurzlebig und vielen Gefahren ausgesetzt sind, so wird es offenbar für das Weibchen von Vortheil sein, sobald als möglich befruchtet zu werden. Dieser Zweck wird dadurch erreicht werden, dass die Männchen zuerst in grosser Anzahl reif werden, bereit der Ankunft der Weibchen zu warten, und dies wird, wie Mr. A. R. WAL- LACE bemerkt hat !5, natürlich eine Folge der natürlichen Zuchtwahl 2 Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III. p. 299. 13 Robinet, Vers ä Soie. 1848, p. 207. 1 Transact. Entomol. Soc. 3. Series. Vol. V, p. 486. 15 Journal of Proceed. Entomol. Soc. 4. Febr. 1867, p. LXXI. 310 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. sein; denn die kleineren Männchen werden zuerst die Reife erlangen und werden daher eine grosse Zahl von Nachkommen hervorbringen, welche die verkümmerte Grösse ihrer männlichen Erzeuger erben wer- den, während die grösseren Männchen, weil sie später reif werden, we- niger Nachkommen hinterlassen werden. . Von der Regel, dass die männlichen Insecten kleiner sind als die weiblichen, gibt es indess Ausnahmen und einige dieser Ausnahmen sind auch verständlich. Grösse und Körperkraft werden für Männchen von Vortheil sein, welche um den Besitz der Weibchen kämpfen, und in diesem Falle, wie z. B. bei dem Hirschkäfer (Lucanus), sind die Männchen grösser als die Weibchen Es gibt indess andere Käfer, von denen man nicht weiss, ob sie mit einander kämpfen, und von denen doch die Männchen die Weibchen an Grösse übertreffen; die Be- deutung dieser Thatsache ist unbekannt. Aber bei einigen dieser Fälle, so bei den ungeheuren Formen der Dynastes und Megasoma, können wir wenigstens sehen, dass keine Nothwendigkeit vorliegt, dass die Männchen kleiner als die Weibchen sein müssten, damit sie vor ihnen den Reifezustand erreichen; denn diese Käfer sind nicht kurzlebig und es würde demnach auch hinreichende Zeit zum Paaren der beiden Ge- schlechter vorhanden sein. So sind ferner männliche Libelluliden zu- weilen nachweisbar grösser und niemals kleiner als die weiblichen 16, und wie Mr. MacLacatan glaubt, paaren sie sich allgemein mit den Weibchen nicht eher, als bis eine Woche oder vierzehn Tage verflossen sind und bis sie ihre eigenthümlichen männlichen Färbungen erhalten haben. Aber den merkwürdigsten Fall, welcher zeigt, von welch’ eom- plieirten und leicht zu übersehenden Beziehungen ein so unbedeutender Character, wie eine Verschiedenheit in der Grösse zwischen den beiden Geschlechtern, abhängen kann, bieten die mit Stacheln versehenen Hy- menoptern dar. Mr. Frep. SmitH theilt mir mit, dass fast in dieser ganzen grossen Gruppe die Männchen in Uebereinstimmung mit der allge- meinen Regel kleiner als die Weibchen sind und ungefähr eine Woche früher als diese ausschlüpfen; aber unter den Bienen sind die Männchen von Apis mellifica, Anthidium manicatum und Anthophora acervorum, und unter den grabenden Hymenoptern die Männchen der Methoca ich- neumonides grösser als die Weibchen. Die Erklärung dieser Anomalie 16 In Bezug auf diese und andere Angaben über die Grösse der Geschlechter s. Kirby and Spence, Introduction etc. Vol. III. p. 500; über die Lebensdauer bei Insecten s. ebenda p. 344. Cap. 10. Inseeten: Thysanura. BIBI liegt darin, dass bei diesen Species ein Hochzeitsflug absolut nothwen- dig ist und dass die Männchen grösserer Kraft und bedeutenderer Grösse bedürfen, um die Weibchen durch die Luft zu führen. Die bedeuten- dere Grösse ist hier im Widerspruche mit der gewöhnlichen Beziehung zwischen der Grösse und der Entwickelungsperiode erlangt worden; denn trotzdem die Männchen grösser sind, schlüpfen sie doch vor den kleineren Weibchen aus. Wir wollen nun die verschiedenen Ordnungen durchgehen und da- bei solche Thatsachen auswählen, wie sie uns besonders hier angehen. Die Lepidoptern (Schmetterlinge und Motten) sollen für ein besonderes Capitel aufgespart bleiben. . Ordnung: Thysanura. — Die Glieder dieser Ordnung sind für ihre Classe niedrig organisirt. Sie sind flügellose, trüb gefärbte, sehr kleine Insecten mit hässlichen, beinahe misförmigen Köpfen und Kör- pern. Die Geschlechter sind nicht von einander verschieden; sie bieten aber eine interessante Thatsache dar dadurch, dass sie zeigen, wie die Männchen selbst auf einer tiefen Stufe des Thierreichs den Weibchen eifrig den Hof machen können. Sir J. LuBock !? beschreibt den Sminthu- rus luteus und sagt: „Es ist sehr unterhaltend, diese kleinen Wesen „mit einander coquettiren zu sehen. Das Männchen, welches viel klei- „ner als das Weibchen ist, läuft um dasselbe her; sie stossen sich ein- „ander, stellen sich gerade gegen einander über und bewegen sieh vor- „wärts und rückwärts wie zwei spielende Lämmer. Dann thut das „Weibchen, als wenn es davonliefe, und das Männchen läuft hinter ihm „her mit einem komischen Ansehen des Aergers, überholt es und stellt „sich ihm wieder gegenüber. Dann dreht sich das Weibchen spröde „herum, aber das Männchen, schneller und lebendiger, schwenkt gleich- „falls rundum und scheint es mit seinen Antennen zu peitschen. Dann „stehen sie für ein Weilchen wieder Auge in Auge, spielen mit ihren „Antennen und scheinen durchaus nur einander anzugehören.* Ordnung: Diptera (Fliegen). — Die Geschlechter weichen in der Farbe wenig von einander ab. Die grösste Verschiedenheit, die Mr. Fr. WALKER bekannt geworden ist, bietet die Gattung Bibio dar, bei welcher die Männchen schwärzlich oder vollkommen schwarz und die " Transact. Linnean Soc. Vol. XXVI. 1868, p. 296. 312 Geschlechtliche Zuchtwahl. 11. Theil. Weibchen dunkel bräunlich-orange sind. Die Gattung Elaphomyia, welche Mr. Wartrace 18 in Neu-Guinea entdeckt hat, ist äusserst merk- würdig, da die Männchen mit Hörnern versehen sind, welche dem Weib- chen vollständig fehlen. Die Hörner entspringen von unterhalb der Augen und sind in einer merkwürdigen Weise denen der Hirsche ähn- lich, indem sie entweder, verzweigt oder handförmig verbreitert sind. Bei einer Species sind sie an Länge der des ganzen Körpers gleich. Man könnte meinen, dass sie zum Kampfe dienen ; da sie aber in einer Species von einer schönen rosenrothen Farbe sind mit Schwarz gerändert und mit einem blassen Streifen in der Mitte, und da diese Inseeten überhaupt eine sehr elegante Erscheinung haben, so ist es vielleicht wahrscheinlicher, dass die Hörner zur Zierde dienen. Dass die Männchen einiger Diptern mit einander kämpfen, ist gewiss, denn Professor Westwoon !9 hat dies meh- rere Male bei einigen Arten von Tiputa gesehen. Viele Beobachter glau- ben, dass wenn Mücken (Oulicidae) in der Luft in Masse tanzen, wo- bei sie abwechselnd steigen und sich senken, hier die Männchen den Weibchen den Hof machen. Die geistigen Fähigkeiten der Zweiflügler sind wahrscheinlich ziemlich gut entwickelt, denn ihr Nervensystem ist höher entwickelt als in den meisten andern Inseetenordnungen ?°, Ordnung: Hemiptera (Wanzen). — Mr. J. W. Doucras, wel- cher besonders den britischen Arten seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist so freundlich gewesen, mir eine Schilderung ihrer geschlecht- lichen Verschiedenheiten zu geben. Die Männchen einiger Species sind mit Flügeln versehen, während die Weibchen flügellos sind. Die Ge- schlechter weichen auch von einander in der Form des Körpers und der Flügelscheiden ab, ferner in dem zweiten Gliede ihrer Antennen und in ihren Tarsen. Da aber die Bedeutung dieser Verschiedenheiten vollständig unbekannt ist, so mögen sie hier übergangen werden. Die Weibchen sind allgemein grösser und kräftiger als die Männchen. Bei britischen und, soweit Mr. DoucLas es weiss, auch bei exotischen Spe- cies weichen die Geschlechter gewöhnlich nicht sehr in der Farbe ab; aber in ungefähr sechs britischen Arten ist das Männchen beträchtlich dunkler als das Weibchen, und in ungefähr vier andern Arten ist das !8 The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 313. !%° Modern Classification of Insects. Vol. II. 1840, p. 526. 2° s, Mr. B. T. Lowne’s sehr interessantes Werk: On the Anatomy of the Blow-Fly, Musca vomitoria. 1870, p. 14. Cap. 10. Inseeten: Homoptera. 313 Weibchen dunkler als das Männchen. Beide Geschlechter einiger Arten sind sehr schön mit Scharlach und Schwarz gezeichnet. Es ist zwei- felhaft, ob diese Farben zum Schutze dienen. Wenn in irgend welchen Arten die Männchen in einer analogen Weise von den Weibchen ver- schieden gewesen wären, hätte man berechtigt sein können, derartige auffallende Färbungen der geschlechtlichen Zuchtwahl mit einer Ver- erbung auf beide Geschlechter zuzuschreiben. Einige Arten der Reduviden bringen ein schrillendes Geräusch hervor und bei Pirates stridulus wird angegeben ?!, dass dies durch die Bewegung des Halses innerhalb der Höhle des Prothorax hervor- gebracht werde. WEsıRıng zufolge bringt auch Reduvius personatus ein Geräusch hervor. Ich bin aber nicht im Stande gewesen, irgend- welche Einzelnheiten über diese Inseceten in Erfahrung zu bringen, auch habe ich keinen Grund zu vermuthen, dass sie in dieser Beziehung nach dem Geschlechte von einander verschieden sind. Ordnung: Homoptera (Zirpen). — Jeder, der in einem tropischen Wald umhergewandert ist, wird über den Klang erstaunt gewesen sein, den die männlichen Cieaden hervorbringen. Die Weibchen sind stumm, wie schon der griechische Dichter XEnArcHus sagt: „Glücklich leben die „Cieaden, da sie alle stimmlose Weiber haben“. Der von ihnen her- vorgebrachte Laut konnte deutlich an Bord des Beagle gehört werden, als dieses Schiff eine viertel englische Meile von der Küste von Bra- silien entfernt vor Anker lag, und Capitain Hancock sagt, dass der Laut in der Entfernung von einer englischen Meile gehört werden könne. Früher hielten sich die Griechen, wie es die Chinesen heutigen Tages thun, diese Inseeten in Käfigen wegen ihres Gesanges, so dass derselbe für die Ohren mancher Menschen angenehm sein muss??. Die Ciea- diden singen gewöhnlich während des Tages, während die Fulgoriden Nachtsänger zu sein scheinen. Nach Lanvois 23, welcher neuerdings den Gegenstand untersucht hat, wird der Laut durch die Schwingungen der Ränder der Luftöffnungen hervorgebracht, welche durch einen aus den Tracheen ausgestossenen Luftstrom in Bewegung gesetzt werden. *! Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 473. > Diese Einzelnheiten sind entnommen aus Westwood’s Modern Classifi- cation of Insects. Vol. II. 1840, p. 422. s. auch über die Fulgoriden Kirby and Spence, Introduction ete. Vol. II, p. 401. ?3 Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 17. 1867. 8. 152—158, 314 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Er wird durch einen wunderbar complieirten Resonanzapparat verstärkt der aus zwei mit Schuppen bedeckten Höhlungen besteht. Man kann daher diesen: Laut mit Recht als eine Stimme bezeichnen. Bei den Weibchen ist dieser Stimmapparat zwar vorhanden, aber viel weniger entwickelt als beim Männchen, und wird niemals zum Hervorbringen von Lauten benutzt. In Bezug auf den Zweck dieser Musik sagt Dr. Harman ?*, wo er von der Cicada septemdecim der Vereinigten Staaten spricht: „Das „Trommeln ist jetzt (6. und 7. Juni 1851) in allen Richtungen zu hören. „Ich glaube, dass dies die hochzeitliche Aufforderung seitens der „Männchen ist. In diehtem Kastaniengebüsch ungefähr von Kopf- „höhe stehend, wo hunderte von Männchen um mich herum waren, „beobachtete ich, dass die Weibchen sich um die trommelnden Männ- „chen versammelten.“ Er fügt dann hinzu: „In diesem Jahre (August „1868) brachte ein Zwergbirnbaum in meinem Garten ungefähr fünfzig „Larven von Cicada pruinosa hervor, und ich beobachtete mehrere „Male, dass die Weibchen sich in der Nähe eines Männchens nieder- „liessen, während es seine schallenden Töne ausstiess“. Frırz MÜLLER schreibt mir aus Südbrasilien, dass er oft einem musikalischen Streite zwischen zwei oder drei Männchen einer Cicade zugehört habe, welche eine besonders laute Stimme hatten und in einer beträchtlichen Ent- fernung von einander sassen. Sobald das erste seinen Gesang beendigt hatte, begann unmittelbar darauf ein zweites, und sobald auch dieses geschlossen hatte, fieng wieder ein anderes an und so immer weiter. Da hiernach so viele Rivalität zwischen den Männchen existirt, so ist es wahrscheinlich, dass die Weibchen sie nicht bloss an den von ihnen ausgestossenen Lauten erkennen, sondern dass sie, wie weibliche Vögel, von dem Männchen mit der anziehendsten Stimme angelockt oder an- geregt werden. Von ornamentalen Verschiedenheiten zwischen den beiden Geschlech- tern bei den Homoptern habe ich keinen gut markirten Fall gefunden. Mr. DovcLas theilt mir mit, dass es drei britische Arten gibt, bei denen das Männchen schwarz oder mit schwarzen Binden gezeichnet ist, während die Weibchen blass gefärbt oder düsterfarbig sind. Ordnung: Orthoptera. — Die Männchen der drei durch- ihre >: Für diesen Auszug aus einem „Journal of the Doings of Cicada septem- decim“ von Dr. Hartman bin ich Mr. Walsh verbunden. Cap. 10. Insecten : Orthoptera. 315 Springfüsse ausgezeichneten Familien dieser Ordnung sind merkwürdig wegen ihrer musikalischen Fähigkeit, nämlich die Achetiden oder Gril- len, die Locustiden und die Acridiiden. Die von einigen: Locustiden hervorgebrachten Geräusche sind so laut, dass sie während der Nacht in einer Entfernung von einer englischen Meile gehört werden 25, und die von gewissen Species hervorgebrachten Laute sind selbst für das menschliche Ohr nicht unmusikalisch, so dass sie die Indianer am Ama- zonenstrom in Käfigen von geflochtenen Weiden halten. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass die Geräusche dazu dienen, die stummen Weibchen zu rufen oder anzuregen. Es ist aber bemerkt worden 6, dass die männliche Wanderheuschrecke Russlands (eine der Acridiiden), während sie sich mit dem Weibchen paart, aus Aerger oder Eifersucht das Geräusch hervorbringt, sobald sich ein anderes Männchen nähert. Wird das Heimehen oder die Hausgrille während der Nacht überrascht, so gebraucht es seine Stimme, um seine Genossen zu warnen ?”. Das Katy-did (Platyphyllum concavum, eine Form der Locustiden) in Nord- amerika steigt nach der Beschreibung ?® auf die oberen Zweige eines Baumes und beginnt am Abend „ein lärmendes Geschwätz, während „rivalisirende Laute von den benachbarten Bäumen ausgehen, so dass „die Gebüsche von dem Rufe des Katy-did-she-did die ganze liebe „lange Nacht hindurch erschallen“. Mr. Bares sagt, indem er von der europäischen Feldgrille (einer der Achetiden) spricht: „Man hat be- „obachtet, wie sich das Männchen am Abend vor den Eingang in seine „Höhle stellt und seine Stimme erhebt, bis sich ein Weibchen nähert; „hierauf folgt den lauteren Tönen ein leises Geräusch, während der er- „folgreiche Musiker mit seinen Antennen den neugewonnenen Genossen „liebkost* 29. Dr. ScUDDER war im Stande, eines dieser Insecten dazu zu bringen, ihm zu antworten, dadurch dass er mit einer Feder auf einer Feile rieb ?°. In beiden Geschlechtern ist von voN SIEBOLD ein 25 L. Guilding in: Transact. Linnean Soc. Vol. XV, p. 154. 26 Köppen, citirt in dem Zoological Record, 1867, p. 460. 2” Gilbert White, Natur. History of Selborne. Vol. II. 1825, p. 262. ?3 Harris, Insects of New England. 1842, p. 128. 2% The Naturalist on the Amazons. Vol. I. 1863, p. 252. Mr. Bates gibt eine sehr interessante Erörterung über die Abstufungen in der Entwickelung der Stimmorgane der drei Familien; s. auch Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 445 und 453. 30 Proceed. Boston Soc, of Natur. History. Vol. XI. April 1868. x 316 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. merkwürdiger Gehörapparat entdeckt worden, welcher in den Vorder- schienen seinen Sitz hat ®!. In den drei Familien werden die Geräusche auf verschiedene Weise hervorgebracht. Bei den Männchen der Achetiden besitzen beide Flügel- decken dieselbe Bildung, und diese besteht bei der Feldgrille (Grylius campestris Fig. 10), wie es Lanpoıs beschrieben hat 3?, aus 131—138 scharfen Querleisten oder Zähnen auf der unteren Seite einer der Adern der Flügel- deeken. Diese gezahnte Ader (Schrillader Laxnoıs) wird mit grosser Schnelligkeit quer über eine vorspringende glatte harte Ader (r) auf der oberen Fläche des ent- gegengesetzten Flügels gerieben. Zuerst wird ein Flügel über den andern gerie- ben und dann wird die Bewegung umge- st kehrt. Beide Flügel werden zu därselben Fig. 10. Grylus campestris (nach Lan- Zeit etwas in die Höhe gehoben, um die dois). Die Figur rechts stellt die un- O ? tere Seite eines Stücks der Schrillader Resonanz zu verstärken. In einigen Spe- en yersrössere und de os sind die Flügeldeeken an ihrer Basis Zähne (st) zeigend. Die Figur links ist dieobere Fläche mit; einer glimmerartigen Platte ver- der Flügeldecke mit den vorspringen- den glatten Adern (r), gegen welche Sehen ?%. Ich habe hier nebenstehend Sr Gl esrinhen perden; eine Zeichnung (Fig. 11) der Zähne von der unteren Seite der Aderung einer andern Species von Gryllus, näm- lich von @. domesticus, gegeben. Bei den Locustiden weichen die Flügeldecken der bei- den einander gegenüberstehenden Seiten in ihrer Bildung ab (Fig. 12) und können nicht, wie es in der letzten Familie der Fall war, indifferent auch in umgekehrter Weise be- nutzt werden. Der linke Flügel, welcher wie ein Violin- bogen wirkt, liegt über dem rechten Flügel, welcher als Violine selbst dient. Einer der Nerven (a) an der unte- st ren Fläche des ersteren ist fein gesägt und wird quer von Gryltus do- über die vorspringenden Nerven an der oberen Fläche des mestious (ach ontoegengesetzten oder rechten Flügels hingezogen. Bei Landois). unserer englischen Phasgonura viridissima schien es mir, 31 Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Bd. I. 1848. S. 583. 32 Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 17. 1867. S. 117. 3 Westwood, Modern Qlassification of Insects. Vol. I, p. 440. Cap. 10. Inseeten: Orthoptera. 317 als ob der gesägte Nerv gegen die abgerundete hintere Ecke des ent- gegengesetzten Flügels gerieben würde, deren Rand verdickt, braun ge- IL 1% Fig. 12. Chloroeoefts Tanana (nach Bates) a b Abschnitte der beiderseitigen Flügeldecken. färbt und sehr scharf ist. Am rechten Flügel, aber nicht am linken, findet sich eine kleine Platte, so durchscheinend wie ein Glimmerblättchen, und von Nerven umgeben, welche der Spiegel genannt wird. In Ephip- piger vitium, einem Mitgliede derselben Familie, finden wir eine merk- würdige untergeordnete Modifieation; die Flügeldecken sind hier be- deutend an Grösse reducirt, aber „der hintere Theil des Prothorax ist „in eine Art Gewölbe über die Flügeldecken erhoben, welches wahr- „scheinlich die Wirkung den Laut zu verstärken hat“ °*. Wir sehen auf diese Weise, dass der musikalische Apparat bei den Lochstiden, welche, wie ich glaube, die kräftiesten Sänger in der Ordnung enthalten, mehr differenzirt und specialisirt ist als bei den Achetiden, bei denen die beiden Flügeldecken dieselbe Struetur und die- selbe Function haben ?°”. Indessen hat Laxpoıs bei einer Form der Loeustiden, nämlich bei Deetieus, eine kurze und schmale Reihe klei- _ ner Zähne, fast blosser Rudimente, auf der unteren Fläche der rechten 3 Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 453. 35 Landois, a. a. ©. S. 121, 122. 318 Geschlechtliche Zuchtwahl. ’ II. Theil. Flügeldecke entdeckt, welche unter der andern liegt und niemals als Bogen benutzt wird. Ich habe dieselbe rudimentäre Bildung an der unteren Fläche der rechten Flügeldecke bei Phasgonura viridissima beobachtet. Wir können daher mit Sicherheit schliessen, dass die Loeustiden von einer Form abstammen, bei welcher, wie bei den jetzt lebenden Achetiden, beide Flügeldecken gezahnte Adern an der unteren Fläche besassen und beide ganz indifferent als Bogen benutzt werden konnten, dass aber bei den Locustiden die beiden Flügeldecken allmäh- lich differenzirt und vervollkommnet wurden, und zwar nach dem Prineipe der Arbeitstheilung so, dass der eine ausschliesslich als Bogen, der andere nur als Violine wirkte. Durch welche Stufen der einfachere Apparat bei den Achetiden entstand, wissen wir nicht; es ist aber wahrscheinlich, dass die basalen Theile der Flügeldecken einander früher, so wie jetzt noch überdeckten und dass die Reibung der“Nerven einen kratzenden Ton hervorbrachte, wie es jetzt noch, wie ich sehe, der Fall mit den Flügeldecken der Weibchen ist ?°. Ein in dieser Weise ge- legentlich und zufällig von den Männchen hervorgebrachter kratzender Laut kann, wenn er auch noch so wenig dazu diente, den Weibchen als liebender Zuruf zu erscheinen, doch leicht durch geschlechtliche Zuchtwahl intensiver ge- macht worden sein dadurch, dass passende Abänderungen in der Rauhigkeit der Flü- geladern beständig erhalten blieben. In der letzten und dritten Familie, >) nämlich der der Acridiiden, wird das schrillende Geräusch in einer sehr ver- Fig. 13. Hinterbein von Stenobothrus Schiedenen Weise hervorgebracht und ist ana Firur zeigt dieioreist pn Ch Dr. Scupper nicht se grell als in a Sr vergrössert den vorhergehenden Familien. Die innere Oberfläche des Oberschenkels (Fig. 13 r) ist mit einer Längsreihe sehr kleiner eleganter, lancettförmiger, elasti- scher Zähne versehen, 88—93 an Zahl ?”, und diese werden quer über N DIS ÄTLN. N IORDE 3 Mr. Walsh theilt mir auch mit, wie er bemerkt habe, dass das Weib- chen von Platyphyllum concavum, „wenn es gefangen wird, ein schwaches kratzendes Geräusch durch das Reiben der beiden Flügeldecken aufeinander her- vorbringe“, ” Landeis, 2 2. SEE: Cap. 10. Insecten: ÖOrthoptera. 319 die scharfen vorspringenden Adern der Flügeldecken herabgezogen, welche hierdurch zum Schwingen und zur Resonanz gebracht werden. Harrıs 38 sagt, dass, wenn eins der Männchen zu spielen beginnt, es zuerst „die „Tibien der Hinterbeine unter die Schenkel heraufzieht, wo sie in „eine zu ihrer Aufnahme bestimmte Furche eingefügt werden, und „dann zieht es das Bein scharf auf und nieder. Es spielt seine beiden „Geigen nicht gleichzeitig auf einmal, sondern zuerst die eine, dann „die der anderen Seite.“ Bei vielen Arten ist die Basis des Hinter- leibs zu einer grossen Blase ausgehöhlt, von welcher man annimmt, dass sie als Resonanzboden dient. Bei Pneumora (Fig. 14), einem südafrikanischen Genus, welches zu derselben Familie gehört, begegnen wir einer neuen und merk- würdigen Modification: Bei dem Männchen springt eine kleine mit Einschnitten ver- sehene Leiste schräg von jeder Seite des Abdomen vor, gegen welche die Hinterschenkel ge- rieben werden ®®. Da das Männchen mit Flügeln ver- sehen, das Weibchen .flügellos ist, so ist es merkwürdig, dass die Oberschenkel nicht in der gewöhnlichen Art und Weise gegen die Flügeldecken ge- rieben werden; dies dürfte aber vielleicht durch die un- gewöhnlich geringe Grösse der Hinterbeine erklärt werden. Ich bin nicht im Stande gewe- sen, die innere Fläche der Ober- schenkel zu untersuchen, welche Fig. 14. Pneumora (nach Exemplaren im British der Analogie nach zu schlies- Museum). Obere Figur Männchen, untere Figur Weibchen. sen fein gesägt sein dürfte. Die Species von Prneumora sind eingehender zum Zwecke der Stridulation modifieirt worden als irgend ein anderes orthopteres Inseet. Denn bei 38 Insects of New England. 1842, p. 133. 3 Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 462. 390 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. den Männchen ist der ganze Körper in ein musikalisches Instrument umgewandelt worden, er ist durch Luft zu einer grossen durchsichtigen Blase ausgedehnt, um die Resonanz zu verstärken. Mr. TrımEx theilt mir mit, dass am Cap der guten Hoffnung diese Insecten während der Nacht ein wunderbares Geräusch hervorbringen. Es besteht eine Ausnahme von der Regel, dass die Weibchen in diesen drei Familien eines wirksamen musikalischen Apparats entbehren ; denn beide Geschlechter von Ephippiger (Locustiden) sind der Angabe nach #° damit versehen. Es kann dieser Fall mit dem vom Renthiere verglichen werden, bei welcher Species allein beide Geschlechter Hörner besitzen. Obgleich die weiblichen Orthoptern hiernach beinahe unab- änderlich stumm sind, so fand doch Lanvoıs *! Rudimente der Stridu- lationsorgane an den Oberschenkeln der weiblichen Acridiiden und ähn- liche Rudimente an der unteren Fläche der Flügeldecken der weiblichen Achetiden. Er war aber nicht im Stande, irgend welche Rudimente beim Weibchen von Decticus, einer Species von der Familie der Locus- tiden zu finden. Unter den Homoptern besitzen die stummen Weibchen von Cicada den eigenthümlichen Stimmapparat in einem unentwickelten Zustande, und wir werden noch später in anderen Abtheilungen des Thierreichs zahllosen Beispielen begegnen, wo Gebilde, welche dem Männchen eigenthümlich sind, in einem rudimentären Zustande beim Weibchen vorkommen. Derartige Fälle scheinen auf den ersten Blick anzudeuten, dass ursprünglich beide Geschlechter in derselben Art und Weise ausgerüstet waren, dass aber gewisse Organe später von den Weibchen verloren wurden. Wie indessen früher erklärt wurde, ist die Ansicht die wahrscheinlichere, dass die in Frage stehenden Or- gane von den Männchen erlangt und zum Theil auch auf die Weibchen vererbt wurden. ; Lanpois hat noch eine andere interessante Thatsache beobachtet, nämlich dass bei den Weibchen der Acridiiden die für das Lautgeben bestimmten Zähne an den Öberschenkeln durch das ganze Leben in demselben Zustande bleiben, in welchem sie zuerst während des Larven- zustands in beiden Geschlechtern erscheinen. Bei den Männchen werden sie aber vollständig entwickelt und erreichen ihre vollkommene Bildung mit der letzten Häutung, wenn das Insect geschlechtsreif und zur Fort- pflanzung bereit ist. hen Westwood, a. a. 0. Vol. I, p. 453. #! Landois, a. a. O. 8..115,.116, 120, 122. Cap. 10. Insecten: Orthoptera. 391 - Aus den jetzt gegebenen Thatsachen sehen wir, dass die Mittel, durch welche die Männchen ihre Laute produeiren, bei den Orthoptern äusserst verschiedenartig und durchaus von denen, welche bei den Ho- moptern angewendet werden, abweichend sind. Aber durch das ganze Thierreich hindurch sehen wir beständig, dass derselbe Zweck durch die verschiedenartigsten Mittel erreicht wird. Dies ist eine Folge da- von, dass die ganze Organisation im Laufe der Zeiten mannichfache Veränderungen erleidet und dass, da ein Theil nach dem andern varürt, aus verschiedenen Abänderungen zu einem und dem nämlichen allge- meinen Zwecke Vortheil gezogen wird. Die Verschiedenheit der Mittel zur Hervorbringung einer Stimme in den drei Familien der Orthoptern und bei den Homoptern lässt die grosse Bedeutung dieser Gebilde für die Männchen zu dem Zwecke des Herbeirufens oder Anlockens der Weibchen recht hervortreten. Wir dürfen von der Grösse der Modi- ficationen nicht überrascht sein, welche die Orthoptern in dieser Be- ziehung erlitten haben, da wir jetzt in Folge von Dr. Scupper’s merk- würdiger Entdeckung *? wissen, dass die Zeit hierzu mehr als hinreichend gegeben war. Dieser Naturforscher hat neuerdings in der Devonischen Formation von Neu-Braunschweig ein fossiles Insect gefunden, welches mit „dem bekannten Paukenfell oder dem Stridulationsapparat der männ- lichen Locustiden“ versehen war. Obgleich dieses Insect in den meisten Beziehungen mit den Neuroptern verwandt war, so scheint es doch, wie es sehr oft mit sehr alten Formen der Fall ist, die beiden Ordnungen der Neuroptern und Orthoptern noch näher, als sie sich jetzt schon stehen, mit einander zu verbinden. Ich habe jetzt nur noch wenig über die Orthoptern zu sagen. Einige von ihren Species sind sehr kampfsüchtig. Wenn zwei männliche Feld- grillen (Gryllus campestris) mit einander gefangen genommen werden, so kämpfen sie so lange mit einander, bis eine getödtet ist, und die Species von Mantis manövriren der Beschreibung nach mit ihren schwert- förmigen Vorderbeinen wie Husaren mit ihren Säbeln. Die Chinesen halten diese Inseeten in kleinen aus Bambus geflochtenen Käfigen und bringen sie wie Kampfhähne mit einander zusammen ??. Was die Fär- bung betrifft, so sind einige ausländische Heuschrecken wunderschön verziert. Die Hinterflügel sind mit Roth, Blau und Schwarz gezeichnet. 42 Tyansact. Entomol. Soc. 3. Series. Vol. II. Journal of Proceedings, p. 117. 43 Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 427, wegen der Grillen p. 445. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 21 392 Geschlechtliche Zuchtwahl. TI. Theil. Da aber in der ganzen Ordnung die beiden Geschlechter selten bedeutend in der Färbung von einander verschieden sind, so ist es zweifelhaft, ob sie diese glänzenden Tinten der geschlechtlichen Zuchtwahl verdanken. Auffallende Färbungen können für diese Inseeten auch als Schutzmittel von Nutzen sein nach dem im nächsten Capitel zu beschreibenden Grundsatze dadurch, dass sie ihren Feinden anzeigen, dass sie ungeniess- bar sind. So ist beobachtet worden **, dass eine indische hell gefärbte Heuschrecke ohne Ausnahme verschmäht wurde, wennwman sie Vögeln und Eidechsen darbot. Es sind indessen auch einige Fälle von ge- schlechtlicher Verschiedenheit in der Färbung aus dieser Ordnung be- kannt. Das Männchen einer amerikanishen Grille *? wird beschrieben als weiss wie Elfenbein, während das Weibchen von einer beinahe weissen Farbe bis zu einer grünlich gelben oder schwärzlichen variirt. Mr. WarsH theilt mir mit, dass das erwachsene Männchen von Spec- trum femoratum (eine Form der Phasmiden) „von einer glänzenden „bräunlich-gelben Farbe ist, das erwachsene Männchen dagegen von „einem trüben opaken bräunlichen Aschgrau, während die Jungen bei- „der Geschlechter grün sind“. Endlich will ich noch erwähnen, dass das Männchen einer merkwürdigen Art von Grillen #° mit „einem langen „häutigen Anhange versehen ist, welcher wie ein Schleier über das „Gesicht herabfällt“; ob dies aber als Zierde dient, ist nicht bekannt. Ordnung: Neuroptera. — Hier braucht nur wenig bemerkt zu werden ausgenommen hinsichtlich der Färbung. Bei den Epheme- riden weichen die Geschlechter oft unbedeutend in ihrer düsteren Farbe ab *?; es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Männchen hierdurch für die Weibchen anziehend gemacht werden. Die Libelluliden oder Wasserjungfern sind mit glänzenden grünen, blauen, gelben und schar- lachenen metallischen Färbungen geziert und die Geschlechter weichen oft von einander ab. So sind die Männchen einiger der Agrioniden, wie Professor Westwoon bemerkt *#°, „von einem reichen Blau mit „schwarzen Flügeln, während die Weibchen schön grün mit farblosen *# Ch. Horne in Proceed. Entomolog. Soc., 3. May, 1869, p. XU. 45 Der Oecanthus nivalis. Harris, Insects of New-England. 1842, p. 124. 46 Platyblemmus: Westwood, Modern Classificat. Vol. I, p. 447. #7 B. D. Walsh, The Pseudo-Neuroptera of Illinois, in: Proceed. Entomol. Soc. of Philadelphia, 1862, p. 361. #8 Modern Classification etc. Vol. II, p. 37. Cap. 10. Insecten: Neuroptera. 393 „Flügeln sind“. Aber bei Agrion Ramburi sind diese Farben in den beiden Geschlechtern gerade umgekehrt *°. In der ausgedehnten Nord- amerikanischen Gattung Hetaerina haben allein die Männchen einen schönen karminrothen Fleck an der Basis jedes Flügels. Bei Anax junius ist der basale Theil des Abdomen beim Männchen von einem lebhaften Ultramarinblau und beim Männchen grasgrün. Andererseits weichen bei der verwandten Gattung Gomphus und in einigen anderen Gattungen die Geschlechter nur wenig im der Färbung von einander ab. Durch das ganze Thierreich hindurch sind ähnliche Fälle, wo die Geschlechter nahe verwandter Formen entweder bedeutend oder sehr wenig oder durchaus nicht von einander abweichen, von häufigem Vor- kommen. Obgleich bei vielen Libelluliden eine so beträchtliche Ver- schiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern besteht, so ist es doch oft schwer zu sagen, welches das am meisten glänzende ist, und die gewöhnliche Färbung der beiden Geschlechter ist, wie wir eben ge- sehen haben, bei einer Art von Agrioniden geradezu umgekehrt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass in irgend einem dieser Fälle die Farben als Schutzmittel erlangt worden sind. Wie Mr. MacLachtan, welcher dieser Familie eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hat, mir schreibt, werden die Libellen, die Tyrannen der Insectenwelt, am wenigsten unter allen Insecten von den Vögeln oder anderen Feinden angegriffen. Er glaubt, dass ihre glänzenden Farben als ein geschlechtliches An- ziehungsmittel dienen. Da es auf unseren Gegenstand Bezug hat, ver- dient es Beachtung, dass gewisse Libellen durch besondere Farben an- gezogen zu werden scheinen. So beobachtet Mr. Parrerson °°, dass diejenigen Species von Agrioniden, deren Männchen blau sind, sich in grosser Zahl auf das blaue Schwimmstück einer Angelleine nieder- liessen, während zwei andere Species von hellweisen Farben angezogen wurden. Es ist eine zuerst von SCHELVER beobachtete interessante Thatsache, dass die Männchen mehrerer zu zwei Unterfamilien gehörigen Gattungen, wenn sie zuerst aus der Puppenhülle ausschlüpfen, genau so wie die Weib- chen gefärbt sind, dass aber ihre Körper in einer kurzen Zeit eine auf- fallend milchigblaue Farbe erlangen in Folge der Ausschwitzung einer Art von Oel, welches in Aether und Alcohol löslich ist. Mr. Mac- #9 Walsh, a. a. O. p. 381. Ich bin diesem Forscher für Mittheilung der folgenden Thatsachen in Bezug auf Hetaerina, Anax und G@omphus verbunden. 5° Transact. Entomol. Soc. Vol. I, 1836, p. LXXXI. 21 * 324 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. LacHLan glaubt, dass bei den Männchen von Libellula depressa diese Veränderung der Farbe nicht vor vierzehn Tagen nach der Metamorphose eintritt, wenn die Geschlechter bereit sind, sich zu paaren. Gewisse Species von Neurothemis bieten einer Angabe von BRAUER °1 zufolge einen merkwürdigen Fall von Dimorphismus dar, indem einige der Weibchen ihre Flügel in der gewöhnlichen Weise netzförmig ge- zeichnet haben, während andere Weibchen sie „wie bei den Männchen „der nämlichen Species sehr reich netzförmig entwickelt haben.* BRAUER erklärt die Erscheinung nach „Darwin’schen Grundsätzen durch die „Vermuthung, dass das dichte Netzwerk der Adern ein secundärer „Sexualcharacter bei den Männchen ist.“ Dieser letztere Character wird allgemein nur bei den Männchen entwickelt; da er aber, wie jeder andere männliche Character, beim Weibchen latent vorhanden ist, so gelangt er gelegentlich auch bei diesen zur Entwickelung. Wir haben hier eine Erläuterung der Art und Weise, in welcher die beiden Ge- schlechter bei’ vielen Thieren wahrscheinlich dazu gekommen sind, ein- ander ähnlich zu werden, nämlich durch Abänderungen, welche zuerst bei den Männchen auftraten, bei ihnen erhalten wurden und dann auf die Weibchen sich vererbten und dort entwickelten. Aber bei diesem besonderen Genus wurde eine vollständige Uebertragung gelegentlich und ganz plötzlich bewirkt. Mr. MacLacatAan theilt mir noch einen anderen Fall von Dimorphismus bei mehreren Species von Agrion mit, bei denen eine gewisse Zahl von Individuen von einer orangenen Färbung gefun- den wird; und diese sind unabänderlich Weibchen. Dies ist wahrschein- lich ein Fall von Rückschlag; denn bei den echten Libelluliden sind, sobald die Geschlechter in der Färbung verschieden sind, die Weibchen immer orange oder gelb, so dass es, — angenommen Agrion stamme von irgend einer primordialen Form ab, welche die characteristischen geschlechtlichen Färbungen der typischen Libelluliden besessen habe, — nicht überraschend wäre, wenn eine Neigung, in dieser Art und Weise zu varliren, allein bei den Weibchen einträte. Obgleich viele Libelluliden so grosse, kraftvolle und wilde Inseeten sind, so hat doch Mr. MacLacHhtan nicht beobachtet, dass die Männ- chen mit einander kämpften, mit Ausnahme, wie er meint, einiger der kleineren Species von Agrion. Bei einer anderen sehr verschiedenen Gruppe dieser Ordnung, nämlich bei den Termiten oder weissen Ameisen, 5! s. den Auszug in dem Zoological Record for 1867, p. 450. Cap. 10. Insecten; Hymenoptera. 325 kann man sehen, wie beide Geschlechter um die Zeit des Schwärmens herumlaufen, „das Männchen hinter dem Weibchen her, zuweilen zwei „ein Weibehen jagend und mit grossem Eifer kämpfend, wer den Preis „gewinne“ 52, Ordnung: Hymenoptera. — Bei der Beschreibung der Lebens- weise von Cerceris, einem wespenähnlichen Insect, bemerkt jener unnach- ahmliche Beobachter FABrr 3, dass „häufig Kämpfe zwischen den Männ- „chen um den Besitz eines besonderen Weibchens stattfinden, welches „als ein dem Anscheine nach unbetheiligter Zuschauer des Kampfes um „die Obergewalt daneben sitzt und wenn der Sieg entschieden ist, ruhig in „Begleitung des Siegers davonfliegt“. Wesrwoon sagt ’*, dass die Männ- chen der Blattwespen (Tenthredines) „beobachtet worden sind mit einander „kämpfend und mit ihren Mandibeln in einander verbissen“. Da FARRE davon spricht, dass die Männchen von Cerceris um den Besitz eines besonderen Weibchens kämpfen, so verlohnt es sich der Mühe, sich daran zu erinnern, dass zu dieser Ordnung gehörige Inseceten das Ver- mögen, einander nach langen Zeiträumen wiederzuerkennen, und grosse Anhängliehkeit an einander besitzen. So trennte z. B. PIERRE HußEr, dessen Genauigkeit Niemand bezweifelt, mehrere Ameisen von einander, und als sie nach einem Zwischenraume von vier Monaten andere antrafen, welche zu demselben Haufen gehört hatten, erkannten sie sich gegen- seitig und liebkosten einander mit ihren Antennen. Wären es fremde gewesen, so würden sie mit einander gekämpft haben. Wenn ferner zwei Ameisenhaufen mit einander in Kampf gerathen, so greifen die Ameisen einer und derselben Seite in der allgemeinen Verwirrung zu- weilen einander an, bemerken aber bald den Irrthum, und die eine Ameise begütigt die andere °°. Unbedeutende Verschiedenheiten in der Färbung je nach dem Ge- schlecht sind in dieser Ordnung häufig, aber auffallende Verschiedenheiten sind selten, mit Ausnahme der Familie der Bienen; und doch sind beide Geschlechter gewisser Gruppen so brillant gefärbt, — z.B. bei Chrysis, bei welcher Gattung Scharlach und metallisches Grün vorherrschen, — 52 Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol II. 1818, p. 35. 53 5. einen interessanten Artikel: The Writings of Fabre in: Natur. History Review. April, 1862, p. 122. 54 Journal of Proceed. Entomolog. Soc. Sept. 7., 1863, p. 169. 5 P. Huber. Recherches sur les moeurs des Fourmis. 1810, p. 150, 165. 326 Geschlechtliche Zuchtwahl. U. Theil. dass wir dies als ein Resultat der geschlechtlichen Zuchtwahl anzusehen versucht werden. Der Angabe von Mr. WArsuH zufolge 56 sind bei den Ich- neumoniden die Männchen fast allgemein heller gefärbt als die Weibchen. Andererseits sind bei den Tenthrediniden die Männchen meistens dunkler als die Weibchen. Bei den Sirieiden sind die Geschlechter häufig ver- schieden. So ist das Männchen von Sirex juvencus mit Orange ge- bändert, während das Weibchen dunkel purpurn ist; es ist aber schwie- rig zu sagen, welches Geschlecht das am meisten geschmückte sei. Bei Tremex columbae ist das Weibchen viel glänzender gefärbt als das Männchen. Wie mir Mr. F. Smira mittheilt, sind unter den Ameisen die Männchen mehrerer Species schwarz, während die Weibchen bräun- lich sind. In der Familie der Bienen, besonders bei den einzeln leben- den Arten, sind, wie ich von demselben ausgezeichneten Entomologen gehört habe, die Geschlechter öfters in der Färbung verschieden. Die Männchen sind allgemein die glänzendsten und bei Bombus ebensowohl wie bei Apathus viel variabler in der Färbung als die Weibchen. Bei Anthophora retusa ist das Männchen von einem gesättigten Röthlich- braun, während das Weibchen vollständig schwarz ist; ebenso sind die Weibehen mehrerer Species von Xylocopa schwarz, während die Männ- chen hellgelb sind. Bei einer australischen Biene (Lestis bombylans) ist das Weibehen von einem äusserst brillanten Stahlblau, zuweilen mit lebhaftem Grün gefärbt, wogegen das Männchen von einem hellen Mes- singgelb ist mit einem reichen röthlichen Haaranflug. Da in dieser Gruppe die Weibchen mit einer ausgezeichneten Vertheidigungswaffe in ihrem Stachel versehen sind, so ist es nicht wahrscheinlich, dass sie zu dieser Verschiedenheit in der Färbung, gegenüber den Männchen, zum Zwecke eines Schutzes gelangt sind. Mutilla europaea gibt einen stridulirenden Laut von sich, und der Angabe von GOUREAU °? zufolge haben beide Geschlechter diese Fähig- keit. Er schreibt den Laut einer Reibung des dritten und der vorher- gehenden Hinterleibssegmente zu, und wie ich sehe, sind die oberen Flächen dieser mit sehr feinen concentrischen Leisten versehen ; aber ebenso ist es auch der vorspringende Brustkragen, auf welchen der Kopf eingelenkt ist; und wird dieser Kragen mit einer Nadelspitze gekratzt, so gibt er den eigenthümlichen Laut von sich. Es ist ziem- 56 Proceed. Entomolog. Soc. of Philadelphia. 1866, p. 238—239. 57 eitirt von Westwood in: Modern Classification of Insects. Vol. II, p. 214. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 3927 lich überraschend, dass beide Geschlechter diese Fähigkeit, einen Laut hervorzubringen, besitzen, da das Männchen geflügelt und das Weibchen flügellos ist. Es ist notorisch, dass Bienen gewisse Gemüthsbewegungen, z. B. Aerger, durch den Ton ihres Summens ausdrücken, wie es auch manche zweiflügelige Insecten thun. Ich bin aber auf diese Laute nicht weiter eingegangen, da es nicht bekannt ist, dass sie in irgend einer Weise mit dem Acte des Hofmachens in Verbindung stehen. Ordnung: Coleoptera (Käfer). — Viele Käfer sind so ge- färbt, dass sie der Oberfläche der Orte ähnlich sind, welche sie gewöhn- lich bewohnen. Andere Species sind mit prächtigen metallischen Fär- bungen geziert — z.B. Carabiden, welche auf dem Boden leben und die Fähigkeit haben, sich durch eine intensive scharfe Seeretion zu ver- theidigen — die glänzenden Diamantkäfer, welche durch äusserst harte Bedeckungen geschützt sind — viele Species von Chrysomela, wie C. cerealis, eine grosse sehr schöne, mit verschiedenen Färbungen gestreifte Art, welche in England auf den kahlen Gipfel des Snowdon beschränkt ist, — und einer Menge anderer Species. Diese glänzenden Farben, welehe oft in Streifen, Flecken, Kreuzen und anderen eleganten Zeich- nungen angeordnet sind, können kaum als Schutzmittel von wohlthätigem Einflusse sein, ausgenommen in dem Fall einiger von Blüthen lebender Arten; und doch können wir nicht glauben, dass sie zwecklos sind. Es entsteht daher die Vermuthung, dass sie als geschlechtliche Anziehungs- mittel dienen. Wir haben aber hierüber keine Belege, denn die Ge- schlechter sind nur selten in der Färbung verschieden. Blinde Käfer, welche selbstverständlich nicht die Schönheit des anderen Geschlechts bewundern können, bieten, wie ich von Mr. WATERHOUSE jun. höre, niemals glänzende Farben dar, obgleich sie oft polirte Oberflächen haben. Doch kann die Erklärung ihrer düsteren Färbung auch wohl darin liegen, dass blinde Inseeten Höhlen und andere dunkle Oertlich- keiten bewohnen. Einige Longicornier, besonders gewisse Prioniden, bieten indess eine Ausnahme von der gewöhnlichen Regel dar, dass die Geschlechter der Käfer in der Färbung nicht von einander verschieden sind. Die meisten dieser Insecten sind gross und glänzend gefärbt. Die Männ- chen der Gattung Pyrodes°’® sind, wie ich in Mr. Bares’ Sammlung 58 Pyrodes pulcherrimus, bei welcher Art die Geschlechter auffallend von einander verschieden sind, ist von Mr. Bates in den Transact. Entomolog. Soc. 328 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. sah, gewöhnlich röther, aber etwas dunkler als die Weibchen, welche letztere von einer mehr oder weniger glänzenden goldgrünen Färbung sind. Andererseits ist bei einer Species das Männchen goldgrün, wäh- rend das Weibchen reich mit Roth und Purpur gefärbt ist. In der Gattung Esmeralda weichen die Geschlechter in der Färbung so be- deutend von einander ab, dass sie als verschiedene Arten angeführt wurden; bei einer Species sind Beide von einem schönen glänzenden Grün, aber das Männchen hat einen rothen Thorax. Im Ganzen sind, soweit ich es beurtheilen kann, die Weibehen derjenigen Prioniden, bei denen die Geschlechter verschieden sind, reicher gefärbt als die Männchen, und dies stimmt nieht mit der gewöhnlichen Regel in Bezug auf die Färbung überein, sobald diese durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden ist. Eine äusserst merkwürdige Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern vieler Käfer bie- ten die grossen Hörner dar, welche vom Kopfe, dem Thorax oder dem Schildchen der Männ- chen entspringen. In einigen wenigen Fällen gehen dieselben von der unteren Fläche des fl | Körpers aus. In der grossen DIE IB ORRIEEHEm A Obere Figur das Minn. Jamllie der Lamellicornia sind chen (verkleinert); untere Figur das Weibchen diese Hörner denen verschiede- TEE, ner Säugethiere ähnlich, wie 1869, p. 50 beschrieben worden. Ich will hier noch die wenigen anderen Fälle anführen, bei denen ich eine Verschiedenheit der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern bei Käfern habe erwähnen hören. Kirby und Spence führen (Introduction to Entomology. Vol. III. p. 301) eine Cantharis, Meloö, ein Rha- gium und die Leptura testacea an; das Männchen der letzteren ist bräunlich mit einem schwarzen Thorax, das Weibchen durchaus schmutzig roth. Diese beiden . letzten Käfer gehören zur Ordnung der Longicornia. Die Herren R. Trimen und Waterhouse jun. nennen mir zwei Lamellicornier, nämlich eine Peri- trichia und einen Trichius; das Männchen des letzteren ist dunkler gefärbt als das Weibchen. Bei Tillus elongatus ist das Männchen schwarz, das Weibchen dagegen, wie angenommen wird, immer dunkelblau gefärbt mit einem rothen Thorax. Wie ich von Mr. Walsh höre, ist das Männchen von Orsodaena atra schwarz, während das Weibchen (die sogenannte 0. ruficollis) einen röthlich braunen Thorax hat. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. - 329 der Hirsche, Rhinocerose u. s. w., und sind sowohl ihrer Grösse, als ihrer verschiedenartigen Formen wegen wunderbar. Statt sie zu beschreiben, habe ich Abbildungen der Männchen und Weibchen von Fig. 16. Copris isidis. Fig. 17. Phanaeus faunus. Fig. 19. Onthophagus rangifer (vergrössert). (Die Figuren links sind die Männchen.) einigen der merkwürdigeren Formen gegeben (Fig. 15—19). Die Weib- chen bieten allgemein Rudimente der Hörner in der Form kleiner Höcker oder Leisten dar, aber einigen fehlt selbst jedes Rudiment da- 330 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. von. Andererseits sind bei den Weibchen von Phanaeus lancifer die Hörner nahezu so gut entwickelt wie beim Männchen und bei den Weibchen einiger anderer Species der nämlichen Gattung und der Gat- tung Copris nur unbedeutend weniger entwickelt, In den verschiedenen Unterabtheilungen der Familie laufen die Verschiedenheiten in der Structur der Hörner, wie mir Mr. Barzs mitgetheilt hat, nicht mit ihren bedeutenderen und characteristischen Verschiedenheiten parallel. So gibt es innerhalb einer und derselben Section der Gattung Ontho- phagus Species, welche entweder ein einziges am Kopfe stehendes Horn haben, oder zwei verschiedene Hörner. In beinahe allen Fällen sind die Hörner wegen excessiver Varia- bilität merkwürdig, so dass eine gradweise angeordnete Reihe sich bilden lässt von den am höchsten entwickelten Männchen zu anderen so entarteten Männchen, dass sie kaum von den Weibchen unterschieden werden können. Mr. Wars# ®° fand, dass bei Phanaeus carnifex die Hörner bei einigen Männchen dreimal so lang waren als bei anderen. Nachdem Mr. Bares über hundert Männchen von Onthophagus ran- gifer (Fig. 19) untersucht hatte, glaubte er, dass er endlich eine Species entdeckt habe, bei welcher die Hörner nicht variirten; und doch erwies eine noch weitere Untersuchung das Gegentheil. Die ausserordentliche Grösse der Hörner und ihre sehr verschiedene Bildung bei nahe verwandten Formen deutet darauf hin, dass sie zu irgend einem wichtigen Zwecke gebildet worden sind; aber ihre ausser- ordentliche Veränderlichkeit bei den Männchen einer und derselben Species führt wieder zu dem Schlusse, dass dieser Zweck nicht von einer ganz bestimmten Natur sein kann. Die Hörner bieten kein Zeichen von Abreibung dar, als wenn sie zu irgend einer gewöhnlichen Arbeit benutzt würden. Einige Schriftsteller vermuthen ®°, dass die Männchen, weil sie viel mehr herumwandern als die Weibchen, der Hörner als Vertheidigungsmittel gegen ihre Feinde bedürfen; aber in vielen Fällen scheinen die Hörner nicht gut zur Vertheidigung angepasst zu sein, da sie nicht scharf sind. Die am meisten in die Augen springende Vermuthung ist die, dass sie von den Männchen in ihren gegenseitigen Kämpfen benutzt werden. Aber man hat niemals beobachtet, dass sie mit einander kämpfen. Auch konnte Mr. Bares nach einer sorgfältigen Untersuchung zahlreicher Arten keine hinreichenden Belege in dem 5% Proceed. Entomolog. Soc. of Philadelphia. 1564, p. 228. 6° Kirby and Spence, Introduction to Entomology. Vol. III, p. 300. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 331 verstümmelten oder zerbrochenen Zustande der Hörner dafür finden, dass sie zu diesem Zwecke benutzt worden wären. Wenn die Männ- chen die Gewohnheit gehabt hätten, mit einander zu kämpfen, so würde wahrscheinlich die Grösse der Thiere selbst durch natürliche Zuchtwahl vermehrt worden sein, so dass sie die der Weibchen überträfen. Mr. Bares hat aber die beiden Geschlechter in über hundert Species von Copriden mit einander verglichen und findet bei gut entwickelten Indi- viduen keine ausgesprochene Verschiedenheit in dieser Beziehung. Ue- berdies gibt es einen zu der nämlichen grossen Abtheilung der Lamel- licornier gehörigen Käfer, nämlich Lethrus, dessen Männchen wie man weiss mit einander kämpfen; doch sind diese nicht mit Hörnern ver- sehen, wenn auch ihre Mandibeln viel grösser sind als die der Weibchen. Die Schlussfolgerung, welche am besten mit der Thatsache über- einstimmt, dass die Hörner so immens und doch nicht in einer fest- stehenden Weise entwickelt worden sind — wie sich durch ihre aus- serordentliche Variabilität in einer und derselben Species und durch ihre ausserordentliche Verschiedenartigkeit in nahe verwandten Species zeigt — ist die, dass sie zur Zierde erlangt worden sind. Diese An- sicht wird auf den ersten Blick äusserst unwahrscheinlich erscheinen ; wir werden aber später bei vielen Thieren, welehe in der Stufenleiter viel höher stehen, nämlich bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Vö- geln finden, dass verschiedene Arten von Leisten, Höckern, Hörnern und Kämmen allem Anscheine nach nur für diesen einen Zweck ent- wickelt worden sind. Die Männchen von Onitis furecifer (Fig. 20) sind mit eigenthüm- lichen Vorsprüngen an den Oberschenkeln der Vorderbeine und mit einer grossen Gabel oder einem Paar Hörnern an der unteren Fläche des Thorax versehen. Die Lage dieser Theile scheint äusserst übel angebracht zu sein, um diese Vorsprünge zu zeigen, und sie dürfen eher von einem materiellen Dienst sein ; aber bis jetzt kann kein bestimmter Zweck ihnen zugeschrieben werden. Es ist eine sehr merkwürdige Thatsache, dass, obgleich die Männchen auch nicht eine Spur von Hörnern an der pie. %0. Onitis furei- oberen Fläche ihres Körpers darbieten, doch bei den "> A vo Weibehen ein Rudiment eines einfachen Horns auf dem Kopf (Fig. 21a) und einer Leiste (b) am Thorax deutlich sichtbar ist. Dass die unbedeutende Thoraxleiste beim Weibchen ein Rudiment eines 339 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. dem Männchen eigenthümlichen Vorsprungs ist, welcher freilich bei dem Männchen dieser besonderen Species vollständig fehlt, ist klar. Denn Fig. 21. Linke Figur das Männchen von Onitis Jurcifer, von der Seite gesehen; die rechte Figur das Weibehen. —a. Rudiment des Horns am Kopfe; b. Spur des Horns oder der Leiste am Thorax. das Weibchen von Bubas bison, einer Onitis sehr nahe verwandten Form, hat eine ähnliche geringe Leiste am Thorax und das Männchen hat an derselben Stelle einen grossen Vorsprung. So kann ferner dar- über kein Zweifel sein, dass der kleine Höcker (a) am Kopfe des weib- lichen Onitis furcifer, ebenso wie bei den Weibchen zweier oder dreier verwandter Species ein rudimentärer Repräsentant des am Kopfe stehen- den Horns ist, welches den Männchen so vieler lamellicorner Käfer, wie z. B. Phanaeus (Fig. 17), häufig zukommt. In der That sind die Männchen einiger nicht benannter Käfer im British Museum, welche, wie man annimmt, factisch zur Gattung Onitis gehören, mit einem ähnlichen Horne versehen. Die merwürdige Natur dieses Falls wird am besten aus einer beispielsweisen Illustration deutlich werden. Die wiederkäuenden Säugethiere sind den lamellicornen Käfern darin parallel, dass einige Weibchen Hörner besitzen, in derselben Grösse wie die Männchen, während andere sie viel kleiner haben oder sie nur als Ru- dimente (obgleich dies bei Wiederkäuern ebenso selten, als es bei La- mellicorniern häufig ist) oder durchaus keine Hörner besitzen. Wenn nun eine neue Species von Hirschen oder Schafen entdeckt würde, bei welcher das Weibchen deutliche Rudimente von Hörnern trüge, während der Kopf des Männchens absolut glatt wäre: so würden wir einen Fall haben, der dem des Onitis fureifer gliche. In diesem Falle bewährte sich der alte Glaube, dass Rudimente nur erschaffen worden sind, um das Schema der Natur zu vervollstän- digen, in einem Grade nicht, dass alle gewöhnlichen Regeln vollstän- dig durchbrochen werden. Die Ansicht, welche die wahrscheinlichste zu sein scheint, ist die, dass irgend ein früher Urerzeuger von Onitis, wie andere Lamellicornier, Hörner am Kopfe und am Thorax erhielt und sie dann in einem rudimentären Zustande, wie bei so vielen existirenden Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 333 Species, auf die Weibcheu vererbte, von denen sie seit jener Zeit be- ständig beibehalten wurden. Der spätere Verlust der Hörner seitens der Männchen kann nach dem Princip der Compensation des Wachs- thums das Resultat der Entwiekelung jener Vorsprünge an der unteren Fläche gewesen sein, während das Weibchen hierdurch nicht berührt wurde, da es jene Vorsprünge nicht besitzt und folglich die Rudimente der Hörner an der oberen Fläche beibehalten hat. Obgleich diese An- sicht durch den Fall von Bledius, der sogleich mitgetheilt werden soll, unterstützt wird, so weichen doch die Vorsprünge an der anderen Fläche bedeutend in der Structur und in der Entwickelung bei den Männchen mehrerer Species von Onitis unter einander ab und sind bei einigen selbst nur rudimentär vorhanden. Nichtsdestoweniger ist die obere Fläche bei allen diesen Specis vollständig ohne Hörner. Da secundäre Sexualcharactere so ausserordentlich variabel sind, so ist, es mög- lich, dass die Vorsprünge an der unteren Fläche zuerst von einem Ur- erzeuger von Onitis erlangt wurden, dann ihre Wirkung durch die Compensation des Wachsthums äusserten und dann in gewissen Fällen beinahe vollständig verloren wurden. Alle die bisher mitgetheilten Fälle beziehen sich auf die Lamelli- cornier; aber die Männchen einiger weniger anderen Käfer, welche zu zwei sehr weit von einander verschiedenen Gruppen gehören, nämlich den Curculioniden und Staphyliniden, sind mit Hörnern versehen, — bei den ersteren an der unteren Fläche des Körpers ©!, bei den letzte- ren an der oberen Fläche des Kopfes und Thorax. Bei den Staphy- liniden sind die Hörner der Männchen einer und der nämlichen Species ausserordentlich variabel, genau so wie wir es bei den Lamellicorniern gesehen haben. Bei Siagonium haben wir einen Fall von Dimorphis- mus; denn die Männchen können in zwei Gruppen getheilt werden, welche bedeutend in der Grösse ihrer Körper und in der Entwickelung ihrer Hörner von einander abweichen ohne irgendwelche zwischenlie- gende Stufe. Bei einer Species von Bledius (Fig. 22), welche gleich- Fig. 22. Bledius taurus, vergrössert, Figur links das Männchen, Figur rechts das Weibchen. falls zu den Staphyliniden gehört, können an der nämlichen Oertlich- 6! Kirby and Spence, Indroduction to Entomology. Vol. III, p. 329. 334 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. keit männliche Exemplare gefunden werden, wie Professor WESTwoon angibt, „bei welchen das centrale Horn des Thorax sehr gross ist, „während die Hörner des Kopfes ziemlich rudimentär sind, und andere, „bei denen die Hörner des Thorax viel kürzer sind, während die Vor- „sprünge am Kopfe lang sind“ 6. Hier haben wir daher dem An- scheine nach ein Beispiel von Compensation des Wachsthums, welches auf den eben mitgetheilten Fall von einem Verluste der oberen Hörner bei den Männchen von Onitis furcifer Licht wirft. Gesetz des Kampfes. — Einige männliche Käfer, welche zum Kampfe nur schlecht ausgerüstet zu sein scheinen, treten doch mit an- dern in einen Streit um den Besitz der Weibchen ein. Mr. Wartack 63 sah zwei Männchen von Leptorhynchus angustatus, einem schmalen, langen Käfer mit einem sehr verlängerten Rostrum, „die um ein Weib- „chen kämpften, welches dicht dabei emsig mit Bohren beschäftigt war. „Sie stiessen einander mit ihren Rüsseln, kratzten und schlugen sich „offenbar in der grössten Wuth“. Das kleinere indessen „rannte bald „davon und gab sich dadurch als besiegt zu erkennen.“ In einigen wenigen Fällen sind die Männchen gut zum Kämpfen ausgerüstet, und zwar durch den Besitz grosser, gezähnter Mandibeln, welche viel grös- ser als die der Weibchen sind. Dies ist bei dem gemeinen Hirsch- käfer (Lucanus cervus) der Fall, dessen Männchen ungefähr eine Woche früher als die Weibchen aus der Puppe ausschlüpfen, so dass häufig mehrere Männchen zu sehen sind, welche ein und dasselbe Weibchen verfolgen. Um diese Zeit ereignen sich heftige Kämpfe zwischen ihnen. Als Mr. A. H. Davis 6* zwei Männchen mit einem Weibchen in einer Schachtel einschloss, knipp das grössere Männchen das kleinere so lange und so heftig, bis dieses seine Ansprüche aufgab. Ein Freund erzählte mir, dass er als Knabe oft die Männchen zusammengebracht, nm sie käm- pfen zu sehen, und dabei bemerkt habe, dass sie viel kühner und wüthen- der gewesen seien als die Weibchen, wie es ja auch bei den höheren 62 Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 172. Auf derselben Seite wird auch Siagonium geschildert. Im British Museum bemerkte ich ein männ- liches Exemplar von Siagonium, welches einen intermediären Zustand darbot, so dass der Dimorphismus nicht streng durchgeführt ist. #3 The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 276. 6% Entomological Magazine. Vol. I. 1833, p. 82. s. auch in Bezug auf die Kämpfe dieser Species: Kirby and Spence, Introduction etc. Vol. III, p. 314 und Westwood, Modern Classification. Vol. I, p. 187. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 335 Thieren bekanntlich der Fall ist. Die Männchen ergriffen seinen Fin- ger, wenn er vor sie gehalten wurde, aber nicht so die Weibchen. Bei vielen der Lucaniden, ebenso wie bei dem vorhin erwähnten Lepto- rhynchus sind die Männchen grössere und kräftigere Insecten als die Weibchen. Die beiden Geschlechter von Lethrus cephalotes (einer der Lamellieornier) bewohnen eine und dieselbe Höhle, und das Männchen hat grössere Mandibeln als das Weibchen. Wenn ein fremdes Männ- chen während der Brunstzeit in die Höhle einzudringen versucht, so wird es angegriffen. Das Weibchen bleibt dabei nicht passiv, sondern schliesst die Oeffnung der Höhle und feuert sein Männchen dadurch an, dass es dasselbe beständig von hinten hervortreibt. Die ganze Handlung hört nicht eher auf, als bis der Angreifer getödtet ist oder davonläuft 6°. Die beiden Geschlechter eines andern lamellicornen Käfers, des Ateu- chus cicatricosus, leben paarweise und scheinen sehr an einander zu hängen. Das Männchen treibt das Weibchen dazu an, die Kothballen zu rollen, in denen die Eier abgelegt werden, und wenn das Weibchen entfernt wird, wird das Männchen sehr beunruhigt; wird dagegen das Männchen entfernt, so hört das Weibchen völlig auf zu arbeiten und würde, wie Mr. BRULERIE 6% glaubt, auf derselben Stelle bleiben, bis es stürbe. Die grossen Mandibeln der männlichen Lucaniden sind in ausser- ordentlichem Grade sowohl der Grösse als der Structur nach variabel und sind in dieser Beziehung den Hörnern am Kopfe und Thorax vieler männlichen Lamellicornier und Staphyliniden ähnlich. Man kann von den bestausgerüsteten bis zu den schlechtest bedachten oder degenerir- ten Männchen eine vollkommene Reihe darstellen. Obgleich die Man- dibeln des gemeinen Hirschkäfers und wahrscheinlich auch vieler an- deren Species als wirksame Waffen im Kampfe benutzt werden, so ist es doch zweifelhaft, ob ihre bedeutende Grösse hierdurch erklärt wer- den kann. Wir haben gesehen, dass bei dem Lucanus elaphus von Nordamerika dieselben zum Ergreifen des Weibchens benutzt werden. Da sie so auffallend und elegant verzweigt sind, so ist mir zuweilen die Vermuthung durch den Kopf gegangen, dass sie den Männchen als Zierathen dienstbar seien, in derselben Weise wie die Hörner am Kopfe und Thorax der verschiedenen oben beschriebenen Species. Der männ- 65 Citirt aus Fischer in: Dictionaire class. d’Hist. Nat. Tom. X, p. 324. 66 Annales Soc. Entomol. de Franc. 1866, eitirt in Journal of Travel by A. Murray. 1868, p. 135. \ 2 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. liche Chiasognathus Grantii von Süd-Chile, ein prachtvoller, zu derselben Familie gehöriger Käfer, hat enorm entwickelte Mandibeln (Fig. 23) "a3 “ und ist kühn und kampfsüchtig. Wird er von i irgend einer Seite her bedroht, so dreht er sich herum, öffnet seine grossen Kiefern und beginnt zu derselben Zeit ein lautes stridulirendes Geräusch zu machen. Seine Mandibeln waren aber nicht kräftig genug, meinen Finger so zu kneipen, dass ich einen wirklichen Schmerz empfunden hätte. Geschlechtliche Zuchtwahl, welche den Besitz eines beträchtlichen Wahrnehmungsvermögens und starker leidenschaftlicher Empfindungen voraus- setzt, scheint bei den Lamellicorniern eine grös- sere Wirksamkeit entfaltet zu haben als bei irgend einer andern Familie der Coleoptern oder Käfer. Bei einigen Species sind die Männchen mit Waf- fen zum Kampfe ausgerüstet; einige leben in Paaren und zeigen gegenseitige Anhänglichkeit ; viele haben das Vermögen, Laute von sich zu geben, wenn sie erregt werden; viele sind mit den ausserordentlichsten Hörnern versehen, offenbar zum Zwecke eines Schmucks. Einige ihrer Lebens- weise nach als Tagformen zu bezeichnende sind prächtig gefärbt; und endlich gehören mehrere der grössten Käfer in der Welt zu dieser Familie, welche von Linn# und FApricıus an die Spitze Fig. 23. Chiasognathus Gran- ti, verkleinert. Obere ri. der ganzen Ordnung der Coleoptera gestellt gur das Männohen; untere wurde 67, Figur das Weibchen. Stridulationsorgane. — Käfer, welche zu vielen und sehr von einander verschiedenen Familien gehören, besitzen derartige Organe. Der Laut kann zuweilen in der Entfernung mehrerer Fuss oder ‚selbst Yards®® gehört werden, ist aber nicht mit dem von den Orthoptern hervorge- brachten zu vergleichen. Der Theil, welchen man die Raspel nennen könnte, besteht allgemein aus einer schmalen leicht erhobenen Fläche, 67 Westwood, Modern Classification of Insects. Vol. I, p. 184. 68 Wollaston, On certain musical Curculionidae in: Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. VI. 1860, p. 14. Cap. 10. Inseeten: Coleoptera. 337 welche von sehr feinen parallelen Rippen gekrenzt wird, die zuweilen so fein sind, dass sie iridescirende Farben hervorbringen und unter dem Mikroskope eine sehr elegante Erscheinung darbieten. In manchen Fäl- len, z. B. bei Typhoeus, kann deutlich gesehen werden, dass äusserst kleine borstige, schuppenartige Vorsprünge, welche die ganze umge- bende Fläche in annähernd parallelen Linien bedecken, dadurch die Rippen der Raspel bilden, dass sie zusammenfliessen, gerade werden und zu derselben Zeit stark vorspringen und glatt werden. Eine harte Leiste an irgend einem benachbarten Theile des Körpers, welcher in einigen Fällen speciell für diesen Zweck modifieirt ist, dient als Kratzer für die Raspel. Dieser Kratzer wird schnell quer über die Raspel be- wegt oder auch umgekehrt die Raspel quer über den Kratzer. Diese Organe sind an sehr verschiedenen Stellen des Körpers an- gebracht. Beim Todtengräber (Necrophorus) finden sich zwei parallele Raspeln (r Fig. 24) an der dorsalen Oberfläche des fünften Abdominal- segments, wobei jede Raspel oder jedes Reibzeug, wie es Lanpoıs®® beschrieben hat, von 126 bis 140 feinen Rippen gekreuzt wird. Diese Rippen werden von den hinteren Rändern der Flügel- decken gerieben, von denen ein | kleiner Theil über die allgemei- "1%, rnterm Mach za ndna, ra ben nen\.Contouren ‚verspringt. Bei... 197, Baspel, stark, vergrössert. vielen Crioceriden und bei C/ythra quadripunctata (einer der Chryso- meliden) und bei einigen Tenebrioniden ete. 7% liest das Reibzeug auf der dorsalen Spitzen-Fläche des Abdomen, auf dem Pygidium oder Pro- pygidium, und wird in dem obigen Falle von den Flügeldecken gerie- ben. Bei Heterocerus, welcher zu einer andern Familie gehört, liegen die Reibzeuge an den Seiten des ersten Abdominalsegments und werden 6 Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. 17. 1867, S. 127. ”° Ich bin Mr.G. R. Crotch sehr dafür verbunden, dass er mir zahlreiche Präparate von verschiedenen Käfern dieser drei sowohl, als anderer Familien, ebenso wie werthvolle Information aller Art mitgetheilt hat. Er glaubt, dass das Stridulationsvermögen bei Clythra früher noch nicht beobachtet worden ist. Auch Mr. Janson bin ich für Mittheilungen und für Präparate Dank schuldig. Ich will hinzufügen, dass mein Sohn, Mr. F. Darwin gefunden hat, dass Der- mestes murinus stridulirt; er hat aber vergebens nach dem betreffenden Apparate gesucht. Neuerdings ist auch Scolytus von Dr. Chapman als ein schrillender Kä- fer beschrieben worden in: Entomologist’s Monthly Magazine, Vol. VI. p. 130. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 22 338 Geschlechtliche Zuchtwahl. I. Theil. von Leisten an den "Oberschenkeln gerieben ?!. Bei gewissen Curcu- lioniden und Carabiden 7? sind die betreffenden Theile in Bezug auf ihre Stellung gerade umgekehrt; denn das Reibzeug liegt hier an der unteren Fläche der Flügeldecken in der Nähe ihrer Spitzen oder ihren äusseren Rändern entlang und die Kanten der Abdominalsegmente die- nen als Reiber. Bei Pelobius Hermanni (einem der Dytiseiden oder Wasserkäfer) läuft eine starke Leiste parallel und nahe dem Nahtrande der Flügeldecken und wird von Rippen gekreuzt, die in dem mittleren Theile grob, aber nach den beiden Enden hin und besonders nach dem oberen Ende zu allmählich immer feiner werden. Wird dieses Insect unter Wasser oder in der Luft festgehalten, so wird ein stridulirendes Geräusch durch Reiben des äussersten hornigen Randes des Abdomen gegen das Reibzeug hervorgebracht. Bei einer grossen Anzahl von longi- cornen Käfern liegen die Organe wieder durchaus verschieden. Das Reibzeug findet sich hier am Mesothorax, welcher gegen den Prothorax gerieben wird. Lanpoıs zählte 233 sehr feine Rippen an dem Reib- zeuge von Cerambyx heros. Viele Lamellicornier haben das Vermögen, Laute hervorzubringen. Die betreffenden Organe weichen in Bezug auf ihre Lage sehr von ein- ander ab. Einige Species striduliren sehr laut, so dass, als Mr. F. SmiTH einen Trox sabulosus gefangen hatte, ein dabei stehender Wild- wart glaubte, er habe eine Maus gefangen. Ich bin aber nicht im Stande gewesen, die betreffenden Organe bei diesem Käfer nachzuwei- sen. Bei Geoirupes und Typhoeus läuft eine schmale Leiste schräg (r Fig. 25) über die Coxa jedes Hinterbeins und hat bei @. stercorarius vierundachtzig Rippen, welche von einem speciell hierzu vorspringenden Theile eines der Abdominalsegmente gerieben werden. Bei dem nahe verwandten Copris lunaris läuft eine ausserordentlich schmale feine Raspel dem Nahtrande der Flügeldecken entlang mit einer andern kur- zen Raspel nahe dem basalen Aussenrande. Aber bei einigen andern ”ı Schiödte, übersetzt in: Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. XX. 1867, p. 37. ”2 Westring hat in Kröyer’s Naturhistor. Tidskrift. Bd. 2. 1848—49. p. 334 die Stridulationsorgane sowohl von diesen beiden als auch von andern Fa- milien beschrieben. Unter den Carabiden habe ich Hlaphrus uliginosus und Ble- thisa multipunctata, die mir Mr. Crotch übersandt hatte, untersucht. Bei Ble- thisa kommen die queren Leisten an dem gefurchten Rande des Abdominalseg- ments, soviel ich es beurtheilen kann, nicht mit beim Kratzen der Reibzeuge auf den Flügeldecken ins Spiel. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 339 Coprinen liegt der Angabe von Leconre ?3 zufolge das Reibzeug auf der dorsalen Oberfläche des Abdomen. Bei Oryetes ist es auf dem - Propygidium gelegen und der Angabe desselben Ento- mologen zufolge bei einigen andern Dynastinen an der unteren Fläche der Flügeldecken. ‘Endlich gibt West- RING an, dass bei Omaloplia brunnea das Reibzeug an dem Prosternum, der Reiber an dem Metasternum ge- legen sei. Hier nehmen also diese Theile die untere Fläche des Körpers ein, statt wie bei den Longieorniern auf der oberen Fläche gelegen zu sein. Wir sehen hieraus, dass die Stridulationsorgane in den verschiedenen Familien der Coleoptern der Lage nach wunderbar verschiedenartig sind, aber nicht so be- deutend der Structur nach. Innerhalb einer und der- Fis- 25. Hinter- bein von @eotru- selben Familie sind einige Species mit diesen Organen pes stercorarius versehen und einigen fehlen dieselben vollständig. ae Diese Verschiedenartigkeit wird verständlich, wenn et wir annehmen, dass ursprünglich verschiedene Spe- cies ein reibendes oder zischendes Geräusch durch das Aufeinander- reiben der harten und rauhen Theile ihrer Körper, die in Berührung waren, hervorbrachten, und dass in Folge des Umstandes, dass der hier- durch hervorgebrachte Laut in irgendwelcher Weise nützlich war, die rauhen Stellen allmählich in regelmässige Stridulationsorgane entwickelt wurden. Einige Käfer bringen, wenn sie sich bewegen, entweder ab- sichtlich oder unabsichtlich jetzt ein reibendes Geräusch hervor, ohne irgend besondere Organe zu diesem Zwecke zu besitzen. Mr. WALLACE theilt mir mit, dass der Euchirus longimanus (ein Lamellicornier, des- sen Vorderbeine beim Männchen wunderbar verlängert sind) „während „er sich bewegt ein leises, zischendes Geräusch durch das Vorstrecken „und das Nachziehen des Abdomen hervorbringt, und wenn er ergriffen „wird, bringt er ein kratzendes Geräusch hervor dadurch, dass er seine „Hinterbeine gegen die Kanten der Flügeldecken reibt“. Das zischende Geräusch wird ganz offenbar hervorgebracht durch ein schmales, feilen- artiges heibzeug, welches dem Nahtrande jeder Flügeldecke entlang läuft; und ich konnte in gleicher Weise das kratzende Geräusch her- 73 Mr. Walsh, von Illinois, ist so gut gewesen, mir Auszüge von Leconte’s Introduction to Entomology. p. 101, 143 zu schicken, wofür ich ihm sehr ver- bunden bin. 22 * 340 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. vorbringen, als ich die chagrinirte Oberfläche des Oberschenkels gegen den granulirten Rand der entsprechenden Flügeldecke rieb. Ich konnte aber hier kein eigentlich feilenartiges Reibzeug entdecken, auch ist es nicht wahrscheinlich, dass ich dasselbe bei einem Insect von dieser Grösse übersehen haben sollte. Nach den Untersuchungen von Cyehrus und nach dem, was WESTRING in seinen zwei Abhandlungen über die- sen Käfer geschrieben hat, scheint es sehr zweifelhaft, ob derselbe irgend ein echtes heibzeug besitzt, trotzdem er das Vermögen hat, einen Laut hervorzubringen. Nach der Analogie mit den Orthoptern und Homoptern erwartete ich auch bei. den Coleoptern zu finden, dass die Stridulationsorgane je nach dem Geschlecht verschieden seien. Doch hat Lanpoıs, welcher mehrere Species sorgfältig untersucht hat, keine solche Verschiedenheit gefunden, ebensowenig WESTRING und Mr. G. R. CrorcH, welcher die Freundlichkeit gehabt hat, zahlreiche Präparate zu machen, die er mir zur Untersuchung mitgetheilt hat. Es würde indessen schwer sein, irgendwelche unbedeutende geschlechtliche Verschiedenheit hier nach- zuweisen wegen der grossen Variabilität dieser Organe. So war bei dem ersten Paare von Necrophorus humator und des Pelobius, welches ich untersuchte, das Reibzeug beim Männchen beträcktlich grösser als beim Weibchen ; bei später untersuchten Exemplaren war dies aber nicht der Fall. Bei Geotrupes stercorarius schien mir das Reibzeug bei drei Männchen dicker, opaker und vorspringender zu sein als bei derselben Zahl von Weibehen. In Folge dessen sammelte mein Sohn, Mr. F. Darwın, um nachzuweisen ob die Geschlechter in ihrem Stri- dulationsvermögen von einander abweichen, siebenundfünfzig lebende Exemplare, welche er in zwei Gruppen theilte, je nachdem sie in der- selben Art und Weise gehalten ein grösseres oder unbedeutenderes Ge- räusch machten. Er untersuchte dann ihr Geschlecht, fand aber, dass die Männchen in beiden Theilen sich sehr nahe in demselben Verhält- nisse zu den Weibchen befanden. Mr. F. SmrrH hat zahlreiche Exem- plare von Mononychus pseudacori (ein Curculionide) lebendig gehalten und ist überzeugt, dass beide Geschlechter Laute hervorbringen, und zwar dem Anscheine nach in gleichem Grade. Niehtsdestoweniger ist das Stridulationsvermögen sicher bei einigen wenigen Coleoptern ein sexueller Character. Mr. CrortcH hat die Ent- deckung gemacht, dass nur die Männchen zweier Species von Helio- patkes (Tenebrionidae) Stridulationsorgane besitzen. Ich untersuchte Cap. 10. Inseeten: Coleoptera. 34 fünf Männchen von Heliopathes gibbus und bei allen diesen fand sich ein wohlentwickeltes Reibzeug, zum Theil in zwei getheilt, an der dor- salen Fläche des terminalen Abdominalsegments, während in derselben Anzahl von Weibchen auch nieht ein Rudiment des Reibzeugs zu fin- den, die häutige Bedeckung des Segments im Gegentheil durchscheinend und viel dünner als beim Männchen war. Bei H. cribratostriatus be- sitzt das Männchen ein ähnliches Reibzeug, ausgenommen, dass es nicht theilweise in zwei Abtheilungen getrennt ist; und dem Weibchen fehlt dieses Organ vollständig. Aber ausserdem hat das Männchen noch an den Spitzenrändern der Flügeldecken auf jeder Seite der Naht drei oder vier kurze Längsleisten, welche von äusserst feinen Rippen gekreuzt werden, die parallel mit den auf dem abdominalen Reibzeug und die- sem ähnlich sind. Ob diese Leisten als ein selbständiges Reibzeug oder als ein Reiber für das Abdominalreibzeug dienen, konnte ich nicht nachweisen. Das Weibchen bietet nicht die Spur von dieser letzteren Bildung dar. Wir haben ferner bei drei Species des lamellicornen Genus Orye- tes einen nahezu parallelen Fall. Bei dem Weibchen des O. gryphus und nasicornis sind die Rippen auf den Reibzeugen des Propygidiums weniger continuirlich und weniger deutlich als beim Männchen. Die hauptsächlichste Verschiedenheit liegt aber darin, dass die ganze Ober- fläche dieses Segments, wenn sie in dem gehörigen Lichte gehalten wird, dicht mit Haaren bekleidet erscheint, welche bei den Männchen fehlen oder durch ausserordentlich feinen Flaum dargestellt werden. Es muss bemerkt werden, dass bei allen Coleoptern der wirksame Theil des Reibzeugs von Haaren entblösst ist. Bei O. senegalensis ist die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern schärfer markirt, und dies ist am besten zu sehen, wenn das betreffende Segment gereinigt und als durchscheinendes Object betrachtet wird. Beim Weibchen ist die ganze Oberfläche mit kleinen separaten Leisten bedeckt, welche Dornen tragen, während beim Männchen diese Leisten, je weiter sie nach der Spitze zu sich finden, immer mehr und mehr zusammenfliessen, regel- mässig und nackt werden, so dass drei Viertel des Segments mit äus- serst feinen parallelen Rippen bedeckt werden, welche beim Weibchen vollständig fehlen. Man kann indessen bei den Weibchen aller drei Species von Oryctes, wenn das Abdomen eines aufgeweichten Exemplars vorwärts und rückwärts gezogen wird, einen leichten kratzenden oder stridulirenden Laut hervorbringen. 342 Geschlechtliche Zuchtwahl. ll. Theil. Was Heliopathes und Oryctes betrifft, so lässt sich kaum daran zweifeln, dass die Männchen den stridulirenden Laut hervorbringen um die Weibchen zu rufen oder zu reizen; aber bei den meisten Käfern dient dem Anscheine nach die Stridulation beiden Geschlechtern als gegenseitiger Lockruf. Diese Ansicht wird dadurch nicht unwahrschein- lich gemacht, dass Käfer bei verschiedenen Erregungen striduliren ; wir wissen ja auch, dass Vögel ihre Stimme zu verschiedenen Zwecken be- nutzen ausser dem an ihre Genossen gerichteten Gesange. Der grosse Chiasognathus stridulirt aus Aerger oder zur Herausforderung, viele Species thun dasselbe in der Angst oder Furcht, wenn sie so gehalten werden, dass sie nicht entschlüpfen können. Die Herren WoLLASTON und CrorcH waren im Stande, durch Klopfen an die hohlen Baum- stämme auf den Canarischen Inseln die Gegenwart von Käfern, die zur Gattung Acalles gehören, durch ihre Stridulation zu entdecken. Endlich bringt der männliche Ateuchus seinen Laut hervor, um das Weibchen in seiner Arbeit zu ermuthigen, und aus Unruhe, wenn das- selbe entfernt wird ”*. Einige Naturforscher glauben, dass die Käfer diesen Laut hervorbringen, um ihre Feinde damit fortzuschrecken; ich kann aber nicht glauben, dass die Vierfüsser und Vögel, welche im Stande sind, die grösseren Käfer mit ausserodentlich harten Bedeckun- gen zu fressen, durch ein so unbedeutendes kratzendes Geräusch weg- geschreckt werden können. Die Annahme, dass die Stridulation als ein geschlechtlicher Lockruf dient, wird durch die Thatsache unter- stützt, dass die Individuen von Anobium tesselatum bekanntlich das Klopfen unter einander beantworten oder, wie ich selbst beobachtet habe, selbst auf ein künstlich gemachtes klopfendes Geräusch antwor- ten; so theilt mir Mr. Douptenay mit, dass er zwei oder drei Mal gesehen habe. wie ein Weibchen klopfte ”°, und im Verlaufe von einer ”ı M. P. de la Brulerie, citirt in: Journal of Travel by A. Murray. Vol. I, 1868, p. 135. ”5 Mr. Doubleday theilt mir mit, dass „das Geräusch von dem Insect da- „durch hervorgebracht wird, dass es sich so hoch auf seinen Beinen erhebt, als „es nur kann und dann seinen Thorax fünf- oder sechsmal in rapider Aufeinan- „derfolge gegen die Unterlage aufstösst, auf welcher es sitzt“. Wegen Nach- weisungen über diesen Gegenstand s. Landois in: Zeitschrift für wissenschaft- liche Zoologie Bd. 17, S. 131. Olivier sagt (nach dem Citat bei Kirby and Spence, Introduction ete. Vol. II, p. 595), dass das Weibchen von Pimelia striata einen ziemlich lauten Ton hervorbringt durch das Aufschlagen ihres Abdomen gegen irgend eine harte Substanz „und dass das Männehen, dieses Rufes gewär- „tig, ihr bald aufwartet und sie sich paaren“. Cap. 10. Insecten: Coleoptera. 343 oder zwei Stunden fand er es mit einem Männchen vereint und bei einer Gelegenheit sogar von mehreren Männchen umgeben. Endlich erscheint es wahrscheinlich, dass die beiden Geschlechter vieler Arten von Käfern zunächst in den Stand gesetzt wurden, einander durch das unbedeutende reibende Geräusch zu finden, welches durch das Reiben der benachbarten Theile ihres. harten Körpers auf einander hervorge- rufen wurde, und dass in dem Maasse als die Männchen oder die Weib- chen, welche das stärkste Geräuch machten, den besten Erfolg beim Finden von Genossen hatten, die Rauhigkeiten an verschiedenen Theilen ihrer Körper allmählich durch geschlechtliche Zuchtwahl zu echten Stridulationsorganen entwickelt wurden. Eiftes Capitel, Inseeten. (Fortsetzung.) Ordnung: Lepidoptera. Geschlechtliche Werbung der Schmetterlinge. — Kämpfe. — Klopfende Ge- räusche. — Farben beiden Geschlechtern gemeinsam oder brillanter bei den Männchen. — Beispiele. — Sind nicht Folge der direeten Wirkung der Le- bensbedingungen. — Farben als Schutzmittel angepasst. — Färbungen der Motten. — Entfaltung. — Wahrnehmungsvermögen der Lepidoptern. — Va- riabilität. — Ursachen der Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Männchen und Weibchen. — Helle Farben der Raupen. — Zusammenfassung und Schlussbemerkungen über die secundären Sexualcharactere der Insecten. — Vögel und Inseeten mit einander verglichen Der interessanteste Punkt für uns ist bei dieser Ordnung die Ver- schiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern einer und der- selben Species und zwischen den verschiedenen Species einer und der- selben Gattung. Beinahe dieses ganze Capitel wird diesem Gegen- stande gewidmet sein; ich will aber zuerst einige wenige Bemerkungen über einen oder zwei andere Punkte machen. Oft kann man mehrere Männchen sehen, welche ein Weibchen verfolgen oder sich um dasselbe versammeln. Ihre Bewerbung scheint eine sich sehr in die Länge zie- hende Angelegenheit zu sein, denn ich habe häufig ein oder mehrere Männchen beobachtet, wie sie um ein Weibchen herumtanzten, bis ich ermüdet wurde, ohne das Ende der Bewerbung auch nur vorauszusehen. Obgleich Schmetterlinge so schwache und zerbrechliche Wesen sind, sind sie doch kampfsüchtig; man hat eine Iris ! gefangen, deren Flü- gelspitzen in Folge eines Kampfes mit einem andern Männehen gebro- chen waren. Mr. Corııngwoon erzählt von den häufigen Kämpfen zwi- schen den Schmetterlingen von Borneo und sagt: „sie drehen sich mit „der grössten Schnelligkeit um einander herum und scheinen von der „grössten Wuth erregt zu sein.“ Man kennt einen Fall, wo ein Schmet- terling, nämlich die Ageronia feronia, ein Geräusch hervorbrachte wie ' Apatura Iris: the Entomologist’s Weekly Intelligencer. 1859, p. 139. In Bezug auf die Schmetterlinge von Borneo s. C; Collingwood, Rambles of a Naturalist. 1868, p. 183. Cap: 11: Insecten: Lepidoptera. 345 das eines Zahnrades, welches unter einem federnden Sperrhaken läuft, und welches in der Entfernung von mehreren Yards gehört ‚werden konnte. Bei Rio de Janeiro hörte ich dieses Geräusch nur, als zwei Schmetterlinge einander in unregelmässigem Laufe jagten, so dass es wahr- scheinlich während der Bewerbung der Geschlechter hervorgebracht wird. Ich habe aber dem Punkte damals keine Aufmerksamkeit geschenkt ?, Jedermann bewundert die ausserordentliche Schönheit vieler Schmet- terlinge und einiger Motten; und wir werden zu der Frage veranlasst, wie ist diese Schönheit erlangt worden? Sind,diese Färbungen und ver- schiedenen Zeichnungen einfach das Resultat der directen Wirkung der physikalischen Bedingungen, denen diese Inseeten ausgesetzt gewesen sind, ohne irgendwelchen daraus fliessenden Vortheil? oder sind nach einander auftretende Abänderungen angehäuft und entweder als Schutz- mittel oder für irgend einen unbekannten Zweck festgehalten worden, vielleicht damit das eine Geschlecht dem anderen anziehend gemacht werde? Und ferner, was ist die Bedeutung davon, dass bei den Männ- chen und Weibehen gewisser Species die Färbungen sehr verschieden und bei den beiden Geschlechtern anderer Species gleich sind? Ehe wir versuchen, diese Fragen zu beantworten, muss eine Anzahl von That- sachen hier mitgetheilt werden. Bei den meisten unserer englischen Schmetterlinge, sowohl denen, welche schön sind, wie dem Admiral, dem Pfauenauge, den Füchsen (Vanessae), und denen, welche einfach gefärbt sind, den Grasfaltern (Hipparchiae), sind die Geschlechter einander gleich. Dies ist auch der Fall bei den prachtvollen Helieconiden und Danaiden der Tropen- länder. Aber bei gewissen andern tropischen Gruppen und bei einigen unserer englischen Schmetterlinge, so bei der Iris, dem Aurorafalter u. 8. w. (Apatura Iris und Anthocharis cardamines), weichen die Ge- schlechter entweder bedeutend oder nur unbedeutend in der Farbe von einander ab. Es ist unmöglich den Glanz der Männchen einiger tro- pischer Species mit Worten zu schildern. Selbst innerhalb einer und der nämlichen Gattung, finden wir oft Species, welche eine ausseror- dentliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern darbieten, wäh- rend bei andern die Geschlechter nahezu gleich sind. So theilt mir ” s. mein Journal of Researches. 1845, p. 33. Mr. Doubleday hat eineu eigenthümlichen häutigen Sack an der Basis der Vorderflügel entdeckt, welcher wahrscheinlich zur Hervorbringung des Lautes in Beziehung steht (Proceed. En- tomolog. Soc., 3. March, 1845, p. 123). - 346 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Mr. Bares, welchem ich für die meisten der folgenden Thatsachen ebenso wie dafür, dass er diese ganze Erörterung nochmals durchgesehen hat, sehr verbunden bin, mit, dass er von der südamerikanischen Gattung Epicallia zwölf Species kennt, von denen die beiden Geschlechter an denselben Orten schwärmen (und dies ist nicht immer bei Schmetter- lingen der Fall), welche daher nicht durch die äusseren Bedingungen verschieden beeinflusst worden sein können ?. Von neun unter diesen zwölf Species gehören die Männchen zu den brillantesten von allen Schmetter- lingen und weichen so bedeutend von den vergleichsweise einfachen Weibchen ab, dass sie früher in besondere Gattungen gestellt wurden. Die Weibchen dieser neun Species sind einander in dem allgemeinen Typus ihrer Färbung ähnlich und sind gleichfalls beiden Geschlechtern von mehreren verwandten Gattungen ähnlich, welche sich in verschie- dennen Theilen der Erde finden. In Uebereinstimmung mit der Descen- denztheorie können wir daher schliessen, dass diese neun Species und wahrscheinlich alle übrigen Arten dieser Gattung von einer vorelter- lichen Form abstammen, welche in nahezu derselben Weise gefärbt war. Bei der zehnten Species behält das Weilchen noch immer dieselbe all- gemeine Färbung, aber das Männchen ist ihm ähnlich, so dass dies in einer viel weniger auffallenden und abstechenden Art gefärbt ist als die Männchen der vorhergehenden Species. Bei der elften und zwölf- ten Species weichen die Weibchen von dem bei ihrem Geschlechte in dieser Gattung gewöhnlichen Typus der Färbung ab, denn sie sind in nahezu derselben Weise lebhaft decorirt, wie die Männchen, aber in einem etwas geringeren Grade. Es scheinen also bei diesen beiden Arten die hellen Farben der Männchen auf die Weibchen übertragen worden zu sein, während das Männchen der zehnten Species die ein- fache Färbung sowohl des Weibchens als der elterlichen Form der Gat- tung entweder beibehalten oder wiedererlangt hat, so dass die beiden Geschlechter in beiden Fällen, wenn auch in einer entgegengesetzten Art und Weise, nahezu gleich gemacht wurden. In der verwandten Gattung Eubagis sind beide Geschlechter einiger Species einfach ge- färbt und einander nahezu gleich, während bei der grösseren Zahl die Männchen mit schönen metallischen Färbungen in einer verschieden- artigen Weise verziert sind und bedeutend von ihren Weibchen ab- ® s. auch den Aufsatz von Mr. Bates in den Proceed. Entomolog. Soc. of Philadelphia. 1865, p. 206; auch Mr. Wallace über denselben Gegenstand in Bezug auf Diadema, in Transact. Entomolog. Soc. of London. 1869, p. 278. Cap. 11. Insecten : Lepidoptera. 347 weichen. Durch die ganze Gattung hindurch behalten die Weibchen denselben allgemeinen Character, so dass sie gewöhnlich einander be- deutend ähnlicher sind als ihren eigenen Männchen. Bei der Gattung Papilio sind alle Species der Gruppe Aeneas merkwürdig wegen ihrer auflallenden und stark contrastirenden Farben und sie erläutern die häufig vorhandene Neigung, in der Grösse der Ver- schiedenheit zwischen den Geschlechtern gradweise Abstufungen eintre- ten zu lassen. In einigen wenigen Species, z. B. bei P. ascanius, sind die Männchen und Weibchen einander gleich, bei andern sind die Männ- chen wenig oder sehr viel glänzender gefärbt als die Weibchen. Die unsern Vanessae verwandte Gattung Junonia bietet einen nahezu parallelen Fall dar ; denn obgleich die Geschlechter der meisten ihrer Species einan- der ähnlich sind und satter Färbung entbehren, so ist doch in gewissen Species, wie z. B. bei J. oenone, das Männchen etwas glänzender gefärbt als das Weibehen, und bei einigen wenigen (z.B. J. andremiaja) ist das Männchen von dem Weibchen so verschieden, dass es leicht £fülschlich für eine vollständig verschiedene Species genommen werden kann. Auf einen andern merkwürdigen Fall machte mich im British Mu- seum Mr. A. BUTLER aufmerksam, nämlich auf die Theclae aus dem tropischen Amerika, bei denen beide Geschlechter nahezu gleich und wundervoll glänzend sind. Bei einer andern Art ist das Männchen in einer ähnlichen prächtigen Weise gefärbt, während die ganze obere Fläche des Weibchens von einem dunklen gleichförmigen Braun ist. Unsere gemeinen kleinen blauen englischen Schmetterlinge der Gat- tung Lycaena erläutern die verschiedenen Differenzen in der Färbung zwischen den Geschlechtern fast ebensogut, wenn auch nicht in einer so auffallenden Weise, wie die eben genannten exotischen Gattungen. Bei Lycaena agestis haben beide Geschlechter braune Flügel mit klei- nen orangenen Augenflecken und sind folglich gleich. Bei L. aegon sind die Flügel des Männchens schön blau mit Schwarz gerändert, wäh- rend die Flügel des Weibchens braun sind mit einem ähnlichen Rande und denen von L. agestis sehr ähnlich. Endlich sind bei L. arion beide Geschlechter von blauer Farbe und nahezu gleich, obschon beim Weibchen die Ränder der Flügel etwas trüber und die schwarzen Flecke einfacher sind. Und in einer hellblauen indischen Species sind beide Geschlechter einander noch mehr gleich. Ich habe die vorstehenden Fälle in ziemlichem Detail mitgetheilt, um an erster Stelle zu zeigen, dass, wenn die Geschlechter bei Schmet- 348 Geschlechtliche Zuchtwahl. IT. Theil. terlingen von einander abweichen, der allgemeinen Regel nach das Männchen das schönste ist und am meisten von dem gewöhnlichen Ty- pus der Färbung der Gruppe, zu welcher die Art gehört, abweicht. In den meisten Gruppen sind daher die Weibchen der verschiedenen Species einander viel mehr ähnlich als es die Männchen sind. Indessen sind in einigen ausnahmsweisen Fällen, auf welche ich später noch hinzuweisen haben werde, die Weibchen glänzender gefärbt als die Männchen. An zweiter Stelle sind die obigen Fälle mitgetheilt wor- den, um es dem Leser klar zu machen, dass innerhalb einer und der nämlichen Gattung die beiden Geschlechter häufig jede Abstufung von gar keiner Verschiedenheit in der Färbung bis zu einer so bedeutenden darbieten, dass es lange gedauert hat, ehe die beiden Geschlechter von den Entomologen in eine und dieselbe Gattung gestellt wurden. Wir haben aber drittens auch gesehen, dass, wenn die Geschlechter einander ziemlich ähnlich sind, dies allem Anscheine nach entweder die Folge davon ist, dass das Männchen seine Farben dem Weibchen überliefert hat, oder dass das Männchen die ursprünglichen Farben der Gattung zu welcher die Art gehört, beibehalten oder vielleicht auch wiederer- langt hat. Auch verdient es Beachtung, dass in denjenigen Gruppen, bei denen die Geschlechter irgendwelche Verschiedenheit der Farbe be- sitzen, die Weibchen gewöhnlich in einer gewissen Ausdehnung den Männchen ähnlich sind, so dass, wenn die Männchen in einem ausser- ordentlichen Grade schön sind, auch die Weibchen fast ausnahmslos einen gewissen Grad von Schönheit ihrerseits darbieten. Aus den zahl- reichen Fällen von Abstufung in dem Betrage an Verschiedenheit zwi- schen der Geschlechtern und aus dem Vorherrschen desselben allgemeinen Typus der Färbung durch die ganze Gruppe hindurch können wir schlies- sen, dass, was auch die Ursachen gewesen sein mögen, welche die brillante Färbung allein der Männchen bei manchen Species und beider Geschlech- ter in mehr oder weniger gleichem Grade bei andern Species bestimmt haben, diese Ursachen im Allgemeinen dieselben gewesen sind. Da so viele prachtvolle Schmetterlinge die Tropenländer bewohnen, so ist oft vermuthet worden, dass sie ihre Farben der grossen Wärme und Feuchtigkeit dieser Zonen verdanken. Aber aus der Vergleichung verschiedener nahe verwandter Gruppen von Insecten aus den gemäs- sigten und den tropischen Ländern hat Mr. Bares gezeigt *, dass diese Ansicht nicht aufrecht erhalten werden kann; und die Belege hierfür 4 The Naturalist on the Amazons. Vol. I. 1863, p. 19. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 349 werden zwingend, sobald brillant gefärbte Männchen und einfach ge- färbte Weibchen einer und derselben Species den nämlichen Bezirk be- wohnen, sich von demselben Futter ernähren und genau dieselben Le- bensbedingungen haben. Selbst wenn die Geschlechter einander ähnlich sind, können wir kaum glauben, dass ihre brillanten und schön angeordne- ten Farben das zwecklose Resultat einer besonderen Beschaffenheit der (Gewebe und eine Folge der Einwirkung der umgebenden Bedingungen sind. Sobald die Farbe zu irgend einem speciellen Zwecke modificirt wor- den ist, so ist dies, und zwar bei Thieren aller Arten, soweit wir es beurteilen können, zum Zwecke des Schutzes oder zur Bildung eines Anziehungsmittels der Geschlechter an einander geschehen. Bei vielen Arten von Schmetterlingen sind die oberen Flächen der Flügel dunkel gefärbt, und dies befähigt sie aller Wahrscheinlichkeit nach dazu, der Beobachtung und der Gefahr zu entgehen. Aber Schmetterlinge sind vorzüglich, wenn sie ruhen, den Angriffen ihrer Feinde ausgesetzt und fast alle Arten erheben beim Ruhen ihre Flügel senkrecht über ihren Rücken, so dass nur die unteren Seiten dem Blicke ausgesetzt sind. Diese Seite ist es daher, welche in vielen Fällen in auffallender Weise so gefärbt ist, dass sie der Fläche gleicht, auf welcher diese Inseeten sich am häufigsten niederlassen. Ich glaube, es war Dr. RösstLer, welcher zuerst die Aehnlichkeit der geschlossenen Flügel gewisser Vanessae und anderer Schmetterlinge mit der Rinde von Bäumen bemerkte. Viele analoge auffallende Fälle könnten hier noch mitgetheilt werden. Der interessanteste Fall ist der, den Mr. WALLACE ? von, einem gewöhn- lichen indischen und sumatraner Schmetterling (Kallima) berichtet hat, welcher wie durch einen Zauber verschwindet, wenn er sich in einem (ebüsche niederlässt. Denn er verbirgt seinen Kopf und seine Anten- nen zwischen den geschlossenen Flügeln und diese können in ihrer Form, Färbung und Aderung von einem verwelkten Blatte in Verbin- dung mit dessen Stiel nicht unterschieden werden. In einigen andern Fällen ist die untere Fläche der Flügel brillant gefärbt und doch dient sie als Schutzmittel. So sind die Flügel bei Thecla rubi, wenn sie geschlossen sind, smaragdgrün und gleichen den jungen Blättern des Himbeerstrauchs, auf welchen dieser Schmetterling im Frühjahr am häufigsten sitzend anzutreffen ist. ° s. einen interessanten Artikel in der Westminster Review, July, 1867, p- 10. Ein Holzschnitt der Kallima ist von Mr. Wallace in Hardwicke’s Science Gossip, Sept. 1367, p. 196 mitgetheilt worden. 350 Geschlechtliche Zuchtwahl. I. Theil. Obgleich die dunklen Färbungen der oberen oder unteren Flächen vieler Schmetterlinge ohne Zweifel dazu dienen, sie zu verbergen ; so können wir doch unmöglich diese Ansicht auch auf die brillanten und auffallenden Färbungen vieler anderen Arten ausdehnen, wie z. B. auf unsern Admiral und unser Pfauenauge, die Vanessae, unsern weissen Kohlschmetterling (Pieris) oder den grossen schwalbenschwänzigen Pa- pilio, welcher auf offenen Gründen schwärmt. Denn es’ sind diese Schmetterlinge durch jene Farben sichtbar für jedes lebende Wesen ge- macht worden. Bei diesen Species sind beide Geschlechter einander gleich, aber bei dem gemeinen Citronenvogel (Gonepteryx rhamni) ist das Männchen intensiv gelb, während das Weibchen viel blässer ist, und bei dem Aurorafalter (Anthocharis cardamines) haben nur die Männchen die glänzenden orangenen Spitzen an ihren Flügeln. In vie- len Fällen sind die Männchen und Weibchen gleichmässig in die Au- gen fallend und es ist nicht glaubhaft, dass ihre Verschiedenheit in der Färbung in irgend einer Beziehung zu gewöhnlichen Schutzmitteln steht. Nichtsdestoweniger ist es möglich, dass die auffallenden Farben vieler Species in einer indirecten Weise wohlthätig sind und zwar, wie hernach noch gezeigt werden wird, dadurch, dass dieselben den Feinden ihrer Art es sofort zu erkennen geben, dass sie ungeniessbar sind. Selbst in diesem Falle ist der Schluss noch nicht mit Sicherheit zu ziehen, dass die glänzenden Farben und schönen Zeichnungen zu diesem speciel- len Zwecke erlangt worden sind. In einigen andern merkwürdigen Fäl- len ist die Schönheit zum Zwecke eines Schutzes durch die Nachah- mung anderer schöner Species erreicht worden, welche denselben Bezirk bewohnen und vor Angriffen dadurch sicher geworden sind, dass sie in irgendwelcher Weise den Feinden offensiv sind. Das Weibchen unseres Aurorafalters, welcher oben erwähnt wurde, und einer amerikanischen Species (Anthocharis genutia) bietet uns, wie Mr. WarsH gegen mich geäussert hat, wahrscheinlich die ursprüng- lichen Farben der elterlichen Art der ganzen Gattung dar, denn beide Geschlechter von vier oder ‘fünf sehr weit verbreiteten Arten sind in nahezu derselben Art und Weise gefärbt. Wir können hier schliessen, wie in mehreren der vorhergehenden Fälle, dass es die Männchen von Anthocharis cardamines und genutia sind, welche von dem gewöhnlichen Typus der Färbung ihrer Gattung abgewichen sind. Bei der Anth. sara von Californien sind die orangenen Spitzen beim Weibchen zum Theil entwickelt worden, denn ihre Flügel sind mit einem Röthlich- Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 351 Orange getupft, aber blässer als beim Männchen und in einigen andern Beziehungen unbedeutend verschieden. Bei einer verwandten indischen Form, der Iphias glaueippe, sind die orangenen Spitzen in beiden Ge- schlechtern völlig entwickelt. Bei dieser Iphi«s gleicht die untere Fläche der Flügel, worauf mich Mr. A. Bunter aufmerksam gemacht hat, in merkwürdiger Weise einem blassgefärbten Blatte und bei un- serem englischen Aurorafalter gleicht die obere Fläche dem Blüthen- kopfe der wilden Petersilie, auf welcher man denselben sich zur Nacht- ruhe niederlassen sehen kann 6. Dieselbe Beweiskraft, welche uns dazu zwingt zu glauben, dass die untere Fläche in diesen Fällen zum Zwecke des Schutzes gefärbt worden ist, veranlasst uns aber auch es zu läug- nen, dass in den Fällen, wo die Flügel mit hellem Orange an der Spitze versehen worden ist, und besonders wenn dieser Character auf das Männchen beschränkt ist, dies zu demselben Zwecke geschehen ist. Wenden wir uns nun zu den Motten. Die meisten dieser Thiere ruhen während des ganzen Tages oder des grösseren Theils desselben bewegungslos mit herabhängenden Flügeln, und die oberen Flächen der Flügel sind oft, wie Mr. WarracE bemerkt hat, in einer wunder- baren Weise schattirt und gefärbt, um der Entdeckung zu entgehen. Bei den meisten Bombyeiden und Noetuiden ? bedecken im Ruhezu- stande die Vorderflügel die Hinterflügel und verbergen dieselben, so dass die letzteren ohne grosse Gefahr glänzend gefärbt sein können; und so sind sie in vielen Species beider Familien wirklich gefärbt. Während des Flugs selbst sind die Motten oft im Stande, ihren Fein- den zu entgehen; nichtsdestoweniger müssen, da die Hinterflügel beim Fliegen dem Blicke vollständig ausgesetzt sind, die glänzenden Farben derselben allgemein auf Kosten einer gewissen Gefahr erlangt worden sein. Aber die folgende Thatsache zeigt uns, wie vorsichtig wir sein müssen beim Ziehen von Schlüssen über einen derartigen Gegenstand. Die gemeinen Gelbbandeulen (Triphaena) fliegen oft während des Tags oder des frühen Abends herum und sind dann wegen der Farbe ihrer Hinterflügel sehr auffallend. Man würde natürlich hier denken, dass dies eine Quelle der Gefahr sei; aber Mr. JENNER WEIR glaubt, dass dies factisch ein Mittel zur Sicherung ist. Denn die Vögel stossen 6 5. die interessanten Beobachtungen von Mr. T. W. Wood, „The Student“, Sept. 1868, p. 81. * Mr. Wallace in Hardwicke’s Science Gossip, Sept. 1867, p. 193. 3359 Geschleehtliche Zuchtwahl. IT. Theil. auf diese glänzend gefärbten und zerbrechlichen Flächen statt auf den Körper. So that z. B. Mr. Weir ein kräftiges Exemplar von Triphaena pronuba in seine Voliere, welches, sofort von einem Rothkehlchen ver- folgt wurde, da aber die Aufmerksamkeit des Vogels sich auf die ge- färbten Flügel richtete, so wurde die Motte nicht eher als nach unge- fähr fünfzig Versuchen gefangen und nachdem kleine Partieen der Flü- ge] wiederholt abgebrochen worden waren. Er versuchte dasselbe Ex- periment in freier Luft mit einer Triphaena fimbria und einer Schwalbe, aber die bedeutende Grösse dieser Motte verhinderte wahrscheinlich ihre Gefangennahme ®. Wir werden hierdurch an eine von Mr. War- LACE 9 gemachte Angabe erinnert, nämlich dass in den brasilianischen Wäldern und auf den malayischen Inseln viele häufige und auffallend decorirte Schmetterlinge nur schwache Flieger sind, trotzdem sie in ihren Flügeln eine grosse Fläche darbieten; und „oft werden sie mit „durchbohrten und gebrochenen Flügeln gefangen, als wenn sie von „Vögeln ergriffen worden wären, denen sie dann wieder entgangen wä- „ren. Wären die Flügel im Verhältnisse zum Körper viel kleiner ge- „wesen, so würde das Insect, wie es scheint, wahrscheinlich häufiger „an einem wichtigen Theile getroffen oder durchbohrt worden sein, und „deshalb kann wohl ‚die Zunahme der Flächenausdehnung der Flügel „indirect eine Wohlthat für das Insect gewesen sein“. Entfaltung der Reize. — Die hellen Farben der Schmetter- linge und einiger Motten sind besonders zur Entfaltung angeordnet worden, mögen sie ausserdem noch als Schutzmittel dienen oder nicht. Helle Farben werden zur Nachtzeit nicht sichtbar sein; und es lässt sich nicht zweifeln, dass Motten im Ganzen genommen viel weniger lebhaft ge- färbt sind als Schmetterlinge, von denen alle ihrer Lebensweise nach Tag- thiere sind. Aber die Motten gewisser Familien, so z. B. der Zygaeniden, mehrere Sphingiden, Uraniiden, einige Arctiiden und Saturniiden fliegen während des Tags oder des frühen Abends herum, und viele dieser Arten sind ausserordentlich schön und viel glänzender gefärbt als die im strengen Sinne Nachts lebenden Arten. Einige wenige Ausnahmsfälle von glänzend gefärbten Nachtfliegern sind indessen mitgetheilt worden !0. 8 s. auch über diesen Gegenstand Mr. Weir’s Aufsatz in den Transact. En- tomolog. Soc. 1869, p. 23. 9 Westminster Review, July, 1367, p. 16. 10 so z. B. Lithosia; Prof. Westwood scheint aber (Modern Classific. of Insects, Vol. II, p. 390) über diesen Fall überrascht"gewesen zu sein. Ueber die 2 ae Cap. 11. Insecten: Tepidoptera. j 353 Ir Wir haben auch noch einen Beweis anderer Art in Bezug auf diese Entfaltung. Wie vorhin erwähnt erheben die Schmetterlinge ihre Flü- -gel im Ruhezustande; und während sie im Sonnenscheine ausruhen, er- heben sie oft abwechselnd die Flügel und lassen sie wieder sinken, wodurch sie beide Oberflächen vollständig dem Blicke aussetzen; obschon nun die untere Fläche oft als Schutzmittel in einer dunklen Weise ge- färbt ist, so ist sie doch in vielen Species ebenso glänzend gefärbt als die Oberfläche, zuweilen auch in einer sehr verschiedenen Weise. In einigen tropischen Species ist die untere Fläche selbst noch brillanter ge- färbt als die obere !!. Bei dem grossen Perlmutterfalter, der Argynnis aglaia, ist nur die untere Fläche mit glänzenden Silberflecken verziert. Nichtsdestoweniger ist der allgemeinen Regel nach die obere Fläche, welche wahrscheinlich die meist vollständig exponirte ist, glänzender und in einer verschiedenartigeren Weise gefärbt als die untere. Es bietet daher die untere Fläche im Allgemeinen den Entomologen die nützlichsten Merk- male dar zum Nachweis der Verwandtschaften der verschiedenen Arten. Wenn wir uns nun zu der enormen Gruppe der Motten wenden, welche gewöhnlich die untere Fläche ihrer Flügel nicht vollständig dem Blicke aussetzen, so finden wir, wie ich von Mr. Stamron höre, dass diese Seite sehr selten glänzender gefärbt ist als die obere oder auch nur mit gleichem Glanze. Einige Ausnahmen von dieser Regel, ent- weder wirkliche oder scheinbare, müssen angeführt werden, so die Hy- popyra, die Mr. Wormatp I? angeführt hat. Mr. R. Trımen theilt mir mit, dass in GUENEE’S grossem Werke drei Motten abgebildet sind, bei denen die untere Fläche weitaus die brillanteste ist. So ist z. B. bei der australischen Gastrophora die obere Fläche der Vorderflügel blass gräulich-ockergelb, während die untere Fläche prachtvoll mit einem Au- genflecke von Kobaltblau verziert ist, welcher in der Mitte eines schwar- zen, von Orangegelb und nach aussen von Bläulichweiss geränderten Fleckes sich befindet. Aber die Lebensweise dieser drei Motten ist un- bekannt so dass für diese ungewöhnliche Art der Färbung keine Er- klärung gegeben werden kann. Auch theilt mir Mr. Trınen mit, dass relativen Färbungen der Tag- und Nachtschmetterlinge s. ebenda p. 335 und 392; auch Harris, Treatise on the Insects of New England. 1842, p. 315. 1! Derartige Verschiedenheiten zwischen den oberen und unteren Flächen der Flügel bei mehreren Species von Papilio kann man auf den schönen Tafeln sehen zu Mr. Wallace’s Abhandlung on the Papilionidae of the Malayan Re- gion, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. Part. I. 1865. 12 Proceed. Entomolog. Soc., 2. March, 1868. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 2 o 354 Geschlechtliche Zuehtwahl. II. Theil. die untere Fläche der Flügel gewisser anderer Geometrae !? und vier- theiliger Noctuae entweder bunter oder glänzender gefärbt ist als die obere Fläche; aber einige dieser Species haben die Gewohnheit, „ihre „Flügel vollständig aufrecht über ihren Rücken zu halten und in dieser „Stellung eine beträchtliche Zeit zu bleiben“, wobei sie die untere Fläche dem Blicke aussetzen. Andere Species haben, wenn sie sich auf den Boden oder auf Pflanzen niederlassen, die Gewohnheit, ihre Flügel dann und wann plötzlich leicht zu erheben. Es ist daher die Thatsache, dass die untere Fläche der Flügel bei manchen Motten glänzender gefärbt ist als die obere, kein so anomaler Umstand, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Saturniiden enthalten einige der schönsten unter allen Motten, ihre Flügel sind wie beim kleinen Nacht- pfauenauge mit schönen Augenflecken verziert, und Mr. T. W. Woonp '* macht die Bemerkung, dass sie in manchen ihrer Bewegungen Schmet- terlingen gleichen, „z. B. in dem sanften Auf- und Abschwingen ihrer „Flügel, als wenn es auf eine Entfaltung ihrer Schönheit ankäme, wel- „ches für die Tagschmetterlinge characteristischer ist als für Motten“. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass bei keiner britischen Motte, ebensowenig bei irgendwelchen ausländischen Arten, soweit ich es wenigstens nachweisen kann, sobald sie brillant gefärbt sind, die Geschlechter in Bezug auf die Färbung bedeutend von einander verschieden sind, trotzdem dies bei vielen glänzend gefärbten Schmet- terlingen der Fall ist. Indess wird eine amerikanische Motte, die Saturnia Jo, beschrieben als im Besitze tiefgelber und merkwürdig mit purpurrothen Flecken gezeichneter Vorderflügel, während die Flügel des Weibchens purpurbraun und mit grauen Linien gezeichnet sind !?. Die britischen Motten, welche in ihrer Färbung dem Geschlechte nach verschieden sind, sind alle braun oder haben verschiedene Farben- nuancen von Schmutzig-gelb oder fast Weiss. Bei mehreren Species sind die Männchen viel dunkler als die Weibchen !%, und diese gehören Gruppen an, welche meistens während des Nachmittags fliegen. Auf 13 9, auch eine Beschreibung der süd-amerikanischen Gattung Erateina (einer der Geometern) in: Transact. Entomolog. Soc. New Series, Vol. V, pl. XV und XV. 14 Proceed. Entomolog. Soc. of London, July 6, 1868, p. XXVI. 15 Harris, Treatise on the Insects of New England, edited by Flint. 1862, p. 39. 16 Ich beobachtete z.B. in der Sammlung meines Sohnes, dass bei Lasiocampa querceus, Odonestis potatoria, Hypogymna dispar, Dasychira pudibunda und Cye- nia mendica die Männchen dunkler sind als die Weibchen. Bei der zuletzt ge- Cap. 11. Inseeten: Lepidoptera. 355 N der anderen Seite haben- bei vielen Gattungen, wie mir Mr. Sraıton mittheilt, die Männchen weissere Unterflügel als die Weibchen, für welche Thatsache Agrotis exclamationis ein gutes Beispiel darbietet. Hierdurch werden die Männchen viel auffallender als die Weibchen, wenn sie in der Dämmerung umherfliegen. Bei dem Hopfenspinner (Hepialus humuli) ist die Verschiedenheit schärfer ausgesprochen, die Männchen sind weiss und die Weibehen gelb mit dunkleren Zeichnungen. Es ist schwer eine Vermuthung auszusprechen, was die Bedeutung dieser Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern in den Schattirungsgraden von dunkler und heller sein mag; wir können aber kaum annehmen, dass sie nur das Resultat blosser Variabilität mit geschlechtlich beschränkter Vererbung unabhängig von einem daraus fliessenden Vortheile sein sollten. Nach den vorstehenden Angaben ist es unmöglich zuzugeben, dass die brillanten Farben von Schmetterlingen und einigen wenigen Motten im Allgemeinen zum Zwecke des Schutzes erlangt worden seien. Wir haben gesehen, dass ihre Färbungen und eleganten Zeichnungen so, als wenn es auf eine Entfaltung derselben abgesehen sei, angeordnet sind und dem Anblicke dargeboten werden. Ich werde daher zu der Ver- muthung geleitet, dass die Weibehen im Allgemeinen die brillanter gefärbten Männehen vorziehen oder von diesen am meisten angeregt werden; denn nach jeder andern Annahme würden die Männchen, so weit wir sehen können, zu gar keinem Zwecke geschmückt sein. Wir wissen, dass Ameisen und gewisse lamellicorne Käfer eines Gefühls der Zuneigung für einander fähig sind und dass Ameisen ihre Genossen nach einem Verlaufe von mehreren Monaten wiedererkennen. Es liegt daher keine abstracte Unmöglichkeit vor, dass die Lepidoptern, welche in der Stufenleiter wahrscheinlich nahezu oder vollständig so hoch stehen wie jene Insecten, hinreichende geistige Fähigkeiten haben soll- ten, hellere Färbungen zu bewundern, Sie finden sicher Blüthen durch nannten Species ist die Verschiedenheit in der Farbe zwischen den beiden Ge- schlechtern scharf ausgesprochen; auch theilt mir Mr. Wallace mit, dass wir hier, wie er meint, einen Fall von proteetiver Nachäffung vor uns haben, welche auf das eine Geschlecht beschränkt ist, wie später noch ausführlich auseinander- gesetzt werden wird. Das weisse Weibchen von Üycnia gleicht dem sehr ge- meinen Spilosoma menthastri, bei welchem beide Geschlechter weiss sind; und Mr. Stainton hat die Beobachtung gemacht, dass die letztere Motte mit äusserstem Widerwillen von einer ganzen Brut junger Truthühner verschmäht wurde, welche andere Motten sehr gern fressen. Wenn daher (die Uyenia von britischen Vögeln gewöhnlich für ein Spilosoma gehalten würde, so würde sie dem Gefressenwerden entgehen und ihre weisse Farbe wäre daher eine ausserordentliche Wohlthat für sie. 23 * 356 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. deren Färbungen und, wie ich an einem andern Orte gezeigt habe, ha- ben diejenigen Pflanzen, welche ausschliesslich durch den Wind be- fruchtet werden, niemals eine auffallend gefärbte Blüthenkrone. Der Taubenschwanz (Maeroglossa stellatarum) stürzt sich, wie oft beob- achtet werden kann, aus einer ziemlichen Entfernung auf eine Gruppe Blüthen in der Mitte von grünem Laube, und ein Freund hat mir ver- sichert, dass im Süden von Frankreich diese Motte wiederholt an den Wänden eines Zimmers gemalte Blumen aufsuchte. Der gemeine weisse Schmetterling fliegt oft, wie ich von Mr. Dougrepay höre, auf ein Stück Papier auf der Erde hinunter, indem er dasselbe ohne Zweifel für ein Insect seiner Art hält. Mr. Coruınewoon !? erzählt von der Schwie- rigkeit, gewisse Schmetterlinge in dem malayischen Archipel zu sam- meln und gibt an, dass „ein auf einen auffallend vorspringenden Zweig „gestecktes todtes Exemplar oft ein Insecet derselben Species in seinem „stürmischen Fluge aufhält und in den Bereich des Netzes herabbringt, „besonders wenn es dem andern Geschlechte angehört“. Die Werbung der beiden Geschlechter bei Schmetterlingen ist eine langwierige Angelegenheit. Die Männchen kämpfen zuweilen aus Eifer- sucht mit einander und man sieht oft, wie viele um ein und dasselbe Weibchen herumjagen oder sich um dasselbe versammeln. Wenn nun die Weibchen nicht ein Männchen dem andern vorziehen, so muss die Paarung dem blossen Zufalle überlassen sein, und dies scheint mir durchaus nicht der wahrscheinliche Ausgang zu sein. Wenn auf der andern Seite die Weibchen gewöhnlich, oder selbst nur gelegentlich, die schöneren Männchen vorziehen, so werden die Farben der letzteren gradweise glänzender geworden sein und werden auf beide Geschlechter oder nur auf ein Geschlecht vererbt worden sein je nach dem gerade vorherrschenden Gesetze der Vererbung. Sind die Schlussfolgerungen, zu denen wir aus verschiedenen Arten von Belegen in dem Anhange zum neunten Capitel gelangt sind, zuverlässig, so wird der Process der geschlechtlichen Zuchtwahl durch einen Umstand sehr erleichtert worden sein, nämlich dadurch dass die Männchen vieler Lepidoptern, wenigstens im Imagozustande, die Weibchen bedeutend an Zahl übertreffen. Einige Thatsachen stehen indessen der Annahme, dass weibliche Schmetterlinge die schöneren Männchen vorziehen, entgegen. So ist mir von mehreren Beobachtern versichert worden, dass frische Weib- !" Rambles of a Naturalist in the Chinese Seas. 1868, p. 182. » Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 357 chen häufig in der Paarung mit abgeflogenen, abgehlassten oder schmutzi- gen Männchen zu sehen sind. Doch ist dies ein Umstand, welcher in vielen Fällen kaum ausbleiben kann, da die Männchen zeitiger aus ihren Puppenhüllen ausschlüpfen als die Weibchen. Bei Motten aus der Fa- milie der Bombyeiden paaren sich die Geschlechter unmittelbar nach- dem sie die Form des Imago angenommen haben; denn wegen des ru- dimentären Zustands ihrer Mundorgane können sie sich nicht ernähren. Wie mir mehrere Entomologen bemerkt haben, befinden sich die Weib- chen in einem fast torpiden Zustande und scheinen auch nicht die min- deste Wahl in Bezug auf ihre Genossen zu äussern. Dies ist mit dem gemeinen Seidenschmetterling (Bombyx& mori) der Fall, wie mir meh- rere Züchter vom Continente und in England gesagt haben. Dr. War- LACE, welcher in Bezug auf die Züchtung von Bomby& Cynthia so un- geheure Erfahrung hat, ist der Ueberzeugung, dass die Weibchen keine Wahl oder keine Vorliebe zeigen. Er hat über dreihundert von diesen Motten lebend zusammengehalten und hat oft die kräftigsten Weibchen mit verstümmelten Männchen sich paaren sehen. Wie es scheint, kommt das Umgekehrte selten vor. Denn wie er glaubt gehen die kräftigen Männchen bei den schwächlichen Weibehen vorüber und wer- den mehr von denen angezogen, welche die, meiste Lebenskraft darbie- ten. Obgleich wir indireet zu der Annahme geführt worden sind, dass die Weibchen vieler Species die schöneren Männchen vorziehen, so ist doch kein Grund vorhanden zu vermuthen, weder bei Motten noch bei Schmetterlingen, dass die Männchen von der Schönheit der Weibchen angezogen werden. Wären die schöneren Weibchen beständig vorge- zogen worden, so ist es fast sicher, da die Farben bei Schmetterlingen so häufig nur auf ein Geschlecht vererbt werden, dass die Weibchen auch oft schöner als ihre männlichen Genossen gemacht worden wären. Dies kommt aber mit Ausnahme einiger weniger Beispiele nicht vor, und diese können, wie wir sofort sehen werden, aus dem Prineipe der Nachahmung und des Schutzes erklärt werden. Da geschlechtliche Zuchtwahl ursprünglich und an erster. Stelle von Variabilität abhängt, so müssen ein paar Worte über diesen Ge- genstand noch hinzugefügt werden. In Bezug auf die Farbe besteht hier keine Schwierigkeit, da äusserst variable Lepidoptern in beliebiger Zahl angeführt werden können. Ein einziges gutes Beispiel wird hier genügen. Mr. Bares zeigte mir eine ganze Reihe von Exemplaren von 358 Geschlechtliche Zuchtwahl. .. ER Tre. Papilio Sesostris und Childrenae. Bei der letzteren Art varlirten die Männchen sehr in der Grösse des schön emaillirten grünen Fleckes auf den Vorderflügeln und in der Grösse sowohl des weissen Flecks als des glänzenden carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, so dass zwischen den am meisten und am wenigsten glänzend gefärbten Männchen ein grosser Unterschied bestand. Das Männchen von Pa- pilio Sesostris ist, wenn auch ein schönes Tusect, viel weniger schön als Papilio Childrenae. Auch dieses variirt etwas in der Grösse des grünen Flecks auf den Vorderflügeln und in dem gelegentlichen Auf- treten eines kleinen carmoisinrothen Streifens auf den Hinterflügeln, der, wie es’ scheinen möchte, von dem Weibchen seiner eigenen Species ent- . lehnt ist. Denn die Weibchen dieser und vieler anderen Species der Aeneas-Gruppe besitzen diesen carmoisinen Streifen. Es fand sich da- her zwischen den glänzendsten Exemplaren von P. Sesostris und den wenigst glänzenden von P. Childrenae nur eine kleine Lücke; und es war offenbar, dass, soweit blosse Variabilität in Betracht kam, keine Schwierigkeit vorlag, mittelst der Zuchtwahl die Schönheit der Species beständig zu erhöhen. Hier ist die Variabilität fast ganz auf das männ- liche Geschlecht beschränkt; aber Mr.. WArLicE und Mr. Bares haben gezeigt !®, dass die Weibchen einiger andern Species ausserordentlich variabel sind, während die Männchen nahezu constant bleiben. Da ich vorhin den Hopfenschwärmer (Hepialus humuli) als eines der besten Beispiele in Grossbritannien für die Verschiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern bei Motten erwähnt habe, so dürfte es der Mühe werth sein, noch hinzuzufügen !®, dass auf den Shetland-Inseln häufig Männchen gefunden werden, welche den Weibchen sehr ähnlich sind. In einem späteren Capitel werde ich Gelegenheit haben zu zeigen, dass die schönen augenartigen Flecken, oder Ocellen, die auf den Flü- geln vieler Lepidoptern so häufig sind, ausserordentlich variabel sind. Obgleich viele ernstliche Einwürfe erhoben werden können, so scheint es doch im Ganzen wahrscheinlich, dass die meisten derjenigen !s Wallace, on the Papilionidae of the Malayan Region in: Transact. Lin- nean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 8, 56. Ein auffallendes Vorkommen einer seltenen, ganz streng zwischen zwei andern schwach markirten Varietäten intermediären Varietät ist von Mr. Wallace beschrieben worden. s. auch Mr. Bates in: Proceed. Entomolog. Soc., Nov. 19, 1866, p. XL. 9 Mr. R. MacLachlan, Transact. Entomolog. Soc. 3. Series. Vol. I. Part. 6. 1866, p. 459. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 359 Species von Lepidoptern, welche brillant gefärbt sind, ihre Farben ge- schlechtlicher Zuchtwahl verdanken, ausgenommen gewisse, sofort zu erwähnende Fälle, bei denen die auffallende Färbung als ein Schutz- mittel eine Wohlthat für die Art ist. In Folge der heftigeren Begierde des Männchens durch das ganze Thierreich hindurch ist dasselbe all- gemein bereit, jedes Weibchen anzunehmen, und es ist gewöhnlich das "Weibehen, welches eine Wahl ausübt. Wenn daher hier geschlecht- liche Zuchtwahl eingewirkt hat, so müsste, wenn die Geschlechter ver- schieden sind, das Männchen das am brillantesten gefärbte sein, und dies ist unzweifelhaft die gewöhnliche Regel. Wenn die Geschlechter brillant gefärbt sind und einander gleichen, so scheinen die von den Männchen erlangten Charactere auf beide Geschlechter überliefert wor- den zu sein. Wird aber diese Erklärung der Aehnlichkeit und Unähn- lichkeit der Färbung beider Geschlechter genügen ? Es ist bekannt ?®, dass die Männchen und Weibchen einer und” derselben Species von Schmetterlingen in mehreren Fällen verschiedene Localitäten bewohnen, dass erstere meist im Sonnenscheine sich herum- tummeln, während letztere düstere Wälder aufsuchen. Es ist daher möglich, dass verschiedene Lebensbedingungen direct auf die beiden Geschlechter eingewirkt haben; doch ist dies nicht wahrscheinlich 21, da sie im erwachsenen Zustande nur während einer sehr kurzen Zeit verschiedenen Bedingungen ausgesetzt sind und die Larven beider den nämlichen Bedingungen unterliegen. Mr. WArracE glaubt, dass die weniger brillanten Farben des Weibehens in allen oder fast allen Fäl- len zum Zwecke des Schutzes speciell erlangt worden sind. Mir scheint es im Gegentheil wahrscheinlicher, dass in der grossen Majorität der Fälle nur die Männchen ihre glänzenden Färbungen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben, während die Weibehen mur wenig modifieirt worden sind. In Folge dessen müssten die Weibchen verschiedener aber verwandter Species einander viel mehr ähnlich sein als die Männ- chen der nämlichen Species, und dies ist die allgemeine Regel. Es zeigen uns daher die Weibchen annähernd die ursprüngliche Färbung der elterlichen Species der Gruppe, zu welcher sie gehören. Indessen sind sie beinahe immer in einer gewissen Ausdehnung durch einige der 2° H. W. Bates, The Naturalist on the Amazons. Vol. I. 1863, p. 228. A. R. Wallace, in: Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865, p. 10. 21 Weber diesen ganzen Gegenstand s. Ueber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2. 1868. Cap. 23. 360 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. aufeinanderfolgenden Stufen der Abänderung modifieirt worden, durch deren Anhäufung die Männchen, auf welche dieselben vererbt wurden, schöner geworden sind. Auch werden die Männchen und Weibchen verwandter, wenn auch verschiedener Arten im Allgemeinen während ihrer längeren Larvenzustände verschiedenen Bedingungen ausgesetzt gewesen und können hierdurch indireet beeinflusst worden sein. Doch wird bei den Männchen jede unbedeutende Veränderung der Farbe, die hierdurch hervorgerufen wurde, oft vollständig durch die mittelst se- xueller Zuchtwahl erlangten brillanteren Färbungen maskirt worden sein. Wenn wir die Vögel besprechen werden, so werden wir die ganze Frage zu erörtern haben, ob die Verschiedenheiten der Färbung zwi- schen den Männchen und Weibchen zum Theil speciell von den letz- teren als Schutzmittel erlangt worden sind; ich werde daher hier nur einige unvermeidliche Details anführen. Wenn die häufigere Form einer gleichmässigen Vererbung auf beide (reschlechter vorgeherrscht hat, so wird in allen Fällen die Zuchtwahl der hellgefärbten Männchen auch streben, die Weibchen hellgefärbt zu machen, und die Zuchtwahl dunkel gefärbter Weibchen wird umgekehrt streben, die Männchen dunkel zu machen. Werden beide Vorgänge gleichzeitig durchgeführt, so werden sie dahin streben, einander zu neu- tralisiren. Soviel ich sehen kann, dürfte es äusserst schwierig sein, mittelst der Zuchtwahl die eine Form der Veränderung in die andere zu verwandeln. Aber dureh die Zuchtwahl successiv auftretender Ab- änderungen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung geschlecht- lich beschränkt waren, wird auch nicht die geringste Schwierigkeit vor- handen sein, nur den Männchen helle Farben zu geben und in derselben Zeit oder später nur den Weibchen dunkle Färbungen. In dieser letz- teren Art und Weise sind, wie ich vollständig zugebe, weibliche Schmet- terlinge und Motten wohl zum Zwecke des Schutzes unansehnlich und von ihren Männchen sehr verschieden geworden. Mr. Warrace ?* hat zu Gunsten seiner Ansicht mit vielem Nach- drucke angeführt, dass, wenn die Geschlechter verschieden sind, das Weibchen speciell zum Zwecke des Schutzes modifieirt worden ist und dass dies dadurch bewirkt worden ist, dass die eine Form der Ver- erbung, nämlich die Ueberlieferung von Merkmalen auf beide Geschlechter, ?® A. R. Wallace in: Journal of Travel. Vol. I, 1868, p. 88. Westminster Review. July, 1867, p. 37. s. auch Wallace und Bates in: Proceed. Ento- molog. Soc. Nov. 19., 1866, p: XXXIX. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 361 durch die Thätigkeit der natürlichen Zuchtwahl in die andere Form, nämlich die Ueberlieferung auf ein Geschlecht allein, verwandelt worden ist. Ich war zuerst sehr stark geneigt, diese Ansicht anzunehmen ; je mehr ich aber die verschiedenen Classen durch das ganze Thierreich hindurch studirt habe, desto ‚weniger ist sie mir wahrscheinlich er- schienen. Mr. WartacE betont, dass beide Geschlechter bei den Heli- coniden, Danaiden, Acraeiden gleichmässig brillant sind, weil beide gegen die Angriffe von Vögeln und anderen Feinden durch ihren offen- siven Geruch geschützt sind, dass aber in anderen Gruppen, welche diese Immunität nicht besitzen, die Weibehen unansehnlich geworden sind, weil sie mehr eines Schutzmittels bedürfen als die Männchen. Diese vorausgesetzte Verschiedenheit „in dem Bedürfnisse eines Schutzes seitens „der beiden Geschlechter“ ist etwas täuschend und erfordert einige Er- örterungen. Es ist offenbar, dass hellgefärbte Individuen, mögen sie Männchen oder Weibchen sein, gleichmässig die Aufmerksamkeit ihrer Feinde fesseln werden und dass dunkelgefärbte Individuen gleichmässig ihren Feinden entgehen werden. Wir haben es hier aber mit den Wir- kungen der Zerstörung oder Erhaltung gewisser Individuen beider Ge- schlechter auf den Character der Rasse zu thun. Bei Insecten wird die grössere oder geringere Immunität gegen Gefahren bei beiden Ge- schlechtern in einer Zeit, nachdem das Männchen das Weibchen be- fruchtet und nachdem das letztere seine Eier abgelegt hat, unmöglich irgend eine Wirkung auf die Nachkommen äussern können. Wenn beide Geschlechter in gleicher Anzahl existirten und wenn sie sich streng paarten (angenommen alle übrigen Umstände seien dieselben), so würde, ehe die Geschlechter die ihnen eigenen Functionen ausgeübt haben, die Erhaltung der Männchen und Weibchen von gleich grosser Bedeutung für die Existenz der Art und für den Character der Nachkommen sein. Aber bei den meisten Thieren kann, wie dies bei dem domesticirten Seidenschmetterling bekanntlich der Fall ist, das Männchen zwei oder drei Weibchen befruchten, so dass die Zerstörung der Männchen für die Art nicht so nachtheilig sein wird, als die der Weibchen. Auf der anderen Seite glaubt Dr. Warracz, dass bei Motten die Nachkommen aus einer zweiten oder dritten Befruchtung gern schwächlich sind und daher nicht so viel Wahrscheinlichkeit haben fortzuleben. Wenn die Männchen in bedeutend grösserer Anzahl existiren als die Weibchen, so können ohne Zweifel viele Männchen zerstört werden ohne der Spe- cies dadurch Schaden zuzufügen; ich kann aber nicht einsehen, dass 362 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. die Resultate der gewöhnlichen Zuchtwahl zum Zwecke eines Schutzes dadurch beeinflusst werden, dass die Geschlechter in ungleichen Zahlen existiren. Denn von den mehr unansehnlichen Individuen, mögen es männliche oder weibliche sein, wird wahrscheinlich eine im Verhältniss gleiche Zahl ‚zerstört werden. Böten die Männchen eine grössere Reihe von Abänderungen in der Färbung dar, so würde allerdings das Resultat verschieden sein; wir haben aber nicht nöthig, hier solche complicirte Einzelnheiten weiter zu verfolgen. Im Ganzen kann ich nicht einsehen, dass Ungleichheiten in der Zahl der beiden Geschlechter in irgendwelcher auffallenden Art die Wirkung der gewöhnlichen Zuchtwahl auf den Character der Nachkommen beeinflusst. Wie Mr. WartacE betont, bedürfen weibliche Lepidoptern einiger Tage, um ihre befruchteten Eier abzulegen und einen passenden Platz auszusuchen. Während dieser Zeit (während also das Leben des Männ- chens von keiner Bedeutung mehr ist) werden die heller gefärbten Weib- chen der Gefahr ausgesetzt sein und leicht zerstört werden. Die trüber gefärbten Weibchen werden auf der anderen Seite leben bleiben und werden hierdurch, wie man denken könnte, in einer bestimmten Weise den Character der Art beeinflussen und zwar entweder beider Geschlech- ter oder nur des einen Geschlechts, je nach dem Gesetze der Vererbung, welches vorherrscht. Es, darf aber nicht vergessen werden, dass die Männchen einige Tage vor den Weibchen die Puppenhülle verlassen, und während dieser Periode, solange also die noch nicht geborenen Weibchen in Sicherheit sind, werden die heller gefärbten Männchen der Gefahr ausgesetzt sein, so dass schliesslich beide Geschlechter wahrscheinlich eine nahezu gleich lange Zeit hindurch der Gefahr aus- gesetzt gewesen sein werden und die Ausmerzung auflallender Farben in dem einen Geschlechte von keiner grösseren Wirkung gewesen sein wird als in dem andern. Von grösserer Bedeutung ist es zu bedenken, dass weibliche Lepi- doptern, wie Mr. Warrtace bemerkt und wie jedem Sammler bekannt ist, allgemein langsamere Flieger als die männlichen sind. In Folge dessen dürften die letzteren, wenn sie auch wegen ihrer auflallenderen Färbungen einer grösseren Gefahr ausgesetzt sind, doch eher im Stande sein ihren Feinden zu entgehen, während die ähnlich gefärbten Weib- chen hiedurch zerstört werden würden, und hiernach dürften daher die weiblichen Schmetterlinge den grössten Einfluss auf die Modifieirung der Färbung bei der Nachkommenschaft äussern. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 363 Noch ein anderer Gegenstand verdient aber Beachtung. Soweit geschlechtliche Zuchtwahl in Betracht kommt, sind glänzende Farben gewöhnlich für die Weibchen von keinem Nutzen, so dass wenn diese letzteren in der Lebhaftigkeit der Farben variirten und die Abänderungen in der Färbung geschlechtlich beschränkt würden, es vom blossen Zufalle abhienge, ob die glänzenden Farben auch bei den Weibchen vermehrt würden; und dies würde dann durch die ganze Ordnung hindurch dazu führen, die Zahl der Arten mit glänzend gefärbten Weibchen im Ver- gleich zu den Species, welche glänzend gefärbte Männchen haben, zu vermindern. Auf der andern Seite werden, da glänzende Farben für die Männchen in ihrem Liebeskampfe von dem grössten Nutzen sind, wie allgemein angenommen wird, die glänzenden Männchen (wie wir auch in dem Capitel über Vögel sehen werden), trotzdem sie eher einer grösseren Gefahr ausgesetzt sind, im Mittel doch eine grössere Anzahl von Nachkommen hervorbringen als die trüber gefärbten Männchen. Wären in diesem Falle die Abänderungen in ihrer Vererbung auf das männliche Geschlecht beschränkt, so würden nur die Männchen glänzend gefärbt werden; wären aber die Abänderungen nicht in dieser Weise beschränkt, so würde die Erhaltung und Anhäufung solcher Abände- rungen davon abhängen, ob für die Art ein grösserer Nachtheil darin liegt, dass die Weibchen auffallend gefärbt werden oder ein grösserer Vortheil für die Männchen darin, dass gewisse Individuen ihren Rivalen gegenüber dadurch erfolgreich würden. Da darüber kaum ein Zweifel besteht, dass beide Geschlechter vieler Schmetterlinge und Motten zum Zwecke des Schutzes trübe gefärbt worden sind, so dürfte dies auch bei den Weibchen allein in manchen Speeies der Fall gewesen sein, bei welchen aufeinanderfolgende Ab- änderungen nach einer immer düsteren Färbung hin zuerst beim weib- lichen Geschlechte auftraten und von Anfang an in ihrer Vererbung auf dieses selbe Geschlecht beschränkt waren. Wären sie nicht in dieser Weise beschränkt gewesen, so würden beide Geschlechter trübe gefärbt worden sein. Wenn wir von der Nachahmung der Färbungen reden, so werden wir sofort sehen, dass nur die Weibchen gewisser Schmetter- linge zum Zwecke des Schutzes ausserordentlich schön gemacht worden sind, ohne dass irgend eine der aufeinanderfolgenden zum Schutze die- nenden Abänderungen auf die Männchen vererbt worden wäre, für welche dieselben unmöglich auch nur im geringsten Grade schädlich sein konn- ten, und welche auch nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl hätten 364 Geschlechtliche Zuchtwahl. ll. Theil. beseitigt werden können. Ob es in jeder besonderen Species, bei welcher die Geschlechter der Färbung nach verschieden sind, das Weibchen ist, welches zum Zwecke des Schutzes speciell modifieirt worden ist, oder ob es das Männchen gewesen ist, welches zum Zwecke der geschlechtlichen Anziehung speciell modifieirt ist, während das Weibchen seine nur un-. bedeutend durch die vorhin angedeuteten Kräfte veränderte ursprüng- liche Färbung beibehalten hat, oder ob ferner beide Geschlechter mo- dificirt worden sind, und zwar das Weibchen zum Schutze und das Männ- chen zur geschlechtlichen Anziehung, kann nur dann definitiv entschieden werden, wenn wir die Lebensweise einer jeden einzelnen Species kennen. Ohne entscheidende Beweise möchte ich nicht annehmen, dass bei einer grossen Anzahl von Species ein doppelter Vorgang einer Zucht- wahl lange Zeit in Thätigkeit getreten ist, — wobei nämlich die Männ- chen durch das Besiegen ihrer Nebenbuhler glänzender und die Weib- chen dadurch, dass sie ihren Feinden entgiengen, trübe gefärbt worden wären. Wir können den gewöhnlichen Citronenvogel (Gonepteryx). welcher zeitig im Frühjahr, früher als irgend eine andere Art erscheint, als Beispiel nehmen. Das Männchen dieser Spies ist von einem bei Weitem intensiveren Gelb als das Weibchen, obschon das letztere fast gleich- mässig auffallend ist; und in diesem Falle scheint es nicht wahrschein- lich zu sein, dass letzteres seine blassere Färbung als ein Schutzmittel erlangt habe, trotzdem es wahrscheinlich ist, dass das Männchen seine helleren Farben als ein Mittel zur geschlechtlichen Anziehung erlangte. Das Weibchen von Anthocharis cardamines besitzt nicht die schönen orangenen Spitzen an seinen Flügeln, mit welchen das Männchen ver- ziert ist. In Folge dessen ist es den in unsern Gärten so gemeinen weissen Schmetterlingen (Pieris) sehr ähnlich; wir haben aber keinen Beweis, dass diese Aehnlichkeit für die Art eine Wohlthat ist. Im Gegentheil, da dieses Weibchen beiden Geschlechtern mehrerer Species der nämlichen Gattung ähnlich ist, welche verschiedene Theile der Erde bewohnen, so ist es wahrscheinlicher, dass es einfach in einem hohen (rrade seine ursprünglichen Farben behalten hat. Verschiedene Thatsachen unterstützen die Schlussfolgerung, dass bei der grösseren Anzahl brillant gefärbter Lepidoptern das Männchen es ist, welches modifieirt worden ist. Die beiden Geschlechter sind verschieden von einander oder einander ähnlich geworden je nach der Form von Vererbung, welche vorgeherrscht hat. Die Vererbung .wird durch so viele unbekannte Gesetze oder Bedingungen bestimmt, dass Cap. 11. Inseeten: Lepidoptera. 365 sie uns in ihrer Wirkung äusserst launisch erscheint ??; und insoweit können wir wohl einsehen, woher es kommt, dass bei nahe verwandten Species die Geschlechter der einen in einem erstaunlichen Grade von einander abweichen, während die Geschlechter anderer in ihrer Färbung identisch sind. Da die auf einander folgenden Stufen in dem Processe der Abänderung nothwendig sämmtlich durch das Weibchen hindurch überliefert werden, so kann eine grössere oder geringere Anzahl solcher Veränderungszustände sich bei diesem leicht entwickeln, und hieraus können wir verstehen, weshalb sich so häufig eine Reihe feiner Ab- stufungen von einer ausserordentlich grossen Verschiedenheit bis zu einem durchaus nicht verschiedenen Zustande zwischen den Geschlechtern der Species innerhalb einer und derselben Gruppe zeigt. Diese Fälle von Abstufungen sind viel zu häufig, um die Vermuthung zu begünstigen, dass wir hier Weibchen vor uns sähen, welche factisch den Process des Uebergangs darböten und ihre glänzenden Farben zum Zwecke des Schutzes verlören. Denn wir haben allen Grund zu schliessen, dass in einer jeden gegebenen Zeit die grössere Zahl der Species sich in einem fixirtten Zustande befindet. Was die Verschiedenheiten zwischen den Weibehen der Arten in einer und derselben Gattung oder Familie be- trifft, so kann man sehen, dass sie wenigstens zum Theil davon ab- hängen, dass die Weibchen an den Farben ihrer betreffenden Männchen theilnehmen. Dies zeigt sich deutlich in denjenigen Gruppen, in wel- chen die Männchen in einem ausserordentlichen Grade geschmückt sind. Denn die Weibchen nehmen in diesen Gruppen allgemein in einer ge- wissen Ausdehnung an dem Glanze ihrer männlichen Genossen Theil. Endlich finden wir beständig, wie bereits bemerkt wurde, dass die Weibchen fast aller Species in der nämlichen Gattung oder selbst Fa- milie einander viel mehr in der Farbe ähnlich sind als die Männchen, und dies weist darauf hin, dass die Männchen in einem höheren Grade modifieirt worden sind als die Weibchen. Nachäffung. — Dieses Princip ist zuerst in einem ausgezeich- neten Aufsatze von Mr. Bares ?* klar nachgewiesen worden, welcher dadurch eine Masse Licht auf viele dunkle Probleme warf. Es war früher beobachtet worden, dass gewisse Schmetterlinge in Südamerika, 23 Weber das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domesti- cation. Bd. 2. Cap. 12. S. 23. 22 Transact. Linnean Soc. Vol. XXIII. 1862, p. 495. 366 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. welche zu völlig verschiedenen Familien gehören, den Heliconiden in jedem Striche und jeder Schattirung der Färbung so sehr glichen, dass sie nur durch einen erfahrenen Entomologen von jenen unterschieden werden konnten. Da die Heliconiden in ihrer gewöhnlichen Art und Weise gefärbt sind, während die Andern von der gewöhnlichen Färbung der Gruppen, zu denen sie gehören, abweichen, so ist es klar, dass die Letzteren die nachahmenden und die Heliconiden die nachgeahmten sind. Mr. Bares bemerkte ferner, dass die nachahmenden Species vergleichs- weise selten sind, während die nachgeahmten in grossen Zahlen um- herschwärmen. Die beiden Formen leben durcheinandergemischt. Aus der Thatsache, dass die Heliconiden in die Augen fallende und schöne Insecten, aber sowohl den Individuen als den Arten nach so zahlreich sind, folgerte er, dass sie gegen die Angriffe der Vögel durch irgend eine Absonderung oder einen Geruch geschützt sein müssten, und diese Hypothese ist jetzt durch eine beträchtliche Zahl merkwürdiger Belege bestätigt worden ?’. Aus diesen Betrachtungen schloss Mr. Bates fer- ner, dass die Schmetterlinge, welche die geschützten Species nach- ahmen, ihre jetzige wunderbar täuschende Erscheinung durch Abände- rung und natürliche Zuchtwahl erlangt haben, mit der Absicht, für die geschützten Arten gehalten zu werden und dadurch dem Gefressenwer- den zu entgehen. Eine Erklärung der brillanten Farben der nachge- ahmten Schmetterlinge wird hier nicht zu geben versucht, nur eine Erklärung der Färbung der nachahmenden. Die Farben der Ersteren müssen wir in derselben allgemeinen Weise uns erklären wie in den früheren in diesem Capitel erörterten Fällen. Seit der Veröffentlichung des Aufsatzes von Mr. Bares sind ähnliche und in gleicher Weise auf- fallende Thatsachen von Mr. Warzace ?6 in der malayischen Provinz und von Mr. TRımEn in Südafrika beobachtet worden. Da mehrere Schriftsteller *” es für sehr schwierig gehalten haben 25 Proceed. Entomolog. Soc., 3. Dec., 1866, p. XLV. 26 Transact. Linnean Soc. Vol. XXV. 1865. p. 1, auch in: Transact. Ento- molog. Soc. 5. Series. Vol. IV. 1867, p. 301. 2” s. einen geistreichen Artikel unter dem Titel: „Difficulties of the Theory of Natural Selection“ in dem „Month“ 1869. Der Verfasser nimmt befremdlicher Weise an, ich schriebe die Abänderungen in der Färbung bei Lepidoptern, wo- durch gewisse Species, die zu verschiedenen Familien gehören, andern ähnlich geworden sind, einem Rückschlage auf einen gemeinsamen Urerzeuger zu: es liegt aber nicht mehr Grund vor, diese Abänderungen dem Rückschlage zuzuschreiben, als in den Fällen gewöhnlicher Abänderung. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 367 einzusehen, wie die ersten Schritte in dem Processe der Nachäffung durch natürliche Zuchtwahl hätten geschehen können, so dürfte die Bemer- kung wohl zweckmässig sein, dass der Process wahrscheinlich niemals bei Formen seinen Anfang nahm, welche in der Färbung einander sehr unähnlich waren. Aber bei zwei Species, welche einander nur mässig ähnlich waren, konnte die allergrösste Aehnlichkeit, wenn sie einer der beiden Formen von Vortheil war, leicht auf diesem Wege erreicht werden, und wenn die nachgeahmte Form später allmählich durch ge- schleehtliche Zuchtwahl oder durch irgendwelche andere Mittel noch weiter modifieirt wurde, so würde die nachahmende Form denselben Weg mitgeführt werden, so. dass sie schliesslich ein Ansehen oder eine Färbung erreichte, welche der der andern Glieder der Gruppe, zu wel- cher sie gehört, völlig ungleich ist. Da äussere unbedeutende Abände- rungen in der Farbe in vielen Fällen nicht hinreichen würden, eine Species einer andern geschützten Art so gleich zu machen, dass es zu ihrer Erhaltung führte, so muss man sich daran erinnern, dass viele Species von Lepidoptern sehr gern beträchtlichen und plötzlichen Ab- änderungen in der Farbe unterliegen. Einige wenige Beispiele sind in diesem Capitel mitgetheilt worden; man sollte aber von diesem Ge- sichtspunkte aus Mr. Barzs’ Originalabhandlung über Nachäffung ebenso wie die Aufsätze von Mr. Warrace zu Rathe ziehen. In den vorhin erwähnten Fällen werden beide Geschlechter der nach- ahmenden Species der nachgeahmten ähnlich; aber gelegentlich ahmt nur das Weibchen eine brillant gefärbte und geschützte in» demselben Bezirke wohnende Species nach. In Folge dessen wird das Weibchen in der Farbe verschieden von seinem eigenen Männchen und ist dann, was ein seltener und anomaler Umstand ist, die glänzender gefärbte Form von den Beiden. In allen den wenigen Species von Pieriden, bei wel- chen das Weibchen auffallender gefärbt ist als das Männchen, ahmt dasselbe, wie mir Mr. WarvacE mitgetheilt hat, irgend eine geschützte, dieselbe Gegend bewohnende Species nach. Das Weibchen von Dia- dema anomala ist glänzend purpur-braun und dabei fast auf der ganzen Oberfläche sammetblau glänzend. Damit ahmt dasselbe die Euploea midamus sehr genau nach, „einen der gemeinsten Schmetterlinge des „Orients“. Das Männchen dagegen ist bronzen oder olivenbraun und hat 1869, p. 237. 368 Geschlechtliche Zuchtwahl. TI. Theil. Beide Geschlechter dieser Diadema und von D. bolina haben dieselben Lebensgewohnheiten, so dass die Verschiedenheiten der Färbung zwi- schen den beiden Geschlechtern nicht dem Umstande zugeschrieben wer- den können, dass sie verschiedenen Bedingungen ausgesetzt sind 2°, auch selbst dann nicht, wenn diese Erklärung in andern Fällen zulässig wäre ®°. Die oben erwähnten Fälle von weiblichen Schmetterlingen, welche glänzender gefärbt sind als die Männchen, zeigen uns zuerst, dass Ab- änderungen im Naturzustande bei’ dem weiblichen Geschlechte entstanden und ausschliesslich oder beinahe ausschliesslich auf dasselbe Geschlecht vererbt worden sind, und zweitens, dass diese Form von Vererbung nicht durch natürliche Zuchtwahl bestimmt worden ist. Denn wenn wir annehmen, dass die Weibchen, ehe sie in Folge einer Nachahmung anderer geschützten Arten glänzend gefärbt wurden, während jeden Jahres einen längeren Zeitraum hindurch Gefahren ausgesetzt gewesen wären als die Männchen, oder wenn wir annehmen, dass sie nicht so leicht ihren Feinden entfliehen könnten, so können wir auch einsehen, weshalb sie allein ursprünglich durch natürliche Zuchtwahl und ge- schlechtlich beschränkte Vererbung ihre jetzigen sie schützenden Farben erreicht haben dürften. Aber ausgenommen unter der Annahme, dass diese Abänderungen ausschliesslich auf die weiblichen Nachkommen ver- erbt worden sind, können wir nicht einsehen, warum die Männchen trübe gefärbt geblieben sein sollten. Denn es würde sicherlich in keiner Weise für jedes individuelle Männchen nachtheilig gewesen sein, wenn es durch Vererbung an den schützenden Färbungen des Weibehens theilgenommen und dadurch eine grössere Wahrscheinlichkeit erlangt hätte, der Zerstörung zu entgehen. Bei einer Gruppe, in welcher bril- lante Farben so häufig sind, wie bei Schmetterlingen, kann nicht an- genommen werden, dass die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl trübe gefärbt gehalten worden sind, nämlich dadurch, dass die Weibchen diejenigen Individuen verworfen hätten, welche so schön wie sie selbst geworden wären. Wir können daher schliessen, dass in diesen Fällen die Vererbung auf ein Geschlecht keine Folge einer durch natürliche Zuchtwahl erreichten Modification eines Strebens nach gleichmässiger Vererbung auf beide Geschlechter gewesen ist. 2? Wallace, in: Westminster Review, July, 1867, p. 37 und in: Journal of Travel and Natur. Hist. Vol. I. 1868, p. 88. 30 3, Bemerkungen von Bates und Wallace in: Proceed. Entomolog. Soc. Nov. 19. 1866, p. XXXIX. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 369 Es dürfte zweckmässig sein, hier einen analogen Fall aus einer andern Ordnung mitzutheilen, wo Charactere nur vom Weibchen erlangt worden sind, trotzdem dieselben, soweit wir es beurtheilen können, nicht im Geringsten für das Männchen von Nachtheil gewesen wären. Unter den Phasmiden oder Gespenstheuschrecken sind es, wie Mr. WArLtack angibt, „oft allein die Weibchen, welche so auffallend Blättern ähnlich „sind, während die Männchen nur eine oberflächliche Annäherung an „diese Form darbieten“. Was nun auch immer die Lebensweise dieser Insecten sein mag, so ist es im hohen Grade unwahrscheinlich, dass es für die Männchen unvortheilhaft sein sollte, der Entdeckung dadurch zu entgehen, dass sie Blättern ähnlich werden 31, ‘Wir können daher schliessen, dass in diesem letzteren Falle, wie in dem früher mitge- theilten, die Weibchen ursprünglich in gewissen Merkmalen abgeändert #1 5. Mr. Wallace in der Westminster Review, July, 1867, p. 11 und p. 37. Wie mir Mr. Wallace mittheilt, kennt man keinen männlichen Schmetterling, welcher des Schutzes wegen vom Weibchen in der Färbung abweicht; derselbe frägt mich, wie ich diese Thatsache aus dem Prineipe erklären könne, dass allein das eine Geschlecht variirt und seine Abänderungen ausschliesslich auf das näm- liche Geschlecht überliefert habe ohne Beihülfe einer Zuchtwahl, um die Verer- bung der Abänderungen auch auf das andere Geschlecht zu hemmen. Wenn ge- zeigt werden könnte, dass die Weibchen sehr vieler Arten durch protectives Nach- äffen schön geworden wären, dass dies aber niemals bei den Männchen vorgekom- men wäre, so würde hierin ohne Zweifel eine ernstliche Schwierigkeit liegen. Aber die Zahl der bis jetzt bekannt gewordenen Fälle gestattet kaum schon ein rich- tiges Urtheil. Wir können einsehen, dass bei den Männchen wohl kaum so leicht die Färbung zum Zwecke, ein Schutzmittel zu schaffen, modifieirt worden sein wird, _ da dieselben das Vermögen, schneller zu fliegen und dadurch den Gefahren zu entgehen, besitzen; dies würde es aber nicht im Geringsten gestört haben, dass die Männchen durch Vererbung von den Weibchen protective Färbungen erhal- ten haben könnten. An zweiter Stelle ist es wahrscheinlich, dass geschlechtliche Zuchtwahl es factisch zu verhindern suchen wird, dass ein schönes Männchen dunkel gefärbt wird; denn die weniger brillant gefärbten Individuen würden den Weibchen weniger anziehend sein. Angenommen, dass die Schönheit des Männchens irgend einer Species hauptsächlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sei, so würde doch, wenn diese Schönheit gleichzeitig als Schutz- mittel von Nutzen wäre, deren Erlangung auch durch natürliche Zuchtwahl un- terstützt worden sein. Es würde aber vollständig über unsere Kräfte hinaus- gehen, zwischen den beiden Processen der geschlechtlichen und der gewöhnlichen natürlichen Zuchtwahl zu unterscheiden. Wir dürften daher wahrscheinlich nicht im Stande sein, Fälle anzuführen, wo die Männchen ausschliesslich durch pro- tective Nachäffung brillant geworden wären, obschon dies für die Weibchen ver- gleichsweise leicht ist, welche, soweit wir es beurtheilen können, nur selten oder niemals zum Zwecke einer sexuellen Anziehung schön geworden sind; freilich haben sie oft Schönheit erlangt durch Vererbung von ihren männlichen Erzeugern. DARWIN, Abstammung. I. Zweite Auflage. 24 370 Geschlechtliche Zuchtwahl. I. Theil. haben. Diese Merkmale wurden dann durch gewöhnliche Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes erhalten und angehäuft und von Anfang an allein auf die weiblichen Nachkommen vererbt. Helle Färbung der Raupen. — Während ich über die Schön- heit so vieler Schmetterlinge Betrachtungen anstellte, kam mir der Ge- danke, dass ja auch mehrere Raupen glänzend gefärbt sind, und da geschlechtliche Zuchtwahl hier unmöglich eingewirkt haben kann, so erschien es mir voreilig, die Schönheit des geschlechtsreifen Insects der Wirksamkeit dieses Processes zuzuschreiben, wenn nicht die glän- zenden Farben seiner Larven in irgendwelcher Weise erklärt werden könnten. An erster Stelle mag bemerkt werden, dass die Farben der Raupen in keiner nahen Correlation zu denen des geschlechtsreifen In- sects stehen. Zweitens dienen ihre’glänzenden Farben in keiner gewöhn- lichen Art und Weise zum Schutz. Als ein Beispiel hierfür theilt mir Mr. Bares mit, dass die am auffallendsten gefärbte Larve, welche er je gesehen hat (die einer Sphinz), auf den grünen Blättern eines Baumes in den offe- nen Llanos von Südamerika lebte. Sie war ungefähr 4 Zoll lang, quer schwarz und gelb gebändert und hatte Kopf, Beine und Schwanz hellroth. Sie fiel daher jedem Menschen, welcher vorbeigieng, in einer Entfernung von vielen Yards und ohne Zweifel auch jedem vorüberfliegenden Vogel auf. Ich wandte mich nun an Mr. Warrack, welcher ein angeborenes Genie hat Schwierigkeiten zu lösen. Nach einigem Ueberlegen erwie- derte er: „Die meisten Raupen erfordern Schutz, was sich daraus ab- „leiten lässt, dass mehrere Arten mit Stacheln oder irritirenden Haaren „versehen und dass viele grün, wie die Blätter auf denen sie leben, oder „den Zweigen derjenigen Bäume, auf welchen sie leben, merkwürdig „gleich gefärbt sind.“ Ich will noch als ein anderes Beispiel von Schutz hinzufügen, dass es, wie mir Mr. J. MAnseL WEALE mittheilt, eine Raupe einer Motte gibt, welche auf den Mimosen in Südafrika lebb und sich eine Hülle fabricirt, welche von den umgebenden Dornen voll- ständig ununterscheidbar ist. Nach derartigen Betrachtungen hielt es Mr. WaArLacE für wahrscheinlich, dass auffallend gefärbte Raupen da- durch geschützt seien, dass sie einen ekelerregenden Geschmack hätten. Da aber ihre Haut äusserst zart ist und da ihre Eingeweide leicht aus einer Wunde hervorquellen, so würde ein unbedeutendes Picken mit dem Schnabel eines Vogels für sie so lethal sein, als wenn sie gefressen worden wären. „Widriger Geschmack allein würde daher“, wie Mr. Cap. 11. Insecten: Lepidoptera. 371 WarracE bemerkt, „nicht genügend sein, eine Raupe zu schützen, wenn „nicht irgend ein äusseres Zeichen dem Thiere, welches sie fressen will, „anzeigte, dass die vorgebliche Beute ein widriger Bissen ist“. Unter diesen Umständen wird es in hohem Grade vortheilhaft für eine Raupe sein, augenblicklich und mit Sicherheit von allen Vögeln und anderen Thieren als ungeniessbar erkannt zu werden. Daher werden die präch- tigsten Farben von Nutzen sein und können durch Abänderungen und durch das Ueberleben der am leichtesten wieder zu erkennenden Indi- duen erlangt worden sein. Diese Hypothese erscheint auf den ersten Blick sehr kühn; als sie aber der entomologischen Gesellschaft *? mitgetheilt wurde, tauchten verschiedene Angaben zu ihrer Unterstützung auf; Mr. J. JENNER WEIR, welcher eine grosse Zahl von Vögeln in einer Voliere hält, hat, wie er mir mittheilt, zahlreiche Versuche gemacht und findet keine Aus- nahme von der Regel, dass alle Raupen von natürlicher und zurück- gezogener Lebensweise mit glatter Haut, ferner alle von grüner Fär- bung, ebenso alle, welche Zweigen in ihrer Farbe ähnlich sind, mit Gier von Vögeln verzehrt werden. Die mit Haaren und Stacheln be- setzten Arten wurden ohne Ausnahme verschmäht, ebenso vier in einer auffallenden Weise gefärbte Arten. Wenn die Vögel eine Raupe ver- warfen, so gaben sie deutlich durch das Schütteln ihres Kopfes und Reinigen ihres Schnabels zu erkennen, dass ihnen der Geschmack wider- stand 33”. Mr. A. BuTter gab gleichfalls drei auffallend gefärbte Arten von Raupen und Motten einigen Eidechsen und Fröschen und sie wur- den verschmäht, trotzdem dass andere Arten gierig gefressen wurden. Es ist hierdurch die grosse Wahrscheinlichkeit der Ansicht Mr. WAr- nacE’s bestätigt, dass nämlich gewisse Raupen zu ihrem eigenen Besten auffallend gefärbt worden sind, damit sie leicht von ihren Feinden wie- dererkannt würden, beinahe nach dem nämlichen Grundsatze, wie die Apotheker gewisse Gifte auffallend färben zum Besten der dort ver- kehrenden Menschen. Es ist wahrscheinlich, dass diese Ansicht später noch auf viele Thiere, welche in einer auffallenden Weise gefärbt sind, ausgedehnt werden wird. 32 Proceed. Entomolog. Soc., Dec. 3., 1866, p. XLV. und March. 4., 1867, p. LXXX. 33 s, den’Aufsatz von Mr. J. Jenner Weir, on Insects and Insectivorous Birds in: Transact. Entomolog. Soc. 1869, p. 21, auch Mr. Butler’s Aufsatz ebenda p. 27. 24 * 372 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Zusammenfassung und Schlussbemerkungen über Insec- ten. — Blicken wir zurück auf die verschiedenen Ordnungen, so haben wir gesehen, dass die Geschlechter oft in verschiedenen Merkmalen von einander abweichen in einer Weise, deren Bedeutung nicht einzusehen ist. Die Geschlechter weichen auch oft in ihren Sinnes- oder Locomo- tionsorganen von einander ab, so dass die Männchen schnell die Weib- chen entdecken oder erreichen können, und noch öfter darin, dass die Männchen verschiedenartige Einrichtungen zum Halten der Weibchen besitzen, wenn sie sie einmal gefunden haben. Aber geschlechtliche Verschiedenheiten dieser Arten gehen uns hier nicht viel an. In beinahe allen Ordnungen kennt man Arten, deren Männchen, selbst wenn sie schwächlicher und zarter Natur sind, in hohem Grade kampfsüchtig sind, und einige wenige sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern ausgerüstet. Aber das Gesetz des Kampfes herrscht bei Inseeten nicht nahe so weit vor wie bei höheren Thieren. Es ist wahrscheinlich aus diesem Grunde, dass die Männchen selten grösser und stärker geworden sind als die Weibchen. Im Gegen- theil sind sie gewöhnlich kleiner, damit sie sich in einer kürzeren Zeit entwickeln können, um in grösserer Anzahl beim Ausschlüpfen der Weibchen in Bereitschaft zu sein. In zwei Familien der Homoptern besitzen nur die Männchen Or- gane, welche man Stimmorgane nennen kann, in einem wirksamen Zu- stand, und in drei Familien der Orthoptern besitzen die Männchen allein Stridulationsorgane. In beiden Fällen werden diese Organe während der Brunstzeit unaufhörlich gebraucht, nicht bloss um das Weibchen zu rufen, sondern auch um dieses anzuregen und zu bezaubern im Wett- kampfe mit andern Männchen. Niemand, welcher die Wirksamkeit na- türlicher Zuchtwahl zugibt, wird bestreiten, dass diese musikalischen Instrumente durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. In vier andern Ordnungen sind die Individuen eines Geschlechts oder häu- figer noch beider Geschlechter mit Organen zur Hervorbringung ver- schiedener Laute versehen, welche dem Anscheine nach bloss als Lock- töne gebraucht werden. Selbst wenn beide Geschlechter in dieser Weise ausgerüstet sind, werden diejenigen Individuen, welche im Stande sind, das lauteste oder anhaltendste Geräusch zu machen, vor denjenigen Ge- nossen den Vorzug erhalten, welche weniger lärmend sind, so dass ihre Organe wahrscheinlich dureh geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Es ist belehrend, über die wunderbare Mannichfaltigkeit der Cap. 11. Insecten. 373 Mittel nachzudenken, durch welche Laute hervorgebracht werden ; Ein- richtungen, welche entweder die Männchen allein oder beide Geschlech- ter in nicht weniger als sechs Ordnungen besitzen und welche wenig- stens ein Insect bereits in einer entfernt liegenden geologischen Epoche besass. Wir lernen daraus, wie wirksam geschlechtliche Zuchtwahl ge- wesen ist bei der Hervorbringung von Modificationen der Structur, welche zuweilen, wie bei den Homoptern, von grosser Bedeutung sind. Nach den im letzten Capitel beigebrachten Gründen ist es wahr- scheinlich, dass die grossen Hörner der Männchen vieler Lamellicornier und einiger anderer Käfer als Zierathen erlangt worden sind. Dasselbe ist vielleicht mit gewissen andern Eigenthümlichkeiten der Fall, welche auf das männliche Geschlecht beschränkt sind. Wegen der unbedeu- .tenden Grösse der Inseeten sind wir geneigt, ihre äussere Erscheinung zu unterschätzen. Wenn wir uns aber ein männliches Chalcosoma (Fig. 15) mit seinem polirten, bronzefarbigen Panzer, seinen ungeheuren, complieirten Hörnern zur Grösse eines Pferdes oder selbst nur eines Hundes vergrössert vorstellen könnten, so würde es eines der imponi- rendsten Thiere der Welt sein. Die Färbung der Inseeten ist ein complieirter und dunkler Gegen- stand. Wenn das Männchen unbedeuterd vom Weibchen abweicht und keines der beiden Geschlechter brillant gefärbt ist, so haben wahr- scheinlich beide Geschlechter in einer unbedeutend verschiedenen Art und Weise varirt, wobei dann die Abweichungen auf ein und dasselbe Geschlecht vererbt wurden, ohne dass daraus irgend ein Vortheil oder Nachtheil hervorgieng. Wenn das Männchen brillant gefärbt ist und auffallend vom Weibchen abweicht, wie es bei manchen Libellen und vielen Schmetterlingen der Fall ist, so ist wahrscheinlich dieses allein modifieirt worden und verdankt seine Farben geschlechtlicher Zuchtwahl, während das Weibchen einen ursprünglichen oder sehr alten Typus der Färbung beibehalten hat, welcher nur unbedeutend durch die früher erörterten Einwirkungen modifieirt und deshalb mindestens in den meisten Fällen, nicht zum Zwecke des Schutzes dunkel gemacht wor- den ist. Aber zuweilen ist allein das Weibchen brillant gefärbt wor- den, so dass es andere denselben Bezirk bewohnende geschützte Arten nachahmt. Wenn die Geschlechter einander ähnlich und beide dunkel gefärbt sind, so sind sie ohne Zweifel in einer Menge von Fällen zum Zwecke des Schutzes gefärbt worden. Dasselbe ist in einigen Bei- spielen der Fall, wo beide hell gefärbt sind, wodurch sie den um- 374 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. gebenden Gegenständen, wie Blüthen, oder auch andern geschützten Arten ähnlich werden oder indirect ihren Feinden zu erkennen geben, dass sie von einer ungeniessbaren Art sind. In vielen andern Fällen, wo die Geschlechter einander ähnlich und brillant gefärbt sind, und besonders wenn die Farben zur Entfaltung entwickelt sind, können wir schliessen, dass sie von dem männlichen Geschlechte als Anziehungs- mittel erlangt und dann auf beide Geschlechter übertragen worden sind. Wir werden zu dieser Folgerung noch besonders geführt, sobald der- selbe Typus der Färbung durch eine ganze Gruppe hindurch herrscht ; und wir finden dann, dass die Männchen einiger Species von den Weib- chen sehr abweichen, während beide Geschlechter anderer Species völlig gleich sind, wobei dann zwischenliegende Abstufungen diese beiden ex- tremen Zustände mit einander verbinden. In derselben Art und Weise, wie helle Farben oft theilweise von den Männchen auf die Weibchen übertragen worden sind, ist es auch mit den ausserordentlichen Hörnern vieler Lamellicornier und anderer Käfer der Fall gewesen; so sind ferner die Stimm- oder Instrumental- organe, welche den Männchen der Homoptern und Orthoptern eigen sind, allgemein in einem rudimentären oder selbst in einem nahezu vollkoimmenen Zustande anf die Weibehen übertragen worden, allerdings nicht in einem hinreichend vollkommenen Zustande, um als wirkliche Laut producirende Organe benutzt zu werden. Es ist auch eine inter- essante und sich auf geschlechtliche Zuchtwahl beziehende Thatsache, dass die Stridulationsorgane gewisser männlicher Orthoptern nicht eher als bis mit der letzten Häutung vollständig entwickelt werden und dass die Farben gewisser männlicher Libellen nicht eher vollständig ent- wickelt werden, als eine kurze Zeit nach ihrem Ausschlüpfen aus dem Puppenzustande und wenn sie zur Begattung reif sind. Eine Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl ist nur unter der Vor- aussetzung denkbar, dass die anziehenderen Individuen von dem andern Geschlechte vorgezogen werden, und da es bei den Insecten, wenn die Ge- schlechter von einander abweichen, das Männchen ist, welches mit sel- tenen Ausnahmen am meisten geziert ist und welches am meisten von dem Typus, zu welchem die Art gehört, abweicht, und da es das Männ- chen ist, welches begierig das Weibchen aufsucht, so müssen wir an- nehmen; dass gewöhnlich oder gelegentlich das Weibchen die schöneren Männchen vorzieht, und dass diese hierdurch ihre Schönheit erlangt haben. Dass in den meisten oder sämmtlichen Ordnungen die Weibchen Cap. 10. Insecten. 375 das Vermögen haben, irgend ein besonderes Männchen zu verschmähen, können wir getrost aus den vielen eigenthümlichen Vorrichtungen schlies- sen, welche die Männchen besitzen, um die Weibchen zu ergreifen, wie grosse Kinnladen, Haftkissen, Dornen, verlängerte Beine u. s. w.; denn diese Einrichtungen zeigen, dass der Act seine Schwierigkeiten hat. In den Fällen einer Verbindung zwischen verschiedenen Species, wofür viele Beispiele angeführt worden sind, muss das Weibchen der zustim- mende Theil gewesen sein. Nach dem, was wir von dem Wahrneh- mungsvermögen und den Affecten verschiedener Inseeten wissen, liegt von vornherein keine Unwahrscheinlichkeit vor, dass geschlechtliche Zuchtwahl in ziemlicher Ausdehnung in Thätigkeit getreten ist; wir haben aber bis jetzt noch keine directen Belege über diesen Punkt und einige Thatsachen widersprechen der Annahme. Nichtsdestoweniger können wir doch, wenn wir sehen, dass viele Männchen ein und dasselbe Weibchen verfolgen, kaum glauben, dass die Paarung einem blinden Zufalle überlassen wäre, — dass das Weibchen keine Wahl ausübte und von den prächtigen Färbungen oder anderen Zierathen, mit denen das Männchen allein decorirt ist, nicht beeinflusst werden sollte. Wenn wir annehmen, dass die Weibchen der Homoptern und Or- thoptern die von ihren männlichen Genossen hervorgebrachten musika- lischen Laute würdigen und dass die verschiedenen Instrumente zu die- sem Zwecke durch geschlechtliche Zuchtwahl vervollkommnet worden sind, so liegt in der weiteren Annahme wenig Unwahrscheinliches, dass die Weibchen anderer Insecten Schönheit in der Form und Färbung wür- digen und dass in Folge hiervon solche Merkmale von den Männchen zu diesem Zwecke erlangt sein sollten. Aber wegen des Umstands, dass die Farbe so variabel und dass dieselbe so oft zum Zwecke des Schutzes modificirt worden ist, ist es ausserordentlich schwierig zu entscheiden, wie zahlreich im Verhältniss die Fälle sind, bei welchen geschlechtliche /Zuchtwahl ins Spiel gekommen ist. Dies ist ganz besonders schwierig in denjenigen Ordnungen, wie den Orthoptern, Hymenoptern und Coleoptern, bei welchen die beiden Geschlechter selten bedeutend in der Farbe von einander abweichen, denn die besten Belege für irgend eine Beziehung zwischen der Fortpflanzung der Art und der Farbe werden uns hier entzogen. Was indessen die Coleoptern betrifft, so finden wir, wie vorhin bemerkt wurde, dass in der grossen Gruppe der Lamellicornier, welche von einigen Autoritäten an die Spitze der Ordnung gesetzt wird und bei wel- har wir zuweilen eine gegenseitige Anhänglichkeit zwischen den Ge- 376 Insecten: Coleoptera. II. Theil. schlechtern beobachten, die Männchen einiger Species in Besitz von Waffen zum geschlechtlichen Kampfe, andere mit wunderbaren Hörnern versehen, viele mit Stridulationsorganen ausgerüstet und andere wieder mit glänzenden metallischen Farben verziert sind. Es scheint daher hiernach wahrscheinlich, dass alle diese Charactere auf einem und demselben Wege erlangt worden sind, nämlich durch geschlechtliche Zuehtwahl. Wenn wir von den Vögeln handeln werden, so werden wir sehen, dass sie in ihren secundären Sexualcharacteren die grösste Ana- logie mit den Insecten darbieten. So sind viele männliche Vögel in hohem Grade kampflustig und manche sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern ausgerüstet. Sie besitzen Organe, welche während der Brutzeit zum Hervorbringen vocaler und instrumentaler Musik benutzt werden. Sie sind häufig mit Kämmen, Hörnern, Fleisch- lappen und Schmuckfedern der mannichfaltigsten Arten geschmückt und mit schönen Farben verziert, Alles offenbar zum Zweck der Entfaltung. Wir werden finden, dass wie bei den Insecten in gewissen Gruppen beide Geschlechter gleichmässig schön und gleichmässig mit Zierathen versehen sind, welche gewöhnlich auf das männliche Geschlecht be- schränkt sind. In andern Gruppen sind beide Geschlechter gleichmäs- sig einfach gefärbt und ohne besondere Zierden. Endlich sind in eini- gen wenigen anomalen Fällen die Weibehen schöner als die Männchen. Wir werden oft in einer und derselben Gruppe von Vögeln jede Abstu- fung von gar keiner Verschiedenheit zwischen den beiden Geschlechtern bis zu einer äusserst grossen Verschiedenheit finden. In dem letzteren Falle werden wir sehen, dass, ganz wie die weiblichen Insecten, die weiblichen Vögel oft mehr oder weniger deutliche Spuren der Merkmale besitzen, welche ursprünglich den Männchen gehörten. In der That ist die Analogie in allen diesen Beziehungen zwischen den Vögeln und Insecten eine merkwürdig grosse. Was für eine Erklärung nur immer in der einen Classe anwendbar ist, dieselbe lässt sich wahrscheinlich auch .auf die andere anwenden; und diese Erklärung liegt, wie wir später noch zu zeigen versuchen werden, beinahe mit Sicherheit in ge- schlechtlicher Zuchtwahl. Ende des ersten Bandes. Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Zweiter Band. In der E. Schweizerbart’schen Verlagshandlung (E. Koch) in Stuttgart sind von demselben Verfasser ferner erschienen: Charles Darwin über die Entstehung der Arten dureh natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. Aus dem Englischen übersetzt von H. @. Bronn. Nach der 5. englischen sehr vermehrten Auflage durchgesehen u. berichtigt von + Vietor Carus. Vierte Auflage. Mit dem Portrait des Verfassers. Preis broch. 2. 3. — oder /£. 5. 15, in Leinw. geb. 92. 3. 10. £ 5. 51. Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication von Charles Darwin. Aus dem Englischen übersetzt von J. Victor Carus. Zwei Bände mit 43 Holzschnitten. Preis Rthlr. 6. 10 oder fl. 11. — Ueber die Einrichtungen zur Befruchtung britischer und ausländischer Orchideen durch Insecten und über die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtung von Charles Darwin. Mit34 Holzschnitten Aus dem Englischen übersetzt von Dr. H. G. Bronn. Preis Rthlr. 1. 12 oder fl. 2. 20. Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl von Charles Darwin. “ Aus dem Enslischien übersetzt JMietor Carus: In zwei Bänden. II. Band. Mit einundfünfzig Holzschnitten. Zweite nach der letzten Ausgabe des Originals berichtigte Auflage. STUTTGART. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung (E. Koch). 1872. —_ fr Bots sammen > A BR ji t EN Er ur \ £ b rt es w ua Annaheahönien ur e De n Druck von. Fr. Schweizerbart in Stuttgart. we 5 EBEN N, F ‘ Ye 45 > sy Zwölftes Capitel. Secundäre Sexualcharactere der Fische, Amphibien und Reptilien. Fische: Werbung und Kämpfe der Männchen. — Bedeutendere Grösse der Weib- chen. — Männchen: helle Farben und ornamentale Anhänge; andere merk- würdige Charactere. — Färbungen und Anhänge von den Männchen allein während der Paarungszeit erlangt. — Fische, bei denen beide Geschlechter brillant gefärbt sind. — Protective Farben. — Die weniger augenfälligen Färbungen der Weibchen können nicht nach dem Grundsatze des Schutz- gebens erklärt werden. — Männliche Fische bauen Nester und sorgen für die Eier und Jungen. — Amphibien: Verschiedenheiten des Baues und der Farbe zwischen den Geschlechtern. — Stimmorgane. — Reptilien: Chelonier. — Crocodile. — Schlangen: Farben in manchen Fällen protectiv. — Eidechsen: Kämpfe derselben. — Ornamentale Anhänge. — Merkwürdige Verschiedenheiten in der Structur der beiden Geschlechter. — Färbungen. — Geschlechtliche Verschiedenheiten fast so gross wie bei den Vögeln. 8. 1, Dreizehntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere der Vögel. Geschlechtliche Verschiedenheiten. — Gesetz des Kampfes. — Specielle Waffen. — Stimmorgane. — Instrüumentalmusik. — Liebesgeberden und Tänze. — Per- manenter und an die Jahreszeit gebundener Schmuck. — Doppelte und ein- fache jährliche Mauser. — Entfaltung der Ornamente seitens der Männchen. i S...32. Vierzehntes Capitel. Vögel (Fortsetzung). Wahl seitens der Weibchen. — Dauer der Bewerbung. — Nichtgepaarte Vögel. — Geistige Eigenschaften und Geschmack für das Schöne. — Vorliebe für, oder Antipathie gegen gewisse Männchen seitens der Weibchen. — Variabilität VI der Vögel. — Abänderungen zuweilen plötzlich auftretend. — Gesetze der Abänderung. — Bildung der Augenflecken. — Abstufungen der Charactere. _ Pfauhahn, Argus-Hasan und Urostiche ... » © 2... 2 un. 88. Fünfzehntes Capitel. Vögel (Fortsetzung). Erörterung, warum in manchen Species allein die Männchen, und in andern Spe- Da Da u an cies beide Geschlechter glänzend gefärbt sind. — Ueber geschlechtlich be- schränkte Vererbung, in ihrer Anwendung auf verschiedene Bildungen und auf ein hell gefärbtes Gefieder. — Nestbau in Beziehung zur Farbe. — Ver- lust des Hochzeitsgefieders während des Winters . . ..........8. 134. Sechszehntes Capitel. Vögel (Schluss). Jugendgefieder in Bezug auf den Character des Gefieders beider Geschlech- ter im erwachsenen Zustande. — Sechs Classen von Fällen. — Geschlecht- liche Verschiedenheiten der Männchen nahe verwandter oder repräsentativer Species. — Das Weibchen nimmt die Charactere des Männchens an. — Das Gefieder der Jungen in Bezug auf das Sommer- und Wintergefieder der Er- wachsenen. — Ueber die Steigerung der Schönheit der Vögel auf der ganzen Erde. — Protective Färbung. — Auffallend gefärbte Vögel. — Würdigung der Neuheit. — Zusammenfassung der vier Capitel über Vögel. . S. 160. Siebenzehntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere der Säugethiere. Gesetz des Kampfes. — Specielle auf die Männchen. beschränkte Waffen. — Ursache des Fehlens der Waffen bei den Weibchen. — Beiden Geschlech- tern gemeinsame Waffen, die aber doch ursprünglich zuerst vom Männchen erlangt wurden. — Anderer Nutzen solcher Waffen. — Ihre hohe Bedeutung, — Bedeutendere Grösse der Männchen. — Vertheidigungsmittel. — Ueber die von beiden Geschlechtern gezeigte Vorliebe beim Paaren der Säugethiere S. 240, Achtzehntes Gapitel: Secundäre Sexualcharactere der Säugethiere (Fortsetzung). kr Stimme. — Merkwürdige geschlechtliche Eigenthümlichkeiten bei Robben. — Ge- ruch. — Entwickelung des Haars. — Farbe des Haars und der Haut. — Anomaler Fall, wo das Weibchen mehr geziert ist als das Männchen. — Farbe und Schmuck Folgen geschlechtlicher Zuchtwahl. — Farbe zum Zwecke des Schutzes erlangt. — Farbe, wenn schon beiden Geschlechtern gemein- sam, doch häufig Folge geschlechtlicher Zuchtwahl. — Ueber das Verschwin- den von Flecken und Streifen bei erwachsenen Säugethieren. — Ueber die Farben und Zierathen der Quadrumanen. — Zusammenfassung . . S. 241, vn Neunzehntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere des Menschen. Verschiedenheiten zwischen dem Mann und der Frau. — Ursachen derartiger Verschiedenheiten und gewisser, beiden Geschlechtern eigener Charactere. — Gesetz des Kampfes. — Verschiedenheiten der Geisteskräfte — und der Stimme. — Ueber den Einfluss der Schönheit auf das Eingehen von Hei- rathen beim: Menschen. — Aufmerksamkeit der Wilden auf Zierathen. — Ihre Ideen von Schönheit der Frauen. — Neigung, jede natürliche Eigen- hisnlichkeit. zau,uberkeiben we. a. 200 0 ee: 1 277: ‘ Zwanzigstes Capitel. Secundäre Sexualcharactere des Menschen (Fortsetzung). Ueber die Wirkungen der fortgesetzten Wahl von Frauen nach einem verschie- denen Maassstabe der Schönheit in jeder Rasse. — Ueber die Ursachen, welche die geschlechtliche Zuchtwahl bei eivilisirten und wilden Rassen stö- ren. — Der geschlechtlichen Zuchtwahl günstige Bedingungen in Urzeiten. — Ueber die Art der Wirkung der geschlechtlichen Zuchtwahl beim Men- schengeschlecht. — Ueber den Umstand, dass die Frauen wilder Stämme in etwas die Fähigkeit haben, sich Gatten zu wählen. — Fehlen des Haars am Körper und Entwickelung des Bartes. — Farbe der Haut. — Zusammen- fassung . S. 312: Einundzwanzigstes Capitel. Allgemeine Zusammenfassung und Schluss. Hauptsächlichste Schlussfolgerung, dass der Mensch von einer niederen Form abstammt. — Art und Weise der Entwickelung. — Genealogie des Menschen. — Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. — Geschlechtliche Zuchtwahl. Ei Schlüssbemerkungen Mer an Register . S2 30. ne] u 1 Br rn = en | 6 naldn kann) ein si Bee wa «nal, Ale er 5 vi) ab Kisten -- RE) unel oh PyPEr =r ERRER de re a b'r% Hin ah er ah et ee! Be anlierais tl bl BRRIR, 0 yah x ui, = re ja ca ’ er) . N ID, * ’ Fr P | BE em k kl sah Kan se Mi unntadanbe eV. ‚fer s# . ur Tab. Haraadıt act moahl srl, & dere Ihe . bar 2 Saliad anegisue HK Er £ I AyansinakıoT) auulsaneMi PR tnaiakolä red Rrhheo ’ 3.04 u = Ds / ee ! un Amar ma are Ka zer Te wre DE Ang 4 i „0 Pa % zanıl Fu KH Ri- Hluöd? a nee aaa " Rah ter ei ji ind hinein: kulaldeeng sb Sa ; aranyalhı a der Nische 27 Sa KR wahl IE u, „EM 4 ini u 5 n _. ws RL AN ER RIE and er ana? INS TOO TE Ben) 7 ah R astem Tan ads! j ARE R Ta | ; exäst kat ei l ec Aare Fe Ber de ae vmZellnT Sn va N BETTEN Tee! E 3 Farla b- gastaakwlhdt Dar ug 2 1 DE Bo 2 ET Re 7 f° p 7 Ri ö 2 ee er I Be ae er so erg ee See EZ breit | SER ’ ® “ bis PEEUEREVETE eis ‚ouy Di 720 . } i ud) a Ma si 8 iRoK. 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Fische: Werbung und Kämpfe der Männchen. — Bedeutendere Grösse der Weib- chen. — Männchen: helle Farben und ornamentale Anhänge; andere merk- würdige Charactere. — Färbungen und Anhänge von den Männchen allein während der Paarungszeit erlangt. — Fische, bei denen beide Geschlechter brillant gefärbt sind. — Protective Farben. — Die weniger augenfälligen Färbungen der Weibchen können nicht nach dem Grundsatze des Schutz- gebens erklärt werden. — Männliche Fische bauen Nester und sorgen für die Eier und Jungen. — Amphibien: Verschiedenheiten des Baues und der Farbe zwischen den Geschlechtern. — Stimmorgane. — Reptilien: Chelonier. — Crocodile. — Schlangen: Farben in manchen Fällen protectiv. — Eidechsen: Kämpfe derselben. — Ornamentale Anhänge. — Merkwürdige Verschiedenheiten in der Structur der beiden Geschlechter. — Färbungen. — Geschlechtliche Verschiedenheiten fast so gross wie bei den Vögeln. Wir sind nun bei dem grossen Unterreiche der Wirbelthiere an- gekommen und wollen mit der untersten Classe, nämlich den Fischen, beginnen. Die Männchen der Plagiostomen (Haifische, Rochen u. s. w.) und der chimärenartigen Fische sind mit Klammerwerkzeugen versehen, welche dazu dienen, das. Weibchen festzuhalten, ähnlich wie die ver- schiedenen Bildungen, welche so viele der niedrigeren Thiere besitzen. Ausser den Klammerorganen haben die Männchen vieler Rochen hau- fenförmige Gruppen starker scharfer Dornen auf dem Kopfe und meh- rere Reihen solcher „den oberen äusseren Flächen ihrer Brustflossen „entlang.“ Diese sind bei den Männchen einiger Species vorhanden, welche die andern Theile ihres Körpers glatt haben. Sie werden nur zeitweise entwickelt während der Paarungszeit, und Dr. GÜNTHER vermuthet, dass sie als Greiforgane in Thätigkeit kommen in der Weise, dass die beiden Seiten des Körpers nach innen und unten umgeschlagen werden. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die Weibchen und nicht die DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 1 9 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Männchen mancher Species, so z. B. von Raja celavata, den Rücken mit grossen hakenförmigen Dornen dieht besetzt haben !. In Folge des Umstands, dass die Fische im Wasser leben, ist mur wenig von ihrer Bewerbung und nicht viel von ihren Kämpfen bekannt. Der männliche Stichling (Gasterosteus leiurus) ist beschrieben worden als „närrisch vor Entzücken“, wenn das Weibehen aus seinem Verstecke heraus kommt und das Nest in Augenschein nimmt, welches das Männ- chen für dasselbe gebaut hat. „Das Männchen fliegt um das Weibchen „herum in allen Richtungen, dann zurück zu den angehäuften Materia- „lien für den Nestbau, dann wieder zurück in einem Augenblicke, und „wenn das Weibchen nicht entgegenkommt, versucht das Männchen es „mit seiner Schnauze zu stossen und es mit dem Schwanze und dem „Seitenstachel nach dem Neste zu treiben“ * Die Männchen sollen Polygamisten sein ?”. Sie sind ansserordentlich kühn und kampflustig, während „die Weibchen vollständig friedfertig sind.“ Ihre Kämpfe sind zu Zeiten verzweifelter Art: „denn diese kleinen Kämpfer heften sich „für mehrere Secunden eng aneinander und stürzen mit einander kopf- „über herum, bis ihre Kraft vollständig erschöpft zu sein scheint“. Bei den rauhschwänzigen Stichlingen (@. trachurus) beissen die Männ- chen einander, während sie im Kampfe rund um einander herumschwim- men, und versuchen, sich gegenseitig mit ihren erhobenen seitlichen Dornen zu durchbohren. Derselbe Schriftsteller fügt hinzu *: „der Biss „dieser kleinen Furien ist sehr scharf. Sie benutzen auch ihre seit- „lichen Dornen mit solch’ tödtlicher Wirkung, dass ich gesehen habe, „wie während eines Kampfes der eine seinen Widersacher vollständig „aufschlitzte, so dass er auf den Boden sank und starb.“ Ist ein Fisch besiegt, „so verlässt ihn sein tapferes Benehmen, seine munteren Far- „ben blassen ab, und er verbirgt sein Unglück in der Mitte seiner „friedlichen Cameraden, ist aber eine Zeit lang der beständige Gegen- „stand der Nachstellungen seitens seines Besiegers.* Der männliche Lachs ist so kampflustig wie der kleine Stichling, ebenso ist es die männliche Forelle, wie ich von Dr. GÜNTHER höre. ! Yarrell, History of British Fishes. Vol. II. 1836, p. 417, 425, 436. Dr. Günther theilt mir mit, dass die Dornen bei Raja celavata den Weibchen eigen- thümlich sind. 2 s. die interessanten Artikel Mr. Warington’s in: Annals-and Magaz. of Nat. Hist. 2. Ser. Vol. X. 1852, p. 276 und Vol. XVI. 1855, p. 330. 3 Noel Humphreys, River Gardens. 1857. * Loudon’s Magaz. of Natur. History. Vol. III. 1830, p. 331. Cap. 12. Fische. 3 Mr. Suaw beobachtete einen heftigen Kampf zwischen zwei männlichen Lachsen, welcher einen ganzen Tag dauerte; und Mr. R. Buist, Super- intendent der Fischereien, theilt mir mit, dass er oft von der Brücke in Perth beobachtet hat, wie die Männchen ihre Nebenbuhler forttrei- ben, während die Weibchen laichen. „Die Männchen kämpfen bestän- „dig und treiben einander von den Laichstätten, und viele verletzen „einander so, dass sie den Tod gar mancher Rivalen veranlassen. We- „nigstens hat man viele in der Nähe der Flussufer in einem Zustande „der Erschöpfung und dem Anscheine nach im Todeskampfe schwimmen „gesehen“ ?”. Wie mir Mr. Burst mittheilt, besuchte der Verwalter der Stormontfielder Zuchtteiche im Juni 1868 den nördlichen Tyne und fand ungefähr dreihundert todte Lachse, welche mit Ansnahme eines einzigen sämmtlich Männchen waren. Seiner Ueberzeugung nach hatten sie alle ihr Leben im Kampfe mit andern verloren. Der merkwürdigste Umstand in Bezug auf den männlichen Lachs ist, dass sich während der Laichzeit ausser einer bedeutenden Verän- derung in der Farbe „die untere Kinnlade verlängert und ein knorp- „liger Vorsprung von der Spitze aus sich nach oben erhebt, welcher, „wenn die Kinnladen geschlossen sind, in eine tiefe Aushöhlung zwi- „schen den Intermaxillarknochen des Oberkiefers eingreift“ 6 (Figg. 26 und 27). Bei unserem Lachse hält diese Strueturveränderung nur wäh- rend der Laichzeit an; bei dem Salmo Iycaodon des westlichen Nord- amerika aber ist diese Veränderung, wie Mr. J. K. Lorp glaubt ”, permanent und am meisten bei den älteren Männchen ausgesprochen, welche schon früher in den Flüssen aufgestiegen sind. Bei diesen alten Männchen werden die Kinnladen zu ungeheuren hakenförmigen Vor- sprüngen entwickelt und die Zähne wachsen zu regelmässigen Hauern aus, oft über einen halben Zoll lang. Der Angabe von Mr. Lroyp ® zufolge dient bei dem europäischen Lachse die temporäre hakenförmige Bildung dazu, die Kinnladen zu kräftigen und zu schützen, wenn das eine Männchen ein anderes mit wunderbarer Heftigkeit angreift. Aber die bedeutend entwickelten Zähne des männlichen europäischen Lachsen 5 The Field, 29. Juni 1867. Wegen Mr. Shaw’s Angabe s. Edinburgh Re- view 1843. Ein anderer erfahrener Beobachter (Scrope, Days of Salmon Fis- hing, p. 60) bemerkt, dass der männliche Lachs, wenn er könnte, alle übrigen Männchen wie der Hirsch vertreiben würde. ® Yarrell, History of British Fishes. Vol. II. 1836, p. 10. ” The Naturalist in Vancouver’s Island. Vol. I. 1866, p. 54. ® Secandinavian Adventures. Vol. I. 1854, p. 100, 104. ] * 4 Geschlechtliche Zuchtwahl. I. Theil. können mit den Stosszähnen vieler männlichen Säugethiere verglichen werden und sie weisen eher auf einen offensiven Zweck hin als auf ein blosses Schutzmittel. Fig. 27. Fig. 26. Kopf des männlichen Lachsen (Salmo salar) während der Paarungszeit. Fig. 27. Kopf des weiblichen Lachsen. Der Lachs ist nicht der einzige Fisch, bei welchem die Zähne in den beiden Geschlechtern verschieden sind. Dies ist auch bei vielen - Cap- 12. Fische. 5 Rochen der Fall. Bei Raja elavata hat das Männchen scharfe spitze Zähne, welche nach rückwärts gerichtet sind, während die Zähne des Weibchens breit und platt sind und eine Art Pflaster bilden, so dass diese Zähne in den beiden Geschlechtern einer und der nämlichen Spe- cies mehr von einander verschieden sind, als es gewöhnlich bei ver- schiedenen Gattungen einer und derselben Familie der Fall ist. Die Zähne des Männchens werden erst dann scharf, wenn dasselbe erwachsen ist; so lange es jung ist, sind sie breit und platt wie die des Weib- chens. - Wie es so häufig bei seeundären Sexualcharacteren vorkommt, besitzen beide Geschlechter einiger Species von Rochen, z. B. R. batis, wenn sie erwachsen sind, scharfe, zugespitzte Zähne und hier scheint ein Character, welcher dem Männchen eigen und ursprünglich von die- sem erlangt worden ist, auf die Nachkommen beider Geschlechter überliefert worden zu sein. Auch bei R. maculata sind die Zähne gleichfalls in beiden Geschlechtern zugespitzt, aber nur wenn. sie voll- ständig erwachsen sind; die Männchen erhalten diese Form in einem früheren Alter als die Weibchen. Wir werden später analogen Fällen bei gewissen Vögeln begegnen, bei welchen das Männchen das beiden Geschlechtern im erwachsenen Zustande eigene Gefieder in einem etwas früheren Alter erlangt als das Weibchen. Bei andern Arten von Rochen besitzen die Männchen, selbst wenn sie alt sind, niemals scharfe Zähne, und es sind folglich beide Geschlechter, wenn sie erwachsen sind, mit breiten, platten Zähnen versehen, ähnlich denen der Jungen und der reifen Weibchen der oben erwähnten Species®. Da die Rochen kühne, kräftige und gefrässige Fische sind, so dürfen wir vermuthen, dass die Männchen ihre scharfen Zähne zum Kämpfen mit ihren Rivalen erhal- ten; da sie aber viele Theile besitzen, welche zum Ergreifen des Weib- chens modificirt und angepasst sind, so ist es möglich, dass ihre Zähne zu demselben Zwecke benutzt werden. Was die Grösse betrifft, so behauptet Mr. CARBONNTER !®, dass: bei fast allen Fischen das Weibchen grösser ist als das Männchen ; und Dr. GÜNTHER kennt nicht ein einziges Beispiel, in welchem das Männ- chen factisch grösser wäre als das Weibchen. Bei einigen Cyprino- donten ist das Männchen nicht einmal halb so gross als das Weibchen. Da bei vielen Arten von Fischen die Männchen gewöhnlich mit ein- ° s. Yarrell’s Schilderung der Rochen in seiner History of British Fishes. Vol. IH. 1836, p. 416, mit einer ausgezeichneten Figur, und Fig. 422, 432. 1° eitirt in The Farmer. 1868, p. 369. 6 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. ander kämpfen, so ist es überraschend, dass sie nicht allgemein durch die Wirkungen der geschlechtlichen Zuchtwahl grösser und kräftiger geworden sind als die Weibchen. Die Männchen leiden unter ihrer geringen Grösse; denn der Angabe des Mr. CARBONNIER zufolge werden sie gern von den Weibchen ihrer eigenen Species, sobald dieselbe fleisch- fressend ist, und ohne Zweifel auch von andern Species gefressen. Be- deutende Grösse muss daher in irgend welcher Weise von grösserer Bedeutung für die Weibchen sein, als es die Kraft und die Grösse für die Männchen zum Kämpfen mit andern Männchen ist, und dies wahr- scheinlich, um denselben die Erzeugung einer ungeheuren Anzahl von Eiern zu ermöglichen. Bei vielen Arten ist nur das Männchen mit hellen Farben verziert oder die Farben sind beim Männchen viel glänzender als beim. Weib- chen. Auch ist das Männchen zuweilen mit Anhängen versehen, welche demselben von keinem grösseren Nutzen zu den gewöhnlichen Zwecken des Lebens zu sein scheinen, als es die Schwanzfedern des Pfauhahns sind. Die meisten der folgenden Thatsachen verdanke ich der grossen Freundlichkeit des Dr. GÜntHEerR. Es ist Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass viele tropische Fische dem Geschlechte nach in Farbe und Structur von einander verschieden sind und hierfür finden sich auch einige auffallende Beispiele bei unsern britischen Fischen. Der männ- liche Callionymus Iyra wird von den Engländern gemmeous dragonet genannt „wegen seiner brillanten edelsteinartigen Farben.“ Wenn er frisch aus dem Meere genommen wird, ist der Körper gelb in verschie- denen Schattirungen und mit einem lebhaften Blau auf dem Kopfe ge- streift und gefleckt; die Rückenflossen sind blassbraun mit dunkeln Längsbändern, die Bauchflossen, Schwanz- und Afterflossen sind bläu- lichschwarz. Das Weibchen, von den Eneländern „sordid dragonet* genannt, wurde von Linx& und vielen späteren Naturforschern für eine besondere Species gehalten. Dasselbe ist von einem schmutzigen Röth- liehbraun, die Rückenflossen sind braun und die andern Flossen weiss. Die Geschlechter weichen auch in der proportionalen Grösse des Kopfes und des Mundes von einander ab, ebenso in der Stellung der Augen !!; aber die am meisten auffallende Verschiedenheit ist die ausserordent- liche Verlängerung der ersten Rückenflosse beim Männchen (Fig. 28). Die jungen Männchen gleichen in ihrer Structur und Farbe den er- I! [ch habe diese Beschreibung nach Yarrell’s British Fishes. Vol. 1. 1836, p. 261 und 266 zusammengestellt. Cap. 12. Fische. 7 wachsenen Weibehen. Durch die ganze Gattung Callionymus hindurch !? ist das Männchen allgemein viel glänzender gefleckt als das Weibchen, —_ Fig. 38. Callionymus Iyra. Obere Figur das Männchen; untere Figur das Weibchen. und bei mehreren Species ist nicht bloss die Rückenflosse, sondern auch die Afterflosse des Männchens bedeutend verlängert. Das Männchen des Seeskorpions (Cottus scorpio) ist schlanker und kleiner als das Weibchen. Es besteht auch eine grosse Verschiedenheit in der Färbung zwischen den Geschlechtern. „Für Jeden, der diesen „Fisch nicht während der Laichzeit, wo seine Färbung am glänzendsten „ist, beobachtet hat, ist es“, wie Mr. Lroyn !? bemerkt, „schwierig, „sich eine Vorstellung von der Mischung von brillanten Farben zu „machen, mit welchen derselbe, der in andern Beziehungen so wenig „begünstigt ist, um diese Zeit verziert ist“. Bei Labrus mixtus sind beide Geschlechter schön, trotzdem sie in der Färbung sehr verschieden sind. Das Männchen ist orange mit hellblauen Streifen und das Weib- chen hellroth mit einigen schwarzen Flecken auf dem Rücken. - In der sehr ausgezeichneten Familie der Cyprinodontiden, Bewohner der süssen Gewässer fremder Länder, weichen die Geschlechter zuweilen bedeutend in verschiedenen Merkmalen von einander ab. Bei dem Männ- 2 Catalogue of Acanthopter. Fishes in the British Museum by Dr. Günther. 1861, p. 138—131. 13 Game Birds of Sweden etc. 1867, p. 466. 8 Geschlechtliche Zuchtwahl. 1l. Theil. chen von Mollienesia petenensis !* ist die Rückenflosse bedeutend ent- wickelt und mit eindr Reihe grosser runder, augenförmiger, hellgefärbter Flecke gezeichnet, während dieselbe Flosse beim Weibchen kleiner, von verschiedener Form und nur mit unregelmässigen gekrümmten braunen Flecken gezeichnet ist. Bei den Männchen ist auch der basale Rand der Afterflosse ein wenig vorgezogen und dunkel gefärbt. Bei den Männ- chen einer verwandten Form, des Xiphophorus Hellerii (Fig. 29), ist der untere hand der Afterflosse zu einem langen Faden entwickelt, . Fig. 29. Xiphophorus Hellerii. Obere Figur das Männchen; untere Figur das Weibchen. welcher, wie ich von Dr. GüntHer höre, mit hellen Farben gestreift ist. Dieser fadenförmige Anhang enthält keine Muskeln und kann dem Anscheine nach von keinem directen Nutzen für den Fisch sein. Wie es bei Callionymus der Fall ist, sind die Männchen so lange sie jung sind, in ihrer Färbung und Structur den erwachsenen Weibchen ähn- lich. Geschlechtliche Verschiedenheiten wie die vorstehenden können ganz streng“ mit denen verglichen werden, welche bei hühnerartigen Vögeln so häufig vorkommen I, Bei einem siluroiden Fisch, welcher die süssen Gewässer von Süd- amerika bewohnt, nämlich dem Plecostomus barbatus !® (Fig. 30), ist bei dem Männchen der Mund und das Interopereulum mit einem Barte !2 In Bezug auf diese und die folgenden Species bin ich Dr. Günther für Information verbunden. s. auch dessen Aufsatz über die Fische von Central-Ame- rika in: Transact. Zoolog. Soc. Vol. VI. 1868, p. 485. 5 Dr. Günther macht diese Bemerkung; Catalogue of Fishes in the Bri- tish Museum. Vol. III. 1861, p. 141. '65, Dr. Günther über diese Gattung in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 232. Cap. 12. Fische. 9 steifer Haare gefranst, von welchen das Weibchen kaum eine Spur zeigt. Diese Haare sind von der Natur der Schuppen. Bei einer andern Species I\\ TH SS en N Fig. 30. Plecostomys barbatus. Obere Figur Kopf des Männchens; untere Figur Kopf des Weibchens. derselben Gattung springen von dem vorderen Theile des Kopfes des Männchens weiche biegsame Tentakeln vor, welche beim Weibchen fehlen. Diese Tentakeln sind Verlängerungen der wirklichen Haut und sind daher den steifen Haaren der früheren Species nicht homolog; 10 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. es lässt sich aber kaum zweifeln, dass beide zu demselben Zwecke die- nen. Was dieser Zweck sein mag, ist schwierig zu vermuthen. Eine Verzierung scheint hier nicht wahrscheinlich zu sein; wir können aber kaum vermuthen, dass steife Haare und biegsame Filamente in irgend einer gewöhnlichen Weise allein den Männchen von Nutzen sein könn- ten. Der Monacanthus scopas, welchen mir Dr. GÜNTHER auf dem British Museum zeigte, bietet einen sehr analogen Fall dar. Das Männ- chen hat eine Gruppe steifer, gerader Dornen, ähnlich den Zinken eines Kammes, an den Seiten des Schwanzes, und diese waren bei einem Exem- plare von sechs Zoll Länge beinahe anderthalb Zoll lang. Das Weib- chen hat an derselben Stelle einen Haufen von Borsten, welche mit denen einer Zahnbürste verglichen werden können. Bei einer andern Species, dem M. Peronü, hat das Männchen eine Bürste wie die, welche das Weibchen der letztgenannten Species besitzt, während die Seiten des Schwanzes beim Weibchen glatt sind. In einigen andern Species ist zu bemerken, dass derselbe Theil des Schwanzes beim Männchen ein wenig rauh, dagegen beim Weibchen vollkommen glatt ist, und endlich bei noch andern Species haben beide Geschlechter glatte Seiten. Bei jenem fremdartigen, monströs aussehenden Fische, der Chimaera monstrosa, hat das Männchen einen hakenförmigen Knochen auf der Spitze des Kopfes, welcher nach vorwärts gerichtet und an seinem ab- gerundeten Ende mit scharfen Dornen bedeckt ist; beim Weibchen „fehlt „diese Krone vollständig“; was aber ihr Gebrauch sein mag, ist völlig unbekannt !7, Die Gebilde, die bis jetzt erwähnt wurden, sind beim Männchen, nachdem es zur Reife gekommen ist, permanent; aber bei einigen Arten von Blennius und bei einer andern verwandten Gattung 1° entwickelt sich ein Kamm auf dem Kopfe des Männchens nur während der Paarungs- zeit, auch wird der Körper der Männchen zu derselben Zeit heller ge- färbt. Es lässt sich nur wenig zweifeln, dass dieser Kamm als ein temporäres geschlechtliches Ornament dient; denn das Weibchen zeigt auch nicht eine Spur davon. Bei andern Arten der nämlichen Gat- tung besitzen beide (Geschlechter einen Kamm und mindestens bei einer Species ist keines von beiden Geschlechtern damit versehen. In diesem Falle und in dem von Monacanthus sehen wir gute Belege da- 17 F. Buckland, in: Land and Water. July, 1868, p. 377 mit einer Ab- bildung. ; 8 Dr. Günther, Catalogue of Fishes etc. Vol. II, p. 221 und 240. Cap. 12. Fische. 11 für, wie bedeutend die geschlechtlichen Merkmale nahe verwandter For- men in ihrer Entwickelung abweichen können. Bei vielen Chromiden, z. B. bei Geophagus und besonders bei Cichla, haben die Männchen, wie ich von Professor Asassız höre !9, eine auffallende Protuberanz am Vorderkopfe, welche bei den Weibchen und den jungen Männchen voll- ständig fehlt. Professor Acassız fügt hinzu: „Ich habe diesen Fisch „häufig zur Zeit des Laichens beobachtet, wo die Protuberanz am gröss- „ten ist, ebenso zu andern Jahreszeiten, wo dieselbe vollständig fehlt „und die beiden Geschlechter in der Contur des Profils ihres Kopfes „durchaus keine Verschiedenheit von einander zeigen. Ich konnte durch- „aus nicht mit Sicherheit bestimmen, dass diese Hervorragung irgend „einer speciellen Function diene, und die Indianer am Amazonenstrome „wissen über ihren Gebrauch nichts“. Diese Protuberanzen gleichen in ihrem periodischen Erscheinen den fleischigen Carunkeln an den Kö- pfen gewisser Vögel, ob sie aber als Ornamente von Nutzen sind, muss für jetzt zweifelhaft bleiben. Die Männchen derjenigen Fische, welche beständig in der Färbung von den Weibchen verschieden sind, werden häufig während der Zeit des Laichens brillanter, wie ich von Professor Acassız und Dr. GÜNTHER höre. Dies ist gleichfalls bei einer Menge von Fischen der Fall, deren Geschlechter zu allen andern Zeiten des Jahres in ihrer Färbung identisch sind. Als Beispiel können die Schleihe, das Rothauge und der Barsch an- geführt werden. Der männliche Lachs ist in dieser Jahreszeit „auf den „Wangen mit orange gefärbten Streifen gezeichnet, welche ihm die Er- „scheinung eines Labrus geben, und auch der Körper nimmt an einer „goldig-orangenen Färbung theil. Die Weibchen sind von Farbe dunkel „und werden gewöhnlich Schwarzfische genannt“ 2°. Eine analoge und selbst noch grössere Veränderung findet bei dem Salmo eriox (dem bull-trout der Engländer) statt. Die Männchen der Rothforelle (Salmo umbla) sind gleichfalls während der Laichzeit etwas heller in der Fär- bung als die Weibchen*!. Die Farben des Hechts der Vereinigten Staaten (Eso.x reticulatus), besonders die des Männchen, werden wäh- -rend der Laichzeit ausnehmend intensiv brillant und irideseirend ?*, 9 s. auch Prof. and Mrs. Agassiz, a Journey in Brazil. 1868, p. 220. 20 Yarrell, History of British Fishes. Vol. II. 1836, p. 10, 12, 35. 2! W. Thompson, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. VI. 1841. p. 440. ‚ ?? The American Agriculturist. 1868, p. 100. 12 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Unter vielen andern Beispielen bietet ein weiteres auffallendes der männ- liche Stichling (Gasterosteus leiurus) dar, welcher von Mr. Warıngron 2 beschrieben wird als „über alle Beschreibung schön“. Der Rücken und die Augen des Weibchens sind einfach braun und der Bauch weiss, da- gegen sind die Augen des Männchens „von dem glänzendsten Grün und „haben einen metallischen Glanz, wie die grünen Federn mancher (o- „libri’s. Die Kehle und der Bauch sind von einem hellen Scharlach, „der Rücken gräulich-grün, und der ganze Fisch erscheint, als wenn „er in gewisser Weise durchscheinend wäre und von einem inneren „Feuer erglühte“. Nach der Laichzeit verändern sich alle diese Far- ben, die Kehle und der Bauch werden blässer roth, der Rücken mehr grün und die glühend scheinenden Färbungen verschwinden. ‚Dass bei den Fischen eine nahe Beziehung zwischen ihren Farben und ihren geschlechtlichen Functionen existirt, können wir sehr deutlich sehen; — erstens daraus, dass die erwachsenen Männchen gewisser Species verschieden von den Weibchen und oft viel brillanter gefärbt sind, — zweitens daraus, dass diese selben Männchen so lange sie un- reif sind, den reifen Weibchen gleichen — und endlich daraus, dass die Männchen selbst derjenigen Species, welche zu allen andern Zeiten des Jahres in der Färbung mit den Weibehen identisch sind, oft während der Zeit des Laichens. brillantere Färbungen erhalten. Wir wissen, dass die Männchen in ihrer Bewerbung äusserst eifrig sind und zuweilen ver- zweifelt mit einander kämpfen. Wenn wir annehmen dürfen, dass die Weibchen die Fähigkeit haben, eine Wahl auszuüben und die schöner verzierten Männchen zu wählen, so werden die sämmtlichen oben erwähn- ten Thatsachen nach dem Prineipe der geschlechtlichen Zuchtwahl ver- ständlieh. Wenn auf der andern Seite die Weibehen ihre Eier gewohn- heitsgemäss ablegten und sie zur Befruchtung dem ersten besten Männ- chen, welches sich zufällig näherte, überliessen, so würde diese That- sache der Wirksamkeit der geschlechtliehen Zuchtwahl entschieden widersprechend sein; denn dann könnte keine Wahl eines Genossen stattfinden. Das Weibchen laicht aber, so weit es bekannt ist, niemals von selbst, ausgenommen in der nächsten Gegenwart eines Männchens, und das Männchen befruchtet die Eier niemals, ausgenommen in der dichtesten Gegenwart eines Weibchens. Offenbar ist es schwer, directe Belege in Bezug darauf zu erhalten, dass weibliche Fische ihre Ge- 23 Annals and Magaz. of Natur. Hist. 2. Ser. Vol. X. 1852, p. 276. Cap. 12. Fische. 13 nossen auswählen. Ein ausgezeichneter Beobachter **, welcher sorg- fältig das Laichen der Elritzen (Cyprinus phoxinus) beobachtet hat, bemerkt, dass er in Folge des Umstandes, dass die Männchen, welche zehnmal so zahlreich als die Weibchen waren, sich dicht um diese herum versammelten, „nur mit Zweifel über ihre Operationen sprechen könne. „Sobald ein Weibchen unter eine Zahl von Männchen kam, wurde es „unmittelbar von diesen verfolgt, und wenn es nicht bereit war seinen „Laich abzugeben, so trat es einen äusserst eiligen Rückzug an; war „es aber hierzu bereit, so trat es kühn unter die Männchen hin und „wurde sofort von einem Männchen auf jeder Seite dicht gedrängt; „hatten dann diese sich eine kurze Zeit in dieser Lage befunden, so „wurden sie von zwei andern abgelöst, welche sich zwischen jene und „das Weibchen eindrängten, wobei Letzteres alle seine Liebhaber mit „derselben Freundlichkeit zu behandeln schien.“ Trotz dieser letzteren Angabe kann ich nach den früher mitgetheilten Betrachtungen den Glauben nicht aufgeben, dass diejenigen Männchen, welche für die Weib- chen die anziehendsten sind, wegen ihrer helleren Farben oder anderer Zierathen, gewöhnlich von ihnen vorgezogen werden, und dass im Laufe der Zeit die Männchen hierdurch allmählich schöner geworden sind. Wir haben nun zunächst zu untersuchen, ob diese Ansicht unter Zuhülfenahme des Gesetzes der gleichmässigen Ueberlieferung von Merk- malen auf beide Geschlechter auf jene Gruppen übertragen werden kann, bei welchen die Männchen und Weibchen in demselben oder nahezu demselben Grade und in derselben Art und Weise brillant sind. Bei einer Gattung wie Labrus, welche einige der glänzendsten Fische der ganzen Erde umfasst, z. B. den Labrus pavo, der mit sehr verzeih- licher Uebertreibung beschrieben wird *? als aus polirten Schuppen von Gold bestehend, eingefasst mit Lapislazuli, Rubinen, Saphirn, Smarag- den und Amethysten, können wir mit vieler Wahrscheinlichkeit dieser Annahme folgen; denn wir haben gesehen, dass die Geschlechter we- nigstens bei einer Species bedeutend in der Färbung von einander ab- weichen. Bei einigen Fischen könnten wohl, wie bei vielen der niedrig- sten Thiere, glänzende Farben das directe Resultat der Natur ihrer Gewebe und der Wirkung der umgebenden Bedingungen sein ohne irgendwelche Hülfe einer Zuchtwahl. Vielleicht ist der Goldfisch (Cyprinus auratus), ®4 Loudon’s Magaz. of Natur. History. Vol. V. 1832, p. 681. 5 Bory de Saint Vincent, in: Diction. class. d’Hist. natur. Tom. IX. 1826, p. 151. > r 14 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. wenigstens nach der Analogie der Goldvarietät des gemeinen Karpfens zu urtheilen, ein hier einschlagender Fall, da er seine glänzenden Far- ben einer einzigen plötzlich auftretenden Abänderung verdanken dürfte in Folge der Bedingungen, welchen dieser Fisch im Zustande der Ge- fangenschaft unterworfen ist. Es ist indessen wahrscheinlicher, dass diese Farben durch künstliche Zuchtwahl intensiver geworden sind, da diese Species in China seit einer sehr entlegenen Zeit schon sorgfältig gezüchtet wird 26. Unter natürlichen Verhältnissen scheint es nicht wahrscheinlich, dass so hoch organisirte Wesen wie Fische, und welche unter so complieirten Bedingungen leben, brillant gefärbt werden soll- ten, ohne aus einer so bedeutenden Veränderung irgend einen Nachtheil oder einen Vortheil zu erlangen, folglich also auch ohne das Dazwi- schentreten natürlicher Zuchtwahl. Was müssen wir denn nun in Bezug auf viele Fische, bei welchen beide Geschlechter gleich gefärbt sind, daraus folgern? Mr. Waruack ?7 glaubt, dass die Species, welche Riffe bewohnen, wo Korallen und an- dere glänzend gefärbte Organismen in grosser Zahl leben, glänzend ge- färbt sind, damit sie der Entdeckung seitens ihrer Feinde entgehen, aber meiner Erinnerung zufolge würden sie hierdurch nur in hohem Grade auffallend gemacht. In den süssen Gewässern der Tropenländer finden sich keine brillant gefärbten Korallen oder andere Organismen, welchen die Fische ähnlich werden könnten, und doch sind viele Species im Amazonenstrome schön gefärbt und viele der fleischfressenden Cypri- niden in Indien sind „mit glänzenden Längslinien verschiedener Farben® geschmückt °®. Mr. M’CrerLann geht bei Beschreibung dieser Fische so weit zu vermuthen, dass „der eigenthümliche Glanz ihrer Farben ?6 Veranlasst durch einige Bemerkungen über diesen Gegenstand in meinem Buche „Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ hat Mr. W: F. Mayers (Chinese Notes and Queries, Aug. 1868, p. 123) die alten chinesischen Eneyklopädien durchsucht. Er findet, dass Goldfische zuerst in der Gefangenschaft unter der Sung-Dynastie gezüchtet wurden, welche um das Jahr 960 unserer Zeitrechnung herrschte. Im Jahre 1129 waren diese Fische sehr zahlreich. An einem andern Orte wird erzählt, dass seit dem Jahre 1548 „in Hangchow eine Varietät produeirt wurde, welche wegen ihrer intensiv rothen „Farbe der Feuer-Fisch genannt wurde. Sie wird ganz allgemein bewundert, „und es gibt keinen Hausstand, wo sie nicht cultivirt würde, theils in Folge des „Wetteifers in Bezug auf ihre Farbe, theils als Quelle von Einnahmen.“ 27 Westminster Review. July, 1867, p. 7. 2° Indian Cyprinidae. by Mr. J. M’Clelland. in: Asiatic Researches. Vol. XIX. P. U. 1839, p. 230. Cap. 12. Fische. 15 „als ein besseres Ziel für Eisvögel, Seeschwalben, und andere Vögel, „diene, welche dazu bestimmt seien, die Anzahl dieser Fische in ge- „wissen Schranken zu halten.“ Aber heutigen Tages werden nur wenige Naturforscher annehmen, dass irgend ein Thier auffallend gemacht wor- den sei als Hülfsmittel zu seiner eigenen Zerstörung. Es ist möglich, dass gewisse Fische auffallend gefärbt worden sind, um Vögel und Raubthiere zu warnen, dass sie ungeniessbar sind (wie auseinanderge- setzt wurde, als die Raupen besprochen wurden); es ist aber, wie ich glaube, nicht bekannt, dass irgend eim Fisch, wenigstens kein Süss- wasserfisch, deshalb verschmäht würde, weil er fischfressenden Thieren widerwärtig wäre. Im Ganzen ist die wahrscheinlichste Ansicht in Bezug auf die Fische, bei denen beide Geschlechter brillant gefärbt sind, die, dass ihre Farben von den Männchen als eine geschlechtliche Zierde erlangt worden und dann in einem gleichen oder nahezu gleichen Grade auf das andere Geschlecht überliefert worden sind. Wir haben nun zu betrachten, ob, wenn das Männchen in einer auffallenden Weise von dem Weibchen in der Färbung oder in andern Zierathen abweicht, dasselbe allein modifieirt worden ist, so dass auch die Abänderungen nur von seinen männlichen Nachkommen ererbt wor- den sind, oder ob das Weibchen besonders modifieirt und unansehnlich geworden ist zum Zwecke des Schutzes, wobei dann solche Modificatio- nen nur von den Weibchen ererbt wurden. Es lässt sich unmöglich zweifeln, dass die Färbung von vielen Fischen als Schutzmittel erlangt worden ist. Niemand kann die gefleckte obere Fläche einer Flunder betrachten und deren Aehnlichkeit mit dem sandigen Grunde des Meeres, auf welchem der Fisch lebt, übersehen. Eines der auffallendsten Bei- spiele unter allen je beschriebenen von einem Thiere, welches durch seine Farbe (soweit sich nach Sammlungsexemplaren urtheilen lässt) und durch seine Form Sehutz erhält, ist das von Dr. GÜNTHER mitge- theilte 2° von einer Meernadel, welche mit ihren röthlichen, flottirenden Fadenanhängen kaum von dem Seegras zu unterscheiden ist, an welches sie sich mit ihrem Greifschwanze befestigt. Die Frage, welche jetzt hier zu untersuchen ist, ist aber die, ob die Weibchen allein zu diesem Zwecke modifieirt worden sind. Die Fische bieten werthvolle Belege über diesen Punkt dar. Wir können einsehen, dass ein Geschlecht dureh natürliche Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes nicht mehr als das andere 9 Proceed. Zoolog. Soc. 1865, p. 327. pl. XIV und XV. 16 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. modifieirt werden wird, wenn wir annehmen, dass beide Geschlechter varliren; es müsste dann das eine Geschlecht eine längere Zeit hindurch Gefahren ausgesetzt sein oder geringere Kraft besitzen, solchen Ge- fahren zu entgehen, als das andere; und bei Fischen scheinen die Ge- schlechter in diesen Beziehungen nicht von einander abzuweichen. So- weit eine derartige Verschiedenheit existirt, sind die Männchen, weil sie meist von geringerer Grösse sind und mehr umherwandern, einer grösseren Gefahr ausgesetzt als die Weibchen ; und doch sind die Männ- chen, wenn die Geschlechter überhaupt verschieden sind, beinahe immer die am auffallendsten Gefärbten. Die Eier werden unmittelbar nachdem sie abgelegt sind befruchtet, und wenn dieser Process mehrere Tage dauert, wie es beim Lachse der Fall ist 3%, so wird das Weibchen während der ganzen Zeit vom Männchen begleitet. Nachdem die Eier befruchtet sind, werden sie in den meisten Fällen von beiden Eltern unbeschützt gelassen, so dass die Männchen und Weibchen, soweit das Geschäft des Eierlegens in Betracht kommt, gleichmässig der Gefahr aus- gesetzt sind; auch sind Beide für die Erzeugung fruchtbarer Eier von gleicher Bedeutung. In Folge dessen werden die mehr oder weniger hell gefärbten Individuen beiderlei Geschlechts in gleichem Maasse häufig zerstört oder erhalten werden und beide werden einen gleichen Einfluss auf die Färbung ihrer Nachkommen oder der Rasse haben. Gewisse zu verschiedenen Familien gehörige Fische bauen Nester und einige dieser Fische sorgen auch für die Jungen, wenn sie ausge- schlüpft sind. Bei Crenilabrus massa und melops arbeiten beide Ge- schlechter der hellgefärbten Arten zusammen beim Aufbau ihrer Nester aus Seegras, Muscheln u. s. w.?!. Aber bei gewissen Fischen verrichten die Männchen alle Arbeit und übernehmen auch später die ausschliess- liche Sorge für die Jungen. Dies ist der Fall bei den dunkel gefärb- ten Meergrundeln ??, bei denen die Geschlechter soviel man weiss in der Farbe nicht von einander verschieden sind, und ebenfalls bei den Stichlingen (Gasterosteus), bei welchen die Männchen während der Läich- zeit brillant gefärbt werden. Das Männchen des glattschwänzigen Stichlings (@. leiurus) verrichtet eine lange Zeit hindurch die Pflichten einer Wärterin mit exemplarischer Sorgfalt und Wachsamkeit und ist 3 Yarrell, History of British Fishes. Vol. II, p. 11. 31 Nach den Beobachtungen von Gerbe. s. Günther’s Record of Zoolog. Literature. 1865, p. 194. 32 Quvier, Regne animal. Vol. II. 1829, p. : n 42. [ Cap. 12. Fische. + ; 17 beständig thätig, die Jungen sanft zum Nest zurückzuleiten , wenn sie sich zu weit entfernen. Muthig treibt dasselbe alle Feinde fort mit Einschluss der Weibchen seiner eigenen Species. Es würde in der That für das Männchen kein geringer Trost sein, wenn das Weibchen nach Ablegung seiner Eier sofort von irgend einem Feinde gefressen würde, denn das Männchen ist gezwungen, es beständig von dem Neste fort- zutreiben °°. Die Männchen gewisser anderer Fische, welche Südamerika und Ceylon bewohnen und zu zwei verschiedenen Ordnungen gehören, haben die ausserordentliche Gewohnheit, die von den Weibehen gelegten Eier innerhalb des Mundes oder der Kiemenhöhlen auszubrüten %*.. Bei den Species vom Amazonenstrome, welche diese Gewohnheit haben, sind, wie mir Professor Agassız freundlich mitgetheilt hat, „die Männchen nieht „bloss gewöhnlich heller als die Weibehen, sondern es ist auch diese „Verschiedenheit zur Laichzeit grösser als zu irgend einer andern Zeit.“ Die Species von Geophagus handeln in derselben Weise, und bei dieser Gattung wird eine auffallende Protuberanz am Vorderkopfe der Männ- chen während der Brütezeit entwiekelt. Bei den verschiedenen Species von Chromiden lassen sich, wie mir gleichfalls Professor Acassız mit- theilt, geschlechtliche Differenzen in der Farbe beobachten, „mögen die- „selben ihre Eier im Wasser um die Wasserpflanzen herum oder m „Höhlungen legen, wonach sie dieselben beim Ausschlüpfen, ohne weitere „Sorge für sie zu haben, sich selbst überlassen, oder mögen sie flache „Nester in den Flusschlamm bauen, auf denen sie dann sitzen, wie „unsere Promotis es thut. Es ist auch zu beachten, dass diese Nest- „sitzer zu den hellsten Species ihrer betreffenden Familien gehören; „so ist z. B. Hygrogonus hellgrün mit grossen schwarzen, von dem bril- „lantesten Roth eingefassten Augenflecken.* Ob bei allen den Species von Chromiden das Männchen allein es ist, welches auf den Eiern sitzt, ist nicht bekannt. Es ist indessen offenbar, dass die Thatsache, ob die Eier beschützt werden oder unbeschützt bleiben, wenig oder gar keinen Einfluss auf die Verschiedenheiten in der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern geäussert hat. Es ist auch ferner offenbar, dass im allen 33 5, Mr. Warington’s äusserst interessante Beschreibung der Lebensweise von Gasterosteus leiurus in: Ann. and Magaz. of Natur. Hist. 2. Ser. Vol. XVI. 1355, p- 330. 31 Prof. Wyman, in: Proceed. Boston Soc. of Natur. Hist., 15. Sept., 1857. s. auch W. Turner, in: Journal of Anatomy and Physiol., 1. Nov., 1866, p. 78. Dr. Günther hat gleichfalls noch weitere Fälle beschrieben. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 2 Be Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. den Fällen, in denen die Männchen ausschliesslich die Sorge um das Nest und die Jungen übernehmen, die Zerstörung der heller gefärb- ten Männchen von einem viel grösseren Einflusse auf den Character der Rasse sein würde, als die Zerstörung der heller gefärbten Weib- ' chen. Denn der Tod des Männchens während der Periode der Bebrü- tung oder Aufzucht würde den Tod der Jungen mit sieh führen, so dass diese dessen Eigenthümlichkeiten nicht erben könnten; und doch sind in vielen dieser selben Fälle die Männchen auffallender gefärbt als die Weibchen. Bei den meisten Lophobranchiern (Meernadeln, Seepferdchen u. s. w.) haben die Männchen entweder marsupiale Taschen oder halbkugelige Vertiefungen am Abdomen, in welchen die von den Weibchen gelegten Eier ausgebrütet werden. Auch zeigen die Männchen. grosse Anhäng- lichkeit an ihre Jungen ?°. Die Geschlechter weichen gewöhnlich nicht sehr in der Färbung von einander ab; doch glaubt Dr. GÜNTHER, dass die männlichen Hippocampi eher heller sind als die weiblichen. Die Gattung Solenostoma bietet indessen einen sehr merkwürdigen excep- tionellen Fall dar ?%. Denn das Weibchen ist viel lebhafter gefärbt und gefleckt als das Männchen und nur das Weibchen hat eine mar- supiale Tasche und brütet die Eier aus, so dass das Weibchen von Solenostoma von allen übrigen Lophobranchiern in dieser letzteren Be- ziehung und von beinahe allen übrigen Fischen darin verschieden ist, dass es heller gefärbt ist als das Männchen. Es ist nicht wahrschein- lich, dass diese merkwürdige doppelte Umkehrung des Characters bei dem Weibchen ein zufälliges Zusammentreffen sein sollte. Da die Männ- chen mehrerer Fische, welche ausschliesslich die Sorge für die Eier und die Jungen übernehmen, heller gefärbt sind als die Weibehen und da hier das weibliche Solenostoma dieselbe Sorge auf sich nimmt und hel- ler gefärbt ist als das Männchen, so könnte man schliessen, dass die auffallenden Farben desjenigen Geschlechts, welches von beiden für die Wohlfahrt der Nachkommen das bedeutungsvollste ist, in einer gewissen Weise als Schutzmittel dienen müssen. Aber in Betracht der Menge von Fischen, bei denen die Männchen entweder dauernd oder periodisch heller sind als die Weibchen, deren Leben aber durchaus nieht von 3>.Yarrell, Hist. of British Fishes. Vol. Il. 1836, p. 329, 338. 36 Seit dem Erscheinen des Werks: The Fishes of Zanzibar by Col. Plai- fair, 1866, worin p. 137 diese Art beschrieben ist, hat Dr. Günther die Exem- plare nochmals untersucht und mir die oben mitgetheilten Bemerkungen gegeben. Cap. 12. \ Fische. 19 grösserer Bedeutung für die Wohlfahrt der Species ist als das der Weib- chen, kann diese Ansicht kaum aufrecht erhalten werden. Wenn wir die Vögel besprechen werden, werden sich uns analoge Fälle darbieten, bei welchen eine vollständige Umkehrung der gewöhnlichen Attribute der beiden Geschlechter eingetreten ist, und wir werden dann eine wie es scheinen dürfte wahrscheinliche Erklärung hierfür geben, nämlich diese, dass die Männchen die anziehenderen Weibchen gewählt haben, anstatt dass die letzteren in Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen, durch däs ganze Thierreich hindurch herrschenden Regel die anziehen- deren Männchen gewählt hätten. Im Ganzen können wir schliessen, dass bei den meisten Fischen, bei welchen die Geschlechter in der Farbe oder in andern ornamentalen Merkmalen von einander verschieden sind, die Männchen ursprünglich zu- erst abgeändert haben, worauf dann ihre Abänderungen auf dasselbe Ge- schlecht überliefert und durch geschlechtliche Zuchtwahl, nämlich durch Anziehung und Reizung der Weibchen, angehäuft wurden. Indessen sind in vielen Fällen derartige Merkmale entweder theilweise oder vollstän- dig auf die Weibchen übertragen worden. Ferner sind in andern Fällen beide Geschlechter zum Zwecke des Schutzes gleich gefärbt worden. Es scheint aber kein einziges Beispiel vorzukommen, wo das Weibchen allein seine Farben oder andere Merkmale speciell zu diesem Zwecke modifieirt erhalten hätte. Der letzte Punkt, welcher einer Erwähnung bedarf, ist, dass Fische aus vielen Theilen der Welt bekannt sind, welche eigenthümliche Ge- räusche hervorbringen, nnd diese werden in manchen Fällen als musi- kalische Laute beschrieben. In Bezug auf die Mittel, durch welche derartige Laute hervorgebracht werden, ist sehr wenig ermittelt worden und noch weniger über die Zwecke derselben. Das Trommeln der Um- brina in den europäischen Meeren soll aus einer Tiefe von zwanzig Faden hörbar sein. Die Fischer von Rochelle behaupten, „dass allein „die Männchen während der Laichzeit das Geräusch machen und dass „es möglich ist, dieselben durch Nachahmung dieses Geräuschs ohne „Köder zu fangen“ 3”. Wenn diese Angabe zuverlässig ist, so liegt hier ein Beispiel aus der niedersten Classe der Wirbelthiere vor für einen Vorgang, den wir durch die andern Wirbelthierclassen bestehen sehen werden und welcher, wie wir bereits gesehen haben, bei Inseeten 37 C. Kingsley, in: Nature, May, 1870, p. 40. 20 Geschlechtliche Zuchtwahl. Il. Theil. und Spinnen eintritt, nämlich dass vocale und imstrumentale Laute so gewöhnlich als Liebesruf oder Liebesreiz dienen, .dass das Vermögen dieselben hervorzubringen wahrscheinlich zuerst in Verbindung mit der Fortpflanzung der Species entwickelt wurde. Amphibien. Urodela. — Beginnen wir mit den geschwänzten Amphibien. Die Geschlechter der Wassersalamander oder Tritonen weichen oft sowohl in der Farbe als in der Structur bedeutend von einander ab. " Bei einigen Species entwickeln sich während der Paarungszeit prehensile Krallen an den Vorderbeinen der Männchen; zu dieser Zeit sind bei dem männ- lichen Triton palmipes die Hinterfüsse mit einer Schwimmhaut ver- sehen, welche während des Winters beinahe vollständig absorbirt wird, so dass dann seine Füsse denen des Weibchens gleich sind ?°. Diese Structur unterstützt ohne Zweifel das Männchen bei seinem eifrigen Suchen und Verfolgen des Weibchens. Bei unsern gewöhnlichen Was- sersalamandern (Triton punctatus und eristatus) entwickelt sich ein hoher, vielfach gezahnter Kamm dem Rücken und Schwanze des Männ- chens entlang während der Paarungszeit, welcher während des Winters Fie. 31. Triton eristatıs, halbe natürliche Grösse (nach Bell, British Reptiles). Obere Figur das Männchen während der Paarungszeit; untere Figur das Weibchen. wieder absorbirt wird. Wie mir Mr. Sr. GEorGE Mivarr mittheilt, ist der Kamm nieht mit Muskeln versehen und kann daher nicht zur Orts- bewegung benutzt werden. Da er während der Zeit der Brautwerbung mit hellen Farben gerändert wird, so lässt sich kaum zweifeln, dass er als eine männliche Zierath dient. Bei vielen Species bietet der 3 Bell. History of British Reptiles. 2. edit. 1849, p. 156—159. Cap. 12. Amphibien. 21 2 I) Körper stark contrastirende, wenn auch schmutzige Färbungen dar und diese werden während der Paarungszeit lebendiger. So ist z. B. das Männchen unseres gemeinen kleinen Wassersalamanders (Triton puncta- tus) „oben bräunlich-grau, was nach unten in Gelb übergeht, welches „im Frühling em saftiges helles Orange wird, überall mit runden dunk- „len Flecken gezeichnet.“ Der Rand des Kammes ist dann gleichfalls mit Hellroth oder Violett punktirt. Das Weibchen ist gewöhnlich von gelblich-brauner Farbe mit zerstreut stehenden braunen Flecken und, die untere Fläche ist häufig vollständig gleichfarbig °%. Die Jungen sind düster gefärbt. Die Eier werden während des Acts des Eierlegens befruchtet und werden in der Folge weder vom Vater noch von der Mutter weiter besorgt. Wir können daher schliessen, dass die Männ- chen ihre scharf gezeichneten Färbungen und ornamentalen Anhänge durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben, und dass diese dann entweder allein. auf die männlichen Nachkommen oder auf beide Ge- schlechter überliefert worden sind. Anura oder Batrachia. — Bei vielen Fröschen und Kröten dienen die Farben offenbar zum Schutze, wie es die hellgrünen Farben bei Laubfröschen und die düster gefleckten Zeiehnungen vieler auf der Erde lebenden Arten thun. Die am auffallendsten gefärbte Kröte, welche ich je gesehen habe, nämlich der Phryniscus nigricans *", war auf der ganzen oberen Fläche des Körpers so schwarz wie Tinte, während die Sohlen der Füsse und Theile des Abdomen mit dem hellsten Carmoisin gefleekt waren. Sie kroch auf den weiten, sandigen oder offenen Gras- ebenen von La Plata unter einer glühenden Sonne herum und musste den Blick jedes vorüberkommenden Wesens auf sich ziehen. Diese Farben können für die Kröte eine Wohlthat sein dadurch, dass sie allen Kaub- vögeln sofort anzeigen, dass dieselbe ein ekelerregender Bissen ist. Denn Jedermann weiss, dass diese Thiere eine giftige Absonderung von sich geben, welche den Mund eines Hundes zum Schäumen bringt, als hätte er einen Anfall von Wasserscheu. Ich war von den auffallenden Farben dieser Kröte um so mehr überrascht, als ich dicht dabei eine Bidechse fand (Proctotretus multimaculatus), welche, wenn sie erschreckt wurde, ihren Körper abplattete, ihre Augen schloss und dann mit Bell, 2. 3.0.p: 146, 151. 40 Zoology of the Voyage of the „Beagle“. 1843. Reptiles, bei Mr. Bell, p- 49. 29 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. ihren gefleckten Färbungen kaum von dem umgebenden Sande zu unter- scheiden war. Was geschlechtliche Verschiedenheiten betrifft, so kennt Dr. Gün- THER bei Fröschen und Kröten kein auffallendes Beispiel; doch kann er häufig das Männchen von dem Weibchen dadurch unterscheiden, dass die Färbung des ersteren ein wenig mehr intensiv ist. Auch kennt Dr. GÜNTHER keine auffallende Verschiedenheit in der äusseren Structur zwischen. den Geschlechtern mit Ausnahme der Vorsprünge, welche während der Paarungszeit an den Vorderbeinen des Männchens sich entwickeln und durch welche das Männchen befähigt wird, das Weib- chen zu halten. Das beste Beispiel eines gewissen Grades von Struetur- verschiedenheit zwischen den Geschlechtern bietet die Megalophrys montana*' dar (Fig. 32). Hier sind bei den Männchen die Nasenspitze und die Angenlider in dreieckige Hautzipfel ausgezogen und auf dem Rücken findet sich ein kleiner schwarzer Höcker, Merkmale, welche beim Weibehen fehlen oder nur schwach entwickelt sind. Es ist über- Fig. 32. Megalophrys montana. Die beiden linken Figuren stellen den Kopf des Männchens, die beiden rechten den des Weibchens dar. raschend, dass Frösche und Kröten nicht schärfer ausgesprochene ge- schlechtliche Verschiedenheiten erlangt haben; denn wenn sie auch kaltes Blut haben, so sind doch ihre Leidenschaften stark. Dr. Güx- THER theilt mir mit, dass er mehrere Male gefunden hat, wie eine un- glückliche weibliche Kröte durch eine zu dichte Umarmung von drei oder vier Männchen erstickt worden war. *! The Reptiles of India, by Dr. A. Günther. Ray Society. 1864, p. 413. = Cap. 12. Amphibien. — Reptilien. j 23 Es besitzen indessen diese Thiere eine interessante geschlechtliche Verschiedenheit, nämlich die sich nur im Besitze der Männchen be- findenden musikalischen Begabungen. Es scheint freilich mit Rücksicht auf unsern Kunstgeschmack ein unangebrachter Ausdruck zu sein, wenn man die dissonirenden und überwältigend lauten Töne, welche männliche Riesenfrösche und einige andere Species ausstossen, als Musik bezeichnet. Nichtsdestoweniger singen gewisse Frösche in einer entschieden gefälligen Weise. In der Nähe von Rio de Janeiro pflegte ich häufig am Abend dazusitzen und auf eine Anzahl kleiner Laubfrösche zu horchen, welche ‚auf den Grasflächen in der Nähe des Wassers sassen und liebliche zirpende Töne harmonisch erklingen liessen. Die verschiedenen Laute werden hauptsächlich von den Männchen während der Paarungszeit aus- gestossen, wie es auch der Fall mit dem Qualgn unserer gewöhnlichen Frösche ist. *? In Uebereinstimmung mit dieser Thatsache sind die Stimmorgane der Männchen viel höher entwickelt als die der Weib- chen. In einigen Gattungen sind nur die Männchen mit Säcken ver- sehen, welche sich in den Kehlkopf öffnen. *? So sind z. B. bei dem essbaren Frosche (Rana esculenta) „die Stimmsäcke den Männchen eigen- „thümlich und werden beim Acte des Quakens mit Luft gefüllte grosse „kugelige Blasen, welche an beiden Seiten des Halses in der Nähe der „Mundwinkel nach aussen hervorragen.* Der Ruf des Männchens wird hierdurch ausserordentlich kräftig gemacht, während der des Weibchens nur ein unbedeutendes, knurrendes Geräusch ist.** Die Stimmorgane weichen in ihrer Structur auch beträchtlich bei den verschiedenen Gat- tungen der Familie ab und ihre Entwickelung kann in allen Fällen geschlechtlicher Zuchtwahl zugeschrieben werden. Reptilien. Chelonia oder Schildkröten. — Meer- und Landschildkröten bieten keine gut ausgesprochenen geschlechtlichen Verschiedenheiten dar. Bei manchen Species ist der Schwanz des Männchens länger als der des Weibchens. Bei manchen ist das Plastron oder die untere Hälfte des Knochenpanzers beim Männchen unbedeutend concav in Beziehung zum Rücken des Weibchens. Das Männchen der Schlammschildkröte #2 Bell, History of British Reptiles. 1849, p. 93. 13 J. Bishop, in: Todd’s Cyclopaedia of Anatomy and Physiol. Vol. IV, p. 1503. # Bell, a. a. ©. p. 112—114. 94 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. der Vereinigten Staaten (Chrysemys pieta) hat an seinen Vorderfüssen Krallen, welche zweimal so lang. sind, wie diejenigen des Weibchens, und diese werden gebraucht, wenn sich die Geschlechter verbinden. + Bei den ungeheueren Schildkröten der Galapagosinseln (Testudo nigra) sollen, wie man sagt, die Männchen zu einer bedeutenderen Grösse her- anwachsen als die Weibchen. Während der Paarungszeit und zu keiner anderen bringt das Männchen ein heiseres, blasendes Geräusch hervor, welches in einer Entfernung von mehr als hundert Yards gehört wer- den kann; das Weibchen auf der andern Seite braucht seine Stimme niemals. +6 Grocodilia. — Die Geschlechter weichen, wie es scheint, in der Farbe nicht von einander ab; ich weiss auch nicht, dass die Männchen mit einander kämpfen, obschon dies wahrscheinlich ist. Denn manche Arten führen wunderbare Vorstellungen vor den Weibehen auf. Bar- TRAM #° beschreibt, dass der männliche Alligator bestrebt ist, sich das Weibchen dadureh zu gewinnen, dass er in der Mitte einer Lagune sich herumtummelt und brüllt. Dabei ist er „in einem Grade geschwollen, „dass er dem Platzen nahe ist; seinen Kopf und Schwanz in die Höhe „gehoben, dreht und treibt er sich auf der Oberfläche des Wassers „herum wie ein Indianerhäuptling, der seine Kriegstänze einstudirt.* Während der Paarungszeit geben die Unterkieferdrüsen des Crocodils einen moschusartigen Geruch von sich, der seine Wohnplätze durchzieht. *° Ophidia. — Ueber Schlangen habe ich nur wenig zu sagen. Dr. GünTHER theilt mir mit, dass die Männchen immer kleiner als die Weibchen sind und allgemein längere und schlankere Schwänze haben; er kennt aber keine andere Differenz ihrer äusseren Bildung. Was die Farbe betrifft, so kann Dr. GÜNTHER beinahe immer das Männchen vom Weibehen durch seine schärfer hervortretenden Färbungen unterscheiden. So ist das schwarze Ziekzackband auf dem Rücken der männlichen ägyptischen Viper deutlicher ausgedrückt als bei der weiblichen. Die Verschiedenheit ist bei den Klapperschlangen von Nordamerika noch viel deutlicher, deren Männchen, wie mir der Wärter im zoologischen 45 0. J. Maynard, in: The American Naturalist. Dec. 1869, p. 555. 16 3, mein Journal of Researches during the Voyage of the Beagle. 1845. p- 384. +? Travels throush Carolina ete. . 1791, p. 128. AR Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I, 1866, p. 615. Cap. 12. Reptilien: Schlangen. 25 Garten zeigte, augenblicklich von dem Weibchen dadurch unterschieden werden kann, dass es am Körper mehr schmutzig-gelb ist. In Süd- afrika bietet der Bucephalus capensis eine analoge Verschiedenheit dar, denn „das Weibchen ist niemals so vollkommen mit Gelb an den Seiten „gefleckt als das Männchen #%.* Auf der andern Seite ist das Männ- chen der indischen Dipsas cynodon schwärzlich braun mit einem zum Theil schwarzen Bauch, während das Weibchen röthlich oder gelblich- olivenfarben ist und einen entweder gleichförmig gelblichen oder mit Schwarz marmorirten Bauch hat. Bei Tragops dispar desselben Lan- des ist das Männchen hellgrün und das Weibchen bronzefarbig ?° Ohne Zweifel dienen die Farben einiger Schlangen zum Schutze, wie die grünen Färbungen der Baumschlangen und die verschieden gefleckten Färbungen der Species, welche an sandigen Orten leben. Es ist aber zweifelhaft, ob die Farben vieler Arten, so z. B. der gemeinen englischen Viper, dazu dienen, sie zu verbergen; und dies ist noch zweifelhafter bei den vielen ausländischen Arten, welehe mit äusserster Eleganz gefärbt sind. Während der Paarungszeit sind ihre analen Drüsen in lebhafter Funetion 51; dasselbe gilt für die gleichen Drüsen bei. den Eidechsen, wie wir es schon bei den Unterkieferdrüsen von Crocodilen gesehen haben. Da die Männchen der meisten Thiere die Weibehen aufsuchen, so dienen diese einen riechenden Stoff absondernden Drüsen wahrschein- lich ‚dazu, das Weibchen zu reizen oder zu bezaubern, und zwar hierzu viel eher, als dasselbe nach dem Orte hin zu leiten, wo das Männchen zu finden ist. 5 Trotzdem männliche Schlangen so träg zu sein schei- nen, sind sie doch verliebt; denn man hat schon viele Männchen um ein und dasselbe Weibehen herumkriechen sehen, ja selbst um den todten Körper eines Weibehens. Es ist nicht bekannt, dass sie aus Eifersucht mit einander kämpfen. Ihre intelleetuellen Kräfte sind höher, als sich hätte voraussetzen lassen. Ein ausgezeichneter Beobachter in Ceylon, 49 Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa. Reptilia. 1849, pl. X. 5° Dr. A. Günther, Reptiles of British India. Ray Society. 1864. p. 304, 308. 5! Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I. 1866, p. 615. 52 Der bekannte Botaniker Schleiden bemerkt gelegentlich (Ueber den Darwinismus in: „Unsere Zeit.“ 1869, S. 269), dass die Klapperschlangen ihre Klappern zu sexuellen Locktönen benutzen, durch welche sich die Geschlechter finden. Ich weiss nicht, ob diese Bemerkung auf directen Beobachtungen beruht. In den zoologischen Gärten paaren sich diese Schlangen. Die Wärter haben aber niemals beobachtet, dass sie in dieser Zeit ihre Klappern mehr benutzen als in einer andern. “ 6 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Mr. E. Layarp, ?% sah eine Cobra ihren Kopf durch eine enge Oeflnung stecken und eine Kröte verschlingen. „Mit dieser Last versehen, konnte „sie sich nicht wieder zurückziehen. Da sie dies einsah, brach sie mit „Bedauern den kostbaren Bissen wieder aus, welcher sich davonzumachen „begann. Dies war zu stark für die Philosophie einer Schlange; so „wurde denn die Kröte wieder ergriffen, und von Neuem war die „Schlange nach heftigen Anstrengungen, sich zurückzuziehen, dazu ge- „zwungen, ihre Beute wieder von sich zu geben. Diesmal hatte sie „aber etwas gelernt, und nun wurde die Kröte an den Beinen ergriffen, „zurückgezogen und dann im Triumph verschlungen. * Es scheint indessen daraus, dass die Schlangen ein gewisses Ver- mögen der Ueberlegung und lebendige Leidenschaften besitzen, nicht zu folgen, dass sie auch mit hinreichendem Geschmacke begabt sein sollten, brillante Färbungen bei ihren Genossen in einer Weise zu bewundern, dass hierdurch die Speeies mittelst geschlechtlicher Zuehtwahl ver- schönt worden sein könnte. Trotzdem ist es schwierig, auf irgend eine andere Weise die ausserordentliche Schönheit gewisser Species zu er- klären, so z. B. die der Corallenscehlangen von Amerika, welche intensiv roth sind mit schwarzen und gelben Querbändern. Ich erinnere mich noch sehr wohl, wie überrascht ich war, als ich die Schönheit der ersten Corallenschlange vor mir hatte, welche ich quer übet einen Pfad in Brasilien gleiten sah. Schlangen, in dieser eigenthümlichen Weise gefärbt, werden, wie Mr. WarracE auf die Autorität von Dr. Gün- THER gestützt angibt, ?* nirgends anders auf der ganzen Erde als in Südamerika gefunden, und hier kommen nicht weniger als vier Gat- tungen vor. Eine von diesen ist giftig (Elaps) eine zweite und weit davon verschiedene Gattung ist zweifelhaft giftig und die beiden andern sind vollständig: harmlos. Die zu diesen verschiedenen Gattungen ge- hörigen Arten bewohnen dieselben Bezirke und sind einander so ähn- lich, dass Niemand „als ein Naturforscher die harmlosen von den gif- „tigen Arten unterscheiden kann.“ Es haben daher, wie Mr. WALLACE glaubt, die unschädlichen Arten ihre Farben als ein Schutzmittel nach dem Prineipe der Nachäffung erhalten, denn ihre Feinde werden sie dieses Umstandes wegen für gefährlich halten. Indessen bleibt die Ursache der glänzenden Farben der giftigen Elaps hiernach unerklärt, man könnte sie vielleicht aus geschlechtlicher Zuchtwahl erklären. 53 Rambles in Ceylon in: Ann. and Magaz. of Natur. Hist. 2. Ser. Vol. IX. 1852, p. 333. 54 Westminster Review, 1. July, 1867, p. 32. Cap. 12. Reptilien: Eidechsen. 27 Lacertilia. — Die Männchen von manchen und wahrscheinlich von vielen Arten von Eidechsen kämpfen aus Eifersucht mit einander. So ist die auf Bäumen lebende Anolis cristatellus von Südamerika ausserordentlich kampflustig. „Während des Frühjahrs und des ersten „Theils des Sommers begegnen sich nur selten zwei Männchen, ohne „in einen Kampf zu gerathen. Wenn sie einander zuerst erblicken, „so nicken sie drei oder vier Mal mit ihrem Kopfe auf und nieder und „breiten zu derselben Zeit den Kragen oder die Tasche unterhalb ihrer „Kehle aus. Ihre Augen glänzen vor Wuth und nachdem sie ihre „Schwänze einige Secunden lang hin und her geschwungen haben, als „wollten sie sich Energie sammeln, stürzen sie wüthend auf einander „los, rollen sich kopfüber über eimander und halten sich mit ihren „Zähnen fest. Der Kampf endet meist damit, dass einer der Kämpfer „seinen Schwanz verliert, welcher dann häufig von dem Sieger verzehrt „wird.“ Das Männchen dieser Species ist beträchtlich grösser als das Weibchen °°, und soweit Dr. GÜNTHER im Stande gewesen ist es nach- zuweisen, ist dies bei Eidechsen aller Arten die allgemeine Regel. Die Geschlechter weichen oft bedeutend in verschiedenen äusseren Merkmalen von einander ab. Das Männchen der obenerwähnten Anolis ist mit einem Kamme versehen, welcher dem Rücken und Schwanze ent- lang läuft und nach Belieben aufgerichtet werden kann; aber das Weib- chen zeigt von diesem Kamme auch nicht eine Spur. Bei der indischen Cophotis ceylanica besitzt das Weibchen einen Rückenkamm, doch viel weniger entwickelt als beim Männchen, und dasselbe ist, wie mir Dr. GÜNTHER mittheilt, bei den Weibchen vieler Iyuana, Chamaeleon und anderer Eidechsen der Fall. -Bei einigen Species ist indessen der Kamm in beiden Geschlechtern gleiehmässig entwickelt,, so bei der Iyuana tuberculata. Bei der Gattung Sitana sind allein die Männchen mit einer grossen Kehltasche (Fig. 33) versehen, welche wie ein Fächer auseinandergefaltet werden kann und blauschwarz und roth gefärbt ist. Diese glänzenden Farben bietet dieselbe aber nur während der Paarungs- zeit dar. Das Weibchen besitzt auch nicht ein Rudiment dieses An- hangs. Bei Anolis cristatellus ist der Angabe von Mr. AUSTEN zu- folge derselbe, wenn auch in einem rudimentären Zustande, beim Weib- chen vorhanden und hellroth mit Gelb marmorirt. Ferner sind bei gewissen andern Eidechsen beide Geschlechter in gleicher Weise mit 5 Mr. N.L. Austen hat diese Thiere lange Zeit lebendig gehalten. s. Land and Water, July, 1867, p. 9. 28 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. Kehlsäcken versehen. Hier sehen wir, wie in vielen früher erörterten Fällen, bei Species, welche zu derselben Gruppe gehören, den näm- lichen Character auf die Männchen be- schränkt oder bei den Männchen bedeuten- der entwickelt als bei den Weibchen oder auch in beiden Geschlechtern gleichmässig entwickelt. Die kleinen Eidechsen der Gattung Draco, welche auf ihren von Rippen unterstützten Fallschirmen durch die Luft gleiten und welche in Bezug auf Fig. 33. Sitana minor. Männehen mit je Schönheit ihrer Färbung jeder Beschrei- entfaltetem Kehlsacke (nach Gün- ther's Reptiles of India). bung spotten, sind mit Hautanhängen an ihren Kehlen versehen, „ähnlich den Fleischlappen der hühnerartigen „Vögel.“ Diese werden aufgerichtet, wenn das Thier gereizt wird. Sie kommen in beiden Geschlechtern vor, sind aber am besten bei dem Männchen entwickelt, wenn es zur Reife ‚gelangt, in welchem Alter der mittlere Anhang zuweilen zweimal so lang als der Kopf wird. Die meisten dieser Species haben gleichfalls einen niedrigen Kamm dem Rücken entlang laufend, und dieser ist bei den völlig erwachsenen Männchen viel ‚mehr entwickelt als bei den Weibchen oder jungen Männchen °®. Es sind noch andere und viel merkwürdigere Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern gewisser Eidechsen vorhanden. Das Männ- chen von Ceratophora aspera trägt an der Spitze seiner Schnauze einen Anhang, der halb so lang als der Kopf ist. Er ist eylindrisch, mit Schuppen bedeckt, biegssam und wie es scheint einer Erection fähig ; beim Weibchen ist er vollständig rudimentär. Bei einer zweiten Spe- eies der nämlichen Gattung bildet eine endständige Schuppe ein kleines Horn auf der Spitze des biegsamen Anhangs und bei einer dritten Species (C. Stoddarti, Fig. 34) ist der ganze Anhang in eim Horn umgewandelt, welches gewöhnlich von weisser Farbe ist, aber wenn das Thier gereizt wird eine purpurähnliche Färbung erlangt. Beim erwachsenen Männchen dieser letzteren Species ist das Horn einen halben Zoll lang; aber beim Weibchen und den Jungen ist es von 56 Alle diese Angaben und Citate in Bezug auf Uophotis, Sitana und Draco, ebenso die folgenden Thatsachen in Bezug auf Üeratophora sind dem prehtvollen Werke Dr. Günther’s Reptiles of British India, Ray Society, 1564, p. 122, 150, 135, entnommen. \, 4 ) Da 4:1: in * "7 » \ Cap. 12. Reptilien: Eidechsen. 29 einer äusserst geringen Grösse. Dieser Anhang lässt sich, wie Dr. GÜNTHER gegen mich bemerkt hat, mit den Kämmen hühnerartiger Vögel vergleichen und dient, wie es den Anschein hat, als Zierath. Bei der Gattung Chamaeleon kommen wir zu dem höchsten Grade von Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern. Der obere Theil des Schädels des männlichen Chamaueleon bi- fureus (Fig. 35), eines Bewohners von Mada- gascar, ist im zwei grosse solide knöcherne Vorsprünge ausgezogen, welche mit Schuppen bedeckt sind wie der übrige Kopf, und von dieser wunderbaren Moldification der Bildung besitzt das Weibchen nur ein Rudiment. Ferner trägt bei Chamaeleon Owenü, (Fig. 36), von Fig. 34. Ceratophora Stoddartii. Obere Figur das Männchen, der Westküste von Africa, das Männchen an untere Figur das Weibchen. seiner Schnauze nnd dem Vorderkopfe drei merkwürdige Hörner, von welchen das Weib- chen nicht eine Spur hat. Diese Hörner be- stehen aus einem Kno- chenauswuchs, welcher mit einer glatten, einen Theil der allgemeinen Körperbedeckungen bildenden Scheide über- zogen ist, so dass sie ihrer Structur nach identisch mit den Hör- nern eines Ochsen, ‚ei- ner Ziege oder anderer scheidenhörniger Wie- derkäuer sind. Ob- gleich diese drei Hör- Chamaeleon bifureus. Obere Figur das Männchen, untere lig. 35. ner in ihrer Erschei- Figur das: Weibehen. nung so bedeutend von den beiden grossen Verlängerungen des Schädels bei Chamaeleon. bifurcus verschieden sind, so lässt sich doch kaum 30 Geschlechtliche Zuchtwahl. II. Theil. zweifeln, dass sie in der Lebensgeschichte dieser beiden Thiere dem- selben allgemeinen Zwecke dienen. Die erste Vermuthung, welche wohl einem Jeden entgegentreten wird, ist, dass sie von den Männchen, wenn sie mit einander kämpfen, benutzt werden. Dr. GÜNTHER aber, welchem ich wegen der vorstehenden Details zu Dank verbunden bin, glaubt nicht, dass solche friedliebende Thiere jemals kampfsüchtig werden dürften ; wir werden daher zu der Annahme getrieben, dass diese monströsen en ee un a Abweichungen der Bildung nur Männchen, untere Figur das Weibchen. als männliche Zierathen dienen. Bei vielen Arten von Eidechen weichen die Geschlechter unbedeu- tend in der Farbe, den Schattirungen und Streifen von einander ab, welche bei den Männchen heller und deutlicher abgegrenzt sind als bei den Weibchen. Dies ist z. B. mit den vorhin erwähnten Cophotis und dem Acanthodactylus capensis von Südafrika der Fall. Bei einem Cordylus des letzterwähnten Landes ist das Männchen entweder viel röther oder viel grüner als das Weibchen. Bei den indischen Calotes ‚nigrilabris besteht eine grössere Verschiedenheit in der Farbe zwischen den Geschlechtern, auch sind die Lippen des Mänpchens schwarz, wäh- rend die des Weibchens grün sind. Bei unserer kleinen, lebendig ge- bärenden Eidechse (Zootoca vivipara) ist „die untere Seite des Körpers „und die Basis des Schwanzes beim Männchen hell orange mit Schwarz „gefleckt; beim Männchen sind diese Theile blass-gräulich-grün ohne „Flecke 57.“ Wir haben gesehen, dass allein die Männchen bei Sitana einen Kehlsack besitzen, und dieser ist in einer glänzenden Weise mit Schwarz, Blauschwarz und Roth gefärbt. Bei dem’ Proctotretus tenuis von Chile ist nur das Männchen mit Flecken vou Blaugrün und Kupfrig- roth gezeichnet 58. Ich sammelte in Südamerika vierzehn Species dieser 5” Bell, History of British Reptiles. 2. edit. 1849, p. 40. 58 In Bezug auf Proctotretus s. Zoology of the Voyage of the „Beagle“. Reptiles by Mr. Bell, p. 8. Wegen der Eidechsen von Süd-Africa s. Zoology of South Africa: Reptiles by Sir Andrew Smith, pl. 26 und 39. Wegen des indischen Calotes s. Günther, Reptiles of British India, p. 143. Cap. 12. Reptilien: Eidechsen. 31 Gattung, und trotzdem ich es vernachlässigte die Geschlechter zu be- zeichnen, beobachtete ich doch, dass nur gewisse Individuen mit sma- ragdähnlichen grünen Flecken gezeichnet waren, während andere orange gefärbte Kehlen hatten; und diese waren in beiden Fällen ohne Zweifel die Männchen. In den vorher erwähnten Species sind nur die Männchen heller sefärbt als die Weibehen, aber bei vielen Eidechsen sind beide Ge- schleehter in einer und derselben eleganten oder selbst prächtigen Weise gefärbt, und es ist kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass solche auffallende Färbungen zum Schutze dienen. Bei einigen Eidechsen indessen dienen die grünen Färbungen ohne Zweifel zum Verbergen und ein Bei- spiel ist bereits beiläufig von einer Species von Proctotretus angeführt worden, welche dem Sande, auf dem sie lebt, äusserst ähnlich ist. Im Ganzen können wir mit ziemlicher Sicherheit schliessen, dass sowohl die schönen Färbungen vieler Eidechsen als auch verschiedene Anhänge und andere fremdartige Modificationen der Bildung von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke einer Verzierung erlangt und entweder allein auf die männlichen Nachkommen oder auf beide Ge- schlechter überliefert worden sind. In der That scheint geschlechtliche ‚Zuchtwahl bei Reptilien eine fast ebenso bedeutungsvolle Rolle gespielt zu haben als bei Vögeln. Aber die weniger auffallenden Färbungen der Weibchen im Vergleich mit denen der Männchen können, wie Mr. WarracE bei Vögeln thun zu können glaubt, nicht dadurch erklärt werden, dass die Weibchen während der Brütezeit Gefahren ausge- setzt sind. 5 Dreizehntes Gapitel. Secundäre Sexualcharactere der Vögel. Geschlechtliche Verschiedenheiten. — Gesetz des Kampfes. — Specielle Waffen. — Stimmorgane. — Instrumentalmusik. — Liebesgeberden und Tänze. — Per- manenter und an die Jahreszeit gebundener Schmuck. — Doppelte und ein- fache jährliche Mauser. — Entfaltung der Ornamente seitens der Männchen. Secundäre Sexualcharactere sind bei Vögeln von grösserer Mannich- faltigkeit und auffallender, wenn sie auch vielleicht keine bedeuten- deren Veränderungen in der Structur mit sich bringen, als in irgend einer andern Classe des Thierreiches. Ich werde daher den Gegen- stand in ziemlicher Ausführlichkeit behandeln. Zuweilen, wenn auch selten, besitzen männliche Vögel specielle Waffen zum Kampfe mit ein- ander. Sie bestricken die Weibchen durch vocale und instrumentale Musik der mannichfaltigsten Arten. Sie sind mit allen Arten von Kämmen, Fleischlappen, Protuberanzen, Hörnern, von Luft ausdehnbaren Säcken, Federstützen, nackten Federschäften, Schmuckfedern und andern verlängerten Federn, die graziös von allen Theilen des Körpers ent- springen, verziert. Der Schnabel und die nackte Haut um den ‘Kopf herum und die Federn sind oft prächtig gefärbt. Die Männchen machen den Weibchen zuweilen den Hof durch Tanzen oder durch ‘Ausführung fremdartiger Gesten, entweder auf dem Boden oder in der Luft. Min- destens in einem Falle sendet das Männchen einen moschusartigen Ge- ruch aus, von dem man wohl vermuthen kann, dass er für das Weib- chen als Reiz- oder Liebesmittel dient; denn jener ausgezeichnete Be- obachter, Mr. Ramsay !, sagt von der australischen Moschusente (Bi- ziura lobata), dass „der Geruch, welchen das Männchen während der „Sommermonate aussendet, auf dieses Geschlecht beschränkt ist und „bei einigen Individuen während des ganzen Jahres abgesondert wird. „Ich habe niemals, selbst in der Paarungszeit, ein Weibchen geschos- „sen, welches irgendwelchen Geruch nach Moschus gezeigt hätte.“ U Ibis. New Ser. Vol. IH. 1867, p. 414. Cap. 13. Vögel. | 33 E% Dieser Geruch ist so stark während der Paarungszeit, dass er lange ehe der Vogel zu sehen ist, wahrgenommen werden kann ?. Im Ganzen scheinen die Vögel unter allen Thieren die ästhetischsten zu sein, na- türlieh mit Ausnahme des Menschen, und sie haben auch nahezu den- selben Geschmack für das Schöne wie wir haben. Dies zeigt sich darin, dass wir uns über den Gesang der Vögel freuen und dass unsere Frauen, sowohl die eivilisirten als die wilden, ihre Köpfe mit erborgten Federn schmücken und Edelsteine zur Zierde benutzen, welche kaum brillanter gefärbt sind als die nackte Haut und die Fleischlappen gewisser Vögel. Ehe wir von den Characteren handeln, mit denen wir es hier ganz besonders zu thun haben, will ich nur eben gewisse Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern anführen, welche dem Anscheine nach von Verschiedenheiten in ihren Lebensweisen abhängen; denn wenn auch derartige Fälle bei den niederen Classen häufig sind, so sind sie doch bei den höheren selten. Zwei Kolibris, die zu der Gattung Eustephanus gehören und die Insel Juan Fernandez bewohnen, wurden lange Zeit für specifisch verschieden gehalten; wie mir aber Mr. GouLp mittheilt, weiss man jetzt, dass es die beiden Geschlechter einer und derselben Species sind, und in der Form ihres Schnabels weichen sie nur unbedeutend von einander ab. Bei einer andern Gattung von Kolibris (Grypus) ist der Schnabel des Männchens dem Rande entlang gesägt und an seiner Spitze hakenför- mig gekrümmt, wodurch er von dem des Weibehens bedeutend abweicht. Bei der merkwürdigen Neomorpha von Neuseeland besteht eine noch größsere Verschiedenheit in der Form des Schnabels, und Mr. GouLp hat in Erfahrung gebracht, dass das Männchen mit „seinem geraden „und kräftigen Schnabel“ die Rinde von Bäumen abzerrt, damit das Weibchen mit seinem schwächeren und mehr gekrümmten Schnabel sich von den nun unbedeckt daliegenden Larven nähren könne. Etwas ganz Aehnliches lässt sich bei unserem Stieglitze (Carduelis elegans) beobach- ten, denn wie mir Mr. JENxer Weir versichert, können die Vogel- fänger die Männchen an ihrem unbedeutend längeren Schnabel erkennen. Wie ein alter und zuverlässiger Vogelfänger behauptet hat, findet man Schaaren von Männchen sich von den Samen der Weberkarden (Dipsa- cus) nähren, welche sie mit ihrem verlängerten Schnabel erreichen kön- nen, während die Weibchen sich häufiger von den Samen der Serophu- laria ernähren. Nimmt man eine unbedeutende Verschiedenheit dieser * Gould, Handbook to the Birds of Australia. 1865. Vol. II, p. 383. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 69) f Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Art als Ausgangspunkt an, so lässt sich’ sehen, wie die Schnäbel der beiden Geschlechter durch natürliche Zuchtwahl zu einer bedeutenden Verschiedenheit gebracht werden können. Es ist indessen in allen die- sen Fällen und besonders bei den zanksüchtigen Kolibris möglich, dass die Verschiedenheiten in den Schnäbeln zuerst von den Männchen in Bezieliung auf ihre Kämpfe erlangt worden sind und später zu unbe- deutenden Aenderungen der ‚Lebensweise geführt haben. Gesetz des Kampfes. — Fast alle männlichen Vögel sind äusserst kampfsüchtig und brauchen ihren Schnabel, ihre Flügel und Beine, um mit einander zu kämpfen. Wir sehen dies alle Frühjahre bei unsern Rothkehlehen und Sperlingen. Der kleinste von allen Vö- seln, nämlich der Kolibri, ist einer der zanksüchtigsten. Mr. Gosse ’ beschreibt einen solchen Kampf, in welchem ein paar Kolibris sich an ihren Schnäbeln fassten und sich beständig rund herumdrehten, bis sie fast auf den Boden fielen; und Mr. Montes DE Oca spricht von einer andern Gattung und erzählt, dass sich selten zwei Männchen begegnen ohne eimen sehr heftigen in der Luft ausgekämpften Streit. Werden sie in Käfigen gehalten, so „endet ihr Kampf meistens damit, dass die „Zunge des einen von Beiden aufgeschlitzt wird, welcher dann sicher- „lich, weil er unfähig ist sich zu ernähren, stirbt“ *. Unter den Wad- vögeln kämpfen die Männchen des gemeinen Wasserhuhns (Gallinula chloropus) „zur Paarungszeit heftig um die Weibchen. Sie stehen fast „aufrecht im Wasser und schlagen mit ihren Füssen.“ Man hat ge- sehen, dass zwei Hähne eine halbe Stunde lang sich in dieser Weise bekämpften, bis einer den Kopf des andern zu fassen bekam, welcher entschieden getödtet worden wäre, wenn nicht der Beobachter einge- schritten wäre. Das Weibchen sieht während der ganzen Zeit als ruhiger Zuschauer zu ?”. Die Männchen eines verwandten Vogels (Gall- crex cristatus) sind, wie mir Mr. Bryr# mittheilt, ein Drittel grösser als die Weibchen und sind während der Paarungszeit so kampfsüchtig, dass sie von den Eingeborenen des östlichen Bengalen zu Kämpfen ge- halten werden. In Indien werden verschiedene andere Vögel zu dem- selben Zwecke gehalten, z. B. die Bulbuls (Pyenonotus haemorrhous), welche „mit grossem Elan kämpfen“ ®. ‚3 Citirt von Gou ld, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 29. Gm uld, 2. a. 0.,p. 22. 5 W. Thompson, Natur. Hist. of Ireland: Birds. Vol. II. 1850, p. 327. %$ Jerdon, Birds of India. 1863. Vol. IL, p. 96. . Cap. 15. (Gesetz des Kampfes. E ”% 35 Der polygame Kampfläufer (Machetes pugnax, Pig. 37) ist wegen seiner ausserordentlichen Kampfsucht bekannt; im Frühlinge ver- sammeln sich die Männchen, welche beträchtlich grösser sind als die Weibchen, Tag für Tag an bestimmten Flecken, wo die Weibehen ihre Bier zu legen beabsichtigen. Die Hühnerjäger entdecken diese Flecke Fig. 37. Der Kampfläufer oder Machetes pugnax (aus Brehm, Thierleben). daran, dass der Rasen in einem geringen Grade niedergetreten ist. Hier kämpfen diese Läufer in einer den Kampfhähnen sehr ähnlichen Weise, ergreifen-einander mit ihren Schnäbeln und schlagen sich mit ihren Flügeln. Der runde Federkragen rund um ihren Hals wird dann auf- 3*+ 36 * Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. gerichtet und dient der Angabe des Colonel Monrasu zufolge den Thieren wie ein Schild, um „auf dem Boden hinstreichend die zarteren Theile „zu schützen“. Dies ist auch das einzige mir bekannte Beispiel bei Vögeln von irgend einer Bildung, welche als ein Schild dient. Indessen dient dieser Federkragen wegen seiner verschiedenartigen reichen Fär- bungen wahrscheinlich zum hauptsächliehsten Theil zur Zierde. Wie die meisten kampfsüchtigen Vögel scheinen sie jederzeit zum Kampfe bereit zu sein und wenn sie in enger Gefangenschaft mit einander leben, tödten sie sich oft. Montasu beobachtete aber, dass ihre Kampflust während des Frühjahrs grösser wird, wenn die langen Federn an ihrem Halse vollständig entwickelt sind; und zu dieser Zeit ruft die geringste Bewegung von irgend einem Vogel einen allgemeinen Kampf hervor ?. Für die. Kampflust der mit Schwimmfüssen versehenen Vögel werden zwei Beispiele genügen. In Guyana „kommen blutige Kämpfe zur „Paarungszeit zwischen den Männchen der wilden Moschusente (Cairina „moschata) vor, und da wo diese Kämpfe gefochten worden sind,” ist „der Fluss eine Strecke lang mit Federn bedeckt“ ®. Selbst Vögel, welche für einen Kampf nur schlecht ausgerüstet zu sein scheinen, be- ginnen heftige Kämpfe. So treiben unter den Pelikanen die stärkeren Männchen stets die schwächeren fort, schnappen nach ihnen mit ihrem grossen Schnabel und geben ihnen heftige Schläge mit ihren Flügeln. Männliche Schnepfen kämpfen zusammen, „stossen und treiben einander „mit ihren Schnäbeln in einer Weise, wie sie merkwürdiger kaum ge- „dacht werden kann“. Von einigen Arten glaubt man, dass sie nie- mals kämpfen. Dies ist nach Aupupoxn mit einem der Spechte der Vereinigten Staaten (Picus auratus) der Fall, obgleich „die Weibchen „von einer Anzahl, bis zu einem halben Dutzend, ihrer muntern Lieb- „haber verfolgt werden“ 9. Die Männchen vieler Vögel sind grösser als die Weibchen, und dies ist ohne Zweifel ein Vortheil für sie bei Kämpfen mit ihren Ne- benbuhlern und ist durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden. Die Grössenverschiedenheiten zwischen den beiden Geschlechtern ist bei eini- gen australischen Species bis zu einem ganz extremen Grade geführt * Macgillivray, History of British Birds. Vol. IV. 1852, p. 177—181. ®Sir R. Schomburgk, in: Journal of R. Geograph. Soc. Vol. XII. 1843, p. 31. ° Ornithological Biography. Vol. I, p. 191. Wegen der Pelikane und Schnepfen s. ebenda. Vol. III, p. 381, 477. Cap. 13. Gesetz des Kampfes. 37 worden. So sind die Männchen der Moschusente (Biziura) und die “Männchen von Cineloramphus cruralis (mit unserem Steinschmätzer verwandt) der wirklichen Messung nach factisch zweimal so gross als ihre beziehentlichen Weibchen !%. Bei vielen andern Vögeln sind die Weibchen grösser als die Männchen und, wie früher bereits bemerkt wurde, ist die häufig hierfür angeführte Erklärung, dass nämlich die Weibehen beim Aufziehen der Jungen die meiste Arbeit haben, nicht hinreichend. < In einigen wenigen Fällen haben, wie wir späterhin noch sehen werden, die Weibchen allem Anscheine nach ihre bedeutendere Grösse und Kraft deshalb erlangt, um andere Weibchen besiegen und in den Besitz der Männchen gelangen zu können. Die Männchen vieler hühnerartigen Vögel, besonders der polygamen Arten, sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern versehen , nämlich mit Spornen, welche mit einer fürchterlichen Wir- kung benutzt werden können. Ein zuverlässiger Schriftsteller hat be- richtet !!, dass in Derbyshire ein Habicht auf eine Kampfhenne, welche in Begleitung ihrer Küchlein war, stiess, worauf der Hahn zu ihrem Entsatze herbeieilte und seinen Sporn gerade durch das Auge und den Schädel des Angreifers hindurchschlug. Der Sporn war nur mit Schwie- rigkeit aus dem Schädel herauszuziehen, und da der Habicht, trotzdem er todt war, seinen Griff festhielt, waren die beiden Vögel fest in ein- ander verbissen. Doch war der Hahn, als er freigemacht wurde, nur wenig verletzt. Der unbesiegliche Muth der Kampfhähne ist ja be- kannt. Ein Herr, welcher vor langer Zeit die folgende brutale Scene beobachtete, erzählte mir, dass ein Vogel durch irgend einen Zufall in dem Hühnerstalle ein Bein gebrochen hatte, und der Besitzer wagte eine Wette dafür, dass wenn das Bein geschient werden könnte, so dass der Vogel nur aufrecht stehen könne, er zu kämpfen fortfahren würde. Dies wurde auf der Stelle ausgeführt und der Vogel kämpfte mit unbezähmtem Muthe so lange, bis er seinen Todesstreich erhielt. In Ceylon kämpft eine nahe verwandte wilde Art, der Gallus Stanleyi, bekanntlich ganz verzweifelt „in der Vertheidigung. seines Serails*, so dass einer der Kämpfenden häufig todt gefunden wird !?. Ein indisches Rebhuhn (Ortygornis qularis), dessen Männchen mit starken und schar- fen Spornen versehen ist, ist so streitsüchtig, „dass die Narben von 1° Gould, Handbook of Birds of Australia. Vol. I, p. 395. Vol. II, p. 383. !EMr. Hewitt, in dem: Poultry Book by Tegetmeyer. 1866, p. 137. I2 Layard, in: Ann. and Magaz. of Nat. Hist. Vol. XIV. 1854, p. 63. 38 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. „früheren Kämpfen die Brust von beinahe jedem Vogel, den man tödtet, entstellen“ 13. - Die Männchen beinahe aller hühnerartigen Vögel, selbst derjenigen welche nicht mit Spornen versehen sind, werden während der Paarungs- zeit in heftige Kämpfe verwickelt. Der Auerhahn und das Birkhuhn (Tetrao urogallus und T. tetrix), welehe beide polygam leben, haben regelmässig bestimmte Plätze, wo sie viele Wochen hindurch sich in grosser Anzahl versammeln um mit einander zu kämpfen und vor den Weibchen ihre Reize zu entfalten. Mr. W. Kowarevsky theilt mir mit, dass er in Russland auf den Plätzen, wo der Auerhahn gefochten hat, den Schnee ganz blutig fand, und die Birkhühner „lassen die Fe- „dern in allen Richtungen hinfliegen“, wenn mehrere „in einem könig- „lichen Kampfe engagirt“ sind. Der ältere Brenn gibt einen anziehen- den Bericht über die Balze, wie dieser Liebestanz und Liebesgesang des Birkhuhns genannt wird. Der Vogel stösst beinahe beständig die fremdartigsten Laute aus. „Vor dem Kollern hält er den Schwanz „senkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an „welchen alle Federn gesträubt sind, in die Höhe und trägt die Flügel „vom Leibe ab und gesenkt. Dann thut er einige Sprünge hin und „her, zuweilen im Kreise herum und drückt endlich den Unterschnabel „so tief auf die Erde, dass er sich die Kinnfedern abreibt. Bei allen „diesen Bewegungen schlägt er mit den Flügeln und dreht sich um „sich selber herum. Je hitziger er wird, um so lebhafter geberdet er „sich, und schliesslich meint man, dass man einen Wahnsinnigen oder „Tollen vor sich habe.“ Zu solchen Zeiten werden die Birkhühner so von ihrem Gegenstande absorbirt, dass sie fast blind und taub werden, indess in einem geringeren Grade als der Auerhahn. In Folge dessen lässt sich ein Vogel nach dem andern an dem nämlichen Orte schiessen oder selbst mit der Hand fangen. Nachdem die Männchen diese Sce- nen aufgeführt haben, beginnen sie mit einander zu kämpfen, und ein und derselbe Birkhahn wird, um seine Stärke über mehrere Gegner zu beweisen, mehrere Balzplätze an einem Morgen besuchen, welche in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren immer dieselben bleiben '#, Der Pfauhahn erscheint mit seiner langen Sehwanzschleppe mehr 7 13 Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 574. '4 Brehm, Illustrirtes Thierleben. 1867. Bd. 4, S. 351. Einige der oben mitgetheilten Angaben sind entnommen aus L. Lloyd, The Game Birds of Swe- den etc. 1367, p. 79. Cap. 13. Gesetz des Kampfes. | 39 wie ein Stutzer als ein Krieger, doch tritt auch er zuweilen in heftige Kämpfe ein. Mr. W. Darwın Fox theilt mir mit, dass zwei Pfau- hähne, während sie in einer geringen Entfernung von Chester mit ein- ander kämpften, so aufgeregt wurden, dass sie über die ganze Stadt hinweg immer noch kämpfend flogen, bis sie sich auf der Spitze von St. John’s Thurn niederliessen. Der Sporn ist bei denjenigen hühnerartigen Vögeln, welche damit versehen sind, im Allgemeinen einfach, aber Polyplectron (s. Fig: 51 S. 77) hat zwei oder selbst mehr an einem Beine, und es ist beobachtet wor- den, dass einer der Blutfasane (Ithaginis eruenlus) fünf Sporne hatte. Die Sporne sind allgemein auf das Männchen beschränkt und werden beim Weibchen durch blosse Höcker oder Rudimente repräsentirt; doch besitzen die Weibchen des javanischen Pfaus (Pavo muticus) und, wie mir Mr. Bryra mittheilt, die Weibchen des kleinen rothrückigen Fa- sans (Euplocamus erythrophthalmus) Sporne. Bei Galloperdix .ist es gewöhnlich, dass das Männchen zwei Sporne und das Weibchen nur einen Sporn an jedem Beine hat '’., Man kann daher die Sporne ge- trost als einen männlichen Character ansehen, obgleich sie gelegentlich in grösserem oder geringerem Grade auf die Weibchen übertragen sind. Wie die meisten andern secundären Sexualcharactere sind die Sporne äusserst variabel sowohl in ihrer Zahl als in ihrer Entwickelung bei einer und derselben Species. ' Verschiedene Vögel haben Sporme an ihren Flügeln. Aber die ägyptische Gans (Chenalopex aegyptiacus) hat nur nackte, stumpfe Höcker, und dies zeigt uns wahrscheinlich die erste Stufe, aus welcher echte Sporne sich bei andern verwandten Vögeln entwiekelt haben. Bei der spornflügeligen Gans (Plectropterus gambensis) haben die Männchen viel grössere Sporne als die Weibehen und sie benutzen dieselben, wie mir Mr. BartLeIT mittheilt, bei ihren Kämpfen unter einander, so dass in diesem Falle die Flügelspornen als geschlechtliche Waffen dienen; aber der Angabe Livinestoxe’s zufolge werden sie hauptsächlich bei der Vertheidigung der Jungen gebraucht. Die Palamedea (Fig. 38) ist mit einem Paare Spornen an jedem Flügel bewaffnet und diese sind so fürchterliche Waffen, dass ein einziger Schlag damit einen Hund heu- lend davongetrieben hat. Dem Anscheine nach sind aber in diesem Falle oder auch bei den mit Spornen an den Flügeln versehenen Rallen “5 Jerdon, Birds of India: über Ithaginis. Vol. III, p. 523, über Gallo- perdix, p. 541, i 40 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. lI. Theil. die Sporne beim Männchen nicht grösser als beim Weibchen !6. Bei gewissen Regenpfeifern müssen indessen die Flügelsporne als ein ge- Fig. 38. Palamedea eornuta (aus Brehm, Thierleben). Man beachte die doppelten Flügelsporne und den Fadenanhang am Kopf. schlechtlicher Character betrachtet werden. So wird der Höcker an der Flügelschulter beim Männchen unseres gemeinen Kibitzes (Vanellus eri- status) während der Paarungszeit vorragender, und es ist bekannt, dass '6 In Bezug auf die ägyptische Gans s. Macgillivray, British Birds. Vol. IV, p. 639. Wegen Plectropterus s. Livingstone, Travels. p. 254. Wegen Palamedea s. Brehm’s Thierleben. Bd. 4, S. 740. s. über diesen Vogel auch Azara, Voyages dans l’Amerique meridion. Tom. IV. 1809. p. 179, 253. Cap. 13. Gesetz des Kampfes. 4 die Männchen mit einander kämpfen. Bei einigen Species von Lobivanellus entwickelt sich während der Paarungszeit ein ähnlicher Höcker „zu einem „kurzen hornigen Sporne“. Beim australischen Z. lobatus haben beide Ge- schlechter Sporne, aber dieselben sind bei den Männchen viel grösser als bei den Weibchen. Bei einem verwandten Vogel, dem Hoplopterus ar- matus, nehmen die Sporne während der Paarungszeit nicht zu, aber man hat in Aegypten gesehen, dass diese Vögel in derselben Weise mit ein- ander kämpfen wie unsere Kibitze. Sie springen dann plötzlich in die Höhe und schlagen einander von der Seite zuweilen mit einem tödtli- chen Erfolge. Sie treiben auf diese Weise auch andere Feinde fort 17, Die Zeit der Liebe ist die Zeit des Kampfes. Aber die Männchen einiger Vögel, wie des Kampfhuhns und der Kampfläufer und selbst die jungen Männchen des wilden Truthuhns und Haselhuhns !S sind bereit zu kämpfen, so oft sie einander begegnen. Die Gegenwart des Weibehens ist die teterrima belli causa. Die bengalischen Knaben bringen die niedlichen kleinen Männchen des Amadavat-(Estrelda aman- dava) dazu, mit einander zu kämpfen, dadurch dass sie drei kleine Käfige in eine Reihe stellen mit einem Weibchen in der Mitte. Nach kurzer Zeit lassen sie die zwei Männchen frei und sofort beginnt ein ganz verzweifelter Kampf !®. Wenn viele Männchen sich auf demselben bestimmten Platze versammeln uud mit einander kämpfen, wie es bei den Waldhühnern und verschiedenen andern Vögeln der Fall ist, so sind sie meist von den Weibchen begleitet 2°, welche später mit den siegreichen Kämpfern sich paaren. Aber in einigen Fällen geht das Paaren dem Kämpfen voraus statt ihm zu folgen. So führt Aupupon an ?!, dass mehrere Männchen des virginischen Ziegenmelkers (Capri- '”, über den Kibitz Mr. R. Carr in: Land and Water 8. Aug. 1868, p- 46. In Bezug auf Lobivanellus s. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 647. und Gould, Handbook of Birds of Australia. Vol. II, p. 220. Wegen des Ho- plopterus s Mr. Allen, in: Ibis, Vol. V. 1863, p. 156. !8 Audubon, Ornithological Biography. Vol. II, p. 492. Vol. I, p. 4—13. 9 Mr. Blyth, in: Land and Water. 1867, p. 212. 2° Richardson, über Tetrao umbellus, in: Fauna Bor. Amer.: Birds. 1831. p- 343. L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 22, 79, über den Auer- und Birkhahn. Brehm führt indessen an (Thierleben u. s. w. Bd. 4, S. 352), dass in Deutschland die Birkhennen gewöhnlich beim Balzen der Birkhähne nicht zu- gegen sind; dies ist aber eine Ausnahme von der gewöhnlichen Regel. Mög- licherweise liegen die Hennen versteckt in den umgebenden Büschen, wie es be- kanntlich bei den Birkhennen in Scandinavien und mit andern Arten in Nord- Amerika der Fall ist. *! Ornithological Biography. Vol. I, p. 275. 42 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. mulgus virginianus) „in einer äusserst unterhaltenden Art und Weise „tem Weibehen den Hof machen, und sobald dasselbe seine Wahl ge- „troffen hat, jagt der bevorzugte Liebhaber alle Eindringlinge fort und „treibt sie über die Grenzen seiner Herrschaft hinaus.“ Im Allgemei- nen versuchen die Männchen mit aller Kraft ihre Nebenbuhler fortzu- treiben oder zu tödten ehe sie sich paaren. Indessen scheint es doch, als ob die Weibchen nicht ohne Ansnahme immer die siegreichen Männ- chen vorzögen. Mir ist in der That von Mr. W. KowaALEvskY ver- sichert worden, dass das weibliche Auerhuhn sich zuweilen mit einem jungen Männchen fortstiehlt, welches nicht gewagt hat, mit den älteren Hähnen den Kampfplatz zu betreten, in derselben Weise wie es ge- legentlich bei den Thieren des Rothwilds in Schottland der Fall ist. Wenn zwei Männchen in Gegenwart eines einzigen Weibchens sich in einen Kampf einlassen, so gewinnt ohne Zweifel gewöhnlich der Sieger das Ziel seiner Wünsche. Aber einige von diesen Kämpfen werden da- durch verursacht, dass herumwandernde Männchen versuchen, den Frie- den eines bereits vereinigten Paars zu stören 22. Selbst bei den kampfsüchtigsten Arten ist es wahrscheinlich, dass das Paaren nicht ausschliesslich von’ der blossen Kraft und dem blos- sen Muthe der Männchens abhängt. Denn derartige Männchen sind all- gemein mit verschiedenen Zierathen geschmückt, welche oft während der Paarungszeit brillanter und eifrigst vor den Weibchen entfaltet werden. Auch versuchen die Männchen ihre Genossin durch Liebes- töne, Gesang und Gesten zu bezaubern oder zu reizen, und in vielen Fällen ist die Bewerbung eine sich in die Länge. ziehende Angelegen- heit. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die Weibchen für die Reize des andern Geschlechts unempfänglich sind oder dass sie unab- änderlich gezwungen sind, sich den siegreiehen Männchen zu ergeben. Es ist wahrscheinlicher, dass die Weibchen von gewissen Männchen entweder vor oder nach dem Kampfe gereizt werden und diese daher un- bewusst vorziehen. Was den Tetrao umbellus betrifft, so geht ein guter Beobachter ?? so weit anzunehmen, dass die Kämpfe der Männ- chen „nur Scheingefechte’ sind, ausgeführt, um sich in erösstmöglichem „Vortheile vor den um sie herum versammelten und sie bewundernden „Weibchen zu zeigen. Denn ich bin niemals im Stande gewesen, einen ?: Brehm, Thierleben ete. Bd. 4. 1867, S. 990. Audubon, Ornithological Biography. Vol. II, p. 492. ‘3 Land and Water, 25. July, 1868, p. 14. Cap. 13. Gesang. 43 „verstümmelten Helden zw finden, und selten habe ich mehr als eine „geknickte Feder gefunden.* Ich werde auf diesen Gegenstand zurück- zukommen haben, will aber hier hinzufügen, dass beim Tetrao cupido der Vereinigten Staaten ungefähr zwanzig Männchen sich auf einem besonderen Flecke versammeln und, während sie umherstolziren, die Luft von ihrem ausserordentlichen Lärmen ertönen machen. Bei der ersten Antwort seitens des Weibchens beginnen die Männchen wüthend mit einander zu kämpfen, und der Schwächere gibt nach. Aber dann suchen der Angabe von Aupugon zufolge sowohl die Sieger als die Besiegten das Weibchen, so dass die Weibchen dann entweder eine Wahl eintre- ten lassen müssen oder der Kampf von Neuem beginnen muss. So kämpfen ferner die Männchen eines der Feldstaare der Vereinigten Staa- ten (Sturnella Iudoviciana) heftig mit einander, „aber "beim Erblicken „eines Weibchens fliegen sie alle hinter diesem her als wenn sie när- „risch wären“ >#, Vocal- und Instrumentalmusik. — Bei Vögeln dient die Stimme dazu, verschiedene Gemüthserregungen auszudrücken, wie Un- glück, Furcht, Aerger, Triumph oder blosses Gefühl des Glücks. Dem Anscheine nach wird sie zuweilen dazu benutzt, Schrecken zu erregen, wie es mit dem zischenden Geräusch der Fall ist, welches einige Vögel als Nestlinge ausstossen. AupuBon erzählt *?, dass ein Reiher (Ardea nycticorax, LinN£), welchen er zahm hielt, sich zu verstecken pflegte, wenn sich eine Katze näherte, und „dann stürzte er. plötzlich vor und „stiess eines der fürchterlichsten Geschreie aus, sich offenbar über die „Unruhe und die Flucht der Katze amüsirend.* Der gemeine Haus- hahn gluckt seiner Henne und die Henne ihren Küchlein, wenn ein kleiner Bissen gefunden wird. Die Henne „wiederholt, wenn sie ein „Ei gelegt hat, einen und denselben Ton sehr oft und schliesst dann „mit der Sechste höher, welche sie für lange Zeit aushält“ ?°; und hierdurch drückt sie ihre Freude aus. Einige sociale Vögel rufen offen- bar einander zu Hülfe, und da sie von Baum zu Baum flüchten, wird der Schwarm durch stets einander anwortende zirpende Rufe zusam- mengehalten.. Während der nächtlichen Wanderungen der Gänse und *+ Audubon’s Ornithological Biography: über Teetrao cupido, Vol. II, p. 492 über die Sturnella, Vol. II, p. 219. 25 Ornithological Biography. Vol. V, p. 601. 26 Daines Barrington, in: Philosophical Transactions, 1773, p. 252, 44 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. anderer Wasservögel kann man hoch über unsern Köpfen sonore Ausrufe von der Spitze des Zugs in der Dunkelheit hören; denen dann Aus- rufe von dem Ende des Zuges antworten. Gewisse Ausrufe dienen als Warnungssignale, welche, wie der Jäger auf Kosten seiner Zeit er- fahren hat, sowohl von einer und derselben Species als auch von andern sehr wohl verstanden werden. Der Haushahn kräht und der Kolibri zirpt im Triumph über einen besiegten Nebenbuhler. Indessen werden der echte Gesang der meisten Vögel und verschiedene fremdartige Laute hauptsächlich während der Paarungszeit hervorgebracht und dienen ent- weder nur als Reize oder bloss als Lockruf für das andere Geschlecht. Die Naturforscher sind in Bezug auf den Zweck des Singens der Vögel sehr getheilter Meinung. Seit Monta@u’s Zeiten haben wenige noch sorgfältigere Beobachter gelebt als er, und derselbe behauptet, dass „die Männchen der Singvögel und viele andere im Allgemeinen „nicht die Weibehen aufsuchen ; sondern ihr Geschäft im Frühlinge be- „steht im Gegentheil darin, sich auf irgend einen weit sichtbaren Punkt „niederzulassen und dort ihre vollen liebeathmenden Töne erklingen zu „lassen; das Weibehen erkennt diese aus Instinet und begibt sich „darauf nach dem Flecke hin, um sich ihren Genossen zu wählen“ ?”. Mr. JENNER Weir theilt mir mit, dass dies in Bezug auf die Nachti- gall sicher der Fall ist. BecHstem, welcher während seines ganzen Lebens Vögel hielt, führt an, „dass der weibliche Canarienvogel immer „den besten Sänger sich wählt und dass im Naturzustande der weib- „liche Finke unter Hunderten von Männchen dasjenige sich auswählt, „dessen Gesang ihm am besten gefällt“ ?°. Darüber kann kein Zweifel sein, dass Vögel äusserst aufmerksam auf ihren gegenseitigen Gesang sind. Mr. Weir hat mir einen Fall von einem Gimpel mitgetheilt, dem gelehrt worden war, einen deutschen Walzer zu pfeifen, und der ein so guter Sänger war, dass er zehn Guineen kostete. Als dieser Vogel zuerst in ein Zimmer gebracht wurde, wo andere Vögel gehalten wurden, und er zu singen anfieng, stellten sich alle übrigen Vögel und es waren ungefähr zwanzig Hänflinge und Canarinvögel vorhanden, auf die nächste Seite in ihren Bauern und hörten mit dem grössten 2” Ornithological Dictionary. 1833, p. 475. 28 Naturgeschichte der Stubenvögel. 1840, 5. 4. Auch Mr. Harrison Weir schreibt mir: „Mir ist gesagt worden, dass die am besten singenden Männchen „zuerst einen Genossen erhalten, wenn sie in demselben Raume gezüchtet worden „sind.“ Cap: 13. Gesang. 45 Interesse dem neuen Sänger zu. Viele Naturforscher glauben, dass das Singen der Vögel beinahe ausschliesslich „die Wirkung der Rivalität „und Nebenbuhlerschaft“ sei und nicht zu dem Zwecke ausgeübt werde, ihre Genossen zu bezaubern. Dies war die Ansicht von Daımmes BAR- RINGTON und WHITE von Selborne, welche beide dem Gegenstand beson- dere Aufmerksamkeit schenkten 2%. Indess gibt BArRıNnaToN zu, „dass „eine Ueberlegenheit im Gesange den Vögeln eine wunderbare Ueber- „legenheit über andere überhaupt gibt, wie Vogelfänger sehr gut „wissen. * \ Es besteht ganz sicher ein intensiver Grad von Rivalität zwischen den Männchen in ihrem Gesange. Vogelliebhaber bringen ihre Vögel zusammen, um zu sehen, welcher am längsten singen wird, und mir hat Mr. YARRELL erzählt, dass ein Vogel ersten Ranges zuweilen singen wird, bis er fast todt oder der Angabe von BEcHSTEIN zufolge ?" vollstän- dig todt umfällt, in Folge des Zerplatzens eines Gefässes in den Lungen. Was auch immer die Ursache sein mag, männliche Vögel sterben, wie ich von Mr. Weir höre, häufig während der Singezeit plötzlich. Dass die Gewohnheit zu singen zuweilen von der Liebe vollständig unab- hängig ist, ist klar. Denn man hat einen unfruchtbaren hybriden Ca- narienvogel beschrieben ?1, welcher sang, als er sich selbst im Spiegel erblickte, und dann auf sein eigenes Spiegelbild losstürzte. Er griff in gleicher Weise mit Wuth, einen weiblichen Canarienvogel an, als er zu ihm in denselben Bauer gebracht wurde. Die Vogelfänger ziehen be- ständig von der Eifersucht, die durch den Act des Singens angeregt wird, Vortheil. Ein Männchen, welches gut singt, wird verborgen und geschützt, während em ausgestopfter Vogel, mit geleimten Zweigen umgeben, dem Blicke ausgesetzt wird. Auf diese Weise hat, wie Mr. Weir mir mittheilt, ein Mann im Verlaufe eines einzigen Tages fünfzig und an einem sogar siebenzig männliche Buchfinken gefangen. Das Vermögen und die Neigung zum Singen weicht bei Vögeln so bedeu- tend ab, dass, obschon der Preis eines gewöhnlichen männlichen Buch- finken nur einen Sixpence beträgt, Mr. WEır doch einen Vogel sah, für welchen der Vogelfänger drei Pfund forderte. Die Probe für einen wirklich guten Sänger ist dabei die, dass derselbe zu singen fort- 2° Philosophical Transactions, 1775, p. 265. White, Natural History of Selborne. Vol. I. 1825, p. 246. 3 Naturgeschichte der Stubenvögel. 1840, S. 252. 3! Mr. Bold, in: Zoologist. 1843—44, p. 059. 46 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. fährt, während der Käfig rund um den Kopf des Besitzers geschwun- gen wird. 2 Dass Vögel ebensowohl aus Eifersucht als zu dem Zwecke, das Weibehen zu bezaubern, singen, ist durchaus nicht wunverträglich mit einander und hätte sich in der That als mit einander Hand in Hand gehend erwarten lassen, ebenso wie Geschmücktsein und Kampfsucht. Indessen schliessen einige Autoren, dass der Gesang des Männchens nicht dazu dienen könne, das Weibchen zu bezaubern, weil die Weibchen einiger Species, wie des Canarienvogels, des Rothkehlehens, der Lerche und des Gimpels, besonders wenn sie, wie Becnsteın bemerkt, im Zu- stande des Verwittwetseins sich befinden, selbst einen melodiösen Ge- sang ertönen lassen. In einigen von diesen Fällen kann man die Ge- wohnheit zu singen zum Theil dem Umstande zuschreiben, dass die Weibchen sehr gut gefüttert und in Gefangenschaft gehalten worden sind **, denn dies stört alle die gewöhnlich mit der Reproduction der Art im Zusammenhange stehenden Functionen. Es sind bereits viele Beispiele mitgetheilt worden von der theilweisen Uebertragung secun- därer männlicher Charactere auf das Weibchen, so dass es durchaus nicht üherraschend ist zu sehen, dass die Weibchen einiger Speeies auch das Vermögen zu singen. besitzen. Man hat ferner auch geschlossen, dass der Gesang des Männchens nicht als ein Reizmittel dienen könne, weil die Männchen gewisser Species, z. B. des Rothkehlchens, während des Herbstes singen ?°. Es ist indessen nichts häufiger, als dass Thiere darin Vergnügen finden, irgendwelchen Instinct auch zu anderen Zeiten auszuüben als zu denen, wo er ihnen von wirklichem Nutzen ist. Wie oft sehen wir Vögel leicht hinfliegen, durch die Luft gleitend und segelnd, und offenbar nur zum Vergnügen. Die Katze spielt mit der gefangenen Maus und der Cormoran mit dem gefangenen Fische. Der Webervogel (Ploceus) amüsirt sich, wenn er in einem Käfig eingeschlos- sen ist, damit, Grashalme niedlich zwischen das Drahtgitter seines Kä- figs einzuflechten. Vögel, welehe gewöhnlich während der Paarungszeit kämpfen, sind meist zu allen Zeiten bereit, mit einander zu kämpfen, und die Männchen des Auerhahns halten ihre Balzen oder Leks auf den gewöhnlichen Versammlungsplätzen auch während des Herbstes®#. Es # Daines Barrington, in: Philosoph. Transact. 1773, p. 262. Bech- stein, Naturgeschichte der Stubenvögel. 1840, S. 4. »> Dies ist auch mit der Wasseramsel (Cinclus) der Fall. s. Mr. Hepburn in: Zoologist, 1844—46, p. 1068. 3 L. Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 25. Cap. 13. Gesang. 47 ist daher durchaus nicht überraschend, dass männliche Vögel zu ihrer eigenen Unterhaltung auch dann noch zu singen fortfahren, wenn die Zeit der Brautwerbung vorüber ist. Das Singen ist bis zu einem gewissen Grade, wie in einem frühe- ren Capitel gezeigt wurde, eme Kunst und wird durch Uebung bedeu- tend veredelt. Man kann Vögel verschiedene Melodieen lehren, und selbst der unmelodische Sperling hat zu singen gelernt wie ein Hänf- ling. Sie nehmen den Gesang ihrer Nähreltern ?° und zuweilen den ihrer Nachbarn an ?®. Alle die gewöhnlichen Sänger gehören zu der Ordnung der Insessores und ihre Stimmorgane sind viel complieirter als diejenigen der meisten andern Vögel. Doch ist es eine merkwür- dige Thatsache, dass einige der Insessores, wie die Raben, Krähen und Elstern, denselben Singapparat 37 besitzen, trotzdem sie niemals singen und von Natur ihre Stimmen in durchaus keiner bedeutenden Weise moduliren. J. Hunter behauptet ?®, dass bei den echten Sängern die Kehlkopfmuskeln der Männchen stärker sind als die der Weibchen. Aber mit dieser unbedentenden Ausnahme besteht zwischen den Stimm- organen der beiden Geschlechter keine Verschiedenheit, trotzdem die Männchen der meisten Species so viel besser und so beständiger singen als die Weibchen. Es ist merkwürdig, dass nur kleine Vögel eigentlich singen. In- dess muss die australische Gattung Menura ausgenommen werden, denn die Menura Alberti, welche ungefähr die Grösse eines halberwachsenen Truthahns hat, ahmt nicht bloss andere Vögel nach, sondern es ist auch „ihr eigenes Pfeifen ausserordentlich schön und mannichfaltig.* Die Männchen versammeln sich wie zu einer Concertprobe, wo sie sin- gen und ihre Schwänze aufheben und auseinanderbreiten wie Pfauen und ihre Flügel sinken lassen ?°. Es ist auch merkwürdig, dass die Vögel, welche singen, selten mit brillanten Farben oder andern Zierathen ge- 35 Daines Barrington, a. a. OÖ. p. 264. Bechstein, Stubenvögel. S. 5. 36 Dureau de la Malle führt ein merkwürdiges Beispiel von einigen frei in seinem Garten in Paris lebenden Amseln an (Annal. des scienc. natur. 3. Ser. Zool. Tom. X,*p. 118), welche von einem im Käfig gehaltenen Vogel ein republi- kanisches Lied lernten. 3” Bishop, in: Todd’s Cyelopaedia of Anat. and Physiol. Vol. IV, p. 1496. 38 Nach der Angabe von Barrington in den Philosoph. Transact. 1773, p. 262. 39 Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. I. 1865, p. 308—310. s. auch T. W. Wood, in dem „Student“, April, 1870, p. 125. 48 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. schmückt sind. Von unsern britischen Vögeln sind, mit Ausnahme des Gimpels und des Stieglitz, die besten Sänger einfach gefärbt. Die Eisvögel, Bienenfresser, Raken , Wiedehopfe, Spechte u. s. w. stossen harsche Geschreie aus und die brillanten Vögel der Tropenländer sind kaum jemals Sänger *%. Es scheinen daher glänzende Färbungen und das Vermögen zu singen einander zu ersetzen. Wir können wohl ein- sehen, dass, wenn das Gefieder nicht in seinem Glanze variirte oder wenn helle Farben für die Art gefährlich wären, andere Mittel hätten angewendet werden müssen, das Weibehen zu bezaubern; und wenn die Stimme melodisch gemacht würde, würde sie eben eines dieser Mittel darbieten. Bei einigen Vögeln sind die Stimmorgane je nach den Geschlech- tern sehr von einander verschieden. Bei Teirao cupido (Fig. 39) hat das Männchen zwei nackte, orange gefärbte Säcke, einen auf jeder Seite des Halses, und diese werden stark aufgeblasen, wenn das Männchen während der Paarungszeit einen merkwürdig hohlen, in einer grossen Entfernung hörbaren Laut ausstösst. Aupupon hat nachgewiesen, dass der Laut innig mit diesem Apparate in Verbindung steht, welcher uns an die Luftsäcke an jeder Seite des Kopfes bei gewissen männlichen Fröschen erinnert; denn er fand, dass der Laut bedeutend vermindert wurde, wenn einer der Säcke bei einem zahmen Vogel angestochen war, und waren beide angestochen, so hörte er vollständig auf. Das Weib- chen hat „eine etwas ähnliche, wenn auch kleinere nackte Hautstelle „am Halse, aber sie kann nicht aufgeblasen werden“ *!. Das Männ- chen einer andern Art von Waldhuhn (Tetrao urophasianus) hat, während es das Weibchen umwirbt, seinen „nackten gelben Kropf zu „einer beinahe monströsen Grösse, reichlich halb so gross als der Kör- „per, aufgetrieben“, und es stösst dann verschiedenartige kratzende, tiefe, hohle Töne aus. Die Halsfedern aufgerichtet, die Flügel gesenkt und auf dem Boden schleifend und den langen zugespitzten Schwanz wie einen Fächer ausgebreitet, zeigt es sich dann in einer Menge ver- #0 s, Bemerkungen hierüber in: Gould, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 22. *# Major W. Ross King, The Sportsman and Naturalist in Canada. 1866, p. 144—146. Mr. T. W. Wood gibt im „Student“ (April, 1870, p. 116) eine aus- gezeichnete Schilderung der Stellungen und Gewohnheiten dieses Vogels während seiner Bewerbung. Er führt an, dass die Ohrbüschel oder Halsschmuckfedern aufgerichtet werden, so dass sie sich oberhalb des Kopfes treffen. Cap. 13. Gesang. 49 schiedenartiger grotesker Stellungen. Die Speiseröhre des Weibchens ist in keiner Weise merkwürdig #2. Fig. 39. Tetrao ceupido, Männchen (aus Brehm, Thierleben). Es scheint jetzt sicher ermittelt zu sein, dass der Kehlsack der männlichen europäischen Trappe (Otis tarda) und wenigstens noch vier anderer Species nicht, wie man früher vermuthete, dazu dienv Wasser zu halten, sondern mit der Aeusserung eines eigenthümlichen Tons während der Paarungszeit in Zusammenhang steht, welcher einem „Ock* 42 Richardson, Fauna Bor. Americana: Birds. 1851, p. 359. Audubon, Örnitholog. Biograph. Vol. IV, p. 507. DARWIN, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 4 50 seschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. gleicht. Während der Vogel diesen Laut ausstösst, nimmt er ausser- ordentliche Stellungen ein. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass unter den Männchen einer und derselben Species dieser Sack nicht bei EN” DZ ı Ba Dip, —, Fig. 40. Der Schirmvogel oder Cephalopterus ormatus, Männchen (aus Brehm, Thierleben). allen Individuen entwickelt ist #”,. Ein rabenartiger Vogel, welcher Südamerika bewohnt (Cephalopterus ornatus, Fig. 40), wird Schirmvogel 43 Die folgenden Aufsätze sind neuerdings über diesen Gegenstand geschrie- ben worden: Prof. A. Newton, in: „The Ibis“, 1862, p. 107. Dr. Cullen, ebenda 1865, p. 145; Prof. Flower, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1865, p. 747, und Dr. Murie, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 471. In dem letzterwähnten Auf- satze ist eine ausgezeichnete Abbildung der männlichen australischen Trappe in voller Entfaltung mit ausgedehntem Kehlsacke gegeben. Cap. 15. . Gesang. 51 genannt wegen seines ungeheuren, von nackten weissen Federschäften und dunkelblauen erstere überdeckenden Federn gebildeten Federstutzes, welchen der Vogel zu einer grossen, nicht weniger als fünf Zoll im Durchmesser haltenden und den ganzen Kopf bedeckenden Haube er- heben kann. Dieser Vogel hat an seinem Halse einen langen dünnen, eylindrischen,, fleischigen Anhang, welcher dicht mit schuppenartigen blauen Federn bekleidet ist. Er dient wahrscheinlich zum Theil als Schmuck, aber gleichfalls auch als ein Resonanzapparat. Denn Mr. Bares fand, dass derselbe „mit einer ungewöhnlichen Entwickelung der „Luftröhre und der Stimmorgane* im Zusammenhang steht. Wenn der Vogel seinen eigenthümlichen tiefen, lauten und lange ausgehaltenen flötenartigen Toon ausstösst, wird jener Anhang ausgedehnt. Beim Weib- chen ist die Federkrone und der Anhang am Halse nur rudimentär vorhanden *#. Die Stimmorgane verschiedener mit Schwimmfüssen versehener und Wade-Vögel sind ausserordentlich complieirt und weichen in gewisser Ausdehnung bei beiden Geschlechtern von einander ab. In manchen Fällen ist die Luftröhre wie ein Waldhorn gewunden und tief in das Brustbein eingebettet. Beim wilden Schwan (Cygnus ferus) ist sie beim erwachsenen Männchen tiefer eingebettet als beim Weibchen oder dem jun- gen Männchen. Bei dem männlichen Mergumser ist der erweiterte Theil der Luftröhre mit einem besonderen Muskelpaare versehen #5. Aber die Bedeutung dieser Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern vieler Ana- tiden ist durchaus nicht erklärt; denn das Männchen ist nicht immer das stimmreichere. So ist bei der gemeinen Ente der Ton des Männchens nur ein Zischen, während das Weibchen ein lautes Quacken ausstösst *6, Bei einem der Kraniche (Grus virgo) dringt die Luftröhre bei beiden Geschlechtern in das Sternum ein, bietet aber „gewisse geschlechtliche „Modificationen“ dar. Bei dem Männchen des schwarzen Storches findet sich gleichfalls eine wohl ausgesprochene geschlechtliche Verschiedenheit *: Bates, The Naturalist on the Amazons. 1863. Vol. II, p. 284. Wallace, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1850, p. 206. Neuerdings ist eine neue Species mit einem noch grösseren Halsanhange entdeckt worden (Ü. penduliger); s. Ibis, Vol. I, p: 457. #5 Bishop, in: Todd’s Cyclopaedia of Anat. and Physiol. Vol. IV, p. 1499. 46 Der Löffelreiher (Platalea) hat eine in der Form einer Acht gewundene Luftröhre; und doch ist dieser Vogel stumm (s. Jerdon, Birds of India. Vol. III, p- 765). Mr. Blyth theilt mir aber mit, dass diese Windungen nicht immer vorhanden sind, so dass sie vielleicht jetzt auf dem Wege sind zu verschwinden . 4% 52 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. in der Länge und der Krümmung der Luftröhrenäste®?”. Es haben also in diesen Fällen sehr bedeutungsvolle Gebilde je nach dem Geschlechte ge- wisse Modificationen erfahren. Es ist oft schwierig zu vermuthen, ob die vielen fremdartigen Töne und Geschreie, welche männliche Vögel während der Paarungszeit ausstossen, als ein Reizmittel oder nur als ein Lockruf für das Weib- chen dienen. Das sanfte Girren der Turteltaube und vieler andern Tauben gefällt dem Weibchen, wie man wohl vermuthen kann. Wenn das Weibchen des wilden Truthahns am Morgen seinen Ruf ertönen lässt, so antwortet das Männchen mit einem von dem gewöhnlichen kollernden Geräusche verschiedenen Tone. Ersteres bringt es hervor, so- bald es mit aufgerichteten Federn, rauschenden Flügeln und geschwol- lenen Fleischlappen vor dem Weibchen sich brüstend eimherstolzirt *#°. Das Kollern des Birkhahns dient sicher als Lockruf für das Weibchen ; denn man hat erfahren, dass es vier oder fünf Weibchen aus weiter Entfernung zu einem in Gefangenschaft gehaltenen Männchen hinge- rufen hat. Da aber der Birkhahn sein Kollern Stunden lang während aufeinanderfolgender Tage und, wie auch der Auerhahn, „mit Alles „überwältigender Leidenschaft“ fortsetzt, so werden wir zu der Ver- muthung geführt, dass die Weibchen, welche bereits anwesend sind, hierdurch bezaubert werden #9. Die Stimme des gemeinen Raben wird bekanntlich während der Paarungszeit verschieden und ist daher in einer gewissen Weise geschlechtlich ®". Was sollen wir aber zu dem rauhen Geschreie z. B. mancher Arten von Macaws sagen? Haben diese Vögel wirklich einen so schlechten Geschmack für musikalische Laute als sie dem Anscheine nach für Farben haben, wenigstens nach dem unharmonischen Contrast ihres auffallend gelben und blauen Gefieders zu urtheilen? Es ist allerdings möglich, dass die lauten Stimmen vieler männlichen Vögel, ohne dass dadurch irgend ein Vortheil für sie er- reicht würde, das Resultat der vererbten Wirkungen des beständigen Gebrauchs ihrer Stimmorgane sind, wenn sie durch die kräftigen Lei- denschaften der Liebe, der Eifersucht und der Wuth aufgeregt werden. #7” Rud. Wagner, Lehrbuch der Anatomie der Wirbelthiere. 1843. S. 128. In Bezug auf die Angabe vom Schwan s. Yarrell, History of Brit. Birds. 2. edit. 1845. Vol. III, p. 193. #8 C. L. Bonaparte, eitirt in: The Naturalist’s Library. Birds. Vol. XIV. p. 126. * IL. Lloyd, The Game Birds of Sweden. 1867, p. 22, 81. >’ Jenner, Philosoph. Transact. 1824, p. 20. Cap. 13. Gesang: Instrumentalmusik. 53 Auf diesen Punkt werden wir aber zurückkommen, wenn wir die Säuge- thiere behandeln werden. Wir haben bis jetzt nur von der Stimme gesprochen, aber die Männchen verschiedener Vögel üben während der Zeit ihrer Bewerbung auch etwas aus, was man Instrumentalmusik nennen könnte. Pfauhähne und Paradiesvögel rasseln mit den Kielen ihrer Federn zusammen und die schwingende Bewegung dient allem Anscheine nach nur dazu, em (reräusch zu machen, denn es kann kaum die Schönheit ihres Gefieders erhöhen. Truthähne fegen mit ihren Flügeln über den Boden hin und, einige Arten von Waldhühnern bringen hierdurch ein summendes Ge- räusch hervor. Wenn ein anderes nordamerikanisches Waldhuhn (Tetrao umbellus) mit aufgerichtetem Schwanze und entfalteter Krause „seine „Federpracht den in der Nachbarschaft verborgen liegenden Weibchen „darbietet,* so trommelt es, indem es seine Flügel der Angabe Mr. R. Hayuonp’s zufolge oberhalb des Rückens znsammenschlägt und nicht wie AUDUBON meinte gegen die Seite schlägt. Der hierdurch hervorgebrachte Laut wird von Einigen mit einem entfernten Donner, von Andern mit dem schnellen Wirbel einer Trommel verglichen. Das Weibchen trommelt niemals, „sondern fliegt direct nach der Stelle, wo das Männchen in „der genannten Weise beschäftigt ist.“ In dem Himalaya macht das Männchen des Kalij-Fasans „oft ein eigenthümlich trommelndes Ge- „räusch mit seinen Flügeln, dem Geräusche nicht wnähnlich, welches „man durch das Schütteln eines Stücks steifer Leinwand hervorbringen „kann.“ An der Westküste von Afrika versammeln sich die kleinen schwarzen Webervögel (Ploceus?) in einer kleinen Anzahl auf den Bü- schen rund um einen kleinen offenen Fleck und singen und gleiten durch die Luft mit zitternden Flügeln, „was einen rapiden schwirren- „den Ton hervorbringt, wie eine Kinderklapper“. Ein Vogel nach dem andern producirt sich in dieser Weise stundenlang, aber nur während der. Paarungszeit. In derselben Zeit bringen die Männchen gewisser Ziegenmelker (Caprimulgus) ein äusserst fremdartiges Geräusch mit ihren Flügeln hervor. Die verschiedenen Species von Spechten klopfen einen Zweig mit ihrem Schnabel mit einer so rapiden schwingenden Bewegung, dass „der Kopf an zwei Stellen zugleich zu sein schemt.* Der hierdurch hervorgebrachte Klang ist in einer beträchtlichen Ent- fernung hörbar, kann aber nicht beschrieben werden, und ich glaube sicher, dass die Ursache desselben von Niemand je vermuthet werden wird, der ihn zum ersten Male hört. Da dieses rasselnde Geräusch a4 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. vorzüglich während der Paarungszeit gemacht wird, so ist es als ein Liebesgesang angesehen worden; es ist aber strenger genommen viel- leicht nur ein Lockruf. Wenn das Weibchen von seinem Neste ge- trieben wird, so hat man beobachtet, dass es sein Männchen in dieser Weise ruft, welches dann in derselben Weise antwortet und bald an Ort und Stelle erscheint. Endlich verbindet auch der männliche Wie- dehopf ( Upupa epops) Vocal- mit Instrumentalmusik. Denn während der Paarungszeit zieht er, wie Mr. SwınHoE gesehen hat, zuerst Luft „ein und schlägt dann die Spitze seines Schnabels senkrecht gegen einen Stein oder den Stamm eines Baumes, „worauf dann die durch den röh- „renförmigen Schnabel abwärts gestossene Luft den richtigen Laut her- „vorbringt*. Wenn das Männchen seinen Ruf ausstösst ohne den Schnabel in der eben geschilderten Weise aufzustossen, ist der Laut völlig verschieden °!. In den vorstehend angeführten Fällen werden Laute hervorgebracht mit Hülfe von bereits vorhandenen und anderweit nothwendigen Gebil- den, aber in den folgenden Fällen sind gewisse Federn speciell zu dem ausdrücklichen Zwecke modifieirt worden, die Töne hervorzubringen. Das meckernde, schnurrende oder summende Geräusch, wie es die verschie- denen Beobachter bezeichnen, welches die Bekassine (Scolopax gallinago) hervorbringt, muss einen Jeden, der es nur einmal gehört hat, über- rascht haben. Dieser Vogel fliest zur Zeit der Paarung „vielleicht tau- „send Fuss in die Höhe,“ treibt sich in solcher Höhe flatternd im Kreise herum und schiesst aus dieser mit ganz ausgebreitetem Schwanze und erzitternden Flügeln in einem Bogen mit überraschender Schnelligkeit zur Erde herab. Der Laut wird nur während dieses rapiden Herab- schiessens hervorgebracht. Niemand war im Stande, die Ursache dieses Geräuschs zu erklären, bis MeEvzs beobachtete, dass auf jeder Seite des Schwanzes die äusseren Federn eigenthümlich geformt sind (Fig. 41); 5! Wegen der verschiedenen oben angeführten Thatsachen s. über Paradies- vögel: Brehm, Thierleben, Bd. 5, S. 525; über Waldhühner; Richar dson, Fauna Bor. Americana: Birds. p. 343 und 359; Major W. Ross King, The Sportsman in Canada, 1866, p. 156; Mr. Haymond, in: Prof. Cox’s Geol. Survey of Indiana. p. 227. Audubon, American Ornitholog. Biograph. Vol. I, p. 216; über den Kalij-Fasanen: Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 533; über die Webervögel: Livingstone, Expedition to the Zambesi. 1863, p. 425; über Spechte: Macgilliv- ray, Hist. of British Birds. Vol. IH. 1840, p. 84, 88, 89 und 95; über den Wiede- hopf: Swinhoe in: Proceed. Zoolog. Soc. 23. Jun. 1863, p. 264; über die Ziegen- melker: Audubon, a.a.0. Vol. Il, p. 255. Der englische Ziegenmelker macht gleichfalls im Frühlinge ein merkwürdiges Geräusch während seines rapiden Flugs. . Cap. 13. Instrumentalmusik. 29 sie haben nämlich einen steifen , säbelförmig gekrümmten Schaft, die schräg davon abgehenden Aeste der Fahne sind von ungewöhnlicher Länge und die äusseren Ränder sind fest an einander geheftet. Er fand, dass wenn man auf diese Federn bläst oder wenn man dieselben an einen langen dünnen Stock bin- det und sie schnell durch Fig. Al. Aeussere Schwanzfeder von Seolopax ?yallinago die Luft bewegt, man (nach dem Proc. Zool. Soc. 1858). einen genau dem meckernden, von dem lebenden Vogel hervorgebrach- ten Laute ähnlichen Ton hervorbringen kann. Beide Geschlechter sind mit diesen Federn versehen; sie sind aber beim Männchen allgemein grösser als beim Weibchen und bringen einen tieferen Ton hervor. Bei einigen Species, so bei S. frenata (Fig. 42), sind vier Federn und bei S. javensis (Fig. 43) sind nicht weniger als acht Federn auf jeder Seite des Schwanzes bedentend modificirt. Werden die Federn von verschiedenen Species in der eben geschilderten Weise durch die Luft geschwungen , so wer- den verschiedene Töne hervorgebracht, und der Scolepax Wilsonii der Ver- einigten Staaten macht, während er rig. 43. Aeussere Schwanzfeder von Scolo- sich schnell zur Erde herabstürzt, ein Fe was Geräusch, wie wenn eine Gerte schnell durch die Luft gezogen wird 2. Beim Mäunchen von Chamaepeles unicolor (einem grossen hühner- artigen Vogel von Amerika) ist die erste Schwungfeder erster Ordnung nach der Spitze zu gebogen und viel mehr zugespitzt als beim Weib- chen. Bei einem verwandten Vogel, der Penelope nigra, beobachtete Mr. Sırvın ein Männchen, welches, während es „mit ausgebreiteten „Flügeln abwärts flog, eine Art von krachendem rauschendem Geräusche „von sich gab,“ wie beim Umfallen eines Baumes ?%. Nur das Männ- Fig. 42. Aeussere Schwanzfeder von Seolo- pax frenata. 52 s, den interessanten Aufsatz von Meves in: Proceed. Zoolog. Soc. 1858, p- 199. In Bezug auf die Lebensweise der Bekassine s. Macgillivray, History of British Birds. Vol. IV, p. 371. Wegen der amerikanischen Bekassine: Capt. Blakiston in: Ibis, Vol. V. 1863, p. 131. . 53 Mr. Salvin, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 160. Ich bin diesem aus- gezeichneten Ornithologen sehr verbunden für Zeichnungen der Federn von Oha- maepetes und für andere Mittheilungen. 56 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. chen einer der indianischen Trappen (Sypheotides auritus) hat bedeu- tend zugespitzte Schwungfedern erster Ordnung, und vom Männchen einer verwandten Species weiss man, dass es, während es das Weibchen um- wirbt, einen summenden Ton hervorbringt ®*. Bei einer sehr verschie- denen Gruppe von Vögeln, nämlich den Kolibris, haben nur die Männ- chen gewisser Arten entweder die Schäfte ihrer Schwungfedern erster Ordnung sehr verbreitert oder die Fahnen plötzlich nach dem Ende zu ausgeschnitten. So hat z. B. das Männchen von Selasphorus platycer- cus im erwachsenen Zustande die ersten Schwungfedern (Fig. 44) in dieser Weise ausgeschnitten. Während es von Blüthe zu Blüthe fliegt, bringt es „ein schar- „fes, fast pfeifendes Geräusch“ hervor ??, aber wie es Mr. Sarvın schien, wurde das Geräusch nicht absichtlich hervorgebracht. a en Endlich haben bei verschiedenen Species as ee a einer Untergattung von Pipra oder Manakins von einem Männchen; untere Fi- die Männchen modifieirte Schwungfedern zwei- a sprechende Feder vom tor Ordnung, und zwar, wie Mr. SCLATER beschrieben hat, in einer noch merkwürdigeren Weise. Bei der brillant gefärbten Pipra deliciosa sind die drei ersten Schwungfedern zweiter Ordnung diekschäftig und rach dem Körper zu gekrümmt; bei der vierten und fünften (Fig. 45a) ist die Veränderung grösser; und bei der sechsten und siebenten (b, c) ist der Schaft in einem ausserordentlichen Grade verdickt und bildet eine solide hornige Masse. Auch die Fahnen sind bedeutend in ihrer Form verändert in Vergleich mit den entsprechenden Federn (d, e, f) des Weibchens. Selbst die Knochen des Flügels, welche diese eigenthümlichen Federn tragen, sollen beim Männchen, wie Mr. FRASER sagt, bedeutend verdickt sein. Diese kleinen Vögel bringen ein ausserordentliches Geräusch hervor. Der erste „scharfe Ton ist dem Knall einer Peitsche nicht unähnlich 456, Die Verschiedenartigkeit der sowohl durch die Stimmorgane als andere Werkzeuge hervorgebrachten Laute, welche die Männchen vieler Species während der Paarungszeit äussern, und die Verschiedenheit der > Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 618, 621. > Gould, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 49. Salvin, Proceed. Zoolog. Soc. 1867, p. 160. 56 Sclater, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1860, p. 90 und in: Ibis, Vol. IV. 1862, p. 175; auch Salvin, in: Ibis, 1860, p. 37. Cap. 13. \ Instrumentalmusik. 57 Mittel zur Hervorbringung solcher Laute ist im hohen Grade merk- würdig. Wir erhalten hierdurch eine hohe Idee von ihrer Bedeutung zu sexuellen Zwecken und wer- N den an dieselbe Folgerung er- innert, zu der wir in Bezug auf Aehnliches bei den Inseeten ge- langten. Es ist nicht schwer, sich die verschiedenen Stufen vorzustellen, durch welche die Töne eines Vogels, welche ur- sprünglich nur als ein blosser Lockruf oder zu irgend einem andern Zwecke gebraucht wur- den, zu einem melodischen Lie- besgesang veredelt worden sein können. Dies ist etwas schwie- riger, wo es sich um die Mo- dification von Federn handelt, durch welche das Trommeln, Pfeifen oder die andern lauteren Geräusche hervorgebracht wer- den. Wir haben aber gesehen, dass einige Vögel während ihrer Fig. 45. Schwungfedern zweiter Ordnung von Pipra Brautwerbung ihr nicht modi- _uetieiosa (nach Selater, in: Proc. Zool. Soc. 1860). Die drei oberen Federn a, b, e vom Männchen, die ficirtes Gefieder schütteln, ras- drei untern d, e, f sind die entsprechenden Federn seln oder erzittern machen und vom Weibehen. E N aundd, fünfte Schwungfeder zweiter Ordnung vom wenn die Weibchen veranlasst Männchen uud Weibchen, obere Fläche; — b und e, wurden, die besten Spieler zu Spochale Schruns eu und siebente Schwungfeder zweiter Ordnung, obere Fläche. wählen, so dürften diejenigen Männchen, welche die stärksten oder dieksten oder auch die am meisten verdünnten, an irgend einem beliebigen Theile des Körpers sitzenden Federn besassen, die erfolgreichsten sein; und hiedurch können in lang- samen Abstufungen die Federn beinahe in jeder Ausdehnung modifieirt worden sein. Natürlich werden die Weibchen nicht jede unbedeutende aufeinanderfolgende Abänderung in der Form beachten, sondern nur die durch so veränderte Federn hervorgebrachten Laute. Es ist eine merk- würdige Thatsache, dass in derselben Classe von Thieren so verschie- denartige Laute sämmtlich den Weibchen der verschiedenen Species 58 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel.. II. Theil. angenehm sein sollen, wie das Meckern der Bekassine mit ihrem Schwanze, das Klopfen des Spechtes mit dem Schnabel, das rauhe trompetenartige Geschrei gewisser Wasservögel, das Girren der Turteltaube und der Gesang der‘ Nachtigall. Wir dürfen aber den Geschmack der verschie- denen Arten nicht nach einem e„leichförmigen Maassstabe beurtheilen ; auch dürfen wir hierbei nicht den Maassstab des menschlichen Ge- schmacks anlegen. Selbst in Bezug auf den Menschen müssen wir uns daran erinnern, welche unharmonische Geräusche das Ohr der Wilden angenehm berühren, wie das Schlagen der Tamtams und die grellen Töne von Rohrpfeifen. Sir S. Bak£r bemerkt ??, dass „wie der Magen „der Araber das rohe Fleisch und die warm aus dem Thiere genommene „noch rauchende Leber vorzieht, so ziehe sein Ohr auch seine in glei- „cher Weise rauhe und unharmonische Musik aller andern vor.* Liebesgeberden und Tänze. — Die merkwürdigen Liebes- geberden verschiedener Vögel, besonders der Gallinaceen, sind bereits gelegentlich erwähnt worden, so dass hier nur wenig hinzugefüst zu werden braucht. In Nordamerika versammeln sich grosse Mengen eines Waldhuhns, des Tetrao phasianellus, jeden Morgen während der Paa- rungszeit auf einem ausgewählten ebenen Flecke und hier laufen sie rund herum in einem Kreise von ungefähr fünfzehn oder zwanzig Fuss im Durchmesser, so dass der Boden vollständig kahl getreten wird, wie ein Elfenring. Bei diesen „Rebhuhntänzen*, wie sie von den Jägern genannt werden, nehmen die Vögel die fremdartigsten Stellungen an und laufen herum, einige nach links, einige nach rechts. AUDUBoN be- schreibt die Männchen eines Reihers (Ardea kerodias), wie sie auf ihren langen Beinen mit grosser Würde vor ihren Weibchen herumstolziren und ihre Nebenbuhler herausfordern. Bei einem widerwärtigen Aas- geier (Cathartes jota) sind, wie derselbe Naturforscher angibt, „die Ge- „sticulationen und das Paradiren der Männchen im Anfange der Liebes- „zeit äusserst lächerlich“. Gewisse Vögel führen ihre Liebesgeberden im Fluge aus, wie wir bei dem schwarzen afrikanischen Webervogel gesehen haben, und nicht auf der Erde. Während des Frühjahrs er- hebt sich unser kleines Weisskehlehen (Sylvia einerea) oft wenige Fuss oder Yards über einem Gebüsche in die Luft und „schwebt mit einer ver- „zückten und phantastischen Bewegung während der ganzen Zeit singend >’ The Nile Tributaries of Abyssinia. 1867, p. 203. Cap. 13. Liebesgeberden. 59 „darüber und senkt sich wieder auf seinen Ruheplatz*. Die grosse englische Trappe wirft sich, wie es WorLr dargestellt hat, in ganz unbeschreibliche wunderliche Stellungen, während sie das Weibchen um- wirbt. Eine verwandte indische Trappe (Otis bengalensis) „steigt in „solchen Zeiten senkrecht in die Luft mit einem eiligen Schlagen der „Flügel, wobei sie ihren Federkamm erhebt, die Federn des Halses und „der Brust aufsträubt, und lässt sich dann auf den Boden nieder.“ Sie wiederholt dies Manöver mehrmals hintereinander und summt während der Zeit in einer eigenthümlichen Weise. Die Weibehen, welche zu- fällig in der Nähe sind, „gehorchen jenen tanzenden Aufforderungen, * und wenn sie sich nähern, senkt sie ihre Flügel und breitet ihren Schwanz wie ein Truthahn aus 8, Den merkwürdigsten Fall aber bieten drei verwandte Gattungen australischer Vögel dar, die berühmten Laubenvögel — sämmtlich ohne Zweifel Nachkommen einer alten Species, welche zuerst den merkwür- digen Instinet erlangte, sich zur Production ihrer Liebespantomimen kleine Lauben zu bauen. Die Lauben (Fig. 46), welche wie wir später noch sehen werden, mit Federn, Muschelschalen, Knochen und Blättern in hohem Grade decorirt sind, werden einzig zu dem Zwecke der Be- werbung auf die Erde gebaut, denn ihre Nester bauen sie auf Bäume. Beide Geschlechter helfen bei dem Aufbauen dieser Lauben, aber das Männchen ist der hauptsächlichste Arbeiter daran. Dieser Instinet ist so stark, dass er selbst in der Gefangenschaft noch ausgeübt wird. Mr. STRANGE hat die Lebensweise einiger Atlas-Laubenvögel beschrie- ben °°, welche er in seiner Voliere in Neu-Südwales sich hielt. „Eine: Zeit „lang jagt das Männchen das Weibchen durch die ganze Voliere, dann „geht es zu der Laube, pickt eine lebhaft gefärbte Feder oder ein gros- „ses Blatt auf, stösst einen merkwürdigen Laut aus, richtet alle seine „Federn im die Höhe, läuft rund um die Laube herum und wird dabei „so aufgeregt, dass seine Augen fast aus dem Kopfe herauszuspringen 55 Wegen Tetrao phasianellus s. Richardson, Fauna Bor. Americana. p- 361, und wegen weiterer Einzelnheiten Capt. Blakiston, Ibis, 1863, p. 125. In Bezug auf Cathartes und Ardea: Audubon, Ornithol. Biograph. Vol. II, p. 51 und Vol. II, p. 89. Ueber das Weisskehlchen s. Macgillivray,. History of British Birds, Vol. II, p. 354. Ueber die Indische Trappe: Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 618. £ 59? Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. I, p. 444, 449, 455. Die Laube des Atlasvogels ist jederzeit im Zoologischen Garten in Regents Park zu sehen, 60 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. t „scheinen; unaufhörlich hebt es zuerst den einen Flügel, dann den an- „dern, stösst einen sanften, pfeifenden Ton aus und scheint, wie der Fig. 16. Kragenvogel, Chlamydera maculata, mit seiner Laube (aus Brehm, Thierleben). „Haushahn, irgend etwas von der Erde aufzupicken, bis zuletzt das „Weibchen sanften Muthes auf dasselbe zugeht.“ Captain Stores hat die Lebensweise und die „Spielhäuser* einer andern Art, nämlich des grossen Laubenvogels, beschrieben. Hier sah er, wie derselbe „vor- „und rückwärts flog, eine Muschelschale abwechselnd von der einen, „dann von der andern Seite aufnahm und, dieselbe in seinem Schnabel „haltend, in die Pforte eintrat.“ Diese merkwürdigen Bauten, welche Cap. 13. { Schmuck. 61 einzig und allein als Versammlungsräume aufgeführt werden, wo sich beide Geschlechter unterhalten und sich den Hof machen, müssen den Vögeln viel Mühe kosten, so ist z. B. die Laube der braunbrüstigen Art beinahe vier Fuss lang, achtzehn Zoll hoch und auf einer dicken Lage von Stäben errichtet. Schmuck. — Ich will zuerst die Fälle erörtern, in welchen die Männchen entweder ausschliesslich oder in einem viel bedeutenderen Grade geschmückt sind als die Weibchen, und in einem späteren Ca- pitel diejenigen, in denen beide Geschlechter in gleicher Weise ge- schmückt sind, und endlich die seltenen Fälle, in denen das‘ Weibchen etwas glänzender gefärbt ist als das Männchen. Wie es mit den künst- lichen Zierathen der Fall ist, welche wilde und eivilisirte Menschen benutzen, so ist auch bei den natürlichen Zierathen der Vögel der Kopf der hauptsächlichste Gegenstand der Ausschmückung °°. Die Zieratheit sind, wie im Eingange dieses Capitels erwähnt wurde,. in einer wunder- baren Weise verschiedenartig. Die Schmuckfedern an der vorderen oder hinteren Seite des Kopfes bestehen aus verschieden geformten Federn und sind zuweilen einer Aufrichtung oder Ausbreitung fähig, wodurch ihre schönen Farben vollständig entfaltet werden. Gelegentlich sind elegante Ohrbüschel (s. Fig. 39, S. 49) vorhanden. Der Kopf ist zu- weilen mit sammetartigen kurzen Federn bedeckt, wie beim Fasan, oder er ist nackt und lebhaft gefärbt oder trägt fleischige Anhänge, Fäden oder solide Protuberanzen. Auch die Kehle ist zuweilen mit einem Barte geschmückt oder mit Fleischlapper oder Karunkeln. Derartige Anhänge sind im Allgemeinen hel! gefärbt und dienen ohne Zweifel als Zierathen, wenn» sie auch nicht immer für unsere Augen ornamental sind. Denn während das Männchen sich im Acte des Hofmachens dem Weibchen gegenüber befindet, schwellen dieselben oit an und nehmen noch lebendigere Farben an, wie z. B. bei dem Truthahn. Zu solchen Zeiten schwellen die fleischigen Anhänge am Kopfe des männlichen Tragopan-Fasans (Ceriornis Temmincki) zu einem grossen Lappen an der Kehle und zu zwei Hörnern an, eines auf jeder Seite des glänzen- den Federstutzes, und diese sind dann mit dem intensivsten Blau ge- färbt, was ich je gesehen habe. Bei den afrikanischen Hornraben (Bu- corax abyssinicus) wird der scharlachene blasenartige Fleischlappen 60 <. Bemerkungen in diesem Sinne über das Gefühl für Schönheit bei den Thieren von J. Shaw im: Athenaeum, 24. Nov. 1866, p. 631. 62 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. am Halse aufgeblasen, und der Vogel bietet «dann mit seinen herab- hängenden Flügeln und ausgebreitetem Schwanze „eine ganz grossartige „Erscheinung“ dar®!. Selbst die Iris des Auges ist zuweilen beim Männchen glänzender gefärbt als beim Weibchen, und dasselbe ist häufig‘ mit dem Schnabel der Fall, z. B. bei unserer gemeinen Amsel. Bei Buceros corrugaltus sind der ganze Schnabel und der ungeheure Helm beim Männchen auffallender gefärbt als beim Weibchen, und „die schrä- „gen Gruben an den Seiten der unteren Kinnlade sind dem männlichen „Geschlechte eigenthümlich * 62. Die Männchen sind oft mit verlängerten Federn geschmückt , die von beinahe jedem Theile des Körpers entspringen können. Die Federn an der Kehle und der Brust sind zuweilen zu schönen Kragen und Hals- krausen entwickelt. Die Schwanzfedern sind häufig sehr verlängert, wie wir an den Schwanzdeckfedern des Pfauhahns und am Schwanze des Argusfasans sehen. Der Körper dieses letzterwähnten Vogels ist nicht grösser als der eines Huhns; doch beträgt seine Länge von der Spitze des Schnabels bis zum Ende des Schwanzes nicht weniger als fünf Fuss drei Zoll 6%. Die Flügelfedern sind nicht entfernt so häufig verlängert als die Schwanzfedern, denn ihre Verlängerung würde den Act des Fliegens hindern. Doch sind die sehr schön mit Augenflecken gezierten Flügelfedern zweiter Ordnung des männlichen Argusfasans nahezu drei Fuss lang, und bei einem kleinen afrikanischen Ziegen- melker (Cosmetornis vexillarius) erreicht eine der Schwungfedern erster Ordnung während der Paarungszeit eine Länge von sechsundzwanzig Zoll, während der Vogel selbst nur zehn Zoll lang ist. Bei einer an- dern nahe verwandten Gattung von Ziegenmelkern sind die Schäfte der verlängerten Flügelfedern nackt mit Ausnahme der Spitze, wo sie eine Scheibe tragen ®*. Ferner sind in einer andern Gattung von Ziegen- melkern die Schwanzfedern selbst noch ungeheurer entwickelt, so dass wir eine und dieselbe Art von Verzierung bei den Männchen nahe ver- wandter Vögel durch die Entwiekelung sehr verschiedener Federn er- reicht finden. - Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die Federn von Vögeln, 61 Mr. Monteiro, in: Ibis, Vol. IV. 1862, p. 339. 62 Land and Water, 1868, p. 217. 63 Jardine’s Naturalist’s Library: Birds. Vol. XIV, p. 166. 64 Selater, in: Ibis, Vol. VI. 1864. p. 114. Livingstone, Expedition to the Zambesi. 1865, p. 66. Cap. 13. Schmuck. 63 welche zu verschiedenen Gruppen gehören, in beinahe genau derselben eigenthümlichen Weise modificirt worden sind. So gind die Flügelfedern bei einem der oben erwähnten Ziegenmelker am ganzen Schafte nackt und endigen nur in einer Scheibe oder sie sind, wie es zuweilen genannt wird, löffel- oder spatelförmig. Federn dieser Art kommen am Schwanze eines Motmot (Eumomota superciliaris), eines Eisvogels, Finken, Koli- bri’s, Papageien, mehrerer indischer Drongos (Dierurus und Edolius, bei dem die Scheibe in einer Art senkrecht steht) und am Schwanze ge- wisser Paradiesvögel vor. Bei diesen letzteren Vögeln zieren ähnliche Federn, sehr schön mit Augenflecken versehen, den Kopf wie es gleich- falls bei einigen hühnerartigen Vögeln der Fall ist. Bei einer indi- schen Trappe (Sypheotides auritus) endigen die Federn, welche die Ohrbüschel, die ungefähr vier Zoll lang sind, bilden, gleichfalls in Scheiben 6°. Die Fahnen der Federn sind bei verschiedenen sehr weit auseinanderstehenden Vögeln fadenförmig, wie bei einigen Reihern, Ibis- sen, Paradiesvögeln und hühnerartigen Vögeln. In andern Fällen ver- schwinden die Fahnen und lassen den Schaft nackt und dieser erreicht im Schwanze von Paradisea apoda eine Länge von vierunddreissig Zoll 6%. Werden kleinere Federn in dieser Weise nackt, so erscheinen sie wie Borsten, so z.B. an der Brust des Truthahns. Wie eine jede schwan- kende Mode in der Kleidung beim Menschen allmählich bewundert wird, so scheint auch bei Vögeln eine Veränderung beinahe jeder Art in der Structur oder der Färbung der Federn beim Männchen von dem Weib- chen bewundert worden zu sein. Die Thatsache, dass die Federn in sehr weit von einander verschiedenen Gruppen in einer analogen Art und Weise modifieirt worden sind, hängt ohne Zweifel ursprünglich da- von ab, dass alle Federn nahezu dieselbe Structur und Entwickelungs- weise haben und folglich auch in einer und der nämlichen Art und Weise zu variiren neigen. Wir sehen oft eine Neigung zu analoger Variabilität in dem Gefieder unserer domesticirten Vogelrassen, welche zu verschiedenen Species gehören. So sind Federbüsche bei mehreren Species aufgetreten. Bei einer ausgestorbenen Varietät des Truthahns bestand der Federstutz aus nackten Schäften, welche von dunenartigen Fadenfedern überragt wurden, so dass diese in einem gewissen Grade den spatelförmigen, oben beschriebenen Federn ähnlich wurden. Bei 65 Jerdon. Birds of India. Vol. III, p. 620. 66 Wallace, in: Annals and Magaz. of Nat. Hist. Vol. XX. 1857, p. 416, und in seinem Malay Archipelago. Vol. II. 1569, p. 390. 64 | Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. gewissen Rassen der Taube und des Huhns sind die Federn fadenför- mig, wobei die Schäfte eine gewisse Neigung haben, nackt zu werden. Bei der Sebastopolgans sind die Schulterfedern bedeutend verlängert, gekräuselt oder selbst spiral gedreht und haben fadige Ränder 6°. Es braucht hier kaum irgend etwas über die Färbung gesagt zu Fig. 47. Paradisea rubra, Mäunchen (aus Brehm, Thierleben). werden, denn Jedermann weiss, wie glänzend die Farben der Vögel und wie harmonisch sie mit einander verbunden sind. Die Farben sind oft 67 s. mein Buch: Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, S. 360 und 365. ri > Cap. 13. Schmuck. 65 metallisch und irideseirend. Kreisfömrige Flecke werden zuweilen von einer oder mehreren verschieden sehattirten Zonen umgeben und wer- den hierdurch in Augenflecke verwandelt. Auch braucht nicht viel über die wunderbaren Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern oder von der ausserordentliehen Schönheit der Männchen vieler Vögel gesagt zu werden. Der gemeine Pfauhahn bietet hier ein auffallendes Beispiel RılELNER & Fig. 48. LDephornis ornatus Männchen und Weibchen (aus Brehm, Thierleben.) dar. Weibliche Paradiesvögel sind düster gefärbt und entbehren aller Ornamente, während die Männchen wahrscheinlich die am allermeisten unter allen Vögeln und in so verschiedenen Weisen geschmückten Vögel sind, dass man sie sehen muss, um Alles würdigen zu können. Die DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 5 66 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. verlängerten und goldig-orangenen Schmuckfedern, welche von unterhalb der Flügel der Paradisea apoda entspringen (s. Fig. 47 Paradisea rubra, eine viel weniger schöne Species) werden, wenn »sie senk- recht aufgerichtet und zum Schwingen gebracht werden, als eine Art von Hof beschrieben, in dessen Mittelpunkt der Kopf „wie eine Fig. 49. Spathura Underwoodi, Männchen und Weibchen (aus Brehm, Thierleben). „kleine smaragdene Sonne erscheint, deren Strahlen von den beiden „Schmuckfedern gebildet werden“ 6°. In einer andern ausserordentlichen 68 Citirt nach Mr. de Lafresnaye in: Annals and Magaz. of Nat. Hist. Vol. XIII. 1854, p. 157. s. auch Mr. Wallace’s viel ausführlichere Schilderung ebenda, Vol. XX. 1857, p. 412 und in seinem Malay Archipelago. Cap. 13, Schmuck. 67 Species ist der Kopf kahl und „von einem reichen Kobaltblau mit „mehreren Querreihen von schwarzen, sammetartigen Federn“ 6°, Männnliche Kolibri’s (Fig. 48 und 49) überbieten beinahe die Pa- radiesvögel in ihrer Schönheit, wie Jeder zugeben wird, welcher die prächtigen Abbildungen von Mr. GouLp oder seine reiche Sammlung gesehen hat. Es ist sehr merkwürdig, in wie vielen verschiedenartigen Weisen diese Vögel verziert sind. Es ist beinahe von jedem Theile des Gefieders Vortheil gezogen worden durch besondere Modification desselben, und die Modificationen sind, wie mir Mr. GouLD gezeigt hat, in einigen Arten fast aus jeder Untergruppe zu einem wunderbaren Ex- treme getrieben. Derartige Fälle sind denen merkwürdig gleich, welche wir bei unsern Liebhaberrassen sehen, welche der Mensch nur des Schmuckes wegen züchtet: gewisse Individuen varüirten ursprünglich in einem Merkmale und andere Individuen, welche zu einer und derselben Species gehörten, in andern Merkmalen, und diese hat dann der Mensch aufgegriffen und bis zu einem extremen Punkte gehäuft. So geschah es mit dem Schwanze der Pfauentaube, der Haube des Jacobiners, dem Schnabel und den Fleischlappen der Botentaube u. s. w. Die einzige Verschiedenheit zwischen diesen Fällen ist die, dass bei den einen die Entwickelung derartiger Merkmale das Resultat der vom Menschen aus- geübten Zuchtwahl ist, während sie in den andern, wie bei Kolibris, Paradiesvögeln u. s. w. eine Folge geschlechtlicher Zuchtwahl, d.h. der vom Weibchen vollzogenen Wahl der schöneren Männchen ist. Ich will nur noch einen andern Vogel erwähnen, welcher wegen des ausserordentlichen Contrastes in der Farbe zwischen den beiden Ge- schlechtern merkwürdig ist, nämlich den berühmten Glöckner (Chasmo- rhynchus niveus) von Südamerika, dessen Stimme in einer Entfernung von drei Meilen (miles) unterschieden werden kann und einen Jeden, der sie zuerst hört, in Erstaunen setzt. Das Männchen ist rein weiss, während das Weibchen schmutzig-grün ist, und die erstere Färbung ist bei Landvögeln mässiger Grösse und von nicht aggressiven Gewohn- heiten sehr selten. Auch hat das Männchen, wie WATERTON beschrie- ben hat, ein spirales Rohr, welches beinahe drei Zoll lang ist und von der Basis des Schnabels entspringt. Es ist tief schwarz und über und über mit kleinen dunigen Federn bedeckt. Dieses Rohr kann mit Luft durch eine Communication mit dem Gaumen aufgeblasen werden und 6% Wallace, The Malay Archipelago. Vol. I. 1869, p. 405. 5*F 68 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. wenn es nicht aufgeblasen ist, hängt es an ‚der einen Seite herab. Die Gattung besteht aus vier Species, deren Männchen sehr verschieden sind, während die Weibchen, nach der Beschreibung von Mr. SCLATER in einem äusserst interessanten Aufsatze, einander ausserordentlich ähn- lich sind und hierdurch ein vorzügliches Beispiel der allgemeinen Regel darbieten, dass innerhalb einer und derselben Gruppe die Männchen viel mehr von einander verschieden sind als die Weibchen. In einer zweiten Art (C. nudicollis) ist das Männchen gleichfalls schneeweiss mit Ausnahme eines grossen Fleckes nackter Haut an der Kehle und rund um die Augen, welcher während der Paarungszeit von schöner grüner Farbe ist. In einer dritten Art (C. tricarunculatus) sind nur der Kopf und Hals des Männchens weiss, der übrige Körper ist kasta- nienbraun ; auch ist das Männchen dieser Species mit drei fadenförmigen Vorsprüngen versehen, welche halb so lang als der Körper sind und von denen der eine von der Basis des Schnabels und die beiden andern von den Mundwinkeln entspringen 7. Das gefärbte Gefieder und gewisse andere Ornamente der Männ- chen im erwachsenen Zustande werden entweder für das Leben beibe- halten oder periodisch während des Sommers und der Paarungszeit er- neuert. Um diese Zeit wechseln der Schnabel und die nackte Haut um den Kopf häufig ihre Farben, wie es der Fall ist bei einigen Reihern, Ibissen, Möven, einem der eben erwähnten Glöckner u. s.w. Bei dem weissen Ibis werden die Wangen, die ausdehnbare Haut der Kehle und der basale Theil des Schnabels carmoisinroth ?!. Bei einer der Rallen (Gallicrex cristatus) entwickelt sich während derselben Zeit eine grosse rothe Carumkel am Kopfe des Männchens. Dasselbe ist mit einem dün- nen hornigen Kamme auf dem Schnabel eines Pelikan’s (P. erythrorhyn- chus) der Fall; denn nach der Paarungszeit werden diese Hornkämme abgeworfen wie die Hörner von den Köpfen der Hirsche; und das Ufer einer Insel in einem See in Nevada fand man mit diesen merkwürdigen Resten ganz bedeckt ??. Veränderungen der Farbe im Gefieder je nach der Jahreszeit hän- gen erstens von einer doppelten jährlichen Mauserung, zweitens von %° Sclater, in: The Intellectual Observer, Jan. 1867. Waterton’s Wan- derings, p. 118. s. auch den interessanten Aufsatz von Salvin, mit einer Tafel, in: Ibis, 1865, p. 90. : ”ı Land and Water, 1867, p. 394. ”? D. G. Elliot, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 589. ap. 13. Schmuck. 69 einer wirklichen Veränderung der Farbe in den Federn selbst und drit- tens davon ab, dass die dunkler gefärbten Ränder periodisch abgestos- sen werden, oder dass diese drei Vorgänge sich mehr oder weniger com- biniren. Das Abstossen der hinfälligen Ränder lässt sich mit dem Ab- stossen des Dunenkleides bei sehr jungen Vögeln vergleichen, denn die Dunen entstehen in den meisten Fällen von den Spitzen der ersten wirklichen Federn ??, In Bezug auf die Vögel, welche jährlich einer zweimaligen Mau- serung unterliegen, gibt es erstens einige Arten, z. B. Schnepfen, Brach- schwalben (@lareolae) und Brachschnepfen, bei welchen die beiden Ge- schlechter einander ähnlich sind und die Farbe zu keiner Zeit verändern. Ich weiss nicht, ob das Wintergefieder dieker und wärmer ist als das Sommergefieder, was, wenn keine Farbenveränderung eintritt, die wahr- scheinlichste Ursache der doppelten Mauserung ist. Zweitens gibt es auch Vögel, z.B. gewisse Species von Totanus und andere Wadvögel, deren Geschlechter einander gleichen, aber deren Sommergefieder in un- bedeutendem Grade von dem Wintergefieder verschieden ist. Indessen ist die Verschiedenheit der Farbe in diesen Fällen so unbedeutend, dass sie kaum ein Vortheil für die Vögel sein kann, und sie lässt sich viel- leicht der direeten Einwirkung der umgebenden Bedingungen zuschreiben, welchen die Vögel während der beiden verschiedenen Jahreszeiten aus- gesetzt sind. Drittens gibt es viele andere Vögel, bei welchen die Ge- schlechter gleich sind, welche aber in ihrem Sommer- und Wintergefieder sehr verschieden sind. Viertens gibt es Vögel, deren Geschlechter in der Farbe von einander abweichen. Obgleich aber die Weibchen sich zweimal mausern, behalten sie doch dieselbe Färbung das ganze Jahr hindurch, während die Männchen eine Veränderung erleiden und zuweilen, wie bei gewissen Trappen, sogar eine grosse Veränderung in ihrer Fär- bung zeigen. Fünftens und letztens gibt.es Vögel, deren Geschlechter sowohl im Winter- als im Sommergefieder von einander verschieden sind; aber das Männchen unterliegt einer grösseren Veränderung als das Weibchen bei jeder der wiederholt abwechselnd eintretenden Jahreszeiten, wofür der Kampfläufer (Machetes pugnax) ein gutes Beispiel darbietet. Was die Ursache oder den Zweck der Verschiedenheiten in der Färbung zwischen dem Sommer- und Wintergefieder betrifft, so können "3 Nitzsch, Pterylography, edited by P. L. Selater. Ray Society. 1867, p- 14. 70 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IE. Theil. dieselben in einigen Fällen wie bei dem Schneehuhn ?*, während beider Jahreszeiten zum Schutz dienen. Ist die Verschiedenheit zwischen den beiden Gefiedern unbedeutend, so kann sie vielleicht, wie bereits be- merkt, der direeten Wirkung der Lebensbedingungen zugeschrieben wer- den; aber bei vielen Vögeln lässt sich kaum daran zweifeln, dass das Sommergefieder zum Schmucke dient, selbst dann, wenn beide Geschlech- ter einander gleich sind. Wir können wohl annehmen, dass dies bei vielen Reihern, Silberreihern u. s. w. der Fall ist, denn sie erhalten ihre schönen Schmuckfedern nur während der Paarungszeit. Ueberdies sind derartige Schmuckfedern, Federstütze u. s. w., wenn sie auch beide Geschlechter besitzen, doch gelegentlich beim Männchen etwas stärker entwickelt als beim Weibehen und sie sind den Federn und andern Zierathen ähnlich, welche nur die Männchen bei andern Vögeln besitzen. Es ist auch bekannt, dass Gefangenschaft dadurch, dass sie das Repro- duetivsystem männlicher Vögel affieirt, häufig die Entwickelung ihrer secundären Sexualcharactere hemmt, aber keinen unmittelbaren Einfluss auf irgend ein anderes Merkmal hat; auch hat mir Mr. BartLerT mit- getheilt, dass acht oder neun Exemplare von Tringa Canutus ihr schmuck- loses Wintergefieder im 'zoologischen Garten das ganze Jahr hindurch behielten, aus welcher Thatsache wir schliessen können, dass das Som- mergefieder, wenn es auch beiden Geschlechtern gemein ist, von der- selben Natur ist wie das ausschliesslich männliche Gefieder vielen an- dern Vögel ?>. Aus den vorstehenden Thatsachen und ganz besonders aus der, dass bei gewissen Vögeln keines der beiden Geschlechter während bei- der jährlicher Mauserungen die Farbe verändert oder sie nur so unbe- deutend verändert, dass diese Aenderung ihnen kaum von irgendwelchem Nutzen sein kann, und daraus, dass die Weibchen anderer Species zwar sich ”* Das braune gefleckte Sommergefieder des Schneehuhns ist als Schutz- mittel für dasselbe von genau so grosser Bedeutung als das weisse Winterge- fieder; denn man weiss, dass in Scandinavien während des Frühlings, wenn der Schnee verschwunden ist, der Vogel einer Zerstörung durch Raubvögel sehr aus- en ist, ehe er sein Sommerkleid erhalten hat. ss. Wilhelm von Wright, 1: Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 125. ‘5 In Bezug auf die vorstehenden Angaben über Mauserung s. wegen der Bekassinen u. s. w. Maecgillivray, Hist. Brit. Birds. Vol. IV, p. 371, über Glareola, Brachschnepfen und Trappen: Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 615, 630, 683, über Totanus, ebenda p. 700, über die Schmuckfedern der Reiher, ebenda p. 738 und Macgillivray, a. a. O. Vol. IV, p. 455 und 444, und Mr Stafford Allen in: The Ibis. Vol. V. 1863, p. 33. ’ ” Cap. 13. Schmuck. 74 zweimal mausern, aber doch das ganze Jahr hindurch dieselben Farben beibehalten, können wir schliessen, dass die Gewohnheit sich im Jahre zweimal zu mausern nicht deshalb erlangt worden ist, dass das Männ- chen während der Paarungszeit einen ornamentalen Character erhalten soll, wir werden vielmehr zu der Annahme geführt, dass die doppelte Mauserung, welche ursprünglich zu irgend einem bestimmten Zwecke er- langt worden ist, später dazu benutzt wurde, in gewissen Fällen den Vö- geln durch Erlangung eines Hochzeitsgefieders einen Vortheil zu gewähren. Es scheint auf den ersten Blick ein überraschender Umstand zu sein, dass bei nahe verwandten Vögeln einige Species regelmässig eine zweimalige» jährliche Mauserung erleiden und andere nur eine einzige. Das Schneehuhn mausert sich z. B. zwei- oder selbst drei Mal im Jahre und das Birkhuhn nur einmal. Einige der glänzend gefärbten Honig- vögel (Nectariniae) von Indien und einige Untergattungen dunkel ge- färbter Pieper (Anthus) haben eine doppelte Mauserung, während andere nur eine einmalige im Jahre haben %. Aber die Abstufungen in der Art und Weise der Mauserung, welche bei verschiedenen Vögeln be- kanntlich vorkommen, zeigen uns, wie Species oder ganze Gruppen von Species ursprünglich ihre doppelte jährliche Mauserung erhalten haben dürften oder wie sie dieselbe, nachdem sie sie früher einmal erlangt hatten, wieder verloren haben. Bei gewissen Trappen und Regenpfeifern ist die Frühjahrsmauserung durchaus nicht vollständig. Einige Federn werden erneuert und einige in der Farbe verändert. Wir haben auch Grund zu vermuthen, dass bei gewissen Trappen und rallenartigen Vögeln, welche eigentlich eine doppelte Mauserung erleiden, einige der älteren Männchen ihr Hochzeitsgefieder (das ganze Jahr hindurch behalten. Ei- nige wenige bedeutend modifieirte Federn können während des Frühjahrs allein dem Gefieder hinzugefügt werden, wie es mit den scheibenförmi- gen Schwanzfedern gewisser Drongos (Bhringa) in Indien und mit den verlängerten Federn am Rücken, Halse und mit dem Federkamme ge- wisser Reiher der Fall ist. Durch derartige Stufen kann die Frühjahrs- mauserung immer vollständiger gemacht worden sein, bis eine vollkom- mene doppelte Mauserung erreicht wurde. Es lässt sich auch eine Abstufung nachweisen in der Länge der Zeit, während welcher jedes der jährlichen Gefieder beibehalten wird, so dass das eine endlich das ganze Jahr hin- *% Ueber das Mausern des Schneehuhns s. Gould, Birds of Great Britain. Ueber die Honigvögel s. Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 359, 365, 369. Ueber das Mausern von Anthus s. Blyth, in: Ibis, 1867, p. 32. E43 2. Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. durch behalten wird, während das andere vollständig verloren geht. So behält der Machetes pugnax seinen Kragen im Frühjahre kaum zwei Monate lang. Der männliche Wittwenvogel (Chere progne) erhält in Natal sein schönes Gefieder und seine langen Schwanzfedern im De- cember oder Januar und verliert sie im März, so dass sie nur während ungefähr dreier Monate behalten werden. Die meisten Species, welche eine doppelte Mauserung erleiden, behalten ihre ornamentalen Federn ungefähr sechs Monate lang. Indessen behält das Männchen des wil- den Gallus bankiva seine Hals-Sichelfedern neun oder zehn Monate lang und wenn diese abgeworfen werden, treten die darunter liegenden schwarzen Federn am Halse völlige sichtbar. hervor. Aber bei den do- mestieirten Nachk#mmen dieser Art werden die Hals-Sichelfedern so- fort durch neue wieder ersetzt, so dass wir hier in Bezug auf einen Theil des Gefieders sehen, wie eine doppelte Mauserung durch den Einfluss der Domestieation in eine einfache Mauserung umgewandelt worden ist”. Der gemeine Enterich (Anas boschas) verliert bekanntlich nach der Paarungszeit sein männliches Gefieder für eine Zeit von drei Mo- naten, während welcher Zeit er das Gefieder des Weibchens annimmt. Die männliche Spiessente (Anas acuta) verliert ihr Gefieder für eine kürzere Zeit, nämlich für sechs Wochen oder zwei Monate, und Mon- TaGu bemerkt, dass „diese doppelte Mauserung innerhalb einer so „kurzen Zeit ein äusserst merkwürdiger Umstand ist, welcher allem „menschlichen Nachdenken Trotz zu bieten scheint“. Wer aber an die allmähliche Modification der Arten glaubt, wird durchaus nicht über- rascht sein, Abstufungen aller Arten zu finden. Sollte die männliche Spiessente ihr neues Gefieder innerhalb einer noch kürzeren Zeit er- halten, so würden die neuen männlichen Federn beinahe nothwendig mit den alten sich vermischen und beide wieder mit einigen, die dem Weibchen eigenthümlich sind; und dies ist allem Anscheine nach bei dem Männchen eines in keinem sehr entfernten Grade mit jenen ver- ?7 Wegen der vorstehenden Angabe in Bezug auf eine theilweise Mause- rung und über die alten Männchen, welche ihr Hochzeitsgefieder behalten, s. Jerdon, über Trappen und Regenpfeifer in: Birds of India. Vol. III, p. 617, 637, 709, 711; auch Blyth, in: Land and Water, 1867, p. 84. Ueber die Vidua: Ibis Vol. IIT. 1861, p. 133. Ueber die Drongos: Jerdon, a. a. 0. Vol. I, p. 455. Ueber die Frühjahrsmauserung des Herodias bubuleus s. Mr. S. S. Allen, in: Ibis, 1863, p. 33. Ueber Gallus bankiva s. Blyth, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1848, p. 455. s. auch über diesen Gegenstand mein „Va- riiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.*“ Bd. 1, 5. 292. = Cap. 13. Schmuck. a wandten Vogels, nämlich bei dem des Merganser serrator der Fall. Denn hier sagt man, dass die Männchen „eine Veränderung des Gefieders er- „leiden, welche sie in einem gewissen Maasse den Weibchen ähnlich „macht.“ Durch eine unbedeutend weitergehende Beschleunigung des Vorgangs würde die doppelte Mauserung vollständig verloren gehen ?®. Einige männliche Vögel werden, wie früher schon angegeben, im Frühjahre heller gefärbt, nicht durch eine Frühlingsmauserung, sondern entweder durch eine wirkliche Veränderung der Farbe in den Federn oder durch das Abstossen der dunkel gefärbten hinfälligen Ränder der- selben. Die hierdurch verursachte Aenderung der Farbe kann eine längere oder kürzere Zeit andauern. Bei dem Pelecanus onocrotalus breitet sich ein schöner rosiger Hauch über das ganze Gefieder im Frühlinge aus, wobei eitronengefärbte Flecke auf der Brust auftreten. Diese Färbungen halten aber, wie Mr. Scrarer anführt, „nicht lange „an, sondern verschwinden allgemein in ungefähr sechs Wochen oder „zwei Monaten, nachdem sie erlangt worden sind“. Gewisse Finken stossen die Ränder ihrer Federn im Frühlinge ab und werden hierdurch heller gefärbt, während andere Finken keine Veränderung dieser Art erleiden. So bietet die Fringilla tristis der Vereinigten Staaten (ebenso wie viele andere amerikanische Species) ihre hellen Farben nur dar, wenn der Winter vorüber ist, während unser Stieglitz, welcher jenen Vogel in der Lebensweise genau repräsentirt, und unser Zeisig, welcher demselben der Structur nach noch näher entspricht, keine derartige Veränderung erleiden. Aber eine Verschiedenheit dieser Art im Ge- fieder verwandter Species ist nicht überraschend; denn bei dem gemei- nen Hänfling, welcher zu derselben Familie gehört, zeigt sich die car- moisine Stirn und Brust in England nur während des Sommers, wäh- rend diese Farben in Madeira das ganze Jahr hindurch behalten werden *®. Entfaltung des Gefieders seitens der Männchen. — Die männlichen Vögel entfalten eifrigst Zierathen aller Arten, mögen diese 78 s. Macgillivray, History of British Birds, Vol. V, p. 34, 70 und 223, über die Mauserung der Anatiden mit Citaten nach Waterton und Montagu. s. auch Yarrell, History of British Birds, Vol. III, p. 243. ”® Ueber den Pelikan s. Selater, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 265. Ueber die Amerikanischen Finken, s. Audubon, Ornitholog. Biograph. Vol. I, p. 174, 221, und Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 383. Ueber die Fringilla cannabina von Madeira s. Mr. E, Vernon Harcourt, in: Ibis, Vol. V. 1863 p-. 230. 74 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. (TEOTHeR: nun permanent oder nur zeitweise erlangt sein; und diese Ornamente dienen allem Anscheine nach dazu, die Weibchen aufzuregen oder anzu- ziehen oder zu bezaubern. Die Männchen entfalten aber auch diese Zie- rathen zuweilen, wenn sie sich nicht in der Gegenwart der Weibehen be- finden, wie es gelegentlich mit den Waldhühnern auf ihren Balzplätzen geschieht und wie man auch bei dem Pfauhahne beobachten kann. In- dessen wünscht dieser letztere Vogel sich offenbar irgend einen Zu- schauer und zeigt selbst häufig seinen Schmuck, wie ich selbst oft gesehen habe, vor Hühnern, ja selbst vor Schweinen 8°. Alle Natur- forscher,, welche die Lebensweise der Vögel, gleichviel ob im Natur- zustande oder in. der Gefangenschaft, aufmerksam beobachtet haben, sind einstimmig der Ansicht, dass die Männchen ein Vergnügen darin finden, ihre Schönheit zu entfalten. Aupupon spricht häufig von den Männ- chen, als versuchten sie in verschiedenen Weisen das Weibchen zu be- zaubern. Mr. GousnD beschreibt einige Eigenthümlichkeiten bei einem männlichen Kolibri und fährt dann fort, er zweifle nicht, dass er das Vermögen habe, diese Eigenthümlichkeiten auf das Vortheilhafteste vor dem Weibchen zu entfalten. Dr. JERDON betont ®!, dass das schöne Gefieder des Männchens dazu diene, „das Weibchen zu bezaubern und „anzuziehen“. Mr. BARTLETT im zoologischen Garten drückt sich in demselben Sinne auf das Allerentschiedenste aus. Es muss ein grossartiger Anblick in den Wäldern von Indien sein, plötzlich auf zwanzig oder dreissig Pfauhennen zu stossen, vor denen „die Männchen ihre prachtvollen Behänge entfalten und in aller Pracht „Ihres Stolzes vor den befriedigten Weibchen herumstolziren“. Der wilde Truthahn richtet sein glitzerndes Gefieder auf, breitet seinen schön gebänderten Schwanz und seine quergestreiften Flügelfeldern aus und bietet im Ganzen mit seinen prachtvollen earmoisinen und blauen Fleischlappen eine prächtige, wenn auch für unsere Augen groteske Er- scheinung dar. Aehnliche Thatsachen sind bereits in Bezug auf die Waldhühner verschiedener Arten mitgetheilt worden. Wenden wir uns zu einer andern Ordnung: die männliche Rupicula crocea (Fig. 30) ist einer der schönsten Vögel in der Welt, nämlich von einem glänzenden Orange, wobei einige Federn merkwürdig abgestutzt sind und fadig aus- 8! Birds of India, Introduction, Vol. I, p. XXIV; über den Pfauhahn: Vol. III, p. 507. s. Gould, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 15 und 111. Cap. 13. Entfaltung des männlichen Schmucks. ri) und hat einen viel kleineren Federkamm. Sir R. ScHomBUursk hat ihre Bewerbung beschrieben. Er fand einen ihrer Versammlungsplätze, wo zehn Männchen und zwei Weibchen gegenwärtig waren. Der Platz war von vier bis fünf Fuss im Durchmesser und erschien so, als ob Fig. 50. Rupieola erocea, Männchen (aus Brehm, Tbierleben). er durch menschliche Hände von jedem Grashalm gereinigt und nieder- geglättet wäre. Eines der Männchen „hüpfte herum, offenbar zum Ent- „zücken mehrerer anderer. Jetzt breitete es seine Flügel aus, warf „seinen Kopf in die Höhe oder öffnete seinen Schwanz wie einen Fächer, „jetzt stolzirte es herum mit einem hüpfenden Gange, bis es ermüdet 76 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. „war, wo es eine Art von Gesang anstimmte und von einem andern „Männchen abgelöst wurde. So traten drei von ihnen nach einander „auf die Bühne und zogen sich dann mit Selbstzufriedenheit zu den „andern zurück.* Die Indianer warten, um ihre Bälge zu erhalten, an einem dieser Versammlungsplätze, bis die Vögel eifrig mit Tanzen be- schäftigt sind, und sind dann im Stande, mit ihren vergifteten Pfeilen vier oder fünf Männchen eines nach dem andern zu tödten $?. Von den Paradiesvögeln versammeln sich ein Dutzend oder noch mehr im vollen Gefieder befindlicher Männchen auf einem Baume, um, wie es die Ein- geborenen nennen, eine Tanzgesellschaft abzuhalten, nnd hier scheint der ganze Baum, wie Mr. WatracE bemerkt, von dem Umherfliegen der Vögel, dem Erheben ihrer Flügel, dem Auf- und Abschwingen ihrer ausgezeichneten Schmuckfedern und dem Erzittern derselben, als sei er mit schwingenden Federn erfüllt. Wenn sie hiermit beschäftigt sind, so werden sie so davon absorbirt, dass ein geschickter Bogenschütze fast die ganze Gesellschaft schiessen kann. Werden diese Vögel in (refangenschaft auf dem malayischen Archipel gehalten, so sollen sie auf das Reinhalten ihrer Federn sehr viel Sorgfalt verwenden, breiten sie oft aus, untersuchen sie und entfernen jedes Pünktchen Schmutz. Ein Beobachter, welcher mehrere Paare lebend hielt, zweifelte nicht daran, dass die Entfaltung des Männchens dazu bestimmt war, dem Weibchen zu gefallen ®°. Der Goldfasan (Thaumalea pieta) breitet nicht bloss während sei- ner Brautwerbung seinen prächtigen Halskragen aus und erhebt ihn, sondern wendet ihn auch, wie ich selbst gesehen habe, schräg gegen das Weibchen hin, auf welcher Seite dieses auch stehen mag, offenbar damit eine grössere Fläche davon vor demselben entfaltet werde **. Mr. Barıverr hat ein männliches Polypleciron (Fig. 51) im Acte der Braut- werbung beobachtet und hat mir ein Exemplar gezeigt, welches in der Stellung ausgestopft wurde, die es bei jenem Acte einnahm. Der Schwanz und die Flügelfedern dieses Vogels sind mit wunderschönen Augen- 82 Journal of the Roy. Geograph. Soc. Vol. X. 1840, p. 236. 53 Annals and Magaz. of Natur. Hist. Vol. XIII. 1854, p. 157, auch Wal- lace, ebenda. Vol. XX. 1857, p. 412, und The Malay Archipelago, Vol. IH. 1869, p. 252; auch Dr. Bennett, eitirt von Brehm, Thierleben. Bd. 3, S. 326. s: Mr. T. W. Wood hat im „Student“, April, 1870, p. 115, eine ausführ- liche Schilderung der Art und Weise dieser Entfaltung gegeben, welche er die laterale oder einseitige nennt; es bietet sie der Goldfasan und der Japanische Fasan dar, Ph. versicolor. * Cap. 13. Entfaltung des männlichen Schmucks. 77 flecken verziert, ähnlich denen auf dem Schwanze des Pfauhahns. Wenn nun der Pfauhahn sich präsentirt, so breitet er den Schwanz aus und rich- tet ihn quer zu seinem Körper in die Höhe, denn er steht vor dem Weibchen und hat zu derselben Zeit seine lebhaft gefärbte blaue Kehle und Brust zu zeigen. Aber die Brust des Polypleetron ist dunkel ge- Fig. 5l. Polypleetron chinguis, Männehen (aus Brehm, Thierleben). färbt und die Augenflecke sind nieht auf die Schwanzfedern beschränkt. In Folge dessen steht das Polypleetron nicht vor dem Weibchen, son- dern es richtet seine Schwanzfedern etwas schräg auf und breitet sie in dieser Richtung aus, wobei es auf derselben Seite auch den Flügel 78 h Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. “ ; Theil. <> - ausbreitet und den der entgegengesetzten Seite erhebt. In dieser Stel- lung sind die Augenflecke über den ganzen Körper vor den Augen des bewundernden Weibehens in einer grossen flitternden Fläche entwickelt. Auf welche Seite sich auch das Weibchen wenden mag, die ausgebrei- teten Flügel und der schräg gehaltene Schwanz werden nach ihm hin gedreht. Der männliche Tragopan-Fasan handelt fast in derselben Weise; denn er richtet die Federn seines Körpers in die Höhe, wenn auch nicht gerade den Flügel selbst, und zwar auf der Seite, welche der entgegengesetzt ist, wo das Weibchen sich findet, und welche da- her sonst verborgen wäre, so dass fast alle die schön gefleckten Federn zu einer und derselben Zeit gezeigt werden. Bei dem Argusfasan ist die Sache noch auffallender. Die unge- heuer entwickelten Schwungfedern zweiter Ordnung, welche auf das Männchen beschränkt sind, sind mit einer Reihe von zwanzig bis drei- undzwanzig Augenflecken verziert, jeder über einen Zoll im Durch- messer haltend. Die Federn sind auch elegant mit schrägen dunklen Streifen und Reihen von Flecken gezeichnet, ähnlich denen an der Haut des Tigers und eines Leoparden in Verbindung. Die Augenflecke sind so schön schattirt, dass, wie der Herzog von ArgYLL bemerkt ®°, sie wie eine lose in einer Aushöblung liegende Kugel erscheinen. Als ich aber das Exemplar im British Museum mir betrachtete, welches mit ausgebreiteten und abwärts hängenden Flügeln ausgestopft ist, war ich sehr enttäuscht, denn die Augenflecken erscheinen glatt oder selbst concav. Indess erklärte mir Mr. Gvorn die Sache sehr bald, denn er hatte eine Zeichnung von einem Männchen gemacht, während dasselbe sich vor dem Weibchen präsentirte. Zu solchen Zeiten werden die langen Schwungfedern zweiter Ordnung in beiden Flügeln senkrecht aufgerichtet und ausgebreitet, und diese stellen dann in Verbindung mit den enorm verlängerten Schwanzfedern einen grossen halbkreisförmigen, aufrechten Fächer dar. Sobald nun die Schwungfedern in dieser Stel- lung gehalten werden und das Licht von oben auf sie fällt, tritt die volle Wirkung der Schattirung zu Tage und jeder Augenfleck gleicht sofort jenem ornamentalen Motive, das man Kugel- und Sockel-Verzierung nennt. Diese Federn sind mehreren Künstlern gezeigt worden, und alle haben ihre Bewunderung über die vollkommene Schattirung ausgedrückt. Man darf wohl fragen, ob solche künstlerisch schattirte Verzierungen durch 85 The Reign of Law, 1367, p. 203. en. - fe Cap. 13. Entfaltung des männlichen Schmucks. die Thätigkeit der geschleehtlichen Zuchtwahl gebildet sein können. Es wird aber zweckmässig sein, die Antwort auf diese Frage bis dahin zu verschieben, wenn wir im nächsten Capitel von dem Principe der stufenweisen Entwiekelung sprechen. Die Schwungfedern erster Ordnung, welche bei den meisten hühner- . artigen Vögeln gleichförmig gefärbt sind, stellen beim Argusfasan nicht weniger wundervolle Objecte dar als die der zweiten Ordnung. Sie sind von einer weichen, braunen Färbung mit zahlreichen dunklen Flecken, von denen jeder aus zwei oder drei schwarzen Flecken mit einer um- gebenden dunklen Zone besteht. Aber die hauptsächlichste Verzierung besteht in einem parallel dem dunkelblauen Schafte laufenden Raume, welcher in seiner Contour eine vollkommene zweite Feder darstellt, welche innerhalb der wahren Feder drin liest. Dieser innere Theil ist heller kastanienbraun gefärbt und ist dicht mit äusserst kleinen weissen Punkten gefleckt. Ich habe diese Federn mehreren Personen gezeigt, und viele haben sie selbst noch mehr bewundert als die Kugel- und Sockel-Federn und haben erklärt, dass sie mehr einem Kunstwerke als einem Naturgegenstande glichen. Diese Federn werden nun bei allen gewöhnlichen Veranlassungen gänzlich verborgen, werden aber vollstän- dig entfaltet, wenn die langen Schwungfedern erster Ordnung aufge- richtet werden, freilich in einer sehr verschiedenen Weise. Denn sie werden vor jenen ausgebreitet wie zwei kleine Fächer oder Schilder, und zwar eines auf jeder Seite der Brust nahe dem Boden. Der Fall bei dem männlichen Argusfasan ist ausserordentlich in- teressant, weil er einen guten Beleg dafür darbietet, dass die raffinir- teste Schönheit nur als Reizmittel für das Weibchen dienen kann und zu keinem andern Zwecke. Dass dies der Fall ist, müssen wir folgern, da die Schwungfedern erster Ordnung niemals entfaltet werden und die Kugel- und Sockel-Verzierung niemals in ganzer Vollkommenheit gezeigt wird, ausgenommen, wenn das Männchen die Stellung der Brautwerbung annimmt. Der Argusfasan besitzt keine brillanten Farben, so dass sein Erfolg bei der Bewerbung von der bedeutenden Grösse seiner Zierfedern abgehangen zu haben scheint, ebenso wie von der Ausführung der ele- gantesten Zeichnungen. Viele werden erklären, dass es vollkommen unglaublich ist, dass ein weiblicher Vogel im Stande sein sollte, feine Schattirungen und ausgezeichnete Zeichnungen zu würdigen. Es ist zweifellos eine merkwürdige Thatsache, dass das Weibchen diesen bei- nahe menschlichen Grad von Geschmack besitzen soll, doch bewundert 80 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. dasselbe vielleicht mer die allgemeine Wirkung als jedes besondere Detail. Wer der Ansicht ist, mit Sicherheit die Unterscheidungskraft und den Geschmack der niederen Thiere abschätzen zu können, mag läugnen, dass der weibliche Argusfasan solche ausgesuchte Schönheit würdigen kann; er wird aber dann gezwungen sein zuzugeben, dass die ausserordentlichen Stellungen, welche das Männchen während des Actes der Bewerbung annimmt und durch welche die wunderbare Schönheit seines Gefieders vollständig zur Entfaltung kommt, zwecklos sind, und dies ist eine Schlussfolgerung, welche ich für meinen Theil wenigstens niemals zugeben kann. Obgleich so viele Fasanen und verwandte hühnerartige Vögel sorg- fältig ihr schönes Gefieder vor den Weibchen entfalten, so ist es doch merkwürdig, dass dies, wie mir Mr. BArttErT mittheilt, bei den trübe gefärbten Ohren- und Wallich’schen Fasanen (Crossoptilon auritum und Phasianus Wallichä) nicht der Fall ist; es scheinen daher diese Vögel sich dessen bewusst zu sein, dass sie wenig Schönheit zu entfalten im Stande sind. Mr. BArTLETT hat niemals gesehen, dass die Männchen einer dieser beiden Species mit einander kämpften, obschon er nicht so gute Gelegenheit gehabt hat, den Wallich’schen Fasan zu beobachten als den Ohrenfasan. Auch findet Mr. JENNER WEIR, dass alle männ- lichen Vögel mit reichem oder scharf characterisirtem Gefieder zank- süchtiger sind als die trübe gefärbten Arten, welche zu denselben Grup- pen gehören. Der Stieglitz ist z. B. viel zanksüchtiger als der Hänf- ling, und die Amsel zanksüchtiger als die Drossel. Diejenigen Vögel, welche in den verschiedenen Jahreszeiten eine Veränderung des Gefieders erleiden, werden in der Periode, wo sie am lebhaftesten geziert sind, gleichfalls viel kampflustiger. Ohne Zweifel kämpfen auch die Männ- chen einiger dunkel gefärbten Vögel verzweifelt mit einander, aber es scheint doch, als ob in den Fällen, wo die geschlechtliche Zuchtwahl von grossem Einflusse gewesen ist und den Männchen irgend einer Spe- cies helle Farben gegeben hat, dieselbe dann auch den Männchen eine starke Neigung zum Kämpfen verliehen hätte. Wir werden nahe analoge Fälle noch zu verzeichnen haben, wenn wir von den Säugethieren reden werden. Auf der andern Seite sind bei Vögeln das Vermögen des Gesangs und brillante Färbungen selten von den Männchen einer und derselben Species zusammen erlangt worden. In diesem Falle würde aber der dadurch erlangte Vortheil ganz genau derselbe gewesen sein, nämlich Erfolg beim Bezaubern des Weibchens. Nichtsdestoweniger muss zuge- ” 0) Ei # * Cap. 19. Entfaltung des männlichen Schmucks. 81 geben werden, dass ‚die Männchen mehrerer brillant gefärbter Vögel ihre Federn speciell zu dem Zwecke modifieirt haben, Instrumentalmusik hervorzubringen, obschon die Schönheit dieser letzteren, wenigstens unserem Geschmacke nach, nicht mit der Vocalmusik vieler Singvögel verglichen werden kann. Wir wollen uns nun zu denjenigen männlichen Vögeln wenden, welche in keinem sehr hohen Grade verziert sind, welche aber doch nichtsdestoweniger während ihrer Brautwerbung das was sie nur irgend an Anziehungsmitteln besitzen, zur Entfaltung bringen. Diese Fälle sind in manchen Beziehungen noch merkwürdiger als die in dem Vor- stehenden erörterten und sind nur wenig beachtet worden. Ich verdanke die folgenden Thatsachen, welche aus einer grossen Menge werthvoller Notizen ausgezogen sind, der Güte des Mr. JENNER WEIR, welcher lange Zeit Vögel vieler Arten, mit Einschluss aller britischen Fringil- liden und Emberiziden, gehalten hat. Der Gimpel macht seine Annä- herungsversuche, indem er vor dem Weibchen steht, bläst seine Brust auf, so dass viel mehr von den carmoisinen Federn auf einmal zu sehen sind als es sonst der Fall sein würde, und zu derselben Zeit dreht und biegt er seinen schwarzen Schwanz von der einen nach der andern Seite hin in einer lächerlichen Art und Weise. Auch der männliche Buchfink steht vor dem Weibchen und zeigt dabei seine rothe Brust und seinen asch- blauen Kopf und Nacken. Die Flügel werden zu derselben Zeit leicht erhoben, wobei die rein weissen Binden auf den Schultern auffallender werden. Der gemeine Hänfling dehnt seine rosige Brust aus, erhebt leicht seine braunen Flügel und den Schwanz, so dass er durch Darstellung ihrer weissen Ränder sie offenbar noch am besten verwerthet. Wir müssen indessen vorsichtig sein, wenn wir schliessen wollen, dass die Flügel nur zur Entfaltung ausgebreitet werden, da dies manche Vögel thun, deren Flügel nicht schön sind. Dies ist der Fall mit dem Haushahn, doch ist es hier stets der Flügel auf der dem Weibchen entgegenge- setzten Seite, welcher ausgebreitet und gleichzeitig auf dem Boden hin- gefegt wird. Der männliche Stieglitz benimmt sich von allen andern Finken ganz verschieden. Seine Flügel sind schön, die Schultern sind schwarz und die schwarzen Flügelfedern mit Weiss gefleckt und mit Goldgelb gerändert. Wenn er dem Weibchen den Hof macht, schwingt er seinen Körper von der einen Seite nach der andern und dreht seine leicht ausgebreiteten Flügel schnell herum, zuerst auf die eine, dann auf die andere Seite, wobei ein goldener Glanz über sie fällt. Wie Mr. DARWIN, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 6 82 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. U. Theil. WeEIR mir mittheilt, dreht sich kein anderer britischer Finke während seiner Bewerbung in dieser Weise von Seite zu Seite, nicht einmal der nahe verwandte männliche Zeisig thut es, denn er würde dadurch nichts zu seiner Schönheit zufügen. Die meisten der britischen Ammern sind einfach gefärbte Vögel. Im Frühjahre erhalten aber die Federn auf dem Kopfe des männlichen Rohrsperlings (Emberiza schoeniclus) eine schöne schwarze Farbe durch Abstossung der grauen Spitzen, und diese werden während des Actes der Bewerbung aufgerichtet. Mr. WEIR hat zwei Arten von Amadina aus Australien gehalten. Die A. castanotis ist ein sehr kleiner und bescheiden gefärbter Finke mit einem dunklen Schwanze, weissem Rumpfe und glänzend schwarzen oberen Schwanzdeckfedern, von welchen letz- teren jede einzelne mit drei grossen, auffallenden, ovalen, weissen Flecken gezeichnet ist #6. Wenn das Männchen dieser Species das Weibchen umwirbt, breitet es leicht diese zum Theil gefärbten Schwanzdeckfedern aus und macht sie in einer sehr eigenthümlichen Weise erzittern. Die männliche Amadina Lathami benimmt sich sehr verschieden hiervon, indem sie ihre brillant gefärbte Brust und ihren scharlachenen Rumpf und die scharlachenen oberen Schwanzdeckfedern vor dem Weibchen entfaltet. Ich will hier nach Dr. JERDON hinzufügen, dass der indische Bulbul (Pyenonotus haemorrhous) carmoisinrothe untere Schwanzdeck- federn hat, und die Schönheit dieser Federn kann, wie man denken möchte, niemals gut entfaltet werden. „Wird aber der Vogel erregt, „so breitet er sie oft seitwärts aus, so dass sie selbst von oben ge- „sehen werden können“ 8°, Die gemeine Taube hat irideseirende Federn an der Brust, und ein Jeder muss ja gesehen haben, wie das Männchen seine Brust aufbläst, während es das Weibchen umwirbt, und dabei diese Federn auf das Vortheilhafteste zeigt. Eine der schönen bronze- flügeligen Tauben von Australien (Ocyphaps lophotes) benimmt sich, wie mir Mr. WEIR es beschrieben hat, sehr verschieden. Während das Männchen vor dem Weibchen steht, senkt es seinen Kopf fast bis auf die Erde, breitet den Schwanz aus und erhebt ihn senkrecht und breitet auch seine Flügel halb aus. Es hebt dann abwechselnd den Körper in die Höhe und senkt ihn wieder langsam, so dass die iridescirenden 86 Wegen der Beschreibung dieser Vögel s. Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. I. 1865, p. 417. »” Birds of India. Vol. II, p. 96. . Gap. 13. Entfaltung des männlichen Schmucks. 33 metallisch glänzenden Federn alle auf einmal zu sehen sind und in der Sonne glitzern. Es sind nun hinreichende Thatsachen mitgetheilt worden, welche zeigen, mit welcher Sorgfalt männliche Vögel ihre verschiedenen Reize entfalten und wie sie dies mit dem grössten Geschicke thun. Während sie ihre Federn ausputzen, haben sie häufig Gelegenheit sich selbst zu bewundern und zu studiren, wie sie ihre Schönheit am besten darbieten können. Da aber sämmtliche Männchen einer und der nämlichen Spe- cies sich in genau derselben Art und Weise produeiren, so scheint es, als seien doch vielleicht zuerst absichtliche Handlungen instinetive ge- worden. Wenn dies der Fall ist, so dürfen wir die Vögel nicht be- wusster Eitelkeit beschuldigen; und doch scheint uns, wenn wir einen Pfauhahn mit ausgebreiteten und erzitternden Schwanzfedern umher- stolziren sehen, derselbe das lebendige Abbild von Stolz und Eitelkeit zu sein. _ Die verschiedenen Zierathen, welche die Männchen besitzen, sind gewiss von der grössten Bedeutung für dieselben, denn sie sind in ei- nigen Fällen auf Kosten des bedeutend eingeschränkten Flug- oder Laufvermögens erlangt worden. Der afrikanische Ziegenmelker (Cos- metornis), welcher während der Paarungszeit eine seiner Schwungfedern erster Ordnung zu einem Fadenanhange von ausserordentlicher Länge entwickelt hat, wird hierdurch in seinem Fluge aufgehalten, obschon er zu andern Zeiten seiner Schnelligkeit wegen merkwürdig ist. Die „un- „geheure Grösse“ der Schwungfedern zweiter Ordnung des männlichen Argusfasan beraubt, wie man sagt, „den Vogel fast vollständig des „Vermögens zu fliegen“. Die schönen Schmuckfedern männlicher Pa- radiesvögel stören sie während eines starken Windes. Die ausserordent- lich langen Schwanzfedern der männlichen Wittwenvögel (Vidua) von Südafrika machen „ihren Flug schwer“, sobald dieselben aber abge- worfen sind, fliegen sie so gut wie die Weibchen. Da Vögel stets brüten, wenn die Nahrung reichlich vorhanden ist, so erleiden die Männ- chen wahrscheinlich nicht viel Unbequemlichkeiten beim Suchen von Nahrung in Folge ihres gehinderten Bewegungsvermögens. Es lässt sich aber kaum zweifeln, dass sie viel mehr der Gefahr ausgesetzt sind, von Raubvögeln ergriffen zu werden. Auch können wir daran nicht zweifeln, dass das lange Behänge des Pfauhahns und der lange Schwanz und die langen Schwungfedern des Argusfasans sie viel leichter zu einer Beute für irgend eine raubgierige Tigerkatze machen müssen, als es 6* 84 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. sonst der Fall wäre. Selbst die hellen Farben vieler männlichen Vögel müssen sie selbstverständlich für ihre Feinde aller Arten auffallender machen. Wahrscheinlich sind aber, wie Mr. GousLp bemerkt hat, solche Vögel allgemein von einer scheuen Disposition, als ob sie sich dessen bewusst wären, dass ihre Schönheit eine Quelle der Ge- fahr für sie ist; auch sind sie viel schwerer zu entdecken und zu beschleichen als ihre dunkel gefärbten und vergleichsweise zahmen Weibchen oder als ihre jungen und noch nicht geschmückten Männ- chen 88, Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass die Männchen einiger Vögel, welche mit speciellen Waflen für den Kampf ausgerüstet und im Naturzustande so kampfsüchtig sind, dass sie oft einander tödten, darunter leiden, dass sie gewisse Zierathen besitzen. Kampfhahnzüchter stutzen die Sichelfedern und schneiden die Kämme und Fleischlappen ihrer Hähne ab, und dann, sagt man, sind die Vögel „abgestumpft“. Ein „niehtgestumpfter“ (undubbed) Vogel ist, wie Mr. TEGETMEIER be- tont, „in einem ungeheuren Nachtheile. Der Kamm und die Fleisch- „lappen bieten dem Schnabel seines Gegners einen leichten Halt dar, „und da ein Hahn allemal schlägt wo er hält, wenn er einmal seinen „Feind ergriffen hat, so hat er ihn dann vollständig in seiner Gewalt. „Selbst angenommen, dass der Vogel nicht getödtet wird, so ist der „Verlust an Blut, den ein nichtgestumpfter Hahn erleidet, viel bedeu- „tender als der, welchem ein gestumpfter Hahn ausgesetzt ist“ 8°. Junge Truthähne ergreifen während ihrer Kämpfe sich einander bei den Fleischlappen, und ich vermuthe, dass die alten Vögel in derselben Weise kämpfen. Man könnte vielleicht einwerfen, dass der Kamm und die Fleischlappen nicht zur Zierde dienen und den Vögeln auf diese Weise nicht von Nutzen sein können; aber selbst für unsere Augen wird die Schönheit des glänzend schwarzen spanischen Hahns durch sein weisses Gesicht und den carmoisinen Kamm bedeutend erhöht, und Jeder, der nur irgend einmal die glänzend blauen Fleischlappen des 88 Teber den Cosmetornis s. Livingstone, Expedition to the Zambesi, 1865, p. 66. Ueber den Argus-Fasan s. Jardine, Naturalist’s Library: Birds. Vol. XIV, p. 167. Ueber Paradiesvögel: Lesson, eitirt vonBrehm, Thierleben, Bd. 3, S. 325. Ueber den Wittwenvogel s. Barrow, Travels in Africa. Vol.1I, p. 243, und Ibis, Vol. II. 1861, p. 153. Mr. Gould, über das Scheusein männlicher Vögel in: Handbook to the Birds of Australia. Vol. I. 1865, p. 210, 457. » Tegetmeier, The Poultry Book. 1866, p. 139. . * Cap. 13. Entfaltung des männlichen Schmucks. 85 männlichen Tragopan-Fasans gesehen hat, wenn er sie während der Brautwerbung ausdehnt, kann auch nicht einen Moment zweifeln, dass das in ihrer Entwickelung verfolgte Ziel die Schönheit sei. Aus den vorstehend mitgetheilten Thatsachen sehen wir deutlich, dass die Zier- federn und andere Schmuckarten des Männchens von der grössten Be- deutung für dasselbe sein müssen; und wir sehen ferner, dass Schön- heit in einigen Fällen selbst von grösserer Bedeutung ist als ein Erfolg beim Kampfe. Vierzehntes Gapitel. Vögel (Fortsetzung). Wahl seitens der Weibchen. — Dauer der Bewerbung. — Nichtgepaarte Vögel. — Geistige Eigenschaften und Geschmack für das Schöne. — Vorliebe für, oder Antipathie gegen gewisse Männchen seitens der Weibchen. — Variabilität der Vögel. — Abänderungen zuweilen plötzlich auftretend. — Gesetze der Abänderung. — Bildung der Augenflecken. — Abstufungen der Charactere. — Pfauhahn, Argus-Fasan und Urosticte. Wenn die Geschlechter in Bezug auf die Schönheit ihrer Erschei- nung, auf ihr Gesangsvermögen oder auf das Vermögen das zu produ- ciren, was ich Instrumentalmusik genannt habe, von einander abweichen, so ist es beinahe unveränderlich das Männchen, welches das Weibchen übertrifft. ‘Wie wir soeben gesehen haben, sind diese Eigenschaften offenbar für das Männchen von höchster Bedeutung. Werden sie nur für einen Theil des Jahres erlangt, so geschieht dies immer kurz vor der Paarungszeit. Es ist das Männchen allein, welches mit Sorgfalt seine verschiedenartigen Anziehungsmittel entfaltet und oft fremdartige (Geberden auf dem Boden oder in der Luft in Gegenwart des Weibehens ausführt. Jedes Männchen treibt alle seine Nebenbuhler fort oder tödtet dieselben, wenn es kann. Wir können daher folgern, dass es die Absicht des Männchens ist, das Weibchen dazu zu veranlassen, sich mit ihm zu paaren, und zu diesem Zwecke versucht es, dasselbe auf verschiedenen Wegen zu reizen und zu bezaubern ; dies ist auch die Mei- nung aller Derer, welche die Lebensgewohnheiten der Vögel sorgfältig studirt haben. Es bleibt aber hier eine Frage übrig, welche eine äusserst bedeutungsvolle Tragweite in Bezug auf geschlechtliche Zuchtwahl hat, nämlich: reizt jedes Männchen einer und derselben Species gleichmässig das Weibchen und zieht es dasselbe gleichmässig an? oder übt das Letztere eine Wahl aus und zieht dieses gewisse Männchen vor? Diese Frage kann in Folge zahlreicher directer und indirecter Belege bejahend beantwortet werden. Viel schwieriger ist zu entscheiden, welche Eigen- schaften die Wahl der Weibchen bestimmen. Aber auch hier wiederum * Cap. 14. Dauer der Brautwerbung. 87 haben wir einige directe und indirecte Beweise dafür, dass in grossem Maasse das Anziehende der äusseren Erscheinung des Männchens es ist, welches hier in’s Spiel kommt, obschon ohne Zweifel seine Kraft, sein Muth und andere geistige Eigenschaften desselben in Betracht kommen. Wir wollen mit den indirecten Beweisen beginnen. Dauer der Brautwerbung. — Die Dauer der meist längeren Periode, während welcher beide Geschlechter gewisser Vögel Tag für Tag sich auf einem bestimmten Platze treffen, hängt wahrscheinlich zum Theil davon ab, dass die Bewerbung eine sich in die Länge ziehende Angelegenheit ist, zum Theil von der Wiederholung des Paarungsactes. So dauert in Deutschland und Scandinavien- das Balzen oder die Leks der Birkhähne von der Mitte des März durch den ganzen April bis in den Mai hinein. Bis vierzig oder fünfzig oder selbst noch mehr Vögel versammeln sich auf den Leks und ein und derselbe Platz wird häufig während aufeinanderfolgender Jahre besucht. Das Balzen des Auer- hahns dauert von Ende März bis in die Mitte oder selbst das Ende des Monats Mai. In Nordamerika dauern „die Rebhuhntänze* des Tetrao phasianellus „einen Monat oder noch länger“. Andere Arten von Waldhühnern sowohl in Nordamerika als im östlichen Sibirien ! haben dieselben Gewohnheiten. Die Hühnerjäger entdecken die Hügel, wo die Kampfläufer sich versammeln, daran, dass das Gras niederge- treten ist, und dies weist darauf hin, dass derselbe Fleck lange Zeit frequentirt wird. Die Indianer von Guyana kennen die abgeräumten Kampfplätze sehr wohl, wo sie die schönen Waldhühner zu finden er- warten können, und die Eingeborenen von Neu-Guinea kennen die Bäume, wo sich zehn bis zwanzig in vollem Gefieder befindliche männ- liche Paradiesvögel versammeln, In diesem letzteren Falle ist nicht ausdrücklich angegeben, dass die Weibchen sich auf denselben Bäumen einfinden, aber wenn die Jäger nicht speciell darnach gefragt werden, werden sie wahrscheinlich deren Anwesenheit nicht erwähnen, da ihre Bälge werthlos sind. Kleine Abtheilungen eines afrikanischen Weber- vogels (Ploceus) versammeln sich während der Paarungszeit und führen ! Nordmann beschreibt (Bullet. Soc. Imp. des Natur. de Moscou, 1861, Tom. XXXIV, p. 264) das Balzen des Tetrao wrogalloides in dem Amur-Lande. Er schätzt die Zahl der sich versammelnden Männchen auf über ein Hundert ohne die Weibchen, welche in den umgebenden Sträuchern verborgen liegen, mit- zuzählen. Die dabei ausgestossenen Geräusche weichen von denen des 7. uro- gallus oder des Auerhahns ab, 88 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. stundenlang ihre graziösen Evolutionen aus. Die grosse Becassine (Scolopax major) versammelt sich während der Dämmerung in grossen Zahlen in einem Sumpfe, und ein und derselbe Ort wird zu demselben Zwecke während aufeinanderfolgender Jahre besucht. Hier kann man sie umherfliegen sehen, „wieso viele grosse Ratten“, mit ausgebreiteten Federn, ihre Flügel schlagend und die fremdartigsten Geschreie ausstossend ?. Einige der oben erwähnten Vögel, nämlich der Birkhahn, der Auerhahn, der Tetrao phasianellus, der Kampfläufer, die grosse Becas- sine und vielleicht noch einige andere leben, wie man annimmt, in Polygamie. Bei solchen Vögeln hätte man glauben können, dass die stärkeren Männchen einfach die schwächeren forttreiben und dann sofort sich in den Besitz so vieler Weibchen als möglich setzen würden. Wenn es aber für das Männchen unerlässlich ist, das Weibchen zu reizen oder demselben zu gefallen, so können wir den Grund der längeren Dauer der Bewerbung und der Versammlung so vieler Individuen beider Geschlechter an demselben Orte wohl verstehen. Gewisse Species, welche in strenger Monogamie leben, halten gleichfalls Hochzeitszusammenkünfte. Dies scheint in Scandinavien mit einem der Schneehühner der Fall zu sein; und deren Leks dauern von Mitte März bis Mitte Mai. In Austra- lien errichtet der Leyervogel oder Menura superba kleine runde Hügel und die M. Alberti scharrt sich flache Höhlen aus oder, wie sie von Eingeborenen genannt werden, Probirplätze, wo sich, wie man annimmt, beide Geschlechter versammeln. Die Versammlungen der Menura su- perba sind zuweilen sehr gross und neuerdings hat ein Reisender eine Schilderung veröffentlicht *, wonach er in einem unter ihm befindlichen Thale, welches dicht mit Strauchwerk bedeckt war, „ein Klingen hörte, „welches ihn vollständig in Erstaunen versetzte“. Als er in die Nähe hinkroch, erblickte er zu seiner Verwunderung hundertundfünfzig der prachtvollen Leyervögel „in förmlicher Schlachtordnung aufgestellt und „mit unbeschreiblicher Wuth kämpfend.* Die Lauben der Laubenvögel sind Zufluchtsorte beider Geschlechter während der Paarungszeit; und „hier treffen sich die Männchen und streiten mit einander um die Gunst- 2 In Bezug auf die Versammlungen der oben erwähnten Waldhühner s. Brehm, Thierleben, Bd. 4, S. 350; auch L. Lloyd, Game Birds of Sweden, 1866, p. 19, 78. Richardson, Fauna Bor. Americana. Birds, p. 362. Verwei- sungen in Bezug auf die Versammlungen anderer Vögel sind früher gegeben worden. Ueber Paradisea s. Wallace, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist., 2. Ser. Vol. XX, 1857, p. 412. Ueber die Becassinen: Lloyd, a. a. O. p. 221. 3 citirt von T. W. Wood, in: „Student“, April 1870, p. 125. ’ u - * Cap. 14. Nichtgepaarte Vögel. 89 „bezeigungen der Weibchen, und hier versammeln sich die Letzteren „und kokettiren mit den Männchen.“ Bei zweien der Gattungen wird dieselbe Laube während vieler Jahre besucht ®. Die gemeine Elster (Corvus pica L.) pflegt sich, wie mir Mr. Darwın Fox mitgetheilt hat, aus allen Theilen des Delamere-Waldes her zu versammeln, um „die grosse Elsternhochzeit“ zu feiern. Vor einigen Jahren waren diese Vögel in ausserordentlich grosser Anzahl vorhan- den, so dass ein Wildwart an einem Morgen neunzehn Männchen und ein anderer mit einem einzigen Schusse sieben Vögel von einem Sitze zusammen schoss. Während sie so zahlreich waren, hatten sie die Gewohnheit, sich sehr zeitig im Frühjahre an besonderen Orten zu ver- sammeln, wo man sie in Haufen sehen konnte, schwatzend, zuweilen mit einander kämpfend und geschäftig in den Bäumen hin und her Hiegend. Die ganze Angelegenheit wurde offenbar von den Vögeln als eine äusserst wichtige angesehen. Kurz nach der Versammlung trennten sie sich alle, und Mr. Fox beobachtete dann, ebenso wie Andere, dass sie sich nun für das ganze Jahr paarten. In einem Bezirke, in welchem eine Species nicht in grosser Anzahl existirt, können selbstverständlich keine grossen Versammlungen dieser Art abgehalten werden und eine und die nämliche Species mag auch in verschiedenen Ländern verschie- dene Lebensweisen haben. So habe ich z. B. niemals irgend eine Schil- derung regelmässiger Versammlungen der Birkhühner in Schottland ge- lesen, und trotzdem sind diese Versammlungen in Deutschland und Scan- dinavien so wohl bekannt, dass sie besondere Namen erhalten haben. Niehtgepaarte Vögel. — Aus den hier mitgetheilten That- sachen können wir schliessen, dass bei Vögeln, welche zu sehr ver- schiedenen Gruppen gehören, die Bewerbung oft eine sehr langdauernde delicate und mübsame Angelegenheit ist. Es ist selbst Grund zu der Vermuthung vorhanden, so unwahrscheinlich dies auf den ersten Blick erscheinen wird, dass immer einige Männchen und Weibchen der näm- lichen Species, welche denselben Bezirk bewohnen, einander nicht ge- fallen und in Folge dessen sich auch nicht paaren. Viele Schilderungen sind veröffentlicht worden, wonach entweder das Männchen oder das Weibchen eines Paares geschossen und sehr schnell durch ein anderes ersetzt worden ist. Dies ist bei der Elster häufiger beobachtet worden * Gould, Handbook of Birds of Australia, Vol. I, p. 500, 308, 448, 451. Ueber das Schneehuhn, was oben erwähnt wurde, s. Lloyd, a. a. O., p. 129. 90 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. als bei irgend einem anderen Vogel, vielleicht in Folge ihrer auffallen- deren Erscheinung und ihres leichter sichtbaren Nestes. Der berühmte JENNER führt an, dass in Wiltshire ein Individuum eines Paares jeden Tag, und zwar nicht weniger als sieben Male hintereinander geschossen wurde, aber trotz alledem ohne Erfolg; denn die übrigbleibende Elster „fand sehr bald einen anderen Gefährten,“ und das letzte Paar zog die Jungen auf. Allgemein wird ein neuer Gatte am folgenden Tage gefunden; aber Mr. Tmomrson führt einen Fall an, wo ein Gatte schon am Abend desselben Tages wieder ersetzt wurde. Selbst nachdem die Eier ausgebrütet sind, wird, wenn einer der alten Vögeln getödtet wird, häufig ein neuer Gefährte gefunden. Dies geschah nach einem Verlaufe von zwei Tagen in einem vor Kurzem von einem von Sir J. LusBock’s Jägern beobachteten Falle ?. Die erste und augenfäl- ligste Vermuthung ist die, dass männliche Elstern bedeutend zahl- reicher sein müssen als weibliche und dass in den oben erwähnten Fällen ebenso wie in noch vielen anderen, die noch angeführt werden könnten, allein die Männchen getödtet wurden. Dies gilt allem An- scheine nach für einige Beispiele. Denn die Wildwarte im Delamere- Forst versicherten Mr. Fox, dass die Elstern und Krähen, welche sie früher nach und nach in grosser Zahl in der Nähe ihrer Nester schos- sen, sämmtlich Männchen waren, und sie erklärten dies durch die That- sache, dass die Männchen leicht getödtet werden, während sie den auf den Nestern sitzenden Weibehen Nahrung zubringen. Indessen führt MaceILLıvray nach der Autorität eines ausgezeichneten Beobachters ein Beispiel auf, wo drei auf einem und demselben Neste hintereinander geschossene Elstern sämmtlich Weibehen waren, und dann noch einen andern Fall an, wo sechs Elstern hintereinander getödtet wurden, wäh- rend sie auf denselben Eiern sassen, was es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass die meisten von ihnen Weibchen waren, obschon, wie ich von Mr. Fox höre, auch das Männchen auf den Eiern sitzt, wenn das Weibchen getödtet ist. | Sir J. Luggock’s Wildwart hat wiederholt, aber wie oft konnte er nicht sagen, eines von einem Paare von Eichelhähern (Garrulus glan- darius) geschossen und kurze Zeit nachher das überlebende Individuum ausnahmslos wieder gepaart gefunden. Mr. W. D. Fox, Mr. F. Bonn 5 Ueber Elstern s. Jenner, in: Philosoph. Transact., 1824, p. 21. Mac- gillivray, History of British Birds, Vol. I, p. 570. Thompson, in: Annals and Magaz, of Natur. Hist., Vol. VIII, 1842, p. 494, Cap. 14. Nichtgepaarte Vögel. 9 und Andere haben eine von einem Paare Krähen (Corvus corone) ge- schossen, aber bald darauf war das Nest wieder von einem Paare be- wohnt. Diese Vögel sind im Allgemeinen häufig; aber der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist selten, und doch führt Mr. Tmomrson an, dass in Irland, „wenn entweder ein altes Männchen oder ein Weibchen in „der Paarungszeit getödtet wird, was kein ungewöhnlicher Umstand „ist, binnen sehr wenigen Tagen ein neuer Gefährte gefunden wird, so „dass ungeachtet solcher Zufälligkeiten die Horste doch mit Sicherheit „die gehörige Zahl Junge ergeben.“ Mr. JENNER Weir hat in Erfah- rung gebracht, dass dasselbe auch mit dem Wanderfalken in Beachy- Head eintritt. Derselbe Beobachter theilt mir mit, dass drei Thurm- falken, und zwar sämmtlich Männchen (Falco tinnunculus), einer nach dem andern geschossen wurden, während sie ein und dasselbe Nest be- suchten. Zwei von diesen waren in erwachsenem Gefieder und der dritte im Gefieder des vorhergehenden Jahres. Selbst in Bezug auf den sel- tenen Goldadler (Aguila chrysaetos) versicherte ein zuverlässiger Wild- wart in Schottland dem Mr. BirkBEck, dass wenn einer getödtet werde, sich bald ein anderer finde. So ist auch in Bezug auf die Schleiereule (Strix flammea) beobachtet worden, dass der überlebende Vogel sehr leicht wieder einen Gatten fand und also durch die Tödtung nichts er- reicht war. Ware von Selborne, welcher den Fall von der Eule anführt, fügt hinzu, dass er einen Mann gekannt habe, welcher die männlichen Reb- hühner schoss, weil er glaubte, dass die Pärchen durch die Kämpfe der Männchen gestört würden; und trotzdem er ein und dasselbe Weibchen mehrere Male zur Wittwe gemacht habe, so wäre es doch stets sehr bald mit einem neuen Gatten versehen gewesen. Derselbe Naturfor- scher liess die Sperlinge, welche die Hausschwalben ihrer Nester be- raubten, schiessen ; aber der Uebrigbleibende, „mochte es nun ein Männ- ‘chen oder ein Weibchen sein, verschaffte sich sofort einen neuen „Gatten und so mehrere Male hintereinander.“ Ich könnte analoge Fälle in Bezug auf den Buchfinken, die Nachtigall und das Rothschwänz- chen anführen. In Bezug auf den letzteren Vogel (Phoenicura ruticilla) bemerkt der Verfasser, dass derselbe durchaus nicht häufig in der Ge- gend gewessen sei, und er drückt sein grosses Erstaunen darüber aus, wie das auf dem Neste sitzende Weibchen so bald mit Erfolg zu er- kennen geben konnte, dass es verwittwet sei. Mr. JENNER WEIr. hat einen ganz ähnlichen Fall gegen. mich erwähnt. In Blackheath sah 92 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. ll. Theil. er weder jemals den wilden Gimpel noch hörte er seinen Gesang und doch, wenn eines seiner in Käfigen gehaltenen Männchen gestorben war, kam im Verlaufe weniger Tage ein wildes Männchen herbei und liess sich in der Nähe des verwittweten Weibchens nieder, dessen Lockruf durchaus nicht laut ist. Ich will nur noch eine einzige weitere That- sache nach der Autorität desselben Beobachters anführen, Einer von einem Staarpaare (Sturnus vulgaris) wurde am Morgen geschossen; am Mittag war ein neuer Gefährte gefunden; dieser wurde wiederum geschossen; aber noch vor Einbruch der Nacht war das Pärchen wieder complet, so dass die untröstliche Wittwe oder der betreffende Wittwer während eines und desselben Tages sich dreimal zu trösten wusste. Mr. ENGLEHEART theilt mir gleichfalls mit, dass er mehrere Jahre hin- durch einen von einem Staarpärchen zu schiessen pflegte, welches in einer Höhle in einem Hause in Blackheath baute; aber der Verlust war immer sofort wieder ersetzt. Während des einen Jahres hielt er sich eine Liste und fand, dass er fünfunddreissig Vögel von einem und demselben Neste geschossen hatte. Unter diesen befanden sich sowohl Männchen als Weibehen, aber in welchem Verhältnisse konnte er nicht sagen. Trotz aller dieser Zerstörung aber wurde doch eine Brut her- angezogen ®,. Diese Thatsachen sind gewiss merkwürdig. Woher kommt es, dass so viele Vögel bereit sind, sofort einen verlorenen Gatten zu er- setzen? Elstern, Eichelhäher, Krähen, Rebhühner und einige andere Vögel sieht man während des Frühjahrs niemals allein, und diese bie- ten auf den ersten Blick den allerverwirrendsten Fall dar. Es leben aber auch Vögel eines und desselben Geschlechts, welche also selbst- verständlich nicht eigentlich gepaart sind, zuweilen in Paaren oder in kleinen Gesellschaften, wie es bekanntlich mit Tauben und Rebhühnern der Fall ist. Es leben auch Vögel zu Dreien, wie bei den Staaren, Krähen, Papageien und Rebhühnern beobachtet worden ist. Von Reb- hühnern ist bekannt geworden, dass zwei Weibchen mit einem Männ- chen und auch umgekehrt zwei Männchen mit einem Weibchen leben. ® Ueber den Wanderfalken s. Thompson, Natur. History of Ireland: Birds, Vol. I, 1840, p. 39. Ueber Eulen, Sperlinge und Rebhühner s. White, Natur. History of Selborne, Ausgabe von 1825, Vol. I, p. 159. Ueber die Phoenieur« s. Loudon’s Magaz. of Natur. Hist., Vol. VII, 1834, p. 245. Brehm, (Thier- leben, Bd. 4, S. 991) erwähnt gleichfalls mehrere Fälle, wo sich Vögel während eines und desselben Tages dreimal von neuem paarten, Cap- 14. Nichtgepaarte Vögel. 93 In allen solchen Fällen ist wahrscheinlich die Verbindung sehr leicht zu lösen. Die Männchen ‚gewisser Vögel kann man gelegentlich ihren Liebesgesang anstimmen hören lange nachdem die eigentliche Zeit vor- über ist, was dafür spricht, dass sie entweder ihre Gattin verloren oder niemals eine solche erlangt haben. Der Tod eines von einem Paare, sei es durch Zufall oder in Folge von Krankheit, wird den an- deren Vogel frei und ledig zurücklassen, und es ist Grund zu der Ver- muthung vorhanden, dass weibliche Vögel während der Paarungszeit ganz besonders einem zeitigen Tode zu unterliegen neigen. Ferner wer- den Vögel, deren Nester zerstört wurden, oder unfruchtbare Paare oder verspätete Individuen leicht veranlasst werden sich neu zu paaren und werden wahrscheinlich froh sein, alle die Freuden und Pflichten des Aufziehens von Nachkommen auf sich zu nehmen, wenn auch diese nicht ihre eigenen sind”. Derartige Zufälligkeiten erklären wahrschein- lich die meisten der im Vorstehenden angeführten Fälle $. Nichtsdesto- weniger ist es eine befremdende Thatsache, dass innerhalb eines und desselben Bezirkes während der Höhe der Paarungszeit so viele Männ- chen und Weibchen immer in Bereitschaft sein sollten, den Verlust des gepaarten Vogels wieder zu ersetzen. Warum paaren sich solche ein- zeln gebliebene Vögel nicht sofort mit einander? Haben wir nicht ”s. White, (Natur. History of Selborne, 1825. Vol. I, p. 140) über das Vor- kommen kleiner Bruten männlicher Rebhühner zeitig im Jahre, von welcher That- sache ich noch andere Beispiele habe anführen hören. s. Jenner, über den zurückgebliebenen Zustand der Generationsorgane bei gewissen Vögeln, in: Phi- losoph. Transact., 1324. In Bezug auf Vögel, welche zu Dreien leben, verdanke ich Mr. Jenner Weir die Mittheilung der Fälle vom Staare und den Papageien, und Mr. Fox den von den Rebhühnern. Ueber Krähen s. „The Field,“ 1868, p- 415. Ueber das Singen verschiedener Vögel noch nach der eigentlichen Zeit s. L. Jenyns, Obvervations in Natural History, 1846, p. 97. ® Nach der Autorität des Honor. O. W. Forester hat Mr. J. O. Morris den folgenden Fall mitgetheilt (The Times, Aug. 6., 1868). „Der Wildwart hier „fand in diesem Jahre ein Habichtsnest mit fünf Jungen darin. Er nahm vier „davon und tödtete sie, liess aber einen mit gekappten Flügeln übrig um als Lock- „vogel beim Zerstören der Alten zu dienen. Diese wurden beide am nächsten „Tage geschossen, als sie damit beschäftigt waren, den jungen zu füttern; und der „Wärter glaubte, die Sache sei abgemacht. Den nächsten Tag kam er wieder „und fand zwei andere mitleidige Habichte, welche mit Adoptivgefühlen herbei- „gekommen waren, dem Waisenkinde zu helfen. Diese beiden wurden wieder ge- „schossen und das Nest verlassen. Als er später wiederkehrte, fand er zwei „weitere mitleidige Individuen bei ihrem Wohlthätigkeitsgeschäft. Einen von die- „sen tödtete er; den andern schoss er gleichfalls, konnte ihn aber nicht finden. „Nun kam keiner wieder zu diesem unfruchtbaren Werke“. 94 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. einige Veranlassung, hier zu vermuthen (und auf diese Vermuthung ist auch Mr. JENNER WEIR gekommen), dass ebenso wie der Act der Be- werbung bei vielen Vögeln eine sich in die Länge ziehende und lang- weilige Angelegenheit zu sein scheint, es auch gelegentlich eintritt, dass gewisse Männchen und Weibchen während der eigentlichen Zeit beim Anregen der Liebe zu einander keinen Erfolg haben und in Folge dessen sich auch nicht paaren? Diese Vermuthung wird etwas weniger unwahrscheinlich erscheinen, nachdem wir gesehen haben, welche starke Antipathien und Bevorzugungen weibliche Vögel gelegentlich in Bezug auf besondere Männchen äussern. Geistige Eigenschaften der Vögel und ihr Geschmack für das Schöne. — Ehe wir die Frage weiter erörtern, ob die Weib- chen die anziehenderen Männchen sich auswählen oder das erste beste annehmen, das ihnen zufällig begegnet, wird es gerathen sein, kurz die geistigen Kräfte der Vögel in Betracht zu ziehen. Ihr Verstand wird allgemein und vielleicht mit Recht als gering geschildert; doch liessen sich einige Thatsachen mittheilen®, welche zu dem entgegen- gesetzten Schlusse führen. Ein geringes Vermögen des Nachdenkens ist indess, wie wir es beim Menschen sehen, mit starken Affeetionen, scharfer Wahrnehmung und Geschmack für das Schöne ganz gut ver- träglich, und mit diesen letzteren Eigenschaften haben wir es gerade hier zu thun. Es ist oft gesagt worden, dass Papageien so innig an einander hängen, dass wenn der eine stirbt der andere eine lange Zeit hindurch sich grämt. Mr. JENNER Weir glaubt aber, dass in Bezug auf die meisten Vögel die Stärke ihrer Zuneigung bedeutend übertrieben worden ist. Nichtsdestoweniger hat man gehört, dass wenn einer von einem Paare im Zustande der Freiheit geschossen worden ist, der Ueber- lebende tagelang nachher noch einen klagenden Ton ausgestossen hat, und Mr. Sr. Joun theilt verschiedene Thatsachen mit !’, welche die Anhänglichkeit gepaarter Vögel an einander beweisen. Doch können, ° Mr. Yarrell gibt z.B. an (History of British Birds, Vol. III, 1845, p. 585), dass eine Möve nicht im Stande war, einen kleinen Vogel zu verschlingen, der ihr gegeben war. Die Möve „hielt einen Augenblick inne und lief dann, als hätte „sie sich plötzlich besonnen, in grösster Eile zu einem Becken mit Wasser, schüt- | „telte den Vogel däasin, bis er ordentlich durchweicht war und schluckte ihn nun „sofort hinunter. Seit dieser Zeit nahm sie unabänderlich in ähnlichen Fällen „ihre Zuflucht zu demselben 'Auskunftsmittel.* '" A Tour in Southerlandshire, Vol. I, 1849, p. 155. Cap. 14. Geistige Eigenschaften. - 095 wie wir gesehen haben, Staare dreimal im Verlaufe eines und desselben Tages über den Verlust ihres Gatten getröstet werden. Im zoologischen Garten haben Papageien ihre früheren Herren nach einem Verlaufe von mehreren Monaten deutlich wiedererkannt. Tauben haben ein so aus- gezeichnetes Ortsgedächtniss, dass man in Erfahrung gebracht hat, dass sie zu ihren früheren Heimstätten nach einem Verlaufe von neun Mo- naten wieder zurückgekehrt sind; und doch höre ich von Mr. HARRISON Weır, dass, wenn ein Pärchen, welches seiner Natur nach zeitlebens verbunden geblieben sein würde, während des Winters für einige Wochen getrennt und mit anderen Vögeln gepaart wird, die Beiden, wenn sie wieder zusammengebracht werden, selten, wenn überhaupt je, sich ein- ander wiedererkennen. Vögel zeigen zuweilen wohlwollende Gefühle; sie füttern die ver- lassenen Jungen selbst verschiedener Arten. Dies könnte man aber vielleicht für einen Misgriff ihres Instincts halten. Sie füttern auch, wie in einem früheren Theile dieses Buches gezeigt wurde, erwachsene Vögel ihrer eigenen Species, welche blind geworden sind. Mr. Buxron gibt eine merkwürdige Schilderung eines Papageien, welcher die Sorge um einen vom Frost getroffenenen und verkrüppelten Vogel einer ver- schiedenen Species auf sich nahm, seine Federn reinigte und ihn gegen die Angriffe der anderen Papageien vertheidigte, welche zahlreich in seinem Garten herumschwärmten. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass diese Vögel, wie es scheint, eine gewisse Sympathie mit den Freuden ihrer Genossen empfinden. Als ein Paar Cacadus ein Nest in einen Akazienbaum bauten, „war es förmlich lächerlich, das „extravagante Interesse zu beobachten, welches die anderen Individuen „derselben Species an diesem Geschäfte nahmen“. Diese Papageien zeigten auch eine unbändige Neugier und hatten offenbar „die Idee von „Bigenthum und Besitz“ 1, Vögel besitzen eine scharfe Beobachtungsgabe. Ein jeder ge- paarte Vogel erkennt natürlich seinen Genossen. Aupupon führt an, dass von den Spottdrosseln der Vereinigten Staaten (Mimus polygloitus) eine gewisse Zahl das ganze Jahr hindureh in Louisiana bleibt, wäh- rend die andern nach den östlichen Staaten auswandern. Diese Letz- teren werden bei ihrer Rückkehr sofort wieder erkannt und von ihren südlichen Brüdern angegriffen. Vögel in der Gefangenschaft erkennen 11 C. Buxton, Acclimatization of Parrots, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist., Nov. 1868, p. 381. 96 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. verschiedene Personen, wie durch die starke und dauernde Antipathie oder Zuneigung, welche sie ohne irgend eine scheinbare Ursache gegen gewisse Individuen zeigen, bewiesen wird. Ich habe von zahlreichen Beispielen hierfür bei Eichelhähern, Rebhühnern, Canarienvögeln und ganz besonders bei Gimpeln gehört. Mr. Husszy hat es beschrieben, ‘in welcher ausserordentlichen Weise ein gezähmtes Rebhuhn Jedermann erkannte; und seine Zu- und Abneigung war sehr stark. Dieser Vogel schien „lebhafte Farben sehr gern zu haben und man konnte kein „neues Kleid anziehen und keinen neuen Hut aufsetzen, ohne seine Auf- „merksamkeit zu fesseln !?.“ Mr. Hzwırr hat die Lebensweise einiger Enten (directte Nachkommen noch wilder Vögel) sorgfältig beschrieben, welche bei der Annäherung eines. fremden Hundes oder einer Katze sich kopfüber in's Wasser stürzten und sich in Versuchen zu entfliehen erschöpften. Sie kannten aber Mr. Hrwırr’s eigene Hunde und Katzen so gut, dass sie sich dicht bei ihnen niederlegten und in der Sonne wärmten. Sie zogen sich immer vor einem fremden Menschen zurück und thaten dasselbe auch vor der Dame, welche sie pflegte, so oft sie irgend eine bedeutende Veränderung in ihrem Anzuge vorgenommen hatte. Aupugon berichtet, dass er einen wilden Truthahn aufzog und zähmte, welcher vor jedem fremden Hunde ausriss. Dieser Vogel ent- floh in die Wälder, und einige Tage später sah Aupugon, wie er glaubte, einen wilden Truthahn und liess seinen Hund ihn jagen. Aber zu seinem Erstaunen lief der Vogel nicht weg und als der Hund an ihn herankam, griff er den Vogel nicht an, sondern sie erkannten sich beide als alte Freunde wieder 1. Mr. JENNER Weir ist überzeugt, dass Vögel den Farben anderer Vögel besondere Aufmerksamkeit zuwenden, zuweilen aus Eifersucht und zuweilen als Zeichen von Verwandtschaft. So that er einen Rohr- sperling (Emberiza schoeniclus) , welcher seinen schwarzen Kopf be- kommen hatte, in seine Voliere, und der neue Ankömmling wurde von keinem Vogel weiter beachtet, ausgenommen von einem Gimpel, welcher gleichfalls einen schwarzen Kopf hat. Dieser Gimpel war ein sehr ruhiger Vogel und hatte sich noch nie zuvor mit einem seiner Kame- raden gezankt, mit Einschluss eines andern Rohrsperlings, welcher aber '2 The Zoologist, 1847— 1848, p. 1602. 13 Hewitt, über wilde Enten, in: Journal of Hortieulture, Jan. 13, 1863, p- 39. Audubon, über den wilden Truthahn, in: Ornitholog. Biography, Vol. I. p. 14, über die Spottdrossel, ebenda Vol. I, p. 110. Cap. 14. Geschmack für das Schöne. 97 seinen schwarzen Kopf noch nicht erhalten hatte. Aber der Rohrsper- ling mit dem schwarzen Kopfe wurde so unbarmherzig behandelt, dass er wieder entfernt werden musste. Mr. Weir war auch gezwungen, ein Rothkehlchen zu entfernen, da es alle Vögel, die nur irgend etwas Roth in ihrem Gefieder hatten, aber keine andern Arten, wüthend an- griff. Es tödtete factisch einen rothbrüstigen Kreuzschnabel und tödtete beinahe einen Stieglitz. Auf der andern Seite hat er beobachtet, dass einige Vögel, als sie zuerst in seine Voliere gebracht wurden, nach den Arten hinflogen, welche ihnen am meisten in der Farbe glichen, und sich ruhig an ihrer Seite niederliessen. Da männliche Vögel mit so viel Sorgfalt ihr schönes Gefieder und andere Zierathen in der Gegenwart der Weibchen entfalten, so ist es offenbar wahrscheinlich, dass diese die Schönheit ihrer Liebhaber wür- digen. Es ist indessen schwierig, Belege ihrer Fähigkeit, Schönheit zu würdigen, zu erlangen. Wenn Vögel sich selbst in einem Spiegel an- starren, wofür viele Beweise angeführt worden sind, so sind wir nicht sicher, ob es nicht aus Eifersucht gegen einen vermeintlichen Neben- buhler geschieht, obschon einige Beobachter dies nicht daraus fol- gern. In andern Fällen ist es schwierig, zwischen blosser Neu- gierde und Bewunderung zu unterscheiden. Es ist vielleicht das erstere Gefühl, welches, wie Lord Linrorp anführt !*, den Kampfläufer so mächtig zu jedem hellen Gegenstande hinzieht, so dass er auf den jo- nischen Inseln „auf ein hell gefärbtes Taschentuch herabfährt, ohne „Rücksicht auf wiederholt abgefeuerte Schüsse.“ Die gemeine Lerche wird aus den Lüften herabgezogen und in grosser Anzahl gefangen durch einen kleinen Spiegel, den man in der Sonne bewegt und glitzern lässt. Ist es Bewunderung oder Neugierde, was die Elster, den Raben und einige andere Vögel veranlasst, glänzende Gegenstände, wie Silber- zeug oder Juwelen, zu stehlen und zu verbergen ? Mr. Gour» führt an, dass gewisse Kolibris die Aussenseite ihrer Nester „mit dem äussersten Geschmacke verzieren. Sie befestigen in- „stinetiv schöne Stücke flacher Flechten daran, die grösseren Stücke „in der Mitte und die kleineren an dem mit dem Zweige verbundenen „Theile. Hier und da wird eine hübsche Feder hineingeschoben oder an „die äusseren Seiten befestigt, wobei der Schaft immer so gestellt wird, „dass die Feder frei von der Oberfläche hervorragt“. Den besten Be- '* The Ibis. Vol. II. 1860, p. 344. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 7 98 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. U. Theil. weis indessen für einen Geschmack für das Schöne bieten ‚die drei Gat- tungen der bereits erwähnten australischen Laubenvögel dar. Ihre Lauben (s. Fir. 46, 8. 60), wo sich die Geschlechter vereinen und ihre fremdartigen Geberden ausführen, werden verschieden gebaut; was uns aber hier am meisten angeht ist, dass dieselben von den verschiedenen Species in einer abweichenden Art und Weise verziert werden. Der Atlasvogel sammelt munter gefärbte Gegenstände, solche wie die blauen Schwanzfedern von Papageien, gebleichte Knochen und Muschelschalen, welche er zwischen die Zweige steckt oder an dem Eingange in die Laube anordnet. Mr. GouLp fand in der einen Laube einen sehr nett gear- beiteten steinernen Tomahawk und ein Stückchen blauen Cattuns, den sich die Vögel offenbar aus einem Lager der Eingeborenen verschafft hatten. Diese Gegenstände werden beständig anders angeordnet und von den Vögeln, in ihrem Spiele umhergeschleppt. Die Laube des ge- ‚tleckten Laubenvogels „wird schön mit langen Grashalmen ausgefüttert, „welche so angeordnet werden, dass die Spitzen sich nahezu treffen, „und die Verzierungen sind ausserordentlich reich.“ Runde Steine wer- den dazu benutzt, die Grasstengel an ihrem gehörigen Orte zu halten und verschiedene zu der Laube hinleitende Pfade zu bilden. Die Steine und Muscheln werden oft aus einer sehr grossen Entfernung herbeige- bracht. Der Prinzenvogel verziert nach der Beschreibung des Mr. Ramsay seinen kurzen Laubengang mit gebleichten Landmuscheln, welche zu fünf oder sechs Species gehören, und „mit Beeren verschiedener Far- „ben, Blau, Roth und Sehwarz, welche der Laube, wenn sie frisch sind, „ein sehr nettes Aussehen geben. Ausser diesen fanden sich mehrere „frisch abgepflückte Blätter und junge Schösslinge von einer rosa Fär- „bung daran, so dass das Ganze einen entschiedenen Geschmack für „das Schöne bekundete,* Mr. GouLp dürfte mit vollem Rechte sagen, dass „diese in hohem Grade verzierten Versammlungshallen als die „wunderbarsten Beispiele von Vogelarchitectur betrachtet werden müs- „sen, die bis jetzt entdeckt sind;“ und wie wir sehen ist der Geschmack der verschiedenen Species gewiss verschieden "1°. Die Weibchen ziehen besondere Männchen vor. — Nach- dem ich diese vorläufigen Bemerkungen “ber das Unterscheidungsver- 15 Teber die verzierten Nester der Kolibris ss. Gould, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 19. Ueber die Laubenvögel: G ould, Handbook to the Birds of Australia. 1865. Vol. I, p. 444—461. Mr. Ramsay in: The Ibis. 1867, p. 456. Cap. 14. Vorliebe der Weibchen. 99 mögen und den Geschmack der Vögel gemacht habe, will ich nun alle die mir bekannten Thatsachen mittheilen, welche sich auf den Vorzug beziehen, welchen nachweisbar das Weibchen bestimmten Männchen gibt. Es ist sicher, dass verschiedene Species von Vögeln sich im Natur- zustande gelegentlich paaren und Bastarde erzeugen. Hierfür liessen sich viele Beispiele anführen. So erzählt MacsıLLıvray, wie eine männ- liche Amsel und eine weibliche Drossel „sich in einander verliebten“ und Nachkommen erzeugten !°. Bis vor mehreren Jahren wurden acht- zehn Fälle beschrieben, in denen in Grossbritannien Bastarde zwischen dem Birkhuhn und dem Fasan vorgekommen waren !”. Aber die mei- sten dieser Fälle lassen sich vielleicht dadurch erklären, dass einzeln- lebende Vögel keinen Genossen ihrer eigenen Art finden, um sich mit ihm zu paaren. Bei andern Vögeln glaubt Mr. JENNER WeEIR Grund zu der Vermuthung zu haben, dass Bastarde zuweilen das Resultat eines gelegentlichen Verkehrs von Vögeln sind, welche in dichter Nachbar- schaft bauen. Aber diese Bemerkungen lassen sich nicht auf viele an- geführte Beispiele von gezähmten oder domesticirten Vögeln anwenden, welche, trotzdem sie zu verschiedenen Species gehörten und mit Indi- viduen ihrer eigenen Species lebten, absolut vernarrt in einander waren. So erzählt Warerron !®, dass aus einer Heerde von dreiundzwanzig Canada-Gänsen sich ein Weibehen mit einem einzeln lebenden Bernikel- gänserich paarte, trotzdem dieser in der äusseren Erscheinung und der Grösse so verschieden ist, und sie brachten wirklich hybride Nach- kommen hervor. Man hat die Erfahrung gemacht, dass eine männliche Pfeifente (Mareca penelope), welche mit dem Weibchen ihrer eigenen Species lebte, sich mit einer Spiessente (Querquedula acuta) paarte. Lroyp beschreibt die merkwürdige Anhänglichkeit zwischen einer männ- lichen Brandente (Vulpanser tadorna) und einer gemeinen Ente. Viele weitere Beispiele könnten hier noch angeführt werden. Mr. E. S. Dixon bemerkt, „dass diejenigen, welche viele verschiedene Species zusammen- „gehalten haben, sehr wohl wissen, welche unerklärliche Verbindungen 16 History of British Birds. Vol. II, p. 92. 17 The Zoologist. 1853—54, p. 3946. 18 Waterton, Essays on Natural History. 2. Series, p. 42, 117. Was die folgenden Angaben betrifft, so ist zu vergleichen: über die Pfeifente; Loudon’s Magaz. of Natur. Hist. Vol. XI, p. 616. L. Lloyd, Scandinavian Adventures. Vol. I. 1854, p. 452. Dixon, Ornamental and Domestic Poultry. p. 137. He- witt, in: Journal of Horticulture, Jan. 13., 18635, p. 40. Bechstein, Stuben- vögel. 1840, S. 230. MEE 100 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. „dieselben häufig eingehen und dass sie völlig ebenso gern sich mit „Individuen einer Rasse oder Species paaren und Junge erziehen, welche „ihrer eigenen so fremdartig als möglich ist, als mit ihrer eigenen „Stammform.* Mr. W. D. Fox theilt mir mit, dass er einmal gleichzeitig ein Paar chinesischer Gänse (Anser eygnoides) und einen gemeinen Gänse- rich mit drei Gänsen besass. Die beiden Gruppen lebten völlig ge- trennt von einander bis der chinesische Gänserich eine der gemeinen Gänse verführte mit ihm zu leben. Ausserdem waren von den aus den Eiern der gemeinen Gänse ausgebrüteten Jungen nur vier reinen Blu- tes. Die andern achtzehn erwiesen sich als Bastarde, so dass der chinesische Gänserich ganz überwiegende Reize verglichen mit dem ge- meinen Gänseriche gehabt zu haben scheint. Ich will hier nur noch einen andern Fall anführen. Mr. Hrwırr führt an, dass eine in der Gefangenschaft aufgezogene Wildente, „nachdem sie ein Paar Jahre „mit ihrem eigenen Enterich gebrütet hatte, sich auf einmal desselben „entledigte, nachdem Mr. Hrwirt eine männliche Spiessente auf das „Wasser gebracht hatte. Es war offenbar ein Fall von Verliebtwerden „auf den ersten Blick. Denn das Weibchen schwamm um den Ankömm- „ling liebkosend herum, trotzdem dieser offenbar beunruhigt und von „Ihren Liebeseröffnungen unangenehm berührt schien. Von dieser Stunde „an vergass das Weibchen seinen alten Genossen. Der Winter zog „vorüber und im nächsten Frühjahr schien die Spiessente von den „Schmeicheleien des Weibehen umgestimmt worden zu sein. Denn sie „uisteten zusammen und brachten sieben oder acht Junge hervor.“ Was in diesen verschiedenen Fällen den Zauber gebildet haben mag, ausser dem heize der Neuheit, können wir nicht einmal vermuthen. Indess spielt zuweilen die Farbe doch wohl eine Rolle; denn um Ba- starde vom Zeisig (Fringilla spinus) und dem Canarienvogel zu ziehen, ist es der Angabe von BECHSTEIN zufolge am besten, Vögel ein und derselben Färbung zusammenbringen. Mr. JENNER Weir brachte einen weiblichen Canarienvogel in seine Voliere, wo sich männliche Hänflinge, Stieglitze, Zeisige, Grünfinken, Buchfinken und andere Vögel befanden, um zu sehen, welchen von diesen das Weibchen sich erwählen würde. Aber derselbe zweifelte nicht einen Augenblick und der Grünfinke ge- wann den Preis; sie paarten sich und produeirten hybride Nachkommen. Was die Individuen einer und derselben Species betrifft, so erregt wohl die Thatsache, dass das Weibchen es vorzieht sich lieber mit dem ’\ Cap. 14. Vorliebe der Weibchen. 101 einen Männchen als mit dem andern zu paaren, nicht so leicht die Auf- merksamkeit, als wenn dies zwischen verschiedenen Species eintritt. Derartige Fälle können am besten bei domestieirten oder in Gefangen- schaft gehaltenen Vögeln beobachtet werden. Dieselben sind aber oft dnrch zu reichliches Futter verwöhnt und zuweilen sind ihre Instinete bis zu einem ganz ausserordentlichen Grade verderbt. Von dieser letz- teren Thatsache könnte ich hinreichende Belege von Tauben und be- sonders von Hühnern anführen, sie können aber hier nicht einzeln mit- getheilt werden. Verderbte Instinete können auch einige der Bastard- verbindungen erklären, welche vorhin erwähnt wurden. Aber in vielen derartigen Fällen war den Vögeln gestattet worden sich frei auf gros- sen Teichen zu bewegen und es liegt kein Grund zur Vermuthung vor, dass sie durch reichliches Futter unnatürlich erregt worden wären. Was Vögel im Naturzustande betrifft, so ist die erste sich ‚Jeder- mann aufdringende und am meisten in die Augen springende Vermu- thung, dass das Weibchen zur gehörigen Zeit das erste Männchen dem es zufällig begegnet annimmt. Dasselbe hat aber wenigstens Gelegen- heit eine Wahl auszuüben, da es fast unabänderlich von vielen Männ- chen verfolgt wird. Aupupon — und wir müssen uns erinnern, dass dieser Forscher ein langes Leben hindurch in den Wäldern der Ver- einigten Staaten sich herumgetummelt und die Vögel beobachtet hat — zweifelt nicht daran, dass das Weibchen sich mit Ueberlegung seinen Gatten wählt. So spricht er von einem Spechte und erzählt, dass das Weibchen von einem halben Dutzend munterer Liebhaber verfolgt werde, welche beständig fremdartige Geberden ausführen, „bis dem einen „in einer ausgesprochenen Weise der Vorzug gegeben wird.* Das Weib- chen des rothgeflügelten Staars (Agelaeus phoeniceus) wird gleichfalls von mehreren Männchen verfolgt, „bis dasselbe ermüdet sich niederlässt „die Werbungen der Männchen entgegennimmt und bald darauf eine „Wahl trifft“. Er beschreibt auch, wie mehrere männliche Ziegen- melker wiederholt mit erstaunlicher Schnelligkeit durch die Luft strei- fen, sich plötzlich herumdrehen und dabei ein eigenthümliches Geräusch hervorbringen. „Aber sobald das Weibchen seine Wahl getroffen hat, „werden die andern Männchen fortgetrieben.* Bei einer der Geierarten der Vereinigten Staaten (Cathartes aura) versammeln sich Gesellschaf- ten von acht oder zehn oder mehr Männchen und Weibchen auf um- gestürzten Stämmen und „zeigen das stärkste Verlangen sich gegen- „seitig zu gefallen“; und nach vielen Liebkosungen führt jedes der 102 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Männchen seine Gattin im Fluge hinweg. Aupupon beobachtete auch sorgfältig die wilden Heerden der Canadagänse (Anser canadensis) und gibt eine lebendige Beschreibung ihrer Liebesgeberden. Er sagt, dass die Vögel, welche sich schon früher gepaart hatten „ihre Bewer- „bung sehr zeitig und zwar schon im Monat Januar erneuerten, wäh- „rend die andern jeden Tag sich stundenlang stritten und coquettirten, „bis alle sieh mit der Wahl, welche sie getroffen hatten, befriedigt „zeigten, wonach, trotzdem sie alle zusammenblieben, doch Jedermann „leicht beobachten konnte, dass sie sehr ängstlich waren sich paarweise „zusammenzuhalten. Ich habe auch beobachtet, dass, je älter die Vögel „waren, desto kürzer die Präliminarien ihrer Brautwerbung waren ; die „Junggesellen und alten Jungfern traten, ob mit Betrübniss oder in „der Absicht von der Unruhe nicht gestört zu werden, ruhig zur Seite „und legten sich in einer Entfernung von den übrigen nieder“ !9, Von demselben Beobachter liessen sich noch viele ähnliche Angaben in Be- zug auf andere Vögel anführen. . Wenden wir uns nun zu den domestieirten und in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln, so will ich damit beginnen das Wenige mitzuthei- len, was ich in Bezug auf die Bewerbung der Hühner in Erfahrung ge- bracht habe. Ich habe lange Briefe über diesen Gegenstand von den Herren Hrwirr und TEGETMEIER und beinahe eine ganze Abhandlung von dem verstorbenen Mr. Brent erhalten. Jedermann wird zugeben, dass diese Herren, welche durch ihre veröffentlichten Werke so wohl bekannt sind, sorgfältige und erfahrene Beobachter sind. Sie glauben nicht, dass die Weibchen gewisse Männchen wegen der Schönheit ihres (Grefieders vorziehen; aber man muss den künstlichen Zustand, in wel- chem sie Jange Zeit gehalten worden sind, einigermaassen in Rechnung bringen. Mr. TEGETMEIER ist überzeugt, dass ein Kampfhahn, trotz- dem er durch das Abstumpfen und das Stutzen seiner Sichelfedern ent- stellt ist, ebensoleicht von den Weibchen angenommen wird als ein Männchen, welches seine sämmtlichen Ornamente noch besitzt. Mr. BRENT indessen gibt zu, dass die Schönheit des Männchens wahrschein- lich dazu beiträgt, das Weibchen anzuregen; und die Zustimmung des Weibehens ist nöthig. Mr. Hewırr ist überzeugt, dass die Verbindung durchaus nicht einem blossen Zufalle überlassen ist, denn das Weibchen zieht beinahe ausnahmslos das kräftigste, stolzeste und zanksüchtigste '®» Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 191, 349. Vol. II, p. 42, 279. VOLKES per2. Cap. 14. Vorliebe der Weibchen. 103 Männchen vor. Es ist daher, wie er bemerkt, fast nutzlos, „ein reines „Züchten zu versuchen, wenn ein Kampfhahn in guter Gesundheit und „gutem Zustande an demselben Orte frei umherläuft, denn fast eine jede „Henne wird nach dem Verlassen ihres Ruheplatzes sich dem Kampf- „hahne nähern, selbst wenn dieser Vogel nicht factisch das Männchen „von der Varietät des Weibchens wegtreibt.* Unter gewöhnlichen Um- ständen scheinen die Männchen und Weibchen des Huhns vermittelst gewisser Geberden zu einem gegenseitigen Einverständnisse zu gelangen, welche mir Mr. Brent beschrieben hat. Hennen vermeiden aber häufig die ostensiblen Aufmerksamkeiten jüngerer Männchen. Alte Hennen von einem kampfsüchtigen Temperament haben, wie derselbe Schrift- steller mir mittheilt, fremde Männchen nicht gern und geben densel- ben nicht eher nach, als bis sie gehörig zum Gehorsam geschlagen werden. Indessen beschreibt Mr. FERGUSON, wie eine kampfsüchtige Henne sofort durch die sanften Bewerbungen eines Shanghai-Hahnes ge- zähmt wurde 20. Wir haben Grund anzunehmen, dass Tauben beiderlei Geschlechts eine Paarung mit Vögeln derselben Rasse vorziehen; und Haustauben hassen alle die hochveredelten Rassen ?!. Mr. HArRIıson WEIR hat vor Kurzem von einem glaubwürdigen Beobachter, welcher blaue Tauben hielt, gehört, dass diese alle anders gefärbten Varietäten, wie weisse, rothe und gelbe wegtreiben, und von einem andern Beobachter , dass eine weibliche graubraune Botentaube nach wiederholten Versuchen nicht mit einem schwarzen Männchen gepaart werden konnte, aber sich un- mittelbar darauf mit einem graubraunen paarte. Im Allgemeinen scheint die Farbe allein nur wenig Einfluss auf das Paaren der Tauben zu haben. Mr. TEGETMEIER färbte auf meine Bitte einige seiner Vögel mit Magenta-Roth, aber sie wurden von den übrigen nicht sehr be- achtet. Weibliche Tauben empfinden gelegentlich eine starke Antipathie gegen gewisse Männchen und zwar ohne irgend nachweisbare Ursache. So geben Bortarp und CorBIE, deren Erfahrungen sich über einen Zeit- raum von fünfundvierzig Jahren erstrecken, an: „Quand une femelle „eprouve de lantipathie pour un mäle avec lequel on veul l’accoupler, „malgre tous les feux de l’amour, malgre lalpiste et le chenevis dont ® Rare and Prize Poultry. 1854, p. 27. ®! Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, 8. 136. 104 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IE. s-Theil: »on la nourrit pour augmenter son ardeur, malgre un emprisonne- „ment de sie mois et meme d'un an, elle refuse constamment ses ca- „resses: les avances empressees, les agaceries, les lournoiemens, les „tendres roucoulemens, rien ne peut lui plaire, ni l’emouvoir ; gonflee, „boudeuse, blottie dans un coin de la prison, elle nen sort que pour „boire ei manger, ou pour repousser avec une espece de rage des ca- „resses devenues trop pressantes“ °?. Auf der andern Seite hat Mr. HARRISON Weir selbst beobachtet und von mehreren Züchtern gehört, dass eine weibliche Taube gelegentlich eine starke Liebhaberei für ein besonderes Männchen erhielt und ihren eigenen Gatten seinetwegen ver- liess. Einige Weibchen sind der Angabe eines anderen erfahrenen Be- obachters, RıErper, zufolge ?°, von einer liederlichen Disposition und ziehen fast jedes fremde Männchen ihrem eigenen Gatten vor. Manche verliebte Männchen, welche unsere englischen Züchter „heitere Vögel* nennen, sind in ihren Galanterien so erfolgreich, dass sie, wie mir Mr. HARRISON Weir mittheilt, getrennt gehalten werden müssen, wegen des Nachtheils den sie verursachen. Aupupon zufolge „richten in den Vereinigten Staaten zuweilen „wilde Truthähne ihre Bewerbungen an domestieirte Weibchen und „werden meist von diesen mit grossem Vergnügen angenommen.“ Hier- nach scheint es als ob diese Weibchen den wilden Männchen vor ihren eigenen den Vorzug gäben **. Das folgende ist ein noch merkwürdigerer Fall. Sir R. HERON hielt viele Jahre hindurch ein Tagebuch über die Gewohnheiten der Pfauen, welche er in grösserer Anzahl züchtete. Er führt an, dass „die Hennen häufig eine grosse Vorliebe für einen besonderen Pfau- „hahn haben. Sie waren sämmtlich einem alten gefleckten Pfauhahne „so gut, dass, als derselbe in dem einen Jahre eingesperrt wurde, aber „immer noch von den Weibchen gesehen werden konnte, sich dieselben „beständig dicht um das Lattenwerk seines Gefängnisses versammelten „und nicht litten, dass ein schwarzschultriger Pfauhahn sie anrührte. „Als er im Herbst freigelassen wurde, machte ihm die älteste von den „Hennen den Hof und war in ihrer Bewerbung erfolgreich. Im näch- 2? Boitard et Corbie, Les Pigeons. 1824, p. 12. Prosper Lucas (Trait6& de l’Heredit& naturelle. Tom. II, 1850, p. 296) hat selbst sehr ähnliche Fälle bei Tauben beobachtet. 23 Die Taubenzucht. 1824. S. 86. 24 Ornithological Biography. Vol. I, p. 13. Cap. 14. Vorliebe der Weibchen. 105 „sten Jahre wurde er in einem Stalle gehalten und nun coquettirten „alle die Hennen mit seinem Nebenbuhler* 25, Dieser Nebenbuhler war ein schwarzschultriger oder lackirter Pfauhahn, welcher für unsere Au- gen ein schönerer Vogel ist, als die gewöhnliche Art. LicitTEnSTEIN, welcher ein guter Beobachter war und ausgezeich- nete Gelegenheit zur Beobachtung am Cap der guten Hoffnung hatte, versicherte RunorpHı, dass der weibliche Wittwenvogel (Chera progne) das Männchen verlasse, wenn dasselbe der langen Schwanzfedern be- raubt wird, mit welchen es während der Paarungszeit verziert ist; ich möchte vermuthen, dass diese Beobachtung an Vögeln im Zustande der Gefangenschaft gemacht sein muss?®. Das Folgende ist ein anderes auf- fallendes Beispiel: Dr. JÄGER ’?, früher Direetor des zoologischen Gartens in Wien, führt an, dass ein männlicher Silberfasan, welcher über die anderen Männchen gesiegt hatte und der angenommene Liebhaber der Weibchen war, sein ornamentales Gefieder verletzt hatte. Er wurde darauf sofort von einem Rivalen verdrängt, welcher die Oberhand er- hielt und später den Trupp anführte. Das Weibchen übt nicht bloss eine Wahl aus, sondern umwirbt in einigen wenigen Fällen das Männchen oder kämpft sogar um dessen Besitz. Sir R. HERoON führt an, dass bei den Pfauen die ersten An- näherungen stets vom Weibchen ausgehen. Etwas derselben Art findet auch Aupupon zufolge bei den älteren Weibchen des wilden Truthuhns statt. Beim Auerhuhn coquettiren die Weibchen um das Männchen her- um, während es auf einem der Versammlungsplätze herumstolzirt und suchen dessen Aufmerksamkeit zu fesseln °®. Wir haben gesehen, dass eine zahme Wildente nach einer langen Umwerbung einen anfangs un- willigen Spiessenterich verführte. Mr. BArTLETT glaubt, dass der Lo- phophorus wie viele andere hühnerartige Vögel von Natur polygam ist; man kann aber nicht zwei Weibchen mit einem Männchen in einen und ?5 Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54. Der schwarzschultrige Pfau wird von Mr. Sclater für eine besondere Species gehalten, welche Pavo nigripennis be- nannt ist. ?° Rudolphi, Beiträge zur Anthropologie. 1812, S. 184. ?" Die Darwin’sche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion. 1869, S. 59. 28 In Bezug auf Pfauen s. Sir R. Heron, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54 und E. S. Dixon, Ornamental Poultry, 1848, p. 8. Wegen des Truthuhns s. Audubon, a. a. O. p. 4. Wegen des Auerhuhns: Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 23. 106 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. denselben Käfig thun, da’ sie so heftig mit einander kämpfen. Das fol- gende Beispiel von Rivalıtät ist noch überraschender, da es sich auf Gimpel bezieht, welche sich gewöhnlich für die Zeit ihres Lebens paaren. Mr. JENNER Weir brachte ein dunkel gefärbtes und hässliches Weib- chen in seine Voliere und unmittelbar darauf griff dieses ein anderes, gepaartes Weibchen so erbarmungslos an, dass das letztere getrennt werden musste. Das neu hinzugekommene Weibchen verrichtete alle Dienste der Bewerbung und war zuletzt erfolgreich, denn es paarte sich mit dem Männchen. Aber nach einer gewissen Zeit erhielt es seinen gerechten Lohn; denn nachdem es aufgehört hatte kampfsüchtig zu sein, brachte Mr. Weir das alte Weibchen wieder hinein, und nun verliess das Männchen seine neue und kehrte zu seiner alten Liebe zurück. In allen gewöhnlichen Fällen ist das Männchen so gierig, dass es jedes Weibchen annimmt und, so weit wir es beurtheilen können, nicht das eine einem andern vorzieht. Aber Ausnahmen von dieser Regel kommen, wie wir später sehen werden, allem Anscheine nach in einigen wenigen Gruppen vor. Unter den domesticirten Vögeln habe ich nur von einem einzigen Falle gehört, in welchem die Männchen irgend eine Vorliebe für besondere Weibchen zeigten, nämlich vom Haushahn, wel- cher der hohen Autorität des Mr. Hrwırr zufolge die jüngeren Hennen den älteren vorzieht. Auf der anderen Seite ist Mr. Hrwırr in Folge seiner Erfahrung bei der Ausführung hybrider Verbindungen zwischen den männlichen Fasanen und gemeinen Hennen überzeugt, dass der Fasan ohne Ausnahme die älteren Vögel vorzieht. Er scheint nicht im Mindesten von ihrer Farbe beeinflusst zu werden, ist aber „in seinen „Neigungen äusserst launisch“ ?%. In Folge irgend einer unerklärbaren Ursache zeigt er die allerentschiedenste Aversion gegen gewisse Hennen, welche keine Sorgfalt von Seiten des Züchters überwinden kann. Manche Hennen sind, wie Mr. Hrwırr mir mittheilt, völlig ohne irgendwelche Anziehung selbst für Männchen ihrer eigenen Species, so dass sie mit mehreren Hähnen ein ganzes Jahr hindurch gehalten werden können, und nicht ein Ei unter vierzig oder fünfzig erweist sich als fruchtbar. Auf der anderen Seite ist bei der langschwänzigen Eisente (Harelda gla- cialis), wie EKSTRÖM sagt, „beobachtet worden, dass gewisse Weibchen „mehr umworben werden als die übrigen. In der That sieht man „häufig ein Individuum von sechs oder acht verliebten Männchen um- *%® Mr. Hewitt, eitirt mn Tegetmeier’s Poultry Book. 1866, p. 165. Cap. 14. Vorliebe der Weibchen. 107 „geben“. Ob diese Angabe glaubhaft ist, weiss ich nicht. Aber die Jäger des Landes schiessen diese Weibchen, um sie als Lockvögel aus- zustopfen ?°, In Bezug auf den Umstand, dass weibliche Vögel eine gewisse Vorliebe für gewisse Männchen fühlen, müssen wir im Auge behalten, dass wir darüber, ob eine Wahl ausgeübt wird, nur insofern urtheilen können, als wir uns in unserer Einbildung in dieselbe Lage versetzen. Wenn ein Bewohner eines anderen Planeten eine Anzahl junger Land- leute auf einem Jahrmarkte erblickte, wie sie mit einem hübschen Mäd- chen schön thäten und sich um. dasselbe zankten, wie Vögel auf einem ihrer Versammlungsplätze, so würde er im Stande sein den Schluss, dass das Mädchen das Vermögen der Wahl hätte, nur aus dem Um- stande zu ziehen, dass er den Eifer der Bewerber ihm zu gefallen und ihren Staat vor ihm zu entfalten, beobachtete. Nun liegt bei den Vö- geln der Beweisapparat gerade so: sie haben scharfes Beobachtungs- vermögen und scheinen einen gewissen Geschmack für das Schöne so- wohl in Bezug auf die Farbe als auf Töne zu besitzen. Es ist sicher, dass Weibchen gelegentlich aus unbekannten Ursachen die stärkste An- tipathie und stärkste Vorliebe für gewisse Männchen zeigen. Wenn die Geschlechter in der Farbe und gewissen Verzierungen von einander ab- weichen, so sind mit wenigen Ausnahmen die Männchen die am mei- sten verzierten, und zwar entweder für immer oder nur zeitweise wäh- rend der Zeit der Paarung. In der Gegenwart der Weibchen entfalten sie eifrig ihre verschiedenen Zierathen, strengen sie ihre Stimme an und führen fremdartige Geberden aus. Selbst gut bewaffnete Männchen, von denen man hätte glauben mögen, dass sie in Bezug auf ihren Er- folg nur von dem Gesetze des Kampfes abhiengen, sind in den meisten Fällen im hohen Grade verziert, und ihre Zierathen sind auf Kosten eines gewissen -Betrages an Kraft erlangt worden. In anderen Fällen sind Zierathen um den Preis einer vergrösserten Gefahr vor Raubthie- ren oder Raubvögeln erlangt worden, Bei verschiedenen Species ver- sammeln sich viele Individuen beider Geschlechter an demselben Orte und ihre Brautwerbung ist eine sich in die Länge ziehende Angelegen- heit. Wir haben selbst Grund zu vermuthen, dass die Weibchen und Männchen innerhalb eines und desselben Distriets nicht immer den Er- folg haben, einander zu gefallen und sich zu paaren. 30 Oitirt in Lloyd’s Game Birds ot Sweden, p. 345. 108 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IT. Theil. Welche Folgerung haben wir denn nun aus diesen Thatsachen und Betrachtungen zu ziehen? Entwickelt das Männchen seine Reize mit so viel Pracht und Rivalität zu gar keinem Zwecke? Sind wir nicht berechtigt anzunehmen, dass das Weibchen eine Wahl ausübt und dass dasselbe die Liebeserklärungen desjenigen Männchens annimmt, welches ihm am meisten gefällt? Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich das Weibchen die Sache lange mit Bewusstsein überlegt; aber es wird von dem schönsten oder melodischsten oder tapfersten Männchen am meisten gereizt oder angezogen. Auch darf nicht vermuthet werden, dass das Weibchen jeden Streifen oder jeden farbigen Fleck studirt, dass z. B. die Pfauhenne jedes Detail in dem prachtvollen Behänge des Pfauhahns bewundert: — es wird wahrscheinlich nur durch die allgemeine Wir- kung frappirt. Wenn wir aber gehört haben, dass der männliche Argus-Fasan seine eleganten Schwungfedern erster Ordnung entfaltet und seine mit Augenflecken versehenen Schmuckfedern in der richtigen Stellung, um die volle Wirkung hervorzubringen, aufrichtet, oder ferner wie der männliche Stieglitz abwechselnd seine goldig flitternden Flügel entfaltet, so dürfen wir nichtsdestoweniger uns nicht etwa dabei be- ruhigen, dass das Weibchen keinem Detail eines schönen Gefieders seine Aufmerksamkeit zuwendet. Wir können, wie bereits bemerkt wurde, über eine etwa ausgeübte Wahl nur. nach der Analogie unseres eigenen Geistes urtheilen; und die geistigen Fähigkeiten der Vögel weichen, wenn man den Verstand ausschliesst, nicht fundamental von den unsern ab. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen können wir schliessen, dass das Paaren der Vögel nicht dem Zufalle überlassen ist, sondern dass diejenigen Männchen, welche in Folge ihrer verschiedenen Reize am besten im Stande sind den Weibchen zu gefallen oder dieselben zu reizen, unter gewöhnlichen Umständen von letzteren angenommen wer- den. Wenn dies zugegeben wird, so ist es auch nicht schwierig zu verstehen, auf welche Weise männliche Vögel nach und nach ihre or- namentalen Charactere erlangt haben. Alle Thiere bieten individuelle Verschiedenheiten dar, und da der Mensch seine domestieirten Vögel dadurch modificiren kann, dass er die Individuen auswählt, welche ihm am schönsten erscheinen, so wird auch die gewöhnlich oder selbst nur gelegentlich eintretende Vorliebe des Weibcehens für die anziehenderen Männchen beinahe mit Sicherheit zu der Modification der Männchen führen ; derartige Modificationen können dann im Verlaufe der Zeit in Cap: 14. Variabilität der Vögel. 109 jeder Ausdehnung vermehrt werden, so lange sie nur mit der Existenz der Species verträglich sind. Variabilität der Vögel und besonders ihrer secundären Sexualcharactere. — Variabilität und Vererbung sind die Grund- lagen für die Wirksamkeit der Zuchtwahl. Dass domesticirte Vögel bedeutend varjirt und dass ihre Abänderungen sich vererbt haben, ist sicher. Dass ferner Vögel im Naturzustande individuelle Verschieden- heiten darbieten, wird von Jedermann zugegeben, und dass sie zuweilen sich zu distiineten Rassen modifieirt haben, wird gleichfalls allgemein zugegeben %!. Abänderungen sind von zweierlei Arten, welche unmerklich in einander übergehen, nämlich einmal unbedeutende Verschiedenheiten zwischen sämmtlichen Gliedern einer und der nämlichen Species, und schär- fer ausgesprochene Abweichungen, welche nur gelegentlich auftreten. Diese Letzteren sind bei Vögeln im Naturzustaude selten und es ist sehr zweifelhaft, ob sie oft durch Zuchtwahl erhalten und auf spätere Genera- tionen überliefert worden sind ??. Niehtsdestoweniger dürfte es der Mühe werth sein die wenigen Fälle, welche ich zu sammeln im Stande gewesen bin und welche sich hauptsächlich auf Farbe beziehen, jedoch 3! Nach Dr. Blasius (The Ibis, Vol. II. 1860, p. 297) gibt es 425 unzweifel- hafte Species von Vögeln, welche in Europa brüten, ausser 60 Formen, welche häufig für distinete Species gehalten werden. Von den letzteren meint Dr. Blasius, dass nur zehn wirklich zweifelhaft sind und dass die übrigen fünfzig mit ihren nächsten Verwandten vereinigt werden müssen; dies zeigt aber, dass bei einigen unserer europäischen Vögel ein beträchtlicher Grad von Abänderung bestehen muss. Es ist auch ein fernerer von den Naturforschern noch nicht fest- gestellter Punkt, ob mehrere nordamerikanische Vögel als von den europäischeu Arten specifisch verschieden classificirt werden müssen. 32 Entstehung der Arten, 4. Aufl. S. 104. Ich hatte beständig beobachtet, dass seltene und scharf markirte Structurabweichungen, welche Monstrositäten genannt zu werden verdienen, nur selten durch natürliche Zuchtwahl erhalten werden können und dass die Erhaltung selbst äusserst wohlthätiger Abänderun- gen in einer gewissen Ausdehnung vom Zufalle abhängt. Ich hatte auch voll- kommen die Bedeutung blosser individueller Verschiedenheiten gewürdigt, und das bewog mich, so stark jene unbewusste Form von Zuchtwahl seitens des Men- schen zu betonen, welche eine Folge der Erhaltung der am meisten geschätzten Individuen jeder Rasse ist, ohne dass er beabsichtigte, den Character der Rasse zu modificiren. Ehe ich aber einen vortrefflichen Artikel in „The North British Review“ (March 1867, p. 289 und flgde.) gelesen hatte, welcher von grösserem Nutzen für mich gewesen ist, als irgend eine andere Kritik, sah ich nicht, wie gross die Wahrscheinlichkeit gegen die Erhaltung von Abänderungen ist, welche, mögen sie nun schwach oder stark ausgesprochen sein, nur in einzelnen Indivi- duen auftreten. 110 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. mit Ausschluss des einfachen Albinismus und Melanismus, hier mitzu- theilen. Mr. GourLD gibt bekanntlich das Vorhandensein von Varietäten nur selten zu; denn er hält selbst unbedeutende Verschiedenheiten für specifisch. Nun führt- er an 33, dass in der Nähe von Bogota gewisse Kolibris, welche zu der Gattug Cynanthus gehören, in zwei oder drei Rassen oder Varietäten sich schieden, welche von einander in der Fär- bung des Schwanzes abwichen: „Bei eimigen sind sämmtliche Federn „blau, während bei anderen die acht centralen Federn mit einem schö- „nen Grün an der Spitze gefleckt sind“. Wie es scheint sind in die- sem und in den folgenden Fällen intermediäre Abstufungen nicht be- obachtet worden. Nur bei den Männchen eines australischen Papageien sind „die Oberschenkel bei manchen scharlachroth, bei anderen gras- „grün“. Bei einem anderen Papagei desselben Landes haben „einige „Individuen das quer über die Flügeldeckfedern sich ziehende Band hell- „gelb, während bei anderen derselbe Theil mit Roth gefärbt ist“ *#. In den Vereinigten Staaten haben einige wenige Männchen des schar- lachenen Tanager ( Tanagra rubra) „eine schöne Querbinde von Feuer- „roth auf den kleineren Flügeldeckfedern“ 3°, Es scheint aber diese Abänderung etwas selten zu sein, so dass ihre Erhaltung durch ge- schlechtliche Zuchtwahl nur unter ungewöhnlich günstigen Umständen erfolgen würde. In Bengalen hat der Honigbussard (Pernis cristatus) entweder einen kleinen rudimentären Federstutz auf seinem Kopfe oder durchaus keinen. Es würde indessen eine so unbedeutende Verschieden- heit kaum werth gewesen sein erwähnt zu werden, besässe nicht diese nämliche Species im südlichen Indien „einen gut entwickelten Oeecipital- „kamm, welcher aus mehreren abgestuften Federn gebildet wird“ °®. Der folgende Fall ist in manchen Hinsichten noch interessanter. Eine gefleckte Varietät des Raben, bei welcher der Kopf, die Brust, das Abdomen und Theile der Flügel und der Schwanzfedern weiss sind, ist auf die Färöer beschränkt. Sie ist dort nicht sehr selten, denn GrapBA sah während seines Besuches acht bis zehn lebende Exemplare. Obschon die Charactere dieser Varietät nicht völlig constant sind, so 33 Introduction to the Trochilidae, p. 102. 3 Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. II, p. 32 und 68. 35 Audubon, Ornithological Biography, 1838. Vol. IV, p. 389. 3° Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 108; und Mr. Blyth, in: Land aud Water, 1868, p. 331. Cap. 14. Variabilität der Vögel. 41f ist dieselbe doch von mehreren hervorragenden Ornithologen als eine verschiedene Species aufgeführt und benannt worden. Die Thatsache, dass die gefleckten Vögel von den andern Raben der Inseln mit viel (Geschrei verfolgt und angegriffen werden, war die hauptsächlichste Ver- anlassung, welche BRÜNNICH zu dem Schlusse leitete, dass sie specifisch verschieden seien; man weiss indess jetzt, dass dies ein Irrthum ist ??, In verschiedenen Theilen der nördlichen Meere wird eine merk- würdige Varietät der gemeinen Lumme (Uria troile) gefunden, und auf Färö gehört unter je fünf Vögeln nach GraBa’s Schätzung stets einer dieser Varietät an. Dieselbe wird durch einen rein weissen Ring rund um das Auge, mit einer gebogenen schmalen anderthalb Zoll langen weissen Linie, welche sich von dem Ringe aus nach hinten erstreckt, characterisirt ?®. Dieser auffallende Character ist die Veranlassung ge- wesen, dass der Vogel von mehreren Ornithologen für eine besondere Species gehalten wurde, welche den Namen Uria lacrymans erhielt. Man weiss aber jetzt, dass es bloss eine Varietät ist. Sie paart sich oft mit der gemeinen Art, doch sind intermediäre Uebergangsformen noch nie gesehen worden; auch ist dies nicht überraschend, denn Ab- änderungen, welche plötzlich erscheinen, werden, wie ich an einem an- deren Orte gezeigt habe 3%, entweder unverändert oder gar nicht über- liefert. Wir sehen hieraus, dass zwei verschiedene Formen einer und der nämlichen Species an derselben Oertlichkeit zusammen existiren können, und wir dürfen nicht zweifeln, dass wenn die eine irgend einen bedeutenden Vortheil über die andere besessen hätte, sie sich bis zur Unterdrückung der Letzteren vervielfältigt haben würde. Wenn z.B. die männlichen gefleckten Raben statt verfolgt und von ihren Kame- raden fortgetrieben zu werden, in ähnlicher Weise wie der früher er- wähnte gefleckte Pfauhahn eine bedeutende Anziehungskraft auf ge- wöhnliche schwarze Raben-Weibchen geäussert hätten, so würde sich ihre Zahl mit Schnelligkeit vermehrt haben und dies würde ein Fall von geschlechtlicher Zuchtwahl gewesen sein. In Bezug auf unbedeutende individuelle Verschiedenheiten, welche in einem grösseren oder geringeren Grade allen Gliedern einer und der 3” Graba, Tagebuch einer Reise nach Färö. 1330, S. 51—54. Maegilli- vray, History of British Birds. Vol. III, p. 745. Ibis, Vol. V. 1863, p. 469. 38.6, raba, 2.2.04 3,54. Macgillivray, a. QsrVolyV ,9Pps32% Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, S. 122. \ 112 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. nämlichen Species gemein sind, haben wir allen Grund zu glauben, dass sie in Bezug auf Wirksamkeit der Zuchtwahl die bei weitem wichtigste Rolle spielen. Secundäre Sexual-Charactere sind einer Ab- änderung ausserordentlich unterworfen, sowohl bei Thieren im Natur- zustande als bei solchen im Zustande der Domestication #%. Wie wir in unserem achten Uapitel gesehen haben, ist auch Grund vorhanden anzunehmen, dass Abänderungen mehr im- männlichen Geschlechte auf- zutreten geneigt sind. Alle diese Zufälligkeiten in Verbindung sind für geschlechtliche Zuchtwahl äusserst günstig. Ob in dieser Weise erlangte Charactere auf ein Geschlecht oder auf beide Geschlechter über- liefert werden, hängt, wie ich in dem folgenden Capitel zu zeigen hoffe, in den meisten Fällen ausschliesslich von der Form der Vererbung ab, welche bei der in Rede stehenden Gruppe vorherrscht. Es ist zuweilen schwierig, sich darüber eine Meinung zu bilden, ob gewisse unbedeutende Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern bei den Vögeln einfach das Resultat einer Variabilität mit geschlecht- lich beschränkter Vererbung ohne die Hülfe geschlechtlicher Zuchtwahl, oder ob sie durch diesen letzteren Process gehäuft worden sind. Ich beziehe mich hier nicht auf die zahllosen Beispiele, in denen das Männ- chen prachtvolle Farben oder andere Verzierungen entfaltet, an welchen das Weibchen nur in einem unbedeutenden Grade Theil hat; denn diese Fälle sind beinahe eine sichere Folge davon, dass ursprünglich erlangte Merkmale in einem grösseren oder geringeren Grade auch auf’s Weib- chen vererbt worden sind. Was haben wir nun aber aus solchen Fäl- len zu schliessen, in welchen, wie bei gewissen Vögeln, z. B. die Augen der beiden Geschlechter unbedeutend in der Farbe von einander ab- weichen?*! In manchen Fällen sind die Augen auffallend verschieden. So sind unter den Störchen in der Gattung Xenorhynchus die des Männchen schwärzlich nussbraun, während die der Weibchen bräun- lichgelb sind. Bei vielen Horn-Vögeln (Buceros) haben, wie ich von Mr. Bryr# höre *?, die Männchen intensiv carmoisinrothe und die Weibchen weisse Augen. Bei Buceros bicornis ist der hintere Rand des Helms und ein Streifen auf dem Schnabelkamm beim Männ- 4 Weber diese Punkte s. auch das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zu- stande der Domestication. Bd. 1, S. 313, Bd. 2, S. 97, 98. *1 5, z.B. über die Iris einer Podica und eines Gallierex in: „The Ibis. Vol. II. 1360, p. 206, und Vol. V. 1863, p. 426. 12 s, auch Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 243 - 245. 0922-14, Variabilität. 113 chen schwarz, aber nicht so beim Weibchen. Haben wir anzunehmen, dass diese schwarze Zeichnungen und die carmoisinrothe Farbe der Augen bei den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erhalten oder verstärkt worden sind? Dies ist sehr zweifelhaft; denn Mr. BARTLETT’ zeigte mir im zoologischen Garten, dass die innere Seite des Mundes dieses Buceros beim Männchen schwarz und beim Weibchen fleisch- farbig ist, und ihre äussere Erscheinung oder Schönheit wird hierdurch gar nicht berührt. Ich beobachtete in Chile *?, dass die Iris beim Condor, wenn er ungefähr ein Jahr alt ist, dunkelbraun ist, dass sie sich aber im Alter der Reife beim Männchen in Gelblichbraun und beim Weibchen in Hellroth verändert. Auch hat das Männchen einen kleinen longitudinalen, bleifarbigen, fleischigen Kamm. Bei vielen hühnerarti- sen Vögeln ist der Kamm eine bedeutende Verzierung und nimmt wäh- rend des Actes der Brautwerbung lebendige Farben an. Was sollen wir aber von dem trüb gefärbten Kamme beim Condor uns denken, welcher uns nicht im allergeringsten ornamental erscheint? Dieselbe Frage könnte man in Bezug auf andere Merkmale aufwerfen, so in Be- zug auf den Höcker an der Basis des Schnabels bei der chinesischen Gans (Anser cygnoides). welcher beim Männchen viel grösser ist als beim Weibehen. Auf diese Frage kann keine bestimmte Antwort ge- geben werden; wir sollten aber vorsichtig mit der Annahme sein, dass solche Höcker und fleischige Anhänge für’s Weibchen nicht anziehend sein könnten, wenn wir uns daran erinnern, dass bei wilden Menschen- rassen verschiedene hässliche Entstellungen sämmtlich als ornamental bewundert werden: z. B. tiefe Narben auf dem Gesicht, aus denen das Fleisch in Protuberanzen sich erhebt, ferner die Nasenscheidewand mit Stäben oder Knochen durchbohrt, Löcher in den Ohren und weit offen gezerrte Lippen. Mögen nun Verschiedenheiten ohne weitere Bedeutung zwischen den Geschlechtern wie die eben einzeln angeführten durch geschlecht- liche Zuchtwahl erhalten worden sein oder nicht, so müssen diese Ver- schiedenheiten ebensogut wie alle übrigen doch ursprünglich von den Gesetzen der Abänderung abhängen. Nach dem Principe der correla- tiven Entwickelung variirt das Gefieder oft an verschiedenen Theilen des Körpers oder über den ganzen Körper in einer und derselben Art und Weise. Wir sehen dies bei gewissen Hühnerrassen sehr deutlich aus- #3 Zoology of the Voyage of H. M. S. Beagle. 1841, p. 6. DARWwINn, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 8 114 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. I. Theil. geprägt. Bei allen Rassen sind die Federn am Halse und deu Weichen im männlichen Geschlechte verlängert und werden Sichelfedern genannt. Wenn nun beide Geschlechter einen Federstutz erhalten, welches in dieser Gattung ein neues Merkmal ist, so werden die Federn auf dem Kopfe des Männchens sichelfederförmig, offenbar nach dem Principe der Cor- relation, während diejenigen auf dem Kopfe des Weibchens von der ge- wöhnlichen Form sind. Auch steht die Farbe der den Federstutz bil- denden Sichelfedern bei den Männchen oft mit der der Sichelfedern am Halse und an den Weichen in Correlation, wie sich bei einer Verglei- chung dieser “Federn bei den gold- und silbergeflitterten polnischen Hühnern, den Houdans- und den Creve-coeur-Rassen ergibt. Bei einigen natürlichen Species können wir dieselbe Correlation in den Farben der- selben Federn beobachten, so z. B. bei den Männchen der prachtvollen Gold- und Amherst-Fasanen. Die Struetur jeder individuellen Feder ist im Allgemeinen die Ur- sache, dass jede Veränderung in ihrer Färbung symmetrisch wird. Wir sehen dies in den verschiedenen betressten, geflitterten und gestrichel- ten Rassen des Huhns, und nach -dem Principe der Correlation sind häufig die Federn über den ganzen Körper in einer und derselben Weise modifieirt. Wir werden hierdurch in den Stand gesetzt, ohne viele Mühe Rassen zu züchten, deren Gefieder fast ebenso symmetrisch wie das natürlicher Species gezeichnet und gefärbt ist. Bei betressten und geflitterten Hühnern sind die gefärbten Ränder der Federn abrupt be- grenzt, aber bei einer Mischlingsform, welche ich von einem schwarzen spanischen Hahne, der einen grünlichen Sammetglanz hatte, und einer weissen Kampfhenne 'erzog, waren alle Federn grünlich-schwarz, aus- genommen nach ihrer Spitze zu, welche gelblich-weiss war. Aber zwi- schen den weissen Spitzen und den schwarzen Grundtheilen fand sich an jeder Feder eine symmetrische, gebogene Zone von Dunkelbraun. In manchen Fällen bestimmt der Schaft der Federn die Vertheilung der Farben. So war bei den Körperfedern eines Mischlings von demselben schwarzen spanischen Hahne und einer silbergeflitterten polnischen Henne der Schaft und ausserdem ein schmaler Streif an jeder Seite grünlich- schwarz, und dieser letztere wurde von einer regelmässigen bräunlich- weiss geränderten Zone von Dunkelbraun umgeben. In diesen Fällen sehen wir Federn symmetrisch schattirt werden, ähnlich denen, welche dem Gefieder vieler natürlicher Species eine so grosse Eleganz verleihen. Ich habe auch eine Varietät der gemeinen Taube beobachtet, bei welcher Cap. 14. Variabilität. 115 die Flügelbalken symmetrisch mit drei hellen Schattirungen eingefasst waren, statt einfach schwarz auf einem schieferblauen Grunde zu sein, wie es bei der elterlichen Species sich findet. In vielen grossen Gruppen von Vögeln beobachtet man, dass das, Gefieder in jeder Species verschieden gefärbt ist, dass aber gewisse Zeichnungen oder Streifen, wenngleich auch sie ebenfalls verschieden gefärbt sind, doch von allen Species beibehalten werden. Analoge Fälle kommen bei den Rassen der Tauben vor, welche gewöhnlich die beiden Flügelbalken beibehalten, obschon sie gelb, roth, weiss, schwarz oder blau gefärbt sein können, während das übrige Gefieder von irgend einer völlig verschiedenen Färbung ist. Das Folgende ist ein noch merkwür- digerer Fall, in welchem gewisse Zeichnungen zwar beibehalten, aber doch in einer fast genau umgekehrten Weise gefärbt sind, als im Natur- zustande. Die ursprüngliche Felstaube hat einen blauen Schwanz und die Spitzenhälfte der äusseren Fahnen der beiden äusseren Schwanzfedern weiss; nun gibt es eine Untervarietät welche statt eines blauen einen weissen Schwanz hat und bei welcher derselbe kleine Theil schwarz ist, welcher bei der elterlichen Species weiss gefärbt ist **. Bildung und Variabilität der Ocellen oder Augenflecken auf dem Gefieder der Vögel. — Da keine Verzierungen schöner sind als die Augenflecken auf den Gefiedern verschiedener Vögel, auf. dem Haarkleide mancher Säugethiere, auf den Schuppen von Reptilien und Fischen, auf der Haut von Amphibien, auf den Flügeln vieler Schmetterlinge-und anderer Insecten , so verdienen sie wohl besonders hervorgehoben zu werden. Ein solcher Augenflecken oder Ocellus besteht aus einem Flecke innerhalb eines anders gefärbten Ringes, ähnlich der Pupille innerhalb der Iris, aber der centrale Flecken wird oft von noch weiter hinzutretenden concentrischen Zonen umgeben. Die Augenflecken auf den Schwanzdeckfedern des Pfauhahns bieten ein allbekanntes Bei- spiel dar, ebenso diejenigen auf den Flügeln des Pfauenaugen-Schmetter- lings (Vanessa). Mr. Trımex hat mir eine Beschreibung einer süd- afrikanischen Motte (Gynanisa isis) gegeben, welche unserem kleinen Nachtpfauenauge verwandt ist und bei welcher ein prachtvoller Augen- fieck nahezu die ganze Oberfläche jedes Hinterflügels einnimmt. Br besteht aus einem schwarzen Mittelpunkte, welcher eine durchscheinende # Bechstein, Naturgeschichte Deutschlands, Bd. 4, 1795, S. 31, über eine Untervarietät der Mönch-Taube. 3 * ei 116 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. I. Theil. halbmondförmige Zeichnung enthält und wird von aufeinanderfolgenden ockergelben, schwarzen, ockergelben, rosa, weissen, rosa, braunen und weisslichen Zonen umgeben. Obschon wir nun die Schritte nicht ken- nen, auf welchen diese wunderbar schönen und complieirten Verzierun- gen entwickelt worden sind, so ist doch mindestens bei Insecten der Process wahrscheinlich ein einfacher gewesen, denn wie mir Mr. TRIMEN schreibt, sind „bei den Lepidoptern keine andere Charactere blosser Zeich- „nung oder Färbung so unbeständig wie die Augenflecken, sowohl der Zahl „als der Grösse nach“. Mr. WALLACE, welcher zuerst meine Aufmerksam- keit auf diesen Gegenstand lenkte, zeigte mir eine Reihe von Exemplaren unseres gemeinen gelben Sandauges (Hipparchia Janira), welche zahl- reiche Abstufungen von einem einfachen äusserst kleinen. schwarzen Flecken bis zu einem elegant geformten Augenflecken darboten. Bei einem süd- amerikanischen Schmetterlinge (Cyllo leda L.). welcher zu derselben Familie gehört, sind die Augenflecken selbst noch variabler. In manchen Exemplaren (A. Fig. 52) sind grosse Stellen auf der oberen Fläche ’ B Bl Fig. 52. CyTo leda L., nach einer Zeichnung von Mr. Trimen, die ausserordentliche Weite der Abänderungen in den Ocellen darstellend. A Exemplar von Mauritius, obere Fläche des B Exemplar von Java, obere Fläche des Hinter- Vorderflügels, Nügels, A! Exemplar von Natal, ebenso ; 31 Exemplar von Mauritius. ebenso. der Flügel schwarz gefärbt und enthalten unregelmässige weisse Zeich- nungen, und von diesem Zustande aus lässt sich eine unvollkommene Stufenreihe verfolgen bis zu einem ziemlich vollkommenen Ocellus (A); dieser ist das Resultat einer Zusammenziehung der unregelmässigen Farbenflecke. In einer andern Reihe von Exemplaren lässt sich eine Abstufung verfolgen von äusserst kleinen weissen Flecken, welche von einer kaum sichtbaren schwarzen Linie umgeben werden (B), zu voll- = Cap. 14. Bildung der Augenflecke. +17 kommen symmetrischen und grossen Augenflecken (B!) #°. In Fällen wie den vorstehenden erfordert die Entwicklung eines vollkommenen Ocellus keinen langen Verlauf von Abänderungen und Zuchtwahl. Bei Vögeln und vielen anderen Thieren scheint es nach der Ver- gleichung verwandter Species, als seien die kreisförmigen Flecken da- durch entstanden, dass Streifen unterbrochen und contrahirt wurden. Bei dem Tragopan-Fasan repräsentiren beim Weibchen weisse Linien die schönen weissen Flecken des Männchens #6; und etwas derselben Art lässt sich in den beiden Geschlechtern des Argusfasans beobachten. Wie sich dies auch verhalten möge, so gibt es doch Erscheinungen, welche die Annahme sehr stark begünstigen, dass auf der einen Seite ein dunkler Flecken oft dadurch gebildet wird, dass der färbende Stoff nach einem Mittelpunkte von einer umgebenden Zone aus hin gezogen wird, welche hierdurch heller gemacht wird, und auf der anderen Seite, dass ein weisser Flecken oft dadurch gebildet wird, dass die Farbe von einem centralgelegenen Punkte entfernt wird, so dass er sich in einer um- gebenden dunklen Zone anhäuft. In beiden Fällen ist ein Augenflecken das Resultat. Der färbende Stoff scheint in einer nahezu constanten Menge vorhanden zu sein, wird aber verschiedentlich vertheilt und zwar entweder centripetal oder centrifugal. Die Federn des gemeinen Perl- huhns bieten ein gutes Beispiel weisser Flecken dar, welche von dunkeln Zonen umgeben werden: und wo nur immer die weissen Flecken grösser sind und nahe bei einander stehen, da fliessen die umgebenden dunkeln Zonen zusammen. Bei einer und derselben Schwungfeder des Argus- fasans kann man dunkle Flecken sehen,- welche von einer blassen Zone umgeben sind, und weisse Flecken innerhalb einer dunklen Zone. Es erscheint hiernach die Bildung eines Augenfleckens in seinem einfachsten Zustande eine einfache Angelegenheit zu sein. Auf welche weitere Weisen aber die complieirteren Augenflecken, welche von vielen aufeinan- derfolgenden farbigen Zonen umgeben sind, sich gebildet haben, will ich nieht zu sagen wagen. Erinnert man sich indessen an die gebänderten +5 Dieser Holzschnitt ist nach einer schönen Zeichnung angefertigt worden, welche Mr. Trimen für mich zu machen die Güte haben: s. auch seine Beschrei- bung des wunderbaren Betrags von Abänderung in der Färbung und der Form des Flügels dieses Schmetterlings in seinen: Rhopalocera Africae Australis, p. 186. s. auch einen interessanten Aufsatz von H.H. Higgins über den Ursprung der Ocellen bei Lepidoptern in dem Quarterly Journal of Science, July, 1868, p. 325. 46 Jerdon, Birds of India, Vol. IH, p. 517. 118 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Federn der Mischlingsnachkommen von verschieden gefärbten Hühnern . und an die ausserordentliche Variabilität der Augenflecken bei vielen Schmetterlingen, so kann die Bildung dieser schönen Ornamente kaum ein ausserordentlich complieirter Process sein und hängt wahrscheinlich von irgend einer unbedeutenden und sich abstufenden Veränderung in der Natur der Gewebe ab. Abstufung secundärer Sexualcharactere. — Fälle von Abstufung sind für uns von Bedeutung, da sie uns zeigen, dass es wenigstens möglich ist, dass sehr bedeutend eomplieirte Verzierungen durch kleine aufeinanderfolgende Stufen erhalten worden sind. Um die wirklichen Stufen zu entdecken, auf welchen das Männchen irgend eines jetzt existirenden Vogels seine prachtvollen Farben oder anderen Verzierungen erhalten hat, müssten wir die lange Reihe seiner alten und ausgestorbenen Urerzeuger betrachten. Dies ist aber offenbar un- möglich. Wir können indessen allgemein einen Schlüssel zum Ver- ständniss durch eine Vergleichung aller Species einer Gruppe, wenn die- selbe grösser ist, erhalten; dein einige von ihnen werden wahrscheinlich mindestens in einer partiellen Art und Weise Spuren ihrer früheren Merkmale beibehalten haben. Statt auf langweilige Einzelnheiten in Bezug auf verschiedene Gruppen einzugehen, aus welchen "auffallende Beispiele solcher Abstufungen angeführt werden könnten, scheint es am Besten zu sein, ein oder zwei scharf characterisirte Fälle zu nehmen, z.B. den Pfauhahn, und zu untersuchen, ob auf diese Weise irgend welches Licht auf die Schritte geworfen werden kann, durch welche dieser Vogel so prachtvoll decorirt worden ist. Der Pfauhahn ist hauptsächlich merkwürdig wegen der ausserordentlichen Länge seiner Schwanzdeckfedern, wogegen der Schwanz selbst nieht bedeutend ver- längert ist. Die Federfahnen sind fast der ganzen Länge dieser Federn entlang getrennt oder sind aufgelöst. Doch ist dies bei Federn vieler Species der Fall und auch bei einigen Varietäten des Haushuhns und der Taube. Die einzelnen Fahnenäste treten nach der Spitze des Schaf- tes zu zusammen, um die ovale Scheibe oder den Augenflecken zu bil- den, welcher sicherlich eines der schönsten Objecte der Welt ist. Ein solcher besteht aus einem iridescirenden intensiv blauen zahnförmig ein- geschnittenen Mittelpunkte, umgeben von einer sattgrünen Zone. Diese wiederum wird von einer breiten kupferbraunen Zone und diese endlich von fünf anderen schmalen Zonen mit unbedeutend verschieden gefärbten Cap. 14. Abstufung secundärere Sexualcharactere. 119 irideseirenden Schattirungen umgeben. Vielleicht verdient ein unbedeu- tender Character in der Scheibe Beachtung. Den Fahnenästen, fehlen, ‚eine Strecke lang einer der eoncentrischen Zonen entsprechend, in höhe- rem oder geringerem Grade die seitlichen Aestehen, so dass ein Theil der Scheibe von einer fast durchscheinenden Zone umgeben wird, welche derselben einen äusserst eleganten Anstrich giebt. Ich habe aber an einer anderen Stelle eine genau analoge Abänderung der Sichelfedern einer Untervarietät des Kampfhahns gegeben #7, bei welcher die Spitzen, welehe einen metallischen Anstrich haben, „von dem unteren Theile der „Feder durch eine symmetrisch geformte durchscheinende Zone getrennt „werden, welche aus den nackten Theilen der Fahnenäste gebildet wird.* Der untere Rand oder die Basis des dunkelblauen Mittelpunktes des Augenfleckens ist in der Richtung des Schaftes mit einem tiefen zahn- förmigen Einschnitte versehen. Die umgebenden Zonen zeigen, -wie man in der Abbildung (Fig. 53) sehen kann, gleichfalls Spuren der- artiger Binschnitte oder vielmehr Unterbrechungen. Diese zahnförmigen Einschnitte sind dem indischen und javauischen Pfauhahne (Pavo cri- status und P. muticus) gemeinsam und sie scheinen mir besondere Auf- merksamkeit zu verdienen, da sie wahrscheinlich mit der Entwickelung des Augenfleckens in Verbindung stehen; aber eine lange Zeit konnte ich ihre Bedeutung auch nicht einmal vermuthen. Wen wir das Princip der allmählichen Entwickelung annehmen, so müssen früher viele Species existirt haben, welche jeden der einzeln aufeinanderfolgenden Zustände zwischen den wunderbar verlängerten Schwanzdeckfedern des Pfauhahns und den kurzen Schwanzdeckfedern aller gewöhnlichen Vögel darboten; ferner ebenso Zwischenstufen zwischen den prachtvollen Augenflecken der ersteren und den einfachen Ocellen oder den einfach gefärbten Flecken anderer Vögel; und dasselbe gilt auch für alle übrigen Merkmale des Pfauhahns. Sehen wir uns unter den verwandten hühnerartigen Vögeln nach irgend welchen gegenwärtig noch bestehenden Abstufungen um. Die Species und Subspecies von Poly- plectron bewohnen Länder, welche an das Heimathland des Pfauhahns srenzen und sind diesem Vogel insoweit ähnlich, dass sie zuweilen Pfauen- fasanen genannt werden. Mir hat auch Mr. BArTLETT mitgetheilt, dass sie dem Pfauhahne in ihrer Stimme und in einigen Zügen ihrer Lebens- weise ähnlich sind. Während des Frühjahrs stolziren, wie früher be- +" Das Variren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, S. 314. % 120 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. Il. Theil. schrieben wurde, «die Männchen vor den vergleichsweise einfach gefärbten Weibchen einher, breiten ihren Schwanz und ihre Schwungfedern aus und richten sie auf, welche beide mit zahlreichen Augenflecken verziert sind. Ich ersuche den Leser, seinen Blick zurück auf die Zeichnung eines Polyplectron zu werfen (Fig. 51, S. 77). Bei P. Napoleonis sind die Augenflecken auf den Schwanz beschränkt und der Rücken ist von einem reichen metallischen Blau, in welchen Beziehungen diese Species sich dem javanischen Pfauhahne nähert. P. Hardwickii besitzt einen eigenthümlichen Federstutz in einer gewissen Weise dem derselben Pfauenart ähnlich. Die Augenflecken auf den Flügeln und dem Schwanze Fig. 53. Feder des Pfauhahns, ungefähr zwei Drittel der natürlichen Grösse, sorgfältig von Mr. Ford gezeichnet. Die durchscheinende Zone ist durch die äusserste weisse Zone dargestellt, welche auf das obere Ende der Scheibe beschränkt ist. der verschiedenen Species von Polyplectron sind entweder kreisförmig oder oval und bestehen aus einer schönen irideseirenden grünlich-blauen oder grünlich-purpurnen Scheibe mit einem schwarzen Rande. Dieser Rand schattirt sich bei P. Chinguis in braun ab, welches wieder mit blassrosa umrändert ist, so dass der Augenflecken hier von verschiedenen, wenn auch nicht glänzend schattirten econcentrischen Farben-Zonen um- Cap. 14. Bildung der Augenflecke. 121 geben ist. Die ungewöhnliche Länge der Schwanzdeckfedern ist ein anderer äusserst merkwürdiger Character bei Polyplectron. Denn in einigen Species sind sie halb so lang und in anderen zwei Drittel so lang als die echten Schwanzfedern. Die Schwanzdeckfedern sind mit Augenfleeken versehen, wie beim Pfauhahne. Es bilden hierdurch die’ verschiedenen Species von Polyplectron offenbar eine allmähliche An- näherung an den Pfauhahn und zwar in der Länge ihrer Schwanzdeck- federn, in den Zonen ihrer Augenflecken und in einigen anderen Characteren. Trotz dieser Annäherung veranlasste mich beinahe doch die erste Species von Polypleciron, welche ich durch Zufall zur Untersuchung unter die Hände bekam, die ganze Prüfung aufzuge- ben; denn ich fand nicht nur, dass die wirck- lichen Schwanzfedern, welche beim Pfauhahne völlig gleich gefärbt sind, mit Augenflecken ver- ziert waren, sondern dass die Augenflecke auf allen Federn fundamental von denen beim Pfau- hahne verschieden waren und zwar dadurch, dass sich an einer und derselben Feder zwei solcher Flecken fanden (Fig. 54), einer auf jeder Seite _ ER ER Fig. 54. Theil einer Schwanzdeck- des Schaftes. Ich kam hierdurch zu der Fol- teder von Porypleetron chinquis serung, dass die frühen Urerzeuger der Pfau- rt 1er beiden Ocellon Du Malt hahns einem Poiyplectron in gar keinem Grade ähnlich gewesen sein könnten. Als ich aber meine Untersuchung fortsetzte, beobachtete ich, dass in einigen der Species die beiden Grösse. NN a Ne NN Augenflecken einander sehr nahe standen, dass bei den Schwanzfedern von P. Hardwickii sie sich einander berührten und endlich dass sie bei den Schwanzdeckfedern dieser letzteren Species ebenso wie bei P. malaccense (Fig. 55) factisch zusammenflossen. Da nur der cen- a 5 & D > = . Pie. 55. Theil einer Schwanzdeck- trale Theil Beider ineinander fliesst, so bleibt Fig 53 Theil einer Schwanzdec feder von Polypleetron malaccense am oberen und unteren Ende ein zahnförmiger mit den beiden Ocellen, welche . . or . . theilweise zusammenfliessen ; na- Einschnitt übrig, wie auch die umgebenden ir. Grösse. efärbten Zonen gleichfalls eingezahnt sind. Hierdurch wird auf jeder fe) oO Schwanzdeckfeder ein einfacher Augenflecken gebildet, wenngleich er noch an 122 j Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IT. Theil. deutlich seinen Ursprung aus dem doppelten Flecken verräth. Diese zusammenfliessenden Augenflecken weichen von den einfachen Ocellen des Pfauhahns dadurch ab, dass sie einen zahnförmigen Einschnitt an beiden Enden besitzen, statt dass sie nur am unteren oder basalen Ende einen solchen hätten. Die Erklärung dieser Verschiedenheit ist indessen nicht schwierig. In einigen Arten von Polypleetron stehen die beiden ovalen Augenflecken auf einer und derselben Feder einander parallel, bei anderen Species (so bei P. Chinguis) eonvergiren sie nach einem Ende hin. Es wird nun das theilweise Zusammenfliessen zweier convergirender Augen- flecken offenbar eimen viel tieferen Einschnitt an dem divergirenden Ende bestehen lassen, als an dem convergirenden Ende. Es ist auch ganz offenbar, dass wenn die Convergenz stark ausgesprochen und das Zu- sammenfliessen vollständig ist, die Indentation an dem convergirenden Ende völlig obliterirt zu werden strebt. Die Schwanzfedern bei beiden Species des Pfauhahns sind völlig ohne Augenflecken, und dies steht offenbar in Beziehung zu dem Um- stande, dass sie von den langen Schwanzdeckfedern verdeckt und ver- borgen werden. In dieser Beziehung weichen sie merkwürdig von den Schwanzfedern von Polyplectron ab, welche in den meisten Species mit grösseren Ocellen verziert sind, als diejenigen auf den Schwanzdeck- federn sind. Ich wurde hierdurch veranlasst, sorgfältig die Schwanz- federn der verschiedenen Species von Polyplectron zu untersuchen, um nachzusehen, ob die Augenflecken bei irgend einer derselben eine Nei- gung zum Verschwinden zeigten, und zu meiner Genugthuung hatte ich hierbei Erfolg. Die centralen Schwanzfedern von P. Napoleonis haben beide Augenflecken auf jeder Seite des Schaftes vollständig entwickelt, aber der innere Augenflecken wird bei den mehr nach aussen gelegenen Schwanzfedern immer weniger und weniger deutlich, bis an der inneren Seite der äussersten Feder ein blosser Schatten oder eine rudimentäre Spur eines Fleckens übrig bleibt. Ferner sind, wie wir gesehen haben, bei P. malaccense die Augenflecken an den Schwanzdeckfedern zusammen- Niessend, und diese Federn selbst sind von eimer ungewöhnlichen Länge, indem sie zwei Drittel der Länge der Schwanzfedern betragen, so dass in diesen beiden Beziehungen sie den Schwanzdeckfedern des Pfauhahns ähnlich sind. Bei dieser Species nun sind nur die beiden centralen Schwanzfedern und zwar jede mit zwei hell gefärbten Ocellen verziert, während die Augenfleeken von den inneren Seiten aller übrigen Schwanz- federn völlig verschwunden sind. Es bilden folglich die Schwanzdeck- \ Cap. 14. Argusfasan. 123 federn und die Schwanzfedern dieser Species von Polyplectron eine be- deutende Annäherung in der Structur und Verzierung an die entsprechen- den Federn des Pfauhahns dar. So weit denn nun das Prineip der Abstufung irgend welches Licht auf die Schritte wirft, durch welche das prachtvolle Gehänge des Pfau- hahns erlangt worden ist, braucht kaum noch irgend etwas mehr nach- gewiesen zu werden. Wir können uns im Geiste einen Urerzeuger des Pfauhahns in einem beinahe genau intermediären Zustande zwischen dem jetzt existirenden Pfauhahne mit seinen enorm verlängerten Schwanz- deckfedern, die mit einfachen Augenflecken verziert sind, und einem ge- wöhnlichen hühnerartigen Vogel mit kurzen Schwanzdeckfedern, die bloss mit etwas Farbe gefleckt sind, vormalen; und wir werden dann mit unserem geistigen Auge einen Vogel erblicken, welcher der Aufrichtung und Entfaltung fähig, mit zwei zum Theil zusammenfliessenden Augen- flecken verzierte und fast bis zum Verbergen der eigentlichen Schwanz- federn verlängerte Schwanzdeckfedern besitzt, während die letzteren bereits ihre Augenflecken zum Theil verloren haben. Wir werden, um kurz zu sein, ein Polyplectron erblicken. Der zahnförmige Einschnitt der centralen Scheibe und der umgebenden Ringe der Augenflecken in beiden Species von Pfauen scheint mir deutlich zu Gunsten dieser Ansicht zu sprechen, und es wäre diese Structur auch sonst unerklärlich. Die Männchen von Polyp’ec- tron sind ohne Zweifel sehr schöne Vögel; es kann aber ihre Schönheit, wenn sie aus einer geringeren Entfernung betrachtet werden, mit der des Pfauhahns, wie ich einst selbst im zoologischen Garten sah, nicht ver- glichen werden. Viele weibliche Vorfahren des Pfauen müssen während einer Jangen Descendenzreihe diese Superiorität gewürdigt haben; denn sie haben unbewusst durch das fortgesetzte Vorziehen der schönsten Männchen den Pfauhahn zum glänzendsten aller lebenden Vögel gemacht. Argusfasan. — Einen anderen ausgezeichneten Fall zur Unter- suchung bieten die Augenflecken auf den Schwungfedern des Argusfasans dar, welche in einer so wundervollen Weise schattirt sind, dass sie innerhalb Sockeln liegenden Kugeln gleichen, und welche von den ge- wöhnlichen Augenflecken verschieden sind. Ich glaube, es wird wohl Niemand diese Schattirung, welche die Bewunderung vieler erfahrener Künstler erregt hat, dem Zufall zuschreiben, — dem zufälligen Zu- sammentritte von Atomen gefärbter Substanzen. Dass diese Ornamente sich durch eine behufs der Paarung ausgeübte Auswahl vieler aufein- 124 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. anderfolgender Abänderungen gebildet haben sollten, von denen nicht eine einzige ursprünglich bestimmt war, diese Wirkung einer Kugel im Sockel hervorzubringen, scheint so unglaublich, als dass sich eine von Raphael’s Madonnen durch die Wahl zufällig von einer langen Reihe jüngerer Künstler hingekleckster Schmierereien gebildet hätte, von denen nicht eine einzige ursprünglich bestimmt war, die mensch- liche Figur wiederzugeben. Um zu entdecken in welcher Weise sich die Augenflecken bestimmt entwickelt haben, können wir auf keine lange Reihe von Urerzeugern blicken, auch nicht auf verschiedene nahe ver- wandte Formen, denn solche existiren nicht; aber glücklicher Weise geben uns die verschiedenen Federn am Flügel einen Schlüssel zur Lösung des Problems und sie beweisen demonstrativ, dass eine Ab- stufung von einem einfachen Flecken bis zu einem vollendeten Kugel- und Sockel-Ocellus wenigstens möglich ist. Die die Augenflecken tragenden Schwungfedern sind mit dunklen Streifen oder Reihen dunkler Punkte bedeckt, wobei jeder Streifen oder jede Reihe schräg an der äusseren Seite des Schaftes nach einem Augen- flecke hinläuft. Die dunklen Punkte sind meist in querer Richtung in Bezug auf die Reihe, in welcher sie stehen, verlängert. Sie werden oft zusammenfliessend entweder in der Richtung der Reihe — und dann bilden sie einen longitudinalen Streifen — oder quer, d.h. mit den Flecken in den benachbarten Reihen, und dann bilden sie quere Streifen. Zuweilen löst sich ein Flecken in kleine Flecken auf, welche noch immer an ihren betreffenden Plätzen stehen. Es dürfte angemessen sein, zuerst einen vollkommenen Kugel- und Sockel-Augenflecken zu beschreiben. Ein solcher besteht aus einem in- tensiv schwarzen, kreisförmigen Rande, welcher einen Raum umgibt, der genau so abschattirt ist, dass er einer Kugel ähnlich wird. Die hier mitgetheilte Abbildung ist von Mr. Forp wunderbar genau ge- zeichnet und in Holz geschnitten worden. Es kann aber ein Holz- schnitt die ausgezeichnete Schattirung des Originals nicht wiedergeben. Der Ring ist beinahe immer an einem in der oberen Hälfte liegenden Punkte etwas nach rechts und nach oben von dem weissen Lichte der eingeschlossenen Kugel unbedeutend unterbrochen (s. Fig. 56), zuweilen ist er auch nach der Basis zu an der rechten Seite unterbrochen. Diese kleinen Unterbrechungen haben eine wichtige Bedeutung. Der Ring ist nach dem linken oberen Winkel, wenn man die Feder aufrecht hält, in welcher Stellung sie hier gezeichnet ist, immer sehr verdickt, wobei Cap. 14. Argusfasan, Augenflecke. 125 die Ränder sehr undeutlich umschrieben sind. Unter diesem verdickten Theile findet sich auf der Oberfläche der Kugel eine schräge, beinahe rein weisse Zeichnung, welche nach abwärts im einen blassbleifarbigen Ton abschattirt ist, und diese geht wieder in gelbliche und braune Färbungen über, welche nach dem AB 0 | unteren Theile der Kugel merklich dunkler und dunkler werden. Es ist gerade diese Schattirung, welche in einer so wunderbaren Weise die Wir- kung hervorbringt, als scheine Licht auf eine convexe Oberfläche. Unter- sucht man eine dieser Kugeln, so ‘ wird man finden, dass der untere Theil von- einer brauneren Färbung und undeutlich durch eine gekrümmte schräge Linie von dem oberen Theile geschieden ist, welcher gelber und mehr bleiern aussieht. Diese schräge Linie läuft in rechtem Winkel auf die längere Achse des weissen Licht- flecks und in der That aller Schat- tirungen. Aber diese Verschiedenheit in den Tinten, welche natürlich nicht wiedergegeben werden kann, stört Fig. 56. Theil einer Ordnung vom Argusfasan , welcher zwei voll- nicht im allermindesten die vollkom- ständige Augenflecken (a und b) zeigt. A, B, C dunkle Streifen, welche schräg nach ab- mene Schattirung der Kugel **. Man e ae, wärts laufen, ein jeder zu einem Ocellus. muss noch besonders beachten, dass (Von der Fahne ist auf beiden Seiten, be- sonders links vom Schafte , ein grosses Stück jeder Augenflecken in offenbarem Zu- gneeschnitten worden.) RER RR DR RN Z Schwanzfeder zweiter 48 Wenn der Argusfasan seine Schwungfedern wie einen grossen Fächer entfaltet, so stehen die dem Körper zunächst sich findenden aufrechter als die äusseren, so dass die Schattirung der Kugel- und Sockel-Augenflecken auf ver- schiedenen Federn unbedeutend von einander verschieden sein müssten, um im Verhältniss zum auffallenden Lichte ihre volle Wirkung hervorzubringen. Mr. T. W. Wood, welcher das erfahrene Auge eines Künstlers besitzt, behauptet (Zeitschrift „Field“, May 28., 1870, p. 457), dass dies der Fall ist. Nachdem ich aber sorgfältig zwei ausgestopfte Exemplare (von welchem einen Mr. Gould mir die betreffenden Federn zur genaueren Vergleichung gegeben hat) untersucht habe, kann ich nicht wahrnehmen, dass dieser Gipfel der Vollendung in der Schattirung erreicht worden ist; auch können Andere, welehen ich diese Federn gezeigt habe, diese Thatsache nicht erkennen. 126 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. sammenhange mit einem dunklen Streifen oder einer Reihe dunkler Fleeken steht, denn beide kommen ganz indifferent an einer und der- selben Feder vor. So läuft in Figur 56 der Streifen A zu dem Augen- flecken a, der Streifen B läuft zu dem Flecken b, der Streifen C ist in dem oberen Theile unterbrochen und läuft abwärts zu dem nächstfol- genden Augenflecken, welcher im Holzsehnitte nicht mehr dargestellt ist. Dasselbe gilt für die Streifen E und F. Endlich werden die verschie- denen Augenflecken durch eine blasse Fläche, welche unregelmässige schwarze Zeichnungen trägt, von einander getrennt. Ich will nun zunächst das andere Extrem der Reihe beschreiben, nämlich die erste Spur eines Augenflecken. Die kurze Schwinge zweiter Ordnung (Fig. 57) zunächst dem Körper ist wie die übrigen Federn mit schrägen longitudinalen im ganzen unregelmässigen heihen von Flecken gezeichnet. Der unterste Flecken, oder der am nächsten dem Schafte, ist in den fünf unteren heihen (mit Ausnahme der ba- salen Reihe) um ein Weniges grösser als die anderen Flecken in. derselben Reihe und ein wenig mehr in einer queren Rich- tung verlängert. Er weicht auch von anderen Flecken dadurch ab, dass er an ei eh der Schwungfeder SeINer oberen Seite mit einigen mattgelben zweiter Ordnung, zunächst dem Körper. Schattirungen gerändert ist. Es ist aber dieser Flecken in keiner Weise merkwürdiger, als die am Gefieder vieler Vögel auftretenden und kann leicht völlig übersehen werden. Der nächst höhere Flecken in jeder Reihe weicht durchaus nicht von den oberen in derselben Reihe ab, obschon er, wie wir sehen werden, in den folgenden Reihen bedeutend modifieirt wird. Die grösseren Flecken nehmen genau dieselbe relätive Stellung an dieser Feder ein, wie die vollkommenen Augenflecken an den längeren Schwungfedern. Betrachtet man die nächsten zwei oder drei folgenden Schwingen zweiter Ordnuug, so lässt sich eine absolut unmerkbare Abstufung von einem der eben beschriebenen unteren Flecken in Verbindung mit den nächst höheren in derselben Reihe bis zu einer merkwürdigen Verzie- rung verfolgen, welche nicht ein Angenflecken genannt werden kann und = Cap. 14. : Argusfasan, Augenflecke. 12% welche ich aus Mangel eines besseren Ausdrucks ein „elliptisches Or- „nament“ nennen will. Diese werden in der beistehenden Figur erläutert (Fig. 55). Wir sehen hier mehrere schräge Reihen von Flecken des sewöhnlichen Characters A, B, C, D, (s. die mit Buchstaben versehene Umrisszeichnung). Jede heihe von Flecken länft abwärts nach einem der elliptischen Ornamente hin und steht mit ihm in Verbindung, in genau derselben Weise wie jeder Streifen in Figur 56 abwärts zu einem Fig. 58. Abschnitt einer der Schwungfedern zweiter Ordnung nahe am Körper, die sogenannten elliptischen Ornamente zeigend. Die Figur rechts ist nur als schematischer Umriss beigegeben worden wegen der Buchstabenzeichnung. A,B, Cu.s. f. Reihen von Fleeken, welche e der nächst folgende Flecken oder die nächste nach abwärts zu den elliptischen ÖOrnamen- Zeichnung in derselben Reihe. ten laufen und diese bilden. d Allem Anscheine nach eine unterbrochene b Unterster Flecken oder Zeichnung in der ReiheB. Verlängeruug des Fleckens e in der Reihe B. der Kugel- und Sockel-Augenflecken läuft und mit diesem in Verbindung steht. Fasst man irgend eine Reihe in das Auge, z. B. B, so ist der unterste Flecken oder die unterste Zeichnung (b) dieker und beträchtlich länger als die oberen Flecken und sein linkes Ende ist zugespitzt und nach oben gekrümmt. Die schwarze Zeichnung wird in ihrer oberen Seite von einem im ganzen breiten Raume reich schattirter Färbungen eingefasst, welche mit einer schmalen braunen Zone beginnen, die wieder in eine orangene und diese in eine blasse bleifarbige Färbung übergeht, wobei das Ende nach dem Schafte hin blässer ist. Diese Zeichnung entspricht in jeder Beziehung dem grösseren schattirten, Flecken, welcher in dem letzten Abschnitte (Fig. 57) beschrieben wurde, ist aber viel 128 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. weiter entwickelt und viel heller gefärbt. Nach oberhalb und rechts von diesem Flecken (b) mit seiner hellen Schattirung findet sich eine lange schmale schwarze Zeichnung (ce), welche zu derselben Reihe ge- hört und welche ein wenig nach abwärts gekrümmt ist, so dass sie b gegenübersteht. Sie wird auch an der unteren Seite von einer gelb- lichen Färbung schmal gerändert. Nach links und oben von e findet sich in derselben schrägen Richtung aber immer mehr oder weniger abgesetzt von ihr eine andere schwarze Zeichnung (d). Diese Zeichnung ist allgemein subtriangulär und in der Form unregelmässig, aber die in der Umrisszeichnung mit dem Buchstaben versehene ist ungewöhn- lich verlängert und regelmässig. Sie besteht dem Anscheine nach aus einer seitlichen und unterbrochenen Verlängerung der Zeichnung e, wie ich aus den Spuren ähnlicher Verlängerungen der darauf folgenden obern Flecken schliesse; doch bin ich hierüber nicht sicher. Diese drei Zeich- nungen b, ce und d, mit den dazwischen tretenden helleren Schattirun- gen bilden zusammen das sogenannte elliptische Ornament. Diese Or- namente stehen in einer dem Schafte parallelen Reihe und entsprechen offenbar ihrer Lage nach den Kugel- und Sockel-Augenflecken. Ihre ausserordentlich elegante Erscheinung kann nach der Zeichnung nicht gewürdigt werden, da die orangenen und bleifarbigen Färbungen, die so schön mit den schwarzen Färbungen contrastiren, nicht dargestellt werden können. | Zwischen einem der elliptischen Ornamente und einem vollkomme- nen Kugel- und Sockel-Augenflecken ist die Abstufung so vollkommen, dass es kaum möglich zu entscheiden ist, wenn der letztere Ausdruck in Gebrauch treten soll. Ich bedaure, dass ich nicht noch eine weitere Zeichnung ausser Fig. 38 gegeben habe, welche ungefähr halbwegs in der Reihe zwischen einem der einfacheren Flecken und einem vollkom- menen Ocellus in der Mitte steht. Der Uebergang von dem ellipti- schen Ornamente in einen Augenflecken wird durch die Verlängerung und grössere Krümmung in entgegengesetzten Richtungen der unteren schwarzen Zeiehnung (b) und besonders noch der obern (e) in Verbin- dung mit einem Zusammenziehen der unregelmässigen subtriangulären oder schmalen Zeichnung (d) bewirkt, so dass endlich diese drei Zeichnun- gen zusammenfliessend werden und einen regelmässigen elliptischen Ring bilden. Dieser Ring wird allmählich mehr und mehr kreisförmig und regelmässig, während er in derselben Zeit an Durchmesser zu- nimmt. Spuren der Verbindung aller drei verlängerten Flecken oder Cap. 14. Abstufung der Charactere. 129 Zeichnungen, besonders der beiden oberen, können noch in vielen der vollkommensten Augenflecken beobachtet werden. Es wurde der unter- brochene Zustand des schwarzen Ringes an der oberen Seite des Augen- fleckens in Figur 56 hervorgehoben. Die unregelmässige subtrianguläre, oder schmale Zeichnung (d) bildet offenbar durch ihre Zusammenziehung und Ausgleichung die verdickte Partie des Ringes an der linken oberen Seite des vollkommenen Kugel- und Sockel-Augenfleckens. Der untere Theil des Ringes ist ausnahmslos ein wenig dicker als die anderen Theile (s. Fig. 56) und dies folgt daraus, das die untere schwarze Zeichnung des elliptischen Ornaments (b) ursprünglich dicker war, als die obere Zeichnung (ce). In dem Processe des "Zusammenfliessens und der Modification kann jeder einzelne Schritt verfolgt werden, und der schwarze Ring, welcher die Kugel des Ocellus umgibt, wird ohne Frage durch die Verbindung und Modification der drei schwarzen Zeichnungen b, e, d, des elliptischen Ornamentes gebildet. Die unregelmässigen schwarzen Zickzackzeichnungen zwischen den aufeinanderfolgenden Au- genflecken (s. wiederum Fig. 56) sind offenbar Folge davon, dass die etwas regelmässigeren, aber ähnlichen Zeichnungen zwischen den ellipti- schen Ornamenten unterbrochen werden. Die auf einander folgenden Abstufungen in der Schattirung der Kugel- und Sockel-Augenflecken können mit gleicher Deutlichkeit ver- folgt werden. Es lässt sich beobachten, wie die braunen, orangenen und blass-bleifarbenen schmalen Zonen, welche die untere schwarze Zeichnung des elliptischen Ornaments begrenzen, sich allmählich immer mehr und mehr ausgleichen und in einander abschattiren, wobei der obere hellere Theil nach dem Winkel linker Hand immer heller wird. so dass er fast weiss erscheint. Aber selbst in dem vollkommensten Kugel- und Sockel-Ocellus lassen sich unbedeutende Verschiedenheiten in den Färbungen, wenn auch nicht in der Schattirung, zwischen den oberen und unteren Theilen der Kugel beobachten (wie vorher aus- drücklich erwähnt wurde). Denn die Trennungslinie verläuft in der- selben Richtung mit den hell gefärbten Lichtern des elliptischen Or- namentes. Es lässt sich in dieser Weise zeigen, dass fast jedes minu- tiöse Detail in der Form und Färbung der Kugel- und Sockel-Augen- fleeken aus allmählichen Veränderungen an den elliptischen Ornamenten hervorgeht und die Entwickelung der letzteren kann durch in gleicher Weise unbedeutende Schritte aus der Vereinigung zweier beinahe ein- DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 9 130 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. facher Flecken verfolgt werden, von denen der untere (Figur 57) an sei- ner oberen Seite eine kleine, mattgelbliche Schattirung zeigt. Die Enden der längeren Schwungfedern zweiter Ordnung, welche die vollkommenen Kugel- und Sockel-Augenflecken tragen, sind in eigen- thümlicher Weise verziert (Fig. 59). Die schrägen longitudinalen Streifen hören nach oben hin plötzlich auf und wer- den unregelmässig und oberhalb dieser Grenze ist das ganze obere Ende der Feder (a) mit weissen, von kleinen schwarzen Ringen um- gebenen Flecken bedeckt, welche auf einem dunkeln Grunde stehen. Selbst der schräge Streifen, welcher zudem obersten Augenflecken gehört (b), wird nur durch eine sehr kurze, unregelmässige schwarze Zeichnung mit der gewöhnlichen gekrümmten queren Basis dar- gestellt. Da dieser Streifen hiermit nach oben plötzlich abgeschnitten wird, so können wir nach dem, was vorausgegangen ist, ver- stehen, wie es kommt, dass der obere ver- dickte Theil des Ringes bei dem obersten Augenflecken fehlt; denn wie früher angegeben wurde, wird dieser verdickte Theil dem An- scheine nach durch eine unterbrochene Ver- GG längerung des nächst höheren Fleckens in der- be = ER selben Reihe gebildet. Wegen der Abwe- federn zweiter Ordnung nahe der genheit des oberen und verdickten Theiles a WE des Ringes erscheint der oberste Augenflecken, Sockel-Augenflecke tragend. A ee ter N trotzdem er in allen übrigen Beziehungen b. Oberster, unvollkommener Kugel- ü 3 und Sockel-Augenfleck (die Schat- vollkommen ist, so, als wenn sein oberes tirung oberhalb der weissen Zeich- . ches 2 > nel hung auf der Spitze des Ocellus iss de schräg abgeschnitten wäre. Ich glaube, hier ein wenig zu dunkel). es würde Jedermann, welcher glaubt, dass e. Vollkommener Augenfleck. A F M das Gefieder des Argusfasans so wie wir es jetzt sehen erschaffen sei, in Verlegenheit bringen, sollte er den un- vollkommenen Zustand der obersten Augenflecken erklären. Ich will noch hinzufügen, dass bei den vom Körper entferntesten Schwungfedern zweiter Ordnung alle Augenflecken kleiner und weniger vollkommen sind als an den übrigen Federn und dass bei ihnen die oberen Theile der äusseren schwarzen Ringe fehlen, wie in dem eben erwähnten Falle. Es DE FAR La, Do Cap. 14. Abstufung der Charactere. 131 Hier scheint die Unvollkommenheit mit der Thatsaehe in Verbindung - zu stehen, dass die Flecken an dieser Feder weniger als gewöhnlich die Neigung zeigen, zu Streifen zusammenzufliessen ; sie werden im Gegen- theile oft in kleinere Flecken aufgelöst, so dass zwei oder drei nach ab- wärts zu jedem Augenflecken laufen. Wir haben nun gesehen, dass eine vollkommene Reihe von zwei beinahe einfachen Flecken, die ursprünglich völlig distinet von einander sind, bis zu einer jener wundervollen Kugel- und Sockel-Verzierungen sich verfolgen lässt. Mr. GouLp, welcher mir einige dieser Federn freundlichst überliess, stimmt durchaus mit mir in Bezug auf die Voll- ständigkeit der Abstufung überein. Offenbar zeigen uns die von den Federn eines und des nämlichen Vogels dargebotenen Entwickelungs- stufen durchaus nicht nothwendig die Schritte an, durch welche die ausgestorbenen Urerzeuger der Species hindurchgegangen sind; sie geben uns aber wahrscheinlich den Schlüssel für das Verständniss der wirk- lichen Schritte und beweisen mindestens bis zur Demonstration, dass eine Abstufung möglich ist. Vergegenwärtigen wir uns, wie sorgfältig der männliche Argusfasan seine Schmuckfedern vor dem Weibchen ent- faltet, ebenso wie die vielen anderen Thatsachen, welche es wahrschein- lich machen, dass weibliche Vögel die anziehenderen Männchen vor- ziehen, so wird Niemand, der die Wirksamkeit geschlechtlicher Zucht- wahl zugibt, läugnen können, dass ein einfacher dunkler Flecken mit einer mattgelblichen Schattirurg durch die Annäherung und Modifica- tion der benachbarten Flecken in Verbindung mit einer unbedeutenden Verstärkung der Färbung in eines der sogenannten elliptischen Orna- mente umgewandelt werden kann. Diese letzteren Verzierungen sind vielen Personen gezeigt worden und alle haben zugegeben, dass sie ausserordentlich hübsch sind. Einige halten sie sogar für schöner als die Kugel- und Sockel-Augenflecken. In der Weise wie die Schwung- federn zweiter Ordnung durch geschlechtliche Zuchtwahl verlängert wur- den und die elliptischen Ornamente im Durchmesser zunahmen, wurden ihre Farben dem Anscheine nach weniger hell; und es musste nun die Verzierung der Schmuckfedern durch Verbesserungen der Zeichnung und Schattirung erreicht werden. Dieser Vorgang ist nun eingetreten bis zur endlichen Entwickelung der wundervollen Kugel- und Sockel-Au- genflecken. In dieser Weise — und wie mir scheint in keiner anderen — können wir den jetzigen Zustand und den Ursprung der Verzierun- gen auf den Schwungfedern des Argusfasans verstehen. 9%* 132 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. In Folge des Lichtes, welches das Prineip der Abstufung uns gibt, — nach dem, was wir von den Gesetzen der Abänderung wissen, — nach den Veränderungen, welche in vielen unserer domesticirten Vögel stattgefunden haben, — und endlich (wie wir später noch deutlicher sehen werden) nach dem Character des Jugendgefieders jüngerer Vögel können wir zuweilen mit einem gewissen Grade von Vertrauen die wahrschein- lichen Schritte andeuten, durch welche die Männchen ihr brillantes Ge- fieder und ihre verschiedenen Verzierungen erlangt haben. Doch sind wir in- vielen Fällen in Dunkelheit gehüllt. Vor mehreren Jahren machte mich Mr. GouLp auf einen Kolibri aufmerksam, die Urosticte Benjamini, welcher wegen der eigenthümlichen Verschiedenheit, die die beiden Geschlechter darbieten, merkwürdig ist. Das Männchen hat ausser einer glänzenden Kehle grünlichschwarze Schwanzfedern, deren vier centralen mit Weiss gespitzt sind. Bei dem Weibchen sind, wie bei den meisten der verwandten Species, die drei äusseren Schwanz- federn auf jeder Seite mit Weiss an der Spitze versehen, so dass das Männchen die vier centralen, das Weibchen dagegen die sechs äusseren Federn mit weissen Spitzen verziert besitzt. Was den Fall so eigen- thümlich macht ist, dass, obgleich die Färbung des Schwanzes in bei- den Geschlechtern vieler Arten von Kolibris verschieden ist, Mr. GouLD doch nicht eine einzige Species ausser der Urosticte kennt, bei welcher das Männchen die vier centralen Federn mit weisser Spitze versehen hätte. Der Herzog von AreyLL bespricht diesen Fall *®, übergeht die geschlechtliche Zuchtwahl und frägt, „welche Erklärung gibt das Gesetz „der natürlichen Zuchtwahl für solche speecifische Varietäten, wie diese ?* Er antwortet: „durchaus keine“, und ich stimme mit ihm vollkommen überein. Kann dies aber mit gleicher Zuversicht von der geschlecht- lichen Zuchtwahl gesagt werden? Wenn man sieht, in wie vielfacher Weise die Schwanzfedern der Kolibris verschieden sind, warum könnten nicht die vier centralen Federn allein in dieser einzigen Species so va- rirt haben, dass sie weisse Spitzen erlangten? Die Abänderungen können allmählich, oder auch etwas plötzlich eingetreten sein, wie in dem neuerdings mitgetheilten Falle der Kolibris in der Nähe von Bo- gota, bei denen nur bei gewissen Individuen „die centralen Schwanz- „federn wunderschöne grüne Spitzen haben“. Bei den Weibchen der Urosticte bemerkte ich äusserst kleine oder rudimentäre weisse Spitzen 49 The Reign of Law, 1867, p. 247. Cap. 14. Abstufung der Charactere. 133 an den zwei äusseren der vier centralen schwarzen Schwanzfedern, so dass wir hier eine Andeutung einer Veränderung irgend welcher Art in dem Gefieder dieser Species vor uns sehen. Geben wir die Möglichkeit zu, dass die eentralen Schwanzfedern des Männchens in ihrem Weisswerden variren, so liegt darin nichts Fremdartiges, dass derartige Variationen von der geschlechtlichen Wahl berücksichtigt worden sind. Die weissen Spitzen tragen in Verbindung mit den kleinen weissen Öhrbüscheln, wie der Herzog von ArsYLL zugibt, sicherlich zur Schönheit des Männ- chens bei, und die weisse Farbe wird allem Anscheine nach von allen anderen Vögeln gewürdigt, wie sich aus derartigen Fällen schliessen lässt, wie das schneeweisse Männchen des Glockenvogels einen solchen darbietet. Die von Sir R. Heron gemachte Angabe sollte nicht in Ver- gessenheit kommen, dass nämlich seine Pfauhennen, als sie vom Zu- tritte zu dem gefleckten Pfauhahne abgeschnitten waren, mit keinem anderen Männchen sich verbinden wollten und während dieses Jahres keine Nachkommen produeirten. Es ist auch nicht befremdend, dass Abänderungen an den Schwanzfedern der Urosticte speciell des Orna- mentes wegen ausgewählt sein sollten. Denn das nächstfolgende Genus in der Familie erhält seinen Namen Metallura von dem Glanze dieser Federn. Nachdem Mr. Gourn das eigenthümliche Gefieder der Uro- sticte beschrieben hat, fügt er hinzu: „dass Verzierung und Abwechse- „lung das einzige Ziel hierbei ist, darüber besteht bei mir nur wenig „Zweifel® 5%. Wird dies zugegeben, so können wir einsehen, dass die Männchen, welche in der elegantesten und neuesten Art und Weise ge- kleidet waren, einen Vortheil erlangten, und zwar nicht im gewöhnlichen Kampfe um’s Dasein, sondern in dem Rivalisiren mit anderen Männ- chen, und dass sie folglich eine grössere Zahl von Nachkommen hinter- liessen, um ihre neu erlangte Schönheit zu vererben. 5° Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 110. wi: ' Fünfzehntes Capitel, Vögel (Fortsetzung). Erörterung, warum in manchen Species allein die Männchen, und in andern Spe- cies beide Geschlechter glänzend gefärbt sind. — Ueber geschlechtlich be- schränkte Vererbung, in ihrer Anwendung auf verschiedene Bildungen und auf ein hell gefärbtes Gefieder. — Nestbau in Beziehung zur Farbe. — Ver- lust des Hochzeitsgefieders während des Winters. Wir haben in diesem Capitel zu betrachten, warum bei vielen Ar- ten von Vögeln das Weibchen nicht dieselben Verzierungen erhalten hat, wie das Männchen, und warum bei vielen andern Vögel beide Ge- schlechter in gleicher Weise oder in beinahe gleicher Weise verziert sind. Im folgenden Capitel werden wir dann untersuchen, warum in einigen seltenen Fällen das Weibchen in die Augen fallender gefärbt ist als das Männchen. In meiner „Entstehung der Arten“ ! habe ich vorübergehend die Vermuthung ausgesprochen, dass der lange Schwanz des Pfauhahns, ebenso wie die auffallende schwarze Farbe des männlichen Auerhuhns für das Weibchen unzweckmässig und selbst gefährlich wäre, solange es dem Brütgeschäfte obzuliegen hat, und dass in Folge hiervon die Ueberlieferung dieser Charactere vom Männchen auf weibliche Nach- kommen durch die natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei. Ich glaube noch immer, dass in einigen wenigen Beispielen dies eingetreten ist; aber nachdem ich alle Thatsachen, welche ich zusammenzubringen im Stande war, reiflich überdacht habe, bin ich jetzt zu der Annahme genrigt, dass, wenn die Geschlechter verschieden sind, die aufeinander folgenden Abänderungen allgemein vom Anfange an in der Ueberliefe- rung auf dasselbe Geschlecht beschränkt gewesen sind, bei welchem sie zuerst auftraten. Seitdem meine Bemerkungen hierüber erschienen sind, ist der Gegenstand der geschlechtlichen Färbung in einigen sehr inter- essanten Aufsätzen von Mr. Wartack ? erörtert worden, welcher der ! Dritte (deutsche) Auflage, S. 248. 2 Westminster Review. July, 1867. Journal of Travel, Vol. I. 1868, p. 73. Cap. 15. Geschlechtlich beschränkte Vererbung. 135 Ansicht ist, dass in beinahe allen Fällen die aufeinanderfolgenden Ab- änderungen ursprünglich zu- einer gleichmässigen Vererbung auf beide Geschlechter neigten, dass aber das Weibchen durch natürliche Zucht- wahl vor dem Erlangen der auffallenden Farben des Männchens be- wahrt worden ist in Folge der Gefahr, welcher es sonst während der Bebrütung ausgesetzt gewesen wäre. Diese Ansicht macht eine langwierige Erörterung über einen schwie- rigen Punkt nothwendig, nämlich ob die Ueberlieferung eines Charac- ters, welcher zuerst von beiden Geschlechtern geerbt wurde, später durch Hülfe von Zuchtwahl auf ein Geschlecht allein beschränkt werden kann. Wir müssen im Sinne behalten, wie es in dem vorläufigen Capitel über geschlechtliche Zuchtwahl gezeigt wurde, dass die Charactere, welche in ihrer Entwickelung auf ein Geschlecht beschränkt sind, immer in dem anderen Geschlechte latent vorhanden sind. Wir können uns ein Beispiel ausdenken, welches am besten geeignet ist, die Schwierigkeit des Falles uns vor Augen zu führen. Nehmen wir an, das ein Züch- ter den Wunsch hat, ein Rasse von Tauben darzustellen, bei welcher allein die Männchen blass blau gefärbt sind, während die Weibchen ihre frühere schieferblaue Färbung behalten sollen. Da bei Tauben . Charactere aller Arten gewöhnlich auf beide Geschlechter gleichmässig vererbt werden, so würde der Züchter den Versuch zu machen haben, diese letztere Form von Vererbung in eine geschlechtlich beschränkte Ueberlieferung umzuwandeln. Alles was er nun thun könnte, bestünde darin, in ausdauernder Weise jede männliche Taube, welche im aller- geringsten Grade blässer blau gefärbt wäre, zur Zucht auszuwählen, und das natürliche Resultat dieses Processes, wenn er eine lange Zeit hindurch stetig fortgesetzt würde und wenn die blassen Abänderungen entschieden vererbt würden oder häufig aufträten, würde darin bestehen, dass der Züchter seinen ganzen Stamm heller blau färbte. Unser Züch- ter würde aber gezwungen sein, Generation nach Generation seine blass- blauen Männchen mit schieferblauen Weibchen zu paaren. Denn er wünscht ja die letzteren von dieser: Färbung zu behalten. Das Resultat würde im Allgemeinen entweder die Production einer gescheckten Misch- lingsrasse sein oder, und zwar wahrscheinlicher, der schnelle und voll- ständige Verlust der blassblauen Farbe. Denn die ursprüngliche schie- ferblaue Färbung würde mit überwiegänder Kraft. überliefert werden. Nehmen wir indess an, dass in jeder der aufeinanderfolgenden Ge- nerationen einige blassblaue Männchen und schieferblaue Weibchen 136 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. hervorgebracht und immer mit einander gekreuzt würden, dann würden die schieferblauen Weibchen, wenn ich mich des Ausdruckes bedienen darf, viel blassblaues Blut in ihren Adern haben, denn ihre Väter, Grossväter u. s. w. werden alle blassblaue Vögel gewesen sein. Unter diesen Umständen lässt sich wohl denken (obschon ich keine entscheiden- den Thatsachen kenne, welche die Sache wahrscheinlich machen), dass die schieferblauen Weibchen eine so starke latente Neigung zur blassblauen Färbung erlangen, dass sie diese Farbe bei ihren männlichen Nach- kommen nicht zerstören, während ihre weiblichen Nachkommen immer noch die schieferblaue Färbung behalten. Wäre dies der Fall, so würde, das gewünschte Ziel, eine Rasse zu erzeugen, in welcher die beiden Ge- schlechter permanent in ihrer Farbe verschieden wären, erreicht werden. Die ausserordentliche Bedeutung oder geradezu Nothwendigkeit des Umstandes, dass der in dem eben erläuterten Falle erwünschte Charac- ter, nämlich die blassblaue Färbung, wenn auch in einem latenten Zu- stande bei dem Weibchen vorhanden ist, so dass die männlichen Nach- kommen nicht benachtheiligt werden, wird am besten nach den folgen- den Erläuterungen richtig gewürdigt werden. Das Männchen vom Sömmerringsfasan hat einen siebenunddreissig Zoll langen Schwanz, wäh- rend der des Weibehens nur acht Zoll lang ist. Der Schwanz des Männchens des gemeinen Fasans ist ungefähr zwanzig Zoll und der des Weibchens zwölf Zoll lang. Wenn nun der weibliche Sömmerringsfasan mit seinem kurzen Schwanze mit dem männlichen gemeinen Fasane gekreuzt würde, so kann man nicht zweifeln, dass die männlichen hy- briden Nachkommen einen viel längeren Schwanz haben würden, als die reinen Nachkommen des gemeinen Fasans. Wenn auf der anderen Seite der weibliche gemeine Fasan, dessen Schwanz nahezu zweimal so lang als der des weiblichen Sömmerringsfasans ist, mit dem Männ- chen dieser letzteren Form gekreuzt würde, so würden die männlichen hybriden Nachkommen einen viel kürzeren Schwanz haben als der der reinen Nachkommen des Sömmerringsfasans ist °. Unser angenommener Züchter wird, um seine neue Rasse, deren Männchen von einer entschieden blassblauen Farbe sind, während die 3 Temminck sagt, dass der Schwanz des weiblichen Phasianus Soemmer- ringii nur sechs Zoll lang sei: Planches coloriees, Vol. V. 1838, p. 487 und 488; die oben mitgetheilten Messungen hat Herr Sclater für mich ausgeführt. In Bezug auf den gemeinen Fasan s. Macgillivray, History of British Birds, Vol. I, p. 118-121. c Cap. 15. Geschlechtlich beschränkte Vererbung. 137 Weibchen unverändert bleiben, zu bilden, beständig viele Generationen hindurch die Männchen auszuwählen haben und jeder Zustand von Blässe wird in den Männchen zu fixiren und in den Weibchen latent zu machen sein. Die Aufgabe würde eine ausserordentlich schwierige sein und ist auch niemals versucht worden, könnte aber möglicherweise Erfolg haben. Das hauptsächlichste Hinderniss würde der frühzeitige und vollständige Verlust der blassblauen Färbung sein, wegen der Nothwendigkeit wie- derholter Kreuzungen mit den schieferblauen Weibchen, welche letztere zunächst gar keine latente Neigung haben, blassblaue Nachkommen zu erzeugen. Wenn auf der andern Seite ein oder zwei Männchen, wenn auch noch so unbedeutend, in der Blässe ihrer Färbung variiren sollten und wenn die Abänderungen von Anfang an in der Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt wären, so würde die Aufgabe, eine neue Rasse der gewünschten Art zu bilden, leicht sein; denn es wür- den einfach derartige Männchen zur Zucht auszuwählen und mit ge- wöhnlichen Weibchen zu paaren sein. Ein analoger Fall ist factisch eingetreten, denn in Belgien * gibt es Taubenrassen, bei welchen die Männchen allein mit schwarzen Streifen gezeichnet sind. Was das Huhn betrifit, so kommen Abänderungen der Farbe, welche in der Ueberlie- ferung auf das männliche Geschlecht beschränkt sind, beständig vor. Selbst wenn diese Form von Vererbung vorherrscht, kann es sich wohl zutragen, dass einige aufeinanderfolgende Stufen in dem Processe der Abänderung auf die Weibchen mit übertragen werden können, welche dann in einem unbedeutenden Grade dem Männchen ähnlich werden, wie es bei manchen Hühnerrassen vorkommt. Oder es könn- ten auch ferner die grössere Zahl, aber nicht alle, der aufeinanderfol- genden Stufen auf beide Geschlechter übertragen werden, und das Weib- chen würde dann dem Männchen sehr ähnlich werden. Es lässt sich kaum zweifeln, dass dies die Ursache davon ist, dass die männliche Kropftaube einen etwas grösseren Kropf und die männliche Botentaube etwas grössere Fleischlappen hat als die beziehentlichen Weibchen. Denn die Züchter haben nicht ein Geschlecht mehr als das andere bei der Nachzucht berücksichtigt, und haben nicht den Wunsch gehegt, dass diese Charactere beim Männchen stärker entfaltet sein sollten als beim Weibchen, trotzdem dies bei beiden Rassen der Fall ist. * Dr. Chapuis, Le Pigeon Voyageur Belge, 1865, p. 87. 138 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Es müsste derselbe Process eingeleitet und es müssten ganz die- selben Schwierigkeiten überwunden werden, wenn wir wünschten, eine Rasse zu bilden, bei welcher nur die Weibchen irgend eine neue Fär- bung darböten. Es könnte nun aber endlich unser Züchter wünschen eine Rasse zu bilden, bei welcher beide Geschlechter von einander und auch beide von‘der elterlichen Species verschieden wären. Hier würde die Schwie- rigkeit ganz ausserordentlich sein, wenn nicht die aufeinanderfolgenden Abänderungen von Anfang an auf beide Seiten beschränkt wären, und dann würde gar keine Schwierigkeit eintreten. Wir sehen dies bei dem Huhne. So weichen die beiden Geschlechter der gestrichelten Hamburger bedeutend von einander, ebenso wie von den beiden Ge- schlechtern des ursprünglichen Gallus bankiva ab und beide werden jetzt auf der Höhe ihrer Vorzüglichkeit gehalten durch fortgesetzte Zuehtwahl, welche unmöglich wäre, wenn nicht die Unterscheidungs- merkmale beider Geschlechter in ihrer Ueberlieferung beschränkt wären. Das spanische Huhn bietet einen noch merkwürdigeren Fall dar: das Männchen hat einen ungeheuren Kamm, aber einige der aufeinander- folgenden Abänderungen, durch deren Anhäufung jener erlangt wurde, scheinen auch auf das Weibchen überliefert worden zu sein. Denn das- selbe besitzt einen vielmals grösseren Kamm als der der Weibchen der elterlichen Species ist. Der Kamm des Weibchens weicht aber in einer Beziehung von dem des Männchens ab, denn er ist geneigt umzuschla- gen, und in der neueren Zeit ist durch die Mode festgesetzt worden, dass dies immer der Fall sein soll; dieser Befehl hat auch sehr bald einen Erfolg gehabt. Es muss nun das Herabhängen des Kammes in seiner Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt sein, denn sonst würde es den Kamm des Männchens verhindern, vollkommen aufrecht zu stehen, was jedem Züchter entsetzlich wäre. Auf der andern Seite muss aber auch das Aufrechtstehen des Kammes beim Männchen gleichfalls ein geschlechtlich beschränkter Character sein, denn im anderen Falle würde er den Kamm des Weibchens hindern herabzuhängen. Aus den vorstehenden Erläuterungen sehen wir, dass es, selbst wenn wir eine ganz unbegrenzte Zeit zu unserer Disposition hätten, ein ausserordentlich schwieriger und complieirter, wenn auch vielleicht nicht unmöglicher Vorgang wäre, durch Zuchtwahl die eine Form von Ue- berlieferung in die andere umzuwandeln. Ohne entschiedene Belege für jeden einzelnen Fall bin ich daher nicht geneigt zuzugeben, dass bei Cap. 15. Geschlechtlich beschränkte Vererbung. 139 natürlichen Species dies häufig erreicht worden ist. Andererseits würde aber durch Hülfe aufeinanderfolgender Variationen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt waren, nicht die geringste Schwierigkeit bestehen können, männliche Vögel in der Farbe oder in irgend einem andern Character vom Weibchen verschieden zu machen, wobei das letztere unverändert gelassen oder unbedeutend ver- ändert oder zum Zwecke des Schutzes speciell modificirt werden könnte. Da glänzende Farben für die Männchen in ihrem Rivalitätskampfe mit andern Männchen von Nutzen sind, so werden derartige Farben bei der Zuchtwahl berücksichtigt, mögen sie nun ausschliesslich auf das männliche Geschlecht beschränkt überliefert werden oder nicht. In Folge hiervon lässt sich erwarten, dass die Weibchen häufig an der glänzenderen Färbung der Männchen in einem grösseren oder geringeren Grade Theil haben, und dies tritt bei einer Menge von Species ein. Wenn alle aufeinanderfolgenden Abänderungen gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert würden, so würden die Weibchen von den Männ- chen nicht zu unterscheiden sein. Dies tritt gleichfalls bei vielen Vö- geln ein. Wenn indessen trübe Färbungen zur Sicherheit des Weib- chens während der Brütezeit von hoher Bedeutung wären, wie es bei manchen auf dem Boden lebenden Vögeln der Fall ist, so würden die Weibchen, welche in der Helligkeit ihrer Farben variirten, oder welche durch Vererbung von den Männchen irgend eine auffallende Annäherung an deren Helligkeit erlangten, früher oder später zerstört werden. Es würde aber die Neigung bei den Männchen, ganz unbegrenzt ihre eigene helle Färbung den weiblichen Nachkommen beständig zu überliefern, nur durch eine Veränderung in der Form der Vererbung beseitigt wer- den können; und dies würde, wie die oben gegebene beispielsweise Er- läuterung es zeigt, äusserst schwierig sein. Das wahrscheinlichere Resultat der lange fortgesetzten Zerstörung der heller gefärbten Weib- chen würde, vorausgesetzt, dass die gleiche Form von Ueberlieferung herrschend bliebe, die Verringerung oder gänzliche Beseitigung der hel- len Farben der Männchen sein, und zwar in Folge ihrer beständigen Kreuzung mit den trüber gefärbten Weibchen. Es würde langweilig sein, hier alle die übrigen möglichen Resultate zu verfolgen; ich will aber die Leser daran erinnern, wie im achten Capitel gezeigt wurde, dass, wenn geschlechtlich beschränkte Abänderungen in der hellen Fär- bung bei den Weibchen aufträten, selbst wenn dieselben nicht im aller- geringsten für sie nachtheilig wären und folglich auch nicht beseitigt 140 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IT. Theil. würden, sie doch nicht begünstigt oder bei der Zucht berücksichtigt wer- den würden; denn das Männchen nimmt gewöhnlich jedes beliebige Weibchen an und wählt sich nicht die anziehenderen Individuen aus. Folglich würden diese Abänderungen leicht verloren werden und wür- den wenig Einfluss auf den Character der Rasse haben ; und dies wird die Erklärung des Umstands begünstigen, dass die Weibchen gewöhn- lich weniger glänzend gefärbt sind als die Männchen. In dem eben angezogenen Capitel wurden Beispiele gegeben, — und es hätte sich noch eine beliebige Zahl hinzufügen lassen, — dass Variationen wohl in verschiedenen Alterszuständen auftreten, aber in dem- selben Alter vererbt werden. Es wurde auch gezeigt, dass Abänderungen, welche spät im Leben auftreten, gewöhnlich auf dasselbe Geschlecht überliefert werden, bei welchem sie zuerst auftraten, während Abände- rungen, welche früher im Leben erscheinen, geneigt sind auf beide Ge- schlechter vererbt zu werden, womit jedoch nicht ausgesprochen wer- den soll, dass alle Fälle von geschlechtlich beschränkter Vererbung hierdurch erklärt werden können. Es wurde ferner gezeigt, dass, wenn ein männlicher Vogel in der Weise variirte, dass er während des ju- gendlichen Alters glänzender würde, derartige Variationen von keinem Nutzen sein würden, so lange das reproductionsfähige Alter nieht erreicht ist, wo dann Concurrenz zwischen den rivalisirenden Männchen eintritt. Aber bei Vögeln, welche auf dem Boden leben und welche gewöhnlich des Schutzes trüber Färbungen bedürfen, würden helle Färbungen für die jungen und unerfahrenen Männchen bei Weitem gefährlicher sein als für die erwachsenen Männchen. In Folge hiervon würden die Männ- chen, welche in der Helligkeit ihres Gefieders während des jugendlichen Alters variirten, sehr häufig zerstört und durch natürliche Zuchtwahl beseitigt werden. Auf der anderen Seite können die Männchen, welche in derselben Art und Weise im nahezu geschlechtlichen Zustande va- riiren, trotzdem dass sie hierdurch noch etwas mehr Gefahr ausgesetzt sind, leben bleiben und, da sie durch geschlechtliche Zuchtwahl begünstigt sind, ihre Art fortpflanzen. Der Umstand, dass die hell gefärbten jun- gen Männchen zerstört werden und derartige reife Männchen in ihrer Bewerbung erfolgreich sind, mag nach dem Gesetze einer zwischen der Periode der Abänderung und der Form der Ueberlieferung existirenden Wechselbeziehung es erklären, dass allein die Männchen vieler Vögel brillante Färbungen erlangt und nur ihren männlichen Nachkommen überliefert haben. Ich beabsichtige aber durchaus nicht, hiermit zu Cap. 15. Geschlechtlich beschränkte Vererbung. 141 behaupten, dass der Einfluss des Alters auf die Form der Ueberlieferung indirect die einzige Ursache der grösseren Verschiedenheit in dem Bril- lantsein des Gefieders zwischen den Geschlechtern vieler Vögel ist. Da es bei allen Vögeln, bei denen die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, eine interessante Frage ist, ob allein die Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt und die Weibchen, soweit die Wirksamkeit dieses Moments in Betracht kommt, unverändert ge- blieben oder nur- theilweise verändert worden sind, oder ob die Weib- chen durch natürliche Zuektwahl zum Zwecke eines Schutzes speciell modificirt worden sind, so will ich diese Frage in ziemlicher Ausführ- lichkeit erörtern, selbst in grösserer Länge als die an und für sich in ihr liegende Bedeutung es verdienen könnte. Denn es lassen sich dabei verschiedene merkwürdige collateral von ihr ausgehende Punkte bequem betrachten. Ehe wir auf die Frage eingehen, und zwar besonders mit Rück- sicht auf die Folgerungen Mr. Warzack’s, dürfte es von Nutzen sein, von einem ähnlichen Gesichtspunkte aus einige andere Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern zu erörtern. Es existirte früher in Deutsch- land eine Rasse von Hühnern ?, bei welchen die Hennen mit Spornen versehen waren. Sie waren fleissige Leger, aber störten ihre Nester mit ihren Spornen so bedeutend, dass man sie nicht auf ihren eigenen Eiern sitzen lassen konnte. Es schien mir daher früher einmal wahr- scheinlich, dass bei den Weibchen der wilden Gallinaceen die Entwickelung von Spornen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei, und zwar wegen des ihren eigenen Nestern zugefügten Schadens. Dies schien mir um so wahrscheinlicher, als die Flügelsporne, welche während der Nidifieationsperiode von keinem Nachtheile sein können, häufig beim Weibehen ebensowohl entwickelt sind als beim Männchen, trotzdem sie in nicht wenigen Fällen beim Männchen im Ganzen grösser sind. Wenn das Männchen mit Spornen an den Füssen versehen ist, so bietet das Weibchen beinahe immer Rudimente derselben dar. Das Rudiment be- steht zuweilen aus einer blossen Schuppe, wie bei den Species von Gal- lus. Es könnte daher geschlossen werden, dass die Weibchen ursprüng- lich mit wohlentwickelten Spornen versehen gewesen sind, dass diese aber entweder durch Niehtgebranch oder durch natürliche Zuchtwahl verloren wurden. Folgt man aber dieser Ansicht, so würde man sie ® Bechstein, Naturgeschichte Deutschlands, 1793. Bd. 3, S. 339. 142 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. auf unzählige andere Fälle auszudehnen haben, und sie schliesst auch _ die Folgerung ein, dass die weiblichen Urerzeuger der jetzt Sporne tragenden Species einst mit einem schädlichen Anhange belästigt ge- wesen seien. In einigen wenigen Gattungen und Arten, so bei Galloperdix, Aco mus und dem javanischen Pfau (Pavo muticus), besitzen die Weib- chen ebensowohl wie die Männchen wohlentwickelte Sporne. Haben wir nun aus dieser Thatsache zu schliessen, dass sie eine verschiedene Art von Nest bauen, welches durch die Sporne nicht verletzt wird, und zwar verschieden von dem Neste, welches ihre nächsten Verwandten bauen, so dass also hier das Bedürfniss nicht vorlag ihre Sporne zu beseitigen, oder haben wir anzunehmen, dass diese Weibchen die Sporne speciell zu ihrer Vertheidigung erlangt haben? Ein wahrschein- licherer Schluss ist der, dass Beides, sowohl das Vorhandensein als die Abwesenheit von Spornen bei den Weibchen das Resultat von verschie- denen Gesetzen der Vererbung ist, welche unabhängig von natürlicher Zuchtwahl geherrscht haben. Bei den vielen Weibchen, bei welchen die Sporne als Rudimente erscheinen, können wir schliessen, dass ei- nige wenige der nacheinander auftretenden Abänderungen, durch welche sie bei den Männchen zur Entwickelung gelangten, sehr früh im Leben auftraten und als Folge hiervon auf die Weibchen überliefert wurden. In den anderen und viel selteneren Fällen, in welchen die Weibchen völlig entwickelte Sporne besitzen, können wir schliessen, dass sämmt- liche nacheinander auftretende Abänderungen auch auf sie überliefert wurden und dass sie allmählich die vererbte Gewohnheit erlangten, ihre Nester nicht zu zerstören. Die Stimmorgane und die verschiedentlich modifieirten Federn zur Hervorbringung von Geräuschen ebenso wie die eigenthümlichen Instincte, diese Einrichtungen zu benutzen, sind oft in den beiden Geschlechtern verschieden, zuweilen aber in beiden gleich entwickelt. Können der- artige Verschiedenheiten dadurch erklärt werden, dass die Männchen diese Organe und Instincte erlangt haben, während die Weibchen vor einer Ererbung derselben dadurch bewahrt wurden, dass ihnen daraus eine Quelle von Gefahr, die Aufmerksamkeit von Raubvögeln und Raub- thieren auf sich zu lenken, entstanden wäre? Dies scheint mir nicht wahrscheinlich zu sein, wenn wir an die grosse Zahl von Vögeln denken, welche ungestraft die Landschaft mit ihren Stimmen während des Früh- Cap. 15. Länge des Schwanzes beim Weibchen. 143 jahrs erheitern 6. Eine sicherere Folgerung ist, dass, wie die Stimm- organe und instrumentalen Einrichtungen nur für die Männchen wäh- rend ihrer Bewerbung von speciellem Nutzen sind, diese Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl und beständigen Gebrauch allein bei diesem Geschlechte entwickelt wurden, während die aufeinanderfolgenden Ab- änderungen und die Wirkungen des Gebrauchs vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung in einem grösseren oder geringeren Grade auf die männ- lichen Nachkommen beschränkt wurden. Es könnten viele analoge Fälle noch vorgebracht werden, z. B. die Schmuckfedern auf dem Kopfe, welche allgemein bei dem Männchen länger sind als bei dem Weibchen, zuweilen von gleicher Länge bei beiden Geschlechtern und gelegentlich beim Weibchen fehlend, wobei es vorkommt, dass diese verschiedenen Fälle zuweilen in einer und der- selben Gruppe von Vögeln eintreten. Es würde schwierig sein, eine Verschiedenheit dieser Art zwischen den beiden Geschlechtern aus dem Grunde zu erklären, dass es für das Weibchen eine Wohlthat gewesen sei einen unbedeutend kürzeren Federkamm zu besitzen und dass der- selbe in Folge hiervon durch natürliche Zuchtwahl verkleinert oder völlig unterdrückt wäre. Ich will aber einen günstigeren Fall, näm- lich die Länge des Schwanzes betrachten. Das lange Behänge des Pfauhahns würde nicht nur unbequem, sondern auch während der Ineuba- tionsperiode und solange das Weibchen seine Jungen begleitet, gefähr- lich für dasselbe gewesen sein. Es liegt also darin dass die Entwicke- lung des Schwanzes beim Weibchen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden sei, nicht im allermindesten a priori eine Unwahrscheinlichkeit. Aber die Weibchen verschiedener Fasanen, welche dem Anscheine nach auf ihren offenen Nestern ebenso vielen Gefahren ausgesetzt sind als die Pfauhenne, haben Schwänze von beträchtlicher Länge. Die Weib- chen von Menura superba haben ebenso wie die Männchen lange Schwänze und sie bauen ein kuppelförmiges Nest, welches bei einem so grossen Vogel eine bedeutende Anomalie ist. Die Naturforscher haben sich darüber verwundert, wie die weibliche Menura während der Bebrütung ihren Schwanz unterbringen könne. Man weiss aber jetzt”, 6 Daines Barrington hielt es indessen für wahrscheinlich (Philosoph. Transact. 1773, p. 164), dass deshalb wenig weibliche Vögel singen, weil dies für sie während der Incubationszeit gefährlich gewesen wäre. Er fügt hinzu, dass eine ähnliche Ansicht möglicherweise auch die Inferiorität des Weibchens im Gefieder egenüber dem Männchen erklären könne. ’ Mr. Ramsay, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 50. 144 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. dass sie „in ihr Nest mit dem Kopfe voraus eintritt und sich dann „herumdreht, wobei ihr Schwanz zuweilen über ihren Rücken geschla- „gen, aber häufiger rund um ihre Seite herumgebogen wird. Es wird „hierdurch der Schwanz im Laufe der Zeit völlig schief und gibt einen „ziemlich sichern Hinweis auf die Länge der Zeit, während welcher der „Vogel bereits gesessen hat“. Beide Geschlechter eines australischen Eisvogels (Tanysiptera sylvoia) haben bedeutend verlängerte mittlere Schwanzfedern, und da das Weibchen sein Nest in einer Höhle baut, so werden diese Federn, wie mir Mr. R. B. SHARPE mitgetheilt hat, während des Nestbauens sehr zerknittert. In diesen beiden Fällen muss die bedeutende Länge der Schwanz- federn in einem gewissen Grade für das Weibchen unzuträglich sein und da in beiden Species die Schwanzfedern des Weibchens etwas kürzer sind als die des Männchens, so könnte man schliessen, dass ihre volle Entwickelung durch natürliche Zuchtwahl gehemmt sei. Nach diesen Fällen zu schliessen würde die Pfauhenne, wenn die Entwickelung ihres Schwanzes nur dann gehemmt worden wäre, wenn derselbe unzuträg- lich oder gefährlich lang geworden wäre, einen viel längeren Schwanz erlangt haben als sie factisch besitzt, denn ihr Schwanz ist im Ver- hältniss zur Grösse ihres Körpers nicht nahezu so lang wie der vieler weiblicher Fasanen und auch nicht länger als der des weiblichen Trut- huhns. Man muss auch im Sinne behalten, dass in Uebereinstimmung mit dieser Ansicht, sobald der Schwanz der Pfauhenne gefährlich lang und in Folge hiervon seine Entwickelung gehemmt würde, sie be- ständig auf ihre männlichen Nachkommen eingewirkt haben und den Pfauhahn gehindert haben würde, seinen jetzigen prachtvollen Behang zu erlangen. Wir können daher schliessen, dass die Länge des Schwan- zes beim Pfauhahn und seine Kürze bei der Pfauhenne das Resultat davon sind, dass die nöthigen Abänderungen beim Männchen von An- fang an allein auf die männlichen Nachkommen vererbt worden sind. Wir werden zu einer nahezu ähnlichen Schlussfolgerung in Bezug auf die Länge des Schwanzes bei den verschiedenen Species von Fasa- nen geführt. Bei dem Ohrenfasan (Crossoptilon auritum) ist der Schwanz ‚ in beiden Geschlechtern von gleicher Länge, nämlich sechszehn oder siebzehn Zoll; bei dem gemeinen Fasane ist er ungefähr zwanzig Zoll lang bei dem Männchen und zwölf beim Weibchen. Bei dem Sömmer- ringsfasane ist er beim Männchen siebenunddreissig und beim Weibchen nur acht Zoll lang und endlich bei Reeve’s-Fasanen ist er zuweilen ‘ Cap. 15. Farbe und Nestban. 145 factisch zweiundsiebenzig Zoll lang beim Männchen und sechszehn Zoll beim Weibchen. Es ist daher in den verschiedenen Species der Schwanz des Weibchens beträchtlich seiner Länge nach verschieden und zwar ohne Bezug auf den Schwanz des Männchens; und dies lässt sich, wie mir scheint, mit viel grösserer Wahrscheinlichkeit durch die Ge- setze der Vererbung erklären: — d.h. dadurch, dass die aufeinander- folgenden Abänderungen vom Anfange an mehr, oder weniger streng in ihrer Ueberlieferung auf das männliche Geschlecht beschränkt waren — als durch die Wirksamkeit der natürlichen Zuchtwahl, dass näm- lich die Länge des Schwanzes in einem grösseren oder geringeren Grade für die Weibehen der verschiedenen Speeies schädlich geworden wäre. Wir können nun Mr. Warrace’s Argumente in Bezug auf die ge- schlechtliche Färbung der Vögel betrachten. Er glaubt, dass die ur- sprünglichen von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl er- langten glänzenden Farben in allen oder beinahe allen Fällen auf die Weibehen überliefert worden wären, wenn diese Uebertragung nicht durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden wäre. Ich kann hier den Leser daran erinnern, dass verschiedene auf diese Ansicht sich beziehenden Thatsachen bereits in dem Abschnitte über Reptilien, Amphibien, Fische und Lepidopteren gegeben worden sind. Mr. WArLAcE gründet seine Ansicht hauptsächlich, aber nicht ausschliesslich, wie wir im näch- sten Capitel sehen werden, auf folgende Angaben ®, dass, wenn beide Geschlechter in einer überraschend auffallenden Weise gefärbt sind, das Nest von einer solchen Natur ist, dass es die auf den Eiern sitzenden Vögel verbirgt, dass aber, wenn ein ausgesprochener Contrast der Farbe zwischen den Geschlechtern besteht, wenn das Männchen hell und das Weibchen düster gefärbt ist, das Nest dann offen ist und den auf den Eiern sitzenden Vogel den Blicken aussetzt. Dieses Zusammentreffen unterstützt soweit es vorkommt sicherlich die Annahme, dass die Weib- chen, welche auf offenen Nestern sitzen, zum Zwecke des Schutzes spe- ciell modifieirt worden sind. Mr. Warrzack gibt zu, dass, wie sich hätte erwarten lassen, einige Ausnahmen von diesen seinen beiden Re- geln existiren; es ist aber die Frage, ob die Ausnahmen nicht so zahl- reich sind, dass die Regeln ernstlich erschüttert werden. An erster Stelle liegt in der Bemerkung des Herzogs von ARGYLL? viel Wahres, dass ein grosses kuppelförmiges Nest einem Feinde viel ® Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I. 1868, p. 78. ° Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I. 1868, p. 281. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 10 146 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. H. Theil. auffälliger ist, besonders allen auf Bäumen jagenden fleischfressenden Thieren, als ein kleineres offenes Nest. Auch dürfen wir nicht ver- gessen, dass bei vielen Vögeln, welche offene Nester bauen, die Männ- chen ebensogut wie die Weibehen auf den Eiern sitzen und letztere bei dem Ernähren der Jungen unterstützen. Dies ist z. B. der Fall bei Pyranga aestiva !', einem der glänzendsten Vögel in den Verei- nigten Staaten: das Männchen ist scharlachroth, das Weibchen hell- bräunlich-grün. Wenn nun brillante Färbungen für Vögel, während sie auf ihren offenen Nestern sitzen, äusserst gefährlich wären, so wür- den in diesen Fällen die Männchen bedeutend gelitten haben. Es kann indessen für das Männchen von einer so capitalen Bedeutung sein, bril- lant gefärbt zu werden, um seine Rivalen zu besiegen, dass etwaige weitere Gefahren hierdurch mehr als ausgeglichen werden. Mr. WarracE gibt zu, dass bei den Königskrähen (Dicrurus), Golddrosseln (Orioli) und Prachtdrosseln (Pittidae) die Weibchen auf-. fallend gefärbt sind und doch offene Nester bauen. Er betont aber, dass die Vögel der ersten Gruppe in hohem Grade kampfsüchtig sind und sich selbst vertheidigen können, dass diejenigen der zweiten Gruppe äusserste Sorgfalt darauf verwenden, ihre offenen Nester zu verbergen; doch gilt dies nicht für alle Fälle ohne Ausnahme !!; und dass bei den Vögeln der dritten Gruppe die Weibchen hauptsächlich an der Unter- fläche ‚glänzend gefärbt sind. Ausser diesen Fällen bietet die ganze grosse Familie der Tauben, welche zuweilen hell und beinahe immer auffallend gefärbt sind und welche notorisch den Angriffen von Raub- vögeln sehr ausgesetzt sind, eine bedenkliche Ausnahme von der Regel dar; denn Tauben bauen beinahe immer offene und exponirte Nester. In einer anderen grossen Familie, der der Kolibris, bauen alle Species offene Nester und doch sind bei einigen der prachtvollsten Species die Geschlechter einander gleich, und in der Majorität der Arten sind die Weibchen, wenn auch weniger brillant als die Männchen, aber doch sehr hell gefärbt. Auch kann nicht behauptet werden, dass alle weib- lichen Kolibris, welche hell gefärbt sind, dadurch der Entdeckung ent- gehen, dass ihre Farbentöne grün sind; denn einige entfalten auf ihrer oberen Fläche rothe, blaue und andere Färbungen !?. 1° Audubon, Ornithological Biography. Vol. I, p. 233. !t Jerdon, Birds of India. Vol. IL, p. 108. Gould’s Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 463. '” So hat z. B. die weibliche Eupetomena macroura einen dunkelblauen Kopf Cap. 15. Farbe und Nestbau. 147 Was die Vögel betrifft, welche in Höhlen nisten oder sich kuppel- förmige Nester bauen, so werden, wie Mr. Warzack bemerkt, ausser dem Verbergen noch andere Vortheile dadurch erreicht, so Schutz gegen Regen, Wärme und in warmen Ländern Schutz gegen die Sonnenstrah- len 3, so dass in dem Umstande, dass viele Vögel, von denen beide Ge- schlechter dunkel gefärbt sind, verborgene Nester bauen '*, kein gülti- ger Einwurf gegen seine Ansicht liegt. Die weiblichen Hornvögel (Bu- ceros) z. B. in Indien und Afrika sind während der Zeit des Nistens ausserordentlieh sorgfältig geschützt; denn das Männchen klebt die Höhle, in welcher das Weibchen auf seinen Eiern sitzt, fast ganz zu und lässt nur eine kleine Oefinung, durch welche hindurch es dasselbe ernährt, frei. Das Weibchen wird auf diese Weise während der ganzen Bebrütungszeit in enger Gefangenschaft gehalten !5; und doch sind weib- liche Hornvögel nicht augenfälliger gefärbt, als viele andere Vögel von gleicher Grösse, welche offene Nester bauen. Wie Mr. Warzack selbst zugibt, liegt ein bedenklicherer Einwurf gegen seine Ansicht darin, dass in einigen wenigen Gruppen die Männchen brillant gefärbt, die Weibehen dunkel sind und dass trotzdem die letzteren ihre Eier in bedeckten Nestern ausbrüten. Dies ist der Fall mit den Grallinen von Austra- lien, mit den Maluriden desselben Landes, den Nectariniden und mit mehreren der australischen Honigsauger oder Meliphagiden !®. Wenn wir die Vögel von England betrachten, so stellt sich her- aus, dass kein enges und allgemein bestehendes Verhältniss zwischen den Farben des Weibchens und der Natur des Nestes, welches dasselbe baut, vorhanden ist. Ungefähr vierzig unserer britischen Vögel (mit und Schwanz und röthliche Weichen; die weibliche Lampornis porphyrurus ist schwärzlich-grün auf der obern Fläche und hat Zügel und Seiten der Kehle car- moisin; die weibliche Yulampis jugularis hat den Scheitel des Kopfes und den Rücken grün, aber die Weichen und der Schwanz sind carmoisin. Es liessen sich noch viele andere Beispiele von in hohem Grade auffallenden Weibchen anführen, s. Mr. Gould’s prachtvolles Werk über diese Familie. 13 Mr. Salvin beobachtete in Guatemala (Ibis, 1864, p. 375), dass Kolibris viel weniger gern ihre Nester in sehr warmem Wetter verliessen, wenn die Sonne hell schien, als während kalten, wolkigen oder regnerischen Wetters. 4 Ich will als Beispiele von düster gefärbten Vögeln, welche verborgene Nester bauen, die zu acht australischen Gattungen gehörenden Species anführen, welche in Gould’s Handbook of the Birds of Australia, Vol. I, p. 340, 362, 365, 383, 387, 389, 391 und 414 beschrieben sind. 15 Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 244. 16 Tjeber das Nisten und die Farben dieser letzten Species s. Gould’s Hand- book etc. Vol. I, p. 504, 527. ; 10 148 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Ausnahme der von bedeutender Grösse, welche sich selbst vertheidigen können) nisten in Höhlungen, an Ufern, an Flüssen oder Bäumen, oder bauen sich gewölbte Nester. Wenn wir die Farben des weiblichen Stieglitz, Gimpel oder der Amsel als Maassstab für den Grad der Au- genfälligkeit annehmen, welche für das auf den Eiern sitzende Weib- chen von keiner grossen Gefahr ist, so kann man unter den eben er- wähnten vierzig Vögeln nur die Weibchen von zwölf als in einem ge- fährlichen Grade auffallend gefärbt betrachten, wogegen die übrigblei- benden achtundzwanzig nicht auffällig sind !7. Es besteht auch keine nahe Beziehung zwischen einer scharf ausgeprägten Verschiedenheit in der Farbe zwischen den beiden Geschlechtern und der Beschaffenheit des gebauten Nestes. So weicht der männliche Haussperling (Passer domesticus) sehr vom Weibchen ab, wogegen der männliche Baum- sperling (Passer montanus) kaum irgendwie vom Weibchen verschieden ist; und.doch bauen beide wohlverborgene Nester. Die beiden Ge- schlechter des gemeinen Fliegenschnäppers (Muscicapa grisola) können kaum von einander unterschieden werden, während die Geschlechter des gefleckten Fliegenschnäppers (M. luctuosa) beträchtlich von einander abweichen, und beide nisten in Höhlen. Die weibliche Amsel (Turdus merula) weicht bedeutend, die weibliche Ringamsel (T. torguatus) nur wenig und das Weibchen der gemeinen Drossel (T. musicus) kaum ir- gendwie von dem betreffenden Männchen ab, und doch bauen sie sämmt- lich offene Nester. Andererseits baut die ziemlich nahe mit den Ge- nannten verwandte Wasseramsel (Cinclus aquaticus) ein gewölbtes Nest und die Geschlechter weichen hier ungefähr so viel von einander ab wie bei der Ringamsel. Das Birkhuhn und Moorhuhn (Teirao tetrix und T. scoticus) pauen offene Nester in gleichmässig wohlverborgenen '" Ich habe über diesen Gegenstand Macgillivray’s British Birds zu Rathe gezogen, und obschon man in einigen Fällen in Bezug auf den Grad des Ver- borgenseins des Nestes und rücksichtlich des Grades der Auffälligkeit des Weib- chens Zweifel hegen kann, so können doch die folgenden Vögel, welche sämmt- lich ihre Eier in Höhlen oder kuppelförmige Nester legen, nach dem oben ange- nommenen Maassstabe als auffällig betrachtet werden: Passer, 2 Species; Sturnus, wo das Weibchen beträchtlich weniger brillant ist als das Männchen; Cinelus, Motaceilla boarula (2); Erithacus (2); Fruticola, 2 Sp.; Sazxieola; Ruticilla 2 Sp.; Sylvia, 5 Sp.; Parus, 5 Sp.; Meeistura; Anorthura ; Certhia; Sitta; Jyn« ; Museicapa, 2 Sp.; Hvrundo, 5 Sp. und Uypselus. Die Weibchen der folgenden zwölf Vögel können nach dem nämlichen Maassstabe für auffällig angesehen wer- den, nämlich: Pastor, Motacilla alba, Parus major und P- caeruleus, Upupa, Picus, 4 Sp., Coracias, Alcedo und Merops. Cap. 15. Farbe und Nestbau. 149 Oertlichkeiten. Doch weichen in der einen Species die Geschlechter bedeutend und in der anderen sehr wenig von einander ab. Trotz der im Vorstehenden aufgezählten Einwürfe kann ich nach Durchlesen von Mr. Wartack’s ausgezeichneter Abhandlung nieht zwei- feln, dass im Hinblick auf die Vögel der ganzen Erde eine bedeutende Majorität derjenigen Species, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind (und in diesen Fällen sind die Männchen mit seltenen Ausnahmen in gleicher Weise auffallend gefärbt), verborgene Nester zum Zwecke eines Schutzes bauen. Mr. Warrace zählt !® eine lange Reihe von Gruppen auf, in welchen diese Regel Gültigkeit hat. Es wird aber genügen, wenn ich hier als Beispiel die bekannteren Gruppen der Eisvögel, Tu- kans, Kurukus (Trogones), Bartvögel (Capitonidae), Pisangfresser (Mu- sophagae), Spechte und. Papageien anführe. Mr. Warrack glaubt, dass in diesen Gruppen die brillanten Färbungen in dem Maasse als die Männchen dieselben durch geschlechtliehe Zuchtwahl allmählich erlangt haben, auf die Weibchen überliefert und wegen des Schutzes, welchen dieselben bereits durch die Art und Weise ihres Nestbaues. erhielten, nicht wieder beseitigt wurden. Dieser Ansicht zufolge erlangten diese Vögel die jetzige Art und Weise des Nistens früher als die sie jetzt schmückenden Farben. Es scheint mir aber viel wahrscheinlicher zu sein, dass in den meisten Fällen die Weibchen, wie dieselben dadurch immer mehr und mehr brillant gefärbt. wurden, dass sie an der Färbung des Männchens theilnahmen, allmählich dazu geführt wurden, ihre Instinete zu verändern (allerdings unter der Annahme, dass sie ursprünglich offene Nester bauten) nnd sich Schutz zu suchen durch das Errichten kuppel- förmiger oder verborgener Nester. Niemand, welcher z. B. AUDUBoN’S Beschreibung der Verschiedenheiten in dem Nestbaue einer und der näm- lichen Species in den nördlichen und südlichen Vereinigten Staaten liest '9, wird eine besondere Schwierigkeit darin finden zuzugeben, dass Vögel entweder durch eine Veränderung (im strengsten Sinne des Wor- tes) ihrer Lebensweise oder durch die natürliche Zuchtwahl sogenannter spontaner Abänderungen des Instinctes leicht dahin gebracht werden können, die Art und Weise ihres Nestbaues zu modifieiren. Diese Art, das Verhältniss zwischen der hellen Färbung weiblicher 18 Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I, p. 78. !% 5. viele Angaben hierüber in der „Ornithological Biography“. s. auch ei- nige merkwürdige. Beobachtungen über die Nester italienischer Vögel von Euge- nio Bettoni in den Atti della Societä Italiana. Vol. XI. 1869, p. 487. 4 150 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Vögel und ihrer Weise Nester zu bauen, soweit ein solches gültig ist, zu betrachten, erfährt durch gewisse analoge Fälle Unterstützung, welche in der Wüste Sahara vorkommen. Hier leben, wie in den’ mei- sten anderen Wüsten, verschiedene Vögel und viele andere Thiere, deren Färbung in einer wunderbaren Weise der Färbung der umgebenden Erd- oberfläche angepasst ist. Nichtsdestoweniger bestehen, wie mir Mr. Trıstram mitgetheilt hat, einige merkwürdige Ausnahmen von dieser Regel. So ist das Männchen der Monticola cyanea wegen seiner hell- blauen Farbe auffallend und das Weibchen ist beinahe in gleicher Weise auffallend wegen seines gefleckten braunen und weissen Gefieders. Beide Geschlechter von zwei Species von Dromolaea sind von einem glänzen- den Schwarz. Diese drei Vögel sind daher weit entfernt davon, durch ihre Farbe Schutz zu erhalten, und doch sind sie im Stande ‚zu leben, denn sie haben die Gewohnheit erlangt, bei drohender Gefahr in Höhlen oder Felsenspalten Zuflucht zu suchen. In Bezug auf die oben angeführten Gruppen von Vögeln, bei denen die Weibchen auffallend gefärbt sind und verborgene Nester bauen, ist es nicht nöthig anzunehmen, dass bei jeder einzelnen Species der nest- bauende Instinet speciell modifieirt worden ist, sondern nur, dass die frühen Urerzeuger einer jeden Gruppe allmählich dazu gebracht wur- den, kuppelförmige oder verborgene Nester zu errichten, und später die- sen Instincet in Verbindung mit ihrer hellen Farbe auf ihre modifieirten Nachkommen vererbten. Diese Folgerung ist, soweit sie zuverlässig ist, interessant. Sie zeigt nämlich, dass geschlechtliche Zuchtwahl in Verbindung mit gleichmässiger oder nahezu gleichmässiger Vererbung auf beide Geschlechter indirect die Art und Weise des Nestbaues bei ganzen Gruppen von Vögeln bestimmt hat. Selbst in den Gruppen, bei welchen Mr. WarrAcE zufolge die Weibchen ihre hellen Farben nicht durch natürliche Zuchtwahl verloren haben, weil sie in Folge ihrer Art des Nestbaues bereits geschützt sind, weichen die Männchen oft in einem ganz unbedeutenden und ge- legentlich in einem beträchtlichen Grade von den Weibchen ab. Dies ist eine sehr bezeichnende Thatsache; denn derartige Verschiedenheiten in der Färbung müssen aus dem Principe erklärt werden, dass einige der Abänderungen bei dem Männchen vom Anfange an in ihrer Ueber- lieferung auf ein und das nämliche Geschlecht beschränkt gewesen sind, da sich doch kaum behaupten lässt, dass diese Verschiedenheiten, besonders wenn sie sehr unbedeutend sind, als ein Schutz für das Cap. 15. Farbe und Nestbau. 151 % Weibchen dienen. So bauen alle Species in der glänzenden Gruppe der Kurukus (Trogones) in Höhlen und Mr. Gourn gibt Abbildungen 2° von beiden Geschlechtern von fünfundzwanzig Species, bei welchen sämmt- lich, mit einer theilweisen Ausnahme, die Geschlechter zuweilen unbe- deutend, zuweilen auffallend in der Farbe von einander abweichen, wo- bei die Männchen immer schöner als die Weibchen sind, trotzdem auch die letzteren schön sind. Alle Species von Eisvögeln bauen in Höhlen und bei den meisten der Species sind die Geschlechter gleichmässig brillant, und soweit hat Mr. Wartacr’s Regel Gültigkeit. Aber bei einigen der australischen Species sind die Farben des Weibchens im Gan- zen etwas weniger lebhaft als die des Männchens und in einer glän- zend gefärbten Art weichen die Geschlechter so bedeutend von einander ab, dass sie Anfangs für specifisch verschieden gehalten wurden ?!. Mr. R. B. SuarPpe, welcher diese Gruppe specieller studirt hat, hat mir einige amerikanische Species (Ceryle) gezeigt, bei denen die Brust des Männchens einen schwarzen Gürtel trägt. Ferner ist auch bei Carci- neutes die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in die Augen fallend; bei dem Männchen ist die obere Fläche düster blau mit Schwarz gebändert, während die untere Fläche theilweise rothbraun gefärbt ist; auch findet sich um den Kopf herum viel Roth. Beim Weibchen ist die obere Fläche röthlich-braun mit Schwarz gebändert und die untere Fläche ist weiss mit schwarzen Zeichnungen. Es ist eine interessante Thatsache, da sie zeigt wie dieselbe eigenthümliche Art geschlecht- licher Färbungen oft verwandte Formen characterisirt, dass in drei Species von Dacelo das Männchen vom Weibchen nur darin abweicht, dass der Schwanz: dunkelblau mit schwarz gebändert ist, während der Schwanz des Weibchens braun mit schwärzlichen Querbalken ist, so dass hier der Schwanz der beiden Geschlechter in seiner Färbung in genau derselben Weise verschieden ist, wie die ganze obere Fläche bei “ den beiden Geschlechtern von Careineutes. Unter den Papageien, welche gleichfalls in Höhlen nisten, finden wir analoge Fälle. In den meisten Arten sind beide Geschlechter bril- lant gefärbt und nicht von einander zu unterscheiden, aber in nicht wenigen Species sind die Männchen im Ganzen lebhafter gefärbt als die Weibchen, oder selbst sehr verschieden von jenen. So ist neben 20 s. seine Monographie der Trogoniden, erste Ausgabe. 2! nämlich Uyanaleyon. Gould, Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p- 133. s. auch p. 130, 136. j52 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. anderen scharf ausgesprochenen Verschiedenheiten die ganze üntere Fläche des männlichen Königslori (Aprosmictus scapulatus) scharlachroth, während die Kehle und Brust des Weibchens grün mit Roth gefärbt ist. Bei der Euphema splendida besteht eine ähnliche Verschiedenheit; das Gesicht und die Flügeldeckfedern des Weibehens sind ausserdem von einem blasseren Blau als beim Männchen ?. In der Familie der Meisen (Parinae), welche verborgene Nester bauen, ist das Weibchen unserer Blaumeise (Parus caeruleus) „viel weniger hell gefärbt“ als das Männchen, und bei der prachtvollen gelben Sultanmeise von Indien ist die Verschiedenheit noch grösser ?°. Es sind ferner in der grossen Gruppe der Spechte ?* die Geschlech- ter allgemein nahezu gleich, aber bei dem Meg«picus validus sind alle die Theile des Kopfes, des Halses und der Brust, welche bei den Männ- chen carmoisinroth sind, beim Weibchen blassbraun. Da bei mehreren Spechten der Kopf hell scharlachroth ist, während der des Weibchens einfach gefärbt ist, so kam mir der Gedanke, dass diese Färbung mög- licherweise das Weibchen in einem gefährlichen Grade auffallend machen würde, sobald es nämlich seinen Kopf aus der das Nest enthaltenden Höhle herausstreckt, und dass in Folge hiervon diese Färbung in Ue- bereinstimmung mit der Ansicht Mr. Warrace’s beseitigt worden sei. Diese Ansicht wird durch das unterstützt, was MALHERBE in Bezug auf den Indopieus carlolta angibt, dass nämlich die jungen Weibchen ganz ebenso wie die jungen Männchen etwas Scharlachroth um ihren Kopf haben, dass aber diese Färbung bei dem erwachsenen Weibchen ver- ‚schwindet, während sie bei dem erwachsenen Männchen noch imtensiver wird. Aber trotz dem Allem machen die folgenden Betrachtungen diese Ansicht doch äusserst zweifelhaft. Das Männchen nimmt einen gehö- rigen Theil an der Bebrütung ?° und würde soweit beinahe ebenso der- Gefahr ausgesetzt sein; beide Geschlechter vieler Species haben einen in gleicher Weise hell scharlachroth gefärbten Kopf; bei anderen Spe- 2? Bei den Papageien von Australien lässt sich in der Verschiedenheit zwi- schen den Geschlechtern jede Abstufung verfolgen. s. Gould’s Handbook. Vol. II, p. 14—102. 23 Macgillivray, History of British Birds. Vol. I, p. 433. Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 282. 2! Alle die folgenden Thatsachen sind dem prachtvollen Werke’Malherbe’s, Monographie des Picidees, 1861, entnommen. 25 Audubon, Ornithological Biography. Vol. II, p. 75. s. auch Ibis, Vol. I 2 Cap. 15. Farbe und Nestbau. 153 cies ist die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern in Bezug auf diese scharlachene Färbung so unbedeutend, dass hierin kaum irgend ein wahrnehmbarer Unterschied in der darin liegenden Gefahr erblickt werden kann; und endlich ist die Färbung des Kopfes in den beiden (reschlechtern oft in anderer Weise unbedeutend verschieden. Die bis jetzt mitgetheilten Fälle von unbedeutenden und allmäh- lich abgestuften Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Männ- chen und Weibchen in denjenigen Gruppen, bei welchen als allgemeine Regel die Geschlechter einander ähnlich sind, beziehen sich sämmtlich auf Species, welche kuppelförmige oder verborgene Nester bäuen. Aber ähnliche Abstufungen lassen sich in gleicher Weise in Gruppen beob- achten, bei denen die Geschlechter der allgemeinen Regel nach einan- der ähnlich sind, welche aber offene Nester bauen. Da ich vorhin die australischen Papageien als Beispiel angeführt habe, so will ich hier ohne weitere Details mitzutheilen die australischen Tauben als Beispiel anziehen ?®, Es verdient besondere Beachtung, dass in allen diesen Fällen die unbedeutenden Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den (seschlechtern von derselben allgemeinen Beschaffenheit sind, wie die gelegentlich auftretenden grösseren Verschiedenheiten. Eine gute Er- läuterung dieser Thatsache ist bereits durch‘die Erwähnung der Eis- vögel angeführt worden, bei welchen entweder der Schwanz allein, oder dıe ganze obere Fläche des Gefieders in derselben Art und Weise in den beiden Geschlechtern verschieden ist. Aehnliche Fälle lassen sich bei Papageien und Tauben beobachten. Auch sind die Verschiedenhei- ten in der Färbung zwischen den Geschlechtern einer und der nämli- chen Species von derselben allgemeinen Beschaffenheit wie die Verschie- denheiten in der Färbung zwischen den einzelnen Species einer und der nämlichen Gruppe. Denn wenn in einer Gruppe, in welcher die (zeschlechter gewöhnlich gleich sind, das Männchen beträchtlich vom Weibchen abweicht, so ist es durchaus nicht in einem vollkommen neuen Style gefärbt. Wir können daher schliessen, dass innerhalb einer und der nämlichen Gruppe die speciellen Farben beider Geschlechter, wenn sie gleich sind, und die Färbungen des Männchens, wenn diese unbe- deutend oder selbst beträchtlich vom Weibchen verschieden ist, in den meisten Fällen durch eine und die nämliche Ursache bestimmt worden sind; und diese ist geschlechtliche Zuchtwahl. 2# Gould, Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 109—149, 154 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. I. Theil. Wie bereits bemerkt worden ist, ist es nicht wahrscheinlich, dass Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den Geschlechtern, wenn sie sehr unbedeutend sind, für das Weibchen als Schutzmittel von Nutzen sein können. Nehmen wir indessen an, dass sie von Nutzen seien, so könnte man wohl glauben, dass sie Uebergangsfälle darstel- len. Wir haben aber keinen Grund zu der Annahme, dass zu irgend einer gegebenen Zeit viele Species einer Veränderung unterliegen. Wir können daher kaum zugeben, dass die zahlreichen Weibchen, welche sehr unbedeutend in der Färbung von ihren Männchen verschieden sind, jetzt alle zum Zwecke eines Schutzes dunkler zu werden beginnen. Selbst wenn wir etwas schärfer ausgesprochene geschlechtliche Ver- schiedenheiten in Betracht ziehen: ist es wahrscheinlich, dass z. B. der Kopf des weiblichen Buchfinken, das Carmoisinroth an der Brust des weiblichen Gimpels, das Grün des weiblichen Grünfinken, die Krone des feuerköpfigen Goldhähnchens sämmtlich durch den langsamen Pro- cess der Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes weniger hell gemacht worden sind? Ich kann dies nicht glauben, und noch weniger in Bezug auf unbedeutende Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern der- jenigen Vögel, welche verborgene Nester bauen. Auf der andern Seite können die Verschiedenheiten in der Färbung zwischen den beiden Ge- schlechtern, mögen sie nun grösser oder kleiner sein, in einer be- deutenden Ausdehung durch die Annahme erklärt werden, dass die auf- einanderfolgenden Variationen, welche die Männchen durch geschlecht- liche Zuchtwahl erlangt haben, vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung mehr oder weniger auf die Männchen beschränkt waren. Dass der Grad dieser geschlechtlichen Beschränkung in verschiedenen Species einer und der nämlichen Gruppe verschieden ist, wird Niemand überraschen, wel- cher die Gesetze der Vererbung studirt hat; denn sie sind so compli- cirt, dass sie uns bei unserer Unwissenheit in ihrer Wirksamkeit lau- nenhaft zu sein scheinen ?7. Soweit ich es nachweisen kann, gibt es nur sehr wenig, eine be- trächtliche Anzahl von Species enthaltende Gruppen, bei welchen alle Arten die beiden Geschlechter brillant gefärbt und gleich haben. Dies scheint aber, wie ich von Mr. ScrLAter höre, mit den Pisang- fressern oder Musophagae der Fall zu sein. Auch glaube ich nicht, dass irgend eine grössere Gruppe existirt, bei welcher die Geschlechter 27 s. Bemerkungen in diesem Sinne in meinem Buche: Das Variiren der ' Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, Cap. 12. Cap. 15. Farbe und Nestbau. 155 sämmtlicher Arten in ihrer Färbung sehr weit von einander verschieden wären. Mr. WarrAcH theilt mir mit, dass die Seidenschwänze von Süd- amerika (Cotingidae) eines der besten Beispiele darbieten ; aber bei einigen der Species, bei welchen das Männchen eine glänzende rothe Brust hat, zeigt auch das Weibchen etwas Roth an seiner Brust, und die Weib- chen anderer Species zeigen Spuren der grünen und anderen Färbungen der Männchen. Nichtsdestoweniger haben wir aber auch innerhalb an- derer Gruppen Fälle von bedeutender Annäherung an eine grössere ge- schlechtliche Aehnlichkeit oder Unähnlichkeit; und dies ist nach dem, was oben für die fluctuirende Beschaffenheit der Vererbung gesagt worden ist, ein etwas überraschender Umstand. Dass aber bei ver- wandten Thieren die nämlichen Gesetze in grosser Ausdehnung gelten, ist nicht überraschend. Das Haushuhn hat eine grosse Anzahl von Rassen und Unterrassen entstehen lassen, und bei diesen weichen im Allgemeinen die Geschlechter im Gefieder von einander ab, so dass es als ein merkwürdiger Umstand betrachtet worden ist, wenn sie in ge- wissen Unterrassen emander ähnlich sind. Auf der anderen Seite hat die Haustaube gleichfalls eine ungeheure Anzahl von verschiedenen Rassen und Unterrassen entstehen lassen, und bei diesen sind mit seltenen Aus- nahmen die beiden Geschlechter identisch gleich. Wenn daher andere Spe- cies von Gallus und Columba domestieirt worden wären und varlirten, so würde es nicht voreilig sein, vorauszusagen, dass dieselben von der herrschenden Form der Vererbung abhängigen allgemeinen Regeln ge- schlechtlicher Aehnlichkeit und Unähnlichkeit in beiden Fällen gelten werden. In einer ähnlichen Weise hat allgemein dieselbe Form: der Ueber- lieferung durch dieselben natürlichen Gruppen hindurch geherrscht, wenn- schon ausgesprochene Ausnahmen von dieser Regel vorkommen. Inner- halb einer und der nämlichen Familie oder selbst derselben Gattung können die Geschlechter identisch gleich oder sehr verschieden in der Fär- bung sein. Beispiele, welche sich auf dieselbe Gattung beziehen, sind be- reits mitgetheilt worden, so bei Sperlingen, Fliegenschnäppern, Drosseln und Waldhühnern. In der Familie der Fasanen sind die Männchen und Weibchen beinahe sämmtlicher Species wunderbar unähnlich, sind aber einander bei dem Öhrenfasan oder Crossoptilon auritum vollständig ähnlich. In zwei Species von Chloephaga, einer Gattung der Gänse, können die Männchen nicht von den Weibchen unterschieden werden, ausgenommen durch die Grösse, während in zwei anderen die Geschlechter 156 Ge schlechtliche Zuchtwahl: Vögel. 3 11. Theil. einander so ungleich sind, dass sie leicht fälschlich für verschieden ge- halten werden können ?8, Die folgenden Fälle können nur durch die Gesetze der Vererbung erklärt werden, wo nämlich das Weibchen dadurch, dass es in einer späten Lebensperiode gewisse Charactere erhält, welche dem Männchen eigen sind, schiesslich diesem in einer mehr oder weniger vollständigen Art und Weise ähnlich wird. Hier kann der Schutz kaum in’s Spiel kommen. Mr. Bryr# theilt mir mit, dass die Weibehen von Oriolus melanocephalus und einiger nahe verwandter Species, wenn sie hin- reichend reif sind um zu brüten, beträchtlich in ihrem Gefieder von den erwachsenen Männchen verschieden sind. Aber nach der zweiten oder dritten Mauserung weichen sie nur darin von jenen ab, dass der Schnabel eine leicht grünliche Färbung erhält. Bei den Zwergreihern (Ardetta) erlangt derselben Autorität zufolge „das Männchen seine „schliessliehe Färbung mit der ersten Mauserung, das Weibchen nicht „vor der dritten oder vierten. In der Zwischenzeit bietet es eine inter- „mediäre Färbung dar, welche schliesslich gegen ein Kleid vertauscht wird, „welches mit dem des Männchens identisch ist.“ So erlangt ferner der weibliche Wanderfalke (Falco peregrinus) sein blaues Gefieder langsamer als das Männchen. Mr. Swinsor führt an, dass bei einem Drongo- Würger (Dierurus macrocercus) das Männchen, während es fast noch ein Nestling ist, sein weiches braunes Gefieder mausert und ein gleich- förmiges, glänzendes, grünlich-schwarzes erhält. Das Weibchen behält dagegen lange Zeit die weissen Streifen und Flecken auf den Achsel- federn und nimmt die gleichmässige schwarze Farbe des Männchens vor den ersten drei Jahren nicht vollständig an. Derselbe ausgezeich- nete Beobehter bemerkt, dass im Frühlinge des zweiten Jahres der weibliche Löftelreiher (Platalea) von China dem Männchen des ersten Jahres ähnlich ist und dass er allem Anscheine nach nicht vor dem dritten Frühlinge dasselbe erwachsene Gefieder erhält, wie es das Männ- chen in einem viel früheren Alter besitzt. Der weibliche nordameri- kanische Seidenschwanz (Bombyeilla carolinensis) ist vom Männchen nur sehr wenig verschieden ; aber die Anhänge, welche wie Tropfen von rothem Siegellack die Schwungfedern verzieren, entwickeln sich bei dem- selben nicht so zeitig im Leben als beim Männchen. Die obere Kinn- lade beim Männchen eines indischen Papageien (Palaeornis javanicus) 28 The Ibis, Vol. VI. 1864, p. 122. Oap&13: Farbe. — Sommergefieder. 457 ist von der frühesten Jugend an korallenroth; beim Weibchen aber ist sie, wie Mr. Buyru an in Käfigen gehaltenen und wilden Vögeln beob- achtet hat, anfangs schwarz und wird nicht eher roth, als bis der Vogel wenigstens ein Jahr alt ist, in welchem Alter die Geschlechter einander in allen Beziehungen ähnlich sind. Beide Geschlechter des wilden Trut- huhns sind schliesslich mit einem Büschel von Borsten auf ihrer Brust versehen, aber bei zwei Jahre alten Vögeln ist dieses Büschel beim Männchen ungefähr vier /oll lang und beim Weibchen kaum zu be- merken. Wenn indessen das Letztere sein viertes Jahr erreicht hat, so ist jenes Büschel vier bis fünf Zoll lang ?®. In diesen Fällen folgen die Weibchen einem normalen Verlaufe der Entwickelung darin, dass sie zuletzt den Männchen gleich werden, und derartige Fälle dürfen nicht mit solchen vermengt werden, bei welchen erkrankte oder alte Weibchen männliche Charaetere annehmen, oder mit solchen, in welchen vollkommen fruchtbare Weibchen so lange sie jung sind, durch Abänderung oder durch irgend eine unbekannte Ursache die Merkmale des Männchens annehmen 3%. Aber alle diese Fälle haben soviel mit einander gemein, dass sie der Hypothese der Pangenesis zu- folge davon abhängen, dass aus jedem Theile des Männchens herrüh- rende Keimchen beim Weibchen, wenn auch latent, vorhanden sind und dass ihre Entwickelung Folge von irgend einer unbedeutenden Verän- derung in den Wahlverwandtschaften seiner constituirenden Gewebe ist. Ein Paar Worte müssen noch über die Veränderung des Gefieders in Beziehung auf die Jahreszeit zugefügt werden. Aus früher angeführ- ten Gründen lässt sieh nur wenig daran zweifeln, dass die eleganten Schmuckfedern, die langen wallenden Federn, Federbüsche u. s. w. von Silberreihern. Reihern nnd vielen anderen Vögeln, welche nur während *> Ueber Ardetta s. die Uebersetzung von Cuvier’s Regne animal von Mr. Blyth p. 159. Anmerk. Ueber Falco peregrinus: Blyth, in: Charlesworth’s Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 304; über Dierurus: Ibis, 1863, p. 44; über Platalea:: Ibis, Vol. VI. 1864, p. 366; über die Bombyeilla: Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 229; über Palaeornis s. auch Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 263. Ueber das wilde Truthuhn: Audubon, a. a. 0. Vol. I, p. 15. Vom Judge Caton höre ich, dass in Illinois das Weibchen sehr selten das Feder- büschel erhält. »° Mr. Blyth hat in der Uebersetzung von Cuvier’s Regne animal ver- schiedene Fälle verzeichnet von Lanius, Rubieilla, Linaria und Anas. Auch Audubon hat einen ähnlichen Fall von Pyranga aestiva verzeichnet, Ornitho- log. Biography, Vol. V, p. 519. 158 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. des Sommers entwickelt und behalten werden, ausschliesslich zu orna- mentalen oder Hochzeitszwecken dienen, wenn sie auch beiden Geschlech- tern gemeinsam zukommen. Das Weibchen wird hierdurch auffallender während der Bebrütungsperiode gemacht als während des Winters. Aber solche Vögel wie Reiher, Silberreiher werden im Stande sein sich selbst zu vertheidigen. Da indessen Schmuckfedern wahrscheinlich während des Winters unbequem und gewiss von keinem Nutzen sind, so ist es mög- lieh, dass die Gewohnheit, zweimal im Jahre sich zu mausern, allmäh- lich durch natürliche Zuchtwahl zu dem Zwecke erlangt worden ist, unzuträgliche Zierathen während des Winters abzustossen. Diese An- sicht kann indess auf viele Wadevögel nicht ausgedehnt werden, bei welchen das Sommer- und Wintergefieder nur sehr wenig in der Fär- bung verschieden ist. Bei vertheidigungslosen Species, bei welchen ent- weder beide Geschlechter oder allein die Männchen während der Paa- rung äusserst auffällig werden, — oder wenn die Männchen in dieser Zeit so lange Schwung- oder Schwanzfedern erlangen, dass der Flug gehindert wird, wie bei Cosmetornis und Vidua —, erscheint es auf den ersten Blick im hohen Grade wahrscheinlich, dass die zweite Mau- serung zu dem speciellen Zwecke erlangt. worden ist, diese Ornamente abzuwerfen. Wir müssen uns indessen daran erinnern, dass viele Vögel, so die Paradiesvögel, der Argusfasan und Pfauhahn, ihre Schmuckfedern im Winter nicht abwerfen, und es lässt sich kaum behaupten, dass in der Constitution dieser Vögel, mindestens der Gallinaceen, etwas liegt, was eine doppelte Mauserung unmöglich machte; denn das Schneehuhn mausert sich dreimal im Jahre ®'. Es muss daher als zweifelhaft an- gesehen werden, ob die vielen Species, welche ihre ornamentalen Federn mausern oder ihre hellen Färbungen während des Winters verlieren, diese Gewohnheit wegen der Unbequemlichkeit oder der Gefahr, welcher sie im andern Falle ausgesetzt wären, erlangt haben. Ich komme daher zu dem Schlusse, dass die Gewohnheit, zweimal im Jahre zu mausern, in den meisten oder sämmtlichen Fällen zuerst zu irgend einem bestimmten Zwecke erlangt worden ist, vielleicht um ein wärmeres Winterkleid zu bekommen, und dass Aenderungen im Ge- fieder, welche während des Sommers auftreten, durch geschlechtliche Zuchtwahl angehäuft und auf die Nachkommen in derselben Zeit des Jahres überliefert wurden. Derartige Abänderungen wurden dann ent- 3! s, Gould’s Birds of Great Britain. « 5 Cap. 15. Sommer-Gefieder. 159 weder von beiden Geschlechtern oder allein von den Männchen geerbt, je nach der Form von Vererbung, welche bei den betreffenden Arten vorherrschte. Dies erscheint wahrscheinlicher, als dass diese Species in allen Fällen ursprünglich die Neigung besessen hätten, ihr ornamen- tales Gefieder während des Winters zu behalten, hiervor aber durch natürliche Zuchtwahl bewahrt geblieben wären, wegen der dadurch veranlassten Unbequemlichkeit oder Gefahr. Ich habe in diesem Capitel zu zeigen versucht, dass die Argumente in einer zuverlässigen Weise die Ansicht nicht begünstigen, dass Waf- fen, helle Farben und verschiedene Zierathen jetzt auf die Männchen beschränkt sind in Folge der mittelst natürlicher Zuchtwahl bewirkten Umwandlung einer Neigung zu gleichmässiger Vererbung der Charactere auf beide Geschlechter in eine Ueberlieferung auf das männliche Ge- schlecht allein. Es ist auch zweifelhaft, ob die Färbungen vieler weib- lichen Vögel eine Folge einer zum Zwecke des Schutzes eintretenden Erhaltung von Abänderungen. sind, welche von Anfang an in ihrer Ue- berlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren. Es wird aber zweckmässig sein, jede weitere Erörterung über diesen Gegenstand so lange zu versÄhieben, bis ich im folgenden Capitel die Verschieden- „heiten im Gefieder zwischen den jungen und alten Vögeln behandeln werde. Sechszehntes Gapitel. Vögel (Schluss). Das Jugendgefieder in Bezug auf den Character des Gefieders beider Geschlech- ter im erwachsenen Zustande. — Sechs Classen von Fällen. — Geschlecht- liche Verschiedenheiten der Männchen nahe verwandter oder repräsentativer Species. — Das Weibchen nimmt die Charactere des Männchens an. — Das Gefieder der Jungen in Bezug auf das Sommer- und Wintergefieder der Er- wachsenen. — Ueber die Steigerung der Schönheit der Vögel auf der ganzen Erde. -— Protective Färbung. — Auffallend gefärbte Vögel. — Würdigung der Neuheit. — Zusammenfassung der vier Capitel über Vögel. Es muss jetzt nun die Ueberlieferung von Characteren betrachtet werden und zwar wie dieselbe in Bezug auf geschlechtliche Zuchtwahl durch das Alter beschränkt ist. Die Richtigkeit und die Bedeutung des Gesetzes einer Vererbung auf entsprechenden Altersstufen braucht hier nicht erörtert zu werden, da über diesen Gegenstand bereits genug gesagt worden ist. Ehe ich aber die verschiedenen im Ganzen doch etwas complieirten Regeln oder Classen von Fällen mittheile, unter welchen man die sämmtlichen Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den jungen und alten Vögeln, soweit sie mir bekannt sind, zusammen- fassen kann, dürfte es nicht unzweckmässig sein, einige wenige vor- läufige Bemerkungen zu machen. Wenn bei Thieren aller Arten die Jungen in der Farbe von den Er- wachsenen verschieden sind und die Farben der ersteren, soweit wir es beurtheilen können, nicht von irgendwelchem speciellen Nutzen sind, so kann man sie, wie verschiedene embryologische Bildungen dem Um- stande zuschreiben, dass das junge Thier den Character eines frühen Urerzeugers beibehalten hat. Mit Zuversicht kann indessen diese An- sicht nur dann aufrecht erhalten werden, wenn die Jungen mehrerer Species einander sehr ähnlich und gleichfalls andern erwachsenen Spe- cies ähnlich sind, welche zu derselben Gruppe gehören; denn die letz- - teren sind die lebendigen Beweise dafür, dass ein dexartiger Zustand der Dinge früher möglich war. Junge Löwen und Pumas sind mit Cap. 16. Vererbung auf bestimmtes Alter. 161 schwachen Streifen oder Reihen von Flecken gezeichnet, und da viele verwandte Arten sowohl in der Jugend als im erwachsenen Zustande ähnlich gezeichnet sind, so wird kein Naturforscher, welcher an eine allmähliche Entwickelung der Species glaubt, daran zweifeln, dass der Urerzeuger des Löwen und Puma ein gestreiftes Thier war und dass die Jungen Spuren dieser Streifen behalten haben, ebenso wie solche bei den Jungen schwarzer Katzen sich finden, welche im erwachsenen Zustande nicht im Mindesten gestreift sind. Viele Arten der Hirschfamilie sind im geschlechtsreifen Alter nicht gefleckt und doch sind sie jung mit weis- sen Flecken bedeckt, wie es auch einige wenige Species in ihrem erwach- senen Zustande sind. So sind ferner auch im der ganzen Familie der Schweine (Swidae) und bei gewissen im Ganzen nur entfernt damit ver- wandten Thieren, wie beim Tapir, die Jungen mit dunklen Längsstreifen gezeichnet; hier haben wir indessen einen Character vor uns, welcher allem Anscheine nach von einem ausgestorbenen Urerzeuger herrührt und jetzt nur von den Jungen noch beibehalten wird. In allen der- artigen Fällen sind die Farben der alten Thiere im Laufe der Zeit ab- ‚geändert worden, während die Jungen unverändert geblieben oder nur wenig abgeändert worden sind; und dies ist nach dem Gesetze der Ver- erbung auf entsprechende Altersstufen bewirkt worden. Dasselbe Princip gilt auch für viele zu verschiedenen Gruppen ge- hörige Vögel, bei welchen die Jungen einander in hohem Grade glei- chen und von ihren respectiven Eltern im erwachsenen Zustande be- deutend verschieden sind. Die Jungen beinahe sämmtlicher Gallinaceen und einiger entfernt damit verwandter Vögel, wie der Strausse, sind im Dunenkleide längsgestreift; dieser Character weist aber auf einen so weit zurück liegenden Zustand der Dinge zurück, dass er uns kaum hier an- geht. Junge Kreuzschnäbel (Loxia) haben zuerst gerade Schnäbel wie die andern Finken, und in ihrem gestreiften Jugendgefieder gleichen sie dem erwachsenen Hänfling und dem weiblichen Zeisig ebensowohl wie den Jungen des Stieglitz, Grünfinken und einiger andern verwand- ten Arten. Die Jungen vieler Arten von Ammern (Emberiza) gleichen sowohl einander, als auch dem erwachsenen Zustande der Grau-Ammer, E. miliaria. In beinahe der ganzen grossen Gruppe der Drosseln haben die Jungen eine gefleckte Brust, — ein Character, welchen viele Arten ihr ganzes Leben hindurch behalten haben, welcher aber von andern, wie z.B. von dem Turdus migratorius vollständig verloren worden ist. So sind ferner bei vielen Drosseln die Federn am Rücken gefleckt, ehe sie sich DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 11 162 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. U. Theil. zum erstenmale gemausert haben, und dieser Character wird von ge- wissen östlichen Species zeitlebens beibehalten. Die Jungen vieler Ar- ten von Würgern (Lanius), einiger Spechte und einer indischen Taube (Chalcophaps indicus) sind an der untern Körperfläche quer gestreift; und ähnlich sind gewisse verwandte Arten oder Gattungen im erwach- senen Zustande gezeichnet. Von einigen einander nahe verwandten und prachtvollen indischen Kuckucken (Chrysococeyx) weichen die Species, wenn sie geschlechtsreif sind, beträchtlich in der Farbe von einander ab, die Jungen derselben können aber nicht von einander unterschieden werden. Die Jungen einer indischen Gans (Sarkidiornis melanonotus) sind im Gefieder einer verwandten Gattung, Dendrocygna. im erwach- senen Zustande sehr ähnlich !. Aehnliche Thatsachen werden später in Bezug auf gewisse Reiher mitgetheilt werden. Jımge Birkhühner (Tetrao tetrix) gleichen sowohl den alten Vögeln gewisser anderer Spe- cies, z. B. Tetrao scoticus, als deren Jungen. Endlich zeigen sich die natürlichen Verwandtschaften vieler Species am besten in dem Ju- gendgefieder, wie Mr. Bryrt#, welcher dem Gegenstande eingehende Auf- merksamkeit gewidmet hat, richtig bemerkt hat, und da die wahren Ver- wandtschaften sämmtlicher organischer Wesen von ihrer Abstammung von einem gemeinsamen Urerzeuger abhängen, so bestätigt diese Bemerkung eindringlich die Annahme, dass das Gefieder der jugendlichen Form uns an- näherungsweisedie frühere oder vorelterliche Beschaffenheit der Specieszeigt. Obgleich uns hiernach viele junge, zu verschiedenen Ordnungen gehörige Vögel einen Blick auf das Gefieder ihrer weit zurück liegen- den frühen Urerzeuger werfen lassen, so gibt es doch auch viele an- dere Vögel, und zwar sowohl trübe als hell gefärbte, bei denen die Jungen ihren Eltern sehr ähnlich sind. Bei solchen Species können die Jungen der verschiedenen Arten einander nicht ähnlicher sein, als es die Eltern sind; auch können sie keine auffallenden Aehnlichkeiten mit verwandten Formen in ihrem erwachsenen Zustande darbieten. Sie geben uns nur wenig Aufklärung über das Gefieder ihrer Urerzeuger, ausgenommen insoweit als es wahrscheinlich ist, dass, wenn die jungen ! In Bezug auf Drosseln, Würger und Spechte s. Mr. Blyth in: Charles- worth’s Magaz. of nat. Hist. Vol. I. 1857, p. 304; auch die Anmerkung zu sei- ner Uebersetzung von Cuvier’s Regne animal. p. 159. Auch den Fall von der Loxia theile ich nach Mr. Blyth’s Angaben mit. Ueber Drosseln s. auch Au- dubon, Ornitholog. Biography. Vol. II, p. 195. Ueber Chrysococcy& und Chal- cophaps s. Blyth, eitirt von Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 485. Ueber Sarkidiornis s. Blyth in The Ibis, 1867, p. 175. Cap. 16. Classen von Fällen. 163 und die alten Vögel durch eine ganze Gruppe von Species hindurch in einer und der nämlichen Art und Weise gefärbt sind, ihre Urerzeuger ähnlich gefärbt waren. Wir wollen nun die Classen von Fällen oder die Regeln betrach- ten, unter welche die Verschiedenheiten und Aelhnlichkeiten zwischen dem Gefieder der jungen und alten Vögel entweder beider Geschlechter oder eines Geschlechts allein gruppirt werden können. Gesetze dieser Art wurden zuerst von CUVIER ausgesprochen; mit dem Fortschreiten der Erkenntniss bedürfen sie indessen einiger Modification und Erwei- terung. Dies habe ich, soweit es die ausserordentliche Complicirtheit des Gegenstandes gestattet, nach Belehrungen, die ich aus verschiede- nen Quellen schöpfte, zu thun versucht; es ist aber eine erschöpfende Abhandlung über diesen Gegenstand von irgend einem competenten Or- nithologen ein dringendes Bedürfniss. Um darüber zu einer Gewissheit zu gelangen, in welcher Ausdehnung jede dieser Regeln gilt, habe ich die in vier umfangreichen Werken mitgetheilten Thatsachen tabellarisch zusammengestellt, nämlich nach MacsıLLıvrAY über die Vögel von Gross- britannien, nach Aupupon über die nordamerikanischen Vögel, nach JERDON über ‘die Vögel von Indien und nach GouLp über die von Au- stralien. Ich will hier noch vorausschicken erstens, dass die verschie- denen Fälle oder Regeln allmählich in einander übergehen, und zwei- tens, dass, wenn gesagt wird, die Jungen glichen ihren Eltern, damit nicht gemeint sein soll, sie wären ihnen identisch gleich; denn ihre Farben sind beinahe immer etwas weniger lebhaft, auch sind die Federn weicher und oft von einer verschiedenen Form. Regein oder Classen von Fällen. I. Wenn das erwachsene Männchen schöner oder in die Augen fallender ist, als das erwachsene Weibchen, so sind die Jungen beider Geschlechter in ihrem ersten Federkleide dem erwachsenen Weibchen sehr ähnlich, wie beim gemeinen Huhn und dem Pfau; oder, wie es ge- legentlich vorkommt, sie sind diesem viel mehr ähnlich als dem er- wachsenen Männchen. II. Wenn das erwachsene Weibchen in die Augen fallender ist, als das erwachsene Männchen, was zuweilen wenn auch selten vorkommt, so sind die Jungen beider Geschlechter in ihrem ersten Gefieder den erwachsenen Männchen ähnlich. III. Wenn das erwachsene Männchen dem erwachsenen Weibchen 11 * 164 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. U. Theil. ähnlich ist, so haben die Jungen beider Geschlechter ein ihnen besonders zukommendes eigenthümliches Gefieder, wie z. B. beim Rothkehlchen. IV. Wenn das erwachsene Männchen dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, so sind die Jungen beider Geschlechter in ihrem ersten Federkleide den Erwachsenen ähnlich, wie es z. B. beim Eisvogel, vie- len Papageien, Krähen, Grasmücken der Fall ist. V. Wenn die Erwachsenen beider Geschlechter ein verschiedenes Sommer- und Wintergefieder haben, mag nun das Männchen vom Weib- chen verschieden sein oder nicht, so sind die Jungen den Erwachsenen beiderlei Geschlechts in deren Winterkleide, oder, jedoch viel seltener, in deren Sommerkleide, oder allein den Weibchen ähnlich; oder die Jun- gen können einen intermediären Character tragen; oder ferner sie kön- nen von den Erwachsenen in ihren beiden Jahreszeitgefiedern bedeutend verschieden sein. VI. In einigen wenigen Fällen weichen die Jungen in ihrem ersten Gefieder je nach ihrem Geschlechte von einander ab; wobei die jungen Männchen mehr oder weniger nahe den erwachsenen Männchen und die jungen Weibchen mehr oder weniger nahe den erwachsenen Weibchen ähnlich sind. 1. Classe. In dieser Classe sind die Jungen beiderlei Geschlechts mehr oder weniger nahe den erwachsenen Weibchen ähnlich, während das erwachsene Männchen häufig in der augenfälligsten Art und Weise vom erwachsenen Weibchen verschieden ist. Hier liessen sich unzählige Beispiele aus allen Ordnungen anführen ; es wird genügen, den gemei- nen Fasan, die Ente und den Haussperling in’s Gedächtniss zu rufen. Die in dieser Classe inbegriffenen Fälle gehen allmählich in andere über. So können die beiden Geschlechter in ihrem erwachsenen Zustande so unbedeutend von einander und die Jungen so unbedeutend von den Er- wachsenen verschieden sein, dass es zweifelhaft wird, ob solche Fälle zu der vorliegenden Classe oder zu der dritten ‘oder vierten zu ziehen sind. So können ferner die Jungen beider Geschlechter, anstatt ein- ander vollständig gleich zu sein, in einem unbedeutenden Grade von einander abweichen, wie es in unserer sechsten Classe der Fall ist. Diese transitionellen Fälle sind indessen nur wenig der Zahl nach oder mindestens nicht scharf ausgesprochen im Vergleich mit denen, welche ganz streng unter die vorliegende Rubrik fallen. Die Kraft des vorliegenden Gesetzes zeigt sich sehr wohl in den- Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 165 jenigen Gruppen, in welchen der allgemeinen Regel nach die beiden Ge- schlechter und die Jungen sämmtlich einander gleich sind; denn wenn das Männchen in diesen Gruppen wirklich vom Weibchen verschieden ist, wie bei gewissen Papageien, Eisvögeln, Tauben u. s. w., so sind die Jungen beider Geschlechter dem erwachsenen Weibchen ähnlich ?. Wir sehen die nämliche Thatsache noch deutlicher in gewissen anomalen Fällen aus- gesprochen; so weicht das Männchen von Heliothrix auriculata (einem Kolibri) äugenfällig vom Weibchen darin ab, dass es eine prachtvolle Kehle und schöne Ohrbüschel hat; das Weibchen ist aber dadurch merkwürdig, dass es einen viel längeren Schwanz hat als das Männ- chen. Nun sind die Jungen beider Geschlechter (ausgenommen dass die Brust mit Bronze gefleckt ist) den erwachsenen Weibchen mit Ein- schluss der Länge des weiblichen Schwanzes ähnlich, so dass der Schwanz. des Männchens factisch mit dem Erreichen des Reifezustandes kürzer wird, was ein äusserst ungewöhnlicher Umstand ist ?. Ferner ist das Gefieder des männlichen Sägetauchers (Mergus merganser) auffallender gefärbt und die Schulterfedern und Schwingen zweiter Ordnung sind viel länger als beim Weibchen; aber verschieden von dem, was soviel ich weiss bei allen übrigen Vögeln vorkommt, ist der Federkamm des erwachsenen Männchens, wenn er auch breiter ist als der des Weibchens, doch beträchtlich kürzer, nämlich nur wenig über einen Zoll lang, wäh- rend der Federkamm des Weibchens zwei und einen halben Zoll lang ist: Nun sind die Jungen beider Geschlechter in allen Beziehungen den erwachsenen Weibchen ähnlich, so dass ihre Federkämme factisch von grösserer Länge wenn auch etwas schmäler als beim erwachsenen Männ- chen sind ®. ; ? s. z. B. Mr. Gould’s Beschreibung von Oyanaleyon, einem der Eisvögel (Handbook to the Birds of Australia. Vol. I, p. 133) bei welchem indessen das junge Männchen, obschon es dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, weniger brillant gefärbt ist. In einigen Species von Dacelo haben die Männchen blaue Schwänze und die Weibchen braune; und Mr. R. B. Sharpe theilt mir mit, dass der Schwanz des jungen Männchens von D. Gaudichaudii anfangs braun ist. Mr. Gould hat (a. a. O. Vol. II, p. 14, 20, 37) die Geschlechter und die Jungen ge- wisser schwarzer Cacadus und des Königs-Loris beschrieben, bei welchen das- selbe Gesetz herrscht. s. auch Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 260, über Pa- laeornis rosa, bei dem die Jungen mehr gleich dem Weibchen als dem Männchen sind. s. Audubon, Ornithol. Biography. Vol. II, p. 475, über die beiden Ge- schlechter und die Jungen von Columba passerina. 3 Ich verdanke die Kenntniss dieser Thatsache Mr. Gould, welcher mir die Exemplare zeigte; s. auch seine Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 120. * Macgillivray, History of British Birds. Vol. V, p. 207—214. 166 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. Wenn die Jungen und die Weibchen einander sehr ähnlich und beide vom Männchen verschieden sind, so liegt die Folgerung am nächsten, dass allein das Männchen modificirt worden ist. Selbst in den anomalen Fällen von Heliothrix und Mergus ist es wahrscheinlich, dass ursprünglich beide Geschlechter im erwachsenen Zustande die eine Species mit einem beträchtlich verlängerten Schwanze, und die andere mit einem sehr verlängerten Federkamme versehen waren, dass diese Charactere seitdem von den erwachsenen Männchen aus irgend einer unerklärten Ursache verloren und in ihrem verkleinerten Zustande allein ihren männlichen Nachkommen überliefert worden sind, als diese das entsprechende Alter der Geschlechtsreife erlangt hatten. Die Annahme, dass in der vorliegenden Classe, soweit die Verschiedenheiten zwischen .den Männchen und den, Weibchen zusammen mit deren Jungen in Be- tracht kommen, allein das Männchen modifieirt worden ist, wird nach- drücklich dureh einige merwürdige, von Mr. Bryr# ? mitgetheilte That- sachen in Bezug auf nahe verwandte Species, welche einander in ver- schiedenen Ländern repräsentiren, unterstützt. Denn bei mehreren dieser stellvertretenden Species haben die erwachsenen Männchen einen gewissen Betrag von Veränderung erlitten und können unterschieden werden; die Weibchen und die Jungen sind dagegen nicht zu unter- scheiden und sind daher absolut unverändert geblieben. Dies ist der "Fall bei gewissen indischen Schmätzern (Thamnobia), mit gewissen Ho- nigsaugern (Nectarinia), Würgern (Tephrodornis), gewissen Eisvögeln (Tanysiptera), Kalij-Fasanen (Gallophasis) und Baum-Rebhühnern (Ar- boricola). In einigen analogen Fällen, nämlich bei Vögeln, welche ein ver- schiedenes Sommer- und Wintergefieder haben, deren Geschlechter aber nahezu gleich sind, können gewisse einander nahe verwandte Arten in ihrem Sommer- oder Hochzeitsgefieder leicht unterschieden werden, sind aber in ihrem Winterkleide ebenso wie in ihrem jugendlichen Gefieder ununterscheidbar. Dies ist der Fall bei einigen der nahe unter ein- ander verwandten indischen Bachstelzen oder Motacillae. Mr. SwINHOE 5 s. dessen ausgezeichneten Aufsatz in dem Journal of the Asiatie Society of Bengal, Vol. XIX. 1850, p. 223; s. auch Jerdon, Birds of India. Vol. 1. Introduction p. XXIX. In Bezug auf Tanysiptera sagte Prof. Schlegel Mr. Blyth, dass er mehrere verschiedene Rassen unterscheiden könne und zwar allein durch Vergleichung der erwachsenen Männchen. Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 167 theilt mir mit ®, dass drei Species von Ardeola, einer Gattung der Reiher, welche einander auf verschiedenen Continenten vertreten, „in „der auffallendsten Weise verschieden“ sind, wenn sie mit ihren Som- merschmuckfedern geziert sind, dass sie aber nur schwer, wenn über- haupt, während des Winters von einander unterschieden werden können. Es sind die Jungen dieser drei Species gleichfalls in ihrem Jugend- gefieder den Erwachsenen in ihrem Winterkleide sehr ähnlich. Dieser Fall ist um so merkwürdiger, als in zwei andern Species von Ardeola beide Geschlechter während des Winters und des Sommers nahezu das- selbe Gefieder behalten, wie das ist, was die drei ersterwähnten Species während des Winters und in ihrem unreifen Alterszustande besitzen; und dieses Gefieder, welches mehreren verschiedenen Species auf ver- schiedenenen Altersstufen und zu verschiedenen Jahreszeiten gemeinsam zukommt, zeigt uns wahrscheinlich, wie der Urerzeuger der Gattung gefärbt war. In allen diesen Fällen ist es das Hochzeitsgefieder , von welchem wir annehmen können, dass es ursprünglich von den erwach- senen Männchen während der Paarungszeit erlangt und auf die Er-. wachsenen beider Geschlechter in der entsprechenden Jahreszeit vererbt und modifieirt worden ist, während das Winterkleid und das Gefieder der unreifen Jungen unverändert gelassen wurde. Es entsteht nun natürlich die Frage: woher kommt es, dass in diesen letzteren Fällen das Wintergefieder beider Geschlechter und in den zuerst erwähnten Fällen das Gefieder der erwachsenen Weibchen ebenso wie das unreife Gefieder der Jungen durchaus gar nicht beein- flusst worden ist? Diejenigen Species, welche einander in verschiede- nen Ländern vertreten, werden beinahe immer irgendwie etwas ver- schiedenen Bedingungen ausgesetzt worden sein; wir können aber .die Modification des Gefieders allein der Männchen kaum dieser Wir- kung zuschreiben, wenn wir sehen, dass die Weibchen und die Jungen, trotzdem sie in ähnlicher Weise denselben Bedingungen ausgesetzt gewe- sen sind, nicht affieirt wurden. Kaum irgend eine Thatsache in der Natur zeigt uns deutlicher, wie untergeordnet in ihrer Bedeutung die directe Wirkung der Lebensbedingungen ist im Vergleich mit der durch. na- türliche Zuchtwahl bewirkten Anhäufung unbestimmter Abänderungen, als die überraschende Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern vieler Vögel; denn beide Geschlechter müssen dieselbe Nahrung consumirt 6 s. auch Mr. Swinhoe in „Ibis“ July, 1863, p. 131, und einen früheren Aufsatz mit einem Auszuge einer Notiz von Mr. Blyth in: Ibis, Jan. 1861, p. 52. 168 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. haben und demselben Clima ausgesetzt gewesen sein. Nichtsdestowe- niger hindert uns nichts anzunehmen, dass im Laufe der Zeit neue Le- bensbedingungen irgend eine directe Wirkung hervorbringen können ; wir sehen nur, dass dies seiner Bedeutung nach den angehäuften Re- sultaten der Zuchtwahl untergeordnet ist. Wenn indessen eine Species in ein neues Land einwandert, — und dies muss ja der Bildung stell- vertretender Arten vorausgehen, — so werden die veränderten Bedingun- gen, welchen dieselbe beinahe immer ausgesetzt werden, Veranlassung sein, dass sie auch, einer weitverbreiteten Analogie nach zu urtheilen, einem gewissen Betrage fluctuirender Variabilität unterliegen werden. In diesem Falle wird die geschlechtliche Zuchtwahl, welche von einem im höchsten Grade der Veränderung ausgesetzten Elemente abhängt, nämlich von dem Geschmacke oder der Bewunderung des Weibchens, neue Far- benschattirungen oder andere Verschiedenheiten gefunden haben, auf welche sie wirken und welche sie anhäufen konnte; und da geschlechtliche Zucht- wahl beständig in Wirksamkeit ist, so würde es, — nach dem, was wir von den Resultaten der unbewussten Zuchtwahl seitens des Menschen in Bezug auf domestieirte Thiere wissen, — eine überraschende Thatsache sein, wenn Thiere, welche getrennte Bezirke bewohnen, welche sich nie- mals kreuzen und hierdurch ihre neuerlich erlangten Charactere ver- schmelzen können, nicht nach einem genügenden Zeitraume verschie- denartig modifieirt würden. Diese Bemerkungen beziehen sich in glei- cher Weise auf das Hochzeitskleid oder Sommergefieder, mag dasselbe nun auf das Männchen beschränkt oder beiden Geschlechtern eigen sein. Obgleich die Weibchen der obengenannten nahe mit einander ver- wandten Arten ebenso wie ihre Jungen kaum irgendwie von einander verschieden sind, so dass die Männchen allein unterschieden werden können, so weichen doch in den meisten Fällen die Weibchen der Spe- cies innerhalb eines und des nämlichen Genus offenbar von einander ab. Indessen sind die Verschiedenheiten selten so bedeutend wie die zwischen den Männchen. Wir sehen dies deutlich in der ganzen Fa- milie der Gallinaceen; so sind beispielsweise die Weibchen des gemeinen und des japanesischen Fasanen und besonders des Gold- und des Am- herst-Fasanen — vom Silberfasan und dem wilden Huhn — einander in der Farbe sehr ähnlich, während die Männchen in einem ausser- ordentlichen Grade von einander verschieden sind. Dasselbe ist auch bei den Weibchen der meisten Cotingiden, Fringilliden und vieler an- derer Familien der Fall. Es lässt sich in der That nicht daran zwei- Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 169 feln, dass, als allgemeine Regel, die Weibchen in einer geringeren Ausdehnung modifieirt worden sind als die Männchen. Einige wenige Vögel indessen bieten eine eigenthümliche und unerklärliche Ausnahme dar; so weichen die Weibchen von Paradisea apoda und P. papuana mehr von einander ab, als es ihre respeetiven Männchen thun ”; das Weibchen der letztern Species ist an der untern Körperfläche rein weiss, während das Weibchen der P. apoda unten tief braun ist. Ferner weichen, wie ich von Professor NEwron höre, die Männchen zweier Species von Oxynotus (Würger), welche einander auf den Inseln Mau- ritius und Bourbon ersetzen ®, nur wenig in der Farbe von einander ab, während die Weibchen sehr verschieden sind. Bei der Species von Bourbon scheint es, als ob das Weibchen zum Theil einen Jugend- zustand des Gefieders beibehalten hätte, denn auf den ersten Blick „möchte man dasselbe für das Junge der Species von Mauritius halten“. Diese Verschiedenheiten lassen sich mit denen vergleichen, welche un- abhängig von der Zuchtwahl durch den Menschen und für uns uner- klärbar bei gewissen Unterrassen des Kampfhuhns vorkommen, bei welchen die Weibchen sehr verschieden sind, während die Männchen kaum unterschieden werden können ®. Da ich nun die Verschiedenheiten zwischen den Männchen ver- wandter Arten in so grosser Ausdehnung durch geschlechtliche Zucht- wahl erkläre, wie lassen sich dann die Verschiedenheiten zwischen den Weibchen in allen gewöhnlichen Fällen erklären? Wir haben hier nicht nöthig, die zu verschiedenen Gattungen gehörigen Arten zu be- trachten ; denn bei diesen werden Anpassung an verschiedene Lebensweisen und andere Kräfte mit in’s Spiel gekommen sein. In Bezug auf die Verschiedenheiten zwischen den Weibchen innerhalb einer und der näm- lichen Gattung scheint es mir beinahe gewiss zu sein, dass die haupt- sächlich wirksame Kraft die in einem grösseren oder geringeren Grade eingetretene Uebertragung von Characteren auf das Weibchen gewe- sen ist, welche von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden waren. Bei den verschiedenen britischen Finkenarten weichen die Geschlechter entweder sehr unbedeutend oder beträchtlich ” Wallace, The Malay Archipelago. Vol. IH. 1869, p. 394. ® Es sind diese Species unter Beigabe colorirter Figuren von M. F. Pollen beschrieben in: Ibis, 1866, p. 275. 9 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, 8. 311. 170 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. I. Theil. von einander ab; und wenn wir die Weibchen des Grünfinken, Buch- finken, Stieglitz, Gimpel, Kreuzschnabel, Sperling u. s. w. vergleichen, so sehen wir, dass sie hauptsächlich in den Punkten von einander ver- schieden sind, in welchen sie zum Theile ihren respeetiven Männchen gleichen; und die Farben der Männchen können wir getrost der ge- schlechtlichen Zuchtwahl zuschreiben. - Bei vielen hühnerartigen Vögeln weichen die beiden Geschlechter in einem ganz ausserordentlichen Grade von .einander ab, so beim Pfau, beim Fasan, beim Huhn, während bei andern Species eine theilweise oder selbst vollständige Uebertragung von Characteren vom Männchen auf das Weibchen stattgefunden hat. Die Weibchen der verschiedenen Species von Polyplectron bieten in einem undentlichen Zustande, und hauptsächlich auf dem Schwanze, die prachtvollen Augenflecken ihrer Männchen dar. Das weibliche Reb- huhn weicht vom Männchen nur darin ab, dass der rothe Fleck auf seiner Brust kleiner ist, und die wilde Truthenne nur darin, dass ihre Farben viel trüber sind. Bei dem Perlhuhn sind die beiden Geschlech- ter nicht von einander zu unterscheiden. Es liegt in der Annahme nichts Unwahrscheinliches, dass das einfarbige, wenn auch eigenthüm- lich gefleekte Gefieder dieses letzten Vogels zunächst durch geschlecht- liche Zuchtwahl von den Männchen erlangt und dann auf beide 'Ge- schlechter überliefert worden ist; denn es ist nicht wesentlich von dem viel schöner gefleckten Gefieder verschieden, welches allein für das Männchen des Tragopan-Fasanen characteristisch ist. Es ist zu beachten, dass in manchen Fällen diese Uebertragung der Charaetere von dem Männchen auf das Weibchen allem Anscheine nach in einer weit zurückliegenden Zeit bewirkt worden ist, wonach später das Männchen bedeutenden Abänderungen unterlegen ist, ohne irgend welche seiner später erlangten Charactere auf das Weibchen zu übertragen. So sind z. B. das Weibchen und die Jungen des Birkhuhns (Tetrao tetrix) den beiden Geschlechtern und den Jungen des Moor- huhns, T. scoticus, ziemlich ähnlich; und wir können in Folge hiervon schliessen, dass das Birkhuhn von irgend einer alten Species abstammt, bei welcher beide Geschlechter in nahezu derselben Weise gefärbt waren, wie das Moorhuhn. Da beide Geschlechter dieser letzteren Species während der Paarungszeit deutlicher gestreift sind, als zu irgend einer andern Zeit, und da das Männchen unbedeutend in seinen schärfer aus- gesprochenen rothen und braunen Tönen abweicht !P, so können wir h 10 Maegillivr ay, History of British Birds. Vol. I, p. 172—174. Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 171 folgern, dass sein Gefieder wenigstens in einer gewissen Ausdehnung von geschlechtlicher Zuchtwahl beeinflusst worden ist. Ist dies der Fall gewesen, so können wir weiter schliessen, dass das nahezu ähnliche Gefieder des weiblichen Birkhuhns in einer früheren Periode auf ähn- liche Weise entstanden ist. Seit dieser Zeit aber hat das männliche Birkhuhn sein schönes schwarzes Gefieder und seine gegabelten und nach aussen gekräuselten Schwanzfedern erhalten; es ist aber kaum irgend eine Uebertragung dieser Charactere auf das Weibchen einge- treten, ausgenommen dass dasselbe an seinem Schwanze eine Spur der gekrümmten Gabelung zeigt. Wir können daher schliessen, dass das Gefieder der Weibchen ver- schiedener, wenn auch verwandter Arten oft dadurch mehr oder weniger verschieden geworden ist, dass Charactere, welche sowohl in früheren als in neueren Zeiten von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden, in verschiedenen Graden übertragen worden sind. Es verdient indessen besondere Aufmerksamkeit, dass brillante Färbungen viel seltener übertragen worden sind, als andere Farbentöne. So hat z. B. das Männchen des Blaukehlchens (Cyanecula swecica) eine reich- blaue Oberbrust, mit einem schwach dreieckigen rothen Flecke; nun sind Zeichnungen von annähernd derselben Form auf das Weibchen übertragen worden, der mittlere Fleck ist aber röthlichbraun statt roth und wird von gefleckten anstatt von blauen Federn umgeben. Die hüh- nerartigen Vögel bieten viele analoge Fälle dar; denn keine von den- jenigen Arten, so die Rebhühner, Wachteln, Perlhühner u. s. w., bei welchen die Farben des Gefieders in hohem Grade vom Männchen auf das Weibchen übertragen worden sind, ist brillant gefärbt. Dies erläutern die Fasanen sehr gut, bei welchen das Männchen allgemein so viel bril- lanter ist als das Weibchen; aber bei dem Ohrenfasan und dem Wal- lich'schen (Crossoptilon auritum und Phasianus Wallichii) sind die Ge- schlechter einander sehr ähnlich und ihre Färbungen sind trüb. Wir können selbst soweit gehen anzunehmen, dass, wenn irgend ein Theil des Gefieders dieser beiden Fasanen brillant gefärbt gewesen wäre, dies nicht auf die Weibchen übertragen worden wäre. Diese That- sachen unterstützen nachdrücklich die Ansicht von Mr. WALLACE, dass bei Vögeln, welche während der Zeit des Nistens viel Gefahren ausge- setzt sind, die Uebertragung heller Farben vom Männchen auf das Weibchen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden ist. Wir dür- fen indessen nicht vergessen, dass eine andere früher mitgetheilte Er- 172 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. klärung möglich ist: das nämlich diejenigen Männchen, welche variir- ten und hell gefärbt wurden, so lang sie jung und unerfahren waren, grosser Gefahr ausgesetzt gewesen und wohl meist zerstört worden sind; wenn auf der andern Seite die älteren und vorsichtigeren Männchen in gleicher Weise variirten, so werden diese nicht bloss im Stande ge- wesen sein, leben zu bleiben, sondern werden auch bei ihrer Coneurrenz mit andern Männchen begünstigt gewesen sein. Variationen nun, welche spät im Leben auftreten, neigen dazu, ausschliesslich auf dasselbe Ge- schlecht übertragen zu werden, so dass in diesem Falle äusserst glän- zende Färbungen nicht auf die Weibchen übertragen worden sein wür- den. Auf der andern Seite wären Zierathen einer weniger augenfälligen Art, solche wie sie der Ohren- und Wallichs-Fasan besitzen, nicht ge- fährlich gewesen nnd wenn sie in früher Jugend erschienen, würden sie allgemein auf beide Geschlechter überliefert worden sein. Ausser den Wirkungen einer theilweisen Uebertragung der Charac- tere von den Männchen auf die Weibchen, können einige der Verschie- denheiten zwischen den Weibchen nahe verwandter Species auch der direeten oder bestimmten Wirkung der Lebensbedingungen zugeschrieben werden '!, Bei den Männchen wird eine jede derartige Wirkung durch die brillanten, in Folge von geschlechtlicher Zuchtwahl erlangten Far- ben maskirt worden sein; aber nicht so bei den Weibehen. Jede der endlosen Verschiedenheiten im Gefieder, welche wir bei unsern dome- sticirten Vögeln sehen, ist natürlich das Resultat irgend einer bestimm- ten Ursache; und unter natürlichen und gleichförmigeren Bedingungen wird irgend eine gewisse Färbung, vorausgesetzt, dass sie in keiner Weise nachtheilig ist, beinahe sicher früher oder später vorherrschen. Die reichliche Kreuzung der vielen zu einer und derselben Species ge- hörenden Individuen wird am Ende dahin streben, jede hierdurch ver- anlasste Veränderung in der Farbe dem Character nach gleichförmig zu machen. Es zweifelt Niemand daran, dass bei vielen Vögeln die Färbung beider Geschlechter zum Zwecke des Schutzes den Umgebungen ange- passt ist; und es ist möglich, dass bei einigen Arten allein die Weib- chen in dieser Weise modifieirt worden sind. Obschon es ein schwie- riger und, wie im letzten Capitel gezeigt wurde, vielleicht unmöglicher Process sein würde, durch Zuchtwahl die eine Form der Ueberlieferung Il g. über diesen Gegenstand das 23. Capitel in dem Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Cap. 13. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 173 in die andere zu verwandeln, so dürfte doch nicht die geringste Schwie- rigkeit vorhanden sein, die Farben der Weibchen unabhängig von denen des Männchens dadurch umgebenden Gegenständen anzupassen, dass Abänderungen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren, gehäuft wurden. Wären die Abänderungen nicht in dieser Art beschränkt, so würden die hellen Farben des Männchens verkümmert oder zerstört werden. Ob allein die Weibchen vieler Species in dieser Weise speciell modifieirt worden sind, ist gegenwärtig noch sehr zweifelhaft. Ich wünschte, Mr. War- LACE der ganzen Ausdehnung nach folgen zu können; denn seine An- nahme würde einige Schwierigkeiten beseitigen. Eine jede Abänderung welche für das Weibchen von keinem Nutzen wäre als Schutzmittel, würde sofort wieder fehlschlagen, statt einfach dadurch verloren zu gehen, dass sie bei der Zuchtwahl nicht berücksichtigt würde, oder dass sie in Folge der reichlichen Kreuzung verloren gienge, oder dass sie eliminirt werden würde, wenn sie auf das Männchen übertragen und diesem in irgend welcher Art schädlich wäre. So würde das Gefieder des Weibchens in seinem Character constant erhalten werden. Es wäre gleichfalls eine Erleichterung, wenn wir annehmen könnten, dass die dunkleren Färbungen beider Geschlechter bei vielen Vögeln zum Zwecke des Schutzes erlangt und bewahrt worden wären, — so z.B. bei dem Graukehlchen und dem Zaunkönig (Accentor modularis und Troglodytes vulgaris), — in Bezug auf welche Erscheinung wir für die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl nicht hinreichende Beweise haben. Wir sollten indessen in Bezug auf die Folgerung, dass Färbungen, welche uns trübe erscheinen, auch den Weibchen gewisser Species nicht anziehend sind, vorsichtig sein; wir sollten derartige Fälle im Sinne behalten, wie den gemeinen Haussperling, bei welchem das Männchen bedeutend vom Weibchen abweicht, aber keine hellen Farbentöne darbietet. Wahrscheinlich wird Niemand bestreiten wollen, dass viele hühnerartige Vögel, welche auf offenem Grunde leben, ihre jetzigen Färbungen wenigstens zum Theile als Schutzmittel erlangt haben. Wir wissen, wie gut sie durch dieselben sich verbergen können ; wir wissen dass Schneehühner, während sie ihr Wintergefieder in das Sommerkleid umwandeln, die ja beide für sie protectiv sind, bedeutend durch Raubvögel leiden. Können wir aber wohl annehmen, dass die sehr unbedeutenden Verschiedenheiten in den Farbennuancen und Zeich- nungen z. B. zwischen dem weiblichen Birkhuhn und Moorhuhn als 174 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. TI. Theil. Schutzmittel dienen? Sind Rebhühner, so wie sie jetzt gefärbt sind, besser geschützt, als wenn sie Wachteln ähnlich geworden wären ? Dienen die unbedeutenden Verschiedenheiten zwischen den Weibchen des gemeinen Fasanen, des Japanesischen und Gold-Fasanen zum Schutze oder hätte ihr Gefieder nicht ohne weitern Nachtheil vertauscht werden können? Nach dem, was Mr. WarracE von der Lebensweise gewisser hühnerartiger Vögel des östlichen Asiens beobachtet hat, glaubte er, dass solche geringe Verschiedenheiten wohlthätig sind. Was mich be- trifft, so will ich nur sagen, dass ich nicht überzeugt bin. Als ich früher noch geneigt war, ein grosses Gewicht auf das Prineip des Schutzes zu legen, als Erklärungsgrund der weniger hellen Farben weiblicher Vögel, kam mir der Gedanke, dass möglicherweise ursprünglich beide Geschlechter und die Jungen in gleichem Grade hell gefärbt gewesen sein könnten, dass aber später die Weibchen wegen der während der Brütezeit erwachsenen Gefahr und die Jungen wegen ihrer Unerfahrenheit behufs eines Schutzes dunkler geworden seien. Diese Ansicht wird aber durch keine Beweise unterstützt und ist nicht wahr- scheinlich; denn wir setzen damit in unserer Vorstellung die Weibchen und die Jungen während vergangener Zeiten Gefahren aus, vor denen die modificirten Nachkommen derselben zu schützen sich später als nothwendig herausgestellt hätte. Wir haben auch durch einen allmäh- lichen Process der Zuchtwahl die Weibchen und die Jungen auf bei- nahe genau dieselben Färbungen und Zeichnungen zurückzuführen und diese auf das entsprechende Geschlecht und Lebensalter zu überliefern. Es ist auch eine etwas befremdende Thatsache, — unter der Annahme, dass die Weibchen ‚und die Jungen während einer jeden Stufe des Mo- dificationsprocesses eine Neigung gezeigt hätten, so hell gefärbt zu wer- den wie die Männchen —, dass die Weibchen niemals dunkel gefärbt worden sind ohne dass gleichzeitig auch die Jungen an dieser Verän- derung Theil genommen haben: denn soviel ich ermitteln kann, liegen keine Fälle vor von Species, bei denen die Weibchen trüber gefärbt, die Jungen dagegen hell gefärbt sind. Eine theilweise Ausnahme hier- von bieten indessen die Jungen gewisser Spechte dar, denn- sie haben „den ganzen obern Theil des Kopfes mit Roth gefärbt“, welches sich später entweder bei den Erwachsenen beider Geschlechter zu einer ein- fachen kreisförmigen rothen Linie vermindert oder bei den erwachsenen Weibchen vollständig verschwindet !?. FR Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 193. Macgilliv ray, Hi- Cap 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 175 Was endlich die vorliegende Classe von Fällen betrifft, so scheint die wahrscheinlichste Ansicht die zu sein, dass aufeinanderfolgende Ab- änderungen in dem Glanze oder in andern ornamentalen Characteren, welche bei den Männchen zu einer im Ganzen spätern Lebensperiode, auftraten, allein erhalten worden sind, und dass die meisten oder sämmt- liche dieser Abänderungen in Folge der späten Lebensperiode, in wel- cher sie erschienen, von Anfang an nur auf die erwachsenen männlichen Nachkommen überliefert worden sind. Eine jede Abänderung in der Helligkeit, welche bei den Weibchen oder bei den Jungen auftrat, würde für diese von keinem Nutzen gewesen und nicht bei der Nach- zucht besonders gewählt worden sein, sie würde überdies, wäre sie ge- fährlich gewesen, beseitigt worden sein. In dieser Weise werden daher die Weibchen und die Jungen entweder nicht modificirt werden, oder, und dies ist um Vieles häufiger vorgekommen, sie werden zum Theil durch Uebertragung einiger der bei den Männchen aufeinander erschei- nenden Abänderungen modifieirt worden sein. Auf beide Geschlechter haben vielleicht die Lebensbedingungen, welchen sie lange ausgesetzt gewesen waren, direct eingewirkt; da aber die Weibehen nicht auch noch anderweitig modificirt worden sind, werden diese alle Folgen der- artiger Einwirkungen am besten darbieten. Diese Veränderungen wer- den wie alle andern durch die reichliche Kreuzung vieler Individuen gleichförmig erhalten worden sein. In einigen Fällen, besonders bei Bodenvögeln können auch die Weibchen und die Jungen unabhängig von den Männchen möglicherweise zum Zwecke des Schutzes modifieirt wor- den sein, so dass sie das nämliche trübe Gefieder erlangt haben. 2. Classe. Wenn das erwachsene Weibchen in die Augen fallender ist, als das erwachsene Männchen, so sind die Jun- gen beider Geschlechter in ihrem ersten Gefieder dem er- wachsenen Männchen ähnlich. Diese Classe enthält gerade die umgekehrten Fälle im Vergleich mit denen der vorigen, denn hier sind die Weibchen heller gefärbt oder mehr in die Augen fallend als die Männ- chen, und die Jungen sind, so weit man sie kennt, den erwachsenen Männchen ähnlich, statt den erwachsenen Weibchen zu gleichen. Die Ver- schiedenheit zwischen den Geschlechtern ist indess niemals so gross wie es bei vielen Vögeln in der ersten Classe vorkommt, und die Fälle sind story of British Birds. Vol. TII, p. 85. s. auch den oben angeführten Fall von Indopicus Carlottae. 2 176 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. auch vergleichsweise selten. Mr. WArtAcE, welcher zuerst die Auf- merksamkeit auf die eigenthümliche Beziehung lenkte, welche zwischen den weniger hellen Farben der Männchen und der von ihnen ausgeüb- ten Pflichten des Brütens besteht, legt auf diesen Punkt ein grosses Gewicht 13 als einen entscheidenden Beweis dafür, dass dunklere Far- ben zum Zwecke des Schutzes während der Nidificationsperiode erlangt worden sind. Eine davon verschiedene Ansicht scheint mir wahrschein- licher zu sein. Da die Fälle merkwürdig und nicht zahlreich sind, will ich alle hier anführen, welche ich zu finden im Stande war. In einer Abtheilung der Gattung Turnix (wachtelartige Vögel) ist das Weibchen ausnahmslos grösser als das Männchen (in einer der australischen Arten ist es nahezu zweimal so gross) und dies ist bei den hühnerartigen Vögeln ein ungewöhnlicher Umstand. In den meisten Species ist das Weibchen entschiedener gefärbt und heller als das Männ- chen !#, in einigen wenigen Arten sind indessen die Geschlechter ein- ander gleich. Bei Turnix taigoor aus Indien „fehlt dem Männchen „das Schwarz an der Kehle und dem Halse und der ganze Färbungs- „ton des Gefieders ist heller und weniger ausgesprochen als der des „Weibchens.* Das Weibchen erscheint lauter und ist sicher viel kampf- süchtiger als das Männchen; so dass die Weibchen, und nicht die Männchen, häufig von den Eingebornen zum Kämpfen gehalten werden wie Kampfhähne. Wie von englischen Vogelfängern männliche Vögel in der Nähe einer Falle als Lockvögel aufgestellt werden, um andere Männchen durch Erregung ihrer Eifersucht zu fangen, so werden in Indien die Weibchen dieser Turnix verwandt. Sind die Weibchen in dieser Weise aufgestellt, so beginnen sie sehr bald „ihren lauten schnur- „renden Lockruf ertönen zu lassen, welcher eine bedeutende Entfernung „weit gehört werden kann, und alle Weibchen im Bereich der Hörbar- „keit dieses Rufes laufen eiligst nach der Stelle hin und beginnen mit „dem gefangenen Vogel zu kämpfen.“ Auf diese Weise können von zwölf bis zwanzig Vögel, sämmtlich brütende Weibchen, im Laufe eines einzigen Tages gefangen werden. Die Eingebornen behaupten, dass die 13 Westminster Review, July, 1867, und A. Murray, Journal of Travel, 1868, p. 83. 14 Wegen der australischen Arten s. Gould, Handbook to the Birds of Au- stralia. Vol. II, p. 178, 180, 186 und 188. An den Exemplaren der Trappen- wachtel (Pedionomus torquatus) im Britischen Museum lassen sich ähnliche ge- schlechtliche Verschiedenheiten erkennen. Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Männchen. 177 Weibchen, nachdem sie die Eier gelegt haben, sich in Heerden ver- sammeln und es den Männchen überlassen, die Eier auszubrüten. Es ist kein Grund vorhanden, diese Behauptungen zu bezweifeln, welche durch einige von Mr. SwinHoE in China gemachte Beobachtungen unterstützt wird 9. Mr. Bryra glaubt, dass die Jungen beider Geschlechter den erwachsenen Männchen ähnlich sind. Die Weibchen der drei Arten von Goldschnepfen (Rhynchaea) „sind „nicht grösser aber viel reicher gefärbt als die Männchen“ 16, Bei allen übrigen Vögeln, bei welchen die Luftröhre ihrer Structur nach in den beiden Geschlechtern verschieden ist, ist sie bei den Männchen entwickelter und complicirter als bei den Weibchen; aber bei der Rhyn- chaea australis ist sie beim Männchen einfach, während sie beim Weib- chen vier besondere Windungen beschreibt, ehe sie in die Lungen ein- tritt 17. Es hat daher das Weibchen dieser Species einen eminent männlichen Character erhalten. Mr. Bryr# hat durch Untersuchung vieler Exemplare ermittelt, dass bei Rh. bengalensis, welche Species der Rh. australis so ähnlich ist, dass sie mit Ausnahme ihrer kürzeren Zehen kaum von ihr unterschieden werden kann, die Luftröhre in keinem der beiden Geschlechter gewunden ist. Diese Thatsache bietet ein weiteres auffallendes Beispiel für das Gesetz dar, dass secundäre Se- xualcharactere oft bei nahe verwandten Formen weit von einander ver- schieden sind, obschon es ein sehr seltener Umstand ist, wenn sich der- artige Verschiedenheiten auf das weibliche Geschlecht beziehen. Es wird angegeben, dass die Jungen beider Geschlechter von Rh. benga- lensis in ihrem ersten Gefieder den erwachsenan Männchen ähnlich sind 1. Es ist auch Grund zur Annahme vorhanden, dass das Männ- chen die Pflicht des Ausbrütens auf sich nimmt; denn Mr. SwınHok !9 fand die Weibchen vor Ende des Sommers zu Heerden versammelt, wie es mit den Weibchen von Turniz vorkommt. Die Weibchen von Phalaropus fulicarius und Ph. hyperboreus sind grösser und in ihrem Sommergefieder „lebhafter in ihrer Erscheinung „als die Männchen“. Doch ist die Verschiedenheit in der Farbe zwi- 15 Jerdon, Birds of India. Vol. II, p. 596. Mr. Swinhoe in: Ibis. 1865, p. 542; 1866, p. 131, 405. 16 Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 677. 17 Gould’s, Handbook to the Birds of Australia. Vol. II, p. 275. 18 The Indian Field, Sept. 1858, p. 3. 19 Ibis, 1866, p. 298. DARWwıIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 12 178 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. schen den Geschlechtern durchaus nieht augenfällig. Nur das Männchen von Ph. fulicarius übernimmt nach Professor STEENSTRUP die Verpflich- tung des Brütens, wie es sich auch durch den Zustand seiner Brust- ————_ = ll] —SSS/) an u U —/ N; 7, ss Sam Fig. 60. Khynchaea capensis (aus Brehm, Thierleben.) federn während der Brütezeit ergibt. Das Weibchen des Morinell- Regenpfeifers (Eudromius morinellus) ist grösser als das Männchen, und die rothen und schwarzen Farbentöne auf der untern Fläche, der weisse halbmondförmige Fleck auf der Brust und die Streifen oberhalb der Augen sind bei ihm stärker ausgesprochen. Auch nimmt das Männchen wenigstens am Ausbrüten der Eier Theil; aber auch das n Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Männchen. 179 Weibcheu sorgt für die Jungen ?°. Ich bin nicht im Stande gewesen zu ermitteln, ob bei diesen Arten die Jungen den erwachsenen Männ- chen in bedeutenderem Grade ähnlich sind, als den erwachsenen Weib- chen; denn die Vergleichung ist wegen der doppelten Mauserung etwäs schwierig anzustellen. Wenden wir uns nun zu der Ordnung der Strausse: Jedermann würde das Männchen des gemeinen Casuars (Casuarius galeatus) für das Weibchen zu halten geneigt sein, da es kleiner ist und die An- hänge und die nackten Hautstellen am Kopfe viel weniger hell gefärbt sind; auch hat mir Mr. BArTLETT mitgetheilt, dass es im zoologischen Garten sicher allein das Männchen ist, welches auf den Eiern sitzt und die Sorge um .die Jungen übernimmt ?!. Mr. T. W. Woop gibt an 22, dass das Weibchen während der Paarungszeit von ausserordentlich kampfsüchtiger Disposition ist; seine Fleischlappen werden dann ver- grössert und brillanter gefärbt. Ferner ist das Weibchen von einem der Emus (Dromaeus irroratus) beträchtlich grösser als das Männchen und besitzt einen unbedeutenden Federbusch, ist aber in anderer Weise im Gefieder nicht zu unterscheiden. Allem Anscheine nach besitzt es indessen, „wenn es geärgert oder sonstwie gereizt wird, stärker das „Vermögen, wie ein Truthahn die Federn an seinem Halse und seiner „Brust aufzurichten. Es ist gewöhnlich muthiger und zanksüchtiger. „Es stösst einen tiefen, hohlen, gutturalen Ton aus, besonders zur Nacht- „zeit, welcher wie ein kleiner Gong klingt. Das Männchen hat einen „schlankereren Bau und ist gelehriger, hat auch keine Stimme ausser „einem unterdrückten Zischen oder Knurren, wenn es ärgerlich ist*. Es übt nicht nur die gesammten Pflichten der Brütung aus, son- 20 In Bezug auf diese verschiedenen Angaben s. Gould, Birds of Great Bri- tain. Professor Newton theilt mir mit, er sei nach seinen eigenen Beobach- tungen wie nach denen Anderer schon lange überzeugt gewesen, dass die Männ- chen der oben genannten Species entweder zum T'heil oder vollständig die Pflicht der Bebrütung auf sich nehmen und „dass sie im Falle einer Gefahr eine viel „grössere Hingabe an ihre Jungen zeigen als es die Weibchen thun“. So ist es auch, wie er mir mittheilt, mit der Limosa lapponica und einigen wenigen andern Wadvögeln der Fall, bei welchen die Weibchen grösser sind und viel schärfer contrastirende Farben besitzen als die Männchen. 2! Die Eingeborenen von Ceram behaupten (Wallace, Malay Archipelago, Vol. II, p. 150), dass das Männchen und das Weibchen abwechselnd auf den Eiern sitzen; diese Angabe ist aber, wie Mr. Bartlett glaubt, so zu erklären, dass das Weibchen das Nest besucht, um seine Eier abzulegen. 22 The Student, April, 1370, p. 124. 12 * 180 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. dern hat auch die Jungen gegen ihre Mutter zu vertheidigen; „denn „sobald diese ihre Nachkommenschaft erblickt, wird sie heftig erregt „und scheint trotz des Widerstandes des Vaters ihre äusserste Kraft „anzustrengen, sie zu zerstören. Monate lang nachher ist es nicht „gerathen, die Eltern zusammenzubringen, heftige Kämpfe sind das un- „vermeidliche Resultat, aus denen meist das Weibchen als Sieger her- „vorgeht“ 23. Wir haben daher bei diesem Emu eine vollständige Um- kehrung nicht bloss der elterlichen und Brüte-Instincete, sondern auch der gewöhnlichen moralischen Eigenschaften der beiden Geschlechter ; die Weibchen sind wild, zanksjchtig und lärmend, die Männchen sanft und gut. Beim afrikanischen Strauss verhält sich der Fall sehr ver- schieden, denn hier ist das Männchen etwas grösser als das Weibchen und hat schönere Schmuckfedern mit schärfer contrastirenden Farben ; nichtsdestoweniger übernimmt dasselbe vollständig die Pflicht des Brü- tens:?®, Ich will noch die andern mir bekannten Fälle anführen, wo das Weibchen augenfälliger gefärbt ist, als das Männchen, obschon über ihre Art des Brütens nichts bekannt ist. Bei dem Geierbussard der Falkland-Inseln (Milvago leucurus) war ich sehr überrascht bei der Zergliederung zu finden, dass die Individuen, welche stärker ausgespro- chene Färbungen zeigten und deren Wachshaut und Beine orange ge- färbt waren, die erwachsenen Weibchen waren, während diejenigen mit trüberem Gefieder und grauen Beinen die Männchen oder die Jungen waren. Bei einem australischen Baumläufer (Climacteris eryihrops) weicht das Weibchen darin vom Männchen ab, das es „mit schönen „strahlenförmigen röthlichen Zeichnungen an der Kehle geschmückt ist, „während beim Männchen diese Theile völlig gleiehfarbig sind“. End- lich übertrifft bei einem australischen Ziegenmelker „das Weibchen „immer das Männchen an Grösse und an dem Glanze der Färbung; „andererseits haben die Männchen zwei weisse Flecke auf den Schwin- „gen erster Ordnung augenfälliger entwickelt als die, Weibchen“ 2°. 23 5, die ausgezeichnete Beschreibung der Lebensweise dieses Vogels in der Gefangenschaft von Mr. A. W. Bennett, in: Land and Water, May 1868, p. 233. 22 Sclater, über das Brüten der straussartigen Vögel, in: Proceed. Zool. Soc. June 9, 1863. 25 In Bezug auf den Milvago s. Zoology of the Voyage of the Beagle. Birds, 1841, p. 16. Wegen der Olimacteris und des Ziegenmelkers (Eurostopodus) s. Gould, Handbook of the Birds of Australia, Vol. I, p. 602 und 97. Die Neu- Seeländische Brandente (Tadorna variegata) bietet einen völlig anomalen Fall Cap. 16. Die Jungen gleichen den erwachsenen Männchen. 181 Wir sehen hieraus, dass die Fälle, in denen die’ weiblichen Vögel auffallender gefärbt sind als die Männchen und wo die Jungen in ihrem unreifen Gefieder den erwachsenen Männchen, anstatt wie in der vor- hergehenden Classe den erwachsenen Weibchen, gleichen, nieht zahlreich ‚sind, obschon sie sich auf verschiedene Ordnungen vertheilen. Auch ist der Betrag an Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern unvergleich- lich geringer als wie er häufig in der letzten Classe auftritt, so dass die Ursache der Verschiedenheit, was dieselbe auch gewesen sein mag, in der gegenwärtigen Classe weniger energisch oder weniger ausdauernd auf die Weibehen eingewirkt hat, als in der letzten Classe ‚auf die Männchen. Mr. WarrAcE glaubt, dass die Färbungen der Männchen während der Bebrütungszeit zum Zwecke des Schutzes weniger augen- fällig geworden sind; die Verschiedenheit zwischen den Gesthlechtern scheint aber bei kaum einem der vorstehend erwähnten Fälle hinrei- chend gross zu sein, um diese Ansicht mit Sicherheit annehmen zu können. In einigen dieser Fälle sind die helleren Farbentöne des Weib- chens beinahe ganz auf die untere Körperfläche beschränkt und wenn die Männchen in dieser Weise gefärbt wären, so würden sie während des Sitzens auf den Eiern keiner Gefahr ausgesetzt gewesen sein. Man muss auch im Auge behalten, dass die Männchen nicht bloss in einem unbedeutenden Grade weniger auffallend gefärbt sind als die Weibchen, sondern auch von geringerer Grösse sind und weniger Kraft haben. Sie haben indessen nicht bloss den mütterlichen Instinet des Brütens erlangt, sondern sind auch weniger kampflustig und laut als die Weib- chen und haben in einem Falle auch einfachere Stimmorgane. Es ist also eine beinahe vollständige Vertauschung der Instincte, Gewohnhei- dar; der Kopf des Weibchens ist rein weiss und sein Rücken ist röther als der des Männchens; der Kopf des Männchens ist von einer kräftigen dunkelbronze- nen Farbe und sein Rücken ist mit schön gestrichelten schieferfarbigen Federn bedeckt, so dass es durchaus als das Schönere von den beiden betrachtet wer- den kann. Es ist grösser und kampfsüchtiger als das Weibchen und sitzt nicht auf den Eiern. Es kommt daher in allen diesen Beziehungen diese Species un- ter unsere erste Classe von Fällen. Mr. Selater war aber sehr überrascht zu beobachten (Proceed. Zoolog. Soc. 1866, p. 150), dass die Jungen beider Geschlechter, wenn sie ungefähr drei Monate alt sind, in ihren dunklen Köpfen und Hälsen den erwachsenen Männchen ähnlich sind, statt es den erwachsenen Weibchen zu sein; so dass es in diesem Falle scheinen möchte, als wären die Weibchen mo- difieirt worden, während die Männchen und Jungen einen frühern Zustand des Gefieders behalten haben. {89 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. ll. Theil. - ten, Disposition, Farbe, Grösse und einiger Struetureigenthümlichkeiten zwischen den beiden Geschlechtern eingetreten. Wenn wir nun annehmen können, dass die Männchen in der vor- liegenden Classe etwas von jener Begierde verloren haben, welche ihrem Geschlechte sonst eigen ist, so dass sie nun nicht länger die Weibchen aufsuchen; oder wenn wir annehmen können, dass die Weibchen viel zahlreicher geworden sind, als die Männchen — und in Bezug auf eine indische Art von Turnix wird angegeben, dass man „die Weibchen viel „gewöhnlicher trifft, als die Männchen“ ?° —, dann ist es nicht un- wahrscheinlich, dass die Weibchen dazu gebracht wurden, den Männ- chen den Hof zu machen anstatt von diesen umworben zu werden. Dies ist in der That in einer gewissen Ausdehnung bei einigen Vögeln der Fall, wie wir es bei der Pfauhenne, dem wilden Truthuhn und ge- wissen Arten von Waldhühnern gesehen haben. Nehmen wir die Ge- wohnheiten der meisten männlichen Vögel als Maassstab der Beurthei- lung, so muss die bedeutendere Grösse und Kraft und die ausseror- dentliche Kampfsucht der Weibchen der Turnix und der Emus die Be- deutung haben, dass sie versuchen rivalisirende Weibchen fortzutreiben, um in den Besitz des Männchens zu gelangen; und nach dieser Ansicht werden alle Thatsachen verständlich; denn die Männchen werden wahr- scheinlich von denjenigen Weibchen bezaubert oder gereizt werden, welche für sie durch ihre helleren Farben, andere Zierathen oder Stimm- kräfte die anziehendsten waren. Dann würde nun bald auch geschlecht- liche Zuchtwahl ihr Werk verrichten und stetig die Anziehungsreize der Weibchen vermehren, während die Männchen und die Jungen durch- aus gar nicht oder nur wenig modificirt werden. 3. Classe. Wenn das erwachsene Männchen dem erwach- senen Weibchen ähnlich ist, so haben die Jungen beider Ge- schlechter ein ihnen besonders zukommendes eigenthüm- liches Gefieder. — In dieser Classe gleichen beide Geschlechter einander, wenn sie erwachsen sind, und sind von den Jungen verschie- den. Dies kommt bei vielen Vögeln vieler Arten vor. Das männliche Rothkehlchen kann kaum vom Weibchen unterschieden werden, die Jungen aber sind mit ihrem trüb-olivenfarbenen und braunen Gefieder weit von ihnen verschieden. Das Männchen und Weibchen des pracht- vollen seharlachrothen Ibis sind gleich, während die Jungen braun ge- 26 Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 598. Cap. 16. Die Jungen gleichen beiden Erwachsenen. | 183 färbt sind; und obgleich die Scharlachfarbe beiden Geschlechtern gemein- sam zukommt, so ist sie doch allem Anscheine nach ein sexueller Cha- racter; denn bei Vögeln in der Gefangenschaft entwickelt sie sich nicht gut, in derselben Weise wie es mit der brillanten Färbung männlicher Vögel häufig eintritt. Bei vielen Arten von Reihern sind die Jungen bedeu- tend von den Erwachsenen verschieden, und obschon ihr Sommergefieder beiden Geschlechtern gemeinsam ist, so hat es doch entschieden einen hoch- zeitlichen Character. Junge Schwäne sind schiefergau, während die reifen Vögel rein weiss sind; es würde aber überflüssig sein, noch weitere Bei- spiele hier hinzuzufügen. Diese Verschiedenheiten zwischen den Jungen und den Alten hängen wie in den letzten zwei Classen allem Anscheine nach davon ab, dass die Jungen einen früheren oder alten Zustand des Gefieders beibehalten haben, welcher von den Alten beiderlei Geschlechts gegen ein neues Gefieder ausgetauscht worden ist. Wenn die Erwach- senen hell gefärbt sind, so können wir aus den soeben in Bezug auf den scharlachenen Ibis und viele Reiher gemachten Bemerkungen und aus der Analogie mit den Species der ersten Classe schliessen, dass derartige Farben von den nahezu geschlechtsreifen Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, dass aber verschieden von dem, was in den beiden ersten Classen vorkommt, die Ueberlieferung zwar wohl auf das- selbe Alter, aber nicht auf dasselbe Geschlecht beschränkt worden ist. In Folge dessen gleichen beide Geschlechter einander, wenn sie erwachsen sind, und weichen dann von den Jungen ab. 4. Classe. Wenn das erwachsene Männchen dem erwach- senen Weibchen ähnlich ist, so sind die Jungen beiderlei Geschlechts in ihrem ersten Federkleide den Erwachsenen ähnlich. — In dieser Classe gleichen die Jungen und die Erwachsenen beider Geschlechter einander, mögen sie nun brillant oder düster gefärbt sein. Derartige Fälle sind meiner Meinung nach häufiger als die der letzten Classe. Wir haben in England Beispiele hiervon beim Eisvogel, bei einigen Spechten, bei dem Eichelhäher, der Elster, Krähe und vielen kleinen trübe gefärbten Vögeln, wie dem Graukehlchen oder dem Zaunkönig. Die Aehnlichkeit im Gefieder zwischen den Jungen und Alten ist aber niemals absolut vollständig, sie verschwindet allmählich bis zur Un- ähnlichkeit. So sind die Jungen von einigen Gliedern der Familie der Eisvögel nicht bloss weniger lebhaft gefärbt als die Erwachsenen, son- dern viele von den Federn der untern Körperfläche sind mit Braun 184 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. gerändert 2” — wahrscheinlich eine Spur eines früheren Zustandes des Gefieders. Die Jungen mancher Vögel sind häufig in derselben Gruppe von Vögeln, selbst innerhalb einer und der nämlichen Gattung, wie . B. in einer australischen Gattung von Papageien (Platycercus), den Eltern beiderlei Geschlechts sehr ähnlich, während die Jungen anderer Species innerhalb derselben Gruppen von den Erzeugern, welche einan- der gleich sind, beträchtlich verschieden sind ”®. Beide Geschlechter und die Jungen des gemeinen Eichelhähers sind einander sehr ähnlich; aber beim canadischen Häher (Perisoreus canadensis) sind die Jungen von ihren Eltern so verschieden, dass sie früher als verschiedene Species beschrieben wurden ?°. Ehe ich weiter gehe will ich bemerken, dass die in dieser und den zwei nächsten Classen zusammengebrachten Thatsachen so complexer Natur und die Schlussfolgerungen so zweifelhaft sind, dass Jeder, wel- cher nicht ein specielles Interesse an dem Gegenstande nimmt, sie lieber überschlagen mag. Die brillanten oder auffallenden Färbungen, welche viele Vögel in der vorliegenden Classe characterisiren, können ihnen selten oder nie- mals als Schutzmittel von Nutzen sein, so dass sie wahrscheinlich von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt und dann auf die Weibehen und die Jungen übertragen worden sind. Es ist indessen möglich, dass die Männchen die anziehenderen Weibchen gewählt haben; und wenn diese ihre Charactere auf ihre Nachkommen beiderlei Ge- schlechts überlieferten, so wird dasselbe Resultat eintreten, als durch die Wahl der anziehenderen Männchen, seitens der Weibchen. Es sind aber einige Belege dafür vorhanden, dass diese Alternative nur selten, wenn überhaupt jemals, in irgend einer dieser Gruppen von Vögeln, bei welchen die Geschlechter allgemein gleich sind, eingetreten ist; denn“ selbst wenn einige von den nacheinander auftretenden Abänderungen in ihrer Ueberlieferung fehlgeschlagen wären, so würden doch immer die Weibehen in einem geringen Grade die Männchen an Schönheit über- troffen haben. Genau das Umgekehrte kommt im Naturzustande vor; denn in beinahe jeder grossen Gruppe, in welcher die Geschlechter all- gemein einander ähnlich sind, sind die Männchen einiger wenigen Ar- 2?" Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 222, 228. Gould, Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 124, 130. 28 Gould;:a.'a.0.: Vol. 11,P- 37, 46,56. 2° Audubon, Örnithological Biography, Vol. II, p. 53. Cap. 16. Die Jungen gleichen beiden Erwachsenen. "185 ten in einem unbedeutenden Grade heller gefärbt als die Weibchen. Es ist ferner möglich, dass die Weibehen die schöneren Männchen gewählt haben könnten, während auch umgekehrt diese Männchen die schöneren Weibchen wählten; es ist aber zweifelhaft, einmal ob dieser doppelte Vorgang einer Auswahl leicht vorkommen dürfte, und zwar wegen der grösseren Begierde des einen Geschlechts als des andern, und dann ob derselbe wirksamer sein würde, als Auswahl seitens des einen Geschlechts allein. Es ist daher die wahrscheinlichste Ansicht die, dass in der vor- liegenden Ulasse, soweit ornamentale Charactere in Betracht kommen, die geschlechtliche Zuchtwahl in Uebereinstimmung mit der allgemei- nen durch das ganze Thierreich hindurch geltenden Regel eingewirkt hat, nämlich auf die Männchen; und dass diese ihre allmählich erlang- ten Farben entweder gleichmässig oder beinahe gleichmässig ihren Nach- kommen beiderlei Geschlechts überliefert haben. Ein anderer Punkt ist zweifelhafter, ob nämlich die nacheinander auftretenden Abänderungen zuerst bei den Männchen erschienen, nach- dem sie nahezu geschlechtsreif geworden waren, oder während ihrer Jugend. In beiden Fällen muss geschlechtliche Zuchtwahl auf das Männchen gewirkt haben, als es mit Nebenbuhlern um den Besitz des Weibehens zu eoncurriren hatte; und in beiden Fällen sind die so er- langten Charactere auf beide Geschlechter und auf alle Altersstufen überliefert worden. Wenn aber diese Charactere von den Männchen erlangt wurden, als sie erwachsen waren, so könnten sie anfangs allein den Erwachsenen wieder vererbt und in einer späteren Periode auf die Jungen übertragen worden sein. Denn es ist bekannt, dass wenn das Gesetz der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern fehlschlägt, die Nachkommen häufig Charactere in einem früheren Alter erben als in dem, in welchem sie zuerst bei ihren Eltern erschienen waren ?°. Dem Anscheine nach Fälle dieser Art sind bei Vögeln im Naturzustande beobachtet worden. So hat beispielsweise Mr. BLyru Exemplare von Lanius rufus und von Colymbus glacialis gesehen, welche während sie noch jung waren in einer völlig abnormen Weise das erwachsene Ge- fieder ihrer Eltern angenommen hatten ?!. Ferner werfen die Jungen des gemeinen Schwans (Cygnus olor) ihre dunklen Federn nicht eher ab und werden nicht früher weiss, als bis sie achtzehn Monate oder 3’ Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication Bd. 2, S. 105. r ®! Charlesworth, Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 305, 306, x 186 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. zwei Jahre alt sind; Dr. ForeL hat aber einen Fall beschrieben, wo drei kräftige junge Vögel unter einer Brut von vier rein weiss geboren wurden. Diese jungen Vögel waren keine Albinos, wie sich durch die Farbe ihrer Schnäbel und Beine zeigte, welche nahezu den entsprechen- den Theilen der Erwachsenen glichen ®*. Es dürfte sich verlohnen, die oben angeführten drei Weisen, auf welche in der vorliegenden Classe die beiden Geschlechter und die Jun- gen dazu gekommen sein könnten, einander zu gleichen, durch den merkwürdigen Fall der Gattung Passer zu erläutern ??. Bei dem Haus- sperling (P. domesticus), weicht das Männchen bedeutend vom Weibchen und von den Jungen ab. Diese sind einander ähnlich und in einem hohen Grade auch beiden Geschlechtern und den Jungen des Sperlings von Palästina (P. brachydactylus), ebenso wie auch einigen verwandten Species. Wir können daher annehmen, dass das Weibchen und die Jungen des Haussperlings uns annäherungsweise das Gefieder des Ur- erzeugers der Gattung darbieten. Beim Baumsperling (P. montanus) nun sind beide Geschlechter und die Jungen dem Männchen des Haus- sperlings sehr ähnlich, so dass diese sämmtlich in einer und derselben Art und Weise modificirt worden sind und sämmtlich von der typi- schen Färbung ihres frühen Urerzeugers abweichen. Dies kann dadurch bewirkt worden sein, dass ein männlicher Vorfahre des Baumsperlings variirte und zwar erstens, als er nahezu geschlechtsreif, oder zweitens während er ganz jung war, in welchen beiden Fällen er sein modifi- ceirtes Gefieder auf die Weibchen und die Jungen überlieferte; oder drit- tens: er kann variirt haben, als er erwachsen war, und kann sein Ge- fieder auf beide erwachsene Geschlechter und, in Folge des Fehlschla- gens des Gesetzes der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern, in einer spätern Periode auf die Jungen vererbt haben. Es lässt sich unmöglich entscheiden, welche von diesen drei Vor- gangsweisen durch die ganze vorliegende Classe von Fällen hindurch vorgeherrscht hat. Die Ansicht, dass die Männchen varürten, als sie jung waren, und ihre Abänderungen auf ihre Nachkommen beiderlei Ge- schlechts überlieferten, ist vielleicht die wahrscheinlichste. Ich will - 3? Bulletin de la Societe Vaudoise des Science. Natur. Vol. X. 1869, p. 132. Die Jungen des polnischen Schwans, Üygnus immutabilis von Yarrell, sind immer. weiss; man glaubt aber, wie mir Mr. Sclater mittheilt, dass diese Spe- cies nichts Anderes ist als eine Varietät des domesticirten Schwans (Uygnus olor). 33 Ich bin Mr. Blyth für Mittheilungen in Bezug auf diese Gattung ver- bunden. Der Sperling vou Palästina gehört zu der Untergattung Petronia. Cap. 16. Die Jungen gleichen beiden Erwachsenen. 187 hier hinzufügen, dass ich, allerdings mit wenig Frfolg, durch das Con- sultiren verschiedener Werke versucht habe zu entscheiden, in wie weit bei Vögeln die Periode der Abänderung im Allgemeinen die Ueberlie- ferung von Characteren auf ein Geschlecht oder auf beide bestimmt hat. Die oft angezogenen zwei Regeln (— nämlich, dass spät im Leben auf- tretende Abänderungen auf ein und das nämliche Geschlecht überliefert werden, während diejenigen, welche zeitig im Leben auftreten, beiden Geschlechtern überliefert werden —) bewährte sich dem Anscheine nach in der ersten ®*, zweiten und vierten Classe von Fällen; sie schlagen aber in einer gleichen Anzahl, nämlich in der dritten, häufig in der fünften ?° und in der sechsten kleinen Classe fehl. Indessen gelten sie doch, soweit ich es zu beurtheilen vermag, bei einer beträchtlichen Majorität von Vogelarten. Mag dies sich nun so verhalten oder nicht, aus den im achten Capitel mitgetheilten Thatsachen können wir schlies- sen, dass die Periode der Abänderung ein bedeutsames Element bei der Bestimmung der Form der Ueberlieferung gewesen ist. In Bezug auf die Vögel ist es schwierig zu entscheiden, nach wel- chem Maassstabe wir beurtheilen sollen, ob die Periode der Abänderung früh oder spät eintritt, ob nach dem Alter in Bezug auf die Lebens- ‚dauer oder in Bezug auf das Reproduetionsvermögen oder in Bezug auf die Zahl der Mauserungen, welche die Species durchläuft.‘ Das Mausern der Vögel ist zuweilen selbst innerhalb einer und der nämlichen Fa- milie ohne irgend eine nachweisbare Ursache bedeutend verschieden. Einige Vögel mausern so zeitig, dass beinahe alle Körperfedern abge- stossen werden ehe die ersten Schwungfedern vollig herangewachsen sind; und wir können nicht annehmen, dass dies der ursprüngliche Zu- stand der Dinge war. Wenn die Periode der Mauserung beschleunigt worden ist, so wird das Alter, in welchem die Federn des erwachsenen %: Es bedürfen z. B. die Männchen von Tanagra aestiva und Fringilla eya- nea drei Jahre, das Männchen von Frringilla eiris vier Jahre, um .ihr schönes Gefieder zu vervollständigen. s. Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. I, p. 233, 280, 378. Die Harlekin-Ente braucht drei Jahre (ebenda Vol. III, p. 614). Das Männchen vom Goldfasan kann, wie ich von Mr. Jenner Weir höre, vom Weibchen unterschieden werden, wenn es ungefähr drei Wochen alt ist, es er- reicht aber seinen vollen Glanz nicht eher als bis zum Ende des September des folgenden Jahres. 3 So brauchen der Ibis tantalus und Grus americanus vier Jahre, der Fla- mingo mehrere Jahre und die Ardea Ludovieiana zwei Jahre, ehe sie ihr voll- kommenes Gefieder erhalten. s. Audubon, a. a. 0. Vol. I, p. 221, Vol. II, p: 133, 139,'211. 188 Geschlechtliche Zuchtwahl : Vögel. II. Theil. Gefieders zuerst entwickelt wurden, uns leicht fälschlich als ein frühe- res erscheinen als es wirklich war. Dies kann durch den Gebrauch erläutert werden, welchem manche Vogelzüchter folgen, von der Brust von Nestling-Gimpeln und vom Kopf oder Hals junger Goldfasanen einige wenige Federn auszureissen, um das Geschlecht der Vögel zu bestimmen; denn bei den Männchen werden diese Federn unmittelbar durch gefärbte ersetzt ?%. Die wirkliche Lebensdauer ist nur bei wenig Vögeln bekannt, so dass wir kaum nach demselben als einem fest- stehenden Maassstabe urtheilen können. Und was die Periode betrifft, in welcher das Reproductionsvermögen erlangt wird, so ist es eine merkwürdige Thatsache, dass verschiedene Vögel gelegentlich brüten, so lange sie noch ihr unreifes Gefieder haben ®7. Die Thatsache, dass Vögel in ihrem unreifen oder Jugendgefieder brüten, scheint der Annahme entgegenzustehen, dass die geschlechtliche Zuchtwahl, wie ich allerdings glaube dass es der Fall ist, eine be- deutungsvolle Rolle bei der Verleihung ornamentaler Farben, Schmuck- federn u. s. w. an die Männchen, und mittelst der gleichartigen Ueber- lieferung auch an die Weibchen vieler Species, gespielt hat. Der Ein- wurf würde ein triftiger sein, wenn die jüngeren und weniger ge- schmückten Männchen ebenso erfolgreich im Gewinnen von Weibchen und in der Fortpflanzung ihrer Art wären, als die älteren und schöne- ren Männchen. Wir haben aber keinen Grund anzunehmen, dass dies der Fall ist. Aupupon spricht von dem Brüten der unreifen Männchen 3° Mr. Blyth, in: Charlesworth’s Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 300. Mr. Bartlett hat mir die Mittheilung in Bezug auf die Goldfasane gemacht. 37 In Audubon’s Ornitholog. Biography habe ich die folgenden Fälle ge- funden. Der amerikanische „Redstart“ (Muscicapa rubieilla, Vol. I, p. 205). Der Ibis tantalus braucht vier Jahre, um zu vollständiger Reife zu gelangen, brütet aber zuweilen im zweiten Jahr (Vol. III, p. 133). Der Grus americanus braucht dieselbe Zeit, brütet aber ehe er sein volles Gefieder erhält (Vol. III, p. 211). Die Erwachsenen der Ardea caerulea sind blau und die Jungen weiss; und weisse, gefleckte und reife blaue Vögel kann man sämmtlich durcheinander brüten sehen (Vol. IV, p. 58); Mr. Blyth theilt mir indessen mit, dass gewisse Reiher dem Anscheine nach dimorph sind, denn man kann weisse und gefärbte Individuen des nämlichen Alters beobachten. Die Harlekin-Ente (Anas histrionica L.) braucht drei Jahre um ihr volles Gefieder zu erlangen, obschon viele Vögel im zweiten Jahre brüten (Vol. III, p. 614). Der weissköpfige Adler (Falco leucocephalus, Vol. III, p. 210) brütet, wie man gleichfalls erfahren hat, in seinem unreifen Zu- stande. Einige Species von Oriolus brüten gleichfalls (nach den Angaben von Mr. Blyth und Mr. Swinhoe in: Ibis, July 1863, p. 68), ehe sie ihr volles Gefieder erlangen. Cap’ M. Die Jungen gleichen den erwachsenen Weibchen. 189 von Tanlalus Ibis als einem seltenen Ereigniss, wie es auch Mr. Swin- HOE in Bezug auf die unreifen Männchen von Oriolus thut?®. Wenn die Jungen irgend einer Species in ihrem unreifen Gefieder erfolgreicher im Gewinnen von Genossen wären als die Erwachsenen, so würde wahr- scheinlich das erwachsene Gefieder bald verloren werden, wie auch die- jenigen Männchen das Uebergewicht erlangen würden, welche ihr un- reifes Jugendkleid am längsten beibehielten; hierdurch würde am Ende der Character der Species modifieirt werden ?°%. Wenn auf der andern Seite die Jungen es niemals erreichten, ein Weibchen zu erlangen, so würde die Gewohnheit frühzeitiger Reproduction vielleicht früher oder später vollständig eliminirt werden, da es überflüssig ist und eine Kraft- verschwendung mit sich bringt. Das Gefieder gewisser Vögel nimmt beständig während vieler Jahre, noch nachdem sie vollständig reif geworden sind, an Schönheit zu; dies ist mit dem Behänge des Pfauhahns und mit der Federkrone und den Schmuckfedern gewisser Reiher der Fall, z. B. bei der Ardea Ludo- viciana +"; es ist aber sehr zweifelhaft, ob die beständige Weiterent- wickelung derartiger Federn das Resultat der Auswahl nacheinander auf- tretender wohlthätiger Abänderungen oder bloss beständigen Wachsthums ist. Die meisten Fische nehmen beständig an Grösse zu, so lange sie bei guter Gesundheit sind und reichliche Nahrung haben; und ein in gewisser Weise ähnliches Gesetz kann für die Schmuckfedern der Vögel gelten. 38 5, die vorhergehende Anmerkung. # Andere zu völlig verschiedenen Classen gehörende Thiere sind entweder gewöhnlich oder nur gelegentlich im Stande, sich fortzupflanzen bevor sie ihre erwachsenen Charactere vollständig erlangt haben. Dies ist der Fall mit den Jungen Männchen des Lachses. Man hat die Erfahrung gemacht, dass mehrere Amphibien sich fortpflanzten, während sie ihren Larvenbau behielten. Fritz Müller hat gezeigt („Für Darwin“ S. 54), dass die Männchen mehrerer amphi- poden Crustaceen geschlechtsreif werden, solange sie noch jung sind; nnd ich halte dies für einen Fall von vorzeitiger Fortpflanzung, weil sie noch nicht ihre völlig ‚entwickelten Klammerorgane erhalten haben. Alle derartige Thatsachen sind in hohem Grade interessant, da sie sich auf ein Mittel beziehen, durch wel- ches in Uebereinstimmung mit Mr. Cope’s Ansicht, die er unter den Ausdrücken einer „Verlangsamung und Beschleunigung generischer Charactere“ zusammen- fasst, die Species bedeutende Modificationen des Characters erleiden können. Ich kann aber den Ansichten dieses ausgezeichneten Naturforschers nicht in ihrer ganzen Ausdehnung folgen. s. Mr. Cope, „On the Origin of Genera“ in: Pro- ceed. of Acad. Natur. Sciene. Philadelphia, Oct. 1868. #0 Jerdon, Birds of India, Vol. III, p. 507, über den Pfauhahn. Audubon, a. a. OÖ. Vol. III, p. 139, über die Ardea. {90 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. 5. Classe. Wenn die Erwachsenen beider Geschlechter ein verschiedenes Winter- und Sommergefieder haben, mag nun das Männchen vom Weibchen verschieden sein oder nicht, so sind die Jungen den Erwachsenen beiderlei Ge- schlechts in dem Winterkleide, oder, jedoch viel selte- ner, in dem Sommerkleide, oder allein den Weibchen ähn- lich; oder die Jungen können einen intermediären Charac- ter tragen; oder ferner sie können von den Erwachsenen in ihren beiden Jahreszeitgefiedern verschieden sein. — Die Fälle in dieser Classe sind in eigenthümlicher Weise complicirt; auch ist dies nicht zu verwundern, da sie von Vererbung abhängen, welche in höherem oder geringerem Grade in dreierlei verschiedener Weise beschränkt ist, nämlich durch das Geschlecht, das Alter und die Jahreszeit. In einigen Fällen durchlaufen die Individuen einer und der nämlichen Species mindestens fünf verschiedene Zustände des Ge- fieders. Bei den Species, in welchen das Männchen allein während der Sommerzeit oder, was der seltenere Fall ist, während beider Jahres- zeiten *! vom Weibchen verschieden ist, gleichen die Jungen allgemein den Weibehen, — so bei dem sogenannten Stieglitz von Nord-Amerika und dem Anscheine nach bei den prachtvollen Maluri von Australien #2, Bei den Species, deren Geschlechter sowohl während des Sommers als auch während des Winters einander gleichen, können die Jungen den Erwachsenen ähnlich sein und zwar erstens in deren Winterkleide, zwei- tens, doch tritt dies. viel seltener ein, in ihrem Sommerkleide; drittens können sie zwischen diesen beiden Zuständen mitten inne stehen; und viertens können sie bedeutend von den Erwachsenen zu allen Jahres- zeiten abweichen. Ein Beispiel des ersten dieser vier Fälle sehen wir an einem der Silberreiher von Indien (Buphus coromandus), bei wel- chem die Jungen und die Erwachsenen beider Geschlechter während des Winters weiss sind, während die Erwachsenen während des Sommers goldröthlich werden. Bei dem Klaffschnabel (Anastomus oscitans) von Indien haben wir einen ähnlichen Fall, nur sind hier die Farben um- #1 Wegen erläuternder Fälle s. Macgillivray, History of British Birds, Vol. IV; über Tringa u. s. w. p. 229, 271, über den Machetes, p. 172: über Cha- radrius hiaticula, p. 118, über Charadrius plwvialis, p. 94. #2 Wegen des Stieglitz (Golddistelfink) von Nord-Amerika, Fringilla tristss L., s. Audubon, Örnitholog. Biography, Vol. I, p. 172: wegen der Maluri: Gould’s Handbook of the Birds of Australia. Vol. I, p. 318. Ne ee u a en Cap. 16. Aenderungen des Gefieders nach der Jahreszeit. 191 gekehrt; denn die Jungen und die Erwachsenen beiderlei Geschlechts sind während des Winters grau und schwarz und die Erwachsenen wer- den während des Sommers weiss #?”. Ein Beispiel des zweiten Falls bietet der Tord-Alk (Alca Torda L.) dar; die Jungen sind in einem frühen Zustande des Gefieders wie die Erwachsenen während des Som-' mers gefärbt; und die Jungen des weissgekrönten Sperlings von Nord- Amerika (Fringilla leucophrys) haben, sobald ‘sie flügge geworden sind, elegante weisse Streifen auf ihren Köpfen, welche von den Jungen und den Alten während des Winters verloren werden **. In Bezug auf den dritten 'Fall, dass nämlich die Jungen einen intermediären Character zwischen dem Sommer- und Wintergefieder der Erwachsenen darbieten, betont YARRELL*°, dass dies bei vielen Wadvögeln vorkommt. Was endlich den Fall betrifft, dass die Jungen bedeutend von beiden Ge- schlechtern in ihrem erwachsenen Sommer- und Wintergefieder abwei- chen, so kommt dies bei einigen Reihern und Silberreihern von Nord- Amerika und Indien vor, bei denen nur die Jungen weiss sind. Ich will über diese complieirten Fälle nur einige wenige Bemer- kungen machen. Wenn die Jungen den Weibchen in ihrem Sommer- kleide oder den Erwachsenen beiderlei Geschlechts in ihrem Winter- kleide gleichen, so sind die Fälle von den in der 1. und 3. Classe ver- zeichneten nur darin verschieden, dass die ursprünglich von den Männ- chen während der Paarungszeit erlangten Charactere in ihrer Ueber- lieferung auf die entsprechende Jahreszeit beschränkt worden sind. Wenn die Erwachsenen ein verschiedenes Sommer- und Wintergefieder haben und die Jungen von beiden abweichen, so ist der Fall schwieriger zu verstehen. Wir können als wahrscheinlich annehmen, dass die Jungen einen alten Zustand des Gefieders beibehalten haben; wir können auch das Hochzeitsgefieder oder Sommerkleid der Erwachsenen durch ge- schlechtliche Zuchtwahl erklären; wie haben wir aber ihr verschiedenes Wintergefieder zu erklären? Wenn wir annehmen könnten, dass dies Gefieder in allen Fällen als Schutzmittel dient, so würde dessen Er- #3 Ich bin Mr. Blyth für Mittheilungen in Bezug auf Buphus dankbar ver- bunden; s. auch Jerdon, Birds of India, Vol. III, p. 749. Ueber den Anastomus s. Blyth, in: Ibis, 1867, p. 173. *: Ueber die Alca s. Macgillivray, History of British Birds. Vol. V, p-. 347. Ueber die Fringilla leucophrys s. Audubon, a. a. O. Vol. I, p. 89. Ich werde nachher noch darauf Bezug zu nehmen haben, dass die Jungen ge- wisser Reiher und Silberreiher weiss sind. 45 History of British Birds, Vol. I. 1839, p. 159. 192 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. langung eine einfache Sache sein: es scheint aber für diese Annahme kein rechter Grund vorzuliegen. Es könnte vermuthet werden, dass die so sehr verschiedenen Lebensbedingungen während des Winters und des Sommers in einer direeten Art und Weise auf das Gefieder einge- wirkt haben; dies kann wohl ein gewisses Resultat ergeben haben, ich habe aber kein rechtes Vertrauen, dass eine so bedeutende Verschieden- heit, wie wir sie zuweilen zwischen den beiderlei Gefiedern auftreten sehen, hierdurch verursacht worden sei. Eine wahrscheinlichere Erklä- rung ist, dass eine alte, zum Theil durch die Uebertragung einiger Charactere vom Sommergefieder modificirte Form des Gefieders von den Erwachsenen während des Winters beibehalten worden ist. Endlich hängen allem Anscheine nach sämmtliche Fälle in der gegenwärtigen Classe von Characteren ab, welche von den erwachsenen Männchen er- langt worden und in ihrer Ueberlieferung in verschiedener Weise je nach Alter, Jahreszeit und Geschlecht beschränkt worden sind, es würde sich aber nicht verlohnen zu versuchen, den complieirten Beziehungen weiter zu folgen. “ 6. Classe. Die Jungen weichen in ihrem ersten Gefie- der je nach ihrem Geschlechte von einander ab, wobei die jungen Männchen mehr oder weniger nahe denerwachsenen Männchen und die jungen Weibchen mehr oder weniger nahe den erwachsenen Weibchen ähnlich sind. — Obschon die zu dieser Classe gehörenden Fälle in verschiedenen Gruppen vorkommen, so sind sie doch nicht zahlreich; doch scheint es, wenn uns die Er- fahrung nicht das Gegentheil gelehrt hätte, das Natürlichste zu sein, dass die Jungen anfangs den Erwachsenen des gleichen Geschlechts immer in einem gewissen Grade ähnlich seien und ihnen allmählich immer mehr und mehr gleich werden. Das erwachsene Männchen des Plattmönchs (Sylvia atricapilla) hat einen schwarzen Kopf, der des Weibchens ist röthlich-braun; und wie mir Mr. Bryrır mittheilt, kann man die Jungen beiderlei Geschlechts an diesem Merkmale unterschei- den, selbst wenn sie noch Nestlinge sind. In der Familie der Dros- seln ist eine ganz ungewöhnliche Anzahl ähnlicher Fälle beobachtet worden, die männliche Amsel (Turdus merula) kann schon im Neste vom Weibchen unterschieden werden, da die mittleren Schwungfedern, welche nicht so bald gemausert werden, als die Körperfedern, bis zur . Cap. 16. Die Jungen gleichen den Erwachsenen desselben Geschlechts. 193 zweiten allgemeinen Mauserung eine bräunliche Färbung behalten *$. Die beiden Geschlechter der Spottdrossel (Turdus polyglottus L.) wei- chen sehr wenig von einander ab; doch können die Männchen schon in einem sehr frühen Alter von den Weibchen dadurch unterschieden wer- den, dass sie mehr reines Weiss zeigen #7”. Die Männchen einer Wald- drossel und einer Steindrosseel (nämlich Orocetes erythrogastron und Petrocincla cyanea) haben sehr viel schönes BJau in ihrem Gefieder, wäh- rend die Weibchen braun sind; und die Männchen beider Species haben als Nestlinge ihre Hauptschwung- und Schwanzfedern mit Blau gerändert, während diejenigen der Weibehen mit Braun eingefasst sind #%. Es nehmen hier also gerade dieselben Federn, welche in der jungen Amsel ihren erwachsenen Character nach den andern annehmen und schwarz werden, bei diesen beiden Species diesen Character vor den andern an und werden früher blau. Die wahrscheinlichste Ansicht in Beziehung auf diese Fälle ist, dass die Männchen, verschieden von dem was in der 1. Classe eintritt, ihre Farben in einem früheren Alter ihren männ- lichen Nachkommen überliefert haben, als in dem, in welchem sie selbst sie zuerst erlangten; denn wenn sie variirt hätten, so lange sie noch ganz jung waren, so würden sie wahrscheinlich ihre sämmtlichen Cha- ractere ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts überliefert haben *°. Bei Aithurus polytmus (einem der Kolibris) ist das Männchen glänzend schwarz und grün gefärbt und zwei von den Schwanzfedern sind ungeheuer verlängert; das Weibchen hat einen gewöhnlichen Schwanz und nicht auffallende Farben; anstatt dass nun in Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen Regel die jungen Männchen dem erwachsenen Weibchen ähnlich sind, beginnen sie schon von Anfang an die ihrem Geschlechte eigenthümlichen Farben anzunehmen, wie auch ihre Schwanz- federn bald verlängert werden. Ich verdanke diese Mittheilung Mr. #6 Blyth, in: Charlesworth’s Magaz. of Natur. Hist. Vol. I. 1837, p. 362 und nach Mittheilungen, welche er mir gegeben hat. 4” Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 113. # Mr. C. A. Wright, in: Ibis, Vol. VI. 1864, p. 65. Jerdon, Birds of India. Vol. I, p. 515. #9 Es mögen ausserdem noch die folgenden Fälle hier erwähnt werden: die jungen Männchen der Tanagra rubra können von den jungen Weibchen unter- schieden werden (Audubon, ÖOrnitholog. Biography, Vol. IV, p. 392); dasselbe gilt für" die Nestlinge einer blauen Spechtmeise von Indien (Dendrophila fronta- lis, Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 389). Mr. Blyth theilt mir mit, dass die Geschlechter des Schwarzkehlchens, Sawicola rubicola, in einem sehr frühen Alter unterschieden werden können. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 13 194 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IH. Theil. GouLp, welcher mir auch den folgenden noch auffallenderen und noch nicht veröffentlichten Fall mitgetheilt hat. Zwei zu der Gattung Eu- 'stephanus gehörige und beide wundervoll gefärbte Kolibris bewohnen die kleine Insel Juan Fernandez und sind immer als specifisch ver- schieden aufgezählt worden. Es ist aber vor Kurzem ermittelt worden, dass der eine, welcher eine reiche nussbraune Farbe mit einem gold- rothen Kopf hat, das Männchen ist, während der andere, welcher ele- gant mit Grün und Weiss gefleckt ist und einen metallisch grünen Kopf hat, das Weibchen ist. Nun sind die Jungen von Anfang an in einem gewissen Grade den Erwachsenen des entsprechenden Ge- schlechts ähnlich und die Aehnlichkeit wird allmählich immer mehr und mehr vollständig. | Betrachtet man den letzteren Fall und nimmt man wie vorhin das Gefieder der Jungen als Ausgangspunkt, so dürfte es scheinen als wären beide Geschlechter ganz unabhängig schön gemacht worden, und als hätte nicht das eine Geschlecht theilweise seine Schönheit auf das an- dere übertragen. Das Männchen hat allem Anscheine nach seine glän- zenden Farben durch geschlechtliche Zuchtwahl in derselben Weise wie beispielsweise der Pfauhahn oder der Fasan in unserer ersten Classe von Fällen und das Weibchen in derselben Weise wie Rhynchaea oder Turniz in unserer zweiten Classe von Fällen erhalten. Aber darin liegt noch eine grosse Schwierigkeit: zu verstehen, wie dies zu ein und dersel- ben Zeit bei beiden Geschlechtern einer und der nämlichen Species bewirkt werden konnte. Mr. Sarvın gibt an, wie wir im achten Capitel ge- sehen haben, dass bei gewissen Kolibris die Männchen den Weibchen bedeutend an Zahl überlegen sind, während bei andern Arten, welche . dasselbe Land bewohnen, die Weibchen bedeutend den Männchen über- legen sind. Wenn wir daher annehmen könnten, dass während irgend einer früheren lange dauernden Periode die Männchen der Species von Juan Fernandez die Weibchen bedeutend an Zahl übertroffen hätten, dass aber während einer andern gleichfalls langen Zeit die Weibchen bedeu- tend den Männchen überlegen gewesen wären, so könnten wir einsehen, wie zu einer Zeit die Männchen und zu einer andern Zeit die Weibchen durch Auswahl der glänzender gefärbten Individuen beider Geschlechter schön geworden sein könnten, wobei beide Geschlechter ihre Charactere ihren Nachkommen zu einer im Ganzen etwas früheren Periode als gewöhnlich überlieferten. Ob dies die richtige Erklärung ist, will ich Cap. 16. Verhältniss des Jugendgefieders zu dem erwachsenen. 195 nicht zu behaupten wagen; der Fall ist aber zu merkwürdig, um ganz mit Stillschweigen übergangen zu werden. Wir haben nun in zahlreichen Beispielen aus allen sechs Classen ge- sehen, dass eine sehr nahe Beziehung zwischen dem Gefieder der Jungen und dem der Erwachsenen, und zwar entweder des einen Geschlechts oder beider Geschlechter besteht. Diese Beziehungen werden ziemlich gut durch den Grundsatz erklärt, dass das eine Geschlecht — und dies ist in der grossen Majorität der Fälle das Männchen, — zuerst durch Ab- änderung und geschlechtliche Zuchtwahl glänzende Farben und andere Ornamente erlangte und sie auf verschiedene Weise in Uebereinstimmung mit den anerkannten Gesetzen der Vererbung seinen Nachkommen über- lieferte. Warum Abänderungen in verschiedenen Perioden des Lebens, und zwar selbst zuweilen bei den Arten einer und derselben Gruppe aufgetreten sind, wissen wir nicht; aber in Bezug auf die Form der Ueberlieferung scheint eine bedeutungsvolle Ursache, welche jene be- stimmte, das Alter gewesen zu sein, in welchem die Abänderung zu- erst auftrat. - Nach dem Gesetze der Vererbung zu entsprechenden Altersstufen und nach dem Umstande, dass eine jede Abänderung in der Farbe, welche bei den Männchen in einem frühen Alter erschien, nicht in dieser Zeit bei der Zucht gewählt, im Gegentheil häufig als gefährlich beseitigt wurde, während ähnliche in der Periode der Reproduction oder in deren Nähe auftretende Abänderungen erhalten wurden, gelangt man zum Schlusse, dass das Gefieder der Jungen häufig unmodifieirt gelassen oder nur wenig modifieirt worden ist. Wir erhalten hierdurch eine gewisse Einsicht in den Zustand der Färbung der einstigen Urerzeuger unserer jetzt lebenden Species. Bei einer ungeheuren Zahl von Species in fünf unter unseren sechs Classen von Fällen sind die Erwachsenen des einen oder beiderlei Geschlechts, wenigstens während der Paarungs- zeit, glänzend gefärbt, während die Jungen unveränderlich weniger hell als die Erwachsenen oder völlig düster gefärbt sind; denn so weit ich es ermitteln kann, ist kein Beispiel bekannt, wo die Jungen düster gefärbter Arten glänzende Farben entfalteten oder wo die Jungen bril- lant gefärbter Arten noch brillanter gefärbt wären, als ihre Eltern. Indessen sind in der vierten Classe, in welcher die Jungen und Alten einander ähnlich sind, viele Species (wennschon durchaus nicht alle) glänzend gefärbt, und da diese ganze Gruppen bilden, so können wir 2 %* {87 196 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. schliessen, dass ihre frühen Urerzeuger gleichfalls glänzend gefärbt waren. Wenn wir die Vögel der ganzen Erde betrachten, so scheint mit dieser Ausnahme ihre Schönheit seit. jener Periode, von welcher wir in ihrem unreifen Jugendgefieder eine theilweise Ueberlieferung haben, bedeutend erhöht worden zu sein. Ueber die Farbe des Gefieders in Bezug auf den Schutz. — Man wird gesehen haben, dass ich Mr. WAurAacE in der Annahme, dass düstere Färbungen sobald sie auf die Weibchen beschränkt sind in den meisten Fällen speciell zum Zwecke des Schutzes erlangt worden sind, nicht folgen kann. Wie indessen früher bemerkt wurde, kann darüber kein Zweifel bestehen, dass beide Geschlechter vieler Vögel ihre Fär- bung zu diesem Zwecke so modifieirt haben, dass sie der Aufmerksam- keit ihrer Feinde entgehen, oder in einigen Fällen so, dass sie ihre Beute unbeobachtet beschleichen können, in derselben Weise wie das Gefieder der Eulen weich geworden ist, damit ihr Flug nicht gehört werde. Mr. Warrzack bemerkt °°, dass „wir nur in den tropischen Län- „dern und zwar in Wäldern, welche ihren Laubschmuck niemals ver- „lieren, ganze Gruppen von Vögeln finden, deren hauptsächlichste Farbe „Grün ist.“ Ein Jeder, der es nur irgend einmal versucht hat, wird zugeben, wie schwierig es ist, Papageien in einem mit Blättern be- deckten Baume zu unterscheiden. Trotzdem müssen wir uns erinnern, dass viele Papageien mit carmoisinen, ‘blauen und orangenen Farben- tönen geschmückt sind, welche kaum protectiv sind. Spechte leben ganz vorzüglich auf Bäumen, aber ausser den grünen Species gibt es viele schwarze und schwarz und weisse Arten, während doch sämmt- liche Species allem Anscheine nach nahezu denselben Gefahren ausgesetzt sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass scharf ausgesprochene Fär- bungen von den auf den Bäumen lebenden Vögeln durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, dass aber die grünen Farben durch natürliche Zuchtwahl über andere Färbungen wegen des dadurch er- langten Schutzes einen Vortheil erreicht haben. In Bezug auf die Vögel, welche auf dem Boden leben, gibt Jeder- mann zu, dass sie so gefärbt sind, um der umgebenden Oberfläche ähn- lich zu werden. Wie schwierig ist es, ein Rebhuhn, eine Becassine, eine Schnepfe, gewisse Regenpfeifer, Lerchen und Ziegenmelker zu sehen, 30 Westminster Review; July, 1367, p. 5. Cap. 16. Farbe und Schutz. 197 wenn sie sich auf die Erde ducken! Wüsten bewohnende Thiere bieten die auffallendsten Beispiele dar, denn die nackte Oberfläche bietet keinen Ort zum Verbergen dar, und alle kleineren Säugethiere, Reptilien und Vögel hängen in Bezug auf ihre Sicherheit von ihrer Färbung ab. Mr. Trıstram hat im Bezug auf die Bewohner der Sahara bemerkt 51, dass sie alle durch ihre Isabellen- oder Sandfarbe geschützt werden. Wenn ich mir die Wüstenvögel, die ich in Südamerika gesehen habe, ebenso wie die meisten der Bodenvögel von Grossbritannien in mein Gedächtniss zurückrufe, so scheint es mir, dass beide Geschlechter in derartigen Fällen meist nahezu gleich ‘gefärbt sind. Ich wandte mich nım in Folge hiervon an Mr. Trıstram in Bezug auf die Vögel der Sahara, und er hat mir freundlich die folgende Mittheilung gemacht. Es gibt sechsundzwanzig zu fünfzehn Gattungen gehörige Species, deren tefieder offenbar in einer protectiven Art und Weise gefärbt ist, und diese Färbung ist um so auffallender, als bei den meisten dieser Vögel dieselbe von der ihrer Gattungsverwandten verschieden ist. Unter die- sen sechsundzwanzig Speeies sind bei dreizehn beide Geschlechter in derselben Art und Weise gefärbt; diese gehören aber zu den Gattun- gen, bei welchen diese Regel gewöhnlich vorherrscht, so dass sie uns nichts darüber sagen, dass die proteetiven Farben gerade bei Wüstenvögeln in beiden Geschlechtern dieselben sind. Von den andern dreizehn Species gehören drei zu Gattungen, bei denen die Geschlechter gewöhnlich von einander verschieden sind, und doch sind hier die Geschlechter gleich. Bei den übrigen zehn Species ist das Männchen vom Weibchen verschieden ; die Verschiedenheit ist aber hauptsächlich auf die untere Fläche des Körpergefieders beschränkt, welche, wenn der Vogel auf den Boden duckt, verborgen ist; der Kopf und der Rücken haben in beiden Geschlechtern einen und denselben sandfarbigen Anstrich. Es hat also in diesen zehn Species natürliche Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes auf die obere Fläche beider Geschlechter eingewirkt und sie gleich ge- macht, während die untere Fläche allein der Männchen durch geschlecht- liche Zuchtwahl zum Zwecke der Verzierung verschieden geworden ist. Da hier beide Geschlechter gleichmässig gut geschützt sind, sehen wir deutlich, dass die Weibchen nieht etwa durch natürliche Zuchtwahl ver- hindert worden sind, die Farben ihrer männlichen Erzeuger zu erben. Wir müssen vielmehr, wie früher erwähnt wurde, auf das Gesetz der geschlechtlich beschränkten Vererbung zurückgreifen. 5 Ibis, 1859. Vol. I, p. 429 u. flgde. 198 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. In allen Theilen der Erde sind beide Geschlechter vieler weich- schnäbeliger Vögel, besonders solcher, welche Schilfe und Röhrichte frequentiren, dunkel gefärbt. Ohne Zweifel würden sie, wenn ihre Far- ben brillant gewesen wären, ihren Feinden viel auffälliger gewesen sein; ob aber ihre düstere Färbungen speciell zum Zwecke des Schutzes er- langt worden sind, scheint mir, soweit ich es beurtheilen kann, doch zweifelhaft. ‘Es ist noch zweifelhafter, ob derartige düstere Färbungen zum Zwecke der Verzierung erlangt worden sind. Wir müssen indessen im Auge behalten, dass männliche Vögel, obschon düster gefärbt. doch häufig bedeutend von ihren Weibchen abweichen, wie es z. B. beim ge- meinen Sperling der Fall ist, und dieses führt uns zu dem Glauben, dass derartige Färbungen, weil sie anziehend sind, durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Viele der weichschnäbeligen Vögel sind Sänger; und man möge sich an eine Discussion in einem früheren Capitel erinnern, in welcher gezeigt wurde, dass die besten Sänger selten durch helle Farbentöne verziert sind. Es möchte scheinen, als ob weibliche Vögel der allgemeinen Regel nach ihre Gefährten entweder ihrer angenehmen Stimmen oder ihrer munteren Farben wegen gewählt haben, aber nicht wegen beider Reize in Verbindung. Einige Species, welche offenbar zum Zwecke des Schutzes gefärbt sind, so die Becassine, Schnepfe, der Ziegen- melker, sind gleichfalls nach unseren Ansichten von Geschmack mit äusser- ster Eleganz gezeichnet und schattirt. In derartigen Fällen können wir schliessen, dass sowohl natürliche als geschlechtliche Zuchtwahl gemein- sam zum Schutze und zur Verzierung gewirkt haben. Ob irgend ein Vogel existirt, welcher nicht einen speeiellen Reiz, womit er das andere Geschlecht anzieht, besitzt, dürfte bezweifelt werden. Wenn beide Ge- schlechter so düster gefärbt sind, dass es voreilig wäre, die Wirksam- keit geschlechtlicher Zuchtwahl anzunehmen, und wenn keine direeten Belege, dafür beigebracht werden können, dass derartige Farben zum Schutze dienen: so ist es am besten unsere vollständige Unwissenheit über die Sache einzugestehen, oder was nahezu auf dasselbe hinaus- kommt, das Resultat der directen Wirkung der Lebensbedingungen zu- zuschreiben. Es gibt viele Vögel, von denen beide Geschlechter auffallend, wenn auch nicht brillant gefärbt sind, so die zahlreichen schwarzen, weissen oder gescheckten Species; und diese Farben sind wahrscheinlich das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl. Bei der gemeinen Amsel, dem Auerhuhn, dem Birkhuhn, der schwarzen Trauerente (Oidemia) und Cap. 16. Auffallende Farben. 199 selbst bei einem der Paradiesvögel (Lophorina atra) sind allein die Männchen schwarz, während die Weibchen braun oder gefleckt sind, und es lässt sich kaum zweifeln, dass in diesen Fällen die schwarze Farbe ein geschlechtlicher, bei der Nachzucht gewählter Character ist. Es ist daher in ziemlichem Grade wahrscheinlich, dass die völlige oder theilweise schwarze Färbung beider Geschlechter, bei solchen Vögeln wie den Krähen, gewissen Kakadus, Störchen und Schwänen und vielen See- vögeln, gleichfalls das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl in Begleitung einer gleichmässigen Ueberlieferung auf beide Geschlechter ist; denn die schwarze Farbe kann kaum in irgend einem Falle als Schutzmittel dienen. Bei mehreren Vögeln, bei welchen allein das Männchen schwarz ist, und bei anderen, bei denen beide Geschlechter schwarz sind, ist der Schnabel oder die Haut um dem Kopf hell gefärbt, und der hierdurch dargebotene Contrast erhöht bedeutend ihre Schönheit. Wir sehen dies an dem hellgelben Schnabel der männlichen Amsel, an der carmoisin- rothen Haut oberhalb der Augen des Birkhahns und Auerhahns, an dem verschieden und hell gefärbten Schnabel des Trauer-Entrichs (Oidemia), an dem rothen Schnabel der Steindohle (Corvus graculus L.), des schwarzen Schwans und des schwarzen Storches. Dies führt mich zu der Bemerkung, dass es durchaus nicht unglaublich ist, dass die Tukans die enorme Grösse ihrer Schnäbel geschlechtlicher Zucht- wahl verdanken, zu dem Zwecke, die verschiedenartigen und lebhaften Farbenstreifen, mit denen diese Organe verziert sind, zu entfalten >. Die nackte Haut an der Schnabelbasis und rund um die Augen ist gleichfalls häufig brillant gefärbt und Mr. GouLD sagt, indem er von einer dieser Species spricht ®®, dass die Färbung des Schnabels „wäh- „rend der Paarungszeit zweifelsohne in dem schönsten und brillantesten >? Für die ungeheure Grösse des Schnabels bei den Tukans ist noch niemals eine befriedigende Erklärung gegeben worden, noch weniger für deren glänzende Farben. Mr. Bates gibt an (The Naturalist on the Amazons. Vol. II. 1863, p- 341), dass sie ihren Schnabel dazu gebrauchen, Früchte von den äussersten Spitzen der Zweige zu erreichen, und desgleichen, wie von andern Gewährs- männern angeführt wird, Eier und junge Vögel aus den Nestern anderer Vögel herauszuholen. Mr. Bates gibt aber zu, dass der Schnabel „schwerlich als ein „für den Zweck, zu welchem er verwandt wird, sehr vollkommen gebildetes „Werkzeug betrachtet werden kann“. Die grosse Massigkeit des Schnabels, wie sich aus seiner Breite, Höhe, ebenso wie aus seiner Länge ergibt, ist nach dem Grundsatze, dass er nur als Greiforgan dient, nicht verständlich. >® Ramphastos carinatus, Gould’s Monograph of Ramphastidae. 200 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. „Zustande sich finde.* Darin, dass die Tukans mit ungeheuren Schnäbeln, wennschon sie durch ihre schwammige Struetur so leicht als möglich gemächt worden sind, zu einem uns fälschlich bedeutungslos erscheinen- den Zwecke beschwert wurden, nämlich zu dem Zwecke schöne Farben zu entfalten, liegt nicht mehr Unwahrscheinlichkeit, als dass der männ- liche Argusfasan und einige andere Vögel mit so langen Schmuckfedern versehen sind, dass ihr Flug dadurch gehindert wird. In derselben Weise wie die Männchen verschiedener Species schwarz sind, während die Weibchen trübe gefärbt erscheinen, sind auch in wenigen Fällen allein die Männehen entweder gänzlich oder theilweise weiss, wie bei den verschiedenen Glockenvögeln von Südamerika (Chas- morhynchus) der antarctischen Gans (Bernicla antarctica), dem Silber- fasane u. s. w., während die Weibchen braun oder trübe gefärbt sind. Es ist daher nach demselben obenerwähnten Grundsatze wahrscheinlich, dass beide Geschlechter vieler Vögel, wie ‚weisse Kakadus, mehrere Silberreiher mit ihsen wunderschönen Schmuckfedern, gewisse Ibisse, Möven, Seeschwalben u. s. w. ihr mehr oder weniger völlig weisses Gefieder durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben. Diejenigen Species, welche schneeige Gegenden bewohnen, fa!len natürlich unter eine andere Rubrik. Das weisse (Gefieder einiger der ebengenannten Vögel erscheint in beiden Geschlechtern nur, wenn sie geschlechtsreif sind. Dies ist gleichfalls bei gewissen Tölpeln, Tropikvögln u. s. w. und mit der Schneegans (Anser hyperboreus) der Fall. Da die letztere auf den nackten Bodenstellen brütet, wenn sie nicht mit Schnee bedeckt sind, und während des Winters nach Süden wandert, so liegt kein Grund zu der Vermuthung vor, dass ihr erwachsenes schneeweisses (Gefieder zum Schutze dient. In dem vorhin erwähnten Klaffschnabel, Anastomus oscitans, haben wir einen noch besseren Beweis dafür, dass das weisse Gefieder ein hochzeitlicher Character ist, denn es wird nur während des Sommers entwickelt; die Jungen in ihrem unreifen Zustande und die Erwachsenen in ihrem Winterkleide sind. grau und schwarz. Bei vielen Arten von Möven (Larus) wird der Kopf und der Hals während des Sommers rein weiss, während er den Winter hindurch und im Jugend- zustande grau oder gefleckt ist. Auf der andern Seite tritt bei den kleineren Möven (Gavia) und bei einigen Seeschwalben (Sterna) das umgekehrte ein. Denn die Köpfe der jungen Vögel sind während des ersten Jahres und die der Erwachsenen während des Winters entweder rein weiss oder viel blässer gefärbt als während der Paarungszeit. Cap. 16. Auffallende Farben. 201 Diese letzteren Fälle bieten ein weiteres Beispiel für die launische Art und Weise dar, in welcher die geschlechtliche Zuehtwahl häufig er zu haben scheint ®*. Die Ursache, warum Wasservögel so viel häufiger ein weisses Ge- fieder erlangt haben als die auf dem Lande lebenden Vögel, hängt wahr- scheinlich von ihrer bedeutenden Grösse und ihrem starken Flugver- mögen ab, so dass sie sich leicht vertheidigen oder Raubvögeln entgehen können, denen sie überdies nicht sehr ausgesetzt sind. Geschlechtliche Zuchtwahl ist folglich hier nicht beeinflusst oder zum Zwecke eines Schutzes besonders geleitet worden. Ohne Zweifel konnten bei Vögeln, welche auf dem offenen Oceane schwärmen, die Männchen und Weib- chen einander viel leichter finden, wenn sie entweder durch ein völlig weisses oder durch ein intensiv schwarzes (refieder auffallend gemacht wurden, so dass diese Farben möglicherweise zu demselben Zwecke dienen, wie die Lockrufe vieler Landvögel. Wenn ein weisser oder schwarzer Vogel ein auf dem Meere schwimmendes oder ans Ufer ge- worfenes Aas entdeckt und auf dasselbe hinabfliegt, wird er aus grosser Entfernung gesehen werden können und wird andere Vögel derselben Art oder verschiedener Arten zu der Beute hinführen. Da dies aber ein Nachtheil für die ersten Entdecker sein würde, so würden die- jenigen Individuen, welche die weissesten oder die schwärzesten waren, hierdurch nicht mehr Nahrung erlangt haben als die weniger auffal- lenden Individuen. Es können also auffallende Färbungen nicht zu diesem Zwecke durch natürliche Zuchtwahl allmählich erlangt worden sein 3. Da die geschlechtliche Zuchtwahl von einem so fluctuirenden Ele- mente wie dem Geschmacke abhängt, so können wir einsehen, woher es kommt, dass innerhalb einer und der nämlichen Gruppe von Vögeln mit nahezu derselben Lebensweise weisse oder nahezu weisse Arten # Ueber Larus, Gavia und Sterna s. Macgillivray, History of British Birds. ‚Vol. V, p. 515, 584, 626. Ueber Anser hyperboreus s. Audubon, Or- nitholog. Bor Vol. IV, p. 562. Ueber den Anastomus s. Mr. Blyth in: Ibis, 1867, p. 173. 55 Es mag hier auch erwähnt werden, dass von den Geiern, welche weit und ‘“ breit durch die höheren Regionen der Atmosphäre, wie Seevögel über den Ocean schwärmen, drei oder vier Species beinahe völlig und grossentheils weiss sind, während viele andere Species schwarz sind. Diese Thatsache unterstützt die Vermuthung, dass diese auffallenden Farben den Geschlechtern helfen dürften, einander: während der Paarungszeit zu finden. 202 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. il. Theil. ebenso gut wie schwarze oder nahezu schwarze Arten existiren, wie z. B. weisse und schwarze Kakadus, Störche, Ibisse, Schwäne, See- schwalben und Sturmvögel. Es kommen gleichfalls gescheckte Vögel zuweilen in denselben Gruppen vor, z. B. der schwarzhalsige Schwan, ge- wisse Seeschwalben und die gemeine Elster. Dass ein starker Contrast in der Farbe den Vögeln angenehm ist, können wir nach einem Blicke auf irgend eine grosse Sammlung von Exemplaren oder auf eine Reihe colo- rirter Abbildungen schliessen; denn häufig weichen die Geschlechter darin von einander ab, dass das Männchen die blässeren Theile von einem reineren Weiss und die verschiedentlich gefärbten dunkeln Theile von noch dunkleren Farbentönen besitzt als das Weibchen. Es möchte selbst scheinen, als hätte die blosse Neuheit oder die Veränderung um ihrer selbst willen zuweilen wie ein Zauber auf weib- liche Vögel gewirkt, in derselben Weise wie Veränderungen der Mode auf uns wirken. Der Herzog von Argyll sagt ?® — und, ich freue mich, die ungewöhnliche Befriedigung zu haben, selbst eine kurze Strecke lang seinen Fusstapfen folgen zu können — „ich werde immer mehr und „mehr überzeugt, dass die Mannichfaltigkeit, und zwar blosse Mannich- „faltigkeit als ein Zweck und Ziel in der Natur angesehen werden „muss“. Ich wünschte, der Herzog hätte hier erklärt, was er unter Natur versteht. Wird damit gemeint, dass der Schöpfer des Univer- sums verschiedenartige Resultate zu seiner Befriedigung oder zu der des Menschen angeordnet hat? Die erstere Annahme scheint mir eben so sehr der schuldigen Ehrfurcht als die letztere der Wahrscheinlichkeit zu ermangeln. Laune des Geschmacks bei den Vögeln selbst scheint mir eine zutreffendere Erklärung. Zum Beispiel: man kann kaum sagen, dass _ die Männchen einiger Papageien, wenigstens unserem Geschmacke zu- folge schöner sind als die Weibchen. Sie weichen aber von diesen in solchen Punkten ab, wie den folgenden: das Männchen hat ein rosen- farbiges Halsband statt „eines hell-smaragdnen schmalen grünen Hals- „bandes*, wie es das Weibchen besitzt; oder das Männchen hat ein schwarzes Halsband statt nur vorn „ein halbes gelbes Band“ zu haben mit einem blass rosenfarbigen statt eines blauen Kopfes 5°, Da so viele männliche Vögel als hauptsächliche Zierath verlängerte Schwanzfedern oder verlängerte Federkämme haben, so scheint der verkürzte Schwanz, >6 The Journal of Travel, edited by A. Murray. Vol. I. 1868, p. 286. °" s. Jerdon, über die Gattung Palaeornis in: Birds of India. Vol. I, p- 258—260, Cap. 16. Neuheit bewundert. 203 der früher von dem Männchen eines Kolibri beschrieben wurde und die verkürzte Haube des männlichen Sägetauchers beinahe wie eine jener vielen einander entgegengesetzten Veränderungen der Mode zu sein, welche wir an unsern eigenen Anzügen bewundern. Einige Glieder der Familie der Reiher bieten einen noch viel merk- würdigeren Fall davon dar, dass Neuheit der Färbung allem Anscheine nach wegen der Neuheit selbst geschätzt worden ist. Die Jungen der Ardea asha sind weiss, die Erwachsenen dunkel schieferfarbig, und es sind nicht bloss die Jungen sondern auch die Erwachsenen des ver- wandten Buphus coromandus in ihrem Wintergefieder weiss, welche Farbe sich während der Paarungszeit in ein reiches gollnes Röthlich- gelb verwandelt. Es ist unglaubhaft, dass die Jungen dieser zwei Spe- cies ebenso wie die einiger andrer Glieder derselben Familie? speciell weiss und dadurch für ihre Feinde auffallend gemacht worden seien, oder dass die Erwachsenen einer dieser zwei Species speciell während des Winters weiss geworden seien in einem Lande, welches niemals mit Schnee bedeckt ist. Auf der andern Seite haben wir Grund zu der Annahme, dass die weisse Farbe von vielen Vögeln als eine geschlecht- liche Zierath erlangt ist. Wir können daher schliessen, dass ein früher Urerzeuger der Ardea asha und des Buphus ein weisses Gefieder zu hochzeitlichen Zwecken erlangt und auf seine Nachkommen überliefert hat, so dass die Jungen und die Alten, wie gewisse jetzt existirende Silberreiher, weiss wurden. Später wurde dann die weisse Färbung von den Jungen beibehalten, während sie von den Erwachsenen gegen noch schärfer ausgesprochene Färbungen vertauscht wurde. Wenn wir aber noch weiter in der Zeit rückwärts auf noch frühere Urerzeuger dieser zwei Species blicken könnten, so würden wir wahrscheinlich die Erwach- senen dunkel gefärbt sehen. Dass dies der Fall sein würde, schliesse ich aus der Analogie vieler anderer Vögel, welche während ihrer Jugend dunkel und im erwachsenen Zustande weiss sind, und noch besonders aus dem Fall der Ardea gularis, deren Färbungen gerade die umge- kehrten von denen der A. asha sind. Denn die Jungen sind dunkel gefärbt und die Erwachsenen weiss, so dass hier die Jungen einen 53 Die Jungen von Ardea rufescens und A. caerulea der Vereinigten Staaten sind gleichfalls weiss, während die Erwachsenen so gefärbt sind, wie es ihr spe- cifischer Name ausdrückt. Audubon (Ornitholog. Biography, Vol. III, p. 416. Vol. IV, p. 58) scheint sich über den Gedanken zu amüsiren, dass diese merk- würdige Veränderung des Gefieders in hohem Grade „die Systematiker in Ver- „wirrung bringen wird,“ 204 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. IT. Theil. früheren Zustand des Gefieders beibehalten haben. Es geht daher schein- bar hieraus hervor, dass die Vorfahren der Ardea asha, des Buphus und einiger verwandter Formen in ihrem erwachsenen Zustande wäh- rend einer langen Descendenzreihe Veränderungen in der Färbung in folgender Reihe erlitten haben: zuerst eine dunkle Schattirung, zwei- tens eine rein weisse Färburg und drittens in Folge einer andern Ver- änderung der Mode (wenn mir dieser Ausdruck erlaubt ist) ihre jetzige schieferfarbige röthliche oder röthlich-graue Färbung. Diese aufein- anderfolgenden Veränderungen sind nur nach dem Principe verständlich, dass ihre Neuheit ihrer selbst wegen von den Vögeln bewundert worden ist. ‚ Zusammenfassung der vier Capitel über Vögel. — Die meisten männlichen Vögel sind während der Paarungszeit in hohem Grade kampfsüchtig und einige besitzen speciell zum Kampfe mit ihren Nebenbuhlern angepasste Waffen. Aber die kampfsüchtigsten und die bestbewaffneten Männchen hängen in Bezug auf den Erfolg selten oder niemals allein von ihrem Vermögen, ihre Nebenbuhler zu vertreiben oder zu tödten, ab, sondern haben ausserdem noch specielle Mittel zur Be- zauberung des Weibchens. Bei einigen ist es die Fähigkeit zu singen oder fremdartige Rufe auszustossen, oder Instrumentalmusik hervorzu- bringen; und in Folge dessen weichen die Männchen von den Weibchen in ihren Stimmorganen oder in der Bildung gewisser Federn ab. Aus den merkwürdig verschiedenartigen Mitteln zur Hervorbringung ver- schiedenartiger Laute gewinnen wir eine hohe Meinung von der Bedeu- tung dieses Mittels der Brautwerbung. Viele Vögel versuchen die Weibchen durch Liebestänze oder Geberden, die auf dem Boden oder in der Luft und zuweilen auf dazu hergerichteten Plätzen ausgeführt werden, zu bezaubern. Aber Ornamente vielerlei Art, die brillantesten Farbentöne, Kämme und Fleischlappen, wunderschöne Schmuckfedern, verlängerte Federn, Federstütze u. s. f. sind bei Weitem die häufigsten Mittel. In einigen Fällen scheint blosse Neuheit als Zauber gewirkt zu haben. Die Zierathen der Männchen müssen für sie von höchster Bedeutung gewesen sein, denn sie sind in nicht wenigen Fällen auf Kosten einer vergrösserten Gefahr vor Feinden und selbst mit etwas Verlust an dem Vermögen mit ihren Nebenbuhlern zu kämpfen erlangt worden. Die Männchen sehr vieler Species erhalten ihr ornamentales Kleid nicht eher als bis sie zur Reife gelangen, oder sie nehmen es nur ‘während der Paarungszeit an, oder es werden die Farbentöne zu Cap. 16. Zusammenfassung. 205 dieser Zeit lehhafter. Gewisse ornamentale Anhänge werden während des Actes der Bewerbung selbst vergrössert, schwellen an und wer- den hell gefärbt. Die Männchen entfalten ihre Reize mit ausgesuchter Sorgfalt und zu ihrer besten Wirkung; und dies geschieht in der Gegen- wart der Weibchen. Die Brautwerbung ist zuweilen eine sich in die Länge ziehende Angelegenheit, und viele Männchen und Weibchen ver- sammeln sich an einem bestimmten Platze. Anzunehmen, dass die Weibehen die Schönheit der Männchen nicht würdigen, hiesse der Mei- nung sein, dass ihre glänzenden Decorationen, alle ihre Pracht und Entfaltung nutzlos sind; und dies ist nicht glaublich. Vögel haben feines Unterscheidungsvermögen und in einigen wenigen Fällen lässt sich zeigen, dass sie einen Geschmack für das Schöne haben. Ueber- dies weiss man, dass die Weibchen gelegentlich eine ausgesprochene Vorliebe oder Antipathie für gewisse individuelle Männchen zeigen. Wird zugegeben, dass die Weibchen die schöneren Männchen vor- ziehen oder unbewusst von ihnen angeregt werden, dann werden die Männchen langsam aber sicher durch geschlechtliche Zuchtwahl immer mehr und mehr anziehend werden. Dass es dieses Geschlecht ist, wel- ches hauptsächlich modificirt worden ist, können wir aus der Thatsache schliessen, dass beinahe in jeder Gattung, in welcher die Geschlechter verschieden sind, die Männchen viel mehr von einander verschieden sind als die Weibchen. Dies zeigt sich sehr gut bei gewissen nahe verwandten repräsentativen Arten, bei welchen die Weibchen kaum un- terschieden werden können, während die Männchen völlig verschieden sind. Vögel bieten im Naturzustande individuelle Verschiedenheiten dar, welche völlig ausreichen würden, geschlechtliche Zuchtwahl ein- wirken zu lassen. Wir haben aber gesehen, dass sie gelegentlich noch stärker ausgesprochene Abänderungen darbieten, welche so häufig wie- derkehren, dass sie sofort fixirt werden würden, wenn sie dazu dienten, das Weibchen anzulocken. Die Gesetze der Abänderungen werden die Natur der anfänglich auftretenden Veränderungen bestimmt und in gros- sem Maasse das endliche Resultat beeinflusst haben. Die Abstufungen, welche sich zwischen den Männchen verwandter Species beobachten las- sen, deuten die Natur der Schritte an, welche durchlaufen worden sind, und erklären in der interessantesten Art und Weise gewisse Charactere, z. B. die zahnförmig eingeschnittenen Augenflecke auf den Schwanz- federn des Pfauhahns und die wunderbar schattirten Augenflecke auf den Schwungfedern des Argusfasans. Es ist offenbar, dass die brillan- 206 Geschlechtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. ten Farben, Federstütze, Schmuckfedern u. s. w. vieler männlicher Vögel nicht als Schutzmittel erlangt worden sein können; sie bringen geradezu zuweilen Gefahr herbei. Dass sie nicht eine Folge der direeten und bestimmten Wirkung der Lebensbedingungen sind, darüber können wir uns versichert halten, weil die Weibchen denselben Bedingungen aus- gesetzt und doch häufig von den Männchen im äussersten Grade ver- schieden sind. ÖObschon es wahrscheinlich ist, dass veränderte Bedin- gungen, welche während einer längeren Zeit gewirkt haben, irgend eine bestimmte Wirkung auf beide Geschlechter hervorgebracht haben. so wird doch das bedeutungsvollere Resultat eine verstärkte Neigung zur schwankenden Variabilität oder zu gehäuften individuellen Verschieden- heiten gewesen sein; und derartige Verschiedenheiten werden für die Wirkung der geschlechtlichen Zuchtwahl ein ausgezeichnetes Wirkungs- gebiet dargeboten haben. Die Gesetze der Vererbuug scheinen, ohne Rücksicht auf Zucht- wahl, bestimmt zu haben, ob Charactere, die von den Männchen zum Zwecke des Schmuckes, zum Zwecke des Hervorbringens verschiedener Laute und des Kämpfens mit einander erlangt worden sind, auf die Männchen allein oder auf beide Geschlechter und zwar entweder per- manent oder nur periodisch während gewisser Jahreszeiten überliefert worden sind. ‘Warum verschiedene Charactere zuweilen in der einen Weise und zuweilen in einer andern überliefert worden sind, ist in den meisten Fällen unbekannt; aber es scheint häufig die Periode der Va- riabilität die bestimmende Ursache gewesen zu sein. Wenn die zwei Geschlechter alle Charactere gemeinsam geerbt haben, so sind sie noth- wendiger Weise einander ähnlich. Da aber die aufeinanderfolgenden Abänderungen verschieden überliefert sein können, so kann man jede mögliche Abstufung finden, und zwar innerhalb eines und desselben (Genus, von der grössten Aehnlichkeit bis zu der schärfsten Unähnlich- keit zwischen den Geschlechtern. Bei vielen nahe verwandten und nahezu denselben Lebensgewohnheiten folgenden Species sind die Männchen hauptsächlich durch die Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl von ein- ander verschieden geworden, während die Weibchen hauptsächlich da- durch verschieden geworden sind, dass sie in einem grösseren oder ge- ringeren Grade an den auf diese Weise von den Männchen erlangten Characteren theilgenommen haben. Ueberdies werden die Resultate der bestimmten Einwirkung der Lebensbedingungen bei den Weibchen nicht, wie es bei den Männchen der Fall ist, dureh die in Folge geschlecht- Cap. 16. Zusammenfassung. 207 licher Zuchtwahl eintretende Häufung scharf ausgesprochener Färbungen und anderer Zierathen maskirt worden seien. Die Individuen beider zeschlechter, auf welche Weise sie auch beeinflusst sein mögen, wer- den auf jeder der aufeinanderfolgenden Perioden «durch die reichliche Kreuzung vieler Individuen nahezu gleichförmig gehalten worden sein. Bei denjenigen Species, bei welchen die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, ist es möglich, dass zuerst eine Neigung bestand, die aufeinanderfolgenden Abänderungen auf beide Geschlechter gleichmässig zu überliefern, und dass die Weibchen nur durch die Gefahr, welcher sie während der Zeit der Bebrütung ausgesetzt worden wären, verhindert wurden, die hellen Färbungen der Männchen anzunehmen. Es würde aber soweit ich sehen kann ein äusserst schwieriger Process sein, mit- telst der natürlichen Zuchtwahl eine Form der Ueberlieferung in eine andere umzuwandeln. Andererseits würde nicht die mindeste Schwie- rigkeit vorhanden sein, ein Weibchen düster gefärbt zu machen und dem Männchen noch immer seine helle Färbung zu erhalten, und zwar durch die Auswahl nacheinander auftretender Abänderungen, welche von Anfang an in ihrer Ueberlieferung auf ein und dasselbe Geschlecht be- schränkt waren. Ob die Weibchen vieler Species factisch in dieser Weise modifieirt worden sind, muss gegenwärtig noch zweifelhaft blei- ben. Wenn durch das Gesetz der gleichmässigen Ueberlieferung der Charactere auf beide Geschlechter die Weibchen so auffallend gefärbt worden sind wie die Männchen, so sind auch oft ihre Instinete modi- fieirt worden und sie sind dazu veranlasst worden, kuppelförmige oder verborgene Nester zu bauen. In einer kleinen und merkwürdigen Classe von Fällen sind die Cha- ractere und Gewohnheiten beider Geschlechter völlig vertauscht worden ; denn die Weibchen sind hier grösser, stärker und heller gefärbt als ihre Männehen. Sie sind auch so streitsüchtig geworden, dass sie oft ‘wie die Männchen der kampfsüchtigsten Species mit einander kämpfen. Wenn sie, wie es wahrscheinlich erscheint, beständig ihre weiblichen Nebenbuhler wegtreiben und ihre hellen Farben oder andere Reize ent- falten und damit die Männchen anzuziehen versuchen, so können wir verstehen, wie es gekommen ist, dass sie allmählich mittelst der ge- schlechtlichen Zuchtwahl und der geschlechtlich beschränkten Vererbung schöner als die Männchen geworden sind, während die letzteren nicht modifieirt oder nur unbedeutend modifieirt wurden. Sobald das Gesetz der Vererbung zu entsprechenden Lebensaltern 208 Geschleehtliche Zuchtwahl: Vögel. II. Theil. aber nicht das der geschlechtlich beschränkten Ueberlieferung in Kraft tritt, dann werden, wenn die Eltern spät im Leben variiren, — und wir wissen, dass dies beständig bei unseren Hühnern und gelegentlich bei anderen Vögeln auftritt, — die Jungen nicht affiecirt werden, wäh- rend die Erwachsenen beider Geschlechter modifieirt werden. Treten diese beiden Gesetze der Vererbung in Kraft und variirt das eine oder das andere Geschlecht spät im Leben, so wird nur dieses Geschlecht allein modifieirt werden, während das andere Geschlecht und die Jun- gen unaffieirt bleiben. Treten Abänderungen in der hellen Färbung oder in anderen auffallenden Characteren zeitig im Leben auf, wie es ohne Zweifel häufig sich ereignet, so werden diese von geschlechtlicher Zuchtwahl nicht früher beeinflusst werden als bis die Periode der Repro- duction herankommt. In Folge dessen werden sie, wenn sie für die Jungen gefahrvoll sind, durch natürliche Zuchtwahl eliminirt werden. Wir können hierdurch verstehen, woher es kommt, dass spät im Leben auftretende Abänderungen so häufig zur Verzierung der Männchen be- wahrt worden sind, während die Weibchen und die Jungen fast unver- ändert geblieben sind und daher einander gleichen. Bei Species, welche ein Sommer- und ein Wintergetieder haben und deren Männchen ent- weder den Weibchen während beider Jahreszeiten oder allein während des Sommers ähnlich oder von ihnen verschieden sind, sind die Abstu- fungen und Arten der Aehnlichkeit zwischen den Jungen und Alten ausserordentlich complieirt; und diese Complexität hängt allem Anscheine nach von Characteren ab, welche zuerst von den Männchen erlangt und dann in verschiedener Weise und in verschiedenen Graden, sowie durch Geschlecht, Alter und Jahreszeit beschränkt, überliefert wurden. - Da die Jungen so vieler Species nur wenig in der. Farbe und in anderen Ornamenten modifieirt worden sind, so sind wir in den Stand gesetzt, uns ein Urtheil in Bezug auf das Gefieder ihrer früheren Urerzeuger zu bilden, und wir können schliessen, dass die Schönheit unserer jetzt existirenden Species, wenn wir die ganze Classe betrach- ten, seit der Zeit, von welcher uns das unreife Jugendgefieder einen indireeten Bericht gibt, bedeutend zugenommen hat. Viele Vögel, be- sonders solche, welche auf dem Boden leben, sind ohne Zweifel zum Zwecke des Schutzes dunkel gefärbt worden. In einigen Fällen ist die obere exponirte Fläche des Gefieders in beiden Geschlechtern auf die- selbe Weise gefärbt worden, während die untere Fläche allein bei den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl verschiedenartig verziert Cap. 16. Zusammenfassung. 209 worden ist. Endlich können wir nach den in diesen vier Capiteln mit- getheilten Thatsachen schliessen, dass Waffen zum Kampfe, Organe zum Hervorbringen von Lauten, Zierathen vielerlei Art, helle und auffallende Färbungen allgemein von den Männchen durch Abänderung und ge- schlechtliche Zuchtwahl erlangt und auf verschiedenen Wegen je nach den verschiedenen Gesetzen der Vererbung überliefert worden sind, wäh- rend die Weibehen und die Jungen vergleichsweise nur wenig modifi- eirt worden sind °®. > Ich bin Mr. Selater sehr verbunden, dass er die Freundlichkeit gehabt hat, diese vier Capitel über Vögel sowie die beiden folgenden über Säugethiere durchzusehen. Auf diese Weise bin ich davor bewahrt worden, Fehler in den Namen der Arten zu machen und irgendwelche Thatsachen anzuführen, von denen dieser ausgezeichnete Forscher weiss, dass sie falsch sind. Er ist indessen na- türlicher Weise für die Richtigkeit der von mir nach verschiedenen Autoritäten angeführten Angaben nicht verantwortlich. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 14 1 x Siebenzehntes Capitel. Seeundäre Sexualcharactere der Säugethiere. Das Gesetz des Kampfes. — Specielle auf die Männchen beschränkte Waffen. — Ursache des Fehlens der Waffen bei den Weibchen. — Beiden Geschlech- tern gemeinsame Waffen, die aber doch ursprünglich zuerst vom Männchen erlangt wurden. — Anderer Nutzen solcher Waffen. — Ihre hohe Bedeutung, — Bedeutendere Grösse der Männchen. — Vertheidigungsmittel. — Ueber die von beiden Geschlechtern gezeigte Vorliebe beim Paaren der Säugethiere. Bei Säugethieren scheint das Männchen das Weibchen viel mehr nach dem Gesetze des Kampfes zu gewinnen als durch die Entfaltung seiner Reize. Die furchtsamsten Thiere, welche nieht mit irgend wel- chen speciellen Waffen zum Kampfe ausgerüstet sind, lassen sich in verzweifelte Kämpfe während der Zeit der Liebe ein. Zwei männliche Hasen hat man gesehen, welche so lange mit einander fochten, bis einer getödtet war. Männliche Maulwürfe kämpfen häufig, und zu- weilen mit tödtlichem Ausgange; männliche Eichhörnchen „beginnen „häufig Kämpfe und verwunden oft einander heftig“; dasselbe thun auch männliche Biber, so dass „kaum ein Fell ohne Narben ist“ !. Ich be- obachtete dieselbe Thatsache an den Häuten der Guanacos in-Patagonien; auch waren bei einer Gelegenheit mehrere dieser Thiere so von ihrem Kampfe absorbirt, dass sie ohne Furcht dieht an mich herangelaufen kamen. Livin@stonE spricht von den Thieren in Südafrika und erzählt, dass die Männchen vieler derselben beinahe ohne Ausnahme die in früheren Kämpfen erlangten Narben tragen. Das Gesetz des Kampfes gilt ebenso für Wasser- wie für Land- säugethiere. Es ist notorisch, wie verzweifelt männliche Robben wäh- rend der Paarungszeit mit einander kämpfen und zwar sowohl mit ihren Is. Waterton’s Schilderung des Kampfes zweier Hasen im: Zoologist, Vol. I. 1843, p. 211. Ueber Maulwürfe s. Bell, History of British Quadrupeds, 1. edit. p. 100. Ueber Eichhörnchen s. Audubon und Bachman, Viviparous Quadrupeds of North America, 1846, p. 269. Ueber Biber s. A. H. Green, in: Journal of the Linnean Society. Zool. Vol. X. 1869, p. 362. Cap. 17. Gesetz des Kampfes. u , 211 Zähnen als mit ihren Klauen; auch sind ihre Felle gleichfalls häufig mit Narben bedeckt. Männliche Spermaceti-Wale sind sehr eifersüch- tig zu dieser Jahreszeit, und in ihren Kämpfen verbeissen sie sich hänfig mit ihren Kinnladen, wälzen sich auf die Seite und zerren sich herum, so dass einige Naturforscher glauben, dass der so häufig miss- bildete Zustand ihrer Unterkinnladen durch diese Kämpfe verursacht ist 2. Von allen männlichen Säugethieren, welche mit speciellen Waffen zum Kampfe ausgerüstet sind, weiss man sehr wohl, dass sie heftige Kämpfe beginnen. Der Muth und die verzweifelten Duelle von Hirschen sind oft beschrieben worden. Ihre Skelette sind in verschiedenen Thei- len der Welt mit wunentwirrbar in einander verschlungenen Geweihen gefunden worden, dadurch zeigend, wie elend sowohl der Sieger als der Besiegte umgekommen sein muss®. Kein Thier in der Welt ist so gefährlich wie der Elephant zur‘ Brunstzeit. Lord TANkERVILLE hat mir eine lebendige Beschreibung der Kämpfe zwischen den wilden Bul- len in Chillingham-Park, den zwar in der Grösse aber nicht im Muthe degenerirten Nachkommen des gigantischen Bos primigenius gegeben. Im Jahre 1861 kämpften mehrere um die Herrschaft und es wurde beobachtet, dass zwei von den jüngeren Bullen in Uebereinstimmung den alten Anführer der Heerde angriffen, ihn überwanden und kampf- unfähig machten, so dass die Wärter glaubten, er läge tödtlich ver- wundet in einem benachbarten Walde. Aber wenige Tage später näherte sich einer der jungen Bullen allein dem Walde; und hierauf kam „der Herr der Jagd“, welcher sich nur um Rache zu nehmen ruhig gehalten hatte, hervor. und tödtete in kurzer Zeit seinen Gegner. Er vereinigte sich dann wieder friedlich mit der Heerde und führte lange und unangefochten das Scepter. Admiral Sir B. J. Surıvan theilt mir mit, dass, als er auf den Falklandsinseln residirte, er einen Jungen englischen Hengst importirt habe, welcher mit acht Stuten die Berge in der Nähe von Port William frequentirte. Auf diesen Bergen lebten 2 Ueber die Kämpfe der Robben s. Capt. .C. Abbott in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 191; auch Mr. R. Brown, ebenda 1868, p. 436: auch L. Lloyd, Game Birds of Sweden, 1867, p. 412. Ferner: Pennant. Ueber den Sperma- ceti-Wal s. J. H. Thompson, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1867, p. 246. 3 3, Scrope (Art of Deerstalking, p. 17) über das Ineinanderschlingen der Geweihe bei Cervus elaphus. Richardson sagt in der Fauna Boreal. Ameri- cana, 1829, p. 252, dass auch der Wapiti, das Orignal und Renthier so ver- schlungen gefunden worden sind. Sir A. Smith fand am Cap der Guten Hoff- nung die Skelette zweier Gnus in demselben Zustande. 14 * 919 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. IT. Theil. ne „wei wilde Hengste, jeder mit einer kleinen Zahl von Stuten; „und es . „ist sicher, dass diese Hengste einander niemals zu nahe kamen, ohne „mit einander zu kämpfen. Beide hatten einzeln versucht das eng- „lische Pferd zu bekämpfen und seine Stuten fortzutreiben, aber ohne „Erfolg. Eines Tages kamen sie zusammen heran und griffen ihn an. „Dies sah der Capitän, welchem die Sorge um die Pferde anvertraut „war; und als er nach der Stelle hinritt, fand er einen der Hengste „mit dem englischen in einen Kampf verwickelt, während der andere die „Stuten forttrieb und bereits vier von den übrigen getrennt hatte. Der „Capitän machte der Sache dadurch ein Ende, dass er die ganze Ge- „sellschaft in das Corral trieb, denn die wilden Hengste wollten die „Stuten nicht verlassen“. Männliche Thiere, welche bereits mit hinreichend schneidenden oder zerreissenden Zähnen für die gewöhnlichen Zwecke des Lebens versehen sind, wie bei den Carnivoren, Inseetivoren und Nagethieren, sind selten mit Waffen versehen, die speciell für Kämpfe mit ihren Nebenbuhlern angepasst sind. Bei den Männchen vieler anderer Thiere liegt aber der Fall sehr verschieden. Wir sehen dies an den Geweihen der Hirsche und an den Hörnern gewisser Arten von Antilopen, von denen die Weib- chen hornlos sind. Bei vielen Thieren sind die Eekzähne in der unte- ren oder oberen Kinnlade oder in beiden bei den Männchen viel grösser als bei den Weibchen oder fehlen auch bei den letzteren mit Aus- nahme zuweilen eines verborgenen Rudiments. (Gewisse Antilopen, das Moschusthier, Kameel, Pferd, der Eber, verschiedene Affen, Robben und das Walross bieten Beispiele dieser verschiedenen Fälle dar. Beim Weibchen des Walrosses fehlen die Stosszähne zuweilen vollständig *. Beim männlichen indischen Elephanten und beim männlichen Dugong ? bilden die oberen Schneidezähne starke Angriffswaffen. Beim männ- lichen Narwal ist allein der eine der oberen Zähne zu dem wohlbe- kannten spiral gewundenen sogenannten Horn entwickelt, welches zu- weilen neun bis zehn Fuss an Länge erreicht. Man glaubt, dass die Männchen diese Hörner dazu’ benutzen mit einander zu kämpfen, denn „ein ungebrochenes ist selten zu beschaffen und gelegentlich kann man * Mr. Lamont (Seasons with the Sea-Horses, 1861, p. 143) sagt, dass ein guter Stosszahn des männlichen Walrosses 4 Pfund wiegt und grösser ist als der des Weibchens, welcher nur ungefähr 3 Pfund wiegt. Die Männchen kämpfen den Schilderungen zufolge wüthend. Ueber das gelegentliche Fehlen der Stoss- zähne beim Weibchen s. Mr. R. Brown, Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 429. > Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 283. Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 213 „eins finden, an welchem die Spitze eines andern in die gebrochene „Stelle eingekeilt ist*®. Der Zahn auf der anderen Seite des Kopfes besteht bei dem Männchen aus einem ungefähr zehn Zoll langen Ru- dimente, welches in der Kinnlade eingebettet liegt. Es ist indessen nicht sehr selten, doppelhörnige Narwalle zu finden, bei welchen beide Zähne wohl entwickelt sind. Bei den Weibchen sind beide Zähne ru- dimentär. Der männliche Cachelot hat einen grösseren Kopf als das Weibchen und diese Grösse unterstützt ohne Zweifel diese Thiere bei ihren im Wasser zu haltenden Kämpfen. Endlich ist der männliche erwachsene Ornithorhynchus mit einem merkwürdigen Apparate ver- sehen, nämlich mit einem Sporn am Vorderbeine, welcher dem Gift- ‘zahne einer Giftschlange ausserordentlich ähnlich ist. Sein Gebrauch ist unbekannt, wir können aber vermuthen, dass er als eine Angriffs- waffe dient. Beim Weibchen wird er nur durch ein blosses Rudiment repräsentirt. Wenn die Männchen mit Waffen versehen sind, welche die Weib- chen nicht besitzen, so lässt sich kaum zweifeln, dass sie dazu benutzt werden, mit anderen Männchen Zu kämpfen und dass sie durch ge- schlechtliehe Zuchtwahl erlangt worden sind. Es ist mindestens m den meisten Fällen nicht wahrscheinlich, dass die Weibchen deshalb der- artige Waffen nicht erlangt haben, weil sie ihnen nutzlos oder über- flüssig oder in irgend welcher Art schädlich wären. Da dieselben im Gegentheil häufig von den Männchen zu verschiedenen Zwecken und ganz besonders zur Vertheidigung gegen ihre Feinde benutzt werden, so ist es eine überraschende Thatsache, dass sie bei den Weibchen so schwach entwickelt sind oder vollständig fehlen. Ohne Zweifel wäre bei weiblichen Hirschen die in jedem der aufeinander folgenden Jahre wiederkehrende Entwickelung grosser sich verzweigender Geweihe und bei weiblichen Elephanten die Entwickelung ungeheurer Stosszähne eine grosse Verschwendung von Lebenskraft gewesen, wenigstens nach der Annahme, dass sie für die Weibchen von keinem Nutzen sind. In Folge dessen werden Abänderungen in der Grösse dieser Organe, welche allmählich zu ihrer Unterdrückung führen, unter die Controle der na- türlichen Zuchtwahl getreten sein, und wenn sie in ihre Ueberlieferung auf die weiblichen Nachkommen beschränkt geblieben wären, würde ® Mr. R. Brown, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 553. ” Owen, über den Cachelot und Ornithorhynchus a. a. 0. Vol. II, p. 638 und 641. 214 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. dies ihre Entwickelung durch geschlechtliche Zuchtwahl bei den Männ- chen nicht gestört haben. Wie können wir aber nach dieser Ansicht das Vorhandensein von Hörnern bei den Weibehen gewisser Antilopen und von Stosszähnen bei den Weibchen vieler Thiere erklären, welche nur von einer unbedeutend geringeren Grösse sind als bei den Männ- chen? Die Erklärung muss in beinahe sämmtlichen Fällen, wie ich glaube, in den Gesetzen der Ueberlieferung gesucht werden. Da das Renthier die einzige Species in der ganzen Familie der hirschartigen Thiere ist, bei welcher das Weibchen mit Geweihen ver- sehen ist, wenn sie arfch etwas kleiner, dünner und‘ weniger verzweigt sind als beim Männchen, so könnte man natürlich glauben, dass die- selben von irgend einem speciellen Nutzen für dasselbe sind. Es gibt indessen einige Belege, welche sich dieser Ansicht entgegensetzen. Das Weibchen behält seine Geweihe von der Zeit, wo es völlig entwickelt ist, nämlich vom September, durch den ganzen Winter bis zum Mai, wo es seine Jungen zur Welt bringt, während das Männchen sein Geweihe viel zeitiger abwirft, nämlich gegen das Ende des November. Da beide Geschlechter dieselben Bedürfnisse haben und denselben Lebensgewohn- heiten folgen, und da das Männchen seine Geweihe während des Winters abwirft, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Geweihe von irgend einem speciellen Nutzen für das Weibchen in dieser Zeit des Jahres sein kann, welche den grösseren Theil der Zeit umfasst, während wel- cher dasselbe überhaupt Geweihe trägt. Auch ist es nicht wahrschein- lich, dass es sein Geweihe von irgend einem alten Urerzeuger der gan- zen Familie der hirschartigen Thiere ererbt haben kann; denn aus der Thatsache, dass allein die Männchen so vieler Species in allen Theilen der Erde Geweihe besitzen, können wir schliessen, dass dies der ur- sprüngliche Character der Gruppe war. Der Anschein ergibt daher, dass das Geweihe vom Männchen auf das Weibchen in einer Zeit über- tragen worden sein muss, welche dem Abzweigen der verschiedenen Species von einer gemeinsamen Stammform folgte, dass dies aber nicht zu dem Zwecke bewirkt wurde, dem Weibchen einen speciellen Vor- theil zu gewähren ®. Wir wissen, dass beim Renthier die Geweihe zu einem äusserst ® Ueber die Structur und das Abwerfen des Geweihes beim Renthier s. Hoff- berg, in: Amoenitates academicae, Vol. IV. 1788, p. 149. Im Bezug auf die Amerikanische Varietät oder Species s. Richardson, Fauna Boreal. Ameri- cana, p. 241; auch Major W. Ross King, The Sportsman in Canada. 1366, p. 80. Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 215 ungewöhnlich frühen Alter entwickelt werden; was aber die Ursache hiervon sein mag, ist unbekannt. Das Resultat hiervon ist indessen allem Anscheime nach die Uebertragung der Geweihe auf beide Ge- schlechter gewesen. Nach der Hypothese der Pangenesis ist es ver- ständlich, dass eine sehr unbedeutende Veränderung in der Constitution des Männchens entweder im den Geweben der Stirne oder in den Keim- chen des Geweihes zu seiner so frühen Entwickelung führt, und da die Jungen beider Geschlechter vor der Periode der Fortpflanzung nahezu die- selbe Constitution besitzen, so werden auch die Geweihe, wenn sie sich in einem früheren Alter beim Männchen entwickelten, darnach streben, gleichmässig in beiden Geschlechtern entwickelt zu werden. "Zur Unter- ‚stützung dieser Ansicht müssen wir im Sinne behalten, dass die Ge- weihe immer durch das Weibchen überliefert werden und dass dieses eine latente Fähigkeit zur Entwickelung von Geweihen besitzt, wie wir bei alten oder erkrankten Weibchen sehen®. Ueberdies bieten die Weibchen einiger anderen Species hirschartiger Thiere entweder normal oder gelegentlich Rudimente von Geweihen dar; so hat das Weibchen von Cervus moschatus „in einem Knopf endende borstige Büsche statt „eines Hornes“; und „in den meisten Exemplaren des weiblichen Wa- „piti (Cervus canadensis) findet sich an der Stelle des Geweihes eine „scharfe knöcherne Protuberanz“ !%, Aus diesen verschiedenen Betrach- tungen können wir schliessen, dass der Besitz ziemlich gut entwickelter Geweihe beim "weiblichen Renthier eine Folge dävon ist, dass die Männchen sie zuerst als Waffen für die Kämpfe mit anderen Männchen. erhielten, und an zweiter Stelle eine Folge ihrer aus irgend einer un- bekannten Ursache in einem ungewöhnlich frühen Alter beim Männchen eintretenden Entwickelung und ihrer hiervon abhängenden Ueberlieferung auf beide Geschlechter. ; Wenden wir uns nun zu den scheidenhörnigen Wiederkäuern. Unter °.Isidore Geoffroy St.-Hilaire, Essais de Zoologie generale, 1841, p- 513. Ausser dem Gehörne werden auch andere männliche Charactere zuwei- “len auf das Weibehen übertragen; so sagt Mr. Boner bei der Schilderung einer alten weiblichen Gemse (Chamois Hunting in the Mountains of Bavaria, 1860, 2. edit. p. 363): „der Kopf sah nicht bloss ganz männlich aus, sondern es war dem „Rücken entlang ein Kamm langer Haare vorhanden, wie er sich gewöhnlich nur „bei Böcken findet“. - 0 Ueber den (ervuhrs s. Dr. Gray, Catalogue of the Mammalia in British Museum, Part..II, p 220. Ueber den Cervus canadensis oder das Wapiti s. Hon. J. D. Caton, in: Ottawa Acad. of Natur. Sciences, May, 1868, p. 9. 216 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethliere. II. Theil. den Antilopen kann man eine sich abstufende Reihe aufstellen, welche mit Species beginnt, deren Weibchen vollständig ohne Hörner sind, welche dann zu solchen fortschreitet, die so kleine Hörner haben, dass sie beinahe rudimentär sind, wie bei der Antilocapra americana, bis zu denen, welche ziemlich gut entwickelte Hörner, aber offenbar kleiner und dünner als die Männchen und zuweilen auch von einer ver- schiedenen Form !! haben, und endlich zu solchen, bei denen beide Ge- schlechter gleich grosse Hörner besitzen. Wie beim Renthier so be- steht auch bei den Antilopen eine Beziehung zwischen der Periode der Entwiekelung der Hörner und ihrer Ueberlieferung auf ein Geschlecht oder auf beide. Es ist daher wahrscheinlich, dass ihr Vorhandensein oder Fehlen bei den Weibehen irgend einer Species und ihr mehr oder weniger vollkommener Zustand bei den Weibchen anderer Species nicht davon abhängt, dass sie irgend einen speciellen Gebrauch haben ‚son- dern einfach von der Form der Vererbung, welche geherrscht hat. Es stimmt mit dieser Ansicht überein, dass, selbst in einer und der näm- lichen begrenzten Gattung beide Geschlechter einiger Species und allein die Männchen anderer Species in dieser Weise ausgerüstet sind. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass, obgleich die Weibchen von Antilope bezoartica der Regel nach Hörner entbehren, Mr. Buyrit doch nicht weniger als drei Weibchen gesehen hat, welche solche besassen, und es lag kein Grund zu der Annahme vor, dass diese alt oder erkrankt ge- wesen wären. Die Männchen dieser Species haben lange, gerade, zier- lich gewundene Hörner, welche nahezu parallel mit einander verlaufen und nach rückwärts gerichtet sind. Finden sich bei den Weibchen Hörner, so sind sie im der Form sehr verschieden, denn sie sind nicht spiral gewunden ‚und breiten sich weit gebogen herum, so dass ihre Spitzen nach vorn gerichtet sind. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, dass, wie mir Mr. Buyın mittheilt, bei den castrirten Männ- chen die Hörner von derselben eigenthümlichen Form sind wie beim Weibchen, aber länger und dieker. In allen Fällen "hängen die Ver- schiedenheiten zwischen den Hörnern der Männchen und Weibehen und der eastrirten und unverletzten Männchen wahrscheinlich von verschie- denen Ursachen ab, nämlich von der mehr oder weniger vollständigen Be von männlichen Characteren auf die Weibchen — von 11. Sp ner beispielsweise die Hörner der weiblichen Antilope Euchore denen einer verschiedenen Species, nämlich der Antilope Dorcas, var. Corine, 8. Desmarest, Mammalogie, p.« 455. Cap. 17, Gesetz des Kampfes. Ar dem früheren Zustande der Urerzeuger der Species — und zum Theil vielleicht davon, dass die Hörner verschieden ernährt. werden, nahezu in derselben Art und Weise wie die Sporne des Haushahns, wenn sie in den Kamm oder in andere Theile des Körpers inserirt sind, ver- schiedene abnorme Formen annehmen, weil sie verschieden ernährt werden. Bei allen wilden Species von Ziegen und Schafen sind die Hörner beim Männchen grösser als beim Weibchen und fehlen zuweilen beim letzteren vollständig '. Bei mehreren domestieirten Rassen des Schafes und der Ziege sind allein die Männchen mit Hörnern versehen; und es ist eine bezeichnende Thatsache, dass bei einer derartigen hasse von Schafen an der Küste von Guinea die Hörner bei dem eastrirten Männ- chen, wie mir Mr. Wınwoop READE mittheilt, nicht entwickelt werden, so dass sie in dieser Beziehung in gleicher Weise affiecirt werden, wie das Geweihe von Hirschen. In einigen Rassen, wie in der von Nord- Wales, in welcher beide Geschlechter eigentlich Hörner tragend sind, bleiben die Mutterschafe sehr gern hornlos. Bei diesen selben Schafen sind, wie mir ein zuverlässiger Zeuge mitgetheilt hat, der absichtlich eine Heerde während der Lammzeit inspieirte, die Hörner bei der Ge- burt im Allgemeinen beim Männchen vollständiger entwickelt als beim Weibehen. Beim erwachsenen Bisamochsen (Ovibos moschatus) sind die Hörner des Männchens grösser als die des Weibchens und beim letz- teren berühren sich die Basen der Hörner nicht !?. In Bezug auf das gewöhnliche Rind bemerkt Mr. Bryrm: „bei den meisten der wilden rin- „derartigen Thiere sind die Hörner des Bullen sowohl länger als dicker „als die der Kuh und bei dem weiblichen Banteng (Bos sondaicus) „sind die Hörner merkwürdig klein und bedeutend nach rückwärts ge- „neigt. Bei den domestieirten Rassen des Rindes, sowohl der Formen „mit Buckel als der buckellosen, „sind die Hörner beim Bullen kurz „und diek, bei der Kuh und dem Ochsen länger und schlanker, und ebenso „sind sie beim indischen Büffel beim Bullen kürzer und dicker und „bei der Kuh länger und schlanker. Beim wilden Gaour (Bos gaurus) „sind die Hörner beim: Bullen meist sowohl länger als dicker als bei „der Kuh“ !*. Es sind daher bei den meisten scheidenhörnigen Wieder- käuern die Hörner des Männchens entweder länger oder stärker als die 2 Gray, Catalogue Mammalia Brit. Museum, Part. III. 1852, p. 160. 3 Richardson, Fauna Boreal. Americana, p. 278, 1 Land and Water, 1867, p. 346. 218 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. ‘ II. Theil. des Weibchens. Ich will hier gleich hinzufügen, dass bei dem Rhino- ceros simus die Hörner des Weibchens allgemein ‚länger aber weniger kraftvoll sind als beim Männchen und bei einigen anderen Species von Rhinoceros sollen sie beim Weibchen kürzer sein !®. Aus diesen ver- schiedenen Thatsachen können wir schliessen, dass Hörner aller Arten, selbst wenn sie in beiden Geschlechtern gleichmässig entwickelt werden, zuerst von den Männchen erlangt wurden, um andere-Männchen zu be- kämpfen, und dass sie dann mehr oder weniger auf die Weibchen über- tragen worden sind, im Verhältniss zu der Kraft der gleichförmigen Art der Vererbung. Die Stosszähne des Elephanten weichen in den verschiedenen Spe- cies oder Rassen je nach dem Geschlechte in nahezu derselben Art und Weise ab wie die Hörner der Wiederkäuer. In Indien und Malacca sind allein die Männchen mit wohlentwickelten Stosszähnen versehen. Der Elephant von Ceylon wird von den meisten Naturforschern als eine verschiedene Rasse betrachtet, von einigen sogar als eine verschiedene Species, und hier „findet man nicht einen unter einem Hundert, welcher „mit Stosszähnen versehen wäre, und die wenigen, welche sie besitzen, „sind ausschliesslich Männchen“ !6, Der afrikanische Elephant ist zweifellos verschieden; und hier hat das Weibchen grosse wohlentwickelte tosszähne, wenn auch nicht so grosse wie die des Männchens. Diese Verschiedenheit in den Stosszähnen der verschiedenen Rassen und Species von Elephanten — die grosse Variabilität des Geweihes bei hirsch- artigen Thieren, wie besonders beim wilden Renthier — das gelegent- liche Vorhandensein von Hörnern bei der weiblichen Antilope bezoartica — das Vorhandensein zweier Stosszähne bei einigen wenigen männlichen Narwallen — das vollständige Fehlen von Stosszähnen bei einigen weiblichen Walrossen —, Alles dies sind Beispiele für die ausser- ordentliche Variabilität secundärer- Sexualcharactere und ihrer ausser- ordentlichen Geneigtheit in nahe verwandten Formen verschieden zu werden. Obgleich Stosszähne und Hörmer in allen Fällen ‚ursprünglich als Waffen zu geschlechtlichen Zwecken entwickelt worden zu sein scheinen, so dienen sie doch häufig auch zu anderen Zwecken. Der Elephant gebraucht I5 Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa, pl. XIX. Owen, Ana- tomy of Vertebrates, Vol. III, p. 624. 16 Sir J. Emerson Tennent, Ceylon, 1859. Vol. II, p. 274. Wegen Ma- Jacca s. Journal of Indian Archipelago, Vol. IV, p. 357. Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 219 seine Stosszähne beim Angriffe des Tigers. Der Angabe Bruck's zu- folge schneidet er die Stämme von Bäumen damit ein, bis sie leicht umgeworfen werden können und er holt sich damit auch das mehlige Mark von Palmen heraus. In Afrika benutzt er oft den einen Stoss- zahn, und dieser ist immer einer und derselbe, dazu, den Boden zu untersuchen und sich zu vergewissern, ob er seine Last zu tragen im Stande ist. Der gemeine Bulle vertheidigt die Heerde mit seinen Hör- nern; und nach LroyYp hat man in Schweden die Erfahrung gemacht, dass der Elk einen Wolf mit einem einzigen Schlage seines grossen Geweihes todt niederstreckte. Viele ähnliche Thatsachen liessen sich noch anführen. Eine der merkwürdigsten seeundären Anwendungsweisen, zu welchen die Hörner irgend eines Thieres gelegentlich benutzt werden, ist die, welche Capitain Hurton, und zwar bei der wilden Ziege (Capra aegagrus) der Himalayas, beobachtet hat !7. Dieselbe kommt, wie man sagt, auch beim Steinbock vor; stürzt nämlich das Männchen zufällig von einer Höhe herab, so biegt es seinen Kopf nach vorn ein und bricht durch das Fallen auf seine massiven Hörner die Wirkung des Stosses. Das Weib- chen kann seine Hörner nicht in dieser Weise brauchen, da sie kleiner sind, aber wegen seiner ruhigeren Disposition bedarf es dieser merk- würdigen Art von Schild nicht so nöthig. Jedes männliche Thier benutzt seine Waffen in seiner eigenen eigen- thümlichen Weise. Der gewöhnliche Widder macht einen Angriff und stösst dabei mit solcher Kraft mit den Basen seiner Hörner, dass ich gesehen habe, wie ein kräftiger Mann so leicht wie ein Kind über den Haufen gerannt wurde. Ziegen und gewisse Species von Schafen wie 2. B. Ovis eyeloceros von Afghanistan !®, erheben sich auf ihren Hinter- beinen und stossen dann nicht bloss, sondern „machen einen Hieb nach „abwärts und einen Stoss mit der gerippten Vorderseite ihrer „säbel- „förmigen Hörner, wie mit einem Säbel, nach oben. Als ein Ovis „eyeloceros einen grossen domestieirten Widder, welcher ein anerkannter „Boxer war, angriff, besiegte es ihn lediglich durch die Neuheit seiner „Weise zu kämpfen, indem es immer sofort an seinen Widersacher her- „antrat und ihn quer übers Gesicht und die Nase mit einem scharfen „ziehenden Hiebe seines Kopfes fasste und ihm dann durch .eine kurze 17 Galcutta Journal of Natural History. Vol. II. 1843, p. 526. 18 Mr. Blyth, in: Land and Water, March, 1867, p. 134, nach der Autori- tät des Capt. Hutton und Anderer. Wegen der wilden Ziegen von Pembroke- shire s. The Field, 1869, p. 150. 290 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. „Wendung aus dem Wege gieng, ehe der Stoss zurückgegeben werden „konnte“. In Pembrokeshire hat man einen Ziegenbock gekannt, den Herrn einer seit mehreren Jahren verwilderten Heerde, welcher mehrere andere Männchen im Einzelkampfe getödtet hat. Dieser Bock besass enorme Hörner, welche in einer ‘geraden Linie von Spitze zu Spitze neunundzwanzig Zoll maassen. Wie Jedermann weiss, stösst der ge- meine Bulle seinen Gegner und schleudert ihn hin und her. Aber der italienische Büffel soll niemals seine Hörner brauchen. Er gibt mit seiner convexen Stirn einen fürchterlichen Stoss und trampelt dann auf seinem gestürzten Gegner mit seinen Knien, ein Instinet, welchen der gemeine Bulle nicht besitzt !%. Ein Hund, welcher einen Büffel an der Nase zum Stellen bringen will, wird daher sofort zermalmt. Wir müssen uns indessen erinnern, dass der italienische Büffel schon seit langer Zeit domesticirt worden ist, und es ist durchaus nicht gewiss, ob die wilde elterliche Form ähnlich geformte Hörner besessen hat. Mr. BARTLETT theilt mir mit, dass, als eine Kap-Büffelkuh (Bubalus caffer) mit einem Bullen derselben Species in eine Umzäunung gebracht wurde, sie ihn angriff und er sie wiederum. mit grosser Heftigkeit her- umtrieb. Mr. Bartterr sah aber offenbar, dass wenn der Bulle nicht eine würdige Nachsicht gezeigt hätte, er sie durch einen einzigen Stoss mit seinen ungeheuren Hörnern leicht hätte tödten können. Die Giraffe braucht ihre kurzen mit Haaren überzogenen Hörner, welche beim Männchen im Ganzen etwas länger sind, als beim Weibchen, in einer merkwürdigen Weise; sie schwingt mit ihrem langen Halse den Kopf nach beiden Seiten, beinahe umgekehrt, mit der Oberseite nach abwärts, und zwar mit solcher Kraft, dass ich selbst eine harte Planke gesehen habe, die durch einen einzigen Schlag tiefe Eindrucke erhal- ten hatte. In Bezug auf die Antilopen ist es zuweilen schwierig sich vorzu- stellen, wie sie ihre merkwürdig geformten Hörner möglicherweise be- nutzen können. So hat der Springbock (Antilope euchore) ziemlich kurze aufrechte Hörner, ‚deren scharfe Spitzen beinahe rechtwinkelig nach innen gebogen sind, so dass sie einander gegenüberstehen. Mr. BARTLETT weiss nicht wie sie benutzt werden, vermuthet aber, dass sie eine fürchterliche Wunde auf jeder Seite des Gesichts eines etwaigen (egners herbeiführen könnten. Die leicht gebogenen Hömer des Oryx %° Mr. E. M. Bailly, sur l’usage des cornes etc. in: Annal. des Sciences natur. Tom. II. 1824, p. 369. » Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 224 leucoryx (Fig. 61) sind nach hinten gerichtet und sind von solcher Länge, dass ihre Spitzen über die Mitte des Rückens nach hinten rei- chen über welchem sie in einer fast parallelen Linie stehen. Hiernach “ . Fig. 61. Oryx leueoryx, Männchen, (Nach der Knowsley-Menagerie.) scheinen sie für einen Kampf eigenthümlich schlecht angepasst zu sein. Aber Mr. BArTLETT theilt mir mit, dass wenn zwei dieser Thiere sich zum Kampfe vorbereiten, sie niederknieen und ihren Kopf zwischen die Vorderfüsse nehmen; bei dieser Haltung stehen dann die Hörner bei- nahe parallel und dieht am Boden, mit den Spitzen nach vorn und ein wenig nach aufwärts gerichtet. Die Kämpfer nähern sich nun all- mählich und versuchen die umgewendete Spitze ihrer Hörner unter den Körper des Gegners zu bringen. Gelingt dies einem, so springt er plötz- lich auf und wirft zu derselben Zeit seinen Kopf in die Höhe, wodurch er seinen Gegner verwunden oder selbst durchbohren kann. Beide Thiere knieen immer nieder, unt sich so weit als möglich gegen dieses Manöver zu schützen. Man hat selbst berichtet, dass eine dieser Antilopen ihre Hörner mit Erfolg selbst gegen einen Löwen benutzt hat. Weil sie aber gezwungen ist, den Kopf zwischen die Vorderbeine zu bringen, um die Spitzen ihrer Hörner nach vorwärts gerichtet zu halten, so wird sie sich meist in grossem Nachtheile finden, wenn sie von irgend einem anderen 'Thiere angegriffen wird. Es ist daher nicht wahrscheinlich, dass die Hörner zu ihrer jetzigen grossen Länge und eigenthümlichen Stellung zum Zwecke des Schutzes gegen Raubthiere gebracht worden sind. Wir können indessen sehen, dass, sobald irgend ein alter männlicher Urerzeuger des Oryx mässig lange und ein wenig nach rückwärts ge- neigte Hörner erlangt hatte, er in seinen Kämpfen mit Nebenbuhlern 299 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. gezwungen gewesen sein wird, seinen Kopf etwas nach innen und ab- wärts zu beugen, wie es jetzt gewisse Hirsche thun, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass er dabei auch die Gewohnheit zuerst gelegentlich und später regelmässig niederzuknien erlangt haben kann. In diesem Falle ist es beinahe sicher, dass diejenigen Männchen, welche die läng- sten Hörner besassen, einen grossen Vortheil vor den anderen, mit kür- zeren Hörnern voraus gehabt haben werden, und dann werden die Hörner durch geschlechtliche Zuchtwahl allmählich immer länger und länger geworden sein, bis sie ihre jetzige ausserordentliche Länge und Stellung erreichten. Bei Hirschen vieler Arten bietet das Verzweigen des Geweihes einen merkwürdigen Fall von Schwierigkeit dar, denn sicher würde eine einfache gerade Spitze eine viel ernstlichere Wunde beibringen, als mehrere auseinandergehende Spitzen. In Sir PHıLıpp EGerToN’s Mu- seum findet sich ein Geweih des Edelhirsches (Cervus elaphus) dreissig Zoll lang mit „nicht weniger als fünfzehn Enden oder Zweigen“; und in Moritzburg ist noch jetzt das Geweihepaar eines Edelhirsches auf- gehoben, welchen im Jahre 1699 Frirprıch I. schoss, von denen die linke Stange die erstaunliche Zahl von dreiunddreissig Enden trug. RıcHArDsoN bildet ein Geweihe des wilden Renthiers ab mit neunund- zwanzig Enden ?2°. Nach der Art und Weise, in welcher das Geweihe verzweigt ist, und noch besonders weil man weiss, dass Hirsche gele- .gentlich so mit einander kämpfen, dass sie mit ihren Vorderfüssen stossen ?!, kam Mr. Baıtıy zu dem Schlusse, dass ihre Geweihe mehr von Nachtheil als von Nutzen für sie seien. Aber dieser Schriftsteller übersieht die ausgemachten Kämpfe zwischen rivalisirenden Männchen. Da ich mich in Bezug auf den Gebrauch oder den Vortheil der Enden in ziemlicher Verlegenheit befand, wendete ich mich an Mr. M’Neıt, von Colinsay, welcher das Leben des Edelhirsches lange und sorgfältig beobachtet hat, und er theilte mir mit, dass er niemals eines der 2° Owen, über das Geweihe des Edelhirsches s. dessen British Fossil Mam- mals, 1846, p. 478; Forest Creatures by Charles Boner, 1861, p. 76, 62. Ri- chardson, über das Geweihe des Renthiers in seiner Fauna Bor. Americana, 1829, p. 240. (Die rechte Stange des Moritzburger Hirsches hat 27 Enden. C.) 2?! Hon. J. D. Caton (Ottawa Acad. of Natur. Science, May, 1868, p. 9) sagt, dass der amerikanische Hirsch mit seinen Vorderbeinen kämpft, nachdem „die Frage der Superiorität einmal ausgemacht und in der Heerde anerkannt wor- „den ist“. Bailly, sur Pusage des cornes, in: Annales des science. natur. Tom. II. 1824, p. 371 Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 2953 Enden in Thätigkeit gebracht gesehen. habe, dass aber die Augensprossen, weil sie sich nach abwärts neigen, für die Stirn 'ein bedeutender Schutz sind und dass ihre Spitzen gleichfalls beim Angriff! gebraucht werden. Auch Sir Pkıtıpp EGERTON theilt mir sowohl in Bezug auf Edelhirsche als auf den Damhirsch mit, dass wenn sie kämpfen, sie plötzlich an einander fahren und, ihr Geweihe gegen den Körper des andern gedrückt, einen ‚verzweifelten Kampf beginnen. Wenn einer der Hirsche zuletzt gezwungen wird nachzugeben und sich umzuwenden, so versucht der Sieger seine Augensprossen in den besiegten Feind einzustossen. Es erscheint hiernach als ob die oberen Enden hauptsächlich oder ausschliesslich zum Stossen oder Vertheidigen benutzt werden. Nichtsdestoweniger werden bei einigen Species auch die oberen Enden als Angriffswafien benutzt. Als in Junge Caron’s Park in Ottawa ein Mann von einem Wapiti- Hirsche (Cervus canadensis) angegriffen wurde und mehrere Leute ihn zu befreien versuchten, „erhob der Hirsch seinen Kopf nicht von dem „Boden; in der That, er hielt sein Gesicht beinahe platt auf der Erde, „mit seiner Nase fast zwischen seinen Vorderfüssen, ausgenommen, wenn „er seinen Kopf nach einer Seite drehte, um eine neue Beobachtung als „Vorbereitung zu einem Angriffe zu machen“. Im dieser Stellung waren die Endspitzen des (Geweihes gegen seine Gegner gerichtet. „Beim „Drehen des Kopfes erhob er ihn nothwendiger Weise etwas, weil sein „Geweihe so lang war, dass er den Kopf nicht drehen konnte, ohne „dasselbe auf der einen Seite etwas zu erheben, während es auf der „andern Seite den Boden berührte“. Der Hirsch trieb auf diese Weise allmählich die Gesellschaft, die zu Hülfe kam, zurück auf eine Ent- fernung von hundertfünfzig bis zweihundert Fuss und der angegriffene Mann wurde getödtet ?*. Obgleich die Geweihe der Hirche wirksame Waflen sind, so kann, wie ich glaube, darüber kein Zweifel sein, dass eine einzige Spitze viel gefährlicher gewesen wäre, als ein verzweigtes Geweihe und JUDGE Caron, welcher grosse Erfahrungen mit Hirschen gemacht hat, stimmt vollständig mit diesem Schlusse überein. Es scheinen auch die ver- zweigten Geweihe, obgleich sie als Vertheidigungsmittel gegen Neben- buhlerhirsche von hoher Bedeutung sind, zu diesem Zwecke nicht voll- kommen angepasst zu sein, da sie leicht in einander verfangen werden. Mir ist daher die Vermuthung durch den Sinn gegangen, dass sie zum ?2 5, eine äusserst interessante Schilderung in dem Appendix zu dem oben eitirten Aufsatze des Hon. J. D. Caton. 224 Geschlechtliche Zuchtwahl : Säugethiere. II. Theil. Theil als Zierathen von Nutzen ‚sein könnten. Dass das verzweigte Geweihe von Hirschen, ebenso wie die eleganten leierförmigen Hörner gewisser Antilopen (Fig. 62) für unsere Augen ornamental sind, wird Niemand bestreiten können. Wenn daher die Geweihe, wie die glänzen- den Rüstungen der Ritter älterer Zeiten die edle Erscheinung von Hir- 4 n Fig. 62. Strepsiceros Kudu (nach Sir Andrew Smith’s Zoology of South Africa). schen und Antilopen erhöhen, so können sie wohl zum Theil für diesen Zweck modifieirt worden sein, wenn sie auch hauptsächlich zum faeti- schen Dienste im Kampfe bestimmt sind. Ich habe aber zu Gunsten dieser Annahme keine Belege. Neuerdings ist ein interessanter Fall veröffentlicht worden, nach wel- chem es scheinen möchte, als würden die Geweihe eines Hirsches in einem Distriete der Vereinigten Staaten noch jetzt durch geschlechtliche und natürliche Zuchtwahl modifieirt. Ein Schriftsteller erzählt in einem ee EEE Cap. 17. Gesetz des Kampfes. 395 ausgezeichneten amerikanischen Journale ?°, dass er in den letzten ein- undzwanzig Jahren in den Adirondacks gejagt habe, wo der Cervus virginianus häufig ist. “Ungefähr vor vierzehn Jahren hörte er zuerst von Spitzhornböcken (spike-horn-bucks). Diese wurden von Jahr zu Jahr häufiger, ungefähr vor fünf. Jahren schoss er einen, später dann noch einen andern, und jetzt werden sie häufig getödtet. „Das Spitzhorn „weicht bedeutend von dem gewöhnlichen Geweihe des C. virginianus „ab. Es besteht aus einer einzigen Spitze, welche schlanker als die „Stange und kaum halb so lang ist, von der Stirn nach vorn vor- „springt und in eine sehr scharfe Spitze endigt. Es gibt dem Männchen, „welches es besitzt, einen beträchtlichen Vortheil vor dem gewöhnlichen „Hirsche. Ausser dem Umstande, dass es in den Stand gesetzt wird „schneller durch die dichten Wälder und das Untergehölz zu laufen „(und jeder Jäger weiss, dass Hirschkühe und einjährige Hirsche viel „schneller als die grossen Hirsche laufen, wenn diese mit ihren umfäng- „lichen Geweihen beschwert sind), ist auch das Spitzhorn eine wirk- „samere Waffe als das gewöhnliche Geweih. Mit diesem Vortheile „ausgerüstet gewinnen die Spitzhornböcke über die gemeinen Hirsche „einen Vortheil und können im Laufe der Zeit dieselben in den Adiron- „dacks vollständig verdrängen. Zweifellos war der erste Spitzhornbock „bloss ein zufälliges Naturspiel; aber seine Spitzhörner gaben ihm einen „Vortheil und befähigten ihn, seine Eigenthümlichkeit fortzupflanzen. „Seine Nachkommen haben einen gleichen Vortheil und haben die Rigen- „thümlichkeit in einem beständig zunehmenden Verhältnisse fortgepflanzt, „bis sie langsam die mit Geweihen versehenen Hirsche aus den von „ihnen bewohnten (regenden vertreiben.“ , Männliche Säugethiere, welche mit Stosszähnen versehen sind, ge- brauchen dieselben auf verschiedene Weise, in derselben Art wie Hörner. Der Eber stösst seitwärts und aufwärts, das Moschusthier mit bedenk- licher Wirkung abwärts ?*; trotzdem das Walross einen so kurzen Hals und einen so ungelenken Paper hat, kann es doch mit gleicher Ge- schicklichkeit entweder „nach oben oder nach unten oder nach beiden „Seiten hin stossen“ ?°. Wie mir der verstorbene Dr. FALCoNER mitge- theilt hat, kämpft der indische Elephant je nach der Stellung und Krümmung seiner Stosszähne auf verschiedene Weise. Wenn sie nach 23 The Krderiein Naturalist, Dee. 1869, p. 552. >: Pallas, Spieilegia zoologiea. Fasc. XII. 1779, p. 18 s„ ” Lamont, Seasons with the Sea-Horses. 1861, p. 141. DAKWIN, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 15 296 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. vorn und nach oben gerichtet sind, so ist er im Stande, einen Tiger eine grosse Strecke weit fortzuschleudern ; man sagt selbst bis dreissig Fuss; wenn sie kurz und nach abwärts gewendet sind, sucht er den Tiger plötzlieh auf den Boden zu bohren und ist desshalb in diesem Falle dem Reiter gefährlich, welcher leicht aus seinem Hudah herab- geschleudert wird 2®. Sehr wenige männliche Säugethiere besitzen Waffen zweier ver- schiedener Arten, welche zum Kampfe mit rivalisirenden Männchen speciell angepasst sind. Der männliche Muntjae (Cerveulus) bietet in- dessen eine Ausnahme dar, da er sowohl mit Hörnern ‘als hervorragen- den Eckzähnen versehen ist. Es ist aber die eine Form von Waffen häufig im Laufe der Zeiten durch eine. andere ersetzt worden, wie wir aus dem was folgt schliessen können. Bei Wiederkäuern steht die Ent- wickelung von Hörnern allgemein im umgekehrten Verhältnisse zu den selbst nur mässig entwickelten Eckzähnen. So sind Kameele, Guanacos, Zwerghirsche und das Moschusthier hornlos, dagegen haben sie wirk- same Eckzähne. Es sind diese Zähne „immer bei den Weibchen von „geringerer Grösse als bei den Männchen.“ Die Cameliden haben in ihrem Oberkiefer ausser den ächten Eckzähnen noch ein Paar eckzahn- förmige Schneidezähne 2°. Andrerseits besitzen männliche Hirsche und Antilopen Hörner, wogegen sie selten Eckzähne haben, und wenn solche vorhanden sind, sind sie immer von geringerer (rösse, so dass es zwei- felhaft ist, ob sie den Thieren in ihren Kämpfen von irgend welchem Nutzen sind. Bei Antilope montana sind sie nur als Rudimente beim jungen Männchen vorhanden und verschwinden, wenn dasselbe alt wird; und beim Weibehen fehlen sie auf allen Altersstufen. Man hat aber in Erfahrung gebracht,. dass die Weibchen gewisser anderer Antilopen und Hirsche gelegentlich Rudimente dieser Zähne darbieten ®°. Hengste 26 5. auch Corse (Philosoph. Transact. 1799, p. 212) über die Art und Weise, in welcher die Mooknah-Varietät des Elephanten mit kurzen Stosszähnen andere FElephanten angreift. 27 Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 349. 2® s. Rüppell in: Proceed. Zoolog. Soc., Jan. 12, 1836, p. 3, über die Eck- zähne bei Hirschen und Antilopen mit einer Anmerkung von Mr. Martin über einen weiblichen amerikanischen Hirsch. s. auch Falconer, Palaeontol. Me- moirs and Notes, Vol. I. 1868, p. 576 über Eckzähne bei einem weiblichen er- wachsenen Hirsch. Bei alten Männchen des Moschusthieres wachsen die Eck- zähne zuweilen (s. Pallas, Spieileg. Zoolog. Fase. XTlI. 1779, p. 15) zu einer Länge von drei Zollen aus, während bei alten Weibchen ein Rudiment davon kaum einen halben Zoll über das Zahnfleisch vorspringt. 3 Cap. 17. (Gesetz des Kampfes. 397 haben kleine Eekzähne, welche bei der Stute entweder vollständig fehlen oder rudimentär sind. Sie scheinen aber nicht bei den Kämpfen be- nutzt zu werden, denn Hengste beissen mit ihren Schneidezähnen und öffnen das Maul nicht weit, wie die Kameele und Guanacos. Wo nur immer das erwachsene Männchen Eckzähne gegenwärtig in einem un- wirksamen Zustande besitzt, während das Weibehen entweder keine oder bloss Rudimente davon hat, da können wir schliessen, dass der frühere männliche Urerzeuger der Species mit wirksamen Eckzähnen versehen war, welche zum Theil auf die Weibehen übertragen worden sind. Die Verkümmerung dieser Zähne bei den Männchen scheint die Folge irgend einer Veränderung in ihrer Art zu’ kämpfen gewesen zu sein, häufig durch die Entwickelung neuer Waffen verursacht, was indessen beim Pferde nicht der Fall ist. Stosszähne und Hörner sind offenbar für ihre Besitzer von grosser Bedeutung, denn ihre Entwickelung consumirt viel organische Substanz. Ein einziger Stosszahn des asiatischen Elephanten — eines der aus- gestorbenen wollhaarigen Species — und des afrikanischen Elephanten hat, wie man in einzelnen Fällen erfahren hat, bis hundertfünfzig, hun- dertsechzig und hundertachtzig Pfund beziehentlich gewogen und einige Schriftsteller haben selbst noch grössere Gewichte angeführt ?®. Bei Hirschen, bei welchen die Geweihe periodisch erneuert werden, muss der Einfluss auf die Constitution noch bedeutender sein. So wiegt das Geweih z. B. des Orignal oder Musthiers von fünfzig zu sechzig Pfund und das des ausgestorbenen irischen Riesenhirsches von sechzig bis zu siebenzig Pfund, während der Schädel des Letzteren im Mittel nur fünf und ein Viertelpfund wiegt. Obgleich die Hörner bei Schafen nicht periodisch erneuert werden, so führt nach der Meinung vieler Land- wirthe ihre Entwickelung doch einen wesentlichen Verlust für den Züchter herbei. Ueberdies sind Hirsche bei ilmer Flucht vor Raub- thieren mit einem den Wettlauf noch erschwerenden Extragewicht be- laden und werden beim Durchlaufen waldiger Gegenden bedeutend aufge- halten. Das Orignal z. B., dessen Geweihe von Spitze zu Spitze fünf und einen halben Fuss misst, und welches in seinem Gebrauche so ge- schickt ist, dass es nicht einen einzigen todten Zweig berühren oder abbrechen wird, wenn es ruhig geht, kann nicht so geschickt sieh be- nehmen, wenn es vor einem Rudel Wölfe flieht. „Während des Laufes 29 Emerson Tennent, Ceylon, 1859. Vol. II, p. 275. Owen, British Fossil Mammals, 18546, p. 245. 15 * 398 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. I. Theil. „hält es seine Nase empor, so dass es das Geweih horizontal zurück- „legt und in dieser Stellung kann es den Boden nicht deutlich sehen“ 3°. Die Spitzen des Geweihes des grossen irischen Riesenhirsches standen factisch acht Fuss aus einander! So lange das Geweih mit Bast über- zogen ist, was bei dem Edelhirsche ungefähr zwölf Wochen lang dauert, ist dasselbe äusserst empfindlich für Stösse, so dass in Deutschland die Hirsche um diese Zeit ihre Lebensart in einer gewissen Ausdehnung ändern und dichtere Wälder vermeiden, dagegen junges Gehölz und niedrige Dickichte aufsuchen ?!. Diese Thatsachen erinnern uns daran, dass männliche Vögel ornamentale Federn auf Kosten einer Verlang- samung des Flugvermögens und andere Zierathen auf Kosten eines Verlustes ihrer Kraft beim Kämpfen mit rivalisirenden Männchen er- langt haben. Wenn bei Säugethieren, wie es häufig der Fall ist," die Geschlechter in der Grösse verschieden sind, so sind, wie ich glaube, die Männchen immer grösser und kräftiger. Dies gilt, wie mir Mr. GousLD mitge- theilt hat, in einer sehr ausgesprochenen Weise für die Beutelthiere ‘von Australien, deren Männchen bis in ein ungewöhnlich hohes Alter fortgesetzt zu wachsen scheinen. Aber der ausserordentlichste Fall ist der von einer Robbe (Callorhinus ursinus), bei welcher ein ausgewach- senes Weibchen ein Sechstel weniger wiegt als ein ausgewachsenes Männchen 32, Die bedeutendere Kraft des Männchens wird, wie schon vor längerer Zeit Hunter bemerkte ??, ausnahmslos in denjenigen Thei- len des Körpers entfaltet, welche bei den Kämpfen mit rivalisirenden Männchen in Thätigkeit treten, z. B. in dem massiven-Nacken des Bullen. Auch sind männliche Säugethiere muthiger und kampfsüchtiger als die Weibchen. Es lässt sich wenig zweifeln, dass diese Charactere theilweise durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind, in Folge einer Reihe von Siegen »auf Seiten der kräftigeren und muthigeren Männ- 30 Richardson, Fauna Boreali-Americana, über das Orignal, Alces pal- mata, p. 236, 237; über die Ausbreitung der Hörner s. auch Land and.Water, 1869, p. 143. s. über den irischen Riesenhirsch auch Owen, British Fossil Mam- mals, p. 447, 455. 31 Forest Creatures, by.C. Boner, 1861, p. 60. 32 5, den sehr interessanten Aufsatz von Mr. J. A. Allen in: Bullet. Mu- seum Compar. Zoology of Cambridge, Mass. United States, Vol. II. No. 1, p. 82. Die Gewichte wurden von einem sorgfältigen Beobachter, Capt. Bryant, er- mittelt. » Animal Economy, p. 45. Cap. 17. Bedeutendere Grösse des Männchens. 229 chen über die schwächeren, und zum Theil durch die vererbten Wir- kungen des Gebrauches. Wahrscheinlich sind die auf einanderfolgen- den Abänderungen in dem Maasse der Kraft, Grösse und des Muthes, durch deren Anhäufung männliche Säugethiere diese characteristischen Eigenschaften erlangt haben, mögen sie nun Folge einer sogenannten spontanen Variabilität oder der Wirkungen des Gebrauchs sein, im Gan- zen spät im Leben erschienen und sind in Folge hiervon in einem be- trächtlichen Grade rücksichtlich ihrer Ueberlieferung auf dasselbe Ge- schlecht beschränkt. worden. Von diesem Gesichtspunkte aus war ich bemüht, mir Mittheilungen in Bezug auf den schottischen Hirschhund zu verschaffen, dessen Ge- schlechter mehr in der Grösse von einander verschieden sind, als die irgend einer andern Rasse (obgleich Bluthunde beträchtlich verschieden sind) oder auch als die Geschlechter irgend einer wilden mir bekannten Species von Caniden. Ich wandte mich daher an Mr. Cupptes, einen wohl- bekannten Züchter dieser Rasse, welcher viele seiner eigenen Hunde ge- wogen und gemessen und welcher die folgenden Thatsachen aus verschie- denen Quellen mit grosser Freundlichkeit für mich zusammengetragen hat. Vorzügliche männliche Hunde sind, an der Schulter gemessen, von acht- undzwanzig Zollen, was für niedrig gilt, bis dreiunddreissig Zoll hoch und wiegen von achtzig Piund, was für leicht gilt, bis hundertund- zwanzig oder selbst noch mehr Pfund. Die Weibchen sind von drei- undzwanzig bis siebenundzwanzig oder selbst achtundzwanzig Zoll hoch und wiegen von fünfzig bis siebenzig oder selbst achtzig Pfund **. Mr. UuppLes schliesst, dass von fünfundneunzig bis hundert Pfund für’s Männchen und siebenzig Pfund für das Weibchen ein richtiges Mittel ist. Aber es ist Grund zur Vermuthung vorhanden, dass früher beide Geschlechter ein beträchtlicheres Gewicht erreichten. Mr. Cuppres hat junge Hunde gewogen, als sie vierzehn Tage alt waren. Unter einem Wurfe betrug das mittlere Gewicht von vier Männchen sechs und eine halbe Unze mehr als das zweier Weibchen. In einem anderen Wurfe übertraf das mittlere Gewicht von vier Männchen das von einem Weib- 32 s, auch Richardson, Manual on the Dog, p. 59. Viele werthvolle Mit- theilungen über den schottischen Hirschhund hat Mr. M’Neill, welcher zuerst die Aufmerksamkeit auf die Ungleichheit der Geschlechter lenkte, in Serope’s Art of Deer Stalking gegeben. Ich hoffe, Mr. Cupples führt sein Vorhaben aus, eine ausführliche Schilderung und Geschichte dieser berühmten Rasse zu ver- öffentlichen. 230 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. chen um weniger als eine halbe Unze. Als dieselben Männchen drei Wochen alt waren, übertrafen sie das Weibchen um sieben und eine halbe Unze und im Alter von sechs Wochen um nahezu vierzehn Un- zen. Mr. Wrient von Yeldersleyhouse sagt in einem Briefe an Mr. CupPpLes: „ich habe mir über die Grösse und das (rewicht junger Hunde „aus vielen Würfen Notizen gemacht und soweit meine Erfahrung „reicht, sind männliche junge Hunde der Regel nach sehr wenig von „weiblichen verschieden bis sie ungefähr fünf oder sechs Monate alt „sind; dann fangen die männlichen an zuzunehmen, wobei sie die weib- „lichen sowohl an Gewicht als Grösse übertreffen. Bei der Geburt und „mehrere Woche nachher kann ein weiblicher junger Hund gelegent- „lich grösser sein als irgend einer der männlichen, aber sie werden „ausnahmslos später von letzteren geschlagen*. Mr. M’NEitı von Colinsay kommt zu dem Schlusse, „dass die Männchen ihre volle Grösse „nicht eher erhalten, als bis sie über zwei Jahre alt sind, dass aber „die Weibchen sie früher erreichen‘, Nach Mr. Curptes’ Erfahrung fahren männliche Hunde an Grösse zuzunehmen fort, bis sie von zwölf bis achtzehn Monate und an Gewicht bis sie von achtzehn zu vier- undzwanzig Monate alt sind, während die Weibchen in Bezug auf die Grösse im Alter von neun bis vierzehn oder fünfzehn Monaten und in Bezug auf das Gewicht im Alter von,zwölf bis fünfzehn Monaten zuzunehmen aufhören. Nach diesen verschiedenen Angaben ist es klar, dass die völlige Verschiedenheit in der Grösse zwischen dem weiblichen und männlichen schottischen Hirschhund nicht eher erreicht wird als spät im Leben. Die Männchen werden fast ausschliesslich zum Jagen benutzt; denn wie mir Mr. M’Nkiwu mittheilt, haben die Weibchen nicht hinreichende Kraft und nicht hinreichendes Gewicht einen aus- gewachsenen Hirsch niederzuziehen. Nach den in alten Legenden an- geführten Namen scheint es, wie ich von Mr. CuprLes höre, als wären in einer sehr alter Zeit die Männchen die gefeiertsten gewesen, da die Weibchen nur als die Mütter berühmter Hunde erwähnt werden. Seit vielen Generationen ist es daher das Männchen gewesen, welches haupt- sächlich auf seine Kraft, Grösse, Flüchtigkeit “und seinen Muth geprüft worden ist, und von den besten derselben ist dann weitergezüchtet worden. Da indessen die Männchen ihre gehörigen Dimensionen nicht eher als in einer im Ganzen späteren Lebensperiode erreichen, so wer- den sie in Uebereinstimmung mit dem oft angedeuteten Gesetze dazu Cap. 17. Vertheidigungsmittel. 231 geneigt haben, ihre Charactere allein ihren männlichen Nachkommen zu überliefern, und hierdurch lässt sich wahrscheinlich die bedeutende Ungleichheit in der Grösse zwischen den Geschlechtern des schottischen Hirschhundes erklären. Die Männchen einiger weniger Vierfüsser besitzen Organe oder Theile, welche allein als Mittel der Vertheidigung gegen die Angriffe anderer Männchen entwickelt werden. Einige Arten von Hirschen brauchen, wie wir gesehen haben, die oberen Enden ihres Geweihes haupt- sächlich oder ausschliesslich um sich zu vertheidigen; und die Oryx- Antilope vertheidigt sich, wie mir Mr. BArTLETT mitgetheilt hat, äus- serst geschiekt mit ihren langen leicht gebogenen Hörnern; doch wer- den diese gleichfalls als Angrifisorgane gebraucht. Rhinocerosse pariren im Kampfe, wie mir derselbe Beobachter mittheilt, ihre gegenseitigen, von der Seite beigebrachten Hiebe mit ihren Hörnern, welche dabei laut zusammenschlagen, wie es die Stosszähne der Eber thun. Obgleich wilde Eber verzweifelt mit einander kämpfen, erhalten sie der Angabe BreHn’s zufolge selten tödtliche Streiche, da diese meist auf die Stoss- zähne des Gegners oder auf die Schicht von derber speckiger Haut fallen, welche die Schulter bedeckt und welchen die deutschen Jäger das -Schild nennen; und hier haben wir einen Theil, der speciell zur Ver- theidigung modifieirt ist. Bei Ebern in der Blüthe ihrer Jahre (s. Fig. 63) werden die Stosszähne in der Unterkinnlade zum Kämpfen benutzt; sie werden aber im hohen Al- EN ter, wie BrEIM anführt, so bedeutend = nach innen und oben über die Schnauze gekrümmt, dass sie nicht länger hierzu benutzt werden können. Sie können indess noch immer und selbst in einer noch wirksameren Weise als Verthei- digungsmittel von‘ Nutzen sein. Zur Compensation für den Verlust der un- tern Stosszähne als Waffen zum Angriff ris. 63. Kopf des gemeinen wilden Ebers nehmen „während des höheren Alters men. ebens mach Brehm, diejenigen des Oberkiefers, welche immer ein wenig seitwärts vorspringen, so bedeutend an Länge zu und krüm- men sich so bedeutend aufwärts, dass sie als Angriffsmittel gebraucht werden können. Nichtsdestoweniger ist ein alter Eber nicht so ge- Thierleben). 232 Geschlechtliche Zucbtwahl: Säugethiere. II. Theil. fährlich für den Menschen, als einer im Alter von sechs oder sieben Jahren °°. Beim ausgewachsenen männlichen Babyrussa-Schwein von Celebes (Fig. 64) sind die unteren Stosszähne fürchterliche Waffen, gleich denen der europäischen Ebers in der Blüthe seines Lebens, während die oberen Stosszähne so lang sind und so bedeutend nach innen gekrümmte Spitzen Fig. 64. Schädel des Babyrussa-Schweins (nach Wallace, Malay Archipelago). haben, wobei diese zuweilen selbst die Stirne berühren, dass sie als Angriffswaffen völlig nutzlos sind. Sie sind Hörnern viel ähnlicher als Zähnen und sind offenbar als Zähne so nutzlos, dass man früher ge- radezu annahm, das Thier ruhe seinen Kopf in der Weise aus, dass es denselben mit den Zähnen an einen Zweig hänge. Ihre convexen Ober- flächen dürften indessen, wenn der Kopf ein wenig seitwärts gehalten wird, als ein ausgezeichnetes Vertheidigungsmittel dienen, und daher kommt es vielleicht, dass sie bei älteren Thieren „meist abgebrochen sind, wie „in. Folge. eines Kampfes“ ?°. Wir haben daher den merkwürdigen Fall hier vor uns, dass die oberen Stosszähne des Babyrussa regelmässig 3 Brehm, Ilustrirtes Thierleben. 2. Bd. S. 729, 752, 36 5, Mr. Wallace’s interessante Schilderung dieses Thieres in: The Malay Archipelago, 1869. Vol. I, p. 455. Cap. 17. Vertheidigungsmittel. 233 während der Blüthe des Lebens eine Bildung annehmen, welche sie dem "Anscheine nach nur zur Vertheidigung geschickt macht, während beim europäischen Eber die unteren und entgegengesetzten Stosszähne in einem niederen Grade und nur während des hohen Alters nahezu die- selbe Form annehmen und dann in einer gleichen Art-nur zur Ver- theidigung dienen. Beim Warzenschweine (Phacochoerus aethiopicus, Fig. 65) krüm- men sich die Stosszähne im Oberkiefer des Männchens während der Blüthe des Lebens nach oben und dienen, da sie zugespitzt sind, als ° Fig. 6%. Kopf des äthiopischen Warzenschweins nach den Proceed. Zoolog. Soc. 1869. {lch finde jetzt, dass diese Zeiehnung den Kopf eines Weibehens darstellt, sie zeigt aber in verkleinertem Maassstabe die Charactere des Männchens). . fürchterliche Waffen. Die Stosszähne in der unteren Kinnlade sind schärfer als die in der oberen, aber wegen ihrer Kürze scheint es kaum möglich zu sein, dass sie als Angriffswaffen benutzt werden. Sie müssen indessen die des Oberkiefers bedeutend kräftigen, da sie so abgeschliffen sind, dass sie dieht gegen die Basis derselben einpassen. Weder die oberen noch die unteren Stosszähne scheinen speciell dazu modifieirt worden zu sein, zur Abwehr zu dienen, obschon sie ohne Zweifel in einer gewissen Ausdehnung hierzu benutzt werden. Aber das Warzen- . schwein entbehrt anderer specieller Mittel zum Schutze nicht; denn es findet sich auf jeder Seite des Gesichts unterhalb der Augen ein im Ganzen steifes, indessen biegsames knorpeliges oblonges Kissen (Fig. 65), welehes zwei oder drei Zoll nach aussen vorspringt; und als wir das lebende Thier beobachteten, schien es Mr. BARTLETT und mir selbst als würden diese Kissen, wenn sie von einem Feinde mit seinen Stosszäh- nen :von unten getroffen würden, nach aufwärts gewendet werden, wo- 234 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. 11. Theil. durch sie in einer wunderbaren Weise die etwas vorspringenden Augen beschützten. Wie ich noch nach der Autorität des Mr. Barrıerr hin- zufügen will, stehen sich diese Eber, wenn sie mit einander kämpfen, direct Gesicht zu Gesicht gegenüber. Endlich besitzt das afrikanische Flussschwein (Potamochoerus peni- cillatus) einen_harten knorpeligen Höcker am jeder Seite des Gesichtes unterhalb der Augen, welcher dem bieesamen Kissen des Warzen- schweins entspricht. Auch hat es zwei knöcherne Vorsprünge am Ober- kiefer oberhalb der Nasenlöcher. Ein Eber dieser Art brach kürzlich im zoologischen Garten in den Käfig eines Warzenschweins ein. Sie kämpften die ganze Nacht durch und wurden am Morgen sehr erschöpft, aber nicht bedenklich verwundet, gefunden. "Es ist eine bezeichnende Thatsache, da es auf die Bedeutung der eben beschriebenen Vorsprünge und Auswüchse hinweist, dass dieselben mit Blut bedeckt und in einer ausserordentlichen Weise zerschrammt und abgerieben waren. Die Mähne des Löwen bietet ein gutes Vertheidigungsmittel gegen die eine Gefahr dar, welcher er ausgesetzt, ist, nämlich gegen den An- griff von rivalisirenden Löwen. Denn, wie mir Sir. A. SmirH mittheilt, gehen die Männchen die fürchterlichsten Kämpfe ein und ein junger Löwe wagt sich einem alten nicht zu nähern. Im Jahre 1857 brach ein Tiger in Bromwich in den Käfig eines Löwen ein, und nun folgte eine fürchterliche Scene: „Die Mähne des Löwen wahrte seinen Hals „und Kopf vor bedeutenden Verletzungen, dem Tiger gelang es aber „zuletzt seinen Leib aufzureissen und in wenigen Minuten war er todt* #7. Der breite Kragen rund um den Hals und das Kinn des canadischen Luchses (Felis canadensis) ist beim Männchen viel länger als beim Weibchen; ob er aber als Vertheidigungsmittel dient, weiss ich nicht. Man weiss sehr wohl, dass männliche Robben verzweifelt mit einander kämpfen, und die Männchen gewisser Arten (Otaria jubata) °° haben grosse Mähnen, während die Weibchen kleine oder gar keine haben. Der männliche Pavian vom Cap der guten Hoffnung (Cynocephalus porcarius) hat eine viel längere Mähne und grössere Eckzähne als das 3” The Times, Nov. 10. 1857. ‚In Rezug auf den canadischen Luchs s. Au- dubon und Bachman, Quadrupeds of North America, 1846, p. 139. z 38 Dr. Murie, über Otaria in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 109. In dem oben citirten Aufsatze drückt Mr. J. A. Allen Zweifel aus (p. 75), ob das Haar, welches am Halse des Männchens länger ist als an dem des Weibchens, eine Mähne genannt zu werden verdient. Cap. 17. Vertheidigungsmittel. 235 Weibchen, und die Mähne dient wahrscheinlich zum Schutze; denn als ich die Wärter im zoologischen Garten, ohne ihnen eine Andeutung des Zweckes meiner Frage zu geben, frug, ob irgend einer der Affen speciell den andern beim Nacken angrifle, wurde mir geantwortet, dass dies nicht der Fall sei, mit Ausnahme des eben erwähnten Pavians. Bei dem Hamadryas-Pavian vergleicht EnkEnBERG die Mähne des er- wachsenen Männchens mit der eines jungen Löwen, während bei den Jungen beiderlei @eschlechtes und bei den Weibchen die Mähne fast vollständig fehlt. Es schien mir wahrscheinlich zu sein, als diene die ungeheure wol- lige Mähne des männlichen amerikanischen Bison, welche fast bis auf die Erde reicht und bei den Männchen viel mehr entwickelt ist als bei den Weibchen, denselben in ihren furchtbaren Kämpfen zum Schutze; aber ein erfahrener Jäger erzählte dem JuveE Caron, dass er niemals irgend etwas beobachtet habe, was diese Annahme begünstige. Der Hengst hat eine diekere und vollere Mähne als die Stute; ich habe nun besondere Erkundigungen bei zwei bedeutenden Trainers und Züch- tern, welehe viele Hengste in Verpflegung gehabt haben, eingezogen, und mir ist versichert worden, dass sie „ausnahmslos versuchen, ein- „ander beim Halse zu ergreifen“. Es folgt indessen aus den vorstehen- den Angaben nicht, dass, wenn das Haar am Nacken als Vertheidi- gungsmittel dient, es ursprünglich zu diesem Zwecke entwickelt worden ist, obschon das in einigen Fällen, wie z. B. beim Löwen, wohl wahr- scheinlich ist. Mr. M’Nestu hat mir mitgetheilt, dass die langen Haare an der Kehle des Hirsches (Cervus elaphus) als ein bedeutender Schutz für ihn von Nutzen sind, wenn er gejagt wird; denn die Hunde ver- suchen meist ihn bei der Kehle zu fassen. Es ist aber nicht wahr- scheinlich, dass die Haare speciell für diesen Zweck entwickelt worden sind, denn andernfalls würden die Jungen und die Weibchen, wie wir wohl versichert sein können, in gleicher Weise geschützt worden sein. Ueber die Vorliebe oder Wahl beim Paaren, wie sie sich bei beiden Geschlechtern der Säugethiere zeigt. — Ehe ich im nächsten Capitel die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern in der Stimme, dem von sich gegebenen (Greruche und der Verzierung be- schreibe, wird es zweckmässig sein, hier noch zu betrachten, ob die Geschlechter bei ihren Verbindungen irgend eine Wahl ausüben. Zieht das Weibehen irgend ein besonderes Männchen ehe oder nachdem die 236 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. Männchen mit emander um die Oberherrschaft gekämpft haben, vor, oder wählt sich das Männchen wenn es nicht polygam lebt, irgend ein besonderes Weibchen aus? Der allgemeine Eindruck unter den Züch- tern scheint der zu sein, dass das Männchen. jedes Weibchen annimmt, und dies ist wegen der Begierde des Männchens in den meisten Fällen wahrscheinlich richtig. Ob der allgemeinen Regel nach das Weibchen. ganz indifierent jedes Männchen annimmt, ist viel zweifelhafter. Im vierzehnten Capitel, über die Vögel, wurde eine ziemliche Menge di- recter und indireeter Belege dafür beigebracht, zu zeigen, dass das Weibchen sich seinen Genossen wählt; und es würde eine befremdende Anomalie sein, wenn weibliche Säugethiere, welche in der Stufenreihe der Organisation noch höher stehen und höhere geistige Kräfte haben, nicht allgemein, oder mindestens häufig, eine gewisse Wahl ausüben sollten. Das Weibchen kann in den meisten Fällen entfliehen, wenn es von emem Männchen umworben wird, welches ihm nicht gefällt oder welches dasselbe nicht reizt; und wenn es, wie es so beständig vor- kommt, von mehreren Männchen verfolgt wird, so wird es häufig die (relegenheit- haben, während jene mit einander ‘kämpfen, mit irgend einem Männchen sich zu entfernen oder sich mindestens zeitweise zu paaren. Dieser letztere Umstand ist in Schottland häufig bei weib- lichen Hirschen beobachtet worden, wie mir Sir PHıLıpp EGERTON mit- getheilt hat °°. ‘ | Es ist kaum möglich viel darüber zu wissen, ob weibliche Säuge- thiere im Naturzustande irgend welche Wahl bei Ihren hochzeitlichen Verbindungen ausüben. Die folgenden sehr merkwürdigen Einzelheiten über die Werbungen einer der Ohrenrobben, Callorhinus ursinus, wer- den hier nach der Autorität des Capt. Bryant mitgetheilt *%, welcher reichliche Gelegenheit zur Beobachtung hatte. Er sagt: „viele von den „Weibchen scheinen bei ihrer Ankunft auf der Insel, wo sie sich paaren, „den Wunsch zu haben, zu irgend einem besonderen Männchen zurück- „zukehren und klimmen häufig auf vorliegende Felsen, um die ganze 3 Mr. Boner sagt in seiner ausgezeichneten Beschreibung der Lebensweise des Edelhirsches in Deutschland (Forest Creatures, 1861, p. 81): „während der „Hirsch seine Rechte gegen einen fremden Eindringling vertheidigt, bricht ein „anderer in das Heiligthum seines Harems ein und führt Trophäe nach Trophäe „fort“. Genau dasselbe kommt bei Robben vor, s. Mr. J. A. Allen, a. a. 0. p. 100. a ’° Mr. J. A. Allen, in: Bullet. Museum Compar. Zoology of Cambridge, Mass: Vol». No: L,'p: 99. Cap. 17. Vorliebe beim Paaren. 237 „Versammlung zu übersehen, rufen laut und horchen, ob sie nicht eine „Ihnen bekannte Stimme hören. Dann wechseln sie den Platz und „wiederholen. dasselbe ...... Sobald ein Weibchen das Ufer erreicht, „begibt sich das nächste Männchen hinab zu ihm und stösst während „der Zeit einen Laut aus, wie das Glucken einer Henne zu ihrem Küch- „lein. Es macht ihm Diener und stösst es bis es zwischen dasselbe „und das Wasser gelangt, so dass es nicht mehr entfliehen kann. Dann „ändert sich sein Benehmen und mit einem herrischen Brummen treibt „es dasselbe nach einer Stelle in seinem Harem hin. Dies wird fort- „gesetzt bis die untere Reihe des Harems nahezu voll ist. Dann suchen „die höher hinauf befindlichen Männchen die Zeit aus, wenn ihre glück- „licheren Nachbarn sich von der Wache entfernt haben, um sich ihre „Weiber zu stehlen. Dies thun sie so, dass sie dieselben in ihre Mäuler „nehmen, über die Köpfe der anderen Weibchen hinwegheben und sorg- „fältig in ihrem eigenen Harem niederlegen, ebenso wie Katzen ihre „Kätzchen tragen. Die Männchen noch weiter hinauf befolgen dieselbe „Methode, bis der ganze Raum eingenommen ist. Häufig erfolgt ein „Kampf zwischen zwei Männchen um den Besitz eines und des näm- „lichen Weibchens und beide ergreifen dasselbe zusammen und zerren „es entzwei oder verletzen es mit ihren Zähnen schauerlich. Ist der „Raum ganz erfüllt, dann geht das alte Männchen wohlgefällig umher, „überblickt seine Familie, schilt diejenigen aus, welche „die anderen „drängen oder stören und treibt wüthend alle Eindringlinge fort. Die- „ses Ueberwachen hält es beständig in lebhafter Thätigkeit. * Da so wenig über die Werbungen der Thiere im Naturzustande bekannt ist, habe ich zu ermitteln versucht, in wieweit unsere dome- stieirten Säugethiere eine Wahl bei ihrer Verbindung treffen. Hunde bieten die beste Gelegenheit zur Beobachtung dar, da sie sorgfältig be- obachtet und gut verstanden werden. Viele Züchter haben ihre Mei- nung über diesen Punkt sehr entschieden ausgedrückt. So bemerkt Mr. MaAyHEw: „die Weibchen sind im Stande durch Zeichen ihre Zuneigung „kund zu geben, und zarte Aufmerksamkeiten haben so viel Gewalt über „sie, wie man es in anderen Fällen erfahren hat, wo noch höhere Thiere „in Betracht kommen. Hündinnen sind nicht immer klug in ihren „Liebschaften, sondern sind geneigt sich an Köter sehr niedrigen Gra- „des wegzuwerfen. Werden sie mit einem Gefährten gemeinen An- „sehens erzogen, dann entsteht häufig zwischen dem Paare eine Hin- „gebung, welche keine Zeit später wieder beseitigen kann. Die Leiden- 238 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. „schaft, denn das ist es wirklich ,; erhält eine mehr als romantische „Dauerhaftigkeit.* Mr. MayHhew, welcher seine Aufmerksamkeit haupt- sächlich den kleineren Rassen zuwendete, ist überzeugt, dass die Weib- chen von Männchen bedeutender Grösse sehr stark angezogen werden *!, Der bekannte Veterinärarzt Braıne führt an *?, dass sein eigener weib- licher Mops einem Jagdhund so attachirt wurde und ein weiblicher Jagdhund einem Köter, dass sie in beiden Fällen nicht mit einem Hunde ihrer eigenen Rasse sich paaren wollten, bis mehrere Wochen verstri- chen waren. Mir sind zwei ähnliche und zuverlässige Berichte in Be- zug auf einen weiblichen Wasserhund und einen Jagdhund gegeben wor- den, welche beide in Pinscher verliebt wurden. Mr. Cupptes theilt mir mit, dass er persönlich für die Genauig- keit des folgenden noch merkwürdigeren Falles haften kann, in welchem ein werthvoller und wunderbar intelligenter Pinscher einen Wasserhund liebte, welcher einem Nachbar gehörte, und zwar in einem solchen Grade, dass er oft von ihm weggezogen werden musste. Nachdem sie dauernd getrennt waren, wollte der Pinscher, obwohl sich wiederholt Milch in seinen Zitzen zeigte, doch nie die Werbung irgend eines an- deren Hundes annehmen und trug zum Bedauern seines Besitzers nie- mals Junge. Mr. Cupptes führt auch an, dass ein weiblicher Hirsch- hund, der sich jetzt (1868) unter seiner Meute findet, dreimal Junge produeirte, und bei jeder Gelegenheit zeigte er eine ausgesprochene Vor- liebe für einen der grössten und schönsten, aber nicht den gierigsten unter vier Hirschhunden, welche, sämmtlich in der Blüthe des Lebens, mit ihm lebten. Mr. Cuppues hat beobachtet, dass das Weibchen all- gemein einen Hund begünstigt mit dem es sich verbunden hat und welchen es kennt; seine Scheuheit und Furchtsamkeit lässt es anfangs gegen fremde Hunde eingenommen sein. Das Männchen scheint im Gegentheile eher fremden Weibchen geneigt zu sein. Es scheint selten zu sein, dass das Männchen irgend ein besonderes Weibchen zurückweist ; doch theilt mir Mr. WricHt von Yeldersleyhouse, ein grosser Hundezüchter, mit, dass er einige Beispiele hiervon erfahren hat; er führt den Fall eines seiner eigenen Hirschhunde an, welcher-von einer besonderen weiblichen Dogge keine Notiz nehmen wollte, so dass ein anderer Hirschhund her- 4! Dogs: their Management, by E. Mayhew, M. R.C.V.S., 2. edit. 1864, p. 187—192. #2 citirt von Alex. Walker, on Intermarriage, 1838, p. 276. s. auch p. 244. Cap. 17. Vorliebe zum Paaren. 239 zugeholt werden musste. Es würde überflüssig sein noch andere Fälle anzuführen und ich will nur hinzufügen, dass Mr. BArrk, welcher viele Bluthunde gezüchtet hat, angibt, dass in beinahe jedem Beispiele be- sondere Individuen der beiden (Geschlechter eine ausgesprochene Vor- liebe für einander zeigen. Nachdem endlich Mr. Cuppues noch ein wei- teres Jahr diesem Gegenstande seine Aufmerksamkeit zugewendet hat, hat er kürzlich an mich geschrieben: „Ich habe die volle Bestätigung „meiner früheren Angaben erhalten, dass Hunde beim Paaren entschie- „dene Vorliebe für einander entwickeln, wobei sie häufig durch Grösse, „helle Farbe und individuelle Charaetere ebenso wie durch den Grad „ihrer früheren Vertraulichkeit beeinflusst werden“. ° In Bezug auf Pferde theilt mir Mr. BLENKIRoN, der grösste Züch- ter von Rennpferden, mit, dass Hengste in ihrer Wahl häufig so lau- nisch sind, dabei die eine Stute zurückweisen und ohne scheinbare Ur- sache eine andere annehmen, dass beständig die verschiedensten Kunst- griffe angewendet werden müssen. So wollte z. B. der berühmte Mo- narque niemals mit Bewusstsein die Stute Gladiateur seines Blickes würdigen, und es musste ihm ein Streich gespielt werden. Wir können zum Theil den Grund sehen, warum werthvolle Rennpferdhengste, welche in solcher Nachfrage stehen, in ihrer Wahl so eigen sind. Mr. BLENK- IRON hat nimals einen Fall erlebt, wo eine Stute einen Hengst zu- rückgewiesen hätte, doch ist dies in Mr. WricHt’s Stalle vorgekom- men, so dass die Stute hier betrogen werden musste. PROSPER Lucas eitirt #? verschiedene Angaben von französischen Autoritäten und be- merkt: „On voit des etalons, qui s’eprennent d’une jument et negli- „gent toutes les autres“. Nach der Autorität von BAELEN führt er ähnliche Thatsachen in Bezug auf Bullen an. Bei der Beschreibung des domestieirten Renthiers von Lappland sagt HoFFBERG!: „Feminae „majores et fortiores mares prae ceteris admittunt, ad eos confugiunt, „a junioribus agilatae, qui hos in fugam eonjieiunt“ **. Ein Geist- licher, welcher viele Schweine gezüchtet hat, versichert mir, dass Sauen häufig einen Eber zurückweisen und unmittelbar darauf einen andern annehmen. Nach diesen Thatsachen kann kein Zweifel sein, dass bei den mei- sten unserer domestieirten Säugethiere starke individuelle Anthipathien #3 Tyrait& de ’Hered. Natur. Tom. II. 1350, p. 296. 43 Amoenitates academicae, Vol. IV. 1788, p. 160. 940, Geschlechtliche Zuehtwahl: Bängethiere. I. Theil. und Vorlieben häufig gezeigt werden, und zwar gehr viel häufiger vom Weibchen als vom Männchen. Da dies der Fall ist, so ist es unwahr- scheinlich, -dass die Verbindungen von Säugethieren im Naturzustande dem blossen Zufalle überlassen sein sollten. Es ist viel wahrschein- licher, dass die Weibchen von besonderen Männchen angeloekt oder ge- reizt werden, welche gewisse Charactere in einem höheren Grade be- sitzen als andere Männchen; welcher Art aber diese Charactere sind, können wir selten oder „niemals mit Sicherheit nachweisen. Achtzehntes Oapitel. Seeundäre Sexualcharactere der Säugethiere (Fortsetzung). ” Stimme. — Merkwürdige geschlechtliche Eigenthümlichkeiten bei Robben. — Ge- ruch. — Entwickelung des Haars. — Farbe des Haars und der Haut. — Anomaler Fall, wo das Weibchen mehr geziert ist als das Männchen. — Farbe und Schmuck Folgen geschlechtlicher Zuchtwahl. — Farbe zum Zwecke des Schutzes erlangt. — Farbe, wenn schon beiden Geschlechtern gemein- sam, doch häufig Folge geschlechtlicher Zuchtwahl. — Ueber das Verschwin- den von Flecken und Streifen bei erwachsenen Säugethieren. — Ueber die Farben und Zierathen der Quadrumanen. — Zusammenfassung. Säugethiere brauchen ihre Stimmen zu verschiedenen Zwecken, zu Warnungsrufen, oder ein Glied einer Truppe ruft ein anderes an, oder eine Mutter ruft die von ihr verlorenen Jungen, oder die letzteren. rufen nach ihrer Mutter um Schutz; aber derartige Benutzungen brauchen hier nicht betrachtet zu werden. Wir haben es hier nur mit der Verschjedenheit zwischen den Stimmen der beiden Geschlechter zu thun, z. B. zwischen der des Löwen und der Löwin oder des Bul- len und der Kuh. Beinahe alle männlichen Säugethiere brauchen ihre Stimmen viel mehr während der Brunstzeit als zu irgend einer anderen Zeit, und einige, wie die Giraffe und das Stachelschein !, sollen wie man sagt, mit Ausnahme dieser Zeit vollständig stumm sein. Da die Kehlen (d. h. der Kehlkopf und die Schilddrüsen ?) der Hirsche im An-- fange der Paarungszeit periodisch vergrössert werden, so könnte man meinen, dass ihre mächtigen Stimmen dann in irgendwelcher Weise für sie von grosser Bedeutung sein müssten; doch ist dies sehr zweifel- haft. Nach Mittheilungen, welche mir zwei erfahrene Beobachter, Mr. M’Neits und Sir Pu. EgErTon, gegeben haben, scheint es, als wenn junge Hirsche unter dem Alter von ‚drei Jahren nicht brüllten oder schrien und als ob die älteren mit dem Beginne der Paarungszeit an- ! Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 585. ® ebenda p. 595. Darwin, Abstammung. II. Zweite Auflage. 16 242 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. fangs nur gelegentlich und mässig zu schreien anfiengen, während sie beim Suchen der Weibehen ruhelos umherwandern. Ihre Kämpfe wer- den durch lautes und anhaltendes Geschrei eingeleitet; aber während des eigentlichen Confliets selbst verhalten sie sich schweigend. Thiere aller Arten, welche gewöhnlich ihre Stimmen gebrauchen, bringen un- ter jeder starken Gemüthserregung, so wenn sie wüthend werden oder sich zum Kampfe vorbereiten, verschiedene Laute hervor; doch kann dies einfach nur das Resultat ihrer nervösen Aufregung sein, welches zu der krampfhaften Zusammenziehung beinahe aller Muskeln des Kör- pers führt, ebenso wie ein Mensch seine Zähne zusammenbeisst und seine Hände ringt, wenn er in Wuth oder Angst ist. Ohne Zweifel fordern die Hirsche einander zum tödtlichen Kampfe durch Geschrei her- aus; aber es ist nicht wohl möglich, dass diese Gewohnheit durch ge- schlechtliche Zuchtwahl, d. h. dadurch, dass die mit den lautesten Stim- men begabten Männchen in ihren Kämpfen am erfolgreichsten waren, zu der periodischen Vergrösserung. ihrer Stimmorgane geführt hat. Denn wenn die Hirsche mit der kraftvollsten Stimme nicht zu derselben Zeit auch die stärksten, bestbewaffneten und muthvollsten waren, würden sie über ihre Nebenbuhler mit schwächeren Stimmen keinen Vortheil haben erlangen können. Ueberdies werden die Hirsche, welche schwächere Stimmen hatten, trotzdem sie nicht so gut im Stande waren andere Hirsche herauszufordern, doch ebensogut zu dem Kampfplatze hingerufen worden sein, als die mit stärkeren Stimmen. Es ist möglich, dass das Brüllen des Löwen für ihn von irgend welchem factischen Nutzen ist, und zwar dadurch, dass es seinen Gegner mit Schrecken erfüllt; denn wenn er in Wuth geräth, richtet er gleich- falls seine Mähne empor und versucht sich damit so schrecklich als möglich aussehend zu machen. Es kann aber kaum angenommen wer- den, dass das Geschrei des Hirsches, selbst wenn es ihm in dieser Weise irgendwie von Nutzen wäre, bedeutend genug gewesen sei, um zur periodischen Vergrösserung der Kehle zu führen. Einige Schrift- steller vermuthen, dass das Geschrei als ein Ruf für das Weibchen diene; aber die oben eitirten erfahrenen Beobachter theilen mir mit, dass der weibliche Hirsch nicht das Männchen sucht, dass aber die Männ- chen gierig die Weibchen aufsuchen, wie sich in der That nach dem, was wir von den Gewohnheiten anderer männlichen Säugethiere wissen, erwarten liess. Auf der anderen Seite ruft die Stimme des Weibchens Cap. 18. Stimmorgane. 243 schnell einen oder mehrere Hirsche zu ihm ?, wie den Jägern wohl be- kannt ist, welche in wilden Gegenden ihren Ruf nachahmen. Wenn wir glauben könnten, dass das Männchen das Vermögen hätte, das Weibchen durch seine Stimme zu reizen oder zu locken, so würde die periodische Vergrösserung seiner Stimmorgane nach dem Gesetze ge- schlechtlicher Zuchtwahl, in Verbindung mit einer auf ein und dasselbe Geschlecht und auf dieselbe Jahreszeit beschränkten Vererbung, ver- ständlich sein; wir haben aber keine diese Ansicht begünstigenden Be- lege. Wie der Fall liegt, so scheint die laute Stimme des Hirsches während der Paarungszeit für ihn von keinem speciellen Dienste zu sein, weder während seiner Bewerbung noch während seiner Kämpfe, noch in irgend einer anderen Weise, Dürfen wir aber nicht annehmen, dass der häufige Gebrauch der Stimme unter der starken Erregung von Liebe, Eifersucht und Wuth während vieler Generationen fortgesetzt, zuletzt dogh eine vererbte Wirkung auf die Stimmorgane des Hirsches ebenso gut ausgeübt haben kann, wie bei irgend welchen anderen männ- lichen Thieren? Nach dem gegenwärtigen Zustande unserer Kenntniss scheint dies mir die wahrscheinlichste Ansicht zu sein. Der männliche Gorilla hat eine furchtbare Stimme und ist, wenn er erwachsen ist, mit einem Kehlsacke versehen, wie auch der männ- liche Orang einen solchen besitzt *. Die Gibbons zählen zu den lautesten unter allen Affen und die Sumatraner Species (Hylobates syndatylus) ist gleichfalls mit einem Kehlsacke versehen. Aber Mr. Buyr#, wel- cher Gelegenheit zur Beobachtung gehabt hat, glaubt nicht, dass das Männchen geräuschvoller ist als das Weibchen. Es brauchen daher wahrscheinlich diese letzteren Affen ihre Stimmen zu gegenseitigem Rufen und dies ist sicher bei einigen Säugethieren, z. B. beim Biber °, der Fall. Ein anderer Gibbon, der H. agilis, ist dadurch äusserst merk- würdig, dass er das Vermögen besitzt, eine vollständige und correcte Octave musikalischer Noten vorzubringen ®, welche, wie wir wohl mit Grund vermuthen können, als geschlechtliches Reizmittel dienen. Ich werde aber auf diesen Gegenstand im nächsten Capitel zurückzukommen 3. z. B. Major W. Ross King (The Sportsman in Canada, 1866, p. 53, 131) über die Gewohnheiten des -Orignal und des wilden Renthiers. * Qwen, Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 600. 5 M. Green, in: Journal of the Linnean Society, Vol. X. Zoology, 1869, p- 362. 6 C. L. Martin, General Introduction to the Natural History of Mamm. Animals, 1841, p. 431. 16,= YA4 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. haben. Die Stimmorgane des amerikanischen Mycetes caraya sind beim Männchen um ein Drittel grösser als beim Weibchen und sind wunder- bar kräftie. Wenn das Wetter warm ist, lassen diese Affen die Wäl- der während der Morgen und Abende von ihrem überwältigenden Ge- schreie erklingen. Die Männchen fangen das fürchterlichste Concert an, in welches die Weibchen mit ihren weniger kraftvollen Stimmen zu- weilen einstimmen und welches häufig mehrere Stunden lang fortgesetzt wird. Ein ausgezeichneter Beobachter, REn@GErR ? konnte nicht wahr- nehmen, dass sie durch irgend eine specielle Ursache angeregt wurden, ihr Concert zu beginnen; er glaubt, dass sie wie viele Vögel an ihrer eisenen Musik Ergötzen finden und einander zu übertreffen suchen. Ob die meisten der vorstehend angeführten Affen ihre kräftigen Stim- men erlangt haben, um ihre Nebenbuhler zu besiegen und die Weib- chen zu bezaubern, — oder ob die Stimmorgane durch die vererbten Wirkungen lange fortgesetzten Gebrauches gekräftigt und wergrössert worden sind, ohne dass irgend ein besonderer Vortheil dadurch erreicht wurde, — das will ich nieht zu entscheiden wagen. Doch scheint min- destens in Bezug auf den Fall von Hylobates agilis die erste Ansicht die wahrscheinlichste zu sein. Ich will hier zwei sehr merkwürdige Eigenthümlichkeiten bei Robben erwähnen, weil mehrere Schriftsteller vermuthet haben, dass sie die Stimme affıciren. Die Nase des männlichen See-Elephanten (Maecro- rhinus proboscideus) ist, wenn das Thier ungefähr drei Jahre alt ist, während der Paarungszeit bedeutend verlängert und kann dann aufge- richtet werden. In diesem Zustande ist sie zuweilen einen Fuss lang. Das Weibchen ist auf keiner Periode des Lebens mit einem solchen Gebilde versehen und seine Stimme ist verschieden. Die des Männchens besteht in einem wilden rauhen gurgelnden Geräusche, welches in grosser Entfernung hörbar ist und von dem man glaubt, dass es durch den Rüssel verstärkt wird. Lesson vergleicht das Aufrichten des Rüssels mit dem An- schwellen der Fleischlappen männlicher hühnerartiger Vögel, während sie die Weibchen umwerben. Bei einer anderen verwandten Art von Robben, nämlich der Klappmütze (Cystophora cristata) ist der Kopf von einer grossen Haube oder Blase bedeckt. Diese wird innen durch die Nasenscheidewand gestützt, welche sehr weit nach rückwärts ver- längert ist und sich in eine sieben Zoll hohe Leiste erhebt. Die Klappe ” Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830, S. 15, 21. Cap. 18. Stimmorgane. — Geruch. 245 ist mit kurzen Haaren bedeckt, und ist muskulös; sie kann aufgeblasen werden, bis sie an Grösse mehr als der ganze Kopf beträgt! In der Brunstzeit kämpfen die Männchen auf dem Eise wüthend mit einander und ihr Brüllen „soll dann zuweilen so laut sein, dass man es vier „Meilen (miles) weit hört.“ Werden sie von Menschen angegriffen, so brüllen und schreien sie gleichfalls, und so oft sie überhaupt erregt werden, wird die Haube aufgeblasen. Einige Naturforscher glauben, dass die Stimme hierdurch verstärkt wird, aber andere haben dieser ausserordentlichen Bildung verschiedene andere Functionen zugeschrie- ben. Mr. R. Brown glaubt, dass sie als Schutz gegen Zufälle aller Arten diene. Diese letztere Ansicht ist nicht wahrscheinlich, wenn das, was die Robbenjäger schon lange behauptet haben, correet ist, näm- lich dass die Haube oder Blase bei den Männchen so lange sie jung sind, sehr gering entwickelt ist ®. Geruch. — Beieinigen Thieren, so bei den notorischen Skunks von Amerika, scheint der überwältigende Geruch, den sie von sich ge- ben, ausschliesslich als Vertheidigungsmittel zu dienen. Bei Spitz- mäusen (Sorex) besitzen beide Geschleehter abdominale Geruchdrüsen, und es lässt sich wegen der Art und Weise, in welcher ihre Körper von Vögeln und Raubthieren verschmähet werden, nur wenig zweifeln, dass dieser Geruch für die Thiere protectiv ist; nichtsdestoweniger wer- den die Drüsen bei den Männchen während der Paarungszeit vergrös- sert. Bei vielen vierfüssigen Thieren sind die Drüsen in beiden Ge- schlechtern von der nämlichen Grösse ®; aber ihr Geruch ist unbe- kannt. Bei anderen Species sind die Drüsen auf die Männchen beschränkt oder sind bei diesen mehr entwickelt als bei den Weibchen und sie werden beinahe immer während der Brunstzeit thätiger. In dieser Pe- 8 Tjeber den See-Elephanten s. einen Artikel von Lesson im Diction. elass. d’Hist. natur. Tom. XIII, p. 418. Wegen der Cystophora oder Stemmatopus s. Dr. Dekay, in: Annals of the Lyceum of Natur. Hist. New-York, Vol. I. 1824, p. 94. Auch Pennant hat von Robbenjägern Mittheilungen über dieses Thier gesammelt. Den ausführlichsten Bericht hat Mr. Brown gegeben, welcher den rudimentären Zustand der Blase beim Weibchen bezweifelt; s. Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 435. 2 9 Wie beim Castoreum des Bibers, s. Mr. L. H. Morgan’s äusserst inter- essantes Werk: The American Beaver, 1868, p. 300. Pallas hat (Spicileg. Zoo- log. Fasc. VII. 1779, p. 23) die Riechdrüsen der Säugethiere sehr gut erörtert. Auch Owen (Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 634) gibt eine Schilderung dieser Drüsen mit Einschluss der des Elephanten und (p. 763) der Spitzmäuse. 246 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. riode vergrössern sich die Drüsen an den Seiten des Gesichtes des männlichen Elephanten und sondern eine Secretion ab, die einen starken Moschusgeruch hat. Die scharfe Aussonderung des Ziegenbocks ist wohlbekannt und die gewisser männlieher Hirsche ist wunderbar stark und persistent. An den Ufern des La Plata habe ich die ganze Luft mit dem Geruche des männlichen Cervus campestris bis in eine Entfernung von einer halben Meile windabwärts von einer Heerde durchzogen gefunden, und ein seidenes Taschentuch, in welchem ich eine Haut nach Hause trug, behielt, trotzdem es wiederholt benutzt ucd gewaschen worden war, als es zuerst entfaltet wurde, Spuren des Geruches noch ein Jahr und sieben Monate lang. Dieses Thier gibt den starken Geruch nicht eher von sich, als bis es über ein Jahr alt ist, und wenn es jung castrirt wird, sondert es denselben niemals ab !%. Ausser dem allgemeinen Ge- ruche, mit welchem der ganze Körper gewisser Wiederkäuer während der Paarungszeit durchdrungen zu sein scheint, besitzen viele Hirsche, Antilopen, Schafe und Ziegen riechbare Stoffe absondernde Drüsen an verschiedenen Stellen, besonders an dem Gesichte.. Die sogenannten Thränensäcke oder Suborbitalgruben fallen unter diese Kategorie. Diese Drüsen sondern eine halbflüssige stinkende Substanz ab, welche zuweilen so reichlich ist, dass sie das ganze Gesicht tränkt, wie ich es bei einer Antilope gesehen habe. Sie sind „gewöhnlich beim Männchen grösser „als beim Weibehen und ihre Entwickelung wird durch die Castration „gehemmt“ !!. DesmARESsT zufolge fehlen sie beim Weibchen von An- tilope subgutturosa vollständig. Es kann daher kein Zweifel sein, dass sie in irgend einer Beziehung zu den reproductiven Functionen stehen. Sie sind auch bei nahe verwandten Formen zuweilen vorhanden und zuweilen fehlen sie. Bei dem erwachsenen männlichen Moschusthiere (Moschus moschiferus) ist ein nackter Raum rund um den Schwanz von einer riechenden Flüssigkeit angefeuchtet, während bei dem erwach- senen Weibchen und beim Männchen ehe es zwei Jahre alt wird dieser Raum mit Haaren bedeckt und nicht riechend ist. Der eigentliche Moschusbeutel ist seiner Lage nach nothwendig auf das Männchen 10 Rengger, Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay, 1830, S. 355. Dieser Beobachter theilt auch einige merkwürdige Eigenthümlichkeiten in Bezug auf den entwickelten Geruch mit. '! Owen, Anatomy of Vertebrates, Vol. II, p. 632. s. auch Dr. Murie’s Beobachtungen über diese Drüse in: Proceed. Zovlog. Soc. 1870, p. 340. Des- marest, über die Antilope subgutturosa in seiner Mammalogie, 1820, p. 455. Cap. 18. Geruch. — Haare. J47 beschränkt und bildet noch ein weiteres riechendes Organ. Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass die von dieser letzteren Drüse abge- sonderte Substanz sich der Angabe von Parzas zufolge während der Paarungszeit weder in der Consistenz verändert noch der Quantität nach zunimmt. Nichtsdestoweniger nimmt dieser Forscher an, dass ihr Vorhandensein in irgend welcher Weise mit dem Acte der Repro- duetion in Zusammenhang steht. Er gibt indessen nur eine vermu- thungsweise und nicht befriedigende Erklärung von ihrem Gebrauche !?- Wenn während der Paarungszeit das Männchen allein einen starken Geruch von sich gibt, so dient dieser in den meisten Fällen wahr- scheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu locken. Wir dürfen in Bezug auf diesen Punkt nicht nach unserem eigenen Geschmacke urtheilen; denn es ist wohl bekannt, dass Ratten von gewissen ätheri- schen Oelen und Katzen von Baldrian berauscht werden, Substanzen, welche weit entfernt davon sind, uns angenehm zu sein, und dass Hunde, trotzdem sie Aas nicht fressen, doch dasselbe beschnuppern und sich darin wälzen. Aus den bei der Erörterung der Stimme des Hirsches gegebenen Gründen können wir die Idee zurückweisen, dass der Geruch dazu diene, die Weibchen aus der Entfernung zu den Männchen hinzu- führen. Reichlicher und lange fortgesetzter Gebrauch kann hier nicht in das Spiel gekommen sein, wie bei den Stimmorganen. Der ausge- gebene Geruch muss für das Männchen von einer beträchtlichen Be- deutung sein, insofern grosse und complieirte Drüsen in einigen Fällen entwickelt worden sind, die mit Muskeln zum Umwenden des Sackes und zum Schliessen und Oeffnen der Mündung versehen sind. Die Entwickelung dieser Organe durch geschlechtliche Zuchtwahl ist wohl verständlich, wenn die stärker viechenden Männchen beim Gewinnen des Weibehens die erfolgreichsten gewesen sind und Nachkommen hinter- lassen haben, ihre allmählich vervollkommneten Drüsen und stärkere Gerüche zu erben. Entwickelung der Haare. — Wir haben gesehen, dass männ- liche Säugethiere häufig das Haar an ihrem Nacken und ihrer Schulter viel stärker entwickelt haben als die Weibchen, und es liessen sich noch viele weitere Beispiele hierfür anführen. Dies dient zuweilen als Ver- theidigungsmitttel für das Männchen während seiner Kämpfe; ob aber Diction. class. d’Hist, Natur. Tom. II, p. 586, 248 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. das Haar in den meisten Fällen speciell zu diesem Zwecke entwickelt worden ist, ist sehr zweifelhaft. Wir können ziemlich sicher sein, dass dies nicht der Fall ist, wenn ein dünner und schmaler Haarkamm der ganzen Länge des Rückens entlang läuft; denn ein Haarkamm dieser Art würde kaum irgend welchen Schutz darbieten und die Kante des Rückens ist nicht wohl eine gerade verletzliche Stelle. Nichts desto- weniger sind derartige Haarkämme zuweilen auf die Männchen be- schränkt oder sind bei ihnen viel mehr entwickelt als bei den Weibchen. Zwei Antilopen, der Tragelaphus scriptus !? (Fig. 68, S. 263) und Portax picta, mögen als Beispiel angeführt werden. Die Haarkämme gewisser Hirsche und des wilden Ziegenbockes stehen aufrecht, wenn diese Thiere in Wuth oder Schrecken versetzt werden !#*. Es lässt sich aber kaum vermuthen, dass dieselben zu dem Zwecke erlangt worden sind, bei ihren Feinden Furcht zu erregen. Eine der eben erwähnten Antilopen, Portax pieta, hat einen grossen scharf umschriebenen Pinsel schwarzen Haares an der Kehle und dieser ist beim Männchen viel grösser als beim Weibchen. Bei dem Ammotragus tragelaphus von Nordafrika, einem Gliede der Familie der Schafe, sind die Vorderbeine beinahe gänzlich durch ein ausserordentliches Wachsthum von Haaren verborgen, welche vom Nacken und der oberen Hälfte der Beine herabhängen. Mr. Barttert glaubt aber nicht, dass dieser Mantel fürs Männchen, bei welchem er viel mehr entwickelt ist als beim Weibchen, auch nur von dem geringsten Nutzen ist. Männliche Säugethiere vieler Arten weichen von den Weibchen darin ab, dass sie mehr Haare oder Haare eines verschiedenen Charac- ters an gewissen Theilen ihrer Gesichter haben. Der Bulle allein hat gekräuselte Haare an der Stirn !®. Bei drei nahe verwandten Unter- gattungen der Familie der Ziegen besitzen allein die Männchen Bärte und zuweilen von bedeutender Grösse; in zwei anderen Untergattungen haben beide Geschlechter einen Bart, aber dieses verschwindet bei eini- gen domestieirten Rassen der gemeinen Ziege, und bei Hemitragus hat keines von beiden Geschlechtern einen Bart. Beim Steinbock ist der Bart während des Sommers nicht entwickelt und ist zu anderen Jahres- zeiten so klein, dass er rudimentär genannt werden kann !6. Bei eini- 13 Dr. Gray, Gleanings from the Menagerie at Knowsley, pl. 28. !% Judge Caton über den Wapiti, in Transact. Ottawa Acad. Natur. Science. 1868, p. 36, 40. Blyth, Land and Water, 1867, p. 37, über Capra aegagrus. "5 Hunter’s Essays and Observation, edited by Owen. 1861. Vol. I, p. 236. 16 s. Dr. Gray’s Catal. Mammalia British Museum, Part. III. 1852, p. 144. Cap. 18. Entwickelung des Haares. 249 gen Affen ist der Bart auf das Männchen beschränkt, so beim Orang, oder ist beim Männchen viel grösser als beim Weibchen, wie beim My- cetes caraya und Pitheeia salanas (Fig. 66). Dasselbe ist der Fall Fig. 66. Pitheeia satanas, Männchen, (aus Brehm, Thierleben). mit dem Backenbarte einiger Species von Hacacus "7 und wie wir gesehen haben mit den Mähnen einiger Arten von Pavianen. Aber bei den meisten Arten der Affen sind verschiedene Haarbüschel um das Gesicht und den Kopf in beiden Geschlechtern gleich. Die Männchen verschiedener Glieder der Rinderfamilie (Bovidae) und gewisser Antilopen sind mit einer Wamme versehen oder einer grossen Hautfalte am Halse, welche beim Weibchen viel weniger ent- wickelt ist. ; Was haben wir nun in Bezug auf derartige geschlechtliche Ver- schiedenheiten wie die angeführten zu folgern? Niemand wird behaupten, dass die Bärte gewisser männlicher Ziegen oder die Wamme des Bullen oder die Haarkämme entlang dem Rücken gewisser männlicher Antilopen bei diesen Thieren irgendwelchem direeten oder gewöhnlich wiederkehren- den Gebrauche bestimmt sind. Es ist möglich, dass der ungeheure Bart der männlichen Pitkecia und der grosse Bart des männlichen Orang " Rengger, Säugethiere von Paraguay etc. S. 14: Desmarest, Mamma- logie, p. 66. 250 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. ihre Kehle schützen, wenn sie. mit einander kämpfen ; denn die Wärter im zoologischen Garten sagen mir, dass viele Affen einander bei der Kehle attaquiren. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass der Kinn- bart zu einem besonderen Zwecke entwickelt worden ist, der verschie- den von dem wäre, welchem der Backenbart, Schnurrbart und andere Haarbüschel am Gesichte dienen, und Niemand wird annehmen, dass diese als Schutzmittel von Nutzen sind. Müssen wir nun alle diese Anhänge von Haaren oder von Haut einfacher, zweckloser Variabilität beim Männchen zuschreiben? Es kann nicht geläugnet werden, dass dies möglich ist; denn bei vielen domestieirten Säugethieren sind ge- wisse Charactere, die allem Anscheine nach nicht auf Rückschlag von irgend einer wilden elterlichen Form her bezogen werden können, bei den Männchen aufgetreten und auf diese beschränkt oder bei diesen viel bedeutender entwickelt als bei den Weibchen — z. B. der Buckel beim männlichen Zeburinde von Indien, der Schwanz beim fettschwän- zigen Widder, die gewölbte Umrisslinie der Stirn bei dem Männchen mehrerer Rassen von Schafen, die Mähne beim Widder einer afrikani- schen Rasse und endlich die Mähne, die langen Haare an den Hinter- beinen und die Wamme allein beim Männchen der Berbura-Ziege !®. Die Mähne, welche bei dem Widder der eben erwähnten afrikanischen Schaf- rasse auftritt, ist ein ächter secundärer Sexualcharacter, denn er wird, wie ich von M. Wınwoop READE höre, nicht entwickelt, wenn das Thier eastrirt ist. Obschon wir, wie ich in meigem Buche: das Varüren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication gezeigt habe, äus- serst vorsichtig sein müssen zu folgern, dass irgend ein Character, selbst bei Thieren, die von halbeivilisirten Völkern gehalten werden, nicht der Zuchtwahl des Menschen unterlegen und hierdurch gehäuft sei, so ist dies doch in den soeben speciell angeführten Fällen unwahrschein- lich und noch besonders deshalb, weil diese Charactere auf die Männ- chen beschränkt oder bei ihnen stärker entwickelt sind, als bei den Weibchen. Wenn es positiv bekannt wäre, dass der afrikanische Widder mit einer Mähne -von demselben primitiven Stamme, wie die anderen Schafrassen, oder der Berbura-Ziegenbock mit seiner Mähne, seiner Wamme u. s. w. von demselben Stamme wie andere Ziegen abstamm- 18 s, die Capitel über diese verschiedenen Thiere im I. Bande meines „Va- „tiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“; auch Bd. 2, S. 97; auch Cap. 20 über die Ausübung von Zuchtwahl seitens halbeivilisirter Völker. Wegen der Berbura-Ziege s. Dr. Gray, Catalogue etc. p. 157. Cap. 18. Haar. — Ornamentale Farben. 251 ten, und wenn Zuchtwahl nicht auf diese Charaetere angewendet worden ist, dann müssen sie Folge einfacher Variabilität in Verbindung mit geschlechtlich beschränkter Vererbung sein. In diesem Falle würde es verständig erscheinen, dieselbe Ansicht auf viele analoge Charactere auszudehnen, welche bei Thieren ım Natur- zustande auftreten. Nichtsdestoweniger kann ich mich doch nicht davon überzeugen, dass diese Ansicht in vielen Fällen anwendbar ist, wie z.B. bei der ausserordentlichen Entwicklung von Haaren an der Kehle und den Vorderbeinen des männlichen Ammotragus oder des ungeheuren Bartes der männlichen Pithecia. Bei denjenigen Antilopen, bei welchen das Männchen im erwachsenen Alter auffallender gefärbt ist, als das Weibchen, und bei denjenigen Affen, bei welchen dies gleichfalls der Fall ist und bei welchen das Haar am Gesicht von einer von der des Haares am übrigen Kopfe verschiedenen Farbe ist, wobei es ausserdem in der verschiedenartigsten und elegantesten Weise angeordnet ist, ‚scheinen wahrscheinlicher Weise die Haarkämme und Haarbüschel als Zierathen erlangt worden zu sein; und ich weiss auch, dass dies die Ansicht einiger Naturforscher ist. Ist diese Ansicht correct, dann lässt sich wenig zweifeln, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt oder mindestens modifieirt worden sind. Farbe des Haars und der nackten Haut. — Ich will zuerst alle die Fälle kurz aufführen, die mir bekannt sind, wo männliche Säuge- thiere in der Farbe von den Weibchen verschieden sind. Wie mir Mr. Gourp mitgetheilt hat, weichen bei Beutelthieren die Geschlechter sel- ten in dieser Beziehung von einander ab. Aber das grosse rothbraune Känguruh bietet eine auffallende Ausnahne dar, indem hier „zartes Blau „an denjenigen Theilen des Weibchens .der vorherrschende Farbenton „ist, welche beim Männchen roth sind“ 19. Bei dem Didelphis opossum von Cayenne soll das Weibchen ein wenig mehr roth sein als das Männchen. In Bezug auf Nagethiere bemerkt Dr. Gray: „afrikanische „Eichhörner, ‚besonders die in den tropischen Ländern gefundenen, haben „einen Pelz, der zu gewissen Zeiten viel glänzender und lebhafter ist „als zu anderen, und der Pelz des Männchens ist meist heller als der „des Weibchens“ *°. Dr. Gray theit mir mit, dass er die afrikanischen 19 Osphranter rufus, Gould, Mammals of Australia, Vol. I, 1863. Ueber Didelphis s. Desmarest, Mammalogie, p. 256. 2° Annals and Magaz. of Natur. Hist. Nov. 1867, p. 325. Ueber Mus mi- nutus s. Desmiarest, Mammalogie, p. 304. 252 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. Eichhörner deshalb speciell erwähnt, weil sie wegen ihrer ungewöhn- lich hellen Färbungen diese Verschiedenheiten am besten darbieten. Das Weibchen von Mus minutus Russlands ist von einer blässeren und schmutzigeren Färbung als das Männchen. Bei einigen wenigen Fleder- mäusen ist das Haarkleid des Männchens heller und glänzender als beim Weibchen ?!. & Die auf dem Lande lebenden Carnivoren und Insectivoren bieten selten geschlechtliche Verschiedenheiten irgend welcher Art dar und ihre Färbungen sind beinahe immer genau dieselben in beiden Geschlech- tern. Indessen bietet der Ocelot (Felis pardalis) eine Ausnahme dar; denn hier sind die Farben des Weibchens mit denen des Männchens verglichen „moins apparentes, le fauve etant plus terne, le blanc moins „pur, les raies ayant moins de largeur et les taches moins de diametre“ ?*- Auch die Geschlechter der verwandten Felis mitis weichen, aber selbst in einem noch geringeren Grade, von einander ab, indem der allgemeine Ton des Weibchens im Ganzen etwas blässer ist, mit weniger schwar- zen Flecken. Die See-Carnivoren oder Robben weichen auf der anderen Seite zuweilen beträchtlich in der Farbe von einander ab, auch bieten sie, wie wir bereits gesehen haben, andere merkwürdige geschlechtliche Verschiedenheiten dar. So ist das Männchen der Otaria nigrescens von der südlichen Hemisphäre oben von einer reichen braunen Schattirung, während das Weibchen, welches seine erwachsenen Farben früher im Leben erhält als das Männchen, oben dunkelgrau ist und die Jungen beider Gesehlechter von einer sehr tiefen Chocoladefärbung sind. Das Männchen der nordischen Phoca groenlandica ist grauroth mit einer merkwürdigen sattelförmigen dunklen Zeichnung am Rücken; das Weib- chen ist viel kleiner und hat ein sehr verschiedenes Ansehen, indem es „schmutzig weiss, oder von einer gelblichen Strohfarbe ist, mit einem „braunrothen Hauch über den Rücken“. Die Jungen sind anfangs rein weiss und können „kaum unter den Eisblöcken und dem Schnee unter- „schieden werden, wobei also ihre Farbe als Schutzmittel dient“ ?®. Bei Wiederkäuern kommen geschlechtliche Verschiedenheiten der 21 J. A. Allen, in: Bulletin of Museum Compar. Zoolog. Cambridge, Mass. Unit. St., 1869, p. 207. 2? Desmarest, Mammalogie, 1820, p. 223. Ueber Felis mitis s. Rengger aa 0.841944 23 Dr. Murie, über die Otaria, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1869, p. 108. Mr. R. Brown, über die Phoca groenlandica, ebenda, 1868, p. 417. Ueber die Farbe der Robben s. auch Desmarest a. a. O. p. 243, 249. - Cap. 18. Örnamentale Farben. 253 Farbe gewöhnlicher vor als in irgend einer anderen Ordnung. Eine Verschiedenheit dieser Art ist bei den Strepsiceros-artigen Antilopen sehr allgemein. So ist das männliche Nilghau (Portax picta) bläulich grau und viel dunkler als das Weibchen; auch sind die viereckigen weissen Flecke an der Kehle, die weissen Zeichnungen an den Fesseln und die schwarzen Flecken an den Ohren sämmtlich viel deutlicher. Wir haben gesehen, dass in dieser Species die Kämme nud Büschel von Haaren gleichfalls beim Männchen entwickelter sind als bei dem hornlosen Weibchen. Wie mir Mr. Bryr# mitgetheilt hat, wird das Männchen, ohne sein Haar abzustossen, während der Paarungszeit dunkler. Junge Männchen können von jungen Weibchen, wenn sie nicht über zwölf Monate alt sind, nicht unterschieden werden, und wenn das Männchen vor. dieser Zeit entmannt wird, so verändert es nach derselben Autorität niemals seine Farbe. Die Bedeutsamkeit dieser letzteren Thatsache als entscheidend für die sexuelle Natur der Färbung wird offenbar, wenn wir hören ?*, dass weder das rothe Sommerkleid noch das blaue Winter- kleid des virginischen Hirsches durch Entmannung im Geringsten affı- eirt wird. Bei den meisten oder sämmtlichen der äusserst verzierten Species von Tragelaphus sind die Männchen dunkler als die hornlosen Weibchen und ihre Haarkämme sind vollständiger entwickelt. Bei dem Männchen jener prachtvollen Antilope, Oreas derbyanus (Derby’s Eland); ist der Körper röther, der ganze Hals viel schwärzer und das weisse Band, welches diese Färbungen von einander trennt, breiter als beim Weibchen. Auch beim Eland vom Cap ist das Männchen unbedeutend dunkler als das Weibchen ?°. i Bei dem indischen Schwarzbocke (Antilope bezoartica), welcher zu einem anderen Stamme der Antilopen gehört, ist das Männchen sehr dunkel, beinahe schwarz, während das hornlose Weibchen rehfarbig ist. Wir haben in dieser Species, wie mir Dr. BLyru mittheilt, eine genau parallele Reihe von Thatsachen wie bei der Portax pieta vor uns, näm- lich beim Männchen periodisch sich verändernde Farbe während der Paarungszeit, Wirkungen der Entmannung auf diese Veränderung und ** Judge Caton, in: Transact. Ottawa Acad. of Natur. Sciences. 1868, p. 4. 25 Dr. Gray, Catalogue of Mammalia in the British Museum, Part. IH. 1852, p. 134—142; s. auch Dr. Gray’s Gleanings from the Menagerie of Knows- ley, worin sich eine prachtvolle Abbildung des Oreas derbyanus findet: vergleiche den Text über Tragelaphus. Wegen des Capischen Eland (Oreas canna) s. An- drew Smith, Zoology of South Africa, pl. 41 und 42. Viele dieser Antilopen finden sich auch im Garten der zoologischen Gesellschaft. 954 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. IT. Theil. die Jungen beider Geschlechter von einander nicht zu unterscheiden. Bei der Antilope nigra ist das Männchen schwarz, das Weibchen, ebenso wie die Jungen, braun. Bei A. sing-sing ist das Männchen viel heller gefärbt als das hornlose Weibchen und seine Brust und sein Bauch sind schwärzer. Bei der männlichen A. canna sind die Zeiehnungen und Linien, welche an verschiedenen Theilen des Körpers vorkommen, schwarz, statt wie beim Weibchen braun zu sein. Beim gefleckten Gnu (A. gor- gon) sind „die Farben des Männchens nahezu dieselben wie die des „Weibehens, nur gesättigter und von einem glänzenderen Tone“ 26, Andere analoge Fälle könnten noch angeführt werden. Der Bantengbulle (Bos sondaicus) des malayischen Archipels ist beinahe schwarz mit weissen Beinen und weissem Kreuz. Die Kuh ist von einem hellen Graubraun, wie auch die jungen Männchen bis unge- fähr in das Alter von drei Jahren, wo sie schnell die Farbe verändern. Der castrirte Bulle kehrt zur Färbung des Weibchens zurück. Die weibliche Kemas-Ziege ist blässer und die weibliche Capra aegagrus soll gleichförmiger gefärbt sein, als ihre beziehentlichen Männchen. Hirsche bieten selten irgend welche geschlechtliche Verschiedenheiten in der Farbe dar. June Caron theilt mir indessen mit, dass bei den Männchen des Wapitihirsches (Cervus canadensis) der Hals, Bauch und die Beine dunkler sind als dieselben Theile beim Weibchen, aber wäh- rend des Winters bleichen die dunklen Färbungen allmählich ab und verschwinden. Ich will hier noch erwähnen, dass JuDGE CAron in sei- nem Parke drei Rassen des virginischen Hirsches besitzt, welche leicht in der Farbe von einander verschieden sind; aber die Verschiedenheiten sind beinahe ausschliesslich auf das blaue Winter- oder Paarungskleid beschränkt, so dass dieser Fall mit denen verglichen werden kann, welche in einem früheren Capitel von nahe verwandten oder stell- vertretenden Species von Vögeln angeführt wurden, die nur in ihrem Hochzeitsgefieder von einander abweichen ??. Die Weibehen des Cer- vus paludosus von Südamerika, ebenso wie die Jungen beiderlei Ge- schlechts, besitzen die schwarzen Streifen an der Nase und die schwärz- 26 Ueber die Antilope nigra s. Proceed. Zoolog. Soc. 1850, p. 133. In Be- zug auf eine verwandte Species, bei welcher sich eine gleiche geschlechtliche Verschiedenheit in der Färbung findet, s. Sir S. Baker, The Albert Nyanza, 1866. Vol. I, p. 327. Wegen der A. sing-sing s. Gray, Catal. Mamm. Brit. Mus. p. 100. Ueber die A. canna s. Desmarest, Mammalogie, p. 468. Ueber das Gnu s. Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa. ?’ Ottawa Academy of Natur. Science. May, 21, 1868, p. 3, 5. Cap. 18. Ornamentale Farben. 255 lich braune Linie an der Brust nicht, welche die erwachsenen Männ- chen characterisiren 2°. Endlich ist das reife Männchen des wunder- schön gefärbten und gefleckten Axishirsches beträchtlich dunkler als das Weibchen, wie mir Mr. Bryru mittheilt; und diese Färbung erlangt das castrirte Männchen niemals. Die letzte Ordnung, welche wir zu betrachten haben, —- denn mir ist nicht bekannt, dass geschlechtliche Verschiedenheiten in der Farbe in anderen Säugethiergruppen noch vorkommen, — ist die der Primaten. Das Männchen des Lemur macaco ist kohlschwarz, während das Weib- chen röthlich gelb, aber äusserst variabel in der Farbe ist?®%. Unter den Quadrumanen der neuen Welt sind die Weibchen und Jungen von Mycetes caraya gräulich gelb und einander gleich; im zweiten Jahre wird das junge Männchen röthlich braun und im dritten Jahre schwarz, mit Ausnahme des Bauches, welcher indessen im vierten oder fünften Jahre vollständig schwarz wird. Es besteht auch ein scharf markirter Unterschied in der Farbe zwischen den Geschlechtern bei Mycetes seni- culus und Cebus capueinus ; die Jungen der ersteren Art und wie ich glaube auch der letzteren gleichen den Weibchen. Bei Pitheeia leuco- cephala sind die Jungen gleichfalls den Weibchen ähnlich, welche oben bräunlich schwarz und unten hell rostroth sind, während die erwachsenen Männchen schwarz sind. Die Haarkrause rings um das Gesicht bei Ateles marginalus ist beim Männchen gelb gefärbt, beim Weibchen weiss. Wenden wir uns zu den altweltlichen Affen: die Männchen von Hylo- bates Hoolock sind immer schwarz mit Ausnahme einer weissen Binde oberhalb der Brauen; die Weibchen variiren von weisslich braun bis zu einem dunkleren mit schwarz gemischten Tone, sind aber niemals völlig schwarz ?°. Bei dem schönen Cercopithecus diana ist der Kopf des erwachsenen Männchens von einem intensiven Schwarz, während der des Weibchens dunkelgrau ist. Bei ersterem ist der Pelz zwischen 28 Sal. Müller, über den Banteng, in: Over de Zoogthieren van den In- dischen Archipel, 1839-44, Tab. 35. s. auch Raffles von Blyth eitirt in: Land and Water, 1867, p. 476. Ueber Ziegen: Dr. Gray, Catal. Mamm. Brit. Mus. p. 146. Desm arest, Mammalogie, p. 482. Ueber Cervus paludosus : Rengger.a.a. 0.S. 345. 29 Selater, Proceed. Zoolog. Soc. 1866, pl. 1. Dieselbe Thatsache ist auch von Pollen und van Dam vollständig bestätigt worden. 30 Ueber Mycetes S. Rengger a.a.0. 8.14 und Brehmj, Ilustrirtes Thier- leben, Bd. 1, S. 96, 107. Ueber Ateles s. Desmarest, Mammalogie, p. 75. Ueber Hylobates s. Blyth, Land and Water, 1867, p. 135. Ueber den Semno- pithecus: Sal. Müller, Over de Zoogthieren van den Ind. Archipel. Tab. X. 256 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. den Schenkeln von einer eleganten Rehfarbe, bei letzterem ist er bläs- ser. Bei dem in gleicher Weise schönen und merkwürdigen Schnurr- bartaffen (Cercopithecus cephus) ist die einzige Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern die, dass der Schwanz des Männchens nussbraun und der des Weibchens grau ist; aber Mr. Bartrerr theilt mir mit, dass alle diese Töne beim Männchen, wenn es erwachsen ist, schärfer aus- gesprochen. werden, während sie beim Weibchen so bleiben, wie sie während der Jugend waren. Nach den colorirten Abbildungen, welche SarLoMON MÜLLER gegeben hat, ist das Männchen von Semnopithecus chrysomelas nahezu schwarz, während das Weibchen blassbraun ist. Bei dem Cercopithecus cynosurus und griseoviridis ist ein Theil des Kör- pers, der auf das mänhliche Geschlecht beschränkt ist, von dem bril- lantesten Blau oder Grün und contrastirt auffallend mit der nackten Haut an dem Hintertheile des Körpers, welche lebhaft roth ist. Endlich weicht in der Familie der Paviane das erwachsene Männ- chen von Cynocephalus hamadryas vom Weibchen nicht bloss durch seine ungeheure Mähne, sondern auch unbedeutend in der Farbe des Haars und der nackten Hautschwielen ab. Beim männlichen Drill (Cy- nocephalus leucophaeus) sind die Weibchen und Jungen viel blässer gefärbt mit weniger Grün als die erwachsenen Männchen. Kein an- deres Glied der ganzen Classe der Säugethiere ist in so ausserordent- licher Weise gefärbt als der männliche Mandrill (Uynocephalus mormon), wenn er erwachsen ist. In diesem Alter wird sein Gesicht schön blau, während der Rücken und die Spitze der Nase von dem brillantesten Roth ist. Nach einigen Autoren ist das Gesicht gleichfalls mit weisslichen, Streifen gezeichnet und ist in anderen Theilen in Schwarz schattirt; doch scheinen die Färbungen variabel zu sein. An der Stirn findet sich ein Haarkamm und am Kinne ein gelber Bart. „Toutes les parties „superieures de leurs cuisses el le grand espace nu de leurs fesses „sont egalement colores du rouge le plus vif avec un melange de bleu, „qui ne manque reellement pas d’elegance“ >'. Wenn das Thier er- regt wird, werden alle die nackten Theile viel lebhafter gefärbt. Meh- rere Schriftsteller haben bei Beschreibung dieser letzteren glänzenden Farben, welche sie mit denen der brillantesten Vögel vergleichen, die 3! Gervais, Hist. natur. des Mammiferes, 1854, p. 103. Hier werden auch Abbildungen des Schädels vom Männchen gegeben. Desmarest, Mammalogie, p- 70. Geoffroy St. Hilaire et F. Cuvier, Hist. natur. des Mammiföres. 1824. Tom. TI. Cap. 18. Örnamentale Farben. ; 257 allerlebhaftesten Ausdrücke gebraucht. Eine andere äusserst merkwürdige Eigenthümlichkeit ist die, dass wenn die grossen Eckzähne völlig ent- wickelt sind, ungeheure Knochenprotuberanzen an jeder Wange gebildet werden, welche tief longitudinal gefurcht sind und über welchen die nackte Haut so wie eben beschrieben worden ist, brillant gefärbt wird (Fig. 67). Bei den erwachsenen Weibchen und den Jungen beiderlei Geschlechts sind diese Protuberanzen kaum bemerkbar und die nackten Fig. '67. Kopf des männlichen Mandrill (nach Gervais, Hist. nat, des Mammiferes). Theile sind viel weniger hell gefärbt, das Gesicht ist fast schwarz, etwas mit Blau gefärbt. Indess wird beim erwachsenen Weibchen die Nase zu gewissen regelmässigen Zeiträumen mit Roth gefärbt. In allen den bis jetzt angeführten Fällen ist das Männchen auf- fallender oder heller gefärbt als das Weibchen und weicht in einem bedeutenderen Grade von den Jungen beiderlei Geschlechts ab. Wie aber ein umgekehrtes Verhältniss der Färbung bei einigen wenigen Vögeln characteristisch für beide Geschlechter ist, so hat auch der Rhesus-Affe (Macacus rhesus) im weiblichen Geschlechte eine grössere DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. ız/ 258 Geschlechtliche Zuchtwahl : Säugethiere. I. Theil. Fläche nackter Haut rund um den Schwanz von einem brillanten Car- moisinroth, welches periodisch selbst noch lebhafter wird, wie mir die Wärter im zoologischen Garten versichert haben; auch ist sein Gesicht blassroth. Auf der anderen Seite zeigen weder das erwachsene Männ- chen, noch die Jungen beiderlei Geschlechts, wie ich in dem Garten selbst sah, eine Spur von Roth an der nackten Haut am hinteren Ende des Körpers oder an dem Gesicht. Nach einigen veröffentlichten Be- richten scheint es indess, als wenn das Männchen gelegentlich oder wäh- rend gewisser Jahreszeiten einige Spuren von Roth darböte. Obgleich es hiernach weniger geschmückt ist als das Weibchen, folgt es doch in der bedeutenderen Grösse seines Körpers, den grösseren Eckzähnens ent- wickelterem Backenbarte und vorspringenderen Augenbrauenleisten der allgemeinen Regel, dass das Männchen das Weibchen übertrifft. Ich habe nun alle mir bekannten Fälle von einer Verschiedenheit in der Farbe zwischen den Geschlechtern der Säugethiere angeführt. Die Farben des Weibchens weichen entweder nicht in einem hinreichen- den Grade von denen des Männchens ab oder sind von keiner zweck- mässigen Beschaffenheit, um demselben Schutz darzubieten, können daher nach diesem Grundsatze nicht erklärt werden. In einigen und . vielleicht in vielen Fällen mögen die Verschiedenheiten das Resultat von Abänderungen sein, welche auf ein Geschlecht beschränkt und auch diesem selben Geschlecht überliefert wurden, ohne dass irgend ein Vor- theil dadurch erreicht wurde, und daher auch ohne die Hülfe einer Zuchtwahl. Wir haben Beispiele dieser Art bei unseren domestieirten Thieren, wie bei den Männchen gewisser Katzen, welche bräunlichroth sind, während die Weibchen dreifarbig sind (tortoise-shell). Analoge Fälle kommen auch in der Natur vor. Mr. Barttert hat viele schwarze Varietäten des Jaguar, des Leoparden, des fuchsartigen Phalanger’s und des Wombat gesehen; und er ist sicher, dass alle oder beinahe alle diese Thiere Männchen waren. Auf der anderen Seite werden Wölfe, Füchse und wie es scheint auch amerikanische Eichhörner gelegentlich und zwar in beiden Geschlechtern schwarz geboren. Es ist daher voll- kommen möglich, dass bei einigen Säugethieren die Schwärze der Männ- chen, besonders wenn diese Farbe angeboren ist, einfach das Resultat davon ist, dass eine oder mehrere Abänderungen ohne die Hülfe von Zuehtwahl auftraten, welche vom Anfange an in ihrer Ueberlieferung geschlechtlich beschränkt waren. Nichtsdestoweniger kann kaum an- Cap. 18. Örnamentale Farben. 259 genommen werden, dass die mannichfaltigen lebhaften und eontrastiren- den Farben gewisser Säugethiere, z. B. der oben erwähnten Affen und Antilopen auf diese Weise erklärt werden können. Wir müssen uns daran erinnern, dass diese Farben beim Männchen nicht bei der, Geburt erscheinen, wie es bei den meisten gewöhnlichen Abänderungen der Fall ist, sondern nur zur Zeit oder nahe der Zeit der Reife und dass, verschieden von gewöhnlichen Abänderungen, diese Farben wenn das Männchen entmannt wird niemals erscheinen oder später sogar ver- schwinden. Es ist im Ganzen eine viel wahrscheinlichere Folgerung, dass die scharf markirten Färbungen und andere ornamentale Charac- tere männlicher Säugethiere für dieselben in ihrer Rivalität mit anderen Männchen wohlthätig sind und daher durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden. Die Wahrscheinlichkeit dieser Ansicht wird dadurch verstärkt, dass die Verschiedenheiten in der Farbe zwischen den Ge- schlechtern beinahe ausschliesslich, wie man beim Durchgehen der vor- hin angeführten Einzelnheiten beobachten kann, in denjenigen Gruppen und Untergruppen von Säugethieren auftreten, welche andere und be- stimmte secundäre Sexualcharactere darbieten; und auch diese sind Folge der Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl. Säugethiere nehmen offenbar von Farben Notiz. Sir S. BAKER beobachtete wiederholt, dass der afrikanische Elephant und das Rhino- ceros mit besonderer Wuth Schimmel und Grauschimmel angriffen., Ich habe an einer andern Stelle gezeigt ®??, dass halbwilde.Pferde allem Anscheine nach vorziehen, sich mit solchen von der nämlichen Farbe zu paaren, und dass Heerden von Damhirschen von verschiedener Farbe trotzdem sie zusammenleben sich doch lange Zeit gesondert hielten. Es ist eine noch bezeichnendere Thatsache, dass ein weibliches Zebra die Liebeserklärungen eines männlichen Esels nicht annehmen wollte, bis derselbe so angemalt war, dass er einem Zebra ähnlich wurde, und dann „nahm sie ihn“, wie JoHN HUNTER bemerkt, „sehr gern an. „In dieser merkwürdigen Thatsache haben wir einen Fall von einem „durch blosse Farbe angeregten Instinet, welcher eine so starke Wir- „kung hatte, dass er alle übrigen Erregungen bemeisterte. Aber das „Männchen bedurfte dies nicht; das Weibchen, welches ein ihm selbst 32 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 1868. Bd. 2, S. 135 und 136. 17 * I60 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. U. Theil. „ziemlich ähnliches Thier war, war als solches schon hinreichend, es „zu reizen“ ?°, In einem früheren Capitel haben wir gesehen, dass die geistigen Kräfte der höheren Thiere nicht der Art nach, wenn auch schon be- deutend dem Grade nach, von den entsprechenden Kräften des Menschen und besonders der niederen und barbarischen Rassen verschieden sind; und es möchte den Anschein haben, als ob selbst ihr Geschmack für das Schöne nicht so weit von dem der Affen verschieden sei. Wie der Neger von Afrika das Fleisch in seinem Gesichte in parallelen Leisten sich erheben lässt, „oder in Narben, welche, hoch über der natürlichen „Oberfläche als widerwärtige Deformitäten hervortretend, doch für grosse „persönliche Reize angesehen werden“ #%, — wie Neger ebenso wie Wilde in vielen Theilen der Welt ihre Gesichter mit Roth, Blau, Weiss oder Schwarz in verschiedenen Zeichnungen anmalen — so scheint auch der männliche Mandrill von Afrika sein tief durchfurchtes und auffallend gefärbtes Gesicht dadurch erlangt zu haben, dass er hier- durch für das Weibchen anziehend wurde. Es ist ohne Zweifel für uns eine äusserst groteske Idee, dass das hintere Ende des Körpers zum Zwecke einer Verzierung selbst noch brillanter gefärbt sein solle als das Gesicht. Es’ist dies aber in der That nicht mehr befremdend als dass der Schwanz vieler Vögel ganz besonders geschmückt wor- den ist. Bei Säugethieren sind wir gegenwärtig nicht im Besitze irgend welcher Beweise, dass die Männchen sich Mühe geben, ihre Reize vor den Weibchen zu entfalten, und die ausgesuchte Sorgfalt, mit welcher dies von Seiten der männlichen Vögel geschieht, ist das stärkste Argu- ment zu Gunsten der Annahme, dass die Weibchen die Verzierungen und Farben, die vor ihnen entfaltet werden, bewundern oder dass sie dureh sie angeregt werden. Es besteht indessen ein auffallender Pa- rallelismus zwischen Säugethieren und Vögeln in allen ihren secundären Sexualcharacteren, nämlich in ihren Waffen zum Kampfe mit rivali- sirenden Männchen, in ihren ornamentalen Anhängen und in ihren Farben. Wenn das Männchen vom Weibchen verschieden ist, so gleicht in beiden Classen das Junge des einen Geschlechts beinahe immer dem des anderen und in einer grossen Majorität von Fällen auch dem er- 33 Essays and Observations by J. Hunter, edited by R. Owen, 1861. Vol. L,,p:.194: »: Sir S. Baker, The Nile Tributaries of Abyssinia, 1867. F Cap. 18. Gleichmässige Ueberlieferung. 261 wachsenen Weibchen. In beiden Classen erhält das Männchen die seinem Geschlechte eigenen Charactere kurz vor dem fortpflanzungs- fähigen Alter. Wird es entmannt, so erhält es entweder niemals der- artige Merkmale oder verliert sie selbst später. In beiden Classen ist der Farbenwechsel zuweilen an die Jahreszeit gebunden und die Fär- bungen der nackten Theile werden zuweilen während des Actes der Bewerbung lebhafter. In beiden Classen ist das Männchen beinahe immer lebhafter oder stärker gefärbt als das Weibchen, und ist mit ‚grösseren Kämmen entweder von Haaren oder Federn, oder mit anderen Anhängen verziert. In einigen wenigen ausnahmsweisen Fällen ist in beiden Classen das Weibchen bedeutender geschmückt als das Männ- ehen. Bei vielen Säugethieren und was die Vögel betrifit, wenigstens bei einem, ist das Männchen stärker riechend als das Weibehen. In beiden Classen ist die Stimme des Männchens kräftiger als die des Weibchens. Betrachtet man diesen Parallelismus, so lässt sich nur wenig daran zweifeln, dass hier eine und die nämliche Ursache, welche dieselbe auch gewesen sein mag, auf die Vögel und Säugethiere gewirkt hat, und soweit ornamentale Charactere in Betracht kommen, kann das Resultat, wie mir es scheint, getrost der lange fortgesetzten Bevor- zugung von Individuen des einen Geschlechtes durch gewisse Indivi- duen des anderen Geschlechtes zugeschrieben werden, in Verbindung mit ihrem gemeinsamen Erfolge, eine grössere Anzahl von Nachkommen zu hinterlassen, welche ihre höheren Anziehungsreize erbten. Gleiehmässige Ueberlieferung ornamentaler Charactere auf beide Geschlechter. — Bei vielen Vögeln sind Ornamente, von welchen uns die Analogie veranlasst anzunehmen, dass sie ursprünglich von den Männchen erlangt wurden, gleichmässig oder beinahe gleichmäs- sig auf beide Geschlechter überliefert worden, und wir wollen nun unter- suchen, inwieweit diese Ansicht auf Säugethiere ausgedehnt werden kann. Bei einer beträchtlichen Anzahl von Species, besonders von klei- neren Arten, sind beide Geschlechter unabhängig von geschlechtlicher Zuchtwahl zum Zwecke eines Schutzes gefärbt worden; soweit ich es aber beurtheilen kann, weder in so vielen Fällen, noch in nahezu so auf- fallender Art und Weise wie in den’ meisten niederen Classen. AUDUBON bemerkt, dass er die Bisamratte?’, während sie an den Ufern eines 35 Fiber zibethicus, Audubon und Bachman, The Quadrupeds of North America, 1846, p. 109. BB _ Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. schlammigen Stromes sass, häufig für einen Erdkloss gehalten habe, so vollständig wäre die Aehnlichkeit. Der Hase ist ein sehr bekanntes Beispiel von Geschütztsein durch Farbe, und doch schlägt dieses Prin- cip in einer nahe verwandten Species fehl, nämlich beim Kaninchen ; denn so bald dieses Thier nach seinem Baue läuft, wird es dem Jäger und ohne Zweifel allen Raubthieren durch seinen nach oben gewendeten reinweissen Schwanz auffallend. Niemand hat jemals bezweifelt, dass die Säugethiere, welche mit Schnee bedeckte Gegenden bewohnen, weiss geworden sind um sich gegen, ihre Feinde zu schützen oder um das Stehlen ihrer Beute zu begünstigen. In Gegenden, wo der Schnee nie- mals lange auf dem Boden liegen bleibt, würde ein weisses Kleid von Nachtheil sein; in Folge dessen sind so gefärbte Arten in den wär- meren Theilen der Erde äusserst selten. Es verdient Beachtung, dass viele, mässig- kalte Gegenden bewohnende Säugethiere, trotzdem sie kein weisses Winterkleid annehmen, doch während dieser Zeit blässer wer- den; und dies ist dem Anscheine nach das direkte Resultat der Be- dingungen, welchen sie lange Zeit ausgesetzt sind. Parras gibt an ®®, dass in Sibirien eine Veränderung dieser Natur beim Wolfe, bei zwei Species von Mustela, bei dem domesticirten Pferde, dem Equus hemionus, der Hauskuh, bei zwei Species von Antilopen, dem Moschusthiere, beim Rehe, dem Elk und dem Renthiere vorkommt. Das Reh hat z.B. ein rothes Sommer- und ein gräulich weisses Winterkleid, und das Letztere kann vielleicht als Schutz für das Thier dienen, während es durch die laublosen, von Schnee und Rauchfrost überzogenen Dickichte wandert. Wenn die eben angeführten Thiere ihre Verbreitung allmählich - in Gegenden ausdehnten, welche beständig mit Schnee bedeckt bleiben, so würde wahrscheinlich ihr blasses Winterkleid durch natürliche Zucht- wahl gradweise immer weisser und weisser werden, bis es zuletzt so weiss wie Schnee wäre. Obgleich wir zugeben müssen, dass viele Säugethiere ihre jetzigen Farben als Schutzmittel empfangen haben, so sind doch bei einer Menge von Species die Farben vie) zu auffallend und zu eigenthümlich ange- ordnet, um uns die Vermuthung zu gestatten, dass sie diesem Zwecke dienen. Wir können als Erläuterung gewisse Antilopen betrachten: wenn wir sehen, dass der viereckige weisse Fleck an der Kehle, die weissen Zeichnungen an den Fesseln und die runden schwarzen Flecke 36 Novae Species Quadrupedum e Glifium ordine. 1788, p. 7. Was ich oben Reh genannt habe, ist der Capreolus sibiricus subecaudatus von Pallas. Cap. 18. Gleichmässige Ueberlieferung. 263 an den Ohren sämmtlich beim Männchen der Portax picta viel deut- licher sind als beim Weibchen, — wenn wir sehen, dass die Farben bei dem männlichen Oreas derbyanus viel lebhafter, dass die schmalen weissen Linien an den Flanken und die breiten weissen Balken an der Schulter deutlicher sind als beim Weibchen, — wenn wir eine ähnliche Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern der so merkwürdig ver- zierten Art Tragelaphus seriptus (Fig. 68) sehen, so können wir schlies- sen, dass diese Färbungen und verschiedenen Zeichnungen durch ge- schlechtliche Zuchtwahl wenigstens intensiver geworden sind. Es ist Fig. 68. Tragelaphus seriptus, Männchen (nach der Knowsley-Menagerie). nicht einzusehen, dass derartige Farben und Zeichnungen von irgend einem direeten oder gewöhnlichen Nutzen für diese Thiere wären, und da sie beinahe sicher durch geschlechtliche Zuchtwahl intensiver ge- worden sind, so ist es wahrscheinlich, dass sie ursprünglich durch die- sen nämlichen Process erlangt und dann theilweise auf die Weibchen überliefert wurden. Wird diese Ansicht angenommen, dann kann man nur wenig daran zweifeln, dass die gleichmässigen eigenthümlichen 264 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. Färbungen und Zeichnungen vieler anderen Antilopen, trotzdem sie beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen, in einer gleichen Weise erlangt und überliefert wurden. So haben z. B. beide Geschlechter der Kudu-Antilope (Strepsiceros kudu Fig. 62, S. 224) schmale weisse senk- rechte Linien an dem hinteren Theile ihrer Flanken und eine elegante winkelige weisse Zeichnung an ihrer Stirn. Beide Geschlechter der Gat- tung Damalis sind sehr merkwürdig gefärbt. Bei D. pygarga sind der Rücken und Hals purpurartig roth, schattiren an den Seiten in Schwarz ab und sind dann von dem weissen Bauche und einem grossen weissen Flecke auf der Kruppe scharf abgesetzt. Der Kopf ist noch merk- würdiger gefärbt. Eine grosse oblonge weisse schmal mit Schwarz geränderte Larve bedeckt das Gesicht bis herauf zu den Augen (Fig. 69); Fig. 69. Damalis pygarga, Männchen (nach der Knowsley-Menagerie). auf der Stirn finden sich drei weisse Streifen und die Ohren sind mit Weiss gezeichnet. Die Kälber dieser Species sind von einem gleich- förmigen blassen Gelblichbraun. Bei Damalis albifrons weicht die Färbung des Kopfes von der letzterwähnten Species darin ab, dass hier ein einziger weisser Streif die drei Streifen ersetzt und dass die Ohren Cap. 18. Gleichmässige Ueberlieferung. 265 beinahe vollständig weiss sind ?”. Nachdem ich, soweit ich es zu thun im Stande war, die geschlechtlichen Verschiedenheiten der zu allen Classen gehörigen Thiere studirt habe, kann ich nicht vermeiden, den Schluss auszusprechen, dass die merkwürdig angeordneten Farben vieler Antilopen, trotzdem sie beiden Geschlechtern gemeinsam sind, das Re- sultat ursprünglich auf das Männchen angewandter geschlechtlicher Zuchtwahl sind. Dieselbe Folgerung kann vielleicht auch auf den Tiger ausgedehnt werden, eines der schönsten Thiere in der Welt, dessen Geschlechter selbst‘ von den mit wilden Thieren Handelnden nicht an der Farbe unterschieden werden können. Mr. WarracE glaubt 3°, dass das ge- streifte Fell des Tigers „so übereinstimmend mit senkrechten Stämmen „des Bambusrohrs sei, dass es das Thier bedeutend beim Beschleichen „seiner Beute unterstütze.“ Doch scheint mir diese Ansicht nicht be- friedigend zu sein. Wir haben einige unbedeutende Zeugnisse dafür, dass seine Schönheit Folge geschleehtlicher Zuchtwahl sein mag; denn in zwei Species von Felis sind analoge Zeichnungen und Farben im Ganzen beim Männchen heller als beim Weibchen. Das Zebra ist auf- fallend gestreift und Streifen können auf den offenen Ebenen von Süd- afrika keinen Schutz darbieten. BURCHELL 3° sagt bei einer Beschrei- bung einer Heerde Zebras: „ihre schlanken Rippen glänzten in der „Sonne und die Helligkeit und Regelmässigkeit ihrer gestreiften Klei- „der bot ein Gemälde ausserordentlicher Schönheit dar, worin sie wahr- „scheinlich von keinem anderen Säugethiere übertroffen werden.* Hier haben wir keinen Beweis für eine geschlechtliche Zuchtwahl, da durch die ganze Gruppe der Equiden die Geschlechter in der Färbung iden- tisch sind. Nichtsdestoweniger wird derjenige, welcher die weissen und dunkeln senkrechten Streifen auf den Flanken verschiedener Antilopen Seschlechtlicher Zuchtwahl zuschreibt, wahrscheinlich dieselbe Ansicht auf den Königstiger und das schöne Zebra ausdehnen. Wir haben in einem früheren Capitel gesehen, dass, wenn junge zu gleichviel welcher Classe gehörige Thiere nahezu dieselbe Lebens- weise haben wie ihre Eltern und doch in einer verschiedenen Art und Weise gefärbt sind, man wohl schliessen kann, dass sie die Färbung 37 5, die schönen Tafeln in Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa und Dr. Gray’s Gleanings from the Menagerie of Knowsley. 3° Westminster Review. July, 1, 1867, p. 5. ”% Travels in South Africa, 1824. Vol. II, p. 315, 266 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. irgend eines alten und ausgestorbenen Urerzeugers beibehalten haben. In der Familie der Schweine und in der Gattung Tapir sind die Jungen mit Längsstreifen gezeichnet und weichen hierdurch von jeder jetzt lebenden erwachsenen Species in diesen beiden Gruppen ab. Bei vielen Arten von Hirschen sind die Jungen mit eleganten weissen Flecken gezeichnet, von denen ihre Eltern nicht eine Spur darbieten. Es lässt sich eine allmählich aufsteigende Reihe verfolgen vom Axishirsch, bei welchem beide Geschlechter in allen Altersstufen und während aller Jahreszeiten schön gefleckt sind (wobei die Männchen im Ganzen etwas stärker gefärbt sind als die Weibchen), bis zu Species, bei welchen weder die Alten noch die Jungen gefleckt sind. Ich will einige Stufen in dieser Reihe anführen. Der mantschurische Hirsch (Cervus mantschu- ricus) ist während des ganzen Jahres gefleckt: die Flecke sind aber, wie ich im zoologischen Garten gesehen habe, während des Sommers viel deutlicher, wo die allgemeine Farbe des Pelzes heller ist, als wäh- rend des Winters, wo die allgemeine Färbung dunkler ist und die Hör- ner vollständig entwickelt sind. Bei dem Schweinshirsch (Hyelaphus porcinus) sind die Flecke während des Sommers äusserst auffallend, wo der ganze Pelz röthlich braun ist, verschwinden aber während des Winters, wo der Pelz “braun wird, vollständig #%. In diesen beiden Species sind die Jungen gefleckt. Bei dem virginischen Hirsche sind die Jungen gleichfalls gefleckt, und von den erwachsenen in JUDGE Caron’s Park lebenden Thieren bieten, wie mir derselbe mitgetheilt hat, ungefähr fünf Procent zeitweise in der Periode, wenn das rothe Sommerkleid durch das bläuliche Winterkleid ersetzt wird, eine Reihe von Flecken auf jeder Flanke dar, welche beständig der Zahl nach gleich, wennschon an Deutlichkeit sehr variabel sind. Von diesem Ver- hältnisse ist dann nur ein sehr kleiner Schritt zu dem vollständigen Fehlen von Flecken zu allen Jahreszeiten bei den Erwachsenen, und endlich bis zu dem Fehlen derselben auf allen Altersstufen, wie es bei gewissen Species vorkommt. Aus der Existenz dieser vollkommenen Reihe und ganz besonders aus dem Umstande, dass die Kälber so vieler Species gefleckt sind, können wir schliessen, dass die jetzt lebenden Glieder der Familie der Hirsche die Nachkommen einer alten Species #° Dr. Gray, Gleanings from the Menagerie of Knowsley, p. 64. Mr. Blyth erwähnt den Schweinshirsch von Ceylon (Land and Water, 1869, p. 42) und sagt, dass er in der Jahreszeit wo er sein Geweihe erneuert, heller mit Weiss gefleckt ist als der gemeine Schweinshirsch, Cap. 18. Flecken und Streifen. 267 sind, welche wie der Axishirsch auf allen Altersstufen und zu allen Jahreszeiten gefleckt war. Ein noch früherer Urerzeuger war wahr- scheinlich in einer gewissen Ausdehnung dem Hyomoschus aquaticus ähnlich; denn dieses Thier ist gefleckt und die hornlosen Männchen haben grosse vorspringende Eckzähne, von denen einige wenige echte Hirsche noch Rudimente bewahren. Es bietet dies auch einen jener interessanten Fälle von Formen dar, welche zwei Gruppen mit einander verbinden, da es in gewissen osteologischen Merkmalen zwischen den Pachydermen und Ruminanten mitten inne steht, welche man früher für vollkommen verschieden hielt *1. Hier entsteht nun eine merkwürdige Schwierigkeit. Wenn wir zugeben, dass gefärbte Flecken und Streifen als Zierathen erlangt worden sind, woher kommt es, dass so viele jetzt lebende Hirsche, die Nach- kommen eines ursprünglich gefleekten Thieres, und sämmtliche Arten von Schweinen und Tapiren, die Nachkommen eines ursprünglich ge- streiften Thieres, in ihrem erwachsenen Zustande ihre früheren Ver- zierungen verloren haben? Ich kann diese Frage nicht befriedigend beantworten. Wir können ziemlich sicher sein,. dass die Flecken und Streifen bei den Voreltern unserer jetzt lebenden Species zur Zeit oder nahe der Zeit der Reife verschwanden, so dass sie von den Jungen und in Folge des Gesetzes der Vererbung auf entsprechende Altersstufen auch von den Jungen aller späteren Generationen beibehalten wurden. Es mag für den Löwen und das Puma ein grosser Vortheil gewesen sein, wegen der offenen Beschaffenheit der Localitäten, in welchen sie gewöhnlich jagen, ihre Streifen verloren zu haben und hierdurch für ihre Beute weniger auffallend geworden zu sein; und wenn die nacheinanderfolgen- den Abändernngen, durch welche dieser Zweck erreicht wurde, im Gan- zen spät im Leben erschienen, so werden die Jungen ihre Streifen be- halten haben, wie es bekanntlich der Fall ist. Was die Hirsche, Schweine und Tapire betrifft, so hat Frırz MÜLLER die Vermuthung gegen mich ausgesprochen, dass diese Thiere durch die Entfernung ihrer Flecken und Streifen mit Hülfe der natürlichen Zuchtwahl von ihren Feinden weniger leicht werden gesehen worden sein, und sie werden besonders eines solchen Schutzes bedurft haben, sobald die Carnivoren während der Tertiärzeit an Grösse und Anzahl zugenommen haben. Dies kann wohl die richtige Erklärung sein; es ist aber befremdend, dass die 4 Falconer and Cautley, Proceed. Geolog. Soc. 1843, und Falconer, Palaeont. Memoirs, Vol. I, p. 196. 268 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. I. Theil. Jungen nicht gleich gut geschützt sein sollten, und noch befremdender, dass bei einigen Arten die Erwachsenen ihre Flecke entweder theilweise oder vollständig während eines Theiles des Jahres beibehalten haben sollten. Können wir die Ursache auch nicht erklären, so wissen wir doch, dass wenn der domestieirte Esel variirt und röthlich-braun, grau oder schwarz wird, die Streifen auf den Schultern und selbst am Rücken häufig verschwinden. Sehr wenige Pferde, mit Ausnahme mausbraun gefärbter Arten, bieten auf irgend einem Theile ihres Körpers Streifen dar und doch haben wir guten Grund zu glauben, dass das ursprüng- liche Pferd an den Beinen und dem Rückgrate und wahrscheinlich an den Schultern gestreift war *°. Es kann daher das Verschwinden der Flecken und Streifen bei unseren erwachsenen jetzt lebenden Hirschen, Schweinen und Tapiren Folge einer Veränderung der allgemeinen Farbe ihres Haarkleides sein; ob aber diese Veränderung durch geschlechtliche oder natürliche Zuchtwahl bewirkt wurde oder Folge der direeten Wir- kung der Lebensbedingungen oder irgend welcher anderer unbekannter Ursachen war, ist unmöglich zu entscheiden. Eine von Mr. SCLATER gemachte Beobachtung erläutert sehr gut unsere Unwissenheit von den Gesetzen, welche das Auftreten und Verschwinden von Streifen reguliren: die Species von Asinus, welche den asiatischen Continent bewohnen, entbehren der Streifen und haben nicht einmal den queren Schulter- streif, während diejenigen, welche Afrika bewohnen, auffallend gestreift sind mit der theilweisen Ausnahme von A. faeniopus, welcher nur den queren Schulterstreif und meist einige undeutliche quere Streifen an den Beinen besitzt; und diese letztere Species bewohnt die fast mitten innen liegenden Gegenden von Oberägypten und Abyssinien #3. Quadrumanen. — Ehe wir zum Schlusse gelangen, wird es gerathen sein, einige wenige Bemerkungen den über die ornamentalen Charactere der Affen bereits mitgetheilten noch hinzuzufügen. Bei den meisten Species sind die Geschlechter einander in der Farbe ähnlich, aber bei einigen weichen, wie wir gesehen haben, die Männchen von den Weibchen ab, besonders in der Farbe der nackten Hautstellen, in der Entwickelung des Kinnbartes, Backenbartes und der Mähne. Viele *2 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, 1868. Bd. ], S. 68-81. #3 Proceed. Zoolog. Soc. 1862, p. 164. s. auch Dr. Hartmann, Annal. d. Landwirthsch. Bd. 43, S. 222. Cap. 18. Quadrumanen. 269 Speeies sind in einer entweder so ausserordentlichen oder so schönen Art und Weise gefärbt und sind mit so merkwürdigen und eleganten Haarkämmen versehen, dass wir es kaum vermeiden können, diese Cha- ractere als solche zu betrachten, welche zum Zwecke der Verzierung erlangt worden sind. Die beistehenden Figuren (Fig. 70—74) sollen dazu dienen, die Anordnung des Haares am Gesicht und Kopf in meh- reren Speeies zu erläutern. Es ist kaum zu begreifen, dass diese Haar- kämme und die scharf contrastirenden Farben des Pelzes und der Haut Fig. 70. Kopf von Semnopithecus rubieundus. Diese und die folgenden Abbildungen (nach Ger- vais) werden mitgetheilt, um die merkwürdige Anordnung und Entwickelung des Haares am Kopfe zu zeigen. das Resultat blosser Variabilität ohne die Hülfe von Zuchtwahl sein sollten, und es ist nicht einzusehen, dass sie für diese Thiere von irgend welchem Nutzen seien. Ist dies aber so, so sind sie wahrscheinlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt, indessen gleichmässig oder beinahe gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert worden. Bei vielen Quadrumanen haben wir noch weitere Belege für die Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl in der bedeutenderen Grösse und Kraft der Männchen und in der stärkeren Entwickelung der Eckzähne im Ver- gleich mit denen der Weibchen. In Bezug auf die fremdartige Weise, in welcher beide Geschlechter 970 Geschlechtliche Zuehtwahl: Säugethiere. 11. Theil. einiger Species gefärbt sind, und auf die Schönheit anderer werden wenige Beispiele genügen. Das Gesicht des Cercopithecus petaurista Fig. ?l. Fig. 72. Fig. 71. Kopf von Semnopithecus comatus. Fig. 72. Kopf von Cebus capueinus. Fig. 73. Kopf von Ateles marginatus. Fig. 74. Kopf von Cebus vellerosus. (Fig. 75) ist schwarz, der Backen- und Kinnbart ist weiss, dabei findet sich ein umschriebener weisser Fleck auf der Nase, der mit kurzen weissen Haaren bedeckt ist, was dem Thiere einen fast lächerlichen Anblick gibt. Der Semnopithecus frontatus hat gleichfalls ein schwärz- liches Gesicht mit einem langen schwarzen Barte und einem grossen nackten Flecken an der Stirn von einer bläulich weissen Färbung. Das Gesicht von Macacus lasiotus ist schmutzig fleischfarben mit einem umschriebenen rothen Flecke auf jeder Backe. Die äussere Erscheinung des Cercocebus aethiops ist grotesk mit seinem schwarzen Gesichte, seinem weissen Backenbarte und Kragen, seinem braunen Kopfe und einem grossen nackten weissen Flecken- über jedem Augenlide. In sehr vielen Species sind der Kinnbart, Backenbart und die Haarkämme rings um das Gesicht von einer andern Farbe als das Uebrige des Kopfes, und wenn sie verschieden sind, sind sie immer von einer helleren Fär- Cap. 18. Quadrumanen. 271 bung **, häufig rein weiss, zuweilen gelb oder röthlich. Das ganze Gesicht des südamerikanischen Brachyurus calvus ist „von einer glühen- „den Scharlachfärbung“ , doch erscheint diese Farbe nicht eher als bis das Thier nahezu geschlechtsreif ist #°. Die nackte Haut des Gesichts 4G 2 Fig. 75. Cercopitheeus petaurista (aus Brehm, Tbierleben). weicht in der Farbe bei den verschiedenen Species wunderbar ab. Sie ist oft braun oder fleischfarben mit vollkommen weissen Theilen und 44 Ich beobachtete diese Thatsache in den zoologischen Gärten; zahlreiche Beispiele sind auch in den colorirten Tafeln zu Geoffroy St.Hilaire und F. Cuvier, Hist. natur. des Mammiferes, Tom. I. 1824, zu finden. #5 Bates, The Naturalist on the Amazons. 18653. Vol. II, p. 310. 979 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. If. Theil. häufig so schwarz wie die Haut des schwärzesten Negers. Bei dem Brachyurus ist der scharlachene Ton heller als der des am schönsten erröthenden kaukasischen Mädchens. Die nackte Haut ist zuweilen deutlicher orange als bei irgend einem Mongolen und in mehreren Spe- cies ist sie blau in Violett oder in Grau übergehend. Bei allen den Mr. BArtLEerT bekannten Species, bei welchen die Erwachsenen beiderlei Geschlechtes stark gefärbte Gesichter haben, sind die Farben während der früheren Jugend stumpf oder fehlen. Dies gilt gleichfalls für den Mandrill und Rhesus, bei denen das Gesicht und die hinteren Theile des Körpers allein bei dem einen Geschlechte brillant gefärbt sind. In diesen letzteren Fällen haben wir allen Grund zu glauben, dass die Farben durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden, und wir wer- den natürlich dazu geführt, dieselbe Ansicht auch auf die vorstehend erwähnten Species auszudehnen, wenngleich bei diesen, wenn sie erwach- sen sind, die Gesichter beider Geschlechter in einer und derselben Art gefärbt sind. Obschon unserem Geschmacke nach viele Arten von Affen bei Weitem nicht schön sind, so werden doch andere Species allgemein wegen ihrer eleganten Erscheinung und ihrer hellen Farben bewundert. Der Semnopithecus nemaeus wird, obschon eigenthümlich gefärbt, doch als äusserst schön beschrieben. Das orange gefärbte Gesicht wird von einem langen Backenbarte von glänzender Weisse umgeben mit einer kastanienbraunen Linie über den Augenbrauen. Der Pelz am Rücken ist von einem zarten Grau, aber ein vierekiger Fleck auf den Lenden, der Schwanz und die Vorderarme sind sämmtlich von reinem Weiss. Ober- halb der Brust findet sich eine kastanienbraune Kehle. Die Oberschenkel sind schwarz, die Beine kastanienroth. Ich will hier noch zwei andere Affen wegen ihrer Schönheit erwähnen, und ich habe gerade diese aus- gewählt, da sie leichte geschlechtliche Verschiedenheiten in der Fär- bung darbieten, was es in einem gewissen Grade wahrscheinlich macht, dass beide Geschlechter ihre elegante Erscheinung geschlechtlicher Zucht- wahl verdanken. Bei dem Schnurrbartaffen (Cercopithecus cephus) ist die allgemeine Farbe des Pelzes grünlich gefleckt mit weisser Kehle; beim Männchen ist das Ende des Schwanzes kastanienbraun; aber das Gesicht ist der verzierteste Theil: die Haut ist nämlich hauptsächlich bläu- lichgrau schattirt, unterhalb der Augen in einen schwärzlichen Tone über- gehend: dabei ist die Oberlippe von einem zarten Blau und an dem un- teren Rande mit einem dünnen schwarzen Schnurrbart eingefasst. Der Cap. 18. | Quadrumanen. 273 Backenbart ist orangefarben mit dem oberen Theile schwarz und bildet ein sich rückwärts bis zu den Ohren streckendes Band, welch’ letztere mit weisslichen Haaren bekleidet sind. Im zoologischen Garten habe ich häufig Besucher die Schönheit "eines anderen Affen bewundern hören, verdientermaassen Cercopithecus Diana genamnt (Fig. 76). Die allge- meine Farbe des Pelzes ist grau, die Brust und die innere Fläche der Vorder- Fig. 76. Cercopitheeus Diana (aus Brehm, Thierleben). beine sind weiss. Ein grosser dreieckiger umschriebener Fleck an dem hintern Theile des Rückens ist tief kastanienbraun. Beim Männchen sind die inneren Seiten der Oberschenkel und der Bauch zart reh- farben und der Scheitel des Kopfes ist schwarz. Das Gesicht und die er } DAarwın, Abstammung. II. Zweite Auflage. 15 274 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. Ohren sind intensiv schwarz und contrastiren schön mit einem weissen quer über die Augenbrauen laufenden Kamme und mit einem langen weissen zugespitzten Bart, dessen basaler Theil schwarz ist #6, Bei diesen und vielen anderen Affen nöthigen mich die Schönheit und die eigenthümliche Anordnung der Kämme und Büschel von Haaren ‚an ihren Köpfen zu der Ueberzeugung, dass diese Charactere durch geschlechtliche Zuchtwahl ausschliesslich als Zierathen erlangt wor- den sind. Zusammenfassung. -—- Das Gesetz des Kampfes um den Besitz des Weibehens scheint durch die ganze grosse Classe der Säugethiere zu herrschen. Die meisten Naturforscher werden zugeben, dass die be- deutendere Grösse, Kraft, der grössere Muth und die grössere Kampf- sucht des Männchens, seine speciellen Angriffswaffen ebenso wie seine speciellen Vertheidigungsmittel sämmtlich durch jene Form von Zucht- wall erlangt oder modificirt worden sind, welche ich geschlechtliche Zuchtwahl genannt habe. Dies hängt nicht von irgend einer Ueber- legenheit in dem allgemeinen Kampfe um das Leben ab, sondern da- von, dass gewisse Individuen des einen Geschlechtes, und allgemein des männlichen, bei der Besiegung anderer Männchen erfolgreich gewesen sind und eine grössere Zahl von Nachkommen hinterlassen haben, ihre Superiorität zu erben, als die weniger erfolgreichen Männchen. Es gibt noch eine andere und friedfertigere Art von Wettkämpfen, bei welchen die Männchen versuchen, die Weibchen durch verschiedene Reize anzuregen oder zu locken. Dies kann durch. die kräftigen Ge- rüche bewirkt werden, welche die Männchen während der Paarungszeit aussenden, wobei die Riechdrüsen durch geschlechtliche Zuchtwahl er- langt worden sind. Ob dieselbe Ansicht auch auf die Stimme ausge- dehnt werden kann, ist zweifelhaft; denn die Stimmorgane der Männ- chen können durch den Gebrauch während des geschlechtsreifen Alters unter den „kräftigen Erregungen der Liebe, Eifersucht oder -‚Wuth ge- kräftigt und auf dasselbe Gesghlecht überliefert worden sein. Verschie- dene Kämme, Büschel ünd Mäntel von Haaren, welche entweder auf die Männchen beschränkt oder bei diesem Geschlechte bedeutender ent- 46 Ich habe die meisten der obengenannten Affen in dem Garten der Zoolo- gical Society gesehen. Die Beschreibung des Semnopithecus nemaeus ist ent- nommen aus W. €. Martin, Natur. Hist. of Mammalia, 1841, p. 460; s. auch p. 475, 523. Cap. 18. Zusammenfassung. DEE wickelt sind als bei den Weibchen, scheinen in den meisten Fällen nur ornamental zu sein, obschon sie zuweilen bei der Vertheidigung gegen rivalisirende Männchen dienstbar sind. Es ist selbst Grund zur Ver- muthung vorhanden, dass das verzweigte Geweihe der Hirsche und die eleganten Hörner der Antilopen, obschon sie eigentlich als Angriffs- oder Vertheidigungswaffen dienen, zum Theil zum Zwecke einer Verzie- rung modificirt worden sind. Wenn das Männchen in der Farbe vom Weibchen verschieden ist, so bietet es allgemein dunklere und schärfer contrastirende Farbentöne dar. Wir begegnen in dieser Classe nicht jenen glänzenden, rothen, blauen, gelben und grünen Farben, welche bei männlichen Vögeln und vielen anderen Thieren so häufig sind. Indessen müssen hier die nack- ten Hautstellen gewisser Quadrumanen- ausgenommen werden; denn der- artige Theile, zuweilen in merkwürdiger Lage, sind in einigen Fällen auf die brillanteste Weise gefärbt.” Die Farben des Männchens können die Folge einfacher, ohne die Hülfe einer Zuchtwahl eintretender Ab- änderungen sein. Wenn aber die Färbungen mannichfaltig und scharf ausgesprochen werden, wenn sie nicht eher entwickelt werden als in der Nähe der Zeit der Geschlechtsreife und wenn sie nach der Entmannung verloren werden, so können wir die Folgerung kaum vermeiden, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke des Ornamentes erhalten und ausschliesslich oder beinahe ausschliesslich auf dasselbe Geschlecht überliefert worden sind. Wenn beide Geschlechter in einer und der- selben Art gefärbt und die Farben auffallend oder eigenthümlich an- geordnet sind, ohne dass diese von dem allergeringsten scheinbaren Nutzen als Schutzmittel sind und besonders wenn dieselben in Ver- bindung mit verschiedenen andern ornamentalen Anhängen auftreten, so werden wir durch Analogie zu demselben Schlusse geführt, nämlich dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt, indessen hier auf beide Ge- schlechter überliefert worden sind. Dass auffallende und verschiedenartige Färbungen, mögen sie auf die Männchen beschränkt oder beiden Ge- schlechtern gemeinsam sein, der allgemeinen Regel nach in denselben Gruppen und Untergruppen mit anderen secundären Sexualcharacteren verbunden auftreten, welche entweder zum Kampfe oder zur Zierath dienen, — dies wird man für zutreffend halten, wenn man auf die verschiedenen in diesem und dem letzten Capitel mitgetheilten Fälle zurückblickt. Das Gesetz der gleichmässigen Ueberlieferung von Characteren auf beide Geschlechter, soweit Farben und andere Zierathen in Betracht 18 * 976 Geschlechtliche Zuchtwahl: Säugethiere. II. Theil. kommen, hat bei Säugethieren in viel ausgedehnterer Weise geherrscht als bei Vögeln; aber was Waffen, wie die Hörner und Stosszähne be- trifft, so sind diese häufig entweder ausschliesslich oder in einem viel höheren Grade den Männchen überliefert worden als den Weibchen. Dies ist ein überraschender Umstand; denn da die Männchen allgemein ihre Waffen zur Vertheidigung gegen ihre Feinde aller Art brauchen, würden diese Waffen auch den Weibchen von grossem Nutzen gewesen sein. Ihr Fehlen in diesem Geschlechte kann, soweit wir sehen können, nur durch die vorherrschende Form der Vererbung erklärt werden. End- lich ist bei Säugethieren der Kampf zwischen den Individuen eines und des nämlichen Geschlechtes, mag er friedfertiger oder blutiger Natur sein, mit den seltensten Ausnahmen auf die Männchen beschränkt wor- den, so dass diese entweder zum’ Kampfe unter einander oder zum An- locken des anderen Geschlechtes viel gewöhnlicher als die Weibchen durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt worden sind. Neunzehntes Capitel. Secundäre Sexualcharactere des Menschen. Verschiedenheiten zwischen dem Mann und der Frau. — Ursachen derartiger Verschiedenheiten und gewisser, beiden Geschlechtern eigener Charactere. — Gesetz des Kampfes. — Verschiedenheiten der Geisteskräfte — und der Stimme. — Ueber den Einfluss der Schönheit auf das Eingehen von Hei- rathen beim Menschen. — Aufmerksamkeit der Wilden auf Zierathen. — Ihre Ideen von Schönheit der Frauen. — Neigung, jede natürliche Eigen- thümlichkeit zu übertreiben Beim Menschen sind die Verschiedenheiten zwischen den Geschlech- tern grösser als bei den meisten Arten der (Quadrumanen, aber nicht so gross wie bei einigen, z. B beim Mandrill. Der Mann ist im Mittel beträchtlich grösser, schwerer und stärker als die Frau, mit viereckigen Schultern und deutlicher ausgesprochenen Muskeln. In Folge der Be- ziehung, welche zwischen der Entwickelung des Muskelsystems und den Vorsprüngen der Augenbrauen besteht !, ‚ist die Augenbrauenleiste beim Mann stärker ausgesprochen als bei der Frau. Sein Körper und be- sonders sein Gesicht ist behaarter und seine Stimme hat einen verschie- denen und kräftigeren Ton. Bei gewissen Stämmen sollen die Frauen, — ob dies aber richtig ist, weiss ich nicht, — unbedeutend in der Färbung von den Männern abweichen, und bei Europäern sind viel- leicht die Frauen die heller gefärbten von beiden,° wie man sehen kann, wenn beide Geschlechter gleichmässig dem Wetter ausgesetzt ge- wesen sind. : Der Mann ist muthiger, kampflustiger und energischer als die Frau und hat einen erfinderischeren Geist. Sein Gehirn ist absolut grösser, ob aber auch relativ im Verhältniss zur bedeutenderen Grösse seines Körpers im Vergleich mit dem der Frau, ist, wie ich glaube, nicht ganz sicher ermittelt worden. Bei der Frau ist das Gesicht runder, die Kiefern und die Basis des Schädels sind kleiner, die Umrisse ihres II BIE haaffhausen, in: Anthropological Review, Oct. 1868, p. 419, 420, 427. 278 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil, Körpers sind runder und ihr Becken ist breiter als beim Mann ?. Dieser letztere Character dürfte aber vielleicht eher als ein primärer, denn als ein secundärer Sexualcharacter betrachtet werden. Das Weib wird auch eher geschlechtsreif als der Mann. Wie bei Thieren aus allen Classen, so werden auch beim Menschen die unterscheidenden Merkmale des männlichen Geschlechts nicht eher völlig entwickelt als bis er nahezu geschlechtsreif ist, und wenn er ent- mannt wird, erscheinen sie niemals. Der Bart ist z. B. ein secundärer Sexualcharacter, und männliche Kinder sind bartlos, trotzdem sie in frühem Alter reichliche Haare auf ihren Köpfen haben. Es ist wahr- scheinlich eine Folge des im Ganzen erst spät im Leben erfolgenden Auftretens der nach einander erscheinenden Abänderungen, durch welche der Mann seine männlichen Charactere erhalten hat, dass dieselben nur auf’s männliche Geschlecht überliefert werden. Knaben und Mädchen sind einander sehr ähnlich, ebenso wie die Jungen von vielen anderen Thieren, bei denen die erwachsenen Geschlechter verschieden sind. Sie sind auch dem erwachsenen Weibchen viel ähnlicher als dem erwach- senen Männchen. Die Frau nimmt indessen zuletzt gewisse bestimmte Merkmale an und steht, wie man sagt, in der Bildung ihres Schädels mitten innen zwischen dem Kinde und dem Manne®. Wie ferner die Jungen von nahe verwandten aber verschiedenen Species bei Weitem nicht so verschieden von einander sind als die Erwachsenen, so verhält es sich auch mit den Kindern der verschiedenen Rassen des Menschen. Einige Forscher haben sogar behauptet, dass Rassenverschiedenheiten am kindlichen Schädel nicht nachgewiesen werden können*. Was die Farbe betrifft, so ist das neugeborene Negerkind röthlich nussbraun, was bald in schiefergrau übergeht; die schwarze Farbe entwickelt sich im Sudan innerhalb des ersten Jahres vollständig, aber in Aegypten nicht vor drei Jahren. Die Augen des Negers sind zuerst blau und das Haar ist mehr kastanienbraun als schwarz und nur an den Enden gekräuselt. Die Kinder der Australier sind unmittelbar nach der Ge- burt gelblich braun und werden in einem späteren Alter dunkel. Die ® Ecker, in: Anthropological Review, Oct. 1868, p.. 361—356. Die Ver- gleichung der m des Schädels beim Mann und bei der Frau ist von Welcker sehr sorgfältig verfolgt worden. ® Ecker und Welcker, ebenda, p. 352, 355. C. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 94. * Schaaffhausen, Anthropological Review, a. a. ©. p. 429. Cap. 19. Geschlechtliche Verschiedenheiten. 279 Kinder der Guaranys von Paraguay sind weisslich gelb, erlangen aber im Laufe weniger Wochen die gelblich braune Färbung ihrer Eltern. Aehnliche Beobachtungen sind in mebreren andern Theilen von Amerika gemacht worden ?. Ich habe die vorstehenden bekannteren Verschiedenheiten zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlechte beim Menschen speeiell angeführt, weil sie in einer merkwürdigen Weise dieselben sind wie bei den Quadrumanen. Bei diesen Thieren ist das Weibchen in einem früheren Alter geschlechtsreif als das Männchen, wenigstens ist dies der Fall beim Cebus azarae®. Bei .den meisten der Species sind die Männchen grösser und stärker als die Weibchen, für welche Thatsache der Gorilla ein wohlbekanntes Beispiel darbietet. Selbst in einem so unbedeutenden Merkmale, wie dem grösseren Vorspringen der Augen- brauenleiste, weichen die Männchen gewisser Affen von den Weibchen ab” und stimmen in dieser Hinsicht mit dem Menschen überein. Beim Gorilla und gewissen anderen Affen bietet der Schädel des erwachsenen Männchens einen scharf ausgesprochenen Sagittalkamm dar, welcher beim Weibchen fehlt und EckEr fand eine Spur einer ähnlichen Ver- - schiedenheit zwischen den beiden Geschlechtern bei den Australiern ®. Wenn sich bei den Affen irgend eine Verschiedenheit in der Stimme findet, so ist die des Männchens die kräftigere. Wir haben gesehen, dass gewisse männliche Affen einen wohlentwickelten Bart haben, wel- cher beim Weibehen vollständig fehlt oder viel weniger entwickelt ist. Es ist kein Beispiel bekannt, dass der Kinnbart, Backenbart oder Schnurrbart bei einem weiblichen Affen grösser wäre als bei dem männ- lichen. Selbst in der Farbe des Bartes besteht ein merkwürdiger Pa- rallelismus zwischen dem Menschen und den Quadrumanen; denn wenn beim Menschen der Bart in der Farbe vom Kopfhaar verschieden ist, 5 Pruner-Bey, über Negerkinder, angeführt von €. Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1, S. 238. Wegen weiterer Thatsachen über Negerkinder, nach Winterbottom’s und Camper’s Angaben s. Lawrence, Lectures on Physio- logy; 1822, p. 451. In Bezug auf die Kinder der Guarany’s s. Rengger, Säu- gethiere von Paraguay, S. 3. s. auch Godron, De l’Espece, Tom. II. 1859, p- 253. Wegen der Australier s. Waitz, Introduction to Anthropology. 1863, B2.39: 6 Rengger, Säugethiere etc. 1830. S. 49. ? Wie bei Macacus cynomolgus (Desmarest, Mammalogie, p. 65) und bei Hylobates agilis (Geoffroy St. Hilaire und F.Cuvier, Hist. natur. des Mam- miferes. 1824. Tom. I, p. 2. ® Antropological Keview, Oct. 1868, p. 353. 280 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. wie es ja häufig der Fall ist, so ist er, wie ich glaube, ausnahmslos von einer helleren Färbung und häufig röthlich. Ich habe diese That- sache in England beobachtet, und Dr. HooKER, welcher auf diesen kleinen Punkt» in meinem Interesse in Russland aufmerkte, findet keine Aus- nahme von der Regel. In Caleutta war Mr. J. Scorr von dem dor- tigen botanischen Garten so freundlich, sorgfältig die vielen Menschen- rassen, die dort ebenso wie in einigen anderen Theilen Indiens zu sehen sind, zu beobachten, nämlich zwei Rassen in Sikkim, die Bhoteas, die Hindus, die Birmesen und die Chinesen. Obgleich die meisten dieser Rassen sehr wenig Haare im Gesicht haben, so fand er doch immer, dass wenn irgend eine Verschiedenheit in der Farbe zwischen dem Kopf- haar und dem Barte bestand, der letztere ausnahmslos von einer hel- leren Färbung war. Nun weicht bei Affen, wie schon angeführt wurde, der Bart häufig in einer auffallenden Weise seiner Farbe nach von dem Haare auf dem Kopfe ab, und in derartigen Fällen ist er ausnahms- los von einem helleren Tone, oft rein weiss und zuweilen gelb oder röthlich ®. Was das allgemeine Behaartsein des Körpers betrifft, so sind die Frauen bei allen Rassen weniger behaart als die Männer und bei eini- gen wenigen Quadrumanen ist die. untere Seite des Körpers, beim Weib- chen weniger behaart als beim Männchen !%. Endlich sind männliche Affen, ebenso wie die Männer, kühner und feuriger als die Weibchen. Sie führen den Trupp an und kommen wenn Gefahr vorhanden ist an dessen Spitze. Wir sehen hieraus, wie nahe der Parallelismus zwischen den geschlechtliehen Verschiedenheiten des Menschen und der Quadru- manen ist. Bei einigen wenigen Species indessen, wie bei gewissen Pavianen, dem Gorilla und dem Orang, besteht ein beträchtlich grös- ° Mr. Blyth theilt mir mit, dass er überhaupt nicht mehr als ein einziges Beispiel gesehen habe, wo der Kinn-, Backenbart u: s. f. bei einem Affen in hohem Alter weiss geworden wäre, wie es so gewöhnlich der Fall bei uns ist. Doch kam dies bei einem alten gefangen gehaltenen Macacus cynomolgus vor, dessen Schnurrbart „merkwürdig lang und menschenähnlich“ war. Ueberhaupt bot die- ser alte Affe eine lächerliche Aehnlichkeit mit einem der regierenden Monarchen von Europa dar, nach welchem er scherzweise beständig genannt wurde. Bei gewissen Menschenrassen wird das Barthaar kaum jemals grau; so hat Dr. Forbes, wie er mir mitgetheilt hat, niemals ein solches Beispiel bei den Aymaras und Quechuas von Süd-Amerika gesehen. ı® Dies ist der Fall bei den Weibchen mehrerer Species von Hylobates: s. Geoffroy St. Hilaire und F. Cuvier, Hist. natur. des Mammif. Tom. 1. s., auch, über A. lar die Penny Encyelopaedia, Vol. II, p. 149, 150. Cap. 19. Geschlechtliche Verschiedenheiten. 281 serer Unterschied zwischen den Geschlechtern als beim Menschen, und zwar in der Grösse der Eekzähne, in der Entwickelung und Farbe des Haars und besonders in der Farbe der nackten Hautstellen. Die secundären Sexualcharactere des Menschen sind sämmtlich äus- serst variabel, selbst innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse oder Subspecies, und sie weichen auch in den verschiedenen Rassen be- deutend ab. Diese beiden Regeln gelten allgemein durch das ganze Thierreich. Nach den ausgezeichneten an Bord der Novara gemachten Beobachtungen !! fand man, dass die männlichen Australier die weib- lichen nur um fünfundsechzig Millimeter an Höhe übertrafen, während bei den Javanesen der mittlere Mehrbetrag zweihundertachtzehn Milli- meter war, so dass bei dieser letzteren Rasse die Verschiedenheit in der Grösse zwischen den Geschlechtern mehr als dreimal so gross war als bei den Australiern. Die zahlreichen Messungen anderer Rassen in Beziehung auf die Körpergrösse, den Umfang des Halses und der Brust, die Länge des Rückgrates und der Arme, welche sorgfältig angestellt wurden, zeigten beinahe alle, dass die Männer viel mehr von einander verschieden waren, als die Frauen. Diese Thatsache zeigt, dass, soweit diese Merkmale in Betracht kommen, es der Mann ist, welcher haupt- sächlich seit der Zeit modifieirt wurde, in welcher die Rassen von ihrer gemeinsamen und ursprünglichen Stammform divergirten. Die Entwickelung des Bartes und das Behaartsein des Körpers sind bei Menschen merkwürdig verschieden, welche zu verschiedenen Rassen und selbst zu verschiedenen Familien in einer und derselben Rasse gehören. Wir Europäer sehen das schon unter uns. Auf der Insel von St. Kilda erhalten nach der Angabe von Marrın !? die Männer nicht eher Bärte, welche auch noch sehr dünn sind, als bis sie in das Alter von dreissig oder noch mehr Jahren gelangen. Auf dem euro- päisch-asiatischen Continente herrschen Bärte bis wir jenseits Indien kommen, obschon sie bei den Eingeborenen von Ceylon, wie in alten Zeiten von Diodorus angeführt wird '?, häufig fehlen. Jenseits Indiens verschwinden die Bärte, so bei den Siamesen, Malayen, Kalmucken, !! Die Resultate wurden von Dr. Weisbach nach den Messungen der Dr. Dr. K. Scherzer und Schwarz reducirt; s. Reise der Novara; Anthropologi- scher Theil, 1867. S. 216, 231, 234, 236, 239, 269. I2 Voyage to St. Kilda (3. .edit.). 1753, p. 37. 13 Sir J. E. Tennent, Ceylon; Vol. II, 1859, p. 107, 282 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. Chinesen und ‚Japanesen. Nichtsdestoweniger sind’ die Ainos !*, welche die nördlichen Inseln des japanesischen Archipels bewohnen, die behaar- testen Menschen der Welt. Bei Negern ist der Kinnbart dürftig oder fehlt ganz, auch haben sie keine Backenbärte; in beiden Geschlechtern fehlt das feine Wollhaar am Körper fast ganz !?. Auf der anderen Seite besitzen die Papuas des malayischen Archipels, welche nahezu so schwarz sind wie die Neger, wohlentwickelte Bärte !6. Im stillen Ocean haben die Einwohner des Fiji-Archipels grosse buschige Bärte, während diejenigen der nicht weit davon entfernten Archipele von Tonga und Samoa bartlos sind. Es gehören aber diese Menschen verschiedenen Rassen an. Auf der Ellice-Gruppe gehören alle Einwohner zu einer und derselben Rasse; und doch haben auf der einen Insel allein, näm- lich auf Nunemaya, „die Männer prachtvolle Bärte“, während auf den andern Inseln sie „der Regel nach ein Dutzend zerstreut stehender „Haare statt eines Bartes besitzen* 17. Ueber den ganzen grossen amerikanischen Continent, kann man sagen, sind die Männer bartlos, aber in beinahe allen Stämmen erscheinen gern einige wenige kurze Haare im Gesicht, besonders im hohen Alter. Was die Stämme von Nordamerika betrifft, so schätzt CAruın, dass unter zwanzig Männern achtzehn von Natur vollständig einen Bart entbehren, aber gelegentlich ist ein Mann zu sehen, welcher versäumt hat, die Haare zur Pubertätszeit auszureissen, und einen weichen, einen oder zwei Zoll langen Bart hat. Die Guaranys von Paraguay weichen von allen sie umgebenden Stämmen darin ab, dass sie einen kleinen Kinnbart und selbst einige Haare am Körper haben, aber keinen Backen- bart !®. Mr. D. ForBEs, welcher diesem Punkte besondere Aufmerk- Quatrefages, Revue des Cours scientifiques. Aug. 29. 1868, p. 630. Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1, S. 159. 15 Ueber die Bärte der Neger s. Vogt, Vorlesungen über den Menschen, Bd. 1, S. 159. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, Bd, 1, S. 110. Es ist merkwürdig, dass in den Vereinigten Staaten (Investigations in Military and An- thropological Statistics of American Soldiers. 1869, p. 569) die reinen Neger und ihre gekreuzten Nachkommen beinahe so behaarte Körper zu haben scheinen wie die Europäer. !6 Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 178. 1# Dr. J. Barnard Davis, on Öceanic Races. in: Anthropological Review.. April, 1870, p. 185, 191. 18 Oatlin, North American Indians, 3. ed. 1842. Vol. II, p. 227. Ueber die Guaranys s. Azara, Voyage dans l’Amerique meridion. Tom. II. 1809, p. 58, und Rengger, Säugethiere von Paraguay, S. 3. Cap. 19. Gesetz des Kampfes, 283 samkeit schenkte, hat mir mitgetheilt, dass die Aymaras und Quechuas der Cordilleren merkwürdig haarlos sind; doch erscheinen bei ihnen im hohen Alter gelegentlich einige wenige zerstreute Haare am Kinn. Die Männer dieser beiden Stämme haben sehr wenig Haare an den verschie- denen Theilen des Körpers, wo bei den Europäern Haar in Menge wächst, und die Frauen haben an den entsprechenden Theilen gar keine. In- dessen erreicht das Haar auf dem Kopfe in beiden Geschlechtern eine ausserordentliche Länge und reicht häufig beinahe auf den Boden; dies ist gleichfalls bei einigen der nordamerikanischen Stämme der Fall. In Bezug auf die Menge des Haars und die allgemeine Form des Kör- pers weichen die Geschlechter der amerikanischen Eingeborenen von einander nicht so bedeutend ab als bei den meisten anderen Rassen des Menschen !'. Diese Thatsache ist dem analog, was bei einigen ver- wandten Affen vorkommt: so sind die Geschlechter des Schimpanse nicht so verschieden von einander als die des Gorilla oder Orang >». In dem vorhergehenden Capitel haben wir gesehen, dass bei Säuge- thieren, Vögeln, Fischen, Inseeten u. s. w. viele Charactere, welche, wie wir allen Grund zu haben glauben, ursprünglich durch geschlecht- liche Zuchtwahl allein von einem Geschlechte erlangt worden waren, auf beide Geschlechter überliefert worden sind. Da diese selbe Form der Ueberlieferung allem Anscheine nach in grösserer Ausdehnung beim Menschen geherrscht hat, so wird es viele nutzlose Wiederholungen ersparen, wenn wir die dem männlichen Geschlechte eigenthümlichen Charaetere in Verbindung mit gewissen anderen, beiden Geschlechtern gemeinsamen Characteren betrachten. Gesetz des Kampfes. — Bei barbarischen Nationen, z. B. bei den Australiern sind die Frauen die beständige Ursache von Kriegen zwischen den Individuen eines und desselben Stammes und zwischen verschiedenen Stämmen. So war es ohne Zweifel auch in alten Zeiten: „nam fwit ante Helenam mulier deterrima belli causa«. Bei den nord- amerikanischen Indianern ist der Streit förmlich in ein System gebracht 1% Prof. und Mrs. Agassiz (Journey in Brazil, p. 530) bemerken, dass die Geschlechter der amerikanischen Indianer weniger verschieden von einander sind, als die der Neger und der höheren Rassen. s. auch Rengger, a.a. 0.S. 3, über die Guaranys. ?2' Rütimeyer, Die Grenzen der Thierwelt; eine Betrachtung zu Darwin’s Lehre. 1868, S. 54. 284 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. worden. Jener ausgezeichnete Beobachter HEARNE sagt ?!: — „Es hat „bei diesem Volke stets für die Männer der Gebrauch bestanden, um „eine jede Frau, welcher sie ergeben sind, zu kämpfen, und natürlich „führt der kräftigste Theil stets den Preis hinweg. Ein schwacher Mann, „wenn er nicht ein guter Jäger und sehr beliebt ist, erhält selten die „Erlaubniss ein Weib zu halten, welches ein starker Mann seiner Beach- „tung für werth hält. Dieser Gebrauch herrscht in allen Stämmen „und veranlasst die Entwickelung bedeutenden Ehrgeizes unter der „Jugend, welche bei allen Gelegenheiten von ihrer Kindheit an ihre „Kraft und Geschicklichkeit iM Ringen versucht.“ Bei den Guanas von Südamerika heirathen, wie Azara anführt, die Männer selten ehe sie zwanzig oder noch mehr Jahre alt sind, da sie vor‘ jenem Alter ihre Rivalen nicht besiegen können. Es könnten noch andere ähnliche Thatsachen mitgetheilt werden ; aber selbst wenn wir keine Belege über diesen Punkt hätten, so könn-. ten wir nach Analogie mit den höheren Quadrumanen ?* beinahe sicher sein, dass das Gesetz des Kampfes beim Menschen während der frü- heren Stufen seiner Entwickelung gleichfalls geherrscht hat. Das ge- legentliche Erscheinen von Eekzähnen heutigen Tages noch, welche über die anderen vorspringen mit Spuren eines Diastema, d. h. jenes offenen haumes zur Aufnahme des Eckzahnes der entgegengesetzten Kinnlade, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Fall von Rückschlag auf einen früheren Zustand, auf welchem die Urerzenger des Meıfschen mit diesen Waffen versehen waren, ebenso wie viele jetzt noch existirende männ- liche Quadrumanen. Es ist in einem früheren Capitel bemerkt worden, dass in dem Maasse, als der Mensch seine aufrechte Stellung erhielt und beständig seine Hände und Arme zum Kampfe mit Stäben und Steinen ebenso wie für die anderen Zwecke des Lebens benutzte, er auch seine Kinnladen und Zähne immer weniger und weniger gebraucht haben wird. Die Kinnladen werden dann zusammen mit ihren Muskeln in Folge von Nichtgebrauch verkleinert worden sein, ebenso wie es die Zähne durch das noch nicht ganz aufgeklärte Prineip der Correlation ?! A Journey from Prince of Wales Fort. 8v°. edit. Dublin, 1796, p. 104, Sir J. Lubbock theilt (Origin of Civilization, 1870, p. 69) andere ähnliche Fälle aus Nord-Amerika mit. Wegen der Guanas von Süd-Amerika s. Azara, Voya- ges etc. Tom. II, p.: 94. °? Ueber die Kämpfe der männlichen Gorillas s. Dr. Savage, in: Boston Journal of Natur. Hist. Vol. V. 1847, p. 423. Ueber Presbytis entellus s. The Indian Field, 1859, p. 146. . Cap. 19. Gesetz des Kampfes. 385 und der Oekonomie des Wachsthums sein werden; denn wir sehen überall; dass Theile, welche nicht länger mehr von Nutzen sind, an Grösse reducirt - werden. Durch solche Schritte wird die ursprüngliche Un- gleichheit zwischen den Kiefern und Zähnen in den beiden Geschlech- tern des Menschen schliesslich vollständig ausgeglichen worden sein. Der Fall ist beinahe parallel mit dem vieler männlicher Wiederkäuer, bei welchen die Eckzähne zu blossen Rudimenten redueirt worden oder ganz verschwunden sind, und zwar allem Anscheine nach in Folge der Entwickelung der Hörner. Da die ungeheure Verschiedenheit zwischen den Schädeln der beiden Geschlechter beim Gorilla und Orang in naher Beziehung zur Entwiekelung der Eekzähne bei den Männchen steht, so können wir schliessen, dass’ die Verkleinerung der Kinnladen und Zähne bei den männlichen Vorfahren des Menschen zu einem äusserst auf- fallenden und günstigen Wechsel in seiner äusseren Erscheinung führte. Es lässt sich nur wenig zweifeln, dass die bedeutendere Grösse und Stärke des Mannes im Vergleiche mit der Frau, in Verbindung mit seinen breiteren Schultern, seiner entwickelteren Muskulatur, seinen eckigeren Körperumrissen, seinem grösseren Muthe und seiner grösseren Kampflust, sämmtlich zum grössten Theile Folgen der Vererbung von irgend einem frühen männlichen Urerzeuger sind, welcher wie die jetzt lebenden anthropoiden Affen in dieser Weise characterisirt war. Diese Charaetere werden indess auch während der langen Zeiten, wo der Mensch sich noch immer in einem barbarischen Zustande befand, erhalten oder selbst gehäuft worden sein, und zwar dadurch, dass die stärksten und kühnsten Männer am Besten in dem allgemeinen Kampfe um’s Leben Erfolg hatten, ebenso wie sie am sichersten sich Frauen verschafften und so eine grosse Zahl von Nachkommen hinterliessen. Es ist nieht wahr- scheinlich, dass die grössere Kraft des Mannes ursprünglich durch die vererbten Wirkungen seiner grösseren Thätigkeit erlangt wurde, dass er nämlich um seine eigene Subsistenz wie um die seiner Familie härter gearbeitet habe als die Frau; denn die Frauen sind bei allen barbari- schen Nationen gezwungen, mindestens ebenso hart zu arbeiten, als die Männer. Bei civilisirten Völkern hat die Entscheidung durch einen Kampf um den Besitz der Frauen lange aufgehört; andererseits haben der allgemeinen Regel zufolge die Männer stärker als die Frauen um ihre gemeinsame Subsistenz zu arbeiten; und hierdurch wird ihre grös- sere Kraft erhalten worden sein. 286 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. s Verschiedenheiten in den geistigen Kräften der beiden Gesehlechter. — In Bezug auf Verschiedenheiten dieser Natur zwischen dem Manne -und der Frau ist es wahrscheinlich, dass ge- schlechtliche Zuchtwahl eine sehr bedeutende Rolle gespielt hat. Ich ' weiss sehr wohl, dass einige Schriftsteller bezweifeln, dass überhaupt irgend welche inhärente Verschiedenheit der Art besteht; dies ist aber nach der Analogie mit niederen Thieren, welche andere secundäre Se- xualcharactere besitzen, mindestens wahrscheinlich. Niemand wird be- streiten, dass dem Temperament nach der Bulle von der Kuh, der wilde Eber von der Sau, der Hengst von der Stute und, wie den Menagerie- besitzern wohlbekannt ist, die Männchen der grösseren Affen von den Weibchen verschieden sind. Die Frau scheint vom Manne in Bezug auf geistige Anlagen hauptsächlich in ihrer grösseren Zartheit und der geringeren Selbstsucht verschieden zu sein; und dies gilt selbst für Wilde, wie aus einer wohlbekannten Stelle in Munco Park’s Reisen und aus den von vielen anderen Reisenden gemachten Angaben hervor- geht. In Folge ihrer mütterlichen Instinete entfaltet die Frau diese Eigenschaften gegen ihre Kinder in einem ausserordentlichen Grade. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie dieselben häufig in Bezug auf ihre Mitgeschöpfe ausdehnen wird. Der Mann ist Rival anderer Männer; er freut sich der Concurrenz und diese führt zu Ehrgeiz, welcher nur zu leicht in Selbstsucht übergeht. Die letzteren Eigenschaften scheinen sein natürliches und unglückliches angeborenes Recht zu sein. Es wird meist zugegeben, dass beim Weibe die Vermögen der Anschauung, der schnellen Auffassung und vielleicht der Nachahmung stärker ausge- sprochen sind als beim Mann. Aber mindestens einige dieser Fähig- keiten sind für die niederen Rassen characteristisch und daher auch für einen vergangenen und niederen Zustand der Civilisation. Der hauptsächlichste Unterschied in den intelleetuellen Kräften der beiden Geschlechter zeigt sich darin, dass der Mann zu einer grösseren Höhe in Allem was er nur immer anfängt gelangt, als zu welcher sich die Frau erheben kann, mag es nun tiefes Nachdenken, Vernunft oder Einbildung oder bloss den Gebrauch der Sinne und der Hände erfordern. Wenn eine Liste mit den ausgezeichnetsten Männern nnd eine zweite mit den ausgezeichnetsten Frauen in Poesie, Malerei, Seulptur, Musik (mit Einschluss sowohl der Composition als der Ausübung) der Geschichte, Wissenschaft und Philosophie mit einem halben Dutzend Namen unter jedem Gegenstande angefertigt würden, so würden die beiden Listen keinen Cap. 19. Geistige Kräfte von Mann und Frau. 287 Vergleich mit einander aushalten. Wir können auch nach dem Gesetze der Abweichungen vom Mittel, welches Mr. GALıon in seinem Buche über erbliches Genie so gut erläutert hat, schliessen, dat wenn die Männer einer entschiedenen Ueberlegenheit über die Frauen in vielen Gegenständen fähig sind, der mittlere Maassstab der ah Kraft beim Manne über dem der Fran stehen muss. | Die halbmenschlichen männlichen Urerzeuger des Menschen und die Männer im wilden Zustande haben viele Generationen hindureh mit einander um den Besitz der Weibchen gekämpft. Aber blosse körper- liche Kraft und Grösse werden nur wenig zum Siege beitragen, wenn sie nicht mit Muth, Ausdauer und entschiedener Energie vergesellschaftet waren. Bei socialen Thieren haben die jungen Männchen gar manchen Streit durchzumachen, ehe sie ein Weibehen gewinnen, und die älteren Männchen können ihre Weibchen nur dureh erneute Kämpfe sich er- halten. Sie haben auch, wie beim Menschen, ihre Weibchen ebenso wie ihre Jungen gegen Feinde aller Arten zu vertheidigen und um ihre gemeinsame Erhaltung zu jagen. Aber Feinde zu. vermeiden öder sie mit Erfolg anzugreifen, wilde Thiere zu fangen und Waffen zu erfinden und zu formen, erfordert die Hülfe der höheren geistigen Fähigkeiten, nämlich Beobachtung, Vernunft, Erfindung oder Einbildungskraft. Diese verschiedenen Fähigkeiten werden daher beständig auf die Probe ge- stellt und während der Mannheit bei der Nachzucht berücksichtigt worden sein; sie werden überdies während dieser selben Periode des Lebens durch Gebrauch gekräftigt worden sein. Folglich können wir in Uebereinstimmung mit dem oft erwähnten Prineipe erwarten, dass sie mindestens die Neigung zeigen, in der entsprechenden Periode der Mannbarkeit hauptsächlich auf die männlichen Nachkommen überliefert zu werden. ; Wenn nun zwei Männer oder ein Mann mit einer Frau, von denen beide jede geistige Eigenschaft in derselben Vollendung besitzen, mit der Ausnahme, dass der eine grössere Energie, Ausdauer und Muth hat, in Coneurrenz geräth, so wird allgemein dieses eine hervorragender werden, was auch der Gegenstand gewesen sein mag, und wird den Sieg gewinnen ??. Man kann sagen, er hat Genie besessen, denn Genie »3 J. Stuart Mill bemerkt (The Subjection of Women, 1869, p. 122): „die „Gegenstände, in denen der Mann die Frau am meisten übertrifft, sind diejeni- „gen, welche das meiste Grübeln und consequenteste Ausführen eines einzelnen „Gedänkens erfordern“. Was ist dies anders als Energie und Ausdauer? 988 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. N. Theil. ist von einer grossen Autorität für nichts Anderes als Geduld erklärt worden, und Geduld in diesem Sinne bedeutet nicht zurückweichende, unerschrockene Ausdauer. Diese Ansicht vom Genie ist vielleicht feh- lerhaft, denn ohne die höheren Kräfte der Einbildungskraft und Ver- stand kann in vielen Gebieten kein eminenter Erfolg erreicht werden. Diese letzteren werden aber ebensogut wie die früheren Fähigkeiten beim Manne theils durch geschlechtliche Zuchtwahl, d. h. durch den Streit rivalisirender Männchen, und theils durch natürliche Zucht- wahl, d.h. nach dem Erfolg in dem allgemeinen Kampfe um’s Leben entwickelt worden sein; und da in beiden Fällen der Kampf während des reifen Alters eingetreten sein wird, so werden die hierdurch er- langten Charactere auch vollständiger den männlichen als den weiblichen Nachkommen überliefert worden sein. Es ist mit dieser Ansicht, dass einige unserer geistigen Fähigkeiten durch geschlechtliche Zuchtwahl mo- difieirt oder gekräftigt worden sind, übereinstimmend, dass sie erstens, wie allgemein zugegeben wird, zur Zeit der Pubertät eine beträcht- liche Veränderung ‚erleiden, und zweitens, dass Eunuchen während ihres ganzen Lebens in diesen selben Eigenschaften niedriger entwickelt bleiben. Hierdurch ist schliesslich der Mann dem Weibe überlegen worden. Es ist in der That ein Glück, dass das Gesetz. der gleich- mässigen Ueberlieferung der Charactere auf beide Geschlechter allge- mein durch die ganze Classe der Säugethiere geherrscht hat; im anderen Falle wäre es wahrscheinlich, dass der Mann in Bezug auf geistige Befähigung der Frau so viel überlegen worden wäre, wie der Pfauhahn in Bezug auf ornamentales Gefieder der Pfauhenne. Man muss sich daran erinnern, dass die Neigung der in einer späteren Lebensperiode von einem der beiden Geschlechter erlangten Charactere, auf dasselbe Geschlecht in demselben Alter überliefert zu werden, und die Neigung der in einem früheren Alter erlangten Cha- ractere, auf beide Geschlechter vererbt zu werden, Regeln sind, welche, wenn auch allgemein, doch nicht immer sich als gültig erweisen. Gälten sie immer, so könnten wir schliessen (doch schweife ich hier etwas über die mir gezogene Grenze hinaus), dass die vererbten Wirkungen der früheren Erziehung von Knaben und Mädchen gleichmässig auf beide Geschlechter übeliefert würden, so dass die gegenwärtige Un- gleichheit zwischen den Geschlechtern in geistiger Kraft nicht durch einen ähnlichen Gang ihrer frühen Erziehung verwischt werden könnte auch könnte sie nicht durch ihre ungleiche frühere Erziehung serur- Cap. 19. Stimme und musikalische Begabung. 289 sacht worden sein. Damit die Frau dieselbe Höhe wie der Mann er- reiche, müsste sie in der Nähe ihrer Reifezeit zur Energie und Aus- dauer und zur Anstrengung ihres Verstandes und ihrer Einbildungskraft bis auf den höchsten Punkt erzogen werden; und dann würde sie wahr- scheinlich diese Eigenschaften hauptsächlich ihren erwachsenen Töchtern überliefern. Der ganze Körper der Frauen könnte indess nicht hier- durch in die Höhe gebracht werden, wenn nicht viele Generationen hindurch die Frauen, welche sich in den eben erwähnten kräftigen Tugenden auszeichneten, verheirathet würden und Nachkommen in grös- serer- Anzahl erzeugten als andere Frauen. Wie vorhin in Bezug auf körperliche Kräfte bemerkt wurde, so haben die Männer, wenn sie auch jetzt nicht um den Besitz der Weiber kämpfen und überhaupt diese Form der Auswahl vorübergegangen ist, doch im Allgemeinen während der Mannbarkeit einen heftigen Kampf zu bestehen um sich selbst und ihre Familien zu erhalten ; dies wird dazu führen, die geistigen Kräfte auf ihrer Höhe zu erhalten oder selbst zu vergrössern und als Folge hiervon auch die jetzige Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bedeutender zu machen *#. Stimme und musikalische Begabung. — Bei einigen Species der Quadrumanen besteht eine grosse Verschiedenheit zwischen den er- wachsenen Geschlechtern in der Kraft der Stimme und in der Ent- wickelung der Stimmorgane, und der Mann scheint diese Verschieden- heit von seinen frühen Urerzeugern ererbt zu haben. Seine Stimm- bänder sind ungefähr ein Drittel länger als bei der Frau oder als bei Knaben; und Entmannung bringt bei ihm dieselbe Wirkung hervor, wie bei den niederen Thieren; denn „sie hält jenes hervortretende „Wachsthum des Schildknorpels u. s. w. auf, welches die Verlängerung „der Stimmbänder begleitet“ -°. In Bezug auf die Ursache dieser Ver- schiedenheit zwischen den Geschlechtern, habe ich den im letzten Ca- pitel gegebenen Bemerkungen über die wahrscheinlichen Wirkungen des ?* Eine Beobachtung Vogt’s bezieht sich auf diesen Gegenstand; er sagt: „es ist ein auffallendes Verhältniss, dass der Abstand der Geschlechter in Be- „ziehung auf die Schädelhöhle mit der Vollkommenheit der Rasse zunimmt, so „dass der Europäer weit mehr die Europäerin überragt, als der Neger die Ne- „gerin. Weleker findet diesen von Huschke aufgestellten Satz in Folge seiner „Messungen bei Negern und bei Deutschen bestätigt“. Vogt fügt indessen hinzu (Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 95): „doch würde es noch mannich- „facher Untersuchung bedürfen, um die allgemeine Geltung zu beweisen“. 25 Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. III, p. 603. DARWIN, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 19 290 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. lange fortgesetzten Gebrauches der Stimmorgane Seitens des Männchens unter den Erregungen der Liebe, Wuth und Eifersucht nichts hinzu- zufügen. Nach Sir Duncan GiBp 6 ist die Stimme in den verschiedenen Rassen des Menschen verschieden, und bei den Eingeborenen der Tar- tarei, von China u. s. w. soll der Angabe nach die Stimme des Man- nes nicht so bedeutend von der des Weibes verschieden sein, wie in den meisten anderen Rassen. Die Fähigkeit und Liebe zum Singen und zur Musik, wenn sie auch kein geschlechtliches Merkmal beim Menschen ist, darf hier nicht x übergangen werden. Obschon die von Thieren aller Arten ausgestossenen Laute vielen Zwecken dienen, kann doch Nachdruck darauf gelegt wer- den, dass die Stimmorgane ursprünglich in Bezug auf die Fortpflan- zung der Art gebraucht und vervollkommnet wurden. Inseeten und einige wenige Spinnen sind die niedrigsten Thiere, welche willkürlich irgend einen Laut hervorbringen, und dies wird allgemein wit Hülfe sehr schön construirter Stridulationsorgane bewirkt, welche häufig allein auf die Männchen beschränkt sind. Die hierdurch hervorgebrachten Laute bestehen, wie ich glaube, in allen Fällen aus einem und dem nämlichen Tone, welcher rhythmisch wiederholt wird 2”, und dies ist zuweilen selbst für das Ohr des Menschen angenehm. Ihr hauptsächlicher und in einigen Fällen ausschliesslicher Nutzen scheint darin* zu bestehen, entweder das andere Geschlecht zu locken oder es zu bezaubern. Die von Fischen hervorgebrachten Laute sollen, wie man sagt, in einigen Fällen nur von den Männchen während der Paarungszeit her- vorgebracht werden. Alle luftathmenden Wirbelthiere besitzen noth- wendiger Weise einen Apparat zum Einathmen und Ausstossen von Luft mit einer Röhre, welche fähig ist, an einem Ende geschlossen zu werden. Wenn daher die ursprünglichen Glieder dieser Clagse stark erregt und ihre Muskeln heftig zusammengezogen wurden, so werden, beinahe sicher absichtslos Laute hervorgebracht worden sein, und wenn diese sich in irgend welcher Weise nutzbar erwiesen, können sie leicht durch die Erhaltung gehörig angepasster Abänderungen modifieirt oder intensiver gemacht worden sein. Die Amphibien sind die niedrigsten Wirbelthiere, welche Luft athmen, und viele von-diesen Thieren, näm- lich Frösche und Kröten, besitzen Stimmorgane, welche während der ?° Dr. Scudder, Notes on Stridulation, in: Proceed. Boston Soc. of Natur. Hist. Vol. XI. April 1868. Cap. 19. Stimme und musikalische Begabung. 201 Paarungszeit unaufhörlich benutzt werden und welche häufig beim Männchen höher entwickelt sind als beim Weibehen. Nur das Männchen der Schildkröte äussert einen Laut, und dies .allein während der Zeit der Liebe. Männliche Alligatoren brüllen oder bellen während derselben Zeit. Jedermann weiss in welcher Ausdehnung Vögel ihre Stimmorgane als Mittel der Brautwerbung benutzen und einige Species üben was man Instrumentalmusik nennen könnte aus. In der Classe der Säugethiere, mit welchen wir es hier ganz be- sonders zu thun haben, gebrauchen die Männchen von beinahe allen Species ihre Stimmen während der Paarungszeit viel bedeutender als - zu irgend einer anderen Zeit, und einige sind mit Ausnahme dieser Zeit absolut stumm. ‚Beide Geschlechter anderer Species oder allein die Männchen benutzen ihre Stimmen zu Liebesrufen. In Anbetracht dieser Thatsachen und des Umstandes, dass die Stimmorgane einiger Säugethiere viel bedeutender beim Männchen als beim Weibchen ent- wickelt sind, und zwar entweder permanent oder nur zeitweise während der Paarungszeit, und ferner in Anbetracht, dass bei den meisten der niederen Ulassen die von den Männchen hervorgebrachten Laute nicht bloss dazu dienen, das Weibchen zu rufen, sondern auch es anzureizen oder zu locken: ist es eine überraschende Thatsache, dass wir bis jetzt ‘keine guten Beweise dafür haben, dass diese Organe von männlichen Säugethieren dazu benutzt würden, die Weibchen zu bezaubern. Der amerikanische Mycetes caraya bildet vielleicht eine Ausnahme, wie noch wahrscheinlicher einer jener Affen, welche dem Menschen noch näher kommen, nämlich der Hylobates, agilis. Dieser Gibbon hat eine äusserst laute aber musikalische Stimme. Mr. WATERHOUSE führt an?®: „Es schien mir, als ob beim Auf- und Abgehen der Scala die Inter- „valle immer genau halbe Töne wären, und sicher war- der höchste „Ton die genaue Octave des niedrigsten. Die Qualität der Töne ist „sehr musikalisch, ünd ich zweifle nicht, dass ein guter Violinspieler „im Stande ist, eine correcte Vorstellung von der Composition des „Gibbon zu geben, ausgenommen in- Bezug auf die Lautheit*. Mr. "WATERHOUSE gibt dann die Noten. Professor Owen, welcher gleich- falls ein Musiker ist, bestätigt die vorstehenden Angaben und bemerkt, dass man von diesem Gibbon „allein unter den Säugethieren sagen 28 Mitgetheilt in W. C. L. Martin’s General Introduction to the Natur. Hist. of Mamm. Animals. 1841, p. 432. Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. Ill, p. 600. f x 19 * 299 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. „kann, dass er singe.* Er scheint nach seiner musikalischen Auffüh- rung sehr erregt zu sein. Unglücklicherweise sind seine Gewohnheiten niemals im Naturzustande eingehend beobachtet worden; aber nach der Analogie mit beinahe allen übrigen Thieren ist es äusserst wahrschein- lich, dass er seine musikalischen Töne besonders während der Zeit der Bewerbung ausstösst. Die Wahrnehmung musikalischer Cadenzen und des Rhythmus, wenn auch nicht die Freude daran, ist wahrscheinlich allen Thieren gemein und hängt ohne Zweifel von der gemeinsamen physiologischen Natur ihrer Nervensysteme ab. Selbst Krustenthiere, welche nicht im Stande sind, irgend welche willkürliche-Laute hervorzubringen, besitzen gewisse Hörhaare, welche man in Schwingung gesehen hat, wenn die gehörigen musikalischen Töne angeschlagen werden 29, Es ist eine bekannte Thatsache, dass manche Hunde heulen, wenn sie besondere Töne hören. Robben würdigen dem Anscheine nach die Musik, und ihre Vorliebe für dieselbe „war den Alten wohl bekannt und wird „häufig von den ‚Jägern heutigen Tages noch mit Vortheil benutzt“ 30, Bei allen jenen Thieren, nämlich Inseeten, Amphibien und Vögeln, bei welchen die Männchen während der Zeit der Bewerbung unablässig musi- kalische Töne oder blosse rhythmische Laute hervorbringen, müssen wir glauben, dass die Weibchen im Stande sind, sie zu würdigen und ' dass sie dadurch erregt oder bezaubert werden. Im anderen Falle wären die unablässigen Anstrengungen der Männchen und die complieirten Bildungen, welche dieselben häufig ausschliesslich besitzen, nutzlos. Was den Menschen betrifft, so wird allgemein zugegeben, dass der Gesang die Grundlage oder der Ursprung der Instrumentalmusik ist. Da weder die Freude an dem Hervorbringen musikalischer Töne noch die Fähigkeit hierzu von dem geringsten Nutzen für den Menschen in Beziehung zu seinen gewöhnlichen Lebensverrichtungen sind, so müssen sie unter die mysteriösesten gerechnet werden, mit welchen er versehen ist. Sie sind, wenn auch in einem sehr rohen und wie es scheint bei- nahe latenten Zustande bei Menschen aller Rassen, selbst den wildesten, vorhanden; der Geschmack der verschiedenen Rassen ist aber so ver- schieden, dass unsere Musik den Wilden nicht das mindeste Vergnügen gewährt und ihre Musik für uns widrig und sinnlos ist. Dr. SEEMANN ®' Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen. 3. Aufl. 1870, p. 234. » R. Brown, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 410. Cap. 19. Musikalische Begabung. 293 macht einige interessante Bemerkungen über diesen Gegenstand ?! und „zweifelt, ob selbst unter den Nationen des westlichen Europa’s, so in- „tim sie auch durch nahen und häufigen Verkehr verbunden sind, „die Musik der einen von den anderen in dem nämlichen Sinne aufge- „fasst wird, Reisen wir nach Osten, so finden wir, dass sicher eine „verschiedene Sprache der Musik besteht. Gesänge der Freude und „Begleitung zum Tanze sind nicht länger wie bei uns in den Dur-, „sondern immer in den Molltonarten“. Mögen nun die halbmensch- lichen Urerzeuger des Menschen, wie der vorhin erwähnte Gibbon, die Fähigkeit musikalische Töne hervorzubringen und ohne Zweifel auch zu würdigen besessen haben oder nicht, so haben wir allen Grund zu glauben, dass der Mensch diese Fähigkeiten in einer sehr weit zurück- liegenden Periode besass, denn Singen und Musik sind äusserst alte Künste. Die Poesie, welche als das Kind des Gesanges betrachtet werden kann, ist gleichfalls so alt, dass viele Personen darüber ein Erstaunen erfüllt hat, dass sie während der frühesten Zeiten, von denen wir überhaupt einen Bericht haben, schon entstanden sein sollte. Die musikalischen Fähigkeiten, welche keiner Rasse vollständig fehlen, sind einer prompten und bedeutenden Entwickelung fähig, wie wir bei Hottentotten und Negern sehen, welche sehr leicht ausgezeich- nete Musiker geworden sind, obschon sie in ihren Heimathsländern Nichts ausüben was wir als Musik schätzen würden. Es liegt aber in diesem Umstande nichts Abnormes: einigen Species von Vögeln, welche von Natur niemals singen, kann ohne Schwierigkeit das Singen gelehrt werden ; so hat der Haussperling den Gesang eines Hänflings gelernt. Da diese beiden Species nahe verwandt sind und zur Ordnung der In- sessores gehören, welche beinahe alle Singvögel der Welt umfasst, so ist es vollkommen möglich oder wahrscheinlich, dass der Urerzeuger des Sperlings ein Sänger gewesen sein kann. Es ist eine viel merk- würdigere Thatsache, dass Papageien, welche zu einer von den Inses- sores verschiedenen Gruppe gehören und verschieden gebaute Stimmor- gane haben, nicht bloss gelehrt werden können zu sprechen, sondern auch von Menschen erfundene Melodien zu pfeifen oder zu singen, so dass sie einige musikalische Fähigkeit haben müssen. Nichtsdestoweniger wäre es %! Journal of Anthropologieal Society. Oct. 1870, p. CLV. s. auch die ver- schiedenen späteren Capitel in Sir J. Lubbock’s Prehistorie Times, 2. edit. 1869, welche eine ausgezeichnete Schilderung der Gewohnheiten der Wilden ent- halten. 292 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch, I. Theil. „kann, dass er singe.“ Er scheint nach seiner musikalischen Auffüh- rung sehr erregt zu sein. Unglücklicherweise sind seine Gewohnheiten niemals im Naturzustande eingehend beobachtet worden; aber nach der Analogie mit beinahe allen übrigen Thieren ist es äusserst wahrschein- lich, dass er seine musikalischen Töne besonders während der Zeit der Bewerbung ausstösst. Die Wahrnehmung musikalischer Cadenzen und des Rhythmus, wenn auch nicht die Freude daran, ist wahrscheinlich allen Thieren gemein und hängt ohne Zweifel von der gemeinsamen physiologischen Natur ihrer Nervensysteme ab. Selbst Krustenthiere, welche nicht im Stande sind, irgend welche willkürliche-Laute hervorzubringen, besitzen gewisse Hörhaare, welche man in Schwingung gesehen hat, wenn die gehörigen musikalischen Töne angeschlagen werden 2%, Es ist eine bekannte Thatsache, dass manche Hunde heulen, wenn sie besondere Töne hören. Robben würdigen dem Anscheine nach die Musik, und ihre Vorliebe für dieselbe „war den Alten wohl bekannt und wird „häufig von den Jägern heutigen Tages noch mit Vortheil benutzt“ 3°, Bei allen jenen Thieren, nämlich Inseeten, Amphibien und Vögeln, bei welchen die Männchen während der Zeit der Bewerbung unablässig musi- kalische Töne oder blosse rhythmische Laute hervorbringen, müssen wir glauben, dass die Weibehen im Stande sind, sie zu würdigen und ' dass sie dadurch erregt oder bezaubert werden. Im anderen Falle wären die unablässigen Anstrengungen der Männchen und die eompliecirten Bildungen, welche dieselben häufig ausschliesslich besitzen, nutzlos. Was den Menschen betrifft, so wird allgemein zugegeben, dass der Gesang die Grundlage oder der Ursprung der Instrumentalmusik: ist. Da weder die Freude an dem Hervorbringen musikalischer Töne noch die Fähigkeit hierzu von dem geringsten Nutzen für den Menschen in Beziehung zu seinen gewöhnlichen Lebensverrichtungen sind, so müssen sie unter die mysteriösesten gerechnet werden, mit welchen er versehen ist. Sie sind, wenn auch in einem sehr rohen und wie es scheint bei- nahe latenten Zustande bei Menschen aller Rassen, selbst den wildesten, vorhanden; der Geschmack der verschiedenen Rassen ist aber so ver- schieden, dass unsere Musik den Wilden nicht das mindeste Vergnügen gewährt und ihre Musik für uns widrig und sinnlos ist. Dr. SEEMANN ” Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen. 3. Aufl. 1870, p. 234. ® R. Brown, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1868, p. 410. Cap. 19. Musikalische Begabung. 293 macht einige interessante Bemerkungen über diesen Gegenstand ?! und „zweifelt, ob selbst unter den Nationen des westlichen Europa’s, so in- „tim sie auch durch nahen und häufigen Verkehr verbunden sind, „die Musik der einen von den anderen in dem nämlichen Sinne aufge- „fasst wird, Reisen wir nach Osten, so finden wir, dass sicher eine „verschiedene Sprache der Musik besteht. Gesänge der Freude und „Begleitung zum Tanze sind nicht länger wie bei uns in den Dur-, „sondern immer in den Molltonarten“. Mögen nun die halbmensch- lichen Urerzeuger des Menschen, wie der vorhin erwähnte Gibbon, die Fähigkeit musikalische Töne hervorzubringen und ohne Zweifel auch zu würdigen besessen haben oder nicht, so haben wir allen Grund zu glauben, dass der Mensch diese Fähigkeiten in einer sehr weit zurück- liegenden Periode besass, denn Singen und Musik sind äusserst alte Künste. Die Poesie, welche als das Kind des Gesanges betrachtet werden kann, ist gleichfalls so alt, dass viele Personen darüber ein Erstaunen erfüllt hat, dass sie während der frühesten Zeiten, von denen wir überhaupt einen Bericht haben, schon entstanden sein sollte. Die musikalischen Fähigkeiten, welche keiner Rasse vollständig fehlen, sind einer prompten und bedeutenden Entwickelung fähig, wie wir bei Hottentotten und Negern sehen, welche sehr leicht ausgezeich- nete Musiker geworden sind, obschon sie in ihren Heimathsländern Nichts ausüben was wir als Musik schätzen würden. Es liegt aber in diesem Umstande nichts Abnormes: einigen Species von Vögeln, welche von Natur niemals singen, kann ohne Schwierigkeit das Singen gelehrt werden; so hat der Haussperling den Gesang eines Hänflings gelernt. Da diese beiden Species nahe verwandt sind und zur Ordnung der In- sessores gehören, welche beinahe alle Singvögel der Welt umfasst, so ist es vollkommen möglich oder wahrscheinlich, dass der Urerzeuger des Sperlings ein Sänger gewesen sein kann. Es ist eine viel merk- würdigere Thatsache, dass Papageien, welche zu einer von den Inses- sores verschiedenen Gruppe gehören und verschieden gebaute Stimmor- gane haben, nicht bloss gelehrt werden können zu sprechen, sondern auch von Menschen erfundene Melodien zu pfeifen oder zu singen, so dass sie einige musikalische Fähigkeit haben müssen. Nichtsdestoweniger wäre es *! Journal of Anthropologieal Society. Oct. 1870, p. CLV. s. auch die ver- schiedenen späteren Capitel in Sir J. Lubbock’s Prehistorie Times, 2. edit. 1869, welche eine ausgezeichnete Schilderung der Gewohnheiten der Wilden ent- halten. 294 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. äusserst voreilig anzunehmen, dass die Papageien von irgend einem alten Vorfahren abstammten, welcher ein Sänger gewesen wäre. Es liessen sich viele analoge Fälle anführen, wo Organe und Instincte, welche ursprünglich emem bestimmten Zwecke angepasst waren, einem anderen völlig verschiedenen Zrrecke dienstbar gemacht worden sind 32, Es kann daher die Fähigkeit für höhere musikalische Entwickelung, welche die wilden Rassen des Menschen besitzen, entweder die Folge davon sein, dass unsere halbmenschlichen Urerzeuger irgend eine rohe Form von Musik ausgeübt haben, oder davon, dass sie einfach zu irgend welchen bestimmten Zwecken die gehörigen Stimmorgane erlangt haben. Aber in diesem letzteren Falle müssen wir annehmen, dass sie, wie in dem eben erwähnten Beispiele der Papageien und wie es‘ bei vielen Thieren vorzukommen scheint, bereits einen gewissen Sinn für Melodie besessen haben. Die Musik berührt jede Gemüthserregung, regt aber durch sich selbst in uns nicht die schrecklicheren Gemüthsstimmungen der Furcht u. 8. w. an. Sie erweckt die sanfteren Gefühle der Zärtlichkeit und Liebe, welche leicht in Ergebung übergehen. Sie regt gleichfalls in uns das Gefühl des Triumphes und das ruhmvolle Erglühen für den Krieg an. Diese kraftvollen und gemischten Gefühle können wohl dem Gefühle der Erhabenheit Entstehung geben. Wir können wie Dr. SEEMANN bemerkt, eine grössere Intensität des Gefühls in einem ein- zigen musikalischen Tone concentriren als in seitenlangen Schreiben. Nahezu dieselben Erregungen, aber viel schwächer und weniger com- plieirt, werden wahrscheinlich von Vögeln empfunden, wenn das Männ- chen seinen vollen Stimmumfang in Rivalität mit anderen Männchen zum Zwecke des Bezauberns des Weibehens ausströmen lässt. Die Liebe ist noch immer das häufigste Thema unserer Gesänge. Wie HERBERT SPENCER bemerkt: „die Musik regt schlummernde Empfindun- *? Seitdem dieses Capitel gedruckt ist, habe ich einen werthvollen Artikel von Mr. Chauncey Wright (North Amerie Review, Oct. 1870, p. 293) ge- sehen, welcher nach Erörterung des obigen Gegenstandes noch bemerkt: „Es „gibt viele Folgen der letzten Gesetze oder Uebereinstimmungen der Natur, nach „welchen die Erlangung einer nützlichen Kraft viele resultirende Vortheile ebenso „wie beschränkende Nachtheile, sowohl factisch als nur möglich, mit sich brin- „gen wird, welche das Prineip der Nützlichkeit nicht mit in seinen Wirkungs- „Kreis gezogen haben kann.“ Dies Princeip hat eine bedeutende Tragweite, wie ich im zweiten Capitel des vorliegenden Werks zu zeigen versucht habe, mit Rücksicht auf die durch den Menschen vollzogene Erlangung einiger seiner gei- stigen characteristischen Eigenschaften. Cap. 19. Musikalische Begabung. 295 „gen auf, deren Möglichkeit wir nicht begriffen hätten und deren Be- „deutung wir nicht kennen“, oder wie JEAN PauL sagt: „sie erzählt „uns von Dingen, die wir nicht gesehen haben und nicht sehen wer- „den“ 33. Umgekehrt werden, wenn lebhafte Erregungen gefühlt und vom Redner ausgedrückt oder selbst in der gewöhnlichen Sprache er- wähnt werden, musikalische Cadenzen und Rhythmus instinetiv gebraucht. Auch Affen drücken starke Gefühle in verschiedenen Tönen, Aerger, und Ungeduld ‚durch niedrige, Furcht und Schmerz durch hohe Töne aus ®*, Die durch Musik oder durch die Cadenzen leidenschaftlichen Redevortrags in uns angeregten Empfindungen und Ideen erscheinen, wegen ihrer Unbestimmtheit aber doch Tiefe, wie geistige Rückschläge auf Erregungen und Gedanken einer lange vergangenen Zeit. Alle diese Thatsachen in Bezug auf Musik werden in einer ge- wissen Ausdehnuug verständlich, wenn wir annehmen dürfen, dass mu- sikaliche Töne und Rhythmen von den halbmenschlichen Urerzeugern des Menschen während der Zeit der Brautwerbung gebraucht wurden, in einer Zeit, in der Thiere aller Arten von den stärksten Leidenschaften erregt werden. In diesem Falle werden nach dem tief eingepflanzten Principe vererbter Assoeiationen musikalische Töne sehr leicht in einer vagen und unbestimmten Art die starken Erregungen einer längst ver- gangenen Zeit hervorrufen. Erinnert man sich, dass die Männchen einiger quadrumanen Thiere viel höher entwickelte Stimmorgane besitzen als die Weibehen und dass eine Art der Anthropomorphen eine ganze Oetave musikalischer Töne erklingen lässt und, wie man wohl sagen kann, 33 g, die sehr interessante Erörterung über den Ursprung und die Funetion der Musik von Herbert Spencer in seinen gesammelten Essays, 1858, p. 359. Mr. Spencer kommt zu einem genau entgegengesetzten Schlusse von dem, zu welchem ich gelangt bin. Er folgert, dass die in der erregten Rede benutzten Tonfälle die Grundlagen darbieten, von welchen sich die Musik entwickelt hat; während ich schliesse, dass musikalische Töne und Rhythmus zuerst von den männlichen oder weiblichen Urerzeugern des Menschen erlangt wurden zu dem Zwecke, das andere Geschlecht zu bezaubern. Hierdurch wurden musikalische Töne fest mit einigen der stärksten Leidenschaften verbunden, welche zu fühlen ein Thier fähig ist, und werden nun in Folge dessen instinctiv oder'durch Asso- ciationsbewegung benutzt, wenn starke Erregungen in der Rede ausgedrükt wer- den. Mr. Spencer bietet keine befriedigende Erklärung dar, ebensowenig kann ich es, warum hohe und tiefe Töne beim Menschen und bei den niederen Thie- ren als Ausdrücke gewisser Gemüthserregungen bezeichnend sein sollen. Auch gibt Mr. Spencer eine interressante Erörterung über die Beziehungen zwischen Poesie, Recitativ und Gesang. 3 Rengger, Säugethiere’ von Paraguay, S. 49. 2965 j Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. singt, so scheint die Vermuthung nicht unwahrscheinlich zu sein, dass die Urerzeuger des Menschen, entweder die Männchen oder die Weib- chen oder beide Geschlechter, ehe sie das Vermögen ihre gegenseitige Liebe in artikulirter Sprache auszudrücken erlangt hatten, sich einander in musikalischen Tönen und Rhythmen zu bezaubern versuchten. In Bezug auf den Gebrauch der Stimme bei den Quadrumanen während der Zeit der Liebe ist so wenig bekannt, dass wir kaum irgend ein Mittel zur Beurtheilung besitzen, ob die Gewohnheit zu ‚singen erst von den männlichen oder weiblichen Urerzeugern der Menschheit erlangt wurde. Man nimmt allgemein an, dass Frauen angenehmere Stimmen besitzen als Männer, und soweit dies als Fingerzeig dient, können wir schliessen, dass sie-zuerst musikalische Kräfte erlangten, um das andere Geschlecht anzuziehen °°. Ist dies aber der Fall, so muss dies lange vorher eingetreten sein, ehe die Urerzeuger des Menschen hinreichend menschlich wurden, um ihre Frauen einfach als nützliche Sclaven zu behandeln und zu schätzen. Der leidenschaftliche Redner, Barde oder Musiker hat, wenn er mit seinen abwechselnden Tönen und Cadenzen die stärksten Gemüthserregungen in seinen Hörern erregt, wohl kaum eine Ahnung davon, dass er dieselben Mittel benutzt, durch welche in einer äusserst entfernt zurückliegenden Periode seine halbmenschlichen Vorfahren die glühenden Leidenschaften Anderer während ihrer gegen-. seitigen Bewerbung und Rivalität erregten. Ueber den Einfluss der Schönheit bei der Bestimmung der Heirathen unter den Menschen. — Im. civilisirten Leben wird der Mann in grossem Maasse, aber durchaus nicht ausschliesslich, bei der Wahl seines Weibes durch äussere Erscheinung beeinflusst. Wir haben es aber hier hauptsächlich mit den Urzeiten zu thun, und das einzige Mittel, was wir besitzen, uns hier ein Urtheil über diesen Ge- genstand zu bilden, ist das, die Gewohnheit jetzt lebender halbeivilisirter und barbarischer Nationen zu studiren. Wenn gezeigt werden kann, dass die Männer aus verschiedenen Rassen Frauen vorziehen, welche gewisse chracteristische Eigenschaften besitzen, oder umgekehrt, dass die Frauen gewisse Männer vorziehen, dann haben wir zu untersuchen, ob eine derartige Wahl durch viele Generationen hindurch fortgesetzt, eine irgendwie nachweisbare Wirkung auf die Rasse, entweder auf ein Ge- 35 s. eine interressante Erörterung über diesen Gegenstand in Häckel, Ge- nerelle Morphologie, Bd. 2. 1866, S. 246. P7 Cap. 19. Vorliebe für Schmuck. ' 297 schlecht oder auf beide Geschlechter ausüben würde, wobei die letztere Alternative von der vorherrschenden Form der Vererbung abhängt. Es dürfte zweckmässig sein, zuerst mit einigen Details zu zeigen, dass Wilde auf ihre persönliche Erscheinung die grösste Aufmerksam- keit verwenden ?6, Dass sie eine Leidenschaft für Ornamente haben, ist notorisch, und ein englischer Philosoph geht so weit zu behaupten, dass Zeuge zuerst zum Zwecke des Ornamentes nicht zur Wärme ge- macht wurden. Wie Professor Warrz bemerkt: „so arm und elend der „Mensch auch sein mag, er findet ein Vergnügen daran, sich zu „schmücken.“ Die Extravaganz der nackten Indianer von Südamerika beim Schmücken ihrer Person zeigt sich daraus, dass ein „Mann von „bedeutender Körpergrösse mit Schwierigkeit durch die Arbeit zweier „Wochen hinreichenden Lohn verdient, um sich im Tausch die Chica „zu verdienen, welche er so nöthig hat, sich roth zu malen“ ®7. Die ältesten Barbaren von Europa während der Renthierperiode brachten alle glänzenden oder eigenthümlichen Gegenstände, welche sie zufällig fanden, in ihre Höhlen. Heutigen Tages schmücken sich überall die Wilden mit Schmuckfedern, Halsbändern, Armbändern, Öhrringen u. s. w. Sie bemalen sich selbst in der verschiedenartigsten Weise. „Wenn be- „malte Nationen mit derselben Aufmerksamkeit wie bekleidete unter- „sucht worden wären, so würde man“, wie HumsoLpr bemerkt, „wahr- „genommen haben, dass die fruchtbarste Einbildungskraft und die ver- „änderlichste Laune die Moden des Malens ebensowohl wie die der Klei- „dung erfunden haben.“ In einem Theile von Afrika werden die Augenlider schwarz ge- färbt, in einem anderen Theile werden die Nägel gelb oder purpurn ge- 36 Eine ausführliche und ausgezeichnete Schilderung der Art und Weise, in welcher Wilde aus allen Theilen der Welt sich schmücken, hat der italienische » Reisende, Prof. Mantegazza gegeben in: Rio de la Plata, Viaggi e Studi, 1867, p. 525—545; alle folgenden Angaben sind, wenn nicht andere Verweisungen ge. geben sind diesem Werke entnommen. s. auch Waitz, Introduction to Anthro- pology, Vol. I. 1863, p. 275 u. passim. Auch Lawrence gibt ausführliche De- ails in seinen Lectures on Physiology, 1822. Seitdem dies Capitel geschrieben ist, hat Sir J.Lubbock sein „Origin of Civilisation“, 1870, herausgegeben, wo- sich ein interessantes Capitel über den vorliegenden Gegenstand findet und wo- raus ich einige Thatsachen in Bezug auf das Färben der Zähne und Haare und das Anbohren der Zähne bei Wilden entnommen habe. 37 Alex. v. Humboldt, Personal Narrative, Vol. IV, p. 515; über die Fantasie wie sie sich beim Malen des Körpers zeigt, p. 522; über die Modifica- tion der Form der Waden, p. 466, 298 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. I. Theil. färbt. An vielen Orten wird das Haar in verschiedenen Tönen gefärbt. In verschiedenen Gegenden werden die Zähne schwarz, roth, blau u. s. w. gefärbt und auf dem malayischen Archipel glaubt man sich schämen zu müssen, wenn man weisse Zähne wie ein Hund hat. Nicht ein einziges grosses Land von den Polargegenden im Norden bis nach Neu- seeland im Süden kann angeführt werden, in welchem die ursprünglichen Bewohner sich nieht tättowirten. Diesem Gebrauche folgten die alten Juden und die alten Briten. Im Afrika tättowiren sich einige der Ein- geborenen; es ist aber viel häufiger, Wucherungen sich erheben zu lassen dadurch dass man Salz in, an den verschiedenen Theilen des Körpers angebrachte Einschnitte einreibt; und solche werden von den Einwohnern in Kordofan und Darfur „für grosse persönliche Reize gehalten.* In den arabischen Ländern wird keine Schönheit für vollendet angesehen, bis nicht die Wangen oder Schläfe zerschlitzt sind“. 3% In Südamerika würde, wie HumporLpr bemerkt, „eine Mutter strafbarer Gleichgültigkeit „gegen ihre Kinder angeklagt werden, wenn sie nicht künstliche Mittel „anwendete, die Wade nach der Mode des Landes zu formiren.* In der alten und neuen Welt wurde früher die Form des Schädels während der Kindheit in der ausserordentlichsten Art und Weise modifieirt, wie es jetzt noch an vielen Orten der Fall ist, und derartige Deformitäten werden für ornamental gehalten. So betrachten z. B. die Wilden von Columbia ?% einen sehr abgeflachten Kopf als einen wesentlichen Punkt der Schönheit. Das Haar wird in verschiedenen Ländern mit besonderer Sorgfalt behandelt. Man lässt es in seiner vollen Länge wachsen, so dass es bis auf den Boden reicht, oder es wird „in einen compacten und ge- „kräuselten Wulst zusammengekämmt, welcher der Stolz und Ruhm „der Papuas ist“ *%. In Nordafrika „braucht ein Mann eine Zeit von „acht bis zehn Jahren um seinen Haarputz zu vollenden.“ Bei anderen Nationen wird der Kopf rasirt und in Theilen von Südamerika und Afrika werden selbst die Augenbrauen ausgerissen. Die Eingeborenen des oberen Nils schlagen die vier Schneidezähne aus und sagen, sie 38 The Nile Tributaries, 1867. The Albert Nyanza, 1866. Vol. I, p. 218. 39 angeführt von Prichard, Physic. Hist. of Mankind, 4. edit. Vol. I. 1851, p- 321. 40 Teber die Papuas s. Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II, p. 445. Ueber den Haarputz der Afrikaner: Sir S. Baker, The Albert Nyanza, Vol. I, p. 210, ? Cap. 19. Vorliebe für Schmuck. 299 wünschten nieht wie Thiere auszusehen. Noch weiter nach Süden schla- gen sich die Batokas die beiden oberen Schneidezähne aus, was, wie Livinsston£ bemerkt *!, dem Gesichte in Folge des Wachsthums der unteren Kinnlade ein widriges Aussehen gibt; diese Völker halten aber das Vorhandensein der Schneidezähne für äusserst unschön und beim Er- blicken von Europäern riefen sie aus: „Seht die grossen Zähne!“ Der grosse Häuptling Sebituani versucht vergeblich diese Mode zu ändern. In verschiedenen. Theilen von Afrika und im malayischen Archipel feilen die Eingeborenen die Schneidezähne zu Spitzen wie die Säge- zähne oder durchbohren sie mit Löchern, in welche sie Klötzchen stecken. Wie bei uns das Gesicht hauptsächlich seiner Schönheit wegen bewundert wird, so ist es bei ‚Wilden der vorzügliche Sitz der Ver- stümmelung. In allen Theilen der Welt werden die Nasenscheidewand, seltener die Flügel der Nase durchbohrt und Ringe, Stäbchen, Federn und andere Zierathen in die Löcher eingefügt. Die Ohren werden überall durchbohrt und ähnlich verziert, und bei den Botokuden und Lenguas von Südamerika wird das Loch allmählich so erweitert, dass der untere Rand des Ohrläppehens die Schulter berührt. In Nord- und Südamerika und in Afrika wird entweder die obere oder die untere Lippe durchbohrt, und bei den Botokuden ist das Loch in der Unter- lippe so gross, dass eine Holzscheibe von vier Zoll hineingethan wird. MantEsAzza gibt einen merkwürdigen Bericht über die von einem süd- amerikanischen Eingeborenen empfundene Scham und von dem Geläch- ter, welches er erregte, als er seine „Tembeta“, das grosse- gefärbte Stück Holz, welches durch das Loch gesteckt wird, verkaufte. In Cen- tralafrika durchbohren die Frauen die untere Lippe und tragen einen Krystall darin, welcher infolge der Bewegung der Zunge „während der „Unterhaltung eine unbeschreiblich lächerliche tanzende Bewegung macht. * Die Frau des Häuptlings von Latooka sagte Sir S. Baker '*?, dass „seine „Frau sich sehr verschönern würde, wenn sie ihre Vorderzähne aus der „unteren Kinnlade herausziehen und den langen zugespitzten , polirten „Krystall in ihrer Unterlippe tragen wollte.“ Weiter nach Süden, bei den Makalolo, wird die Oberlippe durchbohrt und ein grosser metallener und Bambus-Ring, „Pelele“ genannt, in dem Loche getragen. »Dies „bewirkt es, dass in einem Falle die «Lippe zwei Zoll über die Nasen- 3! Travels etc. p. 533. 2° The Albert Nyanza, 1866, Vol. I, p. 217. 300 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. »spitze vorragte, und als die Dame lächelte, hob die Contraction der „Muskeln die Lippe bis über die Augen. Warum tragen die Frauen „diese Dinge? wurde der ehrbare Häuptling Chinsurdi gefragt. Offen- „bar erstaunt über eine so dumme Frage erwiederte er: der Schönheit „wegen! Es sind dies die einzigen schönen Dinge, welche die Frauen „haben. Männer haben Bärte, Frauen haben keine. Was für eine Art „Person würde die Frau sein ohne das Pelele? Sie würde mit einem „Munde wie ein Mann, aber ohne Bart gar keine Frau sein“ #, Kaum irgend ein Theil des Körpers, welcher in unnatürlicher Weise modifieirt werden kann, ist verschont geblieben. Die Grösse der hierdurch verursachten Leiden muss wunderbar gewesen sein, denn viele der Operationen erfordern zu ihrer Vollendung mehrere Jahre, so dass die Idee von ihrer Nothwendigkeit ganz imperativ sein muss. Die Motive sind verschiedenartig; die Männer malen sich ihre Körper an, um sich im Kampfe schrecklich aussehend zu machen. Gewisse Ver- stümmelungen stehen mit religiösen Gebräuchen in Verbindung oder bezeichnen das Alter der Pubertät oder den Rang des Mannes, oder sie dienen dazu, die Stämme zu unterscheiden. Da bei Wilden die- selben Moden für lange Perioden herrschen +, so gelangen. Verstüm- melungen, aus welcher Ursache immer sie auch zuerst gemacht wurden, bald zu dem Werthe von Unterscheidungszeichen. Aber Schmückung, Eitelkeit und die Bewunderung Anderer scheinen die häufigsten Motive zu sein. In Bezug auf das Tättowiren sagten mir die Missionäre in Neuseeland, dass, als sie einige Mädchen zu überreden versuchten, den (rebrauch aufzugeben, diese ihnen antworteten: „wir müssen wenigstens „ein paar Linien auf unsern Lippen haben, denn wenn wir alt werden, „würden wir sonst so sehr hässlich sein.“ In Bezug auf die Männer von Neuseeland sagt ein äusserst fähiger Beurtheiler #, dass es für die jungen Männer ein grosser Punkt des Ehrgeizes sei, „schön tätto- „wirte Gesichter zu haben, sowohl um sich für die Damen anziehend „als. im Kriege auffallend zu machen.“ Ein auf die Stirn tättowirter #3 Livingstone, British Association, 1860; Auszug im Athenaeum, 7. Juli 1860, p. 29. 4 Sir S. Baker (a.a.O. Vol. I, p. 210) spricht von den Eingeborenen von Central-Afrika und sagt: „Jeder Stamm hat eine bestimmte und unveränderliche „Art, sich das Haar zu frisiren“. s. Agassiz (Journey in Brazil, 1868, p. 318) über die Unveränderlichkeit des Tättowirens bei den Indianern des Amazonen- Gebiets. #5 R. Taylor, New Zealand and its Inhabitants, 1855, p. 152. Cap. 19. Vorliebe für Schmuck. 301 Stern und ein Punkt auf dem Kinn werden in einem ‘Theile von Afrika von den Frauen für unwiderstehliche Anziehungsmittel gehalten #°. In den meisten aber nieht in allen Theilen der Welt sind die Männer be- deutender verziert als die Frauen und oft in einer verschiedenen Weise; zuweilen, wenn auch selten sind die Frauen beinahe gar nicht verziert. Da die Wilden die Frauen den grössten Theil der Arbeit verrichten lassen und man ihnen nicht gestattet, die beste Art von Nahrung zu geniessen, so steht es in Uebereinstimmung mit der characteristischen Selbstsucht der Männer, dass man den Frauen nicht gestattet die schönsten Zierathen zu erlangen oder zu gebrauchen. Endlich ist es eine merkwürdige durch vorstehende Anführungen bewiesene Thatsache, dass dieselben Moden in der Modificirung der Kopfform, in der Ver- zierung des Haares, in dem Malen, dem Tättowiren, dem Durchbohren der Nase, der Lippen oder der Ohren, in der Entfernung oder dem Feilen der Zähne u. s. w., in den von einander entferntest liegenden Theilen der Welt jetzt herrschen oder lange Zeit geherrscht haben. Es ist äusserst unwahrscheinlich, dass diese Gebräuche, welchen so viele Nationen folgen, auf eine aus irgend einer gemeinsamen (Quelle herrührende Tradition weisen. Sie deuten vielmehr die grosse Aehn- lichkeit des Geistes beim Menschen an, zu welcher Rasse er auch ge- hören mag, in derselben Weise, wie die beinahe allgemeinen Gewohn- heiten des Tanzens, des Maskirens und der Fertigung roher Gemälde. Nach diesen vorläufigen Bemerkungen über die Bewunderung, welche die Wilden verschiedenen Zierathen und den unseren Augen äusserst hässlichen Entstellungen zollen, wollen wir sehen, inwieweit die Män- ner durch die Erscheinung ihrer Frauen angezogen werden und was ihre Ideen von Schönheit sind. Da ich behaupten gehört häbe, dass Wilde in Bezug auf die Schönheit ihrer Frauen völlig indifferent seien und dieselben nur als Sclaven schätzen, so dürfte es der Mühe werth sein, zu bemerken, dass diese Folgerung durchaus nicht mit der Sorgfalt übereinstimmt, welche die Frauen darauf verwenden sich zu schmücken, ebenso wenig wie mit ihrer Eitelkeit. BurcHELL *" gibt einen unter- haltenden Bericht von einer Buschmännin, welche so viel Fett, rothen Ocker und glänzendes Pulver brauchte, dass sie „jeden Andern als einen „sehr reichen Ehemann ruinirt haben würde.“ Sie zeigte auch viel #6 Mantegazza, Viaggi e Studi, p. 542. #7 Travels in S. Africa, 1824. Vol. I, p. 414 302 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. Eitelkeit und gar zu offenbares Bewusstsein ihrer Ueberlegenheit. Mr. Wınwoop READE theilt mir mit, dass die Neger der Westküste oft über die Schönheit ihrer Frauen sich in Erörterungen einlassen. Einige com- petente Beobachter haben den fürchterlich verbreiteten Gebrauch des Kindesmordes zum Theil auf Rechnung des von den Frauen gehegten Wunsches geschrieben, ihr gutes Aussehen zu bewahren *°. In mehreren Ländern tragen die Frauen Talismane und Amulette, um die Zuneigung der Männer zu gewinnen; und Mr. Brown zählt vier zu diesem Zwecke von den Frauen von Nordwestamerika gebrauchte Pflanzen auf *°. HEARNE °P, welcher viele Jahre unter den amerikanischen Indianern lebte und ein ausgezeichneter Beobachter war, sagt, wo er von den Frauen spricht: „Man frage einen nördlichen Indianer, was Schönheit „sei, und er wird antworten, ein breites plattes Gesicht, kleine Augen, „hohe Wangenknochen, drei oder vier schwarze Linien quer über jede „Wange, eine niedrige Stirn, ein grosses breites Kinn, eine kolbige „Hakennase, eine gelbbraune Haut und bis zum Gürtel herabhängende „Brüste.“ Parras, welcher die nösdlichen Theile des chinesischen Reiches besuchte, sagt: „Es werden diejenigen Frauen vorgezogen, „welche die Mandschu-Form haben, d. h. ein breites Gesicht, hohe „Wangenknochen, sehr breite Nasen und enorme Ohren“ °!; und Vocr bemerkt dabei, dass die schräge Stellung der Augen, welche den Chinesen und Japanesen eigenthümlich ist, in ihren Gemälden „wie es scheint, „zu dem Zwecke übertrieben wird. die volle Pracht und Schönheit die- „ser Stellung im Contraste mit dem Auge der rothhaarigen Barbaren „hervortreten zu lassen.“ Es ist wie Huc wiederholt bemerkt, wohl- bekannt, dass die Chinesen aus dem Innern die Europäer mit ihrer weissen Haut und den vorspringenden Nasen für hässlich halten. Nach unseren Ideen ist die Nase bei den Eingeborenen von Ceylon weit ent- fernt zu vorspringend zu sein, und doch waren „die Chinesen im sie- „benten Jahrhundert an die platten Gesichtszüge der Mogulrassen ge- 48 s, wegen Verweisungen: Gerland über das Aussterben der Naturvölker, 1868, S. 51, 53, 55. Auch Azara, Voyages etc., Tom. II, p. 116. 49 Jeber die von den nordwestlichen amerikanischen Indianern benutzten Producte des Pflanzenreiches s. Pharmaceutical Journal, Vol. X. 5° A Journey from Prince of Wales Fort. 8° edit. 1796, p. 89. 51 citirt von Prichard, Phys. Hist. of Mankind, 3. edit. Vol. IV. 1844, p. 519. Vogt, Vorlesungen über den Menschen. Bd. 1, S. 162. Ueber die Mei- nung der Chinesen von den Cingalesen s. Sir J. E. Tennent, Ceylon, Vol. I. 1859, p. 107. Cap. 19. Schönheit. 303 „wöhnt, über die vorspringenden Nasen der Cin®alesen überrascht, und „Tusang beschreibt sie als „„den Schnabel eines Vogels und den Körper „eines Menschen habend.*““ Fintayson beschreibt eingehend das Volk von Cochin-China, sagt, dass ihre runden Köpfe. und Gesichter ihre hauptsächlichsten cha- racteristischen Merkmale seien, und fügt dann hinzu: „Die Rundung „des ganzen Ausdruckes ist bei den Frauen noch auffallender , welche „in dem Verhältnisse für schön erklärt werden, als sie diese Form des „Gesichts darbieten.“ Die Siamesen haben kleine Nasen, mit ausein- anderstehenden Nasenlöchern, einen grossen Mund, etwas dicke Lippen, ein merkwürdig grosses Gesicht mit sehr hohen und breiten Wangen- knochen. Es ist daher nicht zu verwundern, dass „Schönheit unserem „Begriffe nach für sie fremd ist. Und doch betrachten sie ihre eigenen „Frauen als viel schöner als die von Europa«. ®? Es ist wohlbekannt, dass bei vielen Hottentottenfrauen der hintere Theil des Körpers in einer wunderbaren Weise vorspringt; sie sind steatopyg und Sir AnDREW SMitH erklärt‘ es für sicher, dass diese Ei- genthümlichkeit von den Männern sehr bewundert wird®®. Er sah einmal eine Frau, welche für eine Schönheit gehalten wurde, und die- selbe war hinten so ungeheuer entwickelt, dass als sie sich auf ebenem Boden niedergesetzt hatte, sie nicht aufstehen konnte und sich soweit fortziehen musste, bis sie an einen Abhang kam. Manche von den Frauen in verschiedenen Negerstämmen sind ähnlich characterisirt und der Angabe von Burron zufolge sollen die Somali-Männer „ihre Frauen „auf die Weise wählen, dass sie alle im eine Reihe stellen und die- „jenige auswählen, welche am meisten a tergo vorspringt. Nichts kann „für einen Neger hassenswürdiger sein, als die entgegengesetzte Form*® 5%, In Bezug auf die Farbe verhöhnten die Neger Munao PARK wegen der weissen Farbe seiner Haut und des Vorspringens seiner Nase, welche sie beides für „hässliche und unnatürliche Bildungen betrach- „teten“. Er rühmte in Erwiderung das glänzende Schwarz ihrer Haut 5? Prichard, nach den Angaben von Crawfurd und Finlayson, in: Phys. Hist. of Mankind, Vol. IV, p. 534, 555. >> „Idem illustrissimus viator dixit mihi praecinetorium vel tabulam foeminae, „quod nobis teterrimum est, quondam permagno aestimari ab hominibus in hac - „gente. Nunc Yes mutata est, et censet talem conformationem minime optandam „esse“. 54 The Anthropological Review, November 1864, p. 257. Wegen weiterer Verweisungen s. Waitz, Introduction to Anthropology. 1863. Vol. I, p. 105. 304 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. IT. Theil. und die liebliche Depression ihrer Nasen. Dies hielten sie für Schmei- chelei, gaben ihm aber nichtsdestoweniger etwas zu essen. Auch die afrikanischen Mohren „zogen ihre Augenbrauen zusammen und schienen „sich zu schütteln“ über die weisse Farbe seiner Haut. Als die Neger- knaben an der östlichen Küste Burron sahen, riefen sie aus: „Seht „den weissen Mann! sieht er nicht aus wie ein weisser Affe“? Wie Mr. Wınwoon ReaDE mir mitgetheilt, bewundern die Neger an der westlichen Küste eine sehr schwarze Haut mehr als eine von einer hellern Fär- bung. Aber ihr Entsetzen vor der weissen Farbe kann der Angabe desselben Reisenden zufolge zum Theil dem bei den meisten der Neger vorhandenen Glauben zugeschrieben werden, dass Dämonen und Geister weiss sind. Die Banyai des südlicheren Theiles des Continents sind Neger, aber „eine grosse Menge von ihnen ist von einer helleren Milcheaffeefarbe, „und es wird jetzt diese Farbe in dem ganzen Lande für schön gehal- „ten,“ so dass wir hier einen verschiedenen Maassstab des Geschmackes haben. Bei den Kaffern, welche bedeutend von den Negern abweichen, ist „die Haut mit Ausnahme der Stämme in der Nähe der Delagoa- „Bai gewöhnlich nicht schwarz; die vorherrschende Färbung ist eine „Mischung von Schwarz und Roth und die häufigste Schattirung ist „Chocoladebraun. Dunkler Teint wird als der häufigste natürlich im „grössten Werth gehalten. Zu hören, dass man hell gefärbt oder wie „ein weisser Mann sei, würde von einem Kaffern für ein sehr schlechtes „Compliment gehalten werden. Ich habe von einem unglücklichen Manne „gehört, welcher so sehr hell war, dass ihn kein Mädchen heirathen „wollte.“ Einer der Titel des Zulukönigs ist: „Ihr der Ihr schwarz „seid“ 55. Als Mr. Gauton mit mir über die Eingeborenen von Süd- afrika sprach, bemerkte er, dass ihre Ideen von Schönheit sehr ver- schieden von unseren zu sein scheinen; denn in einem der Stämme wurden zwei schlanke helle und hübsche Mädchen von den Eingeborenen nicht bewundert. Wenden wir uns zu anderen Theilen der Erde. In Java wird der Angabe von Frau PFEIFFER zufolge ein gelbes und nicht ein weisses Mädchen für eine Schönheit gehalten. Ein Mann von Cochin-China 55 Mungo Park’s Travels in Africa, 4°. 1816, p. 53, 13), "Burton’s An- gabe wird von Schaaffhausen eitirt im: Archiv für Anthropologie, 1866, 8. 163. Ueber die Banyai s. Livingstone, Travels, p. 64. Ueber die Kaffern s- J. Shooter, The Kafırs of Natal and the Zulu Country. 1857, p. 1. Cap. 19. Schönheit. 305 „erzählte verächtlich von der Frau des\dortigen englischen Gesandten, sie habe Zähne (weiss) wie ein Hund nnd eine Farbe (rosig) wie Pataten- blumen“. Wir haben gesehen, dass die Chinesen unsere weisse Haut nicht lieben und dass die Nordamerikaner eine „gelblich braune Haut“ bewundern. In Südamerika sind die Yura-caras, welche die bewal- deten feuchten Abhänge der östlichen Cordilleren bewohnen, merk- würdig blass gefärbt, wie ihr Name in ihrer eigenen Sprache es aus- drückt; nichtsdestoweniger halten sie Europäische Frauen für ihren eigenen sehr untergeordnet °®. In mehreren Stämmen von Nordamerika wächst das Haar am Kopfe zu einer wunderbaren Länge, und CArLın führt einen merkwürdigen Be- weis dafür an, wie sehr dieses geschätzt wird; denn der Häuptling der Crows wurde zu dieser Stellung deshalb erwählt, weil er die läng- sten Haare unter allen Männern im Stamme hatte, nämlich zehn Fuss und sieben Zoll. Die Aymaras und Quechuas von Südamerika haben gleichfalls sehr lange Haare, und diese werden, wie Mr. D. FORBES mir mittheilt, "wegen ihrer Schönheit so sehr geschätzt, dass die schwerste Strafe, welehe man ihnen auflegen konnte, die war, das Haar abzu- schneiden. In beiden Hälften des Continents vergrössern die Einge- borenen zuweilen die scheinbare Länge ihres Haares dadurch, dass sie faserige Substanzen mit ihm verweben. Obschon das Haar am Kopfe hiernach sehr hoch geschätzt ist, so wird das im Gesicht doch von den Nordamerikanischen Indianern „für sehr gemein“ gehalten, und jedes Haar wird sorgfältig ausgezogen. Dieser Gebrauch herrscht durch den ganzen amerikanischen Continent von Vancouvers Island im Norden bis zum Feuerlande im Süden. Als York Minster, ein Feuerländer am Bord des Beagle nach seinem Lande zurückgebracht wurde, sagten ihm die Eingeborenen, er solle die wenigen kurzen Haare in seinem Gesichte ausreissen. Sie drohten auch einem jungen Missionär, welcher eine Zeit lang bei ihnen gelassen wurde, damit, ihn nackt auszuziehen und die Haare von seinem Gesicht und Körper auszureissen, und doch war er durchaus kein stark behaarter Mann. Es wird diese Mode bis zu einem solchen Extrem getrieben, dass die Indianer von Paraguay ihre 56 In Bezug auf die Javanesen und Cochinchinesen s. Waitz, Anthropologie der Naturvölker. B. 1, S. 366, Introd. to Anthropol. Vol. I, p. 305. Wegen der Yura- caras s. Alec. d’Orbigny, eitirt beiPrichard, Phys. Hist. of Mankind. Vol. V. 3. ed., p. 476. DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 30 306 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. Il. Theil. Augenbrauen und Augenwimpern ausreissen, indem sie sagen, sie wünsch- ten nicht wie Pferde auszusehen °7, Br. Es ist merkwürdig, dass über die ganze Welt die Rassen, welche fast vollständig eines Bartes entbehren, Haare im Gesichte und am Körper nicht leiden können und Sorgfalt darauf verwenden sie auszu- ziehen. Die Kalmucken sind bartlos, und man weiss, dass sie, wie die Amerikaner, alle zerstreut siehenden Haare ausreissen, und dasselbe gilt für die Polynesier, einige Malayen und die Siamesen. Mr. VerrcH führt an, dass die japanesischen Damen „sich sämmtlich an unsere „Backenbärte stiessen, sie für sehr hässlich erklärten und mir riethen, „sie abzuschneiden und wie japanesische Männer auszusehen.* Die Neuseeländer sind bartlos, sie reissen sorgfältig die Haare im Gesichte aus und haben ein Sprüchwort, „dass es für einen haarigen Mann keine „Frau gibt“ 58. Auf der anderen Seite bewundern bärtige Rassen ihre Bärte und schätzen sie sehr. Unter den Angelsachsen hatte jeder Theil des Kör- pers ihren Gesetzen zufolge einen anerkannten Werth. „Der Verlust „des Bartes wurde auf zwanzig Schilling geschätzt, während das Bre- „chen des Oberschenkels nur zu zwölf festgesetzt war“ ®%. Im Oriente schwören die Männer feierlich bei ihren Bärten. Wir haben gesehen, dass Chinsurdi, der Häuptling der Makalolo in Afrika offenbar der An- sicht war, dass Bärte eine grosse Zierde seien. Bei den Fiji-Insulanern im stillen Ocean ist der Bart „üppig und buschig und ist der grösste „Stolz der Männer“, während die Eingeborenen der benachbarten Ar- chipele von Tonga und Samoa „bartlos sind und ein rauhes Kinn ver- „abscheuen®. Nur auf einer einzigen Insel der Ellice-Gruppe sind „die „Männer stark bebartet und nicht wenig stolz darauf“ %°. Wir sehen hieraus, wie sehr die verschiedenen Rassen des Men- 5” North American Indians by G. Gatlin, 3. edit. 1842. Vol I, p. 49. Vol, II, p. 227. Ueber die Eingeborenen von Vancouver Island s. Sproat, Scenes and Studies of Savage Life, 1868, p. 25. Ueber die Indianer von Paraguay s, Azara, Voyages etc. Tom. II, p. 105. 58 Ueber die Siamesen s. Prichard a. a. O0. Vol. IV, p. 533. Ueber die Japanesen: Veitch, in: Gardener’s Chronicle 1860, p. 1104. In Bezug auf die Neuseeländer s. Mantegazza, Viaggi € Studi, 1867, p. 526. Wegen der an- dern oben erwähnten Nationen s. Verweisungen in: Lawrence, Lectures on Physiology, 1822, p. 272. 59 Sir J, Lubbock, Origin of Civilization. 1870, p. 321. 60 Dr. Barnard Davis eitirt Prichard und Andere wegen dieser That- sachen von den Polynesiern in: Anthropological Review, April 1870, p. 185, 191. Cap. 19. Schönheit. 307 schen in ihrem Geschmacke für’s Schöne verschieden sind. In jeder Nation, die weit genug vorgeschritten war, sich Bildnisse ihrer Götter oder ihrer vergötterten Herrscher zu machen, versuchten ohne Zweifel die Bildhauer ihr Ideal von Schönheit und Grossartigkeit in diesen Bild- werken auszudrücken °1. Von diesem Gesichtspunkte aus verdienen die griechischen Statuen des Jupiter oder Apollo mit den ägyptischen oder assyrischen Statuen im Geiste verglichen zu werden, und diese wieder- um mit den hässlichen Basreliefs der zerstörten Bauten von Central- Amerika. Ich bin sehr wenigen Angaben begegnet, welche der eben erwähn- ten Schlussfolgerung entgegenstehen; indessen ist Mr. Wınwoop READE, „welcher reichlich Gelegenheit zur Beobachtung nicht nur in Bezug auf die Neger der Westküste von Afrika, sondern auch in Bezug auf die des Innern hatte, welche niemals mit Europäern in Verbindung waren, überzeugt, dass ihre Ideen von Schönheit im Ganzen dieselben sind wie unsere. Er hat wiederholt gefunden, das er mit Negern in der Werthschätzung der Schönheit der eingeborenen Mädchen übereinstimmte und dass ihre Würdigung der Schönheit europäischer Frauen der un- seren entsprechend war. Sie bewundern langes Haar und brauchen künstliche Mittel, es sehr reich erscheinen zu lassen. Sie bewundern auch einen Bart, obschon sie selbst spärlich damit versehen sind. Mr. READE ist im Zweifel, welche Art von Nasen am meisten geschätzt werde. Man hat ein Mädchen sagen hören, ich mag Den nicht hei- rathen, er hat keine Nase, und dies beweist, dass eine sehr platte Nase kein Gegenstand der Bewunderung ist. Wir müssen uns indessen er- innern, dass die plattgedrückten und sehr breiten Nasen und vorsprin- genden Kinnladen der Neger der Westküste ausnahmsweise Typen unter den Einwohnern von Afrika sind. Trotz der vorstehenden Angaben hält es Mr. Reape nicht für wahrscheinlich, dass die Neger jemals „die „schönste europäische Frau nur auf Grund der blossen physischen Be- „wunderung einer gut aussehenden Negerin vorziehen würden“ 6*, 61 Ch. Comte gibt Bemerkungen in diesem Sinne in seinem Trait& de Le£- gislation, 3. edit. 1867, p. 136. 62 Wie mir ein Missionär mitgetheilt hat, welcher lange Zeit unter den Feuer- ländern gelebt hat, betraehten dieselben europäische Frauen als ausserordentlich schön; nach dem aber, was wir von dem Urtheil der andern Eingeborenen von Amerika gesehen haben, kann ich nur glauben, dass dies ein Irrthum ist, wenn sich nicht geradezu diese Angaben auf Feuerländer beziehen, welche einige Zeit unter Europäern gelebt haben und uns für höhere Wesen halten müssen. Ich 20 * 308 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. IT. Theil. Die Wahrheit des schon vor längerer Zeit von Humgorpr ®% be- tonten Grundsatzes, dass der Mensch die Charactere bewundert und häufig zu übertreiben sucht, welche die Natur ihm nur immer gegeben haben mag, zeigt sich auf vielerlei Weise. Der Gebrauch bartloser. Rassen, jede Spur eines Bartes zu entfernen, ebenso wie allgemein die Haare am Körper, bietet eine Erläuterung dazu dar. Der Schädel ist während alter und neuerer Zeiten von vielen Nationen bedeutend modi- ficirt worden und es lässt sich wenig zweifeln, dass dies besonders in Nord- und Südamerika zu dem Zwecke ausgeübt wurde, um irgend eine natürliche und bewunderte Eigenthümlichkeit zu übertreiben. Viele amerikanische Indianer bewundern bekanntlich einen Kopf, der zu einem solchen extremen Grade abgeplattet ist, dass er uns wie der eines Idio-. ten erscheint. Die Eingeborenen der Nordwestküste drücken ihren Kopf in die Form eines zugespitzten Kegels zusammen und es ist beständi- ger Gebrauch bei ihnen, das Haar in einen Knoten auf der Spitze ihres Kopfes zusammenzufassen zum Zwecke, wie Dr. Wırson bemerkt, „die „scheinbare Erhebung der beliebten conischen Form noch zu erhöhen.* Die Einwohner von Arakhan „bewundern eine breite glatte Stirn, und „um diese hervorzubringen befestigen sie eine Bleiplatte an den Köpfen „ihrer neugeborenen -Kinder“. Andererseits „wird ein breites, gut ge- „rundetes Hinterhaupt von den Eingeborenen der Fiji-Inseln für eine „grosse Schönheit gehalten“ ®. Wie für den Schädel so gilt dasselbe auch für die Nase. Die alten Hunnen waren während des Zeitalters des Attila gewöhnt die Nasen ihrer Kinder mit Bandagen abzuplatten, „zum Zwecke der Uebertreibung „einer natürlichen Bildung.“ Bei den Tahiti-Insulanern wird die Be- nennung „Langnase“ für eine Insulte gehalten, und sie comprimiren die Nasen und Stirnen ihrer Kinder zum Zwecke der Schönheit. Das- selbe ist der Fall bei den Malayen von Sumatra, den Hottentotten, ge- muss noch hinzufügen, dass ein äusserst erfahrener Beobachter, Capt. Burton, der Ansicht ist, dass eine Frau, welche wir für schön halten, auf der ganzen Welt bewundert wird: Anthropological Review, March, 1864, p. 245. 63 Personal Narrative, Vol. IV, p. 518 u. and. O. Mantegazza hebt in seinen Viaggi e Studi, 1867, denselben Grundsatz nachdrücklich hervor. 6:2 Ueber die Schädel der amerikanischen Stämme s. Nott and Gliddon, Types of Mankind, 1854, p. 440; Prichard, Phys. Hist.‘of Mankind, Vol. 1. 3. edit., p. 321; über die Eingeborenen von Arakhan, ebenda, Vol. IV, p. 537; Wilson, Physical Ethnology, in Smithsonian Institution, 1863, p. 288; über die Fiji-Insulaner, p. 290. Sir J. Lubbock (Prehistorie Times, 2 edit., 1869, p. 506) gibt ein ausgezeichnetes Resum& über diesen Gegenstand. Cap. 19. Schönheit. 309 wissen Negern und den Eingeborenen von Brasilien 6%. Die Chinesen haben von Natur ungewöhnlich kleine Füsse‘%; und es ist wohlbekannt, dass die Frauen der oberen Classen ihre Füsse verdrehen, um sie noch kleiner zu machen. Endlich glaubt Humponvr, dass die amerikanischen Indianer deshalb ihre Körper mit rother Farbe .so gern anstreichen, um ihre natürliche Farbe zu übertreiben, und noch bis in die neueste Zeit erhöhten europäische Frauen ihre natürlichen hellen Farbeu durch rothe und weisse Schminke. Ich zweifle aber daran, dass viele barbari- sche Nationen irgend derartige Absichten hatten, als sie sich bemalten. Bei den Moden unserer eigenen Kleidung sehen wir genau dasselbe Prineip und denselben Wunsch, jeden Punkt bis zum Extrem zu führen; auch zeigt sich hier derselbe Geist des Ehrgeizes. Es sind aber die Moden der Wilden viel beständiger als unsere; und wo nur immer ihre Körper künstlich modifieirt werden, ist dies nothwendigerweise der Fall. Die arabischen Frauen des oberen Nils brauchen ungefähr drei Tage dazu, ihr Haar zu ordnen. Sie ahmen niemals andern Stämmen nach, „sondern wetteifern nur unter einander in der höchsten Entwickelung „Ihres eigenen Stils“. Dr. Wırson spricht von den zusammengedrück- ten Schädeln verschiedener amerikanischer Rassen und fügt hinzn: „der- „artige Gebräuche gehören- zu den am wenigsten zu beseitigenden und „überleben um lange Zeit den Anprall der Revolutionen, welche Dyna- „stien wechseln und bedeutungsvollere Nationaleigenthümlichkeiten be- „seitigen* °*. Dasselbe Princip kommt auch bei der Kunst der Zucht- wahl bedeutend in’s Spiel; und wir können hiernach, wie ich an einer anderen Stelle erklärt habe °°, die wunderbare Entwickelung aller der Rassen von Thieren und Pflanzen verstehen, welche bloss zum Schmucke gehalten werden. Züchter wünschen immer einen jeden Character etwas vergrössert zu haben, sie bewundern keinen mittleren: Maassstab; sicher- lich wünschen sie keinen grossen und plötzlichen Wechsel in dem Cha- 65 Ueber die Hunnen s. Godron, Del’Espece, Tom. I. 1859, p. 3500. Ueber die Eingeborenen von Tahiti s. Waitz, Anthropolog. Vol. I, p. 305. Marsden, eitirt von Prichard, Physic. Hist. of Mankind, 3. edit. Vol. V, p. 67, Law- rence, Lectures on Aloe) 1 a X Da 66 Diese Thatsache wurde auf der Keise der Novara festgestellt, s. Anthro- pologischer Theil, Dr. Weisbach, 1867, p. 265. 67 Smithsonian Institution, 1863, p. 289. Ueber die Moden der arabischen Frauen s. Sir S. Baker, The Nile Tributaries, 1867, p. 121. 6% Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 1, 8. 2655 Bd. 2, 8.318. 310 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. ll. Theil. racter ihrer Rassen; sie bewundern, was sie zu sehen gewöhnt sind; aber sie wünschen eifrigst, jeden characteristischen Zug etwas mehr entwickelt zu sehen. Ohne Zweifel ist das Wahrnehmungsvermögen des Menschen und der niederen Thiere so constituirt, dass brillante Farben und gewisse Formen ebenso wie harmonische und rhythmische Laute Vergnügen ge- währen und schön genannt werden; warum dies aber so sein muss, wissen wir nicht mehr, als warum gewisse körperliche Empfindungen angenehm und andere unangenehm sind. Es ist gewiss nicht wahr, dass es im Geiste des Menschen irgend einen allgemeinen Maassstab der Schönheit in Bezug auf den menschlichen Körper gibt. Indessen ist es möglich, dass ein gewisser Geschmack im Laufe der Zeit vererbt worden ist, obschon ich keinen Beweis zu Gunsten dieser Annahme kenne; und wenn dies der Fall ist, so würde jede Rasse ihren eigenen eingeborenen idealen Maassstab der Schönheit besitzen. Es ist behauptet . worden 6°, dass Hässlichkeit in einer Annäherung an die Bildung der niederen Thiere bestehe, nnd dies ist ohne Zweifel für eivilisirtere Na- tionen wahr, bei welchen der Intellect hoch geschätzt wird; aber eine zweimal so hervorragende Nase oder zweimal so grosse Augen wie ge- wöhnlich würden keine Annäherungen im Baue an irgend eines der niederen Thiere sein; und doch wäre dies äusserst hässlich. Die Men- schen einer jeden Rasse ziehen das vor, was sie zu sehen gewohnt sind, sie können keine Veränderung ertragen, aber sie lieben Abwechselung und bewundern es, wenn ein characteristischer Punkt bis zu einem mäs- sigen Extrem geführt wird 7°. Menschen, welche an ein nahezu ovales Gesicht, an einfache und regelmässige Züge und helle Farben gewöhnt sind, bewundern, wie wir Europäer es wissen, diese Punkte, wenn sie stark entwickelt sind. Auf der anderen Seite bewundern Menschen, welche an ein breites Gesicht mit hohen Wangenknochen, eine abge- plattete Nase und eine schwarze Haut gewöhnt sind, diese Punkte in hoher Entwickelung. Ohne Zweifel können Charactere aller Arten leicht zu stark entwickelt werden um schön zu sein. Es wird daher eine vollkommene Schönheit, welche viele Charactere in besonderer Art und Weise modificirt in sich fasst, in jeder Rasse ein Wunder sein. 69 Schaaffhausen, Archiv für Anthropologie, 1866, S. 164. 7° Mr..Bain hat (Mental and Moral Science, 1868, p. 304 — 314) ungefähr ein Dutzend mehr oder weniger verschiedener Theorien der Idee der Schönheit gesammelt; aber keine stimmt völlig mit der hier gegebenen überein. Cap. 19.' Schönheit. 341 Wie der grosse Anatom BıcHnar vor längerer Zeit schon sagte: wenn ein Jeder nach derselben Form gegossen wäre, so würde es keine Schön- heit geben. Wenn alle unsere Frauen so schön wie- die Venus von Medici wären, so würden wir eine Zeitlang bezaubert sein; wir würden aber sehr bald Abwechselung wünschen; und sobald wir eine Abwech- selung erlangt hätten, würden wir gewisse Charactere bei unseren Frauen etwas über den nun existirenden gewöhnlichen Maassstab hin- ausragend zu sehen wünschen. Zwanzigstes Capitel. Secundäre Sexualcharactere des Menschen. (Fortsetzung.) Ueber die Wirkungen der fortgesetzten Wahl von Frauen nach einem verschie- denen Maassstabe der Schönheit in jeder Rasse. — Ueber die Ursachen, welche die geschlechtliche Zuchtwahl bei civilisirten und wilden Rassen stö- ren. — Der geschlechtlichen Zuchtwahl günstige Bedingungen in Urzeiten- — Ueber die Art der Wirkung der geschlechtlichen Zuchtwahl beim Men- schengeschlecht. — Ueber den Umstand, dass die Frauen wilder Stämme in etwas die Fähigkeit haben, sich Gatten zu wählen. — Fehlen des Haars am Körper und Entwickelung des Bartes. — Farbe der Haut. — Zusammen- fassung. Wir haben im letzten Capitel gesehen, dass bei allen barbarischen Rassen Zierathen, Kleidung und äussere Erscheinung in hohem Werthe stehen und dass die Männer über die Schöuheit ihrer Frauen nach sehr verschiedenen Maassstäben urtheilen. Wir müssen nun zunächst unter- suchen, ob dieses Vorziehen und die darauf folgende Wahl derjenigen Frauen, welche den Männern einer jeden Rasse als die anziehendsten er- schienen, während vieler Generationen, entweder den Character allein der Frauen oder beider Geschlechter verändert haben. Bei Säugethieren scheint die allgemeine Regel die zu sein, dass Charactere aller Arten gleichmässig von den Männchen und Weibchen geerbt werden; wir könnten daher erwarten, dass beim Menschen alle durch geschlechtliche Zuchtwahl von den Frauen erlangten Charactere gewöhnlich den Nach- kommen beider Geschlechter überliefert werden würden. Wenn irgend eine Veränderung hierdurch bewirkt worden ist, so ist es beinahe ge- wiss, dass die verschiedenen Rassen verschieden modifieirt sein werden, da jede ihren eigenen Maassstab der Schönheit hat. Beim Menschen, besonders bei Wilden, stören viele Ursachen’ die Thätigkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl, soweit der Körperbau in Betracht kommt. Civilisirte Männer werden in hohem Grade durch die geistigen Reize der Frauen angezogen, ebenso durch ihren Wohlstand und besonders durch ihre sociale Stellung; denn die Männer heirathen Cap. 20. Wirkung der Wahl von Frauen. 313 selten in einen viel tieferen Lebensrang. Die Männer, welche im Ge- winnen der schöneren Frauen erfolgreich sind, werden keine grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben, eine längere Descendenzreihe zu hinterlassen als Männer mit einfacheren Weibern, ausgenommen die wenigen, welche ihr Vermögen nach den Gesetzen der Primogenitur ver- erben. In Bezug auf die entgegengesetzte Form der Auswahl, nämlich die Wahl anziehender Männer durch die Frauen, wird, obschon bei civi- lisirten Nationen die Frauen eine freie oder beinahe freie Wahl haben, was bei barbarischen Rassen nicht der Fall ist, doch deren Wahl in hohem Grade durch die sociale Stellung und den Wohlstand der Männer beeinflusst; und der Erfolg der letzteren im Leben hängt zum grossen Theile von ihren intellectuellen Kräften und ihrer Energie oder von den Resultaten dieser selben Kräfte bei ihren Vorfahren ab. Es ..ist indessen Grund zu glauben vorhanden, dass geschlechtliche Zuchtwahl bei gewissen eivilisirten oder halbeivilisirten Nationen doch eine Wirkung geäussert hat. Viele Personen sind, und wie mir’s scheint mit Recht, davon überzeugt, dass die Glieder unserer Aristokratie, — wobei ich unter diesem Ausdrucke alle wohlhabenden Familien mit umfasse, in welchen Primogenitur seit lange geherrscht hat, — weil sie viele Generationen hindurch aus allen Classen die schöneren Frauen zu ihren Weibern sich erwählt haben, dem europäischen Maassstabe von Schönheit zufolge schöner geworden sind als die mittleren Classen; ‚ doch sind die mittleren Classen in Bezug auf vollkommene Entwicke- lung des Körpers unter gleich günstigen Bedingungen. Cook bemerkt, dass die Superiorität in der persönlichen Erscheinung, „welche auf „allen übrigen Inseln (des stillen Oceans) bei den „Erees“ oder Ade- „ligen zu beobachten ist, auf den Sandwichsinseln allgemein gefunden „wird“. Dies mag aber hauptsächlich Folge ihrer besseren Ernährung und Lebensweise sein. Bei der Beschreibung der Perser sagt der alte Reisende Cnarvın: „ihr Blut ist jetzt durch häufige Vermischung mit den Georgiern und „Circassiern, welche beide Nationen in Bezug auf persönliche Schönheit die „ganze'Welt übertreffen, im hohen Grade veredelt. Es ist kaum ein Mann „von Rang in Persien, welcher nicht von einer georgisehen oder circas- „sischen Mutter geboren wäre.“ Er fügt hinzu, dass sie ihre Schönheit erben, „indess nicht von ihren Vorfahren, denn ohne die erwähnte Ver- „mischung würden die Leute von hang in Persien, welche Nachkom- 314 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. „men der Tartaren sind, äusserst hässlich sein“. ! Das Folgende ist ein noch merkwürdigerer Fall. Die Priesterinnen, welche den Tempel der Venus Eryeina in San-Giuliano in Sieilien bedienten, wurden wegen ihrer Schönheit aus ganz Griechenland ausgewählt. Sie waren keine vestalischen Jungfrauen und QUATREFAGES ?, welcher diese Angabe macht, bemerkt, dass die Frauen von San-Giuliano noch heutigen Tages als die schönsten auf der ganzen Insel berühmt sind und von Künstlern als Modelle gesucht werden. Offenbar sind die Beweise in den eben er- wähnten Fällen aber zweifelhaft. Obgleich sich der folgende Fall auf Wilde bezieht, so ist er doch seiner Merkwürdigkeit wegen der Erwähnung werth. Mr. Wınwoon Reape theilt mir mit, dass die Jollofs, ein Negerstamm an der West- küste von Afrika, „wegen ihrer gleichförmigen schönen Erscheinung „merkwürdig sind.“ Einer seiner Freunde fragte einen dieser Leute: „Woher kommt es, dass ein Jeder, dem ich hier begegne, so schön „aussieht, nicht bloss Eure Männer sondern auch Eure Frauen?“ Der Jollof antwortete: „Das ist sehr leicht zu erklären: es ist stets unser „Gebrauch gewesen, unsere schlecht aussehenden Selaven auszusuchen „und zu verkaufen.“ Es braucht kaum hinzugefügt zu werden, dass bei allen Wilden weibliche Sclaven als Coneubinen dienen. Dass dieser Neger entweder mit Recht oder mit Unrecht das schöne Aussehen des Stammes der lange fortgesetzten Beseitigung der hässlichen Frauen zu- geschrieben, ist nicht so überraschend, als es auf den ersten Blick er- scheinen dürfte; denn ich habe an einer anderen Stelle gezeigt ?, dass Neger die Bedeutung der Zuchtwahl bei der Zucht der domesticirten Thiere vollkommen würdigen und ich könnte nach Mr. REApE weitere Belege über diesen Punkt anführen. Ueber die Ursachen, welche die Wirkung geschlecht- licher Zuchtwahl bei Wilden hindern oder hemmen. - j hauptsächlichsten Ursachen sind, erstens, sogenannte communale Ehen oder allgemeine Vermischung; zweitens Kindesmord, besonders \ Diese Citate sind aus Lawrence, Lectures on Physiology ete. 1822, p. 393, entnommen, welcher die Schönheit der höheren Classen in England dem Um- stande zuschreibt, dass die Männer lange Zeit hindurch die schöneren Frauen BAwahlt haben. ?2 „Anthropologie“, in: Revue des Cours scientifiques. Oct. 1868, p. 721. ® Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, S. 276. Cap. 20. Die Wirkungen der Zuchtwahl hemmende Ursachen. 315 Tödtung der neugeborenen Mädchen; drittens frühe Verlobungen; und endlich die niedrige Schätzung, in welcher die Frauen als blosse Selaven gehalten werden. Diese vier Punkte müssen mit einigem Detail be- trachtet werden. So lange das Paaren des Menschen oder irgend eines anderen Thie- res dem Zufalle überlassen ist, ohne dass von einem der beiden Ge- schlechter eine Wahl ausgeübt würde, kann offenbar keine geschlecht- liche Zuchtwahl vorkommen; und es wird auf die Nachkommen keine Wirkung dadurch hervorgebracht werden, dass gewisse Individuen über andere bei ihrer Bewerbung einen Vortheil haben. Nun wird behauptet, dass heutigen Tages noch Stämme existiren, bei welchen das besteht, was Sir J. LupBock aus Höflichkeit communale Ehen nennt, d. h. alle Männer und Frauen in dem Stamme sind Ehegatten unter einander. Die Ausschweifung vieler Wilden ist ohne Zweifel erstaunlich gross; es scheint mir aber doch, als wären noch weitere Beweise nöthig, ehe wir vollständig annehmen können, dass die vorkommende Vermischung wirk- lich absolut allgemein ist. Nichts destoweniger glauben all& diejenigen, welche den Gegenstand eingehend studirt haben *, und deren Urtheil viel mehr werth ist als das meinige, dass communale Ehen die ur- sprüngliche und allgemeine Form auf der ganzen Erde war, mit Ein- schluss der Heirathen zwischen Brüdern und Schwestern. Die indirec- ten Beweise zu Gunsten dieser Annahme sind äusserst mächtig und be- ruhen hauptsächlich auf Bezeichnungen der Verwandtschaftsgrade, welche zwischen den Gliedern eines und des nämlichen Stammes angewendet werden und welche einen Zusammenhang nur mit dem Stamme und nicht mit einem der beiden Eltern enthalten. Der Gegenstand ist aber zu weitläufig und complicirt, um hier auch nur einen Auszug davon geben zu können. Ich werde mich daher auf wenige Bemerkungen be- p- 60—67. Mr. M’Lennan spricht in seinem äusserst werthvollen Werke über „Primitive Marriage‘ 1865, p. 165, von der Verbindung der Geschlechter „in den „frühesten Zeiten als locker, vorübergehend und in einem gewissen Grade all- „gemein“. Mr. M’Lennan und Sir J. Lubbock haben viele Belege über die ausserordentliche Ausschweifung der Wilden der Jetztzeit gesammelt. Mr. L. H. Morgan kommt in seiner interessanten Abhandlung über das classificatori- sche System der Verwandtschaften (Proceed. Amer. Acad. of Sciences, Vol. VII. Febr. 1868, p. 475) zu dem Schlusse, dass Polygamie und alle Formen der Hei- rath während der Urzeiten unbekannt waren. Nach Sir J. Lubbock’s Werk scheint es auch, als ob Bachofen gleichfalls der Ansicht wäre, dass ursprüng- lich communale Ehen geherrscht haben. 316 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. _ II. Theil. schränken. Offenbar ist bei communalen Ehen oder wo das Band der Ehe ein sehr lockeres ist, die verwandtschaftliche Beziehung des Kindes zu seinem Vater nicht bekannt. Es scheint aber beinahe unglaublich zu sein, dass die Verwandschaft des Kindes mit seiner Mutter jemals vollständig ignorirt worden sein sollte, besonders da die Frauen bei den meisten wilden Stämmen ihre Kinder eine lange Zeit hindurch stillen. Demzufolge werden in vielen Fällen die Descendenzenreihen nur durch die Mutter mit Ausschluss des Vaters zurückverfolgt. Aber in vielen anderen Fällen drücken die zur Verwendung kommenden Be- zeichnugen nur einen Zusammenhang mit dem Stamme, selbst mit Ausschluss der Mutter, aus. Es scheint wohl möglich, dass der /usammenhang zwischen den unter einander verwandten Gliedern eines und desselben barbarischen Stammes, welche allen Arten von Gefahren ausgesetzt sind, wegen der Nothwendigkeit gegenseitigen Schutzes und gegenseitiger Hülfe so viel bedeutungsvoller ist, als der zwischen der Mutter und ihrem Kinde, dass er zu dem alleinigen Gebrauche von Ausdrücken geführt hat, welche die erstgenannten verwandtschaftlichen Beziehungen enthalten; aber Mr. MorGan ist überzeugt, dass diese An- sicht von der Sache durchaus nicht genügend ist. Die in verschiedenen Theilen der Erde zur Bezeichnung des Ver- wandtschaftsgrades benutzten Ausdrücke können nach dem eben ange- führten Schriftsteller in zwei grosse Classen eingetheilt werden, die classificatorische und die beschreibende, — die letztere wird von uns angewendet. Es ist nun das classificatorische System, welches sehr nachdrücklich zu der Annahme führt, dass communale und andere äus- serst lockere Formen von Ehen ursprünglich allgemein waren. So weit ich aber sehen kann, liegt von diesem Grunde aus keine Noth- wendigkeit vor, an eine absolut allgemeine Vermengung zu glauben ; und ich freue mich zu sehen, dass dies auch Sir J. LusBock’s An- sicht ist. Männer und Frauen können, wie viele der niederen Thiere, früher feste, wenn auch nur zeitweise Verbindungen für eine jede Ge- burt eingegangen sein, und in diesem Falle wird nahezu ‘so viel Verwirrung in den Ausdrücken der Verwandtschaftsgrade eingetreten sein, wie in dem Falle einer ganz allgemeinen Vermischung. Soweit geschlechtliche Zuchtwahl in Betracht kommt, ist Alles was verlangt wird, dass eme Wahl ausgeübt wird, ehe sich die Eltern mit einander verbinden, und es ist von geringer Bedeutung, ob die Verbindungen für's ganze Leben oder nur für ein Jahr bestehen. Cap. 20. Die Wirkungen der Zuchtwahl hemmende Ursachen, 317 Ausser den von den Bezeichnungen der Verwandtschaftsgrade her- genommenen Belegen weisen noch andere Ueberlegungen auf das früher verbreitete Vorherrschen commuwnaler Ehen hin. Sir J. LuBBock er- klärt ? in geistvoller Weise die fremdartige und weitverbreitete Ge- wohnheit der Exogamie, — d. h. die Form von Heirathen, wo die Män- ner eines Stammes sich immer Frauen aus einem verschiedenen Stamme nehmen, — durch den Communismus, welcher die ursprüngliche Form der Ehe gewesen ist, so dass ein Mann niemals, ein Weib für sich erlangte, wenn er es nicht von einem benachbarten und feindlichen Stamme für sich zur Gefangenen machte; denn dann wird dasselbe na- türlich sein eigenes und werthvolles Besitzthum geworden sein. Hier- durch kann der Gebrauch Frauen zu fangen entstanden und wegen der dadurch erlangten Ehre kann es schliesslich die allgemeine Gewohnheit geworden sen. Wir können hiernach auch Sir J. LugBock zufolge die Nothwendigkeit einsehen, warum für die Heirath als eine „Beeinträch- „tigung der Rechte des Stammes eine Entschädigung oder Sühne ein- „treten musste, da den alten Ideen entsprechend ein Mann kein Recht „hatte, das sich selbst anzueignen, was dem ganzen Stamme gehörte. * Sir J. LugBock theilt ferner eine äusserst merkwürdige Menge von That- sachen mit, welche zeigen, dass in alten Zeiten den Frauen, welche äusserst ausschweifend waren, grosse Ehre erwiesen wurde; und dies ist, wie er erklärt, zu verstehen , wenn wir annehmen, dass allgemeine Ver- mischung der ursprüngliche und daher lange in Ansehen stehende Ge- brauch des Stammes war 6, Obgleich die Art und Weise der Entwiekeluug des ehelichen Bandes ein dunkler Gegenstand ist, wie wir nach den über mehrere Punkte aus- einandergehenden Ansichten der drei Schriftsteller, welche ihn am sorg- fältigsten studirt haben, nämlich Mr. Morscan, M’Lennan und Sir J. LuBBock, schliessen können, so scheint es doch nach den vorstehen- den und mehreren anderen Reihen von Beweisen sicher zu sein, dass der Gebrauch der Ehe erst allmählich entwiekelt worden ist und dass eine beinahe allgemeine Vermischung einmal äusserst verbreitet auf der ganzen Erde war. Nichtsdestoweniger kann ich nach der Analogie der niederen Thiere und noch besonders derjenigen, welche dem Men- 5 Address to British Association „On the Social and Religions Condition of the Lower Races of Man“, 1870, p. 20. 6 Origin of Civilization, 1870, p. 86. In“den verschiedenen oben citirten Werken wird man reichliche Belege über die Verwandtschaft nur mit den Frauen oder allein mit dem Stamme finden. 318 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. schen in der Thierreihe am nächsten kommen, doch nicht glauben, dass diese Gewohnheit in einer äusserst entfernt zurückliegenden Periode geherrscht hat, wo der Mensch kaum seinen jetzigen Rang in der zoo- logischen Stufenreihe erlangt hatte. Der Mensch ist, wie ich zu zeigen versucht habe, sicher von irgend einem affenähnlichen Wesen abgestammt. Bei den jetzt existirenden Quadrumanen sind, soweit ihre Lebensgewohn- heiten bekannt sind, die Männchen einiger Species monogam, leben aber nur während eines Theiles des Jahres mit den Weibchen, wie. es beim Orang der Fall zu sein scheint. Mehrere Arten, wie einige der in- dischen und amerikanischen Affen sind im strengen Sinne monogam und leben das ganze Jahr hindurch in Gesellschaft ihrer Weiber. Andere sind polygam, wie der Gorilla und mehrere südamerikanische Species, und jede Familie lebt getrennt für sich. Selbst wenn dies eintritt sind die, einen und den nämlichen Distriet bewohnenden Familien wahr- scheinlich in einer gewissen Ausdehnung social: so trifft man beispiels- weise den Schimpanse gelegentlich in grossen Truppen. Ferner sind andere Species polygam, aber mehrere Männchen, und zwar jedes mit seinen eigenen Weibchen, leben zu einer Truppe vereinigt, wie bei meh- reren Species von Pavianen ?. Wir können in der That, nach Dem was wir von der Eifersucht aller männlichen Säugethiere wissen, von denen viele mit speciellen Waffen zum Kämpfen mit ihren Nebenbuhlern bewaffnet sind, schliessen, dass allgemeine Vermischung der Geschlechter im Naturzustande äusserst unwahrscheinlich ist. Das Paaren mag nicht zeitlebens währen, sondern nur für jede Geburt; wenn indessen die Männchen, welche die stärksten und am besten befähigten sind, ihre Weib- chen und jungen Nachkommen zu vertheidigen oder ihnen auf andere Weise zu helfen, die anziehenderen Weibchen zu wählen hätten, so würde das für die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl genügen. Wenn wir daher im Strome der Zeit weit genug zurückblicken, so ist es äusserst unwahrscheinlich, dass die ursprünglichen Männer und Frauen vollständig vermischt durch einander lebten. Nach den socialen Gewohnheiten des Menschen, wie er jetzt existirt, und nach dem Umstande zu schliessen, dass die meisten Wilden polygam leben, ist die wahrscheinlichste Ansicht die, dass der Mensch ursprünglich in ” Brehm (Illustrirtes Thierleben. Bd. 1, S. 77) sagt, Oynocephalus hama- dryas lebe in grossen Truppen, welehe zweimal so viele erwachsene Weibchen als erwachsene Männchen enthalten. s. Rengger, über amerikanische polygame Species, und Owen (Anatomy of Vertebrates, Vol. III, p. 746) über amerikani- sche monogame Arten. Andere Citate könnten noch beigebracht werden. Cap. 20. Die Wirkungen der Zuchtwahl hemmende Ursachen. 319 kleinen Gesellschaften lebte, Jeder mit so vielen Frauen, als er unter- halten und erlangen konnte, welche er eifersüchtig gegen alle anderen Männer vertheidigt haben wird. Oder er kann mit mehreren Frauen für sich allein gelebt haben, wie der Gorilla; denn „alle Eingeborenen „stimmen darin überein, dass nur ein erwachsenes Männchen in einer „Gruppe zu sehen ist. Wächst das junge Männchen heran, so findet „ein Kampf um die Herrschaft statt und der Stärkste setzt sich dann, „indem er die Anderen getödtet oder fortgetrieben hat, als Oberhaupt „der Gesellschaft fest“.® Die jüngeren Männchen, welche hierdurch ausgestossen sind und nun umherwandern, werden auch, wenn sie zu- letzt beim Finden einer Gattin erfolgreich sind, die zu enge Inzucht innerhalb der Glieder einer und derselben Familie verhüten. Obeleich Wilde jetzt äusserst ausschweifend sind und obschon communale Ehen in hohem Grade geherrscht haben mögen, so besteht doch bei vielen Stämmen irgend eine Form von Ehe, freilich von einer viel 1lo- ckerern Natur als bei eivilsirten Nationen. Wie eben angeführt wurde, sind die anführenden Männer in jedem Stamme beinahe allgemein der Polygamie ergeben. Nichtsdestoweniger gibt es Stämme, welche bei- nahe am unteren Ende der ganzen Stufenreihe stehen, welche streng monogam leben. Dies ist der Fall mit den Veddahs von Ceylon. Sie haben der Angabe von Sir J. LuBBock zufolge * ein Sprüchwort, „dass „nur der Tod Mann und Frau von einander trennen kann.“ Ein intel- ligenter ceyloneser Häuptling, natürlich ein Polygamist, „war voll- „ständig entsetzt über die complete Barbarei, nur mit einer Frau zu „leben und nie von ihr sich zu trennen als im Tode.“ Das wäre, sagte er, „gerade wie bei den Wanderoo-Affen“. Ob die Wilden, welche jetzt irgend eine Form von Ehe, entweder polygame oder monogame, eingehen, diesen Gebrauch von Urzeiten her beibehalten haben, oder ob sie zu einer Form von Ehe zurückgekehrt sind, nachdem sie einen Zustand völlig allgemeiner Vermischung durchlaufen haben, möchte ich auch nicht zu vermuthen wagen. Kindesmord. — Dieser Gebrauch ist jetzt auf der ganzen Erde sehr häufig und es ist Grund zu glauben vorhanden, dass er während früherer Zeiten eine noch ausgedehntere Verbreitung hatte !%. Die Bar- 8 Dr. Savage, in: Boston Journal of Natur. Hist. Vol. V. 1845—47, p- 423. % Prehistoric Times 1869, p. 424. 1° Mr. M’Lennan, Primitive Marriage, 1865. s. besonders über Exogamie und Kindesmord, p. 130, 158, 165. 320 i Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. IT. Theil. baren finden es schwierig, sich selbst und ihre Kinder zu erhalten, und da ist es denn ein einfacher Plan die Kinder zu tödten. In Südamerika zerstörten manche Stämme, wie Azarı anführt, so viele Kinder bei- derlei Geschlechtes, dass sie auf dem Punkte waren auszusterben. Auf den polynesischen Inseln hat man Frauen gekannt, welche von vier oder fünf bis selbst zu zehn ihrer Kinder getödtet haben, und Eruıs konnte nicht eine einzige Frau finden, welche nicht wenigstens ein Kind getödtet hatte. Wo nur immer Kindesmord herrscht, wird der Kampf um die Existenz deshalb weniger heftig sein und alle Glieder des Stammes werden eine gleich gute Chance haben, ihre wenigen über- lebenden Kinder aufzuziehen. In den meisten Fällen wird eine grössere Anzahl weiblicher als männlicher Kinder zerstört, denn offenbar sind die letzteren für den Stamm von dem grössten Werthe, da sie, wenn sie erwachsen sind, die Vertheidigung unterstützen und sich selbst un- terhalten können. Aber die von den Frauen empfundene Mühe beim Aufziehen der Kinder, der damit in Verbindung stehende Verlust ihrer Schönheit, der höhere Werth und das glücklichere Geschick der Frauen, wenn sie wenig an Zahl sind, werden von den Frauen selbst und von verschiedenen Beobachtern als weitere Motive für den Kindesmord an- geführt. In Australien, wo das Tödten weiblicher Kinder noch häufig ist, schätzte Sir G. Grey das Verhältniss eingeborener Frauen zu Män- nern auf eins zu drei; Andere aber bestimmten es auf zwei zu drei. In einem Dorfe an der östlichen Grenze von Indien fand Oberst Mac- CULLOCH nicht ein einziges Mädchen ". Wenn in Folge des Tödtens der Mädchen die Frauen eines Stam- mes an Zahl nur wenig sind, so wird die Gewohnheit, sich Frauen aus benachbarten Stämmen einzufangen, von selbst eintreten. Sir J. Lup- BOCK indessen schreibt, wie wir gesehen haben, diesen Gebrauch zum grössten Theile der früheren Existenz communaler Ehen und dem da- von abhängendem Umstande zu, dass sich die Männer aus anderen Stämmen Frauen gefangen haben, um sie als ihr alleiniges Besitzthum für sich zu behalten. Es können noch weitere Ursachen hierfür ange- führt werden, so, dass die Gesellschaften sehr klein waren, in welchem Falle die heirathsfähigen Frauen häufig gefehlt haben werden. _ Dass . !t Gerland (Ueber das Aussterben der Naturvölker, 1868) hat viele Mit- theilungen über Kindesmord gesammelt, s. besonders S. 27, 5l, 54. Azara (Voyages etc. Tom. I, p. 94, 116) geht ausführlich in die Motive ein. s. auch M’Lennan, a. a. O. p. 139, in Bezug auf die Fälle in Indien. Cap. 20. Die Wirkungen der Zuchtwahl hemmende Ursachen. EUR | » \ der Gebrauch des Raubens von Frauen während früherer Zeiten in srösster Ausdehnung befolgt wurde und selbst bei den Vorfahren civi- lisirter Nationen, zeigt sich deutlich durch das Beibehalten vieler merk- würdiger Gebräuche und Ceremonien, von welchen Mr. M’LEnnAan eine äusserst interessante Beschreibung gegeben hat. Bei unseren eigenen Heirathen scheint der „beste Mann“ der hauptsächlichste Gehülfe des Bräutigams beim Acte des Raubens gewesen zu sein. So lange nun die Männer gewohnheitsgemäss ihre Frauen durch Gewalt und List sich verschafften, ist es nicht wahrscheinlich, dass sie sich die anziehenderen Frauen gewählt haben werden; sie werden nur zu froh gewesen sein, überhaupt irgend ein Weib zu fangen. Sobald aber der Gebrauch, sich Frauen von einem verschiedenen Stamme zu verschaffen, durch Tausch bewirkt wurde, wie es jetzt an vielen Orten vorkommt, werden die an- ziehenderen Frauen allgemein gekauft worden sein. Die unablässige Kreuzung zwischen Stamm und Stamm indessen, welche jeder Form eines solchen Gebrauches nothwendig folgte, wird dahin geführt haben, alle die in einem und demselben Lande wohnenden Völker im Character nahezu gleichförmig zu halten und dies wird die Wirksamkeit der ge- schlechtlichen Zuchtwahl in der Differenzirung der Stämme bedeutend gestört haben. Die Seltenheit der Frauen, eine Folge des Tödtens weiblicher Kinder, führt auch zu einem anderen Gebrauche, nämlich der Polyandrie, welche in mehreren Theilen der Erde noch in Uebung ist und welche früher, wie M’Lennan glaubt, beinahe allgemein herrschte. Diese letztere Folgerung wird aber von Mr. Morcan und Sir J. LupBock bezweifelt !?. Wo nur immer zwei oder mehrere Männer gezwungen sind, eine Frau zu heirathen, so ist es sicher, dass alle Frauen des Stammes verhei- rathet werden, und es wird dann keine Auswahl der anziehenderen Weiber .von Seiten der Männer stattfinden. Aber unter diesen Um- ständen werden ohne Zweifel die Frauen das Vermögen der Wahl haben und werden die anziehenderen Männer vorziehen. So beschreibt z. B. Azarı, mit welcher Sorgfalt ein Guanaweib um alle Arten von Privi- legien handelt, ehe sie irgend einen oder mehrere Männer annimmt; und die Männer verwenden in Folge hiervon auch ungewöhnliche Sorg- 12 Primitive Marriage, p. 208. Sir J. Lubbock, Origin of Civilisation, p. 100. s. auch Mr. Morgana. a. O. über das frühere Herrschen der Poly- andrie. DARWIN, Abstammung II. Zweite Auflage. 21 399 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil, falt auf ihre persönliche Erscheinung !%. Die sehr hässlichen Männer werden vielleicht durchaus nicht dazu kommen ein Weib zu erlangen oder sie bekommen erst spät im Leben eine Frau; und doch werden die schöneren Männer, obschon die erfolgreichsten im Erlangen von Wei- bern, soweit wir sehen können, nicht mehr Nachkommen hinterlassen, ihre Schönheit zu erben, als die weniger schönen Ehegatten derselben Frauen. Frühe Verlobungen und Sclaverei der Frauen. — Bei vielen Wilden besteht der Gebrauch, die Frauen schon als blosse Kin- der zu verloben; und dies- wird in einer: wirksamen Weise verhüten, dass irgend ein Vorziehen von beiden Seiten in Bezug auf persönliche Er- scheinung geltend gemacht werden kann. Es wird aber nicht verhin- dern, dass die anziehenderen Frauen später von den kraftvolleren Män- nern ihren Ehegatten gestohlen oder mit Gewalt entführt werden; und dies ereignet sich häufig in Australien, Amerika und anderen Theilen der Welt. Diese selben Folgen in Bezug auf geschlechtliche Zucht- wahl werden in einer gewissen Ausdehnung eintreten, wenn die Frauen fast ausschliesslich als Selaven oder Lastthiere geschätzt werden, wie es bei den meisten Wilden der Fall ist. Indessen werden die Männer zu allen Zeiten die schönsten Selavinnen nach ihrem Massstabe von Schön- heit vorziehen. Wir sehen hiernach, dass verschiedene Gebräuche bei Wilden herr- schen, welche die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl bedeu- tend stören oder vollständig aufheben können. Auf der anderen Seite sind die Lebensbedingungen, welchen die Wilden ausgesetzt sind, und einige ihrer Gewohnheiten der natürlichen Zuchtwahl günstig; und diese kommt immer in Verbindung mit geschlechtlicher Zuchtwahl in’s Spiel. Man weiss, dass Wilde sehr heftig von wiederkehrenden Hungersnöthen zu leiden haben; sie vermehren ihre Nahrungsmengen nicht durch künst- - liche Mittel; sie enthalten sich nur selten der Verheirathung !* und heirathen allgemein jung. In Folge dessen müssen sie gelegentlich harten Käm- 13 Voyages etc. Tom. II, p. 92—95. 12 Burchell sagt (Travels in South Africa, Vol. II. 1824, p. 58), dass unter den wilden Nationen von Süd-Afrika weder Männer noch Frauen jemals im Stande des Cölibats ihr Leben hinbringen. Azara macht (Voyages dans l’Amerique mörid. Tom. II. 1809, p. 21) genau dieselbe Bemerkung in Bezug auf die wilden Indianer von Süd-Amerika. Cap. 20. Wirkungsweise der Zuchtwahl. 323 pfen um die Existenz ausgesetzt sein, und allein die begünstigten Indi- viduen werden leben bleiben. Wenn wir unseren Blick auf die Urzeiten werfen, wo die Menschen nur in zweifelhafter Weise den Rang der Menschlichkeit erlangt hatten, so werden sie, wie bereits angeführt wurde, entweder polygam oder zeitweise monogam gelebt haben. Die Vermischung der“ Geschlechter wird dann, nach der Analogie zu urtheilen, nicht ganz allgemein ge- wesen sein. Sie werden ohne Zweifel ihre Weibehen nach ihren besten Kräften gegen Feinde aller Arten vertheidigt und werden wahrschein- lich um ihre Subsistenz ebenso wie um die ihrer Nachkommen gejagt haben. Die kraftvollsten und fähigsten Männer werden im Kampfe um’s Leben und um das Erhalten anziehender Frauen den besten Erfolg gehabt haben. In dieser frühen Zeit werden die Urerzeuger des Menschen, da sie nur schwache Verstandeskräfte gehabt haben, nicht vorwärts auf in der Zukunft möglicherweise eintretende Ereignisse geblickt haben. Sie werden in jener Zeit nicht einen der stärksten von allen Instineten, welcher allen niederen Thieren gemein ist, nämlich die Liebe zu ihren jungen Nachkommen, theilweise verloren haben, und in Folge dessen werden sie Kindestödtung nicht ausgeübt haben. Es wird keine künst- lich erzeugte Seltenheit von Frauen eingetreten sein und es wird keine Polyandrie diesem Umstande gefolgt sein. Es werden keine frühen Verlobungen stattgefunden haben; Frauen werden nicht als blosse Sela- ven geschätzt worden sein. Wenn den Frauen ebenso wie den Männern gestattet wurde, irgend welche Wahl auszuüben, so werden beide Ge- schlechter sich ihren Gatten gewählt haben, und zwar nicht um geistige Reize oder grossen Besitz oder sociale Stellung, sondern beinahe einzig und allein der äusseren Erscheinung nach. Alle Erwachsenen werden sich verheirathet oder gepaart haben, und sämmtliche Nachkommen, soweit das möglich war, werden aufgezogen worden sein, so dass der Kampf um die Existenz periodisch bis zu einem extremen Grade hart gewesen sein wird. Es werden daher während dieser Urzeit alle Bedingungen für geschlechtliche Zuchtwahl viel günstiger gewesen sein als in einer späteren Periode, wo der Mensch in seinem intelleetuellen Vermögen -vorgeschritten, aber in seinen Instineten zurückgegangen war. Was für einen Einfluss daher auch geschlechtliche Zuchtwahl in Bezug auf Hervorrufung von Verschiedenheiten zwischen den Rassen des Menschen ebenso wie zwischen dem Menschen und den höheren Quadrumanen, 21% 394 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. gehabt haben mag, so wird dieser Einfluss in einer sehr weit zurück- liegenden Periode viel mächtiger gewesen sein als heutigen Tages. Ueber die Art der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl beim Menschengeschlechte. — Die geschlechtliche Zuchtwahl wird bei den Urmenschen unter den eben angeführten gün- stigen Bedingungen und bei denjenigen Wilden, welche in der Jetztzeit irgend eine eheliche Verbindung eingehen, wahrscheinlich in der folgen- den Art und Weise in Wirksamkeit getreten sein, wobei indess die letzteren je nach den mehr oder weniger ausgedehnt befolgten Gewohn- heiten der Tödtung weiblicher Neugeborener, früher Verlobungen u. s. w. diese Wirksamkeit mehr oder weniger gestört haben. Die stärksten und lebenskräftigsten Männer — diejenigen, welche am Besten ihre Familien vertheidigen und für dieselben jagen konnten, und während der späteren Zeiten die Anführer oder Häuptlinge — diejenigen, welche mit den besten Waffen versehen waren und das grösste Besitzthum hatten, wie z. B. eine grössere Zahl von Hunden oder anderen Thieren, werden beim Aufziehen einer durchschnittlich grösseren Anzahl von Nach- kommen mehr Erfolg gehabt haben als die schwächeren ärmeren und niederen Glieder der nämlichen Stämme. Es lässt sich auch daran nicht zweifeln, dass solche Männer allgemein im Stande gewesen sein werden, sich die anziehenderen Frauen zu wählen. Heutigen Tages er- reichen es die Häuptlinge nahezu jeden Stammes auf der Erde, mehr als eine Frau zu erlangen. Bis ganz neuerdings war, wie ich von Mr. MANTELL höre, beinahe jedes Mädchen auf Neuseeland, welches hübsch war oder hübsch zu werden versprach, irgend einem Häuptling „tapu“. Bei den Kaffern haben, wie Mr. ©. Hanıvıon anführt '5, „die Häuptlinge all- „gemein die Auswahl aus den Frauen in einem Umkreise von vielen „Meilen und sind äusserst bedacht darauf, ihre Privilegien fest zu hal- „ten oder bestätigt zu sehen.“ Wir haben gesehen, dass jede Rasse ihren eigenen Geschmack für Schönheit hat, und wir wissen, dass es für den Menschen natürlich ist, jeden characteristischen Punkt bei seinen domesticirten Thieren, bei seiner Kleidung, seinen Örnamenten und bei seiner persönlichen Erscheinung zu bewundern, sobald sie auch nur ein wenig über den gemeinen Maassstab hinaus geführt sind. Wenn nun die verschiedenen vorstehenden Sätze zugegeben werden, und ich 15 Anthropological Review, Jan. 1870, p. XVI. Cap. 20. Wirkungsweise der Zuchtwahl. ....395 kann nicht sehen, dass sie zweifelhaft wären, so würde es ein unerklär- licher Umstand sein, wenn die Auswahl der anziehenderen Frauen durch die kraftvolleren Männer eines jeden Stammes, welche im Mittel eine grössere Zahl von Kindern aufziehen würden, nicht nach dem Verlaufe vieler Generationen in einem gewissen Grade den Character des Stam- mes modifieirt haben würde. Wenn bei unseren domesticirten Thieren eine fremde Rasse in ein neues Land eingeführt wird, oder wenn eine eingeborene Rasse lange Zeit und sorgfältig entweder zum Nutzen oder zur Zierde beachtet wird, so findet man nach mehreren Generationen, dass sie, sobald nur die Mittel zur Vergleichung existiren, einen grösseren oder geringeren Be- trag an Veränderung erlitten hat. Dies ist eine Folge der während einer langen Reihe von Generationen fortgeübten unbewussten Zucht- wahl, d. h. der Erhaltung der am meisten gebilligten Individuen, ohne irgend einen Wunsch oder eine Erwartung eines derartigen Resultates von Seiten des Züchters. Wenn ferner zwei sorgfältige Züchter wäh- rend vieler Jahre Thiere einer und der nämliehen Familie züchten und sie nicht miteinander oder mit einem gemeinsamen Maassstabe ver- gleichen , so finden sie nach einer Zeit, dass die Thiere zur Ueber- raschung ihrer eigenen Besitzer in einem unbedeutenden Grade ver- schieden geworden sind !6%. Ein jeder Züchter hat wie von Narhustus es gut ausdrückt, den Character seines eigenen Geistes, seinen eigenen Geschmack und sein Urtheil seinen Thieren aufgedrückt. Welche Ursache könnte man nun anführen, warum ähnliche Resultate nicht der lange fortgesetzten Auswahl der am meisten bewunderten Frauen durch diejenigen Männer eines jeden Stammes folgen sollten, welche im Stande waren, eine grössere Zahl von Kindern bis zur Reife zu er- ziehen? Dies würde unbewusste Zuchtwahl sein, denn es würde eine Wirkung hervorgebracht werden unabhängig von irgend einem Wunsche oder eine Erwartung von Seiten der Männer, welche gewisse Frauen anderen vorziehen. Wenn wir annehmen, dass die Glieder eines Stammes, bei welchem eine gewisse Form der Ehe im Gebrauche war, sich über einen nicht bewohnten Continent verbreiteten, so würden sie sich bald in verschie- dene Horden theilen, welche durch verschiedene Grenzen und noch wirk- Samer durch die wunaufhörlich zwischen allen barbarichen Nationen '6 Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2, 8.-281—289, 326 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. 1I. Theil. eintretenden Kriege von einander getrennt würden. Die Horden wer- den auf diese Weise unbedeutend verschiedenen Lebensbedingungen und Gewohnheiten ausgesetzt werden und werden früher oder später dazu kommen, in einem geringen Grade von einander abzuweichen. So- bald dies einträte, würde jeder isolirte Stamm für sich selbst einen un- bedeutend verschiedenen Maassstab der Schönheit sich bilden Y”, und dann würde unbewusste Zuchtwahl dadurch in Wirksamkeit treten, dass die kraftvolleren und leitenden Glieder der wilden Stämme gewisse Weiber anderen verzögen. Hierdurch werden die Verschiedenheiten zwischen den Stämmen, die zuerst sehr unbedeutend waren, allmählich und unvermeidlich in einem immer grösseren und bedeutenderen Grade verschärft werden. au x Bei Thieren im Naturzustande sind viele Charactere, welche den Männchen eigen sind, wie Grösse, Stärke, specielle Waffen, Muth, und Kampfsucht durch das Gesetz des Kampfes erlangt worden. Die halb- menschlichen Urerzeuger des Menschen werden, wie ihre Verwandten, die Quadrumanen, beinahe sicher in dieser Weise modifieirt worden sein, und da Wilde noch immer um den Besitz ihrer Frauen kämpfen, so wird ein ähnlicher Process der Auswahl wahrscheinlich in einem grösseren oder geringeren Grade bis auf den heutigen Tag vor sich gegangen sein. Andere den Männchen der niederen Thiere eigene Charactere, wie glänzende Farben und verschiedene Ornamente, sind dadurch er- langt worden, dass die anziehenderen Männchen von den Weibchen vorgezogen worden sind. Es finden sich indessen ausnahmsweise Fälle, in denen die Männchen, statt ihrerseits gewählt worden zu sein, selbst der wählende Theil gewesen sind. Wir erkennen solche Fälle daran, dass die Weibchen in einem höheren Grade verziert worden sind als die Männchen, wobei ihre ornamentalen Charaetere ausschliesslich oder hauptsächlich auf ihre weiblichen Nachkommen überliefert worden sind. Ein derartiger Fall ist aus der Ordnung, zu welcher der Mensch ge- hört, beschrieben worden, nämlich der Rhesus-Affe. Der Mann ist an Körper und Geist’ kraftvoller als die Frau, und im wilden Zustande hält er dieselbe in einem viel unterwürfigeren Stande '* Ein geistreicher Schriftsteller hebt nach einer Vergleichung der Gemälde von Raphael, Rubens und neuen französischen Malern hervor, dass die Idee der Schönheit selbst in Europa nicht absolut dieselbe ist; s. die Lebensbeschrei- bungen von Haydn und Mozart von Bombet, engl. Uebersetz. p. 278, Cap. 20. Wirkungsweise der Zuchtwahl. 327 der Knechtschaft als es das Männchen irgend eines anderen 'Thieres thut; es ist daher nicht überraschend, dass er das Vermögen der Wahl erlangt hat. Die Frauen sind sich überall des Werthes ihrer Schön- heit bewusst, und wenn sie die Mittel haben, finden sie ein grösseres Entzücken daran, sich selbst mit allen Arten von Ormamenten zu schmücken, als es die Männer thun. Sie borgen Schmuckfedern männ- licher Vögel, mit denen die Natur dieses Geschlecht zierte, um die Weibchen zu bezaubern. Da die Frauen seit langer Zeit ihrer Schön- heit wegen gewählt worden sind, so ist es nicht überraschend, dass einige der nach einander auftretenden Abänderungen in einer beschränkten Art und Weise überliefert worden sind, dass folglich auch die Frauen, ihre Schönheit in einem etwas höheren Grade ihren weiblichen als ihren männlichen Nachkommen überliefert haben. Es sind daher die Frauen, wie die meisten Personen zugeben werden, schöner geworden als die Männer. Die Frauen überliefern indess sicher die meisten ihrer Cha- ractere, mit Einschluss der Schönheit, ihren Nachkommen beiderlei Ge- schlechts, so dass das beständige Vorziehen der anziehenderen Frauen durch die Männer einer jeden Rasse je nach ihrem Maassstabe von Geschmack dahin führen wird, alle Individuen beider Geschlechter, die zu der Rasse gehören, in eimer und derselben Weise zu modificiren. Was die andere Form geschlechtlicher Zuchtwahl betrifft (welche bei den niederen Thieren bei weitem die häufigste ist), nämlich wo das Weibchen der auswählende Theil ist und nur diejenigen Männchen an- nimmt, welche sie am meisten anregen oder entzücken, so haben wir Grund zu glauben, dass sie früher auf die Urerzeuger des Menschen gewirkt hat. Der Mann verdankt aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Bart und vielleicht einige andere Charactere der Vererbung von einem alten Urerzeuger, welcher seine Zierathen in dieser Weise erlangte. Es kann aber diese Form von Zuchtwahl gelegentlich auch während spä- terer Zeiten gewirkt haben; denn bei völlig barbarischen Stämmen sind die Frauen mehr in der Lage ihre Liebhaber zu wählen, zu verwerfen und zu versuchen, oder später ihre Ehemänner zu wechseln, als sich hätte erwarten lassen. Da dies ein Punkt von einiger Bedeutung: ist, will ich die Belege, die ich zu sammeln im Stande gewesen bin, im Detail mittheilen. HEARNE beschreibt, wie eine Frau in einem der Stämme des aretischen Amerika wiederholt ihrem Ehemanne davonlief und sich mit dem geliebten Manne verband; und bei den Charruas von Südamerika 328 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. ist, wie Azarıa anführt, die Fähigkeit der Scheidung vollkommen frei. Wenn bei den Abiponen ein Mann ein Weib sich wählt, so handelt er mit den Eltern um den Preis. Aber „es kommt häufig vor, dass das „Mädchen durch alles Das, was zwischen den Eltern und dem Bräu- „tigam abgemacht worden ist, einen Strich zieht und hartnäckig auch „nur die Erwähnung der Heirath verweigert.“ Sie läuft häufig davon, verbirgt sich und verspottet damit den Bräutigam. Auf den Fiji-Inseln ergreift der Mann die Frau, welche er sich zum Weibe wünscht, mit factischer oder vorgegebener Gewalt; aber „wenn sie die Heimstätte „ihres Entführers erreicht, so läuft sie, wenn sie die Verbindung nicht „billigen sollte, zu irgend einem, der sie schützen kann. Ist sie in- „dessen zufriedengestellt, so ist die Sache sofort abgemacht.* Im Feuer- lande erhält ein junger Mann zuerst die Zustimmung der Eltern da- durch, dass er ihnen irgend einen Dienst erweist, und dann versucht er das Mädchen fortzuführen ; „will sie aber nicht, so verbirgt sie sich „in den Wäldern, bis ihr Bewunderer von Herzen ermüdet ist, nach „ihr zu lugen, und die Verfolgung aufgibt; dies kommt aber selten „vor.“ Bei den Kalmuckeh besteht ein regelmässiger Wettlauf zwi- schen der Braut und dem Bräutigame, wobei die erstere einen gehörigen Vorsprung hat; und CLARKE „erhielt die Versicherung, es käme kein „Fall vor, dass ein Mädchen gefangen würde, wenn sie nicht für den „Verfolger etwas eingenommen wäre.* So besteht auch bei den wilden Stämmen des malayischen Archipels ein ähnlicher Wettlauf, und nach Mr. Bourıen’s Beschreibung scheint es, wie Sir J. LuBBock bemerkt, dass „der Preis des Wettlaufs nicht für den schnellsten und der des Kam- „pfes nieht für den stärksten, sondern für den jungen Mann bestimmt „ist, welcher das Glück’ hatte, der bestimmten Braut zu gefallen.“ Wenden wir uns zu Afrika. Die Kaflern kaufen ihre Frauen, und Mädchen werden von ihren Vätern heftig geschlagen, wenn sie einen auserwählten Ehegatten nicht annehmen wollen; doch geht es aus vielen von Mr. SHooTER mitgetheilten Thatsachen offenbar hervor, dass sie ziemliche Freiheit der Wahl haben. So hat man erfahren, dass sehr hässliche, wenngleich reiche Männer es nicht erlangt haben, Frauen zu bekommen. Ehe die Mädchen ihre Einstimmung zur Verlobung aus- sprechen, veranlassen sie den Mann, sich gehörig zu präsentiren, zu- erst von vorn uud dann von hinten, und „seine Gangart zu zeigen“. Es ist bekannt geworden, dass sie sich einem Manne versprochen haben und doch nicht selten mit einem begünstigten Liebhaber davon gelaufen Cap. 20. Wirkungsweise der Zuchtwahl. 329 sind. Bei den degradirten Buschmänninnen von Südafrika „muss der „Liebhaber, wenn ein Mädchen zur Mannbarkeit herangewachsen ist, „ohne verlobt zu sein, was indessen nicht häufig vorkommt, ihre Zustim- „mung ebensowohl wie die der Eltern erlangen“. 1% Mr. Wınwoop READE stellte meinetwegen Nachforschungen in Bezug auf die Neger von West- afrika an, und theilt mir nun mit, dass „die Frauen wenigstens unter „den intelligenteren heidnischen Stämmen keine Schwierigkeiten haben, „diejenigen Männer zu bekommen, welche sie wünschen, obschon es für „unweiblich angesehen wird, einen Mann aufzufordern, sie zu heirathen. „Sie sind vollständig fähig, sich zu verlieben und sind auch zarter, „leidenschaftlicher und treuer Anhänglichkeit fähig.“ Wir sehen hieraus, dass bei Wilden die Frauen in keinem so vollständig unterwürfigen Zustande in Bezug auf das Heirathen sich finden, als häufig vermuthet worden ist. Sie können die Männer, welche sie vorziehen, verführen und können zuweilen diejenigen, welche sie nicht leiden mögen, entweder vor oder nach der Heirath verwerfen. Eine Vorliebe seitens der Frauen, welche in irgend einer Richtung stetig wirkt, wird schliesslich den Character des Stammes affieciren, denn die Weiber werden allgemein nicht bloss die hübscheren Männer je nach ihrem Maassstabe von Geschmack, sondern diejenigen wählen, welche zu einer und derselben Zeit am Besten im Stande sind, sie zu vertheidigen und zu unterhalten. Derartige gut begabte Paare werden im Allgemeinen eine grössere Anzahl von Nachkommen auf- ziehen als die weniger gut begabten. Dasselbe Resultat wird offenbar in einer noch schärfer ausgesprochenen Weise eintreten, wenn auf bei- den Seiten eine Auswahl stattfindet, d. h. wenn die anziehenderen und zu derselben Zeit auch kraftvolleren Männer die anziehenderen Weiber vorziehen und umgekehrt auch wieder von diesen vorgezogen werden. Und diese beiden Formen von Auswahl scheinen factisch ‚bei der Mensch- heit, mag es nun gleichzeitig oder nicht gleichzeitig geschehen sein, besonders während der früheren Perioden unserer langen Geschichte, eingetreten zu sein. 18 Azara, Voyages etc. Tom. H, p. 23. Dobrizhoffer, An Account of the Abipones. Vol. II. 1822, p. 207. Williams, über die Fiji- Insulaner, citirt von Lubbock, Origin of Civilisation, 1870, p. 79. Ueber die Fewerländer: King and Fitzroy, Voyages of the Adventure and Beagle. Vol. U, 1839, p. 182. Ueber die Kalmucken eitirt von Mr. M’Lennan, Primitive Marriage. 1865, p. 32. Ueber die Malayen: Lubbock, ebenda, p. 76. J. Shooter, On the Kafirs of Natal, 1857, p. 52—60. Ueber die Buschmänninnen s. Burchell, Travels in »outh Africa, Vol. II. 1824. p. 59. 230 i Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. Wir wollen nun in etwas ausführlicherem Detail in Bezug auf ge- schlechtliche Zuchtwahl einige der Charactere betrachten, welche die verschiedenen Rassen von einander sowohl als von den niederen Thieren unterscheiden, nämlich die mehr oder weniger vollständige Abwesenheit von Haaren am Körper und die Farbe der Haut. Wir brauchen über die bedeutende Verschiedenheit in der Form der Gesichtzüge bei den verschiedenen Rassen nichts zu sagen, da wir bereits im letzten Capitel gesehen haben, wie verschieden in diesen Beziehungen das Maass der Schönheit ist. Diese Charactere werden daher wahrscheinlich von ge- schlechtlicher Zuchtwahl beeinflusst worden sein. So viel ich aber sehen kann, haben wir keine Mittel, zu beurtheilen, ob dieser Einfluss hauptsächlich von der männlichen oder von der weiblichen Seite aus- gegangen ist. Die musikalischen Fähigkeiten des Menschen sind gleich- falls bereits erörtert worden. Fehlen von Haar am Körper und seine Entwickelung an dem Gesichte und dem Kopfe. — Aus dem Vorhandensein des wolligen Haares oder des Lanugo am menschlichen Fötus und der rudimentären über den Körper zerstreuten Haare während des ge- schlechtsreifen Alters können wir schliessen, dass der Mensch von ir- gend einem behaarten Thiere abstammt, welches behaart geboren war und Zeit seines Lebens so blieb. Der Verlust des Haares ist eine Un- bequemlichkeit und wahrscheinlich ein Nachtheil für den Menschen, selbst unter einem warmen Klima, denn er ist hierdurch plötzlichen Erkäl- tungen, besonders während des feuchten Wetters, ausgesetzt. Wie Mr. WarrtacE bemerkt, sind die Eingeborenen in allen Ländern froh ihre nackten Rücken und Schultern mit irgend einer leichten Decke schützen zu können. Niemand vermuthet, dass die Nacktheit der Haut irgend einen directen Vortheil für den Menschen darbietet. Es kann also sein Körper durch natürliche Zuchtwahl nicht seiner Haarbedeckung ent- kleidet worden sein 19. Auch kaben wir keinen Grund zu glauben, wie 19 Contributions to the Theory of Natural Selection, 1870, p. 346 Mr. Wal- lace glaubt (p. 350), „dass irgend eine intelligente Kraft die Entwickelung des „Menschen geleitet oder bestimmt habe“; und er betrachtet den haarlosen Zu- stand der Haut als einen unter diesen Gesichtspunkt fallenden Umstand. Mr. T. R. Stebbing erörtert diese Ansicht (Transactions of Devonshire Associat. fo Science, 1870) und bemerkt, „dass, wenn Mr. Wallace seinen gewöhnlichen „Scharfsinn der Frage von der haarlosen Haut des Menschen zugewendet hätte, „er auch die Möglichkeit erkannt haben würde, dass sie wegen ihrer überlege- Cap. 20. Das Fehlen von Haar. 331 in einem früheren Capitel gezeigt wurde, dass dies eine Folge der di- recten Einwirkung der Bedingungen sein könne, welchen der Mensch lange Zeit ausgesetzt gewesen ist, oder dass es das’Resultat einer cor- relativen Entwickelung ist. Das Fehlen von Haar am Körper ist in einem gewissen Grade ein secundärer Sexualcharacter, denn in allen Theilen der Welt sind die Frauen weniger behaart als die Männer. Wir können daher vernünf- tigerweise vermuthen, dass dies ein Character ist, welcher durch ge- schlechtliche Zuchtwahl erlangt worden ist. Wir wissen, dass die Ge- sichter mehrerer Species von Affen und grosse Flächen am binteren Ende des Körpers bei anderen Species von Haaren entblösst worden sind; und dies können wir getrost geschlechtlicher Zuchtwahl zuschrei- ben, denn diese Flächen sind nicht bloss lebhaft gefärbt, sondern zu- weilen, z. B. beim männlichen Mandrill und beim weiblichen Rhesus, in dem einen Geschlechte viel lebhafter als in dem anderen. In dem Maasse als die Thiere allmählich das geschlechtsreife Alter erreichen, werden auch die nackten Flächen, wie mir Mr. BArTLETT mitgetheilt hat, im Verhältniss zur Grösse des ganzen Körpers grösser. Das Haar scheint indessen in diesen Fällen nicht zum Zwecke der Entblössung entfernt worden zu sein, sondern damit die Farbe der Haut vollständig entfaltet werden könnte. So ist auch ferner bei vielen Vögeln der Kopf und Hals der Federn durch geschlechtliche Zuchtwahl entkleidet worden, damit die hell gefärbte Haut besser zur Erscheinnng komme. Da die Frau einen weniger behaarten Körper hat als der Mann, und da dieser Character allen Rassen gemeinschaftlich zukommt, so können wir schliessen, dass unsere weiblichen halbmenschlichen Urer- zeuger wahrscheinlich zuerst theilweise des Haares entkleidet wurden und dass dies zu einer äusserst entfernt zurückliegenden Zeit eintrat, ehe noch die verschiedenen Rassen von einer gemeinsamen Stammform sich abzweigten. Wie unsere weiblichen Urerzeuger allmählich diesen neuen Character der Nacktheit erlangt haben, müssen sie denselben in einem beinahe gleichen Grade ihren jungen Nachkommen beiderlei Ge- schlechts überliefert haben, so dass seine Ueberlieferung, wie es mit vielen Ornamenten bei Säugethieren und Vögeln der Fall ist weder durch Alter ‚noch Geschlecht beschränkt worden ist. Darin dass ein theil- weiser Verlust des Haares von den affenähnlichen Urerzeugern des „nen Schönheit oder wegen der sich an grössere Reinlichkeit knüpfenden Gesund- „heit ausgewählt worden sei,“ 332 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. Menschen für ornamental gehalten worden ist, liegt nichts Ueberraschen- des, denn wir haben gesehen, dass bei Thieren aller Arten unzählige fremdartige Charactere in dieser Weise geschätzt und folglich durch geschlechtliche Zuehtwahl modifieirt worden sind. Auch ist es nicht überraschend, dass ein in einem unbedeutenden ‚Grade nachtheiliger Character hierdurch erlangt worden ist, denn wir wissen, dass dies bei den Schmuckfedern einiger Vögel und bei den Geweihen mancher Hirsche auch der Fall ist. Die Weibchen gewisser anthropoider Affen sind, wie in einem frü- heren Capitel angeführt wurde, an der unteren Fläche des Körpers etwas weniger behaart als die Männchen, und hier haben wir einen Punkt, der wohl als Ausgang für den Process der Denudation gedient haben kann. In Bezug auf die Vollendung dieses Vorganges durch geschlechtliche Zuchtwahl ist es gut, sich des neuseeländischen Sprüch- wortes zu erinnern, dass „es für einen haarigen Mann keine Frau gibt.“ Alle welche Photographien der siamesischen behaarten Familie gesehen haben, werden zugeben, wie lächerlich hässlich das entgegengesetzte Extrem von excessivem Behaartsein ist. Der Kaiser von Siam musste daher einen Mann bestechen, damit er die erste behaarte Frau in der “ Familie heirathete, welche dann diesen Character ihren jungen Nach- "kommen beiderlei Geschlechts überlieferte 2, Manche Rassen sind viel behaarter als andere, besonders auf männ- licher Seite. Es darf aber nicht angenommen werden, dass die be- haarteren Rassen, z. B. Europäer, einen ursprünglichen Zustand voll- ständiger beibehalten haben, als die nackten, solche wie die Kalmucken oder Amerikaner. Es ist eine wahrscheinlichere Ansicht, dass das Be- haartsein der ersteren die Folge eines Rückschlages ist; denn Charac- tere, welche lange vererbt worden sind, sind immer geneigt, wiederzu- kehren. Pıner hat einen merkwürdigen Fall von einem Idioten mitge- theilt, welcher, auf die Stufe eines Thieres herabgesunken, an seinem Rücken, seinen Lenden und Schultern eine Haardecke trug von einem oder zwei Zoll Länge. Einige andere analoge Fälle sind gleichfalls be- kannt. Dem Anscheine nach hat ein kaltes Klima zu dieser Art von Rückschlag nicht Veranlassung gegeben, mit Ausnahme vielleicht der Neger, welche während mehrerer Generationen in den Vereinigten Staaten ?° Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. 2. 1868, S. 433, Cap. 20. Bärte. 333 aufgezogen worden sind 2! und möglicherweisse der Ainos, welche die nördlichen Inseln des japanesischen Archipels bewohnen. Aber die Ge- setze der Vererbung sind so complieirter Natur dass wir selten ihre Wirksamkeit verstehen können. Wenn das starke Behaartsein gewisser Rassen wirklich das Resultat von Rückschlag, ungehemmt durch irgend eine Form von Zuchtwahl, wäre, so würde die äusserste Variabilität dieses Characters, selbst innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse, aufhören merkwürdig zu sein. In Bezug auf den Bart finden wir, wenn wir uns zu unseren besten Führern, nämlich den Quadrumannn wenden, in beiden Geschlechtern gleichmässig gut entwickelte Bärte bei vielen Species, aber bei anderen sind solche entweder auf die Männchen beschränkt oder bei diesen stärker entwickelt als bei den Weibchen. Aber nach dieser 'Thatsache und nach der merkwürdigen Anordnung, ebenso wie nach den hellen Farben des Haares um die Köpfe vieler Affen ist es in hohem Grade wahrscheinlich, wie früher auseinandergesetzt wurde, dass die Männchen zuerst ihre Bärte durch geschlechtliche Zuchtwahl als Zierathen erhiel- ten und sie dann in den meisten Fällen in gleichem oder nabezu gleichem (Grade ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts überlieferten. Wir wis- sen durch EScHricHT ??, dass beim Menschen sowohl der weibliche als der männliche Fötus am Gesichte mit vielen Haaren versehen ist, be- sonders rings um den Mund, und dies deutet darauf hin, dass wir von einem Urerzeuger abstammen, dessen beide Geschlechter mit Bärten ver- sehen waren. Es scheint daher auf den ersten Blick wahrscheinlich zu sein, dass der Mann seinen Bart von einer sehr frühen Periode her behalten hat, während die Frau ihren Bart zu der nämlichen Zeit ver- ?! Investigations into Military and Anthropological Statistics of American Soldiers by B. A. Gould, 1869, p. 568: — Es wurden sorgfältige Beobachtun- gen über das Behaartsein von 2129 schwarzen und farbigen Soldaten während sie sich badeten angestellt; und unter Bezugnahme auf die veröffentlichte Ta- belle „ist es auf den ersten Blick offenbar, dass zwischen den weissen und schwar- „zen Rassen in dieser Hinsicht, wenn überhaupt irgend ein Unterschied, doch „nur ein geringer besteht“. Es ist indessen sicher, dass die Neger in ihrem so viel wärmeren Heimathlande merkwürdig glatte Körper haben. Man muss noch besonders beachten, dass in der obigen Aufzählung reine Schwarze und Mulatten inbegriffen waren, und dies ist ein unglücklicher Umstand, da nach dem Prineip, dessen Richtigkeit ich an einer andern Stelle bewiesen habe, gekreuzte Rassen ausserordentlich leicht auf den ursprünglich behaarten Zustand ihrer frühen affen- ähnlichen Urerzeuger zurückschlagen werden. 2 Deber die Richtung der Haare am menschlichen Körper, in: Müller’s Archiv für Anat. u. Phys. 1837, S. 40. 334 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. II. Theil. loren hat, als ihr Körper beinahe vollständig von Haaren entblösst wurde. Selbst die Farbe des Bartes beim Menschen scheint von einem affenähnlichen Urerzeuger geerbt worden zu sein. Denn wenn irgend eine Verschiedenheit im Farbentone zwischen dem Haare auf dem Kopfe und dem Barte vorhanden ist, so ist der letztere bei allen Affen und beim Menschen heller gefärbt. Es liegt eine geringere Unwahrschein- lichkeit darin, dass die Männer der mit Bärten versehenen Rassen ihre Bärte von Urzeiten "beibehalten haben, als dass dies in Bezug auf die Haare am Körper der Fall sei; denn bei denjenigen Quadrumanen, bei welchen die Männchen einen grösseren Bart haben als die Weibchen, ist derselbe vollständig nur zur Zeit der Geschlechtsreife entwickelt und es können nur die späteren Entwickelungsstufen ausschiesslich auf die Menschheit überliefert worden sein. Wir würden daher das erblicken, was wirklich der Fall ist, nämlich dass unsere männlichen Kinder, ehe sie zur Geschlechtsreife gelangen, ebenso der Bärte entbehren, wie unsere weiblichen Kinder. Auf der andern Seite deutet die grosse Variabilität des Bartes innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse und bei verschiedenen Rassen darauf hin, dass Rückschlag in Thätigkeit getreten ist. Wie sich indessen die Sache auch verhalten mag, wir dürfen die Rolle nieht übersehen, welche die geschlechtliche Zuchtwahl während späterer Zeiten gespielt haben kann; denn wir wissen, dass bei Wilden die Männer der bartlosen Rassen sich unendliche Mühe geben, jedes einzelne Haar aus ihrem Gesichte als etwas Widerwärtiges auszureissen, während die Männer der behaarteren Rassen den grössten Stolz in ihren Bart setzen. Ohne Zweifel theilen die Frauen ganz diese Gefühle, und wenn dies der Fall ist, so kann es kaum anders sein, als dass geschlechtliche Zuchtwahl auch etwas im Verlaufe der späteren Zeiten bewirkt hat.”®. 23 Mr. Sproat vermuthet in Bezug auf die bartlosen Eingeborenen von Vancouvers Island (Scenes and Studies of Savage Life, 1868, p. 24), dass der Ge- brauch, die Haare im Gesichte auszureissen, „von einer Generation auf die an- „dere überliefert, schliesslich vielleicht eine Rasse produeiren könne, welche durch „einen dünnen und zerstreuten Bartwuchs ausgezeichnet wäre“. Der Gebrauch wird aber nicht eher entstanden sein, als bis der Bart in Folge irgend einer an- deren von einem solchem Gebrauche unäbhängigen Ursache bedeutend verringert war. Auch haben wir keine directen Beweise dafür, dass das Ausreissen des Haars zu irgend einer vererbten Wirkung führt. In Folge dieses Zweifelsgrundes habe ich bis jetzt die von einigen hervorragenden Ethnologen, z. B. Mr. Gosse von Genf, getheilte Ansicht noch nicht erwähnt, dass künstliche Modificationen des Schädels zum Vererben neigen. Ich möchte nicht diese Folgerung bestreiten; und wir Cap. 20. Farbe der Haut. 335 Es ist im Allgemeinen schwierig, sich darüber ein Urtheil zu bil- den, wie das lange Haar an unseren Köpfen entwickelt wurde. EscH- RICHT ?* gibt an, dass beim menschlichen Fötus das Haar im Gesicht während des fünften Monats länger ist als das am Kopfe, und dies weist darauf hin, dass unsere halbmenschlichen Urerzeuger nicht mit langen Zöpfen versehen waren, welche folglich eine spätere Acquisition gewesen sein müssen. Dies wird gleichfalls durch die ausserordentliche Verschiedenheiten in der Länge des Haares bei den verschiedenen Rassen angedeutet. Beim Neger bildet das Haar nur eine gekräuselte Matraze, bei uns ist es von bedeutender Länge und bei den amerikanischen Ein- geborenen erreicht es nicht selten den Boden. Einige Species von Sem- nopithecus haben ihren Kopf mit mässig langem Haar bedeckt, und dies dient wahrscheinlich zur Zierde und wurde durch geschlechtliche Zuehtwahl erreicht. Dieselbe Ansicht kann auch auf das Menschen- geschlecht ausgedehnt werden, denn wir wissen, dass lange Zöpfe jetzt sehr bewundert werden und schon früher bewundert wurden, wie sich aus den Werken beinahe jedes Poeten nachweisen lässt. Der Apostel Paulus sagt: „(ist es nicht) dem Weibe eine Ehre, so sie lange Haare „zeugt“. Und wir haben gesehen, dass in Nordamerika ein Häuptling lediglich wegen der Länge seines Haares gewählt wurde. Farbe der Haut. — Die beste Art von Beweisen dafür, dass die Farbe der Haut durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt worden ist, fehlt in Bezug auf das Menschengeschlecht; denn die Geschlechter weichen in dieser Beziehung nicht oder nur unbedeutend und in zweifelhafter Art von einander ab. Auf der andern Seite wissen wir aus vielen bereits mitgetheilten Thatsachen, dass die Farbe der Haut von den Menschen aller Rassen als ein äusserst bedeutungsvolles Element bei ihrer Schön- heit betrachtet wird, so dass es ein Character ist, welcher wahrschein- lich durch Zuchtwahl gern wird modifieirt worden sein, wie es in un- zähligen Beispielen bei den niederen Thieren eingetreten ist. Es erscheint auf den ersten Blick als eine monströse Annahme, dass die glänzende Schwärze des Negers durch geschlechtliche Zuchtwahl erreicht worden sein soll. Es wird aber diese Ansicht durch verschiedene Analogien unser stützt, und wir wissen, dass Neger ihre eigene Schwärze bewundern. wissen jetzt durch Dr. Brown-Sequar d’s merkwürdige Beobachtungen, beson- ders der kürzlich der British Association (1870) mitgetheilten, dass bei Meer- schweinchen die Wirkungen von Operationen vererbt werden. ”?* Eschricht, Ueber die Richtung der Haare, a. a. 0. S. 40. 336 Geschlechtliche Zuchtwahl R Mensch. ll. Theil. Weun bei Säugethieren die Geschlechter in der Farbe verschieden sind, so ist das Männchen oft schwarz oder viel dunkler als das Weibchen, und es hängt lediglich von der Form der Vererbung ab, ob diese oder eine andere Färbung auf beide Geschlechter oder nur auf eins allein vererbt werden soll. Die Aehnlichkeit der Pithecia satanas — mit seiner glänzenden schwarzen Haut, seinen weissen rollenden Augäpfeln und seinem auf der Höhe gescheitelten Haare — mit einem Neger in Miniatur ist fast lächerlich. Die Farbe des Gesichtes ist in den verschiedenen Arten von Affen viel mehr verschieden als in den Rassen des’Menschen, und wir haben guten Grund zu der Annahme, dass die rothen, blauen, orangenen, bei- nahe weissen und schwarzen Farbentöne ihrer Haut, selbst wenn sie beiden Geschlechtern gemeinsam zukommen, und die glänzenden Farben ihres Pelzes, ebenso wie die ornamentalen Haarbüschel um ihren Kopf herum, sämmtlich durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Da die neugeborenen Kinder der verschiedensten Rassen nicht nahezu so bedeutend in der Farbe von einander verschieden sind als die Er- wachsenen, obschon ihre Körper vollständig der Haare entbehren, so haben wir eine leise Hindeutung darauf, dass die Farben der verschie- denen Rassen nach der Entfernung des Haars erlangt wurden, was, wie früher angeführt wurde, in einer sehr frühen Periode eingetreten sein muss. Zusammenfassung. — Wir können schliessen, dass die bedeu- tendere Grösse, Kraft, der grössere Muth und die stärkere Kampflust und selbst Energie des Mannes, im Vergleiche mit denselben Eigen- schaften bei der Frau, während der Urzeiten erlangt und später haupt- sächlich durch die Kämpfe rivalisirender Männchen um den Besitz der Weibchen vergrössert worden sind. Die grössere intelleetuelle Kraft und das stärkere Erfindungsvermögen beim Manne ist wahrscheinlich eine Folge natürlicher Zuchtwahl in Verbindung mit den vererbten Wirkungen der Gewohnheit; denn die fähigsten Männer werden beim Vertheidigen und bei dem Sorgen für sich selbst, für ihre Weiber und ihre Nachkommen den besten Erfolg gehabt haben. Soweit es die äus- serst verwickelte Natur des Gegenstandes uns gestattet zu urtheilen, scheint es, als hätten unsere männlichen affenähnlichen Urerzenger ihre Bärte als Zierathen erlangt, um das andere Geschlecht zu bezaubern oder zu reizen, und sie dann auf den Menschen, wie er jetzt existirt, > \ Cap. 20. Zusammenfassung. 337 überliefert. Die Weibchen wurden allem Anscheine nach zuerst in glei- cher Weise zur geschlechtlichen Zierde der Haardecke entkleidet; sie überlieferten diesen Character aber beinahe gleichmässig beiden Geschlech- tern. Es ist nieht unwahrscheinlich, dass die Weibchen auch in anderen Beziehungen’ zu demselben Zwecke und durch dieselben Mittel modifieirt wurden, so dass die Frauen angenehmere Stimmen erhalten haben und schöner geworden sind als die Männer. Es verdient besondere Beachtung , dass beim Menschengeschlechte die Bedingungen geschlechtlicher Zuchtwahl während einer sehr frühen Periode, wo der Mensch gerade eben den Rang der Menschlichkeit er- reicht hatte, viel günstiger waren, als während späterer Zeiten. Denn er wird dann, wie wir getrost schliessen können, mehr durch seine in- stinetiven Leidenschaften und weniger durch Vorsicht oder Vernunft geleitet worden sein. Er wird damals nicht so grenzenlos ausschweifend gewesen sein, „wie es viele Wilde jetzt sind, und jedes Männchen wird eifersüchtig sein Weib oder seine Weiber gehütet haben. Er wird da- mals nicht Kindesmord ausgeübt haben, noch wird er seine Frauen lediglich als nützliche Scelaven geschätzt haben, noch wird er sie wäh- rend früher Kindheit verlobt haben. Wir können daher schliessen, dass die Rassen des. Menschen, soweit geschlechtliche Zuchtwahl in Betracht kommt, zum hauptsächlichsten Theile während einer sehr entfernt lie- genden Epoche differenzirt wurden; und diese Schlussfolgerung wirft auf die merkwürdige Thatsache Licht, dass in der allerältesten Periode, _ von welcher wir jetzt überhaupt irgend einen Bericht erhalten haben, die Rassen des Menschen bereits nahezu oder vollständig so weit von einander verschieden geworden waren, als sie heutigen Tages sind. Die hier über die Rolle, welche geschlechtliche Zuchtwahl in der Geschichte des Menschen gespielt hat, vorgebrachten Ansichten erman- geln der wissenschaftlichen Präcision. Wer die Wirksamkeit dieser Kräfte bei niederen Thieren nicht zugibt, wird wahrscheinlich Alles, was ich in den letzten Capiteln über den Menschen geschrieben habe, nicht weiter beachten. Wir können nicht positiv sagen, dass dieser Character, aber nicht jener, hierdurch modifieirt worden ist. Es ist in- dessen gezeigt worden, dass die Rassen des Menschen von einander und von ihren nächsten Verwandten unter den niederen Thieren in gewissen Charaecteren abweichen, welche für sie in den gewöhnlichen Lebensge- wohnheiten von keinem Nutzen sind und von denen es äusserst wahr- DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. 29 338 Geschlechtliche Zuchtwahl: Mensch. I. Theil. scheinlich ist, dass sie durch geschlechtliche Zuchtwahl modifieirt wor- den sind. Wir haben gesehen, dass bei den niedrigsten Wilden die Völker eines jeden Stammes ihre eigenen characteristischen Eigenschaf- ten bewundern, — die Form des Kopfes und Gesichtes, die viereckige Gestalt der Wangenknochen, das Hervorragen oder das Eingedrücktsein der Nase, die Farbe der Haut, die Länge des Haares am Kopfe, das Fehlen von Haaren am Gesichte und Körper, oder das Vorhandensein eines grossen Bartes und Derartiges mehr. Es kann daher nicht gefehlt haben, dass diese und andere solche Punkte langsam und allmählich übertrieben worden sind dadurch, dass die kraftvolleren und fähigeren Männer in jedem Stamme, welche die grösste Zahl von Nachkommen aufzuziehen ermöglicht haben, viele Generationen hindureh sich zu ihren Frauen die am schärfsten characterisirten und daher am meisten an- ziehenden Weiber gewählt haben. Ich für meinen Theil komme zu dem Schlusse, dass von allen den Ursachen, welche zu, den Verschie- denheiten in der äusseren Erscheinung zwischen den Rassen des Men- schen und in einem gewissen Grade auch zwischen dem Menschen und den niederen Thieren geführt haben, die geschlechtliche Zuchtwahl bei Weitem die wirksamste gewesen ist. Einundzwanzigstes Capitel. Allgemeine Zusammenfassung und Schluss. Hauptsächlichste Schlussfolgerung, dass der Mensch von einer niederen Form abstammt. — Art und Weise der Entwickelung. — Genealogie des Menschen. — Intellectuelle und moralische Fähigkeiten. — Geschlechtliche Zuchtwahl. — Schlussbemerkungen. Eine kurze Zusammenfassung wird hier genügen, um die vorsprin- genderen Punkte in diesem Werke nochmals dem Leser in’s Gedächt- niss zurückzurufen. Viele der Ansichten, welche vorgebracht worden sind, sind äusserst speculativ und einige werden sich ohne Zweifel als irrig herausstellen; ich habe aber in jedem einzelnen Falle die Gründe mitgetheilt, welche mich bestimmt haben, eher der einen Ansicht als einer anderen zu folgen. Es schien der Mühe werth zu sein, zu unter- suchen, inwiefern das Prineip der Entwickelung auf einige der compli- cirteren Probleme in der Naturgeschichte des Menschen Licht werfen könne. Unrichtige Thatsachen sind dem Fortschritte der Wissenschaft in hohem Grade schädlich, denn sie bleiben häufig lange bestehen. Aber falsche Ansichten thun, wenn sie dureh einige Beweise unterstützt sind, wenig Schaden, da Jedermann ein heilsames Vergnügen daran findet, ihre Irrigkeit nachzuweisen; und wenn dies geschehen ist, ist unser Weg zum Irrthume hin verschlossen und gleichzeitig der Weg zur Wahrheit wiedergeöfinet.' Der hauptsächlichste Schluss, zu dem ieh in diesem Buche gelangt bin und welcher jetzt die Ansicht vieler Naturforscher ist, welche wohl competent sind ein gesundes Urtheil zu bilden, ist der, dass der Mensch von einer weniger hoch organisirten Form abstammt. Die Grundlage, auf welcher diese Folgerung ruht, wird nie erschüttert werden, denn die grosse Aehnlichkeit zwischen dem Menschen und den niederen Thie- ren sowohl in der embryonalen Entwickelung als in unzähligen Punkten des Baues und der Constitution, sowohl von grösserer als von der aller- geringfügigsten Bedeutung, die Rudimente, welche er behalten hat und die abnormen Fälle von Rückschlag, denen er gelegentlich unterliegt, — dies sind Thatsachen, welche nicht bestritten werden können. Sie sind lange bekannt gewesen, aber bis ganz vor Kurzem sagten sie uns in Bezug auf den Ursprung des Menschen nichts. Wenn wir sie aber jetzt im Lichte unserer Kenntniss der ganzen organischen Welt be- 22 * 30 . Allgemeine Zusammenfas sung II. Theil. - trachten, so ist ihre Bedeutung gar nicht miszuverstehen. Das grosse Prineip der Entwickelung steht klar und fest vor uns, wenn diese Gruppen von Thatsachen in Verbindung mit anderen betrachtet werden‘, mit sol- chen wie der gegenseitigen Verwandtschaft der Glieder einer und der näm- lichen Gruppe, ihrer geographischen Vertheilung in vergangenen und jetzi- gen Zeiten und ihrer geologischen Aufeinanderfolge. Es ist unglaublich, dass alle diese Thatsachen Falsches aussagen sollten. Jeder der nicht da- mit zufrieden ist, die Erscheinungen der Natur wie ein Wilder unverbunden zu betrachten, kann nicht länger glauben, dass der Mensch das Werk ein- es besonderen Schöpfungsactes ist. Er wird gezwungen sein zuzugeben, dass die grosse Aehnliehkeit des Embryos des Menschen mit dem z. B. eines Hundes, — der Bau seines Schädels, seiner Glieder und seines ganzen Körpers, nach demselben Grundplane wie bei den anderen Säuge- thieren und zwar unabhängig von dem Gebrauche, welcher etwa von den Theilen gemacht wird, — das gelegentliche Wiedererscheinen verschie- dener Bildungen, z. B. mehrerer verschiedener Muskeln, welche der Mensch normal nicht besitzt, welche aber den Quadrumanen zukommen — und eine Menge analoger Thatsachen — dass alles dies in der offenbarsten Art auf den Schluss hinweist, dass der Mensch mit anderen Säugethieren der gemeinsame Nachkomme eines gleichen Urerzeuges ist. Wir haben gesehen, dass der Mensch unaufhörlich individuelle Ver- schiedenheiten in allen Theilen seines Körpers und in seinen geistigen Ei- genschaften darbietet. Diese Verschiedenheiten oder Abänderungen schei- nen ‚durch dieselben allgemeinen Ursachen herbeigeführt worden zu sein und denselben Gesetzen zu gehorchen, wie bei den niederen Thieren. In beiden Fällen herrschen ähnliche Gesetze der Vererbung. Der Mensch strebt sein Geschlecht in einem grösseren Maasse zu vermehren, als seine Sub- sistenzmittel. In Folge dessen ist er gelegentlich einem heftigen Kampfe um die Existenz ausgesetzt, und natürliche Zuchtwahl wird bewirkt haben, was nurimmer innerhalb ihrer Wirksamkeit liegt. Eine Reihenfolge scharf markirter Abänderungen ähnlicher Natur sind durchaus nicht nothwendig; unbedeutende schwankendeVerschiedenheiten derIndividuen genügen für die Wirksamkeit natürlicher Zuchtwahl. Wir können uns überzeugt halten, dass die vererbten Wirkungen des lange fortgesetzten Gebrauches oder Nicht- gebrauches von Theilen Vieles in derselben Richtung, wie die natürliche Zuchtwahl bewirkt haben werden. Modificationen, welche früher von Bedeutung waren, jetzt aber nicht länger von irgend einem speciellen Nutzen sind, werden lange vererbt werden. Wenn ein Theil modifieirt Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 34 wird, werden sich andere Theile nach denn Grundsatze der Correlation verändern, wofür wir Beispiele in vielen merkwürdigen Fällen von correla- tiven Monstrositäten haben. Etwas mag auch der directen und be- stimmten Wirkung der umgebenden Lebensbedingungen, wie reichliche Nahrung, Wärme oder Feuchtigkeit, zugeschrieben werden ; und endlich sind viele Charactere von unbedeutender physiologischer Wichtigkeit, einige allerdings auch von beträchtlicher Bedeutung, durch geschlecht- liche Zuchtwahl erlangt worden. Ohne Zweifel bietet der Mensch ebensogut wie jedes andere Thier Gebilde dar, welche, soweit wir mit unserer geringen Kenntniss urthei- len können, jetzt von keinem Nutzen für ihn sind und es auch nicht während irgend einer früheren Periode seiner Existenz weder in Bezug auf seine allgemeinen Lebensbedingungen , noch in der Beziehung des einen Geschlechtes zum anderen "gewesen sind. Derartige Gebilde ‘können durch keine Form der Zuchtwahl, ebensowenig wie durch die vererbten Wirkungen des Gebrauches und Nichtgebrauches von Theilen erklärt werden. Wir wissen indessen, dass viele fremdartige und scharf aus- gesprochene Eigenthümlichkeiten der-Bildung gelegentlich bei unseren domestieirten Erzeugnissen erscheinen, und wenn die unbekannten Ur- sachen, welehe sie hervorrufen, gleichförmig wirken würden, so würden sie wahrscheinlich allen Individuen der Species gemeinsam zukommen. Wir können hoffen, später etwas über die Ursachen solcher -gelegent- lichen Modificationen, besonders durch das Studium der Monstrositäten, verstehen zu lernen. Es sind daher die Arbeiten von experimentiren- den Forschern, wie z. B. die von CAMILLE DARESTE, für die Zukunft vielversprechend. In der grösseren Zahl der Fälle können wir nur sagen, dass die Ursache einer jeden unbedeutenden Abänderung oder einer jeden Monstrosität vielmehr in der Natur oder der Constitution des Organismus als in der Natur der umgebenden Bedingungen liegt, ob- schon neue und veränderte Bedingungen gewiss eine bedeutende Rolle im Hervorrufen organischer Veränderungen aller Arten spielen. Durch die eben angeführten Mittel, vielleicht mit Unterstützung anderer, bis jetzt noch nicht entdeckter, ist der Mensch zu seinem jetzi- gen Stand erhoben worden. Seitdem er aber den Rang der Mensch- lichkeit erlangt hat, ist er in verschiedene Rassen oder, wie sie noch angemesener genannt werden, Subspecies auseinandergegangen. Einige von diesen, z. B. die Neger und Europäer, sind so verschieden, dass wenn Exemplare ohne irgend weitere Information einem Naturforscher 41342 2 Allgemeine Zusammenfassung lI. Theil. gebracht worden wären, sie unzweifelhaft von ihm als gute und echte Species betrachtet worden sein würden. Nichtsdestoweniger stimmen alle Rassen in so vielen nicht bedeutenden Einzelnheiten der Bildung und in so vielen geistigen Eigenthümlichkeiten überein, dass diese nur durch Vererbung von einem gemeinsamen Urerzeuger erklärt werden können, und ein in dieser Weise charaeterisirter Urerzeuger würde wahrschein- lich verdient haben, als Mensch classificirt zu werden. Man darf nieht etwa annehmen, dass die Divergenz jeder Rasse von den andern Rassen und aller Rassen von einer gemeinsamen Stamm- form zurück auf irgend ein Paar von Urerzeugern verfolgt werden kann. Im Gegentheil werden auf jeder Stufe in dem Processe der Modifieation alle Individuen, welche in irgendwelcher Weise am besten für ihre Le- bensbedingungen, wenn auch in verschiedenem Grade, angepasst waren, in grösserer Zahl leben geblieben sein als die weniger gut angepassten. Der Vorgang wird derselbe gewesen sein wie der, welchen der Mensch einschlägt, wenn er nicht absichtlich besondere Individuen auswählt, sondern nur von allen besseren nachzüchtet und alle untergeordneten Individuen vernachlässigt. Hierdurch modifieirt er seinen Stamm lang- sam aber sicher und bildet unbewusst eine neue Linie. Dasselbe gilt in Bezug auf Modificationen, welche unabhängig von Zuchtwahl erlangt worden und die Folge von Abänderung sind, welche von der Natur des Organismus und der Wirkung der umgebenden Bedingungen oder auch veränderten Lebensgewohnheiten herrühren: hier wird nicht bloss ein einzelnes Paar in einem viel bedeutenderen Grade als die anderen Paare modificirt worden sein, welche dasselbe Land bewohnen; denn alle wer- den beständig durch freie Kreuzung vermengt worden sein. Betrachtet man die embryologische Bildung des Menschen — die Homologien , welche er mit den niederen Thieren darbietet, die Rudi- mente, welche er behalten hat und die Fälle von Rückschlag, denen er ausgesetzt ist, so können wir uns theilweise in unserer Phantasie den früheren Zustand unserer ehemaligen Urerzeuger construiren und können dieselben annäherungsweise in der zoologischen Reihe an ihren gehöri- gen Platz bringen. Wir lernen daraus, dass der Mensch von einem be- haarten Vierfüsser abstammt, welcher, mit einem Schwanze und zuge- spitzten Ohren versehen, wahrscheinlich in seiner Lebensweise ein Baum- thier und ein Bewohner der alten Welt war. Dieses Wesen würde, wenn sein ganzer Bau von einem Zoologen untersucht worden wäre, unter die Qua- drumanen classificirt worden sein, so sicher als es der gemeinsame und noch — N Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 2343 ältere Urerzeuger der Affen der alten und neuen Welt worden wäre. Die Quadrumanen und alle höheren Säugethiere rühren wahrscheinlich von ei- nem alten Beutelthiere und dieses durch eine lange Reihe verschiedenartiger Formen entweder von irgend einem reptilien- oder amphibienähnlichen Wesen und dieses wieder von irgend einem fischähnlichen Thiere her. In dem trüben Dunkel der Vergangenheit können wir sehen, dass der frühere Urerzeuger aller Wirbelthiere ein Wasserthier gewesen sein muss, welches mit Kiemen versehen war, dessen beide Geschlechter in einem Individuum vereinigt waren und dessen wichtigste körperlichen Organe (so wie das - Gehim und das Herz) unvollständig entwickelt waren. Dieses Thier scheint den Larven unserer jetzt existirenden marinen ‚Ascidien ähnlicher ge- wesen zu sein als irgend einer anderen bekannten Form. Wenn wir zu dem ebenerwähnten Schluss in Bezug auf den Ursprung des Menschen getrieben werden, so bietet sich die grösste Schwierigkeit in dem Punkte dar, dass er einen so hohen Grad intellectueller Kraft und moralischer Anlagen erlangt hat. Aber ein Jeder, welcher das all- gemeine Prineip der Entwickelung annimmt, muss sehen, dass die gei- stisen Kräfte der höheren Thiere, welche der Art nach dieselben sind wie die des Menschen, obschon sie dem Grade nach so verschieden sind, doch die Fähigkeit des Fortschritts besitzen. So ist der Abstand zwischen den geistigen Kräften eines der höheren Affen und eines Fisches oder zwischen denen einer Ameise und einer Schildlaus ungeheuer. Die Entwickelung dieser Kräfte bei Thieren bietet keine specielle Schwie- rigkeit dar; denn bei unsern domesticirten Thieren sind die geistigen Fähigkeiten sicher variabel, und die Abänderungen werden vererbt. Niemand zweifelt, dass diese Fähigkeiten für die Thiere im Naturzu- stande von der grössten Bedeutung sind. Daher sind die Bedingungen zu ihrer Entwiekelung durch natürliche Zuchtwahl günstig. - Dieselbe Folgerung kann auf den Menschen ausgedehnt werden. Der Verstand muss für ihn von äusserster Bedeutung gewesen sein, selbst schon in einer sehr weit zurückliegenden Periode, er setzte ihn in den Stand, die Sprache zu gebrauchen, Waffen, Werkzeuge, Fallen u. s. w. zu er- finden und zu verfertigen, durch welche Mittel alle er in Verbindung mit seinen socialen Gewohnheiten schon vor langer Zeit das herrschendste von allen lebenden Wesen wurde. Ein grosser Schritt in der Entwickelung des Intelleets wird geschehen sein, sobald in Folge eines früheren beträchtlichen Forschreitens die 344 Allgemeine Zusammenfassung II. Theil. halb als Kunst, halb als Instinet zu betrachtende Sprache in Gebrauch kam; denn der beständige Gebrauch der Sprache wird auf das Gehirn zurückgewirkt und eine vererbte Wirkung hervorgebracht haben, und diese wieder wird umgekehrt auch wieder auf die Vervollkommnung der Sprache zurückgewirkt haben. Die bedeutende Grösse des Gehirns beim Menschen im Vergleich mit dem der niederen Thiere im Verhält- niss zur Grösse ihres Körpers kann zum hauptsächlichsten Theile, wie Mr. CHAUNCEY WRIGHT «treffend bemerkt hat !, dem zeitigen Gebrauche irgend einer einfachen Form von Sprache zugeschrieben werden. Die Sprache ist ja jene wundervolle Maschinerie, welche allen Arten von Gegenständen und Eigenschaften Zeichen anhängt, und Gedankenzüge erregt, welche aus dem blossen Eindrucke der Sinne niemals entstan- den wären, und wenn sie enstanden, nicht hätten verfolgt werden können. Die höheren intellectuellen Kräfte des Menschen, wie die der Ueberle- gung, der Abstraction, des Selbstbewusstseins u. s. w. werden der fort- gesetzten Vervollkommnung anderer geistigen Fähigkeiten gefolgt sein; aber es ist zweifelhaft, ob ohne beträchtliche Cultur des Geistes, so- wohl in der Rasse als im Individuum, diese hohen Kräfte ausgeübt und dadurch in vervollkommneter Form erlangt worden wären. Die Entwickelung der moralischen Eigenschaften ist ein noch in- teressanteres und schwierigeres Problem. Ihre Grundlage findet sie in den socialen Instineten, wobei wir unter diesem Ausdrucke die Fami- lienbande mit einschliessen. Diese Instinete sind von einer äusserst complieirten Natur und bei den niederen Thieren veranlassen sie beson- dere Neigungen zu gewissen, bestimmten Handlungen; für uns sind aber die bedeutungsvolleren Elemente die Liebe und die davon verschiedene Erregung der Sympathie. Mit socialen Instineten begabte Thiere em- pfinden Vergnügen an der Gesellschaft Anderer, warnen einander vor Gefahr und vertheidigen und helfen einander in. vielen Weisen. Diese Instinete werden nicht auf alle Individuen der Species ausgedehnt, son- dern nur auf die derselben Gemeinschaft. Da sie in hohem Grade für die Species wohlthätig sind, so sind sie aller "Wahrcheinlichkeit nach durch natürliche Zuchtwahl erlangt worden. Ein moralisches Wesen ist ein solches, welches im Stande ist, seine früheren und zukünftigen Handlungen und Motive mit einander zu vergleichen, einige von ihnen zu billigen und andere zu misbilligen; ! On the Limits of Natural Selection, in: North American Review, Oct. 1870, p. 29. Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 345 und die Thatsache, dass der Mensch das einzige Wesen ist, welches man mit Sicherheit so bezeichnen kann, bildet den grössten von allen Unterschieden zwischen ihm und den niederen Thieren. Ich habe aber in unserem dritten Capitel zu zeigen versucht, dass das moralische Gefühl erstens eine Folge der andauernden und beständig gegenwärtigen Natur der socialen Instincte ist, in welcher Beziehung der Mensch mit den niederen Thieren übereinstimmt; zweitens dass es eine Folge der Würdigung der Billigung und Misbilligung seitens seiner Genossen ist, und drittens, dass das moralische Gefühl eine Folge des Umstandes ist, dass seine geistigen Fähigkeiten im hohen Grade thätig und seine Eindrücke von vergangenen Ereignissen äusserst lebhaft sind, in welcher Beziehung er von den niede- ren Thieren abweicht. In Folge dieses geistigen Zustandes kann es der Mensch nicht vermeiden, rückwärts und vorwärts zu schauen und die neuen Eindrücke mit vergangenen zu vergleichen. Nachdem daher irgend eine temporäre Begierde oder Leidenschaft seine socialen Instinete bemeistert hat, wird er darüber reflectiren und den jetzt abgeschwächten Eindruck solcher vergangenen Antriebe mit dem beständig gegenwärtigen socialen Instinet vergleichen. Und dann wird er jenes Gefühl von Nichtbefriedi- gung empfinden, welches alle nicht befriedigten Instinete zurücklassen. In Folge dessen entschliesst er sich, für die Zukunft verschieden zu handeln, — und dies ist Gewissen. Jeder Instinet, welcher dauernd stärker und nachhaltiger ist als ein anderer, gibt einem Gefühle Ent- stehung, von welchem wir uns so ausdrücken, dass wir sagen, es muss ihm gehoreht werden. Wenn ein Vorstehhund im Stande wäre, über sein früheres Betragen Betrachtungen anzustellen, so würde er sich sagen: ich hätte jenen Hasem stellen sollen (wie wir in der That von ihm sagen) und nicht der vorübergehenden Versuchung ihm nachzusetzen und ihn zu jagen, nachgeben sollen. Sociale Thiere werden theilweise durch ein inneres Verlangen dazu angetrieben, den Gliedern .einer und derselben Gemeinschaft in einer allgemeinen Art und Weise zu helfen, aber häufiger dazu gewisse, be- stimmte Handlungen zu verichten. Der Mensch wird durch denselben allgemeinen Wunsch, seinen Mitmenschen zu helfen, angetrieben, hat aber weniger oder gar keine speciellen Instinete. Er weicht auch darin von den niederen Thieren ab, dass er im Stande ist, seine Begierden durch Worte auszudrücken, welche hierdurch zu der verlangten und ge- währten Hülfe hinführen. Auch das Motiv, Hülfe zu gewähren , wird beim Menschen etwas modificirt; es besteht nicht mehr bloss aus einem 346 Allgemeine Zusammenfassung II. Theil. blinden instinetiven Antriebe, sondern wird zum grossen Theil durch das Lob oder den Tadel seiner Mitmenschen beeinflusst. Beides, sowohl die Anerkennung und das Aussprechen von Lob als das vom Tadel, beruht auf Sympathie, und diese Erregung ist, wie wir gesehen haben, eines der bedeutungsvollsten Elemente der soeialen Instinete. Obschon die Sympathie als ein Instinet erlangt wird, so wird auch sie durch Uebung oder Gewohnheit bedeutend gekräftigt. Da alle Menschen ihre eigene Glückseligkeit wünschen, so wird Lob oder Tadel für Handlungen und Motive in dem Maasse ausgetheilt, als sie zu jenem Ziele führen; und da das Glück ein wesentlicher Theil des allgemeinen Besten ist, so dient das Prineip „des grössten Glücks“ indirect als ein nahezu richtiger Maassstab für Recht und Unrecht. In dem Maasse als die Verstandes- kräfte fortschreiten und Erfahrung erlangt wird, werden auch die ent- fernter liegenden Wirkungen gewisser Riehtungen des Betragens auf den Character des Individuums und auf das allgemeine Beste wahrgenom- men, und dann erhalten auch die Tugenden, welche sich auf das Indi- duum selbst beziehen, weil sie mın in den Bereich der öffentlichen Meinung eintreten, Lob und die ihnen entgegengesetzten Eigenschaften Tadel. Aber bei den weniger eivilisirten Nationen irrt der Verstand häufig, und viele schlechten Gebräuche und Formen von Aberglauben unterliegen derselben Betrachtung und werden in Folge dessen als hohe Tugenden ge- schätzt und ihr Verletzen als ein schweres Verlirechen angesehen. Die moralischen Fähigkeiten werden allgemein, und zwar mit Recht, als von höherem Werthe geschätzt als die intelleetuellen Kräfte. Wir müssen aber stets im Sinne behalten; dass die Thätigkeit des Geistes bei dem lebhaften Zurückrufen vergangener Eindrücke eine der funda- mentalen, wenngleich erst secundären Grundlagen des Gewissens ist. Diese Thatsache bietet das stärkste Argument dar zur Erziehung und Anregung der intellectuellen Fähigkeiten jedes menschlichen Wesens auf alle nur mögliche Weise. Ohne Zweifel wird auch ein Mensch mit trägem Geiste, wenn seine sociale Zuneigung und Sympathien gut ent- wickelt sind, zu guten Handlungen geführt werden und kann ein ziem- lich empfindliches Gewissen haben. Was aber nur immer die Einbildungs- kraft des Menschen lebhafter macht und die Gewohnheit, vergangene Ein- drücke sich zurückzurufen und zu vergleichen, kräftigt, wird auch das Ge- wissen empfindlicher machen und kann selbst in einem gewissen Grade schwache sociale Zuneigungen und Sympathien ausgleichen und ersetzen. Die moralische Natur des Menschen hat den höchsten bis jetzt Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 347 x erreichten Grad zum Theil durch die Fortschritte der Verstandeskräfte und folglich einer gerechten öffentlichen Meinung erreicht, besonders aber dadurch, dass die Sympathien weicher. oder durch die Wirkungen der Gewohnheit, des Beispiels, des Unterrichts und des Nachdenkens weiter verbreitet worden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass tugendhafte Neigungen durch langen Gebrauch vererbt werden. Bei den eivilisirteren Rassen hat die Ueberzeugung von der Existenz einer Alles sehenden Gottheit einen mächtigen Einfluss auf den Fortschritt der Moralität gehabt. Schliesslieh betrachtet der Mensch nicht länger das Lob oder den Tadel seiner Mitmenschen als seinen hauptsächlich- sten Leiter, obschon Wenige sich diesem Einfluss zu entziehen vermögen, sondern seine gewohnheitsgemässen Ueberzeugvngen bieten ihm unter der Controle der Vernunft die sicherste Richtschnmur. Sein Gewissen wird dann sein oberster Riehter und Warner. Nichtsdestoweniger liegt die erste Begründung oder der Ursprung des moralischen Gefühls in den socia- len Instineten, mit Einschluss der Sympathie; und diese Instinete wurden ohne Zweifel ursprünglich wie bei den niederen Thieren durch natürliche Zuchtwahl erlangt. Der Glaube an Gott ist häufig nicht bloss als der grösste, sondern als der vollständigste aller Unterschiede zwischen den Menschen und den niederen Thieren vorgebracht worden. Wie wir indessen gesehen haben, ist es unmöglich zu behaupten, dass dieser Glaube beim Menschen ange- boren oder instinetiv sei. Andererseits scheint ein Glaube an Alles durch- dringende, spirituelle Kräfte allgemein zu sein und scheint eine Folge eines beträchtlichen Fortschritts in der Kraft der Ueberlegung des Menschen und eines noch grösseren Fortschritts in seinen Fähigkeiten der Einbil- dung, der Neugierde, und des Bewunderns zu sein. Ich weiss sehr wohl, dass der vermeintliche instinetive Glaube an Gott von vielen Personen als Be- weismittel für das Dasein Gottes selbst benutzt worden ist. Dies ist aber ein voreiliger Schluss, da wir darnach auch zu dem Glauben an die Exi- stenz vieler grausamer und böswilliger Geister getrieben würden, die nur wenig mehr Kraft als der Mensch selbst besitzen. Denn der Glaube an diese ist viel allgemeiner als der an eine liebende Gottheit. Die Idee eines universellen und wohlwollenden Schöpfers des Weltalls scheint im Geiste des Menschen nicht eher zu entstehen, bis er sich durch lange fortgesetzte Cultur emporgearbeitet hat. Wer an die Entwickelung des Menschen aus einer niedriger orga- 348 Allgemeine Zusammenfassung II. Theil. nisirten Form glaubt, wird natürlich fragen,"wie sich dies zu dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele verhält. Die barbarischen Rassen des Menschen besitzen, wie Sir J. LuBßBock gezeigt hat, keinen deutlichen Glauben dieser Art. Aber von den ursprünglichen: Glaubensmeinungen der Wilden hergenommene Argumente sind, wie wir eben gesehen haben, von geringer oder gar keiner Bedeutung. Wenige Personen em- pfinden irgend eine Schwierigkeit wegen der Unmöglichkeit einer genauen Bestimmung, zu welcher Periode in der Entwickelung des Individuums von der ersten Spur des kleinen Keimbläschens an bis zur Vollendung des Kindes entweder vor oder nach der Geburt der Mensch ein unsterb- liches Wesen wird, und es liegt auch hier keine grössere Veranlassung eine Schwierigkeit zu finden vor, weil die Periode in der allmählich auf steigenden organischen Stufenleiter unmöglich bestimmt werden kann? Ich weiss wohl, dass die Folgerungen, zu denen ich in diesem Werke gelangt bin, von Einigen als in hohem Grade irreligiös denun- zirt werden ; wer sie aber in dieser Weise bezeichnet, ist verbunden zu zeigen warum es in höherem Maasse irreligiös ist, den Ursprung des Menschen als einer besonderen Art durch Abstammung von irgend einer niederen Form zu erklären, und zwar nach den Gesetzen der Abände- rung und natürlichen Zuchtwahl, als die Geburt des Individnums nach den Gesetzen der gewöhnlichen Reproduction zu erklären. Beide Acte der Geburt, sowohl der Art als der des Individuums, sind in völlig gleicher Weise Theile jener grossen Reihenfolge von Ereignissen, welche unser Geist als das Resultat eines blinden Zufalls anzunehmen sich weigert- Der Verstand empört sich gegen einen derartigen Schluss, mögen wir nun im Stande sein zu glauben, dass jede unbedeutende Abänderung der Struetur, die Verbindung eines jeden Paares bei der Heirath, die Ver- breitung eines jeden Samenkorns und andere derartige Ereignisse zu ir- gend einem speciellen Zwecke angeordnet seien oder nicht. Geschlechtliche Zuchtwahl ist in den beiden vorliegenden Bänden in grosser Ausführlichkeit behandelt worden, denn sie hat, wie ich zu zeigen versucht habe, in der organischen Welt eine bedeutungsvolle Rolle gespielt. Da am Schlusse eines jeden Capitels eine Zusammen- fassung gegeben worden ist, so würde es überflüssig sein, hier eine detaillirte Zusammenfassung zu wiederholen. Ich. bin mir wohlbewusst, " J. A. Pieton theilt eine Erörterung hierüber mit in seinem Buche: New Theories and the Old Faith, 1870, Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 349 dass Vieles noch zweifelhaft bleibt; ich habe mich aber bemüht, eine leidlich haltbare Ansicht von dem ganzen Falle vorzulegen. In den niederen Abtheilungen des Tbierreichs scheint geschlechtliche Zuchtwahl nichts bewirkt zu haben; solche 'Thiere sind häufig zeitlebens an einen und denselben Fleck befestigt oder es sind die beiden Geschlechter in einem und demselben Individuum vereinigt, oder, was von noch grös- serer Bedeutung ist, ihr Wahrnehmungs- und intellectuelles Vermögen ist noch nicht hinreichend vorgeschritten, um die Gefühle der Liebe und Eifersucht oder die Ausübung einer Wahl zu gestatten. Wenn wir indessen zu den Arthropoden und Wirbelthieren, selbst zu den nied- rigsten Classen in diesen beiden grossen Unterreichen kommen, so sehen wir, dass geschlechtliehe Zuchtwahl Bedeutendes erreicht hat, und es verdient Beachtung, dass wir hier die intellectuellen Fähigkeiten nach dem höchsten Maasse hin entwickelt finden, indess in zwei verschiedenen Richtungen, nämlich bei den Hymenoptern (Ameisen, Bienen u. s. w.) unter den Arthropoden und bei den Säugethieren, mit Einschluss des Menschen, unter den Wirbelthieren. Bei den verschiedensten Classen des Thierreichs, bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien, Fischen, Inseeten und selbst Krustenthieren, folgen die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern beinahe genau den- selben Regeln. Die Männchen sind beinahe immer die Werber und sie allein sind mit speciellen Waffen zum Kampfe mit ihren Rivalen ver- sehen. Sie sind allgemein stärker und grösser als die Weibehen und sind mit den nöthigen Eigenschaften des Muthes und der Kampfsucht begabt. Sie sind entweder ausschliesslich oder in einem viel höheren Grade als die Weibchen mit Organen zur Hervorbringung von Vocal- oder Instrumentalmusik und mit Riechdrüsen versehen. Sie sind mit unendlich mannichfaltigen Anhängen und mit den brillantesten oder auffallendsten Farben, die häufig in eleganten Mustern angeordnet sind, geschmückt, während die Weibchen ohne Zier gelassen wurden. Wenn die Geschlechter in bedeutungsvolleren Bildungen von einander abwei- chen, so ist es das Männchen, welches mit speciellen Sinnesorganen zur Entdeckung der Weibchen, mit Bewegungsorganen, um sie zu erreichen und häufig mit Greiforganen, um sie festzuhalten, versehen ist. Diese verschiedenen Bildungen, um sich des Weibehens zu versichern oder es zu bezaubern, werden beim Männchen häufig nur, während eines Theils des Jahres, nämlich zur Paarungszeit, entwickelt. Sie sind in vielen Fällen in grösserem oder geringerem Grade auch auf die Weibchen 350 Allgemeine Zusammenfassung II. Theil. übertragen worden, und im letzteren Falle erscheinen sie hier als blosse Rudimente. Sie gehen bei den Männchen nach der Entmannung ver- loren. Allgemein entwickeln sie sich beim Männchen nicht während der früheren Jugend, erscheinen aber kurz vor dem reproductionsfähigen Alter. Daher gleichen sich in den meisten Fällen die Jungen beider Ge- schlechter und dasWeibchen gleicht seinen jungen Nachkommen zeitlebens, In beinahe jeder grossen Classe kommen einige wenige anomale Fälle vor, bei welchen sich eine fast vollständige Umkehrung der Charactere, welche den beiden Geschlechtern eigen sind, findet, so dass die Weibchen Charac- tere annehmen, welche eigentlich den Männchen gehören. Diese über- raschende Gleichförmigkeit in den Gesetzen, welche die Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern in so vielen und so weit von einander ge- trennten Classen regeln, wird verständlich, wenn wir annehmen, dass durch alle die höheren Abtheilungen des Thierreichs eine gemeinsame Ursache in Thätigkeit gewesen ist, nämlich geschlechtliche Zuchtwahl, Geschlechtliche Zuchtwahl hängt von dem Erfolge gewisser Indi- viduen über andere desselben Geschlechts in Bezug auf die Erhaltung der Species ab, während natürliche Zuchtwahl von dem Erfolge beider Geschlechter auf allen Alterstufen in Bezug auf die allgemeinen Lebens- bedingungen abhängt. Der geschlechtliche Kampf ist zweierlei Art. In der einen findet er zwischen den Individuen eines und des nämlichen Geschlechts und zwar allgemein des männlichen statt, um die Rivalen fortzutreiben oder zu tödten, wobei die Weibchen passiv bleiben, wäh- rend in der andern der Kampf zwar auch zwischen den Individuen des nämlichen Geschlechts stattfindet, um die des andern Geschlechts zu reizen oder zu bezaubern, und zwar meist die Weibchen, wobei aber: die letzteren nicht mehr passiv bleiben, sondern die angenehmeren Ge- nossen sich wählen. Diese letztere Art von Wahl ist der sehr analog, welche der Mensch zwar unbewusst, aber doch wirksam, bei seinen do- mestieirten Erzeugnissen anwendet, wenn er eine lange Zeit hindurch beständig die ihm am meisten gefallenden oder nützlichsten Individuen auswählt, ohne irgend einen Wunsch die Rasse zu modificiren. Die Gesetze der Vererbung bestimmen, ob die durch geschlecht- liche Zuchtwahl von beiden Geschlechtern erlangten Charactere auf ein und daselbe Geschlecht oder auf beide Geschlechter überliefert werden sollen, ebenso wie sie das Alter bestimmen, in welchem sich diese Cha- ractere zu entwickeln haben. Dem Anscheine nach werden Abänderungen, welche spät im Leben auftreten, gemeiniglich auf ein und dasselbe Ge- Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 351 schlecht überliefert. Variabilität ist die nothwendige Grundlage für die Wirkung der Zuchtwahl und ist vollständig unabhängig von derselben. Es folgt hieraus, dass Abänderungen einer und derselben allgemeinen Beschaffenheit häufig von geschlechtlicher Zuchtwahl zu ihrem Vortheile benutzt und in Bezug auf die Fortpflanzung der Species angehäuft worden sind und von natürlicher Zuchtwahl in Bezug auf die allge- meinen Zwecke des Lebens. Wenn daher secundäre Sexualcharactere gleichmässig auf beide Geschlechter überliefert werden, so können sie von gewöhnlichen specifischen Characteren nur mit Hülfe der Analogie unterschieden werden. Die durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangten Modificationen sind häufig so scharf ausgesprochen, dass die : beiden (Geschlechter oft als verschiedene Species, ja selbst als verschiedenen Gat- tungen angehörig aufgeführt worden sind. Derartige scharf ausgespro- chene Verschiedenheiten müssen in irgend einer Weise von hoher Be- deutung sein, und wir wissen, dass sie in einigen Fällen auf Kosten nicht bloss der Bequemlichkeit, sondern mit einem grösseren Ausge- setztsein für wirkliche Gefahr erlangt worden sind. Der Glaube an die Wirksamkeit geschlechtlicher Zuehtwahl ruht hauptsächlich auf den folgenden Betrachtungen. Die Charactere, von welchen wir den meisten Grund haben, sie als in dieser Weise erlangt zu betrachten, sind auf ein Geschlecht beschränkt; und dies allein macht es wahrscheinlich, dass sie in irgendwelcher Weise mit dem Acte der Reproduction in. Verbindung stehen. Diese Charactere entwickeln sich in zahllosen Fällen vollständig nur zur Zeit der Geschlechtsreife und häufig nur während eines Theils des Jahres, welcher stets die Paarungszeit ist. Die Männchen sind (mit Beiseitelassung einiger weniger exceptioneller Fälle) die bei der Bewerbung thätigsten; sie sind die bestbewaffneten und werden in verschiedener Weise zu den anziehend- sten gemacht. Es ist speciell zu beachten, dass die Männchen ihre Reize mit ausgesuchter Sorgfalt in der Gegenwart der Weibchen ent- falten und dass sie dieselben selten oder niemals entfalten, ausgenom- men während der Zeit der Liebe. Es ist unglaublich, dass diese ganze Entfaltung zwecklos sein sollte. Endlich haben wir entschiedene Be- weise bei einigen Säugethieren und Vögeln dafür, dass die Individuen des einen Geschlechts fähig sind, eime starke Antipathie oder Vorliebe für gewisse Individuen des andern Geschlechts zu empfinden. Behalten wir diese Thatsachen im Auge und vergessen wir die ausgesprochenen Resultate der unbewussten Zuchtwahl des Menschen 352 Allgemeine Zusammenfassung. II. Theil. nicht, so scheint es mir beinahe sicher zu sein, dass wenn die Indivi- duen eines Geschlechts während einer langen Reihe von Generationen vorziehen sollten, sich mit gewissen Individuen des andern Geschlechts zu paaren, welche in irgend einer eigenthümlichen Weise characterisirt wären, die Nachkommen dann langsam aber sicher in derselben Art und Weise modifieirt werden würden. Ich habe nicht zu verbergen ge- sucht, dass, ausgenommen die Fälle, wo die Männchen zahlreicher sind als die Weibchen oder wo Polygamie herrscht, es zweifelhaft ist, wie die anziehenderen Männchen es erreichen, eine grössere Anzahl von Nachkommen zu hinterlassen, welche ihre Superiorität in Ornamenten oder anderen Reizen ererben, als die weniger anziehenderen Männchen; ich habe aber gezeigt, dass dies wahrscheinlich daraus folgt, dass die Weibchen und besonders die kräftigeren Weibchen, welche zuerst zur Fortpflanzung gelangen, nicht nur die anziehenderen, sondern auch gleich- zeitig die kräftigeren und siegreichen Männchen vorziehen werden. Obgleich wir mehrere positive Beweise haben, dass Vögel glänzende und schöne Gegenstände würdigen, wie z. B. die Laubenvögel in Austra- lien, und obgleich sie sicher das Gesangsvermögen würdigen, so gebe ich doch vollständig zu, dass es eine staunenerregende Thatsache ist, dass die Weibchen vieler Vögel und einiger Säugethiere mit hinreichen- dem Geschmacke versehen sein sollen für das, was allem Anscheine nach durch geschlechtliche Zuchtwahl erreicht worden ist; und dies ist in Bezug auf Reptilien, Fische und Insecten selbst noch staunenerregender. Wir wissen aber in der That sehr wenig über die geistige Begabung der niederen Thiere. Man kann nicht annehmen, dass männliche Para- diesvögel oder Pfauhähne z. B. sich so viele Mühe geben sollten, ihre schönen Schmuckfedern vor den Weibchen aufzurichten, auszubreiten und erzittern zu machen ohne Zweck. Wir müssen uns der nach einer ausgezeichneten Autorität in einem früheren Capitel mitgetheilten That- sache erinnern, dess nämlich mehrere Pfauhennen, als sie von einem von ihnen bewunderten Pfauhahne getrennt wurden, lieber das ganze Jahr hin- durch Wittwen blieben, als dass sie sich mit einem anderen Vogel paarten. Niehtsdestoweniger kenne ich keine Thatsache in der Naturge- schichte, welche wunderbarer wäre als dass der weibliche Argusfasan im Stande sein soll, die ausgesuchte Schattirung der Kugel- und Sockel- ornamente und die eleganten Muster auf den Schwungfedern des Männ- chens zu würdigen. Wer der Ansicht ist, dass das Männchen, so wie es jetzt existirt, geschaffen wurde, muss annehmen, dass die Schmuck- Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 353 federn, welche den Vogel verhindern, die Flügel zum Fluge zu benutzen, und welche ebenso wie die Handschwingen in dieser einen Species wäh- rend des Actes der Bewerbung und zu keiner andern Zeit in einer völlig eigenthümlichen Art und Weise entfaltet werden, ihm zum Schmuecke gegeben worden sind. Wird dies angenommen, so muss er noch weiter annehmen, dass das Weibchen mit der Fähigkeit, derartige Ornamente zu würdigen, geschaffen oder begabt wurde. Ich weiche hiervon nur in der Ueberzeugung ab, dass der männliche Argusfasan seine Schönheit allmählich erlangte und zwar dadurch, dass die Weib- chen viele Generationen Kindurch die in höherem Grade geschmückten Männchen vorzogen, während die ästhetische Fähigkeit der Weibchen durch Uebung und Gewohnheit in derselben Weise, wie unser eigener Geschmack allmählich veredelt wird, allmählich fortgeschritten ist. Durch den glückliehen Zufall, dass beim Männchen einige wenige Federn nicht modifieirt worden sind, sind wir in den Stand gesetzt deutlich zu sehen, wie einfache Flecke mit einer unbedeutenden gelblichen Schat- tirung auf der einen Seite durch kleine, abgestufte Schritte zu den wunderbaren Kugel- und Sockelornamenten entwickelt worden sind; und es ist wahrscheinlich, dass sie sich wirklich so entwickelt haben. Ein Jeder, welcher das Prineip der Entwickelung annimmt und doch grosse Schwierigkeit empfindet zuzugeben, dass weibliche Säuge- thiere, Vögel, Reptilien und Fische den hohen Grad von Geschmack er- langt haben, welcher wegen der Schönheit der Männchen vorauszusetzen ist und welcher im Allgemeinen mit unserem eigenen Geschmacke über- einstimmt, muss bedenken, dass in jedem Gliede der Wirbelthierreihe die Nervenzellen des Gehirns die direeten Abkömmlinge derjenigen sind, welche der gemeinsame Urerzeuger der ganzen Gruppe besessen hat. Es wird hierdurch verständlich. dass das Gehirn und die geistigen Fähigkeiten unter ähnlichen Bedingungen einmal nahezu desselben Ent- wickelungsverlaufs und dann in Folge dessen auch der Ausübung nahezu derselben Funetionen fähig wurden. Der Leser, welcher sich die Mühe gegeben hat, durch die verschie- denen der geschlechtlichen Zuchtwahl gewidmeten Capitel sich durch- zuarbeiten, wird im Stande sein zu beurtheilen, inwieweit die Folge- rungen, zu denen ich gelangt bin. durch genügende Beweise unterstützt sind. Nimmt er diese Folgerungen an, so kann er sie, wie ich glaube, ruhig auf den Menschen ausdehnen. Es würde aber überflüssig sein, hier das zu wiederholen, was ich erst vor Kurzem über die Art und DARWIN, Abstammung. Il. Zweite Auflage. 23 354 Allgemeine Zusammenfassung II. Theil. Weise gesagt habe, in welcher geschlechtliche Zuchtwahl dem Anscheine nach sowohl auf die männliche als die weibliche Seite des Menschen- geschlechts eingewirkt hat, wie sie die Ursache gewesen ist, dass die bei- den Geschlechter des Menschen an Körper und Geist und die verschiedenen Rassen in verschiedenen Characteren von einander, ebenso wie von ihrem alten und niedrig organisirten Urerzeuger verschieden geworden sind. Wer das Princeip der geschlechtlichen Zuchtwahl zugibt, wird zu der merkwürdigen Schlussfolgerung geführt, dass das Üerebralsystem nicht bloss die meisten der jetzt bestehenden Funetionen des Körpers regulirt, sondern auch indireet die progressive Entwickelung verschiede- ner körperlicher Bildungen und gewisser geistiger Eigenschaften beein- flusst hat. Muth, Kampfsucht, Ausdauer, Kraft und Grösse des Kör- pers, Waffen aller Arten, musikalische Organe, sowohl vocale als in- strumentale, glänzende Farben, Streifen und Zeichnungen und ornamen- tale Anhänge, Alles ist indireet von dem einen oder dem andern Ge- schlechte erlangt worden, und zwar durch den Einfluss der Liebe und Eifersucht durch die Anerkenung des Schönen im Klang, in der Farbe oder der Form und durch die Ausübung einer Wahl; und diese Fähig- keiten des Geistes hängen offenbar von der Entwickelung des Gehirn- nervensystems ab. Der Mensch prüft mit scrupulöser Sorgfalt den Character und den Stammbaum seiner Pferde, Rinder und Hunde, ehe er sie paart. Wenn er aber zu seiner eigenen Heirath kommt, nimmt er sich selten oder niemals solche Mühe. Er wird nahezu durch dieselben Motive wie die niederen Thiere, wenn sie ihrer eigenen freien Wahl überlassen sind, angetrieben, obgleich er insoweit ihnen überlegen ist, dass er geistige Reize und Tugenden hochschätzt. Andererseits wird er durch blosse Wohl- habenheit oder Rang stark angezogen. Doch könnte er durch Wahl nicht bloss für die körperliche Constitution und das Aeussere seiner Nachkommen, sondern auch für ihre intelleetuellen und moralischen Eigenschaften etwas thun. Beide Geschlechter sollten sich der Heirath enthalten, wenn sie in irgend welchem ausgesprochenen Grade an Körper oder Geist untergeord- net wären; derartige Hoffnungen sind aber utopisch und werden niemals auch nur zum Theil realisirt werden, bis die Gesetze der Vererbung durch und durch erkannt sind. Alles was uns diesem Ziele näher bringt, ist von Nutzen. Wenn die Principien der Züchtung und der Vererbung besser ein- gesehen werden, werden wir nicht unwissende Glieder unserer gesetzgeben- Cap. 21. und Schlussbemerkungen. 355 den Körperschaften verächtlich einen Plan zu einer leichten Methode zurück- weisen hören in Betreff der Beantwortung der Frage, ob blutsverwandte Heirathen für den Menschen schädlich sind oder nicht. Der Fortschritt des Wohles der Menschheit ist ein äusserst verwickel- tes Problem. Alle sollten sich des Heirathens enthalten, welche ihren Kin- dern die grösste Armuth nicht ersparen können, denn Armuth ist nicht bloss ein grosses Uebel, sondern führt auch zu ihrer eigenen Vergrösserung, da sie Unbedaehtsamkeit beim Verheirathen herbeiführt. Auf der andern Seite werden, wie Mr. Gaturon bemerkt hat, wenn die Klugen das Heira- then vermeiden, während die Sorglosen heirathen, die untergeordneteren Glieder der menschlichen Gesellschaft die besseren zu verdrängen streben. Wie jedes andere Thier ist auch der Mensch ohne Zweifel auf seinen ge- genwärtigen hohen Zustand durch einen Kampf um die Existenz als Folge seiner rapiden Vervielfältigung gelangt, und wenn er noch höher fortschrei- ten soll, so muss er einem heftigen Kampfe ausgesetzt bleiben. Im andern Falle würde er in Indolenz versinken und die höher begabten Menschen würden im Kampfe um das Leben nicht erfolgreicher sein als die weniger begabten. Es darf daher unser natürliches Zunahmeverhältniss, obschon es zu vielen und offenbaren Uebeln führt, nicht durch irgendwelche Mittel be- deutend verringert werden. Es muss für alle Menschen offene Concurrenz bestehen, und es dürfen die Fähigsten nicht durch Gesetze oder Gebräu- che daran verhindert werden, den grössten Erfolg zuhaben und die grösste Zahl von Nachkommen aufzuziehen. So bedeutungsvoll der Kampf um die Existenz gewesen ist und noch ist, so sind doch, soweit der höchste Theil der menschlichen Natur in Betracht kommt, andere Kräfte noch bedeu- tungsvoller; denn die moralischen Eigenschaften sind entweder direct oder indireet viel mehr durch die Wirkung der Gewohnheit, die Kraft der Ueberlegung , Unterricht, Religion u. s. w. fortgeschritten als durch natürliche Zuchtwahl, obschon dieser letzteren Kraft die socialen In- stinete, welche die Grundlage für die Entwickelung des moralischen Gefühls dargeboten haben, ruhig zugeschrieben werden können. Die hauptsächlichste Folgerung, zu welcher ich in diesem Werke gelangte, nämlich dass der Mensch von einer niedriger organisirten Form abgestammt ist, wird für viele Personen, wie ich zu meinem Bedauern wohl-annehmen muss, äusserst widerwärtig sein. Es lässt sich aber kaum daran zweifeln, dass wir von Barbaren abstammen. . Das Erstaunen, welches ich empfand, als ich zuerst eine Truppe Feuer- 23* 356 Allgemeine Zusammenfassung. II. Theil. länder an einer wilden, zerklüfteten Küste sah, werde ich niemals ver- gessen; denn der Gedanke schoss mir sofort durch den Sinn: so waren unsere Vorfahren. Diese Menschen waren absolut nackt und mit Farbe bedeckt, ihr langes Haar war verschlungen, ihr Mund vor Aufregung be- geifert und ihr Ausdruck wild, verwundert und misstrauisch. Sie besassen kaum irgend welche Kunstfertigkeit und lebten wie wilde Thiere von dem, was sie fangen konnten. Sie hatten keine Regierung und waren gegen je- den, der nicht von ihrem kleinen Stamme war, ohne Erbarmen. Wer einen Wilden in seinem Heimathslande gesehen hat, wird sich nicht sehr schämen, wenn er zu der Anerkenung gezwungen wird, dass das Blut noch niedrige- rer Wesen in seinen Adern fliesst. Was mich betrifit, so möchte ich eben- so gern von jenem heroischen kleinen Affen abstammen, welcher seinem gefürchteten Feinde trotzte, um das Leben seines Wärters zu retten, oder von jenem alten Pavian, welcher, von den Hügeln herabsteigend, im Triumph seinen jungen Kameraden aus einer Menge erstaunter Hunde herausführte , — als von einem Wilden, welcher ein Entzücken an den Mar- tern seiner Feinde fühlt, blutige Opfer darbringt, Kindesmord ohne Ge- wissensbisse begeht, seine Frauen wie Sclaven behandelt, keine Züchtigkeit kennt und von dem grössten Aberglauben beherrscht wird. Der Mensch ist wohl zu entschuldigen, wenn er einigen Stolz darüber empfindet, dass er, wenn auch nicht durch seine eigenen Anstrengungen, zur Spitze der ganzen organischen Stufenleiter gelangt ist; und die Thatsache, dass er in dieser Weise emporgestiegen ist, statt ursprüng- lich schon dahin gestellt worden zu sein, kann ihm die Hoffnung ver- leihen, in der fernen Zukunft eine noch höhere Bestimmung zu haben. Wir haben es aber hier nicht mit Hoffnungen oder Befürchtungen zu thun, ‘sondern nur mit der Wahrheit, soweit unser Verstand es uns ge- stattet sie zu entdecken. Ich habe die Beweise nach meiner besten Kraft mitgetheilt, und wir müssen anerkennen, wie mir scheint, dass der Mensch mit allen seinen edlen Eigenschaften, mit der Sympathie, welche er für die Niedrigsten empfindet, mit dem Wohlwollen, welches er nicht bloss auf andere Menschen, sondern auch auf die niedrigsten lebenden Wesen ausdehnt, mit seinem gottähnlichen Intellect, welcher in die Bewegungen und die Constitution des Sonnensystems eingedrun- gen ist, mit allen diesen hohen Kräften doch noch in seinem Körper den unauslöschlichen Stempel seines niederen Ursprungs trägt. | Register. A. Abänderung; correlative I, 112; spon- tane, I, 113; Gesetze der — , I, 97; beim Menschen I, 160; analoge I, 169; analoge im Gefieder der Vögel I1..62. Abbott, C., über die Kämpfe der Rob- ben II, 211. Abductor-Muskel des fünften Meta- tarsalknochens, beim Menschen vor- handen I, 111. Abercrombie, Dr., über eine Gehirn- krankheit, welche die Sprache affieirt 1.29. Aberglauben I, 159; Vorherrschen desselben I, 85. Abergläubische Gebräuche I, 58. Abiponen, Heirathsgebräuche dersel- ben II, 328. Abstammung, nur in der mütterlichen Linie verfolgt II, 316. Abstraction I, 52. Abstufung secundärer Sexual-Cha- ractere bei Vögeln I, 118. Abu-Simbel, Höhlen von I, 191 Acalles, Stridulation von I, 342. Acanthodactylus capensis, geschlecht- liche Farbenverschiedenheiten bei II, 30. Accentor modularıs II, 173. Acclimatisation, verschieden bei ver- schiedenen Menschenrassen I, 190. Achetidae, Stridulation der 1, 315, 316. 318; rudimentäre Stridulationsorgane bei den weiblichen I, 320. Acilius sulcatus, Flügeldecken des Weib- | chens I, 307. Acomus, Entwickelung von Spornen bei den Weibchen II, 141. Acridiidae , Stridulation der — , I, 315, 318; rudimentäre Stridulationsorgane bei den weiblichen I, 320. Actiniae, helle Earben der — , 1, 289. Aderung der Flügel, s. Nervation, Adler, ein junger Cercopithecus durch einen Trupp von einem — erlöst I, 64. Adler, weissköpfiger, pflanzt sich im unreifen Gefieder fort II, 188. Admiral, Schmetterling I, 350. Adoption der jungen von anderen Thie- ren durch weibliche Affen I, 34. Aeby, über die Verschiedenheit zwi- schen dem Schädel des Menschen und der Quadrumanen I, 166. Aesthetisches Vermögen, bei Wilden nicht hoch entwickelt I, 54. Affe, schützt seinen Wärter vor einem Pavian I, 66, 74; Mützen- I, 167; Rhe- sus-, geschlechtliche Farbenverschie- denheit IH, 257, 272; Schnurrbart-, Farben desselben II, 256. Affection, mütterliche I, 34; Zeichen derselben bei Thieren I, 34; elterliche und kindliche, theilweise Resultat na- türlicher Zuchtwahl I, 68; bei Vögeln in Gefangenschaft für gewisse Perso- nen II, 96; gegenseitige bei Vögeln II, 94. Affen, denselben Krankheiten ausge- setzt wie der Mensch I, 9; männliche erkennen Frauen I, 10; Rache der I, 33, mütterliche Zuneigung I, 34; Va- riabilität der Gabe der Aufmerksam- keitI, 37; gebrauchen Steine und Stöcke I, 43; Nachahmungsvermögen I, 47; Signalrufe I, 48; Wachen von — aus- gestellt I, 63; Verschiedenheit der gei- stigen Fähigkeiten I, 95; gegenseitige Liebesdienste I, 63; Hände der I, 120, erbrechen harte Früchte mit Steinen 1, 121; basale Schwanzwirbel im Kör- per eingeschlossen I, 130; mensch- liche Charactere I, 167; Abstufung der Arten I, 200; Bärte II, 249; ornamen- tale Charactere II, 268; Analogie der geschlechtlichen Verschiedenheiten mit denen des Menschen II, 279; verschie- dene Grade der Verschiedenheit zwi- schen den Geschlechtern II, 283; Aus- 358 Affen. Register. Amerika. druck der Gemüthserregungen II, 295; meist monogam II, 318; polygame Le- bensweise einiger II, 318; nackte Stel- len Il, 331; Offenbarung von Verstand bei amerikanischen 'I, 39; Richtung der Haare an den Armen bei ameri- kanischen I, 168. Affen, anthropomorphe I, 171; Ver- schiedenheit der Jungen von den Al- ten I, 11; bauen Plattformen I, 44; wahrscheinlich schnelles Aussterben I, 175; Gratiolet über ihre Entwicke- lung I, 203; halb aufrechte Stellung einiger I, 122; Zitzenfortsatz dersel- ben I, 124; Einfluss der Kiefermus- keln auf die Physiognomie I, 125; den Weibchen fehlen die grossen Eckzähne I, 135; Nachahmung bei ihnen I, 139; Eckzähne der Männchen II, 211; die Weibchen einiger unten weniger be- haart als die Männchen II, 332. Affen, langarmige, die Art ihrer Fort- bewegung I, 123. Afrika, wahrscheinlich kreuzte Bevölkerung von I, 198; Süd-, Beibehaltung der Hautfarbe seitens der, Holländer in — I, 213; Süd-, Verhältniss der Geschlechter von Schmetterlingen in — ‚I, 276; Tättowiren in — geübtlI, 293; Nord-, Haarputze der Eingebo- renen’ von — II, 298. Agassiz, L., über Gewissen bei Hun- den 1, 66; Coincidenz der Menschen- rassen mit den zoologischen Provin- zen I, 192; über die Zahl der Men- schenspecies I, 199; über die Braut- werbung bei Landschnecken I], 291; über die glänzenden Farben männlicher Fische in der Paarungszeit II, 11; über die Stirnprotuberanzen der Männ- chen von Geophagus und Cichla II, 11, 17; über die geringen Sexnalver- schiedenheiten der Süd-Amerikaner II, 283; über das Tättowiren der Ama- zonas-Indianer II, 300 Agelaeus phoeniceus I, 101. Ageronia feronia, Geräusch von ihr her- vorgebracht I, 344, Agrion, Dimorphismus bei I, 324. Agrion Ramburii, Geschlechter von — ‚1, 323. Agrionidae, Verschiedenheit schlechter I, 322. Agrotis exclamationis 1, 355. Aehnlichkeit, sexuelle I, 244. der Aehnlichkeiten, kleine, zwischen dem | Menschen und den Affen I, 167. Aithurus polytmus, Junges von — ‚II, 193. Ainos, Behaartsein der II, 282. u: die Geburts-. stätte des Menschen I, 174; Süd-, ge- Ge- | Alca torda, Junge der — , II, 191. Alces palmata, II, 228. Alder undHancock, über nudibranche Mollusken I, 293. Allen, J. A., über die relative Grösse der Geschlechter von Oallorhinus ur- sinus II, 228; über die Mähne ‘ von Otaria jubata II, 234 über das Paa- ren der Robben II, 245; über Ge- schlechtsverschiedenheiten in der Farbe bei Fledermäusen II, 252. Allen, S., über die Lebensweise von Hoplopterus II, 41; über die Schmuck- federn der Reiher II, 70; über. die Frühjahrsmauserung von Herodias bu- buleus IL, 92, Alligator, Brautwerbung des Männ- chens 1,240; II, 24; Brüllen des Männ- chens II, 24. Alter, im Verhältniss zur Ueberliefe- rung von Characteren bei Vögeln II, 160; Abänderung in Uebereinstimmung mit dem — bei Vögeln II, 187. Amadavat, Kampflust des Männchens II, 41. Amadina castanotis, Entfaltung des Ge- fieders seitens des Männchens II, 82. Amadina Lathami, Entfaltung des Ge- fieders seitens des Männchens II, 82. Amazonenstrom, Schmetterlinge des -Gebiets I, 276; Fische desselben II, 14. Ameisen ], 162; spielen mit einander 1, 33. Gedächtniss bei — , I, 38; Mitthei- lungen unter einander mittelst der An- tennen I, 49; bedeutende Grösse der Cerebralganglien I, 125; grosse Kinn- laden der Soldaten- I, 134; Verschie- denheit der Geschlechter I, 326; Wie- dererkennung unter einander nach Trennung I, 38, 325. Ameisen, weisse, Lebensweise I, 324. Amerika, Abänderungen der Schädel der Eingeborenen I, 93; weite Ver- breitung der Eingeborenen I, 192; Läuse der Eingeborenen I, 193; all- gemeine Bartlosigkeit der Eingebore- nen II, 282. Amerika, Nord-; Schmetterlinge I, 276; Indianer, Frauen eine Ursache des Kampfes unter ihnen II, 283; India- ner, ihre Begriffe von weiblicher Schön- heit II, 302, 305. Amerika, Süd-; Character der Einge- borenen I, 190; Bevölkerung von Thei- len von — ,.I, 198, Steinhaufen in —, I, 205; Aussterben des fossilen Pfer- des in — ,I, 211; Wüstenvögel von —, I, 197; unbedeutende Geschlechts- verschiedenheit der Eingeborenen II- Amerikaner. Register. Araber. 359 283; Vorherrschen des Kindesmords II, 320. Amerikaner, weite geographische Ver- breitung I, 96; Verschiedenheit von den NegernI, 217; Widerwille gegen Haare im Gesicht .II, 306; Variabilität der eingeborenen — , I, 199. Amerikanische Spraehen oft sehr künstlich I, 51. A mmern, Charactere der Jungen II, 161. Ammophila, über die Kiefer von — , 1, 306. Ammotragus tragelaphus , behaarte Vor- derbeine II, 248, 251. Amphibia I, 186; II, 20; Verwandtschaft der — mit «en ganoiden Fischen I, 175; Stimmorgane II,. 290; Fortpflanzung im unreifen Zustande II, 189. Amphioxus I, 179, 186. Amphipoda, Männchen sind schon ge- schlechtsreif, wenn jung II, 189. Amsel, geschlechtliche Verschiedenhei- ten I, 237; Verhältniss der Geschlech- ter I, 273; Erlernung eines bestimm- ten Gesangs II, 47; Farbe des Schna- bels im beiden Geschlechtern II, 62, 199; Paaren mit einer Drossel II, 99; Farben und Nisten Il, 148; Junge II, 192; geschlechtliche Verschiedenheiten in der Färbung II, 199. Amulete, von Frauen getragen II, 302. Amunoph II., Neger-Character seiner Gesichtszüge I, 191. Analanhänge der Insecten I, 305. Analdrüsen der Schlangen II, 25. Analoge Abänderung im Gefieder der Vögel H, 63. - Anas U, 157. Anas acuta, männliches Gefieder I, 72. Anas boschas, männliches Gefieder II, 72. Anas histrionica O, 188. Anastomus oscitans, (Geschlechter und Junge II, 190; weisses Hochzeitsge- fieder II, 200. Anatidae, Stimmen der —, II, 51. Anax junius, Verschiedenheit der Ge- schlechter I, 323. Angelsachsen, Schätzung des Bartes bei ihnen II, 306. Anhänge des Hinterleibsendes bei In- secten I, 305. Annelida 1, 293. Annulosa I, 293. Anobium tesselatum, Geräusch hervor- | gebracht I, 342. - Anolis eristatellus, Kamm desMännchens‘ Anser cygnoides II, 100; Höcker an der Schnabelbasis I, 113. Anser hyperboreus, weisse Farbe II, 200. Antennen mit Kissen versehen beim Männchen von Penthe I, 307. Anthidium mamnicatum, grosses Männ- chen I, 310, Anthocharis cardamines 1, 345; 350, ge- schlechtliche Farbenverschiedenheit I, 364. Anthocharis genutia I, 350. Anthocharis sara 1, 350. Anthophora acervorum, grosses Männ- chen I, 310. Anthophora retusa Verschiedenheit der Geschlechter I, 326. Anthus, Mauserung bei —, II, 71. Anthropidae 1, 170. Antigua, Nicholson’s Beobachtungen über gelbes Fieber auf —, I, 216. Antilocapra americana 1, 256, II, 216. Antilope bezoartica, gehörntes Weibchen II, 216, 218; geschlechtliche Verschie- denheit der Farbe II, 253. Antilope dorcas und euchore II, 216. Antılope euchore, Hörner II, 220, Antilope montana, rudimentäre Eckzähne beim Männchen II, 226. Antilope nsger, Sing-sing, caama und gorgon, geschlechtliche Verschieden- heiten der Farbe II, 254. Antilope oreas Hörner I, 256. „ saiga, polygameLebensweise I, 235. strepsiceros, Hörner I, 255. H subgutturosa, Fehlen der Sub- orbitaldrüsen II, 246. Antilope, Hörner der gabelhörnigen I, 256. Antilopen, meist polygam I, 235; Eck- zähne einiger männlichen II, 212; Ge- brauch der Hörner II, 220; Rücken- kamm bei —, II, 248; Wammen bei —, II, 250; Winterabänderung zweier Spe- cies II, 262; eigenthümliche Zeichnun- gen bei — , II, 262. Antipathie, bei Vögeln in Gefangen- schaft gegen gewisse Personen II, 96. Anura U, 21. ” | Apatania muliebris, Männchen unbe- kannt I, 282. Apathus, Verschiedenheit der Geschlech- ter I, 326. Apatura Iris I, 344, 345. Apis mellifica, grosses Männchen I, 310. Apollo, griechische Statuen II, 307. Apoplexie bei Cebus Azarae 1, 9. Aprosmictus scapulatus II, 152. II 27; Kampflust des Männchens II, | Aquwila chrysaötos U, 91. 27; Kehlsack II, 27. Anser canadenstis II, 102. Araber, Zerfetzen der Wangen und Schläfe bei ihnen II, 298. 360 Arabische. Register. Audubon. Arabische Frauen, sorgfältiger und eigenthümlicher Kopfputz II, 309. Arachnida 1, 302. Arakhan, künstliche Verbreiterung der Stirn beiEingeborenen von —, II, 308. Aboricola, Junge von —, II, 166. Archaeopteryx 1, 178. Arctiidae, Färbung bei den — , I, 552. Ardea asha, rufescens und caerulea, Far- benänderung bei ihnen II, 203, 204. Ardea caerulea, Fortpflanzung im un- reifen Gefieder II, 188. Ardea gularis, Aenderung des Gefieders II, 203. Ardea herodias, Männchen II, 58. Ardea Ludoviciana, Alter des reifen Ge- fieders II, 187; beständiges Wachsthum des Federkammes und der Schmuck- federn bei den Männchen II, 189. Ardea nyetiworax, Rufe II, 43. Ardeola,, Junge von — , Il, 167. Ardetta, Veränderungen des Gefieders II, 156. Argenteuil I, 24. Argus-Fasan II, 62, 83, 158; Entfal- tung des Gefieders vom Männchen II, 78; Augenflecke II, 117, 123; Abstu- fung derCharactere beidem —, II, 123. Argyll, Herzog von, Formen von Werk- zeugen eigenthümlich dem Menschen I, 44; über !den Kampf im Menschen zwischen Recht und Unrecht I, 89; über die physische Schwäche des Men- schen I, 135; über die primitive Civi- lisation des Menschen I, 158; über das Gefieder des männlichen Argus- Fasans I, 78; über Urosticte Benja- mini II, 132; über die Nester der Vögel II, 145; über Abwechselung als Zweck in der Natur II, 202. Argynnis aglaia, Färbung der unteren Fläche I, 353. Aricoris epitus, Geschlechtsverschieden- heiten in den Flügeln I, 308. Aristokratie, erhöhte Schönheit der- selben II, 313. Arme und Hände, freier Gebrauch der — indirect in Correlation mit Ver- kleinerung der Eckzähne I, 124. Arterien, Abänderungen in ihrem Ver- laufe I, 93; Wirkung der Unterbin- dung auf Seitengefässe I, 100. Arthropoda I, 294. . Arzneien, Wirkungen derselben die gleichen beim Menschen und bei den Affen I, 9. Ascension, gefärbte Incrustationen an den Felsen I, 292. Ascidiae I, 290; Verwandtschaft des Am- Liebesgeberden der phioxus mit ihnen I, 179; Kaulquappen- ähnliche Larven derselben I, 179; ' glänzende Farben bei einigen I, 289. ‚ Asinus, asiatische und afrikanische Spe- ces IF, 268. Asinus taeniopus II, 268. Ateles, Wirkungen des Branntweins I, 10; Fehlen des Daumens 1.121. Ateles beelzebuth, Ohren I, 19. „ marginatus, Farbe des Kragens II, 255; Haar an dem Kopf II, 270; Ateuchus, Stridulation I, 242. eicatriecosus, Lebensweise TI, | » 335. Athalia, Verhältniss L, 281. Audouin, V., über ein parasitisches Hymenopter mit sedentären Männchen I, 241. Audubon, J. J., über die Kampflust vieler Vögel II, 36, 41; über Tetrao cupido II, 43; über Ardea nycticorax ll, 43; über Sturnella ludovieiana 1, 43; über Stimmorgane von Tetrao cu- pido II, 48; über das Trommeln des männlichen Tetrao umbellus I, 55; ' über Laute vom Ziegenmelker her- vorgebracht II, 54; über Ardea hero- dias und Cathartes jota II, 58; über die Frühjahrsänderung einiger Finken Il, 73; über das Wiedererkennen eines Truthahns und Hundes II, 96; über die Wahl eines Gatten seitens der Weibchen Il, 101; über Mimus poly- glottus II, 95; über das Truthuhn ll, 104, 105; über Abänderung beim männlichen scharlachenen Tanager II, 110; über Lebensweise von Pyranga aestiva II, 146; über locale Verschie- denheiten in den Nestern derselben Vogelspecies II, 149; über die Lebens- weise der Spechte II, 152; über Bom- byeilla carolinensis II, 157; über junge Weibchen von Tanagra aestiva mit männlichen Characteren II, 157; über das Jugendgefieder von Drosseln II, 162; über Jugendgefieder der Vögel II, 163 flede.; über Vögel die im un- reifen Gefieder brüten II, 188; über Wachsthum des Federkamms und der Schmuckfedern von Ardea ludovicrana II, 189; über Farbenveränderungen bei einigen Species von Ardea II, 203; über den Spiegel von Mergus eueul- latus I, 258; über die Bisamratte II, 261. Audubon und Bachman, über käm- der Geschlechter pfende Eichhörner II, 210; über den canadischen Luchs II, 234, Auerhuhn Register. Baker 361 Auerhuhn. Verhältniss der Geschlech- ter I, 272; Kampflust des Männchens II, 35; Paaren II, 42; Herbstzusam- menkünfte Ir 16 Lockruf II, 52; Dauer der Brautwerbung II, 87: Be- nehmen des Weibchens II, zuträglichkeit schwarzer Farbe für das Weibchen Il, 134; geschlechtliche Farbenverschiedenheit Il, 198; car- moisine Wachshaut des Männchens II, 199; Polygamie I, 238. Aufmerksamkeit, Offenbarung der-* selben bei Thieren I, 37. Aufrechte Stellung des Menschen I, 122, 123. Auge, Zerstörung desselben I, Veränderung der Stellung I, Chinesen für schön gehalten II, 302. Augen, geschlechtliche Verschiedenheit ihrer Färbung bei Vögeln I, 112; säulenförmiges des männlichen Chlodon I, 305. Augenbrauen, Tihehune der —, 1, 16; Entwickelung langer Haare in den .—,1,20; bei Affen I, 167; ausgeris- sen in Theilen von Süd-Amerika und Afrika II, 298; und von den India- nern von Paraguay II, 306. Augenflecke bei Vögeln, Bildung und Variabilität IL, 115. Augenlider, in Theilen von Afrika schwarz gefärbt II, 297. Augenwimpern von den Indianern von Paraguay ausgerissen II, 306. Aurorafalter I, 345, 350. Ausdauer, hochgeschätzt I, 82; II, 287. Ausdruck der Gemüthsbewegungen I, 167. Ausschweifung, herrscht bei Wil- den I, 82; Hemmniss für die Bevöl- kerung I, 116; Einfluss I, 150. Aussterben von Rassen, Ursachen derselben I, 209. Austen, N. !.., über Anolis eristatellus + 271. Australien, Variationen in den Schä- deln der Eingeborenen I, lingsrassen von den Eingeborenen ge- tödtet I, 194; Läuse der Eingebore- nen I, 193: nicht Geburtsstätte des Menschen I, 174; Vorherrschen des Mordes weiblicher Kinder II, 320. Australier, Farbe der en Kinder II, 978: relative Grösse der '105: Un- | 100; 1 schräge Stellung von Japanesen und | 93; Misch- Geschlechter OH, 281; Frauen Ursache | von Kriegen bei ihnen II, 283. Auswanderung I, 150. Axis-Hirsch, Geschlechtsverschieden- heit der Farbe II, 255, Aymaras, Messungen derselben I, 103; keine grauhaarigen unter ihnen II, 280; Haarlosigkeit des Gesichts II, 283; langes Haar derselben II, 305. Azara, über das Verhältniss der Frauen zu den Männern unter den Guaranys I, 268; über Palamedea cornuta LH, 40; über die Bärte der Guaranys II, 282; über Kampf um die Frauen bei den Guaranys II, 284; über Kindes- mord II, 302, 320; über das Ausreis- sen der Augenbrauen und Augen- wimpern bei den Indianern von Para- guay II, 306; über Polyandrie bei den Guanas II, 321; Cölibat bei den Wil- den von Süd-Amerika unbekannt II, 322; über das Freisein von Scheidun- gen unter ‘den Charruas II, 328. B. Babyrussa, Stosszähne II, 232. Bachman, über die Fruchtbarkeit der Mulatten I, 194. Bachstelze, indische, Junges II, 166; Ray’s, Ankunft des Männchens vor dem Weibchen I, 229. Backenbärte bei Affen I, 167. Baer, C.E. von, über embryonale Ent- wickelung L, 11: Definition des Fort- schritts in der organischen Stufenlei- ter I, 185. Bag eh ot, W., über die socialen Tugen- den der primitiven Menschen I, 80; über den Werth des Gehorsams I, 80, 141; über menschlichen Fortschritt 1, 144; über das Erhaltenbleiben wilder Stämme in classischen Zeiten I, 211 Bailly, E. M., über die Kämpfe der Hirsche II, 222; über die Art zu käm- pfen beim italienischen Büffel II, 220. Bain, A., über das Gefühl der Pflicht I, 60; Hülfe aus Sympathie I, 65; über die Grundlage der Sympathie 1, 69; über Sucht nach Anerkennung I. 73; über die Idee der Schönheit I, 310. Baird, W., Farbenverschiedenheit zwi- schen den Geschlechtern einiger En- tozoen I, 288. ıBaker, über das Verhältniss der Ge- schlechter bei Fasanenküchlein I, 272. |Baker, Sir’ 'S., Liebe der Araber zu mistönender Musik I, 58; über ge- schlechtliche Farbenverschiedenheit bei. einer Antilope II, 254; Elephanten und Rhinocerosse greifen Schimmel an I, 259; über die von Negern vorgenom- menen Entstellungen II, 260; über das Zerfetzen der Wangen und Schlä- 362 Balzen. Register. Bechstein. fen bei Arabern II, 298; über den Haarputz der Nord-Afrikaner II, 298; über die Durchbohrung der Unterlippe bei den Weibern von Latooka II, 299; die Unterscheidungszeichen der Haar- B putze der central-afrikanischen Stämme II, 300; über den Haarputz arabischer B Frauen II, 309. B Balzen des Auer- und Birkhuhns I, 38, 87. Bantam-Huhn, Sebright I, 228, 261. Banting, Hörner IH, 217; geschlecht- liche Verschiedenheiten der Farbe II, 254. | Banyai, Farbe der —, II, 304. Barbarei, ursprüngliche, civilisirter Nationen I, 157. | Barr, über geschlechtliche Vorliebe bei | B Hunden II, 239. Barington, Daines, über die Sprache der Vögel I, 46; über das Glucken der Henne II, 43; über den Zweck des Gesangs der Vögel II, 45; über den Gesang weiblicher Vögel II, 46; über das Erlernen fremder Weisen von Vögeln II, 47; über die Kehlkopf- muskeln bei Vögeln II, 47; über das Fehlen des'Gesangsvermögens bei weib- lichen Vögeln II, 143. Barrow, über den Wittwenvogel II, 83. Barsch, Glanz der Männchen während der Paarungszeit II, 11. Bart, Entwickelung beim Menschen II, 278; Analogie desselben beim Men- schen und Affen II, 279; Abänderung in seiner Entwickelung bei verschie- denen Menschenrassen II, 281; Schä- tzung desselben unter bärtigen Natio- B nen II, 306; wahrscheinlicher Ursprung ıB über die Farben von Cercopithecus cephus Il, 256; über die Farben der Gesichter bei Affen II, 272; über die nackten Hautstellen bei Affen II, 331; artram, über die Brautwerbung des männlichen Alligators II, 24. artvögel, Farbe und Nestbau II, 149. a e Sprache, höchst künstlich ol: ate, C. S., über die grössere Leben- digkeit männlicher Crustaceen I, 240; über das Verhältniss der Geschlechter bei Krabben I, 283; über die Scheeren der Crustaceen I, 296; über die rela- . tive Grösse der Geschlechter bei Cru- staceen I, 300. ates,H. W., Abänderung in der Kopf- form der Amazonas-Indianer I, 96; Verhältniss der Geschlechter der Schmetterlinge vom Amazonenstrome I, 276; geschlechtliche Verschieden- heiten in den Flügeln der Schmetter- linge I, 308; über die Feldgrille I, 315; über Pyrodes pulcherrimus ], 327; über die Hörner lamellicorner Käfer I, 330, 331; über die Farben der Epicaliae etc. I, 346; Färbung tropischer Schmetterlinge I, 348; Va- riabilität von Papilio Sesostris und Childrenae 1,357; männliche und weib- liche Schmetterlinge verschiedene Oert- lichkeiten bewohnend I, 358; über Nachäffung 1, 365; Raupe einer Sphin« I, 370; Stimmorgane des Schirmvogels Il, 51; über die Tukans II, 199; über Brachyurus calvus II, 271. atokas schlagen zweioder dreiSchnei- dezähne aus II, 299. desselben II, 333. Batrachia II, 21. Gier der Männchens Bärte, bei Affen I, 167; bei Säugethie- I, 240. ren II, 248. Beavan, Lieut., Entwickelung des Ge- Bartlett, A. D,, über den Tragopan weihes bei Cervus Eldi I, 255. I, 238; Entwickelung der Spornen bei Becassine, Ankunft des Männchens Crossoptilon auritum I, 257; Kämpfe der Männchen von Plectropterus gam- bensis I, 39; über Tringa canutus Il, 70; Entfaltung seitens männlicher Vögel H, 74; Entfaltung des Gefieders B bei Polyplectron IL, 76; über Crosso- ptilon auritum und Phasianus Walli- vor dem Weibchen I, 229; Kampf- sucht des Männchens II, 36; doppelte Mauserung II, 69; Meckern II, 54; Färbung II, 198. ecassinen, grosse Versammlungen derselben II, 88. chü II, 80: Lebensweise von Lopho- Bechst ein, über die Wahl der besten phorus II, 105; Farbe des Mundes bei Buceros bicornis Il, 113; Bebrütung beim Casuar II, 179; Capischer Büf- fel II, 220; Gebrauch der Hörner bei Antilopen II, 220; über die Kämpfe männlicher Warzenschweine II, 235; | über Ammotragus tragelaphus I, 248; Sänger seitens weiblicher Vögel II, 44; Rivalität bei Singvögeln II, 45; Gesang weiblicher Vögel II, 46; Vögel lernen fremden Gesang U, 47; Paaren des Canarienvogels und Zeisigs II, 100; Untervarietät der Mönch- Taube II, 115; gespornte Hennen II, 141. Becken. Register. Blair. 363 Becken, Aenderung desselben in Folge der aufrechten Stellung des Menschen I, 124; Verschiedenheiten in den Ge- schlechtern des Menschen II, 278. Bedachtsamkeit I, 42. Beddoe, Dr., Ursachen der Verschie- denheiten der Körpergrösse I, 99. Befruchtung, Erscheinungen der — bei Pflanzen I, 241; bei den niederen Thieren I, 242; Einfluss der Periode der — auf das Geschlecht I, 268. Behaarstein, Verschiedenheit bei den | Geschlechtern des Menschen II, 280; Abänderungen bei den Menschenras- | sen II, 281. Beine, Abänderungen in der Länge der, — beim Menschen I, 93; Verhältniss der Länge bei Soldaten und Matrosen I, 100; Vorderbeine bei einigen männ- lichen Schmetterlingen atrophirt I, 308; Eigenthümlichkeiten der — bei männ- | lichen Insecten I, 307. Belgien, alte Einwohner I, 209, Bell, Sir Ch., über Affectmuskeln beim Menschen I,4; über Fletschmuskeln | I, 109; über die Hand I, 122. Bell, Thom., Zahlenverhältniss der Ge- | schlechter bei Maulwürfen I, 271; über Wassersalamander I, 20; über das Quaken der Frösche II, 23; über die geschlechtlichen Farbenunterschiede bei Zootoca vivipara 11,30; über käm- pfende Maulwürfe II, 210. Bennett, A. W., Lebensweise von Dro- | maeus irroratus II, 179. Bennett, Dr., über Paradiesvögel II, 76. Beobachtung, Gabe der — bei Vögeln 11.198; Berauschung, bei Affen I, 9. Bernicla antarctica, Farben Il, 200. Bernikelgänserich paart sich mit einer Canadagans II, 99. Beschäftigung zuweilen Ursache ver- minderter Körpergrösse I, 99; Wir- kungen derselben auf die Proportio- nen des Körpers I, 100. Bettoni, E.. locale Verschiedenheiten im Nestbau italienischer Vögel Il, 149. Beutelthiere I, 176, Zitzen bei ihnen I, 183; ihr Ursprung von den Mono- tremen I, 186; Uterus I, 105; Ent- wiekelung der Nickhaut bei ihnen I, 19; Abdominaltasche I, 224; relative Grösse der Geschlechter II, 228; Far- ben II, 251. Bhoteas, Farbe des Barts bei ihnen II, 280. Bhringa, scheibenförmige Schwanzfedern 11771, Biber, Instinet und Intelligenz I, 31, 32; Stimme des —, Il, 243; Castoreum des —, II, 245; Kämpfe der männli- chen —, HH, 210. Bibio, geschlechtliche Verschiedenheiten in der Gattung I, 311. ‚Bichat, über Schönheit II, 311. Bienen, I, 62; Zerstörung der Drohnen und Königinnen I, 68; Pollenkörbchen und Stachel I, 134; secundäre Sexual- charactere des Weibchens I, 224; Ver- schiedenheiten der Geschlechter I, 325. Bienenfresser, Il, 48. Bildungshemmungen I, 104. | Bimama 1, 165, Birgus latro, Lebensweise I, 299. Birkbeck, Mr., Goldadler finden neue | Gatten II, 91. Birkhuhn, polygam I, 238; Verhält- niss der Geschlechter I, 272; Kampf- lust und Liebestänze II, 38; Lockruf II, 52; Mauserung II, 71; Dauer der Brautwerbung II, 87; geschlechtliche Unterschiede der Färbung IH, 198; carmoisine Wachshaut um das Auge II, 199; Hybride vom — und Fasan II, 99; Charactere des jungen Il, 162, 170 Bisamochse, Hörner II, 217, Bisamratte, protective Aehnlichkeit mit einem Erdkloss II, 261. Bischoff, Uebereinstimmung des Ge- | hirns vom Menschen und Orang I, 8; Figur des Hunde-Embryo I, 12; Win- ' dungen des Gehirns beim menschlichen Fötus I, 13; Verschiedenheiten des Schädels vom Menschen und den Af- fen I, 166. 'Bishop, J., Stimmorgane der Frösche II, 23; Stimmorgane der rabenartigen Vögel II, 47; Trachea des Merganser 1 ...2. ‚Bison, Mähne des amerikanischen II, 235. ' Biziura lobata, Moschusgeruch des Männ- ' chens II, 32; bedeutende Grösse des ' Männchens II, 37. ‚Blackwall, J., über das Sprechen der Elster I, 50; Schwalben verlassen ihre Jungen I, 71; grössere Lebendigkeit der männlichen Spinnen I, 240; Ver- hältniss der Geschlechter bei Spinnen I, 282; geschlechtliche Farbenabände- rung bei Spinnen I, 302; über männ- liche Spinnen I, 303. Blaine, über die Zuneigungen der Hunde II, 238. Blair, über die relative Erkrankungs- fähigkeit der Europäer am gelben Fieber I, 215. 364 Blake. Register. Bombyx Blake, €. C., über die Kinnlade von La Naulette I, 109. Blakiston, Capt., über die amerika- nische Bekassine II, 54; über die Tänze des Tetrao phasianellus II, 58. Blasius, Dr., über die Species euro- päischer Vögel I, 109. Blätter, Farben der absterbenden I, 29. Blattwespen, Verhältniss der Ge- schlechter I, 281; Kampflust eines Männchens I, 325. Blaukehlchen, rothbrüstiges, schlechtlicher Unterschied II, 171. Blaumeise,, geschlechtliche "Farben- verschiedenheit IT, 152. Bledius taurus, hornähnliche Fortsätze des Männchens 3 Blenkiron, Mr. , geschlechtliche Vor- liebe bei Pferden 179239: Blennius, Kopfkamm ' beim Männchen während der Paarungszeit sich ent- wickelnd II, 10. Blethisa multipunetata , 338. ge- Stridulation I, Blinddarm,]l, 22; bei den Urerzeugern des Menschen gross I, 180. Bloch, über die” Verhältnisse der Ge- schlechter bei den Fischen I, 274. Blumenbach, über den Menschen I, 96; über die bedeutende Grösse der Nasenhöhlen bei den Eingeborenen von Amerika I, 102; über die Stellung der Menschen I, 165; über die Anzahl der menschlichen Species I, 199. ‚ Blut, rothe Farbe des arteriellen — es 1,290: Blutfasan, Zahl der Sporne beim II, 39. Blutungen, Neigung zu profusen I], 259. Blyth, Beobachtungen über indische Krähen I, 65; über die Structur der Hand bei Arten von Hylobates I, 121; Kampfsucht der männlichen Gallinula eristata II, 34; Vorhandensein von Spor- nen beim weiblichen Hu»locamus ery- throphtalmus II, 59; über die Kampf- sucht des Amadavat II, 41; über den Löffelreiher II, 51; über das Mausern von Anthus II, 71; Honigbussard II, 110; über geschlecht- liche Verschiedenheit der Farbe der Augen bei Hornvögeln II, 112; über Oriolus melanocephalus II, 156; über Palaeornis javanicus Il, 156; über das Genus Ardetta II; 156; über den Wanderfalken II, 156; über weibliche Vögel die männliche Cha- über das Mausern | von Trappen, Regenpfeifern und Gal- | lus bankiva II, 72; über den indischen Junge | ractere annehmen II, 156; über das unreife Gefieder der Vögel II, 162; über stellvertretende Arten von Vö- geln II, 167; über die Jungen von Turnie II, 177; über anomale Junge ven Lantus rufus und Colymbus gla- cialis II, 185; über die Geschlechter und die Jungen der Sperlinge II, 186; über Dimorphismusbei einigen Reihern II, 183; über die Bestimmung des Ge- schlechts bei Nestling-Gimpeln durch Ausreissen von Brustfedern II, 188; über Pirole im unreifen Gefieder brü- tend II, 188; über die Geschlech- ter und Jungen von Buphus und Anastomus Il, 191; über die Jun- gen des Plattmönchs und der Amsel I, 192; über die Jungen des Stein- schmätzers II, 193; über das weisse Gefieder von Anastomus II, 201; über die Hörner von Antilope bezoartica II, 216; "über die Hörner rinderartiger Thiere II, 217; über die Kampfweise des Ovis ceyeloceros Il, 219; über die Stimme der Gibbon’s 'II, 243; über Kamm des wilden Ziegenbocks Il, 248; über die Farben von Portax pieta II, 255; über die Farben von Antilope bezoartica II, 253; über die Entwicke- lung der Hörner des Kudu und der Eland-Antilope II, 253; über die Farbe des Axishirsches II, 255; über Ge- schlechtsunterschiede der Farbe bei Hylobates hoolok II, 255; über den Schweinshirsch II, 266; über einen mit dem Alter grau werdenden Bart und Backenbart eines Affen II, 280. Bogen, Gebrauch der I, 205. . Boitard und Corbie, über die Ueber- lieferung geschlechtlicher Eigenthüm- lichkeiten bei Tauben I, 250; über die Antipathie einiger weiblicher Tauben gegen gewisse Männchen II, 103. Bold, Mr., das Singen eines unfrucht- baren Bastard-Canarienvogels II, 45. Bombet, über die Variabilität des Maass- stabes für das Schöne in Europa II, 326. Bombus, Verschiedenheit der Geschlech- ter bei 19326; Bombyeidae, Färbung I, 351; Paaren I, DZ Bombyeilla carolinensis, rothe Anhänge. 1150. | Bombyx cynthia, I, 309; Verhältniss der Geschlechter I, 976, 280; Paaren I], 357. Bomby.x mori, Verschiedenheit der Grösse zwischen männlichen und weiblichen Cocons I, 309; Paaren I, 357, Bombyx. Register. 365 Bronn. Bomby& Pernyi, Verhältniss der Ge- schlechter I, 280. | Bomby& Yamamai, I, 309; Mr. Person- nat über —, I, 277; Verhältniss der Geschlechter I, 280. Bonaparte, C. L,, über die Locktöne des wilden Truthahns Il, 52. Bond, F., Krähen finden neue Gatten 1,90; Boner, C,, Uebertragung männlicher Charactere auf eine alte weibliche Gemse II, 215; Geweih des Edelhir- sches IL, 222; Lebensweise der Hirsche ll, 223; Paaren des Hirsches Il, 236. Boote, Gebrauch I, 118, 206. Boreus hiemalis, Seltenheit des Männ- |- chens I, 282. Bory de St. Vincent, Zahl der Men- schenarten I, 199; über die Farben von Labrus pavo U, 13. bos gaurus, Hörner II, 217. Bos primigenius, Il, 211. Bos sondaicus, Hörner II, 247; Farben II, 254. Botentaube, späte Entwickelung der Fleischlappen I, 260. Botokuden, 1,158; Lebensweise, 217; Entstellung der Ohren und der Unter- lippe II, 299. Boucher de Perthes, J.C., de, über das Alter des Menschen I, 2. Bourbon, Verhältniss der Geschlech- ter bei einer Species von Papilio von 1 276; Bourien, Hochzeitsgebräuche der Wil- den des Malayischen Archipels II, 328. Bovidae, Wammen Il, 249. Brachschnepfen, II, 69. Brachiopoda 1, 290. Brachsen, Verhältniss der Geschlech- ter I, 275. Brachycephalie, rung I, 128, Brachyscelus, zweites Antennenpaar des Männchens I, 302. Brachyura 1, 298. Brachyurus calvus, scharlachnes Gesicht I, 271. Brakenridge, Dr., über den Einfluss des Climas I, 99. Brandente, paart sich mit der Haus- ente II, 99; Geschlechter und Junge der — von Neu-Seeland IL, 180. Brasilien, Schädel in Höhlen gefun- den I, 191; Bevölkerung I, 198; Com- pression der Nase bei den Eingebo- renen II, 309. Braubach, Prof., über das quasi-reli- giöse Gefühl eines Hundes gegen sei- mögliche Erklä- nen Herrn I, 58; über Selbstenthal- tung bei Hunden I, 66. Brauer, F., Dimorphismus bei Neuro- themis I, 324. Brehm, über die Wirkung berauschen- der Getränke auf Affen I, 9; über das Erkennen von Frauen seitens der männlichen Oynocephali I, 10; Rache von Affen genommen I, 33; Zeichen mütterlicher Zuneigung bei Affen und Pavianen I, 54; instinctive Furcht der Affen vor Schlangen I, 55; ein Pavian schützt sich durch eine Matte gegen die Sonne I, 44; Gebrauch von Steinen als Wurfgeschosse bei Pavianen I, 43; Warnungsrufe bei Affen I, 48, Wa- chen von Affen ausgestellt I, 63; über das Zusammenwirken von Thieren I, 63; ein Adler greift einen jungen Üer- copithecus an 1, 64; Paviane in Ge- fangenschaft schützen einen von ihnen vor Strafe I, 66; Gewohnheiten der Paviane beim Plündern I, 66; Ver- schiedenheit der geistigen Fähigkeiten bei Affen I, 94; Lebensweise der Pa- viane I, 122; Polygamie bei Oynoce- phalus und Cebus I, 235; Zahlenver- hältniss der Geschlechter bei Vögeln I, 272; Liebestänze des Birkhuhns II, 38; über Palamedea cornuta II, 40; Lebensweise des Birkhuhns I, 41; Laute von Paradiesvögeln hervorge- bracht II, 54; Versammlungen von Waldhühnern U, 88; über das Finden neuer Gatten von Vögeln II, 92; Kämpfe der wilden Eber Il, 231; Gewohnhei- ten von Üynocephalus hamadryas U, 318 Brent, Mr., Brautwerbung der Hühner II, 102. Breslau, Zahlenverhältnisse der männ- lichen und weiblichen Geburten I, 267 Bridgman, Laura I, 48. Britten, die alten, tättowirten sich II, 298. Broca, Prof., über das Vorkommen des supracondyloiden Loches am mensch- lichen Oberarm I, 23; Inhalt Pariser Schädel aus verschiedenen Perioden I, 126; Einfluss der natürlichen Zucht- wahl I, 132; Hybridität beim Men- schen I, 194; menschliche Reste von Les Eyzies I, 209; Ursache der Ver- schiedenheiten zwischen Europäern und Hindus I, 212. Brodie, Sir B., über den Ursprung des moralischen Gefühls beim Menschen I, 60, Bronn, H, G., Copulation von Inseeten verschiedener Arten I, 306. Bronze-Periode. 366 Register. Butler. Bronze-Periode, Menschen der — in Europa I, 138. Brown, R., Wachen der Robben meist Weibchen I, 63; Kämpfe der Robben II, 211; üher den Narwal II, 213; gelegentliches Fehlen der Stosszähne beim weiblichen Walross II, 212; über die Klappmützen-Rohbe II, 244; Far- ben der Geschlechter von Phoca groen- landica II, 252; Schätzung der Musik seitens der Robben II, 292; Pflanzen von nordamerikanischen Frauen als Liebesamulete gebraucht II, 302. Brown-Sequard, Dr., über die Ver- erbung der Wirkungen einer Opera- tion bei Meerschweinchen II, 335. Bruce, über den Gebrauch der Stoss- zähne bei dem Elephanten II, 219. Brulerie, P. de la, Lebensweise des Ateuchus cicatricosus I, 335; Stridu- lation von Ateuchus I, 342. Brünnich, über die gescheckten Raben der Färöer II, 111. Brustdrüsen, I, 224; rudimentäre bei männlichen Säugethieren I, 14, 25, 181, 182, 184, überzählige bei Frauen I, 108; des männlichen menschlichen Körpers I, 112. Brustkasten, Grössenverhältnisse bei Soldaten und Matrosen I, 101; gros- ser der — Quechua und Aymara-In- dianer I, 102, 103. Brütealter der Vögel II, 188. Bruttasche, rudimentäre, bei männ- lichen Beutelthieren I, 181. Bryant, Capt., über die Werbungen des Callorhinus ursinus II, 236. Bryozoa I, 290. Bubas bison, Thoraxfortsatz bei I, 332. Bucephalus capensis, Farbenverschieden- heit der Geschlechter I, 25. Buceros, Nestbau und Brüten II, 147. Buceros bicornis, geschlechtlicher Unter- schied in der Färbung des Helms, Schnabels und Mundes II, 112. Buceros corrugatus, Geschlechtsunter- schied des Schnabels II, 62. Buchfinke, II, 45; Verhältniss der Geschlechter I, 273; Werbungen I, 81; neue Gatten bald gefunden II, 91, Büchner, L, Ursprung des Menschen I, 3; Fehlen von Selbstbewusstsein bei niederen Wilden I, 53; Gebrauch des menschlichen Fusses als Greif- organ I, 123; Progressionsart der Af- fen T, 123. Buckland, F., Zahlenverhältniss der Geschlechter bei Ratten T, 271; Zah- lenverhältniss der Geschlechter bei Forellen I, 275; über Chimaera mon- strosa 11, 10. Buckland, W., complexer Bau der Crinoiden I, 52, Buckler, W., Verhältnissder Geschlech- ter aufgezogener Lepidoptern I, 280. Buckinghamshire, Zahlenverhält- niss männlicher und weiblicher Gebur- ten I, 266. Bucorax abyssinicus, Aufblasen des Fleischlappens am Halse bei der Wer- bung II, 61. Budytes Rai, I, 229. Büffel, Capischer II, 220. Indischer, Hörner II, 217. 5 Italienischer, Art zu kämpfen IT, 220. Buffon, Zahl der Menschenarten I, 199. Buist, R., Verhältniss der Geschlechter beim Lachs I, 274; Kampfsucht des männlichen Lachses II, 3. Bulbul, Kampfsucht des Männchens II, 34; Entfaltung der unteren Schwanz- decken seitens des Männchens II, 82. Bulle, Art zu kämpfen II, 220; ge- kräuseltes Stirnhaar II, 248; zwei Junge —n greifen einen alten an I, 63; II, 211; Kämpfe der wilden II, 211. „Bull-trout“, der Engländer, Färbung während der Paarungszeit I, 11. Bumarang, I, 159. Buphus coromandus, Geschlechter und Junge II, 190; Farbenveränderung II, 203, 204. Burchell, über das Zebra II, 265; Extravaganz der Buschmänninnen sich zu schmücken II, 301; Colibat unter den Wilden von Süd-Afrika unbekannt II, 522; Hochzeitsgebräuche der Busch- männinnen II, 329. Burke, Zahl der Menschenarten I, 199. Burmesen, Farbe des Bartes II, 282. Burton, Capt., über Negerideale weib- licher Schönheit II, 303; über ein uni- versales Ideal von Schönheit II, 308. Buschmänner, 1, 136; extravaganter Schmuck der Frauen II, 301, Gehirn der Frauen I, 190; Hochzeitsgebräuche der Frauen II, 329. Busk, G., Vorkommen des supracondyloi- den Lochs beim menschlichen Ober- arm ], 23. Bussard, Indischer Honig-, Abände- rung im Federkamme II, 110. Butler, A. G., geschlechtliche Verschie- denheiten in den Flügeln von Arico- rıs epitus I, 308; Färbung der Ge- schlechter bei Arten von Theela I, 347; Aehnlichkeit von Iphias glau- eippe mit einem Blatte I, 351; Ei- ” Buxton. Register. Cephalopoda. 367 dechsen und Frösche verschmähen ge- wisse Raupen und Motten I, 371. Buxton, C., Beobachtungen über Ma- caws I, 64; über ein Beispiel von Wohlwollen bei einem Papagay II, 95. C. Cachelot, grosser Kopf des Männ- chens II, 213. Cadenzen, musikalische, Wahrneh- mung solcher von Thieren II, 292. Cairina moschata, Kampfsucht des Männ- chens II, 36. Callianassa, Abbildung der Scheeren I, 290. n Callionymus lyra, Charactere des Männ- chens II, 6. - Callorhinus ursinus, relative Grösse der Geschlechter H, 228; Werbungen II, 256. Calotes nigrilabris, geschlechtliche Far- benverschiedenheit II, 30. Cambridge, O. Pickard, über die Ge- schlechter der Spinnen I, 282. Campbell, J., über den indischen Ele- phant I, 236, über die Verhältnisse der männlichen zu den weiblichen Ge- burten in den Harems von Siam I, 268. Campylopterus hemileucurus I, 273. Canarienvogel, Polygamie I, 238, Veränderung des Gefieders nach dem Mausern I, 260; Weibchen wählt sich den besten Sänger II, 44; singender steriler Bastard II, 45; Gesang des Weibchens II, 46; wählt sich einen Grünfinken II, 100; paart sich mit einem Zeisig II, 100; unterscheidet Personen II, 96. Canestrini, G., über rudimentäre Cha- ractere und den Ursprung des Men- schen I, 3; über rudimentäre Charac- tere I, 14; Bewegungen des Ohrs beim Menschen ], 17; Variabilität des wurm- förmigen Anhangs beim Menschen I, 22; abnorme Theilung des mensch- | lichen Wangenbeins I, 107; abnorme Zustände des menschlichen Uterus I, 107; Bestehenbleiben der Stirnnaht beim Menschen I, 107; Verhältniss der Geschlechter beim Seidenspinner I, 276, 277. Cantharis, geschlechtliche Farbenver- schiedenheit einer Art von —, I, 328. Capital, I, 147. Capitonidae, Farben und Nisten II, 149. Capra aegagrus Il, 219; Kamm des Männchens II, 248; geschlechtliche Farbenverschiedenheit II, 254. Capreolus sibirieus subecaudatus, II, 262. Caprimulgus, Geräusch von einigen Spe- cies mit den Flügeln hervorgebracht I, 53. Caprimulgus virginianus, Paaren II, 41. Carabidae, glänzende Farben I, 327. Carbonnier, über die Naturgeschichte des Hechtes I, 274; relative Grösse der Geschlechter bei Fischen II, 6. Careineutes, geschlechtlicher Farbenun- terschied Il, 151. Careinus maenas, 1, 297, 299. Carduelis elegans, Geschlechtsunterschied des Schnabels II, 33. Carnivora, See-, polygame Lebensweise I, 237; geschlechtliche Farbenunter- schiede II, 252. Carr, R., über den Kiebitz II, 40. Carrier-Tauben s. Botentauben. Carus, V., über die Entwickelung von Hörnern bei Merino-Schafen I, 256. Castoreum, II, 245. Casuar, Geschlechter und Brütung II, 179. Casuarius galeatus, II, 179. Cataract bei Cebus azarae I, 9. Catarrhine Affen I, 170. UJathartes aura 1, 101. Chatartes jota, Liebesgeberdendes Männ- chens II, 58. Catlin, G., Entwickelung des Bartes bei nordamerikanischen Indianeru II, 282; grosse Haarlänge bei einigen nordamerikanischen Stämmen II, 305. Caton, J. D., Entwickelung der Ge- weihe bei (ervus virginianus und stron- gyloceros I, 255; Vorhandensein von Geweihspuren beim weiblichen Wa- piti II, 215; Kämpfe der Hirsche II, 222; Haarkamm des männlichen Wa- piti II, 248; Farben der virginischen Hirsche II, 253; geschlechtliche Far- benunterschiede beim Wapiti II, 255; über die Flecke des virginischen Hir- sches II, 266. Cebus, mütterliche Zuneigung 1, 34; Ab- stufung der Arten I, 200. Cebus azarae, denselben Krankheiten wie der Mensch ausgesetzt I, 9; ver- schiedene Laute von ihm hervorge- bracht I, 45; frühe Reife des Weib- chens I, 279. Cebus capueinus, polygam I, 235; ge- schlechtliche Farbenverschiedenheiten II, 255; Haare am Kopf II, 270. Cebus vellerosus, Haare am Kopf ll, 270. Ueeidomyidae, Verhältniss der Geschlech- ter I, 281. Cephalopoda, Fehlen secundärer Sexual- charactere I, 292. 368 Cephalopterus. Register. Chrysomelidae. Cephalopterus ornatus II, 50. “ penduliger IL, 51. Cerambyx heros, Stridulationsorgane I, 338: Ceratophora aspera, Nasenanhänge II, 28. “ Stoddartii, nasales Horn II, 28. Cerceris, Lebensweise I, 325. Cercocebus acthiops, Backenbart u. s. w. II, 270. Oercopithecus, junger, von emem Adler ergriffen und von der Truppe gerettet I, 64; Definition von Species I, 200. (ercopithecus cephus, geschlechtlicher Farbenunterschied II, 256, 272. Cercopithecus cynosurus und griseoviridis Farbe des Scrotum II, 256. Cercopithecus Diana, geschlechtlicher Farbenunterschied II, 255, 273. Cercopithecus griseo-viridis, 1, 63. 5 petaurista, Backenbart u. s. £. II, 270. Ceriornis Temmincki, Schwellen der Fleischlappen des Männchens während der Werbung II, 61. Cervulus, Waffen II, 226. 5 moschatus, rudimentäres Ge- weihe des Weibchens II, 215. Cervus alceus, 1, 255. campestris, Geruch Il, 246. „ eanadensis, Spuren des Geweihes bei Weibchen II, 215; greift einen Menschen an II, 223; geschlechtlicher Farbenunterschied II, 254. Cervus elaphus, Kämpfe der Männchen II, 211; Geweihe mit zahlreichen En- den II, 222. Cervus Eldi, I, 255. mantchurieus, II, 266. paludosus, Farben II, 254. „. strongyloceros 1, 255. „ virginianus I, 255; Geweihe im Laufe der Modification II, 225. Ceryle, das Männchen bei einigen Spe- cies schwarz gebändert II, 151. Oetacea, Nacktheit I, 128. Ceylon, häufiges Fehlen des Bartes bei Eingeborenen I, 281. Chalcophaps indicus, Jungen U, 162. Chalcosoma atlas, Geschlechtsverschie- denheit I, 328. Chamaeleon Il, 29; Geschlechtsunter- schiede in der Gattung Il, 29. Chamaeleon bifurcus, 14, 29. Owenii IL, 29. ” ” ” Charactere des ” Ohamaepetes gen des Männchens II, 55. Chapman, Dr., über das Stridulations- vermögen von Scolytus I, 337. unicolor, modificirte Schwin- Chapuis, Dr., über die Ueberlieferung geschlechtlicher Eigenthümlichkeiten bei Tauben I, 250; über gestreifte belgische Tauben I, 260, II, 137. Character.e, männliche bei Weibchen entwickelt I, 247; natürliche durch den Menschen künstlich verstärkt II, 308; secundäre Geschlechts- —, durch beide Geschlechter überliefert I, 247. Oharadrius hiaticula und pluvialis, Ge- schlechter und Junge II, 190, Chardin, über die Perser II, 313. ‚Charruas, Freiheit von Scheidungen IL, 327. , Chasmorhynchus, Farbenunterschiede der Geschlechter II, 67; Farben II, 200. Cheiroptera, Fehlen secundärer Sexual- charactere I, 236. Chelonia, Geschlechtsunterschiede Il, 23. Chenalopex aegyptiacus , Flügelhöcker 11.38 Ohera progne 1, 237; II, 105. Chiasognathus, Stridulation I, 342. Chiasognathus, Grantii, Mandibeln I, 336. Chilo&, Läuse der Eingeborenen I, 193; Bevölkerung I, 198. Chimaera monstrosa, knöcherner Fort- satz am Kopfe des Männchens II, 10. Chimäroide Fische, Greiforgane der Männchen II, 1. China, Nord-, Ideale weiblicher Schön- heit II, 302. China, Süd-, Einwohner I, 217. Chinesen, Gebrauch von Flintwerk- zeugen I, 160; Schwierigkeit die Ras- sen der — zu unterscheiden I, 189; Farbe des Bartes II, 280; allgemeine Bartlosigkeit II, 232; Meinungen über das Aussehen der Europäer und Cin- galesen II, 303, 505; Compression der Füsse II, 306. Chinsurdi, seine Ansicht von Bärten II, 300, 306. Chlamydera maculata II, 60. Chloeon, gestielte Augen des Männchens I, 305. Chloephaga, Farben der Geschlechter, 11,155; Chlorocoelus Tanana, Abbildung I, 317. Chorda dorsalis I, 179. Ohromidae, Stirnvorsprung bei den Männ- chen II, 11; geschlechtliche Farben- verschiedenheit II, 17. ıChrysemys pieta, lauge Krallen des | Männchens II, 24. Chrysococey®, Charactere der Jungen 1, 162. Chrysomela cerealis, glänzende Farben 1, 39%, ' Chrysomelidae, Stridulation I, 337. Cicada. Register. Cranz. 369 Cicada pruinosa 1, 814. „ septemdecim I, 314. Cicadae, Gesang 1,313; rudimentäre Laut- organe der Weibchen I, 520. 3: Stirnvorsprung des Männchens Si. Cimetiere du Sud, Paris I, 23. Oincloramphus eruralis,bedeutendeGrösse des Männchens H, 357. Cinelus aquaticus, Il, 148. Cingalesen, Meinung der Chinesen über ihre Erscheinung II, 503. Cirripedia, complementale Männchen |], 224. Citronenvogel, (Schmetterling) I, 550; Farbenunterschied der Geschlechter I, 364. Civilisation, Wirkung der — auf na- türliche Zuchtwahl I, 148; Wirkung der — bei der Concurrenz der Natio- nen I, 210. Claparede, E., Anwendung der na- türlichen Zuchtwahl auf den Menschen 1, 119, Clarke, Hochzeitsgebräuche der Kal- mucken II, 328. Classification, I, 164. Claus, C., über die Geschlechter von Saphirina I, 301. Clima I, 99; kaltes —, dem mensch- lichen Fortschritt günstig I, 145; ver- mögen extreme Climate zu ertragen I, 209; Fehlen eines Zusammenhangs zwischen — und Farbe I, 213. Olimacteris erythrops, Geschlechter II, 180. Cloake, Vorhandensein einer — bei den Urerzeugern des Menschen I, 181. Cloakale O6ffnung beim menschlichen Embryo I, 13. + Olythra quadripunetata , Stridulation TI, | | phanten I, 226. Corvus corone, II, 91. 337. Cobra, Gescheidtheit einer —, II, 26. Coceus 1, 162, 163. Cochin-China, Begriffe von Schönheit bei den Einwohnern Il, 305, 304. Coelenterata, Fehlen secundärer Ge- schlechtscharactere I, 288. Cölibat, unbekannt bei den Wilden vonSüd-Afrika undSüd-Amerika ll, 322. Coleoptera, I, 327; Schilderung der Stri- dulationsorgane I, 359. Colling wood, €., Kampflust der Schmet- terlinge von Borneo I, 344; Schmet- terlinge von einem todten Exemplare ihrer Species angelockt I, 356. | Cosmetornis, II, 158. Columba passerina, Junge II, 165. Columbia, abgeplattete Köpfe der Wil- den II, 298. Colymbus glacialis, anomale Jungell, 185. Compositae, Abstufung der Arten der —,J, 200. Comte, (., über den Ausdruck des Ideals der Schönheit durch die Sculp- tur II, 307. Condor, Augen und Kamm II, 113. 'Conjugationen, Ursprung I, 51. ‘Constitution, Verschiedenheit der —, bei verschiedenen Menschenrassen I, 190. Convergenz I, 203. Cook, Capt., über die Edlen der Sand- wich-Inseln II, 313. Cope, E. D., über die Dinosaurier I, 178; über den Ursprung der Gattun- gen Il, 189. Cophotis ceylanica, geschlechtliche Ver- schiedenheiten II, 27, 30. Copris I, 350. „ Isidis, sexuelle Verschiedenhei- ten I, 329. - Copris lunaris, Stridulation I, 338. Corallen, glänzende Farben I, 289. Corallenschlangen, 11I, 26. Cordylus, sexuelle Farbenverschieden- heiten bei einer Species II, 30. Corfu, Lebensart des Buchfinken auf — 8; 213: Cornelius, Verhältniss der Geschlech- ter bei Lucamus cervus I, 280. R Corpora Wolffiana I, 181; Ueberein- stimmung mit den Nieren der Fische 1.18. Correlation, Finfluss auf die Produc- tion von Rassen I, 218. 'Correlative Abänderung I, 112. Corse, über die Kampfesart des Ele- graculus, rother Schnabel II, 199. pica, Hochzeitsversammlungen II, „ „ Corydalis cornutus, grosse Kinnladen des Männchens I, 306. % h vexillarius, Verlängerung der Schwungfedern II, 62, 83. Cotingidae, Geschlechtsunterschied I, 237, Farben der Geschlechter II, 155; Aehnlichkeit der Weibchen verschie- dener Species II, 168. Cottus scorpius, Geschlechtsunterschied Colonisten, Erfolg der Engländer als | —, I, 156. Colquhoun, Beispiel von Ueberlegung bei einem Wasserhund I, 40. Darwıs, Abstammung. Il. Zweite Auflage. | Cabro cribrarius, erweiterte Tibien I, 307. ‚Cranz,überdie Vererbung der Geschick- lichkeit beim Robbenfang I, 101. 24 Crawfurd. 370 Register. Dasychira. Crawfurd, Zahl I, 199. Orenilabrus massa und (. ster II, 16. Crinoidea, complieirter Bau I, 52. Örioceridae, Stridulation I, 337. Crocodile, Moschusgeruch während der Paarungszeit II, 24. Croeodilia, 11, 24. Orossoptilon auritum, I, 80, 144, 171; Schmuck beider Geschlechter I, 957: Geschlechter gleich II, 155. Crotch, G. R., Stridulation bei Käfern I, 337; 340; Stridulation von Helio- pathes I, 340; Stridulation von Acal- les I, 342. Crustacea, amphipode, Männchen schon jung geschlechtsreif II, 139; parasiti- sche, Verlust der Füsse bei den Weib- chen I, 224; Greiffüsse und -Anten- nen I, 226; Männchen lebendiger als das Weibchen I, 240; Parthenogene- sis bei —, I, 282; secundäre Ge- schlechtscharactere I, 294; Gehörhaare II, 292. Crystalle von einigen central-afrika- nischen Frauen in der Unterlippe ge- tragen I, 299. Culicidae I, 224, 312. Cullen, Dr., über den Kehlsack der männlichen Trappe II, 50. Cultivation von Pflanzen, wahrschein- licher Ursprung der —, I, 145. Cupples, HVErSE Zahlenverhältniss der Geschlechter bei Hunden, Schafen und Rindern I, 270; über den schottischen Hirschhund II, 229; geschlechtliche Vorliebe bei Hunden II, 238, 239. Curculionidae, geschlechtliche Ver schie- denheit der Schnabellänge 1, 225; horn- artige Vorsprünge bei Männchen IL 333; musikalische —, I, 356, 538. Cursores, vergleichsweiser Mangel ge- schlechtlicher Unterschiede I, 238. Curtis, J., Verhältniss der Geschlech- ter bei Athalia 1, 231. Cuvier, F., das Erkennen von Frauen seitens der Affen I, 10. Cuvier, G., Ansichten über die Stel- lung des Menschen I, 165; über In- stinet und Intelligenz I, 50; Zahl der Schwanzwirbel beim Mandrill I, 130; Stellung der Robben I, 166; über Hec- tocotylus 1, 292. O'yanaleyon, geschlechtlicher Farben- unterschied II, 151; unreifes Gefieder 11.2165. Cyanecula suecica,Geschlechtsunterschied Iu71: der Menschenarten melops, Ne- Oychrus, Laute hervorgebracht von —, I, 340. Oyenia mendica, geschlechtlicher Farben- unterschied I, 354. Uygnus ferus, Trachea I, 51. olor, weisse Junge 11.185, Cı yllo ER Unstätigkeit der Augenflecke II, ne‘ Abänderungen in der Gat- tung II, 110 Cımipidae, Verhältniss der Geschlechter I, 281. Oynocephalus, Verschiedenheit der Jun- gen von den Alten I, 11; männliche — erkennen Frauen I, 10; polygame Lebensweise I, 235. Uynocephalus chacma I, 54. n gelada 1, "48. 4 hamadr yasl, 45 ; geschlecht- licher Farbenunterschied II, 256. Oynocephalus, leucophus, Farben der Ge- schlechter II, 256. Oynocephalus mormon, Farben des Männ- chens II, 256, 260, >72. Uynocephalus porcarius , Männchens II, 234. Cypridina, Verhältniss der Geschlechter I, 282. Cyprinidae, Indische H, 14. Oyprinodontidae, Geschlechtsunterschiede Mähne des f ; Cyprinus auratus, II, 13. phoxınus, Laichen 115°18. Verhältniss der Geschlechter 1 Cypris, 282. (ystophora ceristata, Kappe II, 244. D: Dacelo, geschlechtlicher schied II, 151. Dacelo Gaudichaudit, junges Männchen 17..109, Dal-Ripa, eine Art von Schneehuhn 1. 272 Damalis albifrons, eigenthümliche Zeich- nung II, 264. Damalis p yon ga, eigenthümliche Zeich- nung II, Damhirs Ian £ Tea gefärbte Heer- den II, 259. Danaidae, I, 345. Daniell, Dr., Erfahrungen von einem Aufenthalt in West-Afrika I, 216. Darfur, künstlich erzeugte Protube- ranzen bei den Einwohnern von —, I, 298. Darwin, F., über die Stridulation von Dermestes murinus 1, 337. Dasychira pudibunda, geschlechtlicher Farbenunterschied I, 354. Farbenunter- Daumen. Register. Drosseln. 3A Daumen, Fehlen des —, bei Ateles und Hylobates I, 121. Davis, A. H., Kampfsucht des männ- lichen Hirschkäfers I, 334. Davis, J. B., Schädelinhalt bei ver- | schiedenen Menschenrassen I, 126; über die Bärte der Polynesier II, 282. DeCandolle, Alph., Fall von vererb- ter Fähigkeit die Kopfhaut zu bewe- gen I, 16. Declinationen, Ursprung I, 151. Dectieus, I, 317. De Geer,(C., über eine weibliche Spinne, die vier männliche vertilgt I, 303. Dekay, Dr., über die Klappmützen- robbe II, 244. Delphine, Nacktheit der —, I, 128, Demerara, gelbes Fieber in —, I, 215. Dendrocygna U, 162. Dendrophila frontalis, Junge Il, 193. Denny, H,, über die Läuse der Haus- thiere I, 193. Dermestes murinus, Stridulation I, 537. Desmarest, Fehlen der Suborbitaldrü- sen bei Antilope subgutturosa, II, 246; Backenbart von Macacus II, 249; Farbe des Opossum II, 251; Farben der Geschlechter von Mus minutus 11, 252; Färbung des Ocelot II, 252; Far- ben der Robben II, 252; über Anti- lope caama U, 254; über die Farben der Ziegen U, 255; über sexuelle Ver- schiedenheiten bei Ateles marginatus II, 255; über den Mandrill II, 256; über Macaceus eynomolgus Il, 279. Desmoulins, Zahl der Menschenarten I, 199; über das Moschusthier II, 247. Desor, über das Nachahmen der Men- schen durch Affen I, 30. Despine, über Verbrecher ohne Ge- wissen I, 79. Devonische Formation, fossile Insec- ten I, 321. Diadema, geschlechtliche Verschieden- heiten der Färbung I, 346. Diadema anomala, Nachäffung seitens des Weibchens I, 367. Diadema bolina I, 368. Diamantkäfer, I, 327. Diastema, Vorkommen beim Menschen Tu10g: Diastylidae, Verhältniss der Geschlech- ter I, 282. Dicerurus, spatelförmige Federn bei —, Il, 63; Nestbau II, 146. Dierurus macrocercus, Veränderung des Gefieders II, 156. Didelphis opossum, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 251. Dimorphismus bei weiblichen Was- serkäfern I, 307; bei Neurothemis und Agrion I, 524. Dinosaurier I, 178. 'Diodorus, über das Fehlen des Bar- tes bei den Eingeborenen von Ceylon 1, 281. Dipelicus Cantori, Sexualverschiedenheit I, 32% | Diplopoda, Greiffüsse der Männchen I, 504, ı Dipsas eynodon, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 25. Diptera 1, 311. Dixon, E. S., Lebensweise des Perl- huhns I, 238; über das Paaren ver- schiedener Arten Gänse Il, 99; über die Werbungen des Pfaues II, 105. Dobrizhoffer, über die Hochzeitsge- bräuche der Abiponen 1, 329. Dolichocephaler Bau, mögliche Ur- sache I, 128. Domestication, Einfluss der — auf Entfernung der Unfruchtbarkeit der Bastarde I, 195. Domesticirte Thiere, Rassen I, 202; Veränderungen der Rassen II, 325. D’Orbigny, A., über den Einfluss der Feuchtigkeit und Trockenheit auf die Hautfarbe I, 213; über die Yuracaras II, 305. Doubleday, E., geschlechtliche Ver- schiedenheiten in den Flügeln der Schmetterlinge I, 308. Doubleday, H., Verhältniss der Gc- schlechter bei den kleineren Motten I, 278; Herbeilocken der männlichen Lasiocampa quercus und Saturnia car- pini durch das Weibchen I, 278; Ver- hältniss der Geschlechter bei den Le- pidoptern I, 279; über das Klopfen von Anobium tessellatum I, 542; über den Bau von Ageronia feronia 1, 345; über weisse Schmetterlinge, die auf weisses Papier zufliegen I, 356. Douglas, J. W., Geschlechtsunterschiede der Hemiptern I, 512; über die Far- ben britischer Homoptern I, 314. Draco, Kehlanhänge II, 28. Dragonet, gemmeous, der Engländer I, 6. Drill, geschlechtlicher schied Il, 256. Dromaeus irroratus IL, 179. Dromolaea, Sahara-Species I, 150. Dromgo-Würger II, 156. Drongos, spatelförmige Schwanzfedern 1,63, 71: Drosseln, Paarung mit einer Amsel II, 99; Farben und Nestbau II, 148; Charactere der jungen —, U, 161 193, 24* Farbenunter- Drüsenöffnungen. 372 Register. x Elimination. Drüsenöffnungen, Zahlenverhältniss | zu den Haaren beim Schaf I, 219. Dryopithecus, 1, 174. Dugong, Stosszähne I, 212; Nackt- heit I, 128. Dujar din, über die relative Grösse der Cerebralganglien bei Insecten I, 125. Duncan, Dr., über die Fruchtbarkeit früher Heirathen I, 151. Dunenkleid der Vögel II, 69. Dupont, M., über das Vorkommen des. supracondyloiden Lochs am mensch- lichen Oberarmbein I, 24. Durand, J. P., Ursachen der Abände- rung 1, 98. Dureau de la Malle, über den Ge- sang der Vögel I, 46; über das Er- lernen eines Liedes von Amseln II, 47. Duvaucel, weiblicher Hylobates wäscht seine Jungen 1254, Dyaks, setzen Stolz in blossen Mord L; 80. Dynastes, bedeutende Grösse der Männ- chen I, 310. Dynastini, Stridulation I, 339. Dytiscus, Dimorphismus der Weibchen I, 307; gefurchte re des Weib- chens I, 307. E. Eber, wilder, polygam in Indien I, 126; Gebrauch der Stosszähne II, 295: Kämpfe II, 231. Echidna ], 175. Echini, glänzende Farben einiger I, 289. Echinodermata, Fehlen von secundären Sexualcharacteren 1, 288. Ecker, A., Abbildung des menschlichen | Embryo I, 12; geschlechtlicher Unter- chied im menschlichen Becken II, 278; Anwesenheit eines Sagittalkammes bei Australiern ll, 279. Eckzähne, beim Menschen I, 108; Verkleinerung der — beim Menschen 1, 124; Verkleinerung derselben bei Pferden I, 125, Verschwinden dersel- ben bei männlichen Wiederkäuern I, | 124; grosse — in den frühen Ürerzen- | gern des Menschen I, 150, umgekehrte Entwickelung der — und Hörner II, 226. | Edentata, frühere weite Verbreitung in Amerika I, 192; Fehlen von secundä- ren Sexualcharacteren I, 256. Fo spatelförmige Federn bei — Be Mr., Verhältniss der Ge- schlechter bei nordamerikanischen Spe- cies von Papitlio I, 276. Egerton, Sir Ph., über den Gebrauch der Geweihe der Hirsche Il, 222; über das Paaren des Edelhirsches II, 236; über das Bellen der Hirsche IT, 242. Eh e, Entwickelung der —, II, 317; com- | munale —n U, 315, 317. Ehescheidung, Freiheit — der bei den Charruas II, 327. |Ehre, Gesetz der —, I, 85. Ehrenberg, C. G., über die Mähne gen männlicheu Hamadryas-Pavians II, 23 a geiz der Singvögel II, 45. Eichelhäher, Junges II, 154; Jun- ges des Canada- — 1]; 184: finden verwittwet neue Gatten IL, 90 ; unter- scheiden Personen II, 96. Eichen des Menschen I, 11. Eichhorn, Kämpfe der Männchen II, 210; geschlechtlicher Unterschied der Farbe beim afrikanischen —, II, 251; schwarzes —, Il, 258. Eidechsen, relative Grösse der Ge- schlechter u, 27; Kehlsäcke Il, 27; Einbildungskraft, Vorkommen der- selben bei Thieren I, 38. Eingeweide, Variabilität der — beim Menschen I, 94. Eisente, langschwänzige, Vorliebe des Männchens für gewisse Weibchen II, 106. Eisvogel, II, 48; spatelförmige Federn im Schwanze eines —s, II, 63. Eisvögel, Farben und Nestbau II, 149, 151, 153; unreifes Gefieder II, 165; 166, Junge II, 183. Ekström, "M. 5 über Harelda g glacialis II, 106. Elachista r ufocinerea, Gewohnheiten des Männchens I, 278. 'Eland-Antilope, Entwickelung der Hör- ner I, 256; geschlechtliche Farben- unterschiede II, 253. Fanhans yia, Sexualverschiedenheiten E 31 De Elaphrus uliginosus, Stridulation I, 338. Elaps II, 26. | Elateridae, Verhältniss der Geschlechter I, 280. Elater, leuchtende Arten I], 309. |Elephant, I, 175; Nacktheit I, 128; Verhältniss der Zunahme 1; 116: po- lygame Gewohnheiten des indischen T, 236; Kampfsucht des Männchens In 211; Stosszähne II, 213, 218, 219, 227; Art des indischen zu kämpfen II, 225; Geruch des männlichen U, 246 ; greifen Schimmel an Il, 259. Elevation des Wohnorts, modifieiren- der Einfluss I, 104. Elimination untergeordneter Indivi- duen I, 150. } Elk. Elk I, 219; Winterkleid des — ‚IT, 262. Elk, irischer, Hörner I, 227. Ellice- Inseln, Bärte der Eingeborenen IT, 282, 306. Elliot, R. ,‚ Zahlenverhältnisse der Ge- ‚schlechter junger Ratten I, 271; Ver- hältniss der Geschlechter bei Schafen I, 270. Elliott, D. G., über Pelecanus erythro- rhynchus II, 68. Elliott, Sir W., über die polygamen Gewohnheiten des wilden indischen Ebers I, 236. Ellis, über das Herrschen des Kindes- mords in Polynesien II, 320. Elphinstone, über Localverschieden- heiten der Grösse bei den Hindus I, 99; über die Schwierigkeit, die einge- borenen Rassen von Indien zu unter- scheiden I, 189. Elritze, Verhältnis der schlechter T, 275. Elster, Sprachvermögen’I, 50; stiehlt glänzende Gegenstände II, 97; Hoch- zeitsversammlungen II, 89; findet neue Gatten II, S9; Junge II, 183; Färbung II, 202. Elterliche Zuneigung theilweises Re- sultat natürlicher Zuchtwahl TI, 68. Eltern, Alter der — , hat Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen ], 268. Emberiza, Caractere der Jungen II, 161. Emberiza miliarta, Il, 161. > schoenielus II, 96; Kopffedern des Männchens II, 82. Embryo des Menschen I, 11, 12; des Hundes I, 12. Em bryonen der Säugethiere, Aehnlich- keit derselben I, 25. Emu; Energie, charakteristisch für den Men- schen II, 287. England, Zahlenverhältniss der männ- lichen und weiblichen Geburten I, 266. Engländer, Erfolg der — als Colo- nisten I, 156. Engleheart, Mr., Staare finden bald neue Gatten II, 92. Ente, Stimme der —, mit einer Brandente Il, 99; Gefieder II, 164. Ente, wilde, Sexualverschiedenheiten I], | 237; Spiegel und männliche Charac- tere T 257; ente II, 99. Enten, "erkennen Hunde und Katzen II, 96; wilde werden unter theilweiser Domestication polygam I, 238. Enterich,Paarungsgefieder des —,11,72. U, 51; Paarung unreifes Register. Geschlechter und Brüten II, 179. paart sich mit der Spiess- | Eulampis. 373 Entfaltung, Färbung der Lepidoptern zur — , I, 352; — des Gefieders von männlichen Vögeln II, 73, 82. Entomostraca I, 299, Entozoa, Farbenunterschied zwischen Männchen und Weibchen I, 288. Entwickelung, embryonale, des Men- schen I, 11, 13; correlative II, 113. Entwickelungshemmungen I], 104. Entzündung der Eingeweide kommt vor bei Cebus Azarae I], 9. Eocen, mögliche Divergenz des Men- schen während der -periode I, 174. Eolidae, Farben durch die Gallendrüsen hervorgebracht I, 290. Epeira I, 302. „ nigra, geringe Grösse des Männ- chens I, 308. Ephemer idae IL, 304, 3 Ziphemerina 1, '281. Ephippiger vitium, 1,317, 320: Epicalia, geschlechtlicher Färbungsun- terschied I, 346. Equus hemiomıs, Winteränderung II, 262. Erateina, Färbung I, 354. Ernährung, reichliche, beeinflusstwahr- scheinlich das Paaren von Vögeln ver- schiedener Species I, 101. Erziehung, Wirkung. der — auf die geistige Verschiedenheit der Geschlech- ter beim Menschen II, 288. Eschricht, D. F., über die Entwicke- lung der Haare beim Menschen I, 20; über einen wollhaarigen Schnurrbart bei einen weiblichen Fötus I, 21; Feh- len einer Grenze zwischen Kopfhaut und Stirn bei einigen Kindern I, 167; Anordnung des Haares beim mensch- lichen Fötus I, 168; Behaartsein des Gesichts beim menschlichen Fötus bei- ' derlei Geschlechts II, 333, 335. Esel, Farbenvariationen II, 268. Eskimos I, 136, 145; ihr Glaube an die Vererbung der Geschicklichkeit beim Robbenfang I, 101; Lebensweise 797: Esmeralda, Farbenunterschied der Ge- schlechter I, 328. Esox lueius I, 274. „ reticulatus II, 11. östrelda amandava, Kampfsucht des Männchens II, 41. Eubagis, geschlechtlicher Farbenunter- schied der Species I, 346. Euchirus longimanus, Laut hervorge- bracht .von —, I, 33 n Stridulationsorgane 339. Eudromius morinellus IL, 178. Eulampis jugularis, Farben des Weib- chens II, 147. 374 - Euler. Register. Federn. Euler, über die Bevölkerungszunahme | in den vereinigten Staaten I, 113. Eumomota supercilaris, spatelförmige Schwanzfedern II, 63. Eupetomena macroura, Farben des Weib- chens II, 146. Euphemia splendida II, 152. Euplocamus erythrophthalmus, beim Weibchen II, 39. Euploea midamas, wird vom Weibchen von Diadema anomalanachgeäfft I, 367. Europa, alte Bewohner I, 209. Europäer, Verschiedenheit der — von den Hindus I, 212; Behaartsein wahr- scheinlich Folge des Rückschlags I, 334. Eurostopodus, Geschlechter II, 180. Eurygnathus, verschiedene Grössenver- hältnisse des Kopfes in den Geschlech- tern I, 508. Eustephanus, geschlechtliche Verschie- denheiten bei Species von —, II, 55; Junge II, 194. Exogamie II, 317, 320. Eyton, T. C., Beobachtungen über Ent- wickelung des Geweihes beim Dam- hirsch I, 255. Eyzies, les, menschliche Reste von —, T, 209. Sporne F. Fabre,M., über die Gewohnheiten von Cerceris 1, 325. Fähigkeiten, geistige, Abänderungen in derselben Species I, 30; Verschie- denheiten bei derselben Menschenrasse I, 94; Vererbung I, 95; Verschieden- heit bei Thieren derselben Art I, 94; der Vögel II, 94. Fakirs, indische, erlittene MarternI, 82. Falco leucocephalus, II, 91 188. peregrinus, 11, 91, 156. „. tinmunculus Il, 91. Falconer, H., über die DUB des indischen 'Elephanten II, 225; über Eckzähne bei einem weiblichen Hirsch II, 226; über Hyomoschus aquaticus II... 267. Falkland-Inseln, Pferd der —, I, 208. Fallen, von Thieren gemieden I, 41; Gebrauch von —, I, 118. > Farbe, muthmaasslich von Licht und Wärme abhängig I, 100; Correlation der — mit Immunität gegen gewisse Gifte und Parasiten I, 214; Zweck der — bei Lepidoptern I, 355; Beziehung ” der — zu den Sexualfunctionen bei Fi- | schen II, 12; Verschiedenheit in den Geschlechtern IT der — der Schlangen 24; geschlechtliche Verschieden- heiten bei Eidechsen II, 30; Einfluss auf das Paaren von Vögeln verschie- dener Species II, 100; Beziehung zum Nestbau II, 145, 150; sexuelle Ver- schiedenheiten bei Säugethieren II, 251, 258; Wiedererkennung der — von Säu- gethieren II, 259; — der Kinder ver- schiedener Menschenrassen II, 278; — der Haut des Menschen II, 335. Farben, gleich von Menschen und Thie- ren bewundert I, 54; glänzende — , Folge der geschlechtlichen Zuchtwahl I, 289; glänzende — unter den niede- ren Thieren ], 288, 289; glänzende — protectiv für Schmetterlinge und Mot- ten I, 352; helle — bei männlichen Fischen I, 6, 11; Ueberlieferung der — von Vögeln II, 139. Färbung, protective, bei Vögeln II, 196. Farre, A., über die Structur des Uterus I, 106; über die Wirkungen der Aus- schweifungen I, 150; über den Ein- fluss der Heirathen auf die Sterblich- keit I, 153. arrar, F. W., über den Ursprung der Sprache I, 47; über das Kreuzen oder Verschmelzen von Sprachen I, 51; Fehlen der Idee von Gott bei gewissen Menschenrassen I, 55; frühe Heirathen der Armen I, 151; über das Mittel- alter I, 155. Fasan, polygam I, 238; Erzeugung von Bastarden mit dem Haushuhn II, 106, und Birkhuhn II, 99; unreifes Gefie- der II, 164. Fasan, Kalij-, Trommeln des Männchens 1,58. Fasan, Reeve’s, Länge des Schwanzes II, 144, Easan, Sömmerring’s II, 136, 144. 3 Tragopan- II, 61; Entfaltung des Gefieders vom Männchen II, 78; Zeichnungen der Geschlechter II, 117. Fasan, Wallich’s II, 80, 171, Fasanen, Periode des Eintritts männ- licher Charactere in der Familie I, 257, Verhältniss der Geschlechter bei Küchlein I, 272; Länge des Schwanzes IT, 136, 143, 144. Faye, Prof., Zahlenverhältnisse der männlichen und weiblichen Geburten in Norwegen und Russland I, 267; über die grössere Sterblichkeit der Knaben bei und vor der Geburt I, 267. Federn, modifieirte, bringen Laute her- vor IT, 54 flgde., 142; verlängerte bei männlichen Vögeln II, 62 83; spatel- förmige II, 63; fahnenlose und mit fadigen Fahnen bei gewissen Vögeln IT, 63; Abstossen der Ränder II, 73. 13 Federfahnen. Federfahnen, fadige, bei gewissen Vö- geln II, 63. Federkämme bei Vögeln, Verschieden- heiten der Geschlechter II, 165. Federkrone, Ursprung derselben bei polnischen Hühnern I, 251. Fehlgeburten I, 116. Feldsklaven, Verschiedenheit von den Haussclaven I, 217. Felis camadensis, Halskragen II, 234. „ pardalis und F'. mitis, geschlecht- liche Verschiedenheiten der Färbung II, 252. Femur und Tibia, Verhältniss ihrer Grösse bei den Aymaras I, 103. Ferguson, Mr., über die Werbungen des Huhns II, 105. Ferse, geringes Vorspringen der — bei den Aymaras 1,105. Feuchtigkeit des Climas, vermeint- licher Einfluss auf die Hautfarbe I, 100, 213. Feuer, Gebrauch desselben I, 115, 159, 206. Feuerland, 328. Feuerländer I, 145, 158; geistige Fähigkeiten ], 28; quasi-religiöse Em- pfindungen I, 57; Kraft des Gesichts I, 102; Geschicklichkeit im Steinwer- Hochzeitsgebräuche II, fen I, 119; Widerstand gegen ihr rauhes | Clima I, 135, 209; Grössenverschieden- heiten bei ihnen I, 99; Lebensweise I, 217; Aehnlichkeit in geistigen Merk- malen mit Europäern I, 204; Wider- wille gegen Haare im Gesicht II, 505; - sollen europäische Frauen bewundern I, 307. Feuerstein-Stücke, Schwierigkeit sie | zu formen I, 120. Feuerstein- Werkzeuge, Gebrauch I, 160. Fiber zibethicus, protective Färbung II, 261. Fieber, Immunität der Neger und Mu- latten gegen —,, I, 214. Fiji-Inseln, Eingeborene der —, be- graben ihre alten und kranken Eltern lebendig I, 65; Bärte derselben -II, 382, 306; Schätzung des Bartes II, 306; bewundern ein breites Hinter- haupt II, 308; Hochzeitsgebräuche 328. Filum terminale I, 24. Finger theilweise verwachsen bei Spe- 121; überzäh- cies von Hylobates I, lige, häufiger bei Männern als Frauen 1, 243; Erblichkeit der überzähligen I, 252; deren frühe Entwickelung |], 258. Register. IL, Foramen. Finken, spatelförmige Federn im Schwanze eines —, II, 63; Frühjahrs- änderung des Gefieders Il, 73; Weib- chen der britischen —, II, 169. Finlayson, über die Cochinchinesen II, 303. Fischer, Kampfsucht des männlichen Lethrus cephalotes I, 335. Fische, Verhältniss der Geschlechter I, 274; Gier des Männchens I, 240; Nieren durch Wolff’sche Körper er- setzt I, 13; Männchen die die Eier | in der Mundhöhle brüten I, 183; Brut- taschen für die Eier I, 224; relative Grösse der Geschlechter II, 5; Süss- wasser- — der Tropen II, 14; protec- tive Aehnlichkeiten II, 15; Nestbau I, 16; Laichen U, 16; Laute von — n hervorgebracht II, 19, 290; beständi- ges Wachsthum II, 189. Flecke, in ganzen Gruppen von Vögeln auftretend II, 115; Verschwinden der — bei erwachsenen Säugethieren II, 266. Fledermäuse, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 252. Fleischlappen, männlichen Vögeln beim Kampfe nachtheilig O, 84. ‚Fletschmuskeln I, 109. Flexor pollicis longus, Variation beim Menschen I, 111. Fliegenschnäpper, Farbenund Nest- bau II, 148. Florida, Quiscalus major in —, 1, 274. ıFlösse, Gebrauch der I, 118, 206. Flower, W. H., über den Abductor- Muskel des fünften Metatarsus bei Af- fen I, 111; über die Stellung der Rob- ben I, 166; über den Kehlsack der männlichen Trappe H, 49. Flügel, Verschiedenheit der — in den beiden Geschlechtern der Schmetter- linge und Hymenoptern I, 308; Spiel der — bei der Werbung der Vögel I, 81. Flügeldecken der Weibchen von Dy- tiscus, Acilius, Hydroporus 1, 307. Flügelsporne II, 141. |Flunder, Färbung der —, II, 15. Flüsse, Analogie der — mit Inseln 1; 178. Flussschwein, afrikanisches, Stoss- zähne und Schwarten II, 234. Foetus, menschlicher, wolliges Haar- kleid I, 21; Anordnung der Haare I, . 168. Foramen, supracondyloides, ausnahms- weises Vorkommen beim Menschen I], 23, 112; bei den Urerzeugern des Men- schen I, 180, Forbes. 376 Register. ’ Galton. Forbes, D., über die Aymara-Indianer I, 103; über locale Farbenvariation bei den Quechuas I, 217; über die Haarlosigkeit der Aymaras und Que- chuas II, 283; über das lange Haar der Aymaras und Quechuas II, 280. Forel, F., über junge weisse Schwäne U, 186 Forelle, Verhältniss der Geschlechter | I, 275; Kampfsucht des Männchens II, 2 (s. auch Bull-trout). Formica rufa, Grösse der Gehirngang- ‚lien I, 125. Fortpflanzung, Erscheinungen der —, dieselben bei allen Säugethieren I, 10. Fortpflanzungsorgane, rudimentäre Bildungen bei den —n, I, 25; acces- sorische Theile I, 151. Fortschritt ig der organischen Stu- fenleiter I, 184. Fossile, Abwesenheit solcher, die den Menschen mit den Affen verbinden ], 175. Fox, W. D., über einige halbgezähmte Wildenten, die polygam werden, und über Polygamie beim Perlhuhn und Canarienvogel I, 238; Verhältniss der Geschlechter beim Rind I, 271; über die Kampfsucht des Pfauhahns IT, 39; Hochzeitsversammlung von Elstern II, 89; Krähen finden neue Gatten II, 91; Rebhühner zu dreien lebend II, 93; Paaren einer Gans mit einem chinesi- schen Gänserich II, 100. Francesco, B., über die Affenähnlich- keit des Menschen I, 3. Frankreich, Zahlenverhältnisse männ- licher und weiblicher Geburten I, 267. Fraser, C., verschiedene Farben der Geschlechter bei einer Squilla I, 301. Frauen, von männlichen Affen erkannt I, 10; Ueberwiegen an Zahl I, 268; Wirkungen der Wahl von — je nach | dem verschiedenenMaassstab für Schön- | Frösche I, 21; temporäre Bruttaschen bei den Männchen I, 224; vor den Weibchen zur Vortpflanzung bereit TI, 229; Stimmorgane II, F rüchte, giftige, von Thieren gemie- den I, 30, Füchse, Bedachtsamkeit der jungen — in Jagddistrieten I, 42; schwarze IT, 258. ' Fulgoridae, Gesang I, 313. 'Furchtsamkeit, Variabilität der — in derselben Species I, 33. Fuss, Greif-, der Urerzeuger der Men- schen I, 180; Greifvermögen bei eini- gen Wilden erhalten I, 122. Füsse, Modification der — beim Men- schen I, 122; Verdickung der Sohlen- a, haut I, 101. G. Gabelhorn-Antilope, Hörner I, 256. Galle, bei vielen Thieren gefärbt I, 290. Gallen an Pflanzen I, 131. Gallierex, Geschlechtsunterschied in der Farbe der Iris II, 112. Gallierex ceristatus, Kampfsucht des Männchens II, 34; rothe Cärunkeln beim Männchen in der Paarungszeit II, 68. (rallinaceae, Häufigkeit polygamer Le- bensweise und sexueller Unterschied II, 238; Waffen der Männchen II, 37; Liebesgeberden II, 58; spatelförmige Federn auf dem Kopfe II, 63; aufge-' löste Federn II, 63; Streifen der Jun- gen II, 161; comparative Geschlechts- verschiedenheiten bei den Arten II 168. 170; Gefieder II, 171. Gallinula chloropus, Kampfsucht | Männchens If, 34. | Galloperdi., Sporne II, 39; Entwicke- "lung von Spornen beim Weibchen H, 142. des heit II, 312; Gewohnheit — zu fangen | Gallophasis, Junge II, 166. In 317, 320: frühes Verloben und Skla- | Gallus bankiva I, 138; Halssichelfedern verei IL, 322; Auswahl der Schönheit wegen IT, 327; Auswahl bei wilden | Stämmen I, 327, Fringilla cannabina II, 73. eiris, Alter des unreifen Ge- fieders II, 187. Fringilla eyanea, Alter des unreifen Ge- fieders II, 187. Fringilla leucophrys, Junge II, 191. spinus II, 100. iR tristis, Fr ühjahrsänderung IE 3; Junge IT, 190. F Finilliage, Aehnlichkeit der Weibchen verschiedener Species II, 168, ” #,. 72; Gallus Stanleyi, Kampfsucht des Männ- | . chens II, 37 |Galton, Mr., über den Kampf zwischen socialen und persönlichen Antrieben I, 89; über erbliches Genie I, 95; über die Wirkungen natürlicher Zuchtwahl | auf eivilisirte Nationen I, 145; über die Unfruchtbarkeit einziger Töchter I, 148; über den Fruchtbarkeitsgrad genialer Menschen I, 149; über die frühen Heirathen Armer I, 151; über die alten Griechen I, 154; über das Mittelalter I, 155; über den Fort- Gammarus. Register. Geoffroy St. Hilaire. 377 schritt der Vereinigten Staaten I, 156; über südafrikanische Ideen von Schön- heit II, 304. Gammarus, Gebrauch der Scheeren I, 297. 5 marimus I, 299. Ganoidei I, 178, 186. Gans, antarctische, Färbung Il, 200; Canada- —, Paarung mit einem Ber- nikelgänserich II, 99; Chinesische, Schnabelhöcker II, 113; ägyptische II, 39; Schneegans, Weisse II, 200; Seba- stopol-, Gefieder II, 64; spornflüglige IL, 39. Gänse, Rufe ziehender — II, 43; Paa- ren verschiedener Species II, 99, Ca- nada- — , Wahl der Gatten II, 102. Gaour, Hörner II, 217. Gardner, Beispiel von Nachdenken bei einem Gelasimus I, 300. Garrulus glandarius, I, 90. Gärtner, Sterilität hybrider I, 196. Gasteropoda. 1, 291; Werbungen der lun- genathmenden I], 291. | Gasterosteus 1, 239; Nestbau II, 16. s leiurus II, 2» Re 16. < trachurus IE 2 2 Gastrophora, Flügel unten glänzend ge- färbt I, 353, Gauchos, Mangel an Humanität I, 87. Gaudry, M., über einen fossilen Affen 12, Gaumenspalte, vererbte I, 104. Gavia, Aenderung des Gefieders nach der Jahreszeit Il, 200. Geberdensprache I, 205, Gebrauchund Nichtgebr auch von Thei- len, Wirkungen I, 100; Einfluss der- selben auf die Menschenrassen 1.0248 Geburten, Zahlenverhältniss der Ge- schlechter bei Thieren und Menschen 1,1232, 234, Geburtsstätte des Menschen I, 173. Gedächtniss, Offenbarung von — bei Thieren I, 37. | Gedanken, Controle der —, I, 87. | Gefieder ‚ Vererbung von Aenderungen bei Hühnern I, 248; Neigung zu ana- loger Abänderung IR 63; Entfaltung des — Ss von männlichen Vögeln I, 73, 82; Veränderungen in Bezug zur Jah- reszeit II, 157; unreifes —, II, 160, 163 ; Farbe im Verhältniss zum Schutz Pflanzen TI..196. | Gegenbaur, (C., über die Zahl der Finger bei Ichthyosauriern I, 108; | über den Hermaphroditismus der Ur- erzeuger der Wirbelthiere T, 181. Gehirn, des Menschen, Uebereinstim- mung mit dem niederer Thiere I, 8; ıGemüthserregungen, von Windungen beim menschlichen Fötus I, 13; bei jetztlebenden Säugethieren gr össer alsbeideren tertiärenPrototypen I, 42; Verhältniss seiner Entwickelung zum Fortschritt der Sprache I, 48; Krankheit die Sprache affieirend I, 49; Einfluss der Entwickelung geisti- ger Fähigkeiten auf seine Grösse I], 125; Einfluss seiner Entwickelnng auf Wirbelsäule und Schädel I, 127; Ver- schiedenheit der Windungen bei ver- schiedenen Rassen des Menschen” I; 190. Gehorsam, Werth des —s, I, 141. Geier, Wahl eines Gatten durch das Weibchen II, 101; Farben II, 201. ‘Geist, Verschiedenheit des —es beim Menschen und den höchsten Thieren I, 90; Aehnlichkeit desselben bei ver- schiedenen Rassen I, 205. Geistige Charactere, Verschiedenheit bei verschiedenen Menschenrassen |], 190: Geistige Fähigkeiten, Abänderungen in derselben Species 1, 50, 94; Ver- schiedenheit in derselben Menschen- rasse I, 94; Vererbung I, 95; Aehn- lichkeit derselben in verschiedenen Menschenrassen I, 204; bei Vögeln II, 94; verschieden in den beiden Ge- schlechtern des Menschen II, 286. Gelasimus, Gebrauch der vergrösserten Scheeren des Männchens I, 297; Kampf- sucht des Männchens i, 299; Verhält- niss der Geschlechter in einer Species I, 252; verständige Handlungen I, 300; Farbenverschiedenheiten derGeschlech- ter einer Art I, 301. Gemsen, Warnungssignale I, 63; Ue- bertragung männlicher Charactere auf ein altes Weibchen II, 215. niederen Thieren gemeinsam mit dem Menschen empfunden T, 53; von Thieren gezeigt Il 35. Genesis I, 284. Genie II, 987; erblich I, 95; Frucht- barkeit der Leute von — ‚J, 149 Geoffroy St. Hilaire, Isid., über das Erkennen von Frauen durch männliche Affen I, 10; Vorkommen eines rudi- mentären Schwanzes beim Menschen I, 24; über Monstrositäten I, 97; über thierähnliche Anomalien im mensch- lichen Bau I, 107; über die Correla- tion von Monstrositäten J, 112; über die Vertheilung des Haares bei Men- schen und Affen I, 129; über die Schwanzwirbel der Affen I, 130; über correlative Variabilität I, 131; über 378 Geographische. Register. Glareola. die Classification des Menschen I, 162; „über das lange Haar am Kopfe von Semnopitheeus 1,' 167; über das Haar bei Affen I, 169; über die Entwieke- lung eines Hirschen II, 215; und F. Cuvier, über den Mandrill II, 256; über Hylobates Il, 279, 280. Geographische Verbreitnng als Be- weis specifischer Verschiedenheit beim Menschen TI, 218 (Greometrae, unten glänzend gefärbt I, 354. Geophagus, Stirnprotuberanz des Männ- chens II, 11, 17; Eier vom Männchen in der Mund- oder Kiemenhöhle ausge- brütet II, 17. Georgia, Farbenveränderung der in — niedergelassenen Deutschen I, 217. (reotrupes, Stridulation I, 338, NO. Gerbe, über den Nestbau von Creni- labrus massa und €. melops IT, 16. Gerland, Dr., über das Herrschen des Kindesmords I, 80, II, 302, 320: über das Aussterben von Rassen I, 209, 210. Geruch, Correlation mit der Hautfarbe I, 218; von Schlangen während der Paarungszeit IT, 25; von Säugethieren II, 245, Geruchsinn, beim Menschen und bei Thieren I, 19. Gervais, P., über das Behaartsein des Gorilla I, 129; über den Mandrill I, 256. Gesang, der Cicaden und Fulgoriden I, 313; der Laub{rösche II, 93; Vögel, Zweck desselben II, 44; — männlicher Vögel von den Weibchen gewürdigt I, 53; Fehlen des —s bei brillant gefiederten Vögeln II, 81; — von Vögeln II, 142. Geschlecht, Vererbung beschränkt | Geweihes bei weiblichen |- der | durch I, 251. | Geschlechter, Zahlenverhältniss der | — beim Menschen I, 266, II, 281 En wahrscheinliches Verhältniss der — | beim Urmenschen II, 319. | Geschlechtliche Merkmale, Wirkun- | gen des Verlustes I, 251; Beschrän- kung I, 251. | Geschlechtliche Aehnlichkeit I, 244. | Geschlechtliche Verschiedenheiten | beim Menschen I, 11. | Geschlechtliche und natürliche Zuchtwahl gegeneinander gehalten I! 245. Geschlechtliche Zuchtwahl, Erklä- rung I, 225, 230,-239; Einfluss auf die Färbung der Lepidoptern I, 359; ihre Wirkung beim Menschen Il, 234. | Geschmack bei den Quadrumanen IT, 260. Geselligkeit, wahrscheinliche, der Ur- menschen I, 134; Einfluss der — auf die Entwickelung intellectueller Fähig- keiten I, 139; Ursprung der — beim Menschen I, 140. Geselligkeitstrieb, hängt mit dem Pflichtgefühl zusammen I, 60; — bei Thieren I, 67, 68, 73; — beim Men- schen I, 71. Gesellschaft, Erhaltung der für die — nützlichen Abänderungen durch na- türliche Zuchtwahl I, 134. Gesicht, Erblichkeit eines kurzen und weiten J, 102. Gesichtsknochen, Ursachevonderen Moldlification I, 127. Geweihe der Hirsche IT, 213, 218, 227, — und Eckzähne entwickeln sich im umgekehrten Verhältniss H,,226 ; Entwickelung bei Hirschen I, 255. Gewissen I, 78, 89; Fehlen des —s bei manchen Verbrechern I, 79. Gewissensbisse, I, 77, 78; Fehlen bei Wilden I, 142, Gewohnheiten, schlechte, durch Ver- trautheit erleichtert I, 87; Variabilität der Stärke der —, I, 159. Gespenstheuschrecken, Blättern ähnlich T, 369. Gibb, Sir D., Verschiedenheiten der Stimme bei verschiedenen Menschen- rassen II, 290. Gibbon, Hoolock-, Nase desselbenl, 167. Gibbons, Stimme der — II, 243. Gicht, geschlechtlich überliefert I, 259. Gifte von Thieren vermieden I, 41; Im- munität gegen — in Correlation mit Farbe I, 214. werden 'Giftige Früchte und Kräuter von Thie- ren vermieden I, 30. Gimpel, Geschlechtsverschiedenheiten I, 237; Pfeifen II, 44; Gesang des Weibehens II, 46; Werbungen II, 81; verwittwete finden neue Gatten II, 92; greift einen Rohrsperling an II, 96 ; Geschlechter der Nestlinge durch Aus- reissen von Brustfedern bestimmt II, 188; unterscheiden Personen II, 96; Eifersucht des Weibchens II, 106. iraffe, stumm, ausgenommen in der Brunstzeit II, 241; Art ihre Hörner zu brauchen II, 241. Giraud-Teulon, über die Ursache der Kurzsichtigkeit I, 102. Girren der Tauben II, 52. Glareola, doppelte Mauserung II, 69, G S Glöckner. Register. + Gray. 379 Glöckner-Vogel, geschlechtlicher Far- benunterschied I, 67. @lomeris limbata, geschlechtlicher Far- benunterschied I, 304. . Glucken der Hühner II, 43. 24 . Glühwurm, weiblicher flügellos I, 224; Leuchtkraft I, 308. Gnu „ geschlechtlicher Farbenunterschied 1, "254. Godron, über Variabilität I, 97; über Verschiedenheit der Körpergrösse jl 99; Mangel eines Zusammenhangs zwi- | schen Clima und Hautfarbe |], Geruch der Haut I, 219; Färbung der neugebornen Kinder II, 279. Goldadler, ten II, 91. 2135| Golddistelfink (amerikanischer Stieg- litz), Junge I, 190. | Golddrosseln, Farbe, Nestbau u. s. f. | II, 146. Goldfasan, das Männchen entfaltet das Gefieder II, 76; Geschlecht der Jun- gen durch Ausreissen von Kopffedern | bestimmt II, 188; fieders II, 187. Goldfische I, 13. Goldschnepfe, 177 Gomphus, Verhältniss der Geschlechter I, 281; Verschiedenheiten der Ge- | schlechter I, 323. Gonepteryx Rhamnt, 1, 350; licher Farbenunterschied T, 364. Alter des reifen Ge- | 175 | geschlecht-. Goodsir, J, Verwandtschaft des Am- phioxus mit den Ascidien I, 179. Gorilla II, 283; halbaufrechte Stellung I, 122; Zitzenfortsätze I, 124; Rich- a, tung des Haars am Arme I, 168; ver- muthliche Entwickelung I, 203; Poly- gamie I, 235, 11, 318; Stimme II, 243; Schädel II, 279; Kämpfe des Männ- chens 11, 284. Gosse)P. FH; lichen Kolibris II, Gosse, M., Vererbung künstlicher Mo- dificationen des Schädels II, 335. Gott, Fehlen der Idee von — bei eini- gen Menschenrassen I, Gottesgericht I, 58 Gould, B. A., Abänderungen in der Länge der Beine beim Menschen I, 93; ten I, 98, 100; Körperverhältnisse und Lungencapacität beiverschiedenen Ras- sen I, 190; geringere Lebenskraft der Mulatten I, 195. Gould, J., Ankunft männlicher Schne- pfen vor den Weibchen I, 229; Zah- Suse der Geschlechter bei Messungen amerikanischer Solda- Vögeln F, 272; über Neomorpha I, | verwittwet findet neue Gat- | 33; über Arten von Eustephanus II; 38; über die australische Moschusente II, 32; relative Grösse der Geschlech- ter bei Biziura lobata und Cinclo- ramphus eruralis II, 37; über Lobi- vanellus lobatus U, 41; Gewohnheiten der Menura Alberti 2 47; Seltenheit des Gesangs bei brillanten Vögeln II, 48; über Selasphorus platycereus 1, 56; über die Laubenvögel II, 59, 89; über das ornamentale Gefieder der Ko- br 1 ‚67; Mausern desSchneehuhns II- : Entfaltung des Gefieders bei ee Kolibris II, 74; über die Scheuheit geschmückter männlicher Vö- gel II, 84, Verzierung der Lauben der Kragenvögel II, 98; Verzierung der Nester der Kolibris II, 97; Abände- rungen im der Gattung Oynanthus II, 110;, Farbe der Schenkel eines männ- lichen Papagey II, 110; über Urosticte Benjamini 11, 132, 133; Nestbau der - Golddrossel II, 146; trübe gefärbte Vö- gel, die versteckte Nester bauen II, 147; über Trogons und Eisvögel I, 149; über australische Papageyen II, 152; über australische Tauben II, 153; Mausern des Schneehuhns II, 158; über das unreife Gefieder bei Vögeln II, 163 Algde.; über die australischen Species von Turnie II, 176; die Jun- gen von Aithurus polytmus Il, 195; Farben des Schnabels der Toukans II, 199; relative Grösse der Geschlechter der Beutelthiere Australiens I, a über die Farben der Marsupialien II, 25 Goureau, Stridulation der Mutilla eu- ropaea L, 326. Graba, über gescheckte Raben auf den Färöern II, 110: über die gebänderte Lumme u, 11. Grallinae, Nestbau II, 147. Kampfsucht des männ- | Gratiolet, über die anthropomorphen Affen I, 171; Entwickelung der anthro- pomorphen Affen I, 203. Gray, Asa, Abstufung der Species der Compositen I, 200. Gray, J. E., über die Schwanzwirbel der Affen I, 130; Vorhandensein von Geweihrndimenten bei Üervulus mo- schatus II, 215; über die Hörner von Ziegen und Schafen I, 217; über den Bart des Steinbocks II, 248; über die Berbura-Ziege I, 250; Geschlechts- unterschied der Farbe bei Nagern II, 251; über die Farben des Elands II, 353; über die Sing-Sing-Antilope II, 254; über die Farben der Ziegen II, 255; über den Schweinshirsch I, 266, Green. 380 Register. Hamilton. Green, A. H., über Biberkämpfe II, 210 über die Stimme des Bibers II, 2 Greg, W. R., über die frühen Heira- then Armer L, 151; über die alten Grie- chen IT, 155; natürlichen Zuchtwahl auf eivilisirte Nationen I, 145. Grenadiere, preussische I, 96. Griechen, die alten I, 154. Grille, Feld-, Stridulation 1,316; Kampf- sucht des Männchens I, 321 Grille, Haus-, Stridulation I, 315, 316. Grillen ‚geschlechtliche Verschiedenhei- ten I, 322. Grösse, relative der Geschlechter Insecten I, 309. der Grössten Glücks, Prineip des —, 1,84. Gruber, über das Vorkommen des supra- | condyloiden Lochs beim Menschen I, 23. Grünfinke, von einem weiblichen Ca- narienvogel gewählt II, 100. Grus americanus, Alter des reifen Ge- fieders II, 187; Fortpflanzung im un- reifen Gefieder II, 188. Grus virgo, Luftröhre bei IE 31. Gryllus campestris, ]J, 316; Kampfsucht des Männchens I, 521. Gryllus domesticus I, 315, 316. Grypus, geschlechtliche Verschiedenhei ten des Schnabels IH, Guanacos, Kämpfe Il, 310; Eckzähne IT, 226. Guanas, Kämpfe um Frauen II, 284 Polyandrie bei den —, II, 321. G uanche-Skelette, Vorkommen supracondyloiden Lochs am Oberarm T.#22: Guaranys, Verhältniss der Männer zu den Franen I, 268; Farbe der Neu- geborenen II, 279; Bärte II, 282. Guenee, A., über die Geschlechter von Hyperythra I, 271. Guilding, L., Stridulation der Locusti- den I, 315. Guinea- Böcke allein gehörnt1,256. Günther, A., über Hermaphroditismus bei Serranus I, 182; über männliche Fische, die die "Eier im Munde brüten I, 184; II, 17; gelter Weibehen mit männlichen Fi- | schen TI, 274; männlicher Plagiostomen 11.2: Kampf- sucht der Männchen von Lachs und Forelle II, 2; relative Grösse der Ge- schlechter beiFischen II, 6; Geschlechts- verschiedenheiten bei Fischen II, 6, figde; II, 7; über eine protective Aehnlich- keit einer Meernadel II, 15; Gattung Solenostoma II, 18; über Me- über die Wirkung der des über die Klammerorgane | über die Gattung Callionymus | über die Verwechselung 'H sah über die galophrys montana II, 22, über die Färbung von Fröschen und Kröten II, 22; über Geschlechtsunterschiede bei “ Ophidiern II, 24 ;über Geschlechtsunter- schiede bei Eidechsen II, 27 flgde. Gynanisa Isis, Augenflecke II, 115. H. Haar, Entwickelung des —s beim Men- schen I, 20; Charactere desselben ver- muthlich von Licht und Wärme be- stimmt I, 100; Vertheilung beim Men- schen I, 129; II, 330; möglicherweise zu ornamentalen Zwecken entfernt I], 149; Anordnung und Richtung I, 167; “— der _Urerzeuger des Menschen I, 150; verschiedene Textur bei verschie- denen Rassen I, 190; — und Haut, Correlation ihrer Farben I, 218; Ent- wickelung bei Säugethieren II, 247; Tragen des —s bei verschiedenen Völ- kern II, 298; grosse Länge bei einigen nordamerikanischen Stämmen II, 305; Verlängerung des = auf dem mensch- lichen Kopfe I], Haare und Drüsenöffntiigdn, numeri- sches Verhältniss bei Schafen 17.219. -Haarige siamesische Familie IL, 3 332. Haarkämme, dorsale, bei Säugethieren II, 248. . Habichte, ernähren verwaiste Nestlinge II, 93; ein — von einem Kampfhahn getödtet II, 37. Häckel, E., über .den Ursprung des Menschen I, 3; über rudimentäre Cha- ractere I, 14; über Eckzähne beim Menschen I, 109; Tod durch Entzün- dung des wurmförmigen Anhangs ver- ursacht I, 23; Stufen auf denen der Mensch Zweifüsser wurde I, 122; über den Menschen als Mitglied der Cata- rhinen I, 173; über die Stellung der Lemuriden I, 176; über Genealogie der Säugethiere q, 177; über den Amphio- zus I; 179; über Transparenz pelagi- scher Thiere I, 289; über die, musi- kalischen Kräfte der Frauen I, 296. Frs und. BAD. Walsh, über amerikanische Neuroptern I, 281. Hahn, blinder, von seinen Genossen er- nährt I, 65; zieht junge Hennen vor II, 106. Hai fische, Klammerorgane der Männ- chen II, 1. Hamadryas-Pavian, dreht Steine um T, 63; Mähne des Männchens II, 235. Hamilton, €., über die Beninken der Kaffern gegen Thiere I, 81; über . Hämmern. Register. Hipparchia. 381 das Aufkaufen der Frauen durch die Kafferhäuptlinge II, 324. Hämmern, Schwieriekeit des I, 119. Hancock, x über die Farben der nu- dibranchen Mollusken I, 293. Hände, bei der Geburt von Arbeiter- | Bau der — kindern grösser I, 101; bei den Affen I, 120; — und Arme, ihre Freiheit indireet in Correlation mit Verminderung der Eckzähne I, 124. Handschrift erblich I, 49. Handwerk, affieirt die Form des Schä- dels I, 127. Hänfling, Zahlenverhältniss der Ge- schlechter I, 273; carmoisine Stirn und | Brust II, 73; Werbung IF Sr Harcourt, 'E. Y., über Fringilla can- nabina Il, 13: Harelda g glacialis IH, 106. Harlan, Dr., über die Verschiedenheit zwischen Haus- und Feldsklaven I, 217. Harlekin-Ente, Alter des reifen Ge- fieders II, 188; Fortpflanzung im un- reifen Gefieder II, 187. Harris, J. M,, über die Beziehung von Teint zu Clima I, 216. Harris, T. W., über die Katy-did-Heu- | schrecke I, 315; Stridulation der Heu- schrecken Hi 319; über Oecanthus ni-. valis I, 322: Färbung der Lepidop- tern I, 353; Färbung der Saturnia Jo I, 354. Hartman, Dr., Cicada septemdecim I, 314. H as e,protectiveFärbung II, 262; Kämpfe | der Männchen II, 210. Hässlichkeit, solleine Annäherung an niedere Thiere sein II, 310. Haughton, S., über eine Abänderung | des Flexor pollicis longus beim Men- schen I, 111- Haussklaven, Verschiedenheitvon den Feldsklaven 1, 217. Haut, Bewegung der —, I, 16; heit beim Menschen I, 128; Farbe der —, I, 213; — und Haare, Correlation der Farbe I, 218. Hayes, Dr., über das Auseinandergehen der Schlittenhunde auf dünnem Eis 1.39. | Hearne, Kampf um Frauen bei den nordamerikanischen Indianern II, 254; über den Begriff nordamerikanischer Indianer von weiblicher Schönheit II, 302; wiederholtes Davonlaufen einer | nordamerikanischen Indianerfrau II, 327. Hecht, Männchen vom Weibchen ver- schlungen I, 274; brillante Farben des über den Gesang der Nackt- amerikanischen —s während der Paa- | rungszeit II, 11 ' Hectocotylus I, 292. Hegt, M., Entwickelung von Spornen | bei Pfauen I, 257. Heirathen, Einfluss auf die Moral I, 32; Enthaltung von — unter Wilden er 115; Einfluss auf Sterblichkeit I, 153; frühe I, 151. 152. | Heliconidae, I, 345; werden von anderen Schmetterlingen nachgeäfft I, 366. Heliopathes, Stridulation dem Männchen eigenthümlich I, 340. Heliothrix aurieulata, Junge II, 165, 166. Helix pomatra, Beispiel individueller An- hänglichkeit I, 291 ‚Hellins, J., Verhältniss der Geschlech- ter bei von ihm erzogenen Lepidop- | tern I, 280. ‚Helmholtz, über das Schwingen der Gehörhaare bei .Crustaceen In, 292. Hemiptera 1, 312. Hemitragus, bartlos in beiden Geschlech- tern II, 248. Hengste, Mähne der —, Il, 235; zwei greifen einen dritten an I, 63; Kämpfe II, 211; kleine Eckzähne II, 227. Hepbur n, Mr., über den Herbstgesang der Wasseramsel II, 46. Hepialus humuli, geschlechtlicher Far- benunterschied E 355, 358: |Hermaphroditismus der Embryonen 118]. Herodias bubuleus, Frühjahrsmauserung 11, 72 > | Heron, Sir R., Lebensart der Pfauhüh- ner II, 104, 105, 133. ‚Herz im menschlichen Embryo I], 13. Hetaerina, Verschiedenheit derGeschlech- ter 1, 323; Verhältniss der Geschlech- ter I, 281. Heterocerus, Stridulation 'I, 337. ‚Heuschrecken, Stridulation I, 316, 317,318; glänzend gefärbte von Eidech- sen und Vögeln verschmäht I, 322. Hewitt, Mr., ein Kampfhahn tödtet ei- nen Habicht II, 37; Enten erkennen Hunde und Katzen wieder II, 96; Paa- rung einer Wildente mit einem Spiess- enterich II, 100; Werbung der Hühner Il, 102, Paarung der Fasanen mit ge- meinen Hennen II, 106. Hindus, Entsetzen beim Brechen ihrer Kaste I, 85, 88; locale Grössenver- schiedenheiten I, 99; Verschiedenhei- ' ten von Europäern I], 212; Farbe des | „_ Bartes II, 280. Hipparchia Janira, Unstätigkeit der Augenflecke Il, 116. 382 \ Hipparchiae. Register. Humboldt. Hipparchiae 1, 345. Hippocampus, Entwickelung I, 183 ; mar- supiale Tasche des Männchens II, 18. Hippopotamus, Nacktheit I, 128. Hirsche, Flecke junger —, II, 161, | 266; Geweihe II, 214, 266; Gebrauch des Geweihs II, 222, 231; Grösse des Geweihs IT, 227; Weibchen paart sich mit einem Männchen, während die an- dern um sie kämpfen Il, 236; Männ- | chen durch die Stimme des Weibchens angelockt Il, 243; Geruch des Männ- chens II, 246; Entwickelung des Ge- weihs I, 254; Geweihe eines —s im Zustande der Modifieirung I, 224; lange Haare an der Kehle der männ- lichen II, 235; Kämpfe der —, II, 211; Geweihe mit zahlreichen Enden II, | 222; Geschrei Il, 241; Haarkamm II, | 248. Hirsch, mantchuriseher II, 266. »„ _ virginischer II, 266; Farbe nicht durch die Castration beeinflusst I, 253; Farben II, 254. Hirschhund, schottischer, bedeutendere Grösse des Männchens II, 229. Hirschkäfer, bedeutende Grösse des Männchens I, 310; Waffen des Männ- chens I, 334; Zahlenverhältniss der Geschlechter I, 280. Hodgson, S., über das Pflichtgefühl I, 60. Hoffberg, über das Geweihe des Ren- thiers II, 214; geschlechtliche Vorliebe beim Renthier II, 239. Holland, Sir H., über die Wirkungen neuer Krankheiten I, 210. | Holländer, Beibehaltuug ihrer Farbe in Süd-Afrika. I, 213. | Homologe Bildungen, correlative Ab- änderung solcher I, 112. Homoptera I, 313; Stridulation der — und Orthoptera erörtert I, 321. Honduras, Quiscalus major mn — 274. Honig-Bussard in Indien, Abänderung des Federkamms II, 110. Honigsauger, Mausern II, 71; austra- lische, Nestbau Il, 147 (s. auch Nee- tarinidae und Meliphagidae). Hooker, J. D., über die Farbe des Barts beim Menschen II, 280. Hoolock-Gibbon, Nase I, 167. Hopfenspinner, geschlechtlicher Far- benunterschied I, 355, 358. Hoplopterus armatus Flügelsporne II, 41. Horne, C., glänzend gefärbte Heu- schrecken von Eidechsen und Vögeln J I ’ verschmäht T, 322. llLörnner, geschlechtliche Verschiedenhei- ten der — bei Ziegen und Schafen I, 250; Verlust der — beim weiblichen Merino-Schaf I, 251; Entwickelung der — bei Antilopen 1, 255; — am Kopfe und Thorax männlicher Käfer I, 328. Hornrabe, afrikanischer, Aufblasen des Halsfleischlappens Il, 61. Hornvögel, geschlechtlicher Farben- unterschied der Augen II, 112; Nest- bau und Brütung Il, 147. Hottentotten, Eigenthümlichkeiten der Frauen I, 199; Läuse I, 193; werden leicht Musiker II, 293; Begriffe. von weiblicher Schönheit II, 303; Zusam- mendrücken der Nase II, 308. Huber, P., über das Spielen der Amei- sen I, 53; Gedächtniss der Ameisen I, 38; Mittheilung der Ameisen unter- einander I, 49; Wiedererkennung von einander bei Ameisen nach Trennung I, 325. Huc, über &hinesische Ansichten vom Aussehen der Europäer II, 302. Hüften, Verhältniss der — bei Matro- sen und Soldaten I, 101. Huhn, Vorkommen von Spornen bei der Henne I, 247; Kampf-, frühe Kampf- sucht I, 261; polnisches, frühe Ent- wickelung der Eigenthümlichkeiten des Schädels I, 261; Abänderungen im Ge- fieder II, 63; Beispiele correlativer Entwickelung II, 113; Rassen und Un- terrassen des domesticirten —, II, 155. Hühner, geflitterte Hamburger I, 248, 261; sexuelle Eigenthümlichkeiten nur demselben Geschlecht überliefert I, 250; Verlust secundärer Sexualcharac- tere beim Männchen I, 251; Vererbung von Aenderungen des Gefieders I, 248; polnische, Ursprung der Haube I, 251; Periode der Vererbung von Characte- ren I, 260; Kukuks-, I. 261; Entwicke- lung des Kammes I, 261; Zahlenver- hältniss der Geschlechter I, 272; Be- werbung II, 102; Bastard von einem schwarzen spanischen Huhn und ver- schiedenen Hennen I], 114; Verschie- denheit der Geschlechter bei den ge- strichelten Hamburgern II, 138; Ge- schlechtsunterschied des Kamms bei spanischen II, 158; Sporne in beiden Geschlechtern II, 141. ‚Humanität unbekannt bei einigen Wil- den I, 81; Mangel bei einigen Wilden I, 86. Humboldt, Al. v., über den Verstand der Maulesel I, 40; über einen Papa- gey, der die Sprache eines unterge- gangenen Stammes bewahrte I, 208; die kosmetischen Künste Wilder II, 297, Hume. Register. Jacquinot. 383 298; über das Uebertreiben natürlicher Merkmale durch den Menschen II, 308; über das rothe Bemalen amerikani- | scher Indianer II, 309. Hume, D., über sympathetische Empfin- dungen I, 72. Humphreys, H. N., Gewohnheiten des Stichlings I, 239, II, 2. Hunde, deiden an Wechseltieber I, 10; Gedächtniss I, 37; Fortschritt der dome- stieirten — in moralischen Eigenschaf- | ten I, 42; verschiedene Laute I, 45; Parallelismus zwischen der Liebe der — zu ihrem Herrn und religiösem Ge- fühl I, 57; Geselligkeitstrieb I, 62; Sympathie eines —s mit einer kranken Katze I, 65; Sympathie mit seinem Herrn I, 65; möglicher Gebrauch der Haare an den Vorderbeinen I, 168; Rassen der —, I, 202; gehen ausein- ander, wenn sie Schlitten über dünnes Eis ziehen I, 39; träumen I, 38; üben Verstandeskräfte aus I, 40; besitzen Gewissen I, 66; Zahlenverhältniss der männlichen und weiblichen Geburten I, 269; sexuelle Zuneigung zwischen Individuen II, 237; heulen bei gewis- sen Tönen II, 292; 'wälzen sich in Aas 1, 247. Hunde, junge, lernen von Katzen ihr Gesicht zu putzen I, 37. Hunger, Instinct des —, I, 76. Hungersnöthe häufig bei Wilden I], 115; Hunnen, die alten, Abplatten der Nase II, 308. Hunter, J., Zahl der Menschenarten I, 199; über secundäre Sexualcha- ractere 1, 223; über das allgemeine Benehmen weiblicher Thiere während der Werbung I, 241; Kehlkopfmuskeln der Singvögel II, 47; gekräuseltes Stirnhaar des Bullen II, 245; ein weib- liches Zebra verschmäht einen Esel- hengst II, 259. Hunter, W. W., über die neuerliche rapide Zunahme der Santali I, 115; über die Santali I, 212. Hussey, Mr., über ein RKebhuhn , das | Personen unterschied II, 96. | I, 11; über die Embryonalentwickelung des Menschen I, 11; über den Ur- sprung des Menschen I, 3, 15; über Abänderungen im Schädel der Einge- geborenen von Australien I, 93; über den Abductor des fünften Metatarsus bei Affen I, 111; über die Stellung des Menschen I, 166; über die Unterord- nungen der Primaten I, 170; über die Lemuriden I, 176; über die Dinosau- rier I, 178; über Verwandtschaft der Ichthyosaurier mit Amphibien I, 178; über die Variabilität des Schädels ge- wisser Menschenrassen I, 199; über die Rassen des Menschen I, 202. Hybride Vögel, Erzeugung solcher, 11,99: ‚Hydrophobie, übertragbar von Thie- ren auf Menschen I, 9. Hydroporus, Dimorphismus der Weib- chen I, 307. Hyelaphus poreinus IL, 266. Hygrogonus U, 17. Hyla, singende Species II, 23. Hylobates, mütterliche Zuneigung I, 34; Fehlen des Daumens I, 121; aufrech- tes Gehen einiger Species I, 123; Rich- tung des Haars an den Armen von Species von —, I, 168; Weibchen un- ten weniger behaart als Männchen I, 2850 Hylobates agilis I, 121; Haare an den Armen I, 168; musikalische Stimme II, 243; Augenbrauenleiste II, 279; Stimme IE, 291. Hwylobates hoolock, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 255; Nase I, 167. Hrylobates lar I, 121; Haare an den Ar- men I, 168. Hylobates leuerscus 1, 121. Hylobates syndactylus I, 121; Kehlsack II, 243. Hymenopter, ein parasitisches, mit sedentären Männchen I, 241. , Hymenoptera 1, 325; bedeutende Grösse der Cerebralganglien I, 125; Classifi- cation 1, 164; sexuelle Verschieden- heiten in den Flüseln I, 508; besta- chelte, relative Grösse der Geschlech- ter I, 310. Hutchinson, Col., Beispiel von Ueber- | Hyomoschus aquaticus Il, 267. legung bei einem Wasserhund I, 40. | Hyperythra, Verhältniss der Geschlech- Hutton, Capt., über den wilden Ziegen- | bock und sein Fallen auf seine Hör- ner U, 219. | Huxley, Th. H. ‚ Uebereinstimmung des | Menschen und Affen im Bau I, 2; Ue- bereinstimmung des Gehirns > Men- schen mit dem niederer Thiere I, 8; über das erwachsene Alter des Orang ter 1,277. Hypogymma dispar, geschlechtlicher Far- benunterschied I, 354. Hypopyra, Färbung In 353. E Jacquinot, Zahl der Menschenarten I, 19% 384 Jäger. Register. Insecten. Jäger, Dr., Schwierigkeit, Heerden wil- | der Thiere zu beschleichen I, 63; Län- genwachsthum’ der Knochen I, 100; | Verschmähung eines Silberfasans mit verdorbenem Gefieder II, 105. Jaguars, schwarze II, 258. | Jahreszeit, Farbenveränderung bei Vö- | geln je nach der —, IT, 68; Aende- rung des Gefieders in Bezug auf die —, II, 157; Vererbung zu entsprechen- der —, I, 249. | Janson, E. W., Verhältniss der Ge- schlechter bei Tomieus villosus I, 281; über stridulirende Käfer I, 337. Japan, Ermuthigung der Lüderlichkeit 1,116. Japanesen, allgemeine Bartlosigkeit II, 282; Widerwille gegen Backenbärte II, 306. Jardine, Sir W., über den Argus-Fa- san II, 62, 84. Jarrold, Dr., Modificationen des Schä- dels durch unnatürliche Stellungen her- | beigeführt I, 127. Javanesen, relative Grösse der Ge- schlechter II, 281; Begriffe von weib- licher Schönheit II, 304. Ibis, scharlachner, Junges I, 183; weis- | ser, Farbenveränderung der nackten | Haut während der Paarungszeit II, 68; aufgelöste Federn II, 63; weisser II, 200; schwarzer II, 202. Ibis tantalus, Alter des reifen Gefieders II, 187; Fortpflanzung im unreifen Ge- fieder II, 188, 189. Ichneumonidae, Verschiedenheit der Ge- schlechter I, 326. Ichthyopterygia I, 108. Ichthyosauria 1, 178. Ideen, allgemeine I, 52. Idioten, mikrocephale, Nachahmungs- vermögen I, 47; ihr Character und Lebensart I, 104. | Jeffreys, J. Gwyn, über die Form der | Schale bei den Geschlechtern der Ga- steropoden I, 291; über den Einfluss des Lichts aufdie Farben der Schnecken- schalen I, 292. 7 Jenner, Dr., Schwalben verlassen ihre Jungen I, 71; über die Stimme des | Raben U, 52; Elstern finden neue Gat- ten II, 90; Verzögerung der Genera- tionsorgane bei Vögeln II, 93. Jenyns, L., Schwalben verlassen ihre | Jungen 1, 71; männliche Vögel singen nach der eigentlichen Zeit II, 93. Jerdon, Dr., über das Träumen der Vögel I, 38; über die Kampflust des männlichen Bulbul II, 34; über die Kampfsucht der männlichen Ortygor- | | nis gularis II, 37, 38; über Spornen bei Galloperdix 11, 39; über Gewohn- heiten von Lobwanellus II, 41; über (en Löffelreiher U, 51; über das Trom- meln des Kalij-Fasans II, 54; über indische Trappen Il, 56; über Otis bengalensis IL, 59; über die Ohrbüschel von Sypheotides auritus II, 63; über die doppelte Mauserung gewisser Vö- gel II, 70; über das Mausern der Ho- nigsauger HU, 71; über das Mausern von Trappen, Regenpfeifern und Dron- gos Il, 72; über die Frühjahrsände- rung in der Farbe einiger Finken II, 73; über die Entfaltung der Reize männlicher Vögel II, 74; über die Ent- faltung der untern Schwanzdeckfedern vom männlichen Bulbul U, 82; über den indischen Honigbussard II, 110; über geschlechtliche Farbenunterschiede in den Augen der Horuvögel II, 112; über die Zeichnungen des Tragopan- fasans II, 117; über den Nestbau der Pirole I, 146; über den Nestbau der Hornvögel II, 147; über die gelbe Sul- tanmeise II, 152; über Palaeornis ja- vanteus Il, 157; über das unreife Ge- fieder von Vögeln IL, 162 figde.; über stellvertretende Vogelarten II, 166; über Lebensweise von Turnix II, 177; über die beständige Zunahme der Schönheit des Pfauen II, 189; über Färbung in der Gattung Palaeornis II, 202. 'Jevons, W. S., über die Wanderungen des Menschen I, 117. Teuanas II. 27. Illegitime und legitime Kinder, Ver- hältniss der Geschlechter I, 267. Implacentata 1, 177. Indecenz, Hass der, eine moderne Tu- gend I, 832. Indianer, nordamerikanische , geehrt um das Scalpiren eines Menschen an- dern Stammes I, 80, Indien, Schwierigkeit die eingebornen Rassen zu unterscheiden I, 189; Oy- priniden von —, H, 14; Bartfarbe des Menschen H, 280. Individualität I, 52. Individuation I, 284, Indopieus carlotta, Farben der Geschlech- ter II, 152. Inferiorität, vermeintliche, physische des Menschen I, 135. Inquisition, Einfluss der —, I, 156. Insect, fossiles, aus der devonischen ‚Formation I, 321. Insecten, relative Grösse der Cerebral- ganglien I, 125; männliche, ihr Er- scheinen vor den Weibchen I, 229; Inseetivora. Register. Kant. Verfolgen des Weibchens durch die Männchen I, 240; Periode der Ent- wickelung secundärer Sexualcharactere I, 258; secundäre Sexualcharactere I, 305; Stridulation II, 290. Insectivora, Fehlen secundärer Sexual- charactere I, 236. Insessores, Stimmorgane Il, 55. Instinct und Intelligenz I, 30. - Instincte I, 50; complexer Ursprung durch natürliche Zuchtwahl I, 31; möglicher Ursprung einiger —, I, 32; erlangte — domesticirter Thiere I, 67; | Variabilität der Kraft der —, I, 70; Verschiedenheit der Kraft socialer und | anderer I, 76, 89; zu neuen Zwecken benutzte II, 294. Instinetive Antriebe, Verschiedenheit ihrer Kraft I, 74, 76; — und morali- sche, Verbindung beider I, 74. Instinctive Thätigkeiten, das Resultat von Vererbung I, 67. Instrumentalmusik 53, 56. Intellect, Einfluss auf die natürliche Zuchtwahl in civilisirter Gesellschaft L, 149. Intellectuelle Fähigkeiten, ihr Ein- fluss auf natürliche Zuchtwahl beim Menschen ], 137; wahrscheinlich durch natürliche Zuchtwahl vervollkommnet I, 139. Intelligenz, H. Spencer über das Dämmern der —, 1, 31. Johnstone, Lieut., über den indischen Elephant I, 256. Jollofs, schöne Erschemung der —, ll, 314. Jones, Alb., Verhältniss der Geschlech- ‚ter bei erzogenen Lepidoptern I, 280. Iphias glaucippe 1, 551. Iris, geschlechtlicher Farbenunterschied bei Vögeln II, 62, 112. Iris (Schmetterling) I, 344, 345. Ischiopubischer Muskel I, 110. Ithaginis eruentus, Zahl der Spornen 1.39. Juan Fernandez, Kolibris von —, II, 194. Juden, alte, Gebrauch von Feuerstein- der Vögel U, werkzeugen I, 160; Gleichförmigkeit der — in verschiedenen Theilen der Erde I, 213; Zahlenverhältniss der ’ ’ männlichen und weiblichen Geburten bei den —, I, 267; alte — tättowirten | sich U, 298. Julus,tarsaleSauger desMännchens 1, 304. | Junonia, geschlechtlicher Farbenunter- schied I, 347. Jupiter, griechische Statuen II, 307. Darwiın, Abstammung. II. Zweite Auflage. K. Käfer 1, 327; Grösse der Cerebralgang- lien I, 125; Erweiterung der Vorder- tarsen bei Männchen I, 307; blinde —, I, 327; Stridulation I, 337; leuchtende Larve eines —, I, 309. Kaffee, Vorliebe von Affen für — I, 9. Kaffern, Grausamkeit gegen Thiere I, 81; Läuse I, 195; Vorkommen des Diastema an einem -Schädel I, 109; Farbe der —, Il, 314; Aufkaufen der hübschesten Frauen durch die Häupt- linge ll, 324; Heirathsgebräuche II, 328. Kakadus, II, 199, 200; Nestlinge II, 95, 202; unreifes Gefieder der schwar- zen II, 165. Kalij-Fasan, Trommeln des Männchens II, 54; Junges II, 166. Kallima, Aehnlichkeit mit einem ver- trockneten Blatt I, 349. Kalmucken, Abscheu gegen Haare im Gesicht II, 306; Hochzeitsgebräuche 11,328. Kälte, vermuthliche Wirkungen der —, I, 100; Vermögen des Menschen — zu ertragen I, 209. Kameel, Eckzähne des Männchens II, 212, 226. Kamm, Entwickelung bei Hühnern I, 261; — und Fleischlappen bei männ- lichen Vögeln IH, 84. Kampf, Gesetz des —es, I, 159; bei Käfern I, 354; bei Vögeln II, 34; bei Säugethieren H, 210 u. flgde.; beim Menschen II, 283; — um’s Dasein beim ‘Menschen I, 157, 161. Kampfhahn, tödtet einen Habicht II, 37; Kampfsucht U, 41; Kamm und Lappen II, 84; durchscheinende Zone in den Sichelfedern II, 119. Kampfläufer, für polygam gehalten I, 235; Verhältniss der Geschlechter I, 272; Kampfsucht II, 35, 41; dop- pelte Mauserung II, 69, 72; Dauer seiner Tänze II, 57; wird von glän- zenden Gegenständen angezogen H, 97. Kampfsucht schön-befiederter männ- licher Vögel II, 80. Känguruh, grosses rothbraunes, ge- schlechtlicherFarbenunterschiedlIl, 251. Kaninchen, weisser Schwanz dessel- ben II, 262; Warnungssignale der —, I, 65; Verlängerung des Schädels bei domestieirten I, 127; Modification des | Schädels bei hängohrigen I, 127; Zah- ı lenverhältniss der Geschlechter I, 271. ' Kant, Im., über Pflicht 1, 59; über Selbst- | enthaltung I, 75; über Zahl der Men- schenarten I, 199. | 25 Karpfen. 386 Karpfen, Zahlenverhältniss der Ge- | schlechter I, 275. Katarrh, Erkrankung des (ebus Azarae an —, 1.9. Katy-did-Heuschrecke, Stridulation I, 315. Katze, gewundener Körper an der Schwanzspitze I, 25; Sympathie eines Hundes mit einer kranken —, I, 65. Katzen, träumen 1, 358; dreifarbige (tor- toise-shell) I, 250, 252, 259; Wirkung des Baldrian auf —, II, 247; Farbe II, 258. Kehlkopf, Muskeln des —s bei Sing- vögeln Il, 47. Keimchen, sexuelle Auswahl der —, I, 251. Keller, Dr., über die Schwierigkeit Steinwerkzeuge zu formen I, 210. Keule, Ursprung der —, I, 206. Keuschheit, frühe Schätzung der —, 1,182; Kiebitz, Flügelhöcker des Männchens II, 40. Kinder, legitime oder eheliche und il- legitime oder uneheliche, Verhältniss der Geschlechter I, 267. Kindesmord I, 80, 116; vermuthliche Ursache II, 202; Herrschen und Ur- sachen des —s, II, 319 figde. Kindliche Zuneigung, zum Theil Re- sultat natürlicher Zuchtwahl I, 68. King, W.R., über die Stimmorgane von Tetrao cupido Il, 48; über das Trommeln der Waldhühner Il, 54; über das Renthier U, 215; über das Anlocken der männlichen Hirsche durch die Stimme des Weibchens II, 243. King und Fitzroy, über die Hoch- zeitsgebräuche der Feuerländer ll, 329. Kinnladen, Einfluss der Muskeln der — auf die Physiognomie der Affen I, 125; in gleichem Verhältniss mit den Gliedmassen kleiner —, I, 101; Ein- fluss der Nahrung auf ihre Grösse I, 101; Verkleinerung der — beim Men- schen I, 124; durch Correlation beim Menschen redueirt II, 284. Kingsley, C., über die Laute von Um- brina 1, 19. Kirby und Spence, Werbung der In- secten I, 240; Geschlechtsverschieden- heit in der Länge des Rüssels der Cureulioniden I, 225; über die Flügel- decken des Dytiscus I, 307; über Ei- | genthümlichkeiten in den Füssen mäÄnn- licher Insecten I, 307; über die rela- tive Grösse der Geschlechter bei In- secten I, 309; über die Leuchtkraft Register. der Insecten I, 309; über die Fulgo- Körpergrösse. riden I, 313; über die Gewohnheiten der Termiten I, 325; über Farben- verschiedenheiten bei den Geschlech- tern der Käfer I, 328; über die Hör- ner männlicher lamellicorner Käfer I, 330; über hornartige Vorsprünge bei männlichen Cureulioniden I, 333; über Kampfsucht des männlichen Hirsch- käfers I, 534. Klaffschnabel, Geschlechterund Junge 11,190: Klapperschlange, Verschiedenheit der Geschlechter II, 24; sollen die Klappern zu sexuellen Lockrufen brau- chen II,025. Klappmützen-Robbe, Haube der —, II, 244. Knochen, Zunahme an Länge u. Dicke beim Tragen grösserer Lasten I, 100. Knochenwerkzeuge, Geschick beim Anfertigen solcher I, 119. Knox, R., über die Semilunarfalte I, 19; über das Vorkommen des supra- condyloiden Lochs beim Menschen I, 25; über die Gesichtszüge des jungen Memnon I, 191. Koala, Länge des Blinddarms I, 22. Kobus ellipsiprymmus, Verhältniss der Geschlechter I, 271. Kohlschmetterling I, 350. Kolibris, spatelförmige Federn im Schwanze eines —, Il, 63; Entfaltung des Gefieders vom Männchen II, 74; zieren ihre Nester I, 53; I, 97; po- lygam I, 237; Verhältniss der Ge- schlechter I, 275; II, 194; Geschlechts- unterschied II, 33, 34, 132; Kampf- sucht der Männchen II, 34; modificirte Schwingen erster Ordnung beim Männ- chen H, 56; Färbung der Geschlech- ter II, 67; Junge-Il, 194; Nestbau I, 146; Färbung der Weibchen II, 146. Kölreuter, über die Sterilität hybrider Pflanzen I, 196. Königskrähen, Nestbau II, 146. Königs-Lori I, 152; unreifes Gefieder I: 3165. Kopf, veränderte Stellung um der auf- rechten Stellung des Menschen zuzu- stimmen I, 124; Behaartsein beim Men- schen I, 129; Fortsätze am — männ- licher Käfer I, 328; künstliche Form- veränderungen II, 308. Kopfhaut, Beweglichkeit der —, I, 16. Köppen, F. T., über die Wanderheu- schrecke I, 315. 'Kordofan, künstlich hervorgebrachte Protuberanzen in —, I, 298. 'Körpergrösse, Abhängigkeit von lo- calen Einflüssen I, 98. Kowalevsky. Register. Lauben. 387 Kowalevsky, A., Verwandtschaft der | Ascidien mit den Wirbelthieren I, 179. Kowalevsky, W., Kampfsucht des Auerhahns II, 38; Paarung des Auer- huhns U, 42. Krabbe, gemeine Ufer-, Gewohnheiten I, 297; Kampf einer —, I, 298. Kragenvogel II, 60; verzierte Spiel- | plätze I, 53. Krankheit erzeugt durch Berührung verschiedener Völker I, 210. Krankheiten, Menschen und niederen Thieren gemeinsam I, 9; Verschieden- heit der Empfänglichkeit für — bei verschiedenen Menschenrassen I, 190; neue —, Wirkungen derselben auf Wildel, 210; geschlechtlich beschränkt I, 259. Krause, über einen gewundenen Kör- per am Schwanzende eines Macacus und einer Katze I, 25. Kräuter, giftige, von Thieren vermie- den I, 30. Kreuzschnabel, Character der Jungen IL, .161: Kreuzung von Rassen, Wirkung der —, I, 213; beim Menschen I, 198. Kropftaube, späte Entwickelung des grossen Kropfes I, 260. Kröten U, 21; männliche, Behandlung der Eier durch —, I, 184; Männchen vor den Weibchen zur Paarung bereit L, 229. Kuckucks-Hühnerrassen I, 261. Kudu, Entwickelung der Hörner I, 255; Zeichnungen IH, 264. Kuh, Winterveränderung II, 262. Künste, von Wilden ausgeübt I, 206. Kupferstecher, kurzsichtig I, 102. Kupffer, Verwandtschaft der Aseidien mit den Wirbelthieren I, 179. Kurukus, Farben undNestbauII,149,151. L. Labidocera Darwinii, Greiforgane des Männchens I, 295. Labrus, glänzende Farben der Species | von —, II, 13. Labrus mixtus, Geschlechtsverschieden- | heit II, 7. Labrus pavo II, 13. Lacertilia II, 27. Lachs, springt aus dem Süsswasser I], | 71; Männchen vor dem Weibchen zur | Paarung bereit 1, 229; Verhältniss der | 'Latham, R. G., über die Wanderungen Männchens II, 2; Character des Männ- chens während der Paarungszeit II, 5, | Geschlechter I, 274; Kampfsucht des 11; Laichen II, 16; Fortpflanzen un- reifer Männchen II, 189. Lafresnaye, de, über Paradiesvögel II, 66. Laichen, der Fische II, 12, 16. Lamarck, über den Ursprung des Men- schen |, 3. Lamellibranchrata I, 290. Lamellicorne Käfer, hornartige Fort- sätze am Kopf und Thorax I, 328, 332; Analogie mit den Wiederkäuern I, 332; Einfluss geschlechtlicher Zucht- wahl I, 356; Stridulation I, 338. Lamont, über die Stosszähne des Wal- rosses II, 212; über den Gebrauch der Stosszähne beim Walross II, 225. Lampornis porphyreus, Farben des Weib- chens II, 147. Landois, H., über die Lauterzeugung bei Cicaden I, 313; über das Stridu- lationsorgan der Grillen I, 316; über Decticus I, 317; über die Stridulations- organe der Acridiidae I, 318; über das Vorhandensein rudimentärer Stri- dulationsorgane bei einigen weiblichen Orthoptern I, 320; Stridulation von Necrophorus I, 537; Stridulationsorgan von Cerambyx heros I, 338; Stridula- lationsorgane von @Geotrupes I, 339; Stridulationsorgane der KäferI, 340; über das Klopfen von Anobium I, 342. Lanius II, 157; Charactere der Jungen I, 162. Lanius rufus, anomale Junge von —, II, 185. Lankester, E. R., über comparative Langlebigkeit I, 146, 148; über die destructiven Wirkungen der Unmäs- sigkeit I, 150. Lanugo, des menschlichen Fötus I, 21, II, 350. \ Lanzettfischchen I, 179, 186. LappländischeSprache, äusserstkünst- lich I, 51. Lartet, über die Grösse des Gehirns bei Säugethieren I, 42; Vergleichung der Schädelcapaeität jetziger und ter- tiärer Säugethiere I, 126; über Dry- opitheeus 1, 174. Larus, Wechsel des Gefieders nach der Jahreszeit I, 200. Larve, leuchtende, eines Käfers in Bra- silien I, 309. Lasiocampa quereus, AnlockungdesMänn- chens durch das Weibehen I, 278; geschlechtlicher Farbenunterschied I, 354. iR des Menschen I, 117. Latooka, Durchbohrung der Unterlippe bei den Frauen in —, II, 299 Lauben des Kragenvogels I, 53; II, 98. 25 * Laubenvögel. 388 Register. Lithobius. Laubenvö g e 11,5 59,88; -Gewohnhei- “ten II, 59; verzierte Spielplätze 1,;68; II, 98, Laune, Menschen und Thieren gemein I, 54. Laurillard, abnorme Theilung des Wangenbeins beim Menschen I, 107. | Läuse, von Hausthieren und Menschen I, 193. Laute, von Menschen und Thieren gleich bewundert I, 54; von Fischen hervor- gebracht I, 19; männlieher Frösche und Kröten I, 23; instrumentale — bei Vögeln II, 54 flgde. Lawrence, W., Superiorität der Wil- den über Europäer im Gesichtssinn I, 102; über die Farbe der Negerkinder II, 279; Vorliebe der Wilden für Zie- rathen II, 297; über bartlose Rassen II, 306; über die Schönheit der eng- lischen Aristokratie Il, 314. Layard, E.L., ein Beispiel von Ver- stand bei einer Cobra Il, 26; über die Kampfsucht des Gallus Stanleyi Il, 37. Laycock, Dr., über vitale Periodicität I, 10. Leben, Vererbung zu entsprechenden Perioden des —s, I, 248, 252. Lebensbedingungen, Wirkung ver- änderter, auf den Menschen I, 98; Ein- fluss der — auf das Gefieder der Vö- gel II, 172. Lecky, Mr., über das Gefühl der Pflicht 1, 60; über Selbstmord I, 80; über das Cölibat I, 82; seine Ansicht über die Verbrechen der Wilden I, 83; über das allmähliche Steigen der Moralität 582. Leconte, J. L., über das Stridulations- organ der Coprini und Dynastini I, 339. Lee, H., Zahlenverhältnisse der Ge- schlechter der Forelle I, 275. Legeröhre der weibl. Insecten I, 224. Legitime und illegitime Kinder, Ver- hältniss der Geschlechter I, 267. Leguay, über das Vorkommen des su- pracondyloiden Loches beim Menschen I, 24. Leiden, Gleichgültigkeit der Wilden bei — Fremder I, 81. Leiervogel, Versammlungen II, 88. Leinfinke, Verhältniss der Geschlech- ter I, 273. „Lek’s“ derBirk- und Auerhühner II, 57. Lemoine, Alb., Sprache I, 47. Lemur macaco, geschlechtlicher Farben- unterschied II, 255. Lemuridae, Uterus I, 106; schwanzlose Species I, 169; Stellung und Ableitung über den Ursprung der I, 170, 176; Ursprung E 186; Varia- bilität der Muskeln 1,110; Ohren 1749: Lenguas, Entstellung der Ohren Il, 399. Leoparden, schwarze I, 258. | Lepidoptera 1, 344; Zahlenverhältniss | der Geschlechter I, 276; Färbung I, 345; Augenflecke Il, 115. Lepidosiren I, 178, 186. Leptorhynchus angustatus, Kampfsucht des Männchens I, 334. Leptura testacea, Farbenverschiedenheit der Geschlechter I, 328. |Lerchen, von einem Spiegel angezogen II, 97; Verhältniss der Geschlechter 1, 275; Gesang des Weibchens H, 46. |Leroy, über die Bedachtsamkeit junger Füchse in Jagddistrieten I, 42; über das Verlassen ihrer Jungen seitens der Schwalben I, 71. Lesse-Thal I, 24. Lesson, über Paradiesvögel I, 257; II, 84; über den See-Elephanten Il, 244. Lestis bombylans , Verschiedenheit der ' Geschlechter I, 326. Lethruscephalotes, Kampfsucht der Männ- chen I, 531, 335 Leuchtkäfer, weiblicher 224; Leuchtkraft I, 308. Leuckart, R.; über die Vesicula pro- statica L, 96: über den Einfluss des Alters der Eltern auf das Geschlecht der Kinder I, 268, Levator clavieulae 1, 110, Libellula depressa, Farbe des Männchens I, 324. Libellulidae,, relative Grösse der Ge- schlechter I, 310; Verschiedenheit der Geschlechter I, 322. Licht, vermeintlicher Einfluss des —s, I, 100; Einfluss desselben auf die Far- ben der Schalen I, 292. Lichtenstein, über Cheraprogne Il, 105. Lichtentwickelung beilnsecten I, 309. Liebesgeberden und Tänze bei Vö- geln II, 58. Lieflan d, Zahlenverhältniss männlicher und weiblicher Geburten I, 267. Lilford, Lord, der Kampfläufer von glänzenden Gegenständen angezogen IE 9% Limosa lapponica I, 179. Linaria U, 157. ” montana I, 273. Ku ne, C., seine Ansicht über die Stel- lung "des Menschen I, 165. Linyphia I, 302. ‚Lippen, Durchbohrung der — bei Wil- den II, 299. Lithobius, prehensiler Anhang des Weib- ' chens I, 304. flügellos TI, Lithosia. Register. Lungen. 389 |Lubbock, Sir 1, über das Alter des Menschen I, 2; über den Ursprung des Menschen, 3; über geistige Fähig- Lithosia, Färbung I, 352. Littorina littorea 1, 291. Livingstone, Dr., über den Einfluss | von Feuchtigkeit und Trockenheit auf die Hautfarbe I, 213; über das Er- kranken der Neger an tropischen Fie- bern nach einem Aufenthalte in einem kalten Clima I, 215; über die sporn- | flüglige Gans II, 59; über Webervögel | II, 54; über einen afrikanischen Zie-| genmelker II, 62, 84; über die Kampf- arten südafrikanischer männlicher Säu- gethiere II, 210; über das Entfernen der obern Schneidezähne bei den Ba- tokas II, 299; über das Durchbohren der OÖberlippe bei den Makalolo II, 299; über die Banyai II, 304. Lloyd. L., über die Polygamie des Auer- hahns und der Trappe I, 237; Zahlen- verhältniss der Geschlechter beim Auer- und Birkhuhn I, 272; über den Lachs II, 3; über die Farben des Seeskor- pions U, 7; über die Kampfsucht der männlichen Waldhühner II, 38; über das Auer- und Birkhuhn II, 41, 46; über den Ruf des Auerhahns II, 52; über Versammlungen von Waldhühnern und Schnepfen U, 83; über das Paa- ren eines Brandentrich mit einer ge- meinen Ente II, 99; über die Kämpfe der Robben II, 211; über den EIk II, 219: keiten Wilder I; 28; über den Ur- sprung von Werkzeugen I, 44; über Vereinfachung von Sprachen I, 52; über das Fehlen der Gottesidee bei gewissen Menschenrassen I, 55; über den Ursprung des Glaubens an geistige Kräfte I, 56; über Aberglauben I, 58; über das Pflichtgefühl I, 60; über die Gewohnheit der Fiji-Bewohner, die Alten und Kranken zu begraben I, 65; über die Immoralität Wilder I, 83; über Mr. Wallace’s Anspruch auf die Priorität der Idee von der na- türlichen Zuchtwahl I, 119; über das Fehlen von Gewissensbissen bei Wil- den I, 143; über die frühere Barbarei eivilisirter Nationen I, 157; über Ver- vollkommnung der Kunstfertigkeiten unter Wilden I, 159; über Aehnlich- keit geistiger Charactere in verschie- denen Menschenrassen I, 205; über das Vermögen zu zählen bei Urmen- schen I, 206; über die von Wilden ausgeübten Kunstfertigkeiten I, 206; über die Klammerorgane von Labido- cera Darwinii I, 295; über (Chloeon 1], 305; über Smynthurus luteus 1, 311; über Kämpfe um Weiber unter den nordamerikanischen Indianern II, 284; über Musik II, 293; über die orna- mentalen Gewohnheiten Wilder II, 297; über die Schätzung des Bartes unter den Angelsachsen II, 306; über künst- liche Deformation des Schädels II, Lobivanellus, Flügelspornen II, 41. Locale Einflüsse, Wirkungen auf die Körpergrösse I, 98. Lockwood, Mr., über die Entwicke- lung des Hippopotamus I, 183. Löffelreiher U, 51; chinesischer, 308; über communale Ehen II, 315, Wechsel des Gefieders I, 156. | 317; über Exogamie II, 317, 320; Longicorne. Käfer, geschlechtliche über die Veddahs II, 319; über Poly- Farbenverschiedenheit I, 327; Stridu- andrie II, 321. lation I, 338. ‚. Lucanidae, Variabilität der Kiefer der Lonsdale, Mr., Beispiel persönlicher) Männchen I, 355. Anhänglichkeit bei Helix pomatia I, | Lucanus, bedeutende Grösse der Männ- 291. | chen I, 310. Lophobranchi, Bruttaschen beiden Männ- | Lucanus cervus , Zahlenverhältniss der chen II, 18. Geschlechter I, 280; Waffen des Männ- | chens I, 334. Lucamus elaphus, Gebrauch der Mandi- beln T, 335; grosse Kiefer des Männ- chens I, 306. Lophophorus, Gewohnheiten II, 105. Lophorina atra, geschlechtliche Ver- schiedenheit in der Färbung II, 199. | Lophornis ornatus IL, 65. | Lord, J. K., über Salmo Iycaodon II, 3. Lucas, Prosper, über sexuelle Vorliebe Lori, Königs- II, 152; unreifes Gefie- | bei Pferden und Bullen II, 239. der a? 163. Luchs, canadischer, Kehlkrause II, 234. Löwe, polygam I, 237; Mähne defensiv Lumme, Varietät II, 111. I; 234; Brüllen II, 242; Streifen der Lund, Dr., über in brasilianischen Höh- Jungen” II, 160 ' len gefundene Schädel I, 191. Lowne, B. T,; über Musca vomitorial, Lungen, Vergrösserung der — bei den 125, 312. Quechua- und Aymara-Indianern 1, Loxia, Charactere der Jungen II, 161. 102; eine modifieirte Schwimmblase 390 Luschka. 181; verschiedene Capaeität bei den Menschenrassen I, 190. Luschka, H., über das Ende des Coc- cyx I, 25. Lust, Instinet der —, I, 76. Luxus, vergleichsweise unschädlich I, 148. Lyeaena, geschlechtlicher Farbenunter- | schied bei Arten von —, I, 347. Lyell, Sir Ch., über das Alter des Men- schen I, 2; über den Ursprung des Menschen I, 3; über den Parallelis- mus der Entwickelung von Arten und Sprachen I, 50; über das Aussterben von Sprachen I, 51; über die Inqui- sition I, 155; über fossile Wirbelthier- reste I, 175; über Fruchtbarkeit der Mulatten I, 194. M. Maeacus, Ohren I, 19; gewundener Kör- per an der Schwanzspitze I, 25; Va- riabilität des Schwanzes bei Arten I, 130; Backenbart bei Arten von —, U, 249. Macacus eynomolgus, Augenbrauenleiste II, 279; Bart und Backenbart, mit dem Alter weiss II, 280. Macacus inornatus I, 131. lasiotus, Gesichtsflecke II, 270. radiatus 1, 167. £ rhesus, geschlechtlicher Far- benunterschied 1!, 257, 272. Macalister, über Variationen des pal- maris accessorius I, 94; über Muskel- ” ” abnormitäten beim Menschen I, 111; über die grössere Variabilität der Mus- keln beim Mann als bei der Frau I, 243. Macaws, Mr. Buxton’s Beobachtun- gen I, 64; Schreien II, 52. M’Cann, J., über geistige Individuali- tät I, 53. M’Clelland, J., über die indischen Cy- priniden II, 14. Maculloch, Col., über ein indisches | Dorf ohne weibliche Kinder II, 520. Maeculloch, Dr., über Wechselfieber bei einem Hunde I, 10. Macgillivray, W., über die Stimm- | organe der Vögel I, 50; über die egyp- tische Gans II, 40; über die Gewohn- heiten der Spechte II, 54; über die Gewohnheiten der Becassine II, 55; über das Weisskehlchen Il, 59; über das Mausern der Becassinen II, 70; über das Mausern der Anatiden II, 73; über das Finden neuer Register. Gatten | von verwittweten Elstern II, 90; über Malherbe. ı das Paaren einer Amsel mit einer ‘ Drossel II, 99; über gescheckte Raben II, 111; über die Lumme H, 111; über die Farben der Meisen II, 152; über das unreife Gefieder der Vögel II, 163 flgde. | Machetes, Geschlechter und Junge H, 190. n pugnax, Zahlenverhältniss der ' Geschlechter I, 272; vermuthlich po- lygam I, 238; Kampfsucht des Männ- ı chensIH, 35; doppelte Mauserungll, 69. \Mackintosh, über das moralische Ge- 7081, 1, 59, ı\MacLachlan, R., über Apatania mu- liebris und Boreus hyemalis 1, 282; über die Analanhänge männlicher In- secten I, 305; über das Paaren von Libellen I, 510; über Libellen I, 323, ' 324; über Dimorphismus bei Agrion ' U, 324; über das Fehlen von Kampf- ‘lust bei männlichen Libellen I, 324; über den Hopfenspinner auf den Shet- land-Inseln I, 358. M’Lennan, Mr., über den Ursprung des Glaubens an geistige Kräfte I, 55; über die Ausschweifungen Wilder I, 82; I, 315; über Kindesmord I, 116; II, 319; über die ursprüngliche Barbarei eivilisirter Nationen I, 157; über Spuren des Gebrauchs gewalt- samer Raubung von Frauen I, 159; II, 321; über Polyandrie II, 321. M’Neill, Mr., über den Gebrauch des Geweihs bei Hirschen II, 222; über den schottischen Hirschhund II, 230; über die langen Haare an der Kehle | des Hirsches II, 235; über das Ge- schrei des Hirsches II, 241. Maerorhinus proboscidens, Bau der Nase II, 244. Maillard, M., Verhältniss der Ge- schlechter bei einem Papilio von Bour- bon I, 276. Maine, Mr., über die Absorption eines Stammes von einem andern I, 138; über den Mangel eines Wunsches nach Verbesserung I, 145. Makalolo, Durchbohrungder Oberlippe bei den —, Il, 299. Malayischer Archipel, Hochzeitsge- . bräuche der Wilden des —, II, 328. 'Malayen, Trennungslinie zwischen den Papuas und den —, I, 192; allgemeine Bartlosigkeit II, 281; Färben der Zähne II, 298; Abscheu gegen Haare im Gesicht II, 306; — und Papuas gegeneinander gestellt I, 190. Malm I, 205. Malherbe, über die Spechte II, 152, Malthus. Register. Mensch. 391 Malthus, über das Verhältniss der Be- völkerungszunahme 1, 113, 114, 116. Maluridae, Nidification I, 147. Malurus, Junge II, 190. Mandan-Indianer, Correlation der Farbe und der Haartextur bei den —,I, 218. Mandibel, die linke bei Taphroderes distortus vergrössert 1, 308. Mandibeln, Gebrauch bei Ammophila I, 306; grosse — bei Corydalis cor- nutus 1, 306; grosse — des männ- lichen Lucanus elaphus 1, 306. Mandrill, Zahl der Schwanzwirbel I, 130; Farbe des Männchens II, 256, 260, 292. Männchen, Vorhandensein rudimentä- rer weiblicher Organe bei den —, I, 181; — und Weibchen, comparative Zahl und Sterblichkeit während der Jugend I, 232, 244; comparative Zah- len I, 230, 232. Männliche Charactere bei Weibchen entwickelt I, 247; Uebertragung der- selben auf Weibchen bei Vögeln II, 169. Männliche Thiere, Kämpfe um den Besitz der Weibchen I, 228; Eifer in der- Werbung I, 240; allgemein mehr modifieirt als die Weibchen I, 240, 243; weichen in derselben Weise vom Weibchen und Jungen ab I, 252. Mantegazza, Prof., über die Zierathen der Wilden II, 297 figde.; über die Bartlosigkeit der Neuseeländer II, 306; | Uebertreiben natürlicher | über das Merkmale durch den Menschen II, 308. Mantell, W., über das Zusammenholen hübscher Mädchen von den neuseelän- dischen Häuptlingen II, 324. Mantis, Kampfsucht von Arten von — u8321% Marcus Aurelius, über den Ursprung des moralischen- Gefühls I, 60; über den Einfluss gewöhnlicher” Gedanken L, 87. Martern, denen sich Wilde preisgeben I, 32. Mareca penelope Il, 99. Marshall, über das Gehirn einer Busch- männin I, 190. Martin, W. C.L., Unruhe eines Orang beim 'Erblicken einer Schildkröte I, 36; über das Haar des Hylobates I, 169; nischen Hirsch II, 226; über die Stimme von Hiylobates agilis Il, 243; über Semmopithecus nemaeus II, 274. Martin, über die Bärte der Einwohner von St. Kilda I, 281. Martins, C., über Tod durch Entzün- | amerikanische | über einen weiblichen amerika- | dung des wurmförmigen Fortsatzes Iy 22: Mastoidfortsatz s. Zitzenfortsatz. Matrosen, Wachsthum durch die Le- bensbedingungen gehemmt I, 98; weit- sichtig I, 102; — und Soldaten, Ver- schiedenheiten in den Körperpropor- tionen I, 100. |Mandsley, Dr., über den Einfluss des Geruchssinns beim Menschen I, 20; über Laura Bridgman I, 48; über die Entwickelung der Stimmorgane L, 59. Maulthier, Unfruchtbarkeit und Le- benskräftigkeit I, 195; „verständig“I, 40. Maulwurf, Zahlenverhältniss der Ge- schlechter I, 271; Kämpfe der Männ- chen H, 210. Mauserung, II, 187; doppelte II, 158; jährliche doppelte II, 70; theilweise I; Wa. Mayers, W. F., über die Domestica- tion des Goldfisches in China I, 14. Mayhew, über die Zuneigung zwischen Individuen verschiedener Geschlechter bei Hunden U, 237. Maynard, ©. J., über die Geschlechter von Ohrysemis "pieta II, 24. Meckel, über correlative Abänderung der Muskeln des Arms und des Beins I, 112. Medusen, glänzende Farben I, 289. Meergrundeln, Nestbau II, 16. Meernadel, fadige II, 15; Bruttaschen des Männchens II, 18. Meerschweinchen, Vererbung Wirkung von Operationen Il, 335. Megalithische Bauten, Verbreitung I, 205. Megalophrys montana, sexuelle Verschie- denheiten II, 22. Megapieus validus, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 152. Megasoma, bedeutende Grösse der Männ- chen I, 310. Meigs, Dr. A., Abänderungen der Schä- del von Eingeborenen von Amerika 15893. Meinecke, Zahlenverhältniss der Ge- schlechter bei Schmetterlingen I, 276. Meisen, geschlechtlicher Farbenunter- schied II, 152. ı Meliphagidae, australische, Nestbau II, 147. Melita, secundäre Sexualcharactere I, 297. Meloö, geschlechtliche Farbenverschie- denheit bei Species von —, I, 328. Memnon, jung I, 191. Mensch, Variabilität I, 93; irrthümlich für domesticirter als andere Thiere der 392 Menschenopfer. gehalten 1: 96; bestimmter Ursprung I, 207; Wanderungen I, 117; weite Verbreitung I, 118; Ursache der Nackt- heit I, 129; vermeintliche physische Inferiorität I, 155; Zahlenverhältniss der Geschlechter I, 232; ein Glied der Gruppe der Catarrhinen I, 173; frühe Urerzeuger desselben I, 180; secun- däre Sexualcharacterell, 277;ursprüng- licher Zustand des —en, II, 323. Menschenopfer I, 58, 159. Menschenreich I, 162. Menura Alberti II, SS; Gesang II, 47. „. superba II, 83; langer Schwanz beider Geschlechter II, 143. Merganser, Trachea des Männchens II, 51. serrator, männliches Gefieder II, 73. Mergus cueullatus, Spiegel I, 258. Register. „. merganser, Junges Il, 165. Metallura, glänzende Schwanzfedern II, 133. Methoca ichneumonides, grosses Männ- chen I, 310. Meves, M., über das Meckern der Be- cassine II, 54. Mexikaner, Civilisation der — nicht fremd I, 159. Meyer, über einen gewundenen Körper an der Schwanzspitze eines Macacus und einer Katze I, 25. Meyer, Dr. A., über die Copulation verschiedener Species von Phrygani- den I, 306. Mill, J. St., über den Ursprung des moralischen Gefühls I, 60; über das Prineip „des grössten Glücks“ I, 83; über die Verschiedenheit der Geistes- kräfte in den beiden Geschlechtern des Menschen II, 257. Milne Edwards, H., über den Ge- brauch der vergrösserten Scheeren des männlichen Gelasimus I, 297. Milwago leucurus Il, 180. Mimus polyglottus II, 95. Mivart, St. George, über die Verküm- merung von Organen I, 15; über die Öhren der Lemuriden I, 19; über Va- riabilität der Muskeln der Lemuriden I, 110, 118; über die Schwanzwirbel der Affen I, 130; über die Classifica- tion der Primaten I, 171; über den Orang I, 171; über den Menschen I, 172; über Verschiedenheit unter den Lemuriden I, 173; über den Rücken- kamm des männlichen Triton II, 20. Moden, langes Gelten der — unter den Wilden II, 300, 309. Modificationen ohne Nutzen I, 133. Moralität. Mollienesia petenensis, Geschlechtsunter- schiede II, 8. Mollusca,, schöne Farben und Formen I, 292; Fehlen secundärer Sexualcha- ractere I, 292. Molluscoidea 1, 179, 290. Monacanthus scopas und M. Peronii, sexuelle Verschiedenheiten II, 10. Mondperiöden I, 155. Mongolen, Vollkommenheit der Sinne I, 102. Monogamie nicht ursprünglich I, 159. Monogenisten I], 201. .Mononychus pseudacori, Stridulation I, 540. Monotremata I, 177; Entwickelung der Nickhaut I, 19; Milchdrüsen I, 183 : verbinden die Säugethiere mit den Reptilien I, 186. Monstrositäten, analoge bei Men- schen und niederen Thieren I, 97; durch Bildungshemmungen verursacht I, 104; Correlation der —, I, 112; Ueberlieferung der —, I, 197. Montagu, G., über die Lebensweise des Birk- und Moorhuhns I, 237; über die Kampfsucht des Kampfläufers II, 36; über den Gesang der Vögel II, 44; über die doppelte Mauserung der männ- lichen Spiessente II, 72. Monteiro, Mr., über Bucorax abyssi- nicus 11, 62. “ Montes de Oca, Mr., über die Kampf- sucht männlicher Kolibris II, 34. Montieola ceyanea II, 150. Monumente, als Spuren ausgestorbe- ner Stämme I, 208. Moorhuhn, monogam I, 238; Kampf- sucht des jungen Männchens II, 41; bringt einen Laut hervor durch Krat- zen der Flügel auf dem Boden II, 55; Dauer der Werbung II, 87; Farben und Nestbau II, 148. Moralische und instinetive Antriebe, Verbindung beider I, 75. Moralische Fähigkeiten, ihr Einflüss auf die natürliche Zuchtwahl beim Menschen I, 137. Moralische Regeln, Unterschied zwi- schen höhern und niedern I, 86. Moralische Tendenzen, Vererbung I, 88. Moralisches Gefühl, Ursprung I, 87; sogenanntes von socialen Instineten hergeleitet I, 83, 84. Moralität, vermeintlich auf Selbstsucht gegründet I, 83; Probe ist die Wohl- fahrt der Gesellschaft I, S4; allmäh- liches Steigen der —, I, 88; Einfluss eines hohen Maassstabs I, 144, Morgan. Register. Musophagae. 393 Morgan, L. H., über den Biber I, 31; über die Verstandeskräfte des Bibers I, 39; über die Gefangennahme von Frauen I, 159; über das Castoreum ‘des Bibers II, 245; Heirathen in Ur- zeiten unbekannt I, 315; über Poly- andrie II, 521. Morinell- "Regenpfeifer II, 178. Morris, F. O., über Habichte, welche einen verwaisten Vogel füttern II, 93. Mortalität, comparative der Männer und Frauen I, 233, 244, 267. Morton, über die Zahl der Menschen- arten I, 199. Moschus moschrferus, Riechdrüsen Il, 246. Moschusente, australische IT, 32; von Guiana, Kampfsucht des Männchens 11,736; "bedeutende Grösse des Männ- chens II, 37. Moschusthier, Eckzähne des Männ- chens II, 212, 225, 226; Riechdrüsen des Männchens II, 246; Winterände- rung II, 262. Motaeillae, indische, Junge II, 166. Motmot, spatelförmige Federn im Schwanze eines —, II, 63. Motten I, 351; Fehlen des Munds bei einigen Männchen I, 224; flügellose Weibchen I, 225; prehensiler Gebrauch der Tarsen beim Männchen I, 226; Männchen vom Weibchen angezogen I, 278; ‚Färbung I, 553; geschlecht- licher Farbenunterschied I, 354. Möve, Beispiel von Ueberlegung Il, 94; Jahreszeitwechsel des Gefieders bei —n, II, 200; weisse —n, II, 200. Mücken, Tänze der —, I, 312. Mulatten, dauernde Fruchtbarkeit I, 195;. Immunität von gelbem Fieber I, 214. Müller, Ferd., über die Mexikaner und Peruvianer I, 159. Müller, Fritz, über mundlose Männ- chen von Tanais I, 224; über das Ver-| schwinden von Flecken und Streifen bei erwachsenen Säugethieren II, 267; über das Verhältniss der Geschlechter bei einigen Crustaceen I, 282; über | secundäre Sexualcharactere bei ver-| schiedenen Crustaceen I, 294 flgde.; über die leuchtende Larve eines Kä-!| fers I, 309; musikalischer Wettstreit | zwischen männlichen Cicaden I, 314; über gie Geschlechtsreife junger männ- licher amphipoder Crustaceen II, 189. Müller, J., über die Nickhaut und Se- milunarfalte I, 19. Müller, Max, über den Ursprung der Sprache I, 47; Kampf ums Dasein zwi- schen Worten u. s. w, der Sprachen 1,51. Müller, Sal, über den Banteng IL, 28; über die Farben von Semnopithecus chrysomelas II, 256. Muntjac-Hirsch, Waffen II, 226. Murie, J., über die Verkümmerung von Organen I, 15; über die Ohren der Lemuriden I, 19; über Variabilität der Muskeln der Lemuriden I, 110, 118; basale Schwanzwirbel von Macacus inornatus in den Körper eingebettet I, 130; über Verschiedenheiten bei den Lemuriden I, 173; über den Kehl- sack der männlichen Trappe II, 50; über die Mähne von Otaria jubata I, 234; über die Suborbitalgruben der Wiederkäuer II, 246; über die Farben der Geschlechter bei Otaria nigrescens 11,252. Murray, A., über die Läuse verschie- dener Menschenrassen I, 193. Murray, T. A., über die Fruchtbar- keit australischer Frauen mit weissen Männern I, 194. ” Mus coninga I, 42. „ minutus, geschlechtlicher Farben- unterschied II, 252. Musca vomitoria I, 125. Muscheln von Affen geöffnet 17121. Museicapa grisola II, 148. R- Iuctuosa IT, 148. rutieilla, brütet im unreifen Gefieder II, 188. Musik], 205: der Vögel II, 45; Vor- liebe der Wilden für unharmonische II, 55; verschiedene Würdigung der — bei verschiedenen Völkern II, 292; Ursprung II, 292, 295; Wirknngen II, 294. ‚Musikalische Cadenzen, Wahrneh- mung solcher von Thieren II, 292; Vermögen des Menschen II, 289 figde. ‚Muskel, ischiopubischer I, 110. Muskeln, Vorkommen von rudimentä- ren beim Menschen I, 15; Variabilität der —, I, 95; Wirkungen des Ge- brauchs und Nichtgebrauchs I, 100; thierähnliche Abnormitäten I, 109; cor- relative Variation der — am Arm und Bein I, 112; Variabilität der — der Hände und Füsse I, 117; Einfluss der — der Kiefern auf die Physiognomie der Affen I, 125; habitueller Krampf verursacht Modificationen der Gesichts- knochen I, 127; — der Urerzeuger des Menschen I, 180; grössere Varia- bilität der — bei Männern als bei Frauen I, 243. Museulus sternalis, Prof. Turner über + aß: Musophagae, Farben und Nestbau II, 394 Mustela. Register. Neuseeland. 149; beide Geschlechter gleichmässig brillant IL, 154. Mustela, Winteränderung zweier Species II,,262.153 Musthier s. Orignal. Muth, Variabilität Schätzung I, 81; Bedeutung I, 141; 257. Mutilla ewropaea, Stridulation I, 326. Mutillidae, Fehlen der Ocellen beim Weibchen I, 305. Mützenaffe ], 167. Mycetes caraya, polygam 1, 23 organe Il, 244; Bart II, 249; ge- schlechtlicher Farbenunterschied M 255; Stimme II, 291. Miycetes senteulus, geschlechtlicher Far- benunterschied In, 390. Myriapoda 1, 304. N. Nachäffung I, 565. desselben bei der-| selben Species I, 33; allgemein hohe | characteristisch für den Menschen II, | 5; Stimm- | Nachahmung I, 532; des Menschen | durch Affen I, 36; Neigung zur — bei Affen, mikrocephalen Idioten und Wil- den I, 47; Einfluss der —, 1, 159. Nachtigall, verwittwet findet neue Gatten II, 91; Männchen kommt vor den Weibchen I, 229; Zweck ihres Gesangs II, 44. Nachtpfauenauge, kleines I, 354. Nadelfische, Abdommaltasche des | Männchens I, 183. Näsgeli, Zuchtwahl auf Pflanzen I, 152; über die Abstufung der Arten bei Pflanzen T, 200. Nägel, gelb gefärbt in einem Theile von Afrika I, 297. Nagethiere, Uterus I, 106; Fehlen secundärer (Geschlechtscharactere I, 236; geschlechtlicherFarbenunterschied Ino5% Nahrung, Einfluss der — auf die Kör- pergrösse 1, 99. Narbe einer Brandwunde verursacht Modifieation der GesichtsknochenT, 127. Narwal, Stosszähne II, 212, 218. Nase, Aehnlichkeit der — bei Menschen und Affen I, 167; Durchbohrung und Schmückung der —, II, 299; Abplat- tung U, 308; sehr platte — nicht von Negern bewundert 17.207. Nasenhöhlen, bedentende Grösse der über den Einfluss natürlicher | I | — bei amerikanischen Eingeborenen | I, 102. Nathusius, H. von, über veredelte 'Neuseeland, Schweinerassen I, 203; über das Züch- ten von Hausthieren I, 325. Natürliche Zuchtwahl, Wir kungen auf die Urerzeuger des Menschen 172117; Einfluss auf den Menschen I, 131, # 34: Beschränkung des Prineips 1 132: Einfluss auf sociale Thiere I, 134; Mr. Wallace, über die Beschrän- kung der — durch den Einfluss gei- stiger Fähigkeiten des Menschen T; 137: Einfluss der — auf den Fort- schritt der Vereinigten Staaten I, 156. Natürliche nnd geschlechtliche Zucht- wahl gegeneinander gehalten I, 245. Naulette, Unterkiefer von —, bedeu- tende Grösse der Eckzähne l 109. Neanderthal-Schädel, Capacität Z, 126. Neapel, grösseres Verhältniss weibli- cher unehelicher Kinder I, 267. Necrophorus, Stridulation I, 337, 340. Nectarinia, Junge I, 166. | Nectariniae, Nestbau II, 147; Mausern TENTL: Neger, Aehnlichkeit der — mit Euro- päern in geistigen Characteren I, 204; -Frauen freundlich gegen Mungo’ Park I, 81; Character I, 190: Läuse I, 193; Schwärze I,»197; II, 336: Variabilität I, 198, 199; Immunität vor gelbem Fieber I, 214: Verschiedenheit von Amerikanern I, 917: Entstellungen II, 260; Farbe Neugeborner I, 278: Ver- hältnissmässige Bartlosigkeit I, 281; werden leicht musikalisch II, 293; Schätzung der Schönheit ihrer F rauen II, 302, 303 ; Idee der Schönheit bei ihnen II, 307; Compression der Nase II, 509. Neolithische Periode I, 160. Neomorpha, geschlechtliche Verschieden- heit des Schnabels II, 33. Nephila 1], 302. Nervation, Verschiedenheit der — in den beiden Geschlechtern der Schmet- terlinge und Hymenoptern I, 308. Nestbau bei Fischen II, 16; Beziehung auf die Farbe II, 145, 150; — briti- scher Vögel II, 147. ı Nester von Fischen II, 16; Schmückung der — bei Kolibris I, 97. Neugierde, Zeichen der — bei Thie- ren! 1,435. Neumeister, über eine Fanbenverän- derung bei Tauben nach mehreren Mauserungen I, 260. Neuroptera I, 281, 322. Neurothemis, Dimorphismus I, 324. Erwartung der Einge- borenen, auszusterben I, 211; Uebung Newton. Register. Organische. 395 des Tättowirens II, 300; Abscheu gegen Haare im Gesicht II, 306; hübsche Mädchen von den Häuptlingen zusam- mengebracht Il, 324. Newton, A., über den Kehlsack der männlichen Trappe II, 50; über die Verschiedenheit zwischen den Weib- chen zweier Species von Oxynotus II, | 169; über Lebensweise des Phalaro- pus, des Morimell-Regenpfeifers und Pfuhlschnepfe II, 179. Nicholson, I, 216. Nichtgebrauch, Wirkungen auf Er- zeugung rudimentärer Organe I, 14;| — und Gebrauch, Wirkungen I, 100; — von Theilen, ihre Wirkungen auf die Menschenrassen I, 218. Nickhautl, 19, 181. Niere ], 100. ; Nilghau, geschlechtlicher Farbenun- terschied 1I, 253. Nilsson, Prof., Aehnlichkeit der Stein- pfeilspitzen von verschiedenen Oert- lichkeiten I, 205; Entwickelung des Renthiergeweihs I, 255. Nitzsch, ©. L., über das Dunenkleid der Vögel II, 69. Noctuae, auf der Unterseite glänzend gefärbt I, 354. Noctuidae, Färbung I, 351. Nordmann, A. von, über Tetrao uro- galloides IL, 57. Nomadische Lebensweise menschli- chem Fortschritt ungünstig I, 145. Norwegen, Zahlenverhältniss männ- licher und weiblicher Geburten I, 267. Nott und Gliddon, über die Gesichts- züge des Rameses II, I, 191; über die Gesichtszüge Amunoph’s III. I, 191; über Schädel aus brasilianischen Höh- len I, 191; über die Immunität der Neger und Mulatten vor gelbem Fie- ber I, 214; über die Deformation des Schädels bei amerikanischen Stämmen | IL, 308. Nudibranche Mollusken, Farben 1, 293. Nunemaya, Eingeborne mit Bart II, 282, 306. 0. Ocellen fehlen bei weiblichen Mutilli- den I, 305. Ocellen bei Vögeln, Bildung und Va- riabilität II, 115. Ocelot, geschlechtliche Verschiedenheit der Färbung II, 252, über die Nicht-Immunität | dunkler Europäer vor gelbem Fieber | glänzende Ocyphaps lophotes Il, 82. Odonata I, 281. - Odonestis potatori a, geschlechtlicher Far- benunterschied I, 354. Oecanthus nivalis, Unterschied der Fär- bung der Geschlechter I, 322 Ohr, Bewegung I, 17; äussere Muschel beim Menschen nutzlos I, 17; rudi- mentäre Spitze beim Menschen I, 18. ‚Ohren, Durchbohrung und Schmücken der —, I, 299. Ohrenfasan I, 257; II, 80, 171; Ge- schlechter gleich II, 155; Länge des Schwanzes II, 144. Oidemia 11, 198, 199. Olivier, über Laute von Pimelia stri- ata ], 342. Omaloplia brunnea , Stridulation I, 339. Onitis fureifer , Fortsatz der Vorder- schenkel des Männchens und des Kopfes und Thorax des Weibchens I, 531, 332. Onthophagus I, 330. 4 rangifer, sexuelle Verschie- denheiten I, 329; Abänderungen der Hörner des Männchens I, 330. | Ophidia, sexuelle Unterschiede II, 24. Opossum, weite Berne in Ame- rika I, 192. Optischer Nerv, Atzephie in Folge Zerstörung des Auges I, 100. Orang-Utang II, 283; Bischoff über die Vebereinstimmung des Gehirns mit dem menschlichen I, 8; erwachsenes Alter I, 11; Ohren I, 17; wurmförmi- ger Anhang I, 23; baut Plattformen 1, 30; beim Anblick einer Schildkröte beunruhigt I, 36; braucht einen Stock als Hebel I, 43; braucht Geschosse I, 43; braucht die Blätter des Pandanus als Decke zur Nachtzeit I, 44; Hände I, 120; Fehlen der Zitzenfortsätze I, 124; Richtung der Haare an den Ar- men I, 168; seine aberranten Merk- male I, 171; muthmaassliche Entwicke- lung I, 203; Stimme II, 243; mono- game Lebensweise II, 318; Bart des Männchens II, 249. Orangen, von Affen behandelt I, 121. Orchestia Darwinii, Dimorphismus der Männchen I, 297. | Orchestia Tueucatinga, Gliedmaassen I, 296, 302. Oreas canna, Farben II, 253. Derbyanus, Färbung IH, 253, 263. „ ‚Organe, prehensile I, 226; neuen Zwecken angepasst II, 294; — in der Bildung I, 14. Organische Stufenleiter, von Baer’s ' Definition des Fortschritts I, 185, 396 Orignal. Register. Pallas. Orignal, Kämpfe 11,2 Beschwerde II, 229. Oriolus, Species von — brüten in unrei-. fem Gefieder 1; 189. Oriolus melamocephalus, schlechter II, 156. Ornamente, Vorherrschen ähnlicher I, 205; Vorliebe der Wilden für --, II, 297; männlicher Vögel II, 42; el- liptische II, 127 figde. Ornamentale Merkmale, beide Geschlechter bei Säugethieren überliefert II, 297; bei Affen II, 268. Ornithoptera eroesus a, 276. Färbung der Ge- Ornithorhı Anchus I, 175; Sporn des Männ- | | ; Annäherung an Repti-, chens II, 213 lien I, 178. Orocotes erythrogastra, Junge II, 193. ÖOrrony, Höhle von —, I, 3. Orsodacna atra, Farbenver a enheil, der Geschlechter I, 328. Orthoptera I, 314; Metamorphose I, 258; Stridulation und Gehörapparat I, 315, 316; Farben I, dulationsorgane beim Weibchen I, 320; Stridulationsorgane der — und Homo- ptera I, 321. Ortygornis qularis , Männchens II, 37. Kampfsucht des „Oryectes, Stridulation I, 339; Geschlechts- unterschied der Stridulationsor gane I, 341. Oryx leucorys, 521, 231. Osphranter rufus, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 251. Gebrauch der Hörner II, Otaria jubata, Mähne des Männchens‘ II, 284, "* Otaria nigrescens, geschlechtliche Fär- bungsverschiedenheit II, 252. Otis bengalensis, Liebesgeberden des Männchens II, 59. Otis tarda , des Männchens II, 49. Ovibos moschatus, Hörner II, 217. Ovipositor der Insecten I, 224. Ovis eycloceros, Art zu kämpfen II, 219. | Owen, Rich., über die Wolffschen Kör- per Lr13; Menschen. 103; über die Niekhaut | und semilunare Falte I, 19; über die | Entwickelung der hintern Backzähne bei verschiedenen Menschenrassen TI, 22; über die mn des Blinddarms beim Koala I, 22; über die Schwanz- wirbel J, 24; über rudimentäre zum Reproduetivsystem gehörige Bildungen des menschlichen Uterus I, 106; über die | Zahl der Finger bei der Ichthyopte- I, 26; über abnorme Zustände 1; Geweihe eine | gleich auf. 321; rudimentäre Stri- | polygam I, 238; Kehlsack über die grosse Zehe beim | rygia I, 108; über die Eckzähne des Menschen I, 108; über das Gehen des Schimpanse und Orang I, 120; über Zitzenfortsätze der höhern Affen I, 124; über das Behaartsein der Elephanten in höhern Distrieten I, 129; über die Schwanzwirbel der Affen I, 130; Clas- sification der Säugethiere I, 163; über das Haar der Affen I, 169; über die piscinen Verwandtschaften der Ich- thyosaurier I, 178; über Polygamie | und Monogamie unter den Antilopen ' 1, 236; über die Hörner der Antilo- ı capra americana I, 256; über den Mo- schusgeruch der Crocodile während der Paarungszeit II, 24; über die Riech- drüsen der Schlangen II, 25; über Du- ' gong, Cachelot und Or nithorhynchus II, 212; über das Geweih des Edel- | hirsches II, 222; über das Gebiss der Cameliden II, 226; 2 die Stosszähne ' des Mammuth II, 2 227; über das Ge- ' weih des irischen Eik' I, 227; über die Stimme der Giraffe, des Stachel- schweins und Hirsches II, 241; über den Kehlsack des Gorilla und Orang II, 243; über die Riechdrüsen der Säu- gethiere II, 245; über die Wirkungen der Castration auf die Stimmorgane des Manns II, 289; über die Stimme des Hylobates agilis OH, 291; über amerikanische monogame Affen II, 318. Oxynotus, Verschiedenheit der Weibchen von zwei Species II, 169. P: ıPaarungszeit, Sexualcharactere in der — verschieden bei Vögeln II, 68. | Pachydermata 1, 236. | Paget, über abnorme Haarentwickelung beim Menschen I, 20; über die Dicke der Haut an den Sohlen bei neuge- bornen Kindern I, 101. | Palaemon, Scheeren einer SpeciesI, 296. | Palaeornis, geschlechtlicher Farbenun- terschied II, 202. | Palaeor nis Javanicus, Farbe des Schna- bels II, 156. | Palaeornis rosa, Junges II, 165. Palamedea cornuta, Flügelsporne II, 40. Paläolithische Periode I, 160. Palästina, Gewohnheiten des Buch- | finken in —, I, 273. |Pallas, P. S', über die Vollkommen- heit der Sinne bei den 1 Mongolen I, 102; über den Mangel eines Zusam- menhangs zwischen Clima und Haut- farbe I, 213; über die Polygamie der Antilope Saiga Il, 236; über die hellen Palmaris. - Register. ar Pelikan. 7 39 Farben von Rindern und Pferden im Winter in Sibirien I, 249; über die Eckzähne des Moschusthiers II, 225, 227; über Riechdrüsen der Säugethiere | II, 245; über die Riechdrüsen des Mo- schusthiers II, 247; über winterliche | Farbenveränderungen bei Säugethieren | weiblicher II, 262; über das Ideal Schönheit in Nord-China II, 302. Palmaris accessorius, Abänderungen des Muskels I, 94. Pampas, Pferde der —, I, 208. Pangenesis, Hypothese der —, I, 247, 251. Panniculus carnosus I, 16. Papageyen, spatelförmige Federn im Schwanze II, 63; Beispiel von Wohl- wollen II, 95; imitative Fähigkeiten I, 57; Farbenveränderungen I, 151; leben zu dreien II, 92; Zuneigung I, 94; Farben II, 196; geschlechtlicher Farbenunterschied II, 202; Farben und Nisten II, 149, 151, 155; unreifes Ge- fieder II, 165; musikalische Kräfte II, 293; Abänderung in der Färbung der Schenkel bei einem australischen II, 110. Papilio, geschlechtlicher Farbenunter- schied bei Species von —, 1, 347; Ver- hältniss der Geschlechter nordameri- kanischer Species I, 276; Färbung der Flügel I, 553. Papilio ascanius I, 547. „ sesostris und Childrenae, Varia- bilität I, 358. Papilio Turnus I, 276. Papilionidae, Variabilität I, 358. Papuas, Trennungslinie zwischen den — und Malayen I, 192; Bärte II, 282; Haare II, 298. Papuas und Malayen, gegeneinander- gehalten I, 190. Paradiesvögel Il, 87, 158; von Les- son für polygam gehalten I, 237; Rasseln mit ihren Federschäften II, 53; spatelförmige Federn II, 63; ge- schlechtlicher Farbenunterschied Il 65; aufgeschlitzte Federn II, 65, 84; Ent- faltung des Gefieders seitens der Männ- chen II, 76. Paradisea apoda, fahnenlose Federn im SchWanze II, 63; Gefieder II, 66; — und P. papuana, Divergenz der Weib- chen II, 169. Paradisea rubra Il, 64, 66. Paraguay, Indianer von —, Ausrot- tung der Augenbrauen und Augen-| wimpern II, 305, 306. Parallelismus der Entwickelung von Sprachen und Arten I, 50. Parasiten von Menschen und Thieren I, 10; Beweis für specifische Identität oder Verschiedenheit I, 193; Immuni- tät vor in Correlation mit der Farbe I, 214. Parinae, geschlechtlicher Farbenunter- schied Il, 152. Park, Mungo, eine Negerin lehrt ihre Kinder die Wahrheit lieben I, S1; seine Behandlung seitens der Negerfrauen I, 81; I, 286; über Negeransichten über das Erscheinen der Weissen II, 308. \Parthenogenesis, bei Tenthredinen I, 282; bei Cynipiden I, 281; bei Cru- staceen I, 282. Parus caeruleus Il, 152. Passer, Geschlechter und Junge II, 186. brachydaetylus 11, 156. domesticus 1], 148, 186. „ montanus Il, 148, 186. Patagonier, Selbstaufopferung 1, 75. Patterson, über Agrioniden I, 523. Paulistas von Brasilien I, 198. Pavian, vom Cap, Mähne des Männ- chens II, 2354; Hamadryas, Mähne des Männchens II, 235. Paviane, Wirkung berauschender Flüs- sigkeiten I, 9; Ohren I, 19; Zeichen mütterlicher Zuneigung I, 54; brau- chen Stäbe und Stöcke als Waffen I, 43; Zusammenwirken I, 64; Schwei- gen auf Plünderungszügen I, 66; Ver- schiedenheit der geistigen Fähigkeiten I, 94; Hände I, 121; Gewohnheiten I, 122; Variabilität des Schwanzes I, 150; scheinbare Polygamie I, 235; po- lygame und sociale Gewohnheiten II, 318. Pavo ervstatus I, 257; U, 119. „ muticus I, 257; Il, 119; Sporne beim Weibchen II, 39, 142. ı Pavo nigripennis II, 105. Payaguas-Indianer, dünne Beine und dicke Arme I, 101. Payan, Mr., über das Verhältniss der Geschlechter beim Schaf I, 271. Pedieuli von Hausthieren und Menschen I, 193. | Pedionomus torquatus,, Geschlechter II, 176. ‚Pelagische Thiere, Durchscheinenheit | +28 ı Pelecanus erythrorhynchus, Hornkamm auf dem Schnabel des Männchens wäh- rend der Paarungszeit II, 68. Pelecanus onocrotalus, Frühjahrsgefieder 11,473; Pelel& II, 29. Pelikan, blinder von seinen Genossen ” ” Pelikane.’ 398 * gefüttert I, 65; junger von alten Vö- geln geleitet I, 65; Kampfsucht des Männchens II, 36. Pelikane fischen zusammen I], 63. Pelobius Hermanni, Stridulation I, 338, 540. Pelz, Weisse des —es bei arctischen Thieren im Winter I, 249. Pelztragende Thiere, erlangen gejagt Scharfsinn I, 41. Penelope nigra, Laut des Männchens H,«585. Pennant, über die Kämpfe der Rob- ben II, 211; über die Klappmützen- Robbe II, 245. Penthe, Antennenkissen des Männchens I, 307. Periode der Variabilität, Beziehung der — zur geschlechtlichen Zuchtwahl I, 262. Periodicität, vitale, Dr. Laycock über —, I, 10. Perisoreus canadensis, Junge II, 154. Peritrichia, Farbenunterschied der Ge- schlechter I, 328. Perlhuhn, monogam I, 233; gelegent- lich polygam I, 238; Zeichnungen II, 147: Perlmutterfalter I, 353. Pernis eristata II, 110. Perser durch Vermischung mit Geor- giern und Circassiern veredelt II, 313. Personnat, über Bombyx Yamamat 15:377: Peruaner, Civilisation keine fremde 1,159. Petrocincla eyanea, Junge U, 193. Petronia IL, 186. Pfau, monogam I, 238; sexueller Cha- racter I, 257; Kampfsucht des Männ- | chens II, 38; Rasseln der Federschäfte Register. II, 53; verlängerte Schwanzdecken II, | 62, 83, 118; Liebe zur Entfaltung sei- ner Reize II, 74; Augenflecke I, 118; Unzuträglichkeit des langen Schwan- zes für die Henne Il, 154, 145, 144; beständige Zunahme der Schönheit II, 189; Vorliebe der Weibchen für ein | besonderes Männchen II, 104; erste Annäherung erfolgt vom Weibchen II, 105. \ Pfauenauge, Schmetterling I, 550. P feifente, paart sich mit einer Spiess- ente II, 99. Pfeiffer, Ida, über Javanesische Ideen von Schönheit- II, 304. Pfeile, Gebrauch I, 205. Pfeilspitzen, steinerne, allgemeine Aehnlichkeit I, 205. Pferd, polygam I, 236; Eckzähne des Pike. Männchens II, 212; Winteränderung II, 262; Aussterben des fossilen süd- amerikanischen I, 211. Pferde, träumen 1, 38; schnelle Ver- mehrung in Süd-Amerika I, 116; Ver- kleinerung der Eckzähne I, 125; — der Falkland-Inseln und der Pampas 1,208; Zahlenverhältniss der Geschlech- ter I, 232, 234; in Sibirien im Winter heller I, 249; geschlechtliche Vorliebe II, 239; paaren sich am liebsten mit gleichfarbigen Il, 259; Zahlenverhält- niss der männlichen und weiblichen Geburten I, 269; früher gestreift IT, 268. Pflanzen, cultivirte, fruchtbarer als wilde I, 114; Nägeli, über natürliche Zuchtwahl bei —, I, 132; männliche Blüthe früher reif als weibliche I, 229; Erscheinungen der Befruchtung I, 241; Beziehung zwischen Zahl und Grösse der Samen I, 284. Pflicht, Gefühl der —, I, 59. Phacochoerus aethioptieus, Stosszähne und Kissen II, 233. Phalanger, fuchsartiger, schwarze Va- rietäten II, 258. Phalaropus fulicarius IT, 177. A hyperboreus II, 177. Phanaeus ], 330—332. y carnifex, Abänderung der Hör- ner des Männchens I, 330. Phanaeus faunus, Sexualverschiedenhei- ten I, 329. Phanaeus laneifer I, 330. Phasgonura viridissima, Stridulation I, 316, 318. Phasianus Soemmerringiü Il, 136, 144. verstcolor II, 76. R Wallichiüi II, SO, 171. Phasmidae, Nachäffung von Blättern I, 369. Philodromus 1, 302. Phoca groenlandica, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 252. Phoenicura rutieilla 1, 91. Phosphorescenz der Insecten I, 308. Phryganidae, Begattung verschiedener Species ], 306. Phrymiscus nigricans 1, 21. Pickering, über die Zahl der Men- . schenarten I, 199. Picton, J. A., über die Seele des Men- schen II, 348. Picus auratus II, 56. Pieper, Mausern der —, Il, 71. Pieridae, Nachäffung seitens der Weib- chen I, 368. Pieris I, 350. Pike, L. O., über die psychischen Ele- mente der Religion I, 57. ” Pimelıa. Pimelia striata, Laute vom Weibchen | hervorgebracht I, 342. xe | Piprä, modificirte Schwingen zweiter Ordnung beim Männchen II, 56. | Pipra deliciosa II, 56. | Pirates stridulus, Stridulation I, 313. | Pirole, Nestbau II, 146. Pisangfresser, Farbe und Nestbau, | Il, 149; beide Geschlechter gleichmäs- | sig brillant II, 154. 3 Pithecia leucocephala, geschlechtlicher | Farbenunterschied II, 255. Pithecia satanas, Bart 11, 249, 251; Aehnlichkeit mit einem Neger II, 336. Pittidae, Nestbau Il, 146. Placentata I, 177. Plagiostome Fische II, 1. Planariae,glänzendeFarben einiger], 289. Platalea 11, 51; Wechsel des Gefieders II, 156. Platyblemmus 1, 322. Platycereus, Junge II, 154. Platyphyllum concavum 1, Platyrhine Affen I, 171. Platysma myoides 1, 16. Plecostomus, Kopftentakeln des Männ- chens einer Art II, 9. Pleeostomus barbatus, eigenthümlicher Bart des Männchens II, 8, 9. Plectropterus gambensis, gespornte Flü- gel II, 39. Ploceus II, 46. Pneumora, Bau I, 519. Podica, Geschlechtsverschiedenheit der Farbe der Iris U, 112. Pöppig, E., über die Berührung civi- lisirter und wilder Rassen I, 210. 315, 318. in Register. Pollen und van Dam, über die Far- ben des Lemur macaco Il, 255. Polnische Hühner, Ursprung der Fe- derkrone I, 251. Polyandrie I, 321; bei gewissen Cy- priniden I, 275, unter den Elateriden I, 280. : Polydactylismus beim Menschen I, 108. Polygamie, Einfluss auf geschlecht- | liche Zuchtwahl I, 234; durch Dome- stication herbeigeführt I, 235; ver- muthliche Ursache von .mehr weibl. Geburten I, 268; beim Stichling II, 2. | Polygenisten I, 201. | Polynesien, Herrschen mords II, 320. | Polynesier, weite geographische Ver-| breitung I, 96; Verschiedenheit der Kör- | pergrösse I, 99; Kreuzungen I, 193; Variabilität I, 199; Heterogeneität I, 212; Abscheu gegen Haare im Gesicht II, 306. | des Kindes- / Proctotretus. 399 Polyplectron, Entfaltung des männlichen Getieders II, 76; Zahl der Sporne II, 39; Abstufung der Charactere II, 119; Weibchen II, 170. Polypleetron chinquis U, 77, 120, 122. Hardwickit 1, 120, 121. malaccense U, 121. Br Napoleonis I, 120, 122. Pontoporeia affinis 1, 295. Porpita, glänzende Farben I, 259. Portax pieta, Rückenkamm und Kehl- bürste II, 248; geschlechtlicher Far- benunterschied II, 255, 263. Fortunus puber, Kampfsucht I, 29. Potamochoerus peniecillatus, Stosszähne und Gesichtswülste II, 234. Pouchet, G., über das Verhältniss von Instinet und Intelligenz I, 31; über die Instinete der Ameisen 1, 163; über die Höhlen von Abu-Simbel I, 191; über die Immunität der Neger vor gelbem Fieber I, 214. Power, Dr., über die verschiedenen Farben der Geschlechter einer Art von Squilla 1, 300. Powys, Mr., über die Gewohnheiten des Buchfinken in Corfu I, 273. Presbytis entellus, Kämpfe des Männ- chens II, 284. Preussen, Zahlenverhältniss der männ- lichen und weiblichen Geburten I, 267. Preyer, Dr., überzählige Brustdrüsen bei Frauen I, 108. Prichard, über die Verschiedenheit der Körpergrösse unter den Polynesiern I, 99; über Zusammenhang zwischen Schädelbreite und Vollkommenheit der Sinne bei den Mongolen I, 102; über die Capaeität britischer Schädel in ver- schiedenen Altern I, 126; über die Plattköpfe columbischer Wilden II, 298; über Siamesische Begriffe von Schönheit II, 303; über die Bartlosig- keit der Siamesen II, 306; über die Deformation des Schädels unter den amerikanischen Stämmen und den Ein- gebornen von Arakhan II, 308. Primäre Sexualorgane I, 223. Primates I, 165; sexueller Farbenunter- schied II, 255. Primogenitur, Uebel der —, I, 147. Primula, Verhältniss zwischen Zahl und Grösse der Samen I, 285. Prinzenvogel Il, 98. Prionidae, geschlechtlicher Farbenunter- schied I, 327. Proctotretus multimaculatus IL, 21, 31. 2 tenuis, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 31. ” ” 400 Proportionen. Register. Reade. Proportionen, Verschiedenheit der — in verschiedenen Rassen I, 190. Proteetive Aehnlichkeiten bei Fischen I, | Protecetive Färbung bei Schmetter- . lingen I, 349; bei Eidechsen II, 31; bei Vögeln II, 172, 196; bei Säuge- thieren II, 261, 262. Protective Natur der trüben Färbung weibl. Schmetterlinge I, 359, 361, 369. Protozoa, Fehlen secundärer Sexual- charactere I, 288. Pruner-Bey, Vorkommen des supra- condyloiden Lochs beim Menschen TI, | 24; über die Farbe von neugebornen Negern II, 278. | Psocus, Verhältniss der Geschlechter I, 281. | Puma’s, Streifen der jungen II, 161. | Purzeltaube, Mandel-, I, 260. | Pyenonotus haemorrhous, Kampfsucht, des Männchens II, 54; Entfaltung der untern Schwanzdecken seitens des Männchens I, 82. | Pyranga aestiva, das Männchen En beim Brüten II, 146. | Pyrodes, Farbenunterschied der Ge-| schlechter I, 327. | Quadrumana, Hände I, 120; Verschie- denheiten zwischen den — und den Menschen I, 165; Abhängigkeit vom Clima I, 192; geschlechtlicher Farben- unterschied II, 255; ornamentaler Cha- racter II, 268; Analogie der Sexual- verschiedenheit mit denen beim Men- schen II, 279; Kämpfe der Männchen um die Weibchen II, 284; monogame Gewohnheiten II, 318; Bärte II, 333. Quain, R., Abänderung der Muskeln beim Menschen I, 93. | Quaken der Frösche II, 23. Quatrefages, A. de, Vorkommen eines | rudimentären Schwanzes beim Men- schen I, 24;-über das moralische Ge- fühl als Unterscheidungszeichen zwi- schen Thieren und Menschen I, 59; | über Variabilität I, 97; über die Frucht- barkeit australischer Frauen mit weis- sen Männern I, 194; über die Pauli- stas von Brasilien I, 198; über die‘ Entwickelung der Rinderrassen I, 203; | über die Juden I, 213; über das Er-| kranken der Neger an tropischen Fie- | bern nach einem Aufenthalt in kalten | Climaten I, 214; über die Verschieden- | heit zwischen Feld- und Haussklaven | I, 217; über den Einfluss des Climas auf Farbe I, 216; über die Ainos II, 282; über die Frauen von San Giu- liano II, 314. Quechua-Indianer I, 102; locale Far- benvarietäten I, 217; kein graues Haar unter ihnen II, 280; Haarlosigkeit IT, 283; langes Haar II, 305. (QJuergquedula acuta II, 99. (Juisculas major, Verhältniss der Ge- schlechter in Florida und Honduras I R. Raben, Stimmorgane II, 47,52; stehlen glänzende Gegenstände II, 97; ge- scheckte der Färöer II, 110. Rache bei Thieren I, 33; Instinct I, 76. Raffles, Sir S., über den Banteng II, 253. Rata batis, Zähne I, 5. „ elavata, Weibehen am Rücken be- stachelt II, 2; Geschlechtsunterschied der Zähne II, 5. Raia maculata, Zähne I, 5. Raken II, 48. Rallen, spornflüglige II, 39. Rameses II. I, 191. Ramsay, Mr., über die australische Moschusente II, 32; über den Prinzen- vogel II, 98; über das Brüten der Me- nura superba 11, 143. Rana eseulenta, Stimmsäcke I, 23. Rassen, distinctive Merkmale I, 189; — oder Species des Menschen I, 190; Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit gekreuzter —, I, 194; Variabilität der Menschen-, I, 198; Aehnlichkeit der Menschen- in geistigen Merkmalen I, 205; Bildung der —, I, 208; Ausster- ben der Menschen-, I, 208; Wirkung der Kreuzung I, 212; Bildung der Menschen-. I, 212; Kinder der Men- schen-, II, 278; Abscheu gegen Haare im Gesicht bei bartlosen Menschen-, I, 306. Ratte, gemeine, allgemeine Verbreitung Folge höherer Schlauheit I, 42; Ver- drängung der neuseeländischen durch die europäische I, 211; soll polygam sein I, 237; Zahlenverhältniss der Ge- schlechter I, 271. Ratten, durch ätherische Oele berauscht 1],. 247. Reade, Winwood, über das Guinea- Schaf I, 256; Nicht-Entwickelung von Hörnern beim castrirten Guinea-Wid- der II, 217; Vorkommen einer Mähne bei einem afrikanischen Widder II, 250; über die Schätzung der Schön- heit ihrer Frauen bei Negern II, 502; über die Bewunderung des Negers vor Rebhuhn. Register. Rind. 401 einer schwarzen Haut II, 304; über u die Idee der Schönheit unter Negern II, 307; über die Jollofs IT, 314; über die Hochzeitsgebräuche der Neger I, 329. Rebhuhn, monogam I, 238; Verhält- niss der Geschlechter I, 272; weibli- ches II, 170. Rebhuhn-Tänze Il, 58. Rebhühner, leben zu dreien II, 92; Frühjahrsbruten II, 93; unterscheiden Personen II, 96. Reduvidae, Stridulation I, 313. Regeneration, theilweise, verlorener Theile beim Menschen I, 10. Regenpfeifer, Flügelsporne II, 40; doppelte Mauserung II, 71. Reh, Winteränderung I, 262. Reiher, Liebesgeberden” eines II, 58; aufgelöste Federn IT, 63; Hochzeits- gefieder II, 70; Junge II, 183; zuwei- len dimor ph I, 188; beständiges Wachs- thumdes Federkammsund der Schmuck- federn einiger II, 189; Farbenverän- derung bei einigen H, "208. Religion, Mangel bei gewissen Rassen 1.58; psychische Elemente ], 57. Rengger, über die Krankheiten des Cebus Azarae I, 9; über mütterliche Zuneigung bei einem (ebus I, 34; Rache von Affen genommen I, 33: Verstandeskräfte amerikanischer Af- fen I, 39; Gebrauch von Steinen zum Brechen harter Nüsse von Affen I, 43; Laute von Üebus Azarae I, 45; Warnungsrufe von Affen I, 48; Ver-| schiedenheit der geistigen Fähigkeiten bei Affen I, 95; über die Payaguas- Indianer I, 101; über die Inferiorität der Europäer gegen Wilde in Bezug auf Sinne I, 102; polygame Lebens- weise von Mycetes caraya I, 235; über die Stimme der Heulaffen II, 244; über den Geruch von Cervus campestris II, 246; über die Bärte von Mycetes ca- raya und Pitheeia satanas II, 249; | über die Farben von Felis mitis I], 252; über die Farben von Üervus pa- ludosus 1I, 255; über geschlechtliche Farbenunterschiede bei Mycetes 11, 255; über die Farbe der neugebornen Guaranys II, 279; über die frühe Ge- schlechtsreife des weiblichen Cebus | 239; Geweihe I, 255; Winteränderung II, 262; Kämpfe II, 211; Geweihe des Weibchens II, 214. Aa, Repräs entative Arten von Vögeln II, 166, 167. Reproduetion, Einheit der Erschei- nungen der — bei allen Säugethieren I, 10; —speriode bei Vögeln II, 188. Reproductivsystem, rudimentäre Ge- bilde des —, I, 25; accessorische Theile I, 181. | Reptilia II, 23; — und Vögel, Ver- wandtschaft I, 186. Rhagium, Farbenverschiedenheit der Ge- schlechter einer Species I, 328. Rhamphastos carinatus II, 199. KRhinoceros, Nacktheit I, 128; Hörner II, 2185; Hörner zur Vertheidigung ge- braucht II, 231; greifen Schimmel an 1.2259. Rhynchaea, Geschlechter und Junge II, 147: Rhynchaea australis II, 177. # bengalensis II, 177. capensis II, 178. Rh yt hmu s, Wahrnehmung des— durch Thiere 108 292. Richard, über rudimentäre Muskeln beim Menschen I, 15. Richardson, Sir J., über das Paaren von Tetrao umbellus II, 41; über Te- trao urophasianus II, 48; über das Trommeln der Waldhühner II, 54; über die Tänze von Tetrao phasia- nellus II, 59; über Versammlungen von Waldhühnern II, 88; über die Kämpfe männlicher Hirsche II, 211; über das Renthier II, 214; über die Hörner des Bisamochsen II, 217; über Geweihe des Renthiers mit zahlreichen Enden II, 222; über das ÖOrignal I, 228. Richardson, über den schottischen Hirschhund HD, 229. Richter, Jean Paul Frdr., über Ein- bildungskraft I, 38. Riechdrüsen bei Säugethieren II, 245, 247; bei Schlangen II, 25. Riedel, über ausschweifende weibliche Tauben II, 104. Riesenhirsch, irischer, Geweihe des- selben II, 228. Riffe, Fische um — lebend I, 14. Azarae II, 279; über die Bärte der Rind, domesticirtes, Geschlechtsunter- Guaranys Il, 282; über die Bezeich- nung von Gemüthserregungen durch Laute bei Affen II, 295; über ameri- kanische polygame Affen II, 318. | Renthier, Geweihe mit zahlreichen | Enden II, 222; sexuelle Vorliebe II, | DARWIN, Abstammung. II. Zweite Auflage. schiede spät entwickelt I, 259; rapide Zunahme in Süd-Amerika I, 117; do- mestieirtes wird in Sibirien im Win- ter heller. I, 249; Hörner I, 256; II, 217; Zahlenverhältniss der Geschlech- ter'-I, 271. 26 + 402 Ringamsel. Register. Sarkidiornis. Ringamsel, 148. Ripa, Pater, über die Schwierigkeit die Rassen der Chinesen zu uutewseheiden 189% Rivalität im Singen zwischen männ- lichen Vögeln II, 45. Robbe, Klappmützen-, Il, 244. Robben, ihre Wachen meist Weibchen 1,63; Bedeutung der — für Olassifi- cation I, 166; geschlechtliche Färbungs- unterschiede II, 252; Schätzung der Musik seitens der —, IL, 292; Kämpfe der Männchen II, 210; polygame Ge- wohnheiten II, 236; Paaren II, 236; geschlechtliche Eigenthümlichkeiten II, 244. Robertson, über ih Entwickelung der Geweihe beim Rehbock und Edelhirsch I, 255. Robinet, über Grössenverschiedenhei- ten männlicher und weiblicher Cocons des Seidenspinners I, 309. Rochen, Klammerorgane des Männ- chens II, r Rohr sperling (-ammer), Kopffedern des Männchens II, 82; von einem Gimpel angegriffen Il, 96. Rolle, F., über den Ur sprung des Men- schen rn 3; über eine Veränderung deutscher, in Georgien angesiedelter Familien 1, 216. Römer, alte, Gladiatorenkämpfe I, 86. Rö ssler, über die Aehnlichkeit der untern Fläche von Schmetterlingen mit Baumrinde I, 349. Rothauge, Glanz des Männchens wäh- rend der Laichzeit II, 11. Rothforelle, Färbung des Männchens während der Laichzeit II, 11. Rothkehlchen, Kampfsucht des Männ- chens II, 34; Herbstgesang II, 46; Ge- sang des Weibchens NE 46; greifen andere Vögel an, die Roth im Gefie- der haben u, 97; Junge II, 182. Rothschwänze hen, amer ikanisches, brütet im unreifen Gefieder II, 188; finden verwittwet neue Gatten IL, 91. Rotz Besirannen. zwischen Menschen und Thieren. IE Rückgrat, et um der auf- rechten Stellung des Menschen zu ent- sprechen I, 124. Rückschlag I, 105; vielleicht Ursache schlechter Anlagen 1190; Rudimentäre Organe I, 14; Ursprung derselben I, 26. Rudimente, Vorhandensein von —n in Sprachen I, 50. Rudolphi, über den Mangel eines Zu- Farben und Nestbau TA sammenhangs zwischen Clima und] Haut- farbe 'n 213: Rufe der ziehenden Gänse II, 43. tupteola erocea, Entfaltung des Gefie- | ders seitens des Männchens IL, 74, 75. ‚Rüppell, E., über Eckzähne bei Hir- schen und Antilopen II, 226. Rüssel, geschlechtlicher" Längenunter- schied bei Rüsselkäfern I; 225: ı Rüsselkäfer, sexueller Unterschied i in der Rüssellänge 1,:225: Russland, Zahlenv erhältniss der männ- lichen und weiblicher Geburten I, 267. | Rutieilla U, 157. Rütimeyer, über die Physiognomie der Affen I, 125; über die Geschlechts- unterschiede der Affen II, 283. Rutlandshire, Zahlenverhältniss der neun, und weiblichen Geburten , 266 S. Sachs, J., Verhalten der männlichen und weiblichen Elemente bei der Be- fruchtung I, 242. Sagittalkamm bei EuEN chen Affen und Australiern I, 279. Sägetaucher junger II, 165. Sahara, Vögel der —, I, 150; rische "Bewohner IH, 197. St. John, über die Anhänglichkeit ge- paarter "Vögel I, 94. St. Kilda, Bärte der Einwohner von ZT, 981. Selm er iox und S. umbla, Färbung der Männchen während der Laichzeit 4, 11. Salmo Iycaodon II, 3. y salar DE 3, 4. Salvin, O., über Kolibris I 1,::23%,5# II, 147; Zahlenverhältniss der Geschlech- ter bei Kolibris I, 273; II, 194; über Uhamaepetes und Penelope Ir, 55; über Selasphorus platycercus IL, 56; über Pipra deliciosa II, 56; über” Chas- morhynchus II, 68. Samoa-Inseln, "Bartlosiekeit der Ein- gebornen II, 282, 306. Sandauge, gelbes (Schmetterling), Un- stätigkeit der Augenflecke II, 116. Sandhüpfer I, 299. Sandwich-Inseln, Variationen des Schä- dels der Eingebornen I, 93; Läuse I, 193; Superiorität der Edlen II, 313. San- Giuliano, Frauen von —, I, 314. Santali, neuerliche rapide Zunahme I, 115; Hunter, über die —, I, 212. Saphirina, Charactere der Männchen I, 301. Sarkidiornis melanonotus, Charactere der Jungen II, 162. thie- Sars. Register. Schmetterlinge. 403 Sars, O., über Pontoporeia affinis I, 295. Saturnia carpini, Anziehung der Männ- chen durch das Weibchen I, 278. Saturnia Jo, Färbungsverschiedenheiten der Geschlechter I, 354. Saturniidae, Färbung I, 352, 354. Säugethiere, Prof. Owen’s Qlassifi- cation I, 163; Genealogie I, 177; se- cundäre Sexualcharacterell, 210; Waf- fen II, 212; comparative Schädelcapa- eität jetziger und tertiärer I, 126; relative Grösse der Geschlechter II, 228; Verfolgung der Weibchen durch die Männchen I, 240; Parallelismus mit den Vögeln in Bezug auf secun- däre Geschlechtscharactere II, 260; Stimmen besonders während der Paa- rungszeit benutzt II, 290. : Savage, über die Kämpfe der männ- lichen Gorillas I, 284; über die Le- bensweise des Gorilla II, 319. Savage und Wyman, über die poly- game Lebensweise des Gorilla I, 255. Sazieola rubicola, Junge II, 193. Schaaffhausen, Prof., über die Ent- wickelung der hintern Backzähne bei verschiedenen Menschenrassen I, 22; über die Kinnlade von la Naulette I, 109; über die Correlation von Muscu- losität und vorragenden Augenbrauen- leisten I, 113; über die Zitzenfort- sätze des Menschen I, 124; über Mo- dificationen der Schädelknochen I, 127; über Menschenopfer I, 159; über das wahrscheinlich schnelle Aussterben der anthropomorphen Aften I, 175; über die alten Bewohner von Europa I, 209; über die Wirkungen des Gebrauchs und Nichtgebrauchs von Theilen I, 218; | über die Augenbrauenleiste beim Men- schen II, 277; über das Fehlen von Rassenverschiedenheiten am kindlichen Schädel II, 278; über Hässlichkeit I, 310. Schädel, Variation beim Menschen I, 93; eubischer Inhalt kein absoluter Beweis für den Intellect I, 125; Ne- anderthal- —, Capacität desselben I, 126; Ursachen der Modification I, 127; Verschiedenheit in Form und Capaci- tät bei verschiedenen Menschenrassen I, 190; Variabilität der Form I, 199; Verschiedenheit in den Geschlechtern II, 277; künstliche Modificationen Il, 298. Schafe, Warnungssignale I, 65; se- xuelle Verschiedenheit in den Hörnern | 1,259 ;/Hörner 1,256; U, 217,.227; Sexualverschiedenheit der domesticir- ten — spät entwickelt I, 259; Zah- lenverhältniss der Geschlechter I, 270; Art zu kämpfen II, 219; gebogene Stirn mancher II, 250. Schafe, Merino, Verlust der Hörner bei Weibchen I, 251; Hörner der Männ- chen I, 256. Schakals lernen von Hunden bellen 1:87: Schaum, H., über die Flügeldecken von Dytiscus und Hydroporus I, 307. Schauspielen I, 205. Scheeren der Kruster I, 295, 296, 301. Schelver, über Libellen I, 523. Scheuheit geschmückter männlicher Vögel II, 84. Schildkröten, Stimme des Männchens . I, 291. Schimpanse II, 283; Ohren I, 17; Stellvertreter der Augenbrauen beim — 1, 21; baut Plattformen I, 30; knackt Nüsse mit einem Stein I, 43; Hände I, 120; Fehlen der Zitzenfortsätze I, 124; Richtung der Haare an den Ar- men I, 168; vermuthliche Entwicke- lung I, 203; polygame und sociale Ge- wohnheiten II, 318. Schiödte, über die Stridulation von Heterocerus 1, 337. Schirmvogel II, 50. Schlammschildkröte, lange Krallen des Männchens I, 23, 24. Schlangen, instinetiv von Affen ge- fürchtet I, 30, 35; geschlechtliche Ver- schiedenheiten II, 24; Begierde des Männchens II, 25. Schlegel, F. von, über die Complieirt- heit der Sprachen uncivilisirter Völker L, 51. Schlegel, H., über Tanysiptera IL, 166. Schleicher, über den Ursprung der Sprache I, 47. Schleiden, über die Klapperschlange Il, 25. Schleiereulen, finden neue Gatten II, 9% Schleihe, Verhältniss der Geschlech- ter I, 275; Glanz des Männchens wäh- rend der Paarungszeit II, 11. Schmetterlinge, Verhältniss der Ge- schlechter I, 275; Vorderbeine bei ei- nigen Männchen atrophirt I, 308; Ge- schlechtsunterschied in der Aderung der Flügel I, 308; Kampfsucht des Männchens I, 344; Laut von einem — hervorgebrachtI, 345; protective Aehn- lichkeiten der Unterfläche I, 349; Ent- faltung der Flügel I, 355; weisse las- sen sich auf weisses Papier nieder I, 356; von einem todten Exemplar glei- cher Art angezogen I, 356; Werbung 26 * Schmuck. 404 Register. I, 356; Männchen und Weibchen be- wohnen verschiedene Oertlichkeiten I, 359. Schmuck bei Vögeln II, 61. Schmuckfedern, am Kopfe der Vögel, in beiden Geschlechtern verschieden TE 1488 Schnabel, geschlechtliche Formverschie- denheit II 33; geschlechtliche Farben- verschiedenheit II, 62; glänzende Far- ben II, 199. Schneckenschalen, Verschiedenheit der Form bei männlichen und weib- lichen Gasteropoden I, 291; schöne Farben und Formen I, 292. Schneegans, weisse Farbe II, 200. Schneehuhn, monogam I, 238; Som- mer- und Wintergefieder II, 70, 71; Hochzeitsversammlungen II, 88; drei- fache Mauserung II, 158; protective Färbung II, 173. Schneidezähne, herausgeschlagen oder gefeilt von einigen Wilden II, 299. Schnepfe, Färbung der —, II, 198. Schnurrbartaffe II, 256, 272. Schnurrbärte bei Affen I, 167. Schomburgk, Sir Rob., über die Kampf- sucht der männlichen Moschusente von Guiana II, 36; über die Werbung der Rupveola erocea 11, 75. Schöne, Geschmack für das — bei Vö- geln II, 94; bei Säugethieren II, 260. Schönheit, Gefühl für —, bei Thieren I, 53; Schätzung der —, bei Vögeln Il, 97; Einfluss II, 296, 301; Variabi- lität des Maassstabes für —, II, 325. Schreck, Wirkung auf Menschen und niedere Thiere gleich I, 33. Schwalben verlassen ihre Jungen I, DEHTT: Schwalbenschwanz I, 350. Schwan, rother Schnabel des schwar-. zen II, 199; schwarzhalsiger II, 202; Junge des weissen II, 185; Trachea des wilden II, 51. Schwäne II, 199, 202; Junge II, 183. Schwanz, Vorkommen eines rudimen- tären —es beim Menschen I, 24; ge- wundener Körper an der Spitze I, 25; Fehlen beim Menschen und den höhern Affen I, 150, 169; Variabilität bei Spe- cies von Macacus und bei Pavianen I, 130; Vorhandensein bei den frühen Urerzeugern des Menschen I, 180; Länge bei Fasanen Il, 136, 143, 144; Verschiedenheit in der Länge bei bei- den Geschlechtern der Vögel II, 143. Schwanzbein I, 24, 25; im Körper | eingeschlossen I, 130. Schwanzwirbel, Zahl bei Makaken und Pavianen I, 130; von Affen zum Theil im Körper eingeschlossen I, 130. Schwarzbock, indischer, geschlecht- licher Farbenunterschied II, 253. Schwarzkehlchen, Junge II, 193. Schweine, Ursprung der veredelten Ras- sen I, 205; Zahlenverhältniss der Ge- schlechter I, 271; Streifen der jungen II, 161, 266; geschlechtliche Vorliebe II, 239. Schweinshirsch IT, 266. Schwin ah cht, Cebus Azarae erkrankt an — I, 9; Zusammenhang zwischen — und Teint I, 215. Scelater, P. L., über modificirte Schwin- gen zweiter Ordnung bei der männ- lichen Pipra li, 56; über verlängerte Federn bei Ziegenmelkern II, 62; über die Species von Chasmorhynchus II, 67; über das Gefieder von Pelecanus onocrotalus 11, 73; über die Pisang- fresser II, 154; über die Geschlechter und Jungen von Tadorna variegata II, 180; über die Farben von Lemur macaco Il, 255 ; über Streifen bei Eseln II, 268. Scolecida, Fehlen secundärer Sexualcha- ractere ], 288. Scolopax frenata, Schwanzfedern II, 55. gallinago, Meckern II, 54. jJavensis, Schwanzfedern Il, 55. major, Versammlungen II, 88. 5 Wilsonit, Laute II, 55. Scolytus, Stridulation I, 337. Scott, J., über die Farbe des Bartes beim Menschen II, 280. Scerope, über die Kampfsucht des Lach- ‘ses II, 3; über Kämpfe der Hirsche I, 211. ” ” ” |Seudder, $8. H., Nachahmung der Stri- dulation der Orthoptern I, 315; Stri- dulation der Acridiidae I, 318; über ein devonisches Insect I, 321; über Stridulation II, 290. Sculptur, Ausdruck des Ideals der Schönheit II, 307. Sebituani II, 299. Sebright-Bantam-Huhn I, 261. Sedgwick, W., erbliche Neigung Zwil- linge zu produciren I, 114. See-Anemonen, glänzende Farben I], 239. See-Bär, polygam I, 237. See-Elephant, Structur der Nase des Männchens II, 244; polygam I, 237. Seelöwe, polygam II, 237. Seemann, verschiedene Würdigung der Musik bei verschiedenen Völkern I, 292; über die Wirkungen der Musik I, 294. Seeschwalben. Register. Smith. 405 Seeschwalben, weisse II, 200; und | schwarze II, 202; Veränderung des Gefieders nach den Jahreszeiten II, 200. Seeskorpion, Geschlechtsverschieden- heit II, 7. BR glänzende Farben einiger 289 Sehnerv, Atrophie nach Zerstörung des Auges I, 100. Seidenspin ner, Verhältniss der Ge- schlechter 1, 275, 277; Ailanthus-, Canestrini über die Zerstörung der Larven durch Wespen I, 278; Ver- schiedenheit der Grösse männlicher und weiblicher Cocons I, 309; Paaren I, 357; Männchen befruchtet zwei oder drei Weibchen I, 361. Selasphorus platycercus, zugespitzte Schwingen des Männchens II, 56. Selbstaufopferung, bei Wilden I, 75; Würdigung ], 82. Selbstbeherrschung, Gewohnheiterb- lich I, 78; Würdigung I, 82. Selbstbewusstsein I], 52. Selbsterhaltung, Instinct I, 76. Selbstmord I, 150; früher nicht als Verbrechen ‘betrachtet I, 80; selten ausgeübt unter den niedersten Wilden I, 80. Selby, P. J., über die Lebensweise des Birk- und Moorhuhns I, 237. Semilunarfalte I, 19. Semmopithecus I, 172; langes Haar am Kopfe einiger Species I, 167; II, 335. Semnopithecus chrysomelas, geschlecht- licher Farbenunterschied II, 256. Semnopithecus comatus,, ornamentales Haar am Kopfe II, 270. Semnopithecus frontatus, Bart u. s. w. II, 270. Semnopithecus nasica, Nase I, 167. nemaeus, Färbung II, 272. rubicundus, ornamentales Haar am Kopfe II, 269. Serranus, Hermaphroditismus bei —, 1, 182. Sexualcharactere, secundäre I, 223; Beziehungen zur Polygamie I, 235; durch beide Geschlechter überliefert I, 247; Abstufung bei Vögeln II, 118; bei Säugethieren II, 210. Sharpe, R. B., über Tanysiptera sylvia II, 144; über Ceryle Ik, 151; über die Jungen Männchen von Dacelo Gaudi- chaudii II, 165. Shaw, über die Kampfsucht des männ- lichen Lachses II, 3. Shaw, J., über den Schmuck der Vögel ” 11.61. | Shooter, J., über die Kaffern II, 304; | über die Hochzeitsgebräuche der Kaf- fern II, 328. Shuckard, W. E., über geschlechtliche Verschiedenheiten der Flügel der, Hy- menoptern I, 308. Siagonium, Verhältniss der Geschlechter I, 281; Dimorphismus bei Männchen I, 333. Siam, Verhältniss männlicher und weib- licher Geburten I, 268. Siamesen, allgemeine Bartlosigkeit II, 281; Begriffe von Schönheit II, 303; behaarte Familie H, 332. Siebold, C. Th. E. von, Gehörapparat der stridulirenden Orthoptern I, 315, 316. Signalrufe der Affen I, 48. Silberfasan, geschlechtliche Färbung II, 200; ein triumphirendes Männchen in Folge beschädigten Gefieders be- seitigt II, 105. Silberreiher, indischer, Geschlechter und Junge II, 191; Hochzeitsgefieder 1270; weisse Ir 200. Simiadae 1.4170; ihr Ur sprung und ihre Abtheilungen I, 186. Sinne, Inferiorität der Europäer gegen Wilde in Bezug auf —, I, 102. Strenia, Nacktheit I, 128. Sirex juwvencus 1, 326. Siricidae, Verschiedenheit der Geschlech- ter 1,. 326. Sitana, Kehlsack der Männchen II, 27, 28, 30. Sklaven, Verschiedenheit der Feld- und Haus-, I, 217. Sklaverei, Herrschen der —, I, 81; — von Frauen II, 322. Sminthurus luteus, Werbung IE TRS Smith, A., über die Grundlage der Sym- pathie L 69. Smith, Sir Andr. .,„ über das Erkennen von Frauen durch männliche Uynoce- phali I, 10; Beispiel von Gedächtniss bei einem Pavian I, 37; Behalten der Farbe von den Holländern in Süd- Afrika I, 213; Polygamie südafrikani- scher Antilopen I, 236; Verhältniss der Geschlechter bei Kobus ellipsi- prymnus I, 271; über Bucephalus ca- pensis UI, 25; "über südafrikanische Eidechsen II, 30; über kämpfende Gnus II, 211: über die Hörner von Rhinoceros in 218; über das Kämpfen von Löwen II, 234; über Farben des Cap-Eland II, 253; über die Farben des Gnu II, 254; über Hottentotten- Begriffe von Schönheit II, 303. Smith, F., über Cynipiden und Tenthre- dinidenI, 281; über die relative Grösse Sociale. Regi 406 ster. Sproat. der Geschlechter bei bestachelten Hy- | menopternI, 310; über dieGeschlechts- verschiedenheit bei Ameisen und Bie- | nen I, 326; über Stridulation von Troa | sabulosus I, 338; über Stridulation von Mononychus pseudacori ], 340. Sociale Thiere, Zuneigung gegen ein- .ander I, 64; Vertheidigung durch die Männchen I, 70. Soeiale Instinete mit Pflichtgefühl ver- bunden I, 60. Soldaten, amerikanische, Messungen I, 98; — und Matrosen, Verschieden- | ‚heit der Proportionen I, 100. Solenostoma, helle Farben und Brut- tasche der Weibchen I, 18. Sorex, Geruch II, 245. Spanien, Verfall I, 155. ‚Spann, Höhe bei Soldaten und Matro- sen I, 100. Spathura Underwoodi II, 66. Speer, Ursprung I, 206. Specht, das Weibchen wählt sich emen Gatten II, 101. Spechte II, 48; Klopfen I, 53; Farben und Nestbau II, 149, 152, 196; Cha- ractere der Jungen II, 162, 174, 183. Species, Ursachen des Fortschritts I, 149; distinetive Merkmale I, 138; — oder Rassen des Menschen I, 190; Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit bei der Kreuzung I, 194; vermuthete — des Menschen I, 199; Abstufung der —, ], 200; Schwierigkeit, zu bestim- men I, 200; stellvertretende — bei Vögeln I, 166, 167; — von Vögeln, comparative Verschiedenheiten zwi- schen den Geschlechtern bestimmter —, DJ, 167. Spectrum femoratum, Farbenverschieden- heit der Geschlechter I, 322. Spencer, Herbert, über die ersten Spu- ren der Intelligenz I, 31; Ursprung des Glaubens an spirituelle Kräfte I, 56; Ursprung des moralischen Gefühls I, 87; Einfluss der Nahrung auf die Grösse der Kiefer I, 101; über das Verhältniss zwischen Individuation und Genesis I, 284; über Musik II, 295. Sperling, Kampfsucht des Männchens II, 34; Annahme des Gesangs des Hänf- lings II, 47; Färbung II, 173; unrei- fes Gefieder II, 164; —, weissgekrön- | ter, Junge II, 191. Sperlinge, Haus- und Baum- I, 148; finden neue Gatten II, 91; Geschlech- ter und Junge II, 186; lernen singen H, 293. Spermaceti- Walfisch, Männchen II, 211, | | | Kämpfe der | Sphingidae, Färbung I, 352. Sphin&, Mr. Bates über die Raupe ei- ner —, 1, 370. Spiegel, Lerchevom — angezogen II, 97. Spiessente, Gefieder des Enterich II, 72; paart sich mit einer Wildente II, 100; paart sich mit einer Pfeifente 179 Spilosoma menthastri, von Truthühnern verschmäht I, 355. Spinnen I, 302; Männchen lebendiger als Weibchen I, 240; Verhältniss der Geschlechter I, 282; geringe Grösse der Männchen I], 303. ‚Spirituose Getränke, Liebhaberei der ı Affen für —, I, 9, ‚Spirituelle Kräfte, Glaube an — fast allgemein I, 56. 'Spitzmäuse, Geruch IH, 245. 'Spornen, Vorkommen bei Hennen I], ı 247, 251; Entwickelung bei verschie- denen Species von Phasianiden I, 257; — hühnerartiger Vögel II, 37, 39; Entwickelung bei weiblichen Gallina- ceen II, 141. Spottdrossel, theilweise Wanderung 11.95: "Juuge/ 11, 193. Sprache, Zusammenhang zwischen Ge- hirn und dem Vermögen der —, I, 49; — eine Künst I, 46; Ursprung der articulirten I, 47; Beziehung ihres Fortschritts zur Entwickelung des Ge- hirns I, 48; Wirkung der Vererbung bei Bildung der —, I, 49; complieir- ter Bau der — bei barbarischen Na- tionen I, 51; natürliche Zuchtwahl 1, 51; Geberden-, I, 205; primitive I], 207, — eines ausgestorbenen Stamms durch einen Papagey bewahrt I, 208. Sprachen, Vorkommen von Rudimen- ten in —, I, 50; Classification I, 50; Variabilität], 51; Kreuzung oder Ver- schmelzung I, 51; Complexität kein Beweis für Vollkommenheit oder spe- cielle Schöpfung I, 52; Aehnlichkeit der — Beweis für gemeinsamen Ur- sprung 1], 164. Sprachen und Species, Identität der Beweise ihrer gradweisen Entwicke- lung I, 50. Sprengel, €. K., über Sexualität der Pflanzen I, 229. Springbock, Hörner II, 220. Sproat, Mr., Aussterben der Wilden auf Vancouver-Insel I, 211; Ausrot- tung von Gesichtshaaren bei den Ein- geborenen von Vancouver-Insel IT, 306; Ausreissen des Barts bei den Einge- bornen von Vancouver-Insel II, 334, | | Squilla. Squilla, Verschiedenheit der Farben der Geschlechter einer Species I, 300. Staare, Kampfsucht des Männchens vom amerikanischen IH, 43; Wahl ei- nes Gatten vom Weibchen des roth- flügligen 11, 101; drei — besuchen dasselbe Nest I, 238; II, 92; finden neue Gatten II, "99. Stachel bei Bienen 142924, Stachelroche, Verschiedenheit ni Zähne in beiden Geschlechtern II, Stachelschwein stumm as beneitnreh in der Brunstzeit II, 941. Städte, Leben in —n Ursache ver- ringerter Körpergrösse I, 99. Stammbaum des Menschen 1.9183. Stämme, ausgestorbene I, 139; Aus- sterben der —, I, 208. Stansbury, Capt., Beobachtungen über | Pelikane I, 65. Stark, Dr., Sterblichkeit in Städten und Landbezir ken I, 152; Einfluss des Heirathens auf Sterblichkeit I, 153; grössere Sterblichkeit der Männer in) Schottland I, 268. Statuen, griechische, egyptische, assy- rische u. s. f. gegeneinander gehalten Il, 307. Ss tatur, von localen Einflüssen abhän- eig-L, 98. S er seine Schmetterlingsliste I, 279; über das Erziehen von Schmet- lerlingen 1297. Staunton, Sir G., Abscheu vor Un- züchtigkeit eine moderne Tugend I, 82. Stebbing, T. R., über die Nacktheit des menschlichen Körpers II, 350. Register. Stehlen glänzender Gegenstände durch | Vögel II, 97. Steinbock, männlicher, Hörner II, 219; Bart II, 248. Steindohle, rother Schnabel IH, 199. Steine von Affen zum Oeffnen harter Nüsse und als Wurfgeschosse benutzt I, 121; Haufen I, 205. Steinwerkzeuge, Schwierigkeit anzufertigen I, storbener Stämme I, 208. fällt auf seine ‚Stretch, Mr. „, Zahlenverhältniss der Ge-" Stellvertretende Arten von Vögeln II, 166, 167. Stemmatopus II, 245. Stenobothrus pratorum , organe I, 318. Sterblichkeitsverhältniss in Städ- Suidae., 407 Stichling, polygam I, 239; Werbung des Männchens II, 2; brillante Fär- ‚bung des Männchens während derLaich- zeit II, 12; Nestbau II, 16. Stieglitz, II, 48, 73; Verhaltnies der Geschlechter I, 273; geschlechtliche Verschiedenheiten des Schnabels II, 33; Werbung II, 81; Junge des ame- rikanischen II, 190. Stimme bei Säugethieren II, 241; bei Affen und Menschen II, 279; beim Menschen II, 289; Ursprung der — bei luftathmenden Wirbelthieren II, 2%. Stimmorgane des Menschen I, 49; von Vögeln I, 50; II, 142; von Frö- schen II, 23; der Insessores II, 47; Verschiedenheit der — in den. Be schlechtern der Vögel II, 48; - ursprüng- lich in Bezug zur Fortpflanzung der Art benutzt I, 2%. Stirnbein, Bestehenbleiben der Naht I, 107. Stokes, Capt., über die Lebensweise des grossen Kragenvogels II, 60. Storch, schwarzer, Geschlechtsunter- ‘schied der Bronchen II, 51; rother Schnabel II, 199. Störche II, 199, 202; geschlechtlicher Unterschied in der Farbe der Augen 11112; Strandschnecke I, 291. Strauss, afrikanischer, Geschlechter und Brütung II, 180; Streifen der jungen II, 161: Streifen, von ganzen Gruppen von Vö- geln beibehalten IH, 115; Verschwin- den von — bei erwachsenen Säuge- thieren II, 266. schlechter Junger Hühnchen I, 272. Strepsiceros Kudu, Hörnerll, 924: Zeich- nungen II, 264. Str idulation, der Männchen von The- sie 120; Zeichen ausge- | ridion I, 304; der Orthoptern und Ho- moptern 1, 321; von Käfern I, 378. Strix flammea 1,9% Struetur, Vor kommen nutzloser Modi- ficationen der —, I, 133. ‚Struthers, Vorkommen des supracon- Stridulations- | dyloiden Lochs beim Menschen I, 23. ‚Sturmvögel, Färbung II, 202. ten grösser als in Landbezirken I, 152. | Sterilität, allgemeine, bei einzigen Töchtern I, 148; bei Kreuzung ein di- stinetiver Character von Species I, 188. Sterna, Wechsel des Gefieders nach den Jahreszeiten II, 201. Sturnella ludoviciana , Kampfsucht des Männchens II, 43. Sturnus vulgaris II, 92 (s. auch Staare). Sub-Speeies I, 200. Suborbitaldrüsen der Wiederkäuer II, 246. Suidae, Streifen der Jungen I, 161. 408 Sulivan. Register. 4 Temperament. Sulivan, ‘Sir B. J., über zwei Hengste, die einen dritten angreifen IT, 211. Sumatra, Compression der Nase bei den Malayen auf —, II, 308. Sumner, Erzbischof, ‘Mensch allein der progressiven Veredelung fähig I, 41. | Supracondyloides Loch beim 'Men- schen I, 23; bei frühen Vorfahren des Menschen ], 180, Swaysland, Mr., Zugvögel I, 229. Swinhoe, R., über die gemeine Ratte in Formosa und China I, 42; über die Laute des männlichen Wiedehopfes 17; 54; über Dicrurus macrocercus und den Löffelreiher II, 156; über die Jun- ‘gen von Ardeola II, 167: über die Ge- wohnheiten von Turnix II, 177; über die Gewohnheiten von Rhynchaea ben- galensis 11, 177; über Pirole in un- reifem Gefieder brütend II, 188, 189. Sylvia atricapilla, Junge II, 192. » cinerea, luftiger Liebestanz des Männchens II, 58. Sympathie I, 146; bei Thieren I, 65; vermuthliche Grundlage I, 69. Sympathien, allmähliches Erweitern I, 86. über die Ankunft der Syn igmathus, Abdominaltasche der Männ- | chen I, 183. Sypheotides auritus, zugespitzte Schwin- | gen des Männchens II, 56; Ohrbüschel | II, 63. F. Tabanidae, Gewohnheiten I, 224, Tadorna variegata, Geschlechter und Junge II, 180. Tadorna vulpanser 11, 99. Tahiti, Eingeborne I, 159; Compres- sion der Nase II, 308. Taille, Proportionen bei Soldaten und | Matrosen I, 101. | Tait, Lawson, Wirkungen natürlicher Zuchtwahl auf civilisirte Nationen u 146. Talismane von Frauen getragen II, 302. Tanagra aestiva II, 157; Alter des rei- fen Gefieders II, 187. Tanagra rubra, Abänder ung beim Männ- | chen II, 157; Junge II, 187. Tanuis , Fehlen des Mundes bei den Männchen einiger Species I. 224; Ver-, hältniss der Geschlechter I, 282: di- morphe Männchen einer Species], 294. | Tankerville, Earl, Kämpfe wilder Bul- len’ T1,.,2Tr. | Tanysiptera, Rassen nach den erwach- | senen Männchen bestimmt II, 166. Tu sylvia, lange Schwanzfedern „144 Tänze der Vögel II, 58. ı Tanzen J, 205. | Taphroderes distortus, vergrösserte linke Mandibel des Männchens I, 308. Tapire, Längsstreifen der Jungen II, 461, 266. Tarsen, Erweiterung der Vorder- bei männlichen Käfern I, 306. Tarsius I, 175. Tasmanien, Mischlingsrassen von den Eingebornen getödtet I, 194. Tättowiren I, 205; Allgemeinheit II, 298. Taube, späte Entwickelung der Fleisch- lappen bei der Boten-, I, 260; Rassen und Unterrassen der Haus-, Il, 155; späte Entwickelung des Kropfes bei der Kropf-, I, 260; Weibchen verlässt ein ermattetes Männchen I, 231. Tauben, Nestlinge durch die Secretion des Kropfes beider Eltern ernährt I, 184; Aenderung des Gefieders I, 249; Ueberlieferung geschlechtlicher Eigen- thümlichkeiten I, 250; Wechsel der Farbe nach mehreren Mauserungen I, 260; Zahlenverhältniss der Geschlech- ter I, 272; Girren II, 52; Abänderung des Gefieders II, 63, 64; Entfaltung des Gefieders vom Männchen II, 82; Örtsgedächtniss II, 95; Antipathie des Weibchens gegen gewisse Männchen II, 103; Paaren II, 105, 104; lüder- liches Männchenund Weibchen II, 104; Flügelbalken und Schwanzfedern II, 114; vermeintlich zu bildende Rasse 1I, 135; Eigenthümlichkeiten der Krö- pfer und Botentauben bei den Männ- chen vorherrschend Il, 137; Nestbau II, 146; unreifes Gefieder I, 165; australische II, 153; belgische mit schwarzgestreiften Männchen I, 252, 260; II, 137. Taubenschwanz (Schmetterling) 356. Tausendfüsse I, 304. Taylor, G., über Quiscalus major I, 274. 'Teebay, über Aenderungen des Gefie- ders bei geflitterten Hamburger Hüh- nern I, 249. Tege tmeier, über die grosse Zahl männlicher Tauben I, 272; über die Fleischlappen der Kampfhähne II, 84; über die Werbung der Hühner II, 102; über gefärbte Tauben IL..103: Tembeta II, 29. I I den vererbt I, 33. AR Tenebrionidae. Tenebrionidae, Stridulation I, 337. Tennent, Sir J. E., über die Stoss- zähne des Ceylonesischen Elephanten II, 218, 227; über das häufige Fehlen eines Bartes bei den Eingebornen von Ceylon II, 281; Chinesische Ansicht über die Erscheinung der Cingalesen II, 302. Tennyson, A., über die Controle der Gedanken I, 57. Tenthredinae, Verhältniss der Ge- schlechter I, 281; Kämpfe der Männ- chen I, 325; Verschiedenheit der Ge- schlechter I, 326. Tephrodornis, Junge II, 166. Terai I, 209. Termiten, Gewohnheiten I, 524. Testudo nigra II, 24. Tetrao cupido, Kämpfe, II, 43 ; geschlecht- liche Verschiedenheit der Stimmorgane II, 48. Tetrao phasianellus, Tänze II, 58; Dauer der Tänze II, 87. Tetrao scoticus II, 148, 162, 170. » sucht des Männchens II, 38. Tetrao umbellus, Paaren II, 41; Kämpfe | II, 42; Trommeln des Männchens II, 53. Tetrao urogalloides, Tänze II, 87. » chens Il, 38. Tetrao urophasianus, Aufblasen derSpeise- röhre beim Männchen II, 48. Teufel, Feuerländer glauben nicht an den —, II, 57. Thammobia, Junge II, 166. Thaumalea pieta, Entfaltung des Gefie- ders von Männchen II, 76. Thecla, geschlechtliche Färbungsverschie- denheit bei Species I, 347. Thecla rubi, protective Färbung I, 349. Thee, von Affen gern getrunken I, 9. Theridion 1, 302; Stridulation der Männ- chen I, 304. Theridion lineatum, Variabilität I, 303. Thiere, Grausamkeit der Wilden gegen i, 81; domestieirte fruchtbarer als wilde I, 114; Charactere den —n und Menschen gemeinsam I, 161: Wechsel der Rassen domesticirter 1], 324. Thomisus eitreus und Th. floricolens, Farbenunterschied der Geschlechter I, 302. Thompson, J. H., über die Kämpfe der Spermacetiwalfische II, 211. Thompson, W., Färbung der männ- lichen Rothforellen während der Laich- zeit II, 11; über die Kampfsucht der Männchen von Gallinula chloropus II, Register. tetrix II, 148, 162, 170; Kampf- | urogallus, Kampfsucht des Männ- | Trappen. 409 34, Elstern finden neue Gatten II, 90; Wanderfalken finden neue Gatten II, 91. Thorax-Fortsätze bei männlichen Kä- fern I, 328. r Thorell, T., Verhältniss der Geschlech- ter bei Spinnen I, 282. Thränengruben der Wiederkäuer II, 246. Thug, Bedauern eines I, 80. Thurmfalken finden neue Gatten II, 91. Thury, Zahlenverhältniss männlicher u. weibl. Geburten bei den Juden I, 267. Thylaeinus, Marsupialbeutel bei Männ- ehen I, 181. Thysamura I, 311. Tibia des männlichen rabro eribrarius verbreitert I, 307. Tibia und Femur, Proportionen bei den Aymaras I; 103. Tierra del Fuego s. Feuerland. Tiger, Farbe und Zeichnung, II, 265; Entvölkerung indischer Districte durch 1.1415, | Tillus elongatus, Farbenunterschied der Geschlechter I, 328. Tineina, Verhältniss der Geschlechter I, 277. ' Tipula, Kampfsucht der Männchen I, 512. Todtengräber (Käfer), Stridulation I, 337, 340. Tölpel, nur im erwachsenen Zustande weiss II, 200. ‚Tonga-Inseln, Bartlosigkeit der Ein- geborenen II, 282, 306. 'Tooke, Horne, über Sprache I, 46. ı Tomieus villosus, Verhältniss der Ge- schlechter I, 281. 'Tordalke, Junge I, 191. Totanus, doppelte Mauserung II, 69. Toynbee, J., über die Ohrmuschel des Menschen I, 17. Trachea, bei einigen Vögeln gewunden und in das Brustbein eingebettet II, 51; Bau der - bei Rhynchaea II, 177. ' Tragelaphus, geschlechtlicher Farben- unterschied II, 253. 3 Tragelaphus sceriptus, Rückenkamm II, ' 248; Zeichnungen II, 263. Tragopan-Fasan I, 238; Anschwellen der Fleischlappen bei der Werbung ' II, 61. Entfaltung des Gefieders vom ' Männchen II, 78; Zeichnungen der | Geschlechter II, 117. ' Tragops dispar, geschlechtlicher Farben- ' unterschied II, 25. ıTrappe, Kehlsack der männlichen II, ' 49; summender Ton 11,56; Ohrbüschel ı einer indischen II, 63. ı Trappen,Vorkommen von sexuellenVer- ' schiedenheiten und Polygamie bei T, - | 410 Trappenwachtel. 238; Liebesgeberden der Männchen II, 59; "doppelte Mauserung II, 69. Trappenwachtel, australische IT, 176. Trauerente, schwarze , geschlecht- liche Färbungsverschiedenheit IB) 198; heller Schnabel des Männchens II, 199. Träume I, 58; mögliche Quelle für den Glauben an spirituelle Kräfte I, 56. Treue gegen einander bei Wilden 1:81% Bedeutung der I, 141. Tremex columbae I, 326. Trichius, seschlechtlicher Farbenunter- schied, bei Species I, 328. Trimen, A., Verhältniss der Geschlech- ter südafrikanischer Schmetterlinge I, 276; Anziehen an Männchen durch die weibliche Lasiocampa quercus 1, 278; über Pneumora 1, 320; über ge- schlechtliche Farbenunterschiede bei Käfern I. 328; über Motten, die unter- halb brillant gefärbt sind I, 353; über Nachäffung bei Schmetterlingen I, 366; über Gynanisa Isis, und über die Au- genflecke pei*Lepidoptern IT, 115; über yllo Leda 11, 116. Tringa, Geschlechter a Junge II, 190. » Canutus I, Triphaena, Färbung ia: Species I, 351, 332. Tristram, über ungesunde Distriete in Nord-Afrika 1, 215; 273; über die Vögel der Sahara II, 150; über die Thiere der Sahara II, 19% Triton eristatus II, 20. » palmipes Il, 20. » punctatus Il, 20, 21. Troglodytes vulgaris 11,173. Trogon, Farben und Nisten der II, 149, 151. Tropen, Süsswasserfische der II, 14. Tropikvögel, nur im erwachsenen Al- ter weiss II, 200. Trox sabulosus, Stridulation I, 338. Truthuhn, Hahn fest mit den Flügeln den Boden Ir, 53; Schwellen der Fleisch- lappen beim "Männchen II, 61; Varietät mit einer Federkrone II, 63; Ent- faltung des Gefieders beim wilden Hahn I, 74; Kämpfe des Hahns II, 84; Wiedererkennung eines Hundes II, 96; Kampfsucht eines jungen wilden Hahns II, 41; Töne der wilden II, 52; wilder Hahn domestieirten Hennen angenehm | IT, 104; erste Annäherung beim wilden | geschieht von den Weibchen II, 105; Brustbüschel von Borsten beim wilden 11: 197° Tugenden, ursprünglich nur sociale I, Register. über die Gewohn- | heiten des Buchfinken in Palästina I Unmässigkeit. De allmähliche Würdigung der —, I, 14 Tukans, Farben und Nestbau II, 179; Schnabel und Wachshaut II, 199. Tulloch, Major, Immunität des Negers gegen gewisse Fieber I, 214. Turdus merula Il, 148; Junge 114 (s. auch Amsel). Turdus migratorius Il, 161. » polyglottus, Junge II, 193. » torquatus II, 148. Turner, Prof. W., "über Muskelbündel beim Menschen, die auf den Pamnicu- lus carnosus zu beziehen sind 17716; Vorkommen des supracondyloiden Lochs beim Menschen I, 23; Muskeln des Cocceyx beim Menschen ni 24; über das Filum terminale beim Menschen I, 24; über die Variabilität der Muskeln I, 93; über abnorme Zustände des mensch- lichen Uterus 1, 106; über die Ent- wickelung der Brustdrüsen I, 183; über männliche Fische, welche die Eier in der Mundhöhle brüten I, 184. Turnix, Geschlechter bei einigen Spe- cies II, 176, 182. Turteltaube, Girren II, 52. Tuttle, H., Zahl der Menschenarten I, 1938 Tylor, E. B., über Ausrufe und Gesten in Folge von Erregungen I, 45; Ur- sprung des Glaubens an spirituelle Kräfte I, 56; ursprüngliche Barbarei civilisirter Nationen I, 157; Ursprung des Zählens I, 158; Aehnlichkeit der geistigen Charactere bei verschiedenen Menschenrassen I, 204. Typus des Baues, Vorherrschen I, 185. Typhaeus, Stridulationsorgane 1.337; Stridulation I, 338. 192; ) U. Uebelthäter I, 150. Ueberlieferung, gleichmässige, or- namentaler Charactere auf beide Ge- schlechter bei Säugethieren II, 261. Uebertragung männlicher Charactere auf weibliche Vögel II, 169. Uebertreibung natürlicher Charactere durch den Menschen II, 308. Ueberzählige Finger häufiger bei Männern als Frauen I, 243; Vererbung I, 252; frühe Entwickelung I, 258. Uhrmacher, kurzsichtig I, 102. Umbrina, Laute 1119: |'Unfruchtbarke it, allgemeine, einzi- ser Töchter I, 148: bei Kreuzung ein distinctives Merkmal für Species I, 188. Unmässigkeit, kein Tadel bei Wilden Unreifes. ; a 7 = ; Ihre zerstörenden Wirkungen Unreifes Gefieder der Vögel II, 160, Unterbrechung der Reihe zwischen Mensch und Afte I, 175. Unzüchtigkeit, Abscheu vor — eine moderne Tugend I, 82. Upupa epops, Laut des MännchenslIlI, 54. Uraniidae, Färbung I, 352. Urerzeuger, früher, des Menschen I, 180. Uria troile Varietät (U. laerymans) 11. Urodela II, 20. Urostiete Benjamini, geschlechtliche Ver- ‚schiedenheiten II, 132. Uterus, Rückschlag im Bau I, 106; mehr oder weniger getheilt beim Men- schen I, 106, 112; bei frühen Urer- zeugern des Menschen doppelt I, 180. V. Vacecination, Einfluss I, 146. Vancouver-Insel, Mr. Sproat über die Wilden von — I. 210; Eingeborene reissen die Haare im Gesichte aus II, 305. | Vanellus «eristatus , Männchens II, 40. Vanessae I, 345; Aehnlichkeit der untern Fläche mit der Rinde von Bäumen I, 349, Variabilität, Ursache I, 95; beim Menschen analog der bei niederen Thieren I, 97; — der Menschenrassen I, 198; grösser bei Männern als bei Frauen I, 243; Periode der — in Be- ziehung zur geschlechtlichen Zucht- wahl I, 262; bei Vögeln II, 109; — secundärer Sexualcharacter beim Men- schen Il, 281. Variation und Variiren s. Abänderung. Varietäten, Fehlen von, zwischen zwei Species Beweis ihrer Distinctheit,, I, 189. Flügelhöcker des Variolen, übertragbar zwischen Men- | schen und niedern Thieren I, 9. Vaure6al I, 24 Veddahs, monogame Lebensweise II, 319. Veitch, über den Abscheu japanesischer Damen gegen Backenbärte II, 306. Venus Erycina, Priesterinnen der — I], 514. Vermes I, 293. Verbreitung, weite, des Menschen I, 118; geographische, als Beweis für specifische Verschiedenheit beim Men- schen I, 192, Register. | | Vögel. AM Veredelung, progressive, vermeintlich an nur der Mensch einer solchen fähig „41. Vereinigte Staaten, Verhältniss der Zu- nahme I, 1135; Einfluss der natürlichen Zuchtwahl auf den Fortschritt I, 156; Veränderung der Europäer in den I, 217. ! Vererbung I, 95; des Gebrauchs der Stimm- und Geistesorgane I, 49; der moralischen Neigungen I, 87, 90; der Weit- und Kurzsichtigkeit I, 102; Ge- setze I, 247 ; sexuelle I, 252; geschlecht- lich beschränkte II, 134. Vernunft bei Thieren I, 38. £ Verrath an Cameraden, von Wilden vermieden I, 75. Verreaux, über die Anziehung zahl- reicher Männchen durch das Weib- chen einer australischen Bombyx I, 278. Verrücktheit erblich I, 9. Verschiedenheiten, comparative, zwischen verschiedenen Species von Vögeln desselben Geschlechts II, 169. Verstümmelungen, Heilung von I, 10. Vertebrata, s. Wirbelthiere. Vertheidigungsorgane bei Säuge- thieren II, 231. Verwandtschaft, Bezeichnungen der IL, 316. Verwunderung, Zeichen der, bei Thie- ren I, 35. Vesieula prostatica, das Homologon des Uterus I, 25, 181. Vibrissen, durch lange Haare in den Augenbrauen vertreten I, 20. Vidua II, 158. » axillaris II, 237. Villerme&, über den Einfluss des Wohl- standes auf Körpergrösse I, 99. Vinson, Aug., über das Männchen von Epeira nigra I, 303. Viper, Verschiedenheit der Geschlechter 11,24. Virey, Zahl der Menschenarten I, 199. Viti-Archipel, Bevölkerung des —, I, 198 Vlacovich, über den ischiopubischen Muskel I, 110. Vocalmusik bei Vögeln II, 43. Vögel, Nachahmung des Gesangs an- derer Vögel I, 37; Träumen I, 38; Sprache I, 46; Schönheitssinn I, 53; Freude am Brüten I, 67; Brüten des Männchens I, 184; Verwandtschaft der — und Reptilien I, 186; sexuelle Verschiedenheit des Schnabels bei eini- een I, 225: Ankunft der Männchen bei Zugvögeln vor den Weibchen I, 228; Beziehung zwischen Polygamie und mar- 412 Vost. kirter sexueller Verschiedenheit, I, 238; monogame werden unter Domestication polygam I, 238; Gier der Männchen beim V erfolgen der Weibchen I, 240; Zahlenverhältniss der Geschlechter bei wilden I, 272; secundäre Sexualcharac- tere II, 32; Grössenverschiedenheit der Geschlechter II, 36; Kämpfe der Männ- chen im Beisein der Weibehen u,41; Entfaltung der männlichen Reize um das Weibchen zu fesseln II, 42; Auf- merksamkeit auf den Gesang anderer II, 44; lernen den Gesang ihrer Pfleg- eltern IT. 47, brillante selten gute Sänger II, 47; Liebesgeberden und Tänze 1 58: Färbung II, 64 flede; Mauserung Il, 68 figde; nicht gepaarte 189; Männchen ausser der Zeit singend IL, 46, 93; gegenseitige Zuneigung I, 94: in Gefangenschaft unterscheiden Per- sonen Il, 96; Erzeugung hybrider II, 93; Zahl der europäischen H ‚109; Variabilität Pl.-,209: Abstufung der secundären Sexualcharactere URS: trübe gefärbte bauen verborgene Nester II, 147; junge Weibchen, welche männ- liche Charaetere annehmen 11,157; brüten im unreifen Gefieder I. 188: Mausern II, 189: Häufigkeit eines weis- sen Gefieders bei Wasser —n II, 201; vocale Werbung II, 290; nackte Haut am Kopf und Hals AI. 331. Vogt,.Carl, über den Ursprung der Ar- ten }, 1; über den Ursprung des Men- schen I, "3; über die halbmondförmige Falte beim Menschen I, 19, über die, Nachahmungsfähigkeit "mikrocephaler Idioten I, 47; über mikrocephale Idi- | oten I, 104: "über Schädel aus brasi- lianischen Höhlen I, 191; über die Entwickelung der Menschenrassen I, 203; über die Bildung des Schädels bei Frauen II, 278; über die Ainos und Neger II, 282 ; über die verstärkte Sexualverschiedenheit der Schädel beim Menschen mit Rassenentwickelung II, 289; über die Schiefe der Augen bei Chinesen und Japanesen II, 302. Vorziehen gewisser Männchen von weiblichen Vögeln II, 98. 107; Zeichen | Wallace, | eines —S beim Paaren der Säugethiere 119233: | Vulpian, Prof., über die Aehnlichkeit | des Gehirns des Menschen und der | höheren Affen I, 8. W. He; von Thieren ausgestellt I, 63, Register. Wadvösgel, Waffen, Wagner, Waitz, Walckenaer und Gervais, Waldeyer, Walker, | Walker ..;.E., Wallace, Wallace, mm dl nu 5 Wachshaut der Vögel, helle Farben II, 199. Fehlen secundärer Ge- schlechtscharaetere I, 238; doppelte Mauserung einiger II, 69: junge Tr. 191: von Affen angewandt, I, 45; Gebrauch I, 118; Angriffs- der Männ- chen I], 227; der Säugethiere II, 211 flede. R.. Vorkommen eines Dia- stema an einem Kafferschädel I, 109; über die Bronchen des schwarzen Storchs IJ, 52. Wahl des Männchens durch weibliche Vögel II, 86, 105. Wahrheit nicht selten zwischen Glie- dern desselben Stammes zu finden I, 81; von gewissen Stämmen hoch ge- schätzt I, 85, 86. Prof., "Zahl der Menschenarten I: 199; Farbe australischer Kinder II, 278; Bartlosigkeit der NegerIl,282;Nei- _ gung der Menschen sich zu schmücken II, 297; Erkrankung der Neger an tropischen Fiebern nach Aufenthalt in kaltem Clima I, 214; über japanesische und cochinchinesische Begriffe von Schönheit II, 305. über die Myriapoden I, 304. über den Hermaphroditis- mus der Wirbelthierembryonen I, 181. Alex,, über die bedeutende Grösse der Hände bei Arbeiterkindern 13101, über geschlechtliche Ver- schiedenheiten bei “Diptern 1234, Dr. A., über den Gebrauch der Tarsen männlicher Motten als Klammerorgane I, 226; über die Zucht des Ailanthus- Seidenspinners 1, 278; über die Zucht von Lepidoptern I, 278; Verhältnisse der Geschlechter bei Bom- byx cynthia, B. yamama und B. Pernyi von ihm gezogen I, 280; über die Entwickelung von Bomby.x c ynthia und B. yamamai 1, 309; über das Paaren von Bomb: ya € ynthia 1.2327; über die Befruchtung der Motten T 361. A TR: über den Ursprung des Menschen I. 3; über das Nach- ahmungsvermögen des Menschen I, 32; über den Gebrauch von Wurfgeschossen beim Orang I, 43; über die wechselnde Würdigung der Wahrheit bei ver- schiedenen Stämmen I, 86; über die Grenzen der natürlichen Zuchtwahl beim Menschen I, 119, 137; über das Vorkommen von Gewissensbissen bei Wilden I, 145; über die Wirkungen , “.Walross. Register. W echselfieber. 413 natürlicher Zuchtwah! Nationen I, 146: über den Nutzen der Convergenz der Haare am Elnbogen | beim Orang I, 168; über den Contrast der Charactere der Malayen und Pa- puas I, 190; über die Trennungslinie zwischen Malayen und Papuas I, 192; über die Geschlechter von Ornithoptera ceroesus 1, 276, über protective Aehn- lichkeiten I, 289; über relative Grösse der Geschlechter bei Insecten I, 309; über Elaphomyia I, 312; über Kampf- sucht der Männchen von Leptorhyn- | chus angustatus 1, 334; über Laute von Euchirus longimanus I, 339; über die Farben von Diadema 1, 346; über Kal- lima I, 349; über proteetive Färbung bei Motten I, 351; über glänzende Färbungen als Schutz bei Schmetter- lingen I, 352; Variabilität bei Papilio- niden I, 358; über das Bewohnen ver- schiedener Oertlichkeiten von männ- lichen und weiblichen Schmetterlingen I, 3559; über die protective Natur der düstern Färbung weiblicher Schmetter- linge I, 359°, 360, 369; über Nach- äfflung bei Schmetterlingen I, 366 ; über das Nachäffen von Blättern bei Phasmi- den I, 369; über die helle Färbung bei Raupen I, 370; über glänzende Fär- bung riffbewohnender Fische II, 14; über Corallenschlangen II, 26; über Paradisea apoda Il, 63, 66; über Ent- faltung des Gefieders von männlichen Paradiesvögeln II, 76; über Versamm- lungen von Paradiesvögeln II, 88; über Unstätigkeit der Augenflecken bei Hip- parchia Janira ll, 116; über geschlecht- lich beschränkte Vererbung 11,1134:: über sexuelle Färbung bei Vögeln II. 145, 171, 173, 176, 181; über die Be- ziehung zwischen den Farben und Nest- | bau bei Vögeln II, 145, 149; Cotin-, giden sind monogam I, 237; über die Färbung der Cotingiden II, 155: über die Paradiesvögel I, 237; Weibchen von Paradisea apoda und papuana II, 169; über das Brüten des Casuars II, 179; bung bei Vögeln 17% 196; über da Haar der Papuas I, 298; über den, Babyrussa II, 232; über die Zeich- nungen des Tigers II, 265; über die, Bärte des Papuas II, 282; über die Vertheilung von Haar über den mensch- | lichen Körper II, 230. Walross, Entwiekelung der Nickhaut 1.19 Stosszähne II, 212, 218; Ge- brauch der Stosszähne 177,225: Walsh, B. D., Verhältniss der Ge- I auf eivilisirte | über die schlechter bei Papilio turnus I, 276; über Cynipiden und Ceeidompiden TI, 281; über Klammerorgane männlicher Insecten I, 306; über Corydalis cor- nuta I, 306; über die Kiefer von Am- mophila I, 306; über die Antennen von Penthe I, 307; über die Schwanzan- hänge der Libellen I, 307; über Pla- typhyllum concavum I, 5348; über ge- schlechtlichen Farbenunterschied bei Speetrum femoratum I, 322; über die Geschlechter der Ephemeriden 1, 322; über Geschlechter der Libellen I. 322: über Geschlechtsverschiedenheit bei Ichneumoniden I, 326; über die Ge- schlechter von Orsodacna atra I, 328 ; über Abänderung der Hörner des männ- lichen Phanaeus carnifex I, 330; über die Färbung der Species von Antho- charis I, 350. aa bei Rindern und Antilopen II, 24 Wanderfalke findet verwittwet neue Gatten II, 91. Wande rheuschrecke 179253 Wanderinstinet der Vögel I, 67; be- siegt den mütterlichen I, 71, 77. Wanderungen des Menschen, kungen I, 117 Wangenbein, abnorme Theilung beim Menschen I, 107. Wanzen I, 312. Warington, R., über die Gewohnheiten des Stichlings II, 2, 17;. über die bril- lante Färbung des männlichen Stich- lings in der Laichzeit 11, 12. Wärme, vermuthete Wirkungen der I, 100. Warnungsrufe der Affen I, 48. War zenschwein, Stosszähne und Kis- sen II, 23 We ele Herbstgesang II, 46 Wasserhund, "Ueberlegung I, 40. 'Wassersalamander II, 20. Wasservögel, häufiges Vorkommen weissen Gefieders IR; 201. Waterhouse, C.O,, über blinde Käfer 1,-327:; über geschlechtliche Farben- verschiedenheiten bei Käfern I, 328. | Waterhouse, G. R., über die "Stimme des Hylobates agilis 11.291, Waterton, C., über das Paaren einer Canadagans mit einem Bernikelgän- | serich IT, 99; über Hasenkämpfe II, 210; über den Glöcknervogel II, 68. N eale, J. Mansel, über eine südafri- kanische Raupe I, 370. ei Dr., über die Weisheitszähne | bp) Wechselfieber bei einem Hunde 130. Wir- 414 Wedgwood. Register. Whately. ; Wedgewood, Hensleigh, über den Ur- sprung der Sprache I, 47. Weibchen, Benehmen der — während der Werbung I, 241: Vorkommen ru- dimentärer männlicher Organe bei —, I, 181; Vorliebe für gewisse Männchen I, 231; von Männchen verfolgt I, 240; Vorkommen secundärer Sexualcharac- tere I, 244; Entwickelung männlicher Charactere I. 247. Weibliche Vögel, Verschiedenheiten derselben II, 169. Weir, Harrison, über Zahlenverhältnisse der Geschlechter bei Schweinen und Kaninchen I, 271: über die Geschlech- ter: junger Tauben I, 272: über die Gesänge der Vögel II, 44; über Tau- ben II, 95; über den Hass blauer Tau- ben gegen anders gefärbte Varietäten II, 105; über weibliche Tauben, die ihre Gatten verlassen II. 104. | Weir, J. Jenner, über die Nachtigall und den Plattmönch I, 229; über die bei manchen Vögeln II, 203; bei Säu- gethieren, die schneeige Länder be- wohnen II, 262. Weisskehlchen, luftiger Liebestanz des Männchens II, 58. Welcker, über Brachycephalie und Do- lichocephalie I, 128; über sexuelle Verschiedenheiten im menschlichen Schädel II, 278. Wells, über die Immunität gefärbter Rassen gegen gewisse Gifte I, 214. Werkzeuge, von Affen benutzt I, 43; Formen von —n dem Menschen eigen- thümlich I, 44; Gebrauch der —, I, 118; Feuerstein- —, I, 160. Westring, über Stridulation des männ- lichen T'heridion I, 304; über die Stri- dulation von Redwvius personatus 1, 313; über Stridulation von Käfern I, 338; über die Stridulation von Oma- loplea brunnea I, 339; über Laute von Öychrus 1, 340; über Stridulations- organe der Coleoptern I, 340. relative Geschlechtsreife männlicher |Westphalen, grösseres Verhältniss Vögel I, 230; weibliche Tauben ver- lassen ihre schwachen Gatten I, 231; über drei, dasselbe Nest besuchende Staare I, 237; Geschlechtsverhältniss bei Machetes pugnax und andern Vö- geln I, 272; über die Färbung der Triphaenae 1, 351; über das Ver- schmähen gewisser Raupen von Vögeln I, 371; über Geschlechtsverschieden- ‚heiten im Schnabel des Stieglitz II, 33; über den Zweck des Singens der Nachtigall II, 44; über einen pfeifen- den Gimpel II, 44; über Singvögel II, 45; über die Kampfsucht männlicher schöngefiederter Vögel II, 80; über die Werbungen der Vögel II, 81: Wander- und Thurmfalken finden neue Gatten II, 91; über Gimpel und Staare II, 91, 92; über zu dreien lebende Staare und Papageyen II, 93; über die Ur- sache des Nichtgepaartbleibens bei Vö- geln II, 94; über Farbenerkennung bei Vögeln II, 96: über hybride Vögel II, 99; ein weiblicher Canarienvogel wählt sich einen Grünfinken II, 100; ein Fall |. von Rivalität zwischen weiblichen Gim- peln II, 106; über die Reife des Gold- fasans II, 187. Weisbach, Messungen von Menschen verschiedener Rassen I, 190; über die grössere Variabilität der Männer im Vergleich zu der der Frauen I, 243; weiblicher unehelicher Kinder I, 267. Westropp, über das Vorherrschen ge- wisser Formen von Zierathen I, 205. Westwood, J. O, über die Classifica- tion der Hymenoptern I, 164; über die Culieiden und Tabaniden I, 224; über ein parasitisches Hymenopter mit sitzen- dem Männchen I, 241; über das Ver- hältniss der Geschlechter bei Zucanus cervus und Siagontum I, 281; über das Fehlen der Ocellen bei weiblichen Mutilliden I, 505; über die Kiefer von Ammophila I, 306; über das Paaren von Inseeten verschiedener Arten I, 306; über den männlichen Crabro eri- brarius I, 307; über die Kampfsucht männlicher Tipulae I, 312: über die Stridulation von Pirates stridulus I, 313; über die Cieaden I, 313; über die Stridulationsorgane der Grillen I, 316; über Pneumora I, 319; über Ephippiger vitium 1, 317, 320; über die Kampfsucht der Mantiden I, 321; über Platyblemmus I, 322; über Ge- schlechtsverschiedenheit bei den Agrio- niden I, 322; über die Kampfsucht einer männlichen Tenthredinide 1, 325; über Bledius taurus und Siagonium TI, 333, 354; über die Kampfsucht des männlichen Hirschkäfers I, 334; über lamellicorne Käfer I, 336; über die Färbung von Lithosia I, 352. über die relativen Körperproportionen | Whately, Erzbischof, Sprache nicht der Geschlechter verschiedener Men- schenrassen II, 284. Re ; Ä Weisse Farbe, eine sexuelle Zierath dem Menschen eigenthümlich I, 45; über die primitive Civilisation des Men- schen I, 158, Whewell. Register. w Wüsten. 5 4 Fr ewell, über mütterliche Zuneigung 39% W hite, Gilbert, über der Geschlechter beim Rebhuhn 1,272; über die Hausgrille I, 315; über den Zweck des Gesangs der Vögel II, 45; über das Finden neuer Gatten von ver- wittweten weissen Eulen Il, 91; über Frühjahrsbruten männlicher Rebhüh- ner II, 95 Widder, Art zu kämpfen II, 219; Mälıne eines afrikanischen II, 250; fett- schwänziger II, 250. Wiedehopf II, 48; chens 11, 54. Wiederkäuer, männliche, Verschwin- den der Eckzähne I, 124; II, 285; meist polygam I, 235; Analogie mit lamellicornen Käfern L 332; Suborbi- taldrüsen II, 246: geschlechtlicher Far- benunterschied II, 252. Wilckens, über die Moditication der domestieirten Thiere in bergigen Ge- genden I, 104; über das Zahlenver- hältniss zwischen Haaren und Drüsen- öffnungen bei Schafen I, 219. Wilde, Nachahmungsvermögen I, 47, 139; Ursachen der niedrigen Moralität I, 83; Gleichförmigkeit übertrieben I, 96; Weitsichtigkeit I, 102; Verhält- niss der Zunahme gewöhnlich gering I, 114; Erhaltung des Greifvermögens der Füsse I, 122; Stämme verdrängen einander I, 139; Fortschritt der Kunst- fertigkeiten I, 159; Künste I, 206; Liebe zu roher Musik II, 58; Auf- merksamkeit der persönlichen Erschei- nung gewidmet II, 297; Geschlechter II, 319. Laute des Männ- Wilder, grössere Häufigkeit überzähli- ger Finger bei Männern als bei Frauen T, 243. Williams, über die Hochzeitsgebräuche der Fiji-Eingebornen U, 329. Wilson, ri II, 308; über der Fiji- -Inseln II, 308; über die Dauer der Mode, den Schädel zusammenzu- drücken IL 309. Windhunde, N erhältniss der Ge- schlechter I, 252, 234; Zahlenverhält- niss Meanlıaker und w eiblicher Gebur- ten I, 269. Winter, Farbenveränderung der Säuge- thiere im —, II, 262, Wirbelthiere II, 1; gemeinsamer Ur- sprung I, 177; älteste Urerzeuger I, 185; Ursprung der Stimme bei luft- athmenden —n II, 290. _ das Verhältniss | Beziehung der | über die conischen Köpfe der Eingebornen des nordwestlichen Ame-, die Eingebornen | Wittwen und Wittwer, Sterblichkeit I, 154. Wittwenvogel, polygam 1,237; Hoch- zeitsgefieder des Männchens I, 72, 85; Weibchen verschmäht das unge- schmückte Männchen II, 105. Wohlstand, Einfluss I, 147. Wohlwollen von Vögeln gezeigt II, 95. Wolf, Winterabänderung Il, 262; lernt von Hunden bellen I, 36; jagt in Ru- deln I, 63; schwarzer II, 258. Wolff, über die Variabilität der Ein- geweide des Menschen I, 9. Wolftsche Körper I, 181; Ueberein- stimmung mit den Nieren der Fische 1...19. Wollaston, T. V., über Eurygnathus I, 508; über musikalische Cureulioni- den I, 336; über Stridulation von Acal- les I, 342. Wombat, schwarze Varietäten II, 258. Wonfor, über sexuelle Eigenthümlich- keiten in den Flügeln der Schmetter- linge I, 508. Wood, J., über Muskelabänderungen beim Menschen I, 94, 110, 111; über die grössere Variabilität der Muskeln beim Mann als bei der Frau I, 243. Wood, T. W., über die Färbung des Aurorafalters I, 351; über die Gewohn- heiten der Saturniiden I, 354; über die Gewohnheiten von Menura Alberti Il, 47; über Tetrao cupido II, 48; über die Entfaltung des Gefieders vom männ- lichen Fasanen ll, 76; über die Augen- flecke des Argustasans II, 125; über die Gewohnheiten des weiblichen Ca- suars II, 179. Woolner, Beobachtungen über menschliche Ohr I, 18. Wormald, über die Färbung von Hy- popyra I, 359. right, e: A., über die Jungen von Oroe etes und Petrocinela 11.9932 Wright, Chauncey, über correlative Er- werbung II, 294; über die Vergrösse- rung desGehirns beim Menschen II, 344. Wright, über den schottischen Hirsch- hund IL, 250: über geschlechtliche Vorliebe bei Hunden II, 258; über das Verschmähen eines Hengstes von einer Stute II, 239. R Wright, W. von, über das protective Gefieder des Schneehuhns Il, 70 Wunden, das Heilen von —, I, 10. Würger, Charactere der jungen II, 162; Drongo-, II, 156. Wurmförmiger Fortsatz I, 22 Wüsten, proteetive Färbung von Thie- ren, die — bewohnen II, 196. das W ER 0 77% a. iM. *r a 2% nr : ne Yale ' N ed u’: 46 Wuth. RR > Zygaenidae. ” na Wr . 4 = - .# " Wut, Zeche von — Peer 33. 298; Schneide- ausgeschlagen oder; ge. yman, J., Verlängerung des Coccyx beim menschlichen Embryo I, 13; Zu- stand der grossen Zehe beim mensch- lichen Embryo I. 13; Abänderungen der Schädel bei den Eingebornen der Sandwich-Inseln I, 93; über das Aus- | brüten der Eier in der Mund- nnd Kiemenhöhle männlicher Fische I, 185; 1, 17. X. Xenarchus, über die Cicaden I, 313. Xenorhynchus, geschlechtlicher Farben- unterschied der Augen II, 112. Xiphophorus Hellerii, eigenthümliche Analflosse des Männchens II, 8. Xylocopa, Verschiedenheitder Geschlech- ter I, 326. Y. Yarrell, W.. über die Gewohnheiten der Cypriniden 1, 275; über Raya clavata II, 2; über die Üharactere des männlichen Lachses während der Laich- zeit II, 3, 11; über die Charactere der Rochen II, 5; über den »gemmeous dragonet« IL, 6; über das Laichen des ‚Lachses II, 16: über das Brüten der 3 Lophobranchier II, 18; über Rivalität ‚bei Singvögeln II, 45: über die Luft- röhre des Schwans IT, 52; über das Mausern der Anatiden IL, 75, über ein Beispiel von Nachdenken bei einer Möve II, 94; über die Jungen von Wadvögeln 1I, 191. Youatt, “über die Entwickelung der Hör- ner beim Rind I, 256. Yura-caras, ihre Begriffe von Schön- heit II, 305. 2. Zählen, Ursprung des —s, I, 158; be- schränkte Fähigkeit beim Urmenschen I, 206. Zahlzeichen, römische I, 158. Zähne, rudimentäre Schneide- bei Wie- derkänern I, 14; hintere Backzähne beim Menschen ri 21; Weisheits-, TI, 26; Verschiedenheit * I Eckzähne der Urerzeuger des Menschen I, 180; Eck- männlicher Sängethiere II, 21l:ı beim Menschen durch Correlation ver- kleinert II, 284; Färben der —, I, feilt hei einigen Wilden II, 299. Zauberei I, 58. Zebra, Verschmähung eines Esels durch ein weibliches —, 11, 259: Streifen des —, II, 265. Zebu, Höcker des —, II, 250. Zehe, grosse, Zustand beim mensch- lichen Embryo I, 13; bei den Urer- zeugern des Menschen I, 180. Zeichnungen, durch ganze Gruppen von Vögeln beibehalten II, 115. Zeisig II, 73; paart sich mit einem Ca- narienvogel II, 100. Zickzacks, Vorherrschen in Ornamen- ten I, 205. Ziege, männliche wilde, fällt auf die Hörner II, 219; Geruch der männli- chen II, 246; Haarkamm der wilden männlichen II, 248; Mähne, Wamme u. s. w. der männlichen Berbura-, II, 250; geschlechtlicherFarbenunterschied der männlichen Kemas-, II, 254. Ziegen, geschlechtliche Ver schiedenhei- ten der Hörner I, 250; Hörner I, 256; 1,217; domestieirte, "Sexualverschie- denheiten spät entwickelt I, 259; Bärte Il, 249; Kampfart II, 219, 220. Ziegenmelker, virginischer, Paaren des —, II, 41. Zigeuner, Gleichförmigkeit der, auf der ganzen Erde I, 213. Zincke, über europäische Auswande- rung nach: Amerika I, 156. Zitzen, fehlen bei Monotremen jr 182. Zitzenfortsätze bei Menschen. und Affen I, 124. : Zootoca vivipara, geschlechtlicher Far- benunterschied II, 30. Zuchtwahl, doppelte I, 244; metlıo- dische, preussischer Grenadiere I, 96; geschlechtliche,, Einfluss auf die Far- ben der Lepidoptern I, 359; Erklärung der geschlechtlichen I, 295, 250, 239: geschlechtliche und natürliche gegen- einander gehalten I, 245. Zunahme, Verhältniss der —, I, 113: Noth wendigkeit von Hemmnissen I, 116. Zuneigung s. Affeetion. Zweihänder ], 165. Zwerghirsche, Eckzähne II, 226. Zwergreiher, Färbung der Geschlech- ter II, 156. Zwillinge, Neigung zu —n erblich I, 114. | Zygaenidae, Färbung I, 352. Vet, Mu a PN . ! UNO SR h wi ) Y Y Ban en EEE TE nn LEERE RE et en GR Fer mu ee